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German Pages 387 Year 1996
JÖRN H E I M L I C H
Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe
Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael K l o e p f e r , Berlin
Band 71
Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des allgemeinen Gebührenrechts
Von
Jörn Heimlich
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Heimlich, Jörn:
Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe : zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des allgemeinen Gebührenrechts / von Jörn Heimlich. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum Umweltrecht ; Bd. 71) Zugl.: Marburg, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08891-3 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-08891-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde Ende 1995 abgeschlossen und im Februar 1996 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen. Wichtige nachfolgende Veröffentlichungen konnten jedoch noch berücksichtigt werden. Das gilt insbesondere für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den in Baden-Württemberg und Hessen erhobenen Wasserentnahmeabgaben, welche die im Rahmen dieser Untersuchung bereits erarbeiteten Ergebnisse im wesentlichen bestätigt hat. Selbstverständlich möchte ich hier all denjenigen danken, ohne die meine Dissertation nicht hätte entstehen können. An hervorgehobener Stelle ist der Erstgutachter, Herr Prof. Dr. Reinhard Hendler, zu nennen. Seine universitären Lehrveranstaltungen trugen entscheidend dazu bei, daß ich bereits von Beginn meines Studiums an ein besonderes Interesse für das Öffentliche Recht entwikkelte. Darüber hinaus war er mir nicht nur bei Auswahl und Bearbeitung des Promotionsthemas stets behilflich, sondern verstand es auch, während meiner Tätigkeit als studentische Hilfskraft bzw. wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl in Marburg in jeder Beziehung hervorragende Rahmenbedingungen für das wissenschaftliche Arbeiten zu schaffen. Letzteres gilt genauso für Herrn Prof. Dr. Steffen Detterbeck. Auch er gewährte mir, als ich nach dem Wechsel von Herrn Prof. Hendler zur Universität Regensburg an seinem Marburger Lehrstuhl mitarbeiten durfte, immer genügend Freiraum, um meine Promotion vorantreiben zu können. Zudem übernahm er es, das Zweitgutachten zu erstellen, wofür ich ihm herzlich danke. Wertvolle Unterstützung erfuhr ich ferner von Herrn Dr. Uwe Volkmann, der kritische Hinweise zur dogmatischen Konzeption der Arbeit lieferte, und von Frau stud. jur. Birgit Fehling, die gewissenhaft und zuverlässig das AbkürzungsVerzeichnis anfertigte. Auch bei meinen Eltern möchte ich mich herzlich bedanken. Sie sicherten die finanzielle Basis meines Studiums und gewährten mir auch ansonsten jegliche Art von Unterstützung. Ein ganz besonderer Dank gilt schließlich Sabine, die mir auf die ihr eigene Weise dazu verhalf, daß ich während der gesamten Zeit eine kreative Distanz zu meinem Promotionsvorhaben behalten konnte.
Marburg,
im Frühjahr
1996
Jörn
Heimlich
Inhaltsverzeichnis Einleitung
22
Α. Problemstellung
22
Β. Gang der Untersuchung
24
Erster Teil
Das herkömmliche Abgabensystem im Überblick
26
A. Begriff der öffentlich-rechtlichen Abgabe
26
B. Systematisierung
27
I. Steuern
27
II. Sonderlasten
28
III. Die Offenheit des Abgabensystems
30
Zweiter Teil
Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts A. Dogmatische Grundlagen I. Begriffsmerkmale der Gebühr
32 32 33
1. Leistung des Staates
33
2. Sonstige Merkmale
35
a) Einschränkungen hinsichtlich der Staatsleistung
35
b) Einschränkungen hinsichtlich des Gebührenzwecks
35
3. Terminologie a) Gefalle und Sportel
37 37
8
nsverzeichnis
b) Stempelgebühr und Stempelsteuer
38
c) Taxe
39
d) Regaliengebühr
40
e) Ergebnis
40
II. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
41
1. Die erbrachte Staatsleistung
41
2. Der Schutz der Steuerzahler
42
III. Gebührenbemessungsprinzipien
44
1. Kostentheorie
44
2. Nutzen- oder Werttheorie
46
3. Gesetzliche Anordnung von Bemessungsprinzipien
47
IV. Der gebührenrechtliche Kostendeckungszweck
48
1. Kostendeckungszweck und Bemessungsprinzipien
49
2. Kostendeckungszweck und Rechtfertigung der Gebührenerhebung
49
3. Ergebnis
52
B. Darstellung ausgewählter Abgabenarten
52
I. Abgaben für Dispense
53
II. Abgaben für die Einräumung von sonstigen Rechten
54
1. Wirtschaftlich nutzbare Rechte a) Abgaben für Gewerbekonzessionen
54
b) Abgaben für die Konzession zur Personenbeförderung
56
c) Bergwerksabgabe
57
d) Patentrechtsabgaben
58
e) Abgaben für die Konzession zur Papiergeldemission
59
2. Rechte ohne direkten wirtschaftlichen Bezug
60
a) Aufenthaltsgeld, Bürgerrechtsgeld und Einkaufsgeld
60
b) Nobilitierungsgelder
62
c) Radfahrgebühr
63
III. Zusammenfassende Würdigung C. Fazit
54
64 66
Inhaltsverzeichnis
9
Dritter Teil
Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik A. Dogmatische Grundlegung
68 68
I. Einleitung
68
II. Die verschiedenen Problemkomplexe des Gebührenrechts
72
III. Die funktionalistische Gebührendogmatik
74
1. Die Trennung gebührenrechtlicher Ebenen
74
2. Die Beziehungen der gebührenrechtlichen Ebenen züeinander
77
3. Die Offenheit für Wertungen
79
4. Fazit
82
B. Begriffsmerkmale der Gebühr
83
I. Aussagen des Grundgesetzes
83
IL Von der Literatur entwickelte Gebührenbegriffe
86
1. Der formale Gebührenbegriff
87
2. Der materielle Gebührenbegriff.
89
3. Der doppelgliedrige Gebührenbegriff.
90
4. Der monopolistische Gebührenbegriff
91
III. Gebührenbegriffe der Rechtsprechung
92
1. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
92
2. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
94
IV. Kritische Würdigung
95
1. Kritik des monopolistischen Gebührenbegriffs
95
2. Kritik des materiellen Gebührenbegriffs
97
3. Kritik des formalen Gebührenbegriffs
100
a) Grundsätzliche Bedenken
103
b) Gebühr und spezielle Kostendeckung
106
c) Ergebnis
113
V. Der streng formale Gebührenbegriff
113
1. Argumente für ein streng formales Gebührenverständnis
114
2. Mögliche Einwände
119
3. Streng formaler und doppelgliedriger Gebührenbegriff
124
10
nsverzeichnis
4. Ergebnis und Terminologie
125
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
126
I. Notwendigkeit der Rechtfertigung
126
II. Möglichkeiten der Rechtfertigung
129
1. Kosten Verantwortlichkeit
131
2. Vorteilsausgleich
132
a) Vorteilsausgleich und Grundrechte
135
aa) Der allgemeine Gleichheitssatz
135
bb) Das Gemeinwohl
141
(1) Begriff und Inhalt
141
(2) Gemeinwohl und Gebührenerhebung
145
cc) Ergebnis b) Vorteilsausgleich und Finanzverfassung,
149 149
aa) Problemstellung
149
bb) Das Prinzip Steuerstaat
151
( 1 ) Inhalt und Bedeutung (2) Die Zulässigkeit von Abweichungen
151 154
cc) Die vorteilsausgleichende Gebühr als Abweichung vom Steuerstaatsprinzip c) Ergebnis D. Gebührenbemessungsprinzipien I. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Äquivalenzprinzip
156 159 159 160
1. Begriff des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
160
2. Begriff des Äquivalenzprinzips
162
3. Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Gebührenrecht
164
4. Geltung des Äquivalenzprinzips im Gebührenrecht
166
a) Positionen innerhalb der Rechtsprechung
166
b) In der Literatur vertretene Positionen
168
aa) Ablehnung von Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Äquivalenzprinzip
168
nsverzeichnis
bb) Anerkennung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei gleichzeitiger Ablehnung des Äquivalenzprinzips
170
c) Die rechtliche Identität von Äquivalenzprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
171
5. Ergebnis
175
6. Äquivalenzbeziehungen
176
a) Gebührenhöhe und Wert der Leistung
177
b) Gebührenhöhe und Kosten der Leistung
178
c) Die Gleichrangigkeit von Kosten- und Wertmaßstäben
179
II. Das Kostendeckungsprinzip
180
1. Begriff, Inhalt und Abgrenzung
180
2. Geltung des Kostendeckungsprinzips im Gebührenrecht
183
a) Befürworter einer gebührenimmanenten Geltung
184
b) Gegner einer gebührenimmanenten Geltung
185
aa) Die Position der Rechtsprechung
185
bb) Stimmen der Literatur
187
c) Das Kostendeckungsprinzip im gebührendogmatischen System
188
aa) Kostendeckungsprinzip und Gebührenbegriff
189
bb) Kostendeckungsprinzip und Rechtfertigung von Gebühren
190
cc) Kostendeckungsprinzip und Äquivalenzprinzip
191
dd) Die Bemessungsprinzipien und das funktionalistische Gebührenverständnis
192
ee) Differenzierung nach Gebührentypen?
195
ff) Kostendeckungsprinzip und Willkürverbot
197
III. Ergebnis
198
E. Gebührenzwecke
199
I. Gebührenimmanente Zwecke
199
II. Fakultative Gebührenzwecke
199
1. Kostendeckung, Vorteilsausgleich und Wertabschöpfung
200
a) Folgerungen aus den Gebührenrechtfertigungsgründen
200
b) Insbesondere Vorteilsausgleich und Wertabschöpfung
202
12
nsverzeichnis
aa) Präzisierungen
202
bb) Stellungnahmen von Rechtsprechung und Literatur
203
cc) Die gebührenrechtliche Gleichbehandlung entstandener Werte
205
dd) Ergebnis
207
2. Lenkung und Gewinnerzielung
207
a) Lenkung
207
b) Gewinnerzielung
208
III. Die Ermittlung des Gebührenzwecks
Vierter
211
Teil
Die Verleihungsgebühr A. Der gegenwärtige Meinungsstand im Überblick
212 212
I. Rechtsprechung
212
II. Literatur
215
III. Der weitere Gang der Untersuchung
216
B. Begriff und Abgrenzung I. Begriff
217 217
1. Die Staatsleistung als begriffsbestimmendes Merkmal
217
2. Begriffsbildungen von Rechtsprechung und Literatur
218
a) Verleihung eines Rechts
218
aa) Tatbestand liehe Einschränkungen
219
bb) Tatbestandliche Erweiterungen
220
b) Übertragung wirtschaftlicher Werte
221
3. Die Rechtsverleihung als einziges Begriffselement
222
4. Ergebnis
228
II. Abgrenzung
228
1. Abgrenzungskriterien
228
2. Abgrenzung zu Sonderabgabe und Steuer
230
3. Abgrenzung zum Beitrag
233
4. Abgrenzung zu Verwaltungs- und Benutzungsgebühr
233
nsverzeichnis
C. Rechtfertigung
234
I. Anknüpfung an die allgemeine Gebührendogmatik
234
II. Der Kreis gebührenfahiger Rechte
236
1. Vorteilhaftigkeit
236
a) Stellungnahmen von Rechtsprechung und Literatur
236
b) Vorteilhaftigkeit als Grundrechtsproblem
238
aa) Präventive und repressive Verbote
238
(1) Begriff und Abgrenzung
238
(2) Rechtfertigung
242
(3) Konsequenzen
245
(a) Das präventive Verbot
245
(b) Das repressive Verbot
247
(4) Ergebnis bb) Der gebührenfähige Vorteil c) Ergebnis 2. Wirtschaftliche Nutzbarkeit
255 255 264 265
a) Stellungnahmen von Rechtsprechung und Literatur
265
b) Folgerungen aus Finanzverfassung und Gleichheitssatz
266
c) Der Kreis wirtschaftlich nutzbarer Rechte
269
d) Ergebnis
272
3. Ergebnis
272
D. Bemessung und Zweck
272
I. Der Zweck der Verleihungsgebühr und sein Verhältnis zur Bemessung
272
IL Der Wert des verliehenen Rechts
274
1. Die Wertbemessung im geltenden Gebührenrecht
274
2. Präzisierungen
277
3. Mögliche Kriterien
280
a) Der Betrag des tatsächlich Erwirtschafteten
280
b) Der Betrag des fiktiv Erwirtschafteten
281
aa) Der gebührenrechtliche Wahrscheinlichkeitsmaßstab
282
bb) Das Instrument der Schätzung im Steuerrecht
283
14
nsverzeichnis
cc) Die Schätzung des Wertes verliehener Rechte c) Ergebnis
285 287
4. Sonstige Bemessungsvorgaben
288
5. Die gerichtliche Kontrolldichte
290
6. Ergebnis
295
III. Verfassungsrechtliche Vorgaben
295
1. Äquivalenzprinzip
295
2. Finanzverfassung
296
3. Grundrechte
299
a) Die Eigentumsgarantie
299
b) Der allgemeine Gleichheitssatz
301
IV. Formulierungsvorschlag
302
E. Die Verleihungsgebühr als Wertungsproblem
303
I. Gebührendogmatischer Befund
303
II. Unberechtigte Einwände gegen die Verleihungsgebühr
304
1. Verstoß gegen Gleichheitsprinzipien
304
2. Anachronismus
305
3. Preis für Freiheit
306
III. Die offene Flanke der Verleihungsgebühr F. Sonstige Aspekte der Verleihungsgebühr
Fünfter
307 313
Teil
Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
317
A.Allgemeines
317
B. Einzelne Abgaben
319
I. Abgaben für Wasserentnahmen 1. Das baden-württembergische Wasserentnahmeentgelt
319 319
a) Rechtliche Ausgestaltung
319
b) Qualifizierung als Verleihungsgebühr?
320
2. Die Gebühr für Wasserbenutzungen in Brandenburg und Niedersachsen.. 323
nsverzeichnis
a) Rechtliche Ausgestaltungen
323
b) Qualifizierung als Verleihungsgebühr?
324
3. Die schleswig-holsteinische Grundwasserentnahmeabgabe
325
a) Rechtliche Ausgestaltung
325
b) Qualifizierung als Verleihungsgebühr?
326
4. Weitere landesrechtliche Wasserentnahmeabgaben
327
5. Die Hamburger Gebühr fur Grundwasserentnahmen
329
a) Rechtliche Ausgestaltung
329
b) Qualifizierung als Verleihungsgebühr
330
c) Rechtfertigung
334
aa) Vorteilhaftigkeit
334
bb) Wirtschaftliche Nutzbarkeit
335
cc) Gleichheit und Gemeinwohl
336
dd) Ergebnis
338
d) Bemessung und Zweck
338
e) Sonstige Aspekte
342
f) Ergebnis
343
6. Die Bremer Grundwasserentnahmegebühr
343
a) Rechtliche Ausgestaltung
343
b) Qualifizierung als Verleihungsgebühr
344
c) Rechtfertigung, Bemessung und sonstige Aspekte
345
d) Ergebnis
346
II. Das nordrhein-westfälische Lizenzentgelt
346
1. Rechtliche Ausgestaltung
346
2. Qualifizierung als Verleihungsgebühr
347
3. Rechtfertigung
349
a) Vorteilhaftigkeit aa) Die tatsächlich erteilte Lizenz (1) Formelle Verfassungsmäßigkeit: Gesetzgebungskompetenz (2) Materielle Verfassungsmäßigkeit: Art. 12 Abs. 1 GG (3) Ergebnis
349 349 351 353 357
16
nsverzeichnis
bb) Die fiktiv erteilte Lizenz
357
cc) Ergebnis
358
b) Wirtschaftliche Nutzbarkeit
359
c) Ergebnis
359
4. Bemessung und Zweck
360
5. Sonstige Aspekte
363
6. Ergebnis
364
Zusammenfassung
366
Literaturverzeichnis
372
Sachverzeichnis
385
Abkürzungsverzeichnis a. Α. a. a. 0. AbfG Abs. AcP a. E. AgrarR allg. AO AöR Art. Aufl. ausf. BadStGH BauGB BaWüLandesGebG BaWüWG BayVBl. BayVerfGH BayVGH BayWG BB BbgGebG BbgWG Bd. begr. Bek. BerlWG bez. BFStrG BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BHO Bl. 2 Heimlich
andere(r) Ansicht am angegebenen Ort Abfallgesetz des Bundes Absatz, Absätze Archiv für die civilistische Praxis am Ende Agarrecht allgemein(e) Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Auflage ausführlich Badischer Staatsgerichtshof Baugesetzbuch Baden-Württembergisches Landesgebührengesetz Wassergesetz für Baden-Württemberg Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Bayerisches Wassergesetz Betriebs-Berater Gebührengesetz für das Land Brandenburg Wassergesetz für das Land Brandenburg Band begründet Bekanntmachung Berliner Wassergesetz bezüglich Bundesfernstraßengesetz Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofes Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Bundeshaushaltsordnung Blatt
18
BNatSchG BrGruWEGG BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BWVP bzw. DB dems. dens. ders. DGemStZ d.h. Diss. DM DÖV DrS DStZ DVB1. EG entspr. ESVGH etc. EuGH EvStL EWG f, ff FAG FernmeldeanlagenG FGO FinArch Frh. FStrG Fußn. GBl. GewArch GG ggf. GKG grdl. GrS GVB1. h. M.
Abkürzungsverzeichnis
Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege Bremer Gesetz über die Erhebung einer Grundwasserentnahmegebühr Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerfG Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerwG Baden-Württembergische Verwaltungspraxis beziehungsweise Der Betrieb demselben denselben derselbe Deutsche Gemeindesteuer-Zeitschrift das heißt Dissertation Deutsche Mark Die öffentliche Verwaltung Drucksache Deutsche Steuer-Zeitung Deutsches Verwaltungsblatt Europäische Gemeinschaft entsprechend Sammlung der Entscheidungen des hessischen und des badischen VGH et cetera Europäischer Gerichtshof Evangelisches Staatslexikon Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgende(r) Seite(n)/Paragraph(en) Finanzausgleichsgesetz Fernmeldanlagengesetz Finanzgerichtsordnung Finanzarchiv Freiherr Fernstraßengesetz Fußnote Gesetzblatt Gewerbearchiv Grundgesetz gegebenenfalls Gerichtskostengesetz grundlegend Großer Senat Gesetz- und Verordnungsblatt herrschende Meinung
Abkürzungsverzeichnis
HambGruwaG HambOVG HannGS HannStO HdUR Herv. HessAbfG HessGruwAG HessGVBl. HessKAG HessVerwKostenG HGrG Hrsg. hrsg. HStR i. d. F. idR i. Erg. insbes. IUR i. V. m. JA jew. Jhg. JR Jura JurA JuS JW JZ KG Kgr. KostenO krit. KStZ lit. LizenzentgeltVO LKV LM MeVoVerwKostenG MeVoWG
Hamburger Gesetz über die Erhebung einer Gebühr für Grundwasserentnahmen Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Hannoversche Gesetzessammlung Hannoversche revidierte Städteordnung Handwörterbuch des Umweltrechts Hervorhebung Hessisches Abfallwirtschaftsgesetz Hessisches Gesetz über die Erhebung einer Abgabe für Grundwasserentnahmen Hessisches Gesetz- und Verordnungsblatt Hessisches Gesetz über kommunale Abgaben Hessisches Verwaltungskostengesetz Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder Herausgeber herausgegeben Handbuch des Staatsrechts in der Fassung in der Regel im Ergebnis insbesondere Informationsdienst Umweltrecht in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter jeweils Jahrgang Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Analysen Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kammergericht Königreich Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Kostenordnung) kritisch Kommunale Steuer-Zeitschrift Buchstabe Verordnung über die Festsetzung der Lizenzentgelte nach dem Landesabfallgesetz Landes- und Kommunalverwaltung Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des BGH Verwaltungskostengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern Wassergesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern
20
Mio. m. w. Ν. Nachw. NdsVerwKostenG NdsWG NJW Nr. NRWGebG NRWLAbfG NuR NVwZ NVwZ-RR NWVB1. o. o. g. OVG OVGE PostverwG PrGS PrOVGE PrVBl. RAO RFHE RGBl. RGZ Rn. Rspr. RTheorie RVB1. s. S. s. o. s. u. SaAnWG SaarlGebG SächsVBl. SächsWG SHGruWAG sog. Sp. StGB
Abkürzungsverzeichnis
Millionen mit weiteren Nachweisen Nachweis(e) Niedersächsisches Verwaltungskostengesetz Niedersächsisches Wassergesetz Neue Juristische Wochenschrift Nummer(n) Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Abfallgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter oben oben genannt(e) Oberverwaltungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen der OVGe Lüneburg und Münster Postverwaltungsgesetz Preußische Gesetzessammlung Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Preußisches Verwaltungsblatt Reichsabgabenordnung Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgesetzblatt Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer(n) Rechtsprechung Rechtstheorie Reichsverwaltungsblatt siehe Seite siehe oben siehe unten Wassergesetz für das Land Sachsen-Anhalt Gesetz über die Erhebung von Verwaltungs- und Benutzungsgebühren im Saarland Sächsische Verwaltungsblätter Sächsisches Wassergesetz Schleswig-Holsteinisches Gesetz über die Erhebung einer Grundwasserentnahmeabgabe sogenannte(r) Spalte(n) Strafgesetzbuch
Abkürzungsverzeichnis
str. st. Rspr. StuW ThürOVG ThürWG u. u. a. UPR usw. v. VB1BW Verf. VerwArch. VerwKostenG VerwRspr. VG VGH vgl. Vorbem. VVDStRL VwGO VwVfG WHG WiVerw WUR z. zahlr. z. B. ZfU ZfW ZIP zit. z. T.
streitig ständige Rechtsprechung Steuer und Wirtschaft Thüringisches Oberverwaltungsgericht Thüringer Wassergesetz unten unter anderem; und andere Umwelt- und Planungsrecht und so weiter vom, von Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verfasser Verwaltungsarchiv Verwaltungskostengesetz des Bundes Verwaltungsrechtsprechung Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vorbemerkung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts Wirtschaft und Verwaltung Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrecht zu; zum ; zur zahlreich(en) zum Beispiel Zeitschrift für Umweltpolitik Zeitschrift für Wasserrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert zum Teil
Einleitung Α. Problemstellung Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob die Verleihungsgebühr neben Verwaltungs- und Benutzungsgebühr als dritter Gebührentyp anzuerkennen ist. Eine Verleihungsgebühr wird als Entgelt für die Verleihung eines Rechts durch den Staat erhoben 1. Umstritten ist, ob sich eine derartige Abgabe in das herkömmliche Gebührensystem einfügt, oder ob gebührendogmatische Grundsätze ihrer Befürwortung entgegenstehen. Darüber hinaus werden noch weitere, insbesondere finanzverfassungsrechtliche Bedenken gegen sie ins Feld geführt. Es besteht also Anlaß, die herkömmliche Dogmatik und die Leistungsfähigkeit des Gebührenrechts sowie des Finanzverfassungsrechts einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Ein solches Vorhaben ist umso notwendiger, als die einschlägigen, das Gebührenrecht grundlegend behandelnden Monographien bis auf eine Ausnahme2 allesamt älteren Datums sind3. Zwar werden vereinzelt auch neuere Denkanstöße gegeben, diese beziehen sich allerdings nur auf Teilaspekte4. Es kommt hinzu, daß das Bundesverfassungsgericht zum einen in seinem für das Gebührenrecht grundlegenden Beschluß zum nordrhein-westfälischen Gebührengesetz mehr Fragen aufwirft als beantwortet, was aus dem recht apodiktischen und dezisionistischen Charakter der Entscheidung resultiert 5. Zum anderen betont das Gericht in seiner jüngsten abgabenrechtlichen Entscheidung zu den in Baden-Württemberg und Hessen erhobenen Wasserentnahmeentgelten, daß es zu abgabenrechtlichen Problemen nur Stellung nimmt, sofern das Verfassungsrecht betroffen ist6. Fragen der dogmatischen Strukturierung des Gebührenrechts bleiben also weitgehend der Wissenschaft überlassen. 1
Der exakte, die Zahlungspflicht auslösende Tatbestand soll an dieser Stelle noch dahinstehen. Ausf. dazu unten 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 3. 2 Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, 1995. 3 Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973; Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, 1975; F. Kirchhof Die Höhe der Gebühr, 1981. 4 Vgl. insbes. Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 518 ff (erschienen 1989) und Murswiek, NuR 1994, 170 ff. 5 6
BVerfGE 50, 217 ff (insbes. S. 225-227, 233). BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360).
Α. Problemstellung
23
In jüngerer Zeit sind mancherlei Vorstöße unternommen worden, welche die Anerkennung von Verleihungsgebühren zum Ziel haben. Ferdinand Kirchhof versucht, sie in das herkömmliche Abgabensystem einzufügen und ihre Eignung als Umweltabgabe darzulegen, wobei die Ausführungen im Rahmen eines fachwissenschaftlichen Zeitschriftenaufsatzes zwangsläufig knapp ausfallen müssen7. Oliver Horn qualifiziert die bergrechtlichen Feldes- und Förderabgaben als Verleihungsgebühren und folgert aus dieser Zuordnung, daß der Abgabentyp der Verleihungsgebühr bestätigt sei8. Das ist jedoch methodisch verfehlt, denn aus der bloßen Tatsache, daß konkret erhobene Abgaben unter den Tatbestand der Verleihungsgebühr subsumiert werden können, läßt sich noch nicht zwingend die Rechtmäßigkeit dieser übergeordneten, abstrakten Rechtskategorie ableiten. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Tatsache, daß das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der bergrechtlichen Förderabgabe nicht in Frage stellt9. Hieraus kann nicht geschlossen werden, daß damit gleichzeitig auch die Verfassungsmäßigkeit von Verleihungsgebühren anerkannt werden muß 10 . Denn zum einen läßt das Gericht die abgabenrechtliche Qualifikation offen, und zum anderen ersetzt die Autorität bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung nicht die genaue rechtsdogmatische Herleitung einer Abgabenform. Mit der Verleihungsgebühr setzt sich schließlich noch Joachim Wieland auseinander. Er vertritt die Auffassung, wirtschaftsverwaltungsrechtliche Konzessionsabgaben seien grundsätzlich als Verleihungsgebühren einzuordnen. Dieses für das gesamte Konzessionswesen bedeutsame Ergebnis soll jedoch von einer überraschend kurzen und dogmatisch kaum begründeten positiven Stellungnahme zur grundsätzlichen Berechtigung dieses Gebührentyps getragen werden können". So fehlt insbesondere eine Auseinandersetzung mit Grundproblemen des Gebührenrechts, nämlich der Frage, ob die Verleihungsgebühr mit dem herkömmlichen generellen Gebührenbegriff zu vereinbaren ist und wie ihre Erhebung gerechtfertigt werden kann. Insgesamt ist daher festzustellen, daß es bislang an einer grundlegenden Untersuchung über Zulässigkeit und Grenzen von Verleihungsgebühren fehlt. Die vorliegende Arbeit versucht, diese Lücke zu schließen. Allerdings soll nicht nur die gebührendogmatische und finanzverfassungsrechtliche Berechtigung von Verleihungsgebühren begründet werden, vielmehr wird auch auf ihre große rechtspolitische und rechtspraktische Bedeutung eingegangen. Dafür bietet sich das expandierende Gebiet des Umweltabgabenrechts an. Nicht nur in der rechtswissenschaftlichen Literatur wird darauf hingewiesen, daß Verlei7
8
F. Kirchhof,
DVB1. 1987, 554 ff; vgl. auch ders., DVB1. 1994, 1101 ff.
Horn, S. 76 ff, 187 ff, vgl. zum methodischen Ansatz S. 87, 164. 9 BVerfGE 72, 330 (410 ff). 10 So aber Horn, S. 164. 11
Wieland, S. 294 ff, 302 ff; 375.
24
Einleitung
hungsgebühren hier eine wichtige Rolle spielen können 12 . Auch die Rechtsprechung erkennt vereinzelt ihre Bedeutung für diesen Bereich an 13 . Die Ironie Paul Kirchhofs, die Verleihungsgebühr sei der „Hoffnungsträger des Umweltrechts" 14 , ist jedenfalls fehl am Platz. Es soll daher an einigen konkreten Beispielen gezeigt werden, daß und inwieweit Verleihungsgebühren das vorhandene Instrumentarium der Umweltabgaben sinnvoll ergänzen können.
B. Gang der Untersuchung Die vorstehend skizzierte Problemstellung wird in mehreren Schritten abgehandelt. Zu Beginn steht eine kurze Darstellung des herkömmlichen Systems öffentlich-rechtlicher Abgaben. Es soll untersucht werden, ob diese Ordnung offen ist für neue Abgabentypen, oder ob prinzipielle abgabensystematische Erwägungen einer Anerkennung von Verleihungsgebühren von vornherein entgegenstehen. Der danach folgende Teil bietet einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der Frage, ob Verleihungsgebühren bereits vor Erlaß des Grundgesetzes bekannt waren und erhoben wurden. Dabei wird zunächst erörtert, welche allgemeinen dogmatischen Prinzipien man damals zugrundelegte, um sich dann einzelnen Abgabenarten zuzuwenden, die als frühe Verleihungsgebühren eingeordnet werden können. Danach widmet sich die Arbeit schwerpunktmäßig der aktuell geltenden allgemeinen Gebührendogmatik. Es sollen diejenigen Teilbereiche vertieft behandelt werden, die für die Anerkennung von Verleihungsgebühren besondere Probleme aufwerfen könnten. Hierzu gehört die Frage, aus welchen Merkmalen der Gebührenbegriff zusammengesetzt ist, wie die Gebührenerhebung gerechtfertigt werden kann, welchen Prinzipien die Bemessung einer Gebühr unterliegt und zu welchem Zweck sie eingesetzt werden darf. Um hier eine Antwort zu finden, muß man sich zunächst über den dogmatischen Ausgangspunkt klarwerden. Die vorliegende Arbeit wählt einen funktionalistischen Ansatz, der die genannten gebührenrechtlichen Teilbereiche als grundsätzlich voneinander getrennte, hierarchisch aufeinander aufbauende Ebenen ansieht. Aus einem solchen Ansatz ergeben sich in erster Linie Konsequenzen für den Gebührenbegriff und sein Verhältnis zur Gebührenbemessung. Es soll gezeigt werden, daß er von allen materiellen Elementen,
12
Vgl. insbes. F. Kirchhof,
DVB1. 1987, 557 ff; ders., DVB1. 1994, 1104; so auch
Horn, S. 197 ff, und Köck,, JZ 1993, 64. 13
OVG Hamburg, NVwZ 1990, 1003; VG Hamburg, IUR 1992, 235, beide zur in Hamburg erhobenen Abgabe für Grundwasserentnahmen. 14 P. Kirchhof Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 13.
Β. Gang der Untersuchung
25
insbesondere Gebührenzwecken, freizuhalten ist. Damit wird der Untersuchung ein streng formaler Gebührenbegriff zugrundegelegt. Im Hinblick auf Rechtfertigung, Bemessung und Zwecksetzung soll dem Gesichtspunkt des Vorteilausgleichs durch Gebühren besonderes Augenmerk gewidmet werden. Dies deshalb, weil Verleihungsgebühren aufgrund der Tatsache, daß dem Staat infolge der Rechtsverleihung keine Kosten entstehen, zwangsläufig nicht der Kostendeckung, sondern nur dem Ausgleich von Vorteilen dienen können, die mit der Einräumung des Rechts einhergehen. Anhand der erarbeiteten allgemeinen gebührendogmatischen Grundsätze wird in einem nächsten großen Gliederungsabschnitt geprüft, ob die Verleihungsgebühr als besonderer Gebührentyp Anerkennung finden kann. Dabei soll auch erörtert werden, ob andere als gebührendogmatische Einwände, die in der rechtswissenschaftlichen Literatur gegen sie vorgebracht werden, stichhaltig sind. Das betrifft insbesondere die Vereinbarkeit von Verleihungsgebühren mit der Finanzverfassung. Die Arbeit schließt damit, die Anwendbarkeit von Verleihungsgebühren im Bereich des Umweltabgabenrechts aufzuzeigen. Dadurch soll die Praktikabilität und Bedeutung dieser Gebührenart unter Beweis gestellt werden. Insgesamt verfolgt die vorliegende Untersuchung das Ziel, die Verleihungsgebühr als dritten Gebührentyp zu etablieren. Dabei ist es ein besonderes Anliegen zu zeigen, daß ihre Anerkennung keine gebührendogmatische „Revolution" darstellt, sondern die zwangsläufige Folge aus einer Zusammenschau allgemein oder zumindest mehrheitlich zugrundegelegter Rechtsstandpunkte ist. Insofern kann die Verleihungsgebühr als Produkt einer konsequenten, in sich widerspruchsfreien und sogar eher „konservativ" verstandenen Gebührenrechtslehre angesehen werden. Legt man diese Erkenntnis zugrunde, führt man den gesamten Problemkomplex, der sich um die Verleihungsgebühr rankt, auf das zurück, was er in seinem Kern eigentlich ist, nämlich ein finanzverfassungsrechtliches Wertungsproblem. Die wesentliche Frage lautet hier, ob man dem Staat die Verleihungsgebühr als zusätzliches Finanzierungsinstrument zur Verfügung stellen will oder nicht. Im Ergebnis ist sie nach Abwägung aller Umstände, welche für und gegen die Verleihungsgebühr sprechen, zugunsten einer grundsätzlichen, wenngleich von engen Voraussetzungen abhängigen Zulässigkeit eines derartigen Gebührentyps zu beantworten.
Erster Teil
Das herkömmliche Abgabensystem im Überblick A. Begriff der öffentlich-rechtlichen Abgabe Eine öffentlich-rechtliche Abgabe ist eine Geldleistung, die vom Staat zwangsweise gefordert wird, um zumindest auch Einnahmen für den staatlichen Finanzbedarf zu erzielen, zudem muß sie einem Träger hoheitlicher Gewalt zufließen 1. Diese Tatbestandsmerkmale grenzen die öffentlich-rechtliche Abgabe von anderen, dem Staat erbrachten Leistungen ab. Zunächst ist wichtig, daß eine Abgabe in Geld zu leisten ist. Damit sind insbesondere staatlicherseits geforderte Naturalleistungen, wie ζ. B. Dienst-, Duldungs- oder Unterlassungspflichten, nicht unter den Abgabenbegriff zu fassen 2. Des weiteren ist die öffentlich-rechtliche Abgabe von einer privatrechtlichen Zahlung zu unterscheiden3. Letztere wird durch einen gegenseitigen Vertrag begründet und ist somit eine Auswirkung des Gebrauchs von Freiheit. Es ist daher prinzipiell ausgeschlossen, daß eine solche Abgabenforderung in Grundrechte des Schuldners eingreift. Anderes gilt für die öffentlich-rechtliche Abgabe. Diese wird vom Staat einseitig, also hoheitlich auferlegt und beschränkt dadurch die Freiheit des Abgabenschuldners. Sie bedarf daher im Hinblick auf die Grundrechte des einzelnen der Rechtfertigung 4. Welche Rechtfertigungsgründe im einzelnen herangezogen werden können, hängt von dem jeweiligen Abgabentyp ab. Schließlich verfolgt die öffentlich-rechtliche Abgabe den Zweck, Ein-
1
Vgl. zum Ganzen nur F. Kirchhof.] Grundriß, Rn. 2 ff; P. Kirchhof Jura 1983, 505 f; jew. m.w.N. Der Begriff der Abgabe kann im Hinblick auf den Zweck bestimmter gesetzlicher Regelungen bisweilen auch anders auszulegen sein, so ζ. B. bei § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. nur Kopp, VwGO, § 80 Rn. 37a m.w.N.; es scheint sich hier jedoch eine Angleichung an den finanzrechtlichen Abgabenbegriff anzubahnen, vgl. BVerwG, DVB1. 1993,441 ff). 2 Irrig daher BVerfGE 58, 137 (144). 3 Der Kürze halber wird im Rahmen dieser Arbeit immer nur die öffentlich-rechtliche Abgabe als „Abgabe" bezeichnet. 4
Murswiek,
S. 14 f.
Β. Systematisierung
27
nahmen zu erzielen, was sie von Geldstrafen und Zwangsgeldern abgrenzt 5. Es genügt insofern, daß dieser Zweck als Nebenzweck verfolgt wird, denn schon dann ist eine Unterscheidung zwischen beiden Formen einer Geldleistung möglich. Geldstrafen und Zwangsgelder werden nämlich nicht gefordert, um der staatlichen Finanzausstattung zugute zu kommen, sondern sind Ausfluß des staatlichen Strafanspruchs bzw. sollen die Durchsetzung von Handlungspflichten bewirken. Sie besitzen daher eine prinzipiell andere Qualität als öffentlichrechtliche Abgaben, der Einnahmeerzielungszweck hat bei ihnen keinerlei Bedeutung. Daher liegt, sobald ein solcher zum Tragen kommt, eine öffentlichrechtliche Abgabe vor, unabhängig davon, ob die Einnahmeerzielung vorrangig oder nur als Nebenzweck intendiert ist6.
B. Systematisierung Im folgenden soll ein kurzer Überblick über die herkömmlicherweise vorgenommene Systematisierung der öffentlich-rechtlichen Abgaben gegeben werden7. Dabei wird noch nicht auf alle wissenschaftlichen Kontroversen, die hinsichtlich einiger Einzelfragen bei den jeweiligen Abgabenarten bestehen, eingegangen, denn das würde den Rahmen dieses Gliederungsabschnitts überschreiten. Vielmehr dienen die Ausführungen lediglich dazu, eine Orientierung darüber zu bieten, an welcher abgabensystematischen Stelle die Verleihungsgebühr einzuordnen wäre, würde man sie anerkennen.
I. Steuern Die Steuer ist als Gemeinlast allen Steuerbürgern auferlegt. Das Grundgesetz enthält keine ausdrückliche Definition der Steuer, sondern knüpft an den tradierten Steuerbegriff des § 1 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung8 an9. Danach
3
So auch schon BVerfGE 3, 407 (435 f) bezüglich der Abgrenzung von Steuern und Geldstrafen. 6 So im Ergebnis auch F. Kirchhof, Grundriß, Rn. 4. 7 Vgl. allgemein zu dieser Thematik auch F. Kirchhof Grundriß, Rn 6 ff, P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 45 ff, 181 ff, 221 ff, 269 ff; ders., Jura 1983, 508 ff; Murswiek, S. 15 ff; Selmer/Brodersen/Nicolaysen, 8
S. 44 ff; Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 43 ff.
RGBl. 1(1931), S. 161. 9 BVerfGE 3, 407 (435); 7, 244 (251); 38, 61 (79 f); 42, 223 (228); 55, 274 (299). Umstritten ist, ob der Steuerbegriff des Grundgesetzes identisch ist mit demjenigen des § 1 AO, dazu Murswiek, S. 18 m.w.N.
28
1. Teil: Das herkömmliche Abgabensystem im Überblick
sind Steuern „einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlichrechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft". Entscheidend ist, daß eine Steuer von allen Steuerbürgern ohne Rücksicht auf eine korrespondierende Gegenleistung, also voraussetzungslos erhoben wird 1 0 . A u f weitere Einzelheiten, die hinsichtlich Begriff und Funktion der Steuer bestehen, soll, soweit erforderlich, erst im Rahmen der weiteren Untersuchung an gegebener Stelle eingegangen werden.
II. Sonderlasten Sonderlasten werden nicht allen finanziell leistungsfähigen Bürgern, sondern nur einem Teil von ihnen, der besondere Voraussetzungen erfüllt, auferlegt 11. Diese Eigenschaft grenzt sie von der Gemeinlast, der Steuer, ab. Sie gliedern sich in Vorzugslasten, Sonderabgaben und sonstige Abgaben, wobei die Differenzierung in Sonderabgaben und sonstige Abgaben allerdings nicht ganz einheitlich vorgenommen wird. Sie hängt davon ab, ob man die Kategorie der Sonderabgaben als eine Auffangkategorie für eine Vielzahl singulärer Abgaben versteht 12 , oder ob man den Sonderabgabenbegriff bereits als derart materiellrechtlich konturiert ansieht, daß von einem eigenen Abgabentyp gesprochen werden kann 13 . Vorzugslasten werden als Entgelt für eine Leistung des Gemeinwesens erhoben 14 . Ihre Bezeichnung darf jedoch nicht dahingehend mißverstanden werden, daß hierunter nur solche Abgaben zu verstehen sind, die für einen hoheitlich gewährten Vorzug bzw. Vorteil erhoben werden 15 , denn auch für eine nachteilige Staatsleistung können Vorzugslasten erhoben werden, um provozierte Kosten abzuwälzen 16 . Die Vorzugslasten unterteilen sich in Beiträge und 1()
BVerfGE 55, 274 (298); 67, 256 (274 f); 78, 249 (267). Zusammenfassend zum Steuerbegriff Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 54. 11 F. Kirchhof, Grundriß, Rn. 12; vgl. auch BVerfGE 75, 108 (158). 12 So F. Kirchhof Grundriß, Rn. 17. 13 So P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 222, 270 und Murswiek, S. 16; in diesem Sinne auch BVerfG, DVB1. 1996, 357 (359 0· Vgl. zudem Selmer/Brodersen/Nicolaysen, S. 50 fund Weyreuther, NuR 1988, 163 Fußn. 18; ausf. Patzig, DÖV 1981, 730 f. 14 Vogel, in: EvStL, Sp. 10. 15 Unklar daher Arndt, WiVerw 1990, 20; F. Kirchhof Grundriß, Rn. 13; Tipke, Bd. III, S. 1067; Wolff/Bachof
S. 307; Wolff/Bachof/Stober,
auch BVerfG, DVB1. 1996, 357 (359). 16 Ausf. u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C H I .
§ 42 Rn. 19. Mißverständlich
Β. Systematisierung
29
Gebühren. Der Beitrag ist ein Entgelt für eine individuell erbrachte staatliche Leistung, wobei unerheblich ist, ob die Leistung konkret genutzt wird, vielmehr genügt schon die Möglichkeit, sie in Anspruch zu nehmen 17 . Die Gebühr entgilt demgegenüber eine tatsächlich individuell erbrachte Staatsleistung. Ob der Gebührenbegriff über dieses Merkmal hinaus noch weitere Elemente enthält, ist umstritten und wird zu erörtern sein 18 . Innerhalb der Gebühren unterscheidet man Verwaltungsgebühren und Benutzungsgebühren. Erstere stellen die Gegenleistung für eine Amtshandlung dar, während letztere die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung entgelten19. Einzelne Stimmen plädieren für eine Erweiterung dieser Zweiteilung. Meßerschmidt zufolge sollen Sondernutzungs- und Duldungsgebühren weitere eigenständige Gebührentypen darstellen 20. Murswiek versucht, eine sog. „Ressourcennutzungsgebühr" zu etablieren, die als Entgelt für die Leistung eines wirtschaftlichen Gutes bzw. für die Duldung der Nutzung eines solchen erhoben wird 21 . Meyer greift diesen Ansatz auf und sieht die Gebühr für die tatsächliche Nutzung von Umweltressourcen als Duldungsgebühr an 22 . Diese Vorstöße sind allerdings, soweit ersichtlich, (noch) ohne positive Resonanz geblieben 23 . Wichtiger und Thema dieser Arbeit ist die seit langem bestehende Kontroverse darüber, ob die Verleihungsgebühr, die als Entgelt für die Verleihung eines Rechts durch den Staat erhoben wird, als (dritter) Gebührentyp neben Verwaltungs- und Benutzungsgebühr anerkannt werden kann. Eine exakte Differenzierung zwischen den einzelnen Typen der Sonderlasten ist notwendig, weil jede Abgabenart eigene, für sie typische Zulässigkeitsvoraussetzungen aufweist 24 . Entsprechendes gilt für die Notwendigkeit, die Sonderlasten von den Steuern abzugrenzen 25. Für die vorliegende Untersuchung ist von besonderem Interesse, welche Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Gebühr zu stellen sind. Diese Thematik wird in den folgenden
17
BVerwGE 25, 147 (149). S. auch BVerfGE 7, 244 (254); 9, 291 (297 f); 14, 312 (317); 42, 223 (228); 49, 343 (353). 18 S. u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt B. 19 P. Kirchhof, Jura 1983, 511; Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 46. Vgl. auch F. Kirchhof Gebühr, S. 24 ff und Wilke, S. 111 ff, jew. m.w.N. auf ζ. T. str. Einzelheiten der genauen Begriffsbildung. 20
21 11
Meßerschmidt, DVB1. 1987, 932.
M«mWe£,NuR 1994, 175 f. Meyer, S. 181 ff.
23 Gegen die „Ressourcennutzungsgebühr" etwa von Mutius/Lünenbürger, 1995, 1208 ff. 24 Vgl. Murswiek, S. 16 f; Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 45. 25
Vgl. Murswiek,
Rn. 45.
S. 15 f; Selmer/Brodersen/Nicolaysen,
DVB1.
S. 49; Vogel, HStR IV, § 87
1. Teil: Das herkömmliche Abgabensystem im Überblick
30
Kapiteln ausfuhrlich abgehandelt werden. Hier sei daher nur die allgemeine Bemerkung vorausgeschickt, daß für die Einordnung einer Abgabe in das Abgabensystem nicht entscheidend ist, welche Bezeichnung der Gesetzgeber für sie wählte, maßgebend ist vielmehr ihr materieller Gehalt26. Der einfache Gesetzgeber besitzt daher grundsätzlich keine abgabenbegriffliche Qualifikationskompetenz27. Des weiteren ist zu beachten, daß sich die Anforderungen, die an eine bestimmte nichtsteuerliche Abgabe von Verfassungs wegen zu stellen sind, nicht aus tradierten Bezeichnungen und Begriffen, sondern allein aus dem vom Grundgesetz vorgegebenen Maßstäben ergeben; „reine" Ausformungen nichtsteuerlicher Abgaben sind in der Praxis weder die Regel noch werden sie vom Grundgesetz gefordert 28.
III. Die Offenheit des Abgabensystems Das vorstehend skizzierte System der Abgaben stellt kein in sich stringentes, konturenscharfes und ausgefeiltes Gefüge dar, sondern versucht, die in der Praxis anzutreffenden Abgabenarten typisierend zu beschreiben, nach elementaren Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu suchen und dementsprechend einander zuzuordnen 29. Obwohl in den Einzelheiten bisweilen unterschiedliche Standpunkte vertreten werden, ist die Sachgemäßheit der grundlegenden Ordnungsprinzipien und Strukturen, auf denen das dargestellte Abgabensystem beruht, von Rechtsprechung und Wissenschaft allgemein anerkannt, so etwa die generelle Unterscheidung in voraussetzungslose und voraussetzungsabhängige Abgaben. Desweiteren hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, daß das Grundgesetz keine abschließende Regelung der zulässigen Abgabentypen enthält3". Es ist daher grundsätzlich möglich, neue Formen finanzieller Bela26
BVerfGE 7, 244 (251 f); 49, 343 (353); 55, 274 (304 f); so auch schon RFHE (GrS) 20,21 (22). 27
28
Selmer/Brodersen/Nicolaysen,
S. 49.
Murswiek, S. 17; vgl. zudem F. Kirchhof, Gundriß, Rn. 8 m.w.N. So jetzt auch BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360). 29 So auch F. Kirchhof Grundriß, Rn. 8. 30 So BVerfG, DVB1. 1996, 357 (359); vgl. auch BVerfGE 92, 91 (113 f); Ehlers/Achelpöhler, NVwZ 1993, 1030; F. Kirchhof Grundriß, Rn. 8; ders., Die Verwaltung 1988, 143 ff; P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 269 (mißverständlich jedoch ders., Rechtsgutachten, S. 13, 17: „Typenzwang", aber letztlich offengelassen, s. S. 38 f); Kloepfer/Follmann,
DÖV 1988, 581; Köck, JZ 1993, 62; Patzig, DÖV 1981, 738 ff;
Selmer, Steuerinterventionismus, S. 183 ff; Wilke, S. 154. Hiervon gehtauch Götz, AöR 85 (1960), S. 210 ff, aus, wenn er wirtschaftsverwaltungsrechtliche Ausgleichsabgaben als eigene Kategorie neben Steuern, Gebühren und Beiträgen einordnet. A.A. - soweit ersichtlich - lediglich Stallknecht, S. 198, der es sogar als „h. M." ansieht, daß eine
Β. Systematisierung
31
stungstatbestände zu entwickeln, wenngleich bestimmte, verfassungsrechtlich geforderte Voraussetzungen beachtet werden müssen. Hierzu zählen namentlich die Grundrechte des Abgabenschuldners sowie die grundgesetzliche Finanzverfassung 31, auf deren genaue Anforderungen aber erst an späterer Stelle näher einzugehen sein wird 32 . Hier genügt die Feststellung, daß das Abgabensystem prinzipiell offen ist, was beispielsweise zur Herausbildung der neuen Finanzierungsform der Sonderabgabe gefuhrt hat 33 . Entsprechendes gilt auch für einzelne Teile des Abgabensystems, insbesondere im Hinblick auf das Gebührenrecht. Die aus dem Kommunalrecht stammende Aufteilung in Verwaltungs- und Benutzungsgebühren ist nicht erschöpfend, einen numerus clausus der Gebührenarten kennt das Verfassungsrecht nicht. „Eine Abgabe ist somit nicht schon deshalb keine Gebühr, weil sie sich in einen (irgendwie) vorgegebenen Kanon der Gebührenarten nicht einordnen läßt." 34 . Es ist daher grundsätzlich zulässig, neue Gebührenarten zu entwickeln. Für die Verleihungsgebühr folgt hieraus, daß prinzipielle gebühren- oder abgabensystematische Gründe ihrer Anerkennung nicht von vornherein entgegenstehen. Es bleibt daher zu fragen, welche sonstigen Anforderungen dieser Gebührentyp erfüllen muß, damit er einen Platz im Gebührensystem einnehmen kann. Hierauf wird in den folgenden Teilen der Arbeit grundlegend und erschöpfend einzugehen sein.
„abschließende Anzahl von Abgabentypen" besteht. Diese höchst erstaunliche Einschätzung wird jedoch weder begründet noch belegt, was wohl auch kaum gelingen dürfte. Schwankend Jarass, DÖV 1989, 1014. 31 Zusammenfassend P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 269. 32 S.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C I. 33 F. Kirchhof Die Verwaltung 1988, 143. 34 Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 46 mit Fußn. 178; ebenso Horn, S. 188; Kloepfer/ F ollmann, DÖV 1988, 581; Meßerschmidt, DVB1. 1987, 932; in diesem Sinne auch Murswiek., NuR 1994, 175 f, und Wilke, S. 112.
Zweiter Teil
Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts A. Dogmatische Grundlagen Die Dogmatik des Gebührenrechts erfuhr im Laufe ihrer Geschichte grundlegende Veränderungen, was aus der Tatsache resultierte, daß sich mit der Ausbildung eines modernen Staatswesens auch der Zweck der Gebühr änderte. Anfangs war die finanzwirtschaftliche Tätigkeit des Staates gering. Seine Einnahmen bestritt er im wesentlichen aus privatwirtschaftlichen Einnahmequellen, hoheitlich erhobene Abgaben konnten auf Ausnahmefälle wie Krieg, Katastrophen usw. beschränkt bleiben. Allmählich wurde der Staat aber auch vermehrt öffentlich tätig. Er stand daher vor dem Problem, diese Tätigkeiten finanziell zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wurden hoheitliche Abgaben erhoben, insbesondere Steuern und Gebühren. Beide Abgabenarten bildeten die vorrangigen Quellen der allgemeinen Staatsfinanzierung. Durch die Erhebung von Steuern und Gebühren sollten diejenigen Kosten gedeckt werden, welche dem Staat infolge seiner verschiedenen Tätigkeiten entstanden. Dieser Zweck, den beide Abgabenarten gemeinsam verfolgten, führte dazu, daß beide fast ununterscheidbar verschmolzen. Eine begriffliche Trennung wurde erst Mitte des letzten Jahrhunderts versucht 1. So findet sich ζ. B. in Moritz von Prittwitz' 1842 erschienener „Theorie der Steuern und Zölle" die Unterscheidung zwischen „Generalsteuern", welche die „Staatsbedürfnisse im Ganzen" bestreiten sollen, und „Specialsteuern, ... die zu einem bestimmten speciellen Zweck gezahlt und verwandt werden" 2. Die Erarbeitung einer befriedigenden Definition der Gebühr schien aber nicht zu gelingen. Lorenz von Stein beklagte noch im Jahre 1885, daß „fast jeder unter 'Gebühren' etwas anderes versteht" 3; die
1
Ausf. zu geschichtlichen Entwicklung der Gebühr O. Ehlers, FinArch 13 (1896), S. 439 ff; von Stein (5. Aufl.), S. 251 ff, 255 ff; Toepfer, FinArch 26 (1909), S. 500 ff; Wagner II, S. 9 f f 2 Von Prittwitz, 3
S. 295.
Von Stein (5. Aufl.), S. 248.
Α. Dogmatische Grundlagen
33
Trennung von Gebühr und Steuer sei eine „Aufgabe der nächstkommenden Zeit" 4 . Die zentrale Frage der vorliegenden Arbeit besteht darin, ob die Abgabe für eine Rechtsverleihung als Gebühr anzusehen ist. Um sie beantworten zu können, muß die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts unter einem besonderen Blickwinkel betrachtet werden. Es ist hier näher zu untersuchen, ob die Gebühr ihrem historischen Verständnis nach als eine Abgabe begriffen wurde, welcher notwendigerweise die Funktion zukommt, Kosten zu decken, so daß sie nur dann erhoben werden darf, wenn dem Staat infolge der Leistungserbringung ein Kostenaufwand entstand. Könnte ein solcher dogmatischer Grundsatz nachgewiesen werden, würde die Gebührengeschichte gegen die Anerkennung von Verleihungsgebühren sprechen, denn eine Rechtsverleihung ist nicht mit staatlichem Aufwand verbunden. Umgekehrt könnte es aber auch gelingen zu zeigen, daß Verleihungsgebühren keine Abgabenkategorie neuerer Zeit sind, sondern schon früher bekannt bzw. anerkannt waren. Dann wäre ein solcher Gebührentyp jedenfalls aus historischer Sicht zu befürworten. Die Frage, welche Bedeutung man den Kosten vormals zumaß, verdient daher im folgenden erhöhte Aufmerksamkeit. Dieser Problemkomplex soll nun in zwei Schritten untersucht werden. Zunächst ist darzustellen, welche Positionen zur allgemeinen Dogmatik des Gebührenrechts vertreten wurden. Hieraus lassen sich bereits Schlüsse hinsichtlich der oben aufgeworfenen Frage ziehen. Diese Folgerungen sollen dann anhand von ausgewählten, in der damaligen Zeit erhobenen Abgabenarten überprüft werden. Die Ausführungen beziehen sich auf den Zeitraum bis zum Erlaß des Grundgesetzes.
I. Begriffsmerkmale der Gebühr 7. Leistung des Staates Alle in der Literatur vertretenen Gebührenbegriffe gingen einheitlich davon aus, daß die Gebühr nicht voraussetzungslos geschuldet wird, sondern daß ihr eine staatliche Leistung gegenübersteht 5. Dieser Aspekt klang zum erstenmal 4
Von Stein (5. Aufl.), S. 262. So auch das Ergebnis der Untersuchung von Meyer, S. 42 ff. Die Auffassung von Hoffmann, wonach Strafen gegenleistungsunabhängige Gebühren darstellen (zit. nach Rau S. 349), ist, soweit ersichtlich, vereinzelt geblieben und hat sich nicht durchsetzen können (vgl. von Stein, 1. Aufl. S. 153). Sie ist nur als Symptom der damaligen Unsicherheiten hinsichtlich des Gebührenbegriffs zu erklären und kann daher vorliegend außer Betracht bleiben. 5
3 Heimlich
34
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
bei Karl Umpfenbach an, der die Gebühr als eine Vergütung für durch einen einzelnen provozierte Kosten von Staatseinrichtungen ansah6. Von Hock bezeichnete die Gebühren als „Steuern fiir besondere Dienste" 7 . Er vermengte zwar noch die Termini „Steuer" und „Gebühr" miteinander, allerdings wird deutlich, daß dann eine andere Abgabenkategorie vorliegt, wenn die Abgabe nicht voraussetzungslos geschuldet wird, sondern eine Leistung entgelten soll 8 . Lorenz von Stein begriff die Gebühr präziser als Abgabe, welche für die Benutzung einer bestehenden Staatsanlage oder Leistung eines Staatsorgans gezahlt wird 9 . Das Element der Staatsleistung ist so oder ähnlich auch in allen folgenden von der Literatur entwickelten Gebührendefinitionen enthalten gewesen 10 und wurde von der Rechtsprechung übernommen". Das Anknüpfen der Gebühr an eine individuell erbrachte Staatsleistung kam auch in den gesetzlichen Regelungen des Gebührenrechts zum Ausdruck. So hieß es in § 1 Abs. 1 des Preußischen Verwaltungsgebührengesetzes 12: „Für einzelne auf Veranlassung der Beteiligten vorgenommene Amtshandlungen staatlicher Organe, die im wesentlichen im Interesse einzelner erfolgen, werden Verwaltungsgebühren für die Staatskasse erhoben." § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes stellte Amtshandlungen, welche überwiegend im öffentlichen Interesse erfolgen, von der Gebührenrerhebung frei 13 . Dasselbe galt gemäß Art. 3 Nr. 1 des Bayrischen Gesetzes über das Gebührenwesen 14. Er bestimmte, daß Gebühren „für Amtshandlungen, welche unabhängig von dem Verschulden einer Partei im öffentlichen Interesse von Amtswegen gepflogen werden", nicht erhoben werden. Es läßt sich also feststellen, daß es in Rechtswissenschaft und Rechtspraxis seit jeher unbestritten war, daß eine Gebübr nur dann erhoben werden darf, wenn sie eine individuell erbrachte Staatsleistung entgelten soll.
6 7
8 9 10
Umpfenbach, S. 56, 63, 66. Von Hock, S. 15 ff.
Vgl. auch von Hock, S. 84 ff. Von Stein (1. Aufl.), S. 151 f, entprechend die 5. Aufl. S. 250.
O. Ehlers, FinArch 13 (1896), S. 452 f; Fentsch, S. 72; Fleiner, S. 426 f; Gerlach, S. 4; Gutmann, S. 28; von Heckel, S. 513; Held, S. 721 f; Jellinek, S. 387; Köttgen, S. 20; Markuli, S. 142; O. Mayer I, S. 315; Meissinger, FinArch 30 (1913) S. 146; von Myrbach , FinArch 34 (1917) S. 4; Neumann, S. 397; Rau, S. 109 f; Roscher, S. 94; von Schall, S. 103; Strutz, S. 623; Toepfer, FinArch 26 (1909), S. 495; Wagner I, S. 5; Wagner II, S. 312 f; Wildvang, S. 11. 11
RFHE 7, 266 (267 0; PrOVGE 17, 210 (212); 18, 23 (27 f); 29, 58 (63); 31, 53 (56); 32, 93 (94); 50, 69 (72); 62, 136 (145 f); HambOVG, JW 1928, 3290; ThürOVG, RVB1. 1932, 636 f. 12 Gesetz über staatliche Verwaltungsgebühren vom 29.09.1923, PrGS. S. 455. 13 Vgl. auch §§ 2 Nr. 1, 13 der Preußischen Verwaltungsgebührenordnung vom 30.12.1926, PrGS. S. 327. 14 Gesetz vom 11.11.1899, GVB1. für das Kgr. Bayern S. 904.
Α. Dogmatische Grundlagen
35
2. Sonstige Merkmale a) Einschränkungen hinsichtlich der Staatsleistung Einige Autoren ergänzten den Gebührenbegriff noch um weitere, über das Element des Vorhandenseins einer Staatsleistung hinausgehende Begriffsmerkmale 15, von denen sich aber keines hat endgültig durchsetzen können. So wurde ζ. B. vertreten, daß nicht irgendeine Staatsleistung, sondern nur eine solche von „bestimmter Qualität" zum Anknüpfungspunkt für die Gebührenerhebung gemacht werden könne. Sie müsse mit wesentlichen Rechts- oder Machtzwecken zusammenhängen, ansonsten dürfe keine Gebühr erhoben werden16. Des weiteren wurde behauptet, daß nur eine vorteilhafte Leistung gebührenpflichtig sein könne, die Gebühr sei nämlich allein ein Entgelt für Nutzen 17 . Den unterschiedlichen Auffassungen ist hier aber nicht weiter nachzugehen, weil sie keine Relevanz für die Problematik der Anerkennung einer Verleihungsgebühr besitzen.
b) Einschränkungen hinsichtlich des Gebührenzwecks Beachtung verdient jedoch der Versuch, den Begriff der Gebühr aus einem ihrer möglichen Zwecke abzuleiten. Es wurde davon ausgegangen, daß die Gebühr dazu bestimmt sei, die Kosten der erbrachten Staatsleistung zu decken. So definierte Umpfenbach die Gebühr als Vergütung für Kosten, die vom Gebührenschuldner provoziert wurden, an anderer Stelle heißt es, daß der Staat Gebühren erheben dürfe, „um einen entsprechenden Teil von ... Kosten zu decken"18. Der Aspekt der Kostenprovokation findet sich auch als Teilelement der Gebührendefinition von Wagner 19. Rau verstand die Gebühr als Vergütung für eine mit Kosten verbundene Maßregel der vollziehenden Gewalt, sie stelle eine Aufwandsvergütung dar 20. Auch Lorenz von Stein maß der Gebühr die
13
Eine ausführliche Darstellung verschiedener damals entwickelter Gebührenbegriffe findet sich bei Domschke, S. 4 ff und Wildvang, S. 11 ff. 16 So ζ. B. Roscher, S. 94 und von Schall, S. 103, 108; gegen diese Auffassung insbesondere O. Ehlers, FinArch 13 (1896), S. 452 fund Neumann, S. 315 ff. 17 So vor allem O. Ehlers, FinArch 13 (1896), S. 452 f; ähnlich Neumann, S. 397. 18
19
Umpfenbach, S. 56, 66, 101.
Wagner II, S. 5. Das wird von Strutz (S. 623 f) verkannt, wenn er verneint, daß Wagner die Gebührenfunktion in seinen Gebührenbegriff aufnimmt. 20 Rau, S. 109 f; 349; ihm folgend von Myrbach , FinArch 34 (1917) S. 4, 17 f; ähnlich auch von Schall, S. 106 f. Nicht zu nennen ist hier Toepfer, FinArch 26 (1909), S.
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
36
Funktion zu, die Kosten der benutzten Anlage zu amortisieren und die Unterhaltskosten zu decken, wobei sich diese Aussage aber lediglich auf die Benutzungsgebühr beschränkte 21. Schließlich vertrat das Preußische Oberverwaltungsgericht im Anschluß an Wagner die Meinung, daß das Unterscheidungsmerkmal von Gebühr und Steuer „allein in der speziellen Entgeltlichkeit und Kostendeckung für besonders beanspruchte öffentliche Leistungen gegenüber der generellen Entgeltlichkeit und Kostendeckung allgemeiner Leistungen des Staates" liege22. Diesen Definitionsversuchen ist jedoch auch entgegengetreten worden, indem die Aufnahme des Kostenmoments in den Gebührenbegriff ausdrücklich abgelehnt wurde 23 . Es wurde eingewandt, daß sich das quantitative Moment der Kosten nicht zum Begriffsmerkmal eigne, weil ansonsten eine kostenüberschreitende Abgabe teils als Gebühr, teils als Steuer qualifiziert werden müßte 24 . Des weiteren sei eine Kostenberechnung oft nicht möglich, so ζ. B. bei Lizenzen und Dispensen25. In der gesamten Auseinandersetzung um Gebührenbegriff und Kostendekkungszweck wurde allerdings folgender Zusammenhang niemals vertieft: Wenn man die Kostendeckungsfunktion in die Begriffsbildung aufnehmen würde, setzte dies stillschweigend voraus, daß als gebührenfähige Staatsleistungen nur solche in Betracht kommen können, die mit Kosten verbunden sind. Denn wenn der Staat keinen Aufwand betreiben mußte, um die Leistung zu erbringen, würde eine erhobene Abgabe nicht der Deckung von Kosten dienen können, sondern eine andere Funktion erfüllen. Die Abgabe würde somit nicht die begrifflichen Voraussetzungen einer Gebühr erfüllen. Es besteht hier Ähnlichkeit mit den soeben dargestellten Auffassungen, die lediglich bestimmte Staatsleistungen als gebührenfähig ansehen26: Ebenso wie dort wird auch hier, wenngleich nur indirekt, eine bestimmte Anforderung an die erbrachte Staatsleistung gestellt, nämlich die, daß sie mit Kosten verbunden sein muß. Die Aufnahme der Kostendeckungsfunktion in den Gebührenbegriff hätte 495: Er spricht zwar davon, daß Vorbedingung der Gebührenerhebung ein „materieller Aufwand" des Staates sei, dies ist allerdings mißverständlich, weil er hiermit lediglich das Vorhandensein einer staatlichen Leistung meint. 21 Von Stein (1. Aufl.), S. 154; entsprechend die 5. Aufl. S. 273. Anders Meyer, S. 44, wonach die Gebührenkonzeption von Steins nutzenbezogen sein soll (einschränkend jedoch aufS. 44 Fußn. 10). 22 PrOVGE 18, 23 (28). 23 O. Ehlers, FinArch 13 (1896), S. 463; Gerlach, S. 4 f; von Schall, S. 104 Fußn. 2; Strutz, S. 624. 24 Gerlach, S. 5; Strutz, S. 624. 25
26
Gerlach, S. 4 f; von Schall, S. 104 Fußn. 2. S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A I 2 a.
Α. Dogmatische Grundlagen
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somit zwangsläufig zur Konsequenz, daß der Kreis der möglichen gebührenpflichtigen Staatsleistungen eingeengt wird. Der Aspekt der Kosten spielte auf einer anderen Ebene als der begrifflichen eine wesentlich größere Rolle, nämlich auf der Ebene der Bemessungsprizipien 27 . Im Laufe der Zeit erkannte man, daß zwischen Gebührenbegriff und Gebührenbemessungsprinzipien zu trennen ist 28 . Man stellte nun die Frage, ob sich die Höhe der Gebühr nur nach den Kosten zu richten hat, die von ihr gedeckt werden sollen, oder ob auch andere Gesichtspunkte, namentlich der Wert der erbrachten Staatsleistung für den einzelnen, bei der Bemessung heranzuziehen sind. Diese Problematik wurde unterschiedlich beurteilt, worauf an späterer Stelle ausfuhrlich eingegangen werden soll 29 . Für den vorliegenden Zusammenhang genügt die Feststellung, daß sich der Versuch, die Funktion der Kostendeckung in den Gebührenbegriff aufzunehmen, nicht hat durchsetzen können, sondern heftig angegriffen wurde 30 .
3. Terminologie In der Literatur des vorigen Jahrhunderts war des öfteren von Abgaben die Rede, die zwar nicht als Gebühr bezeichnet wurden, welche allerdings im wesentlichen den Merkmalen einer Gebühr entsprachen. Hierauf sei im folgenden kurz eingegangen.
a) Gefälle und Sportel Unter einem Gefälle verstand man ein Entgelt, das für gewisse Staatsleistungen gezahlt wird 3 1 . Dadurch, daß diese Abgabe an eine staatliche Leistung anknüpft, entspricht sie in ihrem wesentlichen Kern der Gebühr, so daß Gefälle und Gebühr gleichgesetzt werden können 32 . Die Sportel war nach damaliger Auffassung eine besondere Art der Gebühren. Sie wurde nicht an die Staatskasse gezahlt, sondern flöß dem einzelnen Amtswalter, der die staatliche Leistung
27
Vgl. auch Meyer, S. 45. Gerlach, S. 4; Neumann, S. 397; von Schall, S. 106 Fußn. 4; Strutz, S. 624. Ausf. dazu unten, 3. Teil, Gliederungsabschnitt A. 29 S. u. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A III. 30 So i. Erg. auch Meyer, S. 47. 31 Fentsch, S. 72; von Stein (1. Aufl.), S. 154. 32 Vgl. PrOVGE 17, 210 (212); 20, 52 (54). 28
38
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
tatsächlich erbracht hat, persönlich zu und bildete so einen Teil des Diensteinkommens33.
b) Stempelgebühr und Stempelsteuer Große Bedeutung hatte im vorigen Jahrhundert das Stempelwesen. Es beruhte darauf, daß Eingaben an staatliche Stellen nur angenommen wurden, wenn sie auf bestempelten Papier geschrieben worden sind. Für die Bestempelung des Papiers war eine Abgabe zu zahlen, die als Stempelgebühr oder Stempelsteuer bezeichnet wurde 34 . Eine genaue abgabendogmatische Einordnung des Stempels ist jedoch nicht erforderlich. Einigkeit bestand nämlich darüber, daß „der Stempel" keine eigenständige Abgabenkategorie bildet und auch keine besondere Art der Gebühr bzw. der Steuer ist, sondern eine bloße Erhebungsform darstellt 35. Dieser Umstand sei am Beispiel des Preußischen Stempelsteuergesetzes36 deutlich gemacht. Gemäß § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes unterlagen die „in dem anliegenden Tarif aufgeführten Urkunden ... den darin bezeichneten Stempelabgaben". Auch die nachfolgenden Paragraphen sprachen immer von der „Stempelpflichtigkeit der Urkunden" 31. Allerdings wurden in dem als Anlage beigefügten „Stempeltarif 4 einzelne „Gegenstände der Besteuerung" aufgeführt, so daß es letztlich diese Gegenstände waren, welche die Abgabepflicht auslösten, und nicht die bestempelte Urkunde als solche. Ob die Abgabe aber tatsächlich als Steuer im materiellen Sinne oder als Gebühr zu qualifizieren war, richtete sich anerkannter Begriffsbildung zufolge 38 danach, ob ihr eine staatliche Leistung gegenüberstand oder nicht. So knüpften ζ. B. die Abgaben für die Erteilung behördlicher Erlaubnisse (Apotheken-, Gaststätten- oder Eisenbahnkonzessionen), für Gewerbelegitimationskarten und Reisepässe, für Standeserhöhungen (Nobilitierungen), für Urkunden über die Verleihung des Bergwerkseigentums sowie für amtliche Zeugnisse in Privatsachen an die Erbringung einer staatlichen Leistung an und waren somit als Gebühr anzuse-
33 Von Stein (1. Aufl.), S. 156; Gerlach, S. 5. Insofern ist es nicht zutreffend, Sportein mit Verwaltungsgebühren gleichzusetzen, so aber Wolff/Bachof, S. 309;
Wolff/Bachof/Stober,
§ 42 Rn. 27.
34
Ausf. zum Stempelwesen Rau, S. 353 ff.
35
Rau, S. 353; Roscher, S. 104 f; von Stein (1. Aufl.), S. 153; Toepfer,
FinArch 26
(1909), S. 507; Wagner II, S. 11 f. 36 Preußisches Stempelsteuergesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 30.06.1909, PrGS. S. 535. Das nachfolgend im Text Ausgeführte gilt entsprechend für die erste Fassung des Stempelsteuergesetzes vom 31.07.1895, PrGS. S. 413. 37 Herv. v. Verf. 38 S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A l l .
Α. Dogmatische Grundlagen
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hen 39 . Für diese Einordnung sprach auch der Wortlaut des § 12 Abs. 1 lit. a, wonach zur Zahlung der Stempelsteuer diejenigen verpflichtet sind, „auf deren Veranlassung die Schriftstücke aufgenommen oder erteilt sind". Die Abgabe, welche für die Veranlassung eine staatlichen Tätigkeit erhoben wird, wurde aber als Gebühr bezeichnet. Es bleibt allerdings die Frage offen, was genau als stempelpflichtige Leistung angesehen wurde, ob es ζ. B. die Erteilung der gewerberechtlichen Konzession selbst war oder nur der mit der Bearbeitung der Sache verbundene Behördenaufwand. Eine genaue Untersuchung dieser Problematik sei aber späteren Ausführungen vorbehalten 40 . An dieser Stelle genügt es festzuhalten, daß das Preußische Stempelsteuergesetz entgegen seiner insofern irreführenden Bezeichnung auch Gebühren im materiellen Sinne normierte, insbesondere waren die Abgaben für die oben beispielhaft genannten Leistungen keine Steuern, sondern Gebühren. Der Stempel selbst war lediglich eine besondere Form der Abgabenerhebung.
c) Taxe Der Begriff der Taxe wurde uneinheitlich gebraucht. Lorenz von Stein verstand die Taxe als Einzelleistung an den einzelnen Amtswalter, der die Leistung erbrachte. Aufgrund der Tatsache, daß die Abgabe nicht in die Staatskasse flöß, gliederte er die Taxen aus dem Gebiet der Gebühren vollständig aus41. Andere Autoren sahen die Taxe als Entgelt an, das der Begünstigte für besondere Dienste zu leisten hat. Die Dienste bestünden darin, daß besondere Rechte und Privilegien verliehen werden, so etwa Titel und Würden, Stadt- und Marktrechte, Patent- und Urheberrechte, das Recht zum Waffentragen usw. 42 . Der Unterschied der Taxe zur Gebühr liege darin, daß die staatliche Leistung nicht mit nennenswerten Kosten verbunden ist 43 . Die Höhe des Entgelts hänge daher auch nicht „von dem inneren Werthe, sondern von der öffentlichen Meinung über den Werth jener Rechte ab" 44 .
39
So auch Gerlach, S. 11:,,..., doch finden sich im Tarif des Stempelsteuergesetzes ... einige Nummern, welche Gebühren enthalten." Entsprechendes gilt für den bayerischen Stempeltarif, vgl. Strutz, S. 636. 40 S.u. 2. Teil, Gliederungsabschnitt B. 41 Von Stein (5. Aufl.), S. 272. 42 Von Hock, S. 84, 230, von Myrbach , FinArch 34 (1917), S. 17 f, Rau, S. 360. 43 Von Myrbach , FinArch 34 (1917), S. 18. 44
Von Hock, S. 230.
40
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
d) Regaliengebühr Lorenz von Stein differenzierte innerhalb der Gebühren zwischen „eigentlichen Gebühren" und „Regaliengebühren". Erstere seien Entgelte für die rein amtliche Arbeit, letztere würden für die Benutzung von Regalien gezahlt. Als Regal wurde eine „Production" bezeichnet, die der Staat „herstellt" und sich selbst vorbehält, „deren Benutzung er aber dem Einzelnen ganz freigibt" 45 . Regalien sind hiernach also Hoheitsrechte oder Monopole des Staates. Als Beispiele wurden das Postregal, das Telephon- und Telegraphenregal, das Lotterieregal sowie das Münz- und Papiergeldregal angeführt 46. Nimmt der einzelne die genannten Leistungen in Anspruch, habe er hierfür ein Entgelt zu zahlen. Dieses Entgelt nannte von Stein eine Regaliengebühr, sie sei eine Zahlung für die Benutzung von Regalien47. Allerdings wurde nur das Entgelt für die Inanspruchnahme der staatlichen Leistungen als Regaliengebühr bezeichnet. Diejenige Abgabe, die zu zahlen war, wenn der Staat ein Monopolrecht nicht selbst ausüben wollte, sondern dessen Nutzung auf Private übertrug, sei keine Regaliengebühr mehr, sondern eine Konzessionsgebühr 48.
e) Ergebnis Für die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des Gebührenrechts hat die in der Literatur des vorigen Jahrhunderts verwendete Abgabenterminologie folgende Relevanz: Wesentliches Merkmal der Gebühr ist anerkanntermaßen das Anknüpfen an eine staatliche Leistung49. Auch das Gefälle, die Sportel, die Taxe und die Regaliengebühr sollten eine Staatsleistung entgelten. Das läßt es zu, sie allesamt als Gebühr oder zumindest als besondere Form der Gebühr anzusehen50. Wenn nun in der Literatur bestimmte Aussagen über Gefälle, Sportein usw. gemacht wurden, so haben diese Aussagen direkten Einfluß auf das Gebührenrecht. Die nachfolgende Untersuchung kann sich somit nicht auf diejenigen Abgaben beschränken, die ausdrücklich als Gebühr bezeichnet wer45
Von Stein (5. Aufl.), S. 250 f. Von Stein (5. Aufl.), S. 307 ff. 47 Von Stein (5. Aufl.), S. 251. Eine kritische Darstellung von Auswüchsen der Regaliengebühr findet sich bei O. Ehlers, FinArch 13 (1896), S. 444 f: Es fehle oft an einer Leistung des Staates, weil erst „das höchst willkürliche und künstliche Verbot des Staates ... bei den Erlaubnis- und Gnadengewährungen, den Dispensationen u.s.w. die Grundlage der angeblichen Gebühr" geschaffen habe. 48 Von Stein (5. Aufl.), S. 327, 339. 49 S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A l l . 46
50
Vgl. von Schall, S. 103.
Α. Dogmatische Grundlagen
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den, sondern muß auch die soeben genannten Abgabenarten beachten. Außer Betracht bleiben kann jedoch der Stempel, weil er lediglich eine besondere Form der Erhebung darstellte.
II. Rechtfertigung der Gebührenerhebung Die Frage, wodurch die Erhebung von Gebühren gerechtfertigt werden kann, wurde in der Geschichte des Gebührenrechts nur am Rande erörtert. Sofern sich überhaupt Äußerungen hierzu finden lassen, zeichnen sie sich nicht durch eine besonders tiefgehende Behandlung der Problematik aus. Der Grund hierfür wird wohl darin zu sehen sein, daß erst durch die Geltung des Grundgesetzes die Rechte des einzelnen gegenüber staatlichen Abgabenbelastungen gestärkt wurden, was die Notwendigkeit der Rechtfertigung von Abgabenerhebungen in den Blick gerückt hat. Auffällig ist allerdings, daß in der damaligen Literatur immer wieder zwei Gesichtspunkte genannt wurden, welche man als geeignet ansah, die Gebührenerhebung zu rechtfertigen. Beide Aspekte waren bemerkenswerterweise niemals umstritten oder wurden näher problematisiert, vielmehr sind sie fast durchgängig nachzuweisen, und zwar unabhängig von der jeweiligen Position des Autors zu Begriff oder Bemessung der Gebühr 51. Auf sie ist nun näher einzugehen.
/. Die erbrachte Staatsleistung Die erste Argumentation ging davon aus, daß der Staat ein Gemeinwesen ist, welches das Wohl aller Staatsbürger fördern müsse. Das heiße jedoch nicht, daß es ihm verwehrt sei, auch im Interesse einzelner tätig zu werden und dadurch Individualinteressen zu befriedigen. Genau das sei aber der Fall, wenn er an einen einzelnen eine Leistung erbringt. Hierfür eine Gegenleistung zu erheben, erscheine als gerechtfertigt, auch wenn der Staat nicht gezwungen sei, dies zu tun 52 . Es ist somit das wesentliche Charakteristikum der Gebühr, nämlich das Vorhandensein einer staatlichen Leistung, das als rechtfertigender Gesichtspunkt ihrer Erhebung angesehen wurde. Die Gebührenerhebung wurde insofern als Ausprägung des zivilrechtlichen Gedankens von Leistung und
51
Vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach, S. 5; Gutmann, S. 28; von Hechel, S. 514; O. Mayer II, S. 289; von Schall, S. 105; von Stein (5. Aufl.), S. 249 f; Strutz, S. 630; Toepfer, FinArch 26 (1909), S. 518, 544 ff; Umpfenbach, S. 63. 52 Vgl. Rau, S. 349; weitergehend Umpfenbach, S. 63: Der Staat habe die Pflicht zur Erhebung eines Entgelts.
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
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Gegenleistung begriffen, was insbesondere dann zum Tragen kam, wenn der Gebühr Ähnlichkeit mit der Bezahlung für geleistete Dienste zugesprochen wurde 53 .
2. Der Schutz der Steuerzahler Im Rahmen eines weiteren Rechtfertigungsgedankens wurde angeführt, daß der wirtschaftliche Schutz der Gesamtheit aller Steuerzahler die Gebührenerhebung legitimiere. Dieser Aspekt konnte erst Bedeutung erlangen, nachdem Gebühr und Steuer als eigenständige Abgabenformen erkannt wurden. Während die Gebühr an eine individuell erbrachte Staatsleistung anknüpfe, werde die Steuer voraussetzungslos erhoben und diene der Finanzierung der allgemeinen Staatstätigkeit54. Die Argumentation ging nun dahin, daß der leistungsgewährende Staat zur Finanzierung seiner Tätigkeit, wozu auch die Erbringung von Leistungen an einzelne zähle, auf Steuermittel zurückgreifen müsse, wenn ihm nicht eine anderweitige Finanzierungsquelle zur Verfugung stehe. Als eine solche diene das Gebührenaufkommen. Die hieraus gedeckten Kosten müßten nicht aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden, so daß diese finanzielle Ressource geschont werde. Hieraus folge wiederum, daß der Staat auf Steuererhöhungen verzichten könne und somit die finanzielle Belastung der Steuerzahler nicht gesteigert werde. Demgemäß postulierte schon Karl Umpfenbach nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht des Staates, Gebühren zu erheben, „damit nicht von einzelnen Staatsangehörigen, durch stärkere Inanspruchnahme von Staatseinrichtungen zu ihren Privatzwecken, auf die Gesammtheit eine ungerechte Belastung gewälzt werde" 55 . Lorenz von Stein sah es als „Widerspruch" an, wenn ein einzelner den Staat für seine Privatinteressen unbezahlt in Anspruch nehmen kann, so „daß der, welcher die Staatsfähigkeit nicht für sein Interesse braucht, für den zahlt, der sie fur sich in Anspruch nimmt; das Einzelinteresse würde sich wenigstens wirthschafitlich zum Gesammtinteresse machen". Dieser „Widerspruch" werde durch die Erhebung von Gebühren gelöst56. Ähnlich wie Umpfenbach beurteilte es von Schall geradezu als „eine Forderung des Rechts der Einzelnen, von Staatswegen ausschließlich nur für Zwecke des gemeinen Besten mit ihrer wirtschaftlichen Kraft als solcher in Anspruch genommen zu werden". Derjenige Teil des Staatsaufwandes, der Privatinteressen diene, müs53 54 35
56
So ζ. B. Rau, S. 349; ähnlich Wildvang, S. 11. Rau, S. 110; 383; von Stein (1. Aufl.), S. 161 ff, ebenso die 5. Aufl. S. 249 f. Umpfenbach, S. 63.
Von Stein (5. Aufl.), S. 249 f.
Α. Dogmatische Grundlagen
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se in Form von Gebühren von den Leistungsempfängern bestritten werden 57. Etwas weniger streng formulierte Max von Heckel, wenn er es als „wünschenswert" bezeichnete, „die Personen, für die und auf deren Veranlassung die einzelnen Handlungen vorgenommen werden, speziell zur Kostendeckung heranzuziehen und die Gesamtheit der Steuerzahler zu entlasten"58. Naturrechtliche Elemente klangen bei Otto Mayer an. Es sei eine „Forderung der natürlichen Billigkeit", daß derjenige, der „Vorteile auf Kosten des Gemeinwesens" erlange, „diesem eine angemessene Vergütung" schulde. „Es wäre ungerecht den übrigen Staatsgenossen gegenüber, welche mit ihren Steuerlasten den Aufwand decken helfen müssen, wenn Einzelne den Vorteil des Unternehmens ohne Ausgleich genießen dürften." 59 In ähnlicher Weise urteilte Georg Strutz: Es sei „gerecht", die Kosten der erbrachten Staatsleistungen „nicht der Allgemeinheit der Abgabepflichtigen zur Last zu legen, sondern ... mit den Kosten auch nur die an den Leisungen Interessierten zu belasten"60. Auch Arnold Köttgen begriff die Gebührenerhebung als Mittel, „um eine unangemessene Erhöhung der Steuern und eine etwaige ungerechte Verteilung der öffentlichen Lasten zu vermeiden" 61. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß dem Gedanken, wonach die Gebühr dem Schutz der Steuerzahler dient, auch vom damaligen Gesetzgeber Rechnung getragen wurde. So hieß es in § 2 Satz 1 des Preußischen Kommunalabgabengesetzes62: „Die Gemeinden dürfen von der Befugnis, Steuern zu erheben, nur insoweit Gebrauch machen, als die sonstigen Einnahmen, insbesondere aus dem Gemeindevermögen, aus Gebühren, Beiträgen und vom Staate oder von weiteren Kommunalverbänden den Gemeinden überwiesenen Mitteln zur Deckung ihrer Ausgaben nicht ausreichen." Hieraus ergab sich, daß die einer Gemeindenverwaltung entstehenden Kosten erst zuletzt aus Steuermitteln bestritten werden konnten, Gebühren und Beiträge waren demgegenüber vorrangig heranzuziehen 63.
57 58
Von Schall, S. 105. Von Heckel, S. 514.
59
O. Mayer II, S. 289; ihm folgend Gutmann, S. 28.
60
Strutz, S. 630. Köttgen, S. 20.
61
62 63
Preußisches Kommunalabgabengesetz vom 14.07.1893, PrGS S. 152. So auch Moll, S. 15.
44
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
III. Gebührenbemessungsprinzipien Es ist denkbar, eine Gebühr entweder nach den Kosten oder nach dem Wert der erbrachten Staatsleistung zu bemessen. Dabei tritt das Problem auf, ob eines dieser möglichen Bemessungsprinzipien auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung zwingende Geltung für jede Gebühr beanspruchen kann. Die Gebührenbemessung wäre in einem solchen Fall von vornherein entsprechend gebunden. Diese Frage wurde früher unterschiedlich beurteilt 64 . Es standen sich hier zwei Grundpositionen gegenüber.
7. Kostentheorie Die Vertreter der sog. „Kostentheorie" wollten die Höhe der Gebühr an der Höhe derjenigen Kosten orientieren, die dem Staat infolge der Leistungserbringung entstanden sind. Begründet wurde dies damit, daß es der Grundgedanke des Gebührenrechts sei, daß die Kosten der Leistung bestritten werden sollen. Die Bemessung nach dem Nutzen hinge von zu vielen Einzelfallumständen ab 65 . Die Kostentheorie unterteilte sich in verschiedene Varianten. So wurde die Auffassung vertreten, daß derjenige Teil der Abgabe, der bis zur Grenze der Kostendeckung reicht, eine Gebühr sei, während ein etwaiger Überschußbetrag der Kategorie der Steuer unterfalle 66 . Andere Autoren meinten, daß die Höhe der Gebühr nicht bis zur Grenze der Kostendeckung gehen dürfe, sondern unter ihr liegen müsse. Das folge aus der Tatsache, daß die Gebühr eine Vergütung für individuell provozierte Kosten sei, ein Teil der Staatsleistung werde aber zumindest auch im Allgemeininteresse erbracht, so daß für diesen Teil keine Vergütung zu zahlen sei 67 . Diesen strengen Varianten der Kostentheorie setzte man eine gemäßigte Version entgegen. Die Bemessung über die Kostengrenze hinaus wurde grundsätzlich für möglich angesehen. Erst wenn der Überschußbetrag die Selbstkosten des Staates wesentlich übersteigt, werde er zur Steuer 68. Ähnlich formulierte es der Reichsfinanzhof. Er führte aus, daß eine Abgabe keine Steuer sei, wenn sie eine Leistung entgelten soll. Weiter hieß es, daß eine 64
Vgl. auch die Darstellungen bei Clausen, S. 13 ff und Kreft, S. 72 ff. Vgl. statt vieler Toepfer, FinArch 26 (1909), S. 517, 544 ff; Gutmann, S. 29. 66 Fleiner, S. 426 f; Gutmann, S. 28 f, 42 f; Köttgen, S. 20; Meissinger, FinArch 31 (1914) S. 229; Rau, S. 109 f; Toepfer, FinArch 26 (1909), S. 512 ff; 544 ff; Wagner I, S. 313. 65
67
68
Held,, S. 721 f; Umpfenbach, S. 56 ff; 64 f.
Roscher, S. 94; Wildvang, S. 28 f. Auch Wagner rückte in der Folgezeit von der strengen Variante der Kostentheorie ab (vgl. Fußn. 45) und verlangte nur noch ein „möglichst angemessenes Verhältnis", zit. nach Neumann, S. 304 f.
Α. Dogmatische Grundlagen
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Abgabe dann eine Gegenleistung darstelle und folglich keine Steuer sei, wenn sie „die Aufwendungen des Gemeinwesens fur die ... Leistung nicht dergestalt übersteigt, daß sich ein offenbares Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ergibt" 69 . Interessanterweise sagte das Gericht nur, daß in einem solchen Fall keine Steuer vorliege, allein dieser Gesichtspunkt war nämlich in dem gegebenen Fall entscheidungserheblich. Welche Abgabenkategorie aber einschlägig sein soll, blieb offen, insbesondere vermied das Gericht jegliche Aussage zur Gebühr, dieser Terminus tauchte in der gesamten Entscheidung kein einziges Mal auf. Zu beachten ist, daß unterschieden werden muß zwischen denjenigen Autoren, die das Kostendeckungsprinzip als generelles Bemessungsprinzip bejahten, und anderen, die dieses Prinzip nur deshalb anerkannten, wenn und weil es gesetzlich normiert wurde. Zu letzteren zählt ζ. B. Walter Moll: Er führte aus, daß ein kommunaler Gebührenanspruch entfalle, wenn keine Kosten entstanden seien70. Allerdings folgerte er dies allein aus der Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 des Preußischen Kommunalabgabengesetzes71. Er ist daher nicht als Vertreter der Kostentheorie anzusehen. Hingewiesen sei noch auf Lorenz von Stein, der die Bemessung nach den Kosten zwar grundsätzlich ablehnte, ihnen aber dennoch einen starken Einfluß auf die Gebührenhöhe zugestand72. Diese Position ist von den Lehren der Kostentheorie aber derart weit entfernt, daß von Stein nicht mehr zu den Vertretern dieser Meinung gezählt werden kann 73 . Ebensowenig ist er aber auch den Vertretern der sogleich zu behandelnden Nutzen- oder Werttheorie zuzuordnen, weil er diese Bemessungsprinzipien auch ablehnte. Seinem eigenen Ansatz 74 ist in diesem Rahmen nicht näher nachzugehen. Innerhalb der Rechtsprechung haben sich lediglich der Württembergische Verwaltungsgerichtshof und das Sächsische Oberverwaltungsgericht für die Geltung der Kostentheorie ausgesprochen. Begründet wurde diese Meinung 69 70
71
RFHE (GrS) 20,21 (23). Moll, S. 89, 95.
Preußisches Kommunalabgabengesetz vom 14.07.1893, PrGS S. 152. Dort heißt es: „Die Gebührensätze sind in der Regel so zu bemessen, daß die Verwaltungs- und Unterhaltungskosten der Veranstaltung ... gedeckt werden." 72 Von Stein (5. Aufl.), S. 274 f. 73 Anders Clausen, S. 15, der von Stein als Vertreter der Kostentheorie einordnet. Die Belegstelle bezieht sich jedoch auf die 2. Auflage des „Lehrbuchs der Finanzwissenschaft". In der 1885 erschienenen 5. Auflage hat von Stein die Kostentheorie nicht mehr vertreten, s. insbes. S. 274: Die Gebührenhöhe „kann ferner nicht bemessen werden nach den Kosten, ...". Kreft, S. 50 Fußn. 1, bezeichnet von Stein als Vertreter der Nutzen· oder Werttheorie, was ebenfalls nicht mit dessen Aussagen belegt werden kann. 74 Vgl. von Stein (5. Aufl.), S. 274.
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letzlich mit dem Entgeltcharakter der Gebühr, welcher eine über die Kosten der Leistung hinausgehende Einnahmeerzielung verhindere 75.
2. Nutzen- oder Werttheorie Den Gegenpol zur Kostentheorie bildete die sog. „Nutzen- oder Werttheorie". Sie sah nicht die Kosten der erbrachten Staatsleistung als entscheidend für die Gebührenbemessung an, sondern wollte die Gebührenhöhe an dem Wert ausrichten, den die Staatsleistung für den Empfänger besitzt. Konsequentester Vertreter dieses Ansatzes war Otto Ehlers. Er verstand die Gebühr allein als ein Entgelt für staatlicherseits zugewendeten Nutzen, dieser sei für die Bemessung entscheidend. Der Staat schaffe durch seine Tätigkeit bei dem einzelnen einen Wert, diesem Wert müsse die Gebührenhöhe entnommen werden 76 . Allerdings räumte er aber auch ein, daß die Kosten, die dem Staat entstanden sind, eine große Rolle bei der Gebührenbemessung spielen, dies insbesondere dann, wenn eine Bemessung des Nutzens nicht möglich ist 77 . Andere Autoren stellten die Bemessung nach den Kosten und diejenige nach dem Wert bzw. dem Nutzen der Staatsleistung für den Empfänger gleichwertig nebeneinander 78. Eine Bemessung nach dem Nutzen komme insbesondere dann in Betracht, wenn eine solche nach den Kosten nicht möglich sei, so ζ. B. bei der Einräumung von Lizenzen und Dispensen79. Innerhalb der Rechtsprechung wurde vom Thüringischen Oberverwaltungsgericht abgelehnt, die Gebührenerhebung auf den Kostenersatz zu beschränken. Der Entgeltcharakter, der die Gebühr von der Steuer abgrenze, fordere dies nicht, weil der Kostenersatz nur eine Möglichkeit der Abgeltung sei, darüber hinaus komme auch die Abgeltung nach dem objektiven Wert der Leistung in Betracht. Des weiteren sei die Bemessung nach dem Kostendeckungsprinzip weder gewohnheitsrechtlich gefordert noch folge sie aus Begriff oder Wesen der Gebühr 80 . Das Hamburger Oberverwaltungsgericht sah eine Abgabe dann nicht mehr als Gebühr, sondern als Steuer an, wenn sie das Maß „der angemessenen Gegenleistung" überschreitet. Das folge aus der Steuerhoheit anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften, denn die Finanzkraft des einzelnen solle
75
Näher hierzu Clausen, S. 26 m.w.N. O. Ehlers, FinArch 13 (1896), S. 463, 465. 77 O. Ehlers, FinArch 13 (1896), S. 485. 78 Von Hechel, S. 514; von Hoch, S. 16; O. Mayer II, S. 289 Fußn. 9; Neumann, S. 308 f (s. aber auch S. 313 f); von Schall, S. 105, 107; Strutz, S. 624 f. 79 So von Schall, S. 105, 107; ähnlich von Hechel, S. 514. 80 ThürOVG, RVB1. 1932, 636. 76
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nicht durch die Erhebung von hohen Gebühren zulasten der Steuerhoheit geschwächt werden. Dieser Gedanke entspricht erkennbar dem Bemühen einiger Vertreter der Kostentheorie, Gebühr und Steuer anhand der Abgabenbemessung voneinander abzugrenzen. Bemerkenswert ist jedoch, daß das Gericht insofern nicht, wie es der Kostentheorie entsprechen würde, auf die Kosten der Leistungserbringung, sondern auf den Wert der Leistung für den Empfänger abstellte81. Das Preußische Oberverwaltungsgericht nahm zur Kosten- bzw. Nutzentheorie soweit ersichtlich nicht explizit Stellung, was damit zusammenhängen kann, daß § 4 Abs. 2 des Preußischen Kommunalabgabengesetzes die Einhaltung der Kostengrenze bei der Gebührenbemessung ausdrücklich vorschreibt. Das Gericht hielt es jedoch trotz Geltung dieser Regelung für belanglos, daß Gebühren Überschüsse abwerfen, was allerdings nicht näher begründet wurde 82 . Erkennbar ist aus dieser Äußerung jedenfalls eine ablehnende Haltung gegenüber der Kostentheorie 83 .
3. Gesetzliche Anordnung von Bemessungsprinzipien Sowohl die Bemessung nach den Kosten als auch diejenige nach Nutzen oder Wert der Leistung sind in einzelnen gesetzlichen Regelungen nachzuweisen84. So ermächtigte § 1 PrKAG 8 5 die Gemeinden, Gebühren „zur Deckung ihrer Ausgaben und Bedürfnisse" zu erheben. Demgemäß waren nach § 4 Abs. 2 Satz 2 PrKAG die „Gebührensätze ... in der Regel so zu bemessen, daß die Verwaltungs- und Unterhaltungskosten der Veranstaltung, einschließlich der Ausgaben für die Verzinsung und Tilgung des aufgewendeten Kapitals, gedeckt werden" 86 . Diese Regelung bezog sich auf Benutzungsgebühren. Für kommunale Verwaltungsgebühren galt die strengere Norm des § 6 Abs. 3 PrKAG: „Die Gebühren müssen so bemessen werden, daß deren Aufkommen die Kosten des bezüglichen Verwaltungszweiges nicht übersteigt." 87 Anders war die Rechtslage, was die vom Staat erhobenen Verwaltungsgebühren betrifft. So ließ schon das Preußische Stempelsteuergesetz von 189588 in seinen
81
HambOVG, JW 1928, 3290 f. Vgl. PrOVGE 62, 137 (145); PrOVG, PrVBl. 1913, 211 (212). 83 So auch Clausen, S. 27. 84 Ausf. Clausen, S. 19 ff; Kreft, S. 49 f. 85 Preußisches Kommunalabgabengesetz v. 14.07.1893, PrGS S. 152. 86 Herv. v. Verf. 87 Herv. v. Verf. 88 Preußisches Stempelsteuergesetz vom 31.07.1895, PrGS. S. 413. Dieses Gesetz normierte entgegen seinem insofern irreführenden Namen auch die Erhebung bestimmter Gebühren, ausf. dazu oben 2. Teil, Gliederungsabschnitt A I 3 b. 82
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
48
§ § 6 und 8 die Gebührenberechnung nach dem Wert des Gegenstandes zu. Auch § 4 Abs. 2 des Preußischen Verwaltungsgebührengesetzes aus dem Jahre 192389 bestimmte lediglich: „Die Gebühren sollen unter Berücksichtigung der Kosten des betreffenden Verwaltungszweiges festgesetzt werden." Die aufgrund des genannten Gesetzes ergangene Verwaltungsgebührenordnung 90 ließ in ihren §§5 und 10 eine Bemessung nach dem Wert oder der Bedeutung der Sache ausdrücklich zu. Dasselbe galt gemäß Art. 280 Abs. 1 des Bayrischen Gesetzes über das Gebührenwesen 91. Die hierzu ergangene ministerielle Vollzugsbekanntmachung vom 13.07.1910 stellte klar, daß die Bedeutung dieser Vorschrift darin liege, daß eine dem Wert des Gegenstandes entsprechende Gebühr zwar mit Rücksicht auf die finanziellen Verhältnisse des Schuldners ermäßigt, nicht aber erhöht werden könne92. Diese Beispiele zeigen, daß sich die Gesetzgebung weder für noch gegen ein bestimmtes Bemessungsprinzip entschieden hat93, vielmehr wurden diese je nach Bedarf flexibel eingesetzt. Des weiteren bestanden Unterschiede, was den zwingenden Charakter von im Einzelfall angeordneten Bemessungsprinzipien angeht; es sind sowohl Muß- als auch Soll-Bestimmungen zu finden. Festzuhalten bleibt daher, daß sowohl die der Kostendeckung dienende als auch die wertabgeltende Gebühr gesetzlich anerkannt war und eine dementsprechende Bemessung ermöglicht wurde.
IV. Der gebührenrechtliche Kostendeckungszweck In der gebührenrechtlichen Literatur war von Anfang an unbestritten, daß der Staat Gebühren erheben darf, um diejenigen Kosten zu decken, die ihm infolge der Leistungserbringung entstanden sind. Weitere denkbare Gebührenzwecke, wie ζ. B. der Lenkungs- oder der Wertabschöpfungszweck, wurden niemals ausdrücklich angesprochen. Insbesondere was die Funktion der Wertabschöpfung angeht, ist bemerkenswert, daß im Rahmen der Gebührenbemessungsprinzipien immer nur von einer Wertbemessung, nicht aber von einer (Funktion der) Wertabschöpfung die Rede war. Die Bemessung nach dem Wert hielt der überwiegende Teil von Rechtswissenschaft und Rechtspraxis für zulässig94, allerdings wurde nicht erörtert, welchen Zweck eine derart bemessene
89 90 91 92
93 94
Gesetz vom 29.09.1923, PrGS. S. 455; Herv. v. Verf. Preußische Verwaltungsgebührenordnung vom 30.12.1926, PrGS. S. 327. Gesetz vom 11.11.1899, GVB1. für das Kgr. Bayern S. 904. Vgl. Gerlach, S. 15.
So im Ergebnis auch Clausen, S. 29. S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A III 2.
Α. Dogmatische Grundlagen
49
Gebühr verfolgt. Dem ist jedoch nicht näher nachzugehen. Für die vorliegende Arbeit ist nämlich die Frage wichtiger, ob das Ziel der Kostendeckung als eine Gebührenfunktion angesehen wurde, die einer jeden Gebühr von vornherein immanent ist, so daß diese nur dann erhoben werden darf, wenn ihr ein staatlicher Aufwand gegenübersteht. Es wurde diesbezüglich bereits ausgeführt, daß sich der Versuch, den Kostendeckungszweck in den Gebühreniegnj^ direkt aufzunehmen, nicht hat durchsetzen können95. Im folgenden soll nun geprüft werden, ob sich etwa aus Bemessungsprinzipien oder Legitimation der Gebührenerhebung Schlüsse ziehen lassen, was die Bedeutung der Kostendeckungsfunktion in der Geschichte des Gebührenrechts angeht.
/. Kostendeckungszweck
und Bemessungsprinzipien
Von einer starken Strömung der Literatur wurde vertreten, daß sich die Bemessung der Gebührenhöhe nach den staatlicherseits entstandenen Kosten zu richten habe (sog. Kostentheorie) 96. Das setzt voraus, daß eine Gebühr nur dann erhoben werden kann, wenn dem Staat überhaupt Kosten entstanden sind, denn ansonsten wäre eine Gebührenbemessung nicht möglich. Eine Gebühr würde also von der Bemessungsseite her auf den Zweck festgelegt, entstandene Kosten zu decken. Allerdings hat sich die Geltung des Kostendeckungsprinzips als Bemessungsprinzip niemals durchsetzen können, vielmehr war die Kostentheorie von jeher starken Angriffen aus dem Lager der Nutzen- oder Werttheorie ausgesetzt97. Es ist daher festzuhalten, daß die Ableitung eines gebührenimmanenten Kostendeckungszwecks aus dem entsprechenden Bemessungsprinzip zwar versucht wurde, aber letzlich erfolglos blieb.
2. Kostendeckungszweck
und Rechtfertigung
der Gebührenerhebung
Die Erhebung von Gebühren wurde aus zwei Gesichtspunkten heraus legitimiert. Zum einen stellte man darauf ab, daß die bloße Tatsache der Leistungserbringung eine Entgeltzahlung rechtfertigt. Zum anderen hob man entscheidend auf den Schutz der Steuerzahler ab, die Gebührenerhebung solle deren Belastung mindern 98 . Auffällig ist nun, daß alle Autoren die Schutzwirkung der 95
S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A I 2 b. S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A III 1. Auf die unterschiedlichen Varianten der Kostentheorie muß in diesem Zusammenhang nicht weiter eingegangen werden. 97 S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A III. So auch Clausen, S. 28 f. 98 S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A II. 96
4 Heimlich
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
50
Gebührenerhebung zugunsten der Steuerzahler einhellig anerkannten, und zwar unabhängig von ihrer jeweiligen Position zur Begriffsbildung. Karl Umpfenbach, der die Gebühr als Vergütung für provozierte Kosten definierte, ist hier genauso zu finden wie Lorenz von Stein, Max von Heckel oder Otto Mayer, welche die Gebühr rein formal als Entgelt für eine Staatsleistung ansahen. Auch Karl Friedrich von Schall, der als begriffliche Voraussetzung der Gebühr nur eine Staatsleistung von „bestimmter Qualitiät" anerkennen wollte, war sich mit den anderen Autoren wieder einig, was die Frage der Gebührenlegitimation angeht. Dasselbe Bild zeigte sich bei den unterschiedlichen Auffassungen zu den Bemessungsprinzipien. Standen sich hier noch die Vertreter von Kostenund Nutzentheorie mehr oder weniger unversöhnlich gegenüber, so fanden sie wieder zusammen, wenn es um die Legitimation der Gebührenerhebung gingt". Auch Lorenz von Stein, der die Gebühr weder nach den Kosten noch nach dem Nutzen, sondern nach der „Häufigkeit ihres Vorkommens" bemessen wollte 100 , erkannte den Schutz der Steuerzahler als Gebührenlegitimation an. Daß dem auch der preußische Gesetzgeber Rechnung trug, ist oben bereits angesprochen worden 101 . Hieraus könnte nun der Schluß gezogen werden, daß die Gebühr allgemein als Abgabe mit immanentem Kostendeckungszweck angesehen wurde, was sich aus folgender Überlegung ergäbe: Wenn sich die Gebührenerhebung aus dem Gedanken des Steuerzahlerschutzes heraus legitimieren kann, muß gefragt werden, wovor der Steuerzahler geschützt werden muß. Die Antwort liegt auf der Hand: Es geht zunächst darum, das Steueraufkommen zu schonen und die finanzielle Belastung des einzelnen möglichst gering zu halten. Des weiteren soll aber nicht nur verhindert werden, daß der Steuerzahler finanzielle Lasten tragen muß, sondern auch, daß er für staatliche Leistungen zahlen muß, die ihm in keiner Weise zugute kommen. Dies alles wird aber nur dann relevant, wenn dem Staat infolge der erbrachten Leistung Kosten entstanden sind. Allein in einem solchen Fall ist er gezwungen, die ihm zur Verfügung stehenden Finanzmittel anzugreifen, sei es das Steueraufkommen, sei es das Aufkommen aus Gebühren, und nur dann besteht die Gefahr, daß für Leistungen gezahlt wird, die allein im Interesse eines anderen erbracht werden. Ist die Leistung aber nicht mit Kosten verbunden, stellt sich auch nicht die Frage, wer finanziell belastet und wer finanziell geschont werden soll. Die Legitimation der Gebühr aus dem Gesichtspunkt des Steuerzahlerschutzes heraus kann also nur tragen,
99
Vgl. Gutmann, Köttgen und Umpfenbach als Vertreter der Kostentheorie einerseits, von Heckel, von Schall und Strutz als Vertreter der Nutzentheorie andererseits, s.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A III 1, 2. 100 Von Stein (5. Aufl.), S. 274. 101 S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A II 2.
Α. Dogmatische Grundlagen
51
wenn die gebührenpflichtige Leistung mit Kosten verbunden ist, ansonsten liefe diese Argumentation leer. Gleichwohl kann aus diesen Überlegungen nicht auf die allgemeine Anerkennung eines gebührenimmanenten Kostendeckungszwecks geschlossen werden. Man darf nicht verkennen, daß der Aspekt des Steuerzahlerschutzes nur als eine Möglichkeit der Gebührenrechtfertigung angesehen wurde. Schon die bloße Tatsache, daß der Staat dem einzelnen eine Leistung erbracht hat, wurde nämlich für ausreichend erachtet, was die Legitimation der Gebührenerhebung angeht102. Des weiteren würde der Gedanke des Steuerzahlerschutzes nur eine solche Gebühr rechtfertigen können, die höchstens bis zur Höhe des staatlichen Aufwandes bemessen ist, denn Steuermittel müßten nur dann ergänzend zur Finanzierung herangezogen werden, wenn entstandene Kosten nicht gedeckt sind. Ein Gebührenüberschuß könnte nicht mehr damit begründet werden, daß das Steueraufkommen geschont werden solle, weil ja alle Kosten schon gedeckt sind. Gerechtfertigt wäre insofern nur eine kostendeckende, nicht aber eine kostenüberschreitende Gebühr. Daß diese Folge insbesondere von den Vertretern der Nutzen- oder Werttheorie, aber auch von denjenigen einer gemäßigten Kostentheorie nicht gewollt sein konnte, liegt auf der Hand. Bei ihnen spielte daher der Aspekt des Steuerzahlerschutzes nur eine nachrangige Rolle, so daß diesbezügliche Äußerungen nicht überbewertet werden dürfen. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, daß entgegen der oben dargestellten Argumentation nicht eine jede Gebühr, sondern allenfalls einige bestimmte Gebührenarten von sämtlichen Autoren einheitlich gerechtfertigt wurden, so ζ. B. Bearbeitungsoder Ausfertigungsgebühren. Nur bei derartigen Gebühren müßte nämlich staatlicher Aufwand aus Steuermitteln gedeckt werden, gäbe es keine Gebührenzahlungen der Leistungsempfänger. Schließlich ist noch zu beachten, daß das Verhältnis von Steuerzahlerschutz und Kostendeckungszweck in der Literatur an keiner Stelle ausdrücklich erörtert wurde, so daß es recht spekulativ erscheint, wollte man aus der Rechtfertigung der Gebühr konkrete Folgerungen hinsichtlich der wichtigen Frage gebührenimmanenter Funktionen ableiten. Es ist allemal erhellender, einzelne Gebührenarten in bezug auf diese Problematik näher zu untersuchen, was im folgenden Gliederungsabschnitt geschehen soll. Vorweggenommen sei jedoch an dieser Stelle schon, daß die Erhebung einer Gebühr auch dann allgemein als zulässig angesehen wurde, wenn sie im Einzelfall nicht durch den Aspekt des Steuerzahlerschutzes gerechtfertigt werden konnte. Aus alledem ergibt sich, daß von einer einheitlichen Rechtfertigung der Gebühr nicht die Rede sein kann, so daß aus einer solchen auch nicht auf ein einheitliches Verständnis der Gebühr als Abgabe mit immanentem Kostendekkungszweck geschlossen werden'kann.
102
S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A II 1.
52
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
3. Ergebnis Als Ergebnis ist festzuhalten, daß weder aus dem Begriff noch aus Rechtfertigung oder Bemessung der Gebühr die Folgerung gezogen werden kann, daß die Gebühr ihrem historischen Verständnis nach unbestrittenermaßen als Abgabe angesehen wurde, die der Kostendeckung dient 103 . Es ist nicht historisch zu belegen, daß die Gebühr nur deshalb erhoben werden darf, weil die Kosten der mit ihr verbundenen Leistung gedeckt werden sollen. Dieses Ergebnis, das sich schon aus allgemeinen dogmatischen Grundsätzen herleiten läßt, soll im folgenden Gliederungsabschnitt anhand konkreter, vormals erhobener Abgaben untermauert werden.
B. Darstellung ausgewählter Abgabenarten Die Auswahl der vor Erlaß des Grundgesetzes erhobenen Abgaben, auf die im folgenden näher eingegangen werden soll, muß sich an der für die vorliegende Untersuchung zentralen Frage orientieren, ob die Erhebung einer Gebühr voraussetzt, daß dem Staat infolge der Leistungserbringung Kosten entstanden sind. Es kommen also nur Abgabenarten in Betracht, bei denen staatlicher Aufwand nicht offensichtlich gegeben war, insbesondere solche, die anläßlich der Verleihung eines Rechts erhoben wurden. Auffällig ist hier, daß in nahezu der gesamten Literatur des 19. Jahrhunderts die Möglichkeit angesprochen wurde, die Verleihung von Rechten, insbesondere die Erteilung von Dispensen, mit einer Abgabenpflicht zu verknüpfen 104. Fraglich ist allerdings, was genau mit der Zahlung entgolten werden sollte. Es kommt hier zum einen der staatliche Aufwand in Frage, der mit der Rechts Verleihung einherging (Prüfung der Voraussetzungen, Schreibarbeit usw.) 105 , zum anderen aber auch die Tatsache der Rechtsverleihung selbst. Nur im letzteren Fall läge eine Abgabe vor, der die Kostendeckungsfunktion fehlte und die somit der heutigen „Verleihungs-
103
So i. Erg. auch Meyer, S. 42 ff.
104
O. Ehlers, FinArch 13 (1896), S. 453; von Heckel, S. 523; von Hock, S. 230 ff; Neumann, S. 396 f.; Rau, S. 360 f; Roscher, S. 95; von Schall, S. 104 Fußn. 2; von Stein
(1. Aufl.), S. 159 f; ders. (5. Aufl.), S. 307. 105 So sieht von Stein (5. Aufl., S. 307) jede Gebühr, die für die Erteilung eines Dispenses zu zahlen ist, ohne nähere Begründung als „Ausfertigungsgebühr" an. Auch Roscher (S. 95) meint, daß die für Dispenserteilungen zu zahlenden Gebühren die mit der Bearbeitung verbundene Beamtenarbeit entgelten soll.
Β. Darstellung ausgewählter Abgabenarten
53
gebühr" entsprach 106. Dementsprechend können nachfolgend diejenigen Gebühren vernachlässigt werden, deren Höhe schon unzweifelhaft nahelegt, daß lediglich der mit der Rechtsverleihung verbundene Bearbeitungsaufwand bezahlt werden sollte. Das trifft insbesondere auf solche Gebühren zu, die unabhängig vom Wert des verliehenen Rechts bemessen wurden 107 .
I. Abgaben für Dispense Unter Abgaben für Dispense sind diejenigen Geldleistungen zu verstehen, die erbracht werden mußten, wenn der Staat den einzelnen von einem bestehenden Verbot befreite. So wurde für den Dispens von Ehehindernissen früher eine Abgabe erhoben. Zu nennen sind hier die Erlaubnis zur Verheiratung in verbotenen Verwandtschaftsgraden, die Wiederverheiratung von „Ehebrechern", die Wiederverheiratung innerhalb der Trauerzeit, die Verheiratung Minderjähriger etc. In der Literatur war anerkannt, daß die Dispenserteilungen mit keinerlei staatlichem Aufwand verbunden sind, so daß die Abgabenbemessung allein nach dem Wert des erlangten Vorteils zu erfolgen hat. Die Abgabe wurde durchgängig als Gebühr bezeichnet, die staatliche Leistung liege in der Befreiung von den eherechtlichen Verboten 108. Auch an die Befreiung vom Militärdienst sowie an die Dienstzeitverkürzung wurde eine Abgabepflicht geknüpft. Es war allerdings umstritten, ob die Abgabe eine Gebühr für den erteilten Dispens darstellt oder ob nicht vielmehr eine Steuer vorliegt. Einige Autoren sahen die Abgabe ohne nähere Begründung als Dispensgebühr an und wollten die Abgabenhöhe nach dem im Einzelfall erlangten Vorteil bemessen109. Insbesondere die Vertreter der Kostentheorie lehnten diese Einordnung ab und vertraten die Auffassung, daß die Abgabe eine Steuer sei 110 . Einige Autoren differenzierten nach dem Zweck der Abgabe: Wird sie erhoben, um die Kosten des Aufwandes zu decken, der mit der Prü106
Der Terminus der „Verleihungsgebühr" findet sich zum ersten Mal (soweit ersichtlich) in der ersten Auflage des von Stein 'sehen Lehrbuchs der Finanzwissenschaft von 1860 (S. 159). Allerdings wird hier der Begriff nicht exakt im heutigen Sinne verstanden, s.u. 2. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 2 b. 107 Vgl. ζ. B. Nr. 30 des Gebührentarifs der Preußischen Verwaltungsgebührenordnung vom 30.12.1926, PrGS. S. 327, sowie Art. 218, 219 des Bayrischen Gesetzes über das Gebührenwesen vom 11.11.1899, GVB1. für das Kgr. Bayern S. 904. 108 Vgl. zum Ganzen Fentsch, S. 80; von Heckel, S. 523; von Hock, S. 230; Neumann, S. 397; Rau, S. 382; von Schall, S. 135. Nachweise über einzelne Abgabenhöhen bei Gerlach, S. 11 und 16 sowie bei von Schall, S. 135. 109 So von Heckel, S. 523; ähnlich auch O. Ehlers, FinArch 13 (1896), S. 460, 475. 110 Held, S. 721 f; Toepfer, FinArch 26 (1909), S. 542.
54
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
fung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Dispenses einhergeht, so liege eine Gebühr vor. Nur ein hierüber hinausgehender Teil sei eine Steuer 111. Schließlich sei noch erwähnt, daß in Preußen für die Erteilung von Baudispensen eine Gebühr gezahlt werden mußte, deren Höhe 1 % „von dem Werte des wirtschaftlichen Vorteils, den der Dispens gewährt", mindestens aber eine Mark, betrug 112 . Die Wissenschaft behandelte diese Abgabe jedoch nicht näher.
II. Abgaben für die Einräumung von sonstigen Rechten In der Literatur wurden über die Dispensgebühren hinaus noch Abgaben angesprochen, die für die Einräumung von Rechten gezahlt werden mußten. Der Unterschied zu den oben angesprochenen Dispensgebühren bestand darin, daß nicht an die im Einzelfall erteilte Befreiung von einem Verbot oder von einer Pflicht angeknüpft wurde, sondern daß sich der Rechtskreis des Betroffenen um ein zusätzliches Recht erweiterte.
1. Wirtschaftlich
nutzbare Rechte
a) Abgaben für Gewerbekonzessionen Der Betrieb einiger Gewerbe war von einer besonderen Zulassung abhängig, wobei die Erteilung der Konzession mit einer Abgabepflicht belegt wurde. Fraglich ist auch hier, ob die Abgabe den Bearbeitungsaufwand entgelten sollte, oder ob an die bloße Tatsache der Rechtsverleihung angeknüpft wurde 113 . In der Literatur war die Beurteilung unterschiedlich. Einige Vertreter der Kostentheorie gingen davon aus, daß derjenige Teil der Abgabe, der über die Deckung der entstandenen Kosten hinausgeht, eine Steuer sei 114 . Die Konzessionsgebühr habe also die Funktion, entstandene (Bearbeitungs-)Kosten zu decken. Diese Beurteilung ist vom Standpunkt der Kostentheorie her konsequent. Demgegen-
111
So Roscher, S. 100, von Schall, S. 135 Fußn. 9. Daß von Schall diese Meinung teilt, ist umso überraschender, als er ansonsten ohne jede Problematisierung anerkennt, daß die Verleihung von Rechten und die Dispenserteilung mit einer Gebührenpflichi belegt werden kann, s. S. 134 f. 112 Nr. 12 des Tarifs der Preußischen Verwaltungsgebührenordnung vom 30.12.1926, PrGS. S. 327. 113 Unklar diesbezüglich Fentsch, S. 80; Rau, S. 381. 114
Held,, S. 722; Roscher, S. 99.
Β. Darstellung ausgewählter Abgabenarten
55
über wurde von Vertretern der Nutzentheorie die Auffassung vertreten, daß die Abgabe für die Erteilung des Rechts gezahlt wird 1 1 5 . Man argumentierte, der Gesetzgeber gehe bei der Einführung der Konzessionsgebühren davon aus, daß die Gewerbegenehmigung eine große Bedeutung für den Inhaber besitzt. Dementsprechend sei eine allein an den Kosten orientierte Bemessung unangemessen 116 . Eine differenzierende Beurteilung findet sich bei von Schall: Die jährliche laufende Zahlung sei eine Steuer, während die einmalig aus Anlaß der Konzessionierung zu zahlende Abgabe eine Gebühr darstelle, die mit Rücksicht auf den Wert der erteilten Erlaubnis bemessen werden müsse 117 . Allerdings sind die Ausführungen unklar: Der Autor befürwortete einerseits wohl, daß die Gebühr an die Rechtsverleihung anknüpft, andererseits wurde darauf hingewiesen, daß eine entgeltpflichtige Prüfung und Beaufsichtigung stattfinde. Des weiteren differenzierte von Schall zwischen der hier angesprochenen Konzessionsgebühr und der Aufsichtsgebühr, die sich nach den Kosten der Aufsicht bemesse. Hätte er gemeint, daß die Konzessionsgebühr nur die Prüfung und Überwachung entgelten soll, müßte er konsequenterweise die Konzessionsgebühr als Unterfall der Aufsichtsgebühr qualifiziert haben. Indem er das nicht tat, erkannte er wohl an, daß die Konzessionsgebühr allein die Rechtsverleihung entgelten soll. Auch von Stein wählte einen eigenen Ansatz: Er sah die Konzessionsgebühr grundsätzlich als bloße Bearbeitungsgebühr an. Entgolten werde der Aufwand, der mit der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen und der Beaufsichtigung des Gewerbes einhergeht. Dies folge aus der Tatsache, daß mit Einführung der Gewerbefreiheit 118 das Recht, ein Gewerbe zu betreiben, kein vom Staat verliehenes Recht sei und es somit an einer gebührenpflichtigen Staatsleistung mangele. Verleiht der Staat aber das Recht, ein Gewerbe konkurrenzlos zu betreiben, liege eine „eigentliche Verleihungsgebühr" vor. Diese Gebühr sei der Preis für die Verleihung des „Rechts der Ausschließlichkeit" 1 1 9 .
115
Strutz, S. 636; von Hock, S. 230; vgl. aber auch S. 233 f, wo die Gebührenerhebung für die Konzessionierung gewerbesteuerpflichtiger Gewerbe als unzulässige Doppelbesteuerung angesehen wird. Von Myrbach , FinArch 34 (1917), S. 17 f ordnet die Konzessionsabgaben unter den Begriff der Taxe ein, was entsprechend der von ihm verwendeten Terminologie bedeutet, daß die Abgabe für die Rechtsverleihung gezahlt wird, s. o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A I 3 c. 116 117
118
Strutz, S. 636. Von Schall, S. 131.
Zur geschichtlichen Entwicklung der Konzessionabgaben bis hin zur Epoche der Gewerbefreiheit s. von Stein (5. Aufl.), S. 288 ff. 119 Von Stein (5. Aufl.), S. 293 f, 301 f, 304.
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
56
Beispiele für die Bemessung nach dem Wert der Konzession finden sich im seit 1910 geltenden bayerischen Gebührenrecht 120. Die Höhe der Abgabe für eine Gaststättenkonzession richtete sich nach der Höhe des erzielbaren (!) Jahrespachtertrages und bewegte sich zwischen 5 und 5.000 Mark 121 . Entsprechendes galt für die Apothekenkonzession. Die Erlaubnis zum Fortbetrieb einer Apotheke kostete, gestaffelt nach dem Jahresreinertrag, zwischen 20 und 800 Mark. Bemerkenswert ist, daß das Bayrische Gebührengesetz die Abgaben, welche für die Erteilung einer Gaststätten- oder Apothekenkonzession erhoben wurden, nicht als Gebühren, sondern als „besondere Abgaben" bezeichnete122. Es bleibt jedoch unklar, worin der Unterschied zur Gebühr liegen soll. In Preußen betrug die Höhe der Abgabe für den Betrieb einer Apotheke 1 % des Wertes der Konzession123, mindestens aber 300 Mark 124 . Anders als in Bayern wurde nicht zwischen Gebühren und „besonderen Abgaben" unterschieden.
b) Abgaben für die Konzession zur Personenbeförderung Im Bereich des Verkehrswesens sind insbesondere die Eisenbahn- und die Fahrpostkonzessionsabgaben zu nennen. Beide Abgaben wurden gezahlt, wenn einem Privaten das Recht gewährt wurde, eine Eisenbahngesellschaft zu betreiben oder Personen auf einer Poststrecke zu befördern. Die Eisenbahnabgabe wurde 1923 aufgehoben 125. Ihr Erhebungszweck wurde unterschiedlich beurteilt. So vertrat von Stein die Auffassung, daß sie erhoben wird, um den Bearbeitungsaufwand zu decken, der mit der Konzessionserteilung verbunden ist 126 . Demgegenüber sah Fleiner den Zweck der Abgabe darin, die Einnahmeausfälle zu decken, die dem Staat durch die private Konkurrenz entstehen. Dasselbe gelte für die Fahrpostkonzessionen 127. Hieraus zog er den Schluß, daß die Abgabe keine Gebühr, sondern eine Steuer sei. Bemerkenswert ist, daß von Stein die Auffassung von Fleiner zur Fahrpostkonzession teilte, hinsichtlich der Ei-
120
Bayrisches Gebührengesetz vom 13.07.1910, GVB1. für das Kgr. Bayern S. 311. Art. 220 des genannten Gesetzes. Eine weitere Auflistung verschiedener Gebührenbeträge findet sich bei von Schall, S. 131. 122 Vgl. den Wortlaut der Art. 220, 231a, 231b, in denen zwischen „Gebühren" und „besonderen Abgaben" unterschieden wird. 123 Hierauf stellte schon das Preußische Stempelsteuergesetz vom 31.07.1895 (PrGS. S. 413) ab. 124 Nr. 4a des Tarifs der Preußischen Verwaltungsgebührenordnung vom 30.12.1926, PrGS. S. 327. 125 Fleiner, S. 427 Fußn. 24. 126 Von Stein (5. Aufl.), S. 302, 304, 344. 127 Fleiner, S. 427 Fußn. 24. 121
Β. Darstellung ausgewählter Abgabenarten
57
senbahnkonzession aber anderer Meinung war 128 . Das bedeutet, daß er je nach Gegenstand der Konzession eine unterschiedliche Beurteilung vornahm. Die Höhe der Abgabe betrug in Bayern zwischen 50 und 500 Mark 129 , während in Preußen ein höchstens 10 % betragender Vom-Hundert-Satz des Anlage- und Betriebskapitals, mindestens aber 20 Mark, als Gebühr erhoben wurde 130 . Eine Bemessung nach dem Wert der Konzession erfolgte also nicht, was auch angesichts der relativ geringen Höhe der Abgabe auf eine bloße Bearbeitungsgebühr hindeutet.
c) Bergwerksabgabe Die Bergwerksabgabe wurde für die Verleihung von Rechten am Bergwerk erhoben. Fraglich ist auch hier, ob die Rechts Verleihung selbst entgolten werden sollte. In bezug auf die Bergwerksabgabe nach braunschweigischem Recht entschied der Reichsfinanzhof, daß sie deshalb keine Gebühr für die Verleihung der Ausübung des Bergregals sein könne, weil das braunschweigische Berggesetz von 1867 die Bergfreiheit vorsah in dem Sinne, daß bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen ein Anspruch auf Verleihung des Bergwerkseigentums besteht. Ob die Abgabe, welche entsprechend dem vor 1867 bestehenden braunschweigischen Bergrecht erhoben wurde, eine Gebühr für die Verleihung des Bergregals war, ließ das Gericht letztlich offen, Schloß aber eine solche Qualifizierung nicht aus131. Einer Äußerung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zufolge soll die nach bayerischem Recht erhobene Grubenfeldabgabe eine Anerkennungsgebühr für die Verleihung des Bergwerkseigentums sein 132 . Von Heckel vertrat die Meinung, daß sie für die Rechtsverleihung erhoben wird und nach dem Wert der Konzession zu bemessen sei 133 .
128
Von Stein (5. Aufl.), S. 326 f. Art. 219 des Bayrischen Gebührengesetzes vom 13.07.1910, GVB1. für das Kgr. Bayern S. 311. 130 Nr. 25a des Tarifs der Preußischen Verwaltungsgebührenordnung vom 30.12.1926, PrGS. S. 327. Das Preußische Stempelsteuergesetz vom 31.07.1895 (PrGS. S. 413) sah demgegnüber noch eine feste Gebühr in Höhe von 100 Mark vor (Nr. 22 m des Tarifs), die durch die Neubekanntmachung des Gesetzes verdoppelt wurde (Preußisches Stempelsteuergesetz i.d.F. der Bek. vom 30.06.1909, PrGS. S. 535, Nr. 22 1 des Tarifs). 131 RFHE 7, 266 (267 f). 132 Vgl. Strutz, S. 636, der diese Meinung selbst aber als bedenklich bezeichnet. 129
133
Von Heckel, S. 523.
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
58
Als Beispiel für die Abgabenhöhe sei Nr. 15f des Tarifs der Preußischen Verwaltungsgebührenordnung 134 angeführt. Hiernach wurde für die „Ausfertigung der Verleihungsurkunde" 135 eine Gebühr von 1000 Mark erhoben. Dieser Wortlaut und die angesichts des großen wirtschaftlichen Wertes der Konzession geringe Gebührenhöhe deuten darauf hin, daß nach preußischem Recht lediglich die Bearbeitungs- bzw. Ausfertigungskosten entgolten werden sollten. Festzuhalten bleibt jedoch, daß eine Ausgestaltung als Gebühr für die Rechtsverleihung selbst von Rechtsprechung und Literatur für grundsätzlich zulässig erachtet wurde.
d) Patentrechtsabgaben Auch die Erteilung eines Patentrechts konnte Anlaß für die Erhebung einer Abgabe sein. Einige Autoren sahen hierin die Abgeltung des Aufwandes, der durch Prüfung und Registrierung des Patents entsteht. Wenn aber der zu zahlende Betrag über die Kosten der Bearbeitung hinausgeht, liege eine Steuer vor. Die Begründung hierfür war unerschiedlich: Roscher 136 mußte vom Standpunkt der Kostentheorie aus konsequenterweise zu diesem Ergebnis kommen. Von Stein stellte dagegen auf das Zeitmoment ab. Die einmalig bei der Patenterteilung zu zahlende Abgabe stelle eine Patentgebühr dar, während diejenige Abgabe, die je nach Dauer der Innehabung des Patents laufend erhoben wird, eine Patentsteuer sei 137 . Von Hock verneinte die Möglichkeit einer Gebührenerhebung generell, weil es an einer Leistung des Staates fehle. Das geistige Eigentum werden nicht vom Staat verliehen, sondern stehe dem Erfinder von vornherein zu 138 . Von anderen Vertretern der Nutzentheorie wurde dieser Aspekt nicht weiter problematisiert. Sie sahen als gebührenpflichtige Staatsleistung nicht nur den Bearbeitungsaufwand, sondern auch die Patenterteilung selbst an. Die Gebühr sei nach dem Nutzen oder Wert des verliehenen Rechts zu bemessen139. Sie steige im Laufe der Jahre progressiv an, weil der vom Staat geleistete
134
Vom 30.12.1926, PrGS. S. 327. An die Ausstellung der Verleihungsurkunde knüpfte auch schon das Preußische Stempelsteuergesetz vom 31.07.1895 (PrGS. S. 413) die Pflicht zur Zahlung einer festen Gebühr von 50 Mark, die durch die Neubekanntmachung des Stempelsteuergesetzes vom 30.06.1909 (PrGS. S. 535) auf 500 Mark erhöht wurde (Nr. 68 des jeweiligen Tarifs). 135
136
137 138
139
134.
Roscher, S. 99 f.
Von Stein (1. Aufl.), S. 160. Von Hock, S. 233.
O. Ehlers, FinArch 13 (1896), S. 453, 484; von Heckel, S. 523; von Schall, S.
Β. Darstellung ausgewählter Abgabenarten
59
Dienst, also die Verleihung eines Monopols, von Jahr zu Jahr wertvoller werde 140 . Für die Auffassung, daß nicht nur die Bearbeitung entgolten wird, spricht auch die damalige Gesetzeslage: Das Patentgesetz vom 25.05.1877 sah nämlich neben einer Gebühr für die Kosten des Verfahrens eine besondere Gebühr für die Erteilung vor, die im ersten Jahr 30 Mark und in den Folgejahren 50 Mark betrug 141 .
e) Abgaben für die Konzession zur Papiergeldemission Erteilte der Staat einer privaten Bank die Erlaubnis, Papiergeld zu emittieren, so war von der konzessionierten Bank eine Abgabe an den Staat zu entrichten 142 . Diese Abgabe hatte zum Hintergrund, daß es das Hoheitsrecht des Staates war, einer Papiergeldnote die Fähigkeit zu verleihen, als Währung zu dienen (sog. Papiergeldregal). Wurde der Note einer privaten Bank diese Fähigkeit verliehen, galt sie als Währung, es entstand eine Banknote (im Unterschied zur Staatsnote). Der Wert der Note stieg durch die Erteilung des Währungsrechts ganz erheblich. Von Stein führte aus, daß die Abgabe, welche von der notenemittierenden Bank zu zahlen ist, aus zwei Elementen bestehe: Zum einen sei sie eine Gebühr, die den Bearbeitungsaufwand decken soll. Zum anderen solle der Wert der Konzession entgolten werden. Neben diesem Teil verschwinde die Bearbeitungsgebühr fast ganz, weil der Wert der Konzession derart hoch sei. Dennoch müsse die gesamte Abgabe als Gebühr angesehen werden, nämlich als eine „allerdings sehr hohe Concessionsgebühr für ihre Notenemission". Die Zahlung der Bank sei als Leistung für den Wert der Konzession zu betrachten und von den Steuern zu unterscheiden 143.
140
So O. Ehlers, FinArch 13 (1896), S. 484. Vgl. von Schall, S. 134 Fußn. 98. Anders ist die Gesetzeslage bei Muster- und Warenzeichenrechten: Hier ist eine Eintragungsgebühr mit einer Gebühr für die Rechtserteilung verschmolzen. Lediglich bei Kunsturheberrechten verbleibt es bei einer bloßen Eintragungsgebühr, vgl. von Schall a.a.O. 142 Auf diese Abgabe geht lediglich von Stein (5. Aufl.), S. 336 ff ein. 143 So ausdrücklich von Stein (5. Aufl.), S. 339 f. 141
60
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
2. Rechte ohne direkten wirtschaftlichen
Bezug
a) Aufenthaltsgeld, Bürgerrechtsgeld und Einkaufsgeld Manche Städte verlangten von Personen, die in ihrem Gebiet nicht heimatberechtigt waren, eine Abgabe für die bloße Tatsache des Einzugs in ihr Hoheitsgebiet 144 . Diese Geldleistung bezeichnete man als Aufenthaltsgeld. Sie war ein Symptom des damaligen Partikularismus' und wurde mit fortschreitender Freizügigkeit abgeschafft. Die Abgabe wurde als Gebühr qualifiziert, sie solle die besondere Erlaubnis zum Aufenthalt entgelten 145 . Vom Aufenthaltsgeld ist das Bürgerrechtsgeld (auch: Bürgergewinngeld) zu unterscheiden. Es wurde aus Anlaß der Verleihung der Ortsbürgerrechte für Zugereiste erhoben 146 und hatte bis Anfang dieses Jahrhunderts Bestand 147 . Die gesetzlichen Regelungen unterschieden sich stark 148 . So sah die Städteordnung für die östlichen Provinzen vom 30.05.1853 keinen besonderen Akt der Verleihung des Bürgerrechts vor. Das Bürgerrechtsgeld wurde lediglich bei Gelegenheit des Rechtserwerbs erhoben und fiel daher mangels staatlicherseits erbrachter Leistung in die Kategorie der Steuer 149. Demgegenüber knüpfte die Hannoversche revidierte Städteordnung vom 24.06.1858 150 den Erwerb des Bürgerrechts an einen Verleihungsakt. Die Verleihung mußte ausdrücklich erfolgen 151 und stand gemäß § 27 HannStO im Ermessen der Gemeinde 152 . § 28 HannStO sah vor, daß „für die Gewinnung des Bürgerrechts" eine „Gebühr" zu entrichten sei. Das Preußische Oberverwaltungsgericht stellte diesbezüglich fest, daß diese Abgabe zwar keine Gebühr im Sinne des Preußischen Kommunalabgabengesetzes153 sei, aber trotzdem eine Gebühr darstelle, weil sie eine Leistung des Staates, nämlich die Verleihung des Bürgerrechts, entgelten solle, eine
144
Vgl. z. B. § 2 Nr. 1, §§ 3 - 5 des Preußischen Gesetzes betreffend das städtische Einzugs-, Bürgerrechts- und Einkaufsgeld vom 14.05.1860, PrGS. S. 237. 145 S. zum Ganzen Moll, S. 143 f. 146 Vgl. z. B. § 2 Nr. 2, §§ 6, 7 des Preußischen Gesetzes betreffend das städtische Einzugs-, Bürgerrechts- und Einkaufsgeld vom 14.05.1860 (PrGS. S. 237), sowie Art. 12 des Bayrischen Gesetzes über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt i.d.F. der Bek. vom 30.07.1899 (GVB1. für das Kgr. Bayern S. 469). 147 Vgl. Meissinger, FinArch 31 (1914), S. 223 f; von Schall, S. 136. 148 Instruktiv dazu PrOVGE 55, 48 ff. 149 PrOVGE 55, 48 (49). 150 HannGS S. 141. 151 PrOVGE 35, 153 (160). 152 PrOVGE 14, 32(34). 153 Preußisches Kommunalabgabengesetz vom 14.07.1893, PrGS S. 152.
