Art. 91e GG und das Verdikt verfassungswidrigen Verfassungsrechts: Zur Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers an Art. 79 Abs. 3 GG [1 ed.] 9783428554324, 9783428154326

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist Art. 91e GG. Das darin angeordnete Zusammenwirken von Bund und Ländern in gemeins

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German Pages 487 Year 2018

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Art. 91e GG und das Verdikt verfassungswidrigen Verfassungsrechts: Zur Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers an Art. 79 Abs. 3 GG [1 ed.]
 9783428554324, 9783428154326

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1386

Art. 91e GG und das Verdikt verfassungswidrigen Verfassungsrechts Zur Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers an Art. 79 Abs. 3 GG

Von

Christoph Eilenbrock

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTOPH EILENBROCK

Art. 91e GG und das Verdikt verfassungswidrigen Verfassungsrechts

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1386

Art. 91e GG und das Verdikt verfassungswidrigen Verfassungsrechts Zur Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers an Art. 79 Abs. 3 GG

Von

Christoph Eilenbrock

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahr 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Textforma(r)t Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-15432-6 (Print) ISBN 978-3-428-55432-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85432-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2016/2017 von der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Dezember 2016 berücksichtigt werden. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle sehr herzlich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Suerbaum für die Betreuung der Arbeit, im Besonderen für die mir gewährte Eigenverantwortlichkeit bei Themenwahl und Niederschrift sowie für die Erstellung des Erstgutachtens. Auch Herrn Prof. Dr. Schenke danke ich für die Zweitbegutachtung. Außerordentlicher Dank gebührt darüber hinaus meiner Familie, ohne deren Rückhalt außerhalb der juristischen Welt diese Arbeit wohl nicht entstanden wäre. Meinen Brüdern Matthias (mit seiner Frau Maike), Stephan und Daniel sei dafür gedankt, dass sie jederzeit für mich da waren, wenn ich eine helfende Hand oder Zerstreuung gebraucht habe. Ebenfalls möchte ich mich bei meinen Großmüttern Aloisia und Maria bedanken, die immer ein offenes Ohr für mich hatten. Noch mehr Dankbarkeit gebührt meinen Eltern, meinem Vater Heribert und meiner Mutter Elvira Eilenbrock, für ihren stets willkommenen Rat und ihre Lebenshilfe nicht nur während des Studiums und des Referendariats, sondern auch in den Jahren der Promotion. Mein größter Dank gilt schließlich meiner treuen Begleiterin, Lebensgefährtin und nicht zuletzt auch besten Freundin in allen Lebenslagen, meiner Ehefrau Katharina Eilenbrock. Ohne ihren beachtenswerten Beistand und ihren regen Zuspruch in den letzten Jahren wäre es mir nicht möglich gewesen, nach zwei juristischen Staatsexamina auch noch den beschwerlichen Weg der Promotion zu gehen; doch nun sind wir auch diesen Weg erfolgreich gemeinsam gegangen. Dülmen / Essen / Würzburg, im April 2018

Christoph Eilenbrock

Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Erster Teil

Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG

23

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Verständnis der Gesamtheit von staatlichen Sozialleistungen . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Dualität von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bis 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Ursprünge der Sozialhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Herkunft der Arbeitslosenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Folgen des Dualsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 III. Einheitsmodell einer „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ ab 2003 . . . . . . . . 40 1. Hartz IV-Reform/„Zukunftsprogramm Agenda 2010“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Streit über die Zuständigkeit zur Leistungsgewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Differenzierung Leistungsträger – Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . 43 b) Geteilte Leistungsträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 c) Einheitliche Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Option einer alleinigen kommunalen Trägerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 IV. Kritische Stimmen und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 V. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember 2007 . . . . . . . . . . . . . 48 1. Anlass und Hintergrund der Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Feststellung des Verstoßes gegen Art. 28 Abs. 2 i. V. m. Art. 83 GG . . . . . . . . 49 a) Verfassungsrechtliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Verfassungswidrigkeit von § 44b SGB II a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Folgen der Verfassungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4. Abweichende Meinung: Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 56 a) Trennung von Wahrnehmung und Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 b) Föderalismus und Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 VI. Lösungsvorschläge und -ansätze in der Politik zwischen 2008 und 2010 . . . . . . 58 1. Ansatzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Getrennte Aufgabenwahrnehmung (Ende 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. Kooperative Jobcenter (2008) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

8

Inhaltsverzeichnis 4. Zentren für Arbeit und Grundsicherung (2008) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 5. Weitere Diskussion über mögliche Gegenmodelle (2009) . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Regelkompetenz der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Ausnahmekompetenz des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 6. Überlegungen zu einer getrennten Aufgabenwahrnehmung bei freiwilliger Aufgabenteilung (2009/2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 7. Fortführung der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung durch  Grundgesetzänderung (2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

§ 3 Der wesentliche Regelungsgehalt von Art. 91e GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I. Übersicht und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Zielsetzung / Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Einschränkung / Ergänzung anderer Verfassungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Gemeinsame Einrichtungen als Regelfall (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Versorgung „aus einer Hand“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Differenzierung Aufgabenträgerschaft und -wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Reaktionen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 III. Weitere Inhalte der neuen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Ausnahmefall Optionskommunen (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Regelungsvorbehalt (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 § 4 Die verfassungsrechtliche Problematik des Art. 91e GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Gegenläufige Ausgangspunkte einer Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 II. Rechtspolitische Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 III. Meinungsstand zum Vorwurf der Verfassungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Ablehnende Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Bejahende Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 IV. Folgerungen für diese Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Zweiter Teil

Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

100

§ 5 Problematik der Mischverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Begriff der Mischverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 II. Verbot einer Mischverwaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Grundsatz: Trennung der Verwaltungsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

Inhaltsverzeichnis

9

a) Grundsatz lückenloser Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Regelmäßige Differenzierung von Handlungsräumen . . . . . . . . . . . . . . . . 109 c) Bedeutung und Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 d) Unumstößlichkeit der Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Folge: Mischverwaltungsverbot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Auszunehmende Formen des Zusammenwirkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Prinzipielle Unzulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) Möglichkeiten des Zusammenwirkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Zulässige Formen der Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Gemeinsame Gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Organleihe, Rechts- und Amtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 c) Einspruchs- und Ingerenzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 d) Gemeinschaftsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 e) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 § 6 Die Grenzen der Mischverwaltung am Maßstab von Bundesstaat, Demokratie und Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 I. Grenze 1: Bundesstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Begriffsverständnis und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Föderaler Staatsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Das „Prinzip“ des Bundesstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Aussagen zur Mischverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Staatsqualität von Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . 165 c) Ermöglichung von Kooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 II. Grenze 2: Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Begriffsverständnis und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Das „Prinzip“ der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Volkssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Aussagen zur Mischverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Demokratische Legitimation und Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Legitimationsvermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 c) Legitimationsniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 III. Grenze 3: Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Begriffsverständnis und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Aussagen zur Mischverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Rechtsklarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Bestimmtheit (von Normen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Weitere rechtsstaatliche Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

10

Inhaltsverzeichnis Dritter Teil



Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG

210

§ 7 Verfassungswidriges Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Möglichkeit verfassungswidrigen Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 II. Bisherige Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 § 8 Grundlagen des Art. 79 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 I. Verfassungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 II. Revisionsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Verfassunggebende und verfassungsändernde Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 IV. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. Frühe Erfahrungen in der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Konsequenzen vorheriger Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 3. Folgerungen für Art. 79 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 V. Doppelwirkung von Art. 79 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 VI. Bedeutung im Sinne einer Hierarchieordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 VII. Restriktives Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 § 9 Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 I. Bedeutungsgehalt „berührt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Ansatz des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Kritik und abweichender Ansatz der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 II. Bedeutungsgehalt „Grundsätze“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 1. Grenzen des Wortverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 2. Normatives Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 a) Folgerungen aus der Auslegung von „berührt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 b) Anforderungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 III. Auswertung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 1. Begriffsverständnis „berührt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 a) Auslegung „berühren“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 b) Wortverständnis in Art. 79 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 2. Begriffsverständnis „Grundsätze“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 a) Auslegung „Grundsätze“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 b) Wortverständnis in Art. 79 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 3. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 §10 Schutzumfang des Art. 79 Abs. 3 GG im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 I. Allgemeingültiges für sämtliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

Inhaltsverzeichnis

11

1. Kerngehaltsschutz der Verfassungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 2. Reichweite der Unantastbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 3. Exkurs: Reichweite des Schutzumfangs im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 a) Unantastbarkeit von Art. 79 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 b) Unantastbarer Gehalt der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 II. Unantastbarkeit der Grenzen der Mischverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 1. Unantastbarer bundesstaatlicher Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 2. Unantastbarer demokratischer Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 3. Unantastbarer rechtsstaatlicher Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Vierter Teil

Anwendung der Untersuchungsergebnisse auf Art. 91e GG

360

§11 Prüfung des Vorwurfs der Verfassungswidrigkeit von Art. 91e GG . . . . . . . . . . . . . . 360 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 II. Prüfungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 III. Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 IV. Prüfungsteil I: „Grundsätze berührt“ durch Art. 91e GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 1. Methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 2. Berührung der Grundsätze im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . 373 a) Berührung bundesstaatlicher Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 aa) Aufgabenwahrnehmung / Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 bb) Organisatorische und personelle Mitsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 cc) Kompetenzklarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 dd) Zwischenergebnis zu a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 b) Berührung demokratischer Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 c) Berührung rechtsstaatlicher Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 3. Zwischenergebnis zu Prüfungsteil I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 V. Prüfungsteil II: Grundsatzkonforme Auslegung von Art. 91e GG? . . . . . . . . . . . 393 1. Methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 2. Auslegung von Art. 91e GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 a) Absolute Grenze der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 b) Auslegung der Voraussetzungen im denkbar weitesten Sinne . . . . . . . . . . 399 aa) Grammatische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 bb) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 cc) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 dd) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408

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Inhaltsverzeichnis ee) Zwischenergebnis zur Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 c) Schlussfolgerungen aus der Auslegung der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 d) Praktische Umsetzung des abweichenden Verständnisses . . . . . . . . . . . . . 414 3. Grundsatzkonformität dieser Auslegungsvariante? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 4. Zwischenergebnis zu Prüfungsteil II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 VI. Abschließendes Prüfungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421

§12 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 Zu § 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 Zu § 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Zu § 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 Zu § 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 Zu § 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 Zu § 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 Zu § 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 Zu § 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 Zu § 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 Zu § 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480

Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht / Auffassung am angegebenen Ort a. a. O. Abs. Absatz Abschn. Abschnitt am Ende a. E. a. F. alte(r) Fassung (mit „SGB II a. F.“ ist damit die in den Jahren 2003 bis 2010 gültige Fassung gemeint, sofern nicht abweichend angegeben) AfK Archiv für Kommunalwissenschaft (Zeitschrift) Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (zit. §, Einleitung ALR (Einl.)/Teil, Abschnitt / Titel, Bsp.: § 10 II 19 ALR) Anm. Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) AöR ApuZ Aus Politik und Zeitgeschichte (Zeitschrift, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“) Arbeitsgemeinschaft(en) nach dem SGB II a. F. (bis 2010) ARGE(n) Art. Artikel Bundesagentur für Arbeit BA Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) BayVBl. BayVerfGHE Entscheidungssammlung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Bd. Band BGBl. Bundesgesetzblatt Bundesministerium für Arbeit und Soziales BMAS BR-Drs. Drucksache des Bundesrats BSG Bundessozialgericht Drucksache des Bundestags BT-Drs. BVerfG Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE BVerwG Bundesverwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts BVerwGE bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise Christlich Demokratische Union Deutschlands (Partei) CDU Christlich-Soziale Union in Bayern (Partei) CSU das heißt d. h. ders. derselbe dieselbe, dieselben dies. DÖV Die Öffentliche Verwaltung, Zeitschrift für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft DRZ Deutsche Rechtszeitschrift deutsch(e / er / es) Dt. / dt. DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

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Abkürzungsverzeichnis

Europäische Grundrechte-Zeitschrift EuGRZ die / der folgende (z. B. Seite / Paragraph / A rtikel) f. Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ Freie Demokratische Partei FDP die folgenden (z. B. Seiten / Paragraphen / A rtikel) ff. FG Festgabe Fn. Fußnote(n) FS Festschrift GBl. Gesetzblatt Zeitschrift der Gewerkschaft der Sozialversicherung GdS Magazin Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 GG (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438) ggf. gegebenenfalls grds. grundsätzlich Gedächtnisschrift; Gedenkschrift GS Gesetz- und Verordnungsblatt GVBl. Verfassungsentwurf vom Herrenchiemsee, bezeichnet als: „ChiemHChE seer Entwurf“ eines Grundgesetzes für einen Bund deutscher Länder; erstellt von einem durch die Ministerpräsidentenkonferenz der drei westlichen Besatzungszonen eingesetzten Verfassungsausschuss vom 10. bis 25. August 1948 auf der Herreninsel im Chiemsee Handbuch des Deutschen Staatsrechts HdbDStR herausgegeben (von) hrsg. Herausgeber(in / innen) Hrsg. Hs. Halbsatz Handbuch des Staatsrechts HStR im Ergebnis i. E. im Übrigen i. Ü. i. V. m. in Verbindung mit inkl. inklusive insbes. insbesondere Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart JöR Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Jura Juris PraxisReport Sozialrecht (publizistische Veröffentlichung im jurisPR-SozR Verlag C. H. Beck) Juristische Schulung (Zeitschrift) JuS Juristenzeitung (Zeitschrift) JZ Der Kommunaljurist (Zeitschrift) KommJur Liber Amicorum LA Leitsatz / Leitsätze (bei Urteilen) Ls. Entscheidungssammlung der Verfassungsgerichte der Länder LVerfGE mit weiteren Nachweisen m. w. N. mit zahlreichen Nachweisen m. zahlr. Nachw. Niedersächsische Verwaltungsblätter NdsVBl. Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private NDV Fürsorge (Zeitschrift) neue(r) Fassung; neue Folge n. F.

Abkürzungsverzeichnis

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Neue Justiz (Zeitschrift) NJ Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW Nr. Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift) NWB NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht oder ähnlich(e / er / es) o.ä. oben genannt(e / er / es) o.g. RGBl. Reichsgesetzblatt Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen RGZ Rn. Randnummer(n) Rspr. Rechtsprechung Recht und Politik (Zeitschrift) RuP RV Reichsverfassung Satz (nur bei Gesetzen) oder Seite (bei anderen Fundstellen) S. siehe auch s. a. siehe oben s. o. Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) SGb Sozialgesetzbuch Erstes Buch, Allgemeiner Teil SGB I Sozialgesetzbuch Zweites Buch, Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II a. F. / n. F. (mit dem Zusatz „a. F.“ ist damit die in den Jahren 2003 bis 2010 gültige Fassung gemeint, sofern nicht abweichend angegeben) Sozialgesetzbuch Drittes Buch, Arbeitsförderung SGB III Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch, Sozialhilfe SGB XII sog. sogenannte(r) Sp. Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPD StGH Staatsgerichtshof Verfassung des Freistaats Thüringen vom 25.  Oktober 1993 (GVBl. ThürVerf S. 625), zuletzt geändert durch Viertes Änderungsgesetz vom 11. Oktober 2004 (GVBl. S. 745) Tz. Teilziffer(n) unter anderem u. a. vor allem v. a. VerfGH Verfassungsgerichtshof Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) VerwArch vgl. vergleiche VOBl. Verordnungsblatt Vorbemerkung vor / zu Vorb.v. / z. VSSR Vierteljahresschrift für Sozialrecht (Zeitschrift) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer VVDStRL Weimarer Reichsverfassung WRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ZaöRV zum Beispiel z. B. Zeitschrift für das Fürsorgewesen ZfF Zeitschrift für Personalvertretungsrecht ZfPR Zeitschrift für Gesetzgebung ZG zit. zitiert

16 ZRP ZSchwR n. F. ZSE

Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Neue Folge Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften

Hinweise auf abgekürzt zitierte Schrifttumsnachweise sind dem Literaturverzeichnis zu entnehmen.

§ 1 Einführung Kern der folgenden Arbeit ist eine Vorschrift, die erst in jüngerer Vergangenheit, nämlich im Sommer 2010, im Wege der Verfassungsänderung in das Grundgesetz implementiert wurde und seitdem kontroverse Diskussionen rechtspolitischer wie verfassungsjuristischer Art hervorgerufen hat:1 Art. 91e GG (1) Bei der Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende wirken Bund und Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände in der Regel in gemeinsamen Einrichtungen zusammen. (2) Der Bund kann zulassen, dass eine begrenzte Anzahl von Gemeinden und Gemeindeverbänden auf ihren Antrag und mit Zustimmung der obersten Landesbehörde die Aufgaben nach Absatz 1 allein wahrnimmt. Die notwendigen Ausgaben einschließlich der Verwaltungsausgaben trägt der Bund, soweit die Aufgaben bei einer Ausführung von Gesetzen nach Absatz 1 vom Bund wahrzunehmen sind. (3) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Das auf Basis dieser Norm durch Eingriff des verfassungsändernden Gesetzgebers angeordnete Zusammenwirken von Bund und Ländern in gemeinsamen Einrichtungen, das zuvor seit dem Jahr 2003 bereits auf einfachgesetzlicher Grundlage im SGB II bestand, ist im Rahmen des Verfassungstextes ein absolutes Novum. Sein Regelungsgehalt geht in der materiell-rechtlichen Reichweite und staatspoli­ tischen Bedeutung sichtbar über bislang existierende Strukturen hinaus. Denn bei näherer Befassung mit den rechtlichen Hintergründen dieser Regelung ist – ausgehend von der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik Deutschland, die eine Differenzierung der Verantwortlichkeiten hervorbringt – dem Grundgesetz immanent, dass die Verwaltungsbereiche von Bund, Ländern und Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden im Grundsatz voneinander getrennt sind.2 Dabei kommt der den Ländern obliegenden Verwaltungskompetenz sowie den ihnen gemäß Art. 83 bis Art. 85  GG übertragenen Kompetenzen zur Ausführung der Bundesgesetze ein aus ihrer Sicht wirkungsvoller Schutzmechanismus vor einer Ausweitung des bundesstaatlichen Verwaltungsapparats zu.3 Nur durch die von ihnen gezeichnete starre Trennlinie bleiben Kompetenzen regelmäßig einer konkreten Verwaltung zugeordnet4, 1

Vgl. im Einzelnen § 4. Dazu § 5 II. 1. 3 BVerfGE 119, 331 (364); vgl. Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 88. 4 Vgl. Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 3. 2

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§ 1 Einführung

wobei den Ländern nach Art. 30 und Art. 83 GG grundsätzlich der Vorrang bei der Aufgabenerfüllung und -wahrnehmung zusteht. Dies basiert vornehmlich auf dem Bestreben nach Autonomie und Souveränität im Verwaltungsgefüge5, gestärkt durch den Willen des Grundgesetzes zur Dezentralität6. Eine weitere Verwaltungsebene neben den vorhandenen kennt das Grundgesetz nicht, bislang nicht einmal in Form einer (echten) gemeinsamen Verwaltung durch Bundes- und Landesbehörden.7 Immerhin verwirklicht sich durch diese „Abschottung der Gliedkörperschaften der Zweiten Gewalt voneinander“8 erst das föderalistische Gebilde des Bundesstaates mit der ihm immanenten Unterscheidung von Bundes- und Landesverwaltung. In gleicher Weise gehört zum Bundesstaat die Differenzierung zwischen der Gesetzgebung und der Gesetzesausführung, die jeweils gesonderten Kompetenznormen folgen.9 Doch wenngleich diese Prinzipien im Grundsatz Geltung haben, so verlangen bestimmte Bereiche nach einer engeren Verknüpfung von Bundes- und Landes­ verwaltung. Erst indem sich das Grundgesetz solchen Überlappungen und Verästelungen nicht verschließt, wird es zukunftsoffen und die föderalen Aufspaltungen wachsen als ein „Staats-Ganzes“10 zusammen. Insoweit soll bereits zu Beginn hervorgehoben werden, dass wegen der vielfältigen Aufgaben und der Notwendigkeit ihrer effektiven Erledigung das Grundgesetz ein absolutes Verbot einer Mischverwaltung nicht kennt.11 Zwar gilt im Grundsatz, dass die den Fortbestand mehrerer Ebenen durchbrechende Mischverwaltung vom Grundgesetz nicht gewollt ist, doch erkennt die Verfassung schlichtere Gestaltungsmöglichkeiten kooperativer Art unter Einhaltung der grundgesetzlichen Zuständigkeiten an und sieht darüber hinausgehend sogar an wenigen Stellen selbst Abweichungen vor.12 5

Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 88. Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 9 spricht von einem „dezentralen Vollzug“ als verfassungsrechtlichem Leitbild. 7 Vgl. Broß / Mayer, in: von  Münch / Kunig, GG, Art.  83 Rn.  13; Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 23; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 8. 8 Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 88. 9 Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 2. 10 Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 88. 11 So die heute herrschende Auffassung; nähere Ausführungen und Quellen zu dieser Thematik in § 5 II. 2. Zur bisherigen Entwicklung besonders Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 14 m. w. N.; darüber hinaus u. a. Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 28; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 47 f.; Cornils, ZG 23 (2008), 184 (191); zuvor bereits Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 58 f. und Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 67, denen sich nicht nur das BVerfG – jedenfalls seit der Entscheidung in BVerfGE 63, 1 (38) – anschloss, sondern zudem auch Gerner, BayVBl. 1955, 193 (193); ­Sendler, DÖV 1981, 409 (409); Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 85; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126.  EL 2006), Art.  30 Rn.  130; Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 24; Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 24; Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 19 f. m. w. N.; Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (165). 12 Vgl. eingehend § 5 II.; essentielle Zusammenfassung statt vieler bei Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 4 f. 6

§ 1 Einführung

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In jedem dieser Fälle bedarf die Verschränkung zwischen Bund und Ländern allerdings einer klaren Grundlage, da weder die eine noch die andere Ebene mangels Vergleichbarkeit mit subjektiven Rechten auf die ihr übertragenen Kompetenzen verzichten kann.13 Sowohl die Gesetzgebungs- als auch die Verwaltungskompetenzen sind regelmäßig entweder dem Bund oder den Ländern als voneinander getrennten Ebenen im Staatsaufbau zur Aufgabenerfüllung zugewiesen; nur selten wird eine Bund-Länder-Kooperation zugelassen.14 Demgemäß enthält das Grundgesetz die zugelassenen Ausnahmen von dem genannten Grundsatz: In den Art. 91a ff. GG sind die „Gemeinschaftsaufgaben“ geregelt, ihrem Inhalt und ihrer Gestaltungsform nach spezielle Ausprägungen einer gemeinsamen Verwaltungstätigkeit von Bund und Ländern. Der Sache nach sind es länderspezifische Kompetenzfelder, bei denen allerdings die klassische15 Eigenwahrnehmung durch die einzelnen Länder angesichts ihrer bundesweiten Relevanz und dem Bedürfnis einer Einheitlichkeit im gesamten Bundesgebiet sowie zur finanziellen Zementierung durchbrochen wird.16 Um zugleich doppelte Verwaltungsstrukturen durch Zwischenbehörden oder eine aufwendige wechselseitige Abstimmung zu vermeiden, werden diese einfachen Organisationsformen ausnahmsweise akzeptiert. Sie dienen somit der Entbürokratisierung und Verschlankung der Verwaltung insgesamt. Nur auf diese Weise kann es der Staat in seiner Gesamtheit, bestehend aus Bund und Ländern, schaffen, gleichzeitig handlungsfähig und entscheidungsfreudig gegenüber seinen Bürgern aufzutreten. Dieser Zielsetzung kamen die verschiedenen Strukturen von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die seit Jahrzehnten gewachsen waren und sich zunehmend als dualistisches System verfestigt hatten, in ihrer tradierten Gestaltung nicht mehr nach.17 Zwangsläufige Folge im Zuge der Modernisierung war eine Begrenzung auf eine abschließende Grundsicherung „aus einer Hand“18 durch neu geschaffene Arbeitsgemeinschaften  – auch als sog. „ARGEn“ bezeichnet. Durch diese kooperative 13

Vgl. Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 10. Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 17; diesbezüglich vgl. erneut ausführlich in § 5 II. 15 Bereits Art. 20 und Art. 83 GG zeigen auf, dass das Grundgesetz im Grundsatz von einer Wahrnehmung durch die Länder und nicht durch den Bund ausgeht. 16 Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 26. 17 Im Einzelnen § 2 I. 18 So lautet die heute regelmäßig herangezogene, äußerst prägnante Umschreibung der Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren 2003, die im damaligen Prozess zunächst allerdings lediglich am Rande anklang (vgl. alleine in BT-Drs. 15/1516, S. 42 und BT-Drs. 15/1638, S. 10 zur nebensächlichen Charakterisierung des bisherigen Modells und der beabsichtigten Planungen), ursprünglich aber nicht als Kernargument bzw. sinnbildliches Schlagwort der gesamten Reform vorangestellt wurde. Diese Rolle erlangte der Ausspruch erst dadurch, dass die Bundesregierung diesen im Rahmen ihrer in BVerfGE 119, 331 (345) abgedruckten Stellungnahme zum Verfahren als eigentlichen Reformgedanken darstellte und die Formulierung daraufhin noch im Verlauf derselben Entscheidung im Jahr 2007 durch das BVerfG (a. a. O., S. 368) sowie später wiederholt als gesetzgeberische Zielvorstellung, etwa im verfassungsändernden Gesetzgebungsverfahren (vgl. etwa BT-Drs. 17/1554, S. 1, 4), aufgegriffen wurde. 14

20

§ 1 Einführung

Wahrnehmung der zusammengeführten Teilbereiche war beabsichtigt, die historisch überkommenen Strukturen zu vereinfachen und den damit verbundenen, doppelten Verwaltungsaufwand zu begrenzen.19 Ausgehend von dem eingangs genannten Grundsatz einer Trennung zwischen den Verwaltungsräumen von Bund und Ländern wurde die neue, gemeinsame Aufgabenwahrnehmung in den ARGEn auf den Prüfstein gestellt. Das Bundesverfassungsgericht stellte diesbezüglich Ende des Jahres 2007 verfassungsrechtliche Mängel der einfachgesetzlichen Ausgestaltung im SGB II fest, deren Kern in dem Fehlen einer eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung bestand.20 In der vom Gericht geforderten Reaktion der Politik wurden zahlreiche unterschiedliche Ansätze erwogen und umfassend diskutiert, bevor man sich im Jahr 2010 für eine Verfassungsänderung zur Beibehaltung und Verfestigung der vom Bundesverfassungsgericht bemängelten Strukturen entschied.21 Die zuvor eingesetzte Richtungsänderung hin zu einer Grundsicherung „aus einer Hand“ sollte damit verfassungsfest unterstrichen werden. Der eingangs zitierte, neu geschaffene Art.  91e GG ordnete die Mischverwaltung in gemeinsamen Einrichtungen als Regelfall an, ließ aber auch die bis dahin experimentelle kommunale Option fortbestehen.22 Doch unterliegt eine derartige Regelung angesichts der im Jahr 2007 durch das Bundesverfassungsgericht erläuterten materiell-rechtlichen Mängel und insbesondere der damit einhergehenden Bedenken im Hinblick auf zentrale Prinzipien des deutschen Staates (Bundesstaat, Demokratie und Rechtsstaat) zwangsläufig gewissen verfassungsrechtlichen Zweifeln. Im Kern stellt sich angesichts der trivial (und fast trotzig) erscheinenden Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – ungeachtet rechtspolitischer Bedenken an der Intention, einen verfassungsmäßigen Zustand durch Verfassungsänderung zu erreichen23 – die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Verfassungsänderung. Soweit ersichtlich, hat sich bislang noch niemand ausführlich mit dieser Frage auseinandergesetzt. Sowohl in der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts24 als auch im Schrifttum25 finden sich nur knappe sowie (oftmals) beiläufige Stellungnahmen zu dieser Thematik. In dieser Arbeit soll deshalb versucht werden, die bis zu diesem Zeitpunkt eher zurückhaltende Diskussion zu ord 19

Hierzu § 2 II. Dazu näher § 2 III. 21 Vgl. § 2 IV. 22 Zum Inhalt der neuen Verfassungsnorm vgl. im Einzelnen § 3. 23 Hierzu allerdings § 4 II. 24 Namentlich im Rahmen einer Entscheidung vom 7. Oktober 2014 betreffend die verfassungsrechtliche Stellung der Optionskommunen, abgedruckt in BVerfGE 137, 108 (143 ff.); inhaltliche Zusammenfassung in § 4 III. 1. b). 25 Zu den Nachweisen vgl. § 4 III. 1. a) (contra Verfassungswidrigkeit) sowie § 4 III. 2. (pro Verfassungswidrigkeit). 20

§ 1 Einführung

21

nen und sich erstmals eingehend argumentativ anhand der verfassungsrechtlichen Maßgaben mit der Fragestellung auseinanderzusetzen. Um Art.  91e GG jedoch aus juristischer und nicht lediglich politisch-gesellschaftlicher Sicht bewerten zu können, bedarf es zunächst weiterer Erläuterungen zu den vielgestaltigen verfassungsrechtlichen Hintergründen. Dabei ist zunächst eine Auseinandersetzung mit den vom Bundesverfassungsgericht in seiner wegweisenden26 Entscheidung genannten verfassungsrechtlichen Leitsätzen, an denen sich eine Mischverwaltung zwischen Bund und Ländern messen lassen muss, vorzunehmen. Hierfür soll nicht nur der Gedanke der Mischverwaltung als solcher näher bestimmt27 und gleichzeitig aufgeklärt werden, inwieweit dieser im Grundgesetz einem Verbot unterliegt bzw. Kooperationen zwischen Bund und Ländern zulässt28, sondern sollen darüber hinaus die relevanten Grenzen derselben jeweils im Einzelnen näher spezifiziert werden.29 Ungeachtet dieser Auseinandersetzung mit den materiellen Grundlagen einer Mischverwaltung bedarf es weiterhin einer eingehenden Befassung mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Zulässigkeit bzw. Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen, bei deren Nichtvorliegen von „verfassungswidrigem Verfassungsrecht“ auszugehen ist. Hierzu soll im Verlauf dieser Arbeit nach Art. 91e GG und den zuvor genannten Staatsprinzipien des Art. 20 GG auch die maßstabsbildende Norm in den Fokus gerückt und sollen die darin enthaltenen materiellen Anforderungen an Verfassungsänderungen im Einzelnen erläutert werden:30 Art. 79 GG (1) Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. Bei völkerrechtlichen Verträgen, die eine Friedensregelung, die Vorbereitung einer Friedensregelung oder den Abbau einer besatzungsrechtlichen Ordnung zum Gegenstand haben oder der Verteidigung der Bundesrepublik zu dienen bestimmt sind, genügt zur Klarstellung, daß die Bestimmungen des Grundgesetzes dem Abschluß und dem Inkraftsetzen der Verträge nicht entgegenstehen, eine Ergänzung des Wortlautes des Grundgesetzes, die sich auf diese Klarstellung beschränkt. (2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. (3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig. 26 Die Entscheidung aus 2007 verdient diese Bezeichnung in ihrem wörtlichen Sinne, weil sämtliche politischen Diskussionen bis hin zur Verfassungsänderung daran anknüpften und das Urteil somit diesen neuen Weg hin zur heutigen Grundsicherung für Arbeitsuchende geebnet hat. 27 Hierzu verhält sich – wie schon zuvor angedeutet – § 5 I. 28 Siehe diesbezüglich § 5 II. 29 Insoweit ausführlich § 6. 30 Dazu die detaillierten Ausführungen in § 7 bis § 9.

22

§ 1 Einführung

Erst wenn die insbesondere von Art. 79 Abs. 3 GG vorgegebenen materiellen Schranken in ihrer Reichweite geklärt sind, können sie schließlich zu den vorab dargelegten Grenzen der Mischverwaltung in Beziehung gesetzt und kann konkret ermittelt werden, inwieweit diese von Art. 79 Abs. 3 GG geschützt werden.31 In Bezug auf die im Titel mit dem Hinweis auf das „Verdikt der Verfassungswidrigkeit“32 aufgeworfene, zentrale Problemfrage, ob Art. 91e GG unter Verletzung des Art. 79 Abs. 3 i. V. m. Art. 20 GG in das Grundgesetz aufgenommen worden sein könnte, ist schließlich unter Berücksichtigung einer verfassungs- bzw. grundsatzkonformen Auslegung zu untersuchen, ob Art. 91e GG noch verfassungsgemäß oder bereits verfassungswidrig ist.33 Diese Untersuchung setzt sich zum Ziel, auf die vorgenannte Frage anhand einer eingehenden Untersuchung zu den Hintergründen von Art. 91e GG und den normativen Gehalten von Art. 79 Abs. 3 GG einen Lösungsvorschlag zu erarbeiten und im Anschluss die zentralen Erkenntnisse in Gestalt von Thesen vorzustellen.34

31

Dieser für die praktische Anwendung erforderliche Zwischenschritt erfolgt in § 10. So bereits Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 90. 33 Zu diesem zentralen Thema dieser Arbeit siehe § 11, wobei die eigentliche Untersuchung aus Gründen der Übersichtlichkeit in zwei getrennte Prüfungsteile (§ 11 IV. und V.) separiert ist. 34 Hierzu schließlich § 12. 32

Erster Teil

Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG § 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende Art.  91e GG stellt das Ende einer mehrjährigen Entwicklung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende dar, deren Kenntnis  – zumindest in ihren Grundzügen – ein erster Schritt zum Verständnis der neuen Verfassungsnorm und zugleich im Rahmen ihrer Auslegung unerlässlich ist.

I. Verständnis der Gesamtheit von staatlichen Sozialleistungen Staatliche Sozialleistungen sind ihrem Zweck nach am Wohl der Menschen orientiert, gewähren und schützen „das Mindestniveau des menschenwürdigen Lebens, darüber hinaus das individuell erreichte Lebensniveau“ jedes einzelnen Staatsbürgers in jeweiliger Abhängigkeit und deshalb in Gestalt eines gestuften Ordnungssystems vor den ihm drohenden finanziellen Risiken.1 Gleichzeitig sollen diese Leistungen aber den Einzelnen nicht von einer souveränen und autonomen Lebensführung befreien2, sondern vielmehr die Eigenständigkeit durch grundlegende, die Menschenwürde festigende und ihr gerecht werdende Sozialleistungen – deren konkreter Gehalt in Anbetracht des unbestimmten Sozialstaatsprinzips nicht zu verallgemeinern ist3 – konsolidieren.4

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Zum Vorstehenden inkl. Zitat Rüfner, in: HStR IV, § 96 Rn. 73, 83. Rüfner, in: HStR IV, § 96 Rn. 74. 3 BVerfGE 82, 60 (80). 4 Rüfner, in: HStR IV, § 96 Rn. 72; Papier, in: von Maydell / Ruland / Becker, Sozialrechtshandbuch, § 3 Rn. 9; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 2. 2

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

II. Dualität von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bis 2003 In Deutschland waren die staatlichen Sozialleistungen traditionell und bis ins Jahr 2003 zweigeteilt in Arbeitslosen- und Sozialhilfe5: Über mehr als ein Jahrhundert waren diese zwei in ihrem Kern verschiedenen und voneinander unabhängigen, da getrennten, dualen Sozialtransfersysteme zu unterscheiden, die erst durch die Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit zur heutigen Grundsicherung für Arbeitsuchende kombiniert und zusammengeführt wurden.6 Diese Trennung der beiden jeweils in sich geschlossenen Systeme war historisch überkommen und geht auf unterschiedliche historische Ursprünge zurück. 1. Ursprünge der Sozialhilfe Die Sozialhilfe als „der älteste Zweig der Sozialleistungen“7 ist  – historisch betrachtet  – aus der allgemeinen öffentlichen Fürsorge und Armenpflege hervorgegangen, welche bereits seit mehreren Jahrhunderten erste Formen sozialer Hilfen gewährte.8 Die heute bekannte Unterstützung von Bedürftigen durch den Staat basiert auf Strukturen eines (staatlichen) Beistands für Hilflose, Schwache und Gebrechliche, die bereits in der Antike angedeutet waren und sich sodann im (Spät-)Mittelalter verfestigt haben.9 Gegenüber den regulären Versicherungssystemen waren diese vom Kollektiv gewährten und von einem Beitrag unabhängigen Unterstützungsleistungen subsidiär ausgestaltet und sollten das lebensnotwendige Existenzminimum nur in besonderen Lebenslagen garantieren, in denen andere Hilfen versagten.10 Erste geringfügige Grundzüge einer staatlichen Wohlfahrtspflege und sozialen Fürsorge gab es bereits in der Antike, vor allem in den Zentren der damaligen Welt, Athen und Rom, seit ungefähr dem 4.  Jahrhundert vor Christus: Lebensmittel- und Kleiderhilfen der Städte für Arme, Kranke, Gebrechliche und Alte, Armenhäuser für ein Nachtlager, Hilfen privater Wohlfahrtsvereine für Kranke (Krankenkassen) und Hinterbliebene (Sterbekassen), Armenstiftungen und Ab 5 Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 334 (dort „Nebeneinander der Systeme“, gemeint „Fürsorgesysteme“, so S. 384). 6 Die historische Entwicklung fasst Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 1–14 kompakt und gut verständlich vom Mittelalter bis zu Art. 91e GG zusammen. Außerdem findet sich eine sehr ausführliche Zusammenstellung einer Vielzahl von Werken zur Geschichte des Sozialrechts und ihre kritische Beurteilung bei Scherner, Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 1996, 102 ff. 7 Rüfner, in: HStR IV, § 96 Rn. 120; ähnlich Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 430 („der älteste Zweig des Sozialrechts“). 8 Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 430; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 15 f. 9 Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 15 f. 10 Waltermann, Sozialrecht, Rn. 508 spricht insoweit metaphorisch von einer „Basissicherung, die nur eingreift, wenn das primäre soziale Netz einen Fall nicht auffängt“; s. a. Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 430, 433 f. („Ergänzungsfunktion“, S. 433).

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findungen für Kriegsverletzte.11 Doch gab es für diese durch private Spenden und Wohlfahrtsteuern subventionierten Maßnahmen12 weder eine gesetzliche Ausgestaltung, noch galt eine besondere Obhut für den nötigen Lebensunterhalt im Sinne einer Wohlfahrtspflege.13 Zudem existierten bereits im Altertum besondere Solidar- und Gefahrgemeinschaften (z. B. wegen der besonderen Gefahren auf See und unter Tage)14, die sich bis in die Neuzeit in unterschiedlicher Gestalt von Zusammenschlüssen Gleich­ gesinnter bewahrt haben, u. a. im Handwerksbereich in Zünften, Orden, Innungen, Gilden und (Gesellen-)Bruderschaften.15 Zurückzuführen auf den Gedanken einer von der restlichen Gesellschaft (auch räumlich) getrennten Schicksalsgemeinschaft im Bergbau standen sich die selbstständigen Bergleute zunächst bei Krankheiten, Unglücken und sonstiger Not gegenseitig bei, indem freiwillige Abgaben als Beistand für den Betroffenen bzw. dessen Hinterbliebene stattfanden und gemeinsam dessen Arbeit von der Gemeinschaft übernommen wurde.16 Daraus entwickelte sich, im Grunde als Vorläufer der Knappschaften bzw. heutigen Versicherungsund Kassensysteme17, mit der Zeit ein pflichtiger Beitrag jedes Einzelnen (sog. „Büchsen­pfennig“18), damit im Falle des Eintritts nachteiliger berufstypischer Folgen, wie etwa Tod, Krankheit oder Invalidität, die finanziellen Schäden, nicht zuletzt für die Familie, abgemildert werden konnten.19 Auch die zum gegenseitigen Schutz und zur Rechtswahrung geformten Gilden werden als Vorläufer genossenschaftlicher Schutzverbände angesehen, da sich ihre Mitglieder ebenfalls in besonderen Lebenslagen gegenseitig finanziell zur Seite standen.20 Vergleichbaren Sozialcharakter durch Fürsorgeeinrichtungen für ihre Mitglieder und deren 11 Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 20 f.; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 17; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 52. 12 Waltermann, Sozialrecht, Rn. 52; Eichenhofer, Sozialrecht, 17. 13 Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 20. 14 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 36; Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 24 f. 15 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 37; Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 22; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 53; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 2. 16 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 22. Insofern benennt Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 24 als „Eigentümlichkeiten des Bergbaus“ einerseits die besonderen Unfallgefahren sowie andererseits die außergewöhnlich langfristige Gemeinschaft der Bergknappen. 17 Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 19 versteht dies als Urform der heutigen Sozialversicherungssysteme; s. a. Waltermann, Sozialrecht, Rn. 53; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 2. In diesem Zusammenhang zeigt Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 24 auf, dass aus der Aufstellung von Behältern mit der Zeit die sog. „Büchsenkassen“ wurden. 18 Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 22 führt die Bezeichnung darauf zurück, dass an den Lohntagen Büchsen zunächst für freiwillige Spenden und später für pflichtige Beiträge aufgestellt wurden; vgl. auch Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 24 f. 19 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 36; Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 22, 24 f. („in den Wechselfällen des Lebens“); Waltermann, Sozialrecht, Rn. 53. 20 Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 22 f. weist auf den Ursprung des Wortes „Gilde“ im Sinne einer Beitragspflicht der Mitglieder (gelten = zahlen) hin.

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Angehörige zur Unterstützung in Notlagen bekamen im Spätmittelalter auch die Zünfte der Handwerksmeister sowie die Gesellenbruderschaften der Handwerksgesellen.21 In Fortschreibung dieser Ansätze solidarischen Benehmens wird die heutige Sozialversicherung als zusammenfassende Solidargemeinschaft verstanden, welche die historisch überkommenen bereichsspezifischen Zusammenschlüsse, die zum Teil als berufsständische Versorgungseinrichtungen oder auch durch die betriebliche Altersversorgung fortwirken, auf Ebene der gesamten Gesellschaft auswechselt.22 Der Ursprung der Sozialhilfe im heutigen Verständnis geht auf die kirchliche Wohlfahrtspflege sowie Armen- und Krankenfürsorge seit dem frühen Mittelalter zurück23, die zur Zeit der Kreuzzüge im 11. bis 13. Jahrhundert mit der Obhut für Pilger und Kreuzfahrer durch die christlichen Ritterorden einen ersten besonderen Aufschwung erlebte.24 Wie schon in den antiken Frühformen sozialer Fürsorge stellte nunmehr die Kirche jedem Hilfsbedürftigen, darunter neben den Armen auch Kranken, Gebrechlichen, Alten, Witwen und Waisen, verschiedene Einrichtungen zur Verfügung, von einer Unterkunft und Verpflegung in Klöstern und Kirchengemeinden bis hin zu eigens geschaffenen und aus privaten Spenden finanzierten Asylen oder Hospitälern in den Städten als Zentren der Armut, ergänzt durch die Witwen- und Waisenhilfe.25 Zurückgehend auf die seit dem 11. Jahrhundert mit der Entfaltung des Handwerks und Gewerbes stark gestiegene Bedeutung der Städte im ansonsten noch überwiegend landwirtschaftlich geprägten Deutschland wandelten sich in den folgenden Jahrhunderten zunehmend die gesellschaftlichen Grundstrukturen und veränderten nachhaltig das Erscheinungsbild der entstandenen mittelalterlichen Gesellschaft, die ihre Familienordnungen und Genossenschaften zunehmend einbüßte26 – damit begann sich „die agrarisch geprägte mittelalterliche Gesellschaft“ aufzulösen.27 Weil die bis hierhin zumeist unabhängigen Bauern in wachsender Zahl entweder einem Grundherren verpflichtet oder infolge der Zusammenlegung mehrerer Höfe erwerbs- und besitzlos gemacht wurden, wuchs in den Städten die

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Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 19; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 53. Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 27, 30 f. hebt die kraftvolle und nachhaltige Idee einer sich sorgenden Genossenschaft hinter den sich entwickelnden Einrichtungen hervor. 22 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 38. 23 Rüfner, in: HStR IV, § 96 Rn. 120; Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 13; Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 19; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 2. Diesbezüglich spricht Waltermann, Sozialrecht, Rn. 53 von einem beherrschenden Einfluss der Kirche auf die Bedingungen sozialer Sicherung im Mittelalter. 24 Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 19 f. 25 Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 18; Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 19; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 53; Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 29. 26 Peters, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 23 ff. („Auflösung festgefügter mittelalterlicher Ordnungen“, S. 25); Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 27. 27 Zum Vorstehenden samt Zitat: Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 20.

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gesellschaftliche Unterschicht aus unselbstständigen Lohnarbeitern binnen kurzer Zeit erheblich an.28 Um dieser Entwicklung aus polizeilichen Gründen vorgreifen zu können, übernahmen seit dem 13. (und verstärkt im 15./16.) Jahrhundert die staatlichen Ordnungsgewalten in schnell wachsendem Umfang die Fürsorge als Ordnungsmittel von der bis dato einzigen und universellen Fürsorgeinstitution Kirche, die das Leben der Menschen nachhaltig bestimmt hatte und nun tiefgreifend in ihrer Rolle geschwächt wurde.29 Durch die Eingliederung in den staatlichen Verwaltungsapparat unter ‚policeylichen‘30 Leitgedanken wurde die Armenfürsorge der kirchlichen Sphäre immer stärker entfremdet und verweltlicht.31 Das neuartige Sicherheitsbedürfnis resultierte aus der von den kirchlichen Lehren der Nächstenliebe losgelösten Erkenntnis der weltlichen Staatsgewalten, die meisten Bedürftigen hätten ihre Armut persönlich zu verantworten und dürften demzufolge nicht noch umsorgt werden, sondern vielmehr nur die schuldlos in Not geratenen Armen.32 Kommunale Armenfürsorge sei insofern unerlässliche Voraussetzung für das reibungslose Neben­einander und das Funktionieren einer vielschichtigen Gesellschaft33, gemäß dem zeitgemäßen absolutistischen (und patriarchalischen34) Verlangen, die Gesellschaft insbesondere in den gefährdeten Städten nach staatlichen Vorstellungen zu formen, sei es durch Unterbindung eines Todes „in Not und Elend“ oder von jeglichem „Bettelunwesen“35. Doch zunächst fehlte diesen Ansätzen eine einheitliche Durchführung und Organisation, welche eine gleichmäßige und flächendeckende Fürsorge für die Armen garantiert hätte: Indem neben die Kirche als traditionelle Institution der Armenpflege nun Gemeinden und Städte mit jeweils eigenen Fürsorgemaßnahmen traten, zeichnete sich die Armenfürsorge durch einen beträchtlichen Formenreichtum uneinheitlicher und erheblich divergierender Ansätze aus, deren Wirkung auf den

28 Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S.  27; Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 23, 25. 29 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 13 ff. weist darauf hin, dass die säkularen Gewalten allerdings die kirchliche Machtstellung im Bereich der Fürsorge erst im späten 19. Jahrhundert dauerhaft verdrängen konnten. Dies bezeichnet Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 21 als „Niedergang der kirchlichen Caritas“, begründet zum einen durch politische Neuordnungen sowie zum anderen durch reformatorische Bewegungen innerhalb der Kirche; außerdem Rüfner, in: HStR IV, § 96 Rn. 121; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 2. 30 In Anlehnung an den bei Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 86 für den die innere Ordnung kontrollierenden Verwaltungsbereich verwandten, althergebrachten Begriff der „policey“. 31 Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 86, 107, 130. 32 Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 1. 33 Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 26 bezeichnet dies als Geburt der sozialen Frage. 34 Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 29. 35 Zum Vorstehenden mitsamt der Zitate Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 28, 47 (dort „Landplage“ Bettelei); zudem Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 86.

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Einzelnen häufig vom Zufall sowie den örtlichen Gegebenheiten abhing.36 Dennoch wurde sie ohne Unterschied allen Bittstellern, seien es Arbeiter mit geringem Einkommen oder seien es Bettler, Kranke, Witwen und Waisen, voraussetzungslos und ohne Nachprüfung ihrer Hilfsbedürftigkeit gewährt.37 Mit den ersten reformatorischen Bestrebungen entstanden – unter der Prämisse der Sorge für „gute Ordnung“38 – zunächst in den größeren Städten kommunale Armen- und Bettelordnungen zur rechtlichen Ausgestaltung der Fürsorge, die gewichtige Änderungen für die künftige Unterstützung von Armen und erhebliche Einschränkungen beim Betteln mit sich brachten.39 Es entstand eine selbstauferlegte Beistandspflicht der Kommunen, die jedoch nur zum Empfang entsprechender Leistungen berechtigte, wenn jemand arbeitsunfähig war oder seine Arbeit aus sonstigen Gründen das zum Leben Notwendige nicht hervorbrachte.40 Damit genossen zunächst auch außerhalb der genannten Solidargemeinschaften alle übrigen Arbeiter im Absolutismus eine „kümmerliche Hilfe in den Wechselfällen des Lebens“41. Im Gegenzug wurde das Betteln jedoch zum Zwecke der Gefahrenabwehr nicht nur zunehmend strengeren Regeln unterworfen, sondern schließlich vollständig verboten; Verstöße gegen dieses Verbot wurden durch Polizeigesetze und -verordnungen bestraft.42 Diese ersten lokalen Ansätze der Städte wurden später schrittweise unter Minderung der städtischen Autorität mit den fortschrittlichen reformatorischen Bestrebungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts in eine zentralstaatlich gelenkte Form überführt.43 Im Allgemeinen Preußischen Landrecht von 1794 war in fortschrittlicher, unkonventioneller Weise die Armenfürsorge als Staatsaufgabe vorgesehen und ihren Grundzügen nach – ohne nähere Vorgaben hinsichtlich der einzelnen Leistungen44, jedoch mit starker Ähnlichkeit zur modernen Sozialhilfe45 – als Pflicht der Kommunen ausgestaltet.46 Dem Staat wurde die Aufgabe zugedacht, alle hilfsbedürfti 36

Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 28. Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 28. 38 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 13 ff. 39 Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S.  1, 430; Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 28 f.; von Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 23, 30 f., 130 wird diese Wandlung der Armenfürsorge als „Kommunalisierung“ bezeichnet. 40 Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 30 f. klassifizieren diesen Vorgang als „Rationalisierung“ der Armenpflege; außerdem S. 130 f. 41 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 29. 42 Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 1, 430; Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 30 f. („Wer arbeitsfähig ist, soll arbeiten und nicht betteln“). 43 Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 86, 107, 125, 130. 44 Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 31. 45 Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 431 weisen auf die wesentlichen Elemente der Hilfe zum Lebensunterhalt hin, namentlich „Hilfe zur Arbeit, Sicherung des Lebensunterhalts und Tätigwer­ den von Amts wegen“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.); hierzu auch Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 22. 46 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 23 f.; Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 29 f., bzgl. der Zuständigkeit mit Hinweis auf §§ 9, 10 II 19 ALR; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 1 f., 431. 37

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gen Bürger zu ernähren und auch im Übrigen mit dem zum Leben Notwendigen zu versorgen, soweit diese weder aus eigener Kraft noch durch Unterstützung etwaiger Hilfeverpflichteter dazu in der Lage waren.47 Die Armenpflege erstreckte sich auch auf Ehefrauen, Witwen und unversorgte Kinder.48 Allerdings wurde dem Einzelnen weiterhin als „Objekt staatlicher Fürsorge“ weder ein subjektiver Rechtsanspruch auf Unterstützung, Arbeit oder nur Arbeitsvermittlung noch eine umfassende soziale Absicherung zugebilligt.49 Bei Bedarf konnten Betroffene zu Arbeiten je nach ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten, nötigenfalls in Werk-, Zucht- und Arbeitshäusern, angewiesen50, bei Verweigerung durch Zwang und Strafen zu nützlichen Arbeiten angehalten werden51. Die vermutlich aus der französischen Revolution geborenen, in zahlreichen Staaten anzutreffenden Überlegungen, soziale Maßnahmen in die Hand des Staates zu legen, überdauerten jedoch wegen der sich erheblich wandelnden politischen Ansichten und der in der Folgezeit eintretenden Verschärfung der Armut nicht unmittelbar bis ins späte 19. oder sogar 20. Jahrhundert, derweil sie jetzt als selbstverständlich angesehen werden.52 Bereits seit dem 14. Jahrhundert sowie zunehmend mit dem Beginn der Industrialisierung im Wechsel vom 18. ins 19. Jahrhundert, nicht zuletzt nach der Bauernbefreiung, änderten sich jedoch mit der eröffneten Freizügigkeit und Gewerbefreiheit die gesellschaftlichen Verhältnisse in nachdrücklicher Weise, als viele Bauern und Handwerker auf der Suche nach Arbeit in der Industrie vom Land in die schnell wachsenden (Industrie-)Städte zogen, wo sie Teil einer wachsenden, besitzlosen (Fabrik-/Lohn-)Arbeiterschicht wurden.53 Mit der ansteigenden Zahl an Fabrik-/Lohnarbeitern in den Städten und den dortigen unzulänglichen Arbeitsbedingungen verschärften sich die sozialen Konflikte54 bis hin zu einer Massenarmut, welche mit den traditionellen Mitteln nicht bezwungen werden konnte.55 Weil der stetig ansteigenden Anzahl von Stadtbewohnern die ländlichen Schutzinstitutionen, allen voran althergebrachte Bündnisse für gegenseitige Hilfe in 47

Vgl. Wortlaut in § 1 II 19 ALR. Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 30 mit Hinweis auf § 13 II 19 ALR. 49 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 2, 431 (zum Zitat S. 431); s. a. Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 29. Angesichts dessen charakterisiert Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 29 f. die Normen des ALR als „Programm der staatlichen Armenpflege“ ohne nähere Rechte oder Ansprüche. 50 § 2 II 19 ALR und Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 113, 125, 131. 51 § 3 II 19 ALR. 52 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 24 f.; Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 30. 53 Vgl. Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S. 7; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 54 f.; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 20, 26, 32; Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 99, 131, 180, 189 bzw. dies., Geschichte der Armenfürsorge II, S. 15. Zusammenfassend spricht Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 2 f. von einer „Landflucht großen Ausmaßes“ (S. 2). 54 Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 51. 55 Vgl. Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 2 f. Bei Waltermann, Sozialrecht, Rn. 54 f. wird dies prägnant als „Pauperismus des Lohnarbeiters“ (Rn. 55) bezeichnet, von Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 26 als Aufkommen der sozialen Frage verstanden. 48

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Zünften, Gilden und Familien sowie ein Mindestmaß an Grundsicherung durch Hof, Rücklagen oder sonstigen Besitz, fehlten, waren sie mitsamt ihren Angehörigen „den Wechselfällen des Lebens ausgesetzt“56. Zugleich waren die Fabrik-/ Lohnarbeiter, deren Zahl mit fortlaufender Industrialisierung gegenüber den in der Landwirtschaft Beschäftigten beträchtlich anwuchs, von den fortschrittlichen Regelungen des Allgemeinen Preußischen Landrechts noch nicht erfasst gewesen.57 Aufgrund der in der Industrie vorherrschenden Arbeitsbedingungen, ihrer schlechten Entlohnung und fehlenden finanziellen oder sozialen Absicherungen waren sie jedoch besonders gefährdet, bereits bei kurzfristigem Ausfall ihrer Arbeitskraft als Einkommensquelle, sei es aus in der Person (Arbeitsunfall, Krankheit, Invalidität, Arbeitslosigkeit, Alter) oder Gesellschaft (Finanzkrisen, Hungersnöte) liegenden Gründen, auf die bescheidene (allgemeine) Armenfürsorge angewiesen zu sein.58 Im Hinblick auf die gleichzeitigen Anstiege sowohl der Bevölkerungszahlen als auch der durchschnittlichen Lebenserwartung (Quantität der Armut) sowie das Versagen der Arbeitspflicht als Kriterium („neue Qualität“ der Armut 59) bedurfte die kommunale Armenfürsorge einer grundlegenden Erneuerung, um „neue und krasse Formen sozialer Ungleichheit“ zu erfassen.60 Nachdem mit Erlass der Allgemeinen Gewerbeordnung in 1845 auch in der Armenpflege dem Preußischen Landrecht vergleichbare Möglichkeiten – verbunden mit der Zugehörigkeit in Kassen – eröffnet wurden61, schufen zunächst vielerorts die Arbeiter und mancherorts ein größerer Unternehmer als erste Formen eines Sozialstaats verpflichtende Betriebsorganisationen zum Schutze der Arbeiter bei Arbeitsunfällen, Krankheit, Invalidität, Arbeitslosigkeit und Alter.62

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Zum Vorstehenden samt Zitat Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S.  7; darüber hinaus auch Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 99 („außerhalb der traditionellen ständischen Ordnung“) und S. 188 f.; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 26, 28; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 54 f.; Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 29; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 2. 57 Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 31. 58 Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 52 f.; Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 99, 131 (dort ist die Rede von der Figur eines „manufakturellen Frühproletariats“) und S. 189; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 26, 28; Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 33; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 55; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 2. 59 Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 99, 131. 60 Zum Vorstehenden samt Zitat Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge I, S. 179 ff. (zum Zitat S. 181) und i. Ü. S. 189, 191, 195; s. a. dies., Geschichte der Armenfürsorge II, S. 23, dort ebenfalls ausführlich zur weiteren Entwicklung in der Mitte des 19. Jahrhunderts; außerdem Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 21 f., 26 ff., 32 f.; Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 53: Letztgenannter weist darauf hin, dass der Schutz und die Versorgung der Arbeiterschaft zum Wohle des Gesamtvolkes und der nationalen Fortentwicklung unumgänglich gewesen sei (hierzu ebenfalls a. a. O.). 61 Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S.  33; Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S.  8;­ Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 2. 62 Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 33; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 2; Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 53.

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Doch erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erhielt die Unterstützung der Fabrik-/‌Lohnarbeiter mit einer diesbezüglichen Sozialgesetzgebung des Deutschen Kaiserreichs einen eigenen Stellenwert neben der klassischen Armenfürsorge, indem man einen bis heute den deutschen Wohlfahrtsstaat kennzeichnenden Dualismus etablierte, welcher zwischen Versicherung und Fürsorge trennt.63 Im heutigen Begriffsverständnis als Systemausschnitt, der öffentliche Finanzmittel zur Sättigung eines gesellschaftlich-sozialen Bedürfnisses bereitstellen soll, wird das Sozialrecht sowie die moderne Wohlfahrtspflege im Wesentlichen auf die Bismarck’schen Sozialversicherungsgesetze aus den Jahren 1883, 1884 und 1889 zurückgeführt, welche die soziale Absicherung mittels pflichtiger Arbeiterversicherungen nachhaltig reorganisierten und bereits wesentliche Grundzüge der modernen Sozialversicherung, insbesondere Ansprüche auf die geregelten Leistungen, enthielten.64 Anders als die ehemals universell für alle Formen der Armut gleichermaßen herangezogene Armenfürsorge deckten die verschiedenen, nun durch den Ausdifferenzierungsprozess verschiedenartiger Armutsrisiken entwickelten Sozialversicherungszweige eine Mehrzahl sozialer Risiken der Arbeiter (Arbeitsunfälle, Krankheit, Invalidität, Alter65) ab und schützten vor Armut und Mittellosigkeit durch „ein System umfassender öffentlicher Daseinsvorsorge“66. Im Einzelnen wurde die existenzielle Versorgung der Arbeiter schrittweise durch stetig verbesserte Absicherungen für Krankheit (Krankenkassen und Krankenversicherung in 1883)67, Arbeitsunfälle (Unfallversicherung in 1884)68 und Alter (Alters- und Invaliditätsversicherung in

63 Vgl. Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 3. Bezüglich des Wachstums des städtischen Industrieproletariats im Zuge der Industrialisierung sprechen Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge II, S. 15 m. w. N. von der sog. Arbeiterfrage, die eine „tiefgreifende Umgestaltung“ hin zu einem neuartigen Unterstützungssystem erforderlich gemacht habe. 64 Vgl. Hänlein / Tennstedt, in: Maydell / Ruland / Becker, Sozialrechtshandbuch, § 2 Rn. 1 ff. (sehr ausführliche und mit Details behaftete Darstellung der einzelnen geschichtlichen Hintergründe, insbes. Rn. 5 ff.); Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge II, S. 9, 15; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 51, 57. Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 3 („neue Qualität staatlich initiierter Vorsorge gegen soziale Risiken“) weist darauf hin, dass sich erst spät die Erkenntnis in der Reichsführung durchsetzte (vgl. Kaiserliche Botschaft vom 17. November 1881), die sozialen Missstände nur durch staatliche Hilfen und nicht durch staatliche Verbote der Arbeiterbewegung beseitigen zu können. 65 Zunächst fehlten nur der Schutz vor dem Risiko der Arbeitslosigkeit (dazu § 2 II. 2.) und derjenige anderer Berufsgruppen, v. a. Angestellten und Selbstständigen (dazu nachfolgend Fn. 71). 66 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Eichenhofer, Sozialrecht, Rn.  24; s. a. Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge II, S. 27 m. w. N. 67 Als Bestandteil der sog. Bismarck’schen Sozialversicherungsgesetze wurde am 15. Juni 1883 das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter (RGBl. I S. 73) erlassen, das verpflichtend die Krankenversicherung für Arbeiter eingeführte, hierzu näher Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S. 9; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 3. 68 Ebenfalls zu den genannten Sozialversicherungsgesetzen zählt seit dem 6. Juli 1884 auch die pflichtige Unfallversicherung (RGBl. I S. 69), erneut im Einzelnen bei Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S. 9 und Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 3.

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1889)69 vorangetrieben sowie schließlich in der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 19. Juli 191170 zusammengeführt.71 Beschleunigt durch den Ersten Weltkrieg – „eine Zäsur in der Entwicklung des deutschen Sozialrechts“ mit erheblichen Auswirkungen auf Wirtschaft, Politik und die gesellschaftlich-sozialen Anschauungen72 – sowie die ersten Nachkriegsjahre erlangte die öffentliche Fürsorge in der Weimarer Republik einen erheblichen Bedeutungszuwachs und steigerte sich zu einem zentralen Bestandteil im System der staatlichen Sozialleistungen, das den Sozialstaat von anderen Gestaltungen unterschied.73 Nachdem diese Entwicklung unter der nationalsozialistischen Herrschaft keine wesentliche Änderungen erfuhr74, hielt sie auch nach dem Zweiten Weltkrieg an und zeichnete sich insbesondere durch eine andauernde Erweiterung der Empfänger und den Zuwachs denkbarer Unterstützungsleistungen aus.75 In Ermangelung einer bis hierhin verstandenen staatlichen Pflicht zur Fürsorge – was im Ursprung auf das polizeiliche Verständnis seiner Funktion zurückzuführen sein dürfte – wurde den Hilfsbedürftigen ein (Rechts-)Anspruch auf die ihnen vom Staat gewährten Leistungen weiterhin nicht zuerkannt und traditionell „das Existenzminimum nur subsidiär und als Reflex des Polizeirechts“ gewährleistet.76 Erst mit dem Erlass des Grundgesetzes wurde dieses historisch verwurzelte Verständnis zögerlich abgelegt und den Hilfsbedürftigen und Fürsorgeempfängern erstmals ein öffentlich-rechtlicher Anspruch fern des Ordnungsrechts als eigenständige Rechtsstellung im Systemgefüge zugestanden.77 Unter Bezugnahme auf die in der Nachkriegsverfassung vorgesehenen Individualrechte ging das Bundesverwaltungsgericht jedoch erst 1954 über die begrenzten Garantien des bestehenden einfachen Rechts hinaus: In einer Grundsatzent 69

Eine Versorgung bedürftiger alter Menschen konnte zunächst allenfalls rudimentär in der allgemeinen Fürsorge erkannt werden, wohingegen eine Form von Rentenversicherung im heutigen Sinne als Bestandteil der genannten Sozialversicherungsgesetze erst mit dem Invaliditätsund Altersversicherungsgesetz vom 22. Juni 1989 (RGBl. I S. 97) erging, vgl. abermals zusammenfassend Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S. 8, 9 und Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 3. 70 RGBl. I S. 509. 71 Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S. 8 ff. und Waltermann, Sozialrecht, Rn. 57 ff., 62. Außerdem weisen beide darauf hin, dass im Jahr 1911 ebenfalls ein Versicherungsgesetz für Angestellte (ab 1924 Angestelltenversicherungsgesetz – AVG) verabschiedet worden ist, dazu RGBl. I S. 989; ähnlich Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 4 und Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 35, dort im Einzelnen Rn. 42 f. 72 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Hänlein / Tennstedt, in: Maydell / Ruland / Becker, Sozialrechtshandbuch, § 2 Rn. 17; ähnlich Waltermann, Sozialrecht, Rn. 63. 73 Vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 2; Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armen­ fürsorge II, S. 77 ff. 74 Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 5. 75 Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S. 12. 76 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Hänlein / Tennstedt, in: Maydell / Ruland / Becker, Sozialrechtshandbuch, § 2 Rn. 2; s. a. Rüfner, in: HStR IV, § 96 Rn. 120. 77 Rüfner, in: HStR  IV, § 96 Rn.  121 f.; Hänlein / Tennstedt, in: Maydell / Ruland / Becker, Sozial­rechtshandbuch, § 2 Rn. 74.

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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scheidung vom 24. Juni l95478 bekräftigte der 5. Senat durch verfassungskonforme Auslegung und Rechtsfortbildung einen mit der Rechtspflicht des Trägers zur Fürsorge korrelierenden Rechtsanspruch des Bedürftigen auf Fürsorge.79 Diesen Anspruch des Einzelnen auf Fürsorgeleistungen des Staates, welcher dem historischen Verständnis der Fürsorge widersprach80, führte das Gericht auf die verfassungsrechtliche Grundvorstellung zurück, das Verhältnis des Einzelnen zur Staatsmacht sei zukünftig eher dasjenige eines Bürgers als eines Untertans: Der Mensch dürfe nicht lediglich Gegenstand staatlichen Handelns sein, vielmehr müssten ihm „als selbstständig sittlich verantwortliche Persönlichkeit“ Rechte und Pflichten zuerkannt werden.81 Diese Schlussfolgerungen für das geltende Recht zog das Bundesverwaltungsgericht aus einer verfassungskonformen Auslegung anhand der Menschenwürde aus Art.  1 Abs.  1 GG, dem Grundrecht der freien Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG sowie dem demokratischen und sozialen Charakter des deutschen Rechtsstaats, ergänzt durch Art. 79 Abs. 3 und Art. 19 GG.82 Werden demnach dem Träger der Fürsorge zugunsten des Bedürftigen bestimmte Pflichten auferlegt, steht demjenigen nach dem seither geltenden Verständnis spiegelbildlich ein vor den Gerichten durchsetzbares Recht zu.83 Dementsprechend kann nun letzterer vom Staat, anders als in der Vergangenheit, in welcher er lediglich Gegenstand und damit Objekt staatlichen Handelns war,84 eine Garantie für die eigene menschliche Existenz durch den gegebenenfalls gebotenen unabdingbaren geldwerten Rückhalt einfordern.85 Der hierdurch anerkannte, jedem Bürger zustehende Anspruch auf Fürsorge wurde schließlich im Rahmen einer grundlegenden Reform der Sozialhilfe durch das neu geschaffene „Bundessozialhilfegesetz“ (BSHG) vom 30. Juni 196186 auch im einfachen Recht festgeschrieben87 – bei gleichzeitigem Fortbestand der zentralen Maximen.88 78

BVerwGE 1, 159 (160 ff.). BVerwGE 1, 159 (161); Rüfner, in: HStR IV, § 96 Rn. 122; Hänlein / Tennstedt, in: Maydell / Ruland / Becker, Sozialrechtshandbuch, § 2 Rn. 74. 80 Vgl. insoweit die vorhergehenden Erläuterungen zum historischen Grundriss und i. Ü. BVerwGE 1, 159 (162). 81 Zum Vorstehenden samt Zitat BVerwGE 1, 159 (161). 82 BVerwGE 1, 159 (161); hierzu ebenfalls Rüfner, in: HStR IV, § 96 Rn. 122; Hänlein / Tennstedt, in: Maydell / Ruland / Becker, Sozialrechtshandbuch, § 2 Rn. 74. In diesem Zusammenhang verweisen Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 431 auf die Ausrichtung der gesamten Sozialhilfe an Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, 2 und Art. 6 GG. 83 BVerwGE 1, 159 (162). 84 Vgl. auch hierzu BVerwGE 1, 159 (160 f.). 85 Hänlein / Tennstedt, in: Maydell / Ruland / Becker, Sozialrechtshandbuch, § 2 Rn. 74. 86 BGBl. I, S. 815. 87 Siehe Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 2, der darauf hinweist, dass auf dieses Gesetz der Begriff der „Sozialhilfe“ anstelle von öffentlicher Fürsorge zurückzuführen ist; s. a. Rüfner, in: HStR IV, § 96 Rn. 121 f.; Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S. 14; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 9 f., 432. Vgl. zum Rechtsanspruch § 4 Abs. 1 S. 1 Bundessozialhilfegesetz a. F., jetzt § 17 Abs. 1 S. 1 SGB XII. 88 Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S. 14. 79

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

2. Herkunft der Arbeitslosenhilfe Die Arbeitslosigkeit ist demgegenüber als Ursache von Armut in den Sozialversicherungsgesetzen im ausgehenden 19.  Jahrhundert und beginnenden 20.  Jahrhundert zunächst weitgehend unbeachtet geblieben, obwohl sich die Zahl abhängig Beschäftigter durch die starke Zunahme an Fabrikarbeitern im Zuge der Industrialisierung in kürzester Zeit vervielfachte.89 Zuvor hatte man in Anbetracht der zahlreichen Beschäftigungsmöglichkeiten (bis ins späte Mittelalter hinein) Arbeitslose regelmäßig als zur Anstrengung unwillige und ziellose Gesellschaftssubjekte verstanden, deren Bedürfnisse wie allen anderen Armen außerhalb der Zünfte, Gilden und Gesellenverbindungen allenfalls der regulären Armenfürsorge unterfielen.90 Erste dürftige Formen einer Arbeitslosenunterstützung bildeten sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gestalt von Arbeitergewerkschaften, Genossenschaftsfonds und Hilfseinrichtungen einiger Unternehmer heraus, vermochten sich jedoch nicht flächendeckend durchzusetzen.91 Auch der mit den Bismarck’schen Sozialgesetzen begonnene Ausdifferenzierungsprozess verschiedener sozialer Risiken erfasste trotz gleicher Ursache (Landflucht, Industrialisierung) und Zielsetzung (Armutsbekämpfung, Arbeiterschutz) die Arbeitslosigkeit als weit verbreitetes Armutsproblem noch nicht und ordnete sie traditionell der Armenfürsorge zu.92 Erst in der Zeit der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert setzte ein stärkeres Bestreben vor allem der die Armenfürsorge finanzierenden Gemeinden ein, zugunsten der Arbeitslosen ein eigenes Hilfssystem einzurichten.93 Die Arbeitslosenhilfe im heutigen Verständnis hat sich demgegenüber – abgesehen von den vereinzelten, ohne Erfolg gebliebenen Ansätzen vorher – erst im frühen 20. Jahrhundert, insbesondere seit dem Beginn des Ersten Weltkriegs, entwickelt und etabliert.94 Als mit dem Eintritt in den Krieg im Jahr 1914 die Arbeitslosigkeit schlagartig anwuchs, erkannte auch die Reichsführung die Notwendigkeit einer reichsweiten Arbeitslosenfürsorge an und setzte unter Änderung ihrer bisherigen Einschätzung zu Hilfsmaßnahmen behelfsmäßig eine erste Gesamt-

89 Vgl. Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S.  11; Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 100. Letztgenannter weist in diesem Zusammenhang (a. a. O.) auf den erheblichen Anstieg der Arbeitskräfte in abhängiger Beschäftigung von 300.000 (Anfang des 19. Jahrhunderts) auf 12.000.000 (Ende des 19. Jahrhunderts) hin. 90 Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 331 f. Nach den Feststellungen bei Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 45 f. erhielten generell nur Arbeitsunfähige Fürsorgeleistungen, wohingegen arbeitsfähige Bettler bestraft wurden (S. 46). 91 Vgl. Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 100; Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 98 ff.; Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 172 f., 176. 92 Vgl. Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 332; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 64; Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge II, S. 37 m. w. N.; Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S. 11. 93 Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 173 f., 177. 94 BVerfGE 128, 90 (91); Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 3.

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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regelung durch.95 Während des Krieges (1914–1918) wurde im Arbeits- und Sozialrecht infolge der erheblich angestiegenen, „kriegsbedingten Arbeitslosigkeit und Massenarmut“96 zunehmend nach innenpolitischen Lösungsansätzen zur Konsolidierung der gesellschaftlichen Situation gesucht.97 Erste Ansätze unter der Maxime „Kriegswohlfahrtspflege“ gingen von den öffentlichen Verbänden und Körperschaften aus, allen voran den Gemeinden und Gemeindeverbänden.98 Mit den am 14. Dezember 1914 für die sog. „Erwerbslosenfürsorge“ erlassenen Richtlinien des Bundesrates wurden die Gemeinden angehalten, mithilfe von Reichsmitteln auch in Zukunft an der begonnenen Unterstützung der Erwerbslosen festzuhalten und diese erkennbar von der klassischen Armenpflege zu trennen99, verstanden als eine Art „gehobene Fürsorge“100 gegenüber dem allgemeinen Fürsorgesystem. Nach ersten Maßnahmen zur Unterstützung daheim verbliebener Familienangehöriger der in den Krieg gezogenen Soldaten verfolgte man hiermit die unkonventionelle Intention, unbeschäftigte Arbeitskräfte in den Kommunen zu sammeln und zu vermitteln; für die Dauer ihrer Untätigkeit erhielten sie von den Gemeinden eine erste Form von Arbeitslosenunterstützung ausgezahlt.101 Demgemäß waren zum Empfang der Leistung nur solche Erwerbslosen berechtigt, die infolge des Krieges zwar arbeitslos geworden, jedoch arbeitsfähig und -willig waren, d. h. verfügbare Tätigkeiten übernehmen würden.102 Der Staat benötigte einerseits eine Vielzahl von Arbeitern für die Kriegsmaschinerie und musste andererseits „die ‚Heimatfront‘ […] befrieden“, um ein „arbeitsloses und unversorgtes Proletariat im Innern“ nicht zu einer Gefährdung werden zu lassen.103 In der frühen Weimarer Republik nach dem Ende des Ersten Weltkrieges (ab 1918) waren infolge des Kriegsendes und der dort erlittenen Niederlage sowohl Wirtschaft als auch Sozialsystem eingebrochen, die traditionelle Wohlfahrtspflege stand wegen der massiven Zunahme an unfreiwilligen Bedürftigen aus allen Bevölkerungsschichten vor dem Zerfall.104 Zur Dämpfung der Auswirkungen und 95 Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 101; Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 241. Ferner finden sich bei Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge II, S. 46 ff. und S. 94 f. nähere Informationen zur Fürsorgeentwicklung während des Krieges. 96 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 112. 97 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 3; Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 110. 98 Zum Vorstehenden samt Zitat Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge II, S. 50 und Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 242. 99 Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 101; Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 242. 100 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 3. 101 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 113. 102 Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 243; Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 101. 103 Zum Vorstehenden mitsamt beider Zitate Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 112. 104 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S.  124, 126; Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 101; Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 247; ähnlich Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge II, S. 70 ff. mit näheren Erläuterungen der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Situation nach Kriegsende.

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

Verringerung der Defizite reagierte man noch am 13.  November 1918  – analog der Richtlinien von 1914, d. h. mit Verpflichtung der Gemeinden und deutlicher Differenzierung zur Armenfürsorge – durch eine „Verordnung über die Erwerbslosenfürsorge“105 als Demobilmachungsmaßnahme.106 Dieser anfänglich als provisorisches Instrument der Kriegswohlfahrtspflege gedachte, neue Zweig der Fürsorge für arbeitsfähige und -willige, jedoch kriegsbedingt beschäftigungslose und bedürftige Personen107 wurde in Anbetracht der die Weimarer Republik prägenden hohen Arbeitslosigkeit zur bleibenden Institution.108 Der schnelle Aufstieg sozialer Hilfen in dieser Zeit lässt sich vornehmlich darauf zurückführen, dass Gesellschaft und Wirtschaft durch den Ausgang und die Folgen des Weltkriegs den neuen, von Arbeitslosigkeit und Inflation beherrschten Gegebenheiten angenähert werden mussten und sich die Erwerbslosenfürsorge mittels Ausdifferenzierung neuer Risiken von der klassischen Armenfürsorge ablöste.109 Neben den aus dem Krieg heimgekehrten Soldaten, darunter zahlreichen Kriegsbeschädigten, und den Kriegshinterbliebenen gefallener Soldaten galt es nun im Wechsel zur Friedenswirtschaft sowie bei sinkender Wirtschaftskraft, hoher Verschuldung und steigender Inflation, zugleich die Vielzahl Not leidender, von Armut bedrohter Erwerbsloser zu versorgen.110 Das „Arbeitsnachweisgesetz“ vom 22.  Juli 1922111 zielte darauf ab, die Beratung der Arbeitslosen und die gegenüber der Unterstützung vorrangige Vermittlung von Arbeit zu kodifizieren und auf diesem Wege durch Implementierung als Teil der Arbeitsverwaltung besser zu koordinieren.112 Bereits ein Jahr später, im Herbst des Jahres 1923, sah sich der Staat angesichts des enormen Umfangs der nun bereitzustellenden Unterstützungsleistungen nicht länger in der Lage, die Finanzierung der Erwerbslosenfürsorge vollumfänglich selbst zu tragen. Stattdessen wurden durch 105

RGBl. I S. 1305. BVerfGE 128, 90 (91); Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 247; Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S. 11; Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 101; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 332; sehr knapp auch Waltermann, Sozialrecht, Rn. 64; Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge II, S. 95. 107 Vgl. BVerfGE 128, 90 (91) und Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S.  247. Letztgenannter nimmt „chronisch und freiwillig Erwerbslose“ (zum Zitat a. a. O.) hiervon aus; außerdem weist er auf S. 289 f. darauf hin, dass die Regelungen mit zunehmender zeitlicher Entfernung vom Kriegsende undurchführbar wurden und schließlich der Arbeitsmangel an die Stelle des eigentlichen Auslösers „infolge des Krieges“ (auch zu diesem Zitat a. a. O.) trat. 108 Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge II, S. 94 f. 109 Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S. 11; Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 124; ähnlich Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge II, S. 80 f., 94. 110 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 124, außerdem S. 126 zu folgenden Feststellungen: Innerhalb von sechs Jahren nach dem Ende des Krieges hatte sich die Zahl der Bedürftigen in der Weimarer Republik im Vergleich zum letzten Vorkriegsjahr 1913 vervierfacht und der individuell erforderliche Unterstützungsbedarf sogar verachtfacht. 111 RGBl. I S. 657. 112 Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 120; Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 249. 106

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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eine Umstellung die Arbeitgeber und -nehmer mittels Beiträgen anteilig ebenfalls zur Finanzierung herangezogen, wie es sich bis in die Gegenwart auswirkt.113 Auf diesem Wege konnte erfolgreich unterbunden werden, dass die bestehenden, für den Wiederaufbau sowie die Wohlfahrtspflege unabdingbaren114 Strukturen der Sozialversicherungen kollabierten.115 Zugleich wurde der Arbeitslosenunterstützung mit dieser Finanzierungspflicht ihr heutiger Versicherungscharakter beigemessen und der Kontrast zur allgemeinen Armenfürsorge merklich verfestigt.116 Der aus der Nachkriegszeit entsprungene Übergangszustand einer Erwerbslosenfürsorge wurde mit Gesetz vom 19. November 1926117 um eine Krisenfürsorge für diejenigen Erwerbslosen erweitert, denen die Arbeitslosenunterstützung für die Höchstbezugsdauer von 26 Wochen ohne erfolgreiche Arbeitsvermittlung bewilligt worden war118, gewissermaßen „Vorläufer der Arbeitslosenhilfe“119. Am 16. Juli 1927 fand schließlich auch die weiterhin noch behelfsmäßige Erwerbslosenfürsorge insgesamt im „Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ (AVAVG)120 eine grundlegende gesetzliche Kodifikation, die trotz einiger Änderungen im Detail bis 1969 Geltung entfaltete und die Entwicklung auf diesem Gebiet nachhaltig beeinflusst hat, weil ihre Grundstrukturen noch heute gelten.121 Wesentliche Neuerung dieses Gesetzes war die Ersetzung der alten Erwerbslosenfürsorge mit dem ihr immanenten Fürsorgeprinzip durch eine republikweit homogene Arbeitslosenversicherung mit dem Gepräge eines neuartigen Pflichtversicherungsprinzips122, letzteres in Anlehnung an das bestehende Rentenversicherungssystem.123 Als zeitgemäße Ergänzung der übrigen klassischen So 113 BVerfGE 128, 90 (92) unter Hinweis auf die „Verordnung über die Aufbringung der Mittel für die Erwerbslosenfürsorge“ vom 13. Oktober 1923 (RGBl. I S. 946); s. a. Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 332; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 64; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 46. 114 Weil infolge des Krieges und der Kriegsfolgen ein sehr großer, noch zunehmender Anteil der Bevölkerung auf Sozialleistungen angewiesen war, musste der Staat in besonderem Maße auf die vorhandenen Mittel in Gestalt der existenten sozialen Hilfs- und Sicherungssysteme zurückgreifen, um die Wohlfahrtpflege im Gesamten zu stemmen und ein neues Gesamtsystem zu entwickeln (vgl. Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 127). 115 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 125. 116 Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 249. 117 RGBl. I S. 489. 118 BVerfGE 128, 90 (92); Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S. 11; Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 101; Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 249. 119 So treffend BVerfGE 128, 90 (92); im gleichen Sinne vorher schon BVerfGE 9, 20 (22). 120 RGBl. I S. 187, 320. 121 Vgl. BVerfGE 128, 90 (92 f.); Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 3; Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 98 (dort wird dieses Gesetz als Zäsur auf diesem Gebiet bezeichnet); Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S.  11. Diesbezüglich hebt Waltermann, Sozialrecht, Rn.  64 insbesondere auch die Bedeutung bei der organisatorischen Zusammenfassung von Arbeitslosenvermittlung und -versicherung hervor; s. a. Sachße / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge II, S. 98 f. 122 Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 102; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 64; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 332. 123 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 3.

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

zialversicherungsfelder124 sollte sie für nahezu alle Mitglieder der Kranken- und Angestelltenversicherung gelten und die kürzlich entwickelte Krisenunterstützung mitumfassen.125 Auf die Leistungen sollte zudem im Falle unfreiwilliger Arbeitslosigkeit entgegen früherer Lösungsansätze erstmals ein Anspruch des Einzelnen bestehen.126 Obwohl die Arbeitslosenversicherung in dieser Form anders als die klassischen Felder der Sozialversicherung nicht körperlich, sondern wirtschaftlich begründete Nachteile amortisieren sollte, war sie ihnen trotzdem systematisch und wesensmäßig vergleichbar, weil Schutz vor sozialen Nachteilen durch Beitragszahlungen erzielt wurde.127 In Fortführung der zuletzt gültigen Rechtslage staffelte sich das System  – gleichzusetzen mit der späteren Differenzierung zwischen Arbeitslosengeld und bedürftigkeitsabhängiger Arbeitslosenhilfe – in eine eigentliche (halbjährige) Arbeitslosenunterstützung auf der ersten sowie eine weitergehende (halbjährige), in Krisenzeiten zuzulassende Krisenfürsorge auf der zweiten Stufe, bevor der jeweils Betroffene schließlich die der heutigen Sozialhilfe entsprechende allgemeine öffentliche Fürsorge hätte in Anspruch nehmen müssen.128 Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs galt für den Bereich der Arbeitslosenversicherung und -hilfe das Gesetz aus dem Jahr 1927 mit gewissen Unterschieden im Detail zwischen den einzelnen Zonen bzw. Ländern fort.129 Zwecks umfassender Vereinheitlichung der gesetzlichen Grundlagen ergingen in den Folgejahren verschiedene organisatorische130 sowie inhaltliche131 Gesetzesänderungen, die ihren Abschluss schließlich in dem „Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ von 23. Dezember 1956132 fanden und der Arbeitslosenhilfe unter Beibehaltung des zuvor entwickelten Grundgedankens ihre langjährige normative Prägung verliehen.133 Darin wurde das seit der Weimarer Republik auf dem Gebiet der Arbeitslosenvermittlung und -versicherung geltende Rechtssystem gründlich unter Beibehaltung der wesentlichen 124

Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 45 f. („als neuen Zweig der Sozialversicherung“). Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 102; Kleeis, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 293. 126 Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 332. 127 Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 120 f. 128 BVerfGE 128, 90 (92); Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 3. 129 Hierzu Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 168 mit dem weiterführenden Hinweis (auf S. 167), dass der Bund die Aufwendungen auf diesem Gebiet seit dem Jahr 1951 in vollem Umfang trug. 130 „Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ vom 10. März 1952 (BGBl. I, S. 123). 131 Sukzessive Umsetzung von Änderungen des materiellen Rechts am 29. März 1951 durch das „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ (BGBl. I, S. 219) und das „Gesetz über die Bemessung und Höhe der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung“ (BGBl. I, S. 221). 132 BGBl. I, S. 1018. 133 Ähnlich BVerfGE 128, 90 (93); Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 168. 125

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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Prinzipien novelliert, allerdings bei gleichzeitiger Aufstockung der Unterstützungsleistungen und Verbreiterung ihres Empfängerkreises.134 Insbesondere behielt die Krisenunterstützung unter neuer Begrifflichkeit als Arbeitslosenhilfe ihrer Unterscheidung135 und Nachrangigkeit zum ebenfalls umbenannten Arbeitslosengeld.136 Am 25. Juni 1969 wurde das alte, überarbeitete Gesetz sodann durch das neue „Arbeitsförderungsgesetz“ (AFG)137 unter Fortschreibung der Differenzierung zwischen Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sowie unter Führung der umbenannten Bundesanstalt für Arbeit vollständig abgelöst.138 Wesentlich später gingen diese Regelungen sodann in das Dritte Sozialgesetzbuch (SGB III) vom 24. März 1997139 ein, welches erst im Jahr 2003 durch die eingangs angedeuteten (und im Folgenden dargestellten) Änderungen grundlegend reformiert wurde.140 3. Folgen des Dualsystems Diese Gestaltung in zwei verschiedene Hilfesysteme und die hieraus resultierende duale Verwaltungsstruktur hatte zur Folge, dass viele Hilfsbedürftige einerseits um Arbeitslosen-, andererseits auch um Sozialhilfe ersuchen mussten.141 Aufgrund der über nahezu ein Jahrhundert historisch gewachsenen Organisationsstruktur hatte dies jahrzehntelang zur Folge, dass verschiedene staatliche Stellen mit ähnlichen Fragestellungen befasst wurden. Während die steuerfinanzierte Sozialhilfe (als Leistung für allgemein Hilfsbedürftige nach dem Bundessozialhilfegesetz) stets von den Kommunen gewährt wurde, ging ebenso wie die beitragsfinanzierte Arbeitslosenversicherung (als regulärer Entgeltersatz bei Arbeitslosigkeit) die steuerfinanzierte Arbeitslosenhilfe (als weitergehende Arbeitslosenunterstützung gemäß §§ 190 ff. SGB III a. F.) vom deutschen Gesamtstaat (zuletzt in Gestalt der Bundesagentur für Arbeit und ihren örtlichen Arbeitsagenturen) aus.142

134

Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 169; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 333; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 66. 135 Im Gegensatz zum Arbeitslosengeld setzt Arbeitslosenhilfe eine Bedürftigkeit des Arbeitslosen voraus, vgl. BVerfGE 128, 90 (93). 136 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 3 bezogen auf die bis ins Jahr 2003 gültige Fassung des SGB III. 137 BGBl. I, S. 582. 138 Peters, Geschichte der sozialen Versicherung, S. 190 f.; Gitter / Schmitt, Sozialrecht, S. 13; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 3; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, S. 333. 139 Als Teiländerung im Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG), vgl. BGBl. I, S. 594. 140 BVerfGE 128, 90 (93); Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 3 bezogen auf die bis ins Jahr 2003 gültige Fassung des SGB III. 141 Langer, in: FG Bieback, S. 117 (118 f.). 142 BVerfGE 128, 90 (91 f., 93 f.); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 1 in der dortigen Fn. 2; Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 1; Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (373); Marschner, NWB 2010, 2803 (2804).

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

III. Einheitsmodell einer „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ ab 2003 Zu Beginn des 21. Jahrhunderts setzte allerdings die Tendenz ein, die bisherigen Systeme der Arbeitslosen- und Sozialhilfe partiell143 zu einer einheitlichen Grundsicherung für Arbeitsuchende zusammenzulegen, weil zwei parallel existierende Systeme als „ineffizient, intransparent und wenig bürgerfreundlich“144 angesehen wurden. 1. Hartz IV-Reform/„Zukunftsprogramm Agenda 2010“ Als Ausgangspunkt für eine voranschreitende Entbürokratisierung stellte sich das „Zukunftsprogramm Agenda 2010“ heraus, zu dessen Verwirklichung im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts die Bundesregierung und die sie tragenden Bundestagsfraktionen im Jahr 2003 deckungsgleiche Gesetzesentwürfe unterbreiteten.145 Bei dem Programm handelte es sich um ein weitreichendes Konzept zur sorgfältigen Neu- und Umgestaltung von Arbeits- und Sozialsystemen in der Bundesrepublik Deutschland, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu optimieren und auf diesem Weg das Wirtschaftswachstum zu steigern.146 Um eine bundesweit homogene und zugleich bürgernahe Leistungserbringung zu schaffen, sollten die Arbeitslosenhilfe einerseits sowie die bislang völlig eigenständige Sozialhilfe andererseits mittels einer organisatorischen Nahtstelle zwischen den die Aufgabe wahrnehmenden Stellen zu einem in sich geschlossenen Gesamtpaket für Arbeitsuchende gekoppelt werden, um neben der fortbestehenden Arbeitslosenversicherung (als Teil des Sozialversicherungssystems: Arbeitslosengeld I gemäß SGB III) und den allgemeinen Grundsicherungsleistungen für Nichterwerbsfähige (Sozialhilfeleistungen zum Lebensunterhalt gemäß SGB XII) für alle Erwerbsfähigen nur noch einheitliche, gestaffelte Leistungen (Arbeitslosengeld II gemäß SGB II) anbieten zu können.147

143 Die Zusammenführung betraf sämtliche Bereiche der bisherigen Systeme, die sich mit den Folgen der Arbeitslosigkeit beschäftigten, d. h. die Arbeitslosenhilfe in vollem Umfang sowie Teile der Sozialhilfe, soweit diese auf die Besserung der Situation von Arbeitsuchenden abzielten. 144 BT-Drs. 15/1516, S. 1 bzw. BT-Drs. 15/1638, S. 1; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 4. 145 Vgl. zu den Entwürfen BT-Drs.  15/1516, S.  7 ff. und  – mit Verweis auf erstere  – BTDrs. 15/1638, S. 9. Erste konkrete Vorschläge kamen im März 2003 auf, hierzu stellvertretend FAZ, Nr. 63 vom 15. März 2003, S. 1 f.; zusammenfassend BVerfGE 119, 331 (332) und Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 4. 146 Bredehorst, in: FG Bieback, S. 89 (90). 147 Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 1; Langer, in: FG Bieback, S. 117 (117); Marschner, NWB 2010, 2803 (2804).

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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Ausgangspunkt dieser Entwicklungen war die im Frühjahr 2002148 ins Leben gerufene „Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, wegen ihres Leiters Peter Hartz mitunter besser bekannt149 unter als „Hartz-Kommission“. Im Herbst desselben Jahres zog die Kommission ein Resümee und überreichte die gewonnenen Resultate150, die mit ihren arbeitsmarktpolitischen sowie darüber hinausgehenden wirtschafts-, finanz- und steuerpolitischen Aspekten als Anlass für das Zukunftsprogramm herangezogen wurden.151 Die Reformpläne dieses Programms wurden im Allgemeinen bis zum Jahr 2005 durch die unter der Bezeichnung Hartz I-IV bekanntgewordenen152 Gesetze umgesetzt. Zunächst schien es, als sollten sämtliche Ansprüche bei der Bundesagentur für Arbeit einheitlich geprüft und gewährt werden153, um die „ineffiziente Doppelzuständigkeit von Arbeits- und Sozialverwaltung“154 aufzubrechen sowie „Verwaltungseffizienzgewinne zu erzielen und die Leistungssysteme materiell zu vereinheitlichen“155. Am 24. Dezember 2003 schließlich wurde nach einem langwierigen156 Gesetzgebungsverfahren, welches wegen Differenzen zwischen Bundestag und Bundesrat eines (im Ergebnis erfolgreichen) Vermittlungsverfahrens bedurfte, ein Gesetz157 – auch unter der Bezeichnung „Hartz IV“ bekannt – erlassen. Die Gesetzgebungskompetenz lag infolge des Fürsorgecharakters der Grundsicherung für Arbeitsuchende gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG sowie der arbeitsvermittelnden Konzeption gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG beim Bund.158 Das neue Gesetz verschmolz die einstmals vollständig exklusiven Bereiche von Arbeitslosen- und Sozialhilfe beginnend mit dem 1. Januar 2005 zu einer neuen Gesamtkonzeption, in deren Mittelpunkt die neu geschaffenen Gesetze SGB II und 148

Vgl. FAZ, Nr. 46 vom 23. Februar 2002, S. 1 f.; hierzu ebenfalls Bredehorst, in: FG Bieback, S. 89 (89). 149 Die allgemein gebräuchliche Bezeichnung für die Kommission, die von ihr vorgeschlagenen Reformen und die schließlich ergangenen Gesetze lehnte sich an den Namen des Kommissionsvorsitzenden an, vgl. Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 2. 150 Vgl. FAZ, Nr. 190 vom 17. August 2002, S. 1 f. und auch Vorwort in dem Bericht der HartzKommission, S. 5 f. 151 Bredehorst, in: FG Bieback, S. 89 (90). 152 Zur Herkunft der umgangssprachlichen Bezeichnung vgl. bereits die vorhergehende Fn. 149. 153 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 4. 154 Nakielski, Soziale Sicherheit 2010, 165 (165). 155 Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (373). 156 Vgl. Henneke, in: Henneke, Künftige Funktionen und Aufgaben der Kreise, S. 95 (97 ff.); von Meyer, NVwZ 2008, 275 (276) deshalb auch „als wenig stringent und übersichtlich“ beschrieben. 157 „Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ vom 24. Dezember 2003, vgl. BGBl. I, S. 2954; Nakielski, Soziale Sicherheit 2010, 165 (165). 158 Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 5 grenzt die Grundsicherung auf diese Weise deutlich gegenüber dem Arbeitslosengeld ab, das wegen seines Versicherungscharakters allerdings ebenfalls der Nr. 12 (Stichwort „Arbeitslosenversicherung“) unterfällt.

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

SGB XII standen; sie ersetzten das bisher richtungsweisende Bundessozialhilfegesetz.159 Zentraler Beweggrund war es, die „gewachsene Zweigleisigkeit sozialstaatlicher Fürsorgeleistungen für Arbeitsuchende durch eine Grundsicherung aus einer Hand zu ersetzen“160. Trotz der Ablösung der tradierten durch neue Begrifflichkeiten ergaben sich hinsichtlich der Unterstützung als solcher materiell-rechtlich auch nach den neuen gesetzlichen Grundlagen keine erheblichen Änderungen, d. h. die finanziellen Beihilfen und Zuschüsse erfolgten nach neuer Gesetzeslage ebenso wie im Rahmen der ehemaligen Sozialhilfe.161 Das neue SGB  II als Kern der Änderungen unterschied insofern zwischen Leistungen „zur Eingliederung in Arbeit“162 und solchen „zur Sicherung des Lebensunterhalts“163 als den beiden Leistungsformen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.164 Gemäß Art. 61 Abs. 1 des „Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ traten die Änderungen zum 1. Januar 2005 in Kraft. 2. Streit über die Zuständigkeit zur Leistungsgewährung Bereits die verschiedenen Gesetzesentwürfe und sodann auch die endgültige Fassung waren in mehrfacher Hinsicht umstritten, vor allem im Hinblick auf die Zuständigkeit bezüglich der Grundsicherung für Arbeitsuchende.165 So wurde die Zuständigkeitsfrage im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens in dem von der Bundesregierung angeführten Bundestag einerseits und in dem von der Opposition beherrschten Bundesrat andererseits unterschiedlich beantwortet166: Während die Mehrheit im Bundestag der Regierung aus SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 159

Bredehorst, in: FG Bieback, S. 89 (92). Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 1. Zu der darin enthaltenen Umschreibung der gesetzgeberische Zielvorstellung („aus einer Hand“) kam es erst im Rahmen des nachfolgenden Gerichtsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht, weil die Bundesregierung diese im Rahmen ihrer Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren – vgl. BVerfGE 119, 331 (345) – entsprechend formulierte und dies in den Entscheidungsgründen (a. a. O., S. 368) durch das BVerfG als maßgeblicher Gedanke der Reform hervorgehoben wurde. Zuvor war diese prägnante Formulierung lediglich am Rande angeklungen (vgl. BT-Drs. 15/1516, S. 42 und BT-Drs. 15/1638, S.  10), jedoch noch nicht als Kernargument bzw. sinnbildliches Schlagwort der gesamten Reform. 161 Bredehorst, in: FG Bieback, S. 89 (92) weist darauf hin, dass in Anlehnung an die Sozialhilfe das Arbeitslosengeld II erwerbsfähigen Arbeitslosen ohne (hinreichenden) Anspruch auf Arbeitslosengeld I zukommt. 162 Vgl. SGB II, Kapitel 3, Abschnitt 1 (§§ 14–18) in der Fassung vom 24. Dezember 2003, BGBl. I, S. 2960 f. 163 Vgl. SGB II, Kapitel 3, Abschnitt 2 (§§ 19–35) in der Fassung vom 24. Dezember 2003, BGBl. I, S. 2961 ff. 164 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 5 unter Verweis auf den damals neu geregelten § 19a Abs. 1 Nr. 1, 2 SGB I. 165 Vgl. Schilderung der politischen Diskussion in BVerfGE 119, 331 (332 f.). 166 Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 1; Bredehorst, in: FG Bieback, S. 89 (93); Langer, in: FG Bieback, S. 117 (119); Marschner, NWB 2010, 2803 (2804). 160

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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folgend einer schon frühzeitig favorisierten Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit den Vorzug gab167, hielt der mehrheitlich durch CDU / CSU und FDP, also der Opposition im Bundestag, geprägte Bundesrat die Kommunen für besser geeignet zur Betreuung von Arbeitslosen und zur Arbeitsvermittlung.168 Der Streit beschränkte sich allerdings auf die Fragen der Aufgabenträgerschaft zum einen und die damit verknüpfte Finanzierungsverantwortung zum anderen, ohne dass der materielle Gehalt des Vorhabens sowie die hieraus betroffenen Normen zu irgendeinem Zeitpunkt kritisiert worden wären.169 Die Forderung nach einer „bundesweit agierenden Mammutbehörde“ einerseits und ortsbezogenen, sachnahen Reaktionsmöglichkeiten andererseits standen miteinander im klaren Widerspruch.170 a) Differenzierung Leistungsträger – Leistungserbringung Der wegen der Meinungsverschiedenheit zwischen Bundestag und Bundesrat angerufene Vermittlungsausschuss gelangte sodann nach langwierigen Verhandlungen zu dem später Gesetz gewordenen, differenzierenden Vorschlag, die Trägerschaft zwar zwischen Arbeitsagenturen und Kommunen aufzuteilen, die Aufgaben aber regelmäßig gemeinsam in sog. Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) wahrnehmen zu lassen.171 Dieser Mittelweg mit den gegenseitigen Zugeständnissen bei der Verteilung der Aufgaben ging auf eine Empfehlung von Seiten des Deutschen Städte­ tages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes zurück.172

167

Vgl. die gleichlautenden Entwürfe der Bundesregierung und der sie tragenden Bundestagsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: zunächst seitens der Parteien in BT-Drs. 15/1516, S. 2 samt eines Entwurfs von § 6 (zur Trägerschaft) auf S. 10; in gleicher Weise sodann die Bundesregierung in BT-Drs. 15/1638, S. 2 und (mit Verweis auf o.g. BT-Drs.) S. 9; zusammenfassend BVerfGE 119, 331 (332); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 1; Volkmann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 91e Rn. 1. 168 Zu der Ansicht der Opposition aus CDU / CSU-Fraktion und FDP vgl. BT-Drs. 15/1749, S. 19; s. a. den Lösungsansatz der erstgenannten Fraktion in BT-Drs. 15/1523, S. 1 f., die Trägerschaft den Kommunen zuzuweisen, umgesetzt in § 101 (S. 31) des nachfolgenden Gesetzesentwurfes. Dies stimmte inhaltlich mit den Vorstellungen der Länder Hessen, Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen überein, vgl. BR-Drs. 654/03, S. 2, wie auch dem entsprechenden Gesetzesentwurf (zu dem identischen § 101 vgl. dort S. 77) zu entnehmen ist. Überblick bei BVerfGE 119, 331 (333); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 1; Volkmann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 91e Rn. 1. 169 Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (373). 170 Vgl. einschließlich des Zitats Meyer, NVwZ 2008, 275 (276). 171 Vgl. die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses betreffend ein „Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ in BT-Drs. 15/2259 und dort besonders den geplanten § 6, abgedruckt auf S. 2. Zusammenfassend dargestellt bei Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 6; Bredehorst, in: FG Bieback, S. 89 (93). 172 Volkmann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 91e Rn. 1.

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

Um die Idee hinter dem Vorschlag nachvollziehbar zu machen, sei besonders auf die Differenzierung zwischen der abstrakten Leistungsträgerschaft und der konkreten Leistungserbringung hingewiesen: Während die Trägerschaft die Verantwortlichkeit und allgemeine Zuständigkeit für den Vollzug betrifft, ist unter der Erbringung der Leistungen alleine die tatsächliche Wahrnehmung gegenüber dem einzelnen Bürger, das reine Verteilen der Leistungen, zu verstehen. Beides sollte nach dem Vermittlungsvorschlag in unterschiedlicher Weise geregelt werden. b) Geteilte Leistungsträgerschaft Die Zuständigkeit für die Grundsicherung für Arbeitsuchende im Ganzen wurde zwischen der Bundesagentur für Arbeit sowie den Kommunen aufgeteilt (deshalb auch „Kompromissmodell einer geteilten Trägerschaft“173): Nach § 19a Abs. 2 SGB I bzw. § 6 Nr. 1 und 2 SGB II lag die Trägerschaft danach zukünftig zum einen bei der Bundesagentur für Arbeit (Nr. 1) mit ihren örtlichen Arbeitsagenturen und sonstigen Dienststellen sowie zum anderen bei den kreisfreien Städten und Kreisen als kommunalen Trägern (Nr. 2). Die kreisfreien Städte und Kreise waren insofern als (kommunale) Träger für einen enumerativen Katalog an „sozialflankierenden“174 Leistungen vorgesehen, im Wesentlichen die Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder die häusliche Pflege von Angehörigen, die Schuldnerberatung, die psychosoziale Betreuung, die Suchtberatung, Leistungen für Unterkunft und Heizung, Leistungen für die Erstausstattung einer Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten und für Bekleidung sowie für mehrtägige Klassenfahrten.175 Für alle weiteren Leistungen, insbesondere zum Lebensunterhalt und für die berufliche Wiedereingliederung sowie für die Auszahlung des Arbeitslosengelds II176, war hingegen die Bundesagentur für Arbeit als Leistungsträger vorgesehen.177 Zusammengefasst sollten die kreisfreien Städte und Kreise für einzelne der Leistungen und für alle weiteren Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit zuständig sein.178 173

So Volkmann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 91e Rn. 1. So die treffende Umschreibung in den Ausführungen zu einem späteren Gesetzesentwurf, vgl. BT-Drs. 17/1555, S. 1. 175 Vgl. die aktuelle Gesetzeslage in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i. V. m. § 16 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 bis 4, §§ 22 und 23 Abs. 3 SGB II, wie sie auch bereits in BT-Drs. 15/2259, S. 2 f. vorgeschlagen wurde; s. a. Auflistung in BVerfGE 119, 331 (333 f.). 176 Vgl. die zusammenfassende Darstellung in BT-Drs. 17/1555, S. 1 sowie in gleicher Weise Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 2, dort Fn. 4; siehe zudem Marschner, NWB 2010, 2803 (2804). 177 Vgl. aktuell wiederum § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II, bereits vorgesehen in BT-Drs. 15/2259, S. 2; dazu abermals BVerfGE 119, 331 (334). 178 Vgl. abermals den geplanten § 6 in BT-Drs. 15/2259, S. 2; hierzu auch BVerfGE 119, 331 (333 f.); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 1 a. E.; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 6. 174

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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c) Einheitliche Leistungserbringung Um die diversen Leistungen jedoch aus Verwaltungssicht trotz der „duale[n] Trägerschaft“179 in einheitlicher Gestalt realisieren zu können, wurden zur Leistungserbringung separate und von den Trägern zu unterscheidende Institutionen mittels Fusion der Agenturen für Arbeit und der kommunalen Träger entwickelt, die sog. Arbeitsgemeinschaften (ARGEn)180, und in § 44b SGB II a. F. normiert.181 In dessen Absatz 1 hieß es, sie dienten der einheitlichen Wahrnehmung aller Aufgaben beider Träger. Danach sollte künftig im Bezirk jeder Agentur für Arbeit eine Arbeitsgemeinschaft bestehen sowie unter Rücksichtnahme auf regionale Merkmale (Arbeitsmarkt und Wirtschaftsstruktur) geordnet sein. Durch diese Konstruktion einer nach außen auftretenden und gegenüber dem Bürger handelnden Arbeitsgemeinschaft erzielte man organisatorisch eine Administration „aus einer Hand“, ohne Bund und Kommunen als Leistungsträger ablösen zu müssen.182 Letztere blieben namentlich gemäß § 6 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB II a. F. die für die Leistungserbringung gesetzlich zuständigen Träger. Durch § 44b Abs. 3 SGB II a. F. wurde den Arbeitsgemeinschaften lediglich die Funktion der Aufgabenwahrnehmung überantwortet, d. h. die Aufgaben der Agentur für Arbeit für Arbeit gesetzlich übertragen (Satz 1) und den Kommunen die Übertragung ihrer Aufgaben auferlegt (Satz 2). Insgesamt erwartete man sich hiervon eine „Effizienzsteigerung“183. 3. Option einer alleinigen kommunalen Trägerschaft Daneben wurde in dem Gesetzgebungsverfahren, gleichsam als Zugeständnis an die Gemeinden und Gemeindeverbände, die alternativ wählbare Konstellation einer kommunalen Alleinzuständigkeit für sämtliche Aufgaben nach dem SGB II ermöglicht, die mittels Option der jeweiligen Kommune auszuüben wäre.184 Neben den bereits dargestellten Neuerungen in § 6 und § 44b SGB II a. F. wurde abweichend 179

So Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 2. Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 6; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 2. 181 Die Umsetzung erfolgte durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954). 182 Vgl. die Ausführungen der Bundesregierung im Rahmen ihrer prozessualen Stellungnahme betreffend die kommunalen Verfassungsbeschwerden in BVerfGE 119, 331 (345 f., zum Zitat S. 345), die vom BVerfG aufgegriffen wurde (a. a. O., S. 368). Soweit der Ausspruch „aus einer Hand“ vereinzelt zuvor bereits im Gesetzgebungsverfahren thematisiert wurde (vgl. BT-Drs. 15/1516, S. 42 und BT-Drs. 15/1638, S. 10), erfolgte dies lediglich am Rande und ohne Absicht, insoweit ein sinnbildliches Schlagwort der gesamten Reform zu etablieren. Zu der Thematik siehe bereits Fn. 160 und zudem Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 2. 183 So Trapp, DÖV 2008, 277 (278). 184 Vgl. abermals das im Gesetzgebungsverfahren 2003 als Ergebnis präsentierte Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954); hierzu auch Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 6; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 3. 180

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

von der erstgenannten Vorschrift in § 6a SGB II a. F. (2003) normiert, dass auf ihren Antrag und mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde anstelle der Agenturen für Arbeit vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit durch Rechtsverordnung die kreisfreien Städte und Kreise als Träger der Aufgaben nach dem SGB II a. F. zugelassen werden konnten. Die nähere Umsetzung dieser Idee eines Optionsmodells fand allerdings, mit einiger Verzögerung wegen der auch hierauf bezogenen Kontroversen im Gesetzgebungsverfahren des Jahres 2003, erst am 30. Juli 2004 in Gestalt eines gesonderten Kommunalen Optionsgesetzes185 nach separatem Gesetzgebungsverfahren ihren vorläufigen Abschluss.186 In der Folgezeit sah § 6a SGB II a. F. (2004 bis 2010) in Absatz 1 nicht nur abstrakt die Möglichkeit der Zulassung kommunaler Träger an Stelle der Agenturen für Arbeit als Träger der Leistung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II a. F. vor, sondern gestaltete dies in den weiteren Absätzen der Norm187 auch konkret aus. Auf Grundlage dieser Öffnungsklausel konnten von diesem Zeitpunkt an bis zu 69 kreisfreie Städte und Kreise zugunsten ihrer eigenen, alleinigen Trägerschaft optieren, d. h. einen Antrag stellen, um nach entsprechender Zulassung die Bildung von Arbeitsgemeinschaften auszuschließen – deshalb in Anlehnung an die anfängliche gesetzliche Überschrift188 auch gemeinhin als „Optionskommunen“189 oder „kommunale Option“190 bezeichnet – und an deren Stelle die Aufgaben nach dem SGB II alleine wahrzunehmen.191 Im Ergebnis war seit Beginn des Jahres 2005 zwischen folgenden Varianten der Aufgabenerledigung192 zu unterscheiden: Entsprechend der gesetzlichen Möglichkeit nahmen bis zu 69 Optionskommunen die Aufgaben auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende selbstständig wahr, während – unter Abzug einer begrenzten Zahl getrennt von der Bundesagentur für Arbeit operierender kreisfreier

185 „Gesetz zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch“ vom 30. Juli 2004 (BGBl. I, S. 2014). Der Entwurf des Kommunalen Optionsgesetzes stammte von den Bundestagsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, im Einzelnen BTDrs. 15/2816, S. 3 ff. 186 Siehe Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 6. 187 Zu den konkreten Voraussetzungen und formalen Anforderungen, etwa zu der Maximalzahl verfügbarer Plätze, vgl. § 6a Abs. 3 bis Abs. 7 SGB II a. F. (2004). 188 In der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954) lautete die amtliche Überschrift des neu eingefügten § 6a SGB II a. F. noch „Option kommunaler Trägerschaft“ (a. a. O., S. 2957), wohingegen diese Überschrift mit dem Gesetz zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch vom 30. Juli 2004 (BGBl. I, S. 2014) neu gefasst wurde: „Experimentierklausel“ (a. a. O., S. 2015). 189 Mayen, NVwZ 2011, 584 (585). 190 Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 3. 191 Bredehorst, in: FG Bieback, S. 89 (93); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 3; im Einzelnen in § 6a SGB II a. F. (2004 bis 2010) geregelt. 192 Der Zustand vor einer späteren Neustrukturierung wurde in der nachstehenden Weise prägnant zusammengefasst bei Dyllick / Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (15).

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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Städte bzw. Landkreise193 (mit nur loser, nicht institutionalisierter Kooperation) – mit deutlichem Übergewicht ARGEn zwischen beiden Trägern bestanden, die entweder als juristische Person (insbesondere als GmbH) oder ohne näher fixierte Rechtsform tätig waren.

IV. Kritische Stimmen und Diskussion Die Errichtung von Arbeitsgemeinschaften im SGB II wurde im Schrifttum194 von Beginn an kritisiert und ihre Verfassungskonformität vor allem in Anbetracht eines im Grundgesetz nicht vorgesehenen gemeinsamen Tätigwerdens von Bund und Ländern in Frage gestellt.195 Vielfach fiel in diesem Zusammenhang die Wendung vom ‚Verbot der Mischverwaltung‘.196 In der „Intransparenz der Verantwortungszuständigkeit bzw. der Verantwortungsklarheit“197 wurde vielfach ein Verstoß gegen zentrale verfassungsrechtliche Grundsätze aus Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG erkannt, allen voran gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik sowie die demokratische Legitimation der neuen staatlichen Organe.198 In einem Urteil vom 7. November 2006199 nahm das Bundessozialgericht hingegen an, dass Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Organisationsform der Arbeitsgemeinschaften nicht bestünden.200 Das Gericht teilte ausdrücklich nicht die Bedenken aus dem Schrifttum, da es sich bei der Aufgabenzuweisung einerseits noch um eine zulässige punktuelle Annexkompetenz des Bundes zwecks wirksamen Vollzugs des SGB II handele, den Kommunen ein relevanter Gestaltungsspielraum ohne Vorzeichnung durch das SGB  II verbleibe und andererseits die

193

Vgl. Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 2. Anstelle vieler Lühmann, DÖV 2004, 677 (682 ff.); Kersten, ZfPR 2005, 130 (134 ff.); Ruge / Vorholz, DVBl. 2005, 403 (404 ff.); Zuck, NJW 2005, 649 (649 ff.); schon im Vorfeld der Gesetzgebung thematisiert bei Müller-Franken, VSSR 2 (2000), 155 (165 ff.); aus einem eher kommunalen Blickwinkel, aber ebenso kritisch auch Henneke, Der Landkreis 2004, 3 (9) bzw. ders., DÖV 2005, 177 (182 ff.) bzw. ders., DÖV 2006, 726 (732 a. E.). Speziell zur Finanzierung Oppermann, DVBl. 2005, 1008 (1010 ff.). 195 Gute Zusammenfassung der verfassungsrechtlichen Fragestellungen in der damaligen Kommentierung bei Luthe, in: Hauck / Noftz, SGB II (4. EL 2005), § 44b Rn. 18a; Übersicht über die kritischen Stimmen ebenfalls bei Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (442) und Meyer, NVwZ 2008, 275 (276). 196 Beispielsweise bei Lühmann, DÖV 2004, 677 (682 ff.); Zuck, NJW 2005, 649 (650); Ruge / Vorholz, DVBl. 2005, 403 (407 f.); zusammenfassend Trapp, DÖV 2008, 277 (278). Zu dieser Thematik näher § 5 II. 197 So Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (442). 198 Zum Vorstehenden insgesamt Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (442). 199 BSG, NZS 2007, 550 (550 f.). 200 Dem schloss sich Rixen, in: Eicher / Spellbrink, SGB II (2. Aufl. 2008), § 44b Rn. 20 in der damaligen Kommentierung des SGB II noch ausdrücklich an. 194

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

Zuordnung der jeweiligen Kompetenzen zum jeweils sachlich zuständigen Verwaltungsträger nach außen erkennbar bliebe, sobald ihr Handeln rechtserheblich sei.201

V. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember 2007 Richtungsweisende Bedeutung202 kam Ende des Jahres 2007 einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember203 zu, deren Nachwirkungen bis heute reichen. Dieses Urteil bildete den vorläufigen204 Abschluss einer Reihe von Entscheidungen zu Fragestellungen im Bereich der sog. Mischverwaltung und ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit.205 1. Anlass und Hintergrund der Streitigkeit Anlässlich der Verfassungsbeschwerden von 11 Kreisen und Landkreisen befasste sich in diesem Zusammenhang das Bundesverfassungsgericht erstmalig mit den vom SGB II eingerichteten Arbeitsgemeinschaften. Zusammengeführt handelte es sich um zwei Verfahren mit vergleichbaren Beschwerdepunkten: Im Verfahren 2 BvR 2434/04 richtete sich der Vorwurf gegen die Zuweisung der Zuständigkeiten für einzelne Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ohne vollständigen Ausgleich der sich daraus ergebenden finanziellen Mehrbelastungen. In dem Verfahren 2  BvR 2433/04 wurde darüber hinaus die Verpflichtung der Kommunen beanstandet, Arbeitsgemeinschaften mit der Bundesagentur für Arbeit zu bilden.206

201

BSG, NZS 2007, 550 (551); kurz zusammenfassend Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (442). Huber, DÖV 2008, 844 (845) und daran anknüpfend Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 42 bezeichnen die Entscheidung jeweils sogar als „Meilenstein in der Dogmatik des deutschen Bundesstaatsrechts“. 203 BVerfGE 119, 331 (331 ff.). 204 Vgl. insoweit die jüngste aufsehenerregende Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts zu Art. 91e GG aus dem Jahr 2014, abgedruckt in BVerfGE 137, 108 ff. und zusammengefasst in § 4 III. 1. b). 205 Während der frühen Rechtsprechung des BVerfG zu dieser Thematik in BVerfGE 11, 105 (124), BVerfGE 32, 145 (156), BVerfGE 39, 96 (120) und BVerfGE 41, 291 (311) ein strengerer Maßstab bis hin zu einem Mischverwaltungsverbot entnommen werden konnte, stellte das BVerfG in späteren Entscheidungen, namentlich BVerfGE 63, 1 (38 ff.), BVerfGE 97, 198 (227) und BVerfGE 108, 169 (182), klar, dass eine Mischverwaltung nach dem Grundgesetz zwar im Regelfall unzulässig sei, ausnahmsweise aber zulässig sein könne. Teilweise wird insoweit von einer Abkehr vom absoluten und Rückkehr zum grundsätzlichen Mischverwaltungsverbot gesprochen – anstelle vieler etwa bei Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 4 a. E. Inwieweit eine solche Beurteilung zutrifft oder ob auch die frühere Rechtsprechung bereits in gleichem Sinne zu verstehen war, soll an späterer Stelle in § 5 II. erläutert werden. 206 Zum Vorstehenden BVerfGE 119, 331 (332). 202

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

49

Dabei blieben die Verfassungsbeschwerden hinsichtlich der Aufgabenzuweisung erfolglos und wurden zurückgewiesen, da eine Verletzung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG nicht zu erkennen sei.207 Zwar könne auch durch die Zuweisung neuer Aufgaben das Selbstverwaltungsrecht beschränkt werden, wenn infolgedessen die Wahrnehmung des garantierten Mindestbestandes an gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben beschnitten werde, was bei Gemeinden bereits der Fall sei, wenn die Übernahme weiterer Selbstverwaltungsaufgaben gehemmt werde.208 Bei Gemeindeverbänden hingegen sei ein fortwährend unveränderter Bestand an Selbstverwaltungsaufgaben aufgrund der notwendigen gesetzlichen Determination regelmäßig nicht garantiert; anstelle eines Eingriffs in den Bestand werde dieser in den meisten Fällen vielmehr erst in seiner Reichweite definiert.209 Eine Überschreitung sei deshalb bei Gemeindeverbänden erst im Falle einer Überbeanspruchung anzunehmen, aufgrund derer die vorhandenen Verwaltungsmittel nicht mehr ausreichten, um im Verhältnis zu staatlichen Diensten ein Minimum derjenigen Aufgaben zu erfüllen, die ihnen den Status der Selbstverwaltung bescheinigten.210 Doch hätten die Rechtsschutz begehrenden Gemeindeverbände eine solche Verletzung ihres Kernbereichs nicht dargetan.211 Auf eine Verletzung von Art. 84 Abs. 1 GG könnten sie sich im Rahmen einer Kommunalverfassungsbeschwerde hingegen nicht berufen.212 2. Feststellung des Verstoßes gegen Art. 28 Abs. 2 i. V. m. Art. 83 GG Hinsichtlich der hier interessierenden Ausgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in § 44b SGB II a. F., die eine partielle Weitergabe von Aufgaben der Gemeinden an die neu geschaffenen Arbeitsgemeinschaften zur gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung mit der Bundesagentur für Arbeit in diesen neuen Institutionen vorsah, erklärte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde hingegen für begründet.213 Die Norm sei wegen Verstoßes gegen Art. 28 Abs. 2 i. V. m. Art. 83  GG verfassungswidrig, soweit die Gemeinden verpflichtet würden, Aufgaben auf die Arbeitsgemeinschaften zu übertragen.214

207

BVerfGE 119, 331 (352). BVerfGE 119, 331 (354). 209 BVerfGE 119, 331 (354 f.). 210 BVerfGE 119, 331 (355). 211 BVerfGE 119, 331 (355). 212 BVerfGE 119, 331 (356 ff.). 213 BVerfGE 119, 331 (361); guter Überblick über die wesentlichen Feststellungen des BVerfG bei Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 7. 214 BVerfGE 119, 331 (361). 208

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

a) Verfassungsrechtliche Grundsätze Aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie entnahm das Bundesverfas­ sungs­gericht ein Recht der Gemeinden und Gemeindeverbände „zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte“215, welches das Gericht als „Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“216 bezeichnete. Danach dürfe der Staat den Kommunen in Fragen der Aufgabenerledigung und der gemeindlichen Verwaltungsorganisation keine Vorgaben machen; die Entscheidung, eine Aufgabe kooperativ oder alleine wahrzunehmen, liege vielmehr bei jeder einzelnen Gemeinde, ihre Freiheit vor „staatlicher Reglementierung“ entspreche ihrer Kooperationshoheit.217 Zwar werde dies den Gemeinden und Gemeindeverbänden „nur nach Maßgabe der Gesetze“ eingeräumt, doch müsse der Gesetzgeber gleichwohl stets den Kernbereich unangetastet lassen.218 Dieser Kern sei spätestens dann nicht mehr gewahrt, wenn mehrere Verwaltungsträger ipso iure die Aufgaben in einem gemeinsamen Kollektiv wahrzunehmen hätten und sich für eine derartige Regelung keine sachliche Rechtfertigung fände.219 Dem Grundgesetz sei der grundsätzliche Gedanke einer dezentralen Verwaltung zu entnehmen, zentralisierte Verwaltungsformen seien demgegenüber nachrangig. Infolgedessen genössen die Gemeinden gegenüber staatlichen Stellen eine Priorität im Rahmen der Aufgabeneinsetzung. Die Grenze eines Eingriffs werde jedoch erreicht, wo der bundesstaatliche Gesetzgeber den Kommunen verbindlich bestimmte Arten der Aufgabenwahrnehmung vorschreibe, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund gegeben wäre. Dies sei auch der Fall, wenn mehrere Verwaltungsträger gleichzeitig mit derselben Aufgabe betraut werden.220 Für die verfassungsrechtliche Bewertung müssten im gleichen Zusammenhang die Verwaltungskompetenzen nach den Art. 83 ff. GG eingehalten sein, weil diese „das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung“221 prägten. Danach seien in der Regel die beiden Verwaltungsräume von Bund und Ländern organisatorisch und funktionell als vollständig getrennte Einheiten zu betrachten, ohne dass die Beteiligten über diesen Grundsatz disponieren könnten.222 Ihre Zustimmung hebe die grundsätzlich absolute Trennung damit nicht auf, es sei denn, das Grundgesetz

215

So BVerfGE 119, 331 (362). Siehe BVerfGE 119, 331 (367 und Ls.); ganz ähnlich vgl. Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 5. 217 Zum Vorstehenden samt Zitat BVerfGE 119, 331 (362). 218 Zum Vorstehenden einschließlich des Zitats BVerfGE 119, 331 (362 f.). 219 BVerfGE 119, 331 (362). 220 Zum gesamten vorstehenden Absatz BVerfGE 119, 331 (363). 221 So BVerfGE 119, 331 (357); kritisch hingegen in der abweichenden Meinung von drei Richtern innerhalb derselben Entscheidung, vgl. dazu das entsprechende Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (392) und sogleich ausführlich in § 2 V. 4. 222 BVerfGE 119, 331 (364). Eben dies wird auch als „föderaler Trennungsgrundsatz“ bezeichnet, vgl. etwa Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 5. 216

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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selbst regele solche Ausnahmefälle. Die Differenzierung verschiedener Kompe­ tenzbereiche habe als wesentlicher Kern eines Bundesstaats u. a. zum Ziel, die Verwaltungen der einzelnen Glieder gegen eine Ausweitung der gesamtstaatlichen Befugnisse abzuschotten.223 In diesem Zusammenhang habe man die Gemeinden und Gemeindeverbände nach den Grundlagen der Staatsorganisation und Finanzverfassung den Ländern zuzurechnen. Die nach der Kompetenzordnung verteilten Zuständigkeiten seien, von wenigen, eng begrenzten Ausnahmen abgesehen, „mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation“ auszuführen und durchzusetzen.224 Dies sei eine zwingende Folge aus dem im Grundgesetz geltenden „Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“, der nur begrenzte Ausnahmen aus besonderen sachlichen Gründen kenne.225 Der grundgesetzlichen Differenzierung der Verwaltungskompetenzen sei des Weiteren zu entnehmen, dass ohne diesbezügliche grundgesetzliche Anordnung „Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse gleich welcher Art im Aufgabenbereich der Länder […] ausgeschlossen sind“226. Die Art. 83 ff. GG begründeten insoweit in ihrem „Normgefüge“ ein restriktives Verständnis der Kompetenzordnung: Soweit Aufgaben den Ländern oblägen und der Verfassungstext dazu schweige, sei jede Befugnis des Bundes auf diesem Gebiet ausgeschlossen. Abgesehen von Ausnahmen gehe das Grundgesetz daher von einem regelmäßigen Ausschluss einer Mischverwaltung aus.227 Andererseits ermögliche das Grundgesetz jedoch ein Zusammenwirken von Bund und Ländern auf einzelnen Gebieten in vielfacher Weise, die Verwaltungseinheiten seien innerhalb des von Art. 83 ff. GG vorgegebenen Rahmens nicht strikt voneinander getrennt.228 Die genannte Trennung diene vielmehr einer klaren Abgrenzung, indem die Kompetenzen eindeutig und vollständig erkennbar blieben, wie es „Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit“229 bzw. die diesen zugeordnete „Klarheit der Kompetenzordnung“230 verlangten. Hierdurch sei das verantwortliche Organ für den außenstehenden Bürger unmittelbar zu identifizieren und die Verwaltung werde strukturell sowie kompetenziell „greifbar“231. Nicht zuletzt gebiete es auch das Demokratieprinzip, im Bereich der Kompetenzen ausreichende Klarheit zu schaffen. Denn demokratisch verantwortlich könne 223 Vgl. erneut BVerfGE 119, 331 (364) und dies aufgreifend Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 5. 224 Zum Vorstehenden inkl. Zitat BVerfGE 119, 331 (364 und 367). 225 Zum Vorstehenden samt Zitat BVerfGE 119, 331 (367). 226 BVerfGE 119, 331 (365); in derselben Weise bereits BVerfGE 39, 96 (120). 227 Zum Vorstehenden BVerfGE 119, 331 (365). 228 BVerfGE 119, 331 (365). 229 BVerfGE 119, 331 (366), zu dieser Thematik insgesamt S. 365 f. 230 So BVerfGE 119, 331 (366). 231 So BVerfGE 119, 331 (366).

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

nur derjenige sein, der für den Bürger eindeutig als Handelnder zu identifizieren sei. Dies verlange wiederum eine durchgehende Legitimationskette vom jeweiligen Bundes- oder Landesvolk zu dem handelnden Amtsträger, da nur dieses für seinen jeweiligen Bereich die Handlungsbefugnis mit dem nötigen Legitimationsniveau verschaffen könne. Nur eine klare Verantwortungszurechnung vermittele dem einzelnen Bürger die Möglichkeit, bei der nächsten Wahl zu reagieren.232 Letztlich widerspräche es auch dem Grundgedanken der grundgesetzlichen Kompetenzvorgaben, würden Einrichtungen der Landesverwaltung in weitem Umfang für Zwecke der Bundesverwaltung genutzt werden können.233 b) Verfassungswidrigkeit von § 44b SGB II a. F. Gemäß den unter a) genannten Grundsätzen erkannte das Bundesverfassungsgericht in der Regelung des § 44b SGB II a. F. einen Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 83 ff. GG.234 Die Norm ordnete an, dass die Agentur für Arbeit als Einrichtung des Bundes sowie kommunale Träger miteinander Arbeitsgemeinschaften (sog. ARGEn) bilden, denen sie ihre Aufgaben übertragen. Diesbezüglich legte das Bundesverfassungsgericht in mehrfacher Hinsicht verfassungsrechtliche Bedenken dar: Auf diese Weise werde den ARGEn eine eigene Aufgabenzuständigkeit gewährt, ohne dass lediglich eine räumliche Zusammenfassung verschiedener Behörden vorläge. Sie sollten gerade nicht die selbstständigen Einheiten von Bund und Ländern zusammenfassen, sondern vielmehr selbsttätig „die gesamten operativen Aufgaben einer hoheitlichen Leistungsverwaltung wahrnehmen“, z. B. mittels eigener Verwaltungsakte.235 Dies entspräche der gesetzlichen Zielsetzung, die Grundsicherung trotz der weiterhin geteilten Leistungsträgerschaft „aus einer Hand“ zu gewähren.236 Wenngleich den Trägern die Form und Organisation überlassen werde, handele es sich doch um eine kollektive Institution des Bundes und der Kommunen mit eigenständiger Hoheitsgewalt.237 Es handele sich demgemäß um eine „selbstständige Organisationseinheit“, die sich nicht auf Koordination und Information beschränke, sondern selbsttätig verbindliche Rechtsakte gegenüber dem Bürger erlassen könne.238 Demzufolge müssten die ARGEn als gemeinschaftliche Einrichtungen aus Bund (Bundesagentur für Arbeit) und Ländern (Kommunale Träger) qualifiziert werden, 232

Zum Vorstehenden insgesamt BVerfGE 119, 331 (366). BVerfGE 119, 331 (367). 234 BVerfGE 119, 331 (361). 235 Zum Vorstehenden inkl. Zitat BVerfGE 119, 331 (368). 236 Hierzu BVerfGE 119, 331 (368) unter wörtlichem Zitat der von der Bundesregierung im Rahmen ihres gerichtlichen Vorbringens (dazu a. a. O., S. 345) gewählten Formulierung. 237 BVerfGE 119, 331 (367 f.). 238 Zum Vorstehenden inkl. Zitat BVerfGE 119, 331 (368). 233

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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die im Grundgesetz – ausgehend vom Zeitpunkt der Entscheidung – nicht vorgesehen seien.239 Ausschlaggebend sei nach dem Bundesverfassungsgericht insofern die gemeinsame Verrichtung der Aufgaben durch die gemischten Leistungsträger trotz der bei ihnen jeweils verbliebenen Letztverantwortlichkeit. Der Vollzug hoheitlicher Aufgaben durch eine weitere (Misch-)Institution neben Bund und Ländern sei in dem grundgesetzlichen Kompetenzgeflecht für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende allerdings nicht vorgesehen.240 Ferner lägen die Voraussetzungen einer von der Verfassung akzeptierten, ungeschriebenen Ausnahme von diesen Grundsätzen, die gemeinsames Handeln auch ohne verfassungsrechtliche Ermächtigung zuließe, nicht vor. Eine derartige Ausnahme ohne besondere Ermächtigung im Grundgesetz könne nur in begrenzter Weise zugelassen werden.241 Neben einem sachlichen Grund für die Mischform hätte es hierzu im Mindesten noch einer eng begrenzten Verwaltungsmaterie bedurft.242 Beides sei im Hinblick auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende jedenfalls nicht zu bejahen: Zum einen beträfen die Regelungen das umfangreiche Rechtsgebiet der Sozialverwaltung und berührten demgemäß erhebliche Sozialleistungen des Staates gegenüber den Bürgern.243 Zum anderen handele es sich bei der Leistungsgewährung ‚aus einer Hand‘ zwar um ein sinnvolles Regelungsziel, doch hätten alternative Umsetzungsmöglichkeiten ohne verfassungsrechtliche Problematik bestanden. Insbesondere hätte das Ziel auch durch eine einschichtige Kompetenz entweder des Bundes oder der Länder hergestellt werden können, wie es zunächst auch im Gesetzgebungsverfahren angedacht gewesen sei. Die Entscheidung, zwei Träger zu bestimmen und ihre Tätigkeiten zu verknüpfen, erscheine vor diesem Hintergrund auch unter Berücksichtigung der weiteren Möglichkeit von Options­kommunen nicht zwingend.244 Die fehlende politische Einigungsfähigkeit oder das historisch gewachsene Nebeneinander von Sozial- und Arbeitslosenhilfe rechtfertigten demgegenüber jeweils nicht, von den verfassungsrechtlichen Vorgaben Abstand zu nehmen.245 Dementsprechend widerspreche die Schaffung von selbstständigen Arbeitsgemeinschaften in § 44b SGB  II dem Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung, da die jeweiligen Verwaltungsträger hierdurch nicht mehr in der

239

BVerfGE 119, 331 (368 f.). Zum Vorstehenden BVerfGE 119, 331 (369). 241 Vgl. insoweit bereits die frühere Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 1983 in BVerfGE 63, 1 (41), auf welche BVerfGE 119, 331 (370) Bezug nimmt; in beiden Fällen heißt es explizit: „nur hinsichtlich einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie“ (zum Zitat jeweils a. a. O.). 242 BVerfGE 119, 331 (370). 243 BVerfGE 119, 331 (370). 244 Zum Vorstehenden BVerfGE 119, 331 (371). 245 BVerfGE 119, 331 (372). 240

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

Lage seien, die ihnen übertragenen Aufgaben durch eigene Einrichtungen, mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen.246 Stattdessen sei zwangsläufige Folge der doppelten Trägerschaft und einheitlichen Aufgabendurchführung, dass Aufgaben nur wirksam vollzogen werden könnten, wenn sich die Vorstellungen beider Träger deckten. Die Arbeitsgemeinschaften sähen unabhängige Entscheidungen jedes Trägers in weitem Umfang nicht mehr vor, sondern zwängen beide Träger zu entsprechenden Einigungen. Durch das einheitliche Gerüst der Arbeitsgemeinschaften finde eine untrennbare Verbindung der Aufgaben von Arbeitsagenturen und kommunalen Trägern statt, die in einer einheitlichen Entscheidung münde. Mangels in Einzelteile zerlegbarer Verwaltungsakte werde immerhin einheitlich über zentrale Fragen wie Erwerbsfähigkeit und Hilfsbedürftigkeit entschieden.247 Ohne den Verzicht eines Trägers bei widerstreitenden Auffassungen könne eine Entscheidung nicht mehr getroffen werden.248 Gleichzeitig habe die enge Verknüpfung zur Folge, dass Weisungen oder Anordnungen eines Trägers sich unmittelbar auf die Leistung des anderen auswirkten und diesen in seiner Entscheidungsfreiheit begrenzten. Außerdem müssten zwecks Bündelung der Wahrnehmungskompetenzen in den Arbeitsgemeinschaften die jeweiligen Daten zur gemeinsamen Verwaltung und Verarbeitung zusammengeführt werden.249 Schließlich stehe auch der organisatorische und strukturelle Aufbau der Arbeitsgemeinschaften einer eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung beider Träger entgegen.250 Eigenverantwortlichkeit setze naturgemäß die Einwirkung auf den organisatorischen Ablauf sowie den Aufgabenvollzug im Einzelnen nach eigenen Vorstellungen voraus. Könnten aber die diesbezüglichen Entscheidungen stets nur in Abstimmung mit einem anderen Träger getroffen werden, fehle es an der eigenen Letztentscheidungsmöglichkeit und eine eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung sei nicht gewährleistet. Nicht nur die Personalauswahl, insbesondere bezüglich der Behördenleitung, könnte nicht eigenständig durchgeführt werden, vielmehr träfen Gremien wie Gesellschafterversammlung oder Trägerversammlung, die paritätisch aus Mitgliedern beider Lager besetzt würden, wesentliche Entscheidungen über die Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften. Folge dessen sei eine Verschränkung beider Träger in wesentlichen Fragen, gleichsam eine „Vergemeinschaftung ihrer Willensbildung“251, was nicht nur eine Kompromisspflicht mit sich bringe, sondern zugleich eine Blockadeanfälligkeit in sich berge. Eine Selbstbeschränkung eines Trägers gegenüber dem anderen, um diese Verzahnung aufzulockern, hätte hingegen negative Auswirkungen auf die Erfüllung seiner eige 246

BVerfGE 119, 331 (372 f.). Zum gesamten Absatz BVerfGE 119, 331 (373). 248 BVerfGE 119, 331 (376). 249 Zum Vorstehenden BVerfGE 119, 331 (374). 250 BVerfGE 119, 331 (374). 251 So BVerfGE 119, 331 (375). 247

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nen Zuständigkeiten und brächte insoweit gleichfalls einen Einschnitt in die eigene Aufgabenwahrnehmung mit sich.252 Belegt würden diese Mängel der Eigenverantwortlichkeit schließlich auch durch die Aufsichtsregelungen, weil wegen der Mischstruktur der Arbeitsgemeinschaften gleichzeitig auch eine Aufsicht über die dem anderen Träger zugeordneten Aufgaben und Maßnahmen bestünde.253 Aufsichtsrechtlich bestehe deswegen eine „problematische Zwischenstellung […] als Mischverwaltung“, zumal die mehrfache Aufsicht undurchsichtig sei und es keine wirksamen Vorkehrungen gebe, um ein Einvernehmen bei einer derartigen „Mischaufsicht“ herzustellen.254 Wenngleich die Zuständigkeit eines der beiden Träger für die jeweilige Leistung noch bestimmbar sei, misslinge  – und alleine dies sei entscheidend  – die klare Zurechnung staatlichen Handelns zu einem von ihnen infolge ihrer engen orga­ nisatorischen und personellen Verflechtung bei der Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften. Weil deren Zuordnung zur Bundes- oder zur kommunalen Ebene unklar und mangelhaft ausgestaltet sei, träten zudem Unsicherheiten bei der Anwendung von Bundes- oder Landesrecht auf, beispielsweise im Bereich des Vollstreckungs- und Datenschutzrechts.255 Die genannten Unklarheiten bezüglich Einwirkungsmöglichkeiten und Verantwortungszurechnung hätten „Freiräume in den Arbeitsgemeinschaften“ und dadurch „die Gefahr einer Verselbstständigung ohne hinreichende Kontrolle“ zur Folge, d. h. es fehle an einem effektiven Weisungs-, Kontroll- und Aufsichtsrecht samt der möglicherweise im Einzelfall gebotenen Reaktion.256 Hierdurch seien Kompetenzkonflikte bzw. die Gefahr des Verzichts auf Steuerung vorprogrammiert.257 Darüber hinaus stellte das Bundesverfassungsgericht einen Eingriff in die kommunale Personalhoheit der Gemeindeverbände fest, da wesentliche Elemente der Personalführung in der Praxis in den Händen des Geschäftsführers der Arbeits­ gemeinschaft lägen und Personalentwicklungsmaßnahmen angesichts des außerhalb kommunaler Beschäftigungsstrukturen stehenden Personals erschwert würden.258 Wegen der konsensualen Entscheidung beider Träger über Ausgabenumfang und -art sei die finanzielle Eigenverantwortung beschränkt und eine starke wechselseitige Beeinflussung der Finanzierungsverantwortung gegeben, was zudem die kommunale Finanzhoheit in erheblichem Maße berühre.259

252

BVerfGE 119, 331 (376 f.). Zum gesamten Absatz BVerfGE 119, 331 (375, 377 f.). 254 Zum Vorstehenden einschließlich der beiden Zitate BVerfGE 119, 331 (377 f.). 255 Zum gesamten Absatz BVerfGE 119, 331 (379). 256 Zum Vorstehenden inkl. beider Zitate BVerfGE 119, 331 (380). 257 BVerfGE 119, 331 (380 a. E.). 258 BVerfGE 119, 331 (381). 259 BVerfGE 119, 331 (382). 253

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

3. Folgen der Verfassungswidrigkeit Aufgrund der genannten Verfassungsverstöße wäre § 44b SGB II a. F. grundsätzlich für nichtig zu erklären gewesen. Allerdings gibt es Situationen, in denen aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere weil sie einen „Zustand herbeiführen, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung noch weniger entsprechen würde […]“260, eine verfassungswidrige Vorschrift für eine Übergangszeit trotzdem aufrechterhalten werden soll und deshalb nur ihre Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz festgestellt wird.261 In dieser Weise ist auch das Bundesverfassungsgericht vorliegend verfahren: Um zu vermeiden, dass in der Zwischenzeit bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber ein ungeordneterer Zustand entstünde, der trotz seiner Verfassungsmäßigkeit gewissermaßen ein rechtliches Vakuum zur Folge hätte, ließ das Gericht die Norm übergangsweise unangetastet.262 Immerhin deckten die im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gewährten Leistungen weite Bereiche der Sozialleistungen des Staates ab. Hätte diese Aufgabe im Falle einer Nichtigerklärung von einem Tag auf den anderen nicht mehr durch die Arbeitsgemeinschaften wahrgenommen werden können, wäre es angesichts der grundlegenden Auswirkungen für Leistungsberechtigte und Beschäftigte zwangsläufig zu unklaren und mutmaßlich ungeordneten Zuständen auf dem Gebiet der Sozialverwaltung gekommen.263 Zu diesem Zweck erklärte das Bundesverfassungsgericht § 44b SGB II a. F. ledig­ lich für unvereinbar mit dem Grundgesetz und gab dem Gesetzgeber auf, bis spätestens zum 31. Dezember 2010 verfassungsgemäße Zustände zu schaffen.264 Bis zu diesem Zeitpunkt sollte die alte Regelung trotz ihrer Verfassungswidrigkeit fortgelten. Hierbei berücksichtigte das Gericht, dass der Gesetzgeber einen in der Wissenschaft und im politischen Willensbildungsprozess als notwendig erachteten, historisch einmaligen Vorgang umzusetzen versucht habe und die Aufgabe wegen ihrer Komplexität sowie aufgrund der historisch gewachsenen Strukturen eine gut durchdachte Lösung erfordere.265 4. Abweichende Meinung: Verfassungskonforme Auslegung Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erging allerdings nicht einstimmig, da die Richter Broß und Gerhard sowie die Richterin Osterloh zu einer abweichenden rechtlichen Lösung gelangten, die sie in einem Sondervotum formu 260

So ursprünglich BVerfGE 8, 1 (19) und ähnlich nunmehr BVerfGE 119, 331 (382 a. E.). Vgl. zusammenfassend anstelle vieler Voßkuhle, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art.  93 Rn.  48 f. m. w. N.; Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art.  93 Rn. 315 f. m. w. N. 262 BVerfGE 119, 331 (382 f.). 263 Mit dieser Feststellung BVerfGE 119, 331 (383). 264 BVerfGE 119, 331 (382). 265 BVerfGE 119, 331 (384). 261

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lierten. Nach ihrer Ansicht stünde § 44b SGB II a. F. einer verfassungskonformen Auslegung offen und begegne unter diesen Umständen folglich keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.266 a) Trennung von Wahrnehmung und Verantwortung Dem Sondervotum zufolge bestünde die Möglichkeit, § 44b SGB II a. F. dahingehend zu verstehen, dass die eigentliche Sachkompetenz bei den Verwaltungsträgern verbleibe und nur die Wahrnehmungskompetenz bei den gebildeten Arbeitsgemeinschaften liege.267 Bei diesem Verständnis sei den Arbeitsgemeinschaften von vornherein nur die Durchführung der Aufgaben zwecks „Optimierung der Verwaltungsabläufe“ übertragen, ohne dass sie zugleich selbst zum Träger würden oder die wahren Träger ihre Eigenständigkeit verlören.268 In ihnen werde mit anderen Worten nur die „Kompetenz zur Wahrnehmung dieser Aufgaben gebündelt“269, gewissermaßen als eine Art „gebündelte Komplementärzuständigkeit“270, die von einer eigenen Sachkompetenz zu unterscheiden sei.271 Dabei nähmen die Arbeitsgemeinschaften nur ihre Befugnis wahr, Einzelfallregelungen mit Wirkung für den zuständigen Träger zu treffen.272 Die (Letzt-)Verantwortlichkeit für die getroffenen Entscheidungen hingegen bliebe stets dem zuständigen Verwaltungsträger vorbehalten, dem insoweit auch Aufsicht und Weisungsbefugnis zum Zwecke seiner Letztentscheidungskompetenz zustünde.273 Die Bundesagentur für Arbeit sowie die kommunalen Träger blieben somit Zurechnungssubjekte der ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben, ihre Finanzierungsund Gewährleistungsverantwortung werde nicht tangiert. Lediglich die Wahrnehmungszuständigkeit und Durchführungsverantwortung ginge auf die Arbeits­ gemeinschaften über. Eine Einigung über Voraussetzungen im Einzelfall zwischen beiden habe nicht Kompromisscharakter, sondern betreffe lediglich Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Diese sei aber nicht mit der sachlichen Zuständigkeit gleichzusetzen, da Mitwirkungsrechte im Kompetenzbereich des anderen Trägers von vornherein nicht eingeräumt worden seien. Insoweit bliebe die Letztentscheidungskompetenz und -verantwortlichkeit gewahrt.274

266

Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (386). Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (386). 268 Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (386 f.). 269 So im Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (387). 270 So im Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (390). 271 Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (390). 272 Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (387 a. E.). 273 Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (388 f.). 274 Zum gesamten vorstehenden Absatz vgl. das Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (388 f.). 267

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

Die Arbeitsgemeinschaften könnten bildlich mit einem Mantel verglichen werden, in den die Leistungsträger unter Beibehaltung ihrer Eigenständigkeit schlüpften. In der reinen Wahrnehmung nach außen liege aber noch keine Abweichung vom Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung oder eine Verwischung der Verantwortlichkeiten. Eine derartige verfassungskonforme Auslegung sei möglich und nötig.275 b) Föderalismus und Gestaltungsfreiheit Darüber hinaus seien die Art. 83 ff. GG nicht geeignet, das Bild der kommunalen Selbstverwaltung mitzubestimmen, weil dort ausschließlich das zweigliedrige System von Bund und Ländern geregelt werde. Die von der Senatsmehrheit angestrebte „rechtliche Durchnormierung“ sei weder verfassungsrechtlich geboten noch stärke sie die „Weiterentwicklung eines lebendigen Föderalismus“.276 Wünschenswert wären stattdessen subsumtionsfähige verfassungsrechtliche Maßstäbe.277 Insbesondere werde dem komplexen Konzept des hinreichenden demokratischen Legitimationsniveaus der Rückgriff auf die Legitimationskette nicht gerecht.278 Schließlich dürfe die verfassungsrechtliche Kontrolle auch nicht unberücksichtigt lassen, dass der Gesetzgeber im Rahmen der ihm zugewiesenen Gestaltungsfreiheit durch die Neuregelung Erfahrungen auf einem absolut neuartigen Gebiet zu sammeln bemüht gewesen und die Zulässigkeit der Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Grundsatz zu bejahen sei.279 Stattdessen habe die Mehrheit das bloße „Fehlen gesetzlicher Detailvorgaben für die verwaltungsorganisatorische Ausgestaltung“ zum Anlass genommen, die Regelung sofort zu beseitigen.280

VI. Lösungsvorschläge und -ansätze in der Politik zwischen 2008 und 2010 Das im vorangegangen Abschnitt zusammengefasst wiedergegebene Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember 2007 hatte eine umfassende Diskussion in der Literatur und in der Politik zur Folge. Diese war nicht zuletzt auch dem Umstand geschuldet, den Anforderungen in der gesetzten Frist gerecht zu werden.

275

Zum Inhalt des letzten Absatzes siehe ebenfalls das Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (390). 276 Auch zum Vorstehenden einschließlich der beiden Zitate siehe das Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (392). 277 Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (392). 278 Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (392 f.). 279 Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (393). 280 Zum Vorstehenden samt Zitat Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (394).

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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In den drei Jahren nach der Verkündung des Urteils wurden zahlreiche, mitunter weit auseinander gehende Vorschläge281 gemacht; das Meinungsbild verschob sich mehrfach nicht unwesentlich im Laufe der Jahre, bis im Sommer 2010 endlich eine endgültige Entscheidung getroffen und in die Tat umgesetzt wurde. Anlass für den mehrfachen Wandel war die trotz der zwischenzeitlichen Neuformierung von Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat fortbestehende Vielschichtigkeit der Standpunkte und Vorstellungen, wie sie bereits bei der Entwicklung des neuen Konzepts der Grundsicherung in 2003 bestanden hatte. Immerhin hatte dieser Konflikt schon damals nur durch Verständigung und gegenseitige Zugeständnisse im „gesetzgeberischen Kompromiss“ der Arbeitsgemeinschaften gelöst werden können.282 Die gegenläufigen Ansichten283, die bereits in dem damaligen Gesetzgebungsverfahren eine Einheitslösung zugunsten eines alleinigen Trägers, d. h. entweder Bund oder Länder, favorisierten, sprachen sich nun erneut für einen solchen Alternativvorschlag aus: Während einige der Bundesagentur für Arbeit die Trägerschaft zu überantworten gedachten, sahen andere die kreisfreien Städte und Landkreise in der alleinigen Verantwortung.284 1. Ansatzmöglichkeiten Auf Basis der vom Bundesverfassungsgericht genannten Kritikpunkte an der bisherigen Umsetzung in den ARGEn wurden für eine Änderung des bestehenden Zustands vier verschiedene Varianten erwogen, um die Verfassungswidrigkeit der bisherigen Rechtslage zu beseitigen: Zunächst hätte die Aufgabenwahrnehmung vollständig und einheitlich den Ländern überantwortet werden können.285 Hierfür wäre wegen der Regelzuständigkeit der Länder gemäß Art. 83 f. GG nicht einmal eine Verfassungsänderung notwendig gewesen. Dem entgegengesetzt hätte – wobei dies einer eingehenden Prüfung und gegebenenfalls einer Verfassungsänderung bedurft hätte – die Möglichkeit bestanden, dem Bund vollständig die Aufgaben auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende anzuvertrauen. Eine weitere Idee zielte darauf ab, die damalige Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern / Kommunen unter Aufgabe des Einheitsmodells, d. h. der ­ARGEn, 281 Guter Überblick etwa bei Nakielski, Soziale Sicherheit 2010, 165 (167 ff.). Rückblickend spricht Meyer, NVwZ 2015, 116 (117) von einer durch „Irrungen und Wirrungen geprägten politischen Debatte“. 282 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Langer, in: FG Bieback, S. 117 (121). 283 Zum Streitstand im Überblick: Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 33. 284 Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 8. 285 Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (374), hierzu vgl. im Einzelnen nachfolgend in § 2 VI. 5. a).

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

mit dem bereits existierenden, einfachgesetzlichen Inhalt wieder aufzunehmen und hierdurch ein „Modell getrennter Aufgabenwahrnehmung“286 zu reaktivieren. Folge dessen wäre allerdings gewesen, dass an die historische Doppelung rückangeknüpft und entgegen der gesetzgeberischen Intention einer Grundsicherung ‚aus einer Hand‘ auch in Zukunft eine Doppelbelastung des Staates bei der Informationsgewinnung, Fallbearbeitung und entscheidung notwendig geworden wäre.287 Und schließlich gab es von den drei vorgenannten Varianten, die allesamt eine Änderung des bestehenden Zustands zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit verlangt hätten, abweichende Bestrebungen, die nach einfachem Recht geltende Mischverwaltung in unveränderter Weise fortzusetzen und lediglich durch eine Verfassungsänderung rechtlich abzusichern288, obwohl das Bundesverfassungsgericht eine derartige Fortschreibung der doppelten Trägerschaft nicht für zwingend erachtet hatte.289 Derartige Ansätze wurden vereinzelt in Anbetracht „der bislang unklaren Aufsichts-, Kontroll- oder Kooperationswege sowie der besonderen Personalsituation in kooperativen Modellen“ und wegen der demgegenüber hiermit geschaffenen Rechtssicherheit ausdrücklich begrüßt.290 2. Getrennte Aufgabenwahrnehmung (Ende 2007) Unmittelbar im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr  2007 äußerte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, künftig einer getrennten Aufgabenwahrnehmung von Bund und Ländern auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuzuneigen.291 Nähere Ausarbeitungen in diese Richtung erfolgten jedoch nicht bzw. wurden jedenfalls nie veröffentlicht. 3. Kooperative Jobcenter (2008) Im Februar 2008 setzten sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie die Bundesagentur für Arbeit durch ein gemeinsam erarbeitetes Eckpunkte­ papier mit der durch das Bundesverfassungsgericht gestellten Aufgabe ausein­ 286

So Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (374), hierzu näher § 2 VI. 2. Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 9 spricht von zweifacher Tatsachenermittlung, zweifachen Entscheidungen und deutlich mehr Arbeitsaufwand; s. a. Korioth, DVBl. 2008, 812 (817). 288 Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (374); Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443). 289 Vgl. die ausdrückliche Feststellung: „sachlicher Grund zur Vermischung beider Möglichkeiten [Anm.: Wahrnehmung entweder durch Bund oder durch die Länder] besteht nicht“ in BVerfGE 119, 331 (371). 290 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Gusy / Worms, RuP 2008, 146 (146). 291 Vgl. BMAS, Material für die Presse vom 21. Dezember 2007 mit dem Titel „Aufgabenwahrnehmung in getrennter Trägerschaft: das Modell Arbeitsagentur und Kommune unter einem Dach“, verfügbar unter http://doku.iab.de/externe/2008/k080213f08.pdf (zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016). 287

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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ander.292 Darin wurden sog. „kooperative Jobcenter“ aus den Leistungsträgern Kommune und Bundesagentur für Arbeit vorgeschlagen, welche die Dienstleistun­ gen unter einem Dach auf der Basis freiwilliger Kooperationsvereinbarungen mit klarer Eigenverantwortung und transparentem Kommunikationssystem erbringen könnten.293 Diese partnerschaftliche Aufgabenwahrnehmung bei gleichzeitiger Fortsetzung einer geteilten Trägerschaft sollte ein gemeinsames Tätigwerden in verfassungskonformer Weise, d. h. ohne Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung, bewirken.294 Nach der Vorstellung dieses Konzepts könnte einerseits eine konsequente Aufgabenwahrnehmung unter einem „gemeinsame[n] Dach“, aber weiterhin durch getrennte Träger erfolgen, doch wäre gleichwohl andererseits eine bloß fakultative und auf die Umsetzung begrenzte Kooperation nicht ausgeschlossen.295 Der Vorteil einer solchen Lösung wäre es gewesen, dass sämtliche schon bestehenden Regelungen zur Aufgaben- und Finanzierungslast keiner Änderung bedurft hätten und gleichzeitig die Eigenverantwortlichkeit hätte maximiert werden können.296 Allerdings äußerten die Länder bereits frühzeitig Kritik an einem derartigen Konzept.297 Ihre Ablehnung wurde von vereinzelten Stimmen im Schrifttum auf 292

Vgl. Eckpunktepapier „Das kooperative Jobcenter. Erster Vorschlag zu Eckpunkten“ des damaligen Staatssekretärs im BMAS, Detlef Scheele, und des Vorstandsvorsitzenden der BA, FrankJürgen Weise, vom 12. Februar 2008, ursprünglich verfügbar unter http://www.sh-landkreistag.de/ media/custom/100_23592_1.PDF (zuletzt abgerufen am 6. August 2013; jetzt nicht mehr verfügbar). 293 Scheele-Weise-Eckpunktepapier vom 12. Februar 2008 (siehe dazu die vorangegangene Fn. 293); zu einem späteren Zeitpunkt aktualisierte Fassung des Eckpunktepapiers (Titel: „Das Kooperative Jobcenter. Vorschlag zu den Eckpunkten“) vom 23. April 2008, verfügbar unter http://www.bagkjs.de/media/raw/Eckpunkte_Jobcenter_Stand_23_April_2008_endg.pdf (zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016); vgl. zu den ersten Entwicklungen auch FAZ, Nr. 38 vom 14.  Februar 2008, S.  12 sowie gemeinsame Pressemitteilung des BMAS, der BA und des Deutschen Städtetages vom 7. April 2008 (verfügbar unter http://www.presseportal.de/ pm/6776/1167261 – zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016). 294 Im Einzelnen ausgeführt in von Mutius, Gutachten Grundsicherung für Arbeitssuchende, S. 83 ff., dort unter der Bezeichnung als neugestaltetes „Zentrum für Arbeit (ZfA)“ (zum Zitat z. B. S. 83) und mit gleichzeitiger Kritik an den bisherigen abweichenden Lösungsmodellen (einheitliche Aufgabenwahrnehmung eines Trägers oder duale Teilung derselben) auf S. 52 ff. Kürzere Zusammenfassung des gesamten Gutachtens auch bei von Mutius / von Mutius, KommJur 2008, 201 ff., dort insbesondere auf S.  205 ff. zu dem neuen Kooperationsmodell. Siehe im Übrigen aus dem Schrifttum auch Nakielski, Soziale Sicherheit 2010, 165 (167); Rusch­ meier / Oschmiansky, ZfF 2010, 169 (169); Bredehorst, in: FG Bieback, S. 89 (94). 295 Zum Vorstehenden samt Zitat von Mutius, Gutachten Grundsicherung für Arbeitssuchende, S. 83 ff. (zum Zitat S. 83). Dieser gelangt im Fazit (dazu samt Zitat a. a. O., S. 112) zu dem Ergebnis, dass durch die vorgeschlagenen Zentren für Arbeit „die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts […] gewahrt werden“; vgl. ferner erneut die Zusammenfassung des Gutachtens bei von Mutius / von Mutius, KommJur 2008, 201 ff., dort mit demselben Fazit auf S. 207. Zu dem Grundgedanken eines solchen Organisationsmodells und den rechtlichen Auswirkungen s. a. Langer, in: FG Bieback, S. 117 (124 f.). 296 Scheele-Weise-Eckpunktepapier vom 12. Februar 2008 (siehe dazu bereits Fn. 293), S. 1, 3; ferner Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 91e Rn. 15. 297 Vgl. FAZ, Nr. 97 vom 25. April 2008, S. 12 und in gleichem Zusammenhang das Contra der Landräte, wie in FAZ, Nr. 91 vom 18. April 2008, S. 13 berichtet wurde. Dagegen befürwortete der Städte- und Gemeindebund die Planungen des BMAS, vgl. FAZ, Nr. 72 vom 27. März 2008, S. 13.

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

gegriffen298: Wenngleich die neue Idee der „kooperativen Jobcenter“ in Ermange­ lung konkreter Gestaltungsvorschläge noch nicht ernstlich diskutiert werden könne, enthielten erste Konzeptvorschläge bereits bedenkliche oder sogar unzulässige Ideen.299 Insbesondere das durch die Bezeichnung erkennbare Verständnis der Kommunen als „eigenverantwortliche Geschäftseinheiten der Agentur für Arbeit vor Ort“300 ginge über das eigentliche Ziel einer Kooperation hinaus, weil die Kommunen hierdurch an der Aufgabenwahrnehmung des Bundes nur noch partizipierten anstatt – dem tatsächlichen Charakter einer getrennten Trägerschaft mit kooperativen Elementen entsprechend  – selbst eigenverantwortlich tätig zu werden.301 Darüber hinaus wurde kritisiert, dass auf diese Weise die Aufgabe des avisierten Einheitsmodells für die Grundsicherung für Arbeitsuchende manifestiert werde302, zwangsläufig verbunden mit der aufwändigeren Ausstellung getrennter Bescheide und der Rückkehr zur früheren Nichterbringung der Leistungen ‚aus einer Hand‘. Denn im Rahmen der Kooperation sei zwar eine gemeinsame Entgegennahme sowie eine intern untereinander angeglichene Bescheidung von Anträgen zulässig303, nicht hingegen eine irgendwie geartete Eingliederung der Kommunen, von denen jede selbstständig Vertragspartner des Bundes wäre, in die Agenturen für Arbeit.304 Die reine Zusammenarbeit ohne institutionelle Verbindung wäre demnach wegen der darauf bezogenen Dispositionsrechte der Beteiligten bei der Aufgabenwahrnehmung ausschließlich im Hinblick auf partnerschaftliche Zusammenarbeit, abgestimmte Kommunikation sowie kollektive Verwertung von Infrastruktur und Personal, nicht aber bezogen auf (die Eigenständigkeit einschränkende) Vorgaben für Entscheidungsprozess oder -ergebnis zulässig.305 4. Zentren für Arbeit und Grundsicherung (2008) Nachdem von Seiten der Länder und kommunalen Spitzenverbänden Kritik geäußert worden war und eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils im Mai / Juni 2008 an dessen praktischer Realisierung scheiterte306, tagte im Jahr 2008 die Arbeits- und Sozialministerkonferenz 298

Vor allem Gusy / Worms, RuP 2008, 146 (149 ff.); Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann /  Henneke, GG, Art. 91e Rn. 16. 299 Gusy / Worms, RuP 2008, 146 (149 ff.). 300 So im Scheele-Weise-Eckpunktepapier vom 12. Februar 2008 (siehe dazu bereits Fn. 293), S. 5. 301 Gusy / Worms, RuP 2008, 146 (150 f.). 302 Vgl. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 91e Rn. 15. 303 Scheele-Weise-Eckpunktepapier vom 12.  Februar 2008 (siehe dazu bereits Fn.  293), S. 1, 3. 304 Gusy / Worms, RuP 2008, 146 (150). 305 Aufzählungen bei Gusy / Worms, RuP 2008, 146 (148 f., 150 f.). 306 Arbeitsgruppe eingesetzt am 9. Mai 2008, vgl. FAZ, Nr. 108 vom 9. Mai 2008, S. 16 sowie Nr. 109 vom 10. Mai 2008, S. 12; zur Ergebnislosigkeit siehe FAZ, Nr. 144 vom 23. Juni 2008, S. 14 und auch Bredehorst, in: FG Bieback, S. 89 (94).

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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der Länder und sprach dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales geschlossen eine Empfehlung (für die von den Ländern favorisierte Lösung) aus, die durch das Bundesverfassungsgericht bemängelte Mischverwaltung verfassungsrechtlich als Regelverwaltung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu fixieren.307 Im Nachhall dieses Beschlusses veröffentlichte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nur zwei Monate später, im September 2008308, eine neue, an die für verfassungswidrig erklärten ARGEn angelehnte Konzeption der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die – wie bereits aus dem Jahr 2003 bekannt – auf der Basis einer gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung in öffentlich-rechtlicher, neu zu gründender Organisationsform basierte.309 Hierfür wählte man die neue Bezeichnung „Zentren für Arbeit und Grundsicherung (ZAG)“, um die neu konzeptionierten Gebilde von den früheren ARGEn abzuheben und nicht von Beginn an dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit auszusetzen. Im Einzelnen war beabsichtigt, ohne weitere Zäsur oder Investitionen im Wege der Verfassungsänderung, aber im Übrigen mittels organisatorischer Anlehnung an den Vorgänger und nach dem gleichen Schema einer Mischverwaltung eine von der Verfassung getragene Einrichtung zu schaffen.310 Im Gegensatz zum früheren Versuch sollte dieses Zusammenwirken 307 Vgl. Beschluss der 85. Arbeits- und Sozialministerkonferenz 2008 am 13./14. November 2008 in Hamburg betreffend Top 8.10 ‚Neugestaltung der Organisationsstrukturen im Bereich SGB II‘, S. 24 ff. im Abdruck des gesamten Ergebnisprotokolls (verfügbar unter https://asmkintern. rlp.de/fileadmin/asmkintern/Beschluesse/Aeltere_Beschluesse/ergebnisprotokoll_85_asmk. pdf – zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016), darin insbes. S. 25. Bereits die Sonderkonferenz im Mai / Juli 2008 in Berlin hatte zu demselben Ergebnis geführt, wie die dortigen Beschlüsse betreffend die ‚Neuorganisation des SGB II‘ vom 9. Mai sowie vom 14. Juli 2008 belegen; siehe hierzu etwa FAZ, Nr. 163 vom 15. Juli 2008, S. 1 und 9; Nakielski, Soziale Sicherheit 2010, 165 (167); Langer, in: FG Bieback, S. 117 (121). 308 Zur gleichen Zeit startete das Land Hessen eine Gesetzesinitiative zur Änderung des Grundgesetzes. Nach dem vorläufigen Gesetzesantrag war die Einfügung eines Art. 91c und eines Art.  125d in das Grundgesetz avisiert, vgl. Pressemitteilung des Hessischen Sozialministeriums „Wettbewerb in der Arbeitsvermittlung dauerhaft sichern“ vom 4.  September 2008 (verfügbar unter https://portal.hessen.de/irj/HSM_Internet?rid=HSM_15/HSM_Internet/ nav/6c3/6c3709ac-c097-d801-33e2-dca737ab19f3,b1510c88-7eda-2c11-2668-4144e9169 fcc,,,11111111-2222-3333-4444-100000005004%26_ic_uCon_zentral=b1510c88-7eda-2c112668-4144e9169fcc%26overview=true.htm&uid=6c3709ac-c097-d801-33e2-dca737ab19f3  – zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016) sowie Antrag IV3–50u 0100 0001/2008/003 desselben (verfügbar unter http://www.bagkjs.de/media/raw/080904arbeitsvermittlung_anlage2_1_. pdf – zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016). 309 Vgl. Eckpunktepapier „Neuorganisation der Durchführung des SGB II“ des BMAS vom 23. September 2008, ursprünglich verfügbar unter http://www.lag-arbeit-hessen.net/fileadmin/ user_upload/BMAS_Eckpunkte_Neuorganisation_Traegerschaft_230908.pdf (zuletzt abgerufen am 6. August 2013; jetzt nicht mehr verfügbar); Überblick bei Nakielski, Soziale Sicherheit 2010, 165 (167); Ruschmeier/Oschmiansky, ZfF 2010, 169 (169); Dyllick / Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (16). 310 Vgl. Eckpunktepapier vom 23. September 2008 (siehe dazu die vorangegangene Fn. 310), S. 1 f. und im Einzelnen S. 4 ff.; des Weiteren Dyllick / Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (16), die ebenfalls auf den Gedanken zur Schaffung eines Art. 86a GG hinweisen, mit dem Inhalt, dass

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

von Bund und Ländern bzw. Kommunen in gemeinsamen Einrichtungen lediglich in das Grundgesetz übertragen werden. Im Dezember 2008 kündigte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Umsetzung der zuvor erarbeiteten Ideen erstmals konkrete Ausarbeitungen für eine Änderung des Grundgesetzes an. Danach sollte ein neuer Art. 87 Abs. 2a GG in das Grundgesetz eingefügt werden, ergänzt durch einen Art. 125d GG.311 Der Normentwurf des Art. 87 Abs. 2a GG sah vor, dass Bund und Länder bzw. Gemeinden / Gemeindeverbände in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirken können, die unter Bundesaufsicht stehen. Art. 125d GG vervollständigte diese Konzeption um eine Regelung zur Fortsetzung der Tätigkeit von Gemeinden, die zu diesem Zeitpunkt bereits zugelassen waren, und wies dem Bund die Ausgaben zu. Im Februar  2009 teilte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit, man habe sich nach Aussprache mit einigen Vertretern der Länder endgültig auf die Reformierung der Grundsicherung mittels der Zentren für Arbeit und Grundsicherung verständigt312, und legte eine aktualisierte Überlegung für eine Verfassungsänderung vor, die dieses Mal die Einfügung eines neuen Art. 86a GG in Aussicht stellte.313 Auch dieser Normentwurf war an die Formulierung des vorherigen angelehnt und ergänzte den bereits genannten Wortlaut bloß um eine Definition der gemeinsamen Einrichtungen als Anstalten des öffentlichen Rechts. Einen Monat später wurde wiederum ein neu gefasster, aber im Wesentlichen inhaltsgleicher Art. 125d GG nachgetragen.314 „zur Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitssuchende [sic] Bund und Länder bzw. Kommunen in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirken“; s. a. Langer, in: FG Bieback, S. 117 (121). 311 Vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art.  87 und 125d) vom 15. Dezember 2008, S. 3 (verfügbar unter http://www.lag-arbeit-nrw.de/de/aktuelles/ pdf/2008-12-16_Regierungsentwurf_zur_Grundgesetzaenderung.pdf  – zuletzt abgerufen am 17.  Dezember 2016). Hierzu ausführlich mit dem wörtlichen Abdruck des avisierten Normtextes: Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann / Henneke, GG, Art. 91e Rn. 18 und ders., Der Landkreis 2010, 371 (374). Eine solche Vorgehensweise hätte nach BVerfGE 137, 108 (142) eine Einpassung „in die überkommenen Verwaltungsstrukturen des Grundgesetzes“ bedeutet. 312 Nakielski, Soziale Sicherheit 2010, 165 (167 f.) mit Details zu dieser Mitteilung. 313 Vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 86a) vom 13. Februar 2009, S. 2 (verfügbar unter http://www.bagkjs.de/media/raw/GE_GGAeNDERUNG. pdf – zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016); hierzu Dyllick/Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (16) und erneut ausführlich inkl. wörtlichem Abdruck des geplanten Normtextes: Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 91e Rn. 20 und ders., Der Landkreis 2010, 371 (374). Zu diesen Planungen des BMAS ergingen zahlreiche kritische Stellungnahmen, u. a. vom Deutschen Landkreistag mit Schreiben vom 26. Februar 2009 (verfügbar unter http://www. sh-landkreistag.de/media/custom/100_25159_1.PDF  – zuletzt abgerufen am 17.  Dezember 2016) bzw. Präsidiumsbeschluss vom 2./3. März 2009 (vgl. Hinweis hierauf unter http://www. landkreistag.de/presseforum/pressemitteilungen/103-pressemitteilung-vom-3-maerz-2009. html – zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016). 314 Erneut ausführlich inkl. wörtlichem Abdruck des geplanten Normtextes: Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 91e Rn. 20 und ders., Der Landkreis 2010, 371 (374).

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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Die CDU / CSU-Bundestagsfraktion vermochte sich dem neuen Konzept der Grundsicherung für Arbeitsuchende allerdings nicht anzuschließen315, da „die vorgeschlagene Grundgesetzänderung […] diesen Demokratie-Verstoß nicht lösen, sondern ihn lediglich für unbeachtlich erklären und damit perpetuieren“316 würde. Die bevorstehende Bundestagswahl im Herbst 2009 schnitt nach dieser deutlichen Ablehnung die seinerzeitigen Ansätze eines neuen, vermeintlich verfassungsgemäßen Konzepts faktisch ab und schob insofern die Neuordnung der Grundsicherung auf unbestimmte Zeit hinaus.317 5. Weitere Diskussion über mögliche Gegenmodelle (2009) In der weiteren Diskussion wurden auch erneut die Modelle einer getrennten Aufgabenwahrnehmung entweder durch den Bund oder die Länder mitsamt der diesen zugewiesenen Kommunen erwogen. Die verschiedenen Ansätze, einem Träger die alleinige Kompetenz zu übertragen, waren ihren Grundlagen nach bereits in dem ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren des Jahres 2003 inhaltlich thematisiert und eingehend erörtert worden318, hatten sich jedoch damals wie heute gegen den Reformgedanken einer einheitlichen Grundsicherung für Arbeitsuchende und ihre Ausführung durch zentrale Stellen nicht durchsetzen können. a) Regelkompetenz der Länder Alternativ zu den in der Politik diskutierten Modellen wurde im Jahr 2009 insbesondere erwogen, den Ländern die alleinige Aufgabenwahrnehmung zuzubilligen, weil der Verwaltungsvollzug nach dem Grundgesetz im Regelfall ohnehin ihnen obliegen soll (Art. 83 ff. GG) und eine (zu diesem Zeitpunkt) wenig aussichtsreiche Verfassungsänderung hinfällig wäre.319 Den Ländern hätte sodann die Möglichkeit oblegen, die Aufgaben konkret – als bevorzugter Ansatz des Deutschen Landkreistages320 – an die einzelnen Kommunen zwecks Durchführung weiterzureichen.321 315 Vgl. FAZ, Nr. 42 vom 19. Februar 2009, S. 13 und später Nr. 65 vom 18. März 2009, S. 1 f.; i. Ü. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 91e Rn. 22 und ders., Der Landkreis 2010, 371 (374). 316 So die Formulierung in einem Beitrag mit dem Titel „Ablehnung des Gesetzes war die richtige Entscheidung“ der stellvertretenden CDU / CSU-Fraktionsvorsitzenden Ilse Falk und des Justiziars Günter Krings in der Broschüre Fraktion Direkt (Nr. 58/2009) der CDU / CSU-Fraktion im deutschen Bundestag vom 20. März 2009 (S. 3), publiziert unter https://www.cducsu.de/sites/ default/files/fd090320_mail1.pdf (zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016). 317 Dyllick / Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (16); Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann /  Henneke, GG, Art. 91e Rn. 22. 318 Vgl. hierzu bereits die gedrängte Darstellung in § 2 III. 2. 319 Langer, in: FG Bieback, S. 117 (121); Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 91e Rn. 14 bzw. ders., Der Landkreis 2009, 13 (17). 320 Deutlich Henneke, Der Landkreis 2008, 59 (59 ff.) sowie ders., Der Landkreis 2008, 113 (113). 321 Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 7; Henneke, Der Landkreis 2009, 13 (17).

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

Gegen diese auf den ersten Blick leicht umsetzbar erscheinende Lösung wurde allerdings frühzeitig eingewandt, dass solche Überlegungen angesichts des hohen finanziellen Aufwands für die Länder eine vollständige Umgestaltung der Finanzverfassung durch vertikale (Bund-Länder) und horizontale (Länder-Länder) Belastungsausgleiche erfordert hätten, zumal gleichzeitig ein kompletter Neuaufbau der bei der Bundesagentur für Arbeit vorhandenen Strukturen auf Landesebene unumgänglich gewesen wäre.322 b) Ausnahmekompetenz des Bundes Umgekehrt hätten die Aufgaben auch vollständig dem Bund überantwortet werden können. Die vollständige Übernahme sämtlicher Aufgaben und ihre geordnete Durchführung durch die Bundesagentur für Arbeit war immerhin schon Gegenstand des vorherigen Gesetzgebungsprozesses 2002/2003, damals noch auf der Grundlage des Hartz-Berichts im ersten Gesetzesentwurf der Bundesregierung.323 Da vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung offen gelassen, wurde im Schrifttum324 allerdings bezweifelt, ob die Möglichkeit zur Schaffung einer solchen bundeseigenen Verwaltung bereits in Art. 87 Abs. 2 und 3 GG hätte erkannt werden können oder ob es hierfür zunächst einer entsprechenden Änderung des Grundgesetzes bedurft hätte. Insbesondere dürfte sich eine Kompetenz zur bundeseigenen Ausführung der Gesetze nicht aus Art. 87 Abs. 2 GG – auch nicht im Wege analoger Anwendung – ergeben, weil der Aufgabenwahrnehmung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende bereits „das Gepräge eines selbstverwalteten Sozialversicherungsträgers“ fehle325 und somit eine Subsumtion unter den Verfassungstext in Art. 87 Abs. 2 GG („sozialen Versicherungsträger“) ausscheide. Denn immerhin handele es sich bei der nicht beitragsfinanzierten Grundsicherung, wie bereits die auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG („öffentliche Fürsorge“) gestützte Gesetzgebungskompetenz des Bundes326 erkennen lasse, nicht um eine in ihrem Kern auf Arbeitsvermittlung sowie Sozial- oder Arbeitslosenversicherung bezogene Aufgabenwahrnehmung, die auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG („Arbeits­recht“ mitsamt des Katalogs einzelner Ausprägungen) zurückzuführen sei.327 Demgegenüber dürfte 322 Langer, in: FG Bieback, S. 117 (122 f.); Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 91e Rn. 14 bzw. ders., Der Landkreis 2009, 13 (17 f.). 323 Hierzu Ruschmeier / Oschmiansky, ZfF 2010, 169 (169). 324 Kritisch vor allem Henneke, Der Landkreis 2008, 163 (164 f.) bzw. schon deutlich früher ders., ZG 18 (2003), 137 (151 ff.) mit eingehender Begründung bzw. kürzer ders., Der Landkreis 2009, 13 (17). Unter Bezugnahme auf erstgenannte Quelle, jedoch ohne eigene Stellungnahme und wegen der Kürze der Bezugnahme alleine an den Kompetenzkatalog in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zumindest missverständlich Langer, in: FG Bieback, S. 117 (123). 325 Zum Vorstehenden samt Zitat Henneke, Der Landkreis 2008, 163 (165). 326 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen in § 2 III. 1. 327 Henneke, ZG 18 (2003), 137 (152) m. w. N., wonach bereits die bis dahin bestehenden Zuständigkeiten der Bundesanstalt für Arbeit Bedenken aufgeworfen hätten.

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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es im Hinblick auf Art.  87 Abs.  3 GG an der zur Aufgabenwahrnehmung auf diesem Gebiet unerlässlichen Kompetenz für einen behördlichen Unterbau fehlen. Nach dessen Satz  1 wäre der Bund zwar berechtigt, eine selbständige Bundesoberbehörde oder bundesunmittelbare Körperschaft bzw. Anstalt des öffentlichen Rechts zu begründen, doch wäre seine Kompetenz gleichzeitig auch hierauf beschränkt: „Ein eigener dezentraler Verwaltungsunterbau“ wäre hiervon nicht umfasst.328 Die Schaffung bundeseigener Mittel- und Unterbehörden würde vielmehr gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG einen dringenden Bedarf erfordern, an dessen Vorhandensein und der damit einhergehenden Frage eines Bedarfs für eine (bundes-) zentrale Ausführung bei den hier wahrzunehmenden Aufgaben nicht unerhebliche Zweifel verbleiben.329 Ungeachtet der vorstehend erläuterten Fragestellung, ob die vorhandenen grundgesetzlichen Kompetenzvorschriften genügt hätten oder aber eine Verfassungsänderung notwendig geworden wäre, hätte eine umfassende Bundeskompetenz mit Blick auf die Länder bzw. die diesen zugeordneten Kommunen nicht nur eine massive Beschränkung ihres Wirkungskreises bzw. ihrer Autorität bedeutet, sondern im Übrigen auch erhebliche Folgefragen hinsichtlich der Umverteilung der dem Bund zusätzlich erwachsenden finanziellen Belastung erfordert.330 Derartige Nachteile war keine der beteiligten Seiten zu akzeptieren bereit. 6. Überlegungen zu einer getrennten Aufgabenwahrnehmung bei freiwilliger Aufgabenteilung (2009/2010) Nach der Bundestagswahl im Oktober 2009, die einen Regierungswechsel mit sich brachte, fixierten die nunmehr regierenden Fraktionen von CDU / CSU und FDP in ihrer Koalitionsvereinbarung331 die Zielsetzung, künftig unter Beachtung der vom geltenden Grundgesetz vorgegebenen Grenzen ein getrenntes System für die Grundsicherung für Arbeitsuchende mit freiwilliger Kooperation anzustreben und dieses einfachgesetzlich ohne Verfassungsänderung realisieren zu wollen. Wiederum legte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales frühzeitig (im November / Dezember 2009) ein Eckpunktepapier betreffend die Neuorganisation 328 Zum Vorstehenden inkl. Zitat erneut Henneke, Der Landkreis 2008, 163 (165), der sich mit allen hier vorgestellten Varianten einer bundeseigenen Verwaltungskompetenz ausein­ andergesetzt hat. 329 Auch insoweit vgl. die Feststellungen bei Henneke, Der Landkreis 2008, 163 (165). 330 Vgl. Langer, in: FG Bieback, S. 117 (123). 331 Vgl. Punkt  III.7.2 im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP unter dem Titel ‚Wachstum. Bildung. Zusammenhalt‘ zur 17.  Legislaturperiode, S.  82, publiziert unter http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Ministerium/koalitionsvertrag.pdf?__ blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016). Das Vorhaben einer freiwilligen Kooperation bestätigten auch die ersten Überlegungen und Ideen aus dem Kreis der Regierungsparteien, vgl. FAZ, Nr. 291 vom 15. Dezember 2009, S. 4 und 12; s. a. Nakielski, Soziale Sicherheit 2010, 165 (168); Ruschmeier / Oschmiansky, ZfF 2010, 169 (169).

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

der Grundsicherung für Arbeitsuchende in getrennter Aufgabenwahrnehmung vor.332 Dieses Konzept sah sich allerdings noch vor dem Ende des Jahres 2009 erheblichen Widerständen und Diskussionen ausgesetzt.333 Gleichwohl präsentierte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales schon im Januar 2010 neue Gesetzesentwürfe zur Neuorganisation des SGB II, erstens „zur Einführung der eigenverantwortlichen und kooperativen Aufgabenwahrnehmung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ inklusive einer Musterkooperationsvereinbarung sowie im Weiteren „zur Verstetigung der kommunalen Option“.334 Kern der Regelungen waren auf freiwilliger Basis kooperierende, im Übrigen aber nach spezifischen Verantwortlichkeiten getrennte Träger der Grundsicherung unter vollständigem Verzicht auf jegliche Form von Mischverwaltung oder gemeinschaftlicher Aufgabenwahrnehmung innerhalb einer vereinten Organisation.335 Positive Auswirkung dieser Gestaltungsform wäre die Entbehrlichkeit einer Verfassungsänderung gewesen, weil die geplante Neuorganisation dem Grundgesetz entsprechend das Trennungsmodell aufrechterhalten und gänzlich auf eine möglicherweise nicht verfassungskonforme Mischverwaltung verzichtet hätte.336 Allerdings hätte sich die pauschale Ermöglichung der Kooperation angesichts 332

Vgl. Eckpunktepapier des BMAS mit dem Titel „Neuorganisation der Aufgabenwahrnehmung im SGB II. Getrennte Aufgabenwahrnehmung. Verstetigung der kommunalen Option“ vom 16. November 2009 (Arbeitsentwurf, Download unter http://www.lag-arbeit-nrw.de/de/aktuelles/ pdf-sgb/BMAS_Eckpunktepapier_zur_Neuorganisation_SGB_II_-_Entwurf_2009-11-16. pdf  – zuletzt abgerufen am 17.  Dezember 2016), sowie dessen aktualisierte Fassung vom 3.  Dezember 2009 (verfügbar unter http://www.lag-arbeit-nrw.de/de/aktuelles/pdf-sgb/ BMAS_Eckpunktepapier_zur_Neuorganisation_SGB_II_-_Entwurf_2009-12-03.pdf – zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016). 333 Insbesondere dem Widerstand der Länder, berichtet in FAZ, Nr. 276 vom 27. November 2009, S.  13. Zudem setzte sich die Opposition verschärft für eine Lösung mitsamt Grundgesetzänderung ein, wie die Entwürfe für Gesetze zur Änderung des Grundgesetzes von SPD (BT-Drs. 17/182 vom 10. Dezember 2009) und Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 17/206 vom 15. Dezember 2009) belegen; Überblick zu weiteren kritischen Stimmen bei Nakielski, Soziale Sicherheit 2010, 165 (168). 334 Vgl. Arbeitsentwürfe der Bundesregierung vom 25.  Januar 2010 für die beabsichtigten Gesetze zur Einführung eines solchen Modells (verfügbar unter http://lag-arbeit-nrw. de/de/aktuelles/pdf_traegerschaft_2010/Anlage_1_Bundesregierung_Arbeitsentwurf_-_ Aufgabenwahrnehmung__2010-01-25.pdf, zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016) und zur Verstetigung der kommunalen Option (verfügbar unter http://lag-arbeit-nrw.de/de/aktuelles/ pdf_traegerschaft_2010/Anlage_2_Bundesregierung_Arbeitsentwurf_-_Option__2010-01-25. pdf, zuletzt abgerufen am 17.  Dezember 2016) sowie für eine entsprechende Kooperationsvereinbarung (verfügbar unter http://lag-arbeit-nrw.de/de/aktuelles/pdf_traegerschaft_2010/ Anlage_3_Entwurf_Kooperationsvertrag_-_SGB_II__2010-01-22.pdf, zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016); außerdem Nakielski, Soziale Sicherheit 2010, 165 (168); Dauderstädt, GdS Magazin 2010, 14 (14); Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 10; Dyllick/Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (17); Ruschmeier / Oschmiansky, ZfF 2010, 169 (169). 335 Dazu die Begründungen der vorgenannten Arbeitsentwürfe (dazu Fn. 335), im erstgenannten Fall S. 1 f. und 22 f., im zweiten S. 1 und 6; zusammenfassend Dyllick / Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (17); Ruschmeier / Oschmiansky, ZfF 2010, 169 (169). 336 Dyllick / Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (17).

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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der in vielfacher Weise denkbaren Ausführung und Abwicklung voraussichtlich nachteilig auf die Übersichtlichkeit und Eindeutigkeit der Organisationsstruktur ausgewirkt.337 Doch vermochte sich auch dieses Konzept nicht endgültig durchzusetzen. Denn nach dem Standpunkt der Länder338, die eine klare, verfassungsändernde Lösung favorisierten und die geplanten Kooperationen als „nicht belastbare und daher nicht zukunftsfähige Organisationsstrukturen“339 ablehnten, zeichnete sich auch dieser Entwurf durch einen „fundamentalen Dissens“ aus. 7. Fortführung der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung durch Grundgesetzänderung (2010) Schließlich setzte sich nach einem erneuten Umschwung der Politik am Ende doch noch ein Modell zur Beibehaltung der für verfassungswidrig erklärten gemein­ samen Aufgabenwahrnehmung mittels Verfassungsänderung durch: Derartige Überlegungen, das existierende Modell trotz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf Grundlage einer Verfassungsänderung fortzusetzen, waren zwar durchweg in den Jahren 2008 und 2009 erkennbar340, sahen sich jedoch in der Literatur immer wieder erheblichem Widerstand ausgesetzt.341 Die hierdurch hervorgerufene Ablehnung von Änderungen am Grundgesetz selbst konnte auf der politischen Ebene erst durch die Unterstützung der Opposition – 337

Dyllick / Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (17). Dieser wird besonders deutlich in einem auf den 1. Februar 2010 datierten Schreiben des Landes Hessen, vertreten durch den Ministerpräsidenten Koch, seinen Stellvertreter Hahn und den Landesarbeitsminister Banzer, an die damalige Bundesarbeitsministerin von der Leyen, aus dem auch die im Fließtext nachfolgenden Zitate entnommen sind (zum erstgenannten S. 1 a. E., zum letzteren S. 2 a. E.), verfügbar unter http://www.lag-arbeit-nrw.de/de/aktuelles/ pdf_traegerschaft_2010/Brief_zur_Option_von_Koch-Hahn-Banzer_an_BM_Dr._von_der_ Leyen_-_2010-02-01.pdf (zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016); hierzu ebenfalls Dyllick/ Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (17); Dauderstädt, GdS Magazin 2010, 14 (14). 339 Zu diesem und dem nachfolgenden Zitat vgl. abermals das in der vorstehenden Fn. bezeichnete Schreiben des Landes Hessen an die Bundesarbeitsministerin, darin S. 1 a. E. (zum 1. Zitat) und S. 2 a. E. (zum 2. Zitat), verfügbar unter http://www.lag-arbeit-nrw.de/de/aktuelles/ pdf_traegerschaft_2010/Brief_zur_Option_von_Koch-Hahn-Banzer_an_BM_Dr._von_der_ Leyen_-_2010-02-01.pdf (zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016). 340 Vgl. zuvor in § 2 IV. 4. sowie FAZ, Nr. 39 vom 16. Februar 2009, S. 13 oder auch FAZ, Nr. 45 vom 23. Februar 2009, S. 4; s. a. die Kritik an den Arbeitsgemeinschaften kurze Zeit nach dem Urteil, abgedruckt in FAZ, Nr. 297 vom 21. Dezember 2007, S. 12, Zudem wurde die verfassungsrechtliche Lösung schon frühzeitig von den Ländern präferiert, vgl. FAZ, Nr. 276 vom 27. November 2009, S. 13. 341 Zum Beispiel bei Huber, DÖV 2008, 844 (850) als „schlechteste aller denkbaren Lösungen“ und bei Dreier, ZSE 6 (2008), 399 (401) als „maßgeschneiderte Änderung des Grundgesetzes“ kritisiert – bei Letzterem (weiterhin a. a. O.) wird die Enttäuschung hierüber in der Antwort „ja, leider“ auf die Frage augenfällig, ob so etwas wirklich möglich sei; außerdem Henneke, Der Landkreis 2009, 55 (57) bzw. ders., Der Landkreis 2010, 159 (160). 338

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

namentlich der SPD – gebrochen werden, welche sich einer Verfassungsänderung nicht länger verschloss342, was wiederum im Jahr 2010 zu einem regen Zuspruch zugunsten einer Verfassungsänderung führte.343 Daraufhin fand im Februar 2010 eine bemerkenswerte Kehrtwende im Widerspruch zum Koalitionsvertrag statt: Zwischen der Bundesregierung in Vertretung des Bundes sowie den Ministerpräsidenten der Bundesländer als Ländervertretern kam es im Beisein der Fraktionsspitzen von CDU / CSU zu einem Übereinkommen dergestalt, die im SGB II geregelte Mischverwaltung in der bestehenden Form mit der darin liegenden Aufteilung auf Bund und Länder / Kommunen fortzuführen.344 Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen CDU / CSU, SPD und FDP zur Änderung des Grundgesetzes sollte trotz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Grundsicherung mitsamt der einheitlichen Leistungserbringung „als Regelfall fortgesetzt werden“345, weil sich diese Verknüpfung beider Leistungsträger in den ARGEn „grundsätzlich bewährt“346 habe. Gleichzeitig sollte als Ausnahme hiervon die eigenständige Erfüllung durch eine begrenzte Zahl von Optionskommunen „verstetigt und ausgeweitet“347 werden, indem die zunächst auf sechs Jahre befristete, weil experimentelle, Zulassung, die Ende des Jahres  2010 ausgelaufen wäre, auf unbegrenzte Dauer verlängert wurde.348 Nach diesen Verständigungen wurde eine unter der Aufsicht des Bundesministerium für Arbeit und Soziales stehende, interfraktionelle Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Optimiertes Jobcenter“ eingesetzt349, die bereits einen Monat später, im März 2010, ein weiteres Mischverwaltungsmodell samt Verfassungsänderung, erste Entwürfe für die Änderung von Grundgesetz und SGB II inbegriffen, zu präsentieren

342

Insoweit kam es zur Einigung zwischen CDU / CSU und SPD, von der im Nachgang in FAZ, Nr. 68 vom 22. März 2010, S. 1 f. berichtet wurde. Hierzu ebenfalls Dauderstädt, GdS Magazin 2010, 14 (14). 343 So etwa FAZ, Nr. 29 vom 4. Februar 2010, S. 13; s. a. schon einen Kommentar aus 2009: Dreyer / Banzer, in: FAZ vom 10. Dezember 2009, S. 14 und später Schwenn / Müller, in: FAZ vom 26. März 2010, S. 5. 344 Vgl. Kompromiss am 7. Februar 2010, kurz berichtet in der FAZ, Nr. 32 vom 8. Februar 2010, S. 11 und sodann ausführlich dargestellt in FAZ, Nr. 33 vom 9. Februar 2010, S. 1 f. und S. 11; später wiederum – zur Einigung mit der SPD – FAZ, Nr. 68 vom 22. März 2010, S. 1 f. Zusammenfassend auch dargestellt bei Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 10 und Nakielski, Soziale Sicherheit 2010, 165 (168). 345 BT-Drs. 17/1554, S. 4. Auf der dortigen S. 1 hieß es sogar, „die auch vom Bundesverfassungsgericht begrüßte Betreuung und Leistungserbringung aus einer Hand“ auf diesem Wege fortführen zu wollen. 346 Erneut BT-Drs. 17/1554, S. 4. 347 BT-Drs. 17/1554, S. 1. 348 BT-Drs. 17/1554, S. 1, 4; zusammenfassend Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 9; Marschner, NWB 2010, 2803 (2805). 349 Vgl. FAZ, Nr. 37 vom 13. Februar 2010, S. 10.

§ 2 Die Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 

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vermochte.350 Dies wiederum führte seit April 2010 zu den ersten Referentenentwürfen351 und sodann im Juni 2010 zur Einfügung eines neuen Art. 91e GG ins Grundgesetz.352 Kern dieser verfassungsrechtlichen Neugestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende waren sog. „gemeinsame Einrichtungen“ zur Aufgabenwahrnehmung nach dem SGB II. Obwohl ihre gemischte Zusammensetzung aus den beiden Aufgabenträgern, der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen, übernommen wurde, verzichtete353 man auf den durch das Urteil des Bundesverfassungsgericht negativ belegten Begriff „Arbeitsgemeinschaften“ und entschied sich, diese einfachgesetzlich zukünftig als „Jobcenter“ zu bezeichnen.354 Nach jahrelangen Planungen und vielen verschiedenen Konzepten erfolgte damit die lang erwartete, jedoch gemessen an den zeitlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts noch rechtzeitige Reaktion der Politik auf dessen Urteil drei Jahre zuvor. Das Grundgesetz wurde mit dem „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91e) vom 21. Juli 2010355 geändert, welches nur wenige Tage darauf in Kraft trat.356 Zur einfachgesetzlichen Ausformung der verfassungsrechtlichen Neuregelung erging zudem das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ vom 3. August 2010357, welches in Teilen bereits am 11. August 2010 und im Übrigen zum 1. Januar 2011 in Kraft trat.

350 Der Vorschlag der Bund-Länder-Arbeitsgruppe wurde erwähnt in FAZ, Nr.  68 vom 22. März 2010, S. 1 f.; dazu auch Ruschmeier / Oschmiansky, ZfF 2010, 169 (169) und Dyllick /  Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (17). 351 Vgl. etwa Referentenentwurf der Bundesregierung vom 1. April 2010 eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende (auf einfachgesetzlicher Ebene), verfügbar unter http://www.lag-arbeit-nrw.de/de/aktuelles/pdf_traegerschaft_ 2010/BMAS-Referentenentwurf__Verordnung_ueber_das_Zulassungsverfahren_von_ Kommunen_-_2010-04-01_RefE.pdf (zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016). 352 Vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU / CSU, SPD und FDP eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 91e GG) vom 4. Mai 2010, abgedruckt in BT-Drs. 17/1554, v. a. S. 2. Die Verfassungsänderung ist sodann mit deutlicher Mehrheit des Bundestages (mit 515 JaStimmen gegenüber 71 Nein-Stimmen bei 586 insgesamt abgegebenen Stimmen) beschlossen worden, vgl. Plenarprotokoll des Bundestages 17/49 zur 49. Sitzung vom 17. Juni 2010, darin zum Ergebnis v. a. S. 4966 ff. Diesbezüglich wurde am darauffolgenden Tag etwa in der FAZ, Nr. 138 vom 18. Juni 2010, S. 12 berichtet; zusammenfassend aus dem Schrifttum beispielsweise Dyllick / Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (17) und Ruschmeier / Oschmiansky, ZfF 2010, 169 (170). 353 Zu dieser Schlussfolgerung Nakielski, Soziale Sicherheit 2010, 165 (168) und Marschner, NWB 2010, 2803 (2805). 354 Vgl. § 6d SGB II (seit 2010). 355 BGBl. I, S. 944. 356 Vgl. Art.  2 des Änderungsgesetzes; detailliert beschrieben bei Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 14. 357 BGBl. I, S. 1112.

§ 3 Der wesentliche Regelungsgehalt von Art. 91e GG Vor der Beschäftigung mit den bereits vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007 aufgeworfenen Grenzen für eine Mischverwaltung von Bund und Ländern und der erstmaligen Befassung mit den Schranken, die das Grundgesetz für Verfassungsänderungen bereit hält, ist zunächst ein Überblick über den Inhalt des neuen Art. 91e GG sinnvoll. Deshalb sollen nachstehend in der gebotenen Kürze die zentralen Aussagen der eher knapp gehaltenen Neuregelung, insbesondere die Bildung von gemeinsamen Einrichtungen und das Regel-Ausnahme-Verhältnis der einzelnen Absätze, zusammengefasst und damit eine maßgebliche Weichenstellung für die hier intendierte Untersuchung auf ihre Verfassungsmäßigkeit geschaffen werden.

I. Übersicht und Bedeutung Wie schon in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt, sollte Art. 91e Abs. 1 GG in der Verfassung die notwendigen Anpassungen vornehmen, um die Verbindung der sozialen Sicherungssysteme im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende rechtlich abzusichern und damit die äußeren Voraussetzungen für die Fortsetzung der Aufgabenwahrnehmung durch gemeinsame Einrichtungen nach § 44b SGB II im Rahmen eines dualen Leistungsträgerprinzips zu schaffen. Demgegenüber blieb die einfachgesetzliche Umsetzung im SGB II, die schon seit 2005 bestand, ihrem Wesen nach unangetastet, wenngleich im Zuge der Verfassungsänderung auch hier detaillierte Regelungen in den §§ 44a ff. SGB II Einzug hielten und an der organisatorischen Struktur gewisse Anpassungen vorgenommen wurden.1 Sofern in einigen Kommunen weder gemeinsame Einrichtungen mit der Bundesagentur für Arbeit betrieben noch von der kommunalen Option Gebrauch gemacht wurde, hatte nunmehr eine Anpassung durch Wahl eines der beiden in Zukunft noch zulässigen Systeme zu erfolgen.2

1 Laut Marschner, NWB 2010, 2803 (2804) habe es sich allerdings nicht um wesentliche Änderungen gehandelt. 2 Marschner, NWB 2010, 2803 (2805).

§ 3 Der wesentliche Regelungsgehalt von Art. 91e GG 

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1. Zielsetzung / Hintergrund Art. 91e Abs. 1 GG stellt sich als Kompromiss dar, der den angestrebten Zweck einer Grundsicherung „aus einer Hand“3 mit den praktischen Problemen in Einklang zu bringen versucht.4 Durch die verfassungsrechtliche Absicherung der einfachgesetzlich seit Jahren praktizierten Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe wurde die Vermischung der Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern in sachlicher und funktioneller Hinsicht, die ihren Ausgangspunkt im Gesetzgebungsverfahren des Jahres 2003 hatte und in den Regelungen des SGB II mündete, bekräftigt. Obwohl dieser Weg – wie das Bundesverfassungsgericht bereits feststellte5 – nicht geboten war, da andere Möglichkeiten der verfassungsgemäßen Ausgestaltung bestanden hätten, handelte es sich um die einzige politisch zu verwirklichende Möglichkeit einer einheitlichen Gewährung der Grundsicherung. Denn die gegensätzlichen Positionen zur Alleinkompetenz nur des Bundes oder nur der Länder / Kommunen für sämtliche Aufgaben fanden jeweils keine Mehrheit6, während zugleich die vom Gericht gesetzte Frist abzu­ laufen drohte. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat sich auf diese Weise dazu entschieden, zur Sicherung einer gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung dem Konzept der bereits existenten Art. 91a–d GG7 im Abschnitt VIIIa („Gemeinschaftsaufgaben, Verwaltungszusammenarbeit“) des Grundgesetzes zu folgen und das dem Bundes-

3 So wird nicht nur die zentrale Zielvorstellung des verfassungsändernden Prozesses umschrieben (vgl. etwa BT-Drs. 17/1554, S. 1, 4), sondern im Ganzen die Art. 91e GG vorhergehende Entwicklung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die im Gesetzgebungsverfahren 2003 ihren Anfang nahm. Die vorstehend zitierte, prägnante Umschreibung entstammt ursprünglich zwar bereits dem Gesetzgebungsverfahren 2003, wurde dort allerdings lediglich am Rande thematisiert (vgl. alleine in BT-Drs. 15/1516, S. 42 und BT-Drs. 15/1638, S.  10) und keineswegs bereits als Kernargument bzw. sinnbildliches Schlagwort der gesamten Reform vorangestellt. Diese Rolle erlangte der Ausspruch erst durch die gleichlautenden Ausführungen der Bundesregierung im Verfahren vor dem BVerfG aus dem Jahr 2007, vgl. BVerfGE 119, 331 (345), und durch die Adaption in den Entscheidungsgründen des Zweiten Senats (a. a. O., S. 368). 4 BVerfGE 137, 108 (142); Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 20. 5 BVerfGE 119, 331 (371); Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 20. 6 Vgl. hierzu im Einzelnen bereits § 2 VI. und dort insbesondere § 2 VI. 5. 7 Kritische Auseinandersetzung hiermit seitens Hofmann, in: HStR I, § 9 Rn. 78 und stellvertretend für eine Reihe weiterer Publikationen beispielweise Frowein, VVDStRL 31 (1973), 13 ff.; von Münch, VVDStRL 31 (1973), 13 ff. Sehr ausführlich zu Art. 91a GG Marnitz, Gemeinschaftsaufgaben des Art. 91a GG, S. 55 ff. und passim; ebenfalls umfassend zum gesamten Abschnitt VIIIa des Grundgesetzes, zur diesbezüglich ergangenen Rechtsprechung und Historie vgl. Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 1 ff. Beginnend mit der dortigen Rn. 94 findet sich eine eingehende Zusammenfassung der rechtspolitischen Bedenken an den Gemeinschaftsaufgaben mit zahlreichen weiterführenden Nachweisen; im Ergebnis hält Glaser diese Formen des Zusammenwirkens jedoch für „verfassungspolitisch gerechtfertigt“ (hierzu samt Zitat a. a. O., Rn. 99).

