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German Pages 1039 [1048] Year 1986
SPRACHE UND RECHT
SPRACHE UND RECHT BEITRÄGE ZUR KULTURGESCHICHTE DES MITTELALTERS
FESTSCHRIFT FÜR RUTH SCHMIDT-WIEGAND ZUM 60. GEBURTSTAG
herausgegeben von
KARL HAUCK
KARL KROESCHELL
DAGMAR HÜPPER
STEFAN SONDEREGGER
GABRIELE VON OLBERG
ERSTER BAND
W DE G. 1986
WALTER DE GRUYTER • BERLIN • NEW YORK
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Sprache und Recht: Beitr. zur Kulturgeschichte d. Mittelalters ; Festschrift für Ruth Schmidt-Wiegand zum 60. Geburtstag / hrsg. von Karl Hauck ... . — Berlin ; New York : de Gruyter ISBN 3-11-010893-3 NE: Schmidt-Wiegand, Ruth: Festschrift Vw: Wiegand, Ruth Schmidt Schmidt-Wiegand, Ruth Bd. 1 (1986)
© Copyright 1986 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagsbuchhandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp. — Printed in Germany — Alle Rechte des Nachdrucks, einschließlich des Rechtes der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten. Druck: Werner Hildebrand, Berlin Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin
Vorwort Gegenüber seiner ersten Sprecherin, Frau Prof. Dr. Dr. h.c. Ruth Schmidt-Wiegand, ist in den letzten Jahren des Sonderforschungsbereichs 7 'Mittelalterforschung' an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster eine vielschichtige Dankesschuld entstanden. Denn, ungeachtet der strömenden Produktivität unseres Fächerbündnisses, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft in voller Strenge das Gesetz des Auslaufens dieser Institution der Förderung auf Zeit angewandt. Trotz der so entstehenden mannigfachen Schwierigkeiten führte Frau Schmidt-Wiegand das Sprecheramt umsichtig weiter. Als sich Frau Schmidt-Wiegand, mutiger als alle Männer, bereitfand, die Bürden ihres Amtes selbst noch in der Abwicklungsphase zu tragen, vergrößerte sich unsere Dankesschuld ihr gegenüber erneut. Die unerschütterliche Liebe der jüngeren Mitarbeiter zu ihrem Forschungsfeld, die die eigentliche Vorbedingung für diese Huldigungsgabe gewesen ist, hat infolgedessen etwas tief Beglückendes, und zwar gerade in den Schattenzonen der Auflösung unseres Fächerverbundes. Das weitgespannte Forschungsgebiet von Ruth Schmidt-Wiegand bestimmte die Themen dieser Festschrift. In ihr sind Beiträge von Angehörigen des ehemaligen Sonderforschungsbereichs, der Universität Münster und anderer Universitäten und Forschungseinrichtungen des In- und Auslandes vereinigt. Zu dem Rahmenthema 'Sprache und Recht. Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters' haben Sprachwissenschaftler und Literaturhistoriker, Historiker und Rechtshistoriker methodisch unterschiedlich und in interdisziplinärer Offenheit das Wort ergriffen. So ist eine Festgabe entstanden, die der Jubilarin in Verehrung gewidmet wird, begleitet von den Grüßen aller Freunde, Kollegen und Schüler, die sich in die Tabula gratulatoria haben eintragen lassen. Vielfalt und Vielzahl der Einzeluntersuchungen haben dazu geführt, daß die Festgabe nun zweibändig erscheint und sich die Herausgeber zu einer alphabetischen Gliederung der Beiträge entschlossen. Die Möglichkeit für die Drucklegung eröffnete der Verlag Walter de Gruyter/Berlin, wofür ihm der gebührende Dank gesagt sei. Da alle Aufsätze im Typoscriptverfahren hergestellt worden sind, lag die Last der Satzvorbereitung bei den Damen Marlies Desch, Brigitte Dülberg, Monika Große Gehling und Mechtild Schieß. Ihnen und Frau Brigitte Janz, Frau Ute Weglage sowie den
VI
Vorwort
Herren Gottfried Baumann, Hans Höfinghoff ünd Dr. Ulrich Winzer, die bei den redaktionellen Arbeiten halfen, ist für ihre Mühe und für ihren unermüdlichen Einsatz nachdrücklich zu danken. Bis auf wenige Ausnahmen lagen die Beiträge zu dieser Festschrift bereits zum Geburtstag der Jubilarin, am 1. Januar 1986, vor und konnten Ruth Schmidt-Wiegand im Rahmen eines Festaktes überreicht werden. Daß die endgültige Drucklegung dennoch erst im Herbst des Jahres 1986 erfolgen konnte, erklärt den unterschiedlichen Literaturstand der einzelnen Beiträge. Für das Verständnis, die Geduld und das Engagement der Autoren möchten die Herausgeber auch an dieser Stelle danken.
Die Herausgeber
TABULA
GRATULATORIA
MARGARETE ANDERSSON, Uppsala
INGRID HAHN, Münster i. W.
THORSTEN ANDERSSON, Uppsala
HANS HATTENHAUER, Kiel
HEINRICH APPELT, Wien
KARL HAUCK, Münster i. W. WOLF-DIETER HEIM, Münster i. W.
KARL SIEGFRIED BADER, Zürich
REINER HILDEBRANDT, Marburg
KURT BALDINGER, Heidelberg
HANS HÖFINGHOFF, Münster i. W.
GOTTFRIED BAUMANN, Münster i. W.
HEINZ HOLZHAUER, Münster i. W.
HEINRICH BECK, Bonn
DAGMAR HÜPPER, Münster i. W.
HANS-JOACHIM BEHR, Münster i. W.
FRANZ HUNDSNURSCHER, Münster i. W.
ROLF BERGMANN, Bamberg HELMUT BEUMANN, Marburg
FRANZ-JOSEF JAKOBI, Münster i. W.
CHRISTINE BOVING, Münster i. W.
HERBERT JANKUHN, Göttingen
THEODOR BÜHLER-REIMANN, Winterthur
BRIGITTE JANZ, Münster i. W. INGEBORG JOHANEK, Münster i. W.
TORSTEN CAPELLE, Münster i. W. FRIEDHELM DEBUS, Kiel MARLIES DESCH, Münster i. W. GERD DICKE, Münster i. W. BERNHARD DIESTELKAMP, Frankfurt a. M. GERHARD DILCHER, Frankfurt a. M. MARIE-LUISE DITTRICH, Michelstadt ULRICH DRESCHER, Münster i. W. KURT DRÖGE, Detmold BRIGITTE DÜLBERG, Münster i. W. KLAUS DÜWEL, Göttingen ADALBERT ERLER, Frankfurt a. M. ECKHARD FREISE, Münster i. W. HANS FROMM, München
PETER JOHANEK, Münster i. W. ELLINOR KAHLEYSS, Berlin EKKEHARD KAUFMANN, Marburg HAGEN KELLER, Münster i. W. WOLFGANG KLEIBER, Mainz JOHANN KNOBLOCH, Bonn BIRGIT KNÜHL, Hamm GERNOT KOCHER, Graz GERHARD KÖBLER, Gießen KARL KROESCHELL, Freiburg i. Br. KARL HEINRICH KRÜGER, Münster i. W. HARRY KÜHNEL, Krems a. d. Donau ULRIKE LADE, Münster i. W. ADOLF LAUFS, Tübingen
HENNING V. GADOW, Münster i. W.
UWE MEINERS, Münster i. W.
HELMUT GIPPER, Münster i. W.
CHRISTEL MEIER-STAUBACH, Wuppertal
RUDOLF GMÜR, Bern
HEINZ MEYER, Münster i. W.
JAN GOOSSENS, Münster i. W.
JAN-DIRK MÜLLER, Hamburg
GERDA GROBER-GLÜCK, Bonn
HORST HAIDER MUNSKE, Erlangen
MONIKA GROSSE GEHLING, Münster i. W. KLAUS GRUBMÜLLER, Münster i. W.
KARL J. NARR, Münster i. W.
VIII
Tabula gratulatoria
HERMANN NEHLSEN, München
ELFRIEDE STUTZ, Heidelberg
FRANZ NEISKE, Münster i. W.
RUDOLF SUNTRUP, Münster i. W.
ANNETTE NIEDERHELLMANN-MOGK, Bergheim AUGUST NITSCHKE, Stuttgart
HEINRICH TIEFENBACH, Münster i. W. GABRIELE TÖPFER-KARARA, Münster i. W.
KARIN OBST, Münster i. W. OTTO GERHARD OEXLE, Hannover FRIEDRICH OHLY, Münster i. W. GABRIELE v. OLBERG, Münster i. W. HARALD v. PETRIKOVITS, Bonn DIETRICH POECK, Münster i. W. WILHELM POHLKAMP, Münster i. W.
LOTHAR VOETZ, Heidelberg UTE WEGLAGE, Münster i. W. REINHARD WENSKUS, Bovenden DIETER WERKMÜLLER, Marburg GÜNTER WIEGELMANN, Münster i. W. ULRICH WINZER, Münster i. W. ULRICH WITTE, Sögel
OSKAR REICHMANN, Heidelberg
HERWIG WOLFRAM, Wien
INGO REIFFENSTEIN, Salzburg
JOACHIM WOLLASCH, Münster i. W.
BRUNO REUDENBACH, Hamburg
FRANZ-JOSEF WORSTBROCK, Münster i. W.
HANS-FRIEDRICH ROSENFELD, München UWE RUBERG, Mainz MECHTHILD SANDMANN, Münster i. W. FRIEDRICH SCHEELE, Münster i. W. BERND SCHIROK, Freiburg i. Br. MECHTILD SCHLESS, Münster i. W. KARL SCHMID, Freiburg i. Br. WOLFGANG P. SCHMID, Göttingen PAUL GERHARD SCHMIDT, Marburg RODERICH SCHMIDT, Marburg JUTTA SCHMIDT-LORNSEN, Kiel CLAUSDIETER SCHOTT, Zürich HANS SCHOTTMANN, Münster i. W. WERNER SCHRÖDER, Marburg RUDOLF SCHÜTZEICHEL, Münster i. W. ANTON SCHWÖB, Graz UTE SCHWÖB, Graz HARALD SIEMS, München HINRICH SIUTS, Münster i. W. TIMOTHY SODMANN, Münster i. W. STEFAN SONDEREGGER, Zürich KLAUS SPECKENBACH, Münster i. W. HANS-JÖRG SPITZ, Münster i. W. JOCHEN SPLETT, Münster i. W. KARL STACKMANN, Göttingen NIKOLAUS STAUBACH, Münster i. W.
MATTHIAS ZENDER, Bonn
INHALT
Erster Band
Vorwort Tabula gratulatoria Thorsten Andersson, Germanisch Hof - Hügel, Hof, Heiligtum..
V VII 1
Kurt Baldinger, Mlat. sanctuarius - ahain. sainteur 'Art freier Bauer'
10
Hans-Joachim Behr, Die Rückkehr des Verbannten. Reflexe alter consors regni-Vorstellungen im 'Herzog Ernst"?
43
Rolf Bergmann, Die althochdeutschen Glossen zur Lex Alamannorum im clm 4460
56
Theodor Bühler-Reimann, Gewohnheitsrecht und Herkommen im Recht der alten Eidgenossenschaft
67
Torsten Capelle, Zu den bemalten Schilden der Germanen
80
Klaus Düwel, Wege und Brücken Runeninschriften in Skandinavien nach dem Zeugnis wikingerzeitlicher
88
Irmgard Frank, Zur Deutung des Ortsnamens Spielberg
98
Gerda Grober-Glück, Motivation und Verbreitung der Spottbezeichnungen des Polizisten. Nach den Sammlungen des Atlas der deutschen Volkskunde
134
Klaus Grubmüller, Advocatus: fürsprech - vogt - advokat. Beobachtungen an Vokabularien II
158
Ingrid Hahn, Die Frauenrolle in Hartmanns 'Erec'
172
Karl Hauck, Apostolischer Geist im genus sacerdotale der Liudgeriden. Die 1Kanonisation' Liudgers und Altfrids gleichzeitige Bischofsgrablege in Essen-Werden
191
Wolf-Dieter Heim, Afr. bedel - bidaux: von 'Büttel' zu 'Söldner'?
220
Reiner Hildebrandt, Summarium Heinrici: Der Rachinburgius ist ein Landrechter
246
Heinz Holzhauer, Der gerichtliche Zweikampf
263
Dagmar Hüpper, Sikihelm chaisurlih und chuninchelm. Althochdeutsche Glossen zu dem Helm als Herrschaftszeichen..
284
Franz Hundsnurscher, Das Problem der Bedeutung bei Justus Georg Schottelius
305
Franz-Josef Jakobi, Ministerialität und 'ius ministerialium' in Reichsabteien der frühen Stauferzeit
321
X
Inhalt
Peter Johanek, Literaturgattung und Wirkungsgeschichte. Überlegungen zur Werkbezeichnung der 'Summe' Bruder Bertholds
353
Ekkehard Kaufmann, Quod paganorum tempore observabant. Ist der Titel 58 der Lex Salica (Pactus) eine Neuschöpfung der Merowinger?
37 4
Wolfgang Kleiber, Terra salica: "Herrenland". Zum Rechtswortschatz am Oberrhein im Spätmittelalter
391
Johann Knobloch, Kleine Beiträge zur rechtssprachgeschichtlichen Wortforschung...
'Hof, wo Opferfeste abgehalten werden' > 'Heiligtum, Tempel' an. Für einen solchen Übergang ist es unnötig mit fremdem Einfluß zu rechnen. Da ein Hof (evtl. ein Saal), wie die Hymiskvi6a zeigt, hof genannt werden kann, läßt sich die Bedeutungsverengung aus einheimischen Verhältnissen leicht erklären. Für keine der beiden vorgeschlagenen Entlehnungshypothesen bieten sich feste Anhaltspunkte außerhalb des nordischen Sprachgebiets an. Dies schließt selbstverständlich nicht fremden Ein40
fluß aus . Es ist aber für jede Entlehnungshypothese eine elementare Anforderung, daß ein fremdes Vorbild vorzuzeigen ist. Dies ist für hof 'Heiligtum' bis jetzt nicht geschehen. Deswegen scheint eine einheimische Erklärung der kultischen Bedeutung vorzuziehen zu sein. Wenn die hier angedeutete Lösung des ?zo/-Problems, die auf der Untersuchung Olaf Olsens fußt, das Richtige trifft, bedeutet dies, daß zunächst keine scharfe Grenze zwischen 'Hof' und 'Hof, wo den Göttern geopfert wird' zu ziehen ist, ebenso wenig wie zwischen 'Opferhof' und 'Heiligtum, Tempel1. Durch immer stärkere Betonung 38 39
OLSEN (wie Anm. 16) S. loof. Anm. 205. OLSEN (wie Anm. 16) S. lOO ("De endnu hedenske nordboere kan [...] have optaget denne nye betegnelse for pragtbygninger, nar de skulle beskrive gudernes boliger, og herfra er springet ikke langt til ogsa at benytte det om de bygninger, der tjente dyrkelsen af guderne - bygninger som i sig selv var boliger, og som tilh«Srte stormaend eller starre blinder og der for i forvejen udmaerkede sig frem for andre folks huse.").
40 LARS HELLBERG, Forn-Kalmar. Ortnamnen och stadens förhistoria (Kalmar stads historia 1: Kalmaromradets forntid och äldsta utveckling. Tiden intill 1300-talets mitt. Huvudredaktör: INGRID HAMMARSTRÖM, Kalmar 1979, S. 119166) S. 152 deutet nebenbei an, an. hof mit kultischer Anknüpfung könne aus dem Friesischen stammen (vgl. die Hypothese von Magnus Olsen oben). Seine Argumentation ist abzuwarten.
Germanisch Hof
9
der kultischen Bedeutungskomponente ließe sich auch erklären, daß die allgemeine Bedeutung 'Hof' im Nordischen allmählich von der kultischen Spezialbedeutung verdrängt worden ist. In ähnlicher Weise ist die Grundbedeutung des Wortes Hof, 'Hügel', in fast allen germanischen Sprachen ausgestorben. Mit den hier vorgetragenen Ausführungen habe ich die Diskussion über die kultische Bedeutung von an. hof kritisch zusammenfassen und das Problem präziser als bisher stellen wollen. Um sicherere Ergebnisse zu erzielen, ist eine.systematische Untersuchung des kultischen Wortschatzes erforderlich.
KURT BALDINGER
Mlat. sanotuarius
- ahain. sainteur
'Art freier Bauer'
Als ich vor einigen Jahren in Münster - auf Wunsch von Frau Schmidt-Wiegand - über den freien Bauern im Alt- und Mittelfranzösischen sprach, konnte ich nur die wichtigsten Bezeichnungen 1 historisch und sprachgeographisch berücksichtigen . Einen nicht behandelten Typus habe ich schon 1960 ergänzend in der Festschrift für Walther Bulst untersucht, die Bezeichnung mlat. 2 hospes,
frz. hôte
. Die hôtes gehören in der Tat zu jener breiten
Schicht zwischen und nobles frei (Adel), in ihrer Person zwar serfs frei, (Leibeigenen) aber nicht von Abgaben sind die 3 , und "4 die sich in einem "état de demi liberté et de demi servitude befinden. 1960 wies ich auch schon auf weitere Bezeichnungen hin, die noch zu untersuchen wären, u.a. auf "gelegentlich de Ausdrücke wie homines seinz
sanatuarii,
saintuaires,
auftreten-
hommes
de
Sie gehören zu jenen Gruppen, die Bonvalot folgen-
dermaßen beschreibt: "Les serfs abonnés, serfs recommandés, serfs
sainteurs,
coloni,
votivi, luminarii, commendati, mundborati, jouissent d'un état intermédiaire
entre
le servage
absolu
et la liberté
complète.
Plusiers documents leur accordent le privilège d'ingénuité
(Pri-
vilegium ingenuitatis) ou les qualifient de liberi, d'ingenui. De 1 KURT BALDINGER, Der freie Bauer im Alt- und Mittelfranzösischen (Frühmittelalterliche Studien, Jahrbuch des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster hg. von KARL HAUCK, Bd. 13, 1979, S. 125-149, mit 14 Kartenskizzen). 2 KURT BALDINGER, Die Bedeutung des Mittellateins für die Entstehung und Entwicklung der französischen Urkundensprache (Mlat. hospes, fr. hôte im Begriffsfeld des freien Bauern) (Medium aevum vivum, Festschrift für Walther Bulst, hg. von HANS ROBERT JAUSS und DIETER SCHALLER, Heidelberg 1960, S. 125-146). 3 BALDINGER 1979 (wie Anm. 1) S. 125, Anm. 2. 4 BALDINGER 1960 (wie Anm. 2), mit Verweis auf: HENRI SEE, Les classes rurales et le régime domanial en France au moyen âge, Paris 1901, S. 214, Anm. 4. Bei SEE S. 212ff. und passim weitere Hinweise zum 'vilain franc'; siehe auch BALDINGER i960, S. 128ff. mit weiteren Literaturhinweisen. 5 ÊDOUARD BONVALOT, Le Tiers État d'après la Charte de Beaumont et ses filiales, Paris 1884, S. 44.
Mlat. sanctuarius - ahain. sainteur
11
fait ils ont plusieurs des garanties et des prérogatives inhérentes à la qualité d'homme libre, d'homme ingénu, qualité qu'ils ont conservée en se vouant â une servitude volontaire, à un baron ou à une église..." . Die sainteurs gehören nun ausschließlich zu diesen letzteren. Die Abhängigkeit von einer Kirche bot Vorteile: "Dans les domaines ecclésiastiques les non libres ont-ils une condition supérieure à celle des non libres dans les domaines séculiers? Jouissent-ils d'une capacité plus étendue, d'un gouvernement plus paternel,d'un sort meilleur? Incontestablement oui. Tous les auteurs impartiaux l'ont reconnu et c'est en vain qu'on * * * prétendrait que l'Eglise s'est montree constamment hostile à la liberté. Les faits et les documents législatifs contredisent cette opinion. L'Église, par la voix de ses conciles et de ses pontifes, a toujours déclaré la servitude contraire à la dignité humaine et à la fraternité chrétienne, elle en a toujours poursuivi l'abolition par tous les moyens en son pouvoir. Les masses serviles lui étaient sympathiques. La plupart de ses membres en sortaient; la milice monastique, particulièrement mêlée à leurs travaux agricoles, appréciait infiniment mieux que les barons laïques, leurs efforts, leurs peines, leurs misères. Aussi toutes les personnes, qui sont dans la dépendance ou sur les domaines des églises, sontelles gens qu'on appelle improprement
serfs, selon l'expression
du pape Pascal II; ce sont des famuli, des aoloni eaalesiae, des serviteurs, des colons qu'on doit traiter avec égard et bienveillance. .. Or comme la position juridique des colons libres et des fiscalins est bien supérieure à celle des serfs ordinaires, à celle des serfs des seigneurs, cette assimilation emporte pour les tenanciers de l'Église des avantages considérables qu'il faut ênumêrer... Cet ensemble de droits place les colons de l'église au n premier degré du servage et rend leur état meilleur" . Die Abhängigkeit von der Kirche bot Vorteile, gewiß. Aber so selbstlos, wie Bonvalot die Kirche darstellt, war sie auch wieder nicht. Erstens hatte sie selbst auch eigentliche serfs, LeibeigeQ ne - serfs und sainteurs trennte der Abgrund zwischen Leibeigen-
6 BONVALOT (wie Anm. 5) S. 42. 7
g Ebenda, S. 42, Anm. 1. LEO VERRIEST, Le servage dans le Comté de Hainaut. Les sainteurs. - Le meilleur catel (Académie Royale de Belgique, Classe des Lettres et des Sciences morales politiques et Classe des Beaux-Arts, Mémoires, 2 e sér., t. VI, fasc. III) Bruxelles 1910, S. 212.
12
Kurt Baldinger 9
schaft und Freiheit der Person
-, und zweitens garantierten die
sainteurs den Kirchen und Abteien ganz ansehnliche Einnahmen, wenigstens in ihrer 'belle époque', im 13. und 14. Jahrhundert. Doch darauf werden wir später zurückkommen. Wir spannen den Rahmen zunächst weiter. Neben sainteur gibt es nämlich noch eine Reihe anderer volkssprachlicher Bezeichnungen. Doch zunächst zu mlat.
sanetuarius. mlat. sanetuarius
1222 (wahrscheinlich Champagne, nicht geprüft): Et homines ibidem inventi vedigentur nominatim in scriptis, Uli
scilicet qui sunt sanctuarii ex una parte et Uli
sunt homines de corpore ex altera de Colbert, t. LVII, p. 411)
qui
(Bibl. nat., Cinq Gents
10
1224 (Trier; Champagne): Si homo sanetuarius oontraxerit cum femina nostra, et duxerit eam in terram dominae
Comitissae
(Charta Capituli Trecensis, in Tabulario Campan. Bibl. Reg.)11 1255 (Konzil von Bordeaux, aber vermutlich die Champagne betreffend?) : Item inhibemus
laicis deeimariis universis, ne de
sanetuariis ecclesiarum deeimas exigant, vel reeipiant ullo modo. (Concilium Burdegalense cap. 18) 1 2 13. Jh. (?) (Champagne): Odo de Ponciaco dixit quod comes Campaniae potest sequi homines sanetuarios usque ad Beuronne (f° 82), Maria de Ori fecit homagium ligium: feodum est apud Ori in Castellaria Sparnaci, et apud Jaccinz de hominibus
13 sactuariis in Castellaria Sezannae (Reg. Feod. Campaniae) Niermeyer 14 verzeichnet auch homo sanctuarvus 'sainteur, tribu9 10 11
VERRIEST (wie Anm. 8) S. 211. zitiert nach: SEE (wie Anm. 4) S. 215, Anm. 4. CAROLUS DU FRESNE - DOMINUS DU CANGE,Glossarium mediae et infimae latinitatis, Bd. 1-10, Paris 1840-1850, editio nova a LEOPOLD JAVRE, Bd. 1-10, Paris 1883-1887, unveränd. Nachdr. Graz 1954, Bd. 7, S. 300c (sanetuari-
us.Ì.
12 Ebenda. „v. ^ 13 „v. ^ Ebenda. 14 JAN FREDERIK NIERMEYER, Mediae latinitatis lexicon minus, Leiden 1976, S. 937.
Mlat. sanctuarius - ahain. sainteur
13
taire d'église' für das 13. Jh., aber ohne Stellenangabe
(d.h.
wohl aus Du Cange).
(homines)
Neben
nes)
eanatorum,
sanatus
(?) (Champagne): Dominus
medietatem
S.
J u i l l y , et
a l b a n o s e t
Campan. f° 6 )
Stephani, 16
advenis,
quos
rum, quam
seinz,
albanos
hominum
hommes
et
de
A r z i l l e r i i s tenet
justitiam,
et
homines sanctorum
hominibus
17
potestatis
(s.o.) voaant,
i n f r a proainotum
altlothr. homme de
des
(Du Cange definiert
de
saintuaire,
saints,
hommes
Die mlat. Belege konzentrieren
et
(Reg. Feodor.
vel
ipsius servis
oommanentibus" altchamp.
aoenobii,
homes
s a i n t i e r s , gens
saintuaire
saintieux
sich vor allem auf die Cham-
senden vulgärsprachlichen Bezeichnungen. Die homines
de
vel
tarn sancto18 (Charta)
pagne. Hier finden wir auch eine Reihe von unmittelbar erscheinen als hons
Rosnaeo
Brandouiller,
.
(Champagne): Vel
1165
(homi-
findet man gelegentlich auch
sanatuarius):
ut
12. Jh.
sanatuarii
ebenfalls in der Champagne
anschlies-
sanatuarii
in halbgelehrter Form in Lo-
thringen : 1269 Se
hons de saintuaire vient
nanoe
en
la
ville
a Charmes
(Charmes, 8,
et
welle faire reme19 A. Meurthe = altlothr.
Vgl. dazu: Französisches etymologisches Wörterbuch (FEW). Eine darstellung des galloromanischen Sprachschatzes, Bd. 24, Basel 1969-1983, S. 315 b (alibanus). 16
DU CANGE (wie Anm. 11).
17
BALDINGER 1979 (wie Anm. 1) S. 141f. mit Karte.
18
19
Ebenda. Der folgende Beleg aus den Usages de Barcelone (11. Jh. ?) , den Du Cange ebenfalls hierher stellt (Hoa quod juris est sanctorum, vel potestatum, vel aastrorum, nemo potest eis impedire, nea pro suo jure defendere, neo detinere. etiam longinqua 200. annorum possessione, DU CANGE (wie Anm. 11) Bd. 7, S. 300 c ist wohl in Verbindung mit dem folgenden Beleg von 1248 aus Mallorca zu sehen, in welchem milites doch wohl die 'chevaliers' bezeichnet, somit sanati die 'Geistlichen' (?) : Promittimus etiam vobis, quod non dabimus, neo exaambiabimus vos alicui personae, militibus neque sanctis, in toto vel in parte (Libertates regni Majoricae apud Joan. Dametum in Hist. regni Balear. lib. 2, pag. 269) DU CANGE (wie Anm. 11) Bd. 7, S. 300 c. Auch bei diesem Beleg definiert Du Cange sanati iidem qui sanatuarii. FREDERIC GODEFROY, Dictionnaire de l'ancienne langue française et de tous ses dialectes du IXe au XV e siècle (Gdf) Comp, d'après le dépouillement de tous les plus import, documents. Nouveau tirage, t. 1-10, Paris 1937-38; hier t. 10: Compi. J-Z, 1938, S. 625 a.
14
Kurt Baldinger homme de saintuaire église' 1269)
'homme libre qui s'est fait serf d'une
20
21
auch elliptisch als eaintuazres
; aber wahrscheinlich gehören
die Beispiele aus dem Nêcrologe de la Confrérie des jongleurs et des bourgeois d'Arras hierher, da ich keine andere semantische Deutung erkennen kann (vgl. wohl im Gegensatz dazu saintier, s. u. ) : 22 1239: Savntuavre ferne Marttn 23 1252: Sa^ntua^res Martzns 1259: Feme Savntuavres 24 25
1269: Des
Samtewaires
Stimmt diese Deutung und Zuordnung, so würde Arras mit zum Gebiet von sanctuarius 'freier Bauer' gehören. Die homines sanctorum 26 werden wörtlich übersetzt als homes des seins ; hommes saints 27 wird ebenfalls ohne Kontext von Du Cange belegt Interessanter sind die Ableitungen (hommes) saintiers und (home) seintel/(hommes)
saintieus:
1255 (wohl champagn.): Se la chose leur venoit de nos homes, il la metroient en mein de nos hommes et se ele venoit de home seintel qui ne soit pas leur hom il la metroient en mein de home seintel qui ne seroit pas leur hom 2 8 1328 En ladiote ville, sus chacun feu des hommes saintieus .VIII. 29 s. par an (Compte de Odart de Laigny) ca. 1350: Et se uns homs saintuaux achiete une aune de drapou de sargil, il paiera un denier [= Péage von D i j o n ] w o 20 21 22
(Pedag. Divion.
Du Cange die Bedeutung "clericos"
FEW (wie Anm. 15) Bd. 11, 1964, S. 149a sub SEE (wie Anm. 4) S. 214, Anm. 4, allerdings ohne Belege.
Le Necrologe de la Confrérie des jongleurs et des bourgeois d'Arras, hg. von ROGER BERGER, Arras ( NecrArrB) 1963 (Mémoires de la Commission Départementale des Monuments Historiques du Pas-de-Calais. Il 2 ) Bd. 1, S. 35a.
23 Ebenda S. 44a. 24 25
26 27
28
Ebenda S. 48a. Ebenda S. 52b. SEE (wie Anm. 4) S. 214, Anm. 4, ebenfalls ohne Beleg. DU CANGE (wie Anm. 11) Bd. 7, S. 300c. Gdf (wie Anm. 19) t.7 S. 290a.
29 Ebenda S. 290a. 3
sanctuarium.
° DU CANGE (wie Anm. 11) Bd. 7, S. 301a.
Mlat. sanctuarius - ahain. sainteur zu erkennen glaubt
15
[puto]; dies ist nicht ausgeschlossen,
vgl. oben den Beleg aus Mallorca; sprachgeographisch wäre es zwar der südlichste Punkt, aber immer noch in der homme poesté-Zone, 1411 Item
une
hommes de
siehe dazu unten) ^ taille
et
Bonnes
le
femmes près
taille
de Belval
des
jour
de
de
corps
la et
feste
Saint
Denis
gens saintieux de
Chasteauthierry
von Reims, Aisne) 32 190)J 1478 La
de
ville
(Charta in Reg. 165, Chartoph. reg. ch.
hommes saintieux saintiers
la
les
(champ, siidwestl.
(18. Sept. 1478, Prieuré
(doch wohl Belval in den Argonnen] )
Zu den hommes
sur
.
(1256, Reg. Gallico Homagiorum praesti-
torum Theobaldo Regi Navarrae Corniti Campaniae [= Thibaut de 34 Champagne]) gibt Du Cange leider keinen Kontext. Der einzige Beleg mit Kontext kommt aus der Chambre des comptes von Paris und ist 1391 datiert: 1391 Paris: Item
a aucuns
s e r f s ou gens
qui
doivent
cire, l'un plus, l'autre moins, que l'en appelle 35 (Memor. E. Cam. Comput. Paris, fol. 272r°) .
32 33
34 35
a jour
nommé
saintiers
Unklar ist, ob (nicht lokalisiertes) disme saintual hierher gehört: Sam paier a ladicte eglise aucune redevence fors que le disme saintual (1322, Arch. JJ 61,f° 69r°, Gdf [wie Anm. 19] t.7, S. 292b); da disme m. und f. sein konnte, besagt auch le nichts für die (ev. pik.) Lokalisierung. Gdf definiert 'dû au sanctuaire' mit Fragezeichen. DU CANGE (wie Anm. 11) Bd. 7, S. 301a. Gdf (wie Anm. 19) t.7, S. 290a. DU CANGE (wie Anm. 11) Bd. 7, S. 300c. DU CANGE (wie Anm. 11) Bd. 7, S. 301a; Gdf (wie Anm. 19) t.7, S. 290c. Hingegen gehört der zweite von Gdf zitierte Beleg Juliana dicta La Saintiere (1276, Chart, eccl. cenoman. CCCXV, Le Mans, 1869) aus sprachgeograund bedeutet 'Frau des Glokphischen Gründen doch wohl zu S i g n u m kengießers', da nicht anzunehmen ist, daß dieser Beruf im 13. Jh. von Frauen ausgeübt wurde. Dazu gehören sicher auch saintier m. 'fondeur de cloches' (Paris 1292, in Paris sous Philippe-le-Bel... contenant le rôle de la taille imposée sur les habitants de Paris en 1292 (PIERRE) HERCULE (JOSEPH FRANÇOIS) GERAUD, Paris sous Philippe-le Bel, d'après des documents originaux, et notamment d'après un manuscrit contenent le Rôle de la Taille imposée sur les habitans de Paris en 1292 G, publié pour la première fois par HERCULE GERAUD, Paris 1837, S. 42: Areline, famé feu Nicholas le saintier, S. 49: Vreue, le saintier, sowie in: KARL MAGNUS HJALMAR MICHAELSSON, Le livre de la taille de Paris, l'an publié 1296, Paris 1962 (= Göteborgs Universitets ârsskirft 67.3) S. 72: Mestre Ernoul le saintier... VII s.). Das von Gdf (wie Anm. 19) zitierte Zeugnis, das Jean Osmont, saintier de Paris, im Jahre 1380 eine Glocke ( t i m b r e ) für Poitiers machte, läßt keinen Zweifel an der Bedeutung und der etymologischen Zuordnung: afrz. saintier m. 'fondeur de cloches' (Paris 1292...; Beauvais 1300, Fagniez; 1336) mittelfranzösisch, ebenda (Paris 1488), FEW (wie Anm. 15) Bd. 11, S.
16
Kurt Baldinger sainteur Historische Entwicklung Leo Verriest hat 1910 in einer wohl dokumentierten Studie um-
fassend die Entwicklung der sainteurs definiert sainteur
im Hainaut u n t e r s u c h t ^ . Er
als 'un homme ou une femme voué au saint pa-
tron d'une abbaye ou d'une église et tenu, de ce chef, envers cette abbaye ou cette église, à certaines prestations personel37 38 les' . Die 'classe des sainteurs' war im übrigen nicht einheitlich. Sie setzte sich zusammen aus ursprünglich Freien ('francs 39 originaires') und aus ursprünglich Leibeigenen, die sich in den Schutz der Kirche flüchteten oder von einem Seigneur der Kir40 che geschenkt wurden . Wenn ein Freier diesen Status wählte, so tat er es einerseits im Interesse seines Seelenheils faire une elemosyna
("c'était
en récompense de laquelle on pouvait espérer
606b: sub Signum (übersehen wurde der Straßenname rue de la Xainterie 'lieu où l'on fond les cloches' Poitiers 1403, Gdf [wd,e Anm. 19] t.7, S. 290); hmanc. saintier, ebenda, stützt die Interpretation von saintiere (1276) in Le Mans. Dieses Femininum findet sich auch in der Taille 1292 G (GERAUD) S. 53. Das FEW stellt auch adauph. saintier hierher, doch auch diesmal aus sprachgeographischen Gründen mit Sicherheit zu Unrecht, obwohl Devaux mit Berufung auf Du Cange (sanctuarius) definiert 'tenancier d'un bien d'église'. Der Kontext erinnert an die Steuerrollen von Paris: Ii mozller qui /u['défunt ']Johan, al saintier, I I I . d. per lo pra... vgl. FRANÇOIS ANDRE DEVAUX. Essai sur la langue vulgaire du Haut-Dauphinê au moyen âge, Paris-Lyon 1892, S. 73. Auch hier liegt die Bedeutung 'Glockengießer' vor (zu FEW [wie Anm. 15] Bd. 11, 1964, S. 606b, wo ja schon ein Pariser Beleg steht). Im FEW (wie Anm. 15) Bd. 11, S. 610, Anm. 13 wird auf saintier bei Huysmans verwiesen, wo es jedoch historischer Ausdruck ist (il est parfois question dans oes bouquins, des anciens fondeurs, des saintiers comme on les Appelait dans te bon temps, in Là-bas I, 206, s. MARCEL CRESSOT, La phrase et le vocabulaire de J.-K. Huysmans, Paris 1938, S. 518), und auf mlat. sainterius (Paris 1397, Fagniez), das wir auch in England wiederfinden (ca. 1195), neben sainatarius (ca. 1195), seintarius (1212), s. Latham. Da Latham keine Kontexte gibt, ist eine Überprüfung der Bedeutung nicht möglich; andererseits habe ich auch keinen Grund an seiner Definition 'bell-founder' zu zweifeln. Von besonderem Interesse ist die von ihm zitierte Form sanctuarius mit gleicher Bedeutung, die auf einer volksetymologischen Umsetzung beruhen muß (auch die andern mlat. Formen sind latinisierte volkssprachliche Formen). Sanctuarius 'sainteur/freier Bauer' scheint auf der Insel nicht zu existieren (vgl. jedoch die saintuaire-Belege aus Arras). 36
VERRIEST (wie Anm. 8) hier S. 453-670: pièces justificatives von 1135 bis 1773. Siehe auch LEON VANDERKINDERE, Les tributaires ou serfs d'église en Belgique au moyen âge, Bull, de L'Académie royale de Belgique, 3 e sér., t. 34, 1897, S. 409-483. 37 VERRIEST (wie Anm. 8) S. 171, auch S. 145, Anm. 3. 38 Ebenda S. 174. 39 Ebenda S. 235: "les sainteurs de 'franke orine', les plus privilégiés de tous"; siehe auch S. 181; 175; 179; 180. 40 Siehe auch ebenda S. 186 den Beleg von 1724.
Mlat. sanctuarius - ahain. sainteur
17
le salut éternel, le pardon de ses p é c h é s " ) a n d e r e r s e i t s um den Schutz der Kirche zu genießen. Es war eine Schenkung, die für die Kirche mit einem Einkommen verbunden war - wir werden gleich darauf zurückkommen -, weshalb die Kirche ganz besonders weibliche sainteurs schätzte: "la qualité de sainteur ne se trans42 mettait que par les mères" ; die Schenkung männlicher sainteurs hingegen blieb auf ihre Person beschränkt "le père disparaît comme une quantité négligeable" 4344 . Der sainteur konnte seinen Wohnsitz nehmen, wo es ihm beliebte ; er bezahlte weder taille noch corvée; "il existait au profit des sainteurs tout un système - à la vérité, très compliqué - de privilèges et d'exemptions"4"'. Aber "ce qui caractérise essentiellement le sainteur, ce sont les obligations auxquelles il est tenu vis-à-vis des représentants du saint sous le patronage duquel il est placé" 46 . Er ist normalerweise drei Steuern unterworfen 4 7: 1° einem cens capital, d.h. einem jährlichen Zins (von 1-12, meist 48 aber 2 relativ bescheidenen Deniers) , die er üblicherweise am Namenstag des betreffenden Heiligen bezahlt bzw. auf den 49 Altar legt , 2° einer taxe de mariage
41
42
(von 6-12 Deniers) bei der Heirat"^,
VERRIEST (wie Anm. 8) S. 182. Ebenda S. 195; siehe die Belege von 1234 unten in Anm. 157; von 1415/6:
VERRIEST (wie Anm. 8) S. 573 und von 1641, 1670/73; partus sequitier ventrem, ebenda S. 267 und VANDERKINDERE (wie Anm. 36) S. 447. 43 VANDERKINDERE (wie Anm. 36) S. 447. 44 VERRIEST (wie Anm. 8) S. 212. 45
Ebenda S. 237; 213ff.
46
Ebenda S. 199.
47 48 Ebenda S. 200ff. . . Dieser Zins wird im Lateinischen mit census, census capvtvs
(956) oder cen-
sus capitalis (1003), census capitaneus (1091), capitagium, census annuus, fr. mit cens, cens capitaul, cens de chief, cavage Tauch cauvage, kievage,
chiefvage, etc., dazu mlat. capaticum 1121!, cavagium 1127) bezeichnet (vgl. chevage FEW [wie Anm. 15] Bd. 2,1, Basel 1949, S. 336b); VERRIEST (wie Anm. 8) S. 201; VANDERKINDERE (wie Anm. 36) S. 431, Anm. 3. Entsprechend werden die Zinspflichtigen in den mlat. Quellen tributarii, capitales (1122), ca-
pitegiarii, censuales, censuarii, censionarii genannt, aber auch einfach (und mißverständlich) servi/ancillae (1217), in Frankreich colliberts. VANDERKINDERE (wie Anm. 36) S. 410, Anm. 1; zu censuarius 1003 auch VANDERKINDERE (wie Anm. 36) S. 468, Anm. 1. Siehe auch GEORG WAITZ, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 5, 3. Auf 1., Darmstadt 1955, S. 248, Anm. 3. 49 VERRIEST (wie Anm. 8) S. 201, 209. 50
Ebenda S. 204; VANDERKINDERE (wie Anm. 36) S. 439ff.
18
Kurt Baldinger
3° einer taxe de dêaês (mortemain, mlat. mortua manus 1070, Vand 51 457, bzw. in natura le meilleur oatel (< oapitalis) ; dieses meilleur oatel war z.B. eine Stute oder ein junges Rind 52 (1419) , oder auch une baghe d'or environnée de 6 perles et au milieu une coquille...
68 livres (Soignies
ist mit meilleur oatel/mortemain
1580/81)Es
flämisch keurmede,
oorimede, niederdt. kurmede, eigentlich 'die Miete (Abgabe), welche sich der Herr kürt, wählt1 54 zu vergleichen. Im Prinzip blieben diese drei Steuern so lange bestehen, wie es 55 sainteurs gab, also bis zum Ende des Ancien Regime , aber in den Coutumes des Hainaut von 1534 und 1619 (s.u.) ist nur noch von der dritten die Rede^ 6 . Ein erstes Beispiel von assainteurement 57 volontaire ist Verro riest aus dem Ende des 10. Jhs. bekannt (977-983) , im benachbarten Flandern datiert die älteste entsprechende Urkunde sogar 59 schon von 838
. Der Höhepunkt wird im 13. und 14. Jh., der
"'belle époque' des sainteurs"^, erreicht. Im Falle bestimmter Kirchen und Abteien "les sainteurs se comptaient par milliers au e 61 XIII et la auplus XIV e grande siècle" . Im de14. "l'église 6 2. sa tutelle partie la Jh. population du avait comté"sous "Dans
l'ensemble du budget des églises, des abbayes et des chapitres, elle (die prestations) représentaient un revenu parfois considérable" 6 3, so daß die Kirche wirtschaftlich sehr wohl an den sainteurs interessiert war. Aber im 15. Jh. begann der Zerfall
51
52 53
64
:
FEW (wie Anm. 15) Bd. 2, 1940, S. 253b; VERRIEST (wie Anm. 8) S. 205f; 249ff. VANDERKINDERE (wie Anm. 36) S. 454ff. VERRIEST (wie Anm. 8) S. 577. Ebenda S. 311.
54 VANDERKINDERE (wie Anm. 36) S. 457, Anm. 5. 55
VERRIEST (wie Anm. 8) S. 208.
56
Ebenda S. 235.
58 Zu assainteurer etc. s.u. VERRIEST (wie Anm. 8) S. 174. 59 PETRUS CORNELIS BOEREN, Etude Flandre du IX e au XIV e siècle speziell S. 22ff. (838-1315). kunden . finVERRIEST (wie Anm. 8) S. 215,
f> 1 r
p
sur les tributaires d'église dans le comté de (Thèse Nijmegen), Amsterdam (H. J. Paris) 1936, In Flandern sind es im 10. Jh. bereits 18 UrAnm. 2.
Ebenda S. 208. Ebenda S. 189; Verriest gibt S. 190-194 ein Verzeichnis der Kirchen und Abteien, die im Hainaut sainteurs hatten (mit einer Karte zu einer Abtei).
63
Ebenda S. 208.
64
Ebenda S. 189.
Mlat. sanctuarius - ahain. sainteur
19
"le nombre des sainteurs s'est réduit, au XV e siècle, dans des proportions énormes" 65 . Von 1469 bis 1476 versuchte ein Steuerkommissar vergebens, die Zinsen einzutreiben, aber apriès toutte dilligence par lui faiate de village en village, il n'a trouvé personne qui ait voulu payer, maintenant par eulx que Hz
sont à
aultre sainteur que de Sainte-Waldrut... (Compte du chapitre de fi fi Sainte-Waudru [Möns], 1477-1478) . Die sainteurs waren nicht mehr an dem Schutz der Kirche interessiert. Hinter der Leistung stand kaum noch eine Gegenleistung: "la protection
de l'église ne sera
plus jugée utile" 6 7. "Dans les comptes ... à la fin du XV e siècle, c'est â peine si l'on relève encore de-ci de-là un nom de sain68 teur" ; die Zahl der sainteurs nahm im Laufe des 16. Jhs. aber wieder zu (wohl auch eine Auswirkung der Coutumes du Hainaut von 1534), auch noch zu Beginn des 17. Jhs., bevor der endgültige Zerfall eintrat 6 9 . Seit 1660 konnte z.B. Ste-Waudru (Möns) das Recht auf die meilleurs oatels nicht mehr wahrnehmen
; "des
avantages et des privilèges qui avaient poussé les gens du moyen âge dans le giron de l'église, 71 il ne subsistait plus maintenant, peut-on dire, que le souvenir" . Im 18. Jh. verlieren die Kirchen und Abteien, bzw. die sainteurs, regelmäßig ihre Prozesse (ces messieurs estans avides d'acquérir des richesses, peu leur importe, où les trouver...;
l'on n'adjoute point de foy aux
11
notices et mémoires des moines... pour la plupart être forgez) Die Gerichte verlangten einen lückenlosen saintewr-Nachweis zur franche origine
bis
(und dies noch par le ventre maternel, mütter73 . Einem Advokaten bei
licherseits), eine schier unmögliche Sache
der Cour des mortemains in Möns war es 1762 gar ein Genuß, die Mönche von Broqueroie zu verhöhnen: On voit qu'ils
s'apprêtent
à donner Marie Darras pour une des ayeules du côté maternel de Jean-Baptiste
Pierquin
(de cujus) - Marie Darras war schon in
früheren Prozessen vom Abt von Saint-Denis angeführt worden! -; on ne scauroit mieux considérer cette Marie Darras, tant de fois 6 5
VERRIEST (wie Anm. 8) S.
6 6
Ebenda S.
241.
6 7
Ebenda S.
235.
iû
Ebenda S.
239.
6 9
Ebenda S.
211.
7 0
Ebenda S.
248.
71
Ebenda S.
236.
72
Ebenda S.
247.
73
Ebenda S.
245.
243.
20
Kurt Baldinger
citée
dans
Denis,
celle-ci Denis
les procédures
que comme
des sieurs
une seconde
et tous
Eve:
les sainteurs
abbé
tous
et religieux
les hommes
de
et religieux de Saint74 de celle-lâ (Prozeß in Möns, 1762) . Ein fermier
descendent
intéressant
Saint-
des abbé
nannte 1785 die Forderungen der Kirche un vieil n'en
de
descendent
de saper
soit jamais
â la racine
plus
abus
qu'il
est
et de réformer... pour qu'il 75 ni parlé ; "la Révolution
fait mention
balaya pour toujours ce qui subsistait encore de la classe des sainteurs" 7 *'. sainteur-Belege
bis zu den
Coutumes du Hainaut von
1534
Eine chronologische Auflistung aller mir derzeit bekannten Belege ist notwendig, um die semantischen und morphologischen
Fra-
gen prüfen zu können. 1284 Nous
sûmes
acordé
par commun
des deseuredis
stice home
ke nous
pour
serves,
deseuredit,
alues
Ii abbes ou k'il
si comme
terre
de Namur,
et tout
hoirs,
a nous
de Namur,
et ahascune
de Nostre
ottroions
â chiaus
qui esdittes
te
Dame
Gui,
nos droitures Rentes
74
75
Dame
de Péroné
en yaus
conte
delés
qui deseure
del chas-
Granpreit
Gui et l'abb. de Grand-
villes
demorant
qui ne sunt à sainteur u de frank orine, qu'il prendre Nostre
et
hiretaule-
un denier de
juli
sers
aus us et aus costumes
(Chartr. de Nam., accord entre le C 77 pré, p. 196, Chron. belg.) 1291 nous
pour
signeurs
chascuns
a l'auteil
clamiens
demorront
sainteur,
paians
cun an de chievage
la haute
soient,
homme
assent
et li convens
et a nous
ment,
ke toute
et des appendances
Binch
à sainteur,
sunt escriptes
sunt,
puissent sauves
(Devillers
1,214)78
VERRIEST (wie Anm. 8) S. 247. Ebenda S. 248.
76
Ebenda S. 248.
11
Gdf (wie Anm. 19) t.7, S. 290b; VANDERKINDERE (wie Anm. 36) S. 411, Anm. 1.
78 LEOPOLD DEVILLERS, Cartulaire des rentes et cens dus au comte de Hainaut (1265-1286), Möns 1873-1875, 2 vol., zitiert nach: VERRIEST (wie Anm. 8) S. 173, Anm. 1.
21
Mlat. sanctuarius - ahain. sainteur 1295 De quelconque
oond.ioti.on de siervage
qu'il
fuist
et a
quel-
conque
sainteur u signeur. .. (Lettres de Jean d'Avesnes, 79 comte de Hainaut, Arch. de Möns) 1319/1320 Ostes de Trasignies, seigneur de Silly, schenkt der Abtei Notre Dame de Ghislenghien seine "serve Vallenche, femme de Jakemart" und ihre beiden Töchter: Sachent Vallenche..., et aient
esteit
nous aient nous pour Nostre
de Gillenghien,
dou fais
1327 demourans
sainteurs chi-après â saint
Braynne-l 'Alueoh Ghertrud
frankises
liberteis
devant
dis
condition par
le ditte
y aloit
ne a queil
le condition eglise
si loist
79
80 81
Marie
affrankir
et
metre à sain-
â
â saint
u à l'un de ches que avoir
de S. Vast,
doivent
quatre saint Estiène
de
sainteur qu'il
dou dit
sainteurs, pour
se n'avoit
de vie a trespassement fust,
tels
raison
de
point
de
quelconque
li milleurs
lieu en appartenait
cateils
et appartient
a
(Sentence pour l'église d'une mortemain conCartul. de l'Abb 83
[Zisterzienserabtei nördlich von Möns], p. 279)
Gdf (wie Anm. 19) t.7, S. 290b. VERRIEST (wie Anm. 8) S. 528. Charte de franchise accordée par le comte Guillaume aux habitans de Ploich près de Braine-le-Comte, in: Monuments pour servir à l'histoire des provinces de Namur, de Hainaut et de Luxembourg, t.III, éd. par LEOPOLD DEVILLERS, Bruxelles 1874, S. 769-770.
82 VERRIEST (wie Anm. 8) S. 189, Anm. 1. 83
Virgine
assavoir : à
tre le sieur de Trasignies, Gilbert de Smet de Cambron
et
que
81
De Moriel 82 (Compte)
1352 que quiconques
et yauls
de Songnies,
de Nyvelle,
1351/52 Saint-Vaast. sainteur
et le glorieuse
qui sont de naissance
nommés,
soient
et de no maisnie,
les vaussissiemmes
Vinohien
oome
[Braine-1'Alleud, canton de Nivelles] et â
et tels
des sainteurs
filles,
humleme-nt et dévotement,
dout dit servage
et habitons...
Ghillain,
ses deuls
de no taule
et requis
Diu et en aumousne
80
sainte
et ïsabiels
no sierves
priiet
Dame
desloiier teur
Maroie
tuit que
Gdf (wie Anm. 19) t.7, S. 290b.
22
Kurt Baldinger
1353/54 Epinlieu.
De Piérart
84
Pilly,
se n'avoit
point
de sainteur
(Compte)° 1359/60 Bavay.
De Gérard
1360/61 Flobeoq. Makette,
le Cartier, sans 86 sainteur (Compte)
ville
et poroffe
diction
que sainteurs, franque ... aultres
ahiauls
signeurs
de franaque
ne avoient
orine
estoit
ovine
temains de Hainaut..., Mons)
de tel
et avoeries
et sainteurs u à francq
nul droit
(Compte)
sainteur..., De
de Moustiers
vraient
de Leuse,
sans sainteur
De Henry
sans
1387 li ditte
d'Espinoit,
y
Oc
Maroie
oon-
déli-
... le ditte
sainteur, car
tierre
sur
(Sentence de la Cour des mor87 88
Anf. 15. Jh. mais
se leur hoir puellent
à sainteur quelconques
par siept
moustrer persones
qu'il
soient
(Terrier, Arch.
Lille)89 1415/16 parmy
un milleur
seulement
oatel
... milleur
payant
oatel
audit
payer
tet le dit sainteur tant seulement et devoit
avoir
dis trespassés
que ne fesist n'estoit
teur ... estoit d'orine payant chil
à le mort
et celles
paisiulle signeur
venus
à monsigneur
le Conte
de ventre
Ghillain,
parmy
orine
estoient
oatel
ne à autre
paiier signeur
le dit sainteur tant seulement
excep-
le
pooit
que li
audit
sain-
maternelle, 1 milleur
sainteur tant seulement
qui trespasset
sans milleur
...
... et que mieux
de franaque
et yssus,
audit
tant
sainteur,
li dis sainteres, puis
point
Saint
sainteur
audit
et que
... adies
...
demoret
à men dit très quelconques
oatel
redoubtet
exceptet
(Sentence de la Cour 90
des mortemains de Hainaut..., Mons)
Die Bedeutung ist stets 'abbaye, église'. 84 85
VERRIEST (wie Anm. 8) S. 189, Anm. 1. ^ Ebenda.
g n Ebenda. Ebenda S. 566f. 88
Zu den Formen eskiellent 'échoient', puellent 'peuvent' siehe: KURT BALDINGER, Die progressive Analogie am Beispiel von vuelent, puelent, sielent, chielent (Mélanges de linguistique romane et de philologie offerts à M. Maurice Delbouille, I, Gembloux 1964, S. 65-82).
89 VERRIEST (wie Anm. 8) S. 218, Anm. 1. 90 , Ebenda.
Mlat. sanctuarius - ahain. sainteur 1418/1419
li doy dessus
dit estoient
orine à monsigneur
Saint
court
des mortesmains
deubt
par condition
sainteurs u francque
orine
y délivre
les délivrast
et doivecent orines
pour
qu'il
[vgl. meisme
autrement,
venut
milleur
catel
Ghillain
â le mort
mises
amender
ne
1458 A Féron,
que
... et il sainteur,
... ce
et données
volentaire-
et non mies pour
li gouvreneur
de le dicte
et escripre
volentairement
mettre
église
... qui ne sont à sainteur
en celli
1467/68 Item Pierre
les meilleurs
Sainte
sainteurs
en celli de Lobbes,
ville
(ebenda)
Saint
le moittiê
nuls
ne autres
de Lobes du cattel
92 93 94 95 96
97
VERRIEST (wie Anm. 8) S. 577-582. Ebenda S. 218, Anm. 1. Ebenda S. 216, Anm. 6. Ebenda S. 222, Anm. 3. Ebenda S. 222, Anm. 2. Ebenda S. 223, Anm. 4.
n'ont
Pierre
quelque
en y avoit
... par
Wie Anm. 88.
Saint
et n'y délivre
sainteurs, Sainte
tout
quy eschiet
à son sainteur et mondit 97 (ebenda) moittié 91
(Sen-
(Cart. des mortemains
catels 94
Wauldrut, 95 (ebenda)
leurs sainteurs s 'aucuns 1467/68 St-Pierre
les y
93
a Messire
nuls autres
cose
et sans
d'orine et de sainteur audit
teurs ne francque orine 1467/68 Item
...
yssut
de francque orine, ne de francq sainteur ou
J. M. estoit
de H a i n a u t )
et
paiier
Ghillain il le disoient yestre à leur sainteur 92 tence de la Cour des mortemains de Hainaut, Mons) 1458 tous ceulx
sont
u à aucun
catel
dit fuissent
que s'i estoient
parce
vollut
cause...
orine
orine
de milleur
dessus
le saint tant plus
fuissent
avoient
qui
ne n 'est mie que francque orine, ne francq
estoient ment
que catel
de francque
de francque orine audit sainteur de Saint deuwissent
de le
précède condition et gênéraul 91 eskiellent , puis que en ce dit lieu
li doy trespasset
n 'estoit
li coustume
et est telle,
... s'il n'estoient
francq sainteur qui ... que
... car
de corps
de lieu ù li dit catel condition;]
de sainteur et de francque
Ghillain
estoit
23
seigneur
sain-
de Lobes,
ne
Wauldrut,
Saint
part ne portion 96
à
(ebenda) le pays
de celuy le Comte
de Haynnau ou ceulx
qui
y a l 'autre
prent sont
24
Kurt Baldinger
1467/68 Ceulx qui sont de sainteur à Saint Pierre de Lobes (ebenda) 9 8 1474/75 se diminuent les droix des dis sainteurs (Comptes du cha99 pitre de Sainte-Waudru a Möns) Ende 15. Jh. Marie le Carlier à son vivant ... estoit au kief et sainteur de Saint Ghislain ... audit kief et sainteur de Saint Ghislain
(Möns)
Die Bedeutungen von sainteur in den Coutumes du Haynaut (1534 und 1619) Alle Belege finden sich im Kapitel 83 der CoutHain 1534 1 0 1 Touchant droit de mortemains,
et aussi milleurs cattel. Es sind
nicht weniger als vier verschiedene Bedeutungen zu erkennen, wobei - wie schon in den älteren Belegen - es öfters schwierig oder gar unmöglich ist, sich für eine bestimmte Bedeutung zu entscheiden : 1° sainteur m. 'homme libre, mais tributaire d'une église': 1534 Laquelle court des mortemains judicature
... aura la cognoissance et
... pour droict de milleur cattelz ... advoeries,
francq orines, sainteurs, successeurs de serfs, bastartz et aubains, qui peuvent escheyr en nostredicte conté de 102
Haynnau
1534 les personnes
... assubgiz au profit des églieses d'iceulx 103
sainteurs (größerer Kontext s. unten sub 4°)
98
99 loo
VERRIEST (wie Anm. 8) S. 225, Anm. 1. Ebenda S. 242. Ebenda S. 652f. Publiziert im: Noveau Coutumier général ... par BOURDOT DE RICHEBOURG (CoutGén), t.II, 1724, S. 25-26; wir folgen jedoch der zuverlässigeren Ausgabe des Recueil des Anciennes Coutumes de la Belgique, Abt. VII Hainaut, t.l: Coutumes du Pays et Comté de Hainaut, par M. CHARLES FAIDER, (CoutHain), Bruxelles 1871, S. 309-311.
102
103
CoutHain (wie Anm. 101) S. 309.
„Ebenda. V.
Mlat. sanctuarius - ahain. sainteur
2° 'condition de
25
sainteur*
1534 le milieur aattel deu par * . 1 0 4 a franaque de orme...
sainteur, sans
la personne
estre
105 1534 personnes
estons
de franoq
1534 lesdictes
personnes
de
orine
et saincteur
saincteur^^
3° 'droits qu'un sainteur est obligé de payer' 1534 Que les ,personnes estans de et de franaque -, . noble . 'ligniê . 107 saincteurs avozr sans nuls quelzconques 4° 'église, abbaye, établissement
religieux'
1534 Que la redebvanae
aattel
personne,
peult
tude auquel
de milleur procéder
fit des êglieses teurs en aucuns le milleur
personne livra
estre
villaiges
de franaque
dence,
le premier seigneur seroit
personne
icelle
sera
cattel
soubz
orine
va de vie à trespas
au seigneur
cui elle yroit
1534 ne semblablement
prouffit
pays
sain-
(ebenda)
deu au (ebenda)
seigneur 109
de la résidence, ou droict
rési-
cattelz:
le second de ce dudict
sain-
espécial
lesdiates
personnes
104
CoutHain (wie Anm. 101) S. 309; VERRXEST (wie Anm. 8) S. 216, Anm. 7.
105
CoutHain (wie Anm. 101) S. 311.
Ebenda. 107 ^ ^ Ebenda.
108 109 110
Ebenda S. 309. Ebenda. Ebenda S. 109.
au
qui
^ se par faiat
108
la
hors de sa
trois milleurs
de vie à trespas,
et le tiers
pro-
sainteur, se
aattel
personne
à payer
servi-
(s. 2°), sans
à sondiat
de la
au
desdicts
d'iceluy
le milleur
subgeate
ou de
assubgiz
(s. 1°), ou au
sainteur
d'iaelle
en sa seignourie,
(ebenda)
estre
le droict
et places
['se lèvera'] après
1534 Et se icelle
teur
ayant
deu par
du lieu de la résidence
de servaige
sainteurs
vassaulx,
aattel
deuë par oondioion
se peuvent
d'iaeulx
d'auouns seigneurs
1534 Que
de rachat
les personnes
orine,
26
Kurt Baldinger de saincteur (s. 2°), du droiot de milleur aattel envers ledict sainteur s 'estoient â ce asservies
(ebenda)
111
112
Das Panorama der vier Bedeutungen
von sainteur wirkt bei
der Lektüre des betreffenden Kapitels der Coutumes du Hainaut reichlich verwirrend, besonders die einander nahestehenden Bed. 1°-3° in Opposition zu 4°, umso mehr als sie noch im gleichen Kontext aufeinanderstoßen
(le meilleur aattel deu par sainteur ...
d sondiot sainteur, etc.). Oft sind auch 1° und 2° oder 2° und 4° schwer trennbar. Dies stellt genetische Probleme, die wir im Schlußabschnitt aufgreifen werden.
113
Die Überarbeitung der Coutumes des Hainaut im Jahre 1619 führte zu einer knapperen, durchdachten Neuredaktion, wobei bemerkenswert ist, daß alle vier Bedeutungen erhalten blieben, aber nicht mehr immer an denselben Stellen. Anstelle von au profit des êglieses d'ioeulx sainteurs (Bedeutung 1°) heißt114es jetzt au proufit des églises et sainteurs (Bedeutung 4°) Anstelle von le tiers ou droiot dudiat sainteur
(4°) heißt es
115
le troisyesme au Seigneur dudiat sainteur
(1°)
, anstelle von
Que les personnes estans de noble ligniê et de franaque orine, sans nuls quelzoonques
sainoteurs
(3°) avoir ... seront ... exernps
de milleur aattel payer â la mort heißt es personne estant d'origine franche, soit noble, ou non, sans avoir sainteur tung 2°) est exempte de payer meilleur aattel à sa mort
(BedeuDie
Bedeutungen 1° und 2° finden sich in folgendem neu formulierten Paragraphen : 1619 Le Seigneur du lieu de la résidence d'une personne de sainteur (2°) non de francq origine subieote d meilleur aattel 111
112
CoutHain (wie Anm. 101) S. 111. Die Glossare zu den Coutumes de la Belgique, CoutGén (wie Anm. 101) t.VII. 1 und 2 definierten sainteurs lediglich mit 'personnes franches et libres qui se mettent sous la protection d'une église ou d'une abbaye', was nur für 1° zutrifft; das Glossar zu Bd. 3 definiert sainteur 'personne franche qui se place sous la protection d'une église ou d'une abbaye et paye un droit de ce chef'.
113 Die Chartes générales von 1619 wurden von M. Charles Faider in der gleichen Reihe publiziert: Recueil des Anciennes Coutumes de la Belgique, Abt. VII, t.2: Chartes générales, par M. CHARLES FAIDER, Bruxelles 1874, S. 87-496; CoutGén (wie Anm. 101) S. 41-154. 114
CoutHain 1619 (wie Anm. 101) S. 446.
115
Ebenda S. 447.
116
Ebenda S. 448.
Mlat. sanctuarius - ahain. sainteur sera préféré
au Seigneur
du sainteur
'droits... 1
Die Bedeutung
(1°)
27
117
(3°) findet sich jetzt im Titel
sainteur
118
im 17. und 18. Jh.
Die allmähliche Auflösung der Klasse der sainteurs
bis zum
völligen Verschwinden mit der Revolution haben wir bereits dargelegt. Die Belege gehen aber natürlich weiter: 1641 le droiat la)
de sainteur suy la famille
et se perd
1665 exemptes
de meilleur
teur de Nostre estans
par
le mal
aattel
Dame
d'Aix
(Möns)
pour
(wohl für 119
avoir
... tous
ferne
l -
esté de la (!) sain-
lesquels
de la mesme saincteur de Nostre
Dame
descendons d'Aix
(Attesta1 20
tion de la franche origine d'un lignage de sainteurs) 1670-1673 Extrait affranchies
de servage
à l'église ment
du registre
et abbaye
des familles
par
ou
les comtes
de Saint-Denis,
généalogie
d'Haynnaut qu'on
appelle
franche origine ou saincteur, à la charge
chacun
an 2 deniers
et à la mort 121 (Procès Möns)
le ventre 1700 estoient
de la
franche origine
le mellieur
(!) saincteur de Nostre ... Tous
mesme saincteur de Nostre
lesquels Dame
Dame
descendons
d'Aix
et de
asservies communé-
payer
cattel,
d'Aix
suyvant
et de
... sont de la
et de franche
origine
(Attestation de la franche origine d'un lignage de sainteurs, 122 Flobecque) 1709 A présent teur car
il convient
très non de franche
117
CoutHain
aussi
les uns s'appellent origine
de connoistre de franche
l'estat de sain-
origine, 123 (Procès Möns)
et les au-
(wie Anm. 101) S. 446.
118 Siehe die Stelle bei Gdf (wie Anm. 19) t.7, S. 290c und den Kommentar im CoutGén (wie Anm. 101) t.VII.2, S. 141, Anm. b. 119 VERRIEST (wie Anm. 8) S. 195.
120 121 122 123
Ebenda S. 667. Ebenda S. 244, Anm. 5. Ebenda S. 668f. Ebenda S. 185, Anm. 2.
28
Kurt Baldinger
1724 il importe étant
de découvrir
particulier
et oomtê
l'origine
aux chartes
d'Haynau...;
...de
procède
de ce que quelques
quelque
vierge
nuelle
seulement
la
vassaux
redevance
que dessus;
des serfz
et depuis
donnez
1785 On fait
la
ordinairement
catel
affranchis
les seigneurs par
meilleur oatel
les â
telle
tire son
sans être
et que
les autres
més de franc
pour
orine,
les annuelles â leur mort
entre
les
y sont soumis.
que des annuelles
de
pendant
sainteurs; du droit Ceux des
sont communément
les différentier
de
meilleur
sainturerie
Daß man auch sprachlich mit dem alten Terminus sainteur
nicht
mehr zurecht kam, zeigt sich nicht nur am Geschlechtswechsel (siehe oben die Belege von 1665 und 1700),
auch in Umbildungen zu bailly
Pierre
et receveur
â Renaix,
125
sainturie:
VERRIEST (wie Anm. 8) S. 186, Anm. 2. Ebenda S. 185, Anm. 3.
1 ?fi
Ebenda S. 670.
sondern
des droits de la sainture
cognoit
1702 siehe unten;
124
zu
sainture:
de droits dus par des sainteurs zu
qui
sainturie,
sainturier,
de Saint
sainnom-
des sainteurs
leur vie et le droit 125
de
(Procès Möns) sainture,
1773 Le sous signé
ori-
affranchis
à charge
les uns sont affranchi
teurs qui ne paient
la sainteur
â an-
à la mort;
par
aux églises
les églises
une distinction
en ce que
catel
redevance
(Exposé des Advokaten der Abtei von Saint-
elle consiste
paient
se sont vouez
t r o i s i è m e
par
ont été émancipez
meilleur cattel... • v124 ^ Denis)
libres
par eux donnez
du pays
p r e m i è r e
de meilleur
des serfs
et puis
la
saint sous quelque
ou à redevance
seigneurs gine
personnes
terme
et nouvelles
3 espèces:
ou â quelque
d e u x i è m e ,
des sainteurs, ce
anciennes
avoir
reçu...
..., Möns)
1 26
(Quittance
Mlat. sanctuarius - ahain. sainteur 1754 les droits de sainturie étoient filles
et des femmes
évacués
descendons
29
par
l'extinction
de semblables
des
sainteurs
(Formulierungdurch den 'receveur du chapitre de Soignies') 127
1785 On parle
beaucoup
Ellezelles
d'une
dans
sainturie ancienne
cès 5 avril 1785) zu
le canton
de Lessinnes,
sainturie de Saint est une espèce
Pierre
Flobecq
et
de Renaix...;
de confrérie
moderne
une (Pro-
128
sainturier:
1702 quand Denis
le sainturier est pauvre pour
bagatelle
luy, on le quitte qui sert plutost
et qu'on
pour
d'une
s'adresse
la moitié pure
à
Saint-
ou bien pour
reconnaissance
une
de sa
sainturie (Betrifft Saint-Denis-en-Broqueroie, Procès de la Cour des mortemains, Möns) 1 29 Verriest kommentiert: "Les juristes du XVIIe et du XVIIIe siècle avaient imaginé les mots sainturiers et sainturières pour désigner les hommes et les femmes voués à un autel, et ils appelaient fréquemment sainturie, sainturerie, sainture et même ceinture (Fn. 2: Procès de la Cour des Mortemains... à Möns; passim) le fait d'être sainteur ou bien la collectivité des sainteurs d'une église"^ 0 . Ceinture ist besonders interessant, da es sich ohne Zweifel um eine volksetymologische Umbildung handelt (leider gibt Verriest keine konkreten Belege, aber sein passim heißt, daß sie in den Akten von Möns wohl im 18. Jh. nicht selten sind). Der Anstoß dazu konnte davon herkommen, daß beim Assainteurement (s.u.) der neue Sainteur feierlich eingeweiht wurde, wobei "le prêtre lui mettait alors son étole autour du cou"; wenn die Aufnahme nicht in einer Kirche erfolgte, so erfolgte eine ähnliche Zeremonie im Freien, etwa im Falle von Marie de Rebaix: "on mit au cou de cette femme la ceinture de peau de cerf d'un seigneur" 131 . Aber bei 127
128 129 130
131
VERRIEST (wie Anm. 8) S. 196. Ebenda S. 172, Anm. 3. Ebenda S. 211. Ebenda S. 172. Ebenda S. 188, Anm./ Ähnliches berichtet BOEREN (wie Anm. 59) für Flandern: "Le tributaire se fait passer autour du cou l'étole d'un prêtre ou la ceinture d'un seigneur et se pose sur la tête ou dépose sur l'autel quelques deniers".
30
Kurt Baldinger
volksetymologischen Umbildungen bedarf es nicht einmal solcher konkreter Anstöße. assainteurer
v. a. und v. pron.,
assainteurement
Anders verhält es sich mit assainteurer v. a. 'jem. in den Stand des sainteur überführen', s 'assainteurer 'sich als sainteur in den Schutz der Kirche begeben' und mit assainteurement m. als Substantivierung dieser Handlung. Diese Ableitungen sind moderne Bildungen der Historiker, bzw. des belgischen Historikers Léo Verriest: "Comme on ne peut, pour les motifs que j'exposerai bientôt, appliquer adéquatement au sainteur le nom de serf, ces deux conditions étant absolument différentes et s'excluant même mutuellement, nous voulons éviter, au profit de la clarté et de la précision, d'employer le mot asservissement en parlant de l'action par laquelle on devenait sainteur-. c'est pourquoi nous avons cru pouvoir créer le néologisme ASSAINTEUREMENT, de même formation qu'asservissement. Nous emploierons également les verbes ASSAINTEURER et S'ASSAINTEURER" (1910)132. Es ist selten, daß wir in der Sprachgeschichte eine so schöne Geburtsurkunde haben! Verriest verwendet die drei Termini laufend. Sie haben sich offensichtlich eingebürgert. 1962 z.B. publizierte 1 33 Emile Brouette, Un cas à1assainteurement à Jauche en 1273 Genetische Probleme Sprachgeographisch ist die Form sainteur auf den Nordosten mit Zentrum Hainaut (mit anschließendem zentralwallonischen Gebiet) beschränkt. Im angrenzenden lothringischen und champagnischen Gebiet finden wir andere Ableitungen: saintier und saintel (südlichster Ausläufer scheint Dijon im burgundischen Gebiet zu sein). Uberblickt man das gesamte Verbreitungsgebiet dieses speziellen Typus von der Kirche zugeordneten freien Bauern, so ist die ziem-
132
VERRIEST (wie Anm. 8) S. 145, Anm. 3; siehe auch S. 172. EMILE BROUETTE, Un cas d'assainteurement à Jauche en 1273, (Wavriensia. Cercle Historique et Archéologique de Wavre et de la Région, Bd. XI, n° 3, 1962, S. 103-104) (siehe dazu die Korrekturen im: Bulletin de Toponymie et Dialectologie 37, 1963, S. 201). Zu den Bezeichnungen für den Vorgang des assainteurement im Mittellateinischen und den ältesten volkssprachlichen Urkunden siehe unten Anm. 155; ich danke Jean Lechanteur (Liege) für die Beschaffung einer Fotokopie dieser Urkunde, die übrigens im Text das Wort sainteur nicht enthält, ebensowenig wie alle ältesten von Verriest publizierten Urkunden.
Mlat. sanctuarius - ahain. salnteur
31
lieh getreue Deckung mit dem Verbreitungsgebiet von komme de poest-é (östlich und nördlich der Loire ohne den Küstenbereich) 1 34
höchst auffällig . Die Zone reicht vom Nordosten bis an Paris heran, Richtung Südosten bis Dijon. Genetisch scheint es zunächst auch kein Problem zu geben. Mlat. sanctuarius,
bzw. homines sanetuarii
scheint der beherrschende
Ausgangspunkt zu sein, flankiert von (homines) sanetorum. Diesen Modellen entsprechen genau altlothringisch komme de saintuaire (wobei saintuaire - wie das zugrunde liegende mlat. sanetuarium 'Kirche, Abtei' bedeutet 135und nicht 'sanetuaire', wie Gdf und FEW fälschlich definieren)
, achamp. homes 'des seinz, hommes sains,
und auch hommes saintiers, das ebenfalls einem Typus s a n e t u s + - a r i u s entspricht, sowie mit dem Suffix - e l136 l u s kome saintel, bzw. hommes saintieus
(vgl. mlat.
censuales)
Sehr gut zu sanctuarius passen auch die in Arras belegten Personennamen Saintuaire, bzw. Saintewaires mit typischem hiattilgendem -w-. Einzig sainteur paßt nicht in dieses Schema. Betrachtet man es als - ( a t ) o r - Parallele zu - a r i u s (sainteur/ saintier), so ließe sich zwar die Bedeutung 'freier Bauer' erklären, nicht aber die Bedeutung 'Kirche, Abtei'. Dazu kommen aber chronologische Gründe. Dank der von Verriest publizierten Dokumente verfügen wir jetzt über weit mehr Belege als bisher. Auch wenn immer noch viele Urkunden unpubliziert in den Archiven schlum137 mern , kann man jetzt doch schon eine sprachhistorische Perspektive wagen. Sie zeigt, daß komme sainteur nur vereinzelt 1284 belegt ist; der nächste einigermaßen sichere Beleg für sainteur als Personenbezeichnung (= 1°) findet sich erst 1468, in Kombination mit der Bedeutung 'Kirche, Abtei1 (= 4°), d.h. in dem gleichen verwirrenden Nebeneinander wie in den Coutumes du Hainaut 1534: Item en celli ville nuls sainteur (4°), Sainte 134 135
1
137
Wauldrut,
Vgl. unsere Karten BALDINGER 1979 (wie Anm. 1) S. 142 und 145. Gdf (wie Anm. 19) t.10, S. 625a; FEW (wie Anm. 15) Bd. 11, S. 149a. Diese erweiterte Bedeutung von sanotuarium 'église' liegt auch den Definitionen von DU CANGE (wie Anm. 11) Bd. 7, S. 300c zugrunde: sanctuarius 'ad sanetos seu ad ecclesiam pertinens' (.sanetuaria terra 'quae ad sanetns seu ad ecclesiam pertinet'), sanetuaria causa 'jus sanetuarii seu ecclesiae ad aliquid, sanetuari 'ecclesiarum tenentes'. Auch NIERMEYER (wie Anm. 14) S. 937 definiert 'lieu saint, église...'. VANDERKINDERE (wie Anm. 36) S. 410, Anm. 1. Z.B. diejenigen der Zisterzienserabtei Val-Virginal im Canton de Tirlemont (Brabant): "son important chartrier est resté en grande partie inédit". BROUETTE (wie Anm. 133) n° 4, S. 103.
32
Kurt Baldinger
Saint Pierre de Lobbes, ne autres n'ont quelque part ne portion à leurs sainteurs (1°; in Frage kommt allerdings noch 3°) s'auauns 138
en y avoit
. Wir müssen uns aus beiden Gründen nach einer an-
deren Erklärung umsehen. Eine zweite Vermutung, nämlich in -eur das139 Abstrakta bildende , die etwa durch
Suffix wie in douleur, couleur etc. zu sehen
être de la sainoteur de Nostre Dame d'Aix (s. Belege von Möns, 1665; 1700) gestützt würde - allerdings erst im 17. Jh.! ("au XVII e et au XVIII e siècle, la confusion a(it) été absolue")^ 4 ® - stellt sich ebenfalls rasch als haltlos heraus, obwohl die ältesten Belege mit Wendungen wie estre à sainteur, prendre â sainteur, mettre à sainteur mit möglichem femininen Geschlecht und der Bedeutung 'Heiligkeit' (sich dem Schutz der 'Heiligkeit' der Kirche anvertrauen, etc.) damit durchaus vereinbar wären; aber sainteur ist in allen Belegen, bei denen das Genus erkennbar ist, ein Maskulinum (1327 l'un de ahes sainteurs; 1387 141 de franaque orine u à franaq sainteur; 1416 audit saznteur, etc.)
. Erst die Verkennung des
Wortes in der Zeit des Untergangs der sainteurs im 17./18. Jh. brachte vereinzelte Umpolungen zum Femininum. Die richtige Deutung setzt eine genaue chronologische Prüfung und Analyse aller Belege voraus. In den von Verriest publizierten lateinischen Belegen aus dem Hainaut taucht überraschenderweise sanatuartus nicht auf 142 (möglicherweise liegt dies nur am Cha143 rakter der Urkunden - es sind meist Schenkungsurkunden ; ein völliges Fehlen des Ausdrucks im Hainaut wäre doch recht überraschend; die Bezeichnung saintier findet sich später meist in 1 OQ 139
140 141
142
VERRIEST (wie Anm. 8) S. 222, Anm. 2. Zum Abstrakta bildenden Suffix - o r (lat. oalor ra., frz. chaleur f. etc.) siehe KRISTOFFER NYROP, Grammaire historique de la langue française, t.3, Kopenhagen-Leipzig 1908, §§ 229, 671, 691; WILHELM MEYER-LÜBKE, Historische Grammatik der französischen Sprache, 2. Teil: Wortbildungslehre, 2. Aufl. von JOSEF MARIA PIEL, Heidelberg 1966, § 96u. VERRIEST (wie Anm. 8) S. 185. Der Plural sainteurs (1387; 1458; 1467/8, etc.) könnte auch dagegen sprechen, aber bei einer sekundär konkretisierten Bedeutung wäre dies ohne weiteres möglich; zudem ist der Plural nicht überall gesichert. Vergleiche Rectus und graphisches -s wie in ne...mies neben mie 1419, VERRIEST (wie Anm. 8) S. 581. Eindeutig dagegen spricht aber auch die Rectus-Form sainteres (1415/16) VERRIEST (wie Anm. 8) S. 574. VERRIEST (wie Anm. 8) S. 172. So kommt z.B. sainteur in der soeben erschienenen, ausgezeichneten Ausgabe der ältesten Originalurkunden des Hainaut nicht vor: Chartes en langue française antérieures à 1271 conservées dans la province de Hainaut, par PIERRE RUELLE (Documents linguistiques de la Belgique romane, publ. par JACQUES MONFRIN) Paris (C.N.R.S.) 1984. Zufall? Oder wird das Wort wirklich erst später geschaffen?
Mlat. sanctuarius - ahain. sainteur
33
den Prozeßberichten). Verriest fand in den lateinischen Urkunden zunächst als Bezeichnung der sainteurs die dem neuen Stand nicht 144 gerecht werdenden Wörter servi und ancillae . Im 13. Jh. tauchen Bezeichnungen wie homines, censuales, in volkssprachlichen Urkunden die entsprechenden personnes und cauvagiers (siehe oben) auf: es sind cauvagiers einer bestimmten Kirche oder einer bestimmten 145 Heiligen. Noch 1288 wird formuliert est ferne de le eglise , 146 14 7 1297 home
de l'église
, 1294 lat. mulier
sagt von ihnen, daß sie zur maisnie
und vir
( < man
. Oder man
s i o na
1303: sont de la maignie de Nostre
Dame
deniers
de la maisnie Nostre
149
G.
par an
; 1310: estaient
), zum ahevage
(cavage
de Guillenghien
t a"^®;
parmy Dame
etc. als Zins), zur frankise
deux de
eines
bestimmten Heiligen gehören. Die Rechnungsbücher verwenden die For151 mel N. ... (à) tel saint de tel lieu . Auch Boeren überschreibt für Flandern ein Kapitel seiner Thèse Les donations de serfs au profit
d'un
saint
(22). Selbst Freie
(de francque
ovine
[origine]),
begeben sich, wie wir gesehen haben, als sainteurs in den Schutz 1 52 eines Heiligen , bzw. einer Kirche, einer Abtei, die diesem Heiligen geweiht ist. Solche Formulierungen finden sich noch im 14. und se 15.n'y Jh.: 1350/51 part ('teilhaben') nuls sains (Compte) 1 53 1467/68 Item
en celli
ne autre
ville
Sainte
saint ne partent
Wauldrut,
St Pierre
('teilhaben') en
de
Lobes,
1 54
riens
An den meisten Stellen der Comptes steht - bei im übrigen gleicher Formulierung - sainteur an der Stelle von saint (siehe oben Belege von 1467/8), und gemeint ist nicht mehr der Heilige selbst,
144 145 146 147 148 149 150
VERRIEST (wie Anm. 8) S. 171, S. 207, Anm. 5. Ebenda S. 499. Ebenda S. 503. Ebenda S. 501. Siehe FEW (wie Anm. 15) Bd. 6, S. 242. VERRIEST (wie Anm. 8) S. 507. Ebenda S. 511. Zur familia der Kirche siehe VANDERKINDERE (wie Anm. 36) S. 419, 480. VERRIEST (wie Anm. 8) S. 172.
152
153 154
Ebenda S. 179. Ebenda S. 222, Anm. 5. Ebenda S. 222, Anm. 11.
34
Kurt Baldinger
sondern die A b t e i ^ ^ * "Quant au vocable sainteur,
il n'apparaît que tardivement
dans les documents de la seconde moitié du X I I I zwar mit dem, was Verriest einen ou telle église est sainteur
'sens actif 1
e
siècle"^
... und
nennt: "tel saint
de telle personne", während der
"sens passif pour désigner la personne vouée à un saint ... d'un 157 usage assez rare dans les sources du moyen âge" sei . Allerdings konnte ich mir lange keinen Reim auf die Funktion von -eur
bei
der Ableitung von saint machen, bis es mir wie Schuppen von den Augen fiel: sainteur
wurde als Parallele zu seigneur
gebildet!
Nur so wird die Entstehung klar. 1 58 Verriest hat Recht: "tel saint est sainteur de tel individu" , nämlich 'geistlicher seigneur' in Opposition zum 'weltlichen seigneur'. seigneur1
(= sainteur)
Da der
'Heilige als
sein neues Amt nicht selbst ausüben kann,
liegt die Identifizierung des Heiligen mit seiner Abtei nahe: der Altar, auf dem der Jahreszins an seinem Namenstag niederge159 legt wird
, ist der Altar der Abtei, und der Zins wird von ihr
vereinnahmt. Diese Identifizierung mit der Abtei führt natürlich zu einer semantischen Verlagerung von der
seigneur-sainteur
Für die Schenkung selbst, bzw. das sich in den Schutz der Kirche Begeben und das Akzeptieren des neuen Status durch die Kirche werden verwendet: mlat. oonferre, tradere, daré, donare, bzw. ahain. donner, vouer, adonner de kievage, offrir de kievage, offrir etc. telle personne à tel saint, VERRIEST (wie Anm. 8) S. 146, Anm.; "l'acte s'appelait traditio, donatio, largitio, don, offrande, etc." (ebenda). In der ältesten vulgärsprachlichen Originalurkunde von 1234 z.B. heißt es Jo Alessis de Betthinsart, chevaliers, fach cognisanche et savoir que jo ai donet en almosne a le glize de Gillenghien, Gertruth ... et Margherie se fille et tous les enfans ki d'eles sunt issu et jamais en isteront... (ebenda 465). Diese Urkunde fehlt in den soeben erschienenen Chartes en langue française (wie Anm. 143) , laut Verriest wurde sie in den Archives de l'Etat à Möns aufbewahrt. Wie mir gleichzeitig Christoph Drüppel und Pierre Ruelle bestätigen ist die Urkunde leider 1940 verbrannt. Chr. Drüppel ist zudem der Meinung, daß die Formulierung 'älteste vulgärsprachliche Originalurkunde' 4unverständlich oder falsche ist. Schon aus dem ersten Grund fehlt sie natürlich auch in den von P. Ruelle kürzlich publizierten Originalurkunden. 156
157
VERRIEST (wie Anm. 8) S. 172.
Ebenda; auch S. 145, Anm. 3. Der Beleg homme sainteur von 1284, siehe den Kontext bei Gdf (wie Anm. 19) t.7, S. 290b, fällt chronologisch aus dem Rahmen. Er ist deshalb anders zu interpretieren, gemäß der altfranzösischen Syntax als homme d'un sainteur 'homme dépendant d'un sainteur'. Siehe zu dieser Struktur: LARS PALM, La construction Ii filz le rei et les constructions concurrentes avec a et de étudiées dans des oeuvres littéraires de la seconde moitié du XIIe siècle et du premier quart du XIIIe siècle (Acta Univ. Uppsaliensis, Stud. Rom. Ups. 17) Uppsala 1977. 158 VERRIEST (wie Anm. 8) S. 146 Anm. 159
1300: cheskuns hons et ferne ... paieront deus deniers blans par an de chens pour leur cavage, à l'autel Saint Gillain, au jour dou benoit saint, ki est le jour Saint Denis ou mois d'octembre. VERRIEST (wie Anm. 8) S. 505.
Mlat. sanctuarius - ahain. sainteur
35
(= Heiliger)-Ebene (in den Urkunden stehen sie auch im Kontext oft in klarer Opposition, so 1295: â quelconque
sainteur
u signeur
als
geistlicher und weltlicher Seigneur; auch 1387: aultres signeurs et sainteurs; s. auch 1415/16) auf die viel weniger durchschaubare seigneur-sainteur (= Abtei)-Ebene: in sainteur 'église, abbaye' hat das Suffix keine erkennbare Funktion mehr, da -eur
S. 10.
FUCHSHUBER (wie Anm. 32) S. 192; GUMPERT (wie Anm. 32) S. 40, 42; MÜLLER (wie Anm. 1) S. 112-114, 135, Skizze S. 114; MÜLLER, Das Ahorntal (wie Anm. 27) S. 92. AOVB, S. 453: Schandhof; MÜLLER (wie Anm. 1) S. 118. AOVB, S. 326: Hohentrüdingen; DGA, S. 84 ie (ZDPh 47, 1918, S. 153-209, insbesondere S. 157f., 178f.) ; EDWARD SCHRÖDER, Spiel und Spielmann (ZDA 74, 1937, S. 45f.); JOST TRIER, Spiel [PBB (= HERMANN PAUL WILHELM BRAUNE, Beiträge zur deutschen Sprache und Literatur) 69, 1947, S. 419-462, insbesondere S. 450-456].
130
Irmgard Frank
375 im 15. Jahrhundert eine Dingstätte ; der Speelberg in Brünn war 376 'Versammlungsort der Landtage und Landgerichte' ; der Spielberg bei Rüdisbronn, Mittelfranken, möglicherweise 'die statte eines 377 alten markgerichts . Bei mehreren Spielbergen hat W. Müller das umgebende Namengut untersucht, mit dem Ergebnis, daß dabei recht oft mit der Gerichtsbarkeit zusammenhängende Flurnamen auftauchen. Wo einem Spielberg ein Galgenberg benachbart ist, wie zum Beispiel in Creußen und Kallmünz, sieht er in ersteremden Ort der Verhand3 78 lung, im zweiten den des Strafvollzugs . Weitere Gerichtsorte vermutet er aus ähnlichen Gründen in den Spielbergen von Waldthurry Rothenburg ob der Tauber, Mitteldachstetten, Rüdisbronn, Günzenhausen und Stade sowie an einigen anderen mittels Spiel benannten örtlichkeiten. In der Tat waren die Varianten Spei- / Spil- als Rechtswort offensichtlich äußerst produktiv in der Ortsnamengebung. Darauf deuten die Beispiele aus England hin, deren viele als Versammlungs380 plätze der ehemaligen Hundertschaften betrachtet werden , darauf lassen aber auch die sonstigen SpieZ-Namen schließen: Auf einer Spilstatt zu Kerns in der Schweiz saß der Landammann 'offenlich ze gerichte' 381 ; auf der Spilmatten im schweizerischen Hergiswyl beschlossen die Ürtner eine fjrteordnung 382 . Auf dem Spielrangen bei Thurnau, Oberfranken, war angeblich ein Halsgericht plaz ierl83, ein Spielhof im Elsaß war Ort eines Hubgerichts 3l84 '.. Das Spielhaus, insbesondere im Rheinland häufig bezeugt, war u.a. Versammlungsplatz der Schöffen und Gerichtsort 385 , ähnlich wie ein Speech House im Forest of Dean, Gloucestershire, wo ebenfalls Recht gesprochen wurde 386 . Die Reihe wurde bereits ergänzt durch andere Namen 387und 373 375
SCHMELLER (wie Anm. 172) II, Sp. 662; VOLLMANN (wie Anm. 81) S. 86. FISCHER (wie Anm. 176) V, Sp. 1533; VOLLMANN (wie Anm. 81) S. 87. SCHONEFELDT (wie Anm. 98) S. 309f.; SCHNETZ, Flurnamenkunde
(wie Anm. 252)
376 S " 7 9 " MÜLLER (wie Anm. 1) S. 130. VOLLMANN (wie Anm. 81) S. 91. 3 MÜLLER (wie Anm. 1) S. 104, 126f. 379 Ebd., S. 106f. (Stade), 113f. (Mitteldachstetten), 116 (Rüdisbronn), 118 (Rothenburg ob der Tauber), 119f. (Günzenhausen), 124 (Waldthurn). 38Q S. die oben zu den einzelnen Namen angegebene Literatur. __„ Schweizerisches Idiotikon, X (wie Anm. 73) Sp. 136. Ebd., Sp. 135£.; IV (wie Anm. 145) Sp. 550. 383 MÜLLER (wie Anm. 1) S. 103; MÜLLER, Das Ahorntal (wie Anm. 27) S. 92. 3 8 5 VOLLMANN (wie Anm. 81) S. 87. DITTMAIER, Rheinische Flurnamen (wie Anm. 57) S. 295: Spieles-, CHRISTMANN, Remigiusland (wie Anm. 162) S. 10; MÜLLER (wie Anm. 1) S. 104, 107, 135; (wie Anm. 27) S. 92; VOLLMANN (wie Anm. 81) S. 87. 8 6 MÜLLER, Das Ahorntal SMITH (wie Anm. 107) S. 52. VOLLMANN (wie Anm. 81) S. 87f.; MÜLLER (wie Anm. 1) S. 103.
