Sportlandschaften: Sport, Raum und (Massen-)Kultur in Deutschland 1880-1930 9783666370298, 9783525370292, 9783647370293


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Sportlandschaften: Sport, Raum und (Massen-)Kultur in Deutschland 1880-1930
 9783666370298, 9783525370292, 9783647370293

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© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370292 — ISBN E-Book: 9783647370293

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft

Herausgegeben von Gunilla Budde, Dieter Gosewinkel, Jürgen Kocka, Paul Nolte, Alexander Nützenadel, Hans-Peter Ullmann

Frühere Herausgeber Helmut Berding und Hans-Ulrich Wehler (1972–2011)

Band 211

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Noyan Dinçkal

Sportlandschaften Sport, Raum und (Massen-)Kultur in Deutschland 1880–1930

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Mit 28 Abbildungen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-37029-2 ISBN 978-3-647-37029-3 (E-Book) Gedruckt mit Unterstützung der Johanna und Fritz Buch Gedächtnisstiftung, Hamburg und der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften, Mainz. Umschlagabbildung: E. Hosang: Fußball-Wettspiel zwischen Berliner und Dresdner Fußball-Klubs auf dem Exerzierplatz »Einsame Pappel« in Berlin (1892). © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S. A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. – Printed in Germany. Satz: textformart, Göttingen Druck und Bindung: e Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Berlin 1928, ein Stadtplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Sportlandschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3. Sport und Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4. Raumkategorien und Untersuchungsdesign . . . . . . . . . . . . . 23 I. Ordnung und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Die Herausbildung sportlicher Funktionsräume . . . . . . . . . . 27 2. »Mein Feld ist die Welt«: Sporträume um 1900 . . . . . . . . . . . 29 3. Sport und Park . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4. Leitbild USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 5. Regeln und Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 6. Was ein Sportplatz ist und was nicht… . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Die »Mutter« deutscher Stadien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1. Berlin 1913: Jenseits des Leistungsraums . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Eine Sandmulde im Grunewald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Internationale Vorbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4. »Baugesinnung«: Von Griechen, Römern und Ariern . . . . . . . 90 5. Raumbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 6. Wissenschaftlicher Sportbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 7. Das Stadion als Festspielstätte: Die Einweihung 1913 . . . . . . . . 107 III. Konsum und soziale Selbstverständigung . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Sportbau, Sportpublikum und Kulturkonsum . . . . . . . . . . . . 122 2. Orte des Schreckens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Städtekonkurrenz als Konsumanreiz . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4. Consumer skills: Den Sport(raum) lesen lernen . . . . . . . . . . . 130 5. Konsumhemmnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 6. Sportkonsum als Massenphänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 7. »Eine Maschine zur Handhabung der Massen« . . . . . . . . . . . 144 5 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370292 — ISBN E-Book: 9783647370293

8. Entladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 9. Nähe: Zusammenrücken von Publikum und Sportler . . . . . . . 152 10. Distanz: Pazifizierungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 11. Führung und Entleerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 12. Transparenz und Egalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 13. Sehen oder Gesehen werden: Die Tribüne . . . . . . . . . . . . . . 167 14. Von Zuschauern und Gästen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 IV. »Stadionvolksfeste«: Kampfspiel und Festspiel . . . . . . . . . . . . . 175 1. Das Stadion als Ort politischer Festkultur . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Zum Verhältnis von Sport, Fest und Stadion . . . . . . . . . . . . 177 3. Festspiel und Kampfspiel im späten Kaiserreich . . . . . . . . . . . 183 4. Das Stadion als nationale Feststätte: Erste Initiativen und Entwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 5. »Eine gesunde deutsche Volksseele in einem gesunden deutschen Körper«. Deutungskonflikte während des Ersten Weltkriegs . . . 189 6. Die Kampfspiele während der Weimarer Republik: Symbolik der Austragungsorte und Flaggenstreit . . . . . . . . . . 194 7. Die Eroberung der Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 8. Die Bedeutung von Sport und Wettkampf . . . . . . . . . . . . . . 202 9. Die performative Rhetorik der Deutschen Kampfspiele . . . . . . 207 10. Entwürfe für ein »Festspielstadion« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 V. Körper-Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Die Verknüpfung zweier Welten: Die Sportstätte als Laborlandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Dresden 1911 und der suspekte Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Vom suspekten zum nützlichen Sport: Sport und Sportplatz in den bevölkerungspolitischen Debatten der Weimarer Republik . . 243 4. »Stadionorganismus« und »Kraftzentrale«: Die Deutsche Hochschule für Leibesübungen . . . . . . . . . . . . 247 5. Nackte Körper, uniformiert – das Stadion als Vermessungsstation 251 6. Das Stadion als psychotechnische Versuchsanordnung . . . . . . 261 7. Sportplatz und Arbeitsplatz: Zum Verhältnis von Physiologie, Arbeit und Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 8. Der rechte Mann am rechten (Sport-)Platz? . . . . . . . . . . . . . 279 Zum Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 6 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370292 — ISBN E-Book: 9783647370293

Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

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Einleitung

1. Berlin 1928, ein Stadtplan »Eine Karte, die alles darstellt, stellt nichts dar und ist sinnlos, sie wäre nichts als Chaos, Tohuwabohu. Aussagekräftig werden Karten erst durch die Hervorhebung des einen und die Vernachlässigung des anderen.«1 »Nr.: 232; Name und Lage des Platzes: B. S. V. 92, For­ ckenbeckstr.; Planquadrat: D 2; Verkehrsanbindungen: U. Heidelberger Platz, Schmargendorf, 51, 191, 92, A. 10; Verfügungsberechtigt, Bemerkungen: Berliner Sport­ verein 1892, auch Tennisplätze.«2

1926 ging aus dem Zusammenschluss verschiedener kommunaler Sportbehörden in Berlin das Stadtamt für Leibesübungen hervor. Unmittelbar nach seiner Gründung machte sich dieses Amt an die mühevolle Erstellung eines Stadtplans. Das Ergebnis, das 1928 in Zusammenarbeit mit der auflagenstarken Tageszeitung Berliner Morgenpost in Umlauf gebracht wurde, war kein gewöhnlicher Stadtplan. Die Bebauungsdichte oder die touristischen Attraktionen Berlins ließen sich daraus nicht ablesen. Die Bahnhöfe, Eisenbahnstrecken und U-Bahnhaltestellen waren zwar eingetragen, die Hauptverkehrsstraßen ebenfalls, aber auf die Aufnahme der mittleren und kleineren Straßen verzichtete das Stadtamt. Bebaute Gebiete waren einheitlich schwarz schraffiert. Eine Maßstabsangabe wurde offensichtlich als überflüssig erachtet. Überhaupt war die Karte auf das Wesentliche reduziert und in der Hauptsache in Schwarz und Weiß gehalten, mit einer Ausnahme: Berlin war auf ihr geradezu übersät mit roten Zeichen. Jede dieser roten Markierungen stand für eine Sportstätte. Die Stadt wurde ausschließlich aus dem Blickwinkel des Sports abgebildet. Auch der Zeichensatz der Karte beinhaltete nur Sportstätten, aufgeschlüsselt in allgemeine Sportplätze, Fußballplätze und Tennisplätze (rote Kreise mit Nummern) sowie Hallen- und Freibäder, Rudervereine und Skigelände (Piktogramme). Kaum ein Viertel oder Park ohne mindestens einen Sportplatz, kein See, auf dem nicht ein kleines rotes Segelbötchen abgedruckt und kaum ein Waldgebiet, das nicht mit kleinen Skiern, Schlitten oder Schlittschuhen markiert war. Insgesamt waren auf der Karte 48 Tennisplätze, 54 Fußballplätze und 222 allgemeine Sportplätze 1 Schlögel, Im Raume, S. 100 f. 2 Berliner Sportplätze, 1928.

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verzeichnet. Hinter einigen Markierungen verbargen sich Stadien, hinter anderen Orte, auf denen das Spielen von Hockey oder Fußball verboten war. Wieder andere Stätten dienten nur zum Fußballspielen, enthielten Laufbahnen oder waren nur Männern zugänglich. Ein großer Teil dieser Anlagen wurde von den städtischen Bezirksämtern betrieben, etwa gleich groß war der Anteil der privaten Vereinsplätze. Hinzu kamen einige wenige von Hochschulen, Firmen und Banken betriebene Sportplätze oder solche, bei denen lediglich eine Privatperson vermerkt war – »Vermieter Rost auf dem Platz«.3 Trotz dieser Unterschiede waren alle diese Orte mit einem einheitlichen Rot markiert und all diese roten Markierungen dienten der räumlichen Verortung von Sport in der Stadt. Um das Erreichen dieser Orte zu vereinfachen, ließ das Stadtamt im Zeichensatz zu jeder Sportstätte auch die entsprechenden Verkehrsverbindungen aufführen. Karten sind im Sinne Henri Lefebvres Musterbeispiele für »Repräsenta­ tionen des Raums« (l’espace conçu), für konzeptionelle Modelle und Entwürfe, die auf die Wahrnehmung von Raum in der Praxis einwirken.4 Indem die Markierungen dieser Karte den Sport eindeutig an bestimmte Orte verwiesen und diese an die städtischen Verkehrsströme anbanden, regelten sie dessen Vorkommen in der Stadt. Umgekehrt scheint diese Karte den Sport von anderen Orten auszuschließen. Selbstverständlich konnte 1928 auch auf Hinterhöfen gegen einen Ball getreten werden, aber der Hinterhof war dafür nicht konzipiert und Auseinandersetzungen mit den Bewohnern der angrenzenden Häuser waren nicht unüblich. Selbstverständlich konnte Sport beispielsweise auch im Schlosspark in Biesdorf betrieben werden, einem der wenigen Berliner Parks, die auf der Karte nicht mit einem roten Kreis gekennzeichnet sind, aber nur auf die Gefahr hin, von Parkwächtern zurecht- und hinausgewiesen zu werden. Dem Sport, betrieben in nicht dafür vorgesehenen Orten, haftete etwas »Wider­ gesetzliches« an.5 Dass Sport in speziell ihm zugewiesenen und hergerichteten Stätten stattfindet, ist nicht selbstverständlich, sondern Teil  eines historischen Prozesses. Die historische Forschung hat detailliert herausgearbeitet, dass die Verbreitung des Sports in Deutschland das Ergebnis eines englisch-deutschen Kulturtransfers war, der in die entscheidende Urbanisierungsphase zwischen 1890 und 1910 fiel.6 Eine wichtige Voraussetzung für die Verbreitung des Sports in Deutschland waren die städtischen Kommunikations- und Verkehrswege nach England, dem Mutterland des Sports. Städte mit ausgeprägten Handelsbeziehungen nach England wie Hamburg, Braunschweig oder Hannover entwickelten sich dem3 Ebd. 4 Lefebvre, The Production of Space, S. 33, 204. 5 Horak/Maderthaner, Mehr als ein Spiel, S. 62. Die Autoren sprechen in diesem Zusammenhang von einer »Kultur der Widergesetzlichkeit«. 6 Nielsen, Sport und Großstadt. Einen Überblick gibt auch Koller, Sport als städtisches Ereignis. Zur Urbanisierungsphase selbst vgl. Reulecke, Geschichte der Urbanisierung und Matzerath, Urbanisierung in Preußen.

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Abb. 1: Berliner Sportplätze 1928. Die Karte wurde erstellt vom Berliner Stadtamt für Leibesübungen, hier Planquadrate C 1–3 und D 1–3.

entsprechend zu Keimzellen des deutschen Sports. Die erste Verbreitungswelle des Sports in den 1880/90er Jahren kann als eine Form der kulturellen Entwicklungshilfe aus England aufgefasst werden, bei der die »Eingeborenen« die neue Freizeitgestaltung aus sports and pastimes zunächst staunend beobachteten und schließlich zum Mitmachen eingeladen wurden. Bereits im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts setzte in Deutschland eine Welle von Vereinsgründungen ein.7 Um diese Zeit spielte sich der Sport weitgehend auf unbestimmten städtischen Freiflächen ab, auf Exerzierplätzen, Bauterrain, »zwischen Zinskaserne und Industrieanlagen«.8 Der Sport hinterließ keinen bleibenden Abdruck in der Stadt, der sich auf einer Karte hätte abbilden lassen. Man kann das Neue, das in dem Stadtplan von 1928 hervortritt, besser einschätzen, wenn man zum Vergleich das Berliner Turn- und Sport-Adreßbuch aus dem Jahr 1911 genauer betrachtet. In diesem schmalen Büchlein sind zwar viele Turn- und Sportvereine aufgelistet, aber hinter den Adressen verbargen sich in den meisten Fällen nur Clubgebäude, Privathäuser oder Gastwirtschaften, die den Sportlern als Treffpunkte dienten. Insgesamt sind nur 24 Sportplätze verzeichnet, die allesamt in privater Hand und an der Peripherie lagen.9 7 Ausführlich Eisenberg, »English Sports«, S.  178–193 und Nielsen, Sport und Großstadt, S.  17 f. Als Fallstudie siehe Reinartz, Sport in Hamburg. Zusammenfassend Maurer, Vom Mutterland und Koller, Von den englischen Eliteschulen. 8 Marschik, »Heimspiel«, S. 13. 9 Berliner Turn und Sport-Adreßbuch, 1911.

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Der Zweck des Stadtplans von 1928 war es, Orientierung und Informationen für Menschen zu bieten, die sich auf dem Weg machen wollten, Sport zu treiben oder einer Sportveranstaltung beizuwohnen. Sebastian Haffner brachte die Neuartigkeit dieses Bedürfnisses in seinen Erinnerungen an die Jahre zwischen 1924 und 1926 folgendermaßen auf den Punkt: »Ich versäumte kein Sportfest. Ich trainierte dreimal die Woche, ich hörte auf zu rauchen und machte stattdessen Freiübungen vor dem Schlafengehen. Und ich empfand das Glück, mich dabei mit Tausenden, Zehntausenden, ja eigentlich mit allen in voller Übereinstimmung zu befinden.«10 Weniger enthusiastisch und in einem eher kulturkritischen Duktus beanstandete Robert Musil 1931 die Allgegenwärtigkeit des Sports und den Siegeszug der Stadien, die er unter dem Eindruck der Umwandlung von Parks zu Sportzwecken als »Siegesplätze über die Natur« bezeich­ nete.11 Und in Siegfried Kracauers zwischen 1926 und 1931 für die Frankfurter Zeitung verfassten Essays war der Sport ebenso wie der Film, das Kino, der Jazz, die Revue oder das Auto ein Fragment der urbanen Moderne.12 Diese Beschreibungen sind paradigmatisch für die Wahrnehmung des Sports in der Zwischenkriegszeit: Er erschien als Ausdruck einer radikalen Veränderung von Lebensstilen.13 Bereits zur Zeit der Weimarer Republik  – so die erste Ausgangshypothese dieser Studie – handelte es sich beim Sport um kein gesellschaftliches Randphänomen mehr, sondern vielmehr um ein zentrales Element der modernen Massenkultur.14 Am Anfang seiner wegweisenden Studie Sport, Space and the City bezeichnet der Kulturgeograph John Bale Stadien als »folk cathedrals«, als zentrale Orte moderner Massenkultur. An die Stelle von Kirchtürmen seien nun die Flutlichtmasten der Stadien getreten, die als »landmarks and points of reference« weithin sichtbar in den Himmel ragten.15 Insofern schlägt sich im Stadtplan von 1928 das Auftauchen oder vielmehr die Durchsetzung eines neuen Kulturphänomens in Deutschland nieder. Denn wenn Karten – wie Karl Schlögel festhält  – eine Visualisierung »etablierter und dauerhafter Verhältnisse« darstellen, dann sagt diese Karte aus, dass der Sport endlich und endgültig in der Stadt angekommen war.16 Ferner zeigt die Karte die räumliche 10 Haffner, Geschichte eines Deutschen, S. 73 f. 11 Musil, Als Papa Tennis lernte, S. 247–252. Siehe hierzu auch Fleig, »Siegesplätze über die Natur«. 12 Kracauer, Das Ornament der Masse. Der dort abgedruckte gleichnamige Essay, der in besonderer Weise den Sport thematisiert, erschien zuerst in der »Frankfurter Zeitung« im Juni 1927. Siehe hierzu auch Frisby, Fragmente der Moderne. 13 Siehe vor allem Becker, Amerikanismus in Weimar; Fleig, Körperkultur und Moderne; Ott, »Unsere Hoffnung gründet sich auf das Sportpublikum«. 14 Pyta, Geschichtswissenschaft und Sport. Zum Begriff »Massenkultur« im konzeptionellen Aufriss und in Abgrenzung zum Terminus »Populärkultur« siehe Makropoulos, Theorie der Massenkultur. 15 Bale, Sport, Space and the City, S. 3. Als Literaturübersicht zu diesem Komplex siehe Trumpbour, Sport and the Urban Landscape und Katzer, Introduction. 16 Schlögel, Im Raume, S. 86. Siehe hierzu auch ders., Kartenlesen.

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Dimension des Sports auf. Der Sport als Teil der modernen Massenkultur manifestierte sich an konkreten Orten. Kurz, innerhalb von wenigen Jahrzehnten hatte der Sport die Stadt erobert, und diese Eroberung zeigte sich vor allem – so die zweite Ausgangshypothese dieses Buches – in ausdrücklich für den Sport definierten Räumen.

2. Sportlandschaften »[S]port, in order to maintain itself as  a social system within a particu­lar environment, produces its own space, place and landscape.«17

Der Stadtplan aus dem Jahr 1928 führt in das thematische Zentrum dieser Studie. Ich werde nach der Hervorbringung und den Funktionen des Sport­ raums fragen, danach, in welchen Zusammenhängen er benutzt und mit welchen Bedeutungen er versehen wurde. Zeitlich geht es um die Phase, in der sich der Sport in Deutschland als ein massenkulturelles Phänomen etablierte, also vom take-off Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre. Die Vorkriegszeit wird als eine Phase des Aufbruchs und Umschlagens in der Geschichte des Sports interpretiert, dessen verschiedene Entwicklungsstränge sich in den 1920er Jahren ausgestalteten und durchsetzen. Auch an der Geschichte des Sports wird deutlich, wie hinderlich es sein kann, kulturhistorische Fragestellungen an politischen Zäsuren auszurichten, und wie der vielfach beschworene »Aufbruch in die Moderne« bereits um die Jahrhundertwende seinen Anfang nahm.18 Man kann diese Zeitspanne als eine »Sattelzeit« des Sports charakterisieren, als eine Periode, in der der Sport in Deutschland sukzessive aus der Sphäre einer exklusiven Kultur des Adels und Großbürgertums heraustrat und zu einem Bestandteil der modernen Massenkultur wurde.19 In dieser Zeit etablierten sich nicht nur die körperlichen Praktiken und Sinnprinzipien des modernen Sports, sondern damit verknüpft auch die spezifischen Sportstätten und sportbezogenen Zweckbauten, wie wir sie im Wesentlichen noch heute kennen. Sport war immer auch ein räumliches Ereignis, und zwar in zweierlei Hinsicht: Erstens wurde im Sport überwiegend um die Eroberung von Räumen gekämpft. Es ging um den Besitz räumlicher Anordnungen, um die Beherrschung von freien Räumen und die Messung des räumlichen Fortschritts in der Zeit.20 Zweitens fand der Sport in der Regel nicht irgendwo statt, sondern an Orten, die 17 Tangen, Making the Space, S. 31. 18 Nitschke u. a., Jahrhundertwende; Nolte, 1900. 19 Zum Begriff »Sattelzeit«, wie ihn Reinhart Koselleck geprägt hat, siehe ders., Einleitung, S. XV. 20 Wagner, Sport: Culture and Geography, S. 95.

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eigens für den Sport geschaffen wurden. Dabei wurden komplette Land­schaften umgeformt, um sie den Erfordernissen des Sports anzupassen.21 Die so unter Zuhilfenahme eines im Laufe der Jahrzehnte immer komplexer werdenden wissenschaftlich-technischen Instrumentariums entstandenen Sportlandschaften waren einzig auf den Sport spezialisierte, abgegrenzte Territorien.22 Der Titel dieses Buches  – Sportlandschaften  – geht auf Forschungsansätze der angelsächsischen Kulturgeographie zurück und soll die räumlichen Eigenschaften des Sports zum Ausdruck bringen. Er bezeichnet all jene Räume, die, wie beispielsweise Stadien, Sportplätze oder auch Laufbahnen, ihre Existenz allein dem Sport zu verdanken haben.23 Vor allem John Bale führte 1994 in Anlehnung an den vom Ethnologen Arjun Appadurai geprägten Terminus Techno­ scapes24 in seiner Arbeit Landscapes of Modern Sport den Begriff Sportscape in die wissenschaftliche Diskussion ein. Der Ausgangspunkt seines Konzepts der Sportlandschaft ist die These, dass »sports have emerged as highly rationalized representation of modernity which, as much as […] any other form of culture, possess the potential to eliminate regional differences as a result of their rule-bound, ordered, enclosed and predictably segmented forms of landscape. In ­addition, the geographical sameness of sports space is encouraged by its synthetic and technological character.«25 Sporträume sind in dieser Perspektive ein Produkt der Moderne und dabei insbesondere durch Homogenisierung, Technisierung und Standardisierung charakterisiert. Sie sind rein auf die intrin­sischen Anforderungen des Sports, etwa das Erbringen körperlicher Leistung und ihre Vergleichbarkeit, ausgerichtet. In diesem Sinne lässt sich nach Bale Sportlandschaft begreifen als »a landscape of speed, facilitating the minimisation of time between two points in space, just like the landscapes of modern transport – motorways, high speed railway and international airports.«26 Dieser Ansatz ist mittlerweile erheblich erweitert worden. So haben beispielsweise die Sportwissenschaftler Cathy van Ingen und Michael Friedman kritisiert, dass Sporträume in dieser Perspektive hauptsächlich von ihrem End­ resultat aus in den Blick genommen, und ihre aktive und durchaus nicht konfliktlose soziale Hervorbringung vernachlässigt wird.27 Darüber hinaus 21 Die Umwandlung städtischer Räume zu Sportlandschaften thematisieren aus vergleichender und stadthistorischer Perspektive die Beiträge in Clark, The European City. 22 Bale, Der Sportplatz, S. 36–38. 23 Einen fundierten Forschungsüberblick gibt ders., Human Geography und ders./Marschik, Sportgeographie. Im Gegensatz zur deutschsprachigen Forschung fließen in den USA und in Großbritannien geographische Perspektiven häufig in die soziologisch oder historisch angelegte Sportforschung ein. Beispielsweise Tiesler/Coelho, Globalised Football und Vertinsky/Mckay, Disciplining Bodies. 24 Appadurai, Disjuncture and Difference. 25 Bale, Landscapes, S. 2. Zu seinen wichtigsten Schriften zählen außerdem: »Sports Geography« sowie »Sport and Place«. 26 Ders., Landscapes, S. 14. Ähnlich die Argumente in ders./Vertinski, Sites of Sport. 27 Van Ingen/Friedman, Bodies in Space.

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haben neuere Arbeiten deutlich gemacht, dass für die Hervorbringung und Wahrnehmung von Sportlandschaften auch Faktoren nicht genuin sportlicher Natur bedeutsam waren, und Sporträume demzufolge auch außersportliche Funktionen erfüllten.28 Insbesondere den im Sportraum wirksamen Elementen, wie Fest, Öffentlichkeit, Konsum und Unterhaltung, wurde im Zuge dieser Erweiterung mehr Aufmerksamkeit geschenkt.29 Die vorliegende Arbeit knüpft erstmals aus historischer Perspektive am erweiterten Konzept der Sportlandschaft an. Sportbezogene Zweckbauten standen auch dann noch im Raum, wenn in ihnen gerade kein sportliches Ereignis stattfand. Nicht zuletzt aus diesem Grund erlangten Sportstätten und speziell Stadien eine enorme öffentliche Aufmerksamkeit. Berichte über ihre technische Ausstattung, ihre Architektur, ihren Rasen, oder die Atmosphäre von Sportereignissen füllten schon in den 1920er Jahren die Feuilletons der Zeitungen. Sportstätten bargen vielfach miteinander verknüpfte Funktionsebenen in sich. An ihnen lässt sich zeigen, dass sich Sport als Teil der Massenkultur nicht nur im Sporttreiben, sondern ebenso im Sportkonsum niederschlug. Als Orte konzentrierter Dichte ermöglichten sie die Entwicklung einer dynamischen Publikumskultur und vielfältige Formen der Interaktion aus Mitmachen und Eigensinn.30 Durch das materielle Ensemble und die räumliche Anordnung waren sie mehr als nur eine Kulisse für Sportveranstaltungen, sie waren Teil der Spielkonfiguration. Ihre räumlichen Gegebenheiten hatten Auswirkungen sowohl auf den Sport selbst als auch auf dessen Wahrnehmung. Diese Rolle von Sporträumen gestalterisch und technisch umzusetzen, war schon ab dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die Aufgabe von Architekten und Ingenieuren. Zugleich bildeten vor allem Stadien Forum und Bühne für öffentliche Präsentationen, für Massenveranstaltungen, politische Kundgebungen und Feste und dienten somit auch der nationalen wie städtischen Legitimationsbeschaffung und Imagepflege. Umgekehrt wirkten all diese Funktionsebenen zurück auf die Gestaltung von Sportstätten und ihre Architektur. In anderen Worten, die Herausbildung von Sporträumen war an die Durchsetzung des Sports gekoppelt; das bedeutet aber nicht, dass sich die Bedeutung von Sporträumen im Sport erschöpfte. Mein Hauptargument ist, dass sich in Sporträumen zentrale gesellschaftliche, kulturelle und politische Prozesse der klassischen Moderne wie unter einem Brennglas konzentrierten. Dementsprechend gehört zu den konzeptionellen Vorannahmen dieser Studie zum einen, dass der Sport weit mehr dar28 Siehe van Ingen, Geographies of Gender. Eine Auseinandersetzung mit der Homogeni­ sierungsthese im Anschluss an ein relationales Raumkonzept findet sich in Bockrath, Zur Heterogenität urbaner Sporträume. Zum relationalen Raumkonzept selbst vgl. Löw, Raum­ soziologie. 29 Exemplarisch Raitz, The Theater of Sport. 30 Zum Begriff »Eigensinn« vgl. Lüdtke, Rekonstruktion von Alltagswirklichkeit, S. 340; ders., Geschichte und Eigensinn.