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

staat immanente Trennungsprinzip zwischen Bund und Ländern zu durch­brechen.8 Aus diesem Grunde ist Art. 91e GG den anderen Normen systematisch im gleichen Abschnitt des Grundgesetzes zugeordnet worden. Regelungsgegenstand der Art. 91a–d GG sind – wie bereits der Titel des Abschnittes zusammenfasst – die Gemeinschaftsaufgaben9, durch welche ein Zusammenwirken von Bund und Ländern auf bestimmten Gebieten verfassungsrechtlich zugelassen wird. Eine derartige Zusammenarbeit ist im Allgemeinen nur möglich, wo – wie hier – Gesetze des Bundes und nicht lediglich der Länder vollzogen werden, da bezüglich letzteren der Bund niemals vollzugsberechtigt sein kann.10 Nichtsdestotrotz ist Art. 91e GG weder als Gemeinschaftsaufgabe (= Aufgabenerledigung durch die Länder unter Mitwirkung des Bundes) noch als gemeinschaftlich von Bund und Ländern wahrgenommene Aufgabe (parallel zu Art 91b GG) zu klassifizieren, sondern als eigenständige Figur „vertikaler Verwaltungszusammenarbeit“11. Diese neue Form der Kooperation ist dadurch geprägt, dass sie an die bestehenden Verantwortlichkeiten bei der Ausführung des SGB  II und die bestehende Divergenz zwischen den möglichen Aufgabenträgern (Bund und Länder / Kommunen) anknüpft.12 Dass auf diese Weise das Grundgesetz um eine weitere Vermengung und Verflechtung der prinzipiell zu trennenden, föderalen Ebenen bereichert worden ist, stellt sich für den objektiven Betrachter als Antagonismus zu den mühsamen Bestrebungen und klar definierten Intentionen der Föderalismusreformen I und II einige Jahre zuvor (2006/2009) dar, die nunmehr von neuem zunehmend ver­wässert werden.13 Die zentralen Ziele der Föderalismusreform gründeten sich auf eine tiefgreifende Sanierung überkommener Verwaltungsstrukturen in Bund und Ländern 8

Vgl. Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 9, der zudem auf die Herkunft des Trennungs­ gedankens aus Art. 30, 83 ff., 104a Abs. 1 GG hinweist; s. a. Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (441 f.). Dass „punktuell […] die Zweistufigkeit des Staatsaufbaus“ durchbrochen werde, betonte jüngst auch BVerfGE 137, 108 (147). 9 Zu den verschiedenen Varianten des Begriffsverständnisses (eng / echt contra weit / unecht) und der Abgrenzung zur allgemeinen Verwaltungszusammenarbeit: Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 2 ff., 10, 15 ff. 10 Vgl. Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 16. 11 Zum Vorstehenden samt Zitat Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (375); ganz ähnlich auch Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 12. Nach Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 6, 18 ff. dürfte insoweit hingegen nur von einer „vertikalen ebenenübergreifenden Kooperation“ (Rn. 6) gesprochen werden, weil die Verwaltungszusammenarbeit als „Auffangbegriff“ (Rn. 18) nur diejenigen Formen einer solchen Kooperation erfasst, die hinter dem Wirkungsgrad der im Grundgesetz normierten Gemeinschaftsaufgaben zurückbleiben (vgl. a. a. O., Rn. 21). 12 Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (375). 13 Vgl. „punktuelleAbkehr von der Zielsetzung“ in BVerfGE 137, 108 (149); Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 12, 27; Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 101 (s. a. Rn. 161); Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 10; Nakielski, Soziale Sicherheit 2010, 165 (172); Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443). Siehe schließlich Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 79 f., der das damalige Reformbedürfnis schildert und die Lösungsansätze kompakt zusammenfasst.

§ 3 Der wesentliche Regelungsgehalt von Art. 91e GG 

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mit klareren Kompetenzabgrenzungen, effizienterer Aufgabenerfüllung und nachhaltigerer Haushaltsführung.14 In den neu geregelten Zuständigkeiten zeigte sich das nicht zuletzt auch durch das wachsende Gewicht der Europäischen Union im Verwaltungsalltag angeleitete Bemühen, die Länder auf dem Gebiet der Gesetzgebung bei gleichzeitiger Kürzung der regelmäßigen Verfahrensdauer in steigendem Maße einzubinden, damit die bestehende „Politikverflechtung entzerrt“ werden könne.15 Zugleich war es ein wesentlicher Gedanke der Reformen, eine deutlich stärker getrennte Wahrnehmungs- und Finanzierungsverantwortung als bisher zu schaffen und somit das in der Vergangenheit „hochgradig verflochtene föderale System Deutschlands“ zu entzerren, um das durch geteilte Strukturen bestehende Blockaderisiko abzubauen.16 Erreicht werden sollte dies durch eine Entflechtung existierender Strukturen zwecks sauberer Unterscheidung der Aufgabengebiete für Bund und Länder, eine deutlichere Transparenz jedweden Handelns staatlicher Gewalt und eine Effizienzsteigerung der Arbeitsweisen.17 Diesen Zielen lief die Einführung einer neuartigen Verwaltungsform in Art.  91e GG mitsamt der in ihr liegenden Verflechtung verschiedener Ebenen des Bundesstaates und Intransparenz der Verantwortlichkeiten überwiegend, allerdings mit Ausnahme der so erzielten Effizienzgewinne, zuwider. In der Gesamtbetrachtung stellt es sich deshalb eher als eine „punktuelle Abkehr von der Zielsetzung“18 der Föderalismusreform vier Jahre zuvor dar. 2. Einschränkung / Ergänzung anderer Verfassungsgrundsätze Durch Art. 91e GG werden in einer einzigen Verfassungsnorm gleichzeitig mehrere dem Grundgesetz immanente Grundsätze für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende eingeschränkt, darunter insbesondere Art. 30, 83 ff. und 104a GG19: 14 BT-Drs. 16/813, S. 1 und eingehend S. 7 ff.; ähnlich speziell zu den Auswirkungen der ersten Stufe BT-Drs. 16/8688, S. 1 f.; zusammenfassend Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 58a („Verbesserung der Entscheidungsfähigkeit“). 15 Zum Vorstehenden samt Zitat Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 79. Er nennt als wesentlichen Ansatzpunkt der Reformen die Gesetzgebung, darunter insbesondere die Stärkung der Länderkompetenzen auf diesem Gebiet bei gleichzeitigem Abbau des Zustimmungsbedürfnisses durch den Bundesrat, sowie die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern (auch hierzu a. a. O.). 16 Zum Vorstehenden samt Zitat Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443). 17 Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 27; Nakielski, Soziale Sicherheit 2010, 165 (172); Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443). 18 So BVerfGE 137, 108 (149). 19 Zusammenfassend mit einer Übersicht der drei Ausnahmen: Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 11; Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 35 und Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 13 mit dem Verständnis als „lex specialis“; vergleichbar, aber kürzer: Schenke, in: Sodan, GG, Art. 91e Rn. 1 a. E.; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 91e Rn. 1a; schließlich ebenso Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 13 ohne Benennung der verdrängten Vorschriften.

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

Gegenüber diesen handelt es sich bei Art. 91e GG um eine „umfassende Sonderregelung“ mit verdrängender Wirkung.20 Zunächst gestattet die Vorschrift – vergleichbar den Art. 91a–d GG im gleichen Abschnitt  – spezielle, gemeinsame Einrichtungen von Bund und Ländern bzw. Kommunen in Abkehr von den im Grundgesetz in Art. 30, 83, 84 Abs. 1 und 104a Abs. 1, 5 GG verankerten Grundsätzen21, welche eine Mischverwaltung von Verfassungs wegen grundsätzlich ausschließen22 und deswegen das Zusammenwirken der Ebenen nur unter dem Stichwort „kooperativer Föderalismus“23 anerkennen. So gesehen erweist sich Art. 91e GG als regeldurchbrechende Norm, welche Verwaltungskompetenzen abweichend von diesen Grundsätzen besonders ordnet.24 Insoweit kann auch von einer „Spezialregelung für den Vollzug“25 dieses Exekutivbereichs gesprochen werden. Art. 91e Abs. 1 GG sieht namentlich durch die Ermöglichung der gemeinsamen Einrichtungen einschließlich ihrer einfachgesetzlichen Ausgestaltung nach Art. 91e Abs.  3 GG eine Ausnahme von den allgemeinen Verwaltungskompetenzen der Art. 83 ff. GG für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende vor.26 Insbesondere wird, soweit die neue Verfassungsnorm einschlägig ist, eine Aufgabenübertragung vom Bund auf die Kommunen entgegen der grundsätzlichen Verbote in Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG sowie Art. 85 Abs. 1 S. 2 GG ausnahmsweise zugelassen.27 20 Zum Vorstehenden samt Zitat BVerfGE 137, 108 (141), dort Rn. 76 und 78 sowie außerdem Ls. 1 (S. 108); ganz ähnlich auch S. 145. Dem schließt sich etwa Meyer, NVwZ 2015, 116 (118) an und beschreibt die Situation im dortigen Fazit (S. 120) treffend dahingehend, dass man „für diese Aufgaben [Anm.: für die Grundsicherung für Arbeitsuchende] eigene Spielregeln geschaffen“ habe. 21 Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 11; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 13. 22 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 91e Rn. 1a; vgl. hierzu nachfolgend § 5 II. 1. 23 So in Bezug auf Art. 91e GG bei Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 11. Zum allgemeinen Begriff auch schon im Titel von Heinze, in: FS Forsthoff, S. 119 ff. oder im TroegerGutachten, Tz. 73 ff. sowie in jüngerer Zeit bei Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 1, 24, jeweils m. w. N. Letztgenannter unterscheidet sodann zwischen einer horizontalen (Länder untereinander) und einer „vertikalen Dimension“ (Bund-Länder) des kooperativen Föderalismus (zum Vorstehenden samt Zitat Rn. 24). 24 Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 5 bezieht sich hierzu auf den Wortlaut von Art. 91e Abs. 1 GG („Bei der Ausführung von Bundesgesetzen“). 25 BVerfGE 137, 108 (141); alternativ „abschließende Sonderregelung“ auf S. 145. 26 Vgl. „eng begrenzte Durchbrechung […] der Verwaltungszuständigkeiten“ gemäß BVerfGE 137, 108 (143); im Übrigen auch Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (377); Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 12; Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 35. 27 Vgl. die Begründung in BT-Drs. 17/1554, S. 4; hierzu auch Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 31; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 11; Volkmann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 91e Rn. 4; Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 14; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 12; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 91e Rn. 1a; Dauderstädt, GdS Magazin 2010, 14 (15); Henneke, Der Landkreis 2010, 159 (162) bzw. ders., Der Landkreis 2010, 371 (377); Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 7. Letztgenannte setzt sich hierbei näher mit der Gegenansicht auseinander, Art. 91e Abs. 1 GG enthalte zur Zulässigkeit bundesgesetzlicher

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Im Übrigen sollen auch weitere Vorgaben der Art.  83 ff. GG, wie etwa Art.  84 Abs. 2–5 GG, nicht gelten.28 Ferner enthält Art.  91e Abs.  3 GG spezielle Gesetzgebungskompetenzen für diesen Bereich, welche die allgemeinen Regelungen in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 und 12 GG ergänzen bzw. ihnen im Hinblick auf die organisatorische Ausgestaltung vorgehen.29 Außerdem hebt Art. 91e Abs. 2 S. 2 GG zugunsten der Möglichkeit von Optionskommunen die verfassungsrechtlich in Art. 104a Abs. 1 GG sowie auch Art. 104a Abs. 3 GG, Art. 106 Abs. 8 GG und Art. 104b GG enthaltene Grundregel auf, dass zwischen Bund und Kommunen keine unmittelbaren Finanzbeziehungen bestehen dürfen.30 Nach der nunmehr bestehenden Sonderregel hat der Bund die eigentlich ihm zuzurechnenden Ausgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende – abweichend vom Grundsatz – zu tragen bzw. zu ersetzen.31 Gleichzeitig ermöglicht diese Regelung eine Finanzkontrolle des Bundes.32 Schließlich werden einzelne Verfassungsgrundsätze jedoch auch erweitert bzw. ergänzt. Dies trifft ganz besonders auch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 GG, welche durch Art. 91e GG bzw. dessen Aussagegehalt mit kommunalem Bezug konkretisiert wird.33

Aufgabenzuweisung mangels Inbezugnahme dieses Regelungsfeldes keine speziellere Aussage (hierzu und zu den nachfolgenden Ausführungen ebenfalls a. a. O.). Nach diesem Ansatz liege die Auswahl, mit wem der Bund bei der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung zusammenwirke, in Anbetracht des Wortlauts („den nach Landesrecht zuständigen Gemeinden“) und der organisatorischen Eingliederung der Gemeinden in die Länder alleine bei letzteren. Dabei könne es sich nur nach dem Ermessen der Länder um die Kommunen handeln, weshalb es an einer bundesgesetzlichen Zuweisung fehle. Ein solches Verständnis ließe allerdings die historischen Hintergründe außer Betracht, die zu erheblichen Diskussionen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende und letztlich zur Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers führten, diese mittels einer verfassungsunmittelbaren Regelung abzusichern. Der in Art. 91e GG zum Ausdruck gelangte Wille gehe dahin, den Ländern durch die genannte Verweisung zur näheren Ausgestaltung die Entscheidung über das handelnde Subjekt zu überlassen, ohne zugleich die Aufgabenübertragung generell in Frage zu stellen (zum Vorstehenden insgesamt Mager, a. a. O.). 28 Vgl. BVerfGE 137, 108 (145). 29 Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 12; im Wesentlichen in dieselbe Richtung zielend (deshalb ausdrücklich „Partielle Sperrwirkung“ in der Überschrift des dortigen Abschnitts), jedoch auf Art. 91a ff. GG insgesamt bezogen: Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 87 (auch zum vorgenannten Zitat aus der dortigen Überschrift). 30 BVerfGE 137, 108 (108), dort Ls. 2 und ferner S. 147, 149 f.; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 11; Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 89; Dauderstädt, GdS Magazin 2010, 14 (15); Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (444). 31 Mayen, NVwZ 2011, 584 (585); Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 12. 32 BVerfGE 137, 108 (108), dort Ls. 2, 2. Hs. 33 Siehe hierzu den Verweis in BVerfGE 137, 108 (141) auf BVerfGE 119, 331 (356 f.).

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

II. Gemeinsame Einrichtungen als Regelfall (Abs. 1) Durch den im Jahr 2010 geschaffenen Art 91e Abs. 1 GG sollte den im Urteil des Bundesverfassungsgerichts34 festgestellten verfassungsrechtlichen Mängeln der im SGB II normierten Grundsicherung für Arbeitsuchende entgegengetreten und die einfachgesetzlich vorgesehene, zumal bereits seit Jahren praktizierte, Mischverwaltung von Bund und Ländern / Kommunen in gemeinsamen Einrichtungen legitimiert, d. h. der Bund-Länder-übergreifenden Kooperation auf diesem Gebiet eine grundgesetzliche Billigung verschafft werden.35 Ziel war nach der Vorstellung des verfassungsändernden Gesetzgebers die „umfassende Absicherung der [bereits bestehenden] Verwaltungspraxis“36. 1. Versorgung „aus einer Hand“ Dass durch die Änderung des Grundgesetzes vorrangig die verfassungsrechtliche Absicherung bezweckt wurde, war damit in erster Linie von dem Gedanken ge­tragen, die bereits existente Kooperation von Bundesagentur für Arbeit und Ge­meinden / Gemeindeverbänden trotz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dauerhaft aufrechterhalten zu können.37 Demgemäß suchte der verfassungsändernde Gesetzgeber, mit dem neuen Art. 91e GG jenen verfassungswidri­ gen Zustand der Arbeitsgemeinschaften (ARGEn), wie ihn das Gericht in 2007 im Hinblick auf § 44b SGB II bemängelt hatte, nachträglich zu legalisieren38, ohne die einfachgesetzliche Ausgestaltung grundlegend modifizieren zu müssen.39 Die

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Hierzu schon § 2 V. 2. BT-Drs.  17/1554, S.  1,  4; zu den Hintergründen ebenfalls Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 23 a. E.; ähnlich Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443): „verfassungsrechtlich legitimiert“; zudem Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 10; Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 6; jüngst in die gleiche Richtung auch Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 56 a. E. und Schenke, in: Sodan, GG, Vorb. z. Art. 91a Rn. 2; bereits vor der Verfassungsänderung in vergleichbarer Weise bei Huber, DÖV 2008, 844 (846 f.). 36 So die abschließende Erkenntnis des BVerfG aus den in der Gesetzesbegründung erkennbaren Absichten, die der Verfassungsänderung zugrundelagen, in BVerfGE 137, 108 (146 a. E.). 37 BT-Drs. 17/1554, S. 1, 4; hierauf bezugnehmend s. a. BVerfGE 137, 108 (141 f.); Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 23. Nach Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 15 immerhin das „Kernstück der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe“. 38 Vgl. BVerfGE 137, 108 (142). Dem verfassungsändernden Gesetzgeber schien die Einfügung einer gestattenden Verfassungsnorm auszureichen, um das dem Grundgesetz zugrunde­ liegende Mischverwaltungsverbot auszuhebeln und einen verfassungsfesten Zustand herzustellen, vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 33 und Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (377); s. a. Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443): „Was nicht passt, soll also passend gemacht werden“. 39 Diesbezüglich Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 33 unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Norm, welche durch die Entwurfsbegründung belegt werde, wonach „gemeinsame Einrichtungen“ nur eine neue Begrifflichkeit für die bekannten Arbeitsgemeinschaften sein sollte; ferner Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 17. 35

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Versorgung der Arbeitsuchenden „aus einer Hand“40 sollte weiterhin gewährleistet bleiben sowie die seit mehreren Jahren bestehenden Strukturen und praktizierten Abläufe nicht aufgebrochen werden müssen41, weil sich das zugrundeliegende Konzept trotz aller Bedenken im Tatsächlichen „grundsätzlich bewährt“42 habe. Die letztgenannten Schlussfolgerungen ergeben sich aus der im vorstehenden Kapitel ausführlich dargelegten Entstehungsgeschichte des Art. 91e GG, die trotz zahlreicher Diskussionen und Vorschläge am Ende ersichtlich von dieser Vorstellung geprägt war43, nicht zuletzt, um die einfachgesetzliche Gestaltung im Wesentlichen beibehalten zu können. Folge dessen, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber die bestehenden Regelungen sowie die hergebrachte Praxis seinen verfassungsrechtlichen Änderungsbestrebungen als Ausgangskonzept zugrunde legte, ist nunmehr, dass sich die einzelnen Hintergründe der Verfassungsnorm entgegen der Normenhierarchie „nur durch einen Blick ins einfache Recht“44 aufklären lassen. Um die politisch gewollte Kontur der grundgesetzlichen Regelung nachvollziehen zu können, muss die einfachgesetzliche Ausgestaltung mitsamt dem dort normierten Vokabular45 im Rahmen der inhaltlich nur kursorischen Verfassungsnorm mitgelesen werden: Regelungsobjekt blieb (und bleibt) damit auch auf verfassungsrechtlicher Ebene die an den einfachgesetzlich in § 19a Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB I niedergelegten Grundgedanken orientierte Grundsicherung für Arbeitsuchende46, die ihrerseits gekennzeichnet ist durch Leistungen zur Eingliederung in Arbeit durch die Bundesverwaltung sowie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die kommunalen Träger (als Teil der Länderverwaltung).47 Das einfache Recht ging hierbei freilich nur als Namens- und Ideengeber voraus, vermag jedoch selbstredend den Gehalt der in der Normenhierarchie höher stehenden Verfassungsnorm nicht festzulegen. In der Gesamtbetrachtung standen die im SGB II bestehenden Regelungen allerdings Modell für die neu geschaffene Verfassungsnorm: Im Kern orientierte sich Art. 91e GG an den bis dato die Aufgaben wahrnehmenden Arbeitsgemeinschaften 40

BT-Drs. 17/1554, S. 4. Vgl. zum Ursprung dieser prägnanten Formulierung im Übrigen bereits Fn. 3 in diesem Kapitel. 41 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 23. 42 BT-Drs. 17/1554, S. 4; vgl. zu dieser zentralen Feststellung in der Begründung der Verfassungsänderung bereits Fn. 347 in § 2 VI. 7.; ebenfalls aufgegriffen in BVerfGE 137, 108 (142). 43 Vgl. auch die Schlussfolgerung bei BVerfGE 137, 108 (142 f.). 44 So die sehr treffende Feststellung bei Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 15. 45 Nach Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 16, 20 nehme die gesetzgeberische Vorstellung „erkennbar Bezug auf den einfachgesetzlich etablierten Sprachgebrauch“ (Rn. 16) und müsse daher in der Regel auch „deren Charakteristika aufweisen“ (Rn. 20). 46 Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 16, der darauf hinweist, dass sich der verfassungsändernde Gesetzgeber an die im Sozialrecht herrschenden Begrifflichkeiten angepasst und demzufolge das einfache Gesetz als Ausgangspunkt für die Neuformulierung herangezogen habe. 47 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 26; Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 16; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 91e Rn. 2; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 16.

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

und schuf die rechtliche Grundlage für ihre Nachfolger, die gemeinsamen Einrichtungen. Den Regelungen des SGB II entsprechend stand und steht allerdings auch auf Ebene der Verfassung der Grundgedanke im Mittelpunkt, mittels Leistungen erwerbsfähige Hilfsbedürftige zu unterstützen.48 Zur Umsetzung dessen bezweckte der verfassungsändernde Gesetzgeber, „eine eigenständige Form der Verwaltungsorganisation [zu] schaffen […], in der die Beteiligten, losgelöst von den übrigen Strukturen des Staatsaufbaus, zu einer Zusammenarbeit eigener Art finden“49. Im Einzelnen unterscheidet sich Art. 91e Abs. 1 GG jedoch von der einfachgesetzlichen Normierung im SGB  II: Vor allem sieht das Grundgesetz nur ein Zusammenwirken von Bund und Ländern verpflichtend als Regelfall vor, ohne dass dies zukünftig von Verfassungs wegen stets der bisherigen Festlegung auf die Agenturen für Arbeit und die Gemeinden bzw. Gemeindeverbände im SGB II entsprechen müsste.50 Insoweit eröffnet die Formulierung „Bund und Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände“ in Art. 91e Abs. 1 GG weiteren Spielraum, da nach dem Verfassungstext – entgegen der derzeitigen Rechtslage – auch eine unmittelbare Mischverwaltung von Bund und Ländern vorstellbar bleibt, sollte man sich gegen die kommunale Mitwirkung entscheiden.51 Daraus folgt, dass Bund und Länder im Rahmen ihrer jeweiligen gesetzlichen Kompetenzen auch andere Formen des Zusammenwirkens einführen können, solange diese als „gemeinsame Einrichtungen“ verstanden werden können.52 Nicht so eindeutig zu beantworten ist hingegen die Frage, ob dadurch bloß das Tätigwerden in „gemeinsamen Einrichtungen“ als mögliche Form der Verwaltungsgestaltung und Aufgabenwahrnehmung legitimiert oder sogar – wie der „indika­tive Wortlaut“53 nahelegt – die gemeinsame Trägerschaft auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende zwingend54 festgeschrieben werden soll. In der Literatur55 wird hierzu vertreten, dass eine Pflicht zur Bildung gemeinsamer 48

Vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 26; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 16. So sehr treffend BVerfGE 137, 108 (142) unter teilweiser Bezugnahme auf Volkmann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 91e Rn. 4. 50 Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 17; Schenke, in: Sodan, GG, Vorb. z. Art. 91a Rn. 2 a. E.; Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 20. 51 Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 7 hebt diese Alternativmöglichkeit hervor, räumt jedoch zugleich ein, dass diesbezüglich keine Intention ersichtlich sei. 52 Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 17 scheint dies anzudeuten, indem er „weder die Organisationsgewalt des Bundes noch die der Länder eingeschränkt“ sieht; bezugnehmend hierauf auch Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 20. 53 Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 14 erwägt eine „unabdingbare verfassungsrechtliche Pflicht zur Mischverwaltung“. In Rn. 12 erläutert er zur Formulierung von Art. 91e GG sodann, dass diese Vorschrift in ihren Absätzen nur die Mischform sowie die Optionskommunen kenne, nicht aber andere Möglichkeiten hinsichtlich der Bund-Länder-Gestaltung. 54 In diesem Zusammenhang ist häufig die Rede von einer obligatorischen Mischverwaltung (siehe hierzu die in der nachfolgenden Fn. 55 genannten Fundstellen). 55 Ausführlich Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 24 f. und Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 14 f. Beide setzen zur Begründung an der zwischen Bund und Ländern getrennten Trägerschaft auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende an, welche im Zeitpunkt 49

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Einrichtungen nur besteht, solange die Vollzugszuständigkeit für entsprechende Bundesgesetze auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende – wie bislang – zwischen Bund und Ländern geteilt ist. Wäre hingegen ein einzelner Träger, d. h. entweder der Bund oder die Länder, mit sämtlichen Aufgaben betraut, wäre der Anwendungsbereich des Art. 91e GG nicht eröffnet, da dieser seiner Idee nach die Teilung der Vollzugszuständigkeit voraussetze. Dass dem folgend Bund und Länder nur bei gemeinsamer Wahrnehmungszuständigkeit zur Zusammenarbeit verpflichtet sein sollen, scheint auf den ersten Blick gut nachvollziehbar, weil andernfalls der Anwendungsbereich des Art. 91e GG nicht eröffnet wäre. Allerdings lässt sich auch einwenden, dass es in Folge dieser Interpretation der einfache Gesetzgeber in der Hand hätte, die Trägerschaft durch eine (einfachgesetzliche) Änderung des SGB II einem der beiden bisherigen Träger zu überantworten. Verstünde man in dieser Konstellation Art. 91e GG als von der Trägerschaft abhängige Anordnung gemeinsamer Einrichtungen, wäre die Verfassungsnorm ihres Anwendungsbereichs enthoben und sinnentleert. Denn der einfache Gesetzgeber wäre aufgrund ihrer Regelzuständigkeit gemäß Art. 83 GG nicht gehindert, anstelle der gemischten Verwaltungsstruktur den Vollzug auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende gemäß Art. 83 GG den Ländern als eigene Angelegenheit zur Ausführung zu belassen oder alternativ gegebenenfalls (nach entsprechender verfassungsrechtlicher Prüfung) gemäß Art. 87 Abs. 2 und Abs. 3 GG eine alleinige Bundeskompetenz herbeizuführen.56 Dies unterstellt könnte sich der einfache Gesetzgeber wegen des verengten Anwendungsbereichs des Art. 91e Abs. 1 GG entgegen der Normenhierarchie auf abweichende Trägerschaften festlegen. Dies widerspräche jedoch in erheblichem Maße der bei Schaffung des Art.  91e GG tragenden Vorstellung, diejenigen einfachgesetzlichen Regelungen abzusichern, die bis dahin bestanden und deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007 festgestellt hatte.57 Der vorstehenden Entwicklung der Vorstellungen und Ideen zur Schaffung einer verfassungsgemäßen Lage ist zu ent-

des Verfahrens zur Verfassungsänderung existierte (bzw. jetzt noch existiert) und daher zur Grundlage der Vorstellungen des neuen Art. 91e GG geriet. Immerhin habe man auf diesem Wege die im Urteil aus 2007 geäußerten Bedenken des BVerfG hinsichtlich der Mischverwaltung beseitigen, nicht aber diese Gestaltungsform ad infinitum festschreiben wollen, sollten sich die zugrunde liegenden gesellschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Umstände ändern. Einzig von einem Verwaltungsdualismus bei gemeinsamer Vollzugskompetenz habe man Abstand nehmen wollen; vgl. zu diesen Vorstellungen des verfassungsändernden Gesetzgebers auch die Begründung (BT-Drs. 17/1554, S. 4), wonach die Zusammenarbeit „als eine zulässige Form der Verwaltungsorganisation zur Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende ins Grundgesetz aufgenommen“ werde; dem folgend schließlich auch Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 6. 56 Vgl. zu den entsprechenden Ideen vor der Schaffung von Art. 91e GG bereits § 2 VI. 5. Zu dieser Möglichkeit auch Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 24 f. und Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 14. 57 Vgl. Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 18, wonach verfassungspolitisch weder die alleinige Zuständigkeit des Bundes noch diejenige der Länder gewollt gewesen sei.

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

nehmen, dass man sich nach mehreren vergeblichen Anläufen58 letztlich gerade für eine verfassungsändernde Lösung entschied, um die bewährten Regelungen im SGB II59 nicht aufgeben oder ihres Fortschritts gegenüber früheren Gestaltungen, namentlich in Gestalt der Grundsicherung „aus einer Hand“60, entbehren zu müssen. Dies belegt auch die indikative Formulierung, die eine Pflicht zum Tätigwerden in gemeinsamen Einrichtungen mit sich bringt. Angesichts dessen wäre es jedoch sinnwidrig, durch eine Begrenzung auf die Fälle geteilter Trägerschaft den Anwendungsbereich zu minimieren. Stattdessen liegt es vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte und des verpflichtenden Wortlauts nahe, dem Vorrang der Verfassung Vorzug vor einer einfachgesetzlichen Abänderungsmöglichkeit zu geben: Danach dürfte eher davon auszugehen sein, dass das Grundgesetz auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende zur Aufgabenwahrnehmung in gemeinsamen Einrichtungen zwingt.61 Für die vorliegende Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit des Art. 91e GG ist die Beantwortung der Frage, ob die Vorschrift generell das Tätigwerden in gemeinsamen Einrichtungen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende verlangt oder dies lediglich für die Konstellation einer zwischen Bund und Ländern geteilten Zuständigkeit gelten soll, hingegen ohne Relevanz. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber die einzelnen Bestandteile der Formulierung des Art. 91e Abs. 1 GG entsprechend seiner Zielsetzung bewusst gewählt hat: So dient etwa der Ausdruck „in der Regel“ im Absatz 1 der Abgrenzung zu Absatz 2, mit der Folge, dass die Aufgabenwahrnehmung in „gemeinsamen Einrichtungen“62 auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber der kommunalen Option nach Absatz 2 zum Regelfall erhoben wird.63 Auch die Begrifflichkeit der „gemeinsamen Einrichtungen“, deren neue Benennung sich nunmehr auch einfachgesetzlich fort 58

Vgl. eingehend zur Entwicklung zwischen 2007 und 2010 im vorherigen Abschnitt (§ 2 VI.). Zu der prägenden Feststellung „grundsätzlich bewährt“ explizit in BT-Drs. 17/1554, S. 4. 60 Dieser Gedanke des verfassungsändernden Gesetzgebungsverfahrens kommt etwa in BTDrs. 17/1554, S. 1 und S. 4 deutlich zum Ausdruck; vgl. zum Ursprung dieser Formulierung bereits Fn. 3 in diesem Kapitel. 61 In dieselbe Richtung auch Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 17 ff., wonach das Grundgesetz eine „Pflicht zur Zusammenarbeit“ (Rn. 19) schaffe, die im Wege einfachgesetzlicher Regelungen nicht mehr aufgehoben werden könne. Zuvor stellt er (a. a. O., Rn. 17) unter ausdrücklicher Abweichung von der zuvor in Fn. 55 dieses Abschnitts zitierten Literaturmeinung fest, dass die von Art. 91e GG vorausgesetzte Kompetenzteilung zwischen Bund oder Ländern nicht gleichzeitig die Möglichkeit eröffne, durch einfachgesetzliche Anordnung der alleinigen Zuständigkeit eines Trägers die gemeinsame Aufgabenerfüllung in gemeinsamen Einrichtungen auszuschließen. Im Ergebnis ebenso Vorholz, Der Landkreis 2010, 164 (164) und Henneke, Der Landkreis 2010, 159 (160), beide Autoren allerdings mit verfassungspolitischen Bedenken (dazu sogleich in § 4 II.). 62 Zu der detaillierten Ausgestaltung dieser Organisationsform näher Ruschmeier / Oschmiansky, ZfF 2010, 169 (171 ff.). 63 Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (378); Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 17. Zur einfachgesetzlichen Struktur der gemeinsamen Einrichtungen und Optionskommunen vgl. Luik, jurisPR-SozR 24/2010, Anm. 1, Abschn. C. 59

§ 3 Der wesentliche Regelungsgehalt von Art. 91e GG 

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setzt64, stellt einen wohl durchdachten Bestandteil der neuen (Verfassungs-)Rechtslage dar. Denn trotz nur geringfügiger inhaltlicher Modifikationen gegenüber den früheren ARGEn65 sollte sich die im Grundgesetz verankerte Gestaltungsform deutlich von der für verfassungswidrig erklärten Rechtslage abheben. Die Umbenennung war gleichzeitig in Anbetracht der nur partiellen materiell-rechtlichen Änderungen die deutlichste Neuerung.66 2. Differenzierung Aufgabenträgerschaft und -wahrnehmung Mit dem „Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ vom 3. August 201067 wurden die neuen grundgesetzlichen Vorgaben auch im einfachen Recht umgesetzt. In der Praxis wurde damit lediglich die schon in den Jahren zuvor geltende Dualität von Aufgabenträgerschaft und Aufgabenwahrnehmung fortgesetzt: Während erstere zwischen Bund und Ländern (bzw. den diesen zugeordneten Kommunen) geteilt und damit an Art. 83 ff. GG angelehnt ist, kooperieren bei letzterer beide Seiten, wie es Art. 91e GG entspricht.68 Im Prinzip ist diese Dualität auch bereits in Art. 91e GG angelegt, da das Zusammenwirken beider Ebenen in gemeinsamen Einrichtungen bei der Ausführung von Bundesgesetzen geregelt wird. Dies wiederum setzt  – wie schon gezeigt  – eine geteilte Aufgabenträgerschaft voraus. 3. Reaktionen im Schrifttum Im Schrifttum69 wird davor gewarnt, Art. 91e GG als absolute Lösung für alle vom Bundesverfassungsgericht aufgeworfenen Probleme zu verstehen. Denn immerhin sollte die neu eingefügte Verfassungsnorm ausweislich ihrer Begründung „dem Gesetzgeber […] nicht nur kompetenzielle, sondern auch materielle, in der Zusammenschau mit anderen verfassungsrechtlichen Prinzipien tragfähige Lösungen“ 70 ermöglichen. Auf diese Weise habe die Mischverwaltung als zulässige Gestaltungsform in das Grundgesetz implementiert und zugleich die einfachgesetz­liche Regelung an die verfassungsrechtlichen Grundsätze angepasst werden sollen.71 Bund und Ländern sollte gestattet werden, bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende in verfassungsmäßiger Weise zusammenwirken zu können, ungeachtet dessen, dass 64

Vgl. § 44b SGB II (in Kraft getreten zum 1. Januar 2011), ergänzt durch § 6d SGB II (wie vor), wonach diese die Bezeichnung „Jobcenter“ führen. 65 Vgl. hierzu § 44b SGB II a. F. 66 Vgl. Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 8. 67 BGBl. I, 1112. 68 Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (377). 69 Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 22. 70 So formuliert in BT-Drs. 17/1554, S. 4. 71 Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 22.

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

hierfür nach dem Bundesverfassungsgericht auch andere Umsetzungsmöglichkeiten bestanden hätten.72 Bezüglich der neu geschaffenen Verfassungsnorm werden im Schrifttum73, insbesondere aus kommunaler Sicht, der gelungene Sprachstil sowie die kompakte Umsetzung und die systematische Zuordnung im Abschnitt VIIIa positiv gewürdigt. Gleichzeitig wird die gewählte Ausgestaltung der Grundsicherung von denselben Stimmen im Schrifttum74 jedoch auch politisch kritisiert, weil die Norm wegen ihrer den Gesetzgeber bindenden Wirkung ohne zwingenden Grund über eine bloße Billigung der Mischverwaltung hinausgehe und sich insoweit von den anderen, im gleichen Abschnitt des Grundgesetzes normierten Gemeinschaftsaufgaben abhebe. Immerhin sei wegen der starren Fassung, der in Art. 91e Abs. 2 GG nur eine einzige Alternative bei Option einer Kommune gegenübergestellt werde, mit Ausnahme dessen die einfachgesetzliche Ausgestaltung durch getrennte Aufgabenwahrnehmung verfassungsrechtlich unzulässig.75 Es handele sich somit um eine Form von „Verfassungspflicht zur Mischverwaltung“76 gegenüber dem einfachen Gesetzgeber, für deren Begründung kein sachlicher Grund bestanden habe, zumal aufgrund der verfassungsrechtlich vorgegebenen Regelsystematik einzelne Kommunen nicht selbstständig über das auf sie anwendbare Modell entscheiden könnten.77 Des Weiteren wird beanstandet78, dass eine solche Regelung der von der Föderalismusreform I beabsichtigten Entflechtung staatlichen Handelns diametral zuwiderlaufe und neu eingeführte Instrumente, hier das Aufgabenübertragungsverbot im Verhältnis Bund-Kommunen (vgl. Art. 84 Abs. 1 S. 7 und Art. 85 Abs. 1 S. 2 GG) in Verbindung mit der Konnexitätspflicht nach den Landesverfassungen, aushebele. Zusammenfassend könne in Art. 91e GG wegen der aus einer dualen Aufgabenverantwortung resultierenden, systemimmanenten Nachteile nur eine „eingeschränkt tragfähige Grundlage für eine sachgerechte Neuorganisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ erkannt werden.79 72

Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443). Henneke, Der Landkreis 2010, 159 (160) bzw. ders., Der Landkreis 2010, 371 (375); Vorholz, Der Landkreis 2010, 164 (164); zuletzt auch Meyer, NVwZ 2015, 116 (118). 74 Henneke, Der Landkreis 2010, 159 (160) bzw. ders., Der Landkreis 2010, 371 (381, „verfassungspolitisch äußerst bedenklich“); Vorholz, Der Landkreis 2010, 164 (164); Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (442). 75 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 22; siehe hierzu bereits am Ende des ersten Abschnitts (§ 3 II. 1.). 76 So Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (381); ähnlich auch Vorholz, Der Landkreis 2010, 164 (164) („Mischverwaltungspflicht“). 77 Vorholz, Der Landkreis 2010, 164 (164). 78 Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443, 445), vgl. insbesondere: „rechtspolitisch […] nicht unbedenklich“ (zum Zitat S. 443). 79 Zum Vorstehenden samt Zitat Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (445); a. A. hingegen ausdrücklich Meyer, NVwZ 2015, 116 (118), wonach mit Art. 91e GG eine tragfähige Lösung für „eine der zentralen gesellschaftspolitischen Herausforderungen des beginnenden 21. Jahrhunderts fixiert“ (dazu a. a. O.) worden sei. 73

§ 3 Der wesentliche Regelungsgehalt von Art. 91e GG 

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III. Weitere Inhalte der neuen Regelung Die weiteren Absätze des Art. 91e GG halten Regelungen zu einer alternativen Variante des Verwaltungsvollzugs sowie zur näheren Ausgestaltung im einfachen Recht bereit. 1. Ausnahmefall Optionskommunen (Abs. 2) Dem in Art.  91e Abs.  1 GG geregelten Grundsatz, die Grundsicherung für Arbeitsuchende durch gemeinsame Einrichtungen von Bund und Ländern bzw. den nach Landesrecht zuständigen Kommunen sicherzustellen, folgt in Art. 91e Abs. 2 GG ein ebenfalls verfassungsrechtlich abgesicherter Ausnahmefall nach.80 Nach dessen Satz 1 wird der Bund unter Verpflichtung zur Kostentragung nach Satz 2 ermächtigt, bei einer begrenzten Anzahl von Gemeinden und Gemeindeverbänden auf ihren Antrag und mit Zustimmung der obersten Landesbehörde die alleinige Aufgabenwahrnehmung zuzulassen. Die kommunale Aufgabenwahrnehmung ist hierbei ohne Verstoß gegen den Willkürgrundsatz auszugestalten und von der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gedeckt.81 Mit Art. 91e Abs. 2 GG beabsichtigte der verfassungsändernde Gesetzgeber, die bislang erfolgreich verlaufene Gestaltungsform einer kommunalen Option ebenfalls verfassungsrechtlich zu fixieren, um sie unter Entfristung der früheren einfachgesetzlichen Regelung82 auch nach dem 31. Dezember 2010 fortzuschreiben und dauerhaft beizubehalten.83 Zentrale Zielsetzung war es, auch künftig „– in Perpetuierung des seinerzeitigen politischen Kompromisses  – […] an der Zweigleisigkeit der Wahrnehmungskompetenz festzuhalten“84. Den Gemeinden und Gemeindeverbänden sollte weiterhin die Möglichkeit gegeben werden, im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende ohne Beteiligung des Bundes oder des 80

Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 39; s. a. Rn. 22 („Ausnahmevorbehalt“). Wegen der Formulierung „kann zulassen“ in Art. 91e Abs. 2 S. 1 GG ist der Bundesgesetzgeber nicht verpflichtet, sondern nach eigener Einschätzung lediglich berechtigt, eine kommunale Option zuzulassen – hierzu Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 28. 81 BVerfGE 137, 108 (108), dort Sätze 2 und 3 in Ls. 3. 82 Vgl. § 6a SGB II a. F. mit der darin enthaltenen Experimentierklausel – siehe hierzu bereits die Normüberschrift sowie im Übrigen Abs. 1 S. 1: „Zur Weiterentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende sollen an Stelle der Agenturen für Arbeit als Träger der Leistung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 im Wege der Erprobung kommunale Träger im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zugelassen werden können.“ Nach Absatz 3 der Norm war die Zahl der möglichen optierenden Kommunen auf 69 begrenzt und nach Abs. 5 die Zulassung auf längstens 6 Jahre befristet. 83 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 40; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 19 („verstetigt“); Schenke, in: Sodan, GG, Vorb. z. Art. 91a Rn. 3; Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 9; Marschner, NWB 2010, 2803 (2804 f.). 84 So treffend Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 25 zur Vorstellung des verfassungsändernden Gesetzgebers.

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

jeweiligen Landes in eigener Verantwortung als für die Leistungsgewährung zuständiger Träger tätig zu werden.85 Dabei betrat der verfassungsändernde Gesetzgeber allerdings Neuland: Eine dem Art. 91e Abs. 2 GG entsprechende Regelung, um kommunalen Trägern auf ihren Antrag hin sämtliche Aufgaben zu überantworten, ließ sich im Grundgesetz bislang nicht finden. Eine Übertragungsmöglichkeit auf einen anderen, nicht zuständigen Rechtsträger sah bislang lediglich Art. 89 Abs. 2 S. 3 G hinsichtlich der Verwaltung der Bundeswasserstraßen vor, dort allerdings beschränkt auf eine Übertragung an ein bestimmtes Land.86 Ausweislich der Gesetzesbegründung87 sollte Abs. 2 mit dem darin enthaltenen Optionsmodell als Ausnahme von dem seit der Föderalismusreform I geltenden und in Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG und Art. 85 Abs. 1 S. 2 GG niedergelegten Grundsatz konzipiert sein. Denn abweichend vom Regelfall wurde der Bund hierdurch ermächtigt, den Kommunen unmittelbar Aufgaben zu übertragen. Im Zusammenhang mit Absatz 1 wurden im Ergebnis „zwei Aufgabenerfüllungsmodelle im Regel-Ausnahme-Verhältnis“88 geschaffen. Des Weiteren wurde auch Absatz 2 Satz 2 als Ausnahme konzipiert: Entgegen der Grundregel des Art. 104a Abs. 5 GG ist hierin eine verfassungsrechtliche Kostentragungsregel zulasten des Bundes vorgesehen, die ausnahmsweise unmittelbare Finanzbeziehungen im Verhältnis von Bund und Kommunen ermöglicht.89 Ihrem Wesen nach dem finanzverfassungsrechtlichen Regelungssystem zugehörig, verschiebt diese Regelung zugleich entgegen Art. 104a Abs. 1 GG den Anknüpfungspunkt für die Kostentragung von der Wahrnehmung zur Veranlassung einer Aufgabe und erstreckt jene im Widerspruch zum genannten Absatz 5 auf Behörden eines anderen Rechtsträgers.90 Der Sinn und Zweck einer solchen Sonderregel liegt darin, die Kommunen vor solchen finanziellen Nachteilen zu schützen, denen sie 85

Ganz ähnlich auch BVerfGE 137, 108 (152). Zum gesamten vorstehenden Absatz vgl. Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (375). 87 BT-Drs. 17/1554, S. 4. 88 So treffend Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (375); siehe hierzu ebenfalls BT-Drs. 17/1554, S. 4 und Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 26 f. 89 BT-Drs. 17/1554, S. 5; BR-Drs. 186/10, S. 4; s. a. Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 34 f.; Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 27; Volkmann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 91e Rn. 11. Letzterem schließt sich Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 10 an. 90 Vgl. Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (375), der auf die Ähnlichkeit zu den landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsregelungen (allein wegen der typischen Wendung „notwendige Ausgaben“) und den Gleichlauf mit Art. 106 Abs. 8 GG hinweist. Gleichzeitig sieht er (weiterhin a. a. O. und m. w. N.) darin einen weiteren Beleg für die Wandlung der Finanzverfassung von einer Zweistufigkeit zu einer Zweieinhalbstufigkeit. Dieser Umstand „trägt dem politischen Willen Rechnung, […] keine Auswirkungen auf die Verteilung der Finanzierungslasten zwischen Bund und Ländern / Gemeinden“ zu zeitigen, so Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 10 unter Verweis auf die zur Regelung in BR-Drs. 186/10, S. 4 von offizieller Seite gegebene Begründung. 86

§ 3 Der wesentliche Regelungsgehalt von Art. 91e GG 

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auf Basis des Art. 91e Abs. 1 GG, d. h. im Regelfall des Gesetzesvollzugs, nicht ausgesetzt gewesen wären.91 Sowohl die Zuweisung an die Kommunen als auch die unmittelbare Finanzierung durch den Bund stellen sich zusammengefasst als Ausnahme von der eigentlichen Trennung92 des Bundes von den Ländern dar und demgemäß als eine jedenfalls punktuelle Durchbrechung der Zweistufigkeit im Bundesstaat, in deren Rahmen die Kommunen grundsätzlich als Teil der Länder angesehen werden.93 Als Reaktion auf die vom Grundgesetz gesicherte Fortschreibung der Optionskommunen gab es Stimmen94, die Art. 91e Abs. 2 GG in seiner Zielsetzung für verfehlt hielten. Der verfassungsändernde Gesetzgeber handele seinen eigenen Vorsätzen zuwider, wenn er die Option mitsamt dem ihr anhaftenden Ausnahme- und Experimentiercharakter nunmehr verstetige bzw. sogar ausweite und damit die eigentliche Zielsetzung, eine unterschiedslose Gewährung der Grundsicherung für Arbeitsuchende aus einer Hand verfassungsfest in das Grundgesetz zu implementieren, im zweiten Schritt negiere.95 Auf diese Weise begebe er sich in die nicht nachvollziehbar begründbare Position, seinen bisherigen Anstrengungen und Vorstellung zuwider doch neue Strukturebenen zu schaffen, was wiederum das „Risiko einer Zweiklassengesellschaft erwerbsfähiger Hilfebedürftiger“96 mit sich bringe. Dessen ungeachtet wurde auch die Anlegung unterschiedlicher Maßstäbe zwischen bestehenden und künftigen Optionskommunen im Rahmen ihrer Zulassung durch den Bund erheblich kritisiert.97 Insoweit war vorgesehen, zum einen die bereits bestehenden 69 Optionskommunen, welche im Rahmen der Experimentierklausel ins Leben gerufen wurden, ohne erneuten Antrag oder Prüfung beizubehalten und zum anderen Anträge weiterer Kommunen auf Zulassung bis zu höchstens einem Viertel der Aufgabenträger zu ermöglichen.98 In Anbetracht der durch Art. 91e Abs. 2 GG verfassungsrechtlich und nicht länger nur experimentell eröffneten Möglichkeit, dass Kommunen für die alleinige Aufgabenwahrnehmung optieren, drängt sich schließlich die Frage nach ihren aus dem Grundgesetz abzuleitenden Grenzen auf. Im Folgenden soll deshalb in der 91

Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 35. Dazu ausführlich sogleich in § 5 II. 1. 93 Mit dieser Feststellung jüngst BVerfGE 137, 108 (147 ff.). 94 Beispielsweise Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (444); Luthe, SGb 2010, 121 (1 f.). 95 Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (444) fasst den Kern des vielfachen Anstoßes unter dem „Widerspruch zur eigentlichen Zielsetzung“ zusammen und verweist dafür auf die Gesetzesbegründung, beispielhaft BR-Drs. 186/10, S. 2, wonach die gelungene Zusammenarbeit in den Arbeitsgemeinschaften fortgeführt und intensiviert werden solle (ebenso z. B. BT-Drs. 17/1554, S. 1, 4). 96 So Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (444). 97 Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443) unter Verweis auf die Neufassung des § 6a SGB II (seit 2010). Diesbezüglich äußert Luthe, SGb 2010, 121 (1 f.) Bedenken an den ungleichen Anforderungen für bisherige und neu hinzutretende Optionskommunen. 98 BR-Drs. 186/10, S. 4; ebenso unter Verweis auf diese Begründung Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443 f.). 92

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

gebotenen Kürze – da für das Ergebnis dieser Arbeit ohne Bedeutung – die meistdiskutierte dieser Grenzen99, die Maximalzahl der möglichen Optionskommunen, thematisiert werden. Während § 6a Abs. 2 S. 4 SGB II ihre Zahl einfachgesetzlich auf ein Viertel begrenzt, lässt sich der Verfassungsnorm, die lediglich pauschal eine „begrenzte Anzahl“ veranschlagt, keine konkrete Zahl zur Höhe des gedachten Kontingents zu entnehmen. Obgleich durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007100 nicht gefordert, ging man bei der Verfassungsänderung ausweislich ihrer Begründung101 allerdings von der Angemessenheit der einfachgesetzlich bereits bestehenden ¼-Grenze aus und legte diese der geschaffenen Norm gedanklich zugrunde. Mithin stellt sich die Frage, ob die ¼-Grenze des einfachen Rechts auch in Art. 91e Abs. 2 GG hineingelesen werden kann oder die grundgesetzliche Regelung hierüber hinausgeht. Denn wäre letzteres zu bejahen, dürfte sich aus der Verfassungsnorm im Rahmen der dortigen Voraussetzungen ein Anspruch der 111. bzw. jeder weiteren Kommune auf Zulassung als Optionskommune ergeben, obwohl sie einfachgesetzlich wegen des Überschreitens der ¼-Grenze hiervon eigentlich ausgeschlossen wäre.102 Diese Möglichkeit wird (bzw. wurde103) von den meisten be-

99 Darüber hinausgehend wird in verfassungsrechtlicher Hinsicht vor allem die Frage thematisiert, inwieweit nach dem Grundgesetz eine Finanzkontrolle des Bundes über die Optionskommunen bestehen soll; hierzu u. a. Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 53. Denn Art. 91e Abs. 2 GG regelt diese Frage nicht explizit, wohingegen einfachgesetzlich in § 6b Abs. 4 und 5 SGB II n. F. (seit 2010) entsprechende Normen existieren. Ob die Ermächtigung nach Art. 91e Abs. 3 GG auch die unmittelbare Finanzkontrolle der Kommunen durch Bundesbehörden umfasst oder diese Gestaltung verfassungswidrig ist, wird im Schrifttum lebhaft diskutiert: dafür Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 37 a. E. trotz der von ihm erkannten Reichweite und trotz des Gegensatzes zur bundesstaatlichen Grundstruktur. Auch Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 22 zieht diese Erwägung hilfsweise heran, erwägt aber für die „Kontrollbefugnis von Bundesorganen über Kommunalkörperschaften“ (zum Zitat a. a. O.) vorrangig Art. 84, 114 Abs. 2 GG, deren Anwendbarkeit er im Ergebnis offenlässt. Gegen die Möglichkeit der Finanzkontrolle wird hingegen eine Entscheidung des BVerfG vom 7. September 2010, abgedruckt in BVerfGE 127, 165 (193 ff.), zu dem ähnlich gelagerten § 6a des Gesetzes zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder (Zukunftsinvestitionsgesetz) angeführt, vgl. Mayen, NVwZ 2011, 584 (586); in ähnlicher Weise ablehnend bereits zuvor Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (375). 100 In seiner zentralen Entscheidung vom 20. Dezember 2007, vgl. BVerfGE 119, 331 ff. 101 Vgl. die Formulierung „auf höchstens ein Viertel der Aufgabenträger“ in BT-Drs. 17/1554, S. 4. Dem entgegengesetzt bewertete Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (378) diese zahlenmäßige Begrenzung lediglich als „eine reine politische Absichtsbekundung […], der keinerlei verfassungsrechtlicher Gehalt beizumessen ist“. 102 Auseinandersetzung mit dieser Frage bei Dauderstädt, GdS Magazin 2010, 14 (15) und Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (379). 103 In Anbetracht der nachstehend erörterten Entscheidung jüngeren Datums des BVerfG (dazu inhaltlich sogleich) haben die kritischen Stimmen zuletzt erkennbar abgenommen: Beispielsweise weist Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 27 in der jüngsten Fassung seiner Kommentierung zu Art. 91e Abs. 2 GG (77. EL 2016) – anders als noch in einer früheren Fassung (vgl. dazu die nachfolgende Fn. 104) – lediglich noch darauf hin, dass der Wortlaut eine derartige Grenze nicht beinhalte, und sieht den Meinungsstreit im Übrigen jedoch als „überholt“ (so explizit in der dortigen Fn. 96) an.

§ 3 Der wesentliche Regelungsgehalt von Art. 91e GG 

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jaht: Überwiegend wird bzw. wurde zumindest im Schrifttum104 angenommen, dass sich die einfachgesetzlich vorgesehene, zahlenmäßige Beschränkung weder (ange­ sichts der Normenhierarchie) explizit auf das Verfassungsrecht übertragen noch (aufgrund fehlender Anhaltspunkte im Wortlaut) in Art. 91e Abs. 2 GG hineinlesen lasse. Demgemäß wäre eine Gemeinde trotz Ausschöpfung der Zulassungsgrenze als Optionskommune zuzulassen105, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt und solange sie gleichzeitig noch den Anforderungen der Verfassungsnorm entspricht, d. h. die dort vorgesehene „begrenzte Anzahl“ an Optionskommunen noch nicht erreicht ist – was wiederum der Auslegung anhand des Wortlauts und der Systematik (Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Absatz 1) bedürfe.106 Abweichend hiervon hat sich allerdings das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung zu Art. 91e GG aus dem Jahr 2014107 geäußert, in welcher sich der Zweite Senat näher mit der darin gewählten Formulierung befasst hat: Er kam zu dem Ergebnis, dass Absatz  2 „keinen verfassungsunmittelbaren Zulassungsanspruch zur alleinigen Aufgabenerfüllung“ gewähre und auf Verfassungsebene keine bestimmte Anzahl an möglichen Optionskommunen benenne, sondern dass nur ein Anspruch auf „chancengleiche Teilhabe“ im Rahmen der einfachgesetzlich limitierten Optionsplätze bestehe, nicht jedoch darüber hinaus.108 Als Folge dessen stellte das Bundesverfassungsgericht sodann fest109, dass die in § 6a Abs. 2 Satz 4, Abs. 4 SGB II 104

Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 42 hält eine Übertragung der ¼-Grenze in das Grundgesetz für „fast willkürlich“, Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 27 bezeichnete sie jedenfalls noch in einer früheren Bearbeitung (73. EL 2014) als „ein fragwürdiges Unterfangen“ (Die betreffenden Sätze fehlen hingegen in der aktuellen Bearbeitung, vgl. insoweit schon die vorangegangene Fn. 103). Vergleichbar Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 20: „Grenzen der Auslegung überschritten“; dem schließt sich auch Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 25 f. an. Schließlich bekundet Zweifel ebenfalls Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 9 mit Hinweis auf Art. 3 GG samt Willkürverbot. 105 Auch zum weiteren Zulassungsverfahren, also etwa zu den relevanten Auswahlkriterien, enthält Art. 91e Abs. 2 GG keine Angaben, sondern überlässt dies im Einzelnen dem einfachen Gesetzgeber (vgl. Abs. 3). Diese Zurückhaltung des Verfassungstextes hält Mehde, in: BeckOKGG, Art. 91e Rn. 23 f. für „verfassungspolitisch höchst fragwürdig“ (Rn. 23) und fordert präzise Regelungen im einfachen Recht (Rn. 24). 106 Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (379) hält danach aus Verfassungssicht „bundesweit knapp die Hälfte der in Betracht kommenden Kommunen“ für antrags- und zulassungsberechtigt, um den Vorgaben der Begrenzung und dem Regel-Ausnahme-Verhältnis von Absatz 1 und Absatz 2 noch gerecht werden können; im Ergebnis ähnlich, wenngleich deutlich knapper Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 42; Klein, in: Maunz / Dürig, GG (73. EL 2014), Art. 91e Rn. 27. Nach Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 20 a. E. wären – offenbar noch weitergehend – sogar „alle Kommunen zuzulassen“, die den sonstigen Voraussetzungen des Gesetzes gerecht werden. 107 BVerfGE 137, 108 (152 f.). 108 Vgl. zum Vorstehenden mitsamt beider Zitate BVerfGE 137, 108 (152 f., 174 f.), konkret S. 152 zum ersten und S. 153 zum zweiten Zitat im Fließtext; siehe außerdem die vertiefende Begründung hierzu unter Berücksichtigung von Art. 28 Abs. 2 GG auf den Folgeseiten der genannten Entscheidung (a. a. O., S. 153 ff.). Bezugnehmend hierauf äußerte Meyer, NVwZ 2015, 116 (118) in prägnanter Weise, „Art. 91e Abs. 2 GG räume […] keinen Anspruch, wohl aber eine Chance ein“. 109 BVerfGE 137, 108 (176).

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

enthaltene zahlenmäßige Beschränkung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, sondern sich im Rahmen der grundgesetzlichen Regelung sowie der politischen Vorstellungen halte. 2. Regelungsvorbehalt (Abs. 3) Schließlich sei noch kurz auf Art. 91e Abs. 3 GG hingewiesen: Hierbei handelt es sich um einen gesetzlichen Regelungsvorbehalt, welcher dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuweist, insoweit die Zustimmung des Bundesrates anordnet und zugleich als verpflichtender Auftrag an den Gesetzgeber zu verstehen ist.110 Auf Basis dessen kann der Bund im Hinblick auf Absatz 2 zwar die Zulassungsanforderungen für Optionskommunen regeln, nicht aber die Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung, wenn die Option erst wirksam ausgeübt wurde.111 Beispielhafte Regelungsgehalte einer einfachgesetzlichen Ausgestaltung finden sich diesbezüglich in der Begründung der Verfassungsvorschrift.112 Diesen Vorgaben folgend wurde am 3. August 2010 das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende“113 erlassen.114

110 BVerfGE 137, 108 (159 f.), außerdem Satz 1 im dortigen Ls. 4 (S. 108); s. a. Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 22; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 39; Schenke, in: Sodan, GG, Vorb. z. Art. 91a Rn. 4; Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 33; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 24. 111 Vgl. BVerfGE 137, 108 (160 f.), zudem Sätze 2 und 3 im Ls. 4 (S. 108), unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung der Verfassungsänderung, mit der Folge, dass Abs. 3 die Gesetzgebungskompetenzen der Art. 70 ff. GG unberührt lasse (zur Anwendung im Einzelfall siehe S. 164 ff.). 112 Dazu im Einzelnen BT-Drs. 17/1554, S. 5. Die enorme Reichweite der Regelungsgehalte, die in Art. 91e Abs. 3 GG hineingelesen werden sollen, hält Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 15 a. E. für „bemerkenswert“, da die Verfassungsvorschrift nur eine „sehr kursorische Grundlage“ (zu beiden Zitaten a. a. O.) hierfür biete. Vor diesem Hintergrund bliebe die nähere Formgebung der verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 91e GG vollständig dem einfachen Gesetzgeber vorbehalten (auch hierzu Mehde, a. a. O., Rn. 33). 113 BGBl. I, S. 1112. 114 Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 40, der auf die Änderungen des SGB II unter Art. 1 hinweist; ferner Mayen, NVwZ 2011, 584 (585).

§ 4 Die verfassungsrechtliche Problematik des Art. 91e GG Die Einfügung des Art. 91e GG in das Grundgesetz hat vielfältige Reaktionen, vor allem im Schrifttum, aber einzeln auch bereits in der Rechtsprechung, hervorgerufen. Obwohl sich keine dieser Quellen – wie schon in der Einführung zu dieser Arbeit festgestellt1  – eingehend mit der Frage der Verfassungswidrigkeit der Verfassungsänderung befasst hat, haben sie gleichwohl in zumeist eher knapp gehaltener Form kritische oder befürwortende Stellungnahmen hierzu abgegeben. Der Zusammenstellung dieser überwiegend die rechtspolitische Relevanz, sodann aber auch die rechtliche Zulässigkeit betreffenden Äußerungen dient das nachfolgende Kapitel.

I. Gegenläufige Ausgangspunkte einer Bewertung Betrachtet man die Entwicklungen und Hintergründe, die zur Einfügung des Art. 91e GG in das Grundgesetz geführt haben, drängt sich ohne Weiteres auf, dass die Entscheidung zur Verfassungsänderung in Anbetracht der vorherigen Probleme bei der Gestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende stark politisch motiviert war. Damit ergibt sich eine nach Anlass und Umsetzung differenzierte Wahrnehmung, die an dieser Stelle kurz umrissen werden soll: Zugunsten der freien Umsetzung durch Verfassungsänderung kann einerseits (politisch) die legislative Freiheit, hier des verfassungsändernden Gesetzgebers, angeführt, andererseits können ihr (rechtlich) die verfassungsrechtlichen Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG zur Beschränkung entgegengehalten werden. Man könnte die Verfassungsänderung aus der Sicht der Befürworter verstehen als eine aus der Freiheit des Gesetzgebers geborene „Grundentscheidung […] über die notwendige Systemänderung sozialer Sicherungssysteme“ – gleichsam „Akt der Notwehr des verfassungsändernden Gesetzgebers“ gegenüber dem Bundesverfassungsgericht samt der von ihm betonten, jedoch unzeitgemäßen Isolierung der einzelnen Ebenen im Bundesstaat.2 Aus anderer Sicht fände sich die Grenze derartiger gesetzgeberischer Reaktionen freilich im Grundgesetz selbst: Ließe die Verfassung eine Änderung selbst nicht zu, dann könnte nicht – auch nicht übergesetzlich – eine ersatzweise Begründung ge 1

Siehe insoweit § 1. Zu beiden Zitaten Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 21, der den erkannten Konflikt in der Normbewertung sehr verständlich herausarbeitet. 2

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

funden werden. Die auf dem Wege der Verfassungsänderung angestrebte Verwirklichung der Zielsetzung, die Grundsicherung für Arbeitsuchende zukunftsfest zu machen, ist insoweit auf nicht unerhebliche Kritik gestoßen, die sich überwiegend in politisch geprägter, zum Teil auch rechtlich begründeter Kritik geäußert hat.3

II. Rechtspolitische Bedenken Trotz der vielgestaltigen und vielschichtigen Diskussion4 über die neue grundgesetzliche Regelung zur Grundsicherung für Arbeitsuchende besteht verbreitet5 Einigkeit, dass die Vorgehensweise, einen durch das Bundesverfassungsgericht festgestellten verfassungswidrigen Zustand durch Implementieren einer diesen Zustand bereinigenden Grundgesetznorm auszubessern, in rechts- und verfassungspolitischer Hinsicht bedenklich erscheint. Im Schrifttum heißt es zunächst, es ließe sich bereits im Ausgangspunkt schwer begreifen, weshalb zur Umsetzung solch weitreichender Umstrukturierungen der Verwaltung mit Auswirkung auf das gesamte Bund-Länder-Verhältnis in diesem Rechtsbereich bloß „punktuelle und kurzatmige Pragmatismen“ geschaffen werden.6 Ein anderer Autor beschreibt dies als „fragwürdige Durchbrechung der vom BVerfG wieder deutlich gemachten Grundprinzipien der föderativen Ordnung“ 7 und kritisiert vehement die Vorgehensweise des Gesetzgebers, nach mehreren erfolglosen Jahren der einfachgesetzlichen oder anderweitigen Ausgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende das Grundgesetz zu ändern. Dem Vorwurf, dass die Politik auf die zuvor verfassungswidrige Rechtslage lediglich durch eine Verfassungsänderung anstelle ordnungsgemäßer einfachgesetzlicher Ausgestaltung reagiere bzw. reagieren könne und damit die eigene Reform heile, schließen sich auch andere an.8 Diese gesetzgeberische Entscheidung entspreche tatsächlich dem sich immer häufiger aufdrängenden Eindruck, dass die Verfassung im Problemfall 3 Dazu sogleich in § 4  II. (rechtspolitische Kritik) sowie § 4 III. 2. (rechtliche Kritik); dazwischen allerdings auch zu den Befürwortern der Verfassungsmäßigkeit in § 4 III. 1. 4 Zur allgemeinen rechts- und verfassungspolitischen Diskussion betreffend die Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91a ff. GG) insgesamt vgl. die Zusammenfassungen bei Schenke, in: Sodan, GG, Vorb. z. Art. 91a Rn. 7 (kurzer Überblick m. w. N.) und Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 94 ff. (sehr umfassende Darstellung m. zahlr. Nachw.). 5 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 21; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 11; Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 13 f.; a. A. hingegen ausdrücklich Meyer, NVwZ 2015, 116 (118), wonach „mit der Neuregelung […] an sinnvoller Stelle mit einer schlanken Formulierung“ ein zukunftsträchtiger Weg auf dem bedeutsamen Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende gewählt worden sei (zum Vorstehenden samt Zitat a. a. O.). 6 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 21. 7 So Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 29 in einer früheren Auflage (6. Aufl. 2011) seiner Kommentierung. In der jüngsten Auflage (7. Aufl. 2014) ist diese Formulierung als Schlusswort für die vorgenommene „Kritische Würdigung“ (im letzten Abschnitt, Rn. 27 ff.) hingegen entfernt worden. 8 So etwa Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 13.

§ 4 Die verfassungsrechtliche Problematik des Art. 91e GG 

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nach den Vorstellungen des einfachen Gesetzgebers zurechtgebogen werde, um dessen Konstrukte verfassungsfest zu machen. Das Grundgesetz werde diesbezüglich dem bereits bestehenden einfachen Recht und der gültigen Praxis der Verwaltung angepasst, eventuelle Unterschiede zwischen Recht und Realität eingeebnet.9 Was die Rechtsprechung – wie hier – höchstrichterlich für unzulässig erachtet habe, werde für die Zukunft im Wege einer Verfassungsänderung zur gültigen Rechtslage. Nach mancher Auffassung liege „in diesem Kompromiss eine Perversion des Richterspruchs“10, jedenfalls aber dürfte unter einer zunehmenden „Befrachtung der Verfassung mit schlecht formulierten Details eines politischen Kompromisses“ deren Stellenwert als höchstrangige nationale Rechtsquelle und ihre besondere Aussagekraft gegenüber einfachen Gesetzesregelungen, ihre „Würde und [ihr] Ansehen“ leiden.11 So werde die „Grundordnung des Staates mit wenig durchdachten zweit- und drittrangigen Details, die nicht in eine Verfassung gehören“12 befrachtet und auf diese Weise entgegen ihrer eigentlichen Zielsetzung überladen. Fast zwangsläufig blieb der Versuch, die verfassungsrechtlichen Bedenken, die das Bundesverfassungsgericht noch in 2007 aufgeworfen hatte, durch eine Vollregelung im Grundgesetz zu beseitigen, nicht ohne Zweifel: Soweit die Verfassungsänderung eine verfassungsfeste und zukunftsträchtige Ausgangslage zu schaffen beabsichtigte, zeige sie sich „nicht nur als verfassungspolitische Fehlleistung sondern vor allem auch als verfassungssystematischer Irrtum“.13 Die Gültigkeit solcher nachträglicher Legalisierung sei zwar unter dem Aspekt der (gegebenenfalls verringerten) Überzeugungskraft der Verfassungswidrigkeitsentscheidung sowie der eigentlichen „Tragfähigkeit der Reform“ zu beurteilen, doch stünde einer Vergemeinschaftung von Bund und Ländern im Prinzip die in der Föderalismus­reform geäußerte Vorstellung entgegen, Mischtatbestände abzubauen und die Rechtsklarheit nicht zu verwässern.14 Der sich in den Vorgängen äußernde „schludrige Umgang mit der Verfassung und der kontinuierliche Qualitätsverfall auch der verfassungsändernden Gesetzgebung“15 müsse kritisch hinterfragt werden und sollte zum Nachdenken anregen. Immerhin sei die Verfassung gemäß der klassischen Intention und ihrem Zweck nach nicht als abschließende Generallösung gedacht, 9

Vgl. Steinberg, JZ 1980, 385 (390). Zur Anpassung des grundgesetzlichen Wortlauts an die „Verfassungswirklichkeit“ (S. 33) und insoweit nachträglichen Legalisierung (insoweit S. 35) vgl. allgemein auch bereits Seifert, GG und Restauration, S. 33 ff. 10 So bezeichnet in der FAZ vom 21. Juli 2008, S. 8 unter Bezugnahme auf einen Ausspruch des Staatswissenschaftlers Joachim Jens Hesse: „Statt den die Verfassungswidrigkeit begründenden Sachverhalt zu ändern, ändert man die Verfassung“ (vorstehendes Zitat abgedruckt a. a. O.). 11 Zum Vorstehenden einschließlich beider Zitate Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 11. 12 So Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 27 in der jüngsten Fassung der Kommentierung (siehe zu den Unterschieden gegenüber der Vorauflage bereits Fn. 7 in diesem Kapitel). In der nachfolgenden Rn. 28 kritisiert er sodann, dass „leichtfertig zum Instrument der Verfassungsänderung gegriffen“ werde. 13 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 36. 14 Zum Vorstehenden inkl. Zitat näher Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 13. 15 So die deutliche Abwertung bei Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 27.

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

deren abstrakte Grundsätze „auf alle Herausforderungen die Antwort“ zu bieten in der Lage seien.16 Schließlich sollte nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der verfassungsändernde Gesetzgeber durch eine derartige Verfassungsänderung mit den eigenen Zielen, wie er sie noch in der Föderalismusreform I formuliert hatte, in Widerspruch setzt.17 Art. 91e GG kann insofern als Sinnbild des Versuchs betrachtet werden, die auf Entflechtung der Verwaltungsstrukturen gerichteten Ansätze erneut umzukehren, wenn zwischen Bund und Ländern neue Mischverwaltungsstrukturen in das Grundgesetz implementiert werden. Jedenfalls aber wird abweichend von Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG und Art. 85 Abs. 1 S. 2 GG ausnahmsweise doch wieder zugelassen, dass der Bund den Kommunen unmittelbar Aufgaben zuweisen kann.18

III. Meinungsstand zum Vorwurf der Verfassungswidrigkeit Neben der verfassungspolitisch motivierten Kritik an Art. 91e GG wird zumindest vereinzelt auch die rechtliche Zulässigkeit der Verfassungsänderung thematisiert, wobei mitunter19 in Anknüpfung an die rechtspolitischen Bedenken betont wird, dass von diesen nicht unmittelbar auf eine Verfassungswidrigkeit geschlossen werden könne. Neben den in rechtlicher Hinsicht knapp gehaltenen rechtlichen Bewertungen im Schrifttum20 hat sich im Jahr 2014, d. h. etwa vier Jahre nach der Verfassungsänderung, erstmals auch das Bundesverfassungsgericht21 auf wenigen Seiten zu dieser Fragestellung geäußert. 1. Ablehnende Stimmen Zunächst finden sich zahlreiche Stimmen (vor allem in der Literatur, aber auch in einer einzelnen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts), die von der Verfassungsmäßigkeit von Art. 91e GG ausgehen und den Vorwurf eines Verfassungsverstoßes daher verneinen. 16

Zum Vorstehenden inkl. Zitat erneut Mager, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 91e Rn. 14. Dort heißt es im Übrigen (weiterhin a. a. O.), dass das Grundgesetz gleichwohl derzeit noch nicht Gefahr laufe, zu einem „kasuistischen Flickwerk von Einzelfallreaktionen“ zu verkommen. 17 Vgl. hierzu bereits § 3 I. 1. 18 Zu dieser Annahme ebenfalls schon zuvor in § 3, dort insbesondere in § 3 I. 2. und III. 1. Bei Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443) heißt es hierzu, dass das entsprechende „Durchgriffsverbot […] wieder aufgeweicht“ und damit seine eigentliche Zielsetzung, die Konnexität auf Landesebene sicherzustellen, hinterfragt werde. 19 In dieser Weise ausdrücklich Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 39 a. E. 20 Dazu sogleich in § 4 III. 1. a) (contra Verfassungswidrigkeit) und § 4 III. 2. (pro Verfassungswidrigkeit). 21 Hierzu nachfolgend näher in § 4 III. 1. b).

§ 4 Die verfassungsrechtliche Problematik des Art. 91e GG 

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a) Literatur Schon seit mehreren Jahren (erstmalig bereits vor der Grundgesetzänderung in 2010) verneinen überwiegende Stimmen aus der Literatur22 den Vorwurf verfassungswidrigen Verfassungsrechts einer verfassungsrechtlichen Absicherung der Grundsicherung für Arbeitsuchende, wie er in Art. 91e GG seinen Niederschlag gefunden hat. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen übereinstimmend: Fasse man Art. 79 Abs. 3 mit der herrschenden Meinung und dem Bundesverfassungsgericht – dazu im Einzelnen im Verlauf dieser Arbeit23 – als restriktives Ewigkeitselement des Grundgesetzes auf und verlange demgemäß die prinzipielle Preisgabe eines Grundsatzes, die Modifizierungen und einzelnen Abänderungen desselben zugänglich sei, könne von einer Verletzung des unantastbaren Kernbestandes des Grundgesetzes keine Rede sein.24 Denn dem Grundgesetz liege kein absolutes Verbot der Mischverwaltung zugrunde, so dass derartige Regelungen mit entsprechender Rechtfertigung ausnahmsweise möglich blieben.25 Durch die Existenz des Art.  91e GG fehle es seit 2010 insbesondere nicht mehr an der für die Zulassung einer Mischverwaltung vorausgesetzten Kodifikation im Verfassungstext, aufgrund derer eine Verflechtung der Aufgabenwahrnehmung durch Bund und Ländern, hier in gemeinsamen Einrichtungen, erst möglich werde.26 Dabei begründe die verfassungsrechtliche Absicherung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch keine unzulässige Dritte Ebene neben Bund und Ländern, weil sie nicht zur 22 Wieland, Kurzgutachten zur Organisation des Vollzugs des SGB II, S. 9; Siekmann, in: Sachs, GG, Art.  91e Rn.  11; Mehde, in: BeckOK-GG, Art.  91e Rn.  36 ff. (in Rn.  36: „kein Zweifel“ an der Verfassungskonformität); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 13; Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 17 ff.; Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (377). Noch während der mehrjährigen Diskussionen um die Möglichkeiten, den Vorgaben des BVerfG aus dessen Entscheidung im Jahr 2007 (BVerfGE 119, 331 ff.) gerecht zu werden, – und damit vor Einfügung von Art. 91e GG in das Grundgesetz – äußerte sich Burgi, ZSE 2 (2008), 281 (303) bereits dahingehend, dass eine die Grundsicherung bewahrende Verfassungsregelung von Art. 79 Abs. 3 GG noch gedeckt wäre. Im Anschluss an BVerfGE 137, 108 ff. – dazu im Einzelnen nachfolgend in § 4 III. 1. b) – ebenso Schenke, in: Sodan, GG, Art. 91e Rn. 1; Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 45 a. E. und Meyer, NVwZ 2015, 116 (118), jedoch in allen drei Fällen ausschließlich unter Bezugnahme auf die gerichtlichen Ausführungen sowie die Hinweise im vorangegangen Schrifttum. Bei Glaser wird an gleicher Stelle (a. a. O., Rn. 45, bestätigt nochmals in Rn. 103) und bei Schenke in den Vorbemerkungen zum VIIIa. Abschnitt (vgl. a. a. O., Vorb. z. Art. 91a Rn. 2 a. E.) auch der Vorwurf verfassungswidrigen Verfassungsrechts bezogen auf Art. 91a ff. GG insgesamt verneint. 23 Hierzu im Einzelnen noch im weiteren Verlauf dieser Arbeit, v. a. in § 8 VII. und § 9 I. 1. 24 Vgl. Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  91e Rn.  13; Mehde, in: BeckOK-GG, Art.  91e Rn. 37; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91e Rn. 11 a. E. 25 Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art.  91e Rn.  17; Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 38. 26 Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 18.; vgl. auch Mehde, in: BeckOKGG, Art. 91e Rn. 38, wonach „durch eine Zulassung im GG“ der zentrale Kritikpunkt des BVerfG bereinigt worden sei.

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

„Selbstpreisgabe“ von letzteren führe und beide Ebenen ein ausreichendes Maß an Eigenverantwortlichkeit behielten.27 Damit verletze Art.  91e GG die für unantastbar erklärten Verfassungsgrundsätze „nicht per se“, zumal die einfachgesetzlichen Regelungen diese umso stärker berücksichtigten und die Gesamtkonzeption deshalb den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werde.28 Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass sich die nunmehr verfassungsrechtlich gestützte Mischverwaltung auf den genau umrissenen, wenngleich in seiner Reichweite viele Personen betreffenden Verwaltungsbereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende beschränke.29 Dies gelte – aus dem Blickwinkel der Literatur – nicht zuletzt auch in Anbetracht der von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bislang geäußerten Interpretationsweise des Art. 79 Abs. 3 GG, die eine systembedingte und sachgemäße Modifikation der unantastbaren Kerngehalte zulasse, solange es nicht zu einer Erosion komme.30 Ließe man derartige Anpassungen der Verfassung hingegen nicht zu, bestünde die Gefahr, dass das Grundgesetz zu „statisch“ würde.31 Soweit über Bundestaats-, Rechtsstaats- und Demokratieaspekte hinausgehend eine Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts fortwährend zu besorgen sei, könne hierdurch mangels Schutzwirkung des Art. 79 Abs. 3 GG jedenfalls kein verfassungswidriges Verfassungsrecht erzeugt werden.32 Ebenso wenig könne die von Art. 91e GG offen gelassene Frage der maximalen Anzahl an Optionskommunen33 zur Verfassungswidrigkeit der Vorschrift führen.34 b) Bundesverfassungsgericht Dieser Auffassung hat sich in jüngster Zeit, namentlich mit Urteil vom 7. Oktober 201435, auch das Bundesverfassungsgericht angeschlossen, als sich der Zweite Senat anlässlich seiner Ausführungen zu der verfassungsrechtlichen Stellung der 27 Zu den vorstehenden Erkenntnissen samt Zitat noch vor der Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers für Art. 91e GG: Burgi, ZSE 2 (2008), 281 (303). Seine theoretischen Ausführungen erfolgten damals anhand der in den ersten Jahren (2007/08) diskutierten Verfassungsänderungen (vgl. bereits Fn. 22). 28 Hierzu einschließlich des Zitats Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (377). 29 Vgl. Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 37 a. E.; Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 18. 30 In dieser Weise noch Engels, in: Berliner Kommentar zum GG (32. EL 2011), Art. 91e Rn. 14 in einer früheren Fassung der Kommentierung unter Bezugnahme auf die von Sachs in seiner Kommentierung von Art. 79 GG im Anschluss an das BVerfG 2007 geprägte Formulierung (dort „Erosionsvorgang“, so auch weiterhin in der jetzigen Fassung der Kommentierung: Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 37). 31 Zum Vorstehenden samt Zitat Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 36. 32 Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (377). 33 Näher zu dieser Problematik in § 3 III. 1. 34 Vgl. Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 39. 35 BVerfGE 137, 108 (143 ff.) zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit, vor allem S. 144 f. zum Ergebnis der Untersuchung.

§ 4 Die verfassungsrechtliche Problematik des Art. 91e GG 

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Optionskommunen, der Relevanz des Art. 91e GG für die kommunale Selbstverwaltungsgarantie und am Maßstab dessen der einfachgesetzlichen Ausgestaltung in § 6a SGB II (n. F.) innerhalb seiner Entscheidung in wenigen Sätzen auch zu den verfassungsrechtlichen Bedenken äußerte: Danach sei ein Verstoß des Art. 91e GG gegen die von Art. 79 Abs. 3 GG fixierten, materiellen Maßstäbe für Verfassungsänderungen nicht zu erkennen, da die in Art. 20 GG gewährleisteten Verfassungsprinzipien nicht angetastet würden.36 Zwar gehe das Grundgesetz von einem grundsätzlichen, nicht aber von einem absoluten Verbot der Mischverwaltung aus.37 Soweit deshalb Art. 91e GG für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende das geltende Verbot durchbreche und damit in Widerspruch zu den dieses tragenden Verfassungsprinzipien des Bundesstaates, der Demokratie und des Rechtsstaates trete38, würden die Anforderungen an die Berührung unantastbarer Grundsätze im Sinne der Unantastbarkeitsklausel nicht erreicht. Denn die damit einhergehende, jedoch auf einen bestimmten Rechtsbereich beschränkte und insofern „eng begrenzte Durchbrechung der grundsätzlich auf Trennung von Bund und Ländern angelegten Verteilung der Verwaltungszuständigkeiten“39 werde lediglich dem Recht des verfassungsändernden Gesetzgebers gerecht, die unantastbaren Gehalte der in Art. 20 GG normierten Staatsprinzipien ausnahmsweise „aus sachgerechten Gründen zu modifizieren“40. Dabei würden vor allem die demokratischen und rechtsstaatlichen Anforderungen, die beiderseits klare Verantwortlichkeiten und klare Kompetenzregelungen verlangten41, noch hinreichend berücksichtigt. Das Bundesstaatsprinzip hingegen schütze seinerseits ohnehin nur einen Mindestaufgabenbereich und gelte im Übrigen lediglich in dem Umfang seiner konkreten Ausgestaltung durch Verfassungsnormen.42 Schließlich seien, wie das Bundesverfassungsgericht an gleicher Stelle ergänzend ausführt, selbst unter Zugrundelegung einer weit gefassten und über das restriktive Verständnis des Gerichts hinausgehenden Auslegung43 weder „unverhältnismäßige Beschränkungen“ noch „eine substantielle Erosion“ festzustellen.44 36

Vgl. BVerfGE 137, 108 (143): Im Original heißt es dort „stellt sie nicht in Frage“. BVerfGE 137, 108 (143, 144 f.); hierzu ausführlich sogleich in § 5 II. 38 Hierzu BVerfGE 137, 108 (143 f.). 39 So BVerfGE 137, 108 (143). 40 So BVerfGE 137, 108 (145) in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung zu den Anforderungen des Merkmals „berührt“ in Art. 79 Abs. 3 GG, die mit BVerfGE 30, 1 (24) ihren Anfang nahm; eingehend zu diesem von der jüngsten Entscheidung des BVerfG vorausgesetzten Verständnis im späteren Verlauf der Arbeit (siehe § 9 I. 1.). 41 BVerfGE 137, 108 (143 f.); auch hierzu noch ausführlich in § 6 II. 2. (Demokratie) und § 6 III. 2. (Rechtsstaat) sowie zu den unantastbaren Gehalten dieser Verfassungsprinzipien in § 10 II. 2. und II. 3. 42 BVerfGE 137, 108 (144 f.); zum Bundesstaatsgedanken eingehend in § 6 I. 2., zu seinen änderungsfesten Inhalten in § 10 II. 1. 43 Zu den verschiedenen, zur Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen von Art.  79 Abs. 3 GG vertretenen Auffassungen (darunter neben der bereits zitierten Herangehensweise des BVerfG die gegenteilige Literaturmeinung) vgl. die nachfolgenden Ausführungen in § 9. 44 Zum Vorstehenden einschließlich der beiden Zitate: BVerfGE 137, 108 (145). 37

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1. Teil: Grundsicherung für Arbeitsuchende und Art. 91e GG 

2. Bejahende Stimmen Einige Autoren45 befürchteten demgegenüber im Vorfeld der vorstehend erläuterten Entscheidung, das Bundesverfassungsgericht werde die Neuregelung der Grundsicherung für Arbeitsuchende mitsamt dem Art. 91e GG im Falle einer Vorlage erneut für verfassungswidrig erklären. Wiederum andere hielten die Verfassungswidrigkeit der Neuregelung immerhin für „naheliegend“46. Erläuternd wurde ausgeführt, dass es sich aufgrund der fortwährend dem grundgesetzlichen System und dessen Tendenz zu weiterer Entflechtung widersprechenden Verschränkung verschiedener Verwaltungsebenen um ein unsicheres Wagnis handele, die Grundsicherung für Arbeitsuchende auf den Bund einerseits und die Länder bzw. einzelnen Gemeinden andererseits zu verteilen.47 Unter einem zu dichten Geflecht an Strukturen, dem die Föderalismusreform I gerade habe entgegenwirken sollen, litten regelmäßig Zweckmäßigkeit, Effizienz, Leichtigkeit und Transparenz des Verfahrens sowie letzten Endes oftmals die Richtigkeit der Entscheidungen; dies sei nicht nur für den Bürger kaum jemals nachvollziehbar, sondern insbesondere störungsanfällig und schwerfällig, besonders auch im Verhältnis des Finanzierenden zum materiell Verantwortlichen.48 Mit der Einfügung des Art. 91e GG in das Grundgesetz werde zwar die formelle, nicht aber die „materielle Verfassungswidrigkeit infolge der personellen Vermischung von Kompetenzen und Zuständigkeiten“ beseitigt.49 Infolge der Existenz des Art. 79 Abs. 3 GG könne auch eine durch Verfassungsänderung geschaffene Norm des Grundgesetzes (ausnahmsweise) gegen die Verfassung verstoßen.50 Weil es weiterhin an der eindeutigen Zurechenbarkeit hoheitlicher Maßnahmen an einen Verwaltungsträger mangele, könne auch die neue Verfassungsnorm gemessen am Demokratieprinzip „nur eine eingeschränkt tragfähige Grundlage für eine sachgerechte Neuorganisation“ bilden.51

45 Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443, 445 a. E.) und Dyllick / Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (19, 21), letztere allerdings mit nur sehr knapper Begründung durch pauschalen Verweis auf Art. 20 GG. 46 So Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 20 ohne nähere Prüfung anhand der verfassungsrechtlichen Anforderungen oder eindeutiger diesbezüglicher Schlussfolgerung; im Anschluss (Rn. 21 a. E.) vielmehr mit rechtspolitischen Bedenken (vgl. bereits § 4 II.). 47 Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443, 445 a. E.); ganz ähnlich Dyllick / Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (21), wonach das Problem solange fortbestehen dürfte, wie „zwei Aufgabenträger vorhanden blieben, die im staatsrechtlichen Gefüge unterschiedlich einzuordnen seien“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.). 48 Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443). 49 Mit diesem Argument einschließlich des Zitats Dyllick / Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (21). 50 Vgl. aus dem Kreis der Befürworter einer Verfassungswidrigkeit von Art.  91e GG Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443). Zu dieser allgemeingültigen Feststellung siehe § 7 II. und § 8 VI. 51 Zum Vorstehenden samt Zitat Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443, 445 a. E., letzteres zum Zitat). In Rn. 443 ist deshalb auch die Rede von einem „Demokratiedefizit“.

§ 4 Die verfassungsrechtliche Problematik des Art. 91e GG 

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IV. Folgerungen für diese Arbeit Inwieweit im Rahmen einer rechtlichen Begutachtung von Art. 91e GG der einen oder anderen Auffassung zu folgen sein dürfte, ist Gegenstand der weiteren Untersuchung. Dies setzt allerdings die eingehende Auseinandersetzung mit den Grundlagen von Mischverwaltung, ihren verfassungsrechtlichen Grenzen sowie den materiell-rechtlichen Anforderungen an eine Verfassungsänderung voraus. Erst im Anschluss52 ist eine sorgfältige und eingehende Kontrolle von Art. 91e GG anhand der vorgenannten Maßstäbe denkbar.

52

Vgl. zum Schluss dieser Arbeit in § 11.

Zweiter Teil

Problematik und Grenzen der Mischverwaltung § 5 Problematik der Mischverwaltung Primäre Aufgabe des Art. 91e GG war und ist es gemäß seiner Entstehungsgeschichte, in seinem Absatz 1 das Zusammenwirken zwischen Bund und Ländern bzw. Kommunen durch die Arbeit in gemeinsamen Einrichtungen zu ermächtigen und als Regelfall vorzuschreiben, soweit es den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende betrifft.1 Auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber auf diesem Weg die bislang bestehende gesetzliche Ausgestaltung und Praxis, dass die Aufgaben durch Arbeitsgemeinschaften aus Bund und Ländern / Kommunen wahrgenommen werden, aufrechterhalten und mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2007 verfassungsrechtlich absichern.2 Bei der Schaffung einer neuen Verfassungsnorm ließ er sich augenscheinlich von der Aussage des Gerichts leiten, dass die Arbeitsgemeinschaften „als Gemeinschaftseinrichtungen von Bundesagentur und kommunalen Trägern nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht vorgesehen“3 und deshalb mangels entsprechender Ausnahmevorschrift nicht zulässig seien.4 Aufgrund des neu eingefügten Art. 91e GG werden die Gesetze auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende nunmehr durch gemeinsame Verwaltungseinrichtungen von Bund und Ländern bzw. Kommunen (als organisatorischem Teil der Länder) ausgeführt.5 Weil hiermit mehr als eine funktionelle, gleichsam eine institutionelle Verbindung beider Ebenen unter Zusammenlegung und somit Verflechtung ihrer Zuständigkeiten erfolgt, lässt sich das Staatshandeln aus der Sicht des dem Staat gegenüber stehenden Bürgers nicht mehr eindeutig einem der Träger zuordnen.6 Insoweit ist das Themenfeld der sog. „Mischverwaltung“7 angesprochen.8 1 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 22; Dauderstädt, GdS Magazin 2010, 14 (14); Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (376); Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (442). 2 Vgl. auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs.  17/1554, S.  1, 4; zusammenfassend Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (442 f.). 3 BVerfGE 119, 331 (369). 4 Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (377); Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443). 5 Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (442); Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (375). 6 Zum Vorstehenden insgesamt Dyllick / Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (18). 7 Die Begrifflichkeit taucht, soweit ersichtlich, bezüglich des Grundgesetzes erstmals – in noch abgewandelter, nicht schlagwortartiger Fassung – in einem Aufsatz von Kratzer, DÖV 1950, 529 (534) auf, damals namentlich noch umschrieben als „gemischte Bundes-Landesver-

§ 5 Problematik der Mischverwaltung 8

101

I. Begriff der Mischverwaltung

Der Begriff der Mischverwaltung entstammt nicht der Wortwahl des Grundgesetzes, sondern den „Schöpfungen der staatsrechtlichen Wissenschaft und der politischen Praxis“9. Er ist deswegen äußerst vielgestaltig10, kann sowohl weit als eng verstanden werden: Bei der jahrzehntealten Diskussion um diese Thematik haben sich verschiedene Ansätze herausgebildet, die nachfolgend in aller Kürze dargestellt werden sollen:11 Zunächst gibt es diejenigen Autoren, die unter Mischverwaltung – eher restriktiv orientiert – „nur das eigentlich staatliche, nämlich hoheitliche, verbindliche oder gestaltende Handeln nach außen hin, also die Eingehung von Verpflichtungen […] waltung“. Der Wortursprung soll angeblich im Bundesinnenministerium liegen, wo der „Terminus“ (so Köttgen, DÖV 1955, 485 (485)) zu Vereinfachungszwecken eingeführt worden sei. Für diese Information beruft sich Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 23, dort Fn. 13, auf einen persönlichen Kontakt zu Herrn Dr. Kratzer, der zur damaligen Zeit im Ministerium mitgewirkt habe. In den darauf folgenden Jahren setzte eine weitreichende Diskussion über den Begriff, seine Reichweite und die Grenzen dieser Verwaltungsform ein. Nicht verwunderlich ist deshalb, dass der Begriff zunehmend in Politik (in die Begründung eines Entwurfs zum Schwerbeschädigtengesetz vom 4. Juni 1952, abgedruckt in BT-Dr. 1/3430, dort S. 45) und im Schrifttum (erstmals offenbar Rohwer-Kahlmann, AöR 79 (1953/54), 208 (223)) adaptiert wurde. Zum Ursprung des Begriffs sowie zu den hiermit verbundenen Fragestellungen eingehend insbesondere Ronellenfitsch, a. a. O., S. 17 ff. und Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 15 ff. 8 Zu diesem Fazit vgl. stellvertretend Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 33. 9 So Sendler, DÖV 1981, 409 (409); im Übrigen siehe bereits Fn. 7 in diesem Abschnitt. Auch im Vorfeld des Grundgesetzes hatten sich schon einzelne Autoren mit der „Einmischung des Bundes“, so Schmitt, Verfassungslehre, S. 370 und i. Ü. S. 371 f., oder mit „einer gemischten Reichs- und Landesverwaltung“, so u. a. Leiser, Reichseigene Verwaltung und die dt. Länder, S. 11, auseinandergesetzt – oftmals allerdings, wie etwa der Letztgenannte, mit lediglich oberflächlichen Ausführungen. 10 Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 89 meint hierzu sogar, die Auseinandersetzung mit der Mischverwaltung im Schrifttum werde „durch den undefinierten und weiten Begriff […] verdunkelt“. Ganz ähnlich Gerner, BayVBl. 1955, 193 (193: „nicht eindeutig“); Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 57 („unscharf“); Sendler, DÖV 1981, 409 (409) oder Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (46). Deswegen heißt es bei Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 67 in Fn. 101 (in Ermangelung einer klaren Definition durch das Grundgesetz): Die Mischverwaltung „schillert als heteromorphes Instrument in Literatur und Rechtsprechung“. Ausführliche Diskussion bei dem Letztgenannten, a. a. O., S. 53 ff.; Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 21 ff.; Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 40 f. In der jüngeren Kommentarliteratur setzen sich zum Beispiel Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 47 f.; Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 28 und Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 13 mit dem Begriff der Mischverwaltung auseinander; im Übrigen auch Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (164) m. zahlr. Nachw. 11 Ein kompakter Überblick findet sich bereits bei Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (164); noch knapper bei Trapp, DÖV 2008, 277 (279 f.) unter Bezugnahme auf die nachstehend ebenfalls zitierten Ansätze des BVerfG.

102

2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

sowie das unmittelbar verbindlich gestaltende Hervortreten“12 subsumieren wollen. In vergleichbarer Weise hatte die Rechtsprechung früh als Mischverwaltung angesehen „eine Verwaltungsorganisation, bei der eine Bundesbehörde einer Landesbehörde übergeordnet ist, oder bei der ein Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden durch Zustimmungserfordernisse erfolgt“13. Geringfügig weiter waren bereits Ansätze, Mischverwaltung immer dort anzunehmen, wo „die nebeneinanderstehende Einwirkung von Bund und Land auf dieselbe Organisation“14 im Mittelpunkt steht bzw. „Verwaltungsstellen des Bundes und der Länder in Ausübung ihrer hoheitlichen Funktionen in einer und derselben Angelegenheit zu ihrer verwaltungsmäßig abschließenden Erledigung zeitlich gemeinsam oder nacheinander mit oder ohne rechtliche Außenwirkung tätig werden“15. Schließlich finden sich die meisten Stimmen im Schrifttum für einen eher weiten Ansatz16, im Detail jedoch mit gewissen Unterschieden: Danach kann Mischverwaltung einerseits „jede funktionelle oder organisatorische Verflechtung der Verwaltung von Bund und Ländern“17 sein, andererseits die „gleichzeitige Ausübung der Verwaltung eines oder mehrerer Sachgebiete durch Organe verschiedener Rechtsträger, insbesondere durch Behörden des Bundes und gleichzeitig der Länder, oder die Ausübung von Aufgaben verschiedener Rechtsträger (Bund und Länder) durch ein und dieselbe Behörde“18. Entsprechend den vielfältig denkbaren Formen eines Zusammenwirkens kann der Begriff somit unterschiedlich abstrahierend gefasst werden; dies reicht bis zu dem Punkt, wo man „jede Verwaltungstätigkeit […], bei der die sachlichen Entscheidungen in einem irgendwie gearteten Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden getroffen werden“19, mitrechnet. 12

Heinze, in: FS Forsthoff, S. 119 (129). So BVerfGE 11, 105 (124) unter Verweis auf die nicht näher belegte „herrschende Meinung“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.). Dem folgt auch heute noch Zippelius / Würtenberger, Dt. Staatsrecht (32. Aufl. 2008), § 46, Rn. 58. Allerdings war die enge Fassung dieser Begriffsbildung‘ auf den von dem Gericht zu beurteilenden Fall zurückzuführen; es wollte hiermit nur deutlich machen, dass eben diese Konstellation verfassungsrechtlich nicht zulässig sei, erkennbar aber keine allgemeingültige Definition aufstellen. 14 So in einem von Maunz, in: FS Nawiasky, S. 255 (266) herangezogenen Beispiel mit zulässiger Vermischung beider Ebenen. 15 So Darmstadt, Frage einer Mischverwaltung von Bund und Ländern, S. 119 im Schlusswort seiner Arbeit. 16 Kurzer Überblick m. w. N. bei Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (164). 17 So ursprünglich definiert von Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 58 und im Rückgriff hierauf BVerfGE 63, 1 (38) mit geringfügiger, inhaltlich nicht wesentlicher Abweichung in der Wortwahl („und“ anstelle von „oder“). 18 von Turegg / Klaus, Verwaltungsrecht, S. 218. 19 So schon Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 57, die minuziös (vgl. Rn. 33 ff. im Gegensatz zu Rn. 57 ff.) zwischen verschiedenen Misch-Konstellationen im externen Staat-Bürger- sowie im internen Bund-Länder-Verhältnis unterscheiden; daran anknüpfend wiederum BVerfGE 63, 1 (38) sowie Sendler, DÖV 1981, 409 (409) und Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 85. Demgegenüber verlangt Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 67 im Zuge seiner selbstständig entwickelten Definition zusätzliche Elemente funktionaler oder institutioneller Art. 13

§ 5 Problematik der Mischverwaltung

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Fasst man für die hier interessierenden Zwecke insbesondere die letztvertretenen Ansätze auf ihren Wesenskern zusammen, lässt sich dieser prägnant auf die folgenden Elemente reduzieren: „Mischverwaltung“ setzt stets ein Zusammenwirken der verschiedenen, grundsätzlich voneinander getrennten Ebenen im (föderalen) Staatsaufbau von Bund und Ländern in einer bestimmten Verwaltungseinrichtung und für bestimmte Verwaltungsaufgaben voraus.20 Die enge Verbindung beruht in diesen Fällen auf der Zusammenführung eigentlich separat handelnder Stellen mit Entscheidungskompetenz, indem Entschlüsse unter Einbindung der jeweils anderen Stelle gefasst21 oder mindestens einem Träger „Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse im Aufgabenbereich“22 des anderen Trägers eröffnet werden.23 Im weitesten Sinne sind hiervon sogar rein sächliche Aushilfs- oder Kooperationsleistungen eines Verwaltungsträgers gegenüber dem anderen erfasst, bei denen die Eigenständigkeit beider Ebenen zwar beibehalten wird, beide sich jedoch funktionell verschränken.24 Einer weitergehenden abstrahierenden Differenzierung – soweit diese überhaupt möglich sein sollte – bedarf es jedenfalls nicht.25 Hintergrund ist die mit zunehmender Komplexität der Sach- und Rechtsfragen aufgrund von „überregionalen Planungs- und Koordinationserfordernissen“ unum­ gängliche Bund-Länder-Kooperation auf verschiedenen Gebieten26 – sei es ledig 20 In ähnlicher Weise auch Gerner, BayVBl. 1955, 193 (193); Broß / Mayer, in: von Münch /  Kunig, GG, Art. 83 Rn. 13; Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S.  40 f.; Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb.  z. Art.  91a–91e Rn.  30; s. a. Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (164) und im Anschluss Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 89 (dort „Verflechtung von Bund und Ländern jeglicher Art“); ähnlich Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 130; Papier, in: FS Knöpfle, S. 273 (179 f.); kritisch Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 28 in Anbetracht der enormen Deutungsspanne. 21 Insbesondere durch sog. „Zustimmungserfordernisse“, so Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 13 und näher in § 5 II. 3. b); zudem Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 4. 22 So BVerfGE 39, 96 (120) sowie BVerfGE 119, 331 (365) bezüglich der Maßnahmen des Bundes im eigentlichen Aufgabenbereich der Länder; ferner Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 89. 23 Neben den bereits genannten Entscheidungen aus der Rspr. des BVerfG ebenfalls, nur weniger präzise, BVerfGE 41, 291 (311 f.) und BVerfGE 63, 1 (38 ff.). Aus dem Schrifttum sehr deutlich Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 10; Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 24; Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 13; Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 24. 24 Hingegen verstand Heinze, in: FS Forsthoff, S. 119 (129 f.) die „bloße Vergemeinschaftung des verwaltungstechnischen Substrats staatlicher Aufgabenerfüllung“ (zum Zitat S. 129), wenn also das Bund- oder Länder-Gefüge nicht durchbrochen wurde, nicht mehr als Konstellation der Mischverwaltung und legte seinen Ausführungen vielmehr ein enges Wortverständnis zugrunde. Auf einem solchen Verständnis beruht offenbar auch die Kategorisierung bei Kölble, NJW 1962, 1081 (1082). In beiden Fällen war dies augenscheinlich der angedachten Schlussfolgerung ihrer Unzulässigkeit geschuldet, von denen lediglich Beistandsleistungen ausgeklammert werden sollten. 25 In derselben Weise auch Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (44), wenn er eine – ohnehin kaum zu treffende – Differenzierung nach echten und unechten Formen der Mischverwaltung ausdrücklich ablehnt. 26 Zum Vorstehenden samt Zitat Kölble, DÖV 1967, 1 (1).

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

lich mittels wechselseitiger Absprache, sei es durch harmonisierende Maßgaben des Bundes oder sei es durch gezielte Verknüpfungen der handelnden Verwaltungsbereiche. Die Beteiligung kann insofern durch eine gemeinsame Trägerschaft von Bund und Ländern („echte“ gemeinsame Einrichtungen) besonders nachhaltig sein, wie dies bei Art. 91e GG nunmehr vorgesehen ist, oder sich jedoch in reinen Mitentscheidungsbefugnissen einer Ebene bei einer gemeinsamen Einrichtung auf der anderen Ebene erschöpfen („unechte“ Mischverwaltung).27 Weitere Fälle des bundesgesetzlichen Vollzugs durch Bund und Länder, in denen eine gegenseitige Einflussnahme wegen der Abschirmung der Tätigkeitsfelder ausgeschlossen ist, werden hingegen nicht als Zusammenwirken in diesem (weitreichenden) Sinne verstanden.28

II. Verbot einer Mischverwaltung? Vielfach wurde im Schrifttum29 (und wird zum Teil immer noch30 bzw. wieder31) bei der Beschreibung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern ein „katego 27

Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 42. Vgl. Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 61. 29 In dieser Weise dürfte bereits der, soweit ersichtlich, erste themenbezogene Aufsatz von Kratzer, DÖV 1950, 529 (534) zu verstehen sein, wie die dortige Formulierung zeigt: „Denn dieses [Anm.: das Grundgesetz] kennt eine bundeseigene, eine landeseigene und eine Auftragsverwaltung, nicht aber […] eine gemischte Bundes-Landes-Verwaltung.“ Und weiter (auch dazu weiterhin a. a. O.): „Gesetzesausführung gemischter Natur […], die […] dem Grundgesetz fremd ist“. Im Schrifttum des Weiteren z. B. Rohwer-Kahlmann, AöR 79 (1953/54), 208 (223); Tiemann, Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern, S.  74 ff. und wohl auch Köttgen, DÖV 1955, 485 (485); ihren Darlegungen voraussetzend immerhin Füßlein, DVBl. 1956, 1 (1) sowie Gerner, BayVBl. 1955, 193 (193). Zu der Entwicklung der Bewertung dieses Begriffs Klein, in: FG 25 Jahre BVerfG II, S. 277 (286 ff.); Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 14 f.; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 85; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 30; Badura, Staatsrecht, Kapitel G, Rn. 32; siehe weiterhin die Hinweise bei Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 22. Andernorts als „Einwand der Mischverwaltung“ bezeichnet, so Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S. 195 oder beispielsweise im Titel bei Köttgen, DÖV 1955, 485 ff., der diesem Ansatz selbst nicht folgt. Ausführliche Darstellung des Meinungsstandes in den 1960er und frühen 1970er Jahren bei Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 48 ff. m. zahlr. Nachw. und Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 26 f. (dort speziell Fn. 64) bzw. S. 60 ff. m. w. N. Mangels Bedeutung für das heutige Verständnis wird zur Vertiefung des historisch überkommenen Streitstandes auf die genannten Werke verwiesen. 30 Auch heute formulieren Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 13 oder Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 24 das Verbot immer noch entsprechend streng, machen aber über bestimmte Grundgesetznormen hinaus keine Ausführungen dazu, ob sie es ggf. nur als Regelverbot verstehen. Hingegen plädiert Oeter, Integration und Subsidiarität im dt. Bundesstaatsrecht, S. 454 (dort auch zum nachfolgenden wörtlichen Zitat) ausdrücklich für den Erhalt des Mischverwaltungsverbots „im Kern“. Auch er fügt jedoch hinzu, dass die damit ausgewiesenen unzulässigen eindeutig von den – nach diesen Ausführungen ohne Zweifel möglichen – Kooperationsvarianten zu differenzieren sein müssten (dazu weiterhin a. a. O.). 31 Huber, DÖV 2008, 844 (845) und bezugnehmend hierauf Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 42 sprechen beiderseits von der „Neuauflage des Verbots“ 28

§ 5 Problematik der Mischverwaltung

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risches“32 Verbot der Mischverwaltung angenommen. Hierfür wurde vielfach (und wird zum Teil immer noch, s. o.) Bezug genommen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts33 in den 1960er und 1970er Jahren. Dieses Verständnis wurde von Seiten der Länder jahrzehntelang ausgiebig als Einwand zur Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber dem Bund, besonders im Bundesrat, genutzt.34 Der als Ausgangspunkt herangezogene Mischverwaltungs-Begriff, der hiernach als solcher bereits mit einer „verfassungsrechtlichen Anrüchigkeit“35 behaftet war und deshalb vereinzelt heute noch zur Vermeidung einer normativ-wertenden Vorbelastung durch andere Wendungen ersetzt wird36, knüpft an das grundlegende Verständnis des Bund-Länder-Aufbaus in der Bundesrepublik Deutschland an.37 Deshalb soll zunächst das regelmäßige Verhältnis der beiderseitigen Verwaltungsräume und damit einhergehend die Verortung dieses Begriffs in den Normen bzw. im System des Grundgesetzes erläutert werden. Im Anschluss ist sodann näher auf die Frage des Verbots und seine Reichweite einzugehen.

als Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2007 (abgedruckt in BVerfGE 119, 331 ff.). Beide stellen allerdings (jeweils a. a. O.) klar, dass es sich nicht um ein absolutes Verbot handele, sondern ausnahmsweise eine Mischverwaltung erlaubt sein könne; sehr deutlich hierzu bei Glaser, a. a. O., Rn. 30 a. E. Nach der dortigen Rn. 33 (auch zu beiden nachfolgenden Zitaten) sei namentlich nur eine „(widerlegbare) Vermutung der Verfassungswidrigkeit“ anzunehmen, weshalb dem Begriff der Mischverwaltung die Funktion einer „Beweislastregel“ zukomme. Allerdings sei von Verfassungs wegen jede Form der Mischverwaltung „verpönt“ (so Glaser, a. a. O., Rn. 57). 32 So Trapp, DÖV 2008, 277 (278) zur damaligen Lehre. 33 BVerfGE 11, 105 (124); BVerfGE 32, 145 (156); BVerfGE 39, 96 (120); BVerfGE 41, 291 (311). 34 Vgl. die chronologische Abfolge der Entstehungsgründe und Zunutzemachung durch den Bundesrat bei Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 34 ff.; in derselben Weise argumentieren Blümel, in: HStR IV (2. Aufl. 1999), § 101 Rn. 122 und Trapp, DÖV 2008, 277 (278). 35 So rückblickend Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (43), der vor allem kritisiert, dass im damaligen Schrifttum pauschal die Verfassungswidrigkeit behauptet wurde, ohne den Begriff sauber festzulegen und insoweit ggf. zwischen verschiedenstufigen Formen zu differenzieren; vergleichbare Feststellungen zuvor schon bei Darmstadt, Frage einer Mischverwaltung von Bund und Ländern, S. 15; vgl. zudem die Kritik der damaligen Zeit, z. B. in der Bezeichnung als reines „Negativum“ bei Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 53. 36 Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 27 benennt als alternative Möglichkeiten den von ihm favorisierten Ausdruck der „vertikalen Kooperation“ oder denjenigen der „Gemeinsamen Verwaltung“. In der anschließenden Rn.  28 f. differenziert er sodann zwischen normativem und deskriptivem Verständnis des Begriffs und stellt die jeweiligen Folgen dar. 37 Vgl. Köttgen, DÖV 1955, 485 (485): „Behauptung einer Verletzung der bundesstaatlichen Ordnung.“

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

1. Grundsatz: Trennung der Verwaltungsräume Das Grundgesetz unterscheidet, wie schon die Überschrift des zweiten Abschnitts zeigt, zwischen Bund und Ländern und hält diese Dualität auch hinsichtlich der drei Gewalten durch: Die Kompetenzen sind diesbezüglich ausgehend von dem generellen38 Art. 30 GG und im Weiteren gemäß Art. 70 ff., 83 ff. und 92 ff. GG39 auf beide Seiten verteilt, weshalb mitunter auch von einer Trennung40 die Rede ist.41 Nachdem das Grundgesetz diese Aufteilung bereits in seiner Ursprungsfassung festlegte42 und hiermit an die verfassungsrechtliche Tradition in Deutschland anknüpfte43, kam es in der Folgezeit zu einer nicht unerheblichen Stärkung der 38 Im Umkehrschluss z. B. aus BVerfGE 104, 249 (258). Dem folgend sind alle weiteren kompetenzordnenden Vorschriften (neben den oben genannten beispielsweise auch Art. 32, 104a f., 107 ff. GG) speziellere Ausformungen von Art. 30 GG, vgl. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 2; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 10. Diese Norm wird deshalb auch als „Grundregel“, so z. B. Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 79 und Köttgen, DÖV 1955, 485 (487), „Grundprinzip“, so Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1038 und ähnlich Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 1, oder „Generalklausel“ bezeichnet, so Hüttl, DVBl. 1967, 433 (435); Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 1; Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 7; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 30 Rn. 1 und März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 1, 14. 39 Und darüber hinaus v. a. in Art. 23 f., Art. 29, Art. 32, Art. 35, Art. 37, Art. 91a ff., Art. 105, Art. 109a, Art. 118 f., Art. 143a f. GG. 40 Gleichwohl nicht zu verwechseln mit dem der deutschen Staatlichkeit nicht gerecht werdenden „Trennungsprinzip“, wie es im anglo-amerikanischen Raum normiert ist – zu der Abgrenzung näher Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 8, der das sachlich geordnete System des Grundgesetzes (dazu BVerwGE 22, 299 (307 f.)) gegenüberstellend als „Verzahnungssystem“ beschreibt; hierzu ebenfalls Liebrecht, DVBl. 1969, 97 (101). 41 Hierzu anstelle vieler vgl. Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 27, 34, 54 m. w. N. und unter Hinweis auf das „Idealbild getrennter Verwaltungsräume“ in Rn. 50; ferner Suerbaum, Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug, S. 216 f. und Schenke, in: Sodan, GG, Vorb. z. Art. 91a Rn. 1. 42 Vgl. Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1234): „Bild eines ‚vertikal‘ gegliederten Föderalismus in zwei Ebenen“; dazu ebenfalls Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 7; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126.  EL 2006), Art.  30 Rn.  21 und März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 7. Allerdings zeichnet die Entstehungsgeschichte ein weniger deutliches Bild: Ein durch mehrfache Anträge von dem Abgeordneten Seebohm im Parlamentarischen Rat unternommener Versuch, den vielfach ungeschrieben zugrunde gelegten „Grundsatz der staatsrechtlichen Trennung von Bund und Ländern im Grundgesetz klar verankert“ zu wissen und durch eine dahingehende Formulierung in den Verfassungstext aufzunehmen, fand keine Mehrheit, vgl. hierzu (inkl. dem vorstehenden Zitat) seine Anträge zu Art. 21 GG a. F. in der 4. Sitzung vom 17. November 1948 und zu Art. 30 GG in der 6. Sitzung des Hauptausschusses vom 19. November 1948, abgedruckt in: Verhandlungen des Hauptausschusses 1948/49, S. 46 f. (zum Zitat S. 47) sowie S. 74 f. 43 Vgl. hierzu näher Hüttl, DVBl. 1967, 433 (435 f.) unter Bezugnahme auf die Verfassungen des Deutschen Reiches von 1871 und der Weimarer Republik von 1919; speziell zur traditionellen Existenz von Kooperationen Kisker, DÖV 1977, 689 (690). Doch wurden die grundgesetzlichen Regelungen frühzeitig als Steigerung durch „schärfere Grenzen“ aufgefasst, etwa von Füßlein, DVBl. 1956, 1 (2) – dort auch zum vorstehenden wörtlichen Zitat.

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Einflussnahme des Bundes, besonders durch die Verlagerung von Gesetzgebungszuständigkeiten auf den Bund gegen Einräumung eines bloßen Zustimmungsrechts der Länder.44 Erst durch die Föderalismusreform im Jahre  200645 wurde diese Entwicklung aufgehalten zugunsten überarbeiteter Strukturen, welche verstärkt auf die „Entflechtung von Zuständigkeiten und die damit einhergehende Stärkung der Eigenständigkeit von Bund und Ländern“46 angelegt sein sollten. Maßgebliche Kerngesichtspunkte dieser Reform waren beispielsweise47 die drastische Reduktion der Zustimmungsrechte des Bundes bei der Ausführung seiner Gesetze durch die Länder (allen voran betreffend das Verwaltungsverfahren gemäß Art. 84 Abs. 1 GG), die Schaffung einer zusätzlichen Zustimmungsbedürftigkeit der Länder zu finanziell bedeutsamen Gesetzen des Bundes sowie die Abschaffung der Rahmengesetzgebung des Bundes bei gleichzeitiger Neubegründung einer Abweichungsgesetzgebung. Mit diesen Ansätzen, die allesamt unter der Zielsetzung einer deutlicheren Kompetenzzuordnung und damit Erkennbarkeit der Verantwortlichkeiten standen, war schließlich eine Konsolidierung der Länderkompetenzen in der Gesetzgebung (z. B. im Strafvollzug, Versammlungs-, Gaststätten-, Beamtenund Besoldungsrecht) im Wege einer weitreichenden Neustrukturierung der Gesetzgebungszuständigkeiten verbunden. a) Grundsatz lückenloser Kompetenzverteilung Bereits Art. 30 GG weist die staatlicherseits zu erfüllenden Aufgaben ausnahmslos (deswegen Grundsatz „lückenloser Kompetenzverteilung“48) entweder dem Bund oder den Ländern zu49, die weiteren Normen des Grundgesetzes verdeutlicht 44

Zu dieser Kritik v. a. Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 28 m. w. N.; daneben kritisch Hesse, Unitarischer Bundesstaat, S. 14 ff.; Kisker, DÖV 1977, 689 (689: „gegenwärtige Überverflechtung“); Reissert / Schnabel, in: Scharpf / Reissert / Schnabel, Politikverflechtung, S. 71 (232 ff.) sowie Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1235). 45 BGBl. I, S. 2034. 46 So die Formulierung in BT-Drs. 16/813, S. 1. Zu den wesentlichen Vorstellungen der Reform im Einzelnen S. 7 f. Fast poetisch schon die diesbezügliche Feststellung bei Cornils, ZG 23 (2008), 184 (206) im Fazit seines Beitrags: „fühlbare verfassungspolitische Zeitströmung, die auf eine deutlichere Aufteilung der Funktionsräume von Bund und Ländern drängt.“ 47 Zu der nachstehenden, stark komprimierten Zusammenfassung vgl. abermals BT-Drs. 16/813, S. 7 ff.; dort auch zu der weiteren Begründung der Föderalismusreform im Einzelnen. 48 So Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 6 und fast identisch Rn. 7, 17; in ähnlicher Weise Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 40, 119 und Suerbaum, Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug, S. 217. Den abschließenden Charakter der Norm betonen zudem Hermes, in: Dreier, GG, Art.  83 Rn.  49 und März, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 1 bzw. Rn. 14, wonach es keinen „kompetenzfreien Raum“ geben könne; hierzu noch Rn. 16. 49 Neben den vorgenannten Quellen sehr prägnant auch Korioth, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 30 Rn. 26; Hüttl, DVBl. 1967, 433 (435 a. E.); Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 22; Bothe, in: AK-GG, Art.  30 Rn.  26, 29; Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn.  104; zudem Hermes, in: Dreier, GG, Art.  83 Rn.  47; Suerbaum, Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug,

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dies noch bzw. stellt weitergehend beiden Ebenen die hierfür nötigen Kompetenzen und Befugnisse zur Verfügung. Demnach ist zwischen den Ebenen in aller Regel von einer Alternativität und Ausschließlichkeit50 der Zuständigkeiten auszugehen, weshalb „Kompetenzüberschneidungen“ Seltenheitswert haben.51 Für den Verwaltungsbereich ergibt sich diese Schlussfolgerung vornehmlich aus der Struktur des VIII. Abschnitts („Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung“) des Grundgesetzes. Eine Zusammenarbeit zwischen Behörden des Bundes und der Länder stellt keinen von Art. 83 ff. GG anerkannten, herkömmlichen Verwaltungstypus dar52 und würde sich demgemäß als „Umgehung der tatbestandlichen Voraussetzungen“53 eines geregelten Typus darstellen. Auf den ersten Blick könnte man angesichts sämtlicher vorgenannter Feststellungen den Eindruck gewinnen, Mischformen zwischen Bund und Ländern widersprächen absolut und uneingeschränkt den Vorstellungen des Grundgesetzes54, doch ist das hierin liegende System weitaus differenzierter, wie die nachfolgenden Ausführungen aufzeigen. Dem Grundgesetz liegt eine Struktur zugrunde, die sämtliche „Staatsaufgaben Bund und Ländern verzahnend […] anvertraut“55 und insoweit gewaltenteilend wirkt.56 S. 216 f.; Pestalozza, DÖV 1972, 181 (181); Geiger, BayVBl. 1964, 65 (66). Dem widerspricht Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 248 ff.: Aus seiner Sicht sei dem Grundgesetz eine ausnahmslose Verteilung entweder auf Bund oder Länder nicht zu entnehmen, vielmehr die „administrative Verflechtung“ beider Ebenen verfassungsrechtlich gewollt (hierzu samt Zitat S. 254 a. E.). 50 Sog. „Prinzip der Alternativität“ sowie „Prinzip der Ausschließlichkeit“ nach Isensee, in: HStR IV (1. Aufl. 1990), § 98 Rn. 187. Gleichbedeutend ist auch von der „Geschlossenheit der bundesstaatlichen Verwaltungstypen“ die Rede, so Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S.  190 ff. und im Anschluss später Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 84 (zum Begriff die dortige Rn. 20) sowie Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 49 f. und ähnlich Rn. 47; vgl. schließlich auch Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 15 und März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 1, 14, 16. 51 Zum Vorstehenden samt Zitat Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 119; ganz ähnlich Pestalozza, DÖV 1972, 181 (181); vgl. auch die Formulierung im Vorwort zum Troeger-Gutachten, Tz. 8: „Ziel, die finanzielle Verantwortung des Bundes und der Länder klar gegeneinander abzugrenzen, Zuständigkeitsüberschneidungen zu vermeiden und der Gefahr unwirtschaftlicher Mittelverwendung vorzubeugen.“ Diese Konzeption befürwortet ebenfalls Kölble, DÖV 1967, 1 (1). Hingegen statuiert Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 26 eine völlige Abgeschiedenheit beider Ebenen voneinander. Letzteres dürfte in dieser Allgemeinheit jedoch zu weit gehen und allenfalls für den Regelfall gedacht sein, wie auch der Verweis auf Pestalozza (s. o.) bei Bothe (a. a. O.) nahelegt. 52 Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 13, 27; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 27; Füßlein, DVBl. 1956, 1 (1). 53 So Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 30 und ebenfalls Cornils, ZG 23 (2008), 184 (192, 198). 54 Vgl. Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 28. 55 So März, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art.  30 Rn.  13; ganz ähnlich Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 27; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 8; Kisker, DÖV 1977, 689 (690). Dies wird von Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (48) als „Gemengelage von Bundes- und Landesverwaltung“ bezeichnet. 56 Vgl. BVerwGE 22, 299 (308).

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Eine „Doppelzuständigkeit“ für einen bestimmten Rechtsbereich, d. h. die gleichzeitige und parallele Zuweisung an den Bund und an die Länder mit der Folge einer Überschneidung ihrer Kompetenzen, ist danach im Regelfall – abgesehen von einem explizit geäußerten Willen der Verfassung selbst – ausgeschlossen57. Diese strikte Dualität soll sicherstellen, gleichermaßen ergebnis-/zielorientiert wie auch qualitätsvoll entscheiden zu können.58 Die kompetenziellen Anordnungen der Verfassung erfüllen in dieser Weise eine „Abgrenzungsfunktion“59 und statten jeden Träger mit einem „eigenem Zuständigkeitsbereich“60 aus. Im Grunde ist es aber in kompetenzieller, nicht struktureller Hinsicht61 keine Zweiteilung, sondern eine Dreiteilung der gesetzesvollziehenden Staatsgewalt, weil neben Bund und Ländern die letzteren zuzuordnenden Kommunen zu berücksichtigen bleiben.62 b) Regelmäßige Differenzierung von Handlungsräumen Verfassungsrechtlich ist demnach (im Grundsatz) eine Trennung bzw. Differenzierung der Handlungsräume von Bund und Ländern63 gewollt, sei es in der Gesetzgebung, dem Gesetzesvollzug oder der Rechtsprechung. Beide Ebenen sollen im 57 Zum Vorstehenden inkl. Zitat jeweils: BVerfGE 36, 193 (202 f.); BVerfGE 61, 149 (204); BVerfGE 67, 299 (321); BVerfGE 104, 249 (258, 266 f.); BVerfGE 106, 62 (114); ferner Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 22; Korioth, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 30 Rn. 26; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 119; Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 15, 17; Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 20; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 30 Rn. 28; März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 25; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 7; Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 26; Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 180. Demgegenüber wird dies von Pestalozza, DÖV 1972, 181 (189 f.) – an gleicher Stelle m. w. N. (zu den Ursprüngen in Fn. 100) – nicht als Problem wahrgenommen, weil derartige Konstellationen im Wege üblicher Konkurrenzen zu lösen seien. 58 Cornils, ZG 23 (2008), 184 (197) spricht insoweit von „Effizienz“ der Entscheidungsfindung und „Qualität“ der dort gefundenen Ergebnisse. 59 So BVerfGE 36, 193 (203) und dem folgend BVerfGE 61, 149 (204); BVerfGE 67, 299 (321); BVerfGE 106, 62 (114); s. a. Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 119; Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 20. 60 Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 22. 61 Dass die Bundesrepublik Deutschland demgegenüber ihrem föderativen Aufbau nach auf Bund und Ländern als zwei Ebenen beruht, ist heute allgemein anerkannt, dazu anstelle vieler März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 14 sowie bereits in den 1960er Jahren Scheuner, DÖV 1962, 641 (642 f., 645) und Schäfer, in: FS 150 Jahre Carl Heymanns Verlag, S. 3 (17 f.), letzterer m. w. N. Zum gesamten (damaligen) Streitstand eingehend Oeter, Integration und Subsidiarität im dt. Bundesstaatsrecht, S. 235 ff. 62 Dazu ausführlich Schoch / Wieland, Finanzierungsverantwortung für kommunale Aufgaben, S. 53, 59, 64 f., 93 f. m. zahlr. Nachw.; sehr prägnant die Überschrift auf S. 93: „Dreistufiger Verwaltungsaufbau im zweigliedrigen Bundesstaat“. Das Verständnis der strukturell den Ländern zugehörigen Kommunen als „dritte Verwaltungsebene“ belegen bereits die Ausführungen bei Dreier, in: Dreier, GG, Art. 28 Rn. 86 und Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (165) m. w. N. 63 D. h. sie sind „organisatorisch und funktionell im Sinne von in sich geschlossenen Einheiten prinzipiell voneinander getrennt“, so BVerfGE 108, 169 (182). Vergleichbar BVerfGE 104,

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Allgemeinen jeweils für sich stehen64 respektive ihre „Sphären […] trennscharf“65 auseinandergehalten werden können und „Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse gleich welcher Art“66 auf der jeweils anderen Ebene unterbunden werden, wenn sie das Grundgesetz nicht ausdrücklich ermöglicht.67 Auf diese Weise soll die Verantwortlichkeit eines staatlichen Trägers, welche mit einer zunehmenden Anzahl beteiligter Stellen und der gleichzeitig steigenden Dichte des sie verknüpfenden Netzes schwindet, sicher festzustellen sein.68 Immerhin sind Bund und Länder jeweils autonome Verwaltungsträger in der Bundesrepublik.69 Beide stehen sich als eigenständige Staaten gegenüber, die zwar durch das bundesstaatliche Gefüge verbunden, jedoch einander grundsätzlich ebenbürtig und rang-

249 (258); BVerfGE 119, 331 (364); BVerfGE 137, 108 (147 f.); früher schon BVerfGE 63, 1 (36 f., 39 ff.). Aus dem Schrifttum etwa Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S. 264; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 119, 126 und Cornils, ZG 23 (2008), 184 (191 f.) am Beispiel der Verwaltung (dazu näher sogleich im Fließtext), bei Letztgenanntem (a. a. O., S.  192) auch als „Trennungsprinzip“ bezeichnet; s. a. Püttner / Kretschmer, Staatsorganisation, S.  205; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 30 Rn. 11; Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 27; Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (37); Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 22, 34; Hofmann, in: SchmidtBleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 8; Sendler, DÖV 1981, 409 (409); Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 47; sowie Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 104; schließlich Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 87 und Köttgen, DÖV 1955, 485 (485). 64 Ursprünglich nahm Forsthoff, Öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, S. 124 zur früheren Rechtslage in der Weimarer Republik Folgendes an: „Es gehört zum Wesen des Bundesstaats, daß der Reichsvollzug den Landesvollzug ausschließt und umgekehrt.“ Letztgenannte Feststellung hat Köttgen, DÖV 1955, 485 (491) sodann ausdrücklich auf die seit 1949 geltende (Verfassungs-)Rechtslage übertragen. 65 So Korioth, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 30 Rn. 26. Dasselbe gilt – was an dieser Stelle jedoch keiner näheren Ausführungen bedarf – für die Aufgaben und Kompetenzen der Länder untereinander, vgl. Hellermann, in: BeckOK-GG, Art.  30 Rn.  24.5; Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 23 und Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 8. Dazu aus der Rspr. etwa ein Beschluss vom 19. Dezember 2006 des VerfGH des Landes Berlin, LVerfGE 17, 62 (73) und außerdem Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 89; Scheuner, DÖV 1962, 641 (648). 66 So schon BVerfGE 39, 96 (120) und zuletzt BVerfGE 119, 331 (365), jeweils am Beispiel des Bundes gegenüber den Ländern. 67 Neben den vorgenannten Quellen noch (aus der Rspr.) BVerfGE 32, 145 (156); BVerfGE 108, 169 (182) sowie (aus der Kommentarliteratur) Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 30 Rn. 11; Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 28; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 22; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 49; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 86. 68 Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 48, 55 und Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art.  83 Rn.  110 betonen deshalb die sog. „Verantwortungsklarheit“. Umgekehrt hebt Loeser, Bundesstaatliche Verwaltungsorganisation, S. 33 die von ihm so bezeichnete „Verantwortungsdiffusion“ als eine der wesentlichen „Gefahren der Mischverwaltung“ (so die Überschrift des maßgeblichen Abschnitts, vgl. S. 30) hervor. 69 Vgl. BVerfGE 64, 301 (317); s. a. Gerner, BayVBl. 1955, 193 (194); und Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1231).

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gleich sind.70 Sieht man von der dem Bund unter Einbeziehung der Länder über den Bundesrat (vgl. Art. 79 Abs. 2 GG a. E.) eingeräumten Kompetenz-Kompetenz zur Änderung der Zuständigkeitsregelungen ab und beschränkt sich im Rahmen der Betrachtung vielmehr auf die vorhandenen Gesetzgebungs- und Verwaltungstätigkeiten, geht das Grundgesetz, wie letztere in ihrer bisherigen Gestaltung belegen, von einer schwerpunktmäßigen Verteilung der Kompetenzen für Gesetzgebung und Verwaltung aus: Der Bund erlässt die Gesetze und die Länder vollziehen.71 Die „Schaffung eines neuen ‚zwischenstaatlichen Hoheitsträgers‘“72, gleichsam die Schöpfung neuer Verwaltungstypen, welche sich „zwischen Bundes- und Landesorganisation einschieben“73 und ihre Verantwortungen verwischen, ist deshalb von Verfassungs wegen regelmäßig nicht gewollt.74 Dies gilt noch umso mehr, wenn die Verfassung die Aufgabenwahrnehmung explizit einem bestimmten staatlichen Rechtsträger bzw. einer gesonderten Verwaltungsstruktur überantwortet.75 Jedes gebietsübergreifende, rechtlich relevante76 Zusammenwirken der Ebenen Bund und Länder (oder verschiedener Länder) miteinander muss sich innerhalb dieses grundgesetzlichen Rahmens bewegen.77 Klassisches Beispiel für die im Grundgesetz angelegte Verzahnung ist etwa die Institution des Bundesrates78, die den Ländern eine Handhabe zur Teilhabe am gesamtstaatlichen Normsetzungsprozess und somit 70 Schon BVerwGE 29, 52 (58: „gleichrangig nebeneinander“) und später BVerfGE 103, 332 (350). Ganz ähnlich bereits Füßlein, DVBl. 1956, 1 (2); Gerner, BayVBl. 1955, 193 (193); hingegen missverständlich BVerfGE 1, 14 (51: „Überordnungsverhältnis“) und BVerfGE 13, 54 (78: „prinzipiell übergeordnet“). 71 Vgl. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 8. 72 So Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 24.5; Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art.  30 Rn.  23. Andernorts, vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art.  83 Rn. 84, ist von der „Erfindung weiterer Typen oder Kombinationsformen“ im Bund-LänderVerhältnis die Rede. Am Beispiel der hiervon zu differenzierenden Länderkooperation ebenfalls Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 63 und Scheuner, DÖV 1962, 641 (648). 73 So Schneider, VVDStRL 19 (1961), 1 (22) anhand eines bildlichen Vergleichs zu einer „diffuse[n] Wolkenschicht“, wie bereits Köttgen, JöR n. F. 3 (1954), 67 (145) es mittels „freischwebender Verwaltungseinrichtungen“ andeutete. Dem folgend Kölble, NJW 1962, 1081 (1081) am Beispiel der Länder untereinander; vergleichbar Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 185. 74 Vgl. auch die Begründung zum Entwurf des Finanzreformgesetzes vom 30. April 1968 (abgedruckt in BT-Drs. 5/2861, S. 10 ff.) – dort heißt es u. a. „Neben dem Bund als dem durch den Zusammenschluß der Länder entstandenen Gesamtstaat und den Ländern als Gliedstaaten gibt es nicht noch eine weitere staatliche Organisation.“ (S. 16, Tz. 34 der Begründung); vergleichbar i. Ü. S. 26, Tz. 86. 75 Vgl. Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 38 am Beispiel der Art. 87 ff. GG: „Organisationsformen, die vom Grundgesetz ausdrücklich genannt werden“ und eine klare Trennung implizieren. 76 Vgl. Heinze, in: FS Forsthoff, S. 119 (129). 77 Am Beispiel der Länder zunächst Kölble, DÖV 1960, 650 (657) bzw. ders., NJW 1962, 1081 (1083 f.) und Scheuner, DÖV 1962, 641 (647 f.). Dies greift Heinze, in: FS  Forsthoff, S. 119 (127) auf und überträgt es zu Recht 1:1 auf das Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Bei Verstößen ist danach, gleich in welchem Bereich, die Verfassungswidrigkeit anzunehmen. 78 Von Kisker, DÖV 1977, 689 (690) im internationalen Vergleich hervorgehoben.

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Mitwirkung an zentralen Entscheidungsprozessen eröffnet. Demgegenüber würde es die Zweiteilung des Staatsaufbaus zwischen Bund und Ländern79 in Frage stellen, würde man ihre Verbindung und Vermischung untereinander zulassen und damit eine – wie häufig formuliert wird80 – verfestigte ‚Dritte Ebene‘ (der Länder untereinander) oder sogar ‚Vierte Ebene‘ (im Verhältnis Bund-Länder) zulassen. Sofern diese Begriffe gleichwohl hinsichtlich der Bund-Länder- oder Länder-Länder-Kooperation verwendet werden81, dienen sie vielmehr der leichteren Beschreibung und als Sammelbegriff für die diversen Formen des Zusammenwirkens. Dem folgend differieren für den Bereich des Gesetzesvollzugs Art. 83 ff., 30 GG die administrativen Kompetenzen regelmäßig klar voneinander82: Im Wesentlichen 79 Die Zweiteilung des Staatsaufbaus wird in der Rechtsprechung beispielsweise erkennbar bei BVerfGE 30, 1 (78); kritisch zum eigentlichen Gehalt der Entscheidung Liebrecht, DVBl. 1969, 97 (103). Im Schrifttum sprachen das „dualistische Schema des Grundgesetzes“ zuvor bereits Scheuner, DÖV 1962, 641 (648, dort zum vorstehenden Zitat); Kölble, NJW 1962, 1081 (1084) und Roellenbleg, DÖV 1968, 225 (232) an. Zum Bundesstaatswesen insgesamt noch früher Köttgen, DÖV 1955, 485 (485 f.). Allen Autoren ist gemeinsam, dass sie infolge einer Ablehnung der Dreigliedrigkeitslehre zum Bundesstaat (dazu bereits Fn. 61 in diesem Abschnitt) zwangsläufig jede über Bund und Länder hinausgehende Einrichtung als dem zweigliedrigen Bundesstaat widersprechend erachten (vgl. jeweils a. a. O.). 80 Die Begriffe der Dritten und Vierten Ebene verwendeten bereits Kölble, DÖV 1967, 1 (1, 9); Rudolf, Bund und Länder im dt. Verfassungsrecht, S.  26 m. w. N.; Leisner, DÖV 1968, 389 (392 f.); Groß, DVBl. 1969, 125 (125); Klatt, APuZ 1982, 3 (4); Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1233 ff.); Scharpf, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 121 (121) und außerdem im Titel; ebenso später Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 122 bzw. die dortige Fn. 401; in derselben Weise auch Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 63; Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 22. Nur zu der ‚Dritten Ebene‘ der Länder untereinander Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 23; Schenke, in: Sodan, GG, Vorb. z. Art. 91a Rn. 3; Stern, Staatsrecht I, § 19 IV 3 b (S. 758 f.); Benz, DÖV 1993, 85 (86). Im Gegensatz zur vorherigen Fußnote stellen manche Autoren, u. a. Lerche, a. a. O. und Schäfer, in: FS 150 Jahre Carl Heymanns Verlag, S. 3 (18), aber heraus, dass die Zweigliedrigkeit des Staatsaufbaus davon nicht tangiert werde. 81 Vgl. erneut die Nachweise der vorangegangen Fn  80. Beispielsweise zieht Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1234) die Bezeichnung als ‚Dritte Ebene‘ heran, um die „Kooperation und Koordination“ im Binnenverhältnis der Länder untereinander prägnant zu charakterisieren  – wie es im Übrigen auch bereits im originären Text des Grundgesetzes ungeschrieben angelegt gewesen sei; an gleicher Stelle sodann auch zur sog. ‚Vierten Ebene‘. 82 BVerfGE 63, 1 (36 f., 40 f.); BVerfGE 108, 169 (182); BVerfGE 119, 331 (365); BVerfGE 137, 108 (147 f.). Dem folgend Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 1, 83; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 126; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 17; vgl. schon Kratzer, DÖV 1950, 529 (534) und später – deutlich prägnanter – Gerner, BayVBl. 1955, 193 (193): „Grundsatz der scharfen und klaren Trennung der Verwaltungsräume zwischen Bund und Ländern“. Dem zustimmend Füßlein, DVBl. 1956, 1 (2) bzw. in vergleichbarer Weise Stern, Staatsrecht II, § 41 IV 3 c (S. 780); Püttner / Kretschmer, Staatsorganisation, S. 205; Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (164); Zippelius / Würtenberger, Dt. Staatsrecht (32. Aufl. 2008), § 46 in der Überschrift vor Rn. 5 (S. 487); vgl. auch die damalige Beurteilung durch die Politik, wie sie beispielsweise in der Begründung zum Finanzreformgesetz – in BT-Drs. 5/2861, S. 10 (Tz. 5) – zum Vorschein kommt: „Das Grundgesetz vermittelt im Verhältnis zwischen Bund und Ländern die Vorstellung von hermetisch getrennten Verwaltungsräumen und Aufgabenbereichen“. Mit weiteren Quellen insbesondere

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sind hier die Länder (inklusive der Kommunen) zum Handeln berufen, wohingegen dem Bund nur der Vollzug einzelner Materien übertragen wird.83 Durch die vorgegebene Enumeration möglicher Verwaltungstypen besteht grundsätzlich ein „Typenzwang“84, der hiervon abweichende Verwaltungstypen regelmäßig ausschließt.85 Weil das Grundgesetz jedoch „Kompetenzen überschneidungsfrei immer nur einem Träger staatlicher Gewalt“86 überträgt, existieren „nach außen […] nur zwei Verwaltungsräume“87, nämlich der Bund und die Länder. Es sind vor allem keine Kombinationen dergestalt zugelassen, dass beide „gemeinsam dem Bürger als entscheidende Stellen gegenübertreten“ und ihn betreffend eine von beiden Organen gezeichnete Entscheidung ergehen zu lassen.88 Art. 30 GG geht vielmehr regelmäßig von einer einseitigen Kompetenzzuweisung aus: Ist der Bund nach dem enumerativen Katalog an Zuständigkeiten zum Vollzug eines Gesetzes berufen, sind die Länder nicht zuständig; fehlt es hingegen an einer Kompetenzregelung zugunsten des Bundes, liegt im Sinne einer Auffangzuständigkeit89 die Kompetenz bei den Ländern. Die Bewältigung dieser Differenzierung bei gleichzeitiger Unmissverständlichkeit der Verantwortlichkeit setzt im Grundsatz insbesondere Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der beiden beteiligten Verwaltungsträger im Verhältnis zueinander voraus.90 Logische Folge hiervon ist wiederum, dass dem ermächtigten Träger dem Grunde nach die weitere Ausführung der übertragenen Angelegenheiten „mit zur Bewertung durch den Bundesrat vgl. die Darstellung bei Kölble, DÖV 1960, 650 (658). Zur Trennung der Administrativen ausführlich auch Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 248 ff., jedoch kritisch im Ergebnis auf S. 254 (hierzu näher bereits in Fn. 49 und i. Ü. bereits Fn. 63 in diesem Abschnitt). 83 Die zentrale Bedeutung dieses „Regel / Ausnahme-Verhältnisses“ betonend Suerbaum, Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug, S. 216 f. (zum Zitat S. 217). Er erläutert zudem (a. a. O., S. 217), dass Art. 30 GG nach seinem Wortlaut zwischen obligatorischer Anordnung („trifft“) und fakultativer Ermächtigung („zuläßt“) der Verfassung differenziert. 84 So Gerner, BayVBl. 1955, 193 (193); dem zustimmend Füßlein, DVBl. 1956, 1 (2) und Schäfer, in: FS 150 Jahre Carl Heymanns Verlag, S. 3 (24). Weiterhin betont auch Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 35 „Festigkeit und Berechenbarkeit“ der grundgesetzlichen Kompetenzordnung. 85 Vgl. das insoweit geltende „Umgehungsverbot“ von Art. 83 ff. GG gemäß Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 58. 86 Korioth, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  30 Rn.  8 m. w. N.  Insoweit ist bei Cornils, ZG 23 (2008), 184 (192) prägnant von einer „exklusiven Entweder-Oder-Zuständigkeit“ die Rede; zusammenfassend ebenso Geiger, BayVBl. 1964, 65 (66). 87 Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 27. 88 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 36. Zu dem sog. „zusammengesetzten Verwaltungsakt“ und dessen Unzulässigkeit u. a. Rohwer-Kahlmann, AöR 79 (1953/54), 208 (223); Gerner, BayVBl. 1955, 193 (194 f.); Köttgen, DÖV 1955, 485 (487 f.); Füßlein, DVBl. 1956, 1 (1). 89 Alternativ spricht Suerbaum, Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug, S. 217 von einem „Subtraktionsverfahren“. 90 Vgl. Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126.  EL 2006), Art.  30 Rn.  34; s. a. Köttgen, DÖV 1955, 485 (485); Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (42).

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eigenem Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungspielräumen [sic]“91 obliegen muss, d. h. er muss in organisatorischer wie auch inhaltlicher Hinsicht freie Hand bei der Einschätzung und Umsetzung haben. Hierzu ist er aber nach den grundgesetzlichen Vorgaben auch verpflichtet.92 Abweichendes gilt nur in den Konstellationen, die das Grundgesetz in Abweichung von diesem Grundsatz normiert und auf deren Basis eine Verschränkung beider Ebenen gleichwohl stattfindet. Dies gilt etwa im Rahmen der Bundesaufsicht oder der Auftragsverwaltung, in welcher dem Bund gegenüber den Ländern eine Weisungsbefugnis eingeräumt ist.93 Im Grundsatz, von dem ausgehend sich das Grundgesetz entfaltet, ist aber zu verlangen, dass der Träger die bei ihm anfallenden „Aufgaben durch eigene Verwaltungseinrichtungen – mit eigenen personellen und sächlichen Mitteln – wahrnimmt“94, während der andere Träger in diesem Umfang an einem eigenen Tätigwerden gehindert ist.95 c) Bedeutung und Hintergrund Der Grund für die regelmäßige Trennung der Staatsgewalten von Bund und Ländern liegt zunächst darin, den Bundesstaatsgedanken äußerlich erkennbar zu verwirklichen und auf diesem Wege eine vertikale Gewaltenteilung zu realisieren, um eine reibungslose Aufgabenerfüllung sicherzustellen.96 Darüber hinausgehend dient die weitgehende Separation aber ebenfalls dazu, „die Länder vor einem Eindringen 91

Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 3; ähnlich März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 27. 92 Vgl. BVerfGE 37, 363 (385); BVerfGE 55, 274 (318). Außerdem BVerfGE 75, 108 (150) zur Pflicht der Länder, Bundesgesetze auszuführen; s. a. Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 34; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 30 Rn. 52; Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 128; Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 75; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 54. Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 8. 93 Zu derartigen und anderen zulässigen Formen von Verschränkungen zwischen Bund und Ländern vgl. ausführlich die nachfolgenden Ausführungen in § 5 II. 2. a) und II. 3. 94 Von BVerfGE 63, 1 (41) und später – im Urteil zu den ARGEn – BVerfGE 119, 331 (367 und Ls.) bezeichnet als „Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“ im Anschluss an Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S. 195; zustimmend Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 24; von Münch / Mager, Staatsrecht I, Rn. 486, dort Fn. 92; Trapp, DÖV 2008, 277 (280, 282). 95 Und somit nicht in denselben Aufgabenkomplex übergreifen darf, siehe dazu BVerfGE 26, 281 (296); aus dem Schrifttum etwa Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 129 zur Unmöglichkeit, „im Sinne einer Parallelverwaltung […] konkurrieren“ zu können. 96 Vgl. BVerfGE 12, 205 (229). Später aufgegriffen in BVerfGE 55, 274 (318) und BVerfGE 108, 169 (181); zudem Peters, Gewaltentrennung in moderner Sicht, S. 24; Köttgen, DÖV 1955, 485 (487); Heinze, in: FS Forsthoff, S. 119 (128) m. w. N. Die klare Trennung sei ein wesentlicher Aspekt, die „bundesstaatliche Gewaltenteilung und -balance“ (so Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S. 187, weitere Ausführungen auf den folgenden Seiten) zu schützen; hierzu ferner Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 18; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 5 sowie allgemeiner Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 299, 309 und Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 89.

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des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der Verwaltung zu schützen“97 und ihr Gewicht als Gegenspieler zum Bund zu stabilisieren.98 Durch die eindeutigen Kompetenzzuweisungen – ausgehend von Art. 30 GG – wird der Bundesstaat geformt und verwirklicht.99 Erst durch voneinander verschiedene, selbsttätig handelnde Gesamt- und Gliedstaaten kann ein Staat Bundesstaat sein.100 d) Unumstößlichkeit der Kompetenzen Soweit das Grundgesetz daher in Gestalt vor allem der eingangs genannten Normen eine Kompetenzordnung vorgibt, ist diese obligatorisch, so dass ohne verfassungsrechtliche Ermächtigung weder Bund noch Länder – nicht einmal im Falle einer gemeinsamen Abmachung – Zuständigkeiten mit der jeweils anderen Ebene auszuwechseln oder die gemeinsame Wahrnehmung festzulegen vermögen.101 Die 97 So BVerfGE 108, 169 (182, ähnlich S. 184) und BVerfGE 119, 331 (364, 366). Im Kern zuvor bereits BVerfGE 48, 127 (178) und noch früher Köttgen, DÖV 1955, 485 (485). Zustimmend Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 83, 88; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 24, 35; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 127 und 89; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 30 Rn. 10. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich mit Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (38) bereits in dem Wort Mischverwaltung ein „‚Schutzbegriff‘ zu Gunsten der Länder“ erkennen; vgl. dort auch S. 55. Demgegenüber hebt Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 3 den vorstehenden, im Fließtext erstgenannten Aspekt der Gewaltenteilung als übergeordnetes Interesse hervor und versteht die Festigung einer Ebene gegenüber der anderen nicht als primäre Zielsetzung, sondern eher als Nebeneffekt. 98 Vgl. Thieme, DÖV 1989, 499 (501) und Kisker, DÖV 1977, 689 (691). 99 Wiederum BVerfGE 55, 274 (318) und BVerfGE 108, 169 (181); angedeutet in BVerfGE 1, 14 (34). Schon früh hielten dies Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 34 f. (Rn. 35) und Füßlein, DVBl. 1956, 1 (2) fest. 100 Mit anderen Worten ein „zusammengesetztes Staatswesen mit doppelten Entscheidungszentren“, so Scheuner, DÖV 1962, 641 (642). 101 D. h. über die Vorgaben des Grundgesetzes kann nicht einmal einstimmig verfügt werden, vgl. BVerfGE 32, 145 (156) sowie BVerfGE 63, 1 (39). Grundlegend hierzu ursprünglich BVerfGE 1, 14 (35) und BVerfGE 4, 115 (139) mit Blick auf die Gesetzgebungskompetenzen; s. a. BVerfGE 39, 96 (109) und BVerfGE 41, 291 (311); dem folgend das Sondervotum in BVerfGE 104, 249/273 (274) sowie weiterhin BVerfGE 108, 169 (182) und BVerfGE 119, 331 (364 f.). Darüber hinaus auch BVerwG, NJW 1976, 1468 (1469). Von Groß, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 83 Rn. 31 wird dies prägnant als „Grundsatz der Unverfügbarkeit der föderalen Kompetenzordnung“ bezeichnet, siehe grundlegend bereits die dortige Rn. 8 und vorangehend Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S. 189 f.; Groß, DVBl. 1969, 93 (94); Sendler, DÖV 1981, 409 (410). Dass die im Grundgesetz geregelten Bund-Länder-Kompetenzen „unabdingbar“ sind, bestätigen auch Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 10 (dort zum Zitat einschließlich Begründung) sowie in ähnlicher Weise Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 8; Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn.  34 a. E.; Hellermann, in: BeckOK-GG, Art.  30 Rn.  23; Korioth, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 30 Rn. 8; März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 26; Blümel, in: HStR IV (2. Aufl. 1999), § 101 Rn. 5; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 30 Rn. 28, 31 bzw. Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 20; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 59 f. (mit weiteren Hinweisen in der dortigen Fn. 121); Schnapp, in: von Münch / 

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durch das Grundgesetz geschaffene Kompetenzordnung steht mithin nicht zur Disposition der beiden Ebenen, es sei denn, das Grundgesetz erlaubt seinerseits Abweichungen.102 Zurückzuführen ist diese Unnachgiebigkeit der Kompetenzordnung nicht nur auf die „bundesstaatliche Zuständigkeits- und Machtverteilung“, sondern daneben auf die dem Demokratie- und Rechtsstaatscharakter der Bundesrepublik innewohnende „Schutz- und Ordnungsfunktion“.103 Zur Erfüllung dieser Zwecke bedarf es aber eines dauerhaften, fest vorgegebenen Fundaments.104 2. Folge: Mischverwaltungsverbot? Auf Grundlage dieser regelmäßigen Trennung bundes- und landesstaatlicher Gewalt wurde dem Grundgesetz von Seiten des Schrifttums seit Jahrzehnten, wie eingangs dargelegt105, ein strenges Verbot der Mischverwaltung entnommen. Obwohl dasselbe Verständnis ebenfalls den frühen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts106 nachgesagt wird, kann der damaligen Rechtsprechung – wobei es hierauf im Ergebnis nicht mehr ankommt – ein solch enger Ansatz, der keine Ausnahmen zuließe, nicht entnommen werden, wie die bereits zitierten Entscheidungen bei näherer Würdigung der dortigen Ausführungen107 aus einer ex postKunig, GG, Art. 20 Rn. 17; Pietzcker, in: HStR VI, § 134 Rn. 33 f.; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 84; Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 21; Oebbecke, in: HStR VI, § 136 Rn. 2; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 30 Rn. 10; Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 29. 102 Von Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 11 als „Vorbehalt einer ausdrücklichen (gegenteiligen) Zulassung“ bezeichnet. Als Beispiele benennt er (weiterhin a. a. O.) insoweit Art. 71, 2. Hs. GG und (ähnlich) Art. 72 Abs. 1, 2. Hs. GG sowie vor allem Art. 72 Abs. 3 und Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG; hierzu auch Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 10; Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 20; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 30 Rn. 10; Pietzcker, in: HStR VI, § 134 Rn. 34. 103 Zum Vorstehenden mitsamt beider Zitate eingehend März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 26. 104 Vgl. Cornils, ZG 23 (2008), 184 (198). 105 Vgl. bereits Fn. 29 in diesem Abschnitt. Von Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (44) als „Dogma des Verbots der Mischverwaltung“ benannt, bezüglich dessen er auf S. 39 (dort Fn. 5) zahlreiche Nachweise aus den 90er-Jahren zusammengestellt hat. 106 Abermals sei insoweit auf die maßgeblichen Fundstellen in BVerfGE 11, 105 (124); BVerfGE 32, 145 (156); BVerfGE 39, 96 (120); BVerfGE 41, 291 (311); BVerfGE 63, 1 (38 ff.); BVerfGE 97, 198 (227) und BVerfGE 108, 169 (182) verwiesen. In gleicher Weise dargestellt in BVerfGE 119, 331 (364 f.) unter teilweiser Bezugnahme auf die vorangegangenen bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen. 107 Vgl. ursprünglich nur die Feststellung in BVerfGE 32, 145 (156), „daß das Grundgesetz eine sogenannte Mischverwaltung, soweit sie nicht ausdrücklich zugelassen ist, ausschließt“, nachdem BVerfGE 11, 105 (124, dort auch zum nachfolgenden Zitat) lediglich den Begriff „unzulässiger Mischverwaltung“ erwähnt hatte, dem mangels Beschwer des Beschwerdeführers jedoch nicht näher nachgegangen war. Spätere Entscheidungen nahmen auf die erstgenannten, denkbar knapp abgefassten Ausführungen sodann lediglich mit Quellenangabe der früheren Rspr. und durch pauschal gehaltenen Hinweis auf „das grundgesetzliche Verbot einer sog. Mischverwaltung“ Bezug, so etwa BVerfGE 39, 96 (120) und BVerfGE 41, 291 (311).

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Betrachtung belegen.108 Denn schon in diesem und umso mehr nach dem heutigen Verständnis handelt es sich um eine Begrifflichkeit, die so streng109 nicht (mehr)110 verstanden werden darf und jedenfalls nicht mit einem absoluten Verbot einhergeht.111 Vielmehr gibt es grundsätzlich allein den Begriff der Mischverwaltung zwischen Bund und Ländern, der durch seine reichhaltigen Facetten weitestgehend „verunklart“112, an dem aber als „Inbegriff aller grundsätzlich unzulässigen Verbindungen“113 weithin festgehalten wird.114 108 Eingehende chronologische Untersuchung der diversen Entscheidungen des BVerfG zum Thema Mischverwaltung bei Trapp, DÖV 2008, 277 (278 ff.). Dieser gelangt darin zu dem Ergebnis, dass das BVerfG niemals von einem absoluten Mischverwaltungsverbot habe sprechen, sondern in den früheren Entscheidungen  – wie heute  – nur die Maßgeblichkeit der „grundgesetzlichen Kompetenz- und Organisationsordnung“ habe betonen wollen; zu diesem Fazit vgl. a. a. O., S. 277 und S. 282 (an letztgenannter Stelle auch zum vorstehenden wörtzlichen Zitat). Das Gericht sei sodann im Schrifttum wegen seiner Andeutungen nur in anderer Weise interpretiert worden, namentlich durch Anerkennung eines allgemeinen Verbots; mit demselben Ergebnis wohl auch Sendler, DÖV 1981, 409 (411). 109 D. h. nicht im Sinne eines absoluten, sondern nur eines grundsätzlichen, eng begrenzte Ausnahmen jedoch zulassenden Verbots. Vgl. hierzu die vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 7. Oktober 2014, abgedruckt in BVerfGE 137, 108 (144 f.), in den dortigen Rn. 84 und Rn. 87 herangezogenen Begrifflichkeiten, die den Gedanken zumindest ansatzweise widerspiegeln: ein zu verneinendes „absolutes Verbot“ (S. 144 bzw. Rn. 84), jedoch ein existierendes und Ausnahmen ermöglichendes (d. h. grundsätzliches) „Verbot“ (S. 145 bzw. Rn. 87). 110 Sogar im Schrifttum, das die Aussagen des BVerfG in den frühen Entscheidungen anders bewertet als hier, hat seit der vielfach zitierten Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 63, 1 (38 ff.), spätestens aber seit dem aufsehenerregenden Urteil des Gerichts im Jahr 2007, vgl. BVerfGE 119, 331 (365 f.), ein Umdenken stattgefunden, vgl. dazu nur die Äußerungen als das „neu vermessene grundsätzliche Verbot“ bei Huber, DÖV 2008, 844 (848) oder dem titulierten „Abschied vom starren Mischverwaltungsverbot“ bei Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 192 in der dortigen Marginalie (im fortlaufenden Text näher umschrieben); ähnlich Blümel, in: HStR IV (2. Aufl. 1999), § 101 Rn. 121 und Cornils, ZG 23 (2008), 184 (186). Ob dies richtig ist oder lediglich auf einer falschen Interpretation des BVerfG beruht – wie Trapp, DÖV 2008, 277 (280) wohl zu Recht annimmt –, kann allerdings für die Bewertungen anhand der aktuellen Rechtsprechung, wie hier, im Weiteren dahinstehen. 111 Klarstellend jüngst BVerfGE 137, 108 (144 f.) unter Bezugnahme auf die früheren Entscheidungen einschließlich der vorangegangenen Entscheidung in BVerfGE 119, 331 (364 ff.) zur Verfassungswidrigkeit der ARGEn. 112 Groß, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 83 Rn. 30; ähnlich Sendler, DÖV 1981, 409 (410) und Trapp, DÖV 2008, 277 (278). 113 So Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 58, der im Schlusswort (a. a. O., S.  257) das Wort als aus seiner Sicht gehaltlose „Tautologie“ bewertet. Ganz ähnlich später Krebs, in: HStR III (2. Aufl. 1996), § 69 Rn. 61; Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (165); Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 47; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 17. Sehr früh bereits Gerner, BayVBl. 1955, 193 (193): Der Begriff sei „abbreviatorisch“ zu verstehen für eine Vielzahl denkbarer Interpretationsmöglichkeiten; schließlich noch „Sammelbezeichnung“ laut Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 47. 114 Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (53 ff.) etwa plädiert anhand von Beispielen aus dem Schrifttum (dazu m. w. N.), die zum einen ein absolutes Verbot ablehnen, es an anderer Stelle aber wieder begründend heranziehen, dafür, den Begriff „entweder ganz auf[zu]geben oder jedenfalls schärfer“ seine mangelnde normative Relevanz herauszustellen (S. 54 f.). Einen ersten Versuch in dieselbe Richtung hatte schon Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 257 unternommen.

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Mit anderen Worten kann jedenfalls nach neuerem Verständnis115 trotz der regelmäßigen Trennung von Bundes- und Landesbehörden nicht bereits dem Begriff der „Mischverwaltung“ als solchem eine besondere Bewertung im Sinne einer verfassungswidrigen Kooperation entnommen werden.116 Diese Wertung vorzunehmen ist vielmehr Aufgabe der Verfassung selbst, da nur ihre eigenen kompetenziellen Vorgaben eine Vermengung verfassungsrechtlich im Grundsatz unterschiedener Verwaltungsbereiche verwehren oder aber zugestehen können.117 Nicht die begriffliche Einordnung führt demnach zur Unzulässigkeit118, sondern die Subsumtion119

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Dem schließt sich auch das BVerfG in BVerfGE 137, 108 ff. deutlicher als je zuvor an, was nach Berger, JZ 2014, 1163 (1165) auf eine „methodische Verschiebung […] weg von streng systematischen hin zu rein funktionalen Überlegungen“ schließen lasse. 116 Sehr deutlich BVerfGE 63, 1 (38): „Eine verwaltungsorganisatorische Erscheinungsform ist nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie als Mischverwaltung einzuordnen ist, sondern nur, wenn ihr zwingende Kompetenz- oder Organisationsnormen oder sonstige Vorschriften des Verfassungsrechts entgegenstehen.“ Zustimmend zu dieser deskriptiven Bedeutung des Begriffs Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 28; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 47 f.; Cornils, ZG 23 (2008), 184 (191); kritisch Groß, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 83 Rn. 30 f. („zu pauschal“, Rn. 31). Schon im Vorfeld der höchstrichterlichen Entscheidungen vertraten Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 58 f. und Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 67 die Auffassung, dass die Bezeichnung als Mischverwaltung von der verfassungsrechtlichen Rechtsfolge zu trennen sei – alles andere sei „reine Begriffsjurisprudenz“ (so Ronellenfitsch, a. a. O., S. 59), weil alleine einem Begriff „nicht das Präjudiz und der Makel der Verfassungswidrigkeit anhaftet“ (so Loeser, a. a. O., S. 67). Diesem Ansatz, schlossen sich nicht nur das BVerfG in dem o.g. Urteil, sondern aus dem Schrifttum weiterhin auch Gerner, BayVBl. 1955, 193 (193); Sendler, DÖV 1981, 409 (409); Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 85; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 130; Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 24; Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 24; Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 19 f. m. w. N.; Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (165) sowie – bezugnehmend auf die in dieser Arbeit thematisierten ARGEn – Ruge / Vorholz, DVBl. 2005, 403 (407) an. Demgegenüber a. A. aufgrund eines offenbar vollständig anderen Begriffsverständnisses Dyllick / Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (18 f., u. a. Fn. 38), wonach allein die Vermischung in den ARGEn an sich das Merkmal der Verfassungswidrigkeit begründe und nur durch Zulassung im Grundgesetz insofern beseitigt werden könne, als die Zusammenarbeit dann nicht mehr als Mischverwaltung zu verstehen sei. 117 Auch hierzu das Zitat in BVerfGE 63, 1 (38) sowie die weiteren Nachweise aus der vorangegangen Fußnote (Fn. 116), zuletzt bestätigt durch BVerfGE 119, 331 (365); BVerfGE 127, 165 (191); BVerfGE 137, 108 (145). Prägnant Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 23: „Analyse anhand der jeweils einschlägigen konkreten Verfassungsrechtsnormen“; s. a. Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 89 und Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 193. Nach der Zusammenschau der bisherigen Rspr. hält Trapp, DÖV 2008, 277 (277, 282) fest, das BVerfG habe sogar in der Vergangenheit stets anhand dieses Maßstabs geprüft. 118 Gleichsam als „juristisches Veto“, so Köttgen, DÖV 1955, 485 (485) bzw. Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 17, oder mit Stern, Staatsrecht II, § 41 VIII 1 (S. 833) als „Kampfbegriffe“. 119 Ohne diesen Begriff zu verwenden, zeigt Schenke, in: Sodan, GG, Vorb. z. Art. 91a Rn. 2 anschaulich auf, dass ausschließlicher Maßstab der Zulässigkeitsprüfung nur die grundgesetzliche Kompetenzordnung sein kann, und lässt im Übrigen mangels Relevanz dahinstehen, ob das

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unter die Anforderungen des Grundgesetzes, an die Trennung der Gewalten und insgesamt den bundesstaatlichen Aufbau. In erster Linie richtet sich dies nach der durch die Kompetenzen und das Prinzip des Bundesstaates vorgegebenen Eigenständigkeit beider Seiten, welche – wie der vorgenannte Abschnitt aufzeigt  – für eine grundsätzliche Trennung der Staatsgewalten spricht und lediglich im Falle normierter Teilhabe-/Lenkungsmöglichkeiten hiervon abweicht.120 Zusammengefasst ist deshalb auch die Rede von der Maßgeblichkeit und „Unabdingbarkeit der Kompetenzordnung“121: Mit ihrer Wahrung steht, mit ihrer Verletzung fällt die verfassungsrechtliche Anerkennung für eine bestimmte Mischverwaltungsform. Nichtsdestoweniger sind aber – was bereits gesagt werden kann – gewisse „Verschränkungen“122 beider (Verwaltungs-) Ebenen nicht ausgeschlossen und im Sinne gemeinschaftlicher Zukunftsfähigkeit auch gewollt. Bestes Beispiel sind die unmittelbar vom Verfassungstext bereitgestellten Verbindungen der grundsätzlich getrennten Ebenen, wenngleich es sich hierbei nur um wenige Varianten handelt: So belegt etwa die Existenz von Art. 84 und Art. 85 GG, dass die grundgesetzliche Kompetenzordnung im Detail (und vor allem in der staatsrechtlichen Praxis) weniger starr ist, als sie einstweilen den Anschein erweckt.123 Die bundesstaatliche Struktur ist dem Grunde nach bzw. war jedenfalls ausgehend von der Gründung der Bundesrepublik Deutschland nicht nur auf Trennung, sondern gleichzeitig in gewissem Maße auf „sachliche Unitarisierung“124 und andauernde Dynamik125 angelegt, weshalb von einem universellen Ausschluss in dieser Allgemeinheit keine Rede sein kann.126 Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass durch die Föderalismusreform im Jahr 2006127

Grundgesetz ein Mischverwaltungsverbot kennt oder es sich lediglich um eine „verwaltungswissenschaftliche Klassifizierung handelt, die nicht per se die Verfassungswidrigkeit indiziert“ (auch zum Zitat a. a. O.). 120 Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 88; Korioth, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 30 Rn. 8. 121 So sehr deutlich Trapp, DÖV 2008, 277 (279); im Einzelnen hierzu schon die bereits mehrfach zitierten Entscheidungen zur Mischverwaltung in BVerfGE 11, 105 (124); BVerfGE 32, 145 (156); BVerfGE 39, 96 (120); BVerfGE 41, 291 (311); BVerfGE 63, 1 (38 ff.); BVerfGE 97, 198 (227) und BVerfGE 108, 169 (182). 122 So Köttgen, DÖV 1955, 485 (486); s. a. Benz, DÖV 1993, 85 (86); Füßlein, DVBl. 1956, 1 (2) und Huber, DÖV 2008, 844 (846). 123 Dazu näher Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (45). 124 So ursprünglich bezeichnet von Hesse, Unitarischer Bundesstaat, S.  13 f.; dem folgend Böcken­förde, in: FS Schäfer, S. 182 (184) und Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1233). 125 Vgl. Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1233) und Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (54: „offener Begriff“). 126 Vgl. ebenfalls Cornils, ZG 23 (2008), 184 (191). Allerdings differenziert Cornils im Weiteren (S. 192, 197 ff.) zwischen einem Verbot im weiteren und im engeren Sinne: Danach solle letzteres als ein Bestandteil des erstgenannten für nicht in der Verfassung geregelte Mitentscheidungsregelungen doch „ein striktes Verbot“ (S. 198) statuieren und werde im Übrigen – für alle weiteren Anwendungsfälle – durch den Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung ergänzt (dazu S. 200 f.). 127 BGBl. I, S. 2034.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

eine gewisse Wandlung des Grundgesetzes stattgefunden hat. Deswegen von einer Zäsurwirkung zu sprechen wäre allerdings wohl zu weitgehend, da auch weiterhin die „Unitarisierung durch Kooperation“128 fortbesteht, doch wurde gleichwohl die Vermischung der bundes- und länderstaatlichen Strukturen deutlich entzerrt.129 a) Auszunehmende Formen des Zusammenwirkens Der Verständlichkeit und Übersichtlichkeit wegen sollen zunächst bestimmte Formen des Zusammenwirkens von Bund und Ländern ausgesondert werden, die nur eine lockere Verbindung beider Staatsebenen betreffen und nicht den Grad kompetenzieller Verschränkungen erreichen. Zu den Art. 83 ff. GG besteht hier nur ein mittelbar-thematischer, jedoch kein rechtlich verbindlicher Zusammenhang. Würde man diese Gestaltungsformen in die weiter zu verfolgende Zulässigkeitsfrage von Bund-Länder-Verbindungen in Form der Mischverwaltung einbeziehen, würde man nahezu jeden Kontakt der Ebenen in diesem Sinne verstehen können. Dies wiederum hätte zur Folge, im Rahmen der Beurteilung wegen der Verschiedenheit von Kooperationsformen nur schwierig130 differenzieren zu können. Zu diesen Formen der Kooperation, die noch nicht als Mischverwaltung im eigentlichen Sinne zu verstehen sind, zählt vor allem der unverbindliche Gedankenaustausch zwischen Bund und Ländern sowie der Länder untereinander, sei es durch eine „interne und / oder vorbereitende politische oder auch exekutivische Konsultation“131 bzw. einen reinen „Erfahrungs- und Informationsaustausch“132 der jeweils beteiligten Seiten oder sei es durch sonstige rechtsfolgenlose, allgemeine oder einzelfallbezogene Anfragen oder Ratschläge.133 Diese gegenseitige Verständigung134 128

So bezeichnet in der Überschrift bei Degenhart, Staatsrecht I, vor Rn. 492; entsprechend auch bei von Münch / Mager, Staatsrecht I, Rn. 691; vgl. ferner die Formulierung „Bundesstaat trotz Trennung der beiden staatlichen Ebenen auf Zusammenarbeit angelegt“ bei Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 737 a. E. Dass die Teile des Bundesstaates zusammenhängen und ohne den anderen Teil nicht existieren könnten, betont auch Maurer, Staatsrecht I, Rn. 41. 129 Zu den Inhalten dieser Reform vgl. bereits in § 5 II. 1. 130 Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 85 formuliert dies folgendermaßen: „Wer ‚Mischverwaltung‘ zunächst weiter definiert, […] wird Mischverwaltung nicht als in aller Regel unzulässig beurteilen können.“ 131 So Heinze, in: FS Forsthoff, S. 119 (129). Auch Maurer, Staatsrecht I, § 10 setzt sich in Rn. 57–70 eingehend mit den Formen außerverfassungsrechtlicher Kooperation auseinander. 132 So Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 51 m. w. N.; ähnlich Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 11; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 108; Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (48). Alternativ „informale Zusammenarbeit“ bei Schulze-Fielitz, Informaler Verfassungsstaat, S. 46. 133 Zum Vorstehenden insgesamt Heinze, in: FS Forsthoff, S. 119 (129) m. w. N.; er meint hiermit v. a. solche Fälle ohne das „hoheitliche, verbindliche oder gestaltende Handeln nach außen“ (zum Zitat a. a. O.), vgl. insoweit bereits eine o.g. engere Variante des Mischverwaltungsbegriffs, die entsprechende Fallgestaltungen von vornherein ausschließt (dazu § 5 I. gleich zu Beginn). 134 Vgl. Kölble, DÖV 1960, 650 (650), dort u. a. ausführlich zu sog. Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern; s. a. März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 34)

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unter den bundesstaatlichen Teilstrukturen dient einzig135 der gegenseitigen Angleichung136 und ‚Koordination‘137 (außerhalb des Bundesrates) und erfolgt regelmäßig auf Regierungsebene.138 Eine derartige „informelle oder konsensuale Abstimmung von Verhaltensweisen zwischen Bund und Ländern“139 erreicht noch nicht einmal die erforderliche Schwelle der diskutierten Mischverwaltungstatbestände. Im Vordergrund steht in diesen Situationen das „In-Benehmen-Setzen“140, der Austausch von Empfehlungen141, die gemeinsame Bündelung der Mittel, die gegenoder Benz, DÖV 1993, 85 (86) m. w. N. Nach Schneider, DÖV 1957, 644 (645) existierte schon (nicht einmal ein Jahrzehnt nach Gründung der Bundesrepublik) ein „chaotische[s] Gestrüpp“ solcher Absprachen und Abmachungen. 135 Dass hierzu sogar eine Pflicht besteht, belegen die ausführlichen Darlegungen zum Grundsatz der Bundestreue bei Bauer, Bundestreue, S. 349 ff. 136 Vgl. Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 86. 137 Vgl. Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 18; Scheuner, DÖV 1962, 641 (648); Köttgen, JöR n. F. 3 (1954), 67 (140 ff. samt Kapitelüberschrift); Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 52; Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 46 ff.; Kölble, DÖV 1967, 1 (1). Auch Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 38; Zacher, BayVBl. 1971, 375 (378) und Frowein, Dt. Föderalismus der Gegenwart, S. 20 sprechen deshalb von „Koordinationsgremien“ (jeweils mit Beispielen, neben den sogleich in Fn. 139 genannten, etwa Wissenschaftsrat und Dt. Bildungsrat). Weiterhin Klein, in: Becker, Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, S. 125 (158) und Kölble, DÖV 1967, 1 (1, 9) bzw. ders., NJW 1962, 1081 (1081) am Beispiel der Länder untereinander, mit konkreten Beispielen in den dortigen Fn. 4–6. Dem vergleichbar Konow, DÖV 1966, 368 (373); Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1233); Thieme, DÖV 1989, 499 (506); eingehend auch Scharpf, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 121 ff. Insgesamt verlaufen solche Koordinationsbemühungen auf rein freiwilliger Basis – mit der (letztlich abgelehnten) Erwägung, eine „rechtliche Verpflichtung zur Koordination“ zu konstruieren: Benz, DÖV 1993, 85 (93) – dort auch zum vorstehenden wörtlichen Zitat. 138 Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 41 mit mehreren konkreten Beispielen. 139 So Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 89, der diese Situation u. a. annimmt, wenn Bund- und Länderverwaltungen vereint ihre Behörden ausstatten oder kollektiv Aufgaben, z. B. des polizei- und sicherheitsrechtlichen Bereichs, übernehmen; s. a. Schmidt-Aßmann, Jura 1987, 449 (451). Noch häufiger relevante, typische Beispiele – dazu u. a. auch Thieme, DÖV 1989, 499 (506) unter dem Stichwort „Selbstkoordination“ und ähnlich Konow, DÖV 1966, 368 (373) – sind etwa Verwaltungsabkommen und Staatsverträge (hierzu näher Schneider, DÖV 1957, 644 ff. bzw. ders., VVDStRL 19 (1961), 1 ff.; Schaumann, VVDStRL 19 (1961), 86 ff.; Kölble, DÖV 1960, 650 ff. und Knöpfle, Der Staat 8 (1969), 79 ff.) sowie übergreifende Konferenzen, z. B. die Ministerpräsidentenkonferenz oder diverse Fachministerkonferenzen (vgl. Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 63; Thieme, DÖV 1989, 499 (506); Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1234); Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 51 m. w. N. und Beispielen). Bei solchen Absprachen stehen nach Rudolf, in: HStR VI, § 141 Rn. 54 ff. in erster Linie „vertragliche Regelungen zwischen Bund und Ländern über ambivalente Materien“ (so Rn. 54) im Vordergrund, die sich gemäß ihrer rechtlichen Verbindlichkeit noch abstufen lassen (a. a. O., Rn. 66 f.); ausführlich zudem ders., Bund und Länder im dt. Verfassungsrecht, S. 33 ff. Zu diesen und weiteren Beispielen schließlich Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 84. Diesbezüglich stellt Benz, DÖV 1993, 85 ff. praktische Schwierigkeiten (S. 88 ff.) und daraus abzuleitende Grenzen (S. 93 f.) der Länder-Länder-Kooperation dar. 140 So Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 109 (und ähnlich Rn. 108) und in vergleichbarer Weise auch Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1234). 141 Vgl. Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 50.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

seitige Aussprache oder Abstimmung142, jedoch stets unter Wahrung der Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, d. h. ohne die jeweiligen Kompetenzen miteinander zu verschränken.143 Sie wirken sich auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben betreffend Aufbau, Organisation und Tätigkeiten der jeweiligen Verwaltungsräume nicht aus, sondern lassen diese unberührt bestehen.144 Insoweit sind Zwischenländerabsprachen sowie Bund-Länder-Verständigungen zu differenzieren145, welche überwiegend oder sogar fast ausschließlich zwar keine explizite Grundlage im Grundgesetz haben, mitnichten aber geächtet wären.146 Im Gegenteil, werden sie anerkannt und sind seit Jahrzehnten Teil der Staatspraxis – weshalb praktisch alle wesentlichen Entscheidungen zwischen Bund und Ländern abgestimmt sind.147 Soweit die jeweils involvierten Ebenen völlige Eigenständigkeit behalten und nur wie Dritte miteinander kommunizieren und Abkommen aushandeln, werden ihre Verwaltungsstrukturen jedoch nicht vermischt und wird keine aus beiden zusammengefasste, entscheidungsbefugte Institution geschaffen.148 Weil sie das „eine 142 Hierzu Scheuner, DÖV 1972, 585 (588), der die fehlende Verbindlichkeit im Gegenseitigkeitsverhältnis betont. 143 Vgl. Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 39 sowie eingehend zu den verschiedenen Möglichkeiten im Bund-Länder-Verhältnis Groß, DVBl. 1969, 93 (95). Insoweit könnten Abkommen unterstützender und solche kompetenzabgrenzender Art unterschieden werden – jeweils mit Beispielen a. a. O. Zu den Varianten der Länder-Länder-Kooperation Groß, a. a. O., S. 95 f. und S. 125 ff., dort auch unter Einbindung diesbezüglicher Bedenken. 144 Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (49); Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 51; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22 Rn. 43 a. E. 145 Vgl. Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 48. Gleichbedeutend trennt Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 46 deshalb „horizontale Formen der Länderkooperation von vertikalen der Bund-Länder-Kooperation“. Im Gesamten weiterhin Gubelt, in: von Münch /  Kunig, GG, Art. 30 Rn. 23. Auch März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 34 unterscheidet die Kooperation von Bund und Ländern einerseits und der Länder untereinander andererseits; vgl. ebenso die schon durch die Abschnittsbildung unterstrichene Unterscheidung beider Kooperationsstränge bei Rudolf, in: HStR VI, § 141 Rn. 18 f. gegenüber Rn. 20. 146 Kölble, DÖV 1960, 650 (655) und zustimmend Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 51. Demgegenüber sieht beispielsweise Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 116 ff. durch die Zwischenländerkooperation (dazu zusammenfassend S. 143 f., 166 ff.) und die Bund-Länder-Kooperation (dazu S. 158 ff. und insgesamt S. 166 ff.) das „föde­ ralistische Balancesystem“ (S. 166) bedroht. Dem entspricht auch der Rat von Kisker, DÖV 1977, 689 (696), die Koordination dem Bund alleine, d. h. ohne ein gemeinsames Interagieren, zu überlassen bzw. die Interaktion der Länder auf den Bundesrat zu begrenzen. Kurzüberblick bei Benz, DÖV 1993, 85 (87). 147 Vgl. Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 36. Dieser Effekt wird gemeinhin als „Politikverflechtung“ bezeichnet – dazu näher Scharpf, in: Scharpf / Reissert / Schnabel, Politikverflechtung, S. 13 ff., insbesondere S. 28 ff.; außerdem einleitend ins gleichnamige Werk Hesse, in: Hesse, Politikverflechtung im föderativen Staat, S.  9 ff. zzgl. sämtlicher Beiträge darin. Zudem exemplarisch aus dem so betitelten Sammelband bei Stern, in: Politikverflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, S. 15 ff. zuzüglich der weiteren Beiträge; schließlich noch Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 36 m. w. N.; Scharpf, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 121 (121); von Beyme, Politisches System der Bundesrepublik, S. 376 ff. 148 Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 89; Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 18; Pietzcker, in: HStR VI, § 134 Rn. 31. Denn es handelt sich sodann um nicht

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Mischverwaltung kennzeichnende Element gemeinsamer Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben“149 nicht erfüllt und somit der vom Grundgesetz vorgesehenen Verwaltungsorganisation nicht zuwider läuft150, wird eine explizite Zulassung im Grundgesetz nicht benötigt.151 Die Grenze wird aber dort erreicht, wo es zu einer „institutionellen Verfestigung“ und damit „organisatorischen Verflechtung“ kommt.152 Bis dahin machen jedoch Bund wie Länder nur von ihrem jeweiligen originär staatlichen Recht Gebrauch, selbstverantwortlich miteinander vertragliche Bindungen einzugehen.153 Immerhin steht erst die Zulassung solch unbeschränkter Koordination sinnbildlich für die Selbstbestimmung und Souveränität der einzelnen bundesstaatlichen Glieder.154 Allerdings dürfen von Verfassung wegen vorgezeichnete Formen des Zusammenwirkens und Regeln im gegenseitigen Verhältnis durch solche Absprachen nicht unterlaufen werden.155 Entsprechendes gilt in gleicher Weise und mit denselben Grenzen ebenfalls für die bloße Einigung zweier Ebenen auf ein bestimmtes Vorgehen156 bzw. die sonstige Toleranz untereinander157, die Abstimmung in Zuständigkeitsfragen158 sowie die „Parallelverwaltung“159. „mehr als eine lockere Verbindung miteinander“, wie schon Kölble, NJW 1962, 1081 (1081) – am Beispiel der Länder untereinander – darlegte. 149 So BVerfGE 127, 165 (191 f.). 150 Diese Grenze betonten bereits Scheuner, DÖV 1962, 641 (648) und später Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 23. Insoweit differenziert Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S. 165 ff. „Verfassungslückenfüllende“ (S. 165), „Verfassungskonkretisierende“ (S. 166) sowie „Verfassungsinterpretierende Verwaltungsabkommen“ (S. 167) – diese Bezeichnungen belegen den fehlenden Widerspruch solcher Formen zur Verfassung, anders als beispielsweise „Verfassungsändernde“ (S. 164) Gestaltungen, die unter allen Umständen unzulässig sind (vgl. Grawert, a. a. O.). Erläuterungen hierzu auch bei Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 86. 151 Entsprechend der in BVerfGE 63, 1 (40) aufgestellten Maßgaben; hierzu Übrigen auch Trapp, DÖV 2008, 277 (280) und Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 55. 152 Zu beiden Zitaten Krebs, in: HStR III (2. Aufl. 1996), § 69 Rn. 61; zustimmend Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (165); Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (49); s. a. Schubert, Jura 2003, 607 (611). 153 Von Zacher, BayVBl. 1971, 375 (377) beschrieben als das „formale Dogma der Vertragsfähigkeit“ der beiden Ebenen im Staat; vgl. auch Kölble, DÖV 1960, 650 (655 f.); Konow, DÖV 1966, 368 (374); Schneider, DÖV 1957, 644 (646). 154 Vgl. Benz, DÖV 1993, 85 (87); daneben Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 84 mit näheren Ausführungen zu den Grenzen dieser Möglichkeiten in Rn. 85. 155 Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 54 f. 156 Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 46 ff.; ähnlich Hofmann, in: HStR I, § 9 Rn. 79; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 108 (Verwaltungsabkommen oder Staatsverträge, dazu bereits in Fn. 139) m. w. N. 157 Vgl. Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 51 m. w. N. 158 Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 42 mit konkreten Beispielen hierfür und diesbezüglichen Nachweisen – ferner deutliches Plädoyer hierfür in Rn. 47. Zu dem Beispiel Grenzfragen ebenfalls Benz, DÖV 1993, 85 (86) anhand angrenzender Länder. 159 So Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 68 mit näheren Ausführungen. In diesen Fällen geht es um gleichlautende Maßnahmen von Bund und Ländern auf Basis einer vorherigen Abstimmung durch Muster und Vorlagen; vgl. auch Kölble, NJW 1962, 1081 (1081) am Beispiel der Länder, mit Beispielen in den dortigen Fn. 7–8.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

Solche Absprachen / Abstimmungen entsprechen dem Grunde nach lediglich dem Gebot bundestreuen Verhaltens160 und helfen erst dabei, den Bundesstaat zu verwirklichen161, weil die Länder auf diesem Wege effektiver als Gegenspieler zum Bund auftreten und ihre Interessen in die Waagschale legen können. Deshalb werden sie gemeinhin162 als zulässige Gestaltungsformen kooperativen Zusammenwirkens zwischen Bund und Ländern aufgefasst. Wenngleich ihre normativen Wirkungen eher gering sind, haben sie eine hohe praktische Bedeutung erlangt.163 Trotz allem gibt es auch hier bereits Stimmen, die zum Schutz der Parlamente und zwecks ausreichender demokratischer Legitimation staatlichen Tätigwerdens164 eine rahmengebende Begrenzung sowie transparente Zusammenstellung derartiger Absprachen und Zusammenarbeit fordern.165 Andere wiederum äußern den politisch motivierten Wunsch zu mehr „Wettbewerbsföderalismus“166 in der Bundesrepublik.

160 Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 51; Konow, DÖV 1966, 368 (374) und Kölble, DÖV 1960, 650 (655) bzw. ders., NJW 1962, 1081 (1082). Nach der letztgenannten Fundstelle (a. a. O.) gelte dies ebenso für die Koordination der Länder untereinander, wobei im Länder-Länder-Verhältnis zusätzliche Gründe nötig seien, um eine Bund-Länder-Pflicht hierauf übertragen zu können. Bei Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 24 heißt es bezüglich der Kooperation der Länder untereinander, dass diese weniger strengen Anforderungen des Grundgesetzes unterliege; siehe insoweit auch Schenke, in: Sodan, GG, Vorb. z. Art. 91a Rn. 3. Näheres zum Gebot bundestreuen Verhaltens sogleich in § 6 I. 1. b). 161 Vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 92; Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 51. 162 Siehe etwa Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 109 („Unbedenklich“); Groß, DVBl. 1969, 93 (94) bzw. in Fortsetzung dieses Beitrags ders., DVBl. 1969, 125 (128); Scheuner, DÖV 1972, 585 (588) bzw. ders., DÖV 1962, 641 (647) sowie Zacher, BayVBl. 1971, 375 (378). Zur Zulässigkeit ferner Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 51; März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 34 und Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 23 m. w. N.; a. A. Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 44 („verfassungsrechtlich z. T. bedenklich“). 163 Scheuner, DÖV 1962, 641 (648). Zur Entwicklung und zum Hintergrund Feuchte, AöR 98 (1973), 473 (476). 164 Weil die Absprachen in den genannten Fällen regelmäßig durch die Regierungen erfolgen und die Parlamente wenig bis überhaupt nicht involviert werden. Die Gefahren erkannten bereits Kisker, DÖV 1977, 689 (694 f.) und Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182 (186, dort auch zum nachfolgenden wörtlichen Zitat), letzterer kritisch im Hinblick auf die „Tendenz zur Entparlamentarisierung“. Insoweit auch als „Exekutivföderalismus“ bezeichnet, so z. B. Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1235); Pietzcker, in: Starck, Zusammenarbeit der Gliedstaaten im Bundesstaat, S. 17 (20) sowie gleichbedeutend Oeter, Integration und Subsidiarität im dt. Bundesstaatsrecht, S. 430 ff. 165 Benz, DÖV 1993, 85 (94) verlangt die Begrenzung „auf ein notwendiges Maß“; zudem Liebrecht, DVBl. 1969, 97 (101). 166 So Schmidt-Jortzig, DÖV 1998, 746 (746). Zusammenfassend Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 36 m. w. N.

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b) Prinzipielle Unzulässigkeit Für alle sonstigen Formen des Zusammenwirkens, die „Kompetenzübertragungen oder -verschränkungen“167 hervorrufen, gilt das Folgende: Ohne Regelung im Grundgesetz, die eine Ausnahme statuiert, ist im Prinzip von der Unzulässigkeit der kontinuierlichen oder sogar institutionalisierten Vermischung verschiedener Verwaltungsebenen auszugehen168, was jedoch letztlich auf den verfassungsrechtlichen Vorgaben und nicht der herangezogenen Begrifflichkeit beruht. Die Bezeichnung als „Verbot der Mischverwaltung“ o.ä. sollte daher besser vermieden werden, sofern man nicht gleichzeitig die genaue Reichweite der Begrifflichkeit definiert. Denn die Mitteilung der Rechtsfolge setzt zwingend eine klare Abgrenzung des tatbestandlichen Anwendungsbereichs voraus, um die zulässigen von den unzulässigen Variationen zu unterscheiden. Im Einzelnen liegen diesen Erwägungen die folgenden Grundsätze zugrunde: Die im vorherigen Abschnitt erläuterten Normen (Art. 30, Art. 70 ff., Art. 83 ff, Art. 92 ff. GG) legen im Grundsatz eine Trennung der Ebenen fest, stehen jedoch anderen Verfassungsnormen mit kompetenzverschränkenden Folgen lediglich in einschränkender Weise und nicht endgültig entgegen.169 Gleichzeitig müssen der Bund und die 16 Länder, 167 So Korioth, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 30 Rn. 26; ähnlich Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 15. 168 Vgl. erneut BVerfGE 32, 145 (156), BVerfGE 39, 96 (120), BVerfGE 41, 291 (311), BVerfGE 63, 1 (38 ff.), BVerfGE 97, 198 (226 f.), BVerfGE 108, 169 (182) und BVerfGE 119, 331 (365 f.) sowie zuletzt BVerfGE 127, 165 (191). Zusammenfassend Hellermann, in: BeckOKGG, Art.  30 Rn.  24. Gemeint sind hiermit aber nur diejenigen Fallkonstellation, denen ein „enger Begriff der Mischverwaltung“ zugrunde gelegt wird, vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art.  83 Rn.  85. In diesem Rahmen wird die Unzulässigkeit außerdem angenommen bei Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 10; Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 13; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 130; Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 38, 57; März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 30 f.; Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 24; Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 4; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 30 Rn. 11; Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 24; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art.  20 Rn.  17; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb.  v. Art.  83 Rn. 30; Oeter, Integration und Subsidiarität im dt. Bundesstaatsrecht, S. 451 f.; Pietzcker, in: HStR VI, § 134 Rn. 37 a. E.; Stern, Staatsrecht I, § 19 III 3 c (S. 685); Heinze, in: FS Forsthoff, S. 119 (129); in derselben Weise auch Tiemann, Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern, S. 74 f.; Huber, DÖV 2008, 844 (846); Papier, in: FS Knöpfle, S. 273 (279 f.); Schnapp, in: GS Tettinger, S. 505 (513) bzw. ders., Jura 2008, 241 (244) und Gerner, BayVBl. 1955, 193 (193, mit Beispiel). Zurückhaltend hingegen noch das Fazit bei Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 256 f., wonach weder die Zulässigkeit noch Unzulässigkeit der Misch­verwaltung in dieser Allgemeinheit auszusprechen sei. Im Ergebnis läuft diese Betrachtungsweise aber auf dasselbe Ergebnis wie hier vertreten hinaus, weil bestimmte Formen als verfassungswidrig, andere hingegen als verfassungsgewollt anerkannt werden. In derselben Weise wohl auch Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 167 (mitsamt dem dort folgenden Leitschema). 169 Zum Vorstehenden insgesamt Korioth, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 30 Rn. 26 und Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 22 f.; vgl. hierzu auch Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Plura-

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

um gemeinsam „ein Staats-‚Ganzes‘ bilden“170 bzw. eine „übergreifende bundesstaatliche Einheit“171 verwirklichen zu können, dazu in der Lage sein, sich mindestens zu koordinieren bzw. bei Bedarf auch ohne tiefergreifende Vermischung ihrer Verwaltungsebenen zusammenzuschließen und miteinander die gesamtstaatlichen Interessen durchzusetzen. Es geht insoweit um die „Bewältigung der Staatsaufgaben durch ineinandergreifende Zusammenarbeit“172 und „Vernetzung der Entscheidungsmechanismen“173, in deren Folge die jeweilige Individualität eine  – das Minimum ihrer Eigenständigkeit jedoch bewahrende – Anpassung erfahren muss.174 Deswegen sind Kooperationen nach der grundgesetzlichen Konzeption zwar einerseits „nicht fugenlos“175 möglich und immer eingehend auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu untersuchen, jedoch andererseits nicht durch den bloßen Verweis auf die Trennung der Verwaltungsräume absolut ausgeschlossen.176 Wenig ergiebig sind in diesem Zusammenhang theoretisch begründete und daher praxisferne Überlegungen, die auf die grundsätzliche Trennung der Verwaltungsräume rekurrieren und deren Bewahrung zugrunde legen: Aus dem abstrakten Befund, ein Zusammenwirken von Bund und Ländern könne jedenfalls dort nicht mehr gebilligt werden, wo Regelungen des Grundgesetzes existierten177, lassen sich keine fassbaren Anforderungen gewinnen.178 Im Sinne der Zukunftsträchtigkeit des deutschen Staates hat vielmehr ein „ausgewogenes und bewegliches System der

lität des Rechts, S. 37 (48); Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 33. Letztgenannte weisen zudem (a. a. O., Rn. 59, dort auch zum nachfolgenden wörtlichen Zitat) auf das weite Feld der „nicht-gesetzesakzessorischen Verwaltung“ hin, wo Art. 83 ff. GG zwangsläufig nicht (unmittelbar) divergieren. 170 So Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 88. 171 Zacher, BayVBl. 1971, 375 (376); ähnlich Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 92; Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 59. 172 Groß, DVBl. 1969, 93 (93). Zu derselben Thematik vgl. auch die in dem Gutachten über die Finanzreform (sog. Troeger-Gutachten, dort Tz. 35) formulierte Vorstellung, nur auf diese Weise den „historisch-politischen, ökonomischen und soziologischen Entwicklungstendenzen eines modernen, international verflochtenen Industrie- und Sozialstaates“ gerecht werden zu können. 173 So Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1234). 174 Hierzu Zacher, BayVBl. 1971, 375 (376), wonach aber jede „bündische Überlagerung“ der beiden Ebenen ausgeschlossen bleibe. 175 Vgl. abermals das sog. Troeger-Gutachten, Tz. 35 und zustimmend Patzig, DVBl. 1966, 389 (391). 176 Bereits Köttgen, JöR n. F. 11 (1962), 173 (181) und im Anschluss hieran Patzig, DVBl. 1966, 389 (391) bezeichnen die strikte Teilung in Bund und Länder, wie sie in den ältesten Ansichten noch formuliert wurde (vgl. zu einem strikten Mischverwaltungsverbot im ersten Jahrzehnt der Bundesrepublik in den Fn. 29 und 30 zu Beginn dieses Abschnitts), schon in den 1960er Jahren als bloße „Hypothese“, welche sich „mehr und mehr als bloße Reminiszenz erwiesen“ habe (zu beiden vorstehenden Zitaten Patzig, a. a. O.). 177 In diese Richtung wohl Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22 Rn. 43 a. E. 178 Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (51).

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Zusammenordnung und der Zusammenarbeit“179 zwischen Bund und Ländern die Grundlage staatlichen Tätigwerdens zu bilden. Die für die Bewertung maßgeblichen Gründe lassen sich zusammengefasst dem aktuellen und eingangs auf seine wesentlichen Aussagen zusammengefassten Bundesverfassungsgerichts-Urteil entnehmen, in welchem das höchste Gericht das aus dem Grundgesetz folgende Gebot unter Berufung auf Rechtsstaats-, Bundesstaatsund Demokratieprinzip sowie den zweistufigen, im Kern getrennten Staatsaufbau „tendenziell schärfer“ formulierte.180 Gerade die dem Grundgesetz zugrundeliegende, grundlegende Trennung der Staatsgewalten, wie sie im vorangegangen Abschnitt vorgestellt wurde, wurde lange Zeit181 als Basis absoluter Unzulässigkeit mindestens von gemeinschaftlichen Einrichtungen empfunden, wenngleich eine derartige Bewertung trotz der hiermit einhergehenden Restriktion nicht mit einer absoluten Tabuisierung jeder Art von Verflechtung zwischen Bund und Ländern gleichgesetzt zu werden vermag.182 Durch die Ausführungen in dem zitierten Urteil hat das Bundesverfassungsgericht zum einen zu erkennen gegeben, nicht von einem absoluten Verbot auszugehen183, und zum anderen in Anbetracht der nahtlosen Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung zur Mischverwaltung von Bund und Ländern angedeutet, dem Grundgesetz ein solches absolutes Verbot auch in der Vergangenheit niemals zugrunde gelegt zu haben.184 Anstelle dessen lässt sich nunmehr festhalten, dass sich die Frage der Zulässigkeit nach den jeweiligen Umständen bemisst; es bleibt in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die grundgesetzliche 179

Das Troeger-Gutachten, Tz. 76 plädiert mit diesen Worten für den kooperativen Föderalismus, hierzu eingehend sogleich im nachfolgenden Abschnitt. Dem schließt sich Patzig, DVBl. 1966, 389 (391) an; vgl. zudem die Illustration bei Klatt, APuZ 1986, 3 (8): „Der Bundesstaat der Verfassungsväter mit seinen klaren Abgrenzungen in Form einer ‚Schichttorte‘ hat dem kooperativen Föderalismus in Form des ‚Marmorkuchens‘ Platz gemacht.“ 180 Zum Vorstehenden samt Zitat Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 24 unter Verweis auf BVerfGE 119, 331 (365 f.) im Jahr 2007; ferner Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (442). Besonders lobend äußert sich Huber, DÖV 2008, 844 (846 f.): Das Regelverbot werde in dieser Entscheidung „nicht nur ‚veredelt‘, sondern gewinnt materiell-rechtliche Substanz“. Gleiches gilt nach Cornils, ZG 23 (2008), 184 (187 ff.) für diese wie auch schon für die vorhergehende Entscheidung in BVerfGE 108, 169 (182). Zur Entscheidung aus 2007 übt Cornils anschließend (S. 192) aber auch harsche Kritik wegen der Ausweitung dieser Grundsätze. 181 In dieser Weise wohl Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S. 258 ff. sowie in seinem Fazit (S. 282), „daß das Grundgesetz echte Gemeinschaftseinrichtungen jeglicher Art nicht zuläßt“; zustimmend noch in jüngerer Zeit Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 55 am konkreten Beispiel; ebenso Kölble, NJW 1962, 1081 (1083 f.) und Tiemann, Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern, S. 123 ff. m. w. N.; angesprochen ebenfalls von Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 202 ff. und Köttgen, JöR n. F. 11 (1962), 173 (396), die jedoch offenbar trotz aller Restriktion nicht jede Gemeinschaftseinrichtung negieren wollen. 182 Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 23; Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (442). 183 Vgl. dazu Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 15; Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 22; Blümel, in: HStR IV (2. Aufl. 1999), § 101 Rn. 122; in ähnlicher Weise Huber, DÖV 2008, 844 (846); Trapp, DÖV 2008, 277 (277); Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 188. 184 Zu dieser Erkenntnis bereits Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 256 und Trapp, DÖV 2008, 277 (277, 282).

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Regelungsstruktur eine bestimmte Mischverwaltung zulässt oder hingegen für unzulässig erklärt.185 Eine explizite Nennung der Verwaltungsform durch die Verfassung ist dafür zwar nicht notwendige Voraussetzung, solange sie sich notwendig zeigt und interpretatorisch ableiten lässt186, sie ist für sich genommen, d. h. ohne die Einhaltung der nachstehenden Anforderungen, aber auch keine hinreichende Voraussetzung.187 Im Mittelpunkt der Betrachtung steht dabei das „Prinzip der Einweisung der Kompetenzträger in ihre jeweiligen Verantwortungsbereiche“188, wie es im vorangegangenen Abschnitt zur Trennung der Verwaltungsbereiche dargelegt wurde und sich auf die Verwirklichung eines Bundesstaates zurückführen lässt. Des Weiteren interessiert der Umgang des Verfassungstextes mit dem Zusammenwirken von Bund und Ländern: Dies kann zum einen durch eine explizite Verfassungsregelung189, zum anderen durch ihre Notwendigkeit begründet sein, solange die verfassungsrechtlichen Grundlagen (v. a. Kompetenzverteilung, Eigenverantwortlichkeit, Verantwortungsklarheit) nicht vernachlässigt werden.190 Letztere entstammen hierbei im Wesentlichen dem zentralen bundesstaatlichen Gedankengut des Grundgesetzes und zusätzlich bzw. verstärkend auch den rechtsstaatlichen und demo­ kratischen Grundsätzen, auf die im Näheren noch einzugehen sein wird. Vor allem steht bei der Mischverwaltung und ihren verfassungsrechtlich vorgegebenen Grenzen der aus allen drei vorgenannten Verfassungsprinzipien gleichermaßen abzuleitende ‚Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrneh-

185 D. h. es bedarf einer „Analyse anhand der jeweils einschlägigen konkreten Verfassungsrechtsnormen“, so Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art.  83 Rn.  23; vergleichbar auch Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 17; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 90 und frühzeitig bereits Schneider, AöR 83 (1958), 1 (2 a. E.); s. a. Ronellenfitsch, Mischverwaltung im Bundesstaat, S.  257 in seinem Fazit („differenzierende Betrachtungsweise“) sowie Zacher, BayVBl. 1971, 375 (378); Sendler, DÖV 1981, 409 (410); Darmstadt, Frage einer Mischverwaltung von Bund und Ländern, S. 119; Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (44, 55). 186 Hierzu etwa Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 46; Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (49); Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 33 und Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 17. Demgegenüber gingen frühere Auffassungen rigoros von einem Erfordernis grundgesetzlicher Ermächtigung aus, vgl. im Rückschluss aus den erläuterten Fällen z. B. Gerner, BayVBl. 1955, 193 ff.; so wohl auch Groß, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 83 Rn. 31. Ausführliche Darstellung des damaligen Streitstandes bei Sendler, DÖV 1981, 409 (410) m. w. N. in den dortigen Fn. 8–10. 187 Anders hingegen Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 36, wonach die Anordnung einer Mischverwaltung im Grundgesetz bereits den Ausnahmetatbestand vom widerlegbaren Verbot (dazu Rn. 33) erfülle und sich daher nicht mehr „möglichst schonend in die allgemeinen Verfassungsstrukturen einfügen“ (so explizit in Rn. 36) müsse. 188 Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 93. 189 Vgl. u. a. BVerfGE 63, 1 (39 f.); BVerfGE 108, 169 (182) oder BVerfGE 119, 331 (365). 190 Zusammenfassend Trute, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art.  83 Rn.  33, 38 und Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 15; kürzer zudem Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (50).