Β. Darstellung ausgewählter Abgabenarten
61
Steuer werde demgegenüber voraussetzungslos geschuldet 154 . In einer nachfolgenden Entscheidung präzisierte das Gericht: Die Gebühr sei eine „Verwaltungsgebühr" in Form der „Ausfertigungsgebühr", die „als Gegenleistung für die Verleihung des Bürgerrechts" zu entrichten sei 155 . Das gemäß hannoverschem Recht erhobene Bürgerrechtsgeld sollte also nach Meinung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts lediglich den Bearbeitungsaufwand entgelten. In Bayern wurden die Gemeinden durch Art. 12 des Bayrischen Gesetzes über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt 156 dazu ermächtigt, „die Erwerbung des Heimatrechts von Bezahlung einer Gebühr abhängig zu machen". Diese Formulierung deutet darauf hin, daß die Verleihung des Bürgerrechts als solches entgolten werden sollte. Hierfür spricht auch, daß die Urkunde über die Verleihung des Heimatrechts mit einer Gebühr von zwei Mark gesondert bezahlt werden mußte 157 , so daß keine Ausfertigungsgebühr gegeben sein kann. In der Literatur war die Rechtsnatur des Bürgergewinngeldes umstritten. So wurde es vom Standpunkt der Kostentheorie aus als bloße Bearbeitungsgebühr angesehen. Übersteige die Abgabe die entstandenen Kosten, werde der überschießende Teil zur Steuer 158 . Der überwiegende Teil der Literatur war demgegenüber der Meinung, daß die Verleihung des Bürgerrechts selbst und nicht irgendein Verwaltungsaufwand entgolten werden solle. Die Verleihung sei die staatlicherseits erbrachte Leistung, das gezahlte Entgelt eine Gebühr. Die Bemessung richte sich daher nach dem Wert des verliehenen Rechts 159 . Problematisiert wurde jedoch, ob der Erwerb des Bürgerrechts wirklich von der Zahlung der Abgabe abhängt. So ordneten Teile der Literatur das Bürgerrechtsgeld den Steuern zu, weil sich der Erwerb des Bürgerrechts automatisch vollziehe, die Zahlung der Abgabe sei keine notwendige Bedingung hierfür. Es fehle somit an einer gebührenpflichtigen Staatsleistung. Dem hielt man jedoch entgegen, daß als gebührenpflichtige Leistung die von der Gemeinde eingeräumte Möglichkeit anzusehen sei, die Bürgerrechtsbefugnisse auszuüben. Die Gemeinde schaffe eine „dauernde, die Teilnahme an der Gemeindeverwaltung erst ver-
154
PrOVGE 50, 69 (72). PrOVGE 55, 48 (49). Diese Entscheidung betrifft sowohl das Bürgergewinngeld nach der Hannoverschen revidierten Städteordnung als auch die Bürgerrechtsgelder, die nach den eigenständig erlassenen Stadtrezessen der Städte Neuvorpommerns und Rügens erhoben werden. 156 Gesetz i.d.F. der Bek. vom 30.07.1899, GVB1. für das Kgr. Bayern S. 469. 157 Vgl. Art. 13 des soeben erwähnten Gesetzes i.V.m. Art. 212 des Bayrischen Gebührengesetzes vom 13.07.1910 (GVB1. für das Kgr. Bayern S. 311). 155
158 159
Held S. 722. Von Hock, S. 230; Meissinger, FinArch 31 (1914), S. 223 f; Moll, S. 151 f, 156 f.
62
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
bürgende Beziehung" 160 . Darüber hinaus hänge der Erwerb des Bürgerrechts sehr wohl von der Abgabenzahlung ab 161 . Vom Bürgerrechtsgeld ist das Einkaufsgeld abzugrenzen. Auch hier war die Verleihung des Bürgerrechts Gegenstand der Abgabe. Darüber hinaus wurde aber noch die Teilnahme an der Nutzung des Gemeindevermögens entgolten 162 . Der Betrag des Einkaufsgeldes lag infolgedessen höher als derjenige des Bürgerrechtsgeldes. Ebenso wie das Bürgerrechtsgeld wurde das Einkaufsgeld als Gebühr qualifiziert, gezahlt werde für die Zuwendung öffentlich-rechtlicher Vorteile 163 .
b) Nobilitierungsgelder M i t dem Begriff „Nobilitierungsgelder" sollen hier verschiedene Abgaben erfaßt werden. Darunter fallen die in der damaligen Zeit erhobenen Abgaben für Standeserhöhungen und Privilegien sowie für die Verleihung von Orden, Titeln und akademischen Graden u.ä. 164 . Es wurde unterschiedlich beurteilt, worin genau der Abgabegegenstand zu sehen ist. Einer Auffassung zufolge soll der mit der Standeserhöhung etc. verbundene Aufwand entgolten werden. Dies wurde konsequenterweise aus Sicht der Kostentheorie angenommen; ein die Kosten überschießender Betrag werde zur Steuer 165. Aber auch andere Autoren sahen die Abgabe als Steuer an, weil es an einem Aufwand fehle, der einer Gebühr äquivalent ist 166 . Lorenz von Stein tendierte wohl dazu, die Abgabe als Bearbeitungsgebühr anzusehen, obwohl er die Nobilitierungsgelder als „eigentliche Verleihungsgebühren" bezeichnete. Hieraus erhellt, daß sein Begriff der Verleihungsgebühr mit dem heutigen nicht völlig deckungsgleich ist 167 . Die Gegenposition sah in der Rechtsverleihung selbst die zu entgeltende staatliche Leistung. Es liege daher eine Gebühr vor, die nach dem Wert der Rechtsverlei160
S. zum Ganzen Moll, S. 155 ff m.w.N; vgl. auch PrOVGE 21, 26 ff; 25, 14 (19 f). So Meissinger, FinArch 31 (1914), S. 224 f. 162 Vgl. z. B. § 2 Nr. 3, § 8 des Preußischen Gesetzes betreffend das städtische Einzugs·, Bürgerrechts- und Einkaufsgeld vom 14.05.1860, PrGS. S. 237. 163 Näher Meissinger, FinArch 31 (1914), S. 223, 225. 164 Vgl. nur von Heckel, S. 523; von Schall, S. 134. Eine Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Nobilitierungsgelder findet sich bei von Stein (5. Aufl.), S. 306 f. 161
165
166
Held, S. 722.
Toepfer, FinArch 26 (1909), S. 504 f. Eine Steuer zieht auch von Hock (S. 232) in Betracht, er lehnt sie aber i. Erg. ab. 167 Von Stein (1. Aufl.), S. 159 f; ders. (5. Aufl.), S. 306 f; die Ausführungen sind allerdings unklar. S. zum heutigen Begriff der Verleihungsgebühr u. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I.
Β. Darstellung ausgewählter Abgabenarten
63
hung zu bemessen sei 168 . Auch diejenigen Autoren, die grundsätzlich kritisch zu den Nobilitierungsgeldern standen, teilten wohl diese Auffassung, wenn sie einwandten, daß infolge der Abgabenerhebung der Eindruck erweckt werde, Ämter und Würden seien käuflich 169 . Gegen die Auffassung, daß die Abgabe nur den Bearbeitungsaufwand entgelten sollte, spricht insbesondere ihre Bemessung. Nach dem Preußischen Stempelsteuergesetz vom 31.07.1895 170 mußten für Standeserhöhungen zwischen 600 und 5.000 Mark gezahlt werden, ähnlich hohe Sätze galten in Sachsen und Württemberg 171 . Anfang dieses Jahrhunderts wurden in Preußen für die Verleihung der Adelswürde 1.200 Mark erhoben, der Herzogstitel kostete 10.000 Mark. Wollte eine Privatperson beispielsweise den Titel eines Geheimen Kommerzienrates erlangen, hatte sie 5.000 Mark zu zahlen 172 . Entsprechend war die Rechtslage in Bayern. Nach Art. 240 des Bayrischen Gesetzes über das Gebührenwesen 173 betrug die Gebühr für einen einfachen Adelstitel 1500 Mark, für den höchsten Adelstitel, den Fürstenstand, mußten 20.000 Mark gezahlt werden. Bemerkenswert ist, daß für die Eintragung in die Adelsmatrikel eine besondere Gebühr erhoben wurde, die je nach Adelsstand zwischen 30 und 300 Mark lag (Art. 241). Des weiteren bestimmte Art. 244, daß neben den Nobilitierungsgebühren die Kosten für die Ausfertigung der Lehensbriefe und Diplome zur besonderen Erhebung kommen. Diese Gesetzeslage läßt nur den Schluß zu, daß die Gebühr in Bayern allein für die Tatsache der Erhebung in den Adelsstand erhoben wurde und nicht den staatlichen Aufwand entgelten sollte, der mit der Rechtsverleihung einhergeht.
c) Radfahrgebühr Abschließend sei noch die württembergische Radfahrgebühr genannt. Das Radfahren war nur dem gestattet, der eine „Radfahrkarte" hatte, diese war ge-
168
Von Heckel, S. 523; von Hock, S. 230; von Schall, S. 107, 134. Den Gebührencharakter bejaht auch von Myrbach , FinArch 34 (1917) S. 17 f, wenn er die Abgabe als Taxe einordnet, vgl. zu diesem Begriff oben 2. Teil, Gliederungsabschnitt A I 3 c. Auch Neumann sieht ohne nähere Erörterung die Abgabe als Gebühr an (S. 320). 169 Vgl. Fentsch, S. 79; Rau, S. 361. Eine interessante Rechtfertigung der Nobilitierungsgelder findet sich jedoch bei von Hock, S. 231 f. 170 PrGS. S. 413. 171
172
Vgl. von Schall, S. 134.
Nr. 60 des Tarifs des Preußischen Stempelsteuergesetzes i.d.F. der Bek. vom 30.06.1909, PrGS. S. 535. 173 Gesetz vom 11.11.1899, GVB1. für das Kgr. Bayern S. 904.
64
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
bührenpflichtig. Der Württembergische Verwaltungsgerichtshof sah als Leistung des Staates die Verleihung der Legitimation zum Radfahren an 174 . Das wurde namentlich von Toepfer kritisiert: Mit diesem Gedanken lasse sich jede Gebühr rechtfertigen, der Staat könne einfach ein Verbot erlassen und den Dispens als gebührenpflichtige Staatsleistung ansehen. Zu beachten ist jedoch, daß es dem Verfasser nicht darum ging, die Gebührenpflichtigkeit von Dispensen grundsätzlich in Frage zu stellen. Er wollte lediglich die sog. Vorteilstheorie kritisieren, wonach allein eine vorteilhafte Staatsleistung gebührenpflichtig sein dürfe. Toepfer selbst sah die Radfahrgebühr als Verwaltungsgebühr an 175 .
III. Zusammenfassende Würdigung Die obige Darstellung ausgewählter Abgabenarten steht unter der Fragestellung, ob eine vormals erhobene Abgabe auch dann als Gebühr angesehen wurde, wenn die erbrachte Staatsleistung mit keinerlei Kosten verbunden war. Die Untersuchung beschränkte sich auf Abgaben, die aus Anlaß einer Rechtsverleihung erhoben wurden. Es wurde geprüft, ob die jeweilige Abgabe für die Rechtsverleihung als solche gefordert wurde, oder ob lediglich der mit der Verleihung einhergehende Bearbeitungsaufwand entgolten wurde. Die Beurteilung dieser Frage war bei einigen Abgabenarten umstritten, je nachdem, ob in bezug auf die Gebührenbemessung der Kosten- oder der Nutzentheorie gefolgt wurde. Zu nennen sind hier insbesondere die Abgaben für Dispense vom Militärdienst, für Gewerbekonzessionen und Patentrechte sowie die Bürgerrechtsund Nobilitierungsgelder. Diese wurden vom Standpunkt der Kostentheorie aus als reine Bearbeitungsgebühren angesehen, ein Überschußbetrag falle unter den Begriff der Steuer. Demgegenüber erkannten die Vertreter der Nutzentheorie ohne weiteres an, daß die Abgaben für die Rechtsverleihung selbst zu zahlen und als Gebühr zu qualifizieren ist. Bei einigen der dargestellten Abgabenarten läßt sich eine zwischen Kosten- und Nutzentheorie verlaufende Konfliktlinie nicht so genau feststellen, insbesondere bei der Abgabe für Dispense in Ehesachen und bei der Bergwerksabgabe. Andere wurden in der Literatur nur vereinzelt behandelt, so daß eine etwaige unterschiedliche Beurteilung gar nicht erst erkannt werden kann. Allerdings fällt auf, daß auch sie als Gebühren für die Verleihung von Rechten angesehen wurden, so ζ. B. die Abgaben für Ehedispense und für die Konzession zur Papiergeldemission. Hier fehlen allerdings ausdrückliche Stellungnahmen von Vertretern der Kostentheorie. Es läßt sich somit festhalten, daß die Möglichkeit, die bloße Rechtsverleihung mit einer
174 175
Vgl. Toepfer, FinArch 26 (1909), S. 512 f. Toepfer, FinArch 26 (1909), S. 512 ff.
Β. Darstellung ausgewählter Abgabenarten
65
Gebührenpflicht zu verknüpfen, lediglich von Vertretern der Kostentheorie abgelehnt wurde. Dieses Ergebnis überrascht nicht, weil es die zwangsläufige Konsequenz aus den Grundsätzen der Kostentheorie ist. Demgegenüber hielten Vertreter der Nutzentheorie und auch Autoren, die keinem dieser Lager zuzurechnen sind, wie etwa Lorenz von Stein, eine Gebühr, die allein die Tatsache der Rechtsverleihung selbst entgilt, für durchaus möglich. Was die Rechtsprechung der damaligen Zeit angeht, lassen einige Äußerungen insbesondere zur Bergwerksabgabe die Auffassung erkennen, daß es dem Staat grundsätzlich erlaubt sei, für die Verleihung des Bergwerkseigentums eine Gebühr zu erheben. Insgesamt ist die Rechtsprechung aber äußerst spärlich, was Aussagen zu Gebühren angeht, die an Rechtsverleihungen anknüpfen. Daher ist eine sichere Beurteilung der Frage, ob die Gerichte Verleihungsgebühren anerkannten, nicht möglich. Anderes gilt jedoch hinsichtlich der Gesetzgebungspraxis. Es sind hier Gebühren zu finden, welche offenbar allein den staatlichen Akt der Rechtsverleihung entgelten sollten. Das läßt sich aus deren Höhe folgern. So waren ζ. B. die Gebühren für Eisenbahn- oder Bergwerkskonzessionen relativ niedrig bemessen, so daß sie nur den Zweck haben konnten, den Bearbeitungsaufwand zu entgelten. Außerordentlich hoch war der zu zahlende Betrag jedoch, wenn er für die Konzessionierung von Gaststätten und Apotheken erhoben wurde. In diesen Bereichen kann wohl nur schwer von einem bloßen Aufwandsentgelt gesprochen werden, näher liegt der Schluß, daß die Rechtsverleihung selbst gebührenpflichtig sein sollte. Ebenso verhält es sich hinsichtlich der Nobilitierungsgelder. Insbesondere die Rechtslage in Bayern läßt nur den Schluß zu, daß die Gebühr allein für die Tatsache der Standeserhöhung zu zahlen war. Besonders deutlich wird dieser Aspekt auch bei der Patentrechtsgebühr. Sie unterteilte sich in einen einmalig zu zahlenden Betrag aus Anlaß der Patenterteilung und eine Gebühr, die für jedes Jahr erhoben wurde, in dem man das Patentrecht innehatte. Gegenstand der laufenden Gebühr konnte daher nichts anderes sein als die bloße Innehabung des Rechts. Dasselbe gilt für das in Bayern erhobene Bürgerrechtsgeld. Der bayerischen Rechtslage zufolge unterfiel der Erwerb des Heimatrechts als solcher einer Gebührenpflicht. Aus all diesen Beispielen ergibt sich, daß die Gebührenerhebung für Rechtsverleihungen vom Gesetzgeber anerkannt wurde und er von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machte. Die Betrachtung einzelner Abgabenarten bestätigt somit das oben 176 schon aus allgemeinen dogmatischen Grundsätzen abgeleitete Ergebnis, wonach sich historisch nicht belegen läßt, daß eine Gebühr unbestrittenermaßen immer den 176
S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A IV 3.
5 Heimlich
2. Teil: Die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts
66
Zweck verfolgt, die Kosten der mit ihr verbundenen Staatsleistung zu decken. Nach überkommenem Verständnis setzt die Gebührenerhebung daher nicht voraus, daß dem Staat infolge der Leistungserbringung Aufwendungen entstanden sind.
C. Fazit Zu Beginn der Untersuchung darüber, welches Gebührenverständnis bis zum Erlaß des Grundgesetzes vorherrschte, wurde eine Äußerung von Lorenz von Stein aus dem Jahre 1885 zitiert, in der er beklagte, daß „fast jeder unter 'Gebühren' etwas anderes versteht" 177 . Diese Einschätzung klingt zwar recht pessimistisch, trotzdem trifft sie für den gesamten betrachteten Zeitraum zu. Die obigen Erörterungen haben gezeigt, daß lediglich ein Aspekt in der Dogmatik des Gebührenrechts einhellig anerkannt wurde, nämlich die Tatsache, daß die Gebühr eine Gegenleistung für eine individuell erbrachte Staatsleistung ist. Alles andere war umstritten, insbesondere was die Erweiterung des Gebührenbegriffs um zusätzliche Elemente sowie die Prinzipien der Gebührenbemessung angeht 178 . Immerhin setzte sich aber im Laufe der Zeit die Erkenntnis durch, daß zwischen Begriff und Bemessung der Gebühr getrennt werden muß. Die Betrachtungen führen daher zu folgenden Ergebnissen: Es läßt sich historisch nicht nachweisen, daß der Gebühr anerkanntermaßen immer die Funktion zukommt, speziell die Kosten der individuell erbrachten Staatsleistung zu decken 179 . Das Rechtsinstitut der Verleihungsgebühr war hinsichtlich Begriff und Rechtscharakter seit jeher bekannt. Einige vormals erhobene Abgaben stellten Verleihungsgebühren dar, wobei ihr Anwendungsbereich nicht nur das staatliche Regalienwesen umfaßte 180 . Die Möglichkeit des Staates, für die Verleihung eines Rechts Gebühren zu erheben, wurde nur von Vertretern der Kostentheorie grundsätzlich bezweifelt. Diese Theorie lehnten jedoch Gesetzgebung, Rechtsprechung und weite Teile der Rechtswissenschaft ab, eine Bemessung nach dem Wert der erbrachten Staatsleistung wurde für zulässig erachtet. Festzuhalten bleibt somit, daß sich historische Argumente gegen die Befürwortung der Verleihungsgebühr nicht anführen lassen. Im Gegenteil legt die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts nahe, dieses Rechtsinstitut
177
Von Stein (5. Aufl.), S. 248. So i. Erg. auch Meyer, S. 42 ff. 179 Ebenso Meyer, S. 68 f, 72. 180 Unzutreffend daher Stallknecht, S. 181 f, der die historische Bedeutung der Verleihungsgebühren auf das Regalienwesen beschränken will. 178
C. Fazit
67
(wieder) anzuerkennen. Das allmähliche Zurücktreten der Verleihungsgebühr kann durch die Tatsache erklärt werden, daß in der Weimarer Zeit für jede Gebührenerhebung eine besondere gesetzliche Ermächtigung verlangt wurde, die einschlägigen Normen aber nur Verwaltungs- und Benutzungsgebühren erwähnten, was zu der Tendenz führte, alle Gebühren diesen beiden Typen zuzuordnen 181. Es waren also keine dogmatischen Gründe, welche die Verleihungsgebühr ins gebührenrechtliche Abseits stellten. Vor diesem Hintergrund wollen die Ausführungen der folgenden Kapitel versuchen, diesem Gebührentyp wieder den ihm zukommenden Platz zurückzuerobern.
181
Wieland, S. 299.
Dritter Teil
Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik A. Dogmatische Grundlegung I. Einleitung Mit der vorliegenden Arbeit soll versucht werden, die Verleihungsgebühr als Gebührentyp zu etablieren. Bei diesem Vorhaben sieht man sich jedoch immer wieder mit Einwänden von Gegnern dieser Gebührenart konfrontiert, welche allesamt letztlich in einer wesentlichen Eigenschaft der Verleihungsgebühr wurzeln. Es handelt sich hier um die Tatsache, daß die Verleihung eines Rechts nicht mit Kosten verbunden ist. Der fehlende finanzielle Aufwand des Staates soll es ihm verwehren, sich die Rechtsverleihung mit einer Gebühr entgelten zu lassen. Dieser Aspekt erlangt an verschiedenen Stellen Bedeutung. So wird die Gebühr als eine Geldleistung definiert, welche dem Ziel dient, die Kosten einer erbrachten Staatsleistung zu decken. Des weiteren behauptet man, die Erhebung einer Gebühr sei deshalb gerechtfertigt, weil der Zahlungspflichtige durch die Nachfrage der gebührenpflichtigen Leistung beim Staat Kosten provoziere. Schließlich soll die Bemessung der Gebührenhöhe nur dann rechtmäßig sein, wenn sie die Kosten der erbrachten Leistung nicht übersteigt. Würden all diese Thesen zutreffen, wäre die Anerkennung einer Verleihungsgebühr von vornherein ausgeschlossen. Denn aufgrund der Tatsache, daß die Einräumung von Rechten den Staat nichts kostet, kann die Verleihungsgebühr als Entgelt der Rechtsverleihung einen begrifflich vorgegebenen Kostendeckungszweck nicht erfüllen, ferner ist sie deswegen auch nicht durch den Gesichtspunkt der Kostenprovokation gerechtfertigt, und schließlich würde eine auf Kostendeckung ausgerichtete Bemessung zu einem bei Null liegenden Gebührenbetrag führen. In den folgenden Kapiteln der Arbeit ist daher auf die Berechtigung solcher Behauptungen vertieft einzugehen. Bereits an dieser Stelle wird jedoch deutlich, daß die Kostenproblematik eine besondere Rolle im Gebührenrecht spielt und insbesondere im Hinblick auf die Verleihungsgebühr eine große Bedeutung besitzt. Es stellen sich hier hauptsächlich zwei Fragen: Zum einen ist zu klären, in welchen speziellen gebührenrechtlichen Teilzusammenhängen der
Α. Dogmatische Grundlegung
69
Kostenaspekt relevant wird. Zum anderen muß präzise festgelegt werden, welche Berechtigung das Entstandensein von Kosten in dem jeweiligen Zusammenhang genau besitzt, und mithin auch - was sich als noch wichtiger erweisen wird -, welche Bedeutung diesem Umstand nicht zukommt. Beide Fragestellungen sind gebührendogmatischer Art. Ob und inwieweit ein bestimmter Gesichtspunkt, wie etwa der Kostenaspekt, für das Gebührenrecht relevant ist oder nicht, beurteilt sich maßgeblich vor dem Hintergrund eines bestimmten Systems gebührenrechtlicher Dogmatik. Ein solches Gesamtsystem ist bisher noch an keiner Stelle entwickelt worden. Die Thematik der Verleihungsgebühr gibt nun aber nach dem soeben Ausgeführten Anlaß dazu, den Versuch zu unternehmen, dem Gebührenrecht ein stringentes, in sich geschlossenes dogmatisches Grundgerüst zu verleihen. Diesem Vorhaben gelten die folgenden Erörterungen. Sie sollen in erster Linie die Basis dafür bilden, Berechtigung und Grenzen des Kostenaspekts im Gebührenrecht bewerten zu können. Darüber hinaus wird das hier zu entwickelnde gebührendogmatische System aber auch einen Beitrag zur Lösung weiterer Probleme liefern können. So wird etwa deutlich, in welchem gebührenrechtlichen Teilzusammenhang die Erhebung einer Gebühr mit den Interessen des Zahlungspflichtigen sowie den Maßgaben eines steuerfinanzierten Staates, als der die Bundesrepublik Deutschland verfaßt ist, abgewogen werden kann bzw. muß. Gegen die Anerkennung der Verleihungsgebühr wird nämlich nicht zuletzt vorgebracht, ihre Erhebung führe zu einer ungerechtfertigten finanziellen Belastung des einzelnen und stehe in einer unzulässigen Konkurrenz zur Steuer. Wo diese Einwände eine Rolle spielen und wo nicht, beurteilt sich ebenso wie die Bedeutung der Kostenproblematik anhand des gebührendogmatischen Ausgangspunkts. Dieser ist nun zunächst abstrakt darzustellen und zu begründen, um in den folgenden Kapiteln dieser Arbeit ausführlich die Tragfähigkeit der soeben genannten und noch weiterer Einwände, welche gegen die Anerkennung der Verleihungsgebühr erhoben werden, beurteilen zu können. Es muß zwischen der allgemeinen und der besonderen Gebührendogmatik unterschieden werden. Erstere beinhaltet Prinzipien, die für jede Art von Gebühren gelten, während sich letztere nur auf eine bestimmte Gebührenkategorie bezieht, also etwa nur auf die Verwaltungs- oder nur auf die Benutzungsgebühr. Der folgende Teil der Arbeit beschäftigt sich mit dem gegenwärtigen Stand der allgemeinen Gebührendogmatik, soweit diese für die Problematik der Anerkennung von Verleihungsgebühren relevant ist. Es ist notwendig, zunächst den dogmatischen Ausgangspunkt darzulegen. Hier soll „Rechtsdogmatik" verstanden werden als eine spezifisch juristische, die Rechtswelt sachgerecht
70
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
und stimmig strukturierende Denkform 1. Im Bereich des Abgabenrechts besteht ein erhöhtes Bedürfnis nach dogmatischer Strukturierung, was sich aus der Tatsache ergibt, daß die normativen Festlegungen der Finanzverfassung im weiteren Sinne2 nicht dasjenige Maß an inhaltlicher Bestimmtheit aufweisen, wie es bei anderen Rechtsbereichen der Fall ist3. Dieser hohe Abstraktionsgrad eröffnet hier für „die Rechtsdogmatik ein reiches Betätigungsfeld", so etwa im Hinblick auf die Frage, wie die einzelnen Abgabearten definiert werden können und was sie voneinander abgrenzt 4. Es kann gesagt werden, daß die Notwendigkeit hinreichend sicherer dogmatischer Strukturen mit dem Grad an inhaltlicher Unbestimmtheit der vorhandenen verfassungsrechtlichen Regelungen wächst. Dieser für das gesamte Abgabenrecht geltende Befund trifft in besonderem Maße auf das Gebührenrecht zu, denn das Steuerrecht etwa ist im zehnten Abschnitt des Grundgesetzes noch vergleichsweise stark durchnormiert, während die Gebühr in nur zwei Artikeln lediglich erwähnt, aber nicht näher ausgestaltet wird (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 und Art. 80 Abs. 2 GG). Hieraus folgt, daß es der Rechtsdogmatik obliegt, das Gebührenrecht weitestgehend ohne spezielle5 verfassungsrechtliche Vorgaben auf ein sicheres rechtliches Fundament zu stellen. Insofern wird die Lösung der Aufgabe, die Rechtswelt durch ein dogmatisches Konzept sachgerecht und stimmig durchzustrukturieren, im Gebührenrecht deutlich erschwert. Gleichwohl muß sie angegangen werden, um auch in diesem Bereich denjenigen Grad an Rechtssicherheit zu erreichen, der in einem Rechtsstaat unerläßlich ist. Doch hierin erschöpfen sich die Anforderungen an eine finanzrechtliche Rechtsdogmatik nicht. Daneben soll sie nämlich „als besonders sachhaltige Denkform Gerechtigkeitsfragen juristisch operational machen", was sie „dadurch zu bewirken sucht, daß sie Wertungsgesichtspunkte in andere Begriffe transformiert, die nach Möglichkeit ihrerseits eine nach logischen Kriterien vorgenommene Subsumtion ermöglichen sollen"6. Dem liegt die Vorstellung
1
Vgl. speziell im Hinblick auf die finanzverfassungsrechtliche Rechtsdogmatik Selmer, Rechtsdogmatik, S. 223, 231, m.w.N.; allgemein etwa Pawlowski, Rn. 225. 2 Hierzu zählen nicht nur die Art. 104a ff GG, sondern auch die Vorschriften, welche sich auf außersteuerliche Abgaben beziehen, sowie das ungeschriebene Finanzrecht des Grundgesetzes, vgl. nur Selmer, Rechtsdogmatik, S. 222 m.w.N. 3 BVerfGE 72, 330 (390). 4 Selmer, Rechtsdogmatik, S. 223 f. 3 Daß die allgemeinen verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere die Erfordernisse des Gleichheitssatzes und des Verhältnismäßigkeitsprinzips, auch im Gebührenrecht gelten, sei hier zunächst unterstellt, s. aber u. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D I 3. 6 Selmer, Rechtsdogmatik, S. 225; vgl. auch Pawlowski, Rn. 225, der die Aufgabe der Rechtsdogmatik darin sieht, zu „allgemeinen Rechtsgedanken, Grundsätzen oder Werten" vorzudringen; ausf. auch Larenz, S. 214 ff, 224 ff, 437 ff.
Α. Dogmatische Grundlegung
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zugrunde, daß das Abgabenrecht nicht streng positivistisch, sondern als Bestandteil des von der Verfassung aufgestellten Wertesystems normativ durchdrungen ist. Dieser Befund wird methodisch unterstützt durch die Hinwendung der juristischen Methodenlehre zur sog. „Wertungsjurisprudenz", welche insbesondere die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs maßgeblich beeinflußte 7. Abgabenrecht ist also Wertungsrecht, was die einer einzelnen Abgabe zugrundeliegende dogmatische Konzeption zu berücksichtigen hat. Insofern sind zwei Anforderungen zu erfüllen: Zum einen muß ein dogmatisches Konzept überhaupt offen sein für Wertungsfragen. Zum anderen muß es ermöglichen, Wertungsgesichtspunkte an einer sinnvollen Stelle abzuhandeln, um dadurch dem Verlangen nach juristischer Operationalisierung von Gerechtigkeitsfragen zu entsprechen 8. Es ist wichtig, sich diese für das gesamte Abgabenrecht geltenden Gegebenheiten bewußt zu machen, weil die Bedeutung von Wertungsaspekten gerade im Gebührenrecht vielfach vernachlässigt wird. Hier ist aber genauso wie im Steuerrecht der Gerechtigkeitsdiskurs „eine höchst praktische Aufgabe der Rechtsdogmatik" 9 . Auch das Gebührenrecht ist wertungsgebunden, auch in ihm können sich verschiedene Gerechtigkeitsvorstellungen widerspiegeln. Die Erhebung bestimmter Gebühren kann bisweilen aus Gerechtigkeitsgründen geradezu geboten sein. Diesem Gesichtspunkt kommt im Rahmen der Verleihungsgebühr eine besondere Bedeutung zu. Es wird gezeigt werden, daß ihre Anerkennung oder Ablehnung letztlich ein Wertungsproblem ist 10 . Man hat also zu begründen, warum man die Erhebung einer Verleihungsgebühr für legitim hält oder nicht, und darf sich nicht hinter vorgeschobenen Argumenten, wie ζ. B. angeblich feststehenden Begrifflichkeiten oder Gebührenzwecken, verschanzen. Nur wenn man das berücksichtigt, wird eine sachliche und nicht zuletzt ehrliche Diskussion dieses Gebührentyps ermöglicht. Die folgenden Kapitel werden das verdeutlichen. Hier genügt es festzuhalten: Im Gebührenrecht besteht ein besonderes Bedürfnis nach einem tragfähigen dogmatischen Konzept. Dieses hat die Aufgabe, das Rechtsgebiet sinnvoll zu strukturieren, und es muß Raum geben für die angemessene Berücksichtigung von Wertungsund Gerechtigkeitsaspekten. In den nächsten Gliederungsabschnitten soll versucht werden, ein solches Konzept zu entwickeln.
7
Vgl. Lang., StuW 1989, 205 f mit Fußn. 30, m.w.N.
8
Vgl. Pawlowski, Rn. 230.
9
So in bezug auf das Steuerrecht Lang, StuW 1989, 205, m.w.N. S.u. 4. Teil, Gliederungsabschnitt E.
10
72
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
II. Die verschiedenen Problemkomplexe des Gebührenrechts Will man für das Gebührenrecht ein dogmatisches System erarbeiten, muß man sich zunächst die verschiedenen Teilelemente dieses Rechtsgebiets verdeutlichen". Zu seinen Hauptproblemen zählen die Fragen, aus welchen Elementen der Gebührenbegriff besteht, wodurch die Gebührenerhebung gerechtfertigt werden kann und welchen Bemessungsprinzipien die Gebühr unterliegt. Darüber hinaus ist festzustellen, welcher Zweck mit einer Gebührenerhebung verfolgt werden darf. Schließlich muß geprüft werden, wer der Gebührenschuldner ist und wem die Erhebungskompetenz sowie die Ertragshoheit zustehen. Eine umfassende Darstellung aller Bereiche würde jedoch den Rahmen der vorliegenden Arbeit überschreiten, so daß eine Auswahl von einigen Punkten, auf die nachfolgend vertieft eingegangen werden kann, erforderlich ist. Diese hat sich an der hier übergeordneten Frage nach der Zulässigkeit einer Erhebung von Verleihungsgebühren zu orientieren. Im Hinblick darauf muß vorrangig geklärt werden, ob die Abgabe fur eine Rechtsverleihung begrifflich überhaupt eine Gebühr sein kann, ob ihre Erhebung als Gebühr zu rechtfertigen ist und wie die Bemessung zu erfolgen hat. Schließlich ist zu untersuchen, ob der von ihr verfolgte Zweck als Gebührenzweck zulässig ist. Fraglich ist nun, in welchem Verhältnis die genannten Problemkomplexe zueinander stehen. Von der Rechtsprechung und weiten Teilen der gebührenrechtlichen Literatur wird anerkannt, daß sie prinzipiell voneinander zu trennen sind, so daß es grundsätzlich nicht zu einer gegenseitigen Beeinflussung kommen kann. Das wird insbesondere dann deutlich, wenn es um Begriff und Bemessung der Gebühr geht. Schon in den Anfängen der gebührendogmatischen Entwicklung wandte man sich dagegen, Gesichtspunkte der Gebührenbemessung zur Begriffsbildung heranzuziehen. Das quantitative Moment eigne sich nicht zum Begriffsmerkmal, vielmehr sei zwischen Begriff und Bemessung zu unterscheiden 12. Gesichtspunkte der Gebührenbemessung gehörten ebensowenig in den Gebührenbegriff wie etwa der Steuertarif in den allgemeinen Begriff der Steuer gehöre 13. Eine Gebühr bleibe immer Entgelt, auch wenn sie in bestimmter Weise bemessen wird 14 . Diese Erkenntnis wurde vom Bundesverwaltungsgericht übernommen. Seiner Rechtsprechung zufolge wird durch die Anordnung von bestimmten Bemessungsprinzipien das „Wesen der Gebühr" nicht
11
Einen ersten Überblick bietet P. Kirchhof,
12
Gerlach, S. 4 f; Neumann, S. 397; von Schall, S. 106 Fußn. 4. Strutz, S. 624.
13
14
ThürOVG, RVB1. 1932, 636 (637).
HStR IV, § 88 Rn. 181 ff.
Α. Dogmatische Grundlegung
73
geändert 15. Hiervon geht wohl auch das Bundesverfassungsgericht aus, wenn es die Auffassung vertritt, daß Abgaben ihren rechtlichen Charakter als Gebühr nicht verlieren, soweit und solange sie „eine angemessene Gegenleistung für die ... erbrachten Leistungen darstellen" 16. Diese Rechtsprechung findet bei weiten Teilen der rechtswissenschaftlichen Literatur Zustimmung. So wird gesagt, der Gegenleistungscharakter der Gebühr könne nicht durch eine bestimmte Bemessung in Frage gestellt werden, insbesondere kostenüberschreitende oder unverhältnismäßige Gebühren blieben begrifflich Gebühren 17. Ebensowenig könne umgekehrt aus dem Entgeltcharakter der Gebühr ihre zulässige Höhe gefolgert werden 18. Gegenteilige Ansichten seien „eine typische begriffsjuristische Vermengung von Begriffserfordernissen und Zulässigkeitsvoraussetzungen"19. Aber nicht nur die Trennung von Gebührenbegriff und Gebührenbemessungsprinzipien wird als notwendig angesehen. Insbesondere Dietrich Murswiek weist darauf hin, daß genauso die Frage der Gebührenrechtfertigung von der begrifflichen Ebene unterschieden werden muß. Begründet wird dies von ihm letztlich mit dem Argument, daß der Gebührenbegriff dazu diene, die Gebühr von der Steuer abzugrenzen, während auf der Ebene der Rechtfertigung die Frage beantwortet werden müsse, ob die Gebührenerhebung überhaupt zulässig ist 20 . Diese Erkenntnis liegt auch der Rechtsprechung des VGH Kassel zugrunde. Das Gericht sieht es als falsch an, die Frage der Rechtmäßigkeit einer Gebührenerhebung in die Begriffsbestimmung hineinzuverlagern. Es könne nicht der Schluß gelten, daß eine Gebühr, die wegen des Verstoßes gegen einen Rechtssatz rechtswidrig wäre, deshalb als Abgabe besonderer Art angesehen werden müsse, weil sie dann zulässig sei. Auszugehen sei vielmehr von der jeweiligen Abgabendefinition 21. Eine solche Unterscheidung von Be-
15
BVerwGE 13, 214 (222 f); BVerwG, KStZ 1975, 192; so auch OVG Hamburg, DVB1. 1954, 260 (262); entsprechend VGH Kassel, DVB1. 1995, 370 (371). 16 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, 1871. 17 Bodenheim, S. 307; F. Kirchhof, DVB1. 1987, 555; Manssen, DÖV 1996, 16 Fußn. 62; Chr. Müller, S. 142; Selmer/Brodersen/N
53,283. 18 Kloepfer, 19
20
icolaysen, S. 57; Wieland, S. 266; Wilke, S.
AöR 97 (1972), S. 250; vgl. auch Bettermann, S. 43 f.
So Bodenheim, S. 307.
Murswiek, S. 23, 39 f mit Fußn. 113; ders., NuR 1994, 172 ff mit Fußn. 22 und 50;
so auch Meyer, S. 57, 63 f, 69 ff; Chr. Müller, S. 141, A. Weber, S. 95 f, und Wieland,
S. 266, aber jeweils ohne Begründung; Anklänge auch bei Köck, S. 45. Dagegen Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 530: Der Begriff der Gebühr bestimme sich auch durch das Ausmaß ihrer Rechtfertigung, vgl. hierzu unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β V 3. 21 VGH Kassel, NVwZ 1995, 406 (407).
74
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
griff und Rechtfertigung sei darüber hinaus nicht nur bei der Gebühr, sondern bei jeder Abgabe erforderlich 22. Entsprechendes gelte schließlich für die Bereiche der Gebührenrechtfertigung und -bemessung; auch sie dürften nicht miteinander vermengt werden 23. Insgesamt kann es daher als mittlerweile weitgehend gefestigte Erkenntnis angesehen werden, daß Begriff, Rechtfertigung und Bemessung der Gebühr grundsätzlich getrennt voneinander sind. Auffälligerweise wird dieser Umstand, soweit ersichtlich, von keiner Seite ausdrücklich bestritten 24. Allerdings fehlt es an dem Versuch, hierfür eine tragfähige Begründung zu liefern; der soeben angesprochene Gedanke Murswieks, den der Autor aber nicht weiter vertieft, hat insofern Ausnahmecharakter. Eine solche ist aber umso notwendiger, als in der gebührenrechtlichen Literatur des öfteren falsche Schlußfolgerungen und überflüssige Meinungsverschiedenheiten zu finden sind, die letztlich aus der Tatsache resultieren, daß die zwischen Begriff, Rechtfertigung und Bemessung bestehenden Beziehungen nicht genau genug beachtet werden 25. Hierauf wird an gegebener Stelle einzugehen sein. Vor diesem Hintergrund soll nun aber zunächst versucht werden, die Trennung in einzelne gebührenrechtliche Problemkomplexe zu begründen und ihre Beziehung zueinander zu klären. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse werden eine Basis dafür bilden, insbesondere die Berechtigung des Kostenaspekts im Gebührenrecht beurteilen zu können26.
III. Die funktionalistische Gebührendogmatik 1. Die Trennung gebührenrechtlicher
Ebenen
Die Aufgabe eines gebührendogmatischen Konzepts besteht darin, die einzelnen Problemkomplexe des Gebührenrechts sinnvoll zu strukturieren. Hierfür erweist sich die soeben dargestellte und sogar weitgehend unbestrittene These,
22
Heun, DVB1. 1990, 667; so wohl auch Ehlers/Achelpöhler, NVwZ 1993, 1029 bezüglich des Beitrags. 23 Stallknecht, S. 190 (ohne Begründung); so wohl auch Salzwedel, Rechtsgutachten, S. 54. 24 Das gilt auch für die Ausführungen Vogels, der den Gebührenbegriff als durch das Ausmaß ihrer Rechtfertigung bestimmt ansieht (in: Festschrift für Geiger, S. 530). Diese These wird von ihm weder hergeleitet noch näher begründet, ebenso fehlt es an einer Auseinandersetzung mit anderslautenden Ansätzen. 25 Vgl. Murswiek,, S. 40; ders., NuR 1994, 172 Fußn. 22. 26 Vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A I.
Α. Dogmatische Grundlegung
75
wonach Begriff, Rechtfertigung und Bemessung der Gebühr grundsätzlich voneinander getrennt sind, als hilfreicher Ansatzpunkt. Sie ist allerdings dahingehend zu präzisieren, die gebührenrechtlichen Problemkomplexe als unterschiedliche Ebenen aufzufassen. Dieses Vorgehen mag auf den ersten Blick als lediglich sprachlich bedeutsam erscheinen, sein Sinn erschließt sich jedoch aus dem im folgenden Gliederungsabschnitt Erörterten 27. Die Unterscheidung in einzelne gebührenrechtliche Ebenen findet in deren unterschiedlicher Funktion ihre tiefere Begründung. Hierbei muß von der grundsätzlichen Frage nach der typischen gebührenrechtlichen Funktion von Begriff, Rechtfertigung und Bemessung ausgegangen werden. Es ist zu untersuchen, welchem Zweck die Bildung eines konturenscharfen Gebührenbegriffs dient, warum die Erhebung einer Gebühr gerechtfertigt werden muß und wieso sie bestimmten Bemessungsprinzipien unterliegen soll. Bei näherer Betrachtung ergibt sich folgendes Bild: Die Begriffsebene dient der Abgrenzung der Gebühr von anderen Abgabenarten, insbesondere der Steuer. Es ist nämlich die genuine Aufgabe von Begriffen, etwas zu benennen, zu kategorisieren und dadurch von anderem zu unterscheiden. Durch eine bestimmte Begriffsbildung wird ein abstrakter Typus festgelegt, und es ist zu fragen, ob etwas konkret Vorhandenes diesem entspricht. Im Hinblick auf das Gebührenrecht bedeutet das, daß auf der Begriffsebene erarbeitet werden muß, welches Element die Gebühr von anderen Abgabeformen unterscheidet. Des weiteren ist hier zu prüfen, ob eine konkret erhobene bzw. zu erhebende Abgabe die Merkmale des Gebührenbegriffs erfüllt oder nicht. Auf der Ebene des Gebührenbegriffs ist daher die Abgrenzung der Gebühr von anderen Abgabeformen vorzunehmen; der Gebührenbegriff hat Abgrenzungsfunktion. Eine andere Aufgabe besitzt die Ebene der Gebührenrechtfertigung. Ein vergleichender Blick auf benachbarte Rechtsgebiete zeigt, daß im Rahmen der Prüfung von Rechtfertigungsgründen typischerweise eine Entscheidung darüber getroffen wird, ob ein bestimmtes Handeln zulässig ist oder nicht. So darf etwa der Staat nur dann in eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition eingreifen, wenn der Grundrechtseingriff gerechtfertigt werden kann. Eine Tötungshandlung wird nicht bestraft, wenn dem Täter ein Rechtfertigungsgrund zur Seite steht. Es wird deutlich, daß das Erfordernis eines Rechtfertigungsgrundes dem Rechtsgüterschutz dient, denn das betreffende Rechtsgut darf nur dann angetastet werden, wenn ein solcher Grund gegeben ist. Im Hinblick auf das Gebührenrecht gilt dementsprechend, daß auf der Rechtfertigungsebene entschieden werden muß, ob die Gebührenerhebung überhaupt zulässig ist oder nicht. Diese Ebene betrifft also das „Ob" der Gebührenerhebung. Es ist hier auf alle rechtlichen Belange einzugehen, die einer Gebührenerhebung von vorn-
27
S.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III 2.
76
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
herein entgegenstehen könnten, so daß der Schutz all dieser Belange sichergestellt wird. Eine Gebührenerhebung ist dann unzulässig, wenn ein mit ihr verbundener Eingriff in schützenswerte Rechtspositionen nicht gerechtfertigt werden kann. Die Ebene der Gebührenrechtfertigung besitzt also eine Schutzfunktion. Dieselbe Funktion kommt der Ebene der Gebührenbemessung zu. Allerdings ist hier nicht zu fragen, ob die Erhebung einer Gebühr überhaupt hinsichtlich rechtlich geschützter Belange zulässig ist. Vielmehr muß untersucht werden, ob die im einzelnen Fall erhobene Gebühr in rechtmäßiger Weise bemessen wurde. Diese Ebene betrifft also das „Wie hoch" der Gebühr. Aus der auf der Rechtfertigungsebene getroffenen Feststellung, daß der Gebühr als solcher nichts entgegensteht, folgt nämlich noch nichts in bezug auf ihre zulässige Höhe. Diese Problematik kann nur dann beurteilt werden, wenn feststeht, welcher genaue Betrag als Gebühr gefordert wird. Es ist daher, anders als im Rahmen der Gebührenrechtfertigung, eine konkrete Betrachtungsweise vorzunehmen, und zwar nicht im Hinblick auf die Gebühr als solche, sondern allein im Hinblick auf ihre Höhe. Hierin liegt der Unterschied zur Rechtfertigungsebene: Kann eine Gebühr nicht gerechtfertigt werden, so ist ihre Erhebung unabhängig von ihrer Höhe in jedem Fall unzulässig. Verstößt eine Gebühr aber nur gegen ein eventuell geltendes Bemessungsprinzip, so kann ihre Erhebung durch eine entsprechende Anpassung des geforderten Betrages ermöglicht werden. Insgesamt ist daher festzuhalten: Der Gebührenbegriff besitzt die Funktion der Abgrenzung, die Ebene der Gebührenrechtfertigung dient dem Schutz von Rechtsgütern vor der Gebührenerhebung als solcher, die Bemessungsebene stellt den Schutz vor konkreten, in ihrer Höhe fehlerhaft bemessenen Gebühren sicher. Begriff, Rechtfertigung und Bemessung haben also eine jeweils eigene, typische Funktion und verfolgen unterschiedliche Zwecke. Diesem Umstand trägt die Differenzierung in einzelne, voneinander zu unterscheidende gebührenrechtliche Ebenen Rechnung. Auf eine kurze Formel gebracht kann gesagt werden, daß aus der Funktionsverschiedenheit der gebührenrechtlichen Ebenen ihre Trennung folgt. Auf jeder Ebene ist demnach die ihr entsprechende Problematik zu erörtern. Es ist nicht zulässig, Fragen der einen Ebene auf einer anderen Ebene abzuhandeln. So darf etwa der Gebührenbegriff nicht dazu mißbraucht werden, den Schutz einzelner rechtlicher Belange sicherzustellen, denn das entspricht nicht seiner Funktion, die Gebühr von anderen Abgabenarten abzugrenzen. Insofern wirkt die Unterschiedlichkeit der Funktionen von Begriff, Rechtfertigung und Bemessung begründend und begrenzend zugleich: Begründend, weil jede Ebene ihre Funktion erfüllen muß, und begrenzend, weil sie die Funktion einer anderen Ebene nicht wahrnehmen darf. Darüber hinaus spielen einzelne Teilelemente des Gebührenrechts auf einer bestimmten Ebene dann keine Rolle, wenn sie nicht in der Lage sind, der typischen Funktion die-
77
Α. Dogmatische Grundlegung
ser Ebene zu dienen. So darf etwa ein Gebührenzweck auf der Begriffsebene nur zum Tragen kommen, wenn und weil er die dieser Ebene zukommende Abgrenzungsfunktion wahrnehmen kann. Insgesamt führt also eine funktionelle Betrachtung von Begriff, Rechtfertigung und Bemessung zu einer klaren dogmatischen Strukturierung gebührenrechtlicher Fragestellungen. Die Problematik, welchen Zwecken die Gebührenerhebung dienen darf, betrifft keine eigene gebührenrechtliche Ebene, sondern ist außerhalb dieses Systems angesiedelt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich nämlich, daß der Gebührenzweck grundsätzlich mit jeder der dargestellten Ebenen in Beziehung stehen kann. So läßt sich in erster Linie aus Begriff und Rechtfertigung einer einzelnen Gebührenart ihr Zweck ableiten28. Eine Verwaltungsgebühr ζ. B. hat das Ziel, eine Verwaltungshandlung zu entgelten. Der Gebührenzweck beeinflußt wiederum seinerseits die Gebührenbemessung. Verlangt man etwa, daß die erhobene Gebühr angemessen sein muß 29 , läßt sich die Angemessenheit nur im Verhältnis zum Gebührenzweck beurteilen, denn ein Verhältnismäßigkeitsurteil ist immer das Ergebnis einer Zweck-Mittel-Relation 30 . Die Zweckproblematik ist daher mit allen anderen Themenkomplexen des Gebührenrechts verschränkt. Das gilt jedoch nur nach Maßgabe des soeben Dargelegten. Denn wenn man den unterschiedlichen gebührenrechtlichen Ebenen eine jeweils eigene, typische Funktion zuspricht, beurteilen sich konsequenterweise alle Fragestellungen, die auf einer bestimmten Ebene relevant werden, allein im Lichte dieser Funktion. Für die Beurteilung eines konkreten Gebührenzwecks bedeutet dies, daß er etwa auf der Begriffsebene nur dann eine Rolle spielen darf, wenn und weil er deren Abgrenzungsfunktion wahrnehmen kann, oder umgekehrt: Ist er nicht in Lage, der Abgrenzung zu dienen, muß der Gebührenbegriff von diesem Gebührenzweck frei bleiben.
2. Die Beziehungen der gebührenrechtlichen
Ebenen zueinander
Im Hinblick auf die Frage, in welcher Beziehung die genannten, voneinander getrennten gebührenrechtlichen Ebenen zueinander stehen, ist wiederum die Funktion der jeweiligen Ebenen entscheidend. Von diesem Ansatzpunkt ausgehend zeigt sich bei näherer Betrachtung, daß zwischen den verschiedenen Ebenen ein Stufenverhältnis besteht. Die erste Stufe bildet die der Abgrenzung dienende Begriffsebene. Denn erst wenn feststeht, daß eine Abgabe der Kategorie der Gebühr unterfällt, stellen sich die Folgeprobleme der Rechtfertigung 28 29 30
S.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt E. Ausf. dazu u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I. Ausf. u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D i l .
78
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
und Bemessung31. Anders gesagt: Eine Abgabe unterliegt nur dann den speziellen gebührenrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen und Bemessungsprinzipien, wenn sicher ist, daß es sich bei ihr überhaupt um eine Gebühr handelt. Die Begriffsebene ist also allen anderen Ebenen sachlogisch vorgeordnet. A u f der zweiten Stufe ist dann zu fragen, ob die Gebühr als solche überhaupt zulässigerweise erhoben werden darf. Diese Problematik betrifft die Ebene der Gebührenrechtfertigung, auf der, wie soeben dargestellt, zu untersuchen ist, ob schützenswerte Rechtspositionen der Gebührenerhebung von vornherein entgegenstehen. Schließlich ist auf einer dritten Stufe zu erörtern, ob die von einem einzelnen Gebührenschuldner konkret geforderte Gebühr in rechtmäßiger Weise bemessen worden ist. Diese Frage stellt sich erst dann, wenn die Gebührenerhebung als solche nicht bereits unzulässig ist. Die Thematik der Bemessung ist somit derjenigen der Rechtfertigung nachgeordnet. Aus alledem folgt, daß Begriff, Rechtfertigung und Bemessung in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen. Dieses bewirkt, daß die dem Gebührenrecht letztlich zugrundeliegende Frage, ob die staatlicherseits geforderte Gebühr vom Schuldner gezahlt werden muß, vom Abstrakten zum Konkreten hin abgearbeitet wird. Zunächst muß die in Rede stehende Abgabe unter den abstrakten Gebührenbegriff subsumiert werden können, sodann ist zu fragen, ob ihre Erhebung durch einen speziellen gebührenrechtlichen Rechtfertigungsgrund legitimiert wird, und schließlich unterliegt ihre konkrete Höhe einer Überprüfung anhand von Bemessungsprinzipien, die für Gebühren Geltung beanspruchen können. Eine wichtige Schlußfolgerung, die sich aus funktionaler Trennung und hierarchischer Abfolge der Ebenen ergibt, besteht darin, daß eine nachfolgende Ebene eine vorangehende Ebene nicht beinflussen kann. So ist der Gebührenbegriff unabhängig von bestimmten Möglichkeiten, die Gebührenerhebung zu rechtfertigen 32 , und insbesondere vermag es die Bemessungsebene nicht, Einfluß auf den Begriff zu nehmen. Denn wenn erst einmal feststeht, daß eine vom Staat geforderte Abgabe in die abstrakte Kategorie der Gebühr fällt, vermag der im konkreten Einzelfall gewählte Betrag diese Einordnung nicht mehr zu unterlaufen. Ist die Erhebung einer Abgabe als Gebühr begrifflich möglich, kann die Tatsache, daß ihre Höhe unangemessen ist, lediglich dazu führen, sie als
31
Ebenso Chr. Müller, S. 142, allerdings ohne Begründung. Das legt wohl auch der VGH Kassel zugrunde, wenn es heißt: „Auszugehen ist... von der jeweiligen Abgabendefinition." (NVwZ 1995, 406 (407)). 32 Α. A. Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 530, allerdings ohne nähere Begründung (vgl. hierzu unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β V 3). Auch die von Vogel vertretene These, daß derjenige Aspekt, welcher die Erhebung einer bestimmten Gebühr dem Grunde nach rechtfertigt, die Gebührenhöhe bestimmen kann, ist vor dem Hintergrund der Trennung gebührenrechtlicher Ebenen abzulehnen (vgl. Vogel, in: Festschrift fur Geiger, S. 529, ihm folgend Murswiek, S. 53 Fußn. 157).
Α. Dogmatische Grundlegung
79
rechtswidrig anzusehen, die Einordnung als Gebühr bleibt hiervon unberührt. Eine zu hoch bemessene Gebühr ist und bleibt daher eine (wenn auch rechtswidrige) Gebühr und schlägt nicht in eine andere Abgabe, etwa eine Steuer, um 33 . Daraus folgt, daß die Geltung von bestimmten Bemessungsprinzipien, anhand derer geklärt werden kann, wann genau eine Gebühr überhöht ist, keinen Einfluß auf die Begriffsbildung hat. Denn solche Prinzipien können nur die Funktion besitzen, auf der Bemessungsebene den Schutz des einzelnen vor einer von ihm konkret geforderten Gebühr sicherzustellen. Demgegenüber dienen sie nicht dazu, eine generelle Aussage darüber zu treffen, durch welches Merkmal sich die Gebühr von anderen Abgaben abgrenzt oder welche Staatsleistung gebührenfähig sein kann. Durch die Trennung und die hierarchische Anordnung der gebührenrechtlichen Ebenen wird dem Gebührenrecht eine innere Struktur verliehen. Gebührenrechtliche Probleme werden nicht an beliebiger Stelle, sondern geordnet an einem bestimmten Platz abgehandelt. Die funktionalistische Sichtweise, welche der Funktion von Begriff, Rechtfertigung und Bemessung einer Gebühr entscheidende Bedeutung beimißt, vermag es, Erkenntnisse, die von Rechtsprechung und Literatur mehrheitlich, bisweilen auch unbewußt, zugrundegelegt werden, zu begründen und zu einem einheitlichen, in sich widerspruchsfreien Ganzen zusammenzufügen. So wird ζ. B. erklärt, warum ein bestimmtes Bemessungsprinzip das Wesen der Gebühr bzw. ihren rechtlichen Charakter nicht berührt. In der Systematisierung und Begründung hergebrachter und weitgehend anerkannter gebührenrechtlicher Grundätze liegt ein wesentlicher Vorteil des hier entwickelten dogmatischen Konzepts. Darüber hinaus erzeugt es Rechtssicherheit, indem es an Gegebenheiten, die aus anderen Rechtsgebieten bekannt sind, anknüpft. Daß die Begriffsebene der Abgrenzung dient und die Ebene der Rechtfertigung dem Rechtsgüterschutz, ist selbstverständlich keine gebührenrechtliche Spezialität, sondern eine allgemeine gesicherte Erkenntnis. Insgesamt erscheint daher der hier entwickelte funktionalistische Ansatz als geeignet, ein sinnvolles gebührendogmatisches Konzept zu tragen.
3. Die Offenheit für Wertungen Die Betrachtung der gebührenrechtlichen Problemkomplexe unter funktionalistischen Aspekten führt zu der soeben dargestellten Strukturierung des Gebührenrechts. Die erste Aufgabe eines dogmatischen Konzepts, dem Rechtsgebiet eine sinnvolle innere Ordnung zu verleihen, ist damit erfüllt. Es ver33
Dieses Ergebnis entspricht der Auffassung, die vom überwiegenden Teil in Rechtsprechung und Literatur vertreten wird, s. bereits o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A II.
80
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
bleibt noch die Frage, ob das System überhaupt offen ist für Wertungsfragen und an welcher Stelle diese vorzugsweise abgehandelt werden können. Auch hier gibt eine funktionalistische Sichtweise die Antwort. Wenn man davon ausgeht, daß der Gebührenbegriff lediglich die Aufgabe hat, die Gebühr von anderen Abgabenarten abzugrenzen, folgt hieraus, daß die Begriffsebene Wertungsaspekten fast gänzlich verschlossen ist. Zwar kann eine Begriffsbildung durchaus als Produkt eines bestimmten Wertungshintergrundes aufgefaßt werden, gleichwohl muß man sich der Tatsache bewußt sein, daß sich der Gebührenbegriff weiteren wertenden Erwägungen entzieht, hat man erst einmal eine bestimmte Definition erarbeitet. Entweder eine Abgabe erfüllt die definitorischen Voraussetzungen, dann kann sie als Gebühr erhoben werden, sofern die übrigen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. Oder sie kann nicht unter den Gebührenbegriff subsumiert werden, dann ist ihre Erhebung als Gebühr von vornherein versperrt. Für wertende Gesichtspunkte, die darauf abzielen, eine Gebührenerhebung aus verschiedenen Gründen doch noch zu ermöglichen, ist dann kein Raum mehr. Das rechtspolitische Bedürfnis, für eine Staatsleistung eine Gebühr zu fordern, mag noch so groß sein - wird den definitiorischen Anforderungen nicht Genüge getan, ist die Gebührenerhebung unmöglich. Die Begriffsebene erweist sich insofern als starr, denn auf ihr findet lediglich eine Subsumtion unter den Gebührentatbestand statt, es kommt nicht zu einer wertenden Abwägung des Für und Wider der Gebührenerhebung. Das ist jedoch kein Nachteil, denn es ist ein Gebot der Rechtssicherheit im Abgabenrecht, die verschiedenen Abgabeformen klar und eindeutig voneinander unterscheiden zu können. Überhaupt ist es die typische Eigenschaft der Definition eines Rechtsinstituts, ausnahmslos alles auszuschließen, was die begrifflichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Abgrenzungsfunktion der gebührenbegrifflichen Ebene verlangt also geradezu danach, von Wertungen möglichst frei zu bleiben, denn eine große Wertungsoffenheit führt zwangsläufig zu einem erhöhten Maß an Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Unterscheidung der verschiedenen Abgabeformen. Anderes gilt für die Ebenen der Rechtfertigung und Bemessung. Sie erfüllen die Funktion, rechtliche Belange der Gesamtheit oder einzelner zu schützen. Um das sicherzustellen, muß zunächst geklärt werden, ob und inwieweit eine bestimmte Rechtsposition überhaupt als schützenswert anzuerkennen ist. Daß hier ein bestimmter Wertungshintergrund miteinfließt, liegt auf der Hand. Insbesondere die Rechtfertigungsebene ist offen für derartige Erwägungen. Die Frage, ob eine Maßnahme gerechtfertigt ist, führt schon allein sprachlich direkt zum Problem der Gerechtigkeit, also zu einem Wertungsproblem. Diese allgemein bestehende enge Beziehung zwischen Rechtfertigung und Wertung wird bei § 240 Abs. 2 StGB besonders deutlich. Danach ist eine Tat rechtswidrig, mithin nicht gerechtfertigt, wenn die Nötigungshandlung „als verwerflich anzusehen ist"; Gerechtigkeits- und Wertungserwägungen sind hier ersichtlich Tür
Α. Dogmatische Grundlegung
81
und Tor geöffnet. Das Urteil, ob eine Handlung gerechtfertigt ist, ist somit typischerweise ein Werturteil. Dieses ist im Rahmen des Gebührenrechts vorzugsweise auf der Ebene der Gebührenrechtfertigung zu fällen. Dort kann gegeneinander abgewogen werden, was für und was gegen die Gebührenerhebung spricht. Kurz gesagt: Rechtfertigungsfragen sind typische Wertungsfragen, und im Gebührenrecht gehören Wertungsfragen in erster Linie auf die Rechtfertigungsebene. Diesbezüglich kann jedoch auch die Bemessungsebene eine Rolle spielen. Verlangt man etwa, daß die Höhe einer konkret geforderten Gebühr angemessen sein muß 34 , so wird dadurch eine in erster Linie normative Entscheidung verlangt. Insofern ist die Bemessungsebene wertungsoffen, wenn auch nur in bezug auf einen bestimmten Einzelfall. Aus alledem folgt: Das hier entwickelte dogmatische Konzept erfüllt auch die zweite Anforderung, die an eine Rechtsdogmatik gestellt wird, weil es für Gerechtigkeits- und Wertungsfragen offen ist und ihnen mit der Rechtfertigungs- und Bemessungsebene einen sinnvollen Platz zuweist, um sie dadurch operationabel zu machen. Darüber hinaus ist deutlich geworden, daß dem an ein gebührendogmatisches Konzept gestellten Erfordernis, wertungsoffen zu sein, dann in besonderem Maße entsprochen wird, wenn der Gebührenbegriff selbst möglichst offen ist. Je weniger die Gebührendefinition vorwegnimmt, desto wertungsfreundlicher und flexibler ist das gebührenrechtliche System, oder umgekehrt: Je enger der Gebührenbegriff gebildet wird, desto beschränkter ist die Möglichkeit, rechtspolitisch für sinnvoll erachtete Gebühren zu erheben. Diese zunächst recht abstrakten Gedanken sollen im Rahmen der folgenden Kapitel verdeutlicht werden, um so die Tragfähigkeit des hier gewählten dogmatischen Ausgangspunkts zu beweisen. Zum besseren Verständnis sei jedoch schon soviel vorweggenommen: Es wird vor allem die Erkenntnis wichtig werden, daß die Wertungsoffenheit und Flexibilität des Gebührenrechts entscheidend von der Bildung des Gebührenbegriffs abhängt. Beschränkt man den Gebührenbegriff auf die ihm zukommende Abgrenzungsfunktion, spricht dies dafür, ihn von funktionsfremden Gesichtspunkten freizuhalten. Alle Elemente einer Gebührenerhebung, die nicht der Abgabenabgrenzung dienen bzw. nicht dienen können, gehören nicht auf die begriffliche, sondern auf eine andere Ebene, und ihre Berechtigung kann dann jeweils flexibel beurteilt werden. So ist es beispielsweise eine völlig andere Fragestellung, ob die Gebühr schon vom Begriff her dem Zweck dient, entstandene Kosten zu decken, oder ob eine auf Kostendeckung abzielende Gebühr gerechtfertigt ist. Bejaht man ersteres, wäre für andere als kostenorientierte Gebühren von vornherein kein Raum mehr, folgt man letzterem, ist noch nicht zwangsläufig gesagt, daß nur derartige Gebühren gerechtfertigt werden können. Für die Verleihungsgebühr bedeu-
34
Ausf. dazu u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I.
6 Heimlich
82
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
tet das: Die Frage, ob sie der allgemein geltenden Gebühren definition entspricht, kann nur anhand eines bloßen Subsumtionsvorgangs beantwortet werden, während die Lösung des Problems, ob sie als Gebühr gerechtfertigt werden könnte, wertender Erwägungen bedarf. Dem Haupteinwand gegen diesen Gebührentyp, der darin besteht, nicht mit Kosten verbunden zu sein35, kann man also dadurch begegnen, daß man die Kostenproblematik von der Begriffsauf die Rechtfertigungs- bzw. Bemessungsebene verlagert. Denn wenn man das Entstandensein von Kosten als Element des Gebührenbegriffs ansehen will, wäre die Anerkennung einer Verleihungsgebühr von vornherein ausgeschlossen. Zieht man diesen Umstand aber nur als einen möglichen Rechtfertigungsgrund einer Gebührenerhebung heran, ist es durchaus noch denkbar, aufgrund wertender Erwägungen zu der Erkenntnis zu gelangen, daß neben kostenorientierten auch noch andere Gebühren gerechtfertigt sein können. Ebenso kann neben der Gebührenbemessung nach den Kosten auch eine Bemessung nach anderen Prizipien in Betracht kommen. Für die Anerkennung der Verleihungsgebühr bleibt jedenfalls noch ein Argumentationsspielraum, der auf der Begriffsebene nicht bestünde.
4. Fazit Das Gebührenrecht verlangt in besonderem Maße nach einem tragfähigen dogmatischen System. Betrachtet man es unter einem funktionalistischen Aspekt, differenziert es sich in unterschiedliche Ebenen, denen jeweils eigene Funktionen zukommen und die in einem hierarchischen Stufenverhältnis zueinander stehen. Hierdurch wird dem Gebührenrecht eine sinnvolle innere Struktur verliehen, um den Erfordernissen der Rechtssicherheit genüge zu tun. Wertungsgesichtspunkte können in erster Linie auf der Rechtfertigungsebene, nicht aber auf der Begriffsebene eine Rolle spielen. Dieses Verständnis liegt den nachfolgenden Ausführungen als dogmatischer Ausgangspunkt zugrunde. Es wird, soweit erforderlich, an entsprechender Stelle noch präzisiert und vertieft werden.
35
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A I.
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
83
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr I. Aussagen des Grundgesetzes Eine Untersuchung der Problematik, welche Begriffsmerkmale die Gebühr nach heutigem Verständnis aufweist, muß zunächst auf die Frage eingehen, ob das Grundgesetz eine eigene Definition der Gebühr enthält. Wenn das nicht der Fall sein sollte, wäre zu erörtern, ob sich aus ihm nicht wenigstens Teilelemente des Gebührenbegriffs folgern lassen. An einen anhand des Grundgesetzes ermittelten Kerninhalt wäre der einfache Gesetzgeber gebunden. Die rechtswissenschaftliche Literatur bietet zu dieser Thematik ein relativ einheitliches Bild. A u f den ersten Blick erscheint es zwar so, als ob einige Autoren die Existenz eines verfassungskräftigen Gebührenbegriffs ablehnen, während andere diese Frage bejahen. So findet sich bei Kloepfer die recht apodiktische Aussage: „Das Grundgesetz kennt keinen einheitlichen Gebührenbegriff." 36 . Demgegenüber ist bei anderen Autoren wiederholt von einem „verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff 4 die Rede37. Der Eindruck, daß sich hier kontroverse Positionen gegenüberstehen, täuscht jedoch 38 . Einigkeit besteht nämlich darüber, daß das Grundgesetz einen verfassungkräftigen Begriff der Steuer voraussetzt 39. In den Art. 105 bis 108 GG werden Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Ertragszuständigkeiten allein für Steuern geregelt. Das Grundgesetz stellt hier ein recht ausführliches Regelwerk zur Verfügung, welches die Verteilung von Finanzmacht und Finanzkraft lenkt. Eine entscheidende Rolle spielt insofern die Zuordnung von Abgabenerhebungskompetenzen. Sind diese besonders weit gefaßt, wird dadurch die finanzielle Position des Erhebungsberechtigten wesentlich gestärkt. Die Aufteilung von Steuerkompetenzen zwischen Bund und Ländern ist eine erstrangige Machtfrage 40 . Es muß also Klarheit darüber herrschen, welche Einnahmen Steuern im Sinne der grundgesetzlichen Finanzverfassung sind, um dadurch eine verfassungsgemäße Zuordnung finanzieller Machtpositionen zu gewährleisten. Daraus folgt, daß
36
Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 239; ihm folgend Horn, S. 85; ähnlich F. Kirchhof Gebühr, S. 14; P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 190. 37
So ζ. B. Meßerschmidt,
S. 198; Sander, DVB1. 1990, 23; Tipke, Bd. III, S. 1067;
Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 519 f; entsprechend auch Friauf in: KölnFestschrift, S. 694: „verfassungsrechtlicher Gebührentatbestand"; ähnlich Wendt, S. 47. 38 Ebenso Meyer, S. 49. 39 Das wird -soweit ersichtlich- lediglich von Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 240, ansatzweise problematisiert, allerdings letztlich nicht in Frage gestellt. 40 Vgl. Isensee, in: Festschrift für H.P. Ipsen, S. 426 f.
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3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
das Grundgesetz nach einem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff verlangt 41 . Ob aus den Art. 105 - 108 GG gleichzeitig auch die Vorstellung des Verfassungsgebers abzuleiten ist, daß die öffentlichen Aufgaben vornehmlich aus Steuern zu finanzieren sind und die Bundesrepublik daher ein „Steuerstaat" ist, kann an dieser Stelle noch dahinstehen42. Es genügt hier die Feststellung, daß es unstreitig einen verfassungskräftigen Steuerbegriff gibt. Dieser wird zwar vom Grundgesetz selbst nicht ausdrücklich definiert. Allerdings wurde die in § 1 RAO enthaltene und von der gesamten Steuerrechtswissenschaft verwendete Begriffsbildung vom Grundgesetz übernommen und dadurch mit Verfassungsrang ausgestattet43. Danach sind Steuern einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft 44 . Des weiteren besteht Einigkeit darüber, daß aus der Erwähnung der Gebühren in den Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 und 80 Abs. 2 GG kein einheitlicher grundgesetzlicher Gebührenbegriff abgeleitet werden kann. Hieraus läßt sich allenfalls schließen, daß der Verfassungsgeber die Existenz der Rechtsfigur „Gebühr" anerkennt 45. Aus diesem Umstand allein läßt sich aber noch kein konturenscharfer Gebührenbegriff gewinnen. Angesetzt werden muß vielmehr bei dem Begriff der Steuer. Ist dieser vom Grundgesetz festgelegt, so beinhaltet er gleichzeitig auch eine Aussage darüber, welche Abgaben keine Steuern sind. Dasjenige Merkmal, welches dazu führt, eine Abgabe vom verfassungsrechtlichen Steuerbegriff abzugrenzen, muß daher zwangsläufig auf der Ebene des Grundgesetzes angesiedelt und mithin verfassungsfest sein 46 . Das Grundgesetz enthält also zumindest die verfassungskräftige Definition eines einzelnen Gebührenmerkmals, nämlich des Abgrenzungskriteriums zur Steuer. Es ist daher zu fragen, worin sich Steuern und Gebühren wesentlich unterscheiden. Beide stimmen darin überein, daß sie einmalige oder laufende öffentlich-rechtliche Geldleistungen darstellen, die von einem Hoheitsträger zur Erzielung von Ein-
41
Das ist unstreitig, vgl. zum Ganzen etwa Kreft,
mer/Brodersen/Nicolaysen, 42 43
Ausf. dazu unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 b bb. BVerfGE 3, 407 (435); 55, 274 (299) m.w.N., st. Rspr.; vgl. darüber hinaus auch
Selmer/Brodersen/Nicolaysen, 44
DVB1. 1977, 369; Sel-
S. 55; Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 43; Wendt, S. 38 ff.
S. 51 f; Wendt, S. 39 f; jew. m.w.N.
S.o. 1. Teil, Gliederungsabschnitt Β I.
45 F. Kirchhof Gebühr, S. 14; Selmer/Brodersen/Nicolaysen, S. 54; Stallknecht, 175; Wendt, S. 25; Wilke, S. 150 ff. 46 Vgl. BVerfGE 7, 244 (251 f); so auch Clausen, S. 80; Horn, S. 83 f; Meßerschmidt, S. 198; Meyer, S. 47 ff; Murswiek, S. 23; Wendt, S. 47.
S.
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
85
nahmen auferlegt werden 47. Unterschiedlich sind die beiden Abgaben jedoch in bezug auf den die Abgabepflicht begründenden Tatbestand. Während die Steuer keine Gegenleistung ist und mithin voraussetzungslos geschuldet wird, knüpft die Gebühr an eine Staatsleistung an, die dem Gebührenschuldner individuell zurechenbar ist 48 . Der Entgeltcharakter der Gebühr ist also das Kriterium, welches sie von der Steuer abgrenzt. Diesem Merkmal kommt daher Verfassungsrang zu 49 . Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen. In seiner für das Gebührenrecht grundlegenden Entscheidung zum nordrhein-westfälischen Gebührengesetz50 heißt es zwar: "Das Grundgesetz enthält ... keinen eigenständigen Gebührenbegriff, ...". Allerdings macht das Gericht zunächst eine Einschränkung, indem es dieser Aussage nur Jedenfalls für Gebührenregelungen der hier in Rede stehenden Art" Geltung beimißt. Des weiteren heißt es, daß das Grundgesetz keinen eigenständigen Gebührenbegriff enthalte, „aus dem sich unmittelbar Prüfüngsmaßstäbe für die Verfassungsmäßigkeit von Gebührenmaßstäben, Gebührensätzen oder Gebührenhöhen ergäben; weder aus den Bestimmungen der Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 und Art. 80 Abs. 2 GG noch aus den Abgrenzungen zum verfassungsrechtlichen Steuerbegriff lassen sich insoweit allgemein anwendbare Prüfungsmaßstäbe herleiten." 51. Das Gericht verneint also die Existenz eines verfassungskräftigen Gebührenbegriffs allein vor dem Hintergrund der Frage, wie hoch die Gebühr bemessen werden kann. Es fehlt also an verfassungsrechtlichen Aussagen zur Gebührenhöhe, nicht aber an solchen zum Gebührenbegriff. Diese Beschränkung auf die Bemessungsproblematik darf nicht verkannt werden. In eine ähnliche Richtung zielt die Entscheidung zu den in Baden-Württemberg und Hessen erhobenen Wasserentnahmeabgaben. Dort bestätigt das Bundesverfassungsgericht die 47 Vgl. nur BVerfGE 50, 217 (226); zum Gebührenzweck der Einnahmeerzielung s. insbes. Wilke, S. 48 ff. 48 Das entspricht allgemeiner Auffassung, s.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitte Β II und Β III. 49 Vgl. zum Ganzen Arndt, WiVerw 1990, 20 f, 29; Friauf, in: Köln-Festschrift, S.
694; Horn, S. 80 ff; F. Kirchhof, Gebühr, S. 23; ders., DVB1. 1987, 555; Meßerschmidt, S. 198; Pietzcker, DVB1. 1987, 775; Selmer/Brodersen/Nicolaysen, S. 55 f; Wendt, S.
38 f, 47; Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 519 f. Diesen Zusammenhang räumt auch Kloepfer (AöR 97 (1972), S. 240) ein, wenn er sagt: „Allenfalls mittelbar wären die Gebühren (negativ) gestimmt. Fest stünde lediglich, daß Steuern keine Gegenleistung für eine gesonderte Leistung der Verwaltung sein, also kein konkretes Äquivalent darstellen dürften." Mehr als eine solche mittelbare negative Herleitung eines verfassungskräftigen Gebührenmerkmals soll aber auch nicht erreicht werden. 50 BVerfGE 50, 217; bestätigt von BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360); vgl. auch BVerwG, NJW 1973, 725 (726); BVerwGE 95, 188 (200). 51 BVerfGE 50,217 (225 f).
86
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Beurteilung, es gebe keinen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff, und fugt hinzu, daß Fragen der Systematisierung und Katalogbildung keine Verfassungsfragen seien52. Das Gericht tritt also der Einschätzung entgegen, allein unter Zuhilfenahme des Grundgesetzes könne bereits eine abschließende verfassungsrechtliche Definition der Gebühr ermittelt werden. Es bestreitet jedoch nicht die Existenz von verfassungsfesten Einzelelementen der Gebühr. Im Gegenteil verlangt es, daß sich nichtsteuerliche Abgaben aus finanzve/yässwftgsrechtlichen Gründen von der Steuer „deutlich unterscheiden" müssen53. Die Anerkennung eines verfassungskräftigen Abgrenzungsmerkmals von Gebühr und Steuer steht also nicht im Gegensatz zur bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Die Aussagen des Grundgesetzes zum Gebührenbegriff lassen sich somit folgendermaßen zusammenfassen: Die Existenz der Gebühr wird in Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, 80 Abs. 2 GG anerkannt. Das Grundgesetz enthält selbst keine positive Definition des Gebührenbegriffs, so daß sich auch keine aus dem Gebührenbegriff ableitbare verfassungsfeste Determination der Gebührenbemessung herleiten läßt54. Das Merkmal der speziellen Entgeltlichkeit, welches die Gebühr von der Steuer abgrenzt, erhält, vermittelt über den verfassungsrechtlichen Begriff der Steuer, seinerseits Verfassungsrang. Außer diesem einen ist kein weiteres Element des Gebührenbegriffs, sofern es dieses überhaupt gibt, auf der Ebene der Verfassung angesiedelt.
II. Von der Literatur entwickelte Gebührenbegriffe Weil das Grundgesetz zum Begriff der Gebühr weitestgehend schweigt, werden in der rechtswissenschaftlichen Literatur des öfteren Versuche unter-
52
BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360). BVerfG, DVB1. 1996, 357 (359). 54 Offenbleiben kann an dieser Stelle noch, ob die Gebührenbemessung der verfassungsfesten Geltung von Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und/oder Äquivalenzprinzip unterliegt, weil beide Prinzipien nicht (mehr) aus dem Gebührenbegriff abgeleitet werden. Ausf. dazu unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I. 53
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
87
nommen, einen detaillierteren Gebührenbegriff zu entwickeln 55 . Die wichtigsten Ansätze 56 seien im folgenden dargestellt und kritisch gewürdigt.
1. Der formale Gebührenbegriff Die umfassendste dogmatische Grundlegung des formalen Gebührenbegriffs findet sich in der 1973 erschienenen Monographie von Dieter Wilke 5 7 . Er versteht die Gebühr als hoheitlich auferlegte Geldleistung ftir eine staatlicherseits erbrachte individuell zurechenbare Leistung, mit deren Hilfe die Kosten der Leistung gedeckt werden sollen 58 . Wilke geht von dem allgemeinen Charakteristikum aller Abgaben aus, wonach Abgaben Finanzierungsmittel sind, die zur Deckung von Staatskosten erhoben werden. Diesen Zweck verfolge sowohl die Gebühr als auch die Steuer. Für das begriffliche Vorliegen einer Steuer sei unerheblich, ob dieser Zweck im Hinblick auf allgemeine oder besondere Staatsbedürfnisse verfolgt wird. Letzteres sei bei der Zwecksteuer der Fall. Damit diese unter die allgemeine Definition der Steuer subsumiert werden könne, müsse es genügen, die Steuer als Abgabe anzusehen, die „überhaupt zur 55 Unzutreffend Salzwedel, Rechtsgutachten, S. 52: „Der Begriff der Gebühr ist in der heutigen Gesetzessprache festgelegt, für wissenschaftliche Deutungen grundsätzlicher Art bleibt kein Raum mehr." Grundsätzlicher Art ist zumindest die Frage, ob der Gebührenbegriff bestimmte Gebührenzwecke beinhalten darf, dazu ausf. nachfolgend im Text. 56 In diesem Zusammenhang sollen insbesondere Stellungnahmen außer Betracht bleiben, die nur Teilaspekte der Gebühr betreffen, so ζ. B. der Versuch von Vogel/Walter, taugliche Kriterien zur Abgrenzung der Gebühr von der Zwecksteuer zu entwickeln (in: Bonner Kommentar, Art. 105 Rn. 44; gegen sie etwa Köck, S. 40 ff). 57 Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973. 58 Wilke, S. 50, 89, 105, 195 und öfter. Diese Begriffsbildung wurde vom Bundesverfassungsgericht zunächst übernommen (ausf. dazu unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β III 1) und hat sich in der Literatur weitgehend durchgesetzt, vgl. Clausen, S. 82; Hendler., AöR 115 (1990), 602, 604 f; Heun, DVB1. 1990, 673 f; Jarass, DÖV 1989, 1016;
P. Kirchhof,
HStR IV, § 88 Rn. 192 f; Kloepfer/Follmann,
DÖV 1988, 580; Morgentha-
ler, SächsVBl. 1994, 99 ff; Patzig, DÖV 1981, 734; Pietzcker, DVB1. 1987, 778; Salzwedel, Rechtsgutachten, S. 19 ff; Sander, DVB1. 1990, 18 f; Selmer/Brodersen/Nicolaysen, S. 56 f; Wiß, S. 104 ff, 154. Auch Friauf{in: Köln-Festschrift, S. 695) folgt dieser Definition, insbesondere was die begriffsimmanente Kostendeckungsfunktion der Gebühr angeht, obwohl er sie als „materielle Betrachtungsweise" bezeichnet. Unter einem „materiellen Gebührenbegriff' soll aber vorliegend die Gebührendefinition Rudolf Wendts verstanden werden, wonach der Gebühr eine „materielle Ausgleichsfunktion" zukommt, ausf. dazu unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 2. Die formale Abgrenzung wird auch im schweizerischen Recht favorisiert, vgl. Köck, S. 37 Fußn. 74 m.w.N.
88
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Erzielung von Einkünften auferlegt" werde 59. Der Zweck, Einnahmen zu erzielen, werde jedoch genauso von der Gebühr verfolgt. Die Abgrenzung zur Steuer sieht Wilke darin, daß die Gebühr diesen Zweck nicht „überhaupt", sondern nur in bezug auf eine individuell zurechenbare und Kosten verursachende Staatsleistung verfolge. Staatliche Kosten und zu zahlende Abgabe stünden nicht beziehungslos nebeneinander, sondern seien durch das Element der Kosten verursachenden Staatsleistung verknüpft. Das Vorhandensein dieser Staatsleistung sei auch das Kriterium, welches die Gebühr von der Zwecksteuer abgrenze: Beide Abgaben dienten zwar der Deckung spezieller Kosten, allerdings seien die von einer Zwecksteuer zu deckenden Kosten nicht entstanden, weil eine individuell zurechenbare Staatsleistung erbracht worden sei. Es stellt sich nun die Frage, worin das „Formale" an diesem Gebührenbegriff besteht. Nach Wilke reicht für das Vorliegen einer Gebühr aus, daß die Abgabe an eine individuell zurechenbare Staatsleistung anknüpft. Diese sei der Grund, die causa, für das Entstehen der Gegenleistungspflicht auf Seiten des Gebührenschuldners. Welche Leistung entgolten werde, sei für das materiellrechtliche Vorliegen einer Gebühr ebenso unerheblich wie die Höhe der Abgabe. Entscheidend sei allein, daß die Leistung einen spezifischen Bezug zum Gebührenschuldner habe60. Formal ist dieser Begriffsbildung zufolge also das Verständnis von der Gegenleistungsfunktion der Gebühr 61. Für die Einordnung einer Abgabe kommt es danach allein auf die äußerliche, also formale Fassung des Abgabentatbestandes an: Knüpft er an eine individuell zurechenbare Staatsleistung an, liegt eine Gebühr vor, während die Erhebung einer Abgabe ohne die Voraussetzung einer solchen Leistung eine Steuer darstellt 62. Schon das bloße Vorhandensein einer Staatsleistung verursacht demzufolge die Gebührenpflicht, die Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung ist daher rein kausal zu verstehen 63. Allerdings brechen Wilke und seine Gefolgschaft mit diesem formalen Ansatz, indem sie eine Gebührenfunktion in den Gebührenbegriff aufnehmen. Die Gebühr soll nämlich definitionsgemäß dazu dienen, die Kosten der erbrachten Staatsleistung zu decken. Der Gebührencharakter folgt daher nicht mehr allein aus dem formalen Bestehen einer Leistungs-Gegenleistungs-Beziehung, sondern auch aus dem Kostendeckungszweck. Eine Abgabe, die diesem Zweck nicht dient bzw. nicht dienen kann, wäre keine Gebühr, denn diese soll voraussetzen, daß die erbrachte Staatsleistung mit Kosten verbunden ist. Auf die Fra-
59 60
Wilke, S. 50. Wilke, S. 86 ff.
61
So auch die Präzisierung bei Wendt, S. 54.
62
Wilke, S. 283. Wilke, S. 48 ff, 90 ff, 109. Zur Begriffsbildung von Wilke auch Puwalla, S. 45 ff.
63
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
89
ge, ob eine derartige Ergänzung des ansonsten formalen Gebührenbegriffs berechtigt ist, sei an späterer Stelle ausfuhrlich eingegangen64.
2. Der materielle Gebührenbegriff Der von Rudolf Wendt maßgeblich entwickelte materielle Gebührenbegriff geht ebenso wie der formale davon aus, daß der Gebühr eine individuell erbrachte Staatsleistung gegenübersteht. Dieses Merkmal wird aber nicht für ausreichend erachtet, um eine befriedigende Abgrenzung zwischen Gebühr und Steuer zu ermöglichen. Eine solche Abgrenzung sei insbesondere deshalb notwendig, weil das grundgesetzliche System der Finanzverfassung geschützt werden müsse. Es bestehe die Gefahr, daß die Gebührengewalt dazu ausgenutzt wird, ein zweites, mit der Steuerverfassung des Grundgesetzes konkurrierendes Finanzssystem aufzubauen. Hiervor könne die bloße Leistungsabhängigkeit der Gebühr keinen ausreichenden Schutz bieten. Daher sei der Begriff der Gegenleistung zu ergänzen. Als Gegenleistung im gebührenrechtlichen Sinne soll nicht jede, sondern nur eine ausgleichende Zahlung angesehen werden können. Erst durch die Ausgleichsfunktion werde eine Abgabe zur Gebühr. Diese Funktion könne in zweierlei Hinsicht verfolgt werden. Zum einen sei es möglich, die mit der staatlichen Leistung verbundenen Kosten auszugleichen. Zum anderen könne ein staatlicherseits zugewendeter Wert durch die Gebührenerhebung ausgeglichen werden. Entscheidend für die Qualifikation der Abgabe sei jedenfalls, daß das Abgrenzungskriterium der Gegenleistung nicht formal, sondern materiell verstanden wird 65 . Ein solches Gebührenverständnis versucht Wendt aus der historischen Entwicklung von Steuer und Gebühr abzuleiten. Den Regelungen der §§ 2 F AG, 1 RAO liege ein materieller Steuerbegriff zugrunde. Das müsse auch Auswirkungen auf den vom Steuerbegriff abzugrenzenden Gebührenbegriff haben. Es bestehe eine historisch gewachsene gemeinsame Vorstellung von der Gebühr als ausgleichender Gegenleistung. So sehe die Kostentheorie die Gebühr als Ausgleich für staatlicherseits entstandene Kosten an, während die Nutzentheorie auf den Ausgleich von staatlicherseits zugewendeten Werten abstelle66. Auch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes und des Preußischen Oberverwaltungsgerichts gehe davon aus, daß die Gebühr dem Ausgleich dient. Das Grundgesetz habe daher ein materielles Verständnis der Gegenleistungsfunkti64
S.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β IV 3. S. zum Ganzen Wendt, S. 54 ff. 66 Zu den Aussagen von Kosten- und Nutzentheorie s.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A III 1,2. 65
90
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
on vorgefunden und übernommen, so daß die Ausgleichsfunktion der Gebühr mit Verfassungskraft belegt sei67. Der materielle Gebührenbegriff Wendts erfährt in der gebührenrechtlichen Literatur vereinzelt Zustimmung 68 . Insbesondere Horn legt seinen Ausführungen zur Feldes- und Förderabgabe ein materielles Verständnis zugrunde. Ein solches sei sowohl von der grundgesetzlichen Finanzverfassung als auch aus Gründen des individuellen Schutzes der Abgabepflichtigen gefordert. Eine Abgabe sei nur dann als Gebühr zu qualifizieren, wenn sie an eine staatliche Leistung anknüpft und „auch ihrer Höhe und Bemessungstechnik nach als Gegenleistung angesehen werden kann" 69 . Dies sei dann der Fall, wenn die Abgabe dem Äquivalenzprinzip entsprechend70 den Wert der Staatsleistung für den Empfänger nicht übersteige 71. Horn hebt also maßgeblich darauf ab, ob die Abgabe wertäquivalent ist oder nicht.
3. Der doppelgliedrige
Gebührenbegriff
Der doppelgliedrige Gebührenbegriff stellt keine direkte Gegenposition zum formalen bzw. materiellen Gebührenbegriff dar. Ebenso wie diese geht auch er davon aus, daß die Gebühr an eine staatlicherseits individuell erbrachte Leistung anknüpft. Während aber der materielle Gebührenbegriff versucht, den Charakter der Gebühr als Gegenleistung durch das Erfordernis einer „Ausgleichsfünktion" näher zu bestimmen, wendet sich der doppelgliedrige Gebührenbegriff dem anderen Element der Gebühr, nämlich der erbrachten Staatsleistung zu, und fragt, wie diese beschaffen sein muß, damit die hierfür erhobene Abgabe eine Gebühr darstellt. Als gebührenfähig werden hiernach alle Staatsleistungen, die dem Gebührenschuldner Vorteile bringen, angesehen. Des weiteren falle unter den Gebührenbegriff auch diejenige Abgabe, die erhoben wird, weil der Schuldner das Tätigwerden eines Hoheitsträgers zu verantworten hat und diesem infolge der Leistungserbringung Kosten entstanden sind, und zwar auch dann, wenn die erbrachte Leistung für den Gebührenschuldner nachteilig ist.
67
68
Wendt, S. 57 ff.
Etwa Kruse, in: Tipke/Kruse, AO - FGO, § 3 AO Rn. 15; so wohl auch Puwalla, S. 110 ff. 69 Horn, S. 118 ff, 132 f; im Anschluß an Kisker, S. 18 f. 70 Zum Begriff des Äquivalenzprinzips s. u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 2. 71
Horn, S. 133 f, 147.
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
91
Der letzte Aspekt des doppelgliedrigen Gebührenbegriffs ist wichtig, weil er vereinzelt vertretenen Auffassungen entgegentritt, wonach nur vorteilhafte Staatsleistungen gebührenfähig sein können 72 . Daß dies eine unzulässige Verengung des Gebührenbegriffs ist, hat insbesondere Klaus Vogel dargelegt 73. Er leitet den doppelgliedrigen Gebührenbegriff aus den beiden möglichen Rechtfertigungsgründen der Gebührenerhebung ab 74 . Die Gebührenerhebung sei zum einen zulässig, wenn ein vom Staat zugewandter Vorteil ausgeglichen werden solle. Zum anderen könne eine Gebühr dann erhoben werden, wenn ein einzelner dafür verantwortlich sei, daß dem Staat infolge der Leistungserbringung Kosten entstanden seien. Gefolgert wird dies aus der vorkonstitutionellen Gesetzespraxis, der sich auch die heutige Gesetzgebung angeschlossen habe, was zu einem doppelgliedrigen Gebührenbegriff führe. Die Gebühr sei somit zum einen eine Abgabe zur Vorteilsabschöpfimg, zum anderen eine Abgabe zur Kostenüberwälzung 75 . Hinzuweisen ist auf den Umstand, daß der von Vogel entwickelte doppelgliedrige Gebührenbegriff keinerlei materielle Elemente beinhaltet, die alle Gebühren kennzeichnen. So verzichtet er insbesondere darauf, eine für jede Gebührenart geltende Gebührenfunktion in den Begriff aufzunehmen. Die Gebühr als solche wird weder als „ausgleichende Gegenleistung" noch als Abgabe mit Kostendeckungsfunktion definiert. Nur diejenige Gebühr, welche infolge einer „Kostenprovokation" erhoben wird, solle dazu dienen, die Kosten der erbrachten Staatsleistung zu decken. Die auf einen „Vorteilsausgleich" abzielende Gebühr verfolge hingegen den Zweck der Kostendeckung nicht notwendigerweise, so daß ihre Erhebung auch nicht implizit das Entstandensein staatlicher Kosten voraussetzt.
4. Der monopolistische Gebührenbegriff Gerhart Kreft definiert die Gebühren als „Geldleistungen, die der Kostendeckung individuell zurechenbarer Leistungen aufgrund aus der Staatsgewalt
72
So ζ. B. O. Ehlers, FinArch 13 (1896) S. 452 f; Neumann, S. 397; Stein, DÖV 1960, 288 f. Weitere Nachw. bei Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 518 ff sowie Puwalla, S. 48. 73
Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 518 ff. So aber auch schon Umpfenbach, S. 56, der die Gebühr als Entgelt für Kostenprovokationen definierte; ähnlich auch BVerwGE 13, 214 (219); OVG Münster, VerwRspr. 9 (1957) Nr. 191 (S. 866). 74 Ausf. zu den Möglichkeiten, die Gebührenerhebung zu rechtfertigen, unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II. 75 Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 530 ff.
92
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
abgeleiteter staatlicher Ausschließlichkeitspositionen dienen" 76 . Danach können nicht für alle Staatsleistungen Gebühren erhoben werden, Voraussetzung hierfür sei vielmehr, daß der Staat in bezug auf die erbrachte Leistung ein Monopol innehabe. Wenn eine solche Monopolstellung fehle, sei die zu zahlende Abgabe keine Gebühr, sondern ein (möglicherweise öffentlich-rechtlicher) „Preis". Des weiteren falle eine Abgabe nur dann unter den Gebührenbegriff, wenn sie die Kosten der erbrachten Staatsleistung nicht überschreite. Es sei nämlich allein der Steuer vorbehalten, fungible Staatseinnahmen zu beschaffen. Demgemäß müsse ein Gebührenüberschuß, der zwangsläufig nicht mehr der Kostendeckung dienen könne, infolge seiner freien Verwendbarkeit eine Steuer darstellen. Kreft bezeichnet diesen Teil des Abgabenaufkommens als „Gebührensteuer". Nur wenn beide der genannten Voraussetzungen erfüllt seien, könne die Abgabe als Gebühr qualifiziert werden. Ein derartiger, aus „materialen Kriterien" bestehender Gebührenbegriff sei erforderlich, um die Gebühr sowohl vom „Verwaltungspreis" als auch von der Steuer trennscharf abzugrenzen, so daß den Anforderungen einer systematischen Abgabenlehre Rechnung getragen werde 77 . Die von Kreft vorgeschlagene Begriffsbildung hätte zwei Konsequenzen. Zum einen würde man aus dem Kreis potentiell gebührenpflichtiger Staatsleistungen solche ausschließen, die nicht nur von einem Staatsmonopol, sondern auch von Privaten erbracht werden können. Zum anderen wäre die Erhebung einer Gebühr schon begrifflich nicht möglich, wenn sie nicht das Ziel der Kostendeckung verfolgt.
III. Gebührenbegriffe der Rechtsprechung 1. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht definierte die Gebühren in seiner für das Gebührenrecht grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 1979 als „öffentlichrechtliche Geldleistungen, die aus Anlaß individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu dekken" 78 . Das Gericht folgte mit dieser Begriffsbildung bis in die Einzelheiten der
76 77 78
Kreft, DVB1. 1977, 375; unpräziser noch in: ders., S. 209. S. zum Ganzen Kreft, DVB1. 1977, 370 ff; ders., S. 134 ff, 191 ff. BVerfGE 50, 217 (226) m.w.N; aus jüngerer Zeit BVerfGE 91, 207 (223).
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
93
Begriffsbestimmung von Wilke 79 . Die Gebühr wurde auch hier als Gegenleistung für eine individuell zurechenbare Staatsleistung angesehen. Des weiteren schränkte auch das Bundesverfassungsgericht implizit die Möglichkeit der Gebührenerhebung auf Staatsleistungen ein, die mit einem Kostenaufwand verbunden sind, und übernahm die Funktion der Kostendeckung in den Gebührenbegriff. Zweifelhaft war jedoch, welche Bedeutung diese beiden Aspekte im Hinblick auf die Abgrenzung der Gebühr von der Steuer besitzen sollten. Diese erfolgte in einigen Entscheidungen allein anhand des Gegenleistungscharakters der Gebühr 80. Andererseits äußerte das Gericht bisweilen, daß der Zweck, speziell die Kosten der individuell zurechenbaren Leistung ganz oder teilweise zu decken, die Gebühr regelmäßig von der Steuer unterscheide 81. Es blieb unklar, ob die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangte, daß die genannten beiden Merkmale kumulativ vorliegen müssen, damit die verfassungsrechtlich geforderte Abgrenzung von Gebühr und Steuer vorgenommen werden kann. Wäre dies der Fall, hätte die Funktion der Kostendeckung Verfassungsrang 82. Hierfür könnte auch eine frühe Gebührendefinition sprechen, wonach die Gebühren „eine Gegenleistung für bestimmte staatliche Tätigkeiten dar(stellen) und ... die Kosten dieser Staatstätigkeit decken" sollen83, so daß Gegenleistungscharakter und Kostendeckungsfunktion gleichrangig nebeneinander gestellt werden. Die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vollzieht jedoch, was den Kostenbezug der Gebühr angeht, einen bemerkenswerten Wandel. Bereits in der Entscheidung zur Feuerwehrabgabe vom 24.01.199584 erwähnt das Gericht den Kostendeckungszweck der Gebühr nicht mehr. Endgültig gebrochen wird mit der bisherigen Rechtsprechung im Rahmen der Entscheidung zu den in Baden-Württemberg und Hessen erhobenen Wasserentnahmeabgaben vom 07.11.199585. Dort heißt es recht lapidar, es gebe keinen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff, die in dem Beschluß aus dem Jahre 1979 vorgenommene Umschreibung der Gebühr sei auf den zu entscheidenden Fall einer Verwaltungsgebühr zugeschnitten „und nicht als eine abschließende
79
Vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 1. BVerfGE 7, 244 (254); 20, 257 (269); 29, 343 (352 f); entspr. für den Beitrag BVerfGE 14, 312 (317 f). 81 So BVerfGE 50, 217 (226) (unklar aber BVerfGE 91, 207 (223)); ähnlich bereits PrOVGE 18, 23 (28). 82 Vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β I. 83 BVerfGE 18, 392 (396 f); Herv. v. Verf. 84 BVerfGE 92,91 (115). 85 BVerfG, DVB1. 1996, 357 (359 f). 80
94
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
verfassungsrechtliche Definition zu verstehen". Das Bundesverfassungsgericht w i l l also einen bestimmten Gebührenbegriff nicht selbst festschreiben. Zudem erteilt es allen Versuchen eine Absage, die Gebühr allgemein als Abgabe mit Kostendeckungszweck zu verstehen. Allerdings ist zu beachten, daß sich dies nur auf die verfassungsrechtliche Dimension der Gebühr bezieht. Das Gericht äußert, es gebe keinen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff bzw. keine abschließende verfassungsrechtliche Gebührendefinition, und fügt hinzu: „Fragen der Systematisierung und Katalogbildung ... sind keine Verfassungsfragen." Es zieht sich also (begrüßenswerterweise) auf seine eigentliche Aufgabe zurück, die Verletzung von Verfassungsrecht zu kontrollieren und überläßt die dogmatische Strukturierung des Abgabenrechts der Wissenschaft. Hieraus erklärt sich auch seine Beurteilung, es komme für die kompetenzrechtliche Zulässigkeit einer nichtsteuerlichen Abgabe nicht auf deren begriffliche Zuordnung, sondern allein darauf an, ob sie den Anforderungen standhält, die sich aus der bundesstaatlichen Finanzverfassung ergeben. Festzuhalten bleibt also: Das Bundesverfassungsgericht enthält sich nunmehr ausdrücklich einer abschließenden Definition der Gebühr, es stellt jedoch klar, daß die Gebühr aus Sicht des Verfassungsrechts nicht unbedingt eine Abgabe mit Kostenbezug sein muß. Es sei vielmehr auch gerechtfertigt, mit einer Gebühr Vorteile abzuschöpfen, die durch die erbrachte Leistung gewährt werden. Außerhalb des Verfassungsrechts angesiedelte gebührendogmatische Probleme w i l l das Gericht nicht entscheiden.
2. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Das Bundesverwaltungsgericht definiert die Gebühr in seiner älteren Rechtsprechung als eine „öffentliche Abgabe, die eine Gegenleistung für eine besondere Inanspruchnahme oder Leistung der Verwaltung darstellt" 86 . Die Abgrenzung zur Steuer erfolge anhand des Gegenleistungscharakters der Gebühr 87 . Das Gericht nimmt keine weiteren Präzisierungen oder Ergänzungen dieser Begriffsbildung vor. Insbesondere verzichtet es darauf, wie die ältere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (im Anschluß an Wilke) die Gebührenfunktion der Kostendeckung in den Begriff aufzunehmen 88. Wesentliches Element der Gebühr ist hiernach allein, daß sie an eine staatlicherseits erbrachte
86
BVerwGE 5, 136 (141); 12, 162 (165); BVerwG, Buchholz 401.8 Nr. 16; BVerwG, NJW 1973, 725 (726). 87 BVerwGE 13,214(219). 88 Insofern unzutreffend daher Stallknecht, S. 176 mit Fußn. 93. Vgl. zur bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung auch Meyer, S. 76 f.
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
95
Leistung anknüpft. Das „Wesen der Gebühr" bestehe darin, eine „Gegenleistung für eine besondere Leistung der öffentlichen Hand" zu sein89. Von dieser Rechtsprechung weicht das Gericht allerdings in einem neueren Urteil ab 90 . Die Entscheidung betrifft die sog. „Luftsicherheitsgebühr", welche für die Durchsuchung und Überprüfung von Flugzeugpassagieren seitens des Staates erhoben wird. Der vom Bundesverfassungsgericht früher vertretene Gebührenbegriff, der die Kostendeckungsfunktion beinhaltet, wird wörtlich übernommen und den Ausführungen zugrundegelegt. Diese Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung bereitet dem Bundesverwaltungsgericht allerdings deshalb keine Schwierigkeiten, weil die Luftsicherheitsgebühr für eine mit Kosten verbundene Amtshandlung erhoben wird, so daß dem Kostenelement keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt. Ob das Gericht die soeben dargestellte jüngste Entwicklung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nachvollziehen wird, bleibt abzuwarten.
IV. Kritische Würdigung 7. Kritik des monopolistischen Gebührenbegriffs Der Begriffsbildung Kreits zufolge ist die Gebühr eine Abgabe, die eine Staatsleistung, für die ein staatliches Monopol besteht, entgelten soll. Des weiteren müsse die Gebühr unter der Kostengrenze liegen, ansonsten werde die Abgabe zur „Gebührensteuer" 91. Das zuletzt genannte Element des Kreft' sehen Gebührenbegriffs betrifft die Frage, ob dem Kostendeckungsprinzip eine generelle gebührenimmanente Geltung zukommt. Das ist zu verneinen, worauf aber erst an späterer Stelle ausführlich eingegangen werden soll 92 . In diesem Zusammenhang genügt der Hinweis, daß schon der zur Begründung gewählte Ausgangspunkt fehlgeht. Es wird nämlich behauptet, es sei allein der Steuer vorbehalten, fungible Staatseinnahmen abzuwerfen. Das ist jedoch nicht richtig, denn gemäß § § 8 BHO, 7 HGrG dienen alle staatlichen Einnahmen der Deckung aller staatlichen Ausgaben. Darüber hinaus folgt aus der Anerkennung von Zwecksteuern, daß die Zweckbindung des Steueraufkommens die
89
BVerwGE 12, 162(166). BVerwGE 95, 188 (200); vgl. hierzu etwa Ronellenfitsch, 307 ff m.w.N. 91 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 4. 92 S.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D II. 90
VerwArch 86 (1995), S.
96
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Qualifizierung einer Abgabe als Steuer nicht ausschließt93. Der hierin liegende Widerspruch zu seiner Ausgangsthese wird auch von Kreft selbst gesehen, jedoch nicht befriedigend gelöst94. Zweifelhaft ist des weiteren die These, daß die Gebührenerhebung eine monopolisierte Staatsleistung voraussetze. Die hierin liegende Beschränkung des Kreises gebührenfähiger Staatsleistungen ist nicht überzeugend, was anhand einiger Beispiele verdeutlicht werden soll. So stellte das Entgelt, welches an die Bundespost in Form des Brief- und Paketportos gezahlt werden mußte, zu Zeiten des umfassenden Postmonopols eine Gebühr dar 95. Das Postmonopol wurde infolge der Zulassung der Paketbeförderung durch Privatunternehmen in dieser Hinsicht teilweise durchbrochen, während das Monopol für die Briefbeförderung bestehen blieb. Würde man die Gebührenerhebung von der Frage abhängig machen, ob ein Staatsmonopol besteht oder nicht, folgte daraus, daß das an die Post zu zahlende Porto für die Briefbeförderung eine Gebühr ist, während das Paketporto (in der Terminologie Krefts) ein „Preis" darstellt. Eine solche Differenzierung wäre jedoch genauso lebensfremd wie grundgesetzwidrig. Denn in Art. 80 Abs. 2 GG ist ausdrücklich von „Gebühren für die Benutzung von Einrichtungen des Postwesens" die Rede. Ein zweites Beispiel betrifft das Gebiet der Abfallentsorgung. Diese obliegt in der Regel den kommunalen Gebietskörperschaften 96, die hierfür erhobene Abgabe ist unbestrittenermaßen eine Gebühr 97. Soll nun allein aufgrund der Tatsache, daß die Abfallentsorgung durch Private erfolgen kann 98 , die Abgabe ihre Gebühreneigenschaft verlieren und zum „Preis" werden? Dasselbe gilt für das Rundfunkwesen. Trotz der Zulassung privater Rundfunkanstalten ist und bleibt die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine Gebührenfinanzierung 99. Die Tatsache, daß kein Staatsmonopol (mehr) besteht, ist hierfür ersichtlich ohne Belang. Wie diese Beispiele zeigen, kann eine Gebühr auch dann erhoben werden, wenn die Leistung nicht von einem staatlichen Monopol erbracht wird. Hinzu kommt, daß die gegenteilige Begriffsbildung Krefts dazu führen würde, infolge 93
Ausf. zur Fungibilität von Gebühren und zur Zwecksteuer u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β IV 3 b. 94
95
Kreft,
DVB1. 1977, 372 f.
Vgl. nur BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, 1871. 96 Vgl. ζ. Β. § 1 Abs. 1 und 2 HessAbfG (Hessisches Abfallwirtschaftsgesetz i.d.F. vom 26.02.1991; GVB1. I S. 106); ausf. etwa zur Rechtslage in Bayern Deubert, Kommunale Kompetenzen im Bereich der Abfall Wirtschaft, 1992. 97 Vgl. VGH Kassel, NVwZ-RR 1991, 578 (580); OVG Koblenz, NVwZ-RR 1992, 323 ff; Deubert, S. 147 ff. 98
Ausf. Schock, Privatisierung der Abfallentsorgung, 1992. Vgl. nur BVerfGE 90, 60 (90 ff); BVerwGE 29, 214 (217); a.A. etwa Herrmann, § 31 Rn. 39 ff, 47: Beitrag (m.w.N. zum Streitstand). 99
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
97
der zunehmenden Privatisierung von Verwaltungsleistungen den Anwendungsbereich des Gebührenrechts immer mehr zu reduzieren und in das Gebiet des „Preises" umzulenken. Dieses ist aber dogmatisch noch weitestgehend unerschlossen. Die von Krefit vorgeschlagene Abgabensystematik hätte also ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit zur Folge. Zudem ist nicht einzusehen, warum eine bestimmte faktische Wettbewerbskonstellation Auswirkungen auf den Rechtsbegriff der Gebühr haben soll. Das Erfordernis, die Gebühren trennscharf von den Steuern abzugrenzen, zwingt hierzu nicht, weil beide Abgabenarten schon durch das Merkmal der Gegenleistung hinreichend unterschieden werden können, was aus den folgenden Erörterungen deutlich werden wird. Aus alledem folgt, daß der monopolistische Gebührenbegriff abzulehnen ist.
2. Kritik
des materiellen Gebührenbegriffs
Nach materiellem Gebührenverständnis kann eine Abgabe nur dann als Gebühr qualifiziert werden, wenn sie eine Gegenleistung mit Ausgleichsfunktion ist (Wendt) bzw. wenn sie ihrer Höhe und Bemessungstechnik nach als Gegenleistung angesehen werden kann (Horn) 100 . Beide Ausprägungen des materiellen Gebührenbegriffs sind jedoch grundsätzlichen Bedenken ausgesetzt, weil sie die gebührenrechtlichen Ebenen von Begriff und Bemessung unzulässig miteinander vermengen 101 . Das ergibt sich aus den folgenden Überlegungen. Der Argumentation von Wendt, der in erster Linie auf die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts abstellt, ist zuzugeben, daß sich die Ausgleichsfunktion der Gebühr historisch fast durchgängig nachweisen läßt. Allerdings ist es zu weitgehend, wenn er die entsprechenden Aussagen dahingehend interpretiert, daß diese Funktion allgemein als Begriffsmerkmal der Gebühr angesehen wurde. Es sind nämlich starke Bestrebungen festzustellen, die das Ziel hatten, den Gebührenbegriff von bestimmten Gebührenfunktionen gerade zu entkoppeln. Deutlich wird das insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, ob die Funktion der Kostendeckung als Begriffsmerkmal der Gebühr anerkannt werden kann. Die Aufnahme dieser möglichen Gebührenfunktion in den Gebührenbegriff wurde überwiegend abgelehnt 102 und hat sich daher nicht durchsetzen können 103 . Das läßt erkennen, daß die Aufnahme von Gebühren-
100
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 2. Ebenso Meyer, S. 64 (s. auch S. 59 ff mit zahlr. weiteren, letztlich durchgreifenden Argumenten gegen den materiellen Gebührenbegriff). 102 Ο. Ehlers, FinArch 13 (1896), S. 463; Gerlach, S. 4 f; von Schall, S. 104 Fußn. 2; 101
Strutz, S. 624. 103
S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A I 2 b.
7 Heimlich
98
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
funktionell in den Gebührenbegriff von jeher reserviert beurteilt wurde, schon gar nicht kann von einem historisch gewachsenen, allgemein anerkannten Gebührenbegriff im Sinne einer ausgleichenden Gegenleistung gesprochen werden. Der Versuch, aus historischen Gründen Ausgleichsfunktion und Gebührenbegriff zu verknüpfen, ist daher äußerst gewagt. Wenn Wendt nun aber die Auffassung vertritt, daß das Grundgesetz bei seinem Erlaß einen althergebrachten Gebührenbegriff inkorporiert hat 104 , so mag dies zutreffen. Nur beinhaltet dieser genausowenig das Element der Ausgleichsfunktion wie ζ. B. dasjenige der Kostendeckungsfunktion 105 . Unstreitig war allein, daß die Gebührenerhebung an eine staatlicherseits erbrachte, individuell zurechenbare Leistung anknüpft 106 . Nur dieses Merkmal der Gebühr konnte daher vom Grundgesetz übernommen und mit Verfassungsrang ausgestattet werden. W i l l man die Funktion der Gebühr darin sehen, daß sie einen Ausgleich herbeifuhren soll, wofür zweifellos vieles spricht, so ist dies kein Problem der Begriffsbildung, sondern eines der Bemessung107. Denn die Ausgleichsfunktion kann von der Gebühr nur erfüllt werden, wenn ihre Höhe entsprechend gewählt wird. Sollte der Staat beispielsweise eine äußerst kostenintensive Leistung erbringen, hierfür aber (aus welchen Gründen auch immer) nur ein symbolisches Entgelt erheben, wird damit sicherlich kein Ausgleich herbeigeführt. Entsprechendes gilt, wenn (umgekehrt) eine immens hohe Abgabe für eine Leistung erhoben wird, die nicht mit nennenswerten Kosten verbunden ist, auch hier kann nicht mehr von ausgleichenden, also in etwa gleichen Leistungen gesprochen werden. Nimmt man die Äußerungen Wendt's ernst, können derartige Abgaben nicht unter den Gebührenbegriff fallen. Fraglich ist dann aber, wie hoch der Gebührenbetrag zu wählen ist, damit (wieder?) von einer ausgleichenden Gegenleistung gesprochen werden kann. Diesbezüglich führt Wendt aus, daß die Ausgleichsfunktion nur bei ganz unverhältnismäßigen Erhebungen nicht mehr gewahrt sei. Ebenso ändere ein Niedrighalten der Gebühr an ihrem (materiellen) Entgeltcharakter nichts 108 . Es wird allerdings von ihm offengelassen, welche Folgen es hat, wenn eine Gebühr „ganz unverhältnismäßig" hoch ist oder - im Gegenteil - extrem niedrig ist. Dem materiellen Gebührenverständnis zufolge müßte sich daraus ergeben, daß schon begrifflich keine Gebühr vorliegt. Eine solche Konsequenz zieht Arndt 1 0 9 . Nachdem er
104
105
Wendt, S. 64.
S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A IV. 106 S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A l l . 107 Vgl. Arndt, WiVerw 1990, 21 f, der zwischen dem formalen und dem materiellen Aspekt der Gebühr trennt: „Der materielle Aspekt betrifft die zulässige Gebührenhöhe." Ähnlich Bodenheim, S. 307. 108
109
Wendt, S. 74.
Arndt, WiVerw 1990, 21 f; so wohl auch Horn, S. 119.
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
99
zutreffend festgestellt hat, daß der materielle Aspekt der Gebühr nur deren zulässige Höhe betrifft, folgert er, daß die Gebühr dann in eine Steuer umschlage, wenn die Gebührenhöhe den wertmäßigen Umfang der Leistung übersteigt und der überschießende Abgabenteil den allgemeinen Haushaltsmitteln zugeführt wird. Für diesen Teil liege keine spezielle Entgeltlichkeit mehr vor. Würde man auch einen Überschuß als Gebühr ansehen, bestünde die Gefahr, daß die Besteuerungskompetenz unterwandert würde. Diese Aussagen entsprechen bis ins Detail denjenigen der strengen Kostentheorie, wie sie Mitte des letzten Jahrhunderts vertreten wurde. Das ist umso überraschender, als sich diese Lehre schon damals nicht hat durchsetzen können 110 und man sie deshalb als überwunden ansehen kann. Auch in heutiger Zeit wird die Kostentheorie von der Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur mit überzeugenden Gründen abgelehnt, worauf an späterer Stelle eingegangen werden soll 111 . Die These Arndts ist vor diesem Hintergrund jedenfalls abzulehnen. Anders als Arndt leitet Wendt aus dem materiellen Gebührenbegriff keine bestimmten Bemesungsprinzipien ab 112 . Das ist allerdings inkonsequent, weil die Frage, ob einer Abgabe die Ausgleichsfunktion zukommt, allein anhand ihrer Bemessung beantwortet werden kann. Denn eine Gebühr kann nur deshalb eine Ausgleichsfunktion besitzen, weil sie Finanzmittel vom Gebührenschuldner auf den Staat überträgt, um dadurch Kosten des Staates oder bei einem einzelnen entstehende Werte zu vermindern. Ob und inwieweit diese Wirkung tatsächlich eintritt, hängt, wie soeben dargestellt, von der Höhe der Gebühr ab. Der geforderte Betrag müßte daher in bestimmter Weise bemessen sein, damit von einem Ausgleich gesprochen werden kann. Der materielle Gebührenbegriff ist also zwangsläufig auf eine Verknüpfung von Gebührenbegriff und Gebührenbemessung hin angelegt, was von Wendt verkannt wird. Lediglich Horn zieht aus diesem Umstand konsequenterweise den Schluß, daß eine Abgabe nach materiellem Verständnis nur dann eine Gebühr sein kann, wenn sie ihrer Höhe und Bemessungstechnik nach als Gegenleistung angesehen werden kann 113 . Der materielle Gebührenbegriff wird somit von der Gebührenbemessung beeinflußt. Dem kann jedoch vom Standpunkt des vorliegend zugrundegelegten fiinktionalistischen Gebührenverständnisses, wonach Begriff und Bemessung auf getrennten, hierarchisch aufeinander aufbauenden Ebenen liegen 114 , nicht gefolgt werden.
110 111 112 113
114
S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A III. S.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D II 2 b, c. Wendt, S. 64 f, 74. Horn, S. 132 f.
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III.
100
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Entsprechendes gilt für den Versuch, durch eine materielle Begriffsbildung den Schutz der grundgesetzlichen Finanzverfassung sowie des einzelnen Abgabenbelasteten sicherzustellen 115. Beide Aspekte werden nicht auf der Begriffsebene, sondern auf der Rechtfertigungs- bzw. Bemessungsebene relevant 116 . Der materielle Gebührenbegriff ist daher mit dem hier vertretenen funktionalistischen Gebührenverständnis nicht zu vereinbaren und folglich abzulehnen. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß ein solches Verständnis auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach für die Einordnung einer Abgabe ihr materieller Gehalt maßgebend ist 117 , abgeleitet werden kann 118 . Denn diese Wortwahl dient nur dazu, dem einfachen Gesetzgeber die abgabenrechtliche Qualifikationskompetenz abzusprechen, es soll nicht ein bestimmter Gebührenbegriff favorisiert werden. Hinzu kommt, daß das Bundesverfassungsgericht seinen Entscheidungen bisher nicht einen materiellen, sondern den formalen Gebührenbegriff Wilkes zugrundelegte und zudem jüngst eindeutig allen Versuchen entgegentrat, seine Rechtsprechung für eine bestimmte Gebührendefinition in Anspruch zu nehmen119. Aus alledem folgt, daß der materielle Gebührenbegriff abzulehnen ist.
3. Kritik des formalen Gebührenbegriffs Der grundlegenden Erarbeitung des formalen Gebührenbegriffs von Dieter Wilke zufolge ist die Gebühr eine hoheitlich auferlegte Geldleistung für eine staatlicherseits erbrachte, individuell zurechenbare Leistung 120 . Allerdings wird von Wilke im Hinblick auf die gebührenpflichtige Staatsleistung eine wichtige Einschränkung gemacht. Die Staatsleistung sei zwar der wesentliche Teil des Gebührentatbestandes und biete den Ansatzpunkt, die Gebühr von der Steuer abzugrenzen. Des weiteren sei aber die Leistung das „Motiv" der Gebühr, weil ihre Erhebung den Zweck verfolge, speziell diese Leistung zu finanzieren 121. Demzufolge definiert Wilke die Gebühr als Abgabe, die erhoben wird, um die Kosten der Staatsleistung zu decken, und bricht insofern mit dem von ihm
115
So insbesondere Horn, S. 118 ff, 132. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III. 117 BVerfGE 7, 244 (251 f); 49, 343 (353); 55, 274 (304 f); so auch schon RFHE (GrS) 20,21 (22). 118 So aber Horn, S. 123 f; vorsichtiger Kisker, S. 17 f. 119 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β III 1. 120 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 1. 116
121
Wilke, S. 53.
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
101
ansonsten favorisierten formalen Verständnis 122. Gebühren könnten „kraft ihrer rechtstechnischen Konstruktion gar nicht umhin ... , auf spezielle Kostendekkung ausgerichtet zu sein" 123 . Zwangsläufig ergibt sich daraus, daß eine Staatsleistung dann keine Gebührenpflicht auslösen kann, wenn sie nicht mit Kosten verbunden ist. Der Kreis gebührenfähiger Staatsleistungen wäre insofern eingeschränkt. Unklar ist aber, welchen Stellenwert dieser Aspekt bei Wilke besitzt 124 . Nähme man seine Gebührendefinition ernst, so führte dies dazu, daß die Möglichkeit der Gebührenerhebung begrenzt wäre. Das widerspräche jedoch dem durchgängig erkennbaren Bemühen der Ausführungen Wilkes, den Gebührenbegriff von allem überflüssigen Ballast zu befreien und auf seinen spezifischen Wesenskern zurückzuführen. Das Wesentliche der Gebühr besteht aber darin, daß sie an eine individuell zurechenbare Staatsleistung anknüpft. Eine Einschränkung der Anzahl gebührenfähiger Staatsleistungen im oben genannten Sinne würde aber dem rein kausalen Verständnis der Gegenleistungsfunktion der Gebühr zuwiderlaufen. Wilke selbst bezeichnet den Kreis der potentiell gebührenpflichtigen Staatsleistungen als „außerordentlich umfangreich" 125 . Voraussetzung sei nur, daß sie dem Gebührenschuldner individuell zurechenbar sind, dieses formale Merkmal sei Kennzeichen der Leistung 126 . Vor diesem Hintergrund ist die von Wilke gegebene Gebührendefinition überraschend und widersprüchlich. Einem wirklich formalen Gebührenverständnis würde es eher entsprechen, das Entstandensein von Kosten nicht (indirekt) in den Gebührenbegriff aufzunehmen. Bemerkenswerterweise wird diese Diskrepanz zwischen seiner Begriffsbildung und dem Grundtenor seiner Arbeit von Wilke selbst nicht gesehen. Dieser gedankliche Bruch könnte aber in den Ausführungen über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Gebühr und Zwecksteuer, die im Hinblick auf deren Einnahmeerzielungs- und Kostendeckungszweck bestehen127, eine Erklärung finden. Wilke geht dort zutreffend davon aus, daß der Staat jegliche Form von Abgaben zur Erzielung von Einnahmen, mit denen er seine Kosten decken kann, erhebt. Das Ziel, spezielle Kosten zu decken, werde aber sowohl von der Zwecksteuer als auch von der Gebühr verfolgt. Allein letztere knüpfe jedoch an eine individuell zurechenbaren Staatsleistung an. Es könnte sein, daß Wilke hieraus implizit folgert, daß die Gebühr nicht der Finanzierung von irgendwelchen speziellen
122
Wilke, S. 50, 89, 105, 195 und öfter (Herv. ν Verf.); s. bereits o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 1 a.E. 123
Wilke, S. 52.
124
So auch die kritische Bemerkung von Wendt, S. 54 Fußn. 139 b.
125
Wilke, S. 86. Wilke, S. 86 ff, 89, 283. Wilke, S. 48 ff.
126 127
102
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Kosten dient, sondern nur solche Kosten decken will, die gerade infolge der individuell zurechenbaren Staatsleistung entstanden sind. Dieses Ziel würde dann die Gebühr von der Zwecksteuer unterscheiden, und aus ihm würde die Notwendigkeit folgen, daß eine kostenträchtige Staatsleistung gegeben ist. Hiergegen spricht jedoch, daß Wilke selbst nicht das Vorhandensein einer kostenträchtigen Staatsleistung aus dem Zweck spezieller Kostendeckung ableitet, sondern gerade umgekehrt die Auffassung vertritt, daß die „Gebühren ... deshalb der Deckung spezieller Kosten (dienen), weil ihre Erhebung eine mit Kosten verbundene öffentliche Leistung voraussetzt" 128 . Warum dem so sein soll, wird allerdings nicht erörtert. Überdies würde auch nach dem Gebührenverständnis Wilkes das Vorhandensein einer individuell zurechenbaren Staatsleistung eine klare Abgrenzung der Gebühr von der Zwecksteuer ermöglichen. Letztlich bleibt also die Behauptung, daß die Gebührenerhebung eine mit Kosten verbundene Staatsleistung voraussetzt, genauso ohne Begründung wie die These, daß jede Gebühr den Zweck verfolgt, speziell die Kosten der mit ihr verbundenen Leistung zu decken. Gegen beide Aussagen spricht jedoch vieles, worauf im folgenden einzugehen ist 129 . Zunächst sei aber noch darauf hingewiesen, daß der von Wilke entwickelte formale Gebührenbegriff vom Bundesverfassungsgericht in seiner für das Gebührenrecht grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 1979 bis ins Detail übernommen wurde 130 und sich im Zuge dessen innerhalb der rechtswissenschaftlichen Literatur weitgehend durchgesetzt hat. Die meisten Autoren begründen jedoch genausowenig wie damals das Bundesverfassungsgericht und Wilke den Stellenwert der Kostendeckungsfunktion innerhalb des Gebührenbegriffs. Die Autorität bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung und die in anderer Hinsicht sehr tiefgehenden Ausführungen Wilkes werden wohl als ausreichende Legitimation für eine formale Begriffsbildung angesehen, so daß sie bis heute unkritisch anerkannt wird 1 3 1 . Wenn aber doch einmal Begründungsversuche für diese Definition gegeben werden, so laufen sie auf das Argument hinaus, daß ein Verzicht auf die begriffsimmanente Kostendeckungsfunktion Gefahren für die finanzverfassungsrechtliche Kompetenzverteilung in sich berge 132 . Auch dieser Gesichts-
128
129 130 131
Wilke, S. 52.
Ausf. hierzu auch Meyer, S. 69 ff. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β III 1. So ζ. B. Friauf, in: Köln-Festschrift, S. 695; Hendler, AöR 115 (1990), S. 602,
604 f; Jarass, DÖV 1989, 1016; Kloepfer/Follmann,
DÖV 1988, 580; Pietzcker, DVB1.
1987, 778; Selmer/Brodersen/Nicolay sen, S. 56 f. Eine Ausnahme bildet hier lediglich Murswiek, NuR 1994, 173 ff, der nach einer kritischen Würdigung die Begriffsbildung Wilkes ablehnt. 132 Heun, DVB1. 1990, 673 f; Sander, DVB1. 1990, 23; überzeugend hiergegen etwa Meyer, S. 71.
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
103
punkt ist nachfolgend kritisch zu würdigen. In jedem Fall bleibt abzuwarten, wie die Rechtswissenschaft darauf reagiert, daß das Bundesverfassungsgericht in seiner neuesten abgabenrechtlichen Entscheidung zum einen ausdrücklich darauf verzichtet hat, selbst eine allgemeingültige Gebührendefinition zu geben, und zum anderen der Einschätzung eine deutliche Absage erteilt hat, die Gebühr sei in jedem Fall kostenbezogen133. Dieser nicht näher begründeten Rechtsprechung ist im Ergebnis voll beizupflichten. Allerdings besteht nunmehr die Aufgabe, nach dem tieferen Grund hierfür zu suchen, zumal das Bundesverfassungsgericht Fragen der Begriffsbildung und dogmatischen Strukturierung des Gebührenrechts nicht selbst angehen will, sondern der Rechtswissenschaft überläßt 134. Darüber hinaus ist der formale Gebührenbegriff in der Prägung Wilkes weiterhin in der Welt, so daß man sich mit ihm auseinanderzusetzen hat. Das soll im folgenden geschehen.
a) Grundsätzliche Bedenken Gegen die These, daß jede Gebühr die Funktion der Kostendeckung verfolgt, spricht zunächst ein historischer Befund. In den Anfängen der Entwicklung des Gebührenrechts wurde versucht, die Kostendeckungsfünktion in den Gebührenbegriff aufzunehmen, wobei auffällt, daß die damals vorgeschlagenen Definitionen sehr stark derjenigen von Wilke ähnelten. Einer solchen Begriffsbildung trat man jedoch auch entschieden entgegen, so daß sie sich nicht hat durchsetzen können 135 . Es ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb das Rad der Geschichte des Gebührenrechts zurückgedreht werden soll, indem man den Gebührenbegriff um das Merkmal der Kostendeckungsfunktion zu ergänzen sucht. Die Entwicklung eines modernen Gebührenverständnisses würde hierdurch nur behindert. Des weiteren ist erstaunlich, daß die Funktion der Kostendeckung, die nur eine von mehreren zulässigen Gebührenzwecken darstellt 136, ein begriffliches Merkmal der Gebühr sein soll, während anderen Funktionen dieser Vorzug nicht gewährt wird. Es wird von niemandem ernsthaft erwogen, ζ. B. die Funktion der Verhaltenslenkung als Element des Gebührenbegriffs zu etablieren. Daß dies auch keinen Sinn machen würde, bedarf keiner weiteren Ausführungen, denn es wäre nicht einzusehen, warum dem Staat die Gebührenerhebung dann nicht möglich sein soll, wenn er mit dem Gebührenaufkommen ζ. B. 133 134 135 136
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β III 1. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β III 1. Ausf. dazu oben 2. Teil, Gliederungsabschnitt A I 2 b. Ausf. zu den Gebührenzwecken unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt E.
104
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
lediglich die Kosten seiner Leistung decken, aber keine Verhaltenslenkung hervorrufen will. Die Ungleichbehandlung von Gebührenfunktionen bedarf zumindest näherer Begründung, denn die gebührenbegriffliche Reduzierung grundsätzlich möglicher Gebührenfunktionen auf diejenige der Kostendeckung liegt nicht von vornherein auf der Hand. Die Tatsache, daß es sinnwidrig wäre, ζ. B. die Lenkungsfunktion in den Gebührenbegriff aufzunehmen, spricht als solche noch lange nicht dafür, diesbezüglich auf die Kostendeckungsfunktion zurückzugreifen. Es mag zwar zutreffen, daß den meisten in der Praxis anzutreffenden Gebühren ein staatlicher Aufwand zugrundeliegt, so daß die Gebührenerhebung in solchen Fällen die Deckung von Kosten bezweckt. Auch mag es so sein, daß der Kostendeckungszweck von vielen Gebührengesetzen ausdrücklich angeordnet wird. Allerdings wären dies alles nur empirische Befunde, welche den Gebührengesetzgeber nicht von vornherein an den Kostendekkungszweck zu binden vermögen 137 . Darüber hinaus hätte die Aufnahme des Kostendeckungszwecks in den Gebührenbegriff zur Folge, daß eine Gebührenerhebung nur dann möglich ist, wenn der Staat infolge der Leistungserbringung Kosten zu tragen hat. In Widerspruch hierzu steht allerdings die (insbesondere von Wilke vertretene) Auffassung, daß das Vorliegen einer gebührenfähigen Leistung schon dann bejaht werden müsse, wenn sie in einer bloßen Unterlassung besteht138. Diese ist jedoch regelmäßig nicht mit Unkosten verbunden 139 . Wilke versucht nun, die Gebührenerhebung dadurch begrifflich zu ermöglichen, daß er diejenigen Kosten als abwälzungsfähig betrachtet, welche infolge des behördlichen Verfahrens entstanden sind. Es sei unerheblich, ob sich die Behörde am Ende des Verwaltungsverfahrens für ein Tätigwerden oder ein Unterlassen entscheidet, eine Gebühr zum Zwecke der Deckung der Verfahrenskosten könne jedenfalls erhoben werden 140 . Allerdings wird hier nicht beachtet, daß in einem solchen Fall die Leistung der Behörde, deren Kosten zu decken sind, nicht in einer Unterlassung, sondern in einem positiven Tun liegt, nämlich darin, daß sie einen Entscheidungsfindungsprozeß vorantreibt. Die hierfür erhobene Gebühr wäre daher keine Unterlassungsgebühr, sondern eine „normale" Gebühr für behördliches Tätigwerden. In welchen Bereichen die Unterlassungsgebühr sonst noch ihre Berechtigung haben soll, bleibt offen und soll auch im hier gegebenen Rahmen nicht weiter verfolgt werden. Jedenfalls gilt: W i l l man ihre Existenzberechtigung anerkennen, wofür sicherlich vieles spricht, muß man 137
So auch Murswiek, NuR 1994, 174. Wilke, S. 56 ff; wie im Text auch Meyer, S. 68. 139 So auch der kritische Einwand von Murswiek, NuR 1994, 173, der jedoch die notwendige Auseinandersetzung mit dem von Wilke vorgebrachten Argument vermissen läßt. 138
140
Wilke, S. 56 f.
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
105
sich von der gebührenimmanenten Geltung des Kostendeckungszwecks verabschieden. Dieser Umstand wird von den Befürwortern des formalen Gebührenbegriffs, insbesondere von Wilke, übersehen 141. Bei der Befürwortung von Unterlassungsgebühren bleibt Wilke jedoch nicht stehen. Vielmehr erkennt er an, daß sogar die bloße Duldung durch den Staat gebührenfähig sein kann: „Es ist nicht einmal ausgeschlossen, daß negatives Verhalten gebührenpflichtig wird, obwohl dem Gebührengläubiger gar keine Kosten entstanden sind. Kostenlose Unterlassungen können gebührenpflichtig sein, sofern sie sich überhaupt als Leistungen gegenüber bestimmten Personen darstellen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn Vermögenswerte - wie Bodenschätze oder Gewässer - dem Zugriff Privater dadurch ausgeliefert werden, daß die öffentliche Hand ihn duldet." 142 Diese Aussagen Wilkes stellen einen erstaunlichen Bruch mit dem von ihm ansonsten konsequent verfochtenen Gebührenbegriff, welcher die Kostendeckungsfunktion beinhaltet, dar. Denn wenn man die Gebühr begrifflich darauf festlegt, die Kosten der erbrachten Leistung zu decken, kann die bloße Duldung, daß staatliche Vermögenswerte von Privaten in Anspruch genommen werden, nicht gebührenfähig sein. Es gehen dem Staat hierdurch zwar (genauso wie bei der Erbringung einer kostenträchtigen Leistung) wirtschaftliche Werte verloren, allerdings geschieht dies nicht durch die Leistung, sondern - in den Worten Wilkes - durch den aktiven „Zugriff Privater" 143 . Dieser innere Widerspruch 144 wird an keiner Stelle aufgelöst. Die von Wilke favorisierte Begriffsbildung steht daher mit der Befürwortung von Unterlassungs- und Duldungsgebühren nicht in Einklang 145 . Das zeigt, zu welchen dogmatischen Ungereimtheiten die Aufnahme der Kostendekkungsfunktion in den Gebührenbegriff führt. Es kommt hinzu, daß von der Rechtsprechung und von weiten Teilen der Literatur die Möglichkeit anerkannt wird, die Gebührenhöhe nach dem Wert zu bemessen, den dieser für den Empfänger besitzt. Eine gebührenimmanente Geltung des Kostendeckungsprinzips, wonach die Höhe der Gebühr nicht die Kosten der Staatsleistung überschreiten darf, wird auch aus der Sicht des formalen Gebührenbegriffs abgelehnt 146 . Eine Erklärung hierfür könnte in der
141
Vgl. auch Murswiek, S. 39; ders., NuR 1994, 173: Die Ansicht, eine gebührenfähige Staatsleistung hänge von finanziellen Aufwendungen ab, beruhe auf „unzutreffenden Substanzvorstellungen"; ebenso Meyer, S. 71 f. 142 Wilke, S. 57 f; ihm folgend Ρ. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 188. 143
144
Wilke, S. 58.
Insoweit verkannt von Stallknecht, S. 191. 145 Daß beide Gebührenarten durchaus ihre Berechtigung haben, soll hier nicht bestritten werden, ausf. und letztlich überzeugend hierzu Meyer, S. 69 ff, 86 ff. 146 Vgl. Wilke, S. 271 ff, 292. Ausf. dazu unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt D II.
106
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Tatsache liegen, daß Begriff und Bemessung verschiedene Ebenen des Gebührenrechts darstellen 147. Hieraus könnte nun gefolgert werden, daß die Bedeutung der Kostendeckungsfunktion für die jeweilige Ebene unterschiedlich zu beurteilen ist. Ein solcher Schluß wäre jedoch alles andere als zwingend. Es ist vielmehr widersprüchlich, hinsichtlich der Gebührenbemessung sowohl den Kosten der Leistungserbringung als auch dem Wert der Leistung maßgebliche Bedeutung zuzugestehen, während auf der Begriffsebene die Gebührenerhebung auf die Kostendeckungsfunktion beschränkt wird. Es müßte erklärt werden, warum eine Gebühr, die schon begrifflich auf das Ziel festgelegt sein soll, die Kosten der staatlichen Leistung zu decken, nicht auch bei ihrer Bemessung allein auf diese Kosten Bezug nimmt, sondern ohne weiteres auch den Wert der Leistung für maßgebend halten kann, obwohl dieser doch ein Posten ist, der nicht mehr auf seiten des Staates, sondern auf Seiten des Leistungsempfängers entsteht. Eine solche Erklärung steht jedoch noch aus. Wesentlich näher liegt es jedenfalls, die Möglichkeit, eine Gebühr nach dem Leistungswert zu bemessen, nicht von einer begriffsimmanenten Kostendeckungsfunktion in Frage zu stellen, und es vom Begriff her zuzulassen, daß eine Gebühr auch allein der Wertabschöpfung dienen kann. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß der Kostendeckungszweck in der abgabenrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das die Gebührendefinition Wilkes zunächst komplett übernahm 148, eine manchmal fragwürdige Rolle spielte. So folgerte das Gericht die Steuereigenschaft einer Abgabe bisweilen aus der Tatsache, daß diese die Erzielung von Einkünften bezweckt, welche der „teilweisen Deckung der bei Anwendung des Gesetzes entstehenden Kosten dienen sollen" 149 . Auch diese Ungereimtheiten lassen es als angebracht erscheinen, den Gebührenbegriff von einer immanenten Kostendeckungsfunktion freizuhalten. In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht neuerdings auch entschieden150.
b) Gebühr und spezielle Kostendeckung Es muß nicht nur der Auffassung, eine Gebühr sei begrifflich auf die Funktion der Kostendeckung ausgerichtet, widersprochen werden. Des weiteren trifft auch die These nicht zu, eine Gebühr habe von vornherein die Funktion, speziell die Kosten der mit ihr verbundenen Staatsleistung zu decken. Wilke 147 148 149 150
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β III 1. BVerfGE 3, 407 (436) hinsichtlich der Wertsteigerungsabgabe. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β III 1.