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stellte als eine nur selbstreferentielle Praxis, die über den Handlungsakt selbst keinen Verweisungs- oder Darstellungscharakter aufwies  – eine Perspektive, die im Zuge des performative turn insbesondere in kulturwissenschaftlichen Arbeiten vertreten wird.31 Ganz im Gegenteil, sportliche Handlungen waren abhängig von sozialen, kulturellen und politischen Kontexten, sie unterlagen also einem historischen Wandel und konnten mit verschiedenen Bedeutungen aufgeladen werden.32 Zum anderen geht diese Studie von der These aus, dass der Sport eine eminent »raumgreifende und raumkonstituierende Praxis« darstellte. Diese Arbeit knüpft an Forschungen an, die betonen, dass der Sport durch die Hervorbringung eigener handlungsspezifischer Räume und raumzeitlicher Begrenzungen gekennzeichnet ist.33 Der große Wert dieser Perspektive ist es zweifellos, die räumliche Dimension in der historischen Genese des Sports zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite tendiert dieser Forschungsstrang aber dazu, die Bedeutung dieser Räume rein auf die sportliche Praxis zu reduzieren. Sporträume erscheinen in der Regel nur als materielles Substrat sportlichen Wirkens. Obgleich eine Analyse der rein sportlichen Nutzung und Ausrichtung dieser Räume reizvoll genug wäre, nimmt diese Arbeit in Anspruch, darüber hinaus zu gehen. Ebenso wenig, wie sich die Bedeutung des Sports im Handlungsvollzug erschöpfte, lässt sich die Bedeutung von Sporträumen lediglich aus sportimmanenten Faktoren ableiten.34 In ihnen manifestierten sich neue Formen repräsentativer Massenöffentlichkeit, sie dienten der sozialen Selbstverständigung und dem Konsum, in ihnen zeigte sich die zunehmende Regulierung von Lebens­ äußerungen durch Normen und Techniken wissenschaftlicher Experten, in ihnen konzentrierten sich soziale Ordnungsvorstellungen. Kurzum, der Sport wird im Folgenden nicht auf die »Produktion von Präsenz« und der Sportraum nicht auf sportliche Praktiken reduziert, sondern als ein prinzipiell deutungsoffenes, soziales und kulturelles Feld betrachtet, das zu »sinnhafter Darstellung und zu symbolischer Repräsentation« fähig war.35 Nicht nur sportliche Praktiken, die Institutionalisierung des Sports oder einzelne populäre Sport­arten sagen etwas über den Sport als Teil  der modernen Massenkultur aus, sondern auch die Räume, in denen Sport stattfand. Während aber mittlerweile der Sport als Gegenstand der historischen Forschung zunehmend Beachtung findet, wurde die Räumlichkeit des Sports bislang kaum beachtet. Dieses Buch versteht sich dementsprechend als ein Beitrag, den Faktor Raum in die historische Betrachtung über Sport und Massenkultur einzubeziehen. 31 Zur performativen Handlung im Sport siehe Gebauer, Sport – die dargestellte Gesellschaft. 32 Pyta, Geschichtswissenschaftliche Annährungen; Booth, The Field; Howell, Assessing Sport History. 33 Zitat Schroer, Materielle Formen, S. 30. Einen Überblick gibt Peters, Sport und Raum. 34 Marschik, Sport als »leerer Signifikant«, S. 36. 35 Pyta, Geschichtswissenschaft und Sport, S. 391.

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3. Sport und Raum Die Selbstverständlichkeit und Allgegenwärtigkeit von Praktiken, die als Sport bezeichnet werden, scheinen den Sport nicht nur seiner Historizität zu be­ rauben, sondern lassen auch jeden Versuch, eine nähere Bestimmung vorzunehmen, überflüssig erscheinen. Doch die Schwierigkeiten, die aus der Verwendung des Begriffes »Sport« resultieren, sind beträchtlich: Ende des 19. Jahrhunderts reihte der Ökonom und Soziologe Thorstein Veblen den Sport, wie die Kenntnis toter Sprachen, eine fehlerfreie Orthografie oder die Hausmusik, in jene Praktiken des »demonstrativen Müßiggangs« ein, die die überschaubare Gruppe der Leisure Class benötige, um nach außen zu signalisieren, dass man es sich leisten könne, Zeit für unproduktive Tätigkeiten zu verschwenden und ein insgesamt untätiges Leben zu führen.36 Doch bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts verfestigte sich bei aufmerksamen Beobachtern der Eindruck, dass es sich beim Sport um mehr handeln könnte als nur um ein flüchtiges und auf eine kleine Gruppe von Menschen beschränktes Phänomen. Als der Journalist und Schriftsteller Arthur Brehmer 1910 prominente Experten wie Cesare ­Lombroso, Eduard Bernstein oder Bertha von Suttner bat, in kleinen Essays ihre Zukunftsvisionen – Die Welt in 100 Jahren – niederzuschreiben, berücksichtigte er interessanterweise neben so elementaren Themen wie Krieg, Frieden, Technik, Kunst, Liebe und Religion auch den Sport.37 Brehmer zweifelte nicht daran, dass der Sport auch noch im Jahr 2010 eine wesentliche Rolle spielen und aus dem Leben vieler Menschen nicht mehr wegzudenken sein würde.38 Und offensichtlich spielt der Sport gegenwärtig eine immense Rolle, etwa in der Konstruktion, Wahrnehmung und Erfahrung von Körper, Geschlecht, Leistungsfähigkeit und Gesundheit, als Distinktionsmittel und Disposition des Habitus, als Bezugsrahmen lokaler, ethnischer und nationaler Identitäten und nicht zuletzt als Freizeitvergnügen und Geschäft.39 Dennoch ist es alles andere als eindeutig, was unter Sport eigentlich zu verstehen ist. Funsport, Abenteuersport, Ex­tremsport oder Fitnesssport: all diese Begriffe beschreiben heterogene körperliche Praktiken wie Bodybuilding, Inlineskaten oder Freeclimbing.40 Das einzige, was sie zu einen scheint, ist das Suffix »Sport«. Sport erscheint gekennzeichnet durch eine 36 Veblen, Theorie der feinen Leute, S. 58 f. 37 Edward, Der Sport in 100 Jahren. 38 Wie hellsichtig Brehmers war, zeigt, dass gegenwärtig etwa jeder dritte Bundesbürger Mitglied in einem Sportverein ist und ca. 15 Millionen Menschen Sport treiben, ohne einem Verein anzugehören. Vgl. Deutscher Sportbund, Jahrbuch des Sports 2001/02, S. 76–79; International Health, Racquet and Sportsclub Association: www.innovations-report.de/html/ berichte/studien/bericht-58291.html (18. April 2011). 39 Alkemeyer, Aufrecht und biegsam; Eisenberg, Der deutsche Sport in der Zeitgeschichte; Gebauer, Konkurrenzkulturen in Europa; Bourdieu, Die feinen Unterschiede, S.  44–47, ­332–354. 40 Vgl. Bette, X-treme; ders., Asphaltkultur; Gebauer/Poser, Kalkuliertes Risiko.

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Beliebigkeit seiner immanenten Sinnstrukturen und Praktiken, die es dem Betrachter schwer macht, ihn von anderen Bewegungs- und Körperkulturen abzugrenzen. Zur Klärung des Begriffes bietet es sich an, über den historischen Tellerrand zu blicken und bei der Disziplin anzusetzen, deren zentraler Untersuchungs­ gegenstand der Sport ist: den Sportwissenschaften. Allerdings scheint sich dort die Ansicht durchgesetzt zu haben, diese Frage für nicht lösbar zu erklären. Unter dem Eintrag Sport ist im Sportwissenschaftlichen Lexikon zu lesen: »Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich S. zu einem umgangssprachlichen, weltweit gebrauchten Begriff entwickelt. Eine präzise oder gar eindeutige begriffliche Abgrenzung lässt sich deshalb nicht vornehmen.«41 Appelle, die eine größere terminologische Präzision forderten, wurden teilweise gar als überflüssig er­achtet.42 Der Sportwissenschaftler Helmut Digel brachte es auf die Formel: »[D]ie Bedeutung des (Begriffs) Sport ist der Gebrauch dieses Begriffs.« Sich auf Wittgensteins Metapher der »Familienähnlichkeiten« berufend, bezeichnet Digel den Sport als ein »multiparadigmatisches Kulturgebilde« mit »verschwommenen Rändern«.43 Die daraus resultierenden Probleme sind erheblich. Die Interpretation des Sports als indifferentes Konglomerat unterschiedlichster Zuschreibungen ohne spezifische Struktur erschwert jedwede Differenzierung. In der Sportgeschichte wurden die damit verknüpften Probleme schon früh offenkundig. Bereits in den 1980er Jahren spielte in sporthistorischen Zeitschriften die Frage, was unter dem Begriff »Sport« subsumierbar sei und was nicht, eine gewisse Rolle. So kritisierte der Sporthistoriker Hajo Bernett an einer Studie zum Wehrsport in der Weimarer Republik das Fehlen eines klar umrissenen Sportbegriffs.44 Während der letzten zehn Jahre, als nach und nach auch Historiker den Sport als seriösen Forschungsgegenstand entdeckten,45 nahmen die diesbezüglichen 41 Röthig/Prohl, Sport (sport[s]), S. 493. 42 Digel, Die Versportlichung unserer Kultur, S. 90. 43 Ders., Was ist der Gegenstand der Sportwissenschaft? S. 10. Vgl. zu diesen Debatten Drexel, Paradigmen in Sport, S. 28 f. und Haverkamp/Willimczik, Vom Wesen zum Nicht-Wesen des Sports. Siehe auch Seven, Zwischen Funktion und Leistung. Zur Metapher »Familienähnlichkeit« vgl. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen. Kritisch-genetische Edition, S. 787. 44 Bach, Volks- und Wehrsport und Bernett, Wehrsport – ein Pseudosport. 45 In dieser Hinsicht spielt »English Sports« von Eisenberg eine herausragende Rolle. Als ein Zeichen der Salonfähigkeit des Sports in den Geschichtswissenschaften kann auch der Deutsche Historikertag im Jahre 2000 dienen – erstmals wurde eine ausschließlich sporthistorische Sektion in das Programm der Konferenz aufgenommen. Als bislang besten Literatu­r überblick zur deutschsprachigen Sportgeschichte kann empfohlen werden Schiller/Young, The History and Historiography of Sport. Den Schwerpunkt auf die Komplexe »Race« und »Gender« gelegt haben Stieglitz/Martschukat, Sportreportage. Zeitlich etwas weiter zurück liegt der Literaturbericht von Balbier, »Spiel ohne Grenzen«. Methodisch und theoretisch einen hervorragenden Überblick bieten Pope/Nauright, Routledge Companion to Sports History.

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Auseinandersetzungen noch zu. So hat die Kontroverse zwischen der Historikerin Christiane Eisenberg und dem Sportwissenschaftler Michael Krüger 2004, in der Eisenberg der historisch arbeitenden Sportwissenschaft vorhielt, keinen klaren Begriff von ihrem Untersuchungsgegenstand zu haben, ein Grund­ problem der historischen Beschäftigung mit dem Phänomen Sport aufgezeigt: Die Verständigung ist schwierig, wenn man von Sport redet und schreibt, ohne zu klären, was man darunter versteht.46 Insofern weisen diese Debatten auf einen wichtigen Punkt hin, denn die Unschärfe des Sportbegriffs verführt dazu, den Sport als eine anthropologische Konstante zu behandeln. Untersuchungen, die den Begriff Sport nicht nur auf die griechische Antike, sondern ebenso auf das alte Ägypten, auf mittelalterliche Reiterspiele, auf Ballspiele der in­ digenen Bevölkerung Nordamerikas oder chinesische Laufwettbewerbe anwenden, erwecken den Eindruck, der Mensch habe schon immer und überall Sport betrieben.47 Es kann nicht darum gehen, von einem ontologischen Sportbegriff auszu­ gehen, wie ihn vor allem Allen Guttmann entlang der Modernitätskriterien Max Webers aufgestellt hat,48 sondern darum, als heuristisches Mittel den Sport erstens von zeitlich vorgelagerten und zweitens von ähnlichen zeitgleichen Bewegungsformen abzugrenzen. In diesem Sinne orientiere ich mich an den Überlegungen Pierre Bourdieus, der im Sport ein »relativ autonomes Feld« innerhalb des »sozialen Feldes«, eine nicht in rituellen Spielen oder im festtäglichen Zeitvertreib aufgehende Körperpraxis erblickte. Diese Eigenständigkeit des Sports manifestierte sich demnach in der Konstitution eines eigenen Feldes von Praktiken, mit eigenen Regeln und Einsätzen, innerhalb dessen sich eine besondere Kultur ausbildete.49 Zu dieser Kultur gehörten spezifische Regel­ werke, Sinnzuschreibungen, Autoritäten, kodifizierte Bewegungsabläufe, Repräsentationsfunktionen und eben Sonderräume wie Sportplätze, Laufbahnen oder Stadien.

46 Eisenberg, Soziologie; dies., Gegenstandsbereich; Krüger, Zehn Thesen. Zwei Jahre vor der Debatte unterschied Eisenberg zwischen einer Sportgeschichte als Geschichte der Körperkultur und einer Sportgeschichte als Geschichte des Wettkampfsports. Siehe Eisenberg, Die Entdeckung des Sports, S. 7–9. 47 Zur Kritik daran siehe vor allem Bourdieu, Historische und soziale Voraussetzungen, S. 167 und Eichberg, Sport, S. 460 f. Als Beispiele für diese Art der Sportgeschichte vgl. Weiler, Der Sport bei den Völkern; Thuillier, Sport im antiken Rom; Decker, Sport und Spiel im Alten Ägypten. 48 Guttmann, From Ritual to Record. Guttmann listet anknüpfend an Max Weber folgende Aspekte als Kennzeichen des modernen Sports auf: Säkularer Rahmen, rational organisierte Konkurrenz, gleiche Wettkampfbedingungen, Verregelung und unabhängige Organe, die über die Einhaltung der Regeln wachen, Bürokratisierung, Messbarkeit der Leistung und Rekordorientierung. Ähnlich argumentiert Eisenberg, Sportgeschichte als Kulturgeschichte, S. 295 f. Eine Zusammenfassung der Bedeutung der Guttmann-These wie auch die Kritik daran findet sich in Hill, Sport in History, S. 28–31. 49 Bourdieu, Historische und soziale Voraussetzungen, S. 167.

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Wenn in diesem Buch von Sport die Rede ist, dann ist damit der moderne Sport als ein System von spezifischen Bedeutungen, Institutionen und Akteuren gemeint – ein eigenständiges soziales Handlungsfeld mit eigenständiger Kommunikations- und Feldlogik.50 Es geht um den modernen Sport, wie er sich im 18. Jahrhundert aus den Spielformen der rough popular culture und den blood sports ländlicher Regionen Englands zuerst in den public schools und dann in den Städten herausgebildet und sich dann im Rahmen englisch-deutscher Kulturbegegnungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland verbreitet hat.51 Der Sport war mehr als eine besondere Geselligkeitsform oder ein beliebtes, aber bedeutungsloses Vergnügen. Er war eine körperliche Praxis, die moderne gesellschaftliche Werte wie Leistung, Wettbewerb und Fairness vermittelte und sie darüber hinaus in öffentlichen Aufführungen in Szene zu setzen vermochte.52 Eine solche Einschränkung ermöglicht es einerseits, die charakteristischen Kernelemente eines gesellschaftlichen und kulturellen Phänomens schärfer zu konturieren. Es hat zur Folge, dass gewisse Erscheinungsformen von Körperkultur nicht oder nur grob behandelt werden. Dies gilt speziell für das deutsche Turnen mit seiner militärisch-männlichen Prägung und seinen Sinn­ prinzipien wie Mehrkampf, Gruppenleistung und Gemeinschaft.53 Dies gilt ebenso für die Gymnastik oder ältere Formen des Bodybuildings als Formen der körperlichen Ertüchtigung, in denen die für den Sport elementare Kom­ ponente des Wettkampfes weitgehend fehlt.54 Andererseits erlaubt es aber gegenüber einem ontologischen Sportbegriff auch einen gewissen Spielraum, um die Grau­zonen, Überlappungen und »verschwommenen Ränder« des Sports nicht aus den Augen zu verlieren. Beispielsweise ist das Turnen historisch weder eine deutsche Spielart des Sports, noch ein Vorläufer, sondern eine eigenständige Ausprägung von Körperkultur.55 Aber bereits 1914 konnten Zeitgenossen feststellen, dass das Turnen in Deutschland »ein sportliches Prinzip nach dem anderen […] zu dem seinen gemacht hat.«56 Wenn man wiederrum die auf den Sportplätzen und Stadien aufgeführten leichtathletischen Wettkämpfe oder Fußballspiele genauer unter die Lupe nimmt, dann stellt man fest, dass diesen

50 Ders., Programm für eine Soziologie des Sports, S. 193–207. 51 Für England siehe Tranter, Sport; Magnan, Athletism. Immer noch grundlegend sind ­Dunning/Sheard, Barbarians und Elias/Dunning, Volkstümliche Fußballspiele. Eine Pionierstudie zur Verbreitung des Sports in Deutschland ist Eisenberg, »English Sports«. Den englisch-deutschen Kulturtransfer in Sachen Sport berücksichtigen auch Muhs u. a., Zwischen Aneignung und Abwehr; Lauterbach, Beatles, Sportclubs, Landschaftsparks. 52 Alkemeyer u. a., Aufs Spiel gesetzte Körper; Mongardini, Die Stellung des Spiels. 53 Goltermann, Körper der Nation. 54 Siehe hierzu Wedemeyer-Kolwe, »Der neue Mensch«; Möhring, Marmorleiber; Dinçkal, Mediko­mechanik. 55 Bernett, Turnen, S. 535–537. 56 Berner, Der verlästerte Sport, S. 387. Allgemein Bernett, Die »Versportlichung« des Spiels.

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insbesondere bei Festveranstaltungen häufig eindeutig dem Turnen zugehörige Freiübungen vorrangingen. Die Bildung von Sonderräumen gehörte, wie erwähnt, zu den charakteristischen Merkmalen des modernen Sports. Bernhard Boschert hat diagnostiziert, dass dem Raum im Zusammenhang mit dem Sport insgesamt wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Tatsächlich scheint die räumliche Bedingtheit des Sports ebenso wie der Sport selbst in der Selbstverständlichkeit des Vertrauten zu entschwinden.57 Allerdings muss hinzugefügt werden, dass die Diagnose Boscherts im Zuge des spatial turn erstellt wurde, der seit den 1990er Jahren zunehmend die deutschen Sozial- und Kulturwissenschaften erfasste, in der Regel basierend auf den älteren Überlegungen Michel Foucaults, Pierre Bourdieus, David Harveys oder Henri Lefebvres.58 Obwohl in den Sportwissenschaften und der Soziologie mittlerweile die Räume und Orte des Sports mehr Beachtung finden, spielen diese in historischen Arbeiten zum Sport kaum eine Rolle.59 Dabei lässt sich die Geschichte des modernen Sports nur schwer von der Produktion von Sporträumen trennen. Markus Schroer und Peter Gleichmann haben darauf aufmerksam gemacht, dass die Geschichte der Moderne mit einer zunehmenden Einrichtung spezifischer, dem Körper und körperlichen Verrichtungen zugewiesener Räume einherging.60 Gleichmann spricht in diesem Zusammenhang von einer »Verortung« körperlicher Verrichtungen. Demnach wurden für verschiedene körperliche Praktiken separate Räume konstituiert. Klassische Beispiele für diesen Prozess sind die Ausdifferenzierung des Wohnraums etwa in Küche, Schlaf- und Badezimmer oder die Auf­teilung des gebauten Raums in öffentliche und private Sphären oder in Arbeits- und Freizeiträume. Körperliche Praktiken, die nicht in den dafür vorgesehenen Räumen vollzogen wurden, konnten als abweichend oder widergesetzlich klassifiziert werden.61 Die Geschichte des modernen Sports ist unmittelbar mit der Geschichte der Herausbildung eben dieser auf einzelne Funktionen festgelegten Räume verknüpft. Die enge Beziehung zwischen Körper- und Raumordnungen wird schon durch einen kurzen Blick auf die Entwicklung des Sports offensichtlich. Formelle Raumordnungen waren für die Vorläufer des Sports nicht erforderlich, räumliche und zeitliche Begrenzungen der Ausnahmefall.62 Sicherlich weisen 57 Boschert, Der Sport und der Raum. 58 Exemplarisch seien an dieser Stelle nur genannt: Harvey, The Condition of Postmodernity; Foucault, Andere Räume; Lefebvre, The Production of Space; Bourdieu, The Social Space. 59 Ziemainz/Pitsch, Perspektiven des Raums im Sport; Schroer, Vom »Bolzplatz« zum »Fußballtempel; Frank/Steets, Stadium Worlds; Leo, Das Stadion. 60 Schroer, Räume, Orte, Grenzen, S. 288 f.; Gleichmann, »Wohnen«, S. 276. 61 Gleichmann, »Wohnen«, S. 276–278. 62 In diesem Kontext ist festzuhalten, dass es sich hierbei erstens um eine Grundtendenz handelt und zweitens, dass die oben genannten Charakteristika sich vor allem in öffentlichen Vergnügungen und Ereignissen in festlichen oder rituellen Zusammenhängen zeigten. In

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etwa frühneuzeitliche Ballspiele einige Ähnlichkeiten mit professionalisierten Sportarten wie Fußball oder Rugby auf. Doch waren sie nur wenig formalisiert und verregelt. So konnte der Ball, ein unbestimmbar gefülltes Lederbündel, getragen, geworfen, weggerissen oder mit dem Fuß getreten werden. An einem Spiel, das unbestimmte Zeit dauerte, beteiligten sich manchmal Hunderte Menschen. Es fand auf einem nicht markierten Feld oder auf Dorfstraßen statt. Jedes Spiel konnte gemäß lokalen Traditionen anders reguliert sein.63 Wie Norbert Elias und Eric Dunning am Beispiel der Geschichte des Fußballs herausgearbeitet haben, war demgegenüber die Herausbildung des modernen Sports und seiner Räume von Einschließung und Verregelung einerseits sowie der räumlichen Trennung von Zuschauern und Sportlern andererseits geprägt.64 Nicht nur fand der Sport in eigens dafür hergerichteten Räumen statt, sondern körperliche Praktiken wurden darüber hinaus durch räumliche Anordnungen überhaupt als sportliche Handlung eindeutig erkannt und von alltäg­lichen Bewegungen unterschieden. Erst sportspezifische Räume und die zeitliche Separierung und Verregelung trennten Alltagshandlungen klar von sportlichen Praktiken.65 Vor allem indem Sporträume definiert und in ihrer Definition von anderen Räumen unterschieden wurden, entstand das Feld des Sportes mit einem eigenen Handlungsrahmen, eigenen Sinnzuschreibungen, Regeln und Bedeutungen. Insofern zeichnet sich die Geschichte des Sports auch durch einen Prozess der Einschließung in vom Alltagsleben abgeschirmte Sonderräume aus.66 Gleichzeitig wurden solche Körperpraktiken  – wie ­Bourdieu ausführt – zunehmend von Spezialisten in einer geregelten Konkurrenz um Sieg und Niederlage vor einem Publikum ausgeführt.67 Ihren Höhepunkt erreichte diese schließlich in der Stadionarchitektur mit räumlich voneinander getrennten Zuschauerrängen und Spielfeldern. Es handelt sich hierbei um so­ziale Schließung und räumliche Separation gleichermaßen, ein Vorgang, den Camiel van Winkel mit einer sich langsam schließenden Auster verglichen hat.68

höfischen Zusammenhängen allerdings lassen sich – ohne eine ungebrochene Kontinuitätslinie zu behaupten – einige Merkmale des modernen Sport identifizieren: Zuschauerorientierung und raum-zeitliche Begrenzungen. Siehe hierzu Mallinckrodt, Bewegte Geschichte und Behringer, Arena and Pall Mall. 63 Elias/Dunning, Volkstümliche Fußballspiele, S. 316–337; S. Hall, Massenkultur und Staat, S. 94–96; Malcolmson, Popular Recreations. 64 Elias, Der Fußballsport im Prozess der Zivilisation; Dunning, Die Dynamik des modernen Sports. 65 Franke, Theorie und Bedeutung sportlicher Handlung. 66 Gebauer u. a., Treue zum Stil, S. 28. 67 Bourdieu, Historische und soziale Voraussetzungen, S. 169. 68 Van Winkel, Tanz, Disziplin, Dichte und Tod, S. 251.