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mung‘191 im Mittelpunkt. Dieser in seinem Kern aus dem Bundesstaatsgedanken stammende Ansatz äußert sich hier vor allem in den eng miteinander verknüpften rechtsstaatlichen Maximen der „Verantwortungsklarheit“192 sowie „rationaler Verwaltungsorganisation“193, jeweils mit der Folge der „Vorhersehbarkeit, Kontrollierbarkeit und Nachvollziehbarkeit“194 hoheitlicher Entscheidungen. Diese wiederum werden ihrerseits ergänzt durch das Gebot einer hinreichenden demokratischen Legitimation staatlicher Hoheitsträger. Verlangt wird, dass die Verantwortung für Entscheidungen und Rechtswirkungen bei dem jeweils handelnden bzw. richtigerweise zuständigen Verwaltungsträger liegt.195 Denn sobald mehr als ein Verwaltungsträger in derselben Angelegenheit handelt, d. h. mehrere zusammenwirken, ist die eindeutige Zurechenbarkeit der staatlichen Entscheidungen für den Bürger nicht mehr gegeben.196 Die genannten Grenzen gemischter Verantwortlichkeiten zwischen verschiedenen Verwaltungsträgern ergeben sich aus der Verfassung197 – sie entfalten Geltung gleichermaßen auf der Dritten wie auch auf der Vierten Ebene.198 Voraussetzung für die Zulässigkeit von Kooperationen ist generell, dass im Sinne einer klaren Verantwortlichkeit für die getroffenen Maßnahmen diese dem jeweiligen Verwaltungsträger, also dem Bund oder dem jeweils tätigen Land, zugerechnet werden können.199 Der Verantwortliche für das jeweilige Staatshandeln muss demnach klar auszumachen bleiben.200 Verschiedene Träger können sich abstimmen und sogar gemeinsam der Aufgabenerfüllung nachgehen, doch müssen sie jeweils selbstver 191 Hierzu eingehend bereits in § 5 II. 1. mit diesbezüglichen Nachweisen in Fn.  94. Sehr kritisch Cornils, ZG 23 (2008), 184 (193 f.), dass klare Ergebnisse nach dem Schema ‚zulässigverboten‘ künftig nicht mehr zu erwarten seien, weil theoretisch jede Mischform mittels Rechtfertigung ausnahmsweise akzeptiert werden könne. 192 Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 110; ebenso Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (166); Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 48, 55 und Krebs, in: HStR III (2. Aufl. 1996), § 69 Rn. 77; ferner Cornils, ZG 23 (2008), 184 (192). 193 Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (166). 194 So Krebs, in: HStR III (2. Aufl. 1996), § 69 Rn. 77. 195 In dieser Weise Trapp, DÖV 2008, 277 (282). 196 Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 48; Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (51 f.); Cornils, ZG 23 (2008), 184 (197). 197 Lerche, Aktuelle föderalistische Verfassungsfragen, S. 31 und Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 63. 198 Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 63 und ähnlich Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 22. Zu den Begrifflichkeiten Dritte und Vierte Ebene vgl. bereits Fn. 80 in diesem Abschnitt. Soweit diese in dem hier relevanten Zusammenhang genannt werden, handelt es sich allerdings nur um eine vereinfachte Beschreibung von Kooperationsformen, nicht hingegen eine wirklich existente (zusätzliche) Struktur im Staatsaufbau, zumal eine solche mit dem Grundgesetz ohnehin nicht vereinbar wäre – dazu schon die Ausführungen in § 5 II. 1. 199 Vgl. hierzu VerfGH des Landes Berlin, LVerfGE 17, 62 (73); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 8 a. E.; Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 24.5. 200 BVerfGE 83, 363 (377); im Anschluss hieran Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (166).

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antwortliche Handlungs- und Entscheidungsrechte behalten: Dies bedeutet nicht nur, dass sie eigene Kompetenzen samt der zu ihrer Durchsetzung nötigen Befugnisse bewahren, sondern dass ihnen hierbei fortwährend die Entschließungsgewalt obliegt.201 Jeder Kompetenzträger muss seine durch die Verfassung garantierte Unabhängigkeit und Selbstbestimmung behalten202 und demgemäß auch in eigener Verantwortung nach außen in Erscheinung treten können.203 Diesbezüglich ist ohne Bedeutung, durch welche gemeinschaftlichen Verwaltungsstrukturen oder Interventionsakte konkret die Eigenständigkeit gefährdet wird.204 Maßgeblich ist hierbei, dass die „Letztverantwortlichkeit des grundgesetzlich zuständigen Verwaltungsträgers“205 in allen Fällen feststeht, das grundgesetzliche Kompetenzgefüge also nicht verrückt wird.206 Dies äußert sich zunächst in der Innehabung, sodann der Zurechenbarkeit (samt Klarheit) und schließlich Erhaltung der Verantwortung.207 Effektiv geschieht dies wiederum dadurch, dass jeder seinen Kompetenzen „durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation“208 nachgeht. Dies unterbindet zwar nicht jede Kooperation der verschiedenen staatlichen Träger unter­einander209, 201 Zum Vorstehenden Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 63 (dort „Willens- und Entscheidungsmacht“) am Beispiel einer Abstimmung der Länder untereinander; vergleichbar Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 43. 202 Vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 108 a. E. Besonders durch die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 119, 331 ff. sieht Cornils, ZG 23 (2008), 184 (197) die Eigenständigkeit von Bund und Ländern gefestigt. 203 Siehe im Umkehrschluss Zacher, BayVBl. 1971, 375 (377 f.). Dies gilt ganz besonders für die Länder „als selbstständiger Partner des Bundes“, so Feuchte, AöR 98 (1973), 473 (487). Eine Wiedergutmachung einer eventuellen Schwächung auf andere Weise ist nicht möglich, vgl. Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1235). 204 In Anlehnung an Cornils, ZG 23 (2008), 184 (199). Nennenswert sind insoweit auch die von Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 122 ff. kreierten „Koordinationsstufen“: „Gemeinsame“ (S. 122 ff.), „Konvergierende“ (S. 125 f.) und „Unterstützende Verwaltung“ (S. 126 f.). Letztere ist zwar in der Liste von Cornils (a. a. O.) nicht repräsentiert, aber dennoch diesem Bereich zugehörig und, wenn auch – zugegeben – nicht ebenso, aber doch zumindest in gewissem Maße gefährdet. 205 So prägnant Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 5. Die Notwendigkeit hebt auch das BVerfG in BVerfGE 119, 331 (365 f. und 367) hervor; ähnlich zudem Waldhoff, ZSE 6 (2008), 57 (67); Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 15, 18 und Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 38. 206 Vgl. bereits Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 39; dem pflichtet Sendler, DÖV 1981, 409 (414), dort Fn. 37 bei. 207 So differenzierend Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 93, 107, 110 f. mit eingehenden Erläuterungen. 208 So BVerfGE 119, 331 (367) und fast identisch, lediglich etwas kürzer bereits Jahrzehnte früher BVerfGE 63, 1 (41); beipflichtend auch Meyer, NVwZ 2008, 275 (277); Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 33; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 93 ff.; Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (166). In demselben Zusammenhang betont Schenke, in: Sodan, GG, Vorb. z. Art. 91a Rn. 3 nochmals die „Eigenstaatlichkeit“. 209 Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (166).

§ 5 Problematik der Mischverwaltung

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schließt es aber aus, der Verfassung nicht bekannte Bund-Länder-Einrichtungen (oder gleichermaßen Länder-Länder-Einrichtungen) mit selbstständiger Entscheidungsgewalt im Verwaltungsgefüge zu etablieren210, zumal im Übrigen die Art. 83 ff. GG nicht missachtet werden dürfen.211 c) Möglichkeiten des Zusammenwirkens Mag auch das Grundgesetz auf Grundlage der vorstehenden Ausführungen seinem Ansatz nach die Trennung der Staatsgewalten voraussetzen, schließt es ein Zusammenwirken derselben212 gleichwohl nicht vollkommen aus. Vielmehr gestattet (und verlangt213) es in beschränktem Maße auch Ausnahmen zugunsten eines Zusammenwirkens von Bund und Ländern214, deren „Verwaltungsbereiche […] nicht 210 Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 63; Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 43 m. w. N., 45. Deshalb auch mit „freischwebender Verwaltungseinrichtungen“ umschrieben bei Köttgen, JöR n. F. 3 (1954), 67 (145). 211 Dies nochmals besonders betonend Broß / Mayer, in: von  Münch / Kunig, GG, Art.  83 Rn. 15; vgl. zu dieser Thematik bereits Fn. 50 in diesem Abschnitt m. w. N. 212 Allgemeine Ausführungen zu den Formen kooperativen Föderalismus insbesondere bei Laufer, Föderalismus der Bundesrepublik Deutschland, S. 93 ff. bzw. ders. / Münch, Föderales System der Bundesrepublik, S. 183 und 184 ff.; Hesse, in: FS Müller, S. 141 ff.; Grawert, Der Staat 14 (1975), 229 (232 ff.); Rudolf, in: HStR VI, § 141 Rn. 31 ff.; Feuchte, AöR 98 (1973), 473 (475 ff., 486 ff.) und im Übrigen bei Groß, DVBl. 1969, 93 ff. bzw. in Fortsetzung dieses Beitrags ders., DVBl. 1969, 125 ff.; Zacher, BayVBl. 1971, 321 ff. bzw. in Fortsetzung dieses Beitrags ders., BayVBl. 1971, 375 ff.; Scheuner, DÖV 1972, 585 ff.; speziell zu den Möglichkeit des Zusammenwirkens der Länder untereinander noch Kölble, NJW 1962, 1081 ff.; Groß, NJW 1966, 1488 ff. sowie Schneider, VVDStRL 19 (1961), 1 ff.; Schaumann, VVDStRL 19 (1961), 86 ff.; eingehend zudem Rudolf, Bund und Länder im dt. Verfassungsrecht, S. 26 ff., 33 ff. Eine Betrachtung ihrer Grenzen anhand grundgesetzlicher Vorgaben findet sich z. B. bei Groß, NJW 1967, 1001 ff.; Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S. 131 ff.; Maunz, NJW 1962, 1641 (1642 f.) und Liebrecht, DVBl. 1969, 97 (100 ff.), speziell S. 103, letzterer unter Bezugnahme auf einen Vortrag Peter Schneiders in Loccum Ende 1967; s. a. Heinze, in: FS Forsthoff, S. 119 (123 ff.) sowie Kisker, DÖV 1977, 689 (690 ff.). Detaillierte und sehr sorgfältige Darstellung der verschiedenen Kooperationsmöglichkeiten bereits bei Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 122 ff. und 169 ff. mitsamt eines Kategorisierungsversuchs; ferner im gesamten dritten Abschnitt bei Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 169 ff. 213 Sendler, DÖV 1981, 409 (410). 214 Vgl. nur BVerfGE 63, 1 (39 f.) oder BVerfGE 108, 169 (182). Dazu Dyllick / Lörincz / Neubauer, NJ 2011, 15 (18), v. a. die dortige Fn. 38; Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 96; s. a. Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 63 f. und 120; Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 15; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 23. Des Weiteren Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 30 Rn. 31 mit der treffenden Feststellung, dass „die Verfassung möglicherweise weniger kooperationsavers ist als angenommen“. Ein gut verständliches Beispiel für eine entsprechende Ausnahmenorm ist etwa Art. 108 Abs. 4 S. 1 GG, wie ihr Wortlaut zeigt, vgl. auch schon Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (442). Eingehende Darstellung der Beweggründe, Zielsetzungen, denkbarer Modelle und des Ausmaßes einer Bund-Länder-Kooperation bei Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 36 ff. Schließlich geht Konow, DÖV 1966, 368 (375) sogar so weit, festzustellen: „Das Grundgesetz ist auf Kooperation angelegt.“

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

starr voneinander geschieden sind“215 und sich vielmehr „vielfältig berühren und teilweise überschneiden“216. Denn beide Verwaltungsträger, Bund wie Länder gleichermaßen, befassen sich thematisch mit denselben (oder zumindest stark vergleichbaren) Sachfragen217, sie verfolgen parallel oder sogar überschneidend die „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“218 im gesamten Bundesgebiet und insoweit übergreifende Bund-Länder-Interessen.219 Dass sich die beiderseitigen Kompetenzen an einigen Stellen tangieren oder sogar partiell überlagern, ist bloß zwangsläufige Folge dieser Bemühungen und der durch das Grundgesetz vorgenommenen lückenlosen Kompetenzverteilung.220 Insofern vermag die gegenseitige „Ausbalancierung getrennter Gewalten […] eine Gewaltenteilhabe“221 zu kreieren. Auch Art. 30 GG soll ein Zusammenwirken nicht radikal unterbinden222; die Existenz des nachfolgenden Art. 31 GG belegt vielmehr die verfassungsrechtliche Erwartung von Überschneidungen.223 Immerhin soll der durch Bund und Länder handelnde Staat nicht wegen kompetenzieller Fragen von erforderlichen Maßnahmen abgehalten werden und er muss angemessen auf veränderte Sachlagen reagieren können224, jeweils aber unter Wahrung der kompetenziellen Grundlagen, die ihren Sockel in den Staatsprinzipien der Art. 20 Abs. 1–3 GG finden.225 Hinzu kommt der Wille, die 215 So BVerfGE 63, 1 (39); s. a. Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 126; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 90; Groß, DVBl. 1969, 93 (93); Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (165); Scheuner, DÖV 1972, 585 (585). 216 Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 137; vgl. ebenfalls, jeweils mit Teilaspekten des zusammenfassenden Zitats: Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 15 und Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 27; ferner Groß, DVBl. 1969, 93 (93): „Vielzahl von Querverbindungen“; schließlich auch Oebbecke, in: FS Stree / Wessels, S. 1119 (1130). 217 Vgl. Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 31 in Anlehnung an BVerwGE 29, 52 (56 f.); sehr prägnant auch Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 15: „Interdependenz der Lebenssachverhalte“. 218 So jeweils Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 40 und Hesse, Unitarischer Bundesstaat, S. 19 bezüglich der Aufgabenerfüllung der Verwaltungsträger. Das Grundgesetz gibt diesen Terminus in Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 GG bereits vor – in dieselbe Richtung zielt Art. 72 Abs. 2  GG ab; s. a. Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1961), Art. 83 Rn. 38 und Konow, DÖV 1966, 368 (373). 219 Hierzu Geiger, BayVBl. 1964, 65 (66 f.). 220 Zum letztgenannten Terminus bereits Fn. 48 in diesem Abschnitt, zu der hier getroffenen Feststellung schon Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 15. 221 So treffend Hofmann, in: HStR I, § 9 Rn. 80. Dazu inhaltlich vertiefend und mit kritischem Unterton Leisner, DÖV 1968, 389 (392 f., 395 f.); Konow, DÖV 1966, 368 (372) sowie bereits Fn. 164 dieses Abschnitts, von den dort genannten besonders Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182 (185). 222 Vgl. Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 120 m. w. N. 223 Nach Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 27 wäre die Norm „sonst gegenstandslos“. 224 Aus der Rspr. BVerfGE 63, 1 (34) und BVerfGE 119, 331 (365). Im Schrifttum Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 23 a. E.; Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 15; Scheuner, DÖV 1962, 641 (647); Zacher, BayVBl. 1971, 375 (377); Hüttl, DVBl. 1967, 433 (436); Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 36; vgl. zur Notwendigkeit angesichts des technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels mit fortschreitender Zeit auch Groß, DVBl. 1969, 93 (94). 225 Vgl. März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 31.

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Rechtsbereiche in Bund und Ländern anzugleichen226, um allen Bürgern ungeachtet des räumlichen Faktors oder des kompetenziell berufenen Entscheidungsträgers gleichartige Grundlagen zu bieten. Die Zulässigkeit ist somit Frage des richtigen Mittelwegs227 zwischen reaktionärer Steifheit und exaltierter Vermischung. Einerseits schließt Föderalismus einen weitreichenden Unitarismus zwar aus, kann aber andererseits „nicht ohne ein gewisses Maß an Unitarismus bestehen“228. Mischverwaltung darf deswegen nicht mit einem absoluten Verbot verbunden werden oder gar der automatische Rückschluss hierauf erfolgen229: In enumerativ aufgelisteten Fällen kann sogar die engste Form der Zusammenarbeit, diejenige in einer gemeinsamen Einrichtung230, erfolgen. Die Gesamtheit des Zusammenwirkens kennzeichnet man üblicherweise, wenngleich ohne näheren Aussagewert, als ‚kooperativen Föderalismus‘231 oder „Politikverflechtung“232. Die Verwaltungs 226

Dazu prägnant Zacher, BayVBl. 1971, 321 (321): „Die Tendenz geht auf Vereinheitlichung“. In dieser Weise schon Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1236), der den „Bundesstaat der richtigen Mitte zwischen zuviel und zuwenig Unitarisierung, zuviel und zuwenig Kooperation“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.) postuliert; vgl. zudem Hüttl, DVBl. 1967, 433 (435) sowie Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (51). 228 So zutreffend Hesse, Normative Kraft der Verfassung, S. 14; dem zustimmend Feuchte, AöR 98 (1973), 473 (525); vgl. auch die Kennzeichnung dieses gewissen Gehalts an Unitarisierung als „sachliche Unitarisierung“, wie Hesse, Unitarischer Bundesstaat, S. 13 f. sie erstmals vornahm – dazu später ebenfalls Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182 (184) und Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1233). 229 Vgl. Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 23; s. a. Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 88 und Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 25 a. E. 230 Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 41 ff. Zu der Möglichkeit von Einrichtungen im Sinne von Art. 91e Abs. 1 GG und ihren aus der Verfassung abzuleitenden Grenzen vgl. im Einzelnen § 11 in dieser Arbeit, dort insbes. zunächst in § 11 V. 2. b) zur Auslegung der Begrifflichkeiten „gemeinsam“ und „Einrichtung“ sowie nachfolgend in § 11 V. 2. c) und d) mit Erläuterungen der vom Grundgesetz maximal zugelassenen Reichweite solcher Gebilde. 231 Soweit erkennbar, geht diese Begrifflichkeit (zumindest bezogen auf den dt. Staat) erstmals auf das Troeger-Gutachten, Tz. 73 ff. sowie dies – als signifikantes „Etikett“ der Verfassungsentwicklung – aufgreifend Geiger, in: Ryffel, Zur Struktur der deutschen Verwaltung, S. 12 (17) zurück. Zuvor hatte z. B. Scheuner, DÖV 1962, 641 (647 f.) die koordinierte gemeinsame Zusammenarbeit zwar inhaltlich erörtert, jedoch ihr keinen eigenständigen Namen gegeben. Im Schrifttum der 1960/70er Jahre sodann u. a. Patzig, DVBl. 1966, 389 ff.; Konow, DÖV 1966, 368 ff.; Hüttl, DVBl. 1967, 433 ff.; Groß, DVBl. 1969, 93 (93); Hesse, in: FS Müller, S. 141 ff.; Scheuner, DÖV 1972, 585 (585) und Laufer, Föderalismus der Bundesrepublik Deutschland, S. 93 ff., darunter vielfach bereits im Titel des jeweiligen Beitrags; insoweit auch Heinze, in: FS Forsthoff, S. 119 ff. Zu einem späteren Zeitpunkt beispielsweise noch Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1234); Scharpf, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 121 (121); Schneider, NJW 1991, 2448 (2449 f.) oder aus dem jüngeren Schrifttum Oeter, Integration und Subsidiarität im dt. Bundesstaatsrecht, S. 266 ff.; Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 23; Schenke, in: Sodan, GG, Vorb. z. Art. 91a Rn. 5. Vergleichbar Zacher, BayVBl. 1971, 321 (321, im Titel) m. w. N. oder Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 36 („kooperativen Bundesstaates“), hierzu näher in § 6 I. 2. c); vgl. auch den Titel der Monographie bei Kisker, Kooperation im Bundesstaat. 232 So etwa Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 92 oder Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1234). Ausführlich hierzu die bereits in der obigen Fn. 147 genannten Werke, 227

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struktur des deutschen Staates zeichnet demgemäß ein „System der Durchdringung“233 aus, welches gemischten Handlungsformen dem Grunde nach zugänglich ist234, diese aber streng begrenzt. Dieser Charakter ist dem Grundgesetz seit jeher immanent gewesen, im Laufe der Jahrzehnte seines Bestandes aber erweitert und intensiviert worden.235 Dabei muss nur stets – gemäß den obigen Erläuterungen und im Regelfall unter Ermöglichung im Verfassungstext selbst  – eine klare Zurechenbarkeit an Bund oder Länder gewährleistet sein236, was sich wiederum nach der Eindeutigkeit der Verantwortung richtet sowie von der materiellen Fragestellung, dem Umfang, der Eingriffsintensität, der Kontinuität und Intensität des gemeinsamen Tätigwerdens abhängig ist.237 Das zulässige Maß wird jedoch überschritten, sobald „die Kooperation eine Dichte und Wirkung erreicht, die einer Kompetenzverschiebung gleichkommt“238. Dies wird bei neu geschaffenen Institutionen mit eigener Rechtspersönlichkeit, d. h. gemeinsamen Einrichtungen, am ehesten anzunehmen sein239, in denen Bund und Länder äußerlich wie ein einziger Hoheitsträger auftreten.240 In diesen Fällen liegt besonderes Augenmerk auf der Klarheit der Verantwortlichkeiten und Zurechenbarkeit staatlichen Handelns, um das Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu vermeiden.

darunter v. a. Scharpf, in: Scharpf / Reissert / Schnabel, Politikverflechtung, S. 13 (28 ff.) sowie Stern, in: Politikverflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, S. 15 ff. und Hesse, in: Hesse, Politikverflechtung im föderativen Staat, S. 9 ff., letztere jeweils samt der diesen nachfolgenden Beiträge. Diese wie auch die im Fließtext vorhergehende Bezeichnung werden bei Scharpf, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 121 (121) zu „begrifflichen Innovationen“ gekürt. 233 Nawiasky, Grundgedanken des GG, S. 45; leicht abgewandelt Köttgen, DÖV 1955, 485 (485). 234 In dieser Weise äußert sich Köttgen, DÖV 1955, 485 (485) unter Bezugnahme auf die Aussagen Nawiaskys (dazu die vorstehende Fn. 233) – seiner Ansicht nach könne von einer „Ver­ filzung“ (zum Zitat ebenfalls Köttgen, a. a. O. unter Bezugnahme auf das entsprechende Zitat bei Nawiasky, Grundgedanken des GG, S. 45) unter dem Grundgesetz keine Rede sein. 235 Hierzu Feuchte, AöR 98 (1973), 473 (525) m. w. N. einschließlich einer kurzen Erläuterung anhand von Beispielen; dem schließt sich Liebrecht, DVBl. 1969, 97 (101) an; weiterhin auch Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1055 oder Kimminich, in: HStR I (2. Aufl. 1995), § 26 Rn. 54. 236 Anstelle vieler seien nur Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 8 a. E.; Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 15; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 30 Rn. 31 und Hellermann, in: BeckOK-GG, Art.  30 Rn.  24.5 genannt. Im Übrigen vgl. die vorangegangenen Ausführungen. 237 Zum Vorstehenden näher Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 10 sowie Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 37, 41 (dort ist u. a. von dem Grad der Verfestigung die Rede). Vergleichbar betreffend des entscheidenden Maßes an Selbstständigkeit Zacher, BayVBl. 1971, 375 (376) oder auch Sendler, DÖV 1981, 409 (412). Die Schwierigkeiten bei der Würdigung im Einzelnen betont Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 25 a. E. 238 So Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 42; s. a. Feuchte, AöR 98 (1973), 473 (486). 239 Zum Vorstehenden samt Zitat Zacher, BayVBl. 1971, 375 (378). 240 Vgl. Füßlein, DVBl. 1956, 1 (1) am Beispiel eines gemeinsam erlassenen Verwaltungsaktes.

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Darüber hinaus könnte, wie das Bundesverfassungsgericht in seinen zentralen Entscheidungen – im Sinne einer Ausnahme von der verfassungsrechtlichen Normierung – formulierte241, wegen „eines besonderen sachlichen Grundes“ und in begrenztem Maße ausnahmsweise eine Mischstruktur zwischen Bund und Ländern in einem limitierten Verwaltungsbereich zu akzeptieren sein, um den eigentlichen Trennungsgrundsatz für zweckdienliche oder sogar unabdingbare Kooperationen zu öffnen.242 Diese Grundsätze wirken beiderseits und setzen sowohl dem Bund im Verhältnis zu den Ländern als auch umgekehrt den Ländern im Verhältnis zum Bund Schranken bei Übergriffen in das jeweils andere Tätigkeitsfeld.243 Sie setzen jeweils fortwährendes Einvernehmen der beteiligten Ebenen voraus.244 Kritisch anzumerken ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass es an Erklärungen und Aufschlüssen für die Frage fehlt, unter welchen Umständen ein sachlicher Grund anzunehmen sein dürfte. Wie das zweite Element eines begrenzten Umfangs hingegen andeutet, kommt dieser vom Bundesverfassungsgericht konstruierten Ausnahme vielmehr eine Art Bagatellvorbehalt zu. In Ermangelung konkreter Beispiele sowie des Umstandes, dass es sich um eine ungeschriebene, dem Grundgesetz also nicht zu entnehmende Ausnahme handelt, liegt der Schluss nahe, dass sich das Gericht für bestimmte Fälle, die aus praktischen Gründen zwingend eine Kooperation erfordern und sich auf einen unerheblichen Bereich beschränken, ohne jedoch im Verfassungstext normiert zu sein, hierdurch gewissermaßen eine Hintertür bewahren wollte. Zwangsläufig kann es aber keine tiefgreifenden Umwälzungen im Bund-Länder-Verhältnis bewirken, sondern lediglich in marginalen Einzelfällen die Möglichkeiten belassen, eine (noch) verfassungsgemäße ­Rechtslage anzunehmen. Wenn das Grundgesetz nach dem zuvor Gesagten ausnahmsweise Misch­ verwaltungen seiner Verwaltungsebenen akzeptiert, heißt dies gleichwohl, dass diesbezüglich Grenzen bei Häufigkeit, Umfang, Organisation und normativen Wirkungen zu achten bleiben. Kooperationen speziell im Bund-Länder-Verhältnis dürfen insbesondere nicht dazu führen, dass die beiden Ebenen ihre jeweilige „Staatlichkeit desintegrieren“245. 241

Hierzu etwa BVerfGE 63, 1 (41) sowie BVerfGE 119, 331 (367 und 370). Dem BVerfG zustimmend aus dem Schrifttum: Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 91 („richtige Lösung“); Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 27 a. E., 28; Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 28; Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 15; Schenke, in: Sodan, GG, Vorb. z. Art. 91a Rn. 2; Krebs, in: HStR III (2. Aufl. 1996), § 69 Rn. 62; Trapp, DÖV 2008, 277 (282); Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (166); schließlich noch Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 193 f. und Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (52). Kritisch hingegen Groß, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 83 Rn. 31. Beispielhaft werden im Sinne einer solchen Ausnahme regelmäßig die Organleihe sowie die Rechts- und Amtshilfe genannt und an diesen Maßstäben geprüft, vgl. im Einzelnen sogleich in § 5 II. 3. b). 243 Vgl. Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 17 und Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 22. 244 Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (52). 245 So Zacher, BayVBl. 1971, 375 (376). 242

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

3. Zulässige Formen der Kooperation Ungeachtet der im Prinzip vom Grundgesetz gewollten Trennung in die Ebenen Bund und Länder sind vielfache Verknüpfungen zwischen beiden Ebenen verfassungsrechtlich anerkannt246 und zählt die Kooperation als ein besonderer Typus zu dem heutigen „Erscheinungsbild der Verwaltung“247. Ihr Formenreichtum ist außerordentlich groß248: Die Gestaltungen erstrecken sich von einfachen Beteiligungen an der Kompetenzausübung des jeweils anderen über zweckdienliche Absprachen, abgestimmte Durchführungsregeln oder die Zurverfügungstellung eigener Organe bis hin zu einer gemeinsamen Wahrnehmung in einem Kooperationsverhältnis.249 Eine eindeutige Abgrenzung sucht man hierbei vergebens250, weil die Ausgestaltungen zu unterschiedlich und die Anforderungen zu verschieden sind. Bei anderen Formen des Zusammenwirkens mit einem geringeren Intensitätsgrad könnte insoweit bereits zu diskutieren sein, ob diese dem zu Beginn dieses Kapitels dargelegten Begriff der Mischverwaltung überhaupt unterliegen. Doch lässt sich weniger aus der begrifflichen Einordnung als vielmehr aus der Deutlichkeit der Verbindung zwischen Bund und Ländern und den verfassungsrechtlichen Vorgaben ein Ergebnis herleiten.

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Insoweit ist oftmals die Rede von der „Verfassungswirklichkeit“, vgl. insoweit zunächst im Troeger-Gutachten, Tz. 32 sowie dem folgend Patzig, DVBl. 1966, 389 (391) und Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 91; außerdem Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1234); wertend Feuchte, AöR 98 (1973), 473 (473 f.), wonach die Begrifflichkeit insbesondere zu negativ besetzt sei. Ihm ist zuzugestehen, dass die Verfassungswirklichkeit in (rechts-)wissenschaftlichen Texten immer nur dort Erwähnung findet, wo ein Unterschied oder Gegensatz zu dem eigentlich normativ Gewollten (sozusagen der ‚Theorie‘) aufgezeigt werden soll. 247 So die bündige Feststellung bei Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (165). 248 Vgl. Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1234: „vielgestaltig“); Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (55); Cornils, ZG 23 (2008), 184 (197 m. w. N.); Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 85 (dort illustrierend „Blütenpracht zahlloser Kooperationsformen“). 249 Ähnliche Auflistung des Variantenreichtums bereits bei Trute, in: von  Mangoldt  /  Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 41. Ausführlich zu zulässigen Kooperationsmöglichkeiten Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 122 ff., 169 ff. sowie Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 51 ff. Insoweit spricht Sendler, DÖV 1981, 409 (412) von „Verwaltungstypen mit abgestufter Intensität“. 250 Vgl. Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 37 f.; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 90; Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 43, 46 f.; Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 193; Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (55); deshalb eine „Grauzone“ laut Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1234).

§ 5 Problematik der Mischverwaltung

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a) Gemeinsame Gremien Über die bloße Absprache zwischen Bund und Ländern251 hinausgehende, gleichwohl noch abgeschwächte Formen des Zusammenwirkens, die vom Grundgesetz nicht als eigentliche Mischverwaltung aufgefasst und deshalb nicht derart streng reglementiert werden, sind namentlich auch Kooperationen von Bund und Ländern durch sonstige „institutionelle Formen der Zusammenarbeit“252, speziell in gemeinsamen Gremien.253 Gegenüber echten Gemeinschaftseinrichtungen zeichnet sich diese Form der Kooperation dadurch aus, dass die Strukturen weiterhin separiert bleiben und den Gremien keine eigene Entscheidungsgewalt zuwächst.254 Gemeint 251 Hierzu schon § 5 II. 2. a); immerhin sind bestimmte Absprachen der Ebenen nicht eindeutig der verfassungsrechtlich zweifelhaften Mischverwaltung zuzuordnen (zu den Gründen vgl. ebenfalls a. a. O.). 252 So genannt bei Scheuner, DÖV 1972, 585 (588) und Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 108, 116, in diesem Zusammenhang jeweils bezogen auf die Institutionen „lediglich unterstützenden, beratenden, zuliefernden u. ä. Charakters“ (so Lerche, a. a. O., S. 116), nicht die richtigen Gemeinschaftseinrichtungen, die hier an späterer Stelle als strengste Variation zu behandeln sein werden; vgl. auch Heinze, in: FS Forsthoff, S. 119 (129) oder Zacher, BayVBl. 1971, 375 (378, dort treffend „gemeinsame Hilfseinrichtungen“), der beispielhaft u. a. Dokumentationszentren sowie Beschaffungsstellen nennt. Eingehende Darstellung verschiedener Kooperationsformen der Länder bei Blümel, in: HStR IV (2. Aufl. 1999), § 101 Rn. 167 ff. und Pietzcker, in: Starck, Zusammenarbeit der Gliedstaaten im Bundesstaat, S. 17 (20 ff.); zur Kooperation insgesamt Feuchte, AöR 98 (1973), 473 (475 ff.) anhand mehrerer Beispiele, mit Sonderfällen auf S. 486 ff. Diesen Bereich hebt schließlich ebenfalls Liebrecht, DVBl. 1969, 97 (101) hervor. 253 Beispielsweise den Konjunkturrat, den Finanzplanungsrat, diverse Planungsausschüsse, Gremien für die Gemeindeverkehrsfinanzierung und sonstige Förderprojekte, vgl. Feuchte, AöR 98 (1973), 473 (480 f.) zzgl. der dortigen Fn. 37–44. Auch Hofmann, in: HStR I, § 9 Rn. 79 und Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S.  46 ff. geben zahlreiche Nachweise zu den einzelnen Möglichkeiten. Entsprechendes gilt zugleich für die Länder untereinander, dort existieren etwa der Wissenschaftsrat, die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS), die Studienstiftung des Deutschen Volkes, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Filmbewertungsstelle, die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD) und das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF); dazu Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 22 m. w. N.; Thieme, DÖV 1989, 499 (506); Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 63; Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 53; Zacher, BayVBl. 1971, 375 (378). Da das Zusammenwirken der einzelnen Länder über Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG lediglich mittelbar und nicht unmittelbar von Art. 83 ff. GG gelenkt wird, sind diese in der nähe­ ren Ausgestaltung wesentlich ungebundener, als wenn der Bund daran beteiligt ist, vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 53 m. w. N. und Erläuterungen; außerdem März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 38 und Benz, DÖV 1993, 85 (86). 254 Zu den Grenzen gemeinsamer Gremien Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 2. Vergleichbar, aber kürzer Benz, DÖV 1993, 85 (93 f.); Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 185; Pietzcker, in: HStR VI, § 134 Rn. 31 sowie März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 34. In entsprechender Weise sei „ein oberstes Gremium mit Entscheidungsbefugnis“, so Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 63 und Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 22, bzw. ein „die bundesstaatliche Zäsur negierender Instanzenzug“, so Köttgen, JöR n. F. 3 (1954), 67 (77) und im Anschluss Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 87 m. w. N., nicht legitim. Nach Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu /

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sind Fallgestaltungen mit lediglich „äußerlich ‚zusammengesetzte[n]‘ Verwaltungsmaßnahmen“255, die, beginnend bei der gegenseitigen Abstimmung bis hin zur gemeinsamen Wahrnehmung, in Gebilden ohne eigene Rechtssubjektivität erfolgen256, ohne dass die Einflusssphären der Landesparlamente entkräftet werden oder es zu einer „Preisgabe wesentlicher Zuständigkeiten“ kommt.257 Auch diese Formen dienen abermals vor allem der Abstimmung / Koordination258 und treten in vielfältiger Art und Weise, etwa unter der Leitung eines oder beider Verwaltungsträger(s) oder in Sonderträgerschaft, auf.259 Insbesondere im Verhältnis der Länder untereinander haben diverse Variationen lockerer, aber nicht umso weniger relevanter Kooperation in gemeinsamen Anstalten, Ämtern, Akademien und sonstigen Einrichtungen in der Bundesrepublik schon früh eine weite Verbreitung erfahren260, die sich bis heute ungemindert fortsetzt.261 Alle diese Varianten, bei denen der Gedanke im Vordergrund steht, die Aufgaben­erfüllung (vor allem der Länder) abzustimmen und den jeweiligen Aufwand zu minimieren262, verlangen in Ermangelung von Art.  83 ff. GG zuwider

 Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 40 sind v. a. die Länder zur Verwirklichung der ihnen vom Grundgesetz auferlegten Aufgaben berechtigt, gemeinschaftlich zu handeln und in der näheren Umsetzung relativ frei, solange sich die Verantwortlichkeiten noch parzellieren lassen. Zur Zulässigkeit von Gemeinschaftseinrichtungen der Länder schließlich noch Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 54. 255 So Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 87; vgl. dazu auch Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 69 ff.: Gemeint sind diejenigen Situationen, in den Bund und Länder zwar strukturell jeweils selbsttätig entscheiden, die Entscheidung sodann aber „in die gemeinsame Hülle eines Bescheides“ (Loeser, S. 69 mit diversen Beispielen) kleiden. 256 Kölble, NJW 1962, 1081 (1082) am Beispiel der Länder untereinander, mit Beispiel in der dortigen Fn. 14. Als davon zu unterscheidende Variante nennt er weiterhin (a. a. O., S. 1081) Konstellationen, in denen extern eine Landesverwaltung handelt, die aber intern von weiteren Ländern gestützt wird – zu konkreten Beispielen vgl. die dortigen Fn. 7–8. 257 Zum Vorstehenden samt Zitat Scheuner, DÖV 1972, 585 (588). 258 Siehe Thieme, DÖV 1989, 499 (506) sowie bereits zu Beginn von § 5 II. 2. a). 259 Die Differenzierung anhand der Ausgestaltung der jeweiligen „Trägerschaft“ für die Aufgabenwahrnehmung ist Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 43 f. entlehnt. In Rn. 43 stellt dieser eine Liste der verschiedenen Möglichkeiten (a-e) zusammen und erläutert diese in Rn. 44 näher. Hierfür bezieht er allerdings – entgegen der hiesigen Gliederung – sämtliche Formen ein, die gemeinschaftlich konzertiertes Staatshandeln anzunehmen vermag: beginnend mit den bereits oben besprochenen lockeren Absprachen bis hin zu wirklich gemeinsamen Handlungsformen. 260 Schon Schneider, DÖV 1957, 644 (644) listete weniger als ein Jahrzehnt nach Erlass des Grundgesetzes diverse Variationen mitsamt konkreter Beispiele sowie Nachweisen der betreffenden Staatsverträge (in den dortigen Fn. 4–8) auf – insoweit beschränkt auf Zwischenländervereinbarungen und unter Außerachtlassung des Bund-Länder-Verhältnisses. 261 Vgl. Laufer / Münch, Föderales System der Bundesrepublik, S. 184 ff.; Rudolf, in: HStR VI, § 141 Rn. 37 f., 43, 46 f., 49 und Rn. 55; Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 742 ff.; zwei Jahrzehnte zuvor bereits Pietzcker, in: Starck, Zusammenarbeit der Gliedstaaten im Bundesstaat, S. 17 (20 ff.) und Benz, DÖV 1993, 85 (85 ff.) m. w. N. 262 Kölble, NJW 1962, 1081 (1082) am Beispiel der Länder untereinander, mit Beispiel in der dortigen Fn. 14.

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laufenden Verwaltungsstrukturen keine explizite Zulassung im Grundgesetz.263 Doch ist auch in diesen Fällen stets die korrekte, d. h. den grundgesetzlichen Anforderungen gerecht werdende, Verantwortlichkeit des jeweiligen Kompetenzträgers einzuhalten.264 Demzufolge können in den Gremien und Ausschüssen zwar (Mehrheits-)Entscheidungen gefasst werden, doch wirken diese mangels eigener Rechtssubjektivität der Beschlussorgane nicht unmittelbar, sondern nur verwaltungsintern, d. h. sie veranlassen – ohne diesbezügliche Rechtspflicht – nur den beteiligten Kooperationspartner zu einer Umsetzung.265 b) Organleihe, Rechts- und Amtshilfe Verfassungsrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen, die allgemein als „besondere sachliche Gründe“266 umschrieben werden, zugelassen sind sodann verschiedene Varianten gegenseitigen Beistandes267, sei es im Wege der Organleihe, Rechts- und Amtshilfe und anderen Formen einverständlicher gegenseitiger Unterstützung.268 Auch diese Möglichkeiten leisten einer „organisatorischen Verflechtung“269 263

Vgl. Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 134; ähnlich Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 23 und März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 34 sowie Kölble, NJW 1962, 1081 (1082 f.) am Beispiel der Länder untereinander. Im Umkehrschluss ebenfalls Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 109. 264 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 52; Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 43; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 30 Rn. 28. Trotzdem kritisch Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 93. 265 Rudolf, in: HStR VI, § 141 Rn. 42 und Rn. 52 f. Dass Mehrheitsbeschlüsse mit bindender Wirkung verfassungsrechtliche „Bedenken“ aufwerfen würden, stellte bereits Scheuner, DÖV 1962, 641 (648) fest. 266 So BVerfGE 63, 1 (41) sowie BVerfGE 119, 331 (367 und 370) – diese Voraussetzung wird nach dem BVerfG (jeweils a. a. O. samt dem nachfolgenden Zitat) noch dahingehend erweitert, dass die Hilfe des nicht zuständigen Trägers „nur hinsichtlich einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie“ infrage komme, um die Gewichtung nicht zu verschieben. 267 Von Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 91 bezeichnet als „inhaltlich begrenzte Verschränkung“. 268 Vgl. insgesamt BVerfGE 63, 1 (41) und BVerfGE 119, 331 (367). Aus dem Schrifttum überdies Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 24.1; Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 13 a. E.; März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 30; Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 24; Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 22 m. w. N.; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 11; Pietzcker, in: HStR VI, § 134 Rn. 37; Blümel, in: HStR IV (2. Aufl. 1999), § 101 Rn. 13; sehr knapp auch Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 5 a. E. und Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 30 Rn. 12; Frankenberg, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. IV) Rn. 41 a. E.; a. A. demgegenüber Groß, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 83 Rn. 32: Er lehnt die Zulässigkeit derartiger Gestaltungsformen in Ermangelung einer „expliziten Grundlage im Grundgesetz“ (zum Zitat a. a. O.) kategorisch ab. Da es für den weiteren Fortgang dieser Arbeit nicht auf solche Formen des Zusammenwirkens und der Hilfestellung ankommt, soll dies hier nicht weiter vertieft werden. 269 Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 91 in demselben wie hier ermittelten Sinne; ferner Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 136 und Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 34.

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keinen Vorschub, weil die (Sach-)Kompetenzen gegenüber dem verfassungsrechtlichen Grundmodell nicht verschoben werden und somit nicht in die Verantwortungssphäre des anderen übergegriffen wird.270 Zuständigkeiten werden durch Hilfe- und Unterstützungsleistungen nicht „verlagert“271, sondern lediglich durch eine Stelle unter Zuhilfenahme der Mittel einer anderen Stelle wahrgenommen.272 Gleichwohl dürfen die Grenzen des Grundgesetzes vor allem in den Art.  83 ff. GG und insofern vor allem die Klarheit von Verantwortung und Zurechnung nicht ignoriert werden.273 Aufgrund der durch derartige Konstruktionen gegenseitigen Beistands bedingten Tätigkeit eines nach dem Grundgesetz eigentlich nicht kompetenten Verwaltungsträgers, sei es auch lediglich unterstützend und in der Verantwortung des zuständigen Trägers, soll dies nur ausnahmsweise möglich sein, weshalb dies gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts274 und des zustimmenden Schrifttums275 neben der eingangs genannten Grenze (sachlicher Grund) nur in „einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie“276 Anwendung finden kann. Darüber hinaus muss das einfachgesetzliche Zuständigkeits- und Organisationsrecht durch entsprechende Regelungen die Gewähr für die jederzeitige Erkennbarkeit der Verantwortlichkeiten bieten.277 Entsprechendes soll ebenfalls für die Betrauung gelten.278

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Vgl. Cornils, ZG 23 (2008), 184 (193 m. w. N.). So BVerfGE 63, 1 (32) sowie Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 29. Mit den Worten von Heinze, in: FS Forsthoff, S. 119 (129 f.) bleibt die handelnde Stelle vielmehr „voll […] eingegliedert“ – es fehlt namentlich an einer greifbaren „Kompetenzverschiebung“, so Pietzcker, in: HStR VI, § 134 Rn. 37; Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 34 und Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 13. 272 Erneut BVerfGE 63, 1 (31 f.); s. a. Trute, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art.  83 Rn. 34; Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 91. 273 Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 16; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 30 Rn. 28; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 29; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 26. 274 Siehe exemplarisch wiederum die o.g. Entscheidungen des BVerfG in BVerfGE 63, 1 (41) sowie BVerfGE 119, 331 (367 und 370). 275 Der Rechtsprechung inhaltlich entsprechend: Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 58; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 136; vgl. auch „in engen Grenzen“ bei Broß / Mayer, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 83 Rn. 16. 276 So explizit BVerfGE 63, 1 (41) und bezugnehmend hierauf auch BVerfGE 119, 331 (367, 370). 277 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 51 mit näheren Ausführungen zur Umsetzung durch Sicherstellung der erforderlichen Weisungsmöglichkeiten. 278 In dieser Weise festgestellt bei BVerfGE 63, 1 (41 a. E.); zustimmend Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 24; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 11; Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 13 a. E.; Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 35; Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 194. 271

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c) Einspruchs- und Ingerenzrechte Darüber hinaus existieren zulässige „Mitwirkungsrechte“279 durch „Einwirkungsmöglichkeiten“280 auf die Wahrnehmungstätigkeit der anderen Ebene, meistens im Verhältnis Bund gegenüber Ländern. Deren Auswirkungen sind bereits deutlich erheblicher als in den beiden vorangegangenen Fallgruppen, in denen die Zuständigkeit und abschließende Verantwortlichkeit eines Trägers bei der Aufgabenwahrnehmung und Entscheidung nicht in Frage gestellt wurden. In den damit gekennzeichneten Fällen kann es sich etwa um das Einverständnis bzw. Einvernehmen eines Trägers gegenüber einer Maßnahme des anderen, gegebenenfalls hierüber hinausgehend sogar ein Einspruchs-, Weisungs- oder Ingerenzrecht handeln. Solche Rechte zugunsten des Bundes gegenüber den Ländern sind an zahlreichen Stellen im Grundgesetz ausdrücklich verankert. Sie existieren insbesondere im Hinblick auf die „Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren“ (so beispielsweise in Art. 84 Abs. 1 S. 2 i. V. m. S. 1 GG und ähnlich Art. 85 Abs. 1 Satz 1 GG), durch die Möglichkeit, „allgemeine Verwaltungsvorschriften [zu] erlassen“ (z. B. in Art. 84 Abs. 2 GG und Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG) oder wegen des Rechts, „Einzelweisungen zu erteilen“ (vgl. etwa in Art. 84 Abs. 5 GG und ähnlich Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG). Schließlich werden Einschränkungen des Trennungsprinzips erduldet, soweit die Länder Gesetze des Bundes vollziehen und diesem daher – je nach Art des Vollzugs („als eigene Angelegenheit“ oder „im Auftrag“) – eine Rechts- oder Fachaufsicht über den Gesetzesvollzug zugewiesen ist (vgl. in Art. 84 Abs. 3 S. 1 GG und Art. 85 Abs. 4 S. 1 GG.).281 In diesen Fällen bleibt zwar die grundsätzliche Verwaltungszuständigkeit für eine bestimmte Aufgabe als solche dem vom Grundgesetz vorgesehenen Träger zugewiesen282, doch ermöglichen Mitwirkungs- oder Weisungsbefugnisse des unzuständigen mitunter weitreichende Eingriffsrechte in den Verwaltungsraum des für zuständig erklärten Trägers. Auf 279 So Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 90 mit Beispielen. Daneben Bull, in: AKGG, vor Art.  83 Rn.  45 (dort „Einvernehmens-, Zustimmungs- und Einspruchsvorbehalte“); ferner Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 126; Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 24; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 41. Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 46 ff.; ähnlich Hofmann, in: HStR I, § 9 Rn. 79; März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 52; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 48; Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 44 mit praktischen Beispielen in der dortigen Fn. 48. Schließlich bereits Füßlein, DVBl. 1956, 1 (1 f.), der unter Bezugnahme auf eine Begriffswahl von Köttgen, DÖV 1955, 485 (488), inhaltlich aber abweichend, vorliegende Fallgruppe gerne abgrenzend als „Mitverwaltung“ bezeichnen möchte, vgl. auch die dortige Fn. 7 (bei Füßlein, a. a. O.). Hingegen versagt Gerner, BayVBl. 1955, 193 (194) Einvernehmensklauseln ausdrücklich ihre Zulässigkeit. 280 So Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 24. 281 Dazu näher Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb.  v. Art.  83 Rn. 23; Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 96. 282 D. h. die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder bleibt auch angesichts der erheblichen Rechte des Bundes zum Einschreiten unverändert eine Landesverwaltung, vgl. BVerfGE 104, 249 (274) bzw. BVerfGE 81, 310 (331); in gleicher Weise Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 126 am Beispiel von Art. 85 GG.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

diesem Wege kann der Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung im Einzelfall erheblich beschnitten werden, weil eine Ebene der anderen, eigentlich zuständigen Ebene Vorgaben macht bzw. über die Aufgabenwahrnehmung (mit) entscheidet. Gleichzeitig ist nach außen nicht hinreichend deutlich erkennbar, dass die Entscheidung gegebenenfalls nicht auf der Vorstellung desjenigen Trägers, der nach außen in Erscheinung tritt, beruht, sondern vielmehr auf der Maßgabe des anderen, zur Einwirkung oder Weisung berufenen Trägers. Wegen dieser deutlich größeren Einwirkung auf die jeweils andere Kompetenzebene, die der eigentlichen Gleichrangigkeit beider Ebenen zuwider läuft, verlangen solche Formen deshalb auch, anders als die o.g. Gremien oder informelle Absprachen, bereits nach einer verfassungsrechtlichen Normierung.283 Andernfalls wären sie aus den genannten Gründen verfassungswidrig. Gleichwohl ist zu erkennen, dass in dieser Fallgruppe die Strukturen der Träger dem Grundsatz nach getrennt bleiben, weil die ermöglichten Einwirkungen und Weisungen nicht zu einer nicht mehr auflösbaren Vermischung der beteiligten Ebenen in einem Rechtsbereich führen. Vielmehr bleiben die Verwaltungsbereiche im Grundsatz voneinander getrennt, es findet lediglich eine Einschränkung der Unabhängigkeit des einen Verwaltungsträgers zu Gunsten einer Erweiterung der Rechte des anderen statt. Aus diesem Grunde hat sie das Grundgesetz für zulässig erklärt.284 Die verfassungsrechtlich gewollte Trennung der Kompetenzen wird hierbei zwecks Verwirklichung des Bundesstaates zugunsten einer grundlegenden Vernetzung bzw. Kopplung der Ebenen aneinander geöffnet.285 Neben den genannten gibt es noch eine Reihe weiterer Kompetenzverschränkungen, bei welchen das Tätigwerden des Bundes auf die Aufgabenwahrnehmung der Länder ausstrahlt oder sogar unmittelbar Einfluss erlangt.286 Bedenklich werden diese mehrere Ebenen übergreifenden Einwirkungsrechte aber erst, wo es an einer verfassungsrechtlichen Grundlage mangelt.287

283 Vgl. schon Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 125 f. (mit näheren Ausführungen und Beispielen auf S. 184 ff.) und deutlicher Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 193 („Vorbehalt des Verfassungsgesetzes“); zustimmend Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 109; Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 87; Gerner, BayVBl. 1955, 193 (195). 284 D. h. sie werden als „unbedenklich“ angesehen, so Füßlein, DVBl. 1956, 1 (1) und sinngemäß wohl auch Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 219 ff. 285 Vgl. Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 32 und entsprechend Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (47). Aufgrund dessen plädiert Füßlein, DVBl. 1956, 1 (2) dafür, die in Rede stehenden Mitwirkungsrechte aus dem Begriff der Mischverwaltung auszuklammern (zu der alternativ vorgeschlagenen Bezeichnung bereits die obige Fn. 279) und bloß als der Verfassung eigene „Typenabart“ (zum Zitat weiterhin Füßlein, a. a. O.) einzuordnen. 286 Hierzu näher Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 94 und Gerner, BayVBl. 1955, 193 (195), jeweils mit einer Liste von Beispielen, die zum Teil auch der sogleich erläuterten Fallgruppe zuzuordnen sein dürften. 287 In dieser Weise äußert sich Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (49).

§ 5 Problematik der Mischverwaltung

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d) Gemeinschaftsaufgaben Noch weitergehend existieren verfassungsrechtlich explizit zugelassene Variationsmöglichkeiten einer Kooperation von Bund und Ländern gemäß Art  91a– d, 108 GG288, die sog. „Gemeinschaftsaufgaben“289. In diesen verfassungsrechtlich anerkannten Fällen wirkt der Bund nach dem Verfassungswortlaut – am deutlichsten bei Art. 91a GG – bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder in einer Weise mit290, die ihm ohne eine solche Regelung im Verfassungstext versperrt wäre.291 Daher werden diese Varianten des Zusammenwirkens typischerweise mit dem bereits erwähnten Begriff des ‚kooperativen Föderalismus‘292 verknüpft. Dabei ist zwischen zwingender (in Art. 91a GG) und freiwilliger Kooperation (in Art. 91b–d GG) zu differenzieren.293 Durch die Intensität der Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben unterscheiden sich diese deutlich von zuvor genannten Kooperationsformen.294 Insoweit ist zunächst schon von Bedeutung, dass im Gegensatz zu den zahlreichen Variationen einer Länder-Länder-Kooperation das Bund-Länder-Verhältnis wegen der aufgezeigten grundgesetzlichen Anforderungen vorsichtiger zu behandeln ist.295 Denn auch hier lässt das Grundgesetz keine gänzliche 288 Vgl. allgemein zur Anerkennung als besonders weitgehende Kooperationsform im Verwaltungshandeln: Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 23; Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 13; Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 5; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 88; Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 23 f.; Pernice, in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 22; Groß, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 83 Rn. 31; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126.  EL 2006), Art.  30 Rn.  93, 120; Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 28; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 83 Rn. 48; Pietzcker, in: HStR VI, § 134 Rn. 37; Kisker, DÖV 1977, 689 (691). Umfangreicher Überblick über die verschiedenen Formen von Gemeinschaftsaufgaben und ihre Abgrenzung zur Verwaltungszusammenarbeit bei Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 1 ff. m. w. N. 289 So die Überschrift von Abschnitt VIIIa des Grundgesetzes. Zum besseren Verständnis wird Art. 91e GG, dessen Untersuchung der zentrale Gegenstand dieser Arbeit ist (siehe § 11), an dieser Stelle zunächst ausgeklammert, zumal die Norm trotz ihrer Verortung in diesem Abschnitt des Grundgesetzes vielfach als eigenständiges Gebilde interpretiert wird, vgl. insoweit die Ausführungen zu Beginn von § 3 I. 1. (dort insbes. Fn. 11). 290 Kisker, DÖV 1977, 689 (691) beschreibt diese Fälle insoweit auch als „institutionalisierte, auf Dauer angelegte Kooperation mit dem Ziel der gemeinsamen Entscheidungsfindung“. 291 Vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 88 m. w. N. sowie auch die dortige Rn. 118. 292 Zur Begrifflichkeit bereits zahlreiche Nachweise in Fn. 231 in diesem Abschnitt. Der klassische Charakter wird u. a. bei Hebeler, in: Bauschke / Becker u. a., Pluralität des Rechts, S. 37 (48) betont; s. a. Hesse, in: FS Müller, S. 141 (151 f.). 293 Vgl. die besonders hervorgehobene Unterscheidung bei Sommermann, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 47; im Ergebnis ebenso bei Blümel, in: HStR IV (2. Aufl. 1999), § 101 Rn. 142 f. und Oebbecke, in: HStR VI, § 136 Rn. 141. 294 Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91eRn. 14, 24. 295 Es besteht gerade in diesen Fällen institutioneller Kooperation die Gefahr, Bund und Länder nicht mehr ausreichend voneinander dividieren zu können, vgl. Patzig, DVBl. 1966, 389 (391). Allerdings macht sich beispielsweise Scheuner, DÖV 1972, 585 (589) dafür stark, auch die Zweifel und Zurückhaltung bei letzteren Kooperationen zunehmend  – wenngleich nicht pauschal auf einer Ebene mit Zwischenländervereinbarungen, etc. – abzulegen und im Grund-

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Aufhebung des föderalen Trennungsprinzips zu, welches vielmehr erst dort anzunehmen wäre, wo die Kompetenzfelder von Bund und Ländern einschließlich der ihnen zuzuordnenden Kommunen funktional und institutionell verflochten werden.296 Da dieser äußere Rahmen aber bei den Art. 91a–d GG Beachtung findet297, werden Einschränkungen des generellen Verbots für konkret genannte Bereiche akzeptiert.298 Die Gemeinschaftsaufgaben lassen sich daher zweckdienlich und rechtens299 in die grundgesetzliche Kompetenzordnung, die – wie erläutert –

gesetz zumindest keine „ausschließliche und […] unterbindende Ordnung“ (zum Zitat a. a. O.) zu erkennen. Die weitere Entfaltung von Kooperationen zu stützen, riet auch schon Tiemann, DÖV 1971, 86 (87 a. E.). 296 Vgl. Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (442). 297 Exemplarisch aus dem Schrifttum Seckelmann, DÖV 2009, 747 ff. mit einem kurzen Überblick und eingehender Bewertung dieser zum Teil noch relativ jungen Verfassungsartikel. 298 Kritisch – zumindest in politischer Hinsicht – beispielsweise schon Frowein, VVDStRL 31 (1973), 13 (42 ff.). 299 So zumindest das heutige Verständnis, dazu anstelle vieler etwa Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 45, 103 und Schenke, in: Sodan, GG, Vorb.  z. Art. 91a Rn. 2 a. E. Doch waren auch die Gemeinschaftsaufgaben im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Einfügung in das Grundgesetz einer erheblichen Diskussion ausgesetzt: Zunächst gab es verschiedene Autoren, die im Hinblick auf Art. 79 Abs. 3 GG verfassungsrechtliche Bedenken bei der Schaffung von Gemeinschaftsaufgaben unter Beteiligung von Bund und Ländern äußerten, über Zweifel hinaus jedoch keine klare Aussage zu einer Verfassungswidrigkeit trafen bzw. von einer klaren Verfassungswidrigkeit jedenfalls Abstand nahmen, wie zum Beispiel Heinze, in: FS Forsthoff, S. 119 (130 ff.): Er ging verstärkt auf das von ihm erkannte „Phänomen einer Verfassungswandlung im Gefolge einer Verfassungsänderung“ (a. a. O., S. 130) durch die Begründung von Gemeinschaftsaufgaben sowie auf verfassungspolitische Bedenken (zu letzterem wiederum a. a. O., S. 135 ff.) ein. Nach Kölble, DÖV 1967, 1 (5), dort v. a. Fn. 42, werde zwar ersichtlich weder die Gliederung des Bundes in Länder noch die grundsätzliche Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes – d. h. die ersten beiden Varianten von Art. 79 Abs. 3 GG – berührt, doch könnten die Gemeinschaftsaufgaben den Wesensgehalt der Verteilung legislativer Kompetenzen zwischen Bund und Ländern betreffen; hierzu in der Tendenz ebenfalls a. a. O., S. 7 mit weiteren Ausführungen und Argumenten zugunsten einer Wahrung der von Art. 79 Abs. 3 GG gestellten Anforderungen an eine Verfassungsänderung (a. a. O., S. 7 ff.). Sodann gab es in den 1960er Jahren eine Reihe von Stimmen, von denen die Verfassungswidrigkeit solcher Verfassungsänderungen eindeutig formuliert wurde, etwa Konow, DÖV 1966, 368 (371 f.) und Liebrecht, DVBl. 1967, 72 (73 ff.). Hingegen befürworteten viele Autoren die Konstruktion der Gemeinschaftsaufgaben und hielten dies auch, gemessen an den hohen Anforderungen von Art. 79 Abs. 3 GG, für verfassungsgemäß, darunter beispielsweise Hüttl, DVBl. 1967, 433 (439) und Patzig, DVBl. 1966, 389 (396). In Anbetracht der notwendigerweise restriktiven Auslegung von Art. 79 Abs. 3 GG, dessen Schutz überwiegend erst beim vollständigen Entzug von Hoheitsrechten der Länder beginne, müsse der moderne Bundesstaat mit den tiefgreifenden Entwicklungen Schritt halten und unterliege insoweit einem wandelnden Verständnis (vgl. auch insoweit etwa a. a. O.). Sehr intensiv setzte sich Patzig auch an anderer Stelle – vgl. ders., AöR 92 (1967), 297 (316 ff.) – mit den von anderer Seite vorgetragenen Bedenken und der Kritik an der Einführung von Gemeinschaftsaufgaben auseinander, dort jedoch, ohne Art. 79 Abs. 3 GG ausdrücklich zu erwähnen. Im Ergebnis erkannte er keine Bedenken (vgl. a. a. O., S. 347). Innerhalb der befürwortenden Meinung hieß es insbesondere, dass die Ewigkeitsklausel keine Zusage einzelner Zuständigkeiten beinhalte, solange die „Grundsubstanz der Wirkungsmöglichkeiten jedes bestehenden Landes“ gewahrt bliebe, so Hüttl, DVBl. 1967, 433 (439).

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normierten Ausnahmen bei gleichzeitiger Wahrung der zentralen Verfassungsprinzipien (Bundesstaat, Rechtsstaat, Demokratie) nicht entgegensteht, eingliedern.300 e) Schlussfolgerungen Wie dem bereits zu entnehmen ist, sind im Rahmen einer groben Differenzierung zwei Arten von Kooperationen zu trennen301: Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern kann zunächst deshalb zulässig sein, weil sie keine unmittelbar nach außen wirkende Vermischung von Zuständigkeiten nach sich zieht, indem etwa gemeinschaftlich beraten, aber dem Bürger gegenüber weiterhin getrennt entschieden wird oder lediglich eine Unterstützung der an sich zur Aufgabenerledigung berufenen Stellen erfolgt. In allen diesen Fällen bleiben die Verantwortlichkeiten nämlich klar getrennt. Darüber hinaus gibt es solche Gestaltungsformen, die zwar gewisse Verschränkungen der Verwaltungsräume mit sich bringen, gleichzeitig aber im Grundgesetz explizit zugelassen sind. Ungeachtet dessen unterliegen aber auch sie den in den vorherigen Abschnitten erläuterten Grenzen an eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung, die insbesondere in dem Erhalt einer Letztverantwortung und der Klarheit der Verantwortlichkeiten zum Ausdruck gelangen. Die Kooperation in gemeinsamen Einrichtungen302 in Gestalt einer „übergeordneten Entscheidungsinstanz“303 ist insoweit die wohl denkbar „intensivste Art gemeinsamer Verwaltung“304. Sie sind deshalb vorbehaltlich einer ermächtigenden

300 Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 120 m. w. N. erinnert insoweit an die Existenz eines im Grundgesetz vorgesehenen „Vorbehalts ‚anderer Regelungen‘“(dazu einleitend in diesem Abschnitt). Durch die Einbindung in den Verfassungstext würden solche laut Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 285 lediglich „verfassungsrechtlich institutionalisiert“. 301 Diese Zweiteilung der Möglichkeiten deutet auch Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 134 an. 302 Zu der verfassungsrechtlichen Bewertung im Schrifttum beispielsweise Krapp, Zulässigkeit gemeinsamer Länderverwaltungseinrichtungen, S. 12 ff. oder Jagenlauf, Vereinbarkeit der Gemeinschaftseinrichtungen mit dem GG, S. 69 ff. Eine diesbezügliche Zusammenstellung diverser Quellen findet sich bei Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 116 m. w. N., wonach der Begriff selbst schon „nicht fest umrissen“ sei und seinerseits sehr weit oder eher eng verstanden werden könne (zum Vorstehenden samt Zitat weiterhin a. a. O. mit Beispielen). 303 So Benz, DÖV 1993, 85 (91), wenngleich er i. Ü. die Verfassungsmäßigkeit für bedenklich zu halten scheint – hierzu insgesamt S. 91 f. 304 So Sendler, DÖV 1981, 409 (413). Immerhin haben die gemeinsamen Einrichtungen zur Folge, dass Bund und Länder auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach außen „sektoriell zu einer Handlungs-, Gestaltungs- und Verantwortungseinheit verschmelzen“; zum Zitat siehe Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 14, dort jedoch bezogen auf sämtliche Gemeinschaftsaufgaben, wenngleich die Verschmelzung angesichts des in Art. 91a–d GG deutlich geringfügigeren Kooperationsgrades weniger Bedenken als bei Art. 91e GG aufwerfen dürfte.

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Regelung in der Verfassung305, die ihrerseits aber bestimmten Anforderungen unterliegt und daran zu messen ist306, nur unter Wahrung der genannten Anforderungen an Zurechenbarkeit und Verantwortlichkeit des aus ihnen resultierenden hoheitlichen Handelns ausnahmsweise zugelassen. An ihre Zulässigkeit sind „überaus strenge Anforderungen“307 zu stellen, die häufig schon bei verbindlichen Verfügungen derselben nicht mehr gewahrt sein werden.308 Immerhin sind sie von den eigentlichen, dem Grundgesetz immanenten Verwaltungsträgern Bund und Ländern verschieden und schaffen im Falle zu starker Verselbstständigung ein Gegengewicht, das bei gleichzeitiger Häufung ihrer Anzahl eine Art Dritte Ebene begründet.309 Lediglich in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts bei gleichzeitigem Ausschluss ungewollter Übergriffe in den Verantwortungsbereich des anderen kann dies gebilligt werden.310 Gleiches gilt auch für Zwischenländereinrichtungen, wenngleich mit oftmals geringfügigeren Anforderungen.311 Dem Bundesverfassungsgericht folgend312 könnten zwar im Allgemeinen Ausnahmen von diesen Grundsätzen wegen eines besonderen Bedürfnisses und in begrenztem Maße zugelassen werden. Doch sah der Zweite Senat diese Voraussetzungen in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2007 im Falle der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausdrücklich313 nicht als erfüllt an. Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Trennung zwischen Bund und Ländern und somit die verfassungsrechtliche Verbürgung der Mischverwaltung für diesen spezifischen Rechtsbereich in das Grundgesetz zu implementieren – gleichbedeutend einer Regelung, welche „den Typenzwang des Grundgesetzes auflockern“314 bzw. jedenfalls ergänzen soll – war demnach die Aufgabe, die das Bundesverfas 305 Eine solche Ermächtigung auf Verfassungsebene wurde nunmehr in Gestalt von Art. 91e GG geschaffen. 306 Insoweit wird an dieser Stelle auf die eingehende Darstellung im Dritten Teil dieser Arbeit verwiesen. Diese tatbestandlichen Anforderungen der Schrankennorm werden sodann im Vierten Teil der Arbeit auf Art. 91e GG übertragen, der gemeinsame Einrichtungen in die Verfassung aufnehmen soll. 307 Loeser, Theorie und Praxis der Mischverwaltung, S. 124 a. E. 308 Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 116 und 118; ähnlich Sendler, DÖV 1981, 409 (413). 309 Vgl. Zacher, BayVBl. 1971, 375 (375). Dies erhob Kölble, NJW 1962, 1081 (1083 f.) m. w. N. sogar zu dem Risiko einer Abkehr von der herrschenden Zweigliedrigkeit des Bundesstaates. 310 Vgl. Sendler, DÖV 1981, 409 (413). 311 Dazu aus der Rspr. etwa VerfGH des Landes Berlin, LVerfGE 17, 62 (73) und aus dem Schrifttum Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 184 sowie Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 8. 312 Vgl. BVerfGE 63, 1 (41) und später BVerfGE 119, 331 (370 ff.). 313 In BVerfGE 119, 331 (370 f.) im Ergebnis zu Beginn der dortigen Abschnitte (1) und (2) festgestellt. 314 So Hüttl, DVBl. 1967, 433 (436) bezugnehmend auf den im Gutachten über die Finanzreform (sog. Troeger-Gutachten) vorgeschlagenen Entwurf eines neuen Art. 85a GG (dazu die dortigen Tz. 129 ff. und besonders Tz. 139).

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sungsgericht dem verfassungsändernden Gesetzgeber gestellt hatte und welcher letzterer mit Art. 91e GG nachkommen wollte.315 Denn immerhin hatte das höchste deutsche Gericht im Jahr 2007316 die einfachgesetzliche Anordnung einer gemeinschaftlichen Verwaltung von Bund und Ländern in den Arbeitsgemeinschaften für verfassungswidrig erklärt. Die wesentlichen Gründe hatte es hierbei in der verfassungsrechtlich nicht vorgesehenen Intensität des Zusammenschlusses beider Ebenen gesehen317: Durch die Vergemeinschaftung werde der Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenerledigung verletzt, der es gebiete, die Kompetenzen in individueller Organisation sowie mit eigenen Personal- und Sachmitteln erfüllen zu können. Außerdem sei infolge des die Verantwortungen vermischenden Gebildes nicht eindeutig zu erkennen, in welcher Weise Meinungsdifferenzen zu lösen seien und wer aufsichtsrechtlich jeweils eingreifen dürfte.318 Zur Hervorbringung neuer Verwaltungstypen ist die verfassungsändernde Gewalt jedoch grundsätzlich berechtigt319, wie die grundgesetzlichen Änderungsbefugnisse in Art. 79 GG belegen. Ob der Gesetzgeber hierzu auch, gemessen an den Anforderungen von dessen Absatz 3, tatsächlich in der Lage war, ist der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung und darin ganz besonders des diese abschließenden Kapitels (§ 11).

315 Deshalb von Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 23 a. E. als die „verfassungsrechtliche Grundlage für ein Zusammenwirken“ verstanden  – vgl. diesbezüglich bereits die Ausführungen zu Hintergrund und Entstehung der Verfassungsnorm in § 2 VI. sowie § 3 I. 1. und des Weiteren Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 33. Die Überlegung des verfassungsändernden Gesetzgebers, „die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durch den berühmten Federstrich […] Makulatur werden“ zu lassen, erahnte schon Huber, DÖV 2008, 844 (850) – dort auch zum vorstehenden wörtlichen Zitat – als eine von mehreren Möglichkeiten (zu den damaligen Alternativmodellen ausführlich § 2 VI.) im Fazit seines Beitrags. 316 BVerfGE 119, 331 ff. 317 Zu den Gründen der Entscheidung im Einzelnen bereits § 2 V. 2. in dieser Arbeit. 318 Ausführlich BVerfGE 119, 331 (367 ff.). 319 Groß, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 83 Rn. 31 verweist zum Beleg auf die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91a ff. GG, spricht das Recht hierzu aber missverständlich (wörtlich) dem „Verfassungsgeber [sic]“ zu.

§ 6 Die Grenzen der Mischverwaltung am Maßstab von Bundesstaat, Demokratie und Rechtsstaat Die vorliegend angestrebte Untersuchung des Art. 91e GG im Hinblick auf den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit verlangt u. a. danach, sich eingehend mit den vom Bundesverfassungsgericht für die Beurteilung der Mischverwaltung herangezogenen Prinzipien1 auseinanderzusetzen und deren Gehalte im Einzelnen ausführlich zusammenzustellen. Erst auf dieser Grundlage ist sodann die Prüfung möglich, inwieweit sie Anforderungen an eine gemeinsame Verwaltung von Bund und Ländern – wie hier in Art. 91e GG – enthalten und inwieweit die fragliche Verfassungsänderung hierzu gegebenenfalls in Widerspruch steht. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20.  Dezember 20072 wird die Zulässigkeit von Mischverwaltung zunächst anhand des Bundesstaatsprinzips, welches sich bei näherer Betrachtung nur als Verbindung mehrerer Grundprinzipien unter einem gemeinsamen Oberbegriff darstellt (darunter v. a. Kompetenzverteilung in den Art. 30, 83 ff. GG)3, sowie im Übrigen anhand des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips bewertet.4 Mit Hilfe dieser allgemeinen Grenzen staatlichen Handelns hat das Gericht die Anforderungen des Grundgesetzes an die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung von Bund und Ländern klar umrissen. Zum Zwecke weitergehender Untersuchungen der neuen Verfassungsnorm müssen die relevanten Aussagen dieser Verfassungs- bzw. Staats(struktur)prinzipien im Einzelnen, d. h. losgelöst von der Entscheidung aus dem Jahr 2007, durchdrungen werden. Jegliche staatliche Gewalt ist an diese Leitsätze gebunden, nicht nur, aber eben auch im Hinblick auf die Zulässigkeit von Mischverwaltung.5 Soweit das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus aus Anlass der seiner Entscheidung zugrunde liegenden Kommunalverfassungsbeschwerden die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art.  28 Abs.  2 GG als eine weitere Grenze der Mischverwaltung geprüft hat6, kann dies im Rahmen der vorliegenden Arbeit hingegen mit Blick auf den Prüfungsumfang einer Verfassungsänderung

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Hierzu bereits in Kurzform § 2 V. 2. BVerfGE 119, 331 ff. 3 Vgl. Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 63. 4 Zu diesen beiden Aspekt ebenfalls Huber, DÖV 2008, 844 (846 f.), der den Kurs des BVerfG wegen der Bewahrung des grundgesetzlichen Kerngedankenguts überzeugend findet. 5 Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 63. 6 BVerfGE 119, 331 (352 ff.); vgl. die Zusammenfassung in § 2 V. 2. a). 2

§ 6 Die Grenzen der Mischverwaltung 

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auf Basis von Art. 79 Abs. 3 GG außer Betracht bleiben.7 Vor diesem Hintergrund wird nachstehend zugunsten einer eingehenden Befassung mit den vorgenannten Staatstrukturprinzipien von näheren Ausführungen zum materiellen Gehalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie abgesehen. Zugleich kann die nachfolgende Darstellung angesichts der hier zu untersuchenden Fragestellung auf die wesentlichen und für die Bewertung einer Mischverwaltung relevanten Gesichtspunkte beschränkt werden. Nicht erforderlich ist es somit, sämtliche bundesstaatlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen der Verfassung, wie sie aus Art. 1, 20 GG (als Verweisungsgrundlage des noch darzustellenden Art. 79 Abs. 3 GG) abgeleitet werden, ihrem vollem Umfang nach darzustellen, zumal letzteres den Umfang einer einzelnen Arbeit bei weitem übersteigen würde. Soweit ihre Inhalte ausnahmsweise miteinander kollidieren, ist aufgrund der Einheit der Verfassung und derselben herausragenden Bedeutung ein verhältnismäßiger Ausgleich zu finden.8

I. Grenze 1: Bundesstaat Vorrangige und für die hier maßgebliche Beurteilung ganz zentrale Anknüpfungspunkte in Fragen, welche die Vermischung der getrennten Ebenen betreffen, sind angesichts der das Bund-Länder-Verhältnis betreffenden Vorgaben die bundesstaatlichen Grundzüge des Grundgesetzes, darunter vor allem das Bundesstaatsprinzip, seinerseits eine substantielle „Grundlage der Verfassung“9 und zu den „elementaren Grundsätzen des Grundgesetzes“10 zählend. Konkret steht hier die Trennung der Verwaltungskompetenzen und damit das aus Art. 83 ff., 30 GG resultierende Strukturverständnis in Rede. 1. Begriffsverständnis und Bedeutung Dass die Bundesrepublik Deutschland als Bundesstaat anzusehen ist, lässt sich auf den Wortlaut des Art.  20 Abs.  1 GG zurückführen (und entspricht zudem dem traditionellen föderalistischen Verständnis auf deutschem Boden seit dem 7

Zum Hintergrund näher im Rahmen der Einleitung zu § 10 II. Vgl. hierzu etwa den in BVerfGE 1, 14 (50) gefundenen Ausgleich zwischen Demokratie und Bundesstaat. Zu dieser Methode am Beispiel von Art. 20 GG näher Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 492 und allgemein zur rechtsmethodischen Auflösung von Kollisionslagen bei Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 404 ff. 9 BVerfGE 1, 14 (34); dem zustimmend Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 74. 10 Abermals BVerfGE 1, 14 (18); zustimmend Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 22. Vgl. auch die Formulierung, dass das Grundgesetz hierauf „beruht“ in BVerfGE 11, 77 (85). 8

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frühen 19. Jahrhundert11). Trotzdem resultiert aus dieser zentralen, historisch zu erklärenden Entscheidung des Verfassunggebers12 nur ein geringer unmittelbarer Erkenntnisgewinn für die nähere Charakterisierung als Bundesstaat13, weil das föderalistische14, bundesstaatliche System in seiner Differenziertheit und seinen partikulären Elementen erst durch andere Verfassungsnormen, speziell durch die schon mehrfach genannten Kompetenzvorschriften15, konkretisiert und ausgestaltet wird.16 Diese Normen decken, soweit sie im weitesten Sinne mit dem Bundesstaatsgedanken im Zusammenhang stehen, im Verhältnis zum Gesamtumfang des Grundgesetzes einen beträchtlichen Teil17 hiervon ab.

11 Beginnend mit dem Deutschen Bund (seit dem Wiener Kongress 1815), seinerseits noch lockerer Staatenbund, über die Gründung des Deutschen Reiches (1867/71), bereits ein bekennender Bundesstaat, bis (vorläufig) hin zur Weimarer Republik (seit 1919), die die bundesstaatliche Konzeption im Wesentlichen bestehen ließ. Nach einer Durchbrechung durch den Nationalsozialismus – und seine ideologische Umwälzung zum Einheitsstaat (1934–1945) – wurden in den westlichen Besatzungszonen erneut Länder gegründet (nach 1945). Dieser kennzeichnenderweise auch als „Wiederaufbau deutscher Staatlichkeit ‚von unten nach oben‘“ (zu dem Zitat und der gesamten historischen Entwicklung ausführlich Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 11) bezeichnete Vorgang fand seinen Abschluss im Grundgesetz (1949), das – wie bereits betont wurde – den Bundesstaat wieder stärker in den Mittelpunkt des Staatsaufbaus rückte. Nach der Wiedervereinigung (1990) stießen schließlich auch die ostdeutschen Länder auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR), die selbst mit Ausnahme einiger Jahre zu Beginn ein Einheitsstaat war (seit 1952), zu ihren westdeutschen Pendants und vervollständigten somit die Bundesrepublik, wie sie heute (fort-)besteht. 12 Hierzu Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 55 m. zahlr. Nachw. und weiterführenden Erläuterungen; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. IV) Rn. 2 ff. 13 Staatstheoretische Überlegungen helfen insofern nicht weiter, vgl. Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146.  EL 2010), Art.  20 Abs.  1 Rn.  1004; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 217. Zur Notwendigkeit der inhaltlichen Ausfüllung des Begriffs Bundesstaat durch die grundgesetzlichen Regelungen Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 2 und Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 5; ähnlich Bauer, Bundestreue, S. 219 ff. bzw. ders., in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 37; Stern, Staatsrecht I, § 19 I 1 c (S. 648); s. a. Heitsch, Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, S. 19 m. w. N. Die nur theoretische Relevanz betont auch Frowein, in: von Münch, Probleme des Föderalismus, S. 47 (53 a. E.). 14 Es handelt sich beim Bundesstaat um eine konkrete „Erscheinungsform des Föderalismus“, der sich durch das Bündnis mehrerer eigenständiger Staaten auszeichnet – zum Vorstehenden samt Zitat Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 24 m. w. N. 15 Vgl. nur die Ausführungen in § 5 II. 1. Deshalb werden diese Regelungen auch als „Kernstück bundesstaatlicher Verfassungssubstanz“ angesehen, so Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 10 und fast identisch Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 59; s. a. Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1111; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 22. Daneben enthalten etwa Art. 28 ff., Art. 50 ff. und Art. 104a ff. GG normative Regelungen mit erkennbarer Relevanz für den Bundesstaat insgesamt. 16 Vgl. Karpen / von Rönn, JZ 1990, 579 (579); ferner Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. IV) Rn. 13; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 22. 17 Nach Schätzung von Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 5 etwa die Hälfte des Grundgesetzes.

§ 6 Die Grenzen der Mischverwaltung 

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a) Föderaler Staatsaufbau Dem Verständnis des Bundesstaates im Sinne des Grundgesetzes eigen ist die Beteiligung mehrerer (Glied-)Staaten mit eigener Staatlichkeit, die in ihrer Verbundenheit nach außen als ein – von einem Einheitsstaat oder losem Staatenbund sowie von supranationalen Institutionen zu unterscheidender18 – (Gesamt-)Staat mit ebenfalls eigener Staatsqualität erscheinen.19 In diesem Gedanken einer klaren Gewaltenteilung20 zeichnet sich der Bundesstaatsaufbau des deutschen Staates als ein zentrales „Element der Freiheitssicherung“21 aus. Ausfluss des Bundesstaatscharakters ist somit die Existenz von mehreren ineinander verschränkten Gebilden mit Staatscharakter und jeweils eigenständigem staatlichen Auf- bzw. Unterbau, namentlich des Bundes (der Bundesrepublik Deutschland) mit dem gesamten Bundesgebiet einerseits und den (Bundes-)Ländern 18 Einheitsstaat und Staatenbund beschränken sich jeweils auf eine einzige Staatsgewalt – im ersten Fall den einen Staat, im zweiten das einzelne Mitglied des Zusammenschlusses, der letztlich nur einer Kooperation auf bestimmten Sachgebieten dient; Supranationalität erweitert die letztgenannte Variante dahingehend, dass einzelne Hoheitsrechte des Mitgliedstaates übertragen werden, welche die supranationale Institution von einem Staatenbund abheben, wenngleich ihr insgesamt noch keine eigene Staatsqualität zukommt. Zur Abgrenzung eingehend Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 6 ff. Die Differenzierung Staatenbund-Bundesstaat legte bereits Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 762 ff. ausführlich dar; später des Weiteren auch Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 55; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 964, 980, 1005, 1014; Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 22 m. w. N.; Stern, Staatsrecht I, § 19 I 5 a und b (S. 653 f.); Kimminich, in: HStR I (2. Aufl. 1995), § 26 Rn. 6; Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 4; Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 9 und Schubert, Jura 2003, 607 (608). 19 BVerfGE 1, 14 (34); BVerfGE 36, 342 (360 f.); BVerfGE 39, 128 (77 f.); vgl. vor allem die Definition des Bundesstaates bei Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1015. Zur beiderseitigen Staatsqualität ebenfalls Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 36, 38; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 55; März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 9; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 37; Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 21; Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 9; Stern, Staatsrecht I, § 19 I 1 a (S. 644 f.) m. w. N.; Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 2; verschiedene Definitionsansätze bei Kimminich, in: HStR I (2. Aufl. 1995), § 26 Rn. 5; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 217; Unruh, Verfassungsbegriff des GG, S. 559 f.; Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 4, 170 bzw. (vgl. die dortige Überschrift) Rn. 20 ff.; Maurer, Staatsrecht  I, § 10 Rn.  1, der nachdrücklich die „doppelte Staatlichkeit“ (auch dazu a. a. O.) betont; viel früher bereits Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 769 ff. Heute ist dies anerkannte Grundlage auch des deutschen Staates, siehe hierzu aus der Lehrbuchliteratur exemplarisch Zippelius / Würtenberger, Dt. Staatsrecht (32. Aufl. 2008), § 14 Rn. 5 und Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 474 sowie im weiteren Schrifttum Schmidt-Aßmann, Jura 1987, 449 (449 f.). Kritisch hingegen Hanebeck, Demokratischer Bundesstaat des GG, S. 60 ff., 356 ff. 20 Hierzu ausführlich Schodder, Föderative Gewaltenteilung in der BRD, S. 3 ff. und 24 ff., bestätigt von Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 33. Siehe schließlich noch Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 44. 21 So Bothe, in: AK-GG, Art.  20 Abs.  1–3 (Abschn.  II) Rn.  12. Danach liege hierin eine deutliche Absage an historisch überkommene Formen auf deutschem Boden. Die „freiheitsschützenden Effekte“ der Norm sieht auch Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 24.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

mit ihren räumlich begrenzten Untergliederungen des Bundesgebiets andererseits.22 Denn mit der von Art.  20 Abs.  1 GG vorausgesetzten Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland schreibt das Grundgesetz einen solchen staatlichen Pluralismus mit mehrteiliger, jedoch verflochtener Staatsgewalt vor und benennt die einzelnen Teile als „Bund“ und „Länder“.23 Letztere sind „als Glieder des Bundes Staaten mit eigener – wenn auch gegenständlich beschränkter – nicht vom Bund abgeleiteter, sondern von ihm anerkannter staatlicher Hoheitsmacht“24, von denen gemäß Art. 28 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich zwar keine Uni-/Konformität, jedoch ein Minimum struktureller Einheitlichkeit verlangt wird, auch bekannt als Homogenitätsprinzip.25 Die Länder besitzen daher selbst (eine verfassungsrechtlich in ihrem Mindestmaß garantierte) „Eigenstaatlichkeit“26 und existieren daher, dem Bund statusrechtlich gleichgestellt, „einzeln und gleichberechtigt nebenein­ander“27.

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Dazu BVerfGE 6, 309 (340) sowie BVerfGE 39, 128 (77 f.); zudem Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. IV) Rn. 15; Thieme, DÖV 1989, 499 (500); Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 112. März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 9. In diese Richtung auch die Referate von Geiger und Süsterhenn auf der Föderalistentagung 1961, auszugsweise wiedergegeben bei Schäfer, NJW 1961, 1281 (1281). Bei Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 17 findet sich eine Liste (a-e) kennzeichnender Merkmale eines Bundesstaates, darunter v. a. Gliederung „in territoriale Einheiten“ mit jeweiliger „Autonomie“ sowie deren Zusammenwirken auf Bundesebene; vgl. zu derartigen Elementen auch Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 20 ff. 23 Vgl. insoweit die Überschrift von Abschnitt II des Grundgesetzes sowie Art. 79 Abs. 3 GG – im Einzelnen ausgeführt bei Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 64. Zum Pluralismus näher März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 30 Rn. 9; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 28 Rn. 4; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. B) Rn. 24; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 65. 24 So BVerfGE 1, 14 (34) und ähnlich BVerfGE 60, 175 (207); aufgegriffen z. B. von Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 36; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1015, 1096; Gubelt, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 30 Rn. 1. Kritisch zum Nutzen solcher Überlegungen aber Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 10. 25 BVerfGE 9, 268 (279); BVerfGE 36, 342 (361); BVerfGE 41, 88 (119); BVerfGE 90, 60 (84); BVerfGE 103, 332 (350); außerdem Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126.  EL 2006), Art.  30 Rn.  36; Stern, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1964), Art. 28 Rn. 26; Schmidt-Aßmann, Jura 1987, 449 (450); Schubert, Jura 2003, 607 (608); Dreier, in: Dreier, GG, Art. 28 Rn. 49 („Gleichartigkeit“) oder Lerche, VVDStRL 21 (1964), 66 (87) m. w. N.; vgl. schließlich Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 7, 1012; Bothe, in: AKGG, Art. 28 Abs. 1 Rn. 4; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1100; Maunz, in: HStR IV (2. Aufl. 1999), § 95 Rn. 2; Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 32. 26 So etwa BVerfGE 72, 330 (385 a. E.) oder BVerfGE 87, 181 (196). Diese Rspr. wurde vom Schrifttum längst adaptiert, vgl. etwa Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1078, 1080 oder Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 15. 27 So BVerfGE 1, 299 (315). Bei BVerfGE 72, 330 (404) heißt es alternativ „föderatives Gleichbehandlungsgebot für den Bund im Verhältnis zu den Ländern“, ähnlich BVerfGE 122, 1 (38); s. a. Feuchte, AöR 98 (1973), 473 (500); Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1232) oder Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 38. Sehr ausführlich zu dieser Thematik Pleyer, Föderative Gleichheit, S. 124 ff., besonders S. 238 ff., 318 ff. und in

§ 6 Die Grenzen der Mischverwaltung 

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Erst alle diese Gebilde in ihrer Gesamtheit formen zusammen den durch seine (integrierende)  Verfassung geprägten Gesamtstaat, bestehend einerseits aus den einzelnen Gliedstaaten mit eigener, nicht bloß deduktiv gewonnener Staatsqualität und andererseits ihrem Zusammenschluss mit ebenfalls eigener Staatsqualität.28 Beide Teile, Gesamt- wie Gliedstaaten gleichermaßen, „sind einander zugeordnet und sollen sich ergänzen“29, sie existieren gleichzeitig nebeneinander30 und sind doch erheblich miteinander verwoben. Dies bedeutet jedoch auch, beiden Teilen ihre Existenzberechtigung und Verwirklichungsmöglichkeit zu bieten, um einer „Unitarisierung“31 der Bundesrepublik nicht unnötig Vorschub zu leisten. Kennzeichnendes Merkmal ist die „Einflußnahme der dezentralen Teile als Bundesglieder auf die Zentralgewalt mit einer gewissen Abhängigkeit der Zentralgewalt von den dezentralen Einheiten“32. Damit ist zwar nicht die parallele Souveränität der zwei Teilebenen gemeint33, doch können Bund und Länder jeweils als „eigenständige Rechtsträger mit einem Mindestbestand zugeordneter substantieller Kompetenzen“34 verstanden werden. Die Grundlage des Bundesstaates als Staatsform ist im Föderalismusgedanken35 zu sehen, wobei letztgenannter als übergeordneter Inbegriff neben dem bundesstaatlichen Ansatz als einer möglichen Erscheinungsform noch weitere einschließt, also keinesfalls hierauf zu reduzieren ist.36 Im Kern

der Bewertung auf S. 316 f. Bei Schneider, NJW 1991, 2448 (2451) wird dies als „Bündische Gleichheit“ charakterisiert. Hingegen bzgl. der abstrakten Behauptung kritisch Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 43 (dort auch zu den Grundlagen m. w. N.). 28 Deswegen und infolge der positivrechtlichen Regelung in Art. 20 GG (als Entscheidung des Verfassunggebers) erachtet Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. IV) Rn. 15 f. den staatstheoretischen Einwand für unzureichend, eine einzige staatliche Gewalt ließe sich nach modernem Verständnis nicht auf verschiedene Ebenen verteilen (dazu die dortige Rn. 16). 29 So Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 4. 30 BVerfGE 103, 332 (350) zum Bund-Länder-Verhältnis. 31 So Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 15. Der Ausdruck „unitarischer Bundesstaat“ geht auf Hesse, Unitarischer Bundesstaat, S. 14 ff. (und ebenso bereits im dortigen Titel) zurück. 32 So Thieme, DÖV 1989, 499 (500), in Kurzform das sog. „bündische Element“ (ebenfalls a. a. O.). 33 Denn souverän ist nur der Bund, vgl. Kimminich, in: HStR I (2. Aufl. 1995), § 26 Rn. 12 ff.; Stern, Staatsrecht I, § 19 I 1 a α (S. 645) und zumindest angedeutet bei Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 65. Folge dessen ist insbesondere, dass völkerrechtlich nur der Bund in Erscheinung tritt, dazu Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 26. 34 So Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 65; ferner etwa Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 65; Stern, Staatsrecht I, § 19 III 2 a (S. 667 f.). In der Rspr. gekennzeichnet als dem jeweiligen „Kern eigener Aufgaben“, so etwa BVerfGE 34, 9 (20) betreffend die Länder; später dem folgend BVerfGE 81, 181 (196). 35 Vgl. BT-Drs.  6/3080, S.  31 und dies aufgreifend Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 7; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 219; Schubert, Jura 2003, 607 (608). 36 Vgl. Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. IV) Rn. 18 mit näheren Erläuterungen zur Differenzierung.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

geht es um den Gedanken vertikaler Gewaltenteilung im Staatsgefüge37, indem die Staatsgewalt an mehrere Ebenen vergeben und die zweite Ebene ihrerseits nochmals parzelliert wird.38 In Verbindung mit der horizontalen Gewaltenteilung auf beiden Ebenen sowie der Verteilung der hieraus zu entnehmenden Kompe­ tenzen (Gesetzgebung vorwiegend beim Bund, Verwaltung bei den Ländern) „verschränkt“39 das Grundgesetz beide Ausformungen der Gewaltenteilung zu einem umfassenden „Schutz vor Gewaltenmonismus“40. Die Bundesrepublik ist kein dreigliedriger, sondern ein zweigliedriger Bundesstaat41, denn das Grundgesetz hat eine Aufteilung der Kompetenzen zwischen 37

Eingehend Schodder, Föderative Gewaltenteilung in der BRD, S. 3 ff., 24 ff. und passim sowie Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1020. Für den Bereich der Bundesauftragsverwaltung festgestellt in BVerfGE 104, 249 (279); außerdem Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 21 m. w. N.; Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 17 m. w. N.; Kimminich, in: HStR I (2. Aufl. 1995), § 26 Rn. 43 ff.; Di Fabio, in: HStR II, § 27 Rn. 11 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 231 f.; Schmidt-Aßmann, Jura 1987, 449 (449). Näher erläutert von Schenke, JuS 1989, 698 ff. (am deutlichsten S. 699 f.) und ebenso bei Roellecke, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 20 Rn. 21; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 24. Von Häberle, AöR 124 (1999), 549 (553) wird das vertikal gewaltenteilende Element als einer von sieben „Legitimationsgründe[n] des deutschen Föderalismus“ benannt. 38 Vgl. Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 23, dass die Staatsgewalt „in eine Bundes- und in weitere sechzehn Landesgewalten aufgeteilt und somit gemäßigt“ werde (zum Zitat ebenfalls a. a. O.); ganz ähnlich Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1021; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 24 (dort treffend „Ausdifferenzierung und Begrenzung staatlicher Macht“) und Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. B) Rn. 23. Schließlich auch angedeutet in der Rspr. bei BVerfGE 55, 274 (318 f.) und BVerfGE 108, 169 (181). 39 So treffend Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  83 Rn.  23. Nach Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 21 entstehe ein „mehrschichtiges Gewaltenteilungssystem“. Dessen Struktur ist gut erkennbar in der übersichtlichen Darstellung aller kombinierten Formen an vertikaler und horizontaler Gewaltenteilung bei Schenke, JuS 1989, 698 (699 ff.), vgl. die dortigen einzelnen Abschnittsbezeichnungen. 40 So Schubert, Jura 2003, 607 (611), dort aber nur betreffend das föderative System. 41 Aus der Rspr. BVerfGE 39, 128 (77 f.: „Es gibt nicht neben dem Bundesstaat als Gesamtstaat noch einen besonderen Zentralstaat“) sowie noch deutlicher das Sondervotum in BVerfGE 119, 331/386 (392). Aus dem Schrifttum Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 10; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. B) Rn. 24; Überblick m. zahlr. Nachw. bei Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1005, 1008 und Stern, Staatsrecht I, § 19 I 3 (S. 650 f.). Die Zweigliedrigkeit nehmen des Weiteren an: Schäfer, NJW 1961, 1281 (1282 ff.); Frowein, in: von Münch, Probleme des Föderalismus, S. 47 (52 ff.); Scheuner, DÖV 1962, 641 (642 ff.); Hesse, Unitarischer Bundesstaat, S. 5 f.; Kaiser, ZaöRV 18 (1957/58), 526 (531 ff.) m. w. N.; Oeter, Integration und Subsidiarität im dt. Bundesstaatsrecht, S. 235 ff., 385 ff. und Fazit auf S. 573; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 30 Rn. 2; Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 5; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 39; Roellecke, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 20 Rn. 29 m. w. N.; Kimminich, in: HStR I (2. Aufl. 1995), § 26 Rn. 40 m. w. N. (auch zur überholten Gegenansicht in den dortigen Fn. 129 ff.); Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 25; Schmidt-Aßmann, Jura 1987, 449 (449 f.) sowie Herzog, DÖV 1962, 81 (82 f.). Die Dreigliedrigkeit ablehnend schon Nawiasky, Bundesstaat als Rechtsbegriff, S.  29 f. (sehr deutlich im Inhaltsverzeichnis, S. VII zu § 16: „Ablehnung eines Gesamtstaates über Bund und Gliedern“ –

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den Organen des Bundes und der Länder vorgenommen42, wobei unter Bund der durch den Zusammenschluss der Länder entstandene Gesamtstaat ohne unmittelbare Einbindung der kommunalen Körperschaften, die danach Teil  der Länder sind, verstanden wird.43 Allerdings werden zwischen den beiden Teilen wegen des föderativen Charakters des Grundgesetzes drei verschiedene Rechtskreise, namentlich das Verhältnis unter den Gliedstaaten und gegenüber dem Gesamtstaat sowie weiterhin innerhalb des Gesamtstaates und seiner Organe, separiert.44 Die Bundesrepublik versteht sich hierbei als eine die Gliedstaaten repräsentierende, sie umspannende Struktur, die ihnen gegenüber jedoch gleichgestellt ist und keine absoluten Kontrollbefugnisse gleich eines Zentralstaats (im Unterschied zum Gesamtstaat) besitzt.45 Lediglich kompetenziell nimmt der Bund in herausgestellter Weise diejenigen Aufgaben wahr, die das Staatsganze betreffen; die Länder dürfen

trotzdem häufig fälschlich als Ursprung der Dreigliedrigkeit bezeichnet); zu einem späteren Zeitpunkt hingegen eher missverständlich ders., Grundgedanken des GG, S. 35 ff. – wobei die Ausführungen unmittelbar nur die klare Unterscheidung betreffen. Hinsichtlich der besseren Darstellung durch die begriffliche Trennung von Gesamt- und Zentralstaat auch Geiger, Mißverständnisse um den Föderalismus, S.14 f.; Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 90. Demgegenüber nahm offenbar BVerfGE 6, 309 (340, 364) noch eine Dreigliedrigkeit durch einen neben Bund und Länder tretenden, diese umfassenden Gesamtstaat (in Gestalt der Bundesrepublik insgesamt) an. Viel früher hatte bereits Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 199 f. drei Bestandteile des deutschen Staates voneinander getrennt. Der Vollständigkeit wegen sei zudem auf die sog. „Teilstaatenlehre“ verwiesen, vgl. Schmidt, AöR 87 (1962), 253 (293 f.). Den mittlerweile überholten Streit – dies feststellend Schubert, Jura 2003, 607 (608) und Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 28 – fassen schließlich Frowein, in: Mußgnug, Rechtsentwicklung unter dem Bonner GG, S. 17 (25 ff.); Rudolf, in: FG 25 Jahre BVerfG II, S. 233 (236 ff.) sowie Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 38 zusammen, jeweils m. w. N. zu den Quellen im Schrifttum. 42 Mit anderen Worten sind losgelöst von Definitionsansätzen die verfassungsrechtlichen Normen relevant, nicht irgendeine dem Grundgesetz vorausgehende Theorie, vgl. Isensee, in: FS 50 Jahre BVerfG II, S. 719 (730 f.); näher hierzu Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 38 f.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 217; Stern, Staatsrecht I, § 19 I 4 (S. 652); Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1004; Bothe, in: AK-GG, Art.  20 Abs.  1–3 (Abschn.  II) Rn.  22; Schnapp, in: von  Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 10; Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 7. Demgegenüber misst Šarčević, Bundesstaatsprinzip, S.  8 f., 24 ff., dort speziell S.  30 ff., der abstrakten Theorie eine eigenständige Relevanz bei. 43 Vgl. BVerfGE 119, 331 (364) ebenso wie das Sondervotum innerhalb derselben Entscheidung, dazu BVerfGE 119, 331/386 (392); außerdem Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 10; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 30 Rn. 58. Zur fehlenden Eigenständigkeit der Kommunen etwa Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 39. 44 Siehe BVerfGE 39, 128 (78); zustimmend Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art.  20 (Abschn. B) Rn. 24; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1010; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 10. 45 Vgl. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 10; Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 22 und BT-Drs. 6/3080, S. 31; dagegen missverständlich durch die Bezeichnung als Zentralstaat mit Gliedstaaten Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. B) Rn. 24.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

(und sollen) diesbezüglich aber mitwirken.46 Hingegen wird der Bundesrepublik nur ausnahmsweise durch das Grundgesetz „zur Wahrung der bundesstaatlichen Ordnung und zur Sicherung der einheitlichen Geltung des Bundesrechts im gesamten Bundesgebiet“47 eine übergeordnete Stellung zuerkannt.48 Geringere Diskrepanzen beim Gesetzesvollzug sind demgegenüber jedoch verfassungsrechtlich beabsichtigt oder jedenfalls gebilligt, um die Vielfältigkeit im Bundesgebiet nicht einzudämmen, sie können aber, soweit notwendig, durch Interventionen des Bundes begrenzt werden.49 Folge dessen ist wiederum, dass wegen des allgemeinen Prinzips mehrere Ebenen fortbestehen müssen und die Aufteilung in Bund und Länder zu erhalten ist: Mangels der vorausgesetzten Zweigliedrigkeit können die eingangs genannten, alternativen Formen des Staatsaufbaus in Deutschland nicht existieren.50 Dass Bund und Länder darüber hinaus denselben Grundsätzen verpflichtet bleiben und ihnen somit eine einheitliche Staatsstruktur zugrunde liegt, stellt der aus Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG abzuleitende Homogenitätsgrundsatz klar.51 Gleichzeitig existieren beide zwingend erforderlichen Ebenen angesichts des gesamtstaatlich föderal geprägten Charakters jedoch „gleichrangig nebeneinander“52 sowie im Wesentlichen autonom von der anderen Ebene im Sinne eines reinen Nebeneinanders.53 Durch die zugrundeliegenden Verfassungsnormen sind sie, wie bereits das vorangegangene Kapitel zur Mischverwaltung gezeigt hat54, „stets an das kompetenzgerechte Handeln der jeweils anderen Einheit gebunden“55. Ihre Kompetenzen sind schwerpunktmäßig verteilt56: Während das Grundgesetz (in Art. 70 ff. GG) dem Bund – trotz der umgekehrten Systematik, d. h. tatsächlich  – weitgehend den Gesetzeserlass anvertraut, liegt deren Ausführung (gemäß Art. 83 ff. GG und deren Systematik entsprechend) im Wesentlichen in den Händen der Länder.

46

Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 28. Insoweit spricht Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 4 doch von einer gewissen Überordnung des Bundes. 47 BT-Drs. 6/3080, S. 31. 48 Zusammengefasst bei Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 10. 49 Diesbezüglich Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 92 am Beispiel der Möglichkeiten in Art. 84 Abs. 2, 3 GG sowie Art. 85 Abs. 2, 5 GG. 50 Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 64. 51 Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 4. 52 So BVerwGE 29, 52 (58) und später BVerfGE 103, 332 (350); zustimmend Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 6; Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 22; zuvor schon Schmidt, AöR 87 (1962), 253 (293). 53 Vgl. BVerfGE 4, 178 (189); BVerfGE 6, 376 (382) und BVerfGE 22, 267 (270); zustimmend Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 7, 10. 54 Siehe § 5 II. 1. 55 So Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 6. 56 Vgl. Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 30.

§ 6 Die Grenzen der Mischverwaltung 

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b) Das „Prinzip“ des Bundesstaates Ob dem Bundesstaatsprinzip darüber hinaus abstrakt, d. h. auch ohne Rückbezug auf andere Verfassungsnormen, rechtlich erhebliche Wirkungen zuzuschreiben sind oder der Begriff lediglich alle Normen zusammenfasst, ist Inhalt eines langjährigen Meinungsstreits in Rechtsprechung und Schrifttum.57 Das Bundesverfassungsgericht versteht das Prinzip seither als eine eigenständige Ansammlung verfassungsrechtlicher Grundregeln und Grundsätze, welche zunächst durch eine finanzielle Unterstützung der Länder untereinander58 und daran anknüpfend in einem „ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz von der wechselseitigen Pflicht des Bundes und der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten“ mit gegenständlicher Bindung im Einzelfall Gestalt annimmt.59 Im Zuge der weiteren Entwicklung des allgemeinen Grundsatzes der Bundesstaatlichkeit wird allerdings dessen Akzessorietät zu grundgesetzlichen Regelungsinhalten betont, so dass Rechte und Pflichten regelmäßig nur aus Art. 20 GG in Verbindung mit anderen, konkreteren Normen hergeleitet werden können.60 Gleichwohl wird das Bundesstaatsprinzip als dem Verfassungstext immanenter bzw. darin schlüssig mitgeschriebener Rechtssatz, der in den Art. 20, 28, 30 GG (und Art. 79 Abs. 3 GG, dazu sogleich) zum Ausdruck gelangt, weiterhin anerkannt.61 Immerhin „entfaltet, konkretisiert und präzisiert“62 das Grundgesetz hiermit die in einer Vielzahl an Verfassungsvorschriften enthal 57

Für die Existenz des Prinzips Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. B) Rn. 23; Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 12; Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 16 und offenbar auch Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 74, 957; eingehend und mit demselben Fazit die Darstellung bei Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn.  23. Hingegen lehnt Šarčević, Bundesstaatsprinzip, S.  76 f., 110 f., 130 ff. sowie zusammenfassend S. 223 ff. die Verankerung eines unklaren, abstrakten Bundesstaatsprinzips im Grundgesetz ab und betont vielmehr die einzelnen verfassungsrechtlichen Normen mit bundesstaatlicher Relevanz; ebenfalls eher abgeneigt Möllers, in: Aulehner / Dengler u. a., Föderalismus – Auflösung oder Zukunft der Staatlichkeit?, S. 81 (99). Ausführlich zur Kritik Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 30 ff. einerseits, zu der gleichwohl verbleibenden Funktion und Bedeutung andererseits Rn. 33, 35, 38 ff. Guter Überblick über den Streitstand bei Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 64 ff., der selbst in dem bundesstaatlichen Prinzip nur die einzeln normierten Teilprinzipien zusammengefasst sieht, diesem jedoch keine eigenständige Relevanz zuerkennt (S. 70). 58 Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 65. 59 Zum Vorstehenden einschließlich des Zitats BVerfGE 12, 205 (254). Hierauf nimmt auch Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 65 im Rahmen seiner Darstellung der Grundlagen Bezug. 60 Dazu BVerfGE 42, 103 (117) m. w. N.; BVerfGE 95, 250 (266); BVerfGE 103, 81 (88); BVerfGE 104, 238 (247 f.); Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 66; Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 20 anhand der grundgesetzlichen Organisationsnormen. 61 In dieser Weise etwa Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. B) Rn. 23; Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 12; Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 16 und offenbar auch Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 74, 957; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 23. 62 So treffend Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 14.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

tenen Normierungen zum Staatsaufbau und zu den Staatsstrukturen, weshalb von einem, wenngleich bescheidenen, „eigenständigen konstitutiven Gehalt“63 des sich auf Art. 20 Abs. 1 GG gründenden Bundesstaatsprinzips speziell im Rahmen der Auslegung64 gesprochen werden kann. Wegen der Vielzahl an konkretisierenden Verfassungsnormen bedarf es eines allgemeingültigen Prinzips in der überwiegenden Zahl der Anwendungsfälle nicht. Es wird nur dort benötigt, wo das Grundgesetz punktuelle Regelungen trifft und die vorhandenen Normen einer Erweiterung bzw. Verknüpfung untereinander bedürfen. An diesen Stellen kann das abstrakte Prinzip singulär über die Einzel­ normen hinaus einen Mehrwert durch verbindliche Vorgaben enthalten. Das ist vor allem dort der Fall, wo es an solchen im Einzelfall den deutschen Bundesstaat charakterisierenden, da etwa vom Verfassunggeber vorausgesetzten Inhalten mangelt oder unmittelbar aus einer Norm abzuleitende Lösungen zu kurz greifen65, weil sie einer Gesamtbetrachtung unter Verbindung verschiedener Regelungen bedürfen. Für einige wenige Anwendungsbereiche wird dem Bundesstaatsprinzip deshalb abstrakt, d. h. über konkrete Verfassungsnormen und sonstige verfassungsrechtliche relevante Grundsätze hinaus, eine normative Bedeutung zuerkannt66, darunter vor allem den vertikalen Aufbau der Bundesrepublik in Gestalt einzelner Länder sowie die damit einhergehende Aufgabenverteilung auf beide Ebenen mitsamt den erforderlichen Ermächtigungen zu staatlichem Tätigwerden67, daneben auch für das Feld ungeschriebener Bundeskompetenzen68 und die Gleichstellung sämtlicher Glieder69. In diesem Sinne, nicht zuletzt auch bei der Auslegung bundesstaatlicher Normen insgesamt, besteht deshalb eine gewisse Relevanz im Bereich der Mischverwaltung und ihrer Grenzen. So ergeben sich für das (kompetenzielle) Verhältnis des Bundes zu den Ländern und der Länder untereinander  – gleichsam als „Grenze gewisser Kooperations 63 So Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 23 bzw. ders., Der Staat 40 (2001), 623 (625 f.); fast identisch Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 20 und außerdem Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 38 (dort u. a. Rn. 33). Wegen der vom BVerfG anerkannten Relevanz sei es nach den Worten von Isensee, in: FS 50 Jahre BVerfG II, S. 719 (732) „ein integrales Ganzes, das mehr ist als die Summe der Teile“ – auch zur Thematik insgesamt ausführlich a. a. O., S.  730 ff. Von den o.g. kritischen Stimmen, v. a. Šarčević, Bundesstaatsprinzip, S. 130 ff., 133 f., 223 f., demgegenüber beschrieben als bloße „Sammelbezeichnung“ (zum Zitat S. 132) ohne eigenständigen normativen Inhalt; in dieselbe Richtung Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 70. 64 Dazu näher Isensee, in: FS 50 Jahre BVerfG II, S. 719 (733 ff.). 65 Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 14; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1004. 66 Vgl. BVerfGE 1, 117 (131) und Karpen / von Rönn, JZ 1990, 579 (584). Zur Kritik vgl. Fn. 57 in diesem Abschnitt (dort m. zahlr. Nachw.). 67 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  20 (Abschn.  IV) Rn.  14; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 22; Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 63. 68 Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 14. 69 Vgl. Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1004.

§ 6 Die Grenzen der Mischverwaltung 

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inhalte“70 bis hin zur „Kompetenzausübungsschranke“71 – nicht nur aus besonderen Verfassungsnormen konkrete Bedingungen, sondern darüber hinaus auch aus dem richterlich geschaffenen Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens bzw. der Bundestreue.72 Dieser nicht explizit in der Verfassung normierte, aber dem Bundesstaatsprinzip immanente Grundsatz73 fordert zwischen Bund und Ländern bei der 70

Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 47. So jeweils Stern, Staatsrecht I, § 19 III 4 e γ (S. 703); Karpen / von Rönn, JZ 1990, 579 (584); Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 22.1; Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 37; Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 37. Inhaltlich geht auch die Rspr. in diese Richtung, formuliert es aber weniger prägnant – so etwa das Sondervotum in BVerfGE 55, 274/345 (346); BVerfGE 81, 310 (337) oder BVerfGE 106, 1 (27). Vgl. schließlich noch „Regulativ jeder Kompetenz“ bei Kaiser, ZaöRV 18 (1957/58), 526 (542). 72 Aus der Rspr. des BVerfG etwa BVerfGE 1, 299 (315 f.); BVerfGE 6, 309 (361 f.); BVerfGE 8, 122 (138, 140); sehr ausführlich BVerfGE 12, 205 (254 ff.); BVerfGE 20, 56 (140); ebenfalls eingehend das Sondervotum in BVerfGE 31, 314/337 (354 ff.) sowie des Weiteren BVerfGE 32, 199 (218); BVerfGE 34, 216 (232); BVerfGE 39, 128 (75 f.); BVerfGE 42, 103 (117 f.); BVerfGE 56, 298 (322); das Sondervotum in BVerfGE 55, 274/345 (346); BVerfGE 61, 149 (205); BVerfGE 73, 118 (197); BVerfGE 81, 310 (337 f.); BVerfGE 92, 203 (230); BVerfGE 103, 81 (88); BVerfGE 104, 249 (269 f.); BVerfGE 106, 1 (26 f.); BVerfGE 110, 33 (52). Aus der verwaltungsgerichtlichen Rspr. stellvertretend BVerwGE 50, 137 (148) sowie aus dem Schrifttum Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 7; Henneke, in: SchmidtBleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 42; Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 6 a. E. und Rn. 22.1; Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 14, 50; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. B) Rn. 27 ff.; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1126 ff.; Rupp, in: FG Schmid, S. 141 ff. und in den gleichnamigen Werken sehr gründlich Bayer, Bundestreue, S. 3 ff., v. a. S. 23 ff., sowie Bauer, Bundestreue, S. 1 ff., v. a. S. 234 ff. Übersichtliche Zusammenstellung der zentralen Rspr. bei Oeter, Integration und Subsidiarität im dt. Bundesstaatsrecht, S. 213 ff., 352 ff., zum Schrifttum und der Staatspraxis eingehend S. 480 ff.; s. a. Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 39; Sommermann, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art.  20 Rn.  37; Roellecke, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 20 Rn. 38. Mit näheren Erläuterungen zur Bundestreue noch Bleckmann, JZ 1991, 900 ff. und Rudolf, in: FG 25 Jahre BVerfG II, S. 233 (246 ff.); zudem Kaiser, DÖV 1961, 653 ff. sowie Lücke, Der Staat 17 (1978), 341 ff., jeweils mit näheren Angaben. Bezüglich der verschiedenen Bezeichnungen nimmt Robbers, a. a. O., Rn. 1128 aber an, dass sämtliche dieser Bezeichnungen eigentlich Teilbereiche des Gesamtprinzips, gewissermaßen Fallgruppen hiervon, klassifizieren, wenngleich sie oftmals wie Synonyme herangezogen werden (Rn. 1129). Dazu schließlich noch Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 73 ff.; Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 45 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 268 ff. 73 Vgl. bereits BVerfGE 1, 299 (315); BVerfGE 8, 122 (138) und später BVerfGE 19, 206 (20 a. E.); Sondervotum in BVerfGE 31, 314/337 (354 f.); BVerfGE 43, 291 (348); BVerfGE 103, 81 (88). Außerdem zur Grundlage des Prinzips Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. IV) Rn. 121; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 68; Stern, Staatsrecht I, § 19 III 4 d (S. 701 f.); Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 162; Suerbaum, Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug, S. 177 ff.; Kaiser, ZaöRV 18 (1957/58), 526 (543). Stattdessen zog Bleckmann, JZ 1991, 900 (901 ff.) als geschriebene Grundlage Art. 72 Abs. 2 GG in seiner damaligen Fassung heran; dazu kritisch Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 37 in der dortigen Fn. 130. Alternativ wird der zivilrechtliche Grundsatz von Treu und Glauben als Ausgangspunkt dieser Überlegungen verstanden (strittig), vgl. Bauer, Bundestreue, S. 247 f. m. w. N. bzw. ders., in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 46 (danach zumindest in „in bundesstaatsspezifischer Ausprägung“) sowie Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1128. 71

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

Ausführung ihrer Aufgaben und Erfüllung ihrer Pflichten stets wechselseitige Rücksichtnahme auf ihre spezifischen ebenso wie ihre kollektiven Interessen.74 Es handelt sich demnach um eine wesentliche Ausformung, wenn nicht sogar das führende Element ungeschriebener bzw. im Grundgesetz schlüssig mitgeschriebener Kooperation zwischen Bund und Länder.75 Beide Rechtsträger76 sind hierdurch – nicht nur, aber besonders im Verwaltungsbereich – „gehalten, dem Wesen dieses Bündnisses entsprechend zusammenzuwirken und zu seiner Festigung und zur Wahrung seiner und der wohlverstandenen Belange seiner Glieder beizutragen“77. Diesem Gebot folgend sind außerhalb der im Grundgesetz explizit normierten Rechte und Pflichten im Sinne eines Appendix sämtlicher thematisch entsprechenden Normen des Grundgesetzes78, allerdings nur restriktiv79, noch weitere schlüssig mitgeschriebene80 „Verhaltensregeln“ zwischen den staatlichen Ebenen 74 Vgl. BVerfGE 6, 309 (361 f.); Sondervotum in BVerfGE 31, 314/337 (355); BVerfGE 32, 199 (218); BVerfGE 34, 216 (232); BVerfGE 43, 291 (348); BVerfGE 61, 149 (205); BVerfGE 73, 118 (197); BVerfGE 81, 310 (337 f.); BVerfGE 92, 203 (230); BVerfGE 104, 249 (270). Erste Ansätze hierzu, noch ohne die prägnante Bezeichnung, fanden sich bereits in BVerfGE 1, 117 (130 ff.). Aus dem Schrifttum ferner Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 68 a. E.; Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 28 (dort deshalb „Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme“), daneben Rn. 39; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1127 f.; Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 36; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 14; Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 37; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 7, 14; Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 50, 52; schließlich auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 270; Schubert, Jura 2003, 607 (610). 75 Liebrecht, DVBl. 1969, 97 (101); s. a. Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 39, wonach hieraus ausnahmsweise sogar eine Obliegenheit zur Kooperation erwachsen kann. 76 Bei BVerfGE 12, 205 (254) und BVerfGE 81, 310 (337) ist die Rede von einer „wechselseitigen Pflicht“; s. a. BVerfGE 32, 199 (218); BVerfGE 92, 203 (230) und BVerfGE 104, 249 (269 a. E.). D. h. die Wirkung gilt im Verhältnis der Länder zum Bund ebenso wie im Verhältnis des Bundes ihnen gegenüber und außerdem zwischen den Ländern untereinander, vgl. Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 36 a. E., wo die Bezeichnung daher als „irreführend“ (a. a. O.) bewertet wird; zur Kernaussage ebenso Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1127; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 47; Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 37; Schubert, Jura 2003, 607 (610). 77 So BVerfGE 1, 299 (315) in Anlehnung an den noch zur Reichsverfassung geschrieben Beitrag von Smend, in: FG Mayer, S. 247 (261); dem zustimmend mit vergleichbaren Formulierungen Rudolf, in: FG 25 Jahre BVerfG II, S. 233 (247) und Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 42. 78 Vgl. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 13 – erheblich deutlicher noch in der Vorauflage (12. Aufl. 2011), dort an ähnlicher Stelle (Art. 20 Rn. 15) treffend als „Zusammenschau mit allen anderen Verfassungsnormen“ umschrieben; im Ansatz ähnlich bei BVerfGE 6, 309 (361). Von völliger Eigenständigkeit kann demnach, wie etwa BVerfGE 103, 81 (88) statuiert, keine Rede sein. 79 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. B) Rn. 7 a. E. Auch Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 166 fordert „juristische Vorsicht im Umgang mit dem hochabstrakten Grundsatz“ ein; in die gleiche Richtung auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 270. 80 Denn nach Suerbaum, Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug, S. 178 m. w. N. handelt es sich bei der Bundestreue um eine „Konkretisierung des (…) Bundesstaatsprinzips“, die indirekt aus dem Verfassungstext folgt. Als Folge dessen (hierzu ansatzweise ebenfalls a. a. O.)

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anzuerkennen, mit denen eine enge Bindung untereinander zugunsten des gemeinsam gebildeten Gesamtstaates und dessen Fortbestand erzielt werden soll.81 Dies kann sich etwa konkret im Beistand für den anderen oder der Pflicht zur gegenseitigen Auskunft oder Aussprache äußern, im Extremfall sogar in „Pflichten zu überregionaler Koordination und Kooperation“82 münden, womit wiederum dem „Gedanken des kooperativen Bundesstaates“83 Vorschub geleistet wäre. Deshalb ist der Grundsatz – wie sämtliches sonstiges, ungeschriebenes bzw. schlüssig mitgeschriebenes Recht  – auch nachrangig gegenüber besonderen Regelungen des Grundgesetzes84, so dass die existenten Kompetenzen mit Rücksicht auf die Belange der anderen Beteiligten und die Gesamtheit zurückhaltend zu gebrauchen sind.85 Die Existenzberechtigung ist dem ungeschriebenen Treuegrundsatz trotz allem jedoch nicht abzusprechen, weil ihm in der Ergänzung und Abrundung der geschriebenen Regelungen eine „lückenschließende Funktion“86 zukommt. Diese geht aber angesichts der bestehenden Akzessorietät dieses Grundsatzes nicht weiter als die ihm zugrunde liegenden Normen; Lückenschließung wäre demnach eher im übertragenen Sinne zu verstehen, weil in dem allgemeinen Prinzip die aus mehreren Normen gemeinsam entwickelten bundesstaatlichen Maßstäbe vereinigt sind, soweit sie sich nicht unmittelbar aus dem Verfassungstext einer der Normen, insbesondere Art. 20 Abs. 1 GG, ergeben.

sollte die Bezeichnung als ungeschriebenes Recht oder sogar Gewohnheitsrecht trotz des fehlenden Textnachweises möglichst vermieden und durch eine solche Formulierung ersetzt werden, welche den Grundsatz- und damit Grundgesetzbezug zum Ausdruck bringt. 81 D. h. „zumutbare Rücksichtnahme auf das wohlverstandene Gesamtinteresse“ zu nehmen, so BVerfGE 32, 199 (218) und ganz ähnlich BVerfGE 81, 310 (337) bzw. BVerfGE 92, 203 (230). Die Eigenständigkeit der Bundestreue bejahen ferner Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. B) Rn. 27 f.; Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 166; Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 38 sowie Kaiser, ZaöRV 18 (1957/58), 526 (544) m. w. N. 82 So Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 49 m. w. N. und Beispielen, insbesondere zu vergangenen Entscheidungen des BVerfG in diesem Bereich. 83 In dieser Weise u. a. Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 44; vgl. ebenso Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 36; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1055; Kimminich, in: HStR I (2. Aufl. 1995), § 26 Rn. 54. Im Einzelnen siehe bereits die Ausführungen in § 5 II. 2. a) bzw. c) und auch in § 5 II. 3. 84 Bauer, Bundestreue, S. 371 ff. spricht deshalb (auf S. 371) von „Subsidiarität“; vgl. ferner Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 69; Suerbaum, Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug, S. 180; Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 75; Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 166. 85 Siehe bereits zuvor  – dazu BVerfGE 32, 199 (218); BVerfGE 43, 291 (348); BVerfGE 61, 149 (205); BVerfGE 104, 249 (269 f.); BVerfGE 106, 1 (27); Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 70. Zu den angelegten Maßstäben, in denen sich die Zurückhaltung äußert, etwa BVerfGE 81, 310 (337) und auch Bauer, Bundestreue, S. 355 f. Gemeint sei die „Pflicht zur Rücksichtnahme bei Wahrnehmung von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen“, so Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1138, des Weiteren Rn. 1145 und ausführlich Rn. 1163 ff. 86 So Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1141; s. a. BVerfGE 34, 216 (232).

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

An zahlreichen Stellen befasst sich das Grundgesetz hingegen ausdrücklich mit der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, um deren Verhältnis und die Aufgabenteilung mittels zentraler, obligatorischer Regelungen, die einer Abweichung nicht zugänglich sind87, näher zu definieren: Neben den übergreifenden Kompetenzvorschriften der Art. 30, 70 ff., 83 ff., 92 ff. GG finden sich im Grundgesetz auch diverse Sondervorschriften, z. B. in Art. 32, 104a ff. GG.88 Weitere Regelungen im Zusammenhang mit dem Charakter eines Bundesstaates sind zudem in Art. 20 ff. GG (gewissermaßen dem gesamten Abschnitt II, vgl. nur die Überschrift und z. B. Art. 23, 24 GG) und Art. 79 Abs. 3 GG zu finden89 sowie in Art. 28 GG, der durch die Regelungen zum Bund-Länder-Verhältnis als Formgebung für den Bundesstaat verstanden werden kann.90 Weiterhin machen auch Art. 29, 118, 118a GG sowie Art. 31, 35, 50, 142 GG das Bundesstaatsprinzip in ihrem jeweiligen Bedeutungsbereich greifbar.91 Demgemäß kommt dem Bundesstaatsprinzip in Bezug auf die Gesamtverfassung nur die Rolle eines Sammelbegriffs (d. h. einer übergreifenden Kurzbezeichnung) für die verschiedensten Verfassungsnormierungen zum Bundesstaat, wie sie in das Grundgesetz Eingang gefunden haben, sowie gleichzeitig einer Auslegungshilfe zu; das abstrakte Prinzip vermag die vorhandenen normativen Ausprägungen nur zu ergänzen, zu verknüpfen und punktuell um die o.g. Aspekte zu erweitern, womit ihm aber, womöglich nur mit Ausnahme seines Charakters „als Auslegungsrichtlinie“, überwiegend lediglich eine geringe eigenständige Relevanz zukommt.92 Hingegen erlangt das Bundesstaatprinzip als solches im Rahmen des Art. 79 Abs. 3 GG noch eine eigenständige Relevanz, weil diese Unantastbarkeitsklausel lediglich auf Art. 1, 20 GG und nicht auf andere Verfassungsnormen Bezug nimmt. Das allgemeine Prinzip dient insoweit in seiner vorbezeichneten Rolle als Sammelbegriff dazu, jedenfalls die zentralen bundesstaatlichen Anforderungen des Grundgesetzes normativ in Art. 20 Abs. 1 GG anzuknüpfen und so als änderungsfeste Elemente anerkennen zu können.93 87

Zur Dispositionssperre siehe schon in § 5 II. 1. d). Vgl. ebenso Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 59. 89 Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 64; Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 12. 90 Vgl. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 1; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 28 Rn. 3. Schon das Homogenitätsgebot alleine prägt nach Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 12 den gesamten Bundesstaat. 91 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. B) Rn. 23 (mit kurzen Anmerkungen zum Inhalt); Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 62 f. 92 Ähnlich das Fazit bei Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 14, dort auch betreffend das Zitat im Fließtext. Gleichwohl betont auch Schmidt-Aßmann, Jura 1987, 449 (450), das Prinzip sei „nicht nur eine politische Maxime, sondern auch ein Rechtsprinzip“. Für dessen Bedeutung streitet trefflich auch BVerfGE 12, 205 (255 f.). 93 Zu dieser Relevanz, die allerdings durch die unmittelbar in Art. 79 Abs. 3 GG enthaltenen, bundesstaatlich geprägten Varianten (1. und 2. Var.) in ihrer Bedeutung wieder gemindert wird, vgl. ausführlich die diesbezüglichen Ausführungen im weiteren Verlauf dieser Arbeit, besonders in § 10 II. 1. 88

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Insoweit sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass viele bundesstaatliche Elemente in enger Wechselbeziehung mit dem demokratischen sowie rechtsstaatlichen Charakter der Bundesrepublik stehen und, etwa durch Bereitstellung eines mehrstufigen Staatsaufbaus und dessen freiheitssichernde Wirkung, der Verwirklichung dieser beiden Staatsstrukturelemente dienen.94 2. Aussagen zur Mischverwaltung Zu dem hier fraglichen Aspekt einer Mischverwaltung trägt der bundesstaatliche Charakter der Bundesrepublik insoweit bei, als damit die Kompetenzverteilung, u. a. in der Exekutive, einerseits auf den Bund (als Gesamtstaat) sowie andererseits auf die Länder (als dessen Glieder) angesprochen ist.95 Durch die Kompetenzen werden den einzelnen (Verwaltungs-)Trägern als Ausfluss vertikaler Gewaltenteilung Aufgaben zugewiesen und sie gleichzeitig zum hoheitlichen Tätigwerden ermächtigt.96 Insofern verwundert es nicht, dass die im letzten Kapitel zu Art. 30, 83 ff. GG und betreffend die Mischverwaltung im Allgemeinen gemachten Ausführungen97 sich in der Darstellung bundesstaatlicher Grenzen derselben in sehr ähnlicher Weise wiederfinden. Die vielfach gleichgerichteten Aussagen sind auf den Umstand zurückzuführen, dass die genannten Kompetenzvorschriften im Bund-Länder-Verhältnis, welche die Zulässigkeit der Mischverwaltung maßgeblich beeinflussen98, lediglich den Bundesstaatsgedanken des Grundgesetzes, wie er bereits aus Art. 20 Abs. 1 GG folgt, aufgreifen und konkretisieren. Zu den bundesstaatlichen Gehalten mit gleichzeitigem Bezug zur Mischverwaltung sind besonders die folgenden Aspekte zu rechnen: 94 Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 25 f. hebt besonders die mittels vertikaler Gewaltenteilung erzielte „Verhinderung von Machtkonzentration“ (Rn.  26) auf einer Staatsebene hervor. Hingegen betont Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1026 den demokratiefördernden Aspekt; s. a. Kimminich, in: HStR I (2. Aufl. 1995), § 26 Rn. 43, 46 oder Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 24 m. w. N.; sehr detailliert schließlich Loebenstein, in: GS Marcic, S. 827 ff. 95 Hierzu Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 2. Näher zur Verteilung der Kompetenzen bei Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 73 ff. 96 Siehe Korioth, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 30 Rn. 8 m. w. N., der insofern (dazu Rn. 17) gründlich zwischen Aufgaben (gegenüber dem Bürger) und Kompetenzen (gegenüber anderen Staatsgewalten) trennt. Dasselbe Verständnis liegt offenbar Bull, Staatsaufgaben nach dem GG, S.  52 f. und Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art.  30 Rn.  16 f. zugrunde. Demgegenüber soll Kompetenz nach Pieroth, AöR 114 (1989), 422 (434) bzw. ders., in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 30 Rn. 3 der „Oberbegriff“ (zum Zitat ebenfalls jeweils a. a. O.) gegenüber den Begrifflichkeiten ‚Aufgabe‘ oder ‚Befugnis‘ sein. 97 Vgl. § 5 II., dort insbes. II. 1. 98 Vor diesem Hintergrund gehen Cornils, ZG 23 (2008), 184 (192) und bezugnehmend hierauf jüngst auch Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 44 davon aus, dass das Mischverwaltungsverbot als „Hauptaussage“ (zum Zitat jeweils a. a. O.) der deutschen Bundesstaatsstruktur charakterisiert werden könnte.

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a) Staatsqualität von Bund und Ländern Weil den einzelnen Ländern als Gliedstaaten des Gesamtstaats Bundesrepublik, aber unabhängig von diesem selbst Staatsqualität zuerkannt wird99, steht ihnen das originäre staatliche Recht zu, in eigener Verantwortung und Einklang mit dem Grundgesetz landesverfassungsrechtliche Regelungen zu treffen und sich insofern eine eigene Verfassungsordnung einzurichten.100 Zwar sind der Reichweite ihrer staatlichen Gewalt durch die Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes sachlich-gegenständlich klare Grenzen gezogen, doch gewinnt es gleichwohl nicht den Charakter „vom Bund abgeleiteter, sondern von ihm anerkannter staatlicher Hoheitsmacht“101. Der bundesstaatliche Aufbau hat somit zur Folge, dass die gesamt- und die gliedstaatliche Ebene grundsätzlich gesondert voneinander, wenngleich trotzdem nicht verbindungslos, funktionieren und jede Ebene ohne Einfluss der anderen ihren Pflichten durch Ausübung der ihr zugeordneten Kompetenzen nachkommt, mit anderen Worten die jeweiligen Verwaltungsbereiche nicht vermischt werden.102 99

Hierzu etwa BVerfGE 1, 14 (34); BVerfGE 14, 221 (234); BVerfGE 36, 342 (360 f.); BVerfGE 60, 175 (207); ferner „Eigenstaatlichkeit der Länder“ bei BVerfGE 72, 330 (385 f.) und BVerfGE 87, 181 (196); ebenfalls vorausgesetzt in BVerfGE 34, 9 (19), wonach Art. 79 Abs. 3 GG besonders ihre Staatlichkeit schützen wolle. In vergleichbarer Weise Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 11; Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 2 f.; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1078, 1097; Bauer, in: Dreier, GG, Art.  20 (Bundesstaat) Rn.  41; Sommermann, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art.  20 Rn.  26.; Bothe, in: AK-GG, Art.  20 Abs.  1–3 (Abschn.  II) Rn.  20; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art.  20 (Abschn.  B) Rn.  24; Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art.  20 Rn.  7. Während Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 10 dies anhand von Art. 84 Abs. 1 S. 1 GG begründet, versteht Pernice Art. 30 GG als „Indikator“ hierfür, vgl. ders., in: Dreier, GG (2. Aufl. 2006), Art. 30 Rn. 16. Eingehend zu der Frage der Länderstaatlichkeit Barschel, Staatsqualität der dt. Länder, S. 167 ff., im Fazit auf S. 258 und passim, sowie Möllers, Staat als Argument, S. 350 ff., besonders S. 361 und 374 f. – dort auch kritisch zum fehlenden „normativen Mehrwert“ (S. 374) der Staatlichkeit; ferner noch Thieme, DÖV 1989, 499 (499); Stern, Staatsrecht I, § 19 III 2 (S. 667); Maunz, in: HStR IV (2. Aufl. 1999), § 94 Rn. 2; Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 65; Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 27 f.; Isensee, in: FS 50 Jahre BVerfG II, S. 719 (737 f.) bzw. ders., in: HStR VI, § 126 Rn. 65 mit näheren Erläuterungen in den sich anschließenden Fn. 66 ff. Schließlich betont auch Šarčević, Bundesstaatsprinzip, S. 230 ff. die „Doppelstaatlichkeit“ (S. 230). 100 Vgl. BVerfGE 1, 14 (34) und BVerfGE 36, 342 (361). In der Rspr. ist vor diesem Hintergrund auch, z. B. in BVerfGE 90, 60 (84 f.); BVerfGE 103, 332 (347, 357, s. a. S. 350), die Rede von „Verfassungsautonomie“; alternative Darstellungen bei BVerfGE 99, 1 (11); BVerfGE 102, 224 (234); BVerfGE 64, 301 (317); BVerfGE 96, 345 (368 f.), oder BVerfGE 60, 175 (207 a. E.); hierzu ebenfalls Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 11; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 66; Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 65; Stern, Staatsrecht I, § 19 III 2 a (S. 667); Bartlsperger, in: HStR VI, § 128 Rn. 44, 47; schließlich noch Maunz, in: HStR IV (2. Aufl. 1999), § 94 Rn. 5, 27. 101 So BVerfGE 1, 14 (34) und ähnlich BVerfGE 60, 175 (207). Zum Vorstehenden ebenfalls Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 3 und Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 41. 102 Bezeichnet als „Trennprinzip“ bei Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 41, 55; hierzu ausführlich bereits in § 5 II. 1.

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Darauf, dass beide Glieder des Gesamtstaates eigene Staatsgebilde sind und selbstständig ihren vom Grundgesetz vorgegebenen Zuständigkeiten nachkommen müssen, können weder Bund noch Länder verzichten.103 b) Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung Indem Bund und Länder demnach getrennte Staatsgewalten auf verschiedenen Ebenen darstellen und über unterschiedliche Kompetenzen verfügen, hat jede Ebene die wahrzunehmenden Aufgaben selbstständig mit eigenen Verwaltungsstrukturen, d. h. unter Einschluss von Sachmitteln und Organisation samt Personal, zu verwirklichen, sog. „Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“.104 Weder dürfen also die Länder den Bund noch darf umgekehrt der Bund die Länder wesentlich an den eigenen Aufgaben beteiligen oder dessen Unterbau für die eigenen Zwecke einsetzen. Hintergrund sind zum einen die genannten Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes und zum anderen die Regelungen der Finanzverfassung, die hierauf Bezug nehmen.105 Erst in der Selbstbestimmung verwirklicht sich die jeweilige Eigenstaatlichkeit bzw. „Eigenverantwortlichkeit, Selbständigkeit und Autonomie“106 tatsächlich107 und läuft nicht als nur theoretisches Modellprinzip leer. Dabei ist bereits gezeigt worden, dass manche Formen des Zusammenwirkens (z. B.  Organleihe, Rechts- und Amtshilfe sowie die Ingerenzrechte aus Art.  84, 85 GG) noch nicht den maßgeblichen Intensitätsgrad erreichen, aufgrund dessen eine der Ebenen ihre Eigenständigkeit verliert oder sogar eine „funktionelle oder organisatorische Verflechtung von Bundes- und Landesverwaltung“108 eintritt. Derartige Gestaltungsformen konfligieren daher noch nicht mit dem hier erläuterten Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit. In allen anderen Fällen hingegen sind Abweichungen wegen des zwingenden Charakters dieses Prinzips selbst bei verfassungsrechtlicher Normierung109 und bei Einverständnis beider Ebenen110 nur in

103

Vgl. bereits § 5 II. 1. d) m. zahlr. Nachw. Die Begrifflichkeit geht zurück auf Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S.  195 und wurde in der Rspr. zunächst in BVerfGE 63, 1 (41) sowie in jüngerer Zeit in BVerfGE 119, 331 (367) aufgegriffen; zustimmend Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 24; von  Münch / Mager, Staatsrecht  I, Rn.  486, dort Fn.  92; Trapp, DÖV 2008, 277 (280, 282); Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 9; Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 22; Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 31; Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 42. 105 Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 22; ebenfalls sehr treffend Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 55. 106 So Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 41. 107 Besonders betont bei Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 8. 108 So Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 22. 109 Vgl. Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 31. 110 Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 42; Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 112. 104

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

geringem Maße wegen eines „besonderen sachlichen Grundes“ sowie in einer „eng umgrenzten Verwaltungsmaterie“ verfassungsrechtlich zulässig.111 Trotz dieser erheblichen Begrenzungen bleibt aber festzuhalten, dass die gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung von Bund und Ländern durch den beidseitigen Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit zwar erheblich beschränkt, nicht aber absolut unmöglich wird.112 Besonders durch diese „Eigenstaatlichkeit“113 seiner Glieder bei gleichzeitiger Eigenständigkeit des Gesamtstaates innerhalb einer föderal geprägten Struktur zeichnet sich der Bundesstaat als solcher aus und grenzt sich von anderen, bereits eingangs erwähnten Formen des staatlichen Zusammenschlusses, denen die Eigenständigkeit des Gesamtstaates bzw. der Glieder fehlt, ab.114 Sonach verlangt das Grundgesetz nach zwei voneinander zu trennenden Ebenen und erteilt zentralistisch-einheitsstaatlichen Staatstheorien eine deutliche Absage.115 Den Ländern darf hiernach eben auch durch verfassungsändernde Gestaltungen nicht „die Qualität von Staaten oder ein Essentiale der Staatlichkeit“116 geraubt werden. Sie sind nicht wahllos wandelbar117, sondern vielmehr eine rechtliche Erscheinung mit Mindestqualität und fester, nicht auflösbarer Rolle im Staatsgefüge des Grundgesetzes. Dementsprechend fordert das Grundgesetz im Wege des bereits genannten Grundsatzes eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung, den Ländern im Verhältnis zum Bund einen „Kernbestand eigener Aufgaben und eigenständiger Aufgabenerfüllung“118

111 Zu beiden vorstehenden Zitaten BVerfGE 63, 1 (41) bzw. BVerfGE 119, 331 (367, 370). Dies greift Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 13 auf; darauf bezugnehmend Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 22; ähnlich Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 23 ff., v. a. Rn. 27 f., und Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 24. 112 Mit diesem Sinngehalt schon Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 23, 27. 113 So BVerfGE 34, 9 (20) bzw. BVerfGE 81, 181 (196); dies war bereits Bestandteil in BVerfGE 1, 14 (34). Diesen Begriff besonders betonend Erichsen, Jura 1992, 52 (53) und Fassbender, NVwZ 2009, 737 (738). 114 Eingehend Kimminich, in: HStR  I (2. Aufl. 1995), § 26 Rn.  6 f.; Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 4 und Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 2; ferner Boehl, Verfassunggebung im Bundesstaat, S.  134 f.; Beyerle, in: Sacher, Staatslexikon, Sp.  65; Jestaedt, in: HStR  II, § 29 Rn.  9 m. w. N. Nach Schambeck, in: FS Geiger, S. 643 (644) und dem folgend Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 120 m. w. N. sei der Bundesstaat „die staatsrechtliche Form des Föderalismus“ (zum Zitat jeweils a. a. O.). 115 Vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 21; Hofmann, in: HStR I, § 9 Rn. 87. Treffend beschrieben von Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 65 als „Zwei-Ebenen-Staatlichkeit“. 116 So BVerfGE 34, 9 (19). 117 Also „keine rechtliche Form mit beliebigem Inhalt“, so Geiger, BayVBl. 1964, 65 (65). 118 So Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art.  79 Rn.  12 in Anlehnung an die knappere Formulierung bei BVerfGE 81, 181 (196) bzw. BVerfGE 34, 9 (20); ähnlich auch Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 32; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 213 f.; Hofmann, in: HStR I, § 9 Rn. 87; Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 a α (S. 169); Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 65; Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 297 ff.

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zu bewahren.119 Denn durch die Existenz eines festen Stammes an Kompetenzen und die Wahrnehmung eigener Aufgaben werden die Länder erst zu voll funktionsfähigen und dem Gesamtstaat in ihrer Geltung gleichgestellten (Glied-)Staaten.120 Dies setzt wiederum voraus, dass jedes Land mithilfe einer eigenen Verfassung und breit gefächerten (Sach-)Kompetenzen auf den Gebieten der Gesetzgebung und des Gesetzesvollzugs121 ungebunden organisatorisch agieren kann, finanziell gestützt durch eine ihren Aufgaben gebührende und ihnen im Grundgesetz verbürgte Beteiligung am Gesamtsteueraufkommen der Bundesrepublik.122 Zusammengefasst fallen somit vor allem drei zentrale Elemente zugunsten des eigenständigen Status der Länder bei ihrer Abgrenzung zu einfachen Selbstverwaltungseinheiten123 ins Gewicht, namentlich ihre Autonomie bzw. Unabhängigkeit im Verfassungsund ebenso im Einnahmebereich sowie ein ihnen zuzurechnender, grundlegender Kompetenzbestand.124 Hierbei ist weniger die reine Existenz einer Verfassung, unverändert fortdauernder Kompetenzen oder eigener Hoheitsgewalt125 als vielmehr der Umstand von Bedeutung, dass den Ländern in jeder der drei Gewalten gleicher­ 119

Abermals sei auf den Ursprung bei Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S. 195 hingewiesen, dessen sprachliche Wendung durch die Entscheidungen in BVerfGE 63, 1 (41) und BVerfGE 119, 331 (367) – dort allerdings ohne Hinweis auf Grawert – zum allgemein anerkannten und verwandten juristischen Fachausdruck in dieser Thematik erhoben wurde. 120 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 43 bezeichnet diese Elemente als „Essentiale der Staatlichkeit“. Der Gedanke geht maßgeblich auf die Ausführungen von Hesse, AöR 98 (1973), 1 (14 ff.) zurück, vgl. auch im Anschluss daran u. a. Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 51. 121 Vgl. Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 127 f. bzw. ders., Grundsätze des GG, S. 406 ff. Der Rückschluss auf die verfassungsrechtlich verbürgten Mindestbefugnisse lasse sich einer Gesamtschau aus Art. 28 Abs. 1 S. 1, Art. 30, Art. 70, Art. 72 Abs. 2 a. F., Art. 83 und Art. 92 GG entnehmen (hierzu jeweils a. a. O.). Mit näheren Hinweisen zudem Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 a α (S. 169), § 19 III 2 b (S. 668); Harbich, Bundesstaat und Unantastbarkeit, S. 121 f., 125; Kunig, Jura 1996, 254 (255); Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 59; Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 33; Erichsen, Jura 1992, 52 (53); Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 47. Zur „Verfassungsautonomie“ eingehend Boehl, Verfassunggebung im Bundesstaat, S. 171 ff.; siehe des Weiteren auch Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 42; Maunz, in: HStR IV (2. Aufl. 1999), § 94 Rn. 5, 27 und bereits Fn. 100 in diesem Abschnitt. 122 Aufzählung im Original bei BVerfGE 34, 9 (Ls. 1 und 20); nachfolgend Pieroth, in: Jarass /  Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 12; Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 32; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 213; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 22; Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 306; Häberle, JZ 1971, 145 (53); Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 42; Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 65. 123 Vgl. die Formulierung bei BVerfGE 34, 9 (19), wonach die Gefahr bestünde, die Länder zu „höchstpotenzierten Gebietskörperschaften“ zu relativieren; dazu ebenfalls Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 128 und Stern, Staatsrecht I, § 19 III 2 b (S. 668), die deshalb ein Mehr an Aufgaben und Rechten verlangen; vgl. zudem Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 28; Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 73, 299; Hesse, AöR 98 (1973), 1 (15 f.) unter Verweis auf das „politische Eigengewicht“ (S. 15) der Länder. 124 Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 48. 125 BVerfGE 34, 9 (19).

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maßen „ein substantieller Bereich“126 zum Handeln bzw. „ein Kern eigener Aufgaben als ‚Hausgut‘ unentziehbar verbleibt“127.128 Freilich vermag die auf diesem Wege garantierte bundesstaatliche Struktur, von den die Eigenständigkeit dokumentierenden, jedoch veränderlichen Kompetenzen abgesehen, keine dauerhafte Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern festzuschreiben. Vielmehr sind die verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich zugewiesenen Zuständigkeiten in ihrer Einteilung „prinzipiell variabel“129, allgemeingültige Aussagen mithin kaum möglich.130 Der bundesstaatlich zu verortende Grundsatz der vertikalen Gewaltenteilung kreiert ein „ausbalanciertes System von einerseits Eigenständigkeit und andererseits Bindung des Bundes und seiner Glieder“131  – auch als „funktionale Gewaltenteilung“132 gekennzeichnet –, welches dem föderalen 126 So Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 47; vgl. auch die Umschreibung bei BVerfGE 34, 9 (19 f.). Nach Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art.  79  III Rn. 35 ist den Ländern eine eigene „Grundsubstanz“ zugesichert. 127 So BVerfGE 34, 9 (20) und an gleicher Stelle weitergehend: Keinesfalls dürften den Ländern ihre zentralen Kompetenzen genommen werden, „so daß am Ende nur noch eine leere Hülse von Eigenstaatlichkeit übrig bliebe“ (a. a. O., S. 19 f.); dem folgend BVerfGE 87, 181 (196) sowie Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1091; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 41; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 15; Isensee, in: FS 50 Jahre BVerfG II, S. 719 (738); Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 33. 128 Zur vorstehenden Gefahr einer Kompetenzaushöhlung  – unter Bezugnahme auf das genannte Urteil des BVerfG  – ebenfalls BVerfGE 137, 108 (144) und zudem Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 43; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 213 f.; Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 32 und Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 32; ebenso Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 22; Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 23.1 und auch Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 128. Vor dem BVerfG bereits Harbich, Bundesstaat und Unantastbarkeit, S. 126: „Die Hoheitsgewalt der Länder darf nicht derart eingeschränkt werden, daß sie innerlich ausgehöhlt wird, die Gelegenheit zu kraftvoller Betätigung verliert und nur noch ein Scheindasein führen kann.“ Diese Formulierung ist im Wesentlichen einer Entscheidung des Staatsgerichtshofs vom 10./11. Dezember 1929 – RGZ 126, Anhang, S. 14 (22) – entlehnt, dort allerdings noch auf die Selbstverwaltung der Gemeinden bezogen; vgl. schließlich ebenfalls Stern, Staatsrecht I, § 19 III 2 a (S. 667 f.). 129 So Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 22; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 13; ähnlich Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 130. Das bedeutet, dass hiermit nicht jede einzelne Kompetenz in Art. 70 ff. und Art. 83 ff. GG für alle Zeiten unveränderlich festgeschrieben sein kann / soll, vgl. von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VII 1 d aa (S. 1887) und ebenso Erichsen, Jura 1992, 52 (53). Darüber hinaus noch Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 91 a. E. 130 Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (71). 131 So Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 123 m. w. N. und Rn. 129; vergleichbar Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 24; Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (71) sowie Schmidt-Jortzig, DÖV 1998, 746 (746). 132 So etwa BVerfGE 55, 274 (318 a. E.). Zur Zielsetzung, eine „Verteilung der Macht“ zu erreichen, s. a. Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1111 (dort auch zu dem vorstehenden wörtlichen Zitat); ähnlich Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 51 (dort „Machthemmung“).

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Staatsaufbau die Anerkennung verschafft, die freiheitlich geprägte Ausrichtung des Grundgesetzes und die hiermit verbundenen Kerngedanken vor allem in Art. 1 GG, den diesem nachfolgenden Grundrechten und Art. 20 GG zu vervollkommnen.133 Die Länder sollen in diesem Staatsverständnis, wie bereits geäußert134, fortwährende ‚Zentren demokratisch legitimer politischer Entscheidung‘ sein.135 Die enge Verbindung zum Demokratieprinzip136 tritt vor allem in der zentralen Rolle zutage, die der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung im Hinblick auf das demokratische Erfordernis einer durchgängigen sowie eindeutigen Legitimationskette vom Volk zu den handelnden Staatsorganen zukommt: Erst wenn letztere sich unzweifelhaft dem jeweiligen Volkswillen (in Bund oder Ländern) zuordnen lassen, ist die Aufgabenverantwortung sichergestellt und wird dem Demokratiegedanken ausreichend Rechnung getragen.137 Um es nochmals zu betonen: Gemeinschaftsaufgaben wie in Art. 91a ff. GG oder sogar gemeinsame Einrichtungen sind damit nicht generaliter ausgeschlossen, solange der Einfluss der Länder auf die jeweils gewählte Mischverwaltungsform zwischen ihnen und dem Bund dem Grunde nach bestehen bleibt.138 Alleine die gegenseitige Kooperation bis hin zur Einsetzung gemeinschaftlicher Institutionen zieht – auch angesichts der oben genannten Maßstäbe und trotz des schwindenden Einflusses der beiderseitigen Parlamente – nicht zwingend nur die Unzulässigkeit nach sich, weil insoweit in Staatsverträgen o.ä. eine rechtlich genügende Grundlage zu erkennen ist, solange die Kompetenzen unangetastet bleiben.139 c) Ermöglichung von Kooperationen Zum Zwecke einer Angleichung der in struktureller Hinsicht und bei den Lebens­ verhältnissen bestehenden Divergenzen140 zwischen den Ländern und in Anbetracht vielfach „eng verflochtener Wirtschaft, starker Bevölkerungsfluktuation und bun-

133 Namentlich dem „Ordnungsprinzip der Freiheit“ gerecht zu werden, so von Unruh, DVBl. 1982, 184 (184); dem folgend Kirchhof, in: HStR  II, § 21 Rn.  94 und Hain, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 123 ff. 134 Vgl. dazu bereits Fn. 93 in diesem Abschnitt. 135 Dies entspricht in Kurzform der minuziöseren Illustration bei Bullinger, DÖV 1970, 761 (761 f.); vgl. auch Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 a α (S. 170) und § 5 IV 5 a γ (S. 171) sowie Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 66. 136 Dazu ausführlich an späterer Stelle in § 6 II. 137 Vgl. dazu BVerfGE 119, 331 (366) und Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 83. 138 Vgl. Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 51; Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 87 und Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 15. 139 Zum Vorstehenden Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 49. 140 Vgl. etwa die von Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 13 und Rn. 97 f. (dort m. w. N.) den Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91a ff. GG beigemessene Zielrichtung.

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desweit wirkenden politischen und gesellschaftlichen Organisationen“141 erscheint es ohne Weiteres angebracht, wenn nicht sogar geboten142, den Ländern unter­ einander sowie in ihrem Verhältnis zum Bund vielfältige Formen von Kooperationen zu ermöglichen, also die Ebenen im Staatsaufbau nicht kategorisch voneinander zu trennen, solange sie im Grundsatz weiterhin eigenständig tätig werden können. Auch dies ist eine nicht zu vernachlässigende Aussage des föderalistischen Staatsaufbaus, wie ihn das Grundgesetz gewählt hat und in welcher Weise es ihn im Einzelnen normiert.143 Ausgehend von den Bestrebungen des Bundesverfassungsgerichts, die Kommunikation zwischen Bund und Ländern durch Rücksichtnahme auf die jeweils andere Ebene mittels des Grundsatzes der Bundestreue zu verbessern und zu vereinfachen, finden zunehmend Absprachen beider Staatsgewalten bei solchen Entscheidungen statt, die auch die Sphäre des anderen berühren (können).144 Wie der oftmals herangezogene Begriff des kooperativen Föderalismus145 oder auch kooperativen Bundesstaates146 aufzeigt, sind die „Befugnisse des Bundes und der Länder […] eng miteinander verzahnt“147. Um der Vielfalt an rechtlichen wie tatsächlichen Bedürfnissen gerecht werden und diese innerhalb der Bundesrepublik angleichen148 zu können, ist über die gegenseitige Abstimmung hinausgehend auch ein gemeinschaftliches Handeln von Nöten.149 In Anbetracht der jeweils autonomen Staatsqualität kann im Verhältnis von Bund und Ländern – ähnlich des allgemeinen Völkerrechts, aber mit größerer Nähe und Vernetzung der Ebenen im Detail – in zulässiger Weise eine Kooperation erfolgen, wobei der eingehenden Differenzierung der verschiedenen Kompetenzen beim Gesetzesvollzug (gemäß der Art. 30, 83 ff. GG) Beachtung zu schenken bleibt.150 Zu differenzieren bleibt im Übrigen die vertikale (Bund-Länder) von der horizontalen 141

So Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 41, 55 – dort auch zu den nachstehenden Ausführungen im Fließtext. 142 Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 98 ff. legt die Entwicklung des VIIIa. Abschnitts des Grundgesetzes als Zeichen für einen fortwährenden „Koordinationsbedarf“ in diesem Bereich aus (hierzu samt Zitat Rn. 98 a. E.), befürchtet aber gleichzeitig ihre ausufernde Erweiterung in der Zukunft, wofür sich erste Anzeichen bereits verdichteten (vgl. insoweit Rn. 102 m. w. N.). 143 Vgl. Schmidt-Jortzig, DÖV 1998, 746 (746 f.). Noch weitergehend Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 45, dass ein „Minimum an Kooperationsbereitschaft […] jedem föderativen System immanent“ sei. 144 Vgl. hierzu Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 58 und ebenfalls Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 45. 145 Zahlreiche Nachweise hierzu bereits in der Fn. 231. 146 Entsprechende Nachweise in Fn. 83. 147 Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 33. 148 Vgl. die Formulierungen in Art.  72 Abs.  2 GG und Art.  106 Abs.  3 GG, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen; s. a. Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 41. 149 Maurer, Staatsrecht  I, § 10 Rn.  55; zudem Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1057. 150 Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 114.

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(Länder-Länder) Kooperation.151 Zu der hier interessierenden, erstgenannten Kooperationsform existieren im Grundgesetz nur wenige „punktuelle Regelungen“, die ihrerseits vor allem durch den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens ergänzt und erweitert werden.152 Maßgebliche Relevanz erlangt insoweit die eng mit der Legitimation verknüpfte Verantwortungsproblematik, die nicht durch eine Vermischung beider Ebenen unübersehbar oder sonst vermengt werden darf.153 Andernfalls könnten Bund und Länder durch zu viele Verbindungen untereinander – oftmals abwertend als „Beteiligungsföderalismus“154 oder ‚Unitarisierung‘155 bezeichnet und kritisch betrachtet – gegebenenfalls ihre jeweilige Eigenständigkeit verlieren, was wiederum ihre kompetenz- sowie verfassungsgerechte Aufgabenerfüllung in Frage stellen würde.156 151

Hierzu Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 44; vgl. insoweit auch im Troeger-Gutachten, Tz. 76. 152 Zum Vorstehenden samt Zitat Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 46; des Weiteren Rn. 53; angedeutet bereits in BVerwGE 50, 137 (148). So nennt das Grundgesetz lediglich in Art. 32, Art. 35, Art. 91, Art. 91a ff. und Art. 130 GG die Kooperation in diesem Bereich; vgl. bereits die Ausführungen in § 5 II. Prägnant zusammengefasst bei Rudolf, in: HStR VI, § 141 Rn. 25 ff.; s. a. Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. IV) Rn. 128. 153 Vgl. veranschaulichend Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 87 anhand des Beispiels einer mehrere Dienststellen (z. B.  Polizei, Marine, Zoll) vernetzenden Koordinationsinstanz der Küstenwache, deren „Hierarchiestrang für den endgültigen Einsatzbefehl unangetastet bleibt“ (zum Zitat a. a. O.). Zu der Thematik i. Ü. auch Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1054. 154 So Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182 (188 f.); Heitsch, Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, S. 10 und Oeter, Integration und Subsidiarität im dt. Bundesstaatsrecht, S. 486. Gegenmodell wäre ein „Konkurrenzföderalismus, Wettbewerbsföderalismus“, so Sommermann, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art.  20 Rn.  55 m. w. N.; dazu auch Häberle, AöR 124 (1999), 549 (555 ff.); Nettesheim, in: FS Badura, S. 363 ff.; Huber, Klarere Verantwortungsteilung, S. 44 f.; Schneider, NJW 1991, 2448 (2450); Badura, in: Bitburger Gespräche 1999/ II, S. 53 (54 f.). Der Vorschlag geht dabei in Richtung eines „kompetitiven Bundesstaates“, in welchem dessen Bestandteile (v. a. die Länder) in einen Wettbewerb treten – insoweit z. B. Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 32 f. m. w. N.; Schmidt-Jortzig, DÖV 1998, 746 ff., besonders S. 749 f.; Oeter, a. a. O., S. 567 f.; Arndt, in: Männle, Föderalismus zwischen Konsens und Konkurrenz, S. 31 (31 f.); Klatt, in: Meier-Walser / Hirscher, Krise und Reform des Föderalismus, S. 64 ff.; eher zurückhaltend Lenk, in: Bitburger Gespräche 1999/II, S. 31 (42 ff. und speziell S. 47 f.). 155 Hierzu etwa Hesse, Unitarischer Bundesstaat, S. 14 ff. und Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 31, letzterer zu diesbezüglichen Bedenken in Rn. 31 ff. und Rn. 55; vgl. zur historischen Entwicklung seit den 1960er Jahren bei Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 30 ff. Zur Unitarisierung allgemein Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182 (184); zu den Ideen gegenzusteuern vgl. schon die vorangegangene Fn. m. zahlr. Nachw. 156 Vgl. Heitsch, Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, S. 10 und daran anknüpfend, jedoch eingehender Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1052. Als bereits existente Beispiele nennt Letztgenannter (a. a. O.) die in den letzten Jahrzehnten erfolgte Kompetenzausweitung beim Bund bei gleichzeitiger Minimierung des Ländereinflusses auf den Bundesrat. Zum Ausgleich herrsche eine unüberschaubare Masse koordinativer Absprachen und Zusammenschlüsse, wo v. a. die Länder rechtlich nicht bindende Anregungen und Vorschläge unterbreiten könnten (vgl. Rn. 1053).

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Beide Ebenen dürfen namentlich nicht157 einer unübersehbaren, da gemischten Finanzierung sowie zusammengefügten Strukturen ohne Erkennbarkeit des Handelnden und zugleich Haftenden unterworfen werden. Angefangen bei unverbindlichen Absprachen über gegenseitige Interventionsinstrumentarien und gemeinsame Gremien bis hin zu gemeinsamen Einrichtungen wird der Gesamtstaat mit den Gliedstaaten auf diese Weise verknüpft und werden beide Ebenen (zudem noch die Länderebene in sich) in Einklang gebracht.158 Daraus resultiert mittlerweile ein weit verzweigtes und verwobenes „Netzwerk von Bund-Länder- und Zwischenländerkooperation“159. Doch bestehen insoweit erhebliche Unterschiede im Maß der Einwirkung und der Rechtsverbindlichkeit gegenseitigen Einwirkens160: Während einige Varianten informeller und überwiegend politischer Absprachen nach dem oben Gesagten wegen ihres strukturerhaltenden Charakters sogar aus dem Mischverwaltungsbegriff auszuklammern sind, verknüpfen die im Grundgesetz geregelten Kooperationsformen der Art. 91a–d GG und eventuelle gemeinsame Einrichtungen beide Verwaltungsebenen sehr deutlich miteinander. In diesen Fällen entsteht aus organisatorischen Gründen eine „institutionell verfestigte Kooperation“161, gewissermaßen im Sinne einer gemeinsamen Anlaufstelle. Für nähere Details soll an dieser Stelle auf die die Kooperationsformen betreffenden Ausführungen im vorangegangenen Kapitel Bezug genommen werden.162 Ziel sämtlicher Formen an Kooperation und Zusammenarbeit (v. a. im Bund-LänderVerhältnis) muss es deswegen sein, in einem angemessenen Verhältnis „zwischen einer klaren Aufgabenabgrenzung […] und der bundesstaatlichen Kräftekonzentration“163 157 So die sehr kompakte Zusammenfassung der von Fricke, in: Bitburger Gespräche 1999/II, S. 91 (103 ff.) zusammengetragenen Kritik an kooperativen Strukturen. 158 Hierzu ausführlich bereits in § 5 II. 3. und stellvertretend aus dem Schrifttum Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 41, 55 f. Zu den zahlreichen Möglichkeiten an Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen siehe vertiefend die schon älteren Zusammenstellungen bei Schneider, VVDStRL 19 (1961), 1 ff. samt Anhang (S. 34 ff.) und Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S. 299 ff. sowie Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 307 ff. Das weite Spektrum betont auch Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 50 m. w. N. Gute zusammenfassende Übersichten bei Pietzcker, in: Starck, Zusammenarbeit der Gliedstaaten im Bundesstaat, S. 17 ff. und Rudolf, in: HStR VI, § 141 Rn. 31 ff. 159 So Heitsch, Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, S. 11 und dies aufgreifend Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1053. Letztgenannter kritisiert (entsprechend der vorangegangenen Fn.  156), dass die eigentliche Kompetenzordnung des Grundgesetzes hierdurch „teilweise überdeckt“ (zum Zitat a. a. O., Rn. 1053 a. E.) werde. 160 Dazu knappe Feststellung bei Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 56. 161 So Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 14 m. w. N. 162 Vgl. eingehend § 5, dort zu den Grundlagen (§ 5 II. 2) und zu den einzelnen Kooperationsformen (§ 5 II. 3). 163 So im Troeger-Gutachten, Tz. 77 festgehalten. Dem stimmt Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 30, unter Wiederholung dieser Kernaussage, vollumfänglich zu. Zum sog. „kooperativen Föderalismus“ vgl. bereits § 5 II. 2. c) m. zahlr. Nachw.

§ 6 Die Grenzen der Mischverwaltung 

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zu bleiben. Keinesfalls darf es zu einer unüberschaubaren Verflechtung mehrerer Verwaltungsbereiche kommen.164 Um diese positive Entwicklung für das Bund-Länder-Verhältnis noch auszuweiten und die Kommunikation zu verstetigen bzw. Vorteile gemeinsamen Handelns zu nutzen, entstand aus der betonten kompetenziellen Bund-Länder-Separation seit den 1960er Jahren allmählich die Idee eines ‚kooperativen Föderalismus‘165, welcher nach ersten Denkansätzen einer Reform166 mit den Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91a sowie Art. 91b GG realisiert167 und damit verfassungsrechtlich legitimiert wurde.168 Jedes kooperative Zusammenwirken des Bundes mit den Ländern bedarf daher, mit Ausnahme gesonderter Fälle von Verfassung wegen, ihres Einverständnisses und umgekehrt auch dem des Bundes, wiederum Ausfluss des jeweils eigenständigen Staatscharakters.169 Diese Entwicklung ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass eine reine Isolation erhebliche Schwierigkeiten für das bundesstaatliche Miteinander mitsichbrächte. Immerhin wäre die nachhaltige und wirkungsvolle Durchführung einer Reihe von (verbundenen) Verwaltungsaufgaben, deren trennscharfe kategorische Zuteilung zu Bund oder Ländern oftmals ohnehin ausscheiden muss, zu bezweifeln und würde stattdessen mindestens eine wirkungsvolle länderübergreifende, institutionelle Kooperation voraussetzen.170 Insgesamt dürfte die richtige Ausgewogenheit171 zwischen kooperativem Zusammenwirken einerseits und ausreichender Entflechtung andererseits dem Bundesstaatsgedanken am ehesten Rechnung tragen. Entscheidende Bedeutung kommt hierbei der Frage zu, ob Bund wie auch Ländern eine hinreichende eigenverant 164 Ausführlich zur Verflechtungsproblematik und den sozial- wie politikwissenschaftlichen Analysen Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 48 f. m. zahlr. Nachw. Auch Schmidt-Jortzig, DÖV 1998, 746 (748) beschreibt eingängig die drohende Gefahr fehlender Verantwortlichkeiten. 165 Zu dieser Begrifflichkeit vgl. bereits Fn. 231 im vorangegangen Kapitel (§ 5). 166 Speziell im sog. Troeger-Gutachten; s. a. Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 47. 167 Durch das sog. Finanzreformgesetz (voller Titel: „Einunzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes“) vom 12. Mai 1969, abgedruckt in BGBl. I, S. 359 ff. 168 Vgl. zunächst BT-Drs. 6/3080, S. 31 und aus dem Schrifttum etwa Sachs, in: Sachs, GG, Art.  20 Rn.  58; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art.  20 Rn.  8 (an gleicher Stelle m. w. N. zu den einfachgesetzlichen Umsetzungsakten); Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 47; Stern, Staatsrecht I, § 19 IV 1 (S. 747 ff.), davon speziell Abschnitt b (S. 750 f.). 169 Vgl. bereits BVerfGE 1, 299 (315); insoweit betont BVerfGE 41, 291 (308) nochmals die Gleichberechtigung aller Teile des Bundesstaates. In dieselbe Richtung die Anmerkungen bei Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 112 und Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 58 (dort prägnant als „Prinzip der Einigung“ bezeichnet). 170 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 8; s. a. Hesse, in: FS Müller, S. 141 (141, 152 f., 156). 171 A. A. Schubert, Jura 2003, 607 (749), der einer „stärkeren Trennung“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.) zuneigt.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

wortliche Aufgabenwahrnehmung gewährleistet bleibt, d. h. jede der betroffenen staatlichen Ebenen auch weiterhin imstande ist, ihre Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen.

II. Grenze 2: Demokratie Ferner sind noch die Auswirkungen zu untersuchen, welche aus dem Demokratieprinzip als „Staatsstrukturprinzip“172 und damit „Grundlage des staatlichen Aufbaus“173 für die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung durch Bund und Länder gefolgert werden. 1. Begriffsverständnis und Bedeutung Art. 20 Abs. 1 GG bezeichnet die Bundesrepublik Deutschland unter anderem auch als demokratischen Staat, wobei das hierin erkannte Demokratieprinzip, wie auch die anderen Verfassungsgrundsätze, in anderen Grundgesetznormen – allen voran Absatz 2 – erst näher ausgestaltet und damit greifbar gemacht wird.174 Dabei ist das Demokratieleitbild eng mit den übrigen Verfassungsgrundsätzen des Art. 20 GG verwoben, da es die „freiheitliche, rechtsstaatliche, föderative, soziale, gewaltengegliederte, repräsentative und abwehrbereite Demokratie“175 verkörpert. Gemeinsam mit dem grundgesetzlichen Kerngedanken individueller Freiheit, wie er sich in den Grundrechten und speziell der Menschenwürde widerspiegelt, weist die Bundesrepublik einen somit eindeutig demokratischen Grundcharakter 172

So etwa Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 88 oder Dreier, Jura 1997, 249 (249); vgl. auch „Strukturentscheidung“ nach Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 406 und Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 1. Hingegen geht BVerfGE 107, 59 (91) davon aus, es handele sich um „eine Staatszielbestimmung und ein Verfassungsprinzip“. 173 So kurz und prägnant BVerfGE 1, 14 (33), aufgegriffen von Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 75. Bei Letztgenanntem ist wahlweise auch (a. a. O., Rn. 74) von den „maßstabsgebenden ‚Grundsätzen des Grundgesetzes‘“ (zum inneren Zitat vgl. wiederum BVerfGE 1, 14 (41)) die Rede; vgl. schließlich Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 55. 174 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. II) Rn. 10 f.; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 1. 175 So Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 39 in Anlehnung an die Auflistung bei Stern, Staatsrecht I, § 18 II 2 a (S. 600). In diesem Zusammenhang spricht Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 2 von einer Überschneidung insbesondere mit Elementen des Rechtsstaatsprinzips und einer schwierigen Abgrenzung gegenüber dem Bundesstaatsprinzip. Auch Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 14 akzentuiert den Brückenschlag zwischen demokratischer und rechtsstaatlicher Staatsstruktur (wörtlich a. a. O.: „keine Demokratie ohne rechtsstaatliche Ordnung“); des Weiteren finden sich dort (a. a. O., Rn. 18) Ausführungen betreffend den Zusammenhang mit den übrigen Verfassungsprinzipien sowie mit den Grundrechten, im Speziellen Art. 1 Abs. 1 GG.

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auf176, ohne dass man für diese Erkenntnis Demokratie als solche abschließend zu definieren oder zu bewerten bräuchte.177 a) Das „Prinzip“ der Demokratie Zu den entsprechenden Formgebungen einer Demokratie178 auf deutschem Boden im unmittelbar nachfolgenden Art. 20 Abs. 2 GG zählen die verfassungsrechtlichen Leitgedanken sowohl einer Volkssouveränität (in Satz 1) als auch einer repräsentativen Demokratie (in Satz 2).179 Danach geht die Staatsgewalt zwar vom Volke aus, wird aber durch von diesem gewählte Vertreter nur mittelbar ausgeübt.180 Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG macht deutlich, dass in Deutschland gleichzeitig Gestaltungsformen unmittelbarer Demokratie in Form von Wahlen und Abstimmungen (1. Halbsatz) wie auch solche mittelbarer Demokratie durch parlamentarische bzw. repräsentative Ausgestaltung existieren und nebeneinander bestehen.181 Grundlage dieser Begrifflichkeiten ist der historisch überkommene182 Gedanke, dass in der Demokratie das Volk – und zwar nur dieses183 – Inhaber der Staats 176

Vgl. Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 87 und Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. II) Rn. 1. Insoweit spricht Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 407 nicht ganz ohne Grund davon, dass es der „zentrale Verfassungsgrundsatz des Grundgesetzes überhaupt“ sein dürfte. 177 Letzteres ist wegen der vielgestaltigen Möglichkeiten kaum möglich, begrenzt sich wegen der Umsetzung im Grundgesetz aber ohnehin auf die normativ verankerten Wesenselemente, vgl. Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 18. 178 Demokratie wird gleichgesetzt mit der „freien Selbstbestimmung aller“, so BVerfGE 44, 125 (142) und BVerfGE 107, 59 (92); s. a. BVerfGE 83, 60 (71); dem folgend Pieroth, in: Jarass /  Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 4. 179 Vgl. Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. II) Rn. 12; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 27. 180 In diesen Kernelementen hebt sich die Demokratie von den anderen Staatsformen der Monarchie (als der alleinigen Herrschaft eines Einzelnen) und Aristokratie (als der Herrschaft weniger Privilegierter) ab. Vgl. hierzu Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 5, der auf die grundlegenden Ansätze bei Aristoteles im vierten Jahrhundert vor Christus verweist; zu dieser „Grundregel“ ebenso Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 406 (dort auch zum vorstehenden wörtlichen Zitat). 181 Vgl. die eingehende Darstellung der unterschiedlichen Formen (unmittelbar oder mittelbar, parlamentarisch oder präsidentiell, Mehrparteien- oder Einparteienstaat) bei Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 7, der sich in Rn. 34–57 sehr ausführlich und kritisch mit der unmittelbaren Demokratie und ihren Elementen im Grundgesetz auseinandersetzt. Dass die Demokratie in ihrer praktischen Verwirklichung überwiegend nur mittelbar ausgestaltet ist und unmittelbardemokratische Elemente eine quantitativ eher untergeordnete Rolle im politischen Alltag spielen, ist demgegenüber auf die weitere Konkretisierung im Grundgesetz zurückzuführen; dem Grunde nach sieht Art. 20 GG jedoch beide Möglichkeit gleichrangig vor. 182 Zur geschichtlichen Herkunft, Entwicklung, Konzepten und politischen Variationen Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 63 ff. sowie Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 1 ff., jeweils m. w. N. 183 Schon dem (alt-)griechischen Aszendenten lag die Bedeutung der „Volksherrschaft“ zugrunde, vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 61 m. w. N. und auch Sommermann,

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

gewalt ist. Um aber „im modernen, großflächigen und bevölkerungsreichen Staat mit seinen vielschichtigen und komplizierten Problemen politischer, sozialer, wirtschaftlicher, kultureller und technischer Art“184 überhaupt handlungs- und entscheidungsfähig sein zu können, kann nicht in jeder beliebigen Situation das gesamte Volk befragt werden, sondern müssen von diesem berufene Vertreter diese Aufgabe selbsttätig wahrnehmen und dies gleichzeitig dem Volk gegenüber verantworten. Weil nur das Parlament unmittelbar vom Volk gewählt und demnach am stärksten demokratisch legitimiert ist, obliegt ihm eine hervorgehobene Stellung dergestalt, die richtungsweisenden Entscheidungen selbst zu treffen und für alle weiteren Aufgaben die jeweils tätige Stelle in ausreichendem Maße demokratisch zu legitimieren.185 Zu diesen zentralen Leitsätzen des Prinzips treten noch weitere hinzu, die im Grundgesetz verstreut sind und entweder seinen Anwendungsbereich zu verbreitern oder es näher zu konkretisieren suchen. Erst sie füllen den demokratischen Grundgedanken im Einzelnen aus186 und helfen bei seiner Auslegung.187 Beginnend mit der Homogenität der einzelnen Länder (Art. 28 Abs. 1 GG188) und Entsprechung in der Europäischen Union (Art.  23 Abs.  1 GG) über die Berücksichtigung im Parteienwesen (Art. 21 GG) bis hin zu Kernelementen einer jeden Wahl (insbe­ sondere für die Wahl der Parlamentsmitglieder als Vertreter des Volkes gemäß Art. 38 GG) findet sich das Demokratieelement an vielen wesentlichen Positionen wieder189, etwa in der regelmäßig wiederkehrenden Formulierung „freiheitliche demokratische Grundordnung“ (z. B. in Art. 11 Abs. 2, Art. 18 S. 1 oder Art. 91 Abs. 1). Denn – wie bereits bei den anderen genannten Staatsprinzipien – lässt sich das Demokratieprinzip „nur anhand der konkreten Ausformung der Demokratie durch die Verfassung“190 auf bestimmte normative Aussagegehalte festlegen und in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 63. Des Weiteren ausführlich zum historischen Ursprung Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 415 m. w. N. und in den nachfolgenden Rn. 146 ff. zur geschichtlichen Entwicklung bis zur Neuzeit bzw. zur Genese der heutigen Grundgesetz-Regelung; s. a. Rn. 469 m. w. N.: „Regierung des Volkes, durch das Volk, für das Volk.“ 184 So die prägnante Formulierung bei Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 31; an gleicher Stelle auch zu den weiteren Ausführungen im Fließtext, die dem Zitat nachfolgen. 185 Zum vorstehenden Gedankengang insgesamt Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 31. 186 Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 484. 187 Kriele, VVDStRL 29 (1971), 46 (47); s. a. den Verweis auf den „ausfüllungsfähigen und ausfüllungsbedürftigen Rahmen“ bei Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 601. 188 Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 7, 15 hebt das demokratische als eines der Elemente hervor und fasst die maßgeblichen Inhalte für die Länder zusammen. 189 Vgl. BVerfGE 20, 56 (98); Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. II) Rn. 13; Sachs, in: Sachs, GG, Art.  20 Rn.  12 m. w. N.; Maurer, Staatsrecht  I, § 7 Rn.  18; s. a. auch Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 18, wonach diese Inhalte dem „Typuskern“ (zum Zitat a. a. O.) der Demokratie angehörten. 190 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 127; ferner Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 19; Kriele, VVDStRL 29 (1971), 46 (47); Stern, Staatsrecht I, § 18 I 2 (S. 589). D. h. im Ergebnis ist nicht auf abstrakte vorverfassungsmäßige Theorien, sondern alleine die Vorstellungen der verfassunggebenden Gewalt und deren Umsetzung zu rekurrieren.

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in seiner verfassungsrechtlich zugedachten Tragweite erkennen. Trotzdem lässt sich gerade aus dem letztgenannten Grund nicht behaupten, jede die Demokratie ausgestaltende Norm sei aufgrund dessen bereits unmittelbar als Bestandteil des Prinzips zu werten. Vielmehr ist das Leitbild auf die nicht ersetzbaren Herzstücke des Prinzips beschränkt und eine Erweiterung um „neue normative Gehalte“  – wenngleich generell denkbar – erheblich restringiert.191 Anders als beispielsweise das Bundesstaatsprinzip erschöpft sich die aus Art. 20 Abs. 1, 2 GG abgeleitete, demokratische Maxime jedoch nicht annähernd in der Zusammenführung der anderen relevanten Normen, sondern ihm selbst werden anerkanntermaßen zusätzlich Grundzüge und Leitsätze für das staatliche, demokratisch legitimierte Handeln zugeschrieben.192 Zu den zentralen, das Grundgesetz beherrschenden Elementen des Demokratieprinzips zählen in erster Linie die durch Wahlen und Abstimmungen ausgeübte Volkssouveränität mitsamt der ausreichenden demokratischen Legitimation staatlicher Organe, außerdem Freiheits- und Gleichheitsrechte mit Politikbezug193 sowie die Nachvollziehbarkeit staatlicher Entscheidungen mittels Öffentlichkeit und Transparenz.194 Hinzu treten weitere Grundsätze und Nuancen des Oberprinzips, welche sich zum Teil mit anderen Verfassungsprinzipien überschneiden. Insoweit wird aus dem rechtsstaatlichen Gesetzes- in bestimmter Hinsicht ein Parlamentsvorbehalt und dem grundsätzlichen Mehrheitsprinzip des parlamentarischen Regierungssystems steht ein grundgesetzlich garantiertes Oppositionsrecht, d. h. ein Schutz der Minderheit im Parlament, gegenüber.195 Auch hierbei handelt es sich aber um Vorstellungen des Verfassunggebers, die dieser dem Grundgesetz als solchem bzw. seiner Systematik zugrunde legte und die lediglich nicht selbstständig normiert sind – wohingegen vorverfassungs 191

Zum Vorstehenden samt Zitat Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 1; vgl. auch Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 14; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 19 und schließlich Schmitt, DÖV 1965, 433 (437), dieser bezugnehmend auf den Gehalt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. 192 Vgl. nur die Feststellung in BVerfGE 107, 59 (91), das Demokratieprinzip sei „entwicklungsoffen“, weil einer Erweiterung zugänglich; näher hierzu Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. II) Rn. 14; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 25; Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 147; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 515; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 1. Ganz allgemein zu allen Staatsprinzipien sieht Krebs, in: HStR III (2. Aufl. 1996), § 69 Rn. 74 einen gegenüber den normativen Grundlagen überschießenden, dem Grundgesetz aber gleichwohl immanenten Wert derselben  – sie sollen dadurch nicht „verbraucht“ (zum Zitat a. a. O.) sein. 193 Beispielsweise Kommunikationsgrundrechte, Parteiengerechtigkeit und freies, aber zeitlich begrenztes Mandat des Abgeordneten, vgl. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 10 m. w. N. und Rn. 22; s. a. die Auflistung bei Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 13. 194 Zum Vorstehenden insgesamt Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 4 ff. mit näheren Ausführungen. 195 Vgl. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 22 m. w. N. und Auflistung bei Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 13 m. w. N.

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mäßige Theorien unmaßgeblich zu bleiben haben.196 Eine (echte) Demokratie weist zwar unter Einbeziehung der vorhergehenden Ausführungen „bestimmte Mindestanforderungen“197 aus: Volkssouveränität, Volksvertretung, demokratische Legitimation(skette), Herrschaft auf Zeit, Mehrheitsprinzip und zugleich Minderheitenschutz, politische (Kommunikations-) Freiheiten, Wahlgrundsätze, Mehrparteiensystem. Jedoch sind die konkreten Ausformungen und die Ausgestaltung ihrer einzelnen Elemente, wie sie im Grundgesetz für die Bundesrepublik erfolgt ist, eben jener Niederlegung im Verfassungstext geschuldet198 und prägen als solche nicht die eigentliche Charakterisierung als Demokratie.199 b) Volkssouveränität Im Mittelpunkt200 der deutschen Demokratie steht die von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG verantwortete Volkssouveränität, die das (deutsche) Volk zum alleinigen „‚Träger‘ der Staatsgewalt“201 bestimmt. Gleichzeitig wird dem Volk im Verfassungsrecht die 196 Vgl. Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 19 und Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 408; außerdem Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 127; Stern, Staatsrecht I, § 18 I 2 (S. 589); Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 61. 197 So Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 81 (mit der Abschnittsüberschrift „Der änderungsfeste Kern des Demokratieprinzips“ sowie m. w. N. zum historischen Ursprung schon in der Weimarer Republik) und auch Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 13, jeweils mit dem Überblick über ihre zentralen Aussagen, wie sie nachstehend schlagwortartig zusammengefasst werden sollen. Auch Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 66 ff. benennt nacheinander einige „zentrale Strukturelemente“ (zum Zitat Rn. 66) und erläutert diese jeweils in einem eigenen Abschnitt (vgl. die dortigen Abschnittsüberschriften). 198 Vgl. „konkrete Ausgestaltung im Einzelfalle“ bei Sommermann, in: von  Mangoldt /  Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 87 m. w. N.; ferner Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 61. 199 Vgl. Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 61, dass eine Definition der Demokratie wegen der vielgestaltigen Möglichkeiten und unterschiedlichen Umsetzungen niemals abstrakt möglich sei, sondern nur auf der Grundlage der jeweiligen Verfassung. Dies bezeichnet SchmidtAßmann, AöR 116 (1991), 329 (333) als „unverwechselbares demokratisches Gepräge“; s. a. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 60 m. w. N., wonach die Demokratie eher die grobe politische (Ziel-)Richtung vorgäbe und zu keiner Zeit erschöpfend umzusetzen sei. Entsprechendes bekräftigen Badura, in: HStR II, § 25 Rn. 41; von Münch / Mager, Staatsrecht I, vor Rn. 667 sowie in einer Vorauflage (6. Aufl. 2000) noch deutlicher von Münch, Staatsrecht I, Rn. 119; des Weiteren Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 18; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 127; Unger, Verfassungsprinzip der Demokratie, S. 247 f.; Stern, Staatsrecht I, § 18 I 2 (S. 589). 200 Von Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 82 als „Fundamentalsatz demokratischer Ordnung“ geadelt; ähnlich Morlok, in: FS 50 Jahre BVerfG II, S. 559 (560) mit eingehenden Ausführungen zur Volkssouveränität. Diesbezüglich spricht Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 2 von einem „verbindlichen Leitgedanken“, Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 27 von einem „Kernelement“ und Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 238 vom „Ausgangspunkt“. 201 So prägnant in Anlehnung an den Verfassungswortlaut Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 27 und Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 25; s. a. BVerfGE 83, 60 (71) und Maurer, Staatsrecht I, § 7

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herausgehobene Stellung als verfassunggebende Gewalt zuerkannt.202 Dem liegt ganz allgemein das „Leitbild der politischen Selbstbestimmung gleichberechtigter Bürger“203 zugrunde. Weil nur das Volk204 staatliches Tätigwerden zu legitimieren vermag205, muss es auf alle drei Staatsgewalten und ihre ausführenden Organe in hinreichend aussichtsreicher und durchgreifender Weise einwirken und demgemäß die eigene Willensentscheidung durchsetzen können.206 Soweit das Volk, was praktisch für die große Vielzahl aller Angelegenheiten gilt, nicht unmittelbar selbst entscheidet, muss mit-

Rn. 1, 11, 18, 20. Die heutige Formulierung geht zurück auf den Vorschlag des Abgeordneten Dr. Schmid, der den Gehalt folgendermaßen charakterisierte: „Es soll damit ausgesprochen werden, daß das ganze Leben des Staates von dem Fundamentalsatz durchdrungen ist, daß das Volk Träger aller Gewalt ist.“ (abgedruckt in JöR n. F. (1951), S. 196); vgl. daneben die deutlichere Formulierung in der Bayerischen Verfassung, dort Art. 2 Abs. 1 S. 2: „Träger der Staatsgewalt ist das Volk“; ferner Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 2 ff., besonders Rn. 5; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. II) Rn. 12; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 39; Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 2 ff.; Morlok, in: FS 50 Jahre BVerfG II, S. 559 (559 ff.); Grawert, in: HStR II, § 16 Rn. 30. Der dem Art. 20 GG in der dortigen Formulierung „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ zugrundeliegende Gedanke geht historisch auf die Entwicklungen in den heutigen USA (seit 1776) und Belgien (1831) sowie v. a. die Französische Revolution (1791) zurück, vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 82 f. und Rn. 11 ff. – dort mit näheren Ausführungen und Nachweisen zum historischen Ursprung (zu den genannten frühen Verfassungen die dortige Fn. 45), in Rn. 18 ff. zur Genese der grundgesetzlichen Umsetzung. 202 In Anlehnung an die Formulierung der Volksgewalt in der Präambel des Grundgesetzes und Art. 146 GG a. F. nach Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 27 a. E.; unter Bezugnahme auf diese der Verfassung vorhergehende Rolle auch als „pouvoir constituant“ bezeichnet (siehe hierzu im Einzelnen in § 8 III.). 203 So Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 82; ganz ähnlich auch schon BVerfGE 44, 125 (142); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 4; Hillgruber, AöR 127 (2002), 460 (461), Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 469, 494. Zum Prinzip der Selbstbestimmung, dessen „organisationsrechtliche Grundlage“ die Demokratie sei, eingehend Emde, Demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 384 (dort auch zum vorstehenden wörtlichen Zitat) sowie zur „Herrschaft der Freien und Gleichen über sich selbst“ jeweils Hain, Grundsätze des GG, S. 325 und Unger, Verfassungsprinzip der Demokratie, S. 250, beide mit näheren Ausführungen zu den Grundlagen (Hain, S. 326 ff. bzw. Unger, S. 151 ff.) und zum Rückbezug auf die „unbedingten Leitgedanken Freiheit und Gleichheit“, so Hain, S. 326 sowie ähnlich Unger, S. 150 f.; schließlich noch Stern, Staatsrecht I, § 18 II 5 d (S. 613 f.) m. zahlr. Nachw. 204 Deshalb auch als Legitimationssubjekt bezeichnet, wobei insoweit (in räumlicher Hinsicht) zwischen Bund und Ländern zu unterscheiden bleibt, dazu Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 583. 205 Vgl. Sachs, in: Sachs, GG, Art.  20 Rn.  27; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art.  20 (Abschn. A) Rn. 4. 206 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 40, 43 spricht beispielhaft von „Hierarchien und Legitimationsketten“ (Rn. 40) im Verwaltungsaufbau. Damit ist gemeint, dass die Volksmehrheit Entscheidungen „frei und gleich“ treffen kann, so (einschließlich des Zitats) Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 12; vgl. ebenfalls Hillgruber, AöR 127 (2002), 460 (468).

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telbar eine Rückführung auf seinen Willen sichergestellt sein.207 Deshalb formt das Volk durch die Wahl seiner Vertreter im Parlament den Staatsaufbau nach seinem Willen, insofern auch verstanden als „Prozess der politischen Willensbildung“.208 Denn alle staatlichen Legitimationsobjekte – sei es auf Bundes- oder Länderebene (einschließlich Kommunen) – erlangen die nötige Legitimation, die vom Legitimationssubjekt Volk ausgeht, mittelbar über das direkt gewählte Parlament (Bundesoder Landtag) als Zwischenglied.209 Der Legitimation zum Handeln bedarf jede staatliche Stelle, soweit ihr Tätigwerden den Rechtskreis des Einzelnen in irgendeiner Form bindend ordnet oder zumindest hierauf abzielt.210 Verfassungsrechtlich ist das Verlangen nach Legitimation mittels geordneter, rhythmisch wiederkehrender und im Einzelnen festgelegter Wahlen der Volksvertre­ ter umgesetzt worden.211 Zu differenzieren ist hierbei trotz einiger Verflechtungen im Detail212 zwischen den die Volksgewalt ausübenden Vertretern als besonderen Organen im Sinne von Art. 20 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 GG, welche den staatlichen Willen ersatzweise für das Volk verkörpern, sowie der eigentlichen Volksgewalt, welche ihren Willen nur in Wahlen und Abstimmungen gemäß Hs. 1 bildet und nur dann eigene Staatsgewalt ausübt.213 Aber auch wenn regelmäßig anstelle des Volkes unmittelbar lediglich seine gewählten Vertreter entscheiden und ihnen insofern „die politische Verantwortung gegenüber dem Bürger“214 obliegt, wird die eigentliche

207 Aus der Rspr. etwa BVerfGE 47, 253 (275); BVerfGE 77, 1 (40); BVerfGE 83, 60 (72); BVerfGE 93, 37 (66); BVerfGE 107, 59 (87). Des Weiteren aus dem Schrifttum Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 82 m. w. N.; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 83; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 742, 808; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 23; Stein, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. III) Rn. 32 (dort prägnant als „Rückkopplungsprozesse“ bezeichnet) sowie Rn. 36; Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 93; schließlich noch D’Atena, JöR n. F. 47 (1999), 1 (3: „vom Volkswillen ableitbar“); Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 8, 11 und Jestaedt, JuS 2004, 649 (650). 208 Zum Vorstehenden insgesamt inkl. Zitat BVerfGE 20, 56 (99). 209 BVerfGE 83, 60 (74 f.). 210 Vgl. BVerfGE 47, 253 (273); BVerfGE 77, 1 (40); sehr prägnant (dort jeweils wörtlich „alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter“) auch BVerfGE 83, 60 (73); BVerfGE 93, 37 (68); BVerfGE 107, 59 (87); darüber hinaus Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 29; Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 12 f.; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 40. Noch weitergehender als hier Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 62, wonach sämtliches Staatshandeln gleich welcher Form erfasst sei. 211 Vgl. schon BVerfGE 1, 14 (33) und später Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 39. 212 BVerfGE 20, 56 (99). 213 Vgl. „Volk als Verfassungs- und Kreationsorgan“ in BVerfGE 20, 56 (98); zur Thematik außerdem Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 4 und Rn. 8 (an letztgenannter Stelle bezeichnet als „Repräsentationsprinzip“); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 43. Im Übrigen findet sich eine eingängige Differenzierung bei Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 20. 214 So BVerfGE 118, 244 (260) bezogen auf Bundestag und Bundesrat; daran anknüpfend auch Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 28.

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Staatsgewalt215 hinter diesen repräsentativen Vertretern mittelbar weiterhin dem Volk zugestanden. In Anbetracht der bundesstaatlichen Doppelung in Gesamt- und Gliedstaaten (vertikale Gewaltenteilung) ist auch beim Demokratieprinzip zu differenzieren zwischen den einzelnen Landesvölkern und dem aus ihnen allen zusammengesetzten Bundesvolk: Folgegemäß existieren sowohl auf der jeweiligen Landes- als auch auf der Bundesebene voneinander zu unterscheidende Parlamente und Ministerien mit ihnen nachgeordneten Behördenstrukturen.216 Im Übrigen stehen Bundesstaatsund Demokratieprinzip jedoch nebeneinander als unabhängige Staatsprinzipien, deren jeweilige Aussage grundverschiedene Gestaltungen betrifft.217 Abweichend von ihrem Verhältnis zueinander überlappen sich hingegen trotz ungleicher Intention218 Demokratie und Rechtsstaat in vielen Bereichen und restringieren sich zum Teil sogar gegenseitig219, was wiederum positive Auswirkungen für die Beschränkung der Staatsgewalt und die im Sinne einer freiheitswahrenden Verfassung anzustrebende Gewaltenteilung hat.220 2. Aussagen zur Mischverwaltung Hinsichtlich der Mischverwaltung ist bislang die grundsätzliche Trennung der Verwaltungsräume von Bund und Ländern im Bundesstaat erörtert worden. Zu diesem Aspekten tritt das Demokratieprinzip als eine Art vorausgesetzter Basis 215 Gewissermaßen gleichzusetzen mit einer andauernd vorhandenen „Zentralinstanz der Verfassungsordnung“, so einprägsam Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 28; hierzu auch Badura, in: HStR II, § 25 Rn. 34. 216 Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 33. 217 Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 146 betont deshalb die „Eigenständigkeit des föderalen Gedankens“ gegenüber demokratisch-freiheitlichem Gedankengut. Zum Zusammenwirken von Bundesstaat und Demokratie ausführlich Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 272 f. und Möllers, in: Aulehner / Dengler u. a., Föderalismus – Auflösung oder Zukunft der Staatlichkeit?, S. 81 (97 ff.), letzterer auch mit Hinweisen auf die Unterschiede. 218 Vgl. dazu Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 492 und Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 2. Allgemein zu den Differenzen, aber auch den Gemeinsamkeiten Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 83 f. bzw. Rn. 86. Zu der gegenseitigen Wechselwirkung und differierenden Zielrichtung auch Hillgruber, AöR 127 (2002), 460 (467 f.); eingehende Untersuchung bei Wolff, Verhältnis von Rechtsstaats- und Demokratieprinzip, S. 19 ff. 219 Vor allem lässt sich feststellen, „daß Demokratie auf eine bestimmte Legitimation der Staatsgewalt, der Rechtsstaat auf dessen Limitation zielt“, so treffend Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 147. Bei Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 492 ist insoweit die Rede von „Spannungslagen“; hierzu eingehend ebenfalls Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 87 ff. 220 Denn durch eine derartige Restriktion verschiedener Prinzipien untereinander erfährt der Staat bei richtiger Umsetzung eine gestärkte Stellung als „gewaltenteilende Demokratie“, so BVerfGE 68, 1 (87) bzw. Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 813.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

hinzu, die gewissermaßen als Schnittstelle fungiert: Es schafft in der vom Volk ausgehenden Legitimation staatlichen Handelns die erforderliche Basis, um rechtlich verbindliche Anforderungen an die Verwaltungstätigkeit zu stellen und jedes Staatshandeln gemäß den bundes- oder rechtsstaatlichen Vorgaben zu kanalisieren. Nachfolgend sollen diejenigen Aussagen demokratischer Grundsätze im Grundgesetz benannt werden, die speziell bei der Beurteilung mischverwaltungsrechtlicher Strukturen Wirkungen zeitigen. a) Demokratische Legitimation und Verantwortlichkeit Zentrales Element des Demokratieprinzips ist nach dem zuvor Gesagten vor allem das Erfordernis einer ausreichenden demokratischen Legitimation der handelnden Staatsorgane, weil die Staatsgewalt originär dem Volk in seiner Gesamtheit zusteht und nur aus Praktikabilität einzelnen Vertretern übertragen ist. Von allen genannten Unterprinzipien genießt dieses aus der Volkssouveränität gewonnene Demokratieelement besonderen Nachdruck. Nach dem grundlegenden Verständnis von Demokratie – und als wesentlicher Ausdruck ihrer Verwirklichung221 – sollen staatliche Hoheitsakte ihre (Legitimations-)Quelle stets im Volk finden (vgl. Art. 20 Abs. 1 S. 1 GG) und die gewählten Hoheitsträger für ihr Handeln in Ansehung dieser Rolle Verantwortung übernehmen, kurz zusammengefasst: Es muss ein „hinreichend effektiver Gehalt an demokratischer Legitimation“222 gegeben sein. Soweit die gewählten Hoheitsträger die Staatsgewalt (bestehend aus Legislative, Exekutive oder Judikative)  in Stellvertretung des Volkes ausüben, bedürfen sie eines hinreichenden Maßes demokratischer Legitimation.223 Unter demokratischer Legitimation versteht man den Zustand, dass staatliches Handeln, sei es auch über 221 Auch als „integraler und nicht abtrennbarer Bestandteil des demokratischen Prinzips“ bezeichnet, so Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 77; ähnlich auch Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 18 und Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 38. Grundlegend zur demokratischen Legitimation Stern, Staatsrecht I, § 18 I 4 b (S. 593 f.) sowie § 18 II 4 a (S. 604). 222 Zum Vorstehenden samt Zitat BVerfGE 89, 155 (182). Dem vorhergehend, aber noch geringfügig anders formuliert (dort jeweils „hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation“) bereits BVerfGE 83, 60 (72) und im Anschluss hieran ebenso Sannwald, in: SchmidtBleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 61; ebenso Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 34 und Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 180. Diesbezüglich merkt Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 41 an, dass es an konkreten Vorgaben für den Vermittlungsprozess Bürger-Staat mangelt. 223 Dazu aus der Rspr. etwa BVerfGE 47, 253 (272, 275); BVerfGE 77, 1 (40); BVerfGE 83, 60 (71 f.); BVerfGE 93, 37 (66 f.) und BVerfGE 107, 59 (87); ferner aus dem Schrifttum Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. II) Rn. 117 (vgl. alleine den Titel der genannten Rn.); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 11; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 35; Stein, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. III) Rn. 36. Nach Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 21 ist es der „Schlüsselbegriff“, soweit im Rahmen der Demokratie das Handeln der Staatsgewalt zu beurteilen sei.