Zur Deutung des Ortsnamens Spielberg
131
ließe sich zweifellos weiter ergänzen. Uns genügen die genannten Fälle, um zu zeigen, daß mit Umfunktionierung der Kultorte zu Gerichtsstätten auch der Name *Spelberg / *Spilberg umfunktioniert wurde. Seine weitere Verbreitung war dadurch sozusagen vorprogrammiert. Gleichzeitig konnten durch Zusammensetzung von spei- / spilmit anderen Grundwörtern viele Neubildungen entstehen, die ebenfalls Stätten der Gerichtsbarkeit markierten, wichtige und weniger wichtige. Das erklärt schließlich die Vielzahl der betreffenden Namen. Mit dem Übergang von spei- / spil- in die Rechtsterminologie und den auf dieser Basis gebildeten Namen waren die Grundmuster für die heutigen Verhältnisse vorgefertigt. Die Namengeschichte fand ihren Abschluß damit aber noch nicht. Es bleibt noch ein Wort zu sagen zu der, von den jeweiligen Ausnahmen abgesehen, recht einheitlichen Verwendung des Wurzelvokals e im Niederdeutschen und Englischen neben i im Mitteldeutschen und Oberdeutschen. Sie ist auffällig und bedarf der Erklärung. Wir deuten sie folgendermaßen: Gemäß der Herleitung aus einer vulgärlateinischen Form von spelunoa, das in der gesprochenen Sprache, in welcher der Name seinen Ursprung hat, sicherlich mehrere Varianten hatte, ist neben spei-
dessen Variante spil- zu
erwarten. Man kann davon ausgehen, daß das e der Wurzel, gestützt durch das e aus germ. *spel-, im Altniederdeutschen und Altenglischen erhalten blieb. Im Süden des hochdeutschen Raumes ist zunächst ebenfalls mit der Übernahme beider Varianten zu rechnen. Für die dortige Verdrängung von Spei- durch Spil- kann ein Zusammenwirken verschiedener Umstände verantwortlich sein: Das der lateinischen Wurzel später assoziierte germanische Wort *spel- lautet im Gotischen spill 3 8 8 ; im Langobardischen gibt es einen Lautwandel von -el- zu -il-
389
; im Bairischen zeigt die im Muspilli
belegte Form hilfa statt helfa unorganisches i für e3 9 0 . Außerdem
wurden germ. *spel- und germ. *spil- wohl gelegentlich miteinander 391
vermischt
. Hinsichtlich der Bedeutung des germanischen Wortes
*spel- ist bereits im Gotischen eine positive und eine negative Konnotation festzustellen. Got. spill bezeichnet einerseits die 388 389
FEIST (wie Anm. 360) S. 445. ERNST SCHWARZ, Germanische Sprachgeschichte und Sprachgeographie schrift für Mundartforschung 21, 1953, S. 132).
(Zeit-
390 ELIAS VON STEINMEYER, Die kleineren althochdeutschen Sprachdenkmäler, Nachdruck Dublin / Zürich 3 1971, S. 67: Muspilli Vers 27; BRAUNE - EGGERS (wie Anm. 357) § 30, Anm. 1, S. 31. 391 S. oben, mit Anm. 373f.
132
Irmgard Frank
feierliche, erhabene Rede, andererseits das 'Ammenmärchen', womit vor allem heidnische Erzählungen beziehungsweise jüdische Wunder392 geschichten gemeint waren . Die Pejorisierung traf auch ahd./mhd 393 spei, das schließlich unterging , während das Appellativum im Englischen bis heute erhalten blieb. Ferner war Spei- als Namenwort im englischen Bereich insbesondere zur Zeit der auf die Einteilung nach Hundertschaften gegründeten Rechtsorganisation produktiv geworden und konnte in diesem Sinne, ungestört durch germ. *spil- 'ludus', das sich dort nicht durchsetzte, leicht erhalten bleiben. Auf dem Festland, wo der Bezug des Namens auf heidnische Kultstätten lange in Erinnerung geblieben sein wird, favorisierte man vermutlich auch kirchlicherseits die Bevorzugung von Spil-, in dem Bestreben, jene Erinnerung zu tilgen. Speiberg / Spilberg als Ausdruck für den Gerichtsort wurde durch Mahalberg und später durch 394 Dingberg ersetzt . Einmal losgelöst von Spei- konnte Spil- aber verstärkt wie das Appellativum spil 'ludus' gedeutet werden, zumal es natürlich verschiedene Arten von Spielen gab: Zu Ehren wichtiger verstorbener Personen führten verschiedene Völker seit alters Leichenspiele durch 3 9 5 . Regelmäßig fanden Spiele im Anschluß an 396 die Gerichtsverhandlungen statt . Es ist anzunehmen, daß man an diesem Brauch festhielt, auch nachdem das Rechtswesen umorganisiert und die Gerichtsstätten in das Innere der Ortschaften verlegt worden waren. Unter dem Eindruck solcher Spiele und im Rahmen einer veränderten Situation wurde die vorher aktuelle Bedeutung des Rechtsworts vermutlich ebenso vergessen wie in früherer Zeit die des Kultworts und dem Ausdruck eine aktuellere Bedeutung, nämlich 'Spiel', 'ludus' zuerkannt. Das gilt 397 auch für den niederdeutsehen Bereich, wo 'Spiel' spei lautet Von dieser Stufe aus kann weitere Namenübertragung dann dazu geführt haben, daß heute mancher Spielberg vom Zeitpunkt seiner Benennung an tatsächlich mit Spiel
392 393 394 -1ÜC 396 OQ7
'ludus' verbunden ist.
EHRISMANN (wie Anm. 371) S. Sit. Ebd., S. 58f. Lexikon des Mittelalters, III, 5. Lieferung, München - Zürich 1985, Sp.
1058-1063: Ding (Thing). BSCHTOLD-STÄUBLI
(wie Anm. 355) VIII, 1936/1937, Sp. 260f.
Ebd., Sp. 257-261, mit weiterer Literatur; s. auch oben, Anm. 372. KARL SCHILLER - AUGUST LÜBBEN, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, IV, Neudruck Münster 1931, S. 310f.
Zur Deutung des Ortsnamens Spielberg
133
II.6. Schlußwort Fassen wir zusammen: Die ältesten deutschen Belege des Namens Spielberg stammen aus dem 9. Jahrhundert. Wir gehen davon aus, daß der Name wesentlich älter ist als der erste Beleg. Kontinentale und insulare Verbreitung, die nicht unabhängig voneinander gesehen werden können, verweisen auf alte Gemeinsamkeit, die weit zurückreichen kann. Welcher Ort erstmals als Speiberg oder als Spilberg bezeichnet wurde, wird sich nicht mehr ermitteln lassen. Auch dürfte es kaum möglich sein, in jedem Einzelfall der zahllosen gleich benannten Orte den Zeitpunkt der Namengebung genau zu treffen. Ganz allgemein aber können wir davon ausgehen, daß einzelne dieser Orte seit ältester Zeit von großer Bedeutung für die Menschen waren und daß sie sie dementsprechend bezeichneten als ''Speiberg 'Höhlenberg' , sofern es sich um einen Zufluchtsort oder auch um eine Begräbnisstätte handelte, als *Speiberg
1
Redeberg 1 ,
sofern solche Stätten zu Kultorten erhoben wurden, als Speiberg 'Gerichtsberg', sofern dort Recht gesprochen wurde, als Spilberg/ Speiberg 'Spielberg', in Erinnerung an die im Anschluß an die Gerichtsverhandlung durchgeführten Spiele. Die Varianten Spei- und Spil-
waren von Anfang an nebeneinander möglich und haben sich
schließlich räumlich verteilt. Immer konnte auch der einmal geprägte und zur Bezeichnung einer bestimmten Funktion eines Ortes benutzte Name auf andere Orte mit gleicher Funktion - oder ohne eine solche - übertragen werden, so daß man längst nicht bei jedem Einzelbeispiel das ursprüngliche Benennungsmotiv oder auch nur das der jeweiligen Entwicklungsstufe erwarten darf. Im Grunde aber war der Name trotz wechselnder Bezeichnungsfunktion zu allen Zeiten durchsichtig. Erst in jüngerer und jüngster Zeit, in der wir die inzwischen weithin zersiedelte Landschaft immer schneller durcheilen, ohne den relativ niedrigen Spielbergen noch einen Blick zu gönnen, hat sich ihr Name verdunkelt.
GERDA GROBER-GLÜCK
Motivation und Verbreitung der Spottbezeichnungen des Polizisten Nach den Sammlungen des Atlas der deutschen Volkskunde
In einer Festschrift, die dem Verhältnis von Sprache und Recht in der Vergangenheit gewidmet ist, bewegt sich ein Beitrag über die Spottbezeichnungen des Polizisten sicher nicht im Zentrum der interessierenden Probleme. Aber wenn auch am Rande, steht er doch nicht außerhalb der vom Thema gezogenen Grenzen: Es geht um Sprachgeographie, um Amtspersonen und um einen Zeitraum, der bereits historisch geworden ist. Und was den Humor anbetrifft, kann kein Geringerer als Eberhard von Künßberg als Anwalt herangezogen werden, der wiederholt Beziehungen zwischen Recht und Humor erörterte
und sich z.B. darüber ausließ, wes-
halb sich "der Volksmund" in Redensarten über Gerichts- und Amtspersonen wie auch über andere Berufe "zumeist ablehnend" 2
äußert . I. Die Materialgrundlage Die Arbeit wertet Angaben aus den Sammlungen des Atlas der deutschen Volkskunde (ADV) aus, die von 1930 bis 1935 für Deutschland und Österreich durch Versendung von Fragebogen an etwa jeden dritten Schulort zusammengetragen wurden. Im Fragebogen V sind die Fragen 238 und 239 dem Berufsspott gewidmet.
EBERHARD FRH. VON KÜNSSBERG, Rechtliche Volkskunde (Grundriß der deutschen Volkskunde in Einzeldarstellungen 3) Halle 1936, S. 35f.; DERS., Rechtsgeschichte und Volkskunde, bearb. von PAVLOS TZERMIAS (Rechtshistorische Arbeiten 3) Köln-Graz 2 1965, S. 66ff. Hier auch Hinweise auf weitere Literatur über Humor und Recht. 2
KÜNSSBERG, 1936 (wie Anm. 1) S. 35.
Spottbezeichnungen des Polizisten
135
3 Dem Polizisten gilt die Teilfrage 239b . Durchgearbeitet
wurden
rund 15.000 Belege für Deutschland in den Grenzen von 1937. Da der Berufsspott im ADV-Material von der Verfasserin bereits für sechs der elf Teilfragen untersucht wurde, und zwar für den Schneider, Bäcker, Friseur,4 Kaufmannsgehilfen, das Dienstmädchen und den Gerichtsvollzieher , sind Vergleiche möglich, die das Bild der Spottbezeichnungen des Polizisten profilieren. Das gilt vor allem für Unterschiede in der Häufigkeit der
Spottbezeich-
nungen, in der Art ihrer Motivation und in ihrem Verhalten in Bezug auf Zahl und Verbreitung der einzelnen
Bezeichnungsgruppen
nach Extensität und Intensität^. Im Rahmen eines Festschriftbeitrags konnte das Material nicht in vollem Umfang
ausgebreitet
werden. Für die Karten bedeutet das den Wegfall von einigen wenig häufigen Motiven, für die Interpretation den Wegfall von rund 360 Bezeichnungen, die nur ein- oder zweimal belegt sind. II. Motivation und Verbreitung der
Spottbezeichnungen
Verglichen mit Handwerkern ist der Polizist ein relativ Beruf. Bis zum Ausgang des Mittelalters bezeichnete dem ursprünglichen Wortinhalt von griech. politeia
junger
Polizei, 'Staatsver-
fassung, Bürgertum' entsprechend, keine staatliche Aufgabe und damit verbundene berufliche Funktionen, sondern einen Zustand des Gemeinwesens, Regierung, Verwaltung, das ordentliche, gesittete und ehrbare Verhalten der Bürger 3
4
6
. Ein funktionales
ADV-Frage 239: Wie nennt man scherzhaft in Ihrem Ort b) den Polizisten? Der Wortlaut der Fragen ist abgedruckt in: Atlas der deutschen Volkskunde. N.F. Auf Grund der von 1929-1935 durchgeführten Sammlungen im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft hg. von MATTHIAS ZENDER, Erläuterungen, Bd. 1: Karten N.F. 1-36, Marburg 1959-1964, Kapitel III, S. 22-32. GERDA GROBER-GLÜCK, Motive und Motivationen in Redensarten und Meinungen, I: Text- und II: Kartenband (Atlas der deutschen Volkskunde, Beiheft 3) Marburg 1974, I, §§ 194-231; DIES., Motivation und Verbreitung der Spottbezeichnungen des Gerichtsvollziehers im Vergleich mit anderen Berufen (nach Sammlungen des ADV; mit neun Karten) (Sprache und Brauchtum. Bernhard Martin zum 90. Geburtstag hg. von REINER HILDEERANDT und HANS FRIEBERTSHÄUSER [Deutsche Dialektgeographie 100] Marburg 1980, S. 338-358). Die regionale Festlegung der auf den Abbildungen genannten Bezeichnungen besagt nicht, daß sie nur hier bekannt sind. Wörterbucharchive weisen z.B. aus, daß die Bezeichnungen sehr viel weiter gestreut sind. Gesichert ist aber durch die intensive ADV-Befragung die Erfassung der Schwerpunkte. Zu diesem und dem Folgenden vgl.: Die deutsche Polizei. Ihre Geschichte, ihre Gewerkschaft, Daten, Fakten, Meinungen. Gewerkschaft der Polizei, Hilden 1980, S. 61; KURT MELCHER, Die Geschichte der Polizei (Die Polizei in Einzeldarstellungen, hg. von W. ABEGG, Bd. 2) Berlin 1926, S. 50ff.; FRIEDRICH KLUGE, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 20. Aufl. bearb. von WALTHER MITZKA, 21. unveränd. Aufl., Berlin-New York 1975, S. 558.
136
Gerda Grober-Glück
Verständnis von 'Polizei' setzte erst zu Beginn des 18. Jhs. ei,n, als im Absolutismus die öffentlichen Organe das Sorgerecht für die öffentliche Ordnung beanspruchten. Der Weg vom Absolutismus zur Aufklärung ist gekennzeichnet durch die Ablösung der zwangsweisen staatlichen Förderung, basierend auf dem ungebundenen Recht des Landesherrn, zur gesetzmäßig gesicherten toleranten Trennung von Wohlfahrtspflege und Sicherheitspolizei. Erst in den konstitutionellen Monarchien des 19.Jhs., gebremst allerdings durch die Restauration, wird die Polizei und damit der Beruf des Polizisten wie heute noch ein Teil der inneren Verwaltung mit den Aufgaben der Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und der Abwendung von Gefahren. Daß die Person des Hüters der öffentlichen Ordnung, mit der man auf mannigfache Weise in Berührung - des Konfliktes oder des Schutzes - kommen konnte, Spottbezeichnungen provozierte, verwundert nicht, da noch zur Zeit der Atlasbefragung der Polizist stärker als heute das öffentliche Bild bestimmte. Grund dafür war vor allem die relativ große Zahl von Beamten, die für regelmäßige Streifengänge zu Fuß eingesetzt wurden. In Kleinstädten und Dörfern konnten um 1930 überkommene und nur noch wenig übliche Funktionen wie Ausschellen, Botendienste, Nachtwache die Person des Polizisten noch ortsbekannter machen. - Im Hinblick auf die in unserem Material begegnenden Bezeichnungen ist auf einen gravierenden Mangel der Formulierung von ADV-Frage 23 9b aufmerksam zu machen. Sie unterscheidet nicht zwischen Stadt- und Landpolizei. Das hat zur Folge, daß in vielen Fällen keine Zuordnung möglich ist. Bezeichnungen wie (Land)jäger und Ableitungen von Gendarm beziehen sich eindeutig auf die Gendarmerie, Ableitungen von Polizist mit schon geringerer Sicherheit auf den städtischen Ordnungshüter, aber gerade die besonders motivierende Pickelhaube z.B. wurde in Stadt und Land getragen. Da unter den befragten Orten das Übergewicht der Dörfer beträchtlich ist, ist der Anteil der Bezeichnungen für den Gendarm wahrscheinlich hoch. Gelegentliche Erläuterungen der Gewährsleute bestätigen dies.
1. Die Uniform: der Pickelhelm (Abb. 1) Die Zahl der Spottbezeichnungen, die an den Pickelhelm anknüpfen, ist mit fast 3000 Belegen allen
anderen Motivgruppen
bei weitem überlegen. Das erstaunt nicht, wenn man sich das auffällige Erscheinungsbild des Schutzhelms vor Augen hält: den
Spottbezeichnungen des Polizisten
Abb. 1
137
138
Gerda Grober-Glück
glänzend polierten ledernen Helmkopf, der von einer prächtigen metallenen Spitze gekrönt wird. Diese Spitze zog auch als Wort 7 die meisten Bezeichnungen (1440) innerhalb dieser Gruppe auf sich, sowohl als einfache Spitz(e)3
Spitziger wie in Zusammen-
setzungen, unter denen Spitzkopf und Spitzhut dominieren, sich aber auch Spitzmütze
(34) und Spitzkappe
(36) regional durch-
setzten. Eine große Zahl von Einzelmotiven, d.h. ein-, höchstens zweimal belegte Bezeichnungen, füllen das gesamte Verbreitungsbild der Gruppe auf: Spitzhunds Spitzniakel,
Spitzzinken3
spitzes Ende3
Spitzlerche, Spitzkarle seien stellvertretend für
viele genannt. - Wie bei Spitze sind auch bei der Gruppe Blank (515) neben dem Simplex der Blanke
(312) Zusammensetzungen, vor
allem Blankmütze
(24), gut bekannt. Für den
(74) und Blankhut
Umkreis von Hamburg ist Johann
(Jan) Blank mit 67 Belegen charak-
teristisch. 16 verstreute Belege Blankknopf machen deutlich, daß gelegentlich auch ein Bezug auf die metallenen Knöpfe des Uniformrockes besteht. Einzelbelege, deren Zahl nicht so hoch ist wie bei Spitze, ergeben in den meisten Fällen einen eindeutigen Bezug zum Helm. - Das Schema von Simplex und Zusammensetzung gilt auch für die Gruppe Blitz (321). Die Belege des Simplex Blitz (72) verdichten sich an zwei Stellen: im Grenzgebiet von Thüringen und Westsachsen - hier neben Blitzkavle und in Oberschlesien. An Spitzkopf im Gebiet des Polnischen Korridors hat sich Blitzkopf
(73) angeglichen. - Das westmittel-
deutsche Verbreitungsgebiet des witzigen Blitzableiters
(105)
fällt insofern auf, als Spott dieser Art sonst im Raum Berlin und im thüringisch-sächsischen Grenzgebiet anzutreffen ist. Als Fast-Synonyme von blank und Blitz können Glitz(er)ig und Glühkopf
(-pickel, -sohwanz)
(12)
(13) gelten. Das südwest-
deutsche Motiv verweist allerdings mit zwei Belegen Glitzknopf wie Blankknopf auf den Uniformrock. - Die Spottbezeichnungen, die an die neutrale Helmbezeichnung Pickelhaube anknüpfen (272), kommen in sehr hoher Konzentration (197) östlich der mittleren Weser vor, überwiegend als Piakel, Pickelhelm und von hier streuen Belege Pickelhaube,
Pickelfritze;
auch Pickelhut und Piccolo
nach Norden und Süden, vor allem aber nach Osten und Südosten (Schlesien). Für diese Landschaft sind jedoch Türmlakarle,
Türm-
lafranze, Türmchesmann u.ä. (zs. 32) als Vergleiche mit dem
Zahlen in Klammern geben die Belegzahl an. In den Abbildungen wurde versucht, Lage, Ausdehnung und Häufigkeit der Motive durch das Schriftbild auszudrücken; die Angabe von Belegzahlen soll größere Genauigkeit vermitteln.
Spottbezeichnungen des Polizisten
139
Pickel charakteristischer. - Das Material des Pickels, das Blech, bestimmt die weit verbreiteten Bezeichnungen Klempners Karl und Varianten wie Klempner, Klempners August
(zs. 230) und die nörd-
lich des Mains weit gestreuten Zusammensetzungen mit 'Blech' (99), unter denen Bleah(manns)karl,
Blechkopf, Blechmütze,
Blech-
kappe durch Häufigkeit auffallen. - Auf die Pickelhaube bezieht sich auch die Bezeichnung Helmut
(15) im Raum Berlin, die in für
Berlin typischem Witz als Weiterführung einer vergleichenden Spottbezeichnung - in diesem Fall Helmhut - den Sinn der AbleiQ
tung erst durch Überlegung erkennbar macht . - Daß einige vor allem nördlich des Mains verstreute Teckel, Deckel
(28) mit der
Pickelhaube in Verbindung zu bringen sind, ist unwahrscheinlich. Die überragende motivbildende Kraft der Pickelhaube hat mehrere Ursachen. Wichtiger noch als das bereits erwähnte auffällige Erscheinungsbild sind die relativ lange Zeit ihrer Geltung und q die symbolische Bedeutung, die sie gewann . Als 184 2 der Tschako in der preußischen Armee durch die Pickelhaube ersetzt wurde, war es infolge des zwischen Armee und Polizei bestehenden Zusammenhangs selbstverständlich, daß Stadtpolizei und Landgendarmerie ihn übernahmen. Nach einem kurzen Zwischenspiel von Filzzylindern 1848 bis 1850 wiedereingeführt, weil sie sich bei den Straßenkämpfen der 1848er Revolution besser bewährt hätte, wurde die Pickelhaube schon bald das - vielgehaßte und oft karikierte - Symbol für preußische Zucht und Ordnung. Das hatte zur Folge, daß die anderen deutschen Staaten nur zögernd in der Übernahme folgten. 1871 wurde aber die Pickelhaube in so gut wie allen deutschen Ländern getragen und trat von Deutschland aus den Siegeszug über die ganze Welt an. Im Verlauf des Ersten Weltkrieges wurde sie bei der Polizei zunächst durch die Mütze und dann durch den Tschako ersetzt, der um 1930 voll in Geltung war. Das Verbreitungsbild aller in diesem Zeitraum auf die Pickelhaube zurückgehenden Bezeichnungen kann aus dieser Entwicklung erklärt werden. Es ist sicher die Folge der zögerlichen Übernahme durch die anderen Länder, daß sie sich auf Deutschland nördlich des Mains beschränken. Bemerkenswert ist auch, daß es der immerhin schon 10 Jahre getragene Tschako zu nur 10 - zumeist verstreuten Dazu GERDA GROBER-GLÜCK, Berlin als Innovationszentrum von metaphorischen Wendungen der Umgangssprache (Zeitschrift für deutsche Philologie 94, 1975, S. 321-367) S. 351ff., Karte 24. Dazu und zum Folgenden: ERICH RADECKE, Geschichte des Polizei-Tschakos, Hilden 1981, S. 7-50.
140
Gerda Grober-Glück
Belegen gebracht hat. Die Pickelhaube, 1930 schon ebenso lange außer Dienst, wirkte mächtig nach. Für den Konservatismus der Sprache, die am Wort festhält, obwohl die Sache geschwunden ist, liegt hier ein neues Beispiel vor'"'. 2. Die Uniform: Rock, Säbel (Abb. 2). a) Unter den Farben des Uniformrockes dominieren mit 514 Belegen die von grün abgeleiteten Bezeichnungen des Gendarms vor den 236 Belegen Blauer u.ä. als Bezeichnung des städtischen Schutzpolizisten. Das entspricht dem Übergewicht der ländlichen Orte im bearbeiteten Gebiet. Wie die Pickelhaube geht auch diese Unterscheidung auf preußische Anordnungen zurück^. 1809 wurde hier der dunkelblaue Uniformrock nach soldatischem Muster eingeführt. Mit Verfügung von 1812 kam es zur Bildung eines 'Korps Gendarmerie1 für den Polizeidienst in den ländlichen Bezirken; die Farbe des Uniformrockes war dunkelgrün. Auch hierin folgten die deutschen Mittel- und Kleinstaaten nach. Die Farbaufteilung hatte Geltung über 1918 hinaus. Das Schwerpunktgebiet der Bezeichnung Blauer ist bestimmt durch die Städte Berlin, Wittenberg, Dessau, Halle. Kleinere Konzentrationen gibt es im Raum Köln/Bonn und in Oberschlesien. Verstreute Belege beschränken sich auf Deutschland nördlich des Mains. Das gilt mit wenigen Ausnahmen auch für Zusammensetzungen mit blau wie blauer Pinn, blaues Wunder, Blaujackl,
Blaugesotte-
ner usw. - Die Bezeichnung Grüner teilt mit Blauer das mitteldeutsche Schwerpunktgebiet, allerdings ist die Intensität stärker und die Ausstrahlung nach allen Seiten größer; sowohl in Ostpreußen wie in Schlesien werden die Staatsgrenzen erreicht. Stärker ist auch die Konzentration im Raum Köln/Bonn. Abweichend von der Bezeichnung Blauer ist Grüner in Oberfranken, Niederund Oberbayern gut belegt und hat hier die Regionalvarianten Grünspecht und Grünling ausgebildet, im Unterschied zu Deutschland nördlich des Mains, das die Motive Grünroak, Grünling und Grünspecht nur in Streulage kennt. Einzelmotive häufen sich in Niedersachsen und in Bayern südlich der Donau, darunter z.B. grüner Hering, grüne Gefahr, grüner Junge; Grünwedel,
Grünhuber,
Der bekannte Sachverhalt des Sprachkonservatismus konnte aus dem ADVMaterial auch mit einem anderen Beispiel belegt werden: GERDA GROBER-GLÜCK, Wortverbreitung/Sachverbreitung. Eine methodische Untersuchung am Beispiel der Heiratsvermittlung im Rheinland (Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 25, Jg. 1979/80, S. 268-275). 11
RADECKE (wie Anm. 9) S. 13ff.
Spottbezeichnungen des Polizisten
Abb. 2
141
142
Gerda Grober-Glück
grünes Mäntelahen,
grüner Schutzengel.
- Der [grüne] Laubfrosch
hat sich als Regionalmotiv nur wenig durchsetzen können. Das betrifft auch andere Uniformfarben, die wahrscheinlich auf farbig abgesetzte Teile wie z.B. den Kragen zurückgehen. Im östlichen Franken und Niederbayern begegnen 10 Belege zweierlei Tuch, im Bayerischen Wald drei Belege Rotkehlchen. b) Wenig Anreiz zur Motivbildung gab der Säbel, obwohl er 12
auffallend und stattlich genug war. Mit 15 Belegen Plempe treten Berlin und Umgeb\}ng deutlich hervor. - Unter 2 5 Zusammensetzungen mit Säbel kommt es nur am obersächsischen Gebirgsrand zu einer kleinregionalen Verdichtung mit Säbelignaz, Säbelse ff. Hier und mehr noch im Bayerischen Wald begegnen in wenigen Be13 legen Latte , Lattenseff, Lattenheinrich; weitere 11 Zusammensetzungen mit Latte liegen verstreut im gesamten Gebiet: Jan mit der Latte, Lattenmichel,
Latten Willem seien als Beispiele
genannt. Unter verstreuten Zusammensetzungen mit Säbel sind Bezeichnungen wie Säbelmann, Säbelotto, Säbelraßler,
Säbel-
schulz zu finden. - Der nach dem Ende des Ersten Weltkriegs eingeführte Knüppel hat bis auf vier pfälzisch-nordbadische Knüppel nur in Streubelegen wie Gummiknüppel, Gummiknüppelheld
Ordnungsknüppel3
Niederschlag gefunden.
3. Verschiedenartige abwertende Motivationen (Abb. 3, 4) a) Eine größere Zahl wenig regionalintensiver Motive nimmt Bezug auf amtliche Verrichtungen des Polizisten. Berlin als Innovationszentrum lassen Greifer
(45) und Abführmittel
14
(33)
erkennen. Für beide Motive ist darüberhinaus Streuung im Gebiet nördlich des Mains charakteristisch. Abführmittel, blau eingewickeltes oder gefährliches Abführmittel,
auch
ist ein
Beispiel für den Berliner Witz kennzeichnenden Umgang mit der Doppeldeutigkeit von Begriffen. - Mit dem Wortinhalt von Greifer verwandt ist das südwestdeutsche Klammhaken 12
Nach KLUGE - MITZKA (wie Anm. 6) S. 555 ist Plempe 1664 als wehr' bezeugt und gehört zum Zeitwort plampen 'baumeln'.
(17)^, von 'Seitenge-
13 Schwäbisches Wörterbuch. Auf Grund der von ADALBERT VON KELLER begonnenen Sammlung hg. von HERMANN FISCHER, Bd. 2-5 bearb. unter Mitwirkung von WILHELM PFLEIDERER, 6,1 weitergeführt, 6,2 zu Ende geführt von WILHELM PFLEIDERER, Bonn/ ab Bd. 2 Berlin 1904-1936, 4, S. 1015 aus dem Rotwelsch stammende Bezeichnung für das Seitengewehr. 14 GROBER-GLCJCK (wie Anm. 8) S. 351, Karte 23. 15
Nach FISCHER (wie Anm. 13) 4, S. 442 bedeutet Klcarmhaken soviel wie 'Klammer' im nhd. Sinn. Klamm ist die Bezeichnung einer Zange zum Verbinden der Balken.
Spottbezeichnungen des Polizisten
Abb. 3
143
144
Gerda Grober-Glück
Abb. 4
Spottbezeichnungen des Polizisten
145
einem Gewährsmann auf ein Maurergerät zurückgeführt. Auf Süddeutschland beschränkt sind auch Bettelleutsfanger, Bettelleut16
sehuoker
. Belege wandeln ab in Bettelwe-Cberpaaker, Bettelleut-
treiber, Bettelleutsahreiber
(zs. 28). Sohuaker (12) begegnet
in Bayern auch allein. - Inhaltlich verwandt sind Lumpensammler (14), Spitzbubenfänger (4), Eandwerksbursohenfänger
(1), Leute-
fänger (1). Zu weiteren verstreut vorkommenden Zusammensetzungen 17 mit -fänger (zs. 25) gehören 13 Belege Hundefänger
. - Im West-
fälischen ist eine leichte Konzentration von Paakan (7) festzustellen. - Im mecklenburgisch-vorpommerischen Grenzgebiet begegnet Knieper (4), im gesamten Gebiet verstreut Schnüffler (8). - Charakteristisch für das ostthüringisch-obersächsische Grenzgebiet sind Haltmiohfeste (9) und Hasahmiah (13). - Pannemann, Pänder (16) im Umkreis des Harzes geht auf die Tätigkeit des Pfänders zurück und ist eine verbreitete Bezeichnung für den 18 Gerichtsvollzieher b) Eine Reihe weiterer zumeist deutlich abwertender Bezeichnungen läßt keinen direkten Bezug auf das Opfer erkennen. An erster Stelle ist der Putz (961) zu nennen, der die größte Regionalintensität aller Motive, und zwar im Umkreis von Hamburg, erreicht und besonders im westlichen Deutschland, aber auch in Schlesien gut bekannt ist. Zwei Deutungen sind möglich: die Ableitung von zigeun. pust 1 'Spieß' und die Zurückführung 9 1 auf putzen 'hetzen, scheuchen . - Ein weiteres Motiv in Hamburg und Umgebung, aber ohne die Strahlkraft des Putz, ist die Bezeichnung Ud(e)l (33). Sie wird auf Ul 'Eule' als Bezeichnung des Nachtwächters zurückgeführt und ist vielleicht durch den Warnruf der Straßenjugend "Achtung! Udl! Udl!" im allgemeinen 16
Bayerisches Wörterbuch, 1 und 2, hg. von ANDREAS SCHMELLER, 4. Neudr. der von GEORG KARL FROMMANN bearb. 2. Ausg. München 1872-77. Mit der wissenschaftl. Einleitung zur Ausg. Leipzig 1939 von OTTO HÄUSER. Und mit einem Vorwort von 1961 von OTTO BASLER, München-Wien 1983, 2, S. 369f. erklärt sahuaken als "mit kurzem Schwung in Bewegung setzen, werfen".
17 Die Bezeichnung ist sicherlich zurückzuführen auf die der Polizei übertragene Kontrolle der Hundesteuermarken und beim Landgendarm evtl. auf das Einfangen wildernder Hunde. 18 GROBER-GLÜCK, 1980 (wie Anm. 4) S. 344; Karte 8, S. 357. 19 Nach Belegen aus dem Archiv des Hamburgischen Wörterbuches, für deren Übermittlung ich Herrn St.-Dir. A. Heer sehr zu danken habe, und Schleswig-holsteinisches Wörterbuch, Bd. 1-4, hg. von OTTO MENSING, Neumünster 1927-1935, 2, S. 1160. Die Ableitung von Butze(n)mann 'Larve, Vogelscheuche, Kinderschreck 1 wird abgelehnt.
Gerda Grober-Glück
146
Gebrauch gekommen^. - Für die Bezeichnung Spitzel
(102) ist eine
Entstehung in Anklang an die Helmspitze (s.o.) nicht auszuschließen; in der Bedeutung besteht aber kein Zusammenhang. Die Belege konzentrieren sich vor allem in Bayern südlich der Donau, hier oft in der Zusammensetzung Polizeispitzel.
- Süddeutschland
fällt durch weitere pejorative Bezeichnungen auf: Gemeindedepp 21
(12), Schmiev(es) , Sahmierlapp (10), des Sohulzen Kuh u.a. (8), 22 23 Ortspippel (4) , Scherg(e) (3) . - Die Bezeichnung Eckensteher (37) wurde nach 1920 als Spottname des Straßenpolizisten über24 nommen . Der im 19. Jh. in Berlin so genannte Dienstmann und Gelegenheitsarbeiter, der z.B. Gepäck trug, Möbel karrte, Wäsche rollte und sich durch Faulheit, immerwährenden Durst, handfesten Witz und Lust am Prügeln auszeichnete, ist vor allem durch A. Glaßbrenners Darstellung Berliner Typen bekannt geworden 25 ; der 'Eckensteher Nante1 gehört zu den "berühmtesten Figuren", die er 26
in die Literatur einführte
. Grund der Übertragung der Bezeich-
nung auf den Polizisten war wohl allein die Tatsache, daß er auf den Straßen ähnlich häufig zu sehen war. - In Westpreußen und südwestlichem Ostpreußen begegnen die drei kleinstregionalen 27 BeZeichnungen Scha(u)ter (6), Sahien(ahen) (16) und Vtz (5) , in
der Pfalz das ebenfalls kleinsträumige Bill (6) 2 8 . - Die heute so 29 geläufige Bezeichnung Bulle findet sich lediglich dreimal in ^
21
Nach Belegen des Archivs des Hamburgischen Wörterbuchs (wie Anm. 19). In der 'Hamburger Morgenpost 1 vom 13.11.1969 heißt es in einem "Tschüß, Tschako" überschriebenen Artikel: "Jeder Udl, der ihn [den Tschako] zur Erinnerung behalten will, kann ihn für den Schätzwert von fünf Mark käuflich erwerben". Nach RADECKE (wie Anm. 9) S. 125. Nach FISCHER (wie Anm. 13) 5, S. 1002 heißt in der Gauner- und Verbrechersprache die Polizeiwache Schmir, eine Ableitung von hebr. sahamar 'bewachen '.
22 Zu Pöpel = 'vermummte, dicht eingehüllte Person, Popanz', wie SCHMELLER
(wie Anm. 16) S. 400 zu Pippl anführt ? 23 Lt. KLUGE - MITZKA (wie Anm. 6) S. 644 seit dem 13. Jh. besonders bairischösterreichische Bezeichnung für Gerichtspersonen, vom Amtsvorsteher bis zum Henker. Seit dem 16. Jh. gilt Scherge als strafbares Schimpfwort. 24 HEINZ KÜPPER, Worterbuch der deutschen Umgangssprache, Bd. IV: Berufsschelten und Verwandtes, Hamburg 1966, S. 78. 25
26
ADOLF BRENNGLAS (= GLASSBRENNER), Berlin, wie es ist - und trinkt, 1. Heft, Leipzig 9 1841, S. 5-32: Eckensteher. Nach dem Urteil von PETER SCHLOBINSKI, Berlinisch für Berliner und alle, die es werden wollen, Berlin 1984, S. 30f.
29 27 Erklärung ist war nicht beizubringen. 28 Eine Zu Steinpickel, Scharfhaue nach FISCHER (wie Anm. 13) 1, S. 1115 Ortsbulle ? Sehr geläufig lt. ADV-Fr. 239c um 1930 die Spottbezeichnung bzw. Gemeindebulle für den Gemeindevorsteher. Eine spätere Übertragung des Grundwortes auf den Polizisten erscheint möglich.
Spottbezeichnungen des Polizisten
147
und um Berlin. - In Ostfriesland gibt es drei Zusammensetzungen mit Götje - Stipin't Götje, Götjekieker
- , die vielleicht mit
Kontrollfunktionen über ablaufendes Wasser zu erklären sind^®. Die drei Belege Rakov am unteren Main könnten mit rakusen 31 nig poltern, wütend schimpfen' in Zusammenhang stehen 4. Ironische Überhöhung
' zor-
(Abb. 5)
Insgesamt 417 Belege bringen im Unterschied zur in der Regel üblichen Abwertung Spott in Gestalt ironischer Überhöhung zum Ausdruck. Alle einschlägigen Motive übertrifft mit der Zahl von 230 Belegen das Auge des Gesetzes,
selten auch Hüter bzw.
Mann
des Gesetzes genannt. Die Belege lassen im bearbeiteten Gebiet nur wenig größere Lücken; leicht erhöhte Konzentration ist im Raum Berlin anzutreffen. - Fast nur südlich des Mains begegnet Polizeirat
(81) mit größerer Verdichtung im Rhein-Main-Gebiet. -
Zwischen Mainz und Frankfurt fallen sechs Belege auf. - Wenige Angaben Nachtrat
Ortsgewaltiger
(8) beschränken sich - in Streu-
lage - auf das östliche Mitteldeutschland in Anlehnung an Nachtwächter
(Abb. 8). Der Schutzengel
(28) kommt außerhalb der ange-
gebenen Verbreitung noch verstreut in Nordwestdeutschland vor; im süddeutschen Hauptverbreitungsgebiet ist grüner
Schutzengel
recht geläufig. Bei rund 30 selten oder einmal belegten Einzelmotiven (Belegzahl 54) ist regionale Ausprägung nicht erkennbar. Zu ihnen gehören z.B. Kriegsminister, rat, Kriminalbeamter, Aufsichtsrat,
Polizeipräsident,
der Herr Gestrenge,
die höhere
Ordnungs-
Gewalt,
Kraft meines Amtes, Sicherheitskommissar,
hohe Be-
hörde . 5. Spielformen und Zusammensetzungen bei Polizist und Gendarm (Abb. 6, 7) Die neutralen Berufsbezeichnungen Polizist und Gendarm 30
32
Von den Bedeutungen, die MENSING (wie Anm. 19) 2, S. 458f. anführt, kommen infrage: Gosse, Rinnstein, Abflußloch in der Küchenmauer, enge Gasse.
31 Rheinisches Wörterbuch, bearb. und hg. von JOSEF MÜLLER, Bd. 1-6, bearb. und hg. von DEMS., Bd. 7, unter Mitarbeit von MATTHIAS ZENDER UND HEINRICH DITTMAIER, Bd. 8, bearb. von JOSEF MÜLLER unter Mitarbeit von HEINRICH DITTMAIER, hg. von KARL MEISEN, Bd. 9, nach den Vorarbeiten von JOSEF MÜLLER, bearb. von HEINRICH DITTMAIER, Berlin 1928-1971, Bd. 7, S. 42. Andere Deutungsmöglichkeiten erbringen Bezüge zu Racker 'Abdecker, Scharfrichter'; racken 'sich anstrengen, jem. ärgern'; rackern 'sich eilig bewegen'; Rackert 'rauher Mensch, Schinder 1 (ebda.) 32 Nach KLUGE - MITZKA (wie Anm. 6) S. 247 war gens d'armes in Frankreich und Preußen die Bezeichnung der schweren Reiterei. In der Französischen Revolution wurde sie für die 1791 gegründete Polizeitruppe übernommen. Als Landpolizist fand der Gendarm seit 1809 Aufnahme in die deutschen Staaten.
148
Gerda Grober-Glück
Abb. 5
Spottbezeichnungen des Polizisten
Abb. 6
149
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Gerda Grober-Glück
Abb. 7
Spottbezeichnungen des Polizisten
151
erfahren im Berufsspott mannigfache Laut- und Silbenveränderungen. Bildungen dieser Art sind für diese Berufsbezeichnungen charakteristischer als Zusammensetzungen. a) Im Falle des Polizisten fällt der Gegensatz von Motivarmut nördlich des Mains und süddeutschem Motivreichtum auf; er kommt, weniger stark, auch bei den Einzelmotiven zum Ausdruck. - Den über die Gauner- und Studentensprache um 1850 in die Umgangs33 spräche eingedrungenen Polyp (318) haben Assoziationen zu den Greifarmen des Polypen (Tintenfisches) sicher mitbestimmt. Die Bezeichnung ist in Nord- und Mitteldeutschland wesentlich häufiger als im Südwesten. In Bayern kommt sie kaum vor. - Als Kurzform von Polizist ist thüringisch-sächsisches Zist (16) zu 34 deuten . - Die im Raum Köln/Bonn nur sechsmal belegte Bezeich35 nung Polis ist das wichtigste Motiv im fränkisch-schwäbischen Süddeutschland
(80); besonders auffällig ist die Konzentration
am mittleren Main. Das Wort, manchmal auch Police geschrieben und mit Akzent auf der zweiten Silbe versehen, wurde aus dem Französischen übernommen, Ausdruck des 3Ansehens für das, was in 6 Frankreich hinter diesem Begriff stand . In Süddeutschland mit Ausnahme Bayerns südlich der Donau sind Polli bzw. Polle, Bolle mit 89 Belegen anzutreffen. - Charakteristisch für Ober- und 37 Niederbayern mit Einschluß der Oberpfalz ist Politiv (58) . Weitere Spielformen sind im ganzen bearbeiteten Gebiet zu finden, in Süddeutschland aber mehr als nördlich des Mains. Pulledrei, Porzellei, Popelzist, Polanser, Polinke, Polidanze, deiser, Polive, Polaoki seien
Poli38
als Beispiele herausgegriffen
Unter den im Vergleich zu diesen Spielformen selteneren Zusammensetzungen ist an Regionalmotiven neben den bereits erwähnten Nach KLUGE - MITZKA (wie Anm. 6) S. 559 setzte sich Polyp, seit Aristoteles Bezeichnung des Tintenfisches, in der Studentensprache um 1850 durch. In der Gaunersprache ist seit 1818 Polipee für Polizei bezeugt. 34
Nach dem Wörterbuch der obersächsischen und erzgebirgischen Mundarten, hg. von KARL MÜLLER-FRAUREUTH, Bd. 1 und 2, unveränd. Nachdr. der Ausgabe Dresden 1911-14, Leipzig 1968, 2, S. 709, ist Ziste eine Kurzform von
Poliziste.
35
FISCHER
(wie Anm. 13) 1, S. 1274.
Nach MELCHER (wie Anm. 6) S. 51 war der französische Einfluß auf das deutsche Verständnis von 'Polizei' im 14. und 15. Jh. bedeutend. Übernommen wurde z.B. auch der Begriff der 'bonne police' im Sinne von 'Wohlstand des gemeinen Wesens'. FISCHER 38
(wie Anm. 13) 1, S. 1274. - Angleichung an Detektiv
?
Die Bezeichnung Polente wird im ADV-Material oft genannt. Sie wurde hier nicht aufgenommen, weil damit die Polizei und nicht der Polizist bezeichnet wird.
Gerda Grober-Glück
152
Polizeirat
(Abb. 5) und Polizeispitzel
(Abb. 4) nur noch eines
zu nennen: Neben Einzelbelegen in ganz Süddeutschland erscheint in Nordbaden häufig Polizeidreizehner
(57). Als Dreizehner konn-
ten sowohl Mitglieder der im Mittelalter bekannten ständischen Ausschüsse von zwölf Räten und einem Landhofmeister wie auch die des Dreizehnergerichts, das unter Vorsitz des Stadtammanns Zivilsachen erledigte, bezeichnet werden. Der Polizist erwarb sich diese Bezeichnung wohl als Bote oder Mitglied dieses Ge39 richts . - Häufiger als regional kumulierende Zusammensetzungen sind Einzelmotive wie z.B. Polsatan, Polizeihund, Polizeiauge, Pollemann, Polizeiparagraph, Porzellinheinriah, Polizeiaugust, Polizeitiegel, Polidreizähler, Polimoppel, Polidaokel, Polibock, Polizeiwedel. - Angefügt sei, daß auch die neutrale Berufsbezeichnung Schutzmann, die an Häufigkeit hinter Polizist zurücktritt, einige Spielformen aufweist, so Schutzer in Südostthüringen, Schutz im Bodenseegebiet, Sahutzky im Raum Hannover. Zusammensetzungen lauten z.B. Schutzkieker, Schutzmannsnickel. b) Die Häufigkeit der Spielformen beim Gendarm erreicht die beim Polizisten nicht. Einbezogen sind in diesem Fall auch Gebiete in Nord- und Mitteldeutschland, während der westliche Teil Süddeutschlands ausfällt. Im Nordwesten, zwischen Köln und Münster, sind Formen wie Schanditz, Schandittken, Standitz bekannt (12); Oberschlesien fällt mit Schandara (25) auf. Bayern südlich der Donau kennt Schandi (3 2) und Schandari (10). Hier und nördlich davon treffen wir Schande (7) und Schani (11) an. An nur einmal belegten Spielformen seien Schandrich, Schandärbe, Schander (s), Schandi genannt. Unter den Zusammensetzungen fällt die Umdeutung von Gensdarm in Gänsedarm auf. Sie findet sich südlich von Berlin (8) und dann wieder im östlichen Franken und in Bayern südlich der Donau (17). Der Darm spielt auch in Einzelmotiven eine Rolle, so z.B. bei Schan -darmenscheißer, Langdarm und wahrscheinlich auch bei Schuckeldärm. - Als Zusammensetzung mit Deckel 'Helm' ist Schandeckel (11) im obersächsisch-thüringischen Grenzgebiet und nördlich davon anzusehen. - Südlich von München begegnen Schandimuckl
(7) und Schandimichel (2). - Ein-
zelmotive lauten z.B. Putzgendarm, Schietgendarm, Schandudel, Schandussel, Schandonkel, Gendarmenstiefel; auch das Wortspiel Stadtarm ist zu nennen. 39
Fischer
(wie Anm. 13) 2, S. 365. Vgl. Anm. 40.
Spottbezeichnungen des Polizisten 6. Veraltete
Berufs- und Militärbezeichnungen
153
(Abb. 8)
a) Das im Berufsspott bekannte Mittel, durch die Wahl veralteter Berufsbezeichnungen den Berufsträger in komisches Licht zu rücken, wird auch beim Polizisten angewendet. Dem Bearbeiter bereitet die Unterscheidung von veralteten und 1930 noch üblichen, also neutralen Berufsbezeichnungen Schwierigkeiten, weil die Gewährsleute manchmal
neutrale eintrugen, wenn sie Spottnamen
nicht kannten. Als neutrale Berufsbezeichnungen bleiben im Text und auf den Abbildungen unberücksichtigt: Polizist, Gendarm, Schutzmann, Sipo, Schupo, Gemeindediener, Amtsdiener, Polizeidiener und einige selten vorkommende Bezeichnungen wie Ratsdiener, Ortsdiener, Stadtknecht, Schulzenknecht, Stadtmeister. Unter den veralteten Zivilbezeichnungen fällt vor allem der 40 Büttel (308) auf , der besonders im Südwesten, aber auch in Obersachsen mit Ausstrahlung nach Westmitteldeutschland gut bekannt ist. Als Gerichtsbote konnte er den Amtmann beim Dreizehnergericht vertreten 41 . - Der Bote (23), nach Wortherkunft 42 und Funktion mit dem Büttel verwandt , aber nicht mit dessen Nimbus von Amtsgewalt umgeben, wird - sehr viel kleinräumiger nordwestlich von Köln und in Südwestdeutschland genannt. - Für Südthüringen und den obersächsischen Gebirgsrand sind Nachtwächter (24) neben Wächter und Zusammensetzungen wie Tagwächter, Tag- und Nachtwächter,
Bettelwächter (zs. 20) charakteristisch.
In der Pfalz sind Nachtwächter und Wächter in geringer Intensität (7) bekannt. In Südwestdeutschland finden wir Wächter und Ableitungen wie Wachtei, Wachtl, Wachmann im südlichen Schwarzwald (6) und in Oberbayern (5). Frühere Ausübung der Nachtwache dürfte als Motivation eindeutig sein. - Im Fichtelgebirge und anschließenden Oberfranken, aber auch sonst ver43 einzelt, wird der Bettelvogt genannt. Hier kommt die Aufgabe 40
Nach KLUGE - MITZKA (wie Anm. 6) S. 115 abgeleitet von bieten. Der Büttel ist ursprünglich ein Beamter, der im Namen des Richters die Pflichtigen zu Gericht und Versammlung entbietet.
41 Nach FISCHER
(wie Anm. 13) 1, S. 1561f. - SCHMELLER
(wie Anm. 16) 1,
S. 310 verzeichnet Büttel 'Gerichtsbote'. 42 Nach KLUGE - MITZKA (wie Anm. 6) S. 93 Nomen agentis von und Gebote auszurichten war sein Amt. 43
bieten.
Entbieten
Nach MÜLLER-FRAUREUTH (wie Anm. 34) 1, S. 93 ist Bettelvogt die Bezeichnung des Ortspolizisten. Als Spottnamen führt er (ebda.) Bettelwäßhter an. - FISCHER (wie Anm. 13) 1, S. 968 gibt dafür 'Polizeidiener, Ausscheller 1 an.
154
Gerda Grober-Glück
Abb. 8
Spottbezeichnungen des Polizisten
155
zum Ausdruck, Bettler zu beaufsichtigen und evtl. vom Ort fernzuhalten; erinnert sei an Bettelleutsfänger u.ä. - Zwei Belege Gemeindevogt im gleichen Gebiet haben im Hinblick auf die höhere 44 Verwaltungsfunktion eines Vogtes sicherlich keine wertneutrale Bedeutung. - Die in Baden und in der Pfalz, aber auch in Westthüringen begegnende Bezeichnung Schütz(e) kann sich sowohl auf den Büttel des Ortes wie auf die für 45 die Markung bestellten Hüter - den Feldschütz z.B. - beziehen b) Die Verwendung militärischer Bezeichnungen für Polizist und Gendarm ist einzusehen, wenn man bedenkt, daß nach dem später von ganz Deutschland befolgten preußischen Muster Polizei und Gendarmerie aus der Armee hervorgingen; bis nach 1918 waren ihre Angehörigen keine Beamten, sondern "Personen des Soldaten46 standes" . Die Berufsbezeichnung Jäger oder Landjäger für den Gendarm illustriert diesen Zusammenhang besonders gut. Ob er bei niedersächsischem Dragoner und vorpommerischem Husar in gleicher Weise gegeben ist, müßten spezielle Untersuchungen erweisen. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang einige Belege (3) und Sergeant (2) im Kölner Raum und 47 die Einzelmotive Stadtsoldat in Vorpommern und Konstabier in Ostpreußen. Dorfsoldat
Das in Schlesien gut bekannte Spieß (35) wurde wegen seiner Militärzugehörigkeit auf Abb. 8 übernommen. Das Wort ist keine neutrale Berufsbezeichnung des Hauptfeldwebels, hat aber durch seinen hohen Bekanntheitsgrad halboffiziellen Charakter. - Daß sich die Bezeichnungen militärischer Herkunft auf preußisches Gebiet beschränken, ist im Hinblick auf die mehrfach erwähnte preußische Führungsrolle kein Zufall. III.
Ergebnisse
im
Vergleich
Verglichen mit den eingangs erwähnten bereits bearbeiteten sechs Berufen steht der Polizist mit 8.100 Belegen an fünfter Stelle vor dem Gerichtsvollzieher und dem Dienstmädchen. Diesem 44
Nach KLUGE - MITZKA (wie Anm. 6) S. 8 2 4 f . Ableitung von mlat. VOOatus. Der Vogt vertrat Rechtsunfähige vor Gericht. Von mit Verwaltungsaufgaben betrauten Adeligen nahm die Bezeichnung ihren Weg in die Stadt (Stadtrichter = Stadtvogt) und von da auf die Dörfer: MÜLLER-FRAUREUTH (wie Anm. 34) 2 , S. 6 2 4 . - In Schleswig-Holstein ist z.B. um 1930 Burvogt als Bezeichnung des Ortsvorstehers bekannt (ADV-Frage 2 3 9 c ) .
4 5
FISCHER (wie Anm. 13)
46
5 , S.
RADECKE (wie Anm. 9) S.
1215.
21.
Früher die Bezeichnung des Geschützmeisters auf Kriegsschiffen und des Unteroffiziers bei der Artillerie, heute in England und in den USA ein Name für den Polizisten.
156
Gerda Grober-Glück
Rang entspricht auch die Zahl der Motivgruppen und Motive. Wenn man berücksichtigt, daß sich im Unterschied zu den traditionellen Handwerkerberufen die Spottbezeichnungen des Polizisten in wesentlich kürzerer Zeit entwickelt haben, ist das im Spott bekundete Interesse an diesem Beruf beachtlich. In der Motivation der Spottbezeichnungen fällt auf, welch vorrangige Rolle das äußere Erscheinungsbild spielt. Die Belegzahlen der Motive, die sich auf die Uniform, d.h. Helm, Uniformrock und Waffe beziehen, bestreiten mit der Summe 4.238 mehr als die Häfte der Gesamtzahl der Belege, wobei der Pickelhelm fast drei Viertel dieser Summe auf sich zieht. Die Tätigkeit des Polizisten wird mit rund 260 Belegen demgegenüber sehr wenig in Spott umgesetzt, obwohl eine größere Beachtung polizeilicher Aktivitäten gut vorstellbar wäre. Bei Handwerkern wie z.B. Bäcker und Friseur liegen die Prioritäten gerade umgekehrt. Eine Besonderheit, die in gleicher Weise bei keinem der bearbeiteten Berufe begegnet, sind die Spielformen bei 'Polizist' und 'Gendarm'. Ob hier ein verniedlichendes, euphemistisches Bemühen gegenüber einer 'höheren Gewalt' mit im Spiel ist, wäre als Frage aufzuwerfen. Die mit allem Berufsspott verbundene Abwertung hält sich in Grenzen und kennt keine so bitterbösen Ausbrüche wie beim Gerichtsvollzieher. Daraus Schlüsse auf kein ganz schlechtes Auskommen mit den Hütern der öffentlichen Ordnung, auf die Anerkennung ihrer Funktionen im öffentlichen Leben zu ziehen, erscheint nicht abwegig. Ironische Überhöhungen wie Auge
des Gesetzes,
Polizeirat,
Schutzengel und dergleichen halten sich im Rahmen des Üblichen. Das Gleiche gilt für das Aufgreifen veralteter Berufsbezeichnungen. Erhärtet wird die im Berufsspott vielfach belegte Tatsache, daß die Umgangssprache als Produzent und Verbreiter von Motiven stark beteiligt ist. Das tritt besonders in Deutschland nördlich des Mains zutage, wo die Umgangssprache sowohl großräumigen Ausgleich bewirkt wie auch reichere Motivik entwickelt. Vor allem 48 im "Ausgleichsgebiet der deutschen Mitte" , das von den Ländern Brandenburg (Berlin), Sachsen-Anhalt, Obersachsen und Ostthüringen oder Teilen von ihnen gebildet wird, gibt es viele Orte, die mehr als drei, und solche, die bis zu sechs Motiven nennen. Das nahezu 48
GROBER-GLÜCK, 1974 (wie Anm. 4) I, § 288.
Spottbezeichnungen des Polizisten
157
ganzräumig verbreitete Auge des Gesetzes oder der von den Städten aus verbreitete Polyp haben nördlich des Mains ihre Schwerpunkte. Für den Raum Berlin bestätigt sich die vielfach bezeugte umgangssprachliche Innovationskraft in einem Eigenbestand von Motiven. Hamburg tritt mit drei z.T. hochintensiven Motiven als Verbreitungszentrum in Erscheinung. Hinsichtlich einzelner Landschaften ist im Vergleich festzustellen: Relativ wenig tritt der sonst meist sehr gut belegte linke Niederrhein hervor, stark dagegen wie stets das "Ausgleichsgebiet der deutschen Mitte". - Auffällig und fast ohne Parallelen im sonstigen Material ist die starke Konzentration von Piakel und Zusammensetzungen an der mittleren Weser. - Westpreußen fällt durch den Eigenbestand von drei kleinstregionalen Motiven auf. - Süddeutschland zeigt vielfältige, wenn auch zahlenmäßig nicht allzu hoch belegte Motivik. Charakteristisch sind die Spielformen bei 'Polizist' und 'Gendarm' sowie ein Spottnamenbestand, der, sei es in pejorativer oder überhöhender Tendenz, deutlicher Bewertung zum Ausdruck bringt, als es in Nord- und Mitteldeutschland der Fall ist. In Bezug auf neutrale veraltete Berufsbezeichnungen deutet sich ein süddeutsches Ubergewicht der zivilen und ein nord-mitteldeutsches der militärischen an. In einem Teil der süddeutschen Motive zeichnet sich klar eine Abgrenzung von einem östlichen Teil, insbesondere Altbayern, und einem westlichen Teil ab.
KLAUS GRUBMÜLLER
Advoaatus:
füreprech
- vogt
-
advokat.
Beobachtungen an Vokabularien II
1. Rechtssprache ist nur bedingt Fachsprache. Die Bedeutung des Rechts für jede Gemeinschaft und jedes ihrer Mitglieder führt nicht nur zur Verwendung juristischer Begrifflichkeit (in der Form des Terminus und der Formel vor allem) in allgemeinsprachlicher Umgebung, sie hat solche allgemeinsprachliche Verankerung wohl zur Voraussetzung, will sie gesellschaftlich verbindlich werden. Damit ist der Konflikt zwischen dem durch Definition verabredeten Fachterminus und dem durch allgemeinen Gebrauch eingeübten gemeinsprachlichen 'Wort' für die Rechtssprache konstitutiv1 . Die Unterscheidung von "Rechtswörtern im engeren Sinn" ("die ohne eine rechtliche Beziehung in keiner Weise denkbar sind oder ein Rechtsverhältnis zur notwendigen Voraussetzung haben") und von "Rechtswörtern im weiteren Sinn" ("die zwar auch in anderer Beziehung gebraucht werden, aber in irgendeiner rechtlichen 2
Beziehung einen besonderen Sinn haben") ist heuristisch gewiß hilfreich, droht aber das grundsätzliche Problem zu verschleiern. Untersuchungen zur Rechtssprache und ihrer Geschichte werden es stets beachten müssen, nicht nur dann, wenn es um die Entschlüsselung von Rechtsverhältnissen und Rechtsbegriffen in ihrer Bedeutung für die Literatur geht (dies ist uns geläufig), sondern auch (dafür stehen Ruth Schmidt-Wiegands Arbeiten als Beispiel) wenn nach der Entwicklung der Fachterminologie selbst gefragt werVgl. RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Fremdeinflüsse auf die deutsche Rechtssprache (Sprachliche Interferenz. Festschrift für Werner Betz, hg. von HERBERT KOLB und HARTMUT LAUFFER, Tübingen 1977, S. 226-245) S. 226f.
2 Dazu kurz GERHARD KÖBLER, Deutsche Sprachgeschichte und Rechtsgeschichte (Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, hg. von WERNER BESCH, OSKAR REICHMANN, STEFAN SONDEREGGER, Bd. 1, Berlin-New York 1984, Sp. 56-70) Sp. 57.
Advocatus: fürsprech - vogt - advokat
159
den soll. Ich versuche das Verhältnis an einem Beispiel zu diskutieren, das durch historische Position und verläßliche Vorarbeiten günstige Voraussetzungen bietet. Der Bevollmächtigte im Prozeß verknüpft schon seiner Aufgabe nach die fachspezifisch gebundene Sphäre der Rechtsfindung und Rechtsausübung mit dem weiteren Umkreis der davon betroffenen Gesellschaft. Historisch treffen in dieser Person des Prozeßbevollmächtigten im späten Mittelalter zwei Rechtssysteme zusammen: das deutsche, das ihn grundsätzlich nur in - immer weiter ausgedehnten - Ausnahmefällen kennt, und das 'römische' mit seinen Vorformen vor allem im geistlichen Recht des Mittelalters, das den Prozeßvertreter zuläßt, aber in seinen Funktionen exakt differenziert und beschränkt. Die Uberlagerung der beiden Systeme während der Rezeptionszeit schlägt sich im Konflikt der Termini nieder, wie ihn Joachim 3 Dückert ausführlich dargestellt hat. Dückerts Untersuchung setzt freilich erst mit dem Jahr 1470 ein; das 14. und 15. Jahrhundert, die schon wichtige Akzente für die 'Rezeption' setzen, erfaßt er kaum noch; seine Befunde entnimmt er ganz überwiegend juristischen Fachtexten und Urkunden, anderes wird nur gelegentlich beigezogen . Ich versuche hier ergänzend und prüfend anzusetzen. Als Text-r material wähle ich Vokabularien des 14. und 15., am Rande auch noch einige des 16. Jahrhunderts. Sie vertreten ein allgemeinsprachliches Niveau, das sich durch den Bezug auf das Lateinische und die Verankerung im Unterricht als informiert und anspruchsvoll ausweist 4. 2. Johannes Melber, Verfasser des in Heidelberg auf Anregung des Theologieprofessors Jodocus Eichmann entstandenen und zuerst ca. 1477-1480 in Speyer gedruckten 'Vocabularius praedicancium'5 be^ 'Advokat'. Untersuchungen zum Einfluß des römischen Rechts auf den deutschen Wortschatz (Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache auf der lexikalischen Ebene [1470-1730]. Untersucht an ausgewählten Konkurrentengruppen unter Leitung von JOACHIM DÜCKERT [Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache 2] Berlin 1981, S. 263-310). Vgl. auch unten Nachtrag. 4 Vgl. dazu etwa KONRAD KUNZE, Textsorte und historische Wortgeographie. Am Beispiel Pfarrer/Leutpriester (Würzburger Prosastudien II. Untersuchungen zur Literatur und Sprache des Mittelalters [Medium Aevum 31], hg. von PETER KESTING, München 1975, S. 35-76). Vgl. FRANZ CLAES, Bibliographisches Verzeichnis der deutschen Vokabulare und Wörterbücher, gedruckt bis 1600. Hildesheim-New York 1977, Nr. 14-16; zu den handschriftlichen Fassungen, zur Entstehung und zum Autor künftig KLAUS KIRCHERT/DOROTHEA KLEIN, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2. Aufl. hg. von KURT RUH u.a., Bd. 6, Berlin-New York 1986. Zitat nach dem unfoliierten Exemplar der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt (Inc. oct. 335) durch freundliche Vermittlung von Klaus Kirchert, Würzburg.
160
Klaus Grubrrtüller
müht sich um eine präzise Ubersetzung und zugleich um eine sachliche Erläuterung der im Verfahren der geistlichen Gerichte verankerten und wohlunterschiedenen Positionen von Advocatus/Advooatia und Proaurator/Proauratio: Aduoaatus ein furspreah der für eins bitt. Eyn vogt. ein zugeruffter saoh trijber. aoram iudiae proaurator. Aduoaata ein vogtin ein für vel verSprecherin. vt maria die eim sin wort thut vnd gutiget vnd dar legt vff das aller best. Aduooatia furspreaherij. et fit in presentia veri aotoris. sed proaurator agit in absentia aotoris. Procuratio. sohaffenerei. außgebung vnd verwesen, vel diaitur officium saoh tribung. ooram iudiae et aotoris veri absentia. dum soilioet proaurator in curia rhomana mihi omnia expedit me absente. Sed aduoaaaia fit presente vero aotore. Proaurator. ein sahaffner. ein saoh treiber. vt effeotum aapiat. Melbers Erklärungsversuch zeigt im Schlaglicht die Schwierigkeiten, die sich in der Sache und in der Terminologie aus der Uberlagerung zweier Rechtssysteme am Ende des Mittelalters gerade für den ergeben, der - obgleich gebildet: lateinkundig und studiert - nicht fachwissenschaftlich versiert ist. Melber setzt den 'Advokaten' des geistlichen Gerichts mit dem fürspreah des deutschen weltlichen Rechts gleich - terminologisch, aber dann auch, in fehlerhafter Übertragung des deutschen Wortinhaltes auf den lateinischen, seiner Funktion nach: - Der Fürsprecher "ist kein Prozeßvertreter, sondern er spricht nur an Stelle der Partei. Ob das gültig bleibt, was er sagt, hängt von der Zustimmung der Partei ab. Seine Tätigkeit setzt die Anwesenheit der Partei voraus. Er ist der Mund der Partei" 6 . - Der 'advocatus* des geistlichen Gerichts
tritt üblicherweise
gerade nicht vor Gericht auf: "Die Parteivertretung in den einzelnen Gerichtsterminen war Aufgabe der Prokuratoren, während die Klagschriften 7 und sonstigen Schriftsätze von den Advokaten verfaßt wurden" . - Melber kombiniert also (aus dem deutschrechtlichen Bereich) die ® GERHARD BUCHDA, Artikel 'Anwalt' (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, hg. von ADALBERT ERLER und EKKEHARD KAUFMANN, ab Bd. 2 unter philologischer Mitarbeit von RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Bd. 1 , Berlin 1971 , Sp. 182-191) hier Sp. 183. Vgl. ebd. (Sp. 1333-1337) zu Fürsprecher (HANS WINTERBERG). Dazu DÜCKERT (wie Anm. 3) S. 268-272. 7 KARL KROESCHELL, Deutsche Rechtsgeschichte 2 (1250-1650), Reinbek bei Hamburg 1973, S. 22. Vgl. auch BUCHDA (wie Anm. 6) Sp. 184.
161
Advocatus: fürsprech - vogt - advokat
Anwesenheit der Partei beim Auftritt des Fürsprechers mit dem (römischrechtlichen) Nicht-Auftritt des Advokaten vor Gericht zu der seltsamen Figur des Aduocatus eyn fürsprech, die nicht vor Gericht auftritt, aber bei ihrem Auftritt von der Partei begleitet sein muß. Daß die Konfusion über die Gleichsetzung der in zwei unterschiedlichen Rechtssystemen begrifflich verankerten c h e n
s p r a c h l i -
Termini vermittelt ist, wird noch darin sichtbar, daß
Melbers Sacherklärung für 'procurator* nicht in gleicher Weise verwirrt ist: das gewählte deutsche Äquivalent sach triber ist g terminologisch nicht belastet . 3.1. Johannes Melber ist in seiner Zuordnung von fürsprech zu 'advocatus' nicht originell; es ist dies eine Übersetzungsgleichung, die in der Vokabularliteratur vom späten 14. Jahrhundert an vertreten ist (wenn sie auch quantitativ hinter der Standardübersetzung vogt [s. u. 4] entschieden zurückbleibt): - Im 'Vocabularius optimus' (um 1328) des Johannes Kotman aus Luzern ist fürsprech im juristischen Kapitel (37: De pertinentibus ad iudicia) und im Abschnitt über die Schriftstellerei (Kap. 39: De ponitoribus
librorum) die einzige und durch die g gesamte Uberlieferung festgehaltene Glossierung . Unter den weltlichen Amtsträgern (Kap. 41: De dignitatibus
secularibus)
wird Advocatus dagegen mit vogt (daneben: todrihter,
büttel)
erläutert - Im 'Liber ordinis rerum' von ca. 1400 werden die sonst durchgängig festgehaltenen Standardübersetzungen der Langfassung (aduocate) und der Kurzfassung (voyt) in zwei stemmatisch und regional auseinanderliegenden späteren Einzelhandschriften (H 1: 2. Drittel 15. Jahrhundert, bair.-österr.; Wo 2: vor 1452, 11 nordnds.) durch vorsprecher ergänzt oder ersetzt - Im Vokabular des Straßburger Chronisten Jakob Twinger von Königshofen wird die von der Vorstufe im Closener-Wörterbuch Q
9
10
Die mhd. Wörterbücher verzeichnen ausschließlich den über LORENZ DIEFENBACHS Glossarium latino-germanicum (Frankfurt a.M. 1857) vermittelten Beleg aus Melber (S. 462 s.v. Procurator, Dr. 65). Einen weiteren Beleg bietet der 'Liber ordinis rerum' (vgl. Anm. 11) s.v. Actor (S. 110, Nr. 22). Zitate nach ERNST BREMER (Hg.), Vocabularius optimus. Edition und Überlieferungsgeschichte eines spätmittelalterlichen Vokabulars, Diss. masch. Marburg 1982, hier Nr. 37011 und 39056. Ebd. Nr. 41039. Vgl. auch VON OLBERG (wie Nachtrag zu Anm. 3) S. 88-95.
** Zitate nach PETER SCHMITT (Hg.), Liber ordinis rerum (Esse-essencia-Glossar), 2 Bände (Texte und Textgeschichte 5) Tübingen 1983, hier S. 109f., Nr. 17).
162
Klaus Grubmüller
(um 1350/1360) an geltende Erstglossierung v%gt in der dritten Fassung Twingers (v. J. 1408) auch durch fürsprech
ergänzt
(außerdem durch: helffer an geistlichem gericht; in den beiden v ersten Twinger-Fassungen gilt nur: vogt oder wiser geistliches gervchtes) - Im 'Vocabularius Ex quo' 1 3 , überliefert von ca. 1410 bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, ergänzen oder ersetzen die Handschriften einer ganzen Redaktion (Red. W) vogt mit für Sprech^4, auch viele andere Handschriften unterschiedlicher Zuordnung bieten die Doppelglossierung. (Ersatz von vogt durch fürspreoh außer in einigen W-Handschriften nur in München, SB, cgm 679 [M 27] und 680 [M 28] .) 3.2. Das eigentlich dem Amte des Fürsprechen seiner Funktion nach viel eher entsprechende procurator
ist dagegen verblüffend sel-
ten durch fürspreoh
wiedergegeben: 15 - Weder im 'Vocabularius optimus' noch im 'Liber ordinis rerum'
16
noch bei Melber
17
finden sich Spuren einer Zuordnung.
- Alle 29 von den 36 für die 'Ex quo'-Ausgabe kollationierten Handschriften, die das Lemma aufweisen (in den übrigen 7 fehlt es) begnügen sich mit der nicht-terminologischen Ubersetzung vor(be)sorger
und dem gelegentlichen Zusatz sohaffer
(P 1151).
- Nur die frühen Fassungen der Closener-Twinger-Gruppe, nämlich Closeners Ausgangstext (um 1350/60) und Twingers-gleichlautende erste Überarbeitung (um 1380) enthalten den Hinweis auf eine procurator-fürspreche-Beziehunq: v%gt oder fürspreahe
Procurator schaffener oder
(Pr 141). Schon in Twingers zweiter Fas-
sung (v. J. 1390) ist der Ubersetzungsbezug getilgt (nur: schaffener) , und er bleibt auch in der dritten weg (schaffener vnd für wiser). 12 ^
Zitate nach der im Rahmen der Würzburger Forschergruppe erarbeiteten und im Typoskript abgeschlossenen Edition von KLAUS KIRCHERT, hier: Ad 26. Zitate nach der im Rahmen der Würzburger Forschergruppe erarbeiteten, im Typoskript vorliegenden Edition. Die weitere handschriftliche Überlieferung ist von Fall zu Fall aus den Würzburger Materialien ergänzend exzerpiert.
14 Außer den in der Edition repräsentierten Handschriften (Bs 9, Me 1, Me 5, S 1, Sg 1) sind dies noch: Basel, UB, F.IV.45; Mainz, StB, I 606; München, SB, cgm 657, cgm 669, cgm 673; Prag, UB, Lobkowitz 408; Stuttgart, LB, poet. et phil. fol. 27, poet. et phil. qu. 49; Wien, NB, 2951.
BREMER (wie Anm. 9) Nr.
16
37042: Verweser beschirmer.
SCHMITT (wie Anm. 11) S. 110, Nr. 18; S. 123, Nr. 22: creter, der sachfurer wesarger, procorerer, procorat, schaffer u.a. Vgl. oben das Zitat S. 160.
Advocatus: fürsprech - vogt - advokat 3.3. Zu deuten ist die Massivität der
163
advocatus-fürsprech-Glei-
chung der Vokabularien und die nur höchst zaghaft versuchte Gleichsetzung von procurator mit fürspreah wohl so, daß durch den Bezug des in der deutschen Rechtspraxis besonders profilierten fürsprech auf advocatus dieser Terminus als die herausragende Bezeichnung für die Vertretungsämter auf der lateinischen Seite indiziert wird: gerade weil die Funktionen sich nicht decken, der Unterschied zwischen Prokuratur und Advokatur im 15. Jahrhundert nach Ausweis der Kammergerichtsordnung von 1471 und der Reichskammergerichtsordnung von 1495 fachjuristisch ernst genom-
men wurde 18 , der procurator
seiner Aufgabe nach also viel eher
den Anspruch auf die Ubersetzung fürsprech gehabt hätte (und in der juristischen Fachliteratur des späten 15. Jahrhunderts auch 19 so bezeichnet wird ), wird die Gleichsetzung nur über das Gewicht der Ämter verständlich. Daß "in der Prokuratur das bisherige Vorsprecherwesen stark nachwirkt" 20 , mag der Sache nach stimmen, doch scheint für ein allgemeineres Bewußtsein die Funktionsdifferenzierung zwischen Advokat und Prokurator im 14. und 15. Jahrhundert nicht auffällig gewesen zu sein. Sie könnte nach 21 Ausweis der Vokabularien in einem allgemeineren, standardsprachlich repräsentierten Begriff der Advokatur zusammengefaßt erscheinen. Es ist dann vielleicht auch nicht so gewiß, daß wirklich "weiten Kreisen" schon vor der Rezeption des römischen Rechts der "Kontakt mit der Arbeit rechtsgelehrter Juristen" durch "das Vorhandensein der geistlichen Gerichte und 22ihre Anwendung des kanonischen Rechts" vermittelt worden ist - jedenfalls nicht so, daß dadurch präzisere Kenntnisse entstanden wären. 4. Fürsprech
ist in aller Regel Zweitglosse für die Erläuterung
von Advocatus:
zumeist ergänzt es die Standardübersetzung vogt,
nur selten (s. o. 3.1.) ersetzt es diese auch, doch ist es auch 18 19
20
21
22
BUCHDA (wie Anm. 6) Sp. 184. DÜCKERT
(wie Anm. 3) S. 274-276.
BUCHDA (wie Anm. 6) Sp. 184. Aus DÜCKERTs Materialien (wie Anm. 3) S. 274 ist nicht zu erkennen, ob die recht späte Bezeugung einer volkssprachlichen Gleichsetzung von procurator und fürsprech (Pauli, 'Schimpf und Ernst', 1522) in gleicher Richtung interpretiert werden muß. KROESCHELL
(wie Anm. 7) S. 45.
Klaus Grubmiiller
164
dann in aller Regel vor der Gesamtüberlieferung als sekundär erkennbar. Nur im frühen 'Vocabularius optimus' sind durch die Zuordnung zu den jeweiligen Sachkapiteln eine juristische (fürspreah) und eine weiterreichende gemeinsprachliche Bedeutung (vogt) auseinandergehalten (s. o. 3.1.). Der Weg von Closeners vogt
zu vogt
oder fürsprech
vnd helffer
an geistlichem
gericht
in Twingers letzter Fassung zeigt den Ergänzungsvorgang deutlich an. Die Zusätze von fürsprech im 'Liber ordinis rerum" sind in ihrer Zersplitterung ebenso als Korrekturversuche an bestimmten Uberlieferungsstationen erkennbar wie die vielfältigen Ergänzun23 gen im 'Vocabularius Ex quo'. Insgesamt 35 Handschriften aus nahezu allen Redaktionen und Bearbeitungen (nur Red. P und die Inkunabelfassung bieten keinen Beleg) fügen im Wortartikel advooatus (A 235) der Grundglosse vogt bzw. ihrer lautlichen Variante ergänzendes fürsprech
(vorsprech,
fursprecher,
vorspre-
cher) hinzu. Parallel dazu zeigt sich ein ähnlicher Vorgang in der Glossierung des lateinischen Orator (0 274) im 'Vocabularius Ex quo': auch hier wird das juristisch auf den Prokurator festge24 legte , aber allgemeinsprachlich mehrdeutige reder/vorreder an den verschiedensten Uberlieferungsstellen und auf nahezu allen Bearbeitungsstufen durch fürsprech und seine Nebenformen verdrängt oder ergänzt. Schreiblandschaftlich bestätigt sich am Beispiel 'Advocatus' der Befund von Dückert 25 auch für das 15. Jahrhundert: - im Schwäbisch-Alemannischen herrscht fast ausschließlich fürsprech (fürspreaher in Is1: Isny, StB, unsign., Red. P), nur eine Hs. belegt forspr(e)ch (A 5: Augsburg, StB, 2°353, freie Bearb.); - im Bairischen überwiegen vorsprech/vorsprecher (ohne signifikante Verteilung) gegenüber seltenerem fürsprech/fürsprecher. (Mitteldeutsche Hss. bieten den Zusatz nur ganz vereinzelt; sie sind quantitativ nicht auswertbar.) Es läge nahe, die Ergänzung von vogt durch fürsprech ebenso wie die gelegentlich ausdrückliche Zuordnung des advocatus zum geistlichen Gericht (vgl. Hr3: Harburg II.1.2°211: ain vogt vel 23
Ich nenne hier zur Dokumentation aus Platzgründen nur die Handschriftensiglen; sie sind über den Einleitungsband zur Ex-quo-Edition (1986) auflösbar: A 2 , A 3 , A 5, Ab 2, Bs 7, Bs 9, Gr 1, Ha 2, H r 3 , Is 1, K l , K 3 , K 7 , Kn 1, M 1, M 2, M 7, M 8, M 11, M 12, M 17, M 20, M 21, M 29, Me 1, Me 9, P 5, P 6, P 8, S 2, S 3, S 5, W 4, W 9, Wü 1.
24 DÜCKERT (wie Anm. 3) S. 277f. 25
Ebd. S. 273f.
Advocatus: fürsprech - vogt - advokat
165
ain fürspreah gaistliahs geriohts; ähnlich A 3: Augsburg, StB, 2°140; M 8: München, SB, cgm 653) als Ausdruck eines Präzisierungsbedürfnisses aufzufassen, in dem sich die terminologische Schärfung des lateinischen Advocatus-Begriffs über die in vogt wiedergegebene ganz allgemeine Schutz- und Vertretungsfunktion 26
hinaus
spiegelt und über diese die Profilierung der beiden ge-
geneinander gestellten Ämter für eine breitere 'Öffentlichkeit': "Sich voll entfaltende Berufsstände von Prokuratoren und Advoka27 ten beherrschen seit dem ausgehenden 15.- Jahrhundert das Feld" Die im vorhergehenden Abschnitt (3) dargestellte Verwirrung im Begriff, die sich in der fehlerhaften Zuordnung zeigt, muß dem nicht unbedingt widersprechen. Dokumentiert wäre in ihr die eher vage Vorstellung einer juristischen Terminologisierung des Wortes, die zur vollen Beherrschung der Sache aus präziser Kenntnis (noch) nicht vorzudringen vermag. Immerhin erwägenswert ist freilich mindestens als ein ergänzender Faktor ein nach unseren bisherigen Beobachtungen meist recht unmittelbar wirksames Erklärungsmuster, das Ausweichen vor einer landschaftlich gebundenen Bedeutungskonkurrenz: Diejenigen Handschriften, die vogt um füvspreah ergänzen, stammen fast ausschließlich aus dem bairisch-österreichischen
(17 Hss.)
und dem schwäbischen (15 Hss.) Schreibgebiet; die nordbair.schwäb. Hs. M 20 (München, SB, cgm 672) und die alemann. Hs. Bs 7 (Basel, ÜB, F IX 47) sind diesem Raum anzuschließen. Das ostfrk. Wü 1 (Würzburg, UB, M.ch.f. 49) mag einen isolierten Ausstrahlungsbeleg bieten. Von den 5 Handschriften, die vogt durch fürsprech ersetzen, sind 2 bairisch (M 27: München, SB, cgm 679; M 28: ebd. cgm 680), 2 schwäbisch (Me 5: Melk, StiB, cod. 183; Sg
1: St. Gallen,
StiB, 335); die rheinfrk. Hs. Ma 8 (Mainz, StB, I 606) vertritt die Redaktion W, in der der Interpretamentaustausch redaktionstypisch ist und die offensichtlich auch vom Schwäbischen ihren Ausgang genommen hat. Nach den Ergebnissen von Künssbergs ist es ziemlich genau der durch unsere Handschriften beschriebene Raum, nämlich das Schwäbische und daran anschließend das westliche Bairisch und Teile 26
27
Vgl. das im Mittellateinischen Wörterbuch bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert, Bd. 1, München 1967, Sp. 272-278 dargestellte BedeutungsSpektrum von Advocatus: Vertreter, Bevollmächtigter (vor Gericht) - Verwalter, Verwaltungsbeauftragter, Vogt - Beschützer, Betreuer, Schirmherr (im weltlichen und im geistlichen Sinne). BUCHDA (wie Anm. 6) Sp. 184.
Klaus Grubmüller
166
des Alemannischen, in dem vom 13. Jahrhundert an vogt die Rechts28 bedeutung von 'Vormund' übernimmt . Es ist gut vorstellbar, daß diese terminologische Eingrenzung von vogt einen Großteil der Schreiber dieses Gebietes dazu bewegt, für den Advokaten der Kollision mit einem zweiten Rechtswort auszuweichen oder sie zumindest durch den präzisierenden Zusatz fürsprech Daß vogt als Glossierung für tutor
zu entschärfen.
'Vormund' (T 693) in den
insgesamt 117 bair., schwäb. und alem. Textzeugen des 'Vocabularius Ex quo' ebensowenig erscheint wie die übrigen regionalen Varianten (v. a.: gerhab
[Ausnahme Gr 1 = Graz, UB, 570: bair.,
2. H. 15. Jh., Red. Me], träger, momber, pfleger
[Ausnahmen M a 8 =
cgm 653: bair., Mitte 15. Jh., freie Bearb. und Fs 1 = Fribourg 29 64: alem., v. J. 1431, Red. S]) , belegt ein weiteres Mal, daß eng landschaftsgebundener Wortschatz dort eher vermieden wird; im Reflex käme er dann aber doch zur Wirkung. Wenn sich das so verhält, dann führte im übrigen jeder Schluß von der Beleghäufung für fürsprech
im Schwäbisch-Bairischen auf
besondere Verbreitung dieses Wortes in diesem Gebiet in die Irre: ein weiterer Anlaß zu besonderer methodischer Vorsicht in der historischen Wortgeographie. 5. Vogt ist Lehnwort aus lateinischem advoeatus
und schon im Alt-
hochdeutschen belegt. Es übernimmt von seiner Vorlage die gesamte Bedeutungsbreite. Im 'Vocabularius Ex quo' steht vogt z.B. im Ausgangstext und in Redaktionstexten als Übersetzungsglosse für: Aduooatus
(s. o.)
Orator ein vorreder uel ein foit uel ein merer
(0 274)
(mit variierter Umgebung in den Redaktionen I und P und in den Textstufen Sb3, P-E und Kh 2) , Paraclitus sanotus Prefeatus
.i. aonsolator,
ein troster ein voit uel spiritus
(P 106), (P 952)
- dioitur qui prefioitur
alijs in dignitate,
wlgariter
vogt
(Red. W) - rißhter oder vogt - ain vogt Tessarius 28
29
(Red. K)
(Textstufe P-E)
ein waghen voget
(T 210).
EBERHARD FRH. VON KÜNSSBERG, Rechtssprachgeographie (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philos.-histor. Kl., Jg. 1926/27, 1. Abh.) Heidelberg 1926, S. 40 und Deckblatt 13. Vgl. ebd. S. 39-41.
Advocatus: fürsprech - vogt - advokat
167
Die Bedeutungsbreite mag die Verwendung des Wortes aus seinem Bekanntheitsgrad begünstigen (und aus der Vielfalt der Funktionen auch vielerlei Anlässe für die' Entwicklung zum Familiennamen bieten)
: sobald terminologische Ansprüche entstehen, wie
sie im 15. Jahrhundert aus dem allmählichen Hineinwachsen in kirchliches Rechtswesen tastend spürbar werden, kann vogt als Übersetzungswort nicht hinreichen. Dazu kommt, daß Durchführung oder Unterbleiben der Kontraktion und die weitere Entwicklung der Kontraktionsformen eine Dispersion der Laut- und Schreibgestalt bewirkt haben (voget, vogt, voit, vait, Voigt, faut u.a.), die die einzelnen Formen nur noch schwer miteinander identifizierbar macht und die schreibgeographische Verteilung undurchschaubar erscheinen läßt. 5.1. Das Beispiel Advoaatus bietet freilich die Chance, eine großflächige Verteilung der Schreibformen zu erkennen: 5.1.1. voget/voghet
ist durchgängig und redaktionsunabhängig die
Form der mnd. Handschriften, z.B. in Kh
2: Kopenhagen, kB, Gl. kgl. Th. 4°111 (mecklenbg., v.J. 1448, Red. P), B 9: Berlin, SB, theol. lat. 2°82 (brandenbg., v.J. 1419, Red. S) , B 10: Berlin, SB, theol. lat. 2°567 (brandenbg., 1. H. 15. Jh., Red. P) , Wo 5: Wolfenbüttel, Novi 808 (ndsächs., vor 1452, Red. P), Wo 3: Wolfenbüttel, Heimst. 576 (ostfäl., v.J. 1431, Red. S) , E 1 : Erfurt, Ampi. 4°24 (westfäl., 1. H. 15. Jh., Red. M), Wo 2: Wolfenbüttel, Heimst. 369 (südwestfäl., v.J. 1421, Red. P). 5.1 .2. voit/void ist, gleichfalls redaktionsunabhängig, die Form nahezu aller mitteldeutschen Handschriften, z.B. in: B Ks Fb El N T N B
3: Berlin, SB, germ. 4°608 (rip., Mitte 15. Jh., Red. S), 2: Kassel, LB, theol. 2°57 (rheinfrk., 1. H. 15. Jh., Red. S), 1 : Freiburg/Br., ÜB, Hs. 53 (südrhfrk., Mitte 15. Jh., Red. S) , 1 : Erlangen, UB, ms. lat. 655 (ostfrk., vor 1444, Red. Me), 1 : Nürnberg, Germ. NM, 6489 a (ostfrk., v.J. 1413, Red. S) , 1 : Tübingen, UB, Mc 114 (ostmd., v.J. 1425, Red. S) , 3: Nürnberg, Germ. NM, 84082 (ostmd., Mitte 15. Jh., Red. M), 1 : Berlin, SB, germ. 2°954 (ostmd., v.J. 1461, Red. M) .
Auch im Bairischen, ausgreifend nach Böhmen und Schlesien, ist voit/void verbreitet, dort aber nur als unterlegene Nebenform zu
Vgl. etwa ADOLF SOCIN, Mittelhochdeutsches Namenbuch, Basel 1903, S. 499501 und MAX GOTTSCHALD, Deutsche Namenkunde. Unsere Familiennamen, 5., verb. Aufl. mit einer Einführung in die Familiennamenkunde von RUDOLF SCHÜTZEICHEL, Berlin-New York 1982, S. 508.
168
Klaus Grubtnüller
dem dominierenden vogt; z.B. M 14: München, SB, cgm 666 (bair., 1. H. 15. Jh., Red. M), M 29: München, SB, cgm 685 (nordbair., v.J. 1432, Red. S), Me 7: Melk, StiB, cod. 801 (bair., v.J. 1424, Red. S), Sb 1: Salzburg, St. Peter, a VI 13 (bair., 2. H. 15. Jh., Red. M), W 7: Wien, NB, cod. 3705 (bair., Mitte 15. Jh., Red. M), 5: Berlin, SB, germ. 4°1745 (böhm., v.J. 1416, Red. S) , B B 11: Berlin, SB, theol. lat. 4°86 (schles., 1. H. 15. Jh., Red. Me), Ch 1: Chicago, ÜB, P.A. 2361 f.V.8 (schles., v.J. 1419, Red. P/M) . Die entrundete Form vait/feytt verteilt sich in einigen wenigen Belegen auf das ganze Verbreitungsgebiet von voit, z.B. auf: Ma 2: Mainz, StB, I 593 (rhfrk., Mitte 15. Jh., Red. Me), B 7: Berlin, SB, lat. 4°55 (schles., Mitte 15. Jh., Red. Me), M 44: München, SB, clm 26951 (bair., Mitte 15. Jh., Red. M), Sb 3: Salzburg, St. Peter, b VI 14 (bair., v.J. 1468, Red. M). 5.1.3. vogt ist durchgängig die Form der schwäbischen und alemannischen Handschriften: A 3: Augsburg, StB, 2°140 (schwäb., 4. Viertel 15. Jh., Red. M), 2: Erfurt, Ampi. 4°25 (schwäb., v.J. 1415, Red. P), E Hr 3: Harburg, II.1.2°211 (schwäb., 2. H. 15. Jh., Red. Me), S 3: Stuttgart, LB, poet. et phil. 4°49 (schwäb., v.J. 14 74, Red. W), Bs 4: Basel, UB, F.IV.8 (ndalem., 2. H. 15. Jh., Red. Me), Bs 7: Basel, UB, F.IV.47 (ndalem., v.J. 1462, Red. S), Bs 8: Basel, UB, F.IV.48 (ndalem., v.J. 1423, Red. P), Ma 7: Mainz, StB, I 605 (ndalem., 2. H. 15. Jh., Red. S). In den bairischen Handschriften konkurriert vogt mit voit (vgl. 5.1.2.) , überwiegt aber deutlich, z.B.: K 2: Klosterneuburg, StiB, cod. 726 (bair., 2. Viertel 15. Jh., Red. M), 3: Klosterneuburg, StiB, cod. 727 (bair., 1. H. 15. Jh., K Red. K), M 12: München, SB, cgm 657 (bair., um 1500, Red. W) , M 15: München, SB, cgm 667 (bair., v.J. 1454, Red. S), W 9: Wien, NB, cod. 5164 (bair., 2. H. 15. Jh., Red. K). 5.1.4. Die später als Namensform so sehr zur Wirkung gekommene 'Synthese' aus der kontrahierten und der nichtkontrahierten Form, also Voigt (primäres Längezeichen scheint nach dem Verteilungsbild hier nicht vorzuliegen), ist im Material des 'Vocabularius Ex quo' nur ein einziges Mal belegt: Ma
1: Mainz, StB, I 192 (rhfrk., v.J. 1418, Red. S).
5.1.5. Nur in einigen rheinfränkischen oder unmittelbar benachbarten Textzeugen taucht die lautlich kaum noch mit der 'Normalform' vogt in Beziehung zu bringende Sonderform faut auf, die ja keineswegs als fehlerhafte Schreibung aufgefaßt werden darf:
Advocatus: fürsprech - vogt - advokat
169
Bs
2: Basel, UB, A.V.33 (2) (rhfrk., v.J. 1417, Red. P/M),
F
3: Frankfurt, StuUB, praed. 131, v.J. 1456, Red. M) ,
Ma
6: Mainz, StB, I 604 (rhfrk., v.J. 1414, Red. M),
R
3: Rom, Vat., pal. lat. 1782 (ndalem., Mitte 15. Jh., Red. M),
S
4: Stuttgart, LB, HB VIII 6 (rhfrk., v.J. 1411, Red. S) ,
I
: Inkunabelfassung (Red. I), Eltville 1467.