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4. Raumkategorien und Untersuchungsdesign In den mittlerweile kaum mehr überschaubaren Veröffentlichungen, die im Zuge des spatial turn erschienen sind, werden – teilweise in scharfer Abgrenzung zueinander – verschiedene Raumbegriffe verwendet.69 Dieser Studie liegt erstens ein ortsbezogener, territorialer Raumbegriff zugrunde. Gemeint sind im Wesentlichen Sportstätten und Stadien, die als Handeln strukturierende und im Handeln strukturierte Räume in den Blick genommen werden. Dabei werden die Begriffe »Raum« und »Ort« weder synonym noch als Gegenbegriffe verwendet. Raum bezeichnet nicht den Ort, sondern die Abstraktion vom konkreten ortsgebundenen Handeln.70 Orte spielen allerdings eine herausragende Rolle, weil sich in und an ihnen Raumvorstellungen manifestieren. Ohne eine konkrete örtliche Lokalisierung bleibt die Anwendung räumlicher Analyse- und Beschreibungskategorien indifferent.71 In diesem Zusammenhang sind die physisch-materiellen Eigenschaften des Sportraums bedeutend. In Anlehnung an David Nyes Diktum, dass »landscape and technology imply one another and are best understood in tandem«,72 spielt die Technik in ihrer gleichermaßen Raum verändernden und Raum hervorbringenden Dimension eine wichtige Rolle. Techniken und Architekturen strukturierten die Wahrnehmung räumlicher Anordnungen im Sport. Umgekehrt kamen für sich verändernde Nutzungsformen und räumliche Ordnungen neue Techniken zum Einsatz.73 Technik hatte also einen großen Einfluss auf die Gestaltung von Sporträumen; sie veränderte ihre gesellschaftliche Inanspruchnahme und generierte neue räumliche Strukturen. Die Sinnzuschreibungen, Aneignungsformen und Funktionen des Sportraums waren zu einem wesentlichen Teil durch die eingesetzten Techniken und ihre Materialität bestimmt. Der Begriff »Sportraum« ist deshalb keine rein abstrakte Analysekategorie, sondern lässt sich verorten und dadurch anhand der Quellen als Untersuchungseinheit in den Blick nehmen. Dementsprechend werden materielle Manifestationen des Sportraums analysiert, miteinander in Verbindung gesetzt und in ihren Kombinationen verfolgt. In diesem Sinne stehen nicht allein die materiell-technischen Eigenschaften an sich im Mittelpunkt, sondern die Zusammenhänge, auf die sie verweisen, auch wenn diese bisweilen über den eigentlichen Sport hinausführen.74 69 Löw, Raumsoziologie; Schroer, Räume, Orte, Grenzen; Dünne/Günzel, Raumtheorie; Döring/ Thielmann, Spatial Turn. Aus historischer Perspektive vgl. Blackbourn, A Sense of Place; Koselleck, Raum und Geschichte; Osterhammel, Die Wiederkehr des Raumes. 70 Schroer, Räume, Orte, Grenzen, S. 179. 71 Löw, Raumsoziologie, S. 201 f. 72 Nye, Technologies of Landscape, S. 15 f. 73 Das Thema Technik wurde im Rahmen des »spatial turn« bislang kaum thematisiert. Eine Ausnahme ist Geppert, Ortsgespräche. Zum Zusammenhang von Technik, Spiel und Sport hingegen siehe vor allem Poser/Zachmann, Homo faber ludens. 74 Konzeptionell hierzu Osmond, Reflecting Materiality.

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Ein solch ortsbezogener, auf die Materialität abhebender Raumbegriff hat keines­ wegs eine Naturalisierung von Sporträumen zur Folge. Sporträume werden nicht als fixe Gebilde angesehen, die unabhängig von menschlichem Handeln oder menschlichen Körpern existierten. So kommt in diesem Buch zweitens ein relationaler Raumbegriff zum Tragen, der die Konstitution von Sporträumen als eine soziale und kulturelle Praxis auffasst.75 Diese Hervorbringung war kein Automatismus, der sich lediglich aus sportimmanenten Faktoren, wie Rekordorientierung, Leistung und ihrer Vergleichbarkeit, mehr oder minder von selbst ergeben musste, sondern prinzipiell offen und an vielfältige Aushandlungsprozesse und Diskurskonstellationen gekoppelt, in die, wie in dieser Arbeit gezeigt wird, verschiedenste Akteursgruppen – etwa Sportler, Sportvereine, Architekten, Stadtverwaltungen, Ingenieure, Gartenkünstler oder Mediziner  – involviert waren. Dementsprechend werden auf den Sport bezogene Handlungen als im Raum stattfindende sowie Raum konstituierende und verändernde Praktiken in den Blick genommen, in denen auch immer der Sport selbst, sein Wesen, sein Ausdruck, seine kulturelle Bedeutung sowie sein gesellschaftlicher Nutzen mitverhandelt wurden. Sporträume sind somit auch immer Räume komplexer Symbolisierungen und Imaginationen, oder, um wieder in der Begrifflichkeit Lefebvres zu sprechen, »Räume der Repräsentation« (l’espace vécu).76 Im Prozess der Konstituierung dieser Räume spiegelten sich auch immer die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Wahrnehmung und ihrer symbo­ lischen Repräsentationsfunktionen. Eine simplifizierende Dichotomie von territorialem und relationalem Raum wird in dieser Studie vermieden. Auch wenn diese Arbeit den Sportraum im Prozess seiner Produktion analysiert  – sie erschöpft sich nicht darin, lediglich seine aktive Hervorbringung zu thematisieren. Ebenso wenig geht sie davon aus, dass jederzeit und unter allen Umständen raumverändernde soziale Inter­a ktionsmuster zu erkennen sind oder das der Sportraum permanent beliebig angeeignet oder verändert werden konnte. Es geht nicht darum, immer im Voraus zu wissen, dass Raum relational ist und damit von vornherein einen Teil des Erklärungsanspruches abzugeben. Die Relevanz der sozialen Produktion von Sporträumen ist unbestritten. Aber es ist auch unumgänglich, die Wirkungsmächtigkeit bereits vorhandener Raumordnungen aufzuzeigen.77 Wann ist in der Produktion von Sportraum eine »Schließung« diagnostizierbar, wann waren nur noch Variationen möglich?78 Wie wurden durch den Sportraum 75 Löw, Raumsoziologie, S. 152–178. 76 Lefebvre, The Production of Space, S. 41. 77 Hierzu grundsätzlich Piltz, »Trägheit des Raums«, vor allem S. 135–137. 78 Das Konzept der »Schließung« ist der sozialkonstruktivistischen Technikforschung entlehnt. Es ist interaktionistisch angelegt und kennzeichnet den Moment, in dem die Diskurse geschlossen werden. Dies geschieht zum einen durch die rhetorische Schließung, bei dem die Akteure sich darauf einigen, dass kein Problem mehr vorhanden ist (was keineswegs bedeutet, dass dies auch zutrifft), und zum anderen, in dem das Problem umdefiniert wird. Siehe Pinch/Bijker, The Social Construction.

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Verhaltensweisen, Handlungsmuster und Kommunikationsformen vorstrukturiert? Insofern wird im Folgenden nicht lediglich untersucht, wie Sporträume sozial produziert wurden, sondern auch, was sie vorgaben.79 Beim folgenden Versuch, bei der Untersuchung des Kulturphänomens Sport zwischen den 1880er und 1930er Jahren auch die räumlichen Qualitäten des Sports zu berücksichtigen, kommen analytisch drei Raumkategorien zum Tragen, der physisch-materielle, der soziale und der symbolische Raum. Alle drei Kategorien sind unmittelbar miteinander verflochten und in der Narration nicht voneinander zu trennen. Die materiellen Qualitäten von Sporträumen beinhalteten immer auch eine Sozial- und eine Symboldimension. Ebenso wenig ist eine Trennung des physischen Raums vom sozialen Raum möglich, es sei denn, man gebraucht den Raumbegriff rein metaphorisch. Bourdieu hat darauf insistiert, dass jeglicher physisch-materieller Raum angeeigneter Raum und nicht von sozialen Wahrnehmungsmustern und Sinnzuschreibungen zu trennen ist. Umgekehrt ist der soziale Raum ohne Materialität oder physische Basis nicht vorstellbar.80 Dementsprechend sind die materiellen Eigenschaften des Sportraums Ausgangspunkt meiner Überlegungen, die Leitfragen betreffen aber die Produktion, Bedeutung, Nutzung und Aneignung des Sportraums. Das Ziel dieser Arbeit ist es zu zeigen, wie sehr einerseits Sport von räumlichen Bedingungen bestimmt war, aber andererseits auch, wie sehr Sport imstande war, Raum zu definieren, und zwar in physisch-materieller, symbo­lischer und sozialer Hinsicht. Daher ist auch die Frage nach dem Zusammenspiel von Sport, Kultur und Raum auf mehreren Ebenen zu diskutieren. In einem ersten Schritt wird die Herausbildung von Sporträumen von etwa 1880 bis in die erste Dekade des 20.  Jahrhunderts untersucht. Hierbei geht es vorwiegend um die Produktion von sportlichen Funktionsräumen und insbesondere um Standardisierungs- und Technisierungsprozesse. Drei Thesen stehen in diesem Kontext im Vordergrund: Erstens handelt es sich in dieser Zeitspanne bei der Produktion von Sporträumen um einen Prozess, der in der Hauptsache von sport­ immanenten Faktoren, wie etwa dem Erbringen körperlicher Leistungen und ihrer Vergleichbarkeit, bestimmt war. Zweitens argumentiere ich, dass die Hervorbringung von sportlichen Funktionsräumen immer ein Ablösungs- und Einschließungsprozess zugleich war, der einerseits den Sport von ähnlichen Körperkulturen, wie etwa dem Spiel, trennte, andererseits aber auch das Feld des Sportes stärker konturierte. Drittens schließlich wird davon ausgegangen, dass der »Produktionsprozess« von Sporträumen in seinen Grundzügen zwischen 1911 und 1914 abgeschlossen war und ab diesen Zeitpunkt nur noch Variationen zuließ. 79 Vgl. hierzu in Auseinandersetzung mit dem relationalen Raumkonzept Schroer, Räume, Orte, Grenzen, S. 174–181. 80 Bourdieu, Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum; ders., Sozialer Raum, symbolischer Raum.

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Danach steht die zunehmende kulturelle und soziale Öffnung von Sportstätten im Mittelpunkt. Am Beispiel der Planungsphase und Inbetriebnahme der ersten deutschen Großsportanlage in Berlin 1913 werden die Diskurse um die architektonische Gestaltung, die in diesem Zusammenhang erstmalige Zuschreibung von Wissenschaftlichkeit im Sportbau sowie die symbolische Inszenierung des Stadions im Einweihungsfest analysiert. Insgesamt wird hier die These vertreten, dass sich ein einmal konstituierter, spezifischer Sportraum als außerordentlich anschlussfähig für Nutzungen und Funktionen erwies, die über die primär sportlichen Handlungsakte deutlich hinauswiesen, und dass umgekehrt eben diese Anschlussfähigkeit auch auf die weitere Gestaltung und die Raumordnung dieser Stätten zurückwirkte. Unmittelbar daran anschließend werden in der Hauptsache drei wesentliche Variationen und Nutzungsmöglichkeiten aufgefächert und systematisch untersucht – Konsum und soziale Selbstverständigung, Verknüpfung von Sport und politischer Festkultur sowie Technisierung und Wissensgenerierung. Eine solche Herangehensweise erfordert eine Relativierung des für Histo­ riker naheliegenden chronologischen Narrativs: Die Dinge ereignen sich zur selben Zeit am selben Ort. Wie bereits Anthony Giddens feststellte, kann »ein und derselbe Raumausschnitt der Ort für mehrere gleichzeitig stattfindende soziale Ereignisse sein«.81 Und auch in diesem Buch haben wir es mit mehreren verschiedenen Räumen am selben Ort zu tun. Verschiedene Raumkonzepte und Nutzungsformen lösten sich einander nicht einfach in einer klar definierbaren zeitlichen Abfolge ab, sondern existierten nebeneinander.82 Karl Schlögel hat diese Konsequenz der Raumperspektive für die historische Narration eindringlich beschrieben, aber auch gleichzeitig die sich daraus ergebenden Vorteile betont. In der Tat sind – wie Schlögel argumentiert – Räume und Orte als Perspektive, aus der Geschichte geschrieben wird, in besonderer Weise dazu geeignet, den Untersuchungsgegenstand in ihrer historischen Komplexität abzubilden und ihn gleichzeitig jenseits der säuberlich getrennten Parzellen der fachwissenschaftlichen Spezialisierung zu analysieren.83

81 Giddens, Die Konstitution der Gesellschaft, S.  234. Ähnlich argumentiert Löw, Raum­ soziologie, S. 272 f. 82 So auch Heßler, Die kreative Stadt, S. 13. 83 Schlögel, Im Raume, S. 10 f.

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I. Ordnung und Funktion

1. Die Herausbildung sportlicher Funktionsräume »If modernity is about the production of order then ambivalence is the waste of modernity.«1

Etwa zwei Stunden Arbeit und zwei Personen, darunter einen Tüftler, den eh jeder Verein zur Verfügung habe – mehr benötige man nicht, um einen wettbewerbstauglichen Sportplatz anzulegen, meinte Hermann Hahn, ein sportverbundener Ingenieur, der Anfang 1910 eine der ersten ausführlichen Anleitungen zum Bau einer Sportanlage publizierte. Für die Errichtung der Anlage seien nur fünf Hilfsmittel erforderlich: ein Bandmaß, ein Spaten, etwas Gips, ein Knäuel Bindfaden und ein Markierapparat, der im Notfall auch selbst herstellbar sei.2 Bereits einige Jahre später deutete sich an, dass die Phase der mehr oder minder improvisierten Sporträume ihrem Ende zuging. Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung ist atemberaubend. Nicht einmal zwanzig Jahre nach dem Erscheinen von Hahns Anleitung sahen die Anforderungen an den Sportstättenbau völlig anders aus. 1927 fand in Berlin die bis dahin größte Tagung zum Thema Sportplatzbau statt. Mehr als dreihundert Architekten, Städteplaner, Ingenieure und Kommunalbeamte nahmen teil. Im Anschluss an diese Tagung wurde eine Art Leitfaden für die Errichtung von Sportstätten publiziert, in dem die Bestandteile einer idealen Sportstätte aufgeführt waren: Kassenhäuschen, Verwaltungsräume, Bahn- und Straßenbahnanschluss, Post, Telegraph und Telefon, Räume für die Presse, Räume für Polizei- und Sanitätsmannschaften, eine Gärtnerei, ein Geräteverleih und Autoreparaturstellen. Hinzu kamen ein ausgeklügeltes System der Rasenaussaat, eine sportgerechte Laufbahn, eine Drainage zur Entwässerung der Spielfläche, ein Autopark, Beleuchtungsmöglichkeiten nach dem Vorbild von Flughäfen und der Anschluss an die städtische Infrastruktur.3 Darüber hinaus waren Sportbauten bereits in den 1920er Jahren ein wichtiges Thema in technischen Fachzeitschriften, wie der Deutschen Bauzeitung oder dem Gesundheitsingenieur. Diese hochtechnisierten, kosten- und arbeits­ intensiven Funktionsbauten, deren Errichtung nun in der Hand von Architekten

1 Bauman, Modernity and Ambivalence, S. 15 (Hervorhebung im Org.). 2 Hahn, Wie eine Bahn angelegt wird, S. 68. 3 Diem/Matthias, Übungsstättenbau, S. 57–75, 107–113.

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und Ingenieuren lag, hatten mit den improvisierten Feldern, die in Eigenregie und mit minimalem technischem Aufwand von Laien errichtet werden konnten, nur noch wenig gemein. Um diese Herausbildung von sportlichen Funktionsträumen im frühen 20. Jahrhundert unter Verwendung eines im Laufe der Jahrzehnte immer komplexer gewordenen technisch-wissenschaftlichen Instrumentariums wird es im Folgenden gehen.4 Dabei bezeichne ich mit dem Begriff »sportliche Funk­ tionsräume« spezifisch auf die Anforderungen und Voraussetzungen des modernen sportlichen Wettkampfes ausgerichtete Räume. Diese Räume werden als wesentlicher Bestandteil und zugleich Voraussetzung des modernen Sports interpretiert. In Anlehnung an den Sportsoziologen Bero Rigauer und den Sozialpsychologen Gerhard Vinnai, die sportliche Taktiken als Verhalten nach »raumzeitlichen Planmodellen« beschrieben haben, kann man diese sportlichen Funktionsräume auch als »Fließbänder« für die rationale Produktion und Vergleichbarkeit von sportlicher Leistung interpretieren.5 Nicht zuletzt die Eigenschaft des modernen Sports als »rational organisierte Konkurrenz«6 führte zu einer Vereinheitlichung von Maßen und Regeln sowie zu einer Standardisierung der technischen Bedingungen und des materiellen Ensembles.7 Mit anderen Worten: Sport als eine körperliche Praxis war auch darauf aus­ gerichtet, Ergebnisse zu produzieren. Eine Folge dieser Ausrichtung war es, dass die Messbarkeit von körperlicher Leistung zum Wesen des sportlichen Wettkampfs gehörte. Deshalb war sukzessive eine Festlegung der Rahmen­ bedingungen erforderlich: Wurfgeräte, wie etwa Diskus und Speer, oder Bälle wurden daher zu Beginn des 20. Jahrhunderts ebenso zu Objekten der Regulierung und Standardisierung wie das Equipment zur Zeitmessung (beispielsweise Stoppuhren).8 Hinzu kamen die Bemühungen um eine Vereinheitlichung des Regelwerks. Parallel hierzu rückten auch die räumlichen Bedingungen verstärkt in den Blick. Nach und nach wurden Sportplätze im Ganzen sowie

4 Einen Überblick zur Herausbildung sportbezogener Funktionsbauten bietet Bale, Sport, Space and the City, S. 9–30. 5 Rigauer, Sport and Economy, vor allem S. 289; Vinnai, Football Mania. Siehe hierzu vor allem auch Bale, Der Sportplatz, S. 35 f. Eine Zuspitzung erfährt diese Interpretation in Eichberg, Leistungsräume. 6 Eisenberg, Sportgeschichte als Kulturgeschichte, S. 295 f. 7 Das Wechselspiel zwischen der Technisierung und Standardisierung von Sportanlagen und dem sich sukzessive herausbildenden Leistungssport im 20. Jahrhundert gehört seit den ausgehenden 1960er Jahren zum Gemeinplatz vieler sportsoziologischer Arbeiten, ohne dass es aus historischer Sicht systematisch überprüft worden wäre. Bereits 1969 bemerkte Bero Rigauer, dass Sportveranstaltungen nicht einfach an irgendwelchen Orten stattfinden können, »vielmehr müssen sie unter standardisierten Umständen ablaufen. Jeder, der […] den Sport auf nicht genormten Strecken oder an nicht zugelassenen Orten ausübt, schließt sich selbst aus den Normen vergleichbarer Leistungsbeurteilung aus.« Siehe Rigauer, Sport und Arbeit, S. 52. 8 Apel, Die Entwicklungsgeschichte der Stoppuhr.

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die einzelnen Sporträume wie Laufbahnen, Wurfkreise oder Sprunganlagen möglichst einheitlich gestaltet. Der Sport rationalisierte demnach den Raum auf die Ergebnisproduktion hin.9

2. »Mein Feld ist die Welt«: Sporträume um 1900 »Niemand, der jene Zeit miterlebt hat, wird leugnen, daß die offenen Spielplätze die eigentlichen Wiege­ stätten unseres Sports sind.«10

Zu den frühen Versuchen in Deutschland, einige Merkmale des Sports schriftlich festzuhalten, gehören zwei Lexikoneinträge aus den 1890er Jahren. In ­Meyers Konversationslexikon hieß es: »Ein wesentliches Merkmal dieser Thätigkeiten war es indessen von jeher und ist es noch, daß sie im Freien ausgeübt werden.«11 Der Eintrag im Brockhaus betonte stärker, dass es sich beim Sport um ein aus England stammendes Phänomen handelte, hob aber ebenfalls hervor, das diese »Belustigung« im »Freien vor sich geht«.12 Dass Sport im Freien betrieben wurde, war etwas Besonderes. Es unterschied ihn vom Turnen, das zu dieser Zeit in Deutschland dominierte und, von einigen Ausnahmen wie die Hasenheide in Berlin abgesehen, überwiegend in Turnhallen betrieben w ­ urde.13 Von Sportstätten, Spielplätzen oder Laufbahnen jedoch war in den Einträgen nicht die Rede. Um dieselbe Zeit (1894) unterbreitete der Gymnasialdirektor Gitner Vorschläge zur zweckmäßigen Einrichtung der Jugendspiele.14 Diese kleine Schrift wirft zum einen ein Licht darauf, wie die Rolle der Kommunen durch die Sportund Spielbewegung im ausgehenden 19. Jahrhundert beurteilt wurde.15 Gitner empfand die Unterstützung seitens der Kommunen als unzureichend. Dementsprechend riet er dazu, angesehene private Förderer zu suchen, die ihren Einfluss geltend machen und Geldmittel zu Verfügung stellen könnten. Erst wenn einflussreiche Förderer zur Seite stünden, könne man sich an die Kommune wenden, vor allem dann, wenn es um die Überlassung (kostenlos oder gegen eine geringe Pacht) einer für Spiel und Sport geeigneten städtischen Freifläche gehe. Zum anderen kann man Gitners Ausführungen entnehmen, 9 Siehe Bale, Landscapes und Eichberg, Sport, S. 469 f. 10 Jersch, Geschäftsführung der Vereine, S. 62. 11 Sport, in: Meyers Konversations-Lexikon. Eine Encyklopädie des allgemeinen Wissens, 4. gänzlich umgearbeitete Auflage, 1885–90, Bd. 15, 1890, S. 176. 12 Sport, in: Brockhaus Konversations-Lexikon, 14. völlig neu bearbeitete Auflage, 1892–94, Bd. 15, 1894, S. 190. 13 Pfister, Zur Geschichte des Körpers. Zur Hasenheide siehe Lämmer, 175 Jahre Hasenheide. 14 Gitner, Vorschläge. 15 Zur Spielbewegung siehe Hamer, Die Anfänge der »Spielbewegung«.