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mehrere Mittler hinweg, letztlich auf den „Willen des Volkes“224 zurückzuführen und durch diesen gestützt225 ist. Diese Voraussetzung muss typischerweise jedes hoheitliche Tätigwerden „mit Entscheidungscharakter“226 erfüllen, darüber hinaus aber wohl sogar jedes vom Staat veranlasste Tätigwerden.227 Erst wenn sich die Vertreter dem Volkswillen unterworfen haben, von ihm gebilligt wurden und das Volk ausreichende Möglichkeiten der Einflussnahme zurückbehält228, sind sie im Sinne eines Zurechnungs- und Verantwortungszusammenhangs demokratisch legitimiert, d. h. zu ausführenden, das Volk bindenden und damit von ihm zu verantwortenden Handlungen ermächtigt.229 Dies entspricht der bekannten Formulierung des Bundesverfassungsgerichts230: „In einer Demokratie muß sich diese Willensbildung […] vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin, vollziehen.“ Das Volk wirkt dabei durch Wahlen als ‚Sprachrohr‘ des Volkswillens in erster Linie personell auf die Vertreter selbst ein, bestimmt aber zugleich auch die künftige inhaltliche Ausrichtung staatlichen Handelns.231 Entscheidende Relevanz kommt somit dem „Zurechnungs-, Verantwortungs- und Legitimationszusammenhang zwischen Volk und Staatsorganen“232 zu, der durch eine „ununterbrochene Legitimationskette“233 zwischen diesen dokumentiert wird. Ohne die hiermit einhergehende Veranschaulichung der Verantwortlichkeiten wäre dem aus der Mitte des Volkes stammenden Wähler jede Reaktion auf vergangenes hoheitliches Handeln im Rahmen der nächsten Wahl verwehrt, weil dies die Kenntnis davon voraussetzt, „wen er wofür – auch durch Vergabe oder Entzug 224

Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 26. Vergleichbar einem Blitzableiter: Das Volk bildet hierbei gewissermaßen die Erdung, in welcher das Kabel beginnt bzw. endet. 226 Vgl. hierzu bereits die Nachweise in Fn. 211 in diesem Abschnitt. Mit der zitierten Formulierung insbesondere schon BVerfGE 83, 60 (73); BVerfGE 93, 37 (68); BVerfGE 107, 59 (87); dem folgend u. a. Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 25. 227 Vgl. zum weiteren Verständnis Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 25 oder Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 87. 228 BVerfGE 83, 60 (71 f.) und BVerfGE 93, 37 (66). 229 Hierzu Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. II) Rn. 117, 126; Dreier, in: Dreier, GG, Art.  20 (Demokratie)  Rn.  84,  109; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 578, 584; Stein, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. III) Rn. 32; Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 11 ff. 230 So BVerfGE 20, 56 (99). 231 Vgl. Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. II) Rn. 118; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 35; ähnlich Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 26. 232 So etwa Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 109; vgl. ebenfalls Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 578. 233 So wörtlich jeweils in BVerfGE 47, 253 (275); BVerfGE 52, 95 (130); BVerfGE 77, 1 (40); BVerfGE 83, 60 (73); BVerfGE 107, 59 (87). Dies griff die Literatur auf, so etwa Stein, in: AKGG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. III) Rn. 36; Hillgruber, AöR 127 (2002), 460 (468); Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 63; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 12 sowie Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 577 f. und Rn. 808. 225

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

seiner Wählerstimme – verantwortlich machen kann“234. Speziell hinsichtlich der hier in Rede stehenden Beurteilung gemeinschaftlicher Einrichtungen von Bund und Ländern ist dieser Verantwortlichkeitsaspekt235, wie bereits die Ausführungen zu Bundes- und Rechtsstaat gezeigt haben, ausschlaggebend. Bringt die Vergemeinschaftung mit sich, dass ein Verwaltungsträger trotz eigener Zuständigkeiten an eine Mitwirkung des anderen oder gemeinsame Beschlüsse gebunden wird, ohne hiervon abweichen zu können, existieren erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken auch in demokratischer Hinsicht.236 Denn in diesen Fällen wird die demokratische Legitimation des einen durch die zwingende Einflussnahme bzw. mindestens mögliche Einwirkung des anderen durchbrochen.237 Demokratische Legitimation und demokratische Verantwortlichkeit sind, wie dies zeigt, eng miteinander verknüpft und aufeinander bezogen.238 Nach den Anforderungen der Verfassung, die das Bundesverfassungsgericht formuliert hat239, muss sich jegliches Staatshandeln zu diesem Zweck nicht nur innerhalb der grundgesetzlich zugewiesenen Kompetenzen halten, sondern es sollte als Ausfluss des Demokratieprinzips zugleich stets auf das Volk als Legitimations­ subjekt und Verantwortungsträger rückführbar sein.240 Darauf, dass Demokratie die Freiheit und Gleichheit jedes Einzelnen voraussetzt, wurde bereits hingewiesen. Dies gilt allerdings – als Ausfluss der Menschenwürdegarantie241 – gleichermaßen für die staatliche wie auch die gesellschaftliche Willensbildung des Volkes.242 Damit sind die handelnden Volksvertreter bzw. die aus ihnen zusammengesetzten Organe auf eine personelle und die von ihnen getroffenen Entscheidungen inhaltlich auf eine sachliche Legitimation angewiesen.243 234

So BVerfGE 119, 331 (366 a. E.). Vgl. Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 36 und Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, S. 277 f. 236 Dies gilt jedenfalls im Falle der Überkreuzung ihrer Kompetenzen und somit ihrer verschie­ denen „Legitimationsstränge“ (Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 22.1) bzw. „Entäußerung der Handlungskompetenz“ (Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 43 m. w. N.). 237 BVerfGE 119, 331 (366). 238 Vgl. BVerfGE 83, 60 (71 f.); BVerfGE 93, 37 (66 f.) und besonders deutlich BVerfGE 119, 331 (366); treffend Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 28: „Reziprok zur Legitimationskette verläuft die Kette der Verantwortlichkeit.“ 239 Vgl. BVerfGE 38, 258 (271); BVerfGE 47, 253 (272, 275); sehr deutlich BVerfGE 77, 1 (40); BVerfGE 83, 60 (71 f.) und wiederum BVerfGE 89, 155 (182); ergänzend auch Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 57. 240 Die Eindeutigkeit der „Verantwortungszuordnung“ wurde in jüngster Zeit nochmals beson­ ders in BVerfGE 137, 108 (144) betont (dort auch zum Zitat). 241 Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 55. 242 So Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 76; angedeutet schon bei ders., Grundsätze des GG, S. 340 (dort Fn. 77). 243 Siehe Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 180 in Anlehnung an die in BVerfGE 83, 60 (72) vorgenommene Unterscheidung; zur personellen Legitimation zusammenfassend BVerfGE 44, 125 (138 ff.). Hinzu tritt gemäß BVerfGE 49, 89 (125) noch die „institutionelle und funktionelle demokratische Legitimation“, die durch die verfassungsrechtliche Einrichtung anderer Gewalten und ihre gesetzliche Ausformung vermittelt wird. 235

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b) Legitimationsvermittlung Durch jahrelange Diskussion in Rechtsprechung244 und Literatur245 ist mittler­weile eine „ausdifferenzierte Dogmatik demokratischer Legitimationsvermittlung“246 herangewachsen, welche im Ergebnis allein die durch eine Gesamtbeurteilung festzustellende Qualität bzw. Effektivität der demokratischen Legitimation – zusammengefasst unter „Legitimationsniveau“ – für entscheidend hält, nicht hingegen deren konkrete Gestalt.247 Hierunter wird ein angemessenes Maß effektiver Einflussnahme der Volksgemeinschaft verstanden, das anhand des konkret betroffenen Staatshandelns bzw. seiner Tragweite zu ermitteln ist und abhängig von der Länge der Legitimationskette vom Volk zu dem jeweiligen Staatsorgan verschieden gewichtig ausfallen kann.248 244 Aus der Rspr. des BVerfG etwa BVerfGE 47, 253 (275); BVerfGE 52, 95 (130); BVerfGE 77, 1 (40); BVerfGE 83, 60 (73); BVerfGE 107, 59 (87). 245 Vgl. die Übersicht bei Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 109 ff. m. zahlr. Nachw. aus dem Schrifttum, jeweils in Anlehnung an die genannte Rspr., besonders: Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 11 ff.; Morlok, in: FS 50 Jahre BVerfG II, S. 559 (567 f., 569 f.); Wittreck, Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 115 ff.; Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, S. 178 ff. Zur „Systematik demokratischer Legitimation“ (so die Kapitelüberschrift) besonders eingehend Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 265 ff., dort des Weiteren auch S. 301 ff.; s. a. Di Fabio, in: FS Badura, S. 77 (83 ff.); Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (337 ff.); Ehlers, Jura 1997, 180 (184 f.). Darüber hinaus werden diverse, vom BVerfG losgelöste Gegenvorschläge diskutiert, so etwa bei Tschentscher, Demokratische Legitimation der Dritten Gewalt, S. 113 ff. (dort „Kontrollmodell“) oder Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 140 ff. Schließlich existieren auch kritische Stimmen gegenüber dem herrschenden Konzept zur Bewertung ausreichender staatlicher Legitimation, anstelle vieler etwa Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S.  281 ff. Insgesamt zusammenfassend Zacharias, Jura 2001, 446 ff. und wiederum Dreier, a. a. O., Rn. 118 samt mehrerer Nachweise in der dortigen Fn. 341. 246 So die rückblickende Feststellung bei Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. II) Rn. 119. 247 Aus der Rspr. etwa BVerfGE 83, 60 (72); BVerfGE 89, 155 (182); BVerfGE 93, 37 (67); BVerfGE 107, 59 (87). Aus dem Schrifttum z. B.  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  20 (Abschn. II) Rn. 119, 126; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 11; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 35; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 113; Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 170 mit näheren Erläuterungen; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 578 f., 581, 584 f.; Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 11, 14; Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, S. 197 ff.; sehr prägnant Emde, Demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 385: „Das Maß der demokratischen Legitimation ist festgeschrieben, während seine Formen dispositiv sind.“ Zum Legitimationsniveau schließlich noch Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 63, 92; Jestaedt, Der Staat 35 (1996), 633 (635 f.) sowie Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 160 ff., in dessen eigenem Ansatz dies ebenfalls eine zentrale Rolle einnimmt. 248 Vgl. Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. II) Rn. 119, 126; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 35; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn.  579. Letztgenannter macht das Maß der Legitimation von der Bedeutung der Entscheidung abhängig (auch hierzu a. a. O.); dazu ebenfalls Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art.  20 (Abschn. A) Rn. 11; Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443); Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 109.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

Dass vom Volk zu den jeweils handelnden Staatsorganen bzw. Stellen der staatlichen Verwaltung eine kontinuierliche und lückenlose Legitimationskette vorausgesetzt wird, die regelmäßig mittelbar über den Umweg des gewählten, folglich direkt personell legitimierten Parlaments gewährleistet werden soll, bezeichnet man als personelle Legitimation.249 Davon zu unterscheiden ist die sachlich-inhaltliche (bzw. materielle) Legitimation, aufgrund derer staatliche Stellen in der Verwaltung hierarchisch verpflichtet sind, sei es gegenüber den durch das Parlament bewilligten gesetzlichen Vorgaben oder Weisungen / Direktiven im Verhältnis von Parlament zu Regierung bzw. im Rahmen ihrer Aufsicht gegenüber den Behörden.250 Hingegen haben Weisungen in Anbetracht des freien Mandats keine Relevanz für die Abgeordneten im Parlament, die in sachlicher Hinsicht als Volksvertreter und Repräsentanten des Volkswillens autark beschließen können.251 Zwischen den vielfältigen Variationen staatlicher Hoheitsmacht bestehen erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Stärke und Intensität des Legitimationsniveaus, basierend auf den Ungleichheiten in der Korrelation zum Volk und folgerichtig in Anbetracht der jeweils verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben.252 Während sämtlichen Staatsgewalten ohne Unterschied unmittelbar aus der Verfassung he­ raus253 institutionelle und funktionelle demokratische Legitimation zugedacht wird, existieren gewisse Unterschiede im Bereich der personellen und inhaltlichen demo­ 249

Zur personellen Legitimation vgl. BVerfGE 83, 60 (72 f.); BVerfGE 93, 37 (67 f.); BVerfGE 107, 59 (87 f.); nicht so eindeutig, inhaltlich aber in dieselbe Richtung BVerfGE 77, 1 (40). Des Weiteren Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 12; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 580, 586; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 111; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 36; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 26; Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 94; Stein, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. III) Rn. 38; eingehend Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 267 ff.; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (360 ff.); Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, S. 180 ff. und Kahl, AöR 130 (2005), 225 (237 ff.); schließlich noch Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 16; Ehlers, in: FS Stein, S. 125 (134); Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 28; Zacharias, Jura 2001, 446 (447). 250 Zur materiellen Legitimation vgl. BVerfGE 83, 60 (72); BVerfGE 93, 37 (67); BVerfGE 107, 59 (88); außerdem Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 14; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 112 m. w. N.; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 26; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 580, 586; Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 95; Stein, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. III) Rn. 39; eingehend Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 334 ff.; SchmidtAßmann, AöR 116 (1991), 329 (357 ff.); Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, S. 184 ff. und Kahl, AöR 130 (2005), 225 (242 ff.); s. a. Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 21; Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 28; Zacharias, Jura 2001, 446 (447). 251 Vgl. BVerfGE 44, 308 (315 f.); BVerfGE 56, 396 (405 f.) und BVerfGE 80, 188 (217)); ferner Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 36 a. E. sowie Stern, Staatsrecht I, § 22 II 5 b (S. 963) und eingehend zum freien Mandat der Abgeordneten § 24 IV (S. 1069 ff.). Zur Volks-Repräsentation näher Badura, in: HStR II, § 25 Rn. 34 ff., speziell Rn. 36 sowie zusammenfassend Kirchhof, in: FS Badura, S. 237 (241 ff.). 252 BVerfGE 83, 60 (72). 253 Deshalb ist bei Stein, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. III) Rn. 37 die Rede von „verfassungsrechtlicher Legitimation“.

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kratischen Legitimation.254 Trotzdem können diese Divergenzen nicht als Legitimationsdefizit einzelner Staatsorgane verstanden werden, weil ihr Legitimationsniveau vielmehr nur in der Stärke bzw. Intensität  – gemeint ist die Anzahl der Glieder in der Kette – divergiert, sie aber dennoch in der Verfassung jeweils eigene, staatslenkende Verantwortlichkeiten zugewiesen erhalten haben und erst in der Gesamtheit den Volkswillen umsetzen.255 Die einzelnen Legitimationsformen „wirken bausteinartig zusammen und können sich […] wechselseitig kompensieren“256. Bei direkt vom Volk gewählten Vertretern ist die Legitimationswirkung unverkennbar durch die Wahlen und Abstimmungen gegeben. Indem die Bürger, zumeist mehrheitlich, ein bestimmtes Repräsentationsorgan zur Staatsführung an ihrer Stelle bestimmen, üben sie selbst Hoheitsgewalt aus und ermächtigen dieses dazu, es künftig an ihrer Stelle zu tun. In Anbetracht der bei einer Mehrheit an Menschen unabweislichen „Willensvielfalt“257 setzt Legitimation seiner Vertreter die regelmäßig wiederkehrende Bestimmung durch das Volk zwingend voraus. Allerdings kann in einem modernen Staat aufgrund der Vielfalt zu treffender Entscheidungen nicht jede Entscheidung durch einen unmittelbar gewählten Vertreter getroffen werden. Dies ist vielmehr klassische Aufgabe eines Verwaltungsapparats. Damit es jedoch dem jeweiligen Sachentscheider ebenfalls nicht an der nötigen demokratischen Legitimation mangelt, weist die Verwaltung eine von den gewählten Vertretern ausgehende absteigende, hierarchische Struktur auf, um 254

Zu den Begrifflichkeiten vgl. bereits die vorstehenden Fn. 250 und 251, aus den dort genannten Fundstellen v. a. BVerfGE 83, 60 (72); Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 35 f.; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 110 ff. m. w. N. Zu den unterschiedenen Formen demokratischer Legitimation auch BVerfGE 49, 89 (125); BVerfGE 68, 1 (88, 109); BVerfGE 107, 59 (87); Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 14 ff. und daran anknüpfend Stein, in: AK-GG, Art. 20 Abs.  1–3 (Abschn.  III) Rn.  37; ferner Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und GG, S.  197; Zacharias, Jura 2001, 446 (447); außerdem Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 585. Letztgenannter möchte im Übrigen (a. a. O., Rn. 580) zwischen institutioneller und funktioneller Legitimation trennen. Speziell zu letztgenannten Formen näher Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (363 ff.) sowie Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 27 und zudem Rn. 581 m. zahlr. Nachw. Vgl. schließlich noch Ehlers, Jura 1997, 180 (184); von  Arnim, AöR 113 (1988), 1 (6 f.) sowie Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 93, 98, an letztgenannter Stelle kritisch gegenüber institutioneller bzw. funktioneller Legitimation. 255 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 44. 256 So die eingängige Formulierung bei Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 113 m.  zahlr. Nachw. und näheren Ausführungen. Zur Möglichkeit zusammenzuwirken ebenso BVerfGE 83, 60 (72); BVerfGE 93, 37 (66 f.) und BVerfGE 107, 59 (87). Dem Inhalt nach identisch Stein, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. III) Rn. 40 (dort „nicht alternativ, sondern kumulativ“); Böckenförde, in: HStR  II, § 24 Rn.  23; Kahl, AöR 130 (2005), 225 (237) sowie Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 581, 584 f. Die Möglichkeit zum Ausgleich einer Legitimationsform durch eine andere bestätigen auch Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 170 und Schneider, in: Schmidt-­ Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 103 (110). Entsprechendes gilt wiederum für den Ansatz von Dederer, Korporative Staatsgewalt, S. 251 f. 257 So Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 183.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

staatliche Entscheidungen mindestens mittelbar an das Volk rückanzuknüpfen und damit letztlich seine ureigene Staatsgewalt zu bekräftigen, die es nur ausführungshalber repräsentierenden Stellen überträgt.258 Zwischen dem Volk und den an seiner Stelle handelnden Organen gilt danach mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts, dass die für Entscheidungen im Namen des Volkes benötige Legitimation „durch eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk über die von diesem gewählte Vertretung zu den mit den staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtsverwaltern hergestellt wird“259. Dies erfolgt kumulativ durch das Zusammenwirken verschiedener Zurechnungsarten260: Zum einen durch die vom unmittelbar gewählten Parlament erlassenen Gesetze, denen die Verwaltung nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit aus Art. 20 Abs. 3 GG unterworfen ist, zum anderen durch die alle unteren Verwaltungseinrichtungen bindenden Weisungen der Regierung, welche sich ihrerseits wiederum dem Parlament zu verantworten hat und durch dessen politische Autorität beeinflusst wird. c) Legitimationsniveau Ist damit festgestellt, dass jedes staatliche Handeln einer legitimierenden Basis bedarf, die sich auf das Volk als eigentlichen Souverän zurückführen lässt, ist noch das jeweilige Maß dieser Legitimation im Einzelfall zu ermitteln. Dabei sollen nach der Grundvorstellung alle Handlungen staatlicher Stellen vom Volk in hinreichendem Maße begründet sein261, d. h. stets ein hinreichendes „Legitimations­ niveau“262 erzielt werden, sei es auch erst mittels einer Verbindung mehrerer Legitimationsstränge. Mit der jeweiligen Bedeutung der von staatlichen Stellen zu treffenden Ent­ scheidungen steigt in diesem Zusammenhang der Bedarf an das Legitimations 258 Zum Vorstehenden insgesamt BVerfGE 47, 253 (275); BVerfGE 83, 60 (72) sowie Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 83; Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 37; grundlegend Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 11 f. 259 So BVerfGE 83, 60 (72 f.); ähnliche, allerdings noch weniger prägnante Ansätze schon in BVerfGE 47, 253 (275 bzw. Ls. 2) und BVerfGE 77, 1 (40). Dies greift Dietlein, in: BeckOKGG, Art. 79 Rn. 35 f. auf, u. a. in Bezug auf die Relevanz des Bundestages neben dem schwachen Europäischen Parlament im Rahmen der deutschen Mitgliedschaft in der Europäischen Union, vgl. hierzu BVerfGE 89, 155 (185 f.) sowie BVerfGE 123, 267 (356 f.); ähnlich Kirchhof, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 183 Rn. 58 ff.; Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 41. Zum generellen Erfordernis einer Legitimationskette auch Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. II) Rn. 117; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 180 m. w. N.; Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 16 ff. und Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 83. 260 Vgl. den kompakten Überblick bei BVerfGE 83, 60 (72). 261 Vgl. Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 84. In gleichem Maße ebenfalls betont von Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 11 ff., 23 ff. und Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 35. 262 So benannt in BVerfGE 83, 60 (72 und Ls. 2); darauf bezugnehmend BVerfGE 89, 155 (182).

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niveau263: Je größer die Auswirkungen oder Eingriffe in individuelle Rechte, desto weniger Glieder sollte die Legitimationskette zum handelnden Staatsorgan aufweisen. In der Staatsführung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder weisen einzig der Bundestag und die Länderparlamente die höchste Legitimationsstufe bzw. das maximale Legitimationsniveau auf, da deren Mitglieder jeweils vollständig und ohne weitere Zwischeninstanz unmittelbar vom Volk gewählt werden.264 Durch diese einzigartige Stellung werden Bundestag respektive Länderparlamente „zum notwendigen Mittler grds. aller weiteren Entscheidungen“265. Die Legitimationskette, die beim Volk als Legitimationssubjekt beginnt, fächert sich über das direkt gewählte Parlament als „Legitimationsspender für die gesamte weitere staatliche Organisation“266 auf die verschiedenen staatlichen Hoheitsträger auf, zum einen mittels der in Gesetzesform erlassenen Handlungsvorgaben für die Verwaltung und zum anderen mittels sonstiger Einflussnahme auf (Bundes- und Landes-)Regierungen, welche dies durch die Aufsicht sowie einzelne Weisungen an den übrigen Verwaltungsaufbau weiterreichen.267 Andere Verfassungsorgane 263

Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 11 – zusammengefasst: Je wichtiger, desto höher; s. a. Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 581 und Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 186. 264 Diesbezüglich sprechen Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 44 und Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 12 von einer „ununterbrochenen Legitimationskette“ sowie alternativ Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (364) und dem folgend Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 116 von einem „Legitimationsvorsprung“ (zu den beiden wörtlichen Zitaten vgl. jeweils a. a. O.). Kritisch hingegen Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 808, wonach alle weiteren staatlichen Stellen trotz der Ermangelung einer direkten Volkswahl nicht weniger legitimiert seien, weil Legitimation sich durch mittelbare Weitergabe nicht verbrauche oder abnutze. 265 So Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 38 – zur weiteren Legitimation der hoheitlich Handelnden sodann auch Rn. 39 ff.; vgl. bereits BVerfGE 38, 258 (271). 266 So die treffende Formulierung in dem Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform des Dt. Bundestages, S. 96, inhaltlich und wortlautidentisch aufgegriffen durch den StGH der Freien Hansestadt Bremen in einer Entscheidung vom 1. März 1989, NVwZ 1989, 953 (955), sowie Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 12. Die besondere Stellung des Bundestages als Parlament mitsamt seiner vom Volk gewählten Abgeordneten betonte schon BVerfGE 77, 1 (40); vgl. ebenfalls Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 583 und 803, zudem bei Kirchhof, in: FS Badura, S. 237 im Titel als die „Mitte der Demokratie“ ausgezeichnet – nähere Erläuterungen v. a. S. 241 f. Zur besonderen Rolle der Parlamente ferner noch Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Kapitel, Rn. 84 (dort „Schlüsselstellung“) und Dreier, JZ 1990, 310 (311) – bei Letzterem heißt es hierzu wörtlich: „Gravitationszentrum und Angelpunkt des demokratischen Verfassungsstaates“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.). 267 Vgl. BVerfGE 83, 60 (72, 74). Diesem vereinfachten Gedanken liegt zumindest der klassische Regelfall einer „hierarchisch-bürokratischen Ministerialverwaltung“ zugrunde, vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 120 (dort auch zum vorstehenden wörtlichen Zitat) und näher Rn. 121; dazu ebenso Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 26. Bei Letztgenanntem (a. a. O., auch zu beiden nachfolgenden wörtlichen Zitaten) ist bildlich von einem „Legitimationsstrom“ die Rede, der mittels der Gesetze als „Stromleitung“ seinen Weg vom Parlament zu allen anderen staatlichen Stellen finde. Zur Verteilung der Legitimation vom Parlament zu anderen staatlichen Organen daneben Stern, Staatsrecht I, § 18 II 5 b β (S. 609 f.).

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als die Parlamente erlangen ausreichende demokratische Legitimation und Vertreterstellung für das Volk dementsprechend erst auf Umwegen, u. a. mit Hilfe des Einflusses von Bundes- und Rechtsstaatlichkeit, zumal durch ihre Benennung im Grundgesetz (als nachwirkendem Ausfluss der verfassunggebenden Gewalt): Hierzu zählen etwa die Regierungen von Bund und Ländern, deren Legitimation als Folge der Gewaltenteilung und als mittelbare Wirkung der Abgeordnetenstellung in den Parlamenten zu bejahen ist, sowie der Bundesrat, welcher sich aus der Beteiligung der Regierungsvertreter aus den Ländern legitimiert.268 Durch die Rückanknüpfung an die Parlamente versichert sich die Verfassung der jeweiligen Verantwortlichkeit gegenüber dem Volk und der Zurechnung ihrer Handlungen diesem gegenüber.269 Unabhängig von den verschiedenen Variationen an Legitimationsvermittlung muss sämtliches Verwaltungshandeln des Staates infolge des Erfordernisses einer lückenlosen demokratischen Legitimationskette mindestens mittelbar demokratische Legitimation und damit „demokratische Steuerung“270 erfahren. Um dies zu erreichen, ist der genannte hierarchische Verwaltungsaufbau mit seinen vordefinierten Strukturen und Rangfolgen prädestiniert. Durch das hierin liegende ‚Gerüst‘ vermag die Legitimationswirkung nicht nur transponiert zu werden, sondern es lässt sich  – für das richtige Legitimationsniveau entscheidend  – anhand des Grades bzw. der Zahl der Zwischenstufen einschätzen, ob der jeweilige Entscheidungsträger, gemessen an der Wichtigkeit, grundrechtlichen Relevanz und den zu erwartenden Folgen der einzelnen Entscheidung, auch hinreichend legitimiert ist oder aber eine zu geringe Berechtigung in der Sache aufweist.271 Prägnant zusammengefasst bedeutet dies: Das Legitimationsniveau „muss umso höher sein, je wichtiger die zu treffende Entscheidung ist“272. Während danach für staatliche und kommunale Behörden jeglicher Art eine mittelbare demokratische Legitimation genügt, müssen die zentralen Volksvertretungen jeder Ebene, seien es Parlamente auf Bundes- sowie Landesebene oder die Ratsversammlung niederer Ebenen, aus 268

Vgl. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 44. Bei Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 27 sind diese grundgesetzlich normierten Staatsorgane als „erste Legitimationsbasis“ beschrieben, denen stets die nötige Legitimation zukomme – insoweit warnt er (weiterhin a. a. O.) davor, aus möglichen Unterschieden in der Legitimationsstärke Rechtsfolgen zu beschwören. 269 Zum Vorstehenden Stein, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. III) Rn. 41. 270 So Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 120 und ergänzend Rn. 113; im Übrigen vgl. inhaltlich die vorstehenden Ausführungen und Nachweise in diesem Abschnitt. 271 Zum Vorstehenden insgesamt Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 85 f. 272 So sehr prägnant Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG (13. Aufl. 2014), Art. 20 (Abschn. A) Rn. 9. In der jüngsten Auflage des Kommentars (14. Aufl. 2016) findet sich an dieser Stelle (nunmehr in Rn. 11) stattdessen nur noch ein Verweis auf die seit BVerfGE 135, 317 (429) bekannte Formulierung: „Je intensiver eine in Rede stehende Maßnahme Grundrechte berührt […] oder von grundlegender Bedeutung für die Allgemeinheit ist, desto höher muss auch das demokratische Legitimationsniveau ausfallen.“ Zu diesem Thema siehe schließlich auch Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 579 und Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 186.

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einer unmittelbaren Legitimation durch das Volk hervorgehen.273 Der Großteil aller staatlichen Einrichtungen ist jedoch lediglich mittelbar legitimiert.274 Soweit man über die parlamentarischen Volksvertreter hinausgeht und den Exekutiv- bzw. Verwaltungsbereich beurteilt, gelten die vorstehenden Ausführungen gleichermaßen, zumal auch die Exekutive als „vollziehende Gewalt“ im Sinne etwa von Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3 GG (mit näherer Ausgestaltung in Art. 83 ff. GG) zu den unmittelbar der Verfassung zu entnehmenden staatlichen Stellen zählt. Im Übrigen folgt die Legitimationswirkung im Verwaltungsbereich jedoch der hie­ rarchisch strukturierten Administrativorganisation.275 Nur auf diesem Wege wird dem einzelnen Organ / Amtsträger, wenn die Legitimationskette „vom Volk über die von diesem Volk gewählte Vertretung“ ununterbrochen bleibt, in seinem Handeln demokratische Legitimation zuteil276, d. h. dieses lässt sich auf das Volk als eigentlichem Träger der Staatsgewalt zurückführen. Für die gemeinschaftlichen Einrichtungen von Bund und Ländern bedeutet dies wiederum: Nur wenn jeder Verwaltungsträger seine Aufgaben eigenverantwortlich wahrnehmen kann oder zumindest die Zurechnung des Handelns einer solchen Einrichtungen und damit der Letztverantwortung eindeutig bleibt, kann die (personelle) Legitimationskette durchgehend bestehen und ist die Verantwortung für das Staatshandeln sicher zuzuweisen.277 Werden hingegen mehrere Kompetenzbereiche miteinander verflochten und ist deshalb nicht erkennbar, wer die Verantwortung für das staatliche Handeln trägt, wächst die Gefahr, „dass der Auftrag des Wählers auf Bundes- oder Landesebene durch die Mitwirkung anderer Ebenen relativiert oder konterkariert wird“278. Entsprechendes gilt mit Blick auf die sachlich-inhaltliche Legitimation speziell für aufsichtsrechtliche Normierungen.279

273

Vgl. BVerfGE 47, 253 (275) und BVerfGE 83, 60 (72). BVerfGE 47, 253 (275); BVerfGE 83, 60 (40) und dem folgend wiederum BVerfGE 83, 60 (72). 275 Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 29 anhand des Beispiels eines Ministerialbeamten – zu diesem führt die Kette über Bundestag-Bundeskanzler-Bundesminister; s. a. Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 742 m. w. N.; des Weiteren Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 26, dort sogar als „Idealbild“ personeller Legitimation benannt (auch hierzu samt Zitat a. a. O.). 276 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 582; s. a. die dortige Rn. 586. 277 Entsprechend der Ausführungen, die das BVerfG in BVerfGE 119, 331 (366) aufgestellt hat, vgl. ebenso Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 83. 278 So die aus demokratischer Sicht relevante Problembeschreibung in BVerfGE 137, 108 (144). Alternativ spricht Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 50 prägnant davon, dass die „politische Zurechenbarkeit“ zum jeweiligen Entscheidungsträger erschwert werde. 279 Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 22.1; zu den andernfalls entstehenden Mängeln im Rahmen der Aufsicht ausführlich bereits BVerfGE 119, 331 (377 f.). 274

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

III. Grenze 3: Rechtsstaat Neben den bereits genannten Prinzipien kommt auch dem Rechtsstaatsprinzip, zu welchem sich das Grundgesetz als einem der Staatsstrukturprinzipien280 „bekennt“281, eine entscheidende Bedeutung im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit gemeinsamer Verwaltungsstrukturen zu. In gewisser Weise überschneidet sich dieses mit den Anforderungen, die vorstehend dem Demokratieprinzip entnommen wurden, und „flankiert“ gemeinsam mit diesem den bundesstaatlichen Gedanken der Eigenverantwortung von Bund und Ländern.282 1. Begriffsverständnis und Bedeutung An die Bundesrepublik als „Rechtsstaat“ wird im Verfassungstext des Grundgesetzes nur an sehr wenigen Stellen, und zwar in Art. 23 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG, begrifflich angeknüpft.283 Selbst an zentraler Stelle in Art. 20 GG vermeidet das Grundgesetz in der endgültigen Fassung284 den Terminus, lässt aber durch die gewählte Abfassung von dessen Absatz 3 erkennen, dass der Verfassunggeber der Bundesrepublik trotzdem einen rechtsstaatlichen Charakter zuerkannt hat.285 Rechtsstaatlichkeit zählt deshalb anerkanntermaßen286 zu den „elementaren 280 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 41; s. a. die Einordnung bei Stern, Staatsrecht I, 2. Kapitel, Vorbemerkung (S. 252). 281 So BVerfGE 1, 14 (45). 282 Zum Vorstehenden inkl. dem treffenden Zitat Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 46, der dies im gleichen Kapitel der Kommentierung auch als „wechselseitiges Ergänzungsverhältnis“ (a. a. O., Rn. 47) beschreibt. 283 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 22; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 37 a. E. 284 Der dem Grundsatzausschuss von Dr. von Mangoldt vorgelegte, frühe Entwurf für den zunächst geplanten Art. 21 Abs. 1 GG (vergleichbar dem später Realität gewordenen Art. 20 Abs. 1GG) lautete hingegen noch: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat mit parlamentarischer Regierungsform und bundesstaatlichem Aufbau.“ (vgl. JöR n. F. (1951), S. 195); zum Entfallen des rechtsstaatlichen Elements in der endgültigen Fassung auch Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 75. 285 Vgl. hierzu die Begründung des Abgeordneten Dehler zum rechtsstaatlichen Gehalt eines zunächst entworfenen Art.  21 GG (jetzt Art.  20 GG, vgl. näher hierzu die vorangegangene Fn. 285) in JöR n. F. (1951), S. 200; erläutert bei Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 75; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 56; Frankenberg, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. IV) Rn. 21. Nach BVerfGE 2, 380 (403) habe das rechtsstaatliche Gedankengut sogar „das vorverfassungsmäßige Gesamtbild [Anm.: der verfassunggebenden Gewalt] geprägt“ und sei deswegen nicht gesondert normiert worden. Hingegen äußert Zippelius / Würtenberger, Dt. Staatsrecht (32. Aufl. 2008), § 12 Rn. 13 gewisse Zweifel an der Niederlegung einer bereits zuvor existenten, rechtsstaatlichen Struktur Deutschlands. Auch Stern, Staatsrecht I, § 20 II 1 c (S. 777) betont die „Eigenprägung“ des Grundgesetzes. 286 Zumindest in ihrem Kern; dazu anstelle vieler etwa Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 183 f. und Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 56; a. A. hingegen Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 463; Unruh, Verfassungsbegriff des GG, S. 472.

§ 6 Die Grenzen der Mischverwaltung 

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Grundsätzen des Grundgesetzes“287, gewissermaßen ein verfassungsrechtliches Kernpostulat. Gerade beim Rechtsstaatsprinzip – deutlicher als bei allen anderen verfassungsrechtlichen Leitsätzen aus Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG – müssen erst einzelne Komponenten aus verschiedenen Verfassungsnormen extrahiert werden, um zusammen ein abstrahierendes Prinzip zu bilden.288 Obwohl insoweit dem Grundgesetz immanent, ist dieser Richtsatz mit Blick auf einzelne Sachlagen auf Konkretisierung angewiesen, weil ihm als solchem kein eindeutiger Gehalt in Gestalt von inhaltlichen Strukturen oder Grenzen staatlichen Handelns zu entnehmen ist und vielmehr Rückgriff auf die grundgesetzlichen Vorschriften genommen werden muss.289 Wollte man dem Grundgesetz abstrakte rechtsstaatliche Grundzüge zuschreiben, würde man eine „Überfrachtung des Rechtsstaatsgedankens“290 innerhalb des geltenden Verfassungsrechts riskieren. Vielmehr müssen die verfassungsrechtlichen Normierungen als solche im Mittelpunkt dieser Betrachtung stehen: Ihnen lassen sich im Wege der Auslegung alle relevanten rechtsstaatlichen Gehalte entnehmen, ohne dass dem abstrakten und theoretischen, „vorverfassungsmäßige[n] Gesamtbild“291 eines Rechtsstaates eine richtungsweisende Bedeutung zukäme.292 Lediglich in der Verbindung mehrerer Gehalte zum Gesamtprinzip Rechtsstaat ist eine interpretatorisch ergänzende Funktion zu erkennen, die konkrete Aussagen zulässt (im Einzelnen sogleich).

287 So BVerfGE 1, 14 (Ls. 28) und fast identisch BVerfGE 81, 181 (331); s. a. „Grundentscheidungen des Grundgesetzes“ bei BVerfGE 30, 1 (41). 288 Vgl. BVerfGE 7, 89 (92 f.) und BVerfGE 52, 131 (144); noch deutlicher Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 109 f.; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 22; ­Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 37. Demgemäß heißt es etwa „von einer Reihe von Einzelelementen geprägt“ bei Schnapp, in: von  Münch / Kunig, GG, Art.  20 Rn.  34, der sogar ein Rechtsstaatsprinzip als solches generell (seit der 1.  Aufl., nun m. w. N.) ablehnt. Zu den einzelnen Elementen etwa – in Form einer Auflistung – Stern, Staatsrecht I, § 20 III 3 b (S. 784) und sodann ausführlich § 20 IV (S. 787 ff.) sowie Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 77 f. 289 Zum Vorstehenden BVerfGE 7, 89 (92 f.), wo es hierzu explizit heißt: „keine in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote oder Verbote von Verfassungsrang“ (S. 92); in gleicher Weise BVerfGE 25, 269 (290); BVerfGE 35, 41 (47); BVerfGE 45, 187 (246); BVerfGE 49, 148 (164); BVerfGE 52, 131 (144); BVerfGE 53, 115 (127); BVerfGE 57, 250 (276); BVerfGE 65, 283 (290); BVerfGE 74, 129 (152); zudem Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 57; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 34 m. w. N.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 192 a. E. 290 So Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 38; alternativ „Überstrapazierungen“ bei Stern, Staatsrecht  I, § 20  III 2 (S.  782); s. a. Frankenberg, in: AK-GG, Art.  20 Abs.  1–3 (Abschn. IV) Rn. 21 m. w. N. 291 So noch BVerfGE 2, 380 (403) – vgl. zum wörtlichen Gesamtzitat schon die vorhergehende Fn. 286 – sowie BVerfGE 25, 269 (290). 292 Den Rückgriff auf vorverfassungsrechtliches Gedankengut bewertete bereits Schnapp, in: FS Scupin, S. 899 (904 f.) als Zirkelschluss und lehnte es nachdrücklich ab; in ähnlicher Weise Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 184; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 34 m. w. N.; Stern, Staatsrecht I, § 20 III 2 (S. 782) und auch Zippelius / Würtenberger, Dt. Staatsrecht (32. Aufl. 2008), § 12 Rn. 13 (vgl. hierzu erneut bereits Fn. 286).

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

Die normativen Ausgangspunkte dieses Prinzips eines deutschen Rechtsstaates sind nicht abschließend geklärt293: Vielfach wird Art.  20 Abs.  3 GG als Mittelpunkt anerkannt, sei es einzeln294, zuzüglich weiterer Einzelnormen (beispielsweise Art. 20 Abs. 2 GG295, Art. 20 Abs. 1 GG296, Art. 20 GG insgesamt297 oder Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG298) oder mitunter als Kern einer Essenz299 zahlreicher bzw. 293

Offen gelassen von Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 75 m. w. N.; zusammenfassend Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 37; Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 3 in der dortigen Fn. 14 und Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 142.1. In der Rechtsprechungshistorie des BVerfG werden, wie nachstehend ersichtlich, abwechselnd diverse Konstruktionen als normative Grundlage herangezogen; zuletzt kam überwiegend der unmittelbar nachfolgende Ansatz (Art. 20 Abs. 3 GG) zur Geltung. Der Verortung des Prinzips in Art. 20 GG hatte noch BVerfGE 30, 1 (24 f.) nachdrücklich widersprochen. In zahlreichen Entscheidungen – Nachweise beispielsweise bei Sachs, a. a. O., Fn. 288 a. E. – verzichtet das BVerfG deshalb auf ein Normzitat als Beleg; zur Irrelevanz der Verortung Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 40. 294 So der jeweilige Klammerzusatz in BVerfGE 35, 41 (47); BVerfGE 39, 128 (143); BVerfGE 48, 210 (221); BVerfGE 56, 110 (128); BVerfGE 78, 205 (212); BVerfGE 78, 214 (226); BVerfGE 92, 365 (409); BVerfGE 101, 397 (404); BVerfGE 111, 54 (81) sowie BVerfGE 117, 71 (125); in derselben Weise ferner Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art.  20 Rn.  56; Ipsen, Staatsrecht  I, Rn.  749; Stern, Staatsrecht  I, § 20 II 3 (S.  780). Schließlich neigt ebenfalls Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 138 dem Abs. 3 als „sedes materiae“ explizit zu, wohingegen Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 76 f. hierin „nur einen Teilaspekt“ (so S. 77) sieht. 295 Vgl. den Klammerzusatz in BVerfGE 52, 131 (143). Hierzu tendiert Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 227 wohl ebenfalls, ohne dies allerdings eindeutig festzustellen. 296 Vgl. BVerfGE 108, 52 (67) sowie den Klammerzusatz in BVerfGE 108, 282 (322). Die zentrale Grundlage des Rechtsstaates in Art. 20 GG betontn aus dem Schrifttum auch Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1722, geht sodann aber noch hierüber hinaus (vgl. insoweit die nachfolgende Fn. 298). Demgegenüber sieht BVerfGE 63, 343 (353) das Prinzip – wie der nachstehende Hinweis in der Klammer zeigt – in Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG verankert; so auch Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 3 m. w. N. 297 In dieser Weise v. a. Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1720. Die historisch gewollte, gleichrangige Bedeutung von Abs. 1 neben Abs. 2 und 3 hebt daneben auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art.  20 (Rechtsstaat) Rn.  40 ausdrücklich hervor. Kritisch zu dieser pauschalen Bezugnahme auf Art.  20 GG demgegenüber Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 73 f.; zur Verortung des Rechtsstaatsprinzips in Art. 20, Art. 28 Abs. 1 GG vgl. BVerfGE 120, 274 (315 f.), siehe ganz ähnlich schon die Hinweise in der vorausgegangenen Fn 297. 298 Vgl. BVerfGE 1, 14 (45); BVerfGE 60, 253 (267); BVerfGE 92, 277 (325); BVerfGE 108, 186 (234 f.). Auch diesen Ansatz kritisiert Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 68 ff., v. a. S. 72, weil Art. 28 GG trotz wörtlicher Nennung des Rechtsstaates „keine eigenen inhaltlichen Aussagen“ (so S. 69) zu entnehmen seien. Nochmals (vgl. bereits die vorangegangenen Fn. 297 und 298) sei auf die hiervon abweichenden Ansätze der Rspr. in BVerfGE 63, 343 (353) einerseits (Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG) – unterstützt durch Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 3 – sowie in BVerfGE 120, 274 (315 f.) andererseits (dort Art. 20, Art. 28 Abs. 1 GG) hingewiesen. 299 Vgl. „Zusammenschau“ aus Art. 20 Abs. 3, Art. 1 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4, Art. 28 Abs. 1 GG „sowie aus der Gesamtkonzeption des Grundgesetzes“ gemäß BVerfGE 45, 187 (246) und BVerfGE 118, 244 (403) – an beiden genannten Fundstellen auch jeweils zu den vorstehenden wörtlichen Zitaten; sehr eingehend die Darstellungen bei Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 63 ff.

§ 6 Die Grenzen der Mischverwaltung 

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sogar sämtlicher Grundgesetznormen. Trotz der unzähligen rechtsstaatlichen Einzelgehalte, die über den gesamten Verfassungstext hinweg verstreut sind, hat auch das Oberprinzip noch seine eigene Bedeutung behalten. Seine Existenzberechtigung zeigt sich ganz besonders im Rahmen der Auslegung, darüber hinaus jedoch insbesondere auch als Grundlage allgemeiner, ungeschriebener Rechtsgrundsätze, welche sich in Rechtsprechung und Praxis entwickelt haben, um „fundamentale Elemente des Rechtsstaates und die Rechtsstaatlichkeit im ganzen“300 zu schützen.301 Seinem Gehalt nach will die Rechtsstaatlichkeit vornehmlich die Freiheit vor staatlicher Gewalt sichern und bewahren.302 Das Prinzip dient insoweit als eine der verfassungsrechtlichen „Leitideen“303, die es zum Ziel hat, eine ungeschriebene Verbindungslinie in der Korrelation des geschriebenen Rechts zu schaffen. In gewisser Weise ließe es sich auch mit „Optimierungsgebot“304 umschreiben, weil die aus mehreren Normen hervorgehenden Gehalte in ihrer Gesamtheit und deshalb über die unmittelbare Aussagekraft einer einzelnen Norm hinausgehend betrachtet werden, ohne auf den reinen Verfassungstext in seiner wörtlichen Fassung begrenzt zu bleiben. Im Übrigen kommt dem Prinzip eine nicht zu unterschätzende „Reser-

und Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S.  411 ff., jeweils mit demselben Ergebnis (Kunig, a. a. O., S. 109 ff., Sobota, a. a. O., S. 451 f.); dem tendenziell folgend Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 37. Auch Stern, Staatsrecht I, § 20 II 3 (S. 779 f.) – dort nach kurzer Darstellung der weiteren Rspr.-Entwicklung – sowie Isensee, in: HStR IX (1. Aufl. 1997), § 202 Rn. 9 und Heyde, in: FS Redeker, S. 187 (189) schließen sich der Auffassung an. Nicht zuletzt liegt dieser Gedanke erkennbar den Ausführungen bei Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 44, 40 und Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 140 zugrunde. 300 So BVerfGE 7, 89 (93) m. w. N.; BVerfGE 35, 41 (47); BVerfGE 45, 187 (246); BVerfGE 53, 115 (127); BVerfGE 65, 283 (290); ferner Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 57. 301 Sehr deutlich Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 410 f., dass von einer Entbehrlichkeit des Prinzips als solchem trotz im Ansatz berechtigter Kritik und Forderung nach stärkerer Positivierung bzw. entsprechender Verortung keine Rede sein könne; in dieselbe Richtung auch von Arnauld, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 21 Rn. 3; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 76 a. E.; Breuer, in: FG 50 Jahre BVerwG, S. 223 (226) sowie Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 8 f.; ferner Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 45; Isensee, in: HStR IX (1. Aufl. 1997), § 202 Rn. 9. Hingegen a. A. Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 458 ff., v. a. S.  463: „nirgends eine Lücke auszumachen, die in solches Prinzip schließen könnte, müßte oder dürfte“. 302 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 192. 303 So BVerfGE 7, 194 (196); BVerfGE 25, 269 (290); BVerfGE 49, 148 (164); BVerfGE 95, 96 (130) und BVerfGE 118, 244 (403); aufgegriffen von Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 44. 304 So bezugnehmend speziell auf das Rechtsstaatsprinzip Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art.  20 (Rechtsstaat) Rn.  44 in Anlehnung an die derartige Bezeichnung sämtlicher von Art. 20 GG benannten Staatsgrundsätze durch Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 7 sowie die allgemeine Begrifflichkeit, wie sie etwa Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 329 ff. beschreibt – Letztgenannter selbst bezweifelt allerdings, solche Gebote in Art. 20 GG zu erkennen (a. a. O., S. 331 m. w. N.); ganz ähnlich Pernice, Billigkeit und Härteklauseln im öffentlichen Recht, S. 390 f. sowie Isensee, in: HStR IX (1. Aufl. 1997), § 202 Rn. 12. Zu Optimierungsgeboten allgemein Dreier, JZ 1985, 353 (356) m. w. N.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

vefunktion“305 für Entwicklungen zu, die der Verfassunggeber nicht voraussehen und somit nicht normieren konnte. Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig und kann es wegen der Normsystematik auch nicht bedeuten, dass ihm materiellrechtliche Richtsätze überpositiven Ursprungs entstammen, weil stets – wie zuvor bereits festgestellt – auf das Grundgesetz und den dortigen Fundus verfassungsrechtlicher Regelungen zu rekurrieren ist.306 Für den Bereich des Grundgesetzes sind nur diejenigen, gegebenenfalls zugleich generellen rechtsstaatlichen Einsichten relevant, die in die Verfassung entweder explizit oder zumindest noch inzident aufgenommen, d. h. schlüssig mitgeschrieben, worden sind. In ihrer Verknüpfung zu einem abstrakten, identifizierbaren Prinzip scheint es allerdings leichter, diese rechtsstaatlichen Gesichtspunkte in die Auslegung einfließen zu lassen und mit ihrem die Identität der Staatlichkeit prägenden Gewicht Gegensätze aufzulösen bzw. jedenfalls auszubalancieren.307 Ohne Zweifel sind darüber hinaus noch zusätzliche rechtsstaatlich motivierte Grundsätze entwickelt worden, deren Zulässigkeit heute anerkannt ist.308 Infolgedessen kann vorliegend dahinstehen, ob die Exis 305

So Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 45. Inhaltlich weisen die Ausführungen bei Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 406 f. und 410 f. in dieselbe Richtung. 306 Auch hierzu zunächst aus der Rspr. BVerfGE 45, 187 (246) und BVerfGE 118, 244 (403), wo jeweils die „Gesamtkonzeption des Grundgesetzes“ zur Grundlage erklärt wird (dazu samt Zitat jeweils a. a. O.); dem zustimmend Heyde, in: FS Redeker, S. 187 (189). Daneben existieren hierzu noch weitere Entscheidungen in BVerfGE 7, 89 (92 f.); BVerfGE 25, 269 (290); BVerfGE 35, 41 (47); BVerfGE 49, 148 (164); BVerfGE 52, 131 (144); BVerfGE 53, 115 (127); BVerfGE 57, 250 (276); BVerfGE 65, 283 (290); BVerfGE 74, 129 (152). Denselben Standpunkt vertreten aus dem Schrifttum ferner Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 39; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 44 f. m. w. N.; Stern, Staatsrecht I, § 20 III 2 (S. 782); Benda, in: HdbVerfR, § 17 Rn. 9, 12; Bleckmann, JöR n. F. 36 (1987), 1 (4) und von Heinegg, in: Hofmann / Marko u. a., Rechtsstaatlichkeit in Europa, S. 107 (109). Nach Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1783 zeige sich das Prinzip „in seiner konkreten Ausprägung erst aus dem Gesamtzusammenhang der Verfassung“. Mit demselben Ergebnis eingehend Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 109 f., jedoch im Gesamtfazit (S. 463) mit drastischerer Folgerung, namentlich der Nichtexistenz eines über die normativen Regelungen hinausgreifenden Prinzips als solchem; so auch Unruh, Verfassungsbegriff des GG, S. 742 a. E. sowie Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 142. 307 In dieselbe Richtung wohl auch Breuer, in: FG 50 Jahre BVerwG, S. 223 (226) und SchulzeFielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 45. Grundlegend zu den sog. „Interne[n] Spannungen“ Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 92 f. Dies ist in BVerfGE 57, 250 (276) und BVerfGE 65, 283 (290) offenbar mit „der im Rechtsstaatsprinzip selbst angelegten Gegenläufigkeit“ gemeint gewesen. 308 Als Ergebnis „einer Art kombinatorischer Zusammenschau“ der diversen rechtsstaatlich relevanten Normen, so Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 35; zur fehlenden Positivierung mancher Inhalte auch schon Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 403 ff., 527. Dass diese Figuren nicht alleine aus den Absätzen von Art. 20 GG extrahiert werden können, belegt schon die enorme Vielfalt diverser rechtsstaatlicher Elemente und Inhalte – eine entsprechende Zählung findet sich etwa bei Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 40 (dort auf 141 rechtsstaatliche Elemente und 17 Kernbestandteile beziffert). Soweit solche dogmatischen Figuren im Rahmen der vorliegenden Bewertung einer Mischverwaltung von Relevanz sein könnten (z. B. Rechtssicherheit und Bestimmtheit), werden diese nachstehend in § 6 III. 2. näher erläutert.

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tenz eines Rechtsstaatsprinzips als solchem anzuerkennen oder abzulehnen sein dürfte. Denn in jedem Falle – und darin sind sich die Verfechter eines abstrakten Prinzips309 wie auch die Kritiker desselben310 einig  – verlangen einzelne Überlegungen rechtsstaatlichen Charakters nach weiteren Anknüpfungspunkten und Konkretisierungen auf dem normativen Boden des Grundgesetzes. Dabei sind allerdings Grenzen eines abstrakten Prinzips zu beachten: Soweit es sich stückweise in den Normen des Grundgesetzes wiederfindet, kann es selbst regelmäßig nicht herangezogen werden311, vielmehr wäre ein „Rückgriff […] unnötig und unzulässig“312. Abweichend dürfte allenfalls in Ausnahmefällen, dann jedoch mit der gebotenen Zurückhaltung zu verfahren sein.313 Die einzelnen rechtsstaatlichen Gehalte lassen sich aufgrund ihrer Vielfalt und Situationsbezogenheit nur schwerlich einzeln kategorisieren, sie „sind nicht immer trennscharf und überlappen einander“.314 Bei der Durchschau des Grundgesetzes

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Vgl. aus der Rspr. etwa BVerfGE 1, 14 (Ls. 28); BVerfGE 7, 89 (92 f.); BVerfGE 20, 323 (331); BVerfGE 49, 148 (163 f.); BVerfGE 52, 131 (144 f.); BVerfGE 65, 283 (290); BVerfGE 111, 54 (82) und aus dem Schrifttum die sehr gründliche Aufbereitung bei Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 410 f., dort außerdem im Fazit (S. 527 ff.) sowie passim. Nicht in diesem Umfang, aber ebenfalls ausführlich auch Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1724 ff.; Stern, Staatsrecht I, § 20 II 2 (S. 778); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 37; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 33 f.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 76 f.; Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem GG, S. 408; Breuer, in: FG 50 Jahre BVerwG, S. 223 (226) und Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn.  8 f.; schließlich wohl ebenso Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art.  20 (Rechtsstaat) Rn. 40. 310 Allen voran Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 463 und passim. Verächtlich zur gegenteiligen Ansicht Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 32 m. w. N., vgl. nur seinen Ausspruch: „Das ist ‚Grundgesetz‘-Auslegung nach dem Motto: Ich sehe was, was du nicht siehst.“ (so ausdrücklich a. a. O.); s. a. Unruh, Verfassungsbegriff des GG, S. 472; Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 142.1 sowie zumindest die umfassende Garantie eines abstrakten Prinzips verneinend ebenfalls Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 227. 311 Vgl. „Anwendungsvorrang“ des geschriebenen Rechts vor einem abstrakten Prinzip gemäß Kunig, in: FS 50 Jahre BVerfG II, S. 421 (443 a. E.). 312 So Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 40 a. E. (unter Bezugnahme auf die folgenden Quellen). Vergleichbar Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 44 m. w. N. und grundlegend schon Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 7, soweit Verfassungsnormen existieren. Im Übrigen sei der Rückgriff aber – und damit entgegen der Meinung von Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 457 ff., wonach dies absolut ausgeschlossen sei – denkbar, wo es an einer geschriebenen Grundlage fehle (weiterhin Schmidt-Aßmann, a. a. O., Rn. 8 f.). 313 Vgl. BVerfGE 111, 54 (82); dem folgend ganz ähnlich Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 78 a. E. (dort „Behutsamkeit“); vergleichbar auch Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 142. 314 Zum Vorstehenden samt Zitat Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1806, der gleichwohl eine Übersicht – ähnlich der nachstehenden, jedoch kürzer  – als Anhaltspunkt für die verschiedenen Auswirkungen nachschiebt. Auch Schmidt-­ Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 7 warnt vor allzu weitreichenden „Grenzverwischungen zwischen Verfassungsrecht und politischer Programmatik“, wenn aus dem Grundgesetz übermäßig viele rechtsstaatliche Inhalte herausgelesen werden sollen.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

auf Rechtsstaatlichkeit definierende oder ausgestaltende Regelungsaspekte sind gemeinhin315 die nachfolgend zusammengestellten Fallgruppen anerkannt: Besonderes Gewicht kommt dem Grundsatz der Gewaltenteilung (aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) sowie den Grundrechten als Abwehr- bzw. Freiheitsrechten des Einzelnen gegen den Staat (mit Bindungswirkung gemäß Art. 1 Abs. 3 GG) zu, allen voran der von Art. 1 Abs. 1 GG absolut316 geschützten Menschenwürde.317 Darüber hinaus verlangt das Grundgesetz die Bindung von Verwaltung und Justiz an Gesetz und Recht (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus Art. 20 Abs. 3 GG), dem zugleich die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung für staatliches Handeln (Vorbehalt des Gesetzes), die Reglementierung aller wesentlichen Fragen in einem formellen Gesetz (Wesentlichkeitsgrundsatz) sowie das Vorhandensein einer Normenpyramide mit einer förmlichen Verfassung an ihrer Spitze immanent sind.318 Ein weiterer wesentlicher Gehalt des Rechtsstaatsprinzips betrifft die Schranken, denen der Staat beim Erlass von Gesetzen oder deren Vollzug dem Einzelnen gegenüber unterliegt und die im Einzelnen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entstammen: Rechtssicherheit, Rechtsklarheit, Fairness des Verfahrens, allgemeines Willkürverbot, Vertrauensschutz, Rückwirkungsverbot und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.319 Schließlich weist sich ein Rechtsstaat erst 315

Zu den Fallgruppen im Einzelnen Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 22 ff. oder etwa Stern, Staatsrecht I, § 20 III 3 b (S. 784). Eine Zusammenstellung der „Kernelemente“ findet sich auch bei Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 39 (dort auch zum vorstehenden wörtlichen Zitat) und gekürzt bei Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 40; vgl. hierzu schließlich die Überschriften der Unterkapitel zum dortigen Abschnitt III (mit dem Titel: „Rechtsstaatliche Prinzipien im Einzelnen“) bei Zippelius / Würtenberger, Dt. Staatsrecht (32. Aufl. 2008), § 12 Rn. 12 ff. sowie die kompakte Zusammenstellung bei Scheuner, in: Forsthoff, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S.  461 (492 ff.). Von Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 15 f., 130 ff., der einem Rechtsstaatsprinzip selbst im Ergebnis nichts abgewinnen kann (vgl. S. 463), als „Sammelbegriff“ (zum Zitat a. a. O., z. B. S. 15 a. E. und in der Überschrift auf S. 130) für eine Reihe rechtlich relevanter Bedeutungen bezeichnet. Gründliche, sorgfältig recherchierte und deshalb sehr lange Liste rechtsstaatlicher Elemente bei Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 254 ff., dort zuvor im Einzelnen zu den wesentlichen Ausformungen S. 27 ff. und sodann mit Bewertung S. 471 ff. Noch hierüber hinausgehend stellt Buchwald, Prinzipien des Rechtsstaats, S. 189 ff. die Listen verschiedener Autoren übersichtlich zusammen. 316 Zum Streitstand eingehend Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 Rn. 46 m. w. N. 317 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 23 f.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 40; s. a. Auflistung bei Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 77 m. w. N. 318 Vgl. erneut Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 26, 30; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 40 f., 45 ff., 69 ff. und die umfangreiche Auflistung bei Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 77 m. w. N. 319 Siehe hierzu auch Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 27 a. E. und bezogen auf die Rückwirkung Rn. 29 unter Verweis auf die Ausgangsnorm für das Strafrecht in Art. 103 Abs. 2 GG; des Weiteren Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 40, 42 ff., 82 ff., 94 ff. und Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 78, am letztgenannten Ort auch mit gesonderter Auflistung der nicht explizit im Verfassungstext normierten Gehalte. Von BVerfGE 22, 330 (347) und dem folgend Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1729 als „materiale Gerechtigkeit“ bezeichnet; hierzu noch Benda, in: HdbVerfR, § 17 Rn. 14 ff.

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durch eine funktionierende Justiz320 aus, die zunächst jedem Bürger den Weg zu den (Verwaltungs-)Gerichten (Justizgewährung, Art. 19 Abs. 4 GG) sowie zur Durchsetzung seiner Grundrechte (Verfassungsbeschwerde, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) eröffnet, darüber hinaus aber auch ein ordnungsgemäßes Verfahren sicherstellt (richterliche Unabhängigkeit gemäß Art. 97 Abs. 1 GG und Justizgrundrechte321) und bei Bedarf Wiedergutmachung (Staatshaftungsrecht) ermöglicht.322 Weitere wegweisende, rechtsstaatlich fundierte Gebote innerhalb des Grundgesetzes sind die Institutionen zur Sicherung der Beständigkeit von Verwaltung (Berufsbeamtentum, Art. 33 Abs. 4, 5 GG) und Verfassung (Ewigkeitsgarantie, Art. 79 Abs. 3 GG) sowie die Anforderungen an staatlicherseits erlassene Regelungen (Art. 80 Abs. 1, 82 Abs. 1 GG bzgl. der Rechtsetzung oder Art. 84 Abs. 3, 85 Abs. 4 GG bzgl. der Rechtskontrolle durch den Bund gegenüber den Ländern).323 Zusammengefasst betrifft das Rechtsstaatsprinzip in seinem Kern eine Vielzahl an Regelungsgehalten, die die verschiedenen staatlichen Gewalten entsprechend der grundlegenden Regelung in Art. 20 Abs. 3 GG jeweils an die Verfassung, die Gesetze, etc. binden und sie somit im Rahmen ihrer gesamten Aufgabenerfüllung zu deren Berücksichtigung verpflichten.324 Wie schon bei Bundesstaat und Demokratie jeweils gezeigt, steht die Rechtsstaatlichkeit in engem Zusammenhang mit den anderen Staatsprinzipien; seine inhaltliche Gestaltung setzt deren Existenz sogar voraus.325 2. Aussagen zur Mischverwaltung Den rechtsstaatlich begründeten Grenzen der Mischverwaltung ist kategorieübergreifend der Gedanke einer „Herrschaftsbegrenzung dadurch […], daß Entscheidungsvorgänge transparent, kontrollierbar und korrigierbar ausgestaltet und Entscheidungsresultate dadurch legitimiert werden“326 gemein. Als Elemente der

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Gekennzeichnet durch Vorkehrungen zur Wahrung des richterlichen Rechtsprechungsmonopols (Art. 92 GG) und einer einheitlichen Rechtsprechung (Art. 95 Abs. 1, 3 GG), vgl. abermals die Auflistung bei Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 77 m. w. N. 321 Hierzu zählen insbesondere die Ansprüche auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 GG), das rechtliche Gehör (Art.  103 Abs.  1 GG), nulla poena sine lege (Art.  103 Abs.  2 GG), ne bis in idem (Art.  103 Abs.  3 GG) und gewisse Verfahrensanforderungen bei Freiheitsentzug (Art. 104 GG); siehe hierzu die Übersicht bei Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 28. 322 Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 77 m. w. N.; vgl. zum gesamten Satzinhalt im Überblick auch Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 28. 323 Siehe auch insoweit die umfangreiche Auflistung bei Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 77 m. w. N. 324 Vgl. Sachs, in: Sachs, GG, Art.  20 Rn.  78 und Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 57. 325 In dieser Weise sehr deutlich Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 449. 326 So treffend Frankenberg, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. IV) Rn. 39.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

Rechtssicherheit stehen hierbei besonders die Grundsätze der Rechtsklarheit staatlicher Maßnahmen und ihrer Bestimmtheit im Vordergrund. a) Rechtsklarheit Einer der vornehmlichen Gesichtspunkte für Gesetzgebung und Verwaltung im Sinne der rechtsstaatlich motivierten Gerechtigkeit ist die Rechtssicherheit327, die sich für den Bürger in klaren (Rechtsklarheit) und bestimmten hoheitlichen Akten (Bestimmtheit) äußert und ihnen eine gewisse Beständigkeit (Rechtskraftwirkung, Vertrauensschutz) zubilligt.328 Für die rechtliche Bewertung jeder Form von Vermischung der Verwaltungsbereiche von Bund und Ländern ist vornehmlich die Rechtsklarheit von Bedeutung, denn nur durch sie wird staatliches Handeln in seinem Umfang und seiner Intention nachvollziehbar.329 Staatlichen Rechtsakten gegenüber sollen die jeweiligen Adressaten jederzeit – eine eingängige Interpretation und ihr Verständnis vorausgesetzt – zur Anpassung ihres Auftretens und Benehmens in der Lage sein.330 Dies setzt vor allem voraus, dass demjenigen, der die Normen befolgen möchte, sein rechtstreues Verhalten nicht durch sich widersprechende Regelungen unmöglich gemacht wird.331 In gleicher Weise, aber in unterschiedlichem Maße unterliegen Handlungen der staatlichen Gewalten, beginnend bei Rechtsnormen (Parlamentsgesetze, Rechts­ 327 Zur Rechtssicherheit als zentralem rechtsstaatlichen Gedankengut aus der Rspr. allgemein BVerfGE 3, 225 (237 f.); BVerfGE 7, 89 (92); BVerfGE 7, 194 (196); BVerfGE 13, 261 (271); BVerfGE 14, 13 (16); BVerfGE 15, 313 (319); BVerfGE 22, 322 (329); BVerfGE 25, 269 (290 f.); BVerfGE 35, 41 (47); BVerfGE 41, 323 (326); BVerfGE 45, 142 (167); BVerfGE 49, 148 (164); BVerfGE 60, 253 (267 f.); BVerfGE 74, 129 (152) oder BVerfGE 118, 244 (403 ff.). Zur Rechtssicherheit aus dem Schrifttum eingehend insbesondere die gesamten Beiträge von Streinz, in: LA Häberle, S. 745 ff.; Basedow, JZ 1976, 297 ff. und Münch, in: FS Hahn, S. 673 ff. bzw. kürzer ders., NJW 1996, 3320 ff.; siehe schließlich noch Ohms, Pflicht des Gesetzgebers zur Änderung des GG, S. 49. 328 Vgl. Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 50 ff. und Sachs, in: Sachs, GG, Art.  20 Rn.  122 (dort ist übergreifend von der „Verlässlichkeit des Rechts“ die Rede); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 88; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1984, 1986 m. w. N.; Stern, Staatsrecht I, § 20 IV 4 f β (S. 829). Eingehend hierzu auch Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 390 ff. sowie Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 81 ff. 329 Zu letzterem siehe erneut Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 51. Ein Beispiel kenntnisbedürftiger und erkennbarer Umstände sind etwa Grundlage und Höhe gewährter Leistungen, wie in BVerfGE 108, 52 (74) ausdrücklich betont. 330 Vgl. BVerfGE 83, 130 (145): „Gesetzliche Regelungen müssen so gefaßt sein, daß der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, daß er sein Verhalten danach auszurichten vermag“; ebenso BVerfGE 108, 52 (75) sowie fast identisch BVerfGE 62, 169 (183) und BVerfGE 110, 33 (53); noch früher BVerfGE 13, 261 (271); hierzu ebenfalls Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 128, 141. 331 Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1244.

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verordnungen, Satzungen) über Verwaltungsakte und Gerichtsentscheidungen bis hin zu sonstigen staatlichen Akten, den Anforderungen der Rechtsklarheit, Bestimmtheit und Rechtskraft.332 Denn staatliches Handeln ist nur dann von Freiheit und Gerechtigkeit geprägt, wenn „Eingriffe meßbar und […] voraussehbar und berechenbar werden“333, so dass der einzelne Bürger klare und absehbare Vorgaben erhält, an die er sich zu halten und trotz derer er sich freiheitlich zu betätigen vermag.334 Die Entscheidungsbefugnis über das konkrete Verhältnis der diskrepanten335 Elemente Freiheit / Gerechtigkeit einerseits sowie Rechtssicherheit andererseits bei individuell adressierten Maßnahmen obliegt innerhalb der verfassungsgemäßen Grenzen dem Gesetzgeber.336 Speziell die Rechtsnormen und die insgesamt von ihnen ausgestaltete Rechtsordnung haben – in ihrer ganzen Breite, aber besonders auch bei den Kompetenzen – diesen Anforderungen gerecht zu werden, indem sie inhaltlich verständlich (Normenklarheit) sowie in sich konsistent (Widerspruchsfreiheit bzw. Systemgerechtigkeit) formuliert sind bzw. werden.337 Weder sollen Inhalt und Gestaltung 332

Hierzu im Einzelnen Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 123 ff. und Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 128 ff., 170 ff. 333 So BVerfGE 8, 274 (325) und BVerfGE 9, 137 (147); in dieselbe Richtung schon frühzeitig BayVerfGHE n. F. 1 II 81 (91). 334 Zum Vorstehenden insgesamt Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 288. Zum Freiheitsgedanken schon BVerfGE 13, 261 (271), BVerfGE 109, 133 (180) und des Weiteren BVerfGE 118, 168 (186 f.). 335 Vgl. „in Widerstreit“ gemäß BVerfGE 3, 225 (237); BVerfGE 7, 194 (196) und BVerfGE 22, 322 (329); s. a. Frankenberg, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. IV) Rn. 39. Bei Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 188 ist alternativ die Rede von einem „Spannungsverhältnis“. Vgl. ferner die Gegenüberstellung beider Elemente bei Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S.  333 ff. und unmittelbar nachfolgend S. 390 ff. sowie zudem bei Benda, in: HdbVerfR, § 17 Rn. 14 f. Umfassende Auseinandersetzung schließlich bei von Arnauld, Rechtssicherheit, S. 637 ff. 336 Dazu BVerfGE 3, 225 (237); BVerfGE 7, 194 (196) und BVerfGE 25, 269 (290 a. E.); außerdem eindeutig BVerfGE 27, 297 (305 f.). Aus dem Schrifttum z. B. Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 40; Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 188. 337 Vgl. aus der Rspr. anfänglich die Ausführungen in BVerfGE 1, 14 (45); BVerfGE 17, 306 (314); BVerfGE 25, 216 (227) und später etwa BVerfGE 78, 214 (226); BVerfGE 108, 169 (181 f.); in dieselbe Richtung auch BVerfGE 98, 106 (119). Die „Normklarheit und Justitiabilität“ als Gradmesser korrekten staatlichen Handelns betreffend (zum Zitat jeweils an den nachfolgend genannten Fundstellen) siehe besonders BVerfGE 21, 73 (79), BVerfGE 31, 255 (264), BVerfGE 37, 132 (142), BVerfGE 47, 239 (247, 252), BVerfGE 103, 21 (33) und BVerfGE 103, 332 (384); fast identisch BVerfGE 78, 214 (226). Zur Normenklarheit eingehend BVerfGE 14, 13 (16); BVerfGE 108, 52 (74 f.) und BVerfGE 114, 1 (53), zur Vermeidung von Widersprüchen BVerfGE 98, 83 (97); BVerfGE 98, 265 (301); außerdem BVerfGE 34, 216 (181 f.); BVerfGE 98, 106 (118 f.) und zusammenfassend BVerfGE 119, 331 (366). Aus dem Schrifttum Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 53, 56; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 89; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 125; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 34 f.; Hellermann, in: BeckOK-GG, Art. 30 Rn. 22.1; Hillgruber, in: Bonner Kommentar zum GG (126. EL 2006), Art. 30 Rn. 127; Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 289. Zur Verständlichkeit näher Huber, ZG 5 (1990), 355 ff. sowie dies aufgreifend Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 141 ff. Ferner betreffend Klarheit im Rechtsverkehr von Arnauld, Rechtssicherheit,

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von Gesetzen das gesetzgeberische Begehren verwischen338 noch die vollziehende Verwaltung oder den angesprochenen Bürger über die beabsichtigte ‚Botschaft‘ im Unklaren lassen.339 Übergreifend ist hierbei die Rede von der notwendigen „Klarheit der Kompetenzordnung“340. Dem Gesetz muss sich in jeder Lage unmissverständlich entnehmen lassen, wer im konkreten Einzelfall und somit differenzierend nach den tatsächlichen Gegebenheiten zur Entscheidung berufen ist341, d. h. es dürfen weder zwei Stellen gleichzeitig zur Entscheidung berufen sein noch darf es an einem Entscheidungsträger für eine bestimmte Konstellation gänzlich fehlen. Die Verantwortlichkeit muss, wie es im Verwaltungsbereich heißt, klar und zurechenbar342 sowie vollständig343 verteilt sein. Auch dieser Aspekt staatslenkender und -begrenzender Richtsätze steht wiederum in enger Verbindung zum Demokratieprinzip344 als alles durchdringender Maxime im deutschen Staat: Denn wie schon die bundesstaatlich verlangte Trennung der Gewalten (bzw. Begrenzung ihrer Vermischung) fördert eine klare Zuständigkeitszuweisung die eindeutige Erkennbarkeit von Verantwortungssträngen und mithin Verwirklichung der demokratischen Legitimationskette innerhalb des S. 226 ff., der zwischen „Allgemeinverständlichkeit“ (S. 228) und „Adressatenverständlichkeit“ (S. 230) unterscheidet; dort auch zur Widerspruchsfreiheit auf S. 252 ff. Zu letzterem ebenfalls Jarass, AöR 126 (2001), 588 (601 ff.); Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429 ff.; Sodan, JZ 1999, 864 ff. und Schulze-Fielitz, a. a. O. m. zahlr. Nachw.; Zippelius / Würtenberger, Dt. Staatsrecht (32. Aufl. 2008), § 12 Rn. 26 ff. Zur Normenklarheit als Bestandteil der Rechtssicherheit umfassend Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 396 ff., kürzer Towfigh, Der Staat 48 (2009), 29 ff. oder Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 4. Kapitel, Rn. 27. Zur Widersprüchlichkeit normativer Regelungen umfassend Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 15 ff., 128 ff. und passim sowie Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S.37 ff. Kritisch hingegen Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 183.1 und Sendler, NJW 1998, 2875 (2876 f.). 338 Vgl. BVerfGE 17, 306 (314, 318) und Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 125. 339 Sachs, in: Sachs, GG, Art.  20 Rn.  125 m. w. N. bzw. Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 53. Bekanntgeworden ist insoweit die Wendung „daß die davon [Anm.: gesetzliches Verbot] Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach bestimmen können“ aus der ständigen Rspr. des BVerfG, so etwa in BVerfGE 17, 306 (314) sowie leicht abgewandelt später BVerfGE 31, 255 (264), BVerfGE 37, 132 (142), BVerfGE 78, 205 (212), BVerfGE 84, 133 (149) und BVerfGE 103, 332 (384); ganz ähnlich schließlich auch BVerfGE 83, 130 (145), BVerfGE 108, 52 (75), BVerfGE 114, 1 (53). Dass die für Gesetzeszuständigkeiten entwickelte Widerspruchsfreiheit die Verwaltungszuständigkeiten ebenso erfasst, lässt sich auf die Entscheidung in BVerfGE 98, 106 (119) zurückführen; vergleichbar BVerfGE 98, 265 (301); s. a. Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 289; Cornils, ZG 23 (2008), 184 (187). 340 So BVerfGE 119, 331 (366) und BVerfGE 137, 108 (144) sowie aus dem Schrifttum Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 36; s. a. Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 139 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 142. 341 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 142. 342 Hierzu eingehend Lerche, in: Maunz / Dürig, GG (Bearbeitung 1983), Art. 83 Rn. 107, 110. 343 Vgl. „klare und auf Vollständigkeit angelegte Zuordnung von Kompetenzen“ in BVerfGE 137, 108 (144). 344 Dazu ausführlich sogleich in § 6 II.

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Bundes oder eines Landes.345 Spiegelbildlich helfen demokratische Grundlagen bei der Schaffung rechtsstaatlicher Strukturen346, die wirksam erst „auf dem Boden“347 einer Demokratie gedeihen können. Zudem lässt sich der Rechtsgedanke mit dem zuvor erläuterten Bundesstaatsprinzip insoweit verknüpfen, als mit den diesem immanenten Kompetenzgrundlagen und speziell dem dort geforderten eigenverantwortlichen Tätigwerden dem rechtsstaatlich motivierten Wunsch nach „Vorhersehbarkeit, Kontrollierbarkeit und Nachvollziehbarkeit, für den Bürger damit Verantwortungsklarheit und Berechenbarkeit staatlichen Handelns“348, nähergekommen wird.349 Die Verpflichtung zu einer gleichermaßen horizontalen wie vertikalen Gewaltenteilung des Staatsaufbaus der Bundesrepublik Deutschland hat eine gegenseitige Festigung sowohl innerhalb von Bund und Ländern als auch untereinander zur Folge, was die ordnungsgemäße Zuständigkeitsverteilung zwischen beiden Ebenen und auch innerhalb dieser fördert.350

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Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 36 f.; Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 152. Letztgenannte sehen „in dem Prinzip gleicher Freiheit eine gemeinsame normative Wurzel“ (auch hierzu a. a. O.). Allerdings bestünde zwischen ihnen nicht nur die Möglichkeit gegenseitiger Stärkung, sondern auch ein „Spannungsverhältnis“, welches in Balance zu halten sei (zum Vorstehenden inkl. wörtlichem Zitat erneut Huster / Rux, a. a. O.); hierzu ebenfalls Schmidt-Aßmann, in: HStR  II, § 26 Rn.  96. Auch Frankenberg, in: AK-GG, Art.  20 Abs.  1–3 (Abschn.  IV) Rn.  24 m. w. N. betont die verfassungsrechtlich gewollte Verschränkung beider Prinzipien, wenn die rechtsstaatliche Garantie von Freiheit mit den demokratischen Ausformungen ihrer selbst vereinigt werde. Schon Bäumlin, Rechtsstaatliche Demokratie, S.  92 sprach von einer „gegenseitigen Ergänzung“, mit näheren Erläuterungen auf den S.  92 ff.; s. a. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art.  20 (Rechtsstaat) Rn.  225 m. w. N. Sehr aussagekräftig ebenfalls Scheuner, in: Forsthoff, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 461 (468), beide Prinzipien seien „keine Gegensätze, sie bedingen und schützen einander“; dem schloss sich Hesse, in: Forsthoff, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 557 (583) an. 346 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 225 m. w. N. 347 So Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 87 mit näheren Erläuterungen zum Schnittpunkt beider Staatsprinzipien. Nach Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 316 habe sogar im Laufe der Zeit „das Rechtsstaatsprinzip traditionell ihm zugeordnete Gehalte partiell an das Demokratieprinzip abgegeben“ (zum Zitat a. a. O.). 348 So die Formulierung bei Krebs, in: HStR III (2. Aufl. 1996), § 69 Rn. 77. Diese wurde zur Ermittlung von Grenzen der Mischverwaltung aus dem Rechtsstaatsprinzip bereits von Erichsen / Büdenbender, NWVBl. 2001, 161 (166) aufgegriffen. 349 Vgl. Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1244; ebenfalls noch Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 33. 350 Hierzu Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 227 am Beispiel der Entscheidung in BVerfGE 98, 106 (117 ff.), wo Rechtsstaats- und Bundesstaatselemente gemeinsam zu „Schranken der Kompetenzausübung“ (so BVerfG, a. a. O., S. 119) kombiniert worden seien. Eingehend zum Zusammenhang beider Prinzipien Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 94; kürzer auch Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 53.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

b) Bestimmtheit (von Normen) Gleichzeitig wird von den Rechtsnormen und dem sonstigen staatlichen Handeln auch Deutlichkeit (ausreichende Bestimmtheit) bzw. Unmissverständlichkeit351 in dem Sinne verlangt, dass sich Wirkungen und etwaige Weisungen für den Adressaten unmittelbar aus dem Wortlaut entnehmen lassen.352 Auch dies soll der fortwährenden „Messbarkeit und Berechenbarkeit staatlichen Handelns“353 dienen. Wegen des engen Zusammenhangs als rechtsstaatliche Forderungen mit dem gemeinsamen Ziel der Rechtssicherheit überschneidet sich der Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes beträchtlich mit der kaum hiervon zu trennenden, aber dennoch voneinander abgegrenzten354 Normenklarheit und auch dem Vorbehalt des Gesetzes.355 Zum Teil werden Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit sogar dem Bestimmtheitsgrundsatz zugewiesen356 oder wird im Gegenteil für sämtliche Ausformungen unmittelbar das allgemeine Rechtsstaatsprinzip mit seinem Aspekt Rechtssicherheit/-klarheit zur Grundlage ernannt.357 Der Einzelne soll die 351

Gleichbedeutend einer „Transparenz“, so jeweils Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 36 und Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 289. 352 Zum Vorstehenden insgesamt Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  20 (Abschn. VII) Rn. 58. Zum „Gebot hinreichender Bestimmtheit der Gesetze“ aus der Rspr. etwa BVerfGE 49, 168 (181); BVerfGE 59, 104 (114); BVerfGE 78, 205 (212); BVerfGE 103, 332 (384); BVerfGE 108, 186 (234 f.). Ausführlich zur Bestimmtheit im Rechtsverkehr von Arnauld, Rechtssicherheit, S. 242 ff. und Schmidt-Aßmann, Allgemeines Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 4. Kapitel, Rn. 28 ff. Zum Bestimmtheitsgebot etwa BVerfGE 118, 168 (186 f.); BVerfGE 120, 378 (407 f.); ausführlich auch Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 132 ff., 497 f.; Papier / Möller, AöR 122 (1997), 177 ff.; Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem GG, S. 255 ff.; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 66 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 129 m. w. N.; Kunig, Jura 1990, 495 ff. 353 So die prägnante Zielrichtung nach Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 289. 354 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 141 befürwortet, beide Bereiche klar auseinander zu halten. Dem entspricht auch die klare Unterscheidung bei Münch, in: FS Hahn, S. 673 (674) als einzelne Elemente der Rechtssicherheit. Auch Stern, Staatsrecht I, § 20 IV 4 f β (S. 830) sieht den Bestimmtheitsgedanken gegenüber der Norm-/Rechtsklarheit als weitergehend an. Demgegenüber fasst Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 396 ff. alle Elemente die „Frage der inhaltlichen Beschaffenheit“ (S. 396) betreffend zusammen und differenziert insoweit nicht; in diese Richtung offenbar auch BVerfGE 93, 213 (238), wo das BVerfG zur Definition der Normenklarheit auf (klassische) Bestimmtheitsanforderungen Bezug nahm. 355 Vgl. die gemeinsame, miteinander verwobene Nennung etwa in BVerfGE 93, 213 (238) und BVerfGE 110, 33 (52 f.). Bei BVerfGE 114, 1 (53) m. w. N. heißt es sogar – in vollkommener Mischung – „Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit“; fast identisch BVerfGE 120, 274 (315); BVerfGE 118, 168 (186); ferner Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 82, 89; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 129; Stern, Staatsrecht I, § 20 IV 4 f β (S. 829 f.); zudem Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 126, in der dortigen Fn. 534 gleichzeitig aber mit einem weiterführenden Quellenverweis für einen Versuch der Abgrenzung zur Normenklarheit. 356 In dieser Weise bei Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 289. 357 In diese Richtung wohl Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 81 ff., soweit in der dortigen Rn. 85 die Bestimmtheit als eine bestimmte Variation im Hinblick auf die Gesetzgebung an-

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Gelegenheit haben, die Konsequenzen abzuschätzen und sein Handeln auf die Vorgaben einzustellen, während sich die Verwaltung ihrer Kompetenzen bewusst sein soll, um den gesetzlich vorausgesetzten Anforderungen gerecht zu werden und ihre Entscheidungen entsprechend zu organisieren.358 Bestimmtheit lässt sich allerdings nicht beziehungslos für alle denkbaren Situationen ermitteln oder umschreiben, sondern muss kraft Auslegung bezogen auf die einzelne Fallgestaltung ermittelt werden.359 Dabei sprechen regelmäßig die Auswirkungen von staatlichem Handeln auf den einzelnen Adressaten, die absehbar und berechenbar bleiben müssen, zugunsten eines möglichst hohen Grades an Bestimmtheit.360 Ausdrücklich die durch Rechtsnormen abstrakt-generell gestaltete Rechtslage mit den inkludierten Ermächtigungen der Verwaltung müssen „nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt“361 sein, damit Normanwender und adressaten die normative ‚Botschaft‘ verstehen bzw. danach handeln sowie die Gerichte deren Befolgung nachprüfen können.362 Gleichzeitig verlangen einige Aspekte jedoch eine gewisse Abschwächung des Bestimmtheitsgrundsatzes zugunsten seiner Praktikabilität: Rechtsnormen sind dazu gedacht, eine Vielzahl von Situationen zu erfassen und eine Mehrzahl von Adressaten einzubeziehen363, was sich in ihrer abstrakt-generellen Abfassung und Konzeption widerspiegelt, zwangsläufig verbunden mit einer allgemeingültigen und geführt wird; des Weiteren Münch, in: FS Hahn, S. 673 (674). Vgl. hierzu abermals die Vermischung beider Anforderungen in BVerfGE 93, 213 (238) und schließlich noch Papier / Möller, AöR 122 (1997), 177 (181, 199). 358 Vgl. BVerfGE 31, 255 (264), BVerfGE 37, 132 (142), BVerfGE 78, 205 (212), BVerfGE 83, 130 (145), BVerfGE 87, 234 (263), BVerfGE 110, 33 (53 ff.), BVerfGE 114, 1 (53) und BVerfGE 118, 168 (187) sowie aus dem Schrifttum v. a. Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn.  58; Sommermann, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art.  20 Rn.  289; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 129; Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 182 a. E.; schließlich noch Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 374. 359 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 59. 360 BVerfGE 110, 33 (53 f.) und ders., in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 59; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 83. 361 So BVerfGE 8, 274 (325) und BVerfGE 9, 137 (147) bzw. fast identisch BVerfGE 110, 33 (54), BVerfGE 113, 348 (376) und auch BVerwGE 22, 299 (12). 362 Vgl. schon BayVerfGHE n. F. 4 II 90 (103) sowie im Anschluss hieran BVerfGE 5, 25 (31) und BVerfGE 8, 274 (302), wo es jeweils wörtlich heißt: „für den Rechtsunterworfenen klar erkennen lassen, was Rechtens sein soll“; siehe später auch noch BVerfGE 9, 137 (147) bzw. BVerfGE 21, 73 (79). In letztgenannter Entscheidung wird gleichbedeutend verlangt, „dass die von ihr [Anm.: Vorschrift] Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können“; so oder ähnlich später in BVerfGE 31, 255 (264), BVerfGE 37, 132 (142), BVerfGE 87, 234 (263), BVerfGE 102, 254 (337), BVerfGE 103, 111 (135), BVerfGE 103, 332 (235) und BVerfGE 110, 33 (53); ferner mit abweichender Formulierung BVerfGE 62, 169 (183), BVerfGE 83, 130 (145), BVerfGE 113, 348 (375 f.). Dem allgemein zustimmend Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 126; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 84; Stern, Staatsrecht I, § 20 IV 4 f β (S. 830). 363 Vgl. „generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen“, z. B. in BVerfGE 78, 214 (226) m. w. N.; mit näherer Begründung auch Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 289.

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2. Teil: Problematik und Grenzen der Mischverwaltung

daher weniger bestimmten Formulierung, die konkret-individueller Subsumtion bedarf.364 Dementsprechend sollte man nachdrücklich den Unterschied zwischen zulässiger Auslegungsoffenheit und unzulässiger Unbestimmtheit berücksichtigen: Nur bei ersterem sind die Gerichte nach dem gesetzgeberischen Willen dazu aufgefordert, die abstrahierenden und mitunter Spielräume staatlicher Gewalt ermöglichenden Regelungen (etwa durch unbestimmte Rechtsbegriffe, Ermessen, Generalklauseln365) ausreichend zu konkretisieren bzw. mindestens für die Einhaltung rechtsstaatlicher Grenzen Gewähr zu bieten.366 Um zu bestimmen, ob eine Rechtsnorm angesichts dieses Für und Wider hinreichend bestimmt ist, verweist das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung auf den jeweiligen Normgegenstand („Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts“367) und stellt diesem den Normzweck sowie die Intensität der individuellen Belastungswirkungen mit Grundrechtsrelevanz368 entgegen.369 Weil neben letzterem auch die Berechenbarkeit und Kalkulierbarkeit für den Normanwender bzw. -adressaten maßgeblich ist370, gilt entsprechend dem Wesentlichkeitsgrundsatz371 Folgendes: Der Grad an verfassungsrechtlich geforderter Be 364 Vgl. BVerfGE 84, 133 (149: „Auslegungsbedürftigkeit“); BVerfGE 86, 288 (311); BVerfGE 89, 69 (84 f.); BVerfGE 93, 213 (238); s. a. Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 59 a. E. und Frankenberg, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. IV) Rn. 37 m. w. N. 365 Deren Zulässigkeit anerkannt ist, vgl. etwa BVerfGE 8, 274 (326), BVerfGE 21, 73 (79), BVerfGE 31, 33 (42), BVerfGE 31, 255 (264), BVerfGE 48, 210 (222), BVerfGE 49, 89 (133), BVerfGE 49, 168 (181), BVerfGE 56, 1 (12) und BVerfGE 79, 174 (195). Aus dem Schrifttum stellvertretend Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 182. 366 Vgl. bereits BVerfGE 3, 225 (242 f.) und sodann BVerfGE 31, 255 (264); BVerfGE 87, 234 (263 f.); BVerfGE 110, 33 (54 f.); BVerfGE 120, 378 (407); s. a. BVerfGE 79, 174 (195) und Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 289. 367 So etwa BVerfGE 102, 254 (337); BVerfGE 103, 332 (235); BVerfGE 110, 370 (396); BVerfGE 117, 71 (111); lediglich im Plural bei BVerfGE 49, 168 (181); BVerfGE 59, 104 (114); BVerfGE 78, 205 (212); BVerfGE 89, 69 (84 a. E.); BVerfGE 93, 213 (238); fast identisch auch BVerfGE 48, 210 (222), BVerfGE 56, 1 (13), BVerfGE 87, 234 (263) und BVerfGE 49, 89 (133). 368 Vgl. beispielsweise BVerfGE 48, 210 (222); BVerfGE 83, 130 (145); BVerfGE 86, 288 (311); BVerfGE 110, 33 (55); BVerfGE 113, 348 (376); BVerfGE 120, 378 (408). 369 In dieser Weise BVerfGE 48, 210 (222); BVerfGE 49, 89 (133); BVerfGE 49, 168 (181); BVerfGE 56, 1 (13); BVerfGE 59, 104 (114); BVerfGE 78, 205 (212); BVerfGE 83, 130 (145); BVerfGE 84, 133 (149); BVerfGE 89, 69 (84 a. E.); BVerfGE 93, 213 (238); BVerfGE 102, 254 (337); BVerfGE 103, 332 (235); BVerfGE 110, 370 (396); BVerfGE 117, 71 (111). Außerdem Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 60; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 126. Demgegenüber mit deutlich betonten Zweifeln an der Handhabbarkeit dieser Rechtsprechungspraxis Papier / Möller, AöR 122 (1997), 177 (196 ff.). 370 Vgl. BVerfGE 59, 104 (114); BVerfGE 103, 332 (235) und BVerfGE 110, 33 (53 f.); ferner Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 128 und Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. D) Rn. 84. 371 Hierzu etwa BVerfGE 79, 174 (195 f.). Ergänzend weist Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 84 darauf hin, dass die Reichweite einer Regelung neben der grundsätzlichen Frage, etwas in Gesetzesform normieren zu müssen, ebenfalls auf die „Wesentlichkeit“ (zum Zitat a. a. O.) abstellt; siehe schließlich noch BVerfGE 49, 89 (126 f.).

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stimmtheit einer Norm steigt mit zunehmender Wesentlichkeit der betroffenen Rechtskreise, die wiederum bemessen wird anhand der rechtsfolgenorientierten Intensität für die berührten individuellen Grundrechte372, deren Stellenwert im gesellschaftlich-politischen Diskurs und schließlich der regulatorischen Offenheit der jeweiligen Materie.373 Dementsprechend muss eine Norm umso konkretere Regelungen enthalten, je einschneidender die Wirkung für grundrechtliche Freiheiten und die öffentliche Relevanz374 ist, d. h. „je bedeutsamer die Norm ist, insbesondere je intensiver die damit verbundene Freiheitseinschränkung des Bürgers ausfällt, und je eindeutiger, abgrenzbarer und vorhersehbarer der Regelungsgegenstand ist, desto höher ist das Maß der gebotenen inhaltlichen Bestimmtheit der Norm“375. Demgemäß verlangen Rechtsnormen mit Abweichungen von Geboten des Grundgesetzes (z. B. durch Grundrechtseingriffe und Ausfüllung des Gesetzesvorbehalts) besondere Genauigkeit und höchste Behutsamkeit.376 Mit der avisierten Bestimmtheit einer Rechtsnorm ist vor dem Hintergrund der vorstehenden Maßstäbe nicht ein absoluter Zustand zu verstehen, sondern ein relatives Optimum an Deutlichkeit und Genauigkeit, das mit einem relativen Minimum an Geboten für Ausdruck und Formulierung korrespondiert.377 Insoweit wird dem Gesetzgeber beim Erlass von Rechtsnormen ein grundlegender Spielraum zugestanden, welcher sich in der Möglichkeit zur Verwendung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen äußert.378 Trotz der gesetzgeberischen Entfaltungsmöglichkeit unterliegen auch diese weiterhin den übrigen Verfassungsprin­ zipien, darunter vor allem auch Normklarheit und Widerspruchsfreiheit, und müssen

372 Vgl. BVerfGE 56, 1 (13); BVerfGE 83, 130 (145); BVerfGE 86, 288 (311); BVerfGE 102, 254 (337); BVerfGE 109, 133 (188); BVerfGE 110, 33 (55); BVerfGE 113, 348 (376); BVerfGE 120, 378 (408). 373 Insgesamt und v. a. zum zweiten Satzteil vgl. Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art.  20 (Abschn. D) Rn. 84; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 84; Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 289; siehe zudem Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 182. 374 Vgl. BVerfGE 56, 1 (13). In den der Entscheidung in BVerfGE 49, 89 (94) vorausliegenden Schilderungen zum Verfahrensgang heißt es dazu „je größer die Bedeutung für die Allgemeinheit sei, je weitreichender der politische Konflikt“ (zum Zitat a. a. O.); s. a. BVerfGE 83, 130 (145). 375 So Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 60. Kürzer, aber dadurch noch prägnanter BVerfGE 107, 104 (120): „umso strenger, je schwerer die Auswirkungen“; ähnlich schon BVerfGE 56, 1 (13); BVerfGE 86, 288 (311); BVerfGE 93, 213 (238) und später BVerfGE 109, 133 (188). 376 Vgl. etwa BVerfGE 79, 174 (195 f.) und insgesamt Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 128. Zur Wesentlichkeit als Maßstab ebenfalls BVerfGE 49, 89 (126 f.). 377 Vgl. dazu „nur Mindestanforderungen“ bei Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  20 (Abschn. VII) Rn. 61. 378 Vgl. BVerfGE 8, 274 (326); BVerfGE 21, 73 (79); BVerfGE 31, 33 (42); BVerfGE 48, 210 (222); BVerfGE 49, 89 (133); BVerfGE 49, 168 (181); BVerfGE 56, 1 (12); BVerfGE 79, 174 (195); BVerfGE 87, 234 (263); zudem Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 85.

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justiziabel sein.379 Ausgangspunkt für die Beurteilung ist hierbei stets die Auslegung der Rechtsnorm unter Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts (Formulierung), sondern auch der Entstehungsgeschichte (Begründung des Normentwurfs), der Systematik (Beziehung zu anderen Normen) und des Telos (Normzweck).380 Im Hinblick auf die Verwaltungskompetenzen ist deshalb auch insoweit ausreichende „Verantwortungsklarheit“381 zu fordern, d. h. Entscheidungen müssen den handelnden Stellen und weitergehend dem jeweiligem Verwaltungsträger eindeutig zugerechnet werden. Dies verlangt wiederum eine „klare Kompetenzordnung und Funktionentrennung“382 im Sinne echter Gewaltenteilung. c) Weitere rechtsstaatliche Wirkungen Über die genannten Materien hinaus werden dem Rechtsstaatsprinzip, d. h. im Grunde den verschiedenen, das Prinzip ausgestaltenden Grundgesetznormen, im Hinblick auf staatliche (Misch-)Verwaltung auch organisations- und verfahrensrechtlich strukturierende Wirkungen zugesprochen.383 In erster Linie handelt es sich um die in Art. 1 bis 20 GG enthaltenen Strukturelemente für den deutschen Rechtsstaat im Allgemeinen (grundrechtliche Vorgaben384, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, Gewaltenteilung), daneben allerdings auch um detaillierte Vorschriften jeweils für den Normerlass der Legislative385 sowie die Normanwendung von Exekutive386 und Judikative387. 379

Dazu etwa Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 86 und ebenfalls BVerfGE 3, 225 (242). Nähere Erläuterungen und weitere Nachweisen finden sich bereits in den Ausführungen in § 6 III. 2. a), die sich entsprechend übertragen lassen. 380 Dies sieht Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 61 naturgemäß auch als Grundlage der Normanwendung. Allgemein zu den Grundsätzen der Auslegung vgl. anstelle vieler Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 312 ff., insbes. S. 320 ff. zu den Auslegungskriterien, und Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 42 ff., jeweils mit weiterführenden Hinweisen zu Einzelfragen im Rahmen der Auslegung von Rechtsakten und v. a. -normen. 381 So Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 32 und ähnlich Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 300 f. Die Verantwortungsklarheit wird im Übrigen indirekt auch im Rahmen der Organisationsgestaltung/-freiheit berührt, vgl. eingehend Bull, in: FS Maurer, S. 545 ff. (passim). 382 So BVerfGE 33, 125 (158) und ähnlich BVerfGE 119, 331 (366). Ebenso Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 300, dem zufolge sowohl Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG als auch dessen Abs. 3 als Grundlage dieser Anforderungen erkannt werden können. 383 Vgl. Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 129, der darauf hinweist, dass die vom Grundgesetz grob aufgestellten Maßstäbe durch eine Vielzahl einfachgesetzlicher Regelungen im Detail ausgearbeitet und vervollkommnet werden; an gleicher Stelle ebenfalls eingehend zur nachfolgenden Auflistung an Beispielen in den nachfolgenden Fn. 385–388. 384 Beispiele hierfür sind v. a. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Art. 104, Art. 10 Abs. 2 Satz 2, Art. 13 Abs. 3 und Abs. 4, Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG. 385 Dafür lassen sich beispielhaft Art. 40, Art. 76 f. und Art. 80 Abs. 1 GG nennen. 386 Beispiele: Art. 33 Abs. 4, Art. 35, Art. 84 Abs. 3, Art. 85 Abs. 4 GG. 387 Auch insoweit können zahlreiche Beispiele benannt werden, etwa Art. 14 Abs. 3 Satz 4, Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 34 Satz 3, Art. 92, Art. 95–97, Art. 101 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 GG.

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Speziell dem Gewaltenteilungsgrundsatz kommt innerhalb der Wirkungen eine hervorgehobene Bedeutung zu, weil vornehmlich durch diese Grundsätze, die ausgehend vom rechtsstaatlichen Blickwinkel horizontal wirken und durch den Bundesstaatsgedanken um eine vertikale Ebene ergänzt werden, der gesamtstaatliche Verwaltungsaufbau in seiner bestehenden Form erschaffen und gestützt wird.388 Des Weiteren bleibt ergänzend noch die „Verfahrensgerechtigkeit“389 als einer der zentralen Aspekte zu nennen, die aus dem Rechtsstaatsgedanken abgeleitet werden. Auch sie offenbart sich prinzipiell zugleich in den anderen Staatsprinzipien, gelangt dort aber weniger deutlich zum Ausdruck: Danach ist das gesamte Verwaltungsverfahren und -handeln an Gesetz und Recht, darunter natürlich vorrangig den verfassungsrechtlichen Grundlagen, auszurichten, sei es im Hinblick auf Kompetenzen, Verfahrensabläufe oder allgemein die Außenwirkung des staatlichen Handelns.390

388

Hierzu BVerfGE 3, 225 (247); BVerfGE 67, 100 (130); BVerfGE 95, 1 (15) und dem folgend Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 67 m. w. N. Nach Frankenberg, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 13 (Abschn. IV) Rn. 40 m. w. N. handele es sich um den „Dreh- und Angelpunkt rechtsstaatlicher Organisations- und Verfahrensrationalität“; ausführlich zu diesem rechtsstaatlichen Element etwa Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 70 ff. und Di Fabio, in: HStR II, § 27 Rn. 1 ff., 11 ff., bei Letzterem (ebenfalls a. a. O., Rn. 12) auch zu „Wechselwirkungen“ der (klassischen) rechtsstaatlichen mit der bundesstaatlich motivierten vertikalen Form. Die (anfängliche) Rechtsprechungshistorie des BVerfG hierzu hat Sinemus, Grundsatz der Gewaltenteilung in der Rspr. des BVerfG, S. 100 ff. übersichtlich zusammengestellt. 389 So Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 363 mit näheren Erläuterungen auf S. 362 ff. Auch Frankenberg, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. IV) Rn. 43 greift diese Bezeichnung auf, stellt aber als seiner Ansicht zufolge vorzugswürdige Alternativbezeichnung die „Verfahrensrichtigkeit“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.) in den Raum. 390 Zum Vorstehenden Frankenberg, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. IV) Rn. 43 f.

Dritter Teil

Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG § 7 Verfassungswidriges Verfassungsrecht In Anbetracht des Umstandes, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 20071 die Unzulässigkeit der ARGEn und das Verbot einer derartigen Mischverwaltungsform wegen verschiedener Bedenken mit Blick auf die Staatsprinzipien der Bundesstaatlichkeit, der Demokratie und des Rechtsstaats konstatierte, weil es einen Eingriff in den Gewährleistungsgehalt dieser Prinzipien erkannte, könnte sich die neu in das Grundgesetz eingefügte Vorschrift des Art. 91e GG dem Vorwurf ausgesetzt sehen, ‚verfassungswidriges Verfassungsrecht‘2 zu enthalten.3 Immerhin steht ein verfassungsänderndes Gesetz zur Schaffung des Art. 91e GG im Mittelpunkt der Betrachtungen, welches den einfachen Gesetzen zwar als Akt der Gesetzgebung strukturell vergleichbar ist, in Relation zu diesen aber abweichenden Voraussetzungen unterliegt. Ansatzpunkt für die Prüfung von Verfassungsänderungen und somit für jegliche Überlegung in die genannte Richtung ist Art. 79 GG. I. Art. 79 GG als „Maßstabsnorm“ Denn Art. 79 GG ist die zutreffende „Maßstabsnorm“4. Sie ist Ausgangspunkt für die Begutachtung sämtlicher Verfassungsänderungen und somit auch Ausgangspunkt der hier interessierenden Fragestellung. Neben dem im Zuge von Änderungen des Grundgesetzes einzuhaltenden Verfahren (vgl. Absatz 1, v. a. Gebot der Textänderung) und weiteren formalen Anforderungen (vgl. Absatz 2: qualifizierte Mehrheiten in Bundestag und -rat5) enthält Art. 79 GG in Absatz 3 auch materielle Schranken, denen selbst einfache Modifikationen und Umbildungen des Grundgesetzes, geschweige denn die massivere Streichung, Ersetzung oder Neuschaffung

1

BVerfGE 119, 331 (364 ff.). Der Begriff entstammt ursprünglich der Arbeit von Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen, S. 1 ff., ist aber mittlerweile als feststehender terminus technicus anerkannt. 3 Vgl. zum Vorwurf etwa Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 20 und zu der damit verbundenen Diskussion auch Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91e Rn. 13. 4 So Hall, JuS 1972, 132 (132); ähnlich Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 22 (dort „Prüfungsmaßstab“) und Erichsen, Staatsrecht II, S. 19. 5 Auf diesem Wege sollen die verfassungsrechtlich zugrunde gelegten zentralen Staatsstrukturen einem „legitimierenden Konsens der politisch organisierten Gesellschaft“ entspringen, so Badura, in: FS Scheuner, S. 19 (24) und ihm folgend Dreier, JZ 1994, 741 (747). 2

§ 7 Verfassungswidriges Verfassungsrecht

211

von Grundgesetznormen, verpflichtet sind.6 Durch diese speziellen, sie begünstigenden Anforderungen hebt sich die zwar deutlich seltenere, aber nicht weniger relevante und lediglich normenhierarchisch übergeordnete Verfassungsänderung von der ihr untergeordneten, einfachen Gesetzgebung durch die Legislative ab.7 Verfassungsänderungen unterliegen ausschließlich den genannten Grenzen, während die an gewöhnliche Gesetzesänderungen anzulegenden Maßstäbe quantitativ wie qualitativ deutlich hierüber hinausgehen8; letztere sind inhaltlich weitergehend an der gesamten restlichen Verfassung zu messen.9 Dem verfassungsändernden kommt insoweit ein größerer Gestaltungsspielraum als dem einfachen Gesetzgeber zu. Tagespolitisches, demokratisches Handeln und Fortbestand der Verfassung finden in dieser normativen Ausprägung ihre (notwendige) Schnittstelle, um das Grundgesetz einerseits entwicklungsoffen gestalten und es andererseits gleichwohl in seiner Gesamtheit erhalten zu können.10 Der sich über die Jahrzehnte wandelnde 6 Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 1 bezeichnet dies als „dreifache Sicherung des Verfassungsrechts“ durch den von historischen Eindrücken geprägten Verfassunggeber. Dieser knüpfe zwar teilweise an Ursprünge in der Paulskirchenverfassung und Weimarer Verfassung an, ziehe im Übrigen aber Lehren aus der Leichtigkeit „‚legaler‘ Verfassungsbeseitigung“ durch die nationalsozialistischen Strömungen (auch hierzu samt Zitat weiterhin a. a. O.). Namentlich ist hiermit die Verzerrung der verfassungsrechtlichen Grundsätze unter äußerlicher Beibehaltung der Verfassung im Ganzen gemeint, vgl. die Bemerkung des Abgeordneten Dr. Katz im Organisationsausschuss, abgedruckt in JöR n. F. (1951), S. 574. Dies belegen auch die Ausführungen zur Begründung einer Revisionsnorm, welche ersichtlich unter dem Eindruck der Erfahrungen aus der Weimarer Zeit standen, vgl. die Bemerkungen der Abgeordneten hierzu im genannten Ausschuss (a. a. O., S. 585 f.) und ergänzend Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 61; Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 41. Hierüber hinausgehend benennt Stern, Staatsrecht I, § 5 II 1 (S. 154 f.) sogar in abstrakter Form vier typische Elemente von Bestimmungen, die eine Verfassungsrevision ermöglichen, namentlich Regelungen bezogen auf Verfahren (wie in Art. 79 Abs. 2 GG), Form (wie in Abs. 1) und materielle Schranken (wie in Abs. 3) sowie schließlich historisch gewachsene Besonderheiten, wofür er beispielhaft Art. 146 GG anführt. Aus einem etwas anderen Blickwinkel zählt Dreier, JZ 1994, 741 (741) zu den das Selbstbestimmungsrecht begrenzenden Barrieren neben Art. 79 Abs. 2 und Abs. 3 GG die Gemengelage von Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 21 Abs. 2 GG als Ausfluss der ‚streitbaren Demokratie‘; dazu auch BVerfGE 30, 1 (19 f.). Von Roellecke, DÖV 1978, 457 (457) werden schließlich noch Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 4 und Art. 91 GG hinzugefügt. 7 Vgl. von Münch / Mager, Staatsrecht I, Rn. 62; Stern, Staatsrecht I, § 5 II 1 (S. 154 m. w. N.); Steinberg, JZ 1980, 385 (389 f.); Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 3; Dreier, JZ 1994, 741 (744, 746) bzw. ders., in: Behrends / Sellert, Kodifikationsgedanke und Modell des BGB, S. 119 (126); s. a. Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, S. 39; Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 28; Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 32; Grimm, AöR 97 (1972), 489 (507) und Henke, Verfassunggebende Gewalt des Dt. Volkes, S. 138, wenngleich letzterer nicht die unstreitig zugrundeliegende Tatsache vernachlässigt wissen möchte, dass sowohl bei der Verfassungsänderung als auch bei der einfachen Gesetzgebung dieselben Staatsorgane handeln. 8 Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 27 f.; Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 51 f.; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 316. 9 Zu diesem nicht nur abweichenden, sondern auch erheblich weiterreichenden Maßstab siehe die nachfolgenden detaillierten Ausführungen in § 7 II. 10 Zum Vorstehenden insgesamt Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 5 (dort „Funktion einer Schaltstelle“) und Rn. 41; ähnlich auch Dreier, JZ 1994, 741 (747) m. w. N.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

Prozess politischer Willensbildung wird auf diese Weise „reglementiert, legitimiert und limitiert“11. Selbstredend ist auch unterhalb der Verfassungsebene eine den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechende organisationsrechtliche Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber geboten, welche den Regelungsgehalt der Verfassungsnorm aufnimmt und konkretisiert. Die hierbei erfolgende Umsetzung hat sich, um der Eigenverantwortlichkeit von Ländern und Kommunen wie auch dem Gestaltungszweck der Grundsicherung für Arbeitsuchende gleichermaßen gerecht werden zu können, ebenfalls an der Annäherung dieser gegenläufigen Leitgedanken zu orientieren und unter deren Wahrung eine tragfähige Basis für das Tätigwerden der hierzu aufgeforderten Stellen zu schaffen.12 In Anbetracht der Normenhierarchie hat dieser (in der Praxis sehr wesentliche) Aspekt für die in dieser Arbeit thematisierte, eingangs dargelegte Kernfrage jedoch keine Bedeutung und bleibt daher außer Ansatz.

I. Möglichkeit verfassungswidrigen Verfassungsrechts Nachstehend soll zunächst der Möglichkeit ‚verfassungswidrigen Verfassungsrechts‘ im Grundgesetz nachgegangen werden, bevor im Weiteren die einzelnen Grenzen einer Verfassungsänderung darzustellen und sodann auf Art. 91e GG zu übertragen sind. Auf den ersten Blick ergeben sich insoweit Zweifel, ob eine Norm des Grundgesetzes als Teil der Verfassung auch gleichzeitig dieser Verfassung widersprechen kann. Aufgrund einer Normenhierarchie13 kann zwar eine derartige, sich auf die Höherrangigkeit gründende Bindungswirkung bestimmter Normen für andere existieren: Dies ist zum Beispiel anerkanntermaßen im Verhältnis der Verfassung gegenüber einfachen Gesetzen der Fall, wie die Bindung des Gesetzgebers gemäß Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG belegt (sog. Vorrang der Verfassung).14 Als Folge dessen sind Normen des einfachen Rechts, die in Widerspruch zu Verfas 11

So Dreier, JZ 1994, 741 (747), der diesbezüglich ferner u. a. auch von „Kanalisierung“ (zu diesem Zitat ebenfalls a. a. O.) spricht und diese Termini an anderer Stelle, namentlich bei ders., in: Behrends / Sellert, Kodifikationsgedanke und Modell des BGB, S. 119 (127), zusätzlich um „Formalisierung“ sowie „Limitierung“ ergänzt. Kritisch angesichts seines in der politischen Praxis gewonnenen Eindrucks, dass die Politik die Verfassung assimiliere und nicht umgekehrt: Steinberg, JZ 1980, 385 (390) m. w. N.; hingegen differenzierend Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 254. 12 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 36. 13 Treffend Weber, in: FG Maunz, S. 451 (504): „Verfassungsnormen unterscheiden sich nicht prinzipiell, sondern nur graduell von anderen Rechtsnormen“. 14 Vgl. Dreier, JZ 1994, 741 (744); von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 99. Zum „Vorrang der Verfassung“ eingehend im gleichnamigen Beitrag Wahl, Der Staat 4 (1981), 485 ff. Ein weiterer Vorrang existiert, was hier nicht von Bedeutung sein soll, gegenüber Rechtssätzen niederer Ebenen, etwa den Landesverfassungen, vgl. Art. 31 GG.

§ 7 Verfassungswidriges Verfassungsrecht

213

sungsregelungen treten, verfassungskonform auszulegen.15 Dies ist auf die besondere Rolle des dem Volk entsprungenen, historischen Verfassunggebers zurückzuführen, der dem von ihm geschaffenen Gesetzgeber übergeordnet ist. Seinem normativen Handeln kommt danach eine „gesteigerte Geltungskraft durch erschwerte Abänderbarkeit“16 zu. Nach dem grundlegenden Systemverständnis ist das Grundgesetz in sich hingegen als Einheit aller in ihr enthaltenen Normen konzipiert17, seien darin zum Teil auch Ausnahmen von geltenden Grundsätzen oder Widersprüche zu Verfassungsprinzipien enthalten. Demzufolge kann in dieser Verfassung eine Norm derselben regelmäßig nicht gegen andere Normen derselben verstoßen, da dies zur Voraussetzung hätte, dass man letzteren (zumindest partiell) einen höheren Rang zuerkennen müsste.18 Im Übrigen kann die betreffende Norm, da Teil der Gesamtheit des Verfassungsgefüges, ihre Stellung und ihren Inhalt zu jedem Zeitpunkt selbst rechtfertigen. Ein Verstoß ist aber nicht möglich, wo die normative Aussage sowohl zum Beurteilungsobjekt als auch zum Beurteilungsmaßstab avanciert. Das Grundgesetz ist diesbezüglich im Allgemeinen als gleichstufiges Ganzes zu bewerten, weshalb die Schaffung einer normativen Rangfolge – mit der Folge des Vorrangs einer Norm gegenüber einer anderen – eine besondere Begründung 15

Hierzu stellvertretend für viele etwa Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 339 und Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 623 ff. 16 So Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 1 und ähnlich Grimm, AöR 97 (1972), 489 (507). Bereits Laband, AöR 9 (1894), 270 (274) bezeichnete dies als „gesteigerte formelle Gesetzeskraft“; fast identisch Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 534 m. w. N. Vgl. schließlich die Zuerkennung einer „erhöhten Bestandsgarantie“ bei Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, S. 39 und Maunz, Dt. Staatsrecht (7. Aufl. 1958), S. 46; ähnlich Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 32. 17 Das BVerfG erkennt die Verfassung seit Anfang der 50er Jahre als „innere Einheit“, so stellvertretend etwa BVerfGE 1, 14 (32); BVerfGE 3, 225 (231) und ferner BVerfGE 19, 206 (220); BVerfGE 30, 1 (19); BVerfGE 33, 23 (27); BVerfGE 34, 165 (183); BVerfGE 39, 334 (368); BVerfGE 49, 24 (56); BVerfGE 55, 274 (300). Eingehende Analyse dieser Entwicklung bei Müller, Einheit der Verfassung, S. 12 ff.; nähere Ausführungen sodann auf S. 9 ff. und S.  228 ff., wonach aus dem Verfassungstext eine „Einheit der Verfassungsurkunde“ (a. a. O., S. 229) zu ermitteln sei, von dem sich zu lösen Müller nach seinem Fazit (weiterhin a. a. O., S. 230 f.) rät. Zur Einheit des Grundgesetzes s. a. Maurer, Staatsrecht I, § 22 Rn. 25; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 123 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 20, 70 ff.; von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 99; Herzog, EuGRZ 1990, 483 (484); Roellecke, in: FG 25 Jahre BVerfG II, S. 22 (33); Stern, Staatsrecht I, § 4 II 1 (S. 113). 18 Vgl. BVerfGE 3, 225 (231) sowie die hierauf bezugnehmende Darstellung bei Maurer, Staatsrecht I, § 22 Rn. 25. Hiernach geben alle im Grundgesetz enthaltenen Normen diesem erst seine konkrete Gestalt. Jede Vorschrift ist daher, selbst wenn sie zu Widersprüchen mit anderen Verfassungsnormen führt, als vom Verfassunggeber beabsichtigt zu verstehen  – mit anderen Worten also „verfassungsrechtlich gewollt“ (zum Vorstehenden samt Zitat Maurer, a. a. O.). Beachtung dürfte in diesem Zusammenhang auch die prägnante Feststellung von Müller, Einheit der Verfassung, S. 32 finden: „Rangunterschied führt zu konform anpassender, Ranggleichheit zu systematisch vermittelnder Konkretisierung“ (Hervorhebungen im Original).

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

erfordert.19 Unabhängig von Unvereinbarkeiten und Gegensätzen haben „alle in Kraft gesetzten Normen des GG […] an seiner Positivität teil“.20 Die einzelnen Verfassungsnormen untereinander sind nach dem Konstruktionsprinzip des Grundgesetzes demgemäß nicht dazu in der Lage, eine verfassungswidrige Lage zu begründen oder unmittelbar auszugleichen, weil sie im Verhältnis zueinander jeweils nur Korrelate auf derselben Stufe der Normenhierarchie bieten, nicht aber die Problematik durch ihre bloße Existenz zu lösen vermögen.21 Eine Hierarchie der Verfassungsrechtssätze, gleichsam eine „hierarchische Werteordnung“, zur Auflösung eines Widerspruchs existiert nicht22, weil alle Normen gleichermaßen auf den Willen des Verfassunggebers zurückzuführen sind. Um einen Widerstreit mehrerer Verfassungsnormen aufzulösen, erfordert es stattdessen eines aus dem systematischen Zusammenhang gewonnen Einzelvorrangs23 oder regelmäßig einer einzelfallbezogenen Abwägung24 und ‚praktischen Konkordanz‘25 zwischen ihnen. Nur so können alle betroffenen Verfassungsnormen zu einem bestmöglichen Ergebnis geführt werden. Verstanden als eine in sich geschlossene Rechts-/Verfassungssetzung sind „Widersprüche im Wege einer Harmonisierung durch systemgerechte

19 Rupp, NJW 1971, 284 (284) spricht in diesem Zusammenhang selbst auch von dem Grundgesetz als „widerspruchsfreien Ausdruck des pouvoir constituant“. Vgl. auch Herzog, EuGRZ 1990, 483 (484), wonach die verschiedenen Grundgesetznormen zwar prinzipiell gleichgestellt seien, das Grundgesetz jedoch selbst Ausnahmen zu konstruieren vermöge – in dieser Weise bereits BVerfGE 3, 225 (231 f.). Diese Gleichrangigkeit erstreckt Herzog (a. a. O., S. 485) weitergehend auch auf das Verhältnis von geschriebenen gegenüber ungeschriebenen, d. h. erst richterrechtlich oder mittels Auslegung abgeleiteten Staatsprinzipien. Als Ausnahme hiervon dürfte allerdings die Menschenwürde gemäß Art. 1 GG im Verhältnis zu den übrigen Grundrechten anzuerkennen sein, vgl. diesbezüglich von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 101. 20 Zum Vorstehenden samt Zitat Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 90. 21 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 35. 22 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Steinberg, JZ 1980, 385 (386) m. w. N. In gleicher Weise äußert sich auch von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 99 ff., der das Grundgesetz in seiner originären Fassung als „Werk ‚aus einem Guss‘“ (so in Rn. 99 f.) bezeichnet, welches der Verfassunggeber proportioniert habe; fast identisch Müller, Einheit der Verfassung, S. 228 f.; Herzog, EuGRZ 1990, 483 (485) und Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 159 Rn. 7; des Weiteren wohl ebenfalls Stern, Staatsrecht I, § 3 III 3 a (S. 83 f.) und im Umkehrschluss Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 14. 23 Diese Rangordnung aus der Verfassungs-/Gesetzesauslegung, z. B. „lex specialis derogat legi generali“, hebt Starck, in: Starck, Rangordnung der Gesetze, S. 9 (11 f.) hervor. Zur Schaffung solcher Ausnahmen ist der Verfassunggeber gerade berechtigt, vgl. BVerfGE 3, 225 (232). 24 Steinberg, JZ 1980, 385 (386) m. w. N. und näheren Ausführungen in der dortigen Fn. 21. 25 Begrifflichkeit zurückgehend auf Hesse, AöR 98 (1973), 1 Rn. 72. Diesen Ausdruck greift Herzog, EuGRZ 1990, 483 (484 f.), der alternativ von einem „Grundsatz der einheitlichen und widerspruchsfreien Auslegung“ (a. a. O., S. 485) spricht, zunächst im Hinblick auf die Grundrechte auf und erstreckt ihn sodann auch auf deren Verhältnis zu anderen Verfassungsnormen. Ziel sollte es sein, im Wege der Interpretation jeden Gegensatz aufgrund widerstreitender Inte­ ressenlagen auszuräumen; vgl. schließlich Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 90.

§ 7 Verfassungswidriges Verfassungsrecht

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Interpretation zu lösen“26. Nicht nur bei den Grundrechten, dort allerdings in außerordentlichem Maße sind Diskrepanzen zwischen Verfassungsrechtsgütern sowie den darin enthaltenen Grundwerten des Staates möglichst behutsam in eine Balance zu bringen.27 Eine Norm kann nur gegen andere verstoßen, wenn diese auf unterschiedlichen Rangstufen stehen und zwischen ihnen eine Rangfolge existiert, d. h. eine Norm einer höheren Stufe angehört als die andere. Diesbezüglich wird bzw. wurde (auch durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung28) vertreten29, dass im Grundgesetz durch die in Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Kernelemente der Verfassung wegen ihres überpositiven Ursprungs eine generelle und nicht nur für verfassungsändernde Gesetze wirkende Rangfolge innerhalb des Grundgesetzes angelegt sei. Den darin als unabänderlich deklarierten Grundsätzen komme danach ein höherer Rang als allen übrigen Grundgesetznormen zu, der die Einheit der Verfassung überlagere. Zu solchem ‚verfassungswidrigen Verfassungsrecht‘ komme es überall dort, wo Konflikte mit grundlegenden rechtlichen Leitsätzen und übergeordneten

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So Rupp, NJW 1971, 284 (284); s. a. Isensee, NJW 1977, 545 (549). Vgl. Dreier, JZ 1994, 741 (742). Immerhin stünden diese „nicht in Isolation zueinander, sondern in einem Verhältnis mannigfacher Bezogenheit, Verstärkung und Ergänzung“, so Steinberg, JZ 1980, 385 (386). 28 Bereits BVerfGE 1, 14 (32) folgerte aus der überpositiven Herkunft mancher Grundsätze gegenüber anderen, nicht vorrechtlich geltenden Verfassungselementen eine Ordnung innerhalb der Verfassung selbst, wonach erstere Normen den letzteren übergeordnet seien (vgl. auch den dortigen Ls. 27). Weniger deutlich, aber im Wesentlichen ebenso BVerfGE 5, 85 (137 ff.). In BVerfGE 3, 225 (Ls. 2) wurde die Möglichkeit originärer Verfassungswidrigkeit für den, wenngleich erkanntermaßen wenig wahrscheinlichen (dazu a. a. O., S. 234), Fall bejaht, dass „grundlegende Gerechtigkeitspostulate […] in schlechthin unerträglichem Maße missachtet“ (zum Zitat a. a. O., Ls. 2) würden – später u. a. aufgegriffen in BVerfGE 84, 90 (121). Weder in diesen genannten noch in anderen Entscheidungen des BVerfG ist allerdings während seiner gesamten Rechtsprechungshistorie jemals eine originär verfassungswidrige Norm angenommen worden. Grundlegend insbesondere auch die Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes in BayVerfGHE n. F. 2 II 45 (47); BayVerfGHE n. F. 3 II 28 (47); BayVerfGHE n. F. 4 II 51 (58 f.); BayVerfGHE n. F. 9 II 1 (10); BayVerfGHE n. F. 11 II 127 (133). 29 Zum Beispiel von Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 90; Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen, S. S. 32 ff. (für originäre Verfassungsnormen speziell S. 36 ff.); Wintrich, BayVBl. 1957, 137 (137); Starck, in: Starck, Rangordnung der Gesetze, S. 9 (11) – Letztgenannter führt Art. 79 Abs. 3 GG beispielhaft für „formal gesehen höheres Recht“ (a. a. O.) an; außerdem im Anschluss an die in der vorangegangenen Fn. 28 genannte Rspr. Leisner, DÖV 1992, 432 (436). Bereits vor der Schaffung des Grundgesetzes sprach Nawiasky, JZ 1954, 717 (718) den Normen einer Rechtsordnung, die er in Vorschriften betreffend die Organisation des Staates, solche betreffend deren Änderung und sonstige materielle Rechtssätze unterschied, eine „stufenmäßige Gliederung“ zu (auch hierzu inkl. Zitat a. a. O., S. 31; ferner ausführlich S. 43 f.). Darin sollten oberhalb aller anderen Rechtssätze „die Verfassung bindende, ihr also übergeordnete Normen“ (weiterhin a. a. O., S. 718) in Gestalt der Revisionsnormen existieren, die er selbst als ‚Staatsfundamentalnormen‘ betitelte (a. a. O., S. 717); vorausgehend ders., Allgemeine Rechtslehre, S. 31 f. sowie später in ähnlicher Weise Maunz, Dt. Staatsrecht (7. Aufl. 1958), S. 51 f. 27

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

Verfassungsprinzipien aufträten, die als „Positivierung übergesetzlicher Normen“30 erschienen.31 Ob diesem Verständnis zu folgen sein sollte32, braucht hier nicht entschieden werden. Denn das vorstehend beschriebene Modell ist auf das Rangverhältnis originärer verfassungsrechtlicher Vorschriften bezogen; es gilt demnach für das Verhältnis sämtlicher Vorschriften, die gleichermaßen vom Verfassunggeber stammen. Für sonstige Normen, die später als Folge von Verfassungsänderungen hinzugetreten sind33, 30 So sehr prägnant Hofmann, in: HStR I, § 9 Rn. 6, der diese Ansicht selbst als bedenklich ablehnt. Auch Maunz, Dt. Staatsrecht (7. Aufl. 1958), S. 52 möchte, wenngleich er bei einem Verstoß gegen „überstaatliche Menschenrechte“ naturgemäß die Verfassungswidrigkeit annimmt (so auf S. 47), die Rangfolge verfassungsintern begründen und für die fehlende Parität der Grundgesetznormen nur mittelbar auf Überpositivität zurückgreifen; in gleicher Weise zuvor bereits Maunz, in: FS Laforet, S. 141 (151). Gemeint ist hiermit, dass überpositive Rechtssätze in die Verfassung integriert werden und den so geschaffenen Verfassungsnormen lediglich eine Vorrangstellung gegenüber anderen zukommt; so wohl auch Wolff, in: GS Jellinek, S. 33 (36), und Schack, JuS 1961, 269 (269). Über dieses Verständnis geht Nawiasky, JZ 1954, 717 (718) hingegen hinaus und sieht unabhängig vom positivierten Recht „gewisse materielle Grundsätze“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.) allgemeiner (überpositiver) Art als „integrierenden Bestandteil“ (a. a. O., S. 719) des positiven Rechts an; sehr ähnlich Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 48 f. Zu den Folgen, dass keine staatliche Gewalt dieses überpositive Recht abschaffen bzw. aufheben könnte, siehe Herzog, EuGRZ 1990, 483 (483). 31 Die „Existenz überpositiven, auch den Verfassungsgesetzgeber bindenden Rechtes“ erkannte das BVerfG schon in BVerfGE 1, 14 (32) – und ebenso im dortigen Ls. 27 – in Anknüpfung an BayVerfGHE n. F. 3 II 28 (47 m. w. N.) an und billigte es als Prüfungsmaßstab für das geltende Verfassungsrecht. Beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof (a. a. O.) hieß es im Original: „Verfassungsgrundsätze, die so elementar und so sehr Ausdruck eines auch der Verfassung vorausgehenden Rechts sind, daß sie den Verfassungsgesetzgeber selbst binden und daß andere Verfassungsbestimmungen, denen dieser Rang nicht zukommt, wegen ihres Verstoßes gegen sie nichtig sein können“. Allerdings betonte das BVerfG später die bloß theoretische Dimension dieser Überlegungen, vgl. BVerfGE 3, 225 (233) und BVerfGE 4, 294 (296); zustimmend Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 74; von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 101. 32 Dagegen (anstelle vieler) Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 159 Rn. 7, 29; Herzog, EuGRZ 1990, 483 (485); Müller, Einheit der Verfassung, S. 14 f. (dort „weder formal noch inhaltlich einen höheren Rang“, S. 15) und ferner S. 17, 51. Noch deutlicher formuliert Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 28: Einen „Vorrang der unberührbaren Verfassungsgrundsätze gegenüber anderen Bestimmungen des ursprünglichen Grundgesetzes begründet Art. 79 III nicht.“ (Hervorhebung im Original); außerdem Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (48). Einen Vorrang bejahend hingegen Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 14; Hain, Grundsätze des GG, S. 74 ff. und Ehmke, VVDStRL 20 (1963), 53 (78 f.), beide Letztgenannten zugleich mit ausführlicher kritischer Auseinandersetzung (dazu Hain und Ehmke, jeweils a. a. O.). Skeptisch zudem Scheuner, Verfassung, in: Gesammelte Schriften, S.  171 (181) trotz gewisser Zuneigung für eine „Bestandserhaltung“ (so ebenfalls a. a. O.) durch gewisse nicht zu beseitigende Mindeststandards; insoweit differenzierend zwischen Auslegung und der Annahme einer Verfassungswidrigkeit schließlich Michel, JuS 1961, 274 (275). 33 Die folgenschwere Unterscheidung zwischen originären und später eingefügten Verfassungsnormen bei der Frage nach verfassungswidrigem Verfassungsrecht betonend Rupp, NJW 1971, 284 (284) und auch Dürig in seinem Plädoyer vor dem BVerfG, abgedruckt in: FG Maunz, S. 41 (42); entsprechend bereits ders., in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 5 (8).

§ 7 Verfassungswidriges Verfassungsrecht

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kommen allerdings zusätzliche Gesichtspunkte zum Tragen. Bei ihnen ist die Charakterisierung als ‚verfassungswidriges Verfassungsrecht‘ denkbar.34 Auch hierbei steht wiederum35 Art.  79 Abs.  3 GG im Mittelpunkt. Es wurde bereits erläutert, dass Art. 79 GG als alleiniger36 Maßstab und eine Art Schranken-

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Zur Möglichkeit verfassungswidriger Verfassungsänderungen Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 14 a. E. samt der dortigen Fn. 49; Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 29; Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (497); von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 101; Herzog, EuGRZ 1990, 483 (485); Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 32; Halfmann, Entwicklungen des dt. Staatsorganisationsrechts, S.  161 f.; Ipsen, Staatsrecht  I, Rn. 1044; Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443). Dies betonte auch bereits Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen, S. 8 als Ausgangspunkt für seine Überlegungen in dem hiernach betitelten Werk betreffend seine Antrittsvorlesung, obgleich seine Ausführungen sodann hierüber hinausgehen; in gleicher Weise zu verstehen wohl Hall, JuS 1972, 132 (134). Lediglich Art. 79 Abs. 3 GG als Maßstab anerkennend, die Bezeichnung jedoch ablehnend Erichsen, Staatsrecht II, S. 16, weil dieser Terminus ausschließlich eventuellen Inkompatibilitäten innerhalb der originären Verfassung vorbehalten, für eine bloße Verfassungsänderung daher sinnwidrig sei (vgl. allerdings die dortige Fn. 16). 35 Die Norm wird von Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 1 (S. 165) nicht ohne Grund „zu den ‚inte­ ressantesten‘, aber auch zu den ‚gewagtesten‘ Bestimmungen des Grundgesetzes“ gerechnet. 36 Weil der Verfassunggeber in Art. 79 GG die Änderung des Grundgesetzes – und darunter in dessen Absatz 3 deren Grenzen – ausdrücklich normiert hat, sind sowohl der verfassungsändernde Gesetzgeber in seinem Handeln als auch das BVerfG in seiner Auslegung an diese Vorgaben gebunden. Demnach muss es insbesondere ausgeschlossen sein, „unter Berufung auf andere Gerechtigkeitsmaßstäbe die Änderungsgrenzen anders zu ziehen als der Verfassunggeber“, so zutreffend Hain, Grundsätze des GG, S.  52 und insgesamt zu dieser Frage S.  51 ff. Eine Prüfung anhand ungeschriebener, überpositiver Gerechtigkeitsmaßstäbe, wie sie z. B. von Haug, Schranken der Verfassungsrevision, S. 203 ff., insbes. S. 215 ff. vertreten wird, findet demnach im Grundgesetz nicht statt; dazu eingehend Winterhoff, Verfassunggebung / Verfassungsänderung, S. 175 ff. Demgegenüber werden, speziell von den o.g. Vertretern der generellen Möglichkeit verfassungswidrigen Verfassungsrechts (dazu die vorhergehende Fn. 34), weitere Grenzen für Verfassungsänderungen aus dem Naturrecht erwogen, vgl. insoweit explizit etwa Leisner, DÖV 1992, 432 (435 f., 437) m. w. N.; Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen, S. 14, 30 f., 43 f.; Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 237. In derselben Weise dürften frühe Entscheidungen des BVerfG zu verstehen sein, soweit sie das Grundgesetz an einem überpositiven Kontrollmaßstab maßen, vgl. BVerfGE 1, 14 (32) mitsamt dem dortigen Ls. 27, oder „grundlegende Gerechtigkeitspostulate“ anerkannten, so BVerfGE 3, 225 (Ls.  2). Angesichts ihrer zwangsläufigen Unbestimmtheit und demgegenüber der geschriebenen Regelung in Art. 79 Abs. 3 GG stehen diese Ansätze im eigentlichen Sinne gerade nicht separat neben dieser Maßstabskontrolle, sondern fließen in die Auslegung der dortigen Elemente ein. Auch das BVerfG hat in späteren Entscheidungen – insbesondere BVerfGE 84, 90 (121) und BVerfGE 30, 1 (26 ff.) – trotz der Bezugnahme auf diese Äußerungen darauf verzichtet, über Art. 79 Abs. 3 GG hinaus ungeschriebene Änderungsschranken zu konstruieren und in seine Beurteilung der Verfassungswidrigkeit einer Verfassungsänderung einfließen zu lassen. Einziger Maßstab für den verfassungsändernden Gesetzgeber sind somit (auch aus der Sicht des beurteilenden Gerichts) die darin geschriebenen Grundsätze, vgl. exemplarisch das Sondervotum in einem wesentlich jüngeren Urteil, abgedruckt in BVerfGE 112, 1/44 (45 f.). In derselben Weise dürfte auch die Anmerkung in BVerfGE 87, 181 (196) zum Bezugspunkt von Art. 79 Abs. 3 GG zu verstehen sein. Ob hingegen die Grundsätze von Art. 79 Abs. 3 GG als Positivierung überpositiver Rechtssätze zu interpretieren sein dürften, vgl. etwa Hamann / Lenz, in: Hamann / Lenz, GG, Art. 79 Anm. B 7 (S. 540),

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

bestimmung37 für die Beurteilung von Verfassungsänderungen fungiert. Anders als der verfassunggebende ist der verfassungsändernde Gesetzgeber immerhin nur „verfaßte Staatsgewalt“38 und demzufolge an die im Grundgesetz enthaltenen Vorgaben gebunden. Ebenso wie die Möglichkeit zur generellen Änderung des Grundgesetzes geht die Unabänderlichkeit bestimmter Grundsätze auf die verfassunggebende Gewalt zurück, nicht hingegen auf abstrakte Rechtssätze oder überpositive Werte.39 Der Ansatz hierfür knüpft an besagten Art.  79 Abs.  3 GG und damit speziell an Verfassungsänderungen an. Durch die Existenz dieser Norm40 bewegen sich Verfassungsänderungen nicht auf derselben Stufe wie die zu diesem Zeitpunkt bereits existente Verfassung bzw. gar deren Ursprungsfassung. Für letztere vermag dies daher auch keine Wirkungen zu entfalten.41 Anstelle von Gegensätzen unter den Verfassungsnormen, zwischen denen es keine Rangfolge gibt, wird die jeweilige Verfassungsänderung in ihrem Verhältnis zu anderen Grundgesetznormen in den Fokus gerückt.42 Denn das verfassungsändernde Gesetz kann anhand der vorgestellten Maßgaben, die aus Art. 79 GG folgen, formell (Absätze 1, 2) und materiell (Absatz 3) geprüft werden. Entspricht eine Änderung des Grundgesetzes nicht diesen Anforderungen, wird sie nicht als zulässige Verfassungsänderung legitimiert43 und kann durch das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig beanstandet werden44. Nicht nur das Grundgesetz, sondern auch andere Verfassungen45 enthalten heute in diesem Zusammenhang materiell-rechtliche Schrankenregelungen mit Anforderungen an eine Verfassungsänderung; insoweit ist die Rede von Revisionsnormen. ist wegen ihrer Normierung nur von theoretischer Bedeutung und für deren Auslegung anhand des vorhandenen Verfassungstextes ohne bzw. allenfalls von historisch-genetischem Wert, soweit es die ursprüngliche Vorstellung des Verfassunggebers betrifft. 37 In dieser Weise Curtius, DÖV 1955, 145 (145). 38 So anstelle vieler zum Beispiel Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 25. Die Bezeichnung ist dadurch begründet, dass die verfassungsändernde Gewalt durch das Grundgesetz geschaffen wird bzw. hierin ihre Existenzberechtigung und -grenzen findet. 39 Siegenthaler, Materielle Schranken der Verfassungsrevision, S. 168; a. A. offenbar Hamann /  Lenz, in: Hamann / Lenz, GG, Art. 79 Anm. B 7 (S. 540). 40 Vgl. Maurer, Staatsrecht  I, § 22 Rn.  26. Demgegenüber führt Evers, in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmelde­ geheimnisses, S. 29 (47) die den verfassungsändernden Gesetzgeber bindende Wirkung der Unantastbarkeit nicht alleine auf die Normierung in Art. 79 Abs. 3 GG zurück, sondern verlangt – vergleichbar den Ansätzen zur generellen Möglichkeit verfassungswidrigen Verfassungsrechts (dazu bereits zuvor mit Fundstellen in Fn. 34) – hierfür zusätzlich nach „einem dem Verfassungsgeber [sic] vorgegebenen Geltungsgrund“ (ebenfalls a. a. O.). 41 Dies stellt auch Estel, Bundesstaatsprinzip und direkte Demokratie im GG, S. 139 besonders klar. 42 Vgl. Rupp, NJW 1971, 284 (284). Nach Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443) liege hierin gleichwohl eine Art von Rangfolge. 43 Siehe hierzu erneut Rupp, NJW 1971, 284 (284). 44 In diesem Zusammenhang beschreibt Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (497) Art.  79 Abs. 3 GG treffend als „Grenze zwischen zulässiger Verfassungsänderung und unzulässigem Verfassungsbruch“. 45 Zum Beispiel die Verfassung Portugals, dazu Stern, Staatsrecht I, § 5 I 3 c (S. 152).

§ 7 Verfassungswidriges Verfassungsrecht

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Im Hinblick auf Verfassungsänderungen kann Art. 79 Abs. 3 GG somit – ohne dass es auf den Streit über eine abstrakte Rangfolge im Grundgesetz ankäme – tatsächlich zu ‚verfassungswidrigem Verfassungsrecht‘ führen. Der verfassungsändernden Gewalt ist durch Art. 79 GG nicht nur die Möglichkeit zu einer Änderung des Grundgesetzes eingeräumt, sondern dieses Recht in dessen Absatz 3 zugleich auch in seiner inhaltlichen Reichweite beschränkt worden: Soweit „die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden“46, ist eine Verfassungsänderung ausgeschlossen, weil sie gegen die ermächtigende Norm verstößt, mit anderen Worten verfassungswidrig ist. Insoweit ist dieser „Kernbestand der Verfassung normativ unantastbar“47. Im Mittelpunkt der Diskussion um die Verfassungswidrigkeit steht also der jeweilige Anknüpfungspunkt, der zwischen (originären) Verfassungsnormen und Verfassungsänderungen variieren kann. Nur im erstgenannten Fall ist die Möglichkeit einer solchen Verfassungswidrigkeit höchst umstritten, wohingegen Verfassungsänderungen aufgrund der geltenden Verfassungslage einhellig einer grundgesetzlichen Bindung unterworfen sind und damit praktisch bzw. jedenfalls sinnbildlich einer niedrigeren Stufe zugeordnet werden. In der letztgenannten Ausgangslage, die auch vorliegend zur Lösung der eingangs aufgeworfenen Frage hinsichtlich des neu geschaffenen Art. 91e GG maßgeblich ist, kann ‚verfassungswidriges Verfassungsrecht‘ entstehen.

II. Bisherige Rechtsprechung Das Bundesverfassungsgericht ist in den vergangenen Jahrzehnten schon mehrfach zur Verfassungswidrigkeit von Verfassungsänderungen angerufen worden, hat eine solche aber in keinem dieser Verfahren mehrheitlich bejaht: – Als für alle späteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts maßstabsbildend, weil zur Bewertung der Anforderungen von Art.  79 Abs.  3 GG grundlegend, kann das sog. „Abhörurteil“ vom 15. Dezember 197048 bezeichnet werden. Darin hatte sich das Bundesverfassungsgericht u. a. mit der Frage zu befassen, inwieweit die mit dem „17. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes“ vom 24. Juni 196849 vorgenommenen Grundgesetzänderungen an Art. 10 GG mit den vom Grundgesetz gestellten Anforderungen an Verfassungsänderungen zu vereinbaren seien. Nach der Neufassung von Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG (in Verbindung mit den entsprechenden einfachgesetzlichen Ausgestaltungen zur Durch-

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So der Wortlaut von Art. 79 Abs. 3 GG. So Dreier, in: Behrends / Sellert, Kodifikationsgedanke und Modell des BGB, S. 119 (135). 48 BVerfGE 30, 1 ff. 49 BGBl. I, S. 709. 47

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

führung und zum Verfahren50) sollte es im Falle von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes möglich sein, dem Betroffenen keine Mitteilung zu machen und an deren Stelle eine Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane treten zu lassen. Nach Auslegung sowohl der grundgesetzändernden Vorschrift als auch des maßstabsbildenden Art. 79 Abs. 3 GG51 hielt die Senatsmehrheit erstere mit letzterer für vereinbar.52 Eine Minderheit von drei Richtern befand Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG in der neuen Fassung hingegen wegen Unverträglichkeit mit den Schranken für Verfassungsänderungen für verfassungswidrig – dies äußerten sie nachdrücklich in einem Sondervotum.53 – Mit Urteil vom 23.  April 199154 erkannte das Bundesverfassungsgericht die in dem „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands“ vom 31. August 199055 beschlossene Einfügung eines Art. 143 GG56 in das Grundgesetz für verfassungsgemäß. Im Mittelpunkt stand hierbei dessen Absatz 3 hinsichtlich seiner Verweisung auf Art. 41 Abs. 1 des Einigungsvertrages57, wonach „Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) […] nicht mehr rückgängig zu machen“ seien. Das Gericht vermochte jedoch keine Verletzung der in Art. 79 Abs. 3 GG enthaltenen materiellen Anforderungen an eine Verfassungsänderung zu erkennen.58 – Im sog. „Maastricht-Urteil“ vom 12. Oktober 199359 oblag dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung des durch das „Gesetz zur Änderung des Grundgeset 50 Vgl. das ebenfalls vom BVerfG geprüfte „Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz) (G 10)“ vom 13. August 1968 (BGBl. I, S. 949). 51 Dazu BVerfGE 30, 1 (24 ff.) und ausführlich die weiteren Ausführungen in § 7 I. und II. sowie in § 8 V. und VI. 52 BVerfGE 30, 1 (26 ff.). Zu diesem Ergebnis gelangte im Vorfeld bereits Rasenack, Der Staat 9 (1970), 272 (272 f.), der in seinen Ausführungen starke Kritik an den jeweiligen Beiträgen von Dürig und Evers, in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 5 ff. (Dürig) bzw. S. 29 ff. (Evers) übte, in denen diese sich für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 79 Abs. 3 GG aussprachen. 53 Vgl. das Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 ff. 54 BVerfGE 84, 90 (33 ff.). 55 Abgedruckt in BGBl. II, S. 889. Dieser trägt offiziell auch die Kurzform „Einigungsvertrag“. 56 Es handelt sich um eine der beitrittsbedingten Änderungen des Grundgesetzes, wie sie in Art. 4 des Einigungsvertrages vorgesehen waren – wie beispielsweise die vorgenannte Ergänzung in Nr. 5, vgl. BGBl. II, S. 891. 57 Vgl. hierzu erneut BGBl. II, S. 889 ff., v. a. S. 903 f. Zur Ausführung des Einigungsvertrages erging eine von den Regierungen beider Vertragsparteien abgegebene Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni 1990, die dem Vertrag als Anlage III beigefügt war (BGBl. II, S. 1237 f.) und aus deren Aufzählung (darin Nr. 1) das nachstehende Zitat entnommen ist. 58 BVerfGE 84, 90 (120 ff.); vgl. zudem der dortige Ls. 1 (S. 90). 59 BVerfGE 89, 155 ff.

§ 7 Verfassungswidriges Verfassungsrecht

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zes“ vom 21. Dezember 199260 neu geschaffenen Art. 23 GG auf dessen Verfassungsmäßigkeit. Danach sollte es der Bundesrepublik Deutschland nunmehr möglich sein, zur Verwirklichung eines vereinten Europas bei der Entwicklung der Europäischen Union mitzuwirken und hierzu durch Gesetz Hoheitsrechte zu übertragen. Das Gericht erkannte, die grundgesetzlichen Grenzen einer Einräumung von Hoheitsbefugnissen an die Europäische Union nur anhand von Art. 79 Abs. 3 GG prüfen zu können. Doch würden durch die Änderung – und im gleichen Zusammenhang auch durch das Zustimmungsgesetz61, welches an Art. 38 GG zu messen sei – „die Entscheidungs- und Kontrollzuständigkeiten des Deutschen Bundestages nicht in einer Art. 79 Abs. 3 GG verletzenden Weise entleert“62, weil es weder um den Anschluss an einen europäischen Staat noch um die Aufhebung des nationale Rechte wahrenden Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung bzw. umgekehrt nicht um die Schaffung einer KompetenzKompetenz für die Europäische Union gehe. Mit dem hier interessierenden Aspekt der Zulässigkeit einer Verfassungsänderung setzte sich das Bundesverfassungsgericht ausführlich auseinander, vermochte aber einen Verstoß gegen Kerngehalte des Demokratieprinzips, welcher die Verfassungswidrigkeit der Verfassungsänderungen zur Folge gehabt hätte, nicht festzustellen.63 – Das Ergebnis des bereits erläuterten Urteils vom 23. April 1991 wurde durch Beschluss vom 18. April 199664 nochmals bestätigt. Abermals sah das Bundesverfassungsgericht keinen Anlass, den Ausschluss der Rückgabe von Vermögenswerten (Restitutionsausschluss) durch Art. 143 Abs. 3 GG für verfassungswidrig zu erklären, da die damalige Änderung des Grundgesetzes gemessen am Maßstab des Art. 79 Abs. 3 GG nicht zu beanstanden sei.65 – Auch in einem Urteil vom 14. Mai 199666, das sich mit der Verfassungsmäßigkeit des Grundrechts auf Asyl gemäß Art. 16a GG befasste, verneinte das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung des Art. 79 Abs. 3 GG. Die Einfügung des Art. 16a GG in das Grundgesetz67 mitsamt der in dessen Absatz 2 enthaltenen Regelung, dass sich auf das Asylrecht aus Absatz 1 niemand berufen könne, der aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder einem anderen sicheren Drittstaat einreise, entspreche den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Verfassungsänderung und unterliege keinen durchgreifenden Bedenken.68 60

BGBl. I, S. 2086. Gemeint ist das „Gesetz zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union“ vom 28. November 1992, BGBl. II, S. 1251. 62 So treffend BVerfGE 89, 155 (181). 63 BVerfGE 89, 155 (182 ff., 208 f.). 64 BVerfGE 94, 12 ff. 65 BVerfGE 94, 12 (34 ff.), vgl. zudem den der Entscheidung vorangestellten Ls. auf S. 12. 66 BVerfGE 94, 49 ff. 67 Durch „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes“ vom 28. Juni 1993, BGBl. I, S. 1002. 68 BVerfGE 94, 49 (102 ff.); dem folgend (ohne nähere eigene Begründung im Urteil, sondern unter kurzem Verweis auf das erstgenannte) zwei Urteile vom gleichen Tage, namentlich BVerfGE 94, 115 (148) sowie BVerfGE 94, 166 (195). 61

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

– Am 3. März 200469 entschied das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit des Art. 13 Abs. 3 GG im Urteil zum sog. „Großen Lauschangriff“. Durch „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes“ vom 26. März 199870 war u. a. in Art. 13 Abs. 3 GG die Befugnis zur akustischen Überwachung von Wohnungen zu Strafverfolgungszwecken eingefügt worden, zu deren Umsetzung71 diverse Vorschriften in der Strafprozessordnung ergingen bzw. abgeändert wurden. Daneben wurde Art.  13 GG noch um die Absätze  4 bis  6 erweitert, die weitere Einzelregelungen zur Überwachung von Wohnungen enthielten. Die Senatsmehrheit erkannte, dass die Verfassungsänderungen (allen voran der neue Absatz 3) verfassungsgemäß und die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG nicht verletzt seien.72 Zwei der Richter bewerteten dies allerdings abweichend und formulierten ein Sondervotum73, in welchem sie zu dem Schluss kamen, die Grundgesetzänderung verletze die von der Unabänderlichkeit geschützten Art. 1 und Art. 20 GG in einer Weise, welche die Nichtigkeit derselben zur Folge habe. – In der Reihe aufsehenerregender Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit von Grundgesetzänderungen steht sodann das Urteil vom 30. Juni 200974, in dessen Mitte die Zulässigkeit des deutschen Zustimmungsgesetzes zum Vertrag von Lissabon vom 8.  Oktober 200875 sowie die Verfassungsmäßigkeit der infolgedessen durch Änderungsgesetz vom gleichen Tage76 vorgenommenen Änderungen an Art. 23, Art. 45 und Art. 93 GG stand. Bezüglich der an dieser Stelle nur interessierenden Grundgesetzänderung begutachtete das Bundesverfassungsgericht die Bewahrung des „Kerngehalt[s] der Verfassungsidentität des Grundgesetzes“77 am Maßstab des Art. 79 Abs. 3 GG und verlangte zu diesem Zweck die Einhaltung demokratischer Mindeststandards bei der Einräumung von Hoheitsbefugnissen gegenüber der Europäischen Union, erkannte aber im Ergebnis keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.78 – Schließlich äußerte sich das Bundesverfassungsgericht anlässlich von Verfassungsbeschwerden betreffend die rechtliche Stellung von Optionskommunen

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BVerfGE 109, 279 ff. BGBl I, S. 610. 71 Durch das „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ vom 4. Mai 1998 (BGBl. I, S. 845) betreffend §§ 101c ff. der Strafprozessordnung (StPO). 72 BVerfGE 109, 279 (309 ff.). Demgegenüber hielt das BVerfG die betroffenen Vorschriften der Strafprozessordnung zum Teil nicht mehr für verfassungsgemäß (S. 325 ff.) und verpflichtete den Gesetzgeber zur Anpassung (S. 381). 73 Vgl. das Sondervotum in BVerfGE 109, 279/382 ff. 74 BVerfGE 123, 267 ff. 75 BGBl. II, S. 1038. Der Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 diente der Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, vgl. Amtsblatt der Europäischen Union vom 17. Dezember 2007, Nr. C 306/1. 76 BGBl. I, S. 1926. 77 BVerfGE 123, 267 (353); vgl. zudem im dortigen Ls. 4 (S. 268). 78 BVerfGE 123, 267 (339 ff. und 431 ff.). 70

§ 7 Verfassungswidriges Verfassungsrecht

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in einem Urteil am 7. Oktober 2014 am Rande79 auch zur Verfassungsmäßigkeit des in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehenden Art. 91e GG. Der zur Entscheidung berufene Zweite Senat kam hierbei – wie bereits in § 4 III. 1. b) ausgeführt, auf das im Einzelnen verwiesen wird – zu dem Ergebnis, dass die von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grundsätze durch die Verfassungsänderung nicht berührt würden. Denn obwohl das dem Grundgesetz zugrundeliegende grundsätzliche Verbot der Mischverwaltung für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende durchbrochen werde, handele es sich um eine eng begrenzte Durchbrechung, die vom verfassungsändernden Gesetzgeber aus sachgerechten Gründen zugelassen werden könne und insbesondere die demokratischen und rechtsstaatlichen Anforderungen noch hinreichend berücksichtige, wohingegen das Bundesstaatsprinzip ohnehin nur einen Mindestaufgabenbereich schütze.80 Ob den letztgenannten höchstrichterlichen Feststellungen speziell in Bezug auf Art.  91e GG zuzupflichten oder hingegen im Einzelnen zu differenzieren sein dürfte, ist Gegenstand der Ausführungen in Kapitel § 11 dieser Ausarbeitung.

79 BVerfGE 137, 108 (143 ff.) zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit, vor allem S.  144 f. zum Ergebnis der Untersuchung. Der geringe Umfang der Ausführungen erstaunt, zumal vor dem Hintergrund der komplexen Grundlagen betreffend sowohl die inhaltlichen Gehalte von Art. 20 GG (dazu vorliegend in § 6 und § 10 II., letzteres zu den änderungsfesten Bestandteilen) als auch die Anforderungen von Art. 79 Abs. 3 GG (dazu vorliegend im Einzelnen in § 9). 80 Knappe Zusammenfassung der wesentlichen Feststellungen aus BVerfGE 137, 108 (143 ff.); geringfügig ausführlicher siehe § 4 III. 1. b) und zur Kritik an dieser Entscheidung zudem § 11 I.

§ 8 Grundlagen des Art. 79 Abs. 3 GG Im vielfach diskutierten1 Art. 79 Abs. 3 GG sieht das Grundgesetz selbst Grenzen für die Änderung seines Inhalts vor, indem es dem verfassungsändernden Gesetzgeber inhaltliche Fesseln2 auferlegt. Die Norm listet enumerativ und abschließend3 die sachlich hiervon erfassten Institutionen bzw. Vorschriften auf. Dieser sog. „Ewigkeitsgarantie“4 zufolge vermag auch eine Verfassungsänderung bestimmte

1 Anstelle vieler vgl. nur die verfassungstheoretische Diskussion bei Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (494); Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 80 ff.; Harbich, Bundesstaat und Unantastbarkeit, S.  89 ff., 106 ff.; Hesse, AöR 98 (1973), 1 ff.; Tosch, Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers, S. 117 ff.; Nef, ZSchwR n. F. 61 (1942), 108 ff. Sehr ausführlich verschiedene Dissertationen der 1950er Jahre mit ihrem vollen Umfang: Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG; Curtius, Schranken der Änderung des GG; Laux, Bedeutung und Inhalt der Grenzen der GG-Änderung. 2 Ähnlich Stern, Staatsrecht  III/2, § 89 II 1 (S.  1081): „Festlegun materiellrechtlicher ­Schranken“. 3 Vgl. zunächst aus der Rspr.: BVerfGE 94, 12 (34) und BVerfGE 109, 279 (311). Außerdem aus dem Schrifttum: Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 145; Pigorsch, Einordnung völkerrechtlicher Normen, S. 121; Elgeti, Inhalt und Grenzen der Föderativklausel, S. 13; Harbich, Bundesstaat und Unantastbarkeit, S. 104; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 8; Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 16; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 14; Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 50; Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 21; des Weiteren Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 76 m. w. N. und Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (67), die beiden Letztgenannten jeweils mit Begründungsansätzen anhand der Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck; ausführlich zudem Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 37 sowie Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 184 ff. Dem entgegengesetzt hingegen von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VI 3 (S. 1885: „nicht erschöpfend“) und Curtius, DÖV 1955, 145 (145), weil beide für diese Behauptung „keine überzeugenden Gründe“ (so von Mangoldt, a. a. O.; ähnlich Curtius, a. a. O.) zu erkennen vermögen und (aus dem Grundgesetz ableitbare) Argumente vermissen; s. a. Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 20 und Henke, Verfassunggebende Gewalt des Dt. Volkes, S. 140, dessen Vorschlag einer ungeschriebenen Ergänzung jedoch diffus bleibt. In Anbetracht der klaren, keine Erweiterung zulassenden Ausgestaltung, die die Grenzen einer Verfassungsänderung in Art. 79 Abs. 3 GG gefunden haben, vermögen derartige Überlegungen auf rein theoretischer Basis jedoch nicht zu überzeugen, zumal in Anbetracht der historischen Hintergründe und des Ausnahmecharakters von Absatz 3 gegenüber den Absätzen 1 und 2 (zu diesen Erwägungen sogleich im Detail). 4 So beispielsweise anstelle vieler Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 8 und Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 1. Bei dem Letztgenannten (a. a. O., Rn. 14) findet sich sodann auch eine Sammlung weiterer Bezeichnungen, u. a. „Unantastbarkeitsklausel“ bzw. -garantie oder „Grenzen der Revisionsgewalt“; außerdem bezeichnet Stern die Regelung als „materielle Schranke“, so ders., Staatsrecht I, § 5 IV 1 (S. 165), bzw. „Verfassungsrevisionsschranke“, so ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 4 b (S. 1102); leicht abgewandelt auch Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 224 und Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 41. Allerdings ist die Bezugnahme auf

§ 8 Grundlagen des Art. 79 Abs. 3 GG

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Grundsätze und Charakteristika des deutschen Staates nicht anzutasten, ohne die eine „souveräne Staatlichkeit Deutschlands“5 nicht denkbar wäre. Die Rede ist von einem „unter keinen Umständen zur Disposition des politischen Prozesses stehenden Verfassungskern“6. Nach den hier aufgestellten Vorgaben entscheidet sich, ob und in welchen Grenzen7 die verfassungsändernde Gewalt die Verfassung – womöglich mit einer Ausweitung zu ihren eigenen Gunsten, die der ursprüngliche Verfassunggeber nicht zuerkannte – zu modifizieren vermag oder hieran weiterhin gebunden bleibt. Insoweit ist das Wechselspiel von verfassunggebender gegenüber verfassungsändernder Gewalt angesprochen.8

I. Verfassungsänderungen Die Verfassungsänderung (Verfassungsrevision)9 im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG meint jede textliche Modifikation des bisherigen Verfassungstextes, sei es durch das bloße Beifügen oder Tilgen einzelner Worte, eine inhaltliche Neugestaltung oder sogar die Schaffung oder Löschung einer Norm.10 Es handelt sich um eine in der Verfassung vorgesehene, formelle Möglichkeit (d. h. verbunden mit besonderer Reglementierung von Zuständigkeit und Verfahren), diese selbst durch Umgestaltung, Erweiterung oder Streichung ihrer Normen „an

die Ewigkeit in der entwickelten Begrifflichkeit in Anbetracht der grundgesetzlich immanent begrenzten Geltungsdauer durch die Möglichkeit einer neuen, vom Volk gegebenen Verfassung gemäß Art. 146 GG inkorrekt und missverständlich, vgl. hierzu auch Pieroth, a. a. O. und Vismann, a. a. O. 5 So BVerfGE 123, 267 (343) und dem folgend Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 9. 6 So Badura, in: FS Scheuner, S. 19 (31). Alternativ versteht Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 60 auf diese Weise die „als identitätsbildend erkannte Leitprinzipien des Grundgesetzes“ geschützt; ähnlich Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 34 und Maurer, Staatsrecht I, § 22 Rn. 17 mit marginal anderen Begrifflichkeiten. Nach Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 23 handelt es sich um „Fundamentalsätze, die das Wesen einer konkreten Verfassung ausmachen“. 7 Erichsen, Staatsrecht II, S. 19 bzw. ders., Jura 1992, 52 (53). 8 Hierzu sogleich ausführlich in § 8 III. 9 Abstrakt zu den vielfältigen Möglichkeiten, eine Verfassung zu ändern, bereits (wie der dortige Titel schon besagt) bei Loewenstein, Erscheinungsformen der Verfassungsänderung, S. 1 ff., insbes. S. 104 ff. anhand von Art. 76 WRV. 10 Vgl. Maurer, Staatsrecht I, § 22 Rn. 6; Erichsen, Jura 1992, 52 (52); ähnlich auch Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 20. Hingegen trennt Siegenthaler, Materielle Schranken der Verfassungsrevision, S. 131 m. w. N. bloß zwei Möglichkeiten der Verfassungsrevision voneinander, die Aufhebung alter und die Schaffung neuer Verfassungsnormen, welche allerdings auch kombiniert („uno actu“) auftreten könnten (zum Vorstehenden samt Klammerzitat a. a. O.). Wiederum abweichend unterscheidet Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S.  27 drei Formen der Verfassungsänderung: die Ergänzung, die Streichung und die Auswechslung; dem vergleichbar die Einteilung nach Modifikationen, Streichungen und Hinzufügungen bei Winterhoff, Verfassunggebung / Verfassungsänderung, S. 172.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

neue Bedürfnisse, Erfahrungen und Einsichten anzupassen“11, ohne dabei ihre Identität aufzugeben oder zu ihrem Austausch gezwungen zu sein12. Je nach Detailgrad und der Wandelbarkeit der geregelten Thematik wird ein Normtext mit zunehmender Dauer seines Bestandes nicht mehr den Anforderungen der Wirklichkeit13 gerecht.14 Auch eine Verfassung als höchster nationaler Normtext ist davon nicht ausgenommen, sondern ist, weil die darin normierte „Wirklichkeit […] dem geschichtlichen Wandel unterliegt“15, seinerseits zeitgebunden.16 Um dann gleichwohl den Staat in seiner Struktur und Ausformung prägen zu können, müssen eine Fülle „mannigfach verflochtener rapider ideeller, sozialer, wirtschaftlicher und technologischer Veränderungen“17 und zudem diverse politische, gesellschaftliche und rechtliche Neuerungen18 die ihnen (und vor allem dem Staat selbst) geschuldete Berücksichtigung finden. Der Verfassungstext bedarf vor diesem Hintergrund trotz der Ausbesserungen des noch jungen Grundgesetzes zeitnah nach Erlass desselben19 fortlaufend einer sorgfältigen Pflege unter harmonisierendem Einschluss moderner Entwicklungen wie auch des steten gesellschaftlichen Wandels, um einen „Verfassungskonsens über die Generationen hinweg“ zu erhalten.20 11

Zum Vorstehenden samt Zitat: Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 16 bzw. ganz ähnlich Badura, Staatsrecht, Kapitel F, Rn. 59; vgl. auch Hoffmann, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1986), Art. 79 Abs. 1 und 2 Rn. 6; Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 169. Von Stern, Staatsrecht I, § 5 II 1 (S. 154) wird dies als „außerordentliche Befugnis“ zur Regelungssetzung unter (und nicht vor) Geltung der entsprechenden Verfassung bezeichnet. Nach Häberle, ZfP 1974, 111 (135 f.) liegt hierin der „Versuch, die Verfassung auf der ‚Höhe der Zeit‘ zu halten“ (zum Zitat a. a. O., S. 135, ganz ähnlich auch S. 136); vgl. schließlich von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 84 m. w. N. und Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 1. 12 Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 45. 13 Vgl. Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 99. 14 Dazu prägnant Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 14: „Jede Verfassung ist ein lebendiger Organismus, immer in Bewegung wie das Leben selbst, und er untersteht der Dynamik der lebendigen, niemals in verläßlichen Formen einzufangenden Wirklichkeit“. 15 So treffend formuliert bei Hesse, in: HdbVerfR, § 1 Rn. 22. 16 Umfassend analysiert und ausgewertet bei Häberle, ZfP 1974, 111 (114 ff.), v. a. S. 122 ff. Dort findet sich auch der Hinweis auf die Notwendigkeit einer „Auslegung in der Zeit“ (S. 122) und ihre Unumgänglichkeit (S. 124). 17 So Steinberg, JZ 1980, 385 (390) und ähnlich Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 21 sowie Dreier, JZ 1994, 741 (749). Bei Haug, Schranken der Verfassungsrevision, S. 156 (und im weiteren Verlauf seiner Ausführungen ebenso, z. B. S. 204 ff. m. w. N.) werden die wandelnden Verhältnisse besonders als sog. „Realien“ bezeichnet und um die „sich verändernden Wertbegriffe“ (zu beiden wörtlichen Zitaten a. a. O.) ergänzt; zum gleichen Thema schließlich noch Grimm, AöR 97 (1972), 489 (508). 18 Badura, in: FS Scheuner, S. 19 (24). 19 Insoweit bezieht sich Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 316 auf die meist frühe Erkenntnis, zwingende Rechtsfragen nicht oder nicht gebührend reguliert zu haben. 20 Zum Vorstehenden samt Zitat Dreier, JZ 1994, 741 (749) m. w. N. Demgegenüber führen andere Autoren an, mindestens zu zahlreiche Änderungen „erschütterten das Vertrauen in die Verfassung“ – so Grimm, AöR 97 (1972), 489 (594) – bzw. seien „dem Ansehen des Grundgesetzes […] nicht zuträglich“ – so Weber, in: FG Maunz, S. 451 (453). Allerdings wird gleich-

§ 8 Grundlagen des Art. 79 Abs. 3 GG

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Ohne die Ermöglichung nachträglicher Änderungen in einem genau spezifizierten Verfahren würde der Verfassunggeber einen unzeitgemäßen normativen Unterbau des künftigen Staates bis hin zu seiner Versteinerung und damit völligem Stillstand riskieren.21 Aufgrund seiner Formulierung gilt Art. 79 Abs. 3 GG aber nur explizit für diejenigen Gesetze, welche das Grundgesetz nach den Vorgaben der Absätze 1 und 2 inhaltlich zu ändern suchen, nicht hingegen für sonstige Gesetze oder die das Grundgesetz interpretierende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.22 Denn bei derartigen Änderungen wird das Grundgesetz, das in seiner Gesamtheit u. a. auch die von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grundsätze einschließt, sich aber nicht hierauf beschränkt, vollständig zur Bewertungsgrundlage.23 Auch soweit neuartige Entwicklungen ohne Wortlautänderung auskommen, d. h. lediglich auf einer vom bisherigen Standard abweichenden Auslegung, gleichsam einer „Sinnänderung ohne Textänderung“24, beruhen, helfen die formalen Anforderungen in Art. 79 Abs. 1 und 2 GG nicht zur Konservierung des bisherigen Verständnisses. In diesen Fällen bleibt nämlich der Verfassungstext unverändert und ist Art. 79 GG daher nicht tangiert. In dem letztgenannten Merkmal separiert sich25 die verfassungsändernde Gesetzge­ bung von der ungeschriebenen Verfassungsentwicklung, „Verfassungsentfaltung“26

zeitig klargestellt (z. B. Grimm, a. a. O., S. 505 m. w. N.), dass die Hinnahme von Verfassungsänderungen gegenüber einer allzu starren Rechtslage das geringere Übel sei. 21 Vgl. Hesse, in: HdbVerfR, § 1 Rn. 22, der in diesem Zusammenhang die Gefahr betont, dass der Normtext zu einer Floskel verkommt und in seiner Reichweite wie auch seiner Wirkung der Wirklichkeit nicht mehr entspricht. 22 Dies gilt selbst für den Fall der Rechtsfortbildung, weil auch die richterlich geschaffenen Institute nur die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten auslegen, das Gericht aber nicht selbst verfassungsändernd tätig wird, vgl. Herzog, EuGRZ 1990, 483 (484). 23 Vgl. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 27, 30; siehe beispielsweise auch BVerfGE 81, 181 (196), wonach Art. 79 Abs. 3 GG in dem entschiedenen Fall „als Prüfungsmaßstab schon deswegen aus[scheidet], weil er sich nur auf verfassungsändernde Gesetze bezieht“ (zum Zitat a. a. O.); s. a. die Klarstellung bei BVerfGE 123, 267 (431) zu Beginn der diesbezüglichen Ausführungen. 24 So Dreier, in: Behrends / Sellert, Kodifikationsgedanke und Modell des BGB, S. 119 (138). Davon erfasst ist allerdings nur ein Minus gegenüber dem von Art. 79 Abs. 1 GG nicht zugelassenen Verfassungsgewohnheitsrecht, vgl. Walter, AöR 125 (2000), 517 (522). Verfassungsänderungen im eigentlichen Sinne liegen dann jedenfalls nicht vor, vgl. Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 39. 25 Zu den drei, im modernen Verständnis gleichbedeutenden Begrifflichkeiten ausführlich Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 224 ff. und S. 254 ff. Zustimmend dehnt Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 19 m. w. N. das Verständnis auf „das gesamte Spektrum inner- und außerkonstitutioneller Änderungsfaktoren“ aus. Nähere Erläuterungen zu den Gehalten auch bei Dreier, JZ 1994, 741 (748); Walter, AöR 125 (2000), 517 (519); Haug, Schranken der Verfassungsrevision, S. 166; Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 11 und Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 254. 26 Wahl, Der Staat 4 (1981), 485 (505).

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

bzw. dem „Verfassungswandel“27. Diesen Formen der Änderung ist gemein, dass das überkommene Grundgesetz durch abweichende Auslegung, angleichende Präzisierung oder richterliche Rechtsfortbildung neuzeitlichen Entwicklungen angepasst wird, ohne den Text zu belangen.28 Ein derartiges Vorgehen setzt die Entwicklungsoffenheit des maßgeblichen Rechtssatzes voraus, mit anderen Worten eine mehrdeutige, vage, oftmals verallgemeinernde und somit ausfüllungsbedürftige Fassung mit dem Bedürfnis einer weitergehenden Determination.29 Die genannten Formen der Weiterentwicklung ohne Änderung des Verfassungstextes sind allerdings nur in den Grenzen einer Verfassungsinterpretation gebilligt30, d. h. auf die Auslegung31 des existenten Verfassungstextes beschränkt und deswegen mit einem

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Diese Begrifflichkeit, die am gängigsten ist und somit meistens zur Umschreibung von Veränderungen und Entwicklungen bei unverändertem Verfassungswortlaut herangezogen wird, war ursprünglich in leicht divergenter Form als ‚(Verfassungs-)Wandlung‘ Teil eines Vortrags von Paul Laband (abgedruckt in ders., Wandlungen der dt. Reichsverfassung, S. 2 f. (vgl. nur den Vortragstitel) und wurde von Georg Jellinek als eingängige Terminologie für diesen Zeitenwandel instituiert), vgl. ders., Verfassungsänderung und Verfassungswandlung, S. 8 ff.; ebenso Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S.  182. Zum Verfassungswandel ausführlich sodann Böckenförde, in: FS Lerche, S. 3 ff.; Lerche, in: FG Maunz, S. 285 ff. und i. Ü. Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 63; Isensee, in: HStR II, § 15 Rn. 183; Stern, Staatsrecht I, § 5 III 2 b (S. 160 ff.); Maunz / Zippelius, Dt. Staatsrecht (30. Aufl. 1998), § 7 m. w. N.; außerdem Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 13 m. w. N.; Roßnagel, Der Staat 22 (1983), 551 (552 ff.); Steinberg, JZ 1980, 385 (385). 28 Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S.  15; Hesse, in: HdbVerfR, § 1 Rn. 23. 29 Vgl. Hesse, in: HdbVerfR, § 1 Rn. 23. 30 Hesse, in: FS Scheuner, S. 123 (137 ff.) bzw. ders., Normative Kraft der Verfassung, S. 15 f. bzw. ders., in: HdbVerfR, § 1 Rn. 24; gleichermaßen Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 18 und Walter, AöR 125 (2000), 517 (521 f., 540 f.) m. w. N. und näheren Ausführungen hierzu. Wo die Auslegung endet und eine formalisierte Änderung beginnt, entscheidet danach im Zweifel das BVerfG. Zu der hiermit verbundenen Machtfülle des höchsten deutschen Gerichts kritisch Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 99 f.; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 13; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 I Rn. 40 bzw. ders., in: Behrends / Sellert, Kodifikationsgedanke und Modell des BGB, S. 119 (140 f.) m. w. N.; Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 94 f., 111 ff., 246, 400 f.; eingehend auch Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 94: Er deutet es als (in sich begrenzte) „Fortentwicklung des Grundgesetzes durch Richterspruch“ (ebenfalls a. a. O.) und solchermaßen ein noch zugelassenes Weniger gegenüber einer den Anforderungen von Art. 79 GG nicht genügenden – und deshalb keine Anerkennung erfahrenden – Entwicklung durch Gewohnheitsrecht (zu letzterem a. a. O., S. 88 und 91 f. m. w. N.); schließlich zu den Chancen und Gefahren Steinberg, JZ 1980, 385 (385). 31 Dass der alleinige, stets gleiche Kern der verschieden bezeichneten Varianten (d. h. Verfassungsinterpretation, -entwicklung, -wandel, -entfaltung, etc.) lediglich die klassische Auslegung ist, verwundert nicht, legt man die Umschreibung von Häberle, ZfP 1974, 111 (124) zugrunde: „Auslegen heißt, dem Verfassungsrecht eine Verwirklichungsebene in der Zeit verschaffen, […]“. Nach seiner Darstellung (a. a. O., S. 130) sind die anderen Termini oder Lehren (in seinem Beispiel der Verfassungswandel) überflüssig, da sich alles auf die Banalität der Interpretation eines Textes, hier der Verfassung, zurückführen lasse.

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Verzicht auf Durchbrechungen des Normgefüges32 verbunden. Insoweit bleibt die interpretatorische Erstreckung der Verfassungsnormen auf neue Umstände als das gegenüber formalen Änderungen mildere Mittel der Auslegung stets vorrangig zu bemühen.33 Die nur dürftig umrissene, entwicklungsoffene Gestalt der Verfassung34 und gleichermaßen die Notwendigkeit ihrer Anpassung an die sich wandelnden Umstände zwingen35 zu solchen Entwicklungen innerhalb der vorgegebenen Grenzen, ohne dass dies zu hindern wäre36 und (zumindest theoretisch) sogar völlig lückenfüllend37. Deren Auswirkungen können zwar spürbar sein, die verfassungsund staatsrechtlichen Fundamente angesichts ihrer festen Normierung aber niemals ins Wanken bringen. Die Abgrenzung des (ungeschrieben) noch Erlaubten von dem bereits Verbotenen – konkret Verfassungswandel contra Verfassungsdurchbrechungen – ist allerdings fließend.38 Über die Auslegung hinaus verlangt die Zukunftsträchtigkeit normativer Regelungen gleichwohl, diese ohne radikale Umgestaltungen des Verfassungsgefüges oder gänzliche Ersetzung ihrer selbst, in Teilen oder mitunter sogar gänzlich anzupassen, sollten sie sich eines Tages (in Anbetracht moderner Errungenschaften oder Erkenntnisse) nicht mehr als zeitgemäß darstellen.39 Immerhin will die Verfassung einen nicht die Gegenwart, sondern die Zukunft betreffenden „Sollzustand“40 versinnbildlichen. Die Verfassungsänderung repräsentiert sich somit als Schnittstelle, seit ihrem Erlass fortentwickelte Anpassungen des Verfassungstextes „gewaltlos in die Kontinuität des Legalitätszusammenhanges […] im Sinne einer evolutionären Entwicklung“41 einzubringen und diese nichtsdestotrotz klaren, normativen Vorgaben zu unterwerfen.42 Indem sich die bestehende Verfassung an 32 Andernfalls würde der Verfassung ein anderer Sinn beigelegt als der Verfassunggeber zu erreichen suchte, sie in ihrer Aussagekraft und Geltung also „überlagert“, so Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 15 mit historischen Beispielen (auch internationalen Ursprungs) in der dortigen Fn. 14 sowie auf den Folgeseiten (S. 16 ff.). 33 Diese Reihenfolge (erst Verfassungsinterpretation, dann -änderung) unter Verweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz betonend Grimm, AöR 97 (1972), 489 (507). 34 Vgl. Ehmke, VVDStRL 20 (1963), 53 (62 f.). 35 Hesse, Normative Kraft der Verfassung, S. 16. 36 Scheuner, Verfassung, in: Gesammelte Schriften, S. 171 (181). 37 Damit ist gemeint, dass infolge einer sorgsamen, anpassenden Interpretation das Bedürfnis für Verfassungsänderungen – mit Ausnahme der Staatsorganisation, die von Zeit zu Zeit der Neuerung bedarf – gegen Null tendieren dürfte, vgl. Häberle, ZfP 1974, 111 (136). 38 Siehe hierzu Steinberg, JZ 1980, 385 (386) und Lerche, in: FG Maunz, S. 285 (295 ff.). Von einem „mehrdimensionalen Spannungsfeld“ spricht insoweit Walter, AöR 125 (2000), 517 (518 ff.); siehe zudem Dreier, in: Behrends / Sellert, Kodifikationsgedanke und Modell des BGB, S. 119 (137 f.). 39 Vgl. Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 45 f. Immerhin unterliegen auch Rechtsnormen einem „zeitlichen Verwitterungsprozeß“, so anschaulich Weber, in: FG Maunz, S. 451 (505). 40 So Grimm, AöR 97 (1972), 489 (506). 41 So Badura, in: FS Scheuner, S. 19 (27), der zugleich die fortdauernde und ununterbrochene normative Beschränkung der Herrschenden als „Grundgedanke des Verfassungsstaates“ hervorhebt (zum Vorstehenden samt Zitat a. a. O., S. 24). 42 Henke, Der Staat 19 (1980), 181 (205).

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

künftige Entwicklungen anpassen und in ihrem Bestand weiterentwickeln lässt, wird sie flexibel und „gewinnt eine gewisse Elastizität“43. Eine beständige Verfassung zeichnet sich gerade durch diese Flexibilität und nicht durch absolute Versteinerung ihres Inhalts aus. Neben dieser Seinsberechtigung der Möglichkeit zur Verfassungsänderung, um notwendige Anpassungen an Entwicklungen und / oder geänderte Vorstellungen vornehmen zu können, sollte jedoch, wenn auch von nachgeordneter Bedeutung, ihre „Reparaturfunktion“44 für die Verfassung zur „Beseitigung verfassungsrechtlicher Schwachstellen“45 nicht außer Ansatz gelassen werden.46 Zu diesen beiden Hauptzwecken tritt schließlich noch eine gewisse „Steuerungskraft“47 von Verfassungsänderungen hinzu, indem noch nicht eingetretene Entwicklungen erst durch den politischen Prozess eingeleitet, neuartige Konzepte ohne anlassgebendes Bedürfnis in Gesellschaft, Wirtschaft o.ä. vermittelt und letztlich Vorstellungen vor Eintritt eines Bedarfs hierzu kanalisiert werden können. Auf der anderen Seite ist die Verfassungsänderung angesichts des sie legitimierenden Rechtsgrundes und ihrer rechtlichen Eigenart auch nicht mit der Verfassunggebung gleichzusetzen48, die als ursprünglicher Gründungs- und Gestaltungsakt eine neue Verfassung schafft.49 Beide stehen vielmehr in einem gegenseitigen 43

Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 46. Diese Elastizität sei trotz der ihr fehlenden Absolutheit oder Ewigkeit weniger ein (vermeintlicher) „Gefährdungsmoment für die erwünschte Verfassungsstabilität“ (a. a. O., S. 46 f.), sondern wegen der Möglichkeit zur Anpassung und Konfliktvermeidung/-lösung ihre „eigentliche Stärke“ (weiterhin a. a. O., S. 47). Demgemäß heißt es etwa bei Dreier an anderer Stelle – dazu ders., JZ 1994, 741 (744) – prägnant: „Stabilität der Verfassung bedeutet nicht deren Unveränderlichkeit“; siehe i. Ü. die gesamte dortige Darstellung auf S.  744 f. und S.  748 (jeweils a. a. O.) und daneben ders., in: Behrends / Sellert, Kodifika­ tionsgedanke und Modell des BGB, S. 119 (126) m. w. N.; ferner Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  79 Rn.  80 m. w. N. und Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, S.  365. Mitunter wird nach dem Maß der Anforderungen an eine Verfassungsänderung zwischen rigiden im Sinne starrer und flexiblen im Sinne biegsamer Verfassungen unterschieden, vgl. Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 29 sowie Menzel, in: FS Giese, S. 153 (189). 44 So Steinberg, JZ 1980, 385 (389) m. w. N. 45 So treffend Stern, ZRP 1977, 12 (13). Allerdings sei die Rettungsmöglichkeit nicht endlos, weil alles andere die Verfassung „zwangsläufig überfordern und überlasten würde“ (a. a. O., S. 13). Vgl. auch die frühere Äußerung Sterns in ders., Verfassung und Verfassungsreform, in: Ausgewählte Schriften und Vorträge, S. 53, die Änderung des Grundgesetzes dürfe „nicht zur kleinen Münze des politischen Alltags werden“ (dort S. 65); zustimmend Steinberg, JZ 1980, 385 (389); Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (43). 46 Mitunter als „Verfassungsverbesserung“ bezeichnet, so Grimm, AöR 97 (1972), 489 (508). Beide Wirkungen betonend auch Häberle, ZfP 1974, 111 (135). 47 Häberle, ZfP 1974, 111 (135 f.). 48 Zur Unterscheidung von verfassunggebender Gewalt („pouvoir constituant“) und verfassungsändernder Gewalt („pouvoir constitué“) vgl. im Einzelnen nachfolgend in § 8 III. 49 Badura, in: HStR  VII (1.  Aufl. 1992), § 160 Rn.  16. Im Gegensatz hierzu Hesse, in: HdbVerfR, § 1 Rn. 24: „Es handelt sich in Wahrheit um Verfassunggebung, eine Ersetzung der bisherigen durch eine neue Verfassung“.

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„Spannungsverhältnis“50, das seinen Ausgleich sucht zwischen einer Zukunftsoffenheit durch die besagte Änderungsmöglichkeit und einer Ursprungsbewahrung mit Hilfe der Grenzen, die dieser gezogen sind. In der jeweiligen Wirkung entscheidet sich, ob der Nutzen der Verfassungsänderung überzeugt oder die Stabilität der Gesamtverfassung ins Wanken gerät.51

II. Revisionsnormen Bei Art. 79 GG handelt es sich, da auf dieser Grundlage das Grundgesetz geändert werden kann, um eine Revisionsnorm52. Darin wird der verfassungsändernde Gesetzgeber zum einen erst zu Änderungen des Grundgesetzes ermächtigt (Absätze 1, 2), diese Befugnis aber zum anderen in sachlicher Hinsicht gesondert beschränkt (Absatz  3). Prägnant zusammengefasst bedeutet dies: „Die Revisionsgewalt ist zwar […] prinzipiell anerkannt, aber nicht als grenzenlose“53. Die zu Änderungen des Grundgesetzes gemäß Art. 79 GG berufenen Organe sind hierbei mit den herkömmlichen Gesetzgebungsorganen im Sinne von Art. 70 ff. GG deckungsgleich – gleichzusetzen einer besonderen „Erscheinungsweise der Gesetzgebung“54, die strengeren Anforderungen unterliegt. Gleichwohl sollte nicht vergessen werden, dass sich die Verfassungsgesetzgebung gerade durch die besonderen Voraussetzungen des Art. 79 GG sowie durch den Vorrang der Verfassung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG von der einfachen Gesetzgebung abhebt. Wenn auch faktisch dieselben Organe tätig werden, ist die Bedeutung dieser Differenzierung nicht zu unterschätzen. Das Grundgesetz setzt eben diese Möglichkeit zur Verfassungsände-

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So Erichsen, Jura 1992, 52 (53). Vgl. Häberle, ZfP 1974, 111 (135), der dies dies mit den Worten ausdrückt, Änderungen könnten niemals „‚an sich‘ schädlich oder nützlich“ sein  – deutlicher noch die dortige Fn. 139. 52 Als Revisionsnormen werden alle Vorschriften betreffend die Zuständigkeit, das Verfahren und den zulässigen Inhalt für Verfassungsänderungen bezeichnet, die jedoch lediglich teilidentisch mit den Schranken derselben sind, vgl. Siegenthaler, Materielle Schranken der Verfassungsrevision, S. 150 m. w. N. und Haug, Schranken der Verfassungsrevision, S. 155. 53 So Dreier, Gilt das GG ewig?, S.  57. Insoweit sprechen Scheuner, in: FG  Kaufmann, S. 313 (326) und dem folgend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 694 sowie Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (47) von ‚konstruktiven Sicherungen‘ der Verfassung. Auch Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 3 eröffnet insoweit seine diesbezüglichen Ausführungen (im Einzelnen Rn. 16 ff.) mit der Illustration von der gleichermaßen „verfassungsrechtlich begründeten und begrenzten verfassungsändernden Gewalt“ (so die prägnante Aussage a. a. O., Rn. 3). Gleichwohl sind diese Grenzen ziemlich weitläufig, vgl. Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 21. 54 So Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 3. An anderer Stelle (a. a. O., Rn. 20) auch zu dem im Wesentlichen identischen Verfahren, welches nur in einigen Punkten strengeren formalen Anforderungen unterliegt. Siehe im Übrigen noch Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 3 („Sonderform der Gesetzgebung“). 51

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

rung sowie die damit verknüpfte, besondere Stellung der verfassungsändernden Gewalt als besondere Form der Normsetzung voraus.55 Wegen der prinzipiellen Weite der Ermächtigung zu Verfassungsänderungen ist es naheliegend bzw. nur folgerichtig, wenn die Revisionsnorm – wie hier in Art. 79 Abs. 3 GG – selbst materielle Schranken konstruiert, denen der verfassungsändernde Gesetzgeber stets verpflichtet bleibt, gewissermaßen ein nicht zu überschreitendes Tabu56 als letztes Erbe der Grundvorstellungen des Verfassunggebers. Hierin 55

Vgl. hierzu bereits in § 7 I. bzw. in der dortigen Fn. 7, v. a. Dreier, JZ 1994, 741 (745 f.). Mit Blick auf die historischen Wurzeln dieser Erkenntnis Stern, Staatsrecht I, § 5 II 3 (S. 157 f.). 56 Ob ein solches Tabu allerdings durch in der Verfassung enthaltene Verfassungsgrenzen überhaupt konstruierbar sein kann, wird zum Teil abgelehnt bzw. für unmöglich gehalten: Insoweit grundlegend Jellinek, Grenzen der Verfassungsgesetzgebung, S. 3 ff., speziell S. 13 ff. und S. 23 ff.; Wolff, in: GS Jellinek, S. 33 (49 f.); dem folgend auch Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 67 m. w. N.; Harbich, Bundesstaat und Unantastbarkeit, S. 90 f., 99 f.; Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 109 f. (dort „Ewigkeitsgarantien […] sind von vornherein mit einem Geburtsfehler behaftet“, S. 109) m. zahlr. Nachw. zum Schrifttum in der dortigen Fn. 125. Gute Zusammenfassung bei von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VI 2 a (S. 1881 f.) – mit gleichzeitigem Hinweis auf die Vertreter der Gegenmeinung (a. a. O., S. 1882 a. E.) – und Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art.  79 Rn.  33 ff., bei dem Letztgenannten mit dem Bemerken der im Hinblick auf ihre Selbstbestimmung unzulässigen „Bindung nachfolgender Generationen“ (a. a. O., Rn. 35 m. w. N.); ähnlich m. w. N. auch Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 27 ff. und Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 8. Die gleiche Frage wirft zudem Ipsen, Über das GG. Gesammelte Beiträge, S. 22 (in einer dort abgedruckten Rede aus 1949) auf. Ausführliche Auseinandersetzung mit der Problematik außerdem u. a. bei Siegenthaler, Materielle Schranken der Verfassungsrevision, S. 166 ff., 185; Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 219 f., 221 ff.; ebenfalls ablehnend Kölble, DÖV 1967, 1 (6). Nach Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 46 f. liegt in einer Unantastbarkeit zwar ein sinnvoller Ansatz, der jedoch mangels Schutz gegen umwälzende Revolutionen nicht bis zum Ende durchdacht und somit effektiv wirkungslos sei. Dies betonen ebenso Evers, a. a. O., Rn.  65 sowie Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S.  136 f. (Zu diesem Fazit gelangt Letzterer nach eingehender Auswertung verschiedener Literatur und eigenen Rückschlüssen – vgl. hierzu ab S. 80 ff.). Ferner merkt Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 1 a α (S. 166) an, in dem Verbot künftiger Grundgesetzänderungen liege eine „Überschreitung der Möglichkeiten positiver Rechtsetzungen“ – zum Zitat bereits Wolff, a. a. O., S. 50, an welchen Stern (a. a. O.) anknüpft. Hingegen erkennt Letztgenannter an anderer Stelle – namentlich ders., Staatsrecht III/2, § 89 II 2 c β (S. 1087) – Revisionsschranken im Grundsatz an und verlangt nur, das „Maß der Begrenzung richtig zu dosieren“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.), d. h. ausschließlich das absolute und unersetzbare Fundament des Staates zu schützen. Erst durch den Schutz derselben bliebe künftigen Generationen ihr Selbstbestimmungsrecht erhalten, namentlich ihre „Freiheit zur Freiheit“, so wiederum Stern, JuS 1985, 329 (331); ähnlich auch Evers, a. a. O., Rn. 68 und außerdem Hain (a. a. O., Rn. 36), der die Grenzen des Selbstbestimmungsrechts durch Art. 79 Abs. 3 GG nicht erreicht sieht, weil die Norm nicht den Verfassunggeber binde; s. a. Hain, Grundsätze des GG, S. 49 ff. und Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 26, jeweils m. w. N. Dabei wird die vom Grundgesetz gewählte Lösung, einen engen Kreis an Grundsätzen änderungsfest zu verankern, als eine adäquate und korrekte Verfahrensweise bewertet, so abermals Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 1 b (S. 167) m. w. N.; Henke, Der Staat 19 (1980), 181 (206). Zur Diskussion ausführlich Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 701 ff.; Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 227 ff., 232 ff., 235 ff. und Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner

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liegt, trotz der durch die Absätze  1 und  2 gewährten Revisionsmöglichkeit, die jedoch ihrerseits Ausnahme von dem Grundsatz der Bindung an die Vorgaben der verfassunggebenden Gewalt ist, bezüglich einzelner materieller Grundsätze eine Rückbesinnung auf eben jene Regel.57 Die so verfassungsintern gewählte Unantastbarkeit gemäß Absatz 3 erzeugt eine Art „Korridor“58, innerhalb dessen der verfassungsändernde Gesetzgeber wirken darf, aus dem er aber nicht ausbrechen kann. Die Einfassung des Korridors kann im Allgemeinen verschiedene Formen annehmen: Entweder können Revisionsschranken lediglich einzelne Verfassungsnormen bzw. -strukturen gegen Änderungen immunisieren oder aber abstrakt ein „verfassungsfestes Minimum“59 dem Zugriff entziehen.60 Das Grundgesetz wählt – wie noch im Einzelnen zu zeigen sein wird – eine Mischung dieser beiden Gestaltungsformen von Revisionsschranken. Auf diese Weise bleibt der minimale Kern eines „wertbezogenen Verfassungs­ denken[s]“61 in Gestalt der absoluten Richtwerte62 der ursprünglichen Verfassung fortwährend63 erhalten, gewissermaßen die „Identität und Kontinuität der Verfas­ sung als eines Ganzen“64. Dabei sind mit ‚Identität‘ des Grundgesetzes eben diese GG, S. 48 ff. (zu den ablehnenden Stimmen) bzw. S. 52 ff. (zu den schrankenanerkennenden Stimmen), solche Revisionsschranken selbst anerkennend auf S.  56 ff. und 63 f.; umfassend bereits Haug, Schranken der Verfassungsrevision, S. 1 ff., 232 ff. Schließlich setzt sich Dreier, in: Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 28 ff. bzw. ders., JZ 1994, 741 (748) m. w. N. abstrahierend mit Schrankenregelungen und dem ihnen immanenten „Generationenproblem“ (so ein Teil der Abschnittsüberschrift in der erstgenannten Fundstelle: a. a. O., S. 28) auseinander. Im Hinblick auf die dargestellte Diskussion ist es unverzichtbar, genau zwischen verfassunggebender und verfassungsändernder Gewalt zu differenzieren, dazu sogleich ausführlich in § 8 III. 57 Vgl. Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 9. Im Kern geht es um die Feststellung, dass alle staatliche Gewalt dem Verfassungsrecht untergeordnet ist, wie es Art. 20 Abs. 3 GG für die drei Gewalten normiert – nicht aber umgekehrt. Weil die verfassungsändernde Gewalt aber staatliche Gewalt ist, ist sie ebenfalls gewissen Bindungen unterworfen; vgl. auch Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 60. 58 So bezeichnet von Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 99. 59 So Ipsen, Über das GG. Gesammelte Beiträge, S. 22 in einer Rede aus dem Jahre 1949. Einige Jahre später von Menzel, in: FS Giese, S. 153 (189) synonym als „änderungsfestes Verfassungsminimum“ tituliert. 60 Zu beiden Möglichkeiten Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 43. Dort (a. a. O., S. 45 in der dortigen Fn. 75) wird als Beispiel für die zweite Variante die Formulierung „Geist dieser Verfassung“ in § 112 der Verfassung des Königreichs Norwegen von 1814 genannt. 61 So Stern, JuS 1985, 329 (331). 62 Vergleichbar umschrieben bei von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VI 2 (S. 1880) als „verfassungspolitische Grundentscheidung“; s. a. Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  243; Hain, Grundsätze des GG, S.  88 (dort „identitätsstiftende Faktoren“); Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 218 (dort „identitätsbegründenden Verfassungsgütern“). 63 Um die „Stetigkeit der Verfassung in der Zeit“ zu sichern, so Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 99. 64 Begrifflichkeit zurückgehend auf Schmitt, Verfassungslehre, S. 103, adaptiert von Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 44 (mit näheren Erläuterungen). Zu den einzelnen Wortbedeutungen von Identität und Kontinuität grundlegend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 701 f.; s. a.

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Richtwerte, d. h. im Grunde ihre „tragenden Grundpfeiler“65 bzw. ihre „tragenden Konstitutionsprinzipien“66 bzw. ihre „fundamentalen Verfassungsgrundsätze“67, und mit ‚Kontinuität‘ ist deren Fortbestand umschrieben.68 So hält Art. 79 Abs. 3 GG selbst im Falle weitreichender Änderungen69 die Grundzüge der Ursprungsverfassung, gewissermaßen einen „Kern des GG“70 bzw. eine „verfassungstheoretische Modellvorstellung“71, aufrecht. In dieser Vorschrift liegt die normtheoretisch ders., in: HdbVerfR, § 1 Rn. 22, 24. Die Identität der Verfassung voraussetzend ebenfalls (anstelle vieler) Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 170 und Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 2. Vgl. schließlich auch die Grundlage dessen im „identitätsschützenden Charakter“ gemäß BayVerfGHE 52, 104 (123 a. E.). Wenngleich die Formulierung an der genannten Stelle konkret anlässlich einer Prüfung anhand von Art. 75 Abs. 1 S. 2 der Bayerischen Verfassung erfolgte, bezog sie sich erkennbar auf Ewigkeitsklauseln im Allgemeinen. 65 Diesen Ausdruck verwendete Schmitt, DÖV 1965, 433 (437) in einem zwar verschiedenen, allerdings sinnverwandten Zusammenhang für die Inhalte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. 66 So der in dem Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (39) betreffend Art. 1 GG gewählte Terminus, welcher sich auf alle anderen Elemente von Art. 79 Abs. 3 GG entsprechend übertragen lässt, weil diese ihrerseits und gleichermaßen Grundlage vieler weiterer Grundgesetznormen sind. 67 In dieser Weise Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 16 und fast identisch Hain, Grundsätze des GG, S.  88. Als „Fundamente“ des Grundgesetzes auch bezeichnet von dem Abgeordneten Schmid in der 17. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages am 26. Februar 1954, abgedruckt in Verhandlungen des Dt. Bundestages, S. 574 (Abschn. D). Treffend auch die bildliche Beschreibung bei von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 89: „Vergleicht man das Grundgesetz mit einer Brücke, die fünf Staatsformen mit den fünf Pfeilern der Brücke, so wäre es gewiss vorstellbar, eine andere Brücke (d. h. irgendeine Verfassung) auch mit weniger, etwa nur mit vier Pfeilern, zu konstruieren, indem beispielsweise der Pfeiler ‚Bundesstaat‘ weggelassen wird. Ein solch neues, auf weniger Pfeilern ruhendes Gebilde wäre aber […] ein anderes, nicht nur ein geändertes Grundgesetz.“ 68 Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 3; ebenfalls aufgegriffen von Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 217. 69 Solange dieser Kern qualitativ gewahrt bleibt, vermag nach einigen Autoren das Grundgesetz sogar im Zuge einer sog. ‚Totalrevision‘ umfassend geändert zu werden, vgl. Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 7 c (S. 176), wonach auch Art. 146 GG nicht entgegenstünde; dem folgend Erichsen, Jura 1992, 52 (52) und wohl auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 702. Kritisch hingegen Dichgans, ZRP 1968, 61 (62), dass eine solch umfassende Revision nach Art. 79 GG (politisch gesehen) „kaum denkbar“ (zum Zitat a. a. O.) sei. Gegen letzteres führt Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 4 an, dass eine Totalrevision dem pouvoir constituant vorbehalten sei; in gleicher Weise auch ders., Verfassungsentwicklung, S. 237 f. und Dreier, JZ 1994, 741 (749). Im Ergebnis scheint die Beurteilung von der Frage abzuhängen, wie weit man den Begriff ‚Totalrevision‘ interpretiert. Immerhin knüpft das Grundgesetz im Gegensatz z. B. zur schweizerischen Verfassung nicht an diesen Begriff und sein Gegenstück, die Partialrevision, an – vgl. hierzu Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 36 f. Zur Begrifflichkeit allgemein bereits Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, S. 33. 70 So von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VI 2 b aa (S. 1183) mit mehreren Beispielen; s. a. Hesse, AöR 98 (1973), 1 (6) und Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 18 bzw. ders., Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 218 mit ähnlichen Formulierungen. 71 So treffend Erichsen, VerwArch 62 (1971), 291 (294). Oder auch – gleichbedeutend – eine „Verfassung in Kurzform“, so Katz, Staatsrecht, Rn. 131. Nach den Worten des Abgeordneten

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voraus­gesetzte Kondition72 für die Beständigkeit73 und Unabänderlichkeit anderer Artikel des Grundgesetzes. Zu diesem Zweck werden darin die wichtigsten verfassungsrechtlichen Leitgedanken von der Schnelllebigkeit der Politik entkoppelt, d. h. der Flüchtigkeit der politischen Programmsätze und den stetig wechselnden Mehrheitsverhältnissen entzogen.74 Die Norm „konserviert im Ergebnis das GG und immunisiert es gegenüber demokratischen Prozessen“75, damit die früher geschaffenen inhaltlichen Grundlagen auch heute noch gleichermaßen gelten und ebenso künftigen76 Generationen ein Richtmaß sein können. Immerhin haftet jeder noch so kleinen Änderung einer Verfassungsnorm zugleich immer auch eine Wirkung bezogen auf die Gesamtverfassung an, weil eine Vielzahl an Regelungen auf dem (mittelbaren) Wege systematischer Auslegung anders interpretiert werden kann oder sogar muss.77 Festzuhalten bleibt damit: Das Grundgesetz ist heute (in seiner Identität) dasselbe wie bei seiner Ausfertigung am 23. Mai 194978, weil seiner Änderung zumindest in den wesentlichen Bereichen, nach denen es sich identifiziert, Grenzen79 vorgegeben sind und sein Kern dauerhaft bewahrt wird.

Schmid in der 17. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages am 26. Februar 1954 hätte man damals im Parlamentarischen Rat „etwas Fundamentales“ treffen wollen, abgedruckt in Verhandlungen des Dt. Bundestages, S. 573 (Abschn. D, dort auch zum vorhergehenden wörtlichen Zitat), s. a. S. 574 (Abschn. D). 72 Siegenthaler, Materielle Schranken der Verfassungsrevision, S. 133. 73 Vgl. Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, S. 364 („Sonderfall der Rechtskontinuität“) – verbunden mit näheren Erläuterungen auf den folgenden Seiten (speziell S. 367 ff.). 74 Vgl. Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 217 bzw. ders., in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 18; zudem Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 46; Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 26. 75 So Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 5. Kritisch Wolff, in: GS Jellinek, S. 33 (50) sowie später Dreier, JZ 1994, 741 (749 f.): In der Konservierung althergebrachter Verfassungsinhalte liege nach dem Letztgenannten unterdessen auch die Kehrseite der Unabänderlichkeit, da dies – mindestens hinsichtlich der geschützten Grundsätze – eine „freiheitlich-friedlichen Fundamentalerneuerung des politischen Gemeinwesens“ (ebenfalls a. a. O., S. 750) auf Dauer verhindere und revolutionäre Kräfte bestärke. Auch Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 80 warnt diesbezüglich vor zu großer Starrheit, die zur „Verkrustung des Verfassungsgefüges“ (zum Zitat a. a. O.) führen könnte. 76 Es soll nicht eines Tages heißen, das Grundgesetz habe „mit der Ursprungsurkunde nur noch den Titel gemein“, so Dreier, in: Behrends / Sellert, Kodifikationsgedanke und Modell des BGB, S. 119 (126) über die Gefahr frei abänderbarer Verfassungen. 77 Vgl. Schlink, Der Staat 12 (1973), 85 (88) und hieran anknüpfend Erichsen, Staatsrecht II, S. 19. 78 So feststellend Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 45 trotz der zahlreichen, kritisch kommentierten Änderungen hieran. In der Gesamtbetrachtung zeige sich das Grundgesetz jedoch „in kluger Weise zurückhaltend“, so erneut Dreier, JZ 1994, 741 (749) und ähnlich ders., in: Behrends / Sellert, Kodifikationsgedanke und Modell des BGB, S. 119 (136). Kritisch hingegen Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S.  46 f., der dem Grundgesetzgeber beachtliche Zielsetzungen bescheinigt, demgegenüber aber über eine mangelhafte Ausführung klagt. Bezogen speziell auf Art.  79 Abs.  3 GG hebt Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 211 ff. (insbes. S. 214) die Invariabilität seit der Gründung des Grundgesetzes hervor. 79 Ausführlich zur Thematik Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 1 ff.

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Unter der Geltung des Grundgesetzes wird auf diesem Wege als Lehre aus den Erlebnissen in der Weimarer Republik80 und seitdem „Ausdruck eines spezifisch deutschen Mißtrauens gegenüber dem Volk“81 ein rechtliches Tabu geschaffen, an welchem sich selbst die verfassungsändernde Gesetzgebung messen lassen muss. Ihrem Charakter als verfassungssichernde Norm82 bzw. Verfassungsschutzbestimmung83 entsprechend führt sie alle für den deutschen Staat „existentiellen Grundlagen […] und deren prägende Elemente“84 einem zumindest bei Fortbestand des Grundgesetzes, weil nur gegenüber dem verfassungsändernden Gesetzgeber wirkenden absoluten Schutz zu.85 Jede Form einer „Aushöhlung der […] Grundordnung“86 soll frühzeitig abgewendet werden – seinerseits eine der zentralen Lehren aus den bisherigen Erfahrungen87 auf deutschem Boden.