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
107
folgert dies aus der Behauptung, daß die Gebührenerhebung eine mit Kosten verbundene öffentliche Leistung voraussetzt 151. Schon diese Prämisse trifft jedoch, wie vorstehend dargelegt, nicht zu. Es sprechen aber noch weitere Erwägungen gegen diese These. Schon im Jahre 1913 kritisierte Otto Gerlach die Auffassung, daß Gebühren „spezielle Entgelte" und Steuern „generelle Entgelte" darstellen: „Der Begriff des Entgelts gehört dem privaten Güterverkehr mit Leistung und Gegenleistung, nicht aber dem System der öffentlichen Wirtschaft an, die in der Erfüllung von Staatsaufgaben durchgeführt wird und zu der die erforderlichen Mittel auf Grund der Finanzhoheit durch Steuern und Gebühren bereitgestellt werden". Für den Begriff der Gebühr sei es gleichgültig, wem die Gebühr zufließt 152 . Auch wenn Gerlach nicht konkret die These der speziellen Kostendekkung durch Gebühren angreifen will, sondern die Berechtigung des Entgeltbegriffs prinzipiell in Frage stellt, ist dennoch auch im vorliegenden Zusammenhang die Forderung berechtigt, das Gebührenrecht von sachwidrigen zivilrechtlichen Gesichtspunkten freizuhalten. Genau das ist aber der Fall, wenn der Gebühr von vornherein die Funktion zugeschrieben wird, die Kosten der speziell mit ihr verbundenen Staatsleistung zu decken. Dadurch wird nämlich der Eindruck erweckt, als sei die Gebühr eine Bezahlung für geleistete Dienste, so daß beide in einem synallagmatischen Verhältnis zueinander stünden. Der Charakter der Gebühr als hoheitlich erhobener Abgabe 153 würde völlig in den Hintergrund gedrängt. Ihre Erhebung setzt zwar die Erbringung einer staatlichen Leistung voraus, die Gebührengewalt als solche findet jedoch ihre tiefere Begründung in dem grundsätzlich bestehenden Hoheitsrecht des Staates, Abgaben verlangen zu dürfen. Der Entgeltcharakter der Gebühr ist daher allein öf151 Wilke, S. 52. Der Autor befürwortet also, daß eine Gebühr der Deckung spezieller Kosten dient, im übrigen wendet er sich aber dagegen, die Gebühr als „spezielle Abgabe" zu bezeichnen, wie des öfteren vertreten wird. Beide Aspekte seien voneinander zu trennen: „Ob man eine Gebühr als 'spezielle' Abgabe bezeichnet oder dies unterläßt, ändert an dem Begriff der Gebühr nichts; allenfalls vermag ein derartiger Hinweis klarzustellen, zu welchem Zweck Gebühren erhoben werden." (S. 107). Weiter heißt es: „Regelmäßig soll der Zusatz 'speziell' lediglich ... auf die 'spezielle' ... Staatsleistung hinweisen, die durch die Gebühr finanziert wird ..." (S. 108). Widersprüchlich auch Salzwedel, Rechtsgutachten, S. 22 f: „Zwar soll die Gebühr zur Finanzierung einer bestimmten öffentlichen Leistung des Staates dienen, das heißt aber nicht, daß gerade das Gebührenaufkommen für die Kostendeckung zu verwenden ist. Die Gebühr als Abgabeninstrument ist nicht kosten-, sondern leistungsbezogen." (ohne nähere Begründung). 152 Gerlach, S. 5. Die letztgenannte Aussage bezieht sich auf die Tatsache, daß in damaliger Zeit eine Gebühr sowohl der Staatskasse als auch dem leistungserbringenden Amtsträger zufließen konnte (sog. Sportel, s.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A I 3 a). 153 Ausf. dazu Wilke, S. 24 ff.
108
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
fentlich-rechtlich zu verstehen und darf nicht mit zivilrechtlichen Aspekten vermengt werden 154 . Somit besteht zwischen Gebühr und Leistung kein Verhältnis, das dem vertraglichen Leistungsaustausch im Sinne des Zivilrechts gleicht 155 . Demzufolge dient eine Gebühr nicht dazu, die erbrachte Leistung zu bezahlen. Diese Tatsache würde verkannt, wenn man die Gebühr auf die Funktion beschränkte, speziell die Kosten der erbrachten Leistung zu decken. Eine solche These wirft aber noch weitere Probleme auf. So ist insbesondere fraglich, welche genauen Anforderungen dieser Zweck an die Verwendung des Gebührenaufkommens stellt. Muß die gezahlte Geldsumme zur Deckung der im konkreten Einzelfall gemachten Aufwendungen verwendet werden, oder reicht es aus, wenn sie dazu dient, einen Beitrag zur Deckung der Kosten des entsprechenden Verwaltungszweiges zu leisten? Für letzteres sprächen sowohl praktische Erwägungen als auch die Tatsache, daß auch im Rahmen eines etwaigen gesetzlich angeordneten Kostendeckungsprinzips die Kosten des betreffenden Verwaltungszweiges maßgebend sind 156 . Jedenfalls liegt aber die Vermutung nahe, daß durch das Erfordernis, speziell die Kosten der erbrachten Leistung zu decken, die Möglichkeit ausgeschlossen wird, mit dem Gebührenaufkommen auch andere, nicht mit der Leistungserbringung zusammenhängende Staatsaufgaben zu finanzieren. Überraschenderweise wird aber diese Konsequenz von den Anhängern des formalen Gebührenbegriffs nicht gezogen. Im Gegenteil wird die Auffassung vertreten, die Gebührenfiinktion spezieller Kostendeckung bedeute nicht, daß das Gebührenaufkommen „ausschließlich zur Finanzierung der gebührenpflichtigen Leistung verwendet werden darf' 157 . Vielmehr dürften mit ihm auch allgemeine Staatsaufgaben bestritten werden 158 . Mit diesen Aussagen ist die Thematik des gebührenrechtlichen Prinzips der Nonaffektation angesprochen. Es besagt, daß alle Einnahmen des Staates159 als Deckungsmittel für alle staatlichen Ausgaben dienen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, wie es etwa bei Sonderabgaben der Fall ist. Seine Grundlage fand bzw. findet es in § 29 Abs. 1 RHO bzw. §§ 8 BHO, 7 HGrG. Weil auch die Gebühr eine staatliche Einnahme im Sinne dieser Normen dar-
154 155 156 157 158
In diesem Sinne wohl auch Wilke selbst, S. 90 ff. So auch P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 185. S.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D II 1. So Wilke, S. 51. P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 208 f; Wilke, S. 51 ff.
159 Unrichtig Wilms, NVwZ 1995, 551, wonach nur Steuern, nicht aber Sonderlasten der allgemeinen Staatsfinanzierung dienen (ohne Begründung und mit fehlgehendem Nachweis auf BVerfGE 4, 7 (14)).
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
109
stellt, gilt das Prinzip der Nonaffektation auch im Gebührenrecht 160. Hierfür spricht des weiteren die Tatsache, daß die Kosten einer erbrachten Staatsleistung aus anderen Einnahmen, insbesondere aus Steuern, bestritten werden müßten, wenn der Staat die Gebührenerträge für allgemeine Aufgaben verwenden würde. Gebühren als allgemeine Deckungsmittel zu verwenden, stellt daher keine Zweckentfremdung zweckgebundener Mittel dar, sondern führt lediglich zu einem haushaltsrechtlichen Mittelaustausch 161 . Umgekehrt wird durch das Prinzip der Nonaffektation nicht ausgeschlossen, das Gebührenaufkommen einer bestimmten Zweckbindung zu unterwerfen 162 . Die Gebühr ist somit genauso wie die Steuer zur Finanzierung allgemeiner wie spezieller Staatsaufgaben geeignet, so daß beiden Abgaben die gemeinsame Funktion haben, dem Staat die für die Erledigung seiner Aufgaben erforderlichen Mittel zu verschaffen 163 . Vor diesem Hintergrund ist es fragwürdig, die These von der speziellen Kostendeckungsfunktion der Gebühr aufrechtzuerhalten. Diese Funktion könnte nämlich allenfalls von demjenigen Gebührenteil erfüllt werden, der unter der Kostengrenze liegt. Ein Gebührenüberschuß müßte zwangsläufig in den allgemeinen Staatshaushalt fallen, weil ja keine zu deckenden Kosten mehr vorhanden sind, und würde so ein fungibles Deckungsmittel darstellen. Das wird auch von den Anhängern der genannten These nicht bestritten 164 . Nun fällt aber ein Gebührenüberschuß genauso in die Kategorie der Gebühr wie ein unter der Kostengrenze liegender Gebührenteil 165 . Die Qualifikation einer Abgabe als
160
BVerwGE 13, 214 (224); VGH Kassel, ESVGH 10, 184 (186 f); P. Kirchhof,
Rechtsgutachten, S. 48; Murswiek, S. 54; Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 20, 31; Raecke, S. 69; Salzwedel, Rechtsgutachten, S. 22 f; Selmer/Brodersen/Nicolaysen, S. 58. Vgl.
auch BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, 1871, wonach die in den Postgebühren enthaltene Ablieferung an den allgemeinen Bundeshaushalt keine grundsätzlichen gebührenrechtlichen Probleme aufwirft, so daß auch aus Gebühren allgemeine Staatsaufgaben finanziert werden können. Α. A. (ohne Begründung) OVG Münster, OVGE 21 183 (184); so wohl auch Bay VGH, VerwRspr. 18 (1967) Nr. 87 (S. 339; ohne Begründung). Die Geltung des Prinzips der Nonaffektation im Gebührenrecht bestreiten des weiteren Ehle, DÖV 1962, 48 Fußn. 40 und Κ Müller, BB 1970, 1109, jeweils ohne Begründung. Differenzierend Kreft, DVB1. 1977, 373: Das Prinzip der Nonaffektation gelte nur für denjenigen Teil des Gebührenaufkommens, welcher der Kostendeckung dient, ein überschießender Teil werde zur Steuer und sei daher ohnehin fungibel. 161 162 163 164
165
Wilke, S. 52. Vgl. Murswiek, S. 91 ff. Wilke, S. 54. Vgl. P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 208 f; Wilke, S. 51 ff.
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III 2. Vgl. auch BVerwGE 13, 214 (222): „Daraus folgt, daß eine Gebühr ... nicht dadurch ihren Gebührencharakter verliert ..., daß der Gebührengläubiger den den Verwaltungsaufwand für die Amtshandlungen
110
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Gebühr hängt daher begrifflich nicht davon ab, ob ihr (bzw. einem Teil von ihr) die Funktion zukommen kann, spezielle Kosten zu decken. Einem Gebührenüberschuß kommt diese Funktion zwangsläufig nicht zu, gleichwohl ist und bleibt er Gebühr. Genauso muß aber die Funktion spezieller Kostendeckung bei einem unter der Kostengrenze liegenden Teil entbehrlich sein, weil nur so dem Erfordernis der einheitlichen Beurteilung einer Abgabe Rechnung getragen werden kann. Daraus folgt, daß die Kategorisierung einer Abgabe als Gebühr auch dann möglich ist, wenn ihr nicht die Funktion spezieller Kostendeckung zukommt bzw. zukommen kann. Die These von der speziellen Kostendekkungsfunktion der Gebühr steht also mit dem gebührenrechtlichen Prinzip der Nonaffektation nicht in Einklang 166 . Schließlich spricht gegen diese Auffassung auch ein vergleichender Blick auf das Steuerrecht. Typisches Merkmal einer Steuer ist es, daß sie der Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben dient. Unter den voraussetzungslos geschuldeten Abgaben soll allein sie die Funktion haben, Mittel für den allgemeinen Finanzbedarf des Staates zu gewinnen167. Dieser der Steuer prinzipiell anhaftende Charakter als allgemeines Deckungsmittel erfährt aber dadurch eine Ausnahme, daß die Kategorie der Zwecksteuer anerkannt wird. Eine Zwecksteuer wird erhoben, um den Aufwand für hinreichend konkretisierte Aufgaben zu bestreiten 168. Die Zweckbindung des Abgabenaufkommens widerspricht nicht dem Begriff der Steuer 169. Hierüber hinausgehend wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur sogar die Auffassung vertreten, daß selbst eine Ertragszuweisung an einen rechtlich selbständigen Sonderfonds keinen Einfluß auf die Steuereigenschaft einer Abgabe haben könne 170 . Es ist für die Qualifikation einer Abgabe als Steuer also unerheblich, welche Kosten mit ihr gedeckt werden sollen. Daher stellt Wilke zutreffend fest: „Es ist für die Steuern zwar typisch, daß sich mit ihrer Hilfe der Staat die nötigen Mittel für seinen
übersteigenden Teil des Aufkommens den allgemeinen Haushaltmitteln zuzuführen in der Lage ist." 166 Unzutreffend daher Wilke, S. 52, der zwischen beidem nur einen „scheinbaren Widerspuch" sieht. Wie im Text wohl auch Murswiek, NuR 1994, 174. Dessen Argumentation greift aber insofern zu kurz, als er mit der Geltung des Nonaffektationsprinzips nur begründet, daß ein besonderer Erhebungszweck nicht geeignet ist, Gebühren und Steuern voneinander abzugrenzen, weil beide als Gesamtdeckungsmittel allgemeine Staatsaufgaben finanzieren können. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, daß es dem Nonaffektationsprinzip widerspricht, die Kostendeckungsfunktion in den Gebührenbegriff aufzunehmen. 167 BVerfGE 55, 274 (299). 168 Vgl. BVerfGE 7, 244 (254); 49, 343 (353 f); 55, 274 (305). 169 So ausdrücklich BVerfGE 7, 244 (254). 170 Vgl. Köck, IUR 1991, 190 m. zahlr. w. N.
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
111
'allgemeinen Finanzbedarf beschafft, jedoch handelt es sich insofern nicht um ein begriffliches Merkmal der Steuern." 171 Vor diesem Hintergrund bleibt zu fragen, warum Entsprechendes nicht auch im Gebührenrecht gelten soll. Hier könnte umgekehrt gesagt werden, daß eine Gebühr zwar typischerweise der Deckung spezieller Kosten dient, ausnahmsweise können mit ihr aber auch allgemeine Staatsbedürfnisse befriedigt werden. Nur so bekäme die Aussage des Bundesverfassungsgerichts einen Sinn, wonach die „besondere Zweckbestimmung (der Gebühr), Einnahme zu erzielen, um speziell die Kosten der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung ganz oder teilweise zu decken, ... die Gebühr regelmäßig von der Steuer" unterscheidet 172. „Regelmäßig" heißt: typischerweise, aber nicht immer. Demzufolge müßte eine Gebühr nicht zwangsläufig der Deckung spezieller Kosten dienen, sondern könnte auch der Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben dienen173. Was den jeweiligen Ausnahmecharakter angeht, entspräche dann der Zwecksteuer auf dem Gebiet des Gebührenrechts eine Gebühr, die erhoben wird, ohne daß ihr eine mit Kosten verbundene Staatsleistung gegenübersteht, denn eine solche könnte zwangsläufig nur der Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben dienen. Es kann hier nicht eingewandt werden, daß es sich bei der Zwecksteuer anders verhalte, denn als Steuer könne sie sowohl den allgemeinen als auch den besonderen finanziellen Bedarf des Staates decken. Es zeichnet die Zwecksteuer ja gerade aus, daß sie zwangsläufig der Deckung konkretisierter Staatsaufgaben dient, denn würde sie den allgemeinen Finanzbedarf bestreiten, wäre sie als Kategorie überflüssig. Zudem ist es auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geboten, die Gebühr als in jedem Fall kostenbezogene Abgabe zu verstehen, wie das Bundesverfassungsgericht neuestens klargestellt hat 174 .
171
Wilke, S. 50; unrichtig daher Kreft, DVB1. 1977, 372 f. BVerfGE 50, 217 (226), Herv. v. Verf. Zu beachten ist, daß mit dem hier verwendeten Begriff der Steuer nicht die Zwecksteuer gemeint sein kann, denn diese dient nie der Deckung von Kosten individuell erbrachter Leistungen, sondern wird als Steuer voraussetzungslos erhoben. 173 Es sei in diesem Zusammenhang nicht weiter vertieft, daß die soeben zitierte Aussage des Bundesverfassungsgerichts in Widerspruch zu seiner an derselben Stelle gegebenen Gebührendefinition steht, wonach die Gebühren „dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken." Hiernach würde sich die Gebühr durch die Funktion, speziell die Kosten einer individuell erbrachten Staatsleistung zu decken, nicht nur „regelmäßig", sondern immer von der Steuer unterscheiden, denn eine derartige Leistung steht der voraussetzungslos erhobenen Steuer nie gegenüber. Die Rechtsprechung des Gerichts entbehrt also insofern der inneren Folgerichtigkeit. Auch insofern ist es zu begrüßen, daß das Gericht neuestens klargestellt hat, daß eine Gebühr auch für nicht kostenträchtige Leistungen erhoben werden kann (s.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β III 1). 174 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β III 1. 172
112
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Genauso wie im Steuerrecht hätte also die Verwendung bzw. die Verwendbarkeit des Abgabenaufkommens keine Auswirkungen auf die begriffliche Einordnung. Warum nun aber im Rahmen des Gebührenrechts über die Begriffsbildung von vornherein ausgeschossen werden soll, daß die Gebühr ein allgemeines Deckungsmittel darstellen kann, ist noch nicht zwingend begründet worden. Hierfür könnte allenfalls die Tatsache sprechen, daß der Gebühr, anders als der voraussetzungslos geschuldeten Steuer, eine Leistung gegenübersteht. Allerdings würde man dann voraussetzen, daß diese Leistung auch mit Kosten verbunden sein muß, damit die Möglichkeit der Deckung spezieller Kosten nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Die Befürwortung einer solchen Prämisse ist aber, wie im vorangegangenen Gliederungsabschnitt ausgeführt wurde, keineswegs zwingend. Näher liegt es, sich am Vorbild der steuerrechtlichen Dogmatik zu orientieren und der intendierten Verwendung des Abgabenaufkommens keine Bedeutung für die Begriffsbildung beizumessen. Ein derartiges Verständnis wird auch von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestützt. So stellte das Gericht bereits in bezug auf die Abgrenzung von Steuern und Sonderabgaben ausdrücklich fest: „Die konkrete haushaltsmäßige Behandlung einer Abgabe durch den Gesetzgeber hat keine konstituitive Bedeutung für ihre verfassungsrechtliche Qualifizierung ... Denn die verfassungsrechtlichen Begriffsinhalte ... hängen nicht von der haushaltsrechtlichen Behandlung des jeweiligen Abgabeaufkommens ab." Begründet wurde dieser Umstand damit, daß die Gefahr bestünde, der einfache Gesetzgeber könne sich anderenfalls im Wege einer bestimmten haushaltsmäßigen Behandlung über die finanzverfassungsrechtlich vorgegebenen Abgabenkompetenzen hinwegsetzen175. Auch im Hinblick auf das Gebührenrecht ist das Gericht nunmehr zu der Einsicht gelangt, daß eine gebührenfähige Staatsleistung nicht unbedingt mit Kosten verbunden sein muß 176 . Hiernach ist es zulässig, mit dem Aufkommen aus Gebühren nicht (nur) die Kosten der erbrachten Leistung, sondern auch allgemeine Staatsaufgaben zu finanzieren. Es mag also sein, daß eine Gebühr typischerweise erhoben wird, weil die Kosten der mit ihr verbundenen Staatsleistung durch das Aufkommen gedeckt werden sollen. Zwingende Folgerungen für die Begriffsbildung ergeben sich aus einem derartigen empirischen Befund aber nicht. Genauso wie das Steuerrecht sollte auch das Gebührenrecht vom Begriff her Raum lassen, von der typischen Verwendung einer Steuer bzw. Gebühr abzuweichen. Eine Gebühr bleibt somit auch dann eine Gebühr, wenn sie im konkreten Fall tatsächlich dazu verwendet wird, allgemeine Staatsaufgaben zu finanzieren. Dies entspricht, wie bereits erörtert, der Geltung des gebührenrechtlichen Prinzips der
175 176
BVerfGE 55, 274 (305). S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β III 1.
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
113
Nonaffektation und ist daher wohl unumstritten. Folgerichtig ist es aber, einer Gebühr auch dann die Gebühreneigenschaft zuzuerkennen, wenn sie lediglich dazu verwendet werden kann, allgemeine Staatsaufgaben zu finanzieren. Das ist bei einer Gebühr der Fall, die mit einer nicht kostenträchtigen Staatsleistung verbunden ist. Es ist nicht einzusehen, warum die Tatsache, daß das Gebührenaufkommen im konkreten Fall nicht zur Deckung spezieller Kosten verwendet wird, obwohl dies eigentlich möglich wäre, die Gebühreneigenschaft nicht berührt, während die Qualifikation als Gebühr dann begrifflich ausgeschlossen sein soll, wenn die Möglichkeit spezieller Kostendeckung schon theoretisch nicht besteht. Daraus folgt, daß Verwendung und Verwendbarkeit des Gebührenaufkommens entsprechend den im Steuerrecht geltenden Grundsätzen keinen Einfluß auf die Begriffsbildung besitzen. Daher sind auch Gebühren begrifflich zulässig, welche allein der Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben dienen können, d.h. also solche, denen keine kostenträchtige Staatsleistung gegenübersteht. Die Funktion der Gebühr, spezielle Kosten zu decken, ist daher nicht in den Gebührenbegriff aufzunehmen.
c) Ergebnis Der formale Gebührenbegriff in der Definition von Wilke, wonach eine Gebühr erhoben wird, um die Kosten der mit ihr verbundenen Staatsleistung zu decken, ist abzulehnen. Eine Gebühr setzt vom Begriff her nicht voraus, daß ihr eine mit Kosten verbundene Staatsleistung gegenübersteht. Der Gebührenbegriff ist vom Kostendeckungszweck freizuhalten.
V. Der streng formale Gebührenbegriff Die vorstehenden Ausführungen haben zweierlei deutlich gemacht. Zum einen wurde gezeigt, daß sich die Qualifizierung einer Abgabe als Gebühr nicht nach materiellen Kriterien richten kann. Daher steht zu vermuten, daß der Gebührenbegriff allein aus formalen Kriterien gebildet werden muß. Insofern besteht Übereinstimmung mit dem von Wilke gewählten Ansatz. Es kann aber nicht einer Begriffsbildung zugestimmt werden, wonach die Gebühr begrifflich darauf abzielt, die Kosten der erbrachten Staatsleistung zu decken. Die Aufnahme einer Gebührenfunktion in den Gebührenbegriff ist vielmehr aus den soeben genannten Gründen abzulehnen. Dies führt zu der These, daß der Gebührenbegriff allein aus den Elementen Leistung, Gegenleistung und ihrer Beziehung zueinander besteht. Eine Abgabe wäre danach schon dann als Gebühr anzusehen, wenn und weil sie an eine individuell erbrachte Staatsleistung 8 Heimlich
114
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
anknüpft. Der Gebührentatbestand wäre also streng formal zu verstehen 177. Diese These soll nun im folgenden untermauert werden. Daß ein solcher Gebührenbegriff von der neuesten abgabenrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nahegelegt wird, ergibt sich aus dem bereits an anderer Stelle dargelegten 178.
/. Argumente für ein streng formales Gebührenverständnis Wenn man die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts betrachtet, zeigt sich, daß fast jeder Teilaspekt der Gebühr heftig umstritten war. Es wurden immer neue Versuche unternommen, die Gebühr zu definieren und ihre zulässige Höhe zu ermitteln. Keiner dieser Versuche hat sich jedoch letztlich durchsetzen können 179 . Dasselbe gilt für den heutigen Stand der Gebührendogmatik. Schon die Ausführungen zur Begriffsbildung haben gezeigt, daß diese alles andere als unstreitig ist 180 . Aber auch hinsichtlich der Gebührenbemessung werden entgegengesetzte Auffassungen vertreten 181 . In bezug auf Rechtfertigung und möglicher Funktion der Gebühr sind zwar nicht so scharfe Konfliktlinien auszumachen, allerdings werden auch hier durchaus unterschiedliche Akzente gesetzt 182 . Einzig und allein die Tatsache, daß eine Gebühr das Vorhandensein einer staatlichen Leistung voraussetzt, ist zu jedem Zeitpunkt einhellig anerkannt worden. Die Beschränkung des Gebührentatbestandes auf dieses Element ist insofern die folgerichtige Konsequenz dieses Befundes. Sie entspringt dem Bemühen, zumindest den Gebûhrenôeg/-/^ als einen Fixpunkt des Gebührenrechts zu etablieren, damit nicht noch nach über 150 Jahren rechtswissenschaftlicher Arbeit hieran die Klage Lorenz von Steins berechtigt ist, daß Jeder unter 'Gebühren' etwas anderes versteht" 183 . Des weiteren hat ein streng formales Gebührenverständnis zur Folge, daß der Gebührenbegriff verfassungsfest ist 184 . Es wurde bereits gezeigt, daß der
177
Näher zu dieser Terminologie unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β V 4. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β III 1. 179 Ausf. zum ganzen oben 2. Teil, Gliederungsabschnitt A. 180 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β II, III. 181 S.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D. 182 S.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitte C und E. 183 Von Stein (5. Aufl.) S. 248. Ähnlich formulierte es Ende der 60er Jahre auch Leisner (in: Gedächtnisschrift für Hans Peters, S. 730): „Der Gebührenbegriff des deutschen Verwaltungsrechts droht so unklar zu werden, daß es sich fragt, ob überhaupt aus ihm noch rechtliche Folgerungen gezogen werden können." 184 So wohl auch Meyer, S. 59. 178
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
115
Charakter der Gebühr als einer leistungsabhängigen Gegenleistung Verfassungsrang besitzt, was auch von der weit überwiegenden Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur anerkannt wird 1 8 5 . Die Abgrenzung der Gebühr von anderen Abgaben anhand des Merkmals der staatlichen Leistung ist die einzige, die sich verfassungsrechtlich begründen läßt 186 . Der manchmal etwas vorschnell gebrauchte Terminus des „verfassungrechtlichen Gebührenbegriffs" 187 fände erst in einem streng formal gebildeten Gebührenbegriff seine tiefere Begründung, denn sein Tatbestand enthält nur noch ein Element, welches auf der Ebene des Grundgesetzes angesiedelt ist. Ferner ist zu betonen, daß die verfassungsrechtlichen Vorgaben einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum lassen. Das Bundesverfassungsgericht stellt diesbezüglich fest, daß es dem Gebührengesetzgeber von Verfassungs wegen freigestellt ist, „welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen, welche Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze er hierfür aufstellen und welche über die Kostendeckung hinausreichende Zwecke, etwa einer begrenzten Verhaltenssteuerung in bestimmten Tätigkeitsbereichen, er mit einer Gebührenregelung anstreben w i l l " 1 8 8 . Das Gericht nennt hier drei Punkte, an denen deutlich gemacht werden kann, daß der Anwendungsbereich der Gebühr im Laufe der Zeit immer mehr ausgeweitet und einfachgesetzlich geformt worden ist. So senkte man die Anforderungen an die Individualisierbarkeit der erbrachten Staatsleistung ab, und zwar bis hin zu der Feststellung, daß es diesbezüglich ausreiche, wenn eine „anonyme" Staatsleistung im Einzelfall durch Inanspruchnahme individualisiert werde 189 . Überspitzt bedeutet dies, daß diejenigen Leistungen individuell zurechenbar sind, die der Gesetzgeber individuell zurechnet 190 . Was die Gebührenmaßstäbe und -sätze angeht, dürfen in der Gesetzgebung sowohl Kosten- als auch Wertmaßstäbe verwendet werden. Sind die Kosten bzw. der Wert nicht konkret ermittelbar, kann die Gebührenhöhe nach Wahrscheinlichkeit und Vermutung vergröbert bestimmt und pauschaliert werden (sog. Wahrscheinlichkeitsmaßstab) 191 . Ohne an dieser Stelle schon näher hierauf eingehen zu wollen, zeigt sich deutlich, daß der Gesetzgeber auch bei der Gebührenbemes-
185 186 187
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β I. So auch Murswiek, S. 23. So ζ. B. Meßerschmidt,
S. 198; Sander, DVB1. 1990, 23; Tipke, Bd. III, S 1067;
Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 519 f; entsprechend auch Friauf in: Köln-Festschrift, S. 694: „verfassungsrechtlicher Gebührentatbestand"; ähnlich Wendt, S. 47. 188 BVerfGE 50,217(226 f). 189
190
Wilke, S. 88.
So ausdrücklich Wilke, S. 88. 191 Vgl. P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 198 ff, 206. Ausf. zur Gebührenbemessung u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D.
116
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
sung keinen strengen Bindungen unterliegt. Schließlich erwähnt das Bundesverfassungsgericht noch die Zulässigkeit von verhaltenslenkenden Gebühren. Die Lenkungsgebühr ist erst in neuerer Zeit entwickelt worden 192 , ihre Berechtigung wird heute nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt 193 . Das Gebührenrecht ist also sogar in der Lage, neue Gebührentypen hervorzubringen, ohne daß es einer grundsätzlichen Neubestimmung gebührendogmatischer Grundsätze bedarf. A u f dieser Linie liegt es, wenn das Bundesverfassungsgericht feststellt, mit einer Gebühr könnten die durch die erbrachte Staatsleistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abgeschöpft werden 194 . A l l diese Aspekte dokumentieren die Fähigkeit des Gebührenrechts, auf immer neue Anforderungen reagieren zu können. Es ist ein Trend dahingehend festzustellen, die Gebührendogmatik von starren, formelhaften Prinzipien zu befreien, was insbesondere durch die bundesverfassungsgerichtliche Anerkennung verhaltenslenkender und vorteilsabschöpfender Gebühren deutlich wird. Die Notwendigkeit einer hohen gebührenrechtlichen Flexibilität zeigt sich gerade dann, wenn neue, politisch gewünschte bzw. für notwendig erachtete Gebührenpflichten eingeführt werden sollen. Als Beispiele seien hier die Straßenbenutzungsgebühr für den Schwerverkehr, die Innenstadtzufahrtgebühr und die -wenngleich umstrittene· Gebühr für die Nutzung von Umweltressourcen genannt. Derartige Abgaben können letztlich nur deshalb als Gebühr erhoben werden, weil das Gebührenrecht einen hohen Grad an dogmatischer Offenheit aufweist 195 . In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß das Gebührenrecht nach dem hier vertretenen dogmatischen Verständnis ein Rechtsgebiet ist, welches offen sein muß für Wertungen. Es hat Raum zu geben für Gebühren, deren Erhebung aus Gerechtigkeitsgründen als geboten erscheint. Diesem Erfordernis wird in besonderem Maße entsprochen, wenn der Gebührenbegriff selbst möglichst offen ist 196 . Ein streng formaler Gebührenbegriff ist die Konsequenz aus dieser Erkenntnis, denn aufgrund der Tatsache, daß er nur sehr geringe Vorgaben macht, verbleibt dem Gebührenrecht ein hohes Maß an Wertungsoffenheit und Flexibilität. Hinzuweisen ist auch auf neuere finanzwissenschaftliche Entwicklungen. A u f diesem Gebiet ist eine Tendenz zu einer immer stärker werdenden Kontu-
192
Grundlegend hier Kloepfer, Lenkungsmittel, 1975. 193
194
AöR 97 (1972), S. 232 ff und Wendt, Die Gebühr als
Vgl. nur Murswiek, S. 63.
BVerfG, DVB1. 1996, 357 (359). Vgl. die ausfuhrlichen Studien von Selmer/Brodersen/Nicolaysen (insbes. S. 69 ff) zur Straßenbenutzungsgebühr sowie von Murswiek (insbes. S. 46 ff) zur Innenstadtzufahrtgebühr. Die Anerkennung einer Ressourcennutzungsgebühr befürworten Meyer, S. 181 ff, und Murswiek, NuR 1994, 175 ff; ablehnend etwa von Mutius/Lünenbürger, DVB1. 1995, 1208 ff. 196 Ausf. dazu o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A I, III 3. 195
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
117
renarmut der Gebühr festzustellen. Als Konsequenz hieraus wird die Gebühr mittlerweile nur noch verstanden als eine an politischen Zielen orientierte Mittelübertragung von in der Regel privaten Wirtschaftssubjekten an den öffentlichen Sektor beim Vorliegen solcher öffentlichen Leistungen, die dem Ausschlußprinzip unterworfen werden können; zum Teil wird sogar auf das Merkmal der Ausschließbarkeit verzichtet und allein eine Zurechenbarkeit der öffentlichen Leistung vorausgesetzt 197. Des weiteren wird betont, daß die Gebühr eine Leistung entgelten soll, welche Marktprozessen entzogen ist, so daß sie primär ein Instrument politischen Handelns darstellt 198 . Auch wenn der These, die Gebühr sei auf nicht marktgängige Staatsleistungen beschränkt, nicht uneingeschränkt zugestimmt werden kann, bleibt doch festzuhalten, daß die moderne Finanzwissenschaft anscheinend eine Reduktion des Gebührenbegriffs auf seine wesentlichen Elemente vornehmen will, so daß die politische E r setzbarkeit dieses Abgabentyps erhöht wird. A u f diesen Umstand wurde bereits im Jahre 1972 von Kloepfer hingewiesen 199 . Man bemüht sich insbesondere darum, den Gebührenbegriff von der klassischen Kostendeckungsfunktion zu lösen. Gerade im Bereich der Umweltökonomie wird es befürwortet, Gebühren unabhängig von entstandenen Kosten zu erheben 200. Derartige finanzwissenschaftliche Erkenntnisse können für das Gebührenrecht Vorbildcharakter haben, insbesondere was die Bildung des Gebührenbegriffs angeht 201 . Es ist daher nicht geboten, den Gebührentatbestand um Kostendeckungsoder sonstige Zwecke zu erweitern und dadurch den Kreis gebührenfähiger Leistungen einzuschränken. Im Gegenteil: Der Gebührenbegriff muß der Tendenz des Gebührenrechts zu Offenheit und Flexibilität Rechnung tragen. Neue, politisch erwünschte oder sogar erforderliche Gebührenarten dürfen nicht schon begrifflich unmöglich gemacht werden. Das auch im Gebührenrecht zu beachtende Primat der Politik zwingt dazu, den Gebührengesetzgeber nicht mehr als unbedingt notwendig begrifflichen Zwängen zu unterwerfen. Dieser ist nämlich lediglich der Verfassung unterworfen (Art. 20 Abs. 3 GG), im Bereich des einfachen Rechts kann er grundsätzlich frei gestalten. Daraus folgt, daß gebührenbegriffliche Erfordernisse aus der Verfassung heraus begründet werden müssen. Wenn nun aber, wie gezeigt, allein der Gegenleistungscharakter der Gebühr verfassungsfest ist, spricht alles dafür, den Gesetzgeber nur an dieses Merkmal zu binden und ihn im übrigen frei wirken zu lassen. Unzulässig
197
Näher Gawel, VerwArch. 86 (1995), S. 71 mit Fußn. 10, m.w.N. Vgl. Gawel, VerwArch. 86 (1995), S. 72 m.w.N. Letzteres hebt auch Bohley hervor (S. 22 ff, 126 ff); entspr. Hansmeyer/Ewringmann, S. 28 f. 199 Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 235 f. 200 So etwa Hansmeyer/Ewringmann, S. 23, 27 ff. 201 Vgl. auch Bohley, S. 21, der aus finanzwissenschaftlichen Zweckmäßigkeitserwägungen heraus einen weiten und umfassenden Gebührenbegriff etablieren will. 198
118
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
ist es daher insbesondere, den Gebührenbegriff um verfassungsrechtlich nicht geforderte Elemente zu ergänzen und dadurch die gesetzgeberische Möglichkeit, Gebühren zu erheben, zu verengen. Der Gebührenbegriff muß vielmehr von allen derartigen Tatbestandsmerkmalen freigehalten werden. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, wenn es das Bundesverfassungsgericht neuerdings ablehnt, selbst eine abschließende Definition der Gebühr zu geben und sich auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die geforderte Geldleistung, unabhängig von ihrer abgabensystematischen Qualifizierung, mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar ist 202 . Aus alledem folgt: Die Gebühr ist ein abgabenrechtliches Instrument, welches einen hohen Grad an dogmatischer Offenheit und Flexibilität aufweist und aufweisen muß. Ein streng formaler Gebührenbegriff ist die notwendige Konsequenz aus dieser Tatsache. Schließlich ist noch ein weiterer Vorteil eines solchen Gebührenbegriffs zu nennen. Anhand seiner einfach gefaßten Kriterien kann mit hinreichender Sicherheit bestimmt werden, wann eine Abgabe in die Kategorie der Gebühr fällt. Es ist lediglich zu fragen, ob die hoheitlich auferlegte Geldleistung eine staatliche Leistung entgelten soll. Insbesondere die Abgrenzung zur Steuer wirft keine Probleme auf, was für die Bestimmung der Abgabenerhebungskompetenz bedeutsam ist. Würde man Gebühr und Steuer anhand der Abgabenhöhe, der Abgabenfunktion oder anderer Kriterien abgrenzen wollen, wäre es oft zweifelhaft, wie eine Abgabe zu qualifizieren ist. Die Folge bestünde in einer erhöhten Zahl von kompetenzrechtlichen Streitigkeiten, die nicht zuletzt auch vor den Gerichten ausgetragen werden. Demgegenüber führt ein streng formaler Gebührenbegriff in dieser Beziehung zu einem Gewinn an Rechtssicherheit. Weil die Qualifizierung einer Abgabe weitgehend unproblematisch ist, kann man sich auf die weiteren Fragen der Gebührenerhebung konzentrieren, insbesondere was die Aspekte der Gebührenrechtfertigung und -bemessung angeht. Maßgebend ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, daß nach dem hier vertretenen funktionalistischen Gebührenverständnis die Ebene des Gebührenbegriffs allein den Zweck verfolgt, die Gebühr von anderen Abgabearten abzugrenzen. Um das zu gewährleisten, reicht das Merkmal der Leistungsabhängigkeit vollkommen aus. Darüber hinaus wären andere Gebührenelemente auch gar nicht in der Lage, die Abgrenzungsfunktion wahrzunehmen. Das gilt insbesondere für den Kostendeckungszweck203. Eine Abgabe, die der Dekkung spezieller Kosten dient, muß nicht unbedingt eine Gebühr sein, sondern könnte auch in die Kategorie der Zwecksteuer 204, des Beitrags 205 oder der Son202
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β III 1.
203
Vgl. Murswiek,, NuR 1994, 174.
204 205
Vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β IV 3 b. Vgl. ο. 1. Teil, Gliederungsabschnitt Β II.
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
119
derabgabe 206 fallen. Eine auf Kostendeckung angelegte Gebühr kann nur deshalb vorliegen, weil die Kosten der Staatsleistung gedeckt werden sollen. Entscheidend ist somit wieder allein der Gegenleistungscharakter der Gebühr, nicht aber der Kostendeckungszweck als solcher. Da er nicht der Abgabenabgrenzung dienen kann, darf er auf der Ebene des Gebührenbegriffs keine Rolle spielen. Andere Elemente als das der Leistungsabhängigkeit sind also funktionsfremd 207 . Nur ein streng formaler Gebührenbegriff korrespondiert daher mit dem hier zugrundegelegten dogmatischen Konzept. Insgesamt spricht daher alles dafür, den Gebührenbegriff im Sinne eines streng formalen Gebührenverständnisses zu bilden 208 . Hingewiesen sei schließlich noch auf darauf, daß auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner älteren Rechtsprechung ein solches Verständnis zugrundelegt 209 . Die genaue dogmatische Herleitung und Begründung durch das Gericht steht zwar noch aus, allerdings wird deutlich, daß ein streng formaler Gebührenbegriff rechtspraktischen Bedürfhissen nicht entgegensteht.
2. Mögliche Einwände Die extreme tatbestandliche Offenheit des streng formalen Gebührenbegriffs könnte aber auch Probleme mit sich bringen. Dem Staat wäre insbesondere grundsätzlich erlaubt, für solche Leistungen Gebühren zu erheben, die ihm keine Kosten verursachen. Würde man etwa die formale Begriffsbildung Wilkes favorisieren, wäre diese Möglichkeit von vornherein ausgeschlossen. Ein
206
Dies deshalb, weil eine Sonderabgabe grundsätzlich gruppennützig zu verwenden ist und mithin die speziellen Kosten einer Aufgabe deckt, die in die Finanzierungsverantwortlichkeit der belasteten homogenen Gruppe fällt (vgl. P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 231 ff, 237 f m.w.N.). 207 Vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III. 208 So im Ergebnis auch Meyer, S. 59, 67, 77, 80 f, 91 f, 98, und Murswiek, S. 40. Ähnlich Stallknecht, S. 184, 191, der das Kriterium der Gegenleistung zwar für ausreichend hält, was die Abgrenzung der Gebühr von der Steuer angeht. Allerdings sei hinsichtlich der Abgrenzung zu anderen Vorzugslasten entscheidend auf die (begriffsimmanente?) Kostendeckungsfunktion der Gebühr abzustellen. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, weil die Bildung des abstrakten Gebührenbegriffs nicht davon abhängt, zu welcher Abgabenart die Unterscheidung vorgenommen werden soll. Des weiteren besteht keine Veranlassung, diesbezüglich auf die Kostendeckungsfunktion zurückzugreifen, weil eine Differenzierung innerhalb der verschiedenen Vorzugsund Sonderlasten anhand anderer Kriterien vorgenommen werden kann und auch üblicherweise vorgenommen wird (vgl. nur P. Kirchhof Jura 1983, 511 ff). 209 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β III 2.
120
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
streng formales Verständnis der Gebühr könnte also dazu fuhren, die Belastung des einzelnen mit Abgaben zu erhöhen. Die für den Staat vorteilhafte flexible Einsetzbarkeit des Gebührenrechts erweist sich insofern als Nachteil für die Abgabenschuldner. Gegen diesen Einwand spricht jedoch die Tatsache, daß das Problem der Belastung durch Abgaben kein solches der rechtsdogmatischen Begriffsbildung ist, sondern primär politisch gelöst werden muß. Das Gebührenrecht kann hier nur Instrumente bereitstellen, über deren konkreten Einsatz auf politischer Ebene entschieden werden muß. Die Gebührendefinition ist der falsche Ort, wenn es darum geht, Individualschutz zu gewährleisten. Denn wenn man bestimmte Gebührenarten und damit auch bestimmte Belastungen von vornherein begrifflich unmöglich macht, wird individuellen Interessen ein a priori geltender absoluter Vorrang eingeräumt. Es käme gar nicht mehr dazu, staatliche Gebühreninteressen und Individualinteressen gegeneinander abzuwägen. Das widerspräche aber der Tatsache, daß es eine Kernfunktion des Rechts ist, zwischen gegenläufigen Interessen einen Ausgleich herbeizuführen und dadurch befriedend zu wirken. Das Interesse des einzelnen, von Gebührenbelastungen verschont zu bleiben, genießt genausowenig absolute Priorität wie das Finanzinteresse des Staates. Beide können berechtigt oder unberechtigt sein, was es Rahmen einer Interessenabwägung zu ermitteln gilt. Eine solche ist aber nach dem hier entwickelten dogmatischen Konzept erst auf den Stufen der Gebührenrechtfertigung und der Gebührenbemessung vorzunehmen 210 . Hier ist zu fragen, ob die Erhebung einer konkreten Gebühr gerechtfertigt ist und ob die Höhe des vom einzelnen Gebührenschuldner zu zahlenden Betrags angemessen ist. Gesichtspunkte des Individualschutzes spielen allein auf diesen Ebenen eine Rolle, nicht aber schon auf derjenigen des Gebührenbegriffes, denn dieser ist notwendigerweise abstrakt-generell und daher zur Berücksichtigung des Einzelfalles ungeeignet. Aus alledem folgt, daß das Interesse den einzelnen, von Gebührenbelastungen verschont zu bleiben, eine streng formale Begriffsbildung nicht ausschließt. Problematisch könnte jedoch sein, ob ein streng formales Gebührenverständnis in Widerspruch zur grundgesetzlichen Finanzverfassung steht. Hiernach soll es der Steuer vorbehalten sein, Mittel für den allgemeinen Finanzbedarf zu gewinnen (sog. Steuerstaatsprinzip) 211. Die tatbestandliche Offenheit eines streng formalen Gebührenbegriffs könnte nun aber dazu führen, daß die 210
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III. Vgl. BVerfGE 55, 274 (299 ff, allerdings beschränkt sich die Aussage auf die Priorität der Steuer unter den voraussetzungslos geschuldeten Abgaben, zu denen die Gebühr nicht gehört); des weiteren BVerfGE 78, 249 (266 f); 82, 159 (178); 91, 186 (201 ff); 92, 91(113 fi); BVerfG, DVB1. 1996, 357 (359); Isensee, in: Festschrift für H. P. Ipsen, S. 409 ff; Vogel, HStR I, § 27 Rn. 69 f. Ausf. zum Steuerstaatsprinzip unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 b. 211
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
121
Möglichkeit der Gebührenerhebung stark erweitert wird. Hinzu kommt, daß das Gebührenaufkommen dem Nonaffektationsprinzip entsprechend 212 zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben verwendet werden kann. Des weiteren verlaufen Besteuerungs- und Gebührenerhebungskompetenz nicht parallel 2 1 3 , so daß die abgabenberechtigten Hoheitsträger in einer latenten Konkurrenzsituation stehen, wenn es darum geht, auf die nicht unerschöpflichen finanziellen Ressourcen der Bürger zuzugreifen. Aus alledem könnte folgen, daß die grundgesetzlich vorgesehene Verteilung von Finanzmitteln durch die exzessive Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben umgangen wird 2 1 4 . Vor diesem Hintergrund könnte gegen ein streng formales Gebührenverständnis insbesondere eingewandt werden, daß dieses geeignet sei, durch die Verbindung von nicht kostenträchtigen Erlaubnissen und Ausnahmegenehmigungen mit der Erhebung von Verleihungsgebühren das Regelungssystem der Finanzverfassung zu unterlaufen 215 . Der Verzicht auf die begriffsimmanente Kostendekkungsfunktion berge daher Gefahren für die finanzverfassungsrechtliche Kompetenzverteilung in sich 216 . A u f die konkrete Zulässigkeit von Gebühren für die nicht mit Kosten verbundene Verleihung von Rechten soll erst an späterer Stelle ausführlich eingegangen werden 217 . Im vorliegenden Zusammenhang genügt es, sich auf die Problematik zu beschränken, daß es ein streng formaler Gebührenbegriff zulassen würde, Gebühren für nicht kostenträchtige Staatslei-
212
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β IV 3 b. Die Kompetenz zur Steuererhebung folgt aus den Art. 105 ff GG, während sich die Gebührenerhebungskompetenz aus den allgemeinen Sachkompetenzen der Art. 70 ff GG ergibt, vgl. nur Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 38 f, 41. S. auch unten 4. Teil, Gliederungsabschnitt F. 214 S. hierzu insbes. BVerfGE 78, 249 (266 f). Vgl. aber auch die wohl zutreffenden Ausführungen von Wilke, S. 289 ff, der „die Bedeutung eines Widerspruchs zwischen Gebühren- und Steuerhoheit" für „überschätzt" hält (S. 290). Trotzdem sei aus grundsätzlichen Erwägungen auf diesen Problemkomplex eingegangen. 215 Vgl. Schollmeier, WUR 1991, 2. Es sei aber daraufhingewiesen, daß der formale Gebührenbegriff Wilkes , gegen den sich Schollmeier hier konkret wendet, die Erhebung von Verleihungsgebühren gerade nicht ermöglicht, weil er die Gebührenfunktion der Kostendeckung beinhaltet (s.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 1). Verleihungsgebühren können diese Funktion jedoch mangels entstandener Kosten nicht verfolgen. Die Kritik Schollmeiers verfängt daher erst bei einem streng formalen Gebührenverständnis, wie es vorliegend vertreten wird, und ist daher im hier gegebenen Zusammenhang abzuhandeln. 213
216
Heun, DVB1. 1990, 673 f; Kruse, in: Tipke/Kruse,
AO - FGO, § 3 AO Rn. 15;
Sander, DVB1. 1990, 23. In diesem Sinne auch Stallknecht, S. 191 ff, der das Entstehen von Kosten jedoch nicht als Begriffs-, sondern als Rechtfertigungserfordernis ansieht, was vom dogmatischen Ansatz her der hier vertretenen Auffassung entspricht, s.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III sowie unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt C H I . 217 S.u. 4. Teil.
122
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
stungen zu erheben, so daß durch das Gebührenaufkommen nicht mehr Kosten gedeckt, sondern allgemeine Staatsaufgaben finanziert werden. Es würden dadurch zugunsten des gebührenberechtigten Hoheitsträgers fungible Einnahmen entstehen, was es ermöglichen könnte, das grundgesetzliche Finanzsystem zu unterlaufen. Ein solcher Einwand verkennt aber, daß der Schutz der Finanzverfassung, ebenso wie derjenige des individuellen Abgabenschuldners, nicht durch eine bestimmte Begriffsbildung sicherzustellen ist. Hier wie dort ist es die Ebene der Gebührenrechtfertigung, auf welcher diese Problematik entsteht218. Die begriffliche Ebene hat lediglich die Funktion, die Gebühr von der Steuer abzugrenzen. In dreser Beziehung ist aber, wie bereits erörtert, allein die Frage relevant, ob der Abgabe eine staatliche Leistung gegenübersteht oder ob sie voraussetzungslos erhoben wird. Das ist auch mit ein Grund dafür, dem Entstandensein staatlichen Aufwandes in diesem Rahmen keine Bedeutung beizumessen, so daß nicht die Notwendigkeit besteht, ζ. B. die Kostendeckungsfunktion in den Gebührenbegriff aufzunehmen 219. Das Bedürfnis des Staates, spezielle Kosten mittels Gebühren zu decken, ist vielmehr ein Aspekt, der in der Lage sein kann, die Gebührenerhebung zu rechtfertigen. Nur dort kann die Funktion spezieller Kostendeckung Bedeutung erlangen 220. Beispielhaft hierfür sei der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zur Wohnungsfehlbelegungsabgabe 221 angeführt. Es war für das Gericht völlig unproblematisch, den vorher noch unbekannten Begriff der „Abschöpfungsabgabe" zu kreieren. Nähere Erörterungen finden sich erst zur Frage der Rechtfertigung. Das Bundesverfassungsgericht stellt diesbezüglich fest, daß eine Abgabe „einer besonderen Legitimation" bedürfe, wenn durch ihre Erhebung die Möglichkeit besteht, die bundesstaatliche Finanzverfassung zu gefährden 222. Es besteht demnach kein Zusammenhang zwischen der Begriffsbildung und dem Schutz des Finanzsystems. Anderes mag gelten, wenn es um Sonderabgaben geht, zu denen aber die Abschöpfungsabgabe genausowenig gehört wie die Gebühr 223. Hinsichtlich der Sonder-
218 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III; ebenso Meyer, S. 64. Nur insofern trifft die Aussage P. Kirchhofs zu, daß ein „nicht durch einen öffentlichen Aufwand veranlaßter Gebührentatbestand ... vor dem Prinzip eines steuerfinanzierten Staates nicht zu rechtfertigen" wäre (P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 193). Ähnlich wie im Text auch
Clausen, S. 82 f, und Stallknecht, S. 191 ff. 219
So auch Murswiek, NuR 1994, 173 f. Vgl. oben 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β
IV 3.
220
Murswiek, NuR 1994, 175 Fußn. 50; ders., S. 23. S.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 1. 221 BVerfGE 78, 249. 222 BVerfGE 78, 249 (269, Herv. v. Verf.). 223 BVerfGE 78, 249 (267).
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
123
abgaben hat das Bundesverfassungsgericht nämlich die Erarbeitung eindeutiger begrifflicher Abgrenzungskriterien zur Steuer für notwendig erachtet, damit die bundesstaatliche Ordnungs- und Ausgleichsfünktion bewahrt wird 224 . Seine Rechtsprechung zielt darauf ab, aus der Sonderabgabe einen dogmatisch strukturierten Abgabetypus zu formen, der bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen muß, dann aber dadurch auch die verfassungsrechtliche Rechtfertigung vor dem Steuerstaatsprinzip in sich trägt 225 . Das folgt aber allein aus der Tatsache, daß Sonderabgaben voraussetzungslos geschuldet werden und somit zwangsläufig in Konkurrenz zu den Steuern geraten 226. Bei ihnen spielt daher der Schutz der Finanzverfassung schon auf der Begriffsebene eine Rolle. Anders verhält es sich bei Abschöpfungsabgaben und Gebühren: Diese werden nicht voraussetzungslos geschuldet, sondern knüpfen an einen konkreten Abgabentatbestand an. Aus diesem Grunde ist eine eindeutige Abgrenzung auf der begrifflichen Ebene möglich, ohne daß man gezwungen ist, zum Schutz der Finanzverfassung eine Begriffsbildung vorzunehmen, die über das schon vorhandene Abgrenzungskriterium zur Steuer hinaus noch weitere Tatbestandselemente enthält. Nur am Rande sei bemerkt, daß sogar das Bundesverfassungsgericht die von ihm selbst erhobene Forderung nach der Erarbeitung einer trennscharfen Begrifflichkeit nicht erfüllt. In seiner SonderabgabenRechtsprechung hat es nämlich keine begriffliche Klärung herbeigeführt, sondern lediglich entschieden, unter welchen Voraussetzungen „eine Abgabe zulässigerweise als Sonderabgabe erhoben werden kann" 227 . Des weiteren sei noch darauf hingewiesen, daß das Entstehen fungibler Staatseinnahmen als solches noch nicht problematisch ist, wie im Rahmen der Ausführungen zum gebührenrechtlichen Prinzip der Nonaffektation bereits gezeigt wurde 228 . Es wurde noch nie als Gefährdung der Finanzverfassung angesehen, daß der gebührenberechtigte Hoheitsträger kostenüberschreitende Gebühren erheben kann. Insofern ist der Einwand, daß der streng formale Gebührenbegriff zur finanzverfassungswidrigen Erzielung fungibler Staatseinnahmen führen kann, schon vom Ansatz her verfehlt. Richtigerweise ist zu prüfen, ob und wodurch die Erhebung von Gebühren gerechtfertigt werden kann, ohne daß die bundesstaatliche Finanzverfassung gefährdet wird 229 . Auf die Begriffsbildung hat diese Frage keinen Einfluß. Aus alledem folgt, daß der
224
BVerfGE 55, 274 (299 f, 304).
225
So Murswiek,
226
S. 27.
BVerfGE 55, 274 (298). 227 Köck, IUR 1991, 189 (Herv. im Orig); so auch Heun, DVB1. 1990, 666 f, und Selmer, Finanzierung, S. 38 f m.w.N. 228 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β IV 3 b. 229 Dieser Gedanke liegt auch der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, vgl. BVerfG, DVB1. 1996, 357 (359 f).
124
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Aspekt des Schutzes der Finanzverfassung nicht zu einer bestimmten Gebührendefinition zwingen kann und daher dem streng formalen Gebührenbegriff nicht entgegensteht.
3. Streng formaler und doppelgliedriger
Gebührenbegriff
Entsprechende Erwägungen verbieten es schließlich auch, den Gebührenbegriff „doppelgliedrig" im Sinne Klaus Vogels zu verstehen 230. Dessen Anliegen ist es, den Kreis der möglichen gebührenfähigen Staatsleistungen zu bestimmen. Eine Gebühr ist hiernach eine Abgabe, welcher eine vorteilhafte, nicht unbedingt mit Kosten verbundene Staatsleistung gegenübersteht. Des weiteren sei eine Abgabe als Gebühr zu qualifizieren, wenn mit ihr Kosten übergewälzt werden sollen, welche ein einzelner provoziert hat. Daraus ergibt sich umgekehrt, daß eine Abgabe nur dann keine Gebühr darstellen soll, wenn die erbrachte Leistung für den einzelnen nachteilig ist und dem Staat infolge der Leistungserbringung keine Kosten entstanden. Der Kreis potentiell gebührenpflichtiger Staatsleistungen wäre insoweit durch eine derartige Begriffsbildung eingeschränkt. Nach dem oben bereits Ausgeführten trifft es jedoch nicht zu, daß in dem genannten Fall schon begrifflich keine Gebühr vorliegt. Vielmehr verhält es sich so, daß die Gebührenerhebung nicht gerechtfertigt werden kann und demzufolge unzulässig ist 231 . Denn auch eine Abgabe, die für eine nachteilige und nicht kostenträchtige Staatsleistung erhoben wird, ist begrifflich eine Gebühr, weil sie an eine Leistung anknüpft. Daß ihre Erhebung nicht gerechtfertigt werden kann, liegt auf der Hand, betrifft aber eine andere gebührenrechtliche Ebene. Insofern ist auch der methodische Ansatz Vogels verfehlt. Er versucht nämlich, den doppelgliedrigen Gebührenbegriff aus den möglichen Rechtfertigungsgründen abzuleiten 232 . Begründet wird dieses Vorgehen mit der Behauptung, der „verfassungsrechtliche Begriff einer Abgabe umfaßt nur deren verfassungsrechtlich zulässige Gestaltungsformen"; er werde nicht nur durch die formale Abgrenzung der Abgabe gegenüber anderen Abgabenarten be-
230
Vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 3. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III sowie den vorangegangenen Gliederungsabschnitt. 232 Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 530 ff; entspr. auch ders., in: HStR IV, § 87 Rn. 45 a.E. So wohl auch Murswiek, NuR 1994, 174, der „die Klassifikation nichtsteuerlicher Abgaben an den typischen Rechtfertigungskriterien ... orientieren" will. Das ist insofern überraschend, als gerade Murswiek dezidiert die auch hier verfochtene Meinung vertritt, daß die Ebenen des Gebührenbegriffs und der Gebührenrechtfertigung zu trennen sind. Verkannt wird hier jedoch offenbar das zwischen den verschiedenen Ebenen bestehende Stufenverhältnis (s.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III). 231
Β. Begriffsmerkmale der Gebühr
125
stimmt, sondern in gleicher Weise durch das Ausmaß ihrer Rechtfertigung 233 . Warum dem so sein soll, wird nicht erläutert. Die Ableitung eines Begriffs aus möglichen Rechtfertigungsgründen ist jedoch nicht einsichtig und auch in anderen Rechtsbereichen nicht anzutreffen. So ist ζ. B. im Rahmen der Prüfung, ob durch eine staatliche Maßnahme ein Grundrecht verletzt wird, zunächst zu fragen, ob das Staatshandeln begrifflich als Eingriff anzusehen ist, um danach dem Problem der Rechtfertigung des Eingriffs nachgehen zu können. Dasselbe gilt für das Allgemeine Verwaltungsrecht. Es muß ζ. B. zuerst festgestellt werden, ob ein behördliches Handeln in der Rechtskategorie des Verwaltungsakts (§35 VwVfG) erfolgte. Erst auf einer zweiten Stufe ist die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu prüfen. Demzufolge bleibt sogar ein nichtiger, also niemals zu rechtfertigender Verwaltungsakt begrifflich ein Verwaltungsakt, wie der Wortlaut des § 44 V w V f G beweist. Besonders deutlich wird das Verhältnis von Begriff und Rechtfertigung im Strafrecht. Niemand käme auf die Idee, nur die ζ. B. durch Notwehr gerechtfertigte Tötung als Tötung im strafrechlichen Sinne zu begreifen. Im Gegenteil zeichnet sich eine Tötungshandlung gerade dadurch aus, daß sie grundsätzlich rechtswidrig ist und nur in Ausnahmefallen gerechtfertigt werden kann. A l l diese Beispiele zeigen, daß die Ableitung von Begriffen aus möglichen Rechtfertigungsgründen fragwürdig ist. Eine Begründung für ein derartiges Vorgehen ist nicht ersichtlich und wird auch von Vogel selbst nicht gegeben. Die Einschränkung gebührenfähiger Staatsleistungen, wie sie aus dem doppelgliedrigen Gebührenbegriff folgt, ist nach alledem abzulehnen. Eine Abgabe ist somit auch dann begrifflich eine Gebühr, wenn sie an eine nachteilige und nicht mit individuell provozierten Kosten verbundene Staatsleistung anknüpft.
4. Ergebnis und Terminologie Aus alledem folgt, daß eine Abgabe als Gebühr anzusehen ist, wenn sie eine individuell erbrachte Staatsleistung entgelten soll 234 . Als gebührenfähige Staatsleistung kommt jede staatliche Handlung, Duldung oder qualifizierte Unterlassung 235 in Betracht, unabhängig davon, ob der einzelne durch sie Vorteile oder Nachteile hat. Des weiteren ist unerheblich, ob dem Staat infolge der Leistungserbringung Kosten oder sonstige Aufwendungen entstehen. Von letzterem Aspekt abgesehen besteht hinsichtlich des Kreises gebührenfähiger Staats233
Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 530, Herv. im Orig. So i. Erg. auch Meyer, S. 59, 67, 77, 91 f. 235 Die Anerkennung von Duldungs- und Unterlassungsgebühren ist allein nach hier vertretenem Gebührenverständnis zwanglos möglich, vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β IV 3 a. Ausf. zu diesen Gebührenarten insbes. Meyer, S. 69 ff, 86 ff. 234
126
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
leistungen völlige Übereinstimmung zwischen dem hier entwickelten Gebührenverständnis und demjenigen Wilkes 236 . Über das Vorhandensein einer Leistungs-Gegenleistungs-Beziehung hinausgehende begriffliche Erfordernisse existieren nicht. Der Gebührentatbestand ist also streng formal zu verstehen. Der hier und im folgenden verwendete Terminus „streng formaler Gebührenbegriff' orientiert sich an dem auf Wilke zurückgehenden „formalen Gebührenbegriff'. Dieser ist insofern gegenüber anderen Definitions versuchen vorzugswürdig, als er die Leistungsabhängigkeit der Gebühr, d. h. das formale tatbestandliche Verknüpftsein zwischen Leistung und Gegenleistung, als maßgebend ansieht. Allerdings wird mit dem formalen Verständnis gebrochen, wenn die Funktion spezieller Kostendeckung in die Begriffsbildung aufgenommen und die Gebühr demzufolge als Abgabe definiert wird, die das Ziel verfolgt, die Kosten der mit ihr verbundenen Staatsleistung zu decken. Ein solcher Gebührenbegriff ist aber, wie vorstehend dargelegt, insoweit abzulehnen, als er das Element der Kostendeckungsfunktion enthält. Ein von diesem Kriterium entkleideter Gebührenbegriff muß demgemäß als streng formal bezeichnet werden, weil er die übrigen Tatbestandsmerkmale des formalen Gebührenbegriffs übernimmt und sogar nur noch aus ihnen besteht.
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung Von der Frage, wann eine Abgabe begrifflich als Gebühr anzusehen ist, muß das Problem der Rechtfertigung einer Gebührenerhebung getrennt werden. Die begriffliche Ebene dient der Unterscheidung verschiedener Abgabenarten voneinander, während im Rahmen der Rechtfertigung zu prüfen ist, ob die entsprechend qualifizierte Abgabe auch erhoben werden darf Dieses Problem ist anhand wertender Erwägungen zu lösen, denn Rechtfertigungsfragen sind typischerweise Wertungsfragen 237 .
I. Notwendigkeit der Rechtfertigung In der gebührenrechtlichen Literatur wird die Frage, warum die Erhebung einer Gebühr überhaupt gerechtfertigt werden muß, mit unterschiedlichen Ak236
Vgl. Wilke, S. 55 ff, zusammenfassend S. 89. Daß der Kreis gebührenfähiger Staatsleistungen vereinzelt auf aktives staatliches Tätigwerden beschränkt wird (so Henseler, S. 81 f), vermag nicht einzuleuchten, sei aber im hier gegebenen Zusammenhang mangels Relevanz nicht weiter verfolgt. 237 Ausf. dazu bereits oben 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III.
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
127
zenten behandelt. Wilke setzt beim Sozialstaatsprinzip an und problematisiert, warum ein sozialstaatlich verfaßtes Gemeinwesen imstande sein soll, einzelnen gegen Entgelt Leistungen zu erbringen und sie anderen, die dieses Entgelt nicht zahlen, zu verweigern. Hiernach soll es also die Verpflichtung des Staates auf das Sozialstaatsprinzip sein, die zur Rechtfertigung der Gebührenerhebung zwingt. Dagegen sei die Tatsache, daß der Staat zugunsten einzelner besondere Leistungen erbringt, im Hinblick auf die Rechtfertigung unproblematisch 238. Andere Autoren betonen demgegenüber, daß die Gebührenerhebung wegen der grundgesetzlichen Entscheidung zugunsten des steuerfinanzierten Staates239 sowie wegen der Belastungswirkung für den einzelnen240 rechtfertigungsbedürftig sei. So zwinge insbesondere der aus Art. 3 GG folgende Grundsatz der Belastungsgleichheit dazu, die Erhebung von Sonderlasten zu rechtfertigen, weil nicht alle Bürger von ihr betroffen sind 241 . Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung zu den Sonderabgaben herausgearbeitet, daß deren Erhebung aufgrund dreier Gesichtspunkte rechtfertigungsbedürftig sei, nämlich zum einen wegen der Grundentscheidung der Verfassung zugunsten des steuerfinanzierten Staates, zum anderen wegen des individuellen Schutzes aller Abgabenbelasteten, und schließlich wegen des parlamentarischen Budgetrechts, wenn und weil die Sonderabgabe nicht in den Haushaltsplan eingestellt wird, sondern einem Sonderfonds zufließt 242 . Diese Aspekte erzwängen die Rechtfertigung von Sonderabgaben vornehmlich deshalb, weil derartige Abgaben genauso wie Steuern voraussetzungslos erhoben werden und daher zwangsläufig eine Konkurrenzsituation zwischen ihnen entsteht243. Allerdings ist eine Abgabe auch dann rechtfertigungsbedürftig, wenn sie nicht voraussetzungslos erhoben wird, sondern an einen bestimmten Sachverhalt anknüpft. Das wurde vom Bundesverfassungsgericht für die Wohnungsfehlbelegungsabgabe ausdrücklich festgestellt. Eine solche Abgabe sei keine Sonderabgabe, denn sie diene der Rückabwicklung von Subventionen und verfolge den Zweck, wirtschaftliche Vorteile abzuschöpfen. Das Vorhandensein von Subventionsvorteilen ist daher die Voraussetzung der Abgabenerhebung. Die Rechtfertigungsbedürftigkeit folgert das Gericht aus der Möglich-
238
239
Wilke, S. 150 f.
So Isensee, in: Festschrift für H. P. Ipsen, S. 410; P. Kirchhof,
269; Murswiek, S. 15 f, 21. 240 So Friauf in: Köln-Festschrift, S. 696; Murswiek,
HStR IV, § 88 Rn.
NuR 1994, 174; Selmer/Bro-
dersen/Nicolay sen, S. 55; Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 530. 241 F. Kirchhof Grundriß, Rn. 46 m.w.N. 242 Vgl. BVerfGE 55, 274 (300); 67, 256 (275); 91, 186 (201 f); 92, 91 (113f). 243 BVerfGE 78, 249 (267).
128
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
keit, daß die bundesstaatliche Finanzverfassung gefährdet wird 244 . Dieser Schluß ist nicht nur wegen der fehlenden Voraussetzungslosigkeit der Wohnungsfehlbelegungsabgabe bemerkenswert. Es kommt hinzu, daß deren Ertrag nicht der Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben dient, sondern dem sozialen Wohnungsbau zugeführt wird. Trotz einer derartigen Zweckbindung muß die Abgabe vor der Finanzverfassung gerechtfertigt werden. Daraus folgt, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sogar eine nicht voraussetzungslose, spezielle staatliche Aufgaben finanzierende Abgabe dem finanzverfassungsrechtlichen Legitimationsdruck unterliegt. Es kann also nicht gesagt werden, daß nur bei voraussetzungslosen bzw. der Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben dienenden Abgaben die Notwendigkeit der Rechtfertigung besteht. Das hat das Bundesverfassungsgericht nun auch in seiner jüngsten abgabenrechtlichen Entscheidung ausdrücklich klargestellt. Es legt dar, daß sich die Voraussetzungen, unter denen die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben zulässig ist, aus drei grundlegenden Prinzipien der Finanzverfassung ergeben, nämlich aus der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung zugunsten des steuerfinanzierten Staates, dem Prinzip der Belastungsgleichheit aller Abgabepflichtigen und der Budgethoheit des Parlaments 245. Damit werden die drei Gesichtspunkte, aufgrund derer bisher in erster Linie Sonderabgaben als rechtfertigungsbedürftig angesehen worden sind, auf sämtliche nichtsteuerliche Abgaben ausgedehnt. Somit ist auch die Erhebung einer Gebühr finanzverfassungsrechtlich legitimierungsbedürftig, obwohl sie nicht voraussetzungslos erhoben wird, und zwar unabhängig davon, welche Art von Aufgaben aus ihrem Ertrag finanziert wird. Insbesondere das Steuerstaatsprinzip und der Grundsatz der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit verlangen hier nach einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Außer Betracht bleiben kann allerdings die Problematik, ob und wann das Budgetrecht des Parlaments gefährdet ist. Denn das Aufkommen aus Gebühren muß wie jede staatliche Einnahme grundsätzlich in den Haushaltsplan eingestellt werden 246 . Der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans wird jedoch dann nicht berührt, wenn das Aufkommen aus einer Abgabe in den Haushalt fließt, selbst wenn eine Zweckbindung vorgesehen sein sollte 247 . Die Gefahr, daß Einnahmeund Ausgabekreisläufe außerhalb des Budgets organisiert werden, besteht bei der Gebühr daher nicht.
244 BVerfGE 78, 249 (266 ff). Fehlgehend daher Selmer/Brodersen/Nicolaysen, 68: Die Steuer sei nur im Bereich der voraussetzungslos geschuldeten Abgaben vorrangiges Mittel der allgemeinen Staatsfinanzierung, bei Gebühr und Beitrag bestehe „kein vergleichbares finanzverfassungsrechtlich bedingtes Regel-Ausnahme-Verhältnis zur Steuer". 245 BVerfG, DVB1. 1996, 357 (359). 246
P. Kirchhof,
HStR IV, § 88 Rn. 208; Wilke, S. 51 ff.
S.
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
129
Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, daß es zwei Tatsachen sind, welche es erforderlich machen, die Gebührenerhebung zu rechtfertigen 248. Zum einen wird mit der Gebühr ein einzelner finanziell besonders belastet. Hierin liegt eine legitimierungsbedürftige Ungleichbehandlung gegenüber anderen Bürgern, welche die Gebühr nicht zahlen müssen. Zum anderen tritt die Finanzierung von Staatsaufgaben aus dem Gebührenaufkommen in Konkurrenz zur Steuerfinanzierung. Geht man mit der sog. „Steuerstaatslehre" davon aus, daß es der Steuer vorbehalten ist, Mittel für den allgemeinen Finanzbedarf zu gewinnen 249 , bedarf es auch in dieser Hinsicht eines besonderen Legitimationsgrundes. Zu beachten ist schließlich noch, daß die Frage, welcher Gesichtspunkt in der Lage ist, die Gebührenerhebung zu rechtfertigen, von der Problematik getrennt werden muß, ob und wodurch zusätzliche Gebührenzwecke legitimiert werden können. So stellt ζ. B. die Auferlegung einer verhaltenslenkend wirkenden Gebühr eine über die bloße finanzielle Belastung hinausgehende Freiheitsbeschränkung dar, die als solche einer besonderen Rechtfertigung bedarf, denn allein der Lenkungszweck vermag eine Gebührenerhebung nicht zu legitimieren 250 . Die Thematik, welche Zwecke eine Gebühr verfolgen darf, sei jedoch erst an späterer Stelle behandelt251.
II. Möglichkeiten der Rechtfertigung Zu untersuchen ist nun, wodurch der Staat legitimiert ist, Gebühren zu erheben. Am Anfang der gebührendogmatischen Entwicklung wurde auf zwei Gesichtspunkte abgestellt. Man war der einhelligen Auffassung, daß sich die Gebühr rechtfertige, weil der Staat eine Leistung erbracht hat. Hinzu komme, daß sie wegen des mit ihrer Erhebung verbundenen Schutzes der Steuerzahler legitimiert sei 252 . Interessanterweise werden heutzutage beide Aspekte kaum bzw. nur hilfsweise herangezogen. Die bloße Tatsache, daß der Staat eine Leistung erbringt, wird im allgemeinen nicht als ausreichend angesehen, was die Rechtfertigung anbetrifft 253 . Der Gedanke des Steuerzahlerschutzes wird zwar verein-
247
Vgl. BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360 f). So auch F. Kirchhof, DVB1. 1994, 1102. 249 BVerfGE 78, 249 (266 f); 82, 159 (178); 91, 186 (201 ff). Ausf. zur Steuerstaatslehre unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 b bb. 250 Murswiek, S. 63 (insofern mißverständlich jedoch auf S. 93). 251 S.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt E. 252 S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A II. 253 So aber BVerwG, NJW 1992, 2243 (2244) sowie F. Kirchhof DVB1. 1994, 1102, jeweils ohne nähere Begründung. Anklänge finden sich auch bei Selmer/Brodersen/Ni248
colaysen, S. 55 und Stallknecht, S. 184. 9 Heimlich
130
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
zeit angesprochen, jedoch nicht weiter vertieft 254 . Auch das Bundesverfassungsgericht geht auf die Frage, warum die Erhebung von Gebühren gerechtfertigt ist, nicht näher ein. Lediglich zum Beitragsrecht hat es festgestellt, daß die Beitragserhebung durch den Gedanken der Gegenleistung, d.h. des Ausgleichs von Vorteilen und Lasten, legitimiert sei 255 . Es liegt daher nahe, daß Entsprechendes auch für die Gebühr, die genauso wie der Beitrag eine Vorzugslast ist, gilt. Das Gericht nimmt diesen Gedanken im Rahmen seiner Rechtsprechung zum Gebührenrecht aber nicht auf. Vielmehr war es in einer Entscheidung, deren Gegenstand Gerichtsgebühren bildeten, für das Gericht „selbstverständlich, daß der Staat für die Inanspruchnahme seiner Gerichte Kosten erhebt" 256 . Von einer ähnlichen Beurteilung lassen sich wohl auch viele Stimmen der Literatur leiten, welche die Rechtfertigung der Gebühr nicht näher erörtern 257. Das ist umso überraschender, als die Frage der Rechtfertigung einer Abgabe mit deren Zulässigkeitserfordernissen korrespondiert. Zwar läßt sich die Möglichkeit, eine Abgabe zu erheben, nicht in jedem Fall auf nur einen Rechtfertigungsgrund zurückführen, und umgekehrt läßt ein rechtfertigender Gesichtspunkt noch keinen hinreichenden Schluß auf alle Zulässigkeitsvoraussetzungen zu. So kann ζ. B. eine grundsätzlich gerechtfertigte Gebühr im Einzelfall wegen des Verstoßes gegen ein Bemessungsprinzip rechtswidrig sein 258 . Es ist jedoch möglich, aus der Art der Rechtfertigung bestimmte Zulässigkeitsregeln abzuleiten259. Wenn im Rahmen der vorliegenden Arbeit versucht werden soll, Aussagen zur Zulässigkeit von Verleihungsgebühren zu erarbeiten, muß daher die Rechtfertigung von Gebühren eine wesentliche Rolle spielen. Allerdings ist es nicht möglich, aus den Rechtfertigungsgründen eine bestimmte Gebührendefinition abzuleiten260. Im folgenden seien nun die Gesichtspunkte, welche die Gebührenerhebung legitimieren können, dargestellt.
254
Vgl. BVerwGE 12, 162 (170); F. Kirchhof,
Gebühr, S. 77, 87; P. Kirchhof,
HStR
IV, §88 Rn. 183; Wendt, S. 111. 255
BVerfGE 9, 291 (298); 14, 312 (317); 42, 223 (228); vgl. auch BVerfGE 7, 244 (254 f); 82, 159(178). 256 BVerfGE 10, 264 (268). 257 Vgl. ζ. B. die ansonsten breit angelegten Monographien von F. Kirchhof (Die Höhe der Gebühr) und Wendt (Die Gebühr als Lenkungsmittel), ebenso auch den Beitrag von Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 232 ff. Wilke (S. 151 ff) spricht die Notwendigkeit der Rechtfertigung zwar an, problematisiert dies jedoch nicht weiter und versteht die Gebührenerhebung letztlich als eine schon immer dagewesene Selbstverständlichkeit (so insbesondere S. 154). 258 Zu den Bemessungsprinzipien s.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D. 259 Hiervon geht wohl auch Vogel aus (in: Gedächtnisschrift für Martens, S. 269 f, 277). Vgl. zum Ganzen Weyreuther, UPR 1988, 161 f. 260 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β V 3.
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
131
1. Kostenverantwortlichkeit Wenn die erbrachte Staatsleistung mit einem Kostenaufwand verbunden ist, wird dieser Umstand als legitimierender Grund für eine Gebührenerhebung anerkannt. Der Gebührenschuldner sei dafür verantwortlich, daß dem Staat Kosten entstanden sind, weil er die Leistung in Anspruch genommen hat. Es sei daher legitim, daß von staatlicher Seite versucht wird, die so entstandenen Kosten mittels der Gebührenerhebung zu decken, und zwar unabhängig davon, ob die Leistung für den Bedachten vorteilhaft oder nachteilig ist 261 . Dieser Auffassung ist beizupflichten. Auch aus der Sicht des hier vertretenen streng formalen Gebührenverständnisses, wonach die Kostendeckungsfunktion kein Merkmal des Gebührenbegriffs ist 262 , soll nicht in Frage gestellt werden, daß der Aspekt der Kostenverantwortlichkeit in der Lage ist, die Erhebung einer Gebühr zu rechtfertigen. Aus der Ablehnung einer begriffsimmanenten Kostendeckungsfunktion folgt nämlich selbstverständlich nicht, die Möglichkeit, eine auf Kostenüberwälzung abzielende Gebühr zu erheben, generell zu verneinen. Es wird lediglich betont, daß nicht jede Gebühr von vornherein (zumindest auch) den Kostendeckungszweck verfolgen muß. Die Tatsache, daß dem Staat infolge einer Leistungserbringung Kosten entstanden sind, kann daher zwar nicht auf der begrifflichen, wohl aber auf der Rechtfertigungsebene eine Rolle spielen 263 . Innerhalb der gebührenrechtlichen Literatur wird auch nicht mehr grundsätzlich bestritten, daß der Staat die Möglichkeit besitzt, vom Gebührenschuldner provozierte Kosten auf diesen überzuwälzen. Hierzu haben wohl insbesondere die Arbeiten Klaus Vogels beigetragen 264. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit muß hierauf aber nicht näher eingegangen werden, weil der Aspekt der Kostenprovokation für die hier schwerpunktmäßig zu behandelnde Thematik
261 Friauf in: Köln-Festschrift, S. 688; P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 188, 193; ders., Rechtsgutachten, S. 23; Selmer/Brodersen/Nicolaysen, S. 57; Stallknecht, S. 187 ff; Tipke, Bd. III, S. 1067, 1069; Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 530 ff. Den Aspekt der „Verantwortlichkeit" betont auch BVerfGE 91, 207 (223), ohne ihn jedoch auf denjenigen der KostenVerantwortlichkeit einzuschränken. Ohne Begründung zweifelnd lediglich Ehlers/Achelpöhler, NVwZ 1993, 1027. Eine andere Akzentuierung findet sich in BVerfG, DVB1. 1996, 357 (359): Wer eine öffentliche Leistung in Anspruch nimmt, empfange einen besonderen Vorteil, der es rechtfertige, ihn zu Tragung der Kosten dieser Leistung heranzuziehen - der Aspekt der Verantwortlichkeit wird also durch den des Vorteils ersetzt. 262 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β V. 263 So auch Murswiek, NuR 1994, 174. 264 Vgl. Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 518 ff; ders., HStR IV, § 87 Rn. 46.
132
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
der Verleihungsgebühr keinerlei Relevanz besitzt. Ihre Erhebung kann nämlich von vornherein nicht durch den Aspekt der Kostenverantwortlichkeit legitimiert werden, weil mit einer Rechtsverleihung keinerlei Kosten verbunden sind.
2. Vorteilsausgleich Namentlich Klaus Vogel hat betont, daß der Aspekt der individuellen Kostenverantwortlichkeit nur ein möglicher Rechtfertigungsgrund sein kann. Darüber hinaus könne eine Gebühr auch dann erhoben werden, wenn ein Vorteil ausgeglichen werden soll, den der Staat dem Gebührenschuldner zugewandt hat. Diese beiden Rechtfertigungsgründe seien abschließend, weitere hätten vor der Verfassung keine Bestand. Begründet wird dieser Befund mit der vorkonstitutionellen Gesetzespraxis, der sich die gegenwärtige angeschlossen habe265. Die doppelte Möglichkeit, eine Gebührenerhebung rechtfertigen zu können, wurde auch schon vom Preußischen Oberverwaltungsgericht anerkannt. Es führte in einem Urteil aus dem Jahre 1896 aus: „Eine Gebühr wird für die ... Benutzung einer öffentlichen Veranstaltung entrichtet, und zwar als Entgelt bezüglich des durch diese Benutzung entstehenden Vortheils und als Entschädigung hinsichtlich der dem Hebungsberechtigten erwachsenen Ausgabe" 266 Sogar vom Standpunkt der früher vertretenen Kostentheorie aus wurde der Rechtfertigungsgrund des Vorteilsausgleichs nicht von vornherein verworfen. So geht etwa Toepfer davon aus, daß zwar alle Gebühren auf dem Hauptgrundsatz der Kostendeckung beruhten, in diesem Rahmen seien aber die Verwaltungsgebühr durch den Kostenaufwand, die Benutzungsgebühr durch den Vorteilsausgleich gerechtfertigt 267. In der heutigen Literatur wird den oben angesprochenen Thesen Vogels, soweit man sich überhaupt mit der Frage der Gebührenrechtfertigung auseinandersetzt, uneingeschränkt zugestimmt268. Nirgends stellt man auch nur ansatz-
265
Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 530 ff. So auch BVerwG, Buchholz 401.8 Nr. 16, allerdings ohne nähere Begründung. Zur entspr. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts zum Beitragsrecht s. BVerfGE 9, 291 (298); 14, 312 (317); 42, 223 (228). 266 PrOVGE 29, 58 (63), Herv. v. Verf. 267 Toepfer, FinArch 26 (1909), S. 518; vgl. o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A III 1. 268
Ehlers/Achelpöhler, N V w Z 1993, 1027; Henseler, S. 81; P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 190; Köck, S. 44 mit Fußn. 96; Meyer, S. 176; Murswiek, NuR 1994, 174 f;
ders., S. 23 f (mißverständlich verkürzend jedoch auf S. 59); Puwalla, S. 138; Salzwedel, Rechtsgutachten, S. 54; Schollmeier, WUR 1991, 3; Stallknecht, S. 195; Tipke, Bd. III, S. 1067; Weyreuther, UPR 1988, 162 ff; Wieland, WUR 1991, 133.
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
133
weise in Frage, daß eine Gebühr erhoben werden darf, um staatlicherseits zugewandte Vorteile auszugleichen. Die von Vogel herausgearbeitete doppelte Rechtfertigungsmöglichkeit der Gebührenerhebung 269 kann somit als unbestritten gelten. Dieser Befund verwundert allerdings insofern, als der Aspekt des Vorteilsausgleichs der vielfach vertretenen Auffassung zuwiderläuft, wonach die Gebühr begrifflich auf die Funktion der Kostendeckung festgelegt sei 270 . Doch selbst von dieser Seite wird den Thesen Vogels nicht explizit widersprochen. Allerdings werden sie bisweilen mißverstanden. Zu beachten ist nämlich, daß Vogel die Rechtfertigungsgründe der Kostenverantwortlichkeit und des Vorteilsausgleichs gleichrangig und unabhängig nebeneinanderstellt. Sie müssen nicht kumulativ vorliegen, vielmehr kann die Gebührenerhebung entweder aus dem einen oder aus dem anderen Gedanken heraus legitimiert werden. Das wird etwa von Paul Kirchhof übersehen, wenn er unter Berufung auf Vogel ausfuhrt: „Eine solche Finanzierungsverantwortlichkeit entsteht aus dem durch den öffentlichen Aufwand gewährten individualisierbaren Vorteil..." 271 . Weiter heißt es: „Ein nicht durch einen öffentlichen Aufwand veranlaßter Gebührentatbestand wäre vor dem Prinzip eines steuerfinanzierten Staates nicht zu rechtfertigen." 272 Hier wird vorausgesetzt, daß der Gedanke des Vorteilsausgleichs die Gebührenerhebung nur dann legitimiert, wenn gleichzeitig noch ein Aufwand des Staates gedeckt werden soll. Letztlich soll es also wieder der Aspekt der Kostenverantwortlichkeit sein, der rechtfertigend wirkt, und nicht derjenige des Vorteilsausgleichs. Ein solches Verständnis der Ausführungen Vogels liefe aber der von ihm herausgearbeiteten Unabhängigkeit beider Rechtfertigungsmöglichkeiten zuwider. Würde man beide Legitimationsstränge auf die Frage der Kostenverursachung zurückführen, bliebe man wieder bei dem im vorangegangenen Gliederungsabschnitt angesprochenen Rechtfertigungsgrund der Kostenverantwortlichkeit stehen. Den Ausführungen Vogels ist an keiner Stelle zu entnehmen, daß die vorteilsausgleichende Gebühr einen staatlichen Kosten-
269 Nur in dieser Form kann den Ausführungen Vogels zugestimmt werden. Nicht richtig ist es dagegen, wenn Vogel von einem „doppelgliedrigen Gebühren&egn#" spricht. Vorteilsausgleich und Kostenverantwortlichkeit sind nach dem hier vertretenen streng formalen Gebührenversändnis keine Kriterien, die auf der Ebene des Gebührenbegriffs angesiedelt sind, vielmehr spielen sie nur bei der Gebührenrechtfertigung eine Rolle (s.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitte A III, Β II 3 und Β IV 4 c). 270 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 1, 4; III 1. 271 P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 192 (entspr. in Rn. 181 f, 187, Herv. v. Verf.). In diesem Sinne sind wohl auch diejenigen Äußerungen zu verstehen, die von einem staatlicherseits „geschaffenen" Vorteil sprechen, so etwa Stabreit, LKV 1994, 354, aber auch VGH Kassel, DVB1. 1983, 949 (950), sowie Pietzcker, DVB1. 1987, 775, beide in bezug auf die Benutzungsgebührenpflicht einer vom Staat „geschaffenen" Einrichtung. 272 P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 193.
134
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
aufwand voraussetzt 273. Im Gegenteil betont er: „Gebühren sind Abgaben, die entweder aufgrund eines individuell zugeflossenen Vorteils oder zum Ausgleich von Kosten erhoben werden, die der einzelne zu verantworten hat." 274 Auch das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner jüngsten abgabenrechtlichen Entscheidung anerkannt, daß die Erhebung einer Gebühr allein durch ihre Vorteilsausgleichsfunktion legitimiert werden kann: Wer eine öffentliche Leistung in Anspruch nimmt, empfange einen besonderen Vorteil, der es rechtfertige, „die durch die öffentliche Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpfen" 275. Auch wenn, wie bereits angesprochen, nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird, daß der Aspekt des Vorteilsausgleichs in bezug auf die Gebührenerhebung rechtfertigende Wirkung entfaltet, so muß doch nach dem tieferen Grund hierfür gefragt werden. Für die Thematik der vorliegenden Arbeit ist das insofern von erhöhter Relevanz, als die Erhebung einer Verleihungsgebühr lediglich durch den Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs, nicht aber durch den der Kostenverantwortlichkeit, legitimiert werden kann. Bevor aber auf die Beziehung zwischen Vorteilsausgleich und Gebührenrechtfertigung eingegangen werden soll, muß die Fragestellung präzisiert werden. Der Terminus des „Vorteilsausgleichs" ist nämlich irreführend, weil ihm letztlich zivilrechtliche Vorstellungen des Austausches gleichwertiger Leistungen zugrundeliegen. In diesem Bereich trägt der Gedanke des Vorteilsausgleichs aber aus sich heraus. Anderes gilt für den Bereich öffentlich-rechtlicher Abgaben, denn diese wirken immer intervenierend. Unter Benutzung des Abgabenrechts soll ein Zustand, der sich im freien Spiel der Kräfte gebildet hat und als ungerecht erscheint, umgestaltet werden. Daher ist nicht nur die Abgabenerhebung als solche zu rechtfertigen, sondern auch und gerade die dahinterstehende intervenierende Maßnahme. Für einen umgestaltenden Eingriff durch staatliches Handeln muß eine besondere Befugnis bestehen276. In bezug auf die Gebührenerhebung folgt hieraus, daß sie ihre Rechtfertigung noch nicht allein in der Tatsache findet, daß der Staat seinerseits eine vorteilhafte Leistung erbracht hat 277 . Hinzukom-
273
Vor diesem Hintergrund ist auch eine an anderer Stelle getätigte Bemerkung Vogels, wonach Gebühren einen dem Pflichtigen individuell zuzurechnenden Aufwand decken sollen, zumindest mißverständlich und verkürzend (in: HStR IV, § 87 Rn. 46). 274 Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 46 (Herv. im Orig.); so auch Meyer, S. 203, und Murswiek, NuR 1994, 174. 275
BVerfG, DVB1. 1996, 357 (359). So zum Ganzen Weyreuther, UPR 1988, 162. 277 Das verkennt Isensee, in: Festschrift fur H. P. Ipsen, S. 429 f, wenn er meint, die Gebühr finde ihre „Legitimation ... im Äquivalenzgrundsatz" bzw. sei „ als Gegenleistung für eine besondere Leistung der Verwaltung" legitimiert. Ähnlich unzutreffend 276
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
135
men muß vielmehr eine Befiignisnorm, die es dem Staat erlaubt, eine bestehende Vermögenslage zu Lasten des Gebührenschuldners umzugestalten. Anders gesagt: Das Erbringen einer Leistung ist zwar notwendige Voraussetzung einer jeden Gebührenerhebung 278. Es bedarf jedoch näherer Begründung, warum der Staat die Leistung nicht „umsonst" zur Verfugung stellen muß, sondern berechtigt ist, sie sich entgelten zu lassen. Diese Problematik ist nun im Hinblick auf dasjenige, was oben zur Notwendigkeit der Gebührenrechtfertigung ausgeführt wurde 279 , zu erörtern. Hiernach muß der Gedanke des Vorteilsausgleichs sowohl vor den Grundrechten des Gebührenbelasteten als auch vor der Steuerstaatslehre Bestand haben. Nur dann ist er in der Lage, die hinter der Gebührenerhebung stehende intervenierende Maßnahme des Staates zu rechtfertigen.
a) Vorteilsausgleich und Grundrechte Daß der Gedanke des Vorteilsausgleichs prinzipiell in der Lage ist, die Abgabenerhebung (auch) vor den Grundrechten des Belasteten zu rechtfertigen, ist nunmehr vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich anerkannt worden. Das Gericht stellt in seiner neuesten abgabenrechtlichen Entscheidung fest, Wasserentnahmeentgelte würden den Grundsatz der Belastungsgleichheit nicht verletzen, wenn „mit ihrer Erhebung lediglich der dem Abgabepflichtigen durch die Möglichkeit der Wasserentnahme zugewandte Vorteil (teilweise) abgeschöpft wird" 2 8 0 . Diese Aussage läßt eine nähere Begründung jedoch vermissen, und zudem bezieht sie sich nicht direkt auf das Recht der Gebühren. Daher bleibt im folgenden zu untersuchen, warum der Aspekt des Vorteilsausgleichs im Hinblick auf die Erhebung einer Gebühr legitimierende Wirkung entfalten kann. Dabei soll zum einen beim allgemeinen Gleichheitssatz, zum anderen bei der staatlichen Gemeinwohlbindung angesetzt werden.
aa) Der allgemeine Gleichheitssatz Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG könnte den Staat berechtigen, für eine vorteilhafte, nicht mit Kosten verbundene Staatsleistung Gebühren zu erheben. Dieser Gedanke klingt zunächst überraschend, ist doch
Murswiek, S. 63: Die „Vorteilsausgleichsfunktion (Entgeltfunktion) der Gebühr" trage „ihre Rechtfertigung in sich" (entspr. auf S. 120). 278 S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A I 1,3. Teil, Gliederungsabschnitt B. 279 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C I. 280 BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360).
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3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Art. 3 Abs. 1 GG dem klassischen Grundrechtsverständnis entsprechend ein Grundrecht, aus welchem sich Rechte des Bürgers gegen den Staat ergeben, nicht aber Rechte des Staates gegen den Bürger. Es ist daher erläuterungsbedürftig, weshalb der allgemeine Gleichheitssatz den Staat berechtigt, einzelne mit der Pflicht zur Gebührenzahlung zu belasten. Den Ansatzpunkt bildet die Tatsache, daß der Staat durch die tatsächliche Erbringung vorteilhafter Leistungen an einzelne die potentiellen Leistungsempfänger ungleich behandelt. Einige werden begünstigt, andere nicht. Es entsteht dadurch ein Zustand, der den Prinzipien allgemeiner Gleichheit zuwiderläuft, denn der materielle Inhalt des Gleichheitssatzes besteht auch in einem Gebot gleicher Begünstigung. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, daß deshalb kein Zustand der Ungleichheit vorliege, weil andere auch begünstigt worden wären, hätten sie nur die staatliche Leistung nachgefragt. Denn einerseits würde man hier unzutreffenderweise voraussetzen, daß die staatliche Leistungsfähigkeit prinzipiell unbegrenzt ist. Andererseits ginge eine solche Argumentation stillschweigend von der Prämisse aus, daß in jedem Fall ein Anspruch des einzelnen auf die Staatsleistung besteht, weshalb es dieser selbst in der Hand hätte, die Leistung zu bekommen und dadurch eine Situation der Gleichheit herbeizuführen. Diese Annahme wäre jedoch falsch, denn die Gebührenerhebung ist nicht auf Staatsleistungen beschränkt, die ein einzelner beanspruchen kann. Vielmehr darf eine Gebühr auch dann erhoben werden, wenn es im Ermessen der Behörde steht, ob sie die Leistung erbringen will. Sogar für eine nachteilige Leistung, also eine solche, die der Bürger von sich aus niemals nachfragen wird, kann eine Gebühr gefordert werden, wobei hier jedoch nicht der Aspekt des Vorteilsausgleichs, sondern derjenige der Kostenverantwortlichkeit relevant wird. Das Verhalten dessen, der die Leistung nicht bekommt, ist somit unerheblich. Es ist nicht Sache des Bürgers, sondern des Staates, Gleichheit herbeizuführen. Maßgebend ist im vorliegenden Zusammenhang also allein die Tatsache, daß der eine die Leistung bekommt und der andere nicht, auf die Gründe hierfür kommt es nicht an. Die ungleiche Begünstigung eines Dritten kann demzufolge eine Beeinträchtigung darstellen, unabhängig davon, ob ein entsprechender Anspruch auf die Begünstigung besteht oder nicht 281 . Die Erhebung eines Entgelts führt nun aber dazu, daß die Begünstigung mit einer finanziellen Belastung einhergeht, so daß dieser Zustand zumindest teilweise wieder eingeebnet und infolgedessen die prinzipielle Abweichung von dem Erfordernis allgemeiner Gleichbehandlung gerechtfertigt wird 282 . Daher ist es der allgemeine Gleich-
281
Vgl. BVerfGE 60, 16 (42 f); Gubelt, in: von Münch/Kunig, Art. 3 Rn. 10; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 Rn. 8; jew.m.w.N. 282 So wohl auch Murswiek, S. 65, der jedoch übersieht, daß es der allgemeine Gleichheitssatz selbst ist, welcher die Gebührenerhebung rechtfertigt (dazu nachfolgend im Text). Darüber hinaus wird von ihm verkannt, daß Gründe des Gemeinwohls nicht
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
137
heitssatz selbst, der in bezug auf die finanzielle Belastung rechtfertigende Kraft entfaltet 283 . Dieser Gedankengang findet in folgenden Erwägungen seine tiefere Begründung. Zur Beurteilung der hier gegebenen abgabenrechtlichen Problematik kann an Erkenntnisse angeknüpft werden, die im Hinblick auf die Frage gewonnen wurden, in welchem Verhältnis der Gleichheitssatz zu Erfordernissen der sozialen Gerechtigkeit steht. Dieser Themenkomplex kann selbstverständlich nicht bis in sämtliche Einzelheiten abgehandelt werden, ohne den Rahmen der vorliegenden Arbeit zu sprengen 284. Das ist aber auch nicht notwendig, denn im hier gegebenen Zusammenhang genügt es durchaus, einige im wesentlichen unbestrittene Aussagen festzuhalten. So ist davon auszugehen, daß Handlungspflichten des Staates, die heute vielfach aus dem Sozialstaatsprinzip abgeleitet werden, historisch gesehen in der Forderung nach Gleichheit angesiedelt sind 285 . In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird zwar überwiegend anerkannt, daß Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich weder den Auftrag noch eine Legitimation dazu enthält, tatsächlich bestehende Ungleichheiten abzubauen286. Eine Einschränkung erfährt diese Aussage jedoch dahingehend, daß eine Angleichung faktischer Verhältnisse von Art. 3 Abs. 1 GG unter Umständen durchaus geboten sein kann 287 ; das Grundrecht ziele „auf Herstellung der Gleichheit" 288 . Auch das Bundesverfassungsgericht legt diesen Gedanken zugrunde, wenn es ausfuhrt, daß „sich der Gesetzgeber grundsätzlich nicht damit begnügen (darf), vorgefundene tatsächliche Unterschiede ohne weiteres hinzu-
nur die kostenlose Erbringung der staatlichen Leistung rechtfertigen können, sondern ebenso in der Lage sind, die Erhebung der Gegenleistung zu legitimieren (s. dazu den folgenden Gliederungsabschnitt). Ebenso wie hier Meyer, S. 176, allerdings ohne nähere Begründung. 283 So auch Stallknecht, S. 196, in bezug auf das nordrhein-westfalische Lizenzentgelt, sowie Horn, S. 135 f, und Kisker, S. 20, hinsichtlich der Feldes- und Förderabgabe; allgemein zu den Konzessionsabgaben auch Wieland, WUR 1991, 133; allesamt jedoch ohne nähere dogmatische Herleitung und Begründung. Vgl. zur Rolle des Gleichheitssatzes im Gebührenrecht auch Leisner, in: Gedächtnisschrift für Hans Peters, S. 744. Speziell zur Abmilderung von Ungleichbehandlungen durch die Erhebung von Verleihungsgebühren Hendler, AöR 115 (1990), S. 604. 284 Weiterführend etwa Huster, S. 23, 408 ff. 285 Vgl. Zippelius, VVDStRL 47 (1989), S. 13 ff. 286 Vgl. ζ. B. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 Rn. 1; Rüfner, in: Bonner Kommentar, Art. 3 Abs. 1 Rn. 51 ff; Starck, in: von MangoldtiKlein/Starck,
Art. 3 Rn. 3 ff; a.A. ζ. B.
Stein, in: Alternativkommentar, Art. 3 Rn. 73. 287
So ζ. B. Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck,
Art. 3 Rn. 29; Zippelius,
VVDStRL 47 (1989), S. 15; beide hinsichtlich der Problematik der „Chancengleichheit". Ausf. und differenziert Huster, S. 408 ff. 288
So ζ. B. Dürig, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz,
Art. 3 Abs. 1 Rn. 345.
138
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
nehmen; sind sie mit den Erfordernissen der Gerechtigkeit unvereinbar, so muß er sie beseitigen" 289 . Somit weist der allgemeine Gleichheitssatz zwar kein revolutionär-gleichmacherisches, wohl aber ein dynamisches 290 Element auf. Er fordert nicht nur, im Rahmen staatlichen Handelns die rechtliche Gleichheit aller Menschen zu beachten, sondern bietet auch eine Grundlage dafür, punktuell bestehende Ungleichheiten zu entschärfen. Allerdings darf Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht dahingehend ausgelegt werden, aus ihm konkrete Handlungspflichten für den Staat abzuleiten. Diese Norm gibt dem einzelnen zwar ein subjektiv-öffentliches Recht auf Gleichbehandlung291. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann jedoch keine konkrete Pflicht zum Handeln hergeleitet werden, weil dies mit dem weiten Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG zusteht, unvereinbar wäre 292 . Die auf Herstellung von Gleichheit abzielende dynamische Komponente des allgemeinen Gleichheitssatzes besitzt im vorliegenden Zusammenhang eine erhöhte Relevanz. Hier besteht nämlich die Besonderheit, daß Art. 3 Abs. 1 GG nicht als legitimierender Grund dafür herangezogen werden soll, vorhandene faktische Ungleichheiten einander anzugleichen. Vielmehr geht es darum, daß der Staat infolge der Erbringung einer vorteilhaften Leistung an einen einzelnen die Situation der Ungleichheit erst selbst hervorgerufen hat. Dieser Befund ist unabhängig davon, ob er eventuell zu einem solchen Tun verpflichtet war oder nicht. Wenn es sich nun aber so verhält, daß der allgemeine Gleichheitssatz zwar nicht konkrete Maßnahmen verlangt, um faktisch vorhandene Verhältnisse einander anzugleichen, wohl aber derartige Maßnahmen prinzipiell legitimieren kann, muß dasselbe erst recht gelten, wenn der Staat einen ungleiche Sachlage selbst geschaffen hat. Will er diese mittels Erhebung einer Gebühr ganz oder teilweise einebnen, entfaltet Art. 3 Abs. 1 GG auch hier rechtfertigende Kraft. Das Gleichheitsgebot besitzt demgemäß eine restitutive Funktion, denn es erlaubt dem Staat, selbst produzierte Ungleichheit abzubauen. Dieser Gesichtspunkt wird auch in der abgabenrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betont. So leitet das Gericht aus dem allgemeinen Gleichheitssatz das „Prinzip der möglichst gleichmäßigen Verteilung öffentlicher Lasten" ab 293 . Gegenstand der beiden Entscheidungen ist eine Abgabe, welche erhoben wird, wenn der Abgabenschuldner einer Pflicht nicht nach-
289
BVerfGE 3, 58 (158). So auch die Wortwahl von Zippelius, VVDStRL 47 (1989), S. 31. 291 Gubelt, in: von Münch/Kunig, Art. 3 Rn. 2 m.w.N. 292 Gubelt, in: von Münch/Kunig, Art. 3 Rn. 10, 35 m.w.N. 293 BVerfGE 13, 167 (171); entspr. auch BVerfGE 57, 139 (168); ihm folgend BayVerfGH, BayVBl. 1979, 269 (272). 290
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
139
kommt, nämlich zum einen der allgemeinen Pflicht, Feuerwehrdienst zu leisten, und zum anderen der Pflicht der Arbeitgeber, eine bestimmte Quote Schwerbehinderter einzustellen. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Abgabenerhebung das Ziel, eine gleichmäßige Belastung der Pflichtigen zu erreichen. Die Zahlung der Abgabe stellt einen Ausgleich dafür dar, daß die Pflicht nicht erfüllt wird. Diese gesetzgeberische Konzeption werde dem Gleichheitssatz „besser gerecht" 294 . Der allgemeine Gleichheitssatz rechtfertigt es also, ein Vorteils-Nachteils-Gefälle mit Hilfe einer Abgabenerhebung ganz oder teilweise wieder einzuebnen, denn derjenige, der eine auferlegte Pflicht nicht erfüllt, soll nicht besser gestellt werden als derjenige, der ihr nachkommt 295 . Hingewiesen sei noch auf den Umstand, daß diese Rechtsprechung auch in der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Feuerwehrabgabe grundsätzlich beibehalten wird. Zwar beurteilt das Gericht die Feuerwehrabgabe im Ergebnis als verfassungswidrig. Allgemein hält es jedoch Ausgleichsabgaben der soeben dargestellten Art weiterhin für grundsätzlich zulässig, wenn auch in engen Grenzen. Die Feuerwehrabgabe erfülle jedoch die Merkmale der Ausgleichsabgabe nicht, weil die Feuerwehrdienstpflicht keine reale Belastung mehr darstellte, sondern lediglich potentiell existiere. Eine nur potentiell bestehende Dienstpflicht wirke sich jedoch nicht als öffentliche Last aus und könne deshalb die Erhebung einer Ersatzabgabe nicht rechtfertigen. Die Entscheidung präzisiert die bisherige Rechtsprechung zu den Ausgleichsabgaben also dahingehend, daß nur eine tatsächlich bestehende Pflicht eine Ausgleichsabgabe legitimieren kann 296 . Derselbe Aspekt gewinnt hinsichtlich der Rechtfertigung der Gebührenerhebung für vorteilhafte Staatsleistungen an Bedeutung. Hier ist es allerdings so, daß der Staat eine Situation der Ungleichheit nicht durch die Auferlegung einer Pflicht hervorruft, ζ. B. der Pflicht, Feuerwehrdienst leisten zu müssen. Im Gegenteil entsteht eine solche Situation durch ein Staatshandeln, das den einzelnen Leistungsempfänger begünstigt. Im Rahmen des Gleichheitssatzes ist es jedoch belanglos, ob die Gleichheitswidrigkeit in einer Belastung oder einer Begünstigung besteht 297 . Daher greift hier wie dort derselbe Gedanke: Es ist dem Staat von Art. 3 Abs. 1 GG erlaubt, eine selbst geschaffene ungleiche Sachlage mit Hilfe einer Abgabenerhebung zu entschärfen. Daß dieser Umstand einen engen Bezug zu Gerechtigkeitsprinzipien aufweist, liegt auf der Hand. Zutreffend betont daher das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Erörterung des allgemeinen Gleichheitssatzes, daß es dem „Grundsatz einer 294
So BVerfGE 13, 167(171). So auch Weyreuther, UPR 1988, 165. 296 BVerfGE 92,91 (120). 297 BVerfGE 17, 210 (216 f); 79, 1 (17); Dürig, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, 3 Abs. 1 Rn. 345. 295
Art.
140
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Verteilungsgerechtigkeit" entspreche, wenn der Staat demjenigen die Kosten aufbürdet, der durch die erbrachte Amtshandlung Vorteile erfährt 298. Dieser Aspekt wird jedoch nicht nur hinsichtlich kostenträchtiger Staatsleistungen relevant, denn Grundsätze der Verteilungsgerechtigkeit sind bereits immer dann berührt, wenn vorteilhafte Leistungen nur an einige wenige erbracht werden. Sollten auf die Allgemeinheit infolge der Leistung auch noch Kosten zukommen, führte dies nicht zur Erzeugung, sondern lediglich zur Verstärkung einer sich als ungerecht darstellenden Lage. Nach alledem bleibt festzuhalten: Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt zwar keine staatliche Pflicht zur Gebührenerhebung, allerdings ist der allgemeine Gleichheitssatz in der Lage, die Belastung einer vorteilhaften Staatsleistung mit einer Gebühr zu legitimieren. Es entsteht somit eine interessante Konstellation: Dieselbe Norm, welche die Rechtfertigung der Gebührenerhebung erzwingt 299 , dient gleichzeitig dazu, sie zu rechtfertigen. Die Erklärung hierfür liegt in der Tatsache begründet, daß sich der Gebührenschuldner auf Art. 3 Abs. 1 GG unter Hinweis darauf beruft, daß er eine Gebühr bezahlen muß, andere aber nicht. Der Staat führt hiergegen ins Feld, daß er an den Gebührenschuldner auch eine vorteilhafte Leistung erbrachte, während andere nicht in diesen Genuß kamen. Dreh- und Angelpunkt sowohl für die Rechtfertigungsnotwendigkeit als auch für die Rechtfertigungsmöglichkeit durch den allgemeinen Gleichheitssatz ist also immer die Leistungs-Gegenleistungs-Beziehung der Gebühr. Sowohl die Erbringung der Leistung als auch die Zahlung der Gegenleistung stehen mit den Prinzipien des Gleichheitssatzes für sich betrachtet nicht in Einklang. Zu einem ausgeglichenen, also dem Gleichheitsgebot entsprechenden Zustand kommt es aber dann, wenn beides zusammen erbracht wird 300 . Die so entstehende Austauschgerechtigkeit ist eine „Erscheinungsform der Gleichheit" 301 , die aber nicht mit einer synallagmatischen Verknüpfung in zivilrechtlichem Sinne verwechselt werden darf. Die Gebührenerhebung für eine vorteilhafte Staatsleistung findet vielmehr im allgemeinen Gleichheitssatz ihre spezifisch öffentlich-rechtliche Legitimation.
298
BVerwGE 95, 188 (203). S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C I. 300 In diesem Zusammenhang kann der Fall außer Betracht bleiben, daß für eine Staatsleistung ausnahmsweise keine Gebühr erhoben wird, so ζ. B. aus sozialstaatlichen Gründen. Daß hierin kein Gleichheitsverstoß liegt, bedarf keiner näheren Erläuterung. 299
301
So Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck,
Art. 3 Rn. 84.
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
141
bb) Das Gemeinwohl Darüber hinaus könnte der Staat aus Gründen des Gemeinwohls berechtigt sein, für eine vorteilhafte Staatsleistung Gebühren zu erheben. Die Idee des Gemeinwohls ist in der Steuerrechtswissenschaft herangezogen worden, um die Erhebung von Steuern sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu rechtfertigen 302 . Dieser Ansatzpunkt kommt auch für die Rechtfertigung einer Gebühr in Betracht 303.
(1) Begriff und Inhalt Der Begriff des Gemeinwohls kann nicht abschließend und präzise umrissen werden. Er ist unvermeidlich von hoher Abstraktheit 304 und entzieht sich jeder praktisch handhabbaren Definition. Formulierungen wie diejenige, wonach das Gemeinwohl die Idee vom guten Zustand des Gemeinwesens und vom Gedeihen aller seiner Glieder verkörpere 305, sind wohl eher in den Bereich juristischer Lyrik zu verweisen und können allenfalls erste Näherungsversuche darstellen. Erschwert wird das Verständnis noch dadurch, daß in der rechtswissenschaftlichen Literatur verschiedene Termini verwendet werden, die allesamt mit dem Begriff des Gemeinwohls inhaltlich übereinstimmen. Erhöhte Bedeutung kommt hier der Bezeichnung „Öffentliches Interesse" zu, die insbesondere von Peter Häberle und Wolfgang Martens wissenschaftlich aufgearbeitet wurde 306 . Mittlerweile herrscht aber Einvernehmen darüber, daß beide Begriffe gleichzusetzen sind 307 , wovon auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgeht308. Es besteht eine grundsätzliche Diskussion über die Frage, ob der Begriff des Gemeinwohls (noch) seine Berechtigung hat, oder ob er nicht vielmehr eine Leerformel ist, die mit beliebigen Inhalten gefüllt werden kann. Diese Problematik wird innerhalb der Rechts- und Politikwissenschaften sowie der Philosophie kontrovers beurteilt 309 . Auf das Für und Wider angemessen einzugehen, 302
S. etwa Lang, StuW 1989, 205 m.w.N. Meyer, S. 178, spricht diesen Aspekt zwar an, vertieft ihn jedoch nicht. 304 Isensee, HStR III, § 57 Rn. 3. 305 So Isensee, HStR III, § 57 Rn. 2. 306 Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969. 307 So auch Häberle selbst, RTheorie 14 (1983), S. 257 m.w.N. 308 Nachweise bei Häberle, Verfassungsrechtsprechung, S. 323. 309 Einen ersten Überblick bietet Isensee, HStR III, § 57 Rn. 4 ff, 35 ff. 303
142
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher möge an dieser Stelle der Hinweis auf die Tatsache genügen, daß die Begriffe „Gemeinwohl" und „öffentliches Interesse" in Gesetzgebung, Rechtsprechung und rechtswissenschaftlicher Literatur einen festen Platz einnehmen 310 , so daß zumindest im juristischen Bereich ein Zwang zu ihrer Anerkennung und Interpretation besteht. Ein „Ausweichen in Agnostizismus oder in die beliebte Fiktions- bzw. 4 Leerformelthese ' ist nicht möglich" 3 1 1 , auch wenn der Begriff des Gemeinwohls wegen seiner Ideologieanfälligkeit besondere Mißbrauchsgefahren in sich birgt 312 . Von der grundsätzlichen Berechtigung des Gemeinwohlbegriffes kann daher nachfolgend ausgegangen werden. Die mit dem Gemeinwohlbegriff notwendigerweise zusammenhängenden Interpretationsschwierigkeiten können dadurch gemildert werden, daß man versucht, ihn in einzelne Teilbereiche zu untergliedern und diese mit hinreichend konkreten Inhalten zu füllen. Dabei sollen sich die nachfolgenden Erörterungen auf diejenigen Aspekte beschränken, welche für die Problematik, wie die Gebührenerhebung für eine vorteilhafte, nicht mit Kosten verbundene Staatsleistung gerechtfertigt werden kann, relevant sind. Dies umso mehr, als der Inhalt des Gemeinwohlbegriffs ohnehin nicht abschließend festgelegt werden kann 313 . Es liegt bereits sprachlich nahe, daß sich das Gemeinwohl auf die Interessen und Vorteile des gesamten staatlich verfaßten Gemeinwesens bezieht. Es besteht daher schon im Ansatz ein Unterschied, wenn auch nicht notwendigerweise ein diametraler Gegensatz, zwischen Interessen des Gemeinwohls und Individual- bzw. Gruppeninteressen. Das Gemeinwohl läßt sich dementsprechend als Gesamtheit der öffentlichen Interessen bestimmen 314 . Es obliegt dem Staat, Hüter des Gemeinwohls gegenüber Individual- und Gruppeninteressen zu sein 315 , denn einzelne oder Gruppen sind in der Lage, für die effektive Artikulation und Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu sorgen. Die Wahrung des Gemeinwohls ist daher die umfassende Aufgabe jeder staatlichen Gemein-
310 Eine nähere Darstellung der praktischen Rolle, die beide Begriffe spielen, findet sich bei Häberle, Öffentliches Interesse, S. 32 ff, 240 ff; vgl. auch dens., AöR 95 (1970), S. 86 ff, 260 ff sowie dens., Verfassungsrechtsprechung, S. 308 ff. S. auch
Martens, S. 171 f. 311
So zutreffend Häberle, RTheorie 14 (1983), S. 257; in diesem Sinne auch von
Arnim, S. 5 ff. 312
Vgl. Häberle, RTheorie 14 (1983), S. 279 f m.w.N. Isensee, HStR III, § 57 Rn. 2 f. 314 Insofern zutreffend, wenn auch in den Einzelheiten ζ. T. durchaus fragwürdig, Isensee, HStR III, § 57 Rn. 18. 315 Vgl. BVerfGE 33, 125 (159). 313
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
143
schaftsordnung. Sie ist unabhängig davon, ob die Verfassungstexte diese Staatsaufgabe ausdrücklich erwähnen oder nicht 316 . Der Inhalt des Gemeinwohls ist daher zwar weithin offen, vorgegeben ist jedoch sein Subjekt, nämlich die Gesamtheit der Staatsangehörigen und Grundrechtsträger 317. Adressat des Gemeinwohlauftrages ist der Staat 318 . Daraus ergibt sich, daß es dem Staat verboten ist, sich mit den Interessen einzelner oder Gruppen zu identifizieren. Er hat institutionelle Unabhängigkeit zu wahren und ein Mindestmaß an Distanz einzuhalten; seine Organe dürfen ihre Befugnisse nicht als eigene ausüben, sondern müssen fremd-, d.h. hier: gemeinnützig handeln 319 . Er ist demzufolge zur Neutralität verpflichtet und darf einzelne nicht ungerechtfertigt bevorzugen, insbesondere darf er nicht einzelne Individuen zu Lasten der Allgemeinheit bereichern 320 . Der Inhalt des Gemeinwohls erschöpft sich jedoch nicht in seiner Funktion, staatliche Pflichten zu begründen. Hinzu kommt vielmehr noch, daß die Pflicht, das Gemeinwohl zu fördern, fur alle staatlichen Funktionen, wenn auch in unterschiedlichem Maße, kompetenzbegründend wirkt. Das Gemeinwohl kann als Tatbestandselement von Verbotsnormen auftreten, den Staat zu Zwangsmaßnahmen berechtigen und dessen Aufsichtsmaßnahmen legitimieren sowie Pflichten für den einzelnen normieren 321 . Des weiteren kann auch der Eingriff in Freiheitsrechte durch öffentliche Interessen gerechtfertigt werden 322 . Darüber hinaus besteht eine wesentliche Funktion von Gemeinwohl bzw. öffentlichen Interessen darin, legitimierender (Macht-)Titel und Hebel für die Beseitigung überkommener (rechtlicher) Verhältnisse und Mittel für Umstrukturierungen tatsächlicher Verhältnisse zu sein 323 . Hinzu kommt schließlich noch, daß der Gesetzgeber selbst bestimmte öffenliche Interesen auswählen und in den Rang wichtiger Gemeinschaftsinteressen erheben kann 324 . Dies alles zeigt, daß die Förderung des Gemeinwohls sowohl das Ziel allen staatlichen Handelns ist als
316
Von Arnim, S. 5; vgl. auch Häberle, Öffentliches Interesse, S. 46 f, wonach der Staat bzw. die Gesetzgebung nur vereinzelt in einen ausdrücklichen Gemeinwohlbezug gebracht wird, was jedoch die entsprechende Verpflichtetheit des Staates nicht in Zweifel zieht. 317 Isensee, HStR III, § 57 Rn. 75. 318 Häberle, Öffentliches Interesse, S. 46 ff. 319 Isensee, HStR III, § 57 Rn. 57, 59. 320
321 322
323
F. Kirchhof,
DVB1. 1987, 557.
Häberle, Öffentliches Interesse, S. 52, 137; ders., RTheorie 14 (1983), S. 271. Vgl. Martens, S. 170 f.
Häberle, Öffentliches Interesse, S. 164. Vgl. BVerfGE 13, 97 (107). Diese Äußerung bezieht sich zwar nur auf Berufsausübungsregelungen im Rahmen des Art. 12 GG, ihr kann jedoch allgemeine Gültigkeit zugesprochen werden, s. Martens, S. 186 m.w.N. 324
144
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
auch die Mittel zur Erreichung dieses Ziels bereitstellt, indem es ein intervenierendes Tätigwerden des Staates zu legitimieren vermag. Das Gemeinwohl ist für den Staat Aufgabe und Berechtigung zugleich. Einen engen Bezug weist das Gemeinwohl zu Gerechtigkeit und Gleichheit auf 2 5 . Insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG stellt eine „reiche Fundgrube für Gemeinwohlgesichtspunkte" dar 326 . Dies ist Ausdruck der Tatsache, daß das Gemeinwohl genauso wie der allgemeine Gleichheitssatz einen kollektiven Ansatzpunkt wählt. Die Aufgabe des Staates, das Gemeinwohl zu fördern, verlangt von ihm, Interessen der Gesamtheit wahrzunehmen. Dem entspricht die Aussage des allgemeinen Gleichheitssatzes, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Förderung von Individualinteressen ist dem Staat nicht schlechthin verwehrt, allerdings muß die Bevorzugung eines einzelnen als Abweichung von den Prinzipien des Gemeinwohls und der Gleichheit besonders gerechtfertigt werden. Ist dies nicht möglich, handelt der Staat sowohl gleichheits- als auch gemeinwohlwidrig. Ein Beispiel soll diesen Zusammenhang verdeutlichen. Wer Sozialhilfe empfängt, bekommt eine staatliche Leistung, die anderen, nicht Bedürftigen vorenthalten wird. Wollte man hierin eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem erblicken, so wäre diese jedenfalls wegen der Bedürftigkeit der Leistungsempfänger gerechtfertigt. Die Gewährung von Sozialhilfe muß aber auch mit Grundsätzen des Gemeinwohls in Einklang stehen. Denn es ist, wie soeben ausgeführt, dem Staat versagt, sich mit Individualinteressen zu identifizieren. Es stellt ein Gemeinwohlprinzip dar, daß der Staat nichts „verschenken" darf, unentgeltliche Zuwendungen an einzelne müssen unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung legitimer öffentlicher Aufgaben gerechtfertigt werden können 327 . Das ist bei der Sozialhilfegewährung an Bedürftige aber der Fall, denn hier identifiziert sich der Sozialstaat nicht mit den Individualinteressen des Begünstigten, sondern mit dem für alle geltenden Prinzip der sozialen Gerechtigkeit 328. Das Sozialstaatsprinzip legitimiert also die Umverteilung zugunsten einzelner. Dieses Beispiel zeigt, daß zwischen allgemeinem Gleichheitssatz und Gemeinwohlverpflichtung insofern eine Parallele besteht, als Abweichungen von ihren Prinzipien nur unter der Voraussetzung zulässig sind, daß sie gerechtfertigt werden können. Das Gemeinwohl stellt also keine starre Beschränkung staatlichen Handelns dar, sondern läßt ihm
325
Vgl. von Arnim, S. 25 f; Häberle, Öffentliches Interesse, S. 358 f. Häberle, Öffentliches Interesse, S. 723; Nachw. dieser Rspr. finden sich bei dems., AöR 95 (1970), S. 118 ff sowie dems., Verfassungsrechtsprechung, S. 312. 327 Häberle, Öffentliches Interesse, S. 523 f m.w.N. Dem widerspricht es nicht, daß im Gebührenrecht ein allgemein geltendes Schenkungsverbot nicht anzuerkennen ist, vgl. P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 201. 328 Isensee, HStR III, § 57 Rn. 59. 326
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
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genügend Freiraum zu agieren. Allerdings zwingt es ihn dazu, tendenziell gemeinwohlwidrige Maßnahmen zu legitimieren.
(2) Gemeinwohl und Gebührenerhebung Die Erhebung einer Gebühr für eine vorteilhafte, nicht mit Kosten verbundene Staatsleistung ist nun vor dem Hintergrund der soeben dargestellten Gemeinwohlprinzipien zu würdigen. Dabei ist davon auszugehen, daß die Erhebung von Abgaben anerkanntermaßen als Mittel zur Wahrung und Förderung des Gemeinwohls eingesetzt werden kann. Das klingt bereits im sog. „Baurechts-Gutachten" des Bundesverfassungsgerichts vom 16.06.1954 an. Dort werden Rechtscharakter und Zulässigkeit einer Wertsteigerungsabgabe behandelt. Diese verfolgt das Ziel, Wertsteigerungen von Grundstücken abzuschöpfen, „die ohne Aufwand des Eigentümers an Arbeit und Kapital durch Maßnahmen der Allgemeinheit, insbesondere durch die Auswirkungen der städtebaulichen Planung, entstanden sind" 329 . Von derartigen Maßnahmen soll ein einzelner nicht ungerechtfertigt profitieren können; die Früchte des Handelns der Allgemeinheit fließen daher mittels Abgabenerhebung zumindest teilweise wieder an sie zurück. Eine ähnliche Abgabe stellt der „Wertzuwachsausgleich" nach § 16 des Hessischen Altlastengesetzes330 dar. Dieser ist vom Eigentümer eines mit Altlasten belasteten Grundstücks an das Land zu zahlen, wenn es, ohne dazu verpflichtet zu sein, die Sanierungskosten getragen hat. Damit ein einzelner nicht ungerechtfertigt von derartigen Maßnahmen der Allgemeinheit profitiert, wird die durch die Sanierung bedingte Erhöhung des Bodenwerts mittels Zahlung einer Abgabe abgeschöpft. Zu nennen ist ferner die bergrechtliche Förderabgabe. Mit ihr soll der Staat am wirtschaftlichen Erfolg von Förderunternehmen, die ein Gut der Allgemeinheit, nämlich die Bodenschätze, nach Maßgabe einer ihnen verliehenen Befugnis wirtschaftlich verwerten dürfen, teilhaben können 331 . Auch hier dient die Abgabenerhebung dazu, wirtschaftliche Gewinne eines einzelnen, die er auf Kosten der Allgemeinheit erzielte, wieder der Gesamtheit zukommen zu lassen. Dadurch wird dem Interesse des Gemeinwohls Rechnung getragen. In den beiden genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wird allerdings noch nicht ausdrücklich auf den Begriff des Gemeinwohls abgestellt. Das ändert sich erst mit dem Beschluß zur Wohnungsfehlbelegungsab329
BVerfGE 3, 407 (434). Gesetz über die Erkundung, Sicherung und Sanierung von Altlasten vom 20.12.1994, GVB1. IS. 764. 331 BVerfGE 72, 330(410). 330
10 Heimlich
146
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
gäbe vom 08.06.1988. Dessen dritter Leitsatz lautet: „Verfolgt ein Gesetz den Zweck, die Fehlleitung von Subventionen durch die Erhebung einer Abschöpfungsabgabe auszugleichen, beruht das auf einer vertretbaren, wenn nicht gebotenen Erwägung des Gemeinwohls. Die Gewährung von Subventionen muß schon aus Gleichheitsgründen - gemeinwohlbezogen sein." 332 Das Gericht erkennt hier zum einen die bereits behandelte enge Beziehung zwischen Gleichheitssatz und Gemeinwohl ausdrücklich an. Darüber hinaus befürwortet es ein Recht des Staates, aus Gründen des Gemeinwohls Abgaben zu erheben, wobei anklingt, daß sich die entsprechenden Erwägungen im Einzelfall sogar zu einer staatlichen Pflicht zur Abgabenerhebung verdichten können. Die Wohnungsfehlbelegungsabgabe dient nach Auffassung des Gerichts als Abschöpfungsabgabe der Rückabwicklung fehlgeleiteter Subventionvorteile. Diese bestehen darin, daß Sozialwohnungen weiterhin bewohnt werden dürfen, obwohl das Einkommen des Mieters mittlerweile die gesetzlich festgelegte Einkommensgrenze übersteigt. Der fehlbelegende Mieter erhält also staatlicherseits Vorteile, auch wenn der rechtfertigende Grund für ihre Erbringung, nämlich die Bedürftigkeit des Sozialmieters, inzwischen weggefallen ist. Mit Hilfe des Abgabenrechts soll nun diese Bevorzugung eines einzelnen gemildert bzw. ausgeglichen werden. Anstelle der Bedürftigkeit entfaltet jetzt die Abgabenbelastung rechtfertigende Kraft für die Bevorzugung. Derselbe Gedanke liegt der Erhebung einer vorteilsausgleichenden Gebühr zugrunde. Auch hier wird einem einzelnen eine vorteilhafte Leistung staatlicherseits zugewandt, so daß lediglich dessen Wohl, nicht aber das der Allgemeinheit, gemehrt wird. Insofern stellt die Leistungserbringung eine Abweichung von den Pflichten dar, die das Gemeinwohlprinzip dem Staat auferlegt 333 . Es ist zu betonen, daß das Gemeinwohl dem Staat nicht nur verbietet, eine Leistung auf Kosten der Allgemeinheit, d.h. unter Inanspruchnahme ihrer finanziellen Mittel, zu erbringen, ohne daß ein rechtfertigender Grund besteht. Vielmehr bedeutet schon jede Bevorzugung eines einzelnen, unabhängig von
332
BVerfGE 78, 249 (250). Präziser müßte der erste Satz des Leitsatzes allerdings lauten. „..., wenn nicht sogar gebotenen Erwägung des Gemeinwohls". Demgegenüber würde eine Ergänzung zu „..., wenn auch nicht gebotenen Erwägung des Gemeinwohls" dem Sinn der vom Verfassungsgericht herangezogenen Gründe widersprechen, vgl. S. 277 f der Entscheidung. 333 Selbstverständlich kann es aber auch dazu kommen, daß die Erbringung einer vorteilhaften Leistung an einen einzelnen zugleich das Gemeinwohl fördert und der Sondervorteil aus Gemeinwohlgründen kostenlos bleibt (vgl. Murswiek, S. 65, allerdings nur im Hinblick darauf, daß dann kein Gleichheits\erstoß gegeben ist). Dieser Fall kann jedoch im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben, damit deutlich wird, welche grundsätzlichen Erwägungen einer vorteilsausgleichenden Gebühr zugrunde liegen.
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
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einer etwaigen Kostenbelastung der Gesamtheit, nach den oben dargestellten Grundsätzen eine Abweichung von Prinzipien des Gemeinwohls, insbesondere von demjenigen der Neutralität. Die mit der Leistungserbringung verbundene Bevorzugung wird nun aber mittels einer finanziellen Belastung wieder gemildert bzw. ausgeglichen. Durch die Erhebung einer Gebühr fließen dem Staat Geldmittel zu, welche dieser wieder zugunsten des Gemeinwohls verwendet, denn die öffentliche Hand verfugt über die ihr zur Verfügung gestellten Mittel stets im Sinne der Allgemeinheit 334 . Die Gebührenerhebung ist also das Mittel des Staates, seiner Verpflichtung auf das Gemeinwohl zu entsprechen. Würde keine Gebühr erhoben, bliebe es bei der Bevorzugung eines einzelnen durch den Staat. Erst wenn die vorteilhafte Staatsleistung mit einer Gebührenpflicht verknüpft ist, wird ein Bezug zum Gemeinwohl hergestellt, und nur dann ist die Bevorzugung eines einzelnen vor den Anforderungen gemeinwohlorientierten Handelns gerechtfertigt. Die Gebührenerhebung besitzt daher einen Kompensationseffekt zugunsten des Gemeinwohls. Es entsteht dadurch folgende Konstellation: Wie bereits ausgeführt, ist die Belastung des einzelnen mit der Gebühr zu rechtfertigen 335. Die Gebührenerhebung ist nun aber ihrerseits ein Rechtfertigungsgrund dafür, daß der Staat durch die Bevorzugung eines einzelnen von Gemeinwohlprinzipien abweicht. Es kann sogar sein, daß der Staat ohne sie die Leistung gar nicht erbringen dürfte. Das ist dann der Fall, wenn die kostenlose Leistung nicht aus einem anderen Grund gerechtfertigt werden kann, etwa aus sozialstaatlichen Erwägungen. Würde aber allein eine Gebührenerhebung den Bezug zwischen Leistung und Gemeinwohl herstellen, muß eine Gebühr erhoben werden. Ob auch in anderen Fällen eine Pflicht des Staates zur Gebührenerhebung besteht, kann hier offenbleiben. Es steht jedenfalls fest, daß der Staat aus Gründen des Gemeinwohls berechtigt ist, für die Erbringung einer vorteilhaften, nicht kostenträchtigen Leistung eine Gebühr zu erheben. Darüber hinaus sprechen Gemeinwohlgründe für ein Recht des Staates, mit der Gebührenerhebung zugleich fiskalische Interessen zu verfolgen. Denn wenn man unter fiskalischen ganz allgemein finanzielle, d. h. auf eine Stärkung der öffentlichen Haushalte gerichtete Interessen versteht, folgt daraus, daß es sich bei ihnen um öffentliche Interessen handelt, ist doch die Aufbringung finanzieller Mittel notwendige materiale Voraussetzung für die Arbeitsfähigkeit
334
BVerwG, VerwRspr. 15 (1963) Nr. 93, S. 307; BadStGH, VerwRspr. 2 (1950) Nr. 96, S. 416; vgl. auch Häberle, Öffentliches Interesse, S. 514, und P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 46. Sehr klar BVerwGE 95, 188 (201): „Jede staatliche Handlungsweise muß einen Bezug zum öffentlichen Wohl haben"; allerdings wird diese Aussage im Hinblick auf die Gemeinwohlförderung durch die staatlicherseits erbrachte Leistung getroffen. 335 S. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C I.
148
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
des Staates336. Eine solch weite Auslegung des Begriffs der fiskalischen Interessen verdient vor dem Hintergrund, daß die überkommene „Fiskustheorie" berechtigterweise mehr und mehr im Schwinden begriffen ist 337 , den Vorzug 338 . Es liegt nun aber auf der Hand, daß die Finanzinteressen des gemeinwohlverpflichteten und gemeinwohlfördernden Staates zugleich öffentliche Interessen darstellen, was mittlerweile auch von Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich anerkannt wird 339 . Was das Gebührenrecht anbetrifft, darf der Staat diesen Grundsätzen zufolge bei der Gebührenerhebung auch seine finanziellen Interessen berücksichtigen. Das Aufkommen wird, wie es auch bei anderen Abgaben der Fall ist, vom gemeinwohlverpflichteten Staat zwangsläufig zugunsten von Gemeinwohlbelangen verwendet 340. Insofern sind die Finanzinteressen des Staates ein weiterer Gemeinwohlaspekt, der bei der Gebührenerhebung eine Rolle spielt. Allerdings kann dieser Gesichtspunkt nur eine untergeordnete Bedeutung haben, weil Gebühren schon aus Gleichheitsgründen niemals gezielt dazu eingesetzt werden dürfen, Gewinne zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben zu erbringen. Die faktische Gewinnerzielung als solche ist dem Staat aber nicht verwehrt 341 . Derartige Gebühren dienen somit in besonderer Weise öffentlichen Interessen. Festzuhalten ist nach alledem, daß das Gemeinwohl in doppelter Weise die Erhebung einer vorteilsausgleichenden Gebühr rechtfertigt. Zum einen wird durch sie die prinzipiell gemeinwohlwidrige Bevorzugung eines einzelnen gemildert bzw. ausgeglichen, zum anderen werden durch das Gebührenaufkommen finanzielle Mittel bereitgestellt, welche eine materiale Grundlage für die Wahrung und Förderung des Gemeinwohls bilden. Zu beachten ist, daß der letzte Aspekt für sich alleine noch keine Legitimation zur Gebührenerhebung darstellt 342 , sondern nur in Verbindung mit dem Gesichtspunkt des Ausgleichs einer Bevorzugung Bedeutung erlangen kann. Anders gesagt: Eine Gebühr ist schon dann aus Gemeinwohlgründen gerechtfertigt, wenn sie auf den Aus-
336
Martens, S. 199 m.w.N; in diesem Sinne auch Häberle, Öffentliches Interesse, S. 513, der die Frage aufwirft, ob der Begriff der „fiskalischen Interessen" nicht ganz aufgegeben werden und durch den der „finanziellen Interessen" ersetzt werden sollte. 337 Vgl. nur D. Ehlers, S. 75 ff m.w.N. 338 Näher Häberle, Öffentliches Interesse, S. 513; ders., DVB1. 1967, 220 ff; ders., AöR 95 (1970), S. 277 f; ders., Verfassungsrechtsprechung, S. 343 f m.w.N. 339 Nachweise bei Häberle, Öffentliches Interesse, S. 518 ff, 689 ff; ders., AöR 95 (1970), S. 275 ff; ders., Verfassungsrechtsprechung, S. 319 Fußn. 70. Erforderlich ist jedoch, sich diesbezüglich vor Pauschalierungen zu hüten und nach der jeweiligen Problemlage zu urteilen, vgl. Häberle, Öffentliches Interesse, S. 513; Martens, S. 199 f. 340 S.o. Fußn. 334. 341 Ausf. dazu unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt E II 2 b. 342 Vgl. u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt E II 2 b.
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
149
gleich der Bevorzugung eines einzelnen abzielt. Der ihr dadurch innewohnende Hauptzweck, das Gemeinwohl zu wahren und zu fördern, erfährt eine zusätzliche Verstärkung, wenn und weil der Staat mit ihr als Nebenzweck finanzielle Interessen verfolgt. Gründe des Gemeinwohls bzw. öffentliche Interessen sind also in der Lage, die finanzielle Belastung des Gebührenschuldners zu rechtfertigen. Das Gemeinwohl wirkt insofern als Begrenzung grundrechtlicher Freiheit, eine Funktion, die ihm durchaus nicht fremd ist. So nimmt es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Konkretisierung von Grundrechtsgrenzen einen herausragenden Platz ein. Hingewiesen sei an dieser Stelle nur auf das sogenannte „Apothekenurteil", in dem vom Gericht festgestellt wird, daß der Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Gemeinwohlgründen gerechtfertigt sein kann 343 . Vor allem in seiner Rechtsprechung zu Art. 12 GG konkretisierte das Gericht die vom Gemeinwohl gezogenen Grundrechtsgrenzen und entwickelte eine „Gemeinwohljudikatur", die im Laufe der Zeit auf andere Grundrecht hinausgreift, etwa auf Art. 14 GG, oder auf sie ausstrahlt, insbesondere auf Art. 3 GG 3 4 4 .
cc) Ergebnis Der Eingriff in Grundrechte des Gebührenschuldners durch eine vorteilsausgleichende Gebühr kann somit durch den allgemeinen Gleichheitssatz und durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden.
b) Vorteilsausgleich und Finanzverfassung aa) Problemstellung Die Erhebung einer vorteilsausgleichenden Gebühr müßte des weiteren vor den Prinzipien der grundgesetzlichen Finanzverfassung Bestand haben. Hiernach soll es der Steuer vorbehalten sein, Mittel für den allgemeinen Finanzbedarf des Staates zu gewinnen (sog. Steuerstaatsprinzip) 345. Eine Gebühr, welche
343
BVerfGE 7, 377 (405 ff). Häberle, AöR 95 (1970), S. 96 ff; ausf. auch ders., Verfassungsrechtsprechung, S. 309 ff m.w.N. 345 BVerfGE 55, 274 (299 ff; allerdings beschränkt sich die Aussage auf die Priorität der Steuer unter den voraussetzungslos geschuldeten Abgaben, zu denen die Gebühr nicht gehört); 78, 249 (266 f); 82, 159 (178); 91, 186 (201 ff); 92, 91 (113 ff); BVerfG, 344
150
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
sich nicht mehr durch den Aspekt der Kostenverantwortlichkeit, sondern allein durch denjenigen des Vorteilsausgleichs legitimieren kann und soll, wirft mangels zu deckender Kosten zwangsläufig Erträge ab, die der Staat zur Bestreitung des allgemeinen Finanzbedarfs verwendet. In diesem Umstand könnte eine unzulässige Abweichung von den Grundsätzen des steuerfinanzierten Staates liegen, so daß eine Gebühr, die nicht an entstandene Kosten anknüpft, sondern allein dem Ausgleich staatlicherseits zugewandter Vorteile dienen soll, von vornherein nicht zu rechtfertigen wäre 346 . Diese Problematik muß in bezug auf den vorliegenden Zusammenhang jedoch wie folgt präzisiert werden. Das Steuerstaatsprinzip erlangt nämlich vornehmlich im Hinblick auf die Erhebung von Sonderabgaben seine Bedeutung und wird dort vom Bundesverfassungsgericht herangezogen, um die Zulässigkeit derartiger Abgaben zu beurteilen 347. Der Grund hierfür liegt darin, daß Steuern und Sonderabgaben insoweit übereinstimmen, als sie dem Betroffenen eine Geldleistungspflicht „voraussetzungslos", d. h. ohne Rücksicht auf eine korrespondierende Gegenleistung der öffentlichen Hand, auferlegen. Daher gerät jede Sonderabgabe zwangsläufig in eine Konkurrenz zur Steuer 348. Anders ist es bei der Gebühr. Sie knüpft an eine staatliche Leistung an 349 und wird daher nicht voraussetzungslos erhoben. Zwar sind auch solche Abgaben vor dem Hintergrund des Steuerstaatsprinzips zu rechtfertigen. Allerdings ist hier wegen der fehlenden Voraussetzungslosigkeit der Rechtfertigungsdruck weit weniger stark 350 . Er wird bei einer vorteilsausgleichenden Gebühr lediglich dadurch erzeugt, daß sie mangels zu deckender Kosten notwendigerweise Gewinne abwirft. Diese stehen der allgemeinen Staatsfinanzierung zur Verfügung,
DVB1. 1996, 357 (359); Isensee, in: Festschrift für H. P. Ipsen, S. 409 ff; Vogel, HStR I, § 27 Rn. 69 f. Vgl. hierzu bereits oben 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β V 2. 346 So insbes. Stallknecht, S. 191 ff; in diesem Sinne auch Heun, DVB1. 1990, 673 f; Sander, DVB1. 1990, 23; Schollmeier, WUR 1991, 2, die diese Frage aber allesamt unzutreffenderweise auf der begrifflichen Ebene abhandeln (vgl. dazu o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III). Darüber hinaus ist zu beachten, daß von keinem der Autoren die Zulässigkeit vorteilsausgleichender Gebühren als solche in Frage gestellt wird. 347 BVerfGE 55, 274 (299 ff); 67, 256 (274 ff); 82, 159 (178 ff); 91, 186 (201 ff). 348 BVerfGE 55, 274 (298); 67, 256 (274 f). 349 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt B. 350 Vgl. BVerfGE 78, 249 (269), wo das Bundesverfassungsgericht zur Abschöpfungsabgabe feststellt, daß diese „nicht den strengen Anforderungen, die für Sonderabgaben im Hinblick auf deren Voraussetzungslosigkeit gelten", unterliegt. „Sie bedarf aber dennoch einer besonderen Legitimation." (Herv. v. Verf.). Ähnlich wie im Text auch Murswiek, S. 23. Zu weitgehend allerdings Selmer/Brodersen/Nicolaysen, S. 68, wonach die Priorität der Steuer als Mittel der allgemeinen Staatsfinanzierung allein für den Bereich voraussetzungslos geschuldeter Abgaben, nicht aber für Gebühren und Beiträge, zu beachten sein soll, vgl. dazu bereits o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C I.