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welche Räume hierfür in Betracht kamen. Er dachte hauptsächlich an Wiesen und an ungenutztes Bauland. Sollte die Stadt sich aber als unkooperativ erweisen, schlug er alternativ wohlhabende Bürger als Ansprechpartner vor, die eine Wiese oder einen Acker gegen eine kleine finanzielle Entschädigung bereit­ stellen könnten. In Frage kämen auch Exerzierplätze lokaler Garnisonen.16 Gitner beschrieb zutreffend das recht bescheidene Engagement der Kommunen bei der Bereitstellung von Sporträumen. Hans-Ulrich Wehlers Bemerkung, dass die deutschen Kommunen schon seit der Jahrhundertwende den Siegeszug des Sports durch die Bereitstellung geräumiger Sportanlagen unterstützt hätten und somit »auch in dieser Hinsicht […] jedem Vergleich mit anderen urbanisierenden westlichen Gesellschaften gewachsen« waren, ist nicht haltbar und mittlerweile von neueren Studien widerlegt:17 Die Etablierung des Sports ging in dieser Phase ohne eine nennenswerte Initiative der kommunalen Verwaltungen vonstatten. Immer bedurfte es des Engagements privater Akteure und Geld­geber. Überhaupt erfolgte die gesellschaftliche Etablierung des Sports in vielerlei Hinsicht unter der Protektion einflussreicher Kaufleute, Unter­ nehmer, Politiker, Verwaltungsangestellter, Akademiker sowie Angehöriger des Bildungs- und Wirtschaftsbürgertums.18 Zwar kann man in einigen Fällen von einem gewissen kommunalen Engagement sprechen, doch der Sport bildete keinesfalls ein Element der kommunalen Daseinsvorsorge. Die Unterstützung des Sports war vom persönlichen Interesse einzelner Honoratioren abhängig. Immerhin standen die Kommunen dem Anliegen der Vereine nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Gewöhnlich stellten die Städte den Vereinen auf Anfrage städtisches Areal, sei es eine offene Wiesenfläche oder eine entsprechend ausgewiesene Parkfläche, für Sportveranstaltungen ohne großen Verwaltungs- und Kostenaufwand vorübergehend zur Verfügung.19 Der zweite von Gitner angesprochene Aspekt ist für diese Studie von größerem Interesse. Gemeint ist seine Aufzählung der potentiell für den Sport in Frage kommenden Räume, d. h. von Wiesen, Bauflächen und Äckern. Der Stadtplaner und Architekturkritiker Werner Hegemann kommentierte die bisherige Entwicklung des Sports anlässlich der Berliner Städtebauausstellung 1910, deren Generalsekretär er war, mit den Worten: »Wer schon teil hatte an den Segnungen einer systematischen Körperkultur, war bereit, Sport zwischen den Brandgiebeln einer vom Lückenbau noch verschonten Baustelle zu treiben.«20

16 Gitner, Vorschläge, S. 27 f. 17 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 530. Zu einem völlig anderen Ergebnis kommt Nielsen, Sport und Großstadt, z. B. S. 34. 18 Zahlreiche Beispiele können dem »Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele« entnommen werden. Siehe z. B. Hoffmann, Der Spielplatz in Insterburg; Deipser, Wie unser Spielplatz entstand; K. Koch, Der gegenwärtige Stand der Spielplatzfrage, speziell S. 212 f. 19 Nielsen, Sport und Großstadt, S. 438 f., 465. 20 Hegemann, Der Städtebau, S. 134. Zu Werner Hegemann siehe Collins, Werner Hegemann and the Search for Universal Urbanism und Flick, Werner Hegemann.

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Die Frage, die sich im Anschluss daran aufdrängt ist fundamental: Was kann unter solchen Umständen überhaupt als Sportraum gelten? Jede Unter­suchung, die zu verlässlichen Angaben zu Sportplätzen um die Jahrhundertwende kommen möchte, sieht sich mit zwei grundlegenden Schwierigkeiten konfrontiert. Das erste Problem ist ein begriffliches, denn der Begriff »Sportplatz« war zu dieser Zeit wenig gebräuchlich. Er bürgerte sich im Grunde erst nach dem Ersten Weltkrieg ein. Bis dahin wurden Sportplatz und Spielplatz in der Regel synonym verwendet, wobei allerdings das Wort »Spielplatz« deutlich mehr beinhalten konnte als »Sportplatz«. Ein Spielplatz umfasste neben Turnplätzen oder Plätzen für Rasensportarten wie Fußball auch Kinderspielplätze mit Schaukeln, Rutschen und Sandkästen sowie »Tummelplätze« auf unebenen, für den Sport eigentlich ungeeigneten Rasenflächen.21 Das zweite Problem besteht darin, dass die meisten für den Sport verwendeten Flächen keine ausgewiesenen Sport­f lächen waren, sondern in der Regel nur temporär genutzte Wiesen- und Ackerflächen oder Bau- und Exerzierplätze. Konrad Koch, ein Braunschweiger Lehrer und Pionier der deutschen Sportbewegung, behauptete 1896 sogar, dass sich in Deutschland keine einzige Anlage finden ließe, die für »wirkliche«, d. h. für nicht auf die Schuljugend beschränkte »Volksspiele« den »nötigen Raum« böte.22 Eine aufschlussreiche Quelle zu Sportplätzen um 1900 sind die Erhebungen des Zentralausschusses für Volks- und Jugendspiele (ZA), der wirkungsmächtigsten Organisation der deutschen Sport- und Spielbewegung. Der ZA bestand von 1891 bis 1922 und war ein kleiner, durch das Preußische Kultusministerium und verschiedene Landesregierungen geförderter Bund, der sich der Förderung des Spiels und Sports verschrieben hatte. Ihr gehörten zahlreiche einflussreiche Personen der höheren Beamtenschaft, der Militär- und Regierungsbehörden, der Schulverwaltung und der Ärzteschaft an.23 Ihre Erhebungen aus den Jahren 1893–1897, 1900, 1903 und 1909 geben trotz aller Unzulänglichkeiten (auf die unten eingegangen wird) einen ungefähren Überblick zur Anzahl, Größe und zu den Besitzverhältnissen der in den Städten gelegenen Sport- und Spiel­ plätze.24 Zudem veranschaulichen sie die immensen Probleme, die mit der unscharfen Definition des Begriffs »Sportplatz« und den verschiedenen Besitzverhältnissen einhergingen. Um dies zu verdeutlichen, möchte ich kurz auf die Erhebung aus dem Jahr 1900 eingehen. Diese Erhebung basierte auf einem Fragebogen, der vom ZA an alle deutschen Städte mit mehr als 5.000 Einwohnern versendet wurde. Er unterschied sich nicht grundsätzlich von den zuvor oder in den Jahren danach verschick21 Einen guten Überblick zu dem, was sich hinter diesen Begriffen verbarg, geben Hoffmann, Hygienische und soziale Betätigung, S. 8–20 und K. Koch, Spielplätze, S. 190 f. 22 K. Koch, Spielplätze, S. 190. 23 Prange, Der Zentralausschuss, S. 196. 24 Die statistischen Auswertungen dieser Erhebungen sind den jeweiligen Bänden des »Jahrbuchs für Volks- und Jugendspiele« zu entnehmen.

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ten Bögen. Der Fragebogen bestand aus vier Fragekomplexen: Zunächst fragte der ZA nach Plätzen, die von Jugendlichen und/oder Erwachsenen beiderlei Geschlechts zum »Spiel, das heißt also zum ordnungsgemäßen, nach bestimmten Spielregeln ausgeführten Jugend-, Volks-, Bewegungs-, Turn- oder Sportspiel«, benutzt wurden. Damit zusammenhängend wurde gleichzeitig nach der Anzahl dieser Plätze, ihrer Größe und den Besitzverhältnissen (städtisch, staatlich/ militärisch, Verein) gefragt. Kinderspielplätze oder in Privatbesitz befind­liche Plätze waren hiervon ausgenommen. In dem zweiten Fragenkomplex wollte der ZA erfahren, wie viele von den aufgeführten Plätzen schon 1890 existierten, wie groß sie waren und in wessen Besitz sie sich befanden. Drittens ging es um die Nutzungshäufigkeit der Plätze, also ob diese »zufriedenstellend« oder nur »gering« genutzt würden oder ob diese gar »überfüllt« seien. Die letzte Frage betraf neu in Aussicht genommene Projekte zur Errichtung von Sport- und Spielplätzen und Angaben zur Bodenbeschaffenheit, zu den Baulichkeiten und zur Verwaltung.25 Welche Ergebnisse lieferte nun diese Umfrage? Der ZA bemühte sich in erster Linie um quantitative Aussagen. Insgesamt legen die Umfrageergebnisse nahe, dass von den 804 befragten Ortsverwaltungen 457 einen Spiel- und Sport­betrieb aufwiesen.26 Zum Vergleich: Zehn Jahre zuvor kam der Zentralausschuss auf lediglich 324  Städte. Die Gesamtzahl der Spielplätze im Deutschen Reich betrug 1890 1.666 und stieg bis zur Jahrhundertwende auf insgesamt 2.092.27 Betrachten wir nun die Besitzverhältnisse der Spielplätze. Von den insgesamt 2.092 Spielplätzen befanden sich 1.630 im Besitz der Gemeinden (77,9 Prozent) 212 im Besitz des Staates oder des Militärfiskus (10,1 Prozent) und 249 im Besitz von Vereinen (11,9 Prozent) – bei einem Platz waren die Besitzverhältnisse ungeklärt. Die quantitative Dominanz der Gemeinden relativiert sich allerdings, sobald man nicht die Plätze an sich, sondern ihre Größe in Augenschein nimmt. Von den insgesamt etwa 19  Millionen Quadratmetern Spielfläche in Deutschland entfielen ca. 8,5 Millionen Quadratmeter auf die Gemeinden, etwa die gleiche Fläche auf den Staat und den Militärfiskus (etwa je 46 Prozent) und nur 1,7 Millionen Quadratmeter auf die Vereine (ca. 8 Prozent).28 Anzumerken ist, dass Anzahl und Fläche der Vereinsplätze mit der Größe einer Stadt stiegen. In Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern wiesen die Vereine und Klubs 51  Plätze (11,2  Prozent) und knapp 6.500  Quadratmeter Fläche (17  Prozent) auf.29 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Großteil der für Sport und Spiel verwendeten Flächen im Besitz von städtischen Gemeinden war, aber 25 Leiningen, Die Spielplätze in den deutschen Orten, S. 130–132. 26 Nicht alle Städte antworteten. Von insgesamt 804 angeschriebenen Städten sandten 615 (74,6 Prozent) eine Rückmeldung. Städte, die nicht geantwortet hatten, wurden unter der Kategorie »Städte ohne Spielbetrieb« verbucht. Siehe ebd., S. 133. 27 Ebd., S. 134 f. 28 Ebd., S. 142, 154–159. 29 Ebd., S. 158 f.

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die staatlichen Flächen und militärische Exerzierplätze trotz ihrer geringeren Anzahl von ihrer Größe her mindestens gleichauf lagen. Vereinsplätze spielten eine vergleichsweise kleine Rolle. Neben diesen quantitativen Angaben sagen insbesondere die Mängel und Probleme der Erhebung viel über Sporträume um 1900 aus. Dass die eingeschränkte Aussagekraft den Bearbeitern der Erhebung bewusst war, zeigen immer wieder eingeschobene Bemerkungen zu unvollständigen und ungenauen Angaben oder der Verweis darauf, dass einige der Fragen offenbar missverstanden worden waren.30 Letztlich jedoch lag der beschränkte Informationsgehalt in der Natur der Sache begründet, denn wie sollte man über Spielplätze Auskunft geben, wenn nicht klar war, was darunter gefasst werden kann, ja nicht einmal, ob Kinderspielplätze dazuzurechnen waren oder nicht. So konnte aus den Antworten nicht abgeleitet werden, ob die angegebenen Flächen ausschließlich für sportliche oder auch für andere Zwecke genutzt wurden, wie etwa zum Exerzieren. Auch war keine Zusammenstellung möglich, die Auskunft darüber gab, ob und in welchem Ausmaß Flächen eigens für Sport hergerichtet und mit entsprechenden Bauten versehen waren. Damit hängen auch die Schwierigkeiten zusammen, die die Größe der angegebenen Sport- und Spielflächen betrafen. Aufgrund der häufig nicht vorhandenen spezifischen Sportplätze und der Unsicherheit, wo die Grenzen der Sportflächen verliefen, ist in der Er­ hebung beispielsweise die Gesamtfläche von Exerzierplätzen und Parkanlagen angegeben, obwohl nur ein Teil dieser Anlagen für Sport und Spiel zur Verfügung stand.31 Auf der anderen Seite aber fehlen solche Orte völlig, auch wenn ein Teil von ihnen für Sport und Spiel verwendet wurde. Ein Beispiel hierfür ist Berlin: Zwar wurden komplette Parks angegeben, nicht aber Flächen wie das Tempelhofer Feld, weitere Exerzierplätze und Bauareale, auf denen Sport ge­ trieben wurde.32 Letztlich macht diese Erhebung gerade durch ihre Mängel überaus deutlich, dass es um 1900 keineswegs selbstverständlich war, Sport an speziell dafür errichteten Orten zu betreiben. Bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert gab es kaum spezifische Sporträume und Sport wurde in der Hauptsache auf städtischen Grün- und Freiflächen betrieben. In anderen Worten, der Sport ­etablierte sich in dieser Zeit in städtischen Leerräumen und hinterließ keine dauerhaften Spuren im Stadtbild.33 Oftmals verwendete man Exerzierplätze, die man mit einfachen Mitteln zeitweilig in Sportplätze verwandelte. In Berlin beispielsweise entwickelte sich um 1900, meist durch die Initiative von sich in der Stadt aufhaltenden Engländern, die in Sachen Sport Deutschland die entscheidende Entwicklungshilfe gaben, im Friedrichshain, im Humboldthain, auf dem Exer­ 30 Ebd., S. 140. 31 Ebd., S. 133 f.; Kohlrausch/Dominicus, Der Stand der Spielplatzfrage, S. 72. 32 Leiningen, Die Spielplätze in den deutschen Orten, S. 139 f. 33 Eine Ausnahme bildeten hierbei die Pferderennbahnen. Siehe Eisenberg, »English Sports«, S. 162–178.

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zierplatz »an der einsamen Pappel«, im städtischen Park zu Treptow und auf dem Tempelhofer Feld ein lebhafter Spielbetrieb. Das Terrain, auf dem gespielt und Sport getrieben wurde, war meist uneben und sich selbst belassen.34 Auf diesen Freiflächen überlagerten sich viele Nutzungen. Diese frühen Sportplätze lassen sich anknüpfend an Rudolf Schlögls Studien zur frühneuzeitlichen Stadt als ephemere, also zeitlich begrenzte, markierungsbedürftige und durch körperbezogene Kommunikation geprägte Räume in den Blick nehmen.35 Aus diesem Blickwinkel wird deutlich, dass der Sport an Orten betrieben wurde, an denen sich mehrere Räume überlagerten, und das neben den physischen Merkmalen die aktive Aneignung eine wesentliche Rolle spielte.36 An bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten nutzte beispielsweise das Militär eine solche Freifläche zum Exerzieren. An Markttagen diente sie dem Warenverkauf. An anderen Tagen wiederum fanden dort Sportveranstaltungen statt. Man kann diese Art der Nutzung für Sport als eine Form der geduldeten Aneignung zeitweilig ansonsten ungenutzter Stadtflächen charakterisieren. Der Grundeigentümer ließ etwa Sportvereine gewähren, solange er seinen Boden nicht anderweitig zu verwerten gedachte. Er akzeptierte also den Zutritt und die Benutzung auf Zeit und auf eigene Verantwortung.37 Da dieser Ort auch anderen Zwecken als dem Sporttreiben diente, neben anderen Funktionen auch materielle Widerständigkeiten aufweisen konnte, musste er von den Akteuren in einem Prozess »sekundärer Rahmung« (Goffman) erst angeeignet werden.38 Eine städtische Freifläche wurde in dem Moment zum Sportraum, wenn Menschen diesen nach bestimmten Kriterien markierten, gestalteten und vor allem bespielten und durch diesen flüchtigen Akt als Sportraum deklarierten. Nach Aufhebung der Aneignung durch die Entfernung der Spielflächenmarkierung und die Beendigung des Spiels stand dieser Ort wieder anderen Verwendungszwecken offen. Angeregt durch Michel Foucaults Überlegungen zu Heterotopien, schließen Roman Horak und Wolfgang Maderthaner aus dieser Praxis der tem­ porären Raumaneignung und körperlichen Inbesitznahme auf die Existenz von weit­gehend undisziplinierten Räumen.39 In seinen 1912 publizierten Kindheits- und Jugenderinnerungen schrieb der bis ins hohe Alter sport- und vor allem fußballbegeisterte Egon Erwin Kisch: »Zweimal fünfunddreißig Minuten? Nein, uns schlug keine Stunde, uns pfiff kein Schiedsrichter Halftime und Time. Wir spielten von zwei Uhr nachmittags bis der Abenddämmer das 34 T. Schmidt, Entstehung und Gestaltungsmerkmale, S. 132–141. 35 Schlögl, Der Raum als »Universalmedium«; ders., Der frühneuzeitliche Hof als Kommunikationsraum. 36 Vgl. hierzu auch Piltz, »Trägheit des Raums«, S. 79–81. 37 Bernhardt u. a., Öffentlicher Raum, S. 18; Fehl, Öffentlicher Raum, Öffentlichkeit, Städtebau, S. 48. 38 Goffman, Rahmen – Analyse, S. 52–55. 39 Horak/Maderthaner, Mehr als ein Spiel, S. 62; Foucault, Andere Räume.

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Abb. 2: Fußballspielende Kinder auf dem Tempelhofer Feld in Berlin, ca. 1912/13.

Feld belegte.« Wer vor Erschöpfung nicht mehr konnte, übernahm den Posten des Tor­hüters. Der Ball war dieser Beschreibung zufolge mehr ein »formloser Fetzen«.40 Um sich dem Zugriff der Erwachsenen und speziell der Parkwächter und Lehrer zu entziehen, suchte man demnach möglichst unauffällig, den Schul­anzug über einen improvisierten »Sportdreß« gezogen, die abgelegensten Winkel von Parks, Exerzierplätzen und anderen städtischen Freiflächen auf, die man dann durch das Bespielen und einer notdürftigen Markierung der Torpfosten durch Kleidungsstücke in Beschlag nahm.41 »Mein Feld ist die Welt. Im Stadtpark fing es an« – so lautet die ironisch-pathetische Formel, mit der Kisch die ephemeren Sporträume als Gegenwelt zur reglementierenden Bemächtigung des Alltags beschrieb. Und wenn das die Welt war, dann waren die Promenadenwege, die Sitzbänke und die »gesitteten« Turnplätze – so Kisch – »andere Planeten«.42 Ein weiteres Beispiel soll veranschaulichen, dass wir es um 1900 tatsächlich mit Räumen zu tun haben, in denen die Praktiken den Gewohnheiten, Konventionen und Regeln des Alltags bisweilen zuwiderlaufen konnten. Wenn sich beispielsweise Ende des 19. Jahrhunderts Schüler des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums auf den Weg zum Tempelhofer Feld, dem großen Exerzierplatz Berlins, machten, um dort Schlagball, Cricket oder Fußball zu spielen, dann war die

40 Kisch, Verlauf einer Jugend, S. 395 f. 41 Ders., Die Erlaubnis zum Fussballspiel, S. 64–67. 42 Ders., Verlauf einer Jugend, S. 364, 395.

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­ läche nicht für die zu spielende Sportart hergerichtet. Ebenso wenig existierten F feste Mannschaften oder schriftlich fixierte Regeln.43 Was für eine Gruppe von sportinteressierten Schülern selbstverständlich anmutete, galt aber auch für viele Sportvereine. Wie die Sportverbände immer wieder bemängelten, waren Regelkenntnisse häufig nur rudimentär vorhanden.44 Auch bei Sportvereinen war es gang und gäbe, einzelne Spieler je nach Bedarf zwischen den Mannschaften zu tauschen, d. h. auch der Spielbetrieb der Vereine war in vielerlei Hinsicht durch Improvisation und Spontaneität geprägt. Aber einen wichtigen Unterschied gab es. Im Gegensatz zu Schülergruppen etwa waren die Vereinssportler in der Regel mit leicht zu transportierenden Torpfosten, Begrenzungsfähnchen und Kalk ausgestattet, um die Spielfläche von der Umgebung abzugrenzen, hatten einen Eimer Wasser dabei, um den Boden für das Hineinstecken der Fähnchen und Pfosten aufzuweichen.45 Als Karl Markus, Mitglied des Deutschen Fußball-Bund Jahrbuch-Ausschusses, 1912 (also dem Erscheinungsjahr der Erinnerungen von Kisch) den Versuch unternahm, die gar nicht so weit zurückliegenden Anfänge des Fußballspiels zu beschreiben, erwähnte er selbstverständlich die einfachen Wiesen, auf denen das Match ausgetragen wurde, und die »jungen Leute«, die mit »mehr Ausdauer als Geschick und Verstand« den Ball traten. Aber er unterließ es nicht zu erwähnen, dass das Feld abgesteckt war und Stangen mit einer quergespannten Schnur die Tore markierten.46 Von der symbolischen Inbesitznahme durch den Sport berichtete auch Martin Berner, der Schriftführer der Deutschen Sportbehörde für Athletik: »[W]er aufmerksam durch die deutschen Lande fährt, der kann in den einförmigsten Strichen auf grüner Wiese zwei Fußballtore aufragen sehen zum Zeichen dessen, daß hier der ewig junge Sport eine Stätte gefunden hat.«47 Der entscheidende Unterschied zu dem Spiel der Schüler lag also in der Markierung eines Territoriums, das einzig dem Sport zu dienen hatte. In Ermangelung von fixen Sporträumen kann die immer wieder aufs Neue zu bewerkstelligende Absteckung eines Territoriums als ein Zeichen jener improvisierenden Züge des noch in den Kinderschuhen steckenden Sports gedeutet werden. Dieser Eindruck ist allerdings insofern täuschend, als er die frühe Praxis der Produktion von Sporträumen retrospektiv an den erst später entstandenen Sportplätzen und -stadien misst. Ich möchte vielmehr dafür plädieren, diese auf den Sport gerichtete Raumproduktion bereits als Teil  eines modernen Sport­ konzeptes zu sehen. Das ist keine Entweder-oder Frage und ein klarer Ablösungsprozess ist damit auch nicht behauptet. Aber eine wichtige, die Konstitution des Sports als ein »relativ autonomes Feld« unmittelbar berührende 43 Pfister, Sport auf dem grünen Rasen, S. 70. Zur sportlichen Nutzung des Tempelhofer Feldes siehe die zeitgenössischen Betrachtungen von Sorber, Jugendsport, S. 96; Markus, Die Entwicklung, S. 24; Lubahn, »Vom Boden kommt das Leben…«, S. 35. 44 Beispielsweise Grundner, Spielregeln und Spielfeld, S. 163. 45 Müllner, Wiener Stadion, S. 72. 46 Markus, Die Entwicklung, S. 23. 47 Berner, Fußballsport und Staat, S. 111.

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Entwicklung deutet sich hier bereits an.48 Die Sportler, die sich um 1900 Räume innerhalb städtischer Freiflächen aneigneten und diese mit einfachstem Gerät ihren Erfordernissen entsprechend absteckten, waren Pioniere auf dem Weg zum dauerhaften, funktionalen und spezialisierten Sportraum.49

3. Sport und Park »Ob angesichts eines solchen ›verbotenen‹ Rasens ein braver Bürger den ganzen Tag über ›nicht mehr so ganz unglücklich‹ sein kann […], weiss ich nicht, das aber weiss ich, dass Tausende Berliner Jungen und Mädel von Herzen glücklich wären, wenn sie diese Wiesen etwas weniger platonisch lieb haben dürften.«50

Der Park spielte eine wichtige Rolle in der Herausbildung sportlicher Funktionsräume. Weil der Park eine mit technisch-wissenschaftlichen Hilfsmitteln konstruierte und unter sozialen Gesichtspunkten subsumierte Umwelt darstellte, die mit verschiedenen Bedeutungen versehen werden konnte, lassen sich an Sportplätzen in Parks grundlegende zeitgenössische Überlegungen zur Funktion, Gestaltung und Bedeutung von Sporträumen herausschälen.51 Die ersten kommunalen Initiativen zur Schaffung von städtischen Sporträumen konzentrierten sich auf den Park. Dabei waren im 19. Jahrhundert Parks vorrangig bürgerliche Repräsentationsobjekte, die nur in Ausnahmefällen der ganzen Stadtbevölkerung offen standen und nicht durch profanen Gebrauch, wie durch Sport, entwertet werden sollten.52 Im späten 19. Jahrhundert zeichnete sich jedoch eine Umorientierung ab. Die Errichtung von Parkanlagen für die Stadtbevölkerung entwickelte sich zu einem Bestandteil kommunalen Handelns. Bis in die 1880er Jahre hinein gab es in Deutschland nur vereinzelt kommunale Parks, etwa in Magdeburg, wo Peter Josef Lenné in den 1820er Jahren den ersten Volkspark schuf, oder in Dresden (1858) und Berlin (1860). Als ein Indikator für den zunehmenden Stellenwert städtischer Grünanlagen kann die Schaffung des kommunalen Gartenamts dienen, das Aufgaben übernahm, die bislang entweder vom Staat oder von bürgerlichen Verschönerungsvereinen wahrgenommen worden waren. 1904 wiesen von 61 Städten mit mehr als 50.000 Einwoh48 Zitat Bourdieu, Historische und soziale Voraussetzungen, S. 167. 49 Hierbei beziehe ich mich auf Müllner, Wiener Stadion, S. 176–178. 50 CuLDA (Carl und Liselott Diem-Archiv, Köln), Sachakten, Mappe 177: Martin Berner: Zur Lösung der Spielplatzfrage, S. 4. 51 Allgemein hierzu siehe Blume, Städtische Wildnis – behauste Natur; Brantz, The Natural Space of Modernity; Spirn, The Granite Garden. Zusammenfassend dies., Urban Nature. 52 Böhme, Stadtgrün, S. 164–166.