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Dazu eingehend sogleich in § 8 IV. 1. So Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 63. Allgemein zum Misstrauen als Antrieb, der erst zur Begründung von Revisionsschranken führt, bereits Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 6 f. 82 Demgemäß bezeichnet Scheuner, in: FG Kaufmann, S. 313 (326) diese Form des Verfassungsschutzes als „konstruktive Sicherung“. Dies begrüßen ausdrücklich u. a. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 694; Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 2 c α (S. 1086) bzw. ders., JuS 1985, 329 (330) und Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (47). Alternativ auch als „Struktursicherung“ betitelt von Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 99. 83 Bereits im Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (46) und ebenso bei Dürig, in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 5 (12) bzw. ders., in: FG Maunz, S. 41 (47 f.) sowie auch bei Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 227 ist jeweils von ‚Verfassungsschutz‘ die Rede; ferner Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 16, 60 bzw. ders., JZ 1994, 741 (750) in Anknüpfung an die Kapitelüberschrift „Schutz der Verfassung“ bei Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 691 ff. (Kapitel § 20). So benannt auch bei Stern, Staatsrecht I, § 6 II 3 (S. 184) und Maurer, in: FS Stein, S. 143 (153); schließlich noch Ridder, in: AK-GG (2. Aufl. 1989), Art. 79 Rn. 1; Roellecke, DÖV 1978, 457 (457); Häberle, JZ 1971, 145 (146). 84 So Estel, Bundesstaatsprinzip und direkte Demokratie im GG, S.  24 in Anlehnung an Maurer, in: FS Stein, S. 143 (153). Solchermaßen enthalte sie ein deutliches „Bekenntnis zur Verbindlichkeit und Unverbrüchlichkeit der höchsten Staatswerte“, so Rumpf, Ideologischer Gehalt des Bonner GG, S. 35 und im Anschluss hieran Dreier, JZ 1994, 741 (750). 85 Vgl. Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S.  57 (68); Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 1; kritisch zur Absolutheit: Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 692 ff. 86 So BVerfGE 123, 267 (344), allerdings – vgl. die hier im Fließtext vorgenommene Auslassung – konkret bezugnehmend auf das demokratische Element des Staates (als eines aus der Mehrzahl geschützter Elemente) und seine freiheitsbezogene Wirkung. 87 Hierzu Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 66 f. m. w. N.: Trotz des Blickes in die Vergangenheit strahle die Unabänderlichkeitsnorm in ihren Wirkungen unweigerlich doch auf die Zukunft aus und sei dermaßen bislang der Garant gewesen für die „Erfolgsgeschichte des Grundgesetzes“ (a. a. O., S. 66). 81

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III. Verfassunggebende und verfassungsändernde Gewalt In der Frage absoluter Unabänderlichkeit der das Grundgesetz verkörpernden Grundsätze hebt sich die originär verfassunggebende Gewalt („pouvoir constituant“) am deutlichsten von der verfassungsändernden Gewalt („pouvoir constitué“) ab88, weil das Grundgesetz nur letzterer wegen ihrer von der Verfassung abgeleiteten Stellung und der ihr immanenten obligatorischen Achtung bestehender (materieller) Schranken Grenzen aufzuerlegen vermag.89 Aufgrund ihrer Stellung 88 Zur Differenzierung vgl. die Lehren nach Sieyès, Der dritte Stand (übersetzt), V. Kapitel (S. 89 ff., v. a. S. 93), wonach zwischen „pouvoir constituant“ (= konstituierende Gewalt) und „pouvoir constitué“ (= konstituierte Gewalt) zu trennen und der verfassungsändernde Gesetzgeber als Sonderform („pouvoir constituant constitué“) zu letzteren zu zählen ist; dazu eingehend Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 466, 522 f.; Zweig, Lehre vom Pouvoir Constituant (gesamtes Werk); Schmitt, Verfassungslehre, S. 98 sowie ders., Der Staat 17 (1978), 321 (337). Zu den Ursprüngen ferner Isensee, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 166 Rn.  14; Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 17 m. w. N.; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 313 ff.; Maurer, Staatsrecht I, § 22 Rn. 1, 17; Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 3 und Estel, Bundesstaatsprinzip und direkte Demokratie im GG, S. 25 m. w. N.; vgl. auch Dreier, JZ 1994, 741 (744 f.) bzw. ders., Gilt das GG ewig?, S. 40 f.; außerdem Kölble, DÖV 1967, 1 (6); Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 13 ff.; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 77; Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 31, 34; Huber, in: Sachs, GG, Präambel Rn. 25 ff. bzw. ders., in: Sachs, GG, Art. 146 Rn. 11; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 7 ff., 74; Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 1; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG (64. EL 2012), Präambel Rn. 14; Rupp, NJW 1971, 284 (284). Zusammenfassend Hain, Grundsätze des GG, S. 38 ff. m. zahlr. Nachw. Eingehend zu der Differenzierung zwischen den beiden Gewalten Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 163 ff., 186 sowie Stern, Staatsrecht I, § 5 I 2 a, b (S. 146 f.), § 5 I 3 a (S. 151) und c (S. 152) sowie § 5 II 1 (S. 153 f.). Demgegenüber behauptet Haug, Schranken der Verfassungsrevision, S. 156 f., dass der „Pouvoir constituant im Akte der Verfassungsschöpfung […] vom ‚Naturzustand‘ in die Rechtsform [Anm.: des Pouvoir constitué] übertritt“ (hierzu a. a. O., S. 157 oben), d. h. sich die verfassunggebende zur verfassungsändernden Gewalt wandele. Die Identität dieser Gewalten im handelnden Volk nimmt auch Steiner, Verfassunggebung und verfassunggebende Gewalt, S. 204 an – freilich widersprüchlich auf S. 175; ferner Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 37. Auch Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, S. 33 versteht Verfassunggebung und Verfassungsänderung immerhin als gleichstufig, da in beiden Fällen (neues) Recht geschöpft werde. Zur diesbezüglichen Diskussion ausführlich Winterhoff, Verfassunggebung / Verfassungsänderung, S. 173 ff. und S. 197 ff.; vgl. schließlich weitergehend S. 166 ff. bzw. S. 183 ff. zur Differenzierung zwischen den voneinander zu unterscheidenden theoretischen Ansätzen, die verfassungsändernde der verfassunggebenden Gewalt zuzurechnen oder aber diese – wie vom Grundgesetz vertreten – voneinander abzugrenzen, 89 Schon das Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (39) klammerte insofern bewusst eine spätere Verfassungsneuschöpfung von der Unabänderlichkeit aus; s. a. BVerfGE 89, 155 (180); BVerfGE 123, 267 (343) und des Weiteren Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 60, 74; Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 246 f., 251; Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 42; Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 40, 43; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 14 bzw. ders., JZ 1994, 741 (743, 746 ff.), letzterer m. w. N. in den dortigen Fn. 26–29; Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 31, 36; Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 1 (S. 165) bzw. ders., Staatsrecht III/2, § 89 II 2 (S. 1083) und § 89 III 3 a (S. 1099); von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VI 2 (S. 1880); Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen, S. 35 f. und dem zustimmend Henke, Verfassunggebende Gewalt des Dt. Volkes, S. 139, dort Fn. 23 und S. 145;

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auf der Ebene jener Rechtsordnung, zu deren Änderung zugleich berechtigt wird, werden diese als ‚autonome Schranken‘, im Gegensatz zu den von übergeordneter (zumeist völkerrechtlicher) Quelle vorgegebenen ‚heteronomen Schranken‘, bezeichnet.90 Letztere kann es im Grundgesetz wegen der bereits dargelegten allgemeinen Gleichordnung aller Normen nicht geben. Konkret wird die verfassungsändernde Gewalt zum dauerhaften Erhalt eines verfassungsrechtlichen ‚Herzstücks‘ gezwungen. Die Verfassungsänderung steht hierbei den auch im Übrigen gesetzgeberisch tätigen Organen als verfasster Gewalt91 zu, deren Ausgestaltung und Existenzberechtigung aus dem Grundgesetz Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 26; Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (61 f.); Unruh, Verfassungsbegriff des GG, S. 434; Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (494); im Umkehrschluss auch Siegenthaler, Materielle Schranken der Verfassungsrevision, S. 183 f. Zunächst missverständlich, aber im Ergebnis beipflichtend Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 101 ff. sowie des Weiteren Nef, ZSchwR n. F. 61 (1942), 108 (123). Insoweit ist der Ausdruck „Ewigkeitsgarantie“ dahin richtigzustellen, dass die Unabänderlichkeit lediglich unter dem Grundgesetz wirken kann und soll, vgl. Maurer, Staatsrecht I, § 22 Rn. 17 f. und Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 175 ff. Hingegen offenbar deutlich weitergehend Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 254, wenn er undifferenziert Änderungen jeder Art und damit u. a. Verfassungsneuschöpfungen mit Ausnahme faktischer Umstürze für „rechtlich unmöglich“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.) hält. Von derart „absoluter Wirkung“ der Norm spricht deutlich Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 108 m. w. N. (dort auch zum vorstehenden Zitat) unter Hinweis auf die Diskussionen im Parlamentarischen Rat, wonach alternativ nur eine Revolution möglich sei. Anlässlich dessen, dass die Schranken nur in einer Verfassung – hier dem Grundgesetz – enthalten und somit naturgemäß durch deren Reichweite beschränkt sind, ist eine darüber hinausgreifende Bindung des pouvoir constituant jedoch abzulehnen. Letzteres lässt sich zugleich mit der herausgehobenen Stellung desselben erklären, vgl. hierzu eingehend sogleich samt diesbezüglicher Nachweise in den Fn. 103 ff. 90 Zu diesen Begrifflichkeiten Jellinek, Grenzen der Verfassungsgesetzgebung, S. 4 ff. und daran anknüpfend Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 2 (S. 1083) bzw. ders., JuS 1985, 329 (329); Nef, ZSchwR n. F. 61 (1942), 108 (117); eingehend Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 42, 46, 65: Während „autonom“ in diesem Zusammenhang nur die selbsttätig auferlegten Grenzen innerhalb desselben Regelungsbereichs einschließe (a. a. O., Rn. 42), bedeute „heteronom“ eine auf höherer Ebene angesiedelte Verpflichtung, z. B. des Naturrechts (a. a. O., Rn. 46, vgl. sogleich Fn. 98 und Fn. 106 in diesem Abschnitt); hierzu auch Haug, Schranken der Verfassungsrevision, S.  178, 229 ff. und unter Bezugnahme auf Art. 25 GG, jedoch wesentlich kürzer Curtius, DÖV 1955, 145 (145). Im Gegensatz dazu beschreiben „absolute“ Schranken die abstrakt existierenden Grenzen normativer Regelungen, wenn deren „Wirkungsmöglichkeiten“ ausgereizt sind (so erneut Evers, a. a. O., Rn. 65 mit weiteren Erläuterungen). Beispiel hierfür ist u. a. die im Kern unabänderliche, geographische Lage des Staates, vgl. Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 87. Zur Abgrenzung auch Siegenthaler, Materielle Schranken der Verfassungsrevision, S. 128 ff., 156 f., 166 f., der jedoch die Unantastbarkeit regelnde Verfassungsnormen abweichend von der herrschenden Auffassung als heteronome Normen zu begreifen scheint. Zur gänzlich abweichenden Ansicht, die Festlegung unabänderlicher Grundsätze sei unmöglich, bereits Fn. 56 in diesem Abschnitt. 91 Vgl. Hain, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art.  79 Rn.  31; Maurer, Staatsrecht  I, § 22 Rn. 3; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 77; ähnlich auch Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 17; zusammenfassend und mit vielen vertiefenden Nachweisen Winterhoff, Verfassunggebung / Verfassungsänderung, S. 172. Alternativ heißt es „konstituierter Gewaltenträger […] besonderer Art“, so Stern, Staats-

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hervorgehen. Einschränkend werden allerdings besondere Mehrheitsverhältnisse92 verlangt, zumal die Organe zum Handeln hier nur unter besonderen (v. a. formalen) Anforderungen berechtigt sind. Sie können die Verfassung zwar ändern, müssen insoweit aber deren Grenzen beachten. Denn die verfassungsändernde Gewalt steht in Abhängigkeit von der verfassunggebenden Gewalt93 bzw. deren Verfassungsrechtsetzung94, ist ihr also „nachgeordnet und mit ihr nicht identisch“ 95, d. h. selbst nicht konstituierend, sondern ihrerseits bloß durch das Volk als ursprünglich verfassunggebender Instanz konstituiert worden.96 Weil demzufolge das Grundgesetz ihr Fundament bildet97, vermag die verfassungsändernde Gewalt keine richtungsweisenden Änderungen an den darin enthaltenen, zentralen Grundsätzen vorzunehmen, solange der Verfassunggeber solche nicht zugelassen hat.98 Immerhin liegt in recht III/2, § 89 II 2 (S. 1083), oder ist die Rede von dem Handeln der „vom Grundgesetz konstituierten Organe“, so Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 162, bzw. der „erst gebildeten Gewalten“, so Maunz, Dt. Staatsrecht (7. Aufl. 1958), S. 46. Grundlegend zuvor schon Schmitt, Verfassungslehre, S. 20, 98. 92 Aus diesem Grunde spricht Henke, Verfassunggebende Gewalt des Dt. Volkes, S. 138 von einem „Spezialgesetzgeber“, wohingegen Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 22 die Verfassungsgesetzgebung als „nur unwesentlich abweichende Gesetzgebungsart“ charakterisieren. Da aber letztlich dieselben Organe und Personen entscheiden, werden verfassungsändernde und verfassunggebende Gewalt auch insoweit (siehe bereits Fn. 89) teilweise gleichgesetzt: So möchte Henke, Der Staat 19 (1980), 181 (207) jede Anpassung der Verfassungsnormen, gleich ob durch Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG oder ob durch ungeschriebenen Verfassungswandel, als Wirkung der verfassunggebenden Gewalt abgebildet wissen. Diese wirke unaufhörlich auch nach der Schaffung des originären Verfassungstextes (dazu weiterhin a. a. O.); vgl. hierzu auch von Mangoldt, in: von Mangoldt, GG (Erstauflage 1953), Art. 79 Anm. 2 (S. 427). In Anbetracht der klar vorgezeichneten Abhängigkeit der Änderungen von den Vorgaben des Grundgesetzes kann dem jedoch nicht gefolgt werden, solange dasselbe als gesamtdeutsche Verfassung Gültigkeit entfaltet (vgl. im Ansatz auch Henke in der erstgenannten Quelle, S. 133). 93 Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 78; Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 17; Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 217; vgl. insoweit die vorhergehende Fn. 91 in diesem Abschnitt. Laut Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 58 sei diese Gewalt daher ein „unechter Verfassungsgeber [sic]“. 94 Stern, Staatsrecht I, § 5 I 2 (S. 146); zusammengefasst bei Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 171 ff. 95 So Masing, Der Staat 44 (2005), 1 (4) und zustimmend Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 42. 96 Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 5 I 3 a (S. 151) sowie auch § 5 I 3 b, c (S. 151 f.) mit Hinweis auf die feine Konzeption des Grundgesetzes, welche in der Präambel einen Fingerzeig auf das Volk als verfassunggebende und somit -schöpfende Gewalt enthält, im Übrigen aber auf die staatlichen Organe (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG) bzw. das Volk (vgl. Art. 20 Abs. 2 GG) als durch das Grundgesetz gebundene Adressaten rekurriert – so u. a. auch in Art. 79 Abs. 3 GG; ähnlich Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 162 und S. 202 ff. 97 Vgl. Winterhoff, Verfassunggebung / Verfassungsänderung, S. 186. Nicht nur dort, sondern u. a. bereits von Haug, Schranken der Verfassungsrevision, S. 156 wurde dieser Umstand als sog. „formelle Verfassungskontinuität“ charakterisiert. 98 Vgl. Maurer, Staatsrecht  I, § 22 Rn.  17. Hiernach wäre es widersprüchlich und würde die Stringenz der Ableitung von Hoheitsmacht verletzen, „über seine eigenen Grundlagen disponieren“ (so ebenfalls a. a. O.) zu können. Dem entspricht auch die Aussage in BVerfGE 84,

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der Möglichkeit der konstituierten Gewalt, selbst das Grundgesetz zu ändern und damit die eigenen Grenzen bzw. Befugnisse zu erweitern, eine Kompetenz, welche in aller Regel nur dem ursprünglichen Verfassunggeber eingeräumt wäre, existierte nicht eine Revisionsnorm.99 Die verfassungsändernde Instanz kann sich diese Kompetenz zur Erzeugung von Recht in den zugelassenen Bahnen zu Nutze machen, indes jedoch keine weitergehenden eigenen Kompetenzen erzeugen.100 Denn alle grundgesetzlich der verfassungsändernden Gewalt und ihrem Handeln zugrunde gelegten Regeln sind, soweit Änderungsmöglichkeiten am Verfassungstext eröffnet werden, fortwährend zu beachten. Sie begrenzen und beschränken zwangsläufig die von ihnen eingeräumte Änderungsbefugnis in formeller und / oder (wie hier) materieller Hinsicht. In der Folge dessen hat die verfassungsändernde Gewalt – und dies ist allen begrenzenden Regeln gemein – ihre auf Abhängigkeit von der verfassunggebenden Gewalt angelegte Rolle zu wahren. Folgerichtig sind die in Schrankennormen geschützten Grundsätze ihrer Änderung „für die Dauer der Geltung des Grundgesetzes“101 nicht einmal bei Einstimmigkeit im Parlament zugänglich102, wohingegen eine neue Verfassung ohne weiteres Abstand nehmen könnte. Denn in dem letztgenannten Fall liegt die Entscheidung beim Volk103 selbst als originär 90 (120), die verfassungsändernde Gewalt könne nicht bestimmen, dass Art. 79 Abs. 3 GG bei bestimmten Änderungen nicht zur Anwendung gelangen soll. Somit besteht eine „heteronome Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers an bestimmte Grundentscheidungen des Verfassunggebers“, so Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 31. Zu dem Gegensatzpaar heteronom-autonom bezogen auf Verfassungsnormen bereits zuvor inkl. Nachweisen hierzu Fn. 90 in diesem Abschnitt; schließlich noch Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 29, wonach die Befugnisse nach Absatz 1 durch Absatz 3 „negativ begrenzt“ werden. 99 Bezeichnenderweise eine „Zuständigkeit […], die sich nicht von selbst versteht“, so Schmitt, Verfassungslehre, S. 102 und daran anknüpfend Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 40 m. w. N. 100 Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S.  247 f. m. w. N.; s. a. Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 217 bzw. ders., in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 1. 101 So die im Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (39) gewählte Formulierung; ähnlich Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 14. 102 Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 14 bzw. ders., Gilt das GG ewig?, S. 57 bzw. ders., in: Behrends / Sellert, Kodifikationsgedanke und Modell des BGB, S. 119 (135) und bereits ders., JZ 1994, 741 (746); ähnlich Herzog, EuGRZ 1990, 483 (483 f.); Stern, Staatsrecht I, § 4 II 2 a (S. 113); Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 16 und schließlich auch Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (494). Kritisch hingegen (dort wörtlich „als Dauerlösung offenbar absurd“) Dichgans, ZRP 1968, 61 (62). 103 Dass dem Volk die höchste Gewalt in Gestalt der Verfassunggebung zugesprochen wird, ist auf den neuzeitlichen Kerngedanken der Volkssouveränität zurückzuführen, vgl. Stern, Staatsrecht I, § 5 I 2 b (S. 147) und § 5 I 3 b (S. 151) bzw. ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 3 a (S. 1099), u. a. mit vertiefendem Hinweis auf ders., Staatsrecht II, § 25 II 2 b α+β (S. 20 ff.); ferner Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 157, 162, 202, 205 ff.; Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 23; Maunz, Dt. Staatsrecht (7. Aufl. 1958), S.  45 f.; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S.  312; Scheuner, DÖV 1953, 581 (583 f.) bzw. ders., Verfassung, in: Gesammelte Schriften, S. 171 (172); Peine, Der Staat 18 (1979), 375 (383 ff.). Von Schmitt, Verfassungslehre, S. 91 f. wurde ein „ständiges Vorhandensein (Permanenz) der verfassunggebenden Gewalt“ apostrophiert. Kritisch insoweit Henke, Der Staat 19 (1980), 181 (193) und Scheuner, DÖV 1953, 581 (584).

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verfassunggebender Gewalt, gleichzusetzen mit einer „vorverfassungsrechtliche[n] Größe“104, welche keinen Bindungen durch frühere Kodifikationen unterliegt105, stets tätig zu werden vermag und sich autonom gestalterisch betätigen kann.106 Im Kern geht es bei der Existenz einer solchen Unterscheidung darum, zu erkennen, dass nur die verfassunggebende Gewalt aus ihrem originären Recht eine Verfassung zu schöpfen vermag, wohingegen Verfassungsänderungen bloß aus einem abgeleiteten Recht entspringen und insoweit stets „den normativ geordneten Bahnen einer verfassten Ordnung“, mithin den Grenzen der sie legitimierenden Verfassung, unterworfen sind.107 Dass das Grundgesetz dieser Differenzierung folgt, lässt sich deutlich den Verfügungsbefugnissen des Volkes (als verfassunggebender Gewalt) in Art. 146 GG und demgegenüber den Beschränkungen seiner gewählten Vertreter (als verfassungsändernder Gewalt) durch Art. 79 GG entnehmen.108 104 So Maurer, Staatsrecht I, § 22 Rn. 2; s. a. Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (62). 105 Vgl. BVerfGE 1, 14 (61) und ferner BayVerfGHE n. F. 2 II 45 (47); BayVerfGHE n. F. 3 II 28 (47); BayVerfGHE n. F. 4 II 51 (58 f.); BayVerfGHE n. F. 9 II 1 (10); BayVerfGHE n. F. 11 II 127 (133). Aus dem Schrifttum v. a. Stern, Staatsrecht I, § 5 I 3 a (S. 151); Siegenthaler, Materielle Schranken der Verfassungsrevision, S. 183 f.; Maunz, in: FS Laforet, S. 141 (146). Gleichwohl soll der Verfassunggeber nach BVerfGE 3, 225 (232 f., zum nachstehenden Zitat S. 232) aber den „äußersten Grenzen der Gerechtigkeit“ verpflichtet sein. Trotz der Unmöglichkeit seiner Bindung durch (national) gesetztes Recht bleibe er an völkerrechtliche Maßgaben oder überpositive Gerechtigkeitsgedanken (Menschenrechte, Naturrecht, ethische Prinzipien) gebunden – vgl. in dieser Weise bereits Stern, a. a. O., § 5 I 2 e (S. 150) bzw. § 4 II 2 b (S. 116) bzw. ders., Staatsrecht III/2, § 89 II 2 (S. 1082 f.) und des Weiteren Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 25 sowie Maunz, Dt. Staatsrecht (7. Aufl. 1958), S.  47. Die Bindung an „vorpositiv-rechtliche Grundwerte“ bejahend auch Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 82 m. w. N.; Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 87; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 73 (dort inkl. Beispiel). Immerhin lasse sich auch die Präambel des Grundgesetzes („Verantwortung vor Gott und den Menschen“) in dieser Weise interpretieren, vgl. Maunz, in: Maunz / Dürig, GG (64. EL 2012), Präambel Rn. 17 ff. und ebenfalls Rn. 14 sowie Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 134 ff. Dies wird nur vereinzelt, etwa von Tosch, Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers, S. 81 und Henke, Der Staat 19 (1980), 181 (198), bestritten. 106 Zur Unbeschränkbarkeit des Volkes: Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art.  79 Abs.  3 Rn.  78. Nach Schmitt, Verfassungslehre, S.  91 sei die verfassunggebende Gewalt „immer vorhanden und steht neben und über jeder aus ihr abgeleiteten Verfassung“; hierzu ferner Stern, Staatsrecht I, § 5 I 2 c (S. 148); Tosch, Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers, S. 80 ff.; Maunz / Zippelius, Dt. Staatsrecht (30. Aufl. 1998), § 6 I 2. Zur überpositiven Bindung der verfassunggebenden Gewalt vgl. die vorhergehende Fn. 105. 107 Zum Vorstehenden samt Zitat Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 1, des Weiteren s. a. die dortige Rn. 15; Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 26 bzw. ders., Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 163. An letztgenannter Stelle beschreibt Murswiek das Verhältnis von Verfassunggebung zu Verfassungsänderung als originäre gegenüber derivativer „Verfassungserzeugung“ (a. a. O., S. 163); ebenfalls, aber weniger deutlich Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 26. 108 Vgl. Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 26 bzw. ausführlich ders., Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 143 ff., 168 ff. und insofern neben den im Text genannten

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Selbstredend endet die Gültigkeit letzterer Norm spätestens in dem Zeitpunkt, den die erstgenannte setzt109, so dass Art. 79 Abs. 3 GG dem verfassunggebenden Volk beim Erlass einer neuer Verfassung im Sinne von Art. 146 GG keine Vorgaben aufzuzwingen vermag.110 Immerhin ist die in Art. 79 Abs. 1 und 2 GG liegende Ermächtigung zu Änderungen des Verfassungstextes in den Grenzen des Absatzes 3 „nicht eine Funktion der verfassunggebenden, sondern eine solche der gesetzgebenden Gewalt“111. Normen vor allem die Präambel des Grundgesetzes. Zur Abgrenzung beider Normkomplexe: Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 3 bzw. ders., Verfassungsentwicklung, S. 235, 247 f.; Böckenförde, in: Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 90 (104); Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 60; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 9; Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 1; Erichsen, Jura 1992, 52 (55). Zu Art. 146 GG eingehend Isensee, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 166 Rn. 1 ff., u.a zur Abgrenzung gegenüber Art. 79 GG in der dortigen Rn. 14. Kritisch wegen der weitgehenden Gleichförmigkeit von Verfassungsänderung und einfacher Gesetzgebung in der grundgesetzlichen Ausgestaltung (Zuständigkeit derselben Instanzen bei nur formalen Besonderheiten gemäß Art. 79 Abs. 1 und 2 GG): Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 43, der jedoch ebenso betont, dass dies der Tradition auf deutschem Boden geschuldet sei (Rn. 44, kritisch v. a. die dortige Fn. 100). 109 Vgl. Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (39); Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 103 m. w. N.; Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 136 f.; Steiner, Verfassunggebung und verfassunggebende Gewalt, S. 209, 224; Ridder, in: AK-GG (2. Aufl. 1989), Art. 79 Rn. 28 a. E.; Curtius, Schranken der Änderung des GG, S.  67 bzw. ders., DÖV 1955, 145 (146). Insoweit spricht Sannwald, in: SchmidtBleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 71 von Art. 146 GG als „lex spezialis“. Hierzu ebenfalls die nähere Auseinandersetzung bei Huber, in: Sachs, GG, Art. 146 Rn. 9 ff., der der kommentierten Norm in Rn. 11 a. E. (m. w. N.) ebenfalls die Sonderrolle zuerkennt, die in Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Gehalte außer Kraft zu setzen. Schließlich befasst sich auch Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 2 (S. 167) mit dem Wortlaut von Art. 146 GG („dieses Grundgesetz […] verliert seine Gültigkeit“) und gelangt auf dieser Basis zu dem Ergebnis, dass Art. 79 Abs. 3 GG als Norm des Grundgesetzes ebenfalls umfasst sei – zur Thematik außerdem a. a. O., § 5 IV 7 b (S. 176) und § 5 I 3 c (S. 152 f.). 110 Vgl. insoweit bereits Fn. 89 in diesem Abschnitt; außerdem Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 3; Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 7 b (S. 176), IV 2 (S. 167), I 3 c (S. 152 f.) sowie § 4 II 2 a δ (S. 116), jeweils m. w. N., bzw. ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 3 a-c (S. 1099 ff.); Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 136 f., 170, 179 f. sowie zusammenfassend S. 187 f.; ferner Laux, Bedeutung und Inhalt der Grenzen der GG-Änderung, S. 61; Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 26; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 14, 60; Maurer, Staatsrecht I, § 22 Rn. 23; Müller, Einheit der Verfassung, S. 130; Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 156; Dichgans, ZRP 1968, 61 (63). Zur Begründung ausführlich Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 103 und Hain, Grundsätze des GG, S. 57 ff., i. E. S. 65 f.; m. zahlr. Nachw. aus dem Schrifttum zudem Henke, Verfassunggebende Gewalt des Dt. Volkes, S. 142 ff. Zur Erwägung, eine Bindung an überpositives Recht anzunehmen, vgl. bereits die weiterführenden Fundstellen in den Fn. 106 und 98 in diesem Abschnitt. Aus den dort genannten Gründen soll der pouvoir constituant nach Hamann / Lenz, in: Hamann / Lenz, GG, Art. 146 Anm. B.2 (S. 745) überhaupt an Art. 1, 20 GG gebunden sein. Noch darüber hinausgehend zu der Ansicht, die auch die Verfassunggebung im Rahmen von Art. 146 GG an Art. 79 Abs. 3 GG gebunden sieht: Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (494, dort Fn. 6) und stellvertretend von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 108; Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 108 m. w. N.; Erichsen, Jura 1992, 52 (55). 111 So Hamann / Lenz, in: Hamann / Lenz, GG, Art. 79 Anm. A 2 (S. 538).

§ 8 Grundlagen des Art. 79 Abs. 3 GG

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Diese Rangfolge zwischen Verfassunggebung und Verfassungsänderung112 findet sich auch inhaltlich in Art. 79 Abs. 3 GG wieder im Hinblick auf die Reichweite und den Umfang der Schutzwirkung. Trotz des offen formulierten Verweises beschränkt sich die Bezugnahme hinsichtlich Art. 1 und Art. 20 GG auf die Vorschriften in ihrer anfänglichen, beim Erlass des Grundgesetzes jeweils beschlossenen Substanz, weshalb nachfolgende Zusätze und Umbildungen insoweit außer Ansatz zu bleiben haben.113 Auf diese Weise wird die Norm ihrer Zielsetzung gerecht, das Grundgesetz durch die Wahrung zentraler, identitätsbildender Verfassungsprinzipien von der „Disposition tagespolitischer Mehrheiten“ zu entkoppeln und somit für Jahrzehnte bzw. womöglich sogar Jahrhunderte als gesellschaftlichen und politischen Sockel beständig zu machen.114 Zusammengefasst bietet Art. 79 Abs. 3 GG eine „authentische Umschreibung des identitätsbildenden Verfassungskerns durch den Verfassungsgeber“115.

112 Auf die Ausschließlichkeit dieser beiden Alternativen weist Maurer, Staatsrecht  I, § 22 Rn. 23 hin – Überschneidungen oder andere Varianten existierten nicht. Zur Stufenfolge auch Stern, Staatsrecht I, § 5 I 3 c (S. 152); Tosch, Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers, S. 115 und auch S. 120. 113 Vgl. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 36 am Beispiel des erst im Jahr 1968 (BGBl. I, S. 709 (710)) hinzugefügten Art. 20 Abs. 4 GG; in gleicher Weise Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 101, 148; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 18; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 79; Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 32. Hierzu äußert Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 78, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber seine verfassungsrechtlichen Freiheiten nicht selbst beschneiden könne; s. a. Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 51 m. w. N.; Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 53; Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b α (S. 172) bzw. ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 4 b (S. 1102); von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 90; Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 28; Unruh, Verfassungsbegriff des GG, S. 449. Schließlich verneint auch Häberle, in: FS Haug, S. 81 (99 f.) die Erstreckung der Unabänderlichkeit mithilfe folgender Probe, die auf Art. 20 Abs. 4 GG nicht zutreffe: „Gehörte der Gedanke […] – ungeschrieben – zur Substanz des GG von 1949, so hätte er – jetzt geschrieben – an der Ewigkeitsklausel teil.“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.). 114 Zum Vorstehenden samt Zitat Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 15; ähnlich bereits Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 26 und Maurer, Staatsrecht I, § 22 Rn. 4. Von anderer Seite werden hingegen Zweifel geäußert – zu den im Schrifttum vertretenen Auffassungen eingehend Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 71 f., der in Rn. 74 selbst die „stabilisierende Funktion“ der Unantastbarkeitsklausel lobt. 115 So treffend Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 76; vergleichbar Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 15 und Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (494). Dieser Aspekt trat neben die historisch gewollte Abwehr von Verfassungsfeinden ursprünglich nur hinzu, erlangt aber – gerade auch aus heutiger Sicht – mit der „Festlegung und Bewahrung eines materialen Kerns“ einen mindestens ebenso wertvollen und nachhaltigen Status, so Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 112 a. E.; siehe ergänzend zudem die dortige Rn. 114.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

IV. Historische Entwicklung Bedeutung und (heute anerkannter) Schutzumfang von Art. 79 Abs. 3 GG stehen in engem Zusammenhang mit der Weimarer Reichsverfassung116: Auf Basis der historischen Erfahrungen hat sich darin der Wille verfestigt117, eine „legale Verfassungsbeseitigung nach dem Muster von 1933“118, die trotz dieser Bezeichnung keinesfalls rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprochen hat, sondern sich vielmehr lediglich der verfassungsrechtlichen Schwachstellen bemächtigte und diese ausnutzte, unter der Geltung des Grundgesetzes zu unterbinden und jede Entstellung der die Identität der Staatlichkeit prägenden Leitgedanken bei formaler Aufrechterhaltung des bestehenden Staatsgefüges auszuschließen.119 Die Idee, einzelne Verfassungsgrundsätze vor einem Zugriff der Politik abzuschirmen, entwickelte sich in den Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus der Besorgnis vor dem „Spiegelbild einer Bedrohungslage für die Verfassung“120 wie im Dritten Reich. 1. Frühe Erfahrungen in der Weimarer Republik Anlass war die in der Weimarer Republik dominierende und aus dem Kaiserreich übernommene Vorstellung einer Gleichbehandlung von Gesetzes- und Verfassungsnormen121, die beide in ihrem vollen Umfang den parlamentarischen Mehrheiten 116

Zwar existierte auch in Art.  76 WRV 1918 eine Vorschrift zur Änderung der Weimarer Reichsverfassung, allerdings enthielt diese nur verfahrensrechtliche Anforderungen – wie bereits die Vorgängerregelung in Art. 78 RV 1871. Sämtliche Vorläuferregelungen seit der Paulskirchenverfassung von 1849 abgedruckt bei Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 1 ff. Vgl. zum historischen Ursprung die gute Zusammenfassung bei Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Abschn. I und darüber hinausgehend Abschn. II, Rn. 1 ff. mit einem Querschnitt der ersten deutschen Verfassungen; desgleichen Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 25 ff. 117 Ausführliche Hinweise zu der damaligen Diskussion im Parlamentarischen Rat bei Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 126 ff. 118 So Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 25 und erläuternd ders., Verfassungsentwicklung, S. 239 ff.; s. a. Thoma, Über die Grundrechte im GG, in: Ausgewählte Abhandlungen, S. 468 (470). 119 BVerfGE 30, 1 (25); BVerfGE 84, 90 (121); Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 33; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 66; Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 1 (S. 1082). 120 So Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 9 in Anlehnung an die allgemeinen Feststellungen bei Häberle, in: FS Haug, S. 81 (93 f.); ähnlich die Formulierung „Reaktion auf einen früheren Verfassungszustand“ bei Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (44); fast ebenso von Münch / Mager, Staatsrecht I, Rn. 62. 121 Für die herrschende Auffassung im Deutschen Kaiserreich stellvertretend Laband, Staatsrecht des Dt. Reichs, S. 38 ff. und später in der Weimarer Republik Anschütz, Verfassung des Dt. Reichs, Art. 76 Anm. 1 (S. 401) zuzüglich Anm. 3 (S. 402 ff.) sowie Thoma, in: HdbDStR, S. 108 (153 ff.). Von den zahlreichen Vertretern im Schrifttum wurde als Ausfluss des staatsrechtlichen Positivismus die Verfassung im Wesentlichen, mit Ausnahme der unterschiedlichen Verfahrensregeln, den einfachen Gesetzen gleichgestellt, mithin angenommen, dass „Verfassungsgesetz

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für Änderungen und somit selbst für eine die staatlichen Eckpfeiler ohne Änderung des Verfassungstextes beseitigende ‚Verfassungsdurchbrechung‘122 offen standen.123 Dieser Umstand schuf das zu Beginn der 1930er Jahre verwirklichte Wagnis, „die Grundgehalte der Weimarer Reichsverfassung […] formell verfassungsgemäß in und einfaches Gesetz Willensäußerungen einer und derselben Gewalt“ seien, so etwa Anschütz, a. a. O., Anm. 1 (S. 401). Sowohl nach Art. 78 Abs. 1 RV 1871 als auch nach Art. 76 WRV 1918 wiesen Verfassungsänderungen lediglich formale Besonderheiten gegenüber der übrigen Gesetzgebung auf, die Verfassung konnte danach aber jeweils „im Wege der Gesetzgebung“ (so der jeweilige Wortlaut) geändert werden. Pointiert äußerte Anschütz: „Die Verfassung steht nicht über der Legislative, sondern zur Disposition derselben.“ (auch hierzu a. a. O., Anm. 1 (S. 401)). Ausgehend von der Schrankenlosigkeit des verfassungsändernden Gesetzgebers (vgl. stellvertretend a. a. O., Anm. 3 (S. 403)) verstand man die Verfassung mangels übergeordneter Gewalt nicht – wie heute – als höherrangige und grundsätzlich unantastbare Normebene, vgl. rückblickend zum damaligen Verständnis die Erläuterungen bei Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 5. Weitere vergangenheitsbezogene Zusammenfassungen bei Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 16, 23 und Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 1 (S. 166 oben). Zu der Problematik ‚Grenzen der Verfassungsänderung‘ nach Anschütz ausführlich im gleichnamigen Werk Ehmke, a. a. O., S. 19 ff. und S. 22 ff. bezüglich Thoma bzw. kürzer zum Streitstand insgesamt ders., AöR 79 (1953/54), 385 (388 ff.). 122 Die Begrifflichkeit geht auf Jacobi, VVDStRL 1 (1924), 105 (109) zurück und wurde in der Zusammenfassung bei Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 16 auf die Praxis in der Weimarer Republik bezogen. Es handelt sich in diesen Fällen um ein der Verfassung materiell widersprechendes Gesetz, welches zwar formell das (damalige) Verfahren einer Verfassungsänderung erfüllt, den Verfassungstext jedoch nicht ausdrücklich zu ändern sucht, vgl. Badura, Staatsrecht, Kapitel F, Rn. 63. Zum Begriff beispielweise auch Scheuner, Verfassung, in: Gesammelte Schriften, S. 171 (177); Meyer-Arndt, AöR 82 (1957), 275 (290); Loewenstein, Erscheinungsformen der Verfassungsänderung, S. 164 ff. bzw. ders., Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 40; Menzel, in: FS Giese, S. 153 (193). Von Nef, ZSchwR n. F. 61 (1942), 108 (128) wurde dieses Vorgehen abweichend als „Verfassungsbruch“ bezeichnet. Zur Abgrenzung von einer gewöhnlichen Änderung außerdem Unruh, Verfassungsbegriff des GG, S. 436 f. 123 Zusammenfassend Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 10 f.; Stern, Staatsrecht I, § 5 II 3 (S. 157 f.); Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 28. Diesbezüglich spricht Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 64 m. w. N. von einer völligen Wahlfreiheit des verfassungsändernden Gesetzgebers, „die tragenden Pfeiler des Verfassungsgebäudes“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.) zu beseitigen. Obgleich dieses überkommene Verständnis einer umfassend abänderbaren und den Gesetzen gleichgeschalteten Verfassung erheblicher Kritik ausgesetzt war (u. a. Schmitt, Verfassungslehre, S.  102 ff.), vermochten sich Ansätze einer Normenhierarchie mitsamt strengeren Anforderungen für Verfahren und Inhalt einer Verfassungsänderung nicht durchzusetzen. Schmitt (und ihm folgend andere) hielt dem eine strenge Differenzierung in Verfassung und Verfassungsgesetz entgegen (hierzu a. a. O., S. 21 f.), weshalb von Verfassungsänderungen von vornherein gewisse Grundsätze entrückt seien. Dagegen vermochten andere, wie z. B. Thoma, Bedeutung der grundrechtlichen Sätze, in: Ausgewählte Abhandlungen, S. 173 (213 ff.), solche Grenzen für Verfassungsänderungen  – von ihm bezeichnet als „Stahlkammer juristischer Unantastbarkeit“ (a. a. O., S.  214)  – mangels Grundlage im geschriebenen Recht nicht anzuerkennen und lehnten die Ansätze Schmitts im Hinblick auf die Weimarer Reichsverfassung ab, vgl. anstelle vieler nachdrücklich Thoma, a. a. O., S. 217 f. Schneller Überblick bei Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 17; zur Diskussion insgesamt Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 48 m. w. N.; Unruh, Verfassungsbegriff des GG, S. 280 ff.; Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 33 ff. sowie sehr übersichtlich Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts III, S. 113 f. mit eigener Bewertung der Zusammenhänge.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

ihr Gegenteil zu verkehren“.124 Denn es war dem damaligen Gesetzgeber auf dem Boden der vorgenannten Mehrheitsmeinung unbenommen, vollumfänglich und ungehindert über die staatsorganisatorischen, staatszielbestimmenden, die Identität der Staatlichkeit prägenden, etc. Normen zu disponieren125; diese Machtstellung reichte sogar bis hin zu einer Auflösung der Weimarer Reichsverfassung.126 Bekannt durch Ansätze älteren Datums waren zwar bereits Klauseln, mittels derer gewisse (zumeist formelle) Grenzen für Verfassungsrevisionen gezogen wurden127, jedoch existierten bis zur Verkündung des Grundgesetzes auf deutschem Boden niemals geschriebene inhaltliche Schranken. Zwar wurden auch zur Zeit der Weimarer Republik bereits ungeschriebene Grenzen der Verfassungsänderung vereinzelt im Schrifttum128 thematisiert, doch vermochten sich diese in Ermangelung 124

Zum Vorstehenden samt Zitat Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 29 m. w. N. 125 Vgl. Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art.  79 Abs.  3 Rn. 10. Treffend der Vergleich der Weimarer Reichsverfassung bei Dreier, JZ 1994, 741 (747) mit einer „Loseblattsammlung, deren Inhalt bis auf den Art. 76 selbst vollständig ausgewechselt werden durfte, ohne daß sich die Aufschrift auf dem Buchdeckel (‚Weimarer Reichsverfassung‘) änderte“. 126 Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 5 II 3 (S. 158). Nach Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 55 sollte gleichzeitig aber nicht unerwähnt bleiben, dass nicht die immense Reichweite von Art. 76 WRV, sondern sonstige Umstände politischer und gesellschaftlicher Art Anlass für das Ende der Weimarer Republik und den Aufstieg des Nationalsozialismus waren. 127 Die historischen Ursprünge reichen von ersten Bestrebungen dieser Art beginnend mit der Deutschen Bundesakte von 1815 über Art. 78 RV 1871 bis hin zu Art. 76 WRV 1918, jedoch sämtlich ohne sachlich-inhaltliche Schranken für den verfassungsändernden Gesetzgeber. Vgl. insoweit die zusammenfassenden Überblicke über die deutsche Rechtsgeschichte bei Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 28 und Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 1 ff.; s. a. die Hinweise zu den historischen Gestaltungsformen als Vorläufer von Art. 79 GG, dem als Entwurf zuletzt Art. 106–108 HChE vorausgingen, in dem diesbezüglichen Abdruck in JöR n. F. (1951), S. 573 f. Weder die Preußische Verfassung von 1850 noch die Bismarck’sche Reichsverfassung von 1871 ließen eine Rangordnung zwischen Verfassung und anderen Gesetzen erkennen, Verfassungsänderungen konnten im Grunde nach freiem Befinden der Herrschenden vorgenommen werden – dazu Dreier, JZ 1994, 741 (742) mit näheren Ausführungen zu den damaligen Verfassungstexten und den Konsequenzen in der dortigen Fn. 13; ähnlich Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 4 (S. 1093). 128 Stellvertretend als Vertreter der Mindermeinung v. a. Schmitt, Verfassungslehre, S. 102 ff. (hierzu bereits im Ansatz Fn. 123 in diesem Abschnitt). Guter Überblick über den Meinungsstand samt Nachweisen aus dem Schrifttum für beide Auffassungen bei Thoma, in: HdbDStR, S. 108 (154, dort Fn. 107) und mit eigenen kritischen Anmerkungen bei Zülch, Verbot von Verfassungsänderungen nach dem Bonner GG, S. 65 ff.; ferner Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 13; Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 27 ff.; Unruh, Verfassungsbegriff des GG, S. 280 ff. und kürzer Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 2 a (S. 1084), jeweils m. w. N. zu den Befürworter der Lehren Carl Schmitts. Im damaligen Schrifttum war die Streitfrage, ob gewisse Verfassungsprinzipien einer Verfassungsänderung entzogen seien, höchst umstritten. Die Unabänderlichkeit eines Verfassungskerns wollten die Anhänger dieser Mindermeinung dadurch begründen, zwischen einerseits Verfassung und Verfassungsgesetz sowie andererseits Verfassunggebung und -änderung abzugrenzen, vgl. Schmitt, a. a. O., S. 16 bzw. S. 21 f. und zusammenfassend Stern, a. a. O., S. 1084. Schmitt vertrat die Extremposition, die „Verfassungsbeseitigung, Verfassungsvernichtung und Verfassungsänderung“

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konkreter Anhaltspunkte im Verfassungswortlaut nicht gegen die traditionelle und deutlich mehrheitliche Lesart der Revisionsnorm durchzusetzen.129 2. Konsequenzen vorheriger Erfahrungen Die vorgenannte, vereinzelt bereits zu Zeiten des Deutschen Reichs und der Weimarer Republik vertretene Überlegung, bestimmte Grundsätze von einer Änderung auszuklammern, wurde mitunter von Vertretern der Gegenansicht theoretisch anerkannt130 und darüber hinaus international partiell schon praktiziert131, setzte sich (zu diesem die Lehren prägnant zusammenfassenden Zitat allerdings Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 17 im Zuge einer rückblickenden Erläuterung) voneinander unterschied und sodann letzterer über die in Art. 76 WRV enthaltenen formalen Anforderungen hinaus materielle Grenzen setzte: Zwar sprach auch Schmitt (a. a. O., S. 18) bezüglich der Verfassungsgesetze nicht – wie heute – von einer „erhöhten formellen Gesetzeskraft“ (dazu Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 534, vgl. bereits Fn. 16 in § 7 II.), doch sei die Kompetenz „wie jede verfassungsrechtliche Befugnis begrenzt“ (so Schmitt, a. a. O., S. 102). Damit apostrophierte er, dass auch die verfassungsändernde Gewalt der „Identität und Kontinuität der Verfassung als eines Ganzen“ verpflichtet bleibe und demgemäß jede Änderung die Verfassung in ihrem Bestand zu erhalten habe (zum Vorstehenden samt Zitat weiterhin Schmitt, a. a. O., S. 103, mit näheren Erläuterungen auf den S. 104 ff.). Vorsichtiger als Schmitt beispielsweise auch von Hippel, in: HdbDStR, S. 546 (549), der dem Verfassungsgesetzgeber immerhin die Befugnis zur Willkür absprach. Zu den Ansätzen der Mindermeinung in der Weimarer Zeit schließlich rückblickend Vismann, a. a. O.; Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 51; Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 17 m. w. N. 129 Insoweit fehlte es an der nötigen „gesicherten und tragfähigen dogmatischen Herleitung“, so Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 53. Diskussion und ausführliche Darstellung der Problematik bei Winterhoff, Verfassunggebung / Verfassungsänderung, S. 358 ff. 130 Bereits im Jahre 1929 erkannte Thoma, seinerseits Verfechter der traditionellen Ansicht in der Weimarer Republik, im Rahmen von ders., Bedeutung der grundrechtlichen Sätze, in: Ausgewählte Abhandlungen, S. 173 (213 f.) die Möglichkeit positivrechtlicher Unantastbarkeitsvorschriften für die verfassungsändernde Gewalt an. Er betonte hinsichtlich der Weimarer Reichsverfassung nur, dass in Ermangelung solch geschriebener Regelungen darin die theoretischen Erwägungen von Carl Schmitt (dazu eingehend bereits in Fn. 128) nicht haltbar seien (hierzu a. a. O., S. 214 und sehr deutlich S. 217 f.), obwohl ihrer Idee nach „ebenso scharfsinnig wie überzeugend“ und Ausdruck „geistvoller Originalität“ (zu beiden wörtlichen Zitaten jeweils a. a. O., S. 214). Zu demselben Ergebnis gelangte später u. a. auch Henke, Der Staat 19 (1980), 181 (206), wonach der Ansatz Schmitts zwar theoretisch richtig, praktisch aber nicht fundiert gewesen sei. Überblick zu den damaligen Ansätzen zur Begründung verfassungsrechtlicher Schranken bei Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 65 m. w. N. und Nef, ZSchwR n. F. 61 (1942), 108 (126 ff.). 131 Da im internationalen Vergleich u. a. bereits die Verfassungen von Norwegen 1814, Frankreich 1884 und Italien 1947 entsprechende Schranken für verfassungsändernde Gesetze enthielten, liegt hierin auch keine Besonderheit des 20./21. Jahrhunderts, vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 1, 12 bzw. ders., Gilt das GG ewig?, S. 60, dort jeweils mit näheren Ausführungen zu dem Inhalt der frühen Normierungen. Zusammenfassend ebenso Haug, Schranken der Verfassungsrevision, S. 179 f. und auch Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 15 ff. mit weiteren Beispielen. Tabellarische, nach Inhalten sortierte und sehr gründliche Auflistung bei Menzel, in: FS  Giese, S.  153 (190); des Weiteren Hain, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 28; Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 49 ff.; Evers, in: Bonner Kommentar

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aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg in den deutschen Landesverfassungen132 und sodann mit der Schaffung des Grundgesetzes durch.133 Dabei orientierte sich die Reaktion der Praxis an den Erfahrungen der Vergangenheit bzw. den im Schrifttum134 geäußerten Vorstellungen. Immerhin hatte es bis dahin auf dem Gebiet der zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 24 und Nef, ZSchwR n. F. 61 (1942), 108 (118 f.). Darüber hinausgehend gründliche Bestandsaufnahme samt Klassifizierung bei Häberle, in: FS Haug, S. 81 (83 ff.) im gleichnamigen Abschnitt. Allenfalls kann man mit Dreier, JZ 1994, 741 (746) feststellen, dass überkommene Formen zumeist – wie die Formulierung „Geist der Verfassung“ in der norwegischen Verfassung von 1814 zeigt – eher unbestimmter Natur waren. Zum „Gemeingut freiheitlicher Verfassungsstaaten“ (so erneut ders., Gilt das Grundgesetz ewig? (s. o.), Rn. 61) zählten Revisionsschranken aber angesichts ihrer Seltenheit trotzdem nicht, vgl. hierzu auch Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 9. Insoweit hebt auch Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 110 hervor, dass z. B. die britische und die US-amerikanische Verfassung entsprechende Regelungen niemals enthielten. 132 Zum Beispiel in Art. 75 der Verfassung des Freistaates Bayern 1946, in Art. 20 der Verfassung der Freien Hansestadt Bremen 1947, in Art. 26 und Art. 150 der Verfassung des Landes Hessen 1946, in Art. 97 der Verfassung des Landes Sachsen 1947 sowie in Art. 85 der Verfassung für Württemberg-Baden 1946; vgl. vollständige Auflistung der einzelnen Vorschriften der Landesverfassungen bei Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 5 a (S. 1094) m. w. N. bzw. ders., JuS 1985, 329 (330). Mehrere Beispiele zu landesverfassungsrechtlichen Klauseln auch bei Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 66; Häberle, in: FS Haug, S. 81 (84 f.); Menzel, in: FS Giese, S. 153 (191 f.) und ausführlich Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 31 ff. sowie Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 55, 57 ff. 133 Insbesondere gelangte hier erstmalig auf deutschem Boden die diffizilere Trennung zwischen Verfassungsänderung und einfacher Gesetzgebung zur Anwendung, vgl. Stern, Staatsrecht I, § 5 II 3 (S. 157). 134 Als „rechtsdogmatisch[er]“ Ursprung bezeichnet von Kölble, DÖV 1967, 1 (6); so ist wohl auch Evers, in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 29 (45) zu verstehen. Ob die Einfügung einer Unabänderlichkeitsklausel darüber hinausgehend sogar als Positivierung der von Schmitt, Verfassungslehre, S. 102 ff. niedergelegten Vorstellung eines Schutzes zentraler Verfassungsgüter verstanden werden kann, wird nicht einheitlich beurteilt: Bejahend Stern, JuS 1985, 329 (330); Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 100; Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 24; Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 25 a. E. und Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (495); angedeutet bei Ipsen, Über das GG. Gesammelte Beiträge, S. 22 (ehemals eine Rede aus 1949); von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VI 2 b (S. 1883) m. w. N. und Elgeti, Inhalt und Grenzen der Föderativklausel, S. 8 m. w. N. Demgegenüber ablehnend Steiner, Verfassunggebung und verfassunggebende Gewalt, S. 208, 211; Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 38; Alberts, Änderungsbefugnisse der Legislative, S. 29 f. und Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 66, wenngleich letzterer die Anknüpfung an den damaligen Dialog zur Notwendigkeit verfassungsrechtlicher Grenzen ausdrücklich anerkennt. Auch Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 171 ff. setzt sich eingehend mit der Fragestellung auseinander und erkennt zentrale Vorstellungen auch im Grundgesetz wieder, möchte aber im Ganzen betrachtet „von einer Positivierung […] nicht sprechen“ (so ebenfalls a. a. O., S. 172). Insoweit erweist sich die wesentlich spätere Darstellung bei Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 20 ff. als missverständlich, die zunächst ganz allgemein von einer Rezeption ausgeht (S 20), dies an anderer Stelle (S. 28) jedoch dem Umfang nach offen lässt und abermals lediglich auf „maßgeblichen Gedanken“ (weiterhin a. a. O.) verkürzt. Dem vergleichbar nimmt Hain, Grundsätze des GG, S. 45 f., 88 „ideengeschichtlich“ (dazu S. 46) denselben Ursprung an; s. a. Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 184. Hingegen bewertet Bryde,

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heutigen Bundesrepublik Deutschland135 niemals eine derartige materielle Verfassungsschutzbestimmung gegeben. In Abkehr hiervon statuiert das Grundgesetz nun in Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG einen Vorrang der Verfassung vor (einfachen) Gesetzen136 und schützt zudem seine zentralen Grundlagen vor Änderungen in Art. 79 (Abs. 3) GG137, der „in allen Punkten als Gegenstück zu Art. 76 WRV konzipiert“138 scheint. Ziel sollte es sein, „einer Revolution die Maske der Legalität zu nehmen“139, wenngleich man bereits bei Schöpfung der Norm erkannte, dass eine solche auf

Verfassungsentwicklung, S.  236 den Rückgriff auf Schmitts Lehren als „schief“, weil diese nicht auf eine Aufzählung geschützter Normen und Institutionen – wie in Art. 79 Abs. 3 GG – bezogen gewesen seien, sondern auf abstrakte Grenzen. Guter Überblick bei Vismann, in: AKGG, Art. 79 Rn. 22 m. w. N.: Während die Aufnahme einer Unabänderlichkeitsregelung in das Grundgesetz zugunsten der Kodifizierung der früheren Lehren zu sprechen scheine, werfe die Umsetzung im Einzelnen Bedenken an diesem Rückschluss auf – vor allem im Hinblick auf die Benennung konkreter Schutzobjekte, welche von Carl Schmitt und seinen Anhängern in dieser Form nicht angedacht worden sei (zum Vorstehenden insgesamt a. a. O.). Eine derartige Differenzierung erscheint in Anbetracht der historischen Entwicklung und der abschließend gewählten Formulierung in Art. 79 Abs. 3 GG überzeugend. 135 Vgl. auch von Münch / Mager, Staatsrecht I, Rn. 62. 136 Begründet wird dies mit den unterschiedlichen Normgebern: Dem Grundgesetz liegt ein „besondere[r] Kreationsprozeß“, so Dreier, JZ 1994, 741 (743) m. w. N., durch den Verfassunggeber zugrunde, wohingegen sonstige Gesetze den Entscheidungen und Handlungen einer von diesem konstituierten Gewalt entspringen. 137 Zunächst sah der Entwurf in Art. 106 HChE formale Vorgaben und in Art. 107, 108 HChE materielle Revisionsschranken vor, die im Zuge der Beratungen und Abstimmungen in die heutige Fassung (namentlich Art. 106 HChE zu Art. 79 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 107 und 108 HChE zu Art. 79 Abs. 3 GG) zusammengeführt wurden, vgl. JöR n. F. (1951), S. 574, 579 ff., 584 ff. 138 So treffend Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 23, die die Norm deshalb als „Abkehr von Weimar“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.) bezeichnet; sie führt zu den Unterschieden von Art. 79 GG näher aus (weiterhin a. a. O.): Die Absätze 1 und 2 beinhalten formelle Besonderheiten speziell gegenüber der sonstigen Gesetzgebung, Absatz 3 materielle Schranken; vergleichbar auch Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 7. Einleuchtend als Lückenschließung beschrieben von Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 5. 139 Diese Worte gehen zurück auf eine Bemerkung des Abgeordneten Dr. Dehler in der zweiten Lesung des Hauptausschusses (36. Sitzung) vom 12. Januar 1949, vgl. zum vollständigen Zitat Verhandlungen des Hauptausschusses 1948/49, S. 454 (in abgekürzter Form auch in JöR n. F. (1951), S. 586): „Auf jeden Fall halte ich es für notwendig, daß wir diese Barriere aufrichten, nicht in dem Glauben, daß wir dadurch einer Revolution begegnen können, aber doch in dem Willen, einer Revolution die Maske der Legalität zu nehmen.“ Dieser Auffassung schloss sich kurz darauf auch der Vorsitzende des Hauptausschusses Dr. Schmid an, vgl. hierzu Verhandlungen des Hauptausschusses 1948/49, S. 454 f. (und gekürzt wiederum JöR n. F. (1951), S. 586): „Es ist schon ein Unterschied, ob jemand gezwungen ist, offen Revolution zu machen, oder ob man ihm die Möglichkeit gibt, unter dem Schutz einer Scheinlegalität effektiv Revolution zu machen, ohne sich dazu bekennen zu müssen.“ Ein Jahr zuvor hatte Thoma, Erscheinungsformen der modernen Demokratie, in: Ausgewählte Abhandlungen, S. 406 (441) bereits formuliert, eine Regelung dieser Gestalt mache „es unmöglich, die Revolution oder den Staatsstreich in den trügerischen Schafspelz scheinbarer Legalität zu hüllen.“

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

diesem Wege nicht gänzlich abzuwehren sein dürfte.140 Durch die Garantie eines verfassungsrechtlichen Kernbestandes sollte allerdings (und soll auch künftig) die Chance für Verfechter des Grundgesetzes gewahrt werden, auf der Grundlage desselben Verfassungsfeinden entgegentreten und ihnen den Zugriff auf seine Existenz verbieten zu können.141 Ein revolutionärer Umschwung dürfte auf diesem Wege blockiert oder mindestens gebremst werden. Überlegungen der vorgenannten Art waren nach Ende des Zweiten Weltkriegs angesichts der Umstände, die nur etwa ein Jahrzehnt zuvor zur nationalsozialistischen Machtergreifung geführt hatten, aufgekeimt und auf fruchtbaren Nährboden getroffen. Die noch jungen Ansätze, die sich der Mindermeinung unter der Weimarer Reichsverfassung bedienten, brachen in Anbetracht dieser gedeihlichen Ausgangslage im Zuge der Schaffung einer neuen deutschen Verfassung hervor, um die in der Vergangenheit erkannte Gefahr weitestgehend zu unterbinden bzw. wenigstens zu minimieren, gleichsam ‚am Volk vorbei‘ die alte durch eine neue Konstitution abzulösen.142 Die Vorschrift sollte demgemäß wenigstens dazu dienen, einer Revolution den „Schutz einer Scheinlegalität“143 und damit eine eigenständige 140 Vgl. beispielsweise die in der vorhergehenden Fn.  139 bereits zitierten Worte des Vorsitzenden Dr. Schmid, wonach eine Revolution nicht zu verhindern sei, obwohl die Norm nach seiner Ansicht trotzdem ihre Daseinsberechtigung habe (vgl. JöR n. F. (1951), S.  586). Der Abgeordnete Katz hatte letzteres demgegenüber noch in der 14. Sitzung des Organisationsausschusses vom 14. Oktober 1948 verneint und die Wirkungslosigkeit einer solchen Regelung aus seiner Sicht betont (dazu a. a. O., S. 585), stimmte dem Abgeordneten Dehler sodann in der Sitzung vom 12. Januar 1949 allerdings zu, vgl. Verhandlungen des Hauptausschusses 1948/49, S. 454. Demgemäß wurde im Redaktionsausschuss auch abschließend angemerkt: „Eine Revolution kann und soll dadurch nicht verhindert werden.“, abgedruckt in JöR n. F. (1951), S. 586 sowie in: Der Parlamentarische Rat, Akten und Protokolle, Bd. VII, Nr. 4, Anm. 1) zu Art. 108 (S. 172). Dem ist insoweit beizupflichten, als normative Beschränkungen, welcher Art auch immer, niemals Revolutionen zu unterbinden in der Lage wären; hierzu eingehend Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Abschn. I; Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 3; Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 2 c α (S. 1086) bzw. ders., JuS 1985, 329 (330) und Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 15 bzw. ders., JZ 1994, 741 (746); weniger deutlich Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 701. Sehr anschaulich schließlich die Formulierung bei Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 47: „in Krisenzeiten sind sie [Anm.: Unantastbarkeitsbestimmungen] ein Fetzen Papier, den der Wind der politischen Wirklichkeit wegfegt“. 141 Vgl. Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 2 c α (S. 1086); Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 217. Nach Häberle, in: FS Haug, S. 81 (113) sei dies gewissermaßen eine Hilfe für das Volk oder Teile hiervon, „‚Flagge‘ zu zeigen (‚Appellfunktion‘)“; siehe diesbezüglich ebenfalls Roellecke, DÖV 1978, 457 (458). 142 Vgl. Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 22 und Rn. 43. Als „Antwort auf die Geschehnisse von 1933“ beschrieben bei Stern, JuS 1985, 329 (330); ähnlich Dreier, JZ 1994, 741 (747). Kritisch hingegen Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 47, dass die Machtergreifung auf diesem Wege nicht zu verhindern gewesen wäre. 143 So – wie bereits in Fn. 139 angesprochen – der Vorsitzende Dr. Schmid mit Zuspruch gegenüber dem Abgeordneten Dr. Dehler und zur Begründung der Daseinsberechtigung einer solchen Schrankenregelung, vgl. wie zuvor den Abdruck des Protokolls in Verhandlungen des Hauptausschusses 1948/49, S. 454 f. bzw. JöR n. F. (1951), S. 586. Denn wegen der Schutzwirkung von

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Legitimationsbasis zu nehmen144, sie also von einer gültigen Verfassungsrevision deutlich abzugrenzen.145 3. Folgerungen für Art. 79 Abs. 3 GG Historisch begründet war Art. 79 Abs. 3 GG somit in erster Linie verfassungsfeindlichen Kräften entgegengesetzt146: Konnten diese im Ernstfall auch nicht völlig an der Machtübernahme gehindert werden, sollte ihnen dies aber immerhin erheblich erschwert werden. Das Grundgesetz kann vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht unter dem „Deckmantel der Verfassungsänderung“147 aufgehoben und seiner wesentlichen Aussagen beraubt werden. Ein derartig streitbares Verständnis der Revisionsnorm belegt eindrucksvoll die bereits mehrfach in Bezug genommenen Lehren aus den Ereignissen, die zum Ende der Weimarer Republik und zum Aufstieg des Dritten Reichs führten. Doch wäre die Unabänderlichkeitsregelung des Grundgesetzes auf umstürzlerische und revolutionäre Akte beschränkt, würden ihre Auswirkungen im politischen Alltag gegen Null tendieren bzw. sogar damit gleichgesetzt. Ein steter Schutz gegen sonstige Entwicklungen und hierdurch bedingte Veränderungen am Verfassungskern wäre nicht gegeben. Die Norm auf diesen Bereich zu beschränken, würde sie jedoch ihrer eigentlichen Wirkungen berauben.148 Immerhin muss einem Umsturz, der nach dem Gesagten im Falle seines Eintritts ohnehin nicht zu verhindern wäre, möglichst effektiv begegnet werden, d. h. schon bei den ersten149, den Grundideen des Staates zuwider laufenden Bestrebungen Einhalt geboten werden. Dass nicht weniger als der Schutz des Verfassungskerns gegen sämtliche EinflussArt. 79 Abs. 3 GG sind die auferlegten Beschwernisse „nur um den Preis eines Bruches mit der Verfassungsordnung und mit dem Stigma der Revolution“, so Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 60 a. E., abzuschütteln. 144 Vgl. auch die zur Begründung von Art. 108 im Entwurf zum Grundgesetz (in der vom Allgemeinen Redaktionsausschuss redigierten Fassung mit Stand vom 13.–18. Dezember 1948) dienende Anmerkung des Ausschusses, wonach „dieses GG nicht die Hand bieten darf zu seiner eigenen Totalbeseitigung oder vernichtung, insbesondere dazu, daß ggf. eine revolutionäre antidemokratische Bewegung mit demokratischen Mitteln auf scheinbar ‚legalem‘ Wege die hier normierte demokratisch rechtsstaatliche Grundordnung ins Gegenteil verkehrt“, zitiert in JöR n. F. (1951), S. 586 sowie in: Der Parlamentarische Rat, Akten und Protokolle, Bd. VII, Nr. 4, (Anm. 1) zu Art. 108 (S. 172). Auf diesem Wege schuf man eine „Illegalisierung der Verfassungsvernichtung“, wie es Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 112 a. E. treffend auf den Punkt bringt. 145 Diese Gegensätzlichkeit betonend Nef, ZSchwR n. F. 61 (1942), 108 (123). 146 Gute Zusammenfassung der historischen Hintergründe bei Stern, Staatsrecht  III/2, § 89 II 2 c γ (S. 1087) sowie ebenso bei von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 88 und Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 22 f., jeweils m. w. N. 147 So von Münch / Mager, Staatsrecht I, Rn. 65. 148 Vergleichbar das Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (38 f.). 149 Vgl. demgemäß bereits „im Vorfeld von Revolutionen“ gemäß Roellecke, DÖV 1978, 457 (459).

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nahme gewollt sein kann, ist der sprachlichen Weite und dem Anwendungsbereich des Art. 79 GG (keine Beschränkung auf revolutionäre Umstürze o.ä.) zu entnehmen. Danach dient, wie die Liste der geschützten Materien versinnbildlicht, Absatz 3 zwar zum einen – seinem Entstehungszweck entsprechend – als vorgezogenes „Bollwerk“150 gegenüber jedem radikalen Umbruch, bindet zum anderen neben verfassungsfeindlichen allerdings auch verfassungsloyale Kräfte, wenn diese – sei es irrig oder sei es unbeabsichtigt – den Schutzbereich tangieren und damit ihre Befugnisse bei Grundgesetzänderungen überschreiten.151 Auch der verfassungsändernde Gesetzgeber, der die Existenz des Grundgesetzes akzeptiert und seine Grenzen wahren möchte, vermag sich über die ihm von Art. 79 Abs. 3 GG auferlegten Schranken nicht hinwegzusetzen. Diese richten sich vielmehr „als Folge eines historischen Lernprozesses“ an jeden gleich seiner Beweggründe und nicht nur den revoltierenden Verfassungsänderungsgesetzgeber.152 Mag der Revolutionsschutz auch der ursprüngliche Anreiz für die Schaffung einer Revisionsschranke gewesen sein, geht ihre Bedeutung gleichwohl deutlich hierüber hinaus und garan­ tiert die Identität des Staates auch in Friedenszeiten. Mithin sind Verfassungsdurchbrechungen auch bei fortdauernder Akzeptanz des Grundgesetzes, sprich beim Tätigwerden der staatstreuen Organe im Rahmen der täglichen Politik, nicht ausgeschlossen.153 Der Verankerung einer solchen Unabänderlichkeitsnorm im Grundgesetz lag demgemäß die Absicht eines umfänglichen Erhalts mindestens der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zugrunde154, d. h. ein nicht nur gegen verfassungs 150

So bereits Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (496). Vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 16. Nach Dürig, in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 5 (12) sei Art. 79 Abs. 3 GG explizit „ebenfalls als Norm des ‚Verfassungsschutzes‘“ (Hervorhebung im Original) zu verstehen; dies aufgreifend das Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (46); siehe des Weiteren Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 241 f. bzw. ders., in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 29; Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 57 ff.; Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 3 a.E,; Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 2 c α (S. 1086), III 7 b (S. 1106 f.) bzw. ders., JuS 1985, 329 (330). Dem schließen sich darüber hinaus auch Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (59, 68) und Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 153 an. 152 Zum Vorstehenden samt Zitat Hall, JuS 1972, 132 (135); s. a. Hain, Grundsätze des GG, S. 48. Missverständlich hingegen Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 42. 153 Vgl. Stern, JuS 1985, 329 (330). Insoweit wurde die Regelung von Dürig, in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 5 (10) treffend als „Schutz der Verfassung gleichsam vor sich selbst“ bezeichnet und bei Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 242 sogar mit einem eigens hierfür kreierten Begriff geehrt als „Verfassungsprinzipiendurchbrechungsverbot“. 154 Mit diesem Inhalt noch der Entwurf einer entsprechenden Verfassungsnorm in Art. 108 HChE, abgedruckt in: Der Parlamentarische Rat, Akten und Protokolle, Bd. II, S. 604. Später nahm immerhin eine Anmerkung des Allgemeinen Redaktionsausschusses zum dortigen GG-Entwurf – Stand 13.18. Dezember 1948 – hierauf Bezug, zitiert in: Der Parlamentarische Rat, Akten und Protokolle, Bd. VII, Nr. 4, Anm. 1) zu Art. 108 (S. 172): „daß eine Beseitigung der demokratischen und freiheitlichen Grundordnung schlechthin als verfassungswidrig ange 151

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feindliche, sondern jegliche Änderung gerichteter „Erosions- oder Qualitätsschutz […] vor einer schleichenden Verfassungsauflösung oder -aushöhlung“155. Art. 79 Abs.  3 GG beschränkt sich allerdings, wie die geschützten Rechtsnormen und -ins­titute belegen, nicht auf diese Rolle, sondern fungiert gewissermaßen wie eine „juristische oder ‚politische Lebensversicherung‘“156 bzw. „Bestandssicherung“157 für alle die Identität der Staatlichkeit prägenden Elemente. Dieser die Regelung auszeichnende, übergreifende Bestandsschutz geht gleichzeitig über die (ebenfalls) verfassungsschützenden Regelungen in Art. 9 Abs. 2, Art. 18 und Art. 21 Abs. 2 GG hinaus158, weil er sich nicht nur an Verfassungsfeinde, sondern an die verfassungsändernde Gewalt in ihrer Gesamtheit richtet. Überdies erzielt die Existenz gewisser (fest)geschriebener Unantastbarkeiten ihren Effekt zwar vorwiegend, aber eben nicht nur im Zeitpunkt der jeweils in Rede stehenden Verfassungsänderung. Vielmehr kanalisiert dies bereits den öffentlichen Dialog und Meinungsaustausch im Vorfeld parlamentarischer Beratungen und Abstimmungen, mahnt zu besonderer Vorsicht mit den verfassungsrechtlichen Grenzen und zeichnet sich demzufolge

sehen wird“. Zu dieser Zielsetzung der Beratungen sowohl im Herrenchiemseer Konvent als auch im Parlamentarischen Rat vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 5 und Kölble, DÖV 1967, 1 (6). Jedoch ist dieser Grundgedanke der Beratungen nach Dreier, JZ 1994, 741 (750, dort Fn. 123) und Denninger, in: HdbVerfR, § 16 Rn. 35 von der abschließenden Umsetzung in Art. 79 Abs. 3 GG zu unterscheiden, da ihre einzelnen Schutzgehalte voneinander abweichen: Die nach Abschluss der Beratungen und Abstimmungen in das Grundgesetz aufgenommene Norm geht nämlich über den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hinaus, vgl. Denninger, a. a. O., Rn. 36 und ebenso Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 67 f. bzw. ders., in: Behrends / Sellert, Kodifikationsgedanke und Modell des BGB, S. 119 (136 f.). Demgegenüber möchte beispielsweise Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 99 f. – in Anlehnung an die genannte Vorläuferregelung in den Beratungen – weiterhin nur diese geschützt sehen. 155 So Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 43 und fast identisch Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 7 b (S. 1106 f.) bzw. ders., JuS 1985, 329 (331), jeweils in Anlehnung an Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 242. Grundlegend schon BVerfGE 34, 9 (19) sowie Alberts, JuS 1972, 319 (320) und Erichsen, VerwArch 62 (1971), 291 (295). Bei Letztgenanntem ist die Rede von einem „allmählichen Zerfallsprozeß“ (a. a. O.). 156 So treffend Dreier, JZ 1994, 741 (746), der eine derartige Wirkung im Gegensatz zu Häberle, in: FS Haug, S. 81 (103) auch bejaht. Denn obwohl das Originalzitat von dem Letztgenannten stammt, möchte er weder Revisionsschranken noch der Verfassungsgesamtheit angesichts ihrer Endlichkeit eine solche Rolle zugestehen (auch hierzu weiterhin a. a. O.); s. a. Badura, in: FS Scheuner, S. 19 (34). 157 Zu dieser Begrifflichkeit ursprünglich Scheuner, Verfassung, in: Gesammelte Schriften, S. 171 (181) und im Anschluss Dreier, in: Behrends / Sellert, Kodifikationsgedanke und Modell des BGB, S. 119 (127 m. w. N., 135) bzw. fast identisch ders., in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 16. 158 Zum Vorstehenden Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 44; dazu bereits Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 29 und auch Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (47, dort auch zum nachfolgenden Zitat): „Art. 79 Abs. III hat primär sicherlich denselben Sinn“. Sogar eine Deckungsgleichheit annehmend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 706. Auch Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (60) versteht die Unabänderlichkeit bestimmter Grundsätze als „wichtige Ergänzung […] im Konzept der wehrhaften Demokratie“. Kritisch allerdings Ridder, in: AK-GG (2. Aufl. 1989), Art. 79 Rn. 37.

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wegen des umso gewichtigeren öffentlichen Interesses in „einer gewissen gesetzgeberischen Zurückhaltung“159 aus. Insgesamt bleibt festzustellen, dass Art. 79 Abs. 3 GG gemäß den vorstehenden Überlegungen ein mehrschichtiger Gedanke zugrunde liegt. Nicht nur, dass die Norm die grundgesetzlichen Kerngedanken bewahren und hierbei gleichermaßen gegen verfassungsfeindliche wie auch wohlmeinende Änderungsbestrebungen verteidigen soll – ihr wird simultan auch ein auf dessen Festigung und Stärkung gerichteter Nutzen zuteil.160

V. Doppelwirkung von Art. 79 Abs. 3 GG Um die geschützten zentralen Verfassungsgrundsätze nicht zu durchlöchern und zugleich den Fokus auf ein gegenständliches Verfassungsmodell zu lenken, ist bei der Auslegung der Norm Zurückhaltung geboten.161 Dies beinhaltet zwei Komponenten: einerseits den begrenzenden (Ausnahme-)Charakter des Absatzes 3 gegenüber der in den Absätzen 1 und 2 derselben Norm aufgestellten Regel, dass das Grundgesetz Änderungen zugänglich ist162; andererseits die restriktiv zu handhabende Anwendung der darin enthaltenen ‚Demarkationslinie‘, um die „Stabilisierungs- und Fundierungsfunktion“163 der Verfassung nicht zu verwässern. 159

So Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, S. 372 am Beispiel der in Art. 143 Abs. 3 GG (a. a. O. versehentlich als Art. 141 Abs. 3 GG bezeichnet) durch Verfassungsänderung legalisierten Enteignungen im Zuge der Bodenreform, über welche – wie in § 7 III. bereits gezeigt – das BVerfG in BVerfGE 84, 90 und BVerfGE 94, 12 entschieden hat. 160 Zum Vorstehenden Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 1 (S. 1097), der diesbezüglich von einem „Verfassungsstabilisierungseffekt“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.) spricht. Den 37 Verfassungsänderungen bis 1994 hält Stern (weiterhin a. a. O.) nur wenige Aufsehen erregende Entscheidungen – dazu im Einzelnen später – innerhalb von mehreren Jahrzehnten entgegen; hierzu ferner Dreier, JZ 1994, 741 (747) m. w. N. und Bucher, NJW 1957, 850 (850). 161 Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 26 spricht von „restriktiver Auslegung“; ferner Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 9 bzw. ders., ZRP 2008, 90 (90, 92); Sannwald, in: SchmidtBleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 38; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 80; Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 67 ff. Zur Diskussion um eine restriktive Auslegung der Ewigkeitsgarantie vgl. ausführlich in § 8 VII. 162 Als „Ausnahmevorschrift“ bezeichnet in BVerfGE 30, 1 (25) ebenso wie im Sondervotum in derselben Entscheidung, abgedruckt in BVerfGE 30, 1/33 (38) sowie darüber hinaus auch in BVerfGE 109, 279 (310). Allerdings begrüßt Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 80 m. w. N. die Änderbarkeit als für die Dauerhaftigkeit essentielle „Elastizität der Verfassung“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.); vgl. insoweit auch bereits Fn. 43 in diesem Kapitel; zudem Sannwald, in: SchmidtBleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 38 (gilt auch gegenüber dem neueren Verfahren nach Art. 23 GG, vgl. a. a. O., Rn. 34), 37; Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 4 a (S. 168). Dieser Umstand ist zum einen dem abstrakten Staatszielcharakter, zum anderen aber auch dem Freiheitsgedanken der verfassungsändernden Gewalt geschuldet, vgl. Steinberg, JZ 1980, 385 (388) m. w. N. 163 So Dreier, in: Behrends / Sellert, Kodifikationsgedanke und Modell des BGB, S. 119 (125) m. w. N., um die besonders nachhaltige und konstante Wirkung verfassungsgesetzlicher gegenüber einfachgesetzlichen Normen zu beschreiben, wie es Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 534 mit der „erhöhten formellen Gesetzeskraft“ auszudrücken suchte.

§ 8 Grundlagen des Art. 79 Abs. 3 GG

255

Dem wird die Vorschrift durch ihr egalisierendes „Spannungsverhältnis zwischen Starrheit und Elastizität der Verfassungsordnung“ gerecht, welches dem relativ beengten Schutzbereich (nach dem Normtext bloß „Grundsätze“ einiger Verfassungsregelungen) ein anpassungsfähiges und flexibel einzusetzendes Instrument (bereits jegliche Berührung verboten) entgegenstellt.164 Auf diese Weise wählt das Grundgesetz hinsichtlich seiner eigenen Änderung einen der praktischen Konkordanz gegenläufiger Aspekte gerecht werdenden Mittelweg zwischen Entwicklungsoffenheit und Struktursicherung, zwischen Flexibilität und Stabilität.165 Je gewichtiger eine Verfassungsregelung im gesellschaftlichen, politischen und normativen Kontext zu bemessen ist, desto weniger soll sie nach der Konzeption des Grundgesetzes in Art. 79 Abs. 3 GG Änderungen zugänglich sein und desto höher liegen die dafür geforderten Anforderungen.166 Gleichwohl ist aber nicht jede entwicklungsgerechte Harmonisierung und Angleichung automatisch untersagt, sondern sie ist im Gegenteil sogar erwünscht, weil eine extreme Starrheit „ein vermessener Ausgriff in eine ungewisse Zukunft“167 wäre. 164

Zum Vorstehenden samt Zitat Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 62. Derweil damit auf der einen Seite zwar nur von Grundsätzen der  – jedoch immerhin beträchtlichen Reihe an – Verfassungsprinzipien die Rede ist, korrigiert die Schutznorm ihre Reichweite auf der anderen Seite durch die Rückkopplung an jede Gestaltungsform, so dass jeder Eingriff berücksichtigt werden kann. Korrespondierend hierzu auch Stern, JuS 1985, 329 (332): „Mit der ‚starken‘ Formulierung der Rechtsfolge kontrastiert die eher ‚schwache‘ Ausdrucksweise bei den Schutzgütern“. Kritisch zu dieser weitläufigen Ausdrucksweise des Grundgesetzes Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 32 bzw. ders., Grundsätze des GG, S. 21 f. Im Vergleich zu den Regelungen einiger Landesverfassungen kann man der Formulierung in Art. 79 Abs. 3 GG allerdings noch ein hohes Maß an Bestimmtheit zusprechen, da hier keine diffusen Begrifflichkeiten Einzug gefunden haben; in den dortigen Ursprungsfassungen finden sich beispielsweise die „Grundgedanken der Verfassung“ (so noch Art. 103 Abs. 1 S. 2 der Verfassung des Saarlandes 1947) oder der „Geist der Verfassung“ (so noch Art. 85 Abs. 1 S. 2 der Verfassung für Württemberg-Baden 1946), hierzu näher Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 27 mit weiteren Beispielen. 165 Vgl. Alberts, JuS 1972, 319 (322) und Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (495) sowie die sehr prägnante Formulierung bei Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 41: „Eine zu starre Verfassung zerbricht an der Entwicklung des Staatswesens, eine zu flexible Verfassung verflüchtigt sich in die Beliebigkeit alltäglicher Politik“. Dem zustimmend Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 2 c (S. 1085) und Dreier, in: Behrends / Sellert, Kodifikationsgedanke und Modell des BGB, S.  119 (126) m. w. N.; ferner Grimm, AöR 97 (1972), 489 (505); Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 28. In diesem Zusammenhang legt Scheuner, DÖV 1953, 581 (583) besonderes Gewicht auf die Konnexität von Art. 79 Abs. 3 GG und Art. 146 GG: Erst die auf letztgenannter Norm beruhende Möglichkeit zum Neuanfang mache die durch erstere Vorschrift erreichte „starre Festlegung der Verfassungsbasis […] erträglich“ (ebenfalls a. a. O.). Diesem Ansatz gegenüber indessen abgeneigt Henke, Verfassunggebende Gewalt des Dt. Volkes, S. 143 f. 166 Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 1 spricht sinnbildlich von einer zu überwindenden Schwelle, m. w. N. zur Praxis der Verfassungsänderung in der dortigen Fn. 2; s. a. Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 26; Scheuner, DÖV 1953, 581 (584). Kritisch zu dem Umfang, der Bundesstaats- und Republikprinzip erfasst, Dreier, JZ 1994, 741 (749). 167 So Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 75; ähnlich Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 2 c β (S. 1086). Wegen der Schwierigkeiten bei der Auslegung ist Art. 79 Abs. 3 GG von Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960),

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

VI. Bedeutung im Sinne einer Hierarchieordnung Welche Bedeutung dem Art. 79 Abs. 3 GG im Verfassungsgefüge zugestanden wird, ist im Wesentlichen an der Rechtsfolge für den Fall erkenntlich, dass ein verfassungsänderndes Gesetz eines der genannten ‚Themenfelder‘ „berührt“ und damit gegen die Ewigkeitsgarantie verstößt. Dies führt zur Verfassungswidrigkeit der Verfassungsänderung, mithin zu ‚verfassungswidrigem Verfassungsrecht‘168, und damit einhergehend Nichtigkeit der Änderungen sowie des Änderungsgesetzes gleichermaßen.169 Aufgrund seines kompetenzbeschränkenden Effekts, dem verfassungsändernden Gesetzgeber Grenzen in seinem Handeln aufzuerlegen, wird Art. 79 Abs. 3 GG auch als „negative Rechtserzeugungsregel“170 bezeichnet. Zur Feststellung der Nichtigkeit eines Änderungsgesetzes ist ausschließlich das Bundesverfassungsgericht ermächtigt.171 Weil dementsprechend der Regelungsgehalt von Art.  79 Abs.  3 GG über die Zulässigkeit von Ergänzungen des Grundgesetzes entscheidet, kommt dieser Verfassungsnorm mitsamt den von ihr genannten Grundentscheidungen ausnahmsArt. 79 III Rn. 27 als „staatsrechtliches Wagnis“ bezeichnet worden; dem zustimmend Kölble, DÖV 1967, 1 (6). 168 Begriff zurückgehend auf die Abhandlung von Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen, S. 8, 32 ff.; hierzu bereits ausführlich in § 7. Die Verfassungswidrigkeit ist insoweit anerkannt, vgl. anstelle vieler Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 39; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 74; Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 1044; Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 29; Stern, Staatsrecht I, § 4 II 2 a ζ (S. 116). 169 Vgl. Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (33); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 8; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 39; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 83; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 14; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 106 f.; Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 41 (unter besonderer Betonung der ex tunc-Wirkung der Nichtigkeit); außerdem Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 172; Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 27; Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen, S. 34 (dort heißt es, die Norm sei „ungültig“); Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 40; Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 18; Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 3 (S. 167) und § 4 II 2 a ζ (S. 116) bzw. ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 5 (S. 1102) bzw. ders., JuS 1985, 329 (332); Maurer, Staatsrecht I, § 22 Rn. 26. 170 So Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art.  79 Abs.  3 Rn. 106 – begründet mit seiner „Wirkung, das Inkrafttreten von Normen bestimmten Inhalts zu verhindern“ (auch zu diesem Zitat a. a. O.). Im Anschluss hieran Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 5 (S. 1102) und Siegenthaler, Materielle Schranken der Verfassungsrevision, S. 134. Dieselbe Wirkung ebenso betonend, jedoch noch ohne besondere Bezeichnung hierfür bereits Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 247; erst an späterer Stelle (ders., Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 29 ff.) ist bei ihm ebenfalls die Rede von einer negativen Begrenzungswirkung (a. a. O., S. 29) bzw. „negative[n] Kompetenznorm“ (S. 32). Derartige Bezeichnungen ablehnend hingegen Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 40. 171 Vgl. hierzu § 78 (i. V. m. § 82 Abs. 1) Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) für die Verfahren der abstrakten (und konkreten) Normenkontrolle vor dem BVerfG. Siehe speziell zur regelmäßig eintretenden Nichtigkeitsfolge infolge eines Verstoßes gegen Art. 79 Abs. 3 GG anstelle vieler Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 23; Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 3 (S. 167 f.) bzw. ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 5 (S. 1102) m. w. N. und Leisner, DÖV 1992, 432 (436).

§ 8 Grundlagen des Art. 79 Abs. 3 GG

257

weise  – und damit anders als im allgemeinen Verfassungsverständnis  – eine herausgehobene Stellung im Verfassungsgefüge172 im Vergleich zu anderen Verfassungsnormen zu173, die sich mit einer Rangfolge umschrieben ließe. Zwar wurde einleitend des Dritten Teils dieser Arbeit174 bereits aufgezeigt, dass das Grundgesetz im Prinzip von einer Einheit der Verfassung und als Folge hiervon von der Gleichordnung aller Rechtssätze und Prinzipien ausgeht, doch ergibt sich wegen der in Art.  79 Abs.  3 GG enthaltenen Revisionsschranken für Verfassungsänderungen eine Sonderlage: Ausnahmsweise können der Verfassungsebene neu hinzugefügte 172

Von Bucher, NJW 1957, 850 (850) bezeichnet als „Angelpunkt des GG“. In diese Richtung schon BVerfGE 1, 14 (32). In derselben Weise dürfte die Bezugnahme auf die gleiche Norm durch BVerfGE 3, 225 (232) im Rahmen der Diskussion um eine sogar hierüber hinausgehende Rangfolge verstanden werden. Jedenfalls im Schrifttum weithin anerkannt: Laux, Bedeutung und Inhalt der Grenzen der GG-Änderung, S. 5 f.; Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art.  79 Rn.  22; Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S.  179; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 8 und Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 14. Sie alle sprechen von einem ‚höheren Rang‘ dieser Normen, wie auch Stern, Staatsrecht I, § 4 II 2 a (S. 113 f.) und Tosch, Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers, S. 117 m. w. N. – Letztgenannter erkennt zudem einen „Stufenbau der Rechtsordnung“ (so explizit a. a. O.); daneben auch Schulz, Änderungsfeste Grundrechte, S. 661; Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 31; von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VI 2 b ee (S. 1885); Nef, ZSchwR n. F. 61 (1942), 108 (120, 122); Bucher, NJW 1957, 850 (850); Wittekindt, Schranken von Verfassungsänderungen, S. 89; Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 19; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 75; Unger, Verfassungsprinzip der Demokratie, S. 196; Wintrich, Problematik der Grundrechte, S. 10 f.; Halfmann, Entwicklungen des dt. Staatsorganisationsrechts, S. 161; Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 176 f. Siehe zudem Ridder, in: AK-GG (2. Aufl. 1989), Art. 79 Rn. 28, der von einer „höheren Geltungsebene von Recht“ spricht (gemeint ist – wie a. a. O. auch angeführt – eine dritte Stufe über Gesetzen und Verfassung im Ganzen). Noch hierüber hinausgehend erkennt Starck, in: Starck, Rangordnung der Gesetze, S. 9 (11) sogar einen „formal höheren Rang“ an. Diese Begrifflichkeit ablehnend hingegen Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 90, wenngleich er in seiner Argumentation bezüglich der hier allein maßgeblichen Verfassungsänderungen zu demselben Ergebnis gelangt. Dies stützt er jedoch auf die Umschreibung als „negative Rechtserzeugungsregel“ (hierzu siehe bereits die Hinweise in Fn. 170) und die daraus gewonnene Bestandskraft. Evers erstreckt die besondere Stellung sodann (a. a. O.) auch explizit auf Art.  79 Abs.  3 GG, da von dessen Auslegung die Reichweite des Schutzes der genannten Prinzipien abhinge. Dem vergleichbar verneint Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 84 zwar ein Vorrangverhältnis, attestiert ihnen aber gleichwohl eine „Überlagerung aller anderen GG-Vorschriften“ (hierzu ebenfalls a. a. O.). Noch weitergehend zum stufenförmigen Aufbau der Rechtsordnung Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, S.  43 ff., wonach eine Revisionsnorm samt ihrer sachlichen Beschränkungen als ‚Staatsfundamentalnorm‘ zu bezeichnen sei und als solche die übrigen Normierungen übersteige, vgl. a. a. O., S. 33 f. bzw. im Anschluss ders., Grundgedanken des GG, S. 122 bzw. ders., JZ 1954, 717 (718). Im Ergebnis ebenso: Maunz, in: FS Laforet, S. 141 (152) bzw. ders., Dt. Staatsrecht (7. Aufl. 1958), S. 52 und dem zustimmend Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (494); abstrahierend Wolff, in: GS Jellinek, S. 33 (37). Kritisch ebenfalls noch Hain, Grundsätze des GG, S. 73 ff. Eine Höherrangigkeit indessen ablehnend Pecher, Verfassungsimmanente Schranken von Grundrechten, S. 59 ff., unmissverständlich insbes. sein Fazit auf S. 63. In derselben Weise dürften schließlich auch die Ausführungen bei Müller, Einheit der Verfassung, S. 132 aufzufassen sein. 174 Siehe bereits § 7 II. in dieser Arbeit. 173

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

Regelungen gegen andere in der Verfassung enthaltene Regelungen verstoßen, weil die in Absatz 3 geschützten Verfassungsgrundsätze gewissermaßen auf einer übergeordneten Stufe der Verfassung stehen. Die Ewigkeitsklausel vermag damit zwar keine allgemeine Hierarchie innerhalb der Verfassung – gemeint ist ihr ursprünglicher Text bei Schaffung des Grundgesetzes – zu begründen, wohl aber einen Vorrang175 der unabänderlichen Grundsätze im Verhältnis zu verfassungsändernden Gesetzen (bzw. den hierdurch geänderten Normen). Denn diesen gegenüber erlangt Art. 79 GG seinerseits die Qualität einer „Grundnorm“176 oder „Kompetenznorm“177, d. h. den Status einer normativen Regelung, auf welcher andere Normen, hier die verfassungsändernden Inhalte, beruhen. Sowohl die absolut schützende als auch die absolut geschützten Regelungen vermitteln infolgedessen eine „hierarchische Stufung der Verfassungssätze“178. Sie dominieren die Änderbarkeit des Grundgesetzes, der sie selbst im Sinne von ‚Staatsfundamentalnormen‘179 Richtschnur bzw. Kontrollmaxime und somit vorgeordnet180 sind. Dies folgt unmittelbar aus ihrer Monopolstellung, „einziger materieller Prüfungsmaßstab für Verfassungsänderungen“181 mit der beschriebenen Folge der Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit zu sein.

175 Der Umschreibung mit einer „Überordnung und Unterordnung“ selbst in diesem Verhältnis abgeneigt Müller, Einheit der Verfassung, S. 15 (dort auch zum wörtlichen Zitat). 176 Begrifflichkeit zurückgehend auf Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 196 ff. Diese besondere Stellung wird einer Norm zugedacht, sobald sie als „Geltungsgrund einer anderen Norm“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O., S. 196) fungiert und dieser somit übergeordnet ist. Auf ihrer Grundlage können weitere Normen geschaffen werden, vgl. erneut a. a. O., S. 199. Demgegenüber unterscheidet Maunz, in: FS Laforet, S. 141 (142 f.) nach schwachen und starken Normen in der Verfassung, wobei in diesem Zusammenhang vorliegend bezüglich Art. 79 Abs. 3 GG gemäß dessen Gewichtigkeit und Standfestigkeit sowie den darin enthaltenen überpositiven Grundlagen von letzterem zu sprechen sein dürfte – wie es auch die weiteren Ausführungen a. a. O. (und passim) nahelegen. 177 Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 29 f., 32. 178 So Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 75; alternativ „Hierarchie der deutschen Rechtsordnung“ nach Hain, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art.  79 Rn.  31. Auch Nef, ZSchwR n. F. 61 (1942), 108 (120) erkennt ein „Über- und Unterordnungsverhältnis“ und weist die Ewigkeitsklausel selbst der oberen Stufe zu, vgl. a. a. O., S. 122. 179 Begrifflichkeit zurückgehend auf Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, S. 31 ff. bzw. ders., Grundgedanken des GG, S. 122 bzw. ders., JZ 1954, 717 (718). In Bezug auf Art. 79 Abs. 3 GG aufgegriffen durch von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VI 2 b ee (S. 1885). 180 Vgl. Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, S. 369 und daneben Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 30 ff. – dort insbesondere S. 32 f. angesichts ihrer von ihm he­ rausgestellten, kompetenzgestaltenden Wirkung. 181 So Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 14 in Anlehnung an die bereits früher zitierte Feststellung in BVerfGE 94, 12 (34), dass es andere Maßstäbe nicht gebe; vergleichbar auch das Sondervotum in BVerfGE 112, 1/44 (45 f.). Ferner Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 44; Hall, JuS 1972, 132 (134); Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (497); ähnlich Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 22; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 90 und Erichsen, Staatsrecht II, S. 19.

§ 8 Grundlagen des Art. 79 Abs. 3 GG

259

Zu beachten bleibt aber stets, dass ihnen diese Wirkung nur im Verhältnis zu Verfassungsänderungen, nicht jedoch gegenüber weiteren Verfassungsinhalten und ebenso wenig untereinander182, zukommt. Im Zusammenspiel dieser mit anderen „Bindungsklauseln“183 wird auf diesem formalistisch-methodischen Wege, den das Grundgesetz einschlägt, eine andauernde Stufenfolge (bzgl. künftiger Änderungen) bewirkt, die den verfassungsändernden Gesetzgeber als Adressaten an die verfassungsrechtlichen Vorgaben bindet. Wenngleich sämtliches gültiges Verfassungsrecht für seine Adressaten im Grunde gleichermaßen verbindlich ist, kommt angesichts dieser Sonderlage einigen wenigen Verfassungsgrundsätzen, die durch Art. 79 Abs. 3 GG einer Einflussnahme des pouvoir constitué selbst bei Einstimmigkeit entzogen bleiben, eine besondere Stellung184 bzw. „Höherrangigkeit“185 bzw. „höhere ‚Standfestigkeit‘“186 bei der Beurteilung zu. Mit diesen „tragenden Grundlagen der Verfassung“187, gleichbedeutend dem unentbehrlichen „Verfassungskern“188, darf immerhin keine Verfassungsänderung unvereinbar189 sein. Entspricht eine Verfassungsänderung aber den Anforderungen, welche an sie gestellt werden, verschmelzen die Änderungen mit der übrigen Verfassung und werden rechtswirksamer Teil derselben.190

182

Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 82. Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 31. 184 Zum Vorstehenden bereits Fn. 173 und Stern, Staatsrecht I, § 4 II 1 (S. 113), der es offenbar für wahrscheinlich hält, dass diese Sonderstellung womöglich auch der „Überpositivität der darin enthaltenen normativen Aussagen“ (a. a. O.) geschuldet sein könne – hierzu auch Hamann / Lenz, in: Hamann / Lenz, GG, Art. 79 Anm. B 7 (S. 540). Zurückgehend auf Schmitt, Der Staat 17 (1978), 321 (324) m. w. N. und mittelbar auf die französischen Ursprünge seien solche Normen mit „Superlegalität“ (so explizit a. a. O.) ausgezeichnet; s. a. Maunz, in: FS Laforet, S. 141 (142). 185 So Hain, Grundsätze des GG, S. 74. 186 So Stern, Staatsrecht I, § 4 II 2 a β (S. 115) in Anlehnung an Maunz, in: FS Laforet, S. 141 (143, 152); s. a. ders., Dt. Staatsrecht (7. Aufl. 1958), S. 51 und Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 90. 187 So Maunz, Dt. Staatsrecht (7. Aufl. 1958), S. 51, dessen Formulierung wegen der Bezugnahme auf die Verfassungsprinzipien als solche allerdings missverständlich ist, da eine derartige Reichweite – wie zuvor bemerkt – in Anbetracht des Regelungsgehalts von Art. 79 GG nicht überzeugen würde – dies bleibt hier aber jedenfalls ohne Relevanz. 188 So beispielsweise von Münch / Mager, Staatsrecht I, Rn. 65, die hieraus im Weiteren die Notwendigkeit einer „Verfassungs(kern)gemäßheit“ (ebenfalls a. a. O.) fordern, vgl. zudem Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 17. 189 Noch darüber hinausgehend verlangte BVerfGE 1, 14 (32) eine Vereinbarkeit sämtlicher Verfassungsnormen mit diesen tragenden Verfassungsgrundlagen überpositiven Ursprungs, weil diese selbst den Verfassunggeber binden würden. Ob diesem Ansatz (in vollem Umfang) zu folgen wäre, bedarf an dieser Stelle keiner näheren Auseinandersetzung, weil diese Arbeit jedenfalls die von Art. 79 GG avisierte Verfassungsänderung zum Gegenstand hat. 190 Vgl. Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 31. Dies sei damit begründet, dass Art. 79 Abs. 3 GG nur Verfassungsänderungen einer (gerichtlich kontrollierbaren) Nachkontrolle anhand der wesentlichen Verfassungsprinzipien in ihrem jeweiligen Grundsatzgehalt unterwerfe, nicht aber einmal gültig zustande gekommene Verfassungsnormen für die gesamte Zeit ihres Bestandes (auch hierzu a. a. O.). 183

260

3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

Trotz der theoretisch beabsichtigten Zurückhaltung hinsichtlich des änderungsfesten Kerns des Grundgesetzes nimmt das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechungspraxis seit Jahrzehnten für sich in Anspruch, Verfassungsänderungen, vor allem solche mit Grundrechtsbezug, eingehend zu prüfen und insoweit mit Blick auf Art.  79 Abs.  3 GG verfassungskonform auszulegen.191 Es handelt sich hierbei um nichts anderes als die auf allen Rechtsgebieten anzutreffende192 Devise, dass Regelungsinhalte einer niederen Ebene an den Gehalten einer höheren normativen Ebene zu messen und gegebenenfalls an deren Anforderungen auszurichten sind. Als Folge dieser Höherrangigkeit fordern das Bundesverfassungsgericht193 und dem folgend ein Großteil der Literatur194 deshalb für verfassungsändernde Gesetze, dass diese unter Anwendung der Maßstäbe einer verfassungskonformen Auslegung195 mit den in Art. 79 Abs. 3 GG enthaltenen Geboten – soweit interpreta 191

Vgl. BVerfGE 30, 1 (17, 19 ff.) und BVerfGE 109, 279 (316 f.). Kritisch zu dem damit einhergehenden Einfluss des Gerichts Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 62. 192 Dies betont ebenfalls Michel, JuS 1961, 274 (275). Allgemein zur verfassungskonformen Auslegung sogleich, dort auch m. zahlr. Nachw. in Fn. 195. 193 Siehe BVerfGE 30, 1 (19 ff.): Sämtliche in ihr enthaltenen Regelungen müssen danach im „Kontext der Verfassung“ (a. a. O., S. 19) gedeutet und somit namentlich an deren „Grundentscheidungen“ (weiterhin a. a. O.) gemessen werden. In derselben Weise geht beispielsweise auch BVerfGE 109, 279 (19 f.) vor. 194 Der Ansicht des BVerfG sind auch Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 30; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 160, letzterer m. w. N. zur Gegenauffassung in der dortigen Rn. 195. Dem BVerfG ebenfalls zustimmend Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 5 (S. 1102); Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 179; Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 30 und offenbar auch Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 18. Kritisch hingegen Häberle, JZ 1971, 145 (148), der die verfassungskonforme Auslegung im Allgemeinen zwar befürwortet, seine Grenzen jedoch durch die Anwendung auf ein verfassungsänderndes Gesetz im Urteil „überstrapaziert“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.) sieht. Gleichwohl liegt die Kritik hierbei darin, dass die Verfassungsänderung lediglich an den Revisionsschranken von Art. 79 Abs. 3 GG zu messen sei und nicht an der Verfassung in Gänze – dem folgt jedoch auch das hier vertretene, heutige Verständnis. Auf die Frage, ob das dem BVerfG zugerechnete Verständnis in dieser Weite gewollt war oder aber wegen der Begrifflichkeiten abweichend interpretiert wurde, kommt es somit für die abstrakte Beurteilung künftiger Anwendungsfälle nicht an. 195 Dazu allgemein anstelle vieler Bogs, Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen, S.  15 ff. sowie des Weiteren die kompletten Beiträge bei Spanner, AöR 91 (1966), 503 ff. m. w. N.; Prümm, Verfassung und Methodik, S. 56 ff.; Zippelius, in: FG 25 Jahre BVerfG II, S. 108 (108 ff.); Seetzen, NJW 1961, 1997 ff.; Schack, JuS 1961, 269 ff. (Referat) bzw. im Anschluss hieran Michel, JuS 1961, 274 ff. (Koreferat); siehe zudem noch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 339 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 79 ff.; Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 623 ff., jeweils mit zahlreichen Beispielen aus der Rechtsprechung des BVerfG. Zum Hintergrund einer solchen Auslegung speziell am Maßstab der Verfassung Erichsen, Staatsrecht II, S. 18: Dieses Konstrukt sei auf das Vorrangverhältnis zwischen gesetzgebenden Körperschaften und Verfassungsgerichtsbarkeit zurückzuführen: Letztere solle die erstgenannten zwar kontrollieren, dürfe aber deren Absichten und Erwägungen nicht durch eigene ersetzen bzw. pauschal verwerfen, sondern müsse ihrem Willen weitestgehend  – im Rahmen des Wortlauts – entsprechen (zum Vorstehenden insgesamt Erichsen, a. a. O.). Gerade

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torisch möglich – in Einklang zu bringen sein müssen. Von mehreren denkbaren Deutungsmöglichkeiten ist demnach gemäß den allgemeinen Grundsätzen verfassungskonformer Auslegung diejenige zugrunde zu legen, bei welcher die Verfassungsänderung zu den von Art. 79 Abs. 3 GG konstituierten Schranken, d. h. den unantastbaren Grundsätzen, nicht im Widerspruch steht. Auf diese Weise tritt der grundsätzliche Wille der verfassungsändernden Gewalt zu ordnungsgemäßem und damit verfassungsgerechtem Verhalten nach außen. Im Rahmen des generellen Respekts gegenüber der gesetzgebenden Gewalt ist es ein anerkanntes Gebot, „in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat“.196 Dementsprechend müssen sich auch Verfassungsänderungen ohne Beeinflussung der zentralen Verfassungsgrundsätze wie sämtliche Verfassungsnormen an deren Bedeutungsgehalt messen lassen. Immerhin erhebt „die zu prüfende Norm selbst Anspruch […], geltende Norm der Verfassung zu sein“197. In der Gesamtheit darf lediglich das beschriebene Maß zentraler Verfassungskerngedanken nicht überschritten werden, um dem Grundgesetz nicht beiläufig Missverhältnisse und Unstimmigkeiten zu implementieren.198 Anerkanntermaßen kann eine Norm „nicht isoliert betrachtet und allein aus sich heraus ausgelegt werden“199, sondern stets nur im Kontext anderer Vorschriften und in Relation zu deren normativer Wirkung. Der in Rede stehenden Vorschrift muss es jedoch gewährt werden, ihre Wirkungen in den vorgegebenen Grenzen bestmöglich200 zu entfalten, wenngleich in Anbetracht der ausstehenden Gültigkeitsprüfung die Auslegung nicht mit derjenigen bereits existierender Verfassungsvorschriften deckungsgleich sein kann.201 Angesichts des beschränkten Prüfungsmaßstabs ist die Begrifflichkeit ‚verfassungskonform‘ allerdings missverständlich: Denn Verfassungsänderungen sind lediglich an den Materien des Art. 79 Abs. 3 GG, vor allem den von Art. 1 und 20 GG in Bezug genommenen Grundsätzen, und nicht an der Verfassung in ihrer Gesamtdiesem Zweck dient das Primat einer verfassungskonformen Auslegung, demzufolge eine Verfassungswidrigkeit nur bejaht werden kann, wenn ein Verstoß unter Ausschöpfung aller Interpretationsvarianten nicht zu vermeiden ist. 196 Zum Vorstehenden samt Zitat BVerfGE 86, 288 (320) und ganz ähnlich BVerfGE 90, 263 (275): Die dort in Bezug auf die Auslegung des einfachen Rechts und den Gesetzgeber enthaltenen Feststellungen gelten naturgemäß angesichts ihrer herausgehobenen Stellungen erst Recht für die Auslegung des Grundgesetzes sowie den verfassungsändernden Gesetzgeber. 197 So Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 160 und sehr ähnlich Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen, S.  8. Vergleichbar auch „Tendenz zur Selbstbehauptung“ bei Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 62. 198 Vgl. Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (48). 199 So BVerfGE 1, 14 (32). 200 Nach Schlink, Der Staat 12 (1973), 85 (88) handele es sich immerhin um „kein schlechteres Verfassungsrecht“ gegenüber dem bereits bestehenden Rest des Grundgesetzes. 201 Letzteres betonten schon die sondervotierenden Richter in BVerfGE 30, 1/33 (34) durch kritische Abwendung von der Senatsmehrheit.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

heit zu messen. Sie sind demgemäß lediglich „grundsatz-konform“202 auszulegen respektive einer „verfassungskernwahrenden Auslegung“203 zu unterziehen. Im Übrigen stehen durch Verfassungsänderung geschaffene Grundgesetznormen als neuer Verfassungsbestandteil auf derselben Stufe wie alle anderen Verfassungsnormen.204 Eine Vorrangwirkung zwischen unterschiedlichen Verfassungsnormen besteht nach dem zuvor Gesagten aber nicht, ihnen kommt als Verfassungsbestandteil lediglich ein Vorrang gegenüber einfachem Recht zu205 – dies gilt allerdings für sämtliche Verfassungsinhalte gleichermaßen. Die Grenze einer verfassungs- bzw. besser ‚grundsatz‘-konformen Auslegung liegt trotz alledem dort, wo einer Verfassungsänderung mittels Umdeutung oder Interpretation contra legem ein ihr von der verfassungsändernden Gewalt nicht beigemessener Sinn verliehen wird206, der von ihrem Wortlaut nicht mehr gedeckt wird.207 Dann nämlich würde man versuchen, eine nicht tragfähige Norm mit einer opportunen Begründung entgegen ihrem eigentlichen Wortverständnis und Bestimmungszweck mit allen Mitteln aufrechtzuerhalten, was nach dem zuvor Gesagten nicht Sinn der Unantastbarkeiten bzw. der Prüfung hieran sein kann und sein soll. Bereits innerhalb des Bundesverfassungsgerichts existieren deshalb auch Stimmen208, welche die Übertragung der Grundsätze verfassungskonformer Auslegung auf die Beurteilung verfassungsändernder Gesetze für verfehlt halten. Letztere könnten eben „nicht […] nach Grundsätzen ausgelegt werden, die für eine Auslegung von Verfassungsnormen gelten“209, solange die Verfassungsmäßigkeit der Änderung

202

So Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 31, 40. So von Münch / Mager, Staatsrecht I, Rn. 67. 204 Vgl. zu dieser Feststellung bereits die einleitenden Ausführungen in § 7 II. 205 Insbesondere, aber eben nicht nur die von Art.  79 Abs.  3 GG aufgezählten Grundsätze sind hiernach bei der Beschäftigung mit niederrangigem Recht „oberstes Auslegungsgebot“, so Schack, JuS 1961, 269 (269). 206 Zum Vorstehenden Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 179. In derselben Weise als Grenze verfassungskonformer Auslegung – wenn auch lediglich bezugnehmend auf gewöhnliche Gesetze – herausgestellt von Spanner, AöR 91 (1966), 503 (512). Da für die ‚grundsatz‘-konforme Auslegung (so die im Fließtext anknüpfend an Fn. 202 zur Klarstellung herangezogene Bezeichnung) jedoch dieselben Grundlagen gelten wie für die verfassungskonforme Auslegung und für diese wiederum die allgemeinen Regeln einer Auslegung, kann die Äußerung hier jedenfalls dem Grunde nach entsprechend übertragen werden. 207 Zu der sog. Wortlautgrenze vgl. aus der Rspr. etwa BVerfGE 90, 263 (275), BVerfGE 109, 279 (316 f.) m. w. N. und aus dem Schrifttum anstelle vieler stellvertretend Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 324, 343; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 47, 61; Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 614 f. Insoweit wird für weitere Einzelheiten auf § 9 III. 1. a) (dort a. E. und m. w. N. in Fn. 184) verwiesen. 208 Vgl. Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (34). Hierzu auch Schlink, Der Staat 12 (1973), 85 (87), der die unterschiedliche Herangehensweise des BVerfG im Gegensatz zu dessen Kritikern in der Literatur jedoch auf den unterschiedlichen Ansatz bei Art. 79 Abs. 3 GG zurückführt (dazu im Einzelnen a. a. O., S. 88). 209 So im Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (34). 203

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noch in Rede stehe. Ebenso sehen sich Teile des Schrifttums210 „gewichtigen Bedenken“ ausgesetzt, wenn eine für niederrangiges Recht entwickelte und dort regelmäßig bemühte Auslegungsart auch intraverfassungsrechtlich zum Einsatz gebracht werde: Der Unterschied sei darin zu erkennen, dass eine Verfassungsänderung im Gegensatz zu niederrangigen Gesetzen oder Verordnungen das Grundgesetz in seinem (materiell-inhaltlichen) Bestand verändere und ihm somit zwangsläufig ein neues Gepräge gebe. Wenn jedoch infolge einer verfassungskonformen Auslegung die Reichweite von Verfassungsänderungen frühzeitig verkürzt werde, werde der verfassungsändernden Gewalt eine zusätzliche, über die eigentlichen Vorgaben des Art. 79 Abs. 3 GG hinausgehende Erschwernis auferlegt.211 Derartigen Überlegungen ist jedoch entgegenzuhalten, dass trotz der Anlehnung an die Grundsätze verfassungskonformer Auslegung keine Auslegung anhand des gesamten Grundgesetzes erfolgen soll, sondern lediglich eine Auslegung anhand der in Art. 79 Abs. 3 GG gelisteten Grundsätze. Im Ergebnis laufen deswegen die erläuterten Einwände leer, zumindest soweit man richtigerweise der dem Wortlaut entsprechenden Beschränkung auf eine Art grundsatzkonformer Auslegung folgt. Im Gegenteil ist es nur folgerichtig und wird dem Willen der verfassungsändernden Gewalt am ehesten gerecht, wenn durch Auslegung anhand der Grundsätze versucht wird, die Grundgesetzänderungen im weitest möglichen Umfang aufrechtzuerhalten und nicht unmittelbar an den festgeschriebenen Unantastbarkeiten, die das Grundgesetz seiner eigenen Änderung ohne Zweifel entgegenstellt, scheitern zu lassen. Denn immerhin zählt es zu den Grundsätzen verfassungs- und damit auch grundsatzkonformer Auslegung, eine am Wortlaut, Sinn und Regelungszweck des Änderungsgesetzes orientierte Interpretation als maßgeblich zu erachten. Vom verfassungsändernden Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollte, insbesondere mit dem Wortlaut nicht vereinbare, Inhalte sind mithin auch insoweit niemals möglich und daher von vornherein ausgeschlossen. Trotzdem wird auch bei diesem Verständnis der Ansatz zur grundsatzkonformen Auslegung im Schrifttum212 teilweise als Balanceakt zwischen der „Entscheidungsprärogative des verfassungsändernden Gesetzgebers und [… der] Wächterrolle für die Wahrung der Verfassungsprinzipien“ des Bundesverfassungsgerichts bewertet 210 Dazu zählen etwa Erichsen, VerwArch 62 (1971), 291 (293, dort auch zu dem im Fließtext nachfolgenden Zitat) und Häberle, JZ 1971, 145 (148) sowie ferner Rupp, NJW 1971, 284 (284). 211 Vgl. Erichsen, VerwArch 62 (1971), 291 (294). 212 Zum Nachstehenden im Fließtext inkl. dem darin enthaltenen Zitat Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 30, der von einer systematisch unumgänglichen Auslegung „im Lichte dieser Verfassungsprinzipien“ (dazu ebenfalls a. a. O.) spricht und Art. 79 Abs. 3 GG gerade nicht begrenzt sieht. Kritisch bezüglich der extensiven Heranziehung dieses Instituts trotz fehlender Notwendigkeit hingegen Rupp, NJW 1971, 284 (284). Ausgehend von einem begrifflich eigenen Ansatz ist bei Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 6 m. w. N. die Rede von einem hermeneutischen Effekt der Unabänderlichkeitsregel (auch hierzu samt dem nachfolgenden wörtlichen Zitat a. a. O.): „Insofern jede Auslegung den auszulegenden Text zwangsläufig ändert, lenkt Art. 79 diese alterierende Wirkung von Verfassungsinterpretationen in kontrollierbare Bahnen.“

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

und für nicht geboten erachtet. Da bei einer verfassungsändernden Norm gerade ihre Verfassungsmäßigkeit – bezogen auf die von Art. 79 GG aufgeworfenen Anforderungen – zu untersuchen sei, könne der ihr nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers beigemessene materielle Gehalt nicht zugleich schon wieder mittels Angleichung an die Leitsätze des Grundgesetzes nivelliert werden, wie es bei der Auslegung bestehender Grundgesetznormen üblich sei; vielmehr habe die Auslegung ausschließlich nach klassischen Kriterien zu erfolgen.213 Doch greift auch dieser Einwand angesichts des hier vertretenen Verständnisses im Ergebnis nicht durch. Die vorgenannten Grundsätze anzuerkennen lässt sich nämlich als Fortsetzung der im 19. Jahrhundert begonnenen, in der Weimarer Republik gesteigerten und schließlich in Art.  79 Abs.  3 GG adaptierten Überlegung begreifen214, die Verfassung und ihren Ursprung in der Verfassunggebung von der bloßen Verfassungsänderung durch Verfassungsgesetz abzuheben. Danach müssen sämtliche hoheitlichen Akte, die unmittelbar oder mittelbar auf der Verfassung beruhen, von der Verfassung als eigener Größe unterschieden werden, weil es sich bei allen Ermächtigungen aus dem Grundgesetz nur um einen Ausdruck verfasster, nicht aber originärer Gewalt handelt.215 Sie vermögen die Normen des (im Kern vom Verfassunggeber geschaffenen) Grundgesetzes nur insoweit umzuformen, als „Identität und Kontinuität der Verfassung als eines Ganzen gewahrt bleiben“216 respektive der originäre Wille des Verfassunggebers erhalten bleibt. Demzufolge stehen Änderungen des Grundgesetzes als Folge der änderungsfesten Grenzen desselben gemäß Art.  79 Abs.  3 GG unter dem Vorbehalt, die bereits bestehenden Grundsätze nicht zu berühren. Ohne diese Einschränkung bestünde stets die Gefahr, dass die „Verfassungsidentität“217 des Grundgesetzes von 1949 aufgehoben wird. Dies verlangt im Ergebnis jedoch, Änderungen am bestehenden Verfassungstext an den bisherigen Verfassungsinhalten, vor allem an den die Identität des Grundgesetzes prägenden Kerngedanken, zu orientieren und zu ihrer

213

Zum Vorstehenden vor allem auch das Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (34). Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 4 II 2 a α (S. 114). Zu der Frage, inwieweit frühere Ansätze im Schrifttum durch das Grundgesetz verwirklicht worden sind, siehe bereits Fn. 134. Wie von Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 66 zusammengefasst, knüpfte Art. 79 Abs. 3 GG jedenfalls gedanklich – unabhängig von der Frage einer konkreten Positivierung bestimmter Strömungen – an den vorangegangenen Meinungsaustausch zur Weimarer Reichsverfassung an. Zu diesem neuen Normgehalt in Distanzierung gegenüber Art. 76 WRV ebenfalls Stern, a. a. O., § 4 II 2 a β (S. 115). 215 Hierzu bereits ausführlich in § 8 III. 216 So Schmitt, Verfassungslehre, S. 103 und daran anknüpfend Stern, Staatsrecht I, § 4 II 2 a α (S. 114 f.) m. w. N. Insoweit spricht Rumpf, Ideologischer Gehalt des Bonner GG, S. 35 bezogen auf Revisionsschranken von „verfassungsrechtlichen Staatsschutznormen“. 217 In dieser Weise beispielsweise durch das BVerfG charakterisiert in BVerfGE 123, 267 (344), wo sich die Begrifflichkeit mehrfach innerhalb von zwei Absätzen wiederfindet. Den „identitätsschützenden Charakter“ von Ewigkeitsklauseln betont zudem BayVerfGHE 52, 104 (123 a. E., dort auch zum wörtlichen Zitat) anlässlich der Prüfung einer Änderung der Bayerischen Verfassung anhand der darin enthaltenen Revisionsnorm (namentlich Art. 75 Abs. 1 S. 2). 214

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bestmöglichen Erhaltung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Änderung als solchen beizutragen. Hiervon in der Begrifflichkeit, nicht aber im Ergebnis abweichend stellen manche Autoren218 fest, dass der Revisionsnorm selbst, hier also Art. 79 Abs. 3 GG, aufgrund ihres besonderen Charakters einer negativen Rechtserzeugungsregel219 im Verhältnis zur verfassungsändernden Gewalt eine Sonderstellung220 und „materielle ‚Standfestigkeit‘“ anhafte. Der Begründungsansatz dieser Ansicht basiert auf der Tatsache, dass das verfassungsändernde Gesetz inhaltlich bereits nicht den für Verfassungsänderungen geltenden Vorgaben des Art. 79 (Abs. 3) GG entspreche. Da die Revisionsnorm als solche den Prüfmaßstab für die Unantastbarkeit anderer Verfassungsvorschriften forme und deshalb auch alleine Richtschnur zur Entscheidung über die Zulässigkeit eines verfassungsändernden Gesetzes sei, nehme sie eine Sonderstellung ein. Hierfür bedürfe es keiner allgemeinen, stufenförmigen Rangordnung des auf Gleichordnung ausgerichteten Grundgesetzes, wonach abstrakt „Verfassungsnormen einer minderen Stufe an denen der höheren Stufe meßbar“221 seien. Vielmehr seien die in Absatz  3 genannten Verfassungsgrundsätze infolge der Gleichordnung stets unter Achtung sonstigen, anderslautenden Verfassungsrechts zu verstehen, wie letztere spiegelbildlich fortwährend auch Rücksicht auf die Grundsätze zu nehmen hätten.222 Jede Verfassungsnorm vermöge die 218

Zum Beispiel Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 90 a. E. und Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, S. 33 f. bzw. ders., JZ 1954, 717 (718), der Revisionsnormen sogar einen generell höheren Rang zuerkennt (vgl. bereits Fn. 173 in diesem Abschnitt); in die gleiche Richtung Curtius, DÖV 1955, 145 (146) und Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 176 f. Kritisch hingegen Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 28. Bei diesem ist an anderer Stelle (a. a. O., Rn. 83) die Rede davon, dass ein „besonderer (Überverfassungs-)Rang“ für die Annahme der Verfassungswidrigkeit nicht Voraussetzung sei, sondern die jeweilige Verfassungsänderung vielmehr den Anforderungen des Grundgesetzes hieran nicht entspreche (siehe weiterhin a. a. O., Rn. 83, dort auch zum Zitat). Umgekehrt äußert Unger, Verfassungsprinzip der Demokratie, S. 194 ff. Bedenken zu einer Begrenzung des höheren Ranges alleine auf die Ewigkeitsgarantie und präferiert selbst die Ausweitung auf die darin genannten Grundsätze (dazu a. a. O., S.  196); hierzu im weiteren Sinne schließlich noch bei Müller, Einheit der Verfassung, S. 132 f. sowie bei Stern, Staatsrecht I, § 4 II 2 a (S. 113, dort Fn. 56), bei Letzterem zugleich m. w. N. 219 Siehe hierzu bereits den ersten Absatz im Fließtext dieses Abschnitts. 220 Vgl. wiederum bereits den Hinweis in Fn. 172 auf die Gestaltung von Art. 79 Abs. 3 GG als „Angelpunkt des GG“, so ursprünglich bei Bucher, NJW 1957, 850 (850) bezeichnet sowie später bei von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VI 2 a (S. 1881) aufgegriffen. 221 So Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 90, der zur Begründung auf die frühe Rechtsprechung des BVerfG, insbesondere BVerfGE 3, 225 (231 f.) zurückgreift; s. a. Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen, S. 15 f. 222 Dies entspricht der bereits zu Beginn dieses Abschnitts betonten Einheit der Verfassung und der in ihr enthaltenen Rechtssätze, vgl. hierzu die ausführlichen Quellenangaben der diesbezüglich ergangenen Rechtsprechung in Fn. 17 in § 7 II. Speziell bezugnehmend auf die Unantastbarkeitsgarantie Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 28 und ähnlich Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 90, wonach auch speziellere Normen ausnahmsweise Vorrang genießen können.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

andere dergestalt einzuschränken, dass ein möglichst schonender Ausgleich bei bestmöglicher Zweckerreichung gewährleistet bliebe. Eine Auslegung habe somit stets sämtliche Normen und ihre Wirkungen in derselben Weise zu berücksichtigen; allerdings blieben die in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Verfassungsgrundsätze oftmals maßstabgebend und richtungweisend, weil sie ihrem Inhalt und ihrer systematischen Stellung nach „Art und Form der konkreten staatlichen Existenz bestimmen“.223 Weil praktisch nur begriffliche Unterschiede bestehen und auch diese Auffassung trotz Ablehnung einer abstrakten Rangfolge zu einer besonderen Stellung – gleichbedeutend einer Vorrangwirkung – des Art. 79 Abs. 3 GG gelangt, bedarf es diesbezüglich keiner Entscheidung, welchem theoretischen Begründungsansatz zu folgen sein dürfte. Es kann insoweit offen bleiben, ob die grundsatzkonforme Auslegung lediglich aus der Sonderstellung des Art. 79 Abs. 3 GG folgt oder da­ rüber hinaus sogar eine Rangfolge der darin genannten Grundsätze gegenüber Verfassungsänderungen anzunehmen ist. Denn jedenfalls sind letztere vor Annahme ihrer Verfassungswidrigkeit an den von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Kerngedanken des Grundgesetzes zu messen und anhand dessen, d. h. ‚grundsatz‘-konform, auszulegen. Selbst wenn man eher der zunächst erläuterten Rangfolge mit Art. 79 Abs. 3 GG und seinen Schutzelementen an der Spitze zuneigt, entsteht im Ergebnis kein Unterschied gegenüber der zuletzt dargelegten Auffassung: Vorrangig vor der Annahme einer Grundgesetzverletzung sollte man der benannten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung224 folgend stets versuchen, durch (verfassungs- bzw. besser grundsatzkonforme) Auslegung die Nichtigkeit einer vermeintlich widersprechenden Verfassungsänderung zu vermeiden und eine Kongruenz mit den Anforderungen des Absatzes 3 an eine Verfassungsänderung zu erzielen.225 Dabei geht die Auslegung jedoch niemals über den Wortlaut der jeweiligen Norm oder den ihr erkennbar vom verfassungsändernden Gesetzgeber zugewiesenen Sinngehalt hinaus.226 Auch die letztgenannte Ansicht ändert damit im Hinblick auf das Verhalten des verfassungsändernden Gesetzgebers nichts daran, dass dieser gegen Art. 79 Abs. 3 GG verstoßen würde, wollte er auf die dort geschützten Bestandteile des Grundgesetzes einwirken.

223 Zum Vorstehenden samt Zitat Wolff, in: GS Jellinek, S. 33 (48); dem folgend Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 91. 224 Allen voran BVerfGE 30, 1 (19 ff.) und BVerfGE 109, 279 (316 ff.). 225 Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 84; Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 31, 40; siehe zudem bereits Fn. 194. 226 Damit ist die Grenze gemeint, an welcher „einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Vorschrift ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm grundlegend neu bestimmt oder das normative Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt würde“, so BVerfGE 109, 279 (316 f.) m. w. N. und daran anknüpfend Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 84 a. E. Kritisch zu dieser Rspr. aufgrund der mangelnden Deutlichkeit dieses Ansatzes demgegenüber Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 82; zur verfassungskonformen Auslegung allgemein Sachs, in: Sachs, GG, Einführung Rn. 52 ff.

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Im Übrigen zielt aber die zuvor gestellte Frage, ob die Verfassungsänderung selbst einer verfassungskonformen Auslegung unterworfen werden sollte, weniger auf die allgemeine Verfassungstheorie und Anerkennung eines Vorrangverhältnisses ab, sondern vielmehr auf die konkrete Auslegung des Art. 79 Abs. 3 GG.227 Denn die Wirkungen einer Stufenfolge bestreiten weder die Rechtsprechung noch die Literatur, die Differenzen bestehen vielmehr im Wesentlichen beim Verständnis der Unabänderlichkeitsnorm und ihrer Reichweite.228 Verfassungswidriges Verfassungsrecht entsteht damit nur unter der Bedingung, dass eine Verfassungsänderung einer verfassungs- bzw. (genauer:) grundsatzkonformen Auslegung unter Berücksichtigung der durch Art. 79 Abs. 3 GG geformten Hierarchie nicht mehr zugänglich ist. Dass die Norm in summa „unübersteigbare materielle Schranken“ festlegt, gilt aber nur für Änderungen des Grundgesetzes nach dem 23. Mai 1949 und nicht für dessen ursprünglichen Inhalt.229

VII. Restriktives Verständnis Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung230 und daran anknüpfend große Teile des Schrifttums231 sehen Art. 79 Abs. 3 GG im Lichte der Volkssouveränität überwiegend als Ausnahmevorschrift an und verwenden diese Feststellung, um 227

Dies hat bereits Schlink, Der Staat 12 (1973), 85 (88) bei der Bewertung der Herangehensweise des BVerfG in BVerfGE 30, 1 ff. erkannt. 228 Zur unterschiedlichen Auslegung der einzelnen Voraussetzungen von Art. 79 Abs. 3 GG sogleich in § 9. 229 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 14; ähnliche Formulierungen bei BVerfGE 123, 267 (343) sowie Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 3. Zu der hiervon zu unterscheidenden Diskussion um die Verfassungswidrigkeit originärer Verfassungsnormen vgl. abermals die einleitenden Ausführungen in § 7 II. 230 BVerfGE 30, 1 (25) bzw. das Sondervotum in derselben Entscheidung, vgl. BVerfGE 30, 1/33 (38, 47), sowie BVerfGE 109, 279 (310). Zustimmend auch BayVerfGHE 52, 104 (123) in einem kurzen Einschub zu Art. 79 Abs. 3 GG anlässlich der Prüfung einer Änderung der Bayerischen Landesverfassung anhand der dortigen Ewigkeitsklausel in Art. 75 Abs. 1 S. 2. 231 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 38; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 80; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 9 bzw. ders., ZRP 2008, 90 (90, 92); Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 29; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 26; Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 18 a. E.; Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 27, 31 (dort heißt es: „nicht extensiv“); Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 151 ff.; Löw, DÖV 1979, 819 (822); Kölble, DÖV 1967, 1 (6); Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 181 f.; Murswiek, Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 19. Den Ausnahmecharakter ebenfalls bejahend Papier, Der Staat 27 (1988), 33 (48) bzw. ders., NJW 1991, 193 (195); Maunz, in: FS Laforet, S. 141 (145 f.); bezüglich der Formulierung „berührt“ im Wortlaut auch Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 19. Dabei erkennt Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (43) die Gefahr, dass die Unantastbarkeitsgarantie im Falle eines zu weitläufigen Verständnisses „zur kleinen Münze“ (so treffend a. a. O.) werden könne. Im Ergebnis ebenso ist bei Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 99 zwar nicht ausdrücklich von einer Restriktion die Rede, doch legt er die Norm offenbar in diesem Sinne aus, wenn er bloß die frei-

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

eine Restriktion der Normauslegung zu erzielen, d. h. Absatz 3 bezogen auf die inhaltlichen Voraussetzungen und Anforderungen eng auszulegen. Zur Begründung heißt es, dass das Volk in seiner Rolle als einstigem Verfassunggeber durch die Beschränkung von künftigen Änderungen dem Parlament, trotz dessen Zusammensetzung aus gewählten Volksvertretern, fortwährende Grenzen auferlegt habe.232 Die restriktive Anwendung und Auslegung, die sich somit auch auf die von Art. 79 Abs. 3 GG durch den Verweis eingeschlossene Volkssouveränität im Sinne von Art. 20 Abs. 2 GG gründet, dient folgegemäß der Prävention gegenüber einer neuen, das Grundgesetz ersetzenden Verfassung, wenn infolge zu weit verstandener Änderungssperren „vorschnelle ‚normative Zementierungen‘ zu einer Verkrustung des Verfassungsgefüges […] führen“.233 Eine solchermaßen zu erwartende Starrheit oder Rigidität234 soll auf diesem Wege frühzeitig vermieden werden. Zudem bestünde im Falle eines weiterreichenden Verständnisses der Revisionsschranke,

heitliche demokratische Grundordnung geschützt sieht (dazu im Einzelnen a. a. O.). Hingegen spricht Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 4 a (S. 168) sich eindeutig gegen ein extensives Normverständnis aus – er warnt jedoch gleichzeitig vor der Gefahr einer allzu weitgehenden Verengung des Normbereichs, z. B. nur auf verfassungsfeindliche Handlungen; s. a. ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 2 (S. 1098). Ähnlich wie zuvor, d. h. einen Mittelweg zwischen extensiver und restriktiver Auslegung befürwortend, auch Lerche, Aktuelle föderalistische Verfassungsfragen, S. 45 („maßvolles, elastisches Verständnis“) und Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 69, 152, weil eine Restriktion für die praktische Auslegung keinen Mehrwert habe. Für die maßvolle Auslegung bei gleichzeitiger Vermeidung einer Restriktion neben den vorgenannten Quellen außerdem: von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VI 3 in der dortigen Fn. 130 (S. 1885) und Dietlein, in: BeckOKGG, Art. 79 Rn. 3. 232 Das BVerfG spricht in BVerfGE 123, 267 (344) davon, das Volk habe ihnen „kein Mandat erteilt, über die Verfassungsidentität zu verfügen“. Eine entgegengesetzte Argumentation zeigt Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 80 auf, ohne sich ihr anzuschließen: Indem seitens der Verfassung ein unvergänglicher Kern verbürgt werde, könnte anzunehmen sein, dass man sich bewusst für eine fortwährende Disziplinierung des ansonsten mehrheitlich gebildeten Volkswillens entschieden habe. Ähnliche, i. E. jedoch kritische Darstellung bei Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 2 (S. 1098). 233 Zum Vorstehenden und zum Gesamtzitat Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 80 unter Einschluss einer Wendung, die ursprünglich von Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 31 gebildet wurde (dort „normativen Zementierungen“) und auch heute noch vielfach zur Beschreibung der von Art. 79 Abs. 3 GG ausgehenden Gefahren genutzt wird. 234 Zu diesen Begrifflichkeiten in Abgrenzung zu „biegsamen Verfassungen“ bereits Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 534 f. (zum wörtlichen Zitat S. 535) m. w. N. und Schmitt, Verfassungslehre, S. 17 (dort ebenfalls zum wörtlichen Zitat), wenngleich das Grundgesetz infolge seiner grundsätzlichen Änderbarkeit von Letztgenanntem sicherlich nicht als „absolut starre Verfassung“ (zu diesem Zitat a. a. O. in abstrakter Darstellung) klassifiziert, sondern ihm lediglich wegen der von Art. 79 GG festgelegten Voraussetzungen eine gewisse Starrheit attestiert worden wäre. Gleichwohl dürfte der Grundgedanke bei zu extensiver Auslegung der Schranken für Verfassungsrevisionen und demzufolge bei Annahme eines zu weitgehenden Schutzes bestehender Verfassungsgüter übertragbar sein. Die Begriffe aufgreifend schließlich auch Haug, Schranken der Verfassungsrevision, S. 152 ff.

§ 8 Grundlagen des Art. 79 Abs. 3 GG

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wonach im denkbar weitesten Sinne sämtliche Grundlagen der Verfassung mit irgendeinem Bezug zu den in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Regelungen der Unabänderlichkeit unterworfen wären, die beträchtliche Gefahr, die demokratische Souveränität erheblich zu schwächen, indem die normative Dynamik sowie die entwicklungsoffene Prägung des Grundgesetzes restlos verfassungsgerichtlicher Beherrschung unterläge.235 Ein anderer, nicht unbeträchtlicher Teil des Schrifttums236 warnt demgegenüber vor der abstrakten Unterstellung einer restriktiven Lesart der Unabänderlichkeitsnorm. Demgemäß werden Restriktionen ohne Bezug zur konkreten Auslegung und zum Einzelfall als „‚schiefe‘ […] Formel“237, „bedenkliche Relativierung“238 oder sogar als verfehlte Extremposition239 bezeichnet. Ein Minimalismus des Normverständnisses sei abzulehnen, weil ein solcher Ansatz in der Praxis kaum umzusetzen bzw. nicht förderlich sei und stattdessen erhebliche Probleme aufwerfe.240 Vor allem sei davor zu warnen, mit solchen abstrahierenden Maßstäben an die Auslegung „die Grenzen […] zu verflüchtigen“241 und das Telos der Norm zu entstellen.242 Es sei nicht ausgeschlossen, mit diesem Verhalten Art. 79 GG seiner Substanz zu berauben und seinen Absatz 3 zu entleeren, da der Verfassunggeber anscheinend durch die „geringen Hürden für die Verfassungsänderung“ eben jene fördern wollte und

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Zum Vorstehenden Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 29 und Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art.  79 Abs.  3 Rn.  152; s. a. Stern, Staatsrecht  III/2, § 89 III 2 (S.  1098). Die Gefahr, dass je nach der Weite der Auslegung der Unantastbarkeiten das BVerfG „fast jede Verfassungsänderung unmöglich machen“ könnte, betont Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 246 (dort auch zum Zitat) und lobt deshalb die bislang zu erkennende Zurückhaltung des Gerichts. 236 Hain, Grundsätze des GG, S. 70 f. begründet seine Ablehnung einer Restriktion ausführlich anhand der zu ihren Gunsten angeführten Argumente; vgl. auch ders., in: von Mangoldt /  Klein / Starck, GG, Art.  79 Rn.  32 sowie Tosch, Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers, S. 124 f. Vergleichbar zudem Alberts, Änderungsbefugnisse der Legislative, S. 29 ff. (mit Ergebnis auf S. 31) bzw. ders., JuS 1972, 319 (321) sowie Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 57 ff. (v. a. S. 61 a. E.); ferner Häberle, in: FS Haug, S. 81 (96), dort v. a. Fn. 55, bzw. ders., JZ 1971, 145 (150); Stern, JuS 1985, 329 (332) bzw. ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 2 (S. 1098); Schlink, Der Staat 12 (1973), 85 (108); Dreier, JZ 1994, 741 (749); Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 301; Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 154 f.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 703 (dort u. a. Fn. 7) und Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 90 ff. (insbes. S. 92). 237 So sehr anschaulich Häberle, in: FS Haug, S. 81 (96) in der dortigen Fn. 55 und dem folgend Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 2 (S. 1098). 238 So Häberle, JZ 1971, 145 (150). 239 Vgl. in diese Richtung bereits Schlink, Der Staat 12 (1973), 85 (108) und Stern, JuS 1985, 329 (332); ähnlich Alberts, JuS 1972, 319 (321), wonach es „Produkt tradierter Vorstellungen und verfehlter verfassungstheoretischer Erwägungen“ (a. a. O.) sei. 240 Dreier, JZ 1994, 741 (749); Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 90 ff. (insbes. S.  92); Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S.  301; Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 154 f. 241 So Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 703, dort v. a. Fn. 7. 242 Vgl. Dreier, JZ 1994, 741 (749).

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

zu enge Schranken das Risiko aufwerfen dürften, die Maßstäbe des Grundgesetzes in der zeitlichen Entwicklung zu hemmen.243 Die Begründungsansätze für die Verneinung einer Restriktion sind vielgestaltig: Zum einen wird versucht244, dem Absatz 3 im Verhältnis zu den Absätzen 1 und 2 den Ausnahmecharakter abzusprechen. Immerhin setze die Festlegung eines Ausnahmecharakters logischerweise die Existenz eines Regelfalles voraus, von welchem bei der erst durch Art. 79 GG gewährten Änderungsmöglichkeit der Verfassung keine Rede sein könne. Vielmehr seien Absatz 1 und 2 der Norm selbst Ausnahmen von dem Regelfall, dass die verfassungsändernde Gewalt den von der verfassunggebenden Gewalt stammenden Verfassungstext nicht abzuändern vermöge. Erst durch die Ermächtigung, selbst Änderungen vornehmen zu dürfen, habe der Verfassunggeber eine begrenzte Freiheit zur Vornahme von Änderungen zugelassen. Werde hiervon etwas ausgenommen, entspreche dies denklogisch nicht einer Ausnahme, sondern einer partiellen Rückbesinnung auf den eigentlichen Regelfall245 und damit einer Aufrechterhaltung der grundsätzlichen Bindungswirkung. Dass der Verfassunggeber diese Entscheidung einer Schrankenregelung zur Begrenzung der verfassungsändernden Gewalt getroffen habe, wird als Resultat der Volkssouveränität ebenfalls dem restriktiven Ansatz entgegengehalten.246 Zudem stünde bei einer zu starken Restriktion und damit Einengung des normativen Anwendungsbereichs der Schutzzweck zum Erhalt eines Verfassungskerns auf dem Spiel: Sobald Änderungen am Grundgesetz infolge einer möglicherweise zu engen Auslegung der Schrankenregelung anerkannt würden, werde die Verfassung in

243 Zum Vorstehenden samt Zitat abermals Dreier, JZ 1994, 741 (749). Dieser sieht umgekehrt aber auch die „Gefahr des Immobilismus“ (auch zu diesem Zitat a. a. O., ganz ähnlich Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 246), wenn die Ewigkeitsklausel zu viele Gegenstände erfasst und die Zukunftsträchtigkeit der Verfassung auf dem Spiel steht (dazu Dreier, a. a. O., S. 749 f.). Daraus folgert Dreier eine ambivalente Rolle der Schrankenregelung, die von der jeweiligen Einzelfallbetrachtung abhängt, um zu vermeiden, entweder „das Grundgesetz durch eine extensive Interpretation von Art. 79 Abs. 3 GG versteinern zu lassen oder durch eine restriktive Interpretation die Ewigkeitsklausel zu marginalisieren“ (weiterhin a. a. O., S. 750). Diese Überlegung legte zuvor auch schon Häberle, in: FS Haug, S. 81 (103 f.) deutlich knapper dar; insoweit zwiegespalten auch Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 69. Er nimmt vor allem Anstoß daran, dass zahlreiche Verfassungsprinzipien als Grundsätze im Sinne von Art.  79 Abs.  3 GG dem Ewigkeitscharakter beiwohnen, die nicht für den Bestand des Staates wesentlich seien (hierzu ebenfalls a. a. O.). 244 Vgl. Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 32 als Grundlage des nachfolgenden Begründungsansatzes. Vergleichbar auch Alberts, JuS 1972, 319 (321), der das Verständnis einer Ausnahme durch Unabänderlichkeit als vielfachen Irrtum deutet: Tatsächlich sei es umgekehrt und Absatz 3 nur ein „redaktionstechnischer Kniff“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.); in gleicher Weise auch Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 154 f. 245 D. h. die verfassunggebende Gewalt behält sich bestimmte Regelungen selbst vor und überträgt sie gerade nicht der verfassungsändernden Gewalt; hierzu erneut Alberts, JuS 1972, 319 (321). 246 Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 2 (S. 1098) und ebenso ders., JuS 1985, 329 (332).

§ 8 Grundlagen des Art. 79 Abs. 3 GG

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ihrer Gesamtheit bereits modifiziert und ihr Sinngehalt verschoben, womit am Schluss nur ein „Restbestand der Verfassung“ übrig bliebe.247 Schließlich werden gegen eine Restriktion erhebliche praktische Probleme angeführt: So sei eine künstliche Begrenzung der Norm bei den darin genannten, wenig eindeutigen oder einschränkenden Voraussetzungen (vgl. nur den Wortsinn von „berührt“) schwerlich vorstellbar und verlagere sich ohnehin auf die Klärung des Grundsatzgehalts von Art. 20 GG.248 Trotz dieser jeweils für sich nachvollziehbaren Argumente dürfte der restriktive Ansatz bei der Auslegung des Art. 79 Abs. 3 GG gleichwohl nicht gänzlich zu verneinen und daher jedenfalls in seinem Ansatz richtig sein.249 Sowohl Zielsetzung als historische Bedeutung der Revisionsschranken lassen darauf schließen, dass die Norm ihrer Bedeutung gemäß nur die zentralen Leitgedanken und nicht im weitesten Sinne alle davon berührten Normen des Grundgesetzes in ihren Schutz einbeziehen wollte. Dem entspricht auch der Wortlaut des Art. 79 Abs. 3 GG, der, wie die ablehnende Ansicht selbst anführt, relativ vage ist. Wollte man hingegen die darin genannten Grundsätze extensiv interpretieren, könnte man nahezu jede Norm mittelbar in den Schutzbereich einbinden, weil die Verfassungsprinzipien der Bundesstaatlichkeit, der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie das gesamte Grundgesetz durchziehen, es wie eine Schablone vorzeichnen und die wegweisenden Eckpunkte mitbestimmen. Doch belegt insbesondere der von Art.  79 Abs.  3 GG in Bezug genommene Teil anderer Normen (nur „Grundsätze“ von Art. 1 und Art. 20 GG, ihrerseits zentrale Verfassungsvorschriften), dass das Grundgesetz selbst von einer stark zurückhaltenden Inbezugnahme bestimmter Kerngehalte ausgeht. Dies wird im Einzelnen bei der konkreten Norminterpretation noch zu zeigen sein.250 Der letztgenannte Aspekt belegt damit auch deutlich – und dies ist der ablehnenden Auffassung jedenfalls zuzugeben bzw. liegt ihr womöglich sogar zugrunde –, dass abstrahierende Versuche einer Restriktion für das Verständnis der Norm wenig förderlich sind, wenn nicht zugleich eine angemessene Auslegung im Einzelfall erzielt werden kann. Dergestalt bestehen immerhin methodische Zweifel an der Überlegung, Normen schon allein wegen ihres Ausnahmecharakters restriktiv auslegen zu wollen.251 Nicht die Ausnahmestellung sollte eine eventuelle Restriktion bestimmen, sondern dies sollte alleine aufgrund von Wortlaut, Systematik 247 Zu der Argumentationslinie dieses Absatzes insgesamt einschließlich des Zitats eingehend Alberts, JuS 1972, 319 (321) m. w. N. Bezugnehmend auf die ursprüngliche Intention bei der Schaffung von Art. 79 Abs. 3 GG verdeutlicht er dies noch dadurch, dass die Norm schon „den Anfängen wehren“ (so sehr prägnant a. a. O., S. 321) solle und nicht erst einer Revolution. Vgl. zu dieser Thematik auch Häberle, JZ 1971, 145 (150 f.). 248 Nochmals Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 32. 249 Ebenfalls kritisch zu dem gesamten Streit über den Umfang einer Restriktion, aber ebenso an der Kritik hieran: Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 26 ff. 250 Vgl. hierzu eingehend die nachfolgenden Ausführungen in § 9. 251 Dazu allgemein Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 355 f. und dem folgend Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 2 (S. 1098).

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

und Zielsetzung, allerdings mit Schwerpunkt auf ersterem, angezeigt erscheinen. Besonders in der letztgenannten Auslegungsmethode kann allerdings auch die beabsichtigte restriktive Fassung im Sinne einer teleologischen Betrachtung zur Geltung gelangen. Ob demgemäß eine Restriktion von Art. 79 Abs. 3 GG vorzunehmen sein oder aber darauf verzichtet werden sollte, bedarf in ihrer Abstraktheit – und damit bereits an dieser Stelle – keiner abschließenden Entscheidung. Denn es handelt sich im Kern um eine rein theoretische Erörterung252, wie weit die Grenzen der Unabänderlichkeit gezogen werden dürfen. Wie weit sie hingegen tatsächlich bei der konkreten Beurteilung eines vorgelegten Zweifelsfalls zu ziehen sind, bemisst sich nach der Auslegung der einzelnen Voraussetzungen des Art. 79 Abs. 3 GG (hierzu nachfolgend ausführlich in § 9). Selbst wenn man den Ausnahmecharakter an dieser Stelle abstrakt unterstellt, ist für die Interpretation der Norm und ihre Reichweite im Einzelfall noch keine Klarheit gewonnen. Stattdessen soll nachstehend eingehend auf die einzelnen Anforderungen an den Schutz gewisser Kerngehalte des Grundgesetzes vor Verfassungsänderungen eingegangen werden. Soweit diesbezüglich unterschiedliche Meinungen vertreten werden und sich inhaltlich auswirken, wird dies an der jeweiligen Stelle in Bezug auf das jeweilige fragliche Merkmal aufgezeigt. Eine abstrakte Festlegung, ob mit oder ohne Restriktion vorzugehen ist, hilft angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen, die erst in ihrer Kombination die Schrankenregelung ausmachen, nicht weiter bzw. ist in dieser Allgemeinheit jedenfalls nicht möglich. Dem hier vertretenen Verständnis folgend soll daher von einer zusätzlichen, gewissermaßen künstlich erzwungenen Restriktion der Norm zugunsten einer klaren Interpretation der Tatbestandsvoraussetzungen Abstand genommen werden.

252 Vgl. sehr treffend die Bewertung der Diskussion als „wenig gewinnbringend“ bei Estel, Bundesstaatsprinzip und direkte Demokratie im GG, S. 38. Auch Hain, Grundsätze des GG, S. 70 spricht diesem Umstand lediglich eine „geringe argumentationssteuernde Kraft im konkreten Fall“ zu und zieht als Beispiel die in BVerfGE 30, 1 (25) abgedruckte Entscheidung des BVerfG mitsamt dem diesbezüglichen Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (38) heran, weil darin sowohl die Senatsmehrheit als auch das Sondervotum die Restriktion bejahen, gleichwohl aber zu gegensätzlichen Ergebnissen gelangen.

§ 9 Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 GG Art. 79 Abs. 3 GG verlangt ausgehend von seinem Wortlaut, dass die genannten „Grundsätze“ durch die Verfassungsänderung „berührt“ werden. In Anbetracht der zuvor erläuterten Regelung der Revisionsschranken und daneben der prinzipiellen, historisch begründeten Zielrichtung1 von Art. 79 Abs. 3 GG sind die Anforderungen an die Beeinträchtigung der unabänderlichen Bestandteile vergleichsweise hoch. Zugleich wird die Festlegung aller der Unabänderlichkeit unterliegenden Gehalte dadurch noch erschwert, dass ihre rechtliche Ausgestaltung wenig substantiiert sowie vor allem mit Blick auf den Handlungsmaßstab („berührt“) „außerordentlich rigide formuliert“2 ist und solchermaßen für den unbefangenen Betrachter auf den ersten Blick nicht bzw. nur bedingt durchdringbar scheint.3 Die Norm ist gleichsam „der Auslegung in hohem Maße fähig, aber auch bedürftig“4. Dies wiederum hat zur Folge, dass sich ihr Verständnis mit Ausnahme bestimmter gleichbleibender Spezifika über die Zeit hinweg ändern kann.5 In gewisser Weise können hierbei rechtshistorisch sogar die Verfassungen anderer Staaten rechtsvergleichend Berücksichtigung im Rahmen der Auslegung finden.6 Um bei der Suche nach normativen Vorgaben einer kaum zu präzisierenden Abstraktheit7 zu entgehen, ist deshalb die Konzentration stets auf spezifische Situa 1

Hierzu bereits vorstehend in § 8. So Stern, JuS 1985, 329 (332). Fast identische Formulierung bei Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 32, dem zufolge die Norm darüber hinaus „ein ganz erhebliches Maß an normativer Offenheit“ (auch hierzu a. a. O.) offenbare; s. a. Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 58; Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 72. 3 Vgl. Erichsen, VerwArch 62 (1971), 291 (294), wonach es „kein Muster an Klarheit und Eindeutigkeit“ (so ebenfalls a. a. O.) zur Verfügung stelle. Unter Bezugnahme hierauf spricht Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 1 (S. 1097) von dem bislang undurchdrungenen „Nebel um die Unantastbarkeitsgarantie“. 4 So Hall, JuS 1972, 132 (135). Die besondere Schwierigkeit der Verfassungsgrenzen liegt heute, anders als noch zu Zeiten der Weimarer Reichsverfassung, als um die Existenz von Schranken generaliter gestritten wurde, in der Ermittlung ihres konkreten sachlichen Gehalts, vgl. ebenso schon Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 8. 5 Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 76. 6 Diesbezüglich schlägt Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 20 eine Suche nach vergleichbaren Rechtsgrundlagen mit anschließender Auswertung ihrer Reichweite und Gegenüberstellung zur deutschen Regelung vor. Auch Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 2 c β (S. 1087) erkennt die Verfassungsvergleichung als zulässiges Mittel an, um die unentbehrlichen Grundsätze zu finden bzw. zu charakterisieren. 7 Von Steinberg, JZ 1980, 385 (389) treffend in der Fragestellung zusammengefasst: „Wo ist der schmale Pfad geborener Verfassungsänderungen zwischen der Scylla einer ‚Erschütterung des Vertrauens auf die Unverbrüchlichkeit der Verfassung und dadurch eine(r) Schwächung ihrer 2

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

tionen zu lenken und jede der Schutzwirkung unterliegende Norm (d. h. vor allem Art. 1 und Art. 20 GG) einzeln in ihrer Reichweite zu untersuchen.8 Gleichwohl sollen an dieser Stelle zunächst abstrakte Überlegungen zum Inhalt des Art. 79 Abs. 3 GG vorangestellt werden, um das System, die Zielsetzung und den Umfang der Revisionsschranken besser einordnen zu können.

I. Bedeutungsgehalt „berührt“ Bei der Suche nach einer geeigneten Auslegungsweise der Revisionsschranke rückt naturgemäß9 als erstes derjenige Begriff ins Blickfeld, der alle nicht akzeptierten Handlungsweisen des verfassungsändernden Gesetzgebers beschreibt bzw. im Umkehrschluss die zulässigen Möglichkeiten näher definiert. Im Mittelpunkt jeder Auslegung und Interpretation steht deswegen das jeweilige Prädikat, in Art. 79 Abs. 3 GG demnach das Wort „berührt“. Bei dessen Auslegung hat sich ein differenziertes Meinungsbild verfestigt, welches nachstehend zunächst wiedergegeben und sodann – im Anschluss an die weitere Auseinandersetzung mit den „Grundsätzen“ im Sinne der Vorschrift – im Rahmen einer von der Auslegung des Verfassungstextes ausgehenden Stellungnahme kritisch bewertet werden soll. 1. Ansatz des Bundesverfassungsgerichts Das heute vorherrschende Verständnis ist maßgeblich durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung10 fundiert und von Teilen der Literatur aufgegrif­ normativen Kraft‘ und der Charybdis der Stagnation und Verwitterung der Verfassung, die chronisch umgangen wird oder nötige Reformen verhindert?“ Insoweit bediente Steinberg sich allerdings eines Teilrückgriffs (s. inneres Zitat) auf Hesse, Normative Kraft der Verfassung, S. 15 und entlehnte seine Anspielung auf die griechische Mythologie von Loewenstein, Wesen, Technik und Grenzen der Verfassungsänderung, S. 28 f., der seinerseits bildlich das „Verfassungsschiff“ (so treffend a. a. O.) in diese schwierigen Fahrwässern der Antike versetzte. Schließlich allgemein zur Schwierigkeit, das rechte Maß zwischen Stabilität und Stagnation zu finden, auch Grimm, AöR 97 (1972), 489 (505). 8 Vergleichbar Steinberg, JZ 1980, 385 (389). Zu der damit geforderten Untersuchung der Vorschriften auf ihren jeweiligen Grundsatzgehalt vgl. nachfolgend die Ausführungen in § 10 II. 9 Dass in der praktischen Diskussion oftmals an der Auslegung eines konkreten Grundsatzes und nicht – dem vorausgehend – an den Anforderungen der Ewigkeitsgarantie angesetzt wird, ist leider eine weit verbreitete Nachlässigkeit. Schon Geiger, BayVBl. 1964, 65 (65) plädierte eindringlich dafür, letzteres „mit derselben Akribie“ wie an anderen Stellen zu betreiben. Diese Empfehlung lässt sich zweifellos auf alle weiteren Detailfragen entsprechend ausdehnen; ihr soll deshalb nachstehend als erstes nachgekommen werden. 10 BVerfGE 30, 1 (24 ff., Ls. 5), BVerfGE 84, 90 (121), BVerfGE 94, 12 (34), BVerfGE 94, 49 (102 f.) sowie BVerfGE 109, 279 (309 ff.). Gute Zusammenfassung der zentralen Entscheidung mitsamt der abweichenden Stimmen darin (dazu nachfolgend in § 9 I. 2.) bei Weber, JuS 1971, 204 ff. Demgegenüber klingt dieser Maßstab in der aktuellsten bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zu Art. 91e GG, abgedruckt in BVerfGE 137, 108 (144 f.), lediglich durch einen

§ 9 Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 GG

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fen11  worden. Danach sei es als Aufgabe der Schrankenregelung für Verfassungsänderungen im Wesentlichen anzusehen, „eine prinzipielle Preisgabe“ der Verfassungsprinzipien zu vermeiden.12 Zur Begründung dieses Verständnisses greift das Bundesverfassungsgericht seit dem Jahr 1970 auf den Normzweck des Art. 79 Abs. 3 GG zurück: Dieser liege als Folge der Beratungen des Herrenchiemseer Verfassungskonvents darin, „zu verhindern, daß die geltende Verfassungsordnung in ihrer Substanz, in ihren Grundlagen auf dem formal-legalistischen Weg eines verfassungsändernden Gesetzes beseitigt und zur nachträglichen Legalisierung eines totalitären Regimes mißbraucht werden kann“13. Gleichzeitig stellt das Gericht in seiner grundlegenden Entscheidung im 30. Band klar, dass dieser Ansatz nicht der aus dem Ausnahmecharakter der Norm entspringenden Möglichkeit entgegenstehe, „durch verfassungsänderndes Gesetz auch elementare Verfassungsgrundsätze systemimmanent zu modifizieren“14, solange dies in ausreichendem Maße gerechtfertigt werde.15 Dem Ansatz des Bundesknappen Verweis auf die frühere Rspr. samt der dortigen „engen Interpretation“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O., S. 145) an. Sodann wird zum Beleg, dass auch nach der weiten Auslegung kein Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG erkennbar sei, alleine die abweichende Auffassung (siehe bereits die vorherige Bezugnahme) in Kürze referiert und der abschließenden Feststellung zur Verfassungsmäßigkeit von Art. 91e GG im Sinne eines Erst-Recht-Schlusses zugrunde gelegt. Für die Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 79 Abs. 3 GG sind die dortigen Ausführungen mithin unergiebig (dazu ausführlich an späterer Stelle in § 11 I. a. E.). 11 Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 63; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 19 (unter expliziter Ablehnung abweichender Auffassungen); Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 29; Schneider, in: FG Maunz, S. 345 (354 f.). 12 Zum Vorstehenden samt Zitat BVerfGE 30, 1 (Ls.  5 und 24), BVerfGE 84, 90 (121), BVerfGE 94, 12 (34), BVerfGE 94, 49 (102 f.) sowie BVerfGE 109, 279 (309 ff.); zustimmend Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 63; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 19; Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 29. 13 So BVerfGE 30, 1 (24). Der zentrale Ansatz des BVerfG liegt mithin darin, eine „Revolutionsverbot“ zu statuieren, so Dreier, JZ 1994, 741 (749), bzw. ein „revolutionäres Verfassungsbeseitigungsverbot“, so Stern, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, in: Ausgewählte Schriften und Vorträge, S. 269 (275); zudem ders., Staatsrecht I, § 4 II 2 a β (S. 115). Schließlich noch Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 29, der dies allerdings als Reduktion des Einflusses von Art. 79 Abs. 3 GG versteht. 14 So BVerfGE 30, 1 (Ls. 5 und 25). Zustimmend Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 19 sowie im Grunde auch Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 37, der über die sachgerechten Gründe (dazu sogleich im Fließtext und Fn. 15 f.) hinaus jedoch „mindestens zwingende Gründe“ (auch hierzu a. a. O.) verlangt – dargestellt am Beispiel des Demokratieprinzips. 15 Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 63 versteht dies – ohne dass darin ein Widerspruch zum grundlegenden Ansatz läge – als bessere, da tendenziell stärker eingrenzende Formel mit weniger Freiraum für den verfassungsändernden Gesetzgeber. Zwar räumt er ein, dass mit diesen Formulierungen infolge der ihnen fehlenden Schärfe weitreichende Umbildungen „der ursprünglichen Verfassungsarchitektur“ (a. a. O.) tragbar wären. Ungeachtet dessen seien diese beiden Ansätze – ihrerseits von der späteren Rechtsprechung adaptiert (vgl. die Reihe der Entscheidungen in Fn. 10) – als Versuche zur näheren Ausformung des von dem Stichwort ‚prinzipielle Preisgabe‘ – vgl. insoweit die Fundstellen in Fn. 12 – eröffneten „Korridors“ zu verstehen (hierzu samt Zitat weiterhin a. a. O.): Wolle der verfassungsändernde Gesetzgeber einen der geschützten Grundsätze modellieren, dann sei dies durch besondere („evident sachgerechte“, siehe

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

verfassungsgerichts liegt insofern folgender Gedanke zugrunde: „Grundsätze werden ‚als Grundsätze‘ von vornherein nicht ‚berührt‘, wenn ihnen im allgemeinen Rechnung getragen wird und sie nur für eine Sonderlage entsprechend deren Eigenart aus evident sachgerechten Gründen modifiziert werden“16. Dies gilt insbesondere – ohne dass es das Gericht konkret angesprochen hätte – unabhängig von dem Umstand, ob der verfassungsändernde Gesetzgeber in verfassungsfeindlicher Absicht bewusst einen solchen Normkonflikt herbeiführt oder derartige Änderungen bloß irrtümlich bei fortdauernder Verfassungstreue vornimmt.17 In der Rechtsprechungshistorie des Bundesverfassungsgerichts waren Verfassungsänderungen bereits mehrfach18 Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen, wurden allerdings trotz teilweise zunächst bestehender Zweifel stets (zumindest mehrheitlich) als verfassungsrechtlich zulässig gebilligt.19 Auf Grundlage des vorgenannten Verständnisses können theoretisch auch Wortlautänderungen von Art. 1 und 20 GG nicht absolut ausgeschlossen sein.20 Allerdings dürfte dies praktisch nur schwierig umzusetzen sein, da die Schutzgehalte materiell-inhaltlich gemäß der Ewigkeitsgarantie gerade nicht berührt werden dürfen und Wortlautänderungen regelmäßig mit weitreichenden Verschiebungen bzw. Verzerrungen des Interpretationsgehalts einhergehen dürften. Immerhin aber wird der Umfang, innerhalb dessen Inhalte des hierzu das im Fließtext nachfolgende Zitat und diesbezüglich die Nachweise in der folgenden Fn. 16) Gründe zu rechtfertigen. Herdegen (erneut a. a. O., dort auch nachstehenden wörtlichen Zitat) folgert hieraus eine „Zone, in der sich die Grenzen der Verfassungsänderung erst aus einer Gesamtwürdigung der von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Strukturelemente mit all ihren Gegenläufigkeiten erschließen.“ 16 So die zentrale Formulierung in BVerfGE 30, 1 (24). Prinzipiell fortgesetzt und auszugsweise / verkürzt wiedergegeben in BVerfGE 84, 90 (121), BVerfGE 94, 49 (103), BVerfGE 94, 12 (34) und BVerfGE 109, 279 (310); zudem in BVerfGE 89, 155 (208) und jüngst auch BVerfGE 137, 108 (144 f.) jeweils ohne nähere Wiedergabe der Anforderungen bzw. ohne nähere Subsumtion angewendet. Im Schrifttum aufgegriffen von Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art.  79 Rn.  40; Dreier, in: Dreier, GG, Art.  79  III Rn.  19; Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 29; Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 22. 17 Vgl. insoweit bereits die Nachweise in Fn.  151 in § 8 IV. 3. Insoweit geht Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 29 davon aus, dass die Unabänderlichkeitsklausel in Anbetracht der bundesverfassungsgerichtlich vorgegebenen engen Auslegung praktisch alleine im Zuge einer Revolution relevant werden, diese sodann jedoch ohnehin nicht hindern könne. 18 Vgl. hierzu die Auflistung der bislang zu Art. 79 Abs. 3 GG ergangenen Entscheidungen in § 7 III. 19 Im Nachgang zu BVerfGE 30, 1 (29 ff.) u. a. noch BVerfGE 84, 90 (117 ff.); BVerfGE 94, 12 (34 ff.); BVerfGE 94, 49 (102 ff.); BVerfGE 95, 48 (60 ff.); BVerfGE 109, 279 (309 ff.). Demgegenüber befürworteten einige sondervotierende Richter in den Sondervoten BVerfGE 30, 1/33 ff. sowie BVerfGE 109, 279/382 ff. die Verfassungswidrigkeit der jeweils vorgelegten Grundgesetzänderungen, dazu sogleich ausführlich in § 9 I. 2. 20 Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 38; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 159; Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 68. Dass auch das BVerfG in seiner zentralen Entscheidung (sog. „Abhörurteil“, BVerfGE 30, 1 ff.) diese These zugrunde legte, lässt sich an der dort (a. a. O., S. 24, auch zum nachfolgenden Zitat) herangezogenen Formulierung ablesen, Art. 79 Abs. 3 GG enthalte „zum Teil mehr, zum Teil weniger“ als das Verbot jeder Verfassungsänderung der darin genannten Grundsätze.

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Grundgesetzes nicht einmal angetastet werden dürfen, unter Zugrundelegung der vorstehend erläuterten Basis auf einen „invariablen Kernbereich“21 beschränkt, der darüber hinausgehende Änderungen zulässt und von dem einzelne Ausformungen der Prinzipien ausgenommen bleiben. Durch seine Formulierungen hat das Bundesverfassungsgericht hierbei deutlich zu erkennen gegeben, dass es den Begriff „Berühren“ als zusätzliche Restriktion des Norminhalts versteht. Denn Art. 79 Abs. 3 GG untersage „nur“22 das Berühren der Grundsätze, weshalb im Umkehrschluss eben nicht jedes Einwirken auf diese zur Nichtigkeit einer Verfassungsänderung führen könne. Das Gericht betont nicht umsonst im Zuge seiner jüngeren Ausführungen, dass die Unantastbarkeitsgarantie eine „eng auszulegende Ausnahmevorschrift“23 sei. Unter dieser Prämisse hat das Bundesverfassungsgericht eigene Maßstäbe dafür geprägt, ob eine Verfassungsänderung die Grenzen der Ewigkeitsgarantie überschreitet oder sich noch innerhalb dieses verfassungsgegebenen Rahmens hält. Ausgehend von den bisherigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, welche jeweils die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen betrafen und allesamt jedenfalls mehrheitlich zu einer Vereinbarkeit mit Art. 79 Abs. 3 GG gelangten, lässt sich erkennen, dass an die Annahme einer Verfassungsverstoßes nach diesem Ansatz sehr strenge Anforderungen zu richten sind. Der Begrifflichkeit „berührt“ kommt hierbei neben der Voraussetzung „Grundsätze“ eine gleichermaßen beschränkende Rolle zu. Überhaupt ist in der Rechtsprechung zu erkennen, dass das Gericht auf eine deutliche Restriktion des Art. 79 Abs. 3 GG dringt, um dem verfassungsändernden Gesetzgeber große Gestaltungsspielräume zu belassen. Seither wird die Berührung der Verfassungsprinzipien und -grundsätze von dem Bundesverfassungsgericht24 und dem folgend Teilen der Literatur25 mit dem Erfordernis prinzipieller Preisgabe gleichgesetzt. Auf diese Weise erfolgt gewissermaßen eine Verbindung des Merkmals „berührt“ mit der verengenden Bezugnahme 21

So Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 47. So BVerfGE 84, 90 (121); BVerfGE 94, 12 (34) sowie BVerfGE 94, 49 (103). 23 So ausdrücklich BVerfGE 109, 279 (310); vgl. die ausführliche Darstellung in § 8 VII. 24 Ständige Rspr. seit BVerfGE 30, 1 (24); im Anschluss u. a. BVerfGE 84, 90 (121); BVerfGE 109, 279 (310) und weitere. Abweichend hingegen die Sondervoten in BVerfGE 30, 1/33 (38 ff.) und BVerfGE 109, 279/382 (382 ff.). 25 Vgl. etwa Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 40 sowie Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 150, der die enge Auslegung als einzige Möglichkeit versteht, um Wortlaut und Zweck der Norm gerecht zu werden. Auch Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 19 und Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 29 schließen sich trotz gewisser Bedenken hinsichtlich des Charakters eines bloßen Revolutionsverbots im Ergebnis dieser Auffassung an. Gleiches gilt für Schneider, in: FG Maunz, S. 345 (354 f.), der die gegenteilige Auffassung des Sondervotums (dazu sogleich) gar als „lebensfremd, ja absurd“ (S. 354) bezeichnet. Bei Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 43 ff. findet sich ein an das BVerfG zwar angelehnter, im Einzelnen aber losgelöster Ansatz mit eigenen Abgrenzungen und Begrifflichkeiten – dieser dürfte im Vergleich ähnlich streng zu interpretieren sein. 22

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

der Norm auf Grundsätze.26 Resultat dieses Verständnisses ist ein „Mittelweg zwischen der Minimalisierung des Abs. 3 und ‚normativen Zementierungen‘, die dem (verfassungsändernden) Gesetzgeber keinen Spielraum für die Bewältigung neuer Lagen lassen“27. Damit hebt diese Auffassung, allen voran das höchste Gericht, deutlich den Anspruch des Art. 79 Abs. 3 GG heraus, eine zukunfts- und gestaltungsoffene Entwicklung des (fort)bestehenden Grundgesetz-Gefüges nicht zu behindern.28 Die bloße „Möglichkeit des rechts- und verfassungswidrigen Mißbrauches“ dürfe nicht bereits dazu führen, eine Verfassungsänderung nicht zuzulassen29 und damit gegebenenfalls notwendige Anpassungen oder Entwicklungen nachhaltig zu behindern. Die Ähnlichkeit zur Wesensgehaltsgarantie in Art.  19 Abs. 2 GG wurde in diesem Zusammenhang zwar mehrfach betont30 und ist bei diesem Verständnis unverkennbar, wird allerdings nur als Indiz und nicht als Maßstab herangezogen.31 Im Ergebnis soll die Schutzwirkung der Norm zwar generell gelten, kann aber im Einzelfall, etwa wenn der verfassungsändernde Gesetzgeber einen Grundsatz nur partiell modifiziert und ihn im Übrigen berücksichtigt, in ihrer Reichweite begrenzte Umgestaltungen zulassen. Der Schrankennorm kommt insoweit Bedeutung „als eine[r] Art institutioneller Garantie“32 zu. Allerdings greift dieser Schutz noch weiter, als man nach den obigen Darstellungen zum Schutzumfang bezogen auf jedes einzelne Verfassungsprinzip zunächst vermuten könnte: Denn obwohl weitere verfassungsrechtliche Konkretisierungen 26

Dazu eingehend sogleich in § 9 II. So in der Gesamtfassung Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 29. Das im Fließtext zitierte Gesamtzitat greift als Teilelement („normativen Zementierungen“, s. o.) eine bereits von Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 31 stammende Wendung auf. Gleichwohl empfindet Bryde (a. a. O., Rn. 29, dort auch zum nachstehenden wörtlichen Zitat) es trotz gewisser Bedenken – wie auch Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 19 – insgesamt als „abgewogenes Prüfungsprogramm“. 28 Vgl. „dehnbar“ mit den Worten von Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 47. 29 Zum Vorstehenden samt Zitat BVerfGE 30, 1 (27), wonach regelmäßig eine Vermutung zugunsten des ordnungsgemäß-verfassungsgerechten Handelns staatlicher Organe streite. 30 In dieser Weise etwa BVerfGE 30, 1 (24). Allerdings sah BVerfGE 109, 279 (311) den Wesensgehalt nur „im Einzelfall zugleich“ mit der Unantastbarkeitsgarantie betroffen und regelmäßig einzig Art. 79 Abs. 3 GG als maßstabsbildend an. Aus der Literatur befürwortend: Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 149 und Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 40. Davon ausgehend folgert Stern, Staatsrecht I, § 4 II 2 a β (S. 115), dass das Gericht „berühren“ im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG mit der Formulierung in Art. 19 Abs. 2 GG („in seinem Wesensgehalt angetastet“) gleichsetzt. 31 Nach Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art.  79 Abs.  3 Rn.  174 und Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art.  79 Rn.  40 lässt sich der Menschenwürdegehalt eines Grundrechts, der alleine über Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 79 Abs. 3 GG geschützt sei, nicht mit dem Wesensgehalt desselben gleichsetzen. Nur im Einzelfall reiche eine Beeinträchtigung des Wesensgehalts aus, um zugleich einen Grundsatz im Sinne der Ewigkeitsgarantie zu berühren; ähnlich Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 37. 32 In dieser Weise zu Art. 79 Abs. 3 GG Erichsen, Staatsrecht  II, S. 20 bzw. später ders., Jura 1992, 52 (53) in Anknüpfung an seine allgemeinen Ausführungen bei ders., Staatsrecht I, S. 199 f., wonach durch diese Bezeichnung der „Schutz gewisser […] Mindestinhalte“ (so Erichsen am letztgenannten Ort) dargetan werde. 27

§ 9 Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 GG

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dieser Prinzipien außerhalb von Art. 1 und 20 GG durch Art. 79 Abs. 3 GG nicht bzw. nur in engen Grenzen erfasst werden, unterliegt auch ihre Änderung gewissen Beschränkungen. Die Schaffung neuer oder die Änderung bereits bestehender Verfassungsnormen darf zu keinem Zeitpunkt zu einer Kollisionslage mit den als unabänderlich erkannten Verfassungsgrundsätzen führen.33 2. Kritik und abweichender Ansatz der Literatur Vielfach wird ein derart restriktives und konstruiertes Verständnis der Anforderungen, wie es das Bundesverfassungsgericht und dem folgend Teile der Literatur formuliert haben, von einer Minderheit der Verfassungsrichter34 sowie diesen zustimmend von einigen Landesverfassungsrichtern35 und vor allem in weiten Teilen des Schrifttums36 jedoch abgelehnt. Dabei werden die verfassungsgerichtlichen 33 Konkret mit ihrem „normativen Gehalt“, so Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 39. 34 Abweichende Bewertung der dem Gericht zur Entscheidung vorgelegten Verfassungsänderung durch die Richter Geller, von Schlabrendorff und Rupp im Sondervotum zum sog. „Abhörurteil“, vgl. BVerfGE 30, 1/33 (41 ff.). Um einen interessanten Nebenaspekt dieser Entscheidung handelt es sich bei dem Umstand, dass die Möglichkeit eines Sondervotums der überstimmten Richter (sog. „dissenting opinion“) zur gleichen Zeit erst durch Neufassung von § 30 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes mit Änderungsgesetz vom 21. Dezember 1970 (BGBl. I, S. 1765) eingeführt wurde und in diesem Urteil seinen ersten Praxiseinsatz erlangte. Diesbezüglich weist Hall, JuS 1972, 132 (133) auf die Problematik hin, dass die Regelungen zur Möglichkeit eines Sondervotums zwar erst am 25. Dezember 1970 in Kraft trat (und eine Rückwirkung nicht vorsah), gleichwohl aber bei dem bereits am 15. Dezember 1970 verkündeten Abhörurteil schon angewendet wurde. Im Ergebnis erkennt er die Möglichkeit eines Sondervotums jedoch bereits im ersten Fall als sinnvoll an (ebenfalls a. a. O., S. 137). Entsprechend sieht auch Kalkbrenner, BayVBl. 1971, 146 (146) die neue Möglichkeit als bewährt an. 35 In einer Entscheidung vom 19.  September 2001 schloss sich der Thüringer VerfGH in LVerfGE 12, 405 (426) – anlässlich einer Auslegung der mit Art. 79 Abs. 3 GG nahezu wortlautidentischen Regelung in Art. 83 Abs. 3 der Thüringer Landesverfassung ausdrücklich der im Sondervotum zum Abhörurteil und dem Schrifttum (insoweit m. w. N., dazu sogleich in Fn. 36) vorherrschenden Auffassung an, da hierfür „die überzeugenderen Argumente“ (a. a. O.) sprächen und dies insbesondere dem Wortlaut der Ewigkeitsklausel am ehesten gerecht werde. 36 Darunter etwa Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 11 und Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 36, bei Letzterem u. a. unter Verweis auf die abweichende Meinung im Urteil und in Anknüpfung an das vorherige Plädoyer von Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (43). Sehr deutlich ebenfalls Rupp, NJW 1971, 284 (284) (nicht zu verwechseln mit einem der sondervotierenden Richter), der die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung für verfehlt hält und anmerkt, dass das „BVerfG seine Urteilskritik selbst geschrieben“ (so explizit a. a. O.) habe; dem zustimmend Hall, JuS 1972, 132 (135, 137); Erichsen, VerwArch 62 (1971), 291 (294 ff.); Maurer, Staatsrecht I, § 22 Rn. 20; von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 95, 97; Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 20 bzw. ders., Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 218 f.; Stern, Staatsrecht I, § 4 II 2 a ε (S. 116) bzw. ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 7 c (S. 1107 f.); Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 24. Schon fast despektierlich der Verweis auf die laut Duden richtige Wortbedeutung bei Ridder, in: AK-GG (2. Aufl. 1989), Art. 79 Rn. 36 samt der Klassifizierung als „intellektuell anspruchslosen Mogelversuch“ (auch hierzu a. a. O.). Demgegenüber eher zurückhaltend, aber im Kern wohl derselben Ansicht Maunz, Dt. Staatsrecht

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

Entscheidungen in zahlreichen dieser Stellungnahmen als misslungen o. ä. beurteilt: Kritisiert wird vornehmlich, das Urteil unterschlage eine nähere Beurteilung der geschützten Grundsätze, „verharmlost“ die Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 GG, „verliert sich […] in subjektiven Werturteilen“37 und „bricht ohne Not mit gesicherten Ergebnissen der Dogmatik und der eigenen Rechtsprechung“38. Die Vertreter dieser Sichtweise interpretieren das Berühren eher weit und ziehen die nötigen Grenzen, damit die verfassungsändernde Gewalt weiterhin ihrer Arbeit nachkommen kann, ausschließlich bei dem jeweiligen Änderungsobjekt, d. h. im Zuge der Auslegung der in Art. 1 und Art. 20 GG enthaltenen Grundsätze. Anders als vom Bundesverfassungsgericht bzw. (genauer:) der dortigen Senatsmehrheit vertreten sei in Anbetracht von Formulierung des Verfassungstextes („berührt“)39 (7. Aufl. 1958), S. § 7 III c (S. 50 f.); Kalkbrenner, BayVBl. 1971, 146 (147); Häberle, JZ 1971, 145 (145, 149 f.); Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (68). Letztgenannte gelangt nach gründlicher Auslegung der Unantastbarkeitsgarantie (dazu ebenfalls a. a. O., S. 64 ff.) zu diesem Ergebnis. Wenngleich nicht vollkommen, so doch im Wesentlichen den Ausführungen der abweichenden Richter beipflichtend: Hain, Grundsätze des GG, S. 47 f. Deutlich kritischer hingegen wegen fehlender Alternativmodelle Alberts, JuS 1972, 319 (320): Er stimmt den kritischen Auseinandersetzungen mit dem Abhörurteil im Ergebnis zwar wohl zu, sieht in den dort herangezogenen Floskeln aber „per se erst einmal Leerformeln, die genausowenig fundiert sind wie die Ansicht des Mehrheitsvotums“ (weiterhin a. a. O.). Guter Überblick über die das Urteil kritisierenden Autoren bzw. die wenigen dem BVerfG beipflichtenden Stimmen bei Schlink, Der Staat 12 (1973), 85 (85 f.), der im Anschluss (S. 86 ff.) die einzelnen Elemente der Entscheidung beleuchtet und ihnen jeweils die Einwände gegenüberstellt. Dabei hält er (a. a. O.) letzteren, obwohl im Prinzip die Herangehensweise des BVerfG ebenfalls kritisierend, entgegen, selbst zu theoretisch zu argumentieren und keine gangbaren Alternativen aufzuzeigen. Trotz allem sei die Entscheidung jedoch, soweit man das Ergebnis betrachte, inhaltlich überzeugend und lediglich die Phrasen des BVerfG abkömmlich (auch diesbezüglich noch Schlink, a. a. O., S. 97). 37 Für dieses und das vorhergehende Zitat als Beispiele der Abwertungen in der Literatur siehe stellvertretend nur Rupp, NJW 1971, 284 (284). Sehr eindringlich auch seine Aussage, durch die Häufung nicht überzeugender Abstraktion werde „jede Argumentationsbasis verschüttet“ (abermals a. a. O., S. 284). Darüber hinaus finden sich noch zahlreiche andere kritische Formulierungen: So handele sich etwa um eine sehr „minimalistische Auslegung“, so Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 239, mit der das Gericht – wenngleich nach seiner Ansicht in der Sache sehr gewandt – die Norm „wirkungslos macht“ (so erneut a. a. O., S. 240); zustimmend Stern, JuS 1985, 329 (331) und Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (498). Vernichtend zudem Häberle, JZ 1971, 145 (149), wonach das Verständnis des Gerichts dazu führe, „Art. 79 Abs. 3 GG zu minimalisieren“ (S. 149) und zu relativieren (S. 150). In ähnlicher Weise schließlich von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 95 und Rn. 97; an letztgenannter Stelle heißt es zum Beispiel, dass diese „schwammige Aussage […] unbefriedigend“ sei. 38 So Häberle, JZ 1971, 145 (145 f.), der dem BVerfG in diesem Zusammenhang eine abkömmliche richterliche Selbstbeschränkung bei zentralen Verfassungsfragen sowie u. a. „Begründungsdefizite, […] Leerformeln“ (so S. 146), unzureichend dogmatisch fundierte Schlussfolgerungen und abkömmliche Wortneuschöpfungen vorwirft. Damit überreize das BVerfG seine eigentliche, von der Verfassung ihm zugewiesene Rolle (weiterhin a. a. O.) – von Ehmke, VVDStRL 20 (1963), 53 (69, 96) einmal als „bloß kontrollierende Funktion“ (zum Zitat an beiden vorgenannten Fundstellen) beschrieben. 39 Die entscheidende Bedeutung des Wortlauts der Ewigkeitsgarantie betont besonders Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art.  135a Abs.  2 GG, S.  218 f. bzw. ders., in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 20.

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und Hintergrund der Regelung ein weiter Maßstab anzulegen: Anstelle nur prinzipieller Preisgabe sei jede, auch nur partielle Form der Preisgabe bzw. Außerachtlassung zu versagen, einer weitergehenden Einschränkung auf eine prinzipielle Preisgabe der geschützten Grundsätze, wie sie von der Gegenansicht formuliert werde, bedürfe es nicht.40 Nur eine sensible Handhabung entspräche der von Art. 79 Abs. 3 GG vorgegebenen Formulierung, weil ein Berühren weniger verlange als die Preisgabe.41 Stattdessen müsse es genügen, wenn eine Grundgesetzänderung bloß einen der genannten Grundsätze „in seiner Geltung verkürzt, aber […] die geltende Verfassungsordnung in ihrer Substanz und ihren Grundlagen nicht in Frage stellt“42. Immerhin müsse man die geschützten Grundsätze nach dem Wortlaut und der Zielsetzung der Ewigkeitsgarantie, jegliche Einflüsse auf das Fundament des Staates im Keim zu ersticken, um nicht die historisch erkannten Gefahren einer Schwächung desselben zu riskieren43, als „streng und unnachgiebig“44 einordnen. Nur dergestalt sei ein fortwährend wirksamer Rückhalt des verfassungsrechtlichen Kerns gewährleistet, wenngleich nicht jede Einwirkung auf die genannten Systemgrundsätze, etwa durch geringfügige Neuerungen, gehindert werden dürfe.45 Trotzdem würde Art. 79 Abs. 3 GG durch eine verengende Interpretation seiner Anforderungen an die Unabänderlichkeit im Extremfall auf seine ureigene Zielsetzung, eine Revolution zu demaskieren und (schein)legale Machtwechsel zu hindern, 40

Siehe hierzu das Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (41); dem zustimmend Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 32; Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 158 f.; Häberle, JZ 1971, 145 (149), sehr deutlich in der dortigen Fn. 61, und i. Ü. sämtliche Vertreter der Gegenmeinung, dazu schon Fn. 36 in diesem Abschnitt. Außerdem stimmt Bettermann, AöR 96 (1971), 528 (563), obwohl er einen Mittelweg zwischen den Meinungen favorisiert und beide „für zu extrem“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.) hält, diesem Auslegungsansatz ausdrücklich zu. An dem Ansatz des Sondervotums missfällt ihm lediglich, dass Art. 19 Abs.  4 GG als geschützt angesehen wurde (vgl. weiterhin a. a. O., S.  563 f. und schließlich S. 566); ferner Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 149 und Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 20. 41 In dieser Weise schon der Thüringer VerfGH in LVerfGE 12, 405 (426) im Rahmen der Prüfung einer Änderung der Thüringer Landesverfassung, die in Art. 83 Abs. 3 eine fast wortlautidentische Ewigkeitsgarantie enthält. 42 So Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 114 auf der Linie des Sondervotums. 43 Gemeint ist damit der ins Grundgesetz nachwirkende „Weimarer Schatten“, so Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 7 c α (S. 1107) bzw. ders., JuS 1985, 329 (333 f.). 44 So formuliert im Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (47). Gleicher Auffassung sind auch Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 149 und Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 7 (S. 1106). 45 In diesem Sinne vergleicht Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 37 den Grad nötiger Einwirkung auf die jeweils betroffenen Grundsätze mit einem „Erosionsvorgang“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.), weshalb ihre jeweilige Geltung allgemein angezweifelt werden müsse. Vgl. zu einer ähnlichen Umschreibung bereits in § 8 IV. 3. bzw. in der dortigen Fn. 155. Dieser Gedanke gründet sich ersichtlich auf die Lehren der Weimarer Republik, näher zu den Grundlagen Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 115. Vor diesem Hintergrund verlangt Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b γ (S. 174), eine „qualitative, keine quantitative Betrachtungsweise“ zur Anwendung zu bringen.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

dezimiert46 und insoweit „sein normativer Gehalt nicht ausgeschöpft“47. Immerhin habe die Unabänderlichkeit darüber hinausgehend den Zweck beigelegt bekommen, die Verfassung in toto vor Beseitigungstendenzen sowohl von außen als auch von innen zu schützen.48 Durch sie seien „gewisse Grundentscheidungen des Grundgesetzgebers […] für die Dauer der Geltung des Grundgesetzes […] für unverbrüchlich erklärt“49. Obschon also die Unabänderlichkeit in erster Linie entstehungsgeschichtlich im Hinblick auf die Vereitelung eines Staatsstreichs begründet sei, begrenze sie weitergehend auch qualifiziert mehrheitliche Absprachen der Parteien im Plenum.50 Solchermaßen solle die Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck auch einem loyalen Verfassungsänderungsgesetzgeber wirksame Schranken in seinem Handeln auferlegen.51 Denn regelmäßig lasse sich im Zeitpunkt der jeweiligen, mitunter geringfügigen, Grundgesetzänderung, nicht abschätzen, wie sich diese unter künftigen Gegebenheiten oder in Verbindung mit weiteren, jeweils für sich nicht nennenswerten Änderungen eines Tages auswirken könnte bzw. werde.52 Mithin sei das Anwendungsfeld der Unantastbarkeitsgarantie gerade auch bei Veränderungen eröffnet, die „einer prinzipiellen Preisgabe der Grundsätze weit vorgelagert sind“53. Indem das Bundesverfassungsgericht alleine die Abwehr von Verfassungsfeinden54 anführe, werde der Schutzgehalt der Revisionsnorm nur partiell gedeckt und ihre auch „zukunftsgerichtete positive Schutzwirkung“55 gelange nicht zur vollen Entfaltung. Dies wiederum berge die Gefahr von „normativen Zementierungen“56

46 Vgl. Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (39); Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 239, 242; s. a. Stern, JuS 1985, 329 (331). 47 So Dreier, in: Dreier, GG, Art.  79  III Rn.  19. Vorangehend in den Grundzügen bereits Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (43 f.) und Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 92 f. Desgleichen erkennt Hain, Grundsätze des GG, S. 47 Art. 79 Abs. 3 GG einen „durchaus überschießenden Gehalt“ zu. Andernfalls werde die „Barriere des Art. 79 III brüchig“, so Hall, JuS 1972, 132 (137), wenn dem Gericht folgend künftig Modifizierungen in gewissen, jedoch nicht näher festgelegten Grenzen zugelassen würden und die Norm somit entwertet werde. 48 Hierzu bereits eingehend in § 8 IV. 3. 49 So nachdrücklich im Sondervotum BVerfGE 30, 1/33 (39). 50 Siehe bereits die Folgerung in § 8 V.; zusammenfassend Maurer, Staatsrecht I, § 22 Rn. 20. 51 Vgl. hierzu bereits § 8 IV. 3. m. zahlr. Nachw. 52 Hierzu erneut das Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (47). 53 So treffend Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (65). Hierzu auch die Formulierung „bereits in den Anfängen […] entgegenstellen“ in dem Urteil des Thüringer VerfGH in LVerfGE 12, 405 (426). 54 Vgl. bereits zuvor: Gemeint ist die Verhinderung „der Legalisierung eines totalitären Regimes“, wie es BVerfGE 30, 1 (24) als zentrale (und demnach wohl alleinige) Intention von Art. 79 Abs. 3 GG betonte. 55 Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 7 b (S. 1106) bzw. ders., JuS 1985, 329 (331). 56 So ursprünglich Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn.  31 und dies adaptierend Dreier, in: Dreier, GG, Art.  79  III Rn.  19 sowie Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 29. Vergleichbares Fazit bei Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 150 unter Zugrundelegung des vollen,

§ 9 Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 GG

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des Grundgesetzes, welches seinem Ursprung und Selbstverständnis nach vielmehr zukunftsoffen und dynamisch sein möchte. Als Grundlage der Auslegung dürfe deshalb nicht nur die durch eine Revolution drohende, unvermittelte und völlige „Aushöhlung des Verfassungskerns“ dienen.57 Das hierauf verengte Verständnis des Verfassungsgerichts greife zu kurz; stattdessen müsse die gesamte Kernstruktur des Grundgesetzes einschließlich der hierfür vorausgesetzten Prinzipien und Rechtsinstitute um jeden Preis bewahrt werden.58 Ihren vom Verfassunggeber vorgesehenen Zweck könne die Ewigkeitsgarantie gemäß Art. 79 Abs. 3 GG nur nachkommen, wenn sie umfassend auch bereits „vor einer mosaik- oder scheibchenweisen Aushöhlung“59 der wegweisenden Verfassungsbestandteile bewahre und auf diese Weise einen „allmählichen Verfallsprozeß“60 bzw. „Erosionsprozeß“61 verhindere: Um den Verfassungskern qualitativ wirksam als vorgeschobene Bastion abzuschirmen62 und insoweit Verfassungsschutz63 zu bewirken, müsse ihr ein gewichtigerer Sinn zukommen als exaltierte Erschwernisse für eine Revolution auf-

mehrschichtigen Normzwecks und nicht nur einer Variable hieraus. Darüber hinausgehend warnt der Thüringer VerfGH in LVerfGE 12, 405 (426) m. w. N. davor, dass jede übermäßige Zementierung „die dauerhafte Akzeptanz der Verfassung durch die sie tragenden Bürger und damit letztlich den Bestand der Verfassungsordnung selbst“ gefährde. 57 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Stern, Staatsrecht I, § 4 II 2 a ε (S. 116), der die Rspr. für „bedenklich“ (so ausdrücklich a. a. O.) hält. Auch Maunz / Zippelius, Dt. Staatsrecht (30. Aufl. 1998), § 6 III 2 (S. 42) kritisieren das BVerfG en passant mit dem Hinweis, es dürfe sich nicht die „Dispositionsmacht des Verfassunggebers“ (so formuliert a. a. O.) anmaßen. In einer Vorauflage (28. Aufl. 1991, dort § 6 II 4 (S. 41) einschließlich des nachfolgenden wörtlichen Zitats) hieß es sogar noch, das oberste deutsche Gericht habe die Ewigkeitsgarantie „unnötigerweise“ bedenklich interpretiert. Dem entspricht die Haltung von Häberle, JZ 1971, 145 (150), speziell die Formulierung, Grundsätze durch verfassungsänderndes Gesetz systemimmanent modifizieren zu können, als „gefährlichste und schwächste Stelle der Begründung“ (so explizit a. a. O.) des höchsten nationalen Gerichts einzuschätzen. 58 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 702 und ganz ähnlich Alberts, JuS 1972, 319 (320); Häberle, JZ 1971, 145 (150). 59 So Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 7 b (S. 1106) bzw. ders., JuS 1985, 329 (331); sehr ähnlich Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 115 und grundlegend ders., in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 29 (45). Bildhaft auch die Kritik von von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 95: „Die Mauer, die Art. 79 Abs. 3 GG gegen Verfassungsänderungen errichtet hat, ist […] durchlöchert worden“. Hierzu schließlich noch Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 25. 60 So die prägnante Bezeichnung des Thüringer VerfGH in LVerfGE 12, 405 (426 a. E.) anlässlich einer Untersuchung einer Änderung der Landesverfassung anhand von Art. 83 Abs. 3 ThürVerf. 61 So bezeichnet von Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 242. 62 Vgl. Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (43); im Anschluss hieran Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 7 b (S. 1107) bzw. ders., JuS 1985, 329 (331) und Alberts, JuS 1972, 319 (320). 63 Bezeichnet als „Norm des ‚Verfassungsschutzes‘“ bei Dürig, in: Dürig / Evers, Rechtsgutach­ ten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 5 (12); dies aufgreifend das Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (46); vgl. bereits Fn. 83 in § 8 II.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

zustellen, der sie letztlich doch nicht zu widerstehen vermöge.64 Immerhin liege ein „Widerspruch in sich selbst, wenn man zum Schutz der Verfassung unveräußerliche Grundsätze der Verfassung preisgibt“65. Eben dies geschehe jedoch, soweit das Bundesverfassungsgericht Änderungen im Rahmen der von ihm zugelassenen Modifizierungen billige. Hiervon ausgenommen sei lediglich der Ansatz des Gerichts anzuerkennen, nicht jede in Forschung und Lehre erdachte Auslegungsvariante und jeden inhaltliche Einschluss der richtungweisenden Staatsprinzipien einer dauerhaften Unabänderlichkeit zuzuführen.66 Versteht man die Formulierung des Art. 79 Abs. 3 GG in der vorgenannten Art und Weite, lässt sich ein „Berühren“ schon dann erkennen, wenn Grundsätze im Sinne der Norm auch nur bloß materiell ‚angetastet‘67 oder „in einem Teilbereich der Freiheitssphäre des Einzelnen […] ganz oder zum Teil außer Acht gelassen“68 werden. Dies gilt insbesondere auch dort, wo sie (noch) nicht gänzlich außer Kraft gesetzt werden. Selbst eine Verletzung im Randbereich69 kann hierzu schon aus­ reichen, weil die Grundsätze nach Sinn und Zweck „absolut“, „unverbrüchlich“, „unantastbar“ sein70 und infolgedessen nicht einmal geringfügig71 beschnitten werden sollen. Dabei habe die Auslegung der zu untersuchenden Norm und der den Maßstab anlegenden Vorschrift des Art.  79 Abs.  3 GG, um ihre jeweilige Reichweite nicht gegenseitig zu beschränken, isoliert zu erfolgen.72 Insbesondere 64

Vgl. auch die Kritik von Rupp, NJW 1971, 284 (284), hiermit lediglich „nichtssagende Gemeinplätze“ zu bewirken. 65 So treffend im Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (46). 66 von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 97. 67 Dieses Prädikat verwendet Dietlein, in: BeckOK-GG, Art.  79 Rn.  21 unter Berufung auf den Normzweck sowie die Entstehungsgeschichte; ähnlich bereits Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 24; Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 7 c (S. 1107); Evers, in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 29 (44); Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 153. 68 So formuliert im Sondervotum BVerfGE 30, 1/33 (41). In ähnlicher Weise äußerte sich auch der Thüringer VerfGH in LVerfGE 12, 405 (426) hinsichtlich des mit Art. 79 Abs. 3 GG vergleichbaren Art. 83 Abs. 3 ThürVerf. Im Ergebnis ebenso Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 22; Häberle, JZ 1971, 145 (149) mitsamt der dortigen Fn. 61; Erichsen, Jura 1992, 52 (53); Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 242. 69 In dieser Weise Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 77 und Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 67. 70 Vorstehende drei Zitate jeweils nach Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 7 c α (S. 1107) bzw. ähnlich ders., JuS 1985, 329 (333); grundlegend auch bereits Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 24. In dieselbe Richtung argumentiert schließlich auch Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 219 bzw. ders., in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 20. 71 Vgl. die Betonung bei Kalkbrenner, BayVBl. 1971, 146 (147). Damit sind nicht erst „allumfassende Umwälzungen“ gefordert, so Curtius, Schranken der Änderung des GG, S.  77 m. w. N. und im Anschluss hieran Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (64 f.). 72 In dieser Weise Häberle, JZ 1971, 145 (146, 150) in seiner Kritik zum ‚Abhörurteil‘ des BVerfG (d. h. zu BVerfGE 30, 1 ff.). Die Verfassungsänderung sei demnach „zunächst einmal ‚für sich‘ – ohne harmonisierende, Wortlaut, Sinn, Zweck und Entstehungsgeschichte Gewalt antuende Einbettung in die Gesamtverfassung – auszulegen“ (auch hierzu a. a. O., S. 148). Dem

§ 9 Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 GG

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wäre es illegitim, die verfassungsändernde, d. h. zu untersuchende, Norm verfassungskonform zu interpretieren und insoweit bereits am Maßstab des gesamten Grundgesetzes zu messen, weil – so legt es die für Verfassungsänderungen allein maßstabsgebende Ewigkeitsgarantie fest – nur die in Absatz 3 genannten Verfassungsgrundsätze als Beurteilungsmaßstab dienen können (und sollen).73 Diese Auffassung interpretiert das von der Verfassung vorgegebene Berühren in einer Weise, wie es der Begriff als solcher nahelegt, ohne insoweit eine zusätzliche Beschneidung über den Verfassungstext hinaus vorzunehmen. Dem Umstand, dass im vorherigen Kapitel die grundsätzliche restriktive Lesart der Norm angeklungen ist, steht diese Sichtweise nicht entgegen, weil hiernach74 die maßgebliche Beschränkung aus dem Wortlaut selbst, namentlich im Rahmen der in Art. 1 und 20 GG enthaltenen „Grundsätze“75, stattfindet. Folgerichtig ist zur Trennung des Berührens von den hiervon separierten Grundsätzen die Auslegung des Handlungsmaßstabs davon geprägt, jede Schmälerung ihrer Stellung und Relevanz als unzulässig einzuordnen, damit diese ihre volle Wirkung in jeder Situation entfalten können, sprich „gelten“ im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG.76 Diese Interpretation lebt davon, dem „Verständnis der Verfassung als eines materialen Ganzen“ 77 gerecht zu werden. Dementsprechend seien nahezu alle denkbaren Änderungen von „berührt“ erfasst, sobald sie nur irgendwie mit den Verfassungsgrundsätzen in Zusammenhang stehen. Dies entspräche dem Wortlaut, da „Art.  79 Abs.  3 GG nicht sagt, Art. 1 und 20 GG dürfen grundsätzlich nicht (wohl aber ausnahmsweise) berührt werden, sondern daß die Grundsätze dieser Vorschriften nicht berührt werden

entspricht es, einer Prüfung anhand der Revisionsschranke zunächst die Erkenntnisse aus der zu prüfenden Norm voranzustellen, wie es etwa im Gutachten von Dürig, in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 5 (10) im vorgezogenen Abschnitt „Was ist normativ passiert?“ geschehen ist. 73 Häberle, JZ 1971, 145 (148) sieht diese Vorgehensweise beim BVerfG im o.g. Urteil verletzt, weshalb es selbst „an die Stelle des verfassungsändernden Gesetzgebers getreten ist“ (so a. a. O., S. 149), ohne dazu oder – wie Ehmke, VVDStRL 20 (1963), 53 (75, dort auch zum nachstehenden Zitat) bereits statuierte – auch nur zur einer „‚Verbesserung‘ von Gesetzen“ befugt gewesen zu sein. Vgl. zur eigentlich gemeinten ‚grundsatz‘-konformen Auslegung bereits in § 8 VI., speziell die dortige Fn. 202 mit dem entsprechenden Zitat und im Übrigen bereits die zuvor erläuterte Kritik an der Vorgehensweise der Richtermehrheit in dem diesbezüglichen Sondervotum, abgedruckt in BVerfGE 30, 1/33 (34) samt näherer Hinweise. 74 Vgl. etwa die Klarstellung bei Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 219 bzw. ders., in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 20, wonach der Begriff Grundsätze ausreichenden „Raum für Interpretation“ (zum Zitat jeweils a. a. O.) biete, der durch Auslegung näher zu bestimmen sei. 75 Dazu im Einzelnen sogleich in § 9 II. 76 Zum Vorstehenden samt Zitat Evers, in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 29 (45) bzw. daran anknüpfend ders., in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 150. 77 So Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 98 bzw. ähnlich S. 136; s. a. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 702 und Häberle, JZ 1971, 145 (150).

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

dürfen, und zwar auch nicht ausnahmsweise“78. Von einem Vergleich mit Art. 19 Abs. 2 GG sei schließlich keine Erleichterung zu erwarten79, da jede Norm nach ihrem eigenen Anwendungsfeld und Zweck zu interpretieren sei, zumal die Fassung der Unabänderlichkeitsgarantie eine „substantiell engere Formulierung“80 aufweise.