5.2. Großflächig verteilen sich die Gebrauchsareale also durchaus deutlich (es könnte reizvoll sein, die Verteilung an der Wortgeographie des Familiennamens zu messen): - voget ist die durchgehend niederdeutsche Form, - voit (und seltener vait) gilt als mitteldeutsch, - vogt beherrscht das Schwäbische und Alemannische, - vogt und voit konkurrieren im Bairisch-Österreichischen, - faut ist rheinfränkische Sonderform. Das Durchdringen von vogt im Neuhochdeutschen zeigt wieder einmal, wie die wortgeographische Koalition des West- und des Ostoberdeutschen sich als wirkungsmächtig erweist"*1. 6. Der Versuch zu fachsprachlicher Präzision in der deutschen Wiedergabe des Rechtsterminus advooatus mißlingt dort, wo er sich - wie im Wörterbuch und im mittelalterlichen Sprachkontakt überhaupt üblich - des volkssprachlichen Äquivalents zu bedienen versucht. Denn die volkssprachliche Terminologie ist eingebunden in ihr eigenes, anders strukturiertes Rechtssystem und dessen Begrifflichkeit. Die Schwierigkeiten, die sich aus dieser Überlagerung ergeben, sind überwindbar, aber dann bedarf es exakter Fachkenntnis. Sie stellen sich gar nicht erst, wenn begriffliche Präzision 'systemimmanent' versucht wird: durch die Übernahme des lateinischen Terminus als Lehnwort. 32 - Aduooatus aduooate 'verdeutscht' die Langfassung des 'Liber ordinis rerum' um 1400, parallel übrigens zu Pvocurator ore+ 33 ter ; - Aduoeatus eyn aduooat uel faut verbreitet die Inkunabelfassung des 'Vocabularius Ex quo' (Eltville 1467).
WERNER BESCH, Sprachlandschaften und Sprachausgleich im 15. Jahrhundert (Bibliotheca Germanica 11) München 1967, S. 348f. 32
SCHMITT (wie Anm. 11) S. 109, Nr. 17.
33
Ebd. S. 110, Nr. 18.
170
Klaus Grubmüller
Wenn ich recht sehe, liegen damit zwei der. ältesten Belege für Advokat als eingedeutschtes Lehnwort vor (voraus geht dem 'Liber ordinis rerum' nur ein Beleg aus dem Livländischen Urkundenbuch z.J. 139234 ), jedenfalls wohl der älteste aus nicht fachliterarischer Umgebung; die 'Pilgerfahrt des träumenden Mönchs' (Hs. v.J. 1444) und Albrecht von Eyb kommen ihm noch am 35 nächsten . Mir scheint das auch sonst zu beobachtende und einer genauen Untersuchung werte Eindringen des Lehnwortes in eine Textgattung, die auf Verdeutschung ausgerichtet ist, über dieses eine Beispiel hinaus symptomatisch. Es kann hier ja nicht - wie in literarischen Texten - aus stilistischen Prestigeansprüchen verstanden werden, sondern steht für eine generelle Verringerung des Abstandes zwischen Latein und Deutsch im Spätmittelalter, die sich z.B. in einer Übernahme lateinischer Denkzusammenhänge und Denkansprüche niederschlägt, die nur mehr durch die Unterwerfung unter die Terminologie der 'Fremdsprache' darzustellen ist. Die Uberfrachtung des Deutschen durch 'Fremdwörter' in den späteren Jahrhunderten hat auch darin eine ihrer Wurzeln. Das Lehnwort Advokat wird so ganz folgerichtig im Deutschen schnell heimisch, unterstützt sicherlich durch den Elan, der die Rezeption des römischen Rechts trägt: "im sinne von rechtsbeistand im gerichtl. prozeß setzt sich advokat gegen die konkurrenten anwalt und fürsprech im 16. und 17. jh. weitgehend durch" 3 6 37 Die Vokabularliteratur liefert dafür eine Reihe von Belegen , die nun freilich Spezifisches nicht mehr erkennen lassen. Aufschlußreich ist es aber immerhin für die Prägung des Sprachbewußtseins, wenn selbst bei Stieler (1691), dem es ja um den NachDeutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Neubearbeitung, 1. Bd., Leipzig 1983, Sp. 1543. Das Deutsche Fremdwörterbuch, 1. Bd., Straßburg 1913, S. 9 nennt als ersten Belegtext überhaupt Sebastian Brants 'Narrenschiff' v.J. 1494. 35 Ebd. Sp. 1544 und 1545. Vgl. auch DÜCKERT (wie Anm. 3) S. 273f. aus der Kammergerichtsordnung von 1471 und PAUL MÖLLER, Fremdwörter aus dem Lateinischen im späteren Mittelhochdeutschen und Mittelniederdeutschen. Diss. Gießen 1915 mit einigen schwer datierbaren Beispielen. 36 37
Ebd. Sp. 1543. Vgl. auch DÜCKERTs (wie Anm. 3) zusammenfassende Tabelle S. 298. Vgl. z.B. Josua Maaler, Die Teütsch spraach, Zürich 1561, Bl. liv ;
Aduooat / fürstender / bystender, Aduocatus. Ein Aduooat sein / Aduoaati officio fungi ... Georg Henisch, Teütsche Sprach vnd Weißheit, Augsburg 1616, Sp. 25: Aduooat / ein beistand vorsprech / welcher den partheien in jkren sacken rathet / doch nicht rSndtlich / sonder schrifftlich / actor, aduoaatus ...
Advocatus: fürsprech - vogt - advokat weis und die Dokumentation des besonderen Ranges der deutschen Sprache aus ihrer eigenen Geschichte und ihren eigenen Bildungs möglichkeiten geht, wohl Fur-sive
Vorspreaher / et Wortspreeher 38 patronus noch verzeichnet ist , daneben aber auch & • Advokatengeburen, Advokatenl-ist, Advokatenlohn, Advokat enmange l advocatus,
Advokatenordnung,
Advokatenstucklein
ganz
selbstverständlich
'Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs 1
zugerechnet
werden.
Zitiert nach dem Nachdruck: Kaspar Stieler, Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs oder Teutscher Sprachschatz. Mit einer Einführung und Bibliographie von GERHARD ISING (Documenta Linguistica. Reihe II) Hildes heim 1968, Sp. 2100 und zu dem Folgenden Sp. 862; 1168; 1175; 1229; 1399 Sp. 207 und 2221. Nachtrag zu Anm. 3: Vgl. jetzt auch GABRIELE VON OLBERG, Arwxxlt3 Vogt und ihre Synonyme in den Schriften des Bauernkrieges und der Voraufstände (15./16. Jh.) (Text- und Sachbezug in der Rechtssprachgeographie, hg. von RUTH SCHMIDT-WIEGAND [Münstersche Mittelalter-Schriften 52] München 1985, S. 70-103).
INGRID HAHN
Die Frauenrolle in Hartmanns
'Erec'
Es ist keine Frage, daß das neue Interesse an Rechtsstellung und Sozialisation der Frau in Gegenwart und Geschichte 1
den
Blick der Forschung für die spezielle Rollen-Problematik des Erec-Romans geschärft hat. Schon Antonin Hruby beschrieb in Auseinandersetzung mit Reto R. Bezzola als ein Grundproblem des 2 'Erec' das "Verhältnis zwischen Mann und Frau" , wie es sich zwischen den Positionen zeitgenössischer Ehemoral und höfischer Minne widersprüchlich ausspannt, und bis heute gewinnt die Erec-Forschung aus der thematischen Einbindung des Frauenparts 3 in den Roman ihren eigentlichen Diskussionspunkt . Einig ist Für das Mittelalter vgl. das Kapitel 'Zeit und Lebenslauf1 bei ARNO BORST, Lebensformen im Mittelalter, Frankfurt - Berlin - Wien 1979, S. 35-82; UTE MONIKA SCHWÖB, 'Herrinnen' in Tiroler Quellen. Zur rechtlichen und sozialen Stellung der adeligen Frau im Mittelalter (Literatur und bildende Kunst im Tiroler Mittelalter, hg. von EGON KÜHEBACHER, Innsbruck 1982, S. 157-182); SHULAMIT SHAHAR, Die Frau im Mittelalter, Hamburg 1983; RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Ehe und Familie in der lehrhaften Dichtung des 14. und 15. Jahrhunderts (Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. von ALFRED HAVERKAMP, Köln - Wien 1984, S. 195-214); PETER KETSCH, Frauen im Mittelalter, hg. von ANNETTE KUHN, 2 Bde. (Geschichtsdidaktik 14,19) Düsseldorf 1983/84 ; HD ITH ENNEN, Frauen im Mittelalter, München 21985. 2
ANTONIN HRUBY, Die Problemstellung in Chretiens und Hartmanns 'Erec' (Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 38, 1964, S. 337-360); zitiert nach: Hartmann von Aue, hg. von HUGO KUHN und CHRISTOPH CORMEAU (Wege der Forschung 359) Darmstadt 1973, S. 342-372, hier S. 357. 3 Zum Problem der Partnerbeziehung in Hartmanns 'Erec' tragen bei: EVA-MARIA CARNE, Die Frauengestalten bei Hartmann von Aue. Ihre Bedeutung im Aufbau und Gehalt der Epen (Marburger Beiträge zur Germanistik 31) Marburg 1970; RODNEY FISHER, Erecs Schuld und Enites Unschuld bei Hartmann (Euphorion 69, 1975, S. 162-173); BARBARA THORAN, Diu iv man Verraten hat. Zum Problem von Enites Schuld im 'Erec' Hartmanns von Aue (Wirkendes Wort 25, 1975, S. 255-268); HANS BLOSEN, Noch einmal: Zu Enites Schuld in Hartmanns 'Erec'. Mit Ausblicken auf Chretiens Roman und das Mabinogi von 'Gereint1 (Orbis litterarum 31, 1976, S. 81-109); DERS., Hartmanns Erec als eifersüchtiger Ehemann (Orbis litterarum 33, 1978, S. 1-3); ANDREE KAHN BLUMSTEIN, Misogyny and Idealization in the Courtly Romance (Studien zur Germanistik, Anglistik und Komparatistik 41) Bonn 1977; KURT RUH, Höfische Epik des Mittelalters I, Berlin 21977, S. 115-141; FRANK TOBIN, Hartmann's Erec:
Die Frauenrolle in Hartmanns 'Erec'
173
man sich am ehesten über Hartmanns Reduktion des Chretienschen Entwurfs, dessen Enide auch Züge der höfischen Minnedame erkennen läßt, auf das traditionelle Ehekonzept, das die demütige 4 Unterordnung der "christlichen Ehefrau" unter den Eheherrn konsequent behauptet. Dabei läßt sich allerdings beobachten, wie Hartmanns Enite gerade so überlieferte misogyne Positionen Schritt für Schritt widerlegt 5 , nicht reizbarer Ungehorsam,sondern triuwe, staete
nicht superbia,
sondern Demut, nicht luxuria,
in Versuchung, nicht ira,
sondern senfte
sondern
machen Enites
Wesen aus 6 . Hier aber stellt sich die -immer noch umstrittene Frage der Erec-Forschung: Muß die Heldin - parallel der
'Ent-
wicklung' der französischen Enide - diese Eigenschaften erst erwerben, waren Unkenntnis, Unreife, Schuld auf ein Ziel hin zu überwinden, d. h. gibt es einen 'Weg' Enites,wie es einen
'Weg'
The Périls of Young Love (Seminar 14, 1978, S. 1-14); HANS BAYER, bt den Hüten ist sô guot. Die meine des Erec Hartmanns von Aue (Euphorion 73, 1973, S. 272-285) ; HARTWIG MAYER, ein vil vviuntlîohez spil: Erecs und Enites gemeinsame Schuld (Analecta Helvetica et Germanica, Festschrift [FS] für Hermann Boeschenstein, Bonn 1979, S. 8-19) ; KATHRYN SMITS, Enite als christliche Ehefrau (Interpretation und Edition deutscher Texte des Mittelalters, FS für John Asher, hg. von KATHRYN SMITS - WERNER BESCH - VICTOR LANGE, Berlin 1981, S. 13-25); URSULA SCHULZE, ctmis unde man. Die zentrale Problematik in Hartmanns 'Erec'([H. PAUL - W. BRAUNE] Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 105, 1983, S. 14-47); RENÉ PERENNEC, Les Fautes d'Enide (Deutsch-Französische Germanistik, Mélanges pour Emile Georges Zink, hg. von SIEGLINDE HARTMANN - CLAUDE LECOUTEUX [Göppinger Arbeiten zur Germanistik 364] Göppingen 1984, S. 69-105). 4
Vgl. SMITS (wie Anm. 3). Entgegen der These von KAHN BLUMSTEIN (wie Anm. 3), nach der Enite das männliche misogyne Frauenbild für ihr eigenes Selbstverständis übernimmt (S. 116), ist PÈRENNEC (wie Anm. 3) entschieden recht zu geben, wenn er darauf hinweist, wie nacheinander männliche antifeministische Stereotype, des Grafen von Limors, aber auch Erecs selbst, durch Enites Verhalten widerlegt werden: "chaque fois, c'est un homme qui parle; chaque fois, le comportement d'Enite infirme le cliché ... pour dessiner le portrait du couple idéal, l'adapteur oppose la figure d'Enite - presque une sainte laïque - à l'image de la femme que secrète 1'antiféminisme masculin" (S. 93). Zum von Hartmann zitierten weit verbreiteten antifeministischen Stereotyp, Frauen täten mit Vorliebe das Verbotene, siehe das Kapitel 'The Eve Analogy' bei KAHN BLUMSTEIN (wie Anm. 3) S. 36-51 sowie die reiche Beleg-Sammlung zu Gottfrieds huote-Exkurs bei RÜDIGER SCHNELL, Der Frauenexkurs in Gottfrieds Tristan (V. 17858-18114). Ein kritischer Kommentar (Zeitschrift für deutsche Philologie [ZfdPh] 103, 1984, S. 1-26) hier S. 8-16. Die verdienstvolle Kommentierung des schwierigen Textes zeigt, wie Gottfried die Diskussion des Frauenthemas kennt und weiter treibt; die Behauptung allerdings, Gottfriedsfoiote-Exkurshabe keine Aussage machen, sondern lediglich einem irgendwie beschaffenen Damenpublikum schmeicheln wollen, setzt auch den gutwilligen Leser in Erstaunen.
174
Ingrid Hahn
7
Erecs gibt ? Hartmann hat, wie ich zeigen möchte, die Erec- und Enite-Handlung
anders als Chretien gerade nicht
parallelisiert,
sondern beiden Rollen einen je eigenen,konträr konzipierten
Part
gegeben, der die Enite-Gestalt
aus der dynamischen Zielbezogeng heit des Stationenwegschemas herausnimmt • Enite ist am Ende die, Vielfältig sind die Versuche, eine 'Entwicklung' der Hartmannschen Enite aufzuzeigen und so eine strukturelle Parallele zum Weg Erecs zu gewinnen, die von der Handlung scheinbar auch suggeriert wird. Der von Cramer Enite unterstellte schuldhafte Verstoß gegen den sozialen ordo, über den sie in der Selbstreflexion des Lindengleichnisses angeblich zur Einsicht gelange (vgl. THOMAS CRAMER, Soziale Motivation der Schuld-Sühne-Problematik in Hartmanns Erec [Euphorion 66, 1977, S. 97-112]) ist unlängst von Franz Josef Worstbrock noch einmal mit Gründen zurückgewiesen worden, ebenso der Versuch von Barbara Thoran, Enites Buße für eine folgenschwere Rede, mit der sie Erec in lebensbedrohlichen Kampf schickte, zum Thema des Romans zu machen, vgl. FRANZ JOSEF WORSTBROCK, Dilatatio materiae. Zur Poetik des 'Erec' Hartmanns von Aue (Frühmittelalterliche Studien 19, 1985, S. 1-30). Dagegen scheinen sich Vorwürfe von Seiten einer moralisierenden Sicht, in der der eonaupisoentia-Vorwurf die Hauptrolle spielt, zäh zu halten, vgl. Otfried Ehrismanns Behauptung, Enite habe wie Erec am Ende eine "tendenziell affektfreie Form" der Liebe entwickelt, in der sie die Kraft fand, ihren Mann "nicht mehr zu verführen" (OTFRIED EHRISMANN, Enite. Handlungsbegründungen in Hartmanns von Aue 'Erec' [zfdPh 98, 1979, S. 321-344] hier S. 339 und 337); so schon Petrus W. Tax, bei dem die Einstellungsänderung des Paares, das aus concupisoentia und inordinatio zum richtigen Eheverständnis finde, auch Enite betrifft, vgl. PETRUS W. TAX, Studien zum Symbolischen in Hartmanns 'Erec'. Enites Pferd (ZfdPh 82, 1963, S. 29-44); in gleichem Tenor MAYER (wie Anm. 3), der die Gegenseitigkeit des sexuellen Verlangens, die Hartmann betont, als Argument für Enites Mitschuld wertet (S. 13f.). Eine Einsicht in das richtige biblizistische Eheverständnis erkennt auch Hans Bayer als Ziel im Weg Enites, BAYER (wie Anm. 3) S. 278. Andrerseits hatte Hugo Kuhn und nach ihm Peter Wapnewski mit aller Entschiedenheit Enites Unschuld herausgestellt, Wapnewski mit Hinweisen auf die Motive der Treueprobe, der 'armen Heirat' und den GriseldisStoff, vgl. PETER WAPNEWSKI, Hartmann von Aue, 7. ergänzte Auflage Stuttgart 1979, S. 59-61. Wie schwer jedoch mit dem Befund der Untadeligkeit der Enite ihre Teilnahme am Aventiureweg zu erklären ist, beweist gerade Wapnewski, wenn er schließlich doch wieder parallelisiert: "Erecs und Enites Liebe war nicht 'wirklich', nicht errungen, sondern rasch erworben, nicht verdient, sondern schnell gewährt, hatte keine steigernde und läuternde Kraft" (ebd. S. 62). Selbst der Beitrag von Ursula Schulze, der, so viel ich sehe, zum ersten Mal den weiterführenden Gedanken enthält, Enite habe "die inneren Qualitäten ihrer Beziehung zu Erec, triuwe und staete" nach außen hin nur "offenbart" (SCHULZE [wie Anm. 3] S. 36), muß, um die Parallelität mit dem männlichen Part zu wahren ("Wie Enite an Erecs Aufstieg und Fall beteiligt war, so muß sie auch auf dem Sühneweg und bei der endgültigen Erhöhung dabei sein. Die Struktur des Romans und der durch sie eröffnete Sinn verlangen diese Parallelführung", S. 29), Enite doch wieder belasten: Die erotische Faszination ihrer Schönheit gereicht ihr zum Makel (ebd. S. 17ff.), von dem das getriuwe wtp am Ende dann frei ist. 8 Diese Sicht vertritt jetzt PÉRENNEC (wie Anm. 3) S. 95: "Pour l'héroïne, l'aventure n'est plus une procédure de recherche: Enite n'a rien à apprendre" und, mit Wendung gegen alle Deutungen auf ein besseres Eheverständnis der Enite: "Le grand monologue d'Enite permet de mesurer la force de l'amour que l'héroïne porte à son époux, non le chemin qu'il faut parcourir pour parvenir au 'compagnonnage conjugal1" (ebd. S. 95).
175
Die Frauenrolle in Hartmanns 'Erec'
die sie von Anfang an war, und sie muß deshalb auch - woran der Dichter keinen Zweifel läßt - ihrem Ehemann zu Beginn seines Weges überlegen sein. Wenn nach gängigem Klischee der Mann unter dem Regiment der ratio
von Natur überlegen und zur Führung bestimmt ist, die Frau 9 aber affektbeherrscht und der Führung bedürftig , so verkehrt sich dieses Verhältnis zu Beginn der gemeinsamen Aventiurefahrt
von Erec und Enite ins Gegenteil. Nur Enites vernünftige, unter dem Risiko drohenden Zorns schwer errungene Entscheidung zum 10 bewahrt Erec (ir en11 das L e b e n . E-recs zornige räche räche niht vrt ), das unbegreifliche Mißverhältnis von
Ungehorsam beltbet
Vergehen und Strafe angesichts der Frau, deren triuwe
und
güete
ihn retteten, provoziert dagegen die kritische Verwunderung des deutschen Dichters: 3955 diz
was iedoch
daz
er
durch
im den muot daz
er
ein
dä mite s6 daz ze
hete
wip
meit.
kumber
leit
gemüete
triuwe het| er
zorn
erkorn
grdzen
vrouwen
durch
wunder,
sS schoene
von sorgen der
ein deheinen
ir
geselleschefte
und durch si
in
durch
güete
...
verlorn, den niht
zorn enphlac.
Die im wesentlichen auf Aristoteles zurückgehende Psychologie der Frau, nach der die weibliche Natur, weil passiv,vernunftlos und von Emotionen beherrscht (sensualitas), der männlichen Vernunft und Entscheidungskraft unterworfen ist, findet sich im einzelnen erläutert bei JAN MACLEAN, The Renaissance Notion of Woman, Cambridge University Press 1980, S. 41ff. und 49ff. Daß Hartmann hier aus schulgelehrter Kenntnis des Frauenthemas argumentiert, scheint evident, wenn man bedenkt, daß Aristoteles der Frau die Fähigkeit zum wohlüberlegten Urteil gerade abgesprochen hatte, vgl. MACLEAN (wie Anm. 9) S. 50: "This natural authority is reflected in man's ability to arrive at measured and well-reasoned decisions". Frauen dagegen haben nur ein consilium invalidum et instabile aufgrund ihres Temperaments und ihrer Unvollkommenheit. Enite scheint sich dieser naturbedingten weiblichen Schwäche auch bewußt, wenn sie klagt: ,jä ist einer solhen ndt wtbes herze ze kranc (3165f.). Umso mehr widerlegt die erbrachte Entscheidung das zugrundeliegende Klischee. 3428, auch 3271: ich riche mich an einem teilezitiert nach der Ausgabe von ALBERT LEITZMANN, 5. Aufl. besorgt von LUDWIG WOLF (Altdeutsche Textbibliothek 39) Tübingen 1972.
176
Ingrid Hahn
Erecs Strafhandeln
(die Uberforderung der Frau mit der Aufgabe
des Pferdedienstes), ist wesentlich durch zorn 3433 nü nemet
diu
ros
in
iuwer
phlege
und
bewart
sie
also
schöne
daz
iah
mit
übele
iht
ir
iu
müezet
dulden
den
zorn
motiviert:
Idne: 12
Daß Erec hier nach Maximen des zeitgenössischen Eherechts verfährt, das im Spiegel der Oringles-Aventiure in krasses Unrecht 13 umschlägt, hat die Forschung gesehen . Auch Oringles handelt
nü enmohte
im Zorns 6516
meister gestn, in verleite ze 14 Erecs Zorn
der
gr&ve
er entaete stn grdzer tdrheite.
m§
im
selben
untugent schtn: stn zorn Es ist keine Frage, daß
sein Handeln disqualifiziert, im Allgemeinen wie
im besonderen Fall der von ihm geübten R e c h t s p r a x i s ^ . Ein Zitat aus dem 'Welschen Gast' des Thomasin von Zerklaire kann hier Kommentarfunktion übernehmen: 10043 Swer
der
dem rehte sol
niht
volgen zürnen
man muoz
dicke
doch
man ze
sol
wan man sol rihtende swer zürnet,
dan
ze
vil.
zürnen
amme g e r i l l t ,
harte
zürnen
tuon
nimSr
diu
schulde
amme gerihte er
wil,
riht
niht,
ger.
unmaeziltchen 16 unredeltchen
Unmäßig im Zorn, Hartmann hat die affektgeladene Szene des mit
zornigen
siten
(4061) den Wirt Erecs und Enites zur Rede stel-
lenden Grafen hinzuerfunden, und maßlos in der minne
sind in
Hartmanns 'Erec' die Männer. Dem männlichen Zorn aber kontrastiert, und diesen Aspekt gilt es im Folgenden herauszuarbeiten, 12 ^
Vgl. auch Enite zu Erec: 3415 noch dulde
iah baz iuwern
zorn.
Die Rüge des Hofes bringt Oringles mit dem Hinweis auf sein Eheherrnrecht
zum Schweigen: 6540 'ir herren, ir stt wunderlich, daz ir dar umbe sträfet mich swaz ich mtnem wtbe tuo. da bestät doch nieman zuo ze redenne Übel oder guot, swaz ein man stnem wtbe tuot. ' Dazu BAYER (wie Anm. 3) Anm. 10.
14 Der Dichter selbst nimmt den Affekt des Zorns bei seinem Helden immer
er hazte weniger ernst, vgl. 4162: doch ez im solde wesen zorn, verlorn von unbesihte den Itp3 wan daz in warnte daz wtp. ^
^
dicke
Hartmanns Tadel trifft den Mann, der den zur Gegenwehr unfähigen Frauen
Leid zufügt: 577o da von müeze er unscelic stn (des wünschet im der mtn) der den wtben leide tuot, wan ez enist manltch noch guot. Thomasin von Zirclaria, Der Wälsche Gast, hg. von HEINRICH RÜCKERT (Deutsche Neudrucke, Reihe: Texte des Mittelalters) Berlin 1965.
wille
Die Frauenrolle in Hartmanns 'Erec'
177
von Anfang an die über die Rollentypik definierte, aber gegenüber Chrétien neu und überraschend instrumentierte senfte der Enite. So wie ihr erstes Wort, Antwort auf den Befehl des Vaters (herre, das tuon iah, 322), eine Geste der Demut ausdrückt, so bleibt ihre Haltung gegenüber allen späteren Zumutungen Erecs gleichbleibend sanft. Während Erec auf die (notwendige) Gehorsamsverweigerung seiner Frau stets heftig und mit Zorn reagiert:
4263
stn
zorn
wart
grôz
und
ungemaoh
und
unsenfter
dan ê3 bleibt Enite auch gegenüber offenkundiger Verstöße gegen 17 ihr reht als Frau , Hartmann hebt diesen Aspekt des Pferde18 dienstes gegenüber Chrétien hervor , ohne Zorn: 3447 si Zeit
. .
ez
âne
swœre
mit
senftem
gemüete
daz
lêrte
si %r
19
güete
.
Ge-
rade deshalb aber bewährt sie sich, wie zu zeigen sein wird, im Dienst an den ihr von Erec zugewiesenen Pferden. Man hat den späten Holzschnitt des Hans Baidung Grien, auf dem ein Pferd sich nach seinem hinter ihm hingestreckt liegen20 den Pfleger umschaut, als "Allegorie des Zorns" oder, weiter21
gehend, als Verbildlichung "ungezügelter Leidenschaften" gedeutet. In der Emblematik begegnet der Pferdewärter, der wild sich aufbäumende Rosse bändigt, mit der Sentenz: Semper libidini 22
vmperat prudentia . Der hier Bild gewordene Gedanke, durchgehendes Grundmuster im Prozeß der abendländischen Zivilisation, ist vor allem platonischen Ursprungs, war aber der spätantiken und mittelalterlichen Bibelexegese auch aus eigener Tradition
18
vgl. 3445: swie
verre
ez wider
vrouwen
site
und wider
ir
reht
weere,
Bei der ersten Begegnung hatte Erec selbst den Pferdedienst als unangemesdie ¿unavrouwen erlän. iah waene siz selten sen empfunden: 344 'wir sulns habe getan: es zimt mir selben vil baz '.
19 Als unvollkommene Tugenden, die aus ihrer Schwäche resultieren, verbindet Aristoteles mit der Frau die Eigenschaften der Mäßigung (Selbstbeherrschung) , Scheu und Toleranz, vgl. MACLEAN (wie Anm. 9) S. 51: "The natural leaning of woman to mollities ... suggests that the imperfect virtues of aontinentia, vereoundia and tolerantia ... may also be associated with her", so daß "chastity, modesty and long-suffering are closely identified with the female sex". Da diese Anschauung auch bei den Stoikern vorkommt, Maclean verweist auf Seneca, baut Hartmann möglicherweise mit seinem senfte-Thema auf dem Grund der Tradition. 20 GUSTAV RADBRUCH, Hans Baidungs Hexenbilder (Elegantiae juris criminalis, 21 Basel 1950, S. 30-48) hier S. 41. GUSTAV FRIEDRICH HARTLAUB, Der Todestraum des Hans Baidung Grien (Antaios 2, 1961, S. 13-25) hier S. 22. 22 Vgl. Achille Bocchi (WILLIAM S. HECKSCHER - KARL-AUGUST WIRTH, Artikel 'Emblem'/'Emblembuch' [Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte V, Stuttgart 1967, S. 85-228] Sp. 105, Abb. 12).
178
Ingrid Hahn 23
bekannt . Zwar bleibt die unvergleichlich szenische Lebendigkeit der Allegorie der Pferdebändigung in Piatos 'Phädrus' unerreicht. Dort braucht das schwarze Pferd Gewalt, 'wiehert, ... streckt den Schweif in die Höhe, beißt in den Zügel und zieht 24 ... schamlos weiter' . So wird der Wagenlenker zur höchsten Anstrengung herausgefordert: Er 'zieht noch gewaltsamer dem wilden Rosse das Gebiß aus den Zähnen, so daß ihm ... die Backen bluten, und Schenkel und Hüften am Boden festhaltend, läßt er 25
es büßen'
. Aber wo das alte Testament in Prophetie und Didaxe
auf Pferdemetaphern zurückgreift, entfalteten sich diese in der Exegese zu vergleichbar eindrucksvollen Paradigmen metaphorisierender Psychologie. Wie Ungestüm und Ungehorsam des unverständigen Pferdes in Psalm 31,9 die übermütige menschliche Natur versinnbildlicht: Nolite
non est
intellectus.
f i e r i sicut
In camo et 26
freno
equus
et
maxillas
mulus,
Quibus
eorum
constringe,
Qui non approximant ad te , so dient bei Jeremia die brünstige Leidenschaftlichkeit des Hengstes als Metapher für unsinnige Begierde: Equi
insanientes
in feminas
facti 27
sunt
mihi;
unus-
quisque ad uxorem proximi sui hinniebat . Beide hier angelegte Deutungsrichtungen, auf Ungehorsam ( s u p e r b i a ) und Wollust ( l i b i do, luxuria) zielend, erscheinen in der Bibelexegese, verbunden mit der die platonische Vorstellung abwandelnden Reitermetapher, in vielfältiger Verschränkung sowie großer Fülle des metaphorischen Details. Vielleicht kann in der Feststellung des Hieronymus, die Begierde mache Menschen wie brünstige unfähig, sich selbst 2 8 ), der zu beherrschen (se tenere non possunt Hengste Generalnenner einer 23
24
25
26 27 28
Wieweit die 'platonisierenden' Deutungen alttestamentlicher Pferdemetaphern sich aus deren eigener Signifikanz ergaben und wieweit sie aus der Kenntnis Piatos entwickelt wurden, kann ich an dieser Stelle nicht untersuchen. Bei der Verbreitung der platonischen Vorstellung in antiker Literatur und ihrer ausführlichen Rezeption bei Philo ist eine Kenntnis bei Hieronymus und Augustinus aber wohl vorauszusetzen. Piaton, Phädrus 254d, Sämtliche Werke, nach der Übersetzung von FRIEDRICH SCHLEIERMACHER, hg. von WALTER F. OTTO - ERNESTO GRASSI - GERT PLAMBÖCK, Bd. 4 (Rowohlts Klassiker, Griechische Philosophie 5) Reinbeck 2 1983 , S. 35. Ebd. 254e.
Vgl. auch Sir 30,8: Equus indomitus praeceps.
evadit
durus et filius
Jer 5,8; vgl. auch Sir 33,6: Equus admissarius sub omni suprasedenti hinnit.
sicut
arnicus
remissus
subsannator
Im Zusammenhang lautet die Stelle aus dem Kommentar zu Amos 6,12:
uero effeminataci
mentem mollitiem,
possunt, et gestiunt ad libidinem [CCL] 76, 311, 447-449).
statim
insaniunt,
evadit
Quando
et se tenere non
(Corpus Christianorum. Series Latina
Die Frauenrolle in Hartmanns 'Erec'
179
negativen mittelalterlichen Pferdeauslegung gesehen werden * . Hieronymus kommt immer wieder auf die im Pferde anschaubare Unbezähmbarkeit menschlichen Triebverhaltens zurück. Wie vorwärtsstürmende Rosse, die ihre fesseln zerreissen, sind die oordis
... laszivientes
impetus,
et equorum more, ruptis
uinou-
lis, proruentes^®. So wahnsinnig sei die Raserei der Begierde, daß dem Propheten ein einfacher Ausdruck nicht genügte und er sich zur Metapher genötigt sah: Simulque libidinis,
ut non adpetitum
uoluptatis
tantam ostendit
sed xpeuet lcjuÔv , id est
'hinnitum' nocet et seruet equorum furientium .
yeiacpopav
insaniam
ad
31
libidinem
Bevor ich näher auf Umstände und Bedeutung der in der Exegese lebendig entfalteten Pferdebändigungsszene eingehe, möchte ich noch kurz einige mittelhochdeutsche Zeugnisse besprechen, die die Kenntnis der mit dem ungebändigten Pferd verbundenen Bedeutungen auch im volkssprachigen Bereich belegen. So begegnet die Gleichsetzung von Pferd und erotischem Verlangen in der Didaktik bei Thomasin von Zerklaire: 1183 die sporn vüerent durah die boume daz ros daz dâ vert âne zoume: alsam vert der der âne sinne waent spiln mit der vrouwen
minne.
si vüert in hin über die boume, riht ers niht mit des sinnes
zoume.
Die Zügelung des Verlangens durch den sin (ratio) variiert mit der durch Enthaltsamkeit (kiusahe) , die bei Thomasin ebenfalls im Bilde des Zaums vorkommt: 7515 swar du din ros kêren wil
mit der Kiusohe
zoum. Zur Askese gesteigert be-
gegnet sie in einer Allegorie der Gralqueste des Prosa-Lancelot, die, wie später auf emblemàtischen Stilleben des 17. Jahrhun-
Wie jede res hat auch das Pferd in der Allegorese eine positive Dimension (vgl. die Eintragungen bei Hieronymus Lauretus, Silva Allegoriarum totius Sacrae Scripturae, Nachdruck der Ausgabe Köln 1681, hg. von FRIEDRICH OHLY, München 1971, S. 392f.). Innerhalb der Auslegung ad malam partem
aber dominiert mit den Stichworten superbia, aorpus humanum, aonoupisoentia, quatuor affeatus3 amaiores mulierum der angegebene Aspekt (ebd.).
30 31
Hieronymus, In Michaeam II, V,10 (CCL 76, 490, 371-373). Hieronymus, In Hieremiam 1,96 zu Vers 5,9 (CCL 74, 55, 14-17).
180
Ingrid Hahn
derts
32
, einzelne Gegenstände zum allegorischen Ensemble ver-
sammelt: In dem als sie retten, da sahen sie komen durah die thür der Capellen ein hant, die bracht ein• köpf der was da überdeckt mit eim schlechter. In der hant hing ein zaum nit sere
33
ryche, und hatte in der hant ein groß kercz die da sere brandt Die Deutung des Zaums auf die abstinenscie evoziert die alte platonische Formel: wann als der mensch füret und leydet ein pfert war er will mit dem zaum, recht als es ist von absti34
nencz
. Im Gesamtkontext des Romans gewinnt das Bild dann aber
Gewicht in umgekehrter Richtung, als Metapher für das ungezügelt leidenschaftliche Wesen der Haupthelden, Lancelots und vor allem Lyoneis. Schon auf das unter maßlosen Zornausbrüchen leidende Kind Lyonel trifft Galahots spätere Charakterisierung zu, auf die der Text hunderte von Seiten vorher anspielt: wann Lyonel hett sie alle die nacht und allen den tag allesampt mit großem ungemach gethan leben, wann er was der unsinnigste mensch in sim zorn der ye geborn wart, ane Lancelot alleyn. Das wiste wol Galahüt der gut man ... der nante yne zu eynem mal one
zaum'^.
'eya, herze
Die gemeinte Stelle steht im Kapitel von Galahots
Tod und lautet: 'Ay herze ane zaum', sprach er, 'herze one zaum, 36 wie
wol
magstu Lancelots neve sin mit der unmaß'
Wenn so das Bedrohliche der menschlichen Natur als reine naturhafte Kraft im Bild des vorwärtsstürmenden Pferdes zum Ausdruck gelangt, so war deren Bändigung als notwendige Aufgabe im Prozeß fortschreitender Gesittung Teil derselben Metapher, wie es Cassiodor anhand der Etymologie von frenum sehr schön verdeutlicht: Frenum enim a fero retinendo dictum est; ferum quippe antiqui caballum dixerunt. Und, bezogen auf Perd und Esel: Ergo haec duo animalia supradicta cohibent ista retinacula, ut 32
33
34 35
Auf dem Stilleben von Jan Simonsz van der Beek, gen. Torrentius (Rijksmuseum Amsterdam) sieht man ein Pferdegebiß, einen Wasser- und Weinkrug mit einem Glas zum Mischen und zwei ausgebrannte Pfeifen. Ein mit Noten versehener Zettel schlüsselt die Bedeutung auf: Was außerhalb des Maßes steht, vergeht schlimm im Unmäßigen; vgl. Stilleben in Europa, im Auftrage des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden hg. von GERHARD LANGEMEYER - HANS-ALBERT PETERS, Münster 1979, S. 179. Prosa Lancelot 111,205, 12-15, hg. von REINHOLD KLUGE (Deutsche Texte des Mittelalters 63) Berlin 1974. Ebd. 218, 15f. Prosa-Lancelot 1,52, 35-53,4, hg. von REINHOLD KLUGE (Deutsche Texte des
Mittelalters 42) Berlin 1948. 36
Ebd. 557,llf.
Die Frauenrolle in Hartmanns 'Erec'
181
ad arbitrium iubentis incedant, ne suis uoluntatibus efferan37 tur . Die uoluntas iubentis, der zu folgen das Pferd nur mühsam lernt, ist bei Plato die Vernunft-Seele, neben die in der christlichen Auslegung mit Vorrang der Wille Gottes tritt. Ihn zu erkennen ist die eigentliche Leistung der menschlichen Intelligenz, zu der das Tier unfähig ist: Equus sine discretione sessoris seruit arbitrio, et a quooumque fuerit asaensus ex38 currit . Es war Gregor der Große, der anhand des Hiobverses: Et quasi pullum onegri se liberum natum putat (11,12) den Gedanken einer durch Gottes Erbarmen geglückten Disziplinierung der menschlichen Natur, ihrer Harmonisierung auf höherer Stufe, zum groß angelegten Gleichnis entfaltete. Gregor beschreibt den Naturzustand der jungen Wildesel, die nur ihrer zügellosen Freiheit leben und, ledig aller Bande, ziellos durch den Wald ihrer Wünsche schweifen. Ihnen begegnet die Barmherzigkeit Gottes, die die Ungestümen, indem sie sich ihnen entgegenwirft, dazu bringt, den Nacken ins Joch zu beugen. So wird der Wilde von der Bahn seiner verderblichen Begierden zum Haus des Glaubens geführt und lernt es, in allem nach den geheimsten Winken seines Herrn zu fragen. Das aber bedeutet, durch 39 den Zügel einer höheren Lenkung zu eigenem Heil gehalten zu sein . Was Gregor zum Schluß andeutet, die völlige Ubereinstimmung des Tieres mit seinem Führer, hatte Augustinus in Überwindung der platonischen und biblischen Bändigungsvorstellungen schon früher auf eine eigene Höhe geführt. Denn Ziel der Bändigung ist schließlich nicht müh37 OQ
39
Cassiodor, Explanationes in Psalmos XXXI,9 (CCL 97, 281, 266-270). Ebd. 280,256f. Der Text aus den Moralia lautet: Agri namque animalia in libertate habent et ire quo appetunt, et quiesaere cum lassantur ... hoc tarnen plerumque homini non licet quod brutis animalibus licet ... Homo autem quia ad sequentem uitam ducitur, neaesse profecto est ut in cunatis suis motibus sub disciplinae dispositione religetur, et quasi domesticum animal lovis uinctum seruiat atque aeternis dispositionibus restrictum uiuat. Qui ergo implere auncta quae desiderat per effrenatam libertatem quaerit, quid aliud quam pullo onegri esse similis aoncupiscit, ut disciplinae hunc lora non teneant, sed audenter uägus per siluam desideriorum currat? Saepe autem diuina miseratio, quos prodire in effrenationem illiaitae libertatis conspicit, obiectione properae aduersitatis frangit, quatenus elisi discant quam reproba erectione tumuerant, ut iam flagelli experimentis edomiti, quasi iwnenta domestica praeceptorum loris mentis colla sübiaiant, et uitae praesentis itinera ad nutum praesidentis pergant ... Vnde et saeuus ille persecutor ab agro perfidae uoluptatis ad domum fidei deduatus} rectoris sui aalcaribus punctus ... Restat ergo ut si esse iam similes pullo onegri nolumus, in cunatis quae appetimus nutum prius intimae dispensationis exquiramus, ut mens nostra in omne quod nititur, superni regiminis loro teneatur (Moralia in Hiob 10,23.24, CCL 143, 554, 4-31).
182
Ingrid Hahn
saraer Gehorsam, Disziplinierung durch Zügel, Peitsche und Sporn, sondern die ganze Freiheit: Quos mansuetos? Non erigentes oerviaem adversus domitorem suum, patientes flagella et frenum; postea sio domit-L, ut sine flagello ambulent,
et sine freno
et camo viam teneant Der freiwillige Gehorsam, zu der das wild hinstürmende Roß in einem langen und schmerzhaften Prozeß bei Augustinus gelangt, gehalten nur durch die Bindung an den, der sich seiner erbarmte, scheint mir nun aber nicht weitab zu liegen vom Verhalten der Pferde, die Enite anvertraut sind. Zunächst: Hartmann hebt bezüglich ihres Pferdedienstes drei für die Interpretation wichtige Punkte hervor. Die arbeit widerspricht dem gewohnten Tätigkeitsfeld der Frau, ist wider vrouwen site, wider ir reht (3445f.) und wird deshalb auch mehr schlecht als recht erfüllt: 3288 der pherde si d5 phlao
dar nach als ein vrouwe mac:
si enkunde. Und später: 3443 si vuorte si als si mähte:
baz si en-
kunde niht wol da mite. Dennoch verhält sich Enite durch und durch wipltahen
(vil wtpltohen si dd leit
dise ungelernet ar-
beit, 3290f.), d. h. sie verzichtet auf Selbstverteidigung, Empörung und Zorn und überwindet das angetane Leid in demütiger Hingabe an den Willen des Ehemanns von innen: 3450 die vrouwe grSzen kumber leit, wan daz si ze liebe ir leit in ir herzen verk§rte, 41 als si ir diemuot ISrte An dieser Stelle aber läßt Hartmann mit den ihr anvertrauten Pferden ein Wunder geschehen. Denn wie konnte Enite acht Rösser bändigen? Vier Knechte wären nötig gewesen, um acht Pferde bei der Stange zu halten, und nun eine Frau allein? So greifen Fortuna und gotes hövesoheit ein (3461), welche, über Enite schwebend, sich dem wilden Streben der Tiere zum Schutz der Frau widersetzt: 3460 wan daz vrou Saelde ir was bereit und daz diu gotes
hövesoheit
ob mtner vrouwen swebete und da wider strebete daz ir dehein groz ungemaoh von den rossen niene gesohaah. 40 Augustinus, Enarrationes in Psalmos, zu Vers 31,9 (PL 36,272); in diesen Zusammenhang gehört auch die Stelle bei (Ps.) Hugo von St. Viktor, PL 177, 41 Sp. 815f., auf die WORSTBROCK hinweist (wie Anm. 7) S. 24. Eine andere Möglichkeit der Reaktion auf angetanes Leid sind für Frauen Klage und Klagegebärde, niemals die direkte Gegenwehr: 5761 an ir Itbe si
Die Frauenrolle in Hartmanns 'Erec'
183
Wunderbarer aber fast ist ein zweites. Denn obgleich Enite zur Bändigung der Pferde unfähig ist, die Zügel zwar in die Hand nimmt (3285), aber, wie Hartmann betont, ihre Sache nur schlecht macht, gelingt ihr, wozu der Wagenlenker des 'Phädrus' und viele nach ihm alle Kraft brauchten, von selbst: 3468 ouah muosten durah einen solhen kneht diu ros gerng und durah reht ir ungestüemez streben lân und senftecltchen mite gân. Die wilden Rösser, die sich in Enites Obhut befinden, werden sanft, sie nehmen die Gemütsart an, die Enite selber eigen ist und die die beiden von ihr gerittenen Zelter ausdrücklich kennzeichnet. Hartmann hat dem Pferde-Thema eine bei Chrétien noch unbekannte symbolische Dimension dadurch gegeben, daß er es zu Wesen und Wirkung der frouwe Enite in Relation setzt. Enites wtpltche senfte, als Folge ihrer Demut höchste Form christlicher Existenz und kontrastiv zum zorn als Folgelaster der superbia, bringt acht Pferde zu freiwilligem Gehorsam. Sie findet ihren vollkommenen Ausdruck in der sanften Gangart der ihr zu Lob und Lohn geschenkten Prachtpferde. Chrétien hatte das Enide in Tulmein geschenkte Pferd als leicht zu reiten charakterisiert. Es 'gebärdet sich nicht zu wild, sondern ist so, wie es für Mädchen paßt, ein Kind kann es reiten. Es ist nicht zu scheu, nicht störrisch, es beißt nicht, schlägt nicht aus, es ist nicht ungestüm ... Wer es reitet, hat keinen Verdruß, sondern bewegt sich behaglicher und sanfter als 42 auf einem Schiff' . Die von Chrétien eindimensional auf den Wortsinn beschränkte Schilderung eines guten Damenpferdes, die dem Autor des dem deutschen 'Lancelet' zugrunde liegenden welschen buoahes offenkundig bekannt war 4 3 , entsprach, besonders sich räch nâch wiplîahem site, wan hie reahent sie sich mite, ze leide geschiht da wider entuont die guoten niht. 42
43
swaz in
Chrétien de Troyes, Erec und Enide, übersetzt und eingeleitet von INGRID KASTEN (Klassische Texte des romanischen Mittelalters 17) München 1979, S. 89. - Eine Fülle von Anregungen zum Thema 'Pferde im Mittelalter' verdanke ich dem Beitrag von FRIEDRICH OHLY, Die Pferde im 'Parzival' Wolframs von Eschenbach (L'uomo di fronte al mondo animale nell'alto medioevo. Trentunesima settimane di studio. Centro Italiano di Studi sull'Alto Medioevo, Spoleto 1985, S. 849-927).
uz dem wege ez selten dranc, wan es niht tokzelende truoa. ez eribeiz noah ensluoo und liez ûf sich wol sitzen ... ez hewcœ te wol ein cleine kint. dar zuo was es niht wegeschie. An anderer Vgl. Lancelet: 1456
Stelle schildert Ulrich das Gegenbild, ein ungebärdig wildes, seinem Reiter ungehorsames Roß: 472 unserem guoten knehte begund sîn ros weien, grâzen unde schreien, nach der Ausgabe von K. A. HAHN, Frankfurt 1845.
Ingrid Hahn
184
was die Betonung der sanften Gangart angeht, durchaus dem idealtypischen Standard. Zwar findet dieser in den Enzyklopädien, deren Forderungen im Punkte forma und pulchvitudo Hartmann dann 44 in Einzelheiten folgt , keine Erwähnung, doch ist das schöne oder sanfte
gän der mittelhochdeutschen Texte, wie Dorothea
Segelke gezeigt hat, ohne Zweifel Reflex einer geschätzten 45 Eigenschaft des Zelters als Reise- oder Damenpferd . Hartmann greift also eine dem Damenpferd eigene gängige proprietas auf, um sie im Kontext möglicher equus-domitus-Assoziationen zu Enites Wesen in Beziehung zu setzen. Auch wenn Enite 46 zum Schluß
selber in den Genuß der senfte ihres Pferdes gelangt , belohnt und gnadenhaft ausgezeichnet nach bestandener Bewährung, ist das sanft-Sein ihrer Zelter doch zunächst Zeichen für ihre eigene Person. Hartmanns Charakterisierung des ersten Pferdes in Tulmein, ez was senfte unde wo (1433), ist daher auch kein Hinweis auf die Tatsache, daß "ein Zelter ... ein ausgeglichnes 47 Temperament hatte" , sondern Variante einer das vollkommene Maß höfischer Kultur ausdrückenden Formel, die ähnlich so für Gawan auftaucht ( m i t schoenen
zühten was er vrd 2740) und auch 48 die schöne und vollkommene Iblis im 'Lancelet' kennzeichnet Die zentrale Bedeutung des Pferde-Motivs für das Verständnis der Enite-Gestalt ist von Hartmann durch die Chretien hinter sich lassende Erweiterung der abschließenden Zelterbeschreibung zum Gedicht im Gedicht unübersehbar gemacht. Worauf Franz Josef Worstbrock zuerst hinwies, liegt die Funktion der von Hartmann exzessiv genutzten Figur der 'Dilatio materiae' im Sichtbarmachen von Verborgenem. So wird der "noch ungeschauten Schönheit" am Artushof eine erste Erhöhung zuteil, die dann am Schluß im Symbol des unübertrefflich herrlichen überboten und 49 . Und Zelters als für immer bestätigt erscheint auch Enites tr-Luwe, 44 45
Dazu WORSTBROCK (wie Anm. 7) S. 20f. Vgl. DOROTHEA SEGELKE, rtten. Studien zum Wortschatz des Reitens im Mittelhochdeutschen, Diss. Münster/Westf. 1969, S. 141-145, zu zelten, zeiter, zeit, enzelt. Daß die Vorstellung des Reitens schon in frühesten Zeugnissen mit dem Fahren des Schiffes auf dem Wasser verbunden wurde, zeigt Segelke S. 57-64.
46 Dazu WORSTBROCK 47 48 49
(wie Anm. 7) S. 24.
SEGELKE (wie Anm. 45) S. 145.
Vgl. 4032: siu
was lös mit
senftekeit.
WORSTBROCK (wie Anm. 7) S. 6 u. 22f.
185
Die Frauenrolle in Hartmanns 'Erec' die sie Erec wieder und wieder bewährte, entfaltet erst im
Spielraum einer Dilatatio ihre Welt und Gott bewegende Kraft"'0. Mir scheint, hier ist etwas Wesentliches gesehen, das die von Hartmann herausgearbeitete Abgrenzung der weiblichen von der männlichen Rolle im Kern erhellt. Enites "Weg", wenn es denn einen gibt, besteht nicht im Durchlaufen von Stationen, die einen Prozeß symbolisieren, sondern im Offenbarwerden dessen, was von Anfang an war. Aus der Opposition von 'verborgen sein1 und 'erscheinen' baut sich die Bewegung der Enite-Handlung auf, vom Augenblick ihres ersten Auftretens im armen Kleid, das ihre Schönheit schlecht verhüllt, über deren vollen Sonnenglanz am Artushof - noch hier spielt Hartmann mit Sein und Erscheinen, 51
Sonne und verhüllender Wolke
-, über die erneute, nun tiefere,
aber durchaus von außen kommende Verschattung in Karnant
(Enite
klagt, statt sich zu beschuldigen, über die sie treffenden Vorwürfe)' bis hin zur abschließenden, endgültigen Darstellung ihres Wertes als Frau. Sahoene,
triuwe und aenfte, über die
Enite schon immer verfügt, treten im Verlauf des Weges, den Erec geführt wird, ins öffentliche Bewußtsein. Hartmanns Erec-Roman hat den Prozeß der Personwerdung, hat Selbstverlust, Suche und Identitätsfindung dem Mann vorbehalten, hier deutlich 'konservativer' als Chretien, der seine Enide zur Einsicht in ihr Fehlurteil bringt, so daß auch die Frau am inneren Klärungsprozeß des gemeinsamen Weges Anteil gewinnt. 52 Doch scheint es mir unbillig, hier nur den Verlust zu sehen . Hartmann hat die positiven Züge seines Frauenbildes dem Inhalt nach der Tradition entnommen, ihnen dann aber gegenüber dem männlichen Part eigene strukturelle Bedeutung gegeben. Formal verhalten sich männliche und weibliche Rolle kontrapunktisch, denn dem Zusichselbstkommen des Mannes entspricht bei Hartmann das Beisichselbstbleiben der Frau. Hier aber ist die stilistische Kunst des deutschen Dichters zu bewundern, der für die Frau, für die es die Aventiure nicht gibt, Mittel sensibilisiert, die eine trockene Schulwissenschaft zur Verfügung stellte. Wenn 50
51 52
WORSTBROCK!(wie Anm. 7) S. 19. Dazu WORSTBROCK (wie Anm. 7) S. 7f. So die Tendenz bei Pêrennec, der die Widerlegung von außen kommender männlicher Antifeminismen durch Hartmanns Enite dem inneren Weg der Enide vergleicht, welche die Überwindung weiblicher Schwächen in ihrer Person vollziehe und so für den Leser "une procédure d'êlucidation" leiste. Dahingegen sei die deutsche Bearbeitung in ihrer Annäherung an den GrisaldaTyp eher ein Fall von "simplification", PÉRENNEC (wie Anm. 3) S. 95.
Ingrid Hahn
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die Klage der Enite oder die Beschreibung des Zelters über Hunderte von Versen im Grunde einen Gedanken variieren, so wird mit dem Statischen der kreisenden Bewegung die Sprache selbst zum Symbol. Im rhetorischen Glanz der artistischen Demonstration, dem deiktischen Gestus Hartmanns, gewinnt der Wert der Frau, der nicht durch Taten, sondern in der Repräsentanz gültigen Daseins vollkommen ist, seine poetische Manifestation. Hartmann läßt seinen Erec bekanntlich zum Schluß für die Enite auferlegten Leiden, welche diese âne saohe demütig ertrug, um Vergebung bitten. Dazu aber steht der gegenüber Chrétien neu eingeführte Vergleich Enites mit Gold, das in der Esse geläutert wird, scheinbar in Gegensatz. Versuche, die auf einen rungsweg
1
1
Läute-
der Enite abheben, kommen denn auch immer wieder auf 53
die Metapher zurück
, ohne allerdings deren Mehrdeutigkeit in
Rechnung zu stellen. Wohl weil die Rede vom geläuterten Gold als verblaßte Metapher zu gelten hat, wurden notwendig zu unterscheidende Konnotationen von der Forschung bisher nicht beachtet. Ich möchte deshalb zum Schluß noch einmal etwas weiter ausholen, um die metaphorische Aussage in der vom Text vorgegebenen Richtung zu vereindeutigen. Dabei wird die hier vorgeschlagene Deutung der Enite-Rolle unter anderem Aspekt nochmals zur Rede stehen. In seiner 'Naturalis historia' beschreibt Plinius als Haupteigenschaft des Goldes seine Feuerfestigkeit. Das Gold wird allen übrigen Metallen vorgezogen, 'weil ihm als einzigem Stoff nichts durch das Feuer ... verloren geht. Vielmehr, je öfter 54 es geglüht hat, desto mehr gewinnt es an Güte . Diese in den Enzyklopädien auch des Mittelalters tradierte Eigenschaft des Goldes 53
54
^
55
war schon dem Alten Testament bekannt, das in seiner
Gegenüber Kurt Ruh, der den Prüfvorgang betont (Erec prüft "die Frau auf ihren Goldgehalt", RUH [wie Anm. 3] S. 129), betonen die meisten Kommentare den Prozeß der Reinigung, so FRANK: "The narrator's reference to gold, purified in the fire" (wie Anm. 3) S. 5; TAX (wie Anm. 7) S. 29-44; BAYER (wie Anm. 3) Anm. 170 \and SCHULZE (wie Anm. 3) S. 37. Abwegig erscheint die Auslegung bei KAHN BLUMSTEIN (wie Anm. 3),Frauen werde keine eigene emotionale Existenz zugestanden, sie seien lediglich "lumps, albeit lumps of gold" (S. 122). C. Plinii Secundi, Naturalis Historiae libri 37, lib. 33,59, lateinischdeutsch, hg. und übersetzt von RODERICH KÖNIG - GERHARD WINKLER, Darmstadt 1984, S. 49. Vgl. Thomas von Cantimprê, Liber de natura rerum 15,2: Per formacern nach der Ausgabe (Teil I: Text) von H. BOESE, Berlin - New York 1973, S. 375; Bartholomäus Anglicus, De rerum proprietatibus 16,4: ideo in igne position, non euaporat3 nee etiam in pondéré minoratur: vnde in igne non oonsumitur, nach der Ausgabe Frankfurt 1601, Nachdruck Frankfurt 1964, S. 718; Vinzenz von Beauvais, Spéculum
ignis ... ipsum aurum non oonsumitur,
Die Frauenrolle in Hartmanns 'Erec1
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Metaphorik eindrucksvoll auf sie zurückgriff. Gott, der Herz und Nieren prüft, unterwirft sein Volk der Feuerprobe des Goldes (Silbers), die es nicht besteht: 'Zum Priester habe ich dich bestellt in meinem Volk, daß du erkennest und prüfest ihren Wandel. Allesamt sind sie Aufrührer, gehen umher und verleumden; Erz und Eisen sind sie, Verbrecher sie alle. Es schnaubt der Blasebalg, doch aus dem Feuer kommt nichts als Blei; umsonst schmelzt man und schmelzt' . Israel, das ungehorsame Volk, wird im Schmelzofen zu Schlacke: 'Das Haus Israel ist für mich zu Schlacke geworden. Sie alle sind Kupfer, Zinn, Eisen und Blei' 57 . Vor dem Hintergrund der Enttäuschung Gottes über 58 sein Volk, das nicht als Gold oder Silber erfunden wird , haben die Worte Hiobs besonderes Gewicht: 'Prüft er mich, wie 59 Gold gehe ich hervor' . Ins Neue Testament hat die Metapher an zwei Stellen mit der gleichen Bedeutung Eingang gefunden, so wenn Paulus die Beschaffenheit der menschlichen Werke (aus Silber, Gold, Edelstein etc.) durch das Feuer (des Gerichts) geprüft sein läßt: 'und wie eines jeden Werk beschaffen ist, wird das Feuer erproben' , wie auch im ersten Petrusbrief, wo es vom Glauben heißt: 'die Bewährung eures Glaubens' werde 'köstlicher erfunden als Gold, das ... durch Feuer bewährt wird'®^. Der Vorgang des Schmelzens von Gold oder Silber im Ofen oder Schmelztiegel hat aber neben der Prüfung des Edelmetalls auf seine Qualität auch noch die Funktion des Ausscheidens von verunreinigenden Beimengungen. Da Gold und Silber oft gemischt mit anderen Metallen vorkommen, muß die Schlacke im Ofen herausge62
schmolzen werden . Diese Bedeutung nun erhält ebenfalls schon in der Bibel, wenn auch in geringerem Umfang, metaphorische Qualität. Der Hauptbeleg findet sich in Mal 3,2f., wo es von Gott heißt: 'Denn er ist wie das Feuer des Schmelzers und wie die Lauge des Wäschers ... er wird die Söhne Levis reinigen, wird sie läutern wie Gold und wie Silber'. Das Ausscheiden der naturale 7,8 C: In igne positum non comburi tur, nach der Ausgabe 1634, Nachdruck Graz 1964, Sp. 429. 56
57 58
Jer 6,21-29. Ez 22,18. So auch Jes 48,10.
59 Hiob 23,IO. 60 61
1. Kor
3,12.
62 1. Petr 1,7. Vgl. Plinius, Naturalis historia 33,69 (wie Anm. 54) S. 54.
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Schlacke als notwendiges Verfahren zur Gewinnung reinen Goldes berührt sich in der Metaphorik mit der im Prüfvorgang zutagetretenden Eigenschaft des Goldes, durch Glühen intensiveren Glanz anzunehmen, d. h. seine Güte zu steigern. Beide Bedeutungen, das probare
(examinare)
und das purgare
durchdringen sich,
1
sind aber, wie die im Speculum naturale' des Vinzenz von Beauvais nachzulesende Einteilung deutlich macht, im Grundsatz geschieden 6 3 . Dabei scheint in der mittelalterlichen Allegorese nach Ausweis der Zusammenstellung bei Hieronymus Lauretus der 64
Akzent auf dem probare zu liegen . Ganz darauf abgestellt ist die Auslegung in der Enzyklopädie des Petrus Berchorius. Die Bezeichnung homo perfeotus als Hauptbedeutung seiner Gold-Allegorese hebt unter dem Stichwort firmitas die Beständigkeit des Goldes, seine durch keine äußere Einwirkung zu beeinträchtigende Qualität hervor: Sic
mus,
perseverans
tribulationis quamvis
aut ipsum
vere
vir
perfeotus
Ktichen, wie sie gleichzeitig in St. Denis 72 oder in Paderborn errichtet wur68 69
70
SCHIEFFER (wie Anm. 2) S. 227ff. DIEKAMP (wie Anm. 7) S. 73-78 (vita sec. I cap. 28-30); SCHRADE (wie Anm. 57) S. 26ff. Abb. 14; VICTOR H. ELBERN, Das Leben des hl. Liudger in einer frühmittelalterlichen Bilderhandschrift aus Werden (Das Münster am Hellweg 23, 1970, S. 103-112) S. 106ff.; DERS. (wie Anm. 57) S. 111; auf die baugeschichtliche Bedeutsamkeit des noch in der heutigen Abteikirche fixierten Platzes machte mich U. Lobbedey freundlicherweise aufmerksam. Vgl. auch SCHÄFER und CLAUSSEN (wie Anm. 18) S. 297, 314ff., 321ff., 330f. MICHAEL GECHTER, Ausgrabungen in der Abteikirche St. Liudger in Essen-Werden (Das Rheinische Landesmuseum Bonn, Sonderheft: Ausgrabungen im Rheinland '79, Bonn 1980, S. 267-269) S. 267.
71 GERHARD LEOPOLD, Die Vorgängerbauten des Domes. Ein Beitrag zur frühen Geschichte Haiberstadts (Veröffentlichungen des Städtischen Museums Halberstadt 16, gleichzeitig: Nordharzer Jahrbuch 9, 1983, S. 69-83) S. 69-72; GERHARD LEOPOLD - ERNST SCHUBERT, Der Dom zu Halberstadt bis zum gotischen Neubau, hg. vom Institut für Denkmalpflege, Berlin 1984, S. 26 (mir zugänglich mit wertvollen Hinweisen durch die Hilfsbereitschaft von U. Lobbedey). 72 BERNHARD BISCHOFF, Eine Beschreibung der Basilika von Saint-Denis aus dem Jahre 799 (Kunstchronik 34, 1981, S. 97-103) S. 101f.; WERNER JAC0BSEN, Saint-Denis in neuem Licht: Konsequenzen der neuentdeckten Baubeschreibung aus dem Jahre 799 (Kunstchronik 36, 1983, S. 301-308); HAUCK (wie Anm. 23) S. 87f.
Apostolischer Geist im genus sacerdotale der Liudgeriden
207
den^3. Neben dieser Gleichartigkeit treffen wir in Halberstadt aber auch auf einen wesentlichen Unterschied. In der Mitte von Hildigrims missionarischer Laienkirche stießen die Ausgräber auf die Spuren von einem Taufbecken. "Die erhaltenen Reste erlauben es, sich eine ursprüngliche Gestalt und Wirkungsweise annähernd vorzustellen ... über der Taufe befand sich ... ein Baldachin, gestützt von 4 Holzpfosten, deren Standlöcher sich noch im Boden 74 abzeichneten". Das gleiche Stephanspatrozinium aber, das Hildigrim von ChÜlons aus auf seine Missionskirche in Halberstadt 75 übertragen hat , ist uns sehr wohl in Werden vertraut, und zwar von jener Kirche, die Hildigrim dort in seinen letzten Lebensjahren erbaut hat. Wie eines der frühesten Zeugnisse aus Liudgers 76 Gegenwart Alchvines Verse für seine Kirche in Dokkum sind , so reihen sich ihnen bei Hildigrim die erhaltenen Verse auf seine Stephanskirche in Werden an. Es handelt sich um die Weiheinschrift, die als Lied des als Abt der Reichenau 849 gestorbenen Universalgelehrten Walahfrid Strabo erhalten geblieben ist. In Walahfrids Werk ist uns ähnliche Kleindichtung nicht oft bekannt. Infolgedessen ehrt der Auftrag von Hildigrim in gleicher Weise ihn selbst wie den junggenialen Dichter, der damit im Licht früher Berühmtheit erscheint, und zwar mehrere Jahre bevor er vom 77 Hof Ludwigs des Frommen als Prinzenerzieher engagiert wurde Von Hildigrims Kirchenbau in Werden kennen wir deswegen ebenso den Vollzug der Weihe durch Erzbischof Hadebald von Köln wie alle Haupt- und Nebenaltäre. Daher wissen wir, daß der Hauptaltar ein ungewöhnliches Doppelpatrozinium gehabt hat. Hildigrims Bau war zu Ehren seines Kathedralheiligen, des Erzmärtyrers Stephan zusammen mit der Ehrung von dem Bruder Jesu, Jacobus, errichtet, 73
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75
76
77
UWE LOBBEDEY, Die Ausgrabungen im Dom zu Paderborn 1978/80 und 1983, Teilband 1 (Denkmalpflege und Forschung in Westfalen 11,1, hg. von DIETRICH ELLGER) Bonn 1986, S. 146f. LEOPOLD (wie Anm. 71) S. 71; LEOPOLD - SCHOBERT (wie Anm. 71) S. 29f. HAUCK (wie Anm. 41) S. 370f.; vgl. auch EUGEN EWIG, Die Kathedralpatrozinien im römischen und fränkischen Gallien (Historisches Jahrbuch 79, i960, S. 1-61) S. 41, 45; SCHIEFFER (wie Anm. 2) S. 228 Anm. 573. S. oben Anm. 51; HAUCK (wie Anm. 41) S. 375; DERS. (wie Anm. 23) S. 31ff. KARL LANGOSCH, Walahfrid Strabo (Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 4,3, hg. von DEMS., Berlin 1953, Sp. 734-769) Sp. 764; HEINZ LÖWE, Die Karolinger vom Tode Karls des Großen bis zum Vertrag von Verdun (WATTENBACH - LEVIS0N, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter 3) Weimar 1957, S. 303f., 321ff.; FRANZ BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters 1: Von Cassiodor bis zum Ausklang der karolingischen Erneuerung, München 1975, S. 345ff., 353f., 557ff.
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78 . Hildigrims Stephanus-Ja79 cobus-Kirche sollte sich also in Werden nicht nur räumlich , sondern auch geistig-geistlich der Salvator-Maria-Abteikirche Liud80 gers anfügen Im Rückblick auf die Bischofsfamilie der Liudgeriden sei viererlei noch einmal angesprochen, die ersten drei Gesichtspunkte als Zusammenfassung von bisher Gesagtem, der vierte noch mit etwas entscheidend Neuem: 1. die Willibrord- und Bonifatius-Nachfolge von Liudger und Hildigrim vollzog sich gerade auch räumlich in den gleichen Missionsgebieten Friesland und Mitteldeutschland, zu denen 81 dann bei dem Brüderpaar neu die sächsischen Regionen hinzukamen ; 2. der Stammbaum jener friesischen Adelsfamilie mutet uns fremdartig an. In ihm tritt Zeugung und Geburt zurück hinter dem namengebenden Rang der Bischofsweihe, die den Geweihten zum Vikariat der Apostel verpflichtet. Wir kennen infolgedessen weder die Vater- noch die Mütternamen der jüngeren Liudgeridenbischöfe (Fig. 2)82? 3. die Karlsburg bzw. Paderborn liegt am Kreuzungspunkt der beiden wichtigsten Heerstraßen der Franken von Westen und Süden 83 im sächsischen Kerngebiet ; 4. Karls des Großen und seiner Nachfolger Förderung des Gottesdienstes wird etwa auch von den Reliquientranslationen in das sächsische Missionsgebiet erhellt. Ihre Auflistung verdeutlicht cum Iaoobo nostvi fratre simul Domini
78
MGH Poetae Latini 2, ed. ERNST DÜMMLER, Berlin 1884, S. 393 Nr. 43; OEDIGER (wie Anm. 3) S. 48 Nr. 144, noch ohne Berücksichtigung von Walahfrids Jugendlichkeit, durch die wir auf Hildigrims letzte Lebensjahre verwiesen werden.
79 Ausgrabungen im Abteihof in Werden 1984, von denen naturgemäß noch kein Vorbericht vorliegen kann, haben auch hier die Auffassung von EFFMANN (wie Anm. 17) S. 5ff. als nicht stichhaltig erwiesen. Darauf hat mich dankenswerterweise Herr Propst Dr. Heinrich Engel aufmerksam gemacht. Gleiches ergaben die Untersuchungen von SCHÄFER und CLAUSSEN (wie Anm. 18) S. 293f. , 297ff., 302ff,, 306ff., 314ff. , 319ff. 80 HAUCK (wie Anm. 41) S. 372f.; SCHIEFFER (wie Anm. 2) S. 228 Anm. 573. 81 Vgl. HAUCK (wie Anm. 22) nach S. 448, Karte 1, wiederholt zuletzt von SENGER (wie Anm. 5) S. 108.
82
Wir übernehmen die Auswertung der Überlieferung von SCHMID (wie Anm. 13) S. 327, tilgen jedoch bei Heriburg den Zusatz: "1. Äbtissin von Nottuln". Denn die Forschung rechnet nicht mehr mit Nottuln als ältestem Frauenkloster in der Diözese Münster. Vgl. JOSEPH PRINZ, Die Urkunde Bischof Gerfrieds von Münster für Nottuln von 834 eine Fälschung des Albert Wilkens (Westfälische Zeitschrift 112, 1962, S. 1-51); UWE LOBBEDEY, Ausgrabungen auf dem Stiftsplatz zu Nottuln (Westfalen 58, 1980, S. 45-54); FREISE (wie Anm. 2) S. 315, 83 334. Vgl, die Karte bei BALZER (wie Anm. 27) S. 12.
Karl Hauck
210
zugleich die Mobilisierung des ganzen Frankenreichs sowie des päpstlichen Roms, um die gewaltige Aufgabe der 84 in generationenlanger Arbeit zu leisten
84
Sachsenbekehrung
Vgl. HAUCK (wie Anm. 22) nach S. 448 Karte 12. Wir wiederholen hier nicht die Kartierung, jedoch ihre Erläuterung ebd. S. 449f.: Die missionarische Erschließung des sächsischen Stammesgebietes,erhellt an den bezeugten Reliquientranslationen der Karolingerzeit
1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13)
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Soissons Rom-Gorze Würzburg Aachen Rom Aachen Rom Northumbrien Rom Werden Aachen Rom Reims Reims
Osnabrück Minden Paderborn Paderborn Paderborn Hildesheim Hildesheim Kirchdornberg-Herford Werden Helmstedt Corvey Heiligenstadt (Eichsfeld) Hamburg Heiligenstedten nordwestl. Itzehoe Münsterdorf südöstl. Itzehoe Erfurt Paderborn Corvey Halberstadt Boke Vreden, bei Ahaus Brunshausen nördl. Gandersheim Lamspringe Bremen Wildeshausen Quedlinburg Freckenhorst Essen Corvey Herford Nottuln-Everswinkel Wendhausen Hildesheim Verden/Aller Bücken (Grafschaft Hoya) Neuenheerse Corvey
nach 785 vor 791 vor 799 799 799 815 nach 817 nach 785 799 nach 799 823 nach 325 nach 831
Reims Ravenna Le Mans St. Denis St. Denis St. Crespin Rom Rom Rom Reims Rom Hersfeld Fulda-Rom Auxerre Chätillon s. Marne Chätillon s. Marne Rom Herford Rom Rom Heiligenstedten b. Itzehoe Saints-Les-Marquion Paris
um 830 834 836 836 836 vor 859 836/62 839 845/48 nach 845 848 851 nach 840 861 864 um 860 um 860 864 nach 860 vor 872 nach 874 nach 872 nach 888 891
Apostolischer Geist im genus sacerdotale der Liudgeriden
211
Wohl scheiterte Karl 777/78 bei seinem Versuch, mit der urbs Karoli, der Karlsburg, Konstantin mit seiner Gründung Konstantinopels nachzuahmen. Aber im wesentlichen hatte Karl Erfolg, und das beachtete man bisher zu Unrecht gleichfalls zuwenig, als er sich in der Prograitunvorrede seiner Kirchenreform 789 auf das Beispiel des alttestamentlichen Königs Josias berief. Davon zu sprechen haben wir allen Grund, weil auch Karl in den Missionsdiözesen wie Münster und Halberstadt der Ehre der Altäre teilhaftig wurde wie beim Hauptaltar der Abteikirche in Werden
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. Denn in
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der Kultreform des Josias im frühen 7. Jahrhundert vor Christus verbinden sich genau die Wirkungsbereiche, die programmatisch Karls Kirchenpolitik bestimmten: "Wiederherstellung des Tempels (des Herrn) und Ausrottung des Götzendienstes, Auffindung und Bekanntmachung des göttlichen Gesetzbuches, Erneuerung des Bundes zwischen Gott und seinem Volk sowie nicht zuletzt Reorganisation der Priesterschaft als unmittelbare Voraussetzung für den kulti87 sehen Gottesdienst". Die Orientierung Karls an dem Josias-Leitbild erhellt, in welchem Umfang seine politische Vereinigung der Kernländer Europas zugleich die Reichskirche geprägt hat. Infolgedessen wurde die Reichs- und Kirchenreform bestimmt von Fragen der Seelsorge, und die Bildungsreform im Bann der lateinischen "Vatersprache" mündete in die Bemühung um einen reinen und dann 88 auch um einen revidierten Bibeltext . Mit dem Blick auf diese wesentlichen Züge dringt man daher bis zu den Gründen Karls vor, Liudger von Münster, Hildigrim von ChSlons und Halberstadt sowie auch ihren Neffen Gerfrid auf die bischöfliche Nachfolge der Apo85
Diese Tradition beruht auf vielschichtigen Tatsachen. Zu ihrer Erfassung vgl. BERNHARD BISCHOFF, Mittelalterliche Studien 3: Ausgewählte Aufsätze zur Schriftkunde und Literaturgeschichte, Stuttgart 1981, S. 256ff.; HELMUT BEUMANN, Die Hagiographie 'bewältigt': Unterwerfung und Christianisierung der Sachsen durch Karl den Großen (Cristianizzazione ed organizzazione ecclesiatica delle campagne nell'alto medioevo: espansione e resistenze. 10-16 aprile 1980. Settimane di studio del Centro italiano di studi sull'alto medioevo 28,1, Spoleto 1982, S. 129-168), FREISE (wie Anm. 2) S. 292f.; HAUCK (wie Anm. 23) S. 39ff.
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Zu ihr 4. Reg. 22,1-13,25 = 2 Par. 34,1-35,27.
87 op
STAUBACH (wie Anm. 61) S. 557 . SCHIEFFER (wie Anm. 21) S. 568ff.; WOLFRAM VON DEN STEINEN, Der Neubeginn (Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben 2: Das geistige Leben, hg. von BERNHARD BISCHOFF, Düsseldorf 3 1967, S. 9-27) S. 20; DERS. (wie Anm. 12) S. 32ff., 37ff., 78ff. Die Entstehung der volkssprachlichen Bibelepik gehört allerdings erst in das Zeitalter von Karls Enkel Ludwig dem Deutschen. Ihm ist wahrscheinlich auch der in Corvey, nicht in Werden, geschriebene Heliand gewidmet worden; vgl. BISCHOFF (wie Anm. 85) S. 104, 112-119; DIETER GEUENICH, Die volkssprachige Überlieferung der Karolingerzeit (Deutsches Archiv 39, 1983, S. 104-130) S. 129f. ; FREISE (wie Anm. 2) S. 316, 335.
212
Karl Hauck
stel zu verpflichten. Liudgers Kritik an zeitgenössischen Bischöfen, die den urkirchlichen Lebensnormen weder entsprachen noch QQ
sich den Missionsaufgaben gegenüber öffneten , empfahl den Friesen ebenso Karl dem Großen wie sein Engagement, seine Organisationsbegabung und sein Lehrerfolg, den exemplarisch sein jüngerer Bruder Hildigrim konkretisiert. So geht über viele Jahrhunderte hinweg noch immer lichter Glanz aus von Liudgers unerschütterlicher Ausdauer auch auf harten Wegen, von seinem zähen und liebevollen Werben um den heidnischen Nächsten und von der Sinnhaftigkeit eines Lebens des unermüdlichen Dienstes an einer großen Sache. Indem wir uns jetzt dem letzten Abschnitt zuwenden, tragen wir auch zur Erhellung der Wechselbeziehung zwischen Sprache und Recht bei.
4. Die 'Kanonisation' Liudgers und die Errichtung der Bischofsgrablege in Werden an der Ruhr In den älteren Perioden der Kirchengeschichte gehörte die Anerkennung der Heiligkeit als Vorbedingung kirchlich sanktionierter Heiligenverehrung in die Zuständigkeiten des Ortsbischofs. In Werden begünstigte der Besitz des Liudgergrabes sowie die bischöfliche Funktion der Liudgeriden, die zugleich ihr Eigenkloster als reotores
leiteten, die Approbation des Abteigründers als einen
90
Heiligen , sobald sich ihm die Volksfrömmigkeit ehrfürchtig zuzuwenden anfing. Das aber war um so begründeter, als die Einbeziehung des locus arboris in den Bau von Werdens Kirche schon früh diese Stätte als Ort der Erhörung von Liudgers Gebet anerkennt und verherrlicht. Die sprachliche Form dieser Anerkennung des neuen Heiligen war die erste Vita Liudgers. Der kirchlichen Billigung QQ 90
LÖWE (wie Anm. 12) S. lllff. RENATE KLAUSER, Zur Entwicklung des Heiligsprechungsverfahrens bis zum 13. Jahrhundert (Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 40, 1954, S. 85-101) S. 88ff.; BERNHARD KÖTTING, Heiligkeit und Heiligentypen in den ersten christlichen Jahrhunderten (Diözesanpriester 1, Münster/W. 1949, S. 12-27) S. 25ff.; DERS., Heiligenverehrung (Handbuch theologischer Grundbegriffe 1, München 1962, S. 633-641) S. 636ff.; DERS., Der frühchristliche Reliquienkult und die Bestattung im Kirchengebäude (Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes NordrheinWestfalen, Geisteswissenschaften 123) Köln-Opladen 1965, S. 32ff. Für freundliche Hinweise habe ich B. Kötting zu danken. Vgl. auch zur Funktion der Liudgeriden als reetores von Werden SCHMID (wie Anm. 13) S. 314ff.
Apostolischer Geist im genus sacerdotale der Liudgeriden
213
seines Kultes entsprach die Errichtung einer Heiligenkrypta für ihn. Es ist eine neue Erkenntnis, daß Bischof Altfrid von Münster (839-849) die Vita u n d die Krypta, und zwar beide gleichzeitig, geschaffen hat. Bei der Vita erscheint Altfrid als diktierender Autor in ihrem Text, für die Krypta spiegelt sich ihr Entstehungsmoment schlüssig in der Tatsache, daß sich Altfrid für sein eigenes Grab den nach damaligem Brauch besten Platz ad pedes 91
Sanotv gesichert hat . Die rechtlichen Folgen dieser Initiativen Altfrids, der als Bischof von Münster zugleich reotor des Konvents an der Ruhr gewesen ist, lassen sich daran ablesen, daß in den Urkunden des liudgeridischen Eigenklosters erstmals im August 847 die Abteikirche als eoolesia
sanoti Salvatoris
et
s a n o t i
Liudgeri genannt wird, und zwar in der gleichen zweigliedrigen Formel wie in Altfrids salutatio der Mönche des Ruhrklosters am Beginn seines Prologes der Vita: oavissimis fratribus et monaehis in aenobio sanoti Satvatoris
et
sanoti
patris Liudgeri
Do-
mino servientibus in Christo. Diese Zeugnisse stehen am Beginn einer Entwicklung, durch die der Gründerabt als Heiliger zum 92 Rechtssubjekt und zum Werdener Patron schlechthin wurde . Das Grab Liudgers im zentralen Stollen der Werdener Ringkrypta wiederholte eine zuerst in St. Peter in Rom von Papst Gregor dem Großen aufgebrachte Kultbauform. Daß man sie nach der Übertragung der Liboriusreliguien 836 auch im Paderborner Dom verwendete, obschon sie sich dort in dem großen Westguerhaus befand, wissen wir durch
91
CLAUSSEN (wie Anm. 18) S. 323f. mit Zweifeln an der bisherigen Datierung. Denn am "Westende der Ludgeridenkrypta unmittelbar östlich der Heiligengruft, an den im Mittelalter stets begehrtesten und zuerst belegten Plätzen 'ad pedes Sancti', ruhten die Bischöfe Altfrid (t 849) und Thiatgrim (+ 840), während Gerfrid und Hildigrim weiter östlich, also im "zweiten Range' lagen, was sehr dafür spricht, daß nicht Gerfrid der Vollender des neuen Ostchores war, sondern Altfrid, der Verfasser der ältesten Vita des Heiligen". Der Befund erhellt gleichfalls Phänomene der familiengebundenen Kanonisation; zu ihr VON PADBERG (wie Anm. 13) S. 150ff.
92 LACOMBLET (wie Anm. 46) S. 28f. Nr. 63; BLOK (wie Anm. 46) S. 217f. Nr. 65; Altfridi vita (wie Anm. 7) S. 3. Zu den historischen Zusammenhängen WILHELM STÜWER, Die Verehrung des heiligen Liudger (Westfalia Sacra. Quellen und Forschungen zur Kirchengeschichte 1, hg. von HEINRICH BÖRSTING - ALOIS SCHROER, Münster 1948, S. 183-294) S. 186ff. (die frühen Zeugnisse der Heiligenverehrung) ; RUDOLF KÖTZSCHKE, Die Urbare der Abtei Werden an der Ruhr 4,2 (Rheinische Urbare 4.2. Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 20) Bonn 1958, S. CCVIIff.; PRINZ (wie Anm. 82) S. 44; HAUCK (wie Anm. 4) S. 355f. (Gleichzeitigkeit mit Altfrids Grußformel an die Mönche des Salvatorklosters in Werden).
214
Karl Hauck
Uwe Lobbedey seit wenigen Jahren
93
Zu den Initiativen des Bischofs Altfrid von Münster ist weiter die Versammlung der bis dahin vorhandenen einzelnen Gräber der Liudgeridenbischöfe
in Werden in einer Familiengrablege
zu
rechnen. Die Bischöfe jenes Verwandtenkreises wurden damit unmittelbar in den Strom der Verehrer des Heiligen einbezogen. Diese so entstandene bischöfliche Adelsgrablege ad pedes Liudgeri
läßt sich sozialgeschichtlich mit der eaalesia
sanati varia,
der bunten Gruftkapelle der deutschen Könige, im Kloster Lorsch vergleichen, die dort seit 876, seit der Beisetzung des ostfränkischen Enkels Karls des Großen, Ludwigs des Deutschen, erbaut 94 wurde
. Auf Altfrids Wunsch, die einzelnen Liudgeridengräber
einer einheitlichen Gestaltung
in
zu ordnen, weisen ihre Epitaphe,
die uns vollständig allerdings nur literarisch überliefert sinc?"\ Immerhin kennen wir seit den Ausgrabungen Wilhelm Effmanns im späten 19. Jahrhundert von dem Gerfridsarkophag
Buchstabenfolgen
der Inschrift gleichfalls durch im Original erhaltene Fragmente. Von dieser Form der Ehrung ist Altfrid jedoch bei dem Bau der Gruftkirche abgegangen und hat vermutlich die weiteren 93
94
95
Inschrif-
JEAN HUBERT, L'art pré-roman, Paris 1938, S. 13, 24, 47; ALBERT VERBEEK, Die Außenkrypta (Zeitschrift für Kunstgeschichte 13, 1950, S. 7-38) S. 9ff., 36; ENGELBERT KIRSCHBAUM, Die Gräber der Apostelfürsten, Frankfurt am Main 1957, S. 162f.; ZIMMERMANN (wie Anm. 17) S. 46; CLAUSSEN (wie Anm. 18) S. 324ff.; Corpus Basiiicarum Christianarum Romae 5, by RICHARD KRAUTHEIMER - SPENCER CORBETT - ALFRED K. FRAZER (Monumenti di Antichità Cristiana pubbl. dal Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana II Serie) Città del Vaticano 1977, S. 174, 259ff.; LOBBEDEY (wie Anm. 73) S. 150-157; HAUCK (wie Anm. 23) S. 94f.; BALZER (wie Anm. 26) S. 97f. Die Werdener Liudgeridenkrypta ist von ungewöhnlichem Interesse für die Geschichte der Adelsgrablegen im Frankenreich als geistliches Beispiel aus dem 9. Jahrhundert. Vgl. HORST WOLFGANG BÖHME, Adelsgräber im Frankenreich. Die Herausbildung einer Herrenschicht unter den merowingischen Königen, in Druckvorbereitung; FRIEDRICH BEHN, Die karolingische Klosterkirche von Lorsch an der Bergstraße nach den Ausgrabungen von 1927/28 und 1932/33, Berlin und Leipzig 1934, S. 59-66; ZIMMERMANN (wie Anm. 17) S. 48; Vorromanische Kirchenbauten. Katalog der Denkmäler bis zum Ausgang der Ottonen, hg. vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte, bearbeitet von FRIEDRICH OSWALD LEO SCHÄFER - H.R. SENNHAUSER (Veröffentlichung des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München 3) München 1966-1971, S. 181; HANS PETER WEHLT, Reichsabtei und König. Dargestellt am Beispiel der Abtei Lorsch mit Ausblicken auf Hersfeld, Stablo und Fulda (Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte 28) Göttingen 1970, S. 34f., 93f., 102f., 140ff.; JOSEF SEMMLER, Geschichte der Abtei Lorsch von der Gründung bis zum Ende der Salierzeit 764 bis 1125 (Festschrift zum Gedenken der Reichsabtei Lorsch 764, 1. Teil, hg. von FRIEDRICH KNOEPP, Darmstadt 1973, S. 75-173) S. 88f., 136; FRIEDRICH BEHN, Die Ausgrabungen (ebd. 2. Teil, Darmstadt 1978, S. 259271) S. 266. Vgl. auch die oben in Anm. 16 zitierte Literatur zu den frühen Bischofsgrablegen. MGH Poetae latini 3,3, ed. KAROLUS STRECKER, Berlin 21964, S. 1038ff. Nr. XXIV Epitaphia Werthinensia, s. hier den Anhang Nr. 3 bis 7.
Apostolischer Geist im genus sacerdotale der Liudgeriden ten an die Wände malen lassen
215
96
. Die Texte rühmen Hildigrim 97 (t 827) als Liudger gleich in Ämtern sowie in Verdiensten und
erkennen auch Gerfrid sowie Altfrid auf Grund ihrer Meriten die 98 Vermittlung von Schutz und Hilfe im Himmel zu . Unmittelbare Nachrichten darüber fehlen, welche Hindernisse für die Weihe 99 dieser Krypta durch die Sedisvakanz in Köln bzw. durch den Tod Altfrids 849 entstanden s i n d 1 0 0 . Daß die Weihekompetenz des Kölner Erzbischofs von Werden und den Liudgeriden jedoch anerkannt und gesucht wurde, zeigt die Urbarnotiz zum 10. November 875 über die Benediktion der basiliea eanati Liudgeri durch Erzbischof 101 Willibert und Hildigrim den Jüngeren von Halberstadt 102 Die insgesamt sieben frühen Liudgerideninschriften waren Texte zu Steinbauten und deren Ausstattung. In ihrem bemerkenswerten Niveau veranschaulichen sie die neue Lebensqualität, die durch die Ausbreitung des Christentums in Sachsen gedieh. Wie Alchvine um 780 auf Liudgers Bitten hin Verse für seine Kirche in Dokkum schrieb 10 "*, so verfaßte Walahfrid Strabo 104 um 825 die Weiheinschrift für Hildigrims Kirchenbau in Werden . Dann aber entstanden von 840 bis 850 die vier Inschriften für die bischöfli96
97
98
P. JACOBS, Geschichte der Pfarreien im Gebiete des ehemaligen Stiftes Werden a.d. Ruhr, Düsseldorf 1893, S. 24f. mit Anm. 2; PAUL CLEMEN, Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 2,3: Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Kreises Essen, Düsseldorf 1893, S. 96f.; EFFMANN (wie Anm. 17) S. 53ff. mit Fig. 23 und 24; STRECKER (wie Anm. 17) S. 210; ZIMMERMANN (wie Anm. 17) S. 32ff. S. hier den Anhang Nr. 3 Z. 4. Zu Hildigrim vgl. auch noch immer ALBERT HAUCK, Kirchengeschichte Deutschlands 2, Leipzig 3 1 9 1 2 , S. 397, 418, 421, 620, 696, 807.
S. hier den Anhang Nr. 4 Z. 2, Nr. 6 Z. 4; vgl. auch Series episcoporum ecclesiae catholicae occidentalis, ed. ODILO ENGELS et STEFAN WEINFURTER V,1: Archiepiscopatus Coloniensis, Stuttgart 1982, S. 109-117; HERMANN BÜCKER, Epigramme und Denksprüche zur Geschichte der Bischöfe von Münster (Monasterium [wie Anm. 41] S. 427-454) S. 429f. 99 ENGELS - WEINFURTER (wie Anm. 99) S. 14f. 100 Ebd. S. 116f.; SCHMID (wie Anm. 13) S. 315ff. Zum Altfridhorizont in seiner Bedeutung für die Frühgeschichte Essens und dessen Stifter, des späteren Bischofs Altfrid von Hildesheim, s. jetzt VOLKHARD HUTH, Die Düsseldorfer Sakramentarhandschrift Dl als Memorialzeugnis (Frühmittelalterliche Studien 20, 1986, S. 213-298) S. 245ff.; HEINRICH TIEFENBACH, Xanten, Essen, Köln. Untersuchungen zur Nordgrenze des Althochdeutschen an niederrheinischen Personennamen des 9.-11. Jahrhunderts (Studien zum Althochdeutschen 3) Göttingen 1984, S. 112f., 119f. 101 KÖTZSCHKE (wie Anm. 92) Rheinische Urbare 2, Bonn 1906, S. 34f.; OEDIGER (wie Anm. 3) S. 87 Nr. 253. ^ ^ S. den Anhang Nr. 1-7. S. oben Anm. 51 sowie Anhang Nr. 1. 104
S. oben Anm. 78 sowie Anhang Nr. 2.
216
Karl Hauck
chen Liudgeridengräber. Zwar kennen wir da den Dichter nicht, bei dem die Werdener Mönche auch nach Altfrids Tod den Epitaphtext erbaten^05. Aber als Frühzeugnisse des reinen Reims in Hexametern 106
sind sie literarhistorisch hochgeschätzt . In ihrer Serie wird der Rang der Klostergründung der Liudgeriden ähnlich sichtbar wie in den einstigen Kunst- und Handschriftenschätzen des Ruhrkon-
Das setzt der Text im Anhang Nr. 6 voraus. 106
STRECKER (wie Anm. 17) S. 213.
107
Zu ihnen CLEMEN (wie Anm. 92) S. 97ff.; ELBERN (wie Anm. 57); RUDOLF WESENBERG, Frühe mittelalterliche Bildwerke, 1972, S. 54ff., 100 Nr. 18-20 sowie Abb. 124-160; BISCHOFF (wie Anm. 85) S. 103f., 112f., 155; STÜWER (wie Anm. 18) S. 25ff., 30ff.; FREISE (wie Anm. 2) S. 316, 330f.
Apostolischer Geist im genus sacerdotale der Liudgeriden
217
5. A n h a n g : Die K i r c h e n - u n d G r a b i n s c h r i f t e n der L i u d g e r i d e n , sche Ü b e r s e t z u n g e n b e i H A U C K
Deut-
(wie A n m . 1) S. 24ff.
Nr. 1 U m 780 e n t s t a n d e n e V e r s e A l c h v i n e s für die K i r c h e
in
D o k k u m , d e r e n P r i e s t e r d a m a l s L i u d g e r g e w e s e n ist. Hia
pater
Cum
sotiis
Inalyta Terra
egregius
meritis
pariter
martirii beata
fundebat
hina
istis
Suadeo
quapropter
ourvato
Spes
tibi
Hina Bio
legis,
magna
pötuisse manet
Menbraque Adiuvat üaea
tuas
ille
aaelesti hina
Ulis
Paulus,
supplex,
osaula
fige.
asaendere
patronibus
cuneto
rore
quoniam
his
oaeli,
linquens.
poplite
fultas
dives,
ad praemia
laarimas
aruor
saari.
vestigia
terris
fiat
undam,
sanguine
miles
victor
oespitibus
Tu quiaumque
stemmata
sanatorum
Ultima
almis
sanguinis
sumentes
nimis
Transvolat
Bonifatius
aaelum istis.
preaiosior
auro,
hia perfusa
dootor
quiesaunt.