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nern 14 Städte einen Gartendirektor auf, darunter waren die Städte München, Leipzig, Essen, Berlin, Dresden und Frankfurt/Main.53 Es ist in der Forschung mehrfach darauf hingewiesen worden, dass trotz aller zeitgenössischen Klagen über den Mangel an frei zugänglichen Grün­f lächen die Anzahl der Parks von etwa 1880 bis ins erste Jahrzehnt des 20.  Jahrhunderts insgesamt anstieg.54 Besonders deutlich fiel dieser Anstieg in Zeiten des ökonomischen Aufschwungs in den 1890er Jahren aus, auch weil die Errichtung von Parks nun verstärkt in den neuen Industriestädten, so im Ruhrgebiet, vorangetrieben wurde.55 Dieser Zuwachs ist nur vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums in den Städten, des Flächenwachstums der Städte und der Industrialisierung verständlich. Die hohe Bebauungs- und Einwohnerdichte in den Großstädten ließen städtische Grünflächen immer dringlicher erscheinen.56 Sie sollten den negativen Begleiterscheinungen der eben genannten Wandlungsprozesse entgegenwirken. Wie alle Formen städtischer Umwelt bot dabei auch der Park verschiedene, sich ergänzende und miteinander konkurrierende Funktionen. Drei Aspekte standen zunächst im Vordergrund. Erstens machen zeitgenössische Begriffe wie »sanitäres« oder »hygienisches Grün« (Camillo Sitte) deutlich, dass neben ästhetischen Kategorien verstärkt der gesundheitliche Wert von Grün­flächen debattiert wurde. Parks galten als Regulatoren des Stadtklimas, als städtische Lungen, was den Schutz seiner Pflanzen erforderlich machte. Ergänzend kam zweitens die althergebrachte Idee von der erzieherischen Wirkung der Natur hinzu. Diese Vorstellung blieb ein Leitgedanke der kommunalen Parkplanung bis ins frühe 20. Jahrhundert.57 So hieß es auf der ersten deutschen Städte­ ausstellung in Dresden 1903: »Eine wohlgepflegte Parkanlage vermag selbst auf den rohen Menschen bessernd zu wirken, erweckt die Liebe zur Natur und den Sinn für Schönheit und Ordnung.«58 Drittens schließlich rückte das Erholungsbedürfnis der Stadtbewohner in den Mittelpunkt und im Rahmen der mit dem Übergang zur Leistungsverwaltung entstehenden kommunalen Daseinsvorsorge hatte die Schaffung von Rekrea­tionsräumen durch öffentliche Parks 53 Hoffmann, Hygienische und soziale Betätigung, S. 12–20. 54 Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Städtisches Grün; Ladd, Urban Plann­ ing, S. 67–71. Einen zeitgenössischen Überblick geben Hegemann, Der Städtebau, S. 361– 363; Eberstadt, Handbuch des Wohnungswesens, S. 130 f.; Verband Deutscher Städtestatistiker, Statistisches Jahrbuch deutscher Städte (1910); Stübben, Handbuch der Hygiene. 55 Kastorff-Viehmann, Die grüne Stadt; dies., Von Straßen, Volksparks und Grüngürteln; Petz, Robert Schmidt and the Public Park Policy. 56 Hierzu zählten etwa Parks, Friedhöfe, Klein- und Vorgärten, zoologische und botanische Gärten, begrünte Hinterhöfe und Schmuckgärten. Siehe Meynen, Entwicklung des städtischen grünen Wohnumfeldes, S. 119. 57 In England hingegen gab es auch eine politische Aneignung der Parks, wobei hier neben der Erholung das Recht der Bürger auf freien Zugang zu Versammlungen im Vordergrund stand. Siehe Mares, Transcending the Metropolis, S. 133. 58 Bertram, Die deutsche Gartenkunst, S. 158.

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einen maßgeblichen Einfluss auf die Entstehung städtischer Sporträume. Städtische Sportplätze wurden dann auch im Allgemeinen von kommunalen Bauund Gartenämtern verwaltet.59 Der städtische Park wurde zunehmend als aktiver Erholungsraum propagiert. In der Gesamttendenz entwickelte sich der Sport für die städtische Grünflächenpolitik nach und nach zu einer akzeptablen Form der Freizeit­gestaltung. Sportplatzfrage und Parkfrage waren also ineinander verwoben. Dass die Kommunen um die Jahrhundertwende insgesamt lediglich in Ansätzen planerisch bei der Schaffung von Sportplätzen vorgingen, lag sicherlich auch an ihrem geringen Grundbesitz innerhalb der Gemeindegrenzen. Sie sahen sich daher gezwungen, bei Bedarf geeignete Flächen anzumieten oder zu kaufen. In der Regel waren Parks um die Jahrhundertwende die einzigen größeren Freiflächen innerhalb der dicht besiedelten Städte, weshalb sich die Kommunen bei der Schaffung von öffentlichen Sportplätzen zunächst auf Parkanlagen konzentrierten. Allerdings entstanden Sportflächen in Parks vornehmlich im Kontext der kommunalen Jugendpflege; für die in Vereinen organisierten Sportler waren diese Räume eigentlich nicht vorgesehen.60 Erste Initiativen zum Sportplatzbau im Zusammenhang mit öffentlichen Parkanlagen sind in einigen Städten noch vor der Jahrhundertwende, vor allem aber dann zwischen 1900 und 1914 nachweisbar. Beispielsweise gab es in Berlin bis 1882 nur vier öffentliche Sportplätze, von denen einer üblicherweise als Exerzierplatz diente. Bis zur Jahrhundertwende waren es schon neun Sportplätze. Von diesen lagen sechs auf Exerzierplätzen oder unbebauten Grundstücken und drei in Parks.61 Einige Jahre später (1904) lag der überwiegende Teil der 12,5 Hektar umfassenden öffentlichen Sport- und Spielflächen in Berlin (1,8 Millionen Einwohner) in Parks. Diese Entwicklung lässt sich in der Tendenz auf andere Städte übertragen: München etwa hatte für ca. 500.000  Einwohner 65  Hektar Spiel- und Sportfläche zur Verfügung, die vorwiegend in Parks lagen; in Köln mit ungefähr 372.000 Einwohnern existierten zwei große Spielwiesen und Sportanlagen, die alle in Parks gelegen waren. Allerdings fehlten mancherorts derartige Einrichtungen völlig, so etwa in Duisburg, Mainz oder Bremen.62 Dieser Befund bedeutet aber nicht, dass die Parks in ihrer Mehrzahl Sportflächen beinhalteten. Ganz im Gegenteil, denn das statistische Material, das der ZA während der Städtebauausstellung in Berlin 1910 präsentierte, legt nahe, dass in Berlin und anderen Städten wie Magdeburg, Köln, Düssel59 Hennebo, Öffentlicher Park, S.  169, 177; Breitling, Fragen zur Geschichte; Wiegand, Entwicklung des Stadtgrüns, S. 15. 60 Nielsen, Sport und Großstadt, S. 436, 465. 61 Hegemann, Der Städtebau, S.  367–369; Hoffman, Hygienische und soziale Betätigung, S. 8–13. 62 Die Angaben sind im Auftrag des Vorstands der internationalen Kunst- und Gartenbauausstellung Düsseldorf 1904 entstanden. Hier sind sie den Ausführungen in Hoffmann, Hygienische und soziale Betätigung, S. 8–9 entnommen.

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dorf oder Chemnitz nur ein Bruchteil der Grünflächen dauerhaft dem Sport ge­ widmet war.63 Ein Mehr an städtischen Parks führte also keineswegs automatisch zu mehr Sportplätzen – was zu Auseinandersetzungen der Kommunen mit Protagonisten der Sport- und Spielbewegung führte. Dieser auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinende Umstand hängt mit der Tendenz zusammen, öffentliche Räume verstärkt nach ihrer Nutzung zu differenzieren. Verkehrsplätze, repräsentative Plätze an öffentlichen Gebäuden, Kirchplätze und Schmuckplätze wurden als weitgehend monofunktionale Räume konzipiert, d. h. sie waren nur einem einzigen Zweck gewidmet und schlossen andere Nutzungsarten weitgehend aus.64 Gleichzeitig waren diejenigen, die Möglichkeiten für Sport suchten, dazu genötigt, sich ihren Raum dort anzueignen, wo es keine Nutzungsbeschränkung gab: auf unbebauten Grundstücken oder auf ödem Brachland. Oftmals vollzog sich die Neueinrichtung von Parks auf Kosten städtischer Freiflächen, die zuvor auch für den Sport genutzt werden konnten. Somit wurden diejenigen, die im Park Sport treiben wollten, zu Besuchern eines reglementierten Raumes. Zu Beginn des 20.  Jahrhunderts beklagten Vertreter des ZA, dass durch die Einrichtung von Parks städtische Freiflächen oftmals zu »eisenumgitterten Rasenplätzen« verwandelt und somit dem Sport entzogen worden seien.65 Wenn diese Rasenflächen trotzdem für Sport verwendet wurden, kam es oftmals zu Konfrontationen mit Parkwächtern oder Polizisten.66 Die Sportund Spielbewegung hatte also durchaus Gründe, der Einrichtung städtischer Parks skeptisch gegenüberzustehen. Ob und wie Parks für sportliche Aktivitäten geöffnet wurden, hing also vom Nutzen und der Funktion von Park und Sport gleichermaßen ab. Diese Öffnung war somit auch das Ergebnis gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse und Diskurskonstellationen, in die unterschiedliche Akteursgruppen eingebunden waren:67 Mediziner, die Krankheiten auf mangelnde Bewegungsmöglichkeiten zurückführten und Lösungen einforderten; Gesellschaftsreformer, die in Armut und elenden Wohnquartieren die Brutstätten für Kriminalität und Krankheit sahen; Ingenieure und Gartenarchitekten, die unterschiedliche technische und raumgestalterische Konzepte ersannen; schließlich Vertreter der Spiel- und Sportbewegung, die bei ihrem Kampf für Sporträume die moralischen und gesundheitlichen Vorzüge des Sporttreibens betonten. Aber auch wenn man sich über die positiven Wirkungen von Parks einig war, herrschte über die Formen 63 So auch das Resümee von Berner, Zur Sportplatzfrage. Zu den statistischen Angaben siehe H. Koch, Gartenkunst, S. 214. Siehe auch Führer durch die Allgemeine Städtebau-Ausstellung in Berlin, 1910, S. 48–57. Daraus wird ersichtlich, dass Parks, Sport- und Spielplätze gemeinsam ausgestellt wurden. 64 Bernhardt u. a., Öffentlicher Raum, S. 19. 65 K. Koch, Die Spielplatzfrage in Deutschland, S. 289. 66 Denzel, Die Stellung der Kommunen, S. 14. 67 Siehe hierzu die noch immer anregenden Arbeiten am US-amerikanischen Beispiel von ­Cavallo, Muscels and Morals und Cranz, The Politics of Park Design.

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der Nutzung, das Ausmaß der Zugänglichkeit und über die Art und Weise der Gestaltung keine Einigkeit. Der am erbittertsten geführte Meinungsstreit drehte sich um die zeitgerechte Funktion und Form der Parkgestaltung. Hierbei fiel die Integration von Sportflächen in städtische Parks unmittelbar mit der von bürgerlichen Sozialreformern geförderten Volksparkidee zusammen. Als Volkspark – so die Beschreibung des Berliner Gartenarchitekten Ludwig Esser 1910 – »kann nur diejenige öffentliche Anlage bezeichnet werden, die im Gegensatz zu den meisten bisherigen öffentlichen Parks nicht nur gelegentlichen Spaziergängen dient, sondern den größten Volksmassen und allen Kreisen der Bevölkerung zu jeder Jahreszeit zum Sichausleben in Spiel und Sport ebenso wie zum beschaulichen Ausruhen.«68 Der Architekt Hugo  Koch gab 1913 dieser Beschreibung konkrete Gestalt, indem er exemplarisch zwei Münchener Parks gegenüberstellte: den Englischen Garten und den Herzogpark. Im Englischen Garten könne man lange Zeit spazieren, ohne auch nur einen Menschen zu treffen. Der kleinere Herzogpark hingegen, in dem es wenige Wege gab, der Rasen betreten werden durfte und der Sportplätze aufwies, werde von tausenden Menschen »bewohnt«. Koch zog aus dieser Beobachtung den Schluss, dass bei der großen Mehrheit der Stadtbewohner das Bedürfnis nach Bewegung und Sportplätzen vorherrsche und nicht das Bedürfnis nach passiver Freude an schönen Landschaftsbildern.69 Demzufolge müsse sich eine zeitgemäße Gartenkunst am Hier und Jetzt, an den Bedürfnissen der Stadtbewohner orientieren: »Spiel-, Sport- und Ruheplätze werden hier den Hauptwert bilden, die Promenadenwege und Schmuckanlagen nur als Nebenwerte zu bezeichnen sein.«70 Hier manifestiert sich ein neues Verständnis von Erholung: An die Stelle von Spaziergängen in künstlerisch gestalteten Parkräumen setzte Koch Sport und Spiel.71 Hierin überkreuzten sich die Ziele der Parkreformer und der Sport- und Spielbewegung. Der Mangel an Freiflächen, die für Sport offen standen, sollte durch eine Reform des Parkwesens behoben, zumindest aber gemildert werden. Zum gemeinsamen Gegner avancierte die »alte Gartenbauschule« in den städtischen Parkdeputationen, der man vorwarf, den Park lediglich als Erholungsstätte der gehobenen Schichten zu betrachten.72 Ihre Parks seien lediglich für »Spaziersitzer«, »Luftschnapper« oder »bequemliche Spaziergänger« attraktiv.73 Tatsächlich war die Haltung der Gartenkünstler, eines Berufstands, der sich Ende des 19. Jahrhunderts herausgebildet hatte, gegenüber den Freiraum­ 68 Ludwig Esser in seiner Rede auf dem 33. Brandenburgischen Städtetag in Landsberg an der Warthe 1910. Zitat n.: Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin, Berlin und seine Bauten, S. 5. 69 H. Koch, Gartenkunst, S. 159. Zum Englischen Garten vgl. Hennebo/Hoffmann, Geschichte der deutschen Gartenkunst, S. 191. 70 H. Koch, Gartenkunst, S. 142 f. 71 Ebd., S. 178. 72 Klette, Die Bedeutung öffentlicher Spiel und Sportplätze, S. 33. 73 Ders., Die Anlage von öffentlichen Spiel- und Sportstätten, S. 68.

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ansprüchen unterprivilegierter Bevölkerungsschichten weitgehend von Gleichgültigkeit geprägt. In ihrer Gartenkunstauffassung hatte die Parkplanung als Gegengewicht zur miserablen Wohnsituation großer Teile der Stadtbevölkerung nur einen untergeordneten Stellenwert.74 Aus diesem Grund lehnte Leberecht  Migge, einer der einflussreichsten Gartenreformer Deutschlands, für seine Tätigkeit den geläufigen Begriff »Gartenkünstler« ab. Er bezeichnete sich als »Gartenarchitekt« und sah seine Aufgabe in der bedürfnisgerechten Parkplanung.75 Migge stand, wie auch Werner Hegemann oder Harry Maasz76, beispielhaft für eine Gruppe von neuen Gartenarchitekten, die den Park, den Bedingungen der urbanen Welt angepasst, zweckdienlich gestalten wollten und hierbei dem Sport eine wichtige Rolle einräumten. Migge etwa ließ 1913 keinen Zweifel an der Notwendigkeit von in diesem Sinne modernen Parks aufkommen. In scharfen Worten kritisierte er die bestehenden Anlagen. Da ist die Rede von »muffigen Hainen« und vom »geschwollenen Grünkram«. Parks seien »im wesentlichen Schaustücke und innerlich tot – dekoratives Grün«.77 Migge forderte eine an der Massenkultur ausgerichtete Parkplanung und -gestaltung, wobei er die Begriffe »Massenkultur« und »Gartenkultur« in Abgrenzung zum gebräuchlichen, aber seiner Ansicht nach elitären Begriff »Gartenkunst« verwendete.78 Seine Kernfrage lautete: Wie sind Parks für die Bevölkerung nutzbar zu machen? Migge konstatierte: »Unsere Massen wollen kein Strauch- und Baummuseum in dem Park, […] sie verlangen mit Recht, seine Einrichtungen aktiv ausnutzen zu dürfen und nicht nur zu besehen. Der gemeinschaft­ liche Garten unserer Tage wird also künftig ein Zweckgebilde sein, berufen, den ganz spezifischen Gebräuchen einer Mehrheit von Menschen Genüge zu tun.«79 Mit dem spezifischen Gebrauch durch die Bevölkerungsmehrheit meinte er auch den Sport. Seiner Ansicht nach gehörten Versammlungswiesen, Sprungund Rodelbahnen und Wettkampfplätze für Rasensportarten wie Fußball in den Park.80 In diese Auseinandersetzungen spielte nun ein Aspekt hinein, der bis dahin allenfalls marginale Beachtung gefunden hatte: die delinquente Jugend. Im Rahmen der neuen Reformpädagogik wurden Spiel und Sport als Gegenkonzepte zu den so genannten degenerativen und pathologischen Erscheinungsformen des städtischen Lebens propagiert. Die Straße geriet zunehmend zur Metapher für Gefahr und Verbrechen. Hierbei bildeten »Gassenkinder« eine Negativfolie zu dem »wohlerzogenen Kind« im kontrollierten und geschützten 74 Schneider, Das Konzept der »Gartenkultur«, S. 94ff; ders., Hermann Muthesius. 75 Fachbereich Stadt- und Landschaftsplanung der Gesamthochschule Kassel, Leberecht Migge; Baumann, Freiraumplanungen; Wimmer, Geschichte der Gartentheorie, S. 362–368. 76 Maasz, Der Deutsche Volkspark der Zukunft. 77 Migge, Die Gartenkultur, S. 24. 78 Grundsätzlicher und kritischer zum Begriff »Gartenkultur« siehe ders., Wirtschaft und Kunst. 79 Ders., Die Gartenkultur, S. 25. 80 Ebd., S. 33 f.

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Raum der elterlichen Wohnung.81 Noch 1913 wurde die Ansicht geäußert, dass die Sport- und Spielplätze der Parks die Straßenkinder nicht erreichen würden. Wenn aber die »wohlerzogenen Kinder« zu einem regelmäßigen Besuch von Spiel- und Sportplätzen angehalten würden, schütze man sie davor, am wilden Treiben der Straßenkinder teilzunehmen.82 Darüber hinaus avancierten aber auch Straßenkinder selbst zu Objekten eines Erziehungskonzepts, in dem Park und Sport eine wichtige Rolle spielten.83 Der Wildheit der Straße stand die verregelte und kontrollierte Wildheit des Sports in der domestizierten Natur des Parks gegenüber; Spiel- und Sportplätze sollten den natürlichen Bewegungsdrang der Heranwachsenden in angemessene und produktive Formen lenken. 1908/09 erregte eine US-amerikanische Studie Aufmerksamkeit in Deutschland.84 Es handelte sich um eine Langzeituntersuchung (1899–1907) der Chicago School of Civics and Philanthropy zum Zusammenhang zwischen den Möglichkeiten sportlicher Betätigung in Parks und der Jugendkriminalität in Chicago.85 Chicago, damals zweitgrößte Stadt und größte Industriemetropole der USA, verfügte über ein ausgedehntes Netz verschiedener Parktypen. Außerdem wurde in Chicago 1899 der erste Jugendgerichtshof der Welt eingerichtet, der Ausgangspunkt und Datenlieferant der Untersuchung war.86 Worum ging es in dieser Studie? Zunächst unterteilte man die Parks in drei Typen: erstens solche, die schon vor 1899 bestanden und Rasenflächen, Baumgruppen und Teiche enthielten, zweitens in Schmuckanlagen und drittens in die großen Volksparks, die um die Jahrhundertwende für die Bevölkerung der von Fabriken, Hochöfen, und Schlachtereien geprägten South Side geschaffen worden waren.87 Die letztgenannten Parks boten mehr Möglichkeiten zum Sporttreiben als die beiden anderen Parktypen. In ihnen waren Tennisplätze, Rasenflächen für Ballspiele, Teiche zum Schwimmen und Turnhallen zu finden.88 Die Studie schien zu belegen, dass in Vierteln mit schnell erreichbaren und frei zugänglichen Parks, die durch Sportplätze ausreichend Möglichkeiten zur körperlichen Betätigung boten, die 81 Allgemein zur Geschichte der Jugend im Kaiserreich siehe Tenfelde, Großstadtjugend und Speitkamp, Jugend in der Neuzeit, S. 118–160. 82 Dragehjelm, Die Spielplätze der Kleinen, S. 104. Siehe auch ders., Über das Spielen der Kinder. 83 Sieder, Gassenkinder. 84 Schultze, Einwirkungen, S. 39. 85 Zur Chicago School of Civics and Philanthropy siehe McCarthy, Noblesse Oblige. Allgemein hierzu siehe Roth, Die Entstehung eines Jugendstrafrechts. 86 Die Gründung des Chicagoer Jugendgerichtshofs im Kontext des Progressive Movements geht auf die Initiative der Hull House Residents und des Chicago Woman’s Club zurück, die sich schon früh für separate Strafverfahren für Jugendliche einsetzten. Der Jugendgerichtshof in Chicago diente als Vorbild für weitere solcher Einrichtungen in den USA und auch für die deutsche Jugendstrafgesetzgebung. Siehe Tiffin, In Whose Best? Für die deutsche Rezeption vgl. Siegmund-Schulze, Der Jugendgerichtshof von Chicago. 87 Die Ergebnisse sind Schultze, Einwirkungen, S. 32–44 und ders., Parkpolitik und Jugendpflege, S. 82–97 entnommen. 88 Bachin, Building the South Side, S. 108 f.

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Jugendkriminalität deutlich geringer ausgeprägt war als in Vierteln, in denen es diese Möglichkeiten nicht gab, und weiterhin, dass dieser Effekt umso deutlicher ausfiel, je mehr Sportmöglichkeiten vorhanden waren. Über Zeitschriften wie das Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik und das Jahrbuch der Volks- und Jugendspiele fand diese Untersuchung Eingang in die deutsche Parkdebatte. Sie war für den deutschen Kriminalitätsdiskurs attraktiv, weil sie in Form von Statistiken die jugendlichen Delinquenten ihrer Umstände enthob, sie also verobjektivierte, in Zahlenreihen zusammenfasste und damit als Massenphänomen sichtbar machte. Zugleich wurde die Studie rezipiert, weil sie sich in von Kriminologen und Strafrechtsreformern bereits geführte Debatten integrieren ließ. Die Reichskriminalitätsstatistik wies 1910 für einfachen Diebstahl, Brandstiftung und Sachbeschädigung eine überproportionale Beteiligung Jugendlicher auf. Dabei wurden die Großstadt und ihre Lebensbedingungen als Nährboden des Verbrechens identifiziert.89 In diesem Rahmen erschien das Verbrechen nicht mehr als ein individuelles, sondern als ein kollektives Vergehen, getragen von der großstädtischen (und vor allem proletarischen) Jugend.90 Die Jugend galt auf der einen Seite als noch besonders formbar, auf der anderen Seite als besonders anfällig für heftige Gefühlsschwankungen, weswegen das Jugendstadium per se als ein halbkriminelles Stadium angesehen wurde. Unverkennbar trat in diesen Debatten ein modernisiertes Staatsverständnis hervor: Der intervenierende Wohlfahrtsstaat habe über seine traditionellen Schutz- und Ordnungsfunktionen hinaus die aktive Förderung des allgemeinen Wohls zur Aufgabe.91 In dieser Perspektive handelte es sich bei Parks um gemeinnützige Einrichtungen, deren Errichtung Teil der sozialpolitischen Fürsorge der Kommunen war.92 In Bezug auf die Jugendkriminalität bedeutete dies, dass der Staat und die Kommunen im Rahmen der Daseinsvorsorge dafür Sorge zu tragen hätten, Heranwachsenden ein körperlich und moralisch gesundes Leben zu ermöglichen. Die Sportlätze in Parks sollten sie dem schädlichen Einfluss der Straße entziehen: »Die Energie der Jugend findet dann einen natürlichen Ausweg.«93 Die letzte Bemerkung weist auf einen wichtigen Punkt hin. Es ging nicht nur um eine forcierte Parkerrichtung als Bestandteil kommunaler Fürsorge, sondern vielmehr um eine Neuausrichtung der Parkgestaltung, bei der die USA als Vorbild galt. Anstelle des »Spaziersitzens« müsse – wie in Chicago – eine aktive Nutzung der Parks treten. Zweifellos war hier die Vorstellung von der Natur als sittlicher Veredelungsinstanz noch wirksam. Doch der Park sollte ein Zweckbau sein, der sich über Sport den neuen Anforderungen des städtischen Lebens 89 Johnson, Urbanization and Crime, S. 189. 90 Galassi, Kriminologie im Deutschen Kaiserreich, S. 86, 89. 91 Gillis, Geschichte der Jugend, S. 178; Jessen, Polizei, S. 167. 92 Schultze, Parkpolitik und Jugendpflege, S. 83. 93 Ders., Einwirkungen, S. 33. Vgl. auch die älteren aber ähnlichen Ausführungen von Weck, Psychologisches vom Spielplatz.