II. Bedeutungsgehalt „Grundsätze“ Daneben bietet sich im Wortlaut von Art.  79 Abs.  3 GG  – wie bereits mehrfach angedeutet – in Gestalt der dort in Bezug genommenen, in Art. 1 und 20 GG „niedergelegten Grundsätze“ ein weiterer Ansatzpunkt, der das (jedenfalls nach der überwiegenden Literaturmeinung äußerst weite) Verständnis des Prädikats auf anderer Ebene wieder begrenzen soll, ohne allerdings zu riskieren, das Grundgesetz in seiner vom Verfassunggeber geschaffenen Fassung zu zementieren. Insoweit bleibt zunächst festzuhalten, dass nur derartige „Grundsätze“ der genannten Normen, nicht hingegen sämtliche damit im Zusammenhang stehenden Wirkungen der Unabänderlichkeit unterliegen.81 Diese Feststellung mag auf den ersten Blick banal klingen, ist jedoch für das Verständnis der Ewigkeitsgarantie wesentlich. 1. Grenzen des Wortverständnisses In den diesbezüglichen Untersuchungen besteht überwiegend Einigkeit82, dass der durch Art. 79 Abs. 3 GG garantierten Änderungsfestigkeit bereits in Anbetracht der anderslautenden Formulierung bzw. des Wortzusammenhangs nicht die „frei 78

So überaus prägnant und verständlich Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 6 a (S. 1104) im Sinne einer kompakten Zusammenfassung der Kritik am bundesverfassungsgerichtlichen Urteil. 79 Nach Häberle, JZ 1971, 145 (150) kann die Bezugnahme auf die Wesensgehaltsgarantie, wie sie das BVerfG unternommen hat, nicht als „Rechtfertigung für eine Relativierung des Art. 79 Abs. 3 GG“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.) dienen. Die Identität nachdrücklich verneinend Rupp, NJW 1971, 284 (284) und dem wortgemäß folgend Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (65). 80 So wörtlich im Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (42); aufgegriffen bei Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (65) und gleichfalls bejaht. 81 Die Andeutung liegt hier darin, dass „nicht in ihrer Gänze“ (so Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 26) und damit ihrem vollen Umfang nach auf Art. 1, 20 GG verwiesen wird, sondern eben nur auf die Grundsätze hieraus; siehe zudem Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 218 bzw. ders., in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 20. 82 Vgl. zur historischen Entwicklung bereits Fn. 154 in § 8 IV. 3. Zum übersteigenden Gehalt von Art. 79 Abs. 3  GG schon von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VI 2 b bb (S. 1884); Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 48; Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 22; Dreier, JZ 1994, 741 (750, dort Fn. 123) bzw. ders., Gilt das GG ewig?, S. 67 f. und schließlich Denninger, in: HdbVerfR, § 16 Rn. 35 f., der insbesondere eine Gleichsetzung „mit allen in Art. 79 Abs. 3 für ‚ewig‘ erklärten Prinzipien“ (Rn. 36, Hervorhebung im Original) zurückweist. Gegenteiliger Ansicht sind hingegen offenbar Hesse, Grundzüge des Verfassungs-

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heitliche demokratische Grundordnung“ (wie z. B. in Art. 21 Abs. 2 S. 1 GG83) in ihrer zahlreiche verfassungsrechtliche Aspekte vereinenden Gesamtheit zugewiesen werden darf, wenngleich die geschützten Grundsätze aus Art. 1 und Art. 20 GG ebenfalls Teil derselben sind; deren normative Anknüpfung an die beiden genannten Artikel ist ersterer hingegen fremd. Trotzdem gehen die änderungsfesten Bestandteile der Verfassung ihrem Umfang nach über diejenigen Schutzgüter, die von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Bezug genommen sind, noch hinaus: Dieser Rückschluss wird durch die Normgenese84 und das Telos, „die Verfassung als Ganze in ihren Grundentscheidungen zu bewahren“, belegt.85 Durch die Begrenzung auf das genannte Rechtsinstitut würde Art.  79 Abs.  3 GG, der bereits seinem Wortlaut nach offener gefasst ist und demgemäß über freiheitlichdemokratische Grundlagen hinausgreift, in seinem Gehalt verkürzt. Gegenüber der Begrifflichkeit „verfassungsmäßige Ordnung“, wie sie in Art. 2 Abs. 1, Art. 9 rechts, Rn. 706; Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 99 f.; Henke, Verfassunggebende Gewalt des Dt. Volkes, S. 133; Häberle, JZ 1971, 145 (150 f., dort Fn. 78) und Roellecke, DÖV 1978, 457 (460) m. w. N. Nach Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 17 werde die freiheitliche demokratische Grundordnung durch Art. 79 Abs. 3 GG lediglich „schärfer umrissen“ – ergänzende Hinweise finden sich sodann auf S. 69. Die Frage nach eingehenden diesbezüglichen Ausführungen (ab der dortigen S. 437) offen lassend Schmitt, DÖV 1965, 433 (443), jedoch mit Tendenz zum Gleichlauf der Norm mit der Grundordnung. Im Vorfeld dieses Fazits (weiterhin a. a. O., S. 438, 440, 442 f.) finden sich lediglich Hinweise, dass die Norm vollumfassend deren „Mindestinhalt […] manifestiert“ (a. a. O., S. 438), zumal sämtliche Prinzipien aus Art. 20 GG (a. a. O., S. 440 ff.) und sogar die direkt von Art. 79 Abs. 3 GG bewahrten bundesstaatlichen Schutzgüter (a. a. O., S. 442) wegen ihrer übergreifenden Intention, dem Schutz vor Diktaturen o.ä. (a. a. O., S. 442), zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu rechnen seien (vgl. insoweit erneut das Fazit von Schmitt, a. a. O., S. 443 m. w. N.). Den Gehalt auf diese Weise begrenzend auch Wiederin, VVDStRL 64 (2005), 53 (74 f.), insbes. auch die dortige Fn. 90; dem vergleichbar schließlich Roellecke, DÖV 1978, 457 (457, 460). Einen Mittelweg schlägt Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 74 ff. ein: Er sieht zwar positiv-rechtlich nicht die freiheitliche demokratische Grundordnung, sondern bloß Grundsätze geschützt (a. a. O., S. 74 f.), räumt aber ein, dass die nötige „Gesamtschau“ derselben praktisch die gleiche Wirkung entfalte (zum Vorstehenden samt Zitat erneut a. a. O., S. 75 f.). Anders als die vorgenannten Autoren sieht Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 87 durch Art. 79 Abs. 3 GG zwar nur die freiheitlich-demokratische Grundordnung geschützt, möchte dies allerdings bei der Normauslegung nicht berücksichtigen. 83 Und des Weiteren in Art. 10 Abs. 2 S. 2, Art. 11 Abs. 2, Art. 18, S. 1, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10b, Art. 87a Abs. 4 S. 1 und Art. 91 Abs. 1 GG. 84 Insbesondere bezog sich Art. 108 HChE noch ausdrücklich auf die „freiheitliche und demokratische Grundordnung“, vgl. Der Parlamentarische Rat, Akten und Protokolle, Bd. II, S. 604 sowie JöR n. F. (1951), S. 585. Diese Formulierung wurde im Rahmen der Beratungen des Parlamentarischen Rates und der darin gebildeten Ausschüsse jedoch später aufgegeben, wie die Textfassungen der nachfolgenden Änderungsentwürfe und die schließlich die in das Grundgesetz aufgenommene Fassung von Art. 79 Abs. 3 GG belegen (auch zu dieser Entwicklung JöR n. F. (1951), S. 585 ff. 85 Zum Vorstehenden samt Zitat Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 48, der außerdem auf die Parallelität zu Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG hinweist. Außerdem nehmen von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VI 2 b bb (S. 1884) anhand einer Gegenüberstellung zu Art. 18 GG eine ergänzende Begründung vor: Zwar würden die einzelnen Grundrechte nicht von der Ewigkeitsklausel geschützt, könnten aber sehr wohl verwirkt werden.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

Abs. 2, Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 GG Verwendung findet, handelt es sich hingegen um ein Minus86, da diese noch mehr Elemente der Verfassung in sich vereinigt. Infolgedessen ist auf der Basis der benannten allgemeinen Auffassung insgesamt von einer Stufenfolge auszugehen, dem jeweiligen Umfang nach am kleinsten Punkt beginnend mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung über die unabänderlichen Grundsätze des Art. 79 Abs. 3 GG hinweg bis zu der verfassungsmäßigen Ordnung. Umgekehrt kann die Verweisung aber unzweifelhaft nicht als so weitläufig erachtet werden, dass alle Grundsätze zwischen Art. 1 und Art. 20 GG in Art. 79 Abs. 3 GG und dem von dieser Norm garantierten Schutz vor Verfassungsänderungen Berücksichtigung fänden. Letzteres gilt zumindest solange nicht, als sie nicht zugleich die besonders geschützten Verfassungsgrundsätze dieser beiden Normen widerspiegeln, speziell durch einen Menschenwürdegehalt einzelner Grundrechte.87 2. Normatives Verständnis Von der zuvor erfolgten Abgrenzung abgesehen, ist der konkrete Bedeutungsgehalt des Wortes „Grundsätze“ erheblich schwieriger zu bestimmen.88 Im Einzelnen orientieren sich die Überlegungen an der vertretenen Auffassung bei der Auslegung des Handlungsmaßstabs („berührt“, hierzu vorhergehend in § 9 I.). a) Folgerungen aus der Auslegung von „berührt“ Die Reichweite hängt insoweit aufgrund des Zusammenspiels beider Elemente, welches trotz des vorstehend erläuterten Meinungsstreits weder das Bundesverfassungsgericht noch die Literaturmeinung vernachlässigt wissen möchten, von dem jeweils zugrunde gelegten Verständnis des Handlungsmaßstabs, d. h. des Begriffs „berührt“, ab: Der durch den Begriff „Grundsätze“ vorgegebene Rahmen ist umso enger zu fassen, je weiter der Handlungsmaßstab interpretiert wird.89 Gleichwohl legen die in § 9 I. dargelegten, gegensätzlichen Auffassungen des Bundesverfassungsgerichts und des Schrifttums im Rahmen dieser Tatbestandsvoraussetzung prinzipiell dieselben Maßstäbe an. Ihr jeweiliger Ansatz bei der Interpretation der Unantastbarkeitsnorm hat allerdings erhebliche Auswirkungen 86

Maunz, in: FS Laforet, S. 141 (152). Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 41. Hierzu nähere Erläuterungen in § 10 I. 3. b). 88 Vgl. zu den Schwierigkeiten anstelle vieler: Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 41; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 149; Stern, JuS 1985, 329 (334). 89 Ähnlich Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 46. 87

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hinsichtlich der Notwendigkeit, beim Merkmal „Grundsätze“ eine Einschränkung der tatbestandlichen Weite des Art. 79 Abs. 3 GG vorzunehmen: Wie bereits im Rahmen der vorherigen Tatbestandsvoraussetzung angedeutet wurde, hat dieser Prüfungspunkt für die Überlegungen des Schrifttums noch erhebliche Relevanz. Denn nach diesem Verständnis ist das ‚Berühren‘ in Art. 79 Abs.  3 GG sehr extensiv zu interpretieren, um jegliche den ‚Grundsätzen‘ zuwiderlaufenden Änderungen am Grundgesetz einzuschließen, unabhängig von der Schwere ihrer Wirkungen. Zwangsläufige Folge dessen ist aber wiederum, dass die Interpretation der ‚Grundsätze‘ – anders als beim Bundesverfassungsgericht – einen entscheidenden Stellenwert erhält: Diese müssen in ihrer Reichweite bei der Verweisung auf Art. 1 und Art. 20 GG deutlich enger gefasst werden, um den Normzweck nicht noch zu verfehlen. Insbesondere sollen nur diejenigen Änderungen der Unantastbarkeit unterworfen werden, die das Wesen des deutschen Staates prägen und seine Struktur versinnbildlichen. Die zur praktischen Anwendbarkeit90 nötigen Einschränkungen der von der überwiegenden Literatur gewollt weiten Auslegung des Begriffs „berührt“, die ein Leerlaufen der eigentlichen Änderungsmöglichkeit nach Art. 79 Abs. 1, 2 GG verhindern, werden demgemäß im Rahmen dieser Auffassung wegen der dort angenommenen tatbestandlichen Weite des Prädikats im Rahmen der Auslegung der Grundsätze91 bzw. bei deren verfassungsrechtlichem Gehalt vorgenommen. Demgegenüber ist der Tatbestandsvoraussetzung „Grundsätze“ neben den bereits im Begriff „berührt“ erkannten Begrenzungen, soweit man bei dessen Auslegung der Linie des Bundesverfassungsgerichts folgt, nur noch ein geringer Bedeutungsgehalt zur Restriktion bzw. Begrenzung des Art.  79 Abs.  3 GG zuzuerkennen, weil das Merkmal über die restriktive Lesart des Berührens hinaus weitergehende Anforderungen nicht mehr aufstellt und im Wesentlichen in dem dort gewählten Verständnis aufgeht.92 Weil bereits dieser für unzulässig erklärende Handlungs 90 Naturgemäß unterliegen im fortschreitenden Entwicklungsprozess von Politik und Gesellschaft absolute Schranken gleichwohl gewissen Grenzen und bedürfen einer maßvollen Modifikation gemäß neu entstehender Sachlagen. Andernfalls bliebe „kein Spielraum mehr für eine zeit- und aufgabengerechte Ausgestaltung der Verfassungsordnung“, so Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 151. 91 Dementsprechend erklärt Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 19 – selbst ein Befürworter der erstgenannten Ansicht entsprechend der damaligen Mehrheit im BVerfG (vgl. Fn. 11 in diesem Kapitel und im Einzelnen § 9 I. 1.) – die Wirkungen dergestalt, dass nach diesem Verständnis den Regelungsgehalten von Art. 1 und Art. 20 GG sowie dem Begriff „Grundsätze“ in Art. 79 Abs. 3 GG die Aufgabe zukomme, den Anwendungsbereich der Norm begrenzt zu halten – was das BVerfG bereits durch die begrenzende Auslegung des Begriffs „berührt“ umsetzt. Insoweit wird die Auslegung der Grundsätze von Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 152 und von Stern, JuS 1985, 329 (333) jeweils als „Schlüsselproblem“ (zum Zitat jeweils a. a. O.) bezeichnet; vergleichbar außerdem Erichsen, VerwArch 62 (1971), 291 (108). 92 Abweichend hiervon jedoch offenbar Hain, Grundsätze des GG, S. 82 ff. bzw. ders., in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 43 ff., der aus der Norm den „Schutz des ‚Grundsätzlichen‘ als des die Verfassungsordnung in ihrer Identität prägenden Wesentlichen“ ableitet

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

maßstab sehr eng verstanden wird, könnten die ‚Grundsätze‘ ebenso gut sehr weit verstanden werden. Denn aufgrund der andernorts gewährleisteten Restriktion kommt es hierauf nicht mehr an. Insoweit könnten theoretisch sogar, wozu sich das Bundesverfassungsgericht nicht äußert, die in Bezug genommenen Vorschriften mitsamt ihres gesamten materiell-inhaltlichen Gehalts geschützt sein.93 Immerhin enthält die Formulierung „prinzipielle Preisgabe“ bereits eine Bezugnahme auf Prinzipien und damit im allgemeinen Sprachgebrauch gleichbedeutend auf Grundsätze, wie man meinen könnte. Dieser Rückschluss läge umso näher, als das Gericht anstelle von ‚Verfassungsgrundsatz‘ im Sinne von Art. 20 GG synonym auch den Begriff „Verfassungsprinzip“94 verwendet.95 Tatsächlich nimmt allerdings auch das Bundesverfassungsgericht ungeachtet der fehlenden Notwendigkeit eine weitere Restriktion durch Beschränkung von Art. 1 und Art. 20 GG auf „Grundsätze“ gemäß dem Wortlaut von Art. 79 Abs. 3 GG vor, behandelt letztere Tatbestandsvoraussetzung also weiterhin als eigenständiges Element.96 Auch das Gericht sieht in seiner Rechtsprechung deshalb, wenngleich zu einer weiteren Restriktion kein praktischer Grund mehr besteht, weil in der vertretenen Auslegung des Handlungsmaßstabs („berührt“) gewissermaßen bereits die Zuspitzung auf Grundsätze eingeschlossen ist, nicht sämtliche Aspekte geschützt, die in irgendeinem mittelbaren Zusammenhang mit den Grundsätzen stehen. Vielmehr nimmt es faktisch dieselben Restriktionen zur Festlegung der geschützten „Grundsätze“ vor, wie es die Literatur verlangt, nur mit dem Unterschied, dass es dort zur Restriktion unumgänglich ist. Den Entscheidungen im Rahmen des Art. 79 Abs. 3 GG ist dem(hierzu samt Zitat a. a. O. Rn. 43 a. E.). Wenngleich eine Gegenüberstellung mit Art. 19 Abs. 2 GG wegen der gleichgerichteten Problematik nicht weiterhelfe, könne der Begriff „Grundsätze“ in Art. 79 Abs. 3 GG mit Hilfe der „rechtstheoretischen Unterscheidung von Prinzipien und Regeln“ (auch zu diesem Zitat Hain in der letztgenannten Quelle, Rn. 45 m. w. N. und ergänzend außerdem in der eingangs zuerst genannten Fundstelle, dort S. 99 ff.) näher ergründet werden. Während Regeln Festlegungen bezüglich eines spezifizierten Einzelfalles beträfen, seien Prinzipien diesen vorgelagerte „unbedingte Leitgedanken“ (so erneut Hain im GG-Kommentar, a. a. O., Rn. 45), aus denen durch die Anwendung auf den Einzelfall erst Regeln entstünden. Zu dieser Thematik ebenfalls eingehend Blasche, Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung, S. 68 ff. 93 Dies stellt auch Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 159 m. w. N. fest. 94 So beispielsweise in BVerfGE 1, 117 (124), BVerfGE 4, 387 (400), BVerfGE 19, 38 (49), BVerfGE 27, 180 (192), BVerfGE 30, 1 (23) und BVerfGE 34, 304 (339). 95 Vgl. „Unterschied […] nicht erkennbar“ bei Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 28; dem folgend Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 81. Zu der dem entgegengesetzten Überlegung, ob zwischen beiden Begrifflichkeiten ein Unterschied besteht, siehe im Verlauf dieser Arbeit die Ausführungen in § 9 III. 2. a). 96 Siehe insoweit nur die Hinweise im grundlegenden Abhörurteil des BVerfG, abgedruckt in BVerfGE 30, 1 (24): „Die Vorschrift verbietet also eine prinzipielle Preisgabe der dort genannten Grundsätze.“ Durch den soeben zitierten Satz machte das Gericht eindeutig erkennbar, dass es sowohl seine eigene Formulierung (anstelle des „berührt“ in Art. 79 Abs. 3 GG) als auch die dort vorgegebenen Grundsätze als Voraussetzungen seiner weiteren Prüfung der Verfassungswidrigkeit der Verfassungsänderung zugrunde legt. Einige Sätze darauf heißt es in Bezug auf „Grundsätze“ in dem genannten Urteil (a. a. O., S. 24) sodann folgerichtig: „Das ist etwas anderes, zum Teil mehr, zum Teil weniger als die Formulierung“.

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gemäß durchgehend ebenfalls die Doppelung in die Anforderungen an das Eingriffsobjekt („Grundsätze“) als solches und die Intensität der Eingriffe („berührt“) zu entnehmen, da das Gericht stets die Gehalte von Art. 1 oder Art. 20 GG he­ rausarbeitet und darlegt, inwieweit diese von der Unantastbarkeitsgarantie auch in Bezug genommen werden.97 b) Anforderungen im Einzelnen Den vorstehend gewonnenen Erkenntnissen folgend ähneln sich beide Auffassungen trotz der Unterschiede, die zwischen ihnen im Hinblick auf Notwendigkeit einer Begrenzung und daher Verständnis bestehen, bei der praktischen Auslegung.98 Allerdings birgt die unterschiedliche Herangehensweise, einfach oder doppelt zu restringieren, unterschiedliche Wagnisse: Je extensiver das Verständnis der geschützten Grundsätze, desto größer auch die „Gefahr einer Zementierung und Antiquierung der Verfassung“; je restriktiver, umso eher könnte das Grundgesetz nach zahlreichen einzelnen Änderungen, die für sich gesehen nicht die Kerngedanken verschieben, in ihrer Gesamtheit aber trotzdem genau dies zur Folge haben, seine ursprüngliche Gestalt verlieren.99 Dessen ungeachtet schränken in der Praxis, mögen sich ihre Ansätze auch noch so sehr unterscheiden, sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur gleichermaßen den Umfang der garantierten Inhalte ein. Während die Literatur dies durch ein knappes Verständnis der Formulierung ‚Grundsätze‘ unmittelbar aus Art. 79 Abs. 3 GG entnimmt, ist das Bundesverfassungsgericht bei der Festlegung der erfassten Gehalte den in Bezug genommenen Art. 1, 20 GG äußerst behutsam. Tatsächlich aber ist der Begriff „Grundsätze“ im Wortlaut von Art. 79 Abs. 3 GG in erster Linie – und insoweit für beide Auffassungen gleichermaßen – als redaktionelles Zeichen dahin zu verstehen, dass aus Art. 1 und 20 GG eine Reihe zentraler Verfassungsgrundsätze gefolgert werden und diese der Unabänderlichkeit 97

Vgl. BVerfGE 30, 1 (24 ff.), BVerfGE 84, 90 (121), BVerfGE 94, 12 (34), BVerfGE 94, 49 (102 f.) sowie BVerfGE 109, 279 (309 ff.). 98 Auch die Ausführungen von Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 26 f. dürften, obgleich nicht ganz eindeutig auf den Streitstand bezogen, in dem Sinne aufzufassen sein, dass die praktischen Ergebnisse beider Auffassungen übereinstimmten und sich nur ihre Herangehensweise unterscheide. Diejenige Verengung für den Anwendungsbereich von Art. 79 Abs. 3 GG, die das BVerfG bereits auf der Ebene des Berührens vornehme, greife das Schrifttum erst bei der Klassifizierung der Grundsätze auf und sehe sich insoweit gezwungen, auf diese Weise die Zahl der änderungsfesten Elemente zu beschränken, um den Unabänderlichkeitsschutz nicht zu verwässern (zum Vorstehenden insgesamt vgl. a. a. O.). 99 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 46, die sich trotz ihrer betont kritischen Sichtweise gleichzeitig dahingehend äußert, die Sichtweise des Gerichts könne bei der Zukunftsträchtigkeit des Grundgesetzes helfen, indem dessen Entwicklungsmöglichkeiten nicht blockiert, sondern im Gegenteil Neuerungen zugänglich blieben (auch hierzu a. a. O., Rn. 49). Grundlegend zu den Möglichkeiten extensiver und restriktiver Auslegung von Art. 79 Abs. 3 GG insgesamt Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 19.

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unterliegen, derselbe Schutz jedoch nicht weitere Maximen des Grundgesetzes aus den in Bezug genommenen oder anderen Normen oder richterliche Fortbildungen der bekannten Rechtsinstitute erfasst. Die Verweisung soll danach die genannten Vorschriften mit ihrem unmittelbar dem Verfassungstext zu entnehmendem Gehalt einschließen und von einer Verfassungsänderung ausnehmen, wobei bezüglich der Unmittelbarkeit eine praxisgerechte Differenzierung gegenüber lediglich mittelbaren Aussagen nur mit Mühe erreichbar sein dürfte.100 Der Schwerpunkt der Auslegungsarbeit101 liegt vor diesem Hintergrund auf der Feststellung der maßgeblichen Inhalte (ausschließlich „Grundsätze“) in den zitierten Normen (Art. 1, 20 GG), mit anderen Worten also ihrem jeweiligen Wesenskern102, weil ihm alleine im Umfang seiner den deutschen Staat tragenden und prägenden, mithin elementaren Basis das Unabänderlichkeitsprivileg zugestanden wird. Auf dieser Auslegungsarbeit liegt der anzulegende Fokus, für den Art.  79 Abs. 3 GG dem Rechtsanwender durch den Grundsatzbezug die maßstabsbildende Schablone an die Hand gibt. Mit ihrer Hilfe hat er sodann „die Leitgedanken zu ermitteln, welche die einzelnen positiv-rechtlichen Vorschriften verbinden und darauf zu befragen, ob und in welchem Ausmaße sie als Inhalt eines Grundsatzes von der Sperrklausel erfaßt werden“103. Dabei ist stets der Inhalt von Art. 1 und Art. 20 GG maßgeblich, nicht deren konkrete Fassung.104 Bereits im letzten Abschnitt wurde angedeutet, dass hiermit die jeweiligen Kernbereiche der Verfassungsregelungen gemeint sind. Sie unterliegen dem Schutz des Art. 79 Abs. 3 GG, 100

Zum Vorstehenden Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 68 f. und dem folgend Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 11. Mehrdeutig hingegen Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b γ (S. 173), der sich zunächst der Formulierung in BVerfGE 30, 1 (24) – wo es heißt: „Das ist etwas anderes, zum Teil mehr, zum Teil weniger als die Formulierung“ – anschließt, sodann aber einige Sätze später offenbar die von Art.1 und Art. 20 GG normierten Inhalte ausnahmslos geschützt sieht. Nach Starck, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 164 Rn. 51 bedürfe es der übrigen, konkretisierenden Verfassungsvorschriften, um die zentralen Grundsätze des Grundgesetzes zu entschlüsseln – d. h. „jede isolierende Interpretation verbietet“ sich (ebenfalls a. a. O.). 101 Insoweit spricht Stern in ders., Staatsrecht  III/2, § 89 III 6 b α (S.  1104 f.) bzw. ders., JuS 1985, 329 (333) von einem „Schlüsselproblem“, bei ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 7 c β (S. 1108) heißt es „eigentliche Auslegungsschwierigkeit“. In dieselbe Richtung auch Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 219 und Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 79 m. w. N., die in ihrer Verortung der maßgeblichen Streitfrage durch Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 22 bestätigt werden, wonach der Verfassungstext diesbezüglich „eher schwach und interpretationsbedürftig“ (so prägnant Dietlein, a. a. O.) sei. Zu dessen Entschlüsselung bedürfe es „kunstgerechter, juristischer Interpretation“, so Henke, Der Staat 19 (1980), 181 (206) und ganz ähnlich Stern, Staatsrecht III/2 (s. o.), § 89 III 6 b β (S. 1105). Hiervon ungeachtet ist außerdem an die bereits erläuterte Schwierigkeit bei der Auslegung des Begriffs „berührt“ zu erinnern (vgl. hierzu in § 9 I.). 102 Gemeint ist der „normative Gehalt der Grundsätze“, so Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 22. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangen Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 152; Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 44, 46 und Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 6 b β (S. 1104 f.). Insoweit möchte schließlich Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 166 „mit der gebotenen Zurückhaltung“ vorgehen. 103 So Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 153. 104 Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (68 f.).

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weil sie im Sinne einer Garantie der Verfassungsidentität und zur Bewahrung eines Verfassungskerns des 1949 gegründeten deutschen Staates „unbedingt und vorbehaltlos festgeschrieben“105 sind. Mit Rücksicht auf die Zukunftsoffenheit und Anpassungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland sollen zwar von der Unabänderlichkeit lediglich die Grundsätze geschützt sein, doch verlangt dies gleichwohl nach einem unabänderlichen und dauerhaften Fortbestand der Kernbestandteile. Diese „gelten absolut, und von ihnen gibt es keine Ausnahme“106. Insofern können Art. 1 und Art. 20 GG nur mit ihrem jeweiligen Wesenskern garantiert werden107; dies belegen bereits die Formulierungen im Sondervotum108, wo von „gewisse[n] Grundentscheidungen“ sowie „konstituierenden Elemente[n]“ die Rede ist. Gemeint sind hiermit ausschließlich die „tragenden Säulen der Verfassung“109. Diesbezüglich hilft eine Differenzierung nach Kern- und Randbereichen: Innerhalb des Kerngehalts der Verfassungsbestimmungen sind Änderungen sachlich-inhaltlicher Art absolut ausgeschlossen, wohingegen formale Umgestaltungen ohne Inhaltsbezug (z. B. des Wortlauts) sowie Modifikationen der die Grundsätze konkretisierenden Randbereiche im Grunde gebilligt werden können.110 Letzteres 105

So Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b γ (S. 174). In dieser Weise wörtlich Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (43) als Erwiderung auf eine Interpretation des Wortlauts, wonach Grundsätze begrifflich bereits Ausnahmen einschlössen. Die Vertreter solcher Wortdeutungen unterlägen dem Irrglauben, Art. 79 Abs. 3 GG sei folgendermaßen zu lesen: „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch die die in den Art. 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist grundsätzlich unzulässig“ (auch hierzu a. a. O., Hervorhebungen im Original). 107 Siehe erneut Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 159 m. w. N. sowie ferner Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 59. Hingegen beinahe schon zu weitgehend die von Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 219 formulierten Anforderungen, wonach nur die „prinzipiellen, wesentlichen Aussagen“ (zum Zitat a. a. O.) geschützt sein sollen. 108 Zu den im Fließtext nachfolgenden zwei Zitaten BVerfGE 30, 1 (39); s. a. Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 59. 109 So sehr prägnant der Thüringer VerfGH in LVerfGE 12, 405 (426) im Hinblick auf die Auslegung der tatbestandlich mit Art. 79 Abs. 3 GG im Wesentlichen übereinstimmenden Voraussetzungen von Art. 83 Abs. 3 ThürVerf; an gleicher Stelle ebenfalls „Grundbestand der das Staatswesen prägenden Prinzipien“. 110 Dazu Dietlein, in: BeckOK-GG, Art.  79 Rn.  21 und 21.1. Diesbezüglich spricht Stern, Staatsrecht  III/2, § 89 III 7 c β (S.  1107 f.) von einem gewissen Spielraum; ebenso ders., JuS 1985, 329 (334) bzw. ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 7 c β (S. 1107 f.) und ders., JuS 1985, 329 (334). Darüber hinausgehend will Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 51 sogar die spätere Rechtsprechung (in den frühen 90er Jahren, vgl. nachstehende Quellen) trotz ihrer ausdrücklichen Bezugnahme auf das ‚Abhörurteil‘ (BVerfGE 30, 1 ff.) in derselben Weise verstanden wissen. Immerhin werde die damalige Formulierung geringfügig modifiziert, so dass nur noch gewisse Änderungen außerhalb der Grundsätze selbst – namentlich die „positivrechtliche Ausprägung dieser Grundsätze“, so BVerfGE 84, 90 (121) und später ebenso BVerfGE 94, 12 (34) bzw. BVerfGE 94, 49 (103) – zugelassen würden, was sich nach Hain (weiterhin a. a. O.) wiederum mit dem großzügigeren Verständnis im Randbereich vergleichen ließe. In der weiteren Auseinandersetzung interpretiert er (auch hierzu a. a. O., zum nachfolgenden wörtlichen Zitat Fn. 123) die späteren Entscheidungen daher als „Klarstellung“. Auch Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 36 a. E. deutet dieses gewandelte Verständnis des BVerfG an, der Ausgestaltung der 106

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gilt zumindest solange, als durch Änderungen im Randbereich nicht doch änderungsfeste Grundsätze beeinträchtigt werden und somit wiederum die erstgenannte Fallgruppe betroffen wird. In gewissem Maße wirkt deshalb auch die konkret zu beurteilende Sachlage auf den Umfang des unantastbaren Grundsatzgehalts ein.111 Hingegen können „pauschalierende Formeln“112 Art. 79 Abs. 3 GG niemals vollständig und für alle denkbaren Situationen charakterisieren, weil wie in allen juristisch geprägten Bereichen der einzelnen Auslegung und Abwägung im Einzelfall113 der Vorzug gebührt. Demgemäß bleibt „nicht auszuschließen, daß einzelne Grundsätze nur Ordnungsprinzipien für den Regelfall aufstellen, aber selbst für Modifikationen der verschiedensten Art offen bleiben“114. Solche Modifikationen sind jedoch auf den (nicht von Art. 79 Abs. 3 GG erfassten) Randbereich zu beschränken und im Kernbereich stets ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang eine Verbindung hergestellt zu der dem Grundgedanken nach artverwandten Wesensgehaltsgarantie in Art. 19 Abs. 2 GG115, mit der Folge, dass „Grundsätze“ ebenso gut mit Wesensgehalt übersetzt werden könnten und nur dieser als von Art. 79 Abs. 3 GG geschützt anzusehen sei. Dies zugrunde gelegt käme die Revisionsschranke der bereits genannten116 institutionellen Garantie gleich. Gegenläufige Stimmen im Schrifttum117 haben dies abgelehnt. Die die Identität der Staatlichkeit prägenden Leitgedanken des Grundgesetzes sollen danach nicht überfordert, ihrer Besonderheit beraubt und zur freien Disposition der Politik geGrundsätze in anderen Verfassungsnormen ein gewisses Maß an Variabilität zuzugestehen. Hingegen lehnt Alberts, JuS 1972, 319 (321) Modifikationen wegen der Reichweite des Schutzes generell und damit selbst im Randbereich ab. 111 Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 52 m. w. N. hält es für unmöglich, für eine Vielzahl von Sachgebieten gleichzeitig dieselben gültigen Maßstäbe für „unwandelbare Mindestgehalte“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.) entwickeln zu können; zur Frage der Abwägung des Weiteren die dortige Rn. 54. 112 So Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 19. 113 Im Umkehrschluss aus Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 703 (nachdrücklich besonders die dortige Fn. 7); im Ergebnis gleich Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 27 (dort „Betrachtung einer konkreten verfassungspolitischen Entscheidungssituation“); s. a. Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 51 und eingehend den Abschnitt „Absoluter Gehalt der Prinzipien – relationale Ermittlung ihrer Berührung“ bei ders., Grundsätze des GG, S. 165 ff. 114 So Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 151. Er vermutet diese Möglichkeit insbesondere bei den organisatorisch geprägten Staatsprinzipien (z. B.  Gewaltenteilung) im Gegensatz zu unumstößlichen Menschenrechten (v. a. Menschenwürde), vgl. auch hierzu a. a. O. 115 Siehe bereits Fn. 30 in diesem Kapitel. 116 Vgl. bereits Fn. 32 in diesem Kapitel. 117 Die Wesensgehaltsgarantie als tauglichen Vergleichsmaßstab ablehnend: Vismann, in: AKGG, Art. 79 Rn. 46; Häberle, JZ 1971, 145 (150); Rupp, NJW 1971, 284 (284); Kalkbrenner, BayVBl. 1971, 146 (147); Bettermann, AöR 96 (1971), 528 (563). Hingegen vorsichtiger Hain, Grundsätze des GG, S. 90 ff.: Er hält den Vergleich zwar generell für denkbar, äußert sich hierzu jedoch kritisch („hilft […] nur bedingt weiter“, dazu ebenfalls a. a. O., S. 90).

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stellt werden.118 Andernfalls riskiere man, dem Grundgesetz mit dem Laufe der Zeit ein neues, von seinem Ursprung nicht mehr gedecktes Gepräge zu geben. Dieses wäre dann ein Aliud gegenüber dem Verfassungsinhalt, den Art. 79 Abs. 3 GG eigentlich zu schützen beabsichtigte.119 Denn wollte man die Revisionsnorm in ihrem Schutzgehalt auf eine Sicherung des Wesensgehalts der Grundsätze reduzieren, führte man schon wegen der streng voneinander zu differenzierenden Begriffsgehalte eine „absolut unzulässige Verkürzung des Geltungsanspruchs“120 herbei. Stattdessen sollte man sich, abermals im Anschluss an das Sondervotum121, den Kerngehalten von Art.  1 und Art.  20 GG, also des Stamms und Rückgrats der Grundentscheidungen des Grundgesetzes122, annehmen. Im Ergebnis bleibt es jedoch gleichgültig, ob man diesen Kern123 nun auf diese Weise oder durch eine Bezugnahme auf den Wesensgehalt oder alternativ die „Substanz dieser Vorschriften“124 oder auf sonstigem Wege125 beschreibt: Inhaltlich umschrieben bleibt es unabhängig von der konkreten Formulierung stets dasjenige 118 Andernfalls würde man sie „auf ein Sammelsurium erbaulicher, aber letzten Endes unverbindlicher Sentenzen“ dezimieren, so Kalkbrenner, BayVBl. 1971, 146 (147), der zugleich harsche Kritik an den Darstellungen im Urteil übt (z. B. „absolute Verkennung der Rechtslage“, auch zu diesem Zitat a. a. O.); gleichermaßen kritisch Rupp, NJW 1971, 284 (284); Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 239. 119 Dies entspricht dem Weg, den Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (43) einschlägt: Ihm geht es „nicht um die Quantitäten, […] sondern um eine Qualitätsbewahrung der ursprünglichen Verfassung“ (zum Zitat a. a. O., Hervorhebungen im Original). 120 So Rupp, NJW 1971, 284 (284) und zustimmend Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 46. 121 Hiermit angesprochen ist die Formulierung „diejenigen Grundsätze […], die dem Grundgesetz das ihm eigene Gepräge geben“ in dem Sondervotum BVerfGE 30, 1/33 (39). 122 Alternativ umschrieben als die „fundamentalen und wesentlichen Aussagen […], die ihre Substanz bilden, die ihre Identität ausmachen und durch die sie sich von anderen Normgehalten unterscheiden“, so Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 6 b (S. 1104); s. a. ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 6 b β (S. 1105). Mit der gleichen Zielsetzung, dem Sondervotum beizupflichten, auch Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 36. Er trennt insoweit jedoch zwischen Art. 1 und Art. 20 GG, weil der Menschenwürde nach ihrer Stellung im Grundgesetz ein vollumfassender Schutz zukommen müsse (siehe erneut a. a. O., Rn. 30). Vgl. schließlich auch Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 110, 115, 118 und Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 21, 23. 123 Vgl. etwa „Kern der geltenden Verfassung“ bei Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 24 oder „Verfassungskern“ bei Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (43). Eine Sammlung dieser und ähnlicher Begrifflichkeiten auch bei von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VI 2 b aa (S. 1883) m. w. N. 124 So zunächst Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 67 und später von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VII 3 b (S. 1893); s. a. Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 59. Kritisch zu einer solchen Begrenzung der Garantien Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 166. 125 Beispielsweise beschrieben als die „fundamentalen und wesentlichen Aussagen“, so Stern, JuS 1985, 329 (333, zum Gesamtzitat vgl. bereits die vorangegangene Fn. 122), oder „Prinzipien mit absolutem Geltungsanspruch“, so Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 149. Laut Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 1043 a. E. solle lediglich „das schlechthin Fundamentale“ geschützt werden. Eine entsprechende Übersicht findet sich bei Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 59.

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„Essentiale, das man aus einer Institution nicht entfernen kann, ohne deren Struktur und Typus zu verändern“126. In dieser Aussage korrespondieren die verschiedenen Herangehensweisen weitestgehend und weder die eine noch andere Varianten vermögen für sich in Anspruch zu nehmen, die Frage abschließend und restlos zu klären, da sämtliche Begrifflichkeiten gleichermaßen biegsam und wenig greifbar sind.127 Zusammengefasst gilt deshalb sowohl nach der zitierten bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung als auch der überwiegenden Literatur im Anschluss an das dortige Sondervotum aus dem Jahr 1970: Die Verfassungswidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen Art. 79 Abs. 3 GG kann erst dort angenommen werden, wo die Verfassungsänderung „das Grundgesetz als solches verfehlt“128, mithin der vom Verfassunggeber für die Bundesrepublik gewollten Vorstellung, wie sie vor allem in der Abfassung des Art. 20 Abs. 1 GG ihren Niederschlag gefunden hat, nicht gerecht wird.129 Die Berührung des Kerns, der Substanz, des Wesensgehalts etc. kann einerseits augenscheinlich durch die Abschaffung der Art. 1, 20 GG geschehen, andererseits aber auch durch Minderung des darin enthaltenen materiellen Kerngehalts.130 Als Verletzung des unabänderlichen, zur Bewahrung des Art. 79 Abs. 3 GG essentiellen Gehalts wäre somit eine Löschung von Art. 1 und Art. 20 GG ebenso anzusehen wie ihre Verkürzung oder Erweiterung – freilich jeweils nur bei gleichzeitiger Einflussnahme auf die Kerninhalte der darin benannten Grundsätze, etwa im Falle ihrer Entstellung oder Verzerrung.131 Um den maßgeblichen Gehalt der geschützten 126 So der ursprüngliche Ausspruch bei Stern, AfK 3 (1964), 81 (87), augenscheinlich in Anknüpfung an Schmitt, Verfassungslehre, S. 103. Dieser hatte schon erheblich früher betont, dass eine Verfassungsänderung dadurch begrenzt sei, „Identität und Kontinuität der Verfassung als eines Ganzen“ (zu diesem Zitat a. a. O.) zu bewahren. An anderer Stelle – siehe hierzu Stern, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1964), Art. 28 Rn. 123 m. w. N. bzw. ders., Staatsrecht I, § 5 IV 5 b δ (S. 174), wo er besonderen Wert auf den Gehalt legen möchte, nicht die zur Klassifizierung verwendete Begrifflichkeit (alternativ Wesensgehalt, Kern, etc.) – stellte Stern sodann ausdrücklich den Bezug zu Art. 79 Abs. 3 GG her. Später abermals von ihm aufgegriffen in ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 6 b β (S. 1105); ganz ähnlich Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 153. 127 Angelehnt an die ausführliche Auseinandersetzung speziell zur Relevanz von Art.  19 Abs. 2 GG für Art. 79 Abs. 3 GG bei Hain, Grundsätze des GG, S. 89 ff. Dieser beschäftigt sich eingehend mit den genannten Fragen der Ähnlichkeit, der Übertragbarkeit sowie des Erkenntnisgewinns und gelangt zum Schluss (a. a. O., S. 94 f.) zu dem o.g. Ergebnis (welches hier darüber hinausgehend auf weitere Begrifflichkeiten ausgedehnt wird). Auch er lässt aber die Klärung, ob der Gehalt exakt derselbe sei, offen. 128 So Dürig, in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 5 (8). Gemeint sind damit offenbar die identitätsprägenden Leitgedanken des Grundgesetzes, die jederzeit erhalten bleiben müssen. 129 Ob diese Voraussetzung zu bejahen sei, könne nur einer „Gesamtschau der Verfassung“, so Häberle, JZ 1971, 145 (150), entnommen werden, die das BVerfG im vielzitierten ‚Abhörurteil‘ vermissen lasse, das Sondervotum jedoch aufzeige (zu letzterem ebenfalls a. a. O., S. 151). 130 Vgl. Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art.  79 Abs.  3 Rn. 155; ähnlich Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b δ (S. 174). 131 Entsprechend übersichtlich auch bei Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 67 zusammengestellt; bezugnehmend hierauf ebenfalls bereits von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VII 3 b (S. 1893).

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Verfassungs(struktur-)bestimmungen und damit gleichsam ihr Herzstück zu ermitteln, muss „zwischen den essentiellen und akzidentiellen Bestandteilen“ in Art. 1 und Art. 20 GG unterschieden werden, was wiederum auf der Ebene ihrer Inhalte zu geschehen hat.132 Dies vorausgesetzt wird erkennbar, dass sich Lösungen nicht ohne Bezugnahme auf einen entscheidungserheblichen Einzelfall, also nur bei Auslegung der Normen anhand der Vorgaben von Art. 79 Abs. 3 GG als Schrankennorm zwecks Festlegung einzelner, nicht revisibler Gehalte, finden lassen werden.133 Eine abstrakte, universale Klärung für die Frage, welche Bestandteile noch essentiell und welche bereits akzidentiell sein sollen, kann es demnach nicht geben, weil sich dies abschließend nur bezüglich der jeweiligen Verfassungsänderung ermitteln lässt.134 Allgemeingültig lassen sich nur bestimmte Verfassungsgrundsätze kategorisieren, die regelmäßig als unabänderlich einzustufen sind. In jedem Einzelfall ist aber der konkret betroffene Kern von Art. 1 und Art. 20 GG zu ermitteln, um feststellen zu können, ob eine Verfassungsänderung hiergegen verstößt. Dabei gelten die letztgenannten Anforderungen, wie es die Bezugnahme des Bundesverfassungsgerichts auf den Wesensgehalt andeutet, nicht nur für das Schrifttum, das als Pendant zur weiten Auslegung des Wortes ‚berühren‘ Einschränkungen an dieser Stelle vorzunehmen gezwungen ist, sondern in gleichförmiger Weise auch für die Vorgehensweise der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Unabhängig von der beim Handlungsmaßstab vertretenen Ansicht sind deshalb die Kerngehalte aus Art. 1 und Art. 20 GG zu filtrieren (vgl. insoweit die detaillierten Ausführungen zuvor). Die insoweit nötige Ermittlungsarbeit beschränkt sich jedoch nicht auf diese beiden Normen: Wenngleich von Art. 79 Abs. 3 GG lediglich Art. 1 und Art. 20 GG angesprochen sind, finden sich zahlreiche Einzelausprägungen erst in der Gesamtschau mit weiteren Grundgesetznormen. Letzteres wird sich im Laufe dieser Arbeit noch aus der Auseinandersetzung mit den wesentlichen Verfassungsgrundsätzen135 der genannten Normen ergeben. Gerade wegen ihrer allgemeingültigen Aussagen und ihres deshalb gebotenen, hohen Abstraktionsgrades verlangen die Vorschriften „in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht [nach] weiterer Konkretisierung“136. Weil aber nur die „Grundsätze“ absolut vor Verfassungsänderungen gefeit sind, die bundes- und rechtsstaatlichen sowie demokratischen Leitgedanken 132 Zum Vorstehenden samt Zitat Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 153. Mit diesen Worten auch Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b δ (S. 174) bzw. ders., JuS 1985, 329 (333) und ferner sehr anschaulich ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 6 b α (S. 1105), wonach es dem Vorgehen nach vergleichbar sei, „einen ‚festen Kern‘ von der ‚diffusen Schale‘, die den Kern umgibt“ zu trennen (hierzu samt Zitat a. a. O.); ähnlich Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 49. Die Substanz betonend ebenfalls Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 67. 133 Vgl. Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn.  27; Stern, Staatsrecht  III/2, § 89 III 6 b α (S. 1105) bzw. ders., JuS 1985, 329 (333). 134 Estel, Bundesstaatsprinzip und direkte Demokratie im GG, S. 45. 135 Vgl. zu deren materiell-inhaltlichen Gehalten im Allgemeinen bereits in § 6 I.–III. 136 So treffend Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (69).

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des Grundgesetzes aber in vielfacher Gestalt an anderer Stelle im Grundgesetz Ausformungen erfahren haben und auch künftig erfahren können, stehen letztere für weitere Neuerungen prinzipiell offen.137 Die Grundsätze sind in diesem Sinne als „anreicherungsfähig“138 zu bezeichnen. Jedenfalls kommt dem Grundgesetz in seinem durch Art. 79 Abs. 3 GG gesicherten Bestand, d. h. ohne die jeweils daran gemessene Verfassungsänderung, die Rolle zu, gleichermaßen „Vergleichsmaßstab“139 und „Mindeststandard“140 für Änderungen am Grundgesetz zu sein. Trotz des fehlenden Bezugs der Schrankennorm auf weitere Verfassungsnormen ist es jedoch nicht ausgeschlossen, dass dortige Ausformungen gelegentlich ebenfalls von der Unabänderlichkeit mitumfasst sind. Dies ist namentlich der Fall, sobald Kerngehalte gleichzeitig auch an anderer Stelle des Grundgesetzes „berührt“ werden.141 So können Änderungen an beliebigen Grundgesetznormen den einzelnen Grundsatz unzulässig beschränken, wenn und soweit jene Entfaltung zur Verwirklichung des Verfassungsprinzips unentbehrlich ist und dieses erst mit den für seinen Fortbestand essentiellen, weil materiell über Art. 1 und Art. 20 GG hinaus verankerten Details anreichert.142 Doch bleibt auch hier immer zu beachten, dass lediglich „die unbedingten prinzipiellen Leitgedanken“143 garantiert sind, nicht hingegen alle darüber hinausgehenden Ausformungen, mögen sie auch mittelbar an Art. 1, 20 GG rückanzuknüpfen sein. Der leitgedankliche Charakter wird insbesondere dort anzunehmen sein, wo ohne die Ausgestaltung von dem unzweifelhaft geschützten Grundsatz als solchem nur eine leere, nichtssagende Hülle zurück 137 Das BVerfG spricht diesbezüglich in BVerfGE 109, 279 (310) von „Modifikationen der positiv-rechtlichen Ausprägung“. Dies dürfte nicht anders zu verstehen sein, als dass andere Verfassungsnormen mit Detailregelungen und Ausgestaltungen der Grundsätze wandlungsfähig bleiben; s. a. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 38; Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (65); Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 1043 und dem folgend Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 26. Ähnlich schließlich auch Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 81 mit bildhafter Erläuterung anhand von Stamm und Geäst eines Baumes. 138 So Stern, Staatsrecht I, § 4 II 2 c (S. 117); ähnlich Wolff / Bachof u. a., Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 8: Grundsätze seien „Richtlinien für die Gestaltung des Rechtszustandes, entbehren aber selbst der individualisierenden Normierung“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.). 139 So Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 49. 140 So BVerfGE 123, 267 (348); vgl. abermals auch Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 49. Dem vorausgehend (und zum Teil auch in Bezug genommen) explizit zur Frage von Mindeststandards aus bzw. in der Verfassung: Hain, Grundsätze des GG, S. 188 ff., insbes. Resümee auf S. 207 ff.; s. a. ders., in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 50 ff. und dem folgend Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (69). 141 In dieser Weise interpretiert von Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 38. Ablehnend hingegen Ridder, in: AK-GG (2. Aufl. 1989), Art. 79 Rn. 35 ff. – sehr prägnant seine Formulierung, „daß in den Art. 1 und 20 nur die ‚Grundsätze niedergelegt‘ sein können, die dort niedergelegt sind, und keine Grundsätze niedergelegt sind, die woanders niedergelegt sind“ (zum Zitat a. a. O., Rn. 35 a. E.). 142 Vgl. Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art.  79 Abs.  3 Rn. 155. 143 So die prägnante Maßstabsbildung bei Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (69).

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bliebe. Dadurch helfen diese weiteren Verfassungsinhalte, rechtssystematisch und rechtsvergleichend den Inhalt der eigentlichen Grundsätze zu verdinglichen und damit den Verfassungsänderungen auch abseits der rein leitgedanklichen Ebene reelle Ausflüsse im geltenden Recht gegenüberzustellen.144 Letzteres ist deswegen möglich, weil das ursprüngliche Grundgesetz durch die verfassunggebende Gewalt einem „konsistenten Zusammenhang“145 unterworfen wurde und somit mutmaßlich alle Ausformungen an anderer Stelle als Art. 1 und Art. 20 GG deren Grundlagen gerecht zu werden streben.146 Daran anknüpfend steht der Weg zu einer richtungweisenden Abwägungsentscheidung offen147, welche die Gestaltungen des verfassungsändernden Gesetzgebers mit den Zwecken der Unabänderlichkeitsnorm sowie der Einheit der Verfassung148 in Verbindung setzt, um den jeweiligen kernbereichsgeschützten Gehalt zu ermitteln. Letzterer muss allerdings jeder Bestrebung zur Extensivierung verschlossen bleiben, um die Entwicklungsoffenheit des Grundgesetzes zu erhalten.149 Entgegengesetzt zeichnet sich hierbei ein ebenso erstaunliches Bild: Trotz der strikten Vorgaben für den verfassungsändernden Gesetzgeber vermag die Unabänderlichkeit nicht einmal Umgestaltungen an Art. 1 und Art. 20 GG (z. B. Wortlautänderungen, Korrekturen, Umstellungen) zu hindern, solange deren zentrale, die Identität der Staatlichkeit prägenden Inhalte „substanziell bewahrt bleiben“150. Entscheidend ist damit nicht der unmittelbare Anknüpfungspunkt im Verfassungstext, sondern vielmehr der Grundsatzcharakter des durch die Änderung betroffenen Elements, d. h. seine Zugehörigkeit zum Kernbereich einer der in Bezug genommenen Verfassungsbestimmungen; es muss also jedenfalls mittelbar in Art. 1 oder Art. 20 GG hineinzulesen sein. Erst hierdurch wird Art. 79 Abs. 3 GG in dem Merkmal „Grundsätze“ auf wenige Kerngehalte und Leitgedanken beschränkt. 144

Vgl. Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 57, der diese Erkenntnis zwar auf die von ihm verwandten rechtstheoretischen Begriffe der Prinzipien und Konkretisierungen bezieht, im Ergebnis jedoch dasselbe zu meinen scheint. Im Ansatz vergleichbar auch Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 302 mit den dortigen Ausführungen zur Balance der Kompetenzänderungen/-verschiebungen. 145 So Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 57. In dieselbe Richtung Blasche, Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung, S. 89 und Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 111 (dort „innere Stimmigkeit“). 146 Vgl. BVerfGE 1, 14 (32 f.). 147 Nachfolgendes Prüfungsraster vorgeschlagen von Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 156. 148 Zu der Begrifflichkeit vgl. bereits in § 7 II. und dort vor allem Fn. 17. Zu seiner Relevanz vornehmlich BVerfGE 1, 14 (32) und die weitere an der vorgenannten Stelle belegte Rechtsprechung des BVerfG; dem folgend Stern, Staatsrecht I, § 4 II 1 (S. 113); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 71 f. 149 D. h. eine „Rigidität und Starre der Verfassung“ zu vermeiden, so Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (43). 150 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 39; dazu ebenfalls Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 47; Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 477 und angesichts seiner Kritik offenbar auch Löw, DÖV 1979, 819 (822).

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Eine zusätzliche restriktive Handhabung nimmt ansonsten nur das Bundesverfassungsgericht anhand des Wortes „berührt“ vor.151 Letzthin kann der normative Ausfluss dessen in Anbetracht der vielfältigen und vielschichtigen Wertungen sowie der vielen, die grundgesetzlichen Regelungen untereinander verbindenden, sachlich-inhaltlichen Fäden – vergleichbar einem mannigfaltig verwobenen Spinnennetz – kaum jemals zweifelsfrei beurteilt werden152 und zeigt sich im Einzelnen allenfalls, wenngleich nicht immer eindeutig erst bei der Beurteilung einer hieran zu prüfenden Verfassungsänderung. In Anbetracht des hier dem Grundsatzgehalt nach den Ansichten von Rechtsprechung und Literatur beigemessenen Maßstabs hält im Ergebnis doch die Wesentlichkeit der angestrebten Änderung Einzug in die Bewertung, ohne allerdings aus der Formulierung „Grundsätze“ künstlich eine über den Verfassungstext hinausgehende Restriktion herbeizuführen.

III. Auswertung und Stellungnahme Zusammenfassend sind sich beide Auffassungen, das Bundesverfassungsgericht dem folgend einzelne Autoren einerseits sowie das überwiegende Schrifttum in Anknüpfung an das Sondervotum im Abhörurteil andererseits, einig in Bezug auf das Verständnis der aus Art. 1 und Art. 20 GG geschützten Grundsätze. Hingegen wählen beide Seiten vollkommen unterschiedliche Maßstäbe, soweit es um die vom Verfassungswortlaut aufgestellte Frage geht, ob die „Grundsätze“ als maßgebliche Eingriffsobjekte auch wirklich „berührt“ werden. Während das Bundesverfassungsgericht die Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 GG diesbezüglich mit eigenen, sehr restriktiv interpretierenden Worten übersetzt und weitgehende Anpassungen des Grundgesetzes erlaubt, trennt die Literatur (trotz gewisser Differenzen einzelner Autoren im Detail) im Wesentlichen zwischen den von der Ewigkeitsgarantie explizit genannten Begrifflichkeiten. In diesem Zusammenhang soll zwar die unumgängliche Restriktion über das Verständnis der ‚Grundsätze‘ und insoweit den Umfang der einbezogenen Verfassungsregelungen erreicht werden, das ‚Berühren‘ allerdings denkbar weit zu interpretieren sein. Wenngleich nicht insgesamt, so stehen beide Meinungen doch in einem erheblichen Gesichtspunkt im Widerspruch zueinander. Beide Ansichten stimmen zwar darin überein, dass sie nicht sämtliche Aspekte geschützt wissen möchten, die in irgendeinem mittelbaren oder beiläufigen Zusammenhang mit den von Art.  79 Abs. 3 GG in Bezug genommenen Grundlagen des deutschen Staates stehen. Um dem Zweck der Ewigkeitsgarantie insgesamt gerecht zu werden, d. h. die Identität des Grundgesetzes einerseits zu bewahren, dieses aber auch für die nötigen Entwick-

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Vgl. hierzu bereits in § 9 I. 1. und erläuternd zu diesem Ansatz im Verhältnis zur überwiegenden Literaturmeinung außerdem in § 9 II. 2. a). 152 Vergleichbar die Formulierung von einem „diffusen Kreis von Aussagen“ bei Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 154.

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lungen offen zu halten, nähern sich beide Ansätze insoweit erheblich an.153 Doch entfernen sie sich zugleich wieder deutlich voneinander, wenn die Eingriffsinten­ sität als solche (d. h. das Tatbestandsmerkmal „berührt“) in Rede steht. Das Bundesverfassungsgericht verfolgt auch diesbezüglich eine äußerst restriktive Lesart und begrenzt damit den Anwendungsbereich des Art. 79 Abs. 3 GG ganz erheblich. Die gegenteilige Auffassung des überwiegenden Schrifttums hingegen versteht die zweite Anforderung derart allgemein, dass die Unantastbarkeitsgarantie hierdurch keine weitere Einschränkung neben den Grundsätzen als Eingriffsobjekt erfährt. Dies hat zwangsläufig zur Folge, dass jeder festgestellte Eingriff durch eine Verfassungsänderung unabhängig von seiner Intensität zwangsläufig gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben verstößt. Trotz ihrer Unterschiede im Einzelnen ist das praktische Ergebnis offenbar in den meisten Fällen und damit im Grunde regelmäßig ein ähnliches.154 Denn zumeist werden Verfassungsänderungen bereits nicht von der Norm geschützte Grundsätze betreffen155, d. h. nicht die Kernelemente betroffen sein. Um die allerdings ohne Zweifel bestehenden Differenzen in der Herangehensweise und die aus ihnen möglicherweise zu folgernden Unterschiede jedoch nicht pauschal einzuebnen, bedarf es stets der Untersuchung im Einzelfall, ob beide Ansichten anhand der konkreten Umstände tatsächlich zu demselben Ergebnis gelangen. Regelmäßig werden zwar sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur, wenn sich ihre theoretischen Erläuterungen auch noch so sehr unterscheiden mögen, den Umfang der garantierten Inhalte mehr oder minder einschränken. Doch kann diese Einschränkung, wie aus den einzelnen Anforderungen abzuleiten, beim Bundesverfassungsgericht erheblich weiter reichen als beim Schrifttum, welches sich dem damaligen Sondervotum angeschlossen hat und auf eine zusätzliche Restriktion des Art. 79 Abs. 3 GG verzichtet. Während die Literatur hierzu aufwändig die Elemente der Norm voneinander separiert und dem Berühren keine begrenzende Kraft zuspricht, legt das Bundesverfassungsgericht hierfür über den eigentlichen Wortlaut hinaus selbstformulierte Grenzen fest, um dem verfassungsändernden Gesetzgeber einen hinreichenden Gestaltungsspielraum zu belassen.156 153

Vgl. hierzu, ohne dass diese theoretisch überflüssige, da zusätzliche Begrenzung näher begründet oder besonders betont würde, zum Beispiel BVerfGE 30, 1 (25). In dieser Entscheidung wird die Ableitung von Grundsätzen speziell aus Art. 20 GG verlangt und anderen Grundsätzen ohne diesen Ausgangspunkt ein Unabänderlichkeitsschutz abgesprochen. 154 Siehe zu dieser Erkenntnis bereits Fn. 98 in diesem Kapitel. 155 Diesbezüglich stellt Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 20 a. E. in Gegenüberstellung zu der zuvor von ihm zitierten Rechtsprechung des BVerfG klar, dass auch nach dem weiten Verständnis von „berührt“ solche Modifikationen, die Grundsätze im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG nicht betreffen, zulässig sein können. Ausgehend hiervon ist  – vgl. bereits die vorstehende Aussage im Fließtext samt der zugehörigen Verweisung in der Fn. 154 – festzuhalten, dass Literatur und Rechtsprechung in derartigen Konstellationen regelmäßig zu gleichen Ergebnissen gelangen, weil es auf die Reichweite des Berührens nicht entscheidend ankommt. 156 Zu dieser Erkenntnis finden sich nähere Erläuterungen bereits in der zweiten Hälfte von § 9 I. 1. m. w. N.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

Möchte man sich angesichts dessen einen eigenen Eindruck verschaffen, wird zwangsläufig an einer Auslegung der Unantastbarkeitsgarantie anzusetzen sein. Denn nur Art. 79 Abs. 3 GG kann – wie schon in § 8 VI. erläutert – den Maßstab für Verfassungsänderungen festlegen und infolge dessen bestimmen, wann ‚verfassungswidriges Verfassungsrecht‘ entsteht. Mag man grundsätzlich auch die Zielsetzung der Rechtsprechung nachvollziehen können, übergreifende Maßstäbe zur Restriktion der änderungsfesten Verfassungsbestandteile formulieren zu wollen, kann dies immer nur vom Verfassungstext ausgehen und gegebenenfalls im Rahmen einer teleologischen Auslegung unter Einbeziehung von Sinn und Zweck der Norm erfolgen. Losgelöste Maßstäbe kann es hingegen nicht geben, weil man sich auf diese Weise über den Willen des Verfassunggebers hinwegsetzen würde. Das heißt aber, dass sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch das Schrifttum im Kern am gleichen Punkt begonnen und hieraus allenfalls unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen haben. Um dies nachvollziehen und eine eigene Bewertung der Rechtslage vornehmen zu können, soll nachstehend zunächst eine eingehende Auslegung des Art. 79 Abs. 3 GG vorgenommen werden. Dabei gilt: Je extensiver das Verständnis der geschützten Grundsätze, desto größer auch die „Gefahr einer Zementierung und Antiquierung der Verfassung“; je restriktiver, umso eher könnte das Grundgesetz nach zahlreichen einzelnen Änderungen, die für sich gesehen nicht die Kerngedanken verschieben, in ihrer Gesamtheit aber eben dies zur Folge haben, seine ursprüngliche Gestalt verlieren.157 1. Begriffsverständnis „berührt“ Um das wegen seiner offenen Formulierung maßgebliche Begriffsverständnis von „berührt“ in Art. 79 Abs. 3 GG näher zu spezifizieren, ist zunächst auf die anerkannten158 Auslegungsgrundsätze zu rekurrieren. Mit ihrer Hilfe soll anschließend untersucht werden, welches Wortverständnis den eingangs dieses Abschnitts beschriebenen Charakter der Ewigkeitsklausel bestmöglich verdeutlicht und ihren Zweck zu wahren geeignet ist. a) Auslegung „berühren“ Entsprechend der aus vorstehender Darstellung von Rechtsprechung und Literatur bekannten Reihenfolge bedarf es vorrangig einer Auslegung des von Art. 79 Abs. 3 GG normierten Handlungsmaßstabs („berührt“), der die Eingriffsintensität näher beschreibt und dadurch die zulässigen von den unzulässigen Verfassungsänderungen trennt. 157

Zu dieser Thematik siehe bereits Fn. 99 in diesem Kapitel. Vgl. stellvertretend für viele etwa Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 320 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 42 ff.; Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 613 ff. 158

§ 9 Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 GG

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Der Begriff „berühren“ deutet, soweit man zunächst die grammatische Auslegung bemüht159, nach allgemeinem Wortverständnis auf einen leichten, spürbaren, aber wenig kraftvollen Kontakt zu einem Gegenstück hin. Synonym wird dies mit den Worten veranschaulicht, einen Kontakt zu etwas herzustellen bzw. etwas anzurühren, ohne es fest anzufassen oder in gewisser Weise auf etwas / jemanden einzuwirken, d. h. ihn / es zu streifen.160 Außerdem lassen sich mit gleicher Bedeutungsrichtung noch „anfassen, angleichen, angreifen, angrenzen, annähern, anrühren, antasten, antippen, befühlen, betasten, heranreichen, liebkosen, nähern, streifen, […] tangieren, zusammentreffen“161 anführen. Das wesentliche Merkmal liegt darin, dass die Berührung eines anderen Objekts rein oberflächlich wirkt und dessen Substanz unberührt lässt.162 Die durch das Minimum an Einfluss geprägte, „‚starke‘ Fassung [Anm.: des Wortes] indiziert, es ‚streng und unnachgiebig‘163 auszulegen“164, d. h. ohne Erfordernis gewisser (Aus-)Wirkungen165 bzw. bemerkbarer Folgen oder „ein bestimmtes Gewicht“166 derselben. Bezieht man diese Erkenntnis auf die in der Norm angesprochenen Verfassungsgrundsätze, wäre jeglicher Kontaktpunkt  – und sei er noch so geringfügig – vom Anwendungsbereich erfasst167 und dieser somit sehr weit168 zu verstehen. Der grammatischen Auslegung der Norm folgend wäre somit alles 159 Dies hat vor allem Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 60 ff. sehr detailliert und sorgfältig getan. 160 Vgl. die jeweiligen Einträge zum Stichwort „berühren“ im Duden Universalwörterbuch, S. 292 f. und im DWDS-Wörterbuch, dort in der Rubrik ‚Bedeutungen‘. Unter Zugrundelegung dieser und ähnlicher Wörterbucheinträge s. a. Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 60 m. w. N. und Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 158. 161 So die Einträge zu dem Stichwort „berühren“ in der Rubrik ‚Relationen zu anderen Wörtern‘ im Dt. Wortschatz, hrsg. von der Universität Leipzig; vergleichbar auch die Auflistungen zum vorgenannten Stichwort im Brockhaus Wahrig Synonymwörterbuch, S. 161 f. und im DWDS-Wörterbuch, dort in der Rubrik ‚Thesaurus‘. 162 Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (64). 163 Diese Formulierung stammt ursprünglich aus dem Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (47). 164 So Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 7 (S. 1106) bzw. ders., JuS 1985, 329 (333). Die Stärke des durch dieses Wort gewonnen Ausdrucks betont auch Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 58. 165 In diesem Zusammenhang spricht Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (64) von einer „Eingriffsschwelle“. 166 So Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 158. 167 Vgl. Curtius, Schranken der Änderung des GG, S.  77 und Trost, Änderungen des GG, S. 223 f. Letztgenannter bemüht zur bildlichen Darstellung die Vorstellung anhand einer mathematischen Konstellation: Wären die unantastbaren Grundsätze in einem Kreis angeordnet, dann wäre bei einer Tangente, die mit diesem Kreis einen einzigen Punkt teilt, von einer Berührung zu sprechen – d. h. im Falle des Verbots (wie von Art. 79 Abs. 3 GG aufgestellt) dürfte es keine Tangenten geben (dazu näher a. a. O.). Dies greift auch Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 60 f. auf; dem Ergebnis ebenfalls folgend Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 158. 168 Auch Maunz, in: FS Laforet, S. 141 (145) sieht hierdurch zwar einen weiten Anwendungsbereich nahe gelegt, beurteilt dies aber zugleich kritisch dahingehend, dass das „Ergebnis […] unübersehbar“ (zum Zitat a. a. O.) werde.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

unzulässig, was einen Grundsatz im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG in irgendeiner Weise betrifft. Ein solcher Eingriff in einen unantastbaren Grundsatz beginnt aber schon dort, wo dieser zwar „äußerlich intakt bleibt, wenn in die unberührte Hülle jedoch Elemente eingepflanzt sind, welche die den Grundsatz mit Leben füllende Staats- und Rechtspraxis dahin lenken können, daß den zuvor prinzipienkonformen Handhabungen der Boden entzogen ist und sie letztlich in ihr Gegenteil verkehrt wären“169. Selbstredend wäre die Beseitigung eines Grundsatzes mittels Verfassungsänderung, da relativ „stärkste Form der Berührung“, davon ohne weiteres erfasst.170 Demgegenüber vermögen weder die historisch-genetische noch die systematische Auslegung nähere Erkenntnisse zu bringen. Letztere wäre zwar in Anbetracht der häufiger im Grundgesetz herangezogenen171 Wortschöpfungen aus ‚Berühren‘ grundsätzlich denkbar172, hilft jedoch wegen der Einzigartigkeit von Art. 79 GG als Revisionsnorm mit formellen und materiellen Schranken nicht bei ihrem Normverständnis, welches Kern dieser Ausführungen ist. Während andere Normen nach ihrer Zielrichtung nur den einfachen Gesetzgeber oder die Verwaltung zu maßregeln suchen, ist hier ausnahmsweise der verfassungsändernde Gesetzgeber angesprochen. Durch die Revisionsnorm wird ihm einerseits erst das Recht zur Verfassungsänderung eingeräumt, er gleichzeitig aber durch die Auferlegung derartiger Schranken begrenzt.173 Auch historisch betrachtet lässt sich allenfalls festhalten, dass bei den Beratungen der Schrankenregelung zunächst das ‚Beseitigen‘174 und sodann – als Parallele175 zu Art. 19 Abs. 2 GG – das ‚Antasten‘ der Grundsätze zu verbieten angedacht war.176 169

So die sehr bildhafte und dadurch gut nachvollziehbare Formulierung in einer Entscheidung zu Art. 83 Abs. 3 ThürVerf, in welcher sich der Thüringer VerfGH, abgedruckt in LVerfGE 12, 405 (426), eingehend mit einer Auslegung der mit Art. 79 Abs. 3 GG voraussetzungsgleichen Revisionsschrankennorm der Landesverfassung auseinander gesetzt hat. 170 Zum Vorstehenden inkl. Zitat Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b γ (S. 174). 171 Von berühren bzw. nicht berühren spricht das Grundgesetz an anderen Stellen zwar ebenfalls, doch unterscheidet sich der jeweilige Zusammenhang stets wesentlich von demjenigen in Art. 79 Abs. 3 GG: Zum einen werden Kompetenzfragen (bzw. die Trennung von Zuständigkeiten z. B. in Art. 23 Abs. 5 S. 1 und Art. 89 Abs. 2 S. 4 GG) auf diese Weise vorbehalten, zum anderen mit einem ergänzenden, normativen Hinweis klargestellt, ob andere Normen (beispielsweise Art. 19 Abs. 4 S. 3 GG) oder Rechte (beispielsweise Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG) durch eine bestimmte Regelung nicht verdrängt werden sollen. Ausführlich bei Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 32 und Rn. 34 mit näheren Erläuterungen und weiteren Beispielen für den Wortreichtum der Variationen von „berühren“ im Grundgesetz. 172 Ein weiterer Versuch findet sich beispielsweise bei Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (64 ff.). 173 Hierzu bereits ausführlich in § 8 III. 174 In dieser Weise lautete die ursprünglich in Art. 108 HChE erwogene Textfassung für die Revisionsschrankennorm im Grundgesetz, abgedruckt in JöR n. F. (1951), S. 585. 175 Die Parallelität betonend Stern, JuS 1985, 329 (333). 176 In dieser Weise lautete die vom Allgemeinen Redaktionsausschuss des Parlamentarischen Rates in der Textfassung vom 25. Januar 1949 vorgeschlagene Formulierung, abgedruckt in JöR n. F. (1951), S. 586.

§ 9 Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 GG

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Gemein ist diesen Verben wie auch dem nunmehr im Verfassungstext verankerten ‚Berühren‘ jeweils der Ausschluss gegenläufiger Tendenzen, doch unterscheiden sie sich zumindest teilweise in der hierbei geübten Schärfe: Während die erstgenannte Variante (‚Beseitigen‘) ein eher restriktives und zurückhaltendes Verständnis nahegelegt hätte, das heute noch in der vom Bundesverfassungsgericht bemühten Lesart der Norm zum Ausdruck gelangt, war die andere zunächst erwogene Variante (‚Antasten‘) erheblich weiter gefasst und der später beschlossenen sowie heute gültigen Formulierung (‚Berühren‘) vergleichbar: Beide letztgenannten Begrifflichkeiten sind sinnverwandt und können entsprechend der vorstehenden Ausführungen zur grammatischen Auslegung177 als Synonyme verwandt werden, weshalb sie dieselben schwachen Anforderungen an den vorausgesetzten Eingriff wiedergeben.178 Ungeachtet dessen hat sich der Verfassunggeber ohne nähere Begründung179 auf die heutige Formulierung verständigt, weshalb das Grundgesetz an dieser Stelle nunmehr von einem ‚Berühren‘ spricht. In Ermangelung näherer Ausführungen zu dieser Entscheidung oder einer diesbezüglichen Diskussion ergeben sich hieraus keine Erkenntnisse für das Verständnis der Verfassung gewordenen Textfassung. Soweit darüber hinausgehend (in theoretischen Überlegungen180) weitere denkbare Verben, wie zum Beispiel „verletzt“ oder „beeinträchtigt“, der Formulierung im geltendem Recht gegenübergestellt werden könnten, ist dies wegen der fehlenden Erörterungen im Herrenchiemseer Verfassungskonvent und im Parlamentarischen Rat wenig gewinnbringend bzw. beschränkt sich ganz generell auf Mutmaßungen anhand von Begrifflichkeiten, die jedenfalls nicht in Art. 79 Abs. 3 GG enthalten sind. Jedoch mag im Gegensatz zur wenig aufschlussreichen Entstehungsgeschichte der Norm in gesamthistorischer Hinsicht zu berücksichtigen sein, dass bereits in der Weimarer Republik der Sinn und Zweck einer solchen Einschränkung bzw. ihres Umfangs erwogen wurde.181 Schließlich legt die teleologische Auslegung auf Grundlage der zuvor erläuterten Hintergründe und Ziele des Art. 79 Abs. 3 GG eine restriktive Auslegung nahe. 177

Hierzu schon zu Beginn dieses Abschnitts, vgl. im Einzelnen die Fundstellen in Fn. 161. Vgl. Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 7 (S. 1105) bzw. ders., JuS 1985, 329 (333); hierzu eingehend auch Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (65). 179 Die Entstehungsgeschichte gibt zum Verständnis oder der Herkunft des Wortes „berührt“ keinen Aufschluss, weil weder die älteren Verfassungen der Länder noch der Entwurf des Herrenchiemsee-Konvents oder die Beratungen des Parlamentarischen Rates eine entsprechende Formulierung kannten, hierzu bereits in den vorstehenden Fn. 174 und 176 sowie erläuternd Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 33 und Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 22. Letztgenannte mutmaßt (weiterhin a. a. O.), dass man in der abschließenden Fassung, die von derjenigen vom 25. Januar 1949 (dazu Fn. 176) nochmals abwich, ggf. die Differenzierung von Verfassungs(Art. 79 Abs. 3 GG) gegenüber Bestandsschutz (Art. 19 Abs. 2 GG) in den Wortlaut einfließen lassen wollte. 180 Zum Beispiel bei Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 60 f. und darauf bezugnehmend bei Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 158; zudem ähnlich Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (64). 181 Zu den damaligen Diskussionsansätzen vgl. bereits Fn. 128 in § 8 IV. 1. Außerdem rückblickend Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 35 m. w. N. 178

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Insoweit wird an dieser Stelle zusammenfassend auf die vorhergehenden Kapitel verwiesen, darunter insbesondere auf § 8 IV. 3., V. und VII. Die Auslegung nach Sinn und Zweck tritt damit in Widerspruch zu der auf Wortlautebene aufgestellten Vermutung, dass die Norm eher weit zu interpretieren sei. Wenngleich einem Berühren nach dem allgemeinen und auch nach dem normativen Wortverständnis ein sehr weitreichender Anwendungsbereich zukommt, lässt sich dies nicht mit dem ausführlich umschriebenen Normzweck vereinbaren. Art. 79 Abs. 3 GG ist seinem Wesen nach vielmehr so konstruiert, dass ein eng begrenzter Kreis an Verfassungsgrundsätzen gegen Änderungen absolut geschützt werden soll. Änderung in diesem Sinne meint die Schaffung einer Regelung – sei es durch Anpassung einer bestehenden oder durch Neubildung –, die eine mindestens partielle Einschränkung eines als unabänderlich deklarierten Grundsatzes mit sich bringt182, und zwar unabhängig von einer Einwirkung auf Wortlaut der geschützten Regelungen selbst. Würde man an dieser Stelle entsprechend dem allgemeinen Begriffsverständnis extensiv Inhalte dieser Grundsätze erfassen bzw. die geschützten Elemente von jeder noch so kleinen Anpassung ausnehmen, wäre die dauernde Funktionsfähigkeit und Zukunftstauglichkeit der geltenden Verfassung in Frage gestellt.183 Im Ergebnis weisen demzufolge die grammatische sowie die teleologische Auslegung auf diametral entgegengesetzte Ansätze hin: Danach wäre Art.  79 Abs. 3 GG entweder weit oder eng zu interpretieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach den allgemeinen Auslegungsregeln im Zweifel der Wortlaut maßgeblich bleiben soll184; eine Auslegung contra legem, d. h. entgegen dem vom Verfassunggeber gewählten Wortverständnis, dürfte sich schwerlich rechtfertigen lassen. b) Wortverständnis in Art. 79 Abs. 3 GG Wie bereits in den unterschiedlichen Ansichten des Bundesverfassungsgerichts und diversen Stimmen aus dem Schrifttum185 spiegelt sich gemäß der vorstehenden Ausführungen auch in der Auslegung die Zweispurigkeit der Argumentation wider: Legt man den Schwerpunkt auf die Formulierung, müsste dem Begriff „berühren“ 182

Vgl. Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 39 (dort v. a. Fn. 79) und im Einzelnen bereits in § 8 I. 183 Zu deren notwendiger Erhaltung siehe ebenfalls schon in § 8 I. 184 Vgl. etwa BVerfGE 18, 97 (111); BVerfGE 54, 277 (299 f.); BVerfGE 71, 81 (105); unter Bezugnahme hierauf sehr treffend BVerfGE 90, 263 (275): „Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen aber dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde.“ Ferner Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 324, 343; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 47, 61 bzw. ders., in: FG 25 Jahre BVerfG II, S. 108 (115 f.); Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 614 f.; Herzberg, JuS 2005, 1 (2 ff.). Ausführliche Zusammenfassung der klassischen Lehre und eingehende kritische Auseinandersetzung hiermit unter Berücksichtigung von Erkenntnissen aus den Sprachwissenschaften bei Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 297 ff. m. w. N. 185 Im Einzelnen dargestellt in § 9 I. 1. und II. 2.

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ein weites Verständnis (wie von der Literatur, vgl. § 9 I. 2.) zugrunde gelegt werden, mit Sinn und Zweck der Unabänderlichkeitsnorm ginge hingegen eher eine zurückhaltende und restriktiv orientierte Position (wie mit der bisherigen Mehrheitsmeinung im BVerfG, vgl. § 9 I. 1.) einher. Doch lässt die formal anmutende Auseinandersetzung über das Verständnis des einen Wortes in Art.  79 Abs.  3 GG den in § 8  V. und  VII. (dort v. a. im Fazit) dargestellten Gesamtzusammenhang bei der Interpretation vermissen. In der isolierten Auslegung einer Begrifflichkeit zeigt sich deutlich die Problematik, die im Kern hinter der Diskussion um eine Restriktion der unabänderlichen Gehalte steht. Wie § 8 VII. und als Folge dessen § 9 I. gezeigt haben, sind sich im Prinzip alle Diskussionsteilnehmer einig, dass das Privileg der Unabänderlichkeit nicht jedem Verfassungsinhalt zukommen kann und dieses zwangsläufig begrenzt bzw. restriktiv angewandt werden muss. Doch wird als Folge dessen – vgl. im Fazit am vorgenannten Ort – regelmäßig unmittelbar mit einer restriktiven Grundeinstellung der Norm argumentiert, anstatt sich richtigerweise auf ihren Inhalt zu beschränken und diesen ordnungsgemäß im Wege der Auslegung zu interpretieren. Möchte man die Restriktion nicht überstrapazieren, erscheint es dementsprechend sinnvoll, die Elemente der Ewigkeitsgarantie nach ihrem jeweiligen (Wort-/Text-)Verständnis auszulegen und erst im Anschluss zu kontrollieren, ob in dem Gesamtverständnis, d. h. unter Berücksichtigung sämtlicher Voraussetzungen, die nötige Restriktion erreicht wird bzw. nachgesteuert werden muss. Letzteres ist aber nicht der Fall, da Art. 79 Abs. 3 GG bereits durch seine tatbestandlichen Voraussetzungen hinreichend restringiert ist. Die Unabänderlichkeit wird schon kraft des Wortlauts nur bestimmten, näher spezifizierten Grundsätzen gewährt, wenn diese berührt werden. Das bedeutet aber wiederum, dass nicht jedes tatbestandliche Element der Revisionsschranke über seine eigentliche Wortbedeutung hinaus und bloß aus teleologischen Gründen zusätzlich eingeschränkt werden muss. In eben dieser Weise verhält es sich auch mit dem Berühren. Das Prädikat des Satzes („berührt“) soll lediglich angeben, in welcher Weise auf die „Grundsätze“ aus Art. 1, 20 GG eingewirkt werden muss, um die Schutzwirkung auszulösen. Für die nach Sinn und Zweck notwendige Restriktion des geschützten Bereichs sorgt hingegen das letztgenannte tatbestandliche Element („Grundsätze“), auf das deshalb nachfolgend in § 9 III. 2. näher eingegangen und dabei ein besonderes Augenmerk gelegt wird. Einer weitergehenden restriktiven Lesart bei jedem Tatbestandsmerkmal – und damit auch in Bezug auf „berührt“ im Sinne der Revisionsschrankennorm – bedarf es vor diesem Hintergrund nicht. Bei diesem Verständnis sowie unter Zugrundelegung des Normzwecks, der eine weitere Restriktion nicht erfordert, sondern im Gegenteil nach einer weitreichenden Schutzwirkung verlangt, ist zu folgern, dass auf Grundlage der Wortbedeutung eine weite Auslegung des nicht mehr zulässigen Handlungsmaßstabs geboten ist: Um eine Gefährdung des Staates und seiner Grundlagen nicht zuletzt angesichts der historischen Vorlagen unbedingt zu vermeiden, muss hinsichtlich des Berührens

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jede Einwirkung auf die Leitgedanken des Grundgesetzes genügen. Sobald diese in irgendeiner Weise betroffen werden, soll Art. 79 Abs. 3 GG zur Stelle sein, um einen eventuellen Angriff auf das Grundgesetz im Keim zu ersticken oder etwaige Fehler beim Ergänzen oder Experimentieren mit dem Verfassungstext umgehend aufzudecken. Das gleichzeitig erforderliche Maß der Restriktion und somit Einschränkung auf wesentliche Kernelemente der Verfassung, das im Sinne einer Restriktion ohne Zweifel auch nicht fehlen darf, wird sodann durch die weitere Voraussetzung, dass es sich um „Grundsätze“ aus Art. 1 oder Art. 20 GG handeln muss, weil nur diese dem Schutz des Art. 79 Abs. 3 GG durch ihre Unabänderlichkeit unterliegen, hergestellt. Dies genügt insbesondere, um unumgänglichen Entwicklungen einen gewissen Spielraum zu gewähren, ohne den Verfassungskern als solchen in Abrede oder zur Disposition zu stellen. Würde man hingegen bereits die verbotene Einflussnahme, d. h. das Berühren, restriktiv interpretieren, wäre sicherlich zwar dem Gesamtverständnis der Ewigkeitsklausel bereits auf der Ebene des Handlungsmaßstabs – und somit möglichst frühzeitig – Rechnung getragen, doch würde der Geltungsanspruch des Art. 79 Abs. 3 GG über dessen Wortlaut hinaus erheblich verkürzt.186 Zusammengefasst kann aus den vorgenannten Gründen auf den dargelegten Streit um das Verständnis von „berühren“ zugunsten einer Konzentration auf die nachstehend erläuterten „Grundsätze“ verzichtet werden; wegen der Teilidentität des strengeren Verständnisses mit den nachfolgenden Anforderungen kommt es auf dieses Element nicht entscheidend an. Ungeachtet dessen entspricht allerdings nur diese Vorgehensweise, im Rahmen des Handlungsmaßstabs jede Einwirkung als unzulässig zu interpretieren, dem Verfassungstext und damit zugleich dem hierin zum Ausdruck kommenden Willen der verfassunggebenden Gewalt, wohingegen eine der verfassungsändernden Gewalt mehr Freiräume zubilligende Restriktion der Änderungsschranken der Gefahr unterliegt, den Wortlaut von Art. 79 Abs. 3 GG überzustrapazieren. Im Ergebnis sind keine durchgreifenden Bedenken ersichtlich, die unzulässige Einflussnahme auf die Grundsätze daher sehr weit zu interpretieren, möge sie auch noch so geringfügig sein.

186 Mit einer vergleichbaren Schlussfolgerung gelangte der Thüringer VerfGH in LVerfGE 12, 405 (426) bei der Prüfung des mit Art.  79 Abs.  3 GG verwandten Art.  83 Abs.  3 ThürVerf zu einem weiten Anwendungsbereich (wie das hier favorisierte Verständnis von „berührt“) bei gleichzeitiger Verengung des Schutzbereichs (entsprechend dem hier vorgeschlagenen Verständnis des Begriffs „Grundsätze“). Folgerichtig geboten sei eine „Interpretation, die zwar eine umfassende Kontrolle des hier maßgeblichen Verfassungsrechts beinhaltet, die aber gleichzeitig gewährleisten soll, daß […] nicht solche Fesseln angelegt werden, daß diese Form […] ihrer Funktionsfähigkeit praktisch verlustig geht“ (zum Zitat a. a. O.).

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2. Begriffsverständnis „Grundsätze“ Weiterhin bedarf auch die Formulierung „Grundsätze“ entsprechend der vorstehenden Ausführungen der näheren Auslegung anhand der klassischen Auslegungsgrundsätze, bevor im Anschluss eine eigenständige Schlussfolgerung für ihren materiellen Gehalt gezogen werden kann. a) Auslegung „Grundsätze“ Um das abstrakte Verständnis der inhaltlichen Reichweite des Eingriffsobjekts zu ermitteln, ist die in Art. 79 Abs. 3 GG normierte Begrifflichkeit „Grundsätze“ in dem ihr zukommenden bzw. von der verfassunggebenden Gewalt beigelegten Sinngehalt im Wege der Auslegung – und dabei jedenfalls zunächst unabhängig von der vorab untersuchten Eingriffsintensität – zu prüfen. Bemüht man hierzu abermals zunächst die grammatische Auslegung, deutet die Formulierung „Grundsätze“ allgemein, wenngleich wegen ihrer sprachlichen Offenheit schwer zu fassen187, auf allgemeingültige und über den Einzelfall hinausgehende Maßstäbe hin. Dem traditionellen Wortverständnis nach wird ‚Grundsatz‘ mit „grundlegenden sätze[n], die einer erörterung, einer beweisführung […] zu grunde liegen“188 übersetzt. Im wissenschaftlichen Sinne sind hiermit „die fundamentalen sätze, regeln, lehren, principien einer wissenschaft, eines systems, einer kunst, einer lehrmeinung“189 gemeint, d. h. die wahrheitsbegründenden Ursprünge.190 Zieht man das allgemeine heutige Wortverständnis heran, lässt es sich auch als Grundlage oder Fundament von etwas anderem, darüber Hinausgehendem beschreiben191, gleichsam aufzufassen als eine Form von „Grundprinzip“192, d. h. ein „Prinzip, das einer Sache zugrunde liegt, nach dem sie ausgerichtet ist, das sie kennzeichnet“193. 187

Vgl. auch Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 6 (S. 1103) bzw. ders., JuS 1985, 329 (332). Siehe insoweit die vielgestaltigen Erläuterungen im Dt. Wörterbuch der Gebrüder Grimm (Bd.  9), Stichwort „grundsatz“, Sp. 890 bis 895. 188 So (vollständig in Kleinbuchstaben) im Original in dem Dt. Wörterbuch der Gebrüder Grimm (Bd. 9), Stichwort „grundsatz“, Sp. 890; vgl. an anderer Stelle „axiom“ (so in Sp. 891 unter 1. b)) oder „principium“ (so in Sp. 891 unter 1. c)). 189 Abermals wie im Original in dem Dt. Wörterbuch der Gebrüder Grimm (Bd. 9), Stichwort „grundsatz“, Sp. 892 (einschließlich der dortigen Kleinschreibung). Hieran knüpft auch Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 55 an. 190 Vgl. Dt. Wörterbuch der Gebrüder Grimm (Bd. 9), Stichwort „grundsatz“, Sp. 890. Nach den dortigen Angaben (a. a. O., auch im Original vollständig in Kleinbuchstaben) des Weiteren zu verstehen als „satz, princip, regel, die die normative grundlage des handelns darstellt“ (so in Sp. 893 unter 1. d)) sowie „im sinne von ‚basis, fundament, untersatz‘“ (so in Sp. 894 unter 2. a. E.). 191 Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 55. 192 So treffend die Einträge zum Stichwort „Grundsatz“ im Duden Universalwörterbuch, S. 765 und ebenso im DWDS-Wörterbuch, dort als eines vieler Synonyme in der Rubrik ‚Thesaurus‘. 193 So eine Eintragung zum Stichwort „Grundsatz“ im Duden Universalwörterbuch, S. 765; an gleicher Stelle heißt es ebenfalls „feste Regel, die jmd. zur Richtschnur seines Handelns macht“

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Synonym können für Grundsatz mit derselben Bedeutungsrichtung auch „Axiom, Charta, Codex, Direktive, Doktrin, Faustregel, Gesetz, Gesetzlichkeit, Gesichtspunkt, Glaubensbekenntnis, Kompaß, Legalität, Leitlinie, Leitsatz, Maxime, Merkspruch, Prinzip, […] Regel, Regelung, Richtmaß, Richtschnur, Statut“194 verwandt werden. Diesen Begriffen ist gemein, dass es sich um Angel- und Ausgangspunkte für weitergehende Feststellungen, kurz Grundgedanken, bzw. Voraussetzungen und Vorbedingungen für hieran anknüpfende Entwicklungen, also Konditionen oder Prämissen, handelt.195 Auch im rechtlichen Verständnis wird der Grundsatz gemeinhin als der „allgemeine, grundlegende Satz“196 umschrieben. Grundsätzen ist deswegen zu eigen, dass sie einer „rechtssatzmäßigen Konkretisierung“197 bedürfen, weil es sich lediglich um ein abstraktes Bekenntnis im Sinne einer Richtschnur handelt, deren nähere und detaillierte Ausgestaltung einer Fülle ausführender Normen und Detail­ regelungen obliegt.198 Sie sind der näheren Ausgestaltung einerseits zwar fähig, andererseits allerdings auch bedürftig. Als Äquivalent hierzu wird deshalb in vielen Fällen der Begriff „Prinzipien“ verwandt.199 Unter einem Prinzip wird – insoweit begrifflich mit einem Grundsatz nahezu deckungsgleich200 – eine allgemeingültige Regel und Grundlage anderer (a. a. O., S. 765). Siehe zu demselben Stichwort auch weiterhin im Duden (Bd. 10), S. 460 und im DWDS-Wörterbuch, dort in der Zusammenschau der Rubriken ‚Bedeutungen‘ und ‚Thesaurus‘. Aufgegriffen bereits von Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 55 und dem folgend Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 159 zur Erläuterung der Ewigkeitsklausel. 194 So die Einträge zum Stichwort „Grundsatz“ unter den Rubriken ‚Relationen zu anderen Wörtern‘ und ‚Dornseiff-Bedeutungsgruppen‘ im Dt. Wortschatz, hrsg. von der Universität Leipzig; schließlich noch zu demselben Stichwort im Brockhaus Wahrig Synonymwörterbuch, S. 402. 195 Vgl. die Abfragen zum Stichwort „Grundsatz“ im Dt. Wortschatz, hrsg. von der Universität Leipzig unter der Rubrik ‚Dornseiff-Bedeutungsgruppen‘ sowie erneut in der Rubrik ‚Thesaurus‘ im DWDS-Wörterbuch. 196 So Köbler, Juristisches Wörterbuch, (S. 197) mit Beispielen in Art. 109 Abs. 3 GG zum Haushaltsrecht und in Art. 33 Abs. 5 GG zum Berufsbeamtentum. 197 So Wolff, in: GS Jellinek, S. 33 (50). 198 Demgemäß sind Grundsätze noch abstrakter als Normen, die selbst bereits abstrakt-generell wirken sollen und demgemäß formuliert werden; vgl. Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 55 f. und dem folgend Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 159. 199 Vgl. hierzu Krüger, in: FS Forsthoff, S. 187 (194) m. w. N. Demgegenüber werden beide Begrifflichkeiten (Grundsatz und Prinzip) in der Rechtstheorie unterschieden, vgl. stellvertretend zum Verständnis von Prinzipien im Sinne von „allgemeinen Rechtsgedanken“, die der Konkretisierung bedürfen, z. B. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 474 (dort auch zum vorstehenden wörtlichen Zitat) und zu ihrer Deutung als reine „Optimierungsgebote“ etwa Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 661. In letztgenanntem Zusammenhang macht Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 347 f. auf praktische wie verfassungsdogmatische Bedenken beim Übertrag dieses Verständnisses in das Grundgesetz (v. a. im Zusammenhang mit der Abgrenzung zwischen Prinzipien und Regeln) aufmerksam. Für die hier relevante Unterscheidung zwischen Prinzipien und Grundsätzen kann letzteres jedoch dahinstehen. 200 Vgl. nur die Wortbedeutungen im Duden Universalwörterbuch, Stichwort „Prinzip“ (S.  1383) im Vergleich zu den vorgenannten Bedeutungen von „Grundsatz“. Dies erkennt auch Hain, Grundsätze des GG, S. 82 („enge Sinnverwandtschaft“); an späterer Stelle (a. a. O.,

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Feststellungen, gleichbedeutend einer etwas zugrundeliegenden Idee oder einem maßstabsbildenden Schema, verstanden.201 Als solche „Grundregel“ dient ein Prinzip den Menschen in ihrem Denken und Handeln als Leitbild bzw. Leitfaden, im Sinne einer zu befolgenden Maxime, Direktive oder Doktrin, die Richtschnur des weiteren Handelns ist.202 Trotz der artverwandten und im Sprachgebrauch oftmals synonym verwandten Begrifflichkeiten können Grundsätze im (verfassungs-)rechtlichen Zusammenhang gleichwohl nicht eins zu eins mit Prinzipien gleichgesetzt werden. Denn die Verfassung kennt zentrale Staatsstrukturprinzipien, zu denen insbesondere diejenigen zählen, die in Art. 20 GG203 niedergelegt sind. Da diese Vorschrift allerdings von Art. 79 Abs. 3 GG nicht mit ihrem vollen Umfang, sondern lediglich beschränkt auf „Grundsätze“ in Bezug genommen wird, lässt sich folgern, dass ein Grundsatz im Sinne des Grundgesetzes lediglich ein einzelnes Teilelement eines Prinzips (oder einer sonstigen Bestimmung) meint, diesem in seiner Reichweite also nicht gänzlich entspricht.204 Dabei ist zusätzlich noch der Rang des Grundgesetzes in die Überlegung miteinzubeziehen: Versteht man als Folge der Normenhierarchie bereits die Rechtssätze der Verfassung gegenüber denjenigen des einfachen Rechts als besonders gewichtig und substantiell, dürfte sich diese Erkenntnis im Hinblick auf die (zusätzlich herausgehobenen) Grundsätze der Verfassung nochmals intensivieren.205 In der bereits thematisierten206 Stufenfolge des Grundgesetzes, die dem Umfang folgend am kleinsten Punkt mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beginnt und bis zur verfassungsmäßigen Ordnung reicht, sind die (VerS. 95 ff.) auch sehr ausführlich zur rechtstheoretischen Unterscheidung von Regeln und Prinzipien. Nach Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art.  20 (Rechtsstaat) Rn.  44 m. w. N. sei eine „normlogische Unterscheidung […] nur idealtypisch, d. h. nur skalierend und nicht trennscharf möglich“. 201 Wortbedeutungen entnommen aus den Eintragungen zum Stichwort „Prinzip“ im Duden Universalwörterbuch, S. 1383 bzw. im Duden (Bd. 5), S. 847. 202 Zum Vorstehenden inkl. Zitat auszugsweise die Einträge zum Stichwort „Prinzip“ in den Rubriken ‚Bedeutungen‘ und ‚Thesaurus‘ im DWDS-Wörterbuch sowie in der Rubrik ‚Relationen zu anderen Wörtern‘ im Dt. Wortschatz, hrsg. von der Universität Leipzig. 203 Demgegenüber handelt es sich bei der von Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Menschenwürde, obwohl ebenfalls zu den „tragenden Konstitutionsprinzipen“ des Grundgesetzes zählend, so etwa BVerfGE 6, 32 (36) sowie ähnlich Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 1 Rn. 2 m. w. N., und deshalb von Art. 79 Abs. 3 GG in Bezug genommen, nicht um ein Staatsstrukturprinzip. Dies wird zwar nicht derart ausdrücklich bei Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 Rn. 44 festgestellt, lässt sich allerdings den diesbezüglichen Angaben zum „Rechtscharakter“ der Vorschrift als „richtungweisende Wertentscheidung“ (zu beiden Zitaten a. a. O., zu letzterem m. w. N.) entnehmen. 204 Auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 475 f. deutet bereits das „Vorliegen einer gewissen inneren Rangordnung“ (S. 475) zwischen einer Mehrzahl von Prinzipien an. Eine solche Rangordnung zu schaffen ist Aufgabe von Art. 79 Abs. 3 GG (vgl. zum Rangverhältnis bereits in § 7 II. und besonders in § 8 VI.). Zu diesem Zweck verwendet das Grundgesetz darin die Begrifflichkeit „Grundsätze“ im Sinne einer nochmaligen Einschränkung gegenüber den allgemeinen Verfassungsprinzipien. 205 Gleichsam ein „Fundament der Fundamente“, so Krüger, in: FS Forsthoff, S. 187 (200). 206 Vgl. hierzu § 9 II. 1. a. E.

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fassungs-)Prinzipien demzufolge wegen ihrer größeren Reichweite gegenüber den nochmals auf ein weniger reduzierten Grundsätzen im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG zwischen letzteren und der noch allgemeiner gefassten verfassungsmäßigen Ordnung einzuordnen. Infolge dieser hier zugrunde gelegten Differenzierung zwischen Grundsätzen und Prinzipien im (Verfassungs-)Rechtssinne sowie in Anbetracht der (wenigen) von der Unantastbarkeitsnorm in Bezug genommenen Verfassungsnormen – namentlich nur Art. 1 und Art. 20 GG – wird sodann erkennbar, dass nur dem Schutz der Ewigkeitsgarantie unterliegt, was „für die Identität der Verfassung prägend“207 ist, ihre Gesamtaussagen wertemäßig trägt208 und somit ihren „substantiellen Kerngehalt“209 widerspiegelt. Im Wesentlichen zeichnet einen Grundsatz damit „die Komponente des besonders Wichtigen, Wesentlichen, des fundamentalen Gewichts“ aus, indem er „das Eigentliche, das identitätstiftende Moment“ benennt.210 Des Weiteren könnte ein ‚Grundsatz‘ ausgehend von der Begrifflichkeit nicht als absoluter Zustand zu verstehen sein, weil ein solcher im allgemeinen Sprachgebrauch immerhin gleichbedeutend mit einer Regel ist und eine solche naturgemäß Ausnahmen mit sich bringt.211 Demzufolge wäre ein immerzu fortgeltender Zustand hiermit eigentlich nicht gemeint. Wie zur Bestätigung dessen werden Grundsätze im juristischen Verständnis immerhin mit „tragenden, seit längerem anerkannten Grundregeln“ erläutert212, denen zumeist ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugrunde 207

So Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 22; ähnlich Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 43 ff. In BayVerfGHE 52, 104 (123 a. E.) ist gleichbedeutend von einem „identitätsschützenden Charakter“ beliebiger Ewigkeitsklauseln  – im konkreten Fall bezogen auf Art. 75 Abs. 1 S. 2 der Bayerischen Verfassung – die Rede. 208 Angelehnt an die bereits zitierte, in dem Sondervotum BVerfGE 30, 1/33 (39) zu Art. 1 GG gewählte Bezeichnung als eines der „tragenden Konstitutionsprinzipien“. 209 So Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 26. Erläuternd heißt es bei Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b γ (S. 173), es gebe – unbeachtet von Rechtsprechung und Schrifttum – „zwei Deutungsmöglichkeiten: die Beschränkung auf das Wesentliche, auf den Kern der Normaussage oder die Bezeichnung eines komplexen Norminhalts oder Rechtsinstituts mit einem zusammenfassenden Begriff“ (zum Zitat weiterhin a. a. O.). Im Ergebnis sei jedoch wegen des Normrestriktion die Wesentlichkeit bzw. der Kern eines normativen Prinzips ausschlaggebend, ähnlich der Wesensgehaltsgarantie in Art. 19 Abs. 2 GG (auch hierzu a. a. O.). Der Differenzierung schließen sich auch Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 40; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 154 und Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 159 an. 210 Zum Vorstehenden insgesamt samt beider Zitate Hain, Grundsätze des GG, S. 82 als Ausschnitt aus einer überaus ausführlichen und umfänglichen Betrachtung der Wortbedeutung, in der sich über die genannten hinaus noch mannigfache Erläuterungen der Begrifflichkeiten wiederfinden. 211 Vgl. Rasenack, Der Staat 9 (1970), 272 (273) und später Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 46. Gegensätzlicher Auffassung schon nach dem Wortlaut z. B. Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (43); Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 6 a (S. 1104). 212 Zum Vorstehenden samt Zitat Köbler, Juristisches Wörterbuch, Eintrag zu „Grundsatz“ (S.  197), bezugnehmend auf die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, die aus Art. 33 Abs. 5 GG abgeleitet werden (dazu mit Beispielen).

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liegt. Ein derartiges Verständnis käme überdies auch der Möglichkeit systemimmanenter Modifizierungen nach der Vorstellung des Bundesverfassungsgerichts nahe: Dem liegt die Erfahrung im normativen Umfeld zugrunde, dass solche „Regeln des Rechts“ übergreifend wirken und Variablen für ungezählte Konstellationen bereitzustellen fähig sind – gewissermaßen als „Verallgemeinerung von Einzelnormen“, weshalb sich letztere aus jenen entwickeln und in ihrem Gehalt hieraus ableiten –, wobei die Regelmäßigkeit aber gelegentlich durch nonkonforme Gebote bzw. möglicherweise auch einen anderen Grundsatz durchbrochen werden kann.213 Allerdings ließe diese dem alltäglichen Sprachgebrauch entnommene Wortbedeutung die juristischen Besonderheiten außer Betracht: Im Grundgesetz als den gesamten Staat tragender Verfassung ist ein Grundsatz nicht eine Regel, die Ausnahmen kennt, sondern wird von dem Rechtsanwender im Sinne von „ausnahmslos geltender Grundnorm“ aufgefasst, was im Gesamtverständnis wiederum eher der Auslegungsweise von „berührt“ durch das Schrifttum und den Zielen der Ewigkeitsgarantie entspräche.214 Aufgrund dessen dürfte Art. 79 Abs. 3 GG nicht lediglich „‚Tendenzen‘ und ‚Intentionen‘“215 zusammenführen, sondern zentrale Inhalte des geltenden Rechts, die dessen Identität prägen. Andererseits belässt sie angesichts ihrer Weite sicherlich genügenden Raum für interpretatorische Freiheit zur Berücksichtigung von Besonderheiten im Einzelfall und eine adäquate Gewichtung der Interessen.216 Obwohl die Norm ihrerseits Ausnahmen oder Abweichungen selbst nicht anspricht, liegt in ihrer konkreten Interpretation und der Frage, wie weit sie im Einzelfall reicht, die eigentliche Bürde.217

213

Zum Vorstehenden inkl. beider Zitate Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 55 f. m. w. N. Vgl. auch Krüger, in: FS Forsthoff, S. 187 (201) zum Verhältnis von (Verfassungs-) Grundsätzen gegenüber einfachen (Verfassungs-) Rechtssätzen: Danach beinhalteten „Grundsätze unbedingt richtiges, Sätze nur bedingt richtiges Recht“ (so die sehr prägnante Formulierung a. a. O.), was wiederum Folgen für ihre jeweilige Reichweite habe. 214 Dazu eingehend samt Zitat Erichsen, Jura 1992, 52 (53), ergänzt durch Beispiele; ebenso, aber kürzer ders., Staatsrecht II, S. 20. Ansatzweise außerdem bei Alberts, JuS 1972, 319 (321 f.) und Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 58 f. angedeutet. Und obwohl Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 160 das Regel-Ausnahme-Verhältnis als juristisch gängigere Essenz einordnet, kommt er bezüglich des Verweises in Art. 79 Abs. 3 GG zu demselben Ergebnis. 215 So die Formulierung bei Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (44) mit dem gleichen Ergebnis wie hier: Auch er lehnt eine solche Interpretation von Art.  79 Abs.  3 GG unter Verweis auf das Bestreben, mit seiner Hilfe den Grundrechten und den Gerichten einen größeren Einfluss zu gewähren, ab. 216 Vgl. Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 56; zur Typizität solcher „Spielräume“ außerdem Rasenack, Der Staat 9 (1970), 272 (272, dort auch zum wörtlichen Zitat). 217 Hierzu erneut Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 56. Diese Unklarheit bei der Interpretation hat den Gesetzgeber sogar dazu veranlasst, im Rahmen der Begriffsbestimmungen in § 92 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs (StGB) – eingeführt durch das Achte Strafrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 1968, BGBl. I, S. 741 (744) – die für den strafrechtlichen Bereich relevanten und deshalb vom Gesetz mit dieser Begrifflichkeit in Bezug genommenen Verfassungsgrundsätze in Nr. 1–6 genau aufzulisten.

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Aus der historisch-genetischen Auslegung ergeben sich demgegenüber  – wie schon beim Handlungsmaßstab  – keine Anhaltspunkte für das Verständnis der Begrifflichkeit: Zwar existierten schon lange vor dem Grundgesetz Rechtsnormen, die auf ‚Grundsätze‘ Bezug nahmen218, doch machte man sich offenbar im Zuge der Schaffung des Grundgesetzes zur beabsichtigten Reichweite der Formulierung („Grundsätze“) keine näheren Gedanken; weder finden sich in den Materialien Diskussionen zu dieser Thematik noch eine Begründung für die abschließende Textfassung.219 Wie schon eingangs von § 8 IV. 3. angedeutet220, stand für die Mitglieder des Parlamentarischen Rates die dauerhafte Bewahrung und Garantie der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Fokus, was immerhin in der „Bedeutungskomponente des Wesentlichen, Fundamentalen der Grundsätze“221 zum Ausdruck gelangt. Mit Blick auf die Systematik und weiteren Vorschriften des Grundgesetzes findet sich die Formulierung „Grundsatz“ (im Singular oder Plural) bzw. „grundsätzlich“ zwar gleich in einer Reihe von Normen.222 Diese Feststellung vermag aber gleichwohl im Rahmen der hier interessierenden Interpretation des Wortlauts von Art. 79 Abs. 3 GG nicht zu helfen223: Zunächst findet sich auch bezüglich der anderen Begrifflichkeiten keine Definition, die beim Verständnis der Revisionsschranke förderlich wäre. Des Weiteren stehen die grundsätzlichen Gehalte anderer Verfassungsnormen zugleich auch jeweils in einem anderen Wortzusammenhang, der mit der hier fraglichen Reichweite eines Schutzes vor Verfassungsänderungen nicht identisch wäre. Nur partiell stellen sich Normen ihrem ausdrücklichen Wortlaut oder zumindest ihrem Inhalt nach224 überhaupt in den Sinnzusammenhang des 218

So beispielsweise § 49 Einl. 1 ALR von 1794, der von „allgemeinen Grundsätzen“ spricht. Vgl. die Zusammenfassung in JöR n. F. (1951), S. 579 ff. 220 Dort insbesondere Fn. 154 m. w. N. 221 So Hain, Grundsätze des GG, S. 87. Entsprechendes lässt sich den auszugsweise in JöR n. F. (1951), S. 586 wiedergegebenen Beratungen entnehmen. 222 Namentlich in Art. 7 Abs. 3 S. 2, Art. 16 Abs. 2 S. 2, Art. 21 Abs. 1 S. 3, Art. 23 Abs. 1 S. 1 (darin 2-fach), Art. 28 Abs. 1 S. 1, Art. 33 Abs. 5, Art. 34 S. 1, Art. 54 Abs. 3, Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, Art. 79 Abs. 3 (erneut 2fach), Art. 80 Abs. 2 (ebenfalls 2fach), Art. 98 Abs. 2 S. 1, Art. 106 Abs. 3 S. 4, Abs. 4 S. 3, Art. 109 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, Art. 109a S. 1 Nr. 3, Art. 115 Abs. 2 S. 1 (auch darin 2fach), Art. 123 Abs. 2, Art. 134 Abs. 1, Art. 140 GG i. V. m. 138 Abs. 1 S. 2 und Art. 143 Abs. 1 S. 2 GG. 223 Ebenso Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 44. Demgemäß vermögen auch Besonderheiten anderer Normen, wie mitunter eine um weitere Begrifflichkeiten erweiterte Bezeichnung, welche in Art. 79 Abs. 3 GG allerdings nicht enthalten sind (jedoch z. B. als die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ in Art. 33 Abs. 5 GG, „allgemeinen Grundsätze“ in Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GG bzw. „allgemeinen Rechtsgrundsätze“ in Art. 123 Abs. 2 GG oder „für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze“ in Art. 109 Abs. 4 GG), für die Auslegung der hier interessierenden Schrankennorm mit ihrem nicht erweiterten Wortlaut nicht zu helfen – weitergehende Erläuterungen finden sich bei Hain, Grundsätze des GG, S. 86. 224 Ein inhaltlicher Gleichlauf ist etwa bei Art. 28 Abs. 1 S. 1, Art. 98 Abs. 2 S. 1 sowie Art. 23 Abs. 1 S. 1 und Art. 143 Abs. 1 S. 2 GG zu erkennen – in den beiden letztgenannten Normen (bei Art. 23 Abs. 1 GG in dessen S. 3) wird Art. 79 Abs. 3 GG sogar ausdrücklich benannt. Grundlegend, aber kürzer bereits Hain, Grundsätze des GG, S. 86. 219

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Art. 79 Abs. 3 GG. Über das Grundgesetz hinaus vermag eine rechtsvergleichende Auslegung mit den Verfassungen anderer Staaten allenfalls indizielle Wirkung dafür zu entfalten, den Kernbereich (d. h. Grundgedanken des jeweiligen Prinzips) von den Randbereichen (d. h. weiteren Konkretisierungen durch Rechtsprechung oder an anderer Stelle der Verfassung) in Art. 1 und Art. 20 GG zu separieren.225 Im Rahmen der teleologischen Auslegung gilt schließlich das bereits zum Handlungsmaßstab und zum restriktiven Gedanken der Unantastbarkeitsklausel Gesagte entsprechend.226 Danach ist dem Charakter als Revisionsschranke eine gewisse Zurückhaltung im Allgemeinen immanent, um die Verfassung nicht in zu großem Maße vor Verfassungsänderungen zu schützen und demgemäß ihre Fortentwicklung zu hemmen. Anders als bei der Auslegung von „berührt“ entspricht dieses nach Sinn und Zweck gebotene Verständnis der geschützten „Grundsätze“ jedoch genau dem auf Basis des Wortlauts gefundenen Ergebnis, so dass an dieser Stelle weitere Überlegungen nicht angezeigt sind. b) Wortverständnis in Art. 79 Abs. 3 GG Es hat sich bei der Auslegung des Begriffs gezeigt, was bereits im Rahmen der Ausführungen zum Berühren derselben227 angenommen worden ist: Die eigentliche Restriktion des Art. 79 Abs. 3 GG findet nicht dort, sondern auf der Ebene der Verfassungsgrundsätze statt. Um einen Grundsatz im Sinne der Unantastbarkeitsgarantie handelt es sich demzufolge nur, wo der Kern bzw. Wesensgehalt bzw. fundamentale und daher die Identität der Staatlichkeit prägende Leitgedanken aus Art. 1 und Art. 20 GG betroffen werden. 3. Schlussfolgerungen Das Gesamtverständnis des Art. 79 Abs. 3 GG hängt maßgeblich von den vorherigen Erkenntnissen im Rahmen der Auslegung ab: Legt man mit der hier vertretenen, der Auslegung folgenden Ansicht dem Begriff ‚Berühren‘ ein weites Verständnis zugrunde, um möglichst viele Verfassungs 225

Vgl. ebenfalls Bryde, in: von  Münch / Kunig, GG, Art.  79 Rn.  29; Hain, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 58; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 113; Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 49, jeweils mit näheren Ausführungen; schließlich noch, jedoch zurückhaltender Blasche, Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung, S. 89. 226 Siehe insoweit die abstrakten Ausführungen in § 8 VII. zur Restriktion der Schrankennorm und die konkreten Schlussfolgerung im Rahmen der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „berührt“ in § 9 III. 1. b). 227 Vgl. abermals § 9 III. 1. b).

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änderungen zu erfassen, ist die Restriktion auf der Ebene der Grundsätze in Anbetracht des Normzwecks und ihres (entstehungs-)geschichtlichen Hintergrunds unverzichtbar und unbedingt geboten. Gleichwohl resultiert diese Entscheidung, den Anwendungsbereich des Art.  79 Abs.  3 GG auf wenige staatstragende und identitätsstiftende Elemente des Grundgesetzes zu begrenzen, nicht aus den Vorstellungen des Interpreten, sondern lässt sich – wie im Rahmen der Auslegung gezeigt – auf die Vorstellungen des Verfassunggebers zurückführen. Es war gerade seine politische Wertung zur Ausgestaltung der Unabänderlichkeit und ist demzufolge bloß eine Folgerung aus dem von ihm gewählten Wortlaut. Denn die Anwendung einer derartigen Revisionsschranke hat sich maßgeblich an den im Verfassungstext niedergelegten Begrifflichkeiten und Formulierungen zu orientieren: Ist auch das Wort „berührt“ überaus offen und demgemäß in den von ihm gestellten Anforderungen einer extensiven Anwendung wenig hinderlich, hat die verfassunggebende Gewalt in der zugleich normierten Bezugnahme lediglich auf „Grundsätze“ der dort genannten Normen eine erhebliche Einschränkung vorgenommen. Hätte der Verfassunggeber an dieser Stelle Art. 1 und Art. 20 GG ihrem vollen Inhalt nach und darüber hinaus noch weitere Normen des Grundgesetzes der Unabänderlichkeit unterwerfen wollen, hätte er auf den Grundsatzcharakter verzichten sowie die Benennung auf zusätzliche Normen ausweiten können. Da er dies nicht getan hat, hat er den Anwendungsbereich selbst hinreichend restringiert. Die Auslegung hat demgemäß gezeigt, dass nach dem Wortsinn und der Gesamtkonzeption die Unabänderlichkeit nur auf die zentralen Leitgedanken des Grundgesetzes bezogen sein soll. Dies ist bei dem Umgang mit Art. 79 Abs. 3 GG und dem ihm zuerkannten Schutzumfang zu berücksichtigen: Besondere Bedeutung kommt nach diesem Verständnis der Tatbestandsvoraussetzung „Grundsätze“ zu, weil alleine durch diesen Begriff die teleologisch gebotene und historisch beabsichtigte Restriktion der unantastbaren Verfassungsinhalte erfolgt, während die weitere Voraussetzung „berührt“ denkbar weit zu verstehen ist und den zu schützenden Elementen eine weitgehende Unantastbarkeit zubilligt. Daraus lassen sich die folgenden Definitionen schlussfolgern: – „Grundsätze“ im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG sind nur die fundamentalen Leitgedanken und grundlegenden Kerngehalte von Art. 1 und Art. 20 GG, die der Gesamtverfassung als solcher eine Struktur vorgeben, ihre Identität prägen und somit gleichsam den Kern des Grundgesetzes bilden. – Ein solcher Grundsatz wird bereits „berührt“, wenn auf ihn in irgendeiner Weise eingewirkt wird; einer bestimmten Mindestintensität bedarf es insoweit nicht. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkung müssen die nachfolgenden Ausführungen zum Schutzumfang, besonders auch hinsichtlich der einzelnen Grenzen der Mischverwaltung, verstanden werden.

§ 10 Schutzumfang des Art. 79 Abs. 3 GG im Einzelnen Bereits seinem Wortlaut nach bezieht sich Art. 79 Abs. 3 GG auf andere verfassungsrechtliche Vorschriften, namentlich Art. 1 und Art. 20 GG bzw. (genauer:) auf die darin enthaltenen „Grundsätze“. Wie weit dieser Verweisungsinhalt im Einzelnen reicht, d. h. wieviel der in Bezug genommenen Normen unabänderlich sein soll, bedarf noch der Erörterung und soll im Überblick, soweit im Hinblick auf Art. 91e GG relevant, nachstehend beleuchtet werden.

I. Allgemeingültiges für sämtliche Grundsätze Die Liste geschützter Regelungen ist entsprechend dem Wortlaut sowie der bereits mehrfach angedeuteten Restriktion im Umgang mit ihr abschließend.1 Unterscheidbar nach bundesstaatlichen Sondergewährungen sowie freiheitlichdemokratischen Basiselementen stehen die von der Norm genannten Schutzobjekte ihrem Anwendungsbereich nach zwar gleichwertig nebeneinander, doch existieren zahlreiche Überschneidungen und Verzahnungen im Detail, zumal sich die Elemente einerseits in ihrer Kumulation miteinander aufwerten und andererseits durch ihre Trennung untereinander restringieren2, d. h. sie „wirken thematisch und inhaltlich zusammen“3. Erst auf diese Weise ist es ihnen fortwährend möglich, Identität und Kontinuität des Grundgesetzes im Sinne langfristiger Leitlinien zu bewahren.4 1. Kerngehaltsschutz der Verfassungsprinzipien Die Formulierung „die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze“ setzt normativ  – jedenfalls im Hinblick auf letztgenannte Norm  – an den bekannten, zentralen Verfassungsprinzipien (Bundesstaat, Demokratie, Rechts-

1

Siehe hierzu bereits die zahlreichen Nachweise in Fn. 3 zu Beginn von § 8. Vgl. Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 50 („stützen und verstärken sich wechselseitig“); sehr deutlich auch Klein, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 95 (103) und daran anknüpfend Estel, Bundesstaatsprinzip und direkte Demokratie im GG, S. 72. 3 So Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 93; weiterführend die dortige Rn. 97. Deshalb als „inneres System“ bewertet von Hain, Grundsätze des GG, S. 211. 4 Vgl. abermals Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 99. 2

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

staat) an und damit gleich der zur Beschreibung herangezogenen Bezeichnung5 an den ‚Staatsfundamentalnormen‘6, „Leitgedanken“7, ‚Staatszielbestimmungen‘8, „Verfas­sungs­strukturbestimmungen“9, „Grundentscheidungen“10, „tragenden Konstitutionsprinzipien“11 bzw. dem „Verfassungskern“12 oder „Kernbereich der Verfassungsstaatlichkeit“13. 5

Nachfolgende Übersicht ist der Darstellung bei Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 2 c δ (S. 1088) bzw. ders., JuS 1985, 329 (331) entlehnt. Kürzere Listen finden sich auch bei Unruh, Verfassungsbegriff des GG, S. 442; Krüger, in: FS Forsthoff, S. 187 (195) und Hain, Grundsätze des GG, S. 87 f. 6 Begrifflichkeit zurückgehend auf Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, S. 31 ff. bzw. ders., JZ 1954, 717 (718); vgl. auch Herzog, EuGRZ 1990, 483 (483); Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (43 f.) und Hain, Grundsätze des GG, S. 19 (dort „Fundament des Grundgesetzes“). Überdies greift Wolff, in: GS Jellinek, S. 33 (36) diese Begrifflichkeit mehrfach auf und betont ihre Relevanz als Auslegungsmaßstab bzw. ihre Lückenfüllereigenschaft. Sodann (a. a. O., S. 49) benennt er einige der in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Elemente allgemein als Fundamentalnormen (und führt hierzu Art. 20 GG als Beispiel an). Es handele sich um „verfassungsgestaltende Grundentscheidungen“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O., S. 49). Das Bild rundet schließlich noch Hain, Grundsätze des GG, S. 87 m. w. N. hinsichtlich der Bezeichnung der Menschenwürde ab. 7 Von BVerfGE 56, 37 (43) unter Bezugnahme auf die Menschenwürde (als herausragendstem Verfassungsinhalt) in dieser Weise bezeichnet, im Übrigen aber ebenso auf die aus Art. 20 GG folgenden Verfassungsprinzipien gleichermaßen übertragbar; bestätigend Häberle, in: HStR II, § 22 Rn.  70 (dort Fn.  277) und Hain, Grundsätze des GG, S.  87 f. Vgl. ebenfalls Hesse, in: HdbVerfR, § 1 Rn. 11 („Leitprinzipien“) oder Scheuner, DÖV 1953, 581 (584) bzw. eingehend ders., Auslegung verfassungsrechtlicher Leitgrundsätze, S. 38 ff. (vgl. bereits im Titel); zusammenfassend Krüger, in: FS Forsthoff, S. 187 (195). 8 Diese Bezeichnung wird hier von Ipsen, Über das GG. Gesammelte Beiträge, S. 8 (ehemals Teil  einer Rede aus 1949  – ebenfalls abgedruckt bei ders., in: Forsthoff, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 16 ff., dort S. 21) für Art. 20 GG entlehnt. Bezogen auf diese Norm bestätigt durch Bull, Staatsaufgaben nach dem GG, S. 44 m. w. N.; Scheuner, Staatszielbestimmungen, in: Gesammelte Schriften, S. 223 (bereits in der Überschrift sowie v. a. S. 227 ff.) und Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 66, dort allerdings kritisch gegenüber dieser Bezeichnung (a. a. O., Rn. 67) und stattdessen unter Hinweis auf die favorisierte Bezeichnung als „Programmsätze“ (erneut a. a. O., Rn.  69). Die Verbindung mit den Grundsätzen von Art. 79 Abs. 3 GG stellten später Katz, Staatsrecht, Rn. 131 und Pecher, Verfassungsimmanente Schranken von Grundrechten, S.  56 her, letzterer als Bruchteil einer längeren Liste weiterer Bezeichnungen. 9 So Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 61. 10 In dieser Weise BVerfGE 6, 32 (41) sowie ganz ähnlich von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VI 2 (S. 1880); aufgegriffen und erweitert von Hain, Grundsätze des GG, S. 87 f. um weitere Bezeichnungen, u. a. „Grundsätze vom obersten Wert“ (zu diesem Zitat a. a. O., Rn. 87). Letzteres ist angelehnt an die Rspr. zu Art. 1 GG, u. a. BVerfGE 27, 1 (6) und BVerfGE 50, 166 (175). Vgl. schließlich „wesentliche Entscheidungen des Grundgesetzes“ mit den Worten von Ipsen in einer Rede von 1949, abgedruckt in Ipsen, Über das GG. Gesammelte Beiträge, S. 22 (dort auch zum vorstehenden Zitat). 11 So u. a. formuliert in BVerfGE 6, 32 (36) und im Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (39); s. a. Hesse, in: HdbVerfR, § 1 Rn.  11 sowie Wintrich, BayVBl. 1957, 137 (137) bzw. ders., Problematik der Grundrechte, S. 10 bezogen auf die Menschenwürde; ferner von Hippel, in: HdbDStR, S. 546 (558) sowie zustimmend Krüger, in: FS Forsthoff, S. 187 (194 f.) m. w. N. 12 So Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. I) Rn. 3. 13 So Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b δ (S. 174) und ähnlich § 5 IV 1 a β (S. 166). Alternativ bezeichnet als „Substanz der Verfassungsordnung“ bei Hain, Grundsätze des GG, S. 88 in An-

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Änderungsfest sind die diesen Prinzipien immanenten, den Kern des Grundgesetzes bezeichnenden Maximen14, gleichgültig, ob die wesentlichen Wirkungen konkret in Art. 1 und Art. 20 GG oder in sonstigen Verfassungsvorschriften normiert sind15, solange es sich allerdings um kerngedankliche normative Ausprägungen der erstgenannten beiden Vorschriften handelt.16 Andere Konkretisierungen, die in weiteren Verfassungsnormen enthalten sind oder durch Interpretation seitens Rechtsprechung / Literatur / Praxis entwickelt wurden und diese Anforderungen nicht erfüllen, sind demgegenüber von der Unantastbarkeitsnorm nicht erfasst.17 Dies ist ausführlich bereits bei der Auslegung des Art. 79 Abs. 3 GG, dort insbesondere beim Merkmal „Grundsätze“ erläutert worden.18 Im Rahmen des Unabänderlichkeitsschutzes geht es daher nicht um jede beliebige Auswirkung, sondern nur um die „unentbehrliche Grundsubstanz“19 und damit all jene Teilelemente, welche die Bundesrepublik Deutschland erst zu eben dieser machen und ohne deren Existenz von einem anderen Staat zu sprechen wäre.20 Die Rede ist insoweit, allerdings nicht ihrem vollem Umfang nach, von den einzelnen Prinzipien des Bundesstaates, der Demokratie und des Rechtsstaates. Derartige Begrifflichkeiten können freilich stets nur der Umschreibung einer Mehrzahl materieller Gehalte dienen und die Auseinandersetzung mit den konkreten Inhalten von Art. 1 und Art. 20 GG sowie deren Einflüssen auf andere Grundgesetznormen nicht lehnung an die (lediglich weniger prägnante) Formulierung in BVerfGE 30, 1 (24). Trotz allem könne dies nicht mit einer vollständigen „Miniatur des GG“ gleichgesetzt werden, so Ridder, in: AK-GG (2. Aufl. 1989), Art. 79 Rn. 37. 14 Auch an dieser Stelle wird nochmals (vgl. bereits in § 9 III. 1. a)) besonders deutlich, dass die änderungsfesten Grundsätze nochmals weniger erfassen als die ihrerseits im Grundgesetz bereits hervorgehobenen Verfassungs- bzw. Staatsstrukturprinzipien aus Art. 20 GG. 15 Zwar könnte man überlegen, die Schutzwirkung alleine auf den Verfassungstext in Art. 1 und Art. 20 GG zu beschränken (so wohl Ridder, in: AK-GG (2. Aufl. 1989), Art. 79 Rn. 39), doch würde man damit dem durch die Entstehungsgeschichte und die Bedeutung ermittelten Gehalt der Unantastbarkeitsgarantie nicht gerecht. In Art. 79 Abs. 3 GG werden ausdrücklich die Grundsätze dieser Artikel geschützt und demzufolge nicht lediglich die Normen in ihrer bisherigen Fassung. Denn Grundsätze der Prinzipien können auch außerhalb der beiden genannten Normen berührt werden. Dies betonte bereits Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 169 f. – sehr prägnant besonders: „Entscheidend muß also sein, was inhaltlich geändert wird, und nicht, wo im Grundgesetz die Änderungen niedergelegt werden“ (zum Zitat a. a. O., S. 170, Hervorhebungen im Original). 16 Dazu ausführlich im vorhergehenden Abschnitt (§ 9 II.). Zusammenfassend vgl. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 15 f.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 59; Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 68 f. 17 Vgl. ebenso Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (97). 18 Siehe hierzu im Einzelnen bereits in § 9 III., dort besonders III. 2. a). 19 So treffend Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 1 b (S. 167). Vergleichbar äußert sich Dürig, in: FG Maunz, S. 41 (49) dahingehend, „die Gesamtsumme an freiheitlicher Substanz“ zu bewahren. Ganz ähnlich klingen auch die von Alberts gewählten Bezeichnungen in seiner Dissertation (vgl. ders., Änderungsbefugnisse der Legislative, S. 44) und einem zur gleichen Zeit erschienenen Aufsatz (vgl. ders., JuS 1972, 319 (322)). 20 Nach Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 2 c δ (S. 1088) sind dies die herausragenden Elemente für den jeweils „konstituierten Staat“.

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ersetzen.21 Zudem ist weiterhin zu beachten, dass jedes der vorgenannten Prinzipien nur in seinem Grundsatz- bzw. Kerngehalt unantastbar ist. Bei letzterem geht es nur um „elementare, das verfassungsmäßig konstituierte Staatswesen prägende Grundstrukturen“, durch deren Änderung „das Gemeinwesen in seinen Gestaltungsprinzipien anders bestimmt und strukturiert wäre, als es vorher geprägt war“.22 Folge der Unabänderlichkeit dieser Leitgedanken des Grundgesetzes und Grundstrukturen des deutschen Staates ist allerdings, wie eingangs schon bemerkt, keine starre, für alle Zeiten absolut unabänderliche Konstruktion des Grundgesetzes, nicht einmal in den beiden genannten Normen. Zwar wäre eine grundlegende und identitätsverfälschende Änderung der betroffenen Normen, gleichgültig, ob durch Reduzierung oder Löschung der darin ausgewiesenen Kernelemente des deutschen Verfassungsstaates, nicht zulässig, wohl aber steht Art. 79 Abs. 3 GG einer inhaltlich neutralen Wortlautanpassung oder einem Wandel ihrer peripheren Einflüsse auf das Grundgesetz nicht entgegen.23 Denn diese Revisionsschrankennorm möchte trotz ihrer offenbar uneingeschränkten und universellen Wirkungsweise keinen von der äußeren Entwicklung abgekoppelten Verfassungstext erhalten, sondern lediglich einen zentralen Bestand an die Identität der Staatlichkeit prägenden Kernelementen sichern, welche gleichzeitig einer weiteren Entwicklung in gewissen Grenzen zugänglich bleiben, sodass sich die Unabänderlichkeit im Ergebnis nicht als „invariables genetisches Programm der Rechtsevolution“ darstellt.24 Unumstößlich sind dabei nur die leitgedanklichen und grundlegenden Wirkungen, die diesen Vorschriften zu entnehmen sind. Ihnen wird als Maßstab und Kondition für das Handeln aller staatlichen Gewalt, darunter die verschiedenen staatlichen Organe und Institutionen bei ihrer grundgesetzlich regulierten Kompetenzausübung, „eine schrankenziehende und eine dirigierende Wirkung“25 zuerkannt. Die von Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde hebt sich aus den in 21 Zu diesem Ergebnis gelangt auch Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 167, der in diesem Zusammenhang von harmlosen „Kurzformeln“ (a. a. O.) spricht, solange sich der Rechtsanwender nicht alleine auf diese verlässt. 22 Zum Vorstehenden inkl. beider Zitate sehr treffend der Thüringer VerfGH im Rahmen der Prüfung einer Änderung der Landesverfassung anhand einer nahezu wortlautidentischen Landesverfassungsnorm (Art. 83 Abs. 3 ThürVerf), abgedruckt in LVerfGE 12, 405 (424). 23 Vgl. Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 38; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 155, 159 m. w. N.; sinngemäß entsprechend Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 47 und dem folgend Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 39. 24 Zum Vorstehenden samt Zitat erneut Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 144 sowie eingehend schon zuvor ders., Grundsätze des GG, S. 169 f., 171 ff., 176 ff. Nach erstgenannter Fundstelle sieht sich Hain bei der Bewertung des absolut wirkenden Schutzes wegen der sich hieraus ergebenden Gefahr in einem Zwiespalt, erkennt aber zugleich die daraus resultierenden Vorteile an, namentlich „flexible rechtliche Reaktionen auf wechselnde tatsächliche Anforderungen“ (hierzu im GG-Kommentar, a. a. O., Rn. 144 m. w. N.). Vgl. hierzu schließlich bereits Isensee, NJW 1977, 545 (549). 25 So Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 116; vgl. ergänzend auch Rn. 91.

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Bezug genommenen Grundsätzen schon aufgrund ihrer allgemeinen Bedeutung ab: Sie ist gemeinhin, also auch bei einem vom Grundgesetz losgelösten Verständnis und in der Bewertung als unabdingbares Menschenrecht, ein allerhöchstes Gut. Doch steht dem auch Art. 20 GG mit seinen Absätzen 1 bis 3 nicht erheblich nach, weil darin wesentliche und die Identität der Staatlichkeit prägende Entscheidungen getroffen sind, darunter nicht nur unabdingbare Ingredienzien eines modernen Staates (Demokratie, Rechtsstaat), sondern zudem prinzipielle Strukturentscheidungen im deutschen Staatsaufbau (Bundesstaat, Republik) ebenso wie richtungweisende Bekenntnisse (Sozialstaat).26 Gleichwohl lässt Art. 79 Abs. 3 GG die Fortbildung des Grundgesetzes insoweit zu, als die originäre und wahre „Grundgestalt“27 nicht durch eine andere ersetzt wird. Als Ausgangspunkt jeglicher Ansätze zur Ermittlung derselben bietet sich wegen seiner herausgehobenen Bedeutung Art. 1 Abs. 1 GG an. Denn die in der Unantastbarkeit der Menschenwürde zum Ausdruck gelangte Individualität des Einzelnen sowie sein Anrecht, frei zu sein und gleich mit anderen behandelt zu werden, schafft die „leitgedankliche Basis für alle übrigen verfassunggeberischen Grundentscheidungen“, weil in diesem exponierten Bekenntnis die Quelle aller weiteren Leitsätze und Grundprinzipien des Grundgesetzes liegt.28 Davon ausgehend ist wesentlicher29, wenngleich nicht ausschließlicher Bestandteil dieses Schutzes der „Mindestgehalt“30 26

Vgl. zu letzterem ebenfalls Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 177. 27 So Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 26; diese eingehende Formulierung aufnehmend Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 17.1. 28 Zum Vorstehenden samt Zitat Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 143, der darin die „innere Sinneinheit“ der von Art. 79 Abs. 3 GG genannten Schutzgüter verwirklicht sieht, beispielsweise durch die Freiheit und Gleichheit der Willensbildung, ohne die eine Demokratie nicht existieren könnte (auch zu diesen Erläuterungen inkl. Zitat a. a. O.). In gleicher Weise setze die staatliche Organisation zur Durchsetzung dieser Ziele u. a. eine Gewaltenteilung horizontaler (Rechtsstaat) wie auch vertikaler (Bundesstaat) Art voraus (dazu weiterhin a. a. O.); s. a. Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 82. 29 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 124 f. sieht die Demokratie als das „primär bestimmende Element staatlicher Gesamtordnung“ (zum Zitat Rn. 124 a. E.), welches das Bundesstaatsprinzip abgelöst habe. 30 So Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 128. Vgl. zu diesem Gehalt bereits Ruland, Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, S. 48 ff. bzw. zusammenfassend S. 60 f. sowie Gusy, AöR 105 (1980), 279 ff. Siehe außerdem Denninger, Freiheitliche demokratische Grundordnung I, S.  65 ff., der unter Zusammenstellung zahlreicher Quellen und Dokumente zu ihrer „juristischen Dogmatik“ (so der Name des Kapitels a. a. O.) Stellung bezieht. Den Freiheitsaspekt betonend zudem Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 94 f. Eine eingehende Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit die freiheitliche demokratische Grundordnung in Art. 79 Abs. 3 GG zu erkennen oder gar mit diesem identisch ist, findet sich bei Schmitt, DÖV 1965, 433 (438 ff.): Im Ergebnis sei zwar bei paralleler Intention (a. a. O., S. 441) ihr „Mindestinhalt […] manifestiert“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O., S. 438), jedoch keine absolute Kongruenz zu erkennen (zum Fazit weiterhin a. a. O., S. 443). Vgl. schließlich noch Scheuner, in: Wandersleb / Traumann, Recht, Staat, Wirtschaft, S. 126 (136), dass mindestens die bundesstaatlichen Gewährleistungen nicht dazu zählten (deutlich besonders die dortige Endnote 27).

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freiheitlich-demokratischen Staatsdenkens, generaliter mit ‚freiheitlicher demokratischer Grundordnung‘31 zusammengefasst. 2. Reichweite der Unantastbarkeit Doch bedürfen die Verfassungsprinzipien insgesamt und damit als zentraler Ausschnitt aus ihnen auch ihre änderungsfesten Gehalte, d. h. ihre fundamentalen Kerngehalte bzw. Leitgedanken32, angesichts der erheblichen Abstraktion einer näheren Konkretisierung, sie können keinesfalls verbindungslos vom übrigen Grundgesetz interpretiert werden.33 Andere Verfassungsnormen, die nur mittelbar oder sogar peripher Bezug zu den zentralen Prinzipien aufweisen, vermögen hierbei allenfalls der Interpretation und Konkretisierung vor dem Gesamtkontext der Verfassung zu dienen; sie bleiben im Gegensatz zu diesen jedoch einer Verfassungsänderung frei zugänglich. Dies gilt selbst für zahlreiche Inhalte aus Art.  1 und Art. 20 GG, obwohl Art. 79 Abs. 3 GG auf diese Normen explizit Bezug nimmt. Denn für die Änderungsfestigkeit eines Verfassungselements ist nicht nur die Stellung der dieses regelnden Norm im Grundgesetz maßgeblich, sondern der Grundsatzcharakter der jeweils in Bezug genommenen Aussage34: Handelt es sich um einen Grundsatz, ist dieser von Art.  79 Abs.  3 GG geschützt, lediglich für sein Verständnis herangezogene Verfassungsinhalte hingegen nicht. Dabei sollte – wie bei der Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 79 Abs. 3 GG gezeigt wurde – die nötige Restriktion aus den Anforderungen der Unantastbarkeitsklausel gewonnen und nicht allgemein eine einschränkende Auslegung der darin enthaltenen Verfassungsgrundsätze zugelassen werden.35 Denn nach dem bereits ausgelegten Verfassungswortlaut will die Norm nur sämtliche fundamentalen, da die Identität der Staatlichkeit prägenden Kern- bzw. Leitgedanken für unantastbar erklären, weshalb die Verweisung auf diese zentralen und identitätsprägenden Gehalte von Art. 1 und Art. 20 GG beschränkt ist. Nicht ausgeschlossen ist deshalb 31 Dieser Ausdruck findet sich auch gleich an mehreren Stellen im Grundgesetz, namentlich in Art. 10 Abs. 2 S. 2, Art. 11 Abs. 2, Art. 18 S. 1, Art. 21 Abs. 2 S. 1, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10b, Art. 87a Abs. 4 S. 1 und Art. 91 Abs. 1 GG. Und auch Art. 108 HChE enthielt zunächst noch eine derartige Formulierung, die im Rahmen der Beratungen im Parlamentarischen Rat bzw. in dessen Ausschüssen und aufgrund der dort getroffenen Änderungen jedoch entfiel, vgl. zu dieser Entwicklung JöR n. F. (1951), S. 585 ff. 32 Hierzu im Einzelnen ausführlich in § 9 III. 3. sowie ergänzend in § 10 I. 1. 33 Vgl. Alberts, JuS 1972, 319 (322) und Schlink, Der Staat 12 (1973), 85 (108). Denn die Grundprinzipien wären ohne die restliche Verfassung „inhaltsleer“, so Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 245. 34 Einprägsam die Formulierung bei Schlink, Der Staat 12 (1973), 85 (108): „Das zieht aber weder diese anderen Artikel unter Art. 79 III, noch umgekehrt die Gehalte, weil sie auch andernorts im Grundgesetz ihren Niederschlag gefunden haben, aus Art. 79 III heraus.“ 35 Vgl. Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 244 bzw. ders., in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 29; ferner Hain, Grundsätze des GG, S. 165 ff. bzw. ders., in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 49 ff. Siehe zu den einzelnen Anforderungen zuvor in § 9, dort insbesondere auch zu der hier favorisierten Auslegung in § 9 III.

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eine „Veränderung des Rechtsnormenbestandes“36 im übrigen Grundgesetz, durch welchen die unantastbaren Grundsätze – gewissermaßen im Randbereich – näher ausgestaltet werden. Die Staats(struktur)prinzipien aus Art. 20 GG sind ihrerseits allerdings nur vor dem Hintergrund des übrigen Verfassungstextes verständlich, da sie im Einzelnen der Konkretisierung und Ausfüllung durch normative Inhalte bedürfen37; sie sind keinesfalls allein aus sich heraus bestimmbar. Erst durch die in Bezug genommenen Normen und die darin enthaltenen Grundlagen sowie die hieraus ersichtliche Streubreite ihrer Inhalte zeigt sich, dass sie „im Dienst heterogener Ziele“38 stehen. Dies offenbart sich nicht zuletzt an ihrer jeweiligen Griffigkeit und in ihrer gesamtstaatlichen Rolle. Alleine durch den Gesamtkontext lässt sich ermitteln, welche Prägung das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in bundes- und rechtsstaatlicher sowie demokratischer Hinsicht gibt. Von den herauszulösenden, staatstragenden und lenkenden Verfassungsprinzipien aus Art. 20 GG sind durch Art. 79 Abs. 3 GG nur die ursprünglich von der verfassunggebenden Gewalt implementierten39 Gewährleistungsgehalte absolut gegenüber Veränderungen geschützt. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Grundsatz unmittelbar aus den abstrakten Prinzipien allein gewonnen wird oder „ihre unabdingbaren Bestandteile“40 sich erst im Rahmen ihrer weiteren Ausformung durch andere Grundgesetznormen zeigen. Der abschließende Charakter und die Restriktion des Anwendungsbereichs spiegeln sich insoweit darin wider, dass eine mittels Verfassungsänderung versuchte Ausweitung der geschützten Elemente über Grundsätze aus Art. 1 und Art. 20 GG hinaus – schon wegen der durch das Grundgesetz gewährten und von vornherein beschränkten Gewalt – nicht wirksam sein kann.41 Der Grund für diese Beschränkung auf den Urzustand liegt wiederum im Verhältnis zwischen verfassunggebender und verfassungsändernder Gewalt begründet: Letztere darf sich nicht eigene Kompetenzen schaffen und kann sich demnach ebenso wenig stärker beschränken.42 Nur der Verfassunggeber des Grundgesetzes hatte die originäre Macht festzulegen, welche Verfassungsbestimmungen 36 So der Thüringer VerfGH in LVerfGE 12, 405 (425) bezogen auf Art. 83 Abs. 3 ThürVerf, der mit Art. 79 Abs. 3 GG in Wortlaut und Inhalt nahezu identisch ist. 37 Vgl. hierzu Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 244 f. mit näheren Erläuterungen. 38 So Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 152. 39 Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 47. 40 So Alberts, JuS 1972, 319 (322), der die Unerlässlichkeit insoweit als maßgebliches Kriterium für die Entscheidung betont, ob Prinzipienausgestaltungen mitgeschützt sind. 41 Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b α (S. 172) m. w. N.; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 146 ff.; hingegen offen gelassen bei Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 45. 42 Vgl. Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art.  79 Abs.  3 Rn. 148 m. zahlr. Nachw. In entsprechender Weise (zum Teil a. a. O. benannt) äußern sich Hamann / Lenz, in: Hamann / Lenz, GG, Art. 20 Anm. A.4 (S. 339); Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 31; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 100; Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 4 b (S. 1101 f.); Maunz / Zippelius, Dt. Staatsrecht (30. Aufl. 1998), § 6 III 2 (S. 42). Siehe i. Ü. bereits § 8 III. zum Verhältnis von verfassunggebender und verfassungsändernder Gewalt.

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mit ihrem Kerngehalt unter dem Grundgesetz dauerhaft geschützt sein sollen. Mit Bedacht auf seine in Art. 79 Abs. 3 GG zum Ausdruck gelangte Entscheidung, nur wenige zentrale Leitgedanken vor Aushöhlung zu schützen, gebührt anderen Verfassungsinhalten nicht dieselbe Gewähr vor ihrer Abschaffung oder Schmälerung. Dieser Gedanke gilt umso mehr, wenn sie nicht einmal zur originären Fassung des Grundgesetzes zählten, sondern ihren Ursprung in späteren verfassungsändernden Gesetzen fanden.43 Folgerichtig finden als nachträgliche Ergänzungen des Grundgesetzes weder den Absätzen 1–3 von Art. 20 GG erst durch richterliche oder gewohnheitsrechtliche Rechtsfortbildung beigelegte Inhalte44 noch dessen Absatz 445 Schutz durch Art. 79 Abs. 3 GG. Zu den geschützten Teilbereichen des Art. 79 Abs. 3 GG, welche unter dessen Wortlaut zu subsumieren sind, werden danach mit ihrem Grundsatzgehalt mindestens gerechnet46: aus Art. 1 GG der Schutz der Menschenwürde (Abs. 1), das Bekenntnis zu unverletzlichen Menschenrechten (Abs. 2) sowie die Bindung der dreigeteilten staatlichen Gewalt an die Grundrechte (Abs. 3), ferner aus Art. 20 GG der bundesstaatliche, republikanische, demokratische, rechtsstaatliche47 und soziale Staatscharakter der Bundesrepublik Deutschland (Abs. 1), die Volkssouveränität, die demokratische Legitimation durch Wahlen bzw. Abstimmungen und die Gewaltenteilung (Abs. 2) sowie die Bindung aller staatlichen Gewalt an Gesetz und Recht (Abs. 3). Ob auch die in den Ländern gemäß Art.  28 Abs.  1 S.  1 GG maßgeblichen Grundsätze von Art. 79 Abs. 3 GG erfasst sind, richtet sich nach dem normativen Verständnis, wie es in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegt ist. Denn unmittelbar werden nur die darin normierten Gehalte für unabänderlich erklärt, soweit ihnen Grundsatzcharakter zukommt. Gleichwohl werden auch hinsichtlich der Länder über den Bundesstaatsgedanken deren grundlegende (homogene) Strukturen, d. h. ihr demokratisches Erscheinungsbild sowie ihr rechtsstaatlicher Charakter, in Art. 20 Abs. 1 GG hineingelesen48, der seinem Wortlaut nach nur den Charakter der Bundesrepublik Deutschland als Gesamtstaat regelt. Immerhin sind die anerkannten Schutzgüter von Art. 79 Abs. 3 GG durch das Homogenitätsgebot mittelbar auch in den Ländern zu schützen.49 43 Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 148 m. w. N. 44 Hierzu näher Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 18 bzw. ders., ZRP 2008, 90 (91). 45 Vgl. bereits Fn. 113 in § 8 III.; zu der Thematik eingehend Anding, Spannungsverhältnis zwischen Art. 20 IV und Art. 79 III GG, S. 1 ff. 46 Nachfolgende Auflistung basierend auf dem Überblick bei Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b (S. 171 f.); ähnliche Zusammenfassung der wesentlichen Gehalte bei Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 177. 47 Die Frage, ob das Rechtsstaatsprinzip als solches oder nur einzelne seiner Gehalte in Art. 20 GG verankert sind, ist höchst umstritten, vgl. sogleich in § 10 II. 2. 48 Anstelle vieler vgl. beispielsweise Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 76 („als ungeschriebenen Bestandteil“) und Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 3 m. w. N. 49 Maurer, in: FS Stein, S. 143 (153).

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Demgegenüber lässt sich angesichts der klaren systematischen Trennung insoweit und des fehlenden Bezugs zu Art. 20 GG jedenfalls die kommunale Selbstverwaltungsgarantie gemäß Art.  28 Abs.  2 GG nicht als Schutzgut des Art.  79 Abs. 3 GG interpretieren50, auch wenn ihr eine demokratische und bundesstaatliche Relevanz keinesfalls abzusprechen ist. In diesem Bereich sind dem verfassungsändernden Gesetzgeber durch Art. 79 Abs. 3 GG mithin keine dauerhaft wirkenden Grenzen unter der Geltung des Grundgesetzes gesetzt. Trotz gewisser Fernwirkungen des Schutzes vor Verfassungsänderung ist selbstredend – da dies immerhin schon bei Art. 1 und Art. 20 GG gilt – eine Umgestaltung von Art. 28 (Abs. 1) GG nicht ausgeschlossen. Soweit hierdurch der Staatscharakter nicht weitreichend verändert wird, dürften die aus Art. 20 Abs. 1–3 GG resultierenden Grundsätze nicht berührt werden. Sofern hingegen die Änderungen darüber hinausgehen, dürfte naturgemäß der Bundesstaatscharakter der Bundesrepublik samt dem hieraus zu folgernden Homogenitätsgebot am ehesten tangiert werden.51 3. Exkurs: Reichweite des Schutzumfangs im Übrigen Über die vorgenannten klassischen, da aus dem Wortlaut unmittelbar zu entnehmenden, änderungsfesten Materien hinaus werden noch weitere Elemente diskutiert, von denen nachfolgend trotz ihrer nur geringer Relevanz bei der Bewertung des Art. 91e GG zur Abrundung des Schutzgehalts die wesentlichen zwei Überlegungen vorgestellt werden sollen. Dem nachfolgenden Überblick vorangestellt lässt sich allerdings festhalten, dass von diesen Erweiterungen keinesfalls die vorstehend erläuterten, in Art.  79 Abs.  3 GG ausdrücklich genannten und deshalb dort ohne Zweifel enthaltenen Grundsätze in ihrer vollen Geltung verkürzt werden dürfen.52 50 Vgl. etwa Tettinger / Schwarz, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art.  28 Rn.  148; Maunz / Scholz, in: Maunz / Dürig, GG (63. EL 2011), Art. 28 Rn. 45; Hellermann, in: BeckOKGG, Art. 28 Rn. 29; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 38 m. w. N. (auch zu den wenigen Vertretern einer Mindermeinung); Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 59; Suerbaum, Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug, S. 57 (im Umkehrschluss aus der dortigen Fn. 82). In Anbetracht des deutlichen Konsenses zum Ausschluss der Selbstverwaltungsgarantie aus dem Anwendungsbereich zieht auch die Einbeziehung von Art. 28 Abs. 2 GG in den Kreis der Staatsfundamentalnormen durch Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 33 keine abweichende Bewertung nach sich. 51 Vgl. Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art.  79 Abs.  3 Rn. 38. Anders formuliert muss Art. 28 GG wie jede Norm des Grundgesetzes „einer Prüfung an Art. 20 GG standhalten“ (a. a. O., Rn. 118); s. a. Harbich, Bundesstaat und Unantastbarkeit, S.  136 ff. Abweichend jedoch Werner, Wesensmerkmale des Homogenitätsprinzips, S.  72 f., wonach lediglich das darin geregelte Homogenitätsgebot als abstrakter Grundsatz im Bundesstaat dem Schutz der Ewigkeitsklausel unterliege, nicht hingegen die durch Art. 28 Abs. 1 GG getroffene normative Ausformung.  52 Ähnlich Papier, Der Staat 27 (1988), 33 (41) am Beispiel des Asylgrundrechts gegenüber dem Demokratieprinzip.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

a) Unantastbarkeit von Art. 79 Abs. 3 GG Zunächst wird der Schutzgehalt des Art. 79 Abs. 3 GG vor Grundgesetzänderungen anerkanntermaßen trotz Nichtnennung53 auf die regelnde Norm selbst erstreckt54, 53 Demgegenüber enthalten einige Landesverfassungen, etwa in Art.  129 Abs.  3 der Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947 (VOBl. 1947, 209) oder in Art. 20 Abs. 3 der Verfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Oktober 1947 (Bremer GBl. S. 251), ausdrücklich eine diesbezügliche Formulierung, wonach sich die Unantastbarkeitsnorm selbst für unabänderlich erklärt, vgl. hierzu mit entsprechenden Normzitaten: Häberle, in: FS Haug, S. 81 (92 f.), dort in Fn. 45. 54 In dieser Weise die vorherrschende Meinung: Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 37; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 8, 59; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 77; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 707; Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 78. In Bezug auf die unzulässige Erweiterung des abschließend verstandenen Katalogs geschützter Regelungen Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 16 und zur Unabänderlichkeit der Ewigkeitsgarantie Rn. 19; s. a. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 80; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 19; Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 47; Hamann / Lenz, in: Hamann / Lenz, GG, Art. 79 Anm. A.2 (S. 539); Stern, Staatsrecht I, § 4 II 2 a γ (S. 115 f.) und § 5 IV 6 (S. 175) sowie ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 4 (S. 1101); von Münch / Mager, Staatsrecht I, Rn. 66 (noch nachdrücklicher und prononcierter von Münch in einer früheren Auflage (6. Aufl. 2000) des gleichen Werkes, dort Rn. 90); Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 1041; von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VIII 3 (S. 1899) m. zahlr. Nachw. aus der damaligen Literatur; Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 73 f.; Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 31. Zustimmend ebenfalls Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 101 unter kurzem Verweis auf den andernfalls obsoleten Zweck der Bestimmung; ohne nähere Begründung Häberle, in: FS  Haug, S.  81 (100); weiterhin auch Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 89 bzw. ders., DÖV 1954, 705 (706) bzw. ders., DÖV 1955, 145 (146); Maunz, in: FS Laforet, S. 141 (145); Unruh, Verfassungsbegriff des GG, S. 449; Laux, Bedeutung und Inhalt der Grenzen der GG-Änderung, S. 114 f.; Zülch, Verbot von Verfassungsänderungen nach dem Bonner GG, S. 20; Harbich, Bundesstaat und Unantastbarkeit, S. 104 f.; Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 97 ff.; Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (93); Estel, Bundesstaatsprinzip und direkte Demokratie im GG, S. 115 f.; Meyer-Arndt, AöR 82 (1957), 275 (287) und zudem sehr deutlich Ridder, in: AK-GG (2. Aufl. 1989), Art. 79 Rn. 29. Überaus umfassend Spreitler, Abänderbarkeit der Unabänderlichkeitsklausel, S. 105 ff., v. a. sein Ergebnis auf S. 166. Eingehende Diskussion mit demselben Ergebnis bei Hamm, Schranken der Verfassungsänderung im Bonner GG, S. 75 ff., v. a. S. 80; Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 247 ff. m. w. N. bzw. ders., Wiedervereinigungsgebot des GG, S. 33 f.; Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 28; Erichsen, Jura 1992, 52 (54). Gründliche Streitdarstellung bei Elgeti, Inhalt und Grenzen der Föderativklausel, S. 14 ff. und Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 151 ff., die beide i. E. zustimmen (Elgeti, a. a. O., S. 16 bzw. Weber, a. a. O., S. 161). Auch Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 189 ff. geht nachdrücklich auf den Diskussionsstand ein (m. zahlr. Nachw.) und schließt sich der Ansicht pro Unabänderlichkeit an (a. a. O., S. 199). A. A. hingegen Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 133 ff. und Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 41 f. Nach beiden Autoren lasse sich die Unberührbarkeit auch der Ewigkeitsgarantie selbst nicht aus dem Wortlaut oder der Systematik ableiten, da dies vielmehr nach einer „normativen Anordnung“ (so Evers, a. a. O., Rn. 133) oder sogar „höheren Hierarchiestufe des Rechts“ (so Hain, a. a. O., Rn. 41) verlange. Die Norm könne ihre eigene Unabänderlichkeit schon verfassungstheoretisch nicht begründen, weil dies die Notwendigkeit voraussetzen würde, auch jene immer wieder zu schützen, vgl. Evers und Hain, jeweils a. a. O. sowie in dieselbe Richtung auch Tosch, Bindung des

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d. h. deren materieller Gehalt55 lässt sich „verfassungsimmanent“56 weder verkürzen noch erweitern57. Denn es entspricht der Folgerichtigkeit ihres eigenen Inhalts und dessen Zweckbestimmung, dass eine fortwährende58 Unabänderlichkeit der darin genannten Grundsätze nur haltbar ist, wenn gleichzeitig die schützende Norm selbst nicht abweichender Gestaltungen durch Verfassungsänderung zugänglich bleibt.59 verfassungsändernden Gesetzgebers, S. 118 ff. und Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 63. Allerdings schränkt etwa Hain (a. a. O., Rn. 42) selbst seine Aussage an anderer Stelle dahingehend ein, dass die Kompetenz nicht dem verfassungsändernden Gesetzgeber, sondern lediglich dem Verfassunggeber vorbehalten sei (so aber die o.g. Befürworter einer Unabänderbarkeit). Nach Evers (a. a. O., Rn. 135) hingegen müsse erwogen werden, Art. 79 Abs. 3 GG dahingehend zu interpretieren, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber ihn „als nicht aufhebbar zu behandeln“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O., Rn. 135) habe; ausgehend von Sinn und Zweck der Norm ebenso Siegenthaler, Materielle Schranken der Verfassungsrevision, S. 134 f., 145 f., 185. Die Unantastbarkeit von Art. 79 GG ablehnend offenbar auch: Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 250 f. bzw. ders., in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 28 mit eigener Begründung. Verschiedentlich werden im Schrifttum Sperrklauseln solcher Art sogar generell zur Disposition gestellt, vgl. u. a. Jellinek, Grenzen der Verfassungsgesetzgebung, S. 12, 23 f.; Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 110 m. w. N. sowie Jerusalem, NJW 1952, 1007 (1007). 55 Dieser Gehalt betrifft die Gewährleistung eines nachfolgende Generationen bindenden „materialen Verfassungskern[s]“, so Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 41. Mit ähnlicher Begrifflichkeit auch Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 99 f. und S. 136. 56 So Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 140; dem vergleichbar Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 98 ff., 136 f. 57 Demzufolge könnten weder Art. 79 Abs. 3 GG unmittelbar noch mittelbar die von ihm geschützten Normen (Art. 1, 20 GG) materiell auf neue Unabänderlichkeiten erstreckt werden, vgl. Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 38. 58 Bislang ist noch kein Versuch durch den verfassungsändernden Gesetzgeber unternommen worden, Art. 79 Abs. 3 GG zu ändern, dazu Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 8. 59 Hierzu eingehend Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 89 ff. bzw. gleichermaßen, jedoch kürzer ders., DÖV 1954, 705 (706); daneben auch Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 162 sowie Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 99 f. m. w. N. Sehr übersichtlich auch Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 77 und Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 59. Letztgenannter hält neben der Möglichkeit, dass die Unantastbarkeitsnorm die Schutzwirkung explizit auf sich selbst erstreckt, auch die „Normlogik“ (zum Zitat a. a. O.) für einen möglichen Anhaltspunkt; s. a. Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 50 und dem folgend Stern, Staatsrecht I, § 4 II 2 a γ (S. 115) bzw. ders., Staatsrecht III/2, § 89 III 4 a, b (S. 1101) sowie Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 248 ff. (mit ausführlicher Argumentation bezüglich diverser Einwände). In diesem Zusammenhang wird überdies die in der Verfassungstheorie angenommene Überlegung, dass die überragend bedeutsamen Grundsätze auf eine dem positiven Recht übergeordnete, unabänderliche „hypothetische Grundnorm“ zurückzuführen seien (dazu inkl. wörtlichem Zitat Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 252), aufgegriffen, vgl. etwa Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 69. Nach Nef, ZSchwR n. F. 61 (1942), 108 (121) könne die Labilität der die Unabänderlichkeiten erst bestimmenden Schranke nicht gewollt sein. Zur Verdeutlichung bemüht Letztgenannter (a. a. O., S. 121 f.) den Vergleich zu einem Wanderer, der ein Verbotsschild niederreißt und seine Wanderung fortsetzt. Zu demselben Ergebnis dürfte wohl das BVerfG gelangen, sollte es (was hier hypothetisch angenommen wird) einmal über eine Änderung der Unantastbarkeitsgarantie zu entscheiden haben: Immerhin bemerkten die Richter anlässlich der Entscheidung in BVerfGE 84, 90 (120), dass die verfassungsändernde Gewalt zu einer „Selbstbefreiung von den im Grundgesetz festgelegten Schranken […] nicht befugt“ sei. Schließlich ist noch auf Siegenthaler,

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

Andernfalls wäre der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht bzw. nur begrenzt durch den demokratischen Kerngehalt der Norm gehindert, im Wege einer Neuausrichtung zumindest einzelne Schutzgüter aus Art. 79 Abs. 3 GG herauszunehmen, um sie anschließend in einem weiteren Schritt in einer von dem Verfassunggeber nicht gewollten Weise abzuwandeln. Auf diesem Umweg könnte die verfassungsändernde Gewalt dessen Schranken für verfassungsändernde Gesetze, die ihrem Wesen und ihrer Konzeption nach eigentlich für sie gedacht sind und ihre Kompetenz begrenzen sollen60, mühelos durch ein solches aushebeln.61 Das Grundgesetz stünde sodann zu ihrer völligen Disposition.62 Vor diesem Hintergrund lässt sich die Frage der eigenen Unabänderlichkeit von Art. 79 Abs. 3 GG wiederum auf die in der Norm angelegte Unterscheidung von verfassunggebender und verfassungsändernder Gewalt zurückführen: Letztere ist nach den vorstehenden Erkenntnissen63 jedoch zu einer „Selbstbefreiung von den im Grundgesetz festgelegten Schranken“64 nicht autorisiert, weil dies dem pouvoir constituant vorbehalten Materielle Schranken der Verfassungsrevision, S. 145 f. hinzuweisen, der die Sinnhaftigkeit der Unabänderlichkeit der Schrankennorm selbst argumentativ hergeleitet hat. 60 Noch deutlicher die Aussage bei Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 42 m. w. N. zu der Kompetenzfrage: „Die eigene rechtliche Existenzgrundlage kann aber kein Träger hoheitlicher Gewalt selbst ändern“. Denn immerhin liegt Art. 79 Abs. 3 GG gerade – aus der Sicht des schöpfenden Verfassunggebers betrachtet sowie unter Einfluss der historischen Erfahrungen  – die Vorstellung zugrunde, den verfassungsändernden Gesetzgeber nachhaltig zu binden und den die Identität der Staatlichkeit prägenden Grundprinzipien zu verpflichten, vgl. ausführliche Darstellung des gesamten Streitstands bei Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 28 bzw. ders., Verfassungsentwicklung, S. 251. Eingehend zum Meinungsbild auch Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 247 ff.; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 133 ff. und Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 97 ff., der darin eine Begrenzung der verfassungsändernden Gewalt erkennt und sie deshalb ihrer Sphäre überordnet. 61 Deshalb spricht Dietlein, in: BeckOK-GG, Art.  79 Rn.  19 f. insoweit von „Normlogik“ (wie zuvor Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 59, vgl. schon Fn. 59 wie auch die weiteren dort genannten Fundstellen) und weist Stern, Staatsrecht III/2, § 89 III 4 a (S. 1101 f.) auf die Gefahr hin, dass „Sinn und Zweck der Norm ausgehöhlt würden“. Zur andernfalls drohenden Unstimmigkeit ebenfalls Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 22 (dort heißt es „Widerspruch in sich“); Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 194 (dort Fn. 919 m. w. N.); Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 247 f.; Hain, Grundsätze des GG, S. 69; Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. Rn. 28. 62 Vgl. auch die bildhafte Bemerkung des Abgeordneten Schmid in der 17.  Sitzung des 2. Deutschen Bundestages am 26. Februar 1954, abgedruckt in Verhandlungen des Dt. Bundestages, S. 575 (Abschn. A): „Mit der Veränderung des Art. 79 ändern Sie nicht eine Wand des Hauses ab, sondern Sie nehmen damit dem Fundament einen tragenden Eckstein.“ 63 Zur Abgrenzung zwischen verfassungsändernder und verfassunggebender Gewalt siehe bereits § 8 III. und außerdem in konkreter Bezugnahme auf Art. 79 Abs. 3 GG Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 194 ff. (m. w. N. in der dortigen Fn. 919) sowie Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 28. 64 So nachdrücklich BVerfGE 84, 90 (120), aufgegriffen von Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 59 und Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 19. Im Unterschied zur originären Verfassunggebung handele es sich bei Verfassungsänderungen stets um bloß „derivative Verfassungserzeugung“, so Steiner, Verfassunggebung und verfassunggebende Gewalt, S. 22 f. Es würde sich insofern um eine nicht zulässige Erweiterung der Kompetenzen über die im Grundgesetz

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bleibt.65 Wäre hingegen der verfassungsändernden Gewalt eine solche Selbstbefreiung möglich, könnte sogar eine explizit niedergeschriebene Unantastbarkeit der Ewigkeitsklausel sie nicht daran hindern.66 Die einzige Möglichkeit, die in Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grundsätze aufzuweichen oder vollständig zu ersetzen67, hält das Grundgesetz68 daher – mit Ausnahme einer nicht auf seiner Basis, sondern unter seiner Aufgabe geführten Revolution – in der Verfassungsablösung gemäß Art. 146 GG für einen neuen Verfassunggeber bereit. b) Unantastbarer Gehalt der Grundrechte Des Weiteren sind über den Verweis auf Art. 1 Abs. 1 GG auch „gewisse Grundrechtsgehalte in den Schutzbereich einbezogen […], nicht aber der ganze Grundrechtskatalog der Art. 2 bis 19 GG“69. Dieses absolut herrschende70 Verständnis entspricht dem Wortlaut von Art. 79 Abs. 3 GG, der nur „Art. 1 und Art. 20“ benennt, nicht hingegen Art. 1 bis 20 GG.71 Insoweit werden Grundrechte nur insoweit gewährten hinaus handeln, vgl. bereits Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 247 ff., speziell S. 249. Passend hierzu auch die Differenzierung zwischen zulässiger Verfassungsänderung und unzulässiger Verfassungsersetzung bei Kriele, VVDStRL 29 (1971), 46 (59). 65 Vgl. Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 20.2; Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 28. Andernfalls würde sich die verfassungsändernde Gewalt eigenmächtig ihr nicht eingeräumter Befugnisse bedienen, wie es Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 69 in Anlehnung an Schmitt, Verfassungslehre, S. 103 beschreibt. 66 Siehe insoweit nur die diesbezügliche Feststellung „überflüssig, ja sogar widersinnig, weil auch eine solche Vorschrift ihrerseits abgeschafft werden könnte“ bei Stern, Staatsrecht I, § 4 II 2 a γ (S. 115 f.). 67 Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 77 sieht diese „Verfassungsablösung“ (zum Zitat a. a. O.) als auf der Grundlage des Grundgesetzes alternativlose Möglichkeit zur Überwindung der Beschränkungen des Absatzes 3 an, da auch ein unabhängig hiervon berufener pouvoir constituant nicht dazu ermächtigt sei. Zu demselben Ergebnis gelangte auch bereits Murswiek, Verfassunggebende Gewalt nach dem GG, S. 250 f. 68 Für diese Vorstellung des Grundgesetzes führt Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 163 f. noch die Entstehungsgeschichte von Art. 79 Abs. 3 GG an: Danach sollte der Normsinn – wie in § 8 IV. und V. gezeigt – in dem völligen Ausschluss illegaler wie auch legaler Verfassungsbeseitigungen liegen, was jedoch nur durch die Erstreckung seiner Schutzwirkung auf sich selbst zu erreichen wäre (zum Vorstehenden insgesamt a. a. O.). 69 So wörtlich Stern, Staatsrecht III/2, § 89 VI 1 (S. 1127). 70 Stellvertretend für viele: Hamann / Lenz, in: Hamann / Lenz, GG, Art. 79 Anm. B 9 (S. 540), Haratsch, in: Sodan, GG, Art.  79 Rn.  27 bzw. ders., Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 220 und Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 1043. Dies entspricht auch dem Ergebnis der Beratungen, die zur Einfügung von Art. 79 Abs. 3 GG in das Grundgesetz führten: Ein Antrag auf dessen Ergänzung um Art. 2 bis Art. 19 GG wurde währenddessen ausdrücklich abgelehnt, vgl. JöR n. F. (1951), S. 187. Minuziöse Erörterung der Unantastbarkeit der Grundrechte bei Even, Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie, S. 109 ff. 71 Siehe zu dieser Argumentation beispielsweise Vismann, in: AK-GG, Art.  79 Rn.  50; von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VII 3 a (S. 1892) m. w. N. und Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 39

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als unabänderlich erachtet, als ihr Menschenwürdegehalt betroffen und dementsprechend für das Grundgesetz eine (objektiv messbare) Werteordnung konstruiert wird.72

II. Unantastbarkeit der Grenzen der Mischverwaltung Die im Rahmen der Mischverwaltung relevanten Verfassungsprinzipien aus Art. 20 GG können bei der hier maßgeblichen Untersuchung einer Verfassungsnorm, die mittels Verfassungsänderung in das Grundgesetz eingefügt wurde, nur mit ihrem gleichzeitig von Art. 79 Abs. 3 GG garantierten Grundsatzgehalt Grundlage weiterer Untersuchungen betreffend eine (eventuelle) Verfassungswidrigkeit des Art. 91e GG sein. Nachfolgend sind daher die im Zweiten Teil dieser Arbeit beschriebenen Grenzen der Mischverwaltung jeweils für sich eingehend auf ihren von Art. 79 Abs. 3 GG erfassten Aussagegehalt73 zu untersuchen und hierzu ihrem Umfang nach zu beschränken und konkretisieren. Art.  28 Abs.  2 GG wird auch an dieser Stelle  – obwohl den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Mischverwaltung im Jahr 200774 angesichts der geprüften Kommunalverfassungsbeschwerden maßgeblich zugrunde liegend  – erneut von einer näheren Begutachtung ausgenommen, da die Norm zwar einen die Mischverwaltung begrenzenden Gehalt aufweist, unstreitig aber nicht der Unantastbarkeitsklausel des Art.  79 Abs.  3 GG unterliegt.75

m. w. N. – dort u. a. auch zu der gegenteiligen Ansicht einer ‚Kettenreaktion‘. Im Ergebnis gleich Leisner, DÖV 1992, 432 (437); Papier, Der Staat 27 (1988), 33 (40) und Evers, in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 29 (41). 72 Vgl. Stern, Staatsrecht III/2, § 89 IV 3 (S. 1111) bzw. ders., JuS 1985, 329 (332); Papier, NJW 1991, 193 (195); Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (501 f.); Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 245; Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 28 bzw. ders., Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 233. Umgekehrt erkennt Alberts, JuS 1972, 319 (322) die Grundrechte als Ausprägung zur näheren Konkretisierung des unabänderlichen Menschenwürdegehalts und zieht hieraus denselben Rückschluss zum Schutz desselben in jedem einzelnen Grundrecht; vergleichbar auch Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 41, wo von dem jeweiligen „Menschenrechtskern“ (a. a. O.) die Rede ist. 73 Der Schutzgehalt wird hierbei durch Auslegung ermittelt, vgl. Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 249. 74 BVerfGE 119, 331 ff. 75 Hierzu bereits in § 10 I. 2. und dort vor allem Fn. 50.

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1. Unantastbarer bundesstaatlicher Gehalt Im Verhältnis zu den anderen Maximen besonders große Aufmerksamkeit widmet Art.  79 Abs.  3 GG dem Bundesstaat, in dessen Bedeutungsbereich durch den Verweis auf Art.  20 Abs.  1 GG nicht nur das allgemeine Bundesstaatsprinzip inbegriffen ist76, sondern exemplarisch77 bzw. als verstär 76 In dieser Weise z. B. vertreten bei Sachs, in: Sachs, GG, Art.  79 Rn.  62; Isensee, in: FS 50 Jahre BVerfG II, S. 719 (730 ff., 748); Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 209 f.; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 158; Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 52; Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 34 bzw. ders., Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 248 f. und näher S. 251 f. (zuvor beginnend ab S. 250 ff. auch zum diesbezüglichen Streitstand m. w. N.); Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 16; Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 1042. Sehr ausführlich zur Auslegung der Norm Blasche, Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung, S.  112 ff., der im Ergebnis die Einbeziehung in Art. 79 Abs. 3, 3. Var. GG bejaht (a. a. O., S. 127). Auch Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. IV) Rn. 13 f. erkennt Art. 20 Abs. 1 GG als Grundlage für ein allgemeines Prinzip an, sieht aber einen nur geringen Anwendungsbereich; ähnlich Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (95). Schließlich spricht Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 32 abstrakt von einer „Garantie der bundesstaatlichen Ordnung“. Demgegenüber verneinend: Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 131 f.; Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 40, 46; Bothe, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. II) Rn. 23; Šarčević, Bundesstaatsprinzip, S. 255 ff.; Kölble, DÖV 1967, 1 (7) und Schmitt, DÖV 1965, 433 (440). Allen ablehnenden Stimmen ist gemein, dass sie nur die Unabänderlichkeit der beiden speziellen Varianten anerkennen. Siehe hierzu ebenfalls Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 71, dass der föderale Schutzgehalt durch die explizit benannten Varianten bereits „abschliessend geregelt“ werde und die Einbeziehung des Wortes Bundesstaat in Art. 20 GG lediglich der „Verweisungstechnik“ geschuldet sei (zu beiden vorstehenden wörtlichen Zitaten a. a. O.). Zu demselben Schluss gelangt auch Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 48 ff. nach eingehender Darstellung (m. zahlr. Nachw.) der historischen Zusammenhänge und der vertretenen Diskussionsansätze (hierzu und zum nachfolgenden Ergebnis Rn. 58): Er nimmt aufgrund der Beratungen zum Erlass des Grundgesetzes eine teleologische Reduktion des zweiten Halbsatzes an; mit demselben Ergebnis Elgeti, Inhalt und Grenzen der Föderativklausel, S.  28. Dem hält allerdings etwa Estel, Bundesstaatsprinzip und direkte Demokratie im GG, S. 56 in der dortigen Fn. 230 (dort zugleich m. w. N.) entgegen, dass der Wortlaut die Entstehungsgeschichte widerlege. Einen ganz anderen Ansatz wählen Lerche, Aktuelle föderalistische Verfassungsfragen, S. 45 a. E. und im Anschluss daran Hesse, AöR 98 (1973), 1 (7 f.): Beide sehen nicht ein abstraktes Prinzip geschützt, sondern lediglich „die Grundkonzeption des Bundesstaates der Bundesrepublik Deutschland“ (so Lerche, a. a. O., S. 45 und fast identisch Hesse, a. a. O., S. 7). Gleichwohl möchte Letztgenannter (dazu Hesse, a. a. O., S. 8) aber den Verweis auf Art. 20 GG ebenfalls auf den Bundesstaat bezogen wissen und erteilt gegenteiligen Behauptungen nachdrücklich eine Absage. Sehr kritisch schließlich Ridder, in: AK-GG (2. Aufl. 1989), Art. 79 Rn. 30 f.: Die Einbeziehung abstrakter bundesstaatlicher Grundsätze sei in Anbetracht der Entstehungsgeschichte, den entfachten Problemen und schließlich ihrer Wirkungslosigkeit „völlig verfehlt“ (hierzu a. a. O., Rn. 30). 77 Vgl. Laux, Bedeutung und Inhalt der Grenzen der GG-Änderung, S. 104; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 7 und außerdem m. w. N. in der dortigen Fn. 90; ferner Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 252; Hesse, AöR 98 (1973), 1 (8 f.); Estel, Bundesstaatsprinzip und direkte Demokratie im GG, S. 56 und Fassbender, NVwZ 2009, 737 (738). Als Beispiele verstanden offenbar auch bei Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (70, 72). Gute Darstellung des Streitstandes bei Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 287, der selbst hiervon ausgehend noch dem Verständnis einer Ergänzungsfunktion zuzuneigen scheint

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

kende78, ergänzende79, verdeutlichende80, konkretisierende81 oder speziellere82 Ausprägungen auch noch die beiden weiteren, im Verfassungstext explizit83 gelisteten Varianten. Diese Verteilung auf mehrere Anknüpfungspunkte hebt die Bedeutung der bundesstaatlichen Grundzüge für die Bundesrepublik Deutschland hervor und wird mitunter als Anhaltspunkt für die „Dominanz […] föderaler Elemente“84 eingeschätzt.85 Geschützt durch alle drei Varianten ist dabei stets dasselbe staats­tragende (dazu sogleich in Fn. 79); vgl. bereits ders., AöR 115 (1990), 248 (250). Während Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 16 die „doppelte Absicherung“ hervorhebt, weist Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 4 b (S. 168) auf die sich hieraus ergebenden „Überschneidungen“ hin. In dieselbe Richtung war wohl auch von Mangoldt, in: von Mangoldt, GG (Erstauflage 1953), Art. 79 Anm. 3 (S. 429) zu verstehen, wohingegen er das Verhältnis bereits in der darauffolgenden Auflage (2. Aufl. 1974) offen ließ, vgl. seine dortige Kommentierung zu Art. 79 GG in Anm. VII 3 d bb (S. 1895 f.). 78 Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 53, 59 verneint insofern eine vollständige Deckungsgleichheit der Varianten, weil die Schwerpunkte einerseits auf der föderalen Struktur, andererseits aber auf der Eigenstaatlichkeit der Länder lägen. 79 In dieser Weise dürfte Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 287 zu verstehen sein, wenn er zwar die „exemplarische Bedeutung“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.) bejaht, sodann weitergehend aber einen konkreten Bedeutungsgehalt weiterer bundesstaatlicher Elemente betont (auch hierzu a. a. O.). 80 Vgl. „näher konkretisiert“ nach Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 33. Demgegenüber hält Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 431 (dort Fn. 80) den ersten Satzteil für vollkommen „überflüssig“. 81 Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 207; s. a. Hempel, Demokratischer Bundesstaat, S. 201 und Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 33. 82 Insoweit sprechen Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 40, 46; Kölble, DÖV 1967, 1 (6 f.) und Schmitt, DÖV 1965, 433 (440) jeweils von „Spezialregelung[en]“; ähnlich Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 21; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 70 und v. a. Rn. 89; Lücke, in: Sachs, GG (3. Aufl. 2003), Art. 79 Rn. 37 a. E.; Sachs, in: Sachs, GG, Art.  79 Rn.  62; Jestaedt, in: HStR  II, § 29 Rn.  48. Diese Ansicht zunächst bewertend (auf S. 27 ff.) und sodann zustimmend Elgeti, Inhalt und Grenzen der Föderativklausel, S.  31. Hingegen äußert Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 208 – wegen der Spezialität und umfassenden Absicherung der zentralen föderalistischen Elemente – noch weitergehend, die Bezugnahme auf „Bundesstaat“ in Art. 20 Abs. 1 GG sei „gegenstandslos“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.). In gleicher Weise wohl auch Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 71, der Art. 79 Abs. 3 GG in bundesstaatlicher Hinsicht als „abschliessend“ (so im Original, a. a. O.) bezeichnet, vgl. ebenso ders., DÖV 1954, 705 (707) und Grewe, DRZ 1949, 349 (350); s. a. Weber, Materielle Schranken für die Änderung des Bonner GG, S. 131; Hesse, AöR 98 (1973), 1 (8) und wohl auch Hamann / Lenz, in: Hamann / Lenz, GG, Art. 79 Anm. B 10 (S. 540 f.). Ein hilfreicher Überblick über den Streitstand und zu den jeweiligen Argumenten der beiden gegensätzlichen Auffassungen, jeweils m. w. N., findet sich bei Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 251. 83 Vgl. im Wortlaut: „die Gliederung des Bundes in Länder“ (1. Variante) und „die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung“ (2. Variante), die dem allgemeinen Verweis auf Art. 1 und Art. 20 GG (vgl. 3. Variante) im Verfassungstext räumlich vorangehen. 84 So Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 89; ganz ähnlich Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 995 (dort „herausragende Bedeutung“). Kritisch hingegen Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 48. 85 Die Besonderheit, zwei Gehalte des allgemeinen Prinzips gewissermaßen ‚vor die Klammer zu ziehen‘, begründet Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 70 und Rn. 89 mit der Ent-

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und -lenkende Element: der deutsche Bundesstaat86 bzw. dessen Inhalte betreffend die innere Staatsorganisation. Seine umfassende Absicherung87 liegt darin begründet, einen Zustand zu verhindern, in dem dieser Bundesstaat seiner Funktions-

stehungsgeschichte der Norm: Danach sei zunächst im Herrenchiemseer Verfassungskonvent geplant gewesen, die Unabänderlichkeit föderativer Grundsätze nicht in Art. 79 GG (bzw. in der materiellen Schrankennorm des vorhergehenden Entwurfs, d. h. Art. 108 HChE), sondern an eigener Stelle im Grundgesetz festzulegen (vgl. Vorschlag zu Art. 107 HChE mit Verweis auf Art. 106 HChE, abgedruckt in JöR n. F. (1951), S. 579; siehe erläuternd Stern, Staatsrecht III/2, § 89 II 3 a (S. 1089)). Die separate Formulierung habe sich dann trotz der Einverleibung in einer einzigen Norm und der anhaltenden Diskussionen um ihre Ausgestaltung im Parlamentarischen Rat gehalten, dazu Herdegen, a. a. O., Rn. 68 und Stern, a. a. O., § 89 II 3 b β (S. 1090 f.) m. w. N.; zur Normgenese außerdem umfassend Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 50 ff.). Die einzelnen Beratungsschritte und vorgeschlagenen, dann aber wieder verworfenen bzw. überarbeiteten Änderungen lassen sich anhand der Darstellung in JöR n. F. (1951), S. 579 ff. gut nachvollziehen. Nach der Zusammenführung habe sich zudem die Vorstellung des Normgebers durchgesetzt, mit den explizit benannten Varianten die föderale Gestalt der Bundesrepublik zu verbürgen, dem generellen Prinzip hingegen nur eine Lückenfüllerfunktion zuzuweisen – dazu Herdegen, a. a. O., Rn. 69 und in ähnlicher Weise wohl auch Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 62; Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 32; Estel, Bundesstaatsprinzip und direkte Demokratie im GG, S. 55 ff. (dort „Ergänzungsverhältnis“, S. 59) m. w. N. zum Schrifttum. Demgegenüber nimmt Hesse, AöR 98 (1973), 1 (8 f.) die gleiche Bedeutung aller drei Änderungsverbote an. Insoweit ergänzt Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 30, dass der Herrenchiemseer Verfassungskonvent zunächst die Bundesstaatlichkeit der zu gründenden Bundesrepublik nur prozedural habe absichern wollen, wobei vielen Vorschlägen, wie auch Art. 107 HChE, der lediglich abstrahierend auf die „bundesstaatliche Grundordnung“ Bezug nahm, die Bestimmtheit abgesprochen worden sei. Erst nach weiteren Diskussionen habe sich schließlich die heute enthaltene Formulierung mit den vorangezogenen, explizit herausgestellten zwei Varianten durchgesetzt (hierzu weiterhin Hain, a. a. O., dort auch m. w. N.); kürzer ebenso Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Abschn. I und Abschn. II, Rn. 66 sowie zustimmend Stern, a. a. O., § 89 II 2 (S. 1083 f.). Zugleich habe man (so Evers, a. a. O., Rn. 207 m. w. N.) die beiden gesonderten Varianten konkretisierend benennen wollen, um das Verständnis des Normadressaten von der gewollten föderalistischen Staatsstruktur zu erleichtern. Die große Aufmerksamkeit für das Bundesstaatsprinzip schließlich aber missbilligend Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 68. 86 Gleichbedeutend „die bundesstaatliche Grundordnung als solche“ bei Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 32. Eine Serie dieser und anderer prägnanter Bezeichnungen für den föderativen Schutzgehalt findet sich bei von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VII 1 (S. 1885 f.). 87 Alleine durch die zwei speziellen Varianten zur föderativen Staatsstruktur wäre der Bundesstaat demgegenüber nur lückenhaft abgesichert, ohne dass hierfür im Vergleich zu den anderen geschützten Verfassungsprinzipien aus Art. 20 GG ein Grund, etwa aus dem Wortlaut, erkennbar wäre, vgl. hierzu Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 251 f. Er betont deshalb (a. a. O., S. 251) zu Recht, dass ein Bundesstaat sich nach seinem gemäß Art. 20 Abs. 1 GG vorgegebenen Gesamtbild durch mehr auszeichne als durch die Gliederung in Länder und deren Mitwirkung bei der Gesetzgebung. Dementsprechend mache auch Art. 79 Abs. 3 GG durch die Verknüpfung der darin enthaltenen Varianten mittels „oder“ deutlich, dass „beide Satzteile gleichwertig nebeneinander stehen“ (zum Vorstehenden samt Zitat a. a. O., S. 252). In diesem Zusammenhang zeigt Suerbaum, Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug, S. 58 f. auf, dass bestimmte bundesstaatliche Grundgedanken gleichermaßen durch eine der speziellen Varianten wie auch zugleich über Art. 20 GG geschützt sein können.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

fähigkeit beraubt wird.88 Weil insoweit schon die (abstrakte) Bundesstaatlichkeit Deutschlands „die Gliederung des Bundes in Länder“ (so die 1. Variante des Art. 79 Abs. 3 GG) und deren angemessene „Mitwirkung“ (so die 2. Variante bezogen auf die elementaren Kompetenzen bei der Gesetzgebung) auf gesamtstaatlicher Ebene existenziell voraussetzt, kann auf eine nähere Diversifizierung nach der im Einzelfall einschlägigen Tatbestandsvariante verzichtet werden.89 Auch die Formulierung der Aufzählung, genauer die Verknüpfung der beiden Satzhälften mittels „oder“, spricht für eine Gleichwertigkeit aller Varianten.90 Die Differenzierung des Verfassungstextes hilft insoweit lediglich, den Schutz des Bundesstaatsgedankens in der Bundesrepublik Deutschland näher zu umreißen und damit zu spezifizieren.91 Soweit Art. 79 Abs. 3 GG die Gliederung des Bundes in Länder dem Schutz vor Verfassungsänderungen unterstellt, wird nicht jedes einzelne Land in seinem individuellen Fortbestand geschützt, sondern nur die Existenz bundesstaatlicher Glieder überhaupt.92 Allerdings erstreckt sich der Schutz auch auf den Mindest 88

Treffend „auf Restbestände reduziert“ bei Hesse, AöR 98 (1973), 1 (43). Gleichsam als „Pleonasmus“ interpretiert bei Isensee, AöR 115 (1990), 248 (250). Auch Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 119 sieht keinen Sinn in der immerhin „wenig aussichtsreich[en]“ Unterscheidung der Varianten, sondern versteht dies vielmehr als „einheitliche Absicherung der Bundesstaatlichkeit“ (zu beiden vorstehenden Zitaten a. a. O.). In der Rechtsprechung wird dies jedenfalls darin deutlich, dass das BVerfG Art. 79 Abs. 3 GG in seiner Gesamtheit ohne nähere Diversifizierung als Grundlage derselben anzuerkennen scheint, vgl. etwa BVerfGE 34, 9 (20). Hingegen möchte Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art.  79 Rn. 159 im Einzelnen offenbar zwischen den Varianten trennen, wenn er die beiden expliziten Varianten von Art. 79 Abs. 3 GG nur als beinahe, aber nicht als vollkommen ausreichend zur Garantie des Bundesstaates bezeichnet. Jedenfalls komme dem allgemeinen Prinzip – wie auch vom BVerfG vertreten (s. o.) – noch eine spezifische, das Prinzip vollendende Geltungswirkung zu (auch hierzu Herdegen, a. a. O.). Den eigenständigen Gehalt bejahend auch Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 47; Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 32; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 62 und Blasche, Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung, S. 127. 90 Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 209. 91 Vgl. die Bezeichnung als „festere Kriterien“ bei Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 27:. 92 Immerhin lassen Art. 29 GG und ergänzend Art. 118 f. GG die Neugliederung des Bundesgebietes ausdrücklich zu, wie bereits BVerfGE 1, 14 (47 f.) und BVerfGE 5, 34 (38 ff.) festhielten; zustimmend auch Geiger, BayVBl. 1964, 65 (65). Wie weit der Schutzbereich im Einzelnen reichen soll, ist hingegen umstritten: Überwiegend wird verlangt, dass mindestens drei Gliedstaaten eine entsprechende Veränderung überdauern müssten, um nicht Art. 79 Abs. 3 GG zu tangieren, vgl. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 12 m. w. N.; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 21 f.; Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 31; Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 21; Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 18; von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 498 (wohingegen die Neuauflage unter Beteiligung von Mager in Rn. 685 keinen unmittelbaren Bezug mehr zu Art. 79 Abs. 3 GG herstellt); Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 51; des Weiteren wohl auch Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 212; Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 65; Harbich, Bundesstaat und Unantastbarkeit, S. 118 f., 156 f. Letztgenannter begründet dies mit der Wahrung der Ausgeglichenheit und Mehrheitsverteilung im Bundesrat (vgl. erneut a. a. O.). Demgegenüber lassen andere ein Mindestmaß von zwei Ländern genügen, vgl. etwa von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VII 1 c (S. 1886); Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), 89

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gehalt derartiger Länder: Sie müssen stets „Zentren demokratisch legitimer politischer Entscheidung“93 bleiben und zu diesem Zweck ein „Mindestmaß an Eigenständigkeit“94 aufweisen. Bei der Differenzierung nach allgemeiner Existenz und Mindestgewährleistungen handelt es sich nur auf den ersten Blick um eine doppelte Schutzrichtung95, weil im eigentlichen Sinne durch beide Teilelemente die Institution Gliedstaat mit seiner eigenen Staatlichkeit96 geschützt werden soll. Denn wie die Länder trotz ihres garantierten Fortbestandes ohne Mindestaufgaben und -rechte gänzlich entleert werden könnten, hätte für sie ein garantiertes Mindestmaß zum Tätigwerden keinen Wert, wenn sie gleichwohl gänzlich abgeschafft werden könnten. Aus diesem Grunde verlangt das Grundgesetz, dass alle Teile des Bundesstaates, d. h. Gesamt- und Gliedstaaten gleichermaßen, selbstständig „organisierte Einheiten mit politischem Eigengewicht“97 verbleiben, wozu ihnen ein „Kern eigeArt. 79 III Rn. 34; Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 24. Unter Ablehnung beider Ansichten kritisiert Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 131 die Schaffung konkreter Vorgaben für eine Mindestzahl an Ländern und stellt selbst (a. a. O., Rn. 132) klar: Da zentrales Wesensmerkmal der Bundesstaatlichkeit in Bezug auf das Bund-Länder-Verhältnis die nötige „Balance zwischen eigenständigen und doch miteinander verbundenen territorialen Einheiten“ in einer spezifischen Situation sei, könne ein abstrahierendes Minimum, gleich in welcher Höhe es vertreten werde, mit Blick auf die Einzelfallgewichtung nicht überzeugen (zum Vorstehenden insgesamt samt Zitat a. a. O., Rn. 132). Dem zustimmend auch Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (70), dort v. a. Fn. 75, und in ähnlicher Weise Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 97 sowie Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 42, während Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 278 anscheinend (sehr weitgehend) nicht einmal eine erhebliche Verringerung der bisher 16 Länder anerkennen würde. 93 So Hesse, AöR 98 (1973), 1 (14 a. E.) m. w. N.; vergleichbar Hempel, Demokratischer Bundesstaat, S. 208 und Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 299. 94 So Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 12. Grundlegend hierfür waren die Ausführungen bei BVerfGE 34, 9 (19 f.); ähnliche Bezeichnungen bzw. Umschreibungen ferner bei Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 32; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 213 f.; Hofmann, in: HStR I, § 9 Rn. 87; Stern, Staatsrecht  I, § 5 IV 5 a α (S.  169); Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S.  57 (71); Jestaedt, in: HStR II, § 29 Rn. 65; Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 297 ff.; Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 59. Zu den einzelnen Garantien der Staatlichkeit eingehend Harbich, Bundesstaat und Unantastbarkeit, S. 119 ff. 95 In dieser Weise dürfte allerdings Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 42 f. zu verstehen sein, der die beiden Gehalte ausdrücklich als „zwei Aspekte“ (zum Zitat a. a. O., Rn. 42) bezeichnet und zwischen Bestandsschutz einerseits (Rn. 42) und Wesensgehaltsschutz andererseits (Rn. 43) differenziert. Auch Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 51 differenziert zwischen einer quantitativen (Mindestbestand an Ländern) und qualitativen (Mindestbestand an Eigenständigkeit) Schutzrichtung. 96 Nach BVerfGE 34, 9 (19) dürfe den Ländern nicht „die Qualität von Staaten oder ein Essentiale der Staatlichkeit“ genommen werden. Um dies zu gewährleisten, unterlägen sie dem Schutz der Unabänderlichkeit (auch hierzu a. a. O.). Siehe ferner Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 a α (S. 170); Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 23; Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 22; Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 33 a. E. 97 So Harbich, Bundesstaat und Unantastbarkeit, S. 120. Insofern sollen die Länder nach dem deutschen Staatsverständnis „ein politisches Gegengewicht zum Bunde bilden“, so prägnant abermals a. a. O., S. 126. Dem folgend Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 300 m. w. N. und näheren Erläuterungen; s. a. Hesse, AöR 98 (1973), 1 (16); Geiger, BayVBl. 1964, 65 (65).

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ner Aufgaben als ‚Hausgut‘ unentziehbar“98 zustehen muss. Die Eigenstaatlichkeit und ständigkeit der Länder darf aus diesem Grunde durch eine Verfassungsänderung des Bundes nicht abgewertet99, der Bund aber ebenso wenig entstaatlicht werden.100 Die Schutzrichtung ist hierbei jeweils zweigeteilt101: Weder darf die in der Verfassungsänderung angelegte Kompetenzübertragung als solche einer Seite essentielle Zuständigkeiten entziehen noch dürfen die verbleibenden Zuständigkeiten nach Abzug dessen dermaßen geringfügig sein, dass die staatliche Eigenständigkeit vollkommen oder teilweise entfällt oder zumindest gefährdet wäre. Entsprechend der vorangegangen Ausführungen zum wesentlichen Gehalt dieses verfassungsrechtlichen Grundprinzips und zum Verständnis der tatbestandlichen Anforderungen in Art. 79 Abs. 3 GG bleibt festzuhalten, dass nur die essentiellen Inhalte102 des Bundesstaatsgedankens dem zeitlosen Schutz des Grundgesetzes unterliegen. Sie dürfen weder völlig beseitigt noch in ihrem Aussagegehalt essentiell verkürzt (d. h. ausgehöhlt) werden, wohingegen andere „Einzelstrukturen der grundgesetzlichen Bundesstaatlichkeit“ wandlungsoffen bleiben.103 In diesem Sinne muss das bundesstaatliche Konzept durch die föderalistische Grundtendenz des Grundgesetzes geprägt und ausgefüllt werden, ohne umgekehrt theoretischen Prämissen gerecht werden oder die verfassungsrechtliche Gestaltung hieran messen zu wollen. Diesbezüglich steht die Bewahrung des bundesstaatlichen Konzepts im Vordergrund104, wenngleich die bereits einleitend105 angeführte Verzahnung der verschiedenen Staatsstrukturprinzipien und ihr kumulatives Zusammenwirken nicht

98 In dieser Weise wurde das Minimum, das den Ländern verbleiben muss, in BVerfGE 34, 9 (20) prägnant umschrieben; darauf bezugnehmend später BVerfGE 87, 181 (196); s. a. Suerbaum, Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug, S. 64. 99 Auch hierzu BVerfGE 34, 9 (19 f.) – sehr treffend und einprägsam die dortige Formulierung, dass es nicht zur Aushöhlung kommen dürfe, die nur eine „leere Hülse“ übrig lasse (dazu ebenfalls a. a. O., zum wörtlichen Zitat S. 20); ähnlich BVerfGE 87, 181 (196); BVerfGE 137, 108 (144) und dem zustimmend Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 15; Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 45; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1092. 100 Vgl. Suerbaum, Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug, S. 64. 101 Auch zum Nachstehenden Suerbaum, Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug, S. 64. 102 Vgl. z. B. das sehr enge, wenngleich wohl zu stark einschränkende Verständnis in BVerfGE 137, 108 (144), dort Rn. 83. 103 Zum Vorstehenden samt Zitat Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 995 f. (zum Zitat Rn. 995). 104 Im Wechselspiel mit den anderen in Art. 20 Abs. 1 GG genannten Verfassungsgrundsätzen könne das Schutzgut „nicht von einem abstrakten Bundesstaatsprinzip her erschlossen werden, sondern nur von der Bundesstaatskonzeption des GG“, so Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 32; ähnlich Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 210; Lerche, Aktuelle föderalistische Verfassungsfragen, S. 45; Hesse, AöR 98 (1973), 1 (6 f.); Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 a γ (S. 171). 105 Siehe zu Beginn von § 10 I. 1.

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außer Ansatz gelassen werden dürfen.106 Durch die Unabänderlichkeit des Bundesstaates realisiert sich eine bestimmte Vorstellung, die der verfassunggebenden Gewalt nach dem Zweiten Weltkrieg vorschwebte und dem deutschen Staat ein festes Korsett gewährleisten sollte.107 Diese Konzeption ist zu einem gewissen Teil zwar durch verschiedene Regelungen im Grundgesetz institutionalisiert und in ihren Konturen ausgeformt, mehrheitlich aber nur grobschematisch bzw. richtungweisend umrissen, so dass der verfassungsändernden Gewalt ausreichende Freiräume bei der Ausformung verbleiben.108 Bundesstaat bedeutet nach diesem Gesamtverständnis vor allem „Gewaltenteilung, Sicherung der Freiheit des Bürgers durch regionale Gliederung der Staatsmacht, Wirksamwerden gegebenenfalls unterschiedlicher politischer Kräfte, eigene politische Gestaltungen im Wettbewerb um die beste Lösung der Aufgaben der Gemeinschaft“109. Neben der vorstehend thematisierten „Gliederung des Bundes in Länder“ schreibt Art. 79 Abs. 3 GG noch ausdrücklich die „grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung“ vor. Erneut drückt das Grundgesetz hiermit die besondere Relevanz der Länder als Glieder des Gesamtkomplexes Bundesrepublik aus, indem es ihnen die nötigen Mitspracherechte zur Verwirklichung der vertikalen Gewaltengliederung110 garantiert. Bei der vorliegend beabsichtigten Untersuchung der Verfassungsänderung in Art. 91e GG kann diese Variante hingegen außer Ansatz bleiben, weil erkennbar nicht die Mitwirkung der Länder im Rahmen der Gesetzgebung zur Diskussion steht. Doch soll Folgendes gleichwohl festgehalten werden: Aus der Existenz eines Schutzes bloßer Mitwirkungsrechte der Länder kann die erneute Bestätigung abgeleitet werden, dass die Unantastbarkeitsgarantie nur einen hinreichenden Anteil der Länder am Staatshandeln bewahren will, nicht hingegen fest umrissene Gesetzgebungs- oder hierüber hinausgehend sogar Verwaltungskompetenzen.111 Gleiches gilt auch für die Ländergesetzgebung und den Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder: Zwar obliegt dem Bund die Möglichkeit, mit

106 Vgl. Hesse, AöR 98 (1973), 1 (9 f., 13) sowie zusammengefasst auf S. 44 f. bzw. in gleicher Weise bei ders., Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 223 ff. 107 Diesbzeüglich geht etwa Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 205 davon aus, dass der Verfassunggeber Bund und Länder „nicht um ihrer selbst willen schützen wollte“ (zum Zitat a. a. O.), sondern in seiner Konzeption die größtmöglichen Vorteile darin erkannte, den föderalen Ansatz zu verfolgen und nur im Detail Spielräume bei der Umsetzung zu belassen; sodann aber kritisch zum „Zusammenschmelzen der Substanz der Tätigkeiten der Landtage“ (siehe abermals a. a. O., Rn. 206). 108 Vgl. Badura, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 160 Rn. 27 mit näheren Erläuterungen und Beispielen. 109 So kompakt zusammengefasst bei Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 a γ (S. 171). 110 Dieser Grundsatz kommt laut Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 a β (S. 170) in der benannten Variante besonders zum Ausdruck, verpflichtet aber nur zur eigentlichen Existenz, nicht zu einer konkreten Form der ‚Mitwirkung‘ oder Mitsprache; s. a. Erichsen, Jura 1992, 52 (53); Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 227 f. und Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 52 in Anlehnung an die ausführliche Würdigung bei Hesse, AöR 98 (1973), 1 (40 ff.). 111 Vgl. Hamann / Lenz, in: Hamann / Lenz, GG, Art. 79 Anm. B 8 (S. 540).