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
151
und nur insoweit tritt sie zwangsläufig in Konkurrenz zur Steuer. Demgegenüber dient die Sonderabgabe der Finanzierung einer besonderen Sachaufgabe 351 . Der Konflikt zwischen dem Steuerstaatsprinzip und einer nicht auf Kostendeckung, sondern allein auf Vorteilsausgleich abzielenden Gebühr liegt also nur in der freien Verwendbarkeit ihres Ertrages begründet, nicht aber in ihrem Erhebungstatbestand. Insofern muß die Problemstellung entsprechend präzisiert werden, so daß im folgenden der Frage nachzugehen ist, ob bzw. inwieweit es die Finanzverfassung des Grundgesetzes zuläßt, mit dem gesamten Aufkommen aus einer Gebühr allgemeine Staatsaufgaben zu finanzieren.
bb) Das Prinzip Steuerstaat (1) Inhalt und Bedeutung Inhalt und Bedeutung des Steuerstaatsprinzips sind in erster Linie aus den in den Art. 104a - 108 GG niedergelegten finanzverfassungsrechtlichen Normen 352 abzuleiten. Diese Regelungen sind der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge „einer der tragenden Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes. Sie sollen eine Finanzordnung sicherstellen, die den Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft sachgerecht beteiligt", insofern erfüllt die Finanzverfassung eine „objektive Ordnungsfunktion" 353 . Hieraus wird die Schlußfolgerung gezogen, daß es der Steuer vorbehalten ist, Mittel für den allgemeinen Finanzbedarf zu gewinnen, was die Bundesrepublik Deutschland als Steuerstaat konstituiere 354 . Diesem Befund soll von dieser Stelle aus nicht grundsätzlich widersprochen werden. Allerdings besteht Anlaß, die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung kritisch zu würdigen und dadurch ins rechte Licht zu rücken. So gilt es in erster Linie, dem Mißverständnis entgegenzutreten, das Grundgesetz be-
351
Vgl. BVerfGE 55, 274 (298). Daneben wird der Grundsatz der Belastungsgleichheit der Bürger zur Begründung herangezogen. Dieser ist jedoch lediglich ein Ausfluß des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und fuhrt daher zu keinen vertiefungsbedürftigen finanzverfassungsrechtlichen Grundsatzproblemen, vgl. Hendler, AöR 115 (1990), S. 596 f m.w.N. Ebenso kann der Aspekt des parlamentarischen Budgetrechts, das als weitere Stütze des Steuerstaatsprinzips genannt wird (vgl. etwa BVerfGE 91, 186 (202)), im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben. 353 BVerfGE 55, 274 (300 f). 354 BVerfGE 55, 274 (299 ff); 78, 249 (266 f); 82, 159 (178); 91, 186 (201 ff); 92, 91 (113 ff); Isensee, in: Festschrift für H. P. Ipsen, S. 409 ff; Vogel, HStR I, § 27 Rn. 69 f. 352
152
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
inhalte ein striktes Rechtsgebot zum Steuerstaat 355. Steuern sind nämlich nicht das einzige grundgesetzlich vorgesehene Mittel der Staatsfinanzierung, wie schon die Existenz von staatlichen Finanzmonopolen (vgl. Art. 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 und 108 Abs. 1 GG) 3 5 6 und von Gebühren (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 und Art. 80 Abs. 2 GG) 3 5 7 zeigt. Der gesamte wichtige Bereich der Sozialversicherung wird durch nichtsteuerliche Versicherungsbeiträge finanziert. Auch wenn hierdurch kein geschlossenes dogmatisches Gegenkonzept zum Steuerstaat etabliert wird 3 5 8 , zeigt sich doch deutlich, daß die Steuer nichts weiter ist als die „typische Einnahmequelle", die „wichtigste Form der Staatsfinanzierung" oder der „Regeltypus der Geldlast" 359 . Aus diesem Grund enthält das grundgesetzliche Finanzsystem auch keinen numerus clausus der Abgabenarten, sondern ist für neue Abgaben offen 360 . Dieser Umstand hat ζ. B. dazu geführt, daß sich die Sonderabgabe als bedeutende Finanzierungsform herausbildete 361 . Der Steuerstaat ist also ein Typus, der sich „nur im wesentlichen, nicht ausschließlich aus Steuern finanzieren" will 3 6 2 . Das Grundgesetz verlangt nicht, daß der allgemeine staatliche Finanzbedarf allein durch Steuern finanziert werden müßte, es besteht insofern kein Funktionsvorbehalt zugunsten der Steuer 363. Hiervon geht auch das Bundesverfassungsgericht aus, wenn es die Auffassung vertritt, daß die Abweichung von den Prinzipien der Finanzverfassung „nicht ausnahmslos zur Verfassungswidrigkeit einer Abgabe" führt 364 . In seiner Sonderabgaben-Rechtsprechung betont das Gericht: „Der Gesetzgeber darf sich der Abgabe nur im Rahmen der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht." 365 An anderer Stelle heißt es, daß es die Finanzverfassung dem Gesetzgeber versage, „Sonderabgaben zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf 4 zu erheben 366. Nach dieser Rechtsprechung ist aus dem Steuerstaatsprinzip also nur das Verbot abzuleiten,
355
Vgl. hierzu und zum folgenden Isensee, in: Festschrift für H. P. Ipsen, S. 409 ff;
F. Kirchhof,
Die Verwaltung 1988, 140 ff; P. Kirchhof,
HStR IV, § 88 Rn. 45; Kloe-
pfer, AöR 97 (1972), S. 240 ff; Vogel, HStR I, § 27 Rn. 69 f. 356 Diese als „Anomalien und Anachronismen" zu bezeichnen (so Isensee, in: Festschrift für H. P. Ipsen, S. 432), ist bloße Polemik, die in der Sache nicht weiterhilft. 357 Vgl. BVerwGE 95, 188 (193 f)> wonach die Deckung von Verwaltungsaufwand durch Gebühren den Grundsatz des Steuerstaates nicht in Zweifel zieht. 358 Insofern zutreffend Isensee, in: Festschrift fur H. P. Ipsen, S. 431 f. 359 So Isensee, in: Festschrift für H. P. Ipsen, S. 409, 420, 428. 360 S.o. 1. Teil, Gliederungsabschnitt Β III. 361 Vgl. F. Kirchhof Die Verwaltung 1988, 143 f. 362 F. Kirchhof Die Verwaltung 1988, 145, Herv. im Orig. 363 F. Kirchhof ; Gebühr, S. 127; Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 242 ff. 364 BVerfGE 91, 186 (202). 365 BVerfGE 67, 256 (275). 366 BVerfGE 82, 159 (178); 91, 186 (201).
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
153
mit außersteuerlichen Abgaben primär das Ziel zu verfolgen, Mittel für den allgemeinen staatlichen Finanzbedarf zu erwirtschaften. Die Gewinnerzielung als Nebenfolge ist dagegen unschädlich 367 . A u f diesen Gedanken wird zurückzukommen sein. Eine weitere Relativierung erfährt das Steuerstaatsprinzip durch seine Tendenz, die bundesstaatliche Machtverteilung zugunsten des Bundes zu verschieben und insofern der föderativen Ordnung zumindest ansatzweise zuwiderzulaufen. Abgesehen von Zöllen und Finanzmonopolen und mit Ausnahme der örtlichen Verbrauchs- und Aufwandssteuern erstreckt Art. 105 Abs. 2 GG die Gesetzgebungshoheit des Bundes auf alle übrigen Steuern. Seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz hat der Bund so weitgehend ausgeschöpft, daß den Ländern kein großer Spielraum mehr geblieben ist und die Länderhaushalte dadurch in Abhängigkeit von der Steuergesetzgebung des Bundes geraten. Die Finanzverfassung besitzt daher eine deutliche zentralisierende Tendenz 368 . Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kaschiert diesen Umstand durch die recht suggestive Formel, die grundgesetzliche Finanzverfassung sei „einer der tragenden Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung" 369 . Doch diese Ordnung ist weniger bundes- als vielmehr zentralstaatlicher Art. Es verwundert daher nicht, daß die Finanzverfassung seit jeher Gegenstand tiefgreifender rechtlicher Streitigkeiten, teils zwischen dem Bund und den Ländern, teils der Länder untereinander, gewesen ist 370 . Bereits ihre Entstehung war von lebhaften politischen Auseinandersetzungen geprägt 371 , und die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sind bisher zweimal von Grund auf geändert worden, was auf keinen anderen Grundgesetzabschnitt zutrifft 372 . Der „tragende Eckpfeiler" erwies sich somit von Anfang an als durchaus renovierungsbedürftig. A l l diese Kämpfe sind letztlich Ausdruck der Bemühungen von Bund und Ländern, sich auf Kosten des jeweils anderen Teils einen möglichst großen Anteil an finanzieller Macht zu sichern. Jüngstes Beispiel hierfür ist die Ende 1993 eingeführte Regelung des Art. 106a GG, wonach den Ländern für den öffentlichen Per-
367
Vgl. zur Gewinnerzielung durch Gebühren auch unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt Ε II 2 b. 368 Ausf. zum Ganzen Hendler, AöR 115 (1990), S. 598 ff, 606 f; ders., DÖV 1993, 292 f; H. Hofmann, HStR I, § 7 Rn. 67 f. Anders, jedoch letztlich nicht überzeugend, Meyer, S. 159. 369
BVerfGE 55, 274 (300 f). Vgl. Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 6. 371 Ausf. zu Entstehungsgeschichte und Änderungen der Finanzverfassung Vogel, HStR IV, § 87, Rn. 6 ff; Vogel/Kirchhof in: Bonner Kommentar, Vorbem. z. Art. 104a 115, Rn. 52 ff. S. auch BVerfGE 72, 330 (389). 372 Vogel, HStR IV, § 87, Rn. 6. 370
154
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
sonennahverkehr ein Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundes zusteht 373 . Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts erstaunlich, legt sie doch die Schlußfolgerung nahe, die Finanzverfassung könne das föderative Gefuge „tragen" und dadurch nicht zuletzt eine befriedende Wirkung erzielen. Der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Finanzverfassung wird demgegenüber wohl eher die Ansicht Vogels gerecht, wonach die Regelung des Grundgesetzes „die Streitpunkte reduziert und den Streit gewissermaßen 'kanalisiert' hat" 3 7 4 . Insgesamt zeigt sich also, daß man die Bedeutung der Finanzverfassung überschätzen würde, wollte man sie als Mittel zur undifferenzierten Unterdrükkung nichtsteuerlicher Abgaben einsetzen. In den Art. 104a f f GG ist eine deutliche Tendenz zugunsten des steuerfinanzierten Staates auszumachen mehr aber auch nicht. „Eine exakte Linie des rechtliche Erlaubten, an der die Steuerverfassung verlassen und ein Finanzierungsmittel ... im Einzelfalle wegen der Gewinnerzielung verfassungswidrig würde, ist von diesen Verfassungsvorschriften nicht vorgezeichnet. Die Steuerverfassung weist nur die Richtung, nicht die Grenze" 375 , und diese Richtung geht dahin, die Erhebung nichtsteuerlicher Einnahmen grundsätzlich zuzulassen, wenn auch nur in engen Grenzen 376 . Der Regelungsgehalt der Art. 104a - 108 GG ist daher schlagwortartig als „Prinzip des Steuerstaates" zusammenzufassen 377, Maßgaben der Finanzverfassung besitzen lediglich prinzipielle Bedeutung? 1*. Dieser Umstand schwächt den Rechtfertigungsdruck, dem nichtsteuerliche Abgaben im Hinblick auf die Finanzverfassung unterliegen, entscheidend ab.
(2) Die Zulässigkeit von Abweichungen Ein Prinzip beinhaltet immer einen gewissen Grad an Offenheit. Anders als ein striktes Rechtsgebot schließt es Abweichungen nicht von vornherein aus, ansonsten wäre es sinnlos, zwischen Prinzip und Gebot zu unterscheiden. Die-
373
Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 20.12.1993, BGBl. I S. 2089. Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 10; ähnlich aber wohl auch BVerfGE 72, 330 (389). 375 F. Kirchhof, Die Verwaltung 1988, 151 (Herv. im Orig.). 376 Vogel, HStR I, § 27 Rn. 70; so auch hinsichtlich der Erhebung von Sonderabgaben BVerfGE 67, 256 (276); BVerfGE 91, 186 (201 f). In der Sache genauso, wenngleich mit weniger strengen Worten, BVerfGE 78, 249 (267, 269) in bezug auf die nicht voraussetzungslos geschuldete Abschöpfungsabgabe: Diese unterliege „besonderen" Legitimationsvoraussetzungen. 377 So wörtlich BVerfGE 78, 247 (267). 378 Das betont zurecht auch Meyer, S. 160 ff; vgl. zudem BVerfGE 91, 186 (201 f). 374
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
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ser Sachverhalt sei am Beispiel des Gewaltenteilungsprinzips erläutert. Ähnlich wie dem Steuerstaatsprinzip wird dem Gewaltenteilungsprinzip die Eigenschaft zugesprochen, ein tragendes Organisationsprinzip des Grundgesetzes zu sein. Nach ihm werden drei Teilbereiche staatlicher Aufgaben unterschieden, nämlich Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung. Das Prinzip voneinander getrennter Gewalten wird jedoch immer dann durchbrochen, wenn Organe einer Gewalt in den Tätigkeitsbereich der Organe einer anderen Gewalt hineinwirken. Derartige Abweichungen sind nicht von vornherein unzulässig, allerdings muß jeder Gewalt ein Kernbereich gewährleistet bleiben 379 . Verallgemeinernd und abstrahierend bedeutet dies, daß jedes Verfassungsprinzip Durchbrechungen nicht von vornherein verbietet. Diese müssen allerdings sachlich begründet sein und dürfen das Prinzip als solches nicht in Frage stellen. Im Hinblick auf das Steuerstaatsprinzip ergibt sich aus diesen Überlegungen, daß dieses zwar in bestimmtem Umfang Ausnahmen zuläßt, der Steuerstaat „duldet aber nicht, daß seine Identität angetastet wird" 3 8 0 . Seine Bedeutung für die föderative Ordnung mag es erforderlich machen, außersteuerliche Abgaben relativ restriktiven Voraussetzungen zu unterwerfen. Allerdings sprechen auch gute Gründe dafür, dem Prinzip Steuerstaat insbesondere im Rahmen von Umweltabgaben weniger großes Gewicht beizumessen, um die staatliche Steuerungsfähigkeit in diesem Bereich nicht sachwidrig zu beeinträchtigen 381 . Es ist abzuwägen, ob diejenigen Argumente, welche für die Erhebung einer außersteuerlichen Abgabe sprechen, gewichtiger sind als die Gründe, welche zugunsten des Steuerstaatsprinzips streiten. Nur durch eine Einzelfallbewertung kann ermittelt werden, ob und inwieweit neue Abgabeformen vor der Finanzverfassung Bestand haben. Zu betonen ist, daß man sich diesbezüglich vor Pauschalierungen jeder Art hüten muß. Es geht nicht an, die Erhebung außersteuerlicher Abgaben lediglich mit dem Argument, die Bundesrepublik sei ein Steuerstaat, als verfassungswidrig zu verwerfen. Vielmehr ist in dieser Hinsicht eine differenzierte Beurteilung notwendig, wie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Voraussetzungen von Sonderabgaben gezeigt hat 382 . Das Gericht vermochte es hier, das grundsätzlich berechtigte Bedürfnis, Sonderabgaben zu erheben, mit den Anforderungen der Finanzverfassung in Einklang zu bringen, indem es bestimmte Zulässigkeitsanforderungen entwikkelte. Das Steuerstaatsprinzip ist somit kein Mittel zur generellen Unterdrükkung außersteuerlicher Finanzierungsformen. A u f der anderen Seite wäre es
379
S. zum Ganzen BVerfGE 3, 225 (247); 7, 183 (188); 9, 268 (280); 18, 52 (59); 22, 106 (111); 30, 1 (27 f); 34, 52 (59); 67, 100 (130); Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 16 m.w.N.; krit. Hesse, Rn. 478. 380 Isensee, in: Festschrift für H. P. Ipsen, S. 436. 381 Ausf. hierzu Hendler, AöR 115 (1990), S. 595 ff. 382 Grdl. BVerfGE 55, 274 (297 ff).
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3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
genauso verfehlt, die Zulässigkeit nichtsteuerlicher Abgaben allein unter Hinweis auf den lediglich prinzipiellen Charakter des Steuerstaats zu befürworten. Der vom Steuerstaatsprinzip ausgehende Legitimationsdruck würde dann in seiner Bedeutung verkannt. Als Ergebnis läßt sich also festhalten, daß das Prinzip Steuerstaat dazu zwingt, sich mit den jeweiligen Eigenheiten einer neuen Abgabeform auseinanderzusetzen und anhand dessen zu bewerten, ob bzw. inwieweit die Finanzverfassung ihrer Erhebung entgegensteht. Grundsätzlich sind außersteuerliche Abgaben, deren gesamter Ertrag der allgemeinen Staatsfinanzierung dienen, nicht finanzverfassungswidrig.
cc) Die vorteilsausgleichende Gebühr als Abweichung vom Steuerstaatsprinzip Es wurde bereits ausgeführt, daß eine vorteilsausgleichende, nicht der Kostendeckung dienende Gebühr nur insofern eine Abweichung vom Prinzip des steuerfinanzierten Staates darstellt, als ihr Ertrag zur allgemeinen Staatsfinanzierung eingesetzt werden kann. Demgegenüber besteht in bezug auf den Abgabentatbestand keine Konkurrenz zur Steuer 383. Diese Durchbrechung des Steuerstaatsprinzips ist den soeben dargestellten allgemeinen Grundsätzen zufolge zulässig, wenn sie sachlich begründet ist und das Prinzip des Steuerstaates als solches nicht in Frage stellt, sondern dessen Identität unangetastet läßt. Die Eigenheit der vorteilsausgleichenden Gebühr, Erträge für die allgemeine Staatsfinanzierung zu erzielen, entspricht dem haushaltsrechtlichen Prinzip der Nonaffektation 384 . Dieses läuft, soweit es um nichtsteuerliche Abgaben geht, insofern eigentlich den Vorgaben der Finanzverfassung zuwider. Das Steuerstaatsprinzip verlangt nämlich, daß es der Steuer vorbehalten ist, Mittel für den allgemeinen Finanzbedarf zu gewinnen, während das Prinzip der Nonaffektation besagt, daß alle Einnahmen alle Ausgaben bestreiten sollen. Gleichwohl ist es geltendes Recht, und an keiner Stelle wird seine Vereinbarkeit mit der Finanzverfassung auch nur ansatzweise in Frage gestellt. Die allgemeine Staatsfinanzierung durch Gebühren beinhaltet daher zwar eine Abweichung vom Steuerstaatsprinzip, sie kann sich allerdings auf einen anderen Rechtsgrundsatz berufen. Das Nonaffektationsprinzip ist somit eine sachliche Erwägung, welche der Durchbrechung des Steuerstaatsprinzips zugrundeliegt. Es kommt hinzu, daß die Erhebung vorteilsausgleichender Gebühren dem Bedürfnis entspringt, eine tendenziell gleichheits- und gemeinwohlwidrigen Zustand ganz oder teil383 384
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 b aa. Vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β IV 3 b.
C. Rechtfertigung der Gebührenerhebung
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weise wieder einzuebnen. Hierauf wurde an anderer Stelle bereits ausführlich eingegangen, auf die Erörterungen sei verwiesen 385 . Auch dieser Umstand vermag die Durchbrechung des Steuerstaatsprinzips sachlich zu begründen. Problematisch ist somit allein, ob durch die Existenz einer Gebühr, deren gesamter Ertrag der allgemeinen Staatsfinanzierung zugeführt wird, das Steuerstaatsprinzip als solches in Frage gestellt und seine Identität angetastet wird. Genaueres Augenmerk verdient hier zunächst die Zielsetzung, welche dem gesetzgeberischen Handeln zugrundeliegt. Die Anforderung des Steuerstaatsprinzips lautet, es sei der Steuer vorbehalten, Mittel für den allgemeinen staatlichen Finanzbedarf zu gewinnen. Hierüber setzt sich der Gesetzgeber jedoch dann hinweg, wenn er bewußt das Ziel verfolgt, frei verfügbare Erträge durch die Erhebung außersteuerlicher Abgaben zu erwirtschaften. Das Steuerstaatsprinzip würde in seinem Kernbereich angetastet, wenn es erlaubt wäre, allein zur Deckung des allgemeinen staatlichen Finanzbedarfs gezielt Geldquellen neben der Steuer zu erschließen. Der Gesetzgeber hat nämlich kein Wahlrecht zwischen verschiedenen Abgabeformen, sondern muß, um finanzielle Mittel zu erlangen, die Steuer einsetzen. Allen anderen Abgaben liegen andere Primärziele zugrunde. Der Vorrang der Steuer verbietet es demzufolge, eine vorteilsausgleichende Gebühr vorrangig oder ausschließlich zum Zwecke der allgemeinen Staatsfinanzierung zu erheben. Diese darf also niemals gezielt Gewinne abwerfen 386 . Ein solcher Fall wäre etwa dann gegeben, wenn die Gewährung eines Vorteils nur vorgeschoben ist. Der Relation zwischen dem Wert des zugewandten Vorteils und der Höhe der Zahlung kann diesbezüglich indizielle Wirkung zukommen. Entstehen Gewinne jedoch als Nebenfolge, ist das im Hinblick auf das Steuerstaatsprinzip unschädlich. Festzuhalten ist also, daß der Kernbereich der Finanzverfassung nicht durch die bloße Existenz, wohl aber durch die gezielte Erwirtschaftung frei verwendbarer Gebührenerträge angetastet wird. Daß dieses Ergebnis auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Steuerstaatsprinzip entspricht, ist bereits dargelegt worden 387 . Von diesen Maßgaben abgesehen sind allgemeine Aussagen zur Vereinbarkeit von vorteilsausgleichenden Gebühren mit der Finanzverfassung nicht möglich. Das resultiert aus der lediglich prinzipiellen Bedeutung der Steuer-
385
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 a. So im Ergebnis auch F. Kirchhof Grundriß, Rn. 181; Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 583; Meyer, S. 160 ff (mit einer interessanten Parallele zur Zulässigkeit der Gewinnerzielung mittels öffentlicher Unternehmen). Zur Problematik, ob die absichtliche Gewinnerzielung mit Gebühren gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, s.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Ε II 2 b. 387 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 b bb (1). 386
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3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Staatslehre. Abweichungen sind nicht generell unzulässig, wo aber die Grenze der Verfassungswidrigkeit verläuft, ist letztlich eine Frage der Einzelfallbewertung. Für die hier in Rede stehende Thematik gilt: Die bloße Tatsache, daß das Gebührenaufkommen ungebunden ist, entspricht dem Nonaffektationsprinzip und stellt das Steuerstaatsprinzip daher als solches nicht in Frage, sondern läßt dessen Identität unberührt. Zweifelhaft kann allenfalls sein, wie hoch der Gebührenertrag, welcher der allgemeinen Staatsfinanzierung zugeführt wird, sein darf, ohne daß ein apokryphes Finanzsystem etabliert wird und dadurch das Steuerstaatsprinzip insgesamt ins Wanken gerät. Das führt zur Frage, wie groß der legitime Einsatzbereich vorteilsausgleichender Gebühren ist. Diese Problematik kann jedoch nicht pauschal beurteilt werden. Einschränkungen mögen sich aus den jeweiligen Eigenheiten der verschiedenen denkbaren Formen vorteilsausgleichender Gebühren ergeben. So kann es ζ. B. aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen geboten sein, an die Art des zugewandten Vorteils besondere Anforderungen zu stellen, weil ansonsten das Prinzip des steuerfinanzierten Staates generell in Frage gestellt würde. In diesem Zusammenhang spielen durchaus auch quantitative Erwägungen eine Rolle, denn wenn der Kreis gebührenfähiger Vorteile besonders groß wäre, würden die Möglichkeiten des Staates, Erträge zu erzielen, wachsen und der rechtlich zulässige Bereich des Gebührenrechts könnte in ein verfassungswidriges apokryphes Finanzsystem umschlagen. Insofern ist aber immer eine Einzelfallbewertung notwendig, wobei der entscheidende Maßstab die Frage sein wird, welches Gewicht der konkret in Rede stehende Vorteil gegenüber dem Steuerstaatsprinzip besitzt und wie groß der Einsatzbereich der Gebühr ist. In jedem Fall ist zu beachten, daß eine Gebühr nicht voraussetzungslos geschuldet wird, wodurch die Gefahr, daß sie mit dem Steuerstaatsprinzip in Konflikt gerät, wesentlich verringert wird. Auf all das ist an gegebener Stelle näher einzugehen, insbesondere was die Problematik angeht, worin die vorteilhafte Staatsleistung genau bestehen muß, damit eine Verleihungsgebühr erhoben werden darf. Auch die im Rahmen dieser Arbeit zu behandelnde Verleihungsgebühr ist, wie noch zu zeigen sein wird, eine Unterart der vorteilsausgleichenden Gebühr. Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Erhebung dieser besonderen Gebührenform vor dem Steuerstaatsprinzip gerechtfertigt werden kann, bedarf einer gesonderten ausführlichen Bewertung 388 . Im hier gegebenen, das allgemeine Gebührenrecht betreffenden Zusammenhang genügt die zusammenfassende Feststellung, daß es nicht gegen finanzverfassungsrechtliche Vorgaben verstößt, wenn eine Ge-
388
Daß die Frage, ob die Erhebung einer Gebühr gerechtfertigt ist, typischerweise eine Wertungsfrage darstellt, wurde oben bereits erörtert (s.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III 3). '
D. Gebührenbemessungsprinzipien
159
bührenart existiert, deren gesamtes Aufkommen zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben eingesetzt werden kann. Eine Gebühr, die nicht auf staatlicherseits entstandene Kosten, sondern allein auf beim Gebührenschuldner entstandene Vorteile Bezug nimmt, ist somit als solche vor der Finanzverfassung gerechtfertigt. Denkbar ist lediglich, daß das Steuerstaatsprinzip die Erhebung bestimmter vorteilsausgleichender Gebühren nur unter besonderen Voraussetzungen zuläßt; diese Gebührenart ist aber jedenfalls nicht von vornherein finanzverfassungswidrig.
c) Ergebnis Der Rechtfertigungsgedanke des Vorteilsausgleichs hat vor den Grundrechten des einzelnen Gebührenschuldners und vor der grundgesetzlichen Finanzverfassung Bestand. Eine Gebühr, die einen Ausgleich staatlicherseits zugewandter Vorteile herbeiführen will, ist ebenso wie eine kostenüberwälzende Gebühr gerechtfertigt. Zu betonen ist, daß die Rechtfertigungsgründe des Vorteilsausgleichs und der Kostenverantwortlichkeit völlig unabhängig voneinander bestehen. Es genügt, wenn sich die Gebührenerhebung auf den einen oder auf den anderen Grund stützen kann. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß andere Gesichtspunkte als die beiden genannten die Erhebung einer Gebühr nicht zu legitimieren vermögen. Dies gilt insbesondere für den Lenkungszweck, der selbst keine Rechtfertigung der Gebühr darstellt, sondern als zusätzliche Freiheitsbeschränkung seinerseits der Rechtfertigung bedarf 89 .
D. Gebührenbemessungsprinzipien Es wurde bereits gezeigt, daß zwischen dem Begriff der Gebühr und deren Bemessungsprinzipien zu trennen ist 390 . Im folgenden ist darzustellen, welchen Bemessungsprinzipien die Gebühr unterliegt. In Betracht kommen der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das Äquivalenzprinzip und das Kostendeckungsprinzip.
389 390
Murswiek, S. 63 (insofern mißverständlich jedoch auf S. 93). S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III.
160
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
I. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Äquivalenzprinzip In Rechtsprechung und Literatur wird die Problematik angesprochen, daß die Gebührenbemessung denjenigen Anforderungen unterliegen könnte, die der allgemeine verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an jegliche Form belastenden Staatshandelns stellt. Des weiteren wird erörtert, ob ein Prinzip äquivalenter Gebührenbemessung anzuerkennen ist. Da beide Themenbereiche, wie gezeigt werden wird, sachlich eng miteinander verknüpft sind, seien sie im folgenden Abschnitt gemeinsam abgehandelt.
1. Begriff des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Die Auferlegung von Gebühren für eine hoheitliche Leistung stellt aus der Sicht des Gebührenschuldners einen Belastungstatbestand finanzieller Art dar. Genauso wie jede andere belastende391 Staatstätigkeit unterliegen auch derartige finanzielle Belastungen dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 392 . Dieser besagt, daß das staatliche Handeln einen legitimen Zweck zu verfolgen hat, des weiteren muß es geeignet, erforderlich und angemessen sein, um diesen Zweck zu erfüllen 393 . Die Frage der Angemessenheit staatlicher Maßnahmen ist auf der letzten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung angesiedelt. Hier ist zu prüfen, ob eine Maßnahme außer Verhältnis zu den mit ihr verbundenen Nachteilen steht; anhand einer Zweck-Mittel-Relation muß über ihre Angemessenheit oder Unangemessenheit entschieden werden 394 . Es kommt an dieser Stelle zu einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung 395. Speziell für den Bereich des Gebührenrechts gilt demnach, daß alle mit einer Gebührenregelung verfolgten, verfassungsrechtlich zulässigen Zwecke als Abwägungsfaktoren in die Verhältnismäßigkeitsbetrachtung einzubeziehen sind 396 . Was die Herleitung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angeht, schwankt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Sowohl die Grundrechte als auch das Rechtsstaatsprinzip wurden bisher als Begründung herangezo-
391
Es dürfte aber wohl zutreffen, jede staatliche Maßnahme als prinzipiell begrenzt anzusehen, vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 20 VII Rn. 71; Stern, § 20 IV 7 a) m.w.N. 392 BVerfGE 50,217(227). 393
Vgl. Herzog, in: Maunz/Dür ig/Herzog/Scholz,
Art. 20 V I I Rn. 73 ff; Stern, § 20
IV 7 a), e). 394
395 396
Stern, § 20 IV 7 e).
Ausf. dazu etwa Wendt, AöR 104 (1979), S. 452 ff. BVerfGE 50,217(227).
D. Gebührenbemessungsprinzipien
161
gen 397 . Für letzteres mag sprechen, daß der Grundgedanke des Verhältnismäßigkeitsprinzips, staatliche Gewalt zu binden, auch jenseits der Freiheitsrechte des einzelnen seine Berechtigung hat 398 . Seine individualschützende Bedeutung erlangt es jedoch erst im Zusammenhang mit den Grundrechten des einzelnen 399 . Eine belastende Staatshandlung ist nicht rechtswidrig, wenn und weil sie unverhältnismäßig ist, vielmehr liegt der genaue Anknüpfungspunkt fur den Rechtswidrigkeitsvorwurf darin, daß unverhältnismäßig in Grundrechtspositionen eingegriffen wurde. Die Rechtswidrigkeit folgt also letztendlich aus dem Grundrechts verstoß. Für den Bereich der Belastung durch Abgaben bedeutet dies, daß eine unverhältnismäßige finanzielle Belastung nur dann vom Abgabenschuldner als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig gerügt werden kann, wenn ihn ein Grundrecht vor der Auferlegung von Geldleistungen schützt. Innerhalb von Rechtsprechung und Wissenschaft wird unterschiedlich beurteilt, auf welches Grundrecht sich der einzelne hinsichtlich der Abwehr finanzieller Belastungen berufen kann. Das Bundesverfassungsgericht vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten nicht berührt werde. Nur wenn eine solche Pflicht den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde, komme eine andere Entscheidung in Betracht 400 . Vor der Gebührenbelastung würde dann nur das Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG schützen 401 . Demgegenüber sieht eine in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertretene Meinung das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG als einschlägig an, wenn es um Eingriffe in das private Geldvermögen geht 402 . Dieser Auffassung ist wohl im Ergebnis zuzustimmen, denn die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entbehrt der gedanklichen Stringenz. Es ist nicht einzusehen, warum eine finanzielle Belastung erst dann den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts berühren soll, wenn sie übermäßig ist. Ob der Schutzbereich eines Grundrechts einschlägig ist, kann nicht vom
397
Vgl. BVerfGE 19, 342 (348 f) einerseits und BVerfGE 23, 127 (133) andererseits.
398
So Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz,
399
Art. 20 V I I Rn. 72.
Vgl. Wendt, AöR 104 (1979), S. 416 f. 400 BVerfGE 78, 214 (230) m.w.N.; speziell zum Gebührenrecht BVerfGE 91, 207 (220). Neuere Tendenzen jedoch bei BVerfG, NJW 1995, 2615 (2617), - ob sich diese verfestigen, bleibt abzuwarten. 401 Vgl. BVerfGE 29, 402 (408); 42, 223 (227) sowie speziell zum Gebührenrecht BVerfGE 91, 207 (221); so auch Papier, S. 46 f; Wilke, S. 307 ff; 311 ff. 402 S. nur P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 86 ff m.w.N. Differenzierend Wieland, WUR 1991, 132: Art. 14 GG schütze nur gegen Sonderlasten, nicht aber gegen Gemeinlasten. 11 Heimlich
162
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Ausmaß des belastenden Eingriffs abhängig gemacht werden. Es erscheint daher konsequent, jede Art finanzieller Belastungen an Art. 14 Abs. 1 GG zu messen 403 . Letztendlich ist aber dieser Streit für den vorliegenden Zusammenhang nicht weiter relevant. Anerkannt ist nämlich, daß ein grundrechtlicher Schutz gegen die Auferlegung von Geldleistungen besteht. Im Rahmen der Prüfung, ob das als einschlägig angesehene Grundrecht verletzt ist, muß daher auf jeden Fall eine Verhältnismäßigkeitskontrolle vorgenommen werden 404 . Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Bereich des Abgabenrechts ist also nicht von vornherein ausgeschlossen405. Zwar mag er, inbesondere was die grundsätzlich zweckoffene Steuer anbetrifft, von geringer Effektivität sein. Allerdings führt eine eventuelle mangelnde Wirksamkeit allein nicht dazu, seine Geltung zu verneinen 406 . Ob nicht aber andere, speziell gebührenrechtliche Erwägungen gegen seine Geltung sprechen, ist an späterer Stelle ausführlich zu behandeln 407 .
2. Begriff des Äquivalenzprinzips Das Äquivalenzprinzip enthält eine Aussage darüber, wie die Gebühr im Verhältnis zur staatlicherseits erbrachten Leistung zu bemessen ist. Innerhalb der Rechtsprechung von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht werden unterschiedliche Standpunkte eingenommen. So versteht das Bundes-
403
Ein Versuch, dieses Ergebnis mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Einklang zu bringen, findet sich bei P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 93. 404 Es soll hier der These nicht weiter nachgegangen werden, wonach das Übermaßverbot im Grundrechtsbereich nur abgestuft wirke und namentlich im Rahmen der Art. 2 Abs. 1,14 Abs. 1 GG keinerlei Wirkung entfalte (so Lerche, S. 140 ff, 147 f). Festzuhalten ist an dieser Stelle nur, daß sich eine solche Auffassung nicht hat durchsetzen können (s. ζ. B. die Kritik von Wendt, AöR 104 (1979), S. 450 ff). Insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den o.g. Grundrechten wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz immer herangezogen, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, vgl. Gentz, NJW 1968, 1601; Grabitz, AöR 98 (1973), S. 590 ff, 597 ff; jeweils m.w.N. 405 Das ist unstreitig, s. F. Kirchhof Gebühr, S. 55; ders., Grundriß, Rn. 175 f; P. Kirchhof Jura 1983, 512; Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 254; Rogosch, KStZ 1988, 2; Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 98 f; Wendt, S. 142 ff; Wieland,
S. 309 f; Wilke,
S. 301 ff.
Kloepfer a.a.O. verwendet durchgängig den Terminus „Übermaßverbot", beides kann aber (zumindest im hier interessierenden Zusammenhang) gleichgesetzt werden, vgl. Gentz, NJW 1968, 1601; Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz,
Lerche, S. 21; Stern, § 20 IV 7 a); Wendt, AöR 104 (1979), S. 415. 406 Ausf. zu diesem Gedanken Papier, S. 75 ff, 114 f. 407 S. u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 3.
Art. 20 V I I Rn. 73;
D. Gebührenbemessungsprinzipien
163
Verfassungsgericht das Äquivalenzprinzip als Verbot eines Mißverhältnisses zwischen Gebühr und Leistung 408 , während das Bundesverwaltungsgericht den Gebotscharakter dieses Prinzips betont: Es verlange, daß das Verhältnis von Gebühr und Leistung für den Empfänger angemessen sein müsse409. Letztendlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob dem Äquivalenzprinzip eher Verbots· oder eher Gebotscharakter zukommt 410 . Einigkeit besteht nämlich innerhalb der Rechtsprechung darüber, daß eine Gebührenforderung erst dann rechtswidrig ist, wenn Gebühr und Leistung außer Verhältnis stehen, nur eine solches MißVerhältnis wird durch das Äquivalenzprinzip ausgeschlossen411. Des weiteren ist anerkannt, daß nur eine gröbliche Verletzung gerichtlich sanktioniert wird 412 . Das Äquivalenzprinzip kann somit als Rechtswidrigkeitsmaßstab, durch den die Angemessenheit der Gebührenhöhe sichergestellt wird, begriffen werden 413 .
408
BVerfGE 20, 257 (270). BVerwGE 5, 136 (141); 12, 162 (166); 26, 305 (308 f); BVerwG, Buchholz 401.8 Nr. 16. Ausf. zur Entwicklung des Äquivalenzprinzip in der Rechtsprechung Wilke, S. 244 ff. 410 So auch Wilke, S. 253 f. 411 BVerwGE 26, 305 (308 f). 412 BVerwGE 12, 162(166). 413 Ähnlich Wilke, S. 256: „Das von der Rechtsprechung ausgebildete Äquivalenzprinzip kann als ein an den Gebührengesetzgeber gerichtetes Gebot bezeichnet werden, zwischen der Leistung oder ihrem Wert und der erhobenen Gebühr ein Verhältnis herzustellen, das eine unangemessene Belastung der Gebührenschuldner vermeidet." Schon das Preußische Oberverwaltungsgericht verlangte, daß zwischen Leistung und Gegenleistung ein gewisses Gleichgewicht erkennbar sein muß (PrOVGE 49, 85 (87); 51, 56 (61); 53, 96 (97) und öfter). Das Äquivalenzprinzip schränkt also die Möglichkeit des Staates, Gebühren zu erheben, hinsichtlich deren Höhe ein. Warum ein so zu verstehendes Äquivalenzprinzip mit der grundgesetzlichen Finanzverfassung in Konflikt kommen können soll, wie es von Horn (S. 136 ff) breit problematisiert wird, bleibt vollständig im Dunkeln. Diese könnte allenfalls dann tangiert werden, wenn man eine Begrenzung der Gebührenerhebung durch das Äquivalenzprinzip gerade nicht anerkennen würde. Eine ganz andere Frage ist es, ob die Finanzverfassung die gebührenimmanente Geltung des Kostendeckungsprinzips fordert (vgl. Horn, S. 136, der beide Probleme offenbar miteinander vermengt). Zu beachten ist schließlich noch, daß die finanzwissenschaftliche Begriffsbildung nicht mit der juristischen übereinstimmt, vgl. Bohley, S. 103 ff, inbes. S. 122. 409
164
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
3. Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
im Gebührenrecht
Wie oben bereits ausgeführt, stehen der Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Gebührenrecht keine grundsätzlichen Erwägungen entgegen414. Eine Einschränkung macht jedoch Ferdinand Kirchhof. Er geht davon aus, daß die Gebühr eine freies Instrument staatlicher Tätigkeit ist und infolgedessen als solche keinen bestimmten Zweck verfolgt. Die Festlegung eines Gebührenzweckes geschehe vielmehr erst durch den einfachen Gebührengesetzgeber. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlange aber nach einer Zweck-MittelAbwägung. Weil der Gebühr ein Zweck nicht von vornherein immanent sei, könne der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erst dann angewandt werden, wenn der einfache Gesetzgeber diesbezüglich tätig geworden sei. Erst die gesetzgeberische Festlegung eines Gebührenzwecks ermögliche eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne einer Zweck-Mittel-Relation. Der Autor schließt daraus, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwar die Gebührenbemessung bestimme, allerdings kein eigenständiges Bemessungsprinzip mit Verfassungsrang darstelle, sondern nur nach gesetzgeberischer Festlegung eines Gebührenzwekkes gelten könne 415 . Hieran ist sicherlich richtig, die Gebühr als ein abgabenrechtliches Instrument zu begreifen, das einer Fülle von legitimen Zwecken offensteht und die verschiedensten Funktionen besitzen kann 416 . Insofern ist die Bezeichnung der Gebühr als „freies Instrument staatlicher Tätigkeit" 417 eine treffende Charakterisierung, wenn hiermit ihre äußerst flexible Einsetzbarkeit angesprochen werden soll. Allerdings ist es falsch, daraus auf die Zweckfreiheit der Gebühr zu schließen. Denn zum einen verfolgt jede Gebühr als öffentliche Abgabe den Zweck, ein Finanzaufkommen zu erzielen 418. Zum anderen stellt die Gebühr die Gegenleistung für eine vom Staat erbrachte Leistung dar und ist dadurch schon begriffsnotwendig darauf angelegt, diese Leistung zu entgelten. Jede Gebühr verfolgt daher von vornherein den Zweck, Entgelt zu sein 419 . Anhand dessen kann geprüft werden, ob die Zweck-Mittel-Relation von der Gebührenhöhe 414
S. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D i l .
415
F. Kirchhof,
Gebühr, S. 54 f, 80 ff; ders., Grundriß, Rn. 175 f; ders., DVB1. 1987,
559; ihm folgend Horn, S. 147 Fußn. 1. 416 Ausf. dazu unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt E. 417 F. Kirchhof Gebühr, S. 55. 418 Murswiek, S. 53; vgl. o. 1. Teil, Gliederungsabschnitt A. 419 Unzutreffend und verkürzend aber Murswiek, S. 53, 68, wonach jede Gebühr als Vorzugslast zumindest den Zweck verfolge, einen Sondervorteil auszugleichen. Hier wird nicht beachtet, daß eine Gebühr auch der Überwälzung provozierter Kosten dienen kann (s.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II), so daß der Vorteilsausgleichszweck nicht notwendigerweise zum Tragen kommen muß.
D. Gebührenbemessungsprinzipien
165
gewahrt ist. Das ist dann der Fall, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen ist, den ihr innewohnenden Entgeltzweck zu erfüllen 420 . Auch wenn ein solcher Maßstab praktisch wenig geeignet erscheinen mag, die staatliche Gebührengewalt zu bändigen, so ist seine Anwendung jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Ferdinand Kirchhof setzt jedoch Zweck Offenheit und Zweckfreiheit unzulässigerweise gleich. Eine Gebühr steht zwar offen für viele Zwecke, zweckfrei ist sie aber nicht. Ihr Begriff, der ihren Charakter als öffentlich-rechtliche Abgabe sowie ihre Entgelteigenschaft beinhaltet, legt sie nämlich zwingend auf die genannten beiden Zwecke fest. Im übrigen ist folgendes zu beachten: Die Auffassung, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz könne erst nach Festlegung eines Gebührenzwecks durch den einfachen Gesetzgeber Anwendung finden, würde die Geltung eines Verfassungsgrundsatzes vom Willen des verfassungsunterworfenen Gesetzgebers abhängig machen. Es würde nicht der Tatsache Rechnung getragen, daß das Verfassungsgebot verhältnismäßigen Staatshandelns dem einfachen Gebührenrecht vorgelagert ist und von außen an dieses herangetragen wird. Selbstverständlich ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nur dann möglich, wenn ein bestimmter Zweck der Gebührenerhebung zugrundeliegt 421. Weil aber der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz a priori für das gesamte Gebührenrecht gilt, würde er den Gebührengesetzgeber dazu zwingen, einen Gebührenzweck festzulegen, ginge man mit F. Kirchhof von der „Zweckoffenheit" der Gebühr, die richtigerweise eine Zwzokfreiheit wäre, aus. Die Gebührengesetzgebung ist also dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterworfen, nicht aber hängt die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von der Gebührengesetzgebung ab. Letzteres wäre eine verfassungswidrige Umkehrung der Beziehung von Gebührenrecht und Grundgesetz. Eine zweckfreie Gebühr ist daher nicht denkbar. Aus alledem folgt, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für den gesamten Bereich des Gebührenwesens von vornherein und nicht erst nach entsprechendem gesetzgeberischen Tätigwerden gilt 422 .
420 Ähnlich auch Wieland, S. 310. Er stellt jedoch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung allein darauf ab, ob die Gebühr „geeignet und erforderlich ist, um den Wert der besonderen staatlichen Leistung abzugleichen" (Herv. v. Verf.). Hier wird jedoch verkannt, daß die Gebühr nicht nur ein Mittel des Vorteilsausgleichs sein kann, sondern auch die Überwälzung provozierter Kosten ermöglicht (vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C H 1). Der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne mißt Wieland keine hohe Bedeutung bei, weil schwer vorstellbar sei, „daß eine Gebühr in Höhe des Vermögenswertes einer Sonderleistung der öffentlichen Hand für den Zahlungspflichtigen unzumutbar sein sollte" (a.a.O.). 421
422
Das ist unstreitig, vgl. Wendt, S. 140 ff; Wieland, S. 309; Wilke, S. 266, 302 ff.
So auch BVerfGE 50, 217 (227); BVerfG, NJW 1973, 451 (452); OVG Hamburg, DVB1. 1953, 631 (633); P. Kirchhof, Jura 1983, 512; Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 254;
166
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
4. Geltung des Äquivalenzprinzips im Gebührenrecht Die Frage, ob neben dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch das Äquivalenzprinzip für den Bereich des Gebührenrechts gilt, ist, wie zu zeigen sein wird, eng mit dessen Herleitung 423 verknüpft.
a) Positionen innerhalb der Rechtsprechung Anfänglich vertrat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, daß das Äquivalenzprinzip aus „dem Wesen der Gebühr als einer Gegenleistung für eine besondere Leistung der öffentlichen Hand" abzuleiten und ihr wesensimmanent sei 424 . In nunmehr ständiger Rechtsprechung sieht das Gericht das Äquivalenzprinzip jetzt als gebührenrechtliche Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit an 425 . Eine nähere Begründung für diese These fehlt jedoch 426 . In einer Entscheidung aus jüngerer Zeit verzichtet das Gericht sogar völlig darauf, das Äquivalenzprinzip zu erwähnen, und unterwirft
Papier, S. 115 f; Rogosch, KStZ 1988, 2; Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 98 f; Wendt, S. 142 ff; Wieland, S. 309 f; Wilke, S. 301 ff. 423
Zu Versuchen, das Äquivalenzprinzip aus einem einheitlichen Gebührenbegriff, einem absoluten Schenkungsverbot, dem Gleichheitssatz oder Gewohnheitsrecht abzuleiten, s. F. Kirchhof, Gebühr, S. 80 f m.w.N. Diese Ansätze können jedoch im hier gegebenen Zusammenhang vernachlässigt werden. 424 BVerwGE 12, 162 (166); vgl. auch BVerwGE 13, 214 (222); 28, 36 (49); 29, 214 (215); BayVGH, BayVBl. 1971, 387 >388); OVG Lüneburg, OVGE 25, 487 (488). So auch BVerfGE 20, 257 (270) und BGHZ 98, 115 (121 f); BGH LM PostverwG Nr. 2. Daß es einen logischen Widerspruch darstellt, ein Prinzip aus dem „Wesen" abzuleiten und zugleich von dessen „Wesensimmanenz" zu sprechen, sei hier nur am Rande bemerkt. Des weiteren soll vorliegend nicht vertieft werden, daß und warum eine Deduktion aus dem „Wesen" eines Rechtsinstituts ohnehin der Überzeugungskraft entbehrt, ausf. dazu Scheuerle, AcP 163 (1964), S. 429 ff, 450 ff. Zu Recht kritisch zur älteren Rechtsprechung auch Bettermann, S. 46 f; Wilke, S. 244 ff. 425 BVerwGE 26, 305 (309); 79, 90 (91); 80, 36 (39); BVerwG, Buchholz 445.5 § 47 Nr. 1; BVerwG, NJW 1973, 726; NVwZ 1986, 483 (484); 1989, 557 (559). So ζ. B. auch VGH Kassel, NVwZ-RR 1995, 109 (110). Bemerkenswert ist, daß schon die Entscheidung BVerwGE 2, 246 (249) das Gebot eines „richtigen Verhältnisses" zwischen Gebühr und Leistung aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ableitete, ohne aber den Begriff des Äquivalenzprinzip zu erwähnen. 426
Wieland, S. 308 f.
D. Gebührenbemessungsprinzipien
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die Gebührengesetzgebung lediglich dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 427. Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Thematik noch nicht Stellung genommen. In einer frühen Entscheidung hat es das Äquivalenzprinzip als dem Gebührenbegriff immanent anerkannt, ohne aber den Gedanken auch nur ansatzweise zu vertiefen 428. Später hat es ausdrücklich offengelassen, ob das Äquivalenzprinzip Verfassungsrang besitzt und ob die gegen seine Geltung von der Literatur vorgebrachten Bedenken durchgreifen 429. In einer neueren Entscheidung zieht es allein den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Prüfungsmaßstab einer Gebührenregelung heran 430. Aus der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen Herleitung des Äquivalenzprinzips ergibt sich, daß dieser Bemessungsgrundsatz von vornherein auf das gesamte Gebiet des Gebührenrechts Anwendung findet. Denn wenn man es als Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes begreift, teilt es auch dessen normative Kraft, die sich auf jede Art der Gebühr erstreckt 431. Allerdings zwingt die Herleitung des Äquivalenzprinzips aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu einer Präzisierung der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung: Es kann nicht (mehr) von einer gebühren/wwanenten Geltung 432 die Rede sein, weil der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (und damit auch dessen Ausprägung als Äquivalenzprinzip) von außen, nämlich von der Verfassung, an das Gebührenrecht herangetragen wird. Denn das gesamte belastende Staatshandeln ist an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden, nicht nur die finanzielle Belastung durch die Gebührenerhebung. Es ist daher präziser, das Gebührenrecht als dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterworfen zu bezeichnen. Dieser Grundsatz gilt für das Gebührenrecht nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts also in seiner speziellen Form des Äquivalenzprinzips.
427
BVerwGE 95, 188 (202). BVerfGE 20, 257 (270). 429 BVerfGE 50,217(233). 430 BVerfGE 91, 207 (222). 431 Vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 3. 432 So aber BVerwGE 28, 36 (49) sowie BVerfGE 20, 257 (270). Entsprechend auch BVerwGE 13, 214 (222); 29, 214 (215), wonach das Äquivalenzprinzip zum Wesen der Gebühr gehört. 428
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3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
b) In der Literatur vertretene Positionen Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erhält von zahlreichen Autoren der Literatur Zustimmung 433 , ihr wird jedoch auch entschieden entgegengetreten.
aa) Ablehnung von Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
und Äquivalenzprinzip
Ferdinand Kirchof bestreitet sowohl die generelle Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als auch diejenige des Äquivalenzprinzips, beide könnten nur nach entsprechender Anordnung des Gebührengesetzgebers gelten 434 . Sein Standpunkt ist konsequent, denn wenn schon abgelehnt wird, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz von vornherein für das Gebührenrecht gilt, muß man auch dessen Ausprägung als Äquivalenzprinzip verneinen. Es wurde allerdings bereits gezeigt, daß das Gebührenrecht dem a priori geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterworfen ist 435 . Darüber hinaus kritisiert F. Kirchhof noch, daß das Äquivalenzprinzip vorschnell den Umfang der staatlichen Leistung zum die Gebührenbemessung beherrschenden Moment erkläre, „obwohl das verfassungsrechtliche Sachlichkeitsgebot nur verlangt, diesen Gesichtspunkt als einen unter vielen nicht gänzlich außer acht zu lassen". Insbesondere Lenkungsgebühren würden nicht leistungsbezogen erhoben, gleichwohl sei ihre über- oder unteräquivalente Bemessung durch den verfolgten Lenkungszweck sachlich gerechtfertigt 436. F. Kirchhof sieht wohl letztlich die
433
So ζ. Β. P. Kirchhof, Jura 1983, 512, der das Äquivalenzprinzip als Verdeutlichung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ansieht. Auch Wieland, S. 307 ff, 317, 319 befürwortet die Geltung des Äquivalenzprinzips und sieht eine Verbindung zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Auf die genaue Beziehung zwischen beiden wird aber nicht eingegangen. Vogel (in: Festschrift für Geiger, S. 534 f; ders., in: HStR IV, § 87 Rn. 99) differenziert dahingehend, daß die Gebührenbemessung nach dem Äquivalenzprinzip nur für diejenige Gebühr gelte, die den Ausgleich von zugewandten Vorteilen bezweckt, nicht aber unterliege die kostenüberwälzende Gebühr diesem Bemessungsprinzip (vgl. zum hier zugrundeliegenden doppelgliedrigen Gebührenbegriff oben 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 3; ähnlich wie Vogel auch Murswiek, S 78 ff, 83). Bettermann, S. 52, mißt dem Äquivalenzprinzip gewohnheitsrechtliche Geltung zu, was aber angesichts der Tatsache, daß seine gebührenimmanente Geltung nach wie vor umstritten ist, nicht richtig sein kann. Nach A. Weber, S. 128, beruhe das Äquivalenzprinzip auf dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und sei daher in Art. 20 Abs. 3 GG verankert. 434 F. Kirchhof, Gebühr, S. 54 ff, 80 f; vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 3. 435 S. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 3. 436 F. Kirchhof Grundriß, Rn. 175 f.
D. Gebührenbemessungsprinzipien
169
Gefahr, daß vor dem Äquivalenzprinzip als einziger Sachgrund der Gebührenbemessung nur noch diejenige nach dem Leistungsumfang Bestand haben kann und somit insbesondere die Erhebung von Lenkungsgebühren wesentlich erschwert wird. Hierbei geht er davon aus, daß das Äquivalenzprinzip von der Rechtsprechung unter Berufung auf das Übermaßverbot und auf den Gleichheitssatz als verfassungsrechtlich geboten angesehen wird 437 . Das ist jedoch nicht richtig. Die vom Autor angeführten Rechtsprechungsnachweise vermögen die Ausführungen allesamt nicht zu tragen, denn dort wird das Äquivalenzprinzip allein aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleitet. Die Rechtsprechung trennt vielmehr deutlich zwischen Äquivalenzprinzip und Gleichheitssatz438. Ferdinand Kirchhofs Befürchtung, die Geltung des Äquivalenzprinzips könne zu einer Beschränkung von sachlichen Gründen der Gebührenerhebung führen, übersieht die Tatsache, daß äquivalente Gebührenbemessung und willkürfreie Gebührenerhebung verschiedene Bereiche betreffen. Genauso wie im Rahmen der allgemeinen Grundrechtsdogmatik ist im Gebührenrecht zwischen dem Verhältnismäßigkeits- bzw. Äquivalenzgebot und dem Willkürverbot zu trennen 439. Ersteres ist vom Staat zu beachten, wenn er die Ausübung grundrechtlicher Freiheiten beschränken will, letzteres ist Ausfluß des ihn bindenden Gleichheitssatzes. Freiheitsrechte und Gleichheitsrechte sind jedoch vom Ansatz her verschieden. Für das Gebührenrecht ergibt sich daraus, daß eine Gebühr aus vielerlei Sachgründen erhoben werden und daher vor dem Gleichheitssatz Bestand haben kann. Zusätzlich ist aber noch zu prüfen, ob eine willkürfrei erhobene Gebühr auch verhältnismäßig (bzw. äquivalent) bemessen worden ist. In der Argumentation F. Kirchhofs werden beide Problemkomplexe unzulässig miteinander vermengt. Das Gebot äquivalenter Gebührenbemessung führt somit nicht zu einer Beschränkung des Kreises legitimer Gebührenzwekke, insbesondere was Lenkungszwecke angeht440. Die Thesen Ferdinand Kirchhofs sind daher abzulehnen.
437 Vgl. F. Kirchhof, Grundriß, Rn. 175 in und bei Fußn. 492. So auch schon ders., DVB1. 1987,559. 438 Besonders deutlich BVerwG, NVwZ 1986, 484, aber auch BVerfGE 50, 217 (227, 233); BVerwG, DVB1. 1971, 180 (182). 439
440
Vgl. Lerche, S. 224 f.
Dasselbe soll sogar für das Gebot kostendeckend zu bemessender umweltrechtlicher Lenkungsgebühren gelten, vgl. Chr. Müller, S. 144 f.
170
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
bb) Anerkennung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Ablehnung des Äquivalenzprinzips
bei gleichzeitiger
Einige Stimmen der Literatur befürworten zwar die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für das Gebührenrecht, das Erfordernis äquivalenter Gebührenbemessung erkennen sie aber nicht an. Begründet wird die Ablehnung des Äquivalenzprinzips mit dem Hinweis darauf, daß es keinen einheitlichen, verfassungsrechtlich bindenden Gebührenbegriff gebe, vielmehr seien Wesen und Begriff der Gebühr von jeher unklar 441 . Diese zutreffende Feststellung muß aber nicht notwendigerweise zur Ablehnung des Äquivalenzprinzips fuhren, denn das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner neueren ständigen Rechtsprechung davon Abstand genommen, dieses Prinzip aus Wesen oder Begriff der Gebühr abzuleiten. Es wird nunmehr als Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angesehen442. Der Einwand läuft daher von vornherein leer. Des weiteren wird vorgebracht, daß der allgemeine Entgeltcharakter der Gebühr keine Aussage hinsichtlich ihrer Bemessung zulasse 443 . Eine ausfuhrliche Auseinandersetzung mit dem Äquivalenzprinzip findet sich bei Wilke. Seine Kritik bezieht sich im wesentlichen auf zwei Gesichtspunkte 444 . Zum einen sei das Äquivalenzprinzip sachlich leer und unkonkret, so daß seine Anwendung willkürlich werde 445 . Dies folge aus dem Versäumnis der Rechtsprechung, nähere Merkmale zu nennen, die Auskunft darüber geben, wann genau ein angemessenes Verhältnis zwischen Gebühr und Leistung vorliegt. Es würden weder legitime Gebührenzwecke genannt, die im Rahmen der Zweck-Mittel-Relation angewendet werden können, noch hätten die Gerichte konkrete Abwägungsfaktoren erarbeitet, nach denen die Abwägung zu erfolgen hat. Das bloße Abstellen auf die Leistung bzw. deren Wert sei nicht ausreichend, vielmehr bedürfe es eines „komplizierten Abwägungsschemas"446, das Inhalt und Wirkung der Gebührenerhebung sowie Nutzen und Schaden bei Staat und Bürger umfassend berücksichtigt 447. Zum anderen kritisiert Wilke, daß dem Äquivalenzprinzip die Wirksamkeit fehle, die staatliche Gebührengewalt zu bändigen. Das hänge zunächst damit zusammen, daß eine Verletzung dieses Prinzips nur dann anerkannt werde, wenn diese gröblich ist. Des weite-
441
442
Kloepfer,
AöR 97 (1972), S. 252; Wilke, S. 261 f.
S. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 4 a. 443 Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 252 f (ohne nähere Begründung). 444 Vgl. die Zusammenfassung von Wilke selbst auf S. 302. 445 Ähnlich Hamann, DB 1963, 265: Das Äquivalenzprinzip biete keinen rechtsstaatlich einwandfreien Bemessungsmaßstab, weil unsicher sei, wann Angemessenheit besteht. 446 447
Wilke, S. 268. Wilke, S. 262, 266 ff.
D. Gebührenbemessungsprinzipien
171
ren beruhe die fehlende Wirksamkeit darauf, daß die Kosten der Staatsleistung im Rahmen der Äquivalenzprüfung unberücksichtigt blieben, sie könnten sogar mehrfach überschritten werden, ohne daß ein Verstoß angenommen werde. Die von der Rechtsprechung verwendeten Wertmaßstäbe hätten jedoch keine höhere Sachgemäßheit als Kostenmaßstäbe. Die einseitige Betonung von Wertmaßstäben würde bei nachteiligen, wertneutralen oder nicht quantifizierbaren Staatsleistungen versagen 448.
c) Die rechtliche Identität von Äquivalenzprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Der soeben dargestellten Kritik ist zuzugeben, daß die Rechtsprechung bei der Anwendung des Äquivalenzprinzips bisher ohne genaue Abwägungsmaßstäbe gearbeitet hat. Zwar waren die Ergebnisse im wesentlichen durchaus vertretbar 449, die dogmatische Herleitung blieb jedoch im dunkeln. Daß dies aber die Geltung des Äquivalenzprinzips von vornherein ausschließen soll, ist nicht einzusehen. Die unbestreitbare tatbestandliche Offenheit des Äquivalenzprinzips in die Nähe der Willkür zu rücken, ist selbst willkürlich. Genauso könnte man nämlich die relative Unbestimmtheit des Äquivalenzprinzips als Ausdruck großer gebührengesetzlicher Flexibilität ansehen. Ein hoher Abstraktionsgrad allein vermag dieses Prinzip also nicht notwendigerweise in Frage zu stellen. Allerdings wäre es in der Tat wünschenswert, wenn die Rechtsprechung dahin kommen würde, genaue Abwägungskriterien zu erarbeiten. Die gerichtlichen Entscheidungen zum Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB können hier Vorbild sein. Der Einwand, dem Äquivalenzprinzip fehle es an Wirksamkeit, ist überraschend. Wenn man nämlich der Auffassung ist, daß das Gebührenrecht dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt 450 , ist näher zu begründen, warum dieser allgemeine Grundsatz eine größere Wirksamkeit entfalten soll als seine gebührenrechtliche Ausprägung in Form des Äquivalenzprinzips. Das kann nur dann der Fall sein, wenn Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Äquivalenzprinzip als etwas Verschiedenes betrachtet werden, denn nur dann kann auch ihre Wirkung unterschiedlich sein. Einige Äußerungen in der Literatur deuten hierauf hin. So wird behauptet, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Gebührenrecht zwar in Gestalt des Äquivalenzprinzips vorkomme, aber 448
449
Wilke, S. 263 f, 269 f, 302.
Das räumt auch Wilke ein (S. 270). 450 Das bestreiten auch die Gegner des Äquivalenzprinzips nicht, vgl. Kloepfer, 97 (1972), S. 254 ff; Wilke, S. 301 ff.
AöR
172
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
nur verkürzt und damit unzureichend verwendet werde 451 . Das Äquivalenzprinzip habe keine oder nur eine lockere Beziehung zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, so daß sich ersteres aus letzterem nicht ableiten lasse452. Es wird zwar eingeräumt, daß Äquivalenzprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ähnliche Forderungen aufstellen, jedoch bestehe zwischen beiden ein Unterschied, weil ersteres eine gebührenspezifische, letzterer aber eine allgemeine Norm sei. Allein der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz öffne sich aber allen verfassungsrechtlich zulässigen Zwecken, insbesondere solchen der Verhaltenslenkung 453 . Die zuletzt genannte These beruht auf dem Mißverständnis, daß das Erfordernis äquivalenter Gebührenbemessung die Verfolgung von sachlich gerechtfertigten Gebührenzwecken ausschließen könnte. Das wurde jedoch bereits widerlegt, auf die obigen Ausführungen kann daher verwiesen werden 454 . Entscheidend für die Beurteilung der Kritik am Äquivalenzprinzip ist allein die Frage nach der Beziehung zwischen Äquivalenzprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. In erster Linie ist zu prüfen, ob das Äquivalenzprinzip im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einen eigenständigen Regelungsgehalt besitzt. Ist das nicht der Fall, sind beide Prinzipien rechtlich gesehen identisch, und man muß mit der Geltung des einen auch die Geltung des anderen befürworten. Zeigen sich aber rechtlich relevante Unterschiede, kann die Beurteilung hinsichtlich der jeweiligen Geltung durchaus unterschiedlich ausfallen. Für die Lösung dieser Frage hat die Begriffsbildung maßgebliche Bedeutung. Das Äquivalenzprinzip wird als Sicherstellung einer angemessenen Gebührenhöhe begriffen 455 , was erkennbar dem Anliegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, auf dessen letzter Stufe 456 auch die Angemessenheit des belastenden Staatshandelns geprüft wird, entspricht 457 . Ausdruck der engen Verbindung zwischen beiden Grundsätzen sind vom Bundesverwaltungsgericht verwendete Formulierungen, wonach die Einhaltung des Äquivalenzprinzips (!) gebiete, daß die Gebühr „nicht unangemessen hoch" sein 458 oder „nicht in
451
Wilke, S. 302. Ähnlich auch Wieland, S. 309: „Verhältnismäßigkeit wird in diesem Zusammenhang ganz offenbar nicht in strengem Sinne von Geeignetheit, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit, sondern eher im Sinne einer unbestimmteren Angemessenheit verstanden." Worin Wieland aber den Unterschied zwischen Zumutbarkeit und Angemessenheit sieht, bleibt offen. 452
453 454 455 456 457 458
Wilke, S. 270.
Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 255. S. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 4 b aa. S. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 2. BVerfGE 50, 217 (227); vgl. auch Wilke, S. 264 f. S ο. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D i l . BVerwGE 12, 162(169).
D. Gebührenbemessungsprinzipien
173
einem Mißverhältnis" stehen 4 5 9 dürfe. Die Forderung nach einer angemessenen GeAw/zrertbelastung ist nun aber durchaus spezieller als das Erfordernis, daß jede Art belastenden Staatshandelns angemessen sein muß, denn finanzielle Belastungen sind nur ein Teilbereich des belastenden Staatshandelns. Insofern trifft es zu, das Äquivalenzprinzip als gebührenspezifische und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als allgemeine Norm zu bezeichnen 460 . Die Existenz eines speziellen Grundsatzes hat jedoch gegenüber einem allgemeinen Prinzip nur dann einen Sinn, wenn dieser in irgendeiner rechtlich erheblichen Beziehung über jenes hinausgeht. A n keiner Stelle wird aber die Kreation des Äquivalenzprinzips mit speziellen Erfordernissen des Gebührenrechts oder den Besonderheiten dieses Gebiets begründet. Vielmehr ist die Zielsetzung beider Gebote dieselbe, weil auch auf der dritten Stufe des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Prüfung der Angemessenheit des Staatshandelns vorgenommen wird. Hinzu kommt, daß das Äquivalenzprinzip hinsichtlich der Angemessenheitsprüfung keine weitergehenden oder präziseren Abwägungsfaktoren aufstellt 461 , die nicht auch aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewonnen werden könnten. Schließlich bedarf es auch nicht deshalb eines speziellen Äquivalenzprinzips, um die vom Bundesverwaltungsgericht gefundenen Ergebnisse zu erzielen. So sieht es das Gericht als durch das Äquivalenzprinzip verboten an, Prohibitivgebühren zu erheben 462. Des weiteren widerspreche es dem Äquivalenzprinzip, Gebühren für eine Leistung zu fordern, die überhaupt nicht in Anspruch genommen werden kann 463 oder wertlos ist 464 . In Verbindung mit dem Gleichheitssatz fordere das Äquivalenzprinzip, daß eine Benutzungsgebühr im allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, so daß bei gleicher Inanspruchnahme in etwa gleichhohe Gebühren gezahlt werden 465 . Schließlich wird aus dem Äquivalenzprinzip gefolgert, daß die Gebühr keine Nebenwirkungen haben dürfe, die über den Zweck der Gebüh-
459
BVerwGE 80, 36 (39). So auch Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 255. Entgegen Kloepfer folgt daraus aber nicht, daß das speziellere Äquivalenzprinzip die Verfolgung von Lenkungszwecken im Gebührenrecht verhindert, ausf. dazu oben 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 4 b aa. 461 So auch Wilke, S. 266: Die gebührenrechtliche Äquivalenzjudikatur operiere „ganz unbefangen mit der Kategorie des „richtigen" oder „angemessenen" Verhältnisses zwischen Gebühr und Leistung, ohne irgendwelche Merkmale der Richtigkeit oder Angemessenheit zu benennen". 462 BVerwGE 12, 162 (169); 13, 214 (222),; kritisch hierzu Bettermann, S. 48; Wilke, S. 266. 463 BVerwGE 79, 90 (91). 464 BVerwGE 12, 162 (169 f); a.A. Bettermann, S. 47 f. 465 BVerwG, DÖV 1973, 856 (857). 460
174
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
renerhebung hinausgehen 466 . Es ist nicht ersichtlich, daß derartige Ergebnisse nur unter Verwendung des Äquivalenzprinzips zu finden sind. Genausogut hätte in all diesen Fällen auf den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zurückgegriffen werden können 467 . Entsprechendes gilt für die Folgen eines Äquivalenzverstoßes. Es werden nur solche Verstöße gerichtlich sanktioniert, die „gröblich" sind 468 . Derselbe Prüfungsmaßstab kann aber auch im Rahmen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angewendet werden, weil es sich hier um ein offenes, Wertungen zugängliches Prinzip handelt, innerhalb dessen nicht zuletzt auch viel Raum für gesetzgeberische und politische Prognoseentscheidungen bleibt. Die gerichtliche Sanktionierung kann sich deshalb auch hier durchaus auf Evidenzfälle beschränken 469. Es wird deutlich, daß sich Äquivalenzprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz weder in der Zielsetzung noch in den verwendeten materiellen Abwägungsfaktoren unterscheiden, so daß dieses Prinzip keinen Einfluß auf Verfahren oder Ergebnis der Urteilsfindung besitzt. Die Besonderheiten des Äquivalenzprinzips gegenüber dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erschöpfen sich darin, daß ersteres ein beschränkteres Anwendungsfeld besitzt als letzterer. Das ist bei speziellen Grundsätzen aber notwendigerweise der Fall, rechtlich erheblich ist dieser Umstand nicht. Das Äquivalenzprinzip ist weder eine Präzisierung noch eine Modifikation des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Dem ist sich offenbar auch das Bundesverwaltungsgericht bewußt, wenn es das Äquivalenzprinzip als „Ausdruck" 4 7 0 , „Ausformung" 471 oder „Ausprägung" 472 des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bezeichnet. Auch P. Kirchhof formuliert wohl nicht von ungefähr sehr vorsichtig, wenn der sagt, daß „der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ... im Gebührenrecht zum Äquivalenzprinzip
466
BVerwGE 12, 162 (170); BVerwG, Buchholz 401.8 Nr. 16. Weitere Beispiele für Folgerungen aus dem Äquivalenzprinzip bei Wilke, S. 256 ff. 467 A.A. Wilke, S. 270, allerdings von dem unzutreffenden Standpunkt aus, Äquivalenzprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz seien etwas grundlegend Verschiedenes. Das ist deswegen falsch, weil beide Prinzipien letztlich die Angemessenheit der Gebührenhöhe betreffen. 468 BVerwGE 12, 162(166). 469 Vgl. BVerfGE 2, 266 (281); 6, 389 (439); 9, 338 (346); 11, 234 (239); 13, 97 (105); 17, 232 (245); 30, 250 (263); 39, 210 (230 f); Gentz, NJW 1968, 1604; Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, 470
Art. 20 V I I Rn. 76; Lerche, S. 224; Stern, § 20 IV 7 c).
BVerwGE 26, 305 (309). 471 BVerwGE 79, 90 (91). 472 BVerwGE 80, 36 (39); BVerwG, NVwZ 1989, 557 (559); so auch VGH Kassel, NVwZ 1995, 406 (408). Ebenso Hendler, VB1BW 1991, 124.
D. Gebührenbemessungsprinzipien
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verdeutlicht werde 473 . Offen bleibt aber, welche Elemente zur Verdeutlichung beitragen sollen. Es ist daher festzuhalten, daß das Äquivalenzprinzip keinen eigenständigen rechtlichen Gehalt besitzt. Insofern ist es nicht etwas vom allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Verschiedenes. Dem Bundesverwaltungsgericht ist vorzuwerfen, daß es bei dem Versuch, das Äquivalenzprinzip aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abzuleiten, stehengeblieben ist. Es sagt nicht, in welcher Beziehung eine Äquivalenzprüfung Anforderungen stellt, die nicht ohnehin schon der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beinhaltet, und wird so seiner Aufgabe nicht gerecht, die Schöpfung eines neuen Rechtsinstituts nachvollziehbar zu begründen. Damit ist das Äquivalenzprinzip jeglicher sachlichen Berechtigung beraubt. Der Streit um seine Geltung ist somit lediglich terminologischer Natur. Ob man die Notwendigkeit angemessener Gebührenhöhe als Gebot verhältnismäßiger oder äquivalenter Bemessung bezeichnet, bleibt im Ergebnis gleich 474 . Der Terminus „Äquivalent" mag fur sich haben, daß er ein Fremdwort für den Begriff der Gegenleistung oder des Entgelts ist 475 und somit auf das zentrale Gebührenelement der staatlichen Leistung hinweist. Materiellrechtliche Konsequenzen ergeben sich hieraus aber nicht. Näher liegt es wohl, das Bedürfnis für die Kreation eines derartig sinnleeren Äquivalenzprinzips zu verneinen 476 . Letztendlich kann jedoch die Frage, ob das Gebührenrecht dem Äquivalenzprinzip auch ohne gesetzliche Anordnung unterliegt, mangels irgendeiner inhaltlichen Relevanz dahinstehen, denn Äquivalenzprüfung und Verhältnismäßigkeitsprüfung fuhren notwendigerweise zu identischen Urteilen.
5. Ergebnis Aus dem oben Ausgeführten ergibt sich, daß der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten ist, die Gebührenhöhe im Verhältnis zur erbrachten Leistung angemessen zu gestalten. Diesem Erfordernis ist das Gebührenwesen a priori unterworfen, so daß die Erhebung einer unverhältnismäßigen bzw. nicht äquivalenten Gebühr in jedem Fall rechtswidrig ist 477 . Ob man diesen Umstand
473 474 475 476
477
P. Kirchhof Jura 1983, 512, Herv. v. Verf. So auch Meyer, S. 200. Vgl. Bettermann, S. 46; Wilke, S. 260 f. Vgl. Wilke, S. 271.
Zumindest mißverständlich Murswiek, S. 84 f, 87, 109, 111, und P. Kirchhof Jura 1983, 513, wonach sich die Verfolgung eines Lenkungszwecks auf die Gebührenhöhe in der Weise auswirken könne, daß sie höher bemessen sein darf, als dies nach dem
176
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
als Ausdruck des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes oder eines speziellen gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzips bezeichnet, hat keine rechtliche Bedeutung 478 . Es sei jedoch die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte und von der rechtswissenschafltichen Literatur vielfach übernommene Begriffsbildung beibehalten. Der im folgenden verwendete Begriff der Äquivalenz weist allerdings keinen inhaltlichen Unterschied zu demjenigen der Verhältnismäßigkeit auf.
6. Äquivalenzbeziehungen Das Bundesverwaltungsgericht benutzt in zahlreichen Urteilen die formelhafte Wendung, daß eine äquivalente (bzw. verhältnismäßige) Beziehung zwischen Gebühr und Leistung bestehen muß 479 . Diese Formel ist jedoch sehr inhaltsarm und bedarf der Präzisierung, um eine Äquivalenzprüfung ermöglichen zu können. So muß genauer untersucht werden, welche Merkmale es sind, die in ein angemessenes Verhältnis gesetzt werden müssen. Unproblematisch ist, daß auf der einen Seite der Abwägung die Höhe der Gebühr steht. Fraglich ist aber, zu welchem Leistungselement eine äquivalente Beziehung bestehen muß. Eine gewährte Leistung kann nämlich mehrere Bestandteile beinhalten. So mag ihre Erbringung mit kostenträchtigem Aufwand verbunden sein. Des weiteren wird sie vielleicht nur deshalb nachgefragt, weil sie für den Empfänger einen bestimmten Wert besitzt. Dementsprechend ist denkbar, daß die Gebührenhöhe mit den Kosten, die dem Staat infolge der Leistungerbringung entstanden sind, zu vergleichen ist. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Gebührenhöhe und den Wert bzw. Nutzen, den die Leistung für den Gebührenschuldner besitzt, gegenüberzustellen.
Äquivalenzprinzip zulässig wäre. Richtig ist zwar, daß der zulässige Gebührenbetrag höher sein kann, wenn in der Äquivalenzprüfung ein Lenkungszweck mitberücksichtigt werden muß, als wenn dies nicht der Fall wäre. Der Lenkungszweck führt also zu einer modifizierten, die zulässige Gebührenhöhe in der Regel steigernde Gebührenäquivalenz, das Äquivalenzprinzip selbst wird von ihm aber nicht außer Kraft gesetzt. 478 Hiervon geht wohl auch Murswiek, S. 90, aus, wenn er den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als einzige verfassungsrechtliche Grenze einer vorteilsausgleichenden Gebühr ansieht, zugleich aber im selben Zusammenhang von einer „noch äquivalent" bemessenen Gebühr spricht (so auch S. 80, 83 und öfter). Auch Chr. Müller (S. 143 f) mißt dem Äquivalenzprinzip gegenüber dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keine eigenständige Bedeutung bei, ähnlich A. Weber, S. 128: Das Äquivalenzprinzip sei eine „bloße Bezeichnung für die spezielle Verhältnismäßigkeitsprüfung im Gebührenrecht". 479 BVerwGE 2, 246 (249); 5, 136 (141); 26, 305 (311); 79, 90 (91); BVerwG, KStZ 1975, 191 (192). So auch BVerfGE 20, 257 (270); 28, 66 (88).
D. Gebührenbemessungsprinzipien
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a) Gebührenhöhe und Wert der Leistung Sofern das Bundesverwaltungsgericht genauere Überlegungen anstellt, vergleicht es in der weit überwiegenden Anzahl seiner Entscheidungen die Gebührenhöhe mit dem Wert der Leistung 480 . Vorsichtig klingt noch eine frühe Formulierung, in der es heißt, bei der Gebührenbemessung „kann auch der Wert des Gegenstandes, auf den sich die Amtshandlung bezieht, zur Bemessungsgrundlage gemacht, also eine sogenannte Wertgebühr erhoben werden" 481 . Ähnlich heißt es in der für die Entwicklung der Rechtsprechung zum Äquivalenzprinzip grundlegenden Entscheidung: „Bezieht sich die gebührenpflichtige Amtshandlung auf Objekte, deren Wert feststellbar ist, wie das ζ. B. bei Baugenehmigungen oder Einfuhrerlaubnissen der Fall ist, bietet sich dieser Wert als Grundlage der Gebührenbemessung an." 482 In der nachfolgenden Zeit wird nur noch der Wert der Amtshandlung für den Empfänger als relevant angesehen, was die Äquivalenzprüfung anbetrifft: Für die Frage, ob das Äquivalenzprinzip verletzt ist, „kommt es hier entscheidend auf den Nutzen der begehrten Amtshandlung für den Gebührenschuldner an, der sich ... in dessen wirtschaftlichem Interesse an der Genehmigung zeigt" 483 . In einem anderen Urteil stellt das Gericht fest, daß das Äquivalenzprinzip das Verhältnis der sich gegenüberstehenden Leistungen, und gerade nicht - wie das Kostendeckungsprinzip - den staatlichen Aufwand betrifft 484 . In einigen wenigen Urteilen spielen im Rahmen der Äquivalenzprüfung aber auch Kostenerwägungen eine Rolle. So wird das Äquivalenzprinzip als verletzt angesehen, wenn die Gebührenhöhe den einzelnen von der Beantragung der Amtshandlung abschreckt, es sei denn, daß sie „durch den Aufwand der Behörde gerechtfertigt" ist 485 . In einer anderen Entscheidung wird die Verhältnismäßigkeit einer Gebühr mit den Kosten der Leistungserbringung gerechtfer-
480 BVerwGE 2, 246 (249); 12, 162 (166); 13, 214 (222); 26, 305 (310 f); 28, 36 (49); 29, 214 (215 f); BVerwG, Buchholz 445.5 § 47 Nr. 1; BVerwG, NVwZ 1986, 483 (484); NVwZ 1989, 557 (559). So auch BayVGH, BayVBl. 1971, 387 (388); OVG Lüneburg, OVGE 25, 487 (489); BGH LM PostverwG Nr. 2. 481 BVerwGE 2, 246 (249). 482 BVerwGE 12, 162(169). 483 BVerwGE 26, 305 (310 f), in dieser Entscheidung ging es um die Gebühr für die Genehmigung der Aufstellung von Plakatwerbeanlagen. 484 BVerwG, NVwZ 1986, 483 (484); bestätigt von BVerwG, KStZ 1987, 72 (73). Ähnlich auch BVerwG, NVwZ 1989, 557 (559), wo verlangt wird, daß ein angemessenes Verhältnis zwischen der möglichen ökonomischen Verwertbarkeit einer erteilten Sondernutzungserlaubnis und der Gebührenhöhe besteht. 485 BVerwGE 12, 162(170). 12 Heimlich
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3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
tigt 4 8 6 . Die staatlicherseits entstandenen Kosten bilden also manchmal ein Korrektiv äquivalenter Leistungsbemessung. Derartige Fälle sind aber bloße Randerscheinungen. Grundsätzlich geht die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung davon aus, das Äquivalenzprinzip als von den Kosten unbeeinflußt anzusehen487, was sich insbesondere dann zeigt, wenn sogar eine Gebühr, welche den Kostenaufwand der Verwaltung erheblich übersteigt, als nicht von vornherein äquivalenzwidrig angesehen wird 4 8 8 . Eine ähnliche Beurteilung findet sich bei einigen Autoren in der gebührenrechtlichen Literatur. Insbesondere Ferdinand Kirchhof vertritt die Meinung, daß das Äquivalenzprinzip die Leistung nur nach deren finanzieller Quantifizierung, nicht aber nach den Kosten der Leistungserstellung bewerte. Gegenstand der Bewertung sei nicht der Verwaltungsaufwand, sondern allein das Produkt. Das Äquivalenzprinzip strebe eine leistungsgerechte, nicht eine kostenechte Gebühr an. Eine Gebührenbemessung nach dem Aufwand sei dem Kostendeckungsprinzip zuzurechnen. Das Äquivalenzprinzip blicke vielmehr auf Vorteil, Interesse, Nutzen, Wert oder Bedeutung der Leistung für den Empfänger 489 . Eine an den Kosten der Leistung orientierte Äquivalenzprüfung wird daher abgelehnt.
b) Gebührenhöhe und Kosten der Leistung Der einseitig am Wert der Leistung ausgerichteten Äquivalenzprüfung wird jedoch auch entgegengetreten 490. So kritisiert Wilke, daß die Bevorzugung von Wert- oder Nutzenmaßstäben der Tatsache widerspreche, daß Maßstäbe, die
486
BVerwGE 28, 66 (88); ähnlich auch BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, 1871 f. 487 So auch die Beurteilung von Wilke, S. 264. 488 BVerwGE 13, 214 (222); 29, 214 (215). Der in beiden Entscheidungen gegebene Verweis auf die Entscheidung BVerwGE 12, 162 (170) trägt insoweit nicht, als dort nur von Gebühren die Rede ist, „die den Kostenaufwand der Behörde übersteigen". Die nicht näher begründete Feststellung, daß sogar eine erheblich über dem Kostenaufwand bemessene Gebühr noch äquivalenzgemäß sein kann, stellt also eine (unbewußte?) Erweiterung durch die genannten späteren Urteile dar, was eine Beispiel dafür ist, wie unsicher das Bundesverwaltungsgericht mit dem Äquivalenzprinzip umgeht. 489 F. Kirchhof, Gebühr, S. 79, 86 ff, 92, ob dies aber der „h.M." entspricht, wie der Verfasser behauptet, sei dahingestellt. So wohl auch Wieland, S. 310: „Verhältnismäßig bemessen ist eine Gebühr dann, wenn sie geeignet und erforderlich ist, um den Wert der besonderen staatlichen Leistung abzugleichen." 490 Zu weitgehend allerdings Schindler, JR 1991, 221, der eine nutzenbezogene Gebührenbemessung für mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar hält.
D. Gebührenbemessungsprinzipien
179
auf der Leistungs- oder Kostenproportionalität beruhen, mindestens genauso sachgemäß seien und darüber hinaus ein breiteres Anwendungsfeld hätten 491 . Wert- und Kostenbemessung werden hier also als gleichrangig angesehen. Denselben Standpunkt nimmt Isensee ein, auch wenn es ihm (anders als Wilke) darum geht, die Sachgerechtheit von fFerrtnaßstäben zu betonen: Das Äquivalenzprinzip lasse offen, wie die Angemessenheit zu bestimmen ist. Es fordere nur leistungsgerechte, nicht kostengerechte Gebühren. Eine Bestimmung nach den Kosten könne daher angemessen sein, müsse es aber nicht. Es stehe im Ermessen des Gesetzgebers, ob er sich an der Leistungsmenge oder an den Kosten orientiert, beide Maßstäbe seien dem Wesen der Gebühr als Vorzugslast gemäß und strukturgerecht 492 . Ähnlich formuliert es das Bundesverfassungsgericht, wenn es sagt, daß sich die Frage, ob zwischen Gebühr und Leistung ein Mißverhältnis besteht, „nicht nur" nach den Kosten der Leistung beurteile 493 .
c) Die Gleichrangigkeit von Kosten- und Wertmaßstäben Den zuletzt genannten Stimmen ist im wesentlichen beizupflichten. Das Äquivalenz- bzw. Verhältnismäßigkeitsprinzip fordert die Wahl einer angemessenen Gebührenhöhe. Die Angemessenheit kann nur beurteilt werden, wenn feststeht, welchen Zweck die Gebührenerhebung verfolgt, ansonsten wäre eine im Rahmen dieser Prüfung vorzunehmende Zweck-Mittel-Relation unmöglich 494 . Aus diesen anerkannten Grundsätzen ergibt sich die Lösung der Frage, in welcher Beziehung Äquivalenz zu fordern ist. Eine Gebühr ist dann äquivalent, wenn sie dem mit ihr verfolgten Zweck angemessen ist. Dient sie dem Zweck, die Kosten des mit der Leistungserbringung verbundenen Aufwandes zu decken, muß die Gebührenhöhe in bezug auf den Kostendeckungszweck angemessen sein. Dementsprechend sind der zu zahlende Gebührenbetrag und die Kosten der erbrachten Leistung gegenüberzustellen. Verfolgt die Gebühr aber den Zweck, zugewendete Vorteile auszugleichen, muß ihre Bemessung in bezug auf den Ausgleichszweck angemessen sein. In die Äquivalenzprüfung werden dann die Gebührenhöhe und der Wert des geleisteten Vorteils eingestellt. Entsprechendes gilt fur alle anderen zulässigen Gebührenzwecke, so ζ. B. für das Ziel der Verhaltenslenkung. Werden mit der Gebührenerhebung mehrere Zwecke gleichzeitig verfolgt, ist die jeweils höhere Grenze maßgebend, weil es ausreicht, daß die Gebührenhöhe durch einen ein491
492
Wilke, S. 268 ff, 270.
Isensee, in: Gedächtnisschrift für Geck, S. 385 f. 493 BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, 1871 (1872). 494 Murswiek, S. 67, insofern zutreffend auch F. Kirchhof, den Gebührenzwecken unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt E.
Gebühr, S. 81. Ausf. zu
180
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
zigen Zweck vor dem Äquivalenzprinzip gerechtfertigt werden kann 495 . Kostenund Wertmaßstäbe sind im Rahmen der Äquivalenzprüfung also grundsätzlich gleichwertig, keiner dieser Maßstäbe gilt von vornherein für jede Gebührenbemessung. Vielmehr kann entweder allein auf die Kosten oder allein auf den Wert abgestellt werden. Welcher Maßstab bei der Beurteilung einer konkreten Gebühr anzulegen ist, richtet sich nach dem mit ihrer Erhebung verfolgten Zweck, dieser ist die Grundlage der Gebührenbemessung 496. Insofern ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Jedenfalls muß der einseitigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach zwischen Gebührenhöhe und Wert der Leistung Äquivalenz bestehen muß, entgegengetreten werden.
II. Das Kostendeckungsprinzip /. Begriff,
Inhalt und Abgrenzung
Das Kostendeckungsprinzip besagt, daß eine Gebühr nur zur Deckung des mit der Leistungserbringung verbundenen Verwaltungsaufwandes, nicht aber zur Erzielung von Überschüssen erhoben werden darf 497 . Diese Begriffsbildung entspricht der weitaus überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur 4 9 8 . Es wäre zwar auch möglich, das Kostendeckungsprinzip nicht als Verbot kostenüberschreitender Gebühren, sondern als Gebot zur Erhebung kostendekkender Gebühren zu verstehen, ein solches Verständnis hat sich jedoch nicht durchsetzen können 499 . Zu beachten ist jedoch, daß es dem Gesetzgeber freisteht, das Kostendeckungsprinzip als obere oder untere Bemessungsgrenze ausdrücklich anzuordnen 500 . Letzteres gilt etwa für § 10 Abs. 2 HessKAG 501 . Im Rahmen des Kostendeckungsprinzips sind alle Verwaltungs- und Unterhaltungskosten, einschließlich der Ausgaben für Verzinsung und Tilgung des aufgewendeten Kapitals, zu berücksichtigen, wobei die Kosten des betreffenden Verwaltungszweigs maßgebend sind 502 . Gegenüberzustellen sind nicht die im Einzelfall zu zahlende Gebühr und der für die Erbringung der einzelnen Leistung getätigte Aufwand, vielmehr ist die Gesamtheit des Gebührenauf495
Vgl. Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 535. So auch Murswiek, S. 67; F. Kirchhof\ Gebühr, S. 61, 66. 497 BVerwGE 2, 246 (251); 12, 162 (165). 498 Vgl. nur Clausen, S. 47 ff m.w.N. 499 Ausf. Clausen, S. 47 ff. 500 F Kirchhof Gebühr, S. 95 ff m.w.N. 501 S. hierzu VGH Kassel, NVwZ 1995, 406 (408). 502 Vgl. etwa Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 249; Leisner, in: Gedächtnisschrift Hans Peters, S. 735. 496
D. Gebührenbemessungsprinzipien
181
kommens mit der Gesamtheit der Kosten zu vergleichen 503 . Die Gebührenerhebung verletzt nur dann das Kostendeckungsprinzip, wenn die Gesamtheit der Gebühreneinnahmen die Gesamtheit der Aufwendungen so erheblich übersteigt, daß von einer „gröblichen" Verletzung des Kostendeckungsprinzips gesprochen werden kann 504 . Das Kostendeckungsprinzip bildet eine Veranschlagungsmaxime 505 , durch welche bestimmte Anforderungen an die Zielsetzung der Gebührenerhebung gestellt werden. Es kann nur dadurch verletzt werden, daß die Gebührenerhebung nicht auf das Ziel ausgerichtet ist, die Höhe der Einnahmen auf den Verwaltungsaufwand zu beschränken, sei es durch unsachgemäße Tarifgestaltung, sei es durch die Absicht, Gewinne zu erzielen. Eine rein faktische Überschreitung dieser Grenze führt nicht schon zur Verletzung des Kostendeckungsprinzip, allerdings deutet sie auf eine fehlerhaften Tarif hin 5 0 6 . Das Kostendeckungsprinzip läßt bei der Gebührenausgestaltung insofern einen gewissen Einschätzungsspielraum, erst wenn dieser Spielraums überschritten wird, kommt die Unwirksamkeit des Gebührenansatzes in Betracht 507 . Die Kostenermittlung erfolgt nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen 508 . Das Kostendeckungsprinzip ist nicht identisch mit dem soeben behandelten Äquivalenzprinzip 509 . In einem obiter dictum hat das Bundesverfassungsgericht zwar einmal formuliert, daß beide Prinzipien miteinander „verwandt" seien 510 . Es wurde jedoch offengelassen, worin diese Verwandtschaft bestehen soll. Sie wird sich wohl darauf beschränken, daß beide Prinzipien zum Ziel haben, die Gebührenbemessung zu regeln, denn das Äquivalenzprinzip verlangt im Ge-
503
BVerwGE 12, 162 (166); BVerwG, Buchholz 401.8 Nr. 28; Buchholz 451.90 Nr. 97; Clausen, S. 49 f; Leisner, in: Gedächtnisschrift Hans Peters, S. 736; Wilke, S. 279; a.A. Ehle, DÖV 1962, 45; Wendt, S. 121. Dem Gesetzgeber ist es jedoch möglich, das Kostendeckungsprinzip in verschiedener Weise auszugestalten. Er kann sowohl die Gesamtkosten als auch die Kosten der Einzelleistung als maßgebend bestimmen, vgl. F. Kirchhof, Gebühr, S. 95 ff mit zahlr. Nachw. auf die Gesetzeslage. Wird aber keine gesetzliche Regelung getroffen, gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das oben Gesagte. 504 BVerwGE 12, 162(166). 505 Ausf. hierzu Clausen, S. 50 ff; a.A. Ehle, DÖV 1962, 48. 506 BVerwGE 13, 214 (223); OVG Lüneburg, OVGE 25, 433 (435); VGH Mannheim, VB1BW 1985, 190(192). 507 BVerwG, Buchholz 406.11 § 128 Nr. 40. 508 Näher Gawel, VerwArch. 86 (1995), S. 71 ff; Giesen, KStZ 1995, 28 ff; F. Kirchhof; Gebühr, S. 93 ff, 102 ff; ders., Grundriß, Rn. 178; Raecke, S. 27 ff; Richtsteig, S. 76 ff; Wendt, S. 122 f. Beispielhaft für die Anwendung des betriebswirtschaftlichen Kostenbegriffs im Gebührenrecht OVG Schleswig, NVwZ-RR 1994, 464 ff. 509 BVerwGE 12, 162 (169); BVerwG, KStZ 1975, 191. 510 BVerfGE 20, 257 (270).
182
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
gensatz zum Kostendeckungsprinzip nicht, daß Gebühren allein nach dem Maß der verursachten Kosten erhoben werden 511 . Im Gegenteil wird von der Rechtsprechung betont, daß im Rahmen der Äquivalenzprüfung vornehmlich Wertgesichtspunkte eine Rolle spielen sollen 512 . In bezug auf die Abgrenzung von Äquivalenzprinzip und Kostendekkungsprinzip wird behauptet, das Äquivalenzprinzip stelle allein auf den Wert der Leistung für den Empfänger ab, während das Kostendeckungsprinzip nur die Kosten der Leistung für maßgebend erachtet 513. In dieser Form trifft das aber nicht zu, weil es auch im Rahmen der Äquivalenzprüfung zulässig ist, die Gebührenhöhe mit den Kosten der Leistung in Beziehung zu setzen, und zwar dann, wenn die Gebühr eine Kostendeckung bezweckt 514 . Richtig ist jedoch, daß insofern ein Unterschied besteht, als das Äquivalenzprinzip den Einzelfall betrifft, während das Kostendeckungsprinzip eine Gesamtbetrachtung von Gebührenaufkommen und staatlichen Kosten vornimmt 515 . Beide Prinzipien können daher selbständig nebeneinander gelten. Das Kostendeckungsprinzip bildet dann eine Obergrenze für die Gebühr. Verstößt eine kostendeckend bemessene Gebühr im Einzelfall gegen das Äquivalenzprinzip, so ist sie entsprechend zu ermäßigen 516. Das muß auch dann gelten, wenn der Gesetzgeber die Kostendeckungsgrenze ausnahmsweise als untere Bemessungsgrenze normiert, so daß das Gebührenaufkommen die entstandenen Kosten decken muß. Dem Äquivalenz- oder Verhältnismäßigkeitsprinzip kommt nämlich Verfassungsrang zu, es bindet somit den einfachen Gebührengesetzgeber. Dem Gebührenschuldner kann nicht durch die Bestimmung einer Bemessungsgrenze eine unverhältnismäßige und damit verfassungswidrige Gebühr auferlegt werden. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß das Kostendeckungsprinzip eine absolute Obergrenze für die Gebührenbemessung darstellt, während das Äquivalenzprinzip dazu zwingt, Gebühr und Leistung im konkreten Einzelfall in Beziehung zu setzen, so daß es eine relative Bemessungsgrenze zieht 517 . Fraglich und streitig ist schließlich, welche Folge ein Verstoß der Gebührenerhebung gegen das Kostendeckungsprinzip hat. Die Beurteilung dieses
511
Vgl. BVerwG, DÖV 1975, 856 (857) in bezug auf Benutzungsgebühren; ferner Leisner, in: Gedächtnisschrift Hans Peters, S. 740. 512 S. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 6 a. 513 F. Kirchhof, Grundriß, Rn. 177 mit Fußn. 496. 514 S.o 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 6 c. 515
Raecke, S. 19; Wolff/Bachof
S. 309; Wolff/Bachof/Stober,
§ 42 Rn. 25. Anderes
gilt aber bei entsprechender gesetzlicher Regelung. 516 VG Frankfurt, DVB1. 1970, 186 (187); Raecke, S. 21 m.w.N. A.A. wohl Leisner, in: Gedächtnisschrift Hans Peters, S. 743. 517 Vgl. auch BVerwGE 12, 162 (169); BGH LM PostVerwG Nr. 2.
D. Gebührenbemessungsprinzipien
183
Problems ist unabhängig davon, ob man dem Kostendeckungsprinzip gebührenimmanente Geltung zuspricht oder es nur dann anerkennt, wenn es gesetzlich angeordnet ist 518 . Einer Auffassung zufolge ändert sich in einem solchen Fall die Rechtsform der Abgabe, die Gebühr werde dann zur Steuer 519 . Unklar bleibt jedoch vielfach, ob hiervon die gesamte Abgabe oder nur der die Kostengrenze überschreitende Teil betroffen ist. Es ist wohl letzteres anzunehmen, weil die genannte These hauptsächlich damit begründet wird, daß der Abgabe der Gegenleistungscharakter fehle, was aber nur für den überschießenden Teil zutrifft. Demgegenüber vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Meinung, daß sich der Rechtscharakter der Abgabe nicht ändere, wenn die Kostengrenze überschritten wird, weil das Kostendeckungsprinzip ein Bemessungsprinzip sei und das „Wesen der Gebühr" nicht zu ändern vermöge 520 . Dieser Meinung ist zu folgen, weil nur sie der Trennung von Gebührenbegriff und Gebührenbemessung 521 gerecht wird.
2. Geltung des Kostendeckungsprinzips
im Gebührenrecht
Seit Beginn der Entwicklung des Gebührenrechts ist umstritten, welche Rolle die Kosten der Leistung für die Gebührenbemessung spielen. Genauso wie sich vor hundert Jahren die Vertreter von Kosten- und Nutzentheorie gegenüberstanden 522, wird auch heutzutage unterschiedlich beurteilt, ob eine Gebühr nur bis zur Grenze der Kostendeckung erhoben werden darf oder nicht 523 . Der aktuelle Stand der Diskussion ist nunmehr darzustellen und zu bewerten.
518
Ausf. dazu im folgenden Gliederungsabschnitt. OVG Münster, VerwRspr. 9 (1957) Nr. 191 (S. 866); OVG Lüneburg, VerwRspr. 19 (1968) Nr. 21 (S. 90); Arndt, WiVerw 1990, 22; Bachof S. 90; Kreft, DVB1. 1977, 373. 520 BVerwGE 13, 214 (222 f); bestätigt in BVerwG, KStZ 1975, 191 (192); Boden519
heim, S. 307; F. Kirchhof,
DVB1. 1987, 555; Kloepfer,
AöR 97 (1972), S. 250 ff; Sel-
mer/Brodersen/Nicolaysen, S. 57; Wilke, S. 283; so schon ThürOVG, RVB1. 1932, 636 (637); wohl auch OVG Hamburg, DVB1. 1954, 260 (262). 521 Ausf. hierzu o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III. 522 S. o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A III. 523 Vgl. auch die Darstellungen von Clausen, S. 54 f, sowie Kreft, S. 46 ff; jew. m.w.N.
184
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
a) Befürworter einer gebührenimmanenten Geltung Einer Meinung zufolge ist einer jeden Gebührenbemessung durch den mit der erbrachten Leistung verbundenen Kostenaufwand von vornherein eine zwingend zu beachtende Grenze gezogen524. Es wird behauptet, daß allein eine nach den Kosten der Leistung bemessene Gebühr ihrem „Wesen" entspreche 525 und eine Kommerzialisierung des Verwaltungshandelns vermeide 526. Die Geltung des Kostendeckungsprinzips ergebe sich daraus, daß eine Gebühr das Ziel verfolge, die Kosten der erbrachten Staatsleistung zu decken527. Einem Überschußbetrag fehle es an der für die Gebühr erforderlichen speziellen Entgeltlichkeit 528 . Des weiteren sei eine Abgrenzung zwischen Gebühr und Steuer nur möglich, wenn man die Geltung des Kostendeckungsprinzips befürwortet 529. Ferner spreche fur die generelle Geltung des Kostendeckungsprinzips, daß die Erzielung fungibler Staatseinnahmen der Steuer vorbehalten sei 530 . Auch wird versucht, das Kostendeckungsprinzip im Wege einer Rechtsanalogie herzuleiten 531 oder seine Geltung mit Erwägungen der Gerechtigkeit 532, Sozialstaatlichkeit 533 oder allgemeiner staatstheoretischer Art 5 3 4 zu begründen. Darüber hinaus
524
VGH Mannheim, DÖV 1959, 466 (467); OVG Koblenz, NJW 1979, 1261 (1262); VG Frankfurt, DVB1. 1970, 186 (187); Arndt, WiVerw 1990, 22; Bachof S. 90; Clausen, S. 171; Ehle, DÖV 1962, 45 ff; Hamann, DB 1963, 265; Köck, S. 12 f; Kreft, S. 207 f; ders., DVB1. 1977, 373; Krüger, S. 898; Külz, DVB1. 1964, 796; Leisner, in:
Gedächtnisschrift Hans Peters, S. 738 ff; Papier, S. 115 f; Raecke, S. 21; Rogosch, KStZ 1988, 2 f; Suhr, Der Staat 9 (1970), S. 88 f; Stein, DVB1. 1960, 273; Stephan, JurA 1970, 871; Stober, § 25 II 2; Wendt, S. 119 ff; Wolff/Bachof S. 309; Wolff/Bachof/Stober, § 42 Rn. 25; Zimmermann, DVB1. 1989, 905. 525 Bachof S. 90; Ehle, DÖV 1962, 45; Raecke, S. 25; Wolff/Bachof, S. 309; Wolff/Bachof/Stober, § 42 Rn. 25. 526 Stober, § 25 II 2. 527 Kreft, S. 208; ders., DVB1. 1977, 373; Raecke, S. 25; Stein, DVB1. 1960, 273; so
auch schon Toepfer, FinArch 26 (1909), S. 546. 528 Arndt, WiVerw 1990, 22; so auch schon Toepfer, FinArch 26 (1909); 546. 529 VG Frankfurt, DVB1. 1970, 186 (187); Ehle, DÖV 1962, 47; Raecke, S. 25; Köck, S. 12 f; Stephan, JurA 1970, 871; Stober, § 25 II 2; Wolff/Bachof, S. 309; Wolff/Bachof/Stober, § 42 Rn. 25. 530 Clausen, S. 164 ff.
531
Leisner, in: Gedächtnisschrift Hans Peters, S. 738.
532
Ehle, DÖV 1962, 47; Raecke, S. 26.
533
Suhr, Der Staat 9 (1970), S. 88 f: Das Äquivalenzprinzip erlaube es, Gebühren nach dem Wert für den einzelnen zu bemessen, so daß demjenigen, der auf eine staatliche Leistung dringend angewiesen ist, eine höhere Gebühr abverlangt werden könne. Diese „sozialstaatswidrige Tendenz" des Äquivalenzprinzips teile das Kostendekkungsprinzip nicht, so daß es im Ergebnis zugunsten des weniger Vermögenden wirke.
D. Gebührenbemessungsprinzipien
185
werden Regelungen des Grundgesetzes zur Begründung herangezogen, worauf jedoch an anderer Stelle ausführlich eingegangen werden soll 535 .
b) Gegner einer gebührenimmanenten Geltung aa) Die Position der Rechtsprechung Das Bundesverfassungsgericht hat das Kostendeckungsprinzip einmal als „richtungsweisendes Korrektiv" für den Erlaß einer Gebühren Verordnung bezeichnet536. Die Gebührenbemessung sei aber von Verfassungs wegen nicht an das Kostendeckungsprinzip gebunden, obwohl die Gebühr definitionsgemäß der Kostendeckung diene 537 . Eine nähere Begründung dieser Meinung fehlt jedoch. Der Auffassung des Gerichts zufolge könne der Kostenaspekt aber im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes eine Rolle spielen. Aus diesem folge, daß Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden dürfen. Die Verknüpfung zwischen den Kosten der Leistung und den dafür auferlegten Gebühren müsse, bezogen auf den Zweck der gänzlichen oder teilweisen Kostendeckung, sachgemäß sein 538 . Eine gebührenimmanente Geltung des Kostendeckungsprinzip wird somit nicht befürwortet. Auch das Bundesverwaltungsgericht lehnt in ständiger Rechtsprechung die gebührenimmanente Geltung des Kostendeckungsprinzips ab, es gelte nur dann, wenn es der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet hat 539 . Die unteren Instanzen teilen diese Auffassung zumeist540. Als Begründung wird angeführt,
534
Krüger, S. 898: Die Aussicht auf Gebühreneinnahmen könne den Staat dazu verleiten, sachliche Notwendigkeiten in den Hintergrund treten zu lassen. Die Geltung des Kostendeckungsprinzips begegne dieser Gefahr. 535 S.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D II 2 c dd. 536 BVerfGE 34, 52 (61). 537 BVerfGE 50,217(226). 538 BVerfGE 50, 217 (227). 539 Grdl. BVerwG, DGemStZ 1959, 90 (91); bestätigt in BVerwGE 12, 162 (167); 13, 214 (222); BVerwG, Buchholz 401.8 Nr. 16; Buchholz 406.11 § 128 Nr. 40; Buchholz 451.29 Nr. 36; BVerwG, VerwRspr. 21 (1970) Nr. 65 (S. 275); BVerwG, KStZ 1975, 191; 1976, 210; offengelassen in BVerwGE 2, 246 (251); 26, 305 (314). 540 Vgl. ζ. B. BayVGH, VerwRspr. 18 (1967) Nr. 106; BayVGH, BayVBl. 1971, 387 (388); OVG Hamburg, DVB1. 1953, 631 (634); 1954, 260 (262); OVG Lüneburg, VerwRspr. 19 (1968) Nr. 21; OVG Lüneburg, OVGE 25, 433 (435); VGH Mannheim, VB1BW 1985, 190 (192); OVG Münster, VerwRspr. 9 (1957) Nr. 191; VerwRspr. 22
186
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
daß es Gebühren gebe, die nicht nach den Kosten, sondern nach dem Wert oder Vorteil, den die Leistung für den Antragsteller hat, bemessen werden 541 . Die Notwendigkeit, Gebühr und Steuer voneinander abzugrenzen, erfordere nicht die Geltung des Kostendeckungsprinzips. Dieser Gedanke gehe auf Adolf Wagner zurück, der hierdurch lediglich eine idealtypische Unterscheidung beider Abgaben erreichen wolle. Daraus folge aber nicht, daß eine Gebühr, die diesem Idealtyp nicht entspricht, rechtswidrig ist 542 . Des weiteren könne eine Überschreitung der Kostengrenze sowie die Zuführung des Gebührenaufkommens zu allgemeinen Haushaltsmitteln nicht dazu führen, daß eine Gebühr zur Steuer wird, denn das Kostendeckungsprinzip ändere als bloßes Bemessungsprinzip nichts am Wesen der Gebühr 543 . Schließlich sei es auch nicht möglich, aus § 4 Abs. 2 Satz 2 PrKAG 5 4 4 die Geltung des Kostendekkungsprinzips zu folgern, denn diese Norm sei lediglich eine Richtlinie für den Ortsgesetzgeber, bei der Bemessung der ortsgesetzlichen Gebührenansätze das Kostendeckungsprinzip zugrundezulegen. Es komme hierin nicht zum Ausdruck, daß das Kostendeckungsprinzip ein wesentliches Begriffsmerkmal der Gebühr sein soll 545 .
( 1971 ) Nr. 49. So auch BGHZ 98, 115 (118 f). A.A. jedoch OVG Koblenz, NJW 1979, 1261 (1262); VGH Mannheim, DÖV 1959, 466 (467); VG Frankfurt, DVB1. 1970, 186 (187). 541 BVerwG, DGemStZ 1959, 90 (91); BVerwGE 12, 162 (167); BVerwG, Buchholz 401.8 Nr. 16; BayVGH, BayVBl. 1971, 387 (388). 542 BVerwGE 12, 162 (167). Entgegen der Behauptung des Bundesverwaltungsgerichts findet sich die Begriffsbildung, wonach die Gebühr als Vergütung für provozierte Kosten angesehen wird, jedoch nicht zuerst bei Adolf Wagner, sondern bei Karl Umpfenbach ι, insofern zutreffend Kreft, S. 76 (vgl. o. 2. Teil, Gliederungsabschnitte A I 1 und 2). 543 BVerwGE 13, 214 (222 f); BVerwG, Buchholz 401.8 Nr. 16. So wohl auch schon OVG Hamburg, DVB1. 1954, 260 (262). 544 Hier heißt es: „Die Gebührensätze sind in der Regel so zu bemessen, daß die Verwaltungs- und Unterhaltungskosten der Veranstaltung, einschließlich der Ausgaben für die Verzinsung und Tilgung des aufgewendeten Kapitals, gedeckt werden." Vgl. auch oben 2. Teil, Gliederungsabschnitt A III 3. 545 OVG Lüneburg, VerwRspr. 19 (1968) Nr. 21 (S. 89 f); OVG Münster, VerwRspr. 9 (1957) Nr. 191 (S. 865).
D. Gebührenbemessungsprinzipien
187
bb) Stimmen der Literatur Auch ein gewichtiger Teil der Literatur 546 lehnt eine gebührenimmanente Geltung des Kostendeckungsprinzip aus folgenden Gründen ab. Zunächst wird festgestellt, daß die Herleitung des Kostendeckungsprinzip aus dem „Wesen der Gebühr", ihrer „Rechtsnatur" oder aus „Grundgedanken des Gebührenrechts" von vornherein keine Überzeugungskraft hätten, weil derartige Aussagen bloße Behauptungen seien, aus denen Beliebiges gefolgert werden könne 547 . Dasselbe gelte für die These, das Kostendeckungsprinzip ergebe sich aus der Funktion der Gebühr, die Kosten der erbrachten Staatsleistung zu decken. Aus dieser Begriffsbildung könnten keine entsprechenden Bemessungsprinzipien hergeleitet werden, weil das Ziel der Kostendeckung auch bei einer kostenüberschreitenden Gebühr gewahrt bleibe, ebenso verhalte es sich, wenn die Gebühr nur einen Teil der Kosten decken soll 548 . Auch lege der Entgeltcharakter der Gebühr ihre Höhe nicht fest, genausowenig wie etwa die zivilrechtliche Gegenleistung in einem gegenseitigen Vertrag aus ihrem Wesen heraus größenmäßig bestimmt wäre 549 . Ferner sei das Kostendeckungsprinzip untauglich, die Gebühr von der Steuer abzugrenzen. Das ergebe sich zum einen aus der Tatsache, daß eine Verletzung dieses Prinzips nur dann angenommen wird, wenn sie „gröblich" ist 550 . Derartige erheblich über der Kostengrenze liegende Gebühren seien aber selten, so daß das Kostendeckungsprinzip nur in einem sehr kleinen Bereich Abgrenzungswirkung entfalten könne 551 . Zum anderen gewährleiste das Kriterium der Leistungsabhängigkeit eine befriedigende Unterscheidung von der Steuer, so daß die Anerkennung eines Kostendekkungsprinzip insofern überflüssig sei 552 . Selbst wenn die Höhe einer Gebühr außer Verhältnis zur Leistung stehe, bleibe sie doch eine Gegenleistung und könne schon aus diesem Grunde keine Steuer sein 553 . Des weiteren müsse die These, daß die Erzielung fungibler Staatseinnahmen der Steuer vorbehalten sei
546 Hendler, VB1BW 1991, 125; F. Kirchhof, Gebühr, S. 93 ff, 100; Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 248 ff; Meyer, S. 196 ff; Murswiek, S. 75 ff; Selmer/Brodersen/Nicolaysen, S. 57; Stallknecht, S. 190 f; A. Weber, S. 112 ff; Wieland, S. 312 ff, Wilke, S.
272 ff, 292. 547 548
549
Vgl. Kreft, S. 80; Papier, S. 115; Rogosch, KStZ 1988, 1; Wilke, S. 274 f. Wilke, S. 53.
Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 250; so auch schon ThürOVG, RVB1. 1932, 636 (637); vgl. auch A. Weber, S. 116. 550 BVerwGE 12, 162(166). 551 Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 250 f. 552 553
Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 250 ff; Richtsteig, S. 56. So auch Clausen, S. 80 ff. Bodenheim, S. 307.
188
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
und Gebührengewinne ausschließe, erst noch bewiesen werden 554 . Schließlich ziehe das Kostendeckungsprinzip eine nur sehr vage Grenze, da nicht präzise festzustellen sei, was unter „Kosten" zu verstehen ist 555 . Darüber hinaus wendet man sich gegen die Herleitung des Kostendeckungsprinzip aus Normen des Grundgesetzes, worauf jedoch an anderer Stelle ausführlich eingegangen werden soll 556 .
c) Das Kostendeckungsprinzip im gebührendogmatischen System Auffallend ist, daß die neueren literarischen Äußerungen fast allesamt eine Geltung des Kostendeckungsprinzips nur dann befürworten, wenn sie ausdrücklich gesetzlich angeordnet wurde. Das kann daran liegen, daß die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keinerlei Anhaltspunkte dafür bietet, die ablehnende Haltung zu ändern. Insofern erscheint eine Befürwortung des Kostendeckungsprinzips als für die Rechtspraxis wenig fruchtbar. Jedenfalls hat der Streit viel von seiner Relevanz eingebüßt, weil in vielen gesetzlichen Regelungen die Erhebung einer (höchstens oder mindestens) kostendeckenden Gebühr ausdrücklich vorgeschrieben wurde. Gleichwohl ist die Frage, ob eine Gebühr von vornherein dem Kostendeckungsprinzip unterworfen ist, von prinzipieller dogmatischer Bedeutung, denn die Anerkennung des Kostendekkungsprinzips führt nicht nur dazu, die Höhe einer Gebühr zu beeinflussen, sondern kann u. U. die Erhebung bestimmter Gebühren vollends unmöglich machen. Diese Problematik ist gerade für die vorliegende Arbeit von erhöhter Bedeutung, denn die Befürwortung des Kostendeckungsprinzips würde es zwangsläufig ausschließen, Verleihungsgebühren zu erheben, weil eine Rechtsverleihung keine Kosten für den Staat verursacht. Im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung kann davon abgesehen werden, auf die oben dargestellten Argumente, die für oder gegen die gebührenimmanente Geltung des Kostendeckungsprinzips vorgebracht werden, näher einzugehen, weil in dieser Hinsicht nichts wesentlich Neues mehr hinzugefügt werden kann. Vielmehr soll die Beurteilung des Kostendeckungsprinzips auf der Grundlage der bisher erarbeiteten Gebührendogmatik erfolgen. Entscheidend ist insofern, ob sich eine gebührenimmanente Geltung des Kostendeckungsprinzips mit Begriff und Rechtfertigung der Gebühr sowie der Geltung des Äquivalenzprinzips verein-
554
Rogosch, KStZ 1988, 1, der eine gebührenimmanente Geltung des Kostendekkungsprinzips aber aus anderen Gründen befürwortet. 555
556
Stallknecht, S. 190 f.
S.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D II 2 c dd.
D. Gebührenbemessungsprinzipien
189
baren läßt 557 . Ferner ist das Kostendeckungsprinzip vor dem Hintergrund des hier entwickelten funktionalistischen Gebührenverständnisses 558 zu würdigen.
aa) Kostendeckungsprinzip
und Gebührenbegriff
Eine Gebühr ist die Gegenleistung für eine individuell erbrachte Staatsleistung. Als gebührenfähige Leistungen kommen nach dem hier vertretenen streng formalen Gebührenbegriff 59 auch solche Leistungen in Betracht, deren Erbringung nicht mit Kosten für den Staat verbunden sind. Würde die Gebühr für eine derartige Staatsleistung einem gebührenimmanent geltenden Kostendeckungsprinzip unterworfen sein, läge ihre Höhe bei Null, weil ja auch die dem Staat entstandenen Kosten bei Null liegen. Hieraus könnte nun gefolgert werden, daß es dem Staat in einem solchen Fall erlaubt sei, eine Gebühr in der Höhe von Null D M zu erheben. Eine Äußerung von Toepfer, einem Anhänger der vormals vertretenen Kostentheorie 560, geht in der Tat in diese Richtung. Seiner Ansicht nach ist es möglich, daß Gebühren „bis zur Unentgeltlichkeit herabsteigen" könnten 561 . Denkbar ist aber auch, daß in einem solchen Fall nicht eine „Null-Gebühr", sondern gar keine Gebühr erhoben werden dürfte. Die Geltung des Kostendeckungsprinzips würde dann dazu führen, daß eine nicht mit Kosten verbundene Staatsleistung unentgeltlich sein muß, mit der Folge, daß der Kreis gebührenfähiger Staatsleistungen auf solche, die mit Kosten einhergehen, beschränkt wäre. Der streng formale Gebührenbegriff würde insofern durch ein Bemessungsprinzip unterlaufen, weil nicht mehr jede Staatsleistung potentiell gebührenfähig wäre. Eine derartige Beeinflussung des Gebührenbegriffs durch ein Bemessungsprinzip liefe allerdings den hier vertretenen gebührendogmatischen Grundsätzen zuwider, wonach Gebührenbegriff und Gebührenbemessung unterschiedliche, voneinander zu trennende Ebenen darstellen. Zwischen ihnen besteht ein hierarchisches Verhältnis, wobei der Begriff die Basis bildet, der die Bemessungsfrage nachgeordnet ist. Es ist daher nicht möglich, daß die Bemessung Auswirkungen auf den Begriff hat. Demgemäß ist es dem Kostendeckungsprinzip verwehrt, den Kreis der begrifflich möglichen gebührenfähigen Staatsleistungen nachträglich einzuschränken 562. Eine Gebühr muß deshalb auch für nicht mit Kosten verbundene Leistungen möglich bleiben. Wollte man vor diesem Hintergrund an einem gebührenim557 558 559 560 561 562
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitte Β V, C und D I. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β V. S.o. 2. Teil, Gliederungsabschnitt A III 1. Toepfer, FinArch 26 (1909), S. 547. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III 2.
190
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
manent geltenden Kostendeckungsprinzip festhalten, bliebe die Befürwortung einer „Null-Gebühr" im Sinne Toepfers als einzig möglicher Ausweg übrig. Zugespitzt bedeutete dies: Der Gebührenbescheid für eine nicht kostenträchtige Leistung beliefe sich auf „ N u l l D M " . Daß eine solche Folgerung keinen Sinn macht, liegt auf der Hand, ihr würde jegliches Gespür für ein praktikables Gebührenrecht fehlen. Es ist daher vorzuziehen, diese Konsequenz zu vermeiden und sich von einer gebührenimmanenten Geltung des Kostendeckungsprinzips zu verabschieden. Nur dann steht der hier entwickelte streng formale Gebührenbegriff nicht in Widerspruch zu Bedürfnissen der Praxis. Seine Befürwortung zwingt somit nicht zur Folgerung, „Null-Gebühren" als möglich zu erachten, sondern vielmehr dazu, ein gebührenimmanent geltendes Kostendekkungsprinzip abzulehnen. Dieses Prinzip ist nämlich letztlich die Konsequenz aus einem nicht haltbaren kostenbezogenen Gebührenbegriff 63 .
bb) Kostendeckungsprinzip
und Rechtfertigung
von Gebühren
Es wurde dargestellt, daß es zwei unabhängig voneinander bestehende Möglichkeiten gibt, die Erhebung einer Gebühr zu rechtfertigen, nämlich zum einen unter dem Gesichtspunkt der Überwälzung von Kosten, die ein einzelner provozierte, und zum anderen unter dem Aspekt des Ausgleichs zugewandter Vorteile 564 . Das Kostendeckungsprinzip ist nun aber begrifflich darauf angelegt, die Gebühr allein nach dem Aufwand, den der Staat infolge der Leistungsgewährung tätigen mußte, zu bemessen. Bei einer kostenüberwälzenden Gebühr mag eine derartige Bemessung sachgerecht sein. Wird die Gebühr aber durch den Gesichtspunkt des Vorteilsausgleich gerechtfertigt, ist nicht einzusehen, warum im Rahmen der Bemessung dem Kostendeckungsprinzip entsprechend allein die beim Staat entstandenen Kosten, nicht aber die zugewandten Vorteile maßgebend sein sollen. Zwar ist es auch unter dem Regime des Kostendekkungsprinzips möglich, Wertgesichtspunkte zu berücksichtigen 565 , allerdings ändert sich nichts an der grundsätzlichen Tatsache, daß Kostenbemessung und Vorteilsausgleich vom Ansatz her unterschiedlich sind, denn jene blickt auf den Nachteil des Staates, während dieser den Nutzen des einzelnen zum Gegenstand hat. Die doppelte Rechtfertigungsmöglichkeit von Gebühren verbietet es also, ein generell für jede Gebührenart geltendes Kostendeckungsprinzip anzuerkennen. Dem rechtfertigenden Aspekt des Vorteilsausgleichs muß vielmehr auf der Bemessungsebene dadurch Rechnung getragen werden, daß man eine
563
564 565
Meyer, S. 198.
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II. Näher dazu im nachfolgenden Gliederungsabschnitt.
D. Gebührenbemessungsprinzipien
191
vorteilsausgleichende Gebühr nicht dem ihr wesensfremden Kostendeckungsprinzip unterwirft.
cc) Kostendeckungsprinzip
und Äquivalenzprinzip
Es wurde dargestellt, daß die Bemessung einer jeden Gebühr dem Äquivalenzprinzip bzw. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen muß 566 . Es ist daher zu prüfen, ob das Kostendeckungsprinzip hiermit vereinbar wäre. Das ist fur den Fall, daß die erbrachte Staatsleistung mit Kosten verbunden sind, zu bejahen. Denn das Kostendeckungsprinzip zielt darauf ab, daß mit dem gesamten Gebührenaufkommen die Gesamtkosten des Staates gedeckt werden sollen, während das Äquivalenzprinzip eine im Einzelfall angemessene Gebührenhöhe verlangt 567 . Die Kostengrenze kann daher eine absolute Obergrenze bilden, unterhalb derer die einzelnen Gebührenbeträge einer äquivalenten Bemessung zugänglich sind. Verstößt eine kostendeckend bemessene Gebühr im Einzelfall gegen das Äquivalenzprinzip, so ist sie entsprechend zu ermäßigen 568. Kostendeckungsprinzip und Äquivalenzprinzip schließen sich also nicht von vornherein aus569. Das erlaubt dem Gesetzgeber auch, eine kostendeckende Gebühr anzuordnen, denn würden Kostendeckungsprinzip und Äquivalenzprinzip unvereinbar sein, müßte letzterem wegen seines Verfassungsranges der Vorzug gegeben werden, während ersteres niemals zur Geltung gelangen könnte. Zweifelhaft ist aber, ob Kostendeckungsprinzip und Äquivalenzprinzip auch dann miteinander vereinbar sind, wenn die erbrachte Leistung nicht mit Kosten verbunden ist. Gälte das Kostendeckungsprinzip, wäre es nur möglich, eine „Null-Gebühr" zu erheben 570. Das Äquivalenzprinzip würde jedoch zulassen, die Gebühr nach dem Wert der Leistung für den einzelnen zu bemessen571, so daß dieser einen entsprechenden Geldbetrag zu zahlen hätte. Im Gegensatz zum Äquivalenzprinzip reduziert das Kostendeckungsprinzip daher die Möglichkeit der Gebührenerhebung. Somit stehen in dem Fall, in welchem der Staat infolge der Leistungserbringung keine Kosten hat, Kostendeckungsprinzip und Äquivalenzprinzip in einem Widerspruch zueinander. Fraglich ist nun, ob auf die Gebührenerhebung dem Kostendeckungsprinzip gemäß verzichtet werden muß.
566
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I.
567
Murswiek,
568
S. 73.
VG Frankfurt, DVB1. 1970, 186 (187). 569 So auch Raecke, S. 14, 21 und Wilke, S. 272 f, allerdings mit dem Schwerpunkt auf der Vereinbarkeit von Kosten- und Wertbemessung. 570 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D II 2 c aa. 571 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 6 c.
192
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Hier ist entscheidend darauf abzustellen, daß dem Äquivalenz- bzw. Verhältnismäßigkeitsprinzip, anders als dem Kostendeckungsprinzip 572, Verfassungsrang zukommt. Es verlangt eine umfassende Abwägung zwischen Gebührenhöhe und erbrachter Leistung, bei der insbesondere Nutzen- oder Wertgesichtspunkte eine wichtige Rolle spielen573. Dem würde es widersprechen, im Falle einer nicht mit Kosten verbundenen Staatsleistung die Geltung des Kostendekkungsprinzips zu befürworten, weil dann nämlich eine Gebührenerhebung von vornherein unmöglich wäre, so daß Wertgesichtspunkte gar nicht erst zum Zuge kämen. Der umfassende Prüfungsansatz des Äquivalenzprinzips würde daher auf den Kostenaspekt reduziert. Ein Verfassungsgrundsatz würde insofern von einem auf einfach-rechtlicher Ebene geltenden Prinzip ausgeschaltet. Daraus ergibt sich, daß der in dem genannten Fall bestehende Widerspruch zwischen Äquivalenzprinzip und Kostendeckungsprinzip zugunsten des ersteren entschieden werden muß. Hieraus folgt, daß das Kostendeckungsprinzip nicht generell für jede Gebühr gelten kann.
dd) Die Bemessungsprinzipien und das funktionalistische Geb ührenverständnis In den vorangegangenen Gliederungsabschnitten wurde dargelegt, daß ein generell geltendes Kostendeckungsprinzip im Widerspruch zu hier entwickelten Erkenntnissen stünde, insbesondere was den streng formalen Gebührenbegriff, die doppelte Rechtfertigungsmöglichkeit von Gebühren sowie den verfassungskräftigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, hier in Form des gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzips, angeht. Maßgebliche Bedeutung besaß die Überlegung, daß ein gebührenimmanentes Kostendeckungsprinzip die Erhebung aller Gebühren, die nicht an staatlicherseits entstandene Kosten anknüpfen, sondern allein dem Zweck des Vorteilsausgleichs dienen, von vornherein behindern würde. Die Folge wäre letztlich eine Beeinflussung der Begriffs- und Rechtfertigungsebene von seiten eines Bemessungprinzips. Dieses Ergebnis wäre mit dem hier entwickelten funktionalistischen Gebührenverständnis unvereinbar, wonach die Ebene der Gebührenbemessung von den vorangehenden Ebenen getrennt ist 574 . Gegen diese Überlegung kann nicht eingewandt werden, daß doch auch das Äquivalenzprinzip als bloßes Bemessungsprinzip die Erhebung unverhältnismäßiger Gebühren verbietet, mögen diese auch grundsätzlich gerechtfertigt sein, so daß das Äquivalenzprinzip die Begriffs- und Rechtferti-
572 573 574
Ausf. dazu der folgende Gliederungsabschnitt. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III.
D. Gebührenbemessungsprinzipien
193
gungsebene insofern beeinflußt, als es die Erhebung von Gebühren unmöglich macht, obwohl sie begrifflich zulässig und gerechtfertigt sind. Hier würde nicht beachtet, daß das Äquivalenzprinzip lediglich die Forderung von Gebühren verhindert, die im konkreten Einzelfall unverhältnismäßig bemessen worden sind. Es richtet sich nicht gegen die Erhebung einer ganzen Gebührenkategorie; durch eine entsprechende Anpassung des Betrages wäre der Weg zur Gebührenerhebung wieder frei. Anders verhält es sich mit dem Kostendeckungsprinzip. Dieses würde die Erhebung sämtlicher Gebühren unmöglich machen, welche nicht mit staatlichen Kosten verbunden sind. Insofern enthält es generelle Aussagen in bezug auf die Gebührenqualität von Abgaben, und nicht nur individuelle Aussagen zur Rechtmäßigkeit eines konkret gewählten Gebührenbetrages. Nur letzteres entspricht allerdings der Funktion eines Bemessungsprinzips 575 . Zudem würde ein solcher Einwand verkennen, daß das Äquivalenzprinzip bzw. der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Verfassungsrang besitzen. In einem solchen Fall darf ein Bemessungsprinzip die Erhebung einer Gebühr wieder verhindern, obwohl Begriff und Rechtfertigung nicht entgegenstünden. Entsprechendes gilt fur die Beziehung zwischen Begriffs- und Rechtfertigungsebene. Auch eine Abgabe für eine nachteilige, nicht mit Kosten verbundene Staatsleistung ist begrifflich eine Gebühr. Sie darf dennoch nicht erhoben werden, weil sie nicht gerechtfertigt werden kann. Auch hier schränkt die nachfolgende Rechtfertigungsebene die Möglichkeit wieder ein, die Gebühr zu erheben, obwohl sie von der vorhergehenden begrifflichen Ebene zugelassen würde. Aber auch hier ist das nur möglich, weil verfassungsrechtliche Vorgaben dies verlangen, nämlich Grundrechte des Gebührenbelasteten und die Finanzverfassung. Es gilt somit: Die hierarchische Struktur der unterschiedlichen gebührenrechtlichen Ebenen läßt eine Einschränkung der Möglichkeit des Gesetzgebers, Gebühren zu erheben, durch eine nachfolgende Ebene nur zu, wenn ein solches Vorgehen von Verfassungs wegen gefordert ist. Daraus folgt für den hier gegebenen Zusammenhang, daß das Kostendeckungsprinzip nur dann generelle Geltung beanspruchen kann, wenn es sich wie das Äquivalenzprinzip auf verfassungsrechtliche Regelungen stützen könnte. In der Tat wird von manchen Verfechtern des Kostendeckungsprinzips versucht, grundgesetzliche Normen zu dessen Begründung heranzuziehen. So sei den Anforderungen des in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG niedergelegten Bestimmtheitsgrundsatzes nur bei Geltung des Kostendeckungsprinzips Genüge getan 576 . Auch sei die Erhebung einer
575
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III 2. Ehle, DÖV 1962, 46; Stephan, JurA 1970, 871. Auf den aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip folgenden Bestimmtheitsgrundsatz hebt Hamann, DB 1963, 265, ab. 57 6
13 Heimlich
194
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
kostenüberschreitenden Gebühr nicht erforderlich und somit unverhältnismäßig, so daß ein Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG vorliege 577 . Bei der Erforderlichkeit als Teilelement des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes setzen auch andere Autoren an: Sie gehen davon aus, daß eine Gebühr zur Aufwandsdeckung erhoben wird. Um diesen Zweck zu erfüllen, sei allein eine kostendeckende Gebühr erforderlich, so daß eine kostenüberschreitende Gebühr nicht mehr vom Aufwandsdeckungszweck gerechtfertigt sei 578 . Anders als die soeben dargestellte Auffassung läßt man jedoch offen, in welches Grundrecht die Gebührenerhebung unverhältnismäßig eingreift. Das wäre jedoch notwendig, weil der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur in Verbindung mit einem bestimmten Grundrecht individuellen Schutz bietet 579 . Ferner wird vorgebracht, der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlange die Geltung des Kostendeckungsprinzips, weil nur dann eine gleiche und willkürfreie Gebührenbelastung gesichert sei 580 . Aus Art. 3 Abs. 1 GG folge des weiteren ein Verbot unentgeltlicher Staatsleistungen, was zur Befürwortung des Kostendekkungsprinzips führe 581 . Schließlich wird behauptet, das Kostendeckungsprinzip sei unverzichtbares Element des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und nehme daher an dessen Verfassungsrang Teil 5 8 2 . Diese Argumente halten jedoch einer genaueren Prüfung nicht stand. So zwingt das Bestimmtheitserfordernis des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nur dazu, im Gebührengesetz eine bestimmte Höchstgrenze anzugeben, die aber immer noch über der Kostengrenze liegen kann 583 . Auch bezieht sich diese Norm nur auf die Gebührenerhebung durch eine Rechtsverordnung, nicht aber auf eine solche durch Gesetz, so daß sie für das hier in Rede stehende Problem nichts hergibt 5 8 4 . Des weiteren kann der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ggf. in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 GG, nicht zur Anerkennung des Kostendeckungsprinzip führen, denn für die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist allein relevant, wel577 So Wendt, S. 119 ff. Zu beachten ist, daß sich Wendt ausdrücklich dagegen ausspricht, die Geltung des Kostendeckungsprinzips aus Begriff oder Zweck der Gebühr, insbesondere dem von ihm favorisierten Ausgleichszweck, abzuleiten, weil auch dann von einem Ausgleich die Rede sein könne, wenn der Bürger den ihm zugewandten Wert abgilt; allerdings sei die Frage des Ausgleichs aus Sicht des leistungsgewährenden Staates zu beurteilen (vgl. S. 74, 120 Fußn. 137, 155 f)· Ausf. gegen Wendts Argumentation Clausen, S. 101 ff. 57 8 Ehle, DÖV 1962, 47; Papier, S. 115 f; Rogosch, KStZ 1988, 2 f. 579 S. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D i l . 580 Ehle, DÖV 1962, 46 f; Stephan, JurA 1970, 871. 581 Leisner, in: Gedächtnisschrift Hans Peters, S. 738 ff. 582
383
Zimmermann, DVB1. 1989, 905.
Kreft, S. 81 f, der eine gebührenimmanente Geltung des Kostendeckungsprinzips aber aus anderen Gründen befürwortet. 584
Ober läuter, DÖV 1962, 48; A. Weber, S. 114.
D. Gebührenbemessungsprinzipien
195
cher Belastungswirkung der Gebührenschuldner ausgesetzt ist. Der Aufwand des Staates, auf den das Kostendeckungsprinzip abstellt, ist insofern unerheblich 5 8 5 . Hinzu kommt, daß das Kostendeckungsprinzip aus Gründen der betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung ungeeignet ist, einen Schutz des Gebührenschuldners zu gewährleisten 586 . Schließlich gebietet der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht, das Kostendeckungsprinzip anzuerkennen. Es ist nicht einsichtig, warum die Überschreitung der Kostengrenze von vornherein gegen das Willkürverbot verstoßen soll 587 . Im Rahmen der Gleichbehandlung wird der Vorteil des Bürgers, nicht aber der Nachteil des Staates relevant 588 . Ferner läßt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG kein generelles Verbot unentgeltlicher Staatsleistungen ableiten 589 . Selbst wenn ein solches Verbot bestehen würde, kann aus sachlichen Gründen von ihm abgewichen werden, wobei die entsprechenden Anforderungen gering sind. Ein Schenkungsverbot stellt daher keine Limitierung der Gebührenhöhe dar 590 . Das Kostendeckungsprinzip kann somit nicht aus verfassungsrechtlichen Regelungen abgeleitet werden, so daß ihm, anders als dem Äquivalenzprinzip, eine generelle Geltung versagt bleiben muß. Daher vermag es die von der Begriffs· und der Rechtfertigungsebene zugelassene Möglichkeit der Gebührenerhebung nicht wieder auf der Bemessungsebene einzuschränken. Eine gebührenimmanente Geltung des Kostendeckungsprinzips widerspricht der hier entwickelten Gebührendogmatik und ist daher nicht zu befürworten.
ee) Differenzierung
nach Gebührentypen?