Bonifatius
aonstat
simul
inde,
aula
diaata.
N a c h der E d i t i o n der M G H P o e t a e latini 1, B e r l i n
1881,
S. 304 N r . 86.
Nr. 2 U m 825 e n t s t a n d e n e V e r s e W a l a h f r i d S t r a b o s für d i e St. Stephanus-Jacobus maior-Kirche, die Bischof von Chtlons
(t 827)
Hildigrim
in d e m R u h r k l o s t e r e r b a u t u n d E r z -
bischof Hadebald von Köln
(819-841)
geweiht hat, und
ihre A l t ä r e . I. IN E C C L E S I A M O N A S T E R I I , Q U O D RURA V O C A T U R Hoo
templum
Stephani
Cum Iaaobo Quorum
nostri
sub preoibus
Summi Hildigrim
adipisoamur struxit,
Sanatifiaavit:
aelebratur fratre
simul
Christi munera
aertus
dioatum
domini,
pietate larga
Hadabaldus honor
honore
reaeptis boni.
episaopus utrumque
arahi manet.
218
Karl Hauck II. SUPER UNUM ALTARE EIUSDEM ECCLESIAE Istam Lantbertus
retinet Martinus
Quorum nos preoibus,
et aram,
Christe,
tuere piis.
III. SUPER ALIUD Hio matri domini, sooiarisj
sanate
Cum qua pro nobis posoito
Gregori}
saeptra
dei.
Nach der Edition der MGH Poetae latini 2, Berlin 1884, S. 393 Nr. 43 . Nr. 3 Grabinschrift für Bischof Hildigrim von Chälons (802-827), der am 19. Januar 827 starb, in Werden, das für ihn als Leiter der Missionsstation in Halberstadt ein wichtiger Rast- und Etappenplatz war. Iuli tredeaimis Hildgrimus
resolutus
carne
tumulo olauditur
Frater Liudgeri
ooepisaopus
Compar huio meritis
kalendis opposito,
atque beati,
siaut in
offioiis.
Nach der Edition der MGH Poetae latini 3,3, Berlin 21964, S. 1039. Nr. 4 Grabinschrift für Bischof Gerfrid von Münster (809-839), der am 12. September 839 starb, in Werden. Gerfridi patris
tumbam venerare
Cuius apud dominum forte viget Idus Septembris
persolvit
Deponens massam pridie
debita
fidelis3 meritum. aarnis
corpoream.
Von der Sarkophaginschrift blieben folgende Buchstaben in den ersten drei Verszeilen erhalten: 1 ... atris t
I. .
2 us apud do ... te v..eri. 3
vit
Apostolischer Geist im genus sacerdotale der Liudgeriden
219
Nach der Edition der MGH Poetae latini 3,3, S. 1039, deutsch bei BÜCKER (wie Anm. 98) S. 429 in einer um zwei Verse erweiterten Fassung. Nr. 5 Grabinschrift für Bischof Thiadgrim von Halberstadt (827840), der am 8. Februar 840 starb, in Werden. Haa recubant
fossa Thidgrimi
prqesulis
Terra tenet corpus, pneuma fovet
dominus.
Idibus in Februi senis obit asseola Promeritus
vitae gaudia
ossa,
Christi
perpetuae.
Nach der Edition der MGH Poetae latini 3,3, S. 1040. Grabinschrift für Bischof Altfrid von Münster (839-849), der am 22. April 849 starb, in Werden. Altfridus
tumulum praesul
Pneuma areatori
sibi vendicat
dans, ainerem
Obiit in deoimis Mai pater iste Cuius nos saaris protegimur
istum,
oineri, kalendis;
meritis.
Nach der Edition der MGH Poetae latini 3,3, S. 1040, deutsch bei BÜCKER (wie Anm. 98) S. 430. Nr. 7 Grabinschrift für den jüngeren Bischof Hildigrim von Halberstadt (853-886), der am 21. Dezember 886 starb, in Werden von einem Dichter einer anderen Generation, in der sich bereits der zweisilbige Reim eingebürgert hatte. Hoo saxo in Christo requiesait Annis Hildgrimus, Abbas Hildgrimus Huius
non meritis
numeratur
episcopus iunior.
in ordine
dum quondam pastor ovilis
Sollicitus
duris post tot molimina
Templi explevit
isto
primus,
erat. ouris
opus, quo nitet ipse locus.
Nach der Edition der MGH Poetae latini 3,3, S. 1040.
WOLF-DIETER HEIM
Afr. bedel
-
von 'Büttel' zu
bidauxi 'Söldner'?
Walther von Wartburg widmete einer Ableitung aus dem germanischen Verbalstamm bed-ja
'bitten' , die im Westen des ehemali-
gen Frankenreichs afr. bedel, nfr. bedeau lautet, im Osten hin2 3 gegen4 durch ahd. bitil , mhd. bitel , nhd. B-Lttel 'Freier, Werber'
vertreten wird, zwei Artikel in seinem Lebenswerk, dem 5 Französischen Etymologischen Wörterbuch (FEW) : 1. in Band 1, S. 354a, der bereits 1928 erschien und inzwischen zum Teil durch eine Neubearbeitung ersetzt wurde:
"*bidal
(frk.) gerichtsbote"; 2. in Band 15,1, S. 102b, aus dem Jahr 1969, der die germanischen Elemente im galloromanischen Sprachschatz vereint:
"*bidil
(anfrk.) gerichtsbote". g Frk. bidil gehört derselben Sippe an wie d. bitten , der Sinn 7 des Substantivs stimmt jedoch mit d. Büttel überein, einer
2
3
4
ELMAR SEEBOLD, Vergleichendes und etymologisches Wörterbuch der germanischen starken Verben (Ianua Linguarum. Series practica 85) The Hague - Paris 1970, S. 91, vgl. S. 92: bed-ila-z und dazu anord. bidill in JAN DE VRIES, Altnordisches etymologisches Wörterbuch, Leiden 1961, S. 35a. E[BERHARD]G[OTTLIEB] GRAFF, Althochdeutscher Sprachschatz, Bd. 3, Berlin 1837, Sp. 56; ELISABETH KARG-GASTERSTÄDT - THEODOR FINGS, Althochdeutsches Wörterbuch, Bd. 1, Berlin 1968, Sp. 1135; TAYLOR STARCK - j[0HN] c t O R S O N ] WELLS, Althochdeutsches Glossenwörterbuch, Heidelberg 1972, S. 61b. GEORG F. BENECKE - WILHELM MÜLLER, Mittelhochdeutsches Wörterbuch, Bd. 1, Leipzig 1854, S. 171a; MATTHIAS LEXER, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Bd. 1, Leipzig 1872, Sp. 286. JACOB GRIMM - WILHELM GRIMM, Deutsches Wörterbuch, Bd. 2, Leipzig 1860, Sp. 581. Alle Abkürzungen für Sprachen und Wörterbücher erfolgen nach FEW, Beiheft, Tübingen 1950.
^ Nicht d, 7
bieten,
wie es irrtümlich in beiden Ausgaben des FEW heißt.
Ahd. butih GRAFF (wie Anm. 2) Bd. 3, Sp. 82; KARG-GASTERSTÄDT - FRINGS (wie Anm. 2) Bd. 1, Sp. 1568-69, STARCK - WELLS (wie Anm. 2) S. 88a; mhd. bütel: BENECKE - MÜLLER (wie Anm. 3) Bd. 1, S. 184b; LEXER (wie Anm. 3) Bd. 1, Sp. 401; nhd. Büttel: GRIMM - GRIMM (wie Anm. 4) Bd. 2, Sp. 581.
Afr. bedel - bidaux
a u s beud-a-
Ableitung sehen
Sprachen belegt
In d e r
auf die beiden
"gerichtsdiener",
1. a f r . bedel troupes
"milice légères
2. f r . bedeau
Dabei
fränkischen
germani-
drei
des Wortes,
Sinn"scherge"
zurück: (surtout
au Midi);
et a d o n n é e s
des anciennes subalterne
soldat
au
de
pillage"10,
universités",
préposé
hingegen gliederte
glaubte
ist,
3 beigelegt
er,
au service
Form
mit
Sprachen
erworben haben,
entlehnt.
bedel
und
so d a ß
seit Ende des
er den Artikel
"wohl annehmen"
Galloromania
Einwanderern
in g e r m a n i s c h e n
bedeau,
führte v. Wartburg
et i r r é g u l i ê r e s
der nördlichen
altfranzösischen
bezeugt
in a n d e r e n
matériel
église".
schnitte.
der
, die auch
Grundbedeutungen
"officier
In d e r N e u f a s s u n g
wohner
g
.
urbaine
"huissier
3. n f r . bedeau d'une
ist
älteren Darstellung
varianten und
'bieten' 9
221
hätten
das Wort
Zunächst
ihm n a c h e i n a n d e r
zwei
sollen
zweimal
AbBevon
s i e es in 11d e r
seinem ursprünglichen
für N a c h f o l g e r
seine
in
zu d ü r f e n , d i e
Gehalt
des Typs
bud-ila-z
die Bedeutungen
letzte Entwicklungsstufe,
18. J h s . n u r n o c h d e n K i r c h e n d i e n e r
2 und nfr. be-
z e i c h n e t . S p ä t e r , n a c h d e m d e r l a n g w ä h1 r2e n d e L a u t w a n d e l - i - > im A l t f r a n z ö s i s c h e n a b g e s c h l o s s e n w a r , sollen Romanen des
p 9
SEEBOLD (wie Anm. 1) S. 108, vgl. S. 109:
bud-ila-Z
,
-e-
'Büttel, Herold'.
Mndl. bodel-. E[ELCo] VERWIJS - J[AKOB] VERDAM, Middelnederlandsch Woordenboek, Bd. 1, 's-Gravenhage 1885, Sp. 1328; ndl. beul-. A[LBERT] KLUYVER A U G U S T I N ] LODEWYCKX, Woordenboek der Nederlandsche Taal, Bd. 2,2, 's-Gravenhage-Leiden 1903, Sp. 2274-75; ags. bydel: JOSEPH BOSWORTH T. NORTHCOTE TOLLER, An Anglo-Saxon Dictionary, Oxford (1898), S. 137a; T. NORTHCOTE TOLLER, An Anglo-Saxon Dictionary - Supplement, Oxford 1921, S. 113a; mengl. bidel-. HANS KURATH - SHERMAN M. KÜHN, Middle English Dictionary, Bd. 1, Ann Arbor 1956, S. 805a-b; ne. beadle-. The Oxford English Dictionary, Bd. 1, Oxford 1933, S. 725a-b; die beiden zuletzt genannten Formen entstanden unter französischem Einfluß. Die Erklärung beruht auf VICTOR GAY, Glossaire archéologique du MoyenAge et de la Renaissance, Bd. 1, Paris 1887, S. 156a, und veranlaßte ihrerseits KARL GEBHARDT, Das okzitanische Lehngut im Französichen (Heidelberger Beiträge zur Romanistik 3) Bern-Frankfurt/Main 1974, s. 415, dazu, bedel in seine Sammlung untergegangener Occitanismen im Französischen aufzunehmen, obwohl das Wort sowohl in [FRANÇOIS J. M.] RAYN0UARD, Lexique roman ou Dictionnaire de la langue des troubadours ..., Paris 1836-45 (Rn), als auch in EMIL LEVY, Provenzalisches Supplement-Wörterbuch, Leipzig 1894-1924 (Lv), fehlt.
11
12
FEW, Bd. 15,1, S. 102b: "sergent à verge dans les justices subalternes; sergent chargé de fonctions publiques relatives à la police intérieure des villes et surtout d'arrêter les voleurs". ELISE RICHTER, Beiträge zur Geschichte der Romanismen 1 (Zeitschrift für romanische Philologie, Beiheft 82) Halle/Saale 1934, § 26, S. 51-53, beobachtete die Veränderung von der Antike bis zum 8. Jh.
222
Wölf-Dieter Heim
w e s t f r ä n k i s c h e n Reichs *bidiZ
bidaux
nochmals entlehnt, zu afr.
(pl.) umgestaltet und darunter F u ß s o l d a t e n , Söldner oder beuter v e r s t a n d e n haben. Mit dem Ubergang von der
Frei-
germanischen
in d i e r o m a n i s c h e Sprache war jeweils ein A u s t a u s c h des Suffixes 13 14 verbunden . Im ersten F a l l w u r d e - i l durch -et du) ersetzt, im zweiten w u r d e dem Stamm eine pejorative N a c h s i l b e
-aud,
gelegentlich auch - a r d
falls fränkischer Herkunft
15
angehängt,
, die beide w a h r s c h e i n l i c h
eben-
sind16.
Mit der e r n e u t e n S t e l l u n g n a h m e w a n d t e sich v. W a r t b u r g g e 17 18 gen A u f f a s s u n g e n , die L. Sainean und P. Barbier vertreten h a t t e n . Sie w o l l t e n bidaux
'Fußsoldaten' entweder das V e r b
'courir' oder ein baskisches Wort für Landstraße, bide gelegt
13 14
bider
, zugrunde
wissen.
PIERRE FOUCHE, Phonétique historique du français, Bd. 2, Paris 150, Remarque I.
2
1969, S.
W[ILHELM] MEYER-LÜBKE - J[OSEPH] M [ARIA] PIEL, Historische Grammatik der französischen Sprache (Sammlung romanischer Elementar- und Handbücher 1,2) Bd. 2, Heidelberg 1966, § 155, S. 114-15; PAUL IMBS, Trésor de la langue française (TLF), Bd. 7, Paris 1979, S. 586a-587b; FOUCHE.(wie Anm. 13) Bd. 2, S. 318-19, 337, 522 und Bd. 3, S. 855; MAX GOLDE, Dié^aitfranzôsischen Diminutiva (Romanische Forschungen 41/42, 1928) S. 63: bedeZ, und zu -et in Personennamen: HARRY JACOBSSON, Etudes d1anthroponymie lorraine, Göteborg (1955) S. 37. TLF, Bd. 3, S. 906a: "Dans plusieurs dial[ectes] on constate une concurrence -aud/ard"; vgl. S. 447b-450a; MEYER-LÜBKE - PIEL (wie Anm. 14) § 175, S. 125-26, 206, § 45, S. 33-36, 184; KURT GLASER, Le sens péjoratif du suffixe -ard en français (Romanische Forschungen 27, 1910, S. 932-83); KURT BALDINGER, Entstehung und Entwicklung der Suffixe -ard und -aud im Französischen (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 1959/60, Heidelberg 1961, S. 12-14).
^
Vgl. dagegen: E[DOUARD] PHILIPON, Suffixes romans d'origine pré-latine (Romania 43, 1914, S. 29-58), und zu ~avd, -raud in Bewohnernamen : HEINZ JÜRGEN WOLF, Die Bildung der französischen Ethnica (Kölner romanistische Arbeiten, N.F. 29) Genève-Paris 1964, S. 65-69.
17
18
Die Fundstelle ist im FEW, Bd. 15,1, S. 103a fälsch angegeben; gemeint sein könnte: LfAZARE] SAINEAN, Autour des sources indigènes. Etudes d'étymologie française et romane, Firenze 1935, S. 469-74, wo er zu P. Babier (s.u. Anm. 18) Stellung nimmt. Bidccux 'mercenaires' gehört weder zu ahd. butil, wie er selbst früher behauptete - vgl. DERS., Les sources indigènes de l'étymologie française, Bd. 3, Paris 1930, S. 47, Anm. 2 noch zu bask. bide, sondern zu bider. PAUL BARBIER, Un nouveau nom des Basques. Le radical du basque bide "route" dans le vocabulaire du français et des dialectes de la France (A Miscellany of Studies in Romance Languages and Literatures presented to Leon E. Kastner , Cambridge 1932, S. 22-37); vgl. dazu die Rezension von M[ARI0] R[OQUES] (Romania 58, 1932, S. 593).
223
Afr. bedel - bidaux
I. Zu a f r . bedel,
Alle öffentlichen Gerichtsbarkeit und Kirche,
Institutionen
besaßen, die
bedienten
des Wortes man,
über
de^,
-d-
im G a l l o r o m a n i s c h e n
im S t a m m a l t h o c h d e u t s c h e r blieb
und
er
der
Wörter
im A l t f r a n z ö s i s c h e n
eigene
Universität und darnach
um R e c h t und
jüngeren
Ordnung
Lexikographen
Entwicklungsgeschichte
, die keine Schwierigkeiten
daß frk.
die
des Mittelalters
unter
Herleitung
w ä r e der Laut geminiert. Während nant
in F r a n k r e i c h ,
Bezeichnung,
Einigkeit herrscht
des Französischen 1 9
bedeau
staatliche Verwaltung,
sich während
eines Amtsdieners unter dieser durchzusetzen.
nfr.
bergen,
berücksichtigt
so b e h a n d e l t
wurde,
intervokalische
Dentalkonso-
und Namen verschärft
- entgegen der
als wur-
allgemeinen
R e g e l - e r h a l t e n 21 . D a s n e u e S u f f i x b e w i r k t e e i n e V e r s c h i e b u n g d e s H a u p t t o n s v o n d e r e r s t e n a u f d i e z w e i t e S i l b e , d i e a u c h an 22 U b e r n a h m e n o d e r R ü c k e n t l e h n u n g e n v o n f r . bedel in r o m a n i s c h e n
19
OSKAR BLOCH - W[ALTHER] VON WARTBURG, Dictionnaire étymologique de la langue française (BlWb), 3 Paris 1960, S. 65a,- ALBERT DAUZAT - JEAN DUBOIS HENRI MITTERAND, Nouveau dictionnaire étymologique (DBM), Paris 1964, S. 80b; ERNST GAMILLSCHEG, Etymologisches Wörterbuch der französischen Sprache (Sammlung romanischer Elementar- und Handbücher 3,5; Gam) ^Heidelberg 1969, S. 98a; JACQUELINE PICOCHE, Nouveau dictionnaire étymologique du français (Les usuels) (Paris 1971) S. 60; PAUL-EMILE LITTRE, Dictionnaire de la langue française (Littré) Bd. 1 (Nachdruck) 1956, S. 487a; PAUL ROBERT, Dictionnaire alphabétique et analogique de la langue française, Bd. 1, Paris 1951, S. 446a; GRAND LAROUSSE de la langue française, Bd. 1, Paris 1971, S. 407a; TLF, Bd. 4, S. 349a-b.
20 JOHANNES FRANCK - RUDOLF SCHÜTZEICHEL, Altfränkische Grammatik, Göttingen 1971, § 87, S. 106-107, vgl. S. 313, § 89, S. 109-12, vgl. S. 313-14. 21 ERNST GAMILLSCHEG, Romania Germanica. Sprach- und Siedlungsgeschichte der Germanen auf dem Boden des alten Römerreiches, Bd. 1 (Grundriß der germanischen Philologie 11,1) 2 Berlin 1970, § III,16a, 17-18, S. 373-74, führte als Beispiele für "die Erhaltung des galloromanischen -dd- als -d-" unter anderen frk. bidil - afr. bedel und frk. loder - afr. lodier, mhd. loter an. 22 WILHELM MEYER-LÜBKE, Romanisches etymologisches Wörterbuch (Sammlung romanischer Elementar- und Handbücher, Reihe 3; ML) -^Heidelberg 1935, S. 94b, § 1086; it. bidello-. SALVATORE BATTAGLIA, Grande dizionario della lingua italiana, Bd. 1, Torino (o.J.), S. 219c-220a; vgl. dazu ENRICO ZACCARIA, L'elemento germanico nella lingua italiana, Bologna 1901, S. 38-40; GIULIO BERTONI, L'elemento germanico nella lingua italiana, Genova 1914, S. 89, 230; RETO R. BEZZOLA, Abbozzo di una storia dei gallicismi italiani nei primi secoli (750-1300) (Sammlung romanischer Elementar- und Handbücher 5,6) Heidelberg 1925, S. 67, die alle drei darin übereinstimmen, daß das Wort unmittelbar aus dem Französischen in das Italienische gelangte. Sp. bedel: JOAN COROMINAS, Diccionario critico etimològico de la lengua castellana, Bd. 1, Berna 1954, S. 435b; kat. bidell: DERS., Diccionari etimologie i complementari de la llengua catalana, Bd. 1, Barcelona 1980, S. 793b.
224
Wolf-Dieter Heim 23
und germanischen Sprachen
zu beobachten ist. Sie erklärt außer-
dem, weshalb der Vokal der Stammsilbe als -e-
bewahrt wurde:
Unter dem Nebenakzent traten keine weiteren Veränderungen ein. Bedeutungen, die dem Wort ehedem innewohnten, bezeugen zahl24 reiche Belege aus dem Schrifttum in mittellateinischer und französischer Sprache. In der altfranzösischen Literatur, der durch normannische und anglonormannische Dichter die Bahn gebro25 chen wurde , erscheint bedel zunächst in Werken, die in England 26 entstanden. Wace nannte die Lehnbildung als erster in einer Reimchronik, die er zwischen 1160 und 1174 für König Heinrich II. 27 schrieb , und verband es wiederholt mit prevot: . . . tant y avoit 28 maior et bedeaux e prevos ... . Der Mönch Angier de Sainte-Frideswide
(Oxford), der ungefähr ein halbes Jh.
(1216) später eine
Heiligenvita Gregors des Großen aus dem Mittellateinischen übersetzte, rühmte den Papst, er hätte29 die Kunst, den Glauben laut evangelien bedel - als Herold Gottes - zu pre-
und deutlich com
digen beherrscht wie kein Seelenhirte vor oder nach ihm. Weitere anglonormannische Zeugnisse für bedel, 23
24
25
bedale
verzeichnet das
Mhd. bedell, pedell-, LEXER (wie Anm. 3) Bd. 1, Sp. 140, Bd. 2, Sp. 214; nhd. Pedell-, GRIMM - GRIMM (wie Anm. 4) Bd. 7, Sp. 1523; HANS SCHULZ OTTO BASLER, Deutsches Fremdwörterbuch, Bd. 2, Berlin 1942, S. 438; ndl. pedeh GERRIT JACOB B0EKEN00GEN - J. H. VAN LESSEN, Woordenboek der Nederlandsche Taal, Bd. 12,1, 's-Gravenhage-Leiden 1931, Sp. 873. CHARLES DU FRESNE SIEUR DU CANGE - LEOPOLD FAVRE, Glossarium mediae et infimae latinitatis (DC), Bd. 1 (Nachdruck) 1883-87, S. 616a; Mittellateinisches Wörterbuch bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert, Bd. 1, München 1967, Sp. 1405-06; j[AN] F[REDERIK] NIERMEYER, Mediae latinitatis lexicon minus, Leiden 1976, S. 88b; j[0HAN] w[lLHELMUS] FUCHS - OLGA WEIJERS, Lexicon latinitatis Nederlandicae medii aevi, Bd. 1, Leiden 1977, S. 472a, B 65.
CARL THEODOR GOSSEN, Considérations sur le franco-picard (Les dialectes yft belgo-romanes 13, 1956, S. 97-121) S. 100. HANS-ERICH KELLER, Etude descriptive sur le vocabulaire de Wace, Berlin. 1953, S. 172a, 376b. 27 Dictionnaire des lettres françaises. Bd. 1, Paris 1964, S. 759b; darnach oder laut FEW, Beiheft (wie Anm. 5) wurden auch alle übrigen altfranzösischen Dichtungen datiert und lokalisiert. 28 Roman de Rou, publ. par A. J. HOLDEN (Société des anciens textes français) Bd. 1, Paris 1970, S. 92, Teil 2, V. 2310 {à Roem - Rouen, Seine-Inférieure), vgl. S. 192, Teil 3, V. 851-52: Tant i a prevoz e bedeaus / e tanz bailiz, vielz e nuvels La vie de saint Grégoire le Grand (PAUL MEYER, Romania 12, 1883, S. 169a) V. 1259; der Herausgeber der Legende warnte, S. 204a-b, davor, bedel mit bidal "sorte de soudoyer" zu verwechseln. ADOLF TOBLER - ERHARD LOMMATZSCH, Altfranzösisches Wörterbuch (TL), Bd. 1, Berlin 1925, Sp. 895, 962, unterschieden daraufhin im Gegensatz zu ihrem Vorgänger, FREDERIC GODEFROY, Dictionnaire de l'ancienne langue française (Gdf), Bd. 1, Paris 1880, S. 608b-609a, zwei Stichwörter.
225
Afr. bedel - bidaux FEW"^: Sie entstammen einer Marienlegende aus der Zeit um 1240
und einem grammatikalischen Traktat über die französische Sprache, das Walter de Bibbesworth zwischen 1280 und 1290 verfaßte. In Frankreich selbst war das Wort vor allem in nördlichen Landschaften, der Picardie und der Wallonie, verbreitet, die auch den größten Beitrag zur altfranzösischen Literatur hervorbrachten. Sowohl Jean Bodel aus Arras (Pas-de-Calais), der am Ende des 12. Jhs. ein Lied über einen Feldzug Charlemagnes gegen Saisnes
neu gestaltete, Watriquet de Couvin (Namur) und
Jean de Condê (-sur-l'Escaut, Nord), die in der ersten Hälfte des 14. Jhs. schrieben, als auch viele unbekannte Dichter aus dem 13. und 14. Jh., die Taten Gaidons, Gaufreys, Auberis le Bourguignon, Lions de Bourges oder der Helden der Kreuzzüge besangen, den Perceval-Roman fortsetzten oder von Wistasse le Moine und einem Chevalier aux deux êpées erzählten, alle lebten und wirkten im Norden des französischen Sprachgebiets. In ihren 32 31 Werken tritt der bedel nicht nur als Häscher und Henker , bisweilen im Verein mit anderen Vertretern der Gerichtsbar33 34 keit, baillius , provostiax , auf, sondern begegnet auch frühzeitig im Troß der Heere. Jean Bodel schilderte, wie sich
et
aomtesses
et garçon
et
bedelim
roïnes
rückwärtigen Lager ver-
gnügen, während die Ritter an vorderster Front stehen, und ein Sänger aus der Umgebung von Valenciennes (Nord) führte bediaus . . . et sergans 3 6 vor, die Beute wegschleppen. Der Wortgebrauch 30
FEW, Bd. 15,1, S. 102a: Miragn, Bibb; vgl. außerdem LOUISE W. STONE WILLIAM ROTHWELL, Anglo-Norman Dictionary (Publications of the Modern Humanities Research Association 8) London 1977, S. 65a.
31
Fabliaux et contes, publ. par BARBAZAN - MEON, Bd. 2, S. 80, V. 33
(nach TL, Bd. 1, Sp. 895, Z. 43-45): A tant aloit un larron querant ... 32
vint
Ii
bedeax
oovant
Qui
Baudouin de Sebourg, [publ. par LOUIS NAPOLEON BOCA], Bd. 1 (Romans des croisades) Valencinnes 1841, Gesang 9, V. 133-36: Li quens rêalaime
Dieu, rapel arois
qui par saint Gabriel Fist saluer la Vierge, qui porta sans Le roy de tout le mont, que li félon bedel Traveillièrent en ...
33 Chevalier aux deux épées, hg. von WENDELIN FOERSTER - JOHANN TROST, Halle/ Saale 1877, V. 8136, 8144. 34
35
The Continuations of the Old French "Perceval" of Chrétien de Troyes, Bd. 3,1, ed. by WILLIAM ROACH, Philadelphia 1952, S. 617, Ms. R, V. 569-70. Saxenlied. Teil 1, hg. von F[RITZ] MENZEL - E[DMUND] STENGEL (Ausgaben und Abhandlungen aus dem Gebiete der romanischen Philologie 99) Marburg 1906, V. 1675; vgl. Entrée d'Espagne, publ, par ANTOINE THOMAS (Société des anciens textes français) Bd. 1, Paris 1913, S. 200, V. 5468-69: "...
Si n'est
mon pere garçons
ni bedonel,
"Mais roi
olconè
die Anmerkung Bd. 1, s. 305: lies bedouel. 36 _ . Baudouin de Sebourg (wie Anm. 32) Gesang 7, V. 364-65
. ..
und dazu
Wolf-Dieter Heim
226
leitet über zu II. afr. bidaux Der bedel
Söldner1.
in Frankreich hatte ebenso wie der Büttel
37
in
Deutschland als Scherge, Gerichtsdiener und Vollstrecker des 38 Urteils m i t R e c h t s b r e c h e r n oder zumindest zwielichtigen M e n schen umzugehen und war deshalb weder hier noch dort stets w o h l a n g e s e h e n 3 9 . Bei selbstbewußten Bürgern picardischer Städte vor allem entwickelte sich die A m t s b e z e i c h n u n g zum Schimpfwort, 40 . 4 1 in substantivischer Form: Mahommet le bedel , bedel pautemer , 42 43 und nunmehr auch als A d j e k t i v : gavson bedel , tvaitor bedel , bediel
Jaoopin^^,
Sarrasin
bediel^,
Callabrien
bediel^^.
v e r ä c h t l i c h e Beiklang könnte U r s a c h e dafür sein, daß
Der
bedel
außerhalb französischer G e b i e t e , in denen die höchste Zahl germ a n i s c h e r Lehnwörter beheimatet war, selten zu finden
ist.
Der V e r f a s s e r der Faits des Romains, der seine K o m p i l a t i o n teinischer G e s c h i c h t s b ü c h e r um 1215/16 in Paris
la-
zusammenstellte,
37
Deutsches Rechtswörterbuch, hg. von der Preußischen Akademie der Wissenschaften, bearb. von RICHARD SCHRÖDER und EBERHARD FRH. VON KÜNSSBERG, Bd. 2, Weimar 1932-35, Sp. 663-666; G[ERHARD] BUCHDA, Artikel 'Büttel' (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, hg. von ADALBERT ERLER und EKKEHARD KAUFMANN, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 579-80); h[ans] D. HOMANN, Artikel 'Büttel' (Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, München-Zürich 1983, Sp. 1161-1162). 38 ELSE ANGSTMANN, Der Henker in der Volksmeinung (Teuthonista, Beiheft 1) Bonn 1928, S. 7-10; RUDOLF HIS, Das Strafrecht des deutasben Mittelalters, Bd. 1, Leipzig 1920, S. 505-06; vgl. wallon, boy "bourreau", verv. auch "diable" aus ahd. butil in FEW, Bd. 1, S. 656a, Bd. 15,2, S. 33b. 39 WERNER DANCKERT, Unehrliche Leute, Bern-München 1963, S. 23-49; RUDOLF WISSELL - ERNST SCHRAEPLER, Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit (EinzelVeröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 7) Bd. 1, Berlin 1971, S. 225-31; vgl. dagegen TRÜBNERs deutsches Wörterbuch, Bd. 1, Berlin 1939, S. 480a: "So konnte das Wort noch in frühnhd. Zeit ohne verächtlichen Nebensinn gebraucht werden". 40
41 42
43 44
Gaufrey, publ. par F[RANÇ0IS] GUESSARD - P[0LYCARPE] CHABAILLE (Anciens poètes de la France 3) Paris 1859, S. 273, V 9082. Baudouin de Sebourg (wie Arrai. 32) Gesang 8, V. 340. Gaydon, publ. par F[RANÇ0IS] GUESSARD - s[lME0N] LUCE (Anciens poètes de la France 7) Paris 1862, S. 203, V. 6718. ADOLF TOBLER, Mittheilungen aus altfranzösischen Handschriften, Bd. 1: Auberi [le Bourguignon] Leipzig 1870, S. 216, V. 7. Combat de St. Pol contre les Carmois (Trouvères belges du XII e au XIV e siècle, publ. par j[eän] AUG[USTE U.] SCHELER, Bruxelles 1876, S. 256) V. 420.
45 Le Chevalier au cygne et Godefroid de Bouillon, publ. par le baron [FREDERIC A. F. TH.] DE REIFFENBERG - [CH. J.] A[D0LPHE] BORGNET (Monuments pour servir à l'histoire des provinces de Namur, de Hainaut et de Luxembourg 4) Bd. 3, Bruxelles 1854, S. 108, V. 22176. 46 Lion de Bourges. Edit. crit. par WILLIAM W. KIBLER - JEAN-LOUIS G. PICHERIT - THELMA S. FENSTER (Textes littéraires français 285) Bd. 1, Genève 1980, S. 500, V. 16103.
Afr. bedel - bidaux
erwähnte bedel,
bediax
als Henker
47
227
und Aufseher
48
im antiken
Rom. Sein jüngerer Mitbürger Rutebeuf schmähte saumselige be49 diaus et bailliz et borgois als Gäste der Gloutome. In den bedel'öfter
Steuerrollen der Stadt liest man an Stelle von sergent^
als Berufsangabe. Den Grund für die Geringschätzung
sprach Eustache Deschamps, ein Dichter aus der Champagne, aus: 52 Sergens et bedeaulx mißbrauchten als Polizisten allzu oft ihre Amtsgewalt, während,sie sich als Universitätsdiener an armen Studenten schadlos hielten: Paier 53 gens ...
fault
bediaux
et
ser-
Manche Söldnerführer in angevinischen und kapetingischen 54 Diensten, darunter Cadoc , der mit seinem Heer für König Philipp II. (Auguste) zu Beamten erhoben
55
focht, wurden von dankbaren Auftraggebern . Im Rang eines Bailli oder Seneschall
werden sie wenigstens einen Teil ihrer bewährten Mannen, die als verschworene Gemeinschaft zusammenhielten, zu obrigkeitlichen Aufgaben herangezogen haben. Ehemalige Kriegsknechte waren kaum geeignet, Recht und öffentliche Ordnung zu hüten, mußte doch Cadoc selbst schwere Verstöße gegen seine Pflicht mit mehrjähriger Gefangenschaft und Verlust seiner Güter büßen. Das ungesetzliche Treiben versuchte König Ludwig IX. (le 47
48 49
50
52
53
54
Faits des Romains, publ. par L [ 0 U I S ] - F [ E R N A N Ü ] F L U T R E DE VOGEL, Bd. 1, Paris-Gronigue 1938, S. 46, Z. 2.
Saint)
- K[ORNELIS]
mit SNEYDERS
Faits des Romains (wie Anm. 47) S. 716, Z. 4. La voie de paradis (RUTEBEUF, Œuvres complètes, publ. par EDMOND FARAL - JULIA BASTIN, Bd. 1 (Fondation Singer-Polignac) Paris 1959, S. 356) V. 433. So verzeichnet KARL MICHAELSSON, Le Livre de la taille de Paris 1 'an de grâce 1313 (Acta Universitatis Gotoburgensis 57) Göteborg 1951, S. 228b, nur fünf Belege für (le) bedel (de l'université); zwei davon könnten auch als Beiname aufgefaßt werden; vgl. dazu MARIE-THERESE MORLBT, Etude d'anthroponymie picarde (Collection de la Société de linguistique picarde 6) Amiens 1967, S. 287: Eliet Bedault (1440). MICHAELSSON (wie Anm. 50) S. 340a, erwähnt hingegen 22 Belege für (le) sergant, sergent, sergiant, serjant (a cheval, a verge, de saint-martin, des foyres, du ahapistre, du guet, guiet). Autre Balade (Nr. 1382: Tout le monde est trompeur aujourd'hui) (E. DESCHAMPS, Œuvres complètes, publ. par GASTON RAYNAUD, Bd. 7 (Société des anciens textes français) Paris 1891, S. 233) V. 32. Balade (Nr. 1480) Des escoliers d'Orliens (DESCHAMPS [wie Anm. 52] Bd. 8, S. 188) V. 27. LUDOVIC LALANNE, Dictionnaire historique de la France, Paris 1872, S. 411b. HERBERT GRUNDMANN, Rotten und Brabanzonen (Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 5, 1942, S. 419-92) S. 480, 482.
228
Wolf-Dieter Heim
einem Erlaß aus dem Jahr 1254, den sein Biograph Jean de Joinville (Haute-Marne) mitteilte56, zu unterbinden, nachdem die Truppen der bedeaux in den Gerichtssprengeln übermäßig verstärkt 57 worden waren • Übergriffe und Durchstechereien konnte die Verordnung auf Dauer nicht verhindern, wie die Klage E. Deschamps', der seine Ballade in der zweiten Hälfte des 14. Jhs. dichtete, lehrt. Im Gegenteil, seit Beginn des 14. Jhs. traten bidaux als gefürchtete Söldnerbanden und Freischärler in Erscheinung, falls es sich bei ihrem Namen um eine Variante von bedel handelt. Auch wenn H. Grundmann behauptete, daß "ein unmittelbarer geschicht58 licher Zusammenhang" zwischen sogenannten Rotten des 12./13. Jhs. und Kompanien des 14. Jhs., zu denen auch bidaux zählen, nicht besteht, wäre die semantische Entwicklung des französischen Wortes bedel von 'Büttel' zu 'Söldner' doch denkbar. Um so weniger verständlich ist es, weshalb Franzosen frk. bidil, dessen Sinnfärbung im Altfranzösischen sich bereits getrübt hatte, ein zweites Mal entlehnt haben sollen, zu einer Zeit, als das Fränkische in ihrem Land - von Randgebieten abgesehen - schon 59 verstummt war , und in einer Bedeutung, die in keiner angrenzenden germanischen Sprache nachzuweisen ist. Weder das Englische noch das Deutsche und. das Niederländische kennen eine Ableitung aus germ. bed-jaoder beud-a- im Sinn 'Fußsoldat, Freischärler'. Sie wird auch nicht von deutschen Dialektwörterbüchern verzeichnet und fehlt in Nachschlagewerken, die den Beitrag germanischer Herkunft zum mittellateinischen Schrifttum erfassen, ebenfalls. Nach dem FEW wäre afr. bedel in einer Bedeutung, die aus dem ursprünglichen Wortsinn hervorgegangen sein könnte, als Polizeitruppen unter ungetreuen Kommandanten verwahrlosten, durch eine erneute Lehnbildung ersetzt worden, die in ihrem vermeintlichen Ausgangsgebiet nicht zu belegen ist. Als Histoire de Saint Louis, publ. par NATALIS DE WAILLY, Paris 1868, S. 252,
470H-472A: "Nous commandons que b a i l l i f , ne prevost, ne autre, ne tieingnent trop grant plentê de serjans et de bediaus, pour oe que li peuples ne soit grevez ...". 57
cp 59
LALANNE (wie Anm. 54) S. 238b-239a. GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 484. Aus sprachgeschichtlichen und allgemeinhistorischen Gründen kann frk. bidil 'Fußsoldat' erst lange nach dem 9. Jh., als die Zweisprachigkeit im westfränkischen Reich ausklang, in das Altfranzösische eingedrungen sein; vgl. RUDOLF SCHÜTZEICHEL, Das westfränkische Problem (Siedlung, Sprache und Bevölkerungsstruktur im Frankenreich, hg. von FRANZ PETRI [Wege der Forschung 49] Darmstadt 1973, S. 578-638) S. 636.
229
Afr. bedel - bidaux
übertragene Bezeichnung
für Universitäts- und
Kirchendiener
bestand das Wort jedoch in regelmäßiger Lautentwicklung und wurde sogar von benachbarten romanischen und Sprachen übernommen. Diese Erklärung ist nicht II. Zu afr.
fort
gemanischen
einleuchtend.
bidaux
Während des hohen und späten Mittelalters wurde Frankreich von einer Vielzahl an Banden und Räuberhorden heimgesucht, aus Söldnerheeren hervorgingen oder sie begleiteten.
die
Kriegs-
knechte, die für kurze Zeit angeworben wurden, lebten nach eigenem Gesetz unter Führung eines prinaeps^ oder sogar roi 62 in festen V e r b ä n d e n , geudes genannt, die nach ihrer Entlassung kriegerisches Treiben auf eigene Faust fortsetzten, bis 63 sie zum nächsten bezahlten Einsatz gerufen wurden . Sie trugen alle eigene, bisweilen sprechende Namen, bisweilen
Benennungen,
die nicht der Hochsprache entnommen waren, so daß ihre Herleitung offen oder zweifelhaft bleibt. Manche der Namen verschwanden, nachdem sich die Schar ihrer Träger aufgelöst oder gewaltsam
zersprengt worden war, andere erhielten
längere Zeit zur Bezeichnung gedungener Kämpfer im CA
hatte
sich
allgemeinen.
GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 435.
61
LALANNE (wie Anm. 54) S. 1553a: roi
62
des Ribauds;
vgl. roi
des
Tafurs.
FEW, Bd. 16, S. 42b-43a: aus anfrk. *gilda 'festversammlung' ; vgl. DC, Bd. 4, S. 68a-b; NIERMEYER (wie Anm. 24) S. 468a-b; Gdf, Bd. 4, S. 251c, 252b: geldon; TL, Bd. 4, Sp. 297; KURT BALDINGER, Dictionnaire étymologique de l'ancien français G 4, Tübingen-Quebec-Paris 1982, Sp. 670-74, und dazu JOSEF BRÜCH, Afrz. geude, jaude 'Fußvolk' (Etymologica, Walther von Wartburg zum siebzigsten Geburtstag, Tübingen 1958, S. 95-122). H[ËRCULE] GERAUD, Les routiers au douzième siècle (Bibliothèque de l'Ecole des chartes 3, 1841/42, S. 125-147); DERS., Mercadier. Les rou-
tiers au treizième siècle (ebenda, S. 417-43; [CH.] E[RNEST] DE FREVILLE, Des Grandes Compagnies au quatorzième siècle (Bibliothèque de l'Ecole des chartes 3, 1841/42, S. 258-81); EDGARD BOUTARIC, Institutions mili-
taires de la France avant les armées permanentes, Paris 1863, S. 141-55, 240-67; ACHILLE LUCHAIRE, Manuel des institutions françaises, Paris 1892, S. 610-11; GRUNDMANN
(wie Anm. 55); J[ACQUES] BOUSSARD, Les mercenaires
au Xlie siècle. Henri II Plantegenêt et les origines de l'armée de métier (Bibliothèque de l'Ecole des chartes 106, 1945/46, S. 189-224); FERDINAND LOT, L'art militaire et les armées au Moyen Age (Bibliothèque historique) Bd. 1, 2, Paris 1946, bes. Bd. 1, S. 371-434; CH. W. CH. OMAN - JOHN H. BEELER, The Art of War in the Middle Age, Jthaca/New York (1953) S. 64-67; JAN FRANS VERBRUGGEN, The Art of Warfare in Western
Europe during the Middle Ages (englische Übersetzung von: De Krijgskunst in West-Europa ... 1954) (Europe in the Middle Ages 1) Amsterdam-New York-Oxford 1977; GEORGES DUBY, Le dimanche de Bouvines, 27 juillet 1214 (o.O., 1973) S. ÎOO-IO; PHILIPPE CONTAMINE, La guerre au Moyen Age
velle Clio 24) Paris 1980, S. 396-405.
(Nou-
230
Wolf-Dieter Heim
Die Benennungen zu untersuchen, verheißt Aufschluß über Herkunft und Entwicklung von afr. bidaux. König Heinrich II. (Plantegenet) warb als einer der ersten im hohen Mittelalter wiederholt und planmäßig Söldner a n 6 4 , deren Mannschaften aber keineswegs die ersten in der endlos langen Geschichte der Kriege waren, die gegen Bezahlung stritten und fochten
. Vor ihm hatten König Heinrich I. und Stephan
von Blois während der Auseinandersetzungen um den englischen Thron flämisches Kriegsvolk auf die Britische Insel geholt, das wegen seiner Raubgier Haß bei der einheimischen Bevölkerung erregte 66 . König Heinrich II. versprach daraufhin aufgebrachten Baronen des Reichs bei Antritt seiner Herrschaft im Jahr 1154, 67 die Fremdlinge des Landes zu verweisen . Tatsächlich hielt er Mietsoldaten, die er mit Einnahmen aus einer neuerdings erhobenen Wehrsteuer ausrüstete und entlohnte, von englischem Boden fern und wurde dafür von seinem Biographen Walter Map 68
gelobt
. Während er Söldner nur ein einziges Mal, in der Not-
lage des Jahrs 1174, auf die Insel rief, setzte er sie um so bedenkenloser ein, Besitz auf dem Kontinent gegen aufständische Söhne und den französischen König zu verteidigen®^. Gedungene Krieger bewährten sich im seither dreifachen Heeresaufgebot des ersten englischen Königs aus dem Haus Anjou bei geeigneter Führung und kluger Planung des Feldzugs so beeindruckend, daß französische und deutsche Herrscher bald Heinrichs Beispiel folgten. Eine Umwälzung des Militärwesens bahnte sich an: Statt von Adel und Bürgertum wurde Kriegsdienst, vor allem in auswärtigen Gebieten,immer öfter von Berufssoldaten, schließlich stehenden Heeren besorgt. Damals wie heute wurde die Geisel der neuen Waffengattung, die nicht nur äußerst kostspielig war, sondern auch fürchterliche Folgen zeitigte, durch Verträge, Gesetze und Verbote zu beseitigen oder in ihren Auswirkungen 64
BOUSSARD
(wie Anm. 63) S. 193.
65
PAUL SCHMITTHENNER, Europäische Geschichte und Söldnertum (Schriften der kriegsgeschichtlichen Abteilung im Historischen Seminar der FriedrichWilhelms-Universität Berlin 5) Berlin 1933; DERS., Das freie Söldnertum im abendländischen Imperium des Mittelalters (Münchner historische Abhandlungen 2,4) München 1934, S. lO.
66
WILLIAM STUBBS, The Constitutional History of England, Bd. 1, 1891, S. 349, 470
67
STUBBS
68
BOUSSARD
69
STUBBS
5
Oxford
(wie Anm. 66) Bd. 1, S. 470, 487. (wie Anm. 63) S. 197; GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 428.
(wie Anm. 66) Bd. 1, S. 631; GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 453, 488.
Afr. bedel - bidaux
231
einzudämmen versucht. König Ludwig VII. und Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) vereinbarten 1171 bei einer Zusammenkunft an der lothringischen Reichsgrenze, gleichsam eine "söldnerfreie Zone" einzurichten: Im Gebiet zwischen Rhein, Alpen und der Stadt Paris sollte der Einsatz von Braubantiones sive coterelli^® zu Fuß oder zu Pferd fortan nicht mehr zulässig sein. Mehr als zwei Jh. (1400) später erließ König Karl VI. sozusagen ein 71 "Vermummungsverbot" , um dem Unwesen zu wehren, das entpflichtete Söldner und andere Freibeuter trieben. Vorausgegangen waren bischöfliche und sogar päpstliche Bannsprüche gegen angeheuerte Kämpfer und Fürsten, die ihnen Schutz und Unterhalt gewährten. In einem Beschluß des 3. Laterankonzils im Jahr 1179 wurden zwei Arten von Namen für verpönte Söldner aufgezählt, die die beiden ersten Gruppen der Bezeichnungen für mittelalterliche Fremdenlegionäre eröffnen: Brabantiones, Aragonenses, 72 Bascoli,
CotereZU,
Triaverdini
1. Benennungen nach geographischer Herkunft Zunächst wurden Söldner ebenso wie reguläre Heerscharen in Epik und Geschichtsschreibung nach Herkunft oder Abstammung benannt. Eine Liste aller Völkerschaften, deren Angehörige sich fremden Herren verdingten wäre lang; bis zu den Schweizern müßte sie fortgesetzt werden. Zwei wichtige Untergruppen zeichnen sich im 12./13. Jh. ab: Bewohner der Altniederlande einerseits, 73 der Pyrenäenregion andererseits. Gefürchteten Brabantiones unter dem Befehl von Guillaume de Cambrai, die sowohl in deutschem als auch in englischem Auftrag zwischen 1166 und 1177 eine lange Blutspur von Frankreich (1166) nach Italien (1167), zurück durch Frankreich bis nach England (1174) und wiederum durch Frankreich nochmals auf die Apenninenhalbinsel (1175) legten,
70
71
GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 435, 449-50. Livre rouge vieil du Châtelet
(LfAZARE] SAINEAN, Les sources de l'argot
ancien, Bd. 1, Paris 1912, S. 354) Fol. 307: Pourquoy nous, ces choses considérées etc. vous mandons, et pour ce que autres fois par nos ordonnances royaulx a esté deffendu que nul ne portast faulx visaiges ne embrunchez . . . 72 GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 436. 73
LALANNE (wie Anm. 54) S. 372a; CH[ARLES] DEZOBRY - TH[EODORE] BACHELET, Dictionnaire général de biographie et d'histoire, Bd. 1, 4 Paris 1866, S. 362a; L[EOPOLD] AUER, Artikel 'Brabanzonen' (Lexikon des Mittellaters [wie Anm. 37] Bd. 2, Sp. 535-536).
232
Wolf-Dieter Heim
ehe sie 1177, nach einem letzten Einsatz auf französischem Gebiet bei Brive
(Corrèze) durch eine Art Landwehr aufgerieben
gingen Flandrenses 75 sei voraus tonici
wurden^,
unter Guillaume d'Ypres auf der Britischen In-
. Beide Aufgebote wurden auch unter dem Ethnicon Teu-
zusammengefaßt^®. Abt Stephan von Cluny
(Saône-et-Loire)
klagte im Sommer 1166 König Ludwig VII. sein Leid mit den Worten: Ad haec mala pestis
Teutonicorum,
quos Brabantiones
vocant,
immanissima
accessit,
qui rabidarum sitientes 7 7 more ferarum sanguinem loaa omnia pervagantur ... . Dabei mag er an furor Teutoniaus ,
den Schreckensruf der Römer, gedacht haben, den mittelalterliche Geschichtsschreiber zu wiederholen begannen, als überwiegend deutschsprachige Söldnerheere Italien und Frankreich verwüste78 ten . Ungefähr um dieselbe Zeit erwähnten Dichter altfranzösischer Epen beiläufig soudader bover [e] alemant*^, soudoier ... d ' Alemai g n e ^ oder soudoiers de Frise^^ . Flamands und Brabançons wurden in der Literatur nicht ausdrücklich als soudo— yers 82 bezeichnet, ihre Namen jedoch oft8 3im Halbvers zu sechs Silben formelhaft miteinander verbunden . Die enge Beziehung wird nicht allein durch die gemeinsame Sprache und ein nachbarschaftliches Verhältnis, das die Reichsgrenze überwand, zu erklären sein. Basques, Gascons 74
oder später Armagnacs
und ihre
GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 445-64.
75
STUBBS (wie Anm. 66) Bd. 1, S. 349; GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 440.
76
GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 445, 447-48, 488.
77 78
79
GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 445, Anm. 1. E[RNST L.] DÜMMLER, Über den furor Teutonicus (Sitzungsberichte der Königlich preußischen Akademie der Wissenschaften 1897, Bd. 1, Berlin 1897, S. 112-26) S. 116-19. Girart de Roussillon, pubi, par W. MARY HACKETT (Société des anciens textes français) Paris 1953, Bd. 2, s. 310, V. 6859.
80
81 82 83
HERBERT LE DUC DE DAMMARTIN, Folque de Candie, hg. von o[SKAR] SCHULTZGORA, Bd. 2 (Gesellschaft für romanische Literatur 38) Dresden-Jena 1915, S. 235, V. 14598. HERBERT LE DUC DE DAMMARTIN (wie Anm. 80) Bd. 1 (21) 1909, S. 130, V. 2941. FEW, Bd. 12, S. 52b: aus lt. solidus, afr. soldeier "soldat engagé pour une certaine solde"; vgl. Gdf, Bd. 7, S. 449b-450b; TL, Bd. 9, Sp. 1007. WOLF-DIETER HEIM, Romanen und Germanen in Charlemagnes Reich (Münstersche Mittelalter-Schriften 40) München 1984, S. 86-87; vgl. FRITZ KERN, Der mittelalterliche Deutsche in französischer Ansicht (Historische Zeitschrift 108, 1912, S. 237-54) S. 245-47, 250-53, der in Thiois tapfere Gefolgsmänner Charlemagnes, in Allemands hingegen verachtete Lohnkrieger zu erkennen glaubte, und zur Beurteilung der Deutschen durch Franzosen: KARL-LUDWIG MÜLLER, Übertragener Gebrauch von Ethnika in der Romania (Untersuchungen zur romanischen Philolgie 8) Meisenheim/Glan 1973, S. 98-110.
233
Afr. bedel - bidaux
Nachbarn südlich der Pyrenäen, Navarrais, Aragonais und Catalans , stellten das zweite Kontingent der Söldnerheere 84 Die Hauptströme militärischer Hilfskräfte flössen den Köni85 gen demnach aus Randgebieten der Großländer zu . Die Beobachtung gilt auch für Gallioi 86 auf der Britischen Insel und Bretons 87 in Frankreich, sie trifft aber nicht auf Berruiers 88 zu, die ebenfalls für Geld zu den Waffen griffen. Wird im Süden Not Menschen dazu gezwungen haben auszuziehen, um in der Ferne ein zweifelhaftes Glück zu suchen, mag sie im Norden, wo Belohnung nach erfolgreichem Kriegseinsatz üblich war 89 , hoher
90 Verdienst und die Beherrschung einer neuen Kampftaktik zu dem Schritt in eine ungewisse Zukunft bewogen haben. Die Reihe ethnischer Bezeichnungen für Söldner sei mit einer Aufzählung von Namen der Truppen beschlossen, die - nach dem Urteil eines Priors von Vigeois (Correze), Geoffroi du Breuil (1180) - in Aquitanien so grausam wüteten, wie es das Land seit normannischen Überfällen nicht mehr erlebt hatte. Auf die Geltung der Volksnamen im einzelnen wird dabei nicht eingegangen: Immisit deus in Aquitaniam
hostes orudeZium populorum,
quales patres nostvi
non viderunt a tempore Normannorum: Primo Basouli, Theutonici, Flandrenses
postmodum
et, ut rustice loquar, Brabansons,
Hannuyers, Asperes, Pailler3 Navar, Turlannales, Roma, Cotarel, Catalans, Aragones, quorum dentes et arma omnem pene Aquitaniam aorroserunt,91
84
85 OC 87
SAINEAN (wie Anm. 71) Bd. 1, S. 351; GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 429, 432, Anm. 6, S. 436 u.ö.; LOT (wie Anm. 63) Bd. 1, S. 371-94; die Bilder, die sich Franzosen von Völkern zurechtlegten, die Söldner stellten, zeigen gemeinsame Züge; vgl. die einzelnen Artikel bei MÜLLER (wie Anm. 83). GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 488; CONTAMINE (wie Anm. 63) S. 398. BOUSSARD
(wie Anm. 63) S. 193, 201.
SAINEAN (wie Anm. 71) Bd. 1, S. 353, 362-65; FEW,Bd. 1, S. 539b; dazu KURT BALDINGER, Die Völker im Zerrspiegel der Sprache (Überlieferung und Auftrag. Festschrift für Michael de Ferdinandy zum sechzigsten Geburtstag, Wiesbaden 1972, S. 158-78) S. 163.
88 Gdf, Bd. 1, S. 89 ALWIN SCHULTZ, 2. Aufl. 1889, 90 HENRI DELPECH, 91 302. GRUNDMANN (wie
628a-b; TL, Bd. 1, Sp. 931. Das höfische Leben zur Zeit der Minnesänger, Nachdruck der Osnabrück 1965, S. 190-91; DUBY (wie Anm. 63) S. 102-03. La tactique au XIII m e siècle, Bd. 1, Paris 1886, S. 301Anm. 55) S. 435, Anm. 6.
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234
2. Benennungen nach sozialem Stand Mitten unter ethnischen Namen finden sich Bezeichnungen für Söldner, die aus anderen Wurzeln hervorgingen: Cotarel und Pailler reihte Geoffroi du Breuil als scheinbar gleichartige Benennungen unter Völkernamen ein. Dadurch bestätigt sich H. Grundmanns Meinung, daß Söldner- und Freibeuterscharen Gemeinschaften bildeten, die Stämmen auf der Wanderschaft aus der Sicht mittelalterlicher Beobachter ähnelten. 92 Aus milites et aoterelli setzte sich ein Heer Graf Wilhelms von Flandern zusammen, schrieb im Jahr 1127/28 Galbert von Brügge. Der Neologismus erschien jüngeren Historiographen, die über die Herrschaft König Philipps II. berichteten, . 93 erkärungsbedürft i g : o o t h e r i l l i , qui
vulgo
diountur
ruptarii
, aoterelli
sive
ruptarvv 94 , erläuterten sie. Die Benennung wird heute zumeist auf anfrk. *kotta, einen kurzen Rock, den Fußsoldaten trugen, 95 zurückgeführt . Mittelalterliche Schriftsteller hingegen glaubten bisweilen, sie rühre daher, daß ootereaux mit einem Dolch, 9 6 ausgerüstet waren 97. Söldner kämpften nicht mit lt. aultellus 98 Lanze und Schwert, die Rittern vorbehalten waren , sondern mit Jagdwaffen, Messern, Spießen sowie vor allem Pfeil und Bogen. Als treffsichere Schützen waren sie gefürchtet und umworben zugleich 99 . Ch. Duby 1 0 0 und Ph. Contamine 101 erinnerten an 92 93
GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 449, Anm. 2; NIERMEYER (wie Anm. 24) S. 278b. DC, Bd. 2, S. 598a; GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 434; CONTAMINE (wie Anm. 63) S. 397-98: Rigord.
94 GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 434, Anm, 2; vgl. S, 432, Anm. 3: Wilhelm Brito. 95 FEW,Bd. 16, S. 346b; GRAND LAROUSSE (wie Anm. 19) Bd. 2, S. 1005a; TLF, Bd. 6, Sp. 278a; die Herleitung gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, daß Angehörige der geud.es (s.o. Anm. 62) als erste Uniformen trugen; nach DELPECH (wie Anm. 90) S. 301; vgl. afr. aoterel: Gdf,Bd. 2, S. 328b329a ; TL,Bd. 2, Sp. 951; fr. cot (t) ereau-. Littrê.Bd. 1, S. 1234b; dazu LALANNE (wie Anm. 54) S. 593b; Dictionnaire de théologie catholique. Bd. 3, Paris 1938, Sp. 1924-26. 96
97
98 99
100
FEW, Bd. 2,2 S. 1498b. DC, Bd. 2, S. 598a; DEZ0BRY - BACHELET (wie Anm. 73) Bd. 1, S. 688b; DUBY (wie Anm. 63) S. 104; vgl. MATTHIEU DE PARIS (nach Rn,Bd. 1, S. 135b): ... assassinas quos aultelliferos appellamus ... SCHMITTHENNER, 1934 (wie Anm. 65) S. lO-ll. DUBY (wie Anm. 63) S. 1 0 3 ; vgl. La Prise de Pampelune, hg. von ADOLF MUSSAFIA (Altfranzösische Gedichte aus venezianischen Handschriften 1) Wien 1 8 6 4 , V. 6o23 (vgl. V. 5 9 7 5 , 6 0 1 8 , 6 o 3 9 ) : . . . buens Flamens, aroiers de grand vigour ... und V. 6 l o 3 (V. 3 9 4 5 ) : buens arder s Flamens> plains de maistrise ... DUBY (wie Anm. 63) S. 104.
101
CONTAMINE (wie Anm. 63) S. 398.
Afr. bedel - bidaux
235
eine dritte Bedeutung, die dem Namen frühzeitig beigelegt wurde. Demnach sollen aoterelli ursprünglich Bewohner einer aota 102
< anfrk. *kot 'Hütte* gewesen sein. Entsprechend definierten Du Cange^^ und J. P. Niermeyer ^ ^ aotarellus auch mit aotarius , und alle Wörterbücher, die den Sprachschatz im Ausgangsgebiet der Söldnerheere behandeln, kennen ein vergleichbares Wort ger105 manischen Ursprungs als Bezeichnung für den abhängigen Bauern , jedoch keine Ableitung von *kot für Söldner und Freibeuter. Aus welchen sozialen Schichten Söldnerführer kamen, deren berühmt-berüchtigte Namen überliefert sind, weiß man kaum; noch weniger ist darüber bekannt, welchen Kreisen Männer und auch Frauen entstammten, die sich ihnen anschlössen. Adelige, die verarmt waren oder nur geringes Erbe zu erwarten hatten^®, mögen darunter gewesen sein, entlaufene Mönche ^ und geflüchtete 108
Straftäter gleichfalls. Sie werden aber kaum den wesentlichen Anteil der Heere gebildet haben, der sich eher aus der niedersten und am meisten benachteiligten Klasse der Bevölkerung rekrutierte 1 0 9 . H. Grundmann hielt es für einen Trugschluß, der durch die Gleichung routier - roturier hervorgerufen wurde, daß 110
Lohnkrieger vor allem aus dem Bauerntum erwuchsen , obwohl sie offenbar in großer Zahl überwiegend ländlichen Regionen entstammten. 102 103
104
FEW, Bd. 16, S. 345b. DC,Bd. 2, S. 598a; vgl. DEZOBRY - BACHELET (wie Anm. 73) Bd. 1, S. 688b. NIERMEYER (wie Anm. 24) S. 278b.
105
Mhd. koter-. LEXER (wie Anm. 3) Bd. 1, Sp. 1690; mndl. aoter: VERWIJS KURATH - KUHN (wie Anm. VERDAM (wie Anm. 9) Bd. 3, 1991; mengl. ootev. 9) Bd. 2, S. 637b,und ooterel-. Bd. 2, S. 637b; fr. aotiev (Adj.) : FEW, Bd. 16, S. 345b: "besonders flandr. , pik., seit [1283]"; agn. ootvel-. STONE - ROTHWELL (wie Anm. 30) S. 118b; dazu fügt es sich, daß seit dem 12. Jh. Nicht-Adelige, namentlich roturiers (s.u. Anm. 125) zum Kriegsdienst herangezogen wurden; vgl. BOUTARIC (wie Anm. 63) S. 141-55.
106
So der Kommandant Guillaume d'Ypres, nach GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 440; vgl. LOT (wie Anm. 63) Bd. 1, S. 290. So der Heerführer Guillaume de Cambrai, nach GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 444, Anm. 1, S. 485-86.
108 "Nach dem nordischen Recht durfte der Thäter, wenn er nicht auf frischer That ergriffen worden war, fliehen", schrieb GEORG LUDWIG VON MAURER, Geschichte der Städteverfassung in Deutschland, Bd. 3, Erlangen 1870, S. 625. Die Flüchtigen hießen "Waldgänger"; vgl. mfr. godin, f e u i l l a r d , touchin (s.u. Anm. 134-37). 109 Aus "la lie du peuple", sagt DUBY (wie Anm. 63) S. 103; vgl. CONTAMINE (wie Anm. 63) S. 398. GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 486.
236
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Nachdem Papst Innozenz III. Raimund von Toulouse (Hautein seinem Gefolge Garonne) 1207 beschuldigt hatte, Aragonenses zu halten, gestand der Graf 1209, ruptarios sive mainadas bei 111
sich aufgenommen zu haben . Statt der Ableitung von lt. mansio, die zunächst die Hausgemeinschaft, die Familie einschließlich des Gesindes, später, vor allem in Südfrankreich und auf1 1 der 2 , hätte Iberischen Halbinsel,auch eine Söldnerschar bezeichnete der Fürst, der unter Kirchenbann stand, auch Cotterels sagen 113 können . So sollen Tolosani in der Volkssprache praedones ge114 nannt haben, die mit Messern bewaffnet waren ; ebenso, coterelli [s] oder nach anderer Lesart scoterelli [s], hießen nach Alexan11 5 der Neckam Besatzungen der Burgen in England . Auf welche der beiden germanischen Wurzeln, *kot oder *kotta, das älteste Wort für bezahlte Krieger zurückzuführen ist, fest steht, aoterelli gehörten ebensowenig dem Adel an wie rupt (u) arii , deren Name gleichfalls noch nicht vollauf befriedigend erklärt wurde. Mit.
rupt
(u) arius
, f r . routier
gelten als Ableitungen
von
der femininen des Partizips Perfekt lt. rumpere : rupta , 116 ,Form 117 , d . Rotte 118 , zu rutta f r . rote dessen älteste franzö-
mit.
siche Belege wiederum im anglonormannischen Gebiet seit 11 55 nach119
zuweisen sind , während das erste deutsche Zeugnis ungefähr drei Jahrzehnte (1181) später in den Pegauer Annalen genannt
111 112
113
114 115
GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 432, Anm. 6. FEW,Bd. 6,1, S. 244b: apr. mainach. "troupe de mercenaires". Rn,Bd. 4, S. 149a: Bedeutung fehlt, aber S. 149b: mainader "chef de troupe, de mercenaires"; Lv, Bd. 5, S. 19a, 19b: mainadier-, kat. meynada: ML, S. 433b, § 5313; maisnasp. manido-. COROMINAS (wie Anm. 22) Bd. 3, S. 233a; vgl. mit. darii-. DC,Bd. 5, s. 188b; it. masnada, masnadiero-. BATTAGLIA (wie Anm. 22) Bd. 9, S. 882b, 883a; außerdem LALANNE (wie Anm. 54) S. 1197a; LOT (wie Anm. 63) Bd. 1, S. 404. Vgl. die Auflage zur Lösung aus dem Bann: Er habe Aragonenses, Ruptamos, C o t a r e l l o s t Bramenzones, Blasaones, Mainadas vel quoaumque alio nomine oenseantur aus seinem gesamten Land zu vertreiben u.s.w.; nach GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 432, Anm. 6. DC,Bd. 2, S. 598a. De nominibus utensilium ([J. AUGUSTE U,] SCHELER, Trois traités de lexicographie latine du XII e et du XIII e siècle, 2 [Jahrbuch für romanische und englische Literatur 7, 1866] S. 70) .
116
DC,Bd. 7, S. 238a-b; NIERMEYER (wie Anm. 24) S. 924b.
117
FEW,Bd. 10, S. 572a-b.
118
Mhd. : rote-. BENECKE - MÜLLER (wie Anm. 3) Bd. 2,1, S. 772a-b; LEXER (wie Anm. 3) Bd. 2, Sp. 504-05; d. Rotte-. GRIMM - GRIMM (wie Anm. 4) Bd. 8, Sp. 1315-20; mndl, rote-. VERWIJS - VERDAM (wie Anm. 9) Bd. 6, Sp. 1640-43; e. rout: The Oxford English Dictionary (wie Anm. 9) Bd. 8, S. 837a-838a.
119
KELLER
(wie Anm. 26) S. 261a.
Afr. bedel - bidaux
237
wird 1 20. Gegen die Etymologie erhob H. Grundmann wohlerwogene Einwände, indem er seit langem einmütige Linguisten frug, wie 121
der Grundbegriff zu dem substantivierten Mittelwort lautet Außerdem hielt der Historiker Lexikographen entgegen, daß sie ihre Überlegungen auf eine Wortform, ruptuarius, stützen, die in der Kanzlei des Papstes Innozenz III. geprägt worden war. Schließlich legte er dar, daß das französische Wort zunächst nicht im militärischen Sinn für eine Truppe, sondern für eine Schar, einen Schwärm von Vögeln 1 2 2 oder ein Gefolge im allgemeinen gebraucht wurde 1 23. Der französische Neologismus klingt wiederum an einen germanischen Stamm an: Er lautet hrüton 'sich 1 24 heftig bewegen, vorwärtsdrängen oder -stürmen1 . Falls Germanisten ein Verbalsubstantiv zu hrütSn denkbar erscheint, wären germanische Entsprechungen zu fr. rote und routier als Rückentlehnungen anzusehen. Für Franzosen jedoch war 125ein routier wahrscheinlich zugleich rupturarius - roturier , wie eine Bezeichnung für Nicht-Adelige, die im ausgehenden Mittelalter (1447) neu gebildet wurde, lehrt. 126
127
Mit. palearius , fr. paillard könnte auf dieselbe soziale Herkunft anspielen. Die Benennung für Söldner, die König Philipp II. Prinz Heinrich (Court-Mantel) gegen dessen gleichnamigen Vater zu Hilfe sandte, soll entweder daher rühren, daß die Mannen ein wie Spreu aus vielen Ländern zusammengewehter Haufe waren 1 28 , oder darauf hinweisen, daß sie statt des 120
121 122
123 124
GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 422, 425. GRUNDMANN (wie Aren. 55) S. 424, Anm. 3. WENDELIN FOERSTER - HERMANN BREUER, Wörterbuch zu Kristian von Troyes' sämtlichen Werken, 3 Tübingen 1964, S. 227a; Gdf, Bd. 7, S. 250c-251b; TL, Bd. 8, Sp. 1507-09. GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 426, Anm. 1. . r H [ JALMARJ S. F A L K - A L F TORP, Norwegisch-Dänisches etymologisches Wörterbuch, Bd. 2, 2Heidelberg 1960, S. 924: Rütte-, vgl. e. rout-. The Oxford English Dictionary (wie A n 9 ) Bd. 8, S. 838b:"a violent movement",anord. hrjoda: DE VRIES (wie Anm. 1) S. 257b: "ausschleudern, vertreiben, leermachen, plündern", ursprünglich auch "andringen, gewaltsam auftreten"; ahd. ruzjan-. GRAFF (wie Anm. 2) Bd. 2, Sp. 562-63; mhd. ritzen-. BENECKE - MÜLLER (wie Anm. 3) Bd. 2,1, S. 825b; LEXER (wie Anm. 3) Bd. 2, Sp. 561: "eilig und mit geräusch sich bewegen, stürmen"; ob die Wörter in ursprünglichen Zusammenhang gebracht werden dürfen, wie Falk - Torp behaupten, bleibt zu prüfen.
125 FEW, Bd. 10, S. 580a: miptura 'bruch, riss 1 , vgl. S. 580b, Anm. 2, und DC, Bd. 7, S. 237a ; vgl. Gdf, Bd. 7, S. 245b (Adj.): "syn.de routier". 126 DC,Bd. 6, S. 108a. 127 FEW,Bd. 7, S. 498a; vgl. GdF, Bd. 5, S. 690c-691a; TL,Bd. 7, Sp. 34-35. 128 GRUNDMANN (wie Anm. 55) S. 467-68.
238
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Ginsterzweiges der Plantegenets einen Strohwisch als Erkennungs129 zeichen auf dem Kopfschutz trugen • Außerdem wird vermutet, sie verdankten ihren Namen der Kampftaktik des Brandschatzens: 1 30 mettre le feu ä la paille . Warum - bleibt angesichts widersprüchlicher Erklärungen ihres Namens zu fragen - könnten sie nicht auch deshalb paillards
geheißen haben, weil sie tiefem
Milieu entstammten: "ceux qui couchent sur la paille"? 131 132 Mit. pastorellus , fr. pastorel : Aus welcher Gesellschaftsschicht Aufständische kamen, die sich um die Mitte des 13. Jhs., als König Ludwig IX. auf dem Kreuzzug weilte, unter 133 dieser Bezeichnung gegen Adel und Klerus erhoben , ist nicht zu bezweifeln. Ähnlichen Kreisen werden auch Räuber angehört haben, die sich mfr. godins^^^, feuillards^oder mit. tuohi136 137 ni , afr. touohins nannten und während des 14./15. Jhs. 1 38 in Wäldern ihr Unwesen trieben 1 39 Mit. malandrini 'Aussätzige' - oder nach anderer Deutung - 'Vagabunden' hießen Mitglieder einer Bande, die möglicherweise auf einer noch tieferen sozialen Stufe als Schäfer standen 1 40. Ihr Name, dessen141Herleitung ebenfalls umstritten ist, soll aus it. malandrino in das Altprovenzalische,malan129
130
131 132
133
CONTAMINE (wie Anm. 63) S. 397; in vergleichbarer Weise benannten sich gegen Ende des Mittelalters coquillards, die als verkleidete Pilger eine Muschel trugen; nach FEW, Bd. 2, S. 1003b, 1006b, Anm. 9. CONTAMINE (wie Anm. 63) S. 397. DC, Bd. 6, S. 204a-c. FEW, Bd. 7, S. 759a: aus lt. pastor (Bedeutung fehlt; ebenso Gdf, Bd. 6, S. 35c); TL, Bd. 7, Sp. 471-72: "die Banden, die i. J. 1251 Ludwig IX. aufzusuchen vorgaben, auch bergier genannt". LALANNE (wie Anm. 54) S. 1429a; DEZOBRY - BACHELET (wie Anm. 73) Bd. 2, S. 2051a; EDMOND FARAL, La vie quotidienne au temps de Saint Louis (o.O., 1938) S. 263-65. FEW, Bd. 17, S. 486a: aus anfrk. wald, "brigand qui vit dans les forêts"; vgl. BALDINGER (wie Anm. 62) G 3, Sp. 412; Gdf, Bd. 4, S. 245a; DC, Bd. 4, s. 123b: s.v. gualdus.
135
FEW, Bd. 3, S. 678b: aus lt. folium, "nom donné à certains brigands"; vgl. Gdf, Bd. 4, S. 170a-b; DC, Bd. 3, S. 537b-538a: s.v. foilliata.
136
DC, Bd. 8, S. 203c.
137 138
FEW, Bd. 13,2, S. 439b: aus lt. tuscus, "rebelle, brigand"; vgl. Gdf, Bd. 7, S. 773a; apr. toohin-, Lv, Bd. 8, S. 255b.
Zu diesen drei Namen: P[AUL] ALLUT, Les routiers au quatorzième siècle. Les Tard-venus et la bataille de Brignais, Lyon 1859, S. 91-92. 139 DC, Bd. 5, S. 191a. 140 WISSELL - SCHRAEPLER (wie Anm. 39) Bd. 1, S. 172-83: Bei Deutschen galt jedermann, der keinen Kriegsdienst leistete, als unehrlich. 141 BATTAGLIA (wie Anm. 22) Bd. 9, S. 499a,b: aus "ant. ted. Iandern 'vagabondare'".
Afr. bedel - bidaux
drin
239
, und das S p a n i s c h e , m a l a n d r i n
, übergegangen sein. 1 44 Zuletzt erwähnte Namen betreffen Grandes Compagnies
des späten Mittelalters. Durch Auseinandersetzungen um das Königreich Sizilien zwischen den Häusern Anjou und Aragon und verzweifelte Anstrengungen, die das Byzantinische Reich unternahm, sich mit fremder,145 ruinös teuer bezahlter Waffenhilfe der Türken zu erwehren , erfuhr das Söldnerwesen und infolgedessen auch das Bandentum einen erneuten Aufschwung, der während der letzten beiden Jh. des Mittelalters in Italien und Frankreich gipfelte. 3. Aus Verben gebildete Benennungen Auf der in sich zerrissenen Apeninnenhalbinsel, wo die Geldwirtschaft frühzeitig erblüht war, begann das Gewerbe wiederaufzuleben: Haudegen, Glücksritter und Abenteurer sammelten auf eigene Rechnung Gleichgesinnte um sich, übten sie ein, organisierten sie straff und vermieteten sich mit ihrer Mann146 schaft jedem zahlungskräftigen Auftraggeber ebenso , wie heute "Arbeitskräfte" aller Art von Personaldiensten auf Zeit 147 , und seine
vermittelt werden. Der Italianismus, fr. brigand
142
143 144
FEW, Bd. 6,1, S. 81b: aus lt. malandria über das Italienische, "brigand, Voleur de grand chemin, vagabond"; vgl. Gdf (Compi.) Bd. 10, S. IlOb; dazu DEZOBRY - BACHELET (wie Anm. 73) Bd. 2, S. 1694a. COROMINAS (wie Anm. 22) Bd. 3, S. 203a-204a, der die verschiedenen Etymologien diskutierte.
LALANNE (wie Anm. 54) S. 567a-b; DEZOBRY - BACHELET (wie Anm. 73) Bd. 1, S. 643a; LOT (wie Anm. 63) Bd. 1, S. 395-411 u.ö. 145 LOT (wie Anm. 63) Bd. 1, S. 371-94; Turoopuli 'Türkenknaben' hießen Krieger aus mohammedanisch-christlichen Ehen, die für Lohn auf Seiten Ostroms kämpften - vgl. DC, Bd. 8, S. 212b; Gdf, Bd. 8, S. 106c; SCHULTZ (wie Anm. 89) S. 198 -, und tafur Moslime, die die Sache der Kreuzritter verfochten; vgl. FEW, Bd. 19, S. 187a: aus armen, thaphur, "nom d'un peuple sarrasin; truand, coquin"; Gdf, Bd. 7, S. 623a; TL, Bd. IO, Sp. 31; Rn, Bd. 5, S. 294a; Lv, Bd. 8, S. 8a; FATHI NASSER, Emprunts lexicologiques du français à l'arabe des origines jusqu'à la fin du XIXe s., Thèse Paris, Beyrouth 1966, S. 218-19. 146 LOT (wie Anm. 63) Bd. 1, S. 412-34. 147 F0UCHE (wie Anm. 13) Bd. 1, S. 64; it. brigante: BATTAGLIA (wie Anm. 22) Bd. 2, s. 376a-b: "da brigare - briga, di etimo incerto"; fr. brigand-. BlWb, S. 88b: Ursprung ungeklärt; Gam, S. 152b: aus gali. *brîga; TLF, Bd. 4, s. 957b-958b: Ableitung aus it. briga "troupe"; afr. briganti Gdf, Bd. 1, S. 733b, (Compi.) Bd. 8, S. 375c-376a; sp. bergante : COROMINAS (wie Anm. 22) Bd. 1, S. 444a-b; kat. bergant: DERS. (wie Anm. 22) Bd. 1, S. 769a-771a: "del. got. brikan", vgl. dagegen ML, S. 116b, § 1299; mit. briganaii, brigandi, brigantes: DC, Bd. 1, S. 750b-751a; NIERMEYER (wie Anm. 24) S. 105b.
Wolf-Dieter Helm
240
148 149 neuzeitlichen Verwandten, fr. brigade , brigadier , beleuchten nicht nur nochmals den engen Zusammenhang zwischen Milizen und Freibeuterscharen, sondern wèisen auch auf das Land hin, in dem das Unwesen von neuem ausbrach. Es ist unmöglich, in knapp bemessenem Rahmen auf Namen und Geschichte aller Banden einzugehen, die während der Wirren des Hundertjährigen Kriegs Tod und Elend über Frankreich brachten. Ihre Bezeichnungen entsprechen zum einen Typen, die bereits behandelt wurden: Bretons,
Ecossais,
Armagnacs^ 50,
zum anderen 1 51 bestehen sie in neuartigen verbalen Ableitungen: p i l l a r d s , 152 153 154 Tard-venus , Eooraheurs , Retondeurs , Phantasienamen selbsternannter apokalyptischer Heerscharen, deren Bildungs-
weise noch zu155erkennen ist. Mit. ribaldus , fr. ribaut 148
149 150
152 153
154
155
"valet d'armée, soldat
pillard"156,
Mfr. brigade-. Gdf (Compl.) Bd. 8, S. 375a; TL, Bd. 1, Sp. 1149; fr. brigade: Littré, Bd. 1, S. 631a; ROBERT (wie Anm. 19) Bd. 1, S. 558a; GRAND LAROUSSE (wie Anm. 19) Bd. 1, S. 519c; TLF, Bd. 4, S. 956b-957a. Littré, Bd. 1, S. 631a-b; ROBERT (wie Anm. 19) Bd. 1, S. 558a-b; GRAND LAROUSSE (wie Anm. 19) Bd. 1, S. 519c-520a; TLF, Bd. 4, S. 957a-b. SAINEAN (wie Anm. 71) Bd. 1, S. 363-65, 354-55. FEW, Bd. 8, S. 500b: aus lt. Tpilleum, "celui qui pille"; vgl. Gdf (Compl.) Bd. 10, S. 338c-339a; TL, Bd. 7, Sp. 942; mit. pilcœdi: DC, Bd. 6, S. 320c. ALLUT (wie Anm. 138) S. 106-88; LALANNE (wie Anm. 54) S. 1697a; DEZOBRY BACHELET (wie Anm. 73) Bd. 2, S. 2583a. "gens de guerre qui pillent et FEW, Bd. 3, S. 282a: aus lt. exoortioare ravagent"; vgl. Gdf (Compl.) Bd. 9, S. 519a; dazu LALANNE (wie Anm. 54) S. 694a; DEZOBRY - BACHELET (wie Anm. 73) Bd. 1, S. 882a. FEW, Bd. 13,2, S. 26b: aus lt. tondere, "aventuriers opérant en France sous Charles VII, appelés aussi éeoreheurs"; vgl. Gdf, Bd. 7, S. 148a; dazu LALANNE (wie Anm. 54) S. 1549a. DC, Bd. 7, S. 183b-185b; NIERMEYER (wie Anm. 24) S. 920b. FEW, Bd. 16, S. 702a; vgl. zur Bedeutung und Herleitung des Wortes: RALEIGH MORGAN jr., Old French "jogleor" and kindred terms (Romance Philology 7, 1953/54) S. 306-07, § 39-41; LEO SPITZER, Arnaud (Mélanges de philologie et de littérature médiévale offerts à Ernest Hœpffner [Publications de la Faculté des lettres de l'Université de Strasbourg 113] Paris 1949, S. 107-12) aus dem germanischen Eigennamen *Rid-bald, der sowohl einen Wilden Jäger aus der mesnie Bellequin 'Geisterheer' als auch Hunde bezeichnete; dazu SAINEAN, Les sources indigènes de l'étymologie frânçaise (wie Anm. 17) Bd. 1, S. 249; vgl. Gdf, Bd. 7, S. 196a-b: rigaut (Adj.) "gueux,misérable"; ähnlich E[RICH] FRHR. VON RICHTHOFEN, Skandinavisch-romanische Wortbeziehungen (Zeitschrift für romanische Philologie 67, 1951) S. 110-11, § 4, dessen Vorschlag, das französische Wort auf eine italienische Bildung aus gern, bald 'kühn' mit dem Präfix re-(ri-) zurückzuführen, von FEW, Bd. 16, S. 704a, Anm. 2, als "ganz abwegig" zurückgewiesen wurde; außerdem LALANNE (wie Anm. 54) S. 1553a; DEZOBRY- BACHELET (wie Anm. 73) Bd. 2, S. 2291a. In der südwestlichen Romania und in England waren die germanischen Eigennamen Arnaldus und Harlot Synonyme von fr. ribaut-, vgl. mit. arnaldus-. DC, Bd. 1, s. 396c;
Afr. bedel - bidaux
241
zugleich allgemeiner Ausdruck für aus der Gesellschaft ausgestoßene Menschen, der seit dem 12. Jh. verbürgt ist und aus dem 1 57 Franzosischen in benachbarte romanische und germanische Sprachen 158 gelangte, bedarf noch näherer Erörterung, weil er die 159 Entstehung von fr. bidaux beeinflußt zu haben scheint . Er rührt wiederum von einer germanischen Wurzel her, ahd. ' r e i b e n ' ^ ® , die ähnlich wie gr. tribein
- tribas^^
riban
ein Ver-
halten umschrieb, das von der Moral der Zeit verurteilt wurde. Die semantische Entwicklung von an fr. paillard
'Lüstling' zu 'Freibeuter', 162 die in umgekehrter Richtung zu verfolgen ist , mag
sich dadurch erklären, daß Unzucht ehedem als Ursache für alle übrigen Verfehlungen des Menschen angesehen wurde. 163 Mit. bidaldus, bidardus, bidarius , fr. bidaux
hat mit an-
deren behandelten Namen für Söldner gemeinsam: 1. eine Herkunft, die oft im germanischen Sprachraum zu suchen oder vermuten ist, 2. eine Verbreitung, die sich über Länder unter dem Einfluß oder 1 64 in Nachbarschaft Frankreichs erstreckte , 3. eine Herleitung, der Unsicherheit
innewohnt.
arlotus: DC, Bd. 1, S. 386a-b; außerdem apr. arlot: Rn, Bd. 1, S. 122a: BATTAGLIA (wie Anm. 22) Bd. 1, "ribaut, goujat, gueux"; it. arlotto-. S. 661a: "Pezzente, miserabile studicio, vile, meschino"; sp. arlote-. COROMINAS (wie Anm. 22) Bd. 1, S. 268a: "bribón, picaro"; mengl. harlot-. KURATH - KUHN (wie Anm. 9) Bd. 4, S. 493b-494b: "(a) A man of no fixed occupation, an idle rogue, a vagabond or beggar; (b) as term of abuse: scoundrel, knave rogue, reprobate, base fellow, coward"; vgl. ebd., S. 494b: harlot (Adj.); e. harlot-. The Oxford English Dictionary (wie Anm. 9) Bd. 5, S. 94b-95a; dazu OfSKAR] SCHULTZ-GORA, Zum Oebergang von Eigennamen in Appellativa (Zeitschrift, für romanische Philologie 18, 1894, S. 130-37) S. 131-32; HERMANN SUCHIER (Les Narbonnais. Chanson de geste pubi, par SUCHIER [Société des anciens textes français] Paris 1898) Bd. 2, S. LXIV; BRUNO MIGLIORINI, Dal nome proprio al nome comune. Ristampa fotostatica dell'edizione del 1927, Firenze 1968, S. 156-57, LXVII-LXVIII. 157
158
159
ML, S. 351b, § 4206, der als Wurzel ahd. hriba 'Hure' angab; apr. ribaut: Rn, Bd. 5, S. 92b-93a; Lv, Bd. 7, S. 340a-341b; sp. ribaldo-, COROMINAS (wie Anm. 22) Bd. 4, S. lOa-b. Mhd. ribalì: BENECKE - MÜLLER (wie Anm. 3) Bd. 2,1, S. 678b; LEXER (wie Anm. 3) Bd. 2, Sp. 414; mndl. ribaut-. VERWIJS - VERDAM (wie Anm. 9) Bd. 6, Sp. 1321-26; e. ribald-. The Oxford English Dictionary (wie Anm. 9) Bd. 8, S. 640b.
BALDINGER (wie Anm. 15) S. 13 behauptete, fr. rtbaut sei "der wichtigste Stammvater des Suffixes" (= -aud). 160 GRAFF (wie Anm. 2) Bd. 2, Sp. 355. 161 H. ESTIENNE, Thesaurus graecae linguae, Bd. 8, Nachdruck Graz 1954, Sp. 2412: s.v. tribas. 162 Littré, Bd. 3, S. 4394a-b; ROBERT (wie Anm. 19) Bd. 4, S. 825a-b. 163 DC, Bd. 1, S. 653c-654a. 164 It. bidale: BATTAGLIA (wie Anm. 22) Bd. 1, S. 219c.
Wolf-Dieter Heim
242
Weil die Namen im Volk entstanden waren, mußten ihre mittellateinischen Entsprechungen bereits im Mittelalter aus Wortanklängen erschlossen werden. Zu Recht oder Unrecht wurden Benennungen der Trupps auf ein einheitliches M e r k m a l ^ ^ , ihre Bekleidung 167 oder ihre Bewaffnung zurückgeführt. Ebenso sollen bidaux nach früherer Ansicht, die als verfehlt abzulehnen ist, ihren Namen 168 169 der Ausrüstung mit zwei dards 'Spießen' verdanken . Dichter und Geschichtsschreiber stellten sie auch mit anderen Waffen in der Hand dar: lanees,
166
168
169
170
couteaux
und epees
1 70
. Damit kämpften
Entweder auf die unverständliche Sprache der Brabançons und anderer ethnischer Gemeinschaften oder auf den Strohwisch, die Muschel und vielleicht auch den Zweig, wie sie paillards, coquillards und feuillards als Abzeichen getragen haben sollen. Vgl. afr. coterel zu cotte (s.o. Anm. 95), fr. brigand zu brigandine, einem Panzerhemd, mit dem Banden nach BOUTARIC (wie Anm. 63) S. 284, SAINEAN (wie Anm. 71) S. 354-55, 364 und LOT (wie Anm. 63) Bd. 1, S. 435 sowie Anm. 1 ausgestattet gewesen sein sollen; ebenso mit. barbutes zu barbuta 'Art Helm', dazu DC, Bd. 1, S. 573c, 574a; LOT (wie Anm. 63) Bd. 1, S. 420 und Anm. 2; außerdem mit. Caputiati, ein Aufgebot zur Bekämpfung marodierender Söldner, zu caputiwn 'Kapuze'; dazu DC, Bd. 2, S. 155a, 156b; GERAUD (wie Anm. 63) S. 139-47. Vgl. eoterel zu ooutel 'Messer' (s.o. Anm. 96); vgl. it. gialdoniere zu ait. gialda 'Lanze' aus afr. jaudon3 geldon 'Fußsoldat' (s.o. Anm. 62); dazu ML, S. 321a, § 3763; FEW, Bd. 16, S. 43a, Anm. 2; BATTAGLIA (wie Anm. 22) Bd. 6, S. 760b; BRUCH (wie Anm. 62) S. 102-04. FEW, Bd. 15,2, S. 55b: aus anfrk. *daroth. DC, Bd. 1, S. 654a: s.v. bidarius; vgl. dazu JEAN GESSLER, Cangiana. Notes lexicographiques latino-médiévales (Antiquité classique 10, 1941) S. 100-01; DERS., Encore un complément lexicographique (Mélanges de linguistique et de littérature romanes offerts à Mario Roques, Bd. 2, Nachdruck Genève 1976) S. 105; die irrtümliche Namensform bei Jean de Hocsem und Jean de Warnant scheint durch rupt(u)arius beeinflußt zu sein. GUILLAUME GUIART, Branche des royaux lignages, publ. par J[EAN] A. BUCHON, Bd. 2 (Collection des chroniques nationales de France 8) Paris 1878, S. 405, V. 10518-24: De Navarre et devers Espaingne Reviennent bidauz à granz routes, Des quieux les compaingnies toutes, En guerre, par accoustumance, Portent deus darz et une lance, Et un coutel à la ceinture; D'autres arméures n'ont cure. Vgl. außerdem zu dars (mouluz) : Gdf, Bd. 1, S. 608b; G, GUIART, a.a.O., V. 8297, 11258, 11552, 11631; JEAN FROISSART, Chroniques, Bd. 3 (FROISSART, Œuvres, publ. par le baron KERVYN DE LETTENHOVE, Bd. 3, Bruxelles 1867) S. 213: ... bidaus à dardes et à pavais ...; Le Chevalier au cygne (wie Anm. 45) Bd. 2, S. 216, V. 9079; zu lance: FROISSART (nach GAY [wie Anm. lo] Bd. 1, S. 156a): ... bidaus à lances et à pavais ...; zu couteaux et êpees : Les Vœux de l'Epervier. Kaiser Heinrichs VII. Romfahrt, hg. von G[E0RG] WOLFRAM - F[RANÇ0IS] BONNARDOT (Jahrbuch für lothringische Geschichte und Altertumskunde 6, S. 177-280) V. 454: ... coutelt de bidaul Lion de Bourges (wie Anm. 46) Bd. 1, S. 98, V. 3112-15: E le roy de Pallerne delês ung bocquetelz; En sa compaingne estoient tränte mille bodelz: N'i ait celui qui n'ait ou espee ou coutelz, Ves tues armures, bon hauber a quameIz.
Afr. bedel - bidaux
243
sie nach Berichten von Augenzeugen oder gut unterrichteten Histo11 1
riographen 1304 unter dem Befehl des Picarden Thibaut de Chê17 2 173 poi gegen Flamen , 1312 zusammen mit Orsiens 'Guelfen' gegen Kaiser Heinrich VII. vor R o m 1 7 4 , 1337, 1338, 1340 auf Seiten des französischen Königs gegen den englischen Herrscher Eduard III. sowohl in Aquitanien als auch vor der englischen Küste und wiederum in F l a n d e r n 1 7 5 ; nach literarischen Schilderungen zogen sie mit dem König von Palerme (Sizilien) , dem 177 Grafen von Toulouse und sogar dem mohammedanischen Konig Marsilie 17 8 ins Feld. Beiden Quellengattungen zufolge schreckten 179 sie vor Plünderungen nicht zurück und geben sich dadurch als typische Bandenkrieger zu erkennen. P. Barbiers Beobachtung, daß bidaux vorzugsweise 1 finmediterrane Völkerschaften als Waffengefährten begleiteten , trifft zu: Navarrais und Espagnols 181 nach G. Guiart , Genevois 'Génois' (Genua, Ligurien) und
172
G. Guiart nahm nach Dictionnaire des lettres françaises (wie Anm. 27) Bd. 1, S. 351a-b, 1296 bis 1304 am Feldzug nach Flandern teil; der unbekannte Verfasser von "Les Vœux de l'Epervier" aus Metz soll die Romfahrt Kaiser Heinrichs VII. entweder miterlebt oder seine Informationen - wie J. Froissart - vgl. Dictionnaire des lettres françaises (wie Anm. 27) Bd. 1, S. 412a-413b - von zuverlässigen Gewährsmännern bezogen haben. LALANNE (wie Anm. 54) S. 520a.