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seinen Gesetzen die Länder zu binden und somit ihr Handeln in groben Umrissen zu lenken, doch bleibt den Ländern bei der Ausführung und Umsetzung im Detail eine grundlegende Eigenständigkeit zuzugestehen, die lediglich durch die Aufsicht des Bundes begrenzt wird.112 Weiterhin113 wird über den Verweis auf Art. 20 GG und die dortige Bezeichnung des deutschen Staates als „Bundesrepublik Deutschland“ auch das allgemeine Bundesstaatsprinzip in die Norm hineingelesen, ohne dass diesem neben den explizit geschützten Ausformungen noch eine erhebliche Relevanz zur dauerhaften Gewährleistung des föderalen Kerngedankenguts in der Bundesrepublik Deutschland zukäme.114 Stattdessen nimmt es gewissermaßen die Rolle einer übergeordneten „Ordnungsidee“115 für alles noch nicht näher Spezifizierte, gleichermaßen eines „Oberbegriff[s] für alle bundesstaatlichen Merkmale des Grundgesetzes“116, ein. Im Wesentlichen hat das abstrakte Prinzip daher noch eine gewisse Relevanz, als es die bundesstaatliche Staatsstruktur als solche und die hiermit einhergehende vertikale Gewaltenteilung zum Ausgangspunkt erklärt. Beide Elemente schaffen ihrerseits – wie bereits erläutert – eine Vielfalt an Knotenpunkten, wo staatliche Organe entlang der vertikalen Achse abgestuft zu Entscheidungen berufen sind,

112

Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 44 f. In BVerfGE 137, 108 (144) werden die änderungsfesten Gehalte ohne nähere Begründung hingegen lediglich auf das Gebot beschränkt, den Ländern in allen drei Staatsfunktionen jeweils „Aufgaben von substantiellem Gewicht“ (zum Zitat ebenfalls a. a. O.) vorzubehalten. Wenngleich es sich hierbei sicherlich um einen wesentlichen Aspekt des Bundesstaatsgedankens handelt (dazu bereits zu Beginn dieses Abschnitts und ergänzend noch sogleich), wird durch eine solche Vorgehensweise der änderungsfeste Kern, der nicht nur aus den explizit genannten Varianten in Art. 79 Abs. 3 GG, sondern auch aus dessen Bezugnahme auf Art. 20 Abs. 1 GG folgt, in überobligatorischem Maße verkürzt. 114 Zum Vorstehenden Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 47, der es explizit ablehnt, das allgemeine Bundesstaatsprinzip aus dem Anwendungsbereich von Art. 79 Abs. 3 GG auszuklammern und die geschützten Gehalte damit auf die ausdrücklich gelisteten zu beschränken. Immerhin habe auch – ohne ersichtliches Redaktionsversehen des Verfassunggebers – die Verweisung auf die Festlegung als „Bundesrepublik“ in Art. 20 Abs. 1 GG Gültigkeit. In dieselbe Richtung weisen die Ausführungen bei Hain, Grundsätze des GG, S. 393 ff. sowie Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (95). Deutlicher als der heutige Wortlaut von Art. 20 GG und mit eher organisatorischem Bezugspunkt noch der letzte Satzteil des Entwurfs zu Art. 21 Abs. 1 GG a. F. im Grundsatzausschuss am 14. Oktober 1948: „mit […] bundesstaatlichem Aufbau“ (vgl. JöR n. F. (1951), S. 195); siehe i. Ü. bereits die einleitenden Sätze in diesem Abschnitt samt der zugehörigen Fn. 76 ff. 115 So Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 52 und ähnlich Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 706. 116 So Estel, Bundesstaatsprinzip und direkte Demokratie im GG, S.  54 in Anlehnung an Halfmann, Entwicklungen des dt. Staatsorganisationsrechts, S. 163; siehe des Weiteren auch die Formulierung „Sicherung des Bundesstaates schlechthin“ bei Estel, a. a. O., S. 57 f. Dem vergleichbar Isensee, in: HStR VI, § 126 Rn. 292 (dort „Essenz der einzelnen bundesstaatsrechtlichen Verfassungsbestimmungen“) und Maunz, in: HStR IV (2. Aufl. 1999), § 94 Rn. 24. Zur Thematik inhaltlich bereits die bisherigen Ausführungen in diesem Abschnitt (samt der diesen zugeordneten Fußnoten). 113

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und stärken auf diese Weise als Nebeneffekt auch die demokratische Staatsgrundlage.117 Im Hinblick auf den Bundesstaatsgedanken schützt Art. 79 Abs. 3 GG folglich zwar nicht sämtliche den deutschen Bundesstaat irgendwie charakterisierenden Normen des Grundgesetzes118, jedoch als eines seiner wesentlichen Elemente die Eigenstaatlichkeit der Länder (gegenüber dem Bund), deren zentrale Bedeutung in ihrer – der ausgleichenden Methode der vertikalen Gewaltenteilung immanenten – Rolle als Gegenspieler des Bundes im Bereich der Staatsleitung und des Gesetzesvollzugs119 liegen dürfte. Insoweit gilt hier wie bei allen Verfassungsprinzipien eine Konzentration auf das Wesentliche, das Essentielle, den die Identität der Staatlichkeit prägenden Kern: Garantiert ist „nur die Grobstruktur des Bundesstaates“ und nicht alles, was in irgendeiner Weise mittelbar mit Bundesstaatlichkeit korreliert.120 Hinzutreten dürfte schließlich noch, zumindest in seinen Grundzügen, der Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens.121 Bei jeder gemeinsamen Interaktion von Bund und Ländern ist ganz besonders der Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung im Blick zu halten, weil ab einem gewissen Maße die beiderseitiger Kompetenzbereiche über die reine Kooperation hinaus vermengt oder verzahnt werden, ohne dass dies vom Grundgesetz zugelassen wäre.122 In einem derartigen Fall wäre die von Art. 79 Abs. 3 GG vorausgesetzte „Gliederung des Bundes in Länder“ aufgrund ihrer mangelnden Eigenständigkeit und damit Eigenstaatlichkeit gefährdet.123 Dem eigenständigen Staatscharakter entspricht es des Weiteren, die Länder vor „Aushöhlungen eines Kernbestandes von Zuständigkeiten“ zu schützen, indem ihnen ein kompetenzielles Mindestmaß der Aufgabenwahrnehmung garantiert wird, welches selbst in Anbetracht von Modifikationen des Grundgesetzes, unverändert bleibt.124 Dem kommt Art. 79 Abs. 3 GG insoweit nach, als die Norm den Ländern verbürgt, adäquate Gegenspieler des Bundes mit einem Grundstock eigener Kompetenzen sowie ins-

117 Vgl. Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 32 sowie sehr ähnlich Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 52; ferner Hesse, AöR 98 (1973), 1 (12 ff.) und von Simson, VVDStRL 29 (1971), 3 (20). 118 Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 48. 119 Treffend „gewichtige Gegenpole und […] Garanten politischer ‚Diversität‘“ bei Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 94 und dem folgend, aber gekürzt Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 23.1. 120 Zum Vorstehenden samt Zitat Estel, Bundesstaatsprinzip und direkte Demokratie im GG, S. 55; s. a. Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 17. 121 Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 59. 122 Zur Eigenverantwortlichkeit eingehend BVerfGE 119, 331 (367). In demselben Zusammenhang weist Suerbaum, in: BeckOK-GG, Art. 83 Rn. 22.1 darauf hin, dass hierbei das erforderliche, demokratische Legitimationsniveau regelmäßig infolge von Unklarheiten, z. B. bei der Aufsicht, unterschritten werde. 123 Vgl. Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 299 f. 124 Zum Vorstehenden samt Zitat Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 12; ferner bereits BVerfGE 34, 9 (19 f.); BVerfGE 137, 108 (144); Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230 (1231).

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besondere autonomer Organisations- und Hoheitsgewalt zu sein.125 Konsequentermaßen versichert dies den Ländern mit Bedacht auf ihre Staatsqualität und die prinzipielle Isolierung gegenüber der Bundesebene eine selbstständige und unabhängige Verwaltungshoheit, die Übergriffe des Bundes durch strikte Vorgaben oder eigenmächtige Mittelnutzung nicht billigt.126 Der Schutz beginnt angesichts dessen nicht erst, wo der Aufgabenbereich der Länder und ihre Kompetenzen bereits völlig daniederliegen, sondern vielmehr bereits in jeder Beschränkung, die ihnen schleichend einzelne Teile hiervon nimmt.127 Dies wird in dem verfassungsgegebenen Recht zu eigenständiger Organisation besonders deutlich.128 Andererseits gilt der Schutz nicht für jede beliebige Aufgabe, die den Ländern irgendwann zugewiesen war: Einen absoluten Schutz ihrer Aufgabenbereiche gibt es nicht.129 Dabei sollen beide Staatsgebilde, Bund wie Länder gleichermaßen, jeweils für sich, d. h. getrennt, ihren Aufgaben, darunter insbesondere auch den Verwaltungsaufgaben, nachkommen. Soweit der Bund gleichwohl das Ob und Wie der Aufgabenerfüllung gegenüber den Ländern reglementiert, hindert er sie an deren eigenständiger Erledigung und begrenzt zugleich in unzulässiger Weise ihre verfassungsrechtlich garantierte Freiheit zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung, die insbesondere die Organisationsfreiheit umfasst.130 Halten sich Bund und Länder jedoch an die aufgegebenen Grenzen, wird „eine klare und auf Vollständigkeit angelegte Zuordnung von Kompetenzen“ erreicht, welche die verantwortliche Instanz für jedermann erkennen lässt.131 Auch die hierin zum Ausdruck kommende Trennung der Verwaltungsräume sowie Differenzierung der (Eigen-)Verantwortlichkeiten werden nach dem zuvor Gesagten in ihrem Kern von Art. 79 Abs. 3 GG garantiert. Von den Grenzen der Mischverwaltung ist demnach jedenfalls in seinem Kern der den bundesstaatlichen Anforderungen zugrunde liegende Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung von der Unantastbarkeit erfasst. Bund und Länder haben nach den Vorschriften des Grundgesetzes, die dies im Einzelnen 125

Treffend „nicht nur der äußeren Form […], sondern [Anm.: auch] der Substanz nach Länder“ bei Geiger, BayVBl. 1964, 65 (65) mit näheren Erläuterungen. Dies wird mitunter als grundgesetzlich zugewiesenes „Prädikat der Staatlichkeit“ bezeichnet, so Korioth, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 30 Rn. 26. 126 Vgl. Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 88; Küchenhoff, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mischverwaltung, S. 112; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 66; ähnlich beispielsweise auch BVerfGE 108, 169 (181 f.) oder BVerfGE 119, 331 (366 f.). 127 Hierzu eingehend BVerfGE 34, 9 (19 f.), wo es ausdrücklich heißt: „Qualität als Staaten […] nach und nach ausgehöhlt“. Dem zustimmend Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1092. 128 BVerfGE 34, 9 (20 und Ls. 1). 129 Vgl. in diese Richtung jüngst sehr deutlich BVerfGE 137, 108 (144), wenngleich die dortigen Ausführungen sodann hierauf beschränkt bleiben. 130 Hierzu näher Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1105. 131 Zum Vorstehenden samt Zitat Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443).

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konkretisieren, als jeweils eigenständige Kompetenzträger und Staatsgewalten das Recht und zugleich die Pflicht, die ihnen zugewiesenen Kompetenzen mit eigenen Verwaltungsstrukturen und eigener Organisation zu verwirklichen.132 Eigenverantwortliches Handeln bedeutet zwar nicht zwingend die völlige Separation beider Ebenen, doch schreibt es – insoweit durch Art. 79 Abs. 3 GG unter der Geltung des Grundgesetzes geschützt – Grenzen vor, inwieweit insbesondere der Bund in die Befugnisse der Länder eingreifen und ihr Handeln von seiner eigenen Mitwirkung abhängig zu machen vermag. Der Schutz beginnt allerdings nicht erst dort, wo den Ländern bereits die Qualität eigener Staatlichkeit bzw. ihre Eigenständigkeit in Gänze genommen wird, sondern bereits im Vorfeld solcher Entwicklungen überall dort, wo die Organisationseinheit der Länder an Voraussetzungen oder die Mitarbeit des Bundes gebunden wird und somit jedenfalls ein Teil ihrer Selbstständigkeit verloren geht. Zu der Wahrung eigenständiger Länder gehört es darüber hinaus auch zwingend, dass ihnen stets ein Kernbestand eigener Aufgaben und eigenständiger Aufgabenerfüllung verbleibt. Denn ohne Zuständigkeiten und Aufgaben bliebe von der ihnen faktisch gewährten Autonomie kein Restwert, d. h. der Bund ist gehalten, ihnen zur Erfüllung der grundgesetzlichen Mindestvorstellungen auch Zuständigkeiten von substantiellem Gewicht zu belassen. Dass den Ländern somit in jeder der drei Gewalten „ein Kern eigener Aufgaben als ‚Hausgut‘ unentziehbar verbleibt“133, ist von der Unantastbarkeitsgarantie zwangsläufig ebenso erfasst wie die eigenständige Aufgabenwahrnehmung insgesamt. Erst hierdurch, d. h. mittels Kompetenzen zur Verfassung-/Gesetzgebung, zur Verwaltung und eigenen Finanzierung, werden die Länder zu voll funktionsfähigen und dem Bund in ihrer Eigenständigkeit und Aufgabenrelevanz gleichgestellten Gliedstaaten. Alle diese Erwägungen sind letztlich Ausfluss des allgemeinen Prinzips zur Verwirklichung einer vertikalen Gewaltenteilung im Bundesstaat. Als staatsorganisationsrechtliche Strukturvorgabe für die Bundesrepublik ist dieser Grundsatz naturgemäß ebenso von Art. 79 Abs. 3 GG geschützt wie seine vorstehend genannten Einzelelemente.

132 Vgl. BVerfGE 63, 1 (41) und BVerfGE 119, 331 (367); hierzu im Einzelnen bereits die Ausführungen in § 5 II. 1. b) und § 6 I. 2. b). 133 So treffend BVerfGE 34, 9 (20) und dem folgend BVerfGE 87, 181 (196) sowie Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1091; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 41; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 15; Isensee, in: FS 50 Jahre BVerfG II, S. 719 (738); Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 33. Im Einzelnen vgl. bereits § 6 I. 2. b).

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2. Unantastbarer demokratischer Gehalt Im Rahmen des Demokratieprinzips, welches durch den Verweis von Art. 79 Abs. 3 GG auf Art. 20 Abs. 1 und 2 GG der Unabänderlichkeit unterliegt134, zählen zum Schutzgehalt die demokratietypischen und deshalb zentralen Grundzüge von Volksherrschaft und -souveränität135, soweit sie Mindeststandards für den Erlass neuer Verfassungsnormen bereithalten.136 Während Absatz 1 sehr abstrahierend von der Bundesrepublik Deutschland einen u. a. demokratischen Staatsaufbau verlangt, konkretisiert137 Absatz 2 diese Prämisse dahingehend, dass alle Staatsgewalt vom Volke auszugehen habe (Satz  1) sowie in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt werde, um sie besonderen Organen als Repräsentanten zu überantworten (Satz 2). Dem lässt sich bereits entnehmen, dass Demokratie stets die normative Anlage staatlicher Gewalt anhand der „unbedingten Leitgedanken Freiheit und Gleichheit“138 mitsamt der nötigen Offenheit des Prozesses139 voraussetzt, wobei das Volk zugleich (mittelbar) Herrscher bzw. Regierender und (unmittelbar) Beherrschter bzw. Regierter ist.140 Folgerichtig erfasst Art. 79 Abs. 3 GG an Einzelgehalten neben weiteren staatsorganisationsrechtlichen Regelungen vornehmlich141 die zentralen 134

Nach Ansicht von Dreier, in: Dreier, GG, Art.  79  III Rn.  36 „ein besonders wichtiger und aussagekräftiger Grundsatz der Ewigkeitsgarantie“; dem zustimmend Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (85). Siehe hierzu ebenfalls schon Maunz / Dürig, in: Maunz / Dürig, GG (Erstbearbeitung 1960), Art. 79 III Rn. 47. 135 Diesbezüglich z. B. Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 41; Dietlein, in: BeckOKGG, Art. 79 Rn. 34; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 37; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 127; Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 508; Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 39. 136 Vgl. Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 69, 169 f. und daran anknüpfend Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 16. 137 So Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 180. 138 So Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 76 f. und ähnlich bei Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 12 bzw. Art. 79 Rn. 65; Dreier, JZ 1994, 741 (741) m. w. N. Dabei verlangt Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 183 die gleichberechtigte Mitwirkung des gesamten Volkes an der Entscheidungsfindung, praktisch umgesetzt durch die in Art. 38 Abs. 1 GG normierte Wahlrechtsgleichheit. Ausführlich zur Freiheit (und auch Gleichheit) bereits Kelsen, Wesen und Wert der Demokratie, S. 3 ff. 139 Hierzu und zum Vorstehenden insgesamt Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 180, 183, 186. 140 In Anlehnung an die Formulierung bei Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 33.1. Bereits Schmitt, Verfassungslehre, S. 234 a. E. sprach die „Identität von Herrscher und Beherrschten, Regierenden und Regierten, Befehlenden und Gehorchenden“ an (a. a. O. sodann mit näheren Ausführungen auf S. 235). In ähnlicher Weise auch Stein, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 (Abschn. III) Rn. 32 und zudem Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 75 ff.: Dass Herrschen und Beherrscht-werden beiderseits in der Hand des Volkes liege, lasse sich laut dem Letztgenannten „als kennzeichnendes Merkmal der Demokratie“ (a. a. O., Rn. 76) bezeichnen. 141 Von BVerfGE 2, 1 (12 f.) und daran anknüpfend BVerfGE 5, 85 (140) ist die freiheitliche demokratische Grundordnung, die im Wesentlichen das Demokratieprinzip wiedergibt, definiert worden als „Ordnung […], die unter Ausschluß jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt“ (zum Zitat jeweils

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demokratischen Direktiven für Wahlen142 mitsamt der daraus folgenden begrenzten Amtsdauer143, die Entscheidungen für ein Mehrheits-144 und Mehrparteiensystem145 sowie außerdem ein Mindestmaß politisch-kommunikativer Rechte146, vgl. insa. a. O.). Gesamtüberblick bei Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 60; Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 40, 43; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 127; Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 57. Kurz und prägnant zusammengefasst bei Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 705; sehr kurz und daher übersichtlich auch Erichsen, Jura 1992, 52 (54) sowie Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 509 ff. Zum Schutzgehalt von Art. 79 Abs. 3 GG schließlich noch Huster / Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 131 ff. und Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 81, bei Letzterem im gleichnamigen Abschnitt. 142 Demokratische Staatsführung als typische „Herrschaft auf Zeit“ (so Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 37) gründet sich wesentlich auf die Legitimationswirkung mittels periodischer Wahlen, in denen das Volk seine Repräsentanten – unter Berücksichtigung der von Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG genannten Wahlrechtsgrundsätze – bestimmt, vgl. BVerfGE 89, 155 (182) und im Einzelnen Dreier, a. a. O., Rn. 37 f.; Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 38 m. w. N. und näheren Erläuterungen; Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 209 ff. Zur Intention der Wahlrechtsgrundsätze näher Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 186 (vgl. auch bereits Fn. 139 in diesem Abschnitt). Aus den Grundsätzen hebt Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 76, 82 vor allem die Freiheit und Gleichheit (hier der Wahl) heraus. 143 Infolge der Festlegung auf regelmäßig wiederkehrende Wahlen ist die Vertreterstellung der gewählten Repräsentanten von vornherein zeitlich beschränkt, vgl. Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 187. 144 In der Demokratie entscheidet danach die Mehrheit, die allerdings keine endgültige ist und den politischen und gesellschaftlichen Diskurs im Respekt für Minderheiten jederzeit zulässt, vgl. BVerfGE 29, 154 (165) sowie Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 39; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 37. Zur Wahrung des mehrheitlichen Willens wird der Grundsatz im modernen Staat „in ein institutionelles Gefüge eingebettet“ (so Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 181), das der Minderheit die Möglichkeit offen lässt, selbst bestimmende Mehrheit zu werden (erneut a. a. O., Rn. 183); ähnlich Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 86. 145 Ausgehend von Art. 21 GG steht es jedermann offen, eine Partei zu gründen und auf diese Weise mittels „Bündelung der politischen Kräfte“ (so Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 40) am politischen Geschehen teilzunehmen, welches von einer vielfältigen Parteienlandschaft geprägt wird, vgl. näher zur Rolle der Parteien für die politische Willensbildung: BVerfGE 91, 262 (267 f.) und Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 41; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 190; Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 205 ff. 146 Damit sind solche Rechte gemeint, die eine unbeschränkte (politische) Meinungsbildung im Volk und Teilhabe am politischen Geschehen erst eröffnen, namentlich die sog. Kommunikationsgrundrechte, der Öffentlichkeitsgrundsatz und die Informations- sowie Parteienfreiheit, letztere beschränkt durch Art.  21 Abs.  2 und Art.  9 Abs.  2 GG. Vgl. hierzu näher Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 41 und Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 170 ff.; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 41; Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 187; speziell zur Informations- und Parteienfreiheit auch Stern, Staatsrecht III/2, § 89 V 2 (S. 1120), insbes. § 89 V 2 b (S. 1122 f.). Letztgenannter (a. a. O.) ordnet diesem Aspekt neben Art. 5 Abs. 1 (inkl. Meinungs-, Informations-, Presse-, Rundfunkfreiheit) sowie Art. 8 und Art. 9 GG in gewissem Maße auch Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 GG und zusätzlich besondere Freiheiten aus dem Zusammenwirken einzelner Grundrechte (wie z. B. Demonstrationsfreiheit) zu.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

besondere Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 GG. Diese demokratischen Grundelemente fügen sich nahtlos in die Gehalte der übrigen aus Art. 20 GG herausgelesenen Verfassungsprinzipien ein und stehen zudem in engem Zusammenhang mit den Ausflüssen von Art. 1 GG. In der Gesamtheit ergibt sich eine „freiheitliche, wertgebundene, rechtsstaatliche, föderale, soziale, gewaltengegliederte, repräsentative (parlamentarische) und abwehrbereite Demokratie“147. In dieses Demokratieverständnis wird im Sinne der Unabänderlichkeitsnorm durch jede gesetzliche oder anderweitige Gestaltung eingegriffen („berührt“), mittels derer diesen Grundzügen widerstrebende Gedanken normativ implementiert und so ein andersartiger staatlicher Grundaufbau diktiert wird.148 Über die genannten, in Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG fixierten Grundelemente des Prinzips hinaus bleibt weiteren Verfassungssätzen, die über das gesamte Grundgesetz verstreut sind und jeweils Kennzeichen demokratischen Gepräges aufweisen, gleichwohl zu weiten Teilen der Schutz von Art. 79 Abs. 3 GG versagt, solange die betroffenen Wirkungen nicht obendrein dem Kernprinzip aus Art. 20 GG entstammen.149 Nichtsdestoweniger bedarf das Demokratieprinzip jedoch gewisser wesentlicher Einzelausformungen, da es in gänzlicher Abstraktion schwerlich schützenswert sein dürfte.150 Zum Ausdruck gelangt das abstrakte Prinzip konkret in denjenigen Grundgesetznormen, welche die oben genannten zentralen demokratischen Werte und Entscheidungen zum Gegenstand haben.151 Dem folgend ist eine Separation zwischen den leitgedanklichen und infolgedessen absolut geschützten Demokratiegrundsätzen einerseits sowie den anwendungsbedingten Wirkungsweisen des Prinzips andererseits vorzunehmen: Soweit das demokratische Prinzip, um den vielfältigen Anforderungen der Wirklichkeit entsprechen zu können, im Grundgesetz an anderen Stellen eine Vielzahl an ausgestaltenden und konkretisierenden Normierungen erfahren hat, sind diese nur in engen Grenzen noch als unmittelbare

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So Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 180, der insoweit sinngemäß auf Stern, Staatsrecht I, § 18 II 2 a (S. 600) verweist, wonach im vom Grundgesetz vorgezeichneten Bild die „klassische Demokratie westlicher Prägung“ (so Stern, a. a. O., dort auch m. w. N. zum eigentlichen Ursprung der Begrifflichkeit) liege. 148 Unger, Verfassungsprinzip der Demokratie, S. 223 f. sowie hierauf bezugnehmend Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 64 a. E. 149 Vgl. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 64; Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 40. Nach dem Letztgenannten ist den zahlreichen, im Grundgesetz verstreuten Ausprägungen weitestgehend der Schutz von Art. 79 Abs. 3 GG abzusprechen, da diese allenfalls zur Auslegung der Kerngrundsätze heranzuziehen sind (hierzu ebenfalls a. a. O.). Letzteres ebenfalls schon angedeutet bei Kriele, VVDStRL 29 (1971), 46 (47) und noch zuvor bei Schmitt, DÖV 1965, 433 (433). 150 Vgl. Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 40, der bezogen auf die Ausprägungen treffend von „Realbedingungen“ (zum Zitat a. a. O.) des Ober-/Gesamtprinzips spricht. 151 Vgl. auch die Aufzählung bei Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 189. Dieser hebt gleichzeitig (a. a. O.) jedoch hervor, dass diese – einfachgesetzlich näher ausgestalteten – Elemente nicht gänzlich der Unabänderlichkeit unterlägen und somit fortentwickelt werden könnten.

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Ausflüsse des unabänderlichen Demokratieprinzips aus Art. 20 Abs. 1, 2 GG zu verstehen und im Übrigen nicht dauerhaft geschützte Elemente.152 Die zuvor bereits genannten Wesenselemente153 der grundgesetzlich ausgeformten Demokratie, die unmittelbar in Art. 20 GG – jedenfalls mittels Auslegung – zu finden sind, sind damit gleichzeitig diejenigen Elemente, denen Art. 79 Abs. 3 GG als ihrerseits „unabdingbare Bestandteile des Demokratiegebots“ besonderen Bestandsschutz gewährt.154 Ausdrücklich für die dem Volk zustehenden Instrumente, seine Herrschaftsgewalt auszuüben und zu sichern155, staatliche Stellen nach eigenen Vorstellungen „personell und sachlich“ zu prägen und ihnen auf diese Weise Legitimationswirkung zu verschaffen, namentlich durch die in Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG gelisteten Wahlen und Abstimmungen, gilt wegen ihrer überragenden Bedeutung im demokratischen Staat die Unabänderlichkeit.156 In diesem Zusammenhang, d. h. über die Garantie demokratischer Legitimation für Staatsorgane, ist des Weiteren auch das staatliche Handeln auf klarer Zurechnungsbasis geschützt. Derweil erstreckt sich der Schutz von Art. 79 Abs. 3 GG nicht auf richterrecht 152

Ausführlich Hain, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art.  79 Rn.  80 f., der entschieden zwischen unbedingten, leitgedanklichen Inhalten prinzipieller Natur und den bedingten Konkretisierungen des Grundsatzes zur Anwendung in der Realität trennt. Allgemeiner möchte Stern, Staatsrecht I, § 18 I 2 (S. 588 ff.) die „Konzeption und Bestandteile des demokratischen Prinzips“ geschützt sehen, ohne sich gleichzeitig theoretisch auf einzelne Wirkungsweisen oder Ausformungen festlegen zu müssen; ähnlich Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 189. Beispielsweise ist nicht die parlamentarische Demokratie als solche, da es sich nur um eine mögliche Form von vielen zulässigen handelt, sondern lediglich eine hinreichende parlamentarische Einflussnahme auf das politische Handeln von Art. 79 Abs. 3 GG geschützt, vgl. hierzu Hain, Grundsätze des GG, S. 331 f. in der dortigen Fn. 35 m. w. N. Treffend auch Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 57, die Ausflüsse der demokratischen Staatsform seien „nicht insgesamt, sondern jeweils im Kern unantastbar“ (zum Zitat a. a. O.); so auch Wegge, Normative Bedeutung des Demokratieprinzips, S. 169 f. A. A. hingegen Starck, in: HStR VII (1. Aufl. 1992), § 164 Rn. 53, der davon ausgeht, die absolut geschützten Leitgedanken aus Art. 20 GG seien ohne konkretisierende Positivierungen an anderer Stelle ihres eigentlichen Inhalts beraubt. 153 Vgl. die Aufzählung am Ende von § 6 II. 1. a). 154 Mit dieser Zusammenfassung einschließlich des Zitats Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 19. 155 Insoweit ist oftmals die Rede von einem „offenen Prozess politischer Willensbildung“, so Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 43 m. w. N.; ähnlich Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 127. Vgl. schließlich auch aus der Rspr. BVerfGE 2, 1 (12 f.), wo das BVerfG die freiheitliche demokratische Grundordnung beschreibt und auch den im Fließtext genannten Aspekt als wesentliches Kernelement derselben benennt (dazu insgesamt a. a. O.). 156 Zum Vorstehenden samt Zitat BVerfGE 123, 267 (341); s. a. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 61; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 70 f. und schließlich Hain, Grundsätze des GG, S. 333 ff. Der Letztgenannte nimmt demgegenüber im Rahmen seiner Kommentierung (ders., in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 85 f.) kritisch an, dass das nötige Legitimationsniveau als reine Konkretisierung nicht zu den änderungsfesten Grundsätzen zähle. Er verweist auf den Mehrheitswillen und die Differenzierung nach den geschützten Leitgedanken und ihrer nicht geschützten Konkretisierung. Das nötige Legitimationsniveau verortet Hain (a. a. O.) insoweit nur bei letzteren, da ihm keine prinzipielle Wirkung zukomme.

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lich entwickelte „Legitimationskonzepte“157 oder weitere Reflexe des Demokratiegedankens, wie beispielsweise seine streitbare Durchsetzung, welche in den Art. 9 Abs. 2, Art. 18 und Art. 21 Abs. 2 GG ihren Niederschlag gefunden hat.158 Demgemäß ist die Volkssouveränität und damit eine diese bedingende, hinreichende demokratische Legitimation der Staatsorgane prägendes Element der grundgesetzlichen Demokratie und als solche, wie Art. 20 GG in seinen Absätzen belegt, von der Unantastbarkeit erfasst. Jedes Staatshandeln muss sich insoweit auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und vor diesem verantwortet werden. In einer repräsentativen Demokratie wie derjenigen in der Bundesrepublik Deutschland ist dies nur vorstellbar, wenn sich jede staatliche Stelle mit hoheitlicher Entscheidungsgewalt in hinreichendem Maße auf die vom Volk gewählten Vertreter und somit auf den Volkswillen selbst, der in den Wahlen zum Ausdruck gelangt, zurückführen lässt. Geschützt ist deshalb jedenfalls der Legitimationszusammenhang zwischen Volk und Staatsorganen als solcher, nicht hingegen der Fortbestand der einzelnen Theorien zur Legitimationsvermittlung, solange derartige Grundlagen zur Bestimmung des bestehenden sowie des vorausgesetzten Legitimationsniveaus staatlicher Stellen überhaupt existieren. Ihre Ausgestaltung im Einzelnen ist davon jedoch nicht gedeckt. Gleichwohl muss aber ungeachtet der herangezogenen Theorie zu ihrer Bestimmung gewährleistet sein, dass ein ununterbrochener Legitimationszusammenhang zwischen dem Volk und der handelnden staatlichen Stelle besteht und dass das hierdurch vermittelte Legitimationsniveau im Allgemeinen der Bedeutung und Eingriffsintensität der von dieser Stelle wahrgenommenen Aufgaben entspricht. Denn die letztgenannten Bedingungen sind allen Theorien zur Legitimationsvermittlung gemein, weil gewissermaßen Anknüpfungspunkt für die von ihnen aufgeworfenen Überlegungen und damit gewissermaßen von ihnen im Kern vorausgesetzt. Dem Volk muss insgesamt in allen wesentlichen Fragen zwar nicht – mangels Praktikabilität – die Entscheidungsgewalt, doch mindestens ein Zurechenbarkeits- und Verantwortungszusammenhang159 im Sinne einer ununterbrochenen Legitimationskette verbleiben. Dies setzt wiederum die Möglichkeit voraus, Verantwortlichkeiten eindeutig identifizieren zu können. Demokratische Legitimation staatlicher Stellen verlangt somit nach klaren Verantwortlichkeiten. Ohne klar zuzuordnende, demokratische Verantwortlichkeit kann es eine demokratische Legitimation eben nicht geben, so dass beide Aspekte von Art. 79 Abs. 3 GG in Bezug genommen sind. Auch Demokratie verlangt ebenso wie Rechtsstaatlichkeit nach klaren und dem jeweiligen Handelnden erkennbar zurechenbaren Strukturen. Lediglich die vor allem in der 157

So Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 37. Nach Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 35 seien „unterschiedliche Gestaltungen denkbar“. 158 Vgl. insoweit erneut Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 44. 159 Siehe auch BVerfGE 137, 108 (144) mit kurzer Begründung, wonach eine „hinreichend klare Zuordnung“ bzw. „Verantwortungszuordnung“ (zu beiden wörtlichen Zitaten jeweils a. a. O.) möglich sein müsse und dies zu den änderungsfesten Gehalten im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG zähle.

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Literatur diskutierte Frage der Ermittlung des nötigen Legitimationsniveaus und ihres hinreichend effektiven Gehalts wird hiervon nicht erfasst und insofern vom Grundgesetz nicht als unabänderlich fortbestehend vorausgesetzt. Letzteres betrifft aber die näheren Ausgestaltungen, welche die Legitimation staatlicher Organe und Handlungen erfahren, nicht die Existenz eines solchen Verantwortungs- und Zurechenbarkeitszusammenhangs als solchen und seiner klaren Nachvollziehbarkeit insbesondere aus dem Blickwinkel des Volkes. 3. Unantastbarer rechtsstaatlicher Gehalt Im Gegensatz zu den anderen zentralen Verfassungsprinzipien wird das Rechtsstaatsprinzip weder von Art. 79 Abs. 3 GG noch von Art. 20 Abs. 1–3 GG explizit160 aufgezählt. In den Absätzen 2 und 3 finden sich ausdrücklich lediglich einzelne rechtsstaatliche Grundgedanken161, darunter das Gewaltenteilungsprinzip (gemäß der Aufzählung in Art. 20 Abs. 2 S. 2 oder Abs. 3 GG) sowie der Vorrang von Verfassung und Gesetz (in Art. 20 Abs. 3 GG). Darüber hinaus lassen sich an anerkannten rechtsstaatlichen Elementen162 u. a. die justiziellen Gewährleistungen, eine stringente Funktionsgliederung sowie die Normenklarheit und -bestimmtheit nennen.163 Der Lücke des Verfassungswortlauts zum Trotz wird ein abstraktes Rechtsstaats­prinzip gleichwohl als Kernbestandteil der deutschen Verfassungstradition diskutiert164: Viele165 wollen es  – korrespondierend zu Art.  28 Abs.  1 160 Im Verfassungstext fehlt entgegen dem ersten Verfassungsentwurf im Parlamentarischen Rat (vgl. das Wort „Rechtsstaat“ in dem am 14. Oktober 1948 im Grundsatzausschuss vorgelegten Entwurf zu Art. 21 Abs. 1 GG a. F., abgedruckt in JöR n. F. (1951), S. 195) jegliches Indiz zugunsten eines solchen Leitgedankens in der Bundesrepublik Deutschland, vgl. u. a. Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 88 m. w. N. 161 Vgl. BVerfGE 30, 1 (24 f.); Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 49 ff. m. w. N.; Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 43 ff. (bis einschließlich Rn. 46); Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 90. 162 Im Einzelnen vgl. die Darstellung in § 6 III. 163 Beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung; ähnlich auch Erichsen, Jura 1992, 52 (54), der hinsichtlich aller rechtsstaatlichen Elemente zwischen den Zielen formeller Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit differenziert, welche er beide als übergreifende Grundzüge begreift. Dazu vgl. ebenfalls von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 329 ff. sowie sehr umfassend Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 117 ff. 164 Sehr gute bei Zusammenfassung des Streitstandes und vertiefende Literaturnachweise bei Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 49, 53. Zu den verschiedenen Ansichten ebenfalls Schnapp, in: von  Münch / Kunig, GG, Art.  20 Rn.  33 und Haratsch, in: Sodan, GG, Art.  79 Rn. 36 (Kurzüberblick) bzw. ders., Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 254 ff. m. w. N. (sehr ausführliche Darstellung). In der letztgenannten Fundstelle (vgl. dort S. 256 m. w. N.) finden sich zudem Hinweise auf eine vereinzelte dritte Auffassung, wonach das Rechtsstaatsprinzip trotz seiner Lücken in Art. 20 GG in dem dort unstreitig geschützten Demokratiegedanken einbegriffen sei. 165 Zu den Befürwortern zählen etwa Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 73 bzw. Art. 20 Rn. 76; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 33 f.; Rubel, in: Umbach / Clemens,

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S. 1 GG166 – in Art. 20 Abs. 1 GG hineinlesen und demgemäß auch (mitsamt der ihm zugeordneten unbenannten Grundsätze) als vom Unabänderlichkeitsprivileg erfasst sehen. Weil Art. 28 Abs. 1 GG der Homogenität zwischen Bund und Ländern diene, seien darin Staatsstrukturprinzipien als Vorgabe für die Länder geregelt, die auch bereits für den Bund bestünden; entsprechend den übrigen Prinzipien gelte dies auch für das rechtsstaatliche Element.167 Für Art. 20 Abs. 1 GG fehle die explizite Festlegung hingegen, müsse aber denklogisch auch dort über dessen Wortlaut hinaus Ergänzung finden. Im Übrigen gelte für das Rechtsstaatsprinzip: Es „verwirklicht sich in Teilprinzipien“, die jeweils partiell dem Grundgesetz, dem Schrifttum oder der Judikatur entstammen.168 Tatsächlich finden sich auch einzelne dieser Elemente bereits in den nachfolgenden Absätzen (Art.  20 Abs. 2 und Abs. 3 GG). Folge dieser geringen Normativität sei wiederum, dass eine strikte Begrenzung auf die (geschriebenen) inhaltlichen Gehalte dieser Verfassungsnorm schwerlich vorgenommen werden könne. Trotzdem aber soll, dem GG, Art. 79 Rn. 40; Hamann, DVBl. 1958, 405 (409); Evers, in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 29 (54 ff.), dort v. a. S. 57 f.; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 49, 53; Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 36 a. E.; ferner mit eingehender Begründung Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 3, 90 und Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b β (S. 172 f.). Letztgenannter zeigt sich an anderer Stelle – vgl. ders., Staatsrecht III/2, § 89 V 2 (S. 1120), v. a. die dortige Fn. 144, sowie § 89 V 3 (S. 1123) – verständnislos für die vom BVerfG (z. B. in BVerfGE 30, 1 (24), vgl. sogleich in Fn. 178) geäußerte Ansicht, das Prinzip sei nicht in Art. 20 GG enthalten. Seiner Auffassung nach sei vielmehr die Frage nach dem genauen rechtsstaatlichen Schutzgehalt nicht ganz eindeutig (dazu Stern, a. a. O.). Als ungeschriebener normativer Gehalt ebenfalls eingeordnet von Hain, in: von  Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art.  79 Rn.  88; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 40; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 56; Anding, Spannungsverhältnis zwischen Art. 20 IV und Art. 79 III GG, S. 33; Ohms, Pflicht des Gesetzgebers zur Änderung des GG, S. 48 f.; des Weiteren auch Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem GG, S. 408 und Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 399 ff., 523 a. E., allerdings jeweils rein theoretisch (bezogen auf die Anerkennung des Rechtsstaatsprinzips als solchem) und daher ohne Bezugnahme auf die Unabänderlichkeitsfolge. Im Widerspruch zu der zuvor bereits kritisierten BVerfG-Entscheidung zählt auch Häberle, JZ 1971, 145 (152) das Rechtsstaatsprinzip als Schutzgut zur Ewigkeitsgarantie. Weniger deutlich, aber im Ergebnis wohl ebenso von Münch, Staatsrecht I (6. Aufl. 2000), Rn. 86 a. E. 166 Von Evers, in: Dürig / Evers, Rechtsgutachten zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, S. 29 (54 ff.), dort v. a. S. 57 f. m. zahlr. Nachw., wird die Einbeziehung mit dem Homogenitätsgebot von Art. 28 Abs. 1 GG sowie der Verklammerung mit dem Sozialstaatsprinzip begründet. In gleicher Weise wohl auch Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 49, 53, der auf Art. 28 GG hinweist und klarstellt, dass Art. 20 GG wegen seiner Stellung als zentralen, „identitätsverbürgenden Grundnorm für den Gesamtstaat“ (zum Zitat a. a. O., Rn. 53) schwerlich weniger zusichern könne als eine länderbezogene Ausformung der Staatsprinzipien zur Herstellung von Homogenität. 167 Vgl. Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art.  79 Abs.  3 Rn. 202. Zur Herleitung über Art. 28 Abs. 1 GG u. a. ebenfalls Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 3, 90; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 33 f.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 76 bzw. Art. 79 Rn. 73. 168 Zum Vorstehenden samt Zitat Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 202.

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Wortlaut „Grundsätze“ in Art. 79 Abs. 3 GG gemäß, auch nach diesem Verständnis der Status der Unabänderlichkeit nur für die zentralen Kerngehalte des Prinzips169 und nicht für sämtliche Ausformungen Gültigkeit haben. Soweit ersichtlich, wird von niemandem vertreten, das gesamte Rechtsstaatsprinzip mit seinen unzähligen richterrechtlichen Ausformungen der Ewigkeitsgarantie zuzuschreiben. Stattdessen soll der Schutz der Unabänderlichkeit gegenüber dem verfassungsändernden Gesetzgeber auch nach den Vertretern dieser Ansicht nur einzelnen ungeschriebenen Inhalten mit besonders überragender Bedeutung für den deutschen Rechtsstaat vorbehalten bleiben, die im Wege der Auslegung170 zu ermitteln und im Einzelnen zwischen den Vertretern dieser Ansicht strittig171 sind. Diese Interpretation von Art. 20 Abs. 1 GG sieht sich in Anbetracht des Wortlauts der gesamten Norm, welche die Worte „Rechtsstaat“ oder „rechtsstaatlich“ nicht enthält, jedoch erheblicher Kritik ausgesetzt172: Um zugleich auch den Anwendungsbereich des restriktiv gedachten Unabänderlichkeitsprivilegs nicht allzu sehr aufzublähen, gehen deshalb andere Autoren davon aus, dass nicht ein alle rechtsstaatlichen Verfassungssätze umfassendes Rechtsstaatsprinzip, sondern nur 169

Gemeint sind die darin enthaltenen „Grundsätze“ im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG, vgl. etwa die Auflistung bei Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 79 Rn. 37 bzw. allgemeiner ders., Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 248 f. (dort heißt es insoweit: „Elemente des Rechtsstaatprinzips festgeschrieben“) m. w. N. Klarstellend insoweit Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 40, der in Reaktion auf die Kritik der Gegenauffassung (dazu sogleich) bemerkt, dass dieses Verständnis wegen der Begrenzung „keineswegs zu unangemessener Ausweitung“ führe, zumal sich deren Ansatz praktisch nicht bewähren könne (zum Vorstehenden inkl. dem wörtlichen Zitat a. a. O.). Dass nur einzelne rechtsstaatliche Elemente unabänderlich und andere rechtsstaatliche Elemente Verfassungsänderungen weiterhin zugänglich seien, geht auch aus der Formulierung bei Suerbaum, Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug, S. 57 f. hervor. 170 Zur Notwendigkeit einer gesonderten Ermittlung der geschützten rechtsstaatlichen Elemente vgl. Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 256 mitsamt einer gesonderten Untersuchung einzelner Elemente im Anschluss (S. 256 ff.). 171 Dazu im Verlaufe dieses Abschnitts zu einzelnen rechtsstaatlichen Prinzipien m. w. N., u. a. beispielsweise in den Fn. 198 und 203. 172 Zu den Kritikern zählen u. a. Dietlein, in: BeckOK-GG, Art.  79 Rn.  48 und Rn.  48.1; Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 89 f. und Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 72 ff., 77 f., 477 f., jeweils mit erheblicher Kritik an der Gegenauffassung; ferner Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 203; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 67; Papier, Der Staat 27 (1988), 33 (40, 48) bzw. ders., NJW 1991, 193 (196); Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 57 (90 f.) mit näheren Ausführungen auf S. 91 ff. – sehr deutlich vor allem auch: „erfasst die Ewigkeitsgarantie weder das Rechtsstaatsprinzip als solches noch seine zahlreichen richterrechtlichen Ausdifferenzierungen“ (a. a. O., S.  92). Ebenso unzweideutig Curtius, Schranken der Änderung des GG, S. 86 sowie Rupp, NJW 1971, 284 (284). Eine solche Beschränkung auf die in Art. 20 GG normierten Kernelemente nehmen zudem an: von Mangoldt / Klein, in: von Mangoldt / Klein, GG (2. Aufl. 1974), Art. 79 Anm. VII 3 d dd (S. 1898); Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1779; Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 33, 38; Erichsen, Jura 1992, 52 (54) m. w. N.; Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 60. Mit Argumentation für eine „enge Auslegung“, im Ergebnis aber offen hingegen Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 152.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

ein begrenztes Mindestmaß seiner Kerngedanken von Art. 20 Abs. 2, 3 GG inbegriffen und dementsprechend auch nur dieses Minimum durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützt sei. Dem folgend nähmen nur die Gewährleistung einer (horizontalen) Gewaltenteilung (aus Absatz 2) sowie die Verfassungs- und Rechtsbindung dieser Gewalten (aus Absatz 3) an der Änderungsfestigkeit gemäß der Ewigkeitsgarantie teil, weil nur jene Elemente des deutschen Rechtsstaats im Sinne des dortigen Wortlauts „niedergelegten Grundsätzen“ entsprächen173, d. h. explizit im Verfassungstext verankert174 seien. Eine generelle Ablehnung des abstrakten Prinzips als solchem soll hiermit aber nicht verbunden sein. Die rechtsstaatlichen Grundzüge des deutschen Staates fänden sich demnach lediglich in „einer Reihe von Einzelelementen“175 wieder. Neben diesen Verfassungssätzen, deren dauerhafter Schutz aus dem Verfassungswortlaut erkennbar sei, sowie der ebenfalls abgesicherten Menschenwürdegarantie gemäß Art. 1 Abs. 1 GG, für die Gleiches gelte, bedürfe es keines abstrakten Rechtsstaatsprinzips mehr, weil dieses weder erforderlich176 noch geboten177 sei. Dem zuletzt genannten Ansatz scheint auch das Bundesverfassungsgericht zu folgen178, wenn es im Hinblick auf Art. 79 Abs. 3 GG nur die o.g. einzelnen rechtsstaatlichen Gehalte, nicht aber ein komplettes Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 GG verankert sieht und damit dem Unabänderlichkeitsschutz unterwirft, wenngleich

173 Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b β (S. 173). Diesem Verständnis schließt sich Vismann, in: AK-GG, Art. 79 Rn. 60 an, zählt hierzu allerdings gleichwohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, obwohl dieser gerade nicht explizit von Art. 20 Abs. 2 und 3 GG benannt wird. Kritisch zu dieser Praxis, zwar einerseits die Ewigkeitsgarantie auf die geschriebenen Gehalte beschränken zu wollen, andererseits aber bei Bedarf weitere rechtsstaatliche Elemente (u. a. auch Vertrauensschutz oder Normenklarheit) hineinzulesen und damit dem Schutz zu unterstellen, äußert sich explizit Dreier, Gilt das GG ewig?, S. 70 mit Beispielen. Mit der Frage, inwieweit Aspekte hineingelesen werden können, setzt sich auch Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn.  86 aus­einander; schließlich im Umkehrschluss ebenso Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1779. 174 Alternativ „niedergeschrieben, nicht hinzugedacht“ gemäß Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 33. 175 So Schnapp, JuS 1983, 850 (852). 176 Vgl. Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 88. Zudem (hierzu a. a. O., Rn. 89) liege bei Anerkennung eines abstrakten Prinzips bereits ein wesentliches Problem darin, festzulegen, was erstens im Einzelnen (über den Verfassungswortlaut hinaus) durch dieses abstrakte Prinzip und zweitens von der Ewigkeitsgarantie garantiert wäre. 177 Mit anderen Worten könnte das abstrakte Prinzip nach diesem Standpunkt „nicht weiter reichen […] als die Summe derjenigen Einzelprinzipien, die es ausmachen“, so Schnapp, JuS 1983, 850 (852) m. w. N. und dem folgend Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 89. Dem widersprechend Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 15 und von Münch, Der Staat 33 (1994), 165 (170), wonach das Rechtsstaatsprinzip als „Sammelbegriff“ (zum Zitat Kunig und von Münch, jeweils a. a. O. mit diesbezüglichen Beispielen) noch seine Relevanz behalte. 178 Sehr deutlich im bekannten ‚Abhörurteil‘, BVerfGE 30, 1 (24): „nicht jedoch ist dort ‚niedergelegt‘ das ‚Rechtsstaatsprinzip‘, sondern nur ganz bestimmte Grundsätze des Rechtsstaatsprinzips“. Vergleichbar auch BVerfGE 84, 90 (121); hingegen offen gelassen in dem Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (40).

§ 10 Schutzumfang des Art. 79 Abs. 3 GG im Einzelnen 

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es im Grundsatz das Verfassungsprinzip als solches179 anzuerkennen scheint. Allerdings zeigt eine Gesamtbetrachtung der Rechtsprechungshistorie des Bundesverfassungsgerichts auf, dass der erste Eindruck180 aus dem zuvor zitierten Urteil trügt. Denn tatsächlich finden sich zahlreiche gegenteilige Ausführungen in der Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts, wonach das Rechtsstaatsprinzip sehr wohl als eigenständiger Bestandteil des Art. 20 (Abs. 3) GG anerkannt181 und vereinzelt zudem auch der Unantastbarkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG unterworfen wird.182 Trotz der Differenzen im Detail bestehen zwischen beiden Auffassungen des Schrifttums mitsamt der mehrdeutigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung in der praktischen Anwendung überwiegend keine Unterschiede. Demgemäß verwundert es auch nicht, dass von einigen Autoren183 die Frage, ob das Rechtsstaatsprinzip als ein durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützter Bestandteil des Art. 20 GG aufzufassen sein dürfte, offengelassen wird. Denn auch nach der erstgenannten Auffassung, die gewissen ungeschriebenen Elementen desselben den Unabänderlichkeitsschutz zuspricht, soll – wie gezeigt – nicht der Rechtsstaat in seiner Gesamtheit unveränderlich sein, sondern nur dessen verfassungstragende Kerngehalte. Damit steht außer Frage, dass nicht sämtliche in der Rechtsprechung entwickelten Verästelungen des Rechtsstaates von Art. 79 Abs. 3 GG in Bezug genommen 179

Vgl. etwa unmittelbar im Anschluss an die zuvor zitierten Ausführungen in BVerfGE 30, 1 (25). 180 Zugleich ist zu berücksichtigen, dass dieses Urteil nicht einstimmig erging und sich gerichtsintern die abweichende Meinung herausbildete, dass unter Entlehnung aus Art. 19 Abs. 4 GG auch die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in das allgemeine Rechtsstaatsprinzip einzubeziehen sei, vgl. Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (41). 181 So ausdrücklich BVerfGE 2, 380 (403 und Ls. 5) – darin entnimmt das Gericht ein solches Prinzip einer „Zusammenschau […] des Art. 20 Abs. 3 GG […] und der Art. 1 Abs. 3, 19 Abs. 4, 28 Abs. 1 Satz 1 GG sowie aus der Gesamtkonzeption des Grundgesetzes“ (zum Zitat a. a. O., S. 403). In vergleichbarer Weise, d. h. unter Verknüpfung des Prinzips mit Art. 20 GG, u. a. benannt in BVerfGE 35, 41 (47); BVerfGE 39, 128 (143); BVerfGE 63, 343 (353). In BVerfGE 83, 24 (31) und zuvor bereits in BVerfGE 20, 323 (331) ist sogar die Rede von einem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip; ähnlich auch schon BVerfGE 7, 89 (92); BVerfGE 14, 13 (16) – weitere Nachweise bei Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 53 in der dortigen Fn. 167. Schließlich hat das BVerfG das Rechtsstaatsprinzip auch in jüngster Zeit in der Entscheidung vom 7. Oktober 2014 zu Art. 91e GG thematisiert, vgl. BVerfGE 137, 108 (144 f.). 182 In dieser Weise (wörtlich) BVerfGE 102, 370 (392): „Dazu [Anm.: unantastbare Garantien von Art. 20 GG] gehören die Prinzipien von Rechtsstaat und Demokratie“; s. a. BVerfGE 109, 279 (310). 183 Vor allem Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 44 und auch Schlink, Der Staat 12 (1973), 85 (98) legen sich insoweit nicht fest, weil es für die Reichweite des Unabänderlichkeitsschutzes ohne Bedeutung sei, ob man das Rechtsstaatsprinzip als Ganzes in Art. 20 Abs. 1 GG verorte. Geschützt von Art. 79 Abs. 3 GG seien unabhängig davon nur die geschriebenen Ausprägungen desselben mit Grundsatzcharakter (dazu weiterhin a. a. O., sogleich im Fließtext). Vergleichbar, jedoch ohne Bezugnahme auf die Einordnung des Prinzips auch Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 86 und Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 165. Schließlich in gleicher Weise wohl auch Schneider, in: FG Maunz, S. 345 (352 ff.), wie seine Kritik an den Ausführungen des Sondervotums mutmaßen lässt.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

sind.184 Unzweifelhaft geschützt sind danach, ohne dass es auf den Streit ankäme, der Gewaltenteilungsgrundsatz (vgl. die in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG gelisteten drei Gewalten) und die Bindung aller Staatsgewalt an die Verfassung sowie der Exekutive und der Judikative zusätzlich an die Gesetze (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG mit der Folge einer Normenhierarchie), weil jene Maximen von Art. 20 GG ausdrücklich gewährleistet werden. Im Ergebnis weist das Grundgesetz deshalb, selbst nach den Maßstäben der großzügigen ersten Ansicht, rechtsstaatliche Aussagen verschiedener Kategorien, nämlich solche unwandelbarer und wandelbarer Art185 auf. Die konkrete Einordnung hängt davon ab, ob sie dem Ewigkeitsschutz des Art. 79 Abs. 3 GG unterliegen oder nicht; lediglich von der ausdrücklichen Normierung in Art. 20 GG sehen die Vertreter der weitergehenden Auffassung ab. Doch endet die Schutzwirkung nach der hier vertretenen Auffassung nicht mit der Liste der in Art. 20 GG explizit benannten Elemente. Vielmehr existieren auch weitere zentrale Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips, die in Art. 20 Abs. 3 GG nicht wörtlich bzw. ausdrücklich genannt zum Ausdruck gelangen und den Rechtsstaat doch gleichwohl im Sinne schlüssig mitgeschriebener Elemente erheblich mitbestimmen. Diesbezüglich sei nur auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG186 sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit187 als zentrale Grundlagen staatlichen Handelns im deutschen Verfassungsstaat verwiesen. Stünden diese rechtsstaatlichen Kerngrundsätze Verfassungsänderungen offen, hätte es der verfassungsändernde Gesetzgeber in der Hand, sich über einige zentrale, den Rechtsstaatscharakter neben der Gewaltenteilung tragende und ausfüllende Verfassungsprinzipien hinweg zu setzen. Dies kann vor dem Hintergrund, dass man wesentliche Bestandteile der ‚freiheitlichen demokratischen Grundordnung‘ unbedingt geschützt sehen wollte und in mancher Hinsicht sogar darüber hinausging188, nicht überzeugen. Die Unantastbarkeit muss vielmehr, wie es bereits das Bundesverfassungsgericht formulierte, „die Grundentscheidungen des Grundgesetzgebers,

184 Vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Art.  79  III Rn.  53 (sehr deutlich in der dortigen Fn.  166 a. E.), dort unter Bezugnahme auf die richterlich begründeten Anforderungen für Bestimmtheit, Rechtssicherheit, Vertrauensschutz und Rückwirkungsverbot; ähnlich und von Dreier bereits in Bezug genommen: Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S.  57 (91 f.). Ferner hält Schmidt-Aßmann, in: HStR  II, § 26 Rn.  90 trotz allgemeiner Änderungsmöglichkeit der ungeschriebenen Regelungen einen aus ihnen resultierenden Kern für änderungsfest. 185 In diese Richtung bereits Schnapp, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 34. 186 Deshalb pro Unantastbarkeit: Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (41) und offenbar ebenfalls Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 197. Gegenteilig hingegen die Mehrheit der Richter im ‚Abhörurteil‘, abgedruckt in BVerfGE 30, 1 (25); ablehnend des Weiteren Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 79 Rn. 69 und Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 86. 187 Während Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 53 a. E. und Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 78 a. E. dieses Prinzip unbedingt geschützt wissen wollen, nimmt Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 86 es aus dem Anwendungsbereich von Art. 79 Abs. 3 GG explizit heraus; offengelassen von Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 256 ff. 188 Vgl. hierzu schon in § 9 II. 1. und 2.

§ 10 Schutzumfang des Art. 79 Abs. 3 GG im Einzelnen 

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die wesentlich das Bild des Rechtsstaates […] bestimmen und der Verfassungsordnung ihr besonderes Gepräge geben“189, erfassen. Demzufolge wird an dieser Stelle, im Wesentlichen dem erstgenannten Ansatz folgend, angenommen, dass von Art. 79 Abs. 3 GG selbst unbenannte Wirkungsweisen des rechtsstaatlichen Staatsprinzips privilegiert sein können, soweit ihre Wirkungen einem in Art. 20 GG geregelten Grundsatz gleichkommen, d. h. eine die Identität der Staatlichkeit prägende Bedeutung aufweisen.190 Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass dies nicht bedeuten soll, das Rechtsstaatsprinzip in seiner Gesamtheit aller richterrechtlich entwickelten Gewährleistungen zu schützen. Im Gegenteil werden aus den ungeschriebenen Elementen nur sehr wenige, namentlich diejenigen für unantastbar erkannt, die den in Art. 20 GG ausdrücklich normierten Elementen inhaltlich zuzuordnen sind, weil sie für die Anerkennung der Bundesrepublik als Rechtsstaat unverzichtbar sind und diesen somit entscheidend prägen. Konkret sind damit solche rechtsstaatlichen Gehalte gemeint, die den von der Norm genannten Inhalten als unverzichtbare normative Grundlagen vorgelagert sind und von ihnen zwingend vorausgesetzt werden. Auch wenn diese rechtsstaatlichen Gewährleistungen in Art. 20 GG nicht explizit genannt sind, so handelt es sich nach der hier vertretenen Auffassung – wie am Beispiel der zuvor benannten Gebote der Rechtsschutzgarantie und der Verhältnismäßigkeit ersichtlich – um unerlässliche Grundlagen des deutschen Staates, durch deren Existenz erst die geschriebenen Elemente des Art.  20 GG auch tatsächlich ihre Wirkung entfalten können und nicht bloß leerlaufen. Immerhin lässt sich die (horizontale) Gewaltenteilung, die im Kern aus Art. 20 Abs. 2 GG abgeleitet wird, im modernen Staat nicht auf eine starre Isolierung der drei Gewalten begrenzen; vielmehr verlangt sie darüber hinausgehend in kompetenzieller Hinsicht eine „funktionsgerechte Funktionswahrnehmung, insbesondere auch eine wechselseitige Begrenzung und Kontrolle der Machtausübung“191. Ohne Zweifel sind danach gewisse Elemente, die in Art. 20 Abs. 2 und 3 GG niedergelegt sind, dauerhaft unantastbar, namentlich die Gewaltenteilung, die Bindung des Gesetzgebers an die Verfassung, die Normenhierarchie und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sowie gegebenenfalls zusätzlich der Gesetzesvorbehalt192, obwohl in Art. 20 GG nicht ausdrücklich genannt, dafür jedoch in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3 GG. Doch endet die Reihe der rechtsstaatlichen Gewährleistungen, die ungeschrieben bzw. (genauer:) schlüssig mitgeschrieben in Art.  20 GG ent 189

So nachdrücklich betont in dem Sondervotum in BVerfGE 30, 1/33 (41). In diesem Zusammenhang nennt Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 78 m. w. N. zu Recht beispielhaft Rechtssicherheit, klarheit und bestimmtheit (zu der Begründung der Erstreckung des Änderungsschutzes auch auf die Kernelemente dieser Prinzipien im weiteren Verlauf dieses Abschnitts). 191 Zum Vorstehenden samt Zitat Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art.  79 Abs.  3 Rn.  193 f. (zum Zitat Rn.  194) m. w. N.; ganz ähnlich Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 45, 48. 192 Vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 52. 190

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halten und damit von Art. 79 Abs. 3 GG in Bezug genommen sind, nicht bei den explizit geschriebenen Inhalten, sondern geht in gewissem Maße darüber hinaus. Die Grenze wird dort erreicht, wo den fraglichen Gewährleistungen keine wesentliche Relevanz mehr für die Durchsetzung der geschriebenen Maßstäbe zukommt und insofern kein Grund für die Annahme einer die Identität der Staatlichkeit prägenden Relevanz gegeben ist. In summa bleibt damit zu berücksichtigen, dass nicht jeder rechtsstaatlich motivierte Spross, der im Grundgesetz an beliebiger Stelle aufkeimt, auch tatsächlich die erforderliche (Bedeutungs-)Schwelle ähnlich anderer Leitgedanken aus Art. 20 GG erreicht. Dementsprechend sollen (und können) wie bei den anderen Inhalten im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG auch im rechtsstaatlichen Sinne nur die Kernelemente der Unabänderlichkeit zugeführt werden.193 Ausfluss der Restriktion bei der Normauslegung ist wie bei allen anderen Verfassungsprinzipien die Feststellung, dass nicht sämtliche rechtsstaatlich einzuordnenden Elemente oder gar ein abstrahierendes Rechtsstaatsprinzip mit allen denkbaren Ausformungen von dem Unabänderlichkeitsschutz gemäß Art. 79 Abs. 3 GG erfasst werden.194 Ob die Unantastbarkeit einer rechtsstaatlichen Gewährleistung zu bejahen ist, bleibt besonders bei außerhalb von Art. 20 GG niedergelegten Ausflüssen des Rechtsstaats und seinen nötigenfalls mittels Auslegung ermittelten Garantiegehalten für jeden einzelnen Ansatz separat zu prüfen195 und damit dem Einzelfall vorbehalten. Im Zweifel wird ein Schutz in derartigen Fällen jedoch eher zu verneinen sein, um die Ratio der Ewigkeitsgarantie nicht zu unterlaufen bzw. auszuhebeln. Legt man diesen Maßstab im Weiteren zugrunde, ergeben sich die folgenden Feststellungen: Soweit über die bereits genannten, unmittelbar aus Art.  20 GG folgenden Grundsätze hinaus dem Rechtsstaatsgedanken prinzipiell Grundzüge einer Verhältnismäßigkeitsprüfung beigemessen werden, müssen diese aufgrund einer überragenden Bedeutung den geschriebenen Einzelaspekten gleichgestellt werden196, zumal sie letztlich bereits der Bindung aller Staatsgewalt an die Grund 193 So jedenfalls die im Schrifttum verbreitete Auffassung, stellvertretend hierfür z. B. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu  /  Hofmann  /  Henneke, GG, Art.  79 Rn.  67 und Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 34. Das BVerfG zieht, um zu demselben Ergebnis zu gelangen, die Prüffrage heran, ob der jeweilige Grundsatz in Art. 1 oder Art. 20 GG „niedergelegt“ ist, so etwa BVerfGE 30, 1 (24). 194 Vgl. Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art.  79 Abs.  3 Rn. 203; Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 44 a. E.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 73 a. E.; Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b β a. E. (S. 172); Schneider, in: FG Maunz, S. 345 (352). 195 Siehe hierzu Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 (Abschn. VII) Rn. 34; Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 44; Stern, Staatsrecht I, § 5 IV 5 b β (S. 173). Letztgenannter möchte die nötige Begrenzung im Rahmen der Auslegung des Begriffs „Grundsätze“ in Art. 79 Abs. 3 GG vornehmen (vgl. auch insoweit a. a. O.). 196 Vgl. Robbers, in: Bonner Kommentar zum GG (146. EL 2010), Art. 20 Abs. 1 Rn. 1780; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 78 a. E. und Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 53 a. E., wobei zumindest der Letztgenannte offen lässt, ob der Schutz hierauf über Art. 20 GG oder aber Art. 1 Abs. 3 GG erstreckt werden soll (vgl. weiterhin a. a. O.). Demgegenüber bleibt jedoch unklar, in welchem Umfang rechtsstaatliche Ausprägungen darüber hinaus von der Unabänder-

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rechte zu eigen sind197 und solchermaßen der Unabänderlichkeit unterliegen, vgl. Art. 1 Abs. 3 i. V. m. Art. 79 Abs. 3 GG. Im Gegensatz hierzu können andere, dem Rechtsstaatsprinzip im weitesten Sinne zugeschriebene Gehalte, die erst abstrakt in Literatur und / oder Rechtsprechung entwickelt worden sind, darunter etwa die allgemeinen Grundsätze des Vertrauensschutzes sowie die Maßstäbe zur Rückwirkung von Gesetzen, keinesfalls – selbst bei Bezugnahme auf Art. 1, 20 GG – als wesentliche Bestandteile im Sinne von Art. 20 Abs. 1–3 GG interpretiert werden.198 Andernfalls würde dem originären Verfassungstext und damit den Vorstellungen des Verfassunggebers nachträglich eine andere Bedeutung verliehen als dies augenscheinlich gewollt war. Eine Art Mittelstellung nimmt in diesem Zusammenhang die Rechtssicherheit ein, die sich insbesondere in Rechtsklarheit und Bestimmtheit bzw. Widerspruchsfreiheit staatlicher Maßnahmen äußert.199 Wo sich Verwaltungsbereiche miteinander vermischen und somit staatliches Handeln seinem Inhalt und seiner Intention nach dazu neigt, für den einzelnen Bürger als Adressaten nicht länger nachvollziehbar zu werden, bedarf es hinreichend klarer Regelungen und Strukturen. Der Bürger muss wissen, an welche Vorgaben er sich zu halten und inwieweit seine freiheitliche Betätigung gegebenenfalls eingeschränkt wird. Die jeweils an die Klarheit oder Bestimmtheit der Hoheitsakte gestellten Anforderungen steigen dabei mit höherem Einzelfallbezug (etwa einer Einzelmaßnahme gegenüber einem Gesetz) und mit der „Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts“200, also der Wesentlichkeit für die Grundrechte, den Intensität der Belastungen für den Einzelnen und dem Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung. Diesbezüglich sei an die Feststellungen erinnert, die zu der Interpretation der „Grundsätze“ in Art. 79 Abs. 3 GG zuvor ermittelt worden sind: Einerseits können Prinzipiengehalte, insbesondere die ungeschriebenen, nicht in ihrem vollem Umfang unabänderlich sein, andererseits lässt sich aber der konkret geschützte Gehalt nicht pauschal ermitteln, sondern muss unter Bezugnahme auf den konkreten Anwendungsgehalt hin untersucht werden. Für die hier ausschließlich interessierende Arbeit von Bund-Länder-Einrichtungen lichkeit erfasst werden; wenig deutlich leider der Versuch von Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 44. Ohne direkte Bezugnahme zu Art. 79 Abs. 3 GG nimmt etwa Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 86 den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus den änderungsfesten Grundsätzen von Art. 20 GG heraus – mit der mutmaßlichen Folge, ihm auch keinen Schutz zu gewähren. 197 Vgl. Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 47. 198 In dieser Weise stellvertretend Dreier, in: Dreier, GG, Art.  79  III Rn.  53; Bryde, in: von  Münch / Kunig, GG, Art.  79 Rn.  44; Dietlein, in: BeckOK-GG, Art.  79 Rn.  48; ähnlich Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 90 und Möller, Verfassunggebende Gewalt des Volkes, S. 165. A. A. hingegen Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 78; offengelassen (jedenfalls in Bezug auf Vertrauensschutz) von Haratsch, Befreiung von Verbindlichkeiten nach Art. 135a Abs. 2 GG, S. 258 f. 199 Hierzu eingehend bereits in § 6 III. 2. a) und b). 200 So etwa formuliert in BVerfGE 102, 254 (337); BVerfGE 103, 332 (235); BVerfGE 110, 370 (396); BVerfGE 117, 71 (111); lediglich im Plural bei BVerfGE 49, 168 (181); BVerfGE 59, 104 (114); BVerfGE 78, 205 (212); BVerfGE 89, 69 (84 a. E.); BVerfGE 93, 213 (238). Vgl. insoweit schon die Ausführungen und Fundstellen in § 6 III. 2. b).

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

kommt den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und -klarheit gerade eben jene besondere Bedeutung zu. Sie sind nicht nur entscheidend für die Umsetzung solcher Konstruktionen, sondern werden in diesem Zusammenhang in die Gesamtheit aller Regelungen des Grundgesetzes, welche die Trennung der Verwaltungsräume voraussetzen und zugleich verwirklichen, eingeordnet. Als Folge dessen muss sich in jeder Lage unmissverständlich erkennen lassen, wer im Einzelfall zur Entscheidung berufen ist, und es dürfen weder Lücken noch Überschneidungen im Bereich der Zuständigkeiten entstehen. Staatliches Handeln muss in jeder Lage einem Hoheitsträger ohne Zweifel zuzuordnen, d. h. zurechenbar, sein. Inwieweit dieser Gedanken, bezeichnet als „Klarheit der Kompetenzordnung“201 bzw. „Verantwortungsklarheit“202, von Art. 79 Abs. 3 GG geschützt wird, ist im Schrifttum in dieser speziellen Ausprägung, soweit ersichtlich, allenfalls nur neben­sächlich thematisiert203 und im Übrigen nur in der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 91e GG aus dem Jahr 2014204 angesprochen, dort allerdings nicht näher begründet. Legt man die eingangs vermittelten Grundgedanken zugrunde, ist jedenfalls eine vollumfassende Schutzwirkung, die beide Aspekte in jeder Ausformung unantastbar werden ließe, zu verneinen. Gleichwohl möglich dürfte allerdings eine partielle Schutzwirkung gewisser Kernbestandteile sein, die sich als dauerhaft schützenswert darstellen und zum staatsprägenden Bestand zählen. Entsprechend der eingangs dieses Abschnitts dargelegten beiden Interpretationsweisen zur Reichweite der Unabänderlichkeitsnorm bei rechtsstaatlichen Gehalten dürfte hier zu differenzieren sein: Geht man mit der zweitgenannten Sichtweise davon aus, dass nur ein begrenztes, explizit im Verfassungstext verankertes Mindestmaß der rechtsstaatlichen Kerngedanken von Art. 79 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 2, 3 GG inbegriffen ist, wäre ein Schutz der Rechtsklarheit mangels geschriebener Grundlage in Art. 20 GG von vornherein zu verneinen. Demgegenüber bedarf es hinsichtlich der erstgenannten und hier favorisierten Sichtweise, wonach auch einzelne ungeschriebene Inhalte eines allgemeinen Rechtsstaatsprinzips mit besonders überragender Bedeutung für den deutschen Rechtsstaat an der Schutz 201

So BVerfGE 119, 331 (366) und aus dem Schrifttum Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Vorb. v. Art. 83 Rn. 36. Auch insoweit wird im Einzelnen erneut auf § 6 III. 2. a) verwiesen. 202 So Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 32 und ganz ähnlich Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 300 f.; vgl. wiederum die ausführlichen Angaben in § 6 III. 2. b). 203 Bejahend Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 154; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 78 und wohl ebenfalls Anding, Spannungsverhältnis zwischen Art. 20 IV und Art. 79 III GG, S. 33; Ohms, Pflicht des Gesetzgebers zur Änderung des GG, S. 49 sowie – hierauf bezugnehmend – Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 86, wenngleich letzterer die Rechtssicherheit in ihrer Gesamtheit als geschütztes Gut explizit ablehnt. 204 Vgl. BVerfGE 137, 108 (144) ohne nähere Begründung. Danach sei aus rechtsstaatlicher wie auch bereits aus demokratischer Sicht „eine klare und auf Vollständigkeit angelegte Zuordnung von Kompetenzen“ geboten und als solche unter dem Stichwort „Klarheit der Kompetenzordnung“ von Art. 79 Abs. 3 GG geschützt (zum Vorstehenden samt der beiden Zitate ebenfalls a. a. O.).

§ 10 Schutzumfang des Art. 79 Abs. 3 GG im Einzelnen 

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wirkung teilhaben können, einer näheren Erörterung. Nach dem hier vertretenen Verständnis handelt sich zwar bei der Rechts / Normenklarheit und Bestimmtheit von Hoheitsakten um richterrechtlich entwickelte Bestandteile eines abstrakten Rechtsstaatsprinzips, deren nähere Ausgestaltung und Folgerungen von Art.  79 Abs. 3 GG nicht umfasst sind. Doch schließt dieses generelle Verständnis nicht aus, einzelne Bestandteile der Verantwortungs-/Kompetenzklarheit – gewissermaßen ihren wesentlichen Kern  – als gegen Verfassungsänderungen geschützt anzuerkennen. Denn in diesem Umfang enthalten die Prinzipien einige Mindestanforderungen, denen sich staatliches Handeln niemals entziehen darf. Darin liegen das Grundgesetz in seiner Identität prägende Grundzüge, die dem deutschen Staatsgebilde ebenso zugrunde liegen, wie es die explizit in Art. 20 GG genannten Elemente tun. Gleichzeitig verhelfen die Grundsätze der Normen- und Rechtsklarheit den in Art. 20 GG ausdrücklich niedergelegten (geschriebenen) rechtsstaatlichen Inhalten erst zu ihrer wirksamen Durchsetzung, werden von diesen also in gewisser Weise vorausgesetzt. Denn ohne klare Erkennbarkeit der Verantwortungsstränge und nach außen ersichtliche Zurechnungszusammenhänge wäre eine effektive Kontrolle und Steuerung weder im Hinblick auf die Trennung der verschiedenen Staatsgewalten noch im Hinblick auf ihre Orientierung an Verfassung und Gesetzen denkbar.205 Wenn Maßnahmen der Staatsorgane jedoch voraussehbar und messbar werden206, können die anderen Grundsätze, die Art. 20 GG ausdrücklich enthält, ihre vom Grundgesetz angedachte Wirkung entfalten und dies auch nachvollzogen werden. Betrachtet man die vorgenannten Maßgaben aus dem Prinzip „Bundesstaat“, vor allem die Pflicht zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung durch die Länder, wird ersichtlich, dass die Klarheit der dort zugrunde gelegten Kompetenzordnung eine Folge der vom Bundesstaat vorausgesetzten Länderzuständigkeiten ist und mittelbar auch Kernbestandteilen des Bundesstaatsprinzips erst zur Durchsetzung verhilft. Ohne entsprechende Unterscheidung von Kompetenzen wäre eine Beurteilung der Frage, ob den Ländern ein genügendes Maß verbleibt, niemals möglich. Bei diesen, von Art. 79 Abs. 3 GG trotz ihrer ungeschriebenen Grundlage noch erfassten Verfassungsgrundsätzen handelt es sich um die Klarheit der Verantwortungsstränge und der Kompetenzordnung. Es ist bereits dargelegt worden207, dass sich diese Mindestanforderungen an die Klarheit und Nachvollziehbarkeit in sämtlichen hier interessierenden Verfassungsprinzipien (namentlich Bundesstaat, Demokratie und Rechtsstaat), wenn auch jeweils vor einem anderen Hintergrund, aber inhaltlich im Wesentlichen vergleichbar, wiederfinden. Dementsprechend kann in gleicher Weise die enge Verbindung zum Demokratieprinzip 205 Vgl. Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 154; siehe zugleich – ohne die Normenklarheit explizit als Schutzgut zu benennen – die Andeutungen bei Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 45, 48 und Evers, in: Bonner Kommentar zum GG (Zweitbearbeitung 1982), Art. 79 Abs. 3 Rn. 194. 206 So Kirchhof, in: HStR II, § 21 Rn. 86. 207 Ausführlich thematisiert in § 6 II., III. und IV.

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3. Teil: Verfassungswidriges Verfassungsrecht und Art. 79 Abs. 3 GG 

zur Bekräftigung herangezogen werden: Erst die Klarheit staatlicher Verantwortungs- und Handlungsstränge ermöglicht eine wirksame demokratische Legitimation ausgehend vom Volk als Souverän. Die gesamte Thematik der demokratischen Legitimation der Staatsorgane, die mit anderen Worten bloß einen Zurechnungsund Verantwortungszusammenhang zwischen dem Volk und den handelnden Hoheitsträgern beschreibt, könnte ohne die Klarheit dieser Legitimationskette nicht existieren. Damit ist die Erkennbarkeit des jeweils Verantwortlichen aus Sicht des Bürgers denklogisch vorausgesetzt. Nicht zuletzt die diesbezüglichen Ausführungen belegen die zentrale Rolle und die für den deutschen Staat unumgänglichen, da entscheidenden Wirkungen dieses seinem Kern nach rechtsstaatlichen Elements. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht – wie zuvor im Verlauf dieses Abschnitts gezeigt208 – anfangs noch die besondere Restriktion des Art. 79 Abs. 3 GG betont und mehrfach nur diejenigen Elemente der einzelnen Prinzipien als in Art. 20 GG „niedergelegt“ erachtet, die dort sogar ausdrücklich geschrieben stehen.209 Doch steht selbst diese richterlich verfolgte, sehr enge Linie gleichwohl nicht der hier getroffenen Feststellung entgegen, dass auch die Verantwortungs- und Kompetenzklarheit unantastbar sein muss. Denn die Rechtsprechung hat sich zum einen – auch dies ist bereits erläutert worden210 – in den Folgejahren in gewissem Maße geöffnet211, was nicht zuletzt auch durch die bereits zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 91e GG aus dem Jahr 2014212 belegt wird. Zum anderen sind die aus dem Rechtsstaatsprinzip entstammenden Grundsätze der Normen- und Rechtsklarheit immerhin doch mittelbar in Art. 20 GG niedergelegt. Zwar bleiben sie sowohl im Kreis des rechtsstaatlichen als auch des bundesstaatlichen und demokratischen Prinzips jeweils nicht explizit benannte Elemente, doch wirken sie vor dem Hintergrund, zur Entfaltung der geschriebenen Grundsätze unerlässlich und in diesen als notwendiger Zwischenschritt enthalten zu sein, letztlich aus Art. 20 GG als Ausgangspunkt heraus. Anstelle von ungeschriebenen Inhalten bietet sich deshalb – auch dies wurde verschiedentlich bereits betont – die Bezeichnung als schlüssig mitgeschriebene Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips an. Gegenteiliges gilt hingegen, soweit man der Verfahrensgerechtigkeit wie in den vorherigen Ausführungen eine selbstständige Existenz als rechtsstaatliches Prinzip einräumt: Denn diese Ausrichtung des Verwaltungshandelns an den verfassungsrechtlichen Grundgedanken unter Beachtung der Interessen jedes Einzelnen findet sich nicht explizit im Grundgesetz wieder, sondern beruht alleine auf richterlich geprägten Lösungen.

208

Vgl. die Nachweise in Fn. 178. Vgl. erneut BVerfGE 30, 1 (24); BVerfGE 84, 90 (121). 210 Siehe insoweit bereits die Fn. 180 und 181. 211 Besonders deutlich BVerfGE 102, 370 (392) und BVerfGE 109, 279 (310). 212 Insoweit wurde im aktuellen Abschnitt bereits darauf hingewiesen, dass die „Klarheit der Kompetenzordnung“ in BVerfGE 137, 108 (144, dort auch zum wörtlichen Zitat) ohne nähere Begründung ausdrücklich als änderungsfester Gehalt von Art. 79 Abs. 3 GG anerkannt wurde. 209

§ 10 Schutzumfang des Art. 79 Abs. 3 GG im Einzelnen 

359

Das besondere Privileg, zu dem auch durch eine Verfassungsänderung unan­ tastbaren Grundsätzen zu gehören, kommt damit zuallererst den in Art.  1 und Art. 20 GG ausdrücklich enthaltenen Strukturelementen für den deutschen Rechtsstaat in Form der Bindungswirkung von Grundrechten, dem Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes sowie der (horizontalen) Gewaltenteilung zu. Von diesen genannten geschriebenen Elementen ist allerdings ausschließlich der Gewaltenteilungsgrundsatz, und zwar nur in seiner bundesstaatlichen Ausprägung (vertikale Gewaltenteilung), betroffen, wenn – wie vorliegend – die Frage einer Mischverwaltung zwischen Bund und Kommunen / Ländern im Raum steht. Doch sind darüber hinaus bestimmte ungeschriebene bzw. im Verfassungstext schlüssig mitgeschriebene, für das vorliegende Thema gleichermaßen relevante Grundsätze ebenfalls geschützt, sofern ihnen – wie im Falle der Verantwortungs- und Kompetenzklarheit in ihrem Kern zu bejahen – eine ähnlich tragende Rolle für den Gesamtstaat zukommt und dieser ohne ihren Einfluss nicht denkbar scheint. 4. Zusammenfassung Von Art. 79 Abs. 3 GG durch seine erste oder dritte Variante in Bezug genommen sind unter anderem auch die im Zweiten Teil dieser Arbeit (dort u. a. in § 6) herausgearbeiteten und näher beschriebenen Grenzen der Mischverwaltung, soweit sich diese zugleich als „Grundsätze“ im Sinne von Art. 20 GG berührend darstellen. Diese dürfen auch durch eine Verfassungsänderung nicht tangiert oder sogar beseitigt werden, damit das Grundgesetz die von dem Verfassunggeber durch die Ewigkeitsklausel geschützte Identität fortwährend und gleichbleibend beibehält. Es handelt sich im Einzelnen um den bundesstaatlichen Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung, der sich in der regelmäßigen Unterscheidung einer Bundes- und Landesebene mit jeweils autonomen Zuständigkeiten und eigener Selbstständigkeit widerspiegelt, die demokratische Legitimation staatlicher Organe und ihrer Entscheidungen sowie die rechtsstaatlich geforderte Verantwortungsklarheit samt genügender Klarheit der Kompetenzordnung und Nachvollziehbarkeit der Zurechnungszusammenhänge, die wegen ihrer engen Verbindung zur Verwirklichung der anderen dort geschützten Grundsätze zugleich auch bundesstaatlich und demokratisch mitgeprägt sind.

Vierter Teil

Anwendung der Untersuchungsergebnisse auf Art. 91e GG § 11 Prüfung des Vorwurfs der Verfassungswidrigkeit von Art. 91e GG Auf Grundlage der in § 2 bis § 10 gewonnenen Erkenntnisse kann nunmehr die im Titel dieser Arbeit gestellte Ausgangsfrage nach der Verfassungswidrigkeit von Art. 91e GG beantwortet werden. Die Prüfung der darin liegenden Verfassungsänderung hat dabei zwingend ausschließlich am Maßstab von Art. 79 Abs. 3 GG bzw. den darin garantierten und deshalb änderungsfesten Verfassungsgrundsätzen zu erfolgen. Diese Untersuchung setzt zwangsläufig die bislang gewonnen Erkenntnisse zum Verständnis der Ewigkeitsgarantie (dazu § 8 und § 9) sowie zu den unantastbaren Grenzen (dazu § 10) der Mischverwaltung (dazu im Allgemeinen § 5) aus den Verfassungsprinzipien Bundesstaat, Demokratie und Rechtsstaat (dazu im Einzelnen § 6) voraus und steht angesichts des Untersuchungszwecks (vgl. § 7 I. und II.) ebenfalls in engem Zusammenhang mit den im Schrifttum bestehenden rechtspolitischen sowie verfassungsrechtlichen Zweifeln an Art.  91e GG (dazu § 4) sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (dazu § 7 III.). Im Rahmen der schließlich notwendigen Auslegung des Art. 91e GG, der alleiniger Prüfungsgegenstand ist, müssen zudem die vorangegangenen Ausführungen zum Inhalt dieser Vorschrift (dazu § 3) berücksichtigt werden, was wegen der Anknüpfung des verfassungsändernden Gesetzgebers an die seit Jahren bestehende Praxis und Rechtslage im SGB II wiederum die Analyse der historischen Entwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (dazu § 2) voraussetzt. Mit Hilfe der einzelnen Vorarbeiten aus den vorangegangen Kapiteln wendet sich dementsprechend der Blick im Folgenden der konkreten Prüfung der Verfassungsänderung in Art. 91e GG anhand von Art. 79 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 20 GG, d. h. der Untersuchung der neu geschaffenen gemeinsamen Einrichtungen am Maßstab der im Grundgesetz enthaltenen änderungsfesten Grundsätze, zu.

I. Einleitung Die Klärung der vorstehend benannten, bereits vom Titel wie auch der Einführung in diese Arbeit (dazu § 1) aufgeworfenen Frage verlangt in rechtlicher Hinsicht, sich anhand der normativen Grundlagen damit auseinanderzusetzen, ob in

§ 11 Prüfung des Vorwurfs der Verfassungswidrigkeit von Art. 91e GG 

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Art. 91e GG verfassungswidriges Verfassungsrecht geschaffen wurde oder es sich um eine verfassungsmäßige Grundlage für die einfachgesetzlich bereits seit 2003 existierende Neuordnung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende handelt. Dabei gehen die gemeinsamen Einrichtungen im Sinne des Art. 91e GG in ihrer Reichweite erkennbar über die bislang existierenden Strukturen, wie etwa die Gemeinschaftsaufgaben1, hinaus. Die vor der Verfassungsänderung verbreitete Ansicht, dass die Arbeitsgemeinschaften – wie auch vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007 höchstrichterlich festgestellt2  – ein „Paradefall strikt verbotener Mischverwaltung“3 seien, kann in Anbetracht der neuen Rechtslage wegen der mit Art. 91e GG geschaffenen Billigung auf Verfassungsebene nicht aufrechterhalten werden. Stattdessen bedarf es nunmehr eines neuen Blickwinkels zur Beurteilung der Rechtslage. Das neu geschaffene Verfassungsrecht kann im Gegensatz zu einfachen Gesetzen (wie etwa den Regelungen im SGB II) ausschließlich an wenigen zentralen Kernelementen des bestehenden Verfassungsrechts gemessen werden; den hierbei zugrunde zu legenden Maßstab gibt Art. 79 Abs. 3 GG vor.4 Ausgehend hiervon unterscheiden sich die an Art. 91e GG anzulegenden Anforderungen jedoch schon dem Grunde nach von dem ursprünglichen, aufgrund der Normenhierarchie auf das gesamte Verfassungsrecht erstreckten Prüfungskanon, der den Regelungen zu den bisherigen Arbeitsgemeinschaften im SGB II bislang, d. h. vor der Änderung des Grundgesetzes, entgegengehalten wurde. Mit Blick auf die dem Grundgesetz von Art. 79 Abs. 3 GG auferlegte Rangfolge kann der Konflikt zwischen den eine Mischverwaltung nur innerhalb gewisser Grenzen ermöglichenden Verfassungsprinzipien sowie einer Verfassungsänderung, welche eine Mischverwaltung gerade zulassen soll, hier in Gestalt von Art. 91e GG, nur beendet werden, indem untersucht wird, inwieweit jede Position (unter Berücksichtigung der anderen) zur Entfaltung gelangen kann, während sich beide Positionen gegenseitig begrenzen.5 Zur Erreichung dieses Zwecks kann es nötigenfalls sogar geboten sein, eine Auslegung der Verfassungsänderung zu finden, durch welche diese in ihren soeben noch zulässigen Maße erhalten und zugleich mit den unantastbaren Grundsätzen in Einklang gebracht wird. Denn nur durch wechselseitiges Nachgeben können eventuell widerstreitende Inhalte gegenseitig 1 Die Implementierung sog. Gemeinschaftsaufgaben in das Grundgesetz durch Einfügung von Art. 91a bis d GG – beginnend mit den 1960er Jahren – war im Vergleich zu Art. 91e GG ein erster abgeschwächter Versuch, die Kooperation zwischen Bund und Ländern im Verfassungstext niederzulegen. Vgl. zu den damaligen Diskussionen anlässlich ihrer Einfügung in das Grundgesetz bereits Fn. 299 in § 5 II. 3. d). 2 BVerfGE 119, 331 (361 ff. und Ls.). 3 So wörtlich und im Ergebnis anstelle vieler Cornils, ZG 23 (2008), 184 (201). Des Weiteren etwa Mempel, Hartz IV-Organisation, S. 121 ff.; Ruge / Vorholz, DVBl. 2005, 403 (407 f.); Brosius-Gersdorf, VSSR 4 (2005), 355 (378 ff.); Lühmann, DÖV 2004, 677 (682 f.). 4 Vgl. ausführlich in § 7 I. und in § 8 V., VI. 5 Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 35.

362

4. Teil: Anwendung der Untersuchungsergebnisse auf Art. 91e GG 

abgeschwächt und so zur größtmöglichen jeweiligen Entfaltung geführt werden.6 Bezogen auf die von Art. 91e GG normierte Grundsicherung für Arbeitsuchende ist insoweit bereits gezeigt worden7, dass das Grundgesetz eine Mischverwaltung nicht absolut ausschließt, sondern vielmehr im Einzelfall zu prüfen bleibt, ob die verfassungsrechtlichen Maßstäbe noch eingehalten werden oder bereits überschritten sind. Die Einzelfallprüfung erfolgt insoweit durch abwägende Würdigung und unabhängig von der in ihrer Allgemeinheit möglicherweise bestehenden Klarheit bei der Abgrenzung der Grundsätze von hierüber hinausgehenden verfassungsrechtlichen Rechtssätzen.8 Vor diesem Hintergrund vermögen – ungeachtet der vom Bundesverfassungsgericht im Sinne eines strengeren Maßstabs herangezogenen Voraussetzungen für die Annahme eines Berührens im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG9, die bei folgerichtiger Anwendung möglicherweise tatsächlich zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangen würden – jedenfalls die in einer aktuellen Entscheidung des Gerichts vom 7. Oktober 2014 anlässlich mehrerer Verfassungsbeschwerden betreffend die rechtliche Stellung von Optionskommunen zu den Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Art. 91e GG enthaltenen Ausführungen10 nicht zu überzeugen. Denn als maßgebliches Begründungselement für die Verneinung eines Verfassungsverstoßes wird dort nicht auf die strengen Maßstäbe der Unantastbarkeitsnorm verwiesen, sondern lediglich auf die Nichtexistenz eines absoluten Verbots der Mischverwaltung.11 Dass ein derartiges Verbot in seiner Generalität nicht existiert und die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Mischverwaltung vielmehr von den jeweiligen verfassungsrechtlichen Regelungen abhängt, wird heute nicht mehr in Abrede gestellt; dies ist auch eingehend im Laufe dieser Arbeit dargelegt und mit zahlreichen Nachweisen veranschaulicht worden.12 Insbesondere kann nach diesen Feststellungen von einem numerus clausus der Verwaltungsformen im Grundgesetz 6 So Hermes, in: Dreier, GG, Art. 91e Rn. 36 unter Gegenüberstellung der widerstreitenden Elemente: Gesetzesvollzug „aus einer Hand“ contra eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung durch Länder / Kommunen. 7 Vgl. hierzu bereits in § 5 II. 2. b) und c). 8 Eine derartige Herangehensweise lässt sich im Ansatz auch schon im Urteil des Thüringer VerfGH in LVerfGE 12, 405 (427) erkennen: Angesichts der dortigen Prüfung einer Änderung der Landesverfassung nimmt der Verfassungsgerichtshof zwar explizit auf die dort geltende Revisionsschrankennorm (Art. 83 Abs. 3 ThürVerf) Bezug, stellt aber im Rahmen seiner vorherigen Erläuterungen (a. a. O., S. 424 ff.) auf die angesichts identischer Voraussetzungen bestehende Parallelität zu Art. 79 Abs. 3 GG ab. Nach dortiger Auffassung sei die Abwägung unter teleologischer Beachtung der Ewigkeitsklausel schon wegen der „stets interpretationsfähigen Normen der Verfassung und die in ihrer tatsächlichen Auswirkung nur allenfalls begrenzt einschätzbaren verfassungsändernden Normen“ (auch hierzu a. a. O., S. 427) geboten, zumal sich die (Landes-)Verfassung nicht mit den garantierten Grundsätzen gleichsetzen ließe. 9 Siehe zu der sehr restriktiven Lesart der Unantastbarkeitsnorm durch das BVerfG, die dem verfassungsändernden Gesetzgeber weite Handlungsspielräume belässt, im Einzelnen schon in § 9 I. 1. 10 BVerfGE 137, 108 (143 ff.); hierzu eingehend bereits in § 4 III. 1. b). 11 Vgl. die Einleitung bei BVerfGE 137, 108 (144 f.). 12 Hierzu im Einzelnen bereits in § 5 II.

§ 11 Prüfung des Vorwurfs der Verfassungswidrigkeit von Art. 91e GG 

363

keine Rede sein. Gleichwohl reicht der sich hierauf gründende Ansatz des Zweiten Senats in der genannten Entscheidung nicht weit genug: Aus der Verneinung eines Mischverwaltungsverbots als solchem folgt nicht automatisch die Zulässigkeit einer Verfassungsänderung, die eine solche Mischverwaltung von Bund und Ländern ermöglicht. Stattdessen hätte es einer Betrachtung der einzelnen Verfassungsprinzipien mit ihrem geschützten Grundsatzgehalt bedurft, die nicht nur im vorstehenden Kapitel13, sondern jedenfalls in ihrem Kern auch vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung dargelegt werden.14 Allerdings ist auch insofern bereits auffällig, dass das Bundesverfassungsgericht merklich bemüht zu sein scheint, die weitreichenden Ausführungen zu den bundes- und rechtsstaatlichen sowie demokratischen Grenzen der Mischverwaltung im Rahmen des Urteils vom 20. Dezember 200715 über eine sehr restriktiv gewählte Interpretation bei dem jeweiligen „verfassungsänderungsfesten Kern“16 aufzufangen und die überschießende Tendenz der früheren Entscheidung zu korrigieren. Dies zeigt sich besonders deutlich im Rahmen des Bundesstaatsprinzips: Würde dieses – wie die Entscheidung aus Oktober 2014 explizit formuliert – lediglich Kompetenzzuweisungen an die Länder „von substantiellem Gewicht“17 bedingen und die Kompetenzordnung im Übrigen nur insoweit schützen, „wie sie durch das Grundgesetz konkret ausgestaltet ist“18, darüber hinausgehend aber die Zuständigkeiten nicht und damit vor allem nicht qualitativ schützen, hätte dies zur Folge, dass nahezu sämtliche Zuständigkeiten den Ländern entzogen werden könnten.19 Bereits diese erhebliche Restriktion der verfassungsrechtlichen Prinzipien wirft Bedenken auf, kann allerdings wegen der entsprechenden Auslegung von Art. 79 Abs. 3 GG durch die Rechtsprechung (dazu eingehend § 9 I.) mitsamt ihrer beachtlichen Toleranz gegenüber dem gesetzgeberischen Spielraum noch in ihrem Ansatz nachvollzogen werden. Letzteres trifft jedoch auf die sodann von Verfassungs wegen gebotene, da von der Revisionsschrankennorm vorausgesetzte Prüfung von Art. 91e GG anhand der herausgearbeiteten allgemeinen Maßstäbe für eine Mischverwaltung von Bund und Ländern / Kommunen nicht mehr zu. Denn hierzu schweigt die Entscheidung vom 7. Oktober 2014 aus unbekannten Gründen vollständig. Anstelle der Subsumtion in dem konkreten Einzelfall weist das Gericht nach der Darstellung der Grundsätze vielmehr lediglich auf die Nichtexistenz eines Mischverwaltungsverbots hin und stellt in gleichermaßen abstrakten wie allgemeingültigen Sätzen die daraus 13

Vgl. die Darlegung der betroffenen Grundsätze in § 10 II. Dazu verhält sich das Gericht  – ausführlicher als bezüglich der darauf folgenden Feststellung der Verfassungsmäßigkeit – in BVerfGE 137, 108 (143 f.), dort Rn. 81–83. 15 Siehe insoweit BVerfGE 119, 331 (364 ff.). 16 So BVerfGE 137, 108 (144). 17 So BVerfGE 137, 108 (144), dort Rn. 83. 18 So BVerfGE 137, 108 (145), dort Rn. 84. 19 Zu der erheblich verkürzenden Wirkung des jüngsten Verständnisses in der Rspr. vgl. bereits die Hinweise in § 10 II. 1., dort v. a. Fn. 113, wonach der änderungsfeste Kern gerade nicht nur aus den explizit genannten Varianten in Art. 79 Abs. 3 GG, sondern auch aus dessen Bezugnahme auf Art. 20 Abs. 1 GG resultiert. 14

364

4. Teil: Anwendung der Untersuchungsergebnisse auf Art. 91e GG 

zu folgernde Einhaltung der Prinzipien fest.20 Nach kurzer Bezugnahme auf das sog. Abhörurteil findet sich abschließend noch ein kurzer, jedoch inhaltlich nicht ansatzweise erläuterter und daher nur pauschaler Verweis auf die Anforderungen beim Verständnis von Art. 79 Abs. 3 GG, wie sie in dem Sondervotum zu dem vorgenannten Urteil sowie in den Entscheidungen einiger Landesverfassungsgerichte formuliert wurden.21 Substantielle Einbußen der Verfassungsgrundlagen bringe Art.  91e GG nicht mit sich, sondern ausschließlich Modifikationen. Nähere Angaben zu deren Reichweite und der Einhaltung der verfassungsrechtlichen Anforderungen werden hingegen nicht gemacht. Angesichts der somit gänzlich fehlenden inhaltlichen Prüfung der unantastbaren Grundsätze und ihrer eventuellen Berührung vermögen die Ausführungen – ungeachtet des Ergebnisses, weil nicht in Abrede gestellt werden soll, dass der Senat von strengeren Anforderungen des Art.  79 Abs.  3 GG ausgehen würde  – nicht zu überzeugen. Weder sind sie in materiell-rechtlicher Hinsicht substantiiert noch verhalten sie sich konkret zu einer Prüfung von gemeinsamen Einrichtungen anhand von Art. 79 Abs. 3 GG. Eine klare Auseinandersetzung mit der Verfassungsänderung, d. h. mit Art. 91e GG, am Maßstab der im Urteil zunächst eingeführten Schutzgüter, also Demokratie, Rechtsstaat und Bundesstaat, bleibt das Bundesverfassungsgericht am Ende seiner ersichtlich gedrängten und insoweit erstaunlich knappen Ausführungen schuldig.

II. Prüfungsprogramm In Abgrenzung hiervon stehen bei der hier vorzunehmenden Untersuchung die Verfassungsprinzipien des Bundesstaates, der Demokratie und des Rechtsstaates, die ihrerseits durch die Anforderungen von Art.  79 Abs.  3 GG jeweils auf ihre Kerngehalte beschränkt werden, dort vor allem die Begrifflichkeiten „Grundsätze“ und „berührt“, im Mittelpunkt. An diesen Anforderungen, die je nach zugrunde gelegter Auffassung differieren, ist Art. 91e GG nach der Vorstellung des Grundgesetzes zu messen. Eine aussagekräftige Prüfung setzt daher voraus, die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts zur Mischverwaltung (Zweiter  Teil dieser Arbeit), wie sie sich unter Anlegung der durch Auslegung ermittelten Maßstäbe des Art. 79 Abs. 3 GG darstellen (Dritter Teil), auf die in Art. 91e GG enthaltene Verfassungsänderung zur verfassungsrechtlichen Begründung gemeinsamer Einrichtungen auf dem

20

BVerfGE 137, 108 (144 f.), dort Rn. 84. Hierzu BVerfGE 137, 108 (145) unter ausdrücklicher Bezugnahme zunächst auf die strengen Maßstäbe des Senats in ständiger Rechtsprechung seit BVerfGE 30, 1 (24 ff.) und sodann die hiervon abweichenden Ansätze in der Rechtsprechung, u. a. in dem Sondervotum BVerfGE 30, 1/33 (39) sowie BayVerfGHE 52, 104 (122 ff.) und Thüringer VerfGH in LVerfGE 12, 405 (424 ff.). 21

§ 11 Prüfung des Vorwurfs der Verfassungswidrigkeit von Art. 91e GG 

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Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Erster Teil) zu übertragen.22 Am Ende dessen soll die Feststellung stehen, ob und in welcher Intensität sich die untersuchte Verfassungsänderung, hier Art. 91e GG, auf die einzelnen „Grundsätze“ im Sinne der Ewigkeitsgarantie auswirkt. Dabei soll – gewissermaßen als Kernbestandteil der vorherigen Erkenntnisse – eingangs nochmals23 in Erinnerung gerufen werden, dass Art. 79 Abs. 3 GG getreu seinem Wortlaut24 schützen will vor jeder „Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden“.

III. Prüfungsmaßstab Dass die Voraussetzungen von Art. 79 Abs. 3 GG in verschiedener Weise interpretiert und angewandt werden können, ist in § 9 bereits dargelegt sowie mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden validiert worden. Im Zuge der dortigen Ausführungen wurde vor allem aufgezeigt, dass die Auslegung des Begriffs „berühren“ – erkennbar an den gegenteiligen Ansätzen in Rechtsprechung und Schrifttum25  – unterschiedliche Ansatzpunkte für dessen Verständnis und praktische Anwendung eröffnet: Während der Verfassungswortlaut durch seine Formulierung eher ein weites Verständnis (wie die Literatur) nahe legt, weist die teleologische Auseinandersetzung mit der Unantastbarkeitsnorm eher auf ein enges Verständnis (ähnlich derjenigen des Bundesverfassungsgerichts) hin. Da beiden Ansichten damit die denkbaren Extrempositionen zugrundeliegen, würden sie vorliegend die Frage der Verfassungswidrigkeit möglicherweise in gegensätzlicher Weise beantworten.26 Diese auf den ersten Blick einleuchtende Schlussfolgerung ist bei detaillierter Prüfung sämtlicher Voraussetzungen von Art. 79 Abs. 3 GG allerdings

22

Vgl. insoweit Brenner, Der Staat 32 (1993), 493 (512 ff.), der es unternimmt, die damalige Verfassungsänderung in Art. 16a GG anhand von Art. 79 Abs. 3 GG und dessen Auslegung durch das BVerfG zu messen; hierzu speziell die dortigen S. 515 f. 23 In gleicher Weise bereits zu Beginn dieser Arbeit in der Einführung (§ 1). 24 Vgl. das Komplettzitat der Norm am Ende von § 1. 25 Zu den verschiedenen Auffassungen mitsamt der jeweiligen Interpretation der Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 79 Abs. 3 GG vgl. § 9 I. und II. mitsamt der abschließenden eigenen Stellungnahme zu dieser Thematik in § 9 III. 26 Detaillierte Untersuchungen oder Gutachten zu dieser Thematik liegen – soweit ersichtlich – bislang noch nicht vor. Lediglich das BVerfG hat sich jüngst im Rahmen einer Entscheidung betreffend die Optionskommunen – vgl. BVerfGE 137, 108 (143 ff.) – inzident in knappen Worten mit der Fragestellung einer eventuellen Verfassungswidrigkeit der Verfassungsänderung befasst und Art. 91e GG als verfassungsgemäß bestätigt, wenngleich ohne die in diesem Zusammenhang zu erwartende eingehende Prüfung anhand von Art. 79 Abs. 3 GG in seiner restriktiven Lesart, wie sie die (jedenfalls mehrheitliche) bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung favorisiert. Eine Zusammenfassung der wesentlichen Aussagen dieser Entscheidung zu Art. 91e GG und ihre kritische Betrachtung findet sich bereits in § 4 III. 1. b) und im vorangegangenen Abschnitt (§ 11 I.).

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4. Teil: Anwendung der Untersuchungsergebnisse auf Art. 91e GG 

keineswegs zwingend. Im Gegenteil ist diesbezüglich bereits erörtert worden27, dass beide Ansichten trotz ihrer Unterschiede beim Verständnis des Handlungsmaßstabs oftmals zu gleichen Ergebnissen gelangen. Abhängig vom jeweiligen Einzelfall28 ist es in der Praxis vielfach ein anderer Gesichtspunkt, der darüber entscheidet, ob eine Verfassungsänderung noch den Anforderungen von Art. 79 Abs. 3 GG entspricht oder nicht. Dass es infolgedessen in den meisten Fällen zu einem Gleichlauf beider Ansichten kommt, dürfte im Wesentlichen auf die weitere Voraussetzung der Ewigkeitsgarantie, die Restriktion auf „Grundsätze“, zurückzuführen sein, von denen Art. 79 Abs. 3 GG maßgeblich abhängt. Diese Voraussetzung wird nämlich von beiden Auffassungen in vergleichbarer, im Ergebnis wohl sogar übereinstimmender Weise als Restriktion auf Kerngehalte und Wesenselemente der Verfassung, interpretiert. Unterschiede zwischen beiden Auffassungen treten deshalb alleine mit Blick auf den zulässigen Handlungsmaßstab, d. h. die eingangs beschriebene Voraussetzung „berührt“, auf. Während das Bundesverfassungsgericht dort einen zweiten restringierenden Schwerpunkt setzt und so, um das Grundgesetz zukunftsoffen zu gestalten, den Anwendungsbereich der Unantastbarkeitsgarantie zusätzlich begrenzt, sehen große Teile des Schrifttums von einer solchen nochmaligen Restriktion ab und verschaffen dem Anwendungsbereich im Rahmen des Eingriffs (Stichwort „berühren“) eine größere Reichweite, die nach diesem Verständnis ausschließlich im Rahmen des Eingriffsobjekts (Stichwort „Grundsätze“) eingeschränkt wird. Dies bedeutet im Gesamtverständnis der Norm, dass das Bundesverfassungsgericht den Einfluss des Art. 79 Abs. 3 GG in doppelter Weise begrenzt, wohingegen die Reichweite der Ewigkeitsgarantie durch das (abweichende) Schrifttum nur eine einfache Beschränkung erfährt.29 Aus der Auslegung von Art. 79 Abs. 3 GG und der sich hieran anschließenden Stellungnahme zu dem vorgenannten Streit30 folgt allerdings die Erkenntnis, dass eine einfache Restriktion im Rahmen des Handlungsmaßstabs, wie im Ergebnis von der Literatur vertreten, den von Verfassung wegen formulierten Voraussetzungen am ehesten gerecht wird. Denn Art.  79 Abs.  3 GG erlangt eine seinem Sinn und Zweck Bedeutung tragende und daher hinreichende Restriktion bereits durch seinen Wortlaut31, d. h. die wortgemäße Interpretation und die darin angelegte Beschränkung auf die genannten Grundsätze, ohne dass es darüber hinaus zusätzlicher Einschränkungen, etwa aus teleologischen Erwägungen, bedürfte. Im Gegenteil würde eine restriktivere Auslegung des sehr weit formulierten Handlungsmaßstabs („berührt“) die Gefahr bergen, den Einflussbereich der Unantastbarkeitsgarantie entgegen dem Willen des Verfassunggebers, der in der gewählten Formulierung zum Ausdruck kommt, zu negieren. Immerhin wurde das Privileg der 27 Diese Feststellung wurde bereits in den einleitenden Absätzen zu § 9 III. getroffen und wird nunmehr im konkreten Anwendungsfall relevant. 28 Vgl. § 8 V. und später in der Einleitung zu § 9. 29 Siehe hierzu erneut die am Anfang von § 9 III. gewonnen und dargestellten Erkenntnisse. 30 Auch diesbezüglich wird auf § 9 III. verwiesen. 31 Die Auslegung des Begriffs „berührt“ wurde bereits in § 9 III. 1. a) dargetan.

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Änderungsfestigkeit, wie die Fokussierung auf „Grundsätze“ belegt, nur wenigen verfassungsrechtlichen Rechtssätzen zuerkannt. Dass andererseits jedoch bereits jede Berührung genügt, deutet an, dass den wenigen Schutzgütern ihre Privilegierung in weitreichendem Maße zukommen soll. Dies jedenfalls legt die faktisch nicht näher begrenzte Textfassung nahe, da Berührungen gemäß der originären Bedeutung jede Einwirkung erfassen und daher jede Begrenzung der Staatsgrundsätze als tauglicher Eingriff im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG zu klassifizieren ist. Nur auf diese weitreichende und von dem verfassunggebenden Gesetzgeber so gewollten, da andernfalls vom Wortlaut her stärker beschränkten, Weise lässt sich im Übrigen eine Gefährdung des deutschen Staates und seiner Grundlagen schon im Keim ersticken. Die zur Vermeidung eines ausufernden Anwendungsbereichs nötige Restriktion wird demgegenüber ausschließlich, jedoch im vorgenannten Sinne hinreichend dadurch sichergestellt, dass nur die Kerngehalte der Verfassungsprinzipien und insbesondere nur die geschriebenen oder ihnen gleichzustellende Inhalte u. a. aus Art. 20 GG als unantastbare Schutzobjekte („Grundsätze“) zugrunde zu legen sind. Folgerichtig wird ein Grundsatz bereits „berührt“, wenn auf die dort genannten oder in Bezug genommenen fundamentalen Leitgedanken der Staats- und Verfassungsprinzipien in irgendeiner Weise eingewirkt wird.32 Der Eingriff in die geschützten Grundsätze kann also – insoweit auf einer Linie mit der Literatur – in jeder möglichen Gestaltung liegen, welche die in Art. 79 Abs. 3 GG gelisteten Schutzgüter betrifft. Die ohne Zweifel unumgängliche Restriktion der Unantastbarkeitsgarantie folgt sodann aus der Beschränkung auf die wenigen dort genannten Eingriffsobjekte: Indem Art. 79 Abs. 3 GG seinem Wortlaut nach neben der ersten und zweiten Variante nur „Grundsätze“ aus Art. 1 und Art. 20 GG schützt, nimmt die Schrankennorm alleine auf die dort normierten Leitgedanken bzw. den in diesen Vorschriften niedergelegten Kern Bezug. Die speziell in Art. 20 GG enthaltenen Grundlagen des deutschen Staates sollen nicht ihrem vollem Umfang nach, sondern ausschließlich mit ihrer die Identität des Grundgesetzes prägenden Substanz bewahrt werden.33 Dementsprechend ist ein Erhalt der Staatsstrukturprinzipien einschließlich der von diesen benannten Grenzen einer Mischverwaltung für die ‚Ewigkeit‘34 nur insoweit vorgesehen, als dies zugleich Wesen und Identität der Verfassung betrifft. Es verbleibt somit hinsichtlich jedes einzelnen abgeleiteten Gesichtspunkts die Aufgabe, diejenigen Grenzen der Mischverwaltung herauszufiltern, die zugleich auch von Art. 79 Abs. 3 GG erfasst sind.35 Den vorgenannten Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt, genügt es zur Feststellung der Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit von Art. 91e GG mit Art. 79 Abs. 3 GG, nachstehend zu untersuchen, ob einzelne, von der Unantastbarkeitsgarantie ge 32

Vgl. § 9 III. 1. b) bzw. III. 3. Vgl. die entsprechenden Ausführungen in § 9 III. 2. b), III. 3. Und in § 10 I. 1. 34 Zu der Ungenauigkeit dieser Formulierung siehe bereits Fn. 4 zu Beginn von § 8. 35 Vgl. im Allgemeinen bereits die Ausführungen in § 10 II. 33

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schützte Teilinhalte der aus Art. 20 GG abgeleiteten Verfassungsprinzipien Bundesstaat, Demokratie und Rechtsstaat in ihrem jeweiligen Grundsatzgehalt tangiert bzw. beeinträchtigt werden, wie er im Verlaufe dieser Arbeit36 bereits herausgearbeitet wurde. Denn in Anbetracht der hier vertretenen Auffassung, dass für einen Eingriff im Sinne des maßgeblichen Handlungsmaßstabs („berührt“) jede Beeinträchtigung der von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grundsätze genügt und darüber hinaus keine weitergehenden Anforderungen zu prüfen sind, folgt aus der Annahme eines solchen Eingriffs in einen der änderungsfesten Kerngehalte der drei Verfassungsprinzipien bereits unmittelbar, d. h. ohne weiteren Zwischenschritt, ein Verfassungsverstoß. Im Ergebnis ist alleine ausschlaggebend, welche der bereits erläuterten37 Schutzgüter im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG (hier vorrangig der aus Art. 20 GG abgeleiteten Grundsätze) durch die verfassungsrechtliche Zulassung gemeinsamer Einrichtungen von Bund und Ländern / Kommunen in Art. 91e GG beeinträchtigt werden.

IV. Prüfungsteil I: „Grundsätze berührt“ durch Art. 91e GG? Die nachfolgende Prüfung von Art. 91e GG an diesen tatbestandlichen Voraussetzungen gemäß Art. 79 Abs. 3 GG, der für die Verfassungsänderung alleiniger Maßstab sein kann, orientiert sich hierbei der Übersichtlichkeit wegen zunächst an dem durch den verfassungsändernden Gesetzgeber erkennbar verfolgten bzw. ausdrücklich erklärten Ziel38, die bestehende einfachgesetzliche Ausgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in ihrer durch die im Jahr 2010 erlassenen Änderungen des SGB II modifizierten Gestalt verfassungsfest zu verankern (hierzu zunächst in Prüfungsteil I im laufenden Abschnitt IV.). Denn die Existenz des Art.  91e GG beruht vorliegend auf der ungewöhnlichen Situation, dass die Verfassungsänderung ausschließlich den Zweck verfolgte, die im einfachen Recht (d. h. im SGB II) bereits seit mehreren Jahren existierende und im Einzelnen bereits normierte Rechtslage grundgesetzlich abzusichern, wie es das Bundesverfassungsgericht im Jahr 200739 unter anderem als Möglichkeit aufgezeigt hatte. Der folgende Abschnitt legt der Prüfung am Maßstab der Ewigkeitsgarantie deshalb nur denjenigen materiell-inhaltlichen Gehalt von Art. 91e GG zugrunde, der ihm nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers40 unter Berücksichtigung der Ausformung in der einfachgesetzlichen Praxis zukommen sollte. Ob hingegen Art. 91e GG im Falle eines Verstoßes anderweitig, nämlich gegebenenfalls 36

Siehe hierzu bereits in § 10 II. Vgl. erneut § 10 II. 38 Dazu die näheren Ausführungen zu Beginn von § 3 I. 1. und II. 1. mitsamt den dortigen Fundstellen, darunter v. a. BT-Drs. 17/1554, S. 1 und 4. 39 Vgl. BVerfGE 119, 331 (369). 40 Denn auf diesen Willen ist der „normative Sinn“ einer Rechtsnorm „immer auch bezogen“, so (zu beiden Zitaten) explizit Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 319. 37

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grundsatzkonform ausgelegt werden könnte, soll – obwohl im Allgemeinen logisch vorrangig – aus Gründen der geordneten Darstellung und zum Zwecke leichterer Verständlichkeit erst im Anschluss thematisiert werden (dazu im Anschluss in Prüfungsteil II im nachfolgenden Abschnitt V.). 1. Methodischer Ansatz Anders als die zu § 44b SGB II a. F. im Jahr 2007 ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts41 hat die Prüfung des Art. 91e GG, da es sich um eine Verfassungsänderung handelt, nur noch Art. 79 (Abs. 3) GG samt der darin genannten Verfassungsinhalte, nicht aber – wie noch das einfache Recht – die gesamte Verfassung zum Maßstab. Alle über diesen Maßstab hinausgehenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Verflechtung der Staatsebenen, allen voran die im Verhältnis zur kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gemäß Art. 28 Abs. 2 GG aufgeworfenen Zweifelsfragen, mögen zwar politische Bedenken42 bestärken können, lassen sich aber (rechtlich gesehen) der durch die Verfassungsänderung begründeten Rechtslage nicht länger erfolgreich entgegenhalten, sondern allenfalls – vorbehaltlich der Annahme verfassungswidrigen und damit nichtigen Verfassungsrechts  – der einfachgesetzlich im Kern fortbestehenden Rechtslage. Zur Bestimmung der geschützten Grundsätze im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG ist hierbei Rückgriff zu nehmen auf die eine Mischverwaltung beschränkenden Aussagen der Verfassungsprinzipien43, soweit diese gleichzeitig von der Unantastbarkeitsgarantie in Bezug genommen und demgemäß dauerhaft gegen Veränderung geschützt sind.44 Nur mit ihrem derart begrenzten, also änderungsfesten Gehalt sind die Prinzipien der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Doch wirkt sich die Ausgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im einfachen Recht ausnahmsweise in erheblicher Weise auf das Verständnis der Verfassungsänderung aus. Denn obwohl die Verfassungsinterpretation aufgrund der Normenhierarchie nicht an die Ausgestaltung im einfachen Recht gebunden ist, sind die Verfassungsänderung (Art. 91e GG) und die einfachgesetzlichen Regelungen (SGB II) auf dem vorliegend betrachteten Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende in ihrer Zielsetzung eng miteinander verbunden. In diesem Punkt unterscheiden sich die Regelungen in diesem Rechtsbereich deutlich von den meisten oder sogar allen anderen. Grund hierfür ist die Reihenfolge, in der die normativen Grundlagen entstanden sind: beginnend im Jahr 2003 zunächst die Vorschriften im SGB II und erst deutlich später, nach einer Intervention des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2007 und im Anschluss an eine lange politische Diskussion bis in das Jahr 2010, deren Umsetzung in der Verfassung. 41

BVerfGE 119, 331 ff. Vgl. insoweit den Überblick über die rechtspolitischen Bedenken im Schrifttum in § 4 II. 43 Insgesamt zusammengefasst in § 6 I. bis III. 44 Siehe insoweit die Ausführungen in § 10 II. 42

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4. Teil: Anwendung der Untersuchungsergebnisse auf Art. 91e GG 

Der dargelegte Abriss der historischen Entwicklung sowie das allgemeine Verständnis der Norm haben insofern bekräftigt45, dass Art. 91e GG nicht losgelöst von der Gestaltung im SGB II betrachtet werden kann, weil die Verfassungsänderung lediglich eine Reaktion des verfassungsändernden Gesetzgebers auf frühere Gesetzgebungsprozesse bzw. die diesbezüglich in den vorangegangenen Jahren geführte Diskussion war: Im Kern dessen steht die schon umfassend thematisierte46 Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember 2007, in welcher der Zweite Senat § 44b SGB  II a. F. und das auf dieser Grundlage praktizierte Zusammenwirken von Bund und Ländern in Arbeitsgemeinschaften, den sog. ­ARGEn, für verfassungswidrig erklärt hat. Zur Lösung des von dem Gericht auferlegten Auftrags zur Schaffung verfassungsgemäßer Zustände entschloss sich der Gesetzgeber nach mehreren Jahren intensiver Diskussion und verschiedener Ansätze in den Jahren 2007 bis 2010, eine Grundlage für die im SGB II bestehende Rechtslage in das Grundgesetz aufzunehmen und damit die vorhandene einfachgesetzliche Gestaltung im Wege einer gemeinschaftlichen Aufgabenwahrnehmung verfassungsfest zu verankern.47 Im Verbund mit einzelnen Modifikationen insbesondere der Verantwortungs-, Weisungs- und Aufsichtsstränge im SGB II sowie einer gleichzeitigen Erweiterung der gesetzlichen Vorschriften um zusätzliche Detailregelungen48 sollte auf diesem Wege die in der Praxis bewährte Neuregelung anstelle der historisch überkommenen Aufspaltung in zwei Ebenen beibehalten werden können.49 Zusammengefasst bedeutet dies, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber bezüglich Inhalt und Reichweite des neu geschaffenen Art. 91e GG von der einfachgesetzlich existierenden und im Ausgangspunkt schon seit mehreren Jahren erfolgreich praktizierten Aufgabenwahrnehmung in den ARGEn ausging. Lediglich deren Bezeichnung wandelte sich vor dem Hintergrund ihres negativen Nachhalls in Folge der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung von Arbeitsgemeinschaften zu gemeinsamen Einrichtungen. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung der seit dem Jahr 2010 bestehenden gemeinsamen Einrichtungen ist im Wesentlichen, darunter besonders betreffend die Gesamtkonzeption als selbstständige Mischinstitutionen von Bund und Ländern / Kommunen, mit den bis dahin tätigen Arbeitsgemeinschaften identisch und weicht lediglich in diversen Detailregelungen von diesen ab. Vor allem sind die inhaltlichen Grundzüge und organisatorischen Strukturen trotz einiger Anpassungen und Korrekturen auf der Basis der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung50 in 45

Vgl. hierzu einleitend zu dieser Untersuchung in § 2 VI. sowie in § 3 I. und II., zur vorherigen historischen Entwicklung § 2 III. 46 Vgl. BVerfGE 119, 331 (361 und Ls.); hierzu ausführlich § 2 V. 2. b) zu Beginn dieser Arbeit. 47 Vgl. die Ausführungen zu Beginn von § 3 II. 1.; zum historischen Verlauf siehe § 2 VI. 48 Zu diesen Änderungen auf einfachgesetzlicher Ebene im Einzelnen sogleich. 49 Siehe hierzu die Begründungsansätze im Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU / CSU, SPD und FDP vom 4. Mai 2010, abgedruckt in BT-Drs. 17/1554. 50 Vgl. die Begründungen der Änderungen im SGB II in BR-Drs. 226/10 und BT-Drs. 17/1940: Darin ist mehrfach die Rede davon, Anpassungen und Modifizierungen anlässlich der bundes-

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ihrem Kern bestehen geblieben. Zu diesem Ergebnis gelangt jedenfalls ein Vergleich der seit dem Jahr 2010 bestehenden einfachgesetzlichen Vorschriften betreffend die gemeinsamen Einrichtungen mit den bis zu diesem Zeitpunkt existierenden Regelungen zu den Arbeitsgemeinschaften: Zwar wird im Rahmen einer solchen Gegenüberstellung zunächst deutlich, dass die überarbeiteten Vorschriften (z. B. § 44b und § 47 SGB II) bzw. neu geschaffenen Normen (§§ 44c-§ 44k SGB II n. F.) einen deutlich größeren Umfang einnehmen als die zuvor im Zweiten Sozialgesetzbuch bestehenden Bestimmungen (im Wesentlichen lediglich beschränkt auf § 44b, § 45 und § 47 SGB II a. F.). Doch wurden letztere bis zum Jahr 2010 regelmäßig um detaillierte und den aktuellen gesetzlichen Vorschriften sehr stark ähnelnde Regelungen in sog. „ARGE-Verträgen“, ihrerseits öffentlich-rechtliche Verträge über die Gründung und Ausgestaltung einer Arbeitsgemeinschaft gemäß § 44b SGB II a. F.51, ergänzt, die in den jüngsten Änderungen des SGB II lediglich unmittelbar in den Gesetzesrang heraufgestuft wurden und sich daher nun unmittelbar im Gesetzestext wiederfinden. Hiervon abgesehen haben sich die inhaltlich-organisatorischen Änderungen hingegen auf wenige, wenngleich mitunter relevante Anpassungen (dazu sogleich) beschränkt, während gleichzeitig die generelle Ausrichtung und das grundlegende Konzept in seinem Kern unverändert blieben. Demgemäß entsprechen die gemeinsamen Einrichtungen auch aktuell noch im Wesentlichen, vor allem in Bezug auf ihre wesentliche Gestaltung und den grundsätzlichen Aufbau, den früheren Arbeitsgemeinschaften; dies schließt vor allem die Ausstattung mit einer Trägerversammlung und einem Geschäftsführer zur Entscheidung über die Angelegenheiten der Einrichtung und zur Wahrnehmung ihrer Geschäfte sowie darüber hinaus die weiteren Bestimmungen betreffend Personal und Finanzierung ein. Im Übrigen ist zwar einerseits die bisher von Gesetzes wegen vorgesehene Einigungsstelle entfallen52, für die Abstimmung beider Träger andererseits jedoch ein sog. Kooperationsausschuss gebildet worden. Neben diesen vielfältigen Gemeinsamkeiten und dem weitreichenden Gleichlauf von gemeinsamen Einrichtungen und Arbeitsgemeinschaften haben sich bei näherer Betrachtung allerdings auch verfassungsgerichtlichen Kritik vorgenommen zu haben (z. B. in BR-Drs. 226/10, S. 2: „Der Entwurf baut damit auf den Erfahrungen der Zusammenarbeit auf und entwickelt diese im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiter.“). 51 Beispiele für derartige öffentlich-rechtliche Verträge vor den Änderungen des Grundgesetzes und des SGB  II im Jahr 2010, sind etwa für das Verhältnis zwischen dem Kreis Recklinghausen und der Bundesagentur für Arbeit, verfügbar unter https://www.kreis-re.de/dok/ ortsrecht/Or5-06.pdf (zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016), oder zwischen den Vertragspartnern Kreis Mettmann und Bundesagentur für Arbeit, verfügbar unter http://ratingen.kdvz.de/ ortsrecht/504.pdf (zuletzt abgerufen am 17. Dezember 2016), veröffentlicht. In dem vom SGB II nach seiner Änderung gezogenen Rahmen betreffend die „grundlegenden Entscheidungen über Organisationsstruktur, Organe sowie Aufgaben und Befugnisse der gemeinsamen Einrichtung“ (so die Formulierung in BR-Drs. 226/10, S. 37) obliegt die weitere Ausformung auch künftig einer diesbezüglichen Übereinkunft der beiden Träger; allerdings ist der Rahmen angesichts der umfassenderen gesetzlichen Regelungen deutlich enger gefasst. 52 Ehemals in § 45 SGB II a. F. geregelt, durch das Änderungsgesetz im Jahr 2010 jedoch ersatzlos aufgehoben (vgl. BR-Drs. 226/10, S. 45).

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nennenswerte Änderungen in dem Zurechnungs- und Verantwortungsgefüge innerhalb der gemeinsamen Einrichtungen ergeben: Speziell die Einwirkungsmöglichkeiten der beiden Träger haben beachtliche Anpassungen erfahren, sind nämlich in Folge der bundesverfassungsgerichtlichen Kritik besonders gestärkt worden.53 Vor allem wurde den Trägern nunmehr in den ihnen vom Gesetz überantworteten Teilbereichen ein eigenes Weisungsrecht54 zugestanden, um die gemeinsamen Einrichtungen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit an ihre Auffassung zu binden, und gleichzeitig ihre jeweilige Aufsichtsbefugnis55 in Fortsetzung dessen differenzierter gestaltet. Trotz dieser punktuellen Modifikationen kann aber von einer inhaltlich korrigierten Neuorientierung oder sogar Reformierung der Mischeinrichtungen von Bund und Ländern / Kommunen angesichts der starken Ähnlichkeit der gemeinsamen Einrichtungen zu den ehemaligen Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) und aufgrund der nahezu unveränderten Fortsetzung der gemeinschaftlichen Aufgabenwahrnehmung in der Praxis keine Rede sein. Dies gilt nicht zuletzt insbesondere angesichts des Umstandes, dass das zentrale Verständnis als separate Institutionen mitsamt der darin vereinigten Träger keine Umbildung erfahren hat.56 Konkret ist vorgesehen, dass in den gemeinsamen Einrichtungen auch künftig „die Kompetenzen beider Träger gebündelt und deren Leistungen gemeinsam und einheitlich erbracht“ werden, um den „erwerbsfähigen Hilfebedürftigen […] eine staatliche Stelle“ als Ansprechpartner zur Leistungsvermittlung bieten zu können.57 Dies entspricht somit auch dem Willen des Gesetzgebers, nach dessen Begründung58 die Unterschiede gegenüber der früheren, höchstrichterlich für verfassungswidrig erklärten Rechtslage explizit in der nun bestehenden verfassungsrechtlichen Absicherung einerseits und der überarbeiteten Zuweisung von Verantwortlichkeiten einschließlich ihrer besseren Erkennbarkeit andererseits bestünden. 53

Vgl. hierzu die Begründungen des Gesetzentwurfs zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende, mit welchem das SGB II im Jahr 2010 als Folge der Entscheidung des BVerfG vom 20. Dezember 2007 und fast gleichzeitig mit der Einfügung von Art. 91e GG in das Grundgesetz überarbeitet wurde; im Einzelnen v. a. BR-Drs. 226/10, S. 23, 37, 47. 54 Normiert in § 44b Abs. 3 S. 2 SGB II n. F. (in Kraft getreten zum 1. Januar 2011). 55 Anstelle der vormals eher knappen Formulierung in § 44b Abs. 3 S. 4 SGB II a. F. sind die Aufsichtsbefugnisse nun in § 47 Abs. 1–3 SGB II n. F. normiert. 56 Dies belegen wiederum BR-Drs. 226/10 und BT-Drs. 17/1940: In der dortigen Begründung zu den gesetzlichen Änderungen des SGB II finden sich konkrete Reformansätze nur in vereinzelten Detailregelungen, also etwa durch die Integration eines Weisungsrechts der Träger oder der Separierung der Aufsichtsstrukturen, nicht jedoch in der Gesamtkonzeption. Im Gegenteil sollte die Grundgesetzänderung in Art. 91e GG zum Anlass genommen werden, die Existenz gemeinsamer Einrichtungen verfassungsrechtlich zulässig zu machen. 57 Zum Vorstehenden einschließlich der beiden Zitate ebenfalls ausdrücklich BR-Drs. 226/10, S. 23 (1. Zitat) bzw. S. 36 (2. Zitat). 58 Auch diesbezüglich lassen sich der Begründung des Änderungsgesetzes für das SGB II, abgedruckt in BR-Drs. 226/10, S. 23 ff., zahlreiche Hinweise (v. a. die dortigen S. 23 und S. 36) entnehmen. Nach den dortigen Angaben sei (sinngemäß zusammengefasst) versucht worden, die Entscheidung des BVerfG vom 20. Dezember 2007 zur Grundlage zu nehmen und den dort genannten Aspekten hinreichend Rechnung zu tragen.

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Ob die vorstehend im Überblick genannten Modifikationen der ursprünglich für verfassungswidrig erklärten ARGEn bei gleichzeitiger Begrenzung des anzuwendenden Prüfungsmaßstabs (vgl. Art. 79 Abs. 3 GG, dazu zuvor) bereits genügen, um von einer nunmehr verfassungsmäßigen Rechtslage sprechen zu können, ist Gegenstand der nun folgenden Ausführungen im Rahmen von Prüfungsteil I. Insoweit soll zunächst – wie eingangs angedeutet – die Verfassungsmäßigkeit von Art.  91e GG unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Grundgesetznorm zur verfassungsrechtlichen Verankerung des im Wesentlichen bereits vorhandenen und nur punktuell angepassten einfachen Rechts geschaffen wurde, die Rechtslage im Kern, weil nach der Vorstellung des verfassungsändernden Gesetzgebers also demselben bzw. hieraus abgeleiteten Grundverständnis eines Handelns „in gemeinsamen Einrichtungen“ folgt, geprüft werden. Die Untersuchung von Art. 91e GG orientiert sich zu diesem Zweck im Ausgangspunkt zunächst an der nach den Gesetzesänderungen im Jahr 2010 bestehenden Ausgestaltung gemeinsamer Einrichtungen im SGB II (n. F.), da die dortigen Vorstellungen bei der Entscheidung zur Verfassungsänderung wie auch bei ihrer Verwirklichung Pate gestanden haben. Erst im Anschluss an diese Prüfung unter gedanklicher Zugrundelegung der bestehenden Rechtslage im einfachen Recht, d. h. im SGB II n. F., im Rahmen der neu geschaffenen Verfassungsnorm ist eine weitergehende und einen eventuellen Verfassungsverstoß korrigierende Auslegung der Verfassungsänderung nach allgemeinen Auslegungsregeln überhaupt sinnvoll.

2. Berührung der Grundsätze im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG Naheliegende Folge der Orientierung von Art. 91e GG an den bestehenden gemeinsamen Einrichtungen im Sinne der Vorlage im SGB II ist es allerdings, dass die meisten der im Jahr 2007 getroffenen Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts ihrem Grunde nach – jedenfalls in Bezug auf die Kernfragen – auch heute noch Gültigkeit besitzen. Viele der in dieser Entscheidung aufgedeckten verfassungsrechtlichen Mängel der Arbeitsgemeinschaften dürften damit auch aktuell noch fortbestehen und demgemäß die neuen gemeinsamen Einrichtungen auf Grundlage von Art. 91e GG, da nach dem Vorstehenden abgesehen von der Bezeichnung und einzelnen Detailregelungen im SGB II n. F. nahezu identisch mit den früheren ARGEn, rechtlich an zum Teil ähnlichen Schwächen wie die im Jahr 2007 für verfassungswidrig erklärten Arbeitsgemeinschaften im Sinne des SGB II a. F. leiden. Dafür spricht, dass sich durch die Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage lediglich der Bewertungsmaßstab gewandelt, nämlich auf die von Art.  79 Abs.  3 GG geschützten Grundsätze reduziert hat, zugleich jedoch umfassende inhaltliche Änderungen oder eine grundlegende Reform des gesamten Konzepts ausgeblieben sind, auf deren Basis die bundesverfassungsgerichtlichen Kritikpunkte in ihrer Gesamtheit als bereinigt angesehen werden könnten. Vor diesem Hintergrund, zumal wegen der gedanklichen Anknüpfung an die Arbeitsgemein-

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schaften, haben sich materiell-inhaltlich in Bezug auf zahlreiche Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts59 zu den grundlegenden Mängeln der von Bund und Ländern / Kommunen gemeinsam wahrgenommenen Grundsicherung für Arbeitsuchende nahezu keine Änderungen ergeben. Nur an vereinzelten Stellen existieren infolge der dortigen einfachgesetzlichen Modifikationen in Aufbau und Struktur der gemeinsamen Einrichtungen erwähnenswerte Änderungen gegenüber den früheren Arbeitsgemeinschaften, die sich infolge des eins zu eins übertragenen Verständnisses mittelbar auch auf das Verständnis der Verfassungsänderung auswirken. Durch die Einfügung von Art. 91e GG als verfassungsrechtliche Absicherung in das Grundgesetz ist zwischenzeitlich ausschließlich der Prüfungs- und Bewertungsmaßstab, der zuvor die gesamte Verfassung enthielt, auf die von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grundsätze verengt worden, weshalb die Frage nach den rechtlichen Auswirkungen der ihrem Inhalt nach vielfach fortbestehenden Kritikpunkte nunmehr neu zu stellen ist. Die Schaffung einer grundgesetzlichen Regelung, die nach dem Vorbild des bestehenden einfachen Rechts konzipiert wurde, wirkt sich aber selbst nicht unmittelbar auf das materielle Verständnis aus, weil sich aus ihr keine inhaltlichen Änderungen für die gemeinsamen Einrichtungen ergeben. Sie ist lediglich dazu bestimmt, die durch das im SGB II a. F. begründete und für verschiedene Detailfragen im SGB II n. F. modifizierte Vorstellung von gemeinsamen Einrichtungen, die auf dieser Basis auch dem verfassungsändernden Gesetzgeber vorschwebte, mit einem verfassungsrechtlichen Überbau zu versehen. Doch vermag Art. 91e GG als solches zunächst ausschließlich den ersten Kritikpunkt des Bundesverfassungsgerichts, dass eine derartige Mischverwaltung aus Bund und Ländern auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende „nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht vorgesehen“60 sei, zu beseitigen. Weil die neue Grundgesetznorm allerdings inhaltlich mit ihrer abstrakt und zugleich knapp gehaltenen Zulassung der gemeinsamen Einrichtungen keine materiell-rechtlichen Vorgaben bereithält, können die vom Bundesverfassungsgericht in den nachfolgenden Teilen seiner Entscheidung im Jahr 200761 – gewissermaßen als zweiter bzw. auch dritter Kritikpunkt – angesprochenen Zweifelsfragen, d. h. Probleme mit den Verfassungsprinzipien vor allem des Bundesstaates und der Demokratie sowie ergänzend auch des Rechtsstaates, nicht automatisch ebenfalls

59 Zu diesen Feststellungen, die sich auf die heutige Situation inhaltlich weiterhin übertragen lassen und deshalb nachstehend auf Grundlage des Urteils des BVerfG – abgedruckt in BVerfGE 119, 331 (361 ff.) – zusammengefasst sind vgl. abermals die kompakte Übersicht der wesentlichen verfassungswidrigen Teilaspekte in § 2 V. 2 b). 60 So BVerfGE 119, 331 (369) mit näheren Erläuterungen im gesamten Abschnitt III. 2. b) der Entscheidung. 61 Zu diesen Problemen bei der Errichtung von gemeinschaftlichen Einrichtungen des Bundes und der Länder verhielt sich das BVerfG ausführlich  – damals lediglich unter anderer Bezeichnung derselben – in BVerfGE 119, 331 (372 ff.), besonders im Abschnitt III. 2. c) der Entscheidung. Dabei trennte das Gericht ersichtlich zwischen bundesstaatlichen (S. 372 ff. = Abschnitt III. 2. c) aa)) und demokratischen bzw. rechtsstaatlichen Einwänden (S. 387 ff., Abschnitt  III. 2. c) aa)).

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als gelöst erachtet werden. Stattdessen bedarf es insoweit einer Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit von Art. 91e GG anhand von Art. 79 Abs. 3 GG. Doch sind die damaligen Kritikpunkte auch heute noch geeignet, die im anzuwendenden Maßstab veränderte Prüfung der Verfassungsänderung dem Grunde nach anzuleiten. Ob die vor Jahren höchstrichterlich festgestellte Verfassungswidrigkeit der ­ARGEn gemäß § 44b SGB  II a. F. sodann auch aktuell gegenüber der diesbezüglichen Grundgesetzänderung (Art. 91e GG) aus dem Jahr 2010 fortdauert und dazu führt, dass diese an dem in mehrfacher Hinsicht gewandelten Maßstab – zum einen nur die materiellen Schranken des Art. 79 Abs. 3 GG, zum anderen neues Verständnis im Sinne von § 44b SGB II n. F. – scheitert, ist nunmehr Gegenstand der nachfolgenden Prüfung, die der besseren Übersichtlichkeit wegen trotz gewisser Überschneidungen nach den maßstabsbildenden Verfassungsprinzipien differenziert: a) Berührung bundesstaatlicher Grundsätze In diesem Zusammenhang soll zunächst geklärt werden, welche der in § 10 II. 1. angesprochenen bundesstaatlichen Elemente, die eine Mischverwaltung zwischen Bund und Ländern betreffen und zugleich von Art. 79 Abs. 3 GG als unantastbare Bestandteile in Bezug genommen sind, durch die in Art. 91e GG geschaffene Möglichkeit zu gemeinsamen Einrichtungen tangiert werden. Auch das Bundesverfassungsgericht stützte seine Entscheidung aus dem Jahr 2007 maßgeblich auf den bundesstaatlichen Gesichtspunkt62, zumal dieser im Verhältnis zwischen Bund und Ländern schon seinem materiellen Gehalt nach eine richtungweisende Aussagekraft besitzt. Es ist bereits dargelegt worden63, dass die in Art.  79 Abs.  3 GG enthaltenen, den Bundesstaat betreffenden drei Varianten gleichwertig sind und es einer genauen Differenzierung zwischen ihnen nicht bedarf. Im Übrigen kann jedenfalls die Variante, welche die Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung sichert, außer Betracht gelassen werden, weil diese von gemeinsamen Einrichtungen, wie sie Art. 91e GG gestattet, in keiner Weise beeinträchtigt wird; die gesetzgeberischen Befugnisse der Länder werden weder insgesamt geschmälert, noch in erheblichem Maße bislang bestehende Rechte aufgehoben. Kern der bundesstaatlich fundierten Grenzen einer Mischverwaltung und damit auch zentraler Kritikpunkt an ebenenübergreifenden „gemeinsamen Einrichtungen“ ist insbesondere die Pflicht zur Erhaltung eigenständiger Glieder im Bundesstaat. Diesen müssen jeweils nicht nur genügende Aufgaben von substantiellem Gewicht im Rahmen ihrer Kompetenzen bezüglich jeder der drei Gewalten verbleiben, sondern ihnen muss insoweit jedenfalls im Grundsatz auch hinreichende 62

Vgl. abermals BVerfGE 119, 331 (364 ff., 372 ff.). Siehe § 10 II. 1.

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Autonomie und Selbstständigkeit garantiert sein.64 Wenngleich hiervon in Bezug genommen, ist die übergeordnete Grobstruktur des Bundesstaates einschließlich der Garantie der jeweiligen Staatsqualität beider Ebenen von der Eigenständigkeit im Übrigen abzugrenzen. Zwar schützt Art. 79 Abs. 3 GG in der Formulierung „Gliederung des Bundes in Länder“ – wie gezeigt65 – eindeutig diese substantiellen Voraussetzungen eines Bundesstaates, doch wird auch dieser Garantiegehalt durch Art. 91e GG bereits nicht ansatzweise tangiert. Die Zulassung gemeinsamer Einrichtungen des Bundes und Länder auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende betrifft nur einen bestimmten Teilbereich staatlicher Verwaltungstätigkeit und lässt insoweit die allgemeine Zuständigkeitsverteilung und generelle Trennung der staatlichen Ebenen unberührt. Insbesondere bleiben Bund wie Ländern jeweils Kernbestände eigener Aufgaben erhalten, eine Aushöhlung ihres jeweiligen Zuständigkeitskerns oder sogar eine Gefährdung ihres individuellen Fortbestands ist demnach nicht zu befürchten. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung der immensen Bedeutung, die diesem Rechtsbereich politisch sowie angesichts der Zahl der hiervon betroffenen Bürger zukommt.66 Gleichwohl67 wirkt sich Art. 91e GG aber auf die bundesstaatliche und zugleich von Art. 79 Abs. 3 GG gesicherte Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung aus, aufgrund derer Verflechtungen beider Ebenen jedenfalls ohne Verfassungsregelung regelmäßig nur aus sachlichem Grund anerkannt werden können.68 Obwohl Art. 91e GG die verfassungsrechtliche Grundlage schafft und durch die gemeinsamen Einrichtungen auf einem Rechtsgebiet die Eigenständigkeit der Länder nicht insgesamt, d. h. in ihrer Qualität als Gliedstaaten überhaupt, bedroht wird, wirkt die Verfassungsänderung dennoch auf ihre Selbstverantwortlichkeit in einem vielbeachteten und politisch relevanten Kompetenzbereich, nämlich die Landeszuständigkeit bzw. kommunale Trägerschaft im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein. 64 Vgl. ausführlich in § 6 I. 2. a) und in § 10 II. 1. Diesen Aspekt hebt BVerfGE 137, 108 (144) als maßgebliches Gebot des bundesstaatlichen Verfassungsprinzips besonders hervor. 65 Siehe erneut § 10 II. 1. 66 Vgl. die ähnlichen Hinweise in BVerfGE 119, 331 (371 und 383) zu den „sozialen und finanziellen Dimensionen der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ (zum Zitat a. a. O., S. 371). 67 Hingegen scheint Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 103 a. E. diesen weiteren Schritt zum qualitativen Grad des Eingriffs in die Eigenverantwortlichkeit des Bundes und der Länder unberücksichtigt zu lassen, indem er ausschließlich auf die Quantität des Zusammenwirkens, d. h. die betroffene Gesamtzahl an Gemeinschaftsaufgaben, abstellt und daher die Frage der Verfassungswidrigkeit weiterer grundgesetzlicher Regelungen in Art. 91a ff. GG erst im Falle ihrer zunehmenden Erweiterung, welche er in der aktuellen politischen Situation ohnehin befürchtet (Rn. 102), für geboten erachtet. Ausgehend von dem in dieser Arbeit dargelegten Verständnis der Ewigkeitsgarantie und der darin geschützten Grundsätze – hier des Bundesstaatsgedankens – kann jedoch schon die entsprechend hohe Intensität eines einzelnen Übergriffs in die Eigenverantwortlichkeit von Bund und Ländern der Zulässigkeit einer Verfassungsänderung entgegenstehen, mithin die Verfassungswidrigkeit einer derartigen Anordnung zu besonders intensiver Zusammenarbeit begründen. 68 Erkennbar in den gerichtlichen Ausführungen in BVerfGE 119, 331 (370), bereits ein­ gehend zusammengefasst in § 2 V. 2. b).

§ 11 Prüfung des Vorwurfs der Verfassungswidrigkeit von Art. 91e GG 

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In diesem Zusammenhang ist durch die Zusammenführung69 von Bund und Ländern bzw. Kommunen (als Teil der letzteren) in gemeinsamen Einrichtungen entgegen ihrer regelmäßigen Trennung70 zwar nicht zwingend die jeweilige Eigenständigkeit begrenzt bzw. ihre verfassungsrechtlich garantierte Freiheit zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung aufgehoben. Denn immerhin kennt das Grundgesetz keinen numerus clausus der Verwaltungseinrichtungen und sind auch in einem Bundesstaat – wie gezeigt71 – Kooperationen beider Ebenen trotz ihrer allgemeinen Separierung grundsätzlich anerkannt. Doch dürfen solche Regelungen trotzdem nicht dazu führen, dass die Eigenständigkeit beider Ebenen oder zumindest der Länder als Glieder des Bundes in einem Rechtsbereich eingeschränkt oder sogar nahezu aufgehoben ist. Stets muss Bund und Ländern als den im Grundgesetz vorgesehenen Kompetenzträgern die eigenständige und -verantwortliche Aufgabenwahrnehmung bzw. -erfüllung vorbehalten bleiben72, ohne dass insoweit die Möglichkeit des Verzichts gegeben wäre.73 Hierfür sind jedoch die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Dieselben Voraussetzungen für ein eigenverantwortliches Tätigwerden finden sich im Übrigen auch – unabhängig von der Überlegung, ob das abstrakte Bundesstaatsprinzip als solches mangels geschriebenen Ursprungs in Art. 20 Abs. 1 GG als der in Bezug genommenen Norm von der Unantastbarkeit erfasst sein kann74 – bereits in der ersten Variante von Art. 79 Abs. 3 GG, der Gliederung des Bundes in Länder. Es wurde bereits ausführlich dargelegt75, dass hiervon nicht nur die Existenz von Gliedstaaten als solchen, sondern auch ihre eigenständige Relevanz gegenüber dem Bund und zu diesem Zweck ein Grundstock eigener Kompetenzen samt dem Recht zu autonomer Erledigung derselben und selbstständig gewählter Organisation gewährleistet sind. Das allgemeine Bundesstaatsprinzip vertieft diese Gedanken lediglich noch, soweit man mit dem hier vertretenen Ansatz ein solches aus Art. 20 GG oder der Bundesstaatskonzeption des Grundgesetzes und den betreffenden Vorschriften herauslesen und sodann garantiert wissen will. Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich die Eigenverantwortlichkeit der beiden Träger bei dem seit dem Jahr 2010 gültigen Verständnis der gemeinsamen Einrichtungen, anders als noch im Jahr 2007, nicht eindeutig im negativen Sinne beantworten. Stattdessen bedarf es aufgrund der seitdem gültigen Modifikationen vor allem 69 Bei Meyer, NVwZ 2015, 116 (120) ist sogar die Rede von einer „den zweistufigen Staatsaufbau durchbrechende[n]“ Wirkung von Art. 91e GG, obwohl Meyer i. E. der Linie des BVerfG aus BVerfGE 137, 108 (144 f.) folgt und eine Verfassungswidrigkeit der Verfassungsänderung im Anschluss an die dortigen Ausführungen ebenfalls verneint (hierzu weiterhin a. a. O. und näher auf der dortigen S. 118). 70 Zu dem Grundsatz getrennter und damit eigenverantwortlicher Verwaltungsräume von Bund und Ländern vgl. die Ausführungen in § 5 II. 1. 71 Vgl. § 5 II. 2. c), II 3. sowie § 6 I. 2. c). 72 Siehe in § 5 II. 1. b) und weitergehend in § 5 II. 2. b). 73 Ausführlich in § 5 II. 1. d). 74 Hierzu eingehend in § 6 I. 1. b) und dies aufgreifend in § 10 II. 1. 75 Vgl. § 10 II. 1.

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im Bereich der beiderseitigen Verantwortlichkeiten und ihrer Abgrenzung voneinander künftig einer Differenzierung zwischen der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung bzw. Leistungserbringung einerseits sowie Eigenverantwortung auf dem Gebiet der personellen bzw. strukturellen Organisation andererseits: aa) Aufgabenwahrnehmung / Leistungserbringung Im Gegensatz zu den früheren ARGEn, innerhalb derer jeder Träger – so die Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts76  – ständig über das Ob und Wie der Aufgabenerfüllung mitentscheiden durfte und somit keiner von beiden Trägern eigenständig tätig zu werden vermochte, kann die eigenverantwortliche Entscheidungsfreiheit jedes Trägers über die in seinem Zuständigkeitsbereich zu erbringenden Leistungen aktuell als gesichert bezeichnet werden: Zwar sind die gemeinsamen Einrichtungen auch im Rahmen der jetzigen einfachgesetzlichen Ausgestaltung, die Art. 91e GG zugrunde liegt, in ihrem Kern als selbstständige Verwaltungseinheit konzipiert, die Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide im eigenen Namen, d. h. nicht im Namen von Bund und Ländern / Kommunen als den dahinter stehenden Trägern, erlassen.77 Doch müssen sich die Vorstellungen der beteiligten Verwaltungsträger bei der Aufgabenwahrnehmung in den Einrichtungen in deutlicher Abweichung von der im Jahr 2007 für verfassungswidrig erklärten Gesetzesfassung78 nicht länger unbedingt untereinander decken; die damals gerügte Verpflichtung der Träger zur ganzheitlichen Leistungserbringung besteht insoweit nicht mehr. Stattdessen sieht die jüngste Konzeption der gemeinsamen Einrichtungen, wie sie durch die gedankliche Bezugnahme des verfassungsändernden Gesetzgebers auf das SGB  II und die dortige Ausgestaltung auch in Art. 91e GG ihren Niederschlag gefunden hat, für jeden der beiden Träger ein Weisungsrecht in dem von ihm zu verantwortenden Leistungsbereich vor.79 Dadurch besteht für Bund wie auch Länder / Kommunen nunmehr die Möglichkeit der durchgreifend eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung, da sie durch Weisungen explizit „die gemeinsame Einrichtung an ihre Auffassung […] binden“80 können, um auf diesem Wege letztgültig ihre eigenen Vorstellungen um zusetzen. Wegen der gleichzeitigen Aufteilung der Weisungsrechte nach Aufgabenbereichen81 besteht hierbei gleichzeitig auch nicht die Gefahr, dass – wie der Zweite 76

Hierzu ebenfalls BVerfGE 119, 331 (373); siehe bereits in § 2 V. 2. b). Vgl. § 44b Abs. 1 S. 3 SGB II n. F. sowie die diesbezüglichen Ausführungen zur Begründung des Gesetzentwurfs zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende (abgedruckt in BR-Drs. 226/10, S. 23). 78 Die entsprechende Feststellung in BVerfGE 119, 331 (373) zu den ursprünglichen ARGEn gilt angesichts der Erläuterungen im Fließtext nicht länger in unveränderter Weise auch gegenüber den gemeinsamen Einrichtungen fort. 79 Vgl. § 44b Abs. 3 S. 2 SGB II n. F. 80 So die Formulierung in § 44b Abs. 3 S. 3 SGB II n. F. (a. E.). 81 Vgl. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB II n. F. 77

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Senat noch formulierte82 – Leistungen von den gemeinsamen Einrichtungen bei widersprüchlichem Meinungsbild beider Träger nur durch den Verzicht eines von ihnen auf seine Auffassung gewährt werden könnten. Im Gegenteil liegt aufgrund der Weisungsbefugnis die volle „Verantwortung für die rechtmäßige Leistungserbringung“83 gegenwärtig bei dem jeweils zuständigen Träger. Dieser vermag nunmehr im Unterschied zur früheren Rechtslage seine Verantwortlichkeit effektiv und bedingungslos durchzusetzen84, weshalb ihm in der Sache auch tatsächlich das von Verfassung wegen geforderte „Letztentscheidungsrecht“85 zukommt. Entsprechendes gilt des Weiteren auch im Hinblick auf die den gemeinsamen Einrichtungen im Sinne des Art. 91e GG zugrunde gelegten Aufsichtsregelungen, die in Abweichung von den im Jahr 2007 bestehenden Regelungen – wie schon angedeutet – erkennbar zwischen den Trägern differenzieren und an deren „gesetzliche Aufgaben- bzw. Verantwortungszuweisung“86 anknüpfen. Damit sind die beiderseitigen Verantwortlichkeiten der beteiligten Träger im Rahmen der Aufsicht, jedenfalls soweit die Leistungserbringung betroffen ist, nun deutlicher voneinander getrennt.87 Namentlich ist die jeweilige Rechts- und Fachaufsicht an die Reichweite des Weisungsrechts eines Trägers gebunden, d. h. sowohl dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales als auch der zuständigen Landesoberbehörde steht ein Aufsichtsrecht lediglich innerhalb ihrer Kompetenzen und damit in den von ihnen selbst verantworteten Sachbereichen zu.88 Demgegenüber ist für alle hierüber hinausgehenden Angelegenheiten, für welche sich beide Träger innerhalb der Trägerversammlung gemeinsam verantwortlich zeichnen, lediglich eine Rechtsaufsicht vorgesehen. Diese ist dem Bund übertragen und mit der Auflage verbunden, insoweit möglichst Einvernehmen mit den Ländern herzustellen; fehlt es jedoch hieran, erklärt das Gesetz hilfsweise vorbehaltlich wichtiger entgegenstehender Gründe eine Empfehlung des Kooperationsausschusses für ausschlaggebend.89 Angesichts dessen lassen sich auch im Hinblick auf die Aufsichtsregelungen90 die

82

Siehe schon BVerfGE 119, 331 (375 f.). So BR-Drs. 226/10, S. 23. Die dortige Begründung belegt, dass der einfache Gesetzgeber und infolgedessen – angesichts der von diesem abgeleiteten Vorstellung gemeinsamer Einrichtungen – auch der verfassungsändernde Gesetzgeber die bessere Trennung der Verantwortlichkeiten gegenüber der im Jahr 2007 für verfassungswidrig erklärten Gestaltungsweise bewusst in den Blick genommen haben. 84 In ähnlicher Weise („Trägerverantwortung auch umsetzen kann“) findet sich dieser zentrale Gesichtspunkt im Rahmen der Gesetzesbegründung in wiederholter Form wieder, namentlich in BR-Drs. 226/10, S. 37 (dort auch zum vorstehenden wörtlichen Klammerzitat). 85 In dieser Weise formuliert in BR-Drs. 226/10, S. 39, dort mit dem Ziel der Abgrenzung von den klar definierten Aufgaben der Trägerversammlung. 86 So BR-Drs. 226/10, S. 47. 87 Siehe abermals die Begründungsansätze im Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende (abgedruckt in BR-Drs. 226/10, S. 23). 88 Vgl. § 47 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 SGB II n. F. 89 Vgl. § 47 Abs. 2 S. 1–3 SGB II n. F. 90 Damit sind abermals § 47 Abs. 2 S. 2 und S. 3 SGB II n. F. in Bezug genommen. 83

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4. Teil: Anwendung der Untersuchungsergebnisse auf Art. 91e GG 

früheren Einwände des Bundesverfassungsgerichts91, wonach wegen der kritischen Mischorganisation eine „problematische Zwischenstellung“ anzunehmen und das Fehlen einer allgemeinen Fachaufsicht bedenklich sei, gegenüber dem aktuellen Verständnis von gemeinsamen Einrichtungen im Sinne von Art. 91e Abs. 1 GG, das auf den Regelungen im SGB II n. F. basiert, nicht länger aufrechterhalten. Diese Schlussfolgerung gilt schließlich auch für den im Jahr 2007 ebenfalls noch kritisierten Umstand, dass es an Bestimmungen für den Fall fehlenden Einvernehmens beider Träger fehle.92 Diesen Bedenken ist der einfachgesetzliche Gesetzgeber, dessen Normen im SGB II hier zunächst als Ausgangspunkt der Überlegungen für das Verständnis der Verfassungsänderung dienen, zwischenzeitlich im Jahr 2010 durch Begründung eines Kooperationsausschusses nachgekommen, in dem sich Vertreter beider Träger befinden und welcher zum einen in Fällen fehlenden Einvernehmens, etwa bezüglich der Zuständigkeit zur Erteilung von Weisungen oder im hieraus abzuleitenden Bereich der Aufsicht, sowie zum anderen in Fällen grundsätzlicher Bedeutung anzuhören ist, um eine Empfehlung abzugeben.93 Durch diese Modifikationen belegt die jüngste einfachgesetzliche Umsetzung, die zur Grundlage der verfassungsändernden Vorstellung geworden ist und hier zunächst maßgeblich sein soll, erneut die auf Basis der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung prägende Intention, den „Interessen beider Träger so weit wie möglich Rechnung zu tragen, ohne die Verantwortung der Träger für ihren Aufgabenbereich einzuschränken“94. Nach alledem ist bei Zugrundelegung der aktuellen einfachgesetzlichen Ausgestaltung davon auszugehen, dass gemeinsame Einrichtungen im Sinne von Art. 91e Abs. 1 GG die Anforderungen an die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung im Rahmen der Leistungserbringung zwischenzeitlich und damit anders als noch bis zum Jahr 2010 erfüllen. bb) Organisatorische und personelle Mitsprache Doch im Gegensatz zum Bereich der Aufgabenerledigung und Leistungserbringung, bezüglich derer jedem Träger nun Einwirkungsmöglichkeiten durch seine Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse zustehen, fehlt Bund wie Ländern / Kommunen im Rahmen der organisatorischen und personellen Gestaltung der gemeinsamen Einrichtungen auch weiterhin die von Verfassung geforderte Eigenverantwortlichkeit und Eigenständigkeit. Denn letztere werden auch nach der geänderten 91

Hierzu inkl. nachfolgendem Zitat eingehend BVerfGE 119, 331 (377 f., zum Zitat S. 377). BVerfGE 119, 331 (377 f.). 93 Vgl. zu den Grundlagen des neu errichteten Kooperationsausschusses § 44e Abs. 2 SGB II n. F. und zu seinen relevanten Ressorts beispielsweise § 44b Abs. 3 S. 4 f., § 44e Abs. 1 S. 1 oder § 47 Abs. 2 S. 2, 3 SGB II n. F. 94 So ausdrücklich die Begründung der im Jahr 2010 erfolgten Änderungen, abgedruckt in BR-Drs. 226/10, S. 37. 92

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Gesetzes­lage, auf welcher das Verständnis von Art. 91e GG im Ausgangspunkt zunächst beruhen sollte, ganzheitlich durch eigene Verwaltungseinheiten/-organe innerhalb der gemeinsamen Einrichtungen wahrgenommen.95 Indem das Gesetz beiden Trägern insoweit jedoch eine Pflicht zur Einigung in wegweisenden und essentiellen Fragen bei der Organisation auferlegt, wird ihre jeweilige Organisationsfreiheit erheblich tangiert:96 Dies zeigt sich, obwohl die gemeinsamen Einrichtungen selbst nicht über Personal verfügen, da dieses stets von einem der beiden Trägern als jeweiligem Dienstherrn entsandt wird97, ganz besonders deutlich in den Leitungsfunktionen der gemeinsamen Einrichtungen: Sowohl hinsichtlich des Geschäftsführers als auch im Rahmen der Trägerversammlung kommt es hierbei weiterhin zu einer „Vergemeinschaftung der Willensbildung“98, weil keiner der beteiligten Träger frei von dem Willen des jeweils anderen entscheiden und beschließen kann.99 So wird der Geschäftsführer gemäß der hier als Maßstab dienenden einfachen Gesetzeslage100 dauerhaft nur von einem der beiden Träger nach diesbezüglicher Einigung zwischen ihnen gestellt, bei Uneinigkeit ipso iure in abwechselndem Rhythmus für zweieinhalb Jahre. Entsprechendes gilt bei der Trägerversammlung, innerhalb derer beide Träger schon wegen des geltenden Mehrheitsprinzips nur eine partielle Einflussnahmemöglichkeit besitzen.101 Zudem wird auch hier der Vorsitzende, der regelmäßig durch Einigung bestimmt wird, im Falle des fehlenden Einvernehmens vom Gesetz abwechselnd für zwei Jahre vorgegeben.102 Wer von beiden Trägern jeweils den Vorsitz innehat, kann allerdings entscheidende Bedeutung erlangen, da der Vorsitzende etwa bei Stimmengleichheit der Trägerversammlung entscheidet.103 Ebenso gelangt die gegenseitige Abhängigkeit von Bund und Ländern (bzw. den letztgenannten zugeordneten Kommunen) bei der Organisation der gemeinsamen Einrichtungen darin zum Ausdruck, dass bei Meinungsverschiedenheiten der Kooperationsausschuss anzurufen ist und dieser wiederum lediglich mit einfacher 95

Ausweislich der Darstellung in der Begründung des Änderungsgesetzes aus dem 2010 (BRDrs. 226/10, S. 23, dort auch zu beiden nachstehenden wörtlichen Zitaten) entsprach die starke Position der Trägerversammlung und des Geschäftsführers als „Entscheidungsträger“ in den gemeinsamen Einrichtungen der Absicht, die „dezentrale Aufgabenwahrnehmung zu stärken“. 96 In dieser Weise bereits BVerfGE 119, 331 (373) hinsichtlich der ursprünglichen, bis zum Jahr 2010 gültigen Gesetzeslage (§ 44b SGB II a. F.). 97 Dazu § 44g SGB II n. F. und mit näheren Ausführungen die Begründung zu dem entsprechenden Gesetzentwurf, abgedruckt in BR-Drs. 226/10, S. 24, 37. 98 Zum Zitat BVerfGE 119, 331 (S. 375), zum restlichen Inhalt a. a. O., S. 374 f. 99 Dass sich die Trägerverantwortung und Möglichkeit, die gemeinsame Einrichtung zu binden, nicht auf diese Gesichtspunkte erstreckt, stellt auch die Gesetzesbegründung explizit in BR-Drs. 226/10, S. 37 fest. Zur Begründung heißt es dort, dass die der Trägerversammlung überantworteten Entscheidungsbereiche „grundsätzlich beide Träger“ (a. a. O.) beträfen und insoweit keine „Abgrenzungsschwierigkeiten“ zwischen ihnen bestünden (a. a. O., S. 42). 100 Vgl. § 44d Abs. 1, 2 SGB II n. F. 101 Vgl. § 44c Abs. 1 S. 2 SGB II n. F. 102 Vgl. § 44c Abs. 1 S. 6 SGB II n. F. 103 Vgl. § 44c Abs. 1 S. 7 SGB II n. F.

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Stimmenmehrheit, hilfsweise der Stimme des Vorsitzenden entscheidet.104 Letzteres kann jedoch zur Folge haben, dass es zur Ausführung und Umsetzung eines von einem Träger nicht gewollten Ergebnisses in Bezug auf „organisatorische, personalwirtschaftliche, personalrechtliche und personalvertretungsrechtliche Angelegenheiten der gemeinsamen Einrichtung“ – so lautet explizit die allgemeine Aufgabenzuweisung der Trägerversammlung105 – kommt. In Anbetracht dieser gegenseitigen Abhängigkeit kann vor allem keiner der Träger selbstständig entscheiden, sondern dies ist stets entweder nur in Abstimmung mit dem anderen Träger oder durch gesetzlich eingeräumten Vorrang möglich.106 Letzteres hat aber für den überstimmten Träger zur Folge, im Einzelfall trotz gegensätzlicher Auffassung oder abweichender Vorstellungen nicht den aufgrund seiner organisatorischen Freiheit gebotenen Einfluss nehmen zu können. Überdies sind dem Geschäftsführer dauerhaft etwa die eigenverantwortliche Führung der Geschäfte sowie die wesentlichen Kompetenzen eines Dienstherrn bzw. Arbeitsgebers übertragen107, so dass den einzelnen Trägern im gleichen Umfang keine selbsttätige Einwirkungsmöglichkeit verbleibt, zumal der Geschäftsführer hierbei in der Regel unabhängig von Weisungen handelt und nur in Ausnahmefällen angewiesen werden kann.108 Dies spiegelt sich zuletzt auch, wie schon vom Bundesverfassungsgericht bei den ARGEn bemängelt109, in der vereinigten Datenverwaltung und -verarbeitung wider, welche nicht zwischen den Ebenen unterscheidet und insofern eine separate Erledigung ausschließt. Dies gilt trotz Ausweitung der diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen auch aktuell noch in gleicher Weise fort.110 In Anbetracht des Umstandes, dass dem für zuständig erklärten Träger zumindest bei der Personalauswahl bzw. Behördenorganisation, wenn auch gegenteilig bei der Leistungserbringung, Blockademöglichkeiten eröffnet werden111, muss eine umfassende eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung auch unter Geltung des Art. 91e GG, soweit sich dessen Verständnis gemäß der Vorstellung des verfassungsändernden Gesetzgebers an den vorhandenen einfachgesetzlichen Vorschriften orientiert, verneint werden. Allenfalls stellt sich in diesem Zusammenhang die 104

Vgl. § 44e Abs. 1 und 2 SGB II n. F.; s. a. BR-Drs. 226/10, S. 42. So wörtlich der „Aufgabenkatalog“ (BR-Drs. 226/10, S. 39) in § 44c Abs. 2 S. 1 SGB II n. F. 106 Bereits in BVerfGE 119, 331 (375) als Fehlen einer „Letztentscheidungsmöglichkeit“ beschrieben. 107 Vgl. § 44d Abs. 1 und 4 SGB II n. F. und ergänzend BR-Drs. 226/10, S. 24, 40. 108 Darauf weist die Begründung der Gesetzesänderungen in BR-Drs. 226/10, S. 40 explizit nochmals hin. 109 BVerfGE 119, 331 (374). 110 Vgl. hierzu §§ 50 ff. SGB II n. F., auf deren Basis trotz verschiedener im Jahr 2010 erfolgter Änderungen letzte Zweifel betreffend die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung nicht ausgeräumt sein dürften. Zwar stellt nun § 50 SGB II n. F. die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts des Bundes (Abs. 4) und die Nutzung zentraler Verfahren der IT-Technik durch die gemeinsamen Einrichtungen (Abs. 3) klar, doch findet gleichwohl weiterhin eine Vermengung der erhobenen und gespeicherten Daten statt. 111 In dieser Weise vgl. schon BVerfGE 119, 331 (375). 105

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Frage nach einer verfassungsrechtlichen Legitimation bzw. Rechtfertigung derartiger Einschränkungen zulasten der umfassenden Eigenverantwortlichkeit beider Träger: Angesichts der dem Grundsatz nach positiven Würdigung des Vorhabens bereits in der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung aus dem Jahr 2007112 könnte erwogen werden, die zwangsläufig mit einem gemeinsamen Tätigwerden beider Träger verbundenen Abstriche im Bereich der jeweils eigenständigen organisatorischen und personellen Freiheit im Interesse der kooperativen Verwirklichung zurückstehen zu lassen. Doch würden auf diese Weise ohne Notwendigkeit hierzu (zu alternativen Auslegungsmöglichkeiten vgl. sogleich in Prüfungsteil II) und lediglich gestützt auf praktische Erwägungen verfassungsrechtliche Kernaspekte in ihrer Reichweite eingeschränkt, die auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 2007113 ungeachtet der befürwortenden Äußerungen zum Regelungsziel kritisch hinterfragt hatte. cc) Kompetenzklarheit Schließlich ist schon dem allgemeinen Bundesstaatsgedanken der Ansatz einer klaren und nachvollziehbaren Kompetenzstruktur (sog. Kompetenzklarheit), der im Übrigen seinem Kern nach in erster Linie bei den demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien zu verorten ist, immanent und dahingehend von der Unantastbarkeit des Art. 79 Abs. 3 GG erfasst.114 Denn bereits die Bundesstaatlichkeit verlangt, insoweit schwer zu unterscheiden von anderen Staatsstrukturprinzipien, die durchgängige Wahrung der jeweiligen Verantwortlichkeiten im Sinne einer eindeutig nachvollziehbaren Zuständigkeitsverteilung.115 Im Falle der gemeinsamen Einrichtungen ist jedoch infolge der Verbindung beider Träger in einer gemeinsamen Schaltstelle die Gliederung der Kompetenzen kaum ersichtlich und damit die Zurechenbarkeit für den Bürger zumindest erheblich erschwert. Da sich dieser Aspekt im Anschluss noch deutlich stärker im Demokratie- und schließlich im Rechtsstaatsprinzip wiederfindet116, soll hier zunächst von einer vertieften Auseinandersetzung abgesehen und auf die nachfolgenden Kapitel verwiesen werden.

112 Vgl. diesbezüglich die Feststellung in BVerfGE 119, 331 (371, dort auch zum nachstehenden wörtlichen Zitat), dass die Zielvorstellung einer Grundsicherung für Arbeitsuchende aus einer Hand „ein sinnvolles Regelungsziel“ darstelle. 113 Hierzu beispielhaft die Folgeseiten der bereits zitierten Entscheidung, abgedruckt in BVerfGE 119, 331 (373 ff.). 114 Siehe hierzu bereits § 10 II. 1. 115 So bereits festgestellt in § 6 I. 2. b). 116 Dazu sogleich m. w. N.

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dd) Zwischenergebnis zu a) Die bundesstaatlichen Grundsätze werden ungeachtet des letztgenannten Aspekts, wie zuvor erläutert, durch die Zulassung gemeinsamer Einrichtungen in Art. 91e GG bei Annahme derjenigen Gestalt, welche sie bereits im SGB II erhalten haben, in ihrem durch die Ewigkeitsgarantie garantierten Inhalt berührt. b) Berührung demokratischer Grundsätze In entsprechender Weise soll Art. 91e GG im Folgenden auch an den aus dem Demokratiegedanken des Grundgesetzes folgenden Grenzen einer Mischverwaltung, soweit sie gleichzeitig von Art. 79 Abs. 3 GG für unantastbar erklärt sind (vgl. § 10 II. 2.), gemessen werden. Wie bereits ausführlich gezeigt117, handelt es sich bei diesen Grenzen im Kern um den Grundsatz der Volksherrschaft bzw. -souveränität aus Art. 20 Abs. 2 GG: Hiernach muss sich jedes Staatshandeln auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und vor diesem verantwortet werden. Im Hinblick auf Art. 91e GG und die gemeinsamen, aus Bund und Ländern / Kommunen zusammengesetzten Einrichtungen stehen allerdings nicht die normativen Wirkungen in Gestalt zeitlich begrenzter Ämter, regelmäßig wiederkehrender Wahlen oder Abstimmungen, des Mehrheitssystems, der Oppositionsfreiheit und der Existenz von Grundrechten zur öffentlichen Meinungsbildung im Vordergrund, sondern vielmehr die demokratische Legitimität der im Grundgesetz zugelassenen Strukturen.118 Weil diese aus unterschiedlichen, nämlich jeweils entweder nur durch Bundes- oder Landesvolk legitimierten, Einheiten zusammengesetzt sind, bieten die gemeinsamen Einrichtungen ein besonderes Risiko, dass sich die Verantwortlichkeit für das Staatshandeln nicht mehr eindeutig zuordnen lässt, mit der Folge, dass eine wirksame Legitimation durch das Volk zweifelhaft und damit einhergehend die Verantwortung ihm gegenüber bedenklich sein könnte, dies besonders bezogen auf deren Außendarstellung. Und obwohl sich die Unabänderlichkeit in ihrer Reichweite nicht auf einzelne Legitimationskonzepte oder die Festlegung eines bestimmten Legitimationsniveaus erstreckt119, hindert dies nicht, das Erfordernis demokratischer Legitimation und ihre Vermittlung als solche den unantastbaren Gehalten zuzuschreiben und dergestalt als eine der Grenzen einzuordnen, die der Verfassungsänderung in Art. 91e GG entgegengehalten werden können. Immerhin wirken sich gemeinsame Einrichtungen, da sie zu einer starken Verflechtung von Bund und Ländern / Kommunen 117

Vgl. § 6 II. 1. insgesamt, v. a. II. 1. b). Hierzu bereits eingehend in § 6 II. 2. a). Zu der insoweit vorausgesetzten Legitimationsvermittlung und dem erforderlichen Legitimationsniveau finden sich nähere Ausführungen sodann in § 6 II. 2. b) und c). 119 Siehe im Einzelnen bereits in § 10 II. 2. 118

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in einer ihrer grundsätzlichen Trennung widerstrebenden Struktur führen, besonders nachteilig auf den Zurechenbarkeits- und Verantwortungszusammenhang aus, der stets nach einer ununterbrochenen Legitimationskette verlangt.120 Das bedeutet zwar nicht zwangsläufig, dass gemeinsame nicht ebenso wie getrennte Einrichtungen legitimiert sein können oder – umgekehrt ausgedrückt – hierin zwangsläufig eine Abkopplung vom Volkswillen liegen müsse, doch ist der Legitimationsgedanke von einer derart weitgehenden Zusammenarbeit, für deren Zwecke sogar gemeinsame organisatorische Strukturen geschaffen werden, in erkennbarer Weise zumindest tangiert. Denn derartige ebenenübergreifende Institutionen werden gleichzeitig von zwei Legitimationsketten mit demokratischer Legitimation gespeist121 und bergen vor diesem Hintergrund nahezu zwangsläufig Schwierigkeiten bei der Klarheit und Nachvollziehbarkeit für den Einzelnen im Außenverhältnis.122 Dass Bund und Länder die Aufgaben in den gemeinsamen Einrichtungen gemeinschaftlich wahrnehmen, führt im Außenverhältnis zu dem Eindruck, dass sie „sektoriell zu einer Handlungs-, Gestaltungs- und Verantwortungseinheit verschmelzen“123, die eine Differenzierung nach dem verantwortlichen Träger nicht mehr erlaubt. Verfassungsrechtlich gewollt ist demgegenüber eine klare Trennung der Verantwortlichkeiten und Kompetenzen, was sich als genereller Grundsatz nicht nur demokratisch124, sondern im Ansatz auch bundesstaatlich125 und vor allem auch rechtsstaatlich126 äußert, d. h. in prinzipienübergreifender Weise. Dass das Tätigwerden der Träger in gemeinsamen Einrichtungen, wie bereits im Rahmen der Untersuchung anhand des Bundesstaatsgedankens dargelegt, deren Eigenverantwortlichkeit bei der Leistungserbringung nicht beeinträchtigt, lässt nicht gleichzeitig den automatischen Rückschluss zu, dass insoweit auch in demokratischer Hinsicht keine Bedenken mehr bestünden. Vielmehr ist die Erkennbarkeit der jeweiligen Verantwortlichkeit trotz der nun durchgesetzten Dualität der Verantwortungsebenen durch das Auftreten einer gänzlich selbstständig handelnden Einrichtung weiterhin deutlich erschwert, und zwar ganz besonders im (Außen-)Verhältnis zum Bürger. Die gleichen Feststellungen gelten insofern erst recht und zugleich in noch stärkerem Maße für den organisatorischen Bereich, weil 120

Vgl. § 6 II. 2. b). Zu den entsprechenden Grundlagen schon in § 6 II. 2. c). 122 Letzteres wurde auch bereits in § 6 II. 2. a) thematisiert. Diesen Aspekt hebt BVerfGE 137, 108 (144) als maßgeblichen Ausfluss des Demokratieprinzips besonders hervor. 123 So ausdrücklich Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 14 bezogen auf die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91a ff. GG insgesamt. An anderer Stelle (Rn. 94) fasst Glaser die diesbezügliche rechtspolitische Kritik mit zwei bemerkenswerten Aussagen zusammen, wonach die Verwischung der Verantwortlichkeiten und die „verminderte Transparenz“ (a. a. O.) zu den typischen negativen Folgen des intensiven Zusammenwirkens im Bund-LänderVerhältnis zählten. Beide Gesichtspunkte sind jedoch aus dem demokratischen wie auch rechtsstaatlichen Blickwinkel (dazu sogleich) als sehr bedenklich einzustufen, zumal wenn eine derart hohe Intensität der Vermischung wie bei den gemeinsamen Einrichtungen stattfindet. 124 Vgl. insofern schon in § 6 III. 2. a) und b). 125 Siehe die diesbezüglichen Angaben in § 6 I. 2. b). 126 Vgl. hierzu bereits in§ 6 II. 2. a). 121

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dort immerhin – wie zuvor aufgezeigt – noch Mängel bei der eigenverantwortlichen Entscheidung fortbestehen.127 Durch die Verbindung beider Ebenen in einer selbstständig nach außen tätig werdenden Struktur mangelt es dem Gebilde namentlich zumindest in der Außendarstellung weiterhin „an einer eindeutigen Aufgaben- und Verantwortlichkeitszuordnung“128, was sich wiederum nachteilig auf eine wirksame demokratische Legitimation auswirkt. Dabei kann den beiden Verwaltungsträgern (Bund und Ländern) bei ihrem Handeln in den gemeinsamen Einrichtungen zwar dem Grunde nach und deshalb auch in derartigen Fällen wie vorliegend hinreichende Legitimation über die Behördenhierarchie zukommen, obwohl diese außerhalb des regulären staatlichen Verwaltungsaufbaus stehen und sich aus Vertretern verschiedener Ebenen zusammensetzen. Denn prinzipiell kann sich jeder der beiden Träger für sein Tätigwerden und im Bereich seiner Zuständigkeit auf seinen eigenen Legitimationsstrang, ausgehend entweder vom Bundes- oder dem jeweiligen Landesvolk, berufen. Die jeweiligen Legitimationsstränge laufen sodann für die beiderseitigen Aufgaben in den gemeinsamen Einrichtungen aufgrund der beiden darin vereinten Träger zusammen, was sich – anders als noch im Jahr 2007 – insbesondere durch die überarbeiteten Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse129 der beiden Träger gegenüber der gemeinsamen Einrichtung im Ansatz auch noch feststellen lässt. Auf diesem Wege ist dem für eine Leistung zuständigen Träger, d. h. Bund oder Ländern (bzw. den letzteren zugeordneten Kommunen), aktuell – anders als noch bis ins Jahr 2010  – tatsächlich die Möglichkeit zur Letztentscheidung bei der Leistungserbringung eingeräumt, mit der Folge, dass ihm im Sinne des zugrunde liegenden Legitimationsstrangs im Innenverhältnis der Einrichtung die maßgebliche Entscheidungsverantwortung zugerechnet werden kann. Doch gilt dies ungeachtet der im organisatorischen Bereich fortbestehenden Probleme bei den beiderseitigen Verantwortlichkeiten jedenfalls nicht in gleicher Weise für das Außenverhältnis: Im Gegensatz zur inneren Ordnung existiert diesbezüglich auch derzeit noch eine Verflechtungssituation, die von Undurchschaubarkeit geprägt ist. Wegen des einheitlichen Auftritts der Träger in den gemeinsamen Einrichtungen nach außen und ihrer ganzheitlich getroffenen Entscheidung gegenüber dem betroffenen Bürger ist für diesen als Außenstehenden angesichts der Doppelung der Legitimationsstränge nicht eindeutig nachvollziehbar, geschweige denn erkennbar,

127

Dazu im Einzelnen schon in § 11 IV. 2. a) bb). So schon BVerfGE 119, 331 (377) bezüglich der früheren Arbeitsgemeinschaften, die allerdings – trotz einzelner einfachgesetzlicher Anpassungen und neuer Detailregelungen im SGB II, dazu zuvor in § 11 IV. 2. a) aa) und bb) mitsamt der zugehörigen Fn., in denen die Normen benannt sind – ihrem Wesen nach mit den heutigen gemeinsamen Einrichtungen identisch sind. 129 Vgl. § 44b Abs.  3 S.  2 und § 47 Abs.  1–3 SGB  II n. F.  Alleine die Modifikationen in diesen Bereichen waren im Rahmen der Begründung des Änderungsgesetzes im Jahr 2010 (BR-Drs. 226/10, S. 23, dort auch zu den zwei nachstehenden wörtlichen Zitaten) schon ausreichender Anlass, von „Transparenz“ und einer „Möglichkeit der Zuordnung der Verantwortung“ zu sprechen. Hinsichtlich der Aufsicht hieß es an anderer Stelle, diese sei nunmehr „gesetzlich klar festgelegt“ (so BT-Drs. 17/1940, S. 18). 128

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auf welchen Träger die ihm gegenüber erbrachte Leistung zurückzuführen oder wem die zusprechende bzw. versagende Entscheidung im Ergebnis zuzurechnen ist. Die eigentliche Problematik besteht demnach nicht bzw. im Vergleich zum Jahr 2007 nicht länger in der demokratischen Legitimation der gemeinsamen Einrichtungen als solcher, sondern vielmehr in der Legitimationsklarheit der dort getroffenen Entscheidungen, d. h. der Erkennbarkeit der Legitimationsvermittlung zur Aufgabenwahrnehmung und Leistungserbringung. Zwar lässt sich der nach dem Gesetz zuständige Träger trotz der institutionellen Vereinigung beider Träger noch ermitteln, doch ist das hoheitliche Auftreten der gemeinsamen Einrichtungen nach außen und demzufolge auch ihr Handeln in seiner Gesamtheit nicht mehr eindeutig der einen oder anderen Ebene zuzurechnen, weil es sich in einem einzigen Akt der Willensbildung in Form autonomer Bescheide130 vollzieht und von einer separaten Organisationsform ausgeht. Dem Bürger bleibt insofern keine Möglichkeit, zu erkennen, wer ihm gegenüber tatsächlich als hoheitlich Handelnder und Letztentscheider tätig geworden ist.131 Angesichts der beide Ebenen überspannenden Organisation der gemeinsamen Einrichtungen, der verbundenen Führung der Geschäfte und Entscheidungen sowie schließlich des einheitlichen Tätigwerdens nach außen sind die Verantwortungsbereiche nicht länger teilbar und demzufolge nicht überschaubar. Ungeachtet dessen folgt schon aus der im Rahmen des bundesstaatlichen Grundsatzes thematisierten Einschränkung der Eigenverantwortlichkeit in organisatorischen Fragen eine Unschärfe der diesbezüglichen Verantwortlichkeits- und Legitimationsstränge. Dies gilt etwa  – wie bereits zuvor gezeigt  – für die Trägerversammlung, welche mit Vertretern beider Träger besetzt ist und grundsätzlich nur nach dem Mehrheitsprinzip entscheidet, hilfsweise mit der Stimme des Vorsitzenden.132 In entsprechender Weise trifft auch der zur Einigung der beiden Träger gebildete Kooperationsausschuss seine Entscheidungen lediglich mit Stimmenmehrheit.133 Das hat jedoch in Bezug auf personelle und organisatorische Entscheidungen eine unzulässige Vermischung der Ebenen von Bund und Ländern / Kommunen zur Folge. An den vorgenannten, weiterhin fortbestehenden Zweifeln bezüglich der Legitimationsklarheit ändert sich schließlich auch nichts dadurch, dass – anders als noch vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007 festgestellt134 – im Zuge der verbesserten Steuerung von oben die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Sammlung von Daten konkretisiert und das Datenschutzrecht des Bundes für anwendbar erklärt 130

Vgl. § 44b Abs. 1 S. 3 SGB II n. F. Dass dies aber gewollt ist, belegt die eingehende Darstellung zum Themenkomplex Rechtsklarheit und Bestimmtheit – dazu abermals die in der vorangegangenen Fn. 125 genannten Kapitel in dieser Arbeit. 132 Vgl. § 44c Abs. 1 S. 1 ff. SGB II n. F.; zu den Wirkungskreisen Abs. 2. 133 Vgl. § 44e Abs. 1 und 2 SGB II n. F. 134 BVerfGE 119, 331 (379). 131

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worden ist.135 Denn die dort künftig bestehende, gewissermaßen punktuell erzielte Klarheit vermag den Fortbestand der anderen, zuvor erläuterten Mängel nicht aufzuwiegen, da jede Unterbrechung des Verantwortungs- und Legitimationszusammenhangs oder in diesem Zusammenhang bestehende Unklarheit zur Annahme eines Eingriffs genügt. Im Übrigen fehlt es im Bereich des Vollstreckungsrechts auch weiterhin an einer gesetzlichen Regelung der vorgenannten Art, durch welche das anwendbare Bundes- oder Landesrecht festgelegt würde. Von den bislang anerkannten Formen des Zusammenwirkens zwischen Bund und Ländern136 unterscheiden sich die nun in Art. 91e GG vorgesehenen gemeinsamen Einrichtungen schließlich wie folgt: Anders als in den vielfach existierenden und in der Praxis bewährten gemeinsamen Gremien von Bund und Ländern, die der Beratung und Abstimmung beider Ebenen untereinander dienen, werden in den gemeinsamen Einrichtungen Regelungen gegenüber dem Bürger mit Verwaltungsaktqualität getroffen. Das Tätigkeitsfeld erstreckt sich demzufolge nicht nur auf die bloße Korrespondenz und das innerorganisatorische Zusammenwirken im Bund-Länder-Verhältnis, sondern geht hierüber durch verbindliche behördliche Feststellungen oder sogar Anordnungen hinaus. Hingegen gestaltet sich der Vergleich mit der Auftragsverwaltung, die von Art. 85 GG nicht nur ausdrücklich als zulässig anerkannt, sondern zudem als eine der zentralen Formen der Verwaltungskompetenzen gemäß. 83 ff. GG überkommenes Recht ist, deutlich differenzierter: Da die Länder in den hiervon erfassten Fällen die Bundesgesetze im Auftrage des Bundes ausführen (vgl. Art. 85 Abs. 1 GG) und die obersten Landesbehörden den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden (vgl. Art.  85 Abs.  3 GG) unterliegen, kann es auch hier durch eine Weisung zu einer Situation kommen, in welcher der Bund als tatsächlicher Entscheidungsträger einer von den Ländern ausgeführten Maßnahme nicht erkennbar ist. Immerhin liegt die Wahrnehmungszuständigkeit nur bei letzteren. Im Unterschied zu einer gemeinsamen Einrichtung kann in diesem Fall jedoch der ausführende, da nach außen alleine handelnde Träger, nämlich das jeweilige Land, eindeutig identifiziert werden und trägt im Verhältnis zum Bürger die alleinige Verantwortung für sein Tätigwerden. Mit anderen Worten ist im Rahmen der Auftragsverwaltung die zusätzliche Beteiligung einer anderen Ebene im Staatsaufbau nur im Innenverhältnis, d. h. zwischen dem Bund und dem jeweiligen Land, von Bedeutung. Wird hingegen die gemeinsame Einrichtung tätig, die mangels eigener Trägerschaft zwar Aufgaben wahrnehmen, nicht jedoch die Letztverantwortlichkeit tragen kann, lässt sich im Außenverhältnis aufgrund der vorgenannten Feststellungen nicht erkennen, welchem der beiden Träger die konkrete Regelung zuzurechnen ist. Entsprechendes gilt schließlich in Fällen der Organleihe, soweit diese im Ausnahmefall entgegen dem grundsätzlichen Verbot zugelassen ist: Weil das handelnde Organ des verleihenden Hoheits-

135 Vgl. hierzu §§ 50 ff. SGB II n. F., insbesondere § 50 Abs. 4 SGB II n. F. zum anwendbaren Recht. 136 Hierzu ausführlich in § 5 II. 3.

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trägers „nicht nur funktionell, sondern auch organisationsrechtlich“137 dem entleihenden Hoheitsträger zugerechnet wird, mag zwar dessen Eigenverantwortlichkeit in geringfügigem Maße – vgl. hierzu die vom Bundesverfassungsgericht deshalb aufgestellten Anforderungen138 – gemindert sein, doch ist im Außenverhältnis der Verantwortungsträger für das Handeln eindeutig zu identifizieren. Die Bedenken gegenüber der Verfassungsmäßigkeit resultieren vor dem Hintergrund der vorstehenden Beispiele anderer Mischverwaltungsformen nicht aus dem Vorhandensein mehrerer Legitimationsstränge als solchen, sondern hängen vielmehr von den Fragen ab, ob im jeweiligen Einzelfall des Zusammenwirkens von Bund und Ländern verbindliche Anordnungen im Außenverhältnis zum Bürger getroffen werden und – falls dies bejaht werden kann – ob die Herkunft der verschiedenen Legitimationsstränge für Außenstehende, die von der Rechtsanwendung betroffen sind, nachvollziehbar bzw. zumindest hinreichend transparent ist. Die vom Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2007 erhobenen demokratischen Zweifel gelten damit im Ergebnis trotz der unternommenen Anpassungen und auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten Maßstabs aus Art. 79 Abs. 3 GG unverändert fort. Insofern wird durch Art. 91e GG in den unantastbaren Gehalt des Teilelements Demokratie eingegriffen, namentlich in den im Rahmen demokratischer Legitimation vorausgesetzten Verantwortungs-/Zurechnungszusammenhang. c) Berührung rechtsstaatlicher Grundsätze Schließlich ist dieselbe Prüfung von Art. 91e GG auch noch anhand der dem Rechtsstaatscharakter der Bundesrepublik zugeschriebenen Grenzen der Mischverwaltung vorzunehmen, die das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007 ebenfalls ergänzend herangezogen hatte, vorliegend allerdings aufgrund der von Art. 79 Abs. 3 GG nur in dem wiederum auf ihren Grundsatzcharakter reduzierten Gehalt (vgl. § 10 II. 3.). Die vorstehend bereits im Rahmen der bundesstaatlichen und demokratischen Grundsätze jeweils thematisierten Grenzen der Mischverwaltung in gemeinsamen Einrichtungen aus dem Bereich der Verantwortungs- und Kompetenzklarheit sind originär rechtsstaatlichen Ursprungs. Denn als wesentliche Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips sind vor allem – wie gezeigt139 – die der Rechtssicherheit zuzuordnenden Grundsätze der Rechts-/Normenklarheit, Widerspruchsfreiheit und Bestimmtheit von Hoheitsakten zu beachten.

137

So Glaser, in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. z. Art. 91a–91e Rn. 62 in Anlehnung an die fast identische Formulierung bei Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 83 Rn. 34. 138 Hierzu umfassend in § 5 II. 3 b). 139 Eingehende Darstellung in § 6 III. 2. a) und b).

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Wenngleich diese rechtsstaatlichen Grundsätze lediglich von der Rechtsprechung und im Schrifttum entwickelt worden sind, wohingegen der alleine von Art. 79 Abs. 3 GG in Bezug genommene Art. 20 GG nur die (horizontale) Gewaltenteilung benennt140, erstreckt sich die Unantastbarkeit – wie schon eingehend erläutert141  – auch auf weitere ungeschriebene Kerngehalte, welche den Rechtsstaatscharakter des deutschen Staates erst verwirklichen. Diesbezüglich wurde die hier vertretene Auffassung dargelegt, wonach auch zentrale, weil die Identität der Staatlichkeit prägende Elemente des Rechtsstaatsprinzips mindestens in ihrem Kern von Art. 79 Abs. 3 GG mitgeschützt werden.142 Hierzu zählen unter anderem auch die hier interessierenden Grundsätze auf dem Gebiet der Verantwortungsund Kompetenzklarheit, über die sich der Staat im Hinblick auf sein Handeln nicht vollkommen hinwegsetzen darf. Beide Elemente stehen nämlich, wie aus den vorstehenden Abschnitten deutlich erkennbar143, in sehr engem Zusammenhang zu den anderen Verfassungsprinzipien und helfen damit erst, die dortigen Anforderungen zu verwirklichen. Für die Beurteilung der Mischverwaltung und hier speziell für die Untersuchung von Art. 91e GG sind sie damit unter mehreren Gesichtspunkten, d. h. nicht nur bezüglich der Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik, wesentlich. Mit anderen Worten liegt zwischen allen drei Prinzipien in diesem Punkt eine Überschneidung betreffend Klarheit und Nachvollziehbarkeit von Verantwortungsstrukturen vor; insofern wird zunächst auf die vorstehenden Ausführungen144 verwiesen, da diese auch im rechtsstaatlichen Sinne entsprechend gelten. Dass die Grundsätze der Kompetenz- und Verantwortungsklarheit145 durch die verfassungsrechtliche Verankerung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Art. 91e GG berührt werden, ist nach den mit Blick sowohl auf das bundesstaatliche als auch insbesondere auf das demokratische Element getätigten Ausführungen evident. Beide Prinzipien sind umso eher problematisch, je stärker staatliche Ebenen miteinander verknüpft werden, wobei die Schaffung gemeinsamer Einrichtungen durch Art. 91e GG das Maximum an Verflechtung mit sich bringt. Nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben müssen – gewissermaßen als Essenz der vorgenannten Ausformungen – die Klarheit der Kompetenzordnung gewahrt und die Zurechen 140

Vgl. in aller Kürze § 6 III. 2. c). Siehe § 10 II. 3. 142 Dazu ausführlich in § 10 II. 3. 143 Vgl. zuletzt in § 11 IV. 2. a) und b). Die Überschneidungen der drei Verfassungsprinzipien waren zuvor bereits Gegenstand der Ausführungen in § 6 I., II. und III. 144 Vgl. nochmals § 11 IV. 2. a) und b). 145 Auch Berger, JZ 2014, 1163 (1166, dort auch zum nachfolgenden wörtlichen Zitat) zweifelt – wenngleich in einem gesonderten Zusammenhang, namentlich „hinsichtlich der Prüfbefugnisse des Bundes gegenüber den Optionskommunen“ gemäß Art. 91e Abs. 2, 3 GG – daran, dass die aktuellen Zuständigkeitsregeln dem Gebot der Verantwortungsklarheit entsprechen, welches das BVerfG selbst noch in BVerfGE 119, 331 ff. aufgestellt habe. Wegen der abweichenden Zielsetzung kommt sie sodann (weiterhin Berger, a. a. O.) allerdings (ohne Bezug zu Art. 79 Abs. 3 GG) zu dem Ergebnis, dass es Sache des verfassungsändernden Gesetzgebers sei, die Befugnisse explizit in der Verfassung zu normieren. 141

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barkeit von Verantwortlichkeiten gewährleistet bleiben, damit der jeweilige Adressat staatlichen Handelns das handelnde staatliche Organ identifizieren kann und sein Verhalten an dessen Vorgaben auszurichten vermag. Im Mittelpunkt dessen steht die Zurechenbarkeit von Entscheidungszuständigkeiten, bezüglich derer in rechtsstaatlicher Hinsicht verlangt wird, dass sie sich stets im Sinne eines klaren Verantwortungszusammenhangs auf einen Hoheitsträger zurückführen lassen.146 Diese rechtsstaatliche Forderung nach ständiger Kontrollierbarkeit und Erkennbarkeit des Handelnden wird jedoch durch die Vergemeinschaftung von Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen, wie sie durch die Zusammenarbeit von Bund und Ländern (bzw. den letzteren zugeordneten Kommunen) auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende besteht und seit Jahren praktiziert wird, auch aktuell noch in rechtserheblichem Maße beschränkt. Konkret werden die rechtsstaatlichen Grundsätze berührt, weil der Bürger aufgrund der einheitlichen Durchführung seines Verfahrens in den gemeinsamen Einrichtungen und der sich daran anschließenden einheitlichen Entscheidungsprozesse nicht mehr zu erkennen vermag, wer (d. h. welcher Träger) ihm gegenüber über welche materiellen Fragen der Grundsicherung tatsächlich entscheidet. Die Verantwortungsbereiche der beiden Träger bei der Leistungserbringung sind für ihn ungeachtet der jüngsten Verbesserungen zur Sicherung der jeweiligen Letztverantwortung wegen der damit einhergehenden Vermischung ihrer Aufgaben nicht mehr überschaubar. Ihre gesetzlich eingeräumte Zuständigkeit lässt sich zwar noch bestimmen, doch lässt sich das Handeln der gemeinsamen Einrichtungen im Außenverhältnis, anders als beim inneren Aufbau, ohne zusätzliche Vorkehrungen nicht mehr einem der beiden Träger eindeutig zuordnen.147 Neben der Verbundenheit in einer äußeren Organisationsform und der daraus folgenden Auswirkungen auf die Leistungserbringung ist die Klarheit und Zurechenbarkeit staatlichen Handelns zudem auch im organisatorischen Bereich durch die wechselnde Geschäftsführung und die mehrheitlichen Entscheidungen in der Trägerversammlung gestört, zumal in letzterer beide Träger nur paritätisch vertreten und damit jeweils lediglich mitspracheberechtigt sind.148 Wenngleich nach der jüngeren Gesetzeslage seit dem Jahr 2010, die hier zunächst Ausgangspunkt für das Verständnis der Verfassungsänderung sein soll, einschneidende Veränderungen bei der Sicherung der Verantwortlichkeiten im Rahmen der Leistungserbringung erfolgt sind149 und sich die Dualität der Verantwortungsstruktur mit einer gewissen Rechtskenntnis nachvoll-

146

Die an dieser Stelle erfolgte Zusammenfassung bezieht sich abermals auf die in § 6 III. 2. a) und b) getroffenen Feststellungen zum rechtsstaatlichen Gehalt betreffend Mischverwaltungskonstellationen. Diesen Aspekt hebt BVerfGE 137, 108 (144) als maßgeblichen Ausfluss des Rechtsstaatsgedankens besonders hervor. 147 Vgl. insoweit schon BVerfGE 119, 331 (379) zu den bis ins Jahr 2010 bestehenden Arbeitsgemeinschaften. Diese sind allerdings im Kern mit den aktuellen gemeinsamen Einrichtungen identisch, vgl. hierzu bereits Fn. 129 in diesem Abschnitt. 148 Erneut bereits BVerfGE 119, 331 (379). 149 Siehe hierzu in § 11 IV. 2. a) aa).

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ziehen lässt, besteht die Verantwortungsproblematik – wie gezeigt150 – jedenfalls in Bezug auf Organisation und Personal auch aktuell noch fort. Da jedoch das dortige Handeln / Beschließen durch zwei gemeinsam agierende Träger Einvernehmen voraussetzt, kommt es bei unterschiedlichen Ansichten entweder weiterhin zu „Kompetenzkonflikten“ oder zum Verzicht eines der Beteiligten, letzteres zwangsläufig verbunden mit einem Verlust an wirksamer Kontrolle und Lenkung.151 Angesichts dessen droht – wie schon im Jahr 2007 vom Bundesverfassungsgericht festgestellt152, damals allerdings mit Blick auf jegliches Handeln der gemeinsamen Einrichtungen – auch heute noch partiell die „Gefahr einer Verselbstständigung ohne hinreichende Kontrolle“, wenn die beteiligten Träger ihre jeweiligen Beteiligungsrechte zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit zurückhaltend nutzen. Im Übrigen besteht auch weiterhin die Gefahr der Unübersichtlichkeit wegen der in den vorhergehenden Kapiteln gerügten Vermischung und der nach außen trotz aller Anpassungen fortbestehenden Erschwernis bei der Zuordnung der jeweiligen Verantwortlichkeit (dazu bereits ausführlich zuvor). In Anbetracht der vorstehenden Feststellungen genügen nicht einmal die im Hinblick auf die Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse153 sowie die Datenverwaltung154 getätigten Modifikationen, um in der Gesamtschau doch von hinreichend klaren und eindeutigen Verantwortlichkeiten ausgehen zu können. Denn derartige punktuelle Verbesserungen vermögen gleichwohl vorhandene Unzulänglichkeiten, wie schon im Rahmen der Untersuchung anhand der demokratischen Grundsätze betont, nicht auszugleichen und lassen die beschriebenen verfassungsrechtlichen Zweifel nicht unbeachtlich werden. Im Ergebnis sind deshalb damit auch die rechtsstaatlichen Grundzüge des deutschen Staates durch Art. 91e GG, jedenfalls bei dessen Orientierung an einem durch die Vorschriften des SGB II determinierten Verständnis, in ihrem durch Art. 79 Abs. 3 GG gewährleisteten Gehalt tangiert. 3. Zwischenergebnis zu Prüfungsteil I Durch Art. 91e GG werden, soweit dem Verständnis der Verfassungsänderung – wie im gesamten Prüfungsteil I – die Vorstellung des verfassungsändernden Gesetzgebers zugrunde gelegt wird, die einfachgesetzliche Rechtslage verfassungsrecht 150

Vgl. diesbezüglich § 11 IV. 2. a) bb). Zum Vorstehenden samt Zitat: BVerfGE 119, 331 (380), damals allerdings auch bezogen auf den zentralen Bereich der Leistungserbringung. 152 Hierzu samt nachfolgendem Zitat BVerfGE 119, 331 (380). An gleicher Stelle ist auch die Rede von der drohenden „Freiräumen“ (a. a. O.). 153 Vgl. § 44b Abs. 3 S. 2 und § 47 Abs. 1–3 SGB II n. F. Hierzu äußerte sich bereits BVerfGE 119, 331 (380). Zu dieser Thematik siehe ergänzend schon die Ausführungen im Themenkomplex Bundesstaat, vgl. § 11 IV. 2. a). 154 Vgl. §§ 50 ff. SGB II n. F. 151

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lich abzusichern, sämtliche zur Prüfung herangezogenen Verfassungsprinzipien (Bundesstaat, Demokratie und Rechtsstaat) in ihrem jeweiligen Grundsatzgehalt zumindest partiell berührt. Angesichts der hier – in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und in Anknüpfung an ein früheres Sondervotum sowie das diesem zustimmende überwiegende Schrifttum – vertretenen weiten Auslegung155 der letztgenannten Tatbestandsvoraussetzung („berührt“) in Art. 79 Abs. 3 GG ist ohne Bedeutung, dass die änderungsfesten „Grundsätze“ nur in Teilaspekten entgegenstehen, in anderer Hinsicht durch die neugefasste Gestaltung der gemeinsamen Einrichtungen, die gedanklich der Schaffung von Art. 91e GG zugrunde gelegen hat, jedoch gewahrt werden. Da die Verfassungsänderung bei ihrem vorstehend bemühten Verständnis auf Grundlage des existierenden einfachen Rechts demnach in den durch Art.  79 Abs. 3 GG vor Änderungen geschützten Bereich vordringt, ist der beabsichtigte Versuch des verfassungsändernden Gesetzgebers, verfassungsmäßige Zustände auf Basis der bestehenden und praktizierten Kooperation in gemeinsamen Einrichtungen im Wege einer Verfassungsänderung herzustellen, für gescheitert zu erklären.