Dem bisher Erörterten zufolge unterliegt die Gebührenbemessung von vornherein nur dem Äquivalenzprinzip, nicht aber dem Kostendeckungsprinzip. Klaus Vogel versucht jedoch, dieses Ergebnis dahingehend zu relativieren, daß man beide der genannten Bemessungsprinzipien als maßgebend ansehen muß, 585
Wieland, S. 314; vgl. auch Clausen, S. 108 ff. Ausf Wilke, S. 277 ff. 587 Clausen, S. 124 f; Kreft, S. 81; Richtsteig, S. 57 f; Rogosch, KStZ 1988, 1, 3 (allesamt jedoch Befürworter des Kostendeckungsprinzips). Allerdings spielt Art. 3 Abs. 1 GG bei der Bemessung einer Gebühr, die auf Kostendeckung angelegt ist, eine gewichtige Rolle, vgl. BVerfGE 50, 217 (227). 586
588
589
Wieland, S. 314.
P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 201; Wieland, S. 314. 590 Rogosch, KStZ 1988, 3, der eine gebührenimmanente Geltung des Kostendekkungsprinzips jedoch aus anderen Gründen befürwortet.
196
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
„nur nicht für alle Gebühren einheitlich, sondern jedes von ihnen jeweils für einen der zwei Grundtypen der Gebühren" 591 . Gegen seine Meinung spricht jedoch die Tatsache, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, hier in Form des Äquivalenzprinzips, als verfassungsrechtliches Prinzip das gesamte Staatshandeln bindet und nicht auf Teilbereiche beschränkt werden kann. Dementsprechend unterliegt die Erhebung einer jeden Gebühr, nicht nur die einer bestimmten Gebührenart, a priori dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. dem Äquivalenzprinzip 592 . Dessen umfassende, der Gebührenerhebung vorgelagerte Wirkung würde verkannt, wollte man die Bemessung von kostenüberwälzenden Gebühren von seiner Geltung ausnehmen. Auch die auf Kostenabwälzung abzielende Gebühr darf nicht unverhältnismäßig sein. Es mag zutreffen, daß hier die Gefahr einer unverhältnismäßigen Bemessung infolge der Befürwortung des Kostendeckungsprinzips nicht besteht. Gleichwohl kann das nicht dazu führen, die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für diese Gebührenart generell zu verneinen, denn die bloße Tatsache, daß ein Prinzip nicht verletzt werden kann, sagt als solche noch nichts über dessen Geltung aus. Das Äquivalenzprinzip gilt somit für jede Gebührenart. Fraglich ist, ob dasselbe auch auf das Kostendeckungsprinzip zutrifft. Dessen generelle Geltung wurde bisher deshalb abgelehnt, weil dies die Erhebung von Gebühren behindern würde, die nicht der Kostendeckung, sondern dem Vorteilsausgleich dienen, was mit hier entwickelten Grundsätzen unvereinbar wäre. Eine solche Überlegung griffe jedoch dann nicht, wenn man im Sinne Vogels die Geltung des Kostendeckungsprinzips auf Gebühren beschränken würde, die der Kostenüberwälzung dienen, und vorteilsausgleichende Gebühren hiervon ausnähme, so daß deren Erhebung weiterhin möglich bliebe. Allerdings kann das Kostendeckungsprinzip auch in einem solchen Fall keine generelle Geltung beanspruchen. Wie bereits dargestellt wurde, vermag sich dieses Bemessungsprinzip, anders als das Äquivalenzprinzip, nicht auf Regelungen des Grundgesetzes zu stützen. Der Gebührengesetzgeber ist jedoch nur der Verfassung unterworfen. Sein gebührenrechtliches und -politisches Handeln würde unzulässig eingeschränkt, wenn man ihn an ein unter dem Rang des Grundgesetzes stehendes Prinzip binden wollte. Eine Gebührenerhebung muß
591
Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 534 (Herv. im Orig.); ähnlich, aber in der Formulierung weniger streng Murswiek, NuR 1994, 175; s. auch P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 199 f, und Salzwedel, Rechtsgutachten, S. 55. Zu beachten ist, daß auch Vogel bei der Gebührenbemessung einen gesetzgeberischen Bewertungsspielraum anerkennt. Die Grenzen seien „erst dort überschritten, wo im einen Fall die Gebühr erkennbar höher ist als der Vorteil, im anderen die Kostenzurechnung erkennbar unangemessen ist" (a.a.O., S. 535). Er darf daher nicht als Anhänger einer (wenn auch nur partiell geltenden) strengen Kostentheorie mißverstanden werden. 592 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 3, 4.
D. Gebührenbemessungsprinzipien
197
mit der Finanzverfassung, den Grundrechten sowie dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vereinbar sein, weitere verfassungsrechtliche Maßgaben existieren nicht. Das Kostendeckungsprinzip mag ein sachgerechter Bemessungsgrundsatz für kostenüberwälzende Gebühren sein. Gleichwohl zwingt dies nicht dazu, dem Gesetzgeber zu verbieten, von ihm abzuweichen, wenn es im Einzelfall erforderlich ist. Er ist hierbei nur von verfassungsrechtlichen Vorgaben begrenzt. Weist er nach, daß der Kostenmaßstab ausnahmsweise nicht sachgerecht ist, obwohl die Gebühr der Abwälzung provozierter Kosten dient, muß ihm erlaubt sein, andere Bemessungsgrundsätze heranzuziehen. Anderenfalls würde man den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unzulässig einschränken, was dem Bemühen zuwiderliefe, dem Gebührenrecht größtmögliche Flexibilität zu verleihen. Das Kostendeckungsprinzip kann also auch im Bereich kostendeckender Gebühren keine zwingende Geltung beanspruchen. Es hat hier lediglich die Bedeutung eines sachgerechten Bemessungsmaßstabs, der vom Gesetzgeber einen erhöhten Begründungsaufwand verlangt, will er von ihm abweichen. Der Kostenaspekt ist daher zwar eine Legitimation der Gebührenerhebung, nicht aber ein zwingender Maßstab für die Gebührenhöhe 593. Der Versuch Vogels, hinsichtlich der Geltung von Äquivalenzprinzip und Kostendeckungsprinzip nach Gebührentypen zu differenzieren, vermag somit insgesamt nicht zu überzeugen.
ff) Kostendeckungsprinzip
und Willkürverbot
Eine gebührenimmanente Geltung des Kostendeckungsprinzips ist nach alledem nicht anzuerkennen. Ein solches Ergebnis widerspricht nicht der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die generelle Geltung des Kostendeckungsprinzips nicht befürwortet wird, der Kostenaspekt aber dann eine Rolle spielt, wenn es darum geht, die Willkürfreiheit der auferlegten Gebühr zu beurteilen 594. Hieraus könnte gefolgert werden, daß das Kostendeckungsprinzip über den Umweg des allgemeinen Gleichheitssatzes eine jede Gebührenbemessung zwingend determiniert. Eine solche Auffassung wäre jedoch abzulehnen. Die Beurteilung, ob die Höhe einer Gebühr willkürlich ist, muß sich an dem mit ihr verfolgten Zweck orientieren. Soll sie dazu dienen, entstandene Kosten überzuwälzen, kommt dem Kostenaspekt im Hinblick auf die Willkürfreiheit selbstverständlich entscheidende Bedeutung zu. Allerdings ist es auch möglich, mit einer Gebühr andere Zwecke als diesen
593 594
So P. Kirchhof Rechtsgutachten, S. 23. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D II 2 b aa.
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
198
zu verfolgen 595 . Eine Gebührenbemessung ist dementsprechend immer dann sachgerecht, wenn sie mit dem Ziel, welches die Gebührenerhebung verfolgt, begründet werden kann. Die Tatsache, daß der Kostenaspekt nicht zum Tragen kommt, fuhrt als solche nicht zwangsläufig zur Willkür 596 . So ist etwa die Höhe einer auf Vorteilsausgleich abzielenden Gebühr nicht notwendigerweise willkürlich gewählt, wenn bei ihrer Bemessung allein auf den Vorteil abgestellt wird, welchen der Gebührenschuldner durch die Leistung erlangte. Denn die Orientierung am Ausgleichszweck stellt bei einer Gebühr, die diesen Vorteil gerade ausgleichen will, einen sachlichen Grund dar. Im übrigen ist zu beachten, daß sich die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf eine Verwaltungsgebühr bezieht, deren Maßstab sinnvollerweise der Kostenaufwand der Verwaltung ist. Daher lassen sich die Aussagen zur Relevanz des Kostendeckungsprinzips im Rahmen des Gleichheitssatzes nicht verallgemei597
nern .
III. Ergebnis Insgesamt kann als Ergebnis der obigen Ausführungen festgehalten werden, daß die Gebührenbemessung lediglich an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bzw. das Äquivalenzprinzip gebunden ist. Demgegenüber gilt das Kostendekkungsprinzip nur, sofern es der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet hat. Am Rande sei noch darauf hingewiesen, daß sich ein Zwang zur gesetzlichen Anordnung des Kostendeckungsprinzips bisweilen aus EG-Recht ergeben kann, nämlich dann, wenn die Abgabe nicht als „Abgabe zollgleicher Wirkung" im Sinne des EWG-Vertrages qualifiziert werden soll 598 . Für die Gebührenhöhe sind keine anderen Begrenzungen denkbar als Kostendeckung und Äquivalenz 599 . In welcher Beziehung Äquivalenz bestehen muß, bestimmt sich maßgeblich nach dem verfolgten Gebührenzweck. Von ihm hängt es ab, ob die Gebührenhöhe in bezug auf die Kosten oder in bezug auf den Wert der Leistung äquivalent sein muß. Kosten- und Wertmaßstäbe sind gleichrangig, keiner kann für jede Gebührenart Geltung beanspruchen.
595
S.u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt E.
596
Murswiek,
597 598 599
S. 76.
So auch Murswiek, S. 76 Fußn. 217; vgl. ferner Bettermann, S. 43 f. Vgl. nur EuGH, NJW 1988, 3081. BVerwGE 28, 36 (49).
E. Gebührenzwecke
199
E. Gebührenzwecke Die folgenden Ausführungen widmen sich der Frage, welchen Zwecken die Gebührenerhebung zulässigerweise dienen kann. Dabei ist zu unterscheiden zwischen solchen Zwecken, die einer Gebühr schon allein kraft ihres Gebührencharakters zwangsläufig zukommen müssen, und solchen, die hierüber hinausgehend vom Staat fakultativ verfolgt werden können.
I. Gebührenimmanente Zwecke In einem anderen Zusammenhang wurde bereits festgestellt, daß die Gebühr wie jede öffentlich-rechtliche Abgabe darauf angelegt ist, ein Finanzaufkommen zu erzielen. Dieser Zweck darf nicht mit dem Gew/Twerzielungszweck verwechselt werden 600 . Des weiteren wird sie als Gegenleistung für eine vom Staat individuell zugewandte Leistung erbracht. Jede Gebühr verfolgt daher den Zweck, diese Leistung zu entgelten, mithin: Entgelt zu sein. Diese beiden Zwecke sind als Konsequenz aus dem Gebührenbegriff gebührenimmanent. Der Entgeltzweck spielt auf der begrifflichen Ebene - im Gegensatz zu anderen Gebührenzwecken - deshalb eine Rolle, weil er in direktem Bezug zu demjenigen Element steht, das die Gebühr von anderen Abgaben abgrenzt. Nur Zwekke, welche mit dieser spezifischen Funktion der Begriffsebene zusammenhängen, können nach dem hier entwickelten funktionalistischen Gebührenverständnis auf der Begriffsebene relevant werden 601 . Weitere gebührenimmanente Zwecke sind nach dem vorliegend vertretenen streng formalen Gebührenbegriff 602 nicht denkbar. Zurückzuweisen ist insbesondere die in der gebührenrechtlichen Literatur von F. Kirchhof geäußerte Auffassung, die Gebühr verfolge als solche keinen bestimmten Zweck, dieser müsse vielmehr erst durch den einfachen Gebührengesetzgeber festgelegt werden 603 .
II. Fakultative Gebührenzwecke Die vorstehend angesprochenen gebührenimmanenten Zwecke stellen nur sehr grobe Vorgaben für das Tätigwerden des gebührenerhebenden Staates dar.
600 601 602 603
Vgl. u. 3. Teil, Gliederungsabschnitt E II 2 b. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III 1. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β V. Ausf. zum Ganzen bereits oben 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 3.
200
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Ihre Bedeutung als effektives Instrument staatlichen Handelns erlangt die Gebühr aber erst und gerade dort, wo mit ihr weitere Zwecke verfolgt werden. Auch hier unterliegt der Staat zwar keinen besonders hohen Anforderungen, was die Zulässigkeit derartiger Zwecke angeht604. Gleichwohl ist näher zu prüfen, welche Möglichkeiten und Grenzen diesbezüglich bestehen. Das soll nun im Hinblick auf die wichtigsten und für die Thematik der Verleihungsgebühren relevanten Gebührenzwecke geschehen.
/. Kostendeckung,
Vorteilsausgleich
und Wertabschöpfung
a) Folgerungen aus den Gebührenrechtfertigungsgründen Die Gebührenerhebung läßt sich aufgrund zweier Gesichtspunkte rechtfertigen. Sie darf einerseits erhoben werden, um vom Gebührenschuldner provozierte staatliche Kosten auf diesen zurückzuwälzen, und andererseits, damit ein entstandener Vorteil ausgeglichen wird. Dabei ist bedeutsam, daß beide möglichen Rechtfertigungsgründe unabhängig voneinander in der Lage sind, eine Gebührenerhebung zu rechtfertigen 605. Dieser Umstand hat auch Auswirkungen auf die Zulässigkeit von Gebührenzwecken. Aus ihm folgt, daß eine Gebühr vorrangig oder ausschließlich dem Ziel dienen darf, Kosten überzuwälzen oder Vorteile auszugleichen. Es wäre nämlich ersichtlich widersinnig, Kostenüberwälzung und Vorteilsausgleich als Rechtfertigungsgründe anzusehen, aber einer Gebühr gleichzeitig zu verbieten, diese Zwecke auch vorrangig oder ausschließlich zu verfolgen. Die Anerkennung von Rechtfertigungsgründen hat nur dann einen Sinn, wenn sie auch tatsächlich realisierbar sind. Würde man es dem Gebührengesetzgeber verwehren, mit der Gebührenerhebung einen dem jeweiligen Rechtfertigungsgrund entsprechenden Primärzweck zu verfolgen, wäre der rechtfertigende Gedanke praktisch entwertet. Dieser legitimiert daher ebenso den Grund wie das Ziel einer Gebühr. Insofern besteht zwangsläufig ein innerer Zusammenhang zwischen Gebührenrechtfertigung und Gebührenzweck. Was die Funktion der Kostenüberwälzung angeht, ist seit jeher anerkannt, daß eine Gebühr zulässigerweise den Zweck verfolgen darf, den infolge der erbrachten Staatsleistung entstandenen Aufwand zumindest teilweise wieder auf den Gebührenschuldner zurückzuwälzen. Für die einen folgt dies schon aus
604 605
Vgl. nur BVerfGE 50, 217 (226 f). S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 c.
E. Gebührenzwecke
201
dem Gebührenbegriff 606, andere sehen den Kostendeckungszweck zumindest als einen möglichen Gebührenzweck an 607 . Aus Sicht des hier vertretenen streng formalen Gebührenbegriffs, der die Aufnahme des Kostendeckungszwecks in den Begriff ablehnt608 , kann der erstgenannten Meinung nicht gefolgt werden. Allerdings soll damit nicht in Frage gestellt werden, daß es der Gebühr erlaubt ist, diesen Zweck zu verfolgen. Dies folgt schon daraus, daß der Aspekt der Kostenverantwortlichkeit, wie soeben erörtert, in der Lage ist, die Gebührenerhebung zu rechtfertigen. Zu betonen ist jedoch, daß dieser Zweck nur möglich, nicht aber (begrifflich) zwingend ist. Denn eine vorteilsausgleichende Gebühr ist ebenso wie eine kostenüberwälzende gerechtfertigt. Wenn nun aber beide Rechtfertigungsgründe unabhängig voneinander die Erhebung einer Gebühr legitimieren können, folgt daraus, daß sie gleichwertig sind. Somit gilt der oben dargestellte Zusammenhang von Gebührenrechtfertigung und Gebührenzweck auch für jeden dieser Gründe, und nicht nur für denjenigen der Kostenverantwortlichkeit. Anderenfalls würde man den Rechtfertigungsgrund des Vorteilsausgleichs seiner sachlichen Berechtigung berauben. Aus dessen Anerkennung folgt also, daß eine Gebühr vorrangig oder ausschließlich dem Zweck dienen darf, zugewandte Vorteile auszugleichen. Zusammenfassend läßt sich daher festhalten, daß aus der Korrespondenz von Gebührenrechtfertigung und Gebührenzweck sowie aus der Gleichwertigkeit der beiden Rechtfertigungsgründe die Zulässigkeit des Kostendeckungsund des Vorteilsausgleichszwecks als gebührenrechtliche Primärzwecke folgt. Im Hinblick auf die Frage, ob die Erhebung von Verleihungsgebühren zulässig ist, kommt jedoch nur letzterem Bedeutung zu, weil einer Verleihungsgebühr keine mit Kosten verbundene Staatsleistung zugrundeliegt und sie deshalb zwangsläufig nicht auf die Deckung staatlichen Aufwands abzielen kann. Daher soll der Gebührenzweck des Vorteilsausgleichs im folgenden Gliederungsabschnitt vertieft behandelt werden.
606 607 608
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 1, 4; III 1. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 2, 3. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β V.
202
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
b) Insbesondere Vorteilsausgleich und Wertabschöpfung aa) Präzisierungen Wendet der Staat dem Gebührenschuldner eine vorteilhafte Leistung zu, so wird dieser Vorteil in der Regel wirtschaftlicher, d.h. geldwerter Art sein. Der intendierte Vorteilsausgleich besteht dann darin, daß diese Werte infolge der Gebührenzahlung gemindert, also abgeschöpft werden sollen. Die Zwecke des Vorteilsausgleichs und der Wertabschöpfung bilden daher keine Gegensätze, sondern es kommt zu einem Vorteilsausgleich durch Wertabschöpfung, die Abschöpfung von Werten dient dem Ausgleich von Vorteilen. Die Wertabschöpfung ist also gewissermaßen das Zwischenziel, der Vorteilsausgleich das übergeordnete Endziel. Dieses Verhältnis wird in Rechtsprechung und Literatur allerdings nicht genau beachtet, die Begriffe Vorteilsausgleich und Wertabschöpfüng werden vielmehr sinngleich verwendet und des öfteren ζ. B. zu „Vorteilsabschöpfung" kombiniert 609 . Derartigen lediglich terminologischen Fragen braucht indes keine nähere Aufmerksamkeit gewidmet zu werden. Es reicht die Klarstellung, daß alle inhaltlich einschlägigen Aussagen von Rechtsprechung und Literatur, unabhängig von der jeweils verwendeten Begrifflichkeit, für die nachfolgenden Ausführungen herangezogen werden können. Es liegt auf der Hand, daß jede Gebühr, weil sie eine Geldleistung darstellt, zwangsläufig eine Vermögensminderung auf Seiten des Gebührenschuldners bewirkt. Daher führt auch jede Gebühr zu einer Abschöpfung finanzieller Werte, und zwar unabhängig davon, ob sie primär den Zweck der Kostendekkung oder des Vorteilsausgleichs verfolgt. Insofern wäre die Frage, ob mittels der Gebührenerhebung Werte abgeschöpft werden dürfen, ohne weiters zu bejahen. Darum kann es also im vorliegenden Zusammenhang nicht gehen. Im Hinblick auf die Zulässigkeit von Verleihungsgebühren ist allein wichtig zu klären, ob eine Gebühr vorrangig den Zweck verfolgen darf, einen durch die Leistungserbringung staatlicherseits gezielt zugewandten wirtschaftlichen Wert abzuschöpfen. Der Zugriff erfolgt hier also nicht auf bereits vorhandene, sondern auf infolge der Leistung erst entstehende Vermögenswerte. Anders verhält es sich bei der auf Kostenüberwälzung abzielenden Gebühr. Diese bewirkt eine Minderung des bereits vorhandenen Vermögens. Somit ist die hier zu behandelnde Fragestellung wie folgt zu präzisieren: Im vorangegangenen Gliederungsabschnitt wurde festgestellt, daß eine Gebühr überhaupt in der Lage ist, vorrangig oder ausschließlich den Zweck des Vorteilsausgleichs zu verfolgen. Hiervon ist der Wertabschöpfungszweck, der nach 609
So Murswiek, NuR 1994, 174, und Pietzcker, DVB1. 1987, 777.
E. Gebührenzwecke
203
dem oben Ausgeführten nur ein Zwischenziel auf dem Weg zum Vorteilsausgleich darstellt, mitumfaßt. Zu prüfen bleibt nun, ob die Zulässigkeit dieser Zwecke auch im Hinblick auf staatlicherseits gezielt zugewandte Werte gilt. Diese Problematik ist für die Anerkennung von Verleihungsgebühren von erhöhter Relevanz, weil dieser Gebührentyp, wie noch ausführlich dargelegt werden soll, voraussetzt, daß der Staat dem Gebührenschuldner ein wirtschaftlich nutzbares Recht, also einen Wert, verliehen hat, den er durch die Gebührenzahlung zumindest teilweise wieder abschöpfen will 6 1 0 . Bei Verleihungsgebühren geht es also gerade um die Abschöpfung zielgerichtet zugewandter Werte.
bb) Stellungnahmen von Rechtsprechung und Literatur Die Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht behandelt den Aspekt des Vorteilsausgleichs bzw. der Wertabschöpfung durch Abgaben vielfach, ohne ihn näher zu problematisieren oder gar in Frage zu stellen. So diene die baurechtliche Wertsteigerungsabgabe der Abschöpfung von planungsbedingten Grundstückswerterhöhungen 611, die Spielbankenabgabe und die bergrechtliche Förderabgabe der Abschöpfung von Gewinnen 612 und die naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe dem Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft 613. Die Wohnungsfehlbelegungsabgabe wird sogar als eigenständige „Abschöpfungsabgabe" qualifiziert 614 . Daß auch Vorzugslasten dem Ausgleich oder der Abschöpfung dienen können, hält man ohne weiteres für zulässig615. Zur oben aufgeworfenen Frage, ob es rechtmäßig ist, durch Gebühren Werte abzuschöpfen, die der Staat zielgerichtet zuwandte, hat sich das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngsten abgabenrechtlichen Entscheidung eindeutig positiv geäußert, eine nähere Begründung fehlt jedoch. Dem Gericht zufolge sei es gerechtfertigt, „die durch die öffentliche Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpfen" 616. Die höchstrichterliche Rechtsprechung stützt also die These, daß die Zwecke des Vorteilsausgleichs bzw. der Wertabschöpfung zulässige Primärziele einer Gebühr sein können. 610
Ausf. dazu unten 4. Teil, Gliederungsabschnitte Β I 3, C II. BVerfGE 3, 407. 612 BVerfGE 28, 119; 72, 330; vgl. zur Spielbankenabgabe auch BFHE 58, 556. 613 BVerwGE 74, 308; 81, 220. 614 BVerfGE 78, 249. 615 Vgl. BVerfGE 9, 291 (298); 14, 312 (317); 82, 159 (178) für den Beitrag und BVerfGE 91, 207 (223) sowie BVerwG, NVwZ 1989, 557 (558) für die Gebühr. 616 BVerfG, DVB1. 1996, 357 (359; Herv. v. Verf.). 611
204
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Fast dasselbe Bild ergibt sich, wenn man die Stellungnahmen der abgabenrechtlichen Literatur näher betrachtet. Auch hier wird nicht in Frage gestellt, daß der Staat die Möglichkeit besitzt, wirtschaftliche Werte mittels der Erhebung von Abgaben abzuschöpfen 617. Nach nahezu einhelliger Auffassung könne derselbe Zweck genauso von einer Gebühr verfolgt werden 618 . Murswiek sieht in der „Vorteilsabschöpfungsfunktion ... sogar die klassische Funktion der Gebühr" 619 . Das kann jedoch in dieser Allgemeinheit nicht zutreffen, weil die Gebühr seit jeher auch als ein Mittel der Überwälzung provozierter Kosten angesehen wurde 620 . Es sei noch der Hinweis von Wilke erwähnt, daß solche Gebühren schwer vorstellbar und in der Gebührenpraxis auch unbekannt seien, die den zugewandten Wert einer staatlichen Leistung in voller Höhe abschöpfen; Wertgebühren würden vielmehr ausschließlich in der Form von Teilabschöpfungen verwendet 621 . Bisweilen sind jedoch Äußerungen zu finden, wonach der durch eine Gebühr abschöpfbare Wert lediglich als NebenioXge aus der erbrachten Staatsleistung entspringen darf. So behauptet Paul Kirchhof, die Gebühr nehme einen Vermögensvorteil zurück, der „ i m staatlichen Handlungsprogramm nicht angelegt ist. Die ' Vorzugslast ' trennt das Verwaltungsprogramm von seinen Finanzwirkungen und beansprucht diejenigen Finanzvorteile für die Allgemeinheit, die den einzelnen erreicht haben, ihm jedoch im Rahmen der Verwaltungsaufgabe nicht zugewendet werden sollten." 622 . Bei Vogel und Murswiek
617
S. etwa Ipsen, DVB1. 1976, 653 ff zur Abschöpfbarkeit von sog. „windfall profits" aus inländischer Erdöl- und Erdgasgewinnung. Hierunter versteht man Gewinne solcher Mineralölunternehmen, die über deutsche Erdöl- oder Erdgasförderung verfugen und daher wegen des wesentlich höheren Importpreisniveaus einen Wettbewerbsvorteil gegenüber solchen Unternehmen besitzen, die auf Einfuhren angewiesen sind. Vgl. allgemein auch Weyreuther, UPR 1988, 165, der die Abschöpfung zu den spezifisch öffentlich-rechtlichen Abgabenrechtfertigungen zählt. 618
F. Kirchhof, Gebühr, S. 61; P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 183; Murswiek, S. 22 ff, 59; ders., NuR 1994, 174; Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 21 f; Salzwedel, Rechts-
gutachten, S. 54; Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 530 f; Wendt, S. 60; Weyreuther, UPR 1988, 163 f; Wilke, S. 274. A.A. - soweit ersichtlich - lediglich Arndt, WiVerw 1990, 35 f, (allerdings ohne Begründung), der den zulässigen „Abschöpfungs- bzw. Finanzierungszweck" wohl mit dem als Primärzweck unzulässigen Gewinnerzielungszweck verwechselt (zu letzterem ausf. unten 3. Teil, Gliederungsabschnitt Ε II 2 b). Unklar Pietzcker, DVB1. 1987, III, 779, der die wertabschöpfend wirkende Verleihungsgebühr in bestimmten Ausnahmefällen anerkennt, obwohl für die Gebühr die Abgeltung staatlichen Aufwands typisch sei. 619
620 621
622
Murswiek, NuR 1994, 174; ebenso ders., S. 59.
Vgl. oben 2. Teil, Gliederungsabschnitte A I 2, A II 2; A III 1. Wilke, S. 274.
P. Kirchhof,
HStR IV, § 88 Rn. 183; entspr. auch in Rn. 184.
E. Gebührenzwecke
205
heißt es, es gehe bei der Gebührenerhebung um Abschöpfung eines wirtschaftlichen Wertes, „der dem einzelnen durch staatliches Handeln zugewachsen ist, ohne daß die Zuwendung des Werts Ziel des staatlichen Handelns und als solche gerechtfertigt wäre (sie ist gewissermaßen nur 'Nebenfolge')" 623 . Diese Auffassung wird aber an keiner Stelle näher begründet. Es bleibt offen, ob die genannten Aussagen lediglich einen möglichen Idealtyp der wertabschöpfenden Gebühr beschreiben wollen, oder ob explizit bestritten werden soll, daß eine Gebühr auch zielgerichtet zugewandte Werte abzuschöpfen kann. Gleichwohl ist hierauf näher einzugehen, weil die angesprochene Frage für die Anerkennung von Verleihungsgebühren von erhöhter Wichtigkeit ist, wie bereits im vorstehenden Gliederungsabschnitt ausgeführt wurde.
cc) Die gebührenrechtliche Gleichbehandlung entstandener Werte Zunächst ist davon auszugehen, daß die Unterscheidung der entstandenen Werte in Haupt- und Nebenfolge staatlichen Handelns unter Umständen schwierig sein kann. Bei der normalerweise bestehenden Komplexität des Staatshandelns, in dem sich naturgemäß eine Vielzahl politischer Kompromisse ausdrückt, ist es mitunter zweifelhaft, welche Motive vorherrschend sind und welche zurücktreten. Auch der gebührenerhebende Staat ist keine Einheit, deren Entscheidungsstrukturen immer transparent sind. Diese Situation würde daher zu Rechtsunsicherheiten fuhren bezüglich der Frage, ob ein Wert eine Nebenfolge staatlichen Handelns ist und daher abgeschöpft werden darf, oder ob er eine dem staatlichen Zugriff entzogene Hauptfolge darstellt. Es kommt hinzu, daß die Begründungslast für eine derartige Differenzierung bei denjenigen liegen würde, die sie vornehmen wollen, denn die gebührenrechtliche Gleichbehandlung von Werten, die beim Gebührenschuldner entstanden sind, ist weitaus plausibler. Das folgt aus einem wesentlichen Charakteristikum der Vorzugslast, welches auch von den Befürwortern der oben angesprochenen Thesen, insbesondere von Paul Kirchhof, anerkannt wird. Diese hat nämlich „die Aufgabe, den durch eine Staatsleistung zugewendeten Vermögenswert zu neutralisieren. Sie bewirkt idealtypisch, daß das Gesamtvermögen des Vorteilsempfängers unverändert bleibt" und „trennt das Verwaltungsprogramm von seinen Finanzwirkungen" 624 . Dieser Gesichtspunkt erlangt aber schon dann an Bedeutung, wenn infolge der Staatsleistung überhaupt ein Wert entstanden ist. Unerheblich ist demgegenüber die Frage, ob der Wert als eine Haupt- oder eine Nebenfolge des staatlichen Handelns angesehen werden muß. 623 624
Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 530 f (Herv. im Orig.); Murswiek, S. 22 f. P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 183.
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3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
Insofern ist allein das Ob, nicht das Wie der Wertentstehung maßgeblich. Die Gebühr muß in der Lage sein, ihre Funktion als Mittel der idealtypischen Vermögensneutralisierung in jedem Fall selbst erfüllen zu können. Es wäre nicht einzusehen, warum der Staat gezwungen sein soll, entweder zielgerichtet zugewandte Werte beim Begünstigten zu belassen und dadurch sein Verwaltungsprogramm untrennbar mit dessen Finanzwirkungen zu verknüpfen, oder aber solche Werte mittels einer anderen Abgabe abzuschöpfen. Hierdurch entstünde eine nicht zu legitimierende Beschränkung staatlicher Handlungsmöglichkeiten. Aus der Gebührenfunktion, Mittel zur idealtypischen Vermögensneutralisierung zu sein, folgt daher zwangsläufig, auch die Wertabschöpfungsfunktion ohne weitere Einschränkungen zuzulassen. Dasselbe ergibt sich für die von Vogel und Murswiek vertretene Position. Beide verweisen darauf, daß es bei der vorteilsausgleichenden Gebühr darum geht, auf einen Wert zuzugreifen, der dem einzelnen durch staatliches Handeln zugewachsen ist, ohne daß die Zuwendung des Wertes als solche gerechtfertigt ist 625 . Dem soll auch nach hier vertretenem Gebührenverständnis gefolgt werden. Wie bereits ausgeführt, bewirkt die zielgerichtete Zuwendung von Werten an einen einzelnen, daß dieser vom Staat gegenüber anderen bevorzugt wird. Der Staat weicht dadurch von den Anforderungen ab, die Gleichheit und Gemeinwohl an sein Handeln stellen. Diese Situation wird jedoch durch die Erhebung einer vorteilsausgleichenden Gebühr abgemildert oder sogar ganz ausgeglichen, woraus sich ihre Rechtfertigung ergibt. Die Zuwendung des Wertes wäre daher als solche ohne die gleichzeitige Gebührenerhebung grundsätzlich nicht gerechtfertigt 626 . Allein dies ist aber der entscheidende Gesichtspunkt, und nicht die Frage, ob der Wert Ziel oder nur Nebenfolge des Staatshandelns ist. Der Staat muß jeden Wert, den er einem einzelnen erbringt, vor den Anforderungen von Gleichheit um Gemeinwohl legitimieren können. Der Rechtfertigungsdruck besteht also nicht nur dort, wo ein Vorteil als Nebenfolge entstanden ist. Im Gegenteil gilt, daß dieser Druck gerade dann besonders stark ist, wenn der Staat darauf abzielte, bei einem einzelnen das Entstehen von Werten zu ermöglichen. Denn dann wäre es eventuell leichter möglich gewesen, dieses Handeln zu unterlassen, was bei legitimen staatlichen Maßnahmen, die als unbeabsichtigte Nebenfolge individuelle Werte entstehen lassen, nicht unbedingt der Fall sein muß. Das obige Ergebnis, wonach es dem Staat erlaubt ist, mittels der Gebührenerhebung auch zielgerichtet zugewandte Werte abzuschöpfen, wird also auch von den Grundsätzen, die hinsichtlich der Gebührenrechtfertigung gelten, gestützt. Anderslautende Meinungen sind abzulehnen 627 .
625 626 627
Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 530 f; Murswiek, S. 22 f. Ausf. zum Ganzen oben 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 a. So i. Erg. auch BVerfG, DVB1. 1996, 357 (359).
E. Gebührenzwecke
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dd) Ergebnis Dem Staat ist es erlaubt, mit der Gebührenerhebung vorrangig oder ausschließlich das Ziel zu verfolgen, beim Gebührenschuldner Werte abzuschöpfen, die infolge der erbrachten Staatsleistung entstanden sind. Unerheblich ist, ob diese Werte staatlicherseits zielgerichtet zugewandt wurden, oder nur als Nebenfolge des Staatshandelns entstanden sind.
2. Lenkung und Gewinnerzielung Anders als die Gebührenzwecke der Kostenüberwälzung und des Vorteilsausgleichs bzw. der Wertabschöpfung lassen sich die nachfolgend zu behandelnden Zwecke der Lenkung und der Gewinnerzielung nicht direkt aus den beiden möglichen Gebührenrechtfertigungsgründen ableiten. Daraus folgt jedoch noch nicht zwangsläufig, daß derartige Zwecke von vornherein unzulässig sind. Es ist vielmehr näher zu untersuchen, ob ihnen rechtliche Erwägungen entgegenstehen.
a) Lenkung Bis in die 70er Jahre hinein war die Frage umstritten, ob die Gebühr als Lenkungsmittel eingesetzt werden darf. Es wurde geltend gemacht, daß der klassische Gebührenbegriff sowie die überkommenen Gebührengrundsätze des Kostendeckungsprinzips und des Äquivalenzprinzips der Anerkennung von Lenkungszwecken entgegenstünden. Die Befürwortung der Lenkungsgebühr würde die Grenze zur Steuer verschwimmen lassen und könne zu gebührenrechtlichen Kompetenzproblemen führen. Ferner verstoße sie gegen Gleichheitsprinzipien und unterliege rechtsstaatlichen Bedenken. Diese Beurteilung hat sich jedoch nicht durchsetzen können. Die grundsätzliche Zulässigkeit von Lenkungsgebühren entspricht der heute ganz vorherrschenden Auffassung 628 und wird auch von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht befürwortet 629 . Maßgeblich hierfür waren insbesondere die grundlegenden Arbeiten
628
Vgl. zum Ganzen die eingehenden Darstellungen von Arndt, WiVerw 1990, 20 ff; Hendler, VB1BW 1991, 126 ff; Meyer, S. 203 ff; Murswiek, S. 60 ff; Selmer/Brodersen/Nicolaysen, S. 59 ff; jew. m.w.N. 629 BVerfGE 50, 217 (226 f); BVerwG, DÖV 1975, 856 (857). Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß das Bundesverfassungsgericht lediglich eine begrenzte Verhaltens-
208
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
von Kloepfer und Wendt 630 . Die Existenzberechtigung von lenkenden Gebühren soll auch aus Sicht des hier vertretenen streng formalen Gebührenbegriffs, der ohnehin für alle Gebührenzwecke offen ist, nicht in Frage gestellt werden, denn diesem Verständnis liegt nicht zuletzt das Bestreben zugrunde, dem Staat die Gebühr als flexibel einsetzbares Handlungsinstrument zur Verfügung zu stellen 631 . Daher muß es ihm auch erlaubt sein, die Gebühr zur Verhaltenslenkung einzusetzen. Eine Grenze besteht allerdings insofern, als der Lenkungszweck als solcher vor den Grundrechten des Gebührenbelasteten gerechtfertigt werden muß, denn in ihm liegt eine über die rein finanzielle Belastung hinausgehende Freiheitsbeschränkung 632. Ist aber ein legitimierender Grund hierfür vorhanden, steht der Verfolgung eines Lenkungszwecks auch vor dem Hintergrund der hier entwickelten gebührendogmatischen Grundsätze ersichtlich nichts im Wege.
b) Gewinnerzielung Erhöhte Aufmerksamkeit verdient die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Rahmen es dem Staat erlaubt ist, mit einer Gebühr Gewinne zu erzielen. Im Hinblick auf die Anerkennung von Verleihungsgebühren ist dies insofern von Bedeutung, als ihr leicht der Vorwurf gemacht werden könnte, mangels zu deckender Kosten diene sie dem Staat allein als Instrument rechtswidriger Gewinnerwirtschaftung. Es ist in diesem Zusammenhang vorauszuschicken, daß eine bloße Einnahmewirkung der Gebühr noch nicht Ausdruck einer Gewinnerzielungsabsicht ist, denn wie jede öffentlich-rechtliche Abgabe verfolgt auch die Gebühr immer den Zweck, Einnahmen zu erlangen 633 . Erst wenn der Einnahmeeffekt um seiner selbst willen zumindest als Nebenzweck gewollt ist, kann von einer Gewinnerzielungsabsicht die Rede sein 634 . Nun muß nicht weiter problematisiert werden, daß der Einsatz der Gebühr zur Gewinnerzielung unzulässig ist, wenn die einschlägige Rechtsgrundlage die Geltung des Kostendeckungsprinzips anordnet und dadurch eine Gebührenbemessung über die Kostengrenze hinaus verbietet 635 . Sollte das aber nicht der Fall sein, können aus
Steuerung zugestanden hat, weswegen der Lenkungsspielraum des Gebührengesetzgebers eher eng bemessen ist (näher Hendler, VB1BW 1991, 129). 630 Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 232 ff; Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, 1975. 631 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β V 1. 632 Näher Meyer, S. 216 ff; Murswiek, S. 63. 633 S.o. 1. Teil, Gliederungsabschnitt A. 634 Ähnlich F. Kirchhof Gebühr, S. 125. 635 Vgl. nur BVerwG, DÖV 1956, 184 f. Fehlgehend daher der Hinweis von Ehle, DÖV 1962, 47 bei Fußn. 30, der dem Bundesverwaltungsgericht unterstellt, es sei der
E. Gebührenzwecke
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den vom Kostendeckungsprinzip aufgestellten Grundsätzen keine weiteren Folgerungen für die Beurteilung des Gewinnerzielungszwecks gezogen werden, weil diesem Bemessungsprinzip keine gebührenimmanente Geltung zukommt 636 . Wilke schließt jedoch allein schon aus diesem Befund, daß es nicht zu beanstanden sei, wenn ein Gebührengesetzgeber „darauf ausgeht, im Wege der Gebührenerhebung Überschüsse zu erwirtschaften", die zur Deckung des allgemeinen staatlichen Finanzbedarfs verwendet werden können 637 . Eine derartige Folgerung ist jedoch voreilig. Es trifft zwar zu, daß spezielle gebührenrechtliche Grundsätze, die der Gewinnerzielungsabsicht entgegenstehen könnten, nicht ersichtlich sind, zumal der Gebührenbegriff nach hier vertretener Auffassung einen solchen Zweck nicht ausschließt638. Auch mag die Tatsache, daß das Kostendeckungsprinzip keine gebührenimmanente Geltung besitzt, nahelegen, die Berechtigung des Gewinnerzielungszwecks grundsätzlich anzuerkennen. Trotzdem entbindet dies nicht davon zu prüfen, ob und inwiefern allgemeine VerfassungsgnmAsäize einer Gewinnerzielung durch Gebühren entgegenstehen könnten. Zunächst wäre daran zu denken, daß eine Gewinnerzielung vor dem Prinzip des steuerfinanzierten Staates nicht zu rechtfertigen wäre. Hiernach ist es allein der Steuer vorbehalten, Mittel für den allgemeinen staatlichen Finanzbedarf zu erwirtschaften. Es wurde jedoch in anderem Zusammenhang bereits gezeigt, daß dieses Prinzip dem Staat lediglich verbietet, mit der Erhebung von Sonderlasten absichtlich Gewinne erzielen zu wollen, um seinen Finanzbedarf decken zu können. Unschädlich ist es dagegen, wenn Überschüsse als Nebenfolge entstehen639. Somit wird der Gewinnerzielungszweck durch das Steuerstaatsprinzip dahingehend eingeschränkt, daß dieser nur Nebenzweck, nicht aber Hauptmotiv der Gebührenerhebung sein darf. Zu weitergehenden Folgerungen zwingt die Finanzverfassung nicht. Fraglich ist aber, ob der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG einer Gewinnerzielung entgegensteht. Diese Norm verlangt eine gleichmäßige Belastung aller Abgabenschuldner, die Auferlegung von Sonderlasten ist vor ihr rechtfertigungsbedürftig 640. Demgemäß muß auch die Auferlegung von Gebühren zur Gewinnerzielung gerechtfertigt werden können. Der Staat müßte
Ansicht, die Erzielung von Gewinnen durch die Gebührenerhebung sei immer rechtswidrig. 636 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D II 2 c. 637
638 639
Wilke, S. 303, 306.
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β V. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 b cc. In diesem Sinne auch F. Kirchhof,
Grundriß, Rn. 181; Kloepfer/Follmann, 640
DÖV 1988, 583; Meyer, S. 165, 212.
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C I.
14 Heimlich
210
3. Teil: Die gegenwärtige allgemeine Gebührendogmatik
einen sachlichen Grund anfuhren können, der es ihm erlaubt, gerade die Gebührenschuldner zur allgemeinen Staatsfinanzierung durch Gebührenüberschüsse heranzuziehen. Ein solcher Grund ist jedoch schlechterdings nicht erkennbar. Es wäre nicht einzusehen, daß gerade der zufällige Empfänger einer gebührenfähigen Staatsleistung allgemeine Staatsaufgaben finanzieren muß, während der finanziell gleich oder sogar besser Gestellte, der die staatliche Leistung zufällig nicht in Anspruch nimmt, von dieser Finanzierungslast verschont bleibt 641 . Die Absicht, mittels Gebühren Gewinne zu erzielen, darf der Staat also aus Gleichheitsgründen nicht verfolgen. Verlangt er jedoch aus einer anderen Motivation heraus Gebühren, so steht dem Art. 3 Abs. 1 GG nicht entgegen, wenn das verfolgte Ziel seinerseits legitimierende Wirkung besitzt, denn in ihm läge dann der sachliche Grund für die finanzielle Belastung des einzelnen. Hier kommt insbesondere die Verfolgung von Lenkungszielen in Betracht 642. Der Gleichheitssatz stellt also dieselben Anforderungen wie das Steuerstaatsprinzip. Der Gewinnerzielungszweck darf niemals alleiniger Zweck der Gebührenerhebung sein, diese darf nicht gezielt zur Erwirtschaftung von Überschüssen eingesetzt werden. Zulässig ist es dagegen, daß Gewinne als Nebenfolge der Gebührenerhebung entstehen, wenn und weil diesen ein anderer, vor dem Gleichheitssatz standhaltender rechtfertigender Gesichtspunkt zugrundeliegt. Hinsichtlich der Beurteilung der Frage, ob entstandene Gewinne rechtmäßig oder rechtswidrig sind, kommt es somit nicht darauf an, daß die Gebühr Überschüsse abwirft, sondern warum dies der Fall ist. Kann diese Frage ζ. B. unter Hinweis auf einen der Gebührenerhebung zugrundeliegenden Rechtfertigungsgrund beantwortet werden, ist die Gewinnerzielung rechtmäßig. In dieser Hinsicht kommt von den beiden anerkannten Rechtfertigungsgründen der Kostenüberwälzung und des Vorteilsausgleichs 643 letzterem erhöhte Bedeutung zu, denn eine auf Abwälzung entstandener Kosten abzielende Gebühr soll keine Überschüsse erwirtschaften, obwohl die Tatsache, daß eine Gebühr die Kostengrenze übersteigt, als solche noch nicht zur Rechtswidrigkeit führt 644 . Die mit einer Gebühr faktisch erzielten Gewinne sind demzufolge dann rechtmäßig entstanden, wenn und soweit sie der Aspekt des Vorteilsausgleichs legitimiert. Ob auch noch andere Gründe eine Gewinnerzielung rechtfertigen können, sei dahingestellt. Denn für die Anerkennung von Verleihungsgebühren, die, wie gezeigt werden wird, vorrangig auf den Ausgleich zugewandter Vorteile angelegt sind, ist allein wichtig festzuhalten, daß in dem vom Rechtfertigungsgrund 641
F. Kirchhof,
Gebühr, S. 129; ders., Grundriß, Rn. 181; so auch Arndt, WiVerw
1990, 34; Murswiek, S. 55. 642 Arndt, WiVerw 1990, 34; F. Kirchhof DVB1. 1987, 561. 643
644
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D II 1.
E. Gebührenzwecke
211
des Vorteilsausgleich vorgegebenen Rahmen auch Überschüsse erwirtschaftet werden dürfen. Ihr kann daher nicht entgegengehalten werden, sie verstoße dadurch, daß sie zwangsläufig Gewinne abwirft, gegen allgemeine Grundsätze des Gebührenrechts oder des Verfassungsrechts. Einer Verleihungsgebühr wäre lediglich, wie einer jeden Gebühr, verboten, vorrangig oder ausschließlich staatlichen Finanzinteressen zu dienen.
III. Die Ermittlung des Gebührenzwecks Es kann mitunter problematisch sein zu ermitteln, welchen Zweck eine Gebühr verfolgt. Denkbar wäre hier, den Gebührenzweck mit dem Willen des historischen Gesetzgebers gleichzusetzen. Ein solcher kann jedoch nicht immer mit hinreichender Deutlichkeit nachgewiesen werden, so daß dieser Ansatzpunkt fragwürdig erscheint. Genausowenig kann der Gebührenzweck als tatsächliche Wirkung einer Norm angesehen werden. Denn die bloße Tatsache, daß eine Gebühr eine bestimmte Wirkung besitzt, sagt noch nichts darüber aus, ob sie diese auch besitzen soll. Faktisches und Normatives würde hier unzulässig gleichgesetzt. Darüber hinaus darf nicht aus jeder oft nur zufälligen Nebenwirkung gleich auf den Gebührenzweck geschlossen werden. Der Zweck muß daher „als objektive Finalität verstanden werden. Die objektive - aus dem Eigenleben der Norm erfaßbare - Tendenz einer Vorschrift ist ihr Zweck." 645 Der Wille des historischen Gesetzgebers, sofern er überhaupt als einheitlicher festgestellt werden kann, besitzt in dieser Hinsicht ebenso eine Indizwirkung wie die regelmäßige, also nicht nur auf atypische Einzelfälle beschränkte tatsächliche Wirkung der gebührenrechtlichen Vorschrift. Im übrigen gelten auch im Gebührenrecht die herkömmlichen Kriterien der Gesetzesauslegung646.
645 646
F. Kirchhof Gebühr, S. 62. Ausf. etwa Larenz, S. 312 ff.
Vierter
Teil
Die Verleihungsgebühr A. Der gegenwärtige Meinungsstand im Überblick Die Frage, ob das Rechtsinstitut der Verleihungsgebühr als Gebührentyp neben Verwaltungs- und Benutzungsgebühr anzuerkennen ist, wird von Rechtsprechung und Wissenschaft unterschiedlich beurteilt 1. Das Meinungsspektrum reicht von vorbehaltloser Zustimmung bis hin zu kategorischer Ablehnung, auch einige differenzierende Auffassungen sind auszumachen. Der gegenwärtige Meinungsstand ist nunmehr darzustellen.
I. Rechtsprechung Innerhalb der höchstrichterlichen Rechtsprechung können nur sehr wenige Äußerungen zur Verleihungsgebühr gefunden werden. Das Bundesverfassungsgericht stand in seinem Urteil vom 24.06.1986 vor der Aufgabe, über die Berücksichtigung der bergrechtlichen Förderabgabe im Rahmen des Länderfinanzausgleichs entscheiden zu müssen. Es bejahte diese Frage grundsätzlich, ohne aber eine genaue abgabenrechtliche Einordnung der Abgabe vorzunehmen2. Hiervon weicht das Sondervotum des Richters Niebier insoweit ab, als die bergrechtliche Förderabgabe als Verleihungsgebühr eingeordnet wird 3 . In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird die Verleihungsgebühr lediglich an einer Stelle angesprochen, und zwar im Rahmen einer Entscheidung zur Rundfunkgebühr. Das Gericht verneint, daß diese Gebühr als Verleihungsgebühr anzusehen ist, es stellt die Berechtigung dieses Gebühren-
1
Unzutreffend daher Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 22, wonach die Verleihungsgebühr „unstreitig zu der Abgaben-Kategorie der Gebühr gehören" soll. So qualifizieren etwa Friauf (in: Köln-Festschrift, S. 696), Heun (DVB1. 1990, 673 f) und Jarass (DÖV 1989, 1016) die Verleihungsgebühr als Sonderabgabe. 2 BVerfGE 72, 330 (410 ff). 3 BVerfGE 72, 330 (433 ff) - Sondervotum Niebier -.
Α. Der gegenwärtige Meinungsstand im Überblick
213
typs aber nicht grundsätzlich in Frage4. Verleihungsgebühren spielen auch in zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs für Zivilsachen zum Fernmelderecht eine Rolle. Ein Urteil aus dem Jahre 1959 erkannte die Existenz diese Gebührentyps ausdrücklich an5. In einer weiteren Entscheidung von 1980 ordnet das Gericht die konkret zu beurteilende Abgabe zwar nicht als Verleihungsgebühr ein. Deren Existenz zweifelt es jedoch nicht an, sondern befürwortet sie implizit 6 . Insgesamt läßt sich also sagen, daß die Verleihungsgebühr in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte nur ein Schattendasein führt. Erst Ende der achtziger bzw. Anfang der neunziger Jahre geriet dieser Gebührentyp infolge untergerichtlicher Entscheidungen ins Rampenlicht, als es darum ging, die Zulässigkeit wasserrechtlicher Abgabepflichten zu beurteilen 7. So ordnet das VG Karlsruhe den sog. baden-württembergischen „Wasserpfennig" als Gebühr ein, wobei es jedoch ausdrücklich offenläßt, ob es sich hierbei um eine Benutzungs- oder eine Verleihungsgebühr handelt. Jedenfalls werden beide Gebührentypen dadurch implizit anerkannt8. Ebenso verfährt das Kreisgericht Cottbus-Stadt bezüglich der Wassernutzungsentgelte, die aufgrund von § 20 des DDR-Wassergesetzes erhoben werden 9. Darüber hinausgehend stellt das OVG Hamburg die These auf, daß es dem Gesetzgeber möglich sein dürfte, eine Verleihungsgebühr einzuführen, und ordnet die Hamburger Grundwasserentnahmeabgabe dieser Gebührenart zu. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß sich das Gericht lediglich im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes äußerte, so daß die notwendige dogmatische Auseinandersetzung mit der Verleihungsgebühr nicht erfolgen konnte10. Genauso wie seine übergeordnete Instanz sieht das VG Hamburg die Hamburger Grundwasserentnahmeabgabe als rechtmäßigerweise erhobene Verleihungsgebühr an11. Aller4
BVerwGE 29, 214 (215 f). Anders noch OVG Hamburg, DVB1. 1957, 67 (68): Die Rundfunkgebühr sei eine „Konzessionabgabe", die für die Ausübung von Rechten aus der Verleihung geschuldet werde. Die Entscheidung kann allerdings nicht direkt für die Problematik der Verleihungsgebühr herangezogen werden, weil das Gericht diesen Terminus nicht ausdrücklich nennt. Es wird allerdings deutlich, daß das OVG Hamburg die Abgabenpflicht für eine Rechtsverleihung grundsätzlich für zulässig hält. 5 BGH LM Nr. 1 zum FernmeldeanlagenG, Bl. 5 ff. 6 BGH LM Nr. 1 zum PostverwG, Bl. 3. Vgl. aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung noch RGZ 64, 137 (138 f), wo das KG Berlin mit der Auffassung zitiert wird, der Staat dürfe eine Polizeierlaubnis nicht von einer Gebühr abhängig machen. 7 Vgl. die Aufstellung von ζ. T. unveröffentlichten Entscheidungen zu diesen Abgaben bei von Mutius/Lünenbürger, DVB1. 1995, 1208 Fußn. 43, 45. 8 VG Karlsruhe, VB1BW 1990, 69 (70). 9 Kreisgericht Cottbus-Stadt, LKV 1993, 67 (68). 10 OVG Hamburg, NVwZ 1990, 1003. 11 VG Hamburg, IUR 1992, 235.
214
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
dings vermag auch dieses Urteil nicht, der Gebührenart dogmatische Konturen zu geben. Es läßt sich daher eine deutliche Tendenz innerhalb der Rechtsprechung ausmachen, die Berechtigung von Verleihungsgebühren grundsätzlich anzuerkennen. An keiner Stelle wird ausdrücklich bestritten, daß ein solcher Gebührentyp zulässig ist. Diese Tendenz hat sich mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.11.1995 zu den in Baden-Württemberg und Hessen erhobenen Wasserentnahmeabgaben12 eindeutig verfestigt. Obwohl dort der Begriff der Verleihungsgebühr an keiner Stelle ausdrücklich verwendet wird, kann sogar davon die Rede sein, die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung habe diesen Gebührentyp nunmehr anerkannt. Eine derartige Einschätzung ergibt sich zum einen daraus, daß sich das Gericht ausdrücklich einer abschließenden Definition der Gebühr enthält, weswegen ein tatsächlich oder vermeintlich existierender „Gebührenbegriff des Bundesverfassungsgerichts" nicht mehr gegen Verleihungsgebühren ins Feld geführt werden kann. Zum anderen folgt eine sehr deutliche höchstrichterliche Sympathie für die Verleihungsgebühr aus der Feststellung, es sei gerechtfertigt, mittels der Gebührenerhebung Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpfen, welche durch die öffentliche Leistung gewährt worden sind. Schließlich sieht das Gericht die von ihm zu überprüfenden Wasserentnahmeentgelte als rechtmäßig an: Diese Abgaben würden „für eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung, die Eröffnung der Möglichkeit der Wasserentnahme, erhoben", und für die rechtliche Beurteilung mache es keinen Unterschied, ob „der in der Eröffnung der Nutzungsmöglichkeit liegende Vorteil" nach seinem rechtlichen oder nach seinem tatsächlichen Umfang abgeschöpft wird 13 . Das Bundesverfassungsgericht läßt die genaue abgabensystematische Qualifikation der Wasserentnahmeabgaben zwar offen und vermeidet insbesondere jede ausdrückliche Stellungnahme zur Verleihungsgebühr, gleichwohl sprechen die genannten Ausführungen eindeutig zugunsten einer Anerkennung dieser Gebührenart. Denn die Verleihungsgebühr wird, wie im folgenden ausführlich dargelegt werden soll, für die Einräumung eines vorteilhaften, wirtschaftlich nutzbaren Rechts gezahlt und ist darauf angelegt, die mit der Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpfen. Die bundesverfassungsgerichtlichen Äußerungen zielen somit genau auf den Fall der Verleihungsgebühr ab. Allerdings weist das Gericht mit seiner Entscheidung zu den Wasserentnahmeentgelten nur die Richtung, eine genaue Festlegung von Begriff und Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Verleihungsgebühr überläßt es der Rechtswissenschaft. Hierzu Stellung zu nehmen, verbietet ihm wohl sein Auftrag, Verfassungsfragen zu entscheiden und nicht
12 13
BVerfG, DVB1. 1996, 357 (359 ff). BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360; Herv. v. Verf.).
Α. Der gegenwärtige Meinungsstand im Überblick
215
die dogmatische Strukturierung eines Teilrechtsgebiets wie dem des Gebührenrechts selbst in die Hand zu nehmen. Insoweit bleibt die Thematik der Verleihungsgebühr auch nach der jüngsten abgabenrechtlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts weiterhin aktuell. Als nunmehr gesichert kann jedoch die Erkenntnis gelten, daß dieser Gebührentyp grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig ist. Die genaueren Einzelheiten sollen nun im folgenden ausführlich behandelt werden.
II. Literatur Innerhalb der rechtswissenschaftlichen Literatur sind recht eindeutige Konfliktlinien auszumachen, was die Anerkennung der Verleihungsgebühr anbetrifft. Unter ihren Befürwortern nimmt wohl eindeutig Ferdinand Kirchhof die Meinungsführerschaft ein. Sein Aufsatz aus dem Jahre 1987 war der Anlaß dazu, sich mit diesem Gebührentyp näher auseinanderzusetzen14. Vor diesem Zeitpunkt wurde die Berechtigung der Verleihungsgebühr weit weniger intensiv diskutiert. Man begnügte sich damit, sie ohne nähere Problematisierung als Gebührentyp zustimmend zu erwähnen 15 oder aber mit einigen wenigen Argumenten abzulehnen16. Selbst das 1973 erschienene gebührenrechtliche Standardwerk von Dieter Wilke geht auf Verleihungsgebühren überhaupt nicht ein. Zwar wird an einer Stelle die sog. „Erlaubnisgebühr" genannt17, daß hiermit aber keine Verleihungsgebühr gemeint sein kann, ergibt sich aus dem von Wilke zugrundegelegten Gebührenbegriff, der das Entstandensein von Kosten beinhaltet18. Nach der Publikation des besagten Aufsatzes F. Kirchhofs trat man in eine lebhafte Diskussion ein. Die Verleihungsgebühr fand ebenso Fürsprecher 19 wie Gegner 20. Einige Autoren diffenzieren nach dem Inhalt der Staatslei14 F. Kirchhof, DVB1. 1987, 554 ff; so jedoch schon ders., Gebühr, S. 29 ff. Auch nachfolgend warb F. Kirchhof dafür, Verleihungsgebühren insbesondere für den Bereich der Umweltabgaben anzuerkennen, s. F. Kirchhof, NVwZ 1987, 1035; ders., DÖV
1992, 237 f; ders., DVB1. 1994, 1104. 15
F. Mayer, S. 257; Vogel, in: EvStL, Sp. 11; Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105 Rn. 40; Wolff/Bachof, S. 312. Kimminich, DÖV 1976, 651, befürwortet zwar die Zulässigkeit einer Abgabe für Konzessionsverleihungen, qualifiziert sie aber wohl nicht als Gebühr. 16
P. Kirchhof,
Länderfinanzausgleich, S. 79 f; ders., Jura 1983, 511 f; Uffhausen,
S.
21 Fußn. 76. 17
18
Wilke, S. 314.
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 1; fehlgehend daher Stallknecht, S. 178 f mit Fußn. 110. 19 Balmes, DStZ 1990, 199; de Buhr, IUR 1992, 236 f; Bulling/ Finkenbeiner/Eckardt/Kibele, vor §§ 17a ff Rn. 30; Henneke, Jura 1990, 114; Horn, S. 187 ff; Kloepfer, §
216
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
stung und erkennen die Berechtigung der Verleihungsgebühr nicht allgemein, sondern nur in bezug auf bestimmte Bereiche an. Sie könne lediglich als Abgeltung für die Übertragung wirtschaftlicher Werte aus dem staatlichen Vermögen auf Privatleute erhoben werden 21 . Schließlich wird der Vorschlag gemacht, das Entgelt für eine Rechtsverleihung nicht als Verleihungsgebühr anzusehen, sondern unter die Kategorie der „Abschöpfungsabgabe" zu fassen, wobei aber auch diese Abgabenform noch rechtsdogmatisch präzisiert werden müsse22.
III. Der weitere Gang der Untersuchung Die Beurteilung der Frage, ob bzw. in welcher Form die Verleihungsgebühr als Gebührentyp eine Existenzberechtigung besitzt, muß vor dem Hintergrund der bisher erarbeiteten allgemeinen gebührendogmatischen Grundsätze erfolgen 23 . Den weiteren Ausführungen ist daher ein streng formal zu verstehender Gebührenbegriff zugrundezulegen, wonach eine Abgabe dann als Gebühr anzusehen ist, wenn sie eine individuell erbrachte Staatsleistung, unabhängig von deren Kostenträchtigkeit, entgelten soll. Diese allgemeine Definition der Gebühr ist die Basis dafür, den Tatbestand der Verleihungsgebühr, mithin die Art der gebührenpflichtigen Leistung, zu ermitteln. Des weiteren soll hinsichtlich der Gebührenrechtfertigung in erster Linie der Aspekt des Vorteilsausgleichs fruchtbar gemacht werden. Es wird zu erörtern sein, welche Staatsleistungen als im gebührenrechtlichen Sinne vorteilhaft anzusehen sind, damit eine Verleihungsgebühr überhaupt erhoben werden darf. Ihre Bemessung wiederum
4 Rn. 206; Kretz, BWVP 1994, 30; Kruse, in: Tipke/Kruse, AO - FGO, § 3 AO Rn. 20; Kruse, § 2 II 5 b β cc; Meßerschmidt, DVB1. 1987, 932; Meyer, S. 125 ff; Chr. Müller, S. 141 f; Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 22; Schneider, VB1BW 1988, 163; Schollmeier, WUR 1991, 2; Tipke, Bd. III, S. 1066; A. Weber, S. 94 ff; Wieland, S. 305 f; Wolff/Ba-
chof/Stober,
§ 42 Rn. 35. Tendenziell befürwortend wohl auch Kloepfer/ F ollmann,
DÖV 1988, 581 ff, Köck, JZ 1993, 64 und Salzwedel, Rechtsgutachten, S. 65 f, 109 ff.
Zumindest nicht von vornherein ablehnend Ehlers/Achelpöhler, und Maiwald, GewArch 1993, 46.
NVwZ 1993, 1027 f,
20 Friauf in: Köln-Festschrift, S. 696 ff; Heun, DVB1. 1990, 673 f; R. Hofmann, VB1BW 1988, 428; P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 187; ders., ZIP 1984, 1427; ders.,
Rechtsgutachten, S. 30 ff; Manssen, DÖV 1996, 16; Morgenthaler, f; Murswiek,
NuR 1994, 172; von Mutius/Lünenbürger,
SächsVBl. 1994, 99
DVB1. 1995, 1207 f; Sander,
DVB1. 1990, 22 f; Wiß, S. 152 ff. Tendenziell ablehnend auch Franke, StuW 1994, 33, Kim, S. 33 ff und Weyreuther, UPR 1988, 164. Unklar Scholz/Aulehner, BB 1991, 74. 21 Arndt, WiVerw 1990, 35 f; Jarass, DÖV 1989, 1016, 1021 f; Pietzcker, DVB1. 1987, 779; Stallknecht, S. 193. 22
23
Hendler, AöR 115 (1990), S. 603 ff; Kober, BWVP 1991, 76 f. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitte Α - E.
Β. Begriff und Abgrenzung
217
unterliegt lediglich den Anforderungen des Äquivalenzprinzips, nicht aber denen des Kostendeckungsprinzips. Im Rahmen des Äquivalenzprinzips ist es möglich, entscheidend auf das Verhältnis zwischen der Gebührenhöhe und dem Wert der erbrachten Staatsleistung abzustellen. Bei der Verleihungsgebühr kann die Festlegung, welchen Wert die ihr gegenüberstehende Leistung besitzt, mitunter problematisch sein, worauf schwerpunktmäßig eingegangen werden wird. Bei alledem ist auch im folgenden der dogmatische Ausgangspunkt beizubehalten, wonach die vorstehend angesprochenen gebührenrechtlichen Problemkomplexe auf verschiedenen, hierarchisch aufeinander aufbauenden Ebenen liegen. Die von Rechtsprechung und Literatur vorgebrachten Argumente für bzw. gegen die Anerkennung der Verleihungsgebühr sollen daher an entsprechender Stelle gewürdigt werden. Darüber hinaus ist nicht nur auf die im engeren Sinne gebührendogmatischen, sondern auch auf die allgemeinen Einwände einzugehen, welche gegen Verleihungsgebühren ins Feld geführt werden. Insgesamt wird sich zeigen, daß die Frage, ob die Verleihungsgebühr als Gebührentyp anzuerkennen ist, kein gebührendogmatisches, sondern ein Problem juristischer Wertung ist.
B. Begriff und Abgrenzung I. Begriff 7. Die Staatsleistung als begriffsbestimmendes
Merkmal
Die Gebühr ist nach dem hier zugrundegelegten streng formalen Gebührenbegriff als Entgelt für eine individuell erbrachte Staatsleistung zu definieren 24. Sollen innerhalb des Gebührenrechts einzelne Gebührentypen unterschieden werden, kommt hierfür allein eine Differenzierung nach dem Inhalt der staatlichen Leistung in Betracht 25. Denn die Gebühr ist als öffentliche Abgabe immer in Geld zu erbringen 26, des weiteren muß bei jeder Gebühr eine LeistungsGegenleistungs-Verknüpfung bestehen27, und schließlich ist für den Gebührencharakter unerheblich, für welchen Zweck das Aufkommen verwendet wird 28 . Es können somit lediglich Unterschiede im Hinblick auf die erbrachte Staatsleistung bestehen. Daraus ergibt sich, daß der Begriff einer einzelnen Gebüh24 25 26 27 28
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β V. So im Ergebnis auch F. Kirchhof, NVwZ 1987, 1034. S.o. 1. Teil, Gliederungsabschnitt A. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β V. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β IV 3 b.
218
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
renart maßgeblich von ihrem tatbestandlichen Anknüpfungspunkt bestimmt wird. Um eine Einordnung vornehmen zu können, ist zu ermitteln, welche staatliche Leistung entgolten werden soll. So werden Verwaltungsgebühren für die Vornahme von dem Schuldner individuell erbrachten Amtshandlungen und Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen erhoben 29 . Eine Verleihungsgebühr, welche eine von diesen Staatsleistungen entgelten würde, hätte keine Berechtigung als selbständiger Gebührentyp. Es ist daher im folgenden der Frage nachzugehen, welche Leistung ihr gegenübersteht 30 , um daraus den exakten Begriff der Verleihungsgebühr ableiten und ihre Abgenzung zu anderen Abgabearten vornehmen zu können.
2. Begriffsbildungen
von Rechtsprechung und Literatur
Von Rechtsprechung und Literatur ist vielfach der Versuch unternommen worden, die Verleihungsgebühr begrifflich zu konturieren. Die vorgeschlagenen Definitionen stimmen im wesentlichen überein, allerdings erfährt der Gebührentatbestand von verschiedener Seite her Einschränkungen oder Erweiterungen. Es sei darauf hingewiesen, daß die Begriffsbildung einzelner Autoren unabhängig davon ist, ob die Verleihungsgebühr letztendlich anerkannt wird oder nicht.
a) Verleihung eines Rechts Es liegt schon von ihrem Namen her nahe, die Verleihungsgebühr als Entgelt für die Verleihung eines Rechts durch den Staat anzusehen. Hiervon geht auch die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur aus, wenngleich unterschiedliche Bezeichnungen dessen, wofür die Gebühr zu zahlen ist, zu finden sind. Neben dem Terminus der „Verleihung" 31 oder „Bewilligung" 3 2
29
S.o. 1. Teil, Gliederungsabschnitt Β II. Verfehlt Maiwald, GewArch 1993, 46, wonach Verleihungsgebühren „nicht in direktem Zusammenhang mit einer staatlichen Leistung stehen" sollen. 31 OVG Hamburg, NVwZ 1990, 1003; VG Hamburg, IUR 1992, 235; BGH LM Nr. 1 zum FernmeldeanlagenG, Bl. 5 ff; Arndt, WiVerw 1990, 30; Kloepfer/Follmann, 30
DÖV 1988, 581; Köck,, JZ 1993, 64; Kruse, in: Tipke/Kruse, AO - FGO, 3 § AO Rn. 20; F. Mayer, S. 257; Tipke, Bd. III, S. 1066; A. Weber, S. 96; Wieland, S. 297; Wiß, S. 149; Wolff/Bachof S. 312; Wolff/Bachof/Stober, § 42 Rn. 35. 32 Wieland, S. 297; Wolff/Bachof S. 312; Wolff/Bachof/Stober, § 42 Rn. 35.
Β. Begriff und Abgrenzung
219
werden die Begriffe „Verschaffung" 33 , „Einräumung" 34 , „Gewährung" 35 oder „Übertragung" 36 eines Rechts verwendet, oftmals sogar von ein und demselben Autor. Des weiteren ist davon die Rede, daß die staatliche Leistung in der Zulassung bestehe, eine Tätigkeit auszuüben37. Ferner wird gesagt, die Verleihungsgebühr sei eine Gegenleistung für eine staatliche Leistung in Gestalt eines subjektiven öffentlichen Rechts38. Dies alles sind jedoch nur terminologische Uneinheitlichkeiten, inhaltliche Differenzen bestehen nicht.
aa) Tatbestandliche Einschränkungen Innerhalb der gebührenrechtlichen Literatur wird der Tatbestand der Verleihungsgebühr häufig enger gefaßt. Es sind Bestrebungen festzustellen, das vom Staat verliehene Recht besonderen Anforderungen zu unterwerfen, so daß nicht mehr jedes Recht Gegenstand einer Verleihungsgebühr sein kann. Ihr Tatbestand würde dadurch im Hinblick auf die gebührenfähige Staatsleistung eine Einschränkung erfahren, was wiederum entsprechende Auswirkungen auf ihren Begriff hätte. Denn, wie bereits ausgeführt, ist eine begriffliche Abgrenzung einzelner Gebührentypen nur anhand des Inhalts der entgoltenen Staatsleistung möglich 39 . Bevor die im einzelnen vertretenen Ansätze dargestellt werden, sei eines vorausgeschickt: Im vorliegenden Gliederungsabschnitt geht es um die Frage, den Begriff der Verleihungsgebühr festzulegen. Nach dem hier vertretenen dogmatischen Verständnis ist davon auszugehen, daß der Gebührenbegriff eine eigenständige gebührenrechtliche Ebene bildet und insbesondere von der Rechtfertigungsebene zu trennen ist 40 . Dieser Umstand wird jedoch von den meisten Autoren nicht konsequent beachtet, so daß es bisweilen Schwierigkei-
33
F. Kirchhof,
Gebühr, S. 29 f; P. Kirchhof,
HStR IV, § 88 Rn. 187; ders., ZIP 1984,
1427; ders., Rechtsgutachten, S. 30; Schneider, VB1BW 1988, 163. 34 OVG Hamburg, NVwZ 1990, 1003; VG Hamburg, IUR 1992, 235; de Buhr, IUR 1992, 236; Arndt, WiVerw 1990, 25 f; Heun, DVB1. 1990, 673; R. Hofmann, VB1BW 1988, 427; Horn, S. 195 f; Jarass, DÖV 1989, 1016; F. Kirchhof DVB1. 1987, 555; ders., Gebühr, S. 29 f; P. Kirchhof, Länderfinanzausgleich, S. 79; Meßerschmidt, S. 198; Chr. Müller, S. 141; Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 22; Pietzcker, DVB1. 1987, 777; Vogel, in: EvStL, Sp. 11; Wieland, S. 297. 35 Hendler, AöR 115 (1990), S. 602 f; ders., NuR 1989, 24. 36 Ehlers/Achelpöhler, N V w Z 1993, 1027; F. Kirchhof DVB1. 1987, 555; Kloepfer,
§ 4 Rn. 206. 37 BVerfGE 72, 330 (434) - Sondervotum Niebier -. 38
39 40
Wolff/Bachof/Stober,
§ 42 Rn. 35.
S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 1. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III.
220
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
ten bereitet, einzelne Aussagen der begrifflichen oder der Rechtfertigungsebene zuzuordnen. Vogel sieht in den Verleihungsgebühren Entgelte für die Einräumung eines subjektiv-öffentlichen Rechts an einer öffentlichen Sache41. Diese von ihm nicht näher erläuterte Auffassung ist jedoch ohne Auswirkung auf die Diskussion geblieben. Bei anderen Autoren klingt an, daß sie eine Gebühr nur dann unter den Begriff der Verleihungsgebühr fassen wollen, wenn die staatliche Leistung in der Befreiung von einem repressiven Verbot besteht42. Eine letzte und wichtigste Meinungsströmung definiert die Verleihungsgebühr als Entgelt für die Verleihung eines Rechts, das einen wirtschaftlichen Vorteil begründet 43. Bisweilen wird inhaltlich gleichbedeutend die Gewährung eines wirtschaftlich nutzbaren Rechts44 oder eine spezielle Vermögenswerte Leistung in Gestalt eines subjektiven öffentlichen Rechts45 als tatbestandlicher Anknüpfungspunkt einer Verleihungsgebühr gefordert. Diese Meinungsströmung bezieht sich, anders als noch die beiden vorhergehend genannten Auffassungen, eindeutig auf die begriffliche Ebene. W i l l man den Kreis der gebührenfähigen Rechte bereits hier auf solche reduzieren, die wirtschaftlich vorteilhaft sind, so wäre die Folge, daß insbesondere alle immateriellen Rechte von vornherein nicht mit einer Verleihungsgebühr belegt werden könnten, weil deren begriffliche Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
bb) Tatbestandliche Erweiterungen In der Literatur sind auch Vorschläge zu finden, die darauf abzielen, den Tatbestand der Verleihungsgebühr über das Anknüpfen an eine Rechtsverleihung hinaus zu erweitern. So wird sie definiert als Entgelt für die Rechtsverleihung oder die Ausübung von verliehenen Rechten46. Einer anderen Begriffsbildung zufolge werden sie für die rechtliche Möglichkeit, von dem verliehenen
41 Vogel, in: EvStL, Sp. 11; ähnlich Stabreit, LKV 1994, 353: Recht zur Nutzung von Gütern, die der Allgemeinheit gehören. 42 BVerfGE 72, 330 (434) - Sondervotum Niebier -; Kloepfer, § 4 Rn. 206. Vgl. zum Begriff des repressiven Verbots unten 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 1 a. 43 VG Hamburg, IUR 1992, 235; Arndt, WiVerw 1990, 25 f; Heun, DVB1. 1990,
673; Kruse, in: Tipke/Kruse,
AO - FGO, § 3 AO Rn. 20; Chr. Müller, S. 141; Pietzcker,
DVB1. 1987, I I I . 44 Hendler, AöR 115 (1990), S. 602. 45
46
Wolff/Bachof/Stober,
§ 42 Rn. 35.
Kruse, in: Tipke/Kruse, AO - FGO, § 3 AO Rn. 20; Tipke, Bd. III, S. 1066 (Herv. v. Verf.). So wohl auch F. Kirchhof DVB1. 1987, 555.
221
Β. Begriff und Abgrenzung
Recht Gebrauch zu machen, erhoben 47. Ob die letztgenannte Definition aber wirklich eine tatbestandliche Erweiterung darstellt, muß bezweifelt werden. Denn jedes verliehene Recht bewirkt, daß die Handlungsmöglichkeiten des einzelnen vermehrt werden. Daher ist von der Verleihung eines Rechts die Möglichkeit, dieses auch zu gebrauchen, zwangsläufig mitumfaßt. Es wäre ersichtlich widersinnig, etwa eine Erlaubnis zu erteilen, aber gleichzeitig zu untersagen, von ihr Gebrauch zu machen. Daraus ergibt sich, daß die Rechtsverleihung und die Möglichkeit, das Recht zu gebrauchen, zwei Seiten derselben Medaille sind. Inhaltlich ist es also ein und dasselbe, wenn gesagt wird, die Verleihungsgebühr werde für die Rechtsverleihung oder für die rechtliche Möglichkeit, von dem verliehenen Recht Gebrauch zu machen, erhoben. Eine Erweiterung des Tatbestandes geht hiermit nicht einher, daher können entsprechende Definitionsversuche vernachlässigt werden. Allerdings würde es hinsichtlich der Abgrenzung von Verleihungsgebühr und Beitrag Mißverständnisse vermeiden helfen, wenn auf ihn ganz verzichtet wird 4 8 .
b) Übertragung wirtschaftlicher Werte Die Begriffsbildung, wonach der tatbestandliche Anknüpfungspunkt einer Verleihungsgebühr das verliehene Recht ist, wird verschiedentlich in Frage gestellt. So behauptet man, die staatliche Leistung sei in der Übertragung eines wirtschaftlichen Wertes aus dem staatlichen Vermögen auf Privatleute zu erblicken 49 . Diese These steht in einem engen Zusammenhang mit dem oben dargestellten Ansatz, wonach ein verliehenes Recht nur dann Gegenstand einer Verleihungsgebühr sein kann, wenn es wirtschaftlich vorteilhaft ist 50 . Die Grenzen zwischen beiden Meinungen sind zwar fließend, ein Unterschied besteht aber insofern, als dort entscheidend darauf abgestellt wird, daß die Erhebung einer Verleihungsgebühr zwingend eine Rechtsverleihung voraussetzt. Es wird also ein Recht, in welchem ein Vermögenswert enthalten ist, auf den Gebührenschuldner übertragen, nicht aber ein wirtschaftlicher Wert als solcher. Verleihungsgebühr und Rechtsverleihung sind danach also untrennbar miteinander verbunden. Letztere spielt jedoch bei dem hier darzustellenden Ansatz keine, zumindest keine begriffsbildende Rolle. Es wird nicht mehr ausdrücklich verlangt, daß es zu einer Rechtsverleihung kommen muß, w i l l man eine Ver47
F. Mayer, S. 257; Wieland. S. 297; ders., WUR 1991, 134; Wolff/Bachof, Wolff/Bachof/Stober, § 42 Rn. 35. 48
Näher dazu unten 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 3.
49
Arndt, WiVerw 1990, 35; Jarass, DÖV 1989, 1016; Pietzcker, Stallknecht, S. 193. 50
S. 312;
S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 2 a aa.
DVB1. 1987, 779;
222
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
leihungsgebühr erheben. Der wirtschaftliche Wert muß demnach nicht unbedingt in Gestalt eines Rechts übertragen werden, vielmehr sind auch andere Formen denkbar. Es kommt dadurch zu einer Verlagerung des tatbestandlichen Anknüpfungspunktes, die zu der Frage fuhrt, ob hier noch von einer Verleihungsgebühr gesprochen werden kann, oder ob nicht eine andere Gebührenbzw. Abgabenart vorliegt. Bei Arndt und Pietzcker klingt an, daß sie nur eine Verleihungsgebühr, die für die Übertragung von Vermögenswerten erhoben wird, als gerechtfertigt ansehen51. Unklar bleibt aber, welche Folgerungen sich hieraus für die begriffliche Ebene ergeben sollen. Eine Konsequenz muß jedenfalls darin bestehen, die Übertragung wirtschaftlicher Werte auf der Begriffsebene als gebührenfähige Staatsleistung anzusehen, denn wenn ein bestimmter Tatbestand als Verleihungsgebühr gerechtfertigt sein soll, muß er notwendigerweise auch von ihrem Begriff umfaßt sein. Des weiteren ist nicht hinreichend sicher zu ermitteln, ob dieser Meinung nach die Verleihungsgebühr schon begrifflich darauf beschränkt sein soll, Entgelt für die Übertragung wirtschaftlicher Werte zu sein52, oder ob daneben als Staatsleistung auch die Rechtsverleihung in Betracht kommen kann, unabhängig von der Rechtfertigungsproblematik. Dem ist jedoch nicht näher nachzugehen. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle nur, daß die Meinung vertreten wird, es sei möglich, für die Übertragung wirtschaftlicher Werte aus dem staatlichen Vermögen eine Verleihungsgebühr zu erheben.
3. Die Rechtsverleihung als einziges Begriffselement Der Begriff der Verleihungsgebühr hängt entscheidend von ihrem tatbestandlichen Anknüpfungspunkt ab. Es ist daher genau zu ermitteln, für welche staatliche Leistung sie erhoben werden kann 53 . Nach dem hier vertretenen streng formalen Gebührenbegriff kann jede staatliche Handlung, Duldung oder Unterlassung Gegenstand einer Gebührenpflicht sein, unabhängig davon, ob die Leistung mit Kosten oder sonstigen Aufwendungen verbunden ist. Allein das Verknüpftsein der Geldleistung mit einer derartigen Staatsleistung macht den Gebührentatbestand aus54. Demzufolge fällt auch diejenige Abgabe, welche für die Verleihung eines Rechts geschuldet wird, unproblematisch unter den
51
Arndt, WiVerw 1990, 35; Pietzcker, DVB1. 1987, 779. So aber wohl Jarass, DÖV 1989, 1016, der die Abgabe für eine Rechtsverleihung als Sonderabgabe qualifiziert, so daß nur noch die Übertragung von Vermögenswerten in die Kategorie der Verleihungsgebühr fallen kann. 53 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 1. 54 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β V. 52
Β. Begriff und Abgrenzung
223
Gebührenbegriff 5 . Es bereitet insbesondere keinerlei Schwierigkeiten, daß die Rechtsverleihung nicht mit Kosten für den Staat verbunden ist, weil dieser Aspekt für die begriffliche Ebene ohne Bedeutung ist. Der mangelnde Kostenbezug der Verleihungsgebühr führt also, entgegen anderslautenden Stimmen 56 , nicht dazu, ihr den Gebührencharakter abzusprechen. Eine derartige Gebühr als Verleihungsgebühr zu bezeichnen, liegt auf der Hand und bedarf unter terminologischen Gesichtspunkten keiner näheren Erläuterung. Insofern besteht Übereinstimmung mit der eingangs dargestellten und überwiegend vertretenen Begriffsbildung, wonach die Verleihungsgebühr als Entgelt für die Verleihung eines Rechts durch den Staat anzusehen ist 57 . Dieser Terminologie zufolge ist es unverzichtbar, daß ein Rechtsverleihungsakt den entscheidenden tatbestandlichen Anknüpfungspunkt bildet. Die erbrachte Staatsleistung besteht also in der Rechtsverleihung. Daraus ergibt sich, daß die Übertragung eines wirtschaftlichen Wertes aus dem staatlichen Vermögen auf Private entgegen einer in der Literatur vertretenen Meinung 58 nicht mit einer Verleihungsgebühr belegt werden kann. Das würde nämlich den terminologisch vorgegebenen Rahmen dieses Gebührentyps überschreiten. Es dient nicht zuletzt der begrifflichen Klarheit, wenn man den Tatbestand der Verleihungsgebühr auf den Akt der Rechtsverleihung beschränkt. Nur dann wird deutlich, daß beide zwingend zusammengehören. Hierin besteht j a auch eine besondere Problematik dieses Gebührentyps, denn einer der Haupteinwände gegen seine Anerkennung geht dahin, daß es aus verschiedenen Gründen nicht möglich sei, allein für eine Rechtsverleihung eine Gebühr zu erheben, ohne daß der Staat irgendwelche finanziellen Aufwendungen machen muß 59 . Übertrüge er aber wirtschaftliche Werte auf einzelne, würden ihm diese Werte selbst verlorengehen, so daß wirtschaftlich gesehen Aufwendungen entstünden. Vor diesem Hintergrund führte es in die Irre, eine Abgabe als Verleihungsgebühr zu bezeichnen, welche die Übertragung wirtschaftlicher Werte als eigentlichen Anknüpfungspunkt der Zahlungspflicht ansieht, denn dem Akt der Rechtsverleihung käme dann keine entscheidende, sondern nur noch ergänzende Bedeutung zu. Maßgebend wäre vielmehr die
55
So auch, obwohl recht apodiktisch, Köck, S. 47 f: Ein Gestattungsakt sei „unzweifelhaft als eine Leistung anzusehen". 56 Friauf in: Köln-Festschrift, S. 694 f; Hendler, AöR 115 (1990), S. 604 f; Heun, DVB1. 1990, 673 f; R. Hofmann, VB1BW 1988, 428; P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 187. 57 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 2 a. 58 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 2 b. 59 In dieser Hinsicht sehr klar und zutreffend Jarass, DÖV 1989, 1016, der das Nichtvorhandensein finanzieller Aufwendungen sogar in den Begriff der Verleihungsgebühr aufnimmt.
224
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
Tatsache, daß der Staat Vermögenswerte abgibt und dafür ein Entgelt verlangt. Dadurch kommt es aber zu einer Verschiebung des abgabentatbestandlichen Schwerpunktes, so daß eine andere Abgabenform entsteht60. Darüber hinaus würde, was die Ebene der Gebührenrechtfertigung angeht, nicht mehr der Aspekt des Vorteilsausgleichs, sondern wieder derjenige der Kostenprovokation relevant 61 , denn ob dem Staat infolge der Leistungserbringung Kosten entstehen oder ob er als Folge seiner Leistung weniger Vermögenswerte innehat, ist aus seiner Sicht ökonomisch dasselbe, weil immer der Verlust wirtschaftlicher Werte im Vordergrund steht. Die Verleihungsgebühr zeichnet sich jedoch gerade dadurch aus, daß sie sich nicht durch den gebührenrechtlich unproblematischen Gesichtspunkt der Kostenverantwortlichkeit legitimieren läßt. Der hierin liegenden Problematik muß man sich stellen, sie darf nicht durch die oben dargestellte Begriffsbildung umgangen werden. Daß die Erhebung eines Entgelts für die Übertragung wirtschaftlicher Werte grundsätzlich rechtmäßig ist, können auch die vehementesten Gegner der Verleihungsgebühr nicht ernsthaft bestreiten und soll auch hier nicht in Frage gestellt werden. Des weiteren trifft es wohl zu, eine solche Abgabe als Gebühr anzusehen, denn eine gebührenfähige Leistung kann auch darin liegen, daß der Staat einem Privaten eine Substanz oder einen Wert verschafft 62 . Nur hat das für die Anerkennung der Verleihungsgebühr keine Bedeutung, denn unter ihren Begriff fällt eine derartige Gebühr nicht. Die Gegenleistung des Staates besteht bei der Verleihungsgebühr nur in einer Rechtsverleihung, nicht in einer realen Leistung aus dem staatlichen Vermögen 63 . Dementsprechend kann die Übertragung wirtschaftlicher Werte nur dann von einer Verleihungsgebühr entgolten werden, wenn der Wert selbst aus dem verliehenen Recht besteht und dieses den Abgabentatbestand ausmacht. Es ist also immer zu ermitteln, was schwerpunktmäßig entgolten werden soll. Ist es nicht die Rechtsverleihung, liegt begrifflich keine Verleihungsgebühr vor. Nach alledem ist festzuhalten, daß die Verleihungsgebühr als entscheidende tatbestandliche Voraussetzung die Verleihung eines Rechts durch den Staat aufweist. Fraglich ist jedoch, ob an das verliehene Recht besondere Anforderungen zu stellen sind. So wird vertreten, daß das Recht wirtschaftlich vorteilhaft sein muß, oder daß es in der Befreiung von einem repressiven Verbot zu bestehen hat. Der Kreis derjenigen Rechte, für die Verleihungsgebühren erhoben werden könnten, wäre dadurch entsprechend eingeschränkt 64. Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Wenn es darum geht, den Begriff der Verleihungsgebühr 60
61 62 63 64
Vgl. Horn, S. 189, F. Kirchhof Gebühr, S. 24; ders., DVB1. 1987, 556.
Vgl.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II. F. Kirchhof NVwZ 1987, 1034. So auch VG Hamburg, IUR 1992, 236. S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 2 a aa.
Β. Begriff und Abgrenzung
225
zu umreißen, können auch nur begriffliche Erwägungen eine Rolle spielen. Es ist vorstehend bereits dargelegt worden, daß die entscheidende tatbestandliche Voraussetzung einer Verleihungsgebühr in der Rechtsverleihung besteht. Hieraus folgt, daß alle diejenigen Abgaben aus dieser Kategorie auszuklammern sind, welche nicht entscheidend hieran anknüpfen. Daraus ergibt sich umgekehrt, daß es für das Vorliegen einer Verleihungsgebühr nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend ist, wenn ihr eine Rechtsverleihung als staatliche Leistung gegenübersteht. Denn dieses Tatbestandsmerkmal ermöglicht es bereits, eine genaue Abgrenzung der Verleihungsgebühr zu anderen Abgabenarten vorzunehmen 65. Mehr kann und soll die begriffliche Ebene nach hier vertretenem gebührendogmatischen Verständnis aber auch nicht leisten. Es besteht daher kein Bedürfnis dafür, auf der begrifflichen Ebene über das Merkmal der Rechtsverleihung hinaus noch weitere Einschränkungen vorzunehmen. Eine andere Frage ist die, ob eine Verleihungsgebühr, welche für ein nicht wirtschaftlich vorteilhaftes Recht zu zahlen ist, gerechtfertigt werden kann, bzw. ob jeder Erlaubnistatbestand, also nicht nur die Befreiung von einem repressiven Verbot, mit einer Gebühr belegt werden darf. Um das beurteilen zu können, müssen jedoch Erwägungen angestellt werden, die den Schutz des Gebührenbelasteten und der Finanzverfassung betreffen. Es ist jedoch nicht die begriffliche, sondern die Rechtfertigungsebene, auf der diese Probleme abzuhandeln sind 66 . Beide Komplexe sind voneinander zu trennen 67. Dieselben Erwägungen sprechen dagegen, nur ein rechtmäßig verliehenes Recht als Anknüpfungspunkt für eine Verleihungsgebühr anzusehen. In der Literatur sind bisweilen Äußerungen zu finden, wonach die Verleihungsgebühr eine legale Rechtsverleihung voraussetze und insoweit dem materiellen Verwaltungsrecht akzessorisch sei68. Dabei wird allerdings nicht deutlich, ob es sich diesbezüglich um eine begriffliche oder um eine Rechtfertigungsvoraussetzung handeln soll. Jedenfalls ist nach dem oben Ausgeführten letzteres richtig, denn die typische Abgrenzungsfünktion der Begriffsebene nötigt nicht dazu, besondere Anforderungen an das verliehene Recht zu stellen. Die zweifellos bestehende Akzessorietät der Verleihungsgebühr zum materiellen Verwaltungsrecht erschöpft sich, was ihren Begriff angeht, darin, daß ein Rechtsverleihungsakt gegeben sein muß. Es wäre undifferenziert und voreilig, wenn bereits auf der Begriffsebene die Möglichkeit versperrt würde, auch für ein rechtswidrig verliehenes Recht eine Verleihungsgebühr zu erheben. Im Einzel65
Ausf. zur Abgrenzung unten 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β II. S.u. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II. 67 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III; so im Ergebnis auch VG Hamburg, IUR 1992, 236; Horn, S. 98 Fußn. 1. 68 Arndt, WiVerw 1990, 30; ähnlich F. Kirchhof, DVB1. 1987, 556; unklar Kloe66
pfer/ Fòllmann, DÖV 1988, 582. 15 Heimlich
226
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
fall könnte hierfür durchaus ein Bedürfnis bestehen, nämlich dann, wenn der Verleihungsakt nach den Grundsätzen der §§43 ff VwVfG zwar rechtswidrig, aber bestandskräftig ist. Bei einer solchen Konstellation wäre nicht einzusehen, warum die Erhebung einer Verleihungsgebühr schon begrifflich unmöglich sein soll. Es liegt näher, im Hinblick auf die Rechtfertigungsebene zu fragen, ob nicht auch ein zwar rechtswidrig, aber bestandskräftig verliehenes Recht einen gebührenfähigen Vorteil darstellen kann, der in der Lage ist, die Erhebung einer Verleihungsgebühr zu legitimieren. Auf dieser Ebene kann dann eine differenzierte und flexible Lösung des Problems gefunden werden, wozu die Begriffsebene nicht in der Lage wäre 69. Der Tatbestand der Verleihungsgebühr darf dem nicht von vornherein entgegenstehen. Dieser ist somit auch dann erfüllt, wenn die Rechtsverleihung nicht rechtmäßig ist. An diese Überlegungen anschließend kann auch die Frage beantwortet werden, ob der Begriff der Verleihungsgebühr einer in der Literatur vertretenen Auffassung zufolge dahingehend zu erweitern ist, daß eine solche Gebühr auch für die Ausübung verliehener Rechte verlangt werden kann 70 . Das ist zu verneinen. Für eine Verleihungsgebühr ist der Akt der Rechtsverleihung durch den Staat die entscheidende tatbestandliche Voraussetzung. Hierauf verzichtet die genannte Auffassung zwar nicht ganz, da sie auf die Ausübung verliehener Rechte abhebt. Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Ausübung des verliehenen Rechts zum Anknüpfungspunkt für die Gebührenerhebung gemacht werden soll. Hierdurch würde sich aber insofern der Schwerpunkt verschieben, als der Rechtsverleihungsakt in den Hintergrund träte. Es läge daher eine andere Gebührenkategorie vor, denn der Schwerpunkt der Staatsleistung ist für die Unterscheidung der verschiedenen Gebührentypen entscheidend71. Eine Verleihungsgebühr wird aber schwerpunktmäßig für eine Rechtsverleihung erhoben, nicht für die der Verleihung nachfolgenden Ausübung. Überdies ist die Ausübung eines verliehenen Rechts durch den Begünstigten keine gebührenfähige Staatsleistung. Eine Handlung oder qualifizierte Unterlassung seitens des Staates kann hierin sicherlich nicht gesehen werden, so daß nur eine staatliche Duldung in Betracht käme. Es erscheint jedoch arg konstruiert und künstlich, eine solche Duldung anzunehmen, wenn der Staat es zuläßt, daß ein einzelner von einem Recht Gebrauch macht, welches jener ihm selbst verliehen hat. Näher liegt es, die Rechtsausübung als tatsächliche Folge der Rechtsverleihung anzusehen. Der Gebrauch des Rechts ist eine Handlung des einzelnen, die staatliche Leistung erschöpft sich in der Rechtsverleihung. Eine nachfolgende Duldung durch den Staat wäre eine bloße Fiktion, zumal
69 70 71
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III. S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 2 a bb. Vgl. Horn, S. 189; F. Kirchhof,
Gebühr, S. 24; ders., DVB1. 1987, 556.
Β. Begriff und Abgrenzung
227
hierfür unter gebührenpolitischen Gesichtspunkten auch kein Bedürfnis besteht, weil bereits der Verleihungsakt als Anknüpfungspunkt für eine Gebührenpflicht zur Verfügung steht. Die Ausübung eines verliehenen Rechts ist somit keine gebührenfähige Staatsleistung72, Anderes gilt jedoch dann und nur dann, wenn die Ausübung des verliehenen Rechts in der Benutzung einer öffentlichen Sache oder Einrichtung besteht. Das ist etwa bei der straßenrechtlichen Sondernutzung der Fall. Hier wird das Recht zur Sondernutzung eingeräumt, welches ausgeübt wird, indem die Straße über den straßenrechtlichen Gemeingebrauch hinausgehend benutzt wird. Eine staatliche Duldung ist hier gegeben, sie besteht aber nicht darin, daß das Gebrauchmachen vom Recht geduldet wird, sondern der Staat läßt es zu, daß die Straße in besonderer Weise benutzt wird. Die Duldung der Inanspruchnahme einer öffentlichen Sache oder Einrichtung stellt die gebührenfähige Staatsleistung dar, für die eine Benutzungsgebühr erhoben werden darf 3 . Insgesamt ergibt sich also: Für die Ausübung eines verliehenen Rechts kann keine Gebühr gefordert werden, wohl aber für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Sache oder Einrichtung, ungeachtet dessen, ob ihr die Einräumung eines Rechts vorausgeht. Auch diese Überlegungen zeigen, daß der entscheidende Schwerpunkt einer Verleihungsgebühr immer bei der Rechtsverleihung selbst liegt, nicht aber bei der (Duldung der) Rechtsausübung. Letztere hat im Rahmen der Verleihungsgebühr keine Bedeutung 74 . Der durch das verliehene Recht begünstigte Gebührenschuldner entrichtet die Verleihungsgebühr also nur für Rechtsverleihung als solche. Er ist davor geschützt, auch für die Ausübung zahlen zu müssen. Umgekehrt folgt daraus aber auch, daß schon die Rechtsverleihung den Tatbestand der Verleihungsgebühr erfüllt, auf die nachherige tatsächliche Ausnutzung des Rechts kommt es nicht mehr an 75 . Der Gebührenschuldner kann daher gegen die Gebührenforderung nicht einwenden, er habe von dem verliehenen Recht keinen Gebrauch gemacht, so daß keine gebührenfähige Staatsleistung vorliege. Dieser Befund wird auch durch Erwägungen gestützt, die auf der Ebene der Rechtfertigung von Verleihungsgebühren eine Rolle spielen werden 76 .
72
So im Ergebnis auch Horn, S. 191.
73
Wilke, S. 57.
74
So wohl auch Stallknecht, S. 179: „ Welche Fälle ... erfaßt werden sollen, bleibt... im Dunkeln." 75
So auch Horn, S. 195 f, 199; F. Kirchhof,
Gebühr, S. 29 f; ders., DVB1. 1987, 555;
P. Kirchhof, Länderfinanzausgleich, S. 79; ders., Rechtsgutachten, S. 30. Diesen Gedanken legt wohl auch das OVG Hamburg zugrunde (NVwZ 1990, 1003). 76 S.u. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 b.
228
4. Teil: Die Verleihungsgebühr 4. Ergebnis
Unter einer Verleihungsgebühr ist eine Gebühr zu verstehen, die für die Verleihung eines Rechts durch den Staat erhoben wird. Die Rechtsverleihung als solche ist entscheidend und notwendig, aber auch hinreichend für die Erfüllung des Tatbestandes. An den Charakter des Rechts sind auf der begrifflichen Ebene keine besonderen Anforderungen zu stellen. Der Tatbestand der Verleihungsgebühr ist nicht erfüllt, wenn die Übertragung wirtschaftlicher Werte vom Staat auf Private oder die Ausübung eines verliehenen Rechts als maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Zahlungspflicht gewählt wird. Bei letzterem liegt schon keine gebührenfähige Staatsleistung vor.
II. Abgrenzung 1. A bgrenzungskriterien Der begrifflichen Ebene kommt typischerweise die Funktion zu, Abgabenarten voneinander abzugrenzen 77. Die Unterscheidung der Verleihungsgebühr von anderen Abgabenarten hat daher in erster Linie anhand ihres Begriffs zu erfolgen, der sich wiederum entscheidend aus ihrem tatbestandlichen Anknüpfungspunkt ergibt 78 . Die Verwendung des Aufkommens taugt demgegenüber zur Abgrenzung in der Regel nicht. Das folgt aus der Tatsache, daß alle Einnahmen des Staates grundsätzlich dem Prinzip der Nonaffektation unterliegen und daher zur Bestreitung aller Staatsausgaben verwendet werden können. Eine Ausnahme bildet hier jedoch die Abgrenzung zwischen Sonderabgabe und Zwecksteuer, welche der (bisweilen angegriffenen) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge anhand des Kriteriums der Aufkommensverwendung vorzunehmen ist 79 . Dies resultiert jedoch aus der Besonderheit, daß beide Abgabearten voraussetzungslos erhoben werden und daher eine Abgrenzung anhand des tatbestandlichen Anknüpfungspunktes von vornherein unmöglich ist. Ebensowenig läßt der Abgabenzweck zwingende Rückschlüsse auf ihre Qualifizierung zu. So kann ζ. B. eine Steuer, die typischerweise ein allgemeines finanzielles Deckungsmittel ist, einer Zweckbindung unterworfen werden, ohne daß ihr Steuercharakter dadurch berührt wird. Denn sofern die Zweckbindung nicht derart hoch spezifiziert ist, daß eine Sonderabgabe vor-
77 78 79
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III. S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 1. Näher Hendler, S. 37 ff m.w.N.
Β. Begriff und Abgrenzung
229
liegt 80 , entsteht lediglich eine besondere Steuerform, nämlich diejenige der Zwecksteuer 81. Das Beispiel zeigt, daß eine Abgabe, die bestimmte Staatsaufgaben finanzieren soll, nicht schon allein deswegen aus der Kategorie der Gemeinlast herausfällt. Abgabenzweck und Aufkommensverwendung sind daher in der Regel unsichere Differenzierungskriterien. Anderes gilt für den Abgabentatbestand. Wird eine Abgabe voraussetzungslos geschuldet, so liegt keine Vorzugslast vor, sondern eine Steuer oder eine Sonderabgabe. Wenn hingegen eine Staatsleistung oder eine andere besondere Voraussetzung erforderlich ist, um die Zahlungspflicht auszulösen, kann weder eine Steuer noch eine Sonderabgabe gegeben sein. Von der einmal getroffenen Entscheidung darf nicht mehr abgerückt werden. Das bedeutet: Selbst wenn die Steuer bzw. Sonderabgabe einen Zweck verfolgt, der ζ. B. typischerweise einer Vorzugslast zugrundeliegt, kann sie niemals zu einer solchen werden. Umgekehrt wird etwa auch eine Vorzugslast nicht zur Steuer, sollte sie Steuerzwecke beinhalten, denn ein besonderer Abgabenzweck oder eine bestimmte Aufkommensverwendung vermag die Tatsache, daß sie nicht voraussetzungslos geschuldet wird, nicht zu überspielen. Es wird deutlich, daß der Tatbestand einer Abgabe für ihre Qualifikation entscheidend ist. Ein solcher Ansatzpunkt ist im Bereich des Abgabenrechts nichts neues. So wird er herangezogen, wenn es darum geht, Kriterien für die Abgrenzung von Steuern und Sonderabgaben zu entwickeln. Man schlägt vor, beide Abgabeformen anhand der „Ausgestaltung des Abgabentatbestandes" abzugrenzen 82, wobei der Nutzen dieses Gedankens für den Bereich der (ebenso wie Steuern voraussetzungslos geschuldeten!) Sonderabgaben an dieser Stelle dahinstehen mag. Bei Selmer heißt es, anstelle von Funktion und Zweck einer Abgabe sei deren „Erhebungsgrund, den man auch mit der Bezeichnung causa belegen mag, als Wesensmerkmal heranzuziehen", weil das Abstellen „aufZwecke und Funktionen notwendig begrifflich unergiebig ist" 83 . Diese Gedanken können auch fruchtbar gemacht werden, wenn die Abgrenzung der Verleihungsgebühr von anderen Gebühren- bzw. Abgabearten in Rede steht. Dementsprechend soll im folgenden der begriffsbildende tatbestandliche Anknüpfungspunkt der Verleihungsgebühr als Abgrenzungskriterium dienen. Andere Merkmale können allerdings hilfsweise herangezogen werden. So ist es denkbar, daß etwa die Rechtfertigung oder Bemessung einer 80 81 82
83
Vgl. hierzu Hendler, S. 37. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β IV 3 b. Köck, IUR 1991, 190; s. auch ders., UPR 1991, 9.
Selmer, Finanzierung, S. 40 f; in diesem Sinne auch Köck, UPR 1991, 9. Es kann Selmer allerdings insoweit nicht zugestimmt werden, als er die „causa" als Verpflichtungsgrund ansieht, der „zur Rechtfertigung der Belastung bestimmt" ist (Selmer, S. 41 Fußn. 71). Das widerspricht nämlich dem hier vertretenen dogmatischen Ansatz, wonach Begriff und Rechtfertigung nicht miteinander vermengt werden dürfen (s.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III).
230
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
konkret erhobenen Gebühr Rückschlüsse auf die zu entgeltende Staatsleistung zuläßt, was wiederum eine Aussage über den für die Abgrenzung maßgeblichen abgabenrechtlichen Tatbestand erlaubt. All diese abstakten Grundsätze werden im folgenden verdeutlicht, insbesondere wenn es darum geht, einzelne Abgaben als Verleihungsgebühr einzuordnen 84.
2. Abgrenzung zu Sonderabgabe und Steuer Eine endgültige, umfassende und letzlich befriedigende Definition der Sonderabgabe ist bisher trotz aller Bemühungen noch nicht gelungen85. Geklärt ist lediglich, daß sie, genauso wie die Steuer 86, voraussetzungslos geschuldet wird 87 . Dieses Merkmal reicht aber aus, um sowohl die Sonderabgabe als auch die Steuer problemlos von der Verleihungsgebühr zu unterscheiden, denn diese setzt tatbestandlich zwingend eine staatliche Leistung voraus, nämlich eine Rechtsverleihung 88. Soll aber eine Leistung abgegolten werden, ist ausgeschlossen, daß ein (verschleierter) Steuertatbestand gegeben ist 89 . Entsprechendes gilt für die Sonderabgabe. Es ist also der Gegenleitstungscharakter, der die Verleihungsgebühr von Steuern und Sonderabgaben unterscheidet. Bisweilen kann jedoch die Beantwortung der Frage, ob eine Abgabe im Gegenleistungsverhältnis steht, Schwierigkeiten bereiten, was namentlich im Hinblick auf die Abgrenzung der Verleihungsgebühr von der Verkehrsteuer relevant wird. Der Rechtsprechung zufolge kann eine Verkehrsteuer nämlich u.a. an Akte und Vorgänge des Rechtsverkehrs anknüpfen 90, was vereinzelt zum Anlaß genommen wird, auch die Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung als tauglichen Anknüpfungspunkt für eine Verkehrsteuer anzusehen91. Träfe dies zu, ergäben sich insofern Probleme, als nicht mehr erkennbar wäre, ob Rechtsverleihung und Abgabe in einem Leistungs-Gegenleistungs-Verhältnis stehen oder nicht, denn in jedem Fall wird der Hoheitsakt zum Anlaß für die 84
S.u. 5. Teil. So etwa auch Selmer, Finanzierung, S. 37 f. 86 S.o. 1. Teil, Gliederungsabschnitt Β I. 87 BVerfGE 55, 274 (298); 67, 256 (274 f). 88 So in bezug auf die Abgrenzung der Verleihungsgebühr von der Steuer Hendler, AöR 115 (1990), S. 604; in diesem Sinne auch Wieland, S. 269. 89 Vgl. BVerwGE 95, 188 (194). 90 BVerfGE 16, 64 (73); BFHE 110, 213 (215). 91 So Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 10, unter Hinweis auf BVerfGE 29, 327 (331), wo das Bundesverfassungsgericht die Erlangung einer Schankerlaubnis als Verkehrsvorgang beurteilt, der mit einer Verkehrsteuer belastet werden kann; dazu sogleich im Text. 85
231
Β. Begriff und Abgrenzung
finanzielle Belastung genommen. Einer solchen Auffassung steht jedoch entgegen, daß für den Verkehr, der besteuert wird, sein Bezug auf Rechtsgeschäfte zwischen Privaten und deren erwerbswirtschaftliches Handeln kennzeichnend ist. Der Steuergesetzgeber w i l l auf den Mehrwert oder den Gewinn zugreifen, welcher typischerweise bei jedem Geschäft von privaten Wirtschaftssubjekten untereinander entsteht92. Der verkehrsteuerpflichtige Vorgang spielt sich also nicht im Rahmen einer Beziehung ab, die zwischen einem Bürger und einem Hoheitsträger besteht. Typische Verkehrsteuern sind daher etwa die Grunderwerbs- oder die Versicherungssteuer 93, also Akte des pr/va/rechtlichen Rechtsoder Realverkehrs 94. Signifikant für die besonderen Verkehrsteuern ist ihre terminologische Anknüpfung an Gestaltungen des Zivilrechts 95 . Die Verleihungsgebühr belastet jedoch nicht derartige Erträge aus Geschäften zwischen Privaten, sondern knüpft an einen Hoheitsakt, nämlich die Rechtsverleihung, an. Es ist daher ausgeschlossen, die Abgabe für eine Rechtsverleihung als Verkehrsteuer einzuordnen 96 . Konsequenterweise ist daher auch die Abgabe für die Erteilung einer Schankerlaubnis zu den Vorzugslasten zu rechnen 97, obwohl ihr seit jeher von der wohl überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Wissenschaft die Qualität einer (Verkehrs-)Steuer zugeschrieben wird 9 8 . A u f die genaue Einordnung dieser im Schwinden begriffenen Abgabe sei im hier gegebenen Rahmen jedoch nicht näher eingegangen. Des weiteren ist daraufhinzuweisen, daß die Höhe einer Abgabe keine Rolle bei der Bestimmung ihres Gegenleistungscharakters spielt. Die Frage, ob eine Geldzahlung begrifflich als Gebühr eingeordnet werden kann, darf nicht von einer bestimmten Bemessung abhängig gemacht werden, weil Begriff und Bemessung auf verschiedenen Ebenen liegen 99 . Daher stellt sich auch nicht das Problem, die Abgabenhöhe in einen Bezug zum Wert der erbrachten Staatsleistung setzen zu müssen, um dann beurteilen zu können, ob noch von einer Gegenleistung die Rede sein kann 100 . Die Bestimmung, ob eine Gegenleistung
92
Ausf. Wieland, S. 279 ff; vgl. auch P. Kirchhof,
93
Vgl. Tipke/Lang,,
94
HStR IV, § 88 Rn. 157.
§ 8 Rn. 46.
So auch Crezelius, § 2 Rn. 6, allerdings nur in bezug auf den privatrechtlichen Rechtsvt rkehr. 95 96
97
Tipke, Bd. II, S. 935. Wieland, S. 283.
So auch Wieland, S. 270 ff; vgl. Wilke, S. 283 ff, der die Schankerlaubnisabgabe trotz ihres Gegenleistungscharakters i. Erg. aber als „Steuer kraft Tradition" einordnet. 98 Vgl. nur BVerfGE 29, 327 (331); ausf. Nachweise bei Wieland, S. 270 ff. 99 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III. 100 So aber wohl Wieland, S. 266 ff, der sich damit jedoch in Widerspruch zu der von ihm selbst verfochtenen Trennung von Begriffs- und Bemessungsebene setzt (S. 266). Zudem favorisiert auch Wieland zutreffend eine rein formale Abgrenzung von Steuer
232
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
und mithin keine Steuer oder Sonderabgabe vorliegt, ist vielmehr rein formal zu treffen. Sollte die Qualifizierung der Abgabe deshalb problematisch sein, weil sie in irgendeiner Weise mit der Verleihung eines Rechts zusammenhängt, ist entscheidend, ob die Abgabe nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung darauf angelegt ist, den Zahlungspflichtigen wegen dieser erbrachten staatlichen Leistung zu belasten, oder ob sie lediglich die aus der Rechtsverleihung typischerweise erwachsende besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in Anspruch nehmen soll. Die Zahlung ist nur dann gegenleistungsabhängig, wenn sie das Recht selbst entgilt, nicht aber dann, wenn das Recht nur die Voraussetzung einer gestiegenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist, welche als Steuerquelle erschlossen werden soll 101 . Abzulehnen ist schließlich noch die in der Literatur vereinzelt geäußerte Auffassung, die Abgabe für eine Rechtsverleihung falle in die Kategorie der Sonderabgabe. Begründet wird dies mit dem Hinweis darauf, daß das Aufkommen aus Verleihungsgebühren wegen der fehlenden Kostenbelastung des Staates durch die Leistungserbringung zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben eingesetzt werden kann 102 . Wie im vorangegangenen Gliederungsabschnitt aber bereits angesprochen wurde, ist dieser Umstand nicht in der Lage, die Tatsache zu unterlaufen, daß die Verleihungsgebühr gerade nicht wie die Sonderabgabe voraussetzungslos geschuldet wird. Entscheidend für die Einordnung ist der Abgabentatbestand, nicht die Verwendbarkeit des Ertrages. Überdies vermag nicht einzuleuchten, aus der Fähigkeit der Verleihungsgebühr, allgemeines finanzielles Deckungsmittel zu sein, auf das Vorliegen gerade einer Sonderabgabe zu schließen. Wollte man diese Tatsache als maßgebendes Kriterium ansehen, so läge es wesentlich näher, die Verleihungsgebühr als Steuer einzuordnen, weil sie das typische Mittel zur allgemeinen Staatsfinanzierung ist, das Aufkommen aus einer Sonderabgabe ist hingegen gruppennützig zu verwenden 103. Es spricht daher nicht nur die fehlende Voraussetzungslosigkeit, sondern auch die freie Verwendbarkeit ihres Aufkommens dagegen, die Verleihungsgebühr als Sonderabgabe einzustufen 104.
und Vorzugslast (S. 269). Seine Ausführungen lassen sich nur damit erklären, daß er die begriffliche Frage des Gegenleistungscharakters mit der Frage einer äquivalenten Gebührenbemessung verwechselt. 101
102
Vgl. Wieland, S. 263, 269.
Friauf, in: Köln-Festschrift, S. 696; Jarass, DÖV 1989, 1016. BVerfGE 55, 274 (307 f); 67, 256 (276 f); 82, 159 (180 f). S.o. 1. Teil, Gliederungsabschnitt Β I; 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 b bb. 104 So im Ergebnis auch Hendler, AöR 115 (1990), S. 605 Fußn. 80. 103
Β. Begriff und Abgrenzung
233
3. Abgrenzung zum Beitrag Der Beitrag ist ein Entgelt für eine individuell erbrachte Staatsleistung. Unerheblich ist, ob die Leistung konkret genutzt wird, vielmehr genügt schon die Möglichkeit, sie in Anspruch nehmen zu können 105 . Dieses Merkmal unterscheidet den Beitrag von der Verleihungsgebühr. Wie jede Gebühr knüpft auch sie an eine tatsächlich erbrachte Staatsleistung an, und nicht nur an die Möglichkeit, die Leistung zu erlangen. Für die Auslösung der Zahlungspflicht ist entscheidend, daß der Gebührenschuldner tatsächlich in den Genuß des verliehenen Rechts kommt. Der Beitrag entgilt also eine mögliche, die Verleihungsgebühr eine vorhandene Besserstellung. Kann die Abgabe bereits für die Möglichkeit, eine Leistung zu erlangen, erhoben werden, liegt keine Verleihungsgebühr vor, denn bei dieser muß es tatsächlich zur Besserstellung durch eine Rechtsverleihung kommen 106 . Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist demnach der Umstand, welcher die Abgabenerhebung auslöst. Es sei noch darauf hingewiesen, daß es vermieden werden sollte, die Verleihungsgebühr als Entgelt für die Möglichkeit, von einem verliehenen Recht Gebrauch zu machen, zu definieren 107 . Denn die Verleihungsgebühr entgilt die infolge einer Rechtsverleihung vorhandene Besserstellung. Nicht sie, sondern der Beitrag ist es, welcher an eine bloße Möglichkeit anknüpft.
4. Abgrenzung zu Verwaltungs-
und Benutzungsgebühr
W i l l man die Verleihungsgebühr als Gebührentyp definieren, so muß sie sich von den beiden herkömmlichen Gebührenarten, also der Verwaltungs- und der Benutzungsgebühr, unterscheiden. Anderenfalls hätte sie keine Berechtigung. Verwaltungsgebühren stellen die Gegenleistung für eine Amtshandlung dar, während Benutzungsgebühren die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung entgelten 108 . Von diesen beiden Gebührenarten läßt sich die Verleihungsgebühr anhand des tatbestandlichen Anknüpfungspunktes abgrenzen. Ihre Besonderheit besteht darin, daß sie die Verleihung eines Rechts, nicht aber einen Verwaltungsvorgang oder eine tatsächliche Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen entgilt 109 . Im Unterschied zur Verwaltungsgebühr ist also
105
S.o. 1. Teil, Gliederungsabschnitt Β II. In diesem Sinne auch F. Kirchhof \ DVB1. 1987, 556; ihm folgend Horn, S. 192. 107 Vgl. Horn, S. 191; F. Kirchhof, Gebühr, S. 30 Fußn. 39. Vgl. bereit oben, 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 2 a bb. 108 S.o. 1. Teil, Gliederungsabschnitt Β II. 106
109
Horn, S. 195 f.
234
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
nicht das Tätigwerden des Amtswalters, sondern das Ergebnis seiner Tätigkeit, nämlich die Rechtsverleihung, entscheidend110. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Benutzungsgebühr. Bei ihr bestimmt nicht ein Recht, sondern eine Nutzung den Gebührentatbestand 111. Anhand dessen ist auch die gebührenrechtliche Qualifizierung von Sondernutzungsgebühren möglich. Sie sind dann Verleihungsgebühren, wenn ihnen das Recht zur Nutzung als maßgebliche Erhebungsvoraussetzung zugrundeliegt. Demgegenüber handelt es sich um Benutzungsgebühren, wenn entscheidend an die tatsächliche Nutzung angeknüpft wird 112 . Daher ist es unzutreffend, alle Sondernutzungsgebühren ohne jede Differenzierung als Verleihungsgebühren einzuordnen 113. Sollte der Gebührentatbestand nicht eindeutig sein, ist zu ermitteln, wo der Schwerpunkt der staatlichen Leistung liegt 114 .
C. Rechtfertigung I. Anknüpfung an die allgemeine Gebührendogmatik Die Erhebung einer Verleihungsgebühr muß nach allgemeinen gebührenrechtlichen Grundsätzen vor den Grundrechten des Gebührenbelasteten sowie vor den Anforderungen der Finanzverfassung legitimiert werden 115 . Von den beiden denkbaren Rechtfertigungsgründen der Kostenverantwortlichkeit und des Vorteilsausgleichs kommt im Hinblick auf die Verleihungsgebühr allein letzterer in Betracht, weil die Rechtsverleihung keine mit Kosten einhergehende Staatsleistung ist 116 . In diesem Zusammenhang soll an die bereits herausgearbeiteten allgemeinen Grundsätze der gebührenrechtlichen Rechtfertigungsdogmatik angeknüpft werden 117 . Hiernach ist die Erhebung einer Gebühr, welche nicht an entstandene Kosten anknüpft, sondern auf den Ausgleich zuge-
110 111 112
113 114
115
Wieland, S. 297. F. Kirchhof, DVB1. 1987, 556. Horn, S. 194 f; F. Kirchhof DVB1. 1987, 556.
So aber Schollmeier, WUR 1991, 2. Horn, S. 189, F. Kirchhof,
DVB1. 1987, 556.
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C I. 116 Fehlgehend daher de Buhr, IUR 1992, 237, wonach die Erhebung einer Verleihungsgebühr u.a. dann zulässig sein soll, wenn sie vom Gebührenschuldner verursachte Kosten ausgleicht. Zumindest mißverständlich auch F. Kirchhof DVB1. 1987, 557, der eine Verleihungsgebühr als gerechtfertigt ansieht, wenn sie „die Kosten ... des verliehenen Rechts entgilt"; ähnlich A. Weber, S. 98. 117 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 1, 2.
C. Rechtfertigung
235
wandter Vorteile abzielt, nicht von vornherein unzulässig. Insbesondere ist es vom Steuerstaatsprinzip nicht generell untersagt, daß als Nebenfolge Erträge entstehen, die der allgemeinen Staatsfinanzierung zugeführt werden können. Diese Eigenschaft der Verleihungsgebühr spricht somit als solche noch nicht gegen ihre Zulässigkeit. Allerdings kommt es durch die Existenz einer Gebühr, deren gesamter Ertrag allgemeine Staatsausgaben bestreiten kann, zu einer Abweichung vom Prinzip des steuerfinanzierten Staates. Ob sie zulässig ist, ist letztlich eine Wertungsfrage 118, die anhand der Eigenheiten der konkret in Rede stehenden Gebührenform beantwortet werden muß. Aus finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben können sich im Hinblick auf einzelne Gebührenarten besondere Rechtfertigungsvoraussetzungen ergeben. Entscheidende Bedeutung kommen in dieser Hinsicht Art und Gewicht des zugewandten Vorteils gegenüber dem Rang des Steuerstaatsprinzips zu. Auch rein quantitative Aspekte sowie grundrechtliche Erwägungen können eine Rolle spielen119. Es ist daher zu untersuchen, welchen besonderen Anforderungen eine Verleihungsgebühr zu genügen hat, damit ihre Erhebung gerechtfertigt werden kann. Zunächst muß geprüft werden, welche Art von Rechten überhaupt als vorteilhaft im Sinne der gebührenrechtlichen Rechtfertigungsdogmatik angesehen werden kann. Es wird hiermit in erster Linie die grundrechtliche Dimension der Verleihungsgebühr angesprochen, denn es stellt sich die Frage, ob es Grundrechte des Gebührenbelasteten verbieten, bestimmte verliehene Rechte mit einer Gebühr zu belegen. Danach ist zu erörtern, ob an ein gebührenrechtlich vorteilhaftes Recht noch weitere Anforderungen gestellt werden müssen, um insbesondere das Prinzip des steuerfinanzierten Staates in seiner Identität unangetastet zu lassen. Hiermit ist in erster Linie die finanzverfassungsrechtliche Dimension der Verleihungsgebühr berührt. Der sich aus Grundrechten und Finanzverfassung ergebende Rechtfertigungsdruck bestimmt somit den Kreis der gebührenfähigen Rechte. Dessen Umfang soll durch die folgenden Ausführungen festgelegt werden.
1,8
In diesem Sinne auch F. Kirchhof, DVB1. 1987, 558 f, der die Frage, welcher Tatbestand mit einer Verleihungsgebühr belegt werden darf, als ein Wertungsproblem ansieht, ohne jedoch den genauen dogmatischen Anknüpfungspunkt zu nennen. Nach hier vertretener Auffassung ist diesbezüglich das Steuerstaatsprinzip mit seinen Durchbrechungsmöglichkeiten einschlägig, denn die Erhebung einer Gebühr ist vor dem Steuerstaatsprinzip zu rechtfertigen, und Fragen der Gebührenrechtfertigung sind typischerweise Wertungsfragen (s.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitte A I, III). 119 S. zu diesem Gedanken bereits o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 b bb, cc.
236
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
II. Der Kreis gebührenfahiger Rechte 1. Vorteilhaftigkeit a) Stellungnahmen von Rechtsprechung und Literatur Innerhalb von Rechtsprechung und rechtswissenschaftlicher Literatur wird des öfteren die Auffassung vertreten, daß eine Verleihungsgebühr nicht für jede Art von Rechten, sondern nur für eine Befreiung von einem repressiven Verbot erhoben werden könne. Man knüpft damit an die in der verwaltungsrechtlichen Dogmatik herkömmlicherweise getroffene Unterscheidung zwischen präventiven und repressiven Verboten an. Ohne auf Berechtigung und Bedeutung einer solchen Differenzierung an dieser Stelle schon vertiefend einzugehen, sei um der terminologischen Klarheit willen zunächst nur auf folgendes hingewiesen 120 : Von einem präventiven Verbot wird dann gesprochen, wenn der Gesetzgeber bestimmte Tätigkeiten oder Vorhaben nur deshalb verbietet, weil vorweg geprüft werden soll, ob sie im Einzelfall gegen bestimmte materiellrechtliche Rechtsvorschriften verstoßen. Das Vorhaben als solches soll jedoch nicht generell unterbunden werden. Das Verbot steht also von vornherein unter dem Vorbehalt, die Erlaubnis zu erteilen, wenn sich im Erlaubnis verfahren keine gesetzlichen Versagungsgründe ergeben. Dieses dient also nur der Kontrolle, ob Gründe vorliegen, welche den Staat daran hindern, eine Erlaubnis zu erteilen. Letztere bezeichnet man daher auch als Kontrollerlaubnis. Im Unterschied dazu liegt ein repressives Verbot vor, wenn der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten generell verbietet und lediglich in besonders gestalteten Ausnahmefällen eine Befreiung von diesem Verbot erteilt wird. Diese Ausnahmebewilligung wird als Befreiung oder Dispens bezeichnet. Die soeben angesprochene Auffassung geht also dahin, lediglich einen Dispens als möglichen Gegenstand einer Verleihungsgebühr anzusehen. Innerhalb der Rechtsprechung werden diesbezüglich verschiedene Formulierungen verwendet, die jedoch in der Sache übereinstimmen. So heißt es, die Leistung für die Verleihungsgebühr liege in der Zulassung, „eine an sich nicht erlaubte Tätigkeit auszuüben"121. Es werde ein Recht verliehen, „das seiner Substanz nach dem Staat gehört" 122 . Umgekehrt ist davon die Rede, eine Verleihungsgebühr könne nicht verlangt werden, wenn „ein einklagbarer Rechtsanspruch auf
120
S. zum folgenden zunächst nur Maurer, § 9 Rn. 51 ff; ausf. zum Ganzen unten 4. Teil, Gliederungsabschnitt CH 1 b aa(l). 121 BVerfGE 72, 330 (434) -Sondervotum Niebier-. 122 OVG Hamburg, DVB1. 1957, 67 (68).
C. Rechtfertigung
237
die Erteilung der Genehmigung gegeben ist" 1 2 3 . In der gebührenrechtlichen Literatur formuliert man in der Regel weitaus präziser, unabhängig davon, ob man die Berechtigung von Verleihungsgebühren letztlich anerkennt oder nicht. Die verwaltungsrechtliche Unterscheidung zwischen präventivem und repressivem Verbot wird, auch was die Terminologie angeht, ausdrücklich übernommen. Das führt zu der Kernaussage, die Verleihungsgebühr setze die Erteilung einer Befreiung von einem repressiven Verbot voraus, ein nur präventives Verbot genüge nicht 124 . Allerdings ist auch hier, wie bereits in anderem Zusammenhang125 zu beklagen, daß nicht hinreichend präzise zwischen den verschiedenen gebührenrechtlichen Ebenen 126 getrennt wird. Es bleibt daher oft unklar, ob das Anknüpfen der Verleihungsgebühr an einen Dispens eine begriffliche 127 oder eine Rechtfertigungsvoraussetzung darstellen soll. Nach hier vertretenem dogmatischen Verständnis kann jedoch allein letzteres richtig sein, wie vorstehend bereits ausgeführt wurde 128 . Eine mögliche Beschränkung der Verleihungsgebühr auf Dispense ist also dahingehend zu verstehen, daß nur in einem solchen Fall ein Vorteil im Sinne der gebührenrechtlichen Rechtfertigungslehre gegeben ist. Daher sind die dargestellten Äußerungen von Rechtsprechung und Literatur sinnvollerweise an dieser Stelle abzuhandeln. Zur Begründung für die Auffassung, nur Dispense könnten gebührenpflichtig sein, stellt man im wesentlichen auf zwei Gesichtspunkte ab. Zum einen verhindere dies, daß eine Grundrechtsausübung abgabepflichtig wird 1 2 9 . Zum anderen könne auf diese Weise der Gefahr begegnet werden, daß der Staat beliebig Abgaben erfindet und dadurch die Finanzverfassung unterläuft 130 . Bedauerlicherweise fallen die anzutreffenden Stellungnahmen allesamt äußerst knapp aus. Eine nähere dogmatische Herleitung und Begründung wird an keiner Stelle versucht, vielmehr begnügt man sich damit, kurz auf die grundrecht123
VG Hamburg, IUR 1992, 235 (236).
124
Arndt, WiVerw 1990, 26, 30 f; Ehlers/Achelpöhler, NVwZ 1993, 1027 f; Horn, S. 97; F. Kirchhof DVB1. 1987, 559; ders., DÖV 1992, 237 f; Kruse, in: Tipke/Kruse, AO - FGO, § 3 AO Rn. 20; Sander, DVB1. 1990, 22 f; Schollmeier, WUR 1991, 3; Stall-
knecht, S. 185. In diesem Sinne auch de Buhr, IUR 1992, 237; Kloepfer,
§ 4 Rn. 206;
Kloepfer/ F ollmann, DÖV 1988, 582; Meßerschmidt, DVB1. 1987, 932; Mußgnug,
Rechtsgutachten, S. 24 ff; Wieland, S. 295, 297 f, 302. 125 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 2 a aa. 126 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III. 127 So wohl BVerfGE 72, 330 (434) -Sondervotum Niebier-·, Kloepfer, § 4 Rn. 206. 128 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 3. 129 VG Hamburg, IUR 1992, 235 (236); in diesem Sinne auch Horn, S. 97 f; F. Kirchhof;
DVB1. 1987, 559; Stallknecht,
S. 186. Arndt, WiVerw 1990, 30 f, hebt auf
das Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit ab, was wohl auch auf die grundrechtliche Dimension hinauslaufen dürfte. 130 VG Hamburg, IUR 1992, 235 (236); Kloepfer/ F ollmann, DÖV 1988, 582.
238
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
liehen bzw. finanzverfassungsrechtlichen Aspekte hinzuweisen. Daher soll dieser Problematik im folgenden Gliederungsabschnitt nähere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
b) Vorteilhaftigkeit als Grundrechtsproblem aa) Präventive
und repressive
Verbote
Im folgenden ist zunächst das Rechtsinstitut des präventiven und des repressiven Verbots begrifflich zu umreißen und zu fragen, welches Merkmal beide voneinander abgrenzt. Danach muß ermittelt werden, unter welchen Voraussetzungen der Erlaß eines Verbotstatbestandes gerechtfertigt werden kann. Eine solche Prüfungsreihenfolge ergibt sich aus der Tatsache, daß Begriff und Rechtfertigung eines Rechtsinstituts voneinander zu trennen sind. Das wurde in bezug auf das Gebührenrecht bereits begründet 131, die Ausführungen können ebenso im Rahmen der Verbotsdogmatik sinngemäß herangezogen werden. Auch hier besitzt die Begriffsebene die Funktion, einzelne Verbotsformen voneinander abzugrenzen, um auf der Ebene der Rechtfertigung zu untersuchen, wodurch ein Rechtfertigungsdruck ausgelöst wird und welcher Umstand den Erlaß eines Verbotstatbestandes legitimiert. Die Leistungsfähigkeit des im Rahmen dieser Arbeit entwickelten funktionalistischen Ansatzes reicht somit über den Bereich des Gebührenrechts hinaus.
(1) Begriff und Abgrenzung Die Unterscheidung zwischen präventiven und repressiven Verboten kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Bereits im Jahre 1924 beschrieb Otto Mayer das „Polizeiverbot mit Erlaubnisvorbehalt" als eine staatliche Maßnahme, die „sich gegen solche Lebensäußerungen (wendet), welche nicht unbedingt als störend für die gute Ordnung des Gemeinwesens angesehen sind, welche aber störend werden können je nach der Person, von der sie ausgehen, nach der Art und Weise, wie das Unternehmen begründet, eingerichtet und geführt wird." Die Erteilung der Erlaubnis mache das allgemeine Verbot für den Einzelfall unwirksam 132 . Auch wenn Otto Mayer diesem Rechtsinstitut nicht ausdrücklich das repressive Verbot mit Befreiungsvorbehalt gegenüber-
131 132
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III. O. Mayer I, S. 239 f, 244.
C. Rechtfertigung
239
stellt, war doch der Grundstein für eine derartige Unterscheidung gelegt. Richard Thoma war der erste, der beides scharf voneinander abgrenzte 133. Sein Ansatz wurde auch unter der Geltung des Grundgesetzes aufgenommen und weiterentwickelt, wenngleich unter teilweise abweichenden Bezeichnungen. Letztlich konnte sich jedoch eine Begriffsbildung durchsetzen, wonach ein präventives Verbot lediglich deshalb erlassen wird, um dem Staat die Möglichkeit zu verschaffen, bestimmte Tätigkeiten oder Vorhaben im Hinblick darauf zu prüfen, ob sie im Einzelfall gegen materiellrechtliche Vorschriften verstoßen. Im Gegensatz dazu verfolge ein repressives Verbot den Zweck, ein bestimmtes Verhalten generell zu verbieten. Diese Abgrenzung hat heute in der weitaus überwiegenden Literatur zum Allgemeinen Verwaltungsrecht 134 sowie zum Wirtschaftsverwaltungs- 135 , Polizei- 136 und Umweltrecht 137 Anerkennung gefunden und wird auch von der Rechsprechung vorbehaltlos zugrundegelegt 138 . Vereinzelt übt man jedoch auch Kritik 1 3 9 . So verwirft Rupp die Rechtsfigur des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt insgesamt, ohne zwischen präventiven und repressiven Verboten genauer zu differenzieren. Sie habe einer obrigkeitlichen Staatsauffassung entsprochen und sei deshalb einer freiheitlich-grundrechtlichen Konzeption nicht mehr gemäß. Verfassungskonform sei allenfalls eine
133
Thoma, VerwArch 32 (1927), S. 247 ff, mit heftiger und ζ. T. unberechtigter Kri-
tik an den Lehren Otto Mayers. 134 Bachof in: Bettermann/ Nipper dey /Scheuner, Bd. I I I / l , S. 220 f; Battis , Rn. 116 ff; von Bogdandy, VerwArch 83 (1992), S. 67 f; D. Ehlers, in: Erichsen, § 1 Rn. 33; Faber, § 14 IV a, b; Forsthoff, S. 267 f; Friauf JuS 1962, 422 f; Huber, AöR 78 (1952/1953), S. 113; Maurer, § 9 Rn. 51 ff; Mußgnug, Dispens, S. 87 ff; Ossenbühl, DÖV 1968, 623 f; Peine, Rn. 157 ff; Schick, BayVBl. 1967, 341; Schmalz, Rn. 380 f; Wolff/Bachof, S. 403 ff; Wolff/Bachof/Stober, § 46 Rn. 36 ff. 135 Frotscher, Rn. 190 f; Koenig, S. 105; Stober, § 31 III 3 a, § 50 V 1; Wieland, S.
124 f. 136 137
Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 354 ff; Götz, Rn. 454; Habermehl, Rn. 344. Bender/Sparwasser, Rn. 70 f; Hoppe/Beckmann, § 8 Rn. 24 ff; Kloepfer, § 4 Rn.
43 ff; Wahl, HdUR, Sp. 528 ff. 138 BVerfGE 20, 150 (157); 38, 348 (367); 49, 89 (145); 58, 300 (346 f); 80, 137 (161 f); BVerwGE 16, 301 (307 f); 40, 268 (271 f); 41, 1 (6 f); 56, 71 (74); 71, 324 (326 f); BGH, AöR 78 (1952/1953), S. 102 (104 f). Aus der obergerichtlichen Rechtsprechung s. insbes. OVG Lüneburg, OVGE 26, 343 (344 f) m.w.N. zu kritischen Stimmen. Vgl. auch PrOVG, VerwArch 32 (1927); S. 242 (246). 139 Aus speziell umweltrechtlicher Sicht kritisieren Hoppe/Beckmann, § 8 Rn. 27, und Kloepfer, § 4 Rn. 48, die Gegenüberstellung von präventivem und repressivem Verbot mit guten Gründen als kaum überzeugend. Gleichwohl wird nicht versucht, ein Gegenkonzept zu entwickeln, vielmehr legt man die herkömmliche Dogmatik weiterhin zugrunde.