173
GUIART (wie Anm. 170) Bd. 2, S. 436, V. 11318-21 (vgl. V. 11552): ... Joignant de messire Tybaut [de Cepoi] Qui, près de commencier l'ouvraingne, Ot maint bidccut en sa aompaingne Mal garni d'armes et desohaus.
174
Les Vœux de l'Epervier (wie Anm. 170) V. 415, 430: Orsiens et Bidaus vgl. zu bidaul-. Glossar, S. 260b, zu Orsiens-. Glossar, S. 273a.
175 176 177
178
179
—;
FROISSART (wie Anm. 170) Bd. 2, S. 402, 469, Bd. 3, S. 213. Lion de Bourges (wie Anm. 46) Bd. 1, S. 98, V. 3112-13: s.o. Anm. 170. Le Chevalier au cygne (wie Anm. 45) Bd. 3, S. 143, V. 23271-74: "... C'est ly quens de Toulouse, une cité jolie. S'amaine Toulousains et oiaus de Bidaurie, Qui lancent sy d'un dart et par telle mestrie, Qu'il pourfendent ung Turc, euer et poumon et fie. ..." Entrée d'Espagne (wie Anm. 35) Bd. 2, S. 17, V. 8419-20: "... Maugrê le roi Marsile et de tot si bidel "Avra Rolant corone dunt d'or ert le cerclel; ... ".
DC, Bd. 1, S. 654a: s.v. bidaudi; GUIART (wie Anm. 170) Bd. 2, S. 419, V. 10875-78 (vgl. V. 6578-86): Bidauz Navarrois, Espaingniaus Ramainent vaches et aingniaus; Aucuns d'eus vienent par les voies, Troussez de gelines et d'oies. Lion de Bourges (wie Anm. 46) Bd. 2, S. 667, V. 21580-84: Adont furent saisir, se dient Ii aaquant, Li homme Fouquerês, li bidau, li sergens, Qui avoient lez gens desroubêr per devant, Lever dez malletaute et fait dez malz tant Que ne vous diroit nulz jougleir qui quant. 1 finBARBIER (wie Anm. 18) S. 23-26. 181 GUIART (wie Anm. 170) Bd. 2, S. 419, V. 10875: s.o. Anm. 179.
244
Wolf-Dieter Heim
Foisois
(Foix, A r i è g e ) , aber auch Normands und Picards 182 183 1Qi nach J. Froissart , Gascons und Thoulousains in Epen. 'Fuxêen 1
Ihre Heerführer
stammten bisweilen ebenfalls aus
occitanischem
. Ihre vermeintliche Heimat, Bidaurie186, deswegen im 1fi7 Baskenland oder in Aquitanien zu suchen , bleibt jedoch fragGebiet
würdig, denn die Bezeichnung ner unterschiedlichster W e i t e r h i n teilen bidaux,
scheint sich im 14. Jh. für
Herkunft verallgemeinert
bidards
ihresgleichen sin Suffix, das zumindest
in der Gestalt
Soldaten lebendig
Söld-
haben188.
mit anderen B e n e n n u n g e n
heute noch im Jargon französischer Ein Stamm bid-
zu
für
—avd
ist189.
ist ebenfalls - wenn auch seltener - in der
che französischer Gauner und Soldaten noch immer
Spra-
nachzuweisen190.
182
FROISSART (wie Anm. 170) Bd. 2, S. 402 : ... bidau et Genevois ..., Bd. 2, S. 469: ... Genevois bidaus et Normans et Pickars ..., Bd. 3, S. 213 . . . cincq cens armeures de f i e r , de bidaus et de Foisois ... 183 Les Loherains (nach Gdf, Bd. 1, S. 608b). 184 Le Chevalier au cygne (wie Anm. 45) Bd. 3, S. 143, V. 23272: s.o. Anm. 177. 185 Le visconte de Nerbonne (Aude) und messires Pierres de Carchasonne (Aude); (Hautenach FROISSART (wie Anm. 170) Bd. 3, S. 213; ly quens de Toulouse Garonne); nach Le Chevalier au cygne (wie Anm. 45) Bd. 3, S. 143, V. 23271-72: s.o. Anm. 177. 186 Le Chevalier au cygne (wie Anm. 45) Bd. 3, S. 143, V. 23272: s.o. Anm. 177. 187 So v o r B A R B I E R
188
(wie A n m .
18) b e r e i t s P [ A U L I N ] P [ A R I S ] , G u i l l a u m e
Guiart
(Histoire littéraire de la France, Bd. 31, Paris 1893, S. 104-43) S. 105: "... 'bidauts' qui formaient le contingent des provinces basques et navarraises ...", und nach ihm BATTAGLIA (wie Anm. 22) Bd. 1, S. 219c: "... 'fante' (della Provenza, Guascogna, Navarra: arruolato nelle campagne e nei villaggi)".
Durch die Namenkunde ist Bidaut als Beiname in der Picardie seit 13o6 belegt: M0RLET (wie Anm. 50) S. 289: Symonnet Bidaut, Jehan Bidaut (1384), in Paris seit 1313: MICHAELSS0N (wie Anm. 50) F. 20d, S. 114: Hugue le bidaut, F. 30c, S. 164: Estienne Ii bidaut, F. 38b, S. 207: Estienne le bidaut, tailleur de robes, auch F. ld, S. 7: Perronelle la bidaude, und dazu RUDOLF PACHNIO, Beinamen der Pariser Steuerrolle von 1292, Phil.-Diss. Königsberg 1909, S. 11; außerdem ALBERT DAUZAT M[ARIE]-T[HERESE] MORLET, Les noms de famille de France, Paris 1977, S. 247-48, zu Bidart aus bide 'chemin', und ALBERT DAUZAT, Dictionnaire étymologique des noms de famille et prénoms de France, Paris (1951) S. 35a, 43a, der einerseits die Familiennamen Bedel, Bedè, Bedeau mit "sergent de justice, garde-champêtre" und "soldat pillard" deutete, andererseits Bidard, Bidaud auf germ. Bid-hard, Bid-wald, Bidel, Bideau, Bidet hingegen auf afr. bider "trotter" zurückführte. 189 flottard, foignard etc. 190 GLASER (wie Anm. 15) S. 943: lignard, GASTON ESNAULT, Dictionnaire historique des argots français, Paris 1965, S. 56a: bidet, S. 56b: bidoche-, vgl. dazu Blwb S. 70a; dagegen SAINEAN (wie Anm. 71) Bd. 2, S. 287; RUDOLF PLATE, Wortkunde des modernen Französischen, insbesondere der Pariser Volkssprache, München 1933, S. 17; außerdem GASTON ESNAULT, Le poilu tel qu'il se parle, Paris 1919, S. 75: bidou; SAINEAN, Le langage parisien au XIX e siècle, Paris 1920, S. 317: bidosso; DERS., Les sources indigènes de l'étymologie française (wie Anm. 17) Bd. 2, S. 313: bidouard.
245
Afr. bedel - bidaux 191 Falls fr. bider
"trotter"
aus mundlartlichen oder vulgärsprach-
lichen Tiefen emporstieg, würde es sich erklären, weshalb das Wort erst spät
(1493) und nur vereinzelt in schriftliche Uber-
lieferungen einging. W. v. Wartburg erläuterte: "ribaut ist 192 gleich gebildet wie brifaut 'gourmand' zu brifer 'manger'" . Warum kann bidaux nicht ebenso entstanden sein, eignet sich doch 'Läufer' als Be193 194 Zeichnung für Fußsoldaten trefflich ? Trotz inhaltlicher Berührungspunkte sollten afr. bedel 195 taric
und bidaux
- entgegen E. Bou-
und W. v. Wartburg - nicht in unmittelbaren etymologi-
schen Zusammenhang gebracht werden.
191
1 92
FEW, Bd. 1, S. 353b.
FEW, Bd. 16, S. 703b; vgl. FEW, Bd. 1, S. 520b: aus bvf- "(schallwort)"; vgl. BALDINGER (wie Anm. 15) S. 13; DOUGLAS C. WALKER, Dictionnaire inverse de l'ancien français, Ottawa 1982, S. 800-01. 193 BOUTARIC (wie Anm. 63) S. 284: "Les bideaux étaient fantassins"; DEZOBRY - BACHELET (wie Anm. 73) Bd. 1, S. 298b: "soldats d'infanterie"; BATTAGLIA (wie Anm. 22) Bd. 1, S. 219c: "Fante armato alla leggera". 194 Vgl. d. Retseläufer für Schweizer Landsknechte seit dem 15. Jh.: GRIMM GRIMM (wie Anm. 4) Bd. 8, Sp. 729; ein Gerichtsbote kann ebenfalls als 'Läufer' betrachtet werden, so daß gegenseitige Beeinflussung von bedel nicht auszuschließen ist. 195 und bidaux BOUTARIC (wie Anm. 63) S. 284: "Je crois que l'origine du mot bideau est bedeau".
REINER H I L D E B R A N D T
Summarium Heinrici: Der Rachinburgius ist ein
Landrechter
I. Im Summarium Heinrici,
jener ersten zweisprachigen
klopädie des 11./12. Jahrhunderts
Realenzy-
im deutschsprachigen
Raum^,
deren Erschließung generell, aber auch in bezug auf den deutschen 2 Wortschatz gerade erst begonnen hat , findet sich folgende, von insgesamt
zehn Handschriften vertretene Dreiergruppe aus dem B e -
reich juristischer Funktionsträger: Iuridiaus Raehinburgius
lantrehtari.
Vades
vel
vel fideiussores
lelex
esago.
buvgun^.
Es
ist von besonderem Belang, daß sich diese Wortgruppe in Buch VIII, Kap. VIII findet, denn in diesem Kapitel hat der Verfasser des Summariums sich nicht so eng an seinen Leitfaden, die Etymologien des Isidor,gehalten, chend
seiner Kapitelüberschrift
unbekannte
generellen
sondern
'De variis officiorum
entspre-
vocabulis
vel operariis' eine offensichtlich auch aus anderen Vorlagen
zu-
sammengetragene Aufstellung von nomina agentis aller Sach- und Lebensbereiche v o r g e n o m m e n . So ist es denn auch bei unseren spielen bezeichnend,daß sich nur der iuridious
schon bei Isidor
Beifin-
Summarium Heinrici, Bd. 1 und 2, hg. von REINER HILDEBRANDT, Berlin - New York 1974 und 1982; zum Umkreis der Gattung 'Enzyklopädie' und ihren Charakteristika vgl. jüngst: CHRISTEL MEIER, Grundzüge der mittelalterlichen Enzyklopädik. Zu Inhalten, Formen und Funktionen einer problematischen Gattung (Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenbüttel 1981, hg. von LUDGER GRENZMANN und KARL STACKMANN, Germanistische Symposien - Berichtsbände 5, Stuttgart 1984, S. 467-500); Diskussionsbericht von JOACHIM BEHR (ebenda, S. 501-503). 2 In der Abteilung 'Historische Wortforschung und Wortgeographie' im Forschungsinstitut für deutsche Sprache 'Deutscher Sprachatlas' in Marburg ist ein Projekt zur wortgeographischen Analyse der deutschen Glossen des Summarium Heinrici in Angriff genommen. Klaus Ridder M.A. gebührt besonderer Dank für die Zusammenstellung des Belegmaterials und der Literaturnachweise zu diesem Beitrag. 3 Summarium Heinrici (wie Anm. 1) Bd. 1, S. 287 (= Buch VIII, Kap. VIII, Zeile 252f.) und Bd. 2, S. 19 (= zweite Fassung Buch I, Kap. VIII, Zeile 371f.).
Der Rachinburgius ist ein Landrechter
247
4
det , der rachinburgius
dagegen und die vades sind vom Verfasser
selbst hinzugefügt und - so müssen, wir folgern - deshalb auch mit Bedacht in einen gedanklichen Zusammenhang mit dem iuridious gebracht worden. Darüber hinaus ist das Bestreben des Verfassers, auch ein deutschsprachiges Äquivalent mitzuteilen, von besonderem Gewicht und bedarf deshalb einer genaueren Untersuchung. Am unproblematischsten sind die vades vel fideiussores, burgun
die als
"Bürgen" glossiert werden. Diese, besonders für die germa-
nisch-frühdeutsche Gerichtsbarkeit unverzichtbare Personengruppe der bei der Urteilsvollstreckung stellvertretend für den Verurteilten persönlich Hanftenden haben mit dem Wort ahd. burgio (purgio), burigo, mhd. bürge eine konstante Bezeichnung durch die Jahrhunderte bis heute bewahrt. Dabei hat sich die Ambivalenz des Bedeutungsspektrums, nämlich a) für Geschäftsschuld stellvertretend persönlich Haftende und b) für Verbrechensschuld stellvertretend persönlich Haftende, ebenfalls von Anfang an bis heute nicht
geändert.
Mit dem iuridious liegen die Verhältnisse bereits wesentlich komplizierter. Die Zusammensetzung einer Gerichtsversammlung sowie die Eigenschaft und die Funktion des Vorsitzenden einer Gerichtsversammlung waren in germanischer und frühdeutscher Zeit entsprechend der schnell wechselnden politischen Konstellationen so variationsreich, daß von einer idealtypischen, konstanten und deshalb auch eindeutig zu benennenden Richterfigur nicht gesprochen werden kann. Die Urteilsfindung lag sowieso bei einem zahlenmäßig variierenden Kollektiv gewählter Männer, für die sich erst allmählich und in einer relativ späten Phase (seit Karl dem Großen) nach mehrfachem zeitlich und regional bedingten Funktionswandel die Bezeichnung ahd. sceffin(o), mhd. saheffe(n), nhd. Schöffe durchsetzte. Der Vorsitzende eines Gerichts war also in seiner Kompetenz eingeschränkt, so daß die Bedeutung, die wir heute dem Wort Richter beimessen, für die ältere Zeit gar nicht gegeben sein konnte. Entsprechend jung ist daher auch der Sprachgebrauch des Wortes Richter selbst. Ahd. rihtari, mhd. rihtaere ist ein relativ selten belegtes Wort, das eher in gerichtsunspezifischer Weise auf die Person eines Herrschers verweist, der die Machtmittel in einem allgemeineren Sinne in der Hand hatte, auch wenn er gleichzeitig die Funktion eines Gerichtsvorsitzenden inne4
Isidori Hispalensis Episcopi Etymologiarum Sive Originum libri XX, hg. von W[ALLACE] MfARTIN] LINDSAY, tomus 1 und 2, Oxford 1911, unveränd. Nachdruck Oxford 1957 und 1962, Belegstelle: ü b e r X, 124.
248
Reiner Hildebrandt
haben mochte. Konkretisiert wird dieser Vorstellungskomplex dann vor allem noch durch den Gottesbegriff des Christentums. Die biblische Vorstellung Gottes als des obersten Richters konnte nach Einführung des Christentums als Leitbild für eine in der Realität nicht existierende Idealfigur eines Richters stehen. Erst auf diesem Hintergrund wurde das Wort Richter im Rahmen seiner Wortfeldkonkurrenten im Spätmittelalter und von daher bis heute dominant. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil sprachsystemhaft die Wortfamilie recht- zusammen mit der gleichrangigen Vokalharmonievariante rieht- eine durch Ableitungen gut besetzte lexikalische Gruppe darstellt. Lat. iuridiaus ist zusammen mit seinem häufigeren Synonym iudex, das übrigens im Summarium Heinrici an zwei Stellen unglossiert vorkommt^, als Kompositum von seinen beiden Bestandteilen her motiviert als 'Recht-sprecher' und kommt genauso als Lehnübersetzung auch im heutigen Deutsch in okkasioneller Verwendung vor, gestützt durch weitere juristisch gefärbte Termini der Wortfamilie sprechen, wie Rechtsprechung,
Rechtsspruch,
Urteilsspruch,
Spruchkammer. Damit ist auch der Weg gewiesen zur Erklärung des im Summarium Heinrici belegten esago: Dieses Wort ist ein Kompositum aus ahd. e(u)a, eo, mhd. § 'Ewigkeit, ewige Ordnung, Recht, Gesetz' und sago als altem nomen agentis zu sagen; die Bedeutung ist also 'Rechtsager, Rechtsverkünder'. Das Wort ist bisher literarisch nirgends nachweisbar, es kommt nur vereinzelt im Glossenschrifttum vor; die Hauptbelegstelle ist das Summarium Heinrici. Dort wird es von 11 Handschriften an zwei verschiedenen Stellen insgesamt 14mal belegt . Ein weitere Handschrift bietet dazu auch die Variante esagäre. Folgende parallele Wortbildungen weiterer nomina agentis, die allerdings noch sporadischer geblie7
ben sind, verzeichnet das AhdWb. : eobringo 'Gesetzgeber', eoleitari
'Gesetzgeber', ioskeffil,
-teiläri
-skephil
'Gesetzgeber',
'Richter', eotrago 'Gesetzgeber', ewünlireri
eoteilo,
'Lehrer
des Gesetzes', eohalto 'Priester'; dazu das als einziges Wort dieser Bildungskategorie sehr häufig auftretende ewart, ewarto 5
Summarium Heinrici (wie Anm. 1) Bd. 1, S. 282 und 360 (= Buch VIII, Kap. V, Zeile 165 und Buch X, Kap. XV, Zeile 236).
^ Ebenda, achtmal an der zitierten Stelle, vgl. dazu Anm. 3, sechsmal in Bd. 2, S. 337 (= Buch XI, Buchstabe I, Zeile 157). 7
Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von ELIAS STEINMEYER hinterlassenen Sammlungen im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften bearb. und hg. von ELISABETH KARG-GASTERSTÄDT und THEODOR FRINGS, Bd. 3, Berlin 1971ff., S. 315, 318, 319, 455, 469.
Der Rachinburgius ist ein Landrechter
249
'Priester'. Mit diesem Befund scheint mir folgende wortgeschichtliche Aussage hinlänglich begründbar: Das semantisch dreigliedrige Spektrum von ahd. ewa, nämlich a) göttlich gesetzte, in Ewigkeit gültige Ordnung (daher auch das Adjektiv ewig),
b) Gesetzesvorschriften im religiösen Bereich des Menschen (daher die Bedeutung 'Priester' bei den obigen Beispielen eohalto, ewart(o)),
c) Gesetzesvorschriften im weltlichen Bereich des Menschen (hier allein hat sich das Wort in äußerster Bedeutungsverengung bis heute erhalten als Ehe (< e) 'rechtsgültiger Vertrag bei Verheirateten', ferner völlig verdunkelt im Adjektiv echt (
mm) steht ahd. demu mit einfachem -m- gegenüber. Bevor man versucht,
20
dies als Vereinfachung in schwachtoniger Stellung zu erklären , wird man darauf hinweisen, daß eben dieses Nebeneinander auch im Baltischen zu belegen ist. Neben dem altpreußischen Dativ stesmu steht das ostbaltische tam(ui) , das auch das Slavische 21
kennt (russ. tomu) . In jedem Falle aber scheint das pronominale -(s)m- der Ausgangspunkt für die sogenannten m-Kasus im Germanischen, Baltischen und Slavischen zu sein. Ein Zusammenhang mit Punkt (2) und (3) ist unverkennbar. 2) Diese drei Sprachgruppen haben eine doppelte Adjektivflexion ausgebildet (mit im Einzelnen divergierender Verwendungsweise) , wobei allerdings das Baltische und Slavische zur Bildung des schwachen Adjektivs das Pronomen -¿is anfügen, das Germanische aber von der in ihm so produktiven n-stämmigen Flexion Gebrauch macht. 3) Bemerkenswert ist nun aber, daß das germanische starke Akjektiv dort pronominale Endungen aufweist, so sie auch das Baltische besitzt und dies dazu noch in allen vergleichbaren Stammklassen: Nom. Sing. Got. Lit.
Dat. Sing.
Nom. Plur.
Dat. Plur.
blinds
blindamma
blindai
blindaim
geras
geram
geri
geriems
Got. Lit.
midjis
midjamma
midjai
midjaim
didis
di-dziam
didi
didiems
Got. Lit.
hardus
hardjamma
hardjai
brangus
brangiam
brangus
22
hardjaim brangiems
[Der nicht-pronominale Nom. Sing, wird in dieser Tabelle nur zur Angabe der jeweiligen Stammklasse aufgeführt.]
Dazu hat das Gotische noch Pronominalformen im Akkusativ Sing, und Genitiv Plural, wo das Litauische sie nicht kennt. Das
20
21 22
HANS KRÄHE, Germanische Sprachwissenschaft I, Berlin 1966, S. 113 (§ 98,1), II, Berlin 1967, S. 61. FRANZ SPECHT, Litauische Mundarten II, Leipzig 1922, S. 105; JANIS ENDZELINS, Latviesu valodas gramatika, Riga 1951, S. 525. Die dem got. hccrdjai entsprechende Form erscheint in der bestimmten Form
bramie.ji.
718
Wolfgang P. Schmid
Litauische dagegen hat eine pronominale Endung auch noch im Lokativ Sing., der im Germanischen nicht vorhanden ist. Die aufgeführte Tabelle bedarf wohl keines weiteren Kommentars. Die Frage, warum gerade diese Kasus dem Einfluß des Pronomens unterlagen, der Genitiv Singular oder der Akkusativ Plural aber nicht, ist nicht zu beantworten. 4) Auch bei der Steigerung der Adjektiva gibt es auf den ersten Blick zwar nur schwer erkennbare Übereinstimmungen. Das got. Komparativsuffix -izanwird völlig unabhängig von der Stammbildung des Adjektivs an die Wurzel angefügt. Wie einige Substantive beweisen (got. aba "Ehemann", Genitiv Plur. abne; *auhsa "Ochse", Genitiv Plur. auksne), darf im w-stämmigen Paradigma auch mit schwundstufigen Formen des Suffixes gerechnet werden, d.h. neben —izinkann in obliquen Kasus auch ein *-iznangenommen werden. Das litauische Komparativ-Suffix -esnis ist ebenfalls unabhängig von der Stammbildung des Adjektivs. Alte Texte zeigen, daß die heutige -¿o-stämmige Flexion auf ¿-stämmige Formen weisen und dies spricht für eine ältere konsonantische Flexion. Das bedeutet, daß das Komparativ-Suffix -ies-/ 23 ~ -jos- sowohl im Gotischen als auch im Litauischen in die n-Stämme überführt wurde mit dem Unterschied, daß man auf der germanischen Seite die Schwundstufe des Suffixes *-is-, auf der baltischen Seite seine vollstufige Form verallgemeinert. 5) Unter den meist denominativen Verben der zweiten schwachen Klasse finden sich in den germanischen Sprachen auch Deverbativa, mit o-Ablaut der Wurzelsilbe und Stammsuffix -a. Sie haben genaue Entsprechungen im Baltischen: got. ahd. ahd. ahd.
23
wairban - warbon grifan - greifön dinsan - danson dringan - drangon
"wandeln"
- lit. kenpü
- karpau
"schneiden"
"greifen"
- lit.
griebiü
- graibau
"greifen"
"ziehen"
- lit.
"drängen"
- lit.
tgsiü trenkiü
- tg.sau - trankau
"dehnen" "schlagen".
_ _ Zu *-j£es- > lit. -esvgl. : JANIS ENDZELINS, Comparative Phonology and Morphology of the Baltic Languages, translated by WILLIAM R. SCHMALSTIEG and BENJAMINS JEGERS, The Hague-Paris 1971, S. 174; CHRISTIAN S. STANG, Vergleichende Grammatik der Baltischen Sprachen, Oslo 1966, S. 267f.
Bemerkungen zum Werden des "Germanischen"
719
24
Dieser Typ
kommt vereinzelt auch anderswo vor (vgl. griech. . In seiner Ausweitung und in seinen etymologischen Entsprechungen kann er jedoch für eine baltisch-germanische Gemeinsamkeit in Anspruch genommen werden. Tp£itu/Tpojt6i(i>)
6) Zu den Charakteristika des Germanischen gehört auch der Aufbau des Verbalsystems auf der Grundlage der Lautstruktur des Praesensstammes. Die Ablautreihen bestimmen den Praeteritalstamm. Es ist nun auffallend, daß sich der Teil des baltischen Verbalsystems, der dem germanischen starken Verbum entspricht, ebenfalls nach den Regeln der germanischen Ablautreihen ordnen läßt, wenn man berücksichtigt, daß das Baltische die starken ja-Verben hat produktiv werden lassen, während das Germanische dieses weitgehend verdrängt hat. Weiter ist zu beachten, daß das Baltische die im Plural beheimatete Schwund25
stufe auch auf den Singular übertragen hat sich zum Beispiel: I. III. IV. V. VI.
got. lit. got. lit. got. lit. got. lit. got. lit.
gveipan
-
gvaip
wairpan
-
warp
kerpa niman
- nam
•- ba£>
slepia faran kavia
-
gripum liko waurpum
-
kirpo
-
nemum
- lerne
lemia bidjan
-
lieka
- for
-
bedum
-
slepe
-
forum
-
kore
. So entsprechen
"greifen" "linquere" "werfen" "schneiden" "nehmen" "brechen" "bitten" "verbergen" "fahren" "hängen"
Das Merkwürdige an dieser Parallelität ist dies, daß genau an der Stelle, wo das Germanische statt der erwarteten Schwundstufe die Dehnstufe einsetzt (Klasse IV), dies auch das Baltische tut und zu einem im Ostbaltischen produktiven Bildungstyp werden läßt. 24
Weiteres und ältere Literatur bei WOLFGANG P. SCHMID, Studien zum baltischen und indogermanischen Verbum, Wiesbaden 1963, S. 4ff.
25 Vgl. WOLFGANG P. SCHMID, Baltische Beiträge IV (Indogermanische Forschungen [IF] 71, 1966, 3. 286-296); DERS., Baltische Beiträge V (IF 72, 1967, S. 116-122); DERS., Das sprachgeschichtliche Problem Alteuropa (Sprachwissenschaft 8, 1983, S. 101-113) S. llOf.
720
Wolfgang P. Schmid
Geht man einmal davon aus, daß der Wechsel der Ablautstufe zwischen Singular und Plural im Germanischen den älteren Zustand repräsentiert, dann gehört auch das Lateinische teilweise hierher, das in sedimus
(= got. setum Kl. V), in emimus
(: got. nemum, Kl. IV) die Pluralform, in liqui (: got. laiho, Kl. I) in fudi
(: got. gaut, Kl. II), die Ablautform des Sin-
gulars und in fodi (vgl. for - forum, Kl. VI) die dem Singular und Plural gemeinsame Dehnstufe durchgeführt hat. Wenn nun aber das Lateinische Spuren des im Baltischen und Germanischen durchgehenden Praeterital-Typs aufweist, dann sollte man erwarten, daß auch das Keltische wenigstens Reste davon kennt. Das ist nun offenbar auch der Fall, allerdings mit einer neuen Variante der Ablautverteilung. In Fällen wie altir. rethid "läuft" s Praet. -räith oder teohid "flieht" : Praet. -täiah liegt offen26
bar die gedehnte o-Stufe vor , d.h. das Keltische hat hier die o-Stufe des Singulars mit der Dehnstufe des Plurals zu einem Paradigma verbunden. Aus den Beispielen (1) - (6) geht deutlich hervor, daß der grammatische Aufbau des Germanischen in Nachbarschaft des späteren Baltischen vor sich gegangen sein muß, denn selbst die Praeteritalbildung führt im Keltischen und Lateinischen zu anderen Ergebnissen als im Baltischen und Germanischen. Da diese Neuerungen aber nach Ausweis der vorauszusetzenden Akzentverhältnisse älter sind als die Lautverschiebung, verraten sie eine Westwärts-Bewegung des Germanischen etwa nördlich des Herkynischen Waldes. Die Nachbarschaft zum Baltischen einerseits, zum Keltischen andererseits, die beide auch das Nordund Ostgermanische einschließen, macht eine Urheimat des Germanischen in Südskandinavien unmöglich, da die sich auf antike Autoren stützende Meinung, Kelten haben auch in Jütland ge27 sessen, nicht zu halten ist
und von Balten in Skandinavien
ebenfalls keine Rede sein kann. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt man auch, wenn man die skandinavische Gewässernamengebung im Vergleich mit der Hydronymie des übrigen Europa untersucht. Es fehlt ihr dort nicht nur die Kontinuität, die man bei einer "Urheimat" erwarten sollte, es fehlen ihr auch 26
27
Vgl. HENRY LEWIS - HOLGER PEDERSEN, A Consise Comparative Celtic Grammar, Göttingen 1961, S. 293, 300. JOHN M. JONES, A Welsh Grammar, Oxford 1955, S. 388. So DE VRIES (wie Anm. 14) S. 39ff. Von den Sprachbeziehungen sind die Kulturbeziehungen erst einmal zu trennen. - Vgl. BIRKHAN (wie Anm. 1) S. 170-180.
Bemerkungen zum Werden des "Germanischen"
721
eine Reihe von in Europa verbreiteten Grundwörtern und Ableitungen, die gerade die Altertümlichkeit der europäischen 28
Hydronymie ausmachen Wenn man also von keltisch-germanischen Kontakten spricht, dann dürfen Zeit und Raum nicht vernachlässigt werden, denn 29 gerade das Kriterium der Lautverschiebung zeigt , daß man in sprachlicher Hinsicht vielfach noch gar nicht von Germanen sprechen kann, wo antike Autoren und heutige Historiker damit gar keine Probleme haben.
28
29
WOLFGANG P. SCHMID, Alteuropa und das Germanische (im Druck). Auf die mir etwas unverständlichen Einwände gegen das "Alteuropäische" von SCHMIDT (wie Anm. 1) S. 133ff. kann hier nicht näher eingegangen werden. Es zeigt sich also, daß man in diesem Punkte differenzierte Kriterien suchen muß, als das etwa BIRKHAN (wie Anm. 1) S. 60, 62 tut.
PAUL GERHARD SCHMIDT
A l t e r c a d o Cayn cum Christo Ein Streitgespräch über die Ewigkeit der Höllenstrafen im Kontext des Descensus ad inferos
Seit dem apokryphen Evangelium Nicodemi und seit der Zeit der Kirchenväter hat das Thema der Höllenfahrt Christi eine Vielzahl bildlicher und literarischer Gestaltungen
gefunden 1 .
Namentlich die dramatische Dichtung des Hochmittelalters stellte den Kampf Christi gegen Satan, das Zerbrechen der Höllenpforte, die Befreiung Adams und Evas aus der Vorhölle und den Jubel der erlösten Patriarchen und Propheten als zentrales Ereignis des Heilsgeschehens dar; Christi Triumph war 2 notwendiger Bestandteil der Passionsspiele . Nicht alle Seelen, die das Erbarmen Christi erflehten, fanden seine Gnade. Schon die ältere Tradition kennt eine Scheidung der Seelen in eine Schar, die durch den Erzengel Michael in das Paradies geleitet wird, und in die Schar der Verdammten. Spiele des 15. Jahrhunderts veranschaulichen die verzweifelten Versuche der nicht Erwählten, ihrem Los zu entgehen, indem sie eine einzelne Anima damnata vor dem Teufel fliehen lassen, der ihr unter Literaturnachweise bei PETER CHRISTIAN JACOBSEN, Artikel 'Descensus Christi ad inferos' (Lexikon des Mittelalters 3, München-Zürich 1984, Sp. 715-719). Ferner: RALPH V. TURNER, Descendit ad inferos: Mediaeval Views on Christ's Descent to Hell and the Salvation of the Ancient Just (Journal of the History of Ideas 27, 1966, S. 173-194); ALOIS M. HAAS, Descensus ad Inferos. Höllenfahrten und Jenseitsvisionen im Mittelalter vor Dante (Conununio lO, 1981, S. 40-56). 2
RAINER WARNING, Funktion und Struktur. Die Ambivalenzen des geistlichen Spiels, München 1974; ROLF BERGMANN, Studien zur Entstehung und Geschichte der deutschen Passionsspiele des 13. und 14. Jahrhunderts (Münstersche Mittelalter-Schriften 14) München 1972; ferner: KARL W. CH. SCHMIDT, Die Darstellung von Christi Höllenfahrt in den deutschen und den ihnen verwandten Spielen des Mittelalters. Diss. phil. Marburg 1915; ROLF STEINBACH, Die deutschen Oster- und Passionsspiele des Mittelalters. Versuch einer Darstellung und Wesensbestimmung nebst einer Bibliographie zum deutschen geistlichen Spiel des Mittelalters (Kölner Germanistische Arbeiten 4) Köln-Wien 1970.
Altercado Cayn cum Christo
723
Christi Augen nachsetzt und sie als seine Gefangene zurückführt. Ähnliche Einschränkungen der erlösenden Gnade kennt auch die theologische Diskussion. Für Thomas von Aquin beispielsweise steht fest, daß Christus bei seinem Descensus 3
nicht alle Seelen erlöste . Zwar nennt Thomas die der Erlösung nicht Würdigen nicht mit Namen, aber es liegt nahe, an biblische Gestalten wie Kain, Absalom oder Korah zu denken. Traditionell wird Kain nicht nur der Brudermord, sondern auch die unterlassene Reue und Verzweiflung an Gottes Gnade 4 vorgeworfen . Vor dem Hintergrund des geistliches Spiels und des scholastischen Diskurses ist ein Streitgespräch zwischen Christus und Kain entstanden, das erstmals im Bibliothekskatalog des Amplonius Ratinck im frühen 15. Jahrhun5 dert bezeugt ist . Die Altercado Cayn cum Christo, laut Erfurter Bibliothekskatalog in einer Handschrift zusammen u.a. mit Alans De planctu nature, mit Persiusglossen, dem Pseudovidianum De ventre und Petrarcas Griseldis überliefert, hat sich in einer Erfurter Handschrift erhalten. Codex Amplon. Quart. 388 der Wissenschaftlichen Allgemeinbibliothek in Erfurt , eine Sammelhandschrift des 14. Jahrhunderts, enthält die Alterc a d o in derselben Uberlieferungsgemeinschaft, so daß es sich wohl um den im Katalog des Amplonius erwähnten Codex handeln dürfte. Der Text der Altercado wird im folgenden erstmals publiziert in der Hoffnung, daß durch die Veröffentlichung weitere Handschriften bekannt werden; die Zuschreibung an einen Autor oder eine genauere Datierung des wohl im 13. oder 14. Jahrhundert entstandenen Textes wird dadurch vielleicht ermöglicht.
4
Thomas Aquinas, Summa theologica 3 q. 52 a. 6. Einen guten Überblick über diesen Problemkreis bietet JACKSON J. CAMPBELL, To Hell and Back: Latin Tradition and Literary Use of the "Descensus ad Inferos" in Old English (Viator 13, 1982, S. 107-158).
Vgl. Glossa ordinaria (Migne, PL 113, 99), Petrus Comestor, Historia Scholastica (Migne, PL 198, 1078) und Nikolaus von Lyra, Postilla (Straßburg 1492, Reprint Frankfurt 1971), jeweils zu Genesis 4,11. ^ PAUL LEHMANN, Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Bd. 2, München 1928, 14, Nr. 27 (ca. 1410-1412). WILHEI/4 SCHUM, Beschreibendes Verzeichnis der Amplonianischen Handschriftensammlung zu Erfurt, Berlin 1887, Nr. 388, S. 650-652.
Paul Gerhard Schmidt
724
/64 / Questio Christi ad Caym descend.it prius ad inferiores
partes
2
terre, Eph. III.
Cum
Dominus Jhesus nostre redemptionis opere in cruce consummato secundum animam deitati coniunctam ad inferiores partes terre, prout verbum propositum continet, descendisset et ad limbum inferni, ubi sancti patres cum ceteris iustis erant, ivisset atque confractis ferreis vectibus locum ilium tenebrarum luce mirabili replevisset, sancti omnes, qui ibi erant, pre gaudio et exultatione ineffabili in vocem laudis proruperunt dicentes: Benediotus,
qui venit in nomine Domini. Deus Dominus
et illuxit
nobis.4 Nam lux ista auctoris est, lux sempiterna antea 5 nobis promiserat mittere coeternum lumen suum. Ad hanc ergo tamquam lucem^, qui in inferno inferiori cruciabantur, excitari potuerunt et a longe clamare dicendo: Misereris omnium, quia omnia potes,
ergo nunc miserere
nostri, Domine Deus, omnium et
ostende nobis lueem miserationum tue, que ait: Misereris
tuarum
Q
et memor esto scripture
9
omnium, quia omnia potes.
Ergo nunc,
quos inter omnia tua creavit potencia, respiciat misericordia. Qulbus Christus terribili voce contra respondit dicens: Sicut frustra legis auxilium implorat, qui peccatum committit in legem,^0 ita et vos nunc potenciam meam frustra allegatis, cui semper rebellare presumpsistis, nam profecto dignum est, ut misericordiam meam numquam senciatis /65 / liberantem, quam neglexistis et despexistis exspectantem. Unde quamquam1 ego per omnia pos. • • 1 ^ sum, quantum in me est, omnium misereri, tamen misericordia 12 mea ordine sapiencie regulatur. Inde est, quod ad vos, quia In nomine Domini questio Christi ad Caym E. 2
Eph 4,9.
^ prorumperent E. 4
5
Luc 19,38; Ps 117,26f. „ j 2 opea E, antea am Rand E . tarn lucem quam E. Die Konjektur tamquam lucem verdanke
Q 9
iah Dr. J.
Prelog.
Sap 11,24. Eccli 36,1. Sap 11,24 (vgl. Anm. 7).
10
Vgl. DETLEF LIEBS, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, München 2 1982, 78 (F 59).
11
• i 2 miserere E, Karr. E . . , 2 ordinem E, Korr. E .
12
Altercado Cayn cum Christo
725
vos ita reddidistis indignos et in malicia obstinati perstitistis, ipsa mea misericordia extendere se1^ non potest. Caym huic allegationi Salvatoris, Caym primus dampnatorum omnium, prius respondit dicens: Scimus, quod potencia tua est semper in omnibus rectissime sapiencie tue ordine regulata. 14 Sed non est contra sapienciam artificis, si materiam, quam ad aliquem preparavit effectum, post ad ^ intentum non perducat? Ymmo pocius frustraretur ordo sapiencie sue, si diligenter 16 aliquam materiam preparasset, que postea ad perfectum non perveniret intentum. Ad quid enim carpen'tarius ligna dolaret, ex quibus nullum artificium construi deberet? Ad quid etiam agricola vineam plantaret vel arborem, ex quibus nullus fructus nasci vel colligi possent 17 vel deberent? Cum ergo tu 18 ex omnipotencia tua racionabiles creaturas creaveris et secundum ordinem sapiencie tue ad beatitudinem tuam consequendam institueris, non certe secundum ordinem, sed potius contra ordinem sapiencie tue erit, si nos creaturas tuas, quas raciona19 v lis nature participes fecisti, ab ipsa beatitudine /65 / tua excluseris et in istis atrocibus penis in eternum perire permiseris. ^u • 4. 20 Christus Non derogatur 21 sapiencie medici, si non omnibus infirmis sani tas conferatur, nec detrahitur 22 eloquentie rethoris , si non omnibus au— ditoribus persuadeatur. Unde racione quidam sapiens dixit, quod ñeque medicus semper sanabit, ñeque rethor semper persuadebit 23 . Sed side
^
14
16 17 18 19
20
se über d. Zeile E. 2
nunc E, korf. E . ad über d. Zeile E.
2
effectum E, profectum E . 2 potest E, possent E .
tu über d. Zeile E.
2 racionabilis E, racionalis E .
,
verba Christi am Rand E. 21 2
derogetur E, korr. E .
22
23
2 detrahatur E, korr. E . Zitat nicht ermittelt.
726
Paul Gerhard Schmidt
contingentibus nichil omiserit, sufficientem eum dicimus habere disciplinam. Eodem ergo modo non ex parte mea est, quin omnes creature racionales ad beatitudinem non perveniant, sed pocius ex aliquorum malicia propria. Non est ergo contra ordinem sapiencie mee, si tales non salvantur; unde, sicut scriptura 24
dicit: Tantum ex te est perditio tua. Caym
Scimus et negare non possumus, quod vere ex magna malicia nostra a te dampnati sumus. Sed scriptura dicit, quod sapiencia 25 vineit maliciam', nullo autem modo malicia melius vincitur, quam cum ignoscitur et parcitur. Sic enim impletur, quod 2 6 scriptum est: Noli vinai a malo, sed vince in bono malum; malo enim vincitur, quando aliquis ex alterius malicia ad j** /66 / malum provocatur, puta ex illata iniuria ad iram et vindictam. Sed in bono malum vincit, qui ex benignitate et paciencia maliciam et iniuriam parcit. Hinc est, quod omnipotenciam tuam parcendo et miserando manifestas. Decet te, Deus 27 noster, cuius sapiencie non est numerus , ut ipsa maxima sapiencia tua parcendo culpam et relaxando penam vincat et superet
28
maliciam nostram. Christus
Omnis artifex sapiens et eruditus operatur in subiecta materia secundum capacitatelo et
dispositionem eius. Non enim
lathomus omnem lapidem equaliter polit et dolat, nec eris opifex ex omni metallo uniformiter vasa format, nec dispositor in omni materia equaliter silogisat. Unde et a quodam sapiente dictum est, et optime, quod eruditi hominis est tantum de unaquaque re fidem capere et temptare, quantum natura permittit rei 29 . Licet igitur sapiencia mea ex se omnem maliciam vincit,
24
25 26
27 28
29
Ose 13,9. Vgl. Sap 7,30. Rom 12,21. Ps 146,5. superat E. Zitat nicht ermittelt.
Altercado Cayn cum Christo
727
non tamen omnino malicia ex se est disposita eodem modo vinci. Unde in hiis, qui dispositi sunt
ad suscipiendum remissionem
peccati, ut sunt vere penitentes, sapiencia vincit maliciam parcendo et ignoscendo; sed in hiis, qui habent penitus voluntatem obstinatam in malo, nec de peccatis aliquando penitent, cum non sunt digni venia, sapiencia /66 v / vincit maliciam affligendo et puniendo. Quia igitur vos dampnati tales estis,. idcirco per sapienciam meam liberari non potestis, sed debetis in eternum puniri. Caym Sapiens dicit, quod de similibus idem est iudicium 30 Id igitur quod ipse experior et sentio in me, possum de"^1 meis similibus, qui mecum sunt dampnati, iudicare. Ego enim de meis peccatis peniteo et doleo; vehementi enim dolore penitere compellimur illa nos commisisse,pro quibus sic acriter et incessanter affligimur. Unde de nobis miseris scriptum est: Dixerunt impii, scilicet in inferno, pre angustia spiritus intra se gementes 32 et penitent-uam agentes. Non ergo, ut dixi, sumus indispositi ad veniam, quia continuarti dolendo et penitendo agimus penitentiam. Christus Duplex est penitencia. Una, qua quis peccare
33 propter seip-
sum, id est propter eius turpitudinem, detestatur et abhominatur, et talis penitens peccasse doleret, eciam ubi penam non sentiret, diceret enim cum propheta: Quoniam iniquitatem meam 34 ego agnoseo. Et hec est penitencia, que digna redditur venia. Alia est penitencia, que non dolet de culpa nisi propter penam /67 r / adiunctam. Itaque si non timeretur vel sentiretur pena, nulla de culpa sequeretur tristicia. Et talis penitencia venia non est digna, quia non excluditur per earn voluptatis et peccati malicia, cui non per se sed per accidens displicet 30
LIEBS (wie Anm. 7) 55 (D 31).
31
de fr E.
32
Sap 5,3.
33
.„ , 2 peccari E, korr. E .
34
Ps 50,5.
728
Paul Gerhard Schmidt
ipsa culpa. Quid enim hac penitencia potest mereri in hominibus, que etiam invenitur in brutis animalibus? Fortissimas namque bestias terrore penarum et dolore plerumque a maximis voluptatibus videmus abstinere. Talis profecto fuit penitencia Esau, de quo scriptura dicit, quod non invenit locum penitents eie, quamvis cum lacrimis quesivisset earn. Hec namque est penitencia, que in vobis dampnatis est. Et ideo per earn liberari non potestis, quia propter ipsam non refugitis, quod in peccatis appetistis.
Vehementer errasse
37
Caym 3 6 me confiteor, quod adhuc in mundo
vivus post perpetratum flagitium dixi tibi, quod maior est 38 •iniqui tas mea3 quam ut veniam merear , et hoc est, quod de tua misericordia desperando dixi, plus credo
quod te in hoc
offenderim quam ex ipso flagicio, quod crudeliter perpetravi. Nunc autem indubitanter existimo, quod adhuc maiores sunt misericordie tue quam omnes iniquitates nostre. Unde licet a promerenda venia /67 v / deficiat penitentia nostra, ipsas tamen iniquitates nostras debet superare misericordia tua, ut scilicet ex isto lacu profundo et miserabili, in quo tanto tempore cruciati sumus, nos clementer visitando educas. Sic enim per quendam tuum prophetam dicentem (Ysaie XXVIII scili39 cet): Congvegabuntur eongregatione unius familie et ataudentuv in carcere et post multos dies visitabuntur. Christus Misericordia mea iniquitatibus vestris in hoc maior est, quod multo minus quam digni sitis, acriter vos affligi per39 a mittit. In hoc autem misericordia iusticie mee non potest obsistere, ut vos ab hiis penis totaliter liberet. In eternum exigit enim ordo iusticie, ut pena peccati taxetur secundum dignitatem eius, in quem peccatur. Unde maiori pena puniretur, 35
36 37
Hebr 12,17. Caym Caym E. erasse E,
korr.
38 Gen ^ „4,13. 39
Isai 24,22. misericordie E.
2 E .
Altercado Cayn cum Christo
729
qui percuteret alapha principem, .quarti qui percuteret gladio garcionem. Vos autem dum essetis in mundo, quotiens mortaliter peccastis in ipsum Deum omnium principem! Cuius mandata transgressi estis et superbe offendistis, cuius etiam honorem non estis veriti creaturls attribuere, in quibus finem constituistis. Unde quia eius maiestas infinita est, quotiens mortaliter peccando ipsum offendistis, tociens infinite, id 40
est eterne, reatum
incurristis. Unde quamquam misericordia
mea faciat, quod vestra pena sub incensione non sit infinita, quia nec /68 r / ipsa natura, que est finita, tantam penam capere vel sustinere posset, saltern hoc fieri ex iusticia oportet, quod sit duratione infinita et eterna. Visitatio 41
autem
in hoc loco existentium, quam post multos dies fienda
propheta, quem allegasti, predixit, ecce nunc per me impleta ita est, quod sanctos patres, qui sunt in limbo, visito et visitare debeo ad consolationem et liberationem eorum. Vos autem, qui semper mali fuistis et estis, non debeo visitare, nisi ad Erubesoat confusionemluna vestram. Unde et idem ibidem subdit: et aonturbetur sol. propheta 4 2 Erit autem in die iudicii alia visitatio vera, quando hinc educemini et 43
resurgentes cum corporibus
et venietis ad iudicium meum,
ut eterne dampnationis sententiam in utroque recipiatis, in anima et in corpore, sicut in utroque peccastis, numquam hinc amplius exituri. Caym
44
Si pena nostra debet esse eterna, ut fallaciter in scriptura tua dixisti, non permanebit in eternum spiritus meus in homine, 45
eo quod caro siti
de spiritu enim indignationis locutum te
esse constat. At si aptius dixisset, non permanebit indignatio mea in homine in eternum. Que est maior indignacio tua quam illa, quam super nos effudisti? Cur eciam propheta tuus dicit,46 numquam in eternum /68 v / proioiet Deus aut non apponit, ut 40 41 42 43
44 45 46
reatu E. autem
iiber d. Zeile
E.
Isai 24,23. 7 2E . corporibus suis E, korr. Caym Caym E. Gen. 6,3. dicitt E,
,
korr.
2 E .
730
Paul Gerhard Schmidt
oomplaoitior^
sit adhuaet
cetera que ibi sequuntur? Christus
Verba, que ante allegasti, non falsa sed fallacia sunt. Sed si sane intelligantur, fidelissima sunt. Nam in prima, que dicit, • • 49 non pevmaneb^t
spiritus meus in homine,
id est indignatio mea
in eternum, ego locutus sum de homine secundum genus suum, ut intelligatur in homine, id est in toto humano genere. Fuit namque indignatio mea propter primorum peccatum super totum genus humanum, ut ex toto genere humano nullus posset ingredi celum. Hec est ergo indignatio, que in homine in eternum non permanet, quia iam per passionem meam et mortem ammota est. Nam ipsum genus humanum Deo patri reconsiliavi, sed non vos, qui male vivendo ipsius reconsiliationis non curastis esse participes. Et etiam alii in hac de cetero reconsiliatione per fidem meam et caritatem non fuerunt, vel in ipsa usque in finem permanserint; indignatione et ira Dei numquam carebitis in eternum. Verba alterius prophete, que allegastis, non sunt intelligenda de misericordia totaliter liberante, sed de Dei misericordia aliquid relaxante. Non enim vos dampnatos Deus totaliter proiecit, quia vos perfecte ad nichilum redigit, vel ideo vos non in eternum /69 r/ proiecit, sed complacitior 51 fuit, neque vobis 52 totaliter miserieordiam suam absaidit aut misevevi oblitus fuit, quia citra condignum punit peccata vestra. Et ideo propheta non dixit, aut oontinebit ab ira, sed in ira miserioov53 dias suas, ut scilicet ira sua in eternum manente aliquid in ipsa ira de misericordia senciatis, dum aliquid misericorditer minuitur de pena debita vobis. Sed ad quid, queso, vos stulti scripturas, quas vos non intelligitis, allegatis, cum de eternitate penarum vestrarum aptissimas in ipsa scriptura habeatis comminationes? Unde Ysa XXXIIII: Quia habitare potest cum igne devorante aut stare oum 47 48 49 50 51 52 53
2 complatior E, complaticior E . Ps 76,8. Gen. 6,3 (vgl. Anm. 45). proicet proiecit E. 2 complatior E, complaticior E . Ps 76,9f. Ps 76,10.
Altercado Cayn cum Christo
ardor'ibus sempiternis?
Ecce quomodo predixit vobis aperte hos
quos patimini, sempiternos ardores. Et ibidem: Vermis eorum 55 non commor%etur et vgms eorum non extvnguetur. Ecce quam manifeste ostendit, quod vobis hie ignis numquam debet deficere Et multa alia adduci possunt. Caym 5 6 Plures comminationes peccatorum predicte sunt per prophetas, que postquam implete non sunt, que fuerant per tuam misericordiam mutate in mitioren sentenciam, sicut patet de eo, quod dictum est per Ionam prophetam de submersione Ninive, quia non fuit submersa, sicut predictum fuerat, et ideo etiam ipse propheta de hoc est con- /69 v / tristatus.
Similiter, quod
predictum fuerat de morte Ezechie per Ysayam, postea non evenit 58 sed fuit mutatum in melius. Unde et nos credebamus, quod multo magis prophete et comminationes, que loquuntur de penis eternis, essent dicte ad terrorem et quod finaliter per misericordiam tuam in mitiorem iudicii sententiam mutarentur. Christus Scio, quod non invenietis in tota scriptura mea, quod aliqua prophetia comminatoria fuerit inmutata, nisi inmutata fuerint merita eius, in quem comminatio facta est; et hoc ipsum promisi ego per Iheremiam XVIII dicens: Repente loquor advevsus gentem et adversus regnum, ut eradiaem et destruam 59 et dispergam. Sed si penitentiam egerit gens ista a malo suo, agam et ego penitentiam a malo, quod cogitavi, ut faaerem ei. ^
Cum ergo vestra merita de cetero
mutari non possint,
comminationes penarum vestrarum oportet quod omnes in vobis perpetuo impleantur. Et nichilominus prophetie, quas tu allegasti, secundum intellectum aliquem omnino fuerunt implete. Conversa est enim per penitenciam Nynive, que mala erat; 54
Isai 33,14.
^ Isai 66,24. 56 Caym Caym E. 57 ., lonas 4,1. CD
Isai 38,5ff. 59 60
2
egerint E, korr. E . Ier 18,7f.
732
Paul Gerhard Schmidt
stantibus enim hominibus et mulieribus eversa est civitas in perditis mentibus. Ezechias, cui dictum est, morieris et non vivesper lacrimas penitentie, quas effudit, licet naturaliter vixerit, tamen /70r/ culpe mortuus fuit et reus amplius peccato non vixit, quod penitencia extinxit. Caym 62 Scimus, quod secundum iusticiam pena non debet excedere culpam; unde et lex tua iustissima, quam dedisti per Moysen, 63 dicit: Secundum
mensuram
delicti
erit et plagarum
modus.
Peccata autem nostra, quantuiticumque sunt mala, tamen temporalia fuerunt et brevibus horis temporis perpetrata. Unde non video, quod iuste pro eis debeamus eternam penam recipere. Christus Quecumque mortalis culpa, de qua non sequitur penitencia, licet sit actu temporalis,et finita est tamen voluntate eterna, propter quod ad magnam iustitiam pertinet iudicantis, ut numquam careant supplicio, qui numquam voluerunt carere peccato. 64 Caym Credo, quod plures sunt hie in ista dampnatione, qui licet peccassent mortaliter, tamen proposuerant vitam suam in melius mutare, sed morte preventi sunt, antequam illud actu perficerent. /70v/ Ergo isti in voluntatis proposito non semper fuerunt in peccato, propter quod saltern secundum rationem tuam premissam non sunt digni eterno supplicio. Christus Non potest vere dici, quid facere velit, qui, quando facere potuit, non fecit. Manifestatio autem voluntatis est impletio operis. Sed et quicumque labitur in aliquod peccatum mortale voluntate propria, in tali casu se ponit, a quo non potest erui, nisi adiutus in Deo. Unde ex hoc ipso facto, quod, qui vult peccare, vult etlam per consequens in peccato manere, quia 61
Isai 38,1.
62 „
Caym Caym E.
63
Deut 25,2.
64 Caym Caym E.
^
potest über d. Zeile E.
Altercacio Cayn cura Christo spir'itus hominis, 66 ut dicit et non rediens, scilicet per foveam proiceret, unde exire posset dici, quod in eternum aliud cogitaret.
733
propheta 67 , est spiritus vadens ipsum. Sicut si se aliquis in non posset nisi adiutus ab alio, ibi manere voluit, quantumcumque
Caym 68 Fateor, quod hec racio tua non piene michi satisfecit; nam multi, qui voluntatis in proposito aliud facere deliberaverunt, ab hoc solum facere illud differunt, ut illud congruentius et expeditius faciant, et si mors subita interim accedit, numquam faciunt id,^^ quod non voluerunt. Multi, qui etiam in peccato labuntur, ex hoc ipso facilius peccant, quod se cogitant 70 de ipsis /71 r / peccatis penitenciam omnino acturos et cito de ipsis per misericordiam Dei, que magna est, exituros. Unde non video, quod huiusmodi semper voluerunt in peccato manere, licet postea in agendo fuerint negligentes. Christus Ego locutus sum de voluntate hominis, prout manifestatur per opus; contra quam, licet cavillatio tua nulla sit, tarnen aliam et responsionem adiciam, que te magis lingabit. Constat 71 enim, quod eo ipso aliquis mortaliter peccat, si finem suum in creaturam constituit, quia ad finem vite tota vita ordinatur. Ideo ex hoc ipso totam vitam suam ordinat ad illud peccatum et vellet perpetuo in peccato manere, si hoc sibi posset esse impune. Et ideo vos, qui cum fine deliquistis, quia fine vixistis, voluissetis quippe sine fine vivere, ut sine fine potuissetis in vilitatibus permanere. Plus enim appetebatis peccare quam vivere.
66 67
68
hominis est E, korr.
2
E .
Ps 77,39. Caym Caym E. faciunt quod id quod E; das erste
70 71
cogitat E.
si fehlt
in E.
quod über
d.
Zeile.
Paul Gerhard Schmidt
734
72 Caym Scio, quod eorum, qui hie sunt, quidam multa peccata commiserunt, quidam vero pauciora, quidam vero tantum unum. Et in istis, qui tantum unum commiserunt, gradus et differentia fuit. Sed quod peccatorum mortalium unum est gravius alio, quomodo ergo est iustum, quod omnes isti habeant /71 v / eandem penam, qui tantam habuerunt culparum differentiam? Certe si unus alio peccavit minus, leviori pena fuit dignus. Ecce ego miserrimus unum peccatum commisi, scilicet quod fratrem meum innocentent occidi. Et tamen tu dicis, quod in eternum sicut ille, qui mille milia peccatorum fecerit, debeo puniri. Ubi est iusticia tua? Christus Video, quod furor tuus cecat oculos tuos, ut etiam in penis, quas pateris, peccata tua non videas. Quomodo enim ausus es 73 dicere 'unum peccatum commisi', qui in multis sceleratus fuisti? Numquid a memoria excidit, quod Deo in oblationibus et muneribus tuis infidelis extitisti, quod fratri tuo iusto invidisti, quod eum fraudulenter innocentem occidisti, quod de misericordia mea finaliter desperasti? Sed de eo, quod de aliis loqueris, satisfacio tibi et primo de eo, quod quantitati peccatorum non respondet penarum quantitas secundum durationem penarum, sed pocius secundum acerbitatis et gravitatis intentionem. Quod quidem ut manifestius fiat, exemplum tibi adducam in legibus humanis, que licet sint ab hominibus constitute, tamen quecumque iuste sunt. Ab ipsa mea sapiencia derivate sunt, secundum quod dicit scriptura Proverbiorum 74 Vili: Per me reges
regnant
et legum aonditores
iusta
deaernunt.
Ideo enim secundum leges humanas ad ultionem, quod in momento committitur, momentanea pena punitur, unde ipsa duratio pene r 75 non /7 2 / secundum durationem culpe, sed magis dispositionem peccantis. Quia aliquando si aliquis peccat in aliqua civitate, quod ex ipso peccato, quod fecit, perpetuo excludi meretur 72 73 74 7 5
Caym Caym E. sceleratis E. Prov 8,15. o
sed E, korr. E .
735
Altercacio Cayn cum Christo
a consortio civitatis, quod fit per exemplum perpetuum vel per mortem. Quandoque vero non est tale peccatum, ut mereatur perpetuo a civitate excludi; tunc punitur aliqua pena leviori pena congruente ad suam correctionem et bonum civitatis. Sanctum est eciam de peccatoribus secundum legem divinam, quod ille, qui mortaliter peccat, eo ipso dignus efficitur, ut a sanctorum et beatorum consortio excludatur in perpetuum, propterea quod mortale peccatum caritatem excludit, sine qua nullus potest esse unitus consortio sanctorum. Et hec pena correspondet exilio perpetuo in legibus humanis. Item qui mortaliter peccat, eterne pene adici dignus est, cum eternam Dei maiestatem offendat. Et hec pena, que dicitur mors, statim correspondet morti corporali in legibus humanis. Qui autem non peccant mortaliter sed venaliter, sunt digni breviori et leviori pena purgatorii. 76 Que gravior et brevior erit secundum quod ipso peccato minus et magis inheserunt. Patet ergo manifeste ex dictis id, quod propositum fuit, scilicet quod quantitati peccati non respondet quantitas pene secundum durationem, sed secundum intentionem. Et ideo vos dampnati, qui inequaliter peccastis sive secundum peccatorum numerum, sive secundum unius peccati gravitatem, 77 diverse sunt pene et inequales secundum intencionem, quia, qui plus /72 v / vel gravius peccaverunt, habent acriores penas quam illi, qui minus, licet omnino sint equales secundum durationem. Caym
78
Secundum legem humanam, cuius exemplum adduxisti, nulla pena perpetua est, quia si sit pena exilii vel servitutis, saltern 79 morte hominis terminatur. Ipsa etiam pena occisionis corporalis quasi momentanea est, propter quod tu idem dixisti: Noli te timere
amplius
eos,
qui
oorpus 80oacidunt,
quid faaiant.
post
hec
autem
non
habent
Sed ista pena nostra, quam patimur,
neque ad momentum aliquando cessat, neque aliquando mitigatur. Unde nulla legalis iusticia hanc penam nostram arguit esse iustam. 76
quod über d. Zeile
77
et Uber d. Zeile
78 79 80
E.
E.
Caym Caym E.
mortem E. Statt
morte ist
Matt 10,28; Luc 12,4.
auch per mortem
möglich.
736
Paul Gerhard Schmidt
Christus Quod penam civilem, quam dixeram esse perpetuam, non perpetuetur, ut dicis, dico, quod est per accidens, scilicet quod homo non perpetuo manet vel quia ipsa civitas deficit. Nam si homo perpetuo viveret, pena exilii et servitutis, quam lex humana infert, perpetuo in eo maneret. Quare cum anima vita vel natura deficere non possit, ideo nec ipsa pena perpetuo deficiet in ea. Caym81 Certum est, quod, si tu animam creasti et de non esse ad esse produxisti, sic eciam quandocumque velles, /73 / earn in nichilum redigere posses; et pro certo, si a tam atrocibus penis et ineffabilibus miseriis nos non intendis eruere. Sed debemus in hiis, ut dixisti, perpetuo manere. Optabilius et melius nos foret omnino esse perditos et in nichilum redigi quam esse in eterna miseria et semper vivendo mori. Unde, si ita vivere oportet, ut in hac miseria relinquere nos debeat, obsecramus misericordiam tuam, ut nos in nichilum redigat. Tu enim ipse dixisti de proditore 8 2 tuo, quod melius Uli 83 erat,
si natus
non fuisset
homo
ille.
Christus Non est dubium, quod si considerata magnitudine nostra, quin 84 creatorem vestrum offendistis, qui vos de nichilo fecit et vobis actum 8 5 essendi dedit. Unde meruistis perdere ipsum esse, quia 86 87 iuste
benefioium
amittit,
qui
ingratus
benefaetorem
offendit.
Credo etiam, quod verum loquimini, scilicet quod magis velletis omnino non esse quam in tanta miseria semper esse, quia, licet non sit secundum se appetibile non esse, per accidens tarnen, in quantum esset ablativum miserie. Habent racionem boni, 82 Q O
Caym Caym E. • prodicione E. Matt 26,24.
84 qui E. actum a E, korr. E 2 . 87 quia E, korr. E . Zitat nicht ermittelt.
Altercado Cayn cum Christo
quia carere
737
malo est quoddam bonum, et ideo valde bonum est
non esse, per quod miseria desinit esse. Verumptamen iusticia mea non requirit, quod esse vobis tollat in nichilum redigendo. Exigit enim mea iusticia, ut pena correspondeat culpe secundum inordinationem, que invenitur in ea. Non enim tanta est cuius89 cumque inordinatio culpe, ut tollat vel dampnet esse vel pocius /7 3 v / presupponitur esse ad merendum^ vel demerendum. Et ideo non est pena debita alicui culpe ipsius esse, sed tamen in ipsis penis numquam deficietis. 91 Caym Nequaquam latet nos, quod si tu ab istis penis ex misericordia tua nos eruerisapena,92quam patimur, totaliter relaxares, ipse iusticie tue nullo modo preiudicares. Non enim est contra 93 94 95 iusticiam, si is, qui est verus dominus rei, donet rem suam, cui vult, etiam si illi, cui donat, non debeatur 9 6 ex iusticia. Cuilibet enim licitum est offensam 97 in se commissam
remittere offendenti, licet non possit remittere in alterum vel 98 in comitatum. Tu ergo, cum sis universorum auctor et dominus et in te omnis peccator peccet, potes cui vel quibusvis, eciam peccatoribus indignis donare vel plus de bonis et minus de malis quam eis debeatur ex iusticia, nichilominus eciam ipsam penam totaliter relaxare, nec in hoc contra iusticiam, sed preter iusticiam faceres. Non ergo tue iusticie, quod ab hiis nos liberes et insuper eciam vitam eternam cum sanctis tuis nobis dones, licet esset preter iusticiam, cum nobis non debeatur.
88 89
carere am Rand E. Ist nil zu lesen?
91 merendam E. Caym Caym E. 92
modo von rmr ergänzt.
93
es E.
94
merus E.
95 ^
97 98
rem über d. Zeile E. debe..debeatur E. offensum E. comitatem E.
738
Paul Gerhard Schmidt Christus
Fateor sic esse, ut dicis, scilicet si ego Iudam proditorem vel quoscumque dampnatos salvarem, esset quidem /74 r / preter ordinem, sed non contra ordinem iusticie mee. Quia possum sicut verus dominus omni et omne peccatum relaxare et vitam eternam donare, cuicumque michi placet, eciam si ei non debeatur. Non possum tarnen - secundum iusticiam loquendo - de potencia ordinata 99 aufferre
vitam eternam ei, cui debetur ex beneficio gratie
collate sibi. Unde non possem iuste dampnare Petrum vel alium beatum, quia cum iusticia dicatur per comparationem ad alterum. Contra ordinem iusticie esset subtrahere alicui bonum, quod ei debetur vel quod exigit eius condicio. Quamvis ergo liberare vos dampnatos non sit contra iusticiam meam, prescientie esset tarnen contra dispositionem, q u a m ^ ^ vobis eternam preparavi, que scilicet certissima est et falli nullatenus potest. Unde licet vobis non obstet ordo iusticie, obstat tarnen vobis certitudo prescientie et dispositionis eterne. Caym
101
Cura tua scriptura dicit, quod tu non vis mortem peoaatovis 102 neque
delecteris
-in perdio-ione morieneium ;
ad quid istas
penas nobis miseris parasti? Videmus enim illud, quod non est propter se volitum, nullus vult nisi propter aliquam necessitateli! vel utilitatem. Si igitur perditio nostra de se non est tibi delectabilis neque pena /74 v / aliqua de se sit volenda, propter quam utilitatem vis nos hic in eternum cruciari? Christus Quia in hoc mea iusticia relucet et conservatur, que scilicet iustitia ^
propter se ipsam michi accepta est. Unde licet non
delector in pena vestra, delector tamen in iusticia mea. Item quia electi mei et sancti mei de vestris penis delectantur et gaudent, sicut mea scriptura dicit: Letabitur iustus} cum viderit 104 •Oindiatam et cetera et Ysa ultimis: Erunt, scilicet impii, 99
100 101
102
2 offerre E, auferre E . qua E.
„ Caym Caym E. Vgl. Ezec 18,23; 18,32; Tob 3,12.
103
• 4.- • iusticiam E.
1 0 4
PS
57,11.
739
Altercado Cayn cum Christo
usque ad saoietatem vis-ionis
105
scilicet sanctis.
Cay m 106 Iusticia tua in penis nostris tunc esset commendabilis, quando nobis earn inferens ad nostram correctionem converteris, quia sicut non reputaretur medicus peritus, qui daret infirmo medicinam, que esset inutilis ad curationem, ita nec iudex iustus, qui infert penam inutilem ad correctionem, et propter 107 hoc quidem sapiens dixit, quod pene sunt medio-ine. In quo ergo iusticia tua commendabilis est, ex quo pena nostra est in eternum durativa, nec ad correctionem nostram nec aliorum valet, quia enim non futuri sunt, qui in penis nostris correctionem non accipiant? Quid ergo est, quod dixisti, quod sancti tui gaudent et delectantur in penis nostris? Numquam licitum est 108 in celo, quod nephas est in mundo, de aliena
miseria refici
et delectari. In mundo enim sancti /75 / tui afflictis compaciuntur et nunc in celo, ut dicis, de nostris afflictionibus delectantur? Numquid, queso, crudeles sancti sunt in celo, qui pii erant in mundo? In mundo enim inimicos iubentur diligere, in celo eciam amicos perhibentur odire. Quomodo hec sibi conveniunt? Christus Sicut in hominibus, qui vivunt in mundo secundum leges civiles, quedam pene sunt temporales et quedam perpetue; et ille, que temporales sunt, ad correctionem eorum, quibus inferuntur, utiles; ille vero, que sunt perpetue, possunt esse utiles ad correctionem eorum, qui sunt in civitate, eciam si non fuerint ad correctionem ipsorum, qui per penas a civitatis consortio excluduntur. Quia pene non solum sunt ad correctionem, quando infliguntur, sed eciam,quando terminantur. Sic eciam in isto seculo sunt quedam pene temporales et transitorie, que utiles sunt ad correctionem illorum, qui eas patiuntur sicut sunt pene quedam nature - sunt eterne sicut sunt vestre - quia licet non 105
106 107
Isai 66,24. Caym Caym E. Vgl. HANS WALTHER, Proverbia sententiaeque Latinitatis Medii Aevi, Bd. 1, Göttingen 1963, 21844a.
108 alena E, korr. E .
740
Paul Gerhard Schmidt
valeant ad purgationem vestram, valent tamen ad correctionem eorum, qui remanserunt in mundo, quibus per prophetas et scripturas meas notificate sunt. Erunt etiam post finem mundi utiles, licet non ad correctionem, quia tunc nulli futuri sunt, qui corrigi debeant, sed valebunt, sicut supra dixi, /7 5 v / ad sanctorum meorum gaudium et delectationem. Qui quidem de penis vestris delectantur et semper letabuntur, non ex odio vel ex crudelitate, quia non gaudent de ipsis penis secundum se, sed 109 racione alicuius adiuncti, scilicet considerando in eis ordinem divine iusticie, et sua liberatio est causa gaudii per se, pene autem per accidens. Si aut ex odio vel crudelitate hoc esset, tunc profecto gauderent secundum se et non racione adiuncti. Videmus enim, quod sancti viri, qui sunt in mundo, aliquando gaudent de afflictionibus suis propter aliquid adiunctum, scilicet propter meritum secundum illud: Omne gaudium existimate, fratres mei, cum in temptationes vavias inoidevi1 10
tis,
et ita constat, quod sicut ex odio vel crudelitate de
propriis penis suis non gaudent, ita nec de alienis, nec oportet, quod sicut afflictis compatiebantur in mundo, ita vobis compaciantur in celis; quia ille, qui compatiatur alteri, vellet malum illius repelli. Sed sancti, qui sunt in celo, hoc de vobis velle non possunt, quia vos non potestis ab hiis liberari et ad statum glorie transferri sine preiudicio iusticie mee, quod quidem non contingit de hiis, qui sunt in mundo. Non autem esset caritas vel natura, que divine 111 voluntati vel iusticie quibus est vera caritas
repugnaret. Et ideo sancti mei, in
et perfecta, possunt compati afflictis, qui sunt in mundo, sed non possunt /76 r / compati vobis, qui estis in inferno. Unde cum nec mea miseratione nec eorum sitis digni, compassionem non amplius causemini meam, sed tacete et remanete cum mea et eorum maledictione.
sed E, scilicet E^. 110
X o lac !1,2.
111
in über d. Zeile E.
Altercado Cayn cum Christo
Tunc illis miseris cum magno fletu eiulantibus Christus ad sanctos liberandos se convertit et illos alios dampnatos in eternis m i s e r i i s ^ ^ et tenebris dereliquit. ^ ^
112
113
2
eternis infernis miseriis E, eternis miseriis E . 2 derelinquid E, dereliquit E . Statt eines Explioit folgen die oft belegten Werse: Quod sibi quisque serit presentis tempore vite, Hoc sibi messis erit, dum dicitur: Ite, venite. (Vgl. HANS WALTHER, Initia carminum ac versuum medii aevi posterioris Latinorum. Verzeichnis der Versanfänge mittellateinischer Dichtungen [carmina Medii Aevi Posterioris Latina i] Göttingen 1959, 16310; WALTHER [wie Anm. 107] 26042).
741
RODERICH SCHMIDT
Zu den Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
1. Zu den Forschungsgegenständen der durch diese Festschrift 1 Geehrten gehört auch der Sachsenspiegel des Eike von Repgow . 1983 hat sie ihn "als Beispiel mittelalterlicher 2 behandelt
Fachliteratur"
; 1984 legte sie eine Übertragung des Landrechts ins
Neuhochdeutsche vor''. Durch die Beschäftigung mit der "Gebärden4 spräche im mittelalterlichen Recht" (1982) und mit den Rechtssprichwörtern und ihrer bildlichen Wiedergabe
(1980)"' hatte sie
sich den Zugang zu den "Bilderhandschriften"^ des Sachsenspiegels erschlossen. Auf der Jahrestagung des Wissenschaftlichen
Arbeits-
kreises für Mitteldeutschland 1982 in Wolfenbüttel hielt sie den öffentlichen Vortrag über den dort verwahrten Codex picturatus 7 .
2
4
5
Vgl. RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Artikel 'Eike von Repgow' (Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2., völlig neu bearbeitete Aufl., hg. von KURT RUH u.a., Bd. 2, Berlin-New York 1980, Sp. 400-408). RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Der 'Sachsenspiegel' Eikes von Repgow als Beispiel mittelalterlicher Fachliteratur (Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Jg. 13, Heft 51/52: Fachsprache und Fachliteratur, hg. von BRIGITTE SCHLIEBEN-LANGE und HELMUT KREUZER, 1983, S. 206-226). Eike von Repgow. Der Sachsenspiegel, hg. von CLAUSDIETER SCHOTT. Übertragung des Landrechts von RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Übertragung des Lehenrechts und Nachwort von CLAUSDIETER SCHOTT (Manesse Bibliothek der Weltliteratur) Zürich 1984. RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Gebärdensprache im mittelalterlichen Recht (Frühmittelalterliche Studien 16, 1982, S. 363-379). Vgl. auch DIES., Artikel 'Gebärden' (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte [HRG] 1, hg. von ADALBERT ERLER und EKKEHARD KAUFMANN, Berlin 1971, Sp. 1411-1419). RUTH SCHMIDT-WIEGAND, RechtsSprichwörter und ihre Wiedergabe in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels (Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit, hg. von CHRISTEL MEIER und UWE RUBERG, Wiesbaden 1980, S. 593-629).
6
Vgl. A. H. BENNA, Artikel 'Bilderhandschriften' (HRG [wie Anm. 4] 1, Sp. 422-424).
7
RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift des Sachsenspiegels und ihr Verhältnis zum Text Eikes von Repgow (Wolfenbütteler Hefte 13) Wolfenbüttel 1983.
743
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik Damit waren wesentliche Voraussetzungen für das Symposion geschaffen, das im März 1984 im Zusammenwirken der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und des Sonderforschungsbereichs
7 "Mit-
telalterforschung" der Westfälischen Wilhelms-Universität
Münster
unter ihrer Leitung bei internationaler Beteiligung stattgefung den hat . Auf diesem Symposion wurden alle vier erhaltenen Bilq derhandschriften des Sachsenspiegels
in die Betrachtung und in
die Erörterung über das Verhältnis von Text und Bild
einbezogen.
Die gehaltenen Vorträge sind, um einige Beiträge ergänzt, in einem Sammelband vereinigt^ 0 . Von dieser Tagung und ihrem
schrift-
lichen Ertrag dürften wesentliche Anstöße für die weitere Sachsenspiegelforschung wie für die Erhellung des Verhältnisses von Text und Bild in Recht und Dichtung, in Historiographie und Ge11 brauchsliteratur ausgehen Q
9
Hierzu RUTH SCHMIDT-WIEGAND, 18. Bericht: Der Sonderforschungsbereich 7 'Mittelalterforschung1 (Frühmittelalterliche Studien 19, 1985, S. 520-565) S. 520f. und S. 558ff.
Es handelt sich um die Heidelberger, die Dresdener, die Wolfenbütteler und die Oldenburger Bilderhandschrift. Die Benennung erfolgte nach den jetzigen Aufbewahrungsorten. Zur Information vgl. die kurzen Angaben (m. Lit.) bei BENNA (wie Anm. 6), SCHMIDT-WIEGAND (wie Anm. 7) und SCHOTT (wie Anm. 3) S. 382-386. Von der Heidelberger und von der Dresdener Handschrift liegen Faksimileausgaben vor: Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, hg. von KARL VON AMIRA, I. Bd.: Facsimile der Handschrift, Leipzig 1902, II. Bd.: Erläuterungen (Teil I und II) Leipzig 1925/26, Neudruck Osnabrück 1962 bzw. 1969; WALTER KOSCHORRECK, Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, Kommentar und Faksimile, Frankfurt a.M. 1970. Die Oldenburger Handschrift, die einen eigenen Überlieferungsstrang repräsentiert, ist leider nicht zugänglich. Für sie ist heranzuziehen: Der Sachsenspiegel, Land- und Lehnrecht, nach dem Oldenburger Codex picturatus von 1336, hg. von AUGUST LÜBBEN, mit [einigen] Abbildungen in Lithographie und einem Vorwort zu denselben von F. ALTEN, Oldenburg 1879. Von der Wolfenbütteler Handschrift ist eine Faksimileausgäbe vorgesehen. - Über Entstehung, Alter und Herkunft der Bilderhandschriften vgl. künftig KLAUS NASS, Die Wappen in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels - Zu Herkunft und Alter der Codices picturati (Text - Bild - Interpretation [wie Anm. 10]). ^ Text - Bild - Interpretation. Untersuchungen zu den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, I. Textband, II. Tafelband, hg. von RUTH SCHMIDT-WIEGAND (Münstersche Mittelalter-Schriften, Bd. 55/1 u. II} München 1986. 11
Vgl. hierzu u.a.: WOLFGANG STAMMLER, Wort und Bild. Studien zu den Wechselbeziehungen zwischen Schrifttum und Bildkunst im Mittelalter, Berlin 1962; GEORG KAUFMANN, Sprache und bildende Kunst (Kunst als Bedeutungsträger. Gedenkschrift für Günter Bandmann, hg. von WERNER BUSCH, REINER HAUSSHERR und EDUARD TRIER, Berlin 1978, S. 541-549); den Sammelband "Text und Bild" (wie Anm. 5) mit der Einleitung von CHRISTEL MEIER und UWE RUBERG, S. 9-18 (m. Lit.); HELLA FRÜHMORGEN-VOSS, Text und Illustration im Mittelalter. Aufsätze zu den Wechselbeziehungen zwischen Literatur und bildender Kunst, hg. und eingeleitet von NORBERT H. OTT (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 50) München 1975; GERNOT KOCHER, Bild und Recht. Überlegungen zur Rolle des Bildes in der privatrechtsgeschichtlichen Lehre und Forschung (Arbeiten zur Rechtsgeschichte. Festschrift für Gustav Schmelzeisen, hg. von HANS-WOLF THÜMMEL [Karlsruher
Roderich Schmidt
744 Der Sachsenspiegel
12
, das erste umfassende Rechtsbuch in
deutscher Sprache, gilt in der Literatur weithin nicht als das einzige Werk Eikes von Repgow. Vielfach wird ihm auch die Säch13 sische Weltchronik , das erste deutsch abgefaßte Geschichtswerk in Prosa, zugeschrieben. Seit der Abhandlung von Karl Zeumer 14 (1910)
hat diese Ansicht sich immer mehr durchgesetzt, obwohl
ihr schon 1915/17 Adolf Hofmeister, der Doktorvater der mit dieser Festschrift Geehrten und des Verfassers dieses Beitrags, widersprochen h a t ^ .
Ruth Schmidt-Wiegand hat in ihrem Artikel über
Eike von Repgow im "Verfasserlexikon"
(1978) die Frage der Autor-
schaft Eikes offen g e l a s s e n ^ . Das hing mit der Erörterung der Kulturwissenschaftliche Arbeiten, Bd. 2] Stuttgart 1980, S. 142-165); DERS., Sachsenspiegel, Institutionen, Digesten, Codex - Zum Aussagewert mittelalterlicher Rechtsillustrationen (Forschungen zur Rechtsarchäologie und Rechtlichen Volkskunde, hg. von LOUIS CARLEN, Bd. 3, Zürich 1980, S. 1-34); NORBERT H. OTT, Stoffe, Texte, Bilder. Zum Projekt des "Katalogs" der deutschen illustrierten Handschriften des Mittelalters (Beiträge zur Überlieferung und Beschreibung deutscher Texte des Mittelalters, hg. von INGO REIFFENSTEIN [Göppinger Arbeiten zur Germanistik, Nr. 402] Göppingen 1983, S. 151-178); DERS., Überlieferung, Ikonographie - Anspruchsniveau, Gebrauchssituation. Methodisches zum Problem der Beziehungen zwischen Stoffen, Texten und Illustrationen in Handschriften des Spätmittelalters (Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenbüttel 1981, hg. von LUDGER GRENZMANN und KARL STACKMANN, Stuttgart 1984, S. 356-386); DERS., Epische Stoffe in mittelalterlichen Bildzeugnissen (Epische Stoffe des Mittelalters, hg. von VOLKER MERTENS und ULRICH MÜLLER [Kröners Taschenausgabe, Bd. 483] Stuttgart 1984, S. 449-474); den Sammelband "Text - Bild - Interpretation" (wie Anm. 10). 12 Der Sachsenspiegel wird im folgenden als "Ssp." zitiert nach der Ausgabe von KARL AUGUST ECKHARDT, Landrecht und Lehnrecht (MHG Fontes iuris Germanici antiqui, N.S. I 1 u. 2) Göttingen 31973. ^ Sächsische Weltchronik, hg. von LUDWIG WEILAND (MGH Deutsche Chroniken Bd. 2) Hannover 1877, Nachdruck 1980, S. 1-279; im folgenden als "SW" zitiert. 14 KARL ZEUMER, Die Sächsische Weltchronik, ein Werk Eikes von Repgow (Festschrift Heinrich Brunner zum 70. Geburtstag, Weimar 1910, S. 135-174 und S. 839-842). - Zu den verschiedenen Standpunkten bezüglich der Verfasserschaft Eikes von Repgow in der Literatur vgl. jetzt MICHAEL MENZEL, Die Sächsische Weltchronik. Quellen und Stoffauswahl (Vorträge und Forschungen. Hg. vom Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, Sonderband 34) Sigmaringen 1985, S. 269 m. Anm. 1250. ADOLF HOFMEISTER, Das Wormser Konkordat. Zum Streit um seine Bedeutung. Mit einer textkritischen Beilage (Forschungen und Versuche zur Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit. Festschrift Dietrich Schäfer zum siebzigsten Geburtstag dargebracht, Jena 1915, S. 64-148) S. 113, Neuausgabe, mit einem Vorwort von RODERICH SCHMIDT (Wiss. Buchgesellschaft, Reihe 'Libelli', Bd. 89) Darmstadt 1962, S. 50. ADOLF HOFMEISTER, Rezension der Dissertation von HERMANN BALLSCHMIEDE (s.u. Anm. 20) (Historische Zeitschrift 115, 1916, S. 207) und Rezension des Aufsatzes von HANS FEHR, Die Staatsauffassung Eikes von Repgau (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abt. 37, 1916, S. 131-260), in: Historische Zeitschrift 118, 1917, S. 148150, sowie DERS., ebd. 119, 1919, S. 330. 16
Wie oben Anm. 1, Sp. 407f.; vgl. auch RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Rezension des Buches von HUBERT HERKOMMER (wie Anm. 17) (Zeitschrift für deutsche Philologie 94, 1975, S. 440-442).
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
745
Thesen über die Ordnung der verschiedenen Fassungen der Sächsischen Weltchronik zusammen, die durch die überlieferungsgeschichtlichen Untersuchungen und die auf ihnen fußende Theorie der Textentwicklung von Hubert Herkommer (1972) 17 ausgelöst worden ist 18 19 Bis dahin hatte die von Ludwig Weiland , dem Herausgeber der Monumenta-Ausgabe des Werkes, vorgenommene Einteilung der Handschriften in die Rezensionen A, B und C, die er als Stufen der Entstehung des bis zum Jahr 1248 bzw. bis 1260 reichenden und bis dahin laufend ergänzten Werkes verstand, unbestrittene Gültigkeit gehabt. Dabei nahm er einen einzigen Verfasser für alle Rezensionen an, als der für ihn Eike von Repgow aus zeitlichen Gründen anders dann Zeumer - nicht in Frage kam. Danach hatte es von philologischer Seite Hermann Ballschmiede^ unternommen, die Entstehung der Sächsischen Weltchronik und ihrer drei Rezensionen genauer zu untersuchen. Er setzte diese stärker als Weiland voneinander ab und nahm eine fortschreitende Anreicherung und damit Erweiterung des Textes an. Die Rezension A, die 1225 bzw. 1230 endet, wurde dann im Bereich der Kirche von Hamburg-Bremen durch Zusätze bis 1235 ergänzt. Nach 1248 entstand schließlich die Rezension C, und zwar - Ballschmiede zufolge - im weifischen Lüneburg. In ihr ist neben zahlreichen Quellen besonders die deutsch21
sprachige gereimte "Kaiser-Chronik" herangezogen und eingearbeitet worden. Für Eike von Repgow nahm Ballschmiede nur die AUberlieferung in Anspruch 22 . Er charakterisiert sie als eine
17
18
HUBERT HERKOMMER, Überlieferungsgeschichte der 'Sächsischen Weltchronik'. Ein Beitrag zur deutschen Geschichtsschreibung des Mittelalters (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 38) München 1972. Über "die Forschung zur Überlieferungsgeschichte" ebd. S. 3-33. HUBERT HERKOMMER, Eike von Repgows 'Sachsenspiegel' und die 'Sächsische Weltchronik'. Prolegomena zur Bestimmung des Sächsischen Weltchronisten (Niederdeutsches Jahrbuch loo, 1977, S. 7-33) mit Anhang "Einige Bemerkungen zur Diskussion der letzten Jahre", S. 33-42.
19 WEILAND, Einleitung zur SW (wie Anm. 13) S. 1-64. Vgl. auch DERS., Zur Quellenkritik der Sachsenchronik (Forschungen zur deutschen Geschichte 13, 1873, S. 157-198); DERS., Die Sachsenchronik und ihr Verfasser (ebd. 14, 1874, S. 457-510). 20 HERMANN BALLSCHMIEDE, Die Sächsische Weltchronik, Phil. Diss., Berlin 1914, 21 auch in: Niederdeutsches Jahrbuch 40, 1914, S. 81-140. Deutsche Kaiserchronik, hg. von EDWARD SCHRÖDER (MGH Deutsche Chroniken Bd. 1,1) Hannover 1892, Nachdruck 1969. Vgl. EBERHARD NELLMANN, Artikel 'Kaiserchronik' (Verfasserlexikon [wie Anm. 1] Bd. 4, Lfg. 2/3, 1982, Sp. 949-960 und Lfg. 4, 1983, Sp. 961-964). 22 Vgl. hierzu die Einwände von ADOLF HOFMEISTER (wie Anm. 15).
Roderich Schmidt
746
23 Darstellung der "Reichsgeschichte" , und er bezeichnet sie als 24 "Repgauische Chronik" Der Rechtshistoriker Karl August Eckhardt, der Herausgeber 25 des Sachsenspiegels , hat sich den Ergebnissen Ballschmiedes weitgehend angeschlossen, sie im einzelnen modifiziert und ihnen 26
damit zu weiterer Anerkennung verholfen . Lediglich die These vom "Stammbuch" hat Eckhardt verneint. Ballschmiede verstand darunter den Archetyp bzw. das Original des Werkes. In dieses "Stammbuch" seien die Hamburg-Bremer Zusätze eingetragen worden, und es sei auch die Grundlage für die in Lüneburg erfolgte Umgestaltung des Werkes zur Redaktion C gewesen. Hier seien, nach 1248, Kopien von jenem "Stammbuch" angefertigt, das als solches 27 nicht auf uns gekommen ist . Diese "Entstehungsgeschichte" hatte schon vor K. A. Eckhardt der Wiener Rechtshistoriker Hans von Voltelini als "zu romanhaft, um wahrscheinlich zu sein" bezeich4.28 net Auf Grund einer eingehenden Beschäftigung mit den Handschriften der Sächsischen Weltchronik und ihrer Uberlieferung sowie einer subtilen Untersuchung ihres Verhältnisses zur "Kaiser29 chronik" gelangte Hubert Herkommer zu einer gänzlich anderen Sicht der Entstehungsgeschichte des Werkes, mit dem Ergebnis, das das bisher gültige Stemma auf den Kopf stellt. Danach soll die Langfassung C am Anfang der Textentwicklung gestanden haben, die Rezensionen A und B seien dagegen verschiedene Fassungen einer verkürzenden Überarbeitung des Werkes (*AB). Bei der CRedaktion nimmt Herkommer eine Trennung vor, indem er die Handschriften, in denen die aus der "Kaiserchronik" stammenden Teile 1 noch in Versform erhalten sind, als C von denen unterscheidet, 23
24
25
26
BALLSCHMIEDE (wie Anm. 20) S. 111. Durch die "Zusätze" in B und C wurde nach BALLSCHMIEDE (S. 102 u. S. 111) aus der "Reichschronik" eine nordwestdeutsche "Lokal"-Chronik. Ebd. S. 137. Siehe Anm. 12. KARL AUGUST ECKHARDT, Rechtsbücherstudien II: Die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und der Sächsischen Weltchronik (Abhandlungen der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-historische Klasse, N.F. 23,2) Berlin 1931; DERS., Zur Sächsischen Weltchronik (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abt. 53, 1933, S. 311-316).
27 BALLSCHMIEDE
(wie Anm. 20) S. 101-103 mit einem Schema zur Textentwicklung
28 S. 104.
29
HANS (VON) VOLTELINI, Der Verfasser der Sächsischen Weltchronik (Forschungen zu den deutschen Rechtsbüchern II, hg. von ANTON PFALZ und HANS VOLTELINI [Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, Phil.-hist. Kl., 201. Bd., 4. u. 5. Abh.] Wien und Leipzig 1924, S. 5-60) hier S. 13. Wie Anm. 17 u. 18.
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
747
in denen jene Einschübe in Prosa aufgelöst worden sind; sie be2 1 zeichnet er als C . C , das "Prosimetrum", sei die Urform des 2
Werkes, entstanden um die Mitte des 13. Jahrhunderts, C bereits eine weitere Stufe der Textentwicklung, die dann die Grundlage für die verkürzende Fassung *AB gebildet habe"^. Bei einer solchen Beurteilung scheidet Eike von Repgow als Autor der Sächsi31 sehen Weltchronik endgültig aus Nun haben die Thesen Herkommers gerade in ihren grundlegenden Teilen und ihren Ergebnissen z.T. nachdrücklichen Widerspruch 1 erfahren 3 2 . Während seine Unterscheidung in C und C 2 akzeptiert 33
worden ist , stieß die Umkehrung des Stemmas und die dem zugrunde liegende Meinung, die Langfassung repräsentiere den ursprünglichen Text der Chronik, der dann in eine Kurzform mit mehreren Fassungen umgearbeitet worden sei, auf Ablehnung, für die gewich34 tige Gründe vorgebracht worden sind . Dabei fehlte auch nicht der Hinweis auf die Reimvorrede, in der gesagt wird, daß das Buch nicht zu Ende geschrieben werden kann, solange die Welt bestehe , daß also nicht Kürzung des vorhandenen Bestandes, sondern permanente Fortsetzung ein "Grundzug der Chronik" sei 3 6 . Wenn man sich der Auffassung anschließt, daß "Herkommers Bild von der tiberlieferungsgeschichte der SW nicht zu halten ist" 3 7 , weshalb man "nicht voreilig von Weilands ... Ergebnis ..., daß die 'Kurzfassung' die ursprüngliche Form repräsentiert", abgehen sollte 3 8 , 30
31
Vgl. die Zusammenfassung von HERKOMMER (wie Anm. 18) S. 16-20. Ebd. S. 22-25. Bei den Erörterungen über die Verfasserschaft spielt neben der Reimvorrede besonders auch die sog. "Predigt" in der SW (cap. 76) eine Rolle. Die Frage ist viel erörtert (vgl. HERKOMMER [wie Anm. 18] S. 13-15) und kann hier beiseite bleiben. Vgl. dazu zuletzt ZIPS (wie Anm. 40) S. 45-49.