V. Prüfungsteil II: Grundsatzkonforme Auslegung von Art. 91e GG? Allerdings beschränkt sich das vorstehend in Prüfungsteil I gefundene Ergebnis gemäß dem dort angewandten Untersuchungsrahmen und der hierbei zunächst erfolgten Orientierung an der bestehenden einfachgesetzlichen Rechtslage ausschließlich auf dasjenige Verständnis von Art. 91e GG, welches der verfassungsändernde Gesetzgeber bei der Verfassungsänderung vor Augen hatte. Diese (histo­ risch-genetische)  Auslegungsvariante, die ausschließlich auf dessen Intention beruht, die in ihrem Kern bereits vorhandene, vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007 bemängelte Ausgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Arbeitsgemeinschaften auf neuer normativer Grundlage nunmehr unter neuer Bezeichnung sowie unter gleichzeitiger Überarbeitung der Normen im SGB II n. F. verfassungsfest zu verankern156, ist nach den vorangegangenen Ausführungen jedoch keine taugliche Alternative des Normverständnisses, weil Art.  91e GG in diesem Falle gegen Art. 79 Abs. 3 GG verstieße und insoweit verfassungswidrig 155

Zu dem hiesigen Verständnis der Tatbestandsvoraussetzungen bzw. der diesem zugrundeliegenden Auslegung vgl. § 9 III., zu dem übrigen Meinungsstand vgl. § 9 I. und II. 156 Zu diesem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers siehe insbesondere die Begründungsansätze im diesbezüglichen Entwurf (abgedruckt in BT-Drs. 17/1554, S. 1, 4) und zusammenfassend in § 3 I. 1. sowie des Weiteren mit näheren Ausführungen zur Ausgestaltung ebenfalls in § 3 II. Zu den historischen Hintergründen und der Überlegung, eine einheitliche Grundsicherung für Arbeitsuchende zu schaffen, ausführlich in § 2 II. und III.; ergänzend außerdem in § 2 VI. zu dem Umsetzungsprozess, der schließlich im Wege der hier untersuchten Verfassungsänderung erfolgte.

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wäre. Doch ist mit dieser Feststellung gleichwohl noch nicht der Schluss auf eine Verfassungswidrigkeit des Art. 91e GG per se gegeben. Denn die Verfassungswidrigkeit einer Auslegungsalternative schließt die Verfassungsmäßigkeit eines anderen Normverständnisses nicht automatisch aus. Insoweit ist bislang zum Zwecke des besseren Verständnisses und aus Gründen der geordneten Darstellung noch nicht der logisch vorgelagerte Versuch unternommen worden, die Verfassungsänderung anhand der klassischen Auslegungskriterien auszulegen. Abhängig von dem hierbei gefundenen Ergebnis könnte es denkbar sein, die untersuchte Norm zur Vermeidung einer verfassungswidrigen und deshalb nichtigen Rechtslage in einer abweichenden und möglicherweise noch verfassungs-, da grundsatzkonformen Weise zu verstehen. Diese Vorgehensweise ist nicht nur ein taugliches Mittel bei der Untersuchung von Normen jeder Art, gleich ob es sich um Verfassungsänderungen157 oder sonstige einfache Gesetzesbestimmungen handelt, sondern fungiert im Rahmen des Art. 79 Abs. 3 GG gewissermaßen als eine Art ‚Rettungsanker‘, damit eine bedenkliche Verfassungsänderung im Rahmen des Möglichen, d. h. vor allem ihres Wortlauts, Bestand haben und als noch verfassungsmäßige Änderung des Grundgesetzes aufrechterhalten werden kann. Dieses Mittel einer grundsatzkonformen Auslegung von Verfassungsänderungen im Zuge der Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit Art. 79 Abs. 3 GG findet sich regelmäßig wiederkehrend im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Dessen früheren Entscheidungen158 zu einer Mehrzahl von Verfassungsänderungen lässt sich erkennbar entnehmen, dass das höchste deutsche Gericht im Rahmen seiner Prüfung der Maßstabsnorm regelmäßig zunächst den Versuch anderer Auslegungsmöglichkeiten der verfassungsändernden Norm unternimmt, um auf diese Weise verfassungsrechtliche Zweifel, die andernfalls der Änderung des Grundgesetzes trotz der ohnehin sehr strengen Anforderungen des Gerichts an die Tatbestandsvoraussetzungen entgegenstehen könnten, zu minimieren oder gänzlich zu beseitigen.159 Indem auf diesem Wege das mit der jeweiligen Verfassungsänderung Gewollte im weitestmöglichen Sinne im Rahmen einer Auslegung aufrechterhalten bleibt, soll immerhin dem generellen „Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt“, vorliegend in Gestalt des verfassungsändernden Gesetz-

157 Zur Anwendung einer grundsatzkonformen Auslegung der untersuchten Normen vgl. bereits in § 8 VI. 158 Auf diese Weise gelangten BVerfGE 30, 1 (17 ff., 24 f., 26 ff.) und BVerfGE 94, 49 (85 ff., 102 f.) zur Verfassungsmäßigkeit der neu eingefügten Verfassungsnormen (Art.  10 Abs.  2 S. 2 GG bzw. Art. 16a GG). Auch in BVerfGE 109, 279 (310 ff.) betreffend die Vereinbarkeit von Art. 13 Abs. 3 GG mit dem Grundgesetz ist diese Herangehensweise, wenngleich nicht ganz so deutlich, in ihren Grundzügen erkennbar. 159 Die Maßgeblichkeit einer solchen Auslegung hat bislang dazu geführt, dass das BVerfG in der Vergangenheit noch niemals eine Verfassungsänderung für verfassungswidrig erklärt, sondern allenfalls Verstöße der hiermit im Zusammenhang stehenden einfachgesetzlichen Normen gegen Verfassungsnormen bejaht hat, vgl. hierzu die in § 7 III. enthaltene Übersicht der Rechtsprechungshistorie.

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gebers, Rechnung getragen werden.160 Zu diesem Zweck bedient sich das Bundes verfassungsgericht einer dreigeteilten Prüfung, innerhalb derer es zunächst – gewissermaßen zur Vorbereitung – die zu prüfende Verfassungsänderung als solche (1. Schritt) und im Anschluss Art. 79 Abs. 3 GG auslegt (2. Schritt), um schließlich die Vereinbarkeit der Verfassungsänderung mit Art. 79 Abs. 3 GG bewerten zu können (3. Schritt).161 1. Methodischer Ansatz Legt man diesen Ansatz in Anbetracht der im Prüfungsteil I gefundenen Ergebnisse auch vorliegend an, ist nachfolgend zu untersuchen, ob Art. 91e GG einer von dem zuvor als maßgeblich erachteten Verständnis des verfassungsändernden Gesetzgebers abweichenden Auslegung zugänglich ist und – falls dies gelingt – ob diese Interpretation die verfassungsrechtlichen Anforderungen des seinerseits ausgelegten162 Art. 79 Abs. 3 GG, hier also die Kerngehalte der dort garantierten Verfassungsgrundsätze des Bundesstaates, der Demokratie und des Rechtsstaates, wahrt.163 In diesem Zusammenhang ist bereits eingehend erläutert worden164, dass es sich im strengen Sinne nicht um eine verfassungs-, sondern bloß eine ‚grundsatz‘konforme Auslegung handelt: Das normative Verständnis der verfassungsändernden Norm wird hierbei seinerseits, während (oder bevor) die Verfassungsänderung anhand des Art. 79 Abs. 3 GG auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundzügen des Grundgesetzes hin geprüft wird, anhand eben dieser verfassungsrechtlichen Kernprinzipien ausgerichtet, um diesen schon im Rahmen des inhaltlichen Gehalts möglichst weitgehend Rechnung tragen zu können. Ergebnis dieses Zwischenschritts ist eine Interpretation, welche die Anforderungen der Verfassung an solche Änderungen bereits berücksichtigt und die Aussagekraft der neu geschaffenen oder abgeänderten Verfassungsnorm an dem hiernach noch Zulässigen orientiert. Maßgeblicher Ausgangspunkt ist die Vorstellung, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber – ungeachtet des vordergründigen Ziels der Verfassungsänderung oder 160

Zum Vorstehenden samt Zitat: BVerfGE 86, 288 (320) und BVerfGE 90, 263 (275). Dass die Feststellung in beiden Fällen lediglich auf den einfachen Gesetzgeber bezogen war, steht der Berücksichtigung vorliegend nicht entgegen, da dem verfassungsändernden Gesetzgeber im Wege eines Erst-Recht-Schlusses in mindestens gleicher Weise Respekt gebührt. In entsprechender Weise ist das BVerfG deshalb in den vorgenannten Entscheidungen aus Anlass von Verfassungsänderungen (vgl. die vorstehende Fn. 159) auch im Rahmen der Prüfung von Art. 79 Abs. 3 GG verfahren. 161 Vgl. die sehr deutliche Prüfungsstruktur in BVerfGE 30, 1 (17 ff.), im Einzelnen bestehend aus dem 1. Schritt (S. 17 f.), dem 2. Schritt (S. 24 f.) und dem 3. Schritt (S. 26 ff.). 162 Zu dem notwendigen Zwischenschritt des BVerfG, auch die Maßstabsnorm selbstständig auszulegen, siehe bereits die eingehenden Ausführungen in § 9, insbesondere die dortige abschließende Stellungnahme zu den beiden zentralen Tatbestandsvoraussetzungen in § 9 III. 163 Mit dieser Feststellung schon Erichsen, Staatsrecht II, S. 18. 164 Vgl. § 8 VI.

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des ihr allgemein zuerkannten Inhalts – jedenfalls gewillt sein dürfte, im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten verfassungsgemäße Zustände zu schaffen. Seiner Gestaltungsfreiheit soll deshalb soweit wie möglich Anerkennung gezollt und das von ihm angestrebte Ziel zumindest in dem noch zulässigen Maße verwirklicht werden.165 Mit anderen Worten dient die grundsatzkonforme, wie auch im Allgemeinen die verfassungskonforme, Auslegung dazu, denjenigen Gehalt einer Norm, vorliegend also der Verfassungsänderung, zu ermitteln, der sich einerseits noch aus ihrem Wortlaut ableiten lässt und andererseits im Rahmen des Möglichen noch den daran gesetzten Vorgaben, hier also vor allem den durch Art. 79 Abs. 3 GG garantierten Elementen, darunter insbesondere den „Grundsätzen“ aus Art. 1 und Art. 20 GG, entspricht. Auf diese Weise wird der neu geschaffenen Verfassungsnorm bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der geschützten Kernelemente des Grundgesetzes die weitestmögliche Entfaltung zugestanden166, anstatt sie überhaupt nicht zur Geltung gelangen zu lassen. Letzteres kann immerhin Folge entweder der Verfassungswidrigkeit (bei Verstoß gegen die geschützten Grundsätze) oder der Nichtdurchführbarkeit (bei vollständigem Absehen wegen des Schutzes von Verfassungsgütern) derselben sein. Um die vorstehend beschriebene Möglichkeit zu eröffnen, kann es demnach sogar notwendig sein, die jeweilige Verfassungsänderung auf das nach ihrem Wortlaut167 noch tragbare, da von Verfassung wegen gebotene, indem den unantastbaren bundes- und rechtsstaatlichen sowie demokratischen Grundsätzen alleine gerecht werdende Maß zu reduzieren.168 Eine solche Interpretation, die sich nur noch auf diejenigen Verstöße beschränkt, welche der Verfassungsänderung nach ihrem Wesen und ihrer Formulierung immanent sind und deshalb schon keine andere Auslegung im verfassungs- bzw. grundsatzkonformen Sinne zulassen, ist nicht nur sinnvoll, sondern nach Sinn und Zweck der Unantastbarkeitsgarantie auch geboten. Art. 79 Abs. 3 GG soll nach seiner historischen Grundlage169 und seiner normativ begründeten Intention170 nicht nur Verfassungsumbrüche verhindern, sondern da­ 165

D. h. nach Möglichkeit soll diejenige Auslegung gewählt werden, „die der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und dem Zweck der betreffenden Norm am ehesten gerecht wird“, so Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 344. Vergleichbar auch Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 61 f., wonach die gesetzgeberischen Absichten solange zu berücksichtigen sind, wie „die auszulegende Norm nicht in einen Widerspruch zu höherrangigen Normen gerät“ (zum Zitat a. a. O., S. 62). 166 Zu den vorstehenden Hintergründen vgl. schon die Ausführungen in § 8 VI. 167 Der Wortsinn stellt jedenfalls die absolute „Grenze der Auslegung“ (so Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 343) dar, vgl. hierzu ausführlich bereits Fn. 184 in § 9 III. 168 Denn das eigentliche Ziel jeder Auslegung ist die „Ermittlung des heute rechtlich maßgeblichen, also eines normativen Sinnes des Gesetzes“, so explizit Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  318. Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Vorstellung des Gesetzgebers sollen hiernach (weiterhin a. a. O.) lediglich die Werkzeuge sein, um diesen normativen Sinn in möglichst optimaler Weise festzustellen. Zu der abschließenden Auswahlentscheidung für eine Auslegungsvariante s. a. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 62. 169 Hierzu bereits in § 8 IV. 170 Siehe schon in § 8 V. und VI.

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rüber hinausgehend vor allem den Verfassungskern bzw. gleichsam die Identität des Grundgesetzes über Jahrzehnte bewahren und manifestieren. Umgekehrt soll allerdings unter Beachtung des identitätswahrenden Charakters auch eine allzu starke Zementierung, welche eine zeitgemäße Entwicklung des Grundgesetzes blockieren würde, verhindert werden, um die Verfassung nicht zur starren Antiquität verkommen zu lassen. Aus dem letztgenannten Grund müssen Änderungen in dem noch zulässigen Maße erlaubt sein. Wie auch bei der verfassungskonformen Auslegung niederrangiger Rechtsquellen, vor allem einfachgesetzlicher Vorschriften, anhand der Vorschriften des Grundgesetzes ist deswegen auch eine Grundgesetzänderung an den für sie geltenden Maßstäben zu orientieren, um ihr die bestmögliche Entfaltung des geänderten Inhalts bei gleichzeitiger Bewahrung der Verfassung in ihren Kernelementen zu ermöglichen. Orientiert man Änderungen des Verfassungstextes jedoch an dem zugrunde gelegten Maßstab und senkt damit vorgreiflich die Weite ihres Aussagegehalts ab, sind Verstöße gegen die Unantastbarkeitsgarantie denknotwendig weniger häufig gegeben; sie verlagern sich vielmehr auf die konkretisierende einfachgesetzliche Ebene.171 Für den Erfolg einer derartigen Herangehensweise kann abermals die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts172 ins Feld geführt werden, da die dortigen Ausführungen und Ergebnisse eindrucksvoll belegen, dass das Gericht auf diese Weise – gegebenenfalls auch zum Nachteil der einfachgesetzlichen Ausgestaltung, sie sodann bzw. stattdessen für verfassungswidrig erklärt wurde173 – bislang stets zur Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Verfassungsänderungen gelangt ist. 2. Auslegung von Art. 91e GG Übertragen auf die hier untersuchte Verfassungsänderung bedeutet dies, dass vorrangig eine Auslegung von Art. 91e GG unter Berücksichtigung der von Art. 79 Abs. 3 GG als Maßstab vorgegebenen Verfassungselemente, d. h. anhand der Prinzipien des Bundesstaates, der Demokratie des Rechtsstaates174, zu erfolgen hat. 171

Dazu ausführlich an späterer Stelle, namentlich in § 11 V. 2. d). Vgl. erneut die Zusammenfassung der bisherigen Entscheidungen zu Art. 79 Abs. 3 GG in § 7 III. 173 Siehe beispielsweise die Feststellungen in BVerfGE 30, 1 (26 ff.), wonach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG mit Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar (S. 26), das Gesetz aber zumindest zum Teil verfassungswidrig sei (S. 31), sowie in vergleichbarer Weise in BVerfGE 109, 279 (309 ff.), dort nach Feststellung der Verfassungsmäßigkeit von Art. 13 Abs. 3 GG (S. 309) ebenfalls zur teilweisen Unvereinbarkeit der einfachgesetzlichen Vorschriften mit dem Grundgesetz (dazu S. 325 ff.). 174 Vgl. zum Inhalt dieser Verfassungselemente ausführlich in § 10 II. Nicht zum Prüfungsmaßstab gemäß Art. 79 Abs. 3 GG zählt hingegen die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 GG, die zwar Ausgangspunkt sämtlicher Ausführungen in BVerfGE 119, 331 (352 ff. und 361 ff.) war, nach den vorherigen Feststellungen (dazu am Schluss der Einleitung zu § 10 II.) jedoch nicht von den unantastbaren Garantiegehalten erfasst wird. 172

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Im Einzelnen ist deshalb zu untersuchen, ob das Zusammenwirken von Bund und Ländern / Kommunen in gemeinsamen Einrichtungen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende gemäß Art.  91e GG einer Interpretation zugänglich ist, auf deren Basis nicht in die Grundsätze der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung, der hinreichenden demokratischen Legitimation sowie der gebotenen Verantwortungs- und Kompetenzklarheit eingegriffen wird, sondern diese eventuell gänzlich oder zumindest in (noch) stärkerem Maße beachtet werden. Dabei findet sich speziell der letztgenannte Gesichtspunkt hinreichender Zurechenbarkeit und Nachvollziehbarkeit als übergreifender verfassungsimmanenter Wert in allen drei vorausgesetzten Verfassungsprinzipien und ihren unantastbaren Gehalten wieder.175 a) Absolute Grenze der Auslegung Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Auslegung einer Norm naturgemäß dort an Grenzen stößt, wo die Interpretation der Voraussetzungen nicht mehr durch den Wortlaut gedeckt wäre.176 Denn die Auslegung einer Norm kann stets nur auf Grundlage der vorhandenen Formulierung erfolgen und vermag die textliche Fassung im Gegensatz zu Änderungen des jeweils hierzu ermächtigten Gesetzgebers nicht umzugestalten.177 In Anbetracht dessen kann auch die sogleich unternommene Vorgehensweise unter Anlegung der Auslegungsmethoden nicht darüber hinwegsehen, dass von Art. 91e GG dem Grundgesetz bislang unbekannte gemeinsame Einrichtungen geschaffen werden, in denen Bund und Länder (bzw. die letzteren zugeordneten Kommunen) auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende zusammenwirken sollen. Immerhin sollte die Verfassungsänderung ihrer Begründung178 und der im Nachgang der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung aus dem Jahr 2007179 erlangten Zielsetzung folgend dazu dienen180, die auf einfachgesetzlicher Ebene beginnend im Jahr 2003 als Arbeitsgemeinschaften 175

Hierzu im Einzelnen in § 6 I. 2. b), II. 2. a) und III. 2. a) bzw. b); vgl. ebenfalls schon zuvor die entsprechenden Feststellungen betreffend den Rechtsstaat in § 11 IV. 2. c) im Rahmen des Prüfungsteils I. 176 Siehe zur Wortlautgrenze anstelle vieler BVerfGE 18, 97 (111) und Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 324, 343. Weitere Nachweise finden sich bereits in Fn. 184 in § 9 III. 1. a) a. E. 177 Vgl. § 8 I. 178 BT-Drs. 17/1554, S. 1, 4. 179 Vgl. BVerfGE 119, 331 ff. 180 Einen diesbezüglichen Überblick bieten § 3 I. 1. und II. 1.: Die Feststellungen zu dem Bestreben des verfassungsändernden Gesetzgebers gründeten sich vor allem auf den in den Vorjahren bemühten, von dem BVerfG jedoch in der konkreten Ausgestaltung für verfassungswidrig erklärten Versuch, die historisch getrennten Systeme der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe zu einer einheitlichen Grundsicherung für Arbeitsuchende zusammenzufassen. Die vorausgegangenen Entwicklungen und Diskussionen, die in der Normierung von Art. 91e GG ihren (vorläufigen) Abschluss fanden, wurden ausführlich zu Beginn dieser Arbeit in § 2 beleuchtet.

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gegründeten Einrichtungen von Bund und Ländern / Kommunen zu erhalten und die von ihnen jahrelang gewährte Grundsicherung ‚aus einer Hand‘ auch künftig zu ermöglichen. Dementsprechend hat auch eine Auslegung von Art. 91e GG hinzunehmen, dass nunmehr gemeinsame Einrichtungen existieren sollen. Eine im Wege der Interpretation herbeigeführte Rückkehr zu einem in seiner Gesamtheit getrennten System (wie vor dem Jahr 2005) ist hingegen unter gleichzeitiger Beibehaltung der Verfassungsänderung nicht denkbar. Vielmehr ist danach zu fragen, ob es eine Interpretationsmöglichkeit gemeinsamer Einrichtungen gibt, die den an sie gestellten Anforderungen vor allem aus Art. 79 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 20 GG noch gerecht wird. In diesem Zusammenhang belegt die bereits umfassend erläuterte181 Tatsache, dass in Art. 79 Abs. 3 GG erhebliche Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen gestellt werden, eindrucksvoll, dass die bloße Einfügung einer neuen Norm in das Grundgesetz nicht automatisch zur Annahme verfassungsmäßiger Zustände führt, sondern die Zulässigkeit derartiger Änderungen einer eingehenden Prüfung anhand der verfassungsrechtlich geschützten Grundsätze bedarf182, was wiederum entscheidend von der Auslegung der verfassungsändernden Norm abhängt. b) Auslegung der Voraussetzungen im denkbar weitesten Sinne Trotz des soeben betonten, auch durch Auslegung nicht hinwegzudenkenden Umstands, dass von Art. 91e GG gemeinsame Einrichtungen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende geschaffen werden, ist gleichwohl eine grundsatzkonforme Auslegung nicht von vornherein unmöglich. Denn eine Kooperation von Bund und Ländern / Kommunen wird durch das Grundgesetz – wie gezeigt183 – nicht absolut ausgeschlossen. Unzulässig ist nach den Erkenntnissen sowohl aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember 2007 als auch darauf aufbauend aus Prüfungsteil I vielmehr zunächst nur das Zusammenwirken der beiden Träger in gemeinsamen Einrichtungen in der bislang durch das SGB II a. F. und n. F. determinierten Fassung. Gemeint ist das Handeln in einem selbstständigen Gebilde, in welchem die beiderseitigen Kompetenzen miteinander verwoben und ein eigenverantwortliches Tätigwerden jedes Trägers organisatorisch nicht gegeben sowie im Übrigen für den Adressaten hinsichtlich der erbrachten Leistungen eine Zuordnung der Verantwortlichkeiten unmöglich ist.

181

Vgl. ausführlich in § 7 bis § 10. Zu den Unterschieden zwischen der Verfassungswidrigkeit von einfachen Gesetzen einerseits und von Verfassungsänderungen andererseits vgl. schon § 7 I.; daneben s.a.§ 8 II. und VI. 183 Vgl. hierzu § 5 II. 2. c)  mitsamt der Darstellung schon existierender Kooperationen in § 5 II. 3. 182

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In einer derart engen Weise ist Art. 91e Abs. 1 GG allerdings nicht formuliert. Die neu geschaffene Verfassungsnorm stellt ihrem Wortlaut184 zufolge lediglich fest: „Bei der Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende wirken Bund und Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände in der Regel in gemeinsamen Einrichtungen zusammen.“ Diese Formulierung verlangt – wie insbesondere die zurückhaltende, da nicht ins Detail gehende Wortwahl belegt – zum einen lediglich ein grundsätzliches „Zusammenwirken“, das zum anderen „in gemeinsamen Einrichtungen“ erfolgt, gibt hierfür jedoch auf Verfassungsebene weder einzelne Strukturen noch innere Organisationsregelungen vor, sondern belässt deren Ausgestaltung dem einfachen Gesetzgeber. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die einzelnen Details, wie bei Verfassungsnormen üblich, erst in einfachgesetzlichen Regelungen konkretisiert werden (vgl. Art. 91e Abs. 3 GG), um die Verfassungsebene nicht zu überfrachten. Sollte die Verstetigung der bestehenden einfachgesetzlichen Normen im SGB II auch Anlass für die Schaffung des Art. 91e GG gewesen sein, geht dessen Formulierung doch ersichtlich hierüber hinaus, da sie die dortigen Einzelheiten zur Struktur und den Organen der gemeinsamen Einrichtungen nicht enthält. Um zu ermitteln, welche Anforderungen Art. 91e GG im absoluten Mindestmaß konstituiert, bedürfen die im Verfassungstext formulierten Tatbestandsvoraussetzungen, d. h. das Zusammenwirken mehrerer Träger und vor allem durch den verfassungsändernden Gesetzgeber im Jahr 2010 anstelle der früheren Arbeitsgemeinschaften eingeführte und seitdem gültige Begrifflichkeit der gemeinsamen Einrichtungen zunächst der Auslegung: aa) Grammatische Auslegung Im Rahmen dessen ist vorrangig das reine Wortverständnis in den Blick zu nehmen, sog. grammatische Auslegung. Hierbei ist zum Zwecke besserer Verständlichkeit die von Art. 91e Abs. 1 GG (und dem folgend gleichermaßen auch im SGB II n. F.) verwandte Begrifflichkeit in ihre Teilelemente „gemeinsam“, „Einrichtung“ und „zusammenwirken“, aus denen sich der in der Norm genannte, neuartige ­Typus der Kooperation zwischen Bund und Ländern / Kommunen zusammensetzt, aufzuspalten: Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Adjektiv „gemeinsam“ als Beschreibung für ein von mehreren Subjekten in gleicher Weise und in Verbindung untereinander, d. h. in Gemeinschaft, im Verbund, im Team oder miteinander, unternommenes Tun verwandt.185 Seine Wortbedeutung setzt eine kollektive, vereinte 184

Vollständiges Zitat der Norm in der Einführung zu dieser Arbeit (§ 1). Vgl. die Einträge zum Stichwort „gemeinsam“ im Duden (Bd. 10), S. 426 sowie im Duden Universalwörterbuch, S. 701 und im Brockhaus Wahrig Synonymwörterbuch, S. 374; außerdem siehe die Abfragen zu demselben Stichwort in den Rubriken ‚Bedeutungen‘ und ‚Thesaurus‘ im DWDS-Wörterbuch sowie in der Rubrik ‚Relationen zu anderen Wörtern‘ im Dt. Wortschatz, hrsg. von der Universität Leipzig. 185

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und gemeinschaftliche Komponente für ein Handeln oder jedes sonstige in Bezug genommene Element voraus186, das „geschlossen“ im Sinne von zusammen und einheitlich umgesetzt wird.187 Umgangssprachlich ist dabei oftmals auch die Rede davon, etwas „Seite an Seite, Hand in Hand, Arm in Arm“188 oder gleichbedeutend ‚Schulter an Schulter‘ zu erledigen, wodurch eine kooperative und solidarische, gegebenenfalls sogar kollegiale Zusammenarbeit impliziert wird189 – demnach ist stets die Zusammengehörigkeit von zwei Dingen ausschlaggebend. Das hierüber noch hinausgehende, traditionelle Wortverständnis als Synonym für vertraut bzw. umgänglich oder „holdselig, lieblich“190 ist in dem hier interessierenden Zusammenhang hingegen nicht von Bedeutung, zumal die aktuelle Wortentwicklung den gemeinschaftlichen Aspekt („unitus“191) hervorhebt. Im Gegensatz zu dieser relativ eindeutigen Wortbedeutung von „gemeinsam“ ist das Wortverständnis des Begriffs „Einrichtung“ erheblich diffiziler: Dieser hat vielfache Interpretationsmöglichkeiten, von denen die am häufigsten im Alltag gebräuchlichen in der Regel auf Ausrüstung / Ausstattung / Mobiliar / Inventar, Maschinerie / Anlage / Vorrichtung / Apparatur, Brauch / Gewohnheit / Sitte / Gepflogenheit, Errichtung / Gründung oder Installation / Ausgestaltung von etwas hindeuten.192 Doch ist von Art. 91e GG und den einschlägigen Normen des SGB II ersichtlich 186 Siehe auch insoweit die Einträge zum Stichwort „gemeinsam“ im Duden (Bd. 10), S. 426 und im Brockhaus Wahrig Synonymwörterbuch, S. 374; daneben wiederum ganz ähnlich die Abfragen zu demselben Stichwort in den Rubriken ‚Bedeutungen‘ und ‚Thesaurus‘ im DWDSWörterbuch sowie in der Rubrik ‚Relationen zu anderen Wörtern‘ im Dt. Wortschatz, hrsg. von der Universität Leipzig. 187 Zum Vorstehenden inkl. Zitat siehe Brockhaus Wahrig Synonymwörterbuch, S. 374 mit dem Eintrag zu „gemeinsam“ und vergleichbar unter demselben Suchbegriff im Duden Universalwörterbuch, S. 701 sowie Dt. Wortschatz, hrsg. von der Universität Leipzig (Rubrik ‚Relationen zu anderen Wörtern‘). 188 So die Einträge zum Stichwort „gemeinsam“ im Brockhaus Wahrig Synonymwörterbuch, S. 374. 189 Vgl. hierzu die Eintragungen zu dem Stichwort „gemeinsam“ im DWDS-Wörterbuch in den dortigen Rubriken ‚Bedeutungen‘ und ‚Thesaurus‘ sowie abermals sehr aussagekräftig im Brockhaus Wahrig Synonymwörterbuch, S.  374. Siehe schließlich noch zum ähnlichen Bedeutungsgehalt als „mehreren Personen od. [Anm.: oder] Dingen in gleicher Weise gehörend, eigen“ im Duden Universalwörterbuch, S. 701 (dort auch zum wörtlichen Zitat) zu demselben Stichwort wie zuvor. 190 Zu beiden vorgenannten Zitaten im Dt. Wörterbuch der Gebrüder Grimm (Bd. 5), Stichwort „gemeinsam“, Sp. 3263. 191 Dt. Wörterbuch der Gebrüder Grimm (Bd. 5), Stichwort „gemeinsam“, Sp. 3263. 192 Die vorgenannten Bedeutungen ergeben sich im Einzelnen aus der Zusammenschau der Einträge in folgenden Wörterbücher, jeweils zum Stichwort „Einrichtung“: Duden (Bd.  10), S. 311; Duden Universalwörterbuch, S. 491; Brockhaus Wahrig Synonymwörterbuch, S. 262 inkl. Sondereintrag im blauen Kasten, wo weitergehend zwischen der Bedeutung als zählbarer Begriff („Summe aller beweglichen Gegenstände“, so ebenfalls in der letztgenannten Fundstelle) und unzählbarer Begriff differenziert wird (erneut a. a. O. auf S. 262) – letzteres enthält sodann die hier dargelegte, große Bandbreite an Bedeutungen; s. a. die Abfrage zu dem eingangs genannten Stichwort im Dt. Wortschatz, hrsg. von der Universität Leipzig unter der dortigen Rubrik ‚Relationen zu anderen Wörtern‘.

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keine der vorgenannten Wortbedeutungen gemeint; vielmehr wird im hier inte­ ressierenden normativen Verständnis die weitere Bedeutung im Sinne einer festen Institution und Organisation verwandt.193 Dem Wortsinn nach kann dies ein Objekt bzw. eine Anlage sein, im weitesten Sinne aber auch eine Art von Gruppierung oder die Bündelung von Mitteln.194 Die Gestaltungsformen für eine „Einrichtung“ sind dabei so vielfältig, dass alleine aus dem abstrakten Begriff Rückschlüsse auf eine bestimmte Struktur oder Gestaltung nicht möglich erscheinen: Die Formen reichen etwa von einer Anstalt über eine Akademie bis hin zu Betrieben, Zentren oder Funktionsstätten; daher beispielsweise auch der weit verbreitete Begriff der Bildungseinrichtung.195 Die Formulierung „Einrichtung“ stellt angesichts dessen nur einen allgemeinen und abstrahierenden Oberbegriff für jede Art von Institution dar.196 Wegen dieser Abstraktion wird regelmäßig durch ergänzende Adjektive die Trägerschaft und gegebenenfalls individuelle Gestaltung gekennzeichnet, zum Beispiel als privat, staatlich, kommunal, städtisch oder des Landes.197 Diese Rolle der notwendigen Ergänzung nimmt vorliegend das zuvor dargestellte Adjektiv „gemeinsam“ mitsamt den weiteren Angaben in Art. 91e GG („Bund und Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände“) ein. Demgegenüber kann dem Prädikat des Satzes („wirken […] zusammen“) im Rahmen der Wortlautinterpretation ausschließlich entnommen werden, dass eine Arbeit, hier die in Bezug genommene Aufgabenerledigung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende, gemeinschaftlich und kooperativ bzw. mit vereinten Kräften erfolgt.198 Das Verb setzt sich insoweit aus zwei Teilelementen zusammen, wonach einerseits („wirken“) ein Handeln bzw. Tätigwerden verlangt wird, das wiederum andererseits („zusammen“) in kollektiver Weise ausgeformt sein soll. Da sich allerdings das letztgenannte und für die Art des Handelns entscheidende Merkmal nicht von einer weiteren, bereits dargelegten Voraussetzung der Norm, namentlich der Charakterisierung der geschaffenen Einrichtung als „gemeinsame“ Gebilde von Bund und Ländern / Kommunen, abhebt, bietet es für 193 Vgl. die Einträge zu „Einrichtung“ im Brockhaus Wahrig Synonymwörterbuch, (S. 262), im Duden Universalwörterbuch, S. 491 und im DWDS-Wörterbuch (dort in der Rubrik ‚Thesaurus‘). 194 So der Rückschluss aus der Gesamtschau der verschiedenen Wörterbücher (vgl. Fn. 193). 195 Vgl. insoweit die Einträge möglicher Synonyme zum Stichwort „Einrichtung“ im Dt. Wortschatz, hrsg. von der Universität Leipzig unter der dortigen Rubrik ‚Relationen zu anderen Wörtern‘ sowie außerdem in der Rubrik ‚Thesaurus‘ im DWDS-Wörterbuch. 196 Mit diesem Synonym – vgl. hierzu bereits die Nachweise in Fn. 194 – im hier relevanten Sinn am treffendsten umschrieben, namentlich zu dem jeweiligen Stichwort „Einrichtung“ im Brockhaus Wahrig Synonymwörterbuch, S. 262, im Duden Universalwörterbuch, S. 491 sowie ebenfalls im Dt. Wortschatz, hrsg. von der Universität Leipzig (Rubrik ‚Relationen zu anderen Wörtern‘) und im DWDS-Wörterbuch (Rubrik ‚Thesaurus‘). 197 Hierzu näher der Sondereintrag (blauer Kasten) im Brockhaus Wahrig Synonymwörterbuch, S. 262 sowie der entsprechende Eintrag zu „Einrichtung“ im Duden Universalwörterbuch, S. 491. 198 Vgl. die Einträge zum Stichwort „zusammenwirken“ im Duden Universalwörterbuch, S. 867 und im DWDS-Wörterbuch.

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das Normverständnis keine essentielle Erleichterung. Denn der einzige Aussagegehalt dieser Handlungsanweisung an Bund und Länder / Kommunen, der darin liegt, auf irgendeine Weise miteinander in Kooperation zu treten, geht bereits vollumfänglich in der konkret vorgegebenen Form der Aufgabenwahrnehmung auf: In der Bildung einer mehrere Träger zusammenfassenden Institution liegt zwangsläufig zugleich auch eine gemeinschaftliche Aufgabenerledigung, weshalb eine „gemeinsame Einrichtung“ ohne Weiteres immer auch als ein Zusammenwirken im Sinne des Prädikats verstanden werden kann. Dem entspricht es auch, dass bei der vorliegenden Untersuchung – wie der Prüfungsteil I gezeigt hat – weniger das kooperative Miteinander der staatlichen Ebenen, welches vom Grundgesetz prinzipiell zugelassen wird199, in Frage steht als vielmehr dessen konkrete Ausgestaltung und Identität. Vor diesem Hintergrund bedarf das Wortverständnis des Begriffs „Zusammenwirken“ neben den zuvor bereits interpretierten Teilelementen, aus denen immerhin die konkrete und hier zu prüfende Organisations- bzw. Handlungsform hervorgeht, keiner näheren Erörterung. bb) Systematische Auslegung Gleichwohl darf sich die Auslegung einer Norm, insbesondere einer Verfassungsnorm, nicht auf das aus dem Wortlaut erkennbare Normverständnis beschränken200, sondern muss vielmehr auch über den Normtext hinaus weitere Gesichtspunkte einbeziehen. Zu diesen zählt insbesondere die systematische Auslegung, innerhalb derer die jeweilige Vorschrift im Gesamtzusammenhang mit anderen Verfassungsregelungen, insbesondere im Verhältnis zu den zentralen Verfassungsstrukturbestimmungen und tragenden Konstitutionsprinzipien des Grundgesetzes201, interpretiert und ihre Bedeutung im „Kontext der Verfassung“ ergründet wird.202 Ausgehend von den bereits existenten Verfassungsbestimmungen ergibt sich zunächst keine Feststellung, die für das Verständnis von Art. 91e GG förderlich wäre: Dass Bund und Länder in gewissen Bereichen „zusammenwirken“ (Art. 91b und Art.  91c GG) oder der Bund „bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit[wirkt]“ (Art. 91a GG), ist bereits von den bisher bestehenden Gemeinschaftsaufgaben im Abschnitt VIIIa des Grundgesetzes bekannt. Ein Zusammenwirken der verschiedenen bundesstaatlichen Ebenen ist damit dem Grunde nach, wenngleich es sich um eine Ausnahme vom Regelfall der getrennten Aufgabenwahrnehmung handelt, nicht völlig neuartig, weil das Grundgesetz selbst, anders als noch in seiner Ursprungsfassung, zwischenzeitlich derartige Gestaltungsformen im Exekutivbereich kennt. Bei diesen Formen der Zusammenarbeit, die im Gegensatz zu 199

Vgl. insoweit bereits ausführlich § 5, dort insbesondere § 5 II. 2. c) und II. 3. Hierzu sehr deutlich BVerfGE 30, 1 (19): „Eine Verfassungsvorschrift darf nicht alleine aus ihrem Wortlaut heraus isoliert ausgelegt werden.“ 201 Vgl. zu diesen Begrifflichkeiten schon zu Beginn von § 10 I. 1. 202 Hierzu und zum vorstehenden Zitat vgl. erneut BVerfGE 30, 1 (19) m. w. N. 200

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Art. 91e GG allerdings ohne zusätzliche organisatorische Einheiten beider Ebenen auskommen, bleiben die jeweiligen Strukturen jedenfalls, vor allem mit Blick auf Eigenverantwortlichkeit, Verantwortungsklarheit und demokratische Legitimation, noch hinreichend voneinander getrennt.203 Über die sog. Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91a–d GG geht Art. 91e GG aller­ dings schon seinem Wortlaut nach (dazu bereits in § 11 V. 2. b) aa)) erkennbar hinaus, indem darin nicht nur das Zusammenwirken angeordnet, sondern die gemeinsame Aufgabenerfüllung zugleich auch institutionell „in gemeinsamen Einrichtungen“ verortet wird. Für das Verständnis dieser weitergehenden Teilelemente der Norm vermag der Verfassungstext deshalb keinen Mehrwert zu liefern, da dem Grundgesetz derart weitgehende Formen gemeinschaftlichen Tätigwerdens von Bund und Ländern (bzw. den letzteren zugeordneten Kommunen) bislang – wie zuvor bereits erläutert – unbekannt waren. Doch sind für die zulässige Reichweite einer Verfassungsänderung ergänzend noch die von Art. 79 Abs. 3 GG einschließlich der darin garantierten Leitgedanken aufgestellten Maßstäbe in den Blick zu nehmen204: Da in der Unantastbarkeitsklausel gewisse Grundentscheidungen und Grundgedanken der Verfassung dauerhaft gewährleistet sind, hat sich auch das Verständnis einer Änderung des Grundgesetzes hieran zu orientieren. Lässt der geschützte Kern jedoch nur Änderungen in einem bestimmten Rahmen zu, muss dieser Rahmen schon bei der Interpretation Berücksichtigung finden. Über den verfassungsrechtlichen Gesamtkontext wird demgemäß die Grundsatzkonformität, zumindest soweit möglich, gesichert und das eigentliche Ziel der grundsatzkonformen Auslegung verwirklicht. Tatsächlich sind Rückschlüsse für die Reichweite von Art.  91e GG, d. h. die zulässige Gestalt gemeinsamer Einrichtungen, auf dieser Grundlage durchaus möglich. Denn die hierin liegende Rückbesinnung auf die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen steckt einen Rahmen, innerhalb dessen gemeinsame Einrichtungen überhaupt nur zulässig sein können. Dass insofern bestimmte Gestaltungsformen, wie bereits Prüfungsteil I gezeigt hat205, den verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht entsprechen, lässt im Umkehrschluss Raum für Überlegungen anhand der maßstabsbildenden Grundsätze zu, welche alternativen Gestaltungsformen hingegen für tragfähig gehalten werden: Wenn hiernach aus dem Bundesstaatsprinzip bzw. in Anbetracht der bundesstaatlichen Gesamtordnung des Grundgesetzes gefolgert wird, dass beide Träger der gemeinsamen Einrichtungen ihre Eigenständigkeit sowohl bei der Leistungserbringung als auch im personell-organisatorischen Bereich behalten müssen, d. h. 203 Allerdings wurde auch gegenüber Art. 91a ff. GG jahrelang der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit erhoben, vgl. die in Fn. 4 zu Beginn des Kapitels § 4 genannten Fundstellen, die einen Überblick ermöglichen. Zu der nunmehr anerkannten Zulässigkeit solcher Kooperationsformen im Allgemeinen bereits § 5 II. 3. d). 204 Vgl. BVerfGE 30, 1 (19) m. w. N. 205 Siehe dort besonders in § 11 IV. 2.

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nicht voneinander abhängig sein und die Einrichtungen demnach keine autonome Entscheidungsgewalt erhalten dürfen, ist damit zugleich klargestellt, dass eine zulässige Mischverwaltungsform ungeachtet ihrer Bezeichnung weiterhin nach in jedem Zeitpunkt und jedem Sachbereich selbstständig verantwortlichen Trägern verlangt. Dies wiederum lässt sich nur durchsetzen, sofern sich das gemeinsame Handeln in den Einrichtungen in erster Linie auf das äußerliche Auftreten beschränkt, während innerorganisatorisch beide Träger jeweils unabhängig voneinander in ihrem Zuständigkeitsbereich agieren. Denn nur bei einer solchen Gestaltung verbleibt ihnen dauerhaft die volle Eigenverantwortung, die im Falle der Verlagerung wesentlicher Entscheidungen auf selbstständige Organe der geschaffenen Einrichtungen nicht garantiert wäre. Die Bildung neuer Entscheidungs- und Handlungseinheiten innerhalb der Einrichtung sollte daher weitestgehend unterbleiben oder es müsste hilfsweise jedenfalls durch entsprechende Vorkehrungen zumindest sichergestellt werden, dass jeder Träger auch insoweit die Letztverantwortung an sich zu ziehen vermag. Dabei gilt im Allgemeinen, dass sich gänzlich oder auch nur partiell eigenständige Einrichtungen in der Regel mit der umfassenden Gewährleistung einer eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung durch ihre Träger nicht vertragen und daher zwangsläufig ausschließen. Weil darüber hinausgehend aus demokratischer wie auch aus rechtsstaatlicher Sicht gleichermaßen die Nachvollziehbarkeit und äußerliche Erkennbarkeit der zugrunde liegenden Verantwortungsstrukturen gefordert wird, um auf diesem Wege eine hinreichende demokratische Legitimation zu gewährleisten und die Klarheit der ausgeübten Kompetenzen zu sichern, ist auch insoweit die vorgeschlagene Dualität der inneren Organisation gemeinsamer Einrichtungen hilfreich, solange sie sich zudem ebenfalls nach außen unmissverständlich fortsetzt. Auch diese verfassungsrechtlichen Anforderungen könnten durch eine autonom agierende Einrichtung, die ganzheitlich gegenüber dem Bürger auftritt und deren Entscheidungen jedenfalls zum Teil, wenn auch im Übrigen mit sichernden Vorkehrungen, durch eigene Organe getroffen werden, wie es nach der einfachgesetzlichen Ausgestaltung in der Vergangenheit der Fall war und auch heute noch praktiziert wird, allenfalls im Ansatz, niemals jedoch vollumfänglich erfüllt werden. Die Klarheit der beiderseitigen Verantwortungsstränge verlangt immerhin, wie schon die bundesstaatlichen Ausführungen gezeigt haben, in erster Linie nach einer hinreichenden Trennung, da es ohne separierte Zuständigkeit und Autorität keine Bestimmtheit des jeweils Handelnden geben kann. Um sodann aber ebenso den Anforderungen des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips Genüge zu tun, müsste die in der Organisation getrennte Entscheidungsmacht der Träger des Weiteren auch im Außenverhältnis erkennbar werden. Denn nur mit der entsprechenden Kenntnis vermag der betroffene Bürger zu erkennen, wer ihm gegenüber gehandelt hat und wer somit für die gewährende oder ablehnende Entscheidung verantwortlich zeichnet.

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cc) Historische Auslegung Soweit in einem weiteren Auslegungsschritt die historische Auslegung in ihrer Ausprägung betreffend die Gesetzesgenese (hier: Genese der Entscheidung zur Verfassungsänderung in den Jahren 2007–2010206) zur Norminterpretation herangezogen wird, kann zunächst erneut auf den vorherigen Prüfungsteil I207 verwiesen werden. Denn immerhin war es die ausdrückliche Intention des verfassungsändernden Gesetzgebers, die bestehende einfachgesetzliche Ausgestaltung der Arbeitsgemeinschaften – korrigiert durch einzelne Modifikationen und angereichert mit zusätzlichen Details im SGB  II n. F.  – auch künftig unter der Bezeichnung als gemeinsame Einrichtungen fortzuführen und diese deswegen verfassungsfest zu verankern. Die vorgenannte, für die Entstehung von Art. 91e GG entscheidende gesetzgeberische Vorstellung ist im Verlauf dieser Arbeit bereits mehrfach, eingehend zuletzt vor allem im aktuellen Kapitel (§ 11) sowie zuvor schon ausführlich zu Beginn von § 3, thematisiert worden:208 Durch das Zusammenspiel von einfachgesetzlicher Überarbeitung des jahrelang praktizierten Konzepts und verfassungsrechtlicher Absicherung sollte den durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007 bemängelten Verstößen gegen die zentralen Verfassungsprinzipien hinreichend Rechnung getragen werden. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere die künftige Existenz einer die Mischverwaltung gestattenden Verfassungsnorm als ausschlaggebendes Instrument erachtet, um die niedere auf einer höheren Ebene verfassungsfest zu verankern und den bislang entgegenstehenden Verfassungsprinzipien in Gestalt von Art. 91e GG ihrerseits eine Billigung im Grundgesetz selbst entgegensetze.209 In Anbetracht der erheblichen Weite des Wortlauts von Art. 91e GG, die eine Vielzahl von Auslegungsmöglichkeiten zulässt, wirft diese sehr enge Intention des verfassungsändernden Gesetzgebers die Frage auf, ob der ihr folgenden Auslegungsvariante der Verfassungsänderung ein Vorzug gegenüber anderen denkbaren Varianten gewährt werden müsste. Immerhin dürfte wegen der gesetzgeberischen Grundvorstellung bei Erlass der Norm eine von vier Auslegungsmethoden, nämlich die historisch-genetische Auslegung, zu diesem konkreten Ergebnis gelangen, während die anderen anerkannten Formen der Norminterpretation vorbehaltlich der Orientierung an dem nach Art. 79 Abs. 3 GG Zulässigen kein derart eindeutiges Ergebnis haben aufzeigen können. Doch ist es ebenfalls bestimmender Grundgedanke der Auslegung, dass unter mehreren Alternativen anhand der anerkannten Auslegungsmethoden und unter Berücksichtigung der dort gefundenen Erkennt 206

Dazu bereits ausführlich in § 2 VI. und § 3 I. 1. Vgl. im unmittelbar vorhergehenden Abschnitt (§ 11 IV.). 208 Dieser Rückschluss auf die gesetzgeberische Intention ergibt sich besonders deutlich aus der Begründung der Verfassungsänderung, abgedruckt in BT-Drs. 17/1554, S. 1 ff. 209 Hierzu abermals BT-Drs. 17/1554, S. 1, 4. Dieser Grundgedanke lässt sich der im Jahr 2010 schließlich erzielten Einigung, die Grundsicherung für Arbeitsuchende mittels Verfassungsänderung abzusichern, entnehmen, vgl. zu den Abläufen bereits in § 2 VI. 7. 207

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nisse eine tragfähige Bedeutung für das Verständnis eines Begriffs oder einer Norm im Ganzen gefunden werden soll.210 Lässt die Norm (oder der Begriff) allerdings, wie die vorstehenden, mannigfaltigen und insgesamt sehr abstrakten Wortbedeutungen der beiden zentralen Tatbestandsvoraussetzungen, vor allem von „Einrichtungen“211, belegen, unterschiedliche Bedeutungen zu, ist aus den zur Verfügung stehenden Varianten diejenige auszuwählen, die ihr am ehesten gerecht wird. Von mehreren gleichermaßen denkbaren Interpretationsmöglichkeiten des Wortlauts – dessen Maßgeblichkeit unterscheidet immerhin die reine Auslegung von einer Änderung des Normtextes212 – kann hierbei in Anbetracht des bereits vorhandenen Gesamtkontextes der Verfassung, wie im Rahmen der systematischen Auslegung erörtert213, nur eine solche Auslegung überhaupt tragfähig sein, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht wird. Die Verfassungsänderung ist hierzu in ihrem Normverständnis bereits vorab an Art. 79 Abs. 3 GG zu messen und ihre Vereinbarkeit mit den zentralen Verfassungsgrundsätzen sicherzustellen.214 Dies ist Folge des Umstands, dass auf Verfassungsebene jederzeit die Einheit der Verfassung und ihr Verständnis als in sich homogenes Gebilde im Mittelpunkt der Betrachtung stehen; über diese noch vom Verfassunggeber herrührende Strukturvorgabe darf sich kein verfassungsändernder Gesetzgeber hinwegsetzen, was nicht zuletzt die Existenz einer Unantastbarkeitsnorm belegt.215 Dass die an der gesetzgeberischen Vorstellung ausgerichtete Auslegung von Art. 91e GG vorliegend jedoch schon nicht tragfähig ist und deshalb nicht mehr als eine von mehreren zulässigen Auslegungsvarianten überhaupt in Betracht gezogen werden kann, steht angesichts der im Prüfungsteil I erlangten Erkenntnisse fest. Denn ein Normverständnis, durch welches ein verfassungsrechtlich bedenklicher Zustand erreicht würde, kann von vornherein nicht taugliche Interpretationsgrundlage sein, solange gleichzeitig ein alternatives und möglicherweise zulässiges Verständnis in Betracht kommt. Lässt der Wortlaut demnach aufgrund seiner Weite  – wie häufig im Verfassungstext und so auch vorliegend – mehrere Interpretationsmöglichkeiten zu und stellt er nur sehr grobe Mindestanforderungen auf, ist es bei verfassungsrechtlichen Bedenken einer der möglichen Auslegungsvarianten angezeigt, der Verfassungsänderung dasjenige Normverständnis zugrunde zu legen, bei dessen Anwendung Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit nicht bestehen. Eine solche Interpretation, die den anzulegenden Maßstäben zumindest ansatzweise oder sogar vollständig gerecht wird, ist im Übrigen, selbst wenn sie von der eigentlichen Intention des ver 210 Hierzu beispielsweise Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 345 f. und Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 61 f. 211 Dazu eingehend im vorherigen Abschnitt (§ 11 V. 2. b)). 212 Vgl. zu dieser Unterscheidung in § 8 I. 213 Vgl. § 11 V. 2. b) bb). 214 Siehe erneut in § 7 I. 215 Zu den Hintergründen der Unantastbarkeitsgarantie und der Unterscheidung von verfassunggebender sowie verfassungsändernder Gewalt siehe ausführlich in § 8 III.

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fassungsändernden Gesetzgebers abweicht, die alleinige Möglichkeit, dem generell zu unterstellenden und insoweit (abstrakt) hypothetischen Willen des Gesetzgebers gerecht zu werden, verfassungsgemäße Zustände und damit einhergehend wirksame Normen zu schaffen.216 dd) Teleologische Auslegung Schließlich verbleibt noch die teleologische Auslegungsmethode, im Rahmen derer Sinn und Zweck der in Art. 91e GG getroffenen Regelung, in gemeinsame Einrichtungen zusammenzuwirken, in den Blick zu nehmen sind: Dabei ließe sich der Zweck in Anbetracht der gesetzgeberischen Intention, die im Einzelnen bereits im vorangegangenen Kapitel dargelegt wurde, zunächst durch reine Bezugnahme auf diese Vorstellung herausarbeiten. Doch würde eine derartige Herangehensweise zum einen dieselbe Problematik aufwerfen, wie sie soeben im Rahmen der historischen Auslegung erörtert worden ist, mit der Folge, dass der gesetzgeberische Wille auch an dieser Stelle nicht als ausschlaggebend erkannt werden kann, solange andere, gemessen an Art. 79 Abs. 3 GG zulässige Auslegungsvarianten existieren. Zum anderen würde die Bezugnahme auf die gesetzgeberische Intention zur Absicherung der vorhandenen SGB II-Regelungen den gleichzeitig mit der Schaffung gemeinsamer Einrichtungen verfolgten Zweck vernachlässigen, anstelle der bis ins Jahr 2003 geltenden und historisch gewachsenen, getrennten Aufgabenwahrnehmung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine verfassungsgemäße gemeinsame Aufgabenwahrnehmung zu etablieren. Denn ungeachtet der vorherigen Erörterungen dürfte für den Gesetzgeber im Hinblick auf die Reichweite von Art. 91e GG neben der Absicherung der bestehenden SGB II-Regelungen, die jedoch nach den Erkenntnissen dieser Arbeit gescheitert ist (vgl. insoweit bereits eingehend Prüfungsteil I217), entscheidend gewesen sein, die Grundsicherung für Arbeitsuchende jedenfalls auch künftig aus einer Hand zu gewähren.218 Weil bereits das erstgenannte (vordergründige) Ziel wegen der andernfalls drohenden Verfassungswidrigkeit von Art.  91e GG nicht mehr erreicht werden kann, ist davon auszugehen, dass zumindest das Erreichen des allgemeinen (hintergründigen) Ziels im Sinne des verfassungsändernden Gesetzgebers läge und demzufolge dem Sinn und Zweck der in das Grundgesetz eingefügten Bestimmung noch am ehesten entsprechen dürfte. Denn damit wäre zumindest eine partielle Zielerreichung anstelle der vollkommenen Unwirksamkeit sämtlicher Bemühungen verbunden. Hingegen würde eine verfassungswidrige und 216 In dieser Weise ist das BVerfG bislang in seiner Rechtsprechungshistorie (hierzu ein kompakter Überblick in § 7 III.) regelmäßig verfahren und hat im Ergebnis über diesen Zwischenschritt mehrfach bedenkliche Verfassungsänderungen noch für mit Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar erklärt. 217 Dazu bereits in § 11 IV. 218 Vgl. BT-Drs. 17/1554, S. 1, 4; siehe die ausführliche Darstellung in § 3 I. 1. sowie II. 1.

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damit nichtige Verfassungsänderung auf Basis der gesetzgeberischen Vorstellung, wenn an dieser sehenden Auges festgehalten würde, sämtliche Bestrebungen zunichtemachen und – abgesehen von den einfachgesetzlichen Modifikationen, die sodann auf dem Prüfstand stünden – im Wesentlichen den Zustand aus dem Jahr 2007 wiederherstellen, mutmaßlich verbunden mit einem erneuten Beginn der Diskussionen um eine verfassungsgemäße Umsetzung.219 Nimmt man vor diesem Hintergrund und auf Basis der eingangs dargelegten Wortbedeutung der Begrifflichkeit „in gemeinsamen Einrichtungen“ vor dem systematischen Kontext an, dass hiermit lediglich eine in irgendeiner Weise institutionell ausgeformte und durch organisatorisch nach außen erkennbare Gestaltungen auftretende Kooperation von Bund und Ländern / Kommunen im Grundgesetz verankert wird, ergeben sich aus der teleologischen Auslegungsmethode keine über die anderen Auslegungsmethoden hinausgehenden Erkenntnisse. ee) Zwischenergebnis zur Auslegung Mithin lässt die Auslegung von Art. 91e GG, dessen Tatbestand im Wesentlichen durch das Zusammenwirken der beteiligten Träger in gemeinsamen Einrichtungen gekennzeichnet ist, den Rückschluss zu, dass es auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende verpflichtend lediglich einer institutionellen Verbindung durch die Bildung einer Arbeitseinheit bedarf. Nach diesem sehr weit gefassten Maßstab würde eine lediglich lose Kooperation, die ausschließlich auf einer gegenseitigen Verständigung oder Absprache beruht und innerhalb derer sich die Ebenen ohne weitere organisatorische Verbindung gegenüberstehen, wie dies auch von sonstigen Fällen des Zusammenwirkens zwischen Bund und Ländern / Kommunen bekannt ist, diesen Anforderungen nicht genügen. In diesem Zusammenhang deutet „gemeinsam“ auch in Bezug auf die konkrete Form der Kooperation nur die kooperative und gemeinschaftliche Gestaltung der Einrichtung an und ist nicht etwa gleichbedeutend mit vereinigt oder verflochten. Der entscheidende Unterschied von Art. 91e GG zu anderen Kooperationsregelungen, naheliegend etwa im Verhältnis zu Art. 91a–d GG, findet sich insoweit darin, dass zu diesem Zwecke Einrichtungen zu bilden sind. Diese objektbezogene Verknüpfung unterliegt jedoch über das Verlangen nach Kooperation in bestimmten Rechtsbereichen hinaus keinen weitergehenden Anforderungen und schreibt insbesondere nicht vor, dass die Einrichtungen als autonome Gebilde auszugestalten und mit von beiden Trägern losgelösten Befugnissen auszustatten wären. Im Gegenteil lassen die Wortbedeutung des Begriffs „Einrichtung“ wie auch der verfassungsrechtliche Gesamtkontext, die nach dem Vorstehenden zum Zwecke der Verfassungsmäßigkeit als hier ausschlaggebende Methoden der Norminterpretation verstanden werden dürfen, von Art. 91e GG ein deutlich weitgehenderes Ver 219

Zu der Diskussion zwischen den Jahren 2007 und 2010 eingehend in § 2 VI.

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ständnis zu, wonach in diesem Gebilde Bund und Länder / Kommunen im Rahmen einer dualen Organisation tätig werden und ausschließlich im Außenverhältnis als eine einheitliche Stelle ‚unter einem Dach‘ auftreten. Notwendig ist lediglich „eine formale, integrierte Gesamtorganisation“220, weshalb etwa die „bloß informale Zusammenarbeit“ nicht genügen würde. Die Anordnung des Zusammenwirkens hat bei diesem Verständnis des Art. 91e GG, anders als bei den bislang normierten Gemeinschaftsaufgaben im gleichen Abschnitt des Grundgesetzes, keinen weitergehenden Bedeutungsgehalt, da dessen eigentliche Aussage, dass Bund und Länder / Kommunen auf dem Rechtsgebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende gemeinsam tätig werden, bereits durch die Tätigkeitsform („in gemeinsamen Einrichtungen“) – insoweit sogar weitergehend als bei Art. 91a–d GG – vorgegeben wird. c) Schlussfolgerungen aus der Auslegung der Norm Dass „gemeinsame Einrichtungen“ gemäß der Auslegung von Art. 91e GG eine gewisse Institutionalisierung verlangen, zwingt allerdings nicht ohne Weiteres, sie als völlig selbstständige Einrichtungen auszugestalten, die alle Aufgaben in eigenem Namen und somit als vollkommen eigenständige Gebilde wahrnehmen. Auch wird hiermit in Anbetracht der weiten und nicht näher spezifizierten Formulierung nicht die Schaffung eines der Verfassung zuwiderlaufenden neuen Verwaltungstyps vorausgesetzt, durch den die staatlichen Ebenen in verfassungswidriger Weise vermischt werden. Im Gegenteil verlangt die Bildung einer Arbeitseinheit als das gegenüber den Gemeinschaftsaufgaben zusätzliche Regelungselement – wie zuvor in § 11 V. 2. b) gezeigt – nur nach einer äußerlich erkennbaren Verbindung von Bund und Ländern / Kommunen. Auf Grundlage der so verstandenen Vorgabe ist aber, obwohl vom verfassungsändernden Gesetzgeber in dieser Weise mit Blick auf die bestehenden Vorschriften im SGB II intendiert221, eine gemeinsam geführte Einrichtung nicht ausschließlich in der dortigen Ausgestaltung als eine Art zusätzliche Ebene denkbar, in welcher sie das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007222 – damals noch unter der Bezeichnung ARGEn – für verfassungswidrig erklärt hatte und für welche dem Grunde nach mit nur einzelnen Abweichungen (vgl. im Einzelnen Prüfungsteil I223) verfassungsrechtliche Zweifel auch heute noch gelten.

220

Zu diesem und dem nachfolgenden Zitat Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 20. Nochmals sei für Einzelheiten auf BT-Drs. 17/1554, S. 1, 4 und auf § 2 VI. 7., § 3 I. 1. und II. hingewiesen. 222 BVerfGE 119, 331 ff. 223 Dazu besonders in § 11 IV. 2., darunter in § 11 IV. 2. a) aa) auch zu den jüngsten Modifikationen, die jedoch an dem Gesamtergebnis der Verfassungswidrigkeit gleichwohl nichts zu ändern vermochten – zum Gesamtergebnis des ersten Prüfungsabschnitts daher schließlich in § 11 IV. 3. 221

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Stattdessen kann als „gemeinsame Einrichtung“ in Entsprechung vor allem der Wortbedeutung und grundgesetzlichen Systematik auch eine solche Struktur verstanden werden, in der Bund und Länder (mitsamt den letzteren zugeordneten Kommunen) nicht untrennbar verbunden werden, sondern sie ihre jeweilige Eigenverantwortlichkeit auch auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende in vollem Umfang beibehalten. Denn die in einer eigenen organisatorischen Einheit verbundene und insofern institutionalisierte Zusammenarbeit geht nicht schon begrifflich bereits von Entscheidungen in Abhängigkeit vom jeweiligen Partner und damit Blockademöglichkeiten des anderen, von der Mischung der Aufsichtsmöglichkeiten oder von unklaren Handlungs- bzw. Zurechnungssträngen aus. Vielmehr bietet der Begriff noch genügend Spielraum, damit innerhalb der Einrichtung, die gewissermaßen den äußeren Korpus für die Zusammenarbeit bietet, die beiderseitigen Kompetenzstränge und damit die jeweils zugewiesenen Aufgaben, Berechtigungen und Verantwortlichkeiten weiterhin getrennt verlaufen können. Dies wird in Ansätzen bereits durch die die aktuelle einfachgesetzliche Ausgestaltung im SGB II n. F. belegt, indem dort – wie dargestellt224 – wirksame Vorkehrungen getroffen wurden, um zumindest im Bereich der Leistungserbringung die beiderseitige Letztverantwortlichkeit durch klar getrennte Weisungsmöglichkeiten und Aufsichtsstränge zu gewährleisten. Infolge der im Jahr 2010 erfolgten Modifikationen der einfachgesetzlichen Vorschriften lassen sich die Verantwortlichkeiten nun deutlich besser als noch zuvor (siehe insoweit die Kritik des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2007225) voneinander trennen und wurde die Entscheidungskraft des zuständigen Trägers erheblich gestärkt. Folgerichtig kam schon die vorstehende Untersuchung von Art. 91e GG im Prüfungsteil I, die dessen Verständnis an den bestehenden SGB II-Regelungen ausrichtete, zu der zwischenzeitlichen Feststellung, dass die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Leistungserbringung nunmehr infolge der ausgeweiteten und separierten Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse beider Träger gewahrt sein dürfte.226 Doch führte die weitere Untersuchung an besagter Stelle im Anschluss ebenfalls zu der Erkenntnis, dass die jeweiligen Eigenverantwortlichkeiten im Hinblick auf die von beiden Trägern gemeinschaftlich zu treffenden organisatorisch-personellen Entscheidungen innerhalb der gemeinsamen Einrichtung bei diesem Verständnis gemäß der Ausgestaltung im einfachen Recht weiterhin nicht gewahrt wären und darüber hinaus verfassungsrechtliche Zweifel an der Kompetenz- sowie Verantwortungsklarheit, speziell bei der Verdeutlichung der Legitimations- und Zurechnungsstränge nach außen, bestünden.227 Die vorangegangene Auslegung von Art. 91e GG und darin insbesondere die durch die Formulierung „in gemeinsamen Einrichtungen“ gestellten Anforderungen, die nach dem zuvor Gesagten lediglich reine Arbeitseinheiten voraussetzen, lassen jedoch eine von der einfachgesetzlichen Umsetzung abweichende Ausgestal 224

Vgl. eingehend bereits in § 11 IV. 2. a) aa). und parallel hierzu in § 11 IV. 2. b) und c). BVerfGE 119, 331 ff. 226 Dazu näher in § 11 IV. 2. a) aa). 227 Hierzu in § 11 IV. 2. a) bb), b) und c). 225

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tung zu. Infolge des sehr offenen Wortlauts ist insbesondere eine Gestaltung und Struktur der Kooperationseinheiten denkbar, die neben den Verantwortlichkeiten im Rahmen der Leistungserbringung auch den weiteren verfassungsrechtlichen Vorgaben (Organisationsverantwortung, Zurechenbarkeit, Legitimationsklarheit) in hinreichendem Maße Rechnung trägt, so dass die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung trotz des Zusammenwirkens in einer übergreifenden institutionellen Organisation im Ergebnis den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden kann. Denn werden die bei der Norminterpretation gewonnenen Befunde betreffend die in Art. 91e Abs. 1 GG enthaltenen Begrifflichkeiten auf das Zusammenwirken von Bund und Ländern / Kommunen übertragen, ist bei grundsatzkonformer Interpretation ausschließlich das Ziel einer einheitlichen Anlaufstelle für den Bürger und Entscheidung ihm gegenüber auf Verfassungsebene vorgegeben worden. Zu dem weitergehenden Schluss, dass hiermit ein neuer Verwaltungstypus gebildet werden sollte, kann die gewählte Formulierung wegen ihrer Offenheit und der im Grundgesetz neuartigen Begrifflichkeit sodann zwar verleiten, sie zwingt aber schon wegen der dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken228 keinesfalls zu dieser Annahme. Insbesondere verlangt die Verbindung in einer organisatorischen Einheit aus sich heraus nicht unbedingt die Überlagerung der beiderseitigen Verantwortungsbereiche und die Verflechtung der Entscheidungsträger in einer gänzlich oder zumindest partiell autonomen Institution. Die Begrifflichkeit setzt gemäß ihrer Auslegung, darunter vor allem nach ihrer Wortbedeutung und der systematischen Einordnung, vielmehr lediglich voraus, nach außen in Verbundenheit ‚unter einem Dach‘ tätig zu werden. Bei der vorstehend beschriebenen, weitgefassten Interpretation des zu untersuchenden Verfassungstextes ist der Aussagekern damit erkennbar darin zu sehen, dass nach außen auch künftig nur ein Ansprechpartner existiert, an den der Bürger sein Begehren herantragen kann und von dem er eine äußerlich einheitliche Entscheidung erhält, während gleichzeitig die Träger, d. h. Bund und Länder (bzw. den letzteren zugeordneten Kommunen), jeweils ausschließlich im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit (eigen)verantwortlich tätig werden können. In diesem Fall erfasst die Letztverantwortung, anders als in der bisher praktizierten Gestaltungsform gemeinsamer Einrichtungen, nicht nur den Bereich der Leistungserbringung, sondern ebenso die behördliche Organisation; sie ist nach diesem Verständnis umfassend und spiegelt sich zudem auch in der Außendarstellung wider. Verwirklichen ließe sich eine derartige Vorstellung, indem durch nähere gesetzliche Regelungen beide Träger unter einem Dach – insoweit wie bisher – verbunden würden, sie aber gleichzeitig innerhalb der gemeinsamen Einrichtungen organisatorisch voneinander getrennt blieben und demgemäß auf eine Verselbstständigung der gegründeten Institution als weitere Ebene einschließlich ihrer eigenen Organe verzichtet würde. Anstelle der Bildung einer jeweils in Teilen autonomen sowie weisungs 228 Vgl. Prüfungsteil I (darin zur eigentlichen Untersuchung v. a. § 11 IV. 2.) und außerdem mit weiteren Erläuterungen in § 11 V. 2. b) bb) und cc) zur Auslegung von Art. 91e GG.

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gebundenen Einrichtung, die ihre eigenen Verwaltungsstellen besäße, könnte jeder Träger seine personellen und sachlichen Mittel beisteuern und damit inhaltlich wie auch organisatorisch faktisch wie bei einer getrennten Aufgabenwahrnehmung tätig werden, im Unterschied zu dieser lediglich verknüpft mit einem einheitlichen Auftritt nach außen zur Vereinfachung des Ansprechpartners für die Leistungsbezieher. Im Ergebnis wären die beiderseitigen Entscheidungen damit auf ein absolutes Minimum reduziert, wie zum Beispiel den Standort der Arbeitseinheit. Dass in Teilbereichen zum Zwecke der Zusammenarbeit und ebenenübergreifenden Kooperation Entscheidungen getroffen und hierfür ein Konsens gefunden werden muss, wäre jedoch typisches Wesensmerkmal der Bund-Länder-Kooperation im Allgemeinen, soweit diese Zusammenarbeit über den Austausch von Informationen oder unverbindliche Beratungen hinausgeht.229 Selbst zum Zwecke bloßer informeller Absprachen ist es regelmäßig notwendig, sich aufeinander zuzubewegen und abzustimmen.230 Die innere Gliederung in zwei Verantwortlichkeitsbereiche unter einem gemeinschaftlichen Auftritt mit einheitlicher Bezeichnung könnte sich schließlich auch durch eine stilistische Trennung der zuerkannten oder abgelehnten Leistungen im Rahmen des gemeinsam erlassenen Bescheides widerspiegeln, d. h. den einzelnen gewährten Leistungen könnte darin erkennbar für den Empfänger der hierfür jeweils zuständige Träger zugeordnet sein. Auf diesem Wege würde die innerorganisatorische Dualität sodann auch äußerlich fortgesetzt und für den Bürger auch im Außenverhältnis der jeweils handelnde bzw. verantwortliche Träger erkennbar, ohne dass hierfür zugleich die Vorteile des einheitlichen Systems aufgegeben werden müssten. Bei einem solchen Verständnis würde es sich bei den gemeinsamen Einrichtungen im Sinne von Art. 91e GG – abweichend von ihrer aktuellen Ausgestaltung nach dem SGB II a. F. / n. F. – lediglich um eine zur leichteren Gewährung der Grundsicherung, also zur kooperativen Bewältigung der ehemals getrennten Arbeitslosenund Sozialhilfe231, zusammengesetzte Kooperationseinheit handeln, die zur Beibehaltung des kooperativen Systems die ehemals duale Struktur in eine äußerlich gemeinsame, im Inneren aber mehrschichtige Einheit überführt. Äußerlich weiterhin mit dem intendierten Vorteil einer zentralen Anlaufstelle ausgestattet, wäre die innere Struktur weitestgehend von einer zumindest objektiv und verantwortlichkeitsbezogen klar separierten Beibehaltung der bundesstaatlichen Ebenen geprägt.

229

Vgl. dazu im Einzelnen vor allem die Ausführungen in § 5 II. 2. c) und II. 3. Zu diesen Formen der Kooperation, die im strengen Sinne nicht von Mischverwaltung erfasst werden, siehe die Darstellung in § 5 II. 2. a). 231 Zu der historisch überkommenen Differenzierung dieser beiden Zweige der Grundsicherung für Arbeitsuchende vgl. die geschichtliche Zusammenfassung in § 2 II. 230

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d) Praktische Umsetzung des abweichenden Verständnisses Der zuvor aufgezeigten weiten Interpretationsmöglichkeit von Art. 91e GG in Bezug auf die Gestaltung gemeinsamer Einrichtungen entspricht der schon mehrfach232 betonte Grundgedanke, dass nicht das gemeinsame Tätigwerden von Bund und Ländern / Kommunen als solches, die sogenannte Mischverwaltung, bedenklich ist233, sondern stets nur dessen konkrete Ausgestaltung. Da die weitere Konkretisierung der gemeinsamen Einrichtungen jedoch nicht in Art. 91e GG, sondern im einfachen Recht (vgl. Art. 91e Abs. 3 GG) erfolgt, ist es Sache des einfachen Gesetzgebers, die aus dem Verfassungstext abzuleitende und zulässige Gestaltungsform dort auch tatsächlich umzusetzen. Folge dieser Verlagerung ins einfache Recht ist es, dass die aktuell erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken an den bestehenden gemeinsamen Einrichtungen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht deren (verfassungsrechtlich ermöglichte bzw. abgesicherte) Existenz im weitesten Sinne, sondern nur die konkrete einfachgesetzliche Ausgestaltung betreffen, welche die Einrichtungen im SGB II n. F. erhalten haben. So sind etwa die Mängel bezüglich der jeweiligen Eigenständigkeit im organisatorischen Bereich sowie betreffend die demokratischen Strukturen einschließlich des hieraus folgenden Problems, die Verantwortlichkeiten hinreichend voneinander zu trennen, alleine von der konkreten Umsetzung und Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber abhängig.234 Denn die hier untersuchte Verfassungsänderung gibt lediglich die Existenz gemeinsamer Einrichtungen vor, die jedoch, wie die Auslegung gezeigt hat, in vielfältiger Form ausgestaltet sein können. Auf dieser weitgefassten Grundlage obliegt es sodann dem einfachen Recht, durch entsprechende Vorsorge bei den Strukturen diese wenig konkreten Vorgaben inhaltlich zu füllen und den verfassungsrechtlichen Anforderungen in dem aufgezeigten, von Art. 91e GG im Rahmen von Wortlaut und Systematik zugelassenen Maße nachzukommen. Dass diese Möglichkeit prinzipiell besteht, haben jedenfalls die vorstehenden Erläuterungen gezeigt, weil die hierdurch erzielte Trennung der Verantwortungsbereiche jedenfalls in objektiver Hinsicht dazu beiträgt, die bislang erkannten Verstöße gegen Verfassungsgrundsätze, darunter insbesondere gegen Eigenverantwortlichkeit und Verantwortungsklarheit, abzuschwächen und ihnen noch weitgehend Rechnung zu tragen. Da Art. 91e GG – wie durch Auslegung anhand der klassischen Auslegungskriterien zuvor festgestellt235 – solche den Grundsätzen stärker Rechnung tragende Gestaltungen ausdrücklich zulässt und keine verpflichtenden Detailvorgaben für die Struktur und den Verflechtungsgehalt der gemeinsamen Einrichtungen enthält, hat es der verfassungsändernde Gesetzgeber 232

Vgl. beispielsweise nur in § 5 II. 2. und ergänzend in § 5 II. 3. sowie in § 11 I. Insoweit auch BVerfGE 137, 108 (144 f.). 234 Siehe insoweit ausführlich bereits die Feststellungen in Prüfungsteil I (§ 11 IV.) zu der verfassungsrechtlichen Problematik von gemeinsamen Einrichtungen im Falle ihrer Interpretation gemäß der bisherigen Ausgestaltung im SGB II. Eingehend zu den bundesstaatlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Zweifelsfragen bereits vorher in § 6. 235 Siehe hierzu in § 11 V. 2. b). 233

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nicht von vornherein unmöglich gemacht, den Verstoß gegen die Staats(struktur) prinzipien in weitem Maße zu minimieren und damit in der Gesamtbetrachtung möglicherweise auch für die intendierte verfassungsgemäße Rechtslage zu sorgen. Ob dies auf Grundlage des hier im Zuge der vorangegangenen Auslegung entwickelten grundsatzkonformen Auslegungsversuchs tatsächlich der Fall ist, wird nachfolgend noch zu prüfen sein. Zunächst lässt sich folgerichtig durch Anpassung der diesbezüglichen Vorschriften im SGB II eine weitgehende Eigenständigkeit beider Träger bei ihren Entscheidungen erzielen, während Art. 91e GG in der bestehenden Fassung fortbesteht. Dies setzt im Einzelnen voraus, dass der einfache Gesetzgeber die relevanten Bestimmungen an die zuvor gefundene Auslegung der Verfassungsänderung anpasst. Zu diesem Zweck müssten die gemeinsamen Einrichtungen auch einfachgesetzlich mit der vorstehend geschilderten innerorganisatorischen Dualität unter Beschneidung gegenseitiger Einwirkungsmöglichkeiten ausgestaltet und durch die angedeuteten Maßnahmen sichergestellt werden, dass sich die interne, klar geordnete Struktur auch im Außenverhältnis fortsetzt. Folge einer solchen Umsetzung im SGB II wäre zwar weiterhin eine organisatorische Einheit, die sich entsprechend der vorherigen Auslegung und damit per Definition als gemeinsame Einrichtung im Sinne von Art.  91e Abs.  1 GG verstehen ließe, weil sie eine Aufgabenwahrnehmung verschiedener Träger ‚unter einem Dach‘ ermöglichen würde. Gleichzeitig wären die Entscheidungen jedoch nicht länger von einem beiderseitigen Kompromiss abhängig und jeder Träger für die Organisation seines Aufgabenbereichs innerhalb der Einrichtung alleine zuständig. Lediglich nach außen würden die Träger organisatorisch als Einheit auftreten, wenngleich insoweit im Rahmen der materiellen Entscheidungen wiederum differenziert werden könnte: Die Verantwortungsklarheit wäre danach (objektiv) jedenfalls durch Rückanknüpfung an die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche zu erreichen und könnte zugleich (subjektiv) mittels verfahrensmäßiger Mitteilungen an den Betroffenen angestrebt werden. Immerhin sind Bund und Länder (bzw. die letzteren zugeordneten Kommunen) schon nach der bestehenden Gesetzeslage236 entsprechend ihren verfassungsrechtlichen Kompetenzen237 für voneinander verschiedene Teilbereiche als Träger vorgesehen. Nach dem hier vorgeschlagenen Verständnis könnten sie ihren Zuständigkeiten auch künftig in äußerlicher Verbundenheit unter einem gemeinsamen Dach nachgehen, wären hierbei aber – insoweit im Gegensatz zur aktuell bestehenden Rechtslage im SGB II n. F. – im denkbar weiten Maße selbstständig und eigenverantwortlich. In Folge dessen wäre diese Form ihrer Kooperation nicht länger mit einer Verflechtung der beiderseitigen Entscheidungsstränge verbunden und würde deshalb auch nicht mehr an den bisher verfassungsrechtlich bedenklichen Folgen leiden, dass ein Träger gegenüber dem anderen in dessen Kompetenzbereich intervenieren könnte und die Doppelung der Trägerschaft für den Empfänger nicht mehr nachzuvoll 236

Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB II n. F. Vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG.

237

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ziehen wäre. Im Gegenteil deuten die vorstehenden Erörterungen bereits an, dass mit einigen Anpassungen der Verwaltungs-, Organisations- und Entscheidungsregelungen – trotz Beibehaltung einer gemeinsamen Struktur nach außen – den verfassungsrechtlichen Anforderungen hinreichend Rechnung getragen werden könnte, weil die maßgeblichen Verantwortungsstränge hinreichend getrennt und als Folge dessen zwei weiterhin eigenständige Ebenen mit den ihnen jeweils alleine zurechenbaren Entscheidungen verbleiben würden. Einen vergleichbaren Ansatz, Verfassungsänderungen, wie vorliegend Art. 91e GG, in der nach ihrem eigenen Wortlaut noch denkbaren Weite zu interpretieren und die Einhaltung der aus den Kernelementen des Grundgesetzes folgenden Grenzen im Einzelnen den einfachgesetzlichen Detailregelungen zu belassen, hat sich das Bundesverfassungsgericht – wie schon eingangs erörtert238 – immerhin schon desöfteren239 zu Nutze gemacht, um eine zur Entscheidung vorgelegte Verfassungsänderung vor dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu bewahren. Die früheren Entscheidungen des höchsten deutschen Gerichts, in denen Art. 79 Abs. 3 GG als Maßstab der Prüfung herangezogen wurde, bekräftigen dies: Ihnen ist erkennbar zu entnehmen240, dass das Bundesverfassungsgericht im Wege seiner Auslegung stets von dem Bemühen getragen war, eine Verfassungsänderung im Rahmen des noch Erlaubten zu bewahren, und hierzu unter Umständen sogar ihren Inhalten im Rahmen des von dem verfassungsändernden Gesetzgeber gewählten Wortlauts durch Gegenüberstellung anderer Verfassungssätze die erforderlichen Grenzen zieht, um im Rahmen des Art. 79 Abs. 3 GG nicht durch das Raster zu fallen. Es handelt sich hierbei um einen ungeschriebenen Grundsatz, die Grenzen der Verfassung bereits in die Verfassungsänderung selbst hineinzulesen und diese nur in dem noch zulässigen Maße zur Geltung kommen zu lassen, mit der Folge, dass die Fortgeltung bestehender normativer Gestaltungen und die Einhaltung verfassungsrechtlicher Anforderungen als Ergebnis der Normenhierarchie letztlich erst in ihrer jeweiligen einfachgesetzlichen Ausgestaltung beantwortet wird. Die angesichts der getroffenen Feststellungen (vor allem in Prüfungsteil I) naheliegende Annahme der Verfassungswidrigkeit verlagert sich infolge der grundsatzkonformen Auslegung von Art. 91e GG dementsprechend in das einfache Recht.241

238

Namentlich zu Beginn des aktuellen Prüfungsteils II (§ 11 V.). Beispielsweise BVerfGE 30, 1 (17 ff., 24 f., 26 ff.), BVerfGE 94, 49 (85 ff., 102 f.) oder BVerfGE 109, 279 (310 ff.). Zu sämtlichen Entscheidungen betreffend die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen vgl. näher die Zusammenfassung in § 7 III. 240 Sehr deutlich vor allem BVerfGE 30, 1 (Ls. 2 und 19 ff.) sowie BVerfGE 109, 279 (315 f.). 241 In der genannten Weise, die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Verfassungsänderung sowie des zugrunde liegenden einfachen Gesetzes zu trennen, ist das BVerfG z. B. in BVerfGE 30, 1 (26 ff. und 29 ff.) und in BVerfGE 109, 279 (Ls. 1 und 6 bzw. 309 ff. und 325 ff.) verfahren. 239

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3. Grundsatzkonformität dieser Auslegungsvariante? Auf Grundlage der vorgenannten Auslegung von Art. 91e GG stellt sich nun abschließend erneut – wie schon im Prüfungsteil I, dort allerdings noch auf Grundlage des von dem verfassungsändernden Gesetzgeber intendierten Verständnisses – die Frage, ob die im Verlauf dieser Arbeit herausgestellten Grundsätze im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG durch die Verfassungsänderung auch bei abweichendem Verständnis derselben weiterhin berührt werden oder ein solcher Eingriff in die Unantastbarkeitsnorm nunmehr verneint werden kann. Dabei sind die zuvor in § 11 V. 2. erläuterten Vorschläge zur stärkeren Ausrichtung der gemäß Art. 91e GG gebildeten gemeinsamen Einrichtungen an den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen, die es erkennbar zum Ziel haben, die verfassungsrechtlichen Bedenken zu minimieren. Trotz dieser Bestrebung ist eingangs nochmals festzuhalten, dass es sich auch in dieser abgemilderten Version gemeinsamer Einrichtungen noch immer um gemischte Kooperationseinheiten von Bund und Ländern / Kommunen handelt, welche das Grundgesetz in dieser institutionellen Verfestigung bislang nicht kannte. Bereits der Begrifflichkeit, die Art. 91e Abs. 1 GG verwendet, ist gemäß der Auslegung, unter anderem insbesondere der Wortbedeutungen der Teilbegriffe, eine objektbezogene und institutionalisierte Kooperation der beiden Träger immanent, weshalb auch eine denkbar weite Auslegung niemals eine vollständige Trennung oder nur lose Verbindung beider Ebenen zum Ergebnis haben kann. Dass die beiden Träger gemeinschaftlich tätig werden und zwischen ihnen zumindest eine äußerliche Verbindung besteht, widerspricht jedoch als solches noch nicht der Verfassung oder ihren Kerngedanken, da das Grundgesetz Kooperationen der staatlichen Ebenen in vielfacher Weise kennt und zulässt. Auch dies ist bereits in wiederholter Weise erläutert worden.242 Es existiert vor allem kein absolutes Verbot der Mischverwaltung zwischen Bund und Ländern243, sondern anstelle dessen lediglich eine Reihe von verfassungsrechtlichen Vorgaben aus dem Bundesstaats-, Demokratieund Rechtsstaatscharakter der Bundesrepublik Deutschland244, die es einzuhalten gilt: Hierzu zählen besonders die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung, die Wahrung eines demokratischen Legitimationsniveaus sowie die Verantwortungsklarheit bzw. Zurechenbarkeit von Kompetenzen. Durch die bloße Existenz von gemeinsamen Einrichtungen in der zuvor beschriebenen und nur abstrakt, d. h. ohne detaillierte Vorgaben, im Grundgesetz vorgegebenen Form entsteht hingegen noch kein verfassungswidriger Zustand, weil mit dieser Entscheidung zu 242 Dazu bereits in § 5 II. 2. c) – abstrakt – und in § 5 II. 3. – mit konkreten Beispielen – sowie schon einleitend in § 1. 243 Ausführlich dargelegt in § 5 II. 2. 244 Zur Darstellung der Prinzipien (Bundesstaat, Demokratie, Rechtsstaat) und ihrer wesentlichen, im Zusammenhang mit Mischverwaltung relevanten Gehalte siehe schon § 6. In welchem Rahmen diese sodann auch von Art. 79 Abs. 3 GG geschützt sind, wurde sodann bereits in § 10 II. dargestellt.

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4. Teil: Anwendung der Untersuchungsergebnisse auf Art. 91e GG 

einer äußeren Verbindung noch keine Aussage über die innergemeinschaftlichen Strukturen getroffen wird. Da Art. 91e GG als verfassungsändernde Norm jedoch nicht mehr als die bloße Existenz derartiger Institutionen anordnet und die innerorganisatorische Verflechtung beider Ebenen durch die vorgeschlagene Auslegung erheblich verringert werden kann, sind jedenfalls ersichtlich unzulässige Mischeinrichtungen aus Bund und Ländern / Kommunen, in denen – wie vom Bundesverfassungsgericht noch im Jahr 2007 festgestellt245 – die Eigenständigkeit aufgehoben und die klare Zurechenbarkeit von Rechtsakten nicht mehr gewährleistet wäre, in dieser Deutlichkeit nicht mehr zu befürchten. Stattdessen stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit Art. 79 Abs. 3 GG nun auf neuer Grundlage und in einem gewandelten fiktiven Verständnis solcher Einrichtungen. Um in dieser Auslegungsvariante anders als in derjenigen auf Basis des SGB II n. F. (vgl. hierzu die verfassungsrechtliche Bewertung in Prüfungsteil I246) verfassungsmäßig zu sein, dürften aktuell die Prinzipien der Eigenständigkeit beider Träger, der Kompetenz- bzw. Verantwortungsklarheit sowie der demokratischen Legitimationsstrukturen nicht länger berührt werden, wobei letzteres nach den Erkenntnissen dieser Arbeit, vergleichbar dem Schrifttum und insoweit mit geringeren Anforderungen als das Bundesverfassungsgericht, bereits bei jeder Beeinträchtigung oder nachteiligen Auswirkung der Verfassungsänderung zu bejahen wäre. Umgekehrt würde es für die Annahme verfassungswidrigen Verfassungsrechts genügen, wenn „gemeinsame Einrichtungen“ im Sinne von Art. 91e Abs. 1 GG immer noch die erste Variante der Unantastbarkeitsnorm oder die von der dritten Variante geschützten Grundsätze des Bundesstaates sowie die rechtsstaatlichen und demokratischen Grundlagen der Bundesrepublik in irgendeiner Weise beschränken würden247, und sei es auch nach dem vorangegangenen Versuch einer grundsatzkonformen Auslegung – anders als noch zuvor248 – lediglich noch in stark abgeschwächter Form. Berücksichtigt man diese Vorgaben und prüft sodann auf dieser Grundlage Art. 91e GG in der hier vorgeschlagenen Auslegungsvariante anhand von Art. 79 Abs. 3 GG, sind Verstöße gegen die maßgeblichen Verfassungsgrundsätze, wie sie im Prüfungsteil  I im Zuge der Orientierung an der gesetzgeberischen Intention herausgearbeitet wurden249, in Gänze nicht mehr gegeben, sondern alleine auf die Vorschriften des SGB II beschränkt. Auf der hier untersuchten und deshalb alleine zu betrachtenden Verfassungsebene ist danach festzustellen, dass der jeweiligen Eigenverantwortlichkeit der beteiligten Träger im weitestmöglichen Umfang Rech 245

Vgl. BVerfGE 119, 331 ff. Hierzu schon in § 11 IV. 2. 247 Siehe hierzu § 10 II. 248 Dazu im Einzelnen, differenziert nach den drei Staats(struktur)prinzipien, schon in § 11 IV. 2. a) (Bundesstaat), § 11 IV. 2. b) (Demokratie) und § 11 IV. 2. c) (Rechtsstaat). 249 Vgl. abermals die ausführliche und strukturierte Prüfung von Art. 91e GG in seiner durch die gesetzgeberische Intention geprägten Auslegung anhand der von Art. 79 Abs. 3 GG aufgestellten Maßstäbe in dem vorangegangen Prüfungsteil I (§ 11 IV.). 246

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nung getragen wird, weil die Verantwortungs- und Kompetenzklarheit mitsamt der Erkennbarkeit der Legitimationsstrukturen bei entsprechender Auslegung der Verfassungsänderung nicht länger betroffen werden. Denn die beschriebene Ausgestaltung der gemeinsamen Einrichtungen, die Art. 91e GG – wie gezeigt – zulässt, beachtet die von Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 20 GG gestellten Anforderungen und wäre sodann lediglich noch einfachgesetzlich umzusetzen. Hiernach sind die gemeinsamen Einrichtungen bloß als eine Art übergreifendes Gerüst zu begreifen, durch welches Bund und Länder / Kommunen nach außen hin gemeinsam tätig werden, obwohl sie im Innenverhältnis jeweils eigenständig den ihnen zugewiesenen Aufgaben nachgehen (vgl. hierzu im Einzelnen vor allem in § 11 V. 2. b) bb), V. 2. c) und d)). Ausgehend von einem derart weiten Verständnis von gemeinsamen Einrichtungen im Sinne von Art. 91e GG werden die einzelnen Grundsätze im Sinne der Ewigkeitsgarantie jedoch nicht mehr berührt: Zum einen ist eine Beeinträchtigung der aus dem Bundesstaatsgedanken abgeleiteten Eigenständigkeit beider Träger bei der hier vorgeschlagenen Interpretation des Begriffs gemeinsame Einrichtungen nicht mehr gegeben. Zwar ist deren Handeln weiterhin in materiell-inhaltlicher Hinsicht dadurch begrenzt, dass einzelne Entscheidungen des einen Trägers auch für den anderen bindend wirken und damit auf dessen Entscheidung richtungweisenden Einfluss nehmen.250 Doch ist diese gegenseitige Bindungswirkung und damit inhaltliche Abhängigkeit nicht auf das Zusammenwirken in einer gemeinsamen Einrichtung zurückzuführen, sondern auf die sich überschneidende Aufgabenwahrnehmung bei der Grundsicherung insgesamt. Dieselbe Bindung träte nach der Konzeption der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch ohne organisatorische Verbindung ein, weil die jeweiligen Kompetenzen nur Teilbereiche betreffen, zwischen denen in vielfacher Hinsicht Zusammenhänge existieren. Ungeachtet dessen vermag nunmehr aber jeder Träger eigenverantwortlich die ihm übertragenen Aufgaben wahrzunehmen und die für sein Tätigwerden benötigten organisatorischen Entscheidungen zu treffen, ohne hierbei auf den anderen Träger Rücksicht nehmen zu müssen. Denn Bund wie auch Länder bzw. an deren Stelle die ihnen zugewiesenen Kommunen tragen nach dem vorgeschlagenen Verständnis jeweils die volle Letztverantwortung, wohingegen sich der gemeinsame Aspekt ausschließlich auf das äußerliche Auftreten und die Außendarstellung bezieht. Zum anderen werden vor allem die aus Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip gefolgerten Erfordernisse der Verantwortungsklarheit und der legitimatorischen Nachvollziehbarkeit durch Art. 91e Abs. 1 GG in ihrem durch die Ewigkeitsgarantie garantierten Gehalt von vornherein nicht mehr berührt, soweit man der Verfassungsnorm das hier entwickelte Verständnis zugrunde legt. Denn die bloße Existenz einer Institution, unter deren Dach Bund und Länder / Kommunen äußerlich 250

Vgl. hierzu § 44a Abs. 5 Satz 1 SGB II n. F.

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4. Teil: Anwendung der Untersuchungsergebnisse auf Art. 91e GG 

gemeinsam, jedoch innerlich jeweils selbstständig tätig werden, genügt nicht länger zur Annahme eines Verfassungsverstoßes: Trennt man die Verantwortlichkeiten sowohl für die Leistungserbringung als auch die sonstige Organisation – wie hier vorgeschlagen – innerhalb der Organisation und macht dies zudem strukturell in den Bescheiden durch die Zuordnung der darin getroffenen Regelungen zum jeweils zuständigen Träger nach außen deutlich, sind die jeweiligen Verantwortungsstränge unmissverständlich erkennbar und lassen sich in jedem Zeitpunkt und aus jeder Perspektive dem jeweils zuständigen Träger zurechnen. Zweifel an der Klarheit der Kompetenzen und Strukturen sowie hieran anknüpfend der demokratischen Legitimität sind auf diesem Wege nicht nur minimiert, sondern faktisch sogar gänzlich ausgeschlossen. 4. Zwischenergebnis zu Prüfungsteil II Mithin ist Art. 91e GG wegen seines sehr offen formulierten Wortlauts einer grundsatzkonformen Auslegung zugänglich, bei deren Zugrundelegung die Verfassungsänderung nicht gegen Verfassungsgrundsätze im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG verstößt. Inwieweit allerdings die aktuelle einfachgesetzliche Ausgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch gemeinsame Einrichtungen im SGB II n. F. der Verfassung entspricht oder ob diese wie schon im Jahr 2007 auch heute noch gegen die Verfassung in Gestalt der bundes- und rechtsstaatlichen sowie demokratischen Verfassungsprinzipien verstößt, ist eine von Art. 91e GG zu differenzierende, in dieser Arbeit nur mittelbar thematisierte Frage. Angesichts der in Prüfungsteil I dargelegten materiell-verfassungsrechtlichen Bedenken und der im Kern beim damaligen Stand verbliebenen Gestalt der gemeinsamen Einrichtungen in ihrer einfachgesetzlichen Ausgestaltung spricht allerdings Überwiegendes dafür. Es sei hierzu lediglich darauf hingewiesen, dass bei der Beantwortung dieser Frage der Prüfungsmaßstab nicht auf Grundsätze im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG beschränkt ist, weil die insoweit nötige Untersuchung anhand des Grundgesetzes nicht eine Verfassungsänderung, sondern niederrangige Normen betrifft. Dieser Umstand hat in Entsprechung der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung aus dem Jahr 2007 zur Folge, dass die gesetzlichen Regelungen, hier also §§ 44b ff. SGB II n. F., an sämtlichen grundgesetzlichen Grenzen der Mischverwaltung251, also unter anderem auch der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, die im Rahmen der Unantastbarkeitsnorm keine Relevanz besitzt, zu messen sind. Angesichts des sogar umfassenderen Prüfungsmaßstabs lässt sich daher auf Basis der damaligen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts und unter Berücksichtigung der im Prüfungsteil I enthaltenen Untersuchung auf Basis des SGB II n. F. mitsamt dem dort – unmittelbar jedoch nur für Art. 91e GG – gefundenen Ergebnis ohne ge 251

D. h. insbesondere an den in § 6 dargelegten Grenzen.

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sonderte Prüfung feststellen, dass die einfachgesetzlichen Regelungen im SGB II, insbesondere die maßgebliche Grundlage gemeinsamer Einrichtungen in § 44b SGB II, auch aktuell verfassungswidrig sind. Denn die derzeitige einfachgesetzliche Ausgestaltung gemeinsamer Einrichtungen findet in Art. 91e GG unter Beachtung der zuvor entwickelten verfassungsgemäßen, da grundsatzkonformen Auslegung der Verfassungsnorm nicht die von Seiten des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2007 geforderte252 verfassungsrechtliche Grundlage. Das hiervon abweichende Verständnis in der aktuellen Fassung des einfachen Rechts verstößt aber, wie Prüfungsteil I im Rückschluss belegt253, ebenso wie schon damals254 gegen die Prinzipien jedenfalls des Bundesstaates, der Demokratie und des Rechtsstaates sowie gegebenenfalls zudem der kommunalen Selbstverwaltung (wobei letzteres vorliegend nicht geprüft wurde).

VI. Abschließendes Prüfungsergebnis Die Schlussfolgerungen aus Prüfungsteil II mitsamt der darin bejahten Möglichkeit einer grundsatzkonformen Auslegungsvariante haben die abschließende Feststellung zur Folge, dass es sich bei Art. 91e GG nicht um verfassungswidriges Verfassungsrecht handelt. Doch bedarf die Verfassungsänderung zu diesem Zweck einer Interpretation auf Basis ihres Wortlauts und allgemeinen Zwecks, durch welche sie von der intendierten Zielsetzung des verfassungsändernden Gesetzgebers abweicht, die in § 44b SGB  II normierten gemeinsamen Einrichtungen verfassungsfest abzusichern. Dementsprechend wird die aktuell einfachgesetzlich vorgesehene und seit mehreren Jahren praktizierte Ausgestaltung der gemeinsamen Einrichtungen von Art. 91e GG nicht gedeckt. Denn um den verfassungsrechtlich, speziell von Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 20 GG normierten Grenzen für Verfassungsänderungen gerecht werden zu können, ist den gemeinsamen Einrichtungen im Sinne von Art. 91e GG ein die Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern / Kommunen nicht beschränkendes und auch von außen nachvollziehbares Verständnis zugrunde zu legen: Hiernach werden die beiden Träger im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als im Wesentlichen getrennte Teile ‚unter einem gemeinsamen Dach‘ tätig, wobei die organisatorische Struktur der Einrichtungen die Dualität der Trägerschaft berücksichtigt und lediglich den Vorteil einer einheitlichen Anlaufstelle bzw. einer äußerlich verbundenen Arbeitseinheit verwirklichen 252 Dazu der erste Prüfungsabschnitt III. 2. b) in der damaligen Entscheidung, BVerfGE 119, 331 (369). 253 Vgl. die eingehende Erläuterung, inwieweit die einzelnen Grundsätze durch die auf dem SGB II (n. F.) beruhende Vorstellung von gemeinsamen Einrichtungen berührt werden, in § 11 IV. 2. 254 Hierzu sehr ausführlich die auf III. 2. b) nachfolgenden Abschnitte in BVerfGE 119, 331 (372 ff.).

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4. Teil: Anwendung der Untersuchungsergebnisse auf Art. 91e GG 

soll. Legt man diese Gestaltungsform zugrunde, verstößt Art. 91e GG weder gegen die bundesstaatlichen noch die demokratischen oder die rechtsstaatlichen Grundsätze. Die konkrete Umsetzung in der vorgenannten Form belässt die wirksam verfassungsändernde, da in der vorgenannten Auslegung verfassungsgemäße Norm allerdings dem einfachen Recht (vgl. Art.  91e Abs.  3 GG). Da die aktuelle Gesetzeslage im SGB II n. F. noch von einem anderen Verständnis der gemeinsamen Einrichtungen ausgeht, welches von der hier vorgeschlagenen grundsatzkonformen Auslegung der gemeinsamen Einrichtungen abweicht und sich stattdessen dem Grunde nach an den ehemals für verfassungswidrig erklärten ARGEn orientiert, mit der Folge, dass es trotz einzelner Modifikationen weiterhin den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht wird (im Rückschluss aus Prüfungsteil I), ist davon auszugehen, dass die einfachgesetzlichen Vorschriften aktuell nicht den an sie gestellten Anforderungen genügen, also verfassungswidrig sind. Abschließend ist demnach festzuhalten, dass der Versuch der verfassungsändernden Gewalt zur Herstellung verfassungsgemäßer Zustände bei gleichzeitig lediglich punktueller Modifikation des einfachen Rechts durch Implementierung einer die Gesetzeslage im SGB II n. F. absichernden Verfassungsnorm gescheitert ist. Denn als „gemeinsame Einrichtungen“ lässt das Grundgesetz im weitesten Sinne nur äußerlich verbundene, aber organisatorisch weiterhin selbstständige Gebilde aus Bund und Ländern / Kommunen zu. Diesen Vorgaben vermag zwar Art. 91e GG wegen seines abstrahierenden Wortlauts noch mit einer entsprechenden Auslegung der dort gewählten Formulierung gerecht zu werden, nicht hingegen die einfache Gesetzeslage, wie sie derzeit in §§ 44b ff. SGB II n. F. normiert ist, da durch die dort vorgesehene Gestaltungsform gemeinsamer Einrichtungen wesentliche Verfassungsprinzipien (Bundesstaat, Demokratie, Rechtsstaat) berührt werden.

§ 12 Zusammenfassung der Ergebnisse Mit Blick auf die neu geschaffene Verfassungsnorm in Art. 91e GG und die hier aufgeworfene Frage ihrer Verfassungswidrigkeit hat die vorliegende Untersuchung beginnend mit der Entstehungsgeschichte der Grundsicherung für Arbeitsuchende über die Vorstellung der verfassungsändernden Inhalte, der Möglichkeiten und Grenzen einer Mischverwaltung sowie des Weiteren der Bedeutung und Interpretation des Art. 79 Abs. 3 GG bis hin zur eigentlichen Prüfung der Verfassungsänderung an diesen Maßstäben im Kern zu den folgenden, in 50 Thesen zusammengestellten Erkenntnissen geführt:

Zu § 2 1. Die zur Gewährleistung eines Mindestniveaus menschenwürdigen Lebens bereitgestellten staatlichen Sozialleistungen waren in Deutschland traditionell in Arbeitslosen- und Sozialhilfe zweigeteilt und wurden erst im Jahr 2003 durch die nun gewährte Grundsicherung für Arbeitsuchende zusammengeführt. 2. Die Sozialhilfe ging ursprünglich aus der allgemeinen öffentlichen Fürsorge und Armenpflege hervor, die in ihren ersten Grundzügen bereits in der Antike vorhanden war und sich über die kirchliche Wohlfahrtpflege im Mittelalter zu einer zunächst als Ordnungsmittel genutzten staatlichen Armenfürsorge entwickelte. Mit der Industrialisierung und der Sozialgesetzgebung des Deutschen Kaiserreichs entstand erstmals eine moderne Sozialversicherung, die ihren vorläufigen Höhepunkt im Jahr 1954 erreichte, als das Bundesverwaltungsgericht einen Rechtsanspruch von Bedürftigen auf Fürsorge durch den Staat anerkannte. 3. Demgegenüber fand Arbeitslosigkeit als Ursache von Armut bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts keine besondere Berücksichtigung. Erst infolge der stark anwachsenden Arbeitslosigkeit mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde zur Bewältigung zunehmender Massenarmut eine besondere Kriegswohlfahrtpflege geschaffen. Diese wirkte auch nach Kriegsende noch als Erwerbslosenfürsorge und damit gewissermaßen als eine Art gehobener Fürsorge gegenüber der allgemeinen Armenpflege fort. Durch die seit dem Jahr 1927 folgende Ausdifferenzierung in eine Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld als reguläre Unterstützung bei Arbeitslosigkeit) und eine weiterführende Arbeitslosenhilfe (Krisenfürsorge nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums) wurde das bis ins Jahr 2003 fortgeltende System begründet. 4. Aus der dualen Struktur der Unterstützungsleistungen für Hilfsbedürftige resultierte bis zum Jahr 2003 eine historisch gewachsene, geteilte Organisations-

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§ 12 Zusammenfassung der Ergebnisse

struktur, wonach für die Sozialhilfe die Kommunen und für die Arbeitslosenversicherung / hilfe der Bund zuständig waren; bei letzterem erfolgte die Wahrnehmung durch die Bundesagentur für Arbeit und ihre örtlichen Arbeitsagenturen. 5. Im Jahr 2003 unternahm die amtierende Bundesregierung den Versuch, die zwei parallelen Systeme für Unterstützungsleistungen (Sozial- und Arbeitslosenhilfe)  zu einer einheitlichen Grundsicherung für Arbeitsuchende, in der Gesellschaft verkürzt als Arbeitslosengeld II oder „Hartz IV“ bekannt, zusammenzulegen. Hierzu wurden im SGB II – bei gleichzeitig fortbestehender Teilung der Leistungsträgerschaft zwischen Bund und Kommunen – sog. Arbeitsgemeinschaften (kurz ARGEn) geschaffen (§ 44b Abs. 1 SGB II a. F.), um die verschiedenartigen Leistungen „aus einer Hand“1 erbringen zu können. Den Kommunen wurde mittels Optionsmöglichkeit in begrenztem Umfang die Wahl eingeräumt, für sämtliche Aufgaben nach dem SGB  II alleine zuständig zu sein, sog. Optionskommunen (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 SGB II a. F.). 6. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die maßgebliche Rechtsgrundlage der Arbeitsgemeinschaften (kurz: ARGEn) in § 44b SGB II a. F. mit Urteil vom 20. Dezember 20072 für verfassungswidrig und stellte einen Verstoß gegen Art. 28 Abs.  2 GG i. V. m. Art.  83 GG fest. Um ein rechtliches Vakuum zu verhindern, erklärte das Gericht die Norm nur für unvereinbar mit dem Grundgesetz und gab dem Gesetzgeber auf, bis zum 31. Dezember 2010 verfassungsmäßige Zustände zu schaffen. Zur Begründung der verfassungsrechtlichen Mängel nahm das Gericht auf den Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie in Verbindung mit der Trennung der Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern nach Art. 83 ff. GG Bezug. Zum Zwecke einer hinreichenden demokratischen Legitimation müssten im Übrigen die maßgeblichen Verantwortlichkeiten und die Kompetenzordnung hinreichend klar sein. 7. Das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner Entscheidung3 im Einzelnen fest, dass die Bildung der ARGEn den vorgenannten Anforderungen widerspreche. Insbesondere seien gemeinschaftliche Einrichtungen von Bund und Ländern bzw. den letzteren zugeordneten Kommunen nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht vorgesehen; für eine Ausnahme hiervon fehle es sowohl an einem sachlichen Grund als auch an einer eng begrenzten Verwaltungsmaterie. Ungeachtet dessen werde durch die verlangte Einigung beider Träger bei der Aufgabenwahrnehmung die Entscheidungsfreiheit jedes einzelnen Trägers erheblich eingeschränkt, was sich auch in der Organisationsstruktur der ARGEn und der

1 So lautete die zentrale Zielvorstellung, die mit der Zusammenführung von Arbeitslosenund Sozialhilfe sowie später mit der Verfassungsänderung verbunden war, vgl. zu letzterem BTDrs. 17/1554, S. 1, 4. Ursprünglich in dieser prägnanten Form als eigentlicher Reformgedanke erstmals in BVerfGE 119, 331 (345, 368) formuliert. 2 BVerfGE 119, 331 ff. 3 BVerfGE 119, 331 (361 ff.).

§ 12 Zusammenfassung der Ergebnisse

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„Vergemeinschaftung ihrer Willensbildung“4 widerspiegele. Eine klare Zurechnung des Handelns an einen der Träger sei infolgedessen nicht mehr möglich. 8. In einem Sondervotum legten drei der acht zur Entscheidung berufenen Richter ihre abweichende Meinung dar, wonach § 44b SGB II a. F. einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich sei. Die Vorschrift könne im Wege der Auslegung dahingehend verstanden werden, dass die eigentliche Sachkompetenz bei den Verwaltungsträgern verbliebe und nur die Wahrnehmungskompetenz den ­ARGEn überantwortet werde. 9. In Folge dieses bundesverfassungsgerichtlichen Urteils wurden zwischen Ende 2007 und Sommer 2010 in der Politik zahlreiche Lösungsvorschläge entworfen und nach eingehender Diskussion wieder verworfen. Die verschiedenen Ansätze zur Bereinigung der verfassungswidrigen Rechtslage deckten beginnend mit dem Vorschlag einer zwischen Bund und Ländern, wie in der Vergangenheit bis ins Jahr 2003, getrennten Aufgabenwahrnehmung über deren Kooperation im Wege freiwilliger Kooperationsvereinbarungen oder punktueller Aufgabenteilung bis hin zu verfassungsändernden Überlegungen das gesamte Spektrum der denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten ab. Eines der letztgenannten Modelle wurde schließlich im Juli 2010 durch die Einfügung eines neuen Art. 91e GG in das Grundgesetz realisiert.

Zu § 3 10. Die der Verfassungsänderung in Art. 91e GG durch den verfassungsändernden Gesetzgeber beigelegte Intention war bzw. ist die verfassungsrechtliche Absicherung der einfachgesetzlich im SGB II normierten Verbindung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe in einer einheitlichen Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Fortsetzung der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung durch Bund und Länder (bzw. den letzteren zugeordneten Kommunen). 11. Während die Trägerschaft entsprechend den historischen Vorläufern zwischen Bund (dort Bundesagentur für Arbeit) und Ländern (dort Kommunen) weiterhin getrennt ist, erfolgt die Aufgabenwahrnehmung auf Grundlage von Art. 91e GG (vgl. die einfachgesetzliche Umsetzung in § 44b SGB II n. F.) in gemeinsamen Einrichtungen als inhaltlich im Wesentlichen entsprechende Nachfolger der vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Arbeitsgemeinschaften. 12. Diese neuartige Form der Kooperation wurde weder als Gemeinschaftsaufgabe noch als gemeinschaftlich von Bund und Ländern wahrgenommene Aufgabe entsprechend Art. 91a–d GG konzipiert, sondern stellt vielmehr eine eigenständige, den Bestrebungen der Föderalismusreformen I und II jedoch zuwiderlaufende Figur vertikaler Zusammenarbeit dar.

4

So die prägnante Formulierung in BVerfGE 119, 331 (375).

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§ 12 Zusammenfassung der Ergebnisse

13. In Art. 91e GG liegt insoweit eine Durchbrechung sowohl der von Art. 83 ff. und Art. 30 GG normierten Verwaltungskompetenzen, die grundsätzlich eine Trennung von Bund und Ländern bei der Ausführung der Gesetze vorsehen, als auch gleichzeitig des Grundsatzes, dass der Bund den Kommunen nicht unmittelbar Aufgaben zuweisen kann und zwischen beiden keine unmittelbaren Finanzbeziehungen bestehen. 14. Darüber hinausgehend schreibt Art. 91e Abs. 1 GG künftig das Zusammenwirken von Bund und Ländern bzw. der letzteren zugeordneten Kommunen auf dem Gebiet der Grundsicherung verpflichtend als Regelfall vor. Allerdings belässt dessen Absatz 2 den Kommunen alternativ noch die Möglichkeit, eine Option zugunsten ihrer Alleinzuständigkeit auszuüben. Zur Regelung der Grundlagen durch Gesetz weist schließlich Art. 91e Abs. 3 GG dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu.

Zu § 4 15. Zahlreiche Autoren halten die auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende gewählte Vorgehensweise, einen durch das Bundesverfassungsgericht festgestellten verfassungswidrigen Zustand durch eine neue Vorschrift im Grundgesetz ausbessern und verfassungsrechtliche Zweifel hiermit bereinigen zu wollen, mindestens in rechts- und verfassungspolitischer Hinsicht für bedenklich. Immerhin werde die Verfassung auf diesem Wege wegen verfassungsrechtlicher Bedenken an der einfachen Gesetzeslage nach den Vorstellungen des einfachen Gesetzgebers zurechtgebogen, um dessen Konstrukte verfassungsfest zu machen. 16. Über derartige politische Zweifel hinaus wird vereinzelt sogar die Verfassungsmäßigkeit des Art.  91e GG bezweifelt. Die überwiegende Zahl der damit befassten Autoren hält allerdings die Einfügung des Art. 91e GG angesichts der hohen Anforderungen an die Verfassungswidrigkeit von Verfassungsänderungen gemäß Art. 79 Abs. 3 GG noch für verfassungsgemäß. Dieser Auffassung hat sich mit Urteil vom 7. Oktober 20145 auch das Bundesverfassungsgericht angeschlossen. Nach der knapp bemessenen Begründung in dieser Entscheidung könne ein Verstoß nicht erkannt werden, da Art. 91e GG für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende zwar das grundsätzliche Verbot der Mischverwaltung durchbreche, das Grundgesetz allerdings kein absolutes Verbot dessen kenne und die Verfassungsprinzipien des Bundesstaates, der Demokratie und des Rechtsstaates in ihrem jeweiligen unantastbaren Gehalt nicht angetastet würden.

5

BVerfGE 137, 108 ff.

§ 12 Zusammenfassung der Ergebnisse

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Zu § 5 17. Der Begriff der sog. „Mischverwaltung“ ist vielgestaltig, er steht gleicher­ maßen einem engen wie auch weiten Verständnis offen. Im Wesentlichen ist hiermit die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben durch Bund und Länder umschrieben, die jedoch in unterschiedlicher Weise konkret ausgestaltet sein kann. 18. Ein absolutes Verbot einer derartigen Mischverwaltung zwischen Bund und Ländern kennt das Grundgesetz nicht: Im Grundsatz sind beide Verwaltungsräume zwar gemäß den ihnen zur alleinigen Aufgabenwahrnehmung zugewiesenen Kompetenzen voneinander getrennt und ist die Schaffung neuer Verwaltungstypen, gewissermaßen einer Dritten oder Vierten Ebene, neben den zwei bestehenden Ebenen im Staatsaufbau, grundsätzlich nicht gewollt. Demnach sollen die beiden Rechtsträger jeweils unabhängig von dem anderen ihren eigenen Gestaltungs- und Ermessensspielraum ausüben, ohne dass sie zur Disposition über die ihnen zugewiesenen Kompetenzen berechtigt wären. 19. Doch resultiert die Bewertung als verfassungswidrige Kooperation nicht aus der begrifflichen Einordnung als solcher, sondern ist bloße Folge der bestehenden verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung. Gleichwohl schließt das Grundgesetz geringfügige Verschränkungen beider Ebenen nicht vollständig aus. Als Beispiele für anerkannte Verbindungen sind etwa der Austausch von Bund und Ländern zur gegenseitigen Information wie auch ihre wechselseitige Verständigung auf politischer Ebene durch Zwischenländer- oder Bund-Länder-Absprachen anerkannt. Weil derartige Formen der Zusammenarbeit der Verwirklichung des Bundesstaates dienen und noch nicht zu einer Vermischung der weiterhin klar getrennten Entscheidungsträger führen, bedürfen sie keiner expliziten Zulassung im Grundgesetz. 20. Demgegenüber verlangen sämtliche hierüber hinausgehenden Formen des Zusammenwirkens von Bund und Ländern regelmäßig nach einer expliziten oder mindestens durch Auslegung zu ermittelnden Ausnahmeregelung im Grundgesetz. Dabei ist es von einer Prüfung im Einzelfall abhängig, ob eine Kooperation / Zusammenarbeit durch die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung zugelassen ist. Eine solche Betrachtung hat im Ausgangspunkt die Einweisung der Kompetenzträger in ihre jeweiligen Verantwortungsbereiche zu beachten und die Eigenverantwortlichkeit ihrer jeweiligen Aufgabenwahrnehmung sicherzustellen. Zu diesem Zwecke muss die Verantwortlichkeit des zuständigen Trägers nicht nur gegeben, sondern ihm sein Handeln darüber hinaus auch zurechenbar sein. 21. Gemessen an diesen Maßstäben sind seit Jahrzehnten diverse Möglichkeiten des Zusammenwirkens anerkannt und zwischenzeitlich für den Fortbestand des Bundesstaates unerlässlich geworden, weil sich Bund und Länder im föderalen Staatsaufbau gegenseitig beeinflussen und zur Wahrung der Einheitlichkeit im Bundesgebiet oder zur Verwirklichung übergreifender Interessen ein gemeinsames Tätigwerden vorausgesetzt wird. Derartige Gestaltungsformen, die unter Stich-

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§ 12 Zusammenfassung der Ergebnisse

worten wie kooperativer Föderalismus oder Politikverflechtung zusammengefasst werden, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausnahmsweise auch ohne verfassungsrechtliche Rechtsgrundlage im Grundgesetz aus besonderen sachlichen Gründen und in begrenztem Maße zulässig. 22. Die Formen der Zusammenarbeit, die das Grundgesetz über die vorgenannten Abstimmungen hinaus zwischenzeitlich bereit hält, reichen von gemeinsamen Gremien über Einspruchs- und Ingerenzrechte – vor allem des Bundes gegenüber den Ländern – sowie verschiedenartige Formen gegenseitigen Beistands, etwa in Form von Organleihe, Rechts- oder Amtshilfe, bis hin zu den Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91a–d GG. Im Hinblick auf die nunmehr von Art. 91e GG normierten gemeinsamen Einrichtungen ist allerdings, da denkbar stärkste Form der Mischverwaltung, die verfassungsrechtliche Zulässigkeit aufgrund der Trennung der Verwaltungsräume trotz der Existenz der entsprechenden Vorschrift im Grundgesetz noch zweifelhaft und bedarf deshalb einer gesonderten Prüfung im Einzelfall.

Zu § 6 23. Jede Form der Mischverwaltung ist an den verfassungsrechtlich für das BundLänder-Verhältnis vorgezeichneten Maßgaben zu messen und unterliegt daher insbesondere bundesstaatlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Grenzen: 24. Der deutsche Bundesstaat, der sich durch die Existenz mehrerer voneinander unabhängiger Gebilde mit Staatscharakter (Bund und Länder) auszeichnet, wird im Sinne einer klaren Gewaltenteilung durch Kompetenzvorschriften konkretisiert und ausgestaltet. Danach sind die Kompetenzen auf beide Staatsebenen schwerpunktmäßig verteilt (vgl. die Thesen Nr. 18 und Nr. 19 in diesem Abschnitt). In Ergänzung der einzelnen Vorschriften wird das Bundesstaatsprinzip als dem Grundgesetz immanenter Rechtssatz verstanden, der in akzessorischer Beziehung zu verfassungsrechtlichen Normen, vor allem zu Art. 20 GG, steht und diese weitgehend im Rahmen der Auslegung konkretisiert; in wenigen Fällen erlangt das Prinzip als ungeschriebener bzw. im Grundgesetz schlüssig mitgeschriebener Rechtssatz darüber hinausgehend sogar einen Mehrwert durch ergänzende, da lückenschließende Funktion. Letzteres betrifft im Besonderen die Annahme eines Grundsatzes bundesfreundlichen Verhaltens im Sinne einer Kompetenzausübungsschranke, welche Bund und Länder zu wechselseitiger Rücksichtnahme auf ihre jeweiligen oder kollektiven Interessen auffordert. Innerhalb des Bundesstaates steht dem Bund als Gesamtstaat wie auch den Ländern als Gliedstaaten mit eigener Staatsqualität das originäre staatliche Recht zu, sich eine Verfassung zu geben und ihre Verwaltung in eigener Verantwortung zu regeln sowie die von ihnen wahrzunehmenden Aufgaben mit eigenen Verwaltungsstrukturen (d. h. eigenen Sachmitteln, eigener Organisation und eigenem Personal) zu verwirklichen, sog. ‚Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung‘. Um vor allem den Ländern nicht die Qualität von Staaten oder das Essentiale ihrer Staatlichkeit zu

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nehmen, ist ihnen stets ein Kernbestand eigener Aufgaben garantiert. Doch sind durch diese Grundlagen vertikale (Bund-Länder) oder horizontale (Länder-Länder) Kooperationen nicht generell ausgeschlossen. Im Gegenteil existiert heute ein weit verzweigtes Netzwerk verschiedenartiger Kooperationsformen zur näheren Verzahnung der Staatsebenen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Ausgewogenheit zwischen der Erforderlichkeit bundesstaatlichen Miteinanders und der Separierung beider Ebenen, mit anderen Worten also die Frage, ob durch die jeweilige Kooperationsform eine hinreichend klare Abgrenzung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten erhalten bleibt. 25. In einer repräsentativen Demokratie (vgl. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) haben die mit der Wahrnehmung hoheitlicher Kompetenzen betrauten Vertreter ihre Aufgaben selbsttätig wahrzunehmen und dies gegenüber dem Volk als dem eigentlichen Souverän, d. h. dem Inhaber der Staatsgewalt, zu verantworten bzw. zu legitimieren. Hierbei muss zwischen Bundes- und Landesvolk als zwei getrennten Legitimationssubjekten differenziert werden. Die Legitimation erfolgt in beiden Konstellationen jeweils über die Wahl des Parlaments als „Legitimationsspender“6, von dem ausgehend die Rückführung auf den Volkswillen im Wege des hierarchisch organisierten Verwaltungsaufbaus sichergestellt wird. Bei der Ausübung von Staatsgewalt bedarf jede einzelne Stelle eines hinreichenden Maßes demokratischer Legitimation, das sie zu ihrem Handeln erst berechtigt. Denn Demokratie setzt voraus, dass sich die Willensbildung stets in einem ununterbrochenen Legitimationszusammenhang ausgehend vom Volk zu den ausführenden Organen vollzieht. Das demokratische Legitimationsniveau, welches für die Bewertung der Verantwortlichkeit ausschlaggebend ist, bemisst sich sodann nach der Länge dieser Legitimationskette und muss umso höher sein, je größer die Bedeutung einer zu treffenden Entscheidung ist; gegebenenfalls verlangt eine sehr bedeutsame Regelung sogar nach einem Tätigwerden des einzig unmittelbar legitimierten Parlaments. Ungeachtet des jeweils vorausgesetzten oder vorhandenen Legitimationsniveaus ist eine wirksame demokratische Steuerung allerdings nur bei einer lückenlosen Kette denkbar, d. h. diese darf nicht durch die Einwirkung eines Dritten unterbrochen sein. Lückenlosigkeit im vorgenannten Sinne verlangt hierbei nach einer vollkommen eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Zuständigkeiten und Aufgaben sowie nach der erkennbaren Zurechnung staatlichen Handelns an den handelnden Träger. Bei der Legitimationsvermittlung, die grundsätzlich der hierarchisch strukturierten Administrativorganisation folgt, wirken die personelle, die institutionelle, die funktionelle und die sachlich-inhaltliche Legitimationsvermittlung bausteinartig zusammen, sie ergänzen sich gegenseitig.

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So die treffende Formulierung in dem Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform des Dt. Bundestages, S. 96, inhaltlich und wortlautidentisch aufgegriffen durch den StGH der Freien Hansestadt Bremen in einer Entscheidung vom 1. März 1989, NVwZ 1989, 953 (955), sowie Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 (Abschn. A) Rn. 12.

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26. Auch die Rechtsstaatlichkeit zählt, obwohl von Art. 20 GG nicht ausdrücklich genannt, zu den elementaren Grundsätzen des Grundgesetzes, setzt sich jedoch (noch) stärker als die vorgenannten Verfassungsprinzipien erst aus einzelnen Komponenten zusammen, die in anderen Verfassungsnormen niedergelegt sind. Das Rechtsstaatsprinzip, das seine zentrale Grundlage vor allem in Art. 20 Abs. 3 GG findet, fasst insoweit normübergreifend verschiedene ungeschriebene bzw. (insoweit genauer:) im Verfassungstext schlüssig mitgeschriebene, von Rechtsprechung und Literatur entwickelte Rechtssätze des Grundgesetzes zusammen, durch die geschriebene rechtsstaatliche Normierungen konkretisiert und fortentwickelt werden. Zu diesen Rechtssätzen zählt insbesondere der Gedanke der Rechtssicherheit, welcher sich vor allem in dem Verlangen nach Rechtsklarheit jedes staatlichen Tätigwerdens und – zum Teil schwer hiervon zu trennen – der Bestimmtheit von Hoheitsakten äußert. Ganz wesentlicher Teilaspekt hiervon ist die Klarheit der Kompetenzordnung, d. h. die klare Erkennbarkeit und Zurechenbarkeit der Verantwortlichkeiten staatlicher Organe und Rechtsträger. Insoweit steht das Rechtsstaatsprinzip in engem Zusammenhang mit den bundesstaatlichen und demokratischen Grundsätzen (vgl. die Thesen Nr. 24 und Nr. 25 in diesem Abschnitt). Klares und bestimmtes Tätigwerden hilft namentlich dabei, auch im Außenverhältnis für den Bürger die Erkennbarkeit des handelnden Hoheitsträgers zu gewährleisten. Er soll erkennen können, wer die ihm gegenüber erlassene Maßnahme zu verantworten hat („Verantwortungsklarheit“). Dabei gilt: Je einschneidender die Wirkungen für grundrechtliche Freiheiten des Einzelnen und / oder die öffentliche Relevanz, desto genauer und deutlicher müssen Handelnder und Gegenstand seines Handelns nach außen erkennbar sein.

Zu § 7 27. Verfassungsänderungen sind ausschließlich am Maßstab von Art. 79 GG und nicht an der Gesamtverfassung zu messen. Wirken sie inhaltlich auf die unantastbaren Gehalte aus Art. 79 Abs. 3 GG ein, entsteht ausnahmsweise ‚verfassungswidriges Verfassungsrecht‘. Denn der verfassungsändernden Gewalt hat der Verfassunggeber gemäß Art. 79 Abs. 1 GG nicht nur das Recht zu Verfassungsänderungen eingeräumt, sondern dieses gemäß dem dortigen Absatz 3 zugleich materiell-rechtlich wieder beschränkt. Aus der Existenz dieser Vorschrift folgt – als Ausnahme von dem Grundsatz, dass sämtliche Normen des Grundgesetzes als Einheit bzw. gleichstufiges Ganzes konstruiert sind und demzufolge nicht gegeneinander verstoßen können – eine hierarchische Werteordnung. Es handelt sich insoweit um eine maßstabsbildende Schrankenbestimmung für verfassungsändernde Vorschriften. Die aus ihr resultierende Rangfolge ist jedoch keine generelle, sondern nur für nachträgliche Änderungen des Grundgesetzes durch Gestaltungsakt im Sinne von Art. 79 Abs. 1 und Abs. 2 GG gültig. Hieraus folgt, dass sich Verfassungsänderungen nicht auf derselben Stufe bewegen, sondern den von Art. 79 Abs. 3 GG garantierten Grundsätzen nachgeordnet sind.

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28. Das Bundesverfassungsgericht ist in den vergangenen Jahrzehnten schon mehrfach mit der Verfassungsmäßigkeit verschiedener Verfassungsänderungen befasst gewesen, hat diese bislang jedoch (jedenfalls mit der Mehrheit der entscheidenden Richter) stets für noch verfassungsgemäß befunden. Zu diesem Zweck hat das Gericht sich in mehreren Fällen einer grundsatzkonformen Auslegung der verfassungsändernden Regelungen anhand der von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Inhalte bedient.

Zu § 8 29. Art. 79 Abs. 3 GG listet enumerativ und abschließend die materiellen Grenzen für den verfassungsändernden Gesetzgeber auf, sog. „Ewigkeitsgarantie“. Verfassungsänderung in diesem Sinne meint jede textliche Modifikation des bestehenden Verfassungstextes, d. h. nur die nach den Vorgaben von Art. 79 Abs. 1 und Abs.  2 GG eingebrachten Änderungen von Grundgesetznormen, nicht hingegen deren abweichende Auslegung im Wege eines Verfassungswandels. Umgekehrt ist eine weitere Entwicklung der Verfassung ohne Änderung des Wortlauts nur im Bereich der Verfassungsinterpretation zulässig. 30. Erst die Möglichkeit von Verfassungsänderungen sichert die dauerhafte Beständigkeit des Grundgesetzes, weil dessen Regelungen nur auf diese Weise eine hinreichende Flexibilität und gleichzeitig die benötigte Elastizität gewinnen. Immerhin können nachträgliche Änderungen des Verfassungstextes ebenso der Reparatur von Schwachstellen wie auch der Steuerung anlässlich gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Neuerungen dienen. Doch ist die Verfassungsänderung nicht mit der originären Verfassunggebung gleichzusetzen, da sie lediglich punktuell auf eine bereits bestehende Normstruktur einwirkt. Stattdessen stehen sich beide in einem Spannungsverhältnis gegenüber. 31. Durch die auch als ‚Revisionsnorm‘ bezeichnete Vorschrift (Art. 79 Abs. 1 GG) werden die gewöhnlichen Gesetzgebungsorgane unter Beachtung zusätzlicher formaler Anforderungen (Absatz 2) zu Änderungen des Grundgesetzes ermächtigt, ihnen gleichzeitig aber auch materielle Schranken auferlegt (Absatz 3), innerhalb derer sich der verfassungsändernde Gesetzgeber gewissermaßen wie in einem Korridor bewegt, aus dem er nicht ausbrechen darf; im letztgenannten Zusammenhang ist deshalb auch die Rede von Revisionsschranke, verfassungssichernder Norm oder Verfassungsschutzbestimmung. 32. Zweck von Art. 79 Abs. 3 GG und den darin normierten Schranken für Verfassungsänderungen ist es, den minimalen Kern der originären Verfassung, gewissermaßen ihre absoluten Richtwerte und damit gleichsam Identität wie auch Kontinuität der Ursprungsfassung des Grundgesetzes vom 23. Mai 1949, für alle Zeiten zu bewahren. Beweggrund für eine derartige Manifestation der zentralen Verfassungsprinzipien mit ihrem jeweiligen Grundsatzgehalt waren die Erfahrungen in

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der Vergangenheit, die im Jahr 1933 zu einer faktischen Verfassungsbeseitigung geführt hatten: Aufgrund der in der Weimarer Republik geltenden Gleichbehandlung von Gesetzes- und Verfassungsnormen standen selbst die zentralen Verfassungsgrundsätze einer sie vollkommen beseitigenden Änderung des Verfassungstextes (‚Verfassungsdurchbrechung‘) offen. Frühere Verfassungen auf deutschem Boden kannten zwar bereits formale, jedoch nicht inhaltliche Schranken für Verfassungsrevisionen. Letztere wurden aber nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Lehre aus den vorangegangenen Erfahrungen zunächst in mehreren deutschen Landesverfassungen und sodann auch auf Bundesebene in das Grundgesetz implementiert. Ziel derartiger Revisionsschranken sollte es ausdrücklich sein, „einer Revolution die Maske der Legalität zu nehmen“7. 33. Dass Art.  79 Abs.  3 GG seinem historischen Ursprung zufolge damit in erster Linie verfassungsfeindlichen Kräften entgegengesetzt sein sollte, wird jedoch seinem inhaltlichen Gehalt, der über die bloße Sicherung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung noch hinausgeht und nicht auf Verfassungsfeinde beschränkt ist, nur im Ansatz gerecht. Vielmehr bindet die Schrankennorm da­r über hinaus auch verfassungsloyale Kräfte, wenn diese unabsichtlich oder irrtümlich ihren Schutzbereich tangieren. Denn auch in diesen Fällen überschreitet der verfassungsändernde Gesetzgeber die ihm durch das Grundgesetz eingeräumten Befugnisse zur Verfassungsänderung. Mithin fungiert Art. 79 Abs. 3 GG im Sinne einer dauerhaften Bestandssicherung für sämtliche die Identität der Staatlichkeit prägenden Elemente und trägt insoweit erkennbar zur Festigung und Stärkung des grundgesetzlichen Kerngerüsts („Stabilisierungs- und Fundierungsfunktion“8) bei. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass Absatz 3 als Ausnahme von der nach den Absätzen 1 und 2 geltenden Regel konstruiert ist, wonach das Grundgesetz geändert werden kann. Unter anderem deshalb steht in Art. 79 Abs. 3 GG einem relativ engen Schutzbereich (nur „Grundsätze“ einiger Verfassungsregelungen geschützt) ein anpassungsfähiger und flexibel einsetzbarer Handlungsmaßstab (bereits jegliches Berühren verboten) gegenüber. 34. Im Rahmen von Art. 79 Abs. 3 GG differieren verfassunggebende und verfassungsändernde Gewalt am deutlichsten voneinander: Letztere ist nur eine verfasste Gewalt, die auf der Basis des Grundgesetzes existiert und deshalb auch von dessen Regelungen beschränkt werden kann. Ihr sind während der gesamten Geltungsdauer des Grundgesetzes selbst im Falle der Einstimmigkeit nur diejenigen Änderungen erlaubt, die ihr der Verfassunggeber gemäß Art. 79 GG eingeräumt hat. Aus der hieraus resultierenden Rangfolge beider Gewalten folgt nach dessen Absatz 3 ein Vorrang der darin geschützten Grundsätze im Verhältnis zu verfas 7

So ausschnittsweise die prägnante Bemerkung des Abgeordneten Dr. Dehler im Rahmen der Diskussionen bei der Schaffung des Grundgesetzes, abgedruckt in Verhandlungen des Hauptausschusses 1948/49, S. 454 f. oder auch JöR n. F. (1951), S. 586; dazu schon ausführlich Fn. 139 in § 8 IV. 2. 8 So treffend Dreier, in: Behrends / Sellert, Kodifikationsgedanke und Modell des BGB, S. 119 (125) m. w. N.

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sungsändernden Gesetzen („hierarchische Stufung“ 9): Berührt eine Verfassungsänderung einen der darin genannten Grundsätze, ist sie verfassungswidrig und nichtig; insoweit ist hinsichtlich der Normen, die das Grundgesetz zu ändern suchen, die Rede von ‚verfassungswidrigem Verfassungsrecht‘ sowie im Hinblick auf die Schrankennorm von einer ‚negativen Rechtserzeugungsregel‘. 35. Als Folge einer derartigen Rangfolge überträgt das Bundesverfassungsgericht die Maßstäbe einer verfassungskonformen Auslegung auch auf Änderungen des Grundgesetzes, so dass diese vorab an den garantierten Grundsätzen gemessen und insoweit, den Willen der verfassungsändernden Gewalt zu rechtmäßigem Verhalten unterstellt, gegebenenfalls einschränkend ausgelegt werden können. Weil allerdings lediglich die in Art. 79 Abs. 3 GG normierten Inhalte, namentlich „die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze“ (vgl. den Wortlaut der Norm), Maßstab zur Prüfung von Verfassungsänderungen sein können, findet im wörtlichen Sinne lediglich eine ‚grundsatz‘-konforme Auslegung statt. Ein derartiges Verständnis, durch Auslegung der geänderten oder neu eingefügten Verfassungsnormen ihren Einklang mit den von ihnen zu wahrenden Grundsätzen zu erreichen und sie damit im weitestmöglichen Maße aufrechtzuerhalten, dürfte dem Willen der verfassungsändernden Gewalt und zudem der Bedeutung des Grundgesetzes am ehesten gerecht werden. Soweit im Schrifttum insoweit abweichende Auffassungen vertreten werden, ist diesen entgegenzuhalten, dass im Wege der Auslegung keine dem Wortlaut entgegengesetzten oder der Intention des verfassungsändernden Gesetzgebers gänzlich zuwiderlaufenden Inhalte in eine Norm hineingelesen werden können. Der Streit betrifft deshalb weniger die Wirkungen einer Stufenfolge, die Grundlage der Interpretation sind, als vielmehr Differenzen, welchen Umfang diese Rangfolge annimmt. 36. Angesichts seiner besonderen, historisch begründeten Rolle wird Art.  79 Abs. 3 GG allgemein der Charakter einer restriktiv zu handhabenden Ausnahmevorschrift beigemessen und dies damit begründet, eine durch zu weitreichende Garantien drohende Starrheit und Rigidität des Grundgesetzes zu vermeiden. Umgekehrt warnen jedoch andere Stimmen davor, mit einer künstlichen und praktisch kaum förderlichen Restriktion die Schrankennorm ihrer eigentlichen Substanz zu berauben. Immerhin stelle Absatz 3 gegenüber Absatz 1 nur die Rückkehr zu der allgemeinen Regel dar, dass die von dem Verfassunggeber geregelten Normen keiner späteren Änderung mehr zugänglich seien. Beide Auffassungen können gewichtige Argumente für ihr Verständnis anführen. Im Ergebnis dürfte der Normgehalt der Ewigkeitsgarantie allerdings alleine im Wege der Auslegung zu ermitteln sein, mag ihr auch im Ansatz vor dem Hintergrund ihrer historischen Entwicklung und ihrem Zweck, nur punktuell die Identität der Verfassung zu bewahren, eine gewisse Restriktion im Rahmen einer teleologisch ansetzenden Interpretation nicht abzusprechen sein.

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So die anschauliche Formulierung bei Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 75.

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Zu § 9 37. Art. 79 Abs. 3 GG bedarf angesichts seiner rigiden Formulierung in hohem Maße der Auslegung, und zwar vornehmlich hinsichtlich der beiden tatbestandlichen Voraussetzungen „berührt“ und „Grundsätze“: 38. Wann ein Berühren im Sinne der Vorschrift gegeben ist, war im Jahr 1970 innerhalb des Bundesverfassungsgerichts und ist seitdem im Schrifttum umstritten: a) Das aktuell in der Verfassungspraxis vorherrschende Verständnis auf der Basis der (ursprünglich mehrheitlichen und zwischenzeitlich ständigen) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangt hierfür eine prinzipielle Preisgabe der in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Schutzgüter und lässt Modifikationen des Verfassungstextes zu, solange den Garantiegehalten im Allgemeinen Rechnung getragen wird und sie nur für eine Sonderlage aus evident sachgerechten Gründen modifiziert werden. Ein derart restriktives Verständnis soll der zukunfts- und gestaltungsoffenen Entwicklung des Grundgesetzes dienen. b) Der überwiegende Teil  des Schrifttums hingegen nimmt ein Berühren im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG – zurückgehend auf ein Sondervotum mehrerer Verfassungsrichter im Dezember 1970 – bereits an, wenn ein garantiertes Schutzgut in irgendeiner Weise außer Acht gelassen oder beeinträchtigt wird. Der weitergehenden, von der Rechtsprechung formulierten Restriktion der Schrankennorm bedürfe es nicht, weil andernfalls nur die historisch überkommene Zielsetzung der Revolutionsverhinderung, nicht jedoch sämtliche Verfassungsänderungen mit Auswirkungen auf Kerngehalte erfasst wären, welche einer prinzipiellen Preisgabe oftmals noch weit vorgelagert seien. Immerhin genüge es nach Wortlaut und Zweck der Schrankennorm, dass eine Änderung des Grundgesetzes die genannten Grundsätze in ihrer Geltung verkürze, ohne dass es gleichzeitig darauf ankäme, ob die Verfassungsordnung insgesamt in Frage gestellt werde. Doch wolle das Grundgesetz seinem Selbstverständnis folgend nicht erst gegenüber einer Revolution seine Identität bewahren, so dass die zentralen Verfassungsprinzipien mit ihrem Grundsatzgehalt niemals, auch nicht ausnahmsweise, angetastet werden dürften. Die zur fortwährenden Gestaltungsoffenheit des Grundgesetzes nötige Beschränkung erfolge demgegenüber erst bei dem Änderungsobjekt, d. h. den in Art. 1 und Art. 20 GG enthaltenen Grundsätzen. c) Die in dieser Arbeit dargelegte Auslegung des Begriffs „berührt“ in Art. 79 Abs. 3 GG hat den vorstehenden Streit bestätigt: Zunächst dürfte nach der Wortbedeutung entsprechend der Literatur jede geringe Einwirkung und jeder spürbare, aber wenig kraftvolle Kontakt zur Annahme einer Berührung ausreichen. Demgegenüber deutet, anders als die historische sowie die systematische Auslegung, die keine Hilfe beim Verständnis des Begriffs bieten, die teleologische Auslegung wegen der Zielsetzung der Schrankennorm (vgl. die Thesen Nr.  31, Nr.  33 und besonders Nr. 36 in diesem Kapitel) auf einen eng begrenzten Anwendungsbereich hin.

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d) Im Ergebnis sollte das Berühren der Verfassungsgrundsätze aber gleichwohl entsprechend der Wortbedeutung denkbar weit verstanden werden. Denn der nach Sinn und Zweck erkannte Restriktionsbedarf bezieht sich nicht nur auf diese Tatbestandsvoraussetzung, sondern auf die Gesamtnorm, deren Verständnis und Zweck es denklogisch ausschließen, das Privileg der Unabänderlichkeit jedem Verfassungsinhalt zukommen zu lassen. Da zu den Tatbestandsvoraussetzungen allerdings auch das weitere Merkmal „Grundsätze“ zählt, das durch die beschränkte Bezugnahme auf bestimmte Verfassungssätze für sich genommen bereits die erforderliche Restriktion zu schaffen vermag (dazu sogleich), ist die teleologische Auslegung für die isolierte Interpretation des Wortes „berührt“ nicht brauchbar. Der Handlungsmaßstab sollte deshalb in der Weise verstanden werden, in welcher ihn ausweislich der gewählten Formulierung offenbar der Verfassunggeber verstanden wissen wollte, der Auslegung und darin insbesondere der Wortlautanalyse der Formulierung folgend also in einer sämtliche Fälle erfassenden Variante: Ein Grundsatz im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG wird hiernach „berührt“, wenn auf ihn in irgendeiner Weise eingewirkt wird, ohne dass es einer bestimmten Mindestintensität bedürfte. Nur ein derart weitreichendes Verständnis auf Basis des Wortsinns ist immerhin in der Lage, einerseits eine Gefährdung des Staates und seiner wesentlichen Grundlagen durch eine Verkürzung derselben zu vermeiden und andererseits ein Leerlaufen der Ewigkeitsgarantie zu verhindern. Ihm gebührt gegenüber einer mit zusätzlicher Restriktion über den Wortlaut hinaus angelegten Interpretation der Vorzug. 39. Eine  – im Falle des Bundesverfassungsgerichts zusätzliche  – Restriktion erfolgt in Art. 79 Abs. 3 GG sodann, indem nur auf „Grundsätze“ von Art. 1 und Art. 20 GG Bezug genommen wird. Während dieser zweiten Voraussetzung der Schrankennorm im Rahmen der Literaturansicht noch eine entscheidende Bedeutung zur Einschränkung der Unabänderlichkeitsklausel zukommt, hat das Bundesverfassungsgericht den Grundsatzgehalt durch sein einschränkendes Verständnis des Berührens gewissermaßen schon auf die Ebene des Handlungsmaßstabs verlagert und dort bereits die nach Sinn und Zweck der Schrankennorm gebotene Restriktion der Norm erzielt, die an dieser Stelle lediglich nochmals verstärkt wird. Dies bedeutet im Gesamtverständnis der Norm, dass das Bundesverfassungsgericht den Einfluss von Art. 79 Abs. 3 GG in doppelter Weise begrenzt, wohingegen die Reichweite der Ewigkeitsgarantie durch das (abweichende)  Schrifttum nur eine einfache Beschränkung erfährt. Dabei besteht innerhalb beider Ansichten Einigkeit, dass mit Grundsätzen nicht nur die freiheitliche demokratische Grundordnung gemeint sein kann, wenngleich diese gedanklich in mehreren Kerngehalten der Verfassungsprinzipien zum Ausdruck kommt; in der Gesamtbetrachtung gehen die änderungsfesten Bestandteile der Prinzipien allerdings noch darüber hinaus. a) Mit dem Begriff „Grundsätze“ sind sowohl von der Rechtsprechung als auch dem Schrifttum die Kerngehalte der in Bezug genommenen Vorschriften, gewissermaßen die fundamentalen und die Identität der Staatlichkeit prägenden Leitgedanken des Grundgesetzes gemeint. Zur Feststellung der Reichweite der Garan-

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tiewirkung hilft eine Differenzierung nach Kern- und Randbereichen: Während inhaltlich-materielle Änderungen des Kerngehalts der von Art.  79 Abs.  3 GG i. V. m. Art.  20 GG in Bezug genommenen Verfassungsprinzipien absolut ausgeschlossen sind, können konkretisierende Modifikationen, die sich etwa im Randbereich auswirken oder lediglich formale Abwandlungen enthalten, noch zulässig sein. Gemessen hieran ist eine Verfassungsänderung erst verfassungswidrig, wenn sie die identitätsprägenden Leitgedanken des Grundgesetzes verfehlt, also dessen essentiellen Kern bzw. seine strukturelle Substanz, vergleichbar dem Wesensgehalt aus Art. 19 Abs. 2 GG, entfernen oder mindern würde. Obwohl die durch den Verweis auf Art. 1 und Art. 20 GG einbezogenen Grundsätze inhaltlich regelmäßig durch die übrigen Grundgesetznormen angereichert werden, erstreckt sich die Änderungsfestigkeit nicht auf den vollen Gehalt der Verfassungsprinzipien, sondern nur auf ihren Wesenskern, ohne den lediglich eine leere Hülle ohne Aussagekraft übrig bliebe. Alle hierüber hinausgehenden Gehalte und insbesondere die ausschließlich aus der praktischen Ausformung entwickelten Ansätze sind hingegen nicht geschützt. Bei der Bewertung des Garantiegehalts ist somit nicht der Prinzipiencharakter insgesamt, sondern die Zugehörigkeit zum Kernbereich der in Bezug genommenen Verfassungsprinzipien ausschlaggebend. b) Zu demselben Ergebnis gelangt auch die in dieser Arbeit vorgenommene Auslegung des Begriffs „Grundsätze“, bei denen es sich nach dem (normativ-rechtlichen) Wortverständnis – als nochmaliges Minus gegenüber den bereits aus der Masse der Grundgesetznormen herausgestellten (Verfassungs-)Prinzipien – nur um zentrale Kerngehalte sowie wesentliche und allgemeingültige Leitsätze handelt. Innerhalb eines Normtextes wie dem Grundgesetz ist damit die identitätsstiftende und substantielle Struktur gemeint. Gleichzeitig wird mit einer derartigen Einschränkung auch dem nach Sinn und Zweck gebotenen restriktiven Verständnis der Schrankennorm hinreichend Rechnung getragen. Dieses verlangt, dass von Art. 79 Abs.  3 GG nicht derart viele Verfassungsinhalte für unantastbar erklärt werden dürfen, dass dem Grundgesetz in seiner bestehenden Form eine Versteinerung und somit Entwicklungsblockade droht. c) Unter Zugrundelegung dieser Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 79 Abs. 3 GG ist es im Ergebnis schon wegen der hier vertretenen Weite beim Handlungsmaßstab geboten, die dem Normverständnis und ihrer geschichtlichen Hintergründe entsprechende Restriktion beim Merkmal „Grundsätze“ vorzunehmen und auf diese Weise die Unantastbarkeitsnorm im Ganzen hinreichend zu restringieren. Nach diesem Verständnis sind unberührbare Grundsätze nur diejenigen fundamentalen Leitgedanken und grundlegenden Kerngehalte, die der Gesamtverfassung eine Leitlinie vorgeben, ihre Identität prägen und folgerichtig den Kern des Grundgesetzes bilden.

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Zu § 10 40. Die Bezugnahme von Art. 79 Abs. 3 GG auf Art. 1 und Art. 20 GG setzt normativ angesichts der Beschränkung auf „Grundsätze“ an die in diesen Normen enthaltenen (wörtlich: „niedergelegten“) Staatszielbestimmungen bzw. Verfassungsstrukturbestimmungen des Bundesstaates, der Demokratie und des Rechtsstaates an. Geschützt werden die diesen immanenten, den Kern des Grundgesetzes bildenden Maximen, soweit diese die Identität der Bundesrepublik Deutschland ausmachen. Ihre Umgestaltung oder Fortbildung durch Verfassungsänderungen ist nur zulässig, soweit hierdurch die Grundgestalt der Verfassung, deren leitgedankliche Basis in der Unantastbarkeit der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG und hiervon ausgehend dem Mindestgehalt freiheitlich-demokratischen Staatsdenkens liegt, nicht tangiert wird. 41. Um zugleich aber die unabänderlichen Garantiegehalte nicht über eine Änderung von Art. 79 Abs. 3 GG zur Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers zu stellen, erstreckt sich der Schutz der Schrankennorm ihrem Sinn und Zweck nach auch ohne ausdrückliche Nennung auf sich selbst. Von den Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten in Art. 2 bis Art. 19 GG ist jeweils nur der Menschenwürdegehalt, d. h. ihr jeweiliger Kern im Sinne von Art. 1 Abs. 1 GG, garantiert. Demgegenüber ist die kommunale Selbstverwaltung gemäß Art.  28 Abs. 2 GG von Art. 79 Abs. 3 GG nicht erfasst und deshalb auch nicht Bestandteil des an die Verfassungsmäßigkeit von Verfassungsänderungen anzulegenden Maßstabs, anders als die Kerngehalte der übrigen drei Prinzipien des Bundesstaates, der Demokratie und des Rechtsstaates. 42. Von dem ersten der drei Prinzipien, der Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland, erklärt Art. 79 Abs. 3 GG bei Gleichwertigkeit aller Varianten neben der Gliederung des Bundes in Länder (1.  Variante)  und der Mitwirkung letzterer bei der Gesetzgebung (2.  Variante)  weiterhin über Art.  20 Abs.  1 GG (3. Variante) auch das allgemeine Bundesstaatsprinzip in seinem Grundsatzgehalt für unantastbar. Hiernach ist es Bund wie Ländern garantiert, Zentren politischer Entscheidung mit einem Mindestmaß an Eigenständigkeit zu sein und die ihnen zugewiesenen Kompetenzen eigenverantwortlich wahrzunehmen. Als jeweils eigenständige Staatsgewalten und Kompetenzträger haben sie nach dem Grundgesetz das Recht und zugleich die Pflicht, die ihnen übertragenen Aufgaben mit eigenen Verwaltungsstrukturen und eigener Organisation zu erfüllen. Dies verlangt zwar nicht zwingend eine absolute Trennung beider Ebenen, jedoch ein Mindestmaß an Eigenständigkeit sowie eine nachvollziehbar und auf Vollständigkeit angelegte Zuordnung der beiderseitigen Kompetenzen. 43. Im Hinblick auf die Demokratie sichert Art. 79 Abs. 3 GG die in Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG niedergelegten Grundzüge der Volksherrschaft und -souveränität einschließlich der damit einhergehenden staatsorganisationsrechtlichen Mindestelemente, darunter etwa demokratische Anforderungen an Wahlen, Mehrheits-

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und Mehrparteiensystem sowie ein Minimum politisch-kommunikativer Rechte. Insoweit ist allerdings zu beachten, dass nicht sämtliche demokratischen Ausflüsse im Grundgesetz geschützt sind, sondern nur die das Kernprinzip verwirklichenden demokratischen Inhalte mit Grundsatzcharakter. Dazu gehört unter anderem auch, dass das deutsche Volk durch von ihm gewählte Organe und Vertreter handeln kann und auf diese Weise demokratische Legitimation vermittelt wird, die sich im Wege einer ununterbrochenen Legitimationskette zu den handelnden Hoheitsträgern fortsetzen muss. Wenngleich sich die Unabänderlichkeit nicht auf einzelne Legitimationskonzepte oder ein bestimmtes Legitimationsniveau erstreckt, ist jedenfalls das Erfordernis demokratischer Legitimation und der Gedanke seiner Vermittlung als solcher unantastbar. Außerdem müssen Verantwortlichkeiten schon aus demokratischer Perspektive hinreichend nachvollziehbar und zurechenbar sein, damit sich staatliche Organe gegenüber dem Volk verantworten können. 44. Schließlich kann mit Blick auf das rechtsstaatliche Fundament des deutschen Staates und seinen durch Art. 79 Abs. 3 GG gewährleisteten Umfang nach der hier vertretenen Auffassung neben den in Art. 20 Abs. 3 GG wörtlich genannten Gehalten auch das u. a. an dieser Stelle schlüssig mitgeschriebene Rechtsstaatsprinzip in einzelnen leitgedanklichen Ausformungen unantastbar sein. Ungeachtet der hierzu vertretenen, wenngleich ihrem Ansatz nach widersprüchlichen Auffassungen wird dem in dieser Arbeit gefundenen Ergebnis gefolgt, nur derartige rechtstaatliche Elemente als änderungsfest anzusehen, die einem in Art. 20 GG geregelten Grundsatz gleichkommen, d. h. eine die Identität der Staatlichkeit prägende Bedeutung aufweisen, und bei denen es sich um Kernelemente des deutschen Rechtsstaates handelt. Dies ist etwa bei der Verantwortungsklarheit und Eindeutigkeit der Kompetenzordnung als zentralen Teilaspekten der Rechtssicherheit und -klarheit zu bejahen. Denn die Nachvollziehbarkeit staatlichen Tätigwerdens und der dahinter liegenden Zurechnungs- und Verantwortungsstränge ist, zumal gleichzeitig unter bundesstaatlichen sowie demokratischen Gesichtspunkten (vgl. die Thesen Nr. 42 und Nr. 43 in diesem Abschnitt), für hoheitliches Handeln gegenüber dem Bürger unentbehrlich.

Zu § 11 45. Die Untersuchung, ob in Art. 91e GG eine verfassungsgemäße Grundlage für die einfachgesetzlich seit dem Jahr 2003 existierende Neuordnung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende geschaffen wurde, hat zwingend ausschließlich am Maßstab von Art.  79 Abs.  3 GG bzw. den darin garantierten und deshalb änderungsfesten Verfassungsgrundsätzen zu erfolgen. Die vor der Verfassungsänderung verbreitete Ansicht, dass die Kooperation auf diesem Gebiet  – wie vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007 höchstrichterlich festgestellt – ein „Paradefall strikt verbotener Mischverwaltung“10 sei, kann deshalb 10 So wörtlich als prägnante Zusammenfassung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bei Cornils, ZG 23 (2008), 184 (201).

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in Anbetracht der nunmehr angestrebten Billigung auf Verfassungsebene nicht aufrechterhalten werden. 46. Allerdings vermögen  – ungeachtet der vom Bundesverfassungsgericht im Sinne eines strengeren Maßstabs herangezogenen Voraussetzungen für die ­Annahme eines Berührens im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG – jedenfalls die in der aktuellen Entscheidung des Gerichts vom 7. Oktober 2014 zur Verfassungsmäßigkeit von Art. 91e GG enthaltenen Ausführungen11 nicht zu überzeugen, weil darin zur Begründung im Wesentlichen lediglich auf die Nichtexistenz eines absoluten Verbots der Mischverwaltung verwiesen wird. Stattdessen hätte es jedoch einer konkreten Betrachtung der in der Entscheidung zusammenfassend dargestellten Verfassungsprinzipien Demokratie, Rechtsstaat und Bundesstaat in ihrem jeweils geschützten Grundsatzgehalt bedurft; diese bleibt der Zweite Senat am Ende seiner ersichtlich gedrängten Ausführungen jedoch schuldig. 47. Eine ordnungsgemäße Prüfung anhand von Art. 79 Abs. 3 GG verlangt, die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts zur Mischverwaltung (Zweiter Teil dieser Arbeit), wie sie sich unter Anlegung der durch Auslegung ermittelten Maßstäbe des Art. 79 Abs. 3 GG darstellen (Dritter Teil), auf die in Art. 91e GG enthaltene Verfassungsänderung zur verfassungsrechtlichen Begründung gemeinsamer Einrichtungen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Erster Teil) zu übertragen. 48. Nimmt man zunächst an (Prüfungsteil I), dass Art. 91e GG die Vorstellung des verfassungsändernden Gesetzgebers zugrunde liegt, hiermit die bis ins Jahr 2010 bestehenden Arbeitsgemeinschaften unter neuer Bezeichnung als gemeinsame Einrichtungen und mit lediglich punktuellen Modifikationen in der im Übrigen fortbestehenden organisatorischen Gestalt wie im SGB II (a. F. / n. F.) vorgesehen verfassungsrechtlich zu legitimieren, wäre die Verfassungsänderung trotz der hiermit einhergehenden Verengung des Maßstabs auf Art. 79 Abs. 3 GG verfassungswidrig. Art. 91e GG als solches vermag insoweit ausschließlich den ersten Kritikpunkt des Bundesverfassungsgerichts, dass eine derartige Mischverwaltung aus Bund und Ländern auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende „nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht vorgesehen“12 sei, zu beseitigen. Hingegen würde die grundgesetzliche Regelung bei diesem Verständnis anhand der bestehenden Ausgestaltung im einfachen Recht aber unantastbare Grundsätze von Art. 79 Abs. 3 GG, namentlich Kerngehalte der Verfassungsprinzipien des Bundesstaates, der Demokratie und des Rechtsstaates, berühren. Inhaltlich entspräche dies weitestgehend den vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007 dargelegten Gründen für die Annahme der Verfassungswidrigkeit der ARGEn, die sich trotz der vereinzelten materiell-inhaltlichen Anpassungen der gemeinsamen Einrichtungen

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Vgl. BVerfGE 137, 108 (143 ff.). So noch im Jahr 2007 in BVerfGE 119, 331 (369).

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dem einfachgesetzlichen Grundkonzept folgend auch auf Verfassungsebene und selbst in Anbetracht des nur eingeschränkten Prüfungsmaßstabs fortsetzen würde: a) In bundesstaatlicher Hinsicht schränkt die Zulassung gemeinsamer Einrichtungen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende die allgemeine Zuständigkeitsverteilung und grundsätzliche Trennung der staatlichen Ebenen punktuell ein und führt insoweit zu einer Verflechtung der Ebenen. Im Gegensatz zu den früheren ARGEn ist hierbei allerdings festzustellen, dass die eigenverantwortliche Entscheidungsfreiheit jedes Trägers über die in seinem Zuständigkeitsbereich zu erbringenden Leistungen anders als noch bis ins Jahr 2010, als jeder Träger ständig über das Ob und Wie der Aufgabenerfüllung mitentscheiden durfte und somit keiner von beiden Trägern eigenständig tätig zu werden vermochte, aktuell als gesichert betrachtet werden kann. Denn die Vorstellungen der beteiligten Verwaltungsträger müssen sich bei der Aufgabenwahrnehmung in den Einrichtungen in deutlicher Abweichung von der im Jahr 2007 für verfassungswidrig erklärten Gesetzesfassung nicht länger unbedingt untereinander decken, was sich etwa in dem jeweiligen Weisungsrecht betreffend den selbst zu verantwortenden Leistungsbereich und in den überarbeiteten Aufsichtsregelungen zeigt. Hiervon zu unterscheiden bleibt hingegen die organisatorische und personelle Gestaltung der gemeinsamen Einrichtungen, bezüglich derer es wegen der ganzheitlichen Wahrnehmung durch eigene Verwaltungseinheiten innerhalb der gemeinsamen Einrichtungen auch weiterhin an der verfassungsrechtlich geforderten Eigenverantwortlichkeit und Eigenständigkeit mangelt. Sowohl hinsichtlich des Geschäftsführers als auch im Rahmen der Trägerversammlung kommt es hierbei weiterhin zu einer „Vergemeinschaftung der Willensbildung“13, weil keiner der beteiligten Träger frei von dem Willen des jeweils anderen entscheiden und beschließen kann. Entsprechendes gilt weiterhin auch in Bezug auf den im Falle von Meinungsverschiedenheiten anzurufenden Kooperationsausschuss, der mit Stimmenmehrheit entscheidet, sowie in Bezug auf die eigenverantwortliche Führung der Geschäfte durch den wechselnd besetzten Geschäftsführer. Im Übrigen ist die Gliederung der Staatsmacht für den Bürger infolge der Verflechtung auch aktuell nicht ausreichend klar und nachvollziehbar, was in den nachfolgenden Verfassungsgrundsätzen noch stärker zum Ausdruck gelangt. b) Die gemeinsamen Einrichtungen wirken sich entgegen dem Demokratieprinzip nachteilig auf den Zurechenbarkeits- und Verantwortungszusammenhang aus, da die Existenz einer ununterbrochenen Legitimationskette zum Entscheidungsträger infolge der Legitimation aus zwei verschiedenen Richtungen, die an sich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, nach außen nicht erkennbar wird. Als Folge dessen können die jeweiligen Verantwortlichkeiten trotz der nun durchgesetzten Dualität der Verantwortungsebenen durch das Auftreten einer gänzlich selbstständig handelnden Einrichtung im (Außen-)Verhältnis zum Bürger nicht eindeutig identifiziert werden. Im Gegensatz zur inneren Ordnung existiert hier derzeit noch 13

Zum Zitat BVerfGE 119, 331 (375).

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eine Verflechtungssituation, die von Undurchschaubarkeit geprägt ist: Wegen des einheitlichen Auftritts der Träger in den gemeinsamen Einrichtungen nach außen und ihrer ganzheitlich getroffenen Entscheidung gegenüber dem betroffenen Bürger ist für diesen als Außenstehenden angesichts der Doppelung der Legitimationsstränge im Innern nicht eindeutig nachvollziehbar, geschweige denn erkennbar, auf welchen Träger die Leistung zurückzuführen und wem die Entscheidung im Ergebnis zuzurechnen ist. Von den vielfach existierenden und anerkannten, zumal in der Praxis bewährten Kooperationsformen von Bund und Ländern heben sich die gemeinsamen Einrichtungen in diesem Aspekt dadurch ab, dass in ihnen zum einen unmittelbar gegenüber dem Bürger verbindliche behördliche Feststellungen bzw. Anordnungen getroffen werden und der ausführende Träger zum anderen nicht eindeutig identifiziert werden kann, wohingegen bei anderen Formen des Zusammenwirkens regelmäßig (z. B. Weisungsrecht eines Trägers gegenüber dem anderen) nur das Innenverhältnis zwischen beiden Trägern betroffen ist, der nach außen handelnde Träger aber eindeutig feststeht bzw. erkannt werden kann. c) Unter dem bereits im Rahmen der demokratischen Legitimation thematisierten Gesichtspunkt der Kompetenz- und Verantwortungsklarheit verhindert das Tätigwerden in gemeinsamen Einrichtungen deshalb schließlich auch aus rechtsstaatlicher Perspektive eine klare und eindeutige Zurechnung staatlichen Handelns. Konkret werden die rechtsstaatlichen Grundsätze berührt, weil der Bürger aufgrund der einheitlichen Durchführung seines Verfahrens in den gemeinsamen Einrichtungen und der sich daran anschließenden einheitlichen Entscheidung ihm gegenüber nicht mehr zu erkennen vermag, wer (d. h. welcher Träger) ihm gegenüber über welche materiellen Fragen der Grundsicherung tatsächlich entscheidet. Die Verantwortungsbereiche der beiden Träger bei der Leistungserbringung sind für ihn ungeachtet der jüngsten Verbesserungen zur Sicherung der jeweiligen Letztverantwortung wegen der fortbestehenden Vermischung ihrer Aufgaben nicht mehr überschaubar. 49. Abweichend von dem am einfachen Recht ausgerichteten Verständnis bietet der Wortlaut von Art.  91e GG die Möglichkeit einer grundsatzkonformen Auslegung, die zwar nicht länger die aktuell im SGB II bestehenden Regelungen deckt und damit auch nicht verfassungsfest absichert, jedoch den von Art. 79 Abs. 3 GG aufgestellten Schranken noch gerecht wird (Prüfungsteil II): a) Das Mittel einer grundsatzkonformen Auslegung von Verfassungsänderungen im Zuge der Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit Art. 79 Abs. 3 GG findet sich regelmäßig wiederkehrend im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dabei versucht das höchste deutsche Gericht regelmäßig zunächst andere Auslegungsmöglichkeiten der verfassungsändernden Norm, um auf diese Weise verfassungsrechtliche Zweifel, die andernfalls der Änderung des Grundgesetzes trotz der ohnehin sehr strengen Anforderungen des Gerichts an die Tatbestandsvoraussetzungen der Unantastbarkeitsnorm entgegenstehen könnten, zu minimieren oder gänzlich zu beseitigen.

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b) Weil die Auslegung einer Norm jedoch naturgemäß dort an Grenzen stößt, wo die Interpretation der Voraussetzungen nicht mehr durch den Wortlaut gedeckt wäre, kann auch die Auslegung von Art. 91e GG nicht darüber hinwegsehen, dass darin dem Grundgesetz bislang unbekannte gemeinsame Einrichtungen geschaffen werden, in denen Bund und Länder / Kommunen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende zusammenwirken sollen. Doch ist die Verfassungsänderung keineswegs in einer derart engen Weise wie im SGB II aktuell ausgestaltet (und in Prüfungsteil I zugrunde legt) formuliert: Der Verfassungstext verlangt zum einen lediglich ein grundsätzliches „Zusammenwirken“, das zum anderen „in gemeinsamen Einrichtungen“ erfolgt, gibt hierfür jedoch auf Verfassungsebene weder einzelne Strukturen noch innere Organisationsregelungen vor, sondern belässt deren (verfassungskonforme) Ausgestaltung dem einfachen Gesetzgeber. c) Dass gemäß Art. 91e Abs. 1 GG Bund und Länder bzw. die letzteren zugeordneten Kommunen in der Regel in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirken, lässt insoweit eine Auslegung dahingehend zu, lediglich von gemeinsamen äußeren Strukturen beider Ebenen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der innerorganisatorisch geteilten Zuständigkeiten auszugehen: aa) Ein derart weitgehendes Verständnis ist nach dem Wortlaut der neuen Verfassungsnorm nicht ausgeschlossen, weil dieser nur sehr allgemein und unspezifisch gefasst ist. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Adjektiv „gemeinsam“ als Beschreibung für ein von mehreren Subjekten in gleicher Weise und in Verbindung untereinander, d. h. in Gemeinschaft, im Verbund, im Team oder miteinander, unternommenes Tun verwandt. Mit der weiteren Tatbestandsvoraussetzung „Einrichtung“ ist im normativen Verständnis von Art. 91e GG ersichtlich alleine die Wortbedeutung im Sinne einer festen Institution und Organisation gemeint. Die diesbezüglichen Gestaltungsformen sind allerdings so vielfältig, dass alleine aus dem abstrakten Begriff Rückschlüsse auf eine bestimmte Struktur oder Gestaltung nicht möglich erscheinen. Demgegenüber kann dem Prädikat des Satzes („wirken […] zusammen“) im Rahmen der Wortlautinterpretation ausschließlich entnommen werden, dass die Aufgabenerledigung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende gemeinschaftlich und kooperativ bzw. mit vereinten Kräften erfolgt, was bereits vollumfänglich aus der vorgegebenen Form der Aufgabenwahrnehmung hervorgeht. bb) Wenngleich Art. 91e GG über die bislang vorhandenen Verfassungsbestimmungen in Art. 91a–d GG schon seinem Wortlaut nach erkennbar hinausgeht, sind für die zulässige Reichweite der Verfassungsänderung ergänzend die in Art. 79 Abs. 3 GG garantierten Leitgedanken einzubeziehen. Damit ist in Anlehnung an Prüfungsteil I und die dortigen Erkenntnisse (siehe hierzu die These Nr. 48 samt der zugehörigen Unterpunkte a)–c) in diesem Abschnitt) klargestellt, dass eine zulässige Mischverwaltungsform ungeachtet ihrer Bezeichnung weiterhin in jedem Zeitpunkt und jedem Sachbereich selbstständig verantwortliche Träger erfordert und die Verantwortungsstrukturen jederzeit nachvollziehbar und nach außen erkennbar sein müssen, um auf diesem Wege eine hinreichende demokratische Legitimation

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zu gewährleisten und die Klarheit der ausgeübten Kompetenzen zu sichern. Die vorausgesetzte Dualität der inneren Organisation gemeinsamer Einrichtungen muss sich deswegen auch äußerlich unmissverständlich fortsetzen. cc) Wegen der vorgenannten rechtlichen Grenzen ist ungeachtet der ausdrücklichen Intention des verfassungsändernden Gesetzgebers, die bestehende einfachgesetzliche Ausgestaltung der Arbeitsgemeinschaften mit gewissen Modifikationen auch künftig unter der Bezeichnung als gemeinsame Einrichtungen fortzuführen, aus mehreren zur Verfügung stehenden Auslegungsvarianten – wie vorliegend – diejenige auszuwählen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht wird. Denn dass eine gemessen an Art. 79 Abs. 3 GG zulässige Auslegungsvariante existiert, trägt immerhin der durch den verfassungsändernden Gesetzgeber generell verfolgten politischen Grundvorstellung Rechnung, anstelle der bis ins Jahr 2003 geltenden und historisch gewachsenen, getrennten Aufgabenwahrnehmung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine verfassungsgemäße gemeinsame Aufgabenwahrnehmung zu etablieren. dd) Mithin lässt die Auslegung von Art. 91e GG, dessen Tatbestand im Wesent­ lichen durch das Zusammenwirken der beteiligten Träger in gemeinsamen Einrichtungen gekennzeichnet ist, den Rückschluss zu, dass es auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende verpflichtend lediglich einer institutionellen Verbindung durch die Bildung einer Arbeitseinheit bedarf. Dabei deutet „gemeinsam“ auch in Bezug auf die konkrete Form der Kooperation nur die kooperative und gemeinschaftliche Gestaltung der Einrichtung an und ist nicht etwa gleichbedeutend mit vereinigt oder verflochten. Der entscheidende Unterschied etwa im Verhältnis zu Art. 91a–d GG findet sich insoweit darin, dass zu diesem Zwecke Einrichtungen zu bilden sind. Diese objektbezogene Verknüpfung lässt allerdings ein weites und ausgedehntes Verständnis zu, wonach in diesem Gebilde Bund und Länder / Kommunen im Rahmen einer dualen Organisation tätig werden und ausschließlich im Außenverhältnis als eine einheitliche Stelle ‚unter einem Dach‘ auftreten. Notwendig ist hiernach lediglich gewisse Institutionalisierung bzw. äußerlich erkennbare Verbindung, weshalb einerseits zwar die „bloß informale Zusammenarbeit“14 nicht genügen würde, andererseits aber kein vollkommen eigenständiges Gebilde verlangt wird. ee) Demnach kann als „gemeinsame Einrichtung“ in Entsprechung vor allem der Wortbedeutung und grundgesetzlichen Systematik auch eine solche Struktur verstanden werden, in der Bund und Länder bzw. die letzteren zugeordneten Kommunen nicht untrennbar verbunden werden, sondern ihre jeweilige Eigenverantwortlichkeit auch auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende in vollem Umfang beibehalten. Bei der weitgefassten Interpretation des neuen Verfassungstextes ist der Aussagekern damit erkennbar darin zu sehen, dass nach außen auch künftig nur ein Ansprechpartner existiert, an den der Bürger sein Begehren heran 14

So treffend Mehde, in: BeckOK-GG, Art. 91e Rn. 20.

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tragen kann und von dem er eine äußerlich einheitliche Entscheidung erhält, während gleichzeitig die Träger jeweils ausschließlich im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit (eigen)verantwortlich tätig werden können. Anstelle der Bildung einer in Teilen autonomen sowie weisungsgebundenen Einrichtung, die ihre eigenen Verwaltungsorganisation besitzt, könnte jeder Träger seine personellen und sachlichen Mittel beisteuern und damit inhaltlich wie auch organisatorisch faktisch wie bei einer getrennten Aufgabenwahrnehmung tätig werden, im Unterschied zu dieser lediglich verknüpft mit einem einheitlichen Auftritt nach außen zur Vereinfachung des Ansprechpartners für die Leistungsbezieher. Die innere Gliederung in zwei Verantwortlichkeitsbereiche unter einem gemeinschaftlichen Auftritt mit einheitlicher Bezeichnung könnte sich schließlich auch durch eine stilistische Trennung der zuerkannten oder abgelehnten Leistungen im Rahmen des gemeinsam erlassenen Bescheides widerspiegeln. d) Auf Grundlage der vorgenannten Auslegung von Art. 91e GG stellt sich die Verfassungsänderung als mit Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar dar. Denn die neue Verfassungsnorm legt nur abstrakt die Existenz gemeinsamer Einrichtungen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende fest (Absatz 1), wohingegen deren konkrete Ausgestaltung dem einfachen Gesetzgeber obliegt (Absatz 3). Die einzelnen verfassungsrechtlichen Vorgaben – beginnend mit der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung über die Wahrung eines demokratischen Legitimationsniveaus bis hin zur Verantwortungsklarheit bzw. Zurechenbarkeit von Kompetenzen  – werden durch das ermittelte abstrakte Verständnis gemeinsamer Einrichtungen nicht tangiert, weil mit dieser Entscheidung zu einer äußeren Verbindung noch keine Aussage über die innergemeinschaftlichen Strukturen getroffen wird. 50. Folge einer derartigen Interpretation von Art. 91e GG ist, dass der hier untersuchte Vorwurf ‚verfassungswidrigen Verfassungsrechts‘ verneint werden muss. Denn unter Zugrundelegung des abweichenden, vom Wortlaut der Verfassungsänderung noch gedeckten Verständnisses ist ein Verstoß der Verfassungsänderung gegen die Grenzen der Mischverwaltung in dem von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Umfang nicht anzunehmen. Doch muss stattdessen der mit Art. 91e GG eigentlich beabsichtigte Versuch, die vorhandenen einfachgesetzlichen Regelungen verfassungsfest abzusichern, als gescheitert betrachtet werden. Insofern ist gemäß den vorstehenden Erkenntnissen und gewissermaßen als Rückschluss aus den Feststellungen in Prüfungsteil I sowie gleichzeitig in Anknüpfung an die bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung aus dem Jahr 2007 davon auszugehen, dass die aktuelle einfachgesetzliche Ausgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im SGB II n. F. trotz der vereinzelten Modifikationen auch heute noch gegen die Verfassung in Gestalt der bundes- und rechtsstaatlichen sowie demokratischen Verfassungsprinzipien verstößt. Denn sie ist von der abweichenden Auslegung der Verfassungsänderung nicht länger gedeckt, weshalb ihr bei fortbestehenden Bedenken betreffend die einzelnen Verfassungsprinzipien weiterhin eine taugliche Verfassungsgrundlage fehlt, die dieses Verständnis von gemeinsamen Einrichtungen in zulässiger Weise verfassungsfest verankern würde.

Gesamtergebnis Das dieser Arbeit im Sinne einer Ausgangsfragestellung vorausliegende Verdikt der Verfassungswidrigkeit von Art.  91e GG (vgl. nur die Formulierung des zugrunde gelegten Titels) wurde durch die vorliegende Untersuchung entkräftet: Gemessen an den durch Art. 79 Abs. 3 GG an eine Verfassungsänderung gestellten Anforderungen ist Art. 91e GG nicht verfassungswidrig, weil die Norm einer grundsatzkonformen, allerdings von der Intention des verfassungsändernden Gesetzgebers, die Ausgestaltung im einfachen Recht verfassungsfest zu verankern, abweichenden Auslegung offensteht. Da infolgedessen das ermittelte Verständnis von „gemeinsamen Einrichtungen“ im Sinne des offen formulierten Verfassungstextes merklich von den bestehenden Regelungen im SGB II abweicht, sind die dortigen einfachgesetzlichen Vorschriften in ihrer aktuell bestehenden Form nicht von der Verfassungsänderung gedeckt.

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Sachwortverzeichnis Abhörurteil  219, 300 Abwägungsentscheidung 299 Amtshilfe  139, 165, 428 Änderungsbefugnis 240 Arbeitseinheit  411, 443 Arbeitsgemeinschaften 19, 43, 49, 52, 56, 78, 361, 370, 373, 398, 406, 424 Arbeitslosengeld  38, 39, 40 Arbeitslosenhilfe  24, 34, 38, 39, 53, 73, 423 Arbeitslosenversicherung  39, 423 ARGEn siehe Arbeitsgemeinschaften Aufgabenerfüllung  75, 89, 114 Aufgabenerledigung  402, 442 Aufgabenteilung 168 Aufgabenträgerschaft 83 Aufgabenverantwortung 169 Aufgabenwahrnehmung  62, 72, 80, 83, 415, 425 –– alleinige 87 –– eigenverantwortliche 54, 174, 378, 382, 411 –– gemeinsame  73, 145, 412, 427 –– gemeinschaftliche 166 –– getrennte  60, 403, 408, 413, 443 –– kooperative 68 –– überschneidende 419 Aufgabenzuständigkeit 52 Aufsichtsrecht 55 Auslegung  228, 262, 271, 273, 280, 297, 302, 309, 361, 365, 397, 399, 409, 434, 436, 442 –– grundsatzkonforme 263, 267, 393, 395, 404, 416, 418, 421, 431, 433, 441 –– verfassungskonforme  260, 263, 267, 397, 425, 433 Auslegungsmethoden 406 Auslegungsmöglichkeit  394, 406 Ausnahmecharakter  254, 270 Ausnahmevorschrift  267, 277, 433 Außenverhältnis  386, 389 autonome Staatsqualität  170 Autonomie  165, 167, 376

Behördenhierarchie 386 berühren  277, 303, 307, 365, 434 berührt  274, 280, 288, 300, 302, 307, 316, 367, 391, 393, 419, 434 Bestandsschutz 253 Bestimmtheit  200, 204, 355, 389, 405, 430 –– Normenbestimmtheit 347 Beteiligungsföderalismus 171 Bund  52, 60, 111 Bund-Länder-Kooperation 172 Bund-Länder-Separation 173 Bund-Länder-Verhältnis 388 Bundesrepublik  319, 323, 338, 437 Bundesstaat  20, 97, 115, 119, 149, 319, 331, 357, 375, 376, 428 Bundesstaatlichkeit  152, 336, 383, 437 Bundesstaatscharakter  151, 325 Bundesstaatsgedanke  336, 339, 419 Bundesstaatsprinzip 127, 157, 162, 177, 181, 203, 331, 338, 377, 404, 428, 437 Bundestreue  159, 170 Bundesverfassungsgericht 20, 48, 52, 96, 146, 219, 260, 274, 290, 294, 300, 350, 358, 365, 370, 394, 416, 424, 426, 431, 434, 441 Demokratie  20, 97, 174, 319, 342, 346, 429, 437 –– -gedanke 384 Demokratieprinzip 98, 127, 169, 176, 181, 202, 342, 357, 405, 419, 440 demokratische Legitimation 47, 129, 178, 182, 184, 190, 324, 345, 358, 385, 404, 405, 424, 429, 438, 442 Dezentralität 18 doppelte Trägerschaft  54 Doppelung der Legitimationsstränge  441 Doppelzuständigkeit 109 duales Leistungsträgerprinzip  72 Dualität  83, 109, 443 Dualität der Trägerschaft  421

Sachwortverzeichnis Dualität der Verantwortungsebenen  440 Dualität der Verantwortungsstruktur  391 Dualsystem 39 Durchführungsverantwortung 57

481

Fürsorgesystem 35

Garantie der kommunalen Selbstverwaltung  77, 148 Gefahrgemeinschaften 25 Eigenstaatlichkeit  152, 165, 166, 339 gemeinsam  400, 409, 443 Eigenständigkeit 58, 171, 335, 338, 341, gemeinsame Einrichtungen  71, 78, 133, 169, 377, 380, 437, 440 361, 378, 381, 388, 398, 406, 411, 413, eigenverantwortlich  191, 412 417, 420, 425, 428, 439, 443 eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung  gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung 340, 405 370 Eigenverantwortlichkeit 96, 128, 165, 376, gemeinschaftliche Einrichtungen  191, 424 380, 385, 387, 389, 404, 411, 418, 440, Gemeinschaftsaufgaben 19, 73, 143, 169, 443 173, 361, 404, 410 Eigenverantwortung  192, 378, 405 Gemeinschaftseinrichtungen 100 Einheit der Verfassung  299 Gesamtstaat  155, 166, 172, 181, 324 Einheitsmodell 59 Gesamtverfassung  231, 235 Einrichtung  401, 409 Gestaltungsformen 404 Einvernehmen 141 Gestaltungsfreiheit  58, 396 Einwirkungsmöglichkeit  372, 382, 415 Gestaltungsspielraum  211, 277, 301, 427 Einwirkungsrechte 142 Gewaltengliederung 337 Elastizität  230, 255, 431 Gewaltenteilung 154, 163, 168, 198, 208, Entscheidungsfreiheit 440 341, 350, 353, 390 Entscheidungsgewalt 405 –– vertikale  181, 359 Entscheidungsprärogative 263 Gewaltenteilungsgrundsatz  352, 359 Entscheidungsträger  388, 412, 440 Gewaltenteilungsprinzip 347 Entwicklungsoffenheit 228 Gleichordnung 257 Erkennbarkeit  385, 391, 405, 430 Gliedstaaten  155, 167, 172, 181, 376 Ewigkeitsgarantie  224, 256, 286, 300, 366, Grundnorm 258 419, 431, 433 Grundrechte  198, 329, 355, 359 Ewigkeitsklausel  258, 302, 329 Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens  159, Experimentierklausel 87 171, 339, 428 Grundsatz eigenverantwortlicher AufgabenFlexibilität  230, 255, 431 wahrnehmung 50, 58, 129, 142, 165, föderal  151, 156, 168, 332, 338 339, 424, 428 Föderalismus 133 Grundsatz lückenloser Kompetenzverteilung  –– -gedanke 153 107 –– -reform  74, 86, 94, 98, 107, 119, 425 Grundsätze 255, 286, 289, 291, 298, 309, föderalistischer Staatsaufbau  170 316, 366, 396, 419, 435 freiheitliche demokratische Grundordnung  Grundsatzgehalt  324, 393, 431, 434 176, 287, 322, 352, 432, 435 grundsatzkonform  262, 266, 369, 445 Fundierungsfunktion 432 Grundsatzkonformität  404, 417 Funktionentrennung 208 Grundsicherung aus einer Hand  19, 42, 87 Funktionsfähigkeit 392 Grundsicherung für Arbeitsuchende  23, 49, Fürsorge  29, 32, 423 53, 56, 60, 67, 72, 78, 79, 87, 100, 223, –– Armenfürsorge  31, 34 361, 369, 393, 398, 399, 409, 411, 414, –– Erwerbslosenfürsorge 36 420, 421, 423, 425, 438, 442, 443, 444 –– öffentliche Fürsorge  32 Grundsubstanz 319

482

Sachwortverzeichnis

Handlungsmaßstab  273, 288, 302, 307, 366, 432 Handlungsräume 109 Hartz IV 41 Hartz-Kommission 41 Hierarchie der Verfassungsrechtssätze  214 Hierarchieordnung 256 hierarchische Werteordnung  214, 430 Höherrangigkeit 260 Homogenität 176 Homogenitätsgebot  324, 325 Homogenitätsgrundsatz 156 Homogenitätsprinzip 152 Identität  226, 235, 264, 431, 436 –– der Staatlichkeit  246, 294, 320, 339, 353, 390, 435 –– der Verfassung  233, 312, 367 informale Zusammenarbeit  443 Ingerenzrechte 165 innerorganisatorische Dualität  413 Institutionalisierung 443 Jobcenter 71 Kern  295, 296, 436 –– eigener Aufgaben  168, 336 Kernbereich  292, 299, 315, 318, 436 Kernbestand  166, 250 –– der Verfassung  219 –– eigener Aufgaben  341, 376 –– von Zuständigkeiten  339 Kernelemente  215, 320, 396, 416 Kerngedanken  254, 264, 266 Kerngehalt 293, 296, 312, 320, 322, 351, 395, 434, 435 Kerngehaltsschutz 317 Kernprinzipien 395 Klarheit 391 –– der Kompetenzen  405, 420 –– der Kompetenzordnung 51, 202, 356, 390, 430 kommunale Selbstverwaltung  58 kommunale Selbstverwaltungsgarantie 50, 85, 325, 369, 424 Kompetenzabgrenzungen 75 Kompetenzausübung 320 Kompetenzausübungsschranke 159

Kompetenzbereiche 191 Kompetenzbestand 167 Kompetenzen  130, 156, 209, 240, 334, 375, 385, 399, 437 Kompetenzklarheit  357, 383, 389, 411, 418, 441 Kompetenzkonflikte 392 Kompetenznorm 258 Kompetenzordnung  115, 119, 208, 357, 424, 427, 438 Kompetenzstränge 411 Kompetenzträger  130, 377, 437 Kompetenzübertragung 336 Kompetenzverschränkungen 125 Kompetenzverteilung  128, 132, 162 Kompetenzzuweisungen 115 Konstitutionsprinzipien  234, 318 Kontinuität  264, 431 –– der Verfassung  233 Kontrollrecht 55 Kooperation  21, 68, 74, 78, 118, 120, 126, 129, 136, 145, 160, 169, 172, 377, 399, 409, 415, 417, 425, 427, 443 –– gegenseitige 169 Kooperationseinheit  412, 413, 417 Kooperationsformen  172, 429, 441 kooperativ  402, 442, 443 kooperative Jobcenter  61, 62 kooperativer Föderalismus 76, 143, 170, 173, 428 Länder  52, 60, 111 Legalitätszusammenhang 229 Legitimation 180 –– funktionelle demokratische  186 –– institutionelle demokratische  186 –– materielle 186 –– personelle 186 –– sachlich-inhaltliche 186 Legitimationsdefizit 187 Legitimationskette 52, 58, 169, 183, 185, 189, 202, 346, 358, 385, 429, 438, 440 Legitimationsklarheit  387, 412 Legitimationskonzept 346 Legitimationsniveau 185, 188, 190, 346, 384, 429, 438, 444 Legitimationsobjekt 180 Legitimationsquelle 182

Sachwortverzeichnis Legitimationsspender 189 Legitimationsstränge  188, 386, 389, 411 Legitimationsstrukturen 418 Legitimationsstufe 189 Legitimationssubjekt  180, 184, 189, 429 Legitimationsvermittlung  185, 190, 387, 429 Legitimationswirkung  187, 191 Legitimationszusammenhang  183, 346, 429 Leistungserbringung  44, 45, 378, 385, 391, 404, 411, 441 Leistungsträgerschaft  44, 52, 424 Leitgedanken  244, 294, 298, 318, 322, 367, 435, 442 Leitlinie 436 Leitsätze 436 Leitsätze des Grundgesetzes  264 Letztentscheidung 386 Letztentscheidungskompetenz 57 Letztentscheidungsrecht 379 Letztverantwortlichkeit  53, 130, 388, 411 Letztverantwortung  145, 191, 391, 405, 412, 419, 441 Literatur  279, 290, 301, 365 Lückenschließung 161 Maske der Legalität  249 Maßstabsnorm  210, 394 Menschenwürde  321, 324, 437 Menschenwürdegarantie 350 Menschenwürdegehalt  330, 437 Mindestanforderungen 357 Mindestaufgaben 335 Mischeinrichtungen  372, 418 Mischformen 108 Mischinstitutionen 370 Mischorganisation 380 Mischstruktur  55, 135 Mischtatbestände 93 Mischverwaltung  20, 48, 51, 55, 78, 83, 96, 100, 128, 133, 146, 148, 163, 181, 199, 330, 361, 369, 406, 414, 427, 438 –– Grenzen 340, 359, 363, 367, 375, 384, 389, 420, 444 –– Verbot  95, 97, 105, 116, 125, 223, 362, 363, 417, 426, 439 Mischverwaltungsform 442 Mischverwaltungsstrukturen 94

483

Mitentscheidungsbefugnisse  51, 103, 110 Mitwirkungsbefugnisse 141 Mitwirkungsrechte  57, 337 Nachvollziehbarkeit 177, 203, 347, 357, 390, 405, 419, 438 negative Rechtserzeugungsregel  433 Nichtigkeit  256, 258 Normenhierarchie  212, 214, 311, 353, 361, 369, 416 Normenklarheit  201, 204, 347, 358, 389 Normgefüge 229 Optimierungsgebot 195 Optionskommunen  70, 77, 85, 87, 90, 424 Optionsmodell 86 Ordnungsidee 338 Ordnungsprinzipien 294 Organisationseinheit 52 Organisationsform 403 Organisationsfreiheit  340, 381 Organisationsstruktur 424 Organisationsverantwortung 412 Organleihe  139, 165, 388, 428 Pflichtversicherungsprinzip 37 Politikverflechtung  133, 428 praktische Konkordanz  214 prinzipielle Preisgabe  275, 277, 434 Prinzipien  310, 320, 397, 437 Prüfungsmaßstab  373, 374, 440 Randbereich  284, 293, 315, 323, 436 Rangfolge  215, 219, 257, 266, 361, 432, 433 Rangstufen 215 Rangverhältnis 216 Rechtserzeugungsregel 265 Rechtsfortbildung 324 Rechtshilfe  139, 165, 428 Rechtsklarheit  198, 200, 355, 356, 358, 389, 430, 438 Rechtssicherheit 198, 200, 204, 355, 389, 430, 438 Rechtsstaat  20, 97, 192, 208, 319, 349, 353 rechtsstaatlich 349 Rechtsstaatlichkeit  47, 195, 390, 430 Rechtsstaatscharakter 389 Rechtsstaatsgedanke 354

484

Sachwortverzeichnis

Rechtsstaatsprinzip  127, 193, 204, 208, 347, 350, 352, 355, 358, 389, 405, 419, 430, 438 Regelungsvorbehalt 90 Reparaturfunktion 230 Reservefunktion 196 Restriktion 268, 277, 289, 307, 315, 322, 363, 366, 433, 435 Revisionsgewalt 231 Revisionsmöglichkeit 233 Revisionsnorm 218, 231, 240, 251, 265, 282, 431 Revisionsschranke  252, 257, 268, 271, 315, 316, 431 Revisionsschranken 233 sachlicher Grund  53 Schicksalsgemeinschaft 25 Schranken 441 –– -bestimmung  218, 430 –– -norm  240, 297, 433, 437 –– -regelung  272, 304 Schrifttum  294, 297, 300, 393, 434 Selbstbefreiung 328 Selbstbeschränkung 54 Selbstständigkeit  113, 341, 376 Selbstverantwortlichkeit 376 Selbstverwaltungseinheiten 167 Selbstverwaltungsrecht 49 SGB II  42, 78, 80 Sicherung des Lebensunterhalts  79 Solidargemeinschaften 25 Sondervotum  222, 295, 300, 393, 425, 434 souveräne Staatlichkeit  225 soziale Fürsorge  24 Sozialhilfe  24, 39, 53, 73, 423, 424, 425 Sozialhilfeleistungen zum Lebensunterhalt  40 Sozialleistungen  23, 32, 53, 423 Spannungsverhältnis 255 staatlicher Pluralismus  152 Staatlichkeit  335, 428 Staatsfundamentalnorm 318 Staatsgewalt  175, 429 Staatsorganisation 333 Staatsprinzipien  97, 132, 210, 284 Staatsqualität  340, 376 Staatsstrukturprinzipien  148, 174, 192, 311, 323, 415

Staatszielbestimmungen  318, 437 Stabilisierungsfunktion 432 Stabilität 255 Strukturentscheidungen 321 Stufenfolge  259, 433 Träger  391, 409, 415, 425, 442 Trägerschaft  82, 415, 425 Trennung 50, 97, 106, 118, 125, 146, 285, 340, 376, 405, 414, 426, 437, 440, 444 Trennungsprinzip  74, 141, 144 Unabänderlichkeit  218, 237, 298, 320, 435 Unabänderlichkeitsnorm  252, 267 unantastbar 284 Unantastbarkeit 233, 316, 322, 326, 329, 390 Unantastbarkeitsgarantie  302, 366, 396 Unantastbarkeitsklausel 97 Unitarisierung  119, 171 Ursprungsverfassung 234 Verantwortlichkeit 57, 97, 113, 129, 145, 146, 182, 202, 346, 372, 378, 391, 392, 399, 411, 420, 424, 427, 438 –– demokratische 184 Verantwortlichkeiten  75, 340 Verantwortlichkeitsbereich 413 Verantwortlichkeitsstränge 387 Verantwortlichkeitszuordnung 386 Verantwortung 388 Verantwortungsbereich 128, 387, 391, 441 Verantwortungseinheit 385 Verantwortungsgefüge 372 Verantwortungsklarheit 47, 128, 203, 356, 357, 389, 404, 411, 415, 418, 430, 438, 441, 444 Verantwortungsproblematik  171, 392 Verantwortungsstränge 357, 370, 405, 420, 438 Verantwortungsstrukturen  390, 405 Verantwortungsträger  184, 389 Verantwortungszurechnung 55 Verantwortungszusammenhang 183, 358, 385, 391, 440 Verantwortungszuweisung 379

139, 384, 430,

427,

208, 419,

416,

346,

Sachwortverzeichnis Verdikt der Verfassungswidrigkeit  134, 445 Verfahrensgerechtigkeit  209, 358 verfassunggebende Gewalt 179, 218, 237, 241, 323, 328, 432 verfassunggebender Gesetzgeber  218 Verfassunggeber 213, 227, 232, 240, 270, 323, 328, 430, 432 Verfassunggebung  230, 243, 264, 431 verfassungsändernde Gesetzgebung  227 verfassungsändernde Gewalt  147, 237, 241, 323, 328, 422, 432 verfassungsändernder Gesetzgeber  218, 232, 256, 276, 368, 370, 373, 393, 395, 406, 407, 410, 439, 443 Verfassungsänderung 20, 69, 70, 97, 210, 212, 216, 218, 219, 225, 229, 230, 238, 241, 243, 256, 259, 264, 327, 360, 375, 393, 407, 414, 416, 425, 426, 430, 431, 433, 442, 444 Verfassungsauflösung 253 Verfassungsaushöhlung 253 Verfassungsdenken 233 Verfassungsdurchbrechung 229, 245, 252, 432 Verfassungsentfaltung 227 Verfassungsentwicklung 227 Verfassungsfeinde 282 verfassungsfeindliche Absicht  276 Verfassungsgefüge  213, 229, 256, 268 Verfassungsgrundsätze 96, 244, 254, 258, 259, 265, 275, 290, 291, 297, 315, 395, 407, 414, 432 Verfassungsidentität  264, 293 Verfassungsinterpretation 228 Verfassungskern 225, 243, 251, 259, 283, 293, 308, 318, 397 verfassungskonform  261, 285 verfassungskonforme Auslegung  58 Verfassungsmäßigkeit 20, 362, 375, 397, 407, 426, 439 Verfassungsnorm 244 Verfassungsordnung 281 Verfassungspflicht 84 Verfassungsprinzipien 97, 148, 216, 263, 271, 275, 278, 290, 298, 317, 323, 330, 364, 367, 368, 374, 393, 426, 431, 434, 436 Verfassungsrechtsetzung 239 Verfassungsrevision  225, 246, 251, 432

485

Verfassungsschutzbestimmung  236, 249, 431 verfassungssichernde Norm  236 Verfassungsstrukturbestimmungen  318, 437 Verfassungstext 226, 240, 292, 320, 355, 397, 400, 407, 412, 431, 442 Verfassungswandel  228, 229, 431 verfassungswidrig  49, 397, 445 verfassungswidriges Verfassungsrecht 95, 210, 212, 215, 217, 219, 256, 267, 302, 361, 421, 430, 433, 444 Verfassungswidrigkeit 56, 91, 94, 98, 219, 256, 258, 266, 360, 365, 394, 396, 416, 426 Verfassungswortlaut 247 Verflechtung 55, 74, 102, 123, 165, 173, 376, 390, 412, 415, 418 Verflechtungssituation 441 Vergemeinschaftung  54, 184 –– der Willensbildung  381, 391, 440 –– von Bund und Ländern  93 Verhältnismäßigkeit  352, 353 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 198 Verhältnismäßigkeitsprüfung 354 Vermischung  120, 125, 142, 171, 387, 391, 441 Vernetzung 142 Verselbstständigung 412 Verständigung 409 Verstetigung 400 Verwaltungsapparat 187 Verwaltungsaufbau 190 Verwaltungsaufgaben  173, 340 Verwaltungseinheit  378, 381, 440 Verwaltungskompetenzen 17, 50, 76, 208, 388, 426 Verwaltungsstruktur  74, 134, 139 Verwaltungsträger  53, 110, 132, 191, 440 Volksgewalt 180 Volkssouveränität 178, 267, 324, 342, 346, 384, 437 Vollzugszuständigkeit 81 Vorhersehbarkeit 203 Wahrnehmungskompetenz  54, 57, 425 Wahrnehmungstätigkeit 141 Wahrnehmungs- und Finanzierungsverantwor­ tung 75 Wechselbeziehung 163 Weimarer Reichsverfassung  244, 246, 250

486

Sachwortverzeichnis

Weimarer Republik  236, 244, 247, 264 Weisungsbefugnisse 141 Weisungsrecht  55, 372 Wesenselemente 366 Wesensgehaltsgarantie  278, 294 Wesenskern 436 Widerspruchsfreiheit  201, 355, 389 Willensbildung 387 Wohlfahrtspflege  24, 26 Wortlautänderung 276 Zentralgewalt 153 Zentralstaat 155 Zentren für Arbeit und Grundsicherung  63 Zurechenbarkeit 98, 130, 146, 383, 391, 412, 418, 430, 444

Zurechenbarkeitszusammenhang 346, 385, 440 Zurechnung  55, 191, 429, 441 Zurechnungsstränge  411, 438 Zurechnungszusammenhang  183, 358 Zusammenarbeit  145, 172, 411, 428 Zusammenarbeit von Bund und Ländern  391 zusammenwirken  125, 131, 400, 402, 410 Zusammenwirken von Bund und Ländern  111, 120, 388, 426, 427 Zuständigkeitsverteilung 383 Zweigleisigkeit der Wahrnehmungskompetenz  85 Zweigliedrigkeit 156 Zweiteilung des Staatsaufbaus  112 Zwischenländerkooperation 172