240
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt. Rupp versucht, seine Auffassung mit dem Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Sammlungsgesetz140 zu stützen141. Diese Entscheidung vermag allerdings einen derart weitreichenden Schluß nicht zu untermauern. Aus ihr folgt lediglich, daß die Statuierung eines repressiven Verbots im Bereich des Sammlungswesens verfassungswidrig ist, das Gericht stellt die Berechtigung dieser Rechtsfigur als solche jedoch nicht in Frage. Im Gegenteil wird die Differenzierung in präventive und repressive Verbote auch vom Bundesverfassungsgericht sowohl in dieser als auch in nachfolgenden Entscheidungen142 vorgenommen und befürwortet. Darüber hinaus kann die dogmatische Berechtigung eines Rechtsinstituts nicht allein deshalb bezweifelt werden, weil mit ihm Mißbrauch getrieben werden kann. Es mag zutreffen, daß insbesondere repressive Verbote im Obrigkeitsstaat besonders häufig angeordnet werden. Allerdings ist es auch in einem freiheitlichdemokratischen Staatswesen oftmals erforderlich, bestimmte Verhaltensweisen sogar repressiv zu untersagen. Das Verbot als solches ist insofern ein neutrales Mittel staatlichen Handelns, lediglich die Art und Weise seines Einsatzes kann verschiedene, möglicherweise auch verfassungswidrige Staatsauffassungen widerspiegeln. Mag auch die Gefahr eines Grundrechtsverstoßes gegeben sein, es wäre jedenfalls verfehlt, dem Staat die Möglichkeit, präventive und repressive Verbote zu erlassen, von vornherein zu versagen. Schon gar nicht wäre dies verfassungsrechtlich geboten143. Einer kritischen Beurteilung unterliegen bisweilen auch die Abgrenzungskriterien, welche zur begrifflichen Unterscheidung präventiver und repressiver Verbote herkömmlicherweise herangezogen werden. Es sei falsch, danach zu differenzieren, ob ein Verhalten generell verboten oder lediglich vorläufig einer Kontrolle unterworfen werden soll. Beide Verbotsarten glichen sich nämlich weitgehend, „denn beide wollen im Ergebnis nur das wegen seiner Gefährlichkeit Verbotene unterbinden, nicht jedoch das Ungefährliche oder gar Erwünschte, das mittels der Genehmigung erlaubt werden kann oder muß" 144 . Der Unterscheidung müßten andere Kriterien zugrundeliegen. Von dieser Überlegung ausgehend schlägt etwa Schwabe vor, rein quantitative Gesichts-
140
BVerfGE 20, 150 ff. Rupp, NJW 1966, 2039. 142 S. insbes. BVerfGE 38, 348 (367) zum repressiven Verbot der Wohnraumzweckentfremdung und BVerfGE 58, 300 (346 f) zum repressiven Verbot der Gewässerbenutzung. 143 So im Ergebnis auch Ossenbühl, DÖV 1968, 624 Fußn. 51; Wieland, S. 123 f. 144 Schwabe, JuS 1973, 134; ihm folgend Gusy, JA 1981, 81. Beide berufen sich auf eine in dieselbe Richtung gehende kritische Bemerkung von Bachof (in: Bettermann/Nipper dey/Scheuner, Bd. III/l, S. 221). Zu beachten ist jedoch, daß Bachof die Unterscheidung in präventive und repressive Verbote als „prinzipiell richtig" ansieht. 141
C. Rechtfertigung
241
punkte heranzuziehen. Danach zeichne sich ein repressives Verbot dadurch aus, daß nur an einen kleinen Kreis von Begünstigten Dispense erteilt werden. Gestatte der Staat dagegen einer Vielzahl von Interessenten das eigentlich verbotene Verhalten, sei die Grenze zum präventiven Verbot hin überschritten. Wann dieser Bereich genau erreicht wird, etwa bei 10 % oder 20 % zugelassener Interessenten, vermag Schwabe jedoch nicht zu sagen, was auch von ihm selbst eingeräumt wird 1 4 5 . Genau hierin liegt aber der Grund dafür, warum dieser Vorschlag nicht überzeugt. Es brächte erhebliche Rechtsunsicherheiten mit sich, wenn man allein auf quantitative Gegebenheiten abstellen würde. Abgesehen davon müßte ein erheblicher Verwaltungsaufwand betrieben werden, um die entsprechenden benötigten empirischen und statistischen Daten zusammenzutragen. Darüber hinaus ist es schon vom Ansatz her verfehlt, ein gesetzliches Verbot allein anhand von tatsächlichen zahlenmäßigen Gegebenheiten systematisch einordnen zu wollen, weil in dieser Hinsicht lediglich rechtsdogmatische Überlegungen eine Rolle spielen dürfen. Es wäre nicht begründbar, warum ein ursprünglich repressives Verbot in ein präventives umschlagen soll, weil die Anzahl der erteilten Genehmigungen eine gewisse Grenze überschritten hat 146 . Es mag zwar zutreffen und wird wohl auch nicht grundsätzlich bestritten, daß präventive und repressive Verbote praktisch nicht immer einfach voneinander zu trennen sind 147 . Vor dieser Schwierigkeit darf jedoch nicht dergestalt kapituliert werden, daß man auf jegliche theoretischdogmatische Differenzierung von vornherein verzichtet und sich auf das noch unsicherere Feld der Empirie begibt. Der Rechtssicherheit wird hierdurch jedenfalls kein Dienst erwiesen. Das von Schwabe angebotene Abgrenzungskriterium kann daher nicht überzeugen. Dasselbe gilt fur den Vorschlag von Gusy, die begriffliche Unterscheidung zwischen präventiven und repressiven Verboten anhand der jeweils in Rede stehenden Belange zu treffen. Ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt könne wegen überwiegender privater Belange des Antragstellers aufgehoben werden, während ein Dispens von einem repressiven Verbot ausschließlich aufgrund öffentlicher Belange erteilt werden dürfe 148 . Einem derartigen Ab-
145
146
Schwabe, JuS 1973, 134 f.
Zweifelhaft daher auch Faber, § 14 IV a, wonach der repressive Charakter des Ausländerrechts aus letztlich quantitativen Gründen „in ein präventives Verbot umkippt". Daß es oftmals rechtspolitisch fragwürdig sein kann, im Ausländerrecht repressive Verbote einzusetzen, soll hier nicht bestritten werden, betrifft aber eine andere Thematik. 147
148
Vgl. Friauf JuS 1962, 423 f; Maurer, § 9 vor Rn. 51.
Gusy, JA 1981, 81; mit fehlgehendem Nachweis auf Ossenbühl, DÖV 1968, 625 in Fußn. 31 : Ossenbühl sieht öffentliche Interessen als zwingende Voraussetzung dafür, ein Verbot zu erlassen, nicht aber dafür, einen Dispens zu erteilen. 16 Heimlich
242
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
grenzungskriterium steht jedoch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen. Das Gericht erkennt ausdrücklich an, daß die Befreiung von einem repressiven Verbot erteilt werden kann, „wenn besonders schützenswerte andere Interessen -seien es vorrangige öffentliche Belange, sei es ein schutzwürdiges berechtigtes Eigeninteresse ...-" überwiegen 149 . Ebenso wie das Bundesverfassungsgericht problematisiert auch das Bundesverwaltungsgericht nicht weiter, daß private Interessen die Erteilung eines Dispenses von einem repressiven Verbot rechtfertigen können 150 . Etwas anderes ließe sich aus grundrechtlicher Sicht auch gar nicht vertreten. Denn jedes gesetzliche Verbot bestimmter Verhaltensweisen muß sich an Grundrechten messen lassen. Diese können sich, insbesondere was das repressive Verbot anbetrifft, unter Umständen dahingehend auswirken, daß ein Dispens erteilt werden muß, weil die Grundrechtsausübung im Einzelfall unverhältnismäßig eingeschränkt worden ist 151 . Es sind also grundrechtlich geschützte individuelle Interessen, welche eine Dispenserteilung erfordern können. Die Auffassung Gusys, nach der diesbezüglich allein öffentliche Belange relevant sein können, ist vor diesem Hintergrund nicht haltbar. Die Tatsache, daß die vereinzelt vorgebrachten alternativen Abgrenzungsvorschläge nicht überzeugen können, fuhrt dazu, an der überkommenen und bewährten Begriffsbildung festzuhalten und sie den weiteren Erörterungen zugrundezulegen. Demzufolge kommt es für die begriffliche Einordnung eines Verbotstatbestandes entscheidend darauf an, ob das Verhalten nach dem Willen des Gesetzgebers generell untersagt werden soll oder nicht. Nur wenn dies der Fall ist, liegt begrifflich ein repressives Verbot vor, ansonsten ist ein lediglich präventiv wirkendes Verbot gegeben.
(2) Rechtfertigung Der Erlaß präventiver und repressiver Verbote unterliegt einem Rechtfertigungsdruck, der von den Grundrechten des Grundgesetzes, insbesondere im Zusammenspiel mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ausgeht. Diese Erkenntnis ist innerhalb von Rechtsprechung und Literatur unumstritten 152 . Im
149
BVerfGE 38, 348 (367). BVerwGE 41, 1 (6). 151 Vgl. BVerfGE 38, 348 (368). 152 Vgl. bez. Art. 2 Abs. 1 GG: BVerfGE 20, 150 (155 ff); 80, 137 (161 ff); BVerwGE 41, 1 (5 ff); OVG Lüneburg, OVGE 26, 343 (346); bez. Art. 12 Abs. 1 GG: BVerfGE 49, 89 (144 ff); bez. Art. 14 Abs. 1 GG: BVerfGE 38, 348 (370 f); 49, 89 (144 ff); 58, 300 (346 f); BVerwGE 16, 301 (307). S. ferner Faber, § 14 IV a; Friauf, 150
C. Rechtfertigung
243
einzelnen gilt, daß ein Verbotstatbestand unter folgenden Voraussetzungen erlassen werden kann 153 : Erstens muß ein öffentliches Interesse nachweisbar sein, welches das Verbot zu legitimieren vermag. Diese Voraussetzung ist „in einem demokratischen Staat im Grunde eine Selbstverständlichkeit" 154 . Allerdings werden hierdurch nicht besonders hohe Hürden aufgestellt. Erst wenn ein öffentliches Interesse unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr erkannt werden kann, ist das Verbot rechtswidrig. Zweitens dürfen keine Grundrechte verletzt werden, insbesondere muß deren Wesensgehalt unangetastet bleiben (Art. 19 Abs. 2 GG). Ob ein bestimmtes Verbot in dieser Hinsicht unbedenklich ist, entzieht sich einer pauschalen Beurteilung. Vielmehr muß in jedem Einzelfall ermittelt werden, welches konkrete Grundrecht einschlägig ist. Dann ist nach den jeweils geltenden Maßstäben zu prüfen, ob in den Schutzbereich eingegriffen wird und wie der Eingriff gegebenfalls gerechtfertigt werden kann. Drittens ist das Verbot am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Es muß geeignet, erforderlich und angemessen sein, um das von ihm verfolgte legitime Ziel zu erreichen. „Hier liegt der Kern der Verbotsprüfung." 155 Diese drei allgemeinen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen von Verbotstatbeständen werfen keine grundlegend neuen Probleme auf. Wichtiger ist demgegenüber die Frage, welches Verhalten überhaupt gerechtfertigterweise mit Verboten belegt werden darf. In bezug auf das repressive Verbot ist nämlich in Rechtsprechung und Literatur vielfach davon die Rede, daß sich diese Verbotsform gegen sozialschädliches oder gemeinschaftswidriges Verhalten richtet 156 . Solche Aussagen dürfen jedoch nicht dahingehend mißverstanden werden, daß nur eine Tätigkeit, deren Sozialwidrigkeit unbestrittenermaßen feststeht, verboten werden kann. Vielmehr steht dem Gesetzgeber in dieser Hinsicht ein Beurteilungsspielraum zu. Dies kommt in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit von Wertsicherungsklauseln zum Ausdruck: „Das Gesetz geht davon aus, daß automatisch wirkende Wertsicherungsklauseln typisch sozialschädlich und gefährlich sind." 157 . In der Literatur findet sich
JuS 1962, 424 ff; Gusy, JA 1981, 80 f; Habermehl, Rn. 342; Ossenbühl, DÖV 1968, 625; Schwabe, JuS 1973, 135 ff. 153
Vgl. zum Folgenden BVerwGE 41,1 (7); OVG Lüneburg, OVGE 26, 343 (346); Gusy, JA 1981, 80; Schwabe, JuS 1973, 135 ff. S. auch Ossenbühl, DÖV 1968, 625; die Ausführungen beziehen sich zwar nur auf repressive Verbote, sie sind aber auch auf präventive Verbote sinngemäß übertragbar. 154 Ossenbühl, DÖV 1968, 625 Fußn. 63. 155 Ossenbühl, DÖV 1968, 625 Fußn. 65; so auch Schwabe, JuS 1973, 135 f. 156 Vgl. etwa BVerwGE 41, 1 (6); OVG Lüneburg, OVGE 26, 343 (345); von Bogdandy, VerwArch 83 (1992), S. 68; Faber, § 14 IV a; Maurer, § 9 Rn. 55; Ossenbühl,, DÖV 1968, 624; Wolff/Bachof, 157
S. 406; Wolff/Bachof/Stober,
BVerwGE 41, 1 (6) (Herv. v. Verf.).
§ 46 Rn. 44.
244
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
die Formulierung, daß der Gesetzgeber durch ein repressives Verbot „ein bestimmtes Verhalten als sozialschädlich" generell verbietet 158 . Bei anderen Autoren heißt es, ein repressives Verbot untersage ein Verhalten, „das der Gesetzgeber als idR sozialschädlich ansieht 4159 oder das von ihm „als sozial unerwünscht oder gar schädlich eingestuft wird t160. Es ist also die „Aufgabe des demokratischen Gesetzgebers, unerwünschtes, gefährliches und sozial schädliches Verhalten rechtlich zu stigmatisieren, d.h. u.a. einem gesetzlichen Verbot zu unterwerfen" 161 . Legt man diese Erkenntnis zugrunde, so ist die Ausgangsfrage, welches Verhalten rechtmäßigerweise mit einem repressiven Verbot belegt werden kann, vergröbert dahingehend zu beantworten, daß der Gesetzgeber eine Tätigkeit untersagen kann, die er als sozialschädlich ansieht und deshalb verbieten will. Er ist somit in der Lage, das ihm zu Verfugung stehende Verbotsinstrumentarium flexibel einzusetzen. Um diesen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum zu erhalten, muß der in Rechtsprechung und Literatur so oder ähnlich immer wieder verwendete Begriff der Sozialschädlichkeit extensiv ausgelegt werden. Daher fällt insbesondere auch ein Verhalten darunter, welches der Gesetzgeber als w/wwefechädigend ansieht. Das ist wichtig zu betonen, weil es ein Hauptanliegen dieser Arbeit ist, die Einsetzbarkeit von Verleihungsgebühren gerade für das Gebiet des Umweltabgabenrechts zu untersuchen. Mit der Frage, ob und inwieweit umweltschädigendes Verhalten mit präventiven oder repressiven Verboten belegt werden kann, verbinden sich freilich eine Vielzahl von Problemen. Eine tiefergehende Erörterung würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung bei weitem übersteigen. Das Wichtigste soll daher nur kurz angedeutet werden. Die genauen Anforderungen, welche an ein Verbot umweltschädigenden Verhaltens zu stellen sind, werden sich in erster Linie nach den jeweils einschlägigen Grundrechten bestimmen 162 . Vieles spricht daflir, repressive Verbote dort zuzulassen, wo das Umweltmedium so knapp geworden ist, daß es vom Privateigentum in eine staatliche Bewirtschaftung überfuhrt werden darf 6 3 . Im Einzelfall könnte der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangen, statt eines repressiven ein nur präventives Verbot zu erlassen. Das ergibt sich aus der klassischen Funktion des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, nicht umweit-, sondern grundrechts-
158
Maurer, § 9 Rn. 55 (Herv. v. Verf.); entsprechend auch OVG Lüneburg, OVGE 26, 343 (345). 159 Wolff/Bachof S. 406; wortgleich Wolff/Bachof/Stober, § 46 Rn. 44 (Herv. v. Verf.). 160 Von Bogdandy, VerwArch 83 (1992); S. 68 (Herv. v. Verf.). 161
162 163
Faber, § 14 IV a.
Vgl. Wahl, HdUR, Sp. 529 ff. Vgl. Bender/Sparwasser,
Rn. 71; F. Kirchhof
DVB1. 1987, 558; Kloepfer,
Rn. 45; Wieland,, WUR 1991, 134; abweichend Wahl, HdUR, Sp. 529.
§4
C. Rechtfertigung
245
schützend zu wirken. Allerdings ist es auch durchaus möglich, eine staatliche Pflicht zu umweltschützendem Tätigwerden aus Grundrechten abzuleiten und den Gesetzgeber dadurch zu zwingen, Verbote zu erlassen. Dies wird sich aber wohl nur auf Extremfälle beschränken, in denen Leben und Gesundheit der Bevölkerung nicht anders geschützt werden können. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß repressive Verbote bereits heute ein gängiges Mittel der Umweltgesetzgebung darstellen 164; ihre Bedeutung wird wohl künftig bei zunehmender Knappheit natürlicher Ressourcen noch ansteigen165. A l l dies soll jedoch nicht näher verfolgt werden. Im hier gegebenen Zusammenhang genügt es, als Ergebnis festzuhalten, daß mit einem repressiven Verbot jedes sozialschädliche Verhalten untersagt werden darf, wobei dieser Begriff extensiv auszulegen ist, so daß von ihm insbesondere auch umweltschädigende Tätigkeiten erfaßt werden. Dem Gesetzgeber steht diesbezüglich ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu. Grenzen sind ihm nur durch die am Beginn dieses Gliederungsabschnitts dargestellten, für jeden Verbotstatbestand geltenden allgemeinen Rechtmäßigkeitsanforderungen gesetzt.
(3) Konsequenzen Aus dem vorstehend zu Begriff und Rechtfertigung von Verbotstatbeständen Erörterten ergeben sich erhebliche Konsequenzen, die für das präventive und das repressive Verbot unterschiedlich ausfallen.
(a) Das präventive Verbot Ein präventives Verbot ist von seinem Begriff her dadurch bestimmt, daß es ein konkretes Verhalten nicht generell unterbindet, sondern lediglich eine für den Staat praktikable Kontrollmöglichkeit schafft. Daraus ergibt sich zwanglos, daß das Verbot dann nicht mehr gelten soll, wenn dem Vorhaben keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. In einem solchen Fall erteilt die Behörde die (Kontroll-)Erlaubnis, mit der Tätigkeit zu beginnen. Die Erlaubnis hat somit den Charakter einer bloßen Unbedenklichkeitsbescheinigung. Insofern steht das Verbot von vornherein unter dem Vorbehalt, im Unbedenklichkeitsfall eine Erlaubnis zu erteilen. Daher spricht man nach allgemeiner Auffassung vom
164 165
Vgl. die Aufzählungen bei Hoppe/Beckmann, § 8 Rn. 26; Kloepfer, So die Einschätzung von Kloepfer, § 4 Rn. 45.
§ 4 Rn. 46.
246
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 166 . Es zeichnet sich dadurch aus, daß es einen Freiheitsraum nicht von vornherein beschneiden will, sondern erst dann endgültig wird, wenn das präventiv untersagte Verhalten im Einzelfall mit Rechtsnormen kollidiert. Aus diesem Grunde verhilft die Erlaubniserteilung dem Betroffenen nicht zu einem Gewinn an materieller Freiheit, sondern bestätigt diese bloß. „Die rechtliche Bedeutung der Erlaubnis besteht also darin, daß eine vorläufige Sperre, die der Rechtsausübung zunächst gesetzt ist, aufgehoben wird." 1 6 7 Demgegenüber besitzt sie für das Innehaben von Rechten keinerlei Relevanz. Denn es ist zu berücksichtigen, daß jedes menschliche Verhalten durch spezielle Grundrechte, zumindest aber durch das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, geschützt ist. Eine Erlaubnis stellt daher grundrechtlich geschützte Freiheit wieder her, indem sie dem Bürger gibt, was ihm verfassungsrechtlich ohnehin zusteht. Entscheidend ist also die Tatsache, daß durch die Erlaubnis ein Recht nicht konstitutiv verliehen wird 1 6 8 . Diese Erkenntnis weist auf ein zweites wichtiges Charakteristikum des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt hin: Der Grundrechtsträger muß einen Rechtsanspruch auf die Erlaubnis haben, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufhebung des Verbots vorliegen. Es wäre grundrechtswidrig, diese Entscheidung in das behördliche Ermessen zu stellen. Des weiteren muß der Gesetzgeber die der staatlichen Eingriffsmöglichkeit offenliegende Rechtssphäre selbst abgrenzen und die Tätigkeit der Verwaltung inhaltlich normieren 169 .
166
BVerfGE 49, 89 (145); 80, 137 (161); BVerwGE 71, 324 (326 f); OVG Lüneburg, OVGE 26, 343 (344 f); Bachof in: Bettermann/Nipper dey /Scheuner, Bd. III/l, S. 220; Battis , Rn. 116 f; Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 354; D. Ehlers, in: Erichsen, § 1 Rn. 33; Faber, § 14 IV a; Forsthoff, S. 267; Friauf JuS 1962, 422; Götz, Rn. 454; Habermehl, Rn. 344; Maurer, § 9 Rn. 51; Ossenbühl, DÖV 1968, 623; Peine, Rn. 159; Rupp, NJW 1966, 2039; Schick, BayVBl. 1967, 341; Schmalz, Rn. 380; Wahl, DVB1.
1982, 52; Wolff/Bachof S. 403; Wolff/Bachof/Stober, § 46 Rn. 36. So auch bereits Ο. Mayer I, S. 239, allerdings beschränkt auf das Polizeiverbot mit Erlaubnisvorbehalt. 167 BVerfGE 20, 150 (155); Herv. v. Verf. 168 S. zum Ganzen Drews/Wacke/Vogel/Martens, S.355; Faber, § 14 IV a; Forsthoff, S. 267; Hoppe/Beckmann, § 8 Rn. 25; Maurer, § 9 Rn. 52; Peine, Rn 159; Wahl, DVB1.
1982, 52 f. So bereits Ο. Mayer I, S. 244, sowie Fleiner, S. 410 f. Zweifelnd, ohne aber konkrete Kritikpunkte zu nennen, lediglich Battis, Rn. 118, und Habermehl, Rn. 344. 169 BVerfGE 20, 150 (155); 80, 137 (161); Bettermann, DVB1. 1973, 186; D. Ehlers, in: Erichsen, § 1 Rn. 34; Faber, § 14 IV a; Frotscher, Rn. 192; Mußgnug, Dispens, S. 88; Peine, Rn. 159; Wahl, DVB1. 1982, 52. Ausf. hierzu Friauf, JuS 1962, 424 f; ζ. T.
weniger streng Ossenbühl, DÖV 1968, 624, der in engen Ausnahmefällen Raum für eine administrative Ermessensentscheidung sieht. Wieland, S. 124, sieht das Bestehen eines Rechtsanspruchs auf die Erlaubniserteilung sogar als eigentliches Abgrenzungsmerkmal zwischen präventivem und repressivem Verbot an. Ein behördlicher Ermes-
247
C. Rechtfertigung
Ausnahmsweise kann der Behörde jedoch Ermessen eingeräumt werden, wenn es die Sonderstellung eines bestimmten Rechtsgebiets erfordert, was ζ. B. im Atomrecht der Fall ist 170 , oder wenn eine sachgerechte Konfliktbewältigung nur durch eine behördliche Ermessensentscheidung als praktikabel erscheint 171 . A n diesen Grundsätzen ist von Gusy kritisiert worden, es werde übersehen, daß die Einräumung von Ermessen häufig einen milderen Eingriff darstelle als ein völliges Verbot und insofern unter dem Aspekt des Übermaßverbotes geradezu geboten sei 172 . Dieser Einwand vergleicht jedoch das Falsche miteinander. Selbsverständlich wirkt ein völliges Verbot immer schärfer als eine gesetzliche Regelung, welche in bestimmten Fällen eine Ermessensentscheidung dahingehend zuläßt, das Verhalten in Einzelfällen zu erlauben. Doch darum geht es nicht. Hier ist allein die Frage zu beantworten, ob auch dann noch Raum für administratives Ermessen ist, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Erlaubnis vorliegen. Es ist also zu prüfen, ob es in einem solchen Fall für den einzelnen günstiger ist, wenn ihm ein individueller Anspruch zusteht, oder ob es ihn weniger belastet, wenn man der Behörde einen Ermessenspielraum zubilligt. Das Ergebnis liegt auf der Hand, denn ein Rechtsanspruch ist für den Bürger allemal günstiger, als wenn man der Behörde die Möglichkeit einräumt, die Erlaubnis selbst dann noch zu versagen, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen. Der Einwand vermag daher nicht zu überzeugen. Als Ergebnis ist also zweierlei festzuhalten: Die Erteilung einer Kontrollerlaubnis bewirkt nicht, daß der Rechtskreis des einzelnen durch sie materiell erweitert wird. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Erlaubnis vor, muß sie erteilt werden, der Behörde steht diesbezüglich kein Ermessenspielraum zu.
(b) Das repressive Verbot Ein repressives Verbot ist von seinem Begriff her dadurch bestimmt, daß es ein konkretes Verhalten generell unterbindet. Ob ein solches Verbot gerechtfertigt ist, richtet sich im wesentlichen nach den jeweils einschlägigen Grundrechten sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Wenn es gerechtfertigt
sensspielraum wird ohne nähere Begründung befürwortet von Wolff/Bachof, Wolff/Bachof/Stober,
S. 405, und
§ 46 Rn. 41.
170 BVerfGE 49, 89 (145 ff); näher Hoppe/Beckmann, § 8 Rn. 27; Kloepfer, 47, § 8 Rn. 23 ff. 171 BVerfGE 80, 137(163). 172 Gusy, JA 1981,83.
§ 4 Rn.
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4. Teil: Die Verleihungsgebühr
werden kann, ist ein zumindest durch die allgemeine Handlungfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) grundrechtlich geschütztes Verhalten für alle Bürger nicht mehr möglich. Diese strenge Konsequenz könnte allerdings dazu führen, daß ein an sich sachlich gerechtfertigtes Verbot im Einzelfall mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bzw. dem Übermaßverbot in Konflikt gerät 173 . Ein Verfassungsverstoß kann jedoch dadurch vermieden werden, daß der einzelne in einem derartigen Fall ausnahmsweise vom generellen Verbot befreit wird. Insofern steht das repressive Verbot unter einem Befreiungsvorbehalt, auch Zulassungsvorbehalt, Ausnahmebewilligung oder Dispens genannt 174 . Innerhalb von Rechtsprechung und Literatur wird vielfach als (bisweilen auch gesetzlich geregelte) Voraussetzung für die Dispenserteilung genannt, daß vorrangige schützenswerte öffentliche oder private Interessen in Rede stehen 175 . Der Dispensvorbehalt gebe die Möglichkeit, in atypischen Ausnahmefällen 176 , in denen die ratio der Verbotsnorm nicht zutrifft 177 , bzw. in besonderen, nicht beabsichtigten Härtefällen 178 vom repressiven Verbot zu befreien. Dieser Beurteilung ist grundsätzlich beizupflichten. Allerdings erweist sich eine solche Sichtweise bei näherer Betrachtung zumindest in der Formulierung, wenn nicht gar in der Sache als zu eng. Es mag zutreffen, daß ein Dispens typischerweise in besonderen Ausnahme- bzw. Härtefällen erteilt wird. Des weiteren mag es sich so verhalten, daß regelmäßig das Interesse des einzelnen an der Befreiung vom Verbot das öffentliche Interesse an dessen strikter Einhaltung überwiegt und deshalb ein Dispens ergeht. Neben diesen typischen Regelfällen sind aber
173
BVerfGE 38, 348 (368). S. zum Ganzen BVerfGE 20, 150 (157); 38, 348 (367 f); BVerwGE 40, 268 (271 f); 41, 1 ( 5 ff); 56, 71 (74); BGH, AöR 78 (1952/1953), S. 102 (104); Bachof, in: Bet174
ter mann/N ipperdey/Scheuner, Bd. I I I / l , S. 220 f; Battis , Rn. 118; Bettermann, DVB1. 1973, 186; Dr e ws/Wac ke/Vogel/Mar tens, S. 356; D. Ehlers, in: Erichsen, § 1 Rn. 33; Erichsen, DVB1. 1967, 270; Faber, § 14, IV a; Forsthoff, S. 267 f; Friauf JuS 1962, 425; Habermehl, Rn. 344; Hoppe/Beckmann, § 8 Rn. 26; Huber, AöR 78 (1952/1953), S. 113; Kloepfer, § 4 Rn. 46; Maurer, § 9 Rn. 55; Ossenbühl, DÖV 1968, 624; Peine, Rn. 160; Schmalz, Rn. 381; Schwabe, JuS 1973, 135 f; Wahl, HdUR, Sp. 528 ff; Wolff/Bachof, S. 407; Wolff/Bachof/Stober, § 46 Rn. 46 f. S. bereits Thoma, VerwArch
32 (1927), S. 248. Ausf. zu Begriff und Abgrenzung sowie zur geschichtlichen Entwicklung der Lehre vom Dispens Mußgnug, Dispens, S. 33 ff, 59 ff, 64 ff, 77 ff. 175 BVerfGE 38, 348 (367 f); BVerwGE 41,1 (6). 176 So BVerwGE 56,71 (74). 177
178
So Drews/Wacke/Vogel/Martens,
S. 356.
So BVerwGE 40, 268 (272); 56, 71 (74); Erichsen, DVB1. 1967, 270; Maurer, §
9 Rn. 55; Ossenbühl, DÖV 1968, 624 mit Fußn. 54a; Peine, Rn. 160; Schwabe, JuS 1973, 135; Wolff/Bachof S. 407; Wolff/Bachof/Stober, § 46 Rn. 47.
C. Rechtfertigung
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auch weitere Konstellationen denkbar 179, was sich aus folgender Überlegung ergibt. Ein verfassungsgemäßes repressives Verbot untersagt ein bestimmtes Verhalten generell, weil es vom Gesetzgeber als (sozial-)schädlich angesehen wird. Ihm steht in dieser Hinsicht ein großer Beurteilungsspielraum zu, es ist allein seine Entscheidung, welche Tätigkeiten verboten sein sollen und welche nicht, lediglich das Grundgesetz zieht hier Grenzen 180. Der Beurteilungsspielraum erlaubt es jedoch nicht nur, ein totales Verbot zu erlassen. Ebenso ist es gestattet, bestimmte Verhaltensweisen im Einzelfall vom Verbot auszunehmen, denn wenn schon ein generelles Verbot verfassungsgemäß wäre, muß dasselbe für ein Verbot, welches Ausnahmen zuläßt, erst recht gelten. Diese Ausnahmen spiegeln die Einschätzung des Gesetzgebers wider, daß er das Verhalten nicht als (sozial-)schädlich ansieht. Es steht ihm frei, sie wieder abzuschaffen, so daß dann wieder ein totales Verbot bestünde. Mit anderen Worten: Wenn es verfassungsrechtlich zulässig wäre, eine Tätigkeit generell zu verbieten, ist der Gesetzgeber frei darin, wie weit oder wie eng er den Verbotstatbestand faßt. Insbesondere ist es ihm erlaubt, Befreiungen auch dann vorzusehen, wenn kein atypischer Härtefall o.ä. vorliegt. Aus diesem Grunde kann ein Dispens ζ. B. auch allein im öffentlichen Interesse erteilt werden 181 . Als einzige Voraussetzung wird aber schon aus Gleichheitsgründen immer zu fordern sein, daß sich der Gesetzgeber auf einen sachlichen Grund berufen kann, der den Erlaß eines Befreiungstatbestandes legitimiert. Ein Beispiel soll diesen Zusammenhang verdeutlichen. Die Benutzung von Gewässern steht den Regelungen des Wasserhaushaltsgesetzes zufolge unter einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt. Es unterliegt dem Ermessen der Behörde, im Einzelfall die Erlaubnis oder Bewilligung, Gewässer zu benutzen, zu versagen (§ 6 WHG) 182 . Dieser Beurteilung wird jedoch mit dem Hinweis darauf widersprochen, die Wasserentnahme sei für Zwecke der öffentlichen Wasserversorgung unentbehrlich, so daß den Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes kein Verbot zugrundeliegen könne, welches auf die grund-
179
So wohl auch Erichsen, DVB1. 1967, 270: „Im Regelfall" beruhe eine Dispensationsnorm auf der Erwägung, dem Übermaß verbot Rechnung zu tragen. 180 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 1 b aa (1), (2). 181 BVerfGE 38, 348 (367); Maurer, § 9 Rn. 55 a.E.; Ossenbühl, DÖV 1968, 624 Fußn. 54a; Wolff/Bachof, S. 407; Wolff/Bachof/Stober, § 46 Rn. 47. 182 Vgl. BVerfGE 58, 300 (346 f); BVerfG, DVB1. 1996, 357 (358); Bender/Sparwasser, Rn. 71; Hoppe/Beckmann, § 8 Rn. 26; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, § 2 Rn. 3, § 6 Rn. 2 ff; Kloepfer, § 4 Rn. 46; Wieland, S. 176 ff; kritisch Papier, in: Maunz/Dü-
rig/Herzog/Scholz, Art. 14 Rn. 436 f, der § 6 WHG im Lichte des Art. 14 Abs. 1 GG in ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt umdeuten will; so auch Dellian, DVB1. 1969, 303 ff bez. der wasserrechtlichen Erlaubnis; weitere Nachw. bei Wieland, S. 179.
250
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sätzliche Verhinderung ausgerichtet ist 183 . Die Gewässerbenutzung könne nicht als sozial unerwünscht qualifiziert werden 184 . Hieran ist richtig, daß das Wasser für vielfältige Zwecke zwangsläufig in Anspruch genommen werden muß. Daher will das Wasserhaushaltsgesetz diese Gewässerbenutzungen auch nicht für den Regelfall unterbinden, sondern sie zulassen, wenn die Gemeinwohlverträglichkeit sichergestellt ist. Das Wasser soll einer Bewirtschaftung unterstellt werden, um den Gewässerschutz zu optimieren 185 . Diese Zielsetzung kann jedoch allein mit einem repressiven Verbot erreicht werden 186 . Das Beispiel macht zum einen deutlich, daß das Rechtsinstitut des repressiven Verbots ein flexibles Instrument darstellt, mit dem der Gesetzgeber seine (umwelt-)politischen Vorhaben durchsetzen kann. Es ist daher, wie bereits ausgeführt, bei weitem zu eng, den Einsatz repressiver Verbote auf die Verhinderung von im engeren Sinne sozialschädlichem Verhalten zu reduzieren 187. Zum anderen zeigen die Regelungen des Wasserhaushaltsgesetzes, daß ein Dispens nicht nur dann erteilt werden kann, wenn die Durchsetzung eines repressiven Verbotes für den einzelnen eine unzumutbare Härte darstellen würde. Derartige Erwägungen spielen in diesem Bereich nämlich grundsätzlich keine Rolle 188 . Vielmehr wird eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung zugeteilt, um eine geordnete Wasserbewirtschaftung zu gewährleisten 189. Der Dispens soll also nicht individuellen Härten, sondern Belangen des Umweltmediums Wasser Rechnung tragen. Das wasserrechtliche repressive Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist insofern ein Modell für das hier vorgeschlagene Verständnis derartiger Verbotstatbestände, insbesondere was die Voraussetzungen von Verbotserlaß und Dispenserteilung angeht. Es bleibt somit festzuhalten, daß es zwei mögliche Motivationen gibt, einen Dispens zu erteilen. Dieser kann zum einen das Ziel verfolgen, zugunsten des Bürgers einen besonderen Härtefall zu vermeiden. Zum anderen ist es möglich, aus sonstigen sachlichen Gründen vom Verbot zu befreien, wenn und weil auch ein generelles, umfassendes Verbot als solches verfassungsgemäß wäre. Die erstgenannte Form des Dispenses verdient aus grundrechtlicher Sicht nähere Aufmerksamkeit. Sie bezweckt, Anforderungen der Grundrechte und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Rechnung zu tragen, denn es wäre u.U. verfas-
183
184
Schmalz, Rn. 381.
Wahl, HdUR, Sp. 529. BVerfG, DVB1. 1996, 357 (358); Gieseke/Wiedemann/Czychowski, § 2 Rn. 4. 186 BVerfGE 58, 300 (346 f). 187 Vgl. dazu oben 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 1 b aa (2). 188 S. aber Gieseke/Wiedemann/Czychowski, § 6 Rn. 4 f m.w.N., wonach sich aus übergeordneten verfassungsrechtlichen Gründen in engen Ausnahmefällen ein Rechtsanspruch auf Bewilligung ergeben kann. 189 BVerfGE 58, 300 (347); Gieseke/Wiedemann/Czychowski, § 2 Rn. 4. 185
C. Rechtfertigung
251
sungswidrig, auch dann noch an dem repressiven Verbot festzuhalten, wenn dieses in einem konkreten Einzelfall zu unzumutbaren Belastungen des einzelnen fuhren würde. Es stellt sich nun die Frage, ob immer ein verfassungsrechtlicher Zwang besteht, Ausnahmen vom Verbot zuzulassen. Grundsätzlich ist dies zu bejahen, damit ein effektiver Grundrechtsschutz sichergestellt wird. Eine Einschränkung ist aber dann zu machen, wenn das öffentliche Interesse an einer generellen und ausnahmslosen Einhaltung des Verbots überwiegt. Ein solcher Fall liegt vor, wenn eine Verbotsentschärfung zu gefährlich und unpraktikabel wäre. Der einzelne ist dann gezwungen, Härten in Kauf zu nehmen. Daher sind etwa die straßenverkehrsrechtlichen Geschwindigkeitsbegrenzungen strikt einzuhalten. Es ist nicht vorgesehen, hiervon im Einzelfall zu befreien, etwa wegen guter Sichtverhältnisse oder besonderer Fähigkeiten des Fahrers. Das Vorliegen eines besonderen individuellen Härtefalls verdichtet sich also nur grundsätzlich zu einem verfassungsrechtlichen Zwang zur Befreiung vom Verbot, ausnahmsweise kann ein totales Verbot ohne jede Dispensmöglichkeit durchaus verfassungskonform sein 190 . Nicht alle repressiven Verbote stehen von vornherein unter einem verfassungsrechtlichen Dispensvorbehalt 191. Der Unterschied zwischen einem Dispens, der aufgrund eines besonderen Härtefalls erteilt wird, und einem solchen, den der Gesetzgeber aus anderen sachlichen Gründen ermöglicht, besteht also in erster Linie darin, daß bei der letztgenannten Form die grundrechtliche Dimension, mit Ausnahme des allgemeinen Gleichheitssatzes, keine wesentliche Rolle spielt. Der Gesetzgeber hat hier aus freien Stücken Befreiungstatbestände vorgesehen, ohne durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dazu gezwungen worden zu sein. Der Dispens ist Ausdruck des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums und nicht vom Recht auf individuellen Schutz vor unzumutbarem Staatshandeln gefordert. Aus diesem grundlegenden Unterschied beider Dispensformen ergeben sich erhebliche Konsequenzen, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden. Um das Rechtsinstitut des Dispenses ranken sich zwei Problemkreise, welche in Rechtsprechung und Literatur des öfteren behandelt werden. Zum einen stellt sich die Frage, ob durch die Dispenserteilung der Rechtskreis des Begünstigten erweitert wird. Zum anderen diskutiert man, ob die Erteilung eines Dispenses in das Ermessen der Behörde gestellt werden darf. Auf die erstgenannte Frage gibt das Bundesverfassungsgericht eine eindeutige Antwort. Der Dispens sei „eine materielle Voraussetzung für das Recht überhaupt. Durch die Genehmigung wird das Recht ... erst konstitutiv begründet." 192 Diese Ansicht 190
So ζ. B. in den Fällen BVerfGE 9, 338 (353 f) sowie BVerwGE 19, 87 (90). So zum Ganzen auch Ossenbühl, DÖV 1968, 624 Fußn. 54a; Schwabe, JuS 1973, 137, jew. m.w.N. 192 BVerfGE 20, 150 (157), Herv. v. Verf. 191
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wird von anderen Gerichten 193 und von Stimmen der Literatur 194 geteilt. Ein ähnliches Bild ergibt sich hinsichtlich der Ermessensproblematik. Das Bundesverfassungsgericht hält es auch unter dem Aspekt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung für zulässig, wenn die Erteilung eines Dispenses dem pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung überlassen bleibt. Eine willkürliche Handhabung sei durch den Zweck des jeweiligen Gesetzes sowie durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgeschlossen195. In diesem Sinne urteilt auch das Bundesverwaltungsgericht 196. Zahlreiche Stimmen der Literatur folgen der Rechtsprechung im Ergebnis 197. Zur Begründung wird zum einen darauf verwiesen, daß der Dispens allgemein geltende Normen in bestimmten konkreten Einzelfällen durchbricht. Daher hätten Ausnahmen, die der Gesetzgeber selbst zwingend vorschreibt, mit einem Dispens nichts gemein, denn ihnen fehle der Charakter des an sich Normwidrigen 198 . Zum anderen wird vorgebracht, ein administratives Dispensermessen berühre den Grundrechtsraum nicht, sondern stelle ein minus gegenüber einem völligen Verbot dar 199 . Nicht zuletzt diese Begründung zeigt, daß die beiden soeben angesprochenen Problemkomplexe in einem engen Zusammenhang miteinander stehen. Die Lösung beider Fragen hat beim Verfassungsrecht anzusetzen. Es wurde bereits gezeigt, daß Dispense in zwei Formen auftreten können, wobei nur die
193
f)·
OVG Lüneburg, OVGE 26, 343 (346); BGH, AöR 78 (1952/1953), S. 102 (104
194
D. Ehlers, in: Erichsen, § 1 Rn. 34; Forsthoff, S. 267 f; Friauf JuS 1962, 426; Hoppe/Beckmann, § 8 Rn. 26; Koenig, S. 105; Maurer, § 9 Rn. 55; Menger, VerwArch 56 (1965), S. 88; H J. Müller, DÖV 1969, 126; Peine, Rn. 160; lyrisch Erichsen,
DVB1. 1967, 270, und Mußgnug, Dispens, S. 102: Dispens als „Rechtswohltat". In diesem Sinne wohl auch Huber, AöR 78 (1952/1953), S. 113, allerdings mißverständlich. Zweifelnd, ohne jedoch konkrete Gründe zu nennen, Battis, Rn. 118, und Habermehl, Rn. 344. 195
So BVerfGE 38, 348 (369) bez. des repressiven Verbots der Wohnraumzweckentfremdung. S. auch BVerfGE 9, 338 (353 f); 25, 112(115 ff). 196 BVerwGE 16, 301 (307 f); 19, 87 (90 f); 41, 1 (5 ff); BVerwG, DVB1. 1969, 361 f. So auch OVG Lüneburg, OVGE 26, 343 (345 ff). 197 Bachof, in: Bettermann/Nipper dey /Scheuner, Bd. I I I / l , S. 220 f; Bender/Sparwasser, Rn. 71; Bettermann, DVB1. 1973, 186; von Bogdandy, VerwArch 83 (1992), S. 68; Faber, § 14 IV a; Hoppe/Beckmann, § 8 Rn. 26; Kloepfer, § 4 Rn. 46;
Menger, VerwArch 56 (1965), S. 88; H J. Müller, DÖV 1969, 126; Mußgnug, Dispens, S. 84 ff, 93 ff; Ossenbühl, DÖV 1968, 624 f; Schmalz, Rn. 381; Wieland, S. 123 f. So
wohl auch Forsthoff S. 267, der den Widerruf eines Dispenses als administrative Ermessensentscheidung ansieht; entsprechend BGH, AöR 78 (1952/1953), S. 102 (104 f). 198 Mußgnug, Dispens, S. 84 f. 199 Ossenbühl, DÖV 1968, 625; in diesem Sinne auch OVG Lüneburg, OVGE 26, 343 (346); Menger, VerwArch 56 (1965), S. 88.
253
C. Rechtfertigung
eine Form, nämlich der auf die Vermeidung unzumutbarer Härten abzielende Dispens, eine grundrechtliche Dimension besitzt. Wird aus anderen sachlichen Gründen von einem repressiven Verbot befreit, spielen verfassungsrechtliche Verbürgungen regelmäßig keine Rolle. Wenn nun aber die Erteilung eines Dispenses zwingend notwendig ist, um einen Grundrechts- bzw. Verhältnismäßigkeitsverstoß zu vermeiden, folgt hieraus, daß für ein behördliches Ermessen kein Raum mehr bleibt. Eine andere Entscheidung als diejenige, von dem Verbot zu befreien, wäre ermessensfehlerhaft, weil die Behörde dann Grundrechte verletzten würde. Verlangen diese also eine Befreiung von einem generellen Verbot, „so ist dieses Verlangen kategorisch, und seine Erfüllung kann von einem Verwaltungsermessen nicht abhängen" 200 . Dieselbe Beurteilung ergibt sich, wenn ein Dispens aus Gründen des öffentlichen Interesses erteilt werden muß 201 . Dogmatisch gesehen handelt es sich hierbei um Fälle einer Ermessensreduzierung auf Null 2 0 2 . Demgegenüber ist der Behörde in allen anderen Konstellationen die Möglichkeit eingeräumt, über die Befreiung nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl positiv als auch negativ zu entscheiden. Das ist unbedenklich, wenn und weil die Grundrechte auch ein ausnahmsloses Verbot zulassen würden 203 . Hieran anknüpfend ist die Frage zu beantworten, ob der Dispens den Rechtskreis des einzelnen erweitert. Das ist immer dann zu bejahen, wenn es im Ermessen der Behörde steht, von der Befreiungsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Denn ein zulässigerweise erlassenes repressives Verbot besitzt die Wirkung, einen Freiheitsraum, der ursprünglich einmal bestand, zu beschneiden. In der Terminologie der Grundrechtdogmatik bedeutet dies, daß ein gerechtfertigter Grundrechtseingriff vorliegt. Die Zahl möglicher grundrechtlich geschützter Betätigungen ist also verfassungskonform eingeschränkt worden. Anders als im Falle eines präventiven Verbots kann sich der einzelne nicht mehr darauf berufen, sein Verhalten sei aus grundrechtlicher Sicht erlaubt, denn die das generel-
200
Schwabe, JuS 1973, 138 f. So auch Friauf, JuS 1962, 426; Hoppe/Beckmann, § 8 Rn. 27; Peine, Rn. 160; Wolff/Bachof, S. 406; Wolff/Bachof/Stober, § 46 Rn. 46. Vgl.
auch D. Ehlers, in: Erichsen, § 1 Rn. 34: die Ausnahmebewilligung stehe „regelmäßig" im Ermessen der Behörde, ähnlich Huber, AöR 78 (1952/1953), S. 113, und Mußgnug, Dispens, S. 93. Verlangen Grundrechte einen Dispens, muß dieser auch dann erteilt werden, wenn der Gesetzgeber dazu nicht ausdrücklich ermächtigt hat (im einzelnen str., vgl. Faber, § 14 IV b m.w.N; bei weitem zu streng jedenfalls Mußgnug, Dispens, S. 51 ff, der Dispense allein dann als zulässig ansieht, wenn sie vom Gesetz selbst durch eine ausdrückliche Ermächtigung gedeckt sind.). 201 OVG Münster, NJW 1966, 1833 f; OVG Münster, VerwRspr. 19 (1968), S. 327 f); Wolff/Bachof,
S. 406; Wolff/Bachof/Stober,
202
Vgl. Mußgnug, Dispens, S. 95 f.
203
So Schwabe, JuS 1973, 138.
§ 46 Rn. 46.
254
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
le Verbot tragenden Gesichtspunkte treffen auch in seinem konkreten Fall durchaus noch zu. Übt die Verwaltung ihr Ermessen nun aber dahingehend aus, einen Dispens zu erteilen, wird dem Begünstigten dadurch ein Mehr an Rechten eingeräumt, denn seinen Handlungsmöglichkeiten wird eine weitere hinzugefügt. Anders gewendet: Die vorher bestehende Beschränkung grundrechtlicher Freiheit nimmt die Verwaltung ein Stück weit zurück. Der Dispens konstituiert daher für den einzelnen ein neues Recht 204 . Dieser Befund wird durch eine kollektiv ausgerichtete Sichtweise gestützt: Der Dispens erlaubt es, einer Tätigkeit nachzugehen, die anderen verboten ist. Auch im Vergleich zu seinen Mitbürgern hat der Begünstigte also mehr Möglichkeiten rechtlich zulässigen Handelns inne. Anders verhält es sich, wenn unter den soeben dargestellten Voraussetzungen ein grundrechtlicher Anspruch auf den Dispens besteht. Dann besitzt der einzelne bereits das Recht, die Befreiung vom repressiven Verbot verlangen zu können. Wird sie erteilt, entspricht die Behörde diesem Recht nur noch. Ihre Entscheidung ist daher lediglich die Reaktion auf einen bereits existierenden Rechtszustand und wirkt im Hinblick auf die Rechtsmacht des einzelnen nicht mehr konstitutiv, sondern nur deklaratorisch. Zusammenfassend ist festzustellen, daß sich ein rechtmäßigerweise erlassenes repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt durch folgende wesentlichen Merkmale auszeichnet: Eine Befreiung vom Verbot muß dann erfolgen, wenn es die Grundrechte des einzelnen in einem konkreten Fall verlangen, es sei denn, daß das öffentliche Interesse an einer ausnahmslosen Einhaltung des Verbots höherzubewerten ist. Ein grundrechtlich gebotener Dispens läßt für eine administrative Ermessensentscheidung keinen Raum mehr. Ferner wird durch einen solchen Dispens der Rechtskreis des einzelnen nicht erweitert. Abgesehen von dieser Konstellation steht es dem Gesetzgeber frei, aus anderen sachlichen Gründen eine Dispensmöglichkeit für den Einzelfall vorzusehen. Es ist ihm dann erlaubt, die Erteilung des Dispenses in das Ermessen der Behörde zu stellen. Dieser bewirkt, daß der Rechtskreis des Begünstigten erweitert wird. Im folgenden soll der Dispens, auf den ein grundrechtlicher Anspruch besteht, als gebundener Dispens, und derjenige, über dessen Erteilung die Behörde nach ihrem Ermessen entscheiden darf, als freier Dispens bezeichnet werden. Der zuletzt genannte Terminus darf selbstverständlich nicht dahingehend mißverstanden werden, daß die administrative Ermessensentscheidung völlig frei ist, vielmehr muß das Ermessen nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen pflichtgemäß ausgeübt werden 205 , insbesondere im Hinblick auf Gleich204
Nur am Rande sei die Möglichkeit erwähnt, daß ein Dispens ausnahmsweise nicht begünstigend, sondern belastend wirkt. Diese Konstellation ist jedoch äußerst selten, so daß sie aus Gründen der Übersichtlichkeit im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben kann. Näher hierzu Mußgnug, Dispens, S. 102 ff. 205 § 40 VwVfG; s. nur Maurer, § 7 Rn. 17.
C. Rechtfertigung
255
heitsrechte. Mit der gewählten Bezeichnung soll lediglich deutlich gemacht werden, daß der Gesetzgeber die Dispensmöglichkeit nicht als Reaktion auf grundrechtliche Verbürgungen, sondern als Ausdruck seiner freien politischen Gestaltungsmacht vorgesehen hat.
(4) Ergebnis Die in der verwaltungsrechtlichen Dogmatik übliche Unterscheidung zwischen präventiven und repressiven Verboten ist beizubehalten. Für die begriffliche Einordnung eines Verbotstatbestandes ist entscheidend, ob das Verhalten als solches generell verboten werden soll oder nicht. Jedes Verbot ist in erster Linie vor den Grundrechten, insbesondere in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, zu rechtfertigen. Innerhalb der hierdurch gezogenen Grenzen obliegt es dem politischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, ein bestimmtes Verhalten als sozialschädlich einzustufen und zu verbieten, wobei der Begriff der Sozialschädlichkeit denkbar weit zu verstehen ist. Die wichtigste Konsequenz der Unterscheidung präventiver und repressiver Verbote besteht darin, daß es dem Staat allein im Rahmen der Befreiung von einem repressiven Verbot überhaupt möglich ist, dem Begünstigten ein Mehr an Rechten einzuräumen 206. Aber selbst in diesem Bereich besteht eine Einschränkung: Immer dann, wenn der einzelne einen Anspruch auf die Dispenserteilung hat, kommt es durch diese nicht zu einer Erweiterung des Rechtskreises. Der Staat eröffnet nur dann neue Freiheitsräume, wenn er das Verhalten zulässigerweise sowohl generell als auch individuell verbieten könnte, es aber dennoch erlaubt. Nur im Fall des freien Dispenses ist es möglich, daß der Staat konstitutiv Rechte verleiht.
bb) Der gebührenfähige
Vorteil
Im folgenden ist zu untersuchen, welche Art von Rechten als vorteilhaft im Sinne der gebührenrechtlichen Rechtfertigungsdogmatik anzusehen sind. Weil die Erteilung eines Rechts nicht mit Kosten verbunden ist, kommt als rechtfertigender Grund einer Gebührenbelastung lediglich der Aspekt des Vorteilsausgleichs in Betracht. Wie bereits ausgeführt wurde, ist die Erhebung einer Ge206 Das wird verkannt, wenn diese Unterscheidung als wenig bedeutsam angesehen wird, so aber Arndt, WiVerw 1990, 31 Fußn. 146; Wolff/Bachof, S. 406; Wolff/Bachof/Stober, § 46 Rn. 44. Wie hier Mußgnug, Dispens, S. 89: Der Abgrenzung beider Verbotsformen komme „große praktische Bedeutung zu".
256
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
bühr für eine vorteilhafte Leistung ein Mittel des Staates, denjenigen Anforderungen zu entsprechen, die Gleichheits- und Gemeinwohlprinzipien an sein Handeln stellen. Denn der allgemeine Gleichheitssatz erlaubt es dem Staat, eine ungleiche Lage, die er durch die Erbringung einer vorteilhaften Leistung selbst geschaffen hat, abzubauen und ein Vorteils-Nachteils-Gefälle ganz oder teilweise wieder einzuebnen. Des weiteren wird die Gebührenbelastung, welche darauf abzielt, die aus einer staatlichen Maßnahme resultierende Bevorzugung eines einzelnen abzumildern, durch das Prinzip gemeinwohlorientierten Handelns legitimiert. Kurz gesagt, besitzt die Gebührenerhebung also eine kompensatorische Funktion zugunsten von Gleichheit und Gemeinwohl. Entscheidend ist aber immer, daß beide Gesichtspunkte nur dann rechtfertigende Kraft entfalten, wenn es infolge der Staatsleistung zu einem Zustand der Ungleichheit bzw. zur Bevorzugung eines einzelnen kommt. Anderenfalls kann die Staatsleistung, hier also die Rechtsverleihung, nicht als vorteilhaft im Sinne der gebührenrechtlichen Rechtfertigungsdogmatik angesehen werden 207 . Nun könnte man sagen, daß derjenige, dem ein fur ihn günstiges Recht verliehen wird, schon allein deswegen gegenüber anderen ungleich bevorzugt wird. Der eine bekommt ζ. B. die beantragte Bauerlaubnis, der andere nicht; der eine darf Gewässer benutzen, der andere nicht. Eine Ungleichbehandlung sowie eine Bevorzugung einzelner scheint auf der Hand zu liegen, so daß jedes Recht aus Gründen des Vorteilsausgleichs mit einer Gebühr belegt werden dürfte. Eine solche Beurteilung wäre jedoch vorschnell und nicht sachgerecht, weil sie nur auf die formale Innehabung eines Rechts abstellen würde und materiellrechtliche Kriterien völlig außer acht ließe. Letztere sind jedoch im Rahmen der gebührenrechtlichen Rechtfertigungsdogmatik allein relevant 208 . Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, daß die Aussage über Gleichheit und Gemeinwohl, wie sie hier gefordert ist, im wesentlichen auf normativ-wertenden, nicht aber auf formalistischen Erwägungen basiert. So besteht das Gleichheitspostulat der Verfassung gerade darin, daß die Menschen trotz ihrer tatsächlichen Verschiedenheit in bestimmten Beziehungen rechtlich gleichbewertet werden sollen. Worauf sich diese Gleichbewertung inhaltlich erstrecken soll, läßt sich nicht formal-abstrakt bestimmen, sondern ergibt sich aus den konkreten verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen, insbesondere aus dem von den Grundrechten aufgestellten Wertesystem, dessen Teil der allgemeine Gleichheitssatz ist. Dieses Wertesystem wird dominiert vom Grundwert der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). A u f ihn ist auch der allgemeine Gleichheitssatz letztlich zurückzuführen. Die Sollensnorm gleicher Menschenwürde gibt dadurch auch dem Gleichheitssatz seinen Charakter als Sollenssatz. Die Aussa-
207 208
S. zum Ganzen o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 a. In diesem Sinne auch Meyer, S. 176 f.
257
C. Rechtfertigung
ge, alle Menschen seien gleich, enthält also nicht die Beschreibung eines tatsächlichen Zustandes, sondern einen Rechtssatz, der zwischen Wert und Unwert scheidet 209 . Ein Gleichheitsurteil ist somit ein Werturteil, das sich zum einen auf die Frage bezieht, ob zwei Personen oder Sachverhalte überhaupt miteinander vergleichbar sind. Zum anderen muß das Handeln oder Unterlassen, welches der Staat in bezug auf die Vergleichsgruppen vornimmt, als gleichheitsgemäß oder gleichheitswidrig bewertet werden. Entsprechendes gilt im Hinblick auf das Gemeinwohl. Dessen Begriff kann nicht abschließend definiert werden, sondern muß in einzelne Teilbereiche untergliedert werden, die mit konkreten Inhalten zu füllen sind 210 . Was als Gemeinwohlbelang angesehen werden kann, richtet sich in erster Linie nach den verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen. In diesem Rahmen sind Veränderungen denkbar und zulässig, denn was zu einem bestimmten Zeitpunkt als Gemeinwohlbelang angesehen wird, kann später anders beurteilt werden. Mancher Bereich erwächst erst nach geraumer Zeit in einen Gemeinwohlbelang, so etwa das Interesse an einer intakten Umwelt 2 1 1 . Der Inhalt des Gemeinwohls ist genauso wandelbar wie dessen gesellschaftlicher Kontext. Welche Interessen dazugehören, welches Verhalten dem Gemeinwohl dient und welches ihm zuwiderläuft, läßt sich nur anhand eines wertenden Erkenntnisprozesses ermitteln. Gemeinwohl ist nicht deskriptiv, sondern normativ erfaßbar. Festzuhalten bleibt also, daß ein staatliches Handeln nur mittels einer normativ-wertenden Betrachtungsweise als gleichheits- und gemeinwohlwidrig beurteilt werden kann. Für die Frage, ob und inwiefern die Verleihung von Rechten zu einer Ungleichbehandlung bzw. Bevorzugung führt, ist demzufolge nicht die bloß formale Innehabung eines für den einzelnen günstigen Rechts, sondern die materielle Rechtslage entscheidend. Nur dann ist es möglich, der normativen Dimension von Gleichheit und Gemeinwohl Rechnung zu tragen. Es ist daher zu untersuchen, welcher Art das verliehene Recht ist und welche Konsequenzen seine Erteilung für die materielle Rechtsstellung des Bedachten hat. Des weiteren ist zu ermitteln, ob der Staat gezwungen ist, das Recht zu verleihen, oder ob er es aus freien Stücken erteilen kann. Anhand dieser Feststellungen erfolgt dann eine wertende Beurteilung im Hinblick darauf, ob der Staat durch die Rechtsverleihung tendenziell von den Anforderungen abweicht, die Gleichheit und Gemeinwohl an ihn stellen. Beide Aspekte können in einem Fall den Rechtfertigungsdruck auslösen, im anderen nicht. Das hängt davon ab, ob die Rechtsverleihung nicht nur zu einem formalen, sondern auch zu einem materiellen Zustand der Ungleichheit bzw. zu einer prinzipiell gemeinwohlwidrigen
209
210 211
S. zum Ganzen Dürig, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz,
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 a bb (1). Vgl. Isensee, HStR III, § 57 Rn. 47.
17 Heimlich
Art. 3 Rn. 1 ff.
258
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
Bevorzugung des Bedachten fuhrt. Nur in einem solchen Fall verlangen und rechtfertigen Gleichheit und Gemeinwohl eine kompensierende Gebührenbelastung. Maßgebend sind diesbezüglich die normativen Vorgaben verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen. Es muß also zwischen der bloßen Begünstigung durch ein verliehenes Recht und der gebührenrechtlichen Vorteilhaftigkeit einer Rechtsverleihung unterscheiden werden. Nicht jedes Recht, das für den Bedachten günstig ist, ist schon allein deshalb auch als vorteilhaft im Sinne der gebührenrechtlichen Rechtfertigungsdogmatik anzusehen. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn die Rechtsverleihung nach den soeben dargestellten Grundsätzen in materieller Hinsicht von Gleichheits- und Gemeinwohlprinzipien abweicht, so daß eine kompensierende Gebührenbelastung möglich bzw. erforderlich ist. Diese Erkenntnis ist nun auf die Verleihung von Kontrollerlaubnissen und Dispensen anzuwenden. Wie bereits gezeigt wurde, zeichnen sich Kontrollerlaubnisse und gebundene Dispense dadurch aus, daß der Bürger einen Anspruch auf ihre Erteilung hat, der in grundrechtlichen Verbürgungen verankert ist. Der Staat wird also vom Grundgesetz dazu gezwungen, den Anspruch zu erfüllen, er besitzt diesbezüglich keinerlei Wahlrecht. Eine solche Handlung, welche nur zum Ziel hat, verfassungsrechtliche Pflichten zu erfüllen, kann allerdings nicht als tendenziell gleichheits- oder gemeinwohlwidrig angesehen werden. Denn es geht dem Staat nicht darum, einige ungleich zu bevorzugen, sondern darum, den Anforderungen des Grundgesetzes zu entsprechen. Die Rechtsverleihung ist direkt vom Verfassungsrecht her geboten und wurzelt in diesem. Die begünstigende Wirkung ist deshalb nicht dem staatlichen Handeln, also der Rechtsverleihung, zuzurechnen, sondern den entsprechenden grundrechtlichen Verbürgungen, auf die der Staat lediglich reagiert. Dieser Umstand nimmt der Staatsleistung, was die Prinzipien von Gleichheit und Gemeinwohl angeht, den Rechtfertigungsdruck, so daß eine Sachlage, welche eine kompensierende Gebührenbelastung zuläßt und eventuell sogar fordert, nicht vorliegt. Folgt also aus verfassungsrechtlichen Vorgaben direkt ein Anspruch auf die Verleihung eines vorteilhaften Rechts, ist die Begünstigung des einzelnen schon allein hierdurch legitimiert. Eine rechtfertigungsbedürftige Abweichung von Gleichheits- und Gemeinwohlprinzipien ist nicht gegeben, weshalb beide Aspekte von vornherein nicht zum Tragen kommen können. Darüber hinaus ist bedeutsam, daß die Erteilung einer Kontrollerlaubnis oder eines gebundenen Dispenses den materiellen Rechtskreis des einzelnen nicht erweitert. Der Staat bestätigt nur, was beim Antragsteller verfassungsrechtlich gesehen ohnehin schon vorhanden ist. Solchen Bürgern, die sich in derselben materiellrechtlichen Situation befinden, müßte er ihre Ansprüche ebenso erfüllen. Im Hinblick auf die Rechtsmacht einzelner schafft der Staat also durch die Rechtsverleihung keine ungleiche Sachlage, und ebensowenig bevorzugt er den Bedachten gegenüber anderen, die sich ihrerseits auf dieselben grundrechtlichen Verbürgun-
C. Rechtfertigung
259
gen berufen können. Eine wertende Betrachtung, die maßgeblich auf die materielle Rechtslage abstellt, führt somit zu dem Ergebnis, daß der Staat nicht tendenziell gleichheits- oder gemeinwohlwidrig handelt, wenn er eine Kontrollerlaubnis oder einen gebundenen Dispens verleiht. Somit liegt auch keine gebührenrechtlich relevante vorteilhafte Staatsleistung vor. Der Aspekt des Vorteilausgleichs vermag daher eine Gebührenbelastung nicht zu rechtfertigen. Eine Verleihungsgebühr für die Erteilung einer Kontrollerlaubnis oder eines gebundenen Dispenses wäre rechtswidrig, sie würde in der Tat ein „Preis für Freiheit" sein 212 . Anderes gilt im Hinblick auf den freien Dispens. Durch ihn wird der materielle Rechtskreis des Bedachten erweitert. Er besitzt ein Recht, welches andere nicht besitzen und auch nicht beanspruchen können, obwohl sie sich ansonsten in derselben materiellrechtlichen Situation wie der Rechtsinhaber befinden. Ferner steht die Dispenserteilung allein im Ermessen der Behörde, so daß es ihrer Entscheidung anheimgestellt ist, ob es zu einer Abweichung von den Prinzipien von Gleichheit und Gemeinwohl kommt. Wird der freie Dispens erteilt, hat der Staat selbst die Rechtsmacht des Rechtsinhabers vermehrt, obwohl kein entsprechender verfassungsrechtlich verbürgter Anspruch bestand. Der Staat reagierte also nicht auf eine verfassungsrechtlich vorgegebene Situation, sondern verändert die Rechtslage durch sein Handeln selbst. Dieses kann nicht mehr unter Berufung auf grundrechtliche Ansprüche, denen der Staat ausgesetzt ist, gerechtfertigt werden. Vielmehr weicht der Staat freiwillig dadurch, daß er den freien Dispens erteilt, tendenziell von Gleichheits- und Gemeinwohlprinzipien ab, so daß ein entsprechender Rechtfertigungsdruck ausgelöst wird. Der entscheidende Unterschied zur Verleihung von Kontrollerlaubnissen und gebundenen Dispensen besteht also darin, daß der Staat nach einer anderen Rechtfertigungsmöglichkeit für seine Leistung suchen muß. Diese kann (auch) in einer kompensierenden Gebührenforderung bestehen. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, daß es von vornherein verwehrt ist, einen Dispens auch ohne eine entsprechende Gebührenforderung zu erteilen. Denn die Gebührenerhebung stellt im Rahmen der Dispensierung lediglich eine Rechtfertigungsmöglichkeit, nicht jedoch eine zwingend notwendige Rechtfertigungsvoraussetzung dar. Entscheidet sich der Staat nun aber dafür, den freien Dispens mit einer Gebührenforderung zu verknüpfen, kehrt er zu den Grundsätzen gleichheits- und gemeinwohlorientierten Handelns zurück. Der prinzipielle Gleichheits- und Gemeinwohlverstoß wird dann abgemildert bzw. ganz
212
So die Kritik von Friauf, in: Köln-Festschrift, S. 683, mit der er die Verleihungsgebühren pauschal verwirft. S. auch unten 4. Teil, Gliederungsabschnitt E II 2.
260
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
eingeebnet213. Von einer gebührenrechtlich relevanten vorteilhaften Staatsleistung kann im Hinblick auf den freien Dispens also letztlich deshalb gesprochen werden, weil der Staat durch die Verleihung eines solchen Rechts die materielle Rechtslage zugunsten eines einzelnen verändert. Der Aspekt des Vorteilsausgleichs vermag daher die Belastung eines freien Dispenses mit einer Verleihungsgebühr zu rechtfertigen. Diese ist kein Preis für Freiheit, weil Freiheit nie bestand, sondern erst vom Staat verschafft wurde 214 . Im Gegenteil gilt: Eine Verleihungsgebühr vergrößert aufs Ganze gesehen den Freiheitsraum, weil sie dem Staat die Möglichkeit eröffnet, einem einzelnen ohne Verstoß gegen Gleichheits- und Gemeinwohlprinzipien einen Dispens zu erteilen. Es besteht also die Chance, daß das Verbot außer Kraft gesetzt wird, was ohne die Existenz von Verleihungsgebühren nicht der Fall wäre 215 . Dadurch, daß man hinsichtlich der Erhebung von Verleihungsgebühren der materiellen Rechtslage entscheidende Bedeutung beimißt, wird auch das Argument entkräftet, eine Verleihungsgebühr könne unzulässigerweise solche Rechtseinräumungen belasten, auf die ein grundrechtlicher Anspruch besteht. Man behauptet, es sei wenig überzeugend und aussagekräftig, wenn man die Verleihung von Kontrollerlaubnissen aus dem Bereich gebührenfähiger Rechte ausschließt, weil eine eindeutige Abgrenzung des gebundenen Bereichs vom Ermessensbereich letztlich nicht möglich sei 216 . Hier wird verkannt, daß die Unterscheidung zwischen präventiven und repressiven Verboten nicht zu derjenigen zwischen gebundenen und Ermessensentscheidungen parallel verläuft. Auch im Rahmen eines repressiven Verbots ist es möglich, daß in besonderen individuellen Härtefällen ein Anspruch auf den Dispens besteht217. In einem solchen Fall bewirkt die Rechtsverleihung jedoch, wie soeben ausgeführt wurde, keine Veränderung der materiellen Rechtslage, worauf es aber allein ankommt. Es mag zutreffen, daß die Qualifikation eines Verbotstatbestandes als präventiv oder repressiv bisweilen Schwierigkeiten aufwirft. Gleichwohl ist die Unterscheidung als solche allgemein anerkannt 218, und man war bisher in der
213
Dieser Gedanke liegt auch einer Äußerung des OVG Hamburg (NVwZ 1990, 1003) zugrunde, wonach es als gerechtfertigt erscheint, wenn der Staat von demjenigen eine Verleihungsgebühr verlangt, der die Befugnis erhält, das immer knapper werdende Gemeinschaftsgut Grundwasser zu Lasten der Allgemeinheit zu fördern. Das Gericht spricht hiermit sehr klar die Beziehung zwischen Gebührenerhebung und Gemeinwohl an. In diesem Sinne auch BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360). 214 Fehlgehend daher Friauf, in: Köln-Festschrift, S. 683. 215 216
Vgl. Wieland, S. 302 f, 304. Pietzcker, DVB1. 1987, 778; ihm folgend von Mutius/Lünenbürger,
1207; s. auch Heun, DVB1. 1990, 674. 217 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 1 b aa (3) (b). 218 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 1 b aa (1).
DVB1. 1995,
C. Rechtfertigung
261
Lage, befriedigende Ergebnisse zu erzielen. Im Hinblick auf die Verleihungsgebühr ist die Einordnung von Verboten in dieses Raster allerdings auch nicht das eigentliche Problem. Das Anknüpfen an die herkömmliche verwaltungsrechtliche Dogmatik soll nämlich nur dazu dienen, die Frage, welche Rechte im gebührenrechtlichen Sinne vorteilhaft sind, anhand bekannter dogmatischer Kategorien anzugehen und generelle Strukturen herauszuarbeiten. Entscheidend für die Gebührenfähigkeit eines Rechts ist aber nicht dessen formale Zuordnung in das anerkannte Schema der Verbotsarten, sondern die materielle Rechtslage. Die auch hier befürwortete Unterscheidung von präventiven und repressiven Verboten sowie von Kontrollerlaubnissen und Dispensen bietet insofern zwar eine sehr wichtige Hilfestellung, maßgebend ist die entsprechende Einordnung des Rechts jedoch nicht, wenn es um die Frage geht, ob ein gebührenfähiger Vorteil gegeben ist 219 . Sobald ein Recht aus materiellen Grundrechtsverbürgungen folgt, ist seine Belastung mit einer Verleihungsgebühr ausgeschlossen. Diesen Umstand verkennt man, wenn man die Berechtigung von Verleihungsgebühren unter Hinweis auf bestehende Probleme bei der Abgrenzung der einzelnen Verbotsarten in Frage stellen will. Das gefundene Ergebnis wird auch durch die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestützt. In der Entscheidung zu den badenwürttembergischen und hessischen Wasserentnahmeabgaben hebt das Gericht darauf ab, daß diese Entgelte solche Vorteile abschöpfen, die „ i m Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsregelung" (d.h. hier: der Wasserbewirtschaftung) vom Staat eingeräumt worden sind 220 . Der Beschluß nimmt zwar nicht direkt zur Problematik, in welchem Fall die Erhebung einer Verleihungsgebühr gerechtfertigt werden kann, Stellung, weil die genaue abgabensystematische Einordnung der Wasserentnahmeabgaben offenbleibt. Gleichwohl wird deutlich, daß eine finanzielle Belastung grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig ist, sofern sie sich außerhalb des Bereichs grundrechtlich verbürgter Freiheitsräume abspielt. Abgesehen von der Verleihung eines freien Dispenses ist es grundsätzlich nicht denkbar, daß der Staat materiell betrachtet den Rechtskreis des einzelnen erweitert. Denn dieser kann sich immer auf das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) berufen, wenn und weil kein entsprechendes, rechtmäßig erlassenes repressiven Verbot besteht. Die Erhebung einer Verleihungsgebühr kommt somit grundsätzlich nur für die Verleihung eines freien Dispenses in Betracht. Sie kann regelmäßig nicht verlangt werden, wenn 219 In diesem Sinne wohl auch Meyer, S. 148: Allein die Kategorie des repressiven Verbots reiche nicht aus, um zu klären, ob die Verleihungsgebühr den Preis für eine Freiheitsausübung darstellt. • 2 2 0 BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360).
262
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
„ein einklagbarer Rechtsanspruch auf die Erteilung der Genehmigung gegeben ist"; daher ist es auch ausgeschlossen, daß die Grundrechtsausübung mit Gebühren belegt wird 2 2 1 . Eine Ausnahme ist jedoch dann zu machen, wenn das Gesetz zwar einen Anspruch auf die Erlaubnis vorsieht, der Gesetzgeber aber von Verfassungs wegen nicht verpflichtet wäre, den Anspruch einzuräumen. In diesem Fall würde bereits das Gesetz einen Sondervorteil begründen, der von der Behörde durch die Rechtsverleihung nur noch bestätigt wird 222 . Zwar treten hier Gleichheits- und Gemeinwohlaspekte in den Hintergrund, weil jeder die Rechtsverleihung beanspruchen kann, der die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt. Insofern kommt es nicht zu einer Ungleichbehandlung oder zu einer Bevorzugung einzelner. Die finanzielle Belastung eines solchen Anspruchs rechtfertigt sich jedoch aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber mit der Einräumung des Anspruchs den materiellen Rechtskreis des einzelnen erweitert. Er gewährt ein Recht, ohne vom Grundgesetz dazu gezwungen worden zu sein, so daß die Gebühr nicht als Preis für grundrechtliche Freiheit gezahlt wird. Wenn der Gesetzgeber befugt ist, ein Recht überhaupt nicht einzuräumen, darf er es auch mit der Einschränkung durch eine Entgeltpflicht verleihen. Dieser Umstand unterscheidet den hier in Rede stehenden Anspruch von einem solchen auf Erteilung einer Kontrollerlaubnis oder eines gebundenen Dispenses. Ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu: Zieht man einen Vergleich zur Verleihungsgebühr, die einen freien Dispens entgilt, zeigt sich, daß es lediglich zu einer bloßen Auswechslung des Gewährenden kommt. Das Recht wird nicht mehr von der Behörde eingeräumt, sondern vom Gesetzgeber selbst. Materiell betrachtet ändert sich jedoch nichts. Demzufolge kann auch ein Anspruch, den der Gesetzgeber ohne eine entsprechende verfassungsrechtliche Verpflichtung normiert, mit einer Verleihungsgebühr belastet werden. Auch in diesem Zusammenhang wird deutlich, welch entscheidende Rolle die materielle Rechtslage, die sich maßgeblich nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben bestimmt, spielt. Fraglich ist schließlich noch, ob der freie Dispens nur dann als ein vorteilhaftes Recht im Sinne der gebührenrechtlichen Rechtfertigungsdogmatik angesehen werden kann, wenn er rechtmäßigerweise erteilt wurde 223 . Das ist zu verneinen. Der Staat handelt nicht nur in einem solchen Fall den Prinzipien von Gleichheit und Gemeinwohl zuwider. Erlangt der einzelne den Dispens in rechtswidriger Art und Weise, liegt auch hierin eine vorteilhafte Staatsleistung, 221
So VG Hamburg, IUR 1992, 235 (236); entprechend Wieland, S. 297, 302. So auch Wieland, S. 295, allerdings nur bezüglich der wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Konzessionsabgaben, die aber nach Ansicht des Autors in der Regel Verleihungsgebühren darstellen. 223 Das bejaht Arndt, WiVerw 1990, 30; ähnlich F. Kirchhof, DVB1. 1987, 556; unklar Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 582. 222
C. Rechtfertigung
263
die durch eine Gebührenbelastung kompensiert werden darf. Es wäre nicht einzusehen, warum nur dann eine Gebühr gezahlt werden müßte, wenn die Rechtsverleihung rechtmäßigerweise erfolgte. Im Gegenteil würde es Gerechtigkeitsvorstellungen geradezu entgegenstehen, wenn die Erlangung des Rechts nicht nur rechtswidrig, sondern auch noch kostenlos geschähe. Folgender Umstand ist jedoch zu beachten: Wird der freie Dispens nach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechlichen Grundsätzen zurückgenommen (vgl. § 48 VwVfG), ist für eine Gebührenerhebung kein Raum mehr, denn dann existiert ein Vorteil, der als Anknüpfungspunkt einer Gebührenbelastung taugt, nicht mehr. Grundsätzlich gilt jedoch, daß die Rechtmäßigkeit der Dispenserteilung keine Voraussetzung einer Verleihungsgebühr ist. Die Tatsache, daß das dem Dispens zugrundeliegende repressive gesetzliche Verbot rechtmäßig sein muß, um eine Verleihungsgebühr erheben zu können 224 , braucht nicht näher erläutert zu werden. Ist das Verbot rechtswidrig, liegt keine zulässige generelle Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit des einzelnen vor, und die Erteilung eines Dispenses hätte keine begünstigende Wirkung. Ein gebührenfähiger Vorteil ist somit nicht gegeben. Nur insofern ist die Verleihungsgebühr akzessorisch zum materiellen Verwaltungrecht, nicht aber deshalb, weil die Rechts Verleihung selbst rechtmäßig sein muß. Zu beachten ist schließlich noch, daß die Rechtfertigungsgründe, die den Erlaß des repressiven Verbots tragen, von denjenigen zu unterscheiden sind, welche die Erhebung der entsprechenden Verleihungsgebühr legitimieren. Beide, Verbot und Gebühr, sind rechtfertigungsbedürftige Belastungstatbestände. Die Erhebung einer Gebühr kann jedoch nur durch die Aspekte der Kostenverantwortlichkeit und des Vorteilsausgleichs legitimiert werden 225 , während die Erwägungen, welche ein repressives Verbot zu begründen vermögen, nicht hierauf beschränkt sind. Ferner müssen Verbote und Gebührenbelastungen nicht zwangsläufig in dieselben grundrechtlichen Schutzbereiche eingreifen. Bei der Gebühr wird regelmäßig allein dasjenige Grundrecht betroffen sein, welches das Vermögen des einzelnen vor Abgabenbelastungen schützt226. Verbot und Gebühr sind somit, was ihre Rechtfertigung angeht, unabhängig voneinander. Aus diesem Grund geht auch der Gedanke von Friauf fehl, wonach ein Dispens nur dann mittels der Erhebung einer Verleihungsgebühr fiskalisch ausgenutzt werden könne, wenn auch dem repressiven Verbot dieselben fiskalischen Erwägungen als Rechtfertigung zugrundeliegen 227. Doch nicht nur die
224
Vgl. F. Kirchhof, DVB1. 1987, 558; Kloepfer/Follmann, land, S. 20. 225
DÖV 1988, 582; Wie-
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II. Es kommen hier Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht, s. zu dieser streitigen Problematik bereits oben 3. Teil, Gliederungsabschnitt D i l . 227 Friauf, in: Köln-Festschrift, S. 697, allerdings ohne nähere Begründung. 226
264
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
Unabhängigkeit von Verbots- und Gebührenrechtfertigung wird hier verkannt. Des weiteren übersieht Friauf, daß es dem Gesetzgeber gerade untersagt ist, ein Verbot nur deshalb zu erlassen, um die Möglichkeit zu haben, mit einer Verleihungsgebühr Gewinne zu erzielen, denn eine Gebühr darf niemals vorrangig zur Gewinnerzielung eingesetzt werden 228 . Dieser Umstand wirkt sich auch auf den entsprechenden Verbotstatbestand aus. Will der Staat grundrechtliche Freiheit einschränken, muß er sachliche Gründe anführen können, warum gerade dieses Verhalten verboten werden soll. Denkbar wäre etwa, daß eine bestimmte Tätigkeit besonders gefährlich ist. Demgegenüber steht der Wunsch, Verleihungsgebühren einziehen zu können, in keinerlei Beziehung zum Verbot einer Tätigkeit. Es wäre willkürlich, wenn der Staat einige Verhaltensweisen herausgreifen würde und diese lediglich aus fiskalischen Erwägungen heraus verböte. Darüber hinaus wäre dies auch unverhältnismäßig, weil der materielle Effekt eines solchen Verbots über das allein verfolgte Finanzierungsziel hinausschösse 229 . Fiskalische Wünsche des Staates können also für sich allein den Erlaß eines repressiven Verbots nicht rechtfertigen. Der Einwand von Friauf kann somit nicht überzeugen.
c) Ergebnis Ein verliehenes Recht ist vorteilhaft im Sinne der gebührenrechtlichen Rechtfertigungsdogmatik, wenn es in einem Dispens von einem repressiven Verbot besteht, auf den der einzelne keinen Rechtsanspruch hat. Ein gesetzlicher Anspruch kann ausnahmsweise dann mit einer Verleihungsgebühr belegt werden, wenn der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet war, diesen einzuräumen, denn dann handelt es sich um einen im gebührenrechtlichen Sinne vorteilhaften Anspruch. Bei allen anderen Rechten ist die Erhebung einer Verleihungsgebühr von vornherein nicht zu rechtfertigen. Die Rechtmäßigkeit der Rechtsverleihung ist für die Gebührenerhebung nicht zwingend erforderlich, es reicht aus, wenn das Recht beim Gebührenschuldner vorhanden ist.
228
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Ε II 2 b. Diese Tatsache verkennen auch von
Mutius/Lünenbürger, DVB1. 1995, 1207. 229 F. Kirchhof, DVB1. 1987, 558.
C. Rechtfertigung 2. Wirtschaftliche
265
Nutzbarkeit
Im vorangegangenen Gliederungsabschnitt wurde der Kreis gebührenfähiger Rechte in einem ersten Schritt reduziert. Dieses Ergebnis wurde unter besonderer Berücksichtigung grundrechtlicher Fragen gewonnen. Insbesondere Vorgaben des Finanzverfassungsrechts, aber auch weitere grundrechtliche Erwägungen könnten jedoch eine nochmalige Verminderung verlangen. Allein die Beschränkung der Verleihungsgebühr auf gebührenrechtlich vorteilhafte Rechte im soeben dargestellten Sinne vermag das Problem ihrer finanzverfassungsrechtlichen Legitimation wohl noch nicht befriedigend zu lösen 230 . Ihr Anwendungsbereich und mithin ihr Aufkommen könnte noch derart groß sein, daß sie in eine verfassungswidrige Konkurrenz zur Steuer tritt und deshalb dem gesamten Gebührentyp die Anerkennung versagt bleiben muß. Um dieser Gefahr zu begegnen, spricht vieles dafür, ein vorteilhaftes Recht nur dann als gebührenfähig anzusehen, wenn es wirtschaftlich nutzbar ist. Dieser Problematik ist nun im folgenden nachzugehen.
a) Stellungnahmen von Rechtsprechung und Literatur Unabhängig davon, ob die Verleihungsgebühr als Gebührentyp letztlich befürwortet wird, definiert sie eine breite Meinungsströmung von Rechtsprechung und Literatur als Entgelt für die Verleihung eines Rechts, das einen wirtschaftlichen Vorteil begründet 231 . Bisweilen wird inhaltlich gleichbedeutend die Gewährung eines wirtschaftlich nutzbaren Rechts 232 oder eine spezielle Vermögenswerte Leistung in Gestalt eines subjektiven öffentlichen Rechts 233 als tatbestandlicher Anknüpfungspunkt einer Verleihungsgebühr gefordert. Diese Aussagen beziehen sich auf die begriffliche Ebene der Verleihungsgebühr. Es wurde jedoch bereits ausgeführt, warum hier keine besonderen Anforderungen an das verliehene Recht zu stellen sind, vielmehr wird die Frage, ob das Recht wirtschaftlich nutzbar sein muß, um mit einer Verleihungsgebühr belegt werden zu können, auf der Rechtfertigungsebene relevant 234 . Daher ist die genannte Auffassung im hier gegebenen Zusammenhang abzuhandeln. Daß sie nicht mit
230 231
Insofern zutreffend Stallknecht, S. 186. VG Hamburg, IUR 1992, 235; Arndt, WiVerw 1990, 25 f; Heun, DVB1. 1990,
673; Kruse, in: Tipke/Kruse,
AO - FGO, § 3 AO Rn. 20; Chr. Müller, S. 141; Pietzcker,
DVB1. 1987, I I I . 232 Hendler, AöR 115 (1990), S. 602. 233
234
Wolff/Bachof/Stober,
§ 42 Rn. 35.
S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 3.
266
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
der Meinung, eine Verleihungsgebühr knüpfe an eine Übertragung wirtschaftlicher Werte an, verwechselt werden darf, wurde bereits gezeigt 235 . Nicht nur im Bereich der Begriffsbildung wird die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Rechts als Voraussetzung einer Verleihungsgebühr angesehen. Allgemein fordern etwa Kloepfer/Follmann diesbezüglich eine Rechtsverleihung, mit der ein „gewisser geldwerter Vorteil" einhergeht, um die Gebührengewalt des Staates zu mäßigen und der Gefahr einer gebührenrechtlichen Aushebelung der Finanzverfassung zu begegnen236. Andere Autoren stellen in erster Linie auf grundrechtliche Aspekte ab und wollen mit der Erhebung einer Verleihungsgebühr Gleichheitsprobleme überwinden, die entstünden, wenn einige wenige ein Recht bekommen, das beträchtliche finanzielle Vorteile mit sich bringt 237 . Allerdings wird auch bezweifelt, daß ein durch die Rechtsverleihung vermittelter wirtschaftlicher Vorteil ein rechtfertigender Sachgrund für die Gebührenerhebung sein kann, anderenfalls könne der Staat den Freiheitsgebrauch kommerzialisieren 238 . Ferner gibt man zu bedenken, daß sich der zugewandte Vorteil bei einer Rechtseinräumung, die nicht vermögensrechtlicher Art ist, meist nicht mehr nach objektivierbaren wirtschaftlichen Kriterien bestimmen lasse, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung bleibe daher ohne Aussagekraft 239 . Insgesamt zeigt sich also, daß die Frage, ob das verliehene Recht wirtschaftlich nutzbar sein muß, damit eine Verleihungsgebühr erhoben werden darf, unterschiedlich beurteilt wird. Eine solche Voraussetzung wird allerdings nur von denjenigen Stimmen abgelehnt, welche die Berechtigung dieses Gebührentyps ohnehin nicht anerkennen wollen.
b) Folgerungen aus Finanzverfassung und Gleichheitssatz W i l l man die Erhebung von Verleihungsgebühren zulassen, bedeutet das, eine partielle Durchbrechung des Steuerstaatsprinzips zu befürworten, denn diese Gebührenart wirft mangels zu deckender Kosten zwangsläufig Erträge ab, die zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben eingesetzt werden können. Eine solche Abweichung von den Grundsätzen des steuerfinanzierten Staates ist nicht von vornherein verboten, allerdings muß ermittelt werden, ob bzw. ab wann die Erhebung außersteuerlicher Abgaben in ein verfassungswidriges
235
S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 2 b, 3.
236
Kloepfer/Follmann,
237
DÖV 1988, 582.
Wieland,, S. 304; entsprechend Hendler, AöR 115 (1990), S. 604; Horn, S. 161 f;
und Stallknecht, S. 196. 238 Murswiek,, NuR 1994, 172. 239
Arndt, WiVerw 1990, 35 f.
C. Rechtfertigung
267
apokryphes Finanzsystem umschlägt. Die Vorgaben der Finanzverfassung wirken also dahin, außersteuerliche Abgaben nur in engen Grenzen zuzulassen und eine auch quantitative Beschränkung zu verlangen 240. Für die Zulässigkeit der Verleihungsgebühr bedeutet dies, daß dieser Gebührentyp dem Steuerstaatsprinzip umso stärker zuwiderläuft, je größer der Kreis gebührenfähiger Rechte ist. Umgekehrt gilt: Je weniger Rechte mit einer Verleihungsgebühr belegt werden können, desto geringer ist die Gefahr, daß sich ein apokryphes Finanzsystem etabliert. Dem Staat darf also aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen nur in engen Ausnahmefällen erlaubt sein, die Verleihung eines Rechts mit Gebühren zu belegen. Ein solcher Ausnahmefall könnte jedoch gegeben sein, wenn das verliehene vorteilhafte Recht wirtschaftlich nutzbar ist. Ob eine vorteilsausgleichende Gebühr, deren Erhebung das Steuerstaatsprinzip durchbricht, zulässig ist, muß anhand einer wertenden Betrachtung ermittelt werden. In diesem Zusammenhang kommen der Art und dem Gewicht des staatlicherseits zugewandten Vorteils entscheidende Bedeutung zu 241 . Besteht die Staatsleistung in einem wirtschaftlich nutzbaren Recht, wird dem einzelnen ermöglicht, u. U. erheblichen finanziellen Nutzen zu erlangen, den er ohne die staatliche Maßnahme nicht erlangen könnte. Der Staat greift also durch die Erhebung einer Verleihungsgebühr für ein wirtschaftlich nutzbares Recht auf etwas zu, das direkt auf sein eigenes Handeln zurückzuführen ist, nämlich auf die Innehabung eines wertvollen Rechts242. Das ist bei anderen Abgaben nicht der Fall. Diese sind regelmäßig aus einem Vermögen zu bestreiten, welches infolge einer solchen wirtschaftlichen Tätigkeit des Abgabenschuldners entstanden ist, die der Staat nicht erst konstitutiv ermöglichen mußte. Normalerweise belastet der Staat also Vorhandenes, insbesondere was die Erhebung von Steuern angeht. Demgegenüber holt sich der Staat dann, wenn er für ein wirtschaftlich nutzbares Recht eine Verleihungsgebühr erhebt, nur Werte zurück, die es ohne sein Tätigwerden nicht gäbe. Die Verleihungsgebühr verringert also nicht ein Vermögen, sondern begrenzt nur einen Vermögenszwwachs, der ohne die Rechtsverleihung nicht entstünde. Es wird also, anders als bei der Steuererhebung, nicht die allgemeine Leistungsfähigkeit des Bürgers beansprucht 243. Insofern besteht keine Konkurrenz zur Steuer, so daß der vom finanzverfassungsrechtlichen Steuerstaatsprinzip ausgehende Rechtfertigungsdruck entscheidend abgeschwächt wird.
240
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 b bb, cc. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 b bb, cc. 242 Allein das Innehaben eines Rechts bildet den tatbestandlichen Anknüpfungspunkt einer Verleihungsgebühr, s.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 3. 243 Ebenso Wieland, S. 303, 305; vgl. auch BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360). 241
268
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
Es kommt hinzu, daß die wirtschaftlichen Vorteile nur von dem Rechtsinhaber, nicht aber auch von anderen erzielt werden können. Das fuhrt zu der Situation, daß ein einzelner allein aufgrund staatlichen Handelns finanziellen Nutzen erzielt, während andere völlig leer ausgehen. Die Folge einer Befreiung vom repressiven Verbot 244 kann also u. U. darin bestehen, daß der Rechtsinhaber einen faktischen Konkurrenzschutz genießt, welcher umso stärker ist, je weniger Rechte der Staat verleiht. In besonderer Schärfe wird dadurch die Frage aufgeworfen, wodurch sich eine derartige Situation vor dem allgemeinen Gieichheitssatz rechtfertigen läßt. Die Erhebung einer kompensierend wirkenden Verleihungsgebühr kann hier ganz oder teilweise Abhilfe schaffen 245. Diese Gesichtspunkte kommen jedoch dann nicht zum Tragen, wenn das verliehene Recht nicht wirtschaftlich nutzbar ist. Würde in einem solchen Fall eine Verleihungsgebühr erhoben, müßte sie aus dem vorhandenen Vermögen bezahlt werden, so daß insofern wieder eine Konkurrenz zur Steuer bestünde. Auch träten Gleichheitsgesichtspunkte nicht derart in den Vordergrund, wie das im Fall eines wirtschaftlich nutzbaren Rechts gegeben wäre. Zwischen wirtschaftlich nutzbaren Rechten und anderen Rechten bestehen also gewichtige qualitative Unterschiede, die im Hinblick auf die Belastung mit einer Verleihungsgebühr berücksichtigt werden müssen. Nur wenn das verliehene Recht wirtschaftlich ausgenutzt werden kann, ist der verliehene Vorteil von solchem Gewicht, daß die Erhebung einer Verleihungsgebühr, einschließlich der hierin liegenden Abweichung vom Steuerstaatsprinzip, gerechtfertigt werden kann. Warum die hiermit u. U. einhergehende Teilhabe des Staates am wirtschaftlichen Erfolg eines einzelnen dem Charakter einer Gebühr zuwiderlaufen soll 246 , bleibt unklar, ist doch einer Gebühr nach allgemeinen Grundsätzen möglich, Vorteilsausgleichs- und Wertabschöpfungszwecke zu verfolgen 247. Zu betonen ist, daß es ausreicht, wenn das Recht wirtschaftlich genutzt werden kann, einer tatsächlichen Realisierung des Vermögensvorteils bedarf es nicht. Dieser Umstand ergibt sich zum einen bereits aus dem tatbestandlichen Anknüpfungspunkt der Verleihungsgebühr, welcher aus der bloßen Innehabung des Rechts besteht248. Zum anderen führt allein schon der Verleihungsakt zu einer Erweiterung der wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten des Rechtsinhabers und demzufolge auch zu einer Vermögensmehrung, denn zum Vermö-
244
Nur in bezug auf den Dispens wird der hier entwickelte Gedanke relevant, nicht aber hinsichtlich der Einräumung eines gebührenfähigen Anspruchs durch den Staat. 245 So auch Stallknecht, S. 196, zum nordrhein-westfälischen Lizenzentgelt. 246 So Arndt, WiVerw 1990, 35 f. 247 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Ε II 1 b. 248 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 3.
C. Rechtfertigung
269
gen sind auch alle geldwerten Rechte zu zählen 249 . Der Staat handelt schon dann tendenziell gleichheits- und gemeinwohlwidrig, wenn er ein wirtschaftlich nutzbares, mithin geldwertes Recht einräumt. Die Rechtsverleihung hat zur Folge, daß eine Sachlage entsteht, die zu einer kompensierenden Gebührenerhebung berechtigt 250 . Der Legitimationsdruck wird nicht erst dann ausgelöst, wenn der Rechtsinhaber das Recht tatsächlich ausnutzte, vielmehr fuhrt bereits eine entsprechende Möglichkeit zu seiner Bevorzugung gegenüber anderen. Hiervon geht auch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner Entscheidung zu den in Baden-Württemberg und Hessen erhobenen Wasserentnahmeabgaben aus, wenn es feststellt, daß die Länder derartige Entgelte rechtmäßigerweise für die Eröffnung der Möglichkeit der Wasserentnahme erheben; der dem Abgabepflichtigen durch diese Möglichkeit zugewandte Vorteil werde mit Hilfe der Abgabe (teilweise) abgeschöpft 251. Insgesamt ergibt sich also, daß die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Rechts die Erhebung einer Verleihungsgebühr ermöglicht, einer tatsächlichen Ausnutzung bedarf es nicht.
c) Der Kreis wirtschaftlich nutzbarer Rechte Es ist nun zu untersuchen, welche Rechte als derart wirtschaftlich nutzbar anzusehen sind, daß die Erhebung einer Verleihungsgebühr ermöglicht wird. Hierbei soll an das im vorangegangenen Gliederungsabschnitt Ausgeführte angeknüpft werden. Das Kriterium der wirtschaftlichen Nutzbarkeit wurde dort für erforderlich gehalten, damit die Erhebung einer Verleihungsgebühr nicht die allgemeine finanzielle Leistungsfähigkeit des Gebührenschuldners belastet, hinzu kamen Erwägungen zur Gleichheit in wirtschaftlicher Hinsicht. Beide Aspekte stellen entscheidend darauf ab, daß die Verleihung des Rechts eine Vermögensmehrung bewirken muß. Das Vermögen des Rechtsinhabers ist um einen Finanzbetrag erhöht, der dem wirtschaftlichen Wert des Rechts entspricht. Nach welchen Kriterien dieser Wert zu ermitteln ist, soll an anderer Stelle ausführlich erörtert werden 252 . Hier genügt es festzuhalten, daß von einem wirtschaftlich nutzbaren Recht im gebührenrechtlichen Sinne dann gesprochen werden kann, wenn seine Inhaberschaft das Vermögen anwachsen
249 Vgl. nur Brox, Allg. Teil des BGB, Rn. 739. Zu beachten ist jedoch, daß im hier gegebenen Zusammenhang von einem wirtschaftlichen Vermögensbegriff ausgegangen wird. Im streng zivilrechtlichen Sinne zählen nur Rechte, nicht auch Sachen zum Vermögen (Brox a.a.O.) Ein wirtschaftlicher Vermögensbegriff findet auch im Strafrecht Anwendung, vgl. etwa Dreher/Tröndle, StGB, § 263 Rn. 27, 29 m.w.N. 250 Vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 a. 251 BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360). 252 S.u. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D II.
270
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
läßt. Das ist wiederum dann gegeben, wenn die durch das verliehene Recht eingeräumte wirtschaftliche Handlungsmöglichkeit finanziellen Ertrag abwerfen kann. Es muß sich eine Kausalkette ergeben können, deren Anfang die Rechtsverleihung und deren Ende (vereinfacht ausgedrückt) ein Geldbetrag bildet, und das Bindeglied ist die wirtschaftliche Tätigkeit des Rechtsinhabers. Entscheidend für das Kriterium der wirtschaftlichen Nutzbarkeit ist somit, daß das Recht zu Geld werden kann. Legt man diese Faustformel zugrunde, lassen sich drei Fallgruppen bilden, die jedoch nicht abschließenden Charakter haben. Denkbar ist zunächst, daß das Recht die Möglichkeit einräumt, Leistungen am Markt anzubieten. Ein etwaiger Gewinn wäre zwanglos auf die Rechtsverleihung zurückzuführen, so daß ein wirtschaftlich nutzbares Recht gegeben ist. Als Beispiel sei die Verleihung von Spielbankkonzessionen genannt, ohne hiermit jedoch eine genaue abgabenrechtliche Qualifikation der Spielbankabgabe als Verleihungsgebühr vornehmen zu wollen. Darüber hinaus kann ein Recht dazu verhelfen, Aufwendungen zu ersparen. Das wäre etwa bei der Verleihung von Verschmutzungsrechten der Fall. Ein Unternehmer, dem es erlaubt wird, ein bestimmtes Quantum an Schadstoffen in die Umwelt einzubringen, muß keine oder nur weniger wirksame, mithin billigere Filter- oder Kläranlagen installieren. Hierin ist ein Vermögensvorteil zu sehen, der aus der Rechtsverleihung folgt, so daß auch ein derartiges Recht als wirtschaftlich nutzbar einzustufen ist. Schließlich kann ein Recht in der Erlaubnis bestehen, knappe und damit wirtschaftlich wertvolle Ressourcen nutzen zu dürfen. Beispielhaft sei auf verschiedene Arten an Wasserentnahmeentgelten hingewiesen, wobei aber auch hiermit noch keine abgabenrechtliche Qualifizierung als Verleihungsgebühr vorgenommen werden soll. Der wirtschaftliche Nutzen besteht bei dieser Fallgruppe darin, daß der Rechtsinhaber ein Wirtschaftsgut zur Verfügung gestellt bekommt, welches er sich anderenfalls gegen Geld am Markt beschaffen müßte. Auch hier werden also Aufwendungen erspart, und insofern ergibt sich eine Überschneidung zur soeben dargestellten Fallgruppe. Der Unterschied zwischen beiden liegt jedoch darin, daß hier der Besitz eines Gutes, z. B. des Wassers, ermöglicht wird, während dort der Nichtbesitz, ζ. B. einer Filteranlage, erlaubt wird. In jedem Fall aber ist das verliehene Recht wirtschaftlich nutzbar, denn es ermöglicht, einen Ertrag erwirtschaften zu können, der in der Ersparnis von Aufwendungen besteht. Abgrenzungshalber seien einige Rechte genannt, denen nicht die Eigenschaft zukommt, wirtschaftlich nutzbar zu sein. Das gilt für Rechte, denen der direkte ökonomische Bezug fehlt, so ζ. B. für Einbürgerungen oder Aufenthaltsgenehmigungen. Diese gewähren einen Rechtsstatus, der die gesamte Person des Nichtdeutschen und nicht nur eine einzelne Handlungsmöglichkeit, wie etwa das wirtschaftliche Tätigwerden, betrifft. Auch Baudispense sind nicht als wirtschaftlich nutzbar im hier gegebenen Sinne anzusehen. Zwar können auch
C. Rechtfertigung
271
sie bisweilen dazu führen, daß der Bauwillige Aufwendungen erspart. Darin erschöpft sich jedoch ihr wirtschaftlicher Bezug, denn anders als bei den soeben dargestellten Fallgruppen ist der eventuell bestehende Vermögensvorteil nicht in einen umfassenden ökonomischen Zusammenhang eingebettet. Dort ermöglicht das Recht wirtschaftliches Handeln als solches (Spielbankkonzession) oder läßt dieses unter bestimmten Rahmenbedingungen zu (Verleihung von Verschmutzungs- oder Ressourcennutzungsrechten). Von einer wirtschaftlichen Ausnutzung des Rechts kann dort deshalb die Rede sein, weil stetig mit dem Recht gewirtschaftet wird. Anders verhält es sich aber, wenn das Recht nur zu Folge hat, daß einmalig ein gewisser Geldbetrag gespart wird. Dem Begriff des Ausnutzens haftet insofern ein Element des auf Dauer angelegten Tätigwerdens an. Es kommt hinzu, daß ein Baudispens bzw. ähnliche Rechte nicht unbedingt zu einer Vermögensmehrung führen müssen. Der Umstand, daß dies der Fall sein kann, erfordert nicht, dem Recht als solchem wirtschaftlichen Nutzen zuzusprechen. Auch insofern zeigt sich ein Unterschied zu den Rechten der genannten Fallgruppen. Aus deren Einräumung folgt in jedem Fall und für jeden Rechtsinhaber ein wirtschaftlicher Nutzen. Maßgebend ist diesbezüglich also eine abstrakt-generelle Sichtweise. Es genügt nicht, daß aus der Rechtsverleihung im Einzelfall ein finanzieller Ertrag folgen kann. Zuzugeben ist allerdings, daß die Bewertung, ob ein Recht wirtschaftlich nutzbar ist, gelegentlich schwierig sein kann, wie das Beispiel des Baudispenses zeigt. Bei ihm handelt es sich in der Tat um einen Grenzfall, der mit guten Gründen auch anders beurteilt werden mag, so etwa unter Hinweis auf die bei der Erteilung von Baudispensen relevant werdenden Gleichheits- und Gemeinwohlaspekte, welche die Erhebung einer Gebühr für derartige Rechte durchaus legitimieren könnten. Hiergegen spricht jedoch die Erwägung, daß der Schutz der Finanzverfassung, der auf der Rechtfertigungsebene genauso relevant wird wie die Gesichtspunkte von Gleichheit und Gemeinwohl, gebietet, den Kreis gebührenfähiger Rechte möglichst klein zu halten. Dem muß sowohl bei der Beurteilung der gebührenrechtlichen Vorteilhaftigkeit als auch bei der Frage der wirtschaftlichen Nutzbarkeit eines Rechts Rechnung getragen werden. Völlig eindeutige Maßstäbe werden sich wohl kaum finden lassen. Letztlich ist eine Bewertung des Einzelfalls erforderlich, wobei die hier genannten Fallgruppen die Richtung weisen können. Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß ein wirtschaftlich nutzbares Recht dann gegeben ist, wenn seine Verleihung unmittelbar auf eine bereits vorhandene oder durch die Rechtseinräumung erst ermöglichte, jedenfalls auf Dauer angelegte wirtschaftliche Tätigkeit des Rechtsinhabers Bezug nimmt und die Möglichkeit bietet, finanzielle Erträge zu erwirtschaften. Letztere können sich sowohl in Gewinnen als auch in der Ersparnis von Aufwendungen niederschlagen. Klarstellend sei noch darauf hin-
272
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
gewiesen, daß die im folgenden verwendeten Termini „Gewinn, Ertrag, Erwirtschaftetes" etc. in dem hier dargestellten umfassenden Sinne zu verstehen sind.
d) Ergebnis Aus den Anforderungen des Finanzverfassungsrechts und grundrechtlichen Erwägungen ergibt sich, daß eine Verleihungsgebühr nur fur ein Recht erhoben werden darf, das wirtschaftlich nutzbar ist. Allein ein solches Recht besitzt die Eigenschaft, die Erhebung einer Verleihungsgebühr insbesondere vor den Grundsätzen des steuerfinanzierten Staates zu rechtfertigen.
3. Ergebnis Es dürfen nur freie Dispense sowie verfassungsrechtlich nicht geforderte Ansprüche mit einer Verleihungsgebühr belegt werden. Als weitere Voraussetzung kommt hinzu, daß das verliehene Recht wirtschaftlich nutzbar sein muß. Die Erhebung einer Verleihungsgebühr für andere Rechte kann von vornherein nicht gerechtfertigt werden. Andere Anforderungen können aus grundrechtlichen oder finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben nicht direkt abgeleitet werden. Ob man eine Verleihungsgebühr, die derart restriktiven Voraussetzungen unterliegt, vor dem Hintergrund der Geltung des Steuerstaatsprinzips als gerechtfertigt ansieht, ist letztlich eine Wertungsfrage, die an anderer Stelle ausführlich abgehandelt werden soll 253 .
D. Bemessung und Zweck I. Der Zweck der Verleihungsgebühr und sein Verhältnis zur Bemessung Die Bemessung einer Verleihungsgebühr unterliegt, wie jede Gebührenbemessung, von vornherein lediglich dem Äquivalenzprinzip bzw. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Demgegenüber ist sie nicht an das Kostendekkungsprinzip gebunden, weil dieses nur dann Geltung beanspruchen kann, wenn es vom Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet wird 254 . Daher bereitet die
253 254
S.u. 4. Teil, Gliederungsabschnitt E. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D III.
D. Bemessung und Zweck
273
Tatsache, daß die Verleihung eines Rechts nicht mit irgendeinem Kostenaufwand verbunden ist, im Hinblick auf die Bemessungfähigkeit der Verleihungsgebühr keine Probleme. Das wäre anders, wenn das Kostendeckungsprinzip generell gälte. Dann würde die Erhebung einer Verleihungsgebühr praktisch unmöglich gemacht. Nach hier vertretener Auffassung hat es der Gesetzgeber aber selbst in der Hand, das Kostendeckungsprinzip anzuordnen, was er natürlich unterlassen wird, wenn er die Erhebung einer Verleihungsgebühr ermöglichen will. Das Äquivalenzprinzip fordert eine im Verhältnis zur erbrachten Leistung angemessene Gebührenhöhe 255 . Ob der mit der Leistungserbringung verbundene Kostenaufwand oder der Wert der Leistung in die Prüfung einzustellen ist, richtet sich nach dem Zweck, den die Gebühr verfolgt. Ist sie darauf angelegt, entstandene Kosten überzuwälzen, muß die Gebührenhöhe in bezug auf den Kostendeckungszweck angemessen sein. Will sie zugewandte Vorteile ausgleichen, muß sie hinsichtlich des Vorteilsausgleichszwecks äquivalent sein 256 . Weil mit der Verleihung von Rechten keine Kosten einhergehen, scheidet es von vornherein aus, daß eine Verleihungsgebühr einen Kostendeckungszweck verfolgt. Sie wird vielmehr erhoben, um vom Staat zugewandte Vorteile a b zugleichen. Dieser Befund ist, unabhängig von der jeweiligen Position zur Verleihungsgebühr, im Ergebnis unbestritten 257 . Er ergibt sich aus den Erkenntnissen, die auf der Rechtfertigungsebene gewonnen wurden. Die Belastung des einzelnen mit einer Verleihungsgebühr ist nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn das verliehene Recht im gebührenrechtlichen Sinne vorteilhaft und darüber hinaus auch wirtschaftlich nutzbar ist. Dem Gebührenschuldner ist ein geldwertes Recht verliehen worden, während andere leer ausgingen. Das insofern entstehende wirtschaftliche Vorteils-Nachteils-Gefalle w i l l der Staat nun mittels der Verleihungsgebühr ganz oder teilweise wieder einebnen 258 . Daraus folgt, daß der von einer Verleihungsgebühr primär verfolgte Zweck in einem Vorteilsausgleich bzw. einer Wertabschöpfung besteht. Dieser ist als vorrangiger oder ausschließlicher Gebührenzweck nach allgemeinen gebührendogmatischen Grundsätzen zulässig 259 . Daneben darf die Verleihungsgebühr,
255 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 5. Vgl. auch unten 4. Teil, Gliederungsabschnitt D I U 1. 256 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 6 c. 257 Arndt, WiVerw 1990, 26; de Buhr, IUR 1992, 237; Hendler, AöR 115 (1990),
ders., NuR 1989, 24; S. 603; Heun, DVB1. 1990, 673; Kruse, in: Tipke/Kruse, FGO, § 3 AO Rn. 20; Stallknecht, S. 196; Wieland, S. 303, 305. 258
259
S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Ε II 1.
18 Heimlich
AO -
274
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
wie jede Gebühr, Lenkungszwecke verfolgen 260 , lediglich ein Gewinnerzielungszweck ist ihr als vorrangiger oder ausschließlicher Gebührenzweck verwehrt 261 . Auch das ergibt sich aus den Grundsätzen der allgemeinen Gebührendogmatik 262 . Der einer Verleihungsgebühr innewohnende Vorteilsausgleichszweck besitzt für ihre Bemessung nach dem soeben Ausgeführten die Konsequenz, daß im Rahmen der Prüfung, ob die Gebührenhöhe in bezug auf die erbrachte Leistung äquivalent ist, die Höhe der Verleihungsgebühr und der Wert der Leistung gegenüberzustellen sind. Die Staatsleistung besteht bei der Verleihungsgebühr aber allein in der Rechtsverleihung. Für eine Äquivalenzprüfung ist demzufolge der Wert des verliehenen Rechts zu ermitteln. Hiermit mögen bestimmte praktische Schwierigkeiten verbunden sein, auf die im folgenden Gliederungsabschnitt einzugehen sein wird. Jedenfalls wird die Bemessung einer Verleihungsgebühr nicht von vornherein durch gebührendogmatische Vorgaben behindert, denn das Entstandensein von Kosten stellt keine zwingende Voraussetzung einer Gebührenbemessung dar: Zum einen unterliegt diese nicht einem gebührenimmanent geltenden Kostendeckungsprinzip, zum anderen sind die Kosten der Leistung kein notwendiger Bestandteil einer Äquivalenzprüfung. Auch auf der Bemessungsebene ergeben sich daher keine grundsätzlichen Probleme, welche gegen die Anerkennung von Verleihungsgebühren sprechen würden. Festzuhalten bleibt daher die Erkenntnis, daß die Frage, welchen Wert das verliehene Recht besitzt, für die Beurteilung der Gebührenäquivalenz und mithin für die gesamte Bemessungsproblematik von entscheidender Bedeutung ist 263 .
II. Der Wert des verliehenen Rechts 7. Die Wertbemessung im geltenden Gebührenrecht Die Bemessung einer Gebühr nach dem Wert der Leistung ist weder eine gebührenrechtliche Neuheit noch eine Problematik, die sich allein im Rahmen von Verleihungsgebühren stellt. So bestimmt § 11 Abs. 2 Satz 1 GKG, daß sich 260
OVG Hamburg, NVwZ 1990, 1003; VG Hamburg, IUR 1992, 235 (236); F.
Kirchhof 261
DVB1. 1987, 561.
VG Hamburg, IUR 1992, 235 (236); Arndt, WiVerw 1990, 30; F. Kirchhof
DVB1. 1987, 560; Wieland, S. 304. 262
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt E II 2. Zumindest mißverständlich F. Kirchhof gelt am verliehenen Recht orientiert...". 263
DVB1. 1987, 555: „Meist wird das Ent-
D. Bemessung und Zweck
275
die Gerichtsgebühren grundsätzlich nach dem Wert des Streitgegenstandes bestimmen. Gemäß § 16 Abs. 1 KostenO, der für die freiwillige Gerichtsbarkeit maßgebend ist, werden die Gerichtsgebühren nach den Wert berechnet, den der Gegenstand des Geschäfts zur Zeit der Fälligkeit hat. Entsprechendes gilt für den Bereich der Gebühren, die von der Exekutive erhoben werden. Auch hier sind Wertmaßstäbe nicht selten264. Folgende Normen seien exemplarisch genannt. Auf bundesrechtlicher Ebene heißt es in § 4 VerwKostenG: „Die Gebühren sind durch feste Sätze, Rahmensätze oder nach dem Wert des Gegenstandes zu bestimmten." § 3 Satz 1 desselben Gesetzes verlangt als gesetzliche Niederlegung des Äquivalenzprinzips ein angemessenes Verhältnis zwischen der Gebühr und (u.a.) dem „wirtschaftlichen Wert der Amtshandlung". Entsprechende Regelungen enthält § 9 VerwKostenG. § 8 Abs. 3 Satz 6 BFStrG will bei straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnissen auch das „wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners" brücksichtigt wissen. Dasselbe Bild ergibt sich bei landesrechtlichen Bestimmungen. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Hess VerwKostenG fordert, daß auch die Bedeutung der Amtshandlung fur den Kostenschuldner bei der Gebührenbemessung zu berücksichtigen ist. In § 5 Nr. 2 dieses Gesetzes werden „Wertgebühren" ausdrücklich definiert als Gebühren, die sich „nach dem Wert des Gegenstandes, auf den sich die Amtshandlung bezieht", bestimmen. Gemäß § 6 Abs. 1 HessVerwKostenG ist bei der Festsetzung einer Wertgebühr der Wert zum Zeitpunkt der Beendigung der Amtshandlung zugrunde zu legen. In anderen landesrechtlichen Regelungen heißt es, daß ein angemessenes Verhältnis zwischen der Gebühr und der „Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung für den Kostenschuldner" bestehen müsse (§ 3 BbgGebG, § 3 MeVoVerwKostenG, § 3 NRWGebG). Eine Gebühr könne nach dem Wert des Gegenstandes (§ 4 Abs. 1 BbgGebG, § 3 Abs. 2 Satz 2 NdsVerwKostenG, § 4 NRWGebG) bzw. nach dem wirtschaftlichen oder sonstigen Interesse des Gebührenschuldners bemessen werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BaWüLandesGebG). § 6 Abs. 3 Satz 3 SaarlGebG verlangt diesbezüglich, daß „der Nutzen der staatlichen Leistung für den Gebührenschuldner zu berücksichtigen" sei und läßt in § 6 Abs. 2 eine Wertgebühr ausdrücklich zu. Die ausführlichste gesetzliche Niederlegung der Wertgebühr findet sich im bayerischen Kostengesetz. Art. 6 Abs. 2 Satz 4 lautet: „Wertgebühren können für Amtshandlungen vorgesehen werden, bei denen der Verwaltungsaufwand oder die Bedeutung der Angelegenheit maßgeblich vom Wert des Gegenstandes der Amtshandlung bestimmt wird." Zusätzlich definiert Art. 6 Abs. 3: „Wertgebühren sind Gebühren, deren Höhe nach dem Wert des Gegenstandes
264
So die Einschätzung von Wilke, S. 193; vgl. auch die Nachweise von F. Kirchhof, Gebühr, S. 63 f, zur (allerdings teilweise überholten) Gesetzeslage.
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
276
der Amtshandlung (Gegenstandswert) zu berechnen ist. Dieser Wert kann durch einen Geldbetrag oder durch eine andere geeignete Bemessungsgrundlage bestimmt werden. Die Höhe der Gebühr kann sich aus einem Prozent- oder Promillesatz diese Wertes oder aus einem festen, auf den Wert bezogenen Betrag ergeben." Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 3 darf die im bayerischen Gebührenrecht festgelegte Höchstgrenze von zur Zeit 50.000 D M bei der Erhebung von Wertgebühren überschritten werden. Anderes gilt ζ. B. für die niedersächsische Regelung, wonach sich die Bemessung nach dem Wert des Gegenstandes der Amtshandlung innerhalb der Kostendeckungsgrenze halten muß ( § 3 Abs. 2 NdsVerwKostenG). Um eine Wertgebühr bemessen zu können, legen einige Gesetze den Gebührenschuldnern eine Mitwirkungspflicht auf. In § 9 Abs. 2 BaWüLandesGebG heißt es: „Der Gebührenschuldner hat auf Verlangen den Wert des Gegenstandes nachzuweisen. Bei Verweigerung oder ungenügender Führung des Nachweises hat die Behörde den Wert auf Kosten des Gebührenschuldners zu schätzen. Sie kann sich hierbei Sachverständiger bedienen." Entsprechendes normiert z. B. § 8 Abs. 2 SaarlGebG. Dieser Überblick macht deutlich, daß die Bemessung einer Gebühr nach dem Wert der Leistung ohne weiteres gesetzlich anerkannt ist. Insofern ergeben sich aus der Befürwortung von Verleihungsgebühren keine prinzipiell neuen Probleme, vielmehr kann auf ein bestehendes gebührengesetzliches Instrumentarium zurückgegriffen werden. Das betrifft insbesondere die zuletzt angesprochenen Mitwirkungspflichen des Gebührenschuldners. Einer völlig neuen Bemessungsdogmatik bedarf es daher im Hinblick auf die Verleihungsgebühr nicht. Des weiteren kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die von Wilke vorgebrachte Kritik an der Verwendung von Wert- oder Nutzenmaßstäben berechtigt ist. Seiner Auffassung zufolge verdienen kostenorientierte Maßstäbe durchweg den Vorzug vor Nutzenmaßstäben, weil sie die wirklich erbrachte Leistung und nicht eine fiktive Eigenschaft zum Gegenstand hätten. Diese Rangordnung hält er jedoch für einen nur gebührenpolitischen Grundsatz, von dem abgewichen werden könne, wenn sich für einen kostenorientierten Maßstab keine Anhaltspunkte bieten 265 . Ein solcher Fall ist jedoch bei der Verleihungsgebühr gegeben, weil die Rechtsverleihung nicht mit Kosten einhergeht. Auch wenn man Wilkes Einschätzung teilen wollte, darf daher ein Nutzenoder Wertmaßstab Anwendung finden. Daß seine Kritik auf einem unzutreffenden, weil das Element der Kostendeckung beinhaltenden Gebührenbegriff basiert 266 und schon deshalb nicht zu überzeugen vermag, sei hier nur am Rande erwähnt. Insgesamt bleibt festzuhalten, daß sich die folgenden Erörterungen 265
266
Wilke, S. 199 ff.
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitte Β II 1, Β IV 3, Β V.
D. Bemessung und Zweck
277
auf die Frage beschränken können, welche Besonderheiten bei der Wertbemessung von Verleihungsgebühren bestehen. Völlig neue Prinzipien müssen nicht entwickelt werden.
2. Präzisierungen In der gebührenrechtlichen Literatur wird des öfteren darauf hingewiesen, daß die wertmäßige Konkretisierung eines verliehenen Rechts problematisch ist. Man bringt vor, für manche Vorteile fehlten objektivierbare wirtschaftliche Kriterien, so ζ. B. bei Einbürgerungen, Aufenthaltserlaubnissen oder Baudispensen 267 . Diese These erscheint auf den ersten Blick einleuchtend. Allerdings sei bemerkt, daß die gebührenrechtliche Praxis bisweilen anders aussieht. So heißt es in den Richtlinien für die Gebührenbemessung in Einbürgerungsangelegenheiten vom 1.8.1987 268 : „Wenn auch der verliehenen Staatsangehörigkeit an sich ein bestimmter Geldwert nicht beigemessen werden kann, so sind mit der Einbürgerung neben dem Erwerb von Rechten auch wirtschaftliche Vorteile verbunden." Es folgt eine Aufzählung solcher Vorteile, etwa das Wegfallen arbeits- und berufsrechtlicher Beschränkungen. Der mit ihnen verbundene besondere Wert oder Nutzen sei bei der Gebührenbemessung zu berücksichtigen. In der behördlichen Praxis versucht man also durchaus, auch den Wert von Einbürgerungen nach objektivierten wirtschaftlichen Kriterien zu bemessen. Daß eine Einbürgerung trotzdem kein wirtschaftlich nutzbares Recht im hier gegebenen Sinne ist und für sie deshalb keine Verleihungsgebühr erhoben werden kann, wurde bereits ausgeführt 269. Die Einbürgerungsgebühr ist vielmehr eine Verwaltungsgebühr, wofür nicht zuletzt spricht, daß die genannten Richtlinien den Verwaltungsaufwand als primär heranzuziehendes Bemessungskriterium zugrundelegen. Gleichwohl wird deutlich, daß die Gebührenpraxis der These, manche vorteilhafte Rechte seien einer Wertbemessung von vornherein nicht zugänglich, zuwiderlaufen kann. Inwiefern der Versuch, den wirtschaftlichen Wert einer Einbürgerung zu objektivieren, Erfolg haben kann, sei hier allerdings nicht weiter verfolgt. Denn die genannte These geht an der eigentlichen Problematik vorbei. Es wurde bereits dargelegt, daß die Erhebung einer Verleihungsgebühr nur dann gerechtfertigt werden kann, wenn das verliehene Recht wirtschaftlich nutzbar ist. Die Voraussetzung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit ermöglicht es 267
Pietzcker,
DVB1. 1987, 778; in diesem Sinne auch Arndt, WiVerw 1990, 35 f;
Stallknecht, S. 196. 268
269
Abgedruckt in NVwZ 1988, 232 f. S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 c.
278
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
nun aber, ein verliehenes Recht auch finanziell bewerten zu können, denn der Vorteil kann hier nach marktwirtschaftlichen Regeln ermittelt werden 270 . Daß sich der Wert eines vom Staat eingeräumten wirtschaftlich nutzbaren Rechts in einem Marktpreis ausdrücken kann, ist nichts Neues, wie bereits ein vergleichender Blick auf das Gewerberecht zeigt. So bedarf ζ. B. grundsätzlich jeder, der ein Taxiunternehmen betreiben will, einer Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz. Diese kann auf andere übertragen werden, und dadurch war es möglich, daß sich ein lukrativer Handel mit Taxikonzessionen entwikkelte, der heutzutage gang und gäbe ist und auch vom Bundesverfassungsgericht für zulässig gehalten wird 271 . Ebenso lassen sich etwa für Start- und Landerechte von Fluglinien am Markt Preise ermitteln, auch wenn die Frage ihrer Übertragbarkeit aus verschiedenen rechtlichen Gründen noch weitgehend ungeklärt sein mag 272 . Darüber hinaus wird auch mit Milchquoten, die öffentlichrechtliche Rechtspositionen darstellen, gehandelt273. Diese wenigen Beispiele zeigen bereits, daß ein wirtschaftlich nutzbares verliehenes Recht durchaus marktgängig und der vermittelte wirtschaftliche Wert bezifferbar ist. In bezug auf die Verleihungsgebühr stellt sich die Situation ähnlich dar. Eine Abweichung besteht jedoch darin, daß die verliehenen Rechte nicht von den Privaten untereinander gehandelt werden. Vielmehr ist die Behörde die einzige Anbieterin des Rechts. Die Preisbildung vollzieht sich daher nach folgendem Muster: Ist die von der Behörde verlangte Gebühr zu hoch, wird mangels Gewinnaussichten274 niemand das Recht nachfragen, ist sie zu niedrig, führt dies zu einem deutlichen Überhang an Anträgen auf Rechts Verleihung 275. Eine Rolle kann auch die von den einzelnen Nachfragenden signalisierte Bereitschaft, die Gebühr bis zu einer bestimmten Höhe zu akzeptieren, spielen. Anhand der Nachfragesituation ist es der gebührenerhebenden Behörde daher möglich, festzustellen, wieviel das Recht wert ist. Dadurch kann sich ein entsprechender fiktiver Marktpreis bilden, der sich dann auf die Höhe der Gebühr auswirkt. Der Marktpreis ist insofern fiktiv, als sich kein freier Handel mit den verliehenen Rechten etabliert, gleichwohl eine Situation von Angebot und Nachfrage besteht276. Daher ist das Vorhandensein objektivierbarer wirtschaftlicher Kriterien in bezug auf Verleihungsgebühren der hier entwickelten Konstruktion durchaus denkbar. Bei nicht kommerziellen Rechten wie etwa Aufenthaltserlaubnissen
270
Vgl. Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 99: Ein Vorteil lasse sich exakt bemessen, wenn die Leistung einen Marktwert besitzt. 271 Vgl. BVerfGE 81, 40 ff; krit. zu dieser Rechtsprechung etwa Frotscher, Rn. 339. 272 Vgl. Koenig, S. 163 ff, 421 ff, m.w.N. 273 Vgl. Holzheuser, AgrarR 1994, 249 ff. 274 Der Begriff des Gewinns ist hier, wie auch im folgenden, im oben dargestellten umfassenden Sinne zu verstehen, s.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 c. 275 Ebenso Wieland, S. 319, allgemein zu Konzessionsabgaben. 276 Wolff/Bachof/Stober, § 42 Rn. 35, sprechen von einem „künstlichen Markt".
D. Bemessung und Zweck
279
wäre ein solcher fiktiver Marktmechanismus in der Tat wohl kaum möglich, allerdings dürfen für sie keine Verleihungsgebühren erhoben werden, so daß sich bei ihnen die Bemessungsproblematik nicht stellt. Zwar muß eingeräumt werden, daß die im folgenden zu entwickelnden Bemessungsinstrumente bisweilen nur recht vage Vorgaben bilden. Letztlich kann der Wert eines verliehenen Rechts wohl immer nur näherungsweise, nicht aber ganz exakt beziffert werden 277 . Allerdings wäre es verfehlt, aus diesem Umstand grundsätzliche Bedenken gegen das Rechtsinstitut der Verleihungsgebühr ableiten zu wollen. So behauptet Pietzcker, die Bemessung einer Verleihungsgebühr sei nicht möglich, weil bei ihr das Kostenelement keine Rolle spiele. Dies stelle aber bei herkömmlichen Gebührenarten „immer den verläßlichen Hintergrund dar, vor dem sich eine Bemessung auch nach anderen Gesichtspunkten, etwa dem zugewendeten Vorteil, vornehmen läßt" 278 . Unklar bleibt hier jedoch zunächst, warum sich eine Bemessung nach dem zugewandten Vorteil auf einmal dann als weniger problematisch erweisen soll, wenn die erbrachte Leistung mit Kosten einhergeht. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß die Einschätzung, die Gebührenbemessung nach den Kosten der Leistung sei wesentlich verläßlicher als diejenige nach dem Vorteil, auf einer Verkennung der Schwierigkeiten beruht, welche auch eine Kostenermittlung mit sich bringt. In der Betriebswirtschaftslehre ist der Kostenbegriff nämlich nicht eindeutig definiert, vielmehr zerfließen seine Grenzen je nach dem Ziel der Kostenrechnung 279 . Darüber hinaus lassen sich die Kosten einer Verwaltungsmaßnahme allenfalls im Hinblick auf die Höhe der Einzelkosten zuverlässig abgrenzen. Zu den Kosten einer Maßnahme gehört aber auch ein angemessener Anteil an den Gemeinkosten des Verwaltungsträgers; hinzu kommt, daß bei manchen Verwaltungsleistungen überhaupt nur Gemeinkosten anfallen. Die Kosten lassen sich also genausowenig exakt quantifizieren wie ein Vorteil, beide Bemessungsmaßstäbe enthalten daher zwangsläufig eine Dezision 280 . Die Kritik Pietzckers verfängt somit nicht. Entgegen den oben zitierten Stimmen besteht also die Problematik der Bemessung von Verleihungsgebühren nicht darin, daß es von vornherein keine
277
Zu optimistisch daher Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 99, der eine exakte Bemessung bei marktfähigen Vorteilen für möglich hält (s. auch ders., in: Festschrift für Geiger, S. 535). In gegenteiliger Richtung zu weitgehend jedoch Stallknecht, S. 196, der die Bemessung des Vorteils als eine weitgehend politische Entscheidung ansieht; so auch Arndt, WiVerw 1990, 36. Zum Ganzen nachfolgend im Text. 278 Pietzcker, DVB1. 1987, 778; in diesem Sinne auch Arndt, WiVerw 1990, 35 f. 279 F. Kirchhof, Gebühr, S. 65; s. auch Giesen, KStZ 1995, 28 ff. 280 Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 99; ders., in: Festschrift für Geiger, S. 535; ähnlich P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 200; vgl. auch Stallknecht, S. 197.
280
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
Kriterien geben kann, welche die wertmäßige Bezifferung des verliehenen Rechts ermöglichen. Vielmehr ist näher zu untersuchen, wie die Kriterien lauten, die sinnvollerweise heranzuziehen sind 281 , damit das mit der Vorteilsbemessung bisweilen einhergehende Maß an Dezision nicht in einen Willkürakt umschlägt. Dieser Thematik ist nun im folgenden nachzugehen.
3. Mögliche Kriterien Im Rahmen der Erhebung von Verleihungsgebühren ist es denkbar, daß der Gesetzgeber der gebührenerhebenden Behörde keinerlei Vorgaben macht, wie hoch sie den Gebührenbetrag genau zu wählen hat, sondern lapidar bestimmt daß sich die Höhe der Gebühr nach dem Wert des verliehenen Rechts bemißt. In einem solchen Fall obliegt es allein der Behörde, diesen Wert zu beziffern. Fraglich ist dann, welcher Kriterien sie sich sinnvollerweise bedient, um die Gebührenhöhe sachgerecht festzulegen. Die im folgenden dargestellten Kriterien kann jedoch nicht nur die Behörde, sondern - soweit möglich - auch der Gebührengesetzgeber heranziehen, wenn er die Gebührenhöhe selbst regeln will.
a) Der Betrag des tatsächlich Erwirtschafteten Es bietet sich an, den Wert des verliehenen Rechts mit den finanziellen Erträgen 282 gleichzusetzen, die infolge der wirtschaftlichen Ausnutzung des Rechts im Laufe eines bestimmten Zeitraums erzielt worden sind. Die Höhe der Verleihungsgebühr könnte dementsprechend nach einem festen Prozentsatz des Ertrages bemessen werden. Gegen eine solche Vorgehensweise bestünden jedoch möglicherweise folgende Bedenken. Das Äquivalenzprinzip zwingt dazu, die Höhe der Gebühr in bezug zur erbrachten Leistung angemessen zu gestalten. Letztere besteht bei einer Verleihungsgebühr in der Verleihung eines Rechts, so daß allein diese, nicht jedoch die Ausübung des Rechts den tatbestandlichen Anknüpfungspunkt bildet 283 . Wollte man nun aber die Höhe der Verleihungsgebühr an dem Betrag des tatsächlich Erwirtschafteten orientieren, 281
Hingewiesen sei darauf, daß die Überlegungen Steins, DÖV 1960, 289 f, zur allgemeinen Frage der Bewertung gebührenrechtlicher Vorteile fur die hier in Rede stehende Problematik nicht hilfreich sind. 282 Dieser Begriff ist hier, wie auch im folgenden, im oben dargestellten umfassenden Sinne zu verstehen, s.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 c. 283 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 3.
D. Bemessung und Zweck
281
könnte man daran kritisieren, eine solche Bemessungsweise werde dem Gebührentatbestand nicht gerecht, weil es zu einer Belastung der Rechtsausübung und nicht der Rechtsinnehabung komme 284 . Derartige Bedenken würden jedoch nicht berücksichtigen, daß die Erzielung von Erträgen entscheidend auf die Innehabung des Rechts zurückzufuhren ist. Diese bildet den Anfang der Kausalkette, deren Ende der Gewinn ist. Ohne die Rechtsverleihung wäre ein solcher nie entstanden. Daher ist die finanzielle Bewertung des Rechts anhand des tatsächlich Erwirtschafteten letztlich eine Belastung der Rechtsinhaberschaft selbst und steht nicht in Widerspruch zum Gebührentatbestand. Darüber hinaus ist der Tatbestand der Verleihungsgebühr nicht dahingehend mißzuverstehen, daß der Ausübung des verliehenen Rechts bzw. der tatsächlichen Erzielung eines Ertrages überhaupt keine Bedeutung mehr zukommen darf. Das Anknüpfen an die bloße Rechtsinhaberschaft erfolgt vielmehr vor dem Hintergrund, daß allein schon das Vorhandensein des Rechts einen wirtschaftlichen Wert darstellt, auf den mittels einer Gebührenerhebung zugegriffen werden soll. Bereits die Rechtsinhaberschaft bewirkt eine rechtfertigungsbedürftige ungleiche Lage, die mit der Erhebung einer Verleihungsgebühr ganz oder teilweise eingeebnet wird. Insofern kann es auf die Ausübung als solche nicht mehr ankommen. Die Gebührenpflicht besteht unabhängig davon, ob tatsächlich Erträge erzielt wurden. Wenn aber der Rechtsinhaber das Recht wirtschaftlich gewinnbringend nutzt, liegt es auf der Hand, daß der Höhe des Ertrages entscheidende Bedeutung für die wertmäßige Bezifferung des Rechts zukommt, denn in ihm schlägt sich der Wert des Rechts direkt nieder. Ist das Recht wertlos, entsteht kein Gewinn, ist es besonders lukrativ, spiegelt sich das in hohen Erträgen wider. Somit gilt: Nutzte der Rechtsinhaber das Recht tatsächlich aus, so kann das Erwirtschaftete zur Grundlage der Gebührenbemessung gemacht werden. Anknüpfungspunkt der Gebührenerhebung bleibt auch in einem solchen Fall die Innehabung des Rechts.
b) Der Betrag des fiktiv Erwirtschafteten Wird das Recht, aus welchen Gründen auch immer, nicht oder nur in geringem Maße wirtschaftlich verwertet, so daß keine oder nur unwesentliche Gewinne erzielt wurden, bleibt eine Gebührenerhebung trotzdem möglich, da der tatbestandliche Anknüpfungspunkt in der bloßen Rechtsinhaberschaft besteht. Es könnte hierfür manchmal deshalb ein gebührenpolitisches Bedürfnis beste-
284
F. Kirchhof, DVB1. 1987, 555, und Horn, S. 199, halten sowohl eine Bemessung nach der Rechtsausübung als auch nach der Rechtsinnehabung gleichrangig für möglich. Ersteres ist jedoch nach hier vertretener Auffassung abzulehnen.
282
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
hen, weil auf den Rechtsinhaber ein wirtschaftlicher Druck dahingehend ausgeübt werden soll, das verliehene Recht auch tatsächlich auszunutzen. Erteilt der Staat etwa eine Abfallentsorgungslizenz 285, hat die Allgemeinheit ein großes Interesse daran, daß von ihr auch Gebrauch gemacht wird, um eine geordnete Abfallentsorgung zu gewährleisten. Die Bemessung der Verleihungsgebühr muß sich in einem solchen Fall jedoch nach anderen Maßstäben richten, auf die im folgenden einzugehen ist.
aa) Der gebührenrechtliche
Wahrscheinlichkeitsmaßstab
Wenn die Höhe des tatsächlich erzielten Ertrages als Maßstab für die finanzielle Bewertung des Rechts ausfällt, ist es erforderlich, auf entsprechende Vermutungen zurückzugreifen. Dieser Umstand wirft jedoch als solcher keine besonderen gebührenrechtlichen Probleme auf. Seit jeher ist nämlich anerkannt, daß der Wert der erbrachten Leistung vielfach nur nach Wahrscheinlichkeit und Vermutung vergröbert bestimmt und pauschaliert werden darf, wenn eine exakte Berechnung nicht möglich ist. Man spricht in diesem Fall von der Verwendung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes. Im Gegensatz dazu steht der Einsatz eines Wirklichkeitsmaßstabes, dem wegen seiner höheren Aussagekraft gegenüber dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab Priorität zukommt 286 . Daher ist der Betrag eines tatsächlich erzielten Gewinns die vorrangig heranzuziehende Bemessungsgrundlage, auf denjenigen des fiktiv Erwirtschafteten darf nur subsidiär zurückgegriffen werden. Im hier gegebenen Rahmen kann auf die mit der Verwendung von Wahrscheinlichkeitsmaßstäben im allgemeinen verbundenen Schwierigkeiten nicht im einzelnen eingegangen werden. Hierzu besteht auch kein Bedürfnis, denn diese stellen sich bei jeder Gebührenbemessung, nicht nur bei der Verleihungsgebühr. Es kann daher auf die allgemeinen Grundsätze zurückgegriffen werden 287 . Im hier gegebenen Zusammenhang stellt sich in erster Linie die Frage, wie ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab gestaltet sein muß, damit er speziell im Rahmen der Bemessung von Verleihungsgebühren Anwendung finden kann 288 . Wie bei jeder Gebühr besteht auch hier die entschei-
285
entgelt.
Vgl. u. 5. Teil, Gliederungsabschnitt Β II zum nordrhein-westfälischen Lizenz-
286 F. Kirchhof, Gebühr, S. 154 f; P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 206; ders., Jura 1983, 512 f; Wilke, S. 209 ff, 214 f m.w.N. 287 S. hierzu insbesondere Wilke, S. 210 ff, 225 ff; aber auch F. Kirchhof, Gebühr, S. 154 f; jew. m.w.N. 288 Das ist eine Thematik, die von Wieland, S. 320, überraschenderweise völlig vernachlässigt wird, obwohl auch er die Anwendung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für zulässig hält, wenn der Vorteil einer Konzessionsabgabe bemessen werden soll.
D. Bemessung und Zweck
283
dende Anforderung darin, daß der Wahrscheinlichkeitsmaßstab sachgerecht sein muß, um einen Rückschluß auf den Wert der erbrachten Leistung zuzulassen289. Es ist daher zu prüfen, aus welchen Kriterien der wahrscheinliche Wert des Rechts gefolgert werden kann, wenn tatsächlich keine Erträge erzielt wurden. Daß das Recht wirtschaftlich wertvoll ist, steht fest, ansonsten wäre die Erhebung einer Verleihungsgebühr schon nicht gerechtfertigt 290. Fraglich ist daher nur, wie hoch dieser Wert zu beziffern ist. Dabei ist von folgender Überlegung auszugehen. Hat der Rechtsinhaber infolge der Rechtsausnutzung Gewinne erwirtschaftet, besitzen diese entscheidende Bedeutung hinsichtlich des Wertes des Rechts. Erzielte er jedoch keinen oder nur einen unwesentlichen Gewinn, kommt diese Bedeutung demjenigen Betrag zu, den er nach regelmäßigem Verlauf der Dinge hätte erzielen können. Eine solche, nunmehr fiktive Größe läßt ebenso begründete Schlüsse auf den Wert des verliehenen Rechts zu wie die Höhe eines tatsächlich erzielten Gewinns. Demzufolge ist ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der für die Bemessung von Verleihungsgebühren geeignet sein soll, dann sachgerecht, wenn er aus Kriterien besteht, die eine Antwort auf die Frage geben, welchen Gewinn der Rechtsinhaber möglicherweise erzielt hätte. Die wahrscheinliche Höhe des Wertes eines Rechts entspricht somit dem Betrag des fiktiv Erwirtschafteten. Dieser Thematik soll nun im folgenden nachgegangen werden. Es ist zu erörtern, wie sich der fiktive Gewinn ermitteln läßt.
bb) Das Instrument der Schätzung im Steuerrecht Die Höhe eines fiktiven Gewinns kann allein im Wege einer Schätzung ermittelt werden. Das Instrument der Schätzung ist im Abgabenrecht nicht unbekannt291. So bestimmt § 162 Abs. 1 AO, daß die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen hat, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann; dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Der Begriff der Besteuerungsgrundlage ist mehrdeutig und wird in der Abgabenordnung nicht einheitlich verwendet 292. Einigkeit besteht jedoch darin, daß man im Rahmen des § 162 Abs. 1 AO u.a. auch
289
Vgl. Wilke, S. 212 f, 218 f; ähnlich F. Kirchhof, Gebühr, S. 155. S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2. 291 S. hierzu z. B. Barocka, DVB1. 1967, 603 ff m.w.N. auch zu kritischen Stimmen. Diesen soll hier nicht im einzelnen nachgegangen werden, weil die Zulässigkeit abgabenrechtlicher Schätzungen heute nicht mehr grundsätzlich bestritten wird. Auch die Gesetzeslage geht hiervon aus, dazu nachfolgend im Text. 290
292
Tipke/Lang,
§ 7 Rn. 31.