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stellt: »Will man der Jugend einen wirksamen Ersatz bieten für Genüsse, die sie zu Ausschweifungen und kriminellen Exzessen verleiten, so darf man ihr nicht mit Reckspielen, Gartenarbeit, Reigen oder Spazierengehen kommen, sondern muß sie mit derberen Dingen zu fesseln suchen. Der Sport von heute ist derb genug in diesem Sinne.«94 Insofern waren die Parksportplätze Teil disziplinierender Bemühungen, die ihre Entsprechung nicht nur in Parkwächtern und Parkordnungen, sondern ebenso in Raumordnungen fanden. Sie zielten darauf, Handeln planbar und berechenbar zu gestalten. Sie können als eine Form der Verhäuslichung interpretiert werden, wobei diese Hypothese freilich über den Zugriff auf dieses Konzept, wie es etwa Jürgen Zinnecker in Anschluss an Norbert Elias’ Zivilisationstheorie formuliert hat, hinausführt.95 Betrachtet man den Kern dieser Sozialtechnologie allerdings in dem Prinzip, Handlungen zielgerichtet voneinander zu isolieren und auf diese Weise stabile und kontrollierbare Handlungsräume zu schaffen, so kann die Integration von Sport im Kontext der neuen Parkgestaltung als ein Versuch betrachtet werden, Elemente der Verhäuslichung auf den öffentlichen Raum zu übertragen.96 Diese Perspektive ergänzt das traditionelle Selbstverwaltungsparadigma mit seiner normativen Botschaft von den großen Taten einer dem Allgemeinwohl verpflichteten städtischen Leistungsverwaltung um die Analyse der Daseinsvorsorge als Instrument und Praxis bürgerlicher Herrschaft.97 Ein für den Sport freigegebener Park wich in der Anordnung seiner Einzelräume und Grenzen wesentlich von einer Anlage ab, die maßgeblich zum Spazierengehen konzipiert war. Die Besucher mussten ohne Weiteres erkennen können, wo sie sich frei bewegen konnten und zu welchen Teilen der Zutritt verboten war.98 Besonders der Bewegungsdrang Heranwachsender sollte unter der Protektion eines Sport- und Spielplatzes ausgelebt, ihr Spiel kategorisch von der Straße in diese Räume verwiesen werden.99 Die Ordnung der einzelnen Sporträume, vor allem dann, wenn sie auf die Jugend ausgerichtet war, basierte auf einem System der Sichtbarkeit, wie es Michel Foucault am Beispiel 94 Diem/Berner, Städtische Sportanlagen, S. 11. 95 Zinnecker, Vom Straßenkind. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass das Konzept der Verhäuslichung neben einer planbaren und intentional von Akteuren durchgesetzten Sozialtechnologie auch einen sich über lange Zeit hinziehenden Prozess im Sinne der Zivilisationstheorie von Norbert Elias umfassen kann. Siehe Elias, Über den Prozess der Zivilisation. Die Kontrolle des Spiels mittels Spielplätze ist in der US-amerikanischen Forschung im Gegensatz zur deutschen gut erforscht. Siehe etwa Cavallo, Muscles and Morals und Goodman, Choosing Sides. Zur Kritik an dieser Interpretation vgl. Howell, Play Pays. 96 Vgl. Zinnecker, Vom Straßenkind, S. 148. Zum Konzept der »Verhäuslichung« siehe ebd., S. 142–162; Gleichmann, Die Verhäuslichung körperlicher Verrichtungen; ders., Architektur und Zivilisation; Elias, Die höfische Gesellschaft, S. 68–101 (Wohnstrukturen als Anzeiger gesellschaftlicher Strukturen); E. T. Hall, Die Sprache des Raumes. 97 Siehe das Kapitel »Politik und Verwaltung« in Lenger, Stadt-Geschichten. 98 Weiss, Praktische Wegeeinfassungen, S. 127–129. 99 Dragehjelm, Die Spielplätze der Kleinen, S. 97 f.

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des Panopticons von Jeremy Bentham beschrieb, und das darauf abzielte, Bewegungen außerhalb des kontrollierenden Blicks zu verhindern.100 Dementsprechend schlugen Gartenarchitekten etwa vor, die Toiletten der Sportplätze möglichst offen auszuführen, um »unsittlichem Verhalten« vorzubeugen. Ähnlich verhielt es sich mit Schuppen, die zwar ein Dach, aber keine Wände aufweisen sollten, damit darin keine »Ungezogenheiten« begangen werden konnten.101 Hinzu kamen Aufsichtspersonen, damit sich Heranwachsende schon früh daran gewöhnten, ihre körperlichen »Zerstreuungen« unter Anweisung zu suchen. Und wenn die Aufsicht den Bewegungsdrang nicht unterbinde, dann würde »auf dem eingezäunten Platz auch nicht das Gefühl aufkommen, daß sie eingesperrt sind«.102 Die Aufsichtspersonen waren nicht nur kommunale Funktionsträger wie Parkwächter, sondern ebenso »Damen der gebildeten Kreise«, die hier »sowohl eine gesunde als [auch] nützliche philantropische [sic] Betätigung« fanden.103 Dieser von Angehörigen der Eliten getragenen Bewegung, die die Integration von Spiel und Sport in die Parks als ein Mittel zur Bekämpfung städtischer Missstände propagierte, kann durchaus ein philanthropischer Impetus zugestanden werden. Doch zugleich war der moderne Park auch immer ein Instrument bürgerlicher Akteure, die aus ihrer Sicht rohen Massen der Armen und Unterprivilegierten unter ihre fürsorgliche Überwachung zu stellen.104 Das wichtigste Steuerungsmittel waren Grenzen. Hierbei ging es im Kern um die Trennung der Sportbereiche von den Schmuck- und Ruhezonen. Um die Jahrhundertwende scheinen solche Abgrenzungen bei den vorhandenen An­ lagen nur in seltenen Fällen vorhanden gewesen zu sein. Tatsächlich waren die im ausgehenden 19.  Jahrhundert entstandenen Sportplätze im Park lediglich mit Strauchwerk oder Blumenbeeten umgeben. Erst um 1910 wiesen sie feste Einfriedungen auf.105 So war 1909 in Die  Gartenkunst zu lesen, dass mit Stacheldraht geschütztes Strauchwerk keine geeignete Spielplatzumfriedung sei. Um Heranwachsende vom Rennen abzuhalten, greife man besser »zum hölzernen oder, wenn es sein muß, eisernen Zaun oder [zur] lebenden Hecke entweder in Verbindung mit Strauchwerk oder auch ohne solches.«106 Doch sollte die Handlungsteuerung nicht nur durch die brutale Unmittelbarkeit eines Zaunes, sondern auch durch die Signalwirkung von Bäumen, Sträuchern oder Blumen, also die spezifischen Gestaltungsmittel des Gartenarchitekten, funktionieren. Der Kieler Stadtgartenbaudirektor Ferdinand  Hurtzig etwa war der Ansicht, 100 Foucault, Überwachen und Strafen, S. 251–292. 101 Zitat Encke, Einiges über die gartenkünstlerische Gestaltung, S. 5 f.; ferner H. Koch, ­Neuere Gartenkunst, S. 26. 102 Dragehjelm, Die Spielplätze der Kleinen, S. 103 f. 103 Ebd., S. 106. 104 Siehe auch Peukert, Grenzen der Sozialdisziplinierung, vor allem S. 43 f., 92–94. 105 Zusammenfassend Wiegand, Entwicklung des Stadtgrüns, S. 78 f. 106 Encke, Einiges über die gartenkünstlerische Gestaltung, S. 5 f.

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dass Zäune geradewegs zu Grenzüberschreitungen verführten, während »erst die Blume der übermütigen Großstadtjugend« den nötigen Respekt abringe.107 Der Stellenwert disziplinarischer Bemühungen und die Rolle räumlicher Begrenzungen gehen aus den Bemerkungen des Freiherrn Walter von Engelhardt, Düsseldorfs erstem Gartenamtsdirektor, hervor, der »Wohlerzogenheit« nicht nur als Ziel, sondern auch als eine zentrale Bedingung der Umgestaltung städtischer Parkanlagen zu Zwecken sportlicher Betätigung aufzählte.108 Worin manifestierte sich seiner Ansicht nach unerzogenes Verhalten? Er hob besonders einen Aspekt hervor: die Achtung oder Missachtung der Grenzen zwischen den nach Nutzungsarten unterteilten Einzelräumen des Parks. Als unerzogen galten Engelhardts Beobachtungen zufolge meist den »niederen sozialen Schichten« angehörige Parkbesucher, die sich außerhalb der Sportflächen laut aufführten, sich auf den Wiesenflächen niederließen, außerhalb der speziell zu diesem Zweck ausgewiesenen Räumen Sport trieben oder einfach nur schnell liefen und »unablässig« hüpften. Wohlerzogenheit hingegen zeige sich in der Akzeptanz der einzelnen Funktionen der Parkräume und in der entsprechenden Anpassung der jeweiligen Verhaltens- und Bewegungsweisen. Wenn die Grenzen der Sportplätze »trotz Polizei und Stacheldraht zügellos überschritten und geschädigt« würden, bliebe im besten Fall nur die »geduldige erzieherische Aufsicht und ernste Leitung«. In sehr hartnäckigen Fällen aber, in denen die tatsäch­ liche Nutzung von den intendierten Nutzungsformen erheblich abwich, müsse die Schließung der Plätze angeordnet werden.109 Man könnte nun annehmen, dass eine solch unnachgiebige Haltung bei der Spiel- und Sportbewegung Widerspruch provozierte. Aber das Gegenteil war der Fall. Deren Vertreter wiesen darauf hin, dass eine nicht klar nach einzelnen Funktionsräumen aufgeteilte Parkanlage keine Alternative zu Sportplätzen sei. Die Sport treibenden Personen würden nämlich sonst die Erholung suchenden Parkbesucher stören und somit den Sport in ein schlechtes Licht rücken, weswegen sie die Kommunen aufforderten, in den Parks als Sportareale ausgewiesene und abgegrenzte Flächen einzurichten110 Der Sport rief also neue materielle und räumliche Leitmotive in der Park­ gestaltung hervor. Die geometrische Grundrissgestaltung, die Demarkation der Nutzflächen sowie die Aufreihung von funktionalen Räumen nebenein­ander, beispielsweise von Spielwiese, Sportplatz und Ruhebereichen, spiegelten die sachliche Zielsetzung der neuen Parkgestalter. So verlangte der Funktionswandel von Parks große, freie Rasenflächen. Gleichzeitig konnte die Bepflanzung nicht mehr nach rein ästhetischen Gesichtspunkten erfolgen. Hohe Gräser und Blumenwiesen kamen für Sporträume nicht in Frage. Der Rasen musste nun, da er bespielt wurde, möglichst robust sein und sich schnell regenerieren können. 107 Hurtzig, Die Entwicklung der städtischen Gartenanlagen, S. 15. 108 Engelhardt, Wie sind die städtischen Anlagen, S. 15. 109 Ebd., S. 14 f. 110 Eitner, Die Jugendspiele, S. 28–30.

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Landschaftsarchitekten experimentierten mit verschiedenen Sorten und Mischungen, die den neuen Anforderungen genügen konnten.111 Als Beispiel für die Umsetzung dieser neuen Leitmotive kann der zwischen 1909 und 1911 errichtete Vorgebirgspark im Süden Kölns dienen. Der Vor­ gebirgspark war der erste Park in Köln, in dem die oben skizzierten Forderungen nach Sport- und Spielarealen weitgehend umgesetzt wurden, auch wenn einige ältere Parkanlagen in Köln ebenfalls Spielwiesen hatten.112 Der 13 Hektar große Park zwischen Raderberg, Raderthal und Zollstock entstand im Rahmen eines Bebauungsplans, den der Leiter der Kölner Bauverwaltung Carl Rehorst 1907 aufgestellt hatte.113 Eine große Wiese, durchzogen von nur wenigen und weitgehend gerade verlaufenden Wegen, markierte das Zentrum dieser Anlage. Um Spiel und Sport nicht unnötig zu behindern, verzichtete ihr Architekt Fritz Encke bis auf wenige Ausnahmen auf Baum- und Gehölzgruppen. Sie kamen vorwiegend als Randbepflanzungen zum Einsatz. Überhaupt bestand der Park im Wesentlichen aus Grasflächen, die für Spiel und Sport geeignet und vorgesehen waren. Gerade darin zeigte sich die neue formale Qualität dieser Anlage: Ein großer Binnenraum von miteinander verbundenen Sport- und Spielflächen, einheitlich gestaltet und in seinen Dimensionen klar überschaubar anstelle einer größeren Anzahl von kleineren Räumen mit verschleierten, ineinanderfließenden Übergängen.114 Keinesfalls soll hier der Eindruck erweckt werden, dass es sich beim Vor­ gebirgspark um einen rein auf Spiel und Sport ausgerichteten Park handelte. Selbstverständlich hatte auch dieser Park Rosengärten, Staudenweiher und Baumgruppen aufzuweisen, doch in Enckes Konzeption tritt eine klare, der Zweckbestimmung folgende Hierarchie zutage; alle schmückenden, der konventionellen Erholung dienenden Elemente rückten an den Rand des Parkraums, während Spiel- und Sportareale den Kern bildeten. Und selbst die Randräume des Parks durchsetzte Encke mit klar abgegrenzten Spielräumen. Es war insbesondere der ebene, bespielbare Grasboden als Zentrum des neuen Parks, der einige Schwierigkeiten provozierte. Auch Encke thematisierte diesen Punkt und hob dabei das Fußballspiel als eine Sportart hervor, unter der der Parkrasen leide.115 Daher verwendete man im Vorgebirgspark eine widerstandsfähige, auch dem Fußball gewachsene Mischung aus Schafschwingel, Wiesenrispengras, Rispengras und Weißklee.116 Fragen der Gestaltung und räumlichen Ausdifferenzierung sowie Anordnung waren aber bei Gartenarchitekten und Vertretern der Spiel- und Sportbewegung umstritten. Wenn etwa Hugo Koch vorschlug, den Zielpunkt einer 111 Meynen, Entwicklung des städtischen grünen Wohnumfeldes, S. 125–128. 112 Wiegand, Entwicklung des Stadtgrüns, S. 56; Meynen, Die Kölner Grünanlagen, S. 16. 113 Encke, Öffentliche Grünanlagen in der Großstadt, S. 283 und ders., Die öffentlichen Grünanlagen der Stadt Köln, S. 24. 114 Ders., Der Volkspark, S. 161. 115 Ebd., S. 161–165. 116 Ebd., S. 163.

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Abb. 3: Der Vorgebirgspark in Köln (1909–1911). In der Mitte der Darstellung erkennt man die große Spiel- und Sportwiese. Am nördlichen Rand des Parks waren Kinderspielplätze unter­ gebracht, am südlichen Rand waren weitere Spiel- und Sportareale ausgewiesen. Des Weiteren integrierte Fritz Encke einen Rosengarten, einen Staudengarten, einen Planschweiher (direkt am Kinderspielplatz) sowie einen Baumplatz.

Laufbahn im Park mit einer Mauer, einem Brunnen, einem Pavillon oder einer Plastik zu schmücken, so zeigt eben dies das Spannungsverhältnis von zweckorientierten sportiven Funktionsräumen und den herkömmlichen, schmückenden Gestaltungselementen in Parks.117 Offensichtlich konnten sich selbst entschiedene Befürworter des Volksparks mit Spiel- und Sportflächen wie Koch noch nicht gänzlich von schmückenden Elementen trennen, versuchten vielmehr Gestaltungselemente beider Typen miteinander zu kombinieren. Dies verweist auf Debatten, die letztlich um den Charakter eines Parks und damit auch immer um ihre ästhetische Gestaltung, um die Bedeutung von Funktionalität, die Raumverhältnisse, die Gliederung der einzelnen Räume, die Form der Flächen und die Beschaffenheit der Bepflanzung kreisten. Die Frage der Gestaltung wurde kontrovers diskutiert. Und es waren vor allem Vertreter der Spiel- und Sportbewegung, so sehr sie auch mit dem Programm der Parkreformer übereinstimmten, die deutliche Kritik übten. Auch wenn die Gartenarchitekten und die »Freunde der Spielbewegung« dasselbe wollen  – so Fußballpionier und ZA-Mitglied Konrad  Koch  –, so dürften die Stadtgärtner nicht ausschließlich ihren Willen durchsetzen, sondern müss117 Der Vorschlag ist enthalten in H. Koch, Gartenkunst, S. 108.

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ten sich vielmehr dem allgemeinen Interesse unterordnen.118 Diese Bemerkung zielte auf die Probleme, die sich aus dem Hybrid von sportiven Funktionsräumen und schmückenden Elementen in Parks ergaben. Ein Redner auf dem fünften Kongress für Volks- und Jugendspiele bemerkte bereits 1901 in zugespitzter Form: »Unsere Freunde [sind] eigentlich viel gefährlicher als unsere Feinde. Gegen unsere Feinde […] können wir uns wehren, aber vor unseren Freunden, die uns die Sache verschönern wollen, die aus der ehrlichen, besten Absicht heraus immer mit neuen Projekten kommen, wie sie den Platz verbessern und für das Auge angenehmer machen möchten, vor denen möge uns Gott behüten.« Keine Springbrunnen, keine Wasserbassins, keine Bosketts, keine Schmuckwände, so der Redner, sondern nur guten, ebenen Boden, das müsse die Forderung der Sportbewegung sein. Jedes schmückende Element, ja jeder Baum oder jede Baumgruppe seien zu verwerfen, da sie unzweckmäßig seien, die Bewegung der Sporttreibenden behindern und den ohnehin nur knapp bemessenen Raum zusätzlich verkleinern. Die gefährlichen Freunde müssten verstehen, »daß wir in jeder Stadt große, freie, schmucklose Plätze haben müssen, deren Schmuck eben nur die spielende Jugend ist.«119

4. Leitbild USA Der neugierige Blick über den Atlantik ist bereits angeklungen. Dennoch mag es auf den ersten Blick überraschen, wenn Carl Diem, der Doyen der deutschen Sportbewegung, 1930 mit Blick auf die Entwicklung, die der Sport in Deutschland genommen hatte, notierte: »Die moderne Spielplatzbewegung hat in den Vereinigten Staaten ihren Aufschwung genommen, nicht etwa in England.«120 Diem wusste wohl, dass diese Aussage provozieren könnte, sonst hätte er England kaum erwähnt. Er war sich sicherlich bewusst, dass in den 1920er Jahren wissenschaftliche Abhandlungen betonten, dass Sport etwas Englisches war, ja im Grunde nur dort richtig betrieben und verstanden werde.121 Dieser Umstand wurde von Diem auch gar nicht angezweifelt. Ihm ging es um Sportplätze. Und der systematische Bau »sportgerechter Einrichtungen«, so Diem weiter, »ist erst in den Vereinigten Staaten ausgeführt worden, um heute in vielen Ländern der Erde […], besonders aber bei uns in Deutschland, nachgeahmt« zu werden.122 118 K. Koch, Über die Notwendigkeit, S. 181. 119 Zitate Bericht von Oberlehrer Dr. Witte, S. 188 f. 120 Diem, Sport in Amerika, S. 59. Zu Carl Diem siehe die hervorragende mehrbändige Biographie von Becker, Den Sport gestalten. Zur Rolle Diems im Nationalsozialismus vgl. zudem Schäfer, Sportgeschichte und Erinnerungspolitik und die Beiträge des Bandes 59 (2011) der ZfG. 121 Etwa Kirchner, Fair Play. 122 Diem, Sport in Amerika, S. 59.

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Keine Untersuchung zur Geschichte des Sports in Deutschland, und dies bezieht auch Sporträume ein, kommt umhin, sich mit der Zirkulation von Konzepten und Modellen der Sportentwicklung, mit transnationalen Transfer- und Aneignungsprozessen zu beschäftigen.123 In diesem Abschnitt wird die These vertreten, dass für die Herausbildung von Sporträumen in Deutschland die USA als Leitbild fungiert haben. Bei diesem Leitbild handelte es sich um ein Modell, das von verschiedenen Akteursgruppen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zieles konstruiert wurde. Wesentlich hierbei ist, dass es sich dabei um ein in die Zukunft weisendes, Elemente einer Vision beinhaltendes Konzept handelte, das dazu geeignet schien, weitere Akteure zu überzeugen und einzubinden.124 Ebenso wie die Verstädterung und das Städtewachstum keine isolierten, nationalen Phänomene waren, war die Schaffung einer städtischen Sportinfrastruktur als Antwort auf ihre negativen Begleiterscheinungen nicht auf Deutschland beschränkt.125 Entsprechende Vorstellungen zirkulierten über die Nationalstaatsgrenzen hinweg. In der stadthistorischen Forschung gilt die Zeit um die Jahrhundertwende aber als eine Periode, in der die Prägekraft internationaler Leitbilder der Stadtentwicklung in Deutschland langsam zu verblassen begann. Mehr noch, wie Mikael Hård und Marcus Stippak zum Bild der deutschen Stadt in den USA und in Großbritannien ausgeführt haben, kam es gar zu einer Vertauschung der Rollen: Die infrastrukturelle und stadttechnische Entwicklung, die Kommunal- und Leistungsverwaltung sowie die Daseins­vorsorge in Deutschland galten nun in den US-amerikanischen Debatten als vorbildlich.126 Ein neues Selbstbewusstsein brachte Robert Wuttke zum Ausdruck, der nach der ersten deutschen Städteausstellung in Dresden 1903 verkündete, dass man sich von ausländischen Vorbildern wie England, Frankreich oder den USA emanzipiert habe: »Es gibt kein Gebiet, auf dem wir uns nicht Anregungen aus dem Auslande geholt hätten, die manchmal sehr tief und nachhaltig gewesen sind. Die Städteausstellung zeigte aber ein ganz anderes Bild, sie bewies, daß wir mit der Zeit selbstständig geworden sind. Wir haben gelernt im Auslande, aber das Ausland ist nicht Lehrmeister geblieben. […] Wir haben uns von fremden Einflüssen losgelöst und unsere eigene Kraft entwickelt.«127 Dass eine idealisierte Vorstellung der deutschen Stadt in den Urbanisierungsdiskursen der USA vor allem in der Progressive Era als eine Folie diente, urbane Missstände wie etwa »paved streets and packed streetcars, corrupt city bosses, waste, lawlessness and anarchy« im eigenen Land kritisieren zu können, ist un123 Einführend Werner/Zimmermann, Vergleich, Transfer, Verflechtung; Budde u. a., Transnationale Geschichte. 124 Dierkes u. a., Leitbild und Technik; Hård, Zur Kulturgeschichte, S. 39 f. 125 Allgemein Überlegungen hierzu in Schott, Die Stadt als Thema und Medium europäischer Kommunikation. 126 Hård/Stippak, Progressive Dreams. Siehe auch Lenger/Schott, Die europäische und die amerikanische Stadt; Saunier, Transatlantic Connections and Circulations, S.  5–10 und 11–24. 127 Wuttke, Die deutsche Städteausstellung, Bd. 1, S. XI–XLVI.