32
33
Vgl. hierzu HERKOMMERs "Anhang: Einige Bemerkungen zur Diskussion der letzten Jahre" (wie Anm. 18), die die Haupteinwände der Kritiker m.E. nicht widerlegen. KARL-ERNST GEITH (wie Anm. 37) hat vorgeschlagen (S. 114-119), nur die Fassung mit den prosaisierten Kaiserchronik-Abschnitten als C zu bezeichnen, das "Prosimetrum" dagegen als Rezension D, in der u.a. anstelle der Prosaauflösungen aus der Kaiserchronik die Versabschnitte aus ihr eingefügt wurden. Hierzu ablehnend MENZEL (wie Anm. 14) S. 154f., Anm. 649.
34 Wie Anm. 32. 35
SW (wie Anm. 13) S. 66, Z. 77-86.
37 SCHMIDT-WIEGAND (wie Anm. 16) S. 442. KARL-ERNST GEITH, Zur Uberlieferungsgeschichte und Textgestalt der Sächsischen Weltchronik aus Anlaß von Hubert Herkommers Buch (Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 96, Tübingen 1974, S. 103-119) hier S. 114. 38 GERHARD CORDES, Rezension des Buches von HUBERT HERKOMMER (wie Anm. 17) (Niederdeutsches Jahrbuch 96, 1973, S. 181-190) hier S. 189.
748
Roderich Schmidt
so ist freilich auch die Verfasserschaft Eikes "nicht so erschüt"3 Q tert, wie es zuerst den Anschein hatte" . Danach ist die Verfasserfrage der Sächsischen Weltchronik noch einmal, allerdings unter einem anderen Aspekt von Manfred 40 gestellt worden
Zips
. Um zur Klarheit darüber zu gelangen, ob der
Autor der Sächsischen Weltchronik mit dem des Sachsenspiegels identisch sei oder nicht, sieht er "nur einen halbwegs methodischen Weg", nämlich den des "Motivvergleichs"
sicheren
zwischen bei-
den W e r k e n 4 1 . Beim Sechstagewerk der W e l t s c h ö p f u n g 4 2 , bei den Weltaltern und dem W e l t e n d e 4 3
sowie bei den W e l t r e i c h e n 4 4 ,
ihrer
45
translatio und der damit verbundenen "Reichsideologie" bestehen zwar Ähnlichkeiten und Anklänge, es überwiegen jedoch die Unterschiede 46 , die sich nicht allein aus der Gattungsverschiedenheit der verglichenen Werke erklären. Drei weitere Fälle schließen nach Meinung von Zips 47 Eike als Verfasser der Sächsischen
39
40
41
CORDES (wie Anm. 38) S. 190. Zu diesem Ergebnis gelangte auch JULIANUS B. M. VAN HOEK, Eine Untersuchung nach dem Verhältnis der Fassungen der Sächsischen Weltchronik (Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 13, 1978, S. 119-146) hier S. 123ff. und 139ff. MANFRED ZIPS, 'Daz ist des van Repegouwe rat'. Bemerkungen zur Verfasserfrage der 'Sächsischen Weltchronik' (Niederdeutsches Jahrbuch 106, 1983, S. 43-73).
Ebd. S. 51 f. Die Richtigkeit dieses Wegs ergab sich dem Schreiber dieses Beitrags 1975 in einem Seminar, das dem Vergleich beider Werke gewidmet war und das zu ähnlichen Ergebnissen führte. Vgl. auch die Zusammenstellung der inhaltlichen Berührungen bei WEILAND (wie Anm. 13) S. 52-54. 42 ZIPS (wie Anm. 40) S. 53-55. 43 Ebd. S. 55-60. Vgl. dazu RODERICH SCHMIDT, Aetates mundi. Die Weltalter als Gliederungsprinzip der Geschichte (Zeitschrift für Kirchengeschichte 67, 1955/56, S. 288-317); HERMANN SCHADT, Zum Verwandtschaftsbild und der Weltalterlehre des Sachsenspiegels. Kunstgeschichte als Hilfswissenschaft der Rechtsgeschichte (Frühmittelalterliche Studien lo, 1976, S. 406-436); MARTIN HAEUSLER, Das Ende der Geschichte in der mittelalterlichen Weltchronistik (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 13) Köln-Wien 1980. 44 ZIPS (wie Anm. 40) S. 60-63. Vgl. dazu WERNER GOEZ, Translatio Imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichtsdenkens und der politischen Theorien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Tübingen 1958; HANS-WERNER GOETZ, Das Geschichtsbild Ottos von Freising. Ein Beitrag zur historischen Vorstellungswelt und zur Geschichte des 12. Jahrhunderts (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 19) Köln-Wien 1984, über die Weltreiche und die Translatio-Lehre S. 139-158. Über die Translatio imperii im Sachsenspiegel vgl. RODERICH SCHMIDT, Das Verhältnis von Kaiser und Papst im Sachsenspiegel und seine bildliche Darstellung ("Text - Bild - Interpretation" [wie Anm. lo] S. 95-115) S. 109. 45 ZIPS (wie Anm. 40) S. 62. 46 Ebd. S. 63. 47
Ebd. S. 63ff.
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
749
Weltchronik aus: die unterschiedliche Ausformung der Geschichte von König Vespasian und seinem Sohn Titus und ihrem Verhältnis 48 49 zu den Juden in der Chronik
und im Sachsenspiegel
, die grund-
sätzliche Ablehnung der menschlichen Unfreiheit als mit dem Willen Gottes nicht zu vereinbaren, wie sie vom
Sachsenspiegier
nachdrücklich vorgetragen und begründet worden i s t 5 0 , sowie die Geschichte von der Verknechtung tausender Soldaten durch Kaiser Augustus in der Sächsischen W e l t c h r o n i k 5 1 . Abschließend
gelangt
Zips zu dem Ergebnis: "Der Gesamtbefund dieser Arbeit deutet
so-
mit darauf hin, Eike von Repgow die Verfasserschaft der SW abzusprechen"
.
Auch die vorläufig letzte Arbeit über die Sächsische Weltchronik kommt in der Verfasserfrage zu einem eher negativen Urteil. Michael Menzel, aus der Schule von Hans Patze
(Göttingen), hat
eine gründliche Untersuchung über Quellen und Stoffauswahl die53 ser Chronik vorgelegt, die 1985 erschienen ist . In ihr wird 48
SW (wie Anm. 13) cap. 43-46, S. 99-103; vgl. hierzu MENZEL (wie Anm. 14) S. 121ff. u.ö. 49 Ssp. (wie Anm. 12) Ldr. III 7 §3, S. 198f. 50
Ssp. Ldr. III 42 § 1-6, S. 223-228. Vgl. hierzu HANS (VON) VOLTELINI, Der Gedanke der allgemeinen Freiheit in den deutschen Rechtsbüchern (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abt. 57, 1937, S. 182-209); GUIDO KISCH, Biblical Spirit in Mediaeval German Law (Speculum. A Journal of Mediaeval Studies 14,1, Cambridge/Mass. 1939, S. 38-55); OERS., Sachsenspiegel and Bible. Researches in the Source History of the Sachsenspiegel and the Influence of the Bible on Mediaeval German Law (Publications in Mediaeval Studies. The University of Notre Dame, 5) Notre Dame/Indiana, USA 1941; RODERICH SCHMIDT, Studien über Eike von Repgow und den Sachsenspiegel, Phil. Diss., Greifswald 1951 (masch.), S. 63-111; HERBERT K0LB, Über den Ursprung der Unfreiheit. Eine Quaestio im Sachsenspiegel (Zeitschrift für deutsches Altertum 103, 1974, S. 289-311); WILHELM KÖLMEL, "Freiheit - Gleichheit - Unfreiheit" in der sozialen Theorie des späten Mittelalters (Soziale Ordnungen im Selbstverständnis des Mittelalters, hg. von ALBERT ZIMMERMANN (Miscellanea Mediaevalia 12/2) Berlin-New York 1980; ALEXANDER IGN0R, Über das allgemeine Rechtsdenken Eikes von Repgow (Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, N.F. 42) Paderborn-München-Wien-Zürich 1984, S. 227ff., insbes. S. 234-251.
51
SW (wie Anm. 13) cap. 30, S. 89.
52
ZIPS (wie Anm. 40) S. 72. - ALEXANDER IGNOR (wie Anm. 50) bezeichnet die Autorschaft Eikes als eine "im Moment""völlig offene Frage" (S. 55, Anm. 6). Auch PETER JOHANEK, Eike von Repgow, Hoyer von Falkenstein und die Entstehung des Sachsenspiegels (Civitatum communitas. Studien zum europäischen Städtewesen. Festschrift Heinz Stoob zum 65. Geburtstag, Teil 2, Köln-Wien 1984, S. 716-755), schließt sich unter Berufung auf HERKOMMER (wie Anm. 17), SCHMIDT-WIEGAND (wie Anm. 16) und ZIPS (wie Anm. 40) der Ansicht an, "daß nach dem derzeitigen Forschungsstand Eikes Verfasserschaft an der 'Sächsischen Weltchronik' als höchst unwahrscheinlich gelten muß" (S. 717, Anm. 5). Wie Anm. 14.
Roderich Schmidt
750
die Frage nach dem Autor allerdings nur nebenbei und als für die 54 angestellten Untersuchungen "nicht wesentlich" behandelt . Das diesbezügliche Ergebnis Menzels lautet: "Als Autor der SW kommt Eike nicht mehr - und wegen der vom Ssp zu verschiedenen Quellengrundlage eher weniger - als jeder andere literarisch Befähigte seiner Zeit in Frage" In Bezug auf die Fassungen hält auch Menzel an den bisherigen Rezensionen fest, die er jedoch zu "Rezensionsgruppen" zusammenfaßt"*®. Ausgehend von der Feststellung, daß die verschiedenen Fassungen des Werkes "nur in einer einzigen Reihenfolge entstanden sein" können"'7, lehnt er nach eingehenden Erörterungen die "Abkürzungstheorie" Herkommers ab und spricht sich für die ältere "Entwicklungstheorie", wenn auch mit neuen Begründungen, aus. Er unterscheidet eine ursprüngliche, bis 1229 reichende Fassung Aj, welche die Hss. 1-121 umfaßt, von einer Fassung A ^ , entstanden zwischen 1230 und 1235, zu der er die Hss. 11-122 rechnet. Die Fassung B mit den Hss. 13 bis 17 entstand zwischen 1237 und 58 1242 . Bei der Rezension C weist er die Einteilung Herkommers 1
2
in C und C zurück und nimmt statt dessen eine Dreiteilung in Cj. mit den Hss. 23 und 24, CIJ: mit den Hss. 20 bis 22 und C II]; mit den Hss. 18 und 19 an. Cj sei nach 1260, C Z 1 und C I X I nach 1277 entstanden. 2. Wie vom Sachsenspiegel existieren auch von der Sächsischen Weltchronik einige Bilderhandschriften. Es sind dies die Hss. Nr. 59 16 (Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Ms. a. 33) , Nr. 17 (Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin, Ms. germ. fol. 129) 60 , das Handschriftenfragment Nr. 161 (Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin, Ms. germ. fol. 1387) 61 sowie 54 Wie Anm. 14, S. 16. 55
Ebd. S. 269f.
56
Zum folgenden ebd. S. 153ff. und S. 176ff.
57
Ebd. S. 155. Der bis 1260 reichende Schluß der Hs. 16 (vgl. SW [wie Anm. 13] S. 258) gehört nach Meinung von MENZEL (wie Anm. 14) nicht zum ursprünglichen Bestand dieser Hs., sondern ist ihr "aus einer C-Fassung angehängt worden" (ebd. S. 110, Anm. 394).
58
59
Handschriftenschreibung bei HERKOMMER (wie Anm. 17) S. 96-99, bei WEILAND (wie Anm. 13) S. llf.
60
HERKOMMER (wie Anm. 17) S. lOOf.; WEILAND (wie Anm.
61
HERKOMMER (wie Anm. 17) S. 99.
13) S. 12.
751
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik die Hs. Nr. 24
(Landesbibliothek, jetzt "Forschungsbibliothek" 62 Gotha, Ms. Membr. I 90) . Die Hss. 16, 17 und das Fragment 161 gehören zur Rezension B, die Hs. 24 zur Rezension C. Als Ent63 stehungszeit wird für die Hss. 24, 16 und das Fragment 161 das 13. Jahrhundert angegeben; die Hs. 17 wird dem Ende des 13. oder 64 dem Anfang des 14. Jahrhunderts zugewiesen . Es handelt sich wie sich aus der Handschriftenbeschreibung
von Herkommer ergibt -
um die ältesten erhaltenen Handschriften der Sächsischen
Welt-
chronik6"'. Ludwig Weiland hat die Gothaer Hs. Nr. 24 bekanntlich zur Grundlage seiner Ausgabe gemacht. Er wählte sie, um "einen lesbaren und zunächst für die historiker brauchbaren text herzustellen" und weil dieser Text "an güte alle anderen hss. weit hinter sich l ä ß t " 6 6 . Wenn man sich diese Meinung nach den Ausführungen von Herkommer und Menzel auch nicht mehr zu eigen ma67 chen kann
, so hebt sich doch die Hs. 24 auch nach Ansicht von
62 HERKOMMER (wie Anm. 17) S. 126f.; WEILAND (wie Anm. 13) S. 17f. 63 Zu Hs. 24: WEILAND (wie Anm. 62). In dem Band "Abendländische Bilderhandschriften der Forschungsbibliothek Gotha. Ein kurzes Verzeichnis mit 34 Abbildungen", bearb. von HANS-JOACHIM ROCKAR, Gotha 1970, wird die Entstehungszeit noch genauer auf "1. Hälfte des 13. Jahrhunderts" festgelegt. MENZEL (wie Anm. 14) bemerkt dazu (S. 180, Anm. 781): "In die erste Hälfte des 13. Jh. ... kann die 1248 abbrechende Hs. wegen ihrer Zugehörigkeit zur Rezension Ci, deren Text bis 1260 reicht, nicht gehören". - Zu Hs. 16: Nach WEILAND (wie Anm. 59) "Ausg. 13. jh.". Der Katalog zur Aachener Ausstellung "Karl der Große. Werk und Wirkung", Aachen 1965, Nr. 705, S. 517, setzt die Bremer Hs. in den Anfang des 14. Jahrhunderts. Im Katalog "Die Zeit der Staufer. Geschichte - Kunst - Kultur", Bd. I, hg. von REINER HAUSSHERR, Stuttgart 1977, Nr. 341, S. 245, wird sie dagegen "vor 1281" datiert; vgl. hierzu unten S. 7 54ff. 64 Nach HANS WEGENER, Beschreibendes Verzeichnis der Miniaturen und des Initialschmuckes in den deutschen Handschriften bis 1500 (Beschreibende Verzeichnisse der Miniatur-Handschriften der Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin, 5. Bd.) Leipzig 1928, S. 123, stammt die Handschrift "aus dem ersten Viertel des XIV. Jhs.". Auch im Katalog "Karl der Große" (wie Anm. 63) und im Ausstellungskatalog "Zimelien. Abendländische Handschriften des Mittelalters aus den Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin, Wiesbaden (1976), Nr. 103, S. 148f., wird sie so datiert. Der Katalog "Preußischer Kulturbesitz. Ausstellung in der Städtischen Kunsthalle Düsseldorf" (1967), Nr. 466, S. 121, gibt noch genauer "um 1320" an. WEILAND (wie Anm. 13) S. 12 nannte dagegen als Entstehungszeit "ende des 13. oder anfang des 14. jh." und fügte hinzu (Anm. 3): "die schrift ... gleicht ganz auffallend der der hs. 16, welche vor dem jähre 1281 geschrieben ist. ... Dass dieselbe allerdings auch i. j. 1301 oder 1310 oder 1315 geschrieben sein 'kann', wird kein wirklicher kenner der paläographie leugnen". Nach HERKOMMER (wie Anm. 17) gehört außer den oben genannten Hss. nur noch die Hs. 101 (Universitätsbibliothek Leipzig, Ms. 1314, fol. 45 a.b.) dem 13. Jahrhundert an. Bei dieser Hs. handelt es sich um das Fragment einer lateinischen Übersetzung der SW. Einleitung zur SW (wie Anm. 19) S. 62. r n
MENZEL (wie Anm. 14) spricht sich als "Leittext" einer Ausgabe der SW für die Hs. 10 (Wolfenbüttel) aus (S. 182-186).
752
Roderich Schmidt
Herkommer "allein schon aufgrund ihres Alters und ihrer hervor68
ragenden Ausstattung von den übrigen Handschriften ab"
. Nun
garantiert das Alter, wie Menzel zutreffend bemerkt, keineswegs die "Ursprünglichkeit" eines Textes^. Wichtig bleibt jedoch der Hinweis auf die Ausstattung. Und zu dieser gehören vor allem die Bilder. Für die nähere Beschäftigung mit ihnen sei zunächst das zur Kenntnis genommen, was Ludwig Weiland in seiner Ausgabe der Sächsischen Weltchronik über sie mitgeteilt h a t ^ : Die Hs. 24 ist ebenso wie die Hss. 16 und 17 "mit vielen kleinen bildchen geziert, darunter mehrfach an stellen, an welchen unmöglich mehrere von einander unabhängige maier auf den gedanken kommen konnten, ein bild beizufügen. Die bilder lagen also wol in der absieht des Verfassers, der sie dem einen und anderen
Originalexemplar
zufügen liess" 71 . "Will man auch die mit bildern gezierte hs. 24", 72 so schreibt Weiland an anderer Stelle seiner Einleitung , "nicht für ein solches vom Verfasser noch selbst ausgegebenes exemplar halten, so beweist doch die grosse Übereinstimmung in der Stellung und dem vorwürfe der überwiegend meisten bilder in den so 73 verschiedenen texten 24 und 16, 17, dass wir es hier nicht mit einem zufälligen schmucke einzelner hss. zu thun haben". Bei der Beschreibung der Hs. 16 (Bremen) merkt Weiland nur an: "Den text der unterbrechen zahlreiche roh gemalte bildchen Chronik auf goldgrund" 74 . Ahnlich heißt ziemlich es zu der Hs. 17 (Berlin): "Die bilder in 17 zeigen wie der text eine genaue
Verwandtschaft
mit hs. 16, sie finden sich in beiden hss. fast genau an den75 selben stellen" . Doch dann gibt Weiland noch weitere Auskünfte
CO HERKOMMER (wie Anm. 17) S. 166. 69
71
MENZEL
(wie Anm. 14) S. 156.
Einleitung zur SW (wie Anm. 19) S. 17. WEILAND, Einleitung *ur SW (wie Anm. 19) fährt fort: "Für ein solches im weiteren muss ich aber die hs. 24 halten".
72 Ebd. S. 56. 73 Die Hs. 24 endet mit dem Jahre 1248, die Hs. 16 mit dem Jahr 1260, die Hs. 17 mit dem Jahr 1229. Der Hs. 24 sind noch angefügt: ein Papstkatalog bis Innozenz IV., ein Katalog der römischen Könige und Kaiser, eine Genealogie der Weifen, eine Zeittafel des ersten Jahrhunderts nach Christi Geburt, eine Genealogie der Fürsten von Flandern und eine Zeittafel von der Erschaffung der Welt bis zum Jahre 1229. 74 Einleitung zur SW (wie Anm. 19) S. 12.
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
753
über die Bilder 76 : "nur fünfmal habe ich bemerkt, dass in 17 ein anderer gegenständ dargestellt wäre als in 16; abweichungen in der darstellung dagegen finden sich mehrfach und bedeutende, sechsmal läßt auch 17 ein bild weg. Die kaiser haben in 17 mehrfach goldene schilde mit dem schwarzen, einköpfigen adler" und weiter: "Aus ein und derselben malschule ... dürften sie aber nicht sein, da die bilder in 16 sehr roh, die in 17 sehr zierlich sind". 77 Im übrigen sind die Hss. 16 und 24 sowie das Fragment 161 zwar die einzig erhaltenen Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik, aber es gab darüber hinaus noch weitere. In der Hs. 19 (Hannover, Niedersächsische Landesbibliothek, Ms. XI) 7 8, die zur Rezension C (nach Herkommer C 2 , nach Menzel Cjjj) 79 gehört und aus dem 15. Jahrhundert stammt, findet sich beim Tode Julius 80 Cäsars der Zusatz: "Sequitur iam ymago Julii seu pictura" Dieser Zusatz fehlt in der Dresdener Hs. 18, die nach Weiland und Herkommer eng mit der Hs. 19 zusammenhängt 81 . Doch ist keine
der beiden voneinander abhängig, sie schreiben vielmehr "eine ge82
meinsame vorläge ab" . Und bereits diese Vorlage dürfte Bilder gehabt haben 8 3. Nach Meinung Ballschmiedes sind diese im Zusam84 menhang mit dem von ihm postulierten "Stammbuch" entstanden. Dieses sei, nachdem es in die Hände der Weifen gelangt war, im Jahre 1248 kopiert worden. Vorher aber "wurden noch genaue Anweisungen darüber eingefügt, 8 Swo der Abschreiber Raum für eine Illustration lassen sollte" . Auf diese Kopie führte Ballschmie86
de die Bremer Hs. 16
und die "äußerst sorgfältige, mit prächti-
gen Illustrationen geschmückte Berliner Hs. (17) zurück, die 7 f>
Einleitung zur SW (wie Anm. 19) S. 12. Leider macht WEILAND (wie Anm. 59 und 60) keine näheren Angaben über die Art und die Stellen der Unterschiede zwischen den Hss. 16 und 17.
77 Ebd. S. 12, Anm. 4.
78
79 80
81 pn 83
84 85
Vgl. HERKOMMER (wie Anm. 17) S. 104f.; WEILAND, Einleitung zur SW (wie Anm. 19) S. 13f. HERKOMMER (wie Anm. 17) S. 166-169, 224-228; MENZEL (wie Anm. 14) S. 154. SW (wie Anm. 13) cap. 28, S. 88.
d
Sächsische Landesbibliothek. Ms. J 54 (15. Jh.). Vgl. WEILAND, Einleitung zur SW (wie Anm. 19) S. 12-14 und HERKOMMER (wie Anm. 17) S. 102-104. WEILAND, Einleitung zur SW (wie Anm. 19) S. 14. Ebd. S. 56, Anm. 4. Vgl. oben S. 746. BALLSCHMIEDE
flfi
Ebd. S. 103.
(wie Anm. 20) S. 102.
754
Roderich Schmidt 87
leider unvollendet geblieben ist" . Unmittelbar vom "Stammbuch" sei "dann der prächtige, fast fehlerfreie, mit vielen Bildern gezierte Codex Gothanus hergestellt" worden. "Die Illustrationen befinden sich an der Stelle, wo man für den Schreiber der Copie (Vorlage von 16 u. 17) die Anweisungen dazu eingefügt hatte; sie zeigen fast stets dasselbe Motiv, aber natürlich ganz andere Darstellung" 8 8 . Für die Hs. 19 war nach Ballschmiede wieder das 89 "Stammbuch", das inzwischen fortgesetzt worden sei, der Ausgangspunkt gewesen, indem die Vorlage der Hss. 19 und 18 auf dieses direkt zurückgingen 90 91 Nach Ballschmiedes Textverständnis entstanden die Bilderhandschriften nach 1248 und vor 1281, der von ihm angenommenen Entstehungszeit der B-Hs. 16, wobei nach seiner Ansicht die C-Hs. 24 zeitlich vor die B-Hss. 16 und 17 zu stellen ist, wenn auch die Vorlage derselben früher als die Hs. 2 4 entstanden sein dürfte. Auch Herkommer geht davon aus, daß die Hs. 16 vor 1281 entstanden ist 92 . Da nach seiner Auffassung die Redaktion C vorangeht, wäre die Hs. 24 früher anzusetzen 93 . Seinem Stamm zufolge wurden die Miniaturen im Zusammenhang mit der Prosaisierung der 2 94 Kaiserchronik der von ihm postulierten Fassung *C beigefügt , der er die Hs. 24 zurechnet. Die Prosabearbeitung des "Prosimetrums" (C ) datiert er auf die Zeit um 1260, wenn nicht erst 95 um 1275 . Zwischen diesen Jahren und 1281 wäre die Bebilderung demnach vorgenommen worden. Folgt man Menzel, so könnten die Bilderhandschriften 16 und 17 schon nach 1242, die Bilderhandschrift 24 erst nach 1260 entstanden sein^. Nun wird von Menzel ebenso wie von Ballschmiede und Herkommer die Entstehung der Hs.
87 88
89 90 91
92 93 94 95
96
BALLSCHMIEDE
(wie Anm. 20) S. 102.
Ebd. Vom Jahre 1275 an. BALLSCHMIEDE
(wie Anm. 20) S. 103.
Ebd. S. 102-104. HERKOMMER (wie Anm. 17) S. 96. Ebd. S. 276. Ebd. Ebd. S. 224, Anm. 218. In seinem Aufsatz: Eike von Repgows 'Sachsenspiegel* und die 'Sächsische Weltchronik' (wie Anm. 18) präzisiert HERKOMMER seine "Neudatierung" "auf die Zeit um 1260 oder vielleicht sogar erst um 1275" (S. 22f. m. Anm. 49). MENZEL
(wie Anm. 14) S. 180f.
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
16'vor1281 als feststehend angesehen
755
97 . Träfe dies zu, so wäre ein
fester terminus für die Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik gegeben, der sie übrigens in zeitliche Nähe zu den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels rückte, deren verlorene Ur98 handschrift in die Zeit zwischen 1291/92 und 1295 gesetzt wird Es fragt sich nur, wie sicher der terminus ist. 3. Er gründet sich auf das die H. 16 eröffnete Widmungsgedicht, wonach "der reiche Hamburger Bürger Johann von dem Berge ... diesen Codex Graf Gerhard I. von Holstein (gest. 1281)" 99 schenkte . Ballschmiede, Herkommer und Menzel beziehen sich hierfür auf einen Aufsatz von Johann Martin Lappenberg^^, ohne ihn freilich geprüft zu haben. Dabei trifft schon das von Lappenberg genannte Todesjahr 1281 101 nicht zu. Graf Gerhard I. starb vielmehr am 21. Februar 1290
. Damit rückte zumindest die Bil-
derhandschrift 16 der Sächsischen Weltchronik noch näher an die Urfassung der Sachsenspiegel-Bilderhandschrift heran. Doch der Sachverhalt ist noch problematischer; er betrifft nicht nur das Datum, sondern auch die Personen. Daß es sich bei dem Grafen Gerhard von Holstein, den das Widmungsheft nennt, um Gerhard I. handelt, ist eine reine Annahme Lappenbergs, für die er keine Gründe beibringt. Die Widmung 102 lautet:
97
QO
BALLSCHMIEDE (wie Anm. 20) S. 103; HERKOMMER (wie Anm. 17) S. 96; MENZEL (wie Anm. 14) S. 279. Vgl. hierzu KARL VON AMIRA, Die Genealogie der Bilderhandschriften des Sachsenspiegels (Abhandlungen der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Kl. 1, Bd. 22,2), München 1902, S. 325-385; RUDOLF KÖTZSCHKE, Die Heimat der mitteldeutschen Bilderhandschriften des Sachsenspiegels (Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Phil.-hist. Klasse, Bd. 95, Heft 2) Leipzig 1943; KOSCHORRECK (wie Anm. 9); DERS., Eine Bilderhandschrift des Sachsenspiegels. Über den CPG 164 der Universitäts-Bibliothek Heidelberg (Heidelberger Jahrbücher 15, 1971, S. 57-72); NASS (wie Anm. 9).
99
HERKOMMER (wie Anm. 17) S. 96.
100
j. M. LAPPENBERG, Von der Chronik des Grafen Gerhard von Holstein und der Repgowschen, so wie der sogenannten Lüneburger Chronik (Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, 6. Bd., 1831, S. 373389) hier S. 376.
101
Vgl. WILHELM KOPPE (Neue Deutsche Biographie 6, 1964, S. 265f.).
102
LAPPENBERG (wie Anm. lOO) S. 376; abgedruckt auch bei WEILAND (wie Anm. 13) S. 11 und bei ALWIN LONKE, Niederdeutsche Handschriften der Stadtbibliothek zu Bremen (Bremisches Jahrbuch 16, 1892, S. 181f.).
756
Roderich Schmidt "Diz bovch ist eynes heren. Vool wisheit ztucht und eren. Der ist greue gert van holtseten gena(n)t. Daz heft im eyn syn burghere ghesant. De het iohan van dem berghe".
Als Empfänger der Handschrift sind also auch andere Holsteiner Grafen aus dem Hause der Schauenburger mit Namen Gert oder Gerhard
in Erwägung zu ziehen, nämlich ein Sohn Gerhards I., Ger-
hard II. der Blinde (+ 1312), und ein Enkel, genannt "der Große" (+ 1340). Beide spielten in der Geschichte des Landes eine Rolle, besonders Gerhard III. Man könnte die Entstehungszeit der Bremer Handschrift 16 vielleicht genauer festlegen, wenn sich Bestimmteres über den Schenker Johann von dem Berge ausmachen ließe. Das ist leider nicht so ohne weiteres möglich. Der Name Johann vom Berge oder de Monte taucht in Urkunden und anderen Quellenzeugnissen des 13. und 14. Jahrhunderts vielfach auf, als Bürger zu Hamburg, als Ratsherr und als Bürgermeister dieser Stadt. Ein Johannes de Monte, Sohn des Ecbert, begegnet zuerst in einer Urkunde vom 15.7.1251^°^. Die Erwähnung in den Urkunden
reicht bis zum
Jahr 1336, wo Graf Johann III. von Holstein am 22.2. der Witwe des Hamburger Bürgers Johannes de Monte iunior und ihren Söhnen eine Schenkungsurkunde erteilt
Es handelt sich bei der Fami-
lie vom Berge oder de Monte um eine der angesehensten Hamburger Bürgerfamilien jener Zeit, in der der Name Johannes überaus häufig vorkam. Im Hamburger Schuldbuch von 1288 begegnen nach der Zuordnung des Bearbeiters Erich von Lehe sieben Träger des 107 Namens Johannes in der Familie vom Berge oder de Monte . E. von Lehe bemerkt dazu: "Eine genaue Zuweisung der Eintragungen der Über ihn vgl. WILHELM KOPPE (Neue Deutsche Biographie 6, 1964, S. 266268). Vgl. auch OTTO BRANDT, Geschichte Schleswig-Holsteins, 5. Aufl. neu bearb. von WILHELM KLÜVER, Kiel 1957, S. 84-87, m. Stammtafel. 104
Hamburgisches Urkundenbuch, hg. von JOHANN MARTIN LAPPENBERG, 1. Bd., Hamburg 1907, Nr. 561, S. 469f.
105
Vgl. die Register zu: Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten und Urkunden, bearb. und hg. von P. HASSE, 2. Bd. (1250-1300), Hamburg und Leipzig 1888, 3. Bd. (1301-1340), ebd. 1896.
106
Ebd., Bd. 3, Nr. 921, S. 526f.
107
Das Hamburgische Schuldbuch von 1288, bearb. von ERICH VON LEHE (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, Bd. IV) Hamburg 1956, S. 230.
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
757
verschiedenen Joh. de Monte ist nicht möglich; auch bleibt der 108 genealogische Zusammenhang vielfach noch unklar" . Er unterscheidet immerhin einen Johannes senior (Nr. 7) von einem Johannes iunior, seinem Sohn, später auch als senior bezeichnet (Nr. 8), als dessen Todesjahr er 1328 angibt, und 109 einen Sohn desselben, ebenfalls mit Namen Johannes (Nr. 9) . I m ältesten Erbe110 buch der Stadt erscheinen im Jahr 1265 der schon erwähnte, bereits 1251 bezeugte (s.o.) Johannes, Sohn des Ecbert, und im Jahre 1269 ein dominus Johannes de Monte. Zieht man die Urkunden weiter zum Vergleich heran, so kommt der Ecbert-Sohn Johannes auch als Zeuge vor, im Jahre 1254 einmal, im Jahre 1255 zweimal^ ^ . Im Jahre 1256 wird er letztmalig g e n a n n t ^ V o n 1266 an ist meist nur von Johannes Berge oder de Monte, ohne erläuternden Zusatz, die Rede 113vom . Aller Wahrscheinlichkeit nach han114 delt es sich um jenen Johannes, den E. von Lehe mit der Nr. 8 versah, der zu Lebzeiten seines Vaters, des Ecbert-Sohnes (Nr. 7), auch als iunior und nach dessen Tode - wohl zwischen 1256 und 1266 - nun auch als senior bezeichnet wurde (+ 1328). Im Jahre 1284 115 taucht dann ein gleichnamiger Sohn desselben auf (bei von Lehe Nr. 9), der 1294 116 , 1303 117 und dann wieder 1323 und 1324 118 den Zusatz iunior führt. Er dürfte mit dem oben erwähnten Johannes iunior identisch sein, für dessen Witwe Graf Johann III. von Holstein 1336 eine Urkunde ausstellte 119 1 QO 109
VON LEHE (wie Anm. 107) S. 230 Fußnote. Wie Anm. 107.
110
Hier zitiert nach HEINRICH REINCKE, Forschungen und Skizzen zur Hamburgischen Geschichte (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Hansestadt Hamburg, Bd. III) Hamburg 1951, S. 33, Anm. 89.
111
Hamburgisches Urkundenbuch (wie Anm. 104) Nr. 583 (S. 482f.), Nr. 594 (S. 489-491), Nr. 598 (S. 493-495).
112
Ebd. Nr. 610 (S. 503).
113 114
116
Wie Anm. 105. Wie Anm. 107. Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten und Urkunden (wie Anm. 105) 2. Bd., Nr. 659 (S. 262f.); Hamburgisches Urkundenbuch (wie Anm. 104) Nr. 812 (S. 663f.). Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten und Urkunden (wie Anm. 105) 2. Bd., Nr. 846 (S. 350f.); Hamburgisches Urkundenbuch (wie Anm. 104) Nr. 883 (S. 737-739).
117 Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten und Urkunden (wie Anm. 105) 3. Bd., Nr. 57 (S. 31). 1 1 Ebd. fi Nr. 511 (S. 285f.), Nr. 521 (S. 291f.), Nr. 543 (S. 303f.). 119 Wie Anm. 106.
758
Roderich Schmidt Einer von ihnen - Johannes filius Ecberti (+ zw. 1256 u. 1 266) ,
Johannes senior (+ 1328) und Johannes iunior (+ nach 1324 u. vor 1336) - dürfte jener Mann gewesen sein, der die jetzt in Bremen befindliche Bilderhandschrift einem Grafen Gerhard von Holstein geschenkt hat. Setzt man die Angaben über die Johannes vom Berge
1 20
(Großvater, Vater, Sohn)
zu den Schauenburger Grafen mit Na-
men Gerhard in Beziehung, so kommen alle drei der genannten Gerharde (+ 1290, 1312 und 1340) in Betracht. Beziehungen zwischen den Schauenburgern und der Familie vom Berge in Hamburg gab es auch in räumlicher Hinsicht. Als das Kirchspiel St. Jakobi östlich der Hamburger Altstadt in die Befestigung einbezogen wurde - die Kirche wird 1254 erstmalig erwähnt - erwirbt auch die Familie vom Berge hier Grundstücke zur Anlage 121 eines Hofes, gelegen in der Nähe des Schauenburgischen Hofes
. So ist nun zu
fragen, ob die Urkunden noch Hinweise zu bieten vermögen, zwischen welchen Grafen Gerhard und welchen Johannes vom Berge engere Verbindungen bestanden haben. Johannes, der Sohn Ecberts, war 1254 in einer Hamburger Urkunde (vom 26.3.) Grafen Jo1 22 .der hann I. und Gerhard I. als Zeuge aufgetreten Im Jahre 1256 verkaufen die beiden Grafen "domino Johanni dicto Ecberti, civi 123 Hammaburgenis" die Mühle zu Schiffbek . Es ist dies die letzte Erwähnung des ältesten Johannes. Sein Sohn ist Zeuge in einer 1 24 Urkunde Gerhards I. vom 22.7.1266 und in einer anderen vom 5.2.1281, die Gerhard I. gemeinsam mit seinem Sohn Gerhard II. 125 ausstellte , am 2.5.1283 bestätigt Graf Gerhard I. den Verkauf von Besitzungen in Fuhlsbüttel durch Johannes de Berge, civis 126 in Hamborg, an das Kloster Reinfeld . Am 22.6.1284 verkauft Abt Hermann von Reinfeld den Söhnen (Johannes und Heinrich) des dominus Johannes dictus de Berghe Güter des Klosters in Fuhlsbüttel, nach dem Graf Gerhard I. für 127 seine Zustimmung mit sechs Hufen in Langenhorn abgefunden ist . Noch zweimal kommt "Herr 120 121 122
Bei VON LEHE (wie Anm. 107) Nr. 7, 8 u. 9. Vgl. REINCKE
(wie Anm. 110) S. 52f.
Hamburgisches Urkundenbuch Anm. 111.
(wie Anm. 104) Nr. 583
(S. 482f.); vgl. o.
123 Wie Anm. 112. 124 Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten und Urkunden 2. Bd., Nr. 326 (S. 138f.). 125 Ebd. Nr. 590 (S. 233f.). 126
127
Ebd. Nr. 639 (S. 253f.). . Wie Anm. 115.
(wie Anm. 105)
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
759
Johann von deme Berghe" bzw. "Johannes de Monte" als Zeuge vor, am 14.4.1314 bei der Landesteilung 1 2 8 zwischen den Grafen Adolf VI. und Gerhard II. (Söhnen des 1290 verstorbenen Gerhard I.) und am 16.2.1326 in einer in Hamburg beurkundeten Schenkung Graf 129 Gerhards III. . Da in den beiden letztgenannten Urkunden der Zusatz iunior fehlt, darf angenommen werden, daß es sich auch hier um jenen Johannes vom Berge handelt, der nach von Lehe 1328 1 30 verstorben ist überblickt man die angeführten Zeugnisse im ganzen, so haben die engsten Beziehungen offenbar zwischen diesem Johannes vom Berge wie auch zwischen seinem Vater (dem Ecbert-Sohn) und dem Grafen Gerhard I. von Holstein bestanden. Sie reichen von den fünfziger Jahren des 13. Jahrhunderts bis in die achtziger. Mit den Grafen Gerhard II. und Gerhard III. sind die Verbindungen - den Urkunden zufolge - lockerer gewesen. Nimmt man hinzu, daß die Hs. 16 nicht wie die übrigen Rezensionen B mit dem Jahre 1235 endet, sondern bis 1260 weitergeführt ist, so spricht vieles dafür, sie eher mit Graf Gerhard I. von Holstein in Verbindung zu bringen als mit seinem Sohn oder mit seinem Enkel gleichen Namens 131 . Sie wäre demnach vor 1290 entstanden. 4. Dieser Ansatz rechtfertigt es, bei einer Behandlung der Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik auch die des Sachsenspiegels mit einzubeziehen, wie auch umgekehrt - unabhängig von der Verfasserfrage - jene für diese zu berücksichtigen. Nun sind die Bilderhandschriften des Sachsenspiegels - sieht man von der in Fragmenten erhaltenen Bilderhandschrift des 'Willehalm ' Wolframs von Eschenbach ab, die Karl von Amira zum Vergleich herangezogen hat 1 32 - lange isoliert behandelt worden. 128
Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten und Urkunden 3. Bd., Nr. 293 (S. 151f.).
(wie Anm. 105)
129
Ebd. Nr. 580 (S. 326f.).
130
Bei VON LEHE (wie Anm. 107) als Nr. 8 bezeichnet.
131
Für diesen, Graf Gerhard III., entschied sich H. A. MÜLLER, Die Bilderhandschriften des Mittelalters in den Bibliotheken der Stadt und der Hauptschule zu Bremen (Intelligenz-Blatt zum 'Serapeum', Nr. 21. 1866, V, S. 164-166) hier S. 165, mit der Begründlang: "weil die Schriftzüge des ganzen Buches unbedingt ins XIV. Jahrhundert weisen, während der Stil der Malereien und das Costüm der dargestellten Personen wohl eben so gut den letzten Decennien des XIII., als den ersten des XIV. Jahrhunderts angehören kann".
132
Die Bruchstücke der großen Bilderhandschrift von Wolframs Willehalm. Farbiges Faksimile in 20 Tafeln nebst Einleitung, hg. von KARL VON AMIRA, München 1921.
Roderich Schmidt
760
Erst auf dem Wolfenbütteler Colloquium 1984 wurden sie zu anderen Bildzeugnissen rechtlicher Art, zur christlichen Ikonographie (Biblia pauperum) und zur Illustrationstechnik mittelhochdeutscher 1 33 Epik in Beziehung gesetzt . Für die Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik wäre Entsprechendes zu leisten. Dabei ist von den Handschriften selbst auszugehen, die zunächst unter dem Aspekt "Bild" genauer zu untersuchen wären. Bisher liegen nur verstreute Angaben über die Bilder vor, und es gibt, ebenfalls verstreut, nur wenige Abbildungen. In einem knapp bemessenen Festschriftenbeitrag ist eine eingehende Behandlung der Bilderhandschriften nicht zu leisten. Es soll lediglich das über sie Bekannte zusammengestellt werden, damit es für das Verhältnis von "BildText-Interpretation" , wie es für den Sachsenspiegel dank der Initiative und der Untersuchungen der Jubilarin in Gang gekommen ist, ausgewertet werden kann. In dem Artikel "Bilderhandschriften" des Handwörterbuches zur 1 34 deutschen Rechtsgeschichte weist A. H. Benna der Buchmalerei bzw. der Buchillustration eine "Doppelfunktion" zu: Die Bilder "sollten schmücken, aber auch den Text erläutern". Die Skala der Bilder in den illuminerten Handschriften reicht "von der einfachen Initiale, Arabeske und Randleiste bis zu figuralem Schmuck und hier wieder von der einfachen Wappendarstellung und dem Herrscherbild bis zu bilderbuchartiger Illustration von Rechtstexten". Die Bilderhandschriften des Sachsenspiegels zeichnen sich durch besondere "Reichhaltigkeit und Vollständigkeit" aus, indem sie "den gesamten Textbestand des Rechtsbuches begleiten und erläutern" . Gilt dies auch für die Bilder zur Sächsischen Weltchronik? Wie ist es in ihren, dem Sachsenspiegel vergleichbaren Handschriften um "Reichhaltigkeit" und "Vollständigkeit", wie um die Durchgängigkeit der Bildfolge bestellt? Zunächst einige Angaben und Zahlen: Von den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels sind die Dresdener und Wolfenbütteler die vollständigsten und umfangreichsten. Sie weisen 924 bzw. 778 Bild135 streifen auf . Die Oldenburger Handschrift, die das Landrecht nur bis Buch III, Art. 81 § 1 illustriert (das Lehnrecht ist nicht bebildert), enthält 578 Bildstreifen, die Heidelberger nur 310 1 3 6 , 133
Vgl. die Beiträge in dem Sammelband "Text-Bild-Interpretation" IO).
(wie Anm.
134 BENNA (wie Anm. 6). 135
Ebd. Sp. 423. KLAUS NASS (wie Anm. 9) gibt für die Wolfenbütteler Bilderhandschrift 776 Bildstreifen an (S. 233) .
136
BENNA (wie Anm. 6) Sp. 423.
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
761
da das in ihr voranstehende Lehnrecht nur bis Artikel 24 § 2 reicht und das Landrecht erst mit Buch XX, Artikel 19 § 2 ein— 1 37 setzt und sich dann von Artikel 4'8 § 12 an fortsetzt Von den Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik die Gothaer
ist
(Nr. 24) die umfangreichste. Sie besteht aus 166 Per-
gamentblättern im Folioformat
(31
: 22,5 cm) mit je 31138Zeilen. . Die
Ausgestattet ist sie mit 499 Miniaturen auf Goldgrund Berliner Handschrift mat 22,9
(Nr. 17) umfaßt 124 Pergamentblätter im For-
: 22 cm. Sie ist zweispaltig in je 24 Zeilen beschrie-
ben. Der Schriftspiegel beträgt 21
: 15 cm. Sie ist 1mit 39 "etwa" 400 Miniaturen, ebenfalls auf Goldgrund, geschmückt . Die Bremer Handschrift (Nr. 16) mit 102 Pergamentblättern weist das Format von 32 : 24 cm auf. Auch sie ist zweispaltig geschrieben mit 1 40 je 29 Zeilen
. Die Zahl ihrer Bilder weicht in den Handschrif-
tenbeschreibungen voneinander ab. Während meist nur von
"zahl-
reichen" bzw. "Miniaturen auf der Goldgrund" ohne Zahlenangabe "Bildchen" die Rede ist 141 von , gibt der Katalog Stauferausstel1 42 lung von 1977 "109 mehrfarbige Illustrationen im Text" an 143 heißt es dagegen, In einer Beschreibung aus dem Jahre 186 6 die Handschrift sei "durch 147 farbige Bilder noch grössere Menge von kleinen Porträtköpfen 137 138
139
140
141
... und durch eine 144 geschmückt"
Vgl. die Ausgabe von WALTER KOSCHORRECK (wie Anm. 9). Vgl. die Angaben bei WEILAND (wie Anm. 13) S. 17; HERKOMMER (wie Anm. 17) S. 126; ROCKAR (wie Anm. 63) S. 23; Stauferkatalog (wie Anm. 63) S. 244, Nr. 340. Vgl. die Angaben bei WEILAND (wie Anm. 13) S. 12; WEGENER (wie Anm. 64) S. 123, HERKOMMER (wie Anm. 17) S. 100; bei D. J. A. ROSS, Illustrated Medieval Alexander-Books in Germany and the Netherlands. A Study in Comperative Iconography (Publications of the Modern Humanities Research Association, vol. 3) Cambridge 1971, S. 153, sowie im Katalog "Karl der Große" (wie Anm. 63) S. 517, Nr. 706. Abweichende Angaben finden sich im Katalog "Zimelien" (wie Anm. 64) S. 148, Nr. 103 (Format: 29,5 : 21,5 cm) und im Düsseldorfer Ausstellungskatalog (wie Anm. 64) S. 121, Nr. 466 (Format 28,9 : 21,8 cm). Hinzu kommen noch zwei Vorsatzblätter. Vgl. die Angaben bei WEILAND (wie Anm. 13) S. 11. Im Katalog "Miniaturen und Handschriften des Mittelalters. Schätze der Stadt Bremen in der Universitätsbibliothek" (Hefte des FockeMuseums 42) Bremen 1975, Nr. 36, S. 40-42, ist als Format angegeben: 31,7 : 22,7 cm.
So WEILAND (wie Anm. 13) S. 12; HERKOMMER (wie Anm. 17) S. 96; Katalog "Karl der Große" (wie Anm. 139) sowie LAPPENBERG (wie Anm. 100) S. 374 und L0NKE (wie Anm. 102) S. 181f. 142 MÜLLER Stauferkatalog Anm. 143 (wie Anm.(wie 131) S. 63) 164.S. 245, Nr. 341. 144 Das Handschriftenfragment Nr. 161 (s.o. S. 750f.m. Anm. 61) kann hier übergangen werden, da die Beschreibung von FRANZ PFEIFFER (Germania. Vierteljahrsschrift für deutsche Alterthumskunde, 11. Jg., Wien 1866, S. 79-81) lediglich die Angabe enthält: "mit zahlreichen größeirn und kleinern Bildern auf Goldgrund" (S. 79) .
762
Roderich Schmidt Anders als bei den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, die
sich in ihrem Nebeneinander von Text und Bildfolge gleichen, dergestalt, daß die Bilder "den gesamten Textbestand des Rechtsbu1 45 ches begleiten und erläutern" , ist die Bildgestaltung in den Handschriften der Sächsischen Weltchronik unterschiedlich. Was sich hierzu verstreut in der Literatur findet, sei ebenfalls kurz zusammengestellt: a) die Handschrift Nr. 16 - Bremen. Nach Lappenberg handelt es sich bei den Miniaturen um "Köpfe und größere Bildchen, mit welchen jede Seite der Handschrift oft drei- und vierfach geschmückt ist" 146 . Auch Lonke erwähnt die Miniaturen, "entweder Köpfe oder kleine Scenen darstellend, unter denen die von Schlach147 ten und Hinrichtungen besonders häufig erscheinen" . Im Aus1 48 stellungskatalog "Karl der Große" wird mitgeteilt, es finde sich "am Beginn eines neuen Kapitels beim Herrscherwechsel häufig eine kleine, fast quadratische Miniatur mit dem Haupt des betreffenden Herrschers". "Vor goldenem Hintergrund erscheinen die handelnden Figuren in geschickt schematisierter dunkler Konturund Binnenzeichnung. Sie sind meist groß in das Miniaturfeld gesetzt, dessen einfache Rahmung sie häufig leicht überschneiden". Weitere Einzelheiten sind in der Beschreibung von H.A. Müller 149 angegeben : Die Komposition der Bilder "ist noch höchst einfach, die Haltung der Körper noch vielfach eckig und geschroben, namentlich in dem Ausdruck einer gewissen Feierlichkeit und Würde. Der Farbenauftrag ist breit und kräftig, die Umrisse der Körper und die Hauptangabe der Schatten schwarz. Die Haare der Personen sind meistens dick und wollig und von hellbrauner Farbe; doch kommen besonders in den Portraitköpfen auch röthliche und blaue Haare vor. Die Bekleidung der Figuren ist meistens die der damaligen Zeit, die Krieger erscheinen im Panzerhemd, oft auch mit Waffenrock, gewöhnlich mit topfartigem selten mit zugespitztem Helm und meistens mit dreieckigem Schilde". Der Illuminator hat "sich mit einer gewissen Vorliebe an die effectvollen Scenen, an Mordthaten und Schlachten, an Einkerkerungen, Verbrennungen oder auch an Naturwunder gehalten ..., weshalb auch die Zahl der 145 146 1 47
148 149
BENNA (wie Anm. 6). LAPPENBERG
(wie Anm. lOO) S. 374.
LONKE (wie Anm. 102) S. 181. Wie Anm. 139. MÜLLER (wie Anm. 131) S. 165.
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
763
Bilder bei den gewaltsamen Todesarten der späteren römischen Kaiser verhältnismäßig gross ist, während sie dagegen nach dem Tode Karls des Grossen mehr abnimmt". b) Die Handschrift Nr. 17 - Berlin. Sie ist am ausführlichsten von Hans Wegener beschrieben^^. Die Illustrationen befinden sich "in runden oder rechteckigen Rahmen von 3 - 5 cm Seitenlänge bzw. 3 cm Durchmesser zwischen dem Text". "Die Figuren auf dem unteren Rahmenstück oder auf einem schmalen Bodenstreifen, neben - oder in dichten Gruppen hintereinander geordnet. Die Zahl der Figuren ist gering; die Größenverhältnisse untereinander sind nicht berücksichtigt. Rückwärtstehenden fehlt der Unterkörper". "Einfarbiger, selten zweifarbiger profilierter Rahmen, der häufig von Figurenteilen überschnitten wird. Die Figuren sind schlank und lebhaft bewegt. Köpfe häufig etwas zu groß, meist mit hellblondem Haar. Deutliche Individualisierungs- und Charakterisierungsversuche. Die Affektdarstellung in Mienen und Gebärden ist gemäßigt. Blutige, realistisch gezeichnete Wunden. Die Figuren tragen die Tracht vom Anfang des XIV. Jahrhunderts, mit weichem, fließenden Faltenwurf. Die Architektur ist flüchtig gezeichnet, nur selten ist der (perspektivisch unzulängliche) Versuch räumlicher Darstellung gemacht. Die Bäume sind stilisiert, die Laubkronen rund und birnenförmig aus einzelnen Blättern zusammengesetzt. Die ganze Darstellung ist sehr frisch und lebendig" Besonders gut gelungen sind dem Illustrator "Einzelheiten aus der ritterlich-höfischen Sphäre"; es überwiegen jedoch "Illustra1 52 tionen von Kampfhandlungen und Bluttaten" 1 53 Obwohl die Handschrift sich stilistisch nach Wegener "schwer einordnen läßt", zumal es "wenig sicher lokalisiertes Vergleichsmaterial gibt", bezeichnet er die Illustrationen als "rheinischen Arbeiten nahe verwandt". Er hielt es deshalb für "nicht unwahrscheinlich, daß ein rheinischer Zeichner die ... Handschrift illustriert hat". Eine andere Zuweisung findet sich in den neueren Ausstellungskatalogen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. In dem Katalog der Düsseldorfer Ausstellung heißt es: "Viele der an 400 Illustrationen ... sind abhängig von dem etwas früheren Exemplar in Bremen, das für Graf Gerhard von 150
WEGENER
151
Ebd. S. 125.
152
(wie Anm. 64) S. 123.
Katalog "Zimelien"
(wie Anm. 64) S. 149, Nr. 103.
WEGENER (wie Anm. 64) S. 125. Ihm folgen ROSS (wie Anm. 139) und der Katalog "Karl der Große" (wie Anm. 139).
764
Roderich Schmidt
Holstein bestimmt war. So weist auch der Stil der bewegten, meist drastischen Bildkompositionen auf Norddeutschland, wahr1 54 scheinlich in den Lüneburger oder Lübecker Kunstkreis" . Die Beziehung der Illustrationen der Berliner Handschrift (Nr. 17) zu der Bremer (Nr. 16) hatte schon Weiland bemerkt; allerdings hatte er auch auf die unterschiedliche Ausführung der Bilder hin155 gewiesen c) Die Handschrift Nr. 24 - Gotha. Über die Bilder dieser Handschrift hatte nur Weiland einige Bemerkungen gemacht^**. Es existieren jedoch zwei farbige Abbildungen, die uns eine Vorstellung von der Art der Bildgestaltung vermitteln. Die erste ist in dem Verzeichnis der Gothaer Bilderhandschriften von Hans1 57 Joachim Rockar als Abbildung 6 enthalten . Es handelt sich um Blatt 10 v der Handschrift; illustriert ist die Schöpfungsgeschichte vom dritten Tage bis zur Ermordung Abels durch seinen 1 58 Bruder Kain (s. Abb. 4). Die zweite findet sich in einem Bande "Der Schwanritter. Deutsche Verserzählungen des 13. und 14. 1 59 Jahrhunderts" (ohne Bezug auf die dort abgedruckten Erzählungen) . Das hier abgebildete Blatt 31 v illustriert die Geschichte von Tarquinius, Collatinus und seiner Frau Lucretia^®^ (s. Abb. 3). Den handelnden Personen sind in der Darstellung ihre Namen beigefügt. Weiland hat darauf aufmerksam gemacht, daß der Illustrator der Frau des Tarquinius, "wol aus eigener eingebung", den Namen "Geile" und "Geyle" beigegeben hat, der in der Chronik fehlt 5. Vergleicht man die beiden Abbildungen aus der Gothaer Handschrift mit solchen aus der Bremer und der Berliner Handschrift, so tritt der Unterschied der Bildgestaltung in den Handschriften der Sächsischen Weltchronik deutlich zutage. 154
Düsseldorfer Ausstellungskatalog (wie Anm. 139); vgl. auch Katalog "Zimelien" (wie Anm. 152) sowie HERKOMMER (wie Anm. 17) S. lOO.
155
WEILAND (wie Anm. 13) S. 12, s.o. S. 752f.
156
Siehe o. S. 752.
157 158
Wie Anm. 63. SW (wie Anm. 13) S. 67, Z. 14 - S. 68, Z. 6.
1 59
160 151
"Der Schwanritter". Deutsche Verserzählungen des 13. und 14. Jahrhunderts, hg. und aus dem Mittelhochdeutschen übertragen von HANS JOACHIM GERNENTZ, 2. Aufl., Berlin 1979, gegenüber S. 192. SW (wie Anm. 13) S. 97, Z. 33 - S. 98, Z. 13. Ebd. S. 98, Anm. 1.
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
765
Von der Hs. 16 (Bremen) ist fol. 3 4 im Katalog der Stauferaus162 Stellung abgebildet . In der linken Textspalte sind in einem quadratischen bzw. rechteckigen Rahmen dargestellt: Kaiser Carus 163 am Tigris und die Ermordung seines Sohnes Numerian . In der rechten Textspalte befindet sich in einem noch kleineren Rechteck der Kopf des Kaisers Diokletian (s. Abb. 1). Eine weitere Abbildung ist in einem Bremer Ausstellungskatalog enthalten: eine £ farbige Wiedergabe des Bildes (fol. 34 ) über die Vernichtung der 164
Stedinger im Jahre 1234
.
Aus der Hs. 17 (Berlin) sind etliche "Bildausschnitte, nämlich die Bildkästchen, ohne den Text in dem Handschriftenverzeichnis von Hans Wegener und in dem Werk von D.J.A. Ross über die Alexanderdarstellungen in mittelalterlichen Handschriften abgedruckt. Es sind dies bei Ross
das Bild Kaiser Alexanders d. Gr. im
Medaillon^**, die Einschließung der zehn jüdischen Stämme durch 167 168 den Kaiser , die Vergiftung Alexanders und Alexander auf 7 1 dem Totenbett Von Wegener^ *" sind in Originalgröße wiederge171 geben: Christi Geburt , die Auffindung des Kreuzes durch die Kaiserin Helena 1 72, der Tod des Kaisers Marcianus und die Auf173 findung des Hauptes Johannes des Täufers sowie die "Schulszene" 174 , die sich auf den Werdegang Hildebrands, des späteren 175 Papstes Gregor VII. bezieht" . Diese bietet "einen realistischen Ausschnitt aus dem Betrieb einer Kloster- oder Palastschule; 162
Katalog "Die Zeit der Staufer. Geschichte - Kunst - Kultur", Bd. II: Abbildungen. Hg. von CHRISTIAN VÄTERLEIN, Stuttgart 1977, Abb. 167 (zu Kat. Nr. 341 in Bd. I).
163 SW (wie Anm. 13) S. 112f., cap. 72 u. 73. 164 Bremer Ausstellungskatalog (wie Anm. 140) S. 41 (zu Nr. 36); SW (wie Anm. 13) cap. 378, S. 250. j/TC ROSS (wie Anm. 139) Fig. 273-276. 166
Hs. 17, fol. 15 r , col. 2.
167
Hs. 17, fol. 15 V , col. 2. „w Ebd.
168
169 170
T
Hs. 17, fol. 16 , col. 1. WEGENER
(wie Anm. 64) S. 124f., Abb. 104-107. v Hs. 17, fol. 26 ; SW (wie Anm. 13) cap. 31, S. 89. 172 r Hs. 17, fol. 46 ; SW (wie Anm. 13) cap. 85, S. 122f. Siehe dazu u. S. 776 m. Anm. 241. 171
Hs. 17, fol. 53 V (nicht Marianus, so WEGENER [wie Anm. 64], sondern Marcianus); SW (wie Anm. 13) cap. 107, S. 133. 174 v Hs. 17, fol. 89 ; SW (wie Anm. 13) cap. 171, S. 172. 175 Katalog "Zimelien" (wie Anm. 64) S. 149.
766
Roderich Schmidt
der Lehrer, ein Kleriker, schwingt die Rute, um einen Schüler zu strafen, der seinen bereits entblößten Rücken noch zu schützen t r a c h t e t " D i e s e s Bild ist mit dem ganzen Blatt 89 v , auf welchem es sich befindet, im Ausstellungskatalog "Zimelien" farbig 177 abgebildet (s. Abb. 2). Die zweite Miniatur, die in diesem Katalog zu sehen ist, "stellt einen Traum Kaiser Heinrichs III. dar, in dem sein Sohn, der zukünftige Kaiser Heinrich IV., vom Schüler Hildebrand, der zur Ausbildung am Hofe weilt, auf die Hörner genommen und in den Staub geworfen wird" 178 . Eine ganze Seite, und zwar fol. 113V ist wiedergegeben in dem Abbildungs179 band "Die Schrift" von Hermann Degering . Auf ihr ist der Tod Barbarossas in den Fluten des Saleph zu sehen
1 80
Aus diesem Abbildungsmaterial läßt sich mit allem Vorbehalt etwas zu der Frage aussagen, wie es mit der "Reichhaltigkeit und Vollständigkeit" der Bilder in den Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik im Vergleich mit denen des Sachsenspiegels steht: Auf 14 Zeilen gedruckten Text über Alexander den 181 Großen kommen in der Hs. 17 (Berlin) der Sächsischen Weltchronik wenigstens vier Bilder, die sich auf drei Kolumnen verteilen. Blatt 34 der Hs. 16 (Bremen) mit der Geschichte des 182 Kaisers Carus und seines Sohnes und den Anfängen Diokletians ergeben 16 Zeilen Textdruck; dieses Blatt ist mit drei Bildern (auf zwei Kolumnen verteilt) geschmückt. Blatt 89 v der Hs. 17, das die Erzählung von Hildebrand (Papst 183 Gregor VII.) und deir. Traum Kaiser Heinrichs III. enthält , was im Druck 13 Zeilen ausmacht, hat zwei Bilder, in jeder Kolumne eines. Blatt 113V dieser Handschrift bringt1 84 zu dem Schlußteil des Berichts über den Kreuzzug Barbarossas - 15 Druckzeilen - nur ein einziges Bild. Der Text ist in den beiden Hss. 16 und 17 also durchgängig 176
Katalog "Zimelien"
177
Ebd. Abb. 103, S. 173.
178 179
(wie Anm. 64) S. 149.
Ebd. S. 149, Abb. 103 auf S. 173. HERMANN DEGERING, Die Schrift. Atlas der Schriftformen des Abendlandes vom Altertum bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, Berlin (1929), Taf. 84 (fol. 113V); sw (wie Anm. 13) cap. 334, S. 233.
1RO SW (wie Anm. 13) cap. 334, S. 233.
181
SW (wie Anm. 13) cap. 13, S. 77f. 182 .. . „ ,,, Siehe Anm. 163. 183 Siehe Anm. 174 u. 178. 184 SW (wie Anm. 13) cap. 334, S. 233.
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
767
mit Bildern versehen. Man gewinnt aber den Eindruck, als würden es, je mehr sich die Darstellung der Gegenwart nähert, weniger. Vor allem aber: Die Bilder sind in den Text eingestreut und illustrieren ihn insofern. Sie begleiten ihn jedoch nicht als eine parallele Bildfolge, wie dies in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels der Fall ist. Mit ihnen ist in dieser Hinsicht jedoch die Hs. 24 (Gotha) der Sächsischen Weltchronik zu vergleichen. In ihr begleiten die Bilder den Text laufend. In den Sachsenspiegelhandschriften stehen 185 meist fünf Bilder untereinander auf jeder Seite , in der Gotha186 er Chronikhandschrift sind es sieben . Ein bemerkenswerter Unterschied ist dieser: Während in den Sachsenspiegel-Handschriften die Bilder vom Text sauber abgesetzt und durch einen vertikalen Strich getrennt sind, so daß "der Text 1gleichsam 'wörtlich' im 87 danebenstehenden Bild wiederholt" wird , ist dies in der Gothaer Handschrift der Sächsischen Weltchronik nicht der Fall. Text und Bild verlaufen ineinander; die Bilder schieben sich in den Text bzw. dieser paßt sich den Bildern an. Eine Übereinstimmung mit den Sachsenspiegel-Handschriften besteht dagegen, wenn auf Blatt 10 v der Gothaer Handschrift mit 1 den 88 Darstellungen zur Schöpfungsgeschichte und zu Kain und Abel ein Bild - in diesem Falle das achte - am unteren Rand des Blattes unter den Textteil gerückt ist, wie es bei, jenen häufig vorkommt. Das achte Bild auf fol. 10 v stellt den Mord Kains an Abel dar (s. Abb. 4). Dieser wird mit einem Knüppel oder einer Keule erschlagen. Das Bild hat eine bemerkenswerte Entsprechung im Sachsenspiegel, und zwar in der Wolfenbütteler Handschrift (fol. 34 , 1) 1 89. Nur handelt es sich hier nicht um die Ermordung Abels; es ist vielmehr eine Darstellung zu Sachsenspiegel Landrecht II 34 § 1 "Wer den Knecht eines Mannes schlägt, fängt oder be1 90 raubt" . Der Knecht liegt halb auf dem Boden, und der Täter schlägt auf ihn mit einem Knüppel ein, wie Kain auf Abel (s.Abb. 6).
186 187 188
In der Oldenburger Hs. gelegentlich auch weniger. Jedenfalls auf den beiden abgebildeten Seiten. OTT, Uberlieferung, Ikonographie - Anspruchsniveau Gebrauchssituation (wie Anm. 11) S. 379. Abgedruckt in dem Verzeichnis Gothaer Bilderhandschriften von J. ROCKAR (wie Anm. 63) Abb. 6; siehe o. S. 764 m. Anm. 158.
189 Abgebildet in: SCHMIDT-WIEGAND (wie Anm. 7) Abb. 3 (oberstes Bild), S. 17. 190 Ssp. (wie Anm. 12) S. 159.
768
Roderich Schmidt
Die Übereinstimmung zwischen den Bildern ist so frappant, daß an einen Zusammenhang gedacht werden kann. Auch im Sachsenspiegel 191 kommt der Mord an Abel vor . Er ist aber anders dargestellt als in der Sächsischen Weltchronik, jedenfalls in der Heidelberger Handschrift (fol. 18 V )
, wo Kain den knieenden Abel mit einem
Rechen erschlägt (s. Abb.193 5a) (ebenso in der Dresdener und Wolfenbütteler Handschrift) . In der Oldenburger Handschrift (s. 194 Abb. 5b) benutzt Kain dagegen eine Keule . Diese Darstellung entspricht derjenigen in der Gothaer Handschrift der Sächsischen Weltchronik, aber auch der der Wolfenbütteler Sachsenspiegel-Handschrift zu Landrecht II 34 § 1. Da die Oldenburger Handschrift 1 95 zu dieser Stelle ein ganz ähnliches Bild wie zum Brudermord bietet (s. Abb. 5c), wird die Ubereinstimmung zwischen den Bildern verschiedenen Inhalts in der Wolfenbütteler Handschrift des Sachsenspiegels und in der Gothaer der Sächsischen Weltchronik verständlich. Die Darstellung des Mordes an Abel ist der Ausgangspunkt für die Darstellung der Mißhandlung den Knechts. Blatt 10V der Gothaer Handschrift
liefert auch ein Bei-
spiel dafür, daß die Illustration mehr bietet als der Text (s. Abb. 4). Die Schöpfungsgeschichte endet mit dem Ruhen Gottes am siebenten Tag, hier dargestellt im fünften Bild. Danach heißt es in der Sächsischen Weltchronik kurz und knapp: "Adam gewan Kain und Abele. Do Abel dritich jar alt was, do sl8ch ine Kain 1 97 sin broder dot" . Zum ersten Satz gehört das sechste Bild, das die beiden Brüder, sich zugewandt, zeigt. Der zweite Satz wird durch das besprochene achte Bild illustriert. Auf dem siebten Bild knieen die Brüder vor der Hand Gottes, die aus den Wolken hervorschaut. Es bezieht sich auf Genesis 4, 2-5: "Abel ward ein Schäfer; Kain aber ward ein Ackermann. Es begab sich aber nach etlicher Zeit, daß Kain dem Herrn Opfer brachte von den Früchten des Feldes; und Abel brachte auch von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der Herr sah gnädig an 191 192 193 194
195 196
197
Ssp. Ldr. III 42 § 3, S. 224. KOSCHORRECK
(wie Anra. 9) S. 106a, 4.
VON AMIRA (wie Anm. 9) II, II, S. 22. Die Oldenburger Hs. (vgl. zu ihr o. Anm. 9) wird hier benutzt nach den Nachzeichnungen derselben von GEORG SELLO (im Staatsarchiv Oldenburg); hier fol. 74 v (Seite 136), 5. Bild. Ebd. fol. 50 v
(Seite 88), 1. Bild.
Siehe o. S. 764 m. Anm. 157. SW (wie Anm. 13) S. 68, Z. 2f.
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
769
Abel und sein Opfer; aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da ergrimmte Kain sehr und seine Gebärde verstellte sich". Dieser Text fehlt in der Weltchronik. Der Illustrator hat ihn bildlich hinzugefügt. Abel hält ein Lamm in Händen. Kain etwas, das die Feldfrüchte darstellt, die Hand Gottes weist segnend auf Abel; während Kain sich von ihr abwendet. Die Vorlage 1 98 für diese Darstellung ist in Bibelillustrationen zu finden. Mit solchen wäre auch die Darstellung der Schöpfungsgeschichte zu Blatt 10 V zu vergleichen, wie überhaupt jene zum Verständnis und zur Erklärung der Bilder der Sächsischen Weltchronik heranzuziehen und auszuwerten sind. 6. Eine weitere Frage, die sich wie bei anderen bebilderten Handschriften so auch für die Bilder der Sächsischen Weltchronik stellt, ist die nach der Funktion der Illustrationen und damit nach dem Benutzerkreis. Für den Sachsenspiegel hat Walter Ko1 99 schorreck dieses Problem noch einmal erörtert . Die Meinung, die Bilder seien dazu bestimmt gewesen, "dem Leseunkundigen die Schreibschrift zu ersetzen" oder als eine Art Glosse dem Rechtssuchenden den Text zu erläutern, wies er mit dem Hinweis zurück, daß sie oft nicht einmal den wesentlichen Inhalt des zugehörigen Rechtssatzes wiedergeben und daß sie in ihrer Mehrzahl überhaupt erst durch den Text verständlich werden^*"""5. Koschorreck vermutet vielmehr eine mnemotechnische Zweckbestimmung, indem er annimmt, die Bilder sollten "Leseunkundigen als Erinnerungshilfen dienen". Ausgehend von der Annahme, daß die Benutzer des Sachsenspiegels Richter und Urteilfinder gewesen seien, unterstellt er ihnen das "Bedürfnis", "beim Memorieren201der Rechtssätze vom schriftlichen Text unabhängig zu sein" . Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, lieferte das Bild. "Nicht das Bilder geeignet gewesen wären, Leseunkundigen den Wortlaut der Rechtssätze unmittelbar zu erschließen", so führt Koschorreck weiter aus. "Sie brauchten zunächst einen Schriftkundigen, der ihnen den Text vorlas, so daß sie ihn in die richtige Beziehung zu den Bildschriften setzen konnten. War dies aber erst einmal 198
Vgl. GEORGE HENDERSON, Artikel 'Abel und Kain' (Lexikon der christlichen Ikonographie, hg. von ENGELBERT KIRSCHBAUM SJ, 1. Bd., Rom-FreiburgBasel-Wien 1968, Sp. 5-10).
199 KOSCHORRECK 2
° ° Ebd. S. 16a.
201
Ebd. S. 17a.
(wie Anm. 9) Kommentar, S. 16f.
Roderich Schmidt
770
geschehen, dann boten ihnen die Figuren die besten Gedächtnisstützen und befreiten sie von der Notwendigkeit, beim Nachschla202 gen und Wiederholen sich der Hilfe anderer bedienen zu müssen" . Es ist denkbar, daß die Bildfolge zu einem Rechtsbuch diese Funktion hatte, obwohl es dann eigentlich doch verwundert, daß wir so wenig Bilderhandschriften des Sachsenspiegels besitzen und kennen und daß die erhaltenen auf einen höher gestellten Personenkreis, auf fürstliche Besitzer, weisen. Gilt das für die Sachsenspiegel-Bilder Angenommene nun auch für die Bilder eines Chroniktextes und wenn ja, auf welche Weise? Die mnemotechnische Zweckbestimmung in der dargelegten Art bedingt eine durchlaufende, d.h. wenn nicht vollständige so doch möglichst weitgehende Illustrierung des Textes, wie es beim Sachsenspiegel ja auch der Fall ist, bei der Sächsischen Weltchronik aber nur in der Gothaer Handschrift. Diese ist jenem auch insofern vergleichbar, als der Bezug zum Text, der beim Sachsenspiegel durch die den Bildern beigefügten Großbuchstaben, die mit den Initialen des Textes korrespondieren, erreicht ist, in der Gothaer Handschrift der Weltchronik durch die den dargestellten Personen beigegebenen Namen hergestellt wird Gleichwohl gilt auch für diese Chronik-Handschrift das, was Ruth 204 Schmidt-Wiegand in Bezug auf den Sachsenspiegel gesagt hat : "Die Bilder sind ohne den Text nicht zu verstehen", wenn sie ihn auch "verständlicher" machen und sogar "Informationen" bieten, "die über das im Text Ausgeführte ... hinausgehen" (vgl. das zusätzliche Bild zu Kain und Abel). Daraus ergibt sich, daß die Illustration "als eine Sprache in Bildern" "genau so eingehend 'gelesen' werden" will "wie der Text selbst". Das setzt nicht nur Kenntnisse voraus - 205 im Falle der Sachsenspiegel-Bilder solcher der Rechtspraxis , sondern Bildung allgemein. 202 203
204 205
KOSCHORRECK
(wie Anm. 9) Kommentar, S. 17a.
Siehe o. S. 764. Zum Ssp. vgl. OTT (wie Anm. 11) S. 379: "Jede Manuskriptseite ist in eine Bild- und eine Textkolumne aufgeteilt; der Text wird gleichsam 'wörtlich' im danebenstehenden Bild wiederholt; zusätzlich sind die Illustrationen durch farbige Verweis-Initialen auf den Text bezogen". SCHMIDT-WIEGAND (wie Anm. 7) S. 47. Ebd. S. 50. In dem Sammelband "Text - Bild - Interpretation" (wie Anm. lo) formuliert SCHMIDT-WIEGAND: "Das Bild konkretisiert, akzentuiert oder interpretiert den Inhalt des Rechtsbuches. Dies aber setzt bei dem Benutzer grundsätzlich eine gewisse Lesefähigkeit voraus. Das Bild ersetzt also nicht den Text, sondern führt auf ihn hin und ergänzt ihn" (S. XI).
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
Es ist deshalb der Aussage von Ruth Schmidt-Wiegand
771
zuzustimmen:
"Man wird von hier aus bei dem möglichen Benutzerkreis der Handschriften nicht an Leute zu denken haben, die des Lesens völlig 206 unkundig gewesen sind" , sondern "an mehr oder weniger gebildete Laien", zu denen auch Richter und Schöffen jener Zeit gehört e n ^ ^ , aber auch andere". Auf einem Wolfenbütteler Symposion über "Literatur und 208 Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit"
1981
hat Hubert Herkommer geltend gemacht, daß 209 "Bilder Sache der Ungelehrten, nicht aber der Gebildeten seien" . Er bezog sich da:h de bei auf den Bilderzyklus zur Chronik des Otto von Freising 210 der vermutlich das Widmungsexemplar für Kaiser Friedrich
Barba-
rossa geschmückt hat. Dieses enthielt, so wird angenommen, nur die Bücher 1 bis 7 des Werkes. Das achte Buch ist später im Zisterzienserkloster Neuburg einer Abschrift des Widmungsexemplars hinzugefügt worden. Die auch für das achte Buch vorgesehene Bebilderung habe der geistliche Schreiber fortgelassen, mit der genannten Begründung. Es setzt dabei
1
litterati 1
und
'laici' in Ge-
211
gensatz , was Herkommer mit 'Gebildete' und 'Ungelehrte 1 über212 setzt . Gebildet aber meint auch hier doch wohl Leute, die mit 213 Schrift und Schriftlichkeit vertraut sind, eben 'litterati' , 206 207 208
209 210
SCHMIDT-WIEGAND (wie Anm. 7) S. 47. Ebd. S. 50. .
Wie Anm. 11. Siehe dort den "Diskussionsbericht" von EVA KIEPE-WILLMS, S. 387-391, S. 390. Otto von Freising, Chronik oder die Geschichte der zwei Staaten. Auf Grund der Ausgabe von ADOLF HOFMEISTER übersetzt von ADOLF SCHMIDT, hg. von WALTHER LAMMERS (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 16) Darmstadt 1961, Taf. 1-4, dazu S. LXIX u. LXX. Ausführlicher WALTHER LAMMERS, Ein universales Geschichtsbild der Stauferzeit in Miniaturen. Der Bilderkreis zur Chronik Ottos von Freising im Jenenser Codex Bose q. 6 (Alteuropa und die moderne Gesellschaft. Festschrift für Otto Brunner, Göttingen 1963, S. 170-214), wiederabgedruckt in: DERS., Vestigia mediaevalia. Ausgewählte Aufsätze zur mittelalterlichen Historiographie, Landesund Kirchengeschichte (Frankfurter Historische Abhandlungen 19), Wiesbaden 1979, S. 45-87. Vgl. auch RODERICH SCHMIDT, Das Verhältnis von Kaiser und Papst im Sachsenspiegel und seine bildliche Darstellung (wie Anm. 44).
211
Wie Anm. 209: "Debuit enim hic pictura stare, sicut superius in aliis libris ..., sed hoc laicorum est et non litteratorum". 212 Ebd. 213 Vgl. HERBERT GRUNDMANN, Litteratus - illiteratus. Der Wandel einer Bildungsnorm vom Altertum zum Mittelalter (Archiv für Kulturgeschichte 40, 1958, S. 1-65), wiederabgedruckt in: DERS., Ausgewählte Aufsätze, Teil 3: Bildung und Sprache (Schriften der Monumenta Germaniae Historica, Bd. 25,3) Stuttgart 1978, S. 1-66.
772
Roderich Schmidt
insofern Gelehrte, während die 'laici' in diesem Sinne ungelehrt sein mögen, aber deswegen keineswegs ungebildet. Nur war die Bil214 dung der 'laici' von anderer Art und Qualität An sie als Benutzer ist aber nicht nur bei den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels zu denken, sondern auch bei denen der Sächsischen
Weltchronik, in der Beschreibung ihrer Berliner
Handschrift (Nr. 17) im Ausstellungskatalog "Zimelien" wird zu den Miniaturen gesagt, daß sie"wichtige Textstellen ins Bild umsetzen und so das Verständnis einer nicht gelehrt-klerikalen, sondern weitgehend illiteraten großbürgerlichen oder adligen Leserschaft beim Vorlesen oder auch bei der mühevollen Privatlektüre fördern 215 sollten" . In dem Widmungsgedicht, das dem Text der Bremer Handschrift (Nr. 16) vorangestellt ist, sind der Stifter und der Empfänger des Codex genannt; dann folgt die Fürbitte: "Got geue en beiden herberghe An sinem hymelriche. Das biddet algheliche Vnde sprechet allen samen, de diz hören lesen, amen" 216 Unter Bezug auf die letzte Zeile des Gedichts wird in dem Bremer Ausstellungskatalog gesagt: "Ein Lesekundiger las den Text und die Umstehenden hörten zu und konnten das Vorgelesene an den 217
Bildern nachvollziehen"
Ähnlich kann man sich vielleicht auch die Benutzung der Oldenburger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels vorstellen, die Graf Johann III. von Oldenburg 1336 herstellen ließ, um seine Dienstleute - unter denen die älteren, mit dem Gewohnheitsrecht vertrauten, dahingestorben waren - mit den Rechtsgewohnheiten bekannt zu machen, indem sie das Richtige aus einem Codex erfah218 ren konnten . Damit sollte in einer Zeit des Übergangs von der 214
ALFRED WENDEHORST, Wer konnte im Mittelalter lesen und schreiben? (Schulen und Studium im sozialen Wandel des hohen und späten Mittelalters, hg. von JOHANNES FRIED [Vorträge und Forschungen. Hg. vom Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, Bd. 30] Sigmaringen 1985, S. 9-33).
215 "Zimelien" (wie Anm. 64) S. 148, Nr. 103. 216 Siehe o. S. 755f. m. Anm. 102. 217 Bremer Ausstellungskatalog (wie Anm. 140) S. 42. 218 Vgl. TIMOTHY SODMANN, Zur Oldenburger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels ("Text - Bild - Interpretation" [wie Anm. lo] S. 219-228) und NASS (wie Anm. 9) S. 256f. m. Anm. 128 u. 129 (hier weitere Literatur).
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
773
219 Mündlichkeit zur Schriftlichkeit des Rechts
der Rechtsunsi-
cherheit gesteuert werden. Der Schreiber des Oldenburger
Sachsen-
spiegels, der Mönch Hinrich Gloysten aus dem Kloster Rastede, 220 , ver-
dessen Familie dem Oldenburger Grafenhaus verbunden war
fügte aus der Praxis des klösterlichen Urkundenwesens über gute Kenntnisse des geltenden Rechts und der Verwaltungspraxis.
Viel-
leicht war er auch der Verfasser 2 2 1 einer Klosterchronik, der "Historia monasterii Rastedensis" , die zugleich die Geschichte 222 des Grafenhauses mitbehandelt . Sein Kenntnis- und Bildungsstand entsprach wohl dem des Hamburger Bürgers Johannes vom Berge, der alles andere als illiterat war, der durch seine Rechtsgeschäfte und ihre schriftliche Fixierung nicht nur mit dem Holsteiner Grafenhaus der Schauenburger, sondern ebenso wie andere Mitglieder seiner Familie auch mit anderen Fürsten des norddeutschen Raumes in Beziehung stand und der sich durch sein Widmungsgedicht als der Schenker der Bremer Handschrift der Sächsischen Weltchronik für Graf Gerhard von Holstein der Nachwelt bekannt gemacht hat. 7. Beide Handschriften verdanken ihre Entstehung dem gleichen 223 Kreis von Territorialfürsten und ihnen nahestehenden Gelehr224 ten und praxisbezogenen Persönlichkeiten , die gleichermaßen
Zum Allgemeinen und Grundsätzlichen vgl. hierzu den Sammelband "Recht und Schrift im Mittelalter", hg. von PETER CLASSEN (Vorträge und Forschungen. Hg. vom Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, Bd. 23) Sigmaringen 1977. 220 , Vgl. GUSTAV RÜTHNING, Oldenburgische Geschichte, Bd. 1, Bremen 1911, S. 95f.
221
222
223
224
Vgl. WILHELM HANISCH, Rastadensia. Untersuchungen zur älteren oldenburgischen Geschichte, Vechta 1962. Über Hinrik Gloysten bes. S. 329ff. Vgl. auch PAUL NIEMANN, Die Klostergeschichte von Rastede und die Anfänge der Grafen von Oldenburg bis zum Ende des 13. Jahrhunderts (Greifswalder Abhandlungen zur Geschichte des Mittelalters, hg. von ADOLF HOFMEISTER, Bd. 5) Greifswald 1935. Vgl. HANS PATZE, Mäzene der Landesgeschichtsschreibung im späten Mittelalter (Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im Spätmittelalter [Vorträge und Forschungen. Hg. vom Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, Bd. 31]. Für das gebildete Bürgertum im 14. Jahrhundert vgl. PETER MORAW, Monarchie und Bürgertum (Kaiser Karl IV., Staatsmann und Mäzen, hg. von FERDINAND SEIBT, München 1978, S. 43-63 u. S. 438f.) und DERS., Räte und Kanzlei (ebd., S. 285-292 u. S. 460). Vgl. ferner KLAUS WRIEDT, Bürgertum und Studium in Norddeutschland während des Spätmittelalters (Schulen und Studium im sozialen Wandel des hohen und späten Mittelalters [wie Anm. 214] S. 486-525).
774
Roderich Schmidt
an Rechtstexten wie an Chroniken interessiert waren. Auch dies erlaubt es, die Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik und des Sachsenspiegels vergleichend in Beziehung zu setzen. Wir werden damit in die gleiche höfische Sphäre geführt, in der auch Romane und andere dichterische Stoffe der verschiedensten Art gelesen und vorgelesen, aber auch künstlerisch in manigfaltiger Weise dargestellt wurden. Für die Romane hat man gemeint, "die Bilder könnten dem Leser die Möglichkeit geboten haben, sich über den ganzen Text zu orientieren; beim Zurückblättern habe er sich an den Bildern zuvor Geschehenes rasch vergegenwärtigen 225 können" . Vielleicht hatten gerade die nicht durchlaufenden Bilder, insbesondere die Herrscherminiaturen, der Bremer und der Berliner Handschrift der Sächsischen Weltchronik den Zweck, den langen Chroniktext zu gliedern und so für die Benutzung besser zu erschließen. Vielleicht aber sollten die Illustrationen auch 226 nur das "Buch" wertvoller machen , so daß die Bilderhandschriften neben einem praktischen Zweck auch der fürstlichen Repräsentation und einer naiven Freude an Glanz und künsterlerischen Gestaltung dienten 227 Ein Zentrum fürstlicher Kultur und Repräsentanz war im 13. und 228
14. Jahrhundert das Haus der Weifen , das auf Grund seiner Eheverbindungen auch auf die benachbarten Fürstenhöfe ausstrahlte. In dem Sammelband über die Bilderhandschriften des Sachsen229 spiegeis "Text - Bild - Interpretation" hat Klaus Naß die These vertreten, daß die Vorlage der Oldenburger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, die Fassung N, am Weifenhof zu Lüneburg entstanden sei, und zwar zwischen 1314 und 1320 im Auftrag Herzog Ottos II., des Strengen (1277-1330). Seine Schwester Elisabeth war mit dem Grafen Johann 230II. von Oldenburg verheiratet und die Mutter Graf Johanns III. . Zumindest die Vorlage der 225
KIEPE-WILLMS
(wie Anm. 11) S. 390.
226
Ebd. S. 389.
227
NORBERT H. OTT (wie Anm. 187) spricht in diesem Zusammenhang von der "Repräsentationsfunktion der Handschriftenausstattung" und von "Werte-Signale(n) durch Pergament und Illustration" (S. 365).
228
Vgl. HANS PATZE, Die weifischen Territorien im 14. Jahrhundert (Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert [Vorträge und Forschungen. Hg. vom Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, Bd. 14/Xl] Sigmaringen 1971, S. 7-99).
229
NASS (wie Anm. 9) S. 262.
230
Vgl. WILHELM KARL PRINZ VON ISENBURG, Europäische Stammtafeln, Bd. I. Berichtigter und erweiterter Abdruck der 2. verb. Aufl. von 1953, hg. von FRANK BARON FREYTAG VON LORRINGHOVEN, Marburg 1975, Taf. 67, und Bd. III von FRANK BARON FREYTAG VON LORRINGHOVEN, Marburg 1975, Taf. 12.
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
775
abgepausten Illustrationen des Sachsenspiegels, vielleicht auch den Text, dürfte sich dieser - nach Meinung von Naß - für seine 1336 hergestellte Handschrift am Lüneburger Weifenhof beschafft 231 haben . Der Vater Herzog Ottos II. und seiner Schwester Elisabeth war Herzog Johann I. von Lüneburg (1267-1277). Er war mit einer Tochter (Liutgard) des Grafen Gerhard I. von Holstein verheiratet 232 , so daß auch hier eine unmittelbare Beziehung zu den Weifen bestand. An ihrem Hof zu Lüneburg wurde nach Meinung von 233 Ballschmiede auch die Illustrierung der Sächsischen Weltchronik vorgenommen; es entstand die Hs. 24 sowie die Voraussetzung für die Handschriften 17 und 16, der dem Grafen Gerhard von Holstein gewidmeten. Nach Ballschmiede geschah dies um das Jahr 1248 oder danach und damit in der Regierungszeit Herzog Ottos I., des Kindes (+ 1252), der allerdings noch 234 in Braunschweig resisierte. Nach dem Zeitansatz von Herkommer fiele der Vorgang in die Regierungszeit Herzog Johannes I. (+ 1277), der die Lüneburger Linie der Weifen begründete, 235 oder in die seines Sohnes Ottos II. (+ 1330). Ballschmiede nahm Lüneburg als Ort, an dem die Bebilderung vorbereitet und z.T. auch vorgenommen wurde, an
und
zwar das dortige Michaelsiskloster, weil in die Redaktion C (nach Menzel Cj) zahlreiche Quellen lüneburgischer Provenienz eingeflossen sind. Neben Lüneburg kommt aber auch Braunschweig in Betracht. Men236 zel , der Lüneburg nicht ausschließt, führt dagegen eine Reihe von Indizien an, die für eine Entstehung von C^ und damit der Hs. 24 in Braunschweig sprechen. Das in C^. enthaltene "Legendenmaterial" stamme "mit einiger Sicherheit aus dem von Heinrich dem Löwen initiierten weifischen Kunstkreis". 237 Von besonderer Bedeutung sind hier die drei Kreuzlegenden - die Kreuzauffindungslegende im Anschluß an die Silvesterlegende, die Kreuzholz - und die Kreuzerhöhungslegende -, die im Braunschweiger
231 232 233 234 235 236 237
NASS (wie Anm. 9) S. 262f. Wie Anm. 230, Bd. I, Taf. 67 und 87. BALLSCHMIEDE
(wie Anm. 20) S. 102.
Siehe o. S. 754 m. Anm. 95. Wie Anm. 233. Zum Folgenden MENZEL (wie Anm. 14) S. 274f.; hier auch die obigen Zitate. Vgl. hierzu H.W. VAN OS und GEZA JÄSZAI, Artikel 'Kreuzlegende' (Lexikon der christlichen Ikonographie [wie Anm. 198] 2. Bd., 1970, Sp. 642-648).
Roderich Schmidt
776
Dom eine bildliche Darstellung gefunden haben 2 3 8 . Diese "im Mittelalter sehr seltene Darstellung des historischen Kreuzzyklus" entspricht der Langfassung der Legenden, wie sie von C benutzt worden ist, während B noch eine Kurzfassung bietet 239 . Menzel weist darauf hin, "daß die Miniaturen der Hs. 24 aus C inhalt240 lieh recht genau zu den Dommalereien passen" . Während in den Hss. 16 und 17 der Kreuzerhöhung nur eine Miniatur gewidmet ist sie zeigt Kaiser Heraclius 241 vor dem Stadttor von Jerusalem, in Hs. 16 kniend, in Hs. 17 zu Pferd -, bietet die Hs. 24 mehrere 242 Darstellungen : Den Perserkönig Chosroes unter seinem Thronhimmel sowie den Kampf 243des persischen und des oströmischen Heeres und Kaiser Heraclius vor dem Jerusalemer Stadttor, und zwar zuerst die Verhinderung des Einzugs, weil er zu Pferde ist, sowie dann den demütigen Einzug zu Fuß mit dem Kreuz. Das Zusammengehen dieser Miniaturen "mit den Braunschweiger Malereien ist evi244 dent" . Sie sind nach Ansicht Menzels "in ihrer motivischen Anlehnung an die Dommalereien kaum 245 anders als durch einen direkten visuellen Kontakt erklärlich" . Diese Beobachtung sowie weitere Anhaltspunkte lassen es ihm als begründet erscheinen, die Fassung C^ und damit die Bilderhandschrift 24 der Sächsischen Weltchronik nach Braunschweig zu weisen. Als Entstehungsort der Sächsischen Weltchronik (Fassung A^) nimmt Menzel Magdeburg an, die Fassung B weist auch nach ihm ins Erzbistum Bremen, die Fassungen C ^ und C^jj. stammen ihm zufolge 238
Vgl. JOACHIM GERHARDT, Die spätromanischen Wandmalereien im Dome zu Braunschweig (Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 11, 1934, S. 160) und J. C. KLAMT, Die mittelalterlichen Monumentalmaiereien im Dom zu Braunschweig, Diss. Berlin 1968.
239 MENZEL (wie Anm. 14) S. 274. 240 Ebd. S. 274f. 241
242
243 244 245
WEGENER (wie Anm. 64) nennt dieses Bild auf fol. 59 V "Das hl. Kreuz wird nach Jerusalem gebracht" (S. 124). In der Berliner Hs. 17 ist aber auf fol. 46 r auch ein Bild von der Kreuzauffindung enthalten und von WEGENER (S. 124, Abb. 103) abgebildet: "St. Helena findet das Kreuz"; siehe o. S. 765 m. Anm. 172. Sie finden sich (so MENZEL [wie Anm. 14] S. 275, Anm. 1286) auf fol. 6 5 r _ V und sind bei L. I. RINGBOM, Graltempel und Paradies (Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademiens Handlingar, Del 73) Stockholm 1951, S. 68, abgebildet. Vgl. den Artikel 'Heraklius' von H. W. VAN OS (Lexikon der christlichen Ikonographie [wie Anm. 237] Sp. 241f.). MENZEL (wie Anm. 14) S. 275. Ebd.