284
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
die Höhe eines erzielten Gewinns, Umsatzes oder Ertrages zu den Besteuerungsgrundlagen zählen muß 293 . Hierauf darf sich also (neben anderem) die Schätzung beziehen, grundsätzlich aber nicht auf die Steuer selbst 294 . Die Ursache für die fehlende Berechenbarkeit kann insbesondere darin liegen, daß ein sicheres Ermitteln von Natur aus nicht möglich ist, ζ. B. in Bewertungsangelegenheiten 295 . Inhaltlich versteht man unter einer Schätzung das Ziehen von Schlußfolgerungen aus Faktoren oder Indizien in der Weise, daß in bezug auf die Quantität der Sachverhalt mit der größten Wahrscheinlichkeit zugrundegelegt wird 2 9 6 . Die Schätzung muß in sich schlüssig und ihr Ergebnis wirtschaftlich vernünftig und möglich sein 297 . Diese steuerrechtlichen Erkenntnisse können prinzipiell für die vorliegend in Rede stehende gebührenrechtliche Problematik fruchtbar gemacht werden, denn auch hier geht es darum, die Höhe eines Gewinns im Wege der Schätzung ermitteln zu müssen. Ein Unterschied besteht jedoch insofern, als im Rahmen des § 162 Abs. 1 A O ein Gewinn tatsächlich erzielt wurde und nur dessen Höhe nicht zu ermitteln oder zu berechnen ist. Die Schätzung umfaßt nicht die Tatsache, ob überhaupt Gewinne erzielt wurden 298 . Demgegenüber wurde im hier gegebenen gebührenrechtlichen Zusammenhang kein oder nur ein unwesentlicher Ertrag erwirtschaftet. Das schließt jedoch die Übertragbarkeit der steuerrechtlichen Prinzipien nicht aus, denn in jedem Fall geht es um die schätzungsweise festzulegende Höhe eines Gewinns. Eine weitere Parallele besteht darin, daß hier wie dort nicht der zu zahlende Steuer- bzw. Gebührenbetrag als solcher zu schätzen ist, sondern lediglich seine Grundlage. Hinzu kommt die Tatsache, daß § 162 A O im kommunalen Abgabenwesen, welches auch die Erhebung von Gebühren betrifft, entsprechend anzuwenden ist 299 . Ferner greifen einzelne landesrechtliche Regelungen über nichtsteuerliche Wasserentnahmeabgaben auf das Instrument der Schätzung zurück, wenn die Bemessungsgrundlage nicht festgestellt werden kann 300 . A l l dies erlaubt es, die steuerrechtlichen Erkenntnisse auf die hier gegebene gebührenrechtliche Problematik zu übertragen.
293 Kruse, § 14 I 3; Tipke, ke/Lang, § 22 Rn. 215.
in: Tipke/Kruse,
294
Kruse, § 17 II 4; Tipke/Lang,
295
Tipke/Lang, Tipke/Lang,
296
§ 22 Rn. 215 m.w.N. auch auf a. A.
§ 22 Rn. 213. § 22 Rn. 215.
297
BFHE 142, 558 (563).
298
Tipke/Lang,
299
AO - FGO, § 162 AO Rn. 8 b; Tip-
§ 22 Rn. 215.
S. z. B. § 4 Nr. 4 lit. b HessKAG. 300 § 17b Abs. 4 BaWüWG; § 41 Abs. 4 BbgWG; § 1 Abs. 4 HambGruwaG; § 2 Abs. 2 HessGruwAG; § 17 Abs. 4 MeVoWG; § 47d Abs. 1 Nr. 9 NdsWG; § 5 Abs. 3 Satz 3 SHGruWAG; § 32 Abs. 4 ThürWG.
D. Bemessung und Zweck
285
Das betrifft nicht nur die bereits angesprochenen Anforderungen an eine Schätzung, wonach sie schlüssig und ihr Ergebnis wirtschaftlich vernünftig sein muß. Auch die Schätzungsmethoden können grundsätzlich entsprechend angewendet werden. Im Rahmen des § 162 AO sind insbesondere der sog. innere und äußere Betriebsvergleich gebräuchlich. Der innere Betriebsvergleich verwendet vergleichbare Daten aus demselben Betrieb, der äußere Betriebsvergleich solche aus verschiedenen Betrieben gleicher Art und Größe. Der innere Betriebsvergleich ist durchweg zuverlässiger als der äußere. Bei letzterem kommt hinzu, daß die Finanzbehörde wegen des Steuergeheimnisses die Vergleichsbetriebe nicht nennen darf. Das bezieht sich jedoch nur auf deren namentliche Bezeichnung, die Vergleichsdaten sind hingegen mitzuteilen 301 . A u f die Frage, inwieweit das Instrument des Betriebsvergleichs zur Bemessung von Verleihungsgebühren (ggf. abgewandelt) eingesetzt werden kann, wird zurückzukommen sein. Ob auch noch andere Schätzungsmethoden, die im Rahmen von § 162 A O herangezogen werden 302 , Verwendung finden können, muß zurückhaltender beurteilt werden, weil sie zu sehr auf steuerrechtliche Bedürfnisse zugeschnitten sind. Jedenfalls zeigt der vergleichende Blick auf das Steuerrecht, daß die im Rahmen der Bemessung von Verleihungsgebühren auftretende Problematik, den Wert des verliehenen Rechts schätzungsweise beziffern zu müssen, kein abgabenrechtliches Neuland darstellt. Auch in dieser Hinsicht ist für prinzipielle Vorbehalte gegenüber diesem Gebührentyp kein Raum.
cc) Die Schätzung des Wertes verliehener Rechte Wenn der Wert eines verliehenen Rechts anhand einer Schätzung ermittelt werden soll, muß diese bestimmten Anforderungen entsprechen. Sie darf nicht willkürlich erfolgen und muß das Ziel haben, denjenigen Betrag festzustellen, der bei Berücksichtigung aller mit zumutbarem Aufwand feststellbaren Umstände die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit besitzt. Ferner ist der Gebührenpflichtige vor der Schätzung zu hören, damit auch die ihm günstigen tatsächlichen Grundlagen der Schätzung Berücksichtigung finden können 303 . Diese allgemeinen Voraussetzungen werfen keine besonderen Probleme auf.
301
S. zum Ganzen Kruse, § 17 II 4 mit Fußn. 71; Tipke, in: Tipke/Kruse, AO - FGO, § 162 AO Rn. 8; jew. m.w.N. 302 S. dazu Kruse, § 17 II 4 Fußn. 72 - 74; Tipke, in: Tipke/Kruse, AO - FGO, § 162 AO Rn. 8a - 8c; jew. m.w.N. 303 So bez. der allgemeinen Anforderungen an eine Schätzung kommunaler Abgaben Barocka, DVB1. 1967, 606.
286
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
Wichtiger ist es, der Frage nachzugehen, welche konkreten Schätzungskriterien im hier interessierenden Zusammenhang herangezogen werden können. Diesbezüglich bietet sich an, das soeben angespochene Instrument des äußeren und inneren Betriebsvergleichs fruchtbar zu machen. Denn in der Regel wird es so sein, daß ein Recht nicht nur einzelnen, sondern mehreren Personen verliehen wird. In einem solchen Fall kann ermittelt werden, welcher Gewinn von anderen Rechtsinhabern durchschnittlich erwirtschaftet wurde. Dieser Wert wird grundsätzlich mit dem Wert des verliehenen Rechts identisch sein. Es ist wichtig, in diesem Zusammenhang nur auf den Durchschnittswert der Erträge abzustellen. Besonders hohe oder besonders niedrige Erträge müssen außer Betracht bleiben, weil diese wohl eher auf die wirtschaftliche Fähigkeit des einzelnen Unternehmers zurückzufuhren sind, nicht aber den objektiven Wert des verliehenen Rechts widerspiegelt. Insofern ergibt sich eine Parallele zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Hiernach ist beim Maßstab des wirtschaftlichen Interesses, der im Rahmen der Bemessung von Sondernutzungsgebühren nach § 8 BFStrG Bedeutung besitzt, eine typisierende, an den Regelfall anküpfende und die Besonderheiten atypischer Einzelfälle außer acht lassende generalisierende Betrachtung anzustellen. Maßgebend sei „der objektivierte wirtschaftliche Nutzen", ein „besonders großer oder geringer wirtschaftlicher Vorteil einzelner Gebührenschuldner (sei) unbeachtlich" 304 . Dieser Rechtsprechung kommt auch im vorliegenden Zusammenhang Bedeutung zu. Darüber hinaus ist zu beachten, daß die einzelnen Gewinne unter im wesentlichen gleichen Bedingungen erwirtschaftet werden müssen, ansonsten würde es an der Vergleichbarkeit mangeln. Nicht nur der erzielte Gewinn anderer Rechtsinhaber, sondern auch das von demselben Rechtsinhaber bisher Erwirtschaftete kann als Bewertungskriterium herangezogen werden. So spricht ζ. B. vieles dafür, daß der Gewinn eines zurückliegenden Jahres demjenigen des nachfolgenden Jahres entsprechen wird. Voraussetzung ist jedoch auch hier wieder, daß im wesentlichen gleiche Bedingungen herrschen. Neben dieser Schätzungsmethode, die dem äußeren bzw. inneren Betriebsvergleich des Steuerrechts nachgebildet ist, stellt der Gebührenbetrag, der von anderen Rechtsinhabern gezahlt wurde, ein weiteres Bewertungskriterium dar. Wenn die Nachfrage nach dem Recht auch unter Berücksichtigung der zu entrichtenden Gebühr nicht zum Erliegen kam, läßt dieser Umstand den Schluß darauf zu, daß das Recht immer noch lukrativ genug sein muß. Wäre die Gebühr zu hoch, würde niemand mehr das Recht verlangen. Die Nachfragesituation ist also ein Indiz für den wirtschaftlichen Wert des Rechts. Hinzu kommt,
304
BVerwG Buchholz 407.4 § 8 FStrG Nr. 20 (S. 5).
D. Bemessung und Zweck
287
daß die Bemessung der Verleihungsgebühr nach dem, was andere Interessenten auch gezahlt haben, in besonderem Maße den Anforderungen der Gebührengleichheit entspricht. Schließlich ist es denkbar, daß die gebührenerhebende Behörde auf internen oder externen Sachverstand zurückgreift, um den Marktwert des verliehenen Rechts fiktiv zu ermitteln. Ein solches Verfahren ist für den Bereich der Gerichtsgebühren, die sich nach dem Wert des Streitgegenstandes richten, anerkannt 305 und wurde für Wertgebühren von einigen landesrechtlichen Regelungen ausdrücklich normiert 306 . Das Instrument der Marktforschung ist im marktwirtschaftlichen System etabliert, so daß ihm auch im Bereich der Bemessung von Verleihungsgebühren Bedeutung zukommen kann. Es wäre hier zu untersuchen, wieviel Gewinn erzielt werden könnte, wenn man das in dem Recht verkörperte wirtschaftliche Potential ausnutzen würde. Allerdings wird dieses Kriterium wegen des mit ihm verbundenen Aufwands praktisch wohl nur selten herangezogen werden. Bedeutung erlangt es aber dann, wenn die Gegebenheiten, anhand derer der Wert des Rechts ermittelt werden soll, manipuliert wurden, etwa durch künstliches Herunterrechnen der Erträge oder durch Absprachen der Nachfrager, für das Recht nur einen bestimmten Preis zu zahlen, so daß die Behörde annehmen soll, das angebotene Recht sei mehr nicht wert. Insgesamt lassen die genannten Kriterien einen begründeten Schluß darauf zu, welchen Ertrag der Rechtsinhaber möglicherweise erzielt hätte, wenn es zur Ausnutzung des Rechts gekommen wäre. Werden sie vom Wahrscheinlichkeitsmaßstab, den die gebührenerhebende Behörde in einem solchen Fall anlegen will, berücksichtigt, ist den Anforderungen der Sachgerechtigkeit des Maßstabes Genüge getan, denn der Wert des verliehenen Rechts kann mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden.
c) Ergebnis Zusammenfassend ergibt sich, daß der Wert eines verliehenen Rechts anhand folgender Kriterien beziffert werden kann: Vorrangige Bedeutung besitzt der tatsächlich erzielte Gewinn. Wurde kein oder nur ein unwesentlicher Gewinn erwirtschaftet, kann der Wert des Recht aus den Erträgen anderer vergleichbarer Rechtsinhaber oder den bisherigen Erträgen desselben Rechtsinhabers gefolgert werden. Darüber hinaus kann die jeweilige Nachfragesituation 305 306
Vgl. § 26 GKG. Vgl. § 9 Abs. 2 Satz 3 BaWüLandesGebG, § 8 Abs. 2 SaarlGebG.
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
288
relevant werden. Schließlich stehen noch die herkömmlichen Instrumente der Marktforschung zur Verfügung.
4. Sonstige Bemessungsvorgaben Auch bei Verwendung der soeben dargestellten Kriterien besteht immer noch ein Restpotential an Bemessungsunsicherheit. Dieses muß so gering wie möglich gehalten werden, oder umgekehrt: Die Maßstäbe der Gebührenbemessung haben eine größtmögliche Genauigkeit aufzuweisen. Empfehlenswert ist daher der Einsatz folgender Instrumentarien, die im Gebührenrecht seit jeher ihren angestammten Platz haben und deshalb auch bezüglich der Erhebung von Verleihungsgebühren keine grundsätzlich neuen Probleme aufwerfen. Sie richten sich, anders als die im vorangegangenen Gliederungsabschnitt entwikkelten Kriterien, in erster Linie an den Gesetzgeber, der die Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der gebührenbemessenden Behörde bereitstellt. Neben der Anordnung starrer Gebührensätze kommt die Festlegung eines Gebührenrahmens durch den Gesetzgeber in Betracht. Bei derartigen Rahmengebühren wird der zulässige Gebührenumfang durch absolute DM-Beträge angeordnet, und der im einzelnen zu zahlende Betrag ist von der gebührenerhebenden Stelle festzusetzen 307. Die Behörde und der Gebührenschuldner können dadurch den Mindest- und sowie den Höchstbetrag einer Verleihungsgebühr vorhersehen, was ein Schritt zu größerer Bemessungssicherheit ist. Ein weiterer Effekt besteht darin, daß ein fester Gebührenhöchstbetrag die in manchen Fällen existierende Gefahr der „Preistreiberei" vermeiden hilft. Die um ein begrenztes Kontingent an Rechten konkurrierenden Nachfrager können der Behörde nicht mehr uneingeschränkt hohe Zahlungen versprechen, um das Recht verliehen zu bekommen und dadurch Mitbewerber aus dem Feld zu schlagen. Zusätzlich ist es möglich, daß sich der Gebührenbetrag nach einem bestimmten Prozentsatz des tatsächlich erzielten Gewinns bemißt. Ein solches Vorgehen würde dem steuerrechtlichen Prinzip entsprechen, wonach eine Steuer die Zahlungsfähigkeit, also das tatsächlich Erworbene, nicht aber die bloße Erwerfofähigkeit belastet308. Allerdings ist es bei der Bemessung von Verleihungsgebühren zulässig, einen bestimmten Prozentsatz des fiktiven Gewinns als Gebühr zu erheben und dadurch, anders als im Steuerrecht, die bloße Erwerbsfähigkeit zu belasten. Das ist deshalb möglich, weil jede Gebühr, im Gegensatz zur voraussetzungslos geschuldeten Steuer, ein Entgelt für eine erbrachte Leistung darstellt und die Bemessung deshalb leistungsorientiert sein 307
308
F. Kirchhof,
P. Kirchhof
Gebühr, S. 64; Wilke, S. 193.
HStR IV, § 88 Rn. 69.
D. Bemessung und Zweck
289
muß 309 . Diese besteht bei der Verleihungsgebühr aber allein in der Rechtsverleihung, und die Gebührenerhebung nimmt die bloße Rechtsinhaberschaft zum Anknüpfungspunkt 310 . Daher ist im Gebührenrecht sowohl die in einem Prozentsatz ausgedrückte Gebührenbelastung des Erworbenen als auch die Belastung dessen, was erworben werden könnte, zulässig, in beiden Fällen wird das geleistete Recht entgolten. Zu beachten ist jedoch, daß eine prozentuale Bemessung nach dem Umsatz grundsätzlich nicht sachgerecht ist 311 , denn eine Verleihungsgebühr verfolgt allein den Zweck, den in der Rechtsverleihung liegenden Vorteil abzuschöpfen 312. Der wirtschaftliche Nutzen eines verliehenen Rechts drückt sich aber im erzielten Gewinn oder in ersparten Aufwendungen, nicht aber im Umsatz aus. Wenn eine solche prozentuale Bemessung mit einer Rahmenbemessung kombiniert würde, stellte letztere eine absolute Kappungsgrenze dar. Der im Gebührenrahmen als oberster Wert festgelegte DM-Betrag dürfte nicht überschritten werden, auch wenn der tatsächlich erzielte Gewinn höher ausgefallen ist. Entsprechendes gilt für die untere Grenze. Schließlich wäre noch eine gesetzlich geregelte zeitliche Staffelung der Gebührenerhebung empfehlenswert. Die Unsicherheit, den Wert eines verliehenen Rechts zu beziffern, wird desto geringer, je mehr Daten man über die tatsächlich erwirtschafteten Erträge desselben oder anderer vergleichbarer Rechtsinhaber besitzt. Wenn nun innerhalb eines bestimmten Zeitraums, ζ. B. von einem Jahr, ermittelt wird, wie hoch der erzielte Gewinn ist, könnte man diesen Wert bei einer Neufestsetzung der Verleihungsgebühr berücksichtigen. Das wäre aber nur möglich, wenn die Gebühr nicht nur zum Zeitpunkt des Rechtsverleihungaktes erhoben wird, denn dann ist nur eine prognostische Schätzung des Gewinnbetrages möglich. Vielmehr müßte sie nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums neu erhoben werden, damit die Gebührenhöhe unter Berücksichtigung des Erwirtschafteten neu festgesetzt werden kann. Dies kann zu einem höheren, aber auch zu einem niedrigeren Gebührenbetrag führen. Vor diesem Hintergrund trifft es zu, die Verleihungsgebühr als eine laufende Gebühr anzusehen313. Eine Einschränkung ist jedoch zu machen, wenn es um zeitlich befristet verliehene Rechte geht. Dann kann es bei einer einmaligen Gebührenzahlung bleiben, wenn die Frist derart kurz bemessen ist, daß eine zeitliche Über-
309
Vgl. Wilke, S. 196. Das von ihm daneben favorisierte Gebot der Kostenorientierung kann jedoch nach hier vertretenem gebührendogmatischen Verständnis nicht anerkannt werden, s.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitte Β V und C II. 310 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 3. 311
312
So aber Wolff/Bachof,
S. 312; Wolff/Bachof/Stober,
§ 42 Rn. 35.
S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D I.
313
Arndt, WiVerw 1990, 26; F. Kirchhof Wolff/Bachof, S. 312; Wolff/Bachof/Stober, 19 Heimlich
DVB1. 1987, 555; Vogel, EvStL, Sp. 11; § 42 Rn. 35.
290
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
prüfung der Gebührenhöhe wenig praktikabel ist. Bei Zeiträumen von unter einem Jahr wird dies wohl gegeben sein.
5. Die gerichtliche Kontrolldichte Trotz aller verwendbaren Bemessungskriterien ist bisweilen eine völlig exakte Bezifferung des Wertes eines verliehenen Rechts unmöglich. Ein solcher Rest an Bemessungsunsicherheit tritt jedoch nicht nur bei Verleihungsgebühren, sondern ζ. B. auch bei kostenorientierten Gebühren auf, wie bereits dargestellt wurde 314 , so daß sich aus diesem Umstand keine prinzipiellen Bedenken gegen den Gebührentyp der Verleihungsgebühr ergeben. Es bleibt jedoch zu untersuchen, welche Konsequenzen eine solche Situation für die gerichtliche Kontrolldichte nach sich zieht. Es wäre nämlich denkbar, daß der Verwaltung oder dem Gesetzgeber ein gerichtlich nicht überprüfbarer Einschätzungsspielraum zusteht, wenn es darum geht, den Wert eines eingeräumten Rechts zu bemessen. Dabei ist zunächst auf den Fall einzugehen, in dem vom Gebührengesetzgeber nur sehr grobe Bemessungsvorgaben gemacht werden, so daß die endgültige Festlegung der genauen Gebührenhöhe der Behörde obliegt. Die Bemessung nach dem Wert des verliehenen Rechts verlangt dann von der Verwaltung, den ihr verbleibenden Bemessungsspielraum durch eine eigene Wertung auszufüllen. Das ist insbesondere gegeben, wenn der Wert des Rechts anhand eines nur fiktiven Gewinns im Wege der Schätzung festgestellt werden muß, weil tatsächlich keine Erträge erzielt wurden. Der Begriff „Wert des verliehenen Rechts" ist daher ein normativer Begriff, weil er die Verwaltung dazu zwingt, eine eigene Einschätzung abzugeben. Solche normativen Gebührenbemessungsbegriffe können, der (wenngleich bestrittenen 315) Terminologie des allgemeinen Verwaltungsrechts zufolge, keine Ermessenbegriffe sein 316 , weil eine echte Wahlmöglichkeit der Verwaltung bei der Gebührenfestsetzung fehlt. Vielmehr handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher der Verwaltung sowohl Raum zur eigenen Einschätzung beläßt als auch eine Be-
314
S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D II 2. Dafür etwa Maurer, § 7 Rn. 7 ff, 26 ff; Ossenbühl, in: Erichsen, § 10 Rn. 10 ff, 23 ff; dagegen ζ. B. Starck, in: Festschrift für Sendler, S. 167 ff m.w.N. 316 Irreführend daher § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG, wonach in nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten der für die Höhe der Gerichtsgebühr maßgebende Wert des Streitgegenstandes „nach Ermessen zu bestimmen" ist. Man hat es hier vielmehr mit einem unbestimmten Rechtsbegriff zu tun, dazu nachfolgend im Text. 315
D. Bemessung und Zweck
291
wertungspflicht auferlegt 317 . F. Kirchhof vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, daß der Behörde im Rahmen normativer Bemessungsbegriffe eine „genuine Einschätzungsprärogative" zukomme mit der Folge, daß nur eine beschränkte gerichtliche Kontrolldichte besteht. Man habe es mit einem unbestimmten Rechtsbegriff zu tun, welcher der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum überlasse. Das ergebe sich aus der Ausfullungsbedürftigkeit normativer Bemessungsbegriffe 318. Dieser Schluß vermag jedoch, zumindest was den hier gegebenen Zusammenhang betrifft, nicht zu überzeugen. F. Kirchhof geht davon aus, daß der gesetzliche Gebührentatbestand eine Bemessung nach dem Vorteil, Nutzen, Interesse, Wert usw. ausdrücklich vorschreibt 319 . Aus diesem Grunde kann er dazu kommen, die normativen Bemessungstatbestände als unbestimmte Rechtsbegriffe im Sinne der herkömmlichen verwaltungsrechtlichen Terminologie anzusehen. Das ist zwar deshalb folgerichtig und zutreffend, weil diese Bezeichnung insofern zu weit gefaßt ist, als hiermit allein die in geschriebenen Gesetzen verwendeten Rechtsbegriffe gemeint sind 320 . Benutzt also das Gesetz selbst einen normativen Bemessungsbegriff, mag man ihn als unbestimmten Rechts-, oder besser: Gesetzesbegriff 21 bezeichnen; die Folge wäre eine umfassende Auseinandersetzung mit der in Rechtsprechung und Lehre kontrovers diskutierten Frage, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen ein gerichtlich nicht kontrollierbarer exekutiver Beurteilungsspielraum anerkannt werden kann 322 . Allerdings würde das die tieferliegende Problematik normativer Bemessungsbegriffe verschleiern, zumindest was die hier allein relevante Bemessung nach dem Wert eines verliehenen Rechts angeht. Zu beachten ist nämlich, daß eine Gebühr letztlich nicht deshalb nach dem Wert, Vorteil oder Nutzen bemessen werden muß, weil es der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet hat. Viel317 So zur allgemeinen Problematik normativer Gebührenbemessungsbegriffe F. Kirchhof, Gebühr, S. 63 ff m.w.N; in diesem Sinne auch Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 99. 318 F. Kirchhof Gebühr, S. 68, allerdings mit fehlgehendem Nachweis auf Barocka, DVB1. 1967, 557 ff, der entgegen der Beurteilung F. Kirchhofs davon ausgeht, daß die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe des Gebührenrechts „in vollem Umfang gerichtlich nachprüfbar" ist (S. 607). Wie F. Kirchhof jedoch OVG Münster, VerwRspr. 21 Nr. 144 (S. 579), und Stein, DÖV 1960, 292. Unklar diesbezüglich Vogel, HStR IV, § 87 Rn. 99; ders., in: Festschrift für Geiger, S. 535. 319 Hiervon geht auch Stein, DÖV 1960, 291 f, aus und erzielt im wesentlichen dieselben Ergebnisse wie F. Kirchhof ohne jedoch tiefergehende Begründungsversuche anzustellen. 320 Sehr klar Wolff/Bachof, S. 188, sowie Wolff/Bachof/Stober, § 31 Rn. 8; in diesem Sinne aber ζ. B. auch Maurer, § 7 Rn. 27 f. 321
322
m.w.N.
So Wolff/Bachof
S. 188; Wolff/Bachof/Stober,
S. hierzu etwa Maurer,
§ 31 Rn. 8.
§ 7 Rn. 26 ff; Pieroth/Kemm,
JuS 1995, 780 f; jew.
292
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
mehr wird im Fall der Verleihungsgebühr die Wertbemessung bereits vom verfassungrechtlich begründeten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bzw. Äquivalenzprinzip gefordert. Denn weil die Verleihung eines Rechts nicht mit Kosten verbunden ist, muß die Äquivalenzprüfung zwangsläufig das Verhältnis zwischen der Gebührenhöhe und dem Wert der Leistung, also den Wert des Rechts, zum Gegenstand haben. Hier geht es also um das Problem, ob ein Element der Äquivalenzprüfung korrekt bestimmt wurde, mithin um die gerichtliche Kontrolle der Gebührenäquivalenz als solcher. Daß es im Hinblick auf diese nicht zu einer Einschränkung der Kontrolldichte kommen darf, liegt auf der Hand. Seit jeher wurde die Verhältnismäßigkeit einer Gebühr von der Rechtsprechung voll überprüft, wie es überhaupt eine wesentliche Aufgabe der Gerichte ist, die Einhaltung verfassungsrechtlicher Prinzipien durch die Verwaltung zu überwachen. Das gilt gerade für das grundrechtsrelevante Prinzip verhältnismäßigen Staatshandelns323. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner neueren Rechtsprechung herausgestellt, daß die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte durch Einräumung eines exekutiven Beurteilungsspielraums umso weniger gerechtfertigt ist, je größer die Grundrechtsbezogenheit ist 324 . Nichts spricht dafür, hiervon abzuweichen, wenn bzw. weil in die Äquivalenzprüfung der Wert eines verliehenen Rechts eingestellt werden muß. Entgegen der Auffassung F. Kirchhofs zwingt die bloße Tatsache, daß Bemessungsbegriffe einer wertenden Ausfüllung bedürfen, nicht zur Beschneidung der gerichtlichen Überprüfungskompetenz. Diese mag dann ganz oder teilweise zurückgenommen werden, wenn es die Eigenart der Sachmaterie oder die besondere Funktion, welche von der Verwaltung ausgeübt wird, verlangt, so ζ. B. bei Prüfungen und dienstlichen Beurteilung, bei Gremienentscheidungen wertender Art, bei Prognose- und Risikourteilen sowie bei verwaltungspolitischen Maßnahmen 325 . Eine solche Konstellation ist hier allerdings nicht gegeben. Insbesondere bleibt unklar, was die Verwaltung zu einer besseren Erkenntnis als die Gerichte befähigen soll 326 , denn nach hier entwickeltem Verständnis kann der wirtschaftliche Wert verliehener Rechte nach Kriterien beziffert werden, die auch den Gerichten zur Verfügung stehen. Es geht also nicht um eine unwiederholbare Situation, wie sie etwa im Prüfüngswesen gegeben ist. Allein
323
Vgl. hierzu auch Maurer, § 7 Rn. 59 m.w.N. Pieroth/Kemm, JuS 1995, 782 m.w.N. 325 S. die Aufzählungen bei Maurer, § 7 Rn. 37 ff, und Pieroth/Kemm, JuS 1995, 781. Auch von Stimmen, welche die herkömmliche Unterscheidung in Ermessen und unbestimmtem Rechtsbegriff nicht befürworten, wird für diese Fälle eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte anerkannt, so ζ. B. von Starck, in: Festschrift für Sendler, S. 175 ff. Zu beachten ist, daß die bloße Zuordnung zu einer dieser Fallgruppen allein keine hinreichende Begründung für einen Beurteilungsspielraums darstellen kann (,Pieroth/Kemm, JuS 1995, 781). 324
326
Vgl. Ossenbühl, in: Erichsen, § 10 Rn. 28.
D. Bemessung und Zweck
293
die Komplexität des Bewertungsvorgangs vermag die Annahme eines exekutiven Beurteilungsspielraums nicht zu rechtfertigen 327 . Gerade in einer Situation der Bemessungsunsicherheit ist es erforderlich, daß eine in manchen Fällen notwendige Schätzung nicht nur von einer einzigen Instanz vorgenommen wird, um dadurch ein möglichst genaues Ergebnis zu erzielen. Es wäre fragwürdig, wenn sich die Verwaltung bei der finanziellen Belastung eines einzelnen in einem nahezu kontrollfreien Raum wähnen dürfte, denn dann würde der erforderliche Rechtsschutz nicht mehr gewährleistet. Die Akzeptanz und letztlich auch die Gerechtigkeit der Gebührenbemessung könnten Schaden nehmen 328 . Hinzu kommt, daß die volle Überprüfbarkeit der behördlichen Entscheidung die Gerichte dazu zwingt, vorhandene Bewertungsmöglichkeiten anhand einzelner Fälle weiterzuentwickeln oder auch neue hervorzubringen 329 . Das wäre ein weitere Schritt hin zu einer größeren Bemessungssicherheit. Festzuhalten ist daher, daß die gebührenerhebende Behörde das Recht und die Pflicht zu einer dem Wert des verliehenen Rechts angemessenen Festsetzung des Gebührenbetrages hat. Ihr obliegt es, die Vorgaben des Gebührengesetzgebers zu beachten und sachgerechte Bewertungskriterien heranzuziehen. Sofern der Behörde Raum für eine eigene normative Entscheidung über den Wert des Rechts verbleibt, unterliegt ihre Beurteilung der vollen gerichtlichen Kontrolle 330 . Entsprechendes gilt für die Frage, ob ein behördliches Auswahlermessen im Hinblick darauf anzuerkennen ist, welche der möglichen Kriterien zur Bewertung des verliehenen Rechts herangezogen werden sollen 331 . Die Verwendung bestimmter Bewertungskriterien hat nämlich entscheidenden Einfluß auf die Bezifferung des Wertes eines verliehenen Rechts. So kann es etwa zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, wenn statt des von demselben Rechtsinhabers bisher erwirtschafteten Gewinns (auch) der Gewinn anderer Rechtsinhaber als für Gebührenbemessung relevant angesehen wird 3 3 2 . Die Aussage über den Wert eines Rechts ist daher untrennbar mit den zugrundegelegten Kriterien verbunden. Wenn man nun aber die behördliche Beurteilung des Rechtswerts der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit unterstellt, muß dasselbe konsequenterweise auch für die behördliche Entscheidung über die diesbezüglich anzulegenden Kriterien gelten. In beiden Fällen geht es letztlich
327 Vgl. BVerfGE 88, 40 (58 ff); noch offengelassen in BVerfGE 84, 34 (50); vgl. auch Pieroth/Kemm, JuS 1995, 783 m.w.N. 328
329
330
Vgl. Barocka, DVB1. 1967, 610. Vgl. Maurer, § 7 Rn. 60.
In diesem Sinne auch Barocka, DVB1. 1967, 607. Vgl. zu einer ähnlichen Thematik Wilke, S. 225 ff, der die Frage problematisiert, ob es im Ermessen des Gesetzgebers liegt, für welchen unter mehreren möglichen Wahrscheinlichkeitssmaßstäben er sich entscheidet. 332 Vgl. o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D II 3 b cc. 331
294
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
darum, durch Einschaltung mehrerer Instanzen ein größtmögliches Maß an Bemessungssicherheit herbeizufuhren. Neben der Festlegung der Gebührenhöhe durch die Verwaltungsbehörde ist auch denkbar, daß der Gesetzgeber selbst die Bewertung des Rechts vornimmt, indem er feste Gebührensätze und die Anwendung bestimmter Berechnungsmethoden schon im Gesetz niederlegt 333 . Fraglich ist hier, ob dem Gesetzgeber in diesem Fall ein Beurteilungsspielraum zukommt, mit der Folge, daß seine im Gebührensatz zum Ausdruck kommende Einschätzung, wie hoch der Rechtswert zu veranschlagen ist, gerichtlich nicht voll überprüft werden darf. Einige Stimmen der rechtswissenschaftlichen Literatur scheinen hierauf hinzudeuten. So wird behauptet, daß der Gesetzgeber einen Bewertungsspielraum besitzt, wenn sich der zugewandte Vorteil nicht exakt bemessen läßt 334 ; die Konsequenzen für die gerichtliche Kontrollkompetenz bleiben jedoch offen. Dieser Aussage ist zwar grundsätzlich beizupflichten, sie bedarf allerdings der Klarstellung. Aus den soeben dargelegten Gründen führt die Tatsache, daß der Gesetzgeber gezwungen ist, den Wert eines Rechts jenseits aller exakten Kriterien einschätzen zu müssen, nicht dazu, die gerichtliche Kontrolldichte zu verringern. Auch die Entscheidung des Gesetzgebers, die er in bezug auf den Rechtswert fällt, betrifft letztlich die Frage der Gebührenäquivalenz bzw. verhältnismäßigkeit, was es verbietet, die gerichtliche Kontrollkompetenz zu beschneiden. Die Bewertung des Rechts durch den Gesetzgeber ist somit voll überprüfbar, gegebenenfalls ist das Gebührengesetz nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, denn ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip ist immer auch ein Verfassungsverstoß 335. Allerdings liegt nur dann ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip vor, wenn dieser als „gröblich" bezeichnet werden muß 336 . Im Ergebnis besteht also durchaus ein legislativer Spielraum, und insofern ist den genannten Stimmen der Literatur beizutreten. Dieser Spielraum schließt jedoch eine eingehende gerichtliche Kontrolle nicht aus, sondern kommt nur dann zum Tragen, wenn das Gericht entscheiden muß, ob es einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip mit der Aufhebung des Gebührenbescheids sanktioniert. Es existiert also keine geringere gerichtliche Kontrolldichte, sondern nur eine niedrigere Sanktionsgefahr. Dasselbe gilt auch dann, wenn die Behörde die Gebührenhöhe bestimmt.
333 Das ist etwa bei der Hamburger Gebühr für Grundwasserentnahmen und beim nordrhein-westfälischen Lizenzentgelt gegeben, vgl. u. 5. Teil, Gliederungsabschnitte Β I 5, II. 334 Vogel, in: Festschrift für Geiger, S. 535; ders., HStR IV, § 87 Rn. 99; Wieland, WUR 1991, 134; s. auch ders., S. 268. 335 Vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 4 c. 336 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I 2.
D. Bemessung und Zweck
295
Insgesamt ist daher festzuhalten: Weder dem Gesetzgeber noch der Verwaltung steht eine gerichtlich nicht überprüfbare Einschätzungsprärogative zu, wenn es darum geht, im Rahmen der Ermittlung der Gebührenhöhe den Wert des verliehenen Rechts zu beziffern. Die gerichtliche Kontrolldichte wird nicht beschnitten. Allerdings sanktioniert das Gericht nur einen groben Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip, was im Ergebnis, nicht aber in der dogmatischen Begründung, zu einem legislativen bzw. exekutiven Spielraum führt. Dieser sollte jedoch um der Klarheit willen nicht als „Bewertungsspielraum" bezeichnet werden, denn das würde vor dem Hintergrund der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Terminologie zu der falschen Annahme verleiten, die Bewertung durch Legislative oder Exekutive unterläge einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte.
6. Ergebnis Hinsichtlich der Bemessung von Verleihungsgebühren steht ein reichhaltiges, zum Teil seit jeher anerkanntes Instrumentarium zur Verfügung, welches eine sachgerechte wertmäßige Bestimmung des verliehenen Rechts mit hinreichender Genauigkeit ermöglicht. Auch an dieser Stelle zeigt sich einmal mehr, daß aus dem fehlenden Kostenbezug der Verleihungsgebühr keine stichhaltigen Bedenken gegen ihre Anerkennung folgen. Ein Restpotential an Bemessungsunsicherheit ist bei ihr genauso hinzunehmen wie bei einer kostenüberwälzenden Gebühr. In diesem Rahmen haben die Behörde und der Gesetzgeber eine normative Bemessungsentscheidung zu treffen, welche der vollen Überprüfung durch die Gerichte unterliegt. Gerichtlich sanktioniert wird jedoch nur ein grober Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip.
III. Verfassungsrechtliche Vorgaben 1. Äquivalenzprinzip Nachdem der Wert des verliehenen Rechts gemäß den soeben dargelegten Kriterien festgestellt worden ist, muß geprüft werden, ob die Höhe der Verleihungsgebühr in bezug auf diesen Wert angemessen ist 337 . Nur in einem solchen
337
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D I; 4. Teil, Gliederungsabschnitt D I; ferner Wieland,, S. 319; Wolff/Bachof, S. 312; Wolff/Bachof/Stober, § 42 Rn. 35. Vgl. auc BVerwGE 29, 214 (215 f); allerdings ist es methodisch verfehlt, wenn das Gericht die
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
296
Fall entspricht die Bemessung den Anforderungen des Äquivalenzprinzips. Allgemeinen gebührenrechtlichen Grundsätzen zufolge wird jedoch nur eine gröbliche Verletzung dieses Prinzips sanktioniert 338. Die gerichtliche Beurteilung enthält daher folgende gedankliche Schritte: Zunächst muß ermittelt werden, ob der Wert des verliehenen Rechts zutreffend beziffert wurde. Dann ist die Angemessenheit der Gebührenhöhe in bezug auf diesen Wert zu überprüfen. Beurteilt das Gericht den Gebührenbetrag als unangemessen, hat es zu entscheiden, ob der Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip so schwerwiegend ist, daß die Gebühr nicht erhoben werden darf. Die Entscheidung darüber, ob eine Verleihungsgebühr den Vorgaben des Äquivalenzprinzips entspricht oder nicht, wird immer eine Einzelfallentscheidung sein. Daher mag dahinstehen, ob die These F. Kirchhofs zutrifft, wonach eine Verleihungsgebühr, die den Wert des Rechts nicht übersteigt, stets verhältnismäßig ist 339 . Der im Laufe der Zeit von der Rechtsprechung zu entwickelnden Kasuistik kommt eine entsprechend hohe Bedeutung zu.
2. Finanzverfassung Speziell bei der Verleihungsgebühr ist zu prüfen, ob sich aus den Eigenheiten dieses Gebührentyps besondere Anforderungen für die Gebührenbemessung ergeben. Das betrifft in erster Linie die Fallkonstellation, in der die Höhe der Gebühr den Wert des verliehenen Rechts übersteigt. Den soeben dargestellten Maßgaben des Äquivalenzprinzips zufolge wäre eine derartige Gebührenbelastung noch nicht von vornherein als unzulässig anzusehen, denn nur ein gröblicher Verstoß wird sanktioniert. Zu einem solchen Ergebnis kommt F. Kirchhof, wenn er zumindest die Höhe einer den Rechtswert übersteigenden lenkenden Verleihungsgebühr als grundsätzlich verfassungsgemäß beurteilt 340 . Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Dabei wird nicht bestritten, daß eine Gebühr Lenkungszwecke verfolgen darf 4 1 . Des weiteren soll nicht prinzipiell in Frage gestellt werden, daß ein gebührenrechtlicher Lenkungszweck im Rahmen der Gebührenbemessung zu einer Erhöhung des Ge-
Rundfunkgebühr deswegen nicht als Verleihungsgebühr einordnet, weil dann eine Verletzung des Äquivalenzprinzips gegeben wäre. Dieser Ansatz fuhrt zu einer unzulässigen Vermischung von Begriffs- und Bemessungsebene; vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III. 338 BVerwGE 12, 162(166). 339
340
F. Kirchhof,
DVB1. 1987, 560.
F. Kirchhof DVB1. 1987, 557, 559, 561; vgl. auch ders., DÖV 1992, 238. Ebenso Meyer, S. 213 ff, 221, in bezug auf Wassernutzungsgebühren. 341 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Ε II 2 a.
D. Bemessung und Zweck
297
bührenbetrages fuhren darf. Eine Ausnahme ist jedoch im Fall der Verleihungsgebühr zu machen. Das ergibt sich aus folgender Überlegung. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, daß die Verleihung eines Rechts nicht mit Kosten verbunden ist, sieht sich dieser Gebührentyp heftiger Kritik ausgesetzt342. Es wird vorgebracht, die Verleihungsgebühr würde in eine unzulässige Konkurrenz zur Steuer treten und ein apokryphes Finanzsystem etablieren. Auf der Ebene der Gebührenrechtfertigung ist diesem Einwand Rechnung getragen worden, indem nur ein wirtschaftlich nutzbares Recht als gebührenfähig angesehen wurde. Für diese Begrenzung der Einsatzmöglichkeiten von Verleihungsgebühren war dort die Tatsache entscheidend, daß der Staat mittels der Gebührenerhebung nur dann nicht die allgemeine finanzielle Leistungsfähigkeit des einzelnen beansprucht, wenn er auf den Vermögenszuwachs zugreift, der infolge der wirtschaftlichen Ausnutzung des verliehenen Rechts entstanden ist. Dadurch wird eine Konkurrenz zur Steuer vermieden und finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen entsprochen 343. Derselbe Gesichtspunkt wirkt sich auch im Rahmen der Gebührenbemessung aus. Auf dieser Ebene wird der Schutz der Finanzverfassung sichergestellt 344, indem der Wert des verliehenen Rechts eine absolute Obergrenze der konkreten Gebührenforderung bildet. Wäre das nicht der Fall, würde die Gebührenerhebung nicht mehr nur dem staatlichen Ziel dienen, zugewandte Werte zurückzuholen, sondern es käme zu einer finanziellen Belastung des vorhandenen Vermögens. Dadurch entstünde wieder eine Konkurrenzsituation zwischen Verleihungsgebühr und Steuer, welche auf der Rechtfertigungsebene gerade vermieden werden sollte. Wird es dort der Verleihungsgebühr aber verboten, die allgemeine Leistungsfähigkeit zu belasten, darf dies nicht wieder von Seiten der Bemessungsebene konterkariert werden. Aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen zieht also der Wert des verliehenen Rechts der Verleihungsgebühr eine absolute obere Bemessungsgrenze 345. Das gilt, entgegen der Auffassung F. Kirchhofs, auch für lenkende Verleihungsgebühren. Über die soeben dargestellte Argumentation hinaus kommt bei ihr hinzu, daß der Lenkungseffekt, im Gegensatz zu sonstigen Lenkungsgebüh-
342
Vgl. im einzelnen die Stellungnahmen der oben (4. Teil, Gliederungsabschnitt A II) genannten Gegner der Verleihungsgebühr. 343 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 b. 344 Auch die Bemessungsebene dient wie die Rechtfertigungsebene dem Schutz der Finanzverfassung, wobei hier jedoch eine konkrete Betrachtung der Gebührenforderung maßgebend ist, s.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III. 345 In diesem Sinne auch BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360) zur zulässigen Höhe von Wasserentnahmeabgaben. Deren genaue abgabensystematische Qualifikation läßt das Gericht jedoch offen, weswegen seine Ausführungen nicht direkt für das Problem der zulässigen Höhe von Verleihungsgebühren herangezogen werden können.
298
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
ren, nicht von ihrer Höhe erzielt wird. Vielmehr berücksichtigt der Gesetzgeber Lenkungszwecke bereits umfassend bei der Entscheidung darüber, ob er überhaupt ein gebührenrechtlich relevantes Verbot bzw. einen gebührenfähigen Anspruch normieren will. Zusätzlich lenkt die gebührenerhebende Behörde dadurch, daß sie entscheiden kann, ob und wem ein gebührenfähiges Recht verliehen wird 346 . Die Verhaltensbeeinflussung findet somit in Bereichen statt, die der Gebührenbemessung vorgelagert sind. Die Verleihungsgebühr besitzt daher zwar durchaus lenkenden Charakter, dies aber nicht infolge ihrer Höhe, sondern aufgrund ihres tatbestandlichen Anknüpfungspunktes, der in der Verleihung eines gebührenfähigen Rechts besteht. Die Entscheidungen über die Gebührenfähigkeit und die Rechtsverleihung sind aber Lenkungsentscheidungen. Insofern kommt der Gebührenhöhe keine wesentliche Bedeutung mehr zu. Diese hat sich allein am Wert des verliehenen Rechts zu orientieren, für die zusätzliche Berücksichtigung von Lenkungszwecken besteht weder Raum noch Bedürfnis. Zusammenfassend gilt also, daß die Höhe einer Verleihungsgebühr aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen durch den Wert des verliehenen Rechts absolut begrenzt wird. Dieser Befund darf aber nicht mit der Frage verwechselt werden, ob der zu zahlende Gebührenbetrag die Höhe der Erträge, die infolge der Rechtsausnutzung entstanden sind, übersteigen darf. Das ist uneingeschränkt zu bejahen, denn nicht die Ausübung, sondern bereits die bloße Innehabung des Rechts stellt den Anknüpfungspunkt der Gebührenerhebung dar. Der Gebührenschuldner kann nicht einwenden, er habe keine Gewinne erwirtschaftet und dürfe deshalb nicht herangezogen werden 347. Nicht die Erträge, wohl aber der Wert des Rechts bilden die Gebührenobergrenze, denn die Finanzverfassung fordert nur, die allgemeine finanzielle Leistungsfähigkeit der Steuer vorzubehalten. In der bloßen Innehabung eines wirtschaftlich nutzbaren Rechts liegt jedoch eine besondere Leistungsfähigkeit, nämlich ein Vermögensposten, den andere nicht besitzen. Auf diese Tatsache hat der Umstand, daß der wirtschaftliche Wert des Rechts nicht auch tatsächlich in finanzielle Erträge umgewandelt wurde, keinen Einfluß 348 . In bezug auf die Gebührenhöhe sind Ertrag und Wert daher voneinander zu trennen. Nur letzterer wirkt sich auf die Gebührenbemessung in der dargestellten Weise aus.
346
Im Ansatz ähnlich Arndt, WiVerw 1990, 26; Wieland, S. 319. S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 3. 348 Vgl. zu diesem Gedanken auch OVG Hamburg, NVwZ 1990, 1003: Es sei zulässig, bei der Bemessung einer Verleihungsgebühr für die Förderung von Grundwasser an die zulässige Fördermenge und nicht an die tatsächliche Fördermenge anzuknüpfen. 347
D. Bemessung und Zweck
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3. Grundrechte a) Die Eigentumsgarantie Fraglich ist, ob die grundgesetzliche Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) besondere Anforderungen an die Bemessung einer Verleihungsgebühr stellt. Hierbei sind zwei Problemkreise auseinanderzuhalten, je nachdem, auf welche Position der staatliche Zugriff erfolgt. Zum einen kommt in Betracht, die Auferlegung der Geldleistung als solche am Maßstab des Art. 14 GG zu prüfen. Der Staat greift hiermit auf die finanziellen Mittel des Gebührenschuldners zu, aus denen die Gebühr zu bezahlen ist. Wie bereits angesprochen wurde, ist innerhalb von bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob Art. 14 GG gegen die Auferlegung von Geldleistungen schützt, oder ob lediglich Art. 2 Abs. 1 GG einschlägig ist 349 . Welche der beiden Normen den Prüfungsmaßstab bildet, kann in diesem Zusammenhang letztlich dahinstehen. Denn selbst wenn man den stärkeren Schutz des Art. 14 GG für gegeben erachtete, würde die Erhebung einer Verleihungsgebühr nach hier entwickeltem Verständnis nicht gegen diese Norm verstoßen können. Das folgt aus dem Umstand, daß der Wert des verliehenen Rechts die absolute Obergrenze der Gebührenhöhe bildet 350 . Der Staat leistet also mit der Verleihung eines wirtschaftlich nutzbaren Rechts einen Gegenwert, der die Gebührenbelastung voll kompensiert. Es kommt daher wirtschaftlich gesehen lediglich zu einem Tausch von Vermögenswerten. Durch diese Eigenschaft der Verleihungsgebühr ist ein Verstoß gegen Art. 14 GG von vornherein ausgeschlossen351. Von der Prüfung, ob die Geldleistungspflicht als solche gegen die grundgesetzliche Eigentumsgarantie verstößt, ist die Frage zu unterscheiden, ob es mit Art. 14 GG vereinbart werden kann, wenn der Staat auf das verliehene Recht zugreift. Das könnte man als gegeben ansehen, wenn die Höhe der Verleihungsgebühr den Wert des Rechts voll abdeckt. Der vom Rechtsinhaber erzielte Ertrag würde ihm dann vollständig entzogen, so daß das Recht seine Privatnützigkeit verlöre. Es entstünde dadurch wirtschaftlich gesehen dieselbe Situation, wie sie vor der Rechtsverleihung gegeben war, denn ob der Staat den gesamten Ertrag auf sich überleitet oder ob er erst gar kein Recht verleiht, bleibt per Saldo gleich. F. Kirchhof behauptet nun, Art. 14 GG schütze den 349
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt D i l . S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D III 2. 351 In diesem Sinne auch F. Kirchhof, DVB1. 1987, 560, der jedoch entgegen hier vertretener Auffassung eine Überschreitung des Rechtswerts durch eine Verleihungsgebühr ausnahmsweise für möglich hält, so daß sich dann wieder das Problem der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie stellen würde. 350
300
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
Gebührenschuldner vor „Gebühren, die der Ausübung privater, verliehener Rechte jegliche ökonomische Privatnützigkeit nehmen" 352 . Das ist jedoch nicht unproblematisch, denn es geht hier nicht mehr um den eigentumsgrundrechtlichen Schutz vor eine Gebührenbelastung, sondern um denjenigen des verliehenen Rechts selbst. Ob dieses aber in den Schutzbereich des Art. 14 GG fällt, ist zweifelhaft 353 . Grundsätzlich sind staatliche Genehmigungen mangels eigener Leistung des Rechtsinhabers für sich gesehen noch keine durch Art. 14 GG geschützte Position 354 . Anders soll es sich jedoch bei durch Hoheitsakt eingeräumten Rechten verhalten, die sich nicht in einer einseitigen staatlichen Gewährung erschöpfen, sondern denen Eigenleistungen des Berechtigten gegenüberstehen. Das einschlägige Beispiel hierfür sind Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz 355. Man könnte nun im hier gegebenen Zusammenhang argumentieren, daß das verliehene Recht immer in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts fällt, wenn und weil es durch den Einsatz des Rechtsinhabers wirtschaftlich genutzt wurde. Art. 14 GG würde dann davor schützen, daß diese Leistungen durch die Erhebung einer Verleihungsgebühr, die dem Wert des Rechts gleichkommt, wieder entwertet werden. Eine solche Argumentation würde jedoch folgendes verkennen. Im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Positionen, die durch Erlaubnisse oder Verleihungen begründet wurden, ist zwischen der öffentlich-rechtlichen Rechtsstellung und deren eigentumsgeschütztem Substrat zu unterscheiden 356. Dementsprechend ist „das eigentliche Garantieobjekt ... nicht das subjektive öffentliche Recht, sondern die aufgrund öffentlichrechtlicher Gestattung und Verleihung durch persönliche Leistung oder Kapitaleinsatz oder beides entwickelte privatrechtliche Vermögensposition" 357. Das bedeutet im Hinblick auf die hier in Rede stehende 352
F. Kirchhof, DVB1. 1987, 560. So im Ergebnis auch Schollmeier, WUR 1991, 4, der jedoch offenläßt, ob in einem solchen Fall ein Verstoß gegen Art. 14 GG gegeben ist oder ob diese Beschränkung aus dem Begriff der Gebühr folgt. Letzterem Ansatz könnte nach hier vertretenem gebührendogmatischen Verständnis jedenfalls nicht gefolgt werden, s.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III. 353 Daß bei der Versagung des Rechts der Schutzbereich des Art. 14 GG nicht berührt ist, bedarf keiner weiteren Vertiefung (vgl. BGHZ 84, 230 (233) zum entsprechenden Fall der Versagung einer wasserrechtlichen Genehmigung; krit. hierzu Bryde, in: von Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 15). 354 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 10. 355 Kimminich, in: Bonner Kommentar, Art. 14 Rn. 39; Papier, in: Maunz/Dü-
rig/Herzog/Scholz,
Art. 14 Rn. 201; jew. m.w.N.
356
Leisner, NJW 1974, 479; Nicolaysen, in: Festschrift für Schack, S. 115 f; Ossenbühl, § 17, 4 a.
357 So W. Weber, AöR 91 (1966), S. 401; zustimmend zitiert von Ossenbühl, § 17, 4 a. In diesem Sinne auch Leisner, NJW 1974, 479, und Nicolaysen, in: Festschrift für Schack, S. 115 f.
D. Bemessung und Zweck
301
Problematik, daß nicht das verliehene Recht selbst, sondern allenfalls der aus ihm erzielte Ertrag den grundrechtlichen Eigentumsschutz genießen kann. Dieser Befund führt aber wieder zur eingangs dargestellten Thematik zurück, also zur Frage, ob Art. 14 GG vor finanziellen Belastungen schützt; auf die Ausführungen kann daher verwiesen werden. Die grundgesetzliche Eigentumsgarantie stellt also an die Bemessung von Verleihungsgebühren keine Anforderungen, die über diejenigen hinausgehen, welche ohnehin gelten würden, wenn man Art. 14 GG als Schutznorm gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten anerkennen will. Insbesondere bietet sie keinen Schutz vor Gebühren, die dem Wert des verliehenen Rechts entsprechen 358. Entsprechendes gilt für den Entzug des Rechts. Auch hiergegen kann sich der Rechtsinhaber nicht unter Hinweis auf Art. 14 GG wehren. Es steht ihm lediglich offen, eine öffentlich-rechtliche Entschädigungsleistung zu verlangen. Denn wenn der Staat eine Verleihung entzieht, wird nicht eine öffentlichrechtliche Rechtsstellung als solche „enteignet", sondern in die auf ihrer Grundlage erworbenen privatrechtlichen Vermögenswerte schmälernd oder auflösend eingegriffen 359 . Zu denken wäre etwa an eine Entschädigung unter dem Aspekt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, sofern er auf der Grundlage einer Verleihung entstanden ist 360 . Festzuhalten ist daher, daß die grundgesetzliche Eigentumsgarantie keine besonderen Anforderungen an die Bemessung einer Verleihungsgebühr stellt.
b) Der allgemeine Gleichheitssatz Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verbietet zum einen die willkürliche Ungleichbehandlung von finanziell Belasteten und nicht Belasteten. Zum anderen verlangt er nach Gleichheit der Gebührenschuldner untereinander, was von der Rechtsprechung folgendermaßen präzisiert wurde: Bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfaßt werden können, sind die Gebührenmaßstäbe und -sätze in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln, daß sie unterschiedlichen Ausmaßen der erbrachten Leistung Rechnung tragen 361 . Daß die Erhebung einer Verleihungsgebühr nicht gegen Art. 3
358
So i. Erg. auch Koenig, S. 427, der allgemein den Wert einer Konzession nicht als eigentumsgrundrechtlich geschützt ansieht. 359 So W. Weber, AöR 91 (1966), S. 400. 360 Ausf. hierzu Nicolaysen, in: Festschrift für Schack, S. 117 f. 361 BVerfGE 50, 217 (227); BVerwG Buchholz 451.29 Nr. 36 (S. 37); vgl. auch BVerwGE 26, 305 (312 ff).
302
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
Abs. 1 GG verstößt, ist im Rahmen der Rechtfertigung von Verleihungsgebühren bereits eingehend erörtert worden 362 . Auf der Ebene der Gebührenbemessung kommt dem allgemeinen Gleichheitssatz daher nur noch insofern Bedeutung zu, als er eine willkürfrei festgesetzte Gebührenhöhe verlangt. Von dem einen Rechtsinhaber darf also nicht ein höherer Betrag verlangt werden als von einem anderen, vergleichbaren Rechtsinhaber, ohne daß hierfür ein sachlicher Grund angeführt werden kann. Als solcher Grund kommt in erster Linie eine unterschiedliche wirtschaftliche Ausgangslage in Betracht, sofern diese direkte Auswirkungen auf den Wert des Rechts besitzt. Ansonsten wirft Art. 3 Abs. 1 für die Bemessung von Verleihungsgebühren keine besonderen rechtsdogmatischen Schwierigkeiten auf.
IV. Formulierungsvorschlag Will der Gesetzgeber keine festen Gebührensätze und Bemessungseinheiten normieren, sondern die Bestimmung der Gebührenhöhe weitgehend der Behörde überlassen, so ist ihm zu empfehlen, die Bemessung einer Verleihungsgebühr nach dem folgenden Muster zu regeln. Die Formulierungen tragen dem Erfordernis einer größtmöglichen Bemessungssicherheit Rechnung, ohne die Flexibilität des behördlichen Handelns unnötig einzuengen. Selbstverständlich können je nach Art der einzelnen Verleihungsgebühr Abweichungen erforderlich werden. Bemessung der Verleihungsgebühr: (1) Die Höhe der Gebühr muß in bezug auf den Wert des verliehenen Rechts, der sich in der Bemessungsgrundlage ausdrückt, angemessen sein und darf diesen nicht überschreiten. (2) Grundlage der Bemessung ist der tatsächlich erwirtschaftete Ertrag. Die Höhe der Gebühr beträgt ... % von seinem Betrag, jedoch mindestens ... D M und höchstens ... DM. Absatz 1 bleibt unberührt. (3) Wurde kein oder nur ein unwesentlicher Ertrag erwirtschaftet, hat die gebührenerhebende Stelle zu schätzen, welcher Ertrag hätte erwirtschaftet werden können. Dieser bildet dann die Grundlage der Bemessung. Sofern die Sachlage im wesentlichen vergleichbar ist, kann hierbei insbesondere berücksichtigt werden :
362
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 a aa, sowie 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 1 b.
E. Die Verleihungsgebühr als Wertungsproblem
303
1. der vom Gebührenschuldner innerhalb vorangegangener Zeiträume erwirtschaftete Ertrag, 2. der von anderen Rechtsinhabern erwirtschaftete Ertrag, 3. der von anderen Rechtsinhabern geforderte Gebührenbetrag. Daneben können andere sachgerechte Kriterien herangezogen werden. Ferner ist es erlaubt, eine Schätzung durch Sachverständige vornehmen zu lassen. Absatz 1 bleibt unberührt. (4) Als Ertrag sind alle finanziellen Vorteile anzusehen, die unmittelbar auf die Ausnutzung des Rechts zurückzufuhren sind, insbesondere Gewinne und ersparte Aufwendungen. (5) Der Gebührenschuldner hat auf Verlangen diejenigen Angaben zu machen, die zur Berechnung der Bemessungsgrundlage erforderlich sind.
E. Die Verleihungsgebühr als Wertungsproblem I. Gebührendogmatischer Befund Die Verleihungsgebühr kann als dritter Gebührentyp neben Verwaltungsund Benutzungsgebühr nur dann anerkannt werden, wenn sie allgemeinen gebührendogmatischen Grundsätzen entspricht. Daß dies der Fall ist, wurde in den vorangegangenen Gliederungsabschnitten bewiesen. So läßt sich aus historischer Sicht gegen Verleihungsgebühren nichts einwenden. Im Gegenteil legt die geschichtliche Entwicklung des Gebührenrechts nahe, dieses Rechtsinstitut anzuerkennen, weil derartige Gebühren seit jeher erhoben wurden, ohne daß ihnen grundsätzliche gebührendogmatische Bedenken entgegenschlugen. Dasselbe Ergebnis folgte aus der Erörterung der aktuellen Gebührendogmatik. Es wurde gezeigt, daß der Begriff der Gebühr streng formal zu verstehen ist und insbesondere nicht den Zweck beinhaltet, die Kosten der erbrachten Leistung zu decken. Der Einwand, eine Verleihungsgebühr könne deshalb keine Gebühr sein, weil ihr jeglicher Kostenbezug fehle, kann daher nicht durchschlagen. Des weiteren wurden unter Zugrundelegung eines funktionalen Gebührenverständnisses Ergebnisse erzielt, die sogar von der überwiegenden Auffassung innerhalb der Rechtsprechung und der Wissenschaft geteilt werden. Das betrifft zum einen die Erkenntnis, daß der Aspekt des Vorteilsausgleichs für sich allein in der Lage ist, die Erhebung einer Gebühr zu rechtfertigen, und zum anderen die Tatsache, daß die Bemessung einer Gebühr nicht an das Kostendeckungsprinzip gebunden ist, wenn dieses nicht ausdrücklich gesetzlich angeordnet wurde.
304
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
Somit steht der Anerkennung von Verleihungsgebühren im Hinblick auf ihre Rechtfertigung und Bemessung nichts entgegen. Schließlich wurde deutlich gemacht, daß eine Gebühr vorrangig oder ausschließlich den Zweck verfolgen darf, zugewandte Werte abzuschöpfen. Auch dieser Befund geht mit einer Vielzahl gebührenrechtlicher Stellungnahmen konform. Der von einer Verleihungsgebühr verfolgte Vorteilsausgleichszweck wird somit vom allgemeinen Gebührenrecht zugelassen. Rein gebührenrtc)\Ü\Qh spricht somit nichts gegen die Befürwortung der Verleihungsgebühr. Im Gegenteil: Ihre Anerkennung ist das Ergebnis einer konsequenten, in sich widerspruchsfreien und sogar eher konservativ verstandenen Gebührenrechtslehre. Nähme man die weit überwiegend zugrundegelegten dogmatischen Strukturen und Prinzipien des Gebührenrechts wirklich ernst, würde kein Weg mehr daran vorbeiführen, das bisherige zweigeteilte Gebührensystem um die Verleihungsgebühr zu ergänzen. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, daß gewichtige Stimmen die Verleihungsgebühr immer noch in Frage stellen. Das geschieht allerdings nicht nur aus gebührendogmatischen, sondern auch aus anderen, allgemeinen Bedenken, denen im folgenden nachzugehen ist. Hierbei ist in erster Linie zu prüfen, ob und inwiefern der jeweilige Einwand für die im Rahmen dieser Arbeit entwikkelte Konstruktion der Verleihungsgebühr durchgreifen kann.
II. Unberechtigte Einwände gegen die Verleihungsgebühr 1. Verstoß gegen Gleichheitsprinzipien Es wird vorgebracht, die staatsbürgerliche finanzielle Lastengleichheit werde denaturiert, falls der Gesetzgeber einzelne Gruppen durch spezifische Verleihungsgebühren neben ihrer Steuerleistung anzapfen könnte 363 . Dieses Argument vermag jedoch von vornherein nicht zu überzeugen, denn wie ausführlich erörtert wurde, ist die Erhebung von Verleihungsgebühren aufgrund von Gleichheitsaspekten nicht nur nicht untersagt, sondern geradezu geboten364. Insofern erübrigt es sich, auf diesen Vorwurf näher einzugehen.
363 364
Friauf, in: Köln-Festschrift, S. 693; vgl. auch Arndt, WiVerw 1990, 35. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 a aa.
E. Die Verleihungsgebühr als Wertungsproblem
305
2. Anachronismus Die Verleihungsgebühr wird von Friauf in polemischer Zuspitzung als finanzrechtlicher „Anachronismus" oder „Relikt eines vormodernen Monopolund Regaliensystems" diskreditiert. Der moderne Staat sei ein Steuerstaat und greife zu seiner Finanzierung nicht auf Erträge zurück, die aus der Verleihung von nutzbaren Hoheitsrechten entstehen365. Ob und inwieweit der Hinweis auf das Steuerstaatsprinzip tragfähig ist, sei an anderer Stelle ausfuhrlich erörtert 366 . Hier genügt die Feststellung, daß der Einwand Friaufs aus anderen Gründen jeglicher Berechtigung entbehrt. Es wird von ihm nicht bedacht, daß die Funktion der Verleihungsgebühr nicht darin besteht, den staatlichen Finanzbedarf zu sichern. Vielmehr verfolgt sie den Zweck, staatlicherseits zugewandte Werte abzuschöpfen. Es ist ihr verboten, vorrangig auf Gewinnerzielung ausgerichtet zu sein 367 . Insofern ist der Hinweis auf das vormoderne Regalienwesen, das im Gegensatz zur Verleihungsgebühr auf die allgemeine Staatsfinanzierung ausgerichtet war, verfehlt 368 . Darüber hinaus beruht der Einwand Friaufs auf einer Verkennung staatlicher Notwendigkeiten. Die rigorose Ablehnung von Verleihungsgebühren kann nämlich die unerwünschte Folge haben, daß der Staat an abgabenpolitischer Flexibilität verliert, die jedoch insbesondere im Bereich der Umweltabgaben vonnöten ist, um ein differenziert einsetzbares umweltrechtliches Instrumentarium zur Verfugung zu haben 369 . Wenn dem Staat eine Vielfalt an Steuerungsmitteln zur Verfügung steht, wird es ihm erlaubt, seine Macht so effektiv wie nötig und so freiheitsschonend wie möglich einzusetzen. Die Verleihungsgebühr kann insofern eine sachgerechte Ergänzung sein. Sie ist daher kein abgabenrechtliches Fossil, „sondern ein modernes Instrument des Finanzstaates, dem sich neue Aufgaben öffnen" 370 . Der Vorwurf des Anachronismus' geht somit völlig an der Sache vorbei.
365
Friauf in: Köln-Festschrift, S. 682, 684 f. S.u. 4. Teil, Gliederungsabschnitt E III. 367 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt E 2 b, 4. Teil, Gliederungsabschnitt D I. 368 Auch Hendler, AöR 115 (1990), S. 604, weist entgegen Friauf zutreffend auf die „gewandelte Funktion" der Verleihungsgebühr hin. 366
369
Vgl. F. Kirchhof
DVB1. 1994, 1101 ff; ders., DÖV 1992, 233 ff; ders., DVB1.
1987, 554 ff. 370
F. Kirchhof
20 Heimlich
DVB1. 1987, 557.
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
306
3. Preis für Freiheit Ein immer wieder vorgebrachter Einwand gegen die Anerkennung der Verleihungsgebühr besteht darin, sie als unzulässigen „Preis für Freiheit" zu bezeichnen, der die Inanspruchnahme von Freiheit von einer Geldleistung abhängig macht 371 . Der Empfang rechtsstaatlich eröffneter Rechtspositionen werde von der Fähigkeit und Bereitschaft zum Entgelt abhängig gemacht372, der Freiheitsgebrauch werde kommerzialisiert 373. Ein Rechtsstaat verleihe jedoch Berechtigungen nach Maßstäben des Rechts und nicht nach der Zahlungsbereitschaft der Nachfrager 374. Diese suggestiven Formulierungen lassen allerdings bei näherem Hinsehen jeglichen sachlichen Gehalt vermissen. Es scheint so, als ob allein die Finanzkraft des einzelnen über die Verleihung des Rechts entscheiden würde. Das ist jedoch schon allein deshalb nicht der Fall, weil eine Verleihungsgebühr niemals höher bemessen werden darf, als es dem Wert des verliehenen Rechts entspricht. Sie belastet nicht das vorhandene Vermögen, sondern greift auf einen Wert zu, der ohne die Verleihung gar nicht erst entstünde375. Somit wird „der Staat am 'Reichtum', der erst durch die Rechtsausübung entsteht, beteiligt" 376 . Eine Verleihungsgebühr verringert nicht das Vermögen, sondern nur den Vermögenszuwachs 377. Die Höhe des Vermögens, das bei den Rechtsnachfragern vorhanden ist, spielt daher keine Rolle mehr. Eine Verleihungsgebühr wird nicht für das Recht, sondern aus dem Recht gezahlt, und deshalb ist der Vorwurf, es würden nur „Reichen" Rechte eingeräumt, ungerechtfertigt. Hinzu kommt, daß die Verleihungsgebühr nach der hier entwickelten Konzeption nur für freie Dispense und für die nicht verfassungsrechtlich gebotene Einräumung von Ansprüchen erhoben werden darf. Dadurch wird eine Zahlungspflicht für grundrechtlich geschütztes Verhalten ausgeschlossen378. Der Vorwurf, die Verleihungsgebühr sei ein Preis für Freiheit, ist somit insgesamt unbegründet 379. Sie ist kein Preis, weil sie vorhandenes Vermögen nicht schmälert, und sie ist kein Preis für Freiheit, weil Freiheit nie bestand.
371 372 373
374
Friauf in: Köln-Festschrift, S. 683, 697 f; P. Kirchhof P. Kirchhof Länderfinanzausgleich, S. 80.
HStR IV, § 88 Rn. 187.
Murswiek, NuR 1994, 172.
P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 187. S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitte C II 2 b, D III 2. 376 F. Kirchhof, DVB1. 1987, 557. Zu beachten ist jedoch, daß der „Reichtum" bereits durch die Rechtsverleihung, nicht erst durch die Rechtsausübung, entsteht. 375
377
378
Wieland, S. 303.
S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 1 b bb. 379 So i. Erg. auch Meyer, S. 142 ff, allerdings nur in bezug auf Wasserentnahmegebühren.
E. Die Verleihungsgebühr als Wertungsproblem
307
III. Die offene Flanke der Verleihungsgebühr Der nach alledem noch verbleibende Hauptvorwurf, der gegen die Anerkennung von Verleihungsgebühren erhoben wird, lautet, dieser Gebührentyp führe zu einer Kommerzialisierung der Staatsverwaltung und stehe mit den Anforderungen des grundgesetzlich etablierten Steuerstaates nicht in Einklang. Zwischen beiden Gesichtspunkten besteht eine enge Verbindung, die Paul Kirchhof folgendermaßen umschreibt: „Vor allem aber gäbe eine 'Kommerzialisierung' der öffentlichen Verwaltung durch die entgeltabhängige Vergabe von Berechtigungen eine Errungenschaft des Steuerstaates preis, die staatliches Verwaltungsrecht und eine 'unentgeltliche' Deckung des allgemeinen staatlichen Finanzbedarfs durch Steuern grundsätzlich strikt voneinander sondert und damit die Unbefangenheit des Verwaltungsentscheids gegen fiskalische Ertragsanliegen abschirmt." 380 Mit Blick auf die besondere finanzverfassungsrechtliche Problematik der Verleihungsgebühr kritisiert - neben anderen - Friauf, Verleihungsgebühren seien „wie die Steuern als reines Finanzierungsinstrument einsetzbar. Stünde es dem Gesetzgeber frei, einer Vielzahl von - möglicherweise ad hoc eingeführten - Erlaubnistatbeständen mit Verleihungsgebühren zu koppeln, dann wäre der Damm gegen die Entwicklung eines apokryphen Finanzsystems praeter constitutionem ... nicht nur unterhöhlt, sondern praktisch vollständig abgetragen." 381 In dieselbe Richtung zielt auch der Einwand, der Gesetzgeber sei bei der Erhebung von Verleihungsgebühren nicht an die restriktiven Voraussetzungen der Sonderabgaben gebunden, so daß sich der Nexus von Abgabenverantwortlichkeit und Finanzierungslast beliebig unterlaufen lasse und die Grenzen der Gebühr völlig diffus würden 382 . Der Einfallsreichtum des Gesetzgebers, immer neue Erlaubnispflichten einzuführen und hieran Verleihungsgebühren zu knüpfen, solle unter dem Diktat leerer Kassen nicht unterschätzt werden 383 . A l l diese Stellungnahmen laufen darauf hinaus, daß man die Verleihungsgebühr deshalb nicht anerkennen will, weil man ihre uferlose Ausweitung befürchtet und den Verfassungsgundsatz des steuerfinanzierten Staates mißachtet sieht. Man will den Anfängen wehren, indem man nicht einzelne
380
P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 187; vgl. auch ders., Länderfinanzausgleich, S. 79; ders., Rechtsgutachten, S. 31, sowie Arndt, WiVerw 1990, 36. 381 Friauf, in: Köln-Festschrift, S. 693 (Herv. im Orig.); in diesem Sinne auch Heun, DVB1. 1990, 673 f; Ρ Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 187; ders., Länderfinanzausgleich, S. 81; Pietzcker, DVB1. 1987, III ff. Vgl. ferner Arndt, WiVerw 1990, 35, mit ζ. T. anderer Akzentuierung. 382
Friauf, in: Köln-Festschrift, S. 681; Jarass, DÖV 1989, 1016; ähnlich Heun,
DVB1. 1990, 674. 383 Friauf, in: Köln-Festschrift, S. 687.
308
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
Arten oder Konstruktionen der Verleihungsgebühr bekämpft, sondern kompromißlos bereits den Gebührentyp als solchen ablehnt. Allerdings wird auch versucht, die finanzverfassungsrechtlichen Bedenken zu zerstreuen. Man weist darauf hin, daß die Verleihungsgebühr von einer staatlichen Gegenleistung abhängt und folgert daraus, daß die Steuerverfassung durch ihre Erhebung nicht berührt sei 384 . Solange der Gesetzgeber die abgabentypische Formengesetzlichkeit wahrt, werde der Steuerstaat nicht in Frage gestellt 385 . Insbesondere die Freiheitsgrundrechte schränkten die Möglichkeit fur Tätigkeitsverbote ein und stellten damit eine Grenze für Gebühren dar, die an die Durchbrechung dieses Verbotes durch Erlaubniserteilung anknüpfen 386 . Ein Handeln dürfe ohnehin nicht aus finanziellen Erwägungen heraus generell gesperrt werden 387 . Was die Gefahr der Kommerzialisierung der Staatsverwaltung angeht, wird vorgebracht, daß diese zumindest mittelbar bei praktisch allen Verwaltungsgebühren bestehe. So habe ζ. B. die Erteilung bzw. Versagung einer gewerberechtlichen Erlaubnis in der Regel Auswirkungen auf die steuerliche Einnahmesituation des Staates388. Wäre es der Verwaltung verboten, die Gewährung von Hoheitsakten von einer Geldzahlung abhängig zu machen, gäbe es überhaupt keine Gebührenerhebung 389. Eine Kommerzialisierung der Staatsverwaltung sei nicht zu befürchten, weil eine Genehmigung, auf die ein Anspruch besteht, nicht mit einer Verleihungsgebühr belegt werden kann. Insbesondere die Tatsache, daß die Verleihungsgebühr einen geldwerten Vorteil voraussetzt, sei in der Lage, ihre Erhebung zu begrenzen 390. Wieland argumentiert schließlich, die lange Erfahrung mit Sondernutzungsgebühren habe keinerlei Anhaltspunkte dafür geliefert, daß die Verwaltung über entsprechende Anträge nach unzulässigen fiskalischen Kriterien entscheidet, gegebenenfalls könnten die Verwaltungsgerichte einschreiten. Darüber hinaus erlange der einzelne Amtswalter, der über die Verleihung befindet, keinen eigenen finan384 VG Hamburg, IUR 1992, 235 (236); vgl. auch Jarass, DÖV 1989, 1015: „Die Abhängigkeit (einer Abgabe) von einer Gegenleistung sorgt dafür, daß ein Unterlaufen des Finanzverfassungsrechts ausgeschlossen ist." Wieland sieht „instrumentelle Abschöpfungsabgaben" wegen ihres Gegenleistungsbezuges als finanzverfassungsrechtlich unbedenklich an, „weil sie nach ihrer Definition nicht zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs, sondern zur Gestaltung eines Sachbereichs dienen" (WUR 1991, 133). Sofern er hiermit auch Verleihungsgebühren meint, trifft diese Aussage jedoch nicht zu, weil deren Ertrag zwangsläufig nur dem allgemeinen staatlichen Finanzbedarf dienen kann. 385
386
387 388
389 390
Horn, S. 161. Schollmeier, WUR 1991, 3. Wieland, S. 304. Stallknecht, S. 194.
Horn, S. 160; F. Kirchhof, Gebühr, S. 128. VG Hamburg, IUR 1992, 235 (236).
E. Die Verleihungsgebühr als Wertungsproblem
309
ziellen Vorteil, so daß der Anreiz gering sei, gegen das Verbot, dem Verwaltungshandeln sachfremde finanzielle Erwägungen zugrundezulegen, zu verstoßen 391 . A l l diese Stellungnahmen zugunsten der Verleihungsgebühr können jedoch die dargestellten Hauptkritikpunkte ihrer Gegner nicht völlig entkräften. Es mag, um die Argumentation Wielands aufzugreifen, zutreffen, daß die Verwaltung bisher davor gefeit war, unter Berücksichtigung staatlicher Finanzvorteile über Anträge zu entscheiden, so daß eine Kommerzialisierung der Staatsverwaltung auch künftig nicht zu besorgen ist. Ein gesundes Mißtrauen ist hier jedoch allemal angebracht, denn diese Situation kann sich schnell ändern. Doch hierum geht es eigentlich gar nicht. Die Kritik an der Verleihungsgebühr lautet nämlich nicht, daß die Verwaltung selbst eine unzulässige Fiskalisierung ihres Handelns betreibt. Vielmehr soll dies bereits durch die Vorgaben des Gesetzgebers, welcher über die Einführung von Gebühren entscheidet, geschehen, sein Handeln bewirke die Fiskalisierung der Staatsverwaltung. Die Argumentation Wielands greift daher insgesamt zu kurz. Die anderen der dargestellten Äußerungen laufen auf die These hinaus, daß der Einsatz von Verleihungsgebühren deshalb nicht unbegrenzt möglich sei, weil sie als Gebühr gegenleistungsabhängig ist und weil ihr Anwendungsbereich mit der eingeschränkten Möglichkeit des Staates korreliert, repressive Verbote zu erlassen. Diese Hinweise sind zweifellos richtig und entsprechen auch der hier entwickelten Konzeption. Trotzdem bleibt es dabei, daß die Verleihungsgebühr zwar nicht durch ihren Tatbestand, wohl aber durch die freie Verwendbarkeit ihres gesamten Ertrages in Konkurrenz zur Steuer tritt und insofern eine Abweichung von den Prinzipien des steuerfinanzierten Staates bedeutet. Der Rechtfertigungsdruck, welcher von der Finanzverfassung ausgeht, wird durch noch so restriktive Erhebungsvoraussetzungen allenfalls stark gemindert, nicht aber ganz aufgehoben 392 . Es ist daher einfach falsch, wollte man behaupten, eine Verleihungsgebühr käme mit dem Steuerstaat nicht in Konflikt, wenn man nur ihren Anwendungsbereich möglichst eng umreißt. Letzteres ist vorliegend geschehen, gleichwohl bleibt die Frage zu beantworten, wie dieser Gebührentyp mit der Finanzverfassung zu vereinbaren ist. Die Einwände ihrer Kritiker wiegen daher durchaus schwer, denn sie beziehen sich auf die in jedem Fall verbleibende, einzige offene Flanke der Verleihungsgebühr. Ob jedoch die alleinige Schlußfolgerung sein kann, einen solchen Gebührentyp insgesamt abzulehnen, muß bezweifelt werden. Um diese Frage beurteilen zu können, ist an das anzuknüpfen, was im vorigen bereits ausführlich erörtert wurde. Es wurde gezeigt, daß das Steuer391
392
Wieland,, S. 304.
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 b aa.
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
310
staatsprinzip Finanzierungsformen, die mit der Steuer konkurrieren, nicht generell verbietet. Deshalb sind auch Gebühren, die genauso wie die Steuer der allgemeinen Staatsfinanzierung dienen, grundsätzlich erlaubt, selbst wenn mit ihrer Erhebung von den Grundsätzen des steuerfinanzierten Staates abgewichen wird. Die Frage, welche Durchbrechungen des Steuerstaatsprinzips man als verfassungskonform tolerieren will, ist letztlich eine Frage der Einzelfallbeurteilung 393 . Wenn nun aber die einzige offene Flanke der Verleihungsgebühr lediglich darin besteht, daß mit ihrer Anerkennung vom Steuerstaatsprinzip abgewichen wird, dann ist die Problematik der Verleihungsgebühr, nachdem alle anderen Einwände ausgeräumt wurden, auf ihren eigentlichen Kern zurückgeführt, nämlich auf ein Wertungsproblem. Denn der Konflikt zwischen Verleihungsgebühr und Steuerstaatsprinzip wird auf der Ebene der Gebührenrechtfertigung relevant 394 , und die Frage, ob die Erhebung einer Gebühr gerechtfertigt ist, ist eine typische Wertungsfrage 395. Man hat abzuwägen, ob der Nachteil der Verleihungsgebühr, also ihre Steuerkonkurrenz, im Vergleich zu ihren Vorteilen derart schwer wiegt, daß diesem Gebührentyp die Anerkennung insgesamt zu verweigern ist. Im Hinblick darauf gilt folgendes: Selbstverständlich müssen die Mißbrauchsgefahren, die mit der Erhebung von Verleihungsgebühren einhergehen, gesehen werden, und gewiß mahnt der Finanzhunger des Staates insofern zur Zurückhaltung. Auch die Befürworter der Verleihungsgebühr verschließen hiervor nicht die Augen 396 . Allerdings hat die Tatsache, daß ein Rechtsinstitut mißbräuchlich verwendet werden kann, noch nie dazu geführt, es gänzlich zu verwerfen. Das Beispiel der Sonderabgabe zeigt dies deutlich. Auch ihr wurde anfangs vorgeworfen, die Entstehung einer „apokryphen Finanzverfassung" zu begünstigen397, gleichwohl ist ihre Berechtigung heute anerkannt. Das muß im Ergebnis auch für die Verleihungsgebühr gelten, denn ihre Vorteile sprechen insgesamt dafür, es dem Staat zu erlauben, diesen Gebührentyp, wenn auch nur behutsam, einzusetzen. Das ergibt sich in erster Linie aus der Tatsache, daß insbesondere im Umweltrecht ein staatliches Bedürfnis nach flexiblen abgabenrechtlichen Handlungsmöglichkeiten existiert. Je stärker nichtsteuerliche Abgaben zurückgedrängt werden, desto mehr wird die staatliche Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt und die Möglichkeit geschmälert, das Abgabeninstrumenta-
393
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 b bb, cc; 4. Teil, Gliederungsabschnitt C
II 2 b. 394 395 396
397
S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitte C I, II 2 b. S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt A III 3. F. Kirchhof,
DVB1. 1994, 1104; ders., DÖV 1992, 238; Wieland, S. 20 f.
Vgl. Friauf in: Festschrift für Jahrreiß, S. 54 f; P. Kirchhof 36; Selmer, Steuerinterventionismus, S. 183 f.
Rechtsgutachten, S.
E. Die Verleihungsgebühr als Wertungsproblem
311
rium differenziert einzusetzen398. Dieser Erkenntnis verschließen sich auch einige Kritiker der Verleihungsgebühr nicht. So bemerkt Pietzcker zutreffend, die Bedenken gegen die Verleihungsgebühr hätten gewiß Gewicht, sie „geraten freilich bei zu starker Verallgemeinerung in Gefahr, den legitimen Bereich des Einsatzes ökonomischer Hebel zu leugnen". 399 Bei Paul Kirchhof heißt es: „Soweit... ein rechtspolitisches Bedürfnis für die abgabenrechtliche Belastung einer Rechtsverschaffüng geltend gemacht wird, dürfte nicht an ein Entgelt für eine Rechtsgewähr, sondern an einen Vorteilsausgleich oder eine Kostenüberwälzung gedacht, im übrigen ein anderer Abgabentyp gefordert sein." 400 Die Notwendigkeit eines anderen Abgabentyps besteht jedoch nicht, denn mit der Verleihungsgebühr besitzt man nach hier vertretener Auffassung ein zulässiges abgabenrechtliches Instrument des Vorteilsausgleichs. Es ist erstaunlich, daß die Fähigkeit der Verleihungsgebühr, das wohl unbestreitbare Bedürfnis nach abgabenrechtlicher Flexibiliät sachgerecht 401 befriedigen zu können, einfach ignoriert wird. Es wird nicht in Rechnung gestellt, daß die Verleihungsgebühr dem tradierten und dogmatisch weitestgehend durchstrukturierten Anwendungsbereich des Gebührenrechts unterfällt und deshalb auf entsprechend sichere Rechtsgrundsätze zurückgegriffen werden kann. Darüber hinaus wird die über hundert Jahre alte Tradition, auf die die Verleihungsgebühr zurückblicken kann, völlig übersehen. Die abgabenrechtliche Belastung einer Rechtsverschaffüng durch eine Gebühr ist somit ein Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit 402 . Es brächte wesentlich mehr Nachteile mit sich, wenn diesbezüglich z. B. auf die immer noch im Fluß befindliche Kategorie der Sonderabgaben zurückgegriffen 403 oder gar ein völlig neuer Abgabentyp kreiert würde, wie es Paul Kirchhof verlangt. Aus diesem Grund kann auch dem Vorschlag, die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur „Abschöpfungsabgabe" fruchtbar zu machen404, lediglich nachrangige Bedeutung zukommen. Es ist allemal vorzugswürdig, sich auf dem relativ sicheren Grund des Gebührenrechts zu bewegen, als noch einmal den mühevollen Weg zu gehen, den man etwa bei der Sonderabgabe gehen mußte, um eine einigermaßen handhabbare Abgabeform zu entwickeln 405 . Allerdings muß eingeräumt werden, daß die Verlei-
398
Ausf. zu diesem Gedanken Hendler, AöR 115 (1990), S. 607 f.
399
Pietzcker, DVB1. 1987, 778.
400 401
Ρ Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 187. Vgl. zur Sachgerechtigkeit der Verleihungsgebühr Horn, S. 187 ff, 196 ff.
402
Vgl. F. Kirchhof, Gebühr, S. 30; ders., DÖV 1992, 238; ders., DVB1. 1994, 1104; s. auch Horn, S. 199; Chr. Müller, S. 142. 403
So aber Friauf, in: Köln-Festschrift, S. 696; gegen ihn Hendler, AöR 115 (1990), S. 605 Fußn. 80. Vgl. auch F. Kirchhof, DÖV 1992, 238; ders., DVB1. 1994, 1104. 404 Hendler, AöR 115 (1990), S. 605 f. 405 Das verkennt Köck, UPR 1991, 7, der die Erhebung einer Geldleistung für Umweltgüter als etwas derart Besonderes ansieht, daß sie nicht auf der Basis der weitge-
312
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
hungsgebühr noch nicht den Grad an rechtsdogmatischer Festigung erreicht hat wie die Verwaltungs- oder Benutzungsgebühr, insbesondere was die Bemessungsgrundsätze angeht. Es ist daher empfehlenswert, vor der gesetzlichen Einführung von Verleihungsgebühren zu erwägen, ob nicht auf Steuern, Verwaltungs- oder Benutzungsgebühren zurückgegriffen werden kann, um dasselbe abgabenrechtlich verfolgte Ziel zu erreichen 406. Der Verleihungsgebühr kommt insoweit lediglich eine das vorhandene Abgabeninstrumentarium ergänzende, subsidiäre Funktion zu. Neben den nach hier entwickelter Konzeption ohnehin schon engen Voraussetzungen der Verleihungsgebühr wird auch dadurch dem aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen bestehenden Erfordernis, diesen Gebührentyp behutsam zu verwenden, entsprochen. Eine weitere Einschränkung des Einsatzbereichs von Verleihungsgebühren kann sich bisweilen auch aus allgemeinen ökonomischen Überlegungen ergeben. So wäre es möglich, daß sich etwa im Umweltrecht der Mechanismus von Verbotserlaß und gebührenpflichtiger Dispensierung als nachteilig erweisen könnte, weil er nicht zu einer Ressourcenschonung führt, sondern lediglich Kostenbelastungen der Wirtschaft mit sich bringt, die auf die Verbraucher übergewälzt werden 407 . Die Wirkung der Verleihungsgebühr auf Marktprozesse ist daher im Hinblick auf ihren ökologischen Nutzens genau abzuwägen. Gleichwohl kann die Tatsache, daß der Einsatz einer Verleihungsgebühr in manchen Bereichen mehr Nachteile als Vorzüge aufweist, nicht dazu führen, die Rechtskategorie als solche in Frage zu stellen. Es zeigt sich lediglich, daß nicht nur rechtliche, sondern auch andere Erwägungen ein Ausufern der Verleihungsgebühr verhindern können, was ein weiteres Argument gegen entsprechende Befürchtungen ihrer Gegner ist. Bereits diese Überlegungen machen deutlich, daß der Nachteil der Verleihungsgebühr, eine Abweichung vom Steuerstaatsprinzip darzustellen, gegenüber den Vorteilen, welche ihre Anerkennung mit sich bringt, geringeres Gewicht besitzen. Die partielle Durchbrechung finanzverfassungsrechtlicher Prinzipien ist wohl schon allein deshalb zu tolerieren. Ein solcher Befund wird jedoch noch entscheidend gestützt, wenn man die wesentlichste Eigenschaft der Verleihungsgebühr berücksichtigt, nämlich ihre Bedeutung für die fundamentalen Prinzipien von Gleichheit und Gemeinwohl. Es ist ein Hauptanliegen dieser Arbeit gewesen zu zeigen, daß die Erhebung von Verleihungsgebühren aufgrund dieser beiden Gesichtspunkte gerechtfertigt ist. Betont wurde die Tatsache, daß der Staat das in der Rechtsverleihung liegende tendenziell gleichheitshend festgelegten tradierten Abgabeform der Gebühr bewältigt werden könne und stattdessen die Lösung über die Sonderabgabe favorisiert. 406 Vgl. zu diesem Gedanken Hendler, NuR 1989, 24; Kirn, S. 35. 407 Vgl. hierzu das von Koenig, S. 380 f, angeführte Beispiel von Konzessionsabgaben in der Stromwirtschaft.
F. Sonstige Aspekte der Verleihungsgebühr
313
und gemeinwohlwidrige Handeln ganz oder teilweise durch die Erhebung einer Verleihungsgebühr kompensieren kann. Er wird dadurch in die Lage versetzt, entsprechende Bedenken zu überwinden, die ihn an der Einräumung wirtschaftlich nutzbarer Rechte hindern könnten 408 . Dieser Umstand leitet zu der Kernfrage über, ob man dem Staat das Instrument der Verleihungsgebühr wirklich aus der Hand nehmen will. Man verdeutliche sich die Folgen: Entweder der gleichheits- und gemeinwohlwidrige Zustand wird sehenden Auges hingenommen, oder aber man untersagt dem Staat, einen solchen durch die Rechtsverleihung zu schaffen, was im Bereich gebührenfähiger Rechte konsequenterweise auf ein weitgehendes Dispensierungsverbot hinausliefe. Es sind also letztlich die Prinzipien von Gleichheit und Gemeinwohl, die zur Anerkennung der Verleihungsgebühr zwingen. Das Spannungsverhältnis zwischen den Erfordernissen gleichheits- und gemeinwohlorientierten Staatshandelns einerseits und dem Grundsatz des steuerfinanzierten Staates andererseits, das diesem Gebührentyp immanent ist, kann zwar nicht völlig aufgelöst werden. Man trägt ihm jedoch dadurch Rechnung, daß man die Verleihungsgebühr nicht gänzlich verwirft, sondern ihre Erhebung von restriktiven Voraussetzungen abhängig macht, wie es in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt worden ist. Eine wertende Abwägung aller relevanten Aspekte hat somit zum Ergebnis, daß die Nachteile, die entstünden, wenn der Staat die Verleihungsgebühr nicht zur Verfugung hätte, insgesamt höher einzuschätzen sind als die finanzverfassungsrechtlichen Gefahren, welche mit ihrer Anerkennung einhergehen. Es wird gewiß gelingen, diesem Gebührentyp dergestalt dogmatische Konturen zu geben, daß die in ihm liegende Durchbrechung des Steuerstaatsprinzips nicht den Bereich des Verfassungswidrigen erreicht. Die vorliegende Arbeit hat versucht, hierzu einen Beitrag zu liefern.
F. Sonstige Aspekte der Verleihungsgebühr Wenn man die Verleihungsgebühr als dritten Gebührentyp anerkennt, sind alle sonstigen Aspekte, welche mit ihrer Erhebung zusammenhängen, nach den Grundsätzen des allgemeinen Gebührenrechts zu beurteilen. Insbesondere bestehen keine Besonderheiten im Hinblick darauf, wem die Gesetzgebungskompetenz und die Ertragshoheit zustehen. Was die Gesetzgebungskompetenz angeht, wurde früher verschiedentlich die Auffassung vertreten, das Gebührenwesen sei zum Verwaltungsverfahrensrecht im Sinne des Art. 84 Abs. 1 GG
408
So auch Wieland, S. 304. Ausf. zum Ganzen oben 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 a; 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II.
314
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
zu rechnen, die Ausführung von Gesetzen durch die Verwaltung und die (abgaben-)tatbestandliche Erfassung des entsprechenden Verwaltungshandelns gehörten nämlich sachlich zusammen 409 . Diese Auffassung hat sich jedoch nicht durchsetzen können. Heute geht man vielmehr davon aus, daß sich die Gesetzgebungskompetenz für eine Gebührenregelung als Annex aus der Gesetzgebungskompetenz für die den jeweiligen Aufwand oder Vorteil begründende Sachmaterie ergibt 410 , was auch, zumindest in bezug auf die Verleihungsgebühr, vorzugswürdig ist. Denn anders als etwa die Verwaltungsgebühr soll die Verleihungsgebühr nicht eine bestimmte Verwaltungsmaßnahme, die im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ergeht, entgelten. Vielmehr dient sie materiellen Sachregelungszwecken, und daher liegt eine Parallelität zwischen Sachregelungskompetenz und Gebührenregelungskompetenz wesentlich näher 411 . Wenn es die Art. 70 f f GG zulassen, eine bestimmte Erlaubnispflicht bzw. Rechtseinräumung normativ festzulegen, enthalten sie also gleichzeitig auch die Befugnis, die Erhebung von entsprechenden Verleihungsgebühren gesetzlich zu regeln 412 . Verfolgt die Erhebung einer Verleihungsgebühr Lenkungszwecke, so wird die Lenkung durch die Sachregelungskompetenz gedeckt, wenn sie sich in derselben Sachmaterie auswirkt. Wird der Lenkungszweck hingegen in einer anderen Sachmaterie erreicht, besteht eine Kompetenz zur Erhebung der Lenkungs(verleihungs)gebühr nur dann, wenn die Gebührenerhebungskompetenz und die Lenkungssachkompetenz demselben Hoheitsträger zugewiesen sind 413 . Legt man diese Erkenntnisse zugrunde, wird deutlich, daß die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern besonderes Augenmerk verdient. Auch hier gelten jedoch die allgemeinen Prinzipien. So können die Länder auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung Gebührennormen erlassen, soweit der Bund nicht gesetzgeberisch tätig geworden ist. Ihnen verbleibt selbst dann noch Raum für eine eigenständige Gebührenregelung, wenn der Bund eine Sachmaterie vollständig geregelt hat, ohne aber entsprechende Gebührenpflichten zu begründen. Das Schweigen des Bundes in bezug auf die Gebührenfrage hemmt also nicht die legislative Tätigkeit der Länder. Es ist ihm nur durch eine Sperrvorschrift möglich zu verhindern, daß die Länder
409
So etwa Kloepfer,
AöR 97 (1972), S. 243 m.w.N.; ausf. zum Streitstand auch
Wendt, S. 26 f. 410
P. Kirchhof
HStR IV, § 88 Rn. 210; so auch F. Kirchhof
Gebühr, S. 37 f; Wendt,
S. 31 ff; Wilke, S. 160 ff. 411
In diesem Sinne auch Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 583. Kloepfer macht also, was die Verleihungsgebühr anbetrifft, eine Ausnahme von seiner sonst vertretenen Auffassung, die Gebührenregelungskompetenz zähle zum Verwaltungsverfahrensrecht. 412
413
Wieland, S. 324.
Vgl. P. Kirchhof ; HStR IV, § 88 Rn. 211.
F. Sonstige Aspekte der Verleihungsgebühr
315
bisher gebührenfreie Vorgänge mit einer Gebühr belasten414. Die Länder können also im Rahmen ihrer Befugnis zur konkurrierenden Gesetzgebung nur dann über das „Ob" und „Wie" einer Verleihungsgebühr entscheiden, wenn der Bund auf eine Regelung zur Gebührenerhebung verzichtet 415. Wesentlich freier sind die Länder in Bereichen, in denen dem Bund nur eine Rahmen- oder Grundsatzgesetzgebungskompetenz zukommt. Hier verbleibt ihnen immer ein erheblicher Teil an Normierungskompetenz 416. Zwar ist die Befugnis des Bundes, Gebührenrecht zu setzen, nicht von vornherein ausgeschlossen. Derartige Vorschriften sind allerdings recht selten und niemals abschließend417. Ein Beispiel findet sich etwa im Wasserhaushaltsgesetz, das vom Bund als Rahmengesetz auf der Grundlage des Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG erlassen wurde. § 19d Nr. 3 WHG statuiert eine Gebühr für die Prüfung genehmigungsbedürftiger Rohrleitungsanlagen. Aus dieser Bestimmung kann indes nicht abgeleitet werden, daß sie die einzige wasserrechtlich zulässige Gebühr sein soll. Es ist den Ländern also nicht untersagt, bei der landesrechtlichen Ausfüllung des vom Wasserhaushaltsgesetz gesteckten Rahmens weitere Gebührenregelungen zu erlassen. Die Kompetenz zur Erhebung einer Verleihungsgebühr liegt bei derjenigen Körperschaft, die den Vorteil zugewendet, also das Recht eingeräumt hat 418 . Ihr muß auch der Ertrag zufließen. Die Befugnis zum Erlaß eines Gebührengesetzes schließt zwar die Kompetenz ein, die Ertragshoheit festzulegen, diese darf aber vom Inhaber der Gebührengesetzgebungskompetenz nicht einem Hoheitsträger zugewiesen werden, der nicht auch für die Gebührenerhebung zuständig ist 419 . Erhebungskompetenz und Ertragshoheit verlaufen daher immer parallel. Schuldner der Verleihungsgebühr ist derjenige, der durch das verliehene Recht begünstigt worden ist 420 . Das Aufkommen aus der Verleihungsgebühr zählt dem Nonaffektationsprinzip entsprechend zu den allgemeinen Haushaltsmitteln, so daß es zur Deckung aller anfallenden Kosten verwendet werden darf 2 1 . Es unterliegt jedoch keinen Bedenken, wenn der Gesetzgeber eine zweckge-
414 415 416
417 418 419
F. Kirchhof, Gebühr, S. 38 f; Wieland, S. 324; Wilke, S. 167 f. Wieland, S. 324. Wilke, S. 168.
F. Kirchhof Gebühr, S. 40. Vgl. P. Kirchhof HStR IV, § 88 Rn. 212. Vgl. Ρ Kirchhof
HStR IV, § 88 Rn. 212; Wieland, S. 324 f; Wilke, S. 53; abwei-
chend Meyer, S. 227. 420 Vgl. Ρ. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 196. Unrichtig ist es aber nach hier vertretener Auffassung, wenn der Autor behauptet, daß der durch einen öffentlichen Aufwand Begünstigte Gebührenschuldner ist. Entscheidend ist vielmehr allein die Tatsache der Begünstigung, auf das Vorhandensein eines öffentlichen Aufwands kommt es nicht an (vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2). 421 S.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt Β IV 3 b.
316
4. Teil: Die Verleihungsgebühr
bundene Verwendung des Ertrages anordnet, denn wenn die Erhebung einer Verleihungsgebühr rechtmäßig ist, steht dem Gesetzgeber die Verwendung ihres Aufkommens frei 422 .
422
Meyer, S. 228; Wieland, 357 (360 f)·
S. 380 f. In diesem Sinne auch BVerfG, DVB1. 1996,
Fünfter
Teil
Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben A. Allgemeines Die folgende Darstellung und rechtliche Bewertung ausgewählter Abgabearten beschränkt sich auf den Bereich der Umweltabgaben. Dies erklärt sich aus der Tatsache, daß Umweltabgaben zwar anerkanntermaßen ein wichtiges Instrument ökologischer Steuerung darstellen, aber dennoch die rechtlichen Möglichkeiten ihrer Erhebung bisher noch weitgehend ungeklärt sind1. Zudem wird der Verleihungsgebühr in erster Linie auf dem Gebiet des Umweltabgabenrechts ein breites Anwendungsfeld zugesprochen2. Diese Verbindung von großer rechtspraktischer Bedeutung und einem erhöhten Maß an rechtsdogmatischem Klärungsbedarf läßt es als sinnvoll erscheinen, die Tragfähigkeit der Erkenntnisse, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung gewonnen wurden, anhand einiger ausgewählter Umweltabgaben zu überprüfen. Unter Umweltabgaben versteht man solche Abgaben3, die zur Erfüllung ökologischer Zwecke erhoben werden. Möglich ist, daß die Abgabe einen Verhaltenslenkungszweck oder einen ökologischen Finanzierungszweck verfolgt, daneben kann sie auch beide Zwecke miteinander kombinieren. Für die Beurteilung, welches Ziel angestrebt wird, sind sowohl die Vorstellungen und Absichten des Gesetzgebers als auch der systematische Gesamtzusammenhang sowie die objektive Wirkungsweise der Abgabe zu berücksichtigen 4. Um eine Geldleistung als Verleihungsgebühr qualifizieren zu können, hat man folgende Prüfungsreihenfolge gedanklich abzuarbeiten5: Zunächst ist zu fragen, ob die Geldleistung von einer bestimmten Voraussetzung abhängt. Ist 1 Vgl. Hendler, AöR 115 (1990), S. 593 f. An diesem Befund hat sich auch sechs Jahre nach Erscheinen dieser Publikation nichts Grundlegendes geändert. 2 Vgl. etwa F. Kirchhof DVB1. 1987, 554 ff; ders., DÖV 1992, 233 ff. 3 Zum Abgabenbegriff s. bereits oben, 1. Teil, Gliederungsabschnitt A. 4 S. zum Ganzen Hendler, AöR 115 (1990), S. 580 f. 5 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen in den Gliederungsabschnitten 1. Teil, A und B; 3. Teil, Β V 4; 4. Teil, Β I 1 und Β II 1.
318
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
das nicht der Fall, kann von vornherein keine Gebühr, sondern nur eine Steuer oder eine Sonderabgabe gegeben sein. In einem nächsten Schritt muß untersucht werden, ob die Abgabe eine individuell erbrachte Staatsleistung entgelten soll. Wird das bejaht, liegt eine Gebühr vor. Abschließend ist zu prüfen, worin der Inhalt der staatlichen Leistung besteht. Nur wenn die Gebühr eine Rechtsverleihung als entscheidenden tatbestandlichen Anknüpfungspunkt nimmt, ist sie als Verleihungsgebühr zu qualifizieren. Der zuletzt genannte Prüfungsschritt kann es erforderlich machen, neben der gesetzlichen Formulierung des Abgabentatbestandes hilfsweise auch die Rechtfertigung oder Bemessung der Gebühr heranzuziehen, um beurteilen zu können, welche Staatsleistung der Gebührenforderung gegenübersteht. Im übrigen muß beachtet werden, daß nicht die Bezeichung der Abgabe, sondern allein ihr materieller Gehalt für die systematische Einordnung maßgebend ist6. Im folgenden sollen nur solche Abgaben näher untersucht werden, die ökologischen Zwecken dienen und in irgendeiner Weise mit der Einräumung eines Rechts zusammenhängen. Demzufolge scheiden aus der weiteren Betrachtung solche Zahlungen, welche ersichtlich nur ein tatsächliches Verhalten belasten, von vornherein aus. Hierunter fällt etwa die naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe, die aufgrund von § 8 Abs. 9 BNatSchG7 durch die Länder eingeführt werden kann8. Ihr Anknüpfungspunkt besteht in der Vornahme eines nicht ausgleichbaren Eingriffs in Natur und Landschaft durch den Zahlungspflichtigen. Die Abgabe wird unabhängig davon erhoben, ob die Behörde den Eingriff gestattet hat9. Um die Geldleistungspflicht auszulösen, bedarf es immer erst eines tatsächlichen Eingriffs. Allein diese Handlung wird also finanziell belastet, nicht aber die Genehmigung des Verhaltens. Daher ist eine Einordnung der Abgabe als Verleihungsgebühr nicht möglich 10 . Entsprechende Überlegungen gelten im Hinblick auf die in einigen wenigen Bundesländern erhobenen Wasserzinsen. Sie müssen für die Nutzung von Gewässern gezahlt werden und unterscheiden sich durch diesen allgemein gehaltenen Tatbestand von den im folgenden Gliederungsabschnitt zu behandelnden wasserrechtlichen Abgaben, bei denen es in erster Linie um die Entnahme von Wasser geht. Wasserzinsen belasten allein die tatsächliche Inanspruchnahme des Wassers, nicht aber die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung 11 . Auch diese
6
S.o. 1. Teil, Gliederungsabschnitt Β II a.E. Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) i.d.F. der Bek. vom 12.03.1987 (BGBl. I S. 889), zuletzt geändert durch Gesetz vom 06.08.1993 (BGBl. I S. 1458). 8 BVerwGE 74, 308 ff; 81, 220 ff. 9 BVerwGE 81, 220 (223 f). 10 So auch Meßerschmidt, DVB1. 1987, 932. 11 Ausf. dazu Wieland, S. 28 ff. 7
Β. Einzelne Abgaben
319
Abgaben stellen daher keine Verleihungsgebühren dar. Schließlich ist noch die Abwasserabgabe zu nennen, die gemäß § 1 Satz 1 A b w A G 1 2 für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer zu entrichten ist, und zwar unabhängig davon, ob die Einleitung genehmigt oder ungenehmigt erfolgt (§ 9 Abs. 1 AbwAG) 1 3 . Dieser Umstand verbietet es, die Abwasserabgabe als Verleihungsgebühr anzusehen14. Naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe, Wasserzins und Abwasserabgabe hängen also ersichtlich nicht von der Verleihung eines Rechts ab und müssen deshalb nicht näher untersucht werden. Nähere Aufmerksamkeit verdienen im folgenden nur diejenigen Abgaben, bei denen es als möglich erscheint, daß sie an eine Rechtsverleihung anknüpfen.
B. Einzelne Abgaben I. Abgaben für Wasserentnahmen 1. Das baden-württembergische
Wasserentnahmeentgelt
a) Rechtliche Ausgestaltung Das baden-württembergische Wasserentnahmeentgelt, auch „Wasserpfennig" genannt, ist die erste gesetzliche Ausformung von Wasserentnahmeabgaben. Seine Rechtsgrundlagen finden sich in den §§ 17a - 17f BaWüWG 1 5 . Nach § 17a Abs. 1 BaWüWG erhebt das Land von dem Benutzer eines Gewässers ein Entgelt für bestimmte Benutzungen, soweit sie der Wasserversorgung dienen. § 17a Abs. 2 BaWüWG stellt einige Benutzungen entgeltfrei, insbesondere erlaubnisfreie Benutzungen im Sinne von §§ 17a, 23, 24 und 33 WHG sowie §§ 26, 27 und 36 Abs. 2 BaWüWG, also in erster Linie den sog. Gemeingebrauch des Wassers. Gemäß § 17a Abs. 3 Sätze 1 und 2 BaWüWG bemißt sich das Entgelt nach Herkunft, Menge und Verwendungszweck des Wassers; maßgebend für die Höhe des Entgelts ist die zu § 17a Abs. 3 BaWüWG gehörige Anlage des Gesetzes. Hiernach beträgt das Entgelt zwischen 0,10 und 0,01 D M je Kubikmeter. Die erbrachten Geldzahlungen fließen dem
12
Gesetz über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer (Abwasserabgabengesetz) i.d.F. der Bek. vom 06.11.1990 (BGBl. I S. 2432), zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.07.1994 (BGBl. I S. 1453). 13
14
15
Meßerschmidt, S. 188. Vgl. Meyer, S. 120 f; Wieland, S. 33 f.
Wassergesetz für Baden-Württemberg i.d.F. vom 01.07.1988, GBl. S. 269.
320
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
Land zu (§ 17a Abs. 3 Satz 3 BaWüWG), ohne einer besonderen Zweckbindung zu unterliegen. Das Gesetz bezeichnet die Abgabe durchgängig als „Wasserentnahmeentgelt".
b) Qualifizierung als Verleihungsgebühr? Im Hinblick auf die genaue abgabenrechtliche Qualifizierung des badenwürttembergischen Wasserentnahmeentgelts besteht eine ausgedehnte wissenschaftliche Kontroverse, die insofern auch mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.11.199516 keinen endgültigen Abschluß gefunden hat. Das Gericht läßt dort nämlich die exakte Kategorisierung der Abgabe mit dem Argument offen, Fragen der Systematisierung und Katalogbildung seien keine Verfassungsfragen. Es legt sich nur insoweit fest, als es das Wasserentnahmeentgelt als (insgesamt rechtmäßige) nichtsteuerliche Abgabe ansieht. Daher bleibt es weitgehend der Rechtswissenschaft überlassen, das Entgelt dogmatisch näher zu würdigen 17 . Innerhalb der Literatur wird es als Sonderabgabe18, Steuer 19, Benutzungs-20 oder Duldungsgebühr 21 eingeordnet. Nur vereinzelt findet sich die Auffassung, es handele sich bei ihr um eine Verleihungsgebühr. Die staatlicherseits erbrachte Leistung bestehe in der Freigabe des Wassers zur privaten Entnahme, entgolten werde die Verleihung des Wasserentnahmerechts 22. Schließlich ist noch Salzwedel zu nennen, der die Abgabe für
16
BVerfG, DVB1. 1996, 357 ff. Daß diese Tendenz bundesverfassungsgerichtlicher Spruchpraxis grundsätzlich zu begrüßen ist, wurde an anderer Stelle bereits bemerkt, s.o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt BUI 1. 18 Balmes, DStZ 1990, 200 f; Köck, UPR 1991, 9 ff (letzterer mit dem Vorschlag, das Wasserentnahmeentgelt als eigenständigen Typus der „Umweltnutzungsabgabe'4 aufzufassen). 17
19
R. Hofmann, VB1BW 1988, 428 f; F. Kirchhof N V w Z 1987, 1035 f; Pietzcker, DVB1. 1987, 780 f; Sander, DVB1. 1990, 22; Wiß, S. 161 ff, 178. 20
Hendler, NuR 1989, 24 ff; P. Kirchhof Rechtsgutachten, S. 27. Vgl. auch VG Karlsruhe, VB1BW 1990, 69 (70), wo das Gericht den Gebührencharakter der Abgabe zwar bejaht, es aber offenläßt, ob es sich um eine Benutzungs- oder Verleihungsgebühr handelt. 21
22
Meyer, S. 104 ff.
So Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 24 ff, 31 (ohne Begründung). Nur am Rande sei bemerkt, daß diese Aussagen in Widerspruch zu den Ausführungen auf S. 10 stehen, wonach die Wasserentnahme finanziell belastet werde; das Entgelt solle nicht für die Erteilung der Genehmigung erhoben werden. Zwischen Verleihungs- und Benutzungsgebühr schwankend Bulling/Finkenbeiner/Eckardt/Kibele, vor §§ 17a ff Rn. 29 ff, 35;
Β. Einzelne Abgaben
321
die Verleihung eines Wasserentnahmerechts für eine Verleihungsgebühr hält. Er läßt es jedoch offen, ob diese einen eigenen Gebührentyp bildet oder ein Unterfall der Benutzungsgebühr ist. Darüber hinaus beziehen sich seine Ausführungen nicht auf das Wasserentnahmeentgelt in der heute geltenden Form, sondern loten lediglich die rechtlichen Möglichkeiten zur Erhebung einer solchen Abgabe abstrakt aus23. Das baden-württembergische Wasserentnahmeentgelt kann nur dann als Verleihungsgebühr qualifiziert werden, wenn ein Recht, das dem Gebührenschuldner verliehen wurde, als entscheidende Voraussetzung der Abgabepflicht angesehen werden kann und deshalb den maßgeblichen tatbestandlichen Anknüpfungspunkt bildet. Hierauf könnte die Regelung des § 17a Abs. 2 Nr. 1 BaWüWG hindeuten, wonach für näher bezeichnete erlaubnisfreie Benutzungen kein Entgelt erhoben wird. Es wäre möglich, daß der Gesetzgeber dadurch nicht die Benutzung des Wassers als solche, sondern die Verleihung des Wasserentnahmerechts zum Gegenstand der Zahlung machen will, denn wenn die Wasserbenutzung nicht genehmigungspflichtig ist, entfällt auch die Abgabepflicht. Wasserrechtliche Genehmigung und Zahlungspflicht hängen insofern zusammen. Eine solche Einschätzung würde jedoch folgendes verkennen: § 17a Abs. 2 BaWüWG bildet rechtssystematisch gesehen lediglich einen Ausschlußtatbestand, der abgabenrechtlich relevante Grundtatbestand findet sich allein in § 17a Abs. 1 BaWüWG. Diese Norm spricht aber ausdrücklich davon, daß das Land „von dem Benutzer eines Gewässers ein Entgelt für folgende Benutzungen" erhebt. Von einem Entgelt für das Recht zur Benutzung ist nicht die Rede. Bereits der Wortlaut deutet also darauf hin, daß nur die tatsächliche Benutzung abgabepflichtig sein soll. Darüber hinaus ist zu beachten, daß der Ausschlußtatbestand des § 17a Abs. 2 Nr. 1 BaWüWG den Kreis der erlaubnisfreien Benutzungen ausdrücklich nennt. Erfaßt werden nur solche „im Sinne von §§ 17a, 23, 24 und 33 WHG und §§ 26, 27 und 36 Abs. 2 dieses Gesetzes". Nicht aufgeführt wird etwa § 9a WHG, der die zuständige Behörde ermächtigt, den Beginn der Gewässerbenutzung unter bestimmten Voraussetzungen bereits vor Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung zuzulassen. Ferner fehlt § 15 WHG in der Aufzählung, wonach eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung für Benutzungen, die aufgrund alter Rechte oder alter Befugnisse ausgeübt werden, nicht erforderlich ist. § 17a BaWüWG steht der Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts für derartige Benutzungen nicht entgegen24, obwohl der Entstehung der Abgabepflicht kein Rechtsverleihungsakt die Ausführungen sind allerdings unklar und in sich widersprüchlich, insbesondere was die Bestimmung der gebührenpflichtigen Leistung angeht. 23 Salzwedel, Rechtsgutachten, S. 65 f, 109 ff. 24
Bulling/Finkenbeiner/Eckardt/Kibele,
übersieht BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360). 21 Heimlich
vor §§ 17a ff Rn. 28; § 17a Rn. 13. Das
322
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
in Form einer wasserrechtlichen Genehmigung vorausgeht; diese ist also keine notwendige Voraussetzung der Zahlung. Sogar die unerlaubte Gewässerbenutzung muß aus Gleichheitsgründen der Entgeltpflicht unterworfen werden 25. Des weiteren legt auch die Regelung in § 17a Abs. 3 BaWüWG, der hinsichtlich der Abgabenbemessung u.a. auf die Menge des entnommenen Wassers abstellt, nahe, daß nicht ein Recht zur Wasserentnahme, sondern allein die tatsächliche Förderung eines bestimmten Wasserquantums den abgabenrechtlichen Anknüpfungspunkt bildet. Anderenfalls würde sich die Höhe des Entgelts nach dem Umfang der rechtlich zulässigen Gewässernutzung bestimmen26. Schließlich fehlen im gesamten Gesetz Aussagen darüber, daß dem Abgabenschuldner ein Recht verliehen wird mit dem Inhalt, eine bestimmte Menge an Wasser entnehmen zu dürfen. Vielmehr ist nur von der Tatsache der Rechtseinräumung als solcher die Rede. A l l diese Gesichtspunkte lassen lediglich den Schluß zu, daß das Wasserentnahmeentgelt nicht entscheidend an die Verleihung eines wasserrechtlichen Benutzungsrechts anknüpft, sondern nur die tatsächliche Wasserentnahme finanziell belastet wird 27 . Wasserrechtliche Genehmigung und Zahlungspflicht hängen zwar in der Regel zusammen, eine für die abgabenrechtliche Einordnung maßgebende innere Verbindung besteht zwischen beidem jedoch nicht. Aus diesem Grund 28 kann die Abgabe nicht als Verleihungsgebühr qualifiziert werden 29. Der Ausschlußtatbestand des § 17a Abs. 2 BaWüWG findet eher in dem Bestreben des Gesetzgebers, den Gemeingebrauch des Wassers entgeltfrei zu lassen, seine Begründung 30. Alles andere würde auch dem Sinn des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs widersprechen. Dafür, daß ein Entgelt für tatsächliche Wasserentnahmen als Gebühr einzuordnen ist, sprechen gute Gründe 31. Insbesondere wäre es nicht verboten, die Ausübung einer wasserrechtlichen Genehmigung mit einer Gebühr zu belasten, wenn und weil der Gebrauch dieses Rechts in der Benutzung einer öffentlichen Sache oder Einrichtung besteht, denn als gebührenfähige Staatsleistung ist hier die Duldung der Inanspruchnahme gegeben; ansonsten dürfte für die Ausübung eines
25
26
Bulling/Finkenbeiner/Eckardt/Kibele,
vor §§ 17a ff Rn. 28; § 17a Rn. 13.
So auch die Argumentation von P. Kirchhof, Rechtsgutachten, S. 29 f. 27 In diesem Sinne auch BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360). 28 Nicht aber deshalb, weil die Erhebung einer Gebühr für eine Rechtsverleihung von vornherein nicht anerkannt werden kann, in diesem Sinne jedoch die Argumentation von Pietzcker, DVB1. 1987, III 29
ff.
So auch R. Hofmann, VB1BW 1988, 427; F. Kirchhof
Kirchhof
NVwZ 1987, 1035; P.
Rechtsgutachten, S. 29 f; Köck, UPR 1991, 8; Meyer, S. 109; Wieland, S. 33
(der jedoch den Begriff „Verleihungsgebühr" vermeidet und davon spricht, daß keine „Erlaubnisabgabe" gegeben sei); Wiß, S. 159. 30 Vgl. F. Kirchhof, NVwZ 1987, 1035. 31
Vgl. Hendler, NuR 1989, 24 ff; P. Kirchhof,
104 ff. Dagegen etwa von Mutius/Lünenbürger,
Rechtsgutachten, S. 27 ff; Meyer, S.
DVB1. 1995, 1206 ff.
Β. Einzelne Abgaben
323
verliehenen Rechts keine Gebühr erhoben werden 32. Letztlich kann die genaue abgabenrechtliche Qualifikation jedoch im hier gegebenen Zusammenhang dahinstehen, denn eine Verleihungsgebilhr ist das baden-württembergische Wasserentnahmeentgelt jedenfalls nicht. Es muß somit nicht weiter betrachtet werden.
2. Die Gebühr für Wasserbenutzungen in Brandenburg und Niedersachsen a) Rechtliche Ausgestaltungen Die § § 4 0 - 4 2 BbgWG 33 lassen die Erhebung eines sogenannten Wassernutzungsentgelts zu. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BbgWG wird diese Abgabe in Form von Gebühren für bestimmte Wasserbenutzungen verlangt. Hierzu zählen das Entnehmen oder Ableiten von Oberflächenwasser sowie das Entnehmen, Zutagefördern und Ableiten von Grundwasser. Eine Gebühr wird für bestimmte Benutzungen nicht erhoben, insbesondere sind erlaubnisfreie Wasserbenutzungen im Sinne von §§ 17a, 23, 24 und 33 WHG gebührenfrei (§ 40 Abs. 4 Nr. 1 BbgWG). Nach § 40 Abs. 5 BbgWG steht dem Land das Aufkommen für wasserwirtschaftliche Maßnahmen zweckgebunden zur Verfügung. Die Höhe des Entgelts bewegt sich zwischen 0,01 und 0,15 D M je Kubikmeter; es bemißt sich grundsätzlich nach der tatsächlich entnommenen Wassermenge (§ 40 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BbgWG). Das Gesetz bezeichnet die Geldleistung wechselweise als Wassernutzungsentgelt, Gebühr oder Abgabe. In das Niedersächsische Wassergesetz34 wurden im Jahre 1992 die §§ 47 47h eingefügt 35. § 47 Abs. 1 Satz 1 NdsWG ermöglicht es dem Land, für Benutzungen nach § 4 Abs. 1 Nrn. 1 und 7 NdsWG (Wasserentnahmen) eine Gebühr zu erheben. Bestimmte Wasserentnahmen sind gebührenfrei (§ 47 Abs. 2, 4 - 6 NdsWG), was insbesondere erlaubnis- oder bewilligungsfreie Entnahmen im Sinne der §§ 21, 73, 76 und 136 NdsWG betrifft. Das Aufkommen unterliegt einer Zweckbindung: Der Ertrag, welcher nach Abzug des mit dem Gesetzesvollzug einhergehenden Verwaltungsaufwands verbleibt, ist für Maßnahmen zu verwenden, die dem Schutz der Gewässer und des Wasserhaushalts dienen (§ 47h Abs. 3 NdsWG). Die Höhe der Gebühr ergibt sich aus dem
32
S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 3 a. E. Brandenburgisches Wassergesetz vom 13.07.1994, GVB1.1 S. 302. 34 Niedersächsisches Wassergesetz i.d.F. vom 20.08.1990, GVB1. S. 371. 35 Achtes Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Wassergesetzes vom 23.06.1992, GVB1. S. 163. 33
324
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
„Verzeichnis der Gebühren für Wasserentnahmen", das zu § 47a Abs. 1 NdsWG ergeht. Hiernach beträgt der Gebührensatz zwischen 0,005 und 0,12 D M je Kubikmeter. Das Gesetz bezeichnet die Abgabe durchgängig als „Gebühr".
b) Qualifizierung als Verleihungsgebühr? In Brandenburg und Niedersachsen nehmen bereits die gesetzlich gewählten Bezeichnungen eine abgabensystematische Einordnung der Wasserentnahmeabgabe als Gebühr vor. § 40 Abs. 1 Satz 1 BbgWG spricht ausdrücklich davon, daß das Entgelt „ i n Form von Gebühren" erhoben wird, wobei das Gesetz diesen Begriff allerdings nicht durchgängig verwendet. Der Gesetzesbegründung zufolge soll es sich um eine Verleihungsgebühr handeln 36 . In den niedersächsischen Regelungen findet sich allein der Terminus „Gebühr" 37 . Es ist jedoch zweifelhaft, ob es sich bei den beiden Abgaben um Verleihungsgebühren handelt, denn auch hier wäre dies nur dann der Fall, wenn sie eine Rechtsverleihung entgelten würden. Das könnte jedoch allenfalls aus dem Umstand geschlossen werden, daß eine Gebührenpflicht für erlaubnis- oder bewilligungsfreie Wasserentnahmen nicht besteht (§ 40 Abs. 4 Nr. 1 BbgWG, § 47 Abs. 4 NdsWG). Die Abgabe wird hiernach also erst dann erhoben, wenn eine wasserrechtliche Genehmigung erforderlich ist und auch erteilt wurde. Genauso wie bei der soeben dargestellten baden-württembergischen Regelung darf aber auch im brandenburgischen und niedersächsischen Recht nicht allein aus der Existenz des jeweiligen Ausschlußtatbestandes auf die Entgeltpflichtigkeit der wasserrechtlichen Rechtsverleihung geschlossen werden; denn beide Normen umfassen nicht alle erlaubnis- oder bewilligungsfreien Wasserentnahmen, sondern beziehen sich nur auf bestimmte, enumerativ aufgeführte Fälle genehmigungsfreier Wasserbenutzungen. Die im Zusammenhang mit dem badenwürttembergischen Wasserentnahmeentgelt genannten Argumente, die einer Qualifizierung als Verleihungsgebühr entgegenstehen, gelten hier entsprechend 38 . Genauso wie dort wird auch durch die brandenburgische und die nie-
36
37
Vgl. Sanden, UPR 1994, 429.
Murswiek, NuR 1994, 176, ordnet die niedersächsische Abgabe als „Ressourcennutzungsgebühr" ein; ähnlich Meyer, S. 113: Gebühr für die Duldung von Wasserentnahmen, in diesem Sinne auch OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1995, 442. Der zuerst von Murswiek entwickelte neue Gebührentyp hat sich jedoch bisher noch nicht durchsetzen können, obwohl gute Gründe für seine Anerkennung sprechen (ausf. hierzu Meyer, S. 42 ff, 181 ff). Dem ist jedoch im hier gegebenen Rahmen nicht näher nachzugehen. 38 Vgl. o. 5. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 1 b.
Β. Einzelne Abgaben
325
dersächsische Abgabe nur die tatsächliche Wasserentnahme finanziell belastet. Dafür sprechen in erster Linie die Tatbestände, welche eine Abgabepflicht begründen. In ihnen heißt es ausdrücklich, daß „Abgaben in Form von Gebühren für... Benutzungen" (§ 40 Abs. 1 Satz 1 BbgWG) bzw. ,für Benutzungen ... eine Gebühr" (§ 47 Abs. 1 NdsWG) erhoben wird, also nicht für das Recht zur Benutzung. Dasselbe folgt aus den Regelungen zur Gebührenbemessung. Nach § 40 Abs. 1 Satz 4 BbgWG bemißt sich die Abgabe im Regelfall nach der tatsächlich entnommenen Wassermenge; gemäß § 47e Abs. 1 Satz 1 NdsWG hat die Wassermenge durch geeignete Geräte zu messen, wer für die Wasserentnahme gebührenpflichtig gemacht werden kann. Das Gesetz sieht also nur die tatsächlich entnommene, nicht aber eine bestimmte, zur Förderung rechtlich freigegebene Wassermenge als entscheidend an, damit die Gebührenpflicht entsteht. Die brandenburgische und die niedersächsische Gebühr für Wasserentnahmen sind daher keine Verleihungsgebühren 39, so daß auf beide nicht näher eingegangen werden muß.
3. Die schleswig-holsteinische
Grundwasserentnahmeabgabe
a) Rechtliche Ausgestaltung Schleswig-Holstein hat die Abgabepflicht für Grundwasserentnahmen in einem eigenen Gesetz geregelt 40. Die gesetzlichen Ziele sind in § 1 SHGruWAG niedergelegt. Hiernach erhebt das Land die Abgabe zum Schutz des Grundwassers sowie zu Sicherung und Verbesserung seiner Bewirtschaftung. Der eigentliche Abgabentatbestand findet sich in § 2 Abs. 1 Satz 1 SHGruWAG. Dieser Regelung zufolge wird die Grundwasserentnahmeabgabe für die Entnahme von Grundwasser aufgrund eines Rechtes oder einer Befugnis zum Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten oder Ableiten von Grundwasser erhoben; die Entnahme von Oberflächenwasser ist demzufolge abgabefrei. Auch nach schleswig-holsteinischem Recht entfällt die Abgabepflicht bei bestimmten erlaubnisfreien Benutzungen, nämlich solchen, die im Sinne der §§ 17a und 33 WHG sowie § 22 des Landeswassergesetzes erlaubnisfrei sind, was in erster Linie den Gemeingebrauch des Wasser betrifft (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 SHGruWAG).
39
So auch von Mutius/Lünenbürger, DVB1. 1995, 1208, und Sonden, UPR 1994, 429, letzterer aber nur in bezug auf die brandenburgische Abgabe; der Autor weist zudem zutreffend darauf hin, daß insofern eine Diskrepanz zwischen der Gesetzesbegründung und der rechtlichen Ausgestaltung der Wasserentnahmegebühr besteht. 40 Gesetz über die Erhebung einer Grundwasserentnahmeabgabe vom 14.02.1994, GVB1. S. 141.
326
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
Gemäß § 3 Abs. 1 SHGruWAG bemißt sich die Höhe der Geldleistung auf der Grundlage der tatsächlich entnommenen Wassermenge und des Verwendungszwecks nach der dem Gesetz beigefügten Anlage. Diese wiederum legt den Abgabesatz auf einen Wert zwischen 0,05 und 0,15 D M je Kubikmeter fest. Abgabepflichtig ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SHGruWAG grundsätzlich der Inhaber der Entnahmerechte oder -befugnisse. Das Aufkommen soll zunächst den Verwaltungsaufwand decken, der mit dem Vollzug des Gesetzes einhergeht, im übrigen unterliegt es einer Zweckbindung zugunsten der in § 1 SHGruWAG niedergelegten Ziele. Das Gesetz bezeichnet die Abgabe durchgängig als „Grundwasserentnahmeabgabe".
b) Qualifizierung als Verleihungsgebühr? Zunächst könnte aus der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 SHGruWAG getroffenen Bestimmung, wonach für einige erlaubnisfreie Wasserentnahmen keine Abgabe erhoben wird, gefolgert werden, die schleswig-holsteinische Grundwasserentnahmeabgabe sei eine Verleihungsgebühr. Daß die Existenz dieses begrenzten Ausschlußtatbestandes allein kein Argument für eine derartige Qualifizierung ist, wurde bereits in bezug auf die entsprechende baden-württembergische Regelung dargelegt, die obigen Ausführungen gelten hier sinngemäß41. Allerdings weist das schleswig-holsteinische Recht im Gegensatz zu allen anderen landesrechtlichen Ausgestaltungen von Wasserentnahmeabgaben eine Besonderheit auf, was die Formulierung des Abgabentatbestandes angeht. § 2 Abs. 1 Satz 1 SHGruWAG spricht ausdrücklich davon, daß die Abgabe „für die Entnahme von Grundwasser aufgrund eines Rechts oder einer Befugnis" erhoben wird. In § 5 Abs. 1 Satz 1 SHGruWAG heißt es, abgabepflichtig seien die Inhaber der Rechte oder Befugnisse nach § 2 Abs. 1 SHGruWAG. Der Wortlaut dieser beiden Normen könnte daraufhindeuten, daß nicht die tatsächliche Wasserentnahme, sondern allein das entsprechende Recht finanziell belastet werden soll. Allerdings kann trotz dieser Besonderheiten in der Gesetzesformulierung auch die schleswig-holsteinische Grundwasserentnahmeabgabe nicht als Verleihungsgebühr angesehen werden. Dem steht nämlich § 2 Abs. 1 Satz 2 SHGruWAG entgegen, wonach die Abgabepflicht auch für Zeiträume besteht, in denen vor der Erteilung oder nach dem Erlöschen eines Rechts oder einer Befugnis Grundwasser entnommen wird 42 . Abgabepflichtig ist in einem solchen Fall, wer Grundwasser entnimmt, zutage fördert, zutage leitet oder ableitet (so § 5 Abs. 1 Satz 2 SHGruWAG). Die Innehabung eines Rechts ist somit nicht
41 42
S.o. 5. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 1 b. So i. Erg. auch von Mutius/Lünenbürger,
DVB1. 1995, 1208.
Β. Einzelne Abgaben
327
notwendige Voraussetzung der Abgabepflicht, vielmehr wird entscheidend an die tatsächliche Wasserentnahme angeknüpft. Ein Blick auf die Bemessungsregelungen stützt diese Erkenntnis. Gemäß § 3 Abs. 1 SHGruWAG bestimmt sich die Höhe der Abgabe nach „der tatsächlich entnommenen Wassermenge". Absatz 2 dieser Norm legt den Abgabeschuldnern die Pflicht auf, die Entnahmeanlagen mit entsprechenden Wassermeßgeräten auszurüsten. A l l das spricht dafür, daß nicht das Recht zur Entnahme, sondern lediglich die Entnahme als faktischer Vorgang finanziell belastet werden soll. Entscheidend für die Qualifizierung einer Abgabe ist jedoch in erster Linie der Abgabentatbestand. § 2 Abs. 1 Satz 1 SHGruWAG greift die in § 1 SHGruWAG verwendete Formulierung auf, wonach „eine Abgabe für die Entnahme von Grundwasser" erhoben wird. Er präzisiert sie aber dahingehend, daß die Entnahme grundsätzlich eine berechtigte Entnahme sein muß. Die Abgabepflicht wird allerdings entscheidend von dem Entnahmevorgang, nicht von der Berechtigung, ausgelöst. Daher heißt es in § 2 Abs. 1 Satz 1 SHGruWAG, daß die Abgabe „für die Entnahme ... aufgrund eines Rechts oder einer Befugnis", nicht aber für dessen bzw. deren Einräumung, erhoben wird. Der vom Gesetz vorgesehene Weg ist somit folgender: Zunächst wird ein Recht oder eine Befugnis zur Grundwasserentnahme erteilt, danach wird Wasser entnommen, dessen Menge wird gemessen, und aus dem ermittelten, tatsächlich geförderten Wasserquantum ergibt sich die Abgabenhöhe. Die gesamte Gesetzessystematik sowie der letztlich maßgebende Wortlaut des Abgabentatbestandes lassen somit allein den Schluß zu, daß auch die schleswig-holsteinische Grundwasserentnahmeabgabe trotz der genannten Besonderheit in der gesetzlichen Formulierung keine Verleihungsgebühr ist. Sie muß daher nicht näher betrachtet werden.
4. Weitere landesrechtliche
Wasserentnahmeabgaben
Auch die Länder Bayern 43 , Berlin 44 , Hessen45, Mecklenburg-Vorpommern 46 , Sachsen47, Sachsen-Anhalt48 und Thüringen 49 haben die Erhebung einer Abgabe
43
Art. 4 Abs. 2 Satz 4 Bay WG (Bayerisches Wassergesetz i.d.F. der Bek. vom 19.07.1994, GVB1. S. 822; zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.07.1995, GVB1. S. 353). 44 § 13a BerlWG (Berliner Wassergesetz i.d.F. vom 03.03.1989, GVB1. S. 605). Das VG Berlin bezeichnet diese Abgabe als verfassungsrechtlich nicht bedenklich (ZfWSonderheft 1991, S. 29 Nr. 90 - nur Leitsatz -). 45 Hessisches Gesetz über die Erhebung einer Abgabe für Grundwasserentnahmen (Hessisches Grundwasserabgabengesetz) vom 17.06.1992, GVB1. I S. 209. Ob die Abgabe eine verfassungswidrige Sonderabgabe (so Murswiek, NuR 1994, 172 f) oder eine Duldungsgebühr (so Meyer, S. 113) darstellt, mag dahinstehen. Die Entscheidung
328
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
für Wasserentnahmen gesetzlich ermöglicht. Sieht man von der bayerischen Gesetzeslage ab 50 , bestehen hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung in wesentlichen Teilen weitestgehende Übereinstimmungen. Das betrifft in erster Linie den die Abgabepflicht begründenden Tatbestand. In allen Ländern wird für das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser eine Abgabe erhoben, zusätzlich belasten Mecklenburg»^Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen noch das Entnehmen und Ableiten von Oberflächenwasser mit einer Geldleistungspflicht. Eine weitere Gemeinsamkeit aller landesrechtlichen Regelungen besteht darin, daß bestimmte erlaubnisfreie Wasserentnahmen entgeltfrei sind, was insbesondere den wasserrechtlichen Gemeingebrauch betrifft. Darüber hinaus bemißt sich die Höhe der Zahlung in jedem Fall nach der Menge des tatsächlich entnommenen Wassers, und das Aufkommen wird zweckgebunden für wasserwirtschaftliche Zwecke verwendet. Ein wesentlicher Unterschied der gesetzlichen Regelungen besteht in der Bezeichnung der Abgabe: Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen nennen sie „Entgelt", während in den hessischen und sächsischen Normen nur von einer „Abgabe" die Rede ist. Andere landesrechtliche Besonderheiten sind im hier gegebenen Zusammenhang nicht relevant.
des Bundesverfassungsgerichts vom 07.11.1995 (BVerfG, DVB1. 1996, 357 ff) hat sie zwar als insgesamt rechtmäßige außersteuerliche Abgabe beurteilt, ihre genaue abgabenrechtliche Qualifizierung jedoch offengelassen, vgl. bereits o. 5. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 1 b. 46 §§ 16 - 18 MeVoWG (Wassergesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 30.11.1992, GVB1. S. 669, zuletzt geändert durch Gesetz vom 02.03.1993, GVB1. S. 178). 47 § 23 SächsWG (Sächsisches Wassergesetz vom 23.02.1993, GVB1. S. 201). Die Abgabe soll nach Sauden, UPR 1994, 428, eine Sonderabgabe sein. 48 § 47 SaAnWG (Wassergesetz für das Land Sachsen-Anhalt vom 31.08.1993, GVB1. S. 477; zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.04.1994, GVB1. S. 507). Sanden, UPR 1994, 426, läßt die Rechtsnatur der Abgabe mangels gesetzlicher Anhaltspunkte offen. 49 §§ 31 - 36 ThürWG (Thüringer Wassergesetz vom 10.05.1994, GVB1. S. 445; zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.05.1994, GVB1. S. 478). Vgl. hierzu Sanden, UPR 1994, 429 f. 50 In Bayern kann für bestimmte Benutzungen ein Entgelt „als Nutzungsgebühr erhoben werden" (Art. 4 Abs. 2 Satz 4 BayWG). Die Abgabenpflicht hängt also nicht entscheidend von der Verleihung eines Rechts ab, was die Einordnung als Verleihungsgebühr verbietet. Vgl. auch Meyer, S. 102 f, 113 f, und Wieland, S. 30 f, beide allerdings noch zur alten Rechtslage.