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bestritten.128 Dies gilt auch für die Feststellung, dass ausländische Vorbilder für die deutsche Stadtentwicklung eine immer geringere Rolle spielten. Industriestädte wie Chicago galten sogar eher als ein abschreckendes Beispiel der Urbanisierung.129 Betrachtet man aber die städtische Park- und Sportentwicklung, so muss diesem Befund deutlich widersprochen werden. In diesen Bereichen blieben US-amerikanische Leitbilder bis in die 1920er Jahre dominierend. Auf den ersten Blick mag es verwundern, dass in dieser Hinsicht nicht England als Leitbild in Deutschland diente. Eric Hobsbawm gestand einzig dem Sport als Bestandteil moderner Populärkulturen zu, sich im 20.  Jahrhundert der Amerikanisierung entzogen zu haben: »Die Populärkultur der Welt war amerikanisch oder sie blieb provinziell. Mit einer einzigen Ausnahme gelang es keinem anderen nationalen oder regionalen Modell, sich derartig weltweit etablieren zu können. […] Diese einzige Ausnahme war der Sport.«130 War Deutschland nun ein Einzelfall oder war der Sport in Deutschland hoffnungslos provinziell? Haben Sporträume nicht unmittelbar etwas mit der Etablierung, Verbreitung und den Charakteristika dieser Populärkultur zu tun? Wie in der Forschung mehrfach herausgearbeitet, war die Verbreitung des Sports in Deutschland weitgehend das Resultat eines von England ausgehenden Kulturtransfers und Aneignungsprozesses. Englische Geschäftsleute, Kaufleute und Ingenieure brachten den Sport in die deutschen Städte, wo er bald seine Anhänger fand.131 Zudem bereisten sportbegeisterte Deutsche England  – etwa 1889 Hermann Raydt oder 1895 Konrad Koch, beide Mitglieder des ZA.132 Ihr Interesse galt vorrangig allgemeinen Fragen: Welche Sportarten existieren in England, welche Regeln werden angewandt, wie werden die Wettkämpfe organisiert? Insgesamt kann man in diesem Fall von einer Bewegung sprechen, die über den englischen-deutschen Kulturtransfer Sport als eine Art modernis­ tische Lebensreform klubgebunden nach und nach etablierte.133 Dass zu Beginn des 20.  Jahrhunderts die USA England als Leitbild weit­ gehend ablösten, zeigt, dass Deutschland das Stadium eines Sportentwicklungslandes überwunden hatte und sich damit auch die Problemstellungen und Motive geändert hatten. Es konnte nicht mehr darum gehen, sich grundsätzliches Wissen über den Sport anzueignen, sondern vielmehr darum, den Sport stärker als bislang gesellschaftlich zu verankern und als Teil des kommunalen Leis-

128 Zitat Rodgers, Atlantic Crossings, S. 142. 129 Lenger, Großstädtische Eliten, besonders S. 314–316. Weiterhin Hietala, Services and Urbanization; Sutcliffe, Toward the Planned City; Petz, Lernen vom Anderen. 130 Hobsbawm, Zeitalter der Extreme, S. 252. 131 Eisenberg, »Not Cricket!«. 132 Raydt, Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper; K. Koch, Das heutige Spielleben Englands. Die letztgenannte Schrift ist in Auszügen auch im Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele 4 (1895) erschienen. Zu den Personen siehe Hoffmeister, Fußball und Eisenberg, »English Sports«, S. 265. 133 Quanz, Studien zu Bild und Funktion, S. 130–132.

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tungsangebots zu etablieren. Erst unter diesen Umständen konnten die USA zum Leitbild avancieren. Diese Entwicklung bedeutete aber auch, dass das Sportsystem in den Vereinigten Staaten im Wesentlichen bewusst durch offizielle Sportvertreter, -organisationen, Stadtplaner und Architekten rezipiert, vermittelt und für maßgeblich erklärt wurde.134 Im Wesentlichen speiste sich die Leitbildrolle USA aus zwei Quellen: Erstens aus den überragenden Erfolgen US-amerikanischer Athleten in den ersten neuzeitlichen Olympischen Spielen und zweitens aus der dort schon früh entwickelten städtischen Sportinfrastruktur speziell in den stark industrialisierten Großstädten an der Nordostküste. Beide Stränge des Amerikadiskurses wurden unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg miteinander verwoben. a) Die Olympischen Spiele und die Dominanz US-amerikanischer Athleten Mit den neuzeitlichen Olympischen Spielen rückten die USA zunehmend in das Blickfeld der deutschen Sportbewegung. Im Mittelpunkt standen die deutliche Überlegenheit US-amerikanischer Athleten und das insgesamt schlechte Abschneiden deutscher Olympia-Teilnehmer seit dem Beginn der modernen Olympischen Spiele in Athen 1896. Der bescheidenen Medaillenausbeute, die sich bis Stockholm 1912 pro Spiele zwischen einem und vier Siegen bewegte, standen 9 bis 31 Siege der Amerikaner gegenüber.135 Sportstätten fanden in diesem Zusammenhang zunächst kaum Berücksichtigung, dennoch spielten, wie später gezeigt wird, die US-amerikanischen Sporterfolge in der Propagierung sportlicher Zweckbauten in Deutschland eine wichtige Rolle. »Man kann nicht behaupten, dass Amerikaner ihr Licht unter den Scheffel stellen, wie es der Deutsche tut, wenn er nämlich eins hat. Er hat aber keins und das Licht der Amerikaner brannte lichterloh.«136 Mit diesen Worten setzte Diem in seinem Bericht über die Olympischen Zwischenspiele 1906 in Athen die eher bescheidenen Ergebnisse deutscher Athleten zu den Erfolgen der US-amerikanischen Teilnehmer in Beziehung.137 Tatsächlich gehörten seit dem Beginn der modernen Olympischen Spiele das Lamentieren über das eigene schlechte Abschneiden sowie die zwischen Bewunderung und Skepsis schwankende Beurteilung der Leistungen US-amerikanischer Athleten zu einem immer wieder hervorgeholten Topos der deutschen olympischen Berichterstattung. Wie bei 134 Ebd. 135 Genaue Informationen geben Carl-Diem-Institut, Dokumente zur Frühgeschichte; Len­ nartz u. a., 100 Jahre Olympische Spiele; ders., Geschichte des Deutschen Reichsausschusses für Olympische Spiele, Heft 2 und 3. 136 Diem, Die olympischen Spiele 1906, S. 25. 137 Die Spiele von 1906 lagen außerhalb des vierjährigen Austragungsrhythmus und wurden vom Internationalen Olympischen Komitee offiziell nicht zu den Olympischen Spielen gezählt. Daher die Bezeichnung »Zwischenspiele«.

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den Zwischenspielen 1906 war auch zwei Jahre später in London die gewaltige Übermacht der Amerikaner überdeutlich.138 1912, während der Olympischen Spiele in Stockholm, als das International Olympic Committee (IOC) Berlin zum Austragungsort der nächsten Spiele bestimmte,139 nahm, als an der Überlegenheit der US-Sportler wieder nicht zu rütteln war, die Anzahl der Schriften, die sich mit diesem Thema beschäftigten, stark zu.140 Spätestens nach Stockholm wurde genauer nach den Ursachen dieser Überlegenheit gefragt, weil die deutschen Sportprotagonisten und insbesondere der Deutsche Reichsausschuss für Olympische Spiele (DRAfOS), der 1904 als ständiger Ausschuss für die Durchführung der Olympischen Spiele gegründet worden war und sich zum einflussreichsten deutschen Sportverband entwickeln sollte, es vermeiden wollten, als Ausrichter der nächsten Olympischen Spiele wieder schlecht abzuschneiden. Die Ergebnisse der Spiele galten als Spiegel der Leistungsfähigkeit von Volk und Nation. Eine besondere Note erhielt dieses Ansinnen dementsprechend durch die zunehmenden Spannungen zwischen den europäischen Staaten am Vorabend des Ersten Weltkriegs, wenn offen die Brücke von der sportlichen zur militärisch-technischen Leistungsfähigkeit geschlagen wurde: »Und daß in den Panzern und Schienen [sic] muskelstarke, willensstarke Leute stecken, das wollen wir ihnen in der Arena des Stadions beweisen«, schrieb Carl Diem 1913.141 Für die amerikanische Überlegenheit wurden im Wesentlichen drei Gründe ins Feld geführt: Zum einen wurde immer wieder das wissenschaftlich fundierte und methodische Training in den USA betont. Damit verknüpft war der Hinweis auf eine umfassende Körperbildung der Athleten, die sie insgesamt »frischer«, »kräftiger« und »leistungsfähiger« mache.142 Hinzu kam – eher untergeordnet – der Verweis auf die »rassische« Zusammensetzung der US-amerikanischen Sportler und der Vorwurf, Amerika scheue sich nicht, bei den Olympischen Spielen »Neger« und »Indianer« mitkämpfen zu lassen.143 Diese Überlegungen gipfelten gar in der Feststellung, die überwiegende Anzahl der erfolgreichen amerikanischen Athleten trage deutsche Nachnamen, also seien diese sicher Nachfahren deutscher Einwanderer. Die sich dabei aufdrängende Frage, weshalb sich dann in den Leistungen von Athleten gleicher Abstammung und mit vermeintlich gleichen biologisch-körperlichen Voraussetzungen so große Unterschiede zeigten, führt zum letzten Aspekt, der sich als eine eigentümliche Verquickung von sozialdarwinistischen Versatzstücken und der Wahrnehmung der als modern empfundenen amerikanischen Lebensumstände 138 Mehlkopf, Die Olympischen Spiele in London, S. 17, 26 f. 139 Borgers u. a., Deutsche Olympiade Kalender, S. 101. 140 Beispielsweise Bäurle, Überlegenheit, S. 17–19; Kern, Momente, S. 59–62. Siehe auch eines der ersten Olympia-Bücher in deutscher Sprache: Diem, Die Olympischen Spiele 1912. 141 Diem, Stockholm und Berlin, S. 12. 142 Zu diesen Aspekten Person, Mehr Kraft, S.  20–22; Brustmann, Stabhochsprung, S.  41 f.; Bäurle, Überlegenheit; Kern, Momente. 143 Siehe hierzu die scharfe Replik von Carl Diem, in der er diesen Vorwurf als töricht zurückwies: Diem, Stockholm und Berlin, S. 12.

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beschreiben lässt. Die Kraft und der Siegeswille, der amerikanische Sportler durchströme, entsprächen dem modernen amerikanischen Leben. Aber  – so die tröstenden Schlussfolgerungen des Athletik-Jahrbuchs – auch »in Deutschland wird der Kampf ums Dasein immer schärfer. Schon heute haben wir in unseren Städten ein wenn auch schwaches Bild des amerikanischen Lebens. Und wie Deutschlands Handel und Industrie immer mehr und mehr sich ausbreitet, so wird auch unser Sport sich immer weiter entwickeln. Denn der olympische Sport unserer Zeit ist ein Abbild des modernen Lebens.«144 Die Charakterisierung des Sports als Phänomen und Abbild der Moderne bildete letztlich auch den Kern der Debatten, die sich um die Erfolge der USamerikanischen Athleten bei den Olympischen Spielen herausbildeten: Kraftmeierei, Internationalismus und Amerikanismus war die Trias der Kritik.145 Insofern erfolgte die Entwicklung der USA zum Leitbild der deutschen Sportentwicklung nicht konfliktlos. Die Debatten um die Vorzüge des US-Sports bildeten das diskursive Feld, in dem die Auseinandersetzungen um den Charakter und die Ziele des Sports in Deutschland ausgefochten wurden. Im Zentrum der Kritik standen die Rekordsucht und das Spezialistentum, d. h. die Tendenz, sportlich auf eine oder zwei Disziplinen spezialisierte Sportler zu schaffen und dabei die allgemeine und gesunde Durchbildung des Körpers zu vernachlässigen. So wurden der amerikanische Sport und die Erfolge seiner Athleten bei den Olympischen Spielen nicht nur mit Bewunderung, sondern ebenso mit Ablehnung verfolgt. Dieser Befund gilt insbesondere für Protagonisten aus dem Umfeld des ZA, die hauptsächlich an den gesundheitsförderlichen Elementen des Sports interessiert waren. Nathan Zuntz beispielsweise, ein Pionier der Leistungs- und Sportphysiologie, Mitglied des ZA und nach einer dreimonatigen Studienreise in die USA im Jahre 1908 durchaus ein Kenner des US-amerikanischen Sportsystems,146 stand dem dortigen Wettkampfbetrieb recht skeptisch gegenüber. Der Erfolg der US-Athleten ließ ihn kalt, er teilte nicht einmal das Bedauern über das schlechte Abschneiden deutscher Sportler.147 Auch Ferdinand August Schmidt, wie Zuntz prominentes Mitglied des ZA und Physiologe, befand sich 1904 anlässlich der im Rahmen der Weltausstellung stattfindenden Olympischen Spiele in St. Louis und verfasste darüber einen Bericht. Er hob zwar die Integration des Sports in Schulen und Hochschulen positiv hervor, blieb aber bei der Beurteilung des amerikanischen Sportsystems, das er mit den Begriffen »Berufssport«, »Zuschauersport« und »Rekordjagd« charakterisierte, distanziert. Die Erfolge amerikanischer Sportler führte auch er auf ein letztlich wenig gesundes Spezialistentum und die Einseitigkeit des Trainings zurück.148 144 Kern, Momente, S. 59 f. 145 Zum Begriff »Amerikanismus« und zu den damit verwobenen Stereotypen, Bild- und Wortmetaphern siehe Lüdtke u. a., Amerikanisierung, vor allem S. 8–10. 146 Gunga, Leben und Werk, S. 68–72. 147 N. Zuntz, Bedeutung des Sports, S. 60 f. 148 F. A. Schmidt, Spiel und Leibesübung auf der Weltausstellung, S. 94.

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Wie die Kontroversen einige Jahre vor den anvisierten Spielen in Berlin an Schärfe zunahmen, zeigt Carl  Diems polemische Veröffentlichung, in der er einen fiktiven Kritiker der Olympischen Spiele, den er als bornierten und weltfremden Ignoranten darstellt, sagen lässt: »Warum kämpft ihr gegen jene Artisten von Amerikanern, die nichts können als 100 Meter laufen, die keine Arme und keinen Kopf, sondern nur Beine haben? Wir haben sie zwar nicht gesehen, aber wir denken uns das so, denn wie sollten sie sonst so schnell rennen können. Diese Kerle rennen sich die Lunge aus dem Leib und sterben an Schwindsucht. […] Die haben überhaupt keinen Beruf, keine Zukunft, keine Vergangenheit, sondern laufen auf Staatskosten, laufen immer nur, laufen, laufen und werden später im Zirkus für Geld gezeigt.«149 So beinhaltete die Propagierung der USA als Leitbild immer auch die Auseinandersetzung mit diesen Kritikpunkten. Und auch die Gründe, die als Erklärung für die amerikanische Überlegenheit genannt wurden, müssen in diesem Kontext gelesen werden. Das Betonen umfassender und methodischer Trainingsmethoden und einer allseitigen, harmonischen Körperbildung war vor allem die Antwort auf den Vorwurf des Spezialistentums. Mehr noch, es sei die Pflicht Deutschlands, wie die Amerikaner in ihrer Gesamtheit athletisch ausgebildete Sportler hervorzubringen – sowohl um olympische Preise zu gewinnen, als auch im Interesse der Nation, weil »gute Athleten ein athletisches Geschlecht zeugen.« In diesem Sinne wurde unterstrichen, dass in den USA Athleten eine größere Unterstützung bekämen, für diese größere Summen aufgewendet würden und in der Bevölkerung ein größeres Verständnis für die Bedeutung des Sportes vorhanden sei.150 Die Faszination wie die Kritik an den amerikanischen Sportlern ging von den gleichen Prinzipien aus, die der sportliche Wettkampf überhaupt verkörperte: Leistungsorientierung und -steigerung, ermöglicht durch methodische und rationelle Trainingsmethoden, Spezialisierung bei umfassender Körperbildung, Funktionalität der Bewegungsabläufe sowie Chancengleichheit der ­Athleten, gleich welcher Nationalität oder »Rasse«, die unter denselben Voraus­ setzungen vor Publikum ihre Leistungen ablieferten. Und es waren die USA, die bereits zwischen dem ausgehenden 19. Jahrhundert und dem Ersten Weltkrieg diese Grundsätze repräsentierten, wie es der amerikanische Sportler war, der den »aktiven Weltbezug« des technisch-wissenschaftlichen Zeitalters zum Ausdruck brachte.151

149 Diem, Stockholm und Berlin, S. 8 f. 150 Zitat Bäurle, Überlegenheit, S. 17 f.; Siehe auch Diem, Stockholm und Berlin, S. 10 f. 151 Becker, Revolution des Körpers, S.  100. Grundlegend hierzu ders., Amerikanismus in ­Weimar.

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b) Amerikanische Sportinfrastruktur und englische Parks Im zweiten Strang des Amerikadiskurses stand nicht die Überlegenheit der US-amerikanischen Athleten im Mittelpunkt, sondern die Überlegenheit der US-amerikanischen Sportinfrastruktur und Parkpolitik. Im Unterschied zum ersten Strang dominierten in diesem Fall nicht Vertreter der Sportbewegung, sondern der Städteplanung und Architektur. Ich möchte im Folgenden keineswegs die Ansicht vertreten, die US-amerikanische Sportinfrastruktur und, in diesem Kontext, US-amerikanische Parkanlagen seien die einzigen Leitbilder in Deutschland gewesen. Auch zu einem radikalen Wechsel von Leitbildern ist es nicht gekommen. Vielmehr überlagerten sich um 1900 englische und amerikanische Leitbilder. Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden aber die US-amerikanischen Leitbilder paradigmatisch. Um die Besonderheiten der US-amerikanischen Leitbilder deutlicher hervorheben zu können, wird zunächst kurz auf die Bedeutung von Spiel und Sport in der deutschen Rezeption englischer Parks eingegangen. In den deutschen Parkdebatten zu Beginn des 20.  Jahrhunderts war England durchaus präsent.152 Englische Parks wurden in Fachpublikationen wie der Zeitschrift Gartenkunst ausführlich besprochen. Einige herausragende Parkreformer wie Leberecht Migge oder Hermann Muthesius betrachteten Englandreisen als eine wichtige Inspirationsquelle für ihre Tätigkeit.153 Aber welche Aspekte englischer Parks zogen die Aufmerksamkeit deutscher Experten auf sich? Und vor allem, welche Rolle nahm in der Auseinandersetzung mit englischen Parks der Sport ein? Hinweise zur Wahrnehmung englischer Parks gewährt die große EnglandExkursion der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst (DGFG).154 Im Juni 1909 machten sich knapp 90 Personen, von denen die meisten Mitglieder der DGFG waren, auf den Weg. Neben touristischen Zielen in London suchte die Gruppe auch eine Baumschule und eine im Holland-House-Garden veranstaltete Gartenbau-Ausstellung auf. Im Zentrum der Studienfahrt standen jedoch die Parkanlagen in London.155 Wie beurteilten die reisenden Experten etwa den Hyde Park, den St. James Park oder den Kensington Garden, welche Merkmale betrachteten sie als besonders wertvoll und zur Nachahmung geeignet?

152 Gröning, Einleitung. Siehe auch den kurzen Überblick von Dümpelmann, The Park International. 153 Schneider, Das Konzept der »Gartenkultur«, S. 99. 154 Hinweise hierzu gibt Schneider, Hermann Muthesius, S.  278–291. Die DGFG ging nach einem heftig geführten Meinungsstreit zwischen den klassischen Landschaftsgärtnern und Gartenreformern aus dem Verein deutscher Gartenkünstler hervor. Auf der Hauptversammlung 1904 konnte sich die Reformfraktion durchsetzen und benannte den Verein in DGFG um. Siehe Wiegand, Entwicklung des Stadtgrüns, S. 25. 155 22. Hauptversammlung, S.  145–149. Als Überblick Reinermann, »Gardens for the gar­ denless«.

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Insgesamt dominieren in den Beschreibungen dieser Studienreise, die 1909/10 in der Zeitschrift Die Gartenkunst abgedruckt wurden, der Pflanzenschmuck, die städtischen Squares, Vor- und Privatgärten.156 Aber was die Londoner Parks angeht, so erregten in gestalterischer Hinsicht speziell die großen, ausgedehnten Wiesenflächen die Aufmerksamkeit der deutschen Besucher. Eben darin sahen sie im Vergleich zu den heimischen Parks den großen Unterschied. In England sei der Rasen kurz geschoren oder man lasse Schafherden auf diesem weiden, da hohe Gräser und Blumenwiesen für eine intensive Nutzung, etwa durch Sport, nicht brauchbar seien.157 Eine weitere Besonderheit schien der deutschen Reisegruppe, dass die Parkwege nicht in Kurven, sondern weitgehend gerade verliefen. Sowieso gäbe es nur wenige Parkwege, da die Menschen einfach über den Rasen liefen, um an ihr Ziel zu gelangen. Überhaupt läge dem englischen Parkgestalter das deutsche Prinzip der Verwirklichung künstlerischer Ideen fern. Die moderne englische Parklandschaft habe weniger die Suggestion einer wilden, ursprünglichen Natur zum Ziel, sondern speise sich ihrer Idee nach aus dem durch die Landwirtschaft und Viehzucht geprägten Charakter des Landes – der »Kulturlandschaft«.158 Die Berichte der Englandreisenden wurden geradezu enthusiastisch, wenn sie auf die Parkbesucher und deren Verhalten zu sprechen kamen. »Alles ging über den Rasen, auf dem Rasen spielte sich das ganze Parkleben ab«, lautete der überraschte Eintrag in den Erinnerungen an die Studienfahrt. Ein Mitreisender beobachtete, wie es sich eine Gruppe Arbeiter zeitunglesend auf dem Rasen gemütlich machte, sich Kinder tummelten, wie sich Familien mit Kind und ­Kegel ungeniert auf dem Rasen einen Lagerplatz suchten und ganze Gruppen ihren Nachmittag sogar Ball spielend auf den Parkwiesen verbrachten. Kurzum: »[M]an hat das Gefühl, der Park wird bewohnt, nicht nur zum Spazierengehen benutzt.«159 Auch seien weit und breit keine Polizisten oder Parkwächter zu sehen gewesen, die diesem Treiben ein Ende gemacht hätten, war doch der Sport allgemein akzeptiert. Der bereits im Zusammenhang mit dem Vorgebirgspark genannte Kölner Gartenarchitekt und Vorsitzende der DGFG, Fritz ­Encke, fasste seine Eindrücke in einem Appell zusammen: »Wir haben auf unserer Reise gesehen, wie das englische Volk die Blume liebt, aber wir überzeugten uns auch davon, wie England die Liebe zu seiner Jugend bestätigt, indem es alle seine öffentlichen Parks für Sport und Spiel ausnutzt. Wir wollen diesem Beispiel folgen.«160 156 Die Berichte erschienen unter dem Titel »Erinnerungen an die Studienfahrt der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst nach England« in sieben Teilen in den Jahrgängen 11 (1909) und 12 (1910) der Zeitschrift »Die Gartenkunst«. 157 Schafe als natürliche Rasenmäher wurden unter Berufung auf die Praxis in England übrigens auch in deutschen Parks zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingesetzt, so im Ostpark in Frankfurt/Main. Siehe Heicke, Der neue Ostpark, S. 127–134. 158 Hoemann, Erinnerungen an die Studienfahrt, Teil 1, S. 172. 159 Ebd., Teil 1, S. 167–175. 160 22. Hauptversammlung, S. 148.

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Wo sind Unterschiede in der deutschen Rezeption englischer und US-amerikanischer Parks auszumachen? Zunächst fallen die verschiedenen Rezipientengruppen auf. Englische Parks erörterten hauptsächlich Gartenarchitekten. Demgegenüber erhoben in besonderem Maße Städteplaner und Vertreter der Sportbewegung US-amerikanische Anlagen zum Leitbild der deutschen Parkplanung, wobei es zu einer bemerkenswerten Kooperation zwischen Sportverbänden und prominenten, international tätigen Städteplanern kam. Damit zusammenhängend ist auch eine Veränderung des Blicks auf die Konzeption, Gestaltung und Funktion städtischer Parks feststellbar. So wurde die Bedeutung von Sport am Beispiel der USA mit konkreten, städtebaulichen Aspekten verknüpft. Das neue Feld, das man sich über die Vereinigten Staaten erschloss, war das des städtischen Sportstättenangebots, eine für die weitere Entwicklung des Sports in Deutschland elementare Frage. Diese neue Kombination kündigte sich bereits auf der Allgemeinen Städtebau-Ausstellung 1910 an. Die II. Abteilung der Ausstellung präsentierte 90 amerikanische Parks sowie Spiel- und Sportplätze. In diesem Zusammenhang verwiesen die Ausstellungsmacher  – die berufsständische Vereinigung der Architekten war federführend161  – auf die deutliche Überlegenheit des amerikanischen Städtebaus auf diesem Gebiet und unterstrichen den im Vergleich kläglichen Zustand in Deutschlands Städten.162 Es war vor allem der auch an der Städtebauausstellung maßgeblich be­ teiligte Werner Hegemann, der ausgehend von dieser Diagnose US-amerikanische Parkanlagen vehement als neues Leitbild propagierte. Hegemann war kein Gartenarchitekt. Er gilt als einer der führenden Architekturkritiker und Städtebautheoretiker der Weimarer Republik. Er war ein wichtiger, international tätiger Experte einer sich etablierenden urbanistischen Szene und lange Zeit mit Otto March, Hermann Muthesius und Paul Schultze-Naumburg Vertreter einer partei- und professionsübergreifenden Modernisierungsfraktion innerhalb der Architektur und Stadtplanung. Wegen seiner Tätigkeiten in den USA, unter anderem während der Städtebauausstellung 1909 in Boston, kann ihm eine herausragende Bedeutung bei der transatlantischen Zirkulation städtebaulicher Konzepte zugesprochen werden.163 Neben seinen Verbindungen in die USA sind ebenso die zur deutschen Sport- und Spielbewegung von Belang. Offensichtlich hatte Carl Diem 1909 in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Deutschen Sportbehörde für Athletik, und damit als einflussreicher Sportfunktionär,164 Hegemann eingeladen, um im Berliner Hauptausschuss zur Förderung der Leibesübungen einen Vortrag über Sportplätze in den USA zu halten. Dieser Ausschuss war im März desselben Jahres gebildet worden, um 161 Bernhardt/Bodenschatz, Berlin 1910; Bodenschatz, Platz frei für das neue Berlin! S. 35–38; ders./Radicke, Das »Großstadtungeheuer« Berlin, S. 72. 162 Führer durch die Allgemeine Städtebau-Ausstellung in Berlin, 1910, Nr. 522, 524, 527–529. 163 Collins, Werner Hegemann and the Search for Universal Urbanism, S. 26. 164 Becker, Den Sport gestalten, Bd. 1, S. 103–105.