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik aus Erfurt
246
111
. Das heißt: "Bis auf die Rezension B sind wohl alle
Textfassungen der SW im sächsisch-thüringischen Raum entstan247 den" . Aus eben diesem Raum sind auch die Bilderhandschriften des Sachsenspiegels hervorgegangen; die Mark Meißen, die Diözese 248 Halberstadt, Magdeburg kommen in Frage . Klaus Naß hat nach heraldischen Indizien für den Archetyp x der Sachsenspiegel-Bilderhandschriften allgemein249 den nordöstlichen Harzraum als Entstehungsgebiet angenommen , für den Hyparchetyp N, die Vorlage der Oldenburger Handschrift, den Weifenhof in Lüneburg vermu250 tet . Als Auftraggeber betrachtet er Herzog Otto II., den Strengen (+ 1330). Seine Schwester Helene war mit dem Grafen Konrad III. von Wernigerode verheiratet, und Naß vermutet, daß über diese Verbindung der Archetyp der Codices picturati des Sachsenspiegels an den Weifenhof nach Lüneburg vermittelt sein 251 könnte . Diesen verwandtschaftlich begründeten Verbindungen auch in kultureller Hinsicht muß noch näher nachgegangen werden, und dabei sind nicht nur die Bilderhandschriften des Sachsenspiegels zu berücksichtigen, sondern es sind auch die der Sächsischen Weltchronik in die Untersuchung miteinzubeziehen. 8. In der Argumentation von Naß über die Beziehung der Oldenburger Sachsenspiegel-Handschrift zu den Lüneburger Weifen spielen Wappen, Darstellungen und Motive des Tristanstoffes eine 252 Rolle . Dies weist erneut auf die Bildgestaltung von Werken der Dichtkunst hin, und es ist deshalb von den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels wie der Sächsischen Weltchronik her nach 246 247 248
MENZEL (wie Anm. 14) S. 272-276. Ebd. S. 276. Vgl. hierzu die Literaturangaben in Anm. 98.
249 NASS (wie Anm. 9) S. 252. 250 251
Ebd. S. 263.
252 Ebd. NASS (wie Anm. 9) S. 258ff. Vgl. dazu NORBERT H. OTT, 'Tristan' auf Runkelstein und die übrigen zyklischen Darstellungen des Tristanstoffes. Textrezeption oder medieninterne Eigengesetzlichkeit der Bildprogramme? ("Runkelstein, die Wandmalereien des Sommerhauses", hg. von WALTER HAUG, JOACHIM HEINZLE, DIETRICH HUSCHENBETT, NORBERT H. OTT, Wiesbaden 1982, S. 206-208); DERS., Geglückte Minne-Aventiure. Zur Szenenauswahl literarischer Bildzeugnisse im Mittelalter. Die Beispiele des Rodenecker 'Iwein', des Runkelsteiner 'Tristan', des Braunschweiger Gawan- und des Frankfurter "Wilhelm-von-Orlens'-Teppichs (Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft, Bd. 2, 1982/83, S. 1-32).
778
Roderich Schmidt
der Illustration literarischer Werke zu fragen
253
. Dabei interes-
sieren besonders die "Staatsromane" sowie literarische Bearbeitungen historischer Stoffe, weil von ihnen die Brücke zu den Reimchroniken und schließlich auch zur ersten Prosa-Chronik, zur Sächsischen Weltchronik, geschlagen werden kann. Die Diskussion hierüber ist im Gange, und es sind bereits Antworten auf die Frage nach einer möglichen Eigenart in Bildprogramm und -gestaltung 254 von Gattungen - Dichtung, Chroniken, Rechtsbücher - gegeben Die hiermit in Zusammenhang stehenden Probleme müssen auch für die Sächsische Weltchronik erörtert werden. Hierzu fehlt es an dieser Stelle indessen an Raum und Zeit. Zunächst galt es, auf die Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik nachdrücklicher als dies bisher der Fall 255 war, hinzuweisen und zur Beschäftigung mit ihnen anzuregen . Vielleicht nimmt sich die Wissenschaftlerin, der dieser Beitrag gewidmet ist, selbst oder gemeinsam mit ihren Schülern und Mitarbeitern der Sache an. Der Verfasser dieses Aufsatzes hofft, zu den offen gebliebenen Fragen bei Gelegenheit noch weiteres beitragen zu können. Vor allem aber hofft er auf eine lange Forsetzung des vor 40 Jahren begonnenen, immer anregenden und fruchtbaren Gesprächs mit der durch diese Festschrift Geehrten auch über den hier behandelten Gegenstand.
253
Vgl. die Literaturangaben in Anm. 11 sowie HELLA FRÜHMORGEN-VOSS, Mittelhochdeutsche weltliche Literatur und ihre Illustration. Ein Beitrag zur Überlieferungsgeschichte (Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 13, 1969, S. 23-75).
254 Vgl. NORBERT H. OTT, Typen der Weitchronik-Ikonographie. Bemerkungen zu Illustration, Anspruch und Gebrauchssituation volkssprachlicher Chronistik aus überlieferungsgeschichtlicher Sicht (Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft, Bd. 1, 1980/81, S. 29-55). 255 Vgl. hierzu die Gesichtspunkte, die NORBERT H. OTT in: 'Stoffe, Texte, Bilder' (wie Anm. 11) 1983 entwickelt hat. In seinem Beitrag 'Überlieferung, Ikonographie - Anspruchsniveau, Gebrauchssituation' (wie Anm. 11) stellt er fest: "Bestimmte Stoffe und Gattungen erfordern eine bestimmte Ebene des Schmucks". Diese gilt es auch für die Sächsische Weltchronik genauer zu bestimmen.
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Abb. 5
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Abb. 6b
Abb. 6c
Bilderhandschriften der Sächsischen Weltchronik
Abb. 1
779
Abbildungsnachweis Hs. 16: Bremen, Universitätsbibliothek, Ms. a 33, fol. 34. Kaiser Carus am Tigris. Ermordung des Numerian, Sohn des Carus. - Laiser Diokletian. Vorlage: Die Zeit der Staufer. Geschichte - Kunst - Kultur, Katalog der Ausstellung Stuttgart 1977, Bd. Iis Abbildungen, Abb. 167.
Abb. 2
Hs. 17: Berlin Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin, Ms. germ. fol. 129, fol. 89 v . "Schulszene" und Traumbild Kaiser Heinrichs III.: Hildebrand, der spätere Papst Gregor VII., nimmt den künftigen Kaiser Heinrich IV. auf die Hörner. Vorlage: Zimelien. Abendländische Handschriften des Mittelalters aus den Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin, Wiesbaden (1976), Abb. 103, S. 173.
Abb. 3
Hs. 24: Gotha, Forschungsbibliothek Gotha, Ms. Membr. I 90, fol. 31 v . Die Geschichte von Tarquinius, Collatinus und seiner Frau Lucretia. Vorlage: Der Schwanritter. Deutsche Verserzählungen des 13. und 14. Jahrhunderts. Hrsg. und aus dem Mittelhochdeutschen übertragen von Hans Joachim Gernentz, 2. Aufl., Berlin 1979, gegenüber S. 192.
Abb. 4
Hs. 24: Gotha, Forschungsbibliothek Gotha, Ms. Membr. I 90, fol. 10v. Schöpfungsgeschichte und Kain und Abel. Vorlage: Abendländische Bilderhandschriften der Forschungs-Bibliothek Gotha, bearb. von Hans-Joachim Rockar, Gotha 1970, Abb. 6.
Abb. 5
Sachsenspiegel. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 3,1. Augusteus 2°, fol. 34 r . Oberstes Bild: "Wer den Knecht eines Mannes schlägt" (Ldr. II 34 § 1). Vorlage: Ruth Schmidt-Wiegand, Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift des Sachsenspiegels und ihr Verhältnis zum Text Eikes von Repgow (Wolfenbütteler Hefte 13), Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (1983), Abb. 3, S. 17.
Abb. 6a
Sachsenspiegel. Universitätsbibliotehk Heidelberg, Cpg 164, fol. 18 v . 4. Bild: Noah in der Arche; Kain erschlägt Abel. Vorlage: Walter Koschorreck, Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels. Faksimile, Frankfurt a.M. 1970, Bl. 18 v .
Abb. 6b
Sachsenspiegel. Oldenburger Hs. a.d. Jahre 1336, fol. 50 v . "Wer den Knecht eines Mannes schlägt" (Ldr. II 34 § 1). Nachzeichnung.
Abb. 6c
Sachsenspiegel. Oldenburger Hs. a.d. Jahre 1336, fol. 74 v . Kain erschlägt Abel. Nachzeichnung.
JUTTA
SCHMIDT-LORNSEN
Der Griff an den Bart - wikingerzeitliche zu einer bekräftigenden
Bildzeugnisse
Gebärde
Zu den Gegenständen, die 1861 in einer großen Grabkammer bei S«511ested, Amt Odense auf Fünen,gefunden wurden^, gehört ein 2 reichverziertes Prachtkummetpaar , zwei hölzerne Jochbögen mit dazugehörigen Bronzebeschlägen
. Auf ihren qualitätvollen und de-
tailreichen Abbildungen beruht hauptsächlich die Bedeutung
dieser
Objekte, auch bei der Betrachtung 4 der Stile an den Gegenständen wikingerzeitlichen Kunsthandwerks . Weil einige plastische Teile 5 der Kummets gleichzeitig Bildträger für weitere Reliefs sind, überwiegen die zweidimensionalen, meist mehrteiligen
Kompositionen.
Die kleinen Abbildungen aus Bronze zeigen dabei in ihren Details deutliche, fast immer gekerbte Konturen. Hiervon unterscheiden sich jedoch einzelne, dünne Beschläge
2
4
5
(Preßbleche) an
insgesamt
Aarsmöde den 13de Mai 1862 (Antiquarisk Tidskrift7, 1861-1863, S- 16-21) S. 20 ; JOHANNES BR0NDSTED, Danish Inhumation Graves of the Viking Age (Acta Archaeologica 7, 1936, S. 81-228) S. 143f.; MICHAEL MÜLLER-WILLE, Frühmittelalterliche Prunkgräber im südlichen Skandinavien (Bonner Jahrbücher des Rheinischen Landesmuseums in Bonn im Landschaftsverband Rheinland und des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinland 178, 1978, S. 633-652) S. 642. Nationalmuseum Kopenhagen: Inventarnummer: C 25581. Zu den Krummsielen oder Prachtkummets selbst vgl.: MICHAEL MÜLLER-WILLE, Das Krummsiel von Eistrup/ Alsen (Acta Archaeologica 45, 1974, S. 144-154) S. 144f.; JUTTA SCHMIDT, Zur historischen Ikonographie des Prachtkummetpaars von S^llested, Amt Odense, Fünen (Magisterarbeit, masch., Münster 1980); in Vorbereitung: JUTTA SCHMIDT-LORNSEN, Zur historischen Ikonographie von Prachtkummets aus der Wikingerzeit. Die Kummetpaare von Mammen, Amt Viborg, und Sjillested, Amt Odense Es sind End- und Seitenbeschläge, die Bekrönung der Bogenmitte mit Öffnung für Zügel sowie Reste einzelner Beschläge an den Längsseiten (am Bogenholz). SUNE LINDQUIST, Yngre Vikingatidstilar (Nordisk Kultur 27, 1931, S. 144-179) S. 146; MICHAEL MÜLLER-WILLE, Zwei wikingerzeitliche Prachtschwerter aus der Umgebung von Haithabu (Offa 29, 1972, S. 50-112) S. 85-89; DAVID MACKENZIE WILSON - OLE KLINDT-JENSEN, Viking Art, London 21980, S. 97 und S. 99f. Es handelt sich um die Endbeschläge. Zu Bildträgern dieser Zeit vgl.: MICHAEL MÜLLER-WILLE, Bild und Bildträger. Beispiele im Borre- und Jellingestil (Zum Problem der Deutung frühmittelalterlicher Bildinhalte, hg. von HELMUT ROTH, Sigmaringen, im Druck).
Wikingerzeitliche Bildzeugnisse zu einer bekräftigenden Gebärde
781
zwei Längsseiten beider Jochbögen6. Nebeneinander gereiht und in Resten erhalten, wirken sie großflächiger und in den Details grober als alle anderen Beschläge, fast wie von einer anderen Hand gemacht. Jede
dieser Längsseitenabbildungen zeigt den gleichen,
thematisch interessanten Bildgegenstand. Ihnen widmen wir folgende drei Abschnitte: 1. Das menschliche Gesicht und der Griff an den Bart an den Prachtkummets aus S^llested 2. Vergleichbare Bildzeugnisse aus der Wikingerzeit 3. Möglichkeiten der Bildinterpretation' 1. Das menschliche Gesicht und der Griff an den Bart an den Prachtkummets aus S^llested 7
Die en-face Darstellung bildet rekonstruiert
(Textfigur) ein
Männergesicht ab. Das Haar ist, wie enge Locken an der gedrungenen Stirn und neben den Augen andeuten, gekraust. Dasselbe gilt für die Haare oder den Backenbart darunter, die zugleich eine seitliche Begrenzung des Gesichtes oberhalb des Schnurrbartes bilden. Die großen, ovalen Augen haben eine breite äußere Kontur und flankieren eine plastische Nase, die Ansätze zu einem Nasenloch zeigen kann. Auf die Nasenkuppe folgt nach unten ein kräftiger Schnurrbart. Jeder seiner im Bogen nach außen geführten Stränge wird in der Mitte von einer Hand ergriffen. Der fast halbkreisförmige Mund wirkt durch seine heruntergezogenen Mundwinkel
mißmutig, ein Ein-
druck, der durch senkrechte Linien, die als Kinnbart gedeutet werZu Gesamtansichten vgl.: Aarsmöde (wie Anm. 1) S. 20 und WILSON - KLINDT-JENSEN (wie Anm. 4) PI. XXXV (b). Diese Beschläge finden sich jeweils nur an einer der beiden Ansichtsseiten eines jeden Kummets, bei beiden an der für die Beschreibung zuerst genommene, die als Betrachtungsseite bezeichnet wird. Die Beschläge sind in Resten erhalten, besser beim ersten Prachtkummet. Wie auch die oben genannten Abbildungen des ganzen Bogens zeigen, wäre aufgrund der Abstände bzw. Lücken Raum für sieben Längsseitenbeschläge. Beim ersten Kummet sind Reste von fünf vorhanden, beim zweiten nur zwei; im einzelnen genannt bei SCHMIDT-LORNSEN (wie Anm. 2) Abschnitt: 3.4.1.: Die Längsseitenbeschläge; vgl. auch KARL HAUCK, Zur Ikonologie der Goldbrakteaten XXI: Überregionale Sakralorte und die vorchristliche Ikonographie der Seegermanen (Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, I. Philologisch-historische Klasse, Jahrgang 1981, Nr. 8) S. 228 mit Anm. 103. Die Gleichzeitigkeit aller Beschläge an dem Prachtkummetpaar soll nicht bezweifelt werden. n
Q
Vorlage war in Detailaufnahme der erste Kopf, von links gesehen, an der Betrachtungsseite des ersten Kummets, nächstens bei SCHMIDT-LORNSEN (wie Anm. 2) Abb. 40a, hier Zeichnung von Frieda Wiegand, Hamburg. Eine vergrößerte Rekonstruktion enthält HAUCK, Ikonologie XXI (wie Anm. 6) Taf. XIV Abb. 21. Ein entsprechender Ausdruck des Mundes findet sich an den Gesichtern in Vorderansicht am ersten, zweiten und vierten Endbeschlag, zeitlich früher auch beispielsweise bei den Figuren am "Tingl" aus dem Osebergfund, s. Text weiter unten mit Anm. 39.
782
Jutta Schmidt-Lornsen
den können, verstärkt wird. Nach unten begrenzt diesen Bart ein kurzer Wulst, an dem zugleich die bogenförmig nach oben gestreckten Arme beginnen. Sie enden unter dem Schnurrbart ebenfalls mit einem kurzen Wulst, einem Handgelenk oder einer Manschette. Die den Bart fassenden Hände besitzen drei Finger. Diese Gebärde, der Griff an den Bart, gibt der kleinen, selten besprochenen Abbildung ihre Bedeutung.
Textfigur (Zeichnung
F.
Wiegand)
In der Abhandlung über die Kunst der Wikinger, von David M. Wilson und Ole Klindt-Jensen verfaßt, wird bei der Besprechung der Krummsiele aus SiSllested zu den Beschlägen an den Längsseiten 9
bemerkt, daß es sich um stilisierte menschliche Masken mit zwergenhaften, gegen den Mund erhobenen Händen handelt^®. Bei seiner Betrachtung der jüngeren wikingerzeitlichen Stile bezeichnet Sune Lindqvist, hierzu etwas ausführlicher, die 11 Beschläge als überraschend durch ihre große Ausdruckskraft . Er hebt die klassischen Traditionen, durch zeitgenössische christliche Kunst vermittelt, hervor. Die Schnurrbarte, von zwei kleinen Händen mit hakenförmigen Armen erfaßt, damit die Gebärde, hält er für einen Rückgriff auf den skandinavischen Kunststil vom 9. Jahrhundert . Bei den Längsseitenbeschlägen handelt es sich nicht nur um eine 9
Die in der Literatur verwendete Bezeichnung "Maske" oder "maskenartiges Gesicht" für ein stilisiertes Gesicht in Vorderansicht soll nicht verwendet werden, weil sie eigentlich einer Deutungsmöglichkeit entgegensteht.
10
WILSON - KLINDT-JENSEN
11
LINDQVIST (wie Anm. 4) S. 147f.
(wie Anm. 4) S. 100.
Wikingerzeitliche Bildzeugnisse zu einer bekräftigenden Gebärde thematisch auffällige, sondern auch in ihrer Darstellung
783
singulare
Abbildung. Da in diesem Fall eine Wechselbeziehung von Bild und Text nicht gegeben ist, kann ein Bildvergleich, der nach gleichen oder ähnlichen Abbildungen sucht, Anhaltspunkte für die weitere Betrachtung bieten. Einmal scheinen Bildzeugnisse der gleichen Fundlandschaft besonders geeignet, sowie auch solche, die bis zu einer Interpretation hin untersucht worden sind. Drei B-Brakteaten 12 von der Insel Fünen (Alles^, Bolbro, Vedby) zeigen beispielsweise eine knieende Gestalt in Seitenansicht, die linke Hand vor der Scham, die rechte greift ans Kinn. V o n dieser Hand sind drei Finger und ein abgespreizter Daumen zu erkennen und als Schwurgebärde 13 interpretiert worden . - Zwei tanzende Gestalten, ebenfalls in Seitenansicht, doch Rücken an Rücken, die linke Hand in die Seite gestemmt, die rechte einen langen Kinnbart umgreifend, füllen eine 14 Seite eines Kapitells in der Stabkirche von Urnes . Diese beiden Bildbeispiele, von denen das frühe, gerade auch in bezug auf die Fundlandschaft geeignet erscheint, grenzen einen langen
Zeitraum
bis zum 12. Jahrhundert ein und lassen eine, wie auch immer gewandelte Kontinuität eines B i l d t h e m a s 1 5 vermuten. Die Möglichkeit
zu
einem Längsschnitt soll nur genannt sein. Die Auswahl wird hier Aus einer umfangreichen Literatur soll zuerst der einschlägige Katalog (dort weitere Titel) genannt sein: MORTEN AXBOE-URS CLAVADETSCHER-KLAUS DÜWEL-KARL HAUCK-LUTZ VON PADBERG, Die Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit. Ikonographischer Katalog [= IK 1 ] (Münstersche Mittelalter-Schriften 24,1, 1: Einleitung, 2: Text, 3: Tafeln) München 1985: AllesjzS-B: IK 1,2: Nr. 13,1 S. 37, IK 1,3: Taf. 15-16; Bolbro (I)-B: IK 1,2: Nr. 13,2 S. 37f., IK 1,3: Taf. 15; Vedby-B: IK 1,2: Nr. 13,3 S. 38f., IK 1,3: Taf. 16. In diesen Zusammenhang gehört: KARL HAUCK, Zur Ikonologie der Goldbrakteaten XXXII: Motivanalyse eines Doppelbrakteaten. Die Träger der goldenen Götterbildamulette und die Traditionsinstanz der fünischen Brakteatenproduktion (Frühmittelalterliche Studien 19, 1985, S. 139-194) z.B. S. 140f., S. 143 u.a. Taf. XIV 27a und 27b. ^ 14
Zur Deutung, zugleich mit dem Hinweis auf Oranten- wie Schwurgestus, vgl. KARL HAUCK, IK 1,1 Einleitung (wie Anm. 12) S. 88, bes. S. 95. ERLA BERGENDAHL HOHLER, The Capitals of Urnes Church and their Background (Acta Archaeologica 46, 1975, S. 1-60) hier Katalog Nr. C 1, S. 15, weiterhin S. 24. Außerdem: PER GJ33RDER, The Beards as an Iconographical Feature in the Viking Period and the Early Middle Ages (Acta Archaeologica 35, 1964, S. 95-114) S. 112 und Abbildung Fig. 20. Die Auswahl ließe sich vergrößern. Es sei noch auf eine Abbildung hingewiesen, die ein Beschlag an einem Trinkgefäß aus einem im vorigen Jahrhundert bekannt gewordenen Grab in Taplow, Buckinghamshire zeigt: ein bärtiges, menschliches Gesicht in Vorderansicht mit vergleichbaren Details und erhobenen Händen; Abbildung bei THOMAS DOWNING KENDRICK, Style in Early Anglo-Saxon Ornament (IPEK Jahrbuch für prähistorische und ethnographische Kunst 1934, 1935, S. 66-76) Taf. 25 Fig. 4,XIII. - Zu den drei herausragenden Bildthemen an den Prachtkummetpaaren von S^llested und Mammen Hinweise nächstens bei JUTTA SCHMIDTLORNSEN, Bilddarstellungen auf wikingerzeitlichen Mähnenstuhlpaaren. Ein Diskussionsbeitrag, anknüpfend an den Beitrag von MÜLLER-WILLE (wie Anm. 5).
784
Jutta Schmidt-Lomsen
auf die Wikingerzeit bezogen sein und sucht daher nach zeitnahen Vergleichsstücken. 2. Vergleichbare Bildzeugnisse aus der Wikingerzeit Weil es sich bei den Längsseitenbeschlägen um singuläre Abbildungen handelt, lassen sich bei dem folgenden Bildvergleich Ähnlichkeiten einzelner Merkmale aufzeigen. Entweder wird ein anderer Bartteil ergriffen, wenn dieser das Kinn bedeckt oder dort ansetzt, oder die Gebärde unterscheidet sich dadurch, daß der Griff nur von einer Hand ausgeführt wird. Schließlich ist der Greifende nicht immer deutlich als Mensch gekennzeichnet. Es fällt außerdem auf, daß die Bildträger der Vergleichsabbildungen ebenso unterschiedlich sind wie das Material, aus dem sie bestehen. Gleichzeitig bzw. nur wenig jünger als die Beschläge aus S011ested sind die Funde des reichen Grabes des Bjerringh^j, südlich von Mammen, das in die Mitte bzw. die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts datiert wird
. Zu den mit Stickereien verzierten Textil-
stücken gehört ein Streifen, der als Rest zwei größere, stark sti17 lisierte Köpfe in Vorderansicht zeigt. Zwischen ihnen bzw. nach oben wie unten fortgesetzt, sitzen zwischen Ranken mit Blättern zwei kleine, vielleicht ebenfalls als anthropomorph zu deutende Köpfe. Die beiden großen besitzen eine breite kreisförmige Kontur, runde konturierte Augen, eine schlanke Nase und einen kleinen Mund, 18
der von einem Bart
umgeben zu sein scheint. Das auffällige Ge-
sichtsrund wird viermal von Händen berührt, die von den Ranken abzweigen. Oben haben sie vier Finger und Daumen. Diesen Händen sind die beiden am Gesicht unten vergleichbar. Die langen schrägen Schraffuren auf dem Gesicht können zunächst den Eindruck hervorrufen, daß es sich um langgestreckte, auf das Gesicht gelegte Hände handelt. Wahrscheinlich ist ein die Wangen bedeckender Bart MÜLLER-WILLE (wie Anm. 1) S. 638; JENS JACOB ASMUSSEN WORSAAE, Mammenfundet (Aarbtfger for Nordisk Oldkyndighed og Historie 1869, S. 203-218); DERS., La Sépulture de Mammen (Mémoires de la société Royale des Antiquires du Nord 1866-1871, S. 227-241). 17 Nationalmuseum Kopenhagen: C 135a.- Zu diesem Stoff ausführlich: MARGRETHE HALD, Ancient Danish Textiles from Bogs and Burials (Publications of the National Museum, Archaeological-Historical Sériés Vol. XXI) Copenhagen 1980, S. 105 und Fig. 93 und Fig. 94 (Detail von Fig. 93). Wahrscheinlich waren auf dem gesamtem Textil mehr als zwei Köpfe abgebildet. Als weitere Abbildung vgl. auch folgende Zeichnungen: WORSAAE, 1869 (wie Anm. 16) PI. 4,3 und MÜLLER-WILLe (wie Anm. 1) Abb. 6,7. 18 Als Barthaare sollen die zwei Diagonalen jeweils links und rechts vom Mund gedeutet werden, anders gesehen bei HALD (wie Anm. 17) S. 105.
Wikingerzeitliche Bildzeugnisse zu einer bekräftigenden Gebärde dargestellt, dem die erhobenen Hände mit Fingern und Daumen
785 19
20 bis zu einer Berührung angenähert sind
fast
Die nächste Vergleichsabbildung wird stilistisch dem Borrestil 21 zugeordnet und ist daher vielleicht gleichzeitig oder auch früher als die bärtigen Gesichter von S-/ii>angenommen wird. Der schwankende Vokalismus ed-Hd-
ist hier ver-
mutlich nicht nur auf merowingische Graphiegewohnheiten zurückzuführen. Er findet sich auch in rein volkssprachigen Zeugnissen — — 38 dieses Präfixes wie ahd. etmal neben idmal im St.Galler Abrogans 34
35
Lex Salica: The Ten Texts with the Glosses, and the Lex Emendata. Synoptically edited by J[AN] HfENDRIK] HESSELS. With Notes on the Frankish Words in the Lex Salica by H[ENDRIK] KERN, London 1880, § 251. SCHÜTZEICHEL
(wie Anm. 8) S. 93.
Etwa bei KARL HELM, Altgermanische Religionsgeschichte, II, Die nachrömische Zeit, 2, Die Westgermanen, Heidelberg 1953, S. 36 Anm. 131; SCHMIDTWIEGAND (wie Anm. 22) S. 188 Anm. 2. 37 Zu diesem Präfix ist eine eigene Untersuchung in Druckvorbereitung, deren ip Ergebnisse hier zugrunde gelegt werden. ELIAS STEINMEYER - EDUARD SIEVERS, Die althochdeutschen Glossen, I-V, Berlin 1879-1922, Nachdr. Dublin-Zürich 1968-1969, hier 1,71,1; 249,11; Das älteste deutsche Buch. Die 'Abrogans'-Handschrift der Stiftsbibliothek St. Gallen. Im Facsimile hg. und beschrieben von BERNHARD BISCHOFF, JOHANNES DUFT, STEFAN SONDEREGGER. Mit Transkription des Glossars und des althochdeutschen Anhangs von STEFAN SONDEREGGER, Facsimile S. 57 und 254, Transkription S. 177 und 284.
Heinrich Tiefenbach
966
Im Althochdeutschen ist i der weitaus überwiegende Vokal, während im Altenglischen
(ferner im Altsächsischen, Altniederfränkischen
und Altfriesischen) ed-
die reguläre Schreibung ist. Die Funktion
des im Laufe des Althochdeutschen unproduktiv werdenden Präfixes liegt in der Bezeichnung einer Wiederholung
(häufiger naturhaf-
ter Art), daneben und vielleicht von daher hat es auch intensivierende Wirkung. Als Wortart der Basis scheinen im Althochdeutschen Nomina zu überwiegen. Eine nominale Basis liegt wohl auch bei der hier besprochenen Glosse vor. Bei der Segmentierung von ed-,
id-
(hid-
mit prothetischem
h-) stellt sich die Frage nach dem Anlaut der Basis, da diese mit dem u beginnen kann, wie es M. Gysselings Deutung impliziert, oder aber mit einem dentalen Konsonanten, wie etwa die
dylja-
Etymologie von J. Grimm und H. Kern voraussetzt. Für die letzte Deutung spricht der Befund des Zeugen C 6a ( i d d u l a o s ) , den die 39 ältere Forschung noch nicht kannte . Dieser Beleg müßte sonst als orthographische Willkürlichkeit aufgefaßt werden, während Einfachschreibung eines 40 Doppelkonsonanten eine häufiger zu belegende Erscheinung ist . Nach Segmentierung des wohl latinisierten Flexionszeichens -MS, -OS bliebe somit als Basis
dulo/dulg.
Hier ist nun zu fragen, ob es ein germanisches Wort gibt, das semantisch in den vorliegenden Zusammenhang gestellt werden kann. Eine zusätzliche Sicherheit wäre gegeben, wenn Verbindungen mit der A-Glosse ohaminis
'Verstümmelung' möglich wären.
Ein solches Lexem existiert nun tatsächlich. Es ist das als ae. dolg,
afries. dolah,
ahd. tolk
gut bezeugte Wort für 'Wunde,
Verwundung', das im Altnordischen in der Bedeutung
'Feindschaft,
Kampf' weiterlebt. Die Ableitung dölgr 'Feind' wird in der HelgaqviAa Hundingsbana II sogar zur Bezeichnung des 'Wiedergängers' benutzt 41 , ohne daß sich daraus aber wohl weitergehende 39 40
41
Abdruck bei ECKHARDT (wie Anm. 15) 2, 1, S. 27-35, hier S. 33. GEORG BAESECKE, Einführung in das Althochdeutsche. Laut- und Flexionslehre (Handbuch des deutschen Unterrichts an Höheren Schulen 2, 1, 2) München 1918, § 51.2 b und c; JOHANNES FRANCK - RUDOLF SCHÜTZEICHEL, Altfränkische Grammatik. Laut- und Flexionslehre, Göttingen 2 1971, § 121.4f.
51,5-8: veröa pflgari
allir> à nóttom / dau&ir dólgar,
maer, enn um daga
Uòsa 'mächtiger werden in den Nächten alle toten Unholde, Frau, als an hellen Tagen', GUSTAV NECKEL - HANS KUHN, Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern, I, Heidelberg 4 1962, S. 161; HUGO GERING, Vollständiges Wörterbuch zu den Liedern der Edda (Germanistische Handbibliothek 7, 4.5, 2) Halle 1903, Sp. 150, dort Kurzvokal, so auch SEEBOLD (wie Anm. 27) S. 153.
Zur malbergischen Glosse für die Doppelbestattung
967
Schlußfolgerungen ziehen lassen. Im Althochdeutschen ist tolk gerade auch in den ältesten Quellen des 8. Jahrhunderts häufiger 42 nachzuweisen . Im zweiten Basler Rezept, dem Krebsrezept, bezeichnet das Neutrum dolg die Krebswunde, das Krebsgeschwür 43 Die Bedeutung 'Geschwür' ist auch in den Glossen bezeugt, so im Glossar Ib/Rd und in den Gregorglossen Schlettstadt 7 und St. 44 Gallen 299 , wo in beiden Fällen der von der Lepra hervorgerufene ulaus so bezeichnet wird. Ein Geschwür ist ferner in dem Segen Contra malum malannum der Handschrift Bonn 218 gemeint, wo das Wort in einer alliterierenden Formel 45 erscheint: daz tu niewedar mgituo
noh tolc noh tothoupit
. In den gleichen Bereich
46 führt die papuZ-a-Glossierung des Glossars Rb , die die Bestimmung, daß ein Tier mit solchen Blattern kein geeignetes Opfertier sei, mit tolc wiedergibt. Neben diesen durch schwere Krankheiten hervorgerufenen Wunden bezeichnet das Wort auch solche, die durch äußere Gewalt verursacht worden sind. Die Worte Lamechs (Gen. 4,23) occidi illum [Vulgata: virum] in uulnus meum,
[et adolescentulum]
in liuorem
meum werden vom Glossar u . Rb wie .folgt übersetzt: . . arsluac . 4ih7 inan . in uuntu n mina e:do in tolg minaz enti in pleizun mina
. Ahn-
lich verfährt das Reichenauer Fragment St. Paul 37/6, 48 das hier Ivvor 'blaue Flecken, Striemen' mit tolc übersetzt . Keine spezifische Ursache der Verwundung zeigt die Glosse uulnus tolo im Vocabularius Sancti Galli 49
42 43
SCHÜTZEICHEL
(wie Anm. 8) S. 195; STARCK - WELLS (wie Anm. 8) S. 629.
ELIAS VON STEINMEYER, Die kleineren althochdeutschen Sprachdenkmäler, Nachdr. der Ausgabe 1916, Dublin-Zürich 3 1971, S. 40,25f.
44 STEINMEYER - SIEVERS (wie Anm. 38) I, 295,8; 11,264,54. 45 STEINMEYER (wie Anm. 43) S. 383,5. Zuletzt erörtert von RAINER REICHE, Ein rheinisches Schulbuch aus dem 11. Jahrhundert. Studien zur Sammelhandschrift Bonn ÜB. S 218 mit Edition von bisher unveröffentlichten Texten (Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung 24) München 1976, S. 432-443. 46 STEINMEYER - SIEVERS (wie Anm. 38) I, 354,1. Zum Glossar Rb jetzt ECKHARD MEINEKE, Bernstein im Althochdeutschen. Mit Untersuchungen zum Glossar Rb (Studien zum Althochdeutschen 6) Göttingen 1984. 47 STEINMEYER - SIEVERS (wie Anm. 38) I, 316,18-21. 48 STEINMEYER - SIEVERS (wie Anm. 38) I, 312,13. Zur Paläographie des Stückes jetzt HANS GRÖCHENIG - GÜNTHER HÖDL - ERHARD PASCHER, Katalog der Ausstellung. Handschriftenfragmente von 500-1500 (armarium 1) St. Paul 1977, Nr.12.
49
STEINMEYER - SIEVERS (wie Anm. 38) III, 5,26.
968
Heinrich Tiefenbach
Als Maskulinum erscheint das Wort bei otfrid, der den Kajaphas-Ausspruch quia
expedit
nobis
ut unus moriatur
homo pro
po-
pulo
(Joh. 11,50) damit paraphrasiert: Thaz si gisünt ther selbo 50 folk. thuruh thes einen mannes dölk und ähnlich kurz darauf im Moraliter-Teil Joh thuruh ther fölk51. tung
filtere
sinan
einen
dolk,
uuari
al
gihältan
W ö r t e r b ü c h e r 5 2 verzeichnen hierfür die Bedeu-
'Tod, Untergang'; genauer wäre
'tödliche Verwundung'.
Schließlich scheint auch die übertragene Verwendung belegt zu sein, so in der Benediktinerregel 5 3 und in den Glossen des 54 Clm 14 747 livor
, falls die uneigentliche Verwendung von vulnus
und
für seelische Wunden auch für die deutschen Glossen in An-
spruch genommen werden kann, was vor allem im letzten Fall nicht ohne weiteres wahrscheinlich ist, da die Doppelglosse tola
apanst
zunächst die Vokabelbedeutung von livor und sodann die vom Kontext geforderte angibt. Zahlreiche Belege für dolg, 55 Quellen
dolh bieten auch die altenglischen
, in denen die Bedeutungen
'Geschwür, Wunde, Verwundung 1
wie im Althochdeutschen erscheinen. Anders als dort finden sich zahlreiche Komposita, in denen das Wort als Erstglied den volkssprachigen Gesetzen dolgböt,
dolh-
(etwa in
'Bußzahlung für eine
56 V e r w u seien n d u n g 'feorhdolg ) oder als Letztglied auftritt. dolg als'SchwertGrundwort 'tödliche Verwundung' 57 ,Für heorudolg 58 wunde' und seonodolg 'Verwundung der Sehnen' genannt . Ein im
3,25,27, Otfrid von Weißenburg, Evangelienharmonie. Vollständige FaksimileAusgabe des Codex Vindobonensis 2687 der österreichischen Nationalbibliothek. Einführung HANS BUTZMANN (Codices selecti 30) Graz 1972, fol. 109v. 51
52
53
54 55
3,26,29, Otfrid (wie Anm. 50) fol. 110v. Glossar der Sprache Otfrids, bearbeitet von JOHANN KELLE (Otfrids von Weissenburg Evangelienbuch III), Nachdruck der Ausgabe 1881, Aalen 1963, S. 73 ('Untergang'); Otfrids Evangelienbuch, hg. von PAUL PIPER, II, Glossar und Abriß der Grammatik, Freiburg i.Br.-Tübingen 1884, S. 57 ('Tod, Untergang'); genauer dagegen SCHUTZEICHEL (wie Anm. 8) S. 195 ( ' W u n d e , Verwundung; Tod'). STEINMEYER (wie Anm. 43) 253,16. STEINMEYER - SIEVERS (wie Anm. 38) 11,742,21. JOSEPH BOSWORTH - T[H0MAS] N0RTHC0TE TOLLER, An Anglo-Saxon Dictionary, Oxford 1908, S. 206f.; Supplement, Oxford 1921, S. 154; JOHN R[lCHARD] CLARK HALL, A Concise Anglo-Saxon Dictionary. With a Supplement by HERBERT D[EAN] MERIIT, Cambridge 41960, Nachdr. 1966, S. 86. Bezeichnung der Bußzahlung für einen Hundebiß: ¿Elfred 23,2, Die Gesetze der Angelsachsen, hg. von F[ELIX] LIEBERMANN, 1, Halle 1903, S. 62f.
57
58
Christ 1454, The Exeter Book, hg. von GEORGE PHILIP KRAPP und ELLIOT VAN KIRK DOBBIE (The Anglo-Saxon Poetic Records III) New York-London 1936, S. 43. Andreas 942 und 1406, The Vercelli Book, hg. von GEORGE PHILIP KRAPP (The Anglo-Saxon Poetic Records II) New York-London 1932, Nachdr. 1969, S. 29 und 42.
Zur malbergischen Glosse für die Doppelbestattung
969
vorliegenden Zusammenhang besonders beachtenswerter Beleg ist 59 syndolh
im Beowulf
fix siniddula-
, da vermutlich das verstärkende Nominalprä-
vorliegt^ 0 , so daß hier eine parallele Bildung zu bezeugt wäre, wobei in beiden Fällen die Präfixe inten-
sivierende Funktion aufweisen. In der nur durch den Druck des Johannes Herold überlieferten Lex Frisionum erscheint der Wundbußenkatalog in Titel 22 unter der Überschrift De Dolg^^ . Die hier aufgezählten Verletzungen sind von ganz unterschiedlicher Schwere und betreffen alle menschlichen Körperteile. In der Additio Kompositum aladolg
sapientium
3,44 ist ferner das
belegt, dessen Bedeutung durch ae.
cläwian
'kratzen' und den lateinischen Kontext deutlich wird: Si alium rat
unguibus
cratauerit
quod aladolg
uoaant
quis
ut6 2non sanguis sed humor aquosa decur... . Auch in den späteren altfriesi-
schen Rechtsquellen sind dolah
und seine Komposita häufig be-
legt
64
Von der Bußzahlung für eine Verletzung her hatte R. Meringer wie schon J. Grimm auch got. dulgs verpflichtung) ' und dulga-haitja
(dulg
?) 'Schuld
(Zahlungs-
'Gläubiger' anschließen wollen.
Die beiden Wörter, die nur jeweils einmal im Gleichnis von den beiden Schuldnern
(Luc. 7 , 4 1 ^ ) belegt sind, werden heute aber
wegen der Parallelen im Keltischen und Slawischen etymologisch 59
816f.: him on eaxle weari / syndolh sweotol, seonowe onsprungon 'bei ihm (Grendel) wurde an der Schulter eine schwere Wunde sichtbar, die Sehnen rissen auseinander', Beowulf and Judith, hg. von ELLIOTT VAN KIRK DOBBIE (The Anglo-Saxon Poetic Records IV) New York 1953 (Nachdruck 1965) S. 26.
60
So etwa JOHANNES H00PS, Kommentar zum Beowulf, Heidelberg 1932, S. 102; C[HARLES] L[ESLIE] WRENN, Beowulf. With the Finnesburg Fragment, LondonToronto-Wellington-Syndey, 21958, Nachdr. 1969, S. 291. 61
Faksimile bei HARALD SIEMS, Studien zur Lex Frisionum (Münchener Universitätsschriften. Juristische Fakultät. Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung 42) Ebelsbach 1980, Anhang, hier S. 139. Zu den Wundbußenregistern S. 353ff. Zu dolg in der Lex Frisionum auch NIEDERHELLMANN (wie Anm. 7) S. 208-211. 62 SIEMS (wie Anm. 61) Anhang, S. 146. KARL FREIHERR VON RICHTHOFEN, Altfriesisches Wörterbuch, Göttingen 1840, Nachdr. Aalen 1970, S. 689; KARL SCHILLER - AUGUST LÜBBEN, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, I, Bremen 1875, S. 535; VERWIJS - VERDAM (wie Anm. lO) II, Sp. 272 und 276. 64 R[UDOLF] MERINGER, Wörter und Sachen. III (Indogermanische Forschungen 18, 1905/1906, S. 204-296) hier S. 230f. Das Lemma 6av(e)baTrfs erscheint im Neuen Testament nur hier; XP 6 0 ?^" Aixns wird auch Luc. 16,5 verwendet (Computer-Konkordanz zum Novum Testamentum Graece von Nestle-Aland, 26. Auflage und zum Greek New Testament, 3r(i edition, hg. vom Institut für Neutestamentliche Textforschung und vom Rechenzentrum der Universität Münster unter besonderer Mitwirkung von HORST BACHMANN und WOLFGANG A[NDREAS] SLABY, Berlin-New York 1980, Sp. 358 und 1914) und ist dort mit faihuskula übersetzt.
970
Heinrich Tiefenbach
von den westgermanischen und nordgermanischen Zeugnissen ge66 trennt , mit denen sie freilich lautlich-formal vollständig über67 einstimmen. Als Grundlage dieser Wörter wird seit G. Ehrismann ein Verb für 'schlagen' in nullstufiger Form angenommen, von dem aus 'Striemen, Wunde, Verwundung', aber auch die in den nordischen Sprachen geltende Bedeutung 'Feindschaft, Kampf' klar zu motivieren ist. Diese letzte Bedeutung hat germ. *dulg- wohl auch als Namenwort qualifiziert. Hier ist der bei Ptolemäus und Tacitus belegte Volksname der AouXyoiiyvi-oi./Dulgibini (\>r\-eleemosyna
von Anfang an 2 in der christlichen Armensorge größte Bedeutung erlangte ? Aber man weiß, daß seit apostolischer
Zeit und dann als Helfer
des Bischofs in der Armensorge der Diakon eingesetzt w u r d e 3 . Noch * Paulinus von Nola, epistola XIII (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, 29) Wien 1894, S. 92ff. 2 Die Bemerkungen von JOACHIM WOLLASCH, Toten- und Armensorge (Gedächtnis, das Gemeinschaft stiftet, hg. von KARL SCHMID [Schriften der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg] München-Zürich 1985, S. 9-38, ersetzen nicht die offenbar noch fehlende Begriffsgeschichte, die auf der Grundlage der spätantiken und mittelalterlichen Belege den Weg vom neutestamentlichen eXenuoaOvn über das lateinische eleemosyna zum deutschen Almosen nachginge und dabei nicht vernachlässigte, welche Worte im Alten Testament dem Begriff eXenuoauvri vorausgingen. Dasselbe gilt für die vorliegende Skizze im Blick auf den Begriff eleemosynarius. Zu danken habe ich der Leiterin des Mittellateinischen Wörterbuches, Frau Prof. Dr. Th. Payr, und Herrn Dr. F.-J. Konstanciak (München) für die gastfreundlich gewährte Einsicht in die Belegsammlung zu den Worten eleemosina und eleemosinarius. Die in dieser Skizze enthaltenen Belege und Beobachtungen, soweit sie sich noch nicht im Material des Mittellateinischen Wörterbuches finden, mögen diesem nützlich sein. ^ Noch immer maßgebend THEODOR KLAUSER, Art. 'Diakon' (Reallexikon für Antike und Christentum 3, Stuttgart 1957, Sp. 888-909); vgl. auch A. HAMMAN, Vie liturgique et Vie sociale. Repas des pauvres, diaconie et diaconat, agape et repas de charité, offrande dans l'antiquité chrétienne, Paris-Tournai-RomeNew York 1968, S. 67-150.
Eleemosynarius
973
im Ausgang des 8. Jahrhunderts hat der für seine Arraensorge hochgerühmte Papst Hadrian I. den Armen vor allem durch seine pro sua . 4
memoria
neu gegründeten Diakonieklöster oder aber per manus
unius fidelis simi paracellariV*
bei den täglichen Speisungen im
Porticus neben der zum Patriarchium des Lateran führenden Treppe geholfen. Auch in den Klöstern des frühen Mönchtums waren es nicht die aus späterer Zeit bekannten eZeemosynarü f die für die Armensorge im Kloster zur Verfügung standen. Während sich die Benediktsregel zu dieser Frage überhaupt nicht äußert, obwohl sie den Mönchen die höchstmögliche Sorgfalt bei der Aufnahme der Armen vorschreibt6, verfügt die Magisterregel, daß für die eleemon syna der aellerarius zuständig sei . Noch im St. Galler Klosterplan ist es der proaurator pauperum, dem die Pilgerherberge anvertraut ist und dessen Quartier vor dem Raum liegt, in dem mit o den Gästen gesprochen und den Armen das mandatum erwiesen wird . Der Begleiter des Erzbischofs Ansgar von Hamburg-Bremen, der Arme versorgen sollte, denen man begegnete, hieß dispensator elemosinae. Wenn er nicht zur Stelle war, zog Ansgar aus einem g Säckchen am Gürtel Münzen, die er für diesen Fall bereithielt . Auch Bischöfe des 10. und 11. Jahrhunderts kannten einen solchen Amtsträger. In Thangmars Vita Bernwardi lernen wir kennen: alerioum dispensatorem, multitudinem,
qui elemosinae
oentenos
viotu refeoit
... pauperibus
illa oboedientia
erat oommendata
4
et pauperibus
vel eo amplius,
diatim
elemosinae
praeerat
ab eo alerico,
erogabantur,
quorum
habundatissime cui
steht in der Vita
Le Liber Pontificalis, hg. von LOUIS DUCHESNE, Bd. 1, Paris 1965, S. 509,30.
5
g Ebd. S. 502,12. Benedict! Regula, hg. von RUDOLF HANSLIK (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 75) Wien 2 1977, S. 137,15. 7 La Règle du Maître II, hg. von ADALBERT DE VOGÜE (Sources chrétiennes 106) Q
Paris 1964, bes. cap. XVI, S. 72-84. Bes. S. 78: Cellerarius elemosynam faaiat aum iussu abbatis in praesentia eius. HANS REINHARDT, Der St. Galler Klosterplan (92. Neujahrsblatt, hg. vom Historischen Verein des Kantons St. Gallen) St. Gallen 1952, S. 12. Ebd. hat er freilich das ad mandatum faaiendum als "wo den Dienstleuten die Aufträge erteilt wurden", mißverstanden. Mandatum meint natürlich die in Erinnerung an den biblischen Abendmahlsbericht geleistete Fußwaschung und Speisung der Armen durch die Mönche. Vgl. etwa THEODOR SCHÄFER, Die Fußwaschung im monastischen Brauchtum und in der lateinischen Liturgie (Texte und Arbeiten, hg. durch die Erzabtei Beuron H. 47) Beuron 1956.
9 Vita Anskarii auctore Rimberto cap. 35, hg. von GEORG WAITZ (MGH Scriptorum rerum Germanicarum in usum scholarum [SSrG] Hannover 1884) S. 69. Thangmari Vita Bernwardi episcopi et confessoris cap. 5, hg. von GEORG WAITZ (MGH Scriptores [SS] IV, Hannover 1841, S. 374-782) S. 760.
974
Joachim Wollasch
Ulrichs von Augsburg
11
. Oder Erzbischof Heribert von Köln über12 gab einen notleidenden Kleriker seinem egenorum procuratori. Eine Ausnahme stellte in der Karolingerzeit Bischof Hart-
mann II. von Lausanne dar, der nach dem Zeugnis der Lausanner Annalen vor seiner Ordination zum Bischof 851 elemosinarius ti
P(ernhardi)
montis
Iovis,
Sanc-
also Elemosinar auf dem Großen
St. Bernhard gewesen war; doch ist diese Amtsbezeichnung Hartmanns für 851 nicht gesichert, da die Lausanner Annalen in 1 ihrer 3 heute erhaltenen Form erst aus dem 13. Jahrhundert stammen In karolingischer Zeit begegnet eleemosynarius
bereits in ganz
unterschiedlichen Bedeutungen und weist damit auf eine ältere und breitere Praxis der Verwirklichung von eleemosyna
zurück.
Längst geübt und für die Klöster im Reich verpflichtende Norm ist es in der Karolingerzeit gewesen, für diejenigen, die den res
Christi,
den Mönchen, gute Gaben widmeten - elemosinantes
für die Urheber solcher Wohltaten - eleemosinarii 14 Toten zu beten narii
paupe-
und defuncti
-,
- und für die
. Schon für Columban hatte das Gebet für
elemosi-
zu den wichtigsten Aufgaben der Mönche ge-
hört15. Offenbar in der Bedeutung Wohltäter verwendete schon Gregor ** Gerhardi Vita S. Oudalrici episcopi cap. 6, hg. von GEORG WAITZ (MGH SS IV [wie Anm. lo] S. 377-425) S. 394. 12 Lantberti Vita Heriberti archiepiscopi Coloniensis cap. 9, hg. von GEORG WAITZ (MGH SS IV [wie Anm. 10] S. 739-753) S. 748; vgl. auch cap. 12, ebd. S. 753. 13 Annales Lausannenses ad annum 851, hg. von JOHANNES HELLER (MGH SS XXIV, Hannover 1879, S. 778-781) S. 779. 14 Vgl. Synodi secundae Aquisgranensis decreta authentica (817), hg. von JOSEF SEMMLER XII (Corpus Consuetudinum Monasticarum, hg. von KASSIUS HALLINGER 1) Siegburg 1963, S. 475: Vt praetermissis partitionibus psalterii psalmi speciales pro elemosinariis et defunotis eantentur. Regula sancti Benedict! abbatis Anianensis sive Collectio capitularis (818/819?), hg. von JOSEF SEMMLER, ebd. S. 528. Collectio Capitularis Benedicti levitae mohastica (850 vel paulo ante), hg. von JOSEF SEMMLER ebd. S. 551 und Collectio Sancti Martialis Lemovicensis (ante 850) ebd. S. 560f.: pro elemosynant'vbu.s wurde während der monastischen Tagzeiten nach dem Wortlaut des Ordo Casinensis II ebd. S. 123 gebetet, pro singulis qui nobis suas eleemosynas largiuntur gemäß dem Brief Theodemars von Monte Cassino an Theoderich ebd. S. 136; und im Supplex libellus der Mönche von Fulda für Karl d. Gr. (ebenfalls hg. von JOSEF SEMMLER) erinnern die Absender gleich zu Beginn an ihre Gebetsverpflichtungen, denen nachzukommen sie gewährleistet wissen wollten, darunter denjenigen pro omnibus eleemosynas nobis tribuentibus, ebd. S. 321. ^ Regula Monachorum cap. VII (Sancti Columbani Opera hg. von G.S.M. WALKER [scriptores Latini Hiberniae 2] Dublin 1957, S. 130: ... terni psalmi ... pro elemosinas faaientibus, vgl. auch Columbans Brief 2 in Columbae sive Columbani abbatis Luxoviensis et Bobbiensis epistolae, hg. von WILHELM GUNDLACH (MGH Epistolae III, Hannover 1892, S. 154-190) S. 162.
Eleemosynarius
975
von Tours das Wort eleemosynarius, wenn er von einem Armen berichtete, der mit einer von Nicetius von Lyon unterschriebenen Erlaubnis, per devotorum domos elemosynam flagitaret, bettelnd herumzog und non pauea ab elymosynariis pro sanoti (sc. Nicetii) memoria aapiebat^^ . Wenn ein Blinder stipem ab elymosinariis 17 postulans (- nicht ab elymosinario -), so dürfte es sich auch hier um Wohltäter gehandelt haben. Daneben kennzeichnete Gregor mit dem Wort eleemosynarius eine menschliche Eigenschaft: Der hl. Nicetius wurde charakterisiert als elemosinarius atque strenuus in 18 19 labore ; einen Kaiser nannte er hominem iustum elimosinarium ; dem Bischof Dalmatius von Rodez widmete er das Lob: valde elymosinarius et ounotis humanis20. Gern, denn oft verwendete Gregor von Tours das Wort in diesem Sinn. Nach Auffassung der Zeitgenossen zählte im Mittelalter die eleemosina zu den Tätigkeitsmerkmalen, die gerade von einem guten Herrscher erwartet wurden. Von Karl dem Großen schrieb Einhard: Circa pauperes sustentandos et gratuitam liberalitatem quam Greoi eleimosinam vooant, devotissimus ...2 1 . Eine entsprechend große Rolle spielte die eleemosyna auch im Testament Karls des 22 Gr. . Was der Kaiser jeder der 21 im Testament genannten Metropolen seines Reiches an Pretiosen zugedacht hatte, sollte dorthin gelangen per manus heredum et amioorum suorum eleimosinae nomi23 ne . Man könnte von Testamentsvollstreckern sprechen, die im Namen des Erblassers für die Ausführung seiner eleemosyna zu sorgen hatten. Offenbar hatte man sich bis zum 9. Jahrhundert daran gewöhnt, den, dem eine solche Funktion anvertraut wurde, mit dem Wort eleemosinarius , in diesem Fall als Substantiv gebraucht, zu Gregorii episcopi Turonensis liber Vitae patrum Vili cap. 9, hg. von BRUNO KRUSCH (MGH Scriptores rerum merovingicarum [SS rer. Merov.j I, 2, Nachdr. Hannover 1969, S. 211-293) S. 249. 17 Gregorii episcopi Turonensis liber II de virtutibus sancti Martini episcopi cap. 8, hg. von BRUNO KRUSCH (MGH SS rer. Merov. I, 2, Nachdr. Hannover 1969, S. 134-210) S. 161. 18 Gregorii episcopi Turonensis Historiarum IV cap. 36 (MGH SS rer. Merov. I, 1, Nachdr. Hannover 1951) S. 170. 19 Ebd-. IV, cap. 40, S. 173 und V, cap. 19, S. 216. 20 Ebd. V, cap. 46, S. 238. 21
22
Einhardi Vita Karoli Magni cap. 27, hg. von GEORG WAITZ (MGH SSrG, Hannover 6 1911) S. 31. Ebd. cap. 33, S. 38f.
976
Joachim Wollasch
bezeichnen. Dieser Sprachgebrauch begegnet etwa im Capitulare von Quierzy vom 14.VI.877, in dem Karl der Kahle durch seine namentlich genannten elemosinarii
seine Bücher unter seine Söhne
sowie
das Stift S. Corneille de Compiégne und die Abtei S. Denis auf24 teilen ließ
. Und er lebte noch lange in der Urkundensprache
wei-
ter. Besonders deutlich werden in einer Urkunde aus der Zeit des Königs Lothar und des Abtes Maiolus von Cluny, also aus der Zeit von 954 bis 986, für die Abtei Sauxillanges, in einer Urkunde, die selbst helemosina
genannt ist, Bischof Stephan II. von Cler-
mont-Ferrand und Erzbischof Amblard von-Lyon, vier namentlich bezeichnete Vicegrafen und andere genannte Zeugen
Isti
omnes
contradictores
sunt
elemosinarii fuerint,
et
et
partem
adjutores habeant
angesprochen:
contra in
eos
hanc
Sind bis zur Karolingerzeit das neutestamentliche eXenyoaövn als eleemosyna eleemosinare
und eleemosynae,
und eleemosynarius
Rechtshandlungen,
sunt
qui25
elemosinam Wort
die Wortbildungen
in die Sprache
alltäglicher
in Urkunden, Capitularien ebenso wie in Ge-
schichtsschreibung und Hagiographie eingeangen, so könnte man auf den Gedanken kommen, vielleicht hätte sich die neutestamentliche Forderung barmherziger Nächstenliebe, die hinter dem Begriff > ÉXenyoaúvn steht 26 , im Lauf der Jahrhunderte bis zur Zeit der Ka24
MGH Capit. 2, Nr. 281, S. 358f. Zu den Eleemosyna-Leistungen Karls des Kahlen vgl. EGON BOSHOF, Untersuchungen zur Armenfürsorge im fränkischen Reich des 9. Jahrhunderts (Archiv für Kulturgeschichte 58) Köln 1976, S. 314f. u. 332f., neuerdings EUGEN EWIG, Der Gebetsdienst der Kirchen in den Urkunden der späteren Karolinger (Festschrift für Berent Schwineköper, hg. von HERMANN MAURER und HANS PATZE, Sigmaringen 1982, S. 45-86). Vgl. auch MGH Capit. 2, Nr. 221 von 876 Febr., wo von erogatariis et eleemosynariis
ecclesiasticis
25
cum ipsius
ecclesiae
constituto
oeconomo die Rede ist, die
den Besitz des verstorbenen Bischofs dessen Nachfolger aufzubewahren bzw. Armen auszuteilen berechtigt waren. Daß der Begriff im Sinn des Treuhänders aus dem Erbrecht stammt - "So noch im MA bei Seelgaben an die Kirche (eleemosynarii fideicommissarii)" - und dann daraus die Bedeutung Testamentsvollstrecker abgeleitet wurde, betont HEINRICH MITTEIS - HEINZ LIEBERICH, Deutsches Privatrecht, München 91981, 8 II 1, S. 32 und 61 I, S. 181.
Cartulaire de Sauxillanges, hg. von HENRY DONIOL, Paris 1864, Nr. 367, S. 284. Auch der Begriff carta elemosinaria für eine Stiftungsurkunde war geläufig; vgl. etwa MGH Regum Burgundiae e Stirpe Rudolfina Diplomata et Acta bearbeitet von THEODOR SCHIEFFER unter Mitwirkung von HANS EBERHARD MAYER, München 1977, Nr. 160, Urkunde Bischof Humberts von Grenoble von 1016 Febr. 26., mit dem er dem Kloster Cruas die Kirche in Moirans (-en-Montagne) zur Einrichtung klösterlichen Lebens schenkt, heißt carta helemosinaria; vgl. ebd. Nr. 173, Urkunde des Erzbischofs Leodegar von Vienne, Vienne 1036 Nov. 3., mit der er S. Ferr&ol in Grigny beschenkt und mit Mönchen aus S. Victor de Marseille besiedelt, heißt donatio haec elemosinaria. 26 Vgl. die vorläufigen Bemerkungen von WOLLASCH (wie Anm. 2).
97?
Eleemosynarius
rolinger im gesellschaftlichen Leben soweit durchgesetzt und zugleich verflacht, daß sie in juristischer Begrifflichkeit weithin erstarrt wäre. Es wäre ein voreiliger Schluß. Denn gerade im 9. Jahrhundert entstanden Zeugnisse, in denen eleemosyna und eleemosynarius in der denkbar größten Tiefenschärfe erfaßt wurden. So wie Abt Smaragdus in seinem Kommentar zur Benediktsregel zu einem Verständnis der eleemosyna der Mönche kam, das so ganzheitlich dem Menschen zugewandt war, daß es heutigem Verständnis von Almosen keineswegs entspricht: - Est et aliud elemosinae genus duale,
quo debent
infirmis
et tribulantibus,
est adhibendum. tribulanti peres verbum
maxime
oonsolationis
reareat. ministrat
27
Qui enim Similiter ignaris,
monaehi aliud infirmo consilium
pauperes vero
reareare.
stultis
et
per aonpassionem subministrat,
et qui dootrinam elemosinarii
stultis
dignus
Quorum
unum
nesaientibus communieat, sine dubio et
et pau-
soientiae
est laudari
prae-
oon^^s. -, so wurde auch, über die in diesem Text wieder erscheinende Gleichsetzung von eleemosinarius und Wohltäter hinaus, eleemosinarius zu einem geradezu programmatischen Namen. Der päpstliche Bibliothekar Anastasius übersetzte nämlich das Leben des Patriarchen Johannes eXenuuv von Alexandria (610-619), 28 das Leontios von Neapolis auf Zypern verfaßt hatte , ins Latei29 nische. Seine Vita S. Iohannis Eleemosynarii gab das Werk des Leontios über Johannes den Barmherzigen offensichtlich wortgetreu wieder. Denn die in der griechischen Fassung personifizierte auufa9eia riyouv ^ eAenyoativri kehrt bei Anastasius als Compassio et Eleemosyna (Gottes) wieder30. Schlüsselfigur in dieser Vita des Patriarchen Johannes ist die junge, mit einem Kranz aus Olivenzweigen geschmückte Frau mit dem Namen n aupiSSeia nyouv ?i eXenuoaövTi, Gottes mitleidendes Erbarmen. Sie habe der sechzehnzehnjährige Johannes im Schlaf gesehen. Als erste der Königstöchter habe sie sich ihm zu erkennen gegeben. Wer sie zur Freundin habe, den führe sie zum ßaaiXeii«;. Denn niemand habe soviel Macht 27
28
Smaragdi Abbatis Expositio in Regulam S. Benedicti 14, hg. von ALFRED SPANNAGEL und PIUS ENGELBERT O.S.B. (Corpus Consuetudinum Monasticarum 8) Siegburg 1974, S. 99. Leontios de Néapolis, Vie de Syméon le Fou et Vie de Jean de Chypre, hg. von ANTOINE J. FESTUGIÈRE (Institut Français d'Archéologie de Beyrouth, Bibliothèque Archéologique et Historique 95) Paris 1974.
29 MIGNE, Patrologiae cursus completus. Sériés Latina, Bd. 73, Paris 1844, Sp. 337-392. Leontios (wie Anm. 28) S. 352, Anastasius (wie Anm. 29) col. 345 C.
978
Joachim Wollasch
bei diesem wie sie. Sie habe bewirkt, daß er auf Erden Mensch wurde und die Menschen erlöste. Aus diesen Worten erkannte Johannes in der Darstellung des Leontios, daß ihm in der visionären Frau Gottes mitleidendes Erbarmen selbst begegnet sei. Denn nur dieses konnte Christus zu Menschwerdung und Erlösung bewegt ha31 ben . Dem entspricht es, wenn in der Vita Johannes bei seinem Sterben von eben dieser personifizierten auuirdQeaa fiyouv n 2 e X e n u o a ö v n ins Himmelreich geleitet worden ist"^ . Als Anastasius Bibliothecarius diese Vita ins Lateinische übersetzte, brachte er den Zeitgenossen des 9. Jahrhunderts e\eT\\ioo'övr\-eleemosyna nicht etwa einfach als milde Gabe im Sinn neuzeitlichen Almosenverständnisses ins Bewußtsein. Vielmehr wurde das Wort zur personifizierten Norm göttlichen Erbarmens gegenüber den Menschen für diese. Und Johannes Eleemosynarius begegnete dem Abendland nicht nur als vorbildlich Almosen spendender Patriarch. Vielmehr hatte sich ihm schon der griechische Text einer Fassung der Vita als dem Christus selbst durch seine Barmherzigkeit nachahmenden Wohltäter zugewandt: T U Tnq e X e n u o a ö v n C 33 XP iotoy iuntoi epycitri . Die Wirkungsgeschichte der Johannesvita des Leontios in allen ihren Fassungen und diejenige der Ubersetzung durch Anastasius Bibliothecarius ist noch nicht geschrieben. Man wird sie nicht gering einschätzen dürfen, wenn man aus der Vita des Abtes Johannes' von Gorze, der vor Übernahme seines Abbatiats die berühmte Gesandtschaft zum Kalifen in Cordoba übernommen hatte 34 , erfährt: Johannis ouiusdam Alexandrini patriar35 ahae, quem Ele%monem
eognominant,
actus pene memoriae
retinens
M. Manitius rechnete damit, daß es sich um die lateinische Ubersetzung der Johannes-Vita von Anastasius gehandelt habe, die der 36 Abt von Gorze nahezu auswendig gekannt habe . Daß jedoch die Vita des Gorzer Abtes an dieser Stelle die lateinische Form von 31
32 33
34
Ebd. cap. VI, S. 351f., vgl. auch H. DELEHAYE, Une vie inédite de saint Jean l'Aumônier (Analecta Bollandiana 45, 1927, S. 5-74) S. 29. Ebd. cap. LX, S. 408, DELEHAYE (wie Anm. 31) S. 72. DELEHAYE (wie Anm. 31) S. 28. Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Otto d. Gr. von RUDOLF RÖPKE und ERNST DÜMMLER, Leipzig 1876, 2. unveränderte Auflage Darmstadt 1962, S. 217 und 279f. Vita Johannis abbatis Gorziensis cap. 84 (MGH SS IV, S. 361).
36
MAX MANITIUS, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters 2 (Handbuch der Altertumswissenschaften IX, 11,2) München 1923, S. 814.
979
Eleemosynarius eAeiiuwv, nicht etwa das Wort eleemosynarius
verwendet, läßt min-
destens die Möglichkeit offen, Johannes von Garze, der als Gesandter nach Spanien wohl über mehr als durchschnittliche Sprachkenntnisse verfügt haben dürfte, habe eine griechische Fassung des Werkes von Leontios über Johannes den Barmherzigen gekannt. Johannes Eleymonos wurde auch ausführlich im dritten Buch der Collationes Odos von Cluny zitiert. Dieser deutete auch die Vision des Johannes im Werk des Leontios: Eidem namque Ioanni miseriaordia in speoie puloherrime mulieris apparuit, qui dehino eleemosynis
tantopere deditus est, vt ob hoc Eleymonos, id est 37 miser^oors voevtetur . Auch diese, freilich fehlerhaft wiedergebende Formulierung könnte darauf hindeuten, daß Odo von Cluny, als er Vita und Vision des Patriarchen Johannes weitervermittelte, den griechischen Text kannte. Schon in Tours hatte ja Odo von Cluny als magister in St. Martin 3 8, bevor er nach Baume und Cluny weggegangen war, Gelegenheit zur Begegnung mit der griechischen 39 Sprache . Ob nun aber Odo von Cluny das Leben des Patriarchen Johannes von Alexandria in griechischer Sprache oder in der lateinischen Ubersetzung des Anastasius kennengelernt hat - in jedem Fall hat er die personifizierte Barmherzigkeit als Quelle für die vorbildlichen Taten Johannes des Barmherzigen aufgefangen und den Hörern und Lesern seines Werkes nahebringen wollen. Gerade an Mittelpunkten klösterlicher Reform des 10. Jahrhunderts im Reich ebenso wie jenseits der Reichsgrenzen lebte demnach die von Anastasius Bibliothecarius übersetzte Vita des Patriarchen von Alexandria fort. Dort erinnerte eleemosynarius
an
das Leitbild dessen, der Christus in dessen Barmherzigkeit nachahmt. Uber die Jahrtausendwende hinweg setzte sich die Anziehungskraft des Lebens Johannes' des Barmherzigen durch. Theodericus rühmte in der Translatio sancti Celsi Erzbischof Egbert von Trier, der sub habitu episoopi das demütige Herz eines sehr gottergebenen Mönches verborgen habe, als Novum quippe ... Johannem quem Eleimonem vooant ... 40 . Und Abt Bern von der 37
MARTIN MARKIER - ANDRE DUCHESNE, Bibliotheca Cluniacensis, Paris 1614, Neudruck MScon 1915, col. 226 B.
38 Vgl. JOACHIM WOLLASCH, Königtum, Adel und Klöster im Berry (Neue Forschungen über Cluny und die Cluniacenser von JOACHIM WOLLASCH, HANS-ERICH MAGER 39 und HERMANN DIENER, hg. von GERD TELLENBACH, Freiburg i.Br. 1959) S. 163ff. Ebd. S. 130 Anm. 43. Vgl. hier auch die Bemerkungen zu Anklängen des Lausiakon in der Vita Odos von Cluny durch Johannes von Salerno, vgl. aber die skeptischen Beobachtungen von WALTER BERSCHIN, Griechisch-Lateinisches Mittelalter. Von Hieronymus zu Nikolaus von Cues, Bern-München 1980, S. 159. 40 Translatio S. Celsi auctore Theoderico cap. 2, hg. von HEINRICH PERTZ (MGH SS VIII, Hannover 1848, S. 204-208) S. 205.
Joachim Wöllasch
980
Reichenau hat in dem Brief an Heinrich III., in dem er diesen als Friedensstifter gepriesen hat, an Johannes qui
dioitur
mon zurückerinnert, um mit dessen Worten dem Herrscher 41 als imitabile exemplum vorzustellen
Eley-
Konstantin
Im 10. Jahrhundert begegnen uns neben den schon erwähnten Bedeutungen des Wortes eleemosynarius Heiligenviten eleemosynarius
etwa in ottonenzeitlichen
und eleemosynaria
als die Männer
und Frauen, denen die barmherzige Zuwendung gelten sollte, als 42 die Empfänger von eleemosynae . In der Tegernseer BriefSammlung, in der elemosina 43 kommt
öfters in der Bedeutung von Barmherzigkeit
vor-
, bezeichnet sich gegenüber Herzog Heinrich IV. von Bay-
ern, dem späteren Kaiser Heinrich II., der Konvent nach dem Tod seines Abtes Gozpert (1001) monasterii sanati . . . . als. congregatio Qmrim pauperoula elemos%natrzx •Oestro 44 hier wohl am ehesten zu übersetzen mit "auf die Barmherzigkeit des Herzogs angewiesene ...". Im Brief bittet der verwaiste Konvent, der Herzog möge
41
42
43
44
FRANZ-JOSEF SCHMÄLE, Die Briefe des Abtes Bern von der Reichenau (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe A, Quellen 6) Stuttgart 1961, Nr. 27, S. 63f. vitae Sanctae Wiboradae, Ekkeharti Vita S. Wiboradae cap. XXIV (21), hg. von WALTER BERSCHIN (Mitteilungen zur Vaterländischen Geschichte hg. vom Historischen Verein des Kantons St. Gallen 51) St. Gallen 1983, S. 68, dazu WALTER BERSCHIN und GEREON BECHT, Sprachliches in den Vitae S. Wiboradae von Ekkehart I. (ca. 960/970) und Hermannus (ca. 1075) von St. Gallen (Bulletin Du Cange Archivum Latinitatis Medii Aevi 43 1984) S. 14f.; Gerhardi Vita S. Oudalrici ep. II, cap. 24 = Gerhardi Miracula S. Oudalrici ep. cap. 24 (MGH SS IV, S. 423; vgl. ebd. cap. 29, S. 424; S. Adalberti Pragensis episcopi et martyris vita prior cap. IX, hg. von HEDVIGIS KARWASINSKA (Monumenta Poloniae Historica Series Nova IV,1) Warschau 1962, S. 14: ... plurimos pauperes elemosynarios ad miserioordiq opera uoaat ..., vgl. Redactio Aventinensis altera cap. IX, S. 55, Redactio Cassinensis cap> IX, S. 75. MGH Ep. sei. 3, hg. von KARL STRECKER, Berlin 1925, z.B. Nr. 21: Abt Gozbert von Tegernsee bittet Bischof Gottschalk von Freising, ob elemosinam vestri einem Priester die Ausübung des priesterliehen Amtes bei einem nächsten Kapitel oder bei einer nächsten Synode zu gestatten; Nr. 28: Abt Gozbert bittet einen Grafen , ob elemosinam vestri dem Konvent, um diesen vor Hungersnot zu bewahren, Getreide zu spenden; Nr. 34: W(igo) bittet einen Bischof (vielleicht Gottschalk von Freising) ob elemosinam vestri um Hilfe bei Kleidungs- und Nahrungsmangel. Im selben Brief, bei der Erwähnung der Armen, die zum Kloster strömten und von diesem nicht im Stich gelassen werden dürften, formuliert er: Pauperibus namque, quos in elemosinam suseepimus, et his, qui hina inde oonfluunt, non audemus denegare solatia-, Nr. 36: Abt Gozbert bittet Graf Otto pro amore Dei et sanati Quirini elemosinamque vestri um Rückgabe zweier palliola für einen servus des Klosters; Nr. 38: doirmus noster dux Eeinriaus (wohl Herzog Heinrich IV. von Bayern, der spätere Kaiser Heinrich II.) ob elemosinam sui preeepit, ut liberi redeant, si eorum preciym reddamus. Ebd. Nr. 49.
Eleemosynarius
981
sich seiner erbarmen ( n o s t r i misereri dignemini) , das Kloster nicht einem anderen Herrn übertragen, die Besitzungen, die es vom Herzog und dessen Verwandtschaft ob elemosinarli sui besäße, nicht abzuziehen und nicht einen Abt jenseits der Bitte der Brüder einsetzen zu wollen. Besonders häufig begegnet in Urkunden das Wort elemosinarius im Sinn von Empfänger einer barmherzigen Gabe. Stellvertretend sei erwähnt, daß zwischen 103 7 und 1041 Adalpero von Sachsen kam und unter der Bedingung an Tegernsee schenkte, ut sibi piena monaohilis prebenda cibi et potus in Tegrinsensi cenobio daretur, quamdiu ipse viveret et quando in eodem monasterio adesset. Impetrava quoque, ut eadem alimonia sine piscibus et absque vino ipso absente et adhue vivente daretur alioui de suis aut scolastico vel elemosinario. Post mortem etiam suam obtinuit iamdictam prebendam mosinam
plenum singulis
[sic!] unum annum pro remedio anim$ su$ in ele45 diebus donari . Die zum Seelenheil des Schen-
kers mit dessen Totengedenken verbundene Speisung eines Armen (- die elemosina
ist die tägliche monachilis
prebenda
-)
kam zu
Lebzeiten des Schenkers diesem, ohne Fisch und Wein einem der ihm Anvertrauten, einem (Kloster?-)Schüler und Armen zu. Daß hier nicht etwa das klösterliche Amt des Elemosinarius gemeint war, ergibt sich auch aus der Formulierung alicui elemosinario in einer weiteren Tegernseer Urkunde 46 . Aus demselben Urkundenbuch erfährt man, daß im 11. Jahrhundert auch die zwölf Praebendarii des Klosters die Bezeichnung elemosinarii erhalten konnten 47 öfters bezeichnete das Adjektiv elemosinarius Haus für die Armen, die domus elemosinaria
in Urkunden das
oder Leistungen für
die Armen und ihre Häuser. Zwei Klöster in Vienne teilten einen Besitz untereinander - excepto labore duorum boum elemosinarie domui ab utroque monasterio concesso, quamdiu elemosinarius labor 48 in predicta fuerit villa ... 45
46
47
48
Die Traditionen des Klosters Tegernsee 1003-1242 hg. von PETER ACHT (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte, Neue Folge 9) München 1952, Nr. 29. Ebd. Nr. 57 c. Ebd. Nr. 71 (1048-1068). Der Edle Gerolt verkauft unter der Bedingung,
qua-
tinus omnis monachica annona, excepto vino et piscibus, pauperi infirmis servienti cottidie detur atque singulis annis in una die Karitas, sicut mos est, in precipuis festivitatibus nostris fratribus reficientibus adhibeatur eodemque die XII elemosinarii cum duodenis panibus seu totidem pulmentis ac potibus perpetualiter reficiantur; vgl. ebd. Nr. 128 b (1092-1113). Cartulaire de l'abbaye de Saint-André-le-Bas de Vienne, hg. von C.U.J. CHEVALIER, Vienne-Lyon 1869, Nr. 253, S. 194.
Joachim Wollasch
982
Nicht überall freilich, wo man von der Sache her das Wort eleemosynarius in einer der genannten Bedeutungen erwartete, begegnet es in den uellen. So überreich etwa ist die elemosina gewesen, die Königin Mathilde, die Gemahlin Heinrichs I.,nach dem Wortlaut ihrer Viten für die Armen aufwandte, daß sie sich dabei von einer sanotimonialis Riaburg unterstützen lassen muß49 te . Diese erhielt hier jedoch nicht etwa den Titel eleemosynaria. Genauso hören wir von Odilo von Cluny, wie Kaiserin Adelheid, die es gewohnt war, den Armen mit eigener Hand auszuteilen, nach ermüdender Reise einen Mönch bestimmte, der an ihrer Stelle den Armen Geld gab: Fatigata manu proprio tribus,
elemosinam
ex itinere
non potuit
more
dare pauperibus
et vooavit
unum de fra-
qui vioe sua nummos
daret pauperibus^.
solito
Diese Funktion
des Mönchs wurde von Odilo nicht mit dem Begriff eleemosynarius belegt, vielleicht deshalb nicht, weil zur Zeit der Abfassung des Epitaphiums der Kaiserin Adelheid schon, jedenfalls in cluniacensischen Klöstern, der Begriff eleemosynarius einem bestimm51 ten Offizialen im Kloster zukam Die schriftlich festgehaltenen Gewohnheiten mönchischen Lebens im Kloster aus dem 10. Jahrhundert kennen zwar, wo in ihnen von der jahrein, jahraus geübten Armensorge im Kloster die Rede ist, den Begriff elemosina. So steht in den älteren Consuetudines von S. Benoit-sur-Loire im Kapitel über den Camerarius, was von ihm an Fürsorge für die Armen erwartet wurde, und es folgt der Satz: Semper
manus
vemtur
. Daran schließt die Bestimmung, der Abt solle
52
extenta
prodiga
ad elemosine
benediotionem
in-
nichts an elemosina austeilen, sondern gemäß dem Evangelium im Verborgenen iustitiam suam üben 49
. Aufschlußreich, daß hier
Vita Mathildis reginae antiquior, cap. 11 (MGH SS X, Hannover 1852, S. 579); vgl. zur Armensorge der Königin Mathilde zuletzt GERD ALTHOFF, Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung. Studien zum Totengedenken der Billunger und Ottonen (Münstersche Mittelalter-Schriften 47) München 1984, bes. S. 167ff.
Die Lebensbeschreibung der Kaiserin Adelheid von Abt Odilo von Cluny (Odilonis Cluniacensis abbatis Epitaphium domine Adelheide auguste) bearbeitet von HERBERT PAULHART (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband 20, Heft 2) Graz-Köln 1962, cap. 13, S. 39; vgl. auch cap. 20, S. 43. 51 „ . S. unten S. 52 Consuetudines Floriacenses antiquiores saec. X. ex. cap. 12 hg. von ANSELMUS DAVRIL und LINUS D0NNAT unter Mitwirkung von MARIA WEGENER, CANDIDA ELVERT und KASSIUS HALLINGER (Corpus Consuetudinum Monasticarum hg. von KASSIUS HALLINGER VII,3) Siegburg 1984, S. 21. 53
Ebd. S. 21.
983
Eleemosynarius 54
elemosina und iustitia zusammenrücken! Durch einen baiulus, nicht selbst, solle der Abt die elemosina an die Armen austei55 n len Aber zu den elemosina-Erwähnungen tritt nicht der Begriff elemosinarius, stattdessen wird der Kämmerer des Klosters mit der Armensorge betraut, unterstützt den Abt, wenn dieser das Kloster verläßt und Armen begegnet, ein baiulus, der nirgends eleemosynarius heißt. In denselben Consuetudines geht aus dem 14. Kapitel über das Armenhospital im Kloster hervor, frater spiritalis spiritalibus instruatus moribus eonstituitur,
qui hospitalis
paupe-
56 rum vooatur . Dieser durfte nicht (puer) nutritus sein, sondern vielmehr wurde ein conversus frater gefordert, der schon den Anker seiner stabilitas im Kloster ausgeworfen hätte^. Als Grund für die Bevorzugung des Conversen vor dem (puer) nutritus in diesem Amt wurde ausgesprochen: Hoc autem idoirao, quia maioris compassionis atque humanitatis erga pauperes et peregrinos
invenitur
uti per semetipsum expertus 5 8 rem quam loci nutritus, qui nich.il
sibi talium est conscius
. Im selben Zusammenhang hören wir von
der Zusammenarbeit des hospitalis pauperum mit dem camerarius
59
der Armenversorgung
in
. Doch wieder fehlt der Begriff eleemosyna-
rius.
In der St. Emmeramer Redaktion der sogenannten Einsiedler Consuetudines des 10. Jahrhunderts kam, was in S. Benoit-sur-Loire der hospitalis pauperum für die Armen vorzusorgen hatte, dem prouisor pauperum zu, wie ihn schon Smaragds Regelkommentar kannte und der im St. Galler Klosterplan procurator pauperum heißt^. Wie schon auf dem St. Galler Klosterplan die südwestlich der Kirche stehende domus peregrinorum et pauperum, die südlich beim Zugang zur Klausur an die Kirche gelehnte pausatio procuratoris pauperum und der Exitus et introitus ante claustrum ad conloquen54 Vgl. dazu WOLLASCH (wie Anm. 1) S. Consuetudines Floriacenses 56
(wie Anm. 52) S. 21.
Ebd. S. 24f.
57
Ebd. S. 25. 58 Ebd. . 59
60
Ebd. S. 26. Redactio Sancti Emmerami Dicta Einsidlensis saec. X, hg. von MARIA WEGENER und CANDIDA ELVERT unter Mitwirkung von KASSIUS HALLINGER (Corpus Consuetudinum Monasticarum [wie Anm. 52] VII, 3) Siegburg 1984, S. 223.
Joachim Wollasch
984 dum cum hospitibus
et
ad mandatum
faciendum,
dem
Pförtnerbereich
nördlich der Kirche entsprechend zusammenlagen und das Tätigkeitsfeld des proourator pauperum und der klösterlichen Armensorge umschrieben^, so blieb,auch während des 10. Jahrhunderts nach Ausweis der Consuetudines dieser Bereich um Pforte und Klostereingang der Ort, an dem Abt, aellerarius,
camerarius,
proouvator
pauperum und die Brüder des Konvents den Armen Fußwaschung, Nahrung und Geld zur Wegzehrung darboten. D. Willibrord Witters, mit seiner Studie Pauvres et Pauvreté dans les coutumiers monastiques 62 63 du moyen-âge hatte mit dem Stichwort disparition de la "Porta" richtig erkannt, daß sich vom 10. zum 11. Jahrhundert im cluniacensischen Mönchtum auf dem Feld klösterlicher Armensorge etwas wesentlich Neues ereignet hatte, etwas, was das bisherige Tätigkeitsfeld mönchischer Armensorge im Kloster gesprengt hat. Die cluniacensischen Consuetudines haben den Begriff eleemosy64 narxus als Bezeichnung für ein Amt im Kloster eingeführt . Aus den frühesten Zeugnissen nach 1000 erfährt man, daß der Elemosinar von Aschermittwoch bis Gründonnerstag täglich, die Sonntage ausgenommen, Brot und Wein, 6 5 die vom Tisch aller Brüder übrigblieben, zugewiesen bekam . Gab am Gründonnerstag nach der mis sa ad pauperes der Cellerar den Armen zu essen^, so wurde das mandatum durch den Abt und den ganzen Konvent vorgenommen, ebenso die da67 mit verbundene Darreichung von Trank und 2 Denaren Wegzehrung Am Karfreitag nahm der Elemosinar Brot und Wein und alles, was für den Konvent serviert war, an sich, da die Mönche sich an die68 sem Tag mit ein wenig Brot und Wasser begnügten . An den Vigilien des Pfingstfestes, Johannes1 d. T., des Peter-Pauls-Festes, Maria Himmelfahrt, des Laurentiustages, Allerheiligen und der Quatembertage, nicht aber an den Rogationstagen (vor Christi Himmel61
62 63
64
REINHARDT (wie Anm. 8) S. 12. In: Etudes sur l'histoire de la pauvreté I, hg. von MICHEL MOLLAT tions de la Sorbonne Série Etudes 8) Paris 1974, S. 177-215.
(Publica-
Ebd. S. 194. Die Schreibweisen in den Quellen schwanken zwischen elemosinarius,
sinarius,
elemosynarius
und
helemo-
eleemosynarius.
^
Consuetudines Cluniacensium antiquiores cum redactionibus derivatis, Nr. 32, hg. von KASSIUS HALLINGER (Corpus Consuetudinum Monasticarum, hg. von DEMS., VII, 2) Siegburg 1983, S. 50.
66
Ebd. Nr. 40, S. 75.
67
Ebd. Nr. 40, S. 79-83. Ebd. Nr. 41, S. 92.
985
Eleemosynarius
69 fahrt) nahm der Elemosinar Brot und Wein aus dem Refectorium Ließen sich diese kargen Mitteilungen nicht mit den Consuetudinestexten Clunys aus dem 11. Jahrhundert vergleichen, verstünde man schwerlich, warum dem Elemosinar in der Auffassung der Cluniacenser besondere Bedeutung zukam. Wenn dann im Liber tramitis aevi Odilonis abbatis, den aus Farfa überlieferten Consuetudines Clunys aus der Zeit des Abtes Odilo, steht, der Elemosinar habe den Brüdern die Rasur vorzubereiten^®, mag dies den heutigen Betrachter fremd anmuten und gleichgültig lassen. Er würde eher aufmerksam, wenn er in der Beschreibung des zweiten Klosterbaues von Cluny im selben Text liest, daß im Westen der Klosteranlage, bei dem Gebäude, in dem neben Stallungen und Unterkunft von Dienstpersonal diejenigen Gäste, die nicht im palatium unterkamen, übernachteten, alle zusammenkamen, die nicht beritten waren, und
daß
diese Fußgänger
eonuenientia fuerit ibi d e r Aeternosynarum oella
60 Fuß lang
72
oaritatem
ex
oibo
atque
reoipiant ab elemosynario ist da v e r m e r k t , sie sei
potum
in
fratre 10 Fuß
quantum Von breit,
. 60 Fuß breit, 70 Fuß lang war zum Vergleich die
Zelle des Cellerars, 25 Fuß breit und 90 Fuß lang das Refecto. 73 rxum Eine ausführliche und zugleich in sich zusammenhängende Darstellung der Aufgaben des Elemosinars bieten indes erst die Consuetudines, die Bernard, und jene, die Udalrich von Regensburg/ Cluny im Auftrag des Abtes Hugo von Cluny redigiert haben. Bernard überschrieb das 13. Kapitel des 1. Teils seiner Consue74 tudines: de officio eleemosynarii . Auch er berichtete, daß, so wie der oustos hospitii die berittenen Pilger und Besucher des Klosters zu betreuen hatte, der eleemosynarius sich der ankommenden Fußgänger anzunehmen hatte - ausgenommen Boten mit Briefen, die 69
d e r austos
hospitii
empfing. Vom
granatarius
, dem
Kornspeicher
Ebd. Nr. 45, S. 103; vgl. Nr. 46, S. 105; Nr. 56, S. 119. Das spätere Fragment "G" (Castello di Poppi Bibl. com. Codex 63) aus Galeati (vgl. dazu KASSIUS HALLINGER in Corpus Consuetudinum Monasticarum VII, 1, Siegburg 1984, S. 105f.) erwähnt auch zur Weihnachtsvigil die Entnahme von Brot und Wein vom Tisch der Brüder durch den Elemosinar: Consuetudines (wie Anm. 65) Nr. 69, S. 143.
70
71
72 73
74
II, cap. XXIII, 158, hg. von PETER DINTER (Corpus Consuetudinum Monasticarum X, hg. von KASSIUS HALLINGER) Siegburg 1980, S. 231. II, cap. XVII, 142, S. 206. II, cap. XVII, 142, S. 204. Ebd. MARQUARDT HERRGOTT, Vetus Disciplina Monastica, Paris 1726, S. 157-161.
Joachim Viol lasch
986
und Bäckerei unterstanden, erhielt der Elemosinar für jeden Ankömmling ein Pfund Brot, ein halbes, um es dem peregrinus tagsdarauf bei dessen Abschied zu reichen. Zur Brotration kam eine halbe iustitia, das Weinmaß eines Mönches, verteilt auf Ankunft und Abschied eines Armen. Wer wegging, bekam in Cluny - aus der Sicht Bernards olim - einen Denar, wenn zu erwarten stand, daß 75 er vor einem Jahr nicht wiederkäme . An der langen Reihe der Tage im Jahr, an denen die Brüder fasteten beziehungsweise kein Fett essen durften, entnahm der Elemosinar Brot und Wein von dem, was im Refectorium übrigblieb^6. Darüberhinaus erhielt er täglich soviele Präbenden, d.h. Tagesrationen eines Mönches an Brot, Wein und Gemüsezulage bzw. Bohnen, als Jahrgedächtnisfeiern für verstorbene Brüder anstanden, außerdem für jeden verstorbenen cluniacensischen Professen, wo immer dieser eben verstorben sein mochte, 30 Tage hindurch eine ungeschmälerte Präbende; für die Brüder, deren Tod aus Versehen nicht nach Cluny gemeldet wurde, 77 wurden zudem täglich zwei Präbenden an den Elemosinar gegeben Drei tägliche Präbenden traten hinzu und wurden im Refectorium auf dem Haupttisch aufgestellt. Sie galten dem Gedenken an Abt Odilo, Kaiser Heinrich II., den spanischen König Fredelannus und dessen Gattin 7 8 Aus der necrologischen Buchführung der Cluniacenser wissen wir, daß die täglichen Präbenden, die der Elemosinar zum Gedenken an die toten Brüder für die Armen empfing, in Cluny um 1100 pro Jahr mindestens 18000 - das 30-Tage-Gedenken noch gar nicht mitgerechnet - gewesen sind 79 . Diesen erstaunlich großen Vorrat, über den der Elemosinar dank der Präbenden verfügte, erwähnte 80 schon der Liber tramitis aus der Zeit Odilos . Aus ihm geht auch anschaulich hervor, wie der Elemosinar in der täglichen Praxis an die Präbenden für seine Armen kam: immer am Aschermittwoch 75 76 77 78
79 80
Ebd. S. 157f. Ebd. S. 158. Ebd. Zu den im Zusammenhang mit dem Totengederiken an den Elemosinar gegebenen Präbenden in großen Zügen wenigstens WITTERS (wie Anm. 62) S. 206, davor schon GUY DE VALOUS, Le monachisme clunisien des origines au XV e siècle 1, Paris 2 1970, S. 164f. Vgl. JOACHIM WOLLASCH, Les obituaires, témoins de la vie clunisienne (Cahiers de civilisation médiévale 22, 1979, S. 139-171) bes. S. 161ff. Wie Anm. 70, II, cap. XXXIII, 195.6, S. 277.
Eleemosynarius
987
hatte der armarius auf zwei Tafeln, welche die monastischen Wochendienste betrafen, auch Pergamentblätter mit dem Martyrolog, denen er im voraus entnehmen konnte, wieviele Tagesrationen an 81 Wein und Brot täglich zur haelemosina zu geben waren . Auf diesen Blättern müssen also die necrologischen Daten des Kapiteloffiziumsbuches gestanden haben, aus denen sich die Berechnung der Präbenden ergab. In der Consuetudinesredaktion Bernards werden, um die Ressourcen des Elemosinars für dessen Aufgaben zu bestimmen, auch die 12 tortae á 3 Pfund täglich erwähnt, Teigfladen, die Kindern und Witwen, Lahmen und Blinden, Alten und allen des Weges daherkom82 menden Armen zugedacht waren . Was die Mönche außer Brot und Wein aßen und tranken, kam, soweit es im Refectorium übrigblieb, ebenfalls zur Hälfte an den Elemosinar. Davon hatte er die praebendarii, die 18 Armen, die, im Gegensatz zu den pauperes supervenientes, stets in Cluny ortsansässig waren, zu versorgen, dazu 83 seine Helfer
. Diese Helfer des Elemosinars, fünf an der Zahl,
veranschaulichen die Vielfalt der Aufgaben, die dem Elemosinar zugewachsen waren. Der famulus maior des Elemosinars hatte den ortsansässigen und den von außen kommenden Armen und den Pilgern zu dienen 84 ; der zweite war für den Zugang zur Eleemosynarta oc ? der dritte und vierte waren dazu abgestellt, domus zuständig oc mit zwei Eseln Holz herbeizuschaffen ; der fünfte verwaltete zwei Backöfen, die für die eleemosyna gebraucht wurden; alle außer dem famulus maior mußten den Elemosinar beim Auslegen des 87 Kirchenfußbodens mit frischem Stroh unterstützen Uberhaupt ist zu erkennen, daß der Elemosinar seine Aufgaben nur im Zusammenwirken mit anderen Offizialen des Klosters erfüllen konnte. Wie er den armarius
für die Feststellung der Zahl
der ihm zukommenden Präbenden brauchte, so wandte er sich an Tagen, an denen er bestimmte Naturalien aus dem Refectorium nicht erhalten konnte, an den Cellerar, der ihm den Gegenwert in Geld anvertraute. Von allem Geld, das in der Kirche geopfert wurde, Q1
Ebd. I, cap. V, 40, S. 53.