Β. Einzelne Abgaben
329
Keine der genannten Wasserentnahmeabgaben stellt allerdings eine Verleihungsgebühr dar 51 . Eine solche Folgerung könnte allenfalls aus dem Umstand gezogen werden, daß bestimmte erlaubnis- oder bewilligungsfreie Grundwasserentnahmen nicht finanziell belastet werden, weshalb die Abgabenerhebung grundsätzlich mit der Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung zusammenhängt. Im wesentlichen gelten aber für sämtliche landesrechtlichen Regelungen die Überlegungen zum baden-württembergischen Wasserentnahmeentgelt entsprechend. Hier wie dort erlaubt allein die Existenz eines derartig begrenzten Ausschlußtatbestandes einen solchen Schluß nicht, denn die Verleihung eines Rechts wird durch ihn nicht zum entscheidenden Anknüpfungspunkt der Abgabepflicht 52 . Darüber hinaus spricht gegen die Einordnung als Verleihungsgebühr die eindeutige Formulierung des jeweiligen abgabenrechtlichen Grundtatbestandes, wonach die Abgabe für Grundwasserentnahmen, nicht aber für ein staatlicherseits eingeräumtes Recht auf diese, erhoben wird. Ferner bemißt sich die Höhe der Zahlung immer nach der tatsächlich entnommenen Wassermenge, und nicht nach der Menge, die entnommen werden darf. Schließlich schuldet die Abgabe der Wasserentnehmer, nicht aber der Inhaber eines entsprechenden Rechts. Diese Ausgestaltung, die allen genannten Regelungen gemeinsam ist, verbietet eine Qualifikation als Verleihungsgebühr.
5. Die Hamburger Gebühr für Grundwasserentnahmen a) Rechtliche Ausgestaltung Ebenso wie in Hessen und Schleswig-Holstein wird in Hamburg die Erhebung einer Abgabe für Grundwasserentnahmen durch ein eigenständiges Gesetz geregelt 53. Gemäß § 1 Abs. 1 HambGruwaG wird für die Einräumung der Befugnis zum Entnehmen, Zutagefordern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser (Grundwasserförderung) eine Gebühr erhoben, soweit die Grundwasserförderung der Wasserversorgung dient. Erfaßt ist demnach sowohl die Förderung zugunsten der öffentlichen als auch der privaten Wasserversor-
51
So auch für die Regelung in Mecklenburg-Vorpommern Sanden, UPR 1994, 427; s. auch Meyer, S. 101 ff, 112 ff; in bezug auf die hessische Abgabe offengelassen von BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360). 52 . Vgl. o. 5. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 1 b. 53 Gesetz über die Erhebung einer Gebühr für Grundwasserentnahmen (Grundwassergebührengesetz - GruwaG) vom 26.06.1989, GVB1. S. 115; geändert durch Gesetz vom 14.02.1994, GVB1. S. 34.
330
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
gung 54 . Die Entnahme von Oberflächenwasser ist gebührenfrei. § 1 Abs. 2 HambGruwaG enthält einen Ausschlußtatbestand, nach dem die Gebühr in bestimmten Fällen nicht erhoben wird. Das betrifft insbesondere die Grundwasserförderung, welche aufgrund der Regelungen des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs erlaubnisfrei ist. Die Gebühr bemißt sich grundsätzlich nach der insgesamt zulässigen Jahresfördermenge aus dem die Grundwasserförderung zulassenden Bescheid; ihre Höhe beträgt zwischen 0,11 und 0,17 D M je Kubikmeter pro Jahr; in bestimmten Fällen ermäßigt sich der Gebührensatz (§ 1 Abs. 3, 5 und 6, § 2 Abs. 3 Satz 1 HambGruwaG). Die tatsächlich geförderte Menge ist ausnahmsweise dann zugrundezulegen, wenn kein die Grundwasserförderung zulassender Bescheid vorhanden ist oder die in einem Bescheid festgesetzte Jahresmenge überschritten wird (§ 1 Abs. 4 Satz 1 HambGruwaG). Das Aufkommen unterliegt keiner Zweckbindung, sondern fließt in den allgemeinen Landeshaushalt. Abgabeschulder ist regelmäßig der Inhaber der Befugnis zur Grundwasserförderung; besteht eine solche nicht, ist derjenige gebührenpflichtig, der das Grundwasser tatsächlich fördert (§ 2 Abs. 1 HambGruwaG). Das Gesetz bezeichnet die Abgabe durchgängig als (Grundwasser-)Gebühr.
b) Qualifizierung als Verleihungsgebühr Die Hamburger Gebühr für Grundwasserentnahmen ist als Verleihungsgebühr einzuordnen, wenn die Zahlungspflicht entscheidend von der Verleihung eines Rechts abhängt55. Daß dies der Fall ist, wird aus Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Regelungen deutlich. Der Abgabentatbestand, welcher für die abgabenrechtliche Einordnung die maßgebende Rolle spielt, besagt eindeutig, daß die Abgabe „für die Einräumung der Befugnis" zur Grundwasserförderung erhoben wird, also nicht, wie in anderen Bundesländern 56, für die Wasserentnahme als solche. Dementsprechend knüpft die Bemessung der Abgabe nicht an die tatsächlich geförderte, sondern an die durch behördlichen Bescheid zugelassene Wassermenge an. Ebenso bestimmt sich der Abgabeschuldner nicht danach, wer das Wasser tatsächlich gefördert hat, sondern nach der Rechtsinhaberschaft. Schließlich stellen auch noch andere Normen allein auf die rechtlich zugelassene Wassermenge ab (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 1 Abs. 5, § 2 Abs. 3
54
Vgl. zum Begriff der öffentlichen Wasserversorgung Gieseke/Wiedemann/Czy-
chowski, § 6 Rn. 38. 55
56
S.o. 5. Teil, Gliederungsabschnitt A. Vgl. o. 5. Teil, Gliederungsabschnitte Β I 1 - 4.
Β. Einzelne Abgaben
331
Sätze 3 und 5 HambGruwaG). Das alles spricht dafür, die Hamburger Grundwassergebühr als Verleihungsgebühr anzusehen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang jedoch die in § 1 Abs. 4 HambGruwaG getroffene Regelung. Hier heißt es, daß bei der Gebührenbemessung die tatsächlich geförderte Menge zugrundezulegen ist, wenn die in einem Bescheid festgesetzte Jahresmenge überschritten wird oder kein die Grundwasserförderung zulassender Bescheid vorhanden ist. Diese Norm mißt also nicht mehr der Rechtsverleihung, sondern der tatsächlichen Wasserförderung Bedeutung zu 57 . Dasselbe gilt für § 2 Abs. 1 Satz 2 HambGruwaG, wonach gebührenpflichtig ist, wer ohne Befugnis Grundwasser fördert. Schließlich sieht auch § 2 Abs. 3 Satz 2 HambGruwaG die tatsächlich geforderte Wassermenge als maßgebend für die Gebührenhöhe an, wenn die Grundwasserförderung nicht über den gesamten Jahreszeitraum vorgenommen wird und über die (entsprechend dem wirklichen Förderzeitraum anteilig berechnete) zulässige Fördermenge hinausgeht. Den Hintergrund all dieser Regelungen bilden letztlich Gerechtigkeitsgesichtspunkte: Wer ohne behördliche Zulassung Grundwasser fördert, soll genauso die Abgabe zahlen müssen wie derjenige, der vor Aufnahme der Wasserförderung den gesetzlich vorgesehenen Weg eingehalten hat und die Verleihung des Entnahmerechts beantragte. Letzterer muß sogar dann zahlen, wenn er die ihm zugedachte Wassermenge nicht ausschöpft, denn die Gebührenhöhe bestimmt sich nach der zulässigen Fördermenge. Es wäre daher ungerecht, nur im Falle der berechtigten Grundwasserentnahme eine Gebühr zu erheben, während die nicht zugelassene Förderung entgeltfrei bleibt. § 1 Abs. 4 HambGruwaG ist die zwangsläufige Konsequenz hieraus. Daß sich die Höhe der Abgabe nach der tatsächlich entnommenen Wassermenge richtet, ist folgerichtig, weil ein zulassender Bescheid als Bemessungsgrundlage entfällt. Entsprechendes gilt für die Bestimmung des Schuldners, denn zahlungspflichtig kann nur derjenige sein, der das Wasser förderte. Fraglich ist nun, welchen Rechtscharakter die unter § 1 Abs. 4 Satz 1 HambGruwaG fallenden Abgaben aufweisen. Es sind zunächst zwei Varianten dieser Norm zu unterscheiden. Die zweite Variante betrifft den Fall, daß die in einem zulassenden Bescheid festgelegte Jahresfördermenge überschritten wurde. Dieser ist unproblematisch unter die Kategorie der Verleihungsgebühr zu fassen, denn auch hier bildet das verliehene Förderrecht den entscheidenden abgabentatbestandlichen Anknüpfungspunkt, lediglich die Bemessung der Geldleistung wird im Hinblick auf die tatsächlich geförderte Menge modifi57 Von Mutius/Lünenbürger, DVB1. 1995, 1208, folgern allein aus diesem Umstand, daß die Abgabe nicht als Verleihungsgebühr anzusehen sei. Eine solche Konsequenz trägt jedoch der gesetzlichen Gesamtsystematik nicht ausreichend Rechnung, wie sich aus den folgenden Darlegungen ergibt.
332
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
ziert. Derjenige Betrag, welcher für die das Förderrecht übersteigende Wassermenge zu zahlen ist, fällt genauso in die Kategorie der Verleihungsgebühr wie die das Förderrecht selbst entgeltende Zahlung. Er schlägt nicht in eine andere Abgabenkategorie um, denn entscheidend für die Qualifikation einer Abgabe ist der tatbestandliche Anknüpfungspunkt; die gesamte Abgabe ist daher einheitlich zu beurteilen. Zweifelhafter ist demgegenüber die Beurteilung der ersten Variante. Sie zeichnet sich dadurch aus, daß kein Bescheid vorhanden ist, der die Grundwasserförderung zuläßt. Ein verliehenes Recht kann somit nicht die Zahlungspflicht auslösen. Es liegt deshalb nicht allzu fern, die tatsächliche Wasserentnahme, also ein Verhalten des Abgabeschuldners, als Anknüpfungspunkt für die Abgabe anzusehen. Hiergegen spricht jedoch ein Vergleich mit anderen landesrechtlichen Regelungen, bei denen das der Fall ist 58 . Soll die tatsächliche Wasserentnahme finanziell belastet werden, schlägt sich dies in erster Linie in der Formulierung des Abgabetatbestandes nieder. So heißt es etwa, daß die Abgabe für Benutzungen 59 oder für das Entnehmen™ von Wasser erhoben wird. Ist also für eine abgabepflichtige Handlung ein Entgelt zu zahlen, wird diese im Abgabetatbestand ausdrücklich bezeichnet. In § 1 Abs. 4 Satz 1 Var. 1 HambGruwaG heißt es hingegen lapidar, daß „kein die Grundwasserförderung zulassender Bescheid vorhanden" ist. Dieser Wortlaut verbietet den Schluß, die tatsächliche Grundwasserförderung als Anknüpfungspunkt der Zahlung anzusehen. Vielmehr zeigt sich bei genauerer Betrachtung, daß ein fiktiv verliehenes Recht die Gebührenpflicht auslöst. Dafür sprechen folgende Überlegungen: Bevor die Grundwasserförderung aufgenommen wurde, hätte ein Recht beantragt werden müssen. Die Tatsache, daß dies nicht geschehen ist, soll dem Wasserfördernden nicht zugute kommen. Er soll gegen die Gebührenforderung nicht einwenden können, er habe gar kein Recht verliehen bekommen und müsse folglich dafür auch nicht zahlen. Dieses legitime gesetzliche Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn es möglich ist, eine gebührenfähige staatliche Leistung zu ermitteln. Eine solche liegt, wie soeben ausgeführt, weder darin, daß der Staat das Wasser zur tatsächlichen Entnahme zur Verfügung stellt, noch darin, daß er dem Gebührenschuldner ein Recht verliehen hat. Dennoch ist eine Gebührenerhebung aus Gerechtigkeitsgründen erforderlich. Vor diesem Hintergrund bleibt als einziger Ausweg, die Rechtsverleihung zu fingieren. 58
Vgl. o. 5. Teil, Gliederungsabschnitte Β I 1 - 4. Vgl. § 17a Abs. 1 Satz 1 BaWüWG, § 40 Abs. 1 Satz 1 BbgWG, § 16 MeVoWG, § 47 Abs. 1 NdsWG, § 23 Abs. 1 SächsWG, § 31 Abs. 1 Satz 1 ThürWG. 60 Vgl. § 13a Abs. 1 Satz 1 Beri WG, § 1 Abs. 1 HessGruwAG, § 47 Abs. 1 Satz 1 SaAnWG, § 2 Abs. 1 Satz 1 SHGruWAG. 59
Β. Einzelne Abgaben
333
Eine solche Konstruktion wird von Wortlaut und Sinn des Gesetzes getragen. So knüpft nämlich auch § 1 Abs. 4 Satz 1 HambGruwaG an ein Recht an, nämlich an ein zwar tatsächlich nicht vorhandenes, aber eigentlich notwendiges Recht. Nur hieraus erklärt sich die Formulierung „ist kein die Grundwasserförderung zulassender Bescheid vorhanden". Es hätte ζ. B. auch heißen können: „erfolgte die Grundwasserforderung unberechtigt", oder: „handelte der Fördernde rechtswidrig". Derartige Formulierungen wählte der Gesetzgeber jedoch nicht, was den Schluß nahelegt, daß er die Grundwasserentnahme nicht unbedingt und in jeder Beziehung als rechtswidrig ansehen will. Zudem enthält die genannte Norm keinen eigentlichen Abgabentatbestand. Es ist nämlich davon die Rede, daß „bei der Gebührenfestsetzung die tatsächlich geförderte Menge zugrunde zu legen" ist, wenn kein zulassender Bescheid vorhanden ist. Hiernach hat die tatsächliche Fördermenge bei der Festsetzung, also der Berechnung der Gebühr ihre Bedeutung, sie dient jedoch nicht als Anknüpfungspunkt für die Gebührener/zeiwflg als solche. § 1 Abs. 4 Satz 1 HambGruwaG ist somit in seinem Kern eine Bemessungsregelung, nicht aber ein Gebührentatbestand. Darüber hinaus muß man sich die gesetzliche Systematik vergegenwärtigen. § 1 Abs. 4 Satz 1 HambGruwaG betrifft nur einen engen Ausnahmefall, den der Gesetzgeber aus Gerechtigkeitsgründen vorsehen wollte. Der gesamte Komplex der Grundwasserentnahmen wurde jedoch im Sinne einer Verleihungsgebühr geregelt, was sich in erster Linie im abgabenrechtlichen Grundtatbestand des § 1 Abs. 1 HambGruwaG ausdrückt. Es liegt also nahe, sämtliche Grundwasserentnahmeabgaben, die nach Hamburger Recht erhoben werden, als Verleihungsgebühren einzuordnen, und den in § 1 Abs. 4 Satz 1 Var. 1 HambGruwaG genannten Fall für die abgabensystematische Qualifizierung zu vernachlässigen. Für ein solches Vorgehen bietet sich die Konstruktion eines fiktiv verliehenen Rechts als einzige, dogmatisch weitgehend saubere Lösungsmöglichkeit an. Schließlich sei noch vergleichend auf eine Regelung des nordrheinwestfälischen Landesabfallgesetzes hingewiesen. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 NRWLAbfG gilt eine Abfallentsorgungslizenz denjenigen Abfallentsorgern als erteilt, die bei Inkrafttreten des Gesetzes rechtmäßig Abfälle im Gebiet des Landes behandeln oder ablagern. Diese Norm arbeitet mit einer gesetzlichen Fiktion, um an das fiktiv verliehene Recht eine Entgeltpflicht knüpfen zu können61. Eine vergleichende Betrachtung zeigt also, daß die finanzielle Belastung fingierter Rechte nichts Neues ist und daher auch im Zusammenhang mit der Hamburger Grundwassergebühr ein gangbarer Weg ist. Die Fiktion geht jedoch nur soweit, wie sie für die Erhebung einer Verleihungsgebühr erforderlich ist. Unberührt bleibt hiervon insbesondere § 41 Abs. 1 Nr. 1 WHG, wonach die ohne erforderliche behördliche Erlaubnis oder Bewilligung ausgeübte Gewäs-
61
Ausf. zum nordrhein-westfälischen Lizenzentgelt unten 5. Teil, Gliederungsabschnitt Β II.
334
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
serbenutzung bußgeldpflichtig ist. Die Fiktion der Rechtsverleihung bewirkt nicht, daß die Grundwasserförderung insgesamt nachträglich rechtmäßig wird und dadurch eine Bußgelderhebung ausscheidet. Anderenfalls würde niemand mehr ein Recht zur Wasserentnahme beantragen, bevor er Wasser fördert, und der Behörde wäre es dann unmöglich, eine geordnete Wasserbewirtschaftung zu gewährleisten. Die nach Hamburger Recht erhobene Gebühr für Grundwassernentnahmen ist somit insgesamt als Verleihungsgebühr einzuordnen 62. Im Hinblick auf den soeben angesprochenen Fall des § 1 Abs. 4 Satz 1 HambGruwaG wäre jedoch eine klarstellende Formulierung des Gesetzes wünschenswert, sie könnte etwa in Anlehnung an den soeben angesprochenen § 10 Abs. 3 NRWAbfG formuliert werden.
c) Rechtfertigung Die Erhebung einer Verleihungsgebühr ist gerechtfertigt, wenn das verliehene Recht im gebührenrechtlichen Sinne vorteilhaft und darüber hinaus wirtschaftlich nutzbar ist 63 . Nachdem die Hamburger Grundwassergebühr als Verleihungsgebühr eingeordnet wurde, ist nun zu prüfen, ob die Einräumung der Befugnis, Grundwasser zu fördern, diese Eigenschaften aufweist. Nur dann kann die Erhebung der Grundwassergebühr legitimiert werden.
aa) Vorteilhaftigkeit Ein gebührenrechtlich vorteilhaftes Recht zeichnet sich dadurch aus, daß seine Verleihung die Rechtsstellung des Bedachten materiell gesehen verbessert. Das ist nicht der Fall, wenn das Recht aus Grundrechtsverbürgungen folgt. Der Dispens von einem repressiven Verbot ist regelmäßig als gebührenrechtlich vorteilhaft anzusehen64. Es ist also zu untersuchen, ob aus der Einräumung der Befugnis zur Grundwasserförderung eine materielle Verbesserung der Rechtsstellung folgt. Auszugehen ist hier von den Regelungen des Wasser-
62
So auch OVG Hamburg, NVwZ 1990, 1003; VG Hamburg, IUR 1992, 235 f; de Buhr, IUR 1992, 236 f; Meyer, S. 112; Murswiek, NuR 1994, 172; allerdings allesamt ohne Problematisierung des § 1 Abs. 4 Satz 1 HambGruwaG. Auch der Gesetzgeber qualifiziert die Abgabe als Verleihungsgebühr (vgl. Bürgerschafts-DrS 13/2793). 63 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II. 64 S. zum Ganzen o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 1 b bb.
Β. Einzelne Abgaben
335
haushaltsgesetzes. Gemäß § 2 Abs. 1 WHG bedarf eine Benutzung der Gewässer grundsätzlich der behördlichen Erlaubnis oder Bewilligung; etwaige Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter relevant. Unter einer Benutzung ist u.a. das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser zu verstehen (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG), mithin diejenigen Handlungen, die auch in § 1 Abs. 1 HambGruwaG aufgezählt sind. Ferner ist zu beachten, daß das Grundeigentum nicht zu einer Gewässerbenutzung berechtigt, die einer Erlaubnis oder Bewilligung bedarf (§ la Abs. 3 Nr. 1 WHG). Nach dieser Gesetzeslage ergeben sich Rechte und Befugnisse zur Gewässerbenutzung weder aus Art. 14 oder Art. 2 Abs. 1 GG noch aus anderen Rechten, vielmehr folgen sie konstitutiv aus einer öffentlichrechtlichen Zuteilung 65 . Sie sind nicht verfassungsrechtlich vorgegeben, sondern werden durch die Rechtsverleihung erst materiell begründet 66. Rechtsdogmatisch gesehen ist die Verleihung eines Rechts zur Gewässerbenutzung ein verfassungskonformer 67 Dispens von einem repressiven Verbot, die Behörde besitzt im Hinblick auf die Zuteilung der Benutzungsrechte einen Ermessensspielraum 68. Aus alledem ergibt sich, daß die Einräumung der Befugnis zur Grundwasserförderung, an die § 1 Abs. 1 HambGruwaG die Gebührenpflicht knüpft, zu einer materiellrechtlichen Besserstellung des Bedachten führt. Sein Rechtskreis wird durch die Einräumung der Befugnis zur GrundwasserfÖrderung um das Wasserentnahmerecht erweitert. Daher ist ein gebührenrechtlich vorteilhaftes Recht gegeben69.
bb) Wirtschaftliche
Nutzbarkeit
Ein verliehenes Recht ist wirtschaftlich nutzbar, wenn die Rechtsinhaberschaft das Vermögen des einzelnen anwachsen läßt. Zum Kreis wirtschaftlich nutzbarer Rechte zählt auch ein solches, das den Zugriff auf wertvolle Ressourcen erlaubt 70. Auf diesen Fall ist die Hamburger Grundwassergebühr zugeschnitten. Wer die Befugnis besitzt, Grundwasser zu fördern, darf ein knappes
65
Gieseke/Wiedemann/Czychowski, § la Rn. 27, § 2 Rn. 3; vgl. auch BVerfGE 58, 300 (347). 66 BVerwG, ZfW 1978, 371 (373 f). Ausf. hierzu Meyer, S. 129 ff, 151. 67 ' BVerfGE 58, 300 (346 f). 68 S. bereits o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 1 b aa (3) (b). 69 Aus finanzwissenschaftlicher Sicht wird indes die Auffassung vertreten, die Wasserentnahme sei nicht in jedem Fall mit einem Sondervorteil verbunden, vgl. etwa Hansmeyer/Ewringmann, S. 31 ff, die diese Aussage in bezug auf die Entnahme von Grimdwasser allerdings wieder relativieren (S. 37). 70 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 c.
336
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
und damit teures Gut für sich in Anspruch nehmen. Das Wasser kann nicht nur, nachdem es entsprechend aufbereitet wurde, als Trink-, sondern auch als Brauchwasser verwendet werden. Zum Zweck der Güterproduktion ist es in manchen Industriezweigen untentbehrlich. Der Wert des Wassers drückt sich nicht zuletzt in den milliardenschweren Aufwendungen aus, die getätigt werden, um eine qualitativ und quantitativ ausreichende Wasserversorgung sicherzustellen 71 . Industrielle und gewerbliche Wasserentnehmer können kostengünstiger selbst Grundwasser fördern und sind nicht auf eine teurere Versorgung durch öffentliche Wasserversorgungsunternehmen angewiesen72. Die Befugnis zur Grundwasserentnahme ist daher ein geldwerter Vorteil 73 , sie gewährt ihrem Inhaber einen öffentlich-rechtlichen Besitzstand, der eine wirtschaftliche Verwertung ermöglicht 74 . Daher ist sie als wirtschaftlich nutzbar im hier gegebenen Sinne anzusehen.
cc) Gleichheit und Gemeinwohl Die Ausführungen in den beiden vorangegangenen Gliederungsabschnitten haben gezeigt, daß die Hamburger Grundwassergebühr für ein gebührenrechtlich vorteilhaftes, wirtschaftlich nutzbares Recht erhoben wird. Schon deshalb ist ihre Erhebung als Verleihungsgebühr gerechtfertigt. Im folgenden soll jedoch zusätzlich noch verdeutlicht werden, welche besondere Bedeutung Gleichheits- und Gemeinwohlaspekten bei dieser konkreten Gebühr zukommt. Beide Gesichtspunkte liegen letztlich jeder Gebühr zugrunde, die darauf abzielt, staatlicherseits zugewandte Vorteile abzugleichen; die Verleihungsgebühr ist nur ein Unterfall dieses Gebührentyps. Allgemein gilt, daß es der allgemeine Gleichheitssatz erlaubt, eine ungleiche Sachlage, die der Staat infolge der Erbringung einer vorteilhaften Leistung selbst geschaffen hat, mittels Erhebung einer Gebühr zu entschärfen. Zusätzlich wird die vorteilsausgleichende Gebühr von Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert. Der Staat kehrt durch die Gebührenforderung zu Gemeinwohlprinzipien zurück, von denen er tendenziell abweicht, wenn er einzelne begünstigt, indem er ihnen eine vorteilhaf-
71
Dieser Gesichtpunkt wurde im Zusammenhang mit dem baden-württembergischen Wasserentnahmeentgelt relevant, als es darum ging, den gebührenfahigen Aufwand des Landes zu beziffern, vgl. etwaP. Kirchhof, Rechtsgutachten, S. 41 ff. 72 Daß hierin ein Vorteil besteht, räumen auch Hansmeyer/Ewringmann ein (S. 34), die ansonsten der Ansicht sind, daß die Wasserentnahme aus finanzwissenschaftlicher Sicht keinen Sondervorteil darstellt (S. 31 ff). 73
74
De Buhr, IUR 1992, 237; Meyer, S. 177.
VG Hamburg, IUR 1992, 235 (236).
Β. Einzelne Abgaben
337
te Leistung erbringt 75. Beide Gesichtspunkte spielen im Zusammenhang mit der Grundwasserförderung eine besondere Rolle. Das Wasser unterliegt nämlich einer Bewirtschaftung, die es mit sich bringt, daß Rechte an ihm nicht beansprucht werden können, sondern in Form von Zuteilungen vergeben werden 76. Im Hinblick auf die natürliche Knappheit der Grundwasserressourcen ist die Zahl an Förderrechten zwangsläufig begrenzt und die Erlangung eines solchen Rechts entsprechend begehrt, zumal die Grundwasservorräte mehr und mehr im Schwinden begriffen sind. Die Wasserbewirtschaftung kann also zur Folge haben, daß einige Antragsteller leer ausgehen, obwohl bei ihnen dieselbe rechtliche Ausgangslage gegeben ist wie bei denen, die das Recht bekommen. Diese besondere Situation läßt es als legitim erscheinen, wasserrechtliche Nutzungsbefugnisse nicht ohne Erhebung eines Entgelts zu verleihen. Den Erfordernissen des allgemeinen Gleichheitssatzes wird dadurch jedenfalls entsprochen. Ähnliche Erwägungen gelten hinsichtlich des Gemeinwohls. Das Wasser ist ein knappes Gut, das wie kaum ein anderes für die Allgemeinheit von lebenswichtiger Bedeutung ist 77 , die Sicherung einer funktionsfähigen Wasserbewirtschaftung ist daher ein Gemeinwohlbelang78. Das Wasserhaushaltsgesetz unterstellt das Wasser einer öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung und ordnet es der Allgemeinheit zu 79 . Nicht zuletzt deshalb sieht § 6 WHG die Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung als einen Fall der Beeinträchtigung des Allgemeinwohls an. Vor diesem Hintergrund kann durchaus davon die Rede sein, daß die Grundwasserförderung „zu Lasten der Allgemeinheit" geschieht80. Etwas weniger scharf äußert sich das Bundesverfassungsgericht: Wird einzelnen die Nutzung des Wassers eröffnet, werde „ihnen die Teilhabe an einem Gut der Allgemeinheit verschafft" 81. Jedenfalls ermöglicht der Staat, wenn er dem einzelnen eine Grundwasserentnahmebefugnis verleiht, den Zugriff auf ein für die Gesamtheit lebenswichtiges Gut. Die Abweichung von Gemeinwohlprinzipien resultiert daher in diesem Fall nicht nur aus der bloßen Tatsache, sondern auch aus dem besonderen Inhalt der Rechtsverleihung. Der einzelne wird nicht durch irgendein beliebiges Recht begünstigt, sondern durch ein Recht, welches die Nutzung einer knappen und überragend wichtigen natürlichen Ressource erlaubt. Auch deshalb ist es legitim, für ein solches Recht von staatlicher Seite eine Gebühr zu verlangen und die Abweichung von Gemeinwohlprinzipien 75
Ausf. zum Ganzen o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 a.
76
Gieseke/Wiedemann/Czychowski,
77 78 79 80 81
§ 2 Rn. 3 f.
So BVerfGE 58, 300 (347). Vgl. BVerfGE 58, 300 (344); BVerfG, DVB1. 1996, 357 (358, 360). BVerfGE 58, 300 (328). So OVG Hamburg, NVwZ 1990, 1003. BVerfG, DVB1. 1996, 357 (360).
22 Heimlich
338
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
dadurch zumindest teilweise wieder zu kompensieren. Insgesamt wird deutlich, daß Gleichheits- und Gemeinwohlaspekte bei der Hamburger Gebühr für Grundwasserentnahmen in besonderem Maße zum Tragen kommen.
dd) Ergebnis Die Erhebung eine Verleihungsgebühr für die Einräumung der Befugnis zur Grundwasserförderung ist gerechtfertigt.
d) Bemessung und Zweck Die Bemessung der Hamburger Grundwassergebühr muß, wie jede Gebühr, den Anforderungen des Äquivalenzprinzips entsprechen. Das ist dann der Fall, wenn die Gebührenhöhe im Verhältnis zur erbrachten Leistung angemessen ist. Wie bereits ausführlich erörtert wurde, besteht bei Verleihungsgebühren, zu denen auch die Hamburger Grundwassergebühr gehört, die erbrachte Leistung in der Verleihung eines Rechts, und jede Verleihungsgebühr verfolgt den Zweck, hiermit einhergehende Vorteile oder Werte abzugleichen. In bezug auf diesen Zweck muß die Gebührenhöhe angemessen sein. Es ist daher zu ermitteln, wie hoch der auszugleichende Wert des verliehenen Rechts ist, damit die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung beurteilt werden kann 82 . Dieser Wert hat aber nicht nur im Zusammenhang mit der Äquivalenzprüfung Bedeutung. Es kommt hinzu, daß er aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen die absolute Obergrenze der Gebührenhöhe bildet 83 . Mit der Erhebung der Hamburger Grundwassergebühr wird neben dem Vorteilsausgleichszweck als weiteres und sogar vorrangiges gesetzliches Ziel verfolgt, den Verbrauch von Grundwasser durch die Gebührenbelastung zu senken84. Ausdruck hiervon ist etwa die in § 1 Abs. 6 HambGruwaG getroffene Regelung, wonach die Gebühr umso mehr ermäßigt wird, je niedriger die Fördermenge ist. Daß ein solcher ökologischer Lenkungszweck legitim ist, bedarf angesichts von Knappheit und überragender Bedeutung der Grundwasserressourcen keiner weiteren Erörterung 85. Im folgenden ist somit in erster Linie der Frage nachzugehen, ob zwischen Gebührenhöhe und Wert des Grundwasser-
82 83 84 85
Ausf. zum Ganzen o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D I. S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D III 2. Vgl. VG Hamburg, IUR 1992, 235 (236). Vgl. OVG Hamburg, NVwZ 1990, 1003; allgemein BVerfGE 58, 300 (347).
Β. Einzelne Abgaben
339
entnahmerechts ein angemessenes Verhältnis besteht. Überstiege sie diesen, wäre sie entsprechend zu ermäßigen. Im Hinblick auf die Gebührenhöhe ergibt sich folgendes Bild: Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 HambGruwaG beträgt sie höchstens 0,17 D M je Kubikmeter Grundwasser. Der gesamte Gebührenbetrag ist allerdings nur dann zu zahlen, wenn die Fördermenge 20.000 Kubikmeter übersteigt, anderenfalls wird er, nach Fördermengen gestaffelt, prozentual ermäßigt (§ 1 Abs. 6 HambGruwaG). Daneben sind weitere Ermäßigungstatbestände vorgesehen (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 HambGruwaG), zudem existiert in § 1 Abs. 2 HambGruwaG ein recht weit gefaßter Ausschlußtatbestand. Die Befugnis zur Grundwasserförderung wird daher aufs Ganze gesehen nicht allzu stark finanziell belastet. Dennoch ist zu prüfen, ob die Gebührenhöhe in bezug auf den Wert des Entnahmerechts angemessen ist bzw. ihn übersteigt. Der wirtschaftliche Wert dieses Rechts besteht darin, daß dem einzelnen der Zugriff auf knappe natürliche Ressourcen ermöglicht wird. Würde ihm das Förderrecht nicht verliehen, müßte er sich anderweitig mit der benötigten Wassermenge eindecken86. Fraglich ist nun aber, wie hoch dieser wirtschaftliche Nutzen zu beziffern ist. Es können hier einige der an anderer Stelle bereits ausfuhrlich dargestellten Kriterien 87 herangezogen werden, wobei sich deren Verwendbarkeit aber nach der konkreten Fallgestaltung richtet. Es sind drei unterschiedliche Varianten zu unterscheiden. Im Idealfall entspricht die tatsächlich entnommene Grundwassermenge genau derjenigen, die durch den behördlichen Bescheid zugeteilt worden ist. Das Vermögen des Fördernden ist dann um ebendiese Wassermenge vermehrt, denn er besitzt nun eine Ressource, die ihm vorher nicht zu Verfügung stand. Der wirtschafliche Nutzen des Rechts drückt sich in diesem Fall also in dem geförderten Wasserquantum aus. Dadurch, daß die eingeräumte Befugnis, Grundwasser zu fördern, in voller Höhe ausgenutzt wurde, hat der Rechtsinhaber tatsächlich einen Ertrag erwirtschaftet, nach dem sich nun die Beurteilung, wieviel das Recht wert ist, richtet. Kurz gesagt: Der Wert des Rechts entspricht dem Wert des Ertrages 88. Letzterer wiederum läßt sich anhand des Preises für Grundwasser beziffern, um diesen Betrag ist der Fördernde bereichert. Das führt zu der Frage, wie hoch ein Marktpreis für Grundwasser anzusetzen ist. Eine rundherum zweifelsfreie Festlegung wird hier jedoch wohl kaum möglich sein. Theoretisch ließe sich zwar ein Marktmodell für Grundwasser entwerfen, wonach sich der Abgabepreis für Rohwasser durch Abgebot und Nachfrage
86 87 88
Vgl. o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 c. S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D II 3. S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D II 3 a.
340
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
ergibt 89 . Die Etablierung eines solchen Marktes erscheint jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt als eher unrealistisch, so daß nur der Weg einer politischen Setzung des Grundwasserwertes, mithin auch der Abgabenhöhe, verbleibt 90 . Dabei ist zu beachten, daß von verschiedener Seite Vorschläge für die Höhe einer Grundwasserentnahmeabgabe gemacht werden, die bis zu einem Betrag von 1,00 D M 9 1 und sogar 1,80 D M 9 2 pro entnommenen Kubikmeter reichen. Darüber hinaus liegt die Höhe der Grundwasserentnahmeabgabe ζ. B. in Hessen wesentlich höher als in Hamburg, sie beträgt hier zwischen 0,40 und 1,00 D M pro Kubikmeter. Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung sicherlich nicht allzu gewagt, daß angesichts von Knappheit und überragender Bedeutung des Grundwassers ein Höchstsatz von 0,17 D M pro Kubikmeter Wasser erheblich unterhalb des (Markt-)Preises für diese Ressource liegen wird. Jedenfalls hat der Hamburger Gesetzgeber seinen im Hinblick auf die Gebührenhöhe bestehenden Spielraum nicht überschritten, denn die im ungünstigsten Fall zu zahlende Verleihungsgebühr ist nicht offensichtlich unangemessen, und sie übersteigt den Wert des verliehenen Förderrechts nicht. Von einem groben Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip kann daher ersichtlich nicht die Rede sein, so daß die Gebührenbemessung gerichtlich unbeanstandet bleiben muß 93 . Dasselbe gilt erst recht für die ermäßigten Gebührensätze. Von diesem Idealfall unterscheiden sich die beiden folgenden, in der Praxis wohl gängigeren Konstellationen. Die erste zeichnet sich dadurch aus, daß die tatsächlich geförderte Wassermenge die behördlicherseits erlaubte übersteigt. Aber auch hier ist, genauso wie im soeben erörterten Idealfall, das Vermögen um die geförderte Menge vermehrt. Es wurde ein tatsächlicher Ertrag erwirtschaftet, dessen Wert dem (Markt-)Preis für Grundwasser entspricht. Auf diesen Ertrag wird zugegriffen, indem sich die Höhe der zu zahlenden Verleihungsgebühr nach der tatsächlich geförderten Menge bemißt (§ 1 Abs. 4 HambGruwaG). Auch hier ist der Gebührenbetrag nicht höher als der infolge der (teilweise fiktiven 94) Rechtsverleihung tatsächlich erlangte wirtschaftliche Vorteil, so daß die Gebührenbemessung, ebenso wie im Idealfall, weder unan-
89
Ein derartiges Modell findet sich etwa bei Brösse, ZfU 1980, 737 ff. So auch die Einschätzung von Brösse, Wasserzins, S. 143. Nicht zugestimmt werden kann jedenfalls Wiß, S. 160, der eine Bemessung des Wertes von Grundwasser wohl deshalb für nicht möglich hält, weil dieses nicht substituierbar ist. 91 So etwa Brösse, Wasserzins, S. 143, sowie die Vorschläge aus den Reihen des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), zit. nach Bergmann/Werry, S. 61. 92 So ein Vorschlag des Heidelberger Umwelt- und Prognoseinstituts, zit. nach 90
Bergmann/Werry, 93 94
S. 61.
Vgl. o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D II 5. S.o. 5. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 5 b.
Β. Einzelne Abgaben
341
gemessen ist noch den Wert des verliehenen Förderrechts übersteigt. Es ergeben sich hier also keine besonderen Probleme, weil ein tatsächlicher Ertrag erwirtschaftet worden ist, der die Grundlage für die wertmäßige Bezifferung des Förderrechts bildet. Anderes gilt jedoch für den Fall, daß die verliehene Befugnis nicht bzw. nicht voll ausgenutzt wird und die Fördermenge deshalb geringer ist, als es das Recht erlaubt. Nach allgemeinen Grundsätzen ist die Erhebung einer Verleihungsgebühr auch dann zulässig95. Es bleibt jedoch zu prüfen, wie hoch der Wert der Befugnis, Grundwasser zu fördern, anzusetzen ist. Das Problem besteht darin, daß das tatsächlich Erwirtschaftete als Anhaltspunkt ausscheidet. In einem solchen Fall bemißt sich die Verleihungsgebühr aber nach dem Betrag des fiktiv Erwirtschafteten. Es ist zu ermitteln, welcher Ertrag vom Rechtsinhaber wahrscheinlich, also nach regelmäßigem Verlauf der Dinge, erzielt worden wäre, hätte er das Recht wirtschaftlich ausgenutzt96. Für die Grundwassergebühr fällt die Antwort relativ leicht: Hätte der Berechtigte das Grundwasser gefördert, wäre sein Vermögen um den Wert, mithin den Preis der Wassermenge bereichert gewesen. Hierin besteht der Betrag des fiktiv Erwirtschafteten. Bei der Grundwassergebühr ist also der Betrag des tatsächlich Erwirtschafteten immer mit dem des fiktiv Erwirtschafteten identisch. Der Wert des Förderrechts entspricht in jedem Fall dem (Markt-)Preis der zugeteilten bzw. tatsächlich entnommenen Grundwassermenge. Einer komplizierten Schätzung des Rechtswerts nach den oben herausgearbeiteten Kriterien 97 bedarf es also nicht. Die Höhe der Verleihungsgebühr ist auch dann, wenn das verliehene Recht nicht bzw. nicht voll ausgenutzt wurde, angemessen und übersteigt den Wert des Förderrechts nicht, die soeben angestellten Überlegungen gelten hier entsprechend. Selbst im für den Gebührenschuldner ungünstigsten Fall ist die Höhe der Hamburger Grundwassergebühr im Verhältnis zum Wert der eingeräumten Befugnis, Grundwasser zu fördern, bei jeder denkbaren Konstellation angemessen und niemals höher als der Wert dieses Rechts. Die gesetzlichen Bemessungsregelungen sind daher insgesamt rechtmäßig 98 . Sie entsprechen sogar in
95
S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitte Β I 3, C II 2 b. S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D II 3 b aa. 97 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitte D II 3 b bb, cc. 98 So i. Erg. auch Meyer, S. 212 ff. Aus den bereits dargelegten Gründen kann jedoch der Beurteilung, eine Wasserentnahmegebühr könne wegen des von ihr verfolgten Lenkungszwecks über den Wert des Vorteils hinausgehen (S. 221), nicht zugestimmt werden. Die entscheidende Bedeutung des Rechtswerts wird von Meyer verkannt, was den Ausführungen einen anderen Schwerpunkt als den hier gewählten verleiht. Vgl. zur Bemessung von Wasserentnahmeentgelten auch BVerfG, DVB1. 1996, 357 (361 f). 96
342
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
besonderer Weise den Grundsätzen der gebührenrechtlichen Bemessungssicherheit, die gerade bei der Verleihungsgebühr bisweilen problematisch werden können". Das Gesetz sieht nämlich starre Gebührensätze und Bemessungseinheiten vor, indem es einen bestimmten DM-Betrag je Kubikmeter festlegt. Der Rechtsinhaber kann somit von vornherein genau absehen, welchen Betrag er zu entrichten hat. Dieser Vorteil wird jedoch mit einem nicht zu unterschätzenden Nachteil erkauft. Weil die Gebührenhöhe durch Gesetz festgelegt worden ist, kann sie auch nur wieder durch Gesetzesänderung einem Wandel der wirtschaftlichen und ökologischen Verhältnisse angepaßt werden, wie es im Jahre 1994 auch erstmals geschehen ist 100 . Es wäre zu überlegen, ob es nicht günstiger ist, im Gesetz nur einen Gebührenrahmen vorzugeben und die Festlegung des genauen Betrags der Behörde zu überlassen. Ein solches Verfahren hätte gegenüber dem aufwendigen Gesetzgebungsverfahren den Vorteil, wesentlich flexibler zu sein, und der Behörde wäre es eher möglich, auf die Umstände des Einzelfalls angemessen zu reagieren.
e) Sonstige Aspekte Die Kompetenz zur Erhebung einer Verleihungsgebühr folgt als Annex den allgemeinen Sachregelungskompetenzen 101. Bei einer Verleihungsgebühr für Grundwasserentnahmen ist die Sachmaterie des Wasserhaushaltsrechts einschlägig. Auf diesem Gebiet besitzt der Bund nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG lediglich eine Rahmengesetzgebungskompetenz, die er mit dem Erlaß des Wasserhaushaltsgesetzes und es Abwasserabgabengesetzes wahrnahm. Beide Regelwerke stehen jedoch der Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts durch die Länder nicht entgegen, denn das Wasserhaushaltsgesetz enthält keine abschließende Kodifikation einer solchen Abgabe 102 , und das Abwasserabgabengesetz knüpft an völlig andere Tatbestände an, nämlich das Einbringen und Einleiten von Abwasser 103. Der Hamburger Gesetzgeber hat also die Befugnis, das Recht zur Entnahme von Grundwasser mit einer Verleihungsgebühr zu belasten,
99
Vgl. o. 4. Teil, Gliederungsabschnitte D II 3 - 5. Gesetz zur Änderung des Grundwassergebührengesetzes vom 14.02.1994, GVB1. S. 34. 101 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt F. 102 Aus der in § 19d Nr. 3 WHG getroffenen Gebührenregelung folgt nichts anderes, s.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt F. 103 So zum Ganzen auch BVerfG, DVB1. 1996, 357 (358 f); VG Karlsruhe, VB1BW 100
1990, 69 f; Bulling/ Finkenbeiner/Eckar
dt/Kibele,
vor §§ 17a ff Rn. 39; Hendler, NuR
1989, 28; P. Kirchhof] Rechtsgutachten, S. 24 f; Mußgnug, Rechtsgutachten, S. 14 f; Salzwedel, Rechtsgutachten, S. 73 ff.
Β. Einzelne Abgaben
343
kompetenzrechtliche Bedenken bestehen nicht. Ebenso ist es zulässig, daß die Grundwasserentnahmegebühr vom Land erhoben wird, denn Erhebungkompetenz und Ertragshoheit liegen bei derjenigen Körperschaft, die das Recht eingeräumt hat 104 . Des weiteren darf das Gebührenaufkommen, wie in Hamburg vorgesehen, dem Nonaffektationsprinzip entsprechend den allgemeinen Haushaltsmitteln zugeführt werden. Schließlich ist die in § 2 HambGruwaG getroffene Bestimmung des Gebührenschuldners rechtmäßig, denn der Schuldner einer Verleihungsgebühr ist der durch das verliehene Recht Begünstigte 105 .
f) Ergebnis Die Hamburger Gebühr für Grundwasserentnahmen ist eine Verleihungsgebühr. Ihre Erhebung ist durch den Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs gerechtfertigt, weil die Befugnis zur Grundwasserentnahme die Rechtsstellung des Bedachten materiell verbessert und zudem wirtschaftliche Vorteile bietet. Ihre Bemessung entspricht den Vorgaben, die von Äquivalenzprinzip und Finanzverfassung an die Bemessung einer Verleihungsgebühr gestellt werden. Sonstige rechtliche Bedenken bestehen nicht. Sie ist daher insgesamt rechtmäßig.
6. Die Bremer Grundwasserentnahmegebühr a) Rechtliche Ausgestaltung In Bremen ist die Erhebung einer Grundwasserentnahmegebühr durch ein eigenständiges Gesetz geregelt worden 106 . Ihre rechtliche Ausgestaltung ähnelt in weiten Zügen der soeben behandelten Hamburger Gebühr. Gemäß § 1 Abs. 1 BrGruWEGG erhebt das Land für die Einräumung eines Benutzungsrechts nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 des Bremischen Wassergesetzes eine Gebühr, also für das Recht zum Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser. Die Entnahme von Oberflächenwasser ist hiernach nicht abgabepflichtig. § 1 Abs. 2 BrGruWEGG enthält einen Ausschlußtatbestand, der aber, im Gegensatz zu sämtlichen anderen landesrechtlichen Ausgestaltungen von Was-
104
So i. Erg. auch Meyer, S. 225 ff. S. zum Ganzen o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt F. 106 Gesetz über die Erhebung einer Grundwasserentnahmegebühr (BrGruWEGG) vom 24.11.1992, GBl. S. 641. 105
344
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
serentnahmeabgaben107, den wasserrechtlichen Gemeingebrauch nicht ausdrücklich abgabefrei stellt. Eine finanzielle Belastung des Gemeingebrauchs ist gleichwohl ausgeschlossen, denn § 1 Abs. 1 BrGruWEGG ermächtigt nur dazu, die Abgabe „für die Einräumung" der genannten Rechte zu verlangen, das Recht zum Gemeingebrauch muß jedoch nicht extra eingeräumt werden. Die Gebühr bemißt sich nach der tatsächlich entnommenen Wassermenge (§ 3 Abs. 2 BrGruWEGG), ihre Höhe beträgt zwischen 0,005 und 0,12 D M je Kubikmeter (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BrGruWEGG i.V.m. der Anlage zu dieser Norm). Sie ist auf Antrag zu ermäßigen, wenn Maßnahmen zur sparsamen Wasserbenutzung ergriffen wurden (§ 7 BrGruWEGG). Das nach Abzug des Verwaltungsaufwandes verbleibende Aufkommen unterliegt einer Zweckbindung zugunsten von Maßnahmen zur Sicherung der öffentlichen Trinkwasserversorgung sowie zum Schutz der Gewässer und der Ressourcensicherung (§ 9 BrGruWEGG). Gebührenpflichtig ist nach § 3 Abs. 1 BrGruWEGG der Inhaber des Benutzungsrechts. Das Gesetz bezeichnet die Abgabe durchgängig als Gebühr.
b) Qualifizierung als Verleihungsgebühr Die Bremer Gebühr für Grundwasserentnahmen ist als Verleihungsgebühr einzuordnen, wenn die Zahlungspflicht entscheidend von der Verleihung eines Rechts abhängt108. Hierfür spricht in erster Linie der Abgabentatbestand, welcher für die abgabenrechtliche Einordnung die entscheidende Rolle spielt. Er besagt eindeutig, daß die Abgabe „für die Einräumung eines Benutzungsrechts" erhoben wird, also nicht, wie in anderen Bundesländern 109, für die Wasserentnahme als solche. Dementsprechend bestimmt sich der Abgabeschuldner nicht danach, wer das Wasser tatsächlich gefördert hat, sondern anhand der Rechtsinhaberschaft. Überraschenderweise ist für die Gebührenbemessung aber nicht, wie bei der in Hamburg erhobenen Verleihungsgebühr 110, die durch den behördlichen Bescheid zugelassene Fördermenge, sondern die Menge des tatsächlich entnommenen Grundwassers relevant. Diese Bemessungsregelung steht einer Qualifizierung als Verleihungsgebühr jedoch nicht entgegen111, denn für sie spricht in jedem Fall die eindeutige Ausgestaltung des Abgabentatbestandes. Seinem Wortlaut zufolge ist es nicht möglich, eine Gebühr zu erheben, ohne daß dem Gebührenschuldner vorher ein Förderrecht verliehen worden ist. Zudem beginnt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BrGruWEGG der Veranlagungszeitraum 107 108 109 110 111
Vgl. o. 5. Teil, Gliederungsabschnitte Β I 1 -5. S.o. 5. Teil, Gliederungsabschnitt A. Vgl. o. 5. Teil, Gliederungsabschnitte Β I 1 - 4. S.o. 5. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 5 a. A.A. von Mutius/Lünenbürger, DVB1. 1995, 1208, allerdings ohne Begründung.
Β. Einzelne Abgaben
345
für die Gebührenerhebung regelmäßig erst mit dem Tage, an dem das verliehene Recht wirksam wird. Auch dieser Umstand spricht dafür, daß allein die Einräumung des Grundwasserentnahmerechts finanziell belastet werden soll. Eine solche gesetzliche Ausgestaltung kann durch eine bloße Bemessungsregelung nicht überspielt werden. Dem Bremer Gesetzgeber bleibt es unbenommen, die Verleihungsgebühr nach der tatsächlich geförderten Wassermenge zu bemessen, denn es besteht lediglich die Möglichkeit, nicht aber ein Zwang dazu, die Verleihungsgebühr auch dann zu erheben, wenn das eingeräumte Recht nicht oder nicht vollständig ausgenutzt wurde 112 . Von der gewählten Bemessungsart hängt die begriffliche Einordnung der Gebühr jedenfalls nicht ab. Die Bremer Grundwasserentnahmegebühr ist somit eine Verleihungsgebühr.
c) Rechtfertigung, Bemessung und sonstige Aspekte Im Hinblick auf die Rechtfertigungs- und Bemessungsproblematik gelten die Überlegungen zur Hamburger Grundwasserentnahmegebühr entsprechend 113. Auch der Bremer Abgabe liegt mit der Befugnis, Grundwasser fördern zu dürfen, ein gebührenrechtlich vorteilhaftes, wirtschaftlich nutzbares Recht zugrunde, so daß sich ihre Erhebung aufgrund von Gleichheits- und Gemeinwohlgesichtspunkten rechtfertigt. Ebenso ist der mit ihr verfolgte ökologische Lenkungszweck legitim, demzufolge der Verbrauch von Grundwasser verringert werden soll. Er kommt insbesondere in § 7 BrGruWEGG zum Ausdruck, wonach sich die Gebühr um 75 % ermäßigt, wenn Maßnahmen zur Wasserersparnis ergriffen wurden. Hinsichtlich der Bemessung ist zu erwähnen, daß die Bremer Abgabe maximal 0,12 D M je Kubikmeter betragen kann, also bei weitem unter dem in Hamburg zu zahlenden Höchstbetrag von 0,17 D M je Kubikmeter liegt. Ist aber schon die Hamburger Bemessung rechtmäßig, muß das für die Bremer Regelung erst recht gelten. Zudem taucht in Bremen, anders als in Hamburg, nicht das Problem auf, daß der Betrag des fiktiv Erwirtschafteten beziffert werden muß, wenn tatsächlich kein Gewinn erzielt wurde, denn die Gebühr bemißt sich in jedem Fall nach der tatsächlich entnommenen, nicht aber nach der rechtlich zugelassenen Wassermenge. Ob diese Bestimmung gegenüber der in Hamburg bestehenden Rechtslage vorzugswürdig ist, erscheint zweifelhaft, denn der Sinn der Erhebung einer Verleihungsgebühr besteht gerade darin, Vorteile abzuschöpfen, die beim Schuldner schon allein durch die bloße Tatsache der Rechtsverleihung entstehen. Gleichwohl ist die Bemessung nach dem tatsächlich erzielten Vorteil nicht rechtswidrig, denn es
112 113
Vgl. o. 4. Teil, Gliederungsabschnitte Β I 3, C II 2 b. Vgl. o. 5. Teil, Gliederungsabschnitte Β I 5 c, d.
346
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Um weltabgaben
besteht keine Pflicht, sondern lediglich ein Recht des Staates, Vorteile abzugleichen, die mit der Rechtsverleihung einhergehen 114. Im Hinblick auf die Gesetzgebungs- und Erhebungskompetenz sowie die Ertragshoheit und die Bestimmung des Gebührenschuldners gelten diejenigen Überlegungen entsprechend, welche in bezug auf die Hamburger Grundwassergebühr angestellt wurden 115 . Auch die Bremer Regelungen sind hiernach rechtmäßig. Allerdings unterliegt in Bremen, anders als in Hamburg, das Gebührenaufkommen einer Zweckbindung. Hiergegen bestehen jedoch keine rechtlichen Bedenken, denn in Verwendung und Bindung des Aufkommens aus einer Gebühr ist das Land frei 116 .
d) Ergebnis Ebenso wie die Hamburger Verleihungsgebühr für Grundwasserentnahmen ist auch die im wesentlichen gleich ausgestaltete Bremer Grundwasserentnahmegebühr eine insgesamt rechtmäßige Verleihungsgebühr.
II. Das nordrhein-westfalische Lizenzentgelt 1. Ree ht I iche A usgestaltung In Nordrhein-Westfalen wird auf dem Gebiet der Abfallentsorgung ein sogenanntes Lizenzentgelt erhoben. Die einschlägigen Rechtsgrundlagen finden sich in den §§ 10 - 15 NRWLAbfG 1 1 7 . Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 NRWLAbfG bedarf einer Lizenz, wer bestimmte Abfälle im Gebiet des Landes behandelt oder ablagert. Hiervon sind Abfälle betroffen, die nach § 11 Abs. 3 AbfG 1 1 8 der Nachweispflicht unterliegen und solche, die in der Anlage zum nordrheinwestfälischen Landesabfallgesetz aufgeführt sind 119 . Die Lizenz gilt denjenigen
114
Vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 a; 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II. S.o. 5. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 5 e. 116 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt F. 117 Abfallgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesabfallgesetz) vom 21.06.1988 (GVB1. S. 250), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.12.1993 (GVB1. S. 987). 118 Abfallgesetz des Bundes vom 27.08.1986 (BGBl. I S. 1410), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.09.1994 (BGBl. I S. 2771). 119 Demgegenüber sah die Erstfassung des § 10 Abs. 1 Satz 1 NRWLAbfG eine Lizenzpflicht nur im Hinblick auf Abfalle vor, welche die entsorgungspflichtigen Körper115
Β. Einzelne Abgaben
347
Abfallentsorgern als erteilt, die bei Inkrafittreten des Gesetzes rechtmäßig Abfälle im Gebiet des Landes behandeln oder ablagern (§ 10 Abs. 3 Satz 1 NRWLAbfG). Gemäß § 11 Abs. 1 NRWLAbfG wird für die Nutzung der Lizenz ein Lizenzentgelt erhoben. Die Höhe der Abgabe bemißt sich nach einer eigenen Rechtsverordnung 120. Das jährlich festzusetzende Lizenzentgelt ist das Produkt von Abfallmenge, Basisentgelt und dem Faktor für die Entsorgungsart ( § § 3 - 6 LizenzentgeltVO). Ohne im Detail auf die Berechnung eingehen zu müssen, zeigt sich, daß das Entgelt mit zunehmender Abfallmenge und Gefährlichkeit der Abfallart ansteigt, wobei die chemische, physikalische und biologische Abfallbehandlung gegenüber der thermischen Behandlung sowie der Ablagerung finanziell privilegiert wird. Zudem müssen Eigenentsorger im Vergleich zu Fremdentsorgern ein niedrigeres Basisentgelt zahlen. Das nordrhein-westfälische Recht verfolgt mit diesen Regelungen einen deutlich sichtbaren Lenkungszweck zugunsten einer möglichst umweltschonenden Abfallentsorgung bzw. -Vermeidung. Dieses Ziel wird durch die in § 15 NRWLAbfG angeordnete Zweckbindung des Abgabenaufkommens unterstützt. Danach ist der Ertrag aus den Lizenzentgelten zur Abwehr von Gefahren aus Altlasten sowie zur Altlastensanierung zu verwenden, daneben können mit ihm die Entwicklung neuer Abfallvermeidungs- und Entsorgungstechnologien sowie sonstige Maßnahmen auf dem Gebiet der Vermeidung und Verwertung von Abfällen finanziert werden.
2. Qualifizierung
als Verleihungsgebühr
Das nordrhein-westfälische Lizenzentgelt ist als Verleihungsgebühr anzusehen, wenn die Zahlungspflicht entscheidend von der Verleihung eines Rechts abhängt121. Daß das Entgelt für die Lizenz geschuldet wird, scheint auf den ersten Blick dem Abgabentatbestand des § 11 Abs. 1 NRWLAbfG zu widersprechen. Dort heißt es nämlich, ein Lizenzentgelt werde „für die Nutzung der Lizenz" erhoben, also nicht für die Lizenz als solche. Dem reinen Wortlaut zufolge belastet die Abgabe daher ein Verhalten des Lizenznehmers, und nicht eine Rechtsverleihung. Entsprechendes ergibt sich aus den §§ 3 ff LizenzentgeltVO, wonach die Menge des behandelten bzw. abgelagerten Abfalls eine maßgebende Rolle im Hinblick auf die Entgeltbemessung spielt. Auch diese Schäften nach § 3 Abs. 3 AbfG von ihrer Entsorgungspflicht ausgeschlossen haben. Diese Regelung wurde durch das Gesetz zur Änderung des Landesabfallgesetzes vom 14.01.1992 (GVB1. S. 32) neugefaßt. 120 Verordnung über die Festsetzung der Lizenzentgelte nach dem Landesabfallgesetz (Lizenzentgelt-Verordnung) vom 24. 06.1992, GVB1. S. 254. 121 S.o. 5. Teil, Gliederungsabschnitt A.
348
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
Regelungen legen die Einschätzung nahe, die Entsorgungstätigkeit solle entgeltpflichtig sein, denn je mehr Abfall behandelt oder abgelagert wird, desto höher ist die zu zahlende Abgabe. Gegen eine solche Ansicht spricht aber zunächst der Umstand, daß die einer Rechtsverleihung nachfolgende Tätigkeit keine entgeltpflichtige Staatsleistung sein kann, sofern der Gebrauch des Rechts nicht in der Inanspruchnahme einer öffentlichen Sache oder Einrichtung besteht. Die Rechtsausübung ist dann nämlich nur eine tatsächliche Folge der Rechtseinräumung, und die gebührenfähige staatliche Leistung erschöpft sich in der Verleihung 122 . Beim nordrhein-westfälischen Lizenzentgelt geht es jedoch ersichtlich nicht um die Benutzung öffentlicher Sachen oder Einrichtungen, sondern allein um die Ausübung des Entsorgungsrechts. Diese Tätigkeit stellt jedoch keine gebührenfähige Staatsleistung dar. Darüber hinaus zeigt die in § 10 Abs. 3 NRWLAbfG getroffene Regelung, daß das Gesetz die Lizenz als entscheidenden abgabentatbestandlichen Anknüpfungspunkt ansieht. Hiernach gilt die Lizenz bereits rechtmäßigerweise arbeitenden Altentsorgern als erteilt. Eine derartige Fiktion wäre überflüssig, wenn die Entsorgungstätigkeit als solche entgeltpflichtig sein soll. Ohne die fiktive oder tatsächlich verliehene Lizenz würde keine Abgabe geschuldet, es besteht daher ein untrennbares rechtliches Schicksal von Lizenzentgelt und Lizenz 123 . Der Abgabentatbestand des § 11 Abs. 1 NRWLAbfG ist somit dahingehend auszulegen, daß für die Lizenz selbst, nicht aber für die Nutzung der Lizenz ein Lizenzentgelt erhoben wird. Die Norm enthält insofern eine sprachliche Ungenauigkeit 124 . Legt man diese Erkenntnisse zugrunde, läßt sich das Lizenzentgelt unproblematisch als Verleihungsgebühr einordnen, weil es entscheidend von der Verleihung des Rechts, Abfälle behandeln oder ablagern zu dürfen, abhängt. Die staatlicherseits erbrachte Leistung besteht in der Lizenzerteilung, und die hierfür zu erbringende Gegenleistung ist eine Verleihungsgebühr 125 . Daß das nordrheinwestfälische Lizenzentgelt begrifflich als Verleihungsgebühr qualifiziert werden kann, wird auch von den Gegnern dieses Gebührentyps eingeräumt 126 . Bisweilen nimmt man jedoch nur deshalb eine andere Einordnung vor, weil
122
S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt Β I 3 a.E.
123
Kloepfer/Follmann,
124
DÖV 1988, 582.
So i. Erg. auch Stallknecht, S. 179 f, allerdings mit dem Argument, in § 11 Abs. 1 NRWLAbfG sei die abgabenbegründende Leistung mit der Bemessungsgrundlage, welche auf die konkrete Nutzung des Rechts abstellt, vermengt worden. Das ist jedoch keineswegs zwingend, denn die Nutzung (ζ. B. einer öffentlichen Sache) kann durchaus schon bei der Begründung der Gebühr eine Rolle spielen, nicht nur bei deren Bemessung. 125 So auch Kretz, BWVP 1994, 30, und Wieland, S. 379. Derselben Ansicht, wenngleich mit terminologischen Unklarheiten, sind Breuer, NVwZ 1987, 761, und Matthiesen, NWVB1. 1987, 76. 126
Kloepfer/Follmann,
DÖV 1988, 581; Stallknecht, S. 235.
Β. Einzelne Abgaben
349
man der Verleihungsgebühr insgesamt die Anerkennung verweigert 127 . Dem kann jedoch nach hier vertretener Auffassung selbstverständlich nicht gefolgt werden.
3. Rechtfertigung Die Erhebung des Lizenzentgelts als Verleihungsgebühr ist nur dann gerechtfertigt, wenn das verliehene Recht im gebührenrechtlichen Sinne vorteilhaft und zudem wirtschaftlich nutzbar ist 128 .
a) Vorteilhaftigkeit Um die Frage, ob die Lizenz ein gebührenrechtlich vorteilhaftes Recht ist, beantworten zu können, muß zwischen der tatsächlich erteilten Lizenz für Neubewerber (§ 10 Abs. 1 und 2 NRWLAbfG) und der den Altentsorgern fiktiv erteilten Lizenz (§ 10 Abs. 3 NRWLAbfG) unterschieden werden.
aa) Die tatsächlich erteilte Lizenz Durch die Verleihung des Rechts, die in § 10 Abs. 1 NRWLAbfG genannten Abfälle behandeln oder ablagern zu dürfen, müßte die Rechtsstellung des Bedachten materiell gesehen verbessert werden. Das ist nicht gegeben, wenn sich dieses Recht aus Grundrechtsverbürgungen ergibt. In der Regel ist der Dispens von einem repressiven Verbot gebührenrechtlich vorteilhaft 129 . Mit der Lizenzpflicht für das Behandeln oder Ablagern von bestimmten Abfällen hat der nordrhein-westfälische Gesetzgeber rechtstechnisch gesehen ein repressives Verbot mit Dispensvorbehalt eingeführt 130. Das Behandeln oder Ablagern bestimmter Abfälle soll generell verboten, mithin aus dem Bereich des grund-
127
So etwa Stallknecht, S. 198, 213, weswegen er das Lizenzentgelt als Finanzierungssonderabgabe einordnet. 128 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II. 129 Ausf. zum Ganzen o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 1 b bb. 130 Breuer, NVwZ 1987, 761; Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 574 (relativierend aber auf S. 578, hiergegen wiederum Stallknecht, S. 89); Matthiesen, NWVB1. 1987, 76; Struß, S. 177; Wieland, S. 181.
350
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
rechtlich geschützten Verhaltens herausgenommen werden 131 . Hiergegen spricht nicht, daß ein repressives Verbot typischerweise sozialschädliches Verhalten untersagt, die Abfallentsorgung aber an sich kein sozialschädliches Verhalten ist 132 . Im Gegenteil ist eine Industriegesellschaft heutigen Zuschnitts dringend auf die Tätigkeit der Abfallentsorger angewiesen. Gleichwohl kann die ungeordnete Entsorgung ökologisch schädliche Folgen nach sich ziehen. Dem w i l l der Gesetzgeber entgegentreten, indem er die Abfallentsorgung zunächst einmal generell verbietet, um dann denjenigen Abfallentsorgern einen Dispens zu erteilen, deren Tätigkeit mit den abfallwirtschaftlichen Zielsetzungen des Landes in Einklang stehen und die zudem die erforderliche Zuverlässigkeit aufweisen (§ 10 Abs. 2 NRWLAbfG). Ein Verbot, das zur Vermeidung ökologischer Mißstände ausgesprochen wird, ist aber ebenso ein repressives Verbot wie ein solches, das sich auf im engeren Sinne sozialschädliches Handeln bezieht 133 . M i t Wieland kann man hier auch von einem „regulierenden Verbot" sprechen, welches dem repressiven Verbot gleichzustellen ist 134 . Daher bewirkt die Erteilung einer Lizenz, daß der einzelne ein zusätzliches Recht erwirbt und seine Rechtsstellung dadurch materiell gesehen verbessert. Ihm wird ein für die Allgemeinheit generell verbotenes Verhalten, nämlich das Behandeln und Ablagern von bestimmten Abfällen, erlaubt, und der Kreis seiner rechtlich geschützten Handlungsmöglichkeiten erfährt eine Erweiterung. Somit wäre die Lizenz ein gebührenrechtlich vorteilhaftes Recht, an das, sofern es auch wirtschaftlich nutzbar ist, eine Verleihungsgebühr geknüpft werden könnte. Diese Beurteilung steht und fällt aber mit der Rechtmäßigkeit der Lizenzpflicht. Nur ein rechtmäßigerweise erlassenes repressives Verbot vermag die grundrechtliche Freiheit des einzelnen wirksam zu beschränken, und nur in einem solchen Fall hat die Dispenserteilung materiell begünstigende Wirkung 135 . Gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Lizenzpflicht sind jedoch verschiedentlich Bedenken erhoben worden, denen im folgenden nach-
131
Abweichend Peine, NWVB1. 1988, 196 f: Das Lizenzmodell betreffe nicht das Recht auf Entsorgung als solches, sondern allein das Recht auf Entsorgung in einer eigenen Abfallentsorgungsanlage. Ob diese Einschätzung zutrifft, kann im hier gegebenen Zusammenhang dahinstehen, denn wichtig ist allein, daß § 10 Abs. 1 NRWLAbfG ein repressives Verbot mit Dispensvorbehalt aufstellt und an die Dispensierung eine Entgeltpflicht knüpft. 132 Diesen Gesichtspunkt problematisiert auch Stallknecht, S. 185 f, um die Lizenzpflicht i. Erg. aber dennoch als repressives Verbot einzuordnen. 133 Vgl. zum Ganzen o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 1 b aa (2). 134 Wieland, S. 125, allgemein in bezug auf wirtschaftsverwaltungsrechtliche Konzessionen. 135 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 1 b bb.
Β. Einzelne Abgaben
351
zugehen ist. Sollten sie sich nicht als stichhaltig erweisen, ergäbe sich daraus, daß die Erteilung einer Lizenz ein gebührenrechtlich vorteilhaftes Recht ist.
(1) Formelle Verfassungmäßigkeit: Gesetzgebungskompetenz In einigen rechtswissenschaftlichen Stellungnahmen zum nordrheinwestfälischen Lizenzentgelt wird die Auffassung vertreten, das Abfallgesetz des Bundes enthalte eine erschöpfende Regelung hinsichtlich der Entsorgung von Abfällen, was dazu führe, daß die Gesetzgebungskompetenz des nordrhein-westfälischen Landesgesetzgebers insoweit ausgeschlossen sei (Art. 72 Abs. 1 GG); die das Lizenzentgelt betreffenden Regelungen seien daher nichtig. Auf die wesentlichen Argumente, die gegen die landesgesetzgeberische Kompetenz vorgebracht werden, sei im folgenden eingegangen136. Dabei ist die Tatsache zugrundezulegen, daß eine Sperrwirkung der bundesrechtlichen Regelungen nach Art. 72 Abs. 1 GG nur eintritt, soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht hat. Hierzu ist eine erschöpfende materielle Regelung des Bundes erforderlich 137, wobei der betreffende Normenkomplex diesbezüglich einer Gesamtwürdigung unterliegt 138 . Für die nicht geregelten Teilbereiche des Sachgebiets bleibt die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers erhalten. Die landesrechtliche Kompetenz zur Einfuhrung des Lizenzmodells könnte durch die bundesrechtliche Regelung des § 3 Abs. 3 und 4 AbfG gesperrt sein. Hiernach besteht für die entsorgungspflichtigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Abfälle von der Entsorgung auszuschließen, was zur Folge hat, daß der Abfallbesitzer zur Entsorgung verpflichtet ist. Es wird argumentiert, die Entsorgungspflicht des Abfallbesitzers trete unmittelbar aufgrund von Bundesrecht, nämlich von § 3 Abs. 4 AbfG, ein, und stehe daher nicht zur Disposition des Landes. Die genannte Norm regele die Entsorgungspflicht vollständig und abschließend, so daß es dem Landesgesetzgeber verwehrt sei, ihre Erfüllung von einer Lizensierung abhängig zu machen139. Aus § 3 Abs. 4 AbfG folge nicht nur die Pflicht zur Entsorgung, sondern auch das Recht, die Entsorgung selbst zu organisieren. Dieses Recht könne allein vom Bund beschränkt werden, nicht aber durch eine
136
Ausf. hierzu sowie zu ihrer Widerlegung insbes. Stallknecht, S. 39 ff. BVerfGE 18, 407 (417). 138 BVerfGE 49, 343 (358). 139 So Friauf in einer gutachtlichen Stellungnahme zum nordrhein-westfälischen Lizenzentgelt, zit. nach Stallknecht, S. 51 f. 137
352
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
landesrechtliche Lizenzpflicht, welche die Entsorgungsmöglichkeiten schränkt 140 .
ein-
Gegen diese Interpretation steht jedoch zunächst der Wortlaut des § 3 Abs. 4 AbfG. Geregelt ist nämlich nur, daß dem Abfallbesitzer die Pflicht zu Entsorgung obliegt, sowie sein Recht, sich eines Fremdentsorgern bedienen zu dürfen. Ansonsten fehlen praktisch alle relevanten Vorgaben. Insofern besteht durchaus Raum für landesrechtliche Ausgestaltungen 141 . Dieser Befund wird durch die Entstehungsgeschichte des Abfallgesetzes bestätigt. Bei den Beratungen zeigte sich nämlich, daß im Hinblick auf die Organisation der Abfallentsorgung kein Konsens unter den Ländern gegeben war. Daher fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß eine diesbezügliche Verantwortung der Länder ausgeschlossen werden sollte. Von dieser Regelungsfreiheit haben die Länder auch ausgiebig Gebrauch gemacht 142 . Die bundesrechtlichen Bestimmungen beinhalten also nur Aussagen darüber, daß dem Abfallbesitzer die Entsorgungspflicht obliegt, daß die Entsorgung in planfestgestellten ordentlichen Anlagen stattfinden muß, und daß bei der Entsorgung das Allgemeinwohl gewahrt werden muß 143 . § 3 Abs. 4 AbfG sagt hingegen nichts zur Organisation der Abfallentsorgung, ein bundesrechtliches Recht der Abfallbesitzer, die Art und Weise der Erfüllung der Entsorgungspflicht bestimmen zu dürfen, wird nicht gewährt 144 . Das Lizenzmodell bietet hingegen eine eigenständige organisatorische Lösung der Abfallentsorgung, vergleichbare Strukturen enthält das Bundesrecht nicht 145 . Die Zuständigkeit des nordrhein-westfälischen Landesgesetzgebers ist insoweit nicht von § 3 Abs. 3 und 4 AbfG gesperrt. Darüber hinaus wird geltend gemacht, daß die §§ 4, 7 und 8 AbfG eine landesrechtliche Kompetenz zur Einführung des Lizenzmodells ausschließen würden. Hiernach besteht ein grundsätzlicher Zwang zur Abfallentsorgung in dafür zugelassenen Anlagen. Für deren Errichtung und Betrieb befürfen die Entsorger einer Planfeststellung oder Genehmigung nach Abfall- bzw. Immissionsschutzrecht. Diese Regelungen seien abschließend, was bedeute, daß derjenige, der eine Zulassung zur Abfallentsorgung besitzt, keiner weiteren Genehmigung
140
141
Kloepfer/Follmann,
DÖV 1988, 576.
Peine, NWVB1. 1988, 195 f. 142 S. zum Ganzen Peine, NWVB1. 1988, 196; Salzwedel, NVwZ 1989, 824; Struß, S. 180 f. 143 So zusammenfassend Peine, NWVB1. 1988, 196. 144 Stallknecht, S. 55 ff, unter eingehender Berücksichtigung grammatischer, systematischer, historischer und teleologischer Auslegungsmethodik. 145 Salzwedel, NVwZ 1989, 826.
Β. Einzelne Abgaben
353
oder Lizenz mehr bedürfe 146 . Die Voraussetzungen, unter denen eine Lizenz nach nordrhein-westfalischem Landesrecht erteilt wird, seien im wesentlichen mit denen der Planfeststellung identisch, so daß das zusätzliche Lizensierungsverfahren die Konzentrationsfunktion der Planfeststellung beeinträchtige , 4 7 . Hiergegen spricht jedoch der Umstand, daß das Lizensierungsverfahren der eigentlichen Genehmigung bzw. Planfeststellung vorausgeht und deshalb die Konzentrationswirkung einer Planfeststellung nicht durchbrechen kann. Zu der Frage, wer überhaupt als Betreiber einer Abfallentsorgungsanlage in Betracht kommt, enthält das Bundesrecht keine Aussage. Diese Vorfrage darf daher landesrechtlich geregelt werden 148 . Fehlt es an einer Lizensierung, stellt sich die Frage der Zulässigkeit von Errichtung und Betrieb einer bestimmten Anlage gar nicht mehr. Andererseits präjudiziell das Lizensierungsverfahren auch nichts, was im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens geprüft werden muß 149 . Auch die §§ 4, 7 und 8 AbfG schließen daher die Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Einfuhrung des Lizenzmodells nicht aus. Insgesamt spricht nichts dafür, daß der nordrhein-westfälische Gesetzgeber seine Gesetzgebungskompetenz überschritten hat. Die Regelungen sind daher in formeller Hinsicht verfassungsgemäß.
(2) Materielle Verfassungsmäßigkeit: Art. 12 Abs. 1 GG Die Lizenzpflicht müßte auch in materieller Hinsicht mit dem Grundgesetz in Einklang stehen. Dabei bestehen im wesentlichen nur Bedenken gegen eine Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit derjenigen Abfallentsorger, die sich erstmalig um eine Lizenz bemühen (Art. 12 Abs. 1 GG) 1 5 0 . Im Hinblick auf Altentsorger ist daneben noch ein Verstoß gegen deren Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) denkbar, worauf aber erst im folgenden Gliederungsabschnitt einzugehen ist. Art. 12 Abs. 1 GG schützt als einheitliches Grundrecht sowohl die Freiheit der Berufswahl als auch die Freiheit der Berufsausübung. Beide Freiheiten sind jedoch durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes einschränkbar, die Berufs-
146
So Friauf in einer gutachtlichen Stellungnahme zum nordrhein-westfälischen Lizenzentgelt, zit. nach Stallknecht, S.75. 147
148
Kloepfer/Follmann,
DÖV 1988, 577; Strut , S. 181 f.
Peine, NWVB1. 1988, 197 f; Stallknecht, S. 87 ff. 149 Salzwedel, NVwZ 1989, 824. 150 Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 oder Art. 2 Abs. 1 GG liegt hingegen ersichtlich nicht vor, s. dazu Stallknecht, S. 229 ff. 23 Heimlich
354
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
freiheit steht unter einem Gesetzesvorbehalt 151. Unter welchen Voraussetzungen ein staatlicher Eingriff in diese grundrechtlich geschützten Postitionen zulässig ist, richtet sich danach, ob die Freiheit der Berufswahl oder diejenige der Berufsausübung betroffen ist. Ersteres ist der Fall, wenn sich der Eingriff auf den Zugang zu oder den Verbleib in einem bestimmten Beruf bezieht. Demgegenüber gelten Berufsausübungsregelungen nur den Bedingungen oder Modalitäten, unter denen sich eine berufliche Tätigkeit vollzieht 152 , und sind daher an wesentlich weniger strenge Bedingungen gebunden. Ob die Lizenzpflicht eine Berufswahl- oder nur eine Berufsausübungsregelung darstellt, wird nicht einheitlich beurteilt. Einige Autoren ordnen sie ohne weitere Problematisierung als objektive Beschränkung der Berufszulassung, also als Berufswahlregelung ein 153 . Andere differenzieren hingegen danach, ob die Lizenzpflicht einen Eigen· oder einen Fremdentsorger trifft. Diese Ansicht ist vorzugswürdig, weil des den Beruf des Eigenentsorgers als solchen nicht gibt. Vielmehr stellt sich das Problem der Entsorgung von Abfällen, die aufgrund eigener Produktionsweisen entstanden sind, lediglich als Folge des eigentlich ausgeübten Berufs dar 154 . Deshalb ist die Lizenzpflicht, was Eigenentsorger angeht, eine bloße Berufsausübungsregelung. Im Gegensatz dazu hat sich für die Tätigkeit des Fremdentsorgers seit langem ein eigenständiges Berufsbild entwickelt. Bei ihm stellt die Abfallentsorgung den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens dar 155 . Der Zugang zu diesem Beruf wird nun aber nach nordrheinwestfälischem Recht von einer Lizensierung abhängig gemacht. Dabei ist bedeutsam, daß nach der Konzeption des Gesetzes nicht jeder Antragsteller eine Entsorgungslizenz erhält, vielmehr w i l l das Land eine Kontingentierung von Entsorgungsanlagen einführen. Der einzelne hat also keinen letztlich entscheidenden Einfluß auf die Lizenzerteilung, und deshalb besteht eine objektive Zulassungsbeschränkung 156. Anders als die bloße Regelung der Berufsausübung ist die Beeinträchtigung der Berufswahlfreiheit durch eine objektive Zulassungsbeschränkung nur unter erschwerten Voraussetzungen zulässig. An den Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Freiheitsbeschränkung sind besonders strenge Anforderungen zu stellen, nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Ge-
151
BVerfGE 7, 377 (397 ff); 54, 237 (246); Jarass, in: Jarass/Pieroth,
Art. 12 Rn. 2,
7, 17.
152 153 154
S. nur Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 12 Rn. 20 ff m.w.N. Matthiesen, NWVB1. 1987, 76; Struß, S. 183 f; Wieland, S. 182. Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 579 Fußn. 53; Peine, NWVB1. 1988, 198; Stall-
knecht, S. 114. 155
Peine, NWVB1. 1988, 198; Stallknecht, S. 114 f m.w.N. Peine, NWVB1. 1988, 198; anders Stallknecht, S. 109 ff, 124: Die Lizenzpflicht sei auch im Hinblick auf die Fremdentsorger eine bloße Berufsausübungsregelung, die aber in bestimmten Fällen in eine Berufswahlregelung umschlagen könne (so S. 126). 156
Β. Einzelne Abgaben
355
meinschaftsgut ist in der Lage, diesen Eingriff zu rechtfertigen 157 . Im Hinblick auf die Fremdentsorger ist die Lizenzpflicht also an diesen Voraussetzungen zu messen. Sollten sie erfüllt sein, ist die Lizenzpflicht für Eigenentsorger erst recht unbedenklich, weil an ihre Zulässigkeit wesentlich geringere Anforderungen gestellt werden; Berufsausübungsregelungen sind nämlich schon durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert 158 . M i t der Einführung des Lizenzmodells wird beabsichtigt, Mensch und Umwelt vor der ungeordneten Entsorgung von Abfällen, insbesondere von Sonderabfällen, zu schützen. Hiermit sind die Rechtsgüter „Umwelt" und „Volksgesundheit" angesprochen. Daß beide überragend wichtige Gemeinschaftsgüter im Sinne der berufsgrundrechtlichen Eingriffsdogmatik sind, ist mittlerweile anerkannt 159 . Darüber hinaus ist es auch höchstwahrscheinlich, daß sich Abfallbesitzer ihrer Abfälle in gesundheits- und umweltschädigender Weise entledigen, wenn der Staat nicht ordnend eingreift. Es sind insbesondere Sonderabfälle, die in der heutigen Industriegesellschaft vermehrt anfallen, zudem erweisen sich Entsorgungsmöglichkeiten als knapp und teuer, so daß unstreitig Kapazitätsengpässe drohen 160 . Überdies besteht ein legislativer Prognosespielraum, was die Entwicklungen auf dem Abfallbeseitigungssektor angeht 161 . Sieht der Gesetzgeber hier Gefahren, muß dies grundsätzlich als zulässige Ausschöpfung legislativer Beurteilungskompetenz hingenommen werden. Dafür, daß der Prognosespielraum überschritten worden ist, besteht unbestrittenermaßen kein Anhaltspunkt. Insgesamt zeigt sich also: Es geht dem nordrhein-westfälischen Gesetzgeber um die Abwehr höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut, insofern wäre die Lizenzpflicht unproblematisch zulässig. Allerdings wird vereinzelt bestritten, daß das Lizenzmodell zur Abwehr der genannten Gefahren auch erforderlich ist. Man behauptet, das bundesrechtliche Instrumentarium des Abfallgesetzes sei ebenso effektiv, aber weniger einschneidend als die Einführung einer Lizenzpflicht 162 . Dieser Einwand erweist sich bei näherer Betrachtung jedoch als nicht stichhaltig. Zunächst ist zu beachten, daß der Gesetzgeber nicht nur, wie soeben ausgeführt worden ist, im Zusammenhang mit Gefahrenprognosen einen weiten Handlungsspielraum ge-
157
BVerfGE 7, 377 (408), st. Rspr. BVerfGE 7, 377 (405), st. Rspr. 159 Vgl. etwa BVerfGE 7, 377 (414) - Volksgesundheit-; BVerwGE 62, 224 (230) und BVerwG, DVB1. 1981, 985 (986) - Umweltschutz-; s. ferner speziell zum nordrhein-westfälischen Lizenzmodell Peine, NWVB1. 1988, 198; Stallknecht, S. 128. 160 Ausf. Stallknecht, S. 128 ff m.w.N. 161 Vgl. BVerfGE 30, 250 (263); 30, 292 (317); 50, 290 (332 ff). 158
162
Kloepfer/Follmann,
DÖV 1988, 579; Struß, S. 184.
356
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
nießt. Vielmehr kommt ihm auch dann eine Einschätzungsprärogative zu, wenn es um die Frage geht, ob eine staatliche Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich ist. A n der Erforderlichkeit fehlt es nur dann, wenn ein Gericht in der Lage wäre auszusprechen, der Gesetzgeber habe ein anderes Mittel anstatt des vom ihm gewählten einzusetzen163. Es ist jedoch kaum vorstellbar, daß ein Gericht dem Gesetzgeber vorschreiben darf, er müsse die Abfallentsorgung vollständig den Gesetzen des Marktes überlassen 164. Im Gegenteil ist die Bewirtschaftung der knappen Kapazitäten für eine geordnete Abfallentsorgung unabdingbar geboten 165 . Die Betreiber einer Abfallentsorgungsanlage sehen sich hohen finanziellen Aufwendungen gegenüber, die sie nur dann tätigen werden, wenn die Kalkulationsgrundlage gesichert ist. Diese Grundlage wird durch eine Abfallplanung inklusive einer Kontingentierung geboten, denn die Entsorger können dann mit einer Auslastung ihrer teuren Anlagen rechnen. Ein solcher Konkurrenzschutz ist zwar nicht allein zugunsten der Lizenznehmer 166 , wohl aber als Zwischenziel zum Schutz der Umwelt vor drohenden Gefahren zulässig. Das Abfallwirtschaftsrecht wird mehr und mehr von dem Bemühen darum geprägt, Investoren zu finden und vorhandene und geplante Anlagen hinreichend auszulasten. Eine geordnete Abfallwirtschaft kann nur auf wirtschaftlich gesicherter Basis funktionieren. Ein ruinöser Wettbewerb zwischen einzelnen Entsorgern würde die Gefahr beinhalten, daß Billiganbieter versuchen, sich mit möglichst wenig Entsorgungsaufwand Markanteile zu sichern. Das könnte zur Verminderung der Standards einer umweltschonenden Entsorgung führen, denn eine solche ist besonders kostenintensiv. Je höher die technischen Anforderungen an die Behandlung und Ablagerung von Abfällen geschraubt werden, desto bedeutsamer wird die Frage, wie die Anlagen zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen betrieben werden können. Vor diesem Hintergrund käme der Verzicht auf eine abfallwirtschaftliche Planung und Kontrolle letztlich einem Verzicht auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gleich, was dem in Art. 20a GG niedergelegten Staatsziel entgegenliefe. Insgesamt zeigt sich also, daß die Einführung des Lizenzmodell durchaus erforderlich ist. Ebensowenig fehlt es an der Zumutbarkeit, denn die Sicherstellung einer geordneten Abfallentsorgung genießt wegen der soeben dargestellten besonderen Situation auf dem Gebiet des Abfallwirtschaftsrechts den Vorrang vor den finanziellen Interessen des einzelnen Entsorgers 167. Das nordrheinwestfälische Lizenzmodell ist daher mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
163
Vgl. BVerfGE 37, 1 (21); 39, 210 (231); 40, 196 (223).
164
Wieland,, S. 182 f.
165
S. zum Folgenden Matthiesen, NWVB1. 1987, 76; Peine, NWVB1. 1988, 198 f; Salzwedel, NVwZ 1989, 828; Stallknecht, S. 134 ff; Wieland, S. 182. 166 Vgl. BVerfGE 7, 377 (408); 19, 330 (342). 167 So i. Erg. auch Stallknecht, S. 145.
Β. Einzelne Abgaben
357
(3) Ergebnis Die Lizenzpflicht für Abfallentsorger, die sich erstmalig um eine Entsorgungslizenz bemühen, ist somit verfassungsgemäß. Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat in § 10 Abs. 1 NRWLAbfG ein rechtmäßiges repressives Verbot mit Dispensvorbehalt aufgestellt. Wird der Dispens in Form einer Entsorgungslizenz erteilt, führt dies zu einer materiellen Verbesserung der Rechtsstellung des Bedachten. Diese Lizenz ist somit ein gebührenrechtlich vorteilhaftes Recht.
bb) Die fiktiv
erteilte Lizenz
Fraglich ist, ob auch die gemäß § 10 Abs. 3 NRWLAbfG den bereits rechtmäßigerweise tätigen Altentsorgern fiktiv erteilte Lizenz gebührenrechtlich vorteilhaft ist. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob die Lizensierung der Altentsorger überhaupt verfassungsgemäß ist. Daß ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG nicht gegeben ist, folgt aus den vorangegangenen Erörterungen. Vereinzelt wird jedoch noch vorgebracht, die Lizenzpflicht stelle einen unzulässigen Eingriff in die Eigentumsfreiheit der bereits tätigen Entsorgungsunternehmer dar. Art. 14 GG schütze diese Unternehmer in ihrer Rechtsposition, die sie mit der bundesabfallrechtlichen Anlagen- und Betriebszulassung sowie durch deren Nutzung unter Einsatz eigener Leistungen und Investitionen erworben haben. Diese Position sei zwar nicht immer beeinträchtigt, weil § 10 Abs. 3 NRWLAbfG die Lizenz fingiert, wohl aber dann, wenn eine Bestätigung der fingierten Lizenz unter Befristungen oder Auflagen erteilt wird (vgl. § 10 Abs. 3 Sätze 2 und 3 NRWLAbfG). In einem solchen Fall liege ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Eigentumsfreiheit vor 168 . Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Vielmehr ist die Bestätigung einer fingierten Lizenz als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) anzusehen. Hierfür spricht ein Vergleich mit der Regelung des § 3 Abs. 2 AbfG. Danach wird die Abfallentsorgungspflicht auf die zuständigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften übertragen. Es handelt sich hier auch im Hinblick auf langjährig tätige Entsorger um eine zulässige eigentumsrechtliche Inhalts- und Schrankenbestimmung 169. Ein privater Abfallentsorger muß von Anfang an damit rechnen, daß er seine Tätigkeit nicht für alle Zeiten uneingeschränkt ausüben darf, auch wenn er eine entsprechende Zulassung besitzt. Realisiert sich dieses Risiko, ist dieser Eingriff unter eigentumsrechtlichen
168
169
Kloepfer/Follmann,
DÖV 1988, 580.
BVerwGE 62, 224 (229).
358
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
Gesichtspunkten zulässig. Insbesondere ist die Verhältnismäßigkeit gewahrt, wie im vorangegangenen Gliederungsabschnitt bereits dargelegt wurde. Von einem Verstoß gegen Art. 14 GG kann daher nicht die Rede sein, wenn eine fiktive Lizenz befristet oder mit Auflagen versehen bestätigt wird 170 . Gleichwohl ist zweifelhaft, ob die fiktive Lizenz gebührenrechtlich vorteilhaft ist 171 . Dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 NRWLAbfG zufolge betrifft sie nämlich auch Anlagen, die durch Planfeststellung zugelassen worden sind. Die Planfeststellung besitzt jedoch eine umfassende Gestaltungs- und Konzentrationswirkung, durch die der Träger des Vorhabens sowie dessen Rechte und Pflichten abschließend festgelegt werden. Sobald der Planfeststellungsbeschluß ergangen ist, richten sich die Rechtsverhältnisse der Anlage ausschließlich nach ihm, weitere Genehmigungen, Verleihungen usw. sind nicht erforderlich (§ 75 Abs. 1 VwVfG). Eine nachfolgend fiktiv erteilte Entsorgungslizenz kann daher keine konstitutive, rechtsbegründende Wirkung mehr entfalten, ihr kommt im Rahmen von planfestgestellten Anlagen keine eigenständige Bedeutung mehr zu. Daraus folgt, daß dem Unternehmer, der bereits eine durch Planfeststellungsbeschluß zugelassene Entsorgungsanlage besitzt, durch die Erteilung einer fiktiven Lizenz kein Mehr an Rechten eingeräumt wird. Seine materielle Rechtsstellung ergibt sich allein aus der Planfeststellung, schon durch sie wird ihm das Recht gewährt, Abfälle zu behandeln oder abzulagern. Daher ist die gemäß § 10 Abs. 3 NRWLAbfG fingierte Entsorgungslizenz kein gebührenrechtlich vorteilhaftes Recht, soweit es um bereits planfestgestellte Anlagen geht. Es ist somit nicht gerechtfertigt, hierfür eine Verleihungsgebühr zu erheben 172 . Hinsichtlich der übrigen Unternehmer bleibt es jedoch bei der konstitutiven Wirkung der Lizenz 173 , woraus deren gebührenrechtliche Vorteilhaftigkeit folgt.
cc) Ergebnis Die Einführung der Lizenzpflicht durch den nordrhein-westfälischen Landesgesetzgeber ist insgesamt verfassungsgemäß. Sie stellt ein zulässiges repressives Verbot, Abfälle zu behandeln oder abzulagern, dar. Die Lizenzerteilung bewirkt somit grundsätzlich, daß dem Lizenznehmer materiell gesehen ein zusätzliches Recht eingeräumt wird; dieses Recht ist daher als vorteilhaft im 170
So auch Stallknecht, S. 150. Ausf. dazu Stallknecht, S. 90 ff, 144, 148, dessen Erörterungen hier im wesentlichen gefolgt wird. 172 So i. Erg. auch Stallknecht, S. 234 ff. 171
173
Stallknecht, S. 148.
Β. Einzelne Abgaben
359
Sinne der gebührenrechtlichen Dogmatik anzusehen. Eine Ausnahme besteht nur im Hinblick auf diejenigen Altentsorger, die sich auf eine Planfeststellung berufen können. Die ihnen fiktiv erteilte Lizenz ist nicht gebührenrechtlich vorteilhaft.
b) Wirtschaftliche Nutzbarkeit Ein verliehenes Recht ist wirtschaftlich nutzbar, wenn es die Möglichkeit einräumt, Leistungen am Markt anzubieten. Dasselbe gilt für ein Recht, welches dem Bedachten dazu verhilft, Aufwendungen zu ersparen 174. Die erste Fallgruppe ist im Hinblick auf die Lizensierung der Fremdentsorger einschlägig. Ihnen wird erlaubt, gegen Bezahlung Abfälle zu behandeln oder abzulagern. Das Lizenzsystem gewährleistet, daß sie mit einer Auslastung ihrer Anlagen rechnen können, zudem sind mit der Vorrangstellung vor konkurrierenden Bewerbern weitere wirtschaftliche Vorteile verbunden 175. Die Lizensierung von Fremdentsorgern ist somit für diese wirtschaftlich vorteilhaft. Ebenso verhält es sich bei der Lizenzerteilung an Eigenentsorger. Ihnen wird dadurch ermöglicht, ihre Abfälle in eigener Regie ohne Einschaltung von teuren Fremdentsorgern zu behandeln oder abzulagern. Die Abfallentsorgung erfolgt lediglich zum Selbstkostenpreis, die vom Fremdentsorger berechnete Gewinnspanne muß nicht gezahlt werden. Somit fuhrt die Lizenz dazu, daß die Eigenentsorger finanzielle Aufwendung sparen. Insgesamt zeigt sich also, daß die Erteilung einer Abfallentsorgungslizenz in jedem Fall wirtschaftlich nutzbar ist.
c) Ergebnis Die nach nordrhein-westfälischem Recht erteilte Lizenz, Abfälle behandeln oder ablagern zu dürfen, ist ein gebührenrechtlich vorteilhaftes, wirtschaftlich nutzbares Recht, sofern es sich nicht um die fiktive Lizensierung von Abfallentsorgern handelt, welche das Entsorgungsrecht bereits vor Inkrafttreten des Landesabfallgesetzes aufgrund einer Planfeststellung erworben haben. Abgesehen von einem solchen Fall ist es gerechtfertigt, eine Verleihungsgebühr zu erheben.
174 175
S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 c. Vgl. Matthiesen, NWVB1. 1987, 76; Wieland, S. 379.
360
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
4. Bemessung und Zweck Wie jede Verleihungsgebühr muß auch das nordrhein-westfälische Lizenzentgelt in bezug auf den verfolgten Zweck, zugewandte Vorteile oder Werte auszugleichen, angemessen sein. Es kommt hinzu, daß der Wert der verliehenen Abfallentsorgungslizenz die absolute Obergrenze der Gebührenhöhe darstellt 176 . Das fuhrt zu der Frage, wie hoch der Wert der Lizenz zu beziffern ist. Maßgebend ist hier nach allgemeinen Grundsätzen in erster Linie der Betrag des tatsächlich Erwirtschafteten. Wenn kein oder nur ein unwesentlicher Gewinn erzielt wurde, ist der Betrag des fiktiv Erwirtschafteten heranzuziehen 177. Im Hinblick auf das nordrhein-westfälische Lizenzentgelt bestehen in diesem Zusammenhang jedoch keine Probleme, denn es wird nur dann erhoben, wenn tatsächlich Abfälle behandelt oder abgelagert wurden. Das ergibt sich aus § 1 LizenzentgeltVO, wonach das Lizenzentgelt für die Menge der lizensierten Abfälle, die „behandelt oder abgelagert worden sind", festgesetzt wird. § 3 LizenzentgeltVO präzisiert den Charakter des Lizenzentgelts als Produkt von Abfallmenge, Basisentgelt und dem Faktor für die Entsorgungsart. Liegt die Abfallmenge aber bei Null, beträgt auch das zu zahlende Entgelt Null DM. Nur wenn die Lizenz tatsächlich ausgenutzt wird, entsteht die Entgeltpflicht, ein fiktiver Gewinn spielt daher bei der Festlegung des Lizenzwertes und somit auch im Rahmen der Äquivalenzprüfung keine Rolle. Das nordrhein-westfälische Lizenzentgelt schöpft daher diejenigen Vorteile nicht ab, die bereits infolge der Rechtsverleihung beim Lizenznehmer entstehen, sondern greift nur auf wirklich erzielte Gewinne zu. Eine solche Regelung ist nicht rechtswidrig, denn es besteht keine Pflicht, sondern lediglich ein Recht des Staates, Vorteile auszugleichen, die mit der Rechtsverleihung einhergehen 178. Somit bleibt allein zu untersuchen, ob das Lizenzentgelt in bezug auf den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn angemessen ist bzw. diesen nicht übersteigt. Hierbei erlangt die Tatsache Bedeutung, daß die Entsorger fremder Abfälle aus den festen Gebührensätzen der Lizenzentgeltverordnung von vornherein errechnen können, welchen Betrag sie pro Tonne entsorgtem Abfall als Lizenzentgelt zahlen müssen. Diesen Kostenfaktor wälzen die aber ihrerseits
176
Ausf. zum Ganzen o. 4. Teil, Gliederungabschnitte D I und D III 2 sowie 5. Teil, Gliederungsabschnittt Β I 5 d. Zum Vorteilsausgleichszweck des Lizenzentgelts s. Matthiesen, NWVB1. 1987, 76 f; Wieland, S. 379 f. 177 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D II 3. 178 Vgl. o. 3. Teil, Gliederungsabschnitt C II 2 a, 4. Teil, Gliederungsabschnitt C II. Insofern besteht eine Parallele zur Bremer Grundwasserentnahmegebühr und ein Unterschied zur Grundwasserentnahmegebühr nach Hamburger Recht, vgl. o. 5. Teil, Gliederungsabschnitte Β I 5 d, 6 c.
Β. Einzelne Abgaben
361
wieder auf die Abfallproduzenten ab. Der von den Fremdentsorgern verlangte Preis erhöht sich also um den Betrag, der für die Lizenz abgeführt werden muß. Es ist somit praktisch nicht denkbar, daß die Ausgaben für das Lizenzentgelt die Einnahmen des Fremdentsorgers übersteigen. Die durch den Wert der Lizenz gezogene absolute Obergrenze der Gebührenhöhe wird daher beachtet. Ferner ist es ausgeschlossen, daß die Höhe der Verleihungsgebühr unangemessen wird. Denn wenn ein Fremdentsorger den Eindruck gewönne, wegen des zu zahlenden Lizenzentgelts sei die Abfallentsorgung unwirtschaftlich, würde er entweder seine Preise erhöhen oder aber seine Tätigkeit ganz einstellen, um keine Abgabe zahlen zu müssen. Letztlich liegt also in der Möglichkeit des Fremdentsorgers, die von ihm geforderte Verleihungsgebühr in voller Höhe direkt und unmittelbar auf die Abfallproduzenten überzuwälzen, der Grund dafür, daß es nicht zu einer Inäquivalenz zwischen Gebührenhöhe und Lizenzwert kommen kann. Dieser Gedanke wird wohl für alle Rechtsverleihungen gelten, die es ermöglichen, Leistungen am Markt anzubieten, sofern die Gebühr nur dann gefordert wird, wenn auch tatsächlich Gewinne erzielt worden sind, wie es beim Lizenzentgelt der Fall ist. Im Ergebnis verteuert die Erhebung einer Verleihungsgebühr zwar die Abfallentsorgung, allerdings ist ein solcher Effekt aus umweltpolitischen Gründen durchaus erwünscht, denn es wird ein finanzieller Druck zugunsten der ökologisch sinnvollen Abfallvermeidung erzeugt. Im Hinblick auf die Entsorger eigener Abfälle ergibt sich folgendes Bild. Ihnen ist es zwar nicht möglich, den Betrag des Lizenzentgelts direkt auf andere abzuwälzen. Gleichwohl entspricht auch die von ihnen zu zahlende Gebühr den Anforderungen des Äquivalenzprinzips. Denn nach § 5 LizenzentgeltVO schulden Eigenentsorger pro Tonne Abfall einen wesentlich geringeren Gebührenbetrag als Fremdentsorger. Zudem sparen sie die Kosten für eine Fremdentsorgung ein, die infolge der von den Fremdentsorgern berechneten Gewinnspanne in jedem Fall teurer sein wird. Die Lizenz zur Eigenentsorgung ist also im Ergebnis eine Erlaubnis zu kostengünstigerem Wirtschaften. Ist aber schon die von den Fremdentsorgern zu zahlende Verleihungsgebühr äquivalent, so gilt dies für die von den Eigenentsorgern verlangte niedrigere Gebühr erst recht. Dafür, daß das Lizenzentgelt in jedem Fall die Anforderungen des Äquivalenzprinzips wahrt, spricht auch eine generelle Überlegung. Die Abfallentsorgung ist nämlich ein äußerst lukratives Geschäft, denn angesichts knapper Entsorgungskapazitäten und steigender Abfallmengen ist es Fremdentsorgern möglich, hohe Gewinne zu erzielen. Diese Gewinne wiederum stellen auf der anderen Seite erhebliche Kosten dar, welche von den Eigenentsorgern gespart werden können. Hinzu kommt, daß die Entsorger in Nordrhein-Westfalen wegen des Lizenzmodells mit einer Auslastung ihrer Anlagen rechnen können, denn hierauf ist dieses Modell gerade angelegt.
362
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
Die Bemessung des Lizenzentgelts ist nach alledem insgesamt rechtmäßig 179. Am Rande sei noch darauf hingewiesen, daß die im Gesetzentwurf enthaltene Regelung ein anderes Bemessungssystem beinhaltete. Sie sah vor, als Lizenzentgelt 5 % der von Fremdentsorgern erhobenen Preise bzw. von Eigenentsorgern 80 % der vergleichbaren durchschnittlichen Fremdentsorgerpreise zu erheben. Diese Bestimmung wurde als umweltpolitisch kontraproduktiv und technologiefeindlich verworfen, weil hierdurch die umweltschonendste und damit teuerste Entsorgung noch zusätzlich belastet werde 180 . Unter rechtlichen Gesichtspunkten hätten sich jedoch keine Bedenken ergeben 181. Es ist nämlich zulässig, daß der Gesetzgeber einen bestimmten Prozentsatz des Gewinns als Verleihungsgebühr erhebt, um dadurch den zugewandten Vorteil teilweise wieder abzuschöpfen 182. Neben dem Zweck, wirtschaftliche Werte wieder auszugleichen, die durch die Lizenzerteilung entstanden sind, verfolgt die Erhebung des Lizenzentgelts das Lenkungsziel, auf eine möglichst umweltschonende Abfallentsorgung bzw. -Vermeidung hinzuwirken. Diesem Ziel dient auch die in § 15 NRWLAbfG angeordnete zweckgebundene Verwendung des Abgabenaufkommens. Daß der ökologische Lenkungszweck angesichts des besonderen Gefahrenpotentials wachsender (Sonder-)Abfallmengen legitim ist, wird von keiner Seite bestritten und bedarf wohl auch nicht einer näheren Begründung 183. Bisweilen wird jedoch behauptet, das nordrhein-westfälische Lizenzentgelt habe eine unzulässige Finanzierungsfunktion, weil es zur Altlastensanierung und zur Förderung der Abfallentsorgungsstruktur notwendige Finanzmittel gewinnen will. Der Landesgesetzgeber mache sich daher des Formenmißbrauchs schuldig, weil er beide Aufgaben aus Steuern oder Sonderabgaben bestreiten müsse184. Hieran ist richtig, daß dem Lizenzentgelt durchaus eine Finanzierungsfunktion zukommt, wofür auch die in § 15 NRWLAbfG normierte Zweckbindung spricht 185 . Rechtswidrig ist dies jedoch nur dann, wenn der Finanzierungszweck den vorrangigen oder ausschließlichen Gebührenzweck darstellt 186. Davon kann aller-
179
So i. Erg. auch Stallknecht, S. 227 f, allerdings noch zur Lizenzentgeltverordnung von 1989. Diese sah jedoch Beträge vor, die, verglichen mit der aktuellen Verordnung von 1992, um ein Vielfaches geringer lagen. 180 Vgl. Stallknecht, S. 24 m.w.N. 181 So i. Erg. auch Wieland, S. 379 f, dessen Ausführungen sich allein auf die im Gesetzentwurf vorgesehene Bemessungsregelung beziehen. 182 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D II 4. 183 Vgl. etwa Stallknecht, S. 208 ff. 184 Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 583; so auch Friauf m einer rechtsgutachtlichen Stellungnahme zum Lizenzentgelt, zit. nach Stallknecht, S. 232. 185 Ausf. zur Finanzierungsfunktion Stallknecht, S. 211 ff m.w.N. 186 S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt D I.
Β. Einzelne Abgaben
363
dings keine Rede sein. So beinhaltet die Bestimmung des § 11 Abs. 2 Satz 3 NRWLAbfG eine Aufkommensobergrenze, wonach die Lizenzentgelte so berechnet werden sollen, daß ein jährliches Aufkommen von 50 Mio. D M nicht wesentlich überschritten wird. Wäre es dem Gesetzgeber vorrangig darauf angekommen, Mittel für die äußerst kostenintensive Altlastensanierung oder die teure Erforschung von Abfallentsorgungs- und Abfallvermeidungsstrukturen zu beschaffen, hätte er diese Grenze sicherlich nicht angeordnet, vielmehr würde er gezielt darauf hingearbeitet haben, ein möglichst hohes Aufkommen zu erlangen. Hinzu kommt, daß das Lizenzmodell als wesentliches Element den Schutz der lizensierten Abfallentsorger vor Konkurrenz beinhaltet, um die Auslastung der Anlagen zu gewährleisten. Deswegen steht es im Hinblick auf die leer ausgehenden Bewerber unter einem erhöhten Legitimationsdruck, was die Gleichbehandlung der Unternehmer angeht. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber reagiert hierauf, indem er den Lizenznehmern nicht alle wirtschaftlichen Vorteile beläßt, sondern einen Teil als Verleihungsgebühr abschöpft. Die Ungleichheit zwischen den Konkurrenten wird dadurch teilweise kompensiert. Vor diesem Hintergrund ist die Erhebung einer Verleihungsgebühr die fast zwangsläufige Folge des Konkurrenzschutzes und mithin selbst ein Kernelement des Lizenzmodells. Ohne sie würde das nordrhein-westfälische System der Abfallentsorgung wohl in eine schwere Akzeptanzkrise geraten. Das Lizenzentgelt dient daher dazu, eine geordnete Entsorgungsstruktur mit einem größtmöglichen Maß an Gleichheit zu verbinden. Insgesamt zeigt sich also, daß der Gesetzgeber vorrangig das Ziel verfolgt, zugewandte Vorteile auszugleichen, die Finanzierungsfunktion tritt dahinter zurück. Für einen Formenmißbrauch besteht daher kein Anhaltspunkt 187 . Ebenso ist die Zweckbindung des Aufkommens rechtmäßig, denn wenn der Erhebung einer Verleihungsgebühr nichts im Wege steht, ist der Gesetzgeber in der Verwendung ihres Aufkommens frei 188 .
5. Sonstige Aspekte Die Kompetenz zur Erhebung einer Verleihungsgebühr folgt als Annex den allgemeinen Sachregelungskompetenzen189. Will das Land Nordrhein-Westfalen das Lizenzentgelt als Verleihungsgebühr ausgestalten, müßte es also die Sachregelungskompetenz im Hinblick auf die Ordnung der Abfallentsorgung
187 188 189
Wieland, S. 381 Fußn. 14. S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt F. S.o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt F.
364
5. Teil: Beurteilung ausgewählter Umweltabgaben
besitzen190. Daß dies der Fall ist, wurde bereits dargelegt 191. Es bestehen also keine rechtlichen Bedenken gegen die Verknüpfung von Lizenzpflicht und Verleihungsgebühr, denn wenn der Landesgesetzgeber im Bereich der Abfallentsorgung ein Lizenzsystem etablieren darf, ist es ihm nicht verwehrt, als ein Element dieses Systems die Erhebung einer Verleihungsgebühr für die Erteilung einer Entsorgungslizenz vorzusehen. Die Erhebungs- und Ertragskompetenz einer Verleihungsgebühr liegt bei derjenigen Körperschaft, die das Recht eingeräumt hat. Die Abfallentsorgungslizenz wird vom Land erteilt, woraus also auch die Erhebungs- und Ertragskompetenz für das Lizenzentgelt folgt. Des weiteren ist die vom nordrheinwestfälischen Recht getroffene Bestimmung des Gebührenschuldners rechtmäßig. Dieser wird zwar nicht in einer speziellen Norm ausdrücklich festgelegt, aus einer Zusammenschau der §§ 10 - 15 NRWLAbfG folgt jedoch, daß das Lizenzentgelt vom Lizenznehmer gezahlt werden muß. Das entspricht den allgemeinen Grundsätzen der Verleihungsgebühr, wonach der durch das verliehene Recht Begünstigte die Gebühr schuldet. Schließlich ist es auch zulässig, das Aufkommen aus dem Lizenzentgelt einer Zweckbindung zu unterwerfen, denn wenn die Erhebung einer Verleihungsgebühr rechtmäßig ist, steht dem Gesetzgeber die Aufkommensverwendung frei 192 .
6. Ergebnis Das nordrhein-westfälische Lizenzentgelt ist eine Verleihungsgebühr. Ihre Erhebung ist grundsätzlich durch den Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs gerechtfertigt, weil die Lizenz, Abfälle zu behandeln oder abzulagern, die Rechtsstellung des Bedachten materiell verbessert und zudem wirtschaftliche Vorteile bietet. Eine Ausnahme muß jedoch im Hinblick auf diejenigen Altentsorger gemacht werden, die sich auf eine wirksame Planfeststellung berufen können, denn die ihnen fiktiv erteilte Lizenz ist kein gebührenrechtlich vorteilhaftes Recht, so daß die Erhebung einer Verleihungsgebühr nicht gerechtfertigt ist. Die im nordrhein-westfälischen Recht vorgesehene Bemessungsregelung ist rechtmäßig, da sie den Vorgaben entspricht, die vom Äquivalenzprinzip und der Finanzverfassung an die Bemessung einer Verleihungsgebühr gestellt werden. Schließlich verfolgt das Lizenzentgelt keinen gebührenrechtlich unzulässigen Zweck. Weitere rechtliche Bedenken bestehen nicht, so daß die Erhebung
190 191 192
So auch der Ansatz von Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 583. S.o. 5. Teil, Gliederungsabschnitt Β II 3 a aa (1). S. zum Ganzen o. 4. Teil, Gliederungsabschnitt F.
Β. Einzelne Abgaben
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eines Lizenzentgelts, abgesehen von der soeben genannten Ausnahme, insgesamt rechtmäßig ist.
Zusammenfassung Es besteht ein großes rechtspolitisches Bedürfnis nach einer Möglichkeit, die Verleihung von Rechten durch den Staat mit einer Abgabe zu belegen. Insbesondere im Bereich des Umweltabgabenrechts würde eine solche Geldleistung ein breites Anwendungsfeld finden. Mit der Verleihungsgebühr steht ein Rechtsinstitut zur Verfugung, das dieses Bedürfnis befriedigen kann. Gleichwohl ist ihre Anerkennung als dritter Gebührentyp neben Verwaltungs- und Benutzungsgebühr aus gebührendogmatischen und (finanz-)verfassungsrechtlichen Gründen lebhaft umstritten. Die vorliegende Arbeit zeigt jedoch, daß die Einwände, welche gegen sie vorgebracht werden, letztlich nicht dazu führen können, dem Gebührentyp insgesamt seine Berechtigung abzusprechen. Vielmehr stellt die Verleihungsgebühr eine notwendige, rechtmäßige und praktikable Ergänzung des gegenwärtig bestehenden Abgabensystems dar, wenn und weil ihre Erhebung von engen Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Dabei ist davon auszugehen, daß das Abgabensystem die Entwicklung neuer Abgabeformen nicht ausschließt, sondern prinzipiell offen ist. Genausowenig existiert ein numerus clausus der Gebührenarten. Der Anerkennung von Verleihungsgebühren steht also aus grundsätzlichen abgabenrechtlichen Erwägungen heraus nichts im Wege. Auch eine genauere Betrachtung der historischen Entwicklung des Gebührenrechts führt zu dem Ergebnis, daß seit jeher Verleihungsgebühren erhoben wurden, ohne als rechtlich problematisch angesehen zu werden; es geht also genauer gesagt nicht um die Entwicklung eines völlig neuen, sondern nur um die Wiederanerkennung eines bereits bekannten Gebührentyps. Eine Hauptproblematik der Verleihungsgebühr besteht darin, daß der Staat ein Recht ohne jeden materiellen Aufwand einräumen kann, so daß das gesamte Aufkommen aus Verleihungsgebühren zwangsläufig nicht der Deckung von Kosten, die dem Staat infolge der Leistungserbringung entstanden sind, dient, sondern nur zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben verwendet werden kann. Es wird nun aber argumentiert, eine Gebühr sei als Abgabe zur Kostendeckung definiert, und ihre Erhebung sei nur dann gerechtfertigt, wenn sie die Kosten der vom Staat erbrachten Leistung ausgleichen soll, zudem sei eine jede Gebühr anhand der staatlicherseits entstandenen Kosten zu bemessen. Würden diese Behauptungen zutreffen, bestünde für Verleihungsgebühren kein Raum mehr. Aus historischer Sicht läßt sich allerdings nicht belegen, daß die Gebühr anerkanntermaßen als Abgabe zur Kostendeckung angesehen wurde. Doch
Zusammenfassung
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nicht nur geschichtliche Betrachtungen, sondern auch allgemeine gebührendogmatische Überlegungen sprechen gegen derartige Einschätzungen. Es liegt nahe, deren Berechtigung vor dem Hintergrund eines bestimmten gebührendogmatischen Systems zu beurteilen. Die vorliegende Arbeit versucht, erstmalig ein solches System zu entwickeln. Dabei ist davon auszugehen, daß sich das Gebührenrecht in verschiedene Problemkomplexe unterteilt. So muß geprüft werden, wie die Gebühr zu definieren ist, wodurch ihre Erhebung gerechtfertigt werden kann, welchen Bemessungsprinzipien die Gebührenhöhe unterliegt und zu welchem Zweck eine Gebühr gefordert werden darf. Eine Betrachtung unter der Fragestellung, welche Funktion Begriff, Rechtfertigung, Bemessung und Zweck im Gebührenrecht ausüben, fuhrt zu der Erkenntnis, daß all diese Problemkomplexe jeweils eigene, voneinander getrennte und hierarchisch aufeinander aufbauende Ebenen darstellen: Der Gebührenbegriff hat die Funktion, die Gebühr von anderen Abgabenarten abzugrenzen, die Ebene der Gebührenrechtfertigung dient dazu, den Schutz allgemein existierender rechtlicher Belange vor einer unberechtigten Gebührenerhebung sicherzustellen, und die Funktion der Bemessungsebene besteht darin, daß auf ihr zu prüfen ist, ob die Gebührenhöhe im Einzelfall angemessen ist oder nicht. Die Frage, zu welchem Zweck eine Gebühr erhoben werden darf, ist mit diesen drei Ebenen nach Maßgabe ihrer jeweiligen individuellen Funktion verschränkt. Legt man diese Erkenntnisse zugrunde, erlangt das Gebührenrecht mit seinen verschiedenen Problemkomplexen eine in sich stimmige, widerspruchsfreie innere Ordnung, anhand derer einzelne Kontroversen sachgerecht gelöst werden können. Zudem ist ein solches funktionalistisches gebührendogmatisches System offen für die Beurteilung von Gerechtigkeits- und Wertungsfragen, die genauso wie im gesamten Abgabenrecht auch im Gebührenrecht eine wichtige Rolle spielen. Sie tauchen vorzugsweise dann auf, wenn es um die Prüfung geht, ob die Erhebung einer Gebühr gerechtfertigt ist oder nicht. Ein solcher dogmatischer Ausgangspunkt führt zu wichtigen Folgerungen, insbesondere was die Bildung des Gebührenbegriffs angeht. Es zeigt sich, daß er von allen Elementen freizuhalten ist, die nicht die ihm zukommende Abgrenzungsfunktion übernehmen können. Zudem dürfen Fragen der Gebührenrechtfertigung und -bemessung nicht mit definitorischen Fragen vermengt werden. Neben anderen Erwägungen ergibt sich nicht zuletzt hieraus, daß die Kostenproblematik auf der Begriffsebene keine Rolle spielen kann. Darüber hinaus vermögen sämtliche Begriffsbildungen, die von Rechtsprechung und Wissenschaft vorgeschlagen werden, nicht zu überzeugen. Deshalb liegt es nahe, den Gebührenbegriff streng formal zu verstehen: Er besteht lediglich aus den Elementen Leistung und Gegenleistung sowie ihrer Beziehung zueinander. Als Gebühr muß demnach jede öffentlich-rechtliche Abgabe, die für eine individuell erbrachte Staatsleistung zu zahlen ist, angesehen werden. Dieser Befund kann noch durch weitere Überlegungen gestützt werden. Im Rahmen der vor-
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Zusammenfassung
liegenden Arbeit wird daher ein streng formaler Gebührenbegriff zugrundegelegt. Er hat in erster Linie den Vorteil, im Gegensatz zu allen anderen gängigen Gebührenbegriffen relativ flexibel zu sein, indem er die Gebührenerhebung nicht unnötig restriktiven begrifflichen Voraussetzungen unterwirft. Zudem wird die Frage, welche Rolle die Kostenproblematik innerhalb des Gebührenrechts spielt, von der Begriffs- auf die Rechtfertigungs- und Bemessungsebene verlagert, was es erlaubt, ihre Bedeutung sachgerecht zu bewerten. Die Erhebung einer Gebühr muß vor den Grundrechten und der Finanzverfassung gerechtfertigt werden. Fragen der Gebührenrechtfertigung sind nach dem hier entwickelten gebührendogmatischen Konzept typische Wertungsfragen, denn es ist zu prüfen, ob die Belange, welche für eine Gebührenforderung sprechen, gewichtiger sind als diejenigen schützenswerten Rechtspositionen, welche ihr entgegenstehen. Eine solche Fragestellung verlangt nach einer Abwägung, welche sich notwendigerweise vor einem bestimmten Wertungshintergrund abspielt. Es zeigt sich, daß es zwei unabhängig voneinander bestehende Gründe gibt, die Erhebung einer Gebühr zu rechtfertigen: Zum einen darf sie gefordert werden, wenn der Gebührenschuldner beim Staat Kosten provozierte, und zum anderen wirkt der Aspekt des Vorteilausgleichs legitimierend. Allein letzterer erlangt jedoch im Rahmen der Verleihungsgebühr an Bedeutung, weil ihr jeder Kostenbezug fehlt. Eine genauere Betrachtung dieses Gebührenrechtfertigungsgrundes führt zu der Erkenntnis, daß es Gesichtspunkte der bürgerlichen Gleichheit sowie des gemeinwohlorientierten Staatshandelns sind, welche es dem Staat erlauben, für die Erbringung einer vorteilhaften Leistung eine Gebühr zu fordern. Denn durch eine derartige Leistung an einen einzelnen schafft der Staat selbst eine ungleiche Lage, welche er mittels der Gebührenforderung ganz oder teilweise wieder kompensiert. Die Gebührenerhebung wirkt somit als rechtfertigender Grund einer Ungleichbehandlung. Das Prinzip gemeinwohlorientierten Handelns verpflichtet den Staat zur Neutralität. Hiervon weicht er ab, wenn er einem einzelnen einen Vorteil zuwendet. Eine solche Bevorzugung wird jedoch dann abgemildert, wenn der Bedachte ein entsprechendes Entgelt zahlen muß. Durch die Gebührenerhebung kehrt der Staat also wieder zu gemeinwohlorientiertem Handeln zurück, zumal die gewonnenen Finanzmittel letztlich immer wieder zur Wahrung und Förderung des allgemeinen Wohls eingesetzt werden. Gleichheit und Gemeinwohl rechtfertigen die Erhebung einer vorteilsausgleichenden Gebühr in erster Linie vor den Grundrechten des Gebührenbelasteten. Aber auch die vom Grundgesetz etablierte Finanzverfassung, welche vom Leitbild des steuerfinanzierten Staates ausgeht, schließt vorteilsausgleichende Gebühren nicht von vornherein aus, denn das Steuerstaatsprinzip ist ein Grundsatz, der Abweichungen zuläßt, sofern die Identität des Steuerstaats unangetastet bleibt. Eine vorteilsausgleichende Gebühr ist jedoch nur insofern eine Ab-
Zusammenfassung
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weichung von diesem Prinzip, als ihr Aufkommen der Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben dienen kann. Demgegenüber besteht kein Konflikt, was den Abgabentatbestand angeht, denn anders als die Steuer wird eine jede Gebühr nicht voraussetzungslos geschuldet, sondern hängt von der Erbringung einer Staatsleistung ab. Der vom Steuerstaatsprinzip ausgehende Rechtfertigungsdruck wird insofern abgeschwächt. Die Identität des Steuerstaates wird jedoch dann angetastet, wenn die öffentliche Hand eine vorteilsausgleichende Gebühr gezielt dazu einsetzt, um Gewinne zu erwirtschaften. Ob das Steuerstaatsprinzip auf der Rechtfertigungsebene noch weitere Anforderungen an die Erhebung vorteilsausgleichender Gebühren stellt, läßt sich nicht allgemein festlegen, sondern hängt von der Eigenart des konkret in Rede stehenden Gebührentyps ab und ist immer eine Bewertung des Einzelfalls. Entscheidende Bedeutung besitzen in diesem Zusammenhang Art und Gewicht des zugewandten Vorteils sowie die Größe des möglichen Einsatzbereichs der vorteilsausgleichenden Gebühr. Letztlich ist abzuwägen, ob es diese beiden Aspekte erlauben, die Reinheit des Steuerstaatsprinzips zu durchbrechen. Die Rechtfertigung vorteilsausgleichender Gebühren ist insofern immer ein finanz(verfassungs)rechtliches Wertungsproblem. Im Hinblick auf die Gebührenbemessung gilt, daß diese von vornherein nur an das Äquivalenzprinzip gebunden ist. Dieses Bemessungsprinzip ist rechtlich identisch mit dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Hiernach darf eine Gebühr in bezug auf den mit ihr verfolgten Zweck nicht außer Verhältnis stehen. Bei einer Gebühr, welche den Zweck verfolgt, beim Staat infolge der Leistungserbringung entstandene Kosten abzuwälzen, sind die Gebührenhöhe und die Kosten der Leistung in die Angemessenheitsprüfung einzustellen, während bei einer vorteilsausgleichenden Gebühr die Gebührenhöhe mit dem Wert der Leistung verglichen werden muß. Kosten- und Wertmaßstäbe sind im Gebührenrecht also voneinander unabhängig und gleichrangig. Das Kostendeckungsprinzip gilt nicht für jede Gebühr, sondern nur dann, wenn es vom Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet worden ist, weil seine gebührenimmanente Geltung mit dem streng formalen Gebührenbegriff und dem hier zugrundegelegten funktionalistischen gebührendogmatischen System nicht zu vereinbaren ist. Jede Gebühr verfolgt zulässigerweise den Zweck, Entgelt zu sein und ein Finanzaufkommen zu erzielen. Darüber hinaus ist es einer Gebühr erlaubt, der Deckung von leistungsbedingten Kosten oder dem Ausgleich staatlich zugewandter Vorteile zu dienen, was aus der doppelten Rechtfertigungsmöglichkeit der Gebührenerhebung folgt. Zudem darf sie auch als Lenkungsmittel eingesetzt werden. Untersagt ist es der Gebühr jedoch, vorrangig oder ausschließlich darauf ausgerichtet zu sein, Gewinne zu erzielen, wohingegen es unschädlich ist, wenn Gewinne als bloße Nebenfolge entstehen.
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Die Frage, ob die Verleihungsgebühr als dritter Gebührentyp anzuerkennen ist, beurteilt sich nun vor dem Hintergrund dieser allgemeinen gebührenrechtlichen Erkenntnisse. Es ergibt sich hier folgendes Bild: Die Verleihungsgebühr definiert sich als Gebühr, welche als Entgelt für die Verleihung eines Rechts vom Staat gefordert wird. Das Tatbestandsmerkmal der Rechtsverleihung ermöglicht es, die Verleihungsgebühr von allen anderen Gebühren- bzw. Abgabearten eindeutig abzugrenzen. Eine Geldleistung, welche die Ausübung eines verliehenen Rechts oder die Übertragung wirtschaftlicher Werte entgelten soll, fällt nicht unter den Begriff der Verleihungsgebühr. An das verliehene Recht sind auf begrifflicher Ebene keine besonderen Anforderungen zu stellen, so daß jede Gebühr, welche für eine Rechtsverleihung erhoben wird, eine Verleihungsgebühr darstellt. Deren Abgabentatbestand ist bereits dann erfüllt, wenn dem einzelnen das Recht verliehen worden ist, auf die nachfolgende Ausnutzung durch ihn kommt es nicht mehr an. Eine Gebührenpflicht entsteht also unabhängig vom Gebrauch oder Nichtgebrauch des eingeräumten Rechts. Auf der Ebene der Gebührenrechtfertigung zeigt sich, daß die Erhebung einer Verleihungsgebühr nicht bei jedem Recht zulässig ist. Dieses muß vielmehr gebührenrechtlich vorteilhaft und wirtschaftlich nutzbar sein, damit Grundrechte und Finanzverfassung einer Gebührenerhebung nicht entgegenstehen. Ein Recht ist gebührenrechtlich vorteilhaft, wenn es den Rechtskreis des Bedachten materiell gesehen erweitert, was wiederum dann der Fall ist, wenn das Recht nicht grundrechtlich verbürgten Freiheitsgehalten entspringt. Dadurch wird ausgeschlossen, daß die Erhebung einer Verleihungsgebühr die Freiheit des einzelnen finanziell belastet. Gebührenrechtlich vorteilhaft ist zum einen ein Dispens, welcher ein ansonsten repressiv verbotenes Verhalten erlaubt, sofern auf seine Erteilung kein im Verfassungsrecht wurzelnder Anspruch besteht; die herkömmliche Unterscheidung präventiver und repressiver Verbote ist also beizubehalten. Zum anderen ist auch ein gesetzlich normierter Anspruch gebührenrechtlich vorteilhaft, wenn dessen Einräumung nicht von Verfassungs wegen gefordert ist. Die gebührenrechtliche Vorteilhaftigkeit eines Rechts setzt nicht voraus, daß es zulässigerweise verliehen worden ist. Wirtschaftlich nutzbar ist ein Recht dann, wenn seine Inhaberschaft das Vermögen des Bedachten anwachsen läßt, mithin Erträge abwerfen kann. Durch diese Anforderung wird eine Konkurrenz zwischen Verleihungsgebühr und Steuer weitgehend vermieden, weil der Staat nicht auf vorhandenes Vermögen, sondern lediglich auf einen infolge seiner Rechtsverleihung entstehenden VermögensZuwachs zugreift. Es reicht aus, wenn das Recht wirtschaftlich ausgenutzt werden kann, einer tatsächlichen Ausnutzung bedarf es nicht. Die Bemessung von Verleihungsgebühren unterliegt wie jede Gebührenbemessung allein dem Äquivalenzprinzip. Es verlangt hier, daß die Gebührenhöhe in bezug zum Wert des eingeräumten Rechts nicht außer Verhältnis steht.
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Die Ermittlung des Rechtswerts durch den Gesetzgeber oder durch die Behörde kann im Einzelfall Schwierigkeiten mit sich bringen, gleichwohl steht ein reichhaltiges, zum Teil sogar bekanntes und bewährtes Bemessungsinstrumentarium zur Verfügung, anhand dessen der Wert des verliehenen Rechts für den einzelnen in rechtsstaatlicher Weise bestimmt werden kann. Die in diesem Zusammenhang getroffene legislative bzw. exekutive Entscheidung ist gerichtlich voll überprüfbar, allerdings sanktioniert das Gericht nur einen groben Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip. Aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen darf der Gebührenbetrag den Wert des verliehenen Rechts nicht überschreiten, weil nur dann gewährleistet ist, daß allein der Vermögenszwwac/w finanziell belastet wird. Insgesamt wird deutlich, daß die Verleihungsgebühr mit gebührendogmatischen Grundsätzen vereinbar ist. Ihre einzige offene Flanke besteht darin, daß sie insofern eine Abweichung vom Steuerstaatsprinzip darstellt, als ihr gesamtes Aufkommen der allgemeinen Staatsfinanzierung zugeführt werden kann. Diese Abweichung ist zwar nicht von vornherein unzulässig, man hat jedoch die Gesichtspunkte, welche für die Anerkennung der Verleihungsgebühr sprechen, gegen die Reinheit des Steuerstaatsprinzips abzuwägen. Es ist zu fragen, ob der von der Finanzverfassung ausgehende Rechtfertigungsdruck die Anerkennung von Verleihungsgebühren völlig verbietet. Die Verleihungsgebühr ist somit kein eigentlich gebührendogmatisches, sondern im Kern ein finanziò verfassungsrechtliches Wertungsproblem. Vor dem Hintergrund der vorliegend entwickelten restriktiven (Rechtfertigungs-)Voraussetzungen und unter Beachtung der Tatsache, daß die Erhebung von Verleihungsgebühren letztlich der staatlichen Verpflichtung auf die Prinzipien von Gleichheit und Gemeinwohl entspricht, kann die Entscheidung nur zugunsten einer grundsätzlichen Anerkennung dieses Gebührentyps ausfallen. Die Überprüfung einiger im Umweltbereich erhobener Abgaben anhand der Ergebnisse, die im Rahmen dieser Arbeit gewonnen wurden, zeigt, daß die Hamburger Gebühr für Grundwasserentnahmen und die Bremer Grundwasserentnahmegebühr rechtmäßigerweise erhobene Verleihungsgebühren sind. Dasselbe gilt für das nordrhein-westfälische Lizenzentgelt, wobei hier jedoch die Einschränkung zu machen ist, daß die Erhebung des Lizenzentgelts als Verleihungsgebühr nicht zu rechtfertigen ist, wenn es um einen vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits tätigen Altentsorger geht, der sich auf eine Planfeststellung berufen kann. In diesem Fall führt die Erteilung der (fiktiven) Lizenz nicht zu einer materiellrechtlichen Erweiterung des Rechtskreises, so daß kein gebührenrechtlich vorteilhaftes Recht gegeben ist.
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arverzeichnis Abfallentsorgungslizenz 282, 333, 346 ff Abgabe 26 ff, 152 Abschöpfungsabgabe 122 f, 146, 203, 216,311 Abwasserabgabe 319, 342 Äquivalenzprinzip 90, 159 ff, 207, 272 ff, 292, 294 ff Aufenthaltserlaubnis 270, 277 f Aufenthaltsgeld 60 ff Aufsichtsgebühr 55 Beitrag 29, 130, 221,233 Benutzungsgebühr 29, 31, 67, 132, 173, 218, 227, 233 f Bergwerksabgabe 57 f, 65 Bewirtschaftung 244, 250, 261, 334, 337, 356 Bürgergewinngeld 60 f Bürgerrechtsgeld 60 ff Dispens 236 ff, 248 ff, 335, 349 f - -abgaben 53 f - Bau- 270 f, 277 - freier ~ 254 - gebundener ~ 254 - Gebührenfähigkeit 258 ff Duldungsgebühr 29, 105, 320 Einbürgerungsgebühr 277 Einkaufsgeld 60 ff Eisenbahnabgabe 56 Eisenbahnkonzession 38, 56 f Erlaubnisgebühr 215 Fahrpostkonzession 56 f Fehlbelegungsabgabe 122, 127 f, 146, 203 Feldes- und Förderabgabe 23, 90 Feuerwehrabgabe 93, 139 Fiskustheorie 148 Gebühr - Bemessung 37, 44 ff, 72 ff, 159 ff, 274 ff
- Erhebungskompetenz 121, 313 ff - Ertragshoheit 313 ff - numerus clausus der -enarten 31 - Rechtfertigung 41 ff, 49 ff, 72 ff, 126 ff, 190 f, 200 ff, 234 ff - Zwecke 199 ff Gebührenbegriff - doppelgliedrig 90 f, 124 f - formal 87 ff, 100 ff - materiell 89 f, 97 ff - monopolistisch 91 f, 95 ff - streng formal 113 ff, 189 f - verfassungsrechtlich 83 ff Gebührenrecht - dogmatisches System 68 ff - Ebenen des ~s 74 ff - funktionalistische -sdogmatik 74 ff, 192 ff - geschichtliche Entwicklung 32 ff - Problemkomplexe 72 ff Gebührensteuer 95 Gefalle 37, 40 Gemeinwohl 141 ff, 206, 250, 256 ff, 269, 271, 312 f, 336 ff Gewerbekonzession 38 f, 54 ff Gleichheit 127 f, 135 ff, 144 ff, 169, 185, 194 ff, 205 f, 209 f, 256 ff, 266 ff, 301 f, 304, 312 f, 336 ff Grundwasserentnahmeabgabe 213, 325 ff, 329 ff Grundwasserentnahmegebühr 343 ff Innenstadtzufahrtgebühr 116 Konzessionsabgabe 23 Konzessionsgebühr 40, 54 ff, 59 Kostendeckungsprinzip 46, 49, 105, 180 ff Kostentheorie 44 ff, 89, 99, 132, 189 Kostenverantwortlichkeit 28, 34 f, 44, 91, 124 f, 131 ff, 150, 159, 200 f, 204, 224
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arverzeichnis
Lizenzentgelt 346 ff Luftsicherheitsgebühr 95 Milchquoten 278 Naturalleistung 26 Naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe 203, 318 f Nobilitierungsgeld 62 f Nonaffektation 108 ff, 113, 121 ff, 156 ff, 228,315, 343 Nutzentheorie 46 ff, 89, 183 Papiergeldemissionskonzession 59 f Patentrechtsabgabe 58 f Prohibitivgebühr 173 Radfahrgebühr 63 f Rahmengebühr 288 f Regal 40, 57, 59, 66, 305 Regaliengebühr 40 Ressourcennutzungsgebühr 29, 116 Rundfunkgebühr 212 Schankerlaubnisabgabe 231 Schätzung 283 ff Schwerbehindertenabgabe 139 Sonderabgabe 28, 123, 127 f, 150 ff, 228 ff, 310 f Sonderlast 28 f, 127, 209 Sondernutzungsgebühr 234, 286, 308 Sportel 37, 40 Start- und Landerechte 278 Stempelgebühr 38 Stempelsteuer 38 f, 47, 63 Steuerbegriff 27 f, 83 ff, 89 Steuerstaatsprinzip 89, 95, 120 ff, 127 ff, 133, 149 ff, 209 f, 235, 266 f, 307 ff Straßenbenutzungsgebühr 116 Taxe 39 f Taxikonzession 278 Umweltabgabe 155, 305,317 Unterlassungsgebühr 104 f Verbot - präventiv 236 ff, 245 ff, 260 f
- regulierend 350 - repressiv 220, 224 f, 236 ff, 247 ff, 260 f, 263 f, 349 f - sozialschädliches Verhalten 243 ff, 250, 350 Verhältnismäßigkeit 77, 159 ff, 192 ff, 243 ff, 292 ff Verkehrsteuer 230 f Verleihungsgebühr 212 ff - Abgrenzung 228 ff - Begriff 52 f, 217 ff - Bemessung 272 ff - Erhebungskompetenz 313 ff - Ertragshoheit 313 ff - Ertragsverwendung 315 f - gebührenfahiger Vorteil 255 ff - Rechtfertigung 234 ff - Schuldner 315 - Zweck 272 ff Verwaltungsgebühr 29, 77, 93, 198, 218, 233,277,314 Verwaltungspreis 92, 96 f Vorteilstheorie 64 Vorzugslast 28, 130, 179, 203 ff, 229, 231 Wahrscheinlichkeitsmaßstab 115, 282 f, 287 Wasserbenutzungsgebühr 323 f Wasserentnahmeabgabe 22, 85, 93, 135, 213 f, 261, 269 f, 284, 319 ff Wasserpfennig 213, 319 ff Wasserzins 318 f Wertgebühr 275 f Wertsteigerungsabgabe 145, 203 Werttheorie 45 ff Wertungsjurisprudenz 71 Wertzuwachsausgleich 145 Wirklichkeitsmaßstab 282 Zwecksteuer 87 f, 95, 101 f, 110 f, 228 f