82 HERRGOTT (wie Anm. 74) S. 158. 83
Ebd.
84
Ebd.
85
Ebd.
86
Ebd.
87
Ebd.
988
Joachim Wöllasch
fiel ihm der zehnte Teil zu, von dem er den peregrini häufiger 88
Fleisch einkaufen sollte
. Aus dem Keller, wohl auch durch den
Cellerar, empfing er die Weinzuteilungen für die 18 praebendavii, vom granatarius 10 Pfund Brot, für vier Wochentage Bohnen, für die restlichen drei Tage der Woche nur das Gemüse, das der 89 Ele. An
mosyna aus dem Garten, also über den Gärtner, zugehörte
35 Tagen im Jahr erhielt der Elemosinar anstelle der Bohnen
90
Fleisch. Denn soviele höhere Festtage wurden jährlich gefeiert Wer von den praebendavii bei den Nokturnen fehlte, ohne bettlägerig zu sein, wurde dem Elemosinar von einem dazu bestimmten Mönch gemeldet und ging ohne iustitia aus. In der Zeit zwischen Allerheiligen und Aschermittwoch, in der die Mönche das Mandatum nicht vornahmen, wusch täglich ein Gehilfe des Elemosinars drei Armen mit warmem Wasser die Füße und gab jedem 91 soviel Brot und Wein, wie die Mönche im Speisesaal erhielten Doch nicht allein für die 18 praebendarii und die ungezählten pauperes supervenientes , die täglich zu versorgen waren, hatte der Elemosinar Verantwortung zu tragen. Ihm oblag es auch, einmal in der Woche das ganze Dorf Cluny mit seinen Gehilfen abzugehen und ausgestattet mit Brot, Fleisch und Wein die Armen zu besuchen, die nicht vom Bett aufstehen konnten. Für 92 den Fall, daß es sich um Frauen handelte, wurde ein famulus tätig . Nach diesen wichtigen Feststellungen schiebt Bernards Consuetudinestext noch ein, was ein Elemosinar zu tun hat, wenn einer der peregrini seine erschöpfte Frau zum hospitium bringt, sie aber nicht zur (domus) Eleemosynaria gehen kann, oder wenn es um einen Gefährten eines peregrinus geht, der sich in derselben Lage befindet. Denen hat er miseriaordiam faoere. Hier dringt wieder der ursprüngliche Bedeutungsgehalt des Wortes Almosen durch. In die geradezu liebevoll bedachte alltägliche Praxis des Elemosinars führt Bernard mit den Bestimmungen über den Empfang von Fußgängern oder armen Klerikern, die von weiter kämen, durch den Elemosinar. Vor der Mahlzeit der Brüder hätte dieser sie dem Abt oder Prior anzumelden und mit dessen Erlaubnis ins Refecto88
Ebd.
89
Ebd. S. 159.
90
Ebd.
91
Ebd.
92
Ebd.
989
Eleemosynarius
rium zu führen. Zwar erhielten sie dort nicht die Bequemlichkeit berittener Gäste. Abt, Prior und Camerarius gäben ihnen nach eigenem Gutdünken, der Elemosinar bediene sie mit den Schüsseln, in denen die Reste vom Tisch gesammelt werden, und, wenn die Fliegen den Brüdern im Speisesaal lästig würden, legte er auf jedes Weinmaß einen schönen Buchsbaumzweig, der sie abhielte. Zu 93 bestimmten Zeiten waren diese Zweige zu erneuern Vom Dienst des Elemosinars bei der Rasur der Brüder war schon im Liber tramitis die Rede. Auch die Waschschüsseln ließ der Elemosinar durch seine Gehilfen füllen und hatte für die 94 Gefäße zu sorgen, die beim Aderlaß der Mönche benutzt wurden . Brunnenreinigung und Reinigungsmaßnahmen im Kloster allgemein fielen 95 ebenfalls in den Aufgabenbereich des Elemosinars . Dieser ist offensichtlich derart ausgelastet gewesen, daß er schon in den Consuetudines, wie sie Udalrich von Regensburg/Cluny aufgezeichnet hat und im Kapitel über den Elemosinar mit Bernard übereinstimmend beschreibt, statt von fünf von sechs Helfern unterstützt wurde^ 6 . Im 29. Kapitel des 3. Buches, das vom Sterben des Cluniacensermönches handelt, hält Udalrich nochmals fest: Triaenarius vero ita, ut per triginta da plena
cum fabis
dies 9 7detur
et generali
ad Eleemosynam
ejus
praeben-
. Gerade die mit dem Totengeden-
ken verbundene eleemosyna zog 9 8 sich in Cluny wie ein roter Faden durch den Alltag des Jahres Durch die cluniacensischen Consuetudines ist das klösterliche Amt des Elemosinars zum festen Begriff geworden. Der Schwerpunkt seines Aufgabenfeldes wurde durch seine Amtsbezeichnung klar genug beschrieben, wenn auch seine Tätigkeit im einzelnen von Kloster zu Kloster unterschiedlich geregelt werden konnte. Anders als in Cluny fiel dem Elemosinar in Le Bec, zusammen mit dem Cellerar, die Aufgabe zu, am Gründonnerstag das mandatum pauperum zu regeln. Mit seinem Stab wies er jedem Mönch seinen Armen zu, dem Prior zwei, drei oder vier, dem Abt fünf, sechs oder sieben, und jedem einzelnen Armen gab er nachher drei nummi, während die Ge93
94 95
Ebd. S. 159f. Ebd. S. 160. Ebd. S. 160f.
96
Lib. III, cap. XXIV De eleemosynario, LUC D'ACHERY, Spicilegium sive Collectio Veterum aliquot Scriptorum 1, Paris 1723, col. 698f. 97 Lib.III, cap. XXVIIIi Quid agendum est in . fine exitus, D'ACHERY (wie Anm. 96) col. 701f. Wie Anm. 79.
Joachim Wollasch
990
hilfen den Wein für die Armen ausschenkten
99
. Ganz ähnlich sahen
die Decreta Lanfranci die Beteiligung des Elemosinars an der Gründonnerstagsliturgie vor''®®. Starb ein Abt von Le Bec in einer anderen Kirche, so verfaßte der aantor 100 oder mehr breves, in denen der Tod des Abtes mitgeteilt wurde; der Elemosinar hatte 101 diese breves zu versenden . Beim Anniversar des Todestages des Abtes Herluin von Le Bec (+ 26.VIII.1078) wurden 100 Arme gespeist. Für sie bekam der Elemosinar vom Cellerar 50 Brote; Gemüse, Bier und das übrige hatte der Elemosinar dazu selbst zu be102 schaffen . In den Decreta Lanfranci wurde allgemein festgelegt, daß beim Tod eines jeden Mönches der Elemosinar 30 Tage hindurch oder mehr, wenn es der Abt so anordnete, ein Brot mit der Getränkeration und den von der Regel vorgeschriebenen Nahrungsmitteln in Empfang nähme, also die volle Präbende eines 30-Tage-Gedenkens
03
. Wieder bezeugen diese Texte, wie vor allem aus den Ver-
pflichtungen eines Konvents zum Totengedenken die durch den Elemosinar vorzunehmenden Leistungen für die Armen hervorgingen. Denselben Akzent setzte die Chronik des Klosters Zwiefalten. Im 17. Kapitel beschreibt Ortlieb, was die Mönche von Zwiefalten zum Gedenken an die Klostergründer, die Grafen Liutold und Kuno 104 . Das Jahrtagsgedächtnis wurde wie das-
von Achalm, aufwendeten
jenige eines Abtes von Zwiefalten gefeiert. Zum "Placebo", zum Totenoffizium und zur festlich celebrierten Messe erklang Glokkengeläute und wurden fünf Leuchter angezündet. Über die Grabmäler wurde ein Teppich gelegt und daneben eine Kerze gestellt, die bis zum Capitulum brennen sollte. Während der Meßfeier inzensierte der Diakon die Grabmäler. Jeder Priestermönch feierte eine Messe, die Mönche, die nicht Priester waren, beteten 50 Psalmen, diejenigen, die die Psalmen nicht beten konnten, beteten ebenso viele Paternoster. Der Konvent empfing im Speisesaal ein 99
101 102
Consuetudines Beccenses, VI, 84, hg. von MARIE PASCAL DICKS0N (Corpus Consuetudinum Monasticarum IV, hg. von KASSIUS HALLINGER) Siegburg 1967, S. 44f. Decreta Lanfranci monachis Cantuariensibus transmissa, hg. von DAVID KNOWLES (Corpus Consuetudinum Monasticarum III, hg. von KASSIUS HALLINGER) Siegburg 1967, 29, S. 28 und 32, S. 30. Consuetudines Beccenses (wie Anm. 99) XXV, 512, S. 210. Ebd. XXVI, 515, S. 212. Decreta Lanfranci (wie Anm. 100) 113, S. 104.
104
Hierzu und zum folgenden Die Zwiefalter Chroniken Ortliebs und Bertholds, hg. von ERICH KÖNIG und KARL OTTO MÜLLER (Schwäbische Chroniken der Stauferzeit, hg. von der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte 2) Stuttgart-Berlin 1941, cap. 17, S. 76.
Eleemosynarius
991
besonders reiches Liebesmahl. Zwölf Arme wurden im Hospital nicht nur mit Brot und Wein, sondern auch mit Fleisch beköstigt. Wenn von diesen Lebensmitteln irgendetwas fehlen sollte, hatte der elemosinarius
für gleichwertigen Ersatz zu sorgen. Stets beim
Zusammentreffen von Totengedenken und Armenspeisung - und dies begleitete eine klösterliche Gemeinschaft das ganze Jahr hindurch - oblag dem Elemosinar, die Versorgung der Armen nach dem Maßstab der uberior
Caritaszu
gewährleisten.
Noch in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts stellte der Graf von Anjou für S. Aubin d'Angers eine Urkunde preoe
monachi
et
elemosinarii
sancti
Albini
Balduini
aus, denn sie betraf den
Eichenbestand auf Äckern, die dem Elemosinar zur Verfügung den ad ,
calefaciendos .
pauperes
ao
domos
eorum
faaiendas
stan-
agros
..106
aelemos-Lnarvi. Als mit dem Aufkommen der Mönchsorden seit den Cisterciensern nicht mehr allein benediktinisches Mönchtum in Europa lebte, wurde der zum Begriff gewordene Elemosinar im Kloster
freilich
nicht überall beibehalten. Unter den Officia ecclesiastica nis Cisterciensis fehlte nicht nur das Kapitel De o f f i c i o
ordi-
Eleemo-
s y n a r i i . Die Cistercienser kehrten vielmehr wieder zur karolingerzeitlichen Praxis zurück, in der die Aufgaben des Elemosinars von dem für die Pforte und die als Fußgänger kommenden Gäste verantwortlichen Mönch versehen wurden. Den cisterciensischen bräuchen zufolge teilten sich der Monachus
hospitalis
1 0 7
Ge-
und der
108
Portarius wirkenden
in die Aufgaben des in benediktinischen
Klöstern
Elemosinars.
Wo Caesarius von Heisterbach in seinen Mirakelberichten die Wohltaten der Cistercienser für die Armen hervorhob, da begegnen der eines Klosters, der Cellerar einer Cisterce, praepositus und Abt portarius , nicht jedoch ein eleemosynartus 109 . Dagegen er-
1 oft
107
Cartulaire de 1'abbaye de Saint Aubin d'Angers, hg. von BERTRAND DE BROUSSILLON I, Angers 1896, Nr. VII, 1067 Apr. 4 - 1070 Juni 12.; vgl. OLIVIER GUILL0T, Le Comte d'Anjou et son entourage au XI e siècle II, Paris 1972, Nr. C 298 mit dem Datum 9 avril 1068-12 juin 1070 Angers. BRUNO GRIESSER, Die "Ecclesiastica Officia Cisterciensis Ordinis" des Cod. 1711 von Trient (Analecta Sacri Ordinis Cisterciensis 12, 1956, S. 278f.:
(CXLI) CXIX. De Hospitali
109
Monaoho.
Ebd. S. 279f.: (CXLII) CXX. De Portario et Solatio Eius. bes. S. 280: Cum seruitoribus solet comedere et solatium interim portarti seruare et elemosinam transeuntibus dare. Caesarii Heisterbacensis Monachi Ordinis Cisterciensis Dialogus Miraculorum I, dist. IV, cap. LXV-LXXI, hg. von JOSEPH STRÄNGE, Köln-Bonn-Brüssel 1851, S. 233-239.
992
Joachim Wöllasch
zählte er in einer seiner Predigten, wie dem ermordeten Erzbischof Engelbert I. von Köln der Cellerar Heinrich von Himmenrod cum alio quodam,
eius elemosinario,
Barmherzigkeit erwiesen ha-
110
be . Offenbar ist mit diesem der Elemosinar des Erzbischofs gemeint, den bei dessen gewaltsamem Tod die anderen ihn umgeben111
den Kleriker und Leviten liegen ließen und flohen In den Consuetudines der Kartäuser begründete Guigo I., Prior der Grande Chartreuse, die geringe Konventsstärke 112 von 13 Einsiedlermönchen und 16 Laien quos aonversos vocamus
neo hospitum
equitaturas
procuramus,
neo domum
, damit, daß:
elemosinariam
ha-
113
bemus
...
. Denn nicht propter
alienorum
temporalem
ouram
oor-
porum wollten die Kartäuser in die Einöde fliehen, sed pro nostrarum
sempiterna
salute
animarum
... Diese Worte stehen im Ka114
pitel De paupervbus et elemosinis der Consuetudines Ein anderes Bild bietet sich dem, der die Bedeutungen des Wortes eleemosynarius und den Elemosinar als Träger eines Klosteramtes bis in die Zeit verfolgt, da das Wort eleemosynarius auf das deutsche almusner^^ übergeht, in den hochmittelalterlichen Städten mit ihren Niederlassungen der Bettelorden, die auf die reich gewordenen Mönchsorden des 12. Jahrhunderts folgten. So gab Fra Salimbene in seiner Chronik wieder, wie Rainald von Arezzo, Bischof von Rieti und Angehöriger des Ordens der Minderbrüder, vor Papst und Kardinälen seine Bischofswürde niederlegte und, von ihr gelöst, seinen Reisesack schulterte und den Elemosinar bat, er möge ihn, um ihn zu Brot kommen zu lassen, mit sich nehmen 116 (rogavit
helemosinavium,
ut eum pro pane
duoeret
secum)
. Dann
117
ging Rainald bettelnd durch die Stadt Perugia Der Begriff eleemosynarius blieb den dominikanischen ConsuetuDie Wundergeschichten des Caesarius von Heisterbach, hg. von ALFONS HILKA, 1: Einleitung, Exempla und Auszüge aus den Predigten des Caesarius von Heisterbach (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 43) Bonn 1933, Nr. 220, S. 254. H l Ebd. 112 Guigues lier Prieur de Chartreuse, Coutumes de Chartreuse cap. LXXVIII, hg. par un chartreux (Sources chrétiennes 313) Paris 1984, S. 284. 113 Ebd. cap. LXXIX, S. 286. 114 Ebd. cap. XX, S. 206. 115
Vgl. MATTHIAS LEXER, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch 1, Leipzig 1872-
Stuttgart 1979, Sp. 41: almuosenaere, almiiesener mit dem Hinweis auf das Gedicht des 13. Jahrhunderts "Die gute Frau'. 116
Salimbene de Adam, Cronica ad annum 1249, hg. von GIUSEPPE SCALIA, I, Bari 1966, S. 476.
Eleerosynarius
993
diñes, die nur receptores hospitum erwähnen 118 , fremd. Im Deutschorden etwa war es der Spittler, dem auch die Armenversorgung unterstand, während die petitores eleemosynarum das Geld für 119
die Existenz der Spitäler zu sammeln hatten Als unter Papst Innocenz III. die Nikolauskapelle am Lateran zur päpstlichen Hauskapelle wurde, verteilten die capellani sacerdotes nach dem ordinarium der päpstlichen Kapelle an den Wochentagen die Almosen, bevor 1 2 0 diese Aufgabe in einer eigenen Elemosynaria verankert wurde . Nachdem sich unter König Philippe Auguste eine eigene Eleemosinaria von der königlichen Chapelle herausgebildet hatte, brachte hier das 13. Jahrhundert in seiner zweiten Hälfte im Eôtel du roi die Entwicklung der Aumônerie, die d e r Aumônier l'Aumônerie
leitete, dem der sowie die
valets
sous-aumônier de
l'Aumônerie
und
ein
clerc
unterstanden.
de Lud-
wigs d. Hl. Regierung bildete einen Höhepunkt in der Entwicklung dieser für den französischen König und gerade für Ludwig IX. 121 zentralen Institution Bei aller Verfestigung der Begriffe eleemosyna, domus eleemosynaria und eleemosynarius und ihrer Wortfelder und bei aller Institutionalisierung der Begriffsinhalte, die man bis zu der Zeit feststellen kann, in der die genannten Wörter vom Lateinischen in die Volkssprachen übergingen, blieb doch die ursprüngliche, auf die barmherzige Liebe Christi zurückweisende Bedeutung des neutestamentlichen e X e n y o a ö v n und des von da abgeleiteten eleemosynarius im Bewußtsein mancher Zeitgenossen. Auch der schon zitierte Cistercienserautor Caesarius von Heisterbach kannte die Lebensbeschreibung des Patriarchen Johannes des Barmherzigen von Alexandrien. In einer seiner Homilien erinnerte er daran, wie dem jungen Johannes, 118
qui
propter
multas
elemosinas
Eleymon
cognominatus
A.H. THOMAS, De oudste Constituties van de Dominicanen. Vorgeschiedenis, Tekst, Bronnen, Outstaan en Outwikkeling (1215-1237) met Uitgave van de Tekst,(Bibliothèque de la Revue d'Histoire ecclésiastique 42) Leuven 1965, Dist. I, cap. 7, S. 318.
119
121
Vgl. dazu schon SIEGFRIED REICKE, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter II (Kirchenrechtliche Abhandlungen 113/114) Stuttgart 1932, S. 45ff. Vgl. REINHARD ELZE, Die päpstliche Kapelle im 12. und 13. Jahrhundert (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung 36, 1950, S. 145-204) S. 172, ND in: REINHARD ELZE, Päpste-KaiserKönige und die mittelalterliche Herrschaftssyrobolik. Ausgewählte Aufsätze, hg. von BERNHARD SCHIMMELPFENNIG und LUDWIG SCHMUGGE, London 1982, II, 172. ROBERT-HENRI BAUTIER, Art. 'Aumônerie' (Lexikon des Mittelalters 1, München-Zürich 1980, Sp. 1237f.); JEAN RICHARD, Saint Louis, roi d'une France féodale, soutien de la terre sainte, Paris 1983, S. 422-428, zum aumônier maître Henri de Vézelay ebd. S. 447 u. 554f.
Joachim Wo Hasch
994
est, die junge Frau erschienen sei, in der Johannes erkannt habe, eam esse aompassionem atque elemosinam, qua Deus promeretur. Und er schloß an: Eine est quod pauperes oottidie ad ostia divitum olamant: "Date nobis panem propter Deum", quasi dioant: "Mitt-Lte 1 22
nobis elemosinam, et Deus vobis reddet suam graoiam." Doch nicht, weil Caesarius von Heisterbach ein eindrucksvolles Zeugnis der Wirkungsgeschichte der ins Lateinische übersetzten Lebensbeschreibung Johannes' des Barmherzigen bietet, ist er hier zum Abschluß dieser Skizze nochmals zu erwähnen, sondern weil er eleemosyna, aus unlauteren Motiven gegeben, als abschätzig zu verstehende Sache ebenso wie lauter gegebene eleemosyna als Begriff der tiefsten theologischen Erkenntnis formulierte und dementsprechend zu einem bestimmten Verständnis von eleemosynarius eleemosynator
bzw.
kam.
In seiner Predigtensammlung führte er Beispiele dafür1 23 an, quam inutiles elemosine sint, sz intuitu humane laudis fiant . In Bayern sei ein sehr reicher Ritter, in hospitalitate
et elemosi-
nis preaipuus, nach seinem Tod seiner Frau im Schlafgemach erschienen und habe ihr auf ihre Fragen nach seinem Status traurig geantwortet, wenn an den Bäumen alle Blätter in Zungen verwandelt würden, könnten sie noch immer nicht seine leidvollen Strafen 1 24
ausdrücken
. Dem erstaunten Einwand seiner Frau: Et ubi sunt
hospioia et elemosine, quas pauperibus peregrinisque
exhibuistis?
hielt er entgegen: Quia non in oaritate, sed propter gloriam et laudem inanem feai illa, niahil miohi profuerunt. Daran fügte Caesarius . , 1 2 5 die Ermahnung: unde de ieiuniis et elemosinis nemo glortetur Dagegen nun fragte in seinem Dialogus Miraculorum der Novicius: Quid sentis de missis? Der Monachus erwiderte: Nulla oratio, nulla eleemosyna ad eveptionem animarum missae potest oomparari. 126 In missa Christus orat, ouius corpus et sanguis eleemosynae sunt Nach dieser unüberbietbaren Definition des Wortes eleemosyna erscheint es nur als folgerichtig, wenn Caesarius das Wort eleemo122
Die Wundergeschichten (wie Anm. 110) S. 75f., Nr. 21, vgl. auch Caesarii Heisterbacensis Monachi Ordinis Cisterciensis Dialogus Miraculorum (wie Anm. 109) I, dist. III, cap. XXVII, S. 145.
123 Die Wundergeschichten (wie Anm. 110) S. 152, Nr. 216. 124 Ebd. S. 153, Nr. 218. 125 „. . Ebd. 126 Caesarii Heisterbacensis Monachi Ordinis Cisterciensis Dialogus Miraculorum (wie Anm. 109) II, dist. XII, cap. XXXIII, S. 342.
995
Eleemosynarius synator
auf Christus selbst bezog. Im ersten Teil seiner Predig-
tensammlung nämlich bezeichnete er Bethlehem: domus nis in qua ooelestis
panis
fvangitur.
Vel Bethleem
est est
oratiodomus
eleemosynatoris, aata,
siue ipsa eleemosyna, per quam remittuntur pea1 27 et aonfertur gratia . Bethlehem als Haus des Almosenge-
bers, der der barmherzige Erlöser selbst ist, der sich als Brot des Himmels hingibt, Bethlehem als Inkarnation der Barmherzigkeit Gottes, durch die Sünden vergeben werden und Gnade geschenkt wird - an diesem Maßstab hat Caesarius von Heisterbach alles gemessen wissen wollen, was unter dem Anspruch barmherziger Gabe gegeben wurde. Daß diese Gabe nicht immer aus der Caritas, sondern oft aus menschlicher Eitelkeit kam und dadurch ganz und gar entwertet wurde, brachte Caesarius seinen Hörern mahnend und nachdrücklich nahe.
127
Caesarius Heisterbacensis, Fasciculus Moralitatis venerabilis fratris Caesarii Heisterbacensis monachi S. Ordinis Cisterciensium homilias de infantia seruatoris Jesu Christi complectens. Pars prima: in evangelia a nativitate usque ad octavam epiphaniae. Per R.P. F. Johannem Andream Coppenstein Mandalensem, S. Ordinis Praedicatorum Theologum. Nunc primum ex peruetusto M.S. Cod. ad typos elaborata: additis ad marginerà Lemmatis et Citationibus adnotatis. Quibuscumque concionatoribus: Religiosis vero imprimis vtiles in Spiritualibus Exhortationibus instituendis. Coloniae Agrippinae, sumptibus Petri Henningii, sub signo cuniculi. Anno MDCXV, S. 112, Sp. a. Die Benutzung dieses alten und hinfälligen Bandes der Diözesan- und Dombibliothek Köln, Codex 2719 verdanke ich Frau Dr. Else Maria Wischermann.
Schriftenverzeichnis von RUTH SCHMIDT-WIEGAND zusammengestellt von Hans Höfinghoff I.
Selbständige Schriften
1 Ist die Lex Salica eine Fälschung? Kritik einer neuen These über die Entstehung der Lex Salica und verwandter fränkischer Rechtsquellen, Phil. Diss. (masch.) Greifswald 1951. (Herausgeber) Dreizehn Fastnachtspiele aus den Jahren 1 5392 1550 von Hans Sachs, hg. von EDMUND GOETZE, 2. neu durchgesehene Aufl., Halle (Saale) 1957 (= Neudrucke deutscher Literaturwerke aus den Jahren 1539-1550, Nr. 31/32). 3 Studien zur historischen Rechtswortgeographie. Der Strohwisch als Bann- und Verbotszeichen. Bezeichnungen und Funktionen (Münstersche Mittelalter-Schriften Bd. 18) München 1978. 4 (Mitherausgeber) Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit Teil I: Historische und rechtshistorische Beiträge und Untersuchungen zur Frühgeschichte der Gilde. Bericht über die Kolloquien der Kommission für die Altertumsgeschichte Mittelund Nordeuropas in den Jahren 1977-1980, hg. von HERBERT JANKUHN, WALTER JANSSEN, RUTH SCHMIDT-WIEGAND, HEINRICH TIEFENBACH (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, 3. Folge Nr. 122) Göttingen 1981. Mark und Allmende. Die Weisthümer Jacob Grimms in ihrer Be5 deutung für eine Geschichte der deutschen Rechtssprache (Schriften der Brüder Grimm-Gesellschaft Nr. 3) Marburg 1981. 6 (Herausgeber) Wörter und Sachen im Lichte der Bezeichnungsforschung, hg. von RUTH SCHMIDT-WIEGAND (Arbeiten zur Frühmittelalterforschung Bd. 1) Berlin-New York 1981. 7 (Mitherausgeber) Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit Teil II: Archäologische und philologische Beiträge. Bericht über die Kolloquien der Kommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas in den Jahren 1977-1980, hg. von HERBERT JANKUHN, WALTER JANSSEN, RUTH SCHMIDT-WIEGAND, HEINRICH TIEFENBACH (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, 3. Folge Nr. 123) Göttingen 1983. 8 Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift des Sachsenspiegel und ihr Verhältnis zum Text Eikes von Repgow (Wolfenbütteler Hefte 13) Wolfenbüttel 1983. 9 (Mitherausgeber) Geistliche Denkformen in der Literatur des Mittelalters, hg. von KLAUS GRUBMÜLLER, RUTH SCHMIDT-WIEGAND, KLAUS SPECKENBACH (Münstersche Mittelalter-Schriften Bd. 51). München 1984. 10 (Herausgeber) Text- und Sachbezug in der Rechtssprachgeographie, hg. von RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Redaktion GABRIELE VON
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OLBERG (Münstersche Mittelalter-Schriften Bd. 52) München 1984. 11 (Herausgeber) Text-Bild-Interpretation. Untersuchungen zu den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, hg. von RUTH SCHMIDTWIEGAND, Redaktion DAGMAR HÜPPER, Bd. 1: Textband, Bd. 2: Bildband (Münstersche Mittelalter-Schriften Bd. 55, I und II) München 1986.
II. Aufsätze und Beiträge in Zeitschriften und Sammelwerken 12 Untersuchungen zur Entstehung der Lex Salica (Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Greifswald, 1. Jahrgang 1951/ 1952, gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe Nr. 1, S. 9-43). 13 Wort- und Sachregister zur Lex Ribvaria, hg. von FRANZ BEYERLE und RUDOLF BUCHNER (MGH. Leges nationum Germanicarum III, 2) Hannover 1954, S. 200-217. 14 Gens Francorum inclita. Zu Gestalt und Inhalt des längeren Prologes der Lex Salica (Festschrift für Adolf Hofmeister, hg. von URSULA SCHEIL, Halle 1955, S. 233-250). 15 Zur Geschichte der Malbergischen Glosse (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 74, 1957, S. 220-231). 16 Der Aufhocker in der pommerschen Volksüberlieferung (Baltische Studien, Neue Folge 45, 1958, S. 129-134 und ebd. 46, 1959, S. 108-118). 17
Der Bürde Have Vaeret Roser. Jens Peter Jacobsen und die Überwindung des Naturalismus in Deutschland (Beiträge zur deutschen und nordischen Literatur, Festgabe für Leopold Magon zum 70. Geburtstag, hg. von HANS-WERNER SEIFFERT, Berlin 1958, S. 359-376). 1 8 Die kritische Ausgabe der Lex Salica - noch immer ein Problem? (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 76, 1959, S. 301-319). 19 Alach. Zur Bedeutung eines rechtstopographischen Begriffs der fränkischen Zeit (Beiträge zur Namenforschung, Neue Folge 2, 1967, S. 21-45). 20 Das fränkische Wortgut der Lex Salica als Gegenstand der Rechtssprachgeographie (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 84, 1967, S. 275-293). 21 Aus der Werkstatt Eberhard Freiherr von Künßbergs. Entwürfe und Skizzen zu Rechtssprachkarten im Archiv des Deutschen Rechtswörterbuchs (Heidelberger Jahrbücher XII, 1968, S. 93-111).
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Hans Höfinghoff
22 Der 'Wisch' als Bann- und Verbotszeichen. Historische Rechtssprachgeographie und volkskundliche Karte (Zeitschrift für Volkskunde 64, 1968, S. 203-222). 23 Sali. Die Malbergischen Glossen in der Lex Salica und die Ausbreitung der Franken (Rheinische Vierteljahrsblätter 32, 1968, S. 140-166) (vgl. Nr. 32). 24 Walthers Kerze (84,33). Zur Bedeutung von Rechtssymbolen für die intentionalen Daten in mittelalterlicher Dichtung (Zeitschrift für deutsche Philologie 87, 1968 [Lyrik-Sonderheft], S. 154-185). 25 Die Malbergischen Glossen der Lex Salica als Denkmal des Westfränkischen (Rheinische Vierteljahrsblätter 33, 1969, S. 396422) . 26 Rechtssprachgeographie und Namenkunde (Disputationes ad montium vocabula aliorumque nominum significationes pertinentes, 10. Internationaler Kongreß für Namenforschung Bd. I, Wien 1969, S. 127-133). 27 Die fränkischen Rechtsquellen in ihrer Bedeutung für Sprachund Siedlungsgeschichte. Referat gehalten bei dem Kolloquium 'Siedlung, Sprache und Kultur des Frankenreichs', 2.-5. Oktober 1969 (Rheinische Vierteljahrsblätter 35, 1971, S.53-61). 28 Rechtswort und Rechtszeichen in der deutschen Dichtung der karolingischen Zeit (Frühmittelalterliche Studien 5, 1971, S. 268283) . 29 Die Weltalter in Ezzos Gesang (Zeiten und Formen in Sprache und Dichtung. Festschrift für Fritz Tschirch zum 70. Geburtstag, hg. von KARL-HEINZ SCHIRMER und BERNHARD SOWINSKI, Köln-Wien 1972, S. 42-51). 30 Fränkische und frankolateinische Bezeichnungen für soziale Schichten und Gruppen in der Lex Salica (Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, I. Philologisch-Historische Klasse, Jahrgang 1972, Nr. 4, S. 219-259). 31 Mittelalterliches Recht in der deutschen Sprache der Gegenwart (Archiv für das Studium der neueren Sprachen 209, 1972, S. 9-25). 32 Sali. Die Malbergischen Glossen der Lex Salica und die Ausbreitung der Franken, Wiederabdruck (Überarbeitete Fassung)(Siedlung, Sprache und Bevölkerungsstruktur im Frankenreich, hg. von FRANZ PETRI [Wege der Forschung Bd. 49] Darmstadt 1973, S. 490530) (vgl. Nr. 23). 33 Fränkisch Druht und Druhtin. Zur historischen Terminologie in der Sozialgeschichte (Historische Forschungen für Walter Schlesinger, hg. von HELMUT BEUMANN, Köln-Wien 1974, S. 524-535). 34 Kiesen und wein in der mittelhochdeutschen 'Spruchdichtung' (Studien zur deutschen Sprache und Literatur des Mittelalters. Festschrift für Hugo Moser zum 65. Geburtstag, hg. von WERNER BESCH, GÜNTHER JUNGBLUTH, GERHARD MEISSBURGER und EBERHARD NELLMANN, Berlin 1974, S. 358-369).
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35 Der "Bauer" in der Lex Salica (Wort und Begriff "Bauer". Zusammenfassender Bericht über die Kolloquien in der Kommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas, hg. von REINHARD WENSKUS, HERBERT JANKUHN und KLAUS GRINDA [Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, 3. Folge Bd. 89] Göttingen 1975, S. 76-100). 36 Historische Onomasiologie und Mittelalterforschung (Frühmittelalterliche Studien 9, 1975, S. 49-78). 3 7 Heinrich Wittenwilers "Ring" zwischen Schwank und Fasnachtspiel ("Sagen und Sinne", Festschrift für Marie-Luise Dittrich, hg. von HELMUT RÜCKER und KURT OTTO SEIDEL, Göppingen 1976, S. 245-261). 38 Das "Dorf" nach den Stammesrechten des Kontinents (Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters, Siedlungsform - wirtschaftliche Funktion - soziale Struktur. Bericht über die Kolloquien der Kommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas in den Jahren 1973 und 1974, hg. von HERBERT JANKUHN, RUDOLF SCHÜTZEICHEL und FRED SCHWIND [Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, 3. Folge Nr. 101] Göttingen 1977, S. 408-443). 39 Eid und Gelöbnis, Formel und Formular im mittelalterlichen Recht (Recht und Schrift im Mittelalter, hg. von PETER CLASSEN [Vorträge und Forschungen Bd. 23] Sigmaringen 1977, S. 55-90). 40 Fremdeinflüsse auf die deutsche Rechtssprache (Sprachliche Interferenz. Festschrift für Werner Betz, hg. von HERBERT KOLB und HARTMUT LAUFFER u.a., Tübingen 1977, S. 226-245). 41 Fortuna Caesarea. Friedrich II. und Heinrich (VII.) im Urteil zeitgenössischer Spruchdichter (Stauferzeit. Geschichte, Literatur, Kunst, hg. von RÜDIGER KROHN, BERND THUM und PETER WAPNEWSKI, Stuttgart 1978, S. 195-205). 42 Fränkisch und Alemannisch in Pactus und Lex Alamannorum (Beiträge zum frühalemannischen Recht [Veröffentlichung des alemannischen Instituts Freiburg i.Br., Nr. 42] Bühl-Baden 1978, S. 9-37). 43 Lidlohn als Teil des Gesinderechts nach den Weistümern Jacob Grimms (Rheinisch-Westfälische Zeitschrift für Volkskunde 24, 1978, S. 171-203). 44 Stammesrecht und Volkssprache in karolingischer Zeit (Nationes. Historische und philologische Untersuchungen zur Entstehung der europäischen Nationen im Mittelalter, hg. von HELMUT BEUMANN und WERNER SCHRÖDER, Bd. 1: Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter, Sigmaringen 1978, S. 171-203). 45 Wargus. Eine Bezeichnung für Unrechtstäter in ihrem wortgeschichtlichen Zusammenhang (Zum Grabfrevel in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Untersuchungen zu Grabraub und 'haugbrot' in Mittel- und Nordeuropa, hg. von HERBERT JANKUHN, HERMANN NEHLSEN und HELMUT ROTH [Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, 3. Folge Nr. 113] Göttingen 1978, S. 188-196). 4 6 Wik und Weichbild. Möglichkeiten und Grenzen der Rechtssprachgeographie (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 95, 1978, S. 121-157).
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Hans Höfinghoff
47 Die volkssprachigen Wörter der Leges barbarorum als Ausdruck sprachlicher Interferenz (Frühmittelalterliche Studien 13, 1979, S. 56-87). 48 Marca. Zu den Begriffen 'Mark' und 'Gemarkung' in den Leges barbarorum (Untersuchungen zur eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Flur in Mitteleuropa und ihrer Nutzung. Bericht über die Kolloquien der Kommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas in den Jahren 1975 und 1976, Teil I, hg. von HEINRICH BECK, DIETER DENECKE und HERBERT JANKUHN [Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, 3. Folge Nr. 115] Göttingen 1979, S. 74-91). 49 Burgensis/Bürger. Zur Geschichte von Wort und Begriff nach Quellen des ostmitteldeutschen Raums (Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters, hg. von JOSEF FLECKENSTEIN und KARL STACKMANN [Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, 3. Folge Nr. 121] Göttingen 1980, S. 105-126). 50 Chrenecruda. Rechtswort und Formalakt der Merowingerzeit (Arbeiten zur Rechtsgeschichte. Festschrift für Gustaf Klemens Schmelzeisen, hg. von HANS-WOLF THÜMMEL [Karlsruher Kulturwissenschaftliche Arbeiten 2] Stuttgart 1980, S. 252-273). 51 Neue Ansätze im Bereich 'Wörter und Sachen' (Geschichte der Alltagskultur, hg. von GÜNTER WIEGELMANN, Münster 1980, S. 87102) . 52 Rechtssprichwörter und ihre Wiedergabe in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels (Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit, hg. von CHRISTEL MEIER und UWE RUBERG, Wiesbaden 1980, S. 593-629). 53 Gilde und Zunft. Die Bezeichnungen für Handwerksgenossenschaften im Mittelalter (Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit Teil I: Historische und rechtshistorische Beiträge und Untersuchungen zur Frühgeschichte der Gilde. Bericht über die Kolloquien der Kommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas in den Jahren 1977-1980, hg. von HERBERT JANKUHN, WALTER JANSSEN, RUTH SCHMIDT-WIEGAND, HEINRICH TIEFENBACH [Abhandlungen der Akadmie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, 3. Folge Nr. 122] Göttingen 1981, S. 355-369). 54 Hanse und Gilde. Genossenschaftliche Organisationsformen der Hansezeit und ihre Bezeichnungen (Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung Heft 88, 2-3, 1981, S. 33-35). 55 Wörter und Sachen. Zur Bedeutung einer Methode für die Frühmittelalterforschung. Der Pflug und seine Bezeichnungen (Wörter und Sachen im Lichte der Bezeichnungsforschung, hg. von RUTH SCHMIDT-WIEGAND [Arbeiten zur Frühmittelalterforschung Bd. 1] Berlin-New York 1981, S. 1-41). 56 Eberhard Freiherr von Künßberg - Werk und Wirkung (Heidelberger Jahrbücher XXVI, 1982, S. 51-67). 57 Gebärdensprache im mittelalterlichen Recht (Frühmittelalterliche Studien 16, 1982, S. 363-379).
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58 Hanse und Gilde. Genossenschaftliche Organisationsformen mm im Bereich der Hanse und ihre Bezeichnungen (Hansische Geschichtsblätter 100, 1982, S. 21-40). 59 Kriemhilds Rache. Zu Funktion und Wertung des Rechts im Nibelungenlied (Tradition als historische Kraft. Interdisziplinäre Forschungen zur Geschichte des frühen Mittelalters, hg. von NORBERT KAMP und JOACHIM WOLLASCH, Berlin-New York 1982, S. 372387) . 60 Altdeutsche Scripta-Quellen. Volkssprachige Aufzeichnungen des Rechtslebens als Textsorten (Textsorten und literarische Gattungen. Dokumentation des Germanistentages in Hamburg vom 1. bis 4. April 1979, hg. vom Vorstand der Vereinigung der deutschen Hochschulgermanisten, Berlin 1983, S. 365-377). 61 Handwerk und Handwerkstechnik im Lichte des methodischen Prinzips 'Wörter und Sachen' (Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit Teil II: Archäologische und philologische Beiträge. Bericht über die Kolloquien der Kommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas in den Jahren 1977 bis 1980, hg. von HERBERT JANKUHN, WALTER JANSSEN, RUTH SCHMIDT-WIEGAND, HEINRICH TIEFENBACH [Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, 3. Folge Nr. 123] Göttingen 1983, S. 595-619). 6 2 Historisch-philologische Bezeichnungsforschung - Ein Teilprojekt des Sonderforschungsbereichs 7 'Mittelalterforschung (Bild, Bedeutung, Sachen, Wörter und Personen)' der Universität Münster (Jahrbuch der historischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland, Berichtsjahr 1982, Stuttgart 1983, S. 17-20). 63 Pflugwende und Anwenderecht. RechtsSprachgeographie im Spannungsfeld zwischen Wortgeographie und Kulturgeographie (Rheinische Vierteljahrsblätter 47, 1983, S. 236-264) (vgl. Nr. 69). 64 Der 'Sachsenspiegel' Eikes von Repgow als Beispiel mittelalterlicher Fachliteratur (Fachsprache und Fachliteratur, hg. von BRIGITTE SCHLIEßEN-LANGE und HELMUT KREUZER, Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik [LiLi] Heft 51/52, Göttingen 1983, S. 206-222). 65 Begrüßung der Teilnehmer des Opfer-Kolloquiums in Münster beim Empfang des Rektors der Universität am 3.10.1983 (Frühmittelalterliche Studien 18, 1984, S. 1-3). 66 Ehe und Familie in der lehrhaften Dichtung des 14. und 15. Jahrhunderts (Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. von ALFRED HAVERKAMP, Reihe Städteforschung, Veröffentlichung des Instituts für vergleichende Städtegeschichte Münster, in Verbindung mit W. Ehbrecht, H. Jäger, P. Johanek, E. Meyen, H. Naunin, F. Petri, H. Schilling, H.K. Schulze und H.J. Teuteberg, hg. von HEINZ STOOB, Köln-Wien 1984, S. 195-214). 6 7 Eike von Repgow. Der Sachsenspiegel, hg. von CLAUSDIETER SCHOTT, Übertragung des Landrechts von RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Ubertragung des Lehenrechts und Nachwort von CLAUSDIETER SCHOTT, Zürich 1984.
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Hans Höfinghoff
68 Königliche Landzuweisung in fränkischer Zeit im Reflex von Rechtsquellen und Ortsnamen. Das 'Toponymisch Woordenboek' als Arbeitsinstrument (Feestbundel voor Mauritz Gysseling, hg. von W.J.J. PIJNENBURG, K. ROELANDTS, V.F. VANACKER, Leuwen 1984, S. 316-324). 69 Anwende im Licht von Dialektologie und Rechtssprachgeographie (Text- und Sachbezug in der RechtsSprachgeographie, hg. von RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Redaktion GABRIELE VON OLBERG [Münstersche Mittelalter-Schriften Bd. 52] München 1985, S. 146-1 78) (vgl. Nr. 63): 70 Die Bezeichnungen Zunft und Gilde in ihrem historischen und wortgeographischen Zusammenhang (Gilde und Zünfte. Kaufmännische und gewerbliche Genossenschaften im frühen und hohen Mittelalter, hg. von BERENT SCHWINEKÖPER [Vorträge und Forschungen Bd. XXIX] Sigmaringen 1985, S. 31-52) . 71 Einleitung zu Text- und Sachbezug in der Rechtssprachgeographie, hg. von RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Redaktion GABRIELE VON OLBERG (Münstersche Mittelalter-Schriften Bd. 52, S. 9-19) München 1985. 72 Herberge und leger. Weistümer als Quelle historischer Wortgeographie (wortes anst. verbi gratia, Festschrift für Gilbert de Smet, hg. von H.L. COX, V.F. VANACKER und E. VERHOFSTADT, Leuwen/Amersfort 1985, S. 419-428). 73 Hochzeit, Vertragsehe und Ehevertrag in Mitteleuropa (Die Braut. Geliebt, verkauft, getauscht, geraubt. Zur Rolle der Frau im Kulturvergleich, hg. von GISELA VÖLGER und KARIN VON WELCK. Mit einer Einführung von RENE KÖNIG. Zweibändige Materialsammlung zu einer Ausstellung des Rautenstrauch-Joest-Museums für Völkerkunde in der Josef-Haubrich-Kunsthalle Köln vom 26. Juli bis 13. Oktober 1985, Bd. 1, Köln 1985, S. 264-273). 74 Recht und Aberrecht in Flurnamen (Beiträge zur Namenforschung, Beiheft 23: Gießener Flurnamen-Kolloquium vom 1. bis 4. Oktober 1984, Heidelberg 1985, S. 600-620). 75 Sprache und Geschichte im Spiegel historischer Bezeichnungen (Frühmittelalterliche Studien 19, 1985, S. 31-47). 76 Textsorte und Rechtsquellentyp in ihrer Bedeutung für die Rechtssprachgeographie (Text- und Sachbezug in der Rechtssprachgeographie, hg. von RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Redaktion GABRIELE VON OLBERG [Münstersche Mittelalter-Schriften Bd. 52] München 1985, S. 21-37). 77 Germanistische Mediävistik im Rahmen des "Sonderforschungsbereichs 7 Mittelalterforschung" der Universität Münster. Vorbemerkung und Historisch-philologische Bezeichnungsforschung (Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes, 33. Jahrgang, März 1986, S. 3 und S. 9-11). 78 Prozeßform und Prozeßverlauf im 'Rolandslied1 des Pfaffen Konrad. Zum Verhältnis von Dichtung und Recht im Mittelalter (Recht, Gericht, Genossenschaft und Policey. Studien zu Grundbegriffen der germanistischen Rechtshistorie, Symposion für Adalbert Erler, hg. von GERHARD DILCHER und BERNHARD DIESTELKAMP, Berlin 1986, S. 1-12) .
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79 Text und Bild in den Codices picturati des 'Sachsenspiegels' - Überlegungen zur Funktion der Illustration (Text-BildInterpretation. Untersuchungen zu den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, hg. von RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Redaktion DAGMAR HÜPPER, Bd. 1: Textband, Bd. 2: Bildband [Münstersche MittelalterSchriften Bd. 55, I und II] München 1986, S. 11-31). 80 Einleitung zu Text-Bild-Interpretation, hg. von RUTH SCHMIDT-WIEGAND,"Redaktion DAGMAR HÜPPER (Münstersche MittelalterSchriften Bd. 55/1, S. IX-XX) München 1986.
III. Artikel in Wörterbüchern und Lexika Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, hg. von ADALBERT ERLER und EKKEHARD KAUFMANN (ab Bd. 2) unter philologischer Mitarbeit von RUTH SCHMIDT-WIEGAND, mitbegründet von WOLFGANG STAMMLER, Redaktion DIETER WERKMÜLLER, Bd. 1ff., Berlin 1971 ff. 81 Gebärden (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1, 1971, Sp. 1411-1419). 82 Haar (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1, 1971, Sp. 1880-1884). 83 Haarscheren (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1, 1971, Sp. 1884-1887). 84 Haberfeldtreiben (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1, 1971, Sp. 1888f.). 85 Halm (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1, 1971, Sp. 1911-1913). 86 Hanse (sprachlich) (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1, 1971, Sp. 1990-1992). 87 Hartmann von Aue (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1, 1971, Sp. 2010-2013). 88 Hasel (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1, 1971, Sp. 2013-2015). 89 Heliand (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 71-75). 90 Hildebrandslied (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 150-152). 91 Hochzeitsbräuche (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 186-197). 9 2 Hühnerrecht (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 254-256). 93 Johannes von Saaz (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 420-423).
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Hans Höfinghoff
94 Kaiserchronik (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 548-552). 95 Kerbholz (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 701-703). 96 Kerze (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 703-706). 97 Kerze (= Zunft) (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 706f,). 98 Kiesen, küren (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 714-716). 99 Knecht (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 895-898). 100 Konrad von Würzburg (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 1086-1089). 101 Kudrun (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 1242-1244). 102 von Künßberg (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 1264-1267). 103 Lacina (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 1333f.). 104 Land und Leute (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 1361-1363). 105 Lasterstein (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 1629-1631). 106 Leitkauf (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 1842f.). 107 Leod, leodis, leudes, leodi, leodardi, leudesamio (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 1845-1848). 108 Lex Francorum Chamavorum (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 1915f.). 109 Lex Ribvaria (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 1923-1927). 110 Lex Salica (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 1949-1962) . 111 Lex Saxonum (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 1962-1965). 112 Lex Thuringorum (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, Sp. 1965f.). 113 Loch (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 24f.) . 114 Mahal, Mahlstatt (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 150-152).
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115 Mahalareda (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 152f.). 116 Malbergische Glossen (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 211-215). 117 Mallobergus (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 216f.). 118 Mallus, mallum (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 217f.). 119 Mannire, mannitio (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 244-247). 120 Maut (mit ADALBERT ERLER) (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 399f.). 121 Medum (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 425f.). 122 Minnehöfe (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 588-590). 123 Mithio (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 612-614). 124 Mord (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 673-675). 125 Muspilli (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 795-798). 126 Mutschierung (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 804-806). 127 Mutung (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 808-810). 128 Nachbar (sprachlich) (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 812f.) . 129 Namengebung (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 832-836) . 130 Neid (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 943f.) . 131 Nexti canthichio (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 963f.) . 132 Nibelungenlied (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 965-974). 133 Ornat (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 1305-1312) . 134 Ortsnamen (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 1312-1323) .
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Hans Höfinghoff
135 Oswald von Wolkenstein (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 1372-1377). 136 Overhöre (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984 , Sp. 1385-1387) . 137 Paarformeln (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 1387-1393) . 138 Personennamen (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 1607-1623). 139 Pfahlbürger (sprachlich) (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 1656f.). 140 Pfand (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 1672-1674). 141 Pranger (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3, 1984, Sp. 1877-1884). 142 Prozeß Ganelons (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 25. Lieferung, 1985, Sp. 18-21). 143 Prozeßdrama (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 25. Lieferung, 1985, Sp. 42-47). 144 Rädelsführer (mit HEINZ HOLZHAUER) (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 25. Lieferung, 1985, Sp. 133-135). 145 Recapitulatio legis Salicae (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 25. Lieferung, 1985, Sp. 223-224). 146 Recht und Dichtung (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 25. Lieferung, 1985, Sp. 232-249). 147 rechts und links (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 26. Lieferung, 1986, Sp. 264f.). 148 Rechtssprache (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 26. Lieferung, 1986, Sp. 344-360). 149 Rechtssumme Bruder Bertholds (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 26. Lieferung, 1986, Sp. 379-381) . 150 Rechtsverse (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 26. Lieferung, 1986, Sp. 410-415). 151 Rechtswörterbuch (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 26. Lieferung, 1986, Sp. 426-430). Lexikon des Mittelalters, Bd. 1ff., München-Zürich 1980ff. 152
Bargilden (Lexikon des Mittelalters 1, 1980, Sp. 1460).
Neue Deutsche Biographie, hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. Iff., Berlin 1953ff. 153 Eduard Engel, Literarhistoriker und Schriftsteller (Neue Deutsche Biographie IV, 1959, S. 499f.)
Schriftenverzeichnis 154 Gustav Falke, Dichter S. 7f.) .
(Neue Deutsche Biographie V, 1961,
155 Hans Fallada, Schriftsteller 1961, S. 17) . 156 44) .
Johann Klenkok
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(Neue Deutsche Biographie V,
(Neue Deutsche Biographie XII, 1970, Sp. 42-
Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, begründet von JOHANNES HOOPS, 2. Aufl., hg. von HEINRICH BECK, HERBERT JANKUHN, HANS KÜHN, KURT RANKE, REINHARD WENSKUS, Bd. 1ff., BerllnNew York, 1973ff. 157 Bake (Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 2. Aufl., Bd. 2, 1974, S. 1f.). 158 Carbonaria silva (Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 2. Aufl., Bd. 4, 1981, S. 341 f.). 159 Chrenecruda (Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 2. Aufl., Bd. 4, 1981, S. 496f.). Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, begründet von WOLFGANG STAMMLER, fortgeführt von KARL LANGOSCH, 2. völlig neu bearbeitete Aufl. unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter, hg. von KURT RUH zusammen mit GUNDOLF KEIL, WERNER SCHRÖDER, BURGHART WACHINGER, FRANZ JOSEF WORSTBROCK, Redaktion KURT ILLING, CHRISTINE STÖLLINGER, Bd. 1ff., Berlin 1978ff. 160 Codex Falkensteinensis (Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 1, 1978, Sp. 1292f.). 161 Eike von Repgow (Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 2, 1980, Sp. 400-409). 162 Erfurter Judeneid (Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 2, 1980, Sp. 574-576). 163 Essener Heberolle (Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 2, 1980, Sp. 634f.). 164 Freckenhorster Heberolle (Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 2, 1980, Sp. 885-887). 165 Georgslied (Die deutsche Literatur des Mittelalters. V e r fasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 2, 1980, Sp. 1213-1216). 166 Görlitzer Rechtsbuch (Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl. Bd. 3, 1981, Sp. 99-101). 167 Gottesurteil - Verfahren (Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 3, 1981, Sp. 117f.). 168 Hammelburger Marktbeschreibung (Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 3, 1980, Sp. 427f.). 169 Indiculus superstitionum et paganiarum (Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 4, 1983, Sp. 376-378). 170 Malbergische Glosse (Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 5, 1985, Sp. 1193-1198).
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Hans Höfinghoff
IV. Rezensionen 171 KURT RANKE, Rosengarten, Recht und Totenkult, Hamburg 1951 (Deutsche Literaturzeitung für Kritik der internationalen Wissenschaft 74, 1953, Sp. 161-165). 172 Lex Salica. 100-Titel-Text, hg. von KARL AUGUST ECKHARDT (Germanenrechte Neue Folge, Westgermanisches Recht 3) GöttingenBerlin-Frankfurt 1953 (Deutsche Literaturzeitung für Kritik der internationalen Wissenschaft 75, 1954, Sp. 553-556). 173 FRANÇOIS LOUIS GANSHOF, Wat waren de Capitularia? Brüssel 19 55 (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 74, 1957, S. 278-282). 174 KARL VON AMIRA, Germanisches Recht, 4. Aufl. bearbeitet von KARL AUGUST ECKHARDT, Bd. I: Rechtsdenkmäler (= Grundriß der Germanischen Philologie Bd. 5/1) Berlin 1960 (Zeitschrift für Volkskunde 57, 1961, S. 143-146). 175 Studien und Vorarbeiten zur Geschichte des großfränkischen und frühdeutschen Adels, hg. von GERD TELLENBACH und ROLF SPRANDEL, Der merowingische Adel und die Gebiete östlich des Rheins (= Forschungen zur Oberrheinischen Landesgeschichte Bd. IV und V) Freiburg 1957 (Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 48, 1961, S. 383-386). 176 HILDEGARD DÖLLING, Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, Münster 1958 (Historische Zeitschrift 194, 1962, S. 385387) . 177 FRANÇOIS LOUIS GANSHOF, Was waren die Kapitularien? Darmstadt 1961 (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 79, 1962, S. 297-299). 178 OTTO HÖFLER, Siegfried, Arminius und die Symbolik, Heidelberg 1961 (Zeitschrift für deutsche Philologie 82, 1963, S. 109113) . 179 RUDOLF SCHÜTZEICHEL, Die Grundlagen des westlichen Mitteldeutschen. Studien zur historischen Sprachgeographie (= Hermaea, Neue Folge 10) Tübingen 1961 (Wirkendes Wort 13, 1963, S. 58f.). 180 GERHARD EIS, Mittelalterliche Fachliteratur (= Sammlung Metzler Bd. 14) Stuttgart 196 2 (Zeitschrift für Volkskunde 60, 1964, S. 102f.). 181 HANS FOLZ, Die ReimpaarSprüche, hg. von HANNS FISCHER, (= Münchner Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters Bd. 1) München 1961 (Zeitschrift für Volkskunde 60, 1964, S. 293-295) . 182 WOLFGANG LANGE, Texte zur germanischen Bekehrungsgeschichte, Tübingen 1962 (Zeitschrift für Volkskunde 60, 1964, S. 259f.). 183 JOSEPH BALON, Theo, servus ou dominus dans la langue du Malberg? (Archivum Latinitatis Medii Aevi XXXIII, 1963, S. 103141) (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 82, 1965, S. 485. Replik, ebd. 83, 1966, S. 523) .
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184 ROSEMARY NORAH COMBRIDGE, Das Recht im 'Tristan' Gottfrieds von Straßburg, 2. überarbeitete Aufl. (= Philologische Studien und Quellen Heft 15) Berlin 1964 (Wirkendes Wort 15, 1965, S. 353f.). 185 RUDOLF GROSSE, Die mitteldeutsch-niederdeutschen Handschriften des Schwabenspiegels in seiner Kurzform, Sprachgeschichtliche Untersuchungen (= Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse Bd. 56, Heft 4) Berlin 1964 (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 82, 1965, S. 389-391). 186 KARL HYLDGAARD-JENSEN, Rechtswortgeographische Studien I. Zur Verbreitung einiger Termini der westlichen und nördlichen mittelniederdeutschen Stadtrechte vor 1350 (= Göteborger Germanistische Forschungen 7) Uppsala 1964 (Zeitschrift der SavignyStif tung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 82, 1965, S. 391f.). 187 PETER VON POLENZ, Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen Deutschland. Untersuchungen zur sprachlichen Raumerschließung, 1. Bd., Marburg 1961 (Zeitschrift für deutsche Philologie 84, 1965, S. 439-441). 188 JOHANNES RATHOFER, Der Heliand, Theologischer Sinn als tektonische Form (= Niederdeutsche Studien Bd. 9) Köln-Graz 1962 (Zeitschrift für deutsche Philologie 84, 1965, S. 285-287). 189 FELIX SCHLÖSSER, Andreas Capellanus. Seine Minnelehre und das christliche Weltbild des 12. Jahrhunderts, Bonn 1962 (Zeitschrift für Kirchengeschichte 76, 1965, S. 361f.). 190 Schwabenspiegel, Kurzform, Mitteldeutsch-niederdeutsche Handschriften, hg. von RUDOLF GROSSE (MGH, Fontes iuris Germanici antiqui, Nova series tomus V) Weimar 1964 (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 82, 1965, S. 388f.). 191 HEINRICH BECK, Das Ebersignum im Germanischen. Ein Beitrag zur germanischen Tiersymbolik (= Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte, Neue Folge 16) Berlin 1965 (Zeitschrift für Volkskunde 62, 1966, S. 251-255). 192 HERMANN BOTE, Der Köker. Mittelniederdeutsches Lehrgedicht aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, hg. von GERHARD CORDES (= Altdeutsche Textbibliothek Nr. 60) Tübingen 1963 (Zeitschrift für Volkskunde 62, 1966, S. 103-106). 193 Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, unter Mitarbeit von WOLFGANG STAMMLER, hg. von ADALBERT ERLER und EKKEHARD KAUFMANN, 1. Lieferung, Berlin 1964 (Zeitschrift für deutsche Philologie 85, 1966, S. 147-152). 194 KARL HYLDGAARD-JENSEN, Rechtswortgeographie Studien I. Zur Verbreitung einiger Termini der westlichen und nördlichen mittelniederdeutschen Stadtrechte vor 1350 (= Göteborger Germanistische Forschungen 7) Uppsala 1964 (Zeitschrift für deutsche Philologie 85, 1966, S. 152f .) .
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195 EBERHARD FRHR. VON KÜNSSBERG, Rechtsgeschichte und Volkskunde, bearbeitet von PAVLOS TZERMIAS (= Rechtshistorische Arbeiten Bd. 3) Köln-Graz 1965 (Zeitschrift für Volkskunde 62, 1966, S. 248-251). 196 FRANZ JOSEF PENSEL, Rechtsgeschichtliches und Rechtssprachliches im epischen Werk Hartmanns von Aue und im 'Tristan' Gottfrieds von Straßburg, Phil. Diss. (masch.) Berlin 1961 (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 83, 1966, S. 524f.). 197 Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, unter Mitarbeit von WOLFGANG STAMMLER, hg. von ADALBERT ERLER und EKKEHARD KAUFMANN, 2. Lieferung, Berlin 1964 (Zeitschrift für deutsche Philologie 86, 1967, S. 148-153). 198 Rechtsgeschichte. Rechtssprache. Rechtsarchäologie. Rechtliche Volkskunde, Festschrift für KARL SIEGFRIED BADER, hg. von FERDINAND ELSENER und WILHELM HEINRICH RUOF, Zürich-Köln-Graz 1965 (Zeitschrift für Volkskunde 63, 1967, S. 79-83). 199 LUDWIG ERICH SCHMITT, Entstehung und Struktur der 'Neuhochdeutschen Schriftsprache', I. Band: Sprachgeschichte des Thüringisch-Obersächsischen im Spätmittelalter. Die Geschäftssprache von 1300 bis 1500 (= Mitteldeutsche Forschungen 36/1) Köln-Graz 1966 (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 84, 1967, S. 361-366). 200 G.C.J.J. VAN DEN BERGH, WILLEM CORNELIUS VAN BINSBERGEN, Volksgericht en Strafrecht, Amsterdam 1966 (Zeitschrift für Volkskunde 64, 1968, S. 107-109). 201 KLAUS HUFELAND, Die deutsche Schwankdichtung des Spätmittelalters. Beiträge zur Erschließung und Wertung der Bauformen mittelhochdeutscher Verserzählungen (= Baseler Studien zur deutschen Sprache und Literatur, Heft 32) Bern 1966, und AREND MIHM, Überlieferung und Verbreitung der Märendichtung im Spätmittelalter, Heidelberg 1967 (Zeitschrift für Volkskunde 64, 1968, S. 140143) . 202 WILLY KROGMANN, Absicht oder Willkür im Aufbau des Heliand (= Deutsches Bibelarchiv, Abhandlungen und Vorträge I) Hamburg 1964 (Wirkendes Wort 18, 1968, S. 281-283). 203 ELMAR MITTLER, Das Recht in Heinrich Wittenwilers 'Ring', Freiburg i.Br. 1967 (Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 90, 1968, S. 392-396). 204 KURT ERICH SCHÖNDORF, Die Tradition der deutschen Psalmenübersetzung (Mitteldeutsche Forschungen Bd. 46) Köln-Graz 1967 (Zeitschrift für Volkskunde 64, 1968, S. 280f.). 205 WERNER SIMON, Zur Sprachmischung im Heliand (= Philologische Studien und Quellen Heft 27) Berlin 1965 (Zeitschrift für deutsche Philologie 87, 1968, S. 101-103). 206 KARL VON AMIRA, Germanisches Recht, 4. Aufl. bearbeitet von KARL AUGUST ECKHARDT, Bd. II: Rechtsaltertümer (= Grundriß der Germanischen Philologie 5/II) Berlin 1967 (Zeitschrift für Volkskunde 65, 1969, S. 86-88).
Schriftenverzeichnis
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207 Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. In Verbindung mit der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, hg. von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Bd. 6, Heft 1-7, Weimar 1961-67 (Germanistik 10, 1969, S. 44f.). 208 FRITZ TSCHIRCH, Spiegelungen. Untersuchungen vom Grenzrain zwischen Germanistik und Theologie, Berlin 1966 (Zeitschrift für deutsche Philologie 88, 1969, S. 122-125). 209 Wortgeographie und Gesellschaft. Festgabe für Ludwig Erich Schmitt, hg. von WALTER MITZKA, Berlin 1968 (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 86, 1969, S. 239f.). 210 WOLFGANG FLIESS, Die Begriffe Germanisches Recht und Deutsches Recht bei den Rechtshistorikern des 19. und 20. Jahrhunderts, Freiburg i.Br. 1968 (Germanistik 11, 1970, S. 464). 211 LUTZ RÖHRICH, Gebärde - Metapher - Parodie. Studien zur Sprache und Volksdichtung, Düsseldorf 1967 (Zeitschrift für deutsche Philologie 89, 1970, S. 474-476). 212 ALLAN ROSTVIK, Har og Harg, Uppsala 196 7 (Beiträge zur Namenforschung, Neue Folge 5, 1970, S. 430f.). 213 KARL BISCHOFF, Sprache und Geschichte an der mittleren Elbe und der unteren Saale (= Mitteldeutsche Forschungen, Bd. 52) KölnGraz 1967 (Zeitschrift für deutsche Philologie 90, 1971, S. 140143) . 214 Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. In Verbindung mit der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, hg. von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Quellen - Ergänzungsheft 3, Weimar 1970 (Germanistik 12, 1971, S. 703f.). 215 ALBRECHT FOTH, Gelehrtes römisch-kanonisches Recht in deutschen Rechtssprichwörtern, Tübingen 1971 (Germanistik 12, 1971, S. 876) . 216 ERNST GAMILLSCHEG, Romania Germanica, Bd. 1, 2. Aufl., Berlin 1970 (Blätter für deutsche Landesgeschichte 107, 1971, S. 425427) . 217 GERHARD KÖBLER, Verzeichnis der Übersetzungsgleichungen der kleineren altsächsischen Sprachdenkmäler, Göttingen-Zürich-Frankfurt 1970 (Germanistik 12, 1971, S. 688f.). 218 HUBERT HOFFMANN, Die geistigen Bindungen an Diesseits und Jenseits in der spätmittelalterlichen Didaktik. Vergleichende Untersuchungen zu Gesellschaft, Sittlichkeit und Glauben im 'Schachzabelbuch', im 'Ring' und in 'Des Teufels Netz' (Forschungen zur Oberrheinischen Landesgeschichte, Bd. 25) Freiburg i.Br. 1969 (Zeitschrift für Volkskunde 68, 1972, S. 116f.). 219 FRANK RAINER JACOBY, Van den Ves Reinaerde, München 1970 (Germanistik 13, 1972, S. 632).
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Hans Höfinghoff
220 FRANK RAINER JACOBY, Von den Vos Reinaerde, München 1970 (Beiträge zur Geschichte der Deutschen Sprache und Literatur 94, 1972, S. 460-463). 221 JÜRGEN JAEHRLING, Die Philosophische Terminologie Notkers des Deutschen (Philologische Quellen und Studien 47) Berlin 1969 (Leuvense Bijdragen 1972, S. 267-269). 222 GERHARD KÖBLER, Ubersetzungsgleichungen der kleineren altsächsischen Sprachdenkmäler, Göttingen-Zürich-Frankfurt 19 70 (Niedersächsisches Jahrbuch 44, 1972, S. 359). 223 GERHARD KÖBLER, Übersetzungsgleichungen 1-12, GöttingenZürich-Frankfurt 1970/71 (Blätter für deutsche Landesgeschichte 108, 1972, S. 507-509). 224 GERHARD KÖBLER, Verzeichnis der Übersetzungsgleichungen der althochdeutschen Benediktinerregel (Göttinger Studien zur Rechtsgeschichte, Sonderband) Göttingen 1970 (Germanistik 13, 1972, S. 33-35) . 225 EDMUND WIESSNER, Der Wortschatz von Heinrich Wittenwilers 'Ring', Bern 1970 (Leuvense Bijdragen 61, 1972, S. 265-267). 226 Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, hg. von ADALBERT ERLER und EKKEHARD KAUFMANN, mitbegründet von WOLFGANG STAMMLER, Bd. 1, Berlin 1971 (Zeitschrift für deutsche Philologie 92, 1973, S. 313-315) . 227 Das Fivelgoer Recht, hg. von WYBREN JAN BUMA und WILHELM EBEL, Göttingen 1972 und Die 'Fivelgoer' Handschrift, I: Einleitung und Text, hg. von B. SJÖLIN, Den Haag 1970 (Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 96, 1974, S. 194198) . 228 Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. In Verbindung mit der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin [ab Bd. 6, H 9/10] Akademie der Wissenschaften der DDR, hg. von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Bd. 6, H. 8. 9/10, Weimar 1971/72 (Germanistik 15, 1974, S. 287) . 229 HELMUT HENNE, Semantik und Lexikographie. Untersuchungen zur lexikalischen Kodifikation der deutschen Sprache, Be;:l in-New York 1972 (Kratylos 19, 1974, S. 198-200). 230 HEINRICH TIEFENBACH, Studien zu den volkssprachigen Wörtern in karolingischen Künigsurkunden (Münstersche Mittelalter-Schriften Bd. 15) München 1973 (Beiträge zur Namenforschung, Neue Folge 9, 1974, S. 404f.). 231 FLORUS VAN DER RHEE, Die germanischen Wörter in den langobardischen Gesetzen, Rotterdam 1970 (Deutsches Archiv 30, 1974, S. 260f.). 232 HANS-ACHIM ROLL, Zur Geschichte der Lex Salica-Forschung, Aalen 1972 (Beiträge zur Namenforschung, Neue Folge 9, 1974, S. 405f.). 233 Südhessisches Wörterbuch, 7.-9. Lieferung, 1971/73 (Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 24, 1974, S. 400f.).
Schriftenverzeichnis
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234 DIETER WERKMÜLLER, über Aufkommen und Verbreitung der Weistümer nach der Sammlung von Jacob Grimm, Berlin 1972 (Beiträge zur Namenforschung, Neue Folge 9, 1974, S. 407f.). 235 HUBERT HERKOMMER, Überlieferungsgeschichte der "Sächsischen Weltchronik", München 1972 (Zeitschrift für deutsche Philologie 94, 1975, S. 440-442). 236 HORST HAIDER MUNSKE, Der germanische Rechtswortschatz im Bereich der Missetaten, Berlin-New York 1973 (Indogermanische Forschungen 80, 1975, S. 270-274). 237 DIETER WERKMÜLLER, über Aufkommen und Verbreitung der Weistümer nach der Sammlung von Jacob Grimm, Berlin 1972 (Zeitschrift für deutsche Philologie 94, 1975, S. 456-458). 238 UTE SCHWAB, arbeo laosa. Philologische Studien zum Hildebrandslied, Bern 1972 (Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 98, 1976, S. 313-315). 239 Südhessisches Wörterbuch, bearbeitet von RUDOLF MULCH, Lieferung 11, 1975 (Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 26, 1976, S. 342f.). 240 MICHAEL JACOBY, wargus, vargr 'Verbrecher', 'Wolf'. Eine sprach- und rechtsgeschichtliche Untersuchung, Uppsala 1974 (Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 99, 1977, S. 100-104). 241 GERHARD KÖBLER, Althochdeutsch-lateinisches Wörterbuch (1974) - Lateinisch-althochdeutsches Wörterbuch (1971) - Lateinisches Register zu den frühmittelalterlichen germanistischen Übersetzungsgleichungen (1973) - und AREND QUAK, Altniederdeutschlateinisches Wörterbuch (1973) (Göttinger Studien zur Rechtsgeschichte, Sonderbände 19, 12, 20 und 18) (Germanistik 18, 1977, S. 351f.). 24 2 GERHARD KÖBLER, Lateinisch-germanistisches Lexikon (Arbeiten zur Rechts- und Sprachwissenschaft 5) Göttingen 1975 (Germanistik 18, 1977, S. 346f.). 243 GERHARD KÖBLER, Verzeichnis der normalisierten Übersetzungsgleichungen der Werke Notkers von St. Gallen (1971) - Verzeichnis der Übersetzungsgleichungen der altsächsischen, altniederfränkischen und altsüdmittelfränkischen Psalmenfragmente (1971) - Verzeichnis der Übersetzungsgleichungen der kleineren althochdeutschen Sprachdenkmäler (1971) - Verzeichnis der übersetzungsgleichungen des althochdeutschen Tatian (1971) - Verzeichnis der Übersetzungsgleichungen von Abrogans und Samanunga (1972) - Verzeichnis der Ubersetzungsgleichungen von Willirams Paraphrase des Hohen Liedes (1971) (Göttinger Studien zur Rechtsgeschichte, Sonderbände 6-11 und 15) (Germanistik 18, 1977, S. 305f.). 244 ULRICH MEISSNER, Die Sprichwörtersammlung Sebastian Francks von 1541, Amsterdam 1974 (Leuvense Bijdragen 68, 1978, S. 375378) . 245 Jutisch Lowbok, Lübeck 1486. Faksimiledruck, mit einer Einleitung von KLAUS VON SEE, Glashütten 19 76 (Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 101, 1979, S. 459-464).
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Hans Höfinghoff
246 DIETER HARMENING, Superstitio. Überlieferungs- und theoriegeschichtliche Untersuchung zur kirchlich-theologischen Aberglaubensliteratur des Mittelalters, Berl in 1979 (Beiträge zur Geschichte der Deutschen Sprache und Literatur 105, 1983, S. 150155) . 24 7 VLADIMIR KARBUSICKY, Anfänge der historischen Überlieferung in Böhmen. Ein Beitrag zum vergleichenden Studium der mittelalterlichen Sängerepen (Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 18) Köln-Wien 1980 (Jahrbücher für die Geschichte Osteuropas 32, 1984, S. 601-603). 248 Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. In Verbindung mit der Akademie der Wissenschaften der DDR, hg. von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Siebenter Band (Kanzlei bis Krönung), bearb. von GÜNTHER DICKEL und HEIN0 SPEER, Weimar 19 74-1983 (Zeitschrift für Deutsche Philologie 104, 1985, S. 465-471). 249 WALTHER VON HAHN, Fachsprachen im Niederdeutschen. Eine bibliographische Sammlung. Bibliographien zur deutschen Literatur des Mittelalters. Beiheft 1, Berlin 1979 (Beiträge zur Namenforschung, Neue Folge Bd. 20, 1985, S. 107-109). 250 ULRICH HUNGER, Die Runenkunde im Dritten Reich. Ein Beitrag zur Wissenschafts- und Ideologiegeschichte des Nationalsozialismus (Europäische Hochschulschriften Reihe III, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 227) Frankfurt-Bonn 1984 (Das Historisch-Politische Buch, Heft 1, 1985, S. 25f.). 251 MARIANNE OTT-MEIMBERG, Kreuzzugsepos oder Staatsroman? Strukturen adeliger Heilsversicherung im deutschen 'Rolandslied' (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 102, 1985, S. 358-363).
V. Herausgeber bzw. Mitherausgeber von Reihen seit 1983: Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte, hg, von RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Frankfurt-Bern-New York. seit 1978: Frühmittelalterliche Studien. Jahrbuch des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster. In Zusammenarbeit mit HANS BELTING, HUGO BORGER, DIETRICH HOFMANN, KARL JOSEF NARR, FRIEDRICH OHLY, KARL SCHMID, RUTH SCHMIDT-WIEGAND und JOACHIM WOLLASCH, hg. von KARL HAUCK, Berlin-New York. seit 1978: Münstersche Mittelalter-Schriften, hg. von HANS BELTING, HUGO BORGER, HILDE CLAUSSEN, KARL HAUCK, DIETRICH HOFMANN, GEORG KAUFFMANN, HEINRICH LAUSBERG, PETER VON MOOS, KARL JOSEF NARR, FRIEDRICH OHLY, KARL SCHMID, RUTH SCHMIDT-WIEGAND, RUDOLF SCHÜTZEICHEL und JOACHIM WOLLASCH, München. seit 1981: Arbeiten zur Frühmittelalterforschung der Universität Münster. In Zusammenarbeit mit HANS BELTING, HUGO BORGER, DIETRICH HOFMANN, KARL JOSEF NARR, FRIEDRICH OHLY, KARL SCHMID, RUTH SCHMIDT-WIEGAND und JOACHIM WOLLASCH, BerlinNew York.
Schriftenverzeichnis
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VI. Verzeichnis der von Ruth Schmidt-Wiegand betreuten Dissertationen WS 1976: KURT DRÖGE, Die Fachsprache des Buchdrucks im 19. Jahrhundert, Lemgo 1978. SS 1979: BIRGIT KNÜHL, Die Komik in Heinrich Wittenwilers "Ring" im Vergleich zu den Fastnachtspielen des 15. Jahrhunderts (Göppinger Arbeiten zur Germanistik Nr. 332) Göppingen 1981. WS 1980: BEATE FÜHRER, Das Berlinische im Tagesschrifttum von 1848/49. Studien zum Verhältnis von Idiolekt, Soziolekt und Dialekt (Europäische Hochschulschriften, Reihe I: Deutsche Sprache und Literatur, Bd. 4 56) Frankfurt-Bern 1982. WS 1980: UWE MEINERS, Die Kornfege in Mitteleuropa. Wort- und sachkundige Studien zur Geschichte einer frühen landwirtschaftlichen Maschine (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland Heft 28) Münster 1983. WS 1981: ULRICH WITTE, Die Bezeichnungen für den Böttcher im niederdeutschen Sprachbereich. Eine wort- und sachkundliche Untersuchung zum Böttcherhandwerk (Europäische Hochschulschriften, Reihe I: Deutsche Sprache und Literatur, Bd. 539) Frankfurt-Bern 1982. WS 1982: GABRIELE VON OLBERG, Freie, Nachbarn und Gefolgsleute. Volkssprachige Bezeichnungen aus dem sozialen Bereich in den frühmittelalterlichen Leges (Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte Bd. 2) FrankfurtBern-New York 1983. SS 1982: ANNETTE NIEDERHELLMANN, Arzt und Heilkunde in den frühmittelalterlichen Leges. Eine wort- und sachkundliche Untersuchung (Arbeiten zur Frühmittelalterforschung, Bd. 12) Berlin-New York 1983. SS 1982: KARIN OBST, Der Wandel in den Bezeichnungen für gewerbliche Zusammenschlüsse des Mittelalters (Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte Bd. 4) Frankfurt-Bern-New York 1983. SS 1982: DAGMAR HÜPPER-DRÖGE, Schild und Speer. Waffen und ihre Bezeichnungen im frühen Mittelalter (Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte Bd. 3) FrankfurtBern-New York 1983) . SS 1984: WILFRIED SCHWANHOLZ, Volksliedhafte Züge im Werk Oswalds von Wolkenstein. Die Trinklieder (Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte Bd. 6) Frankfurt-BernNew York 1985. SS 1985: CHRISTINE BOVING, Deutsche Personennamen in Costa Rica. Eine namenkundliche Untersuchung als Dokument sprachlicher und soziokultureller Assimilation und Integration deutscher Einwanderer in Mittelamer'ika (Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte Bd. 7) Frankfurt-Bern-New York 1986.
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Hans Höfinghoff
W S 1986: H A N S H Ö F I N G H O F F , H a u s t i e r u n d H e r d e . D i e v o l k s s p r a c h i g e n T i e r b e z e i c h n u n g e n in d e n f r ü h m i t t e l a l t e r l i c h e n L e g e s , D i s s . M ü n s t e r 1986, im D r u c k . W S 1986: U L R I K E L A D E , F l u r u n d F e l d . V o l k s s p r a c h i g e B e z e i c h n u n g e n in d e n f r ü h m i t t e l a l t e r l i c h e n L e g e s , D i s s . M ü n s t e r 1986, im D r u c k .
Alphabetisches Verzeichnis der Mitarbeiter
Prof. Dr. Thorsten Andersson, Uppsala Universitet, Seminariet för nordisk ortnamnsforskning, S:t Johannesgatan 11, S-752 21 Uppsala Prof. Dr. Drs. h.c. Kurt Baldinger, Höhenstr. 24, 6900 Heidelberg-Ziegelhausen Priv. Doz. Dr. Hans-Joachim Behr, Germanistisches Institut der Universität Münster, Johannisstr. 1-4, 4400 Münster Prof. Dr. Rolf Bergmann, Institut für Deutsche Sprachwissenschaft und Ältere Deutsche Literatur der Universität Bamberg, An der Universität 5, 8600 Bamberg Priv. Doz. Dr. Theodor Bühler-Reimann, Theodor-Reuter-Weg 11, CH-8400 Winterthur Prof. Dr. Torsten Capelle, Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Universität Münster, Domplatz 20-22, 4400 Münster Prof. Dr. Klaus Düwel, Seminar für Deutsche Philologie der Universität Göttingen, Humboldtallee 13, 3400 Göttingen Dr. Irmgard Frank, Germanistisches Institut der Universität Münster, Johannisstr. 1-4, 4400 Münster Prof. Dr. Gerda Grober-Glück, Lohrbergstr. 3, 5205 St. Augustin 2 Prof. Dr. Klaus Grubmüller, Germanistisches Institut der Universität Münster, Johannisstr. 1-4, 4400 Münster Dr. Ingrid Hahn, Germanistisches Institut der Universität Münster, Johannisstr.1-4, 4400 Münster Prof. Dr. Karl Hauck, Habichtshöhe 21, 4400 Münster Dr. Wolf-Dieter Heim, Sonderforschungsbereich 7 'Mittelalterforschung' an der Universität Münster, Salzstr. 41, 4400 Münster Prof. Dr. Reiner Hildebrandt, Forschungsinstitut für Deutsche Sprache 'Deutscher Sprachatlas' an der Universität Marburg, Kaffweg 3, 3550 Marburg Prof. Dr. Heinz Holzhauer, Institut für Deutsche Rechtsgeschichte der Universität Münster, Universitätsstr. 14-16, 4400 Münster Dr. Dagmar Hüpper M.A., Sonderforschungsbereich 7 'Mittelalterforschung' an der Universität Münster, Salzstr. 41, 4400 Münster Prof. Dr. Franz Hundsnurscher, Germanistisches Institut der Universität Münster, Johannisstr. 1-4, 4400 Münster
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Verzeichnis der Mitarbeiter
Prof. Dr. F r a n z - J o s e f J a k o b i , I n s t i t u t für D i d a k t i k der G e s c h i c h t e d e r U n i v e r s i t ä t M ü n s t e r , F l i e d n e r s t r . 21, 4400 M ü n s t e r Prof. Dr. P e t e r J o h a n e k , H i s t o r i s c h e s S e m i n a r d e r M ü n s t e r , D o m p l a t z 20-22, 4400 M ü n s t e r
Universität
Prof. Dr. Dr. E k k e h a r d K a u f m a n n , I n s t i t u t für R e c h t s g e s c h i c h t e , Germanistische Abteilung der Universität Marburg, U n i v e r s i t ä t s s t r . 6, 3550 M a r b u r g Prof. Dr. W o l f g a n g K l e i b e r , D e u t s c h e s I n s t i t u t d e r M a i n z , S a a r s t r . 21, 6500 M a i n z
Universität
P r o f . Dr. J o h a n n K n o b l o c h , S p r a c h w i s s e n s c h a f t l i c h e s I n s t i t u t d e r U n i v e r s i t ä t Bonn, A n d e r S c h l o ß k i r c h e 2, 5300 B o n n 1 P r o f . Dr. G e r n o t K o c h e r , I n s t i t u t für E u r o p ä i s c h e u n d V e r g l e i chende Rechtsgeschichte der Universität Graz, Universitätsp l a t z 3/1, A - 8 0 1 0 Graz P r o f . Dr. G e r h a r d K ö b l e r , I n s t i t u t für D e u t s c h e R e c h t s g e s c h i c h t e , Bürgerliches Recht und Kirchenrecht der Universität Gießen, L i c h e r Str. 76, 6300 G i e ß e n P r o f . Dr. Karl K r o e s c h e l l , I n s t i t u t für R e c h t s g e s c h i c h t e u n d G e s c h i c h t l i c h e R e c h t s v e r g l e i c h u n g der U n i v e r s i t ä t F r e i b u r g i.Br., W e r t h m a n n p l a t z 1, 7800 F r e i b u r g i.Br. P r o f . Dr. H a r r y K ü h n e l , I n s t i t u t für M i t t e l a l t e r l i c h e R e a l i e n k u n d e Ö s t e r r e i c h s , K ö r n e r m a r k t 13, A - 3 5 0 0 K r e m s / D o n a u P r o f . Dr. J a n - D i r k M ü l l e r , G e r m a n i s t i s c h e s S e m i n a r d e r t ä t H a m b u r g , V o n - M e l l e - P a r k 6, 2000 H a m b u r g 13
Universi-
Dr. F r a n z N e i s k e , S o n d e r f o r s c h u n g s b e r e i c h 7 ' M i t t e l a l t e r f o r s c h u n g ' a n der U n i v e r s i t ä t M ü n s t e r , S a l z s t r . 41, 4400 M ü n s t e r P r o f . Dr. A u g u s t N i t s c h k e , H i s t o r i s c h e s I n s t i t u t der S t u t t g a r t , K e p l e r s t r . 17, 7000 S t u t t g a r t 1
Universität
P r o f . Dr. Dr. h.c. F r i e d r i c h O h l y , G o e r d e l e r Str. 54, 4400
Münster
Dr. G a b r i e l e v o n O l b e r g , S o n d e r f o r s c h u n g s b e r e i c h 7 ' M i t t e l a l t e r f o r s c h u n g ' an d e r U n i v e r s i t ä t M ü n s t e r , S a l z s t r . 41, 4400 M ü n s t e r Dr. D i e t r i c h P o e c k , S o n d e r f o r s c h u n g s b e r e i c h 7 ' M i t t e l a l t e r f o r s c h u n g ' an d e r U n i v e r s i t ä t M ü n s t e r , S a l z s t r . 41, 4400 M ü n s t e r P r o f . Dr. Ingo R e i f f e n s t e i n , I n s t i t u t für G e r m a n i s t i k d e r U n i v e r s i t ä t S a l z b u r g , A k a d e m i e s t r . 20, A - 5 0 2 0 S a l z b u r g Dr. M e c h t h i l d S a n d m a n n , S o n d e r f o r s c h u n g s b e r e i c h 7 ' M i t t e l a l t e r f o r s c h u n g ' an d e r U n i v e r s i t ä t M ü n s t e r , S a l z s t r . 41, 4400 M ü n s t e r P r o f . Dr. Karl S c h m i d , H i s t o r i s c h e s S e m i n a r d e r U n i v e r s i t ä t F r e i b u r g i.Br., W e r t h m a n n p l a t z , 7800 F r e i b u r g i.Br.
Verzeichnis der Mitarbeiter
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Prof. Dr. Wolfgang P. Schmid, Sprachwissenschaftliches Seminar der Universität Göttingen, Humboldtallee 13, 3400 Göttingen Prof. Dr. Paul Gerhard Schmidt, Seminar für lateinische Philologie des Mittelalters und der Neuzeit der Universität Marburg, Wilhelm-Röpke-Str. 6C, 3550 Marburg Prof. Dr. Roderich Schmidt, Johann-Gottfried-Herder-Institut, Gisonenweg 5-7, 3550 Marburg Jutta Schmidt-Lornsen M.A., Hofkoppel 4, 2301 Kiel-Westensee Prof. Dr. Clausdieter Schott, Rechtswissenschaftliches Seminar der Universität Zürich, Freiestr. 36, CH-8032 Zürich Prof. Dr. Werner Schröder, Roter Hof 10, 3550 Marburg Prof. Dr. Rudolf Schützeichel, Germanistisches Institut der Universität Münster, Johannisstr. 1-4, 4400 Münster Prof. Dr. Anton Schwöb, Institut für Germanistik der Universität Graz, Universitätsplatz 3, A-8010 Graz Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Sonderegger, Deutsches Seminar der Universität Zürich, Rämistr. 74-76, CH-8001 Zürich Stud.-Prof. Dr. Klaus Speckenbach, Germanistisches Institut der Universität Münster, Johannisstr. 1-4, 4400 Münster Prof. Dr. Jochen Splett, Germanistisches Institut der Universität Münster, Johannisstr. 1-4, 4400 Münster Prof. Dr. Elfriede Stutz, Karlsruher Str. 38, 6900 Heidelberg 1 Priv. Doz. Dr. Heinrich Tiefenbach, Germanistisches Institut der Universität Münster, Johannisstr. 1-4, 4400 Münster Prof. Dr. Joachim Wollasch, Historisches Seminar der Universität Münster, Domplatz 20-22, 4400 Münster
Frühmittelalterliche Studien Band 19 (1985) Q u a r t . VIII, 575 Seiten und 26 Seiten Tafeln. 1985. Ganzleinen D M 2 8 0 - I S B N 3 11 010327 3
Inhaltsverzeichnis F. J . WORSTBROCK, Dilatatio materiae. Zur Poetik des 'Erec' Hartmanns von Aue R. SCHMIDT-WIEGAND, Sprache und Geschichte im Spiegel historischer Bezeichnungen W. SCHETTER, Uber Erfindung und Komposition des 'Orestes' des Dracontius. Zur spätantiken Neugestaltung eines klassische Mythos K . M. NIELSEN, Runen und Magie. Ein forschungsgeschichtlicher Uberblick M. AXBOE und K . HAUCK, Hohenmemmingen-B, ein Schlüsselstück der Brakteatenikonographie (Zur Ikonologie der Goldbrakteaten, X X X I ) (Taf. I—XIII) J . KOUSGARD SORENSEN, G u d h e m
K. HAUCK, Motivanalyse eines Doppelbrakteaten. Die Träger der goldenen Götterbildamulette und die Traditionsinstanz der fünischen Brakteatenproduktion (Zur Ikonologie der Goldbrakteaten, X X X I I ) (Taf. X I V - X X I I ) P. SCHREINER, Eine merowingische Gesandtschaft in Konstantinopel (590?) W. WENDLING, Die Erhebung Ludwigs d. Fr. zum Mitkaiser im Jahre 813 und ihre Bedeutung für die Verfassungsgeschichte des Frankenreiches P. GODMAN, Louis 'the Pious' and his poets H . KELLER, Herrscherbild und Herrschaftslegitimation. Zur Deutung der ottonischen Denkmäler (Taf. X X I I I - X X I X ) U . LOBBEDEY, Der romanische D o m in Bremen, ein Werk Erzbischof Liemars (1072—1101) (Taf. X X X - X X X V ) J . FLORI, A propos de l'adoubement des chevaliers au Xlème siècle: Le prétendu pontifical de Reims et l'ordo ad armandum de Cambrai A. MÜSSIGBROD Zur ältesten Schicht der Toteneinträge im Necrolog von Moissac H . GRAFEN, Spuren der ältesten Speyerer Necrologüberlieferung. Ein verlorenes Totenbuch aus dem 11. Jahrhundert F. NEISKE, Cluniacensisches Totengedenken in Souvigny. Fragmentarische und spätmittelalterliche Überlieferung im Vergleich mit der Synopse der cluniacensischen Necrologien C. MEIER, Eriugena im Nonnenkloster? Überlegungen zum Verhältnis von Prophetentum und Werkgestalt in den figmenta prophetica Hildegards von Bingen (Taf. X X X V I — X L ) T. CAPELLE, Programmatisches zu einer Untersuchung frühgeschichtlicher Bauopfer T. KROOS, Opfer, Spende und Geld im mittelalterlichen Gottesdienst (Taf. XLI—XLVIII)
Preisänderung vorbehalten
Walter de Gruyter
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Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens (HdA) Herausgegeben von Hanns Bächtold-Stäubli unter Mitwirkung von Eduard Hoffmann-Krayer Photomechanischer Nachdruck (im Format der Originalausgabe 1 6 , 5 x 2 4 cm) der 1927—1942 erschienenen Ausgabe mit einem Vorwort von Christoph Daxelmüller Groß-Oktav. Ca. 8760 Seiten. 1986
10 Bände Paperback in Kassette Subskriptionspreis bis 31. XII. 1986: DM 2 9 8 , Ladenpreis ab I.Januar
1987: DM 358,—
Abendrot und Vogelflug, Unglückstag und Käuzchenruf — wer ist frei von dem, was der Begriff , Aberglaube' umfaßt? Das im Nachdruck vorgelegte zehnbändige Lexikon ist ein bis heute nicht ersetztes Sammelwerk, das die Fülle mythischer, magischer und paranormaler Vorstellungen und Praktiken beschreibt und erklärt. Glaube und Aberglaube sind entfernte Verwandte. In einer Zeit, da die Wissenschaft zugleich Rätsel aufgibt, präsentiert das vorgelegte „Handwörterbuch" die Welt des „niederen" Volksglaubens — auch dem Laien, der tiefer eindringen und sich vergewissern möchte.
Preisänderung vorbehalten
Walter de Gruyter
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