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Koordinationsaufgaben zwischen Sportorganisationen und Behörden mit Blick auf die Sportplatzfrage zu übernehmen.165 In der Folgezeit entfaltete Hegemann eine rege Vortragstätigkeit zu amerikanischen Parkanlagen, organisierte 1910/11 in diesem Zusammenhang eine Wanderausstellung und veröffentliche kurz danach seine Ansichten in dem Buch Amerikanische Parkanlagen. Darin forderte er unmissverständlich eine am amerikanischen Vorbild orientierte Parkpolitik.166 Was diese Neuorientierung bewirken sollte, wird weniger im Geschriebenen – es handelt sich bei dieser Schrift im Wesentlichen um eine Druckfassung eines längeren Lichtbildvortrags – als in dessen Bebilderung deutlich. Diana Schulze hat in ihrer Studie überzeugend dargelegt, welche Bedeutung visuelle Elemente und speziell Photographien in den Gartendebatten hatten.167 In dieser Hinsicht lässt sich auch in Hegemanns Parkbuch beispielhaft eine visuelle Mobilisierung von Kindheit und Jugend in den Sport- und Parkdiskursen des frühen 20. Jahrhunderts beobachten. Nicht Photographien von Wegen und Baum- und Pflanzengruppen, nicht Pläne, die die Gartentopographie abbildeten und auch keine Bilder, in der einzelne Spaziergänger als Beiwerk für die Bebilderung der Parknatur herhielten, sondern Sport treibende Menschen, leger bekleidet und sich mit Sport und Spiel die Zeit vertreibend, dominieren sein Buch. Die Bilder transportierten unmissverständlich die Botschaft: Der amerikanische Park ist eine Anlage, in der man sich frei und ungezwungen bewegen und Sport treiben kann. Eben dies zu ermöglichen, darin besteht die Aufgabe des modernen Architekten. Aber welche Merkmale prädestinierten US-amerikanische Parks zum Vorbild und worin unterschieden sich diese von denen in England, vor allem wenn man Sporträume im Blick behält? Nicht nur Wiesen, die unter anderem zum Sporttreiben verwendet werden konnten, standen im Zentrum der Rezeption, sondern es ging mehr um den Sport an sich und damit um klar definierte Sport­ räume auch innerhalb von Parks. Im Falle US-amerikanischer Anlagen verwies man auf richtige, d. h. räumlich abgesteckte Fußballplätze und Rennbahnen, nicht auf Spielwiesen, die vielerlei Nutzungsmöglichkeiten boten, auf betonierte Schwimmbecken, die Wettkampfbedingungen genügten, und nicht auf Weiher, in denen man nur einfach schwimmen oder planschen konnte.168 Genuine Gestaltungselemente der Gartenarchitektur, wie etwa Pflanzenschmuck, spielten keine Rolle, es sei denn als unnütze Hindernisse, die die Implementierung von Sporträumen behinderten. Ferner faszinierte die Technisierung amerikanischer Parks. Beheizte Wannenbäder, Kraftstationen für elektrische Beleuchtung und Turbinenmaschinen sind Bestandteile, die bewundernd und ausführlich

165 Wassong, Playgrounds und Spielplätze, S. 211 f., 130. 166 Hegemann, Amerikanische Parkanlagen, S. 3. 167 Schulze, Der Photograph. 168 Rosenthal, Aus Chicagos öffentlichen Anlagen, Teil  1, S.  175; ders., Der Grantpark in ­Chicago, S. 8.

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Abb. 4 und 5: Zwei Beispiele aus der Bebilderung Hegemanns 1911. Die Bilder sollten das Parkleben in Chicago illustrieren. Originalbildunterschrift für die Abbildung oben: »Mädchen im Schwimmbad in einem Volkspark Chicagos«. Originalbildunterschrift unten: »Am Start auf der Wettlaufbahn. Die Läufer müssen mit der Hand die Startlinie berühren. Rechts der Turnwart.« Zwei Aspekte sind hier bemerkenswert: Erstens das Vorhandensein einer Rennbahn und eines Turnwarts. Beides war 1911 in deutschen Parks alles andere als verbreitet. Zweitens das ungezwungene Baden der Mädchen, vor allem vor dem Hintergrund, dass das öffentliche Baden in deutschen Parks überhaupt erst kurz zuvor gestattet worden war und in den meisten Fällen Mädchen und Frauen hiervon ausgenommen waren.

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beschrieben wurden.169 Auch für die heikle Frage der übermäßigen Beanspruchung des Rasens durch Sport schienen amerikanische Fachleute eine Lösung gefunden zu haben: ein ausgefeiltes System der unterirdischen Bewässerung, bei dem ein weit verzweigtes Drainagerohrnetz an die zentrale Wasserleitung angeschlossen worden war.170 Alle diese technischen Aspekte spielten bei der deutschen Rezeption englischer Parkanlagen keine Rolle. Zu den Fragen der inneren Gestaltung kamen quantitative Aspekte hinzu: Wie groß muss eine Sportfläche sein, wie viele Sporträume benötigt eine Stadt gemessen an der Einwohnerzahl? Mit Statistiken und Tabellen über US-amerikanische Parks versuchte man den Nachholbedarf Deutschlands zu verdeutlichen.171 Verglichen nicht nur mit den deutschen Anlagen, sondern mit allen europäischen, d. h. auch den englischen, erschien die Flächenausdehnung der Anlagen in den USA als geradezu verschwenderisch. Abbildungen unterstrichen die Größe amerikanischer Anlagen und ließen im Vergleich deutsche Parks umso kümmerlicher erscheinen.172 Schließlich richtete sich der Blick verstärkt auf die Verteilung von Park- und Sporträumen innerhalb der Stadt. In diesem Kontext ist in den zeitgenössischen Schriften häufig der Begriff »System« zu lesen. Dieser wurde bemerkenswert unsystematisch eingesetzt, doch bezeichnete er in diesem Zusammenhang vor allem ein nach städtebaulichen Prinzipien planmäßig ausgeführtes städtisches Parkwesen, das weder die innere Gestaltung noch die Verteilung im städtischen Raum dem Zufall überließ. Ein wesentliches Kennzeichen des planmäßigen Vorgehens sah man in der durchgängigen Berücksichtigung von Sport­räumen sowie in der gleichmäßigen Verteilung der Anlagen. Als Maßstab diente dafür die »Kinderwagenentfernung«, welche anschaulich die schnelle Erreichbarkeit zum Ausdruck brachte.173 Nicht unerheblich dabei war, dass die Londoner Parks schon länger bestanden, die großen amerikanischen Parks in den urbanen Zentren der Ostküste aber noch recht jung und von vornherein auf die Bedürfnisse der neuen urbanen Welt ausgerichtet waren. Diesen Gesichtspunkt stellten auch deutsche Beobachter in Rechnung. Aus dieser Sicht entsprachen die Größe und Sportausrichtung amerikanischer Anlagen dem modernen Leben, wie es gerade in den USA zum Ausdruck komme. Tausende von Menschen würden sich dort tummeln und Sport treiben. Die in England beängstigende Stille am Sonntag fände man in Amerika nicht.174 Genau darin, so eine verbreitete Ansicht, komme das Moderne, das den neuen Anforderungen der Großstadt Gemäße zum Ausdruck. Und genau darin liege auch der Unterschied zu den englischen Anlagen, die zwar auch für Sport 169 Ders., Aus Chicagos öffentlichen Anlagen, Teil 1, S. 175. 170 Kayser, Nordamerikanische Parkanlagen, S. 115. 171 Prägnante Beispiele hierfür in ebd., S. 115, 117, 118, 120. 172 Neumann, Die öffentlichen Parkanlagen in Boston und Philadelphia; Hegemann, Drei Hauptstücke, S. 23 f. 173 Hegemann, Drei Hauptstücke, S. 26. 174 Neumann, Die öffentlichen Parkanlagen, S. 97.

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und Spiel geeignet seien, denen aber doch das Systematische, Planmäßige fehle. In dieser Perspektive erschienen die amerikanischen Anlagen als eine konsequente Fortführung und Weiterentwicklung der englischen, nur moderner, größer und systematischer ausgeführt.175 c) Eine USA-Reise: Zusammenführung von Olympismus und Sportstättenbau Die Zusammenführung der Stränge Sportstättenbau und der nach nationalen Gesichtspunkten geordnete sportliche Erfolg bei den Olympischen Spielen geht in vielerlei Hinsicht auf eine Studienreise von vier Männern zurück. Im Auftrag des DRAfOS brach im Spätsommer 1913 sein Generalsekretär Carl  Diem zu einer fünfwöchigen USA-Reise auf – begleitet von Martin Berner, Josef Waitzler, einem Übungsleiter des Münchener Turnvereins 1860, und Oberleutnant Walter von Reichenau, einem Bekannten Diems aus dessen Zeit beim Berliner Sportclub.176 Der DRAfOS finanzierte diese Reise, nur von Reichenau reiste offiziell im Auftrag des Kriegsministeriums, das einen Teil  seiner Reisekosten trug.177 Vom 20. August bis zum 23. September absolvierte diese Studienkommission ein beträchtliches Programm: Sie besuchte die Städte New York, Washington, Pittsburgh, Chicago, Philadelphia und Boston, besichtigte dort städtische Parkanlagen, Sportplätze, Clubgebäude, inspizierte Trainingsmethoden und nahm Kontakt zu einigen Sportvereinen auf. Außerdem standen Besuche der Kadettenanstalt West Point, der Marine-Akademie in Annapolis sowie der Universitäten in Princeton, Cambridge und New Haven auf dem Programm.178 Die zwei Aufgaben, mit denen diese Gruppe betraut worden war, sind nur vor dem Hintergrund der Vergabe der Olympischen Spiele nach Berlin zu verstehen. Die Berliner Spiele sollten der Welt ein positives Bild von Deutschland vermitteln, und zwar in organisatorischer wie in sportlicher Hinsicht. Doch da die dürftigen Erfolge deutscher Athleten bei den ersten sechs neuzeitlichen Olympischen Spielen kaum als Ausweis einer herausragenden körperlichen Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes taugten, galt es zunächst, für 1916 einen geeigneten Trainer 175 Hegemann, Drei Hauptstücke, S. 26. So auch H. Koch, Neuere Gartenkunst, S. 29. 176 Wassong, Playgrounds und Spielplätze, S. 212 f. Walter von Reichenau war später Mitglied des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin und von 1938–1942 Mitglied des IOC. Im Zweiten Weltkrieg, von Reichenau war mittlerweile zum Generalfeldmarschall ernannt worden, war er für mehrere Kriegsverbrechen der Wehrmacht in der Sowjetunion verantwortlich. Siehe Benz u. a., Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 100, 411, 873. 177 Diem, Ein Leben für den Sport, S. 90. Allgemein zu den immensen Kosten einer Amerikareise zu Beginn des 20. Jahrhunderts siehe A. Schmidt, Reisen in die Moderne, S. 70–72. 178 Das Programm der Kommission ist abgedruckt in Diem, Sport und Körperschulung in Amerika, S. 62 f.

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zu gewinnen. Dieser Auftrag wurde mit der Verpflichtung des deutschstämmigen Sportlers und Leichtathletiktrainers Alvin Kraenzlein erfüllt.179 Von größerer Bedeutung aber war, die Ursachen für die überragenden Erfolge amerikanischer Athleten in Erfahrung zu bringen. Damit richtete sich der Blick auch auf die amerikanischen Sportstätten. Diese Reise zog eine beachtliche publizistische Tätigkeit nach sich. M ­ artin Berner versorgte Tageszeitungen mit Artikeln, die die Sportbedingungen in den USA zum Thema hatten, während Carl Diem eine Schrift über das amerikanische Sportsystem verfasste.180 Berner bediente mehrmals die Woche die Boulevardzeitung Berliner Zeitung am Mittag (B. Z.), wobei er einen Teil seiner Artikel noch während der USA-Reise schrieb und nach Deutschland leitete, so dass diese schon im September 1913 gedruckt werden konnten.181 Allerdings erregte Diems Sport und Körperschulung in Amerika größere Aufmerksamkeit.182 Dieses schmale Büchlein erschien bereits 1914 in einer Auflage von 4.000 Exemplaren, von denen der DRAfOS ca. 200 im Rahmen einer Werbe­ kampagne für den öffentlichen Sportbau an staatliche und kommunale Behörden versandte.183 Vieles spricht dafür, dass das Verfassen dieser Schrift wie überhaupt die publizistische Vermarktung dieser Reise von vornherein intendiert waren. Aus Diems Schrift, um die es auf den nächsten Seiten hauptsächlich geht, lassen sich drei Kernthesen herauslesen. An erster Stelle steht die Behauptung, dass die amerikanische Lebensart und Mentalität in hohem Maße durch Wettkampf und Sport bestimmt sei. Hierbei stellte Diem die pädagogische Wertschätzung des Sports in den Mittelpunkt, wobei er es nicht versäumte, die vermeintlich kriminalitätsverhütende Wirkung von Sport in amerikanischen Großstädten zu erwähnen.184 Programmatisch fasste er zusammen: »Der Ame179 Kluge, Olympische Sommerspiele, S. 96; Weiterhin Berner, Alvin C. Kraenzlein. 180 Waitzler, Berner und von Reichenau steuerten Beiträge zu der hauptsächlich von Diem verfassten Schrift bei: Reichenau, Armee und Marine, S. 40–42; Waitzler, Technische Ausbildung, S. 43–47; Berner, Öffentlichkeit und Presse, S. 48–51. 181 Siehe dazu: Jugendsport in Amerika. Eindrücke der deutschen Olympia-Studienkommission, in: B. Z. am Mittag, 10. September 1913; Amerikanische Spezialitäten. Eindrücke der deutschen Olympia-Studienkommission, in: B. Z. am Mittag, 17. September 1913; Amerikas Sportklubs, in: B. Z. am Mittag, 1. Oktober 1913; Harvard und Yale. Der Sportbetrieb an den amerikanischen Universitäten, in: B. Z. am Mittag, 3. Oktober 1913; Popularität des Sports in Amerika, in: B. Z. am Mittag, 6. Oktober 1913. Eine umfangreiche Sammlung der Zeitungsartikel von Martin Berner zur Amerikareise 1913 befindet sich in CuLDA, Sachakten, Mappe 629: Martin Berner sowie in den Mappen 773 und 774: Sport und Presse, Zeitungsausschnitte von Martin Berner. 182 Diem, Sport und Körperschulung in Amerika. Weitere Variationen des Themas publizierte Diem 1914 unter dem gleichlautenden Titel in der »Jungdeutschlandpost«. 183 Wassong, Playgrounds und Spielplätze, S.  242. Diems Schrift erschien am Ende einer Phase, in der Amerikaberichte in Deutschland sehr populär waren. Siehe A. Schmidt, Reisen in die Moderne, S. 45 f. 184 Vgl. Wassong, Playgrounds und Spielplätze, S. 227.

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rikaner kennt keine Leistung ohne Wettkampf«. Zudem glaube man in den USA, der »Sieger der Rennbahn« werde »auch Sieger im Wettkampf des Lebens« sein.185 Dementsprechend erwarte der Amerikaner vom Wettkampf die Förderung der Entschlusskraft, eine Stärkung des Willens und der Nerven.186 Deutlich wird eine dichotome Typologisierung, die dem agilen Amerikaner den gemütlichen Deutschen gegenüberstellt,187 wobei die Omnipräsenz des Sports in allen Lebensbereichen als Ausdruck dieser Agilität dargestellt wird. Diese Mentalität goss er auch in die Form eines »typisch« amerikanischen Körpers: »Große aufrechte Figur, breite Schultern, gewölbte Brust, stämmiges Kreuz, fleischige, doch schlanke Muskeln und sehnige gerade Beine« seien die äußeren Kenn­ zeichen des US-amerikanischen »Menschenmaterials«.188 Zweitens wollte Diem zeigen, dass die olympischen Erfolge auf dem Lebensstil eines großen Teils der Bevölkerung beruhen. Sport sei ein selbstverständ­ licher Teil des Lebens: »Fabrik gegen Fabrik, Geschäft gegen Geschäft, in großen Häusern Abteilung gegen Abteilung; Religionsgemeinschaften, Kirchen haben ihre ›Teams‹, die sich im Kampfe messen. Dann natürlich Hochschulen und Universitäten, diese wieder in einzelnen Verbänden, so daß die großen Universitäten mit ihrer gewaltigen Auswahl unter sich sind.«189 Diese Ausführungen führten drittens zu der entscheidenden Schlussfolgerung, dass die sportlichen Erfolge und das massenhafte Sporttreiben nur auf der Basis einer weit entwickelten, auf methodischen Grundsätzen aufbauenden, vom Staat, den Kommunen und privaten Stiftern großzügig geförderten Sportinfrastruktur möglich seien. Die Frage, wie sich der Sport in den USA zu einem integralen Bestandteil des Alltags entwickelt habe, beantwortet Diem mit den zahlreichen städtischen Sportplätzen und Parkanlagen. Wer gesehen habe, wie auf den Sportplätzen »die jüngste Jugend bis zum ältesten Alter in irgendeinem Sport sich erfreut, der findet die wahren und gesunden Ursachen für das große Sportinteresse.«190 Das Bild, das hier von den USA gezeichnet wurde, ist das eines modernen Sportutopia, in dem es vollkommen selbstverständlich ist, dass sich die gesamte Bevölkerung freiwillig über den sportlichen Wettkampf für die Anforderungen des modernen Lebens wappnet und jedes Individuum sich aus eigenem Antrieb gesund erhält.191 Das engmaschige Sportstättennetz bilde die Basis sowohl für die breite Verankerung des Sports in der Bevölkerung als auch für die Herausbildung einer leistungsfähigen Sportelite. Die zahlreichen Sportplätze verwandelten sich in dieser Gedankenführung zu Trainingsstätten, aus denen zu Ehren 185 Diem, Sport und Körperschulung in Amerika, S. 12. 186 Ebd., S. 11 f. 187 Allgemein dazu A. Schmidt, Reisen in die Moderne, S. 160. 188 Diem, Sport und Köperschulung in Amerika, S. 8. 189 Ebd., S. 10. 190 Ebd., S. 6. 191 Siehe hierzu auch Becker, Den Sport gestalten, Bd. 1, S. 190.

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der Nation die späteren Olympiasieger hervorgingen.192 Dem Sportstättenbau wird also sowohl für die Entwicklung des Breitensports als auch für die Erfolge bei den Olympischen Spielen die Schlüsselrolle zugesprochen. In diese drei Kernthesen war ein weiterer Argumentationsstrang ein­gewoben, so dass die Schrift nicht nur als eine Beobachtung US-amerikanischer Sport­ verhältnisse und Werbung für den Bau von Sportstätten in Deutschland, sondern auch als eine Auseinandersetzung mit dem Turnen gelesen werden konnte.193 Das Argument von der sportlichen Durchdringung des Alltags und die Beschreibung der Menschenmassen, die auf den vielen dafür vorgesehenen Plätzen Sport treiben, ließ sich hervorragend gegen das von den Turnern vorgebrachte Urteil richten, der Sport mit seinem Konkurrenzgedanken erschaffe nur Spezialisten und Professionelle. In dieser Perspektive bedingen sich Breiten- und Spitzensport gegenseitig. Und in der Zusammenführung von modernem Leben und Wettkampfprinzip war auch der Vorwurf enthalten, das Turnen sei mit seiner Absage an den Wettkampf hoffnungslos antiquiert, orientiere sich nicht an den Bedürfnissen der Menschen und versage angesichts der Herausforderungen der Moderne.194 Diems Schrift rekurriert so auf gesellschaft­ liche Diskurse, in denen die Entwicklung in den USA als der richtige Weg in die Moderne interpretiert wurde.195 Eben deswegen wurde Diem massiv kritisiert. Er habe über den Umweg der Sportplätze eine tendenziöse Propagandaschrift für den Wettkampf und Höchstleistungen verfasst, war 1914 in der Monatsschrift für das Turnwesen zu lesen. In einer Mischung aus gekränkter Eitelkeit, antiamerikanischen Versatzstücken und Deutschtümelei schlug der Turner Albert Siebert sogar vor, die Verbreitung der Schrift solange einzustellen, bis eine genaue Prüfung des Inhalts erfolgt sei.196 Die Anschuldigung wog schwer, weil sie mit dem Vorwurf der mangelnden Kenntnis und grober Ungenauigkeit versetzt war. Ein Beispiel hierfür sind die Ausführungen zum vermeintlich vorbildlichen Spielplatzsystem in Philadelphia, das zum Zeitpunkt der USA-Reise zwar geplant, aber so noch gar nicht existiert habe. Von den auf einer Projektskizze aufgeführten Spielplätzen sei nur ein Drittel verwirklicht gewesen; dies habe Diem entweder nicht gewusst oder bewusst unterschlagen.197 Überhaupt sei diese Schrift nur eine von vielen, die sich mit dem Sport- und Parksystem der USA beschäftigten. Sie wiederhole nur längst Bekanntes und sei infolgedessen nur von ge­ ringem Wert. Insgesamt attestierte Siebert Diem eine »doppelte Hypnose«: Er habe u ­ nter einem »Amerikarausch« gestanden und sei von der fixen Idee besessen g­ ewesen, 192 Diem, Sport und Köperschulung in Amerika, S. 17. 193 Quanz, Studien zu Bild und Funktion, S. 136 f. 194 Ausführlich Becker, Den Sport gestalten, Bd. 1., S. 190–192. 195 Siehe Mauch/Patel, Wettlauf um die Moderne. 196 Siebert, Sport und Körperschulung, S. 2. 197 Ebd., S. 2, 4.

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Propaganda für den Sport und für Sportplätze machen zu müssen. Dabei entzündete sich seine Kritik vorrangig an der abschätzigen Art, in der Diem das Turnen dargestellt hatte. In dieser Hinsicht sei diese Schrift ein schwerer Schlag gegen zwei »deutsche Kulturwerte«: »deutsche Erziehung und deutsches Turnen«.198 Diese Klage kann vor dem Hintergrund der Werbeaktion, die mit der Verbreitung von Diems Schrift verbunden war, als ein Ausdruck der Befürchtung interpretiert werden, die Popularität des Turnens könne weiter abnehmen.199 So gesehen verstand sich diese Kritik auch als ein Beitrag zu einer generellen Kritik an der Moderne. In den Worten Sieberts: »Ich möchte aber mit Nachdruck auf die Gefahren der übertriebenen ›Individualisierung‹, ›Spezia­ lisierung‹ und des Rekordwesens hinweisen. Wir Deutsche müssen in Heer, Beamtenschaft und Öffentlichkeit unser Volk dazu erziehen, daß es sich in den Gemeingeist einordnet, auch sich ihm unterordnen lernt; unser Staat kann die Zusammenarbeit der Massen, die einheitliche Erziehung der Massen, des ganzen Volkskörpers nicht entbehren.«200 Carl  Diem war in der Tat weder der Erste noch der Einzige, der über die Sportstätten in den USA berichtete. Der Großteil der von ihm vorgelegten Argumente war von anderen Autoren bereits an anderer Stelle veröffentlicht worden.201 Man sollte davon ausgehen, dass die Wahrnehmungsmuster vorgeformt waren, wobei hier im Sinne Kosellecks der eigene Erfahrungsraum als Folie für die Erfassbarkeit des Gesehenen diente.202 Bei Diems Veröffentlichung handelte es sich im Wesentlichen um eine gefällige und publikumswirksame Zusammenfassung und Bündelung von verstreut in gartentheoretischen und städtebaulichen Publikationen vertretenen Auffassungen, die dem Sport und Sportstättenbau positiv gesinnt waren. Selbst die Kernthese Diems, die Erfolge der US-Athleten bei den Olympischen Spielen fußten auf dem Vorhandensein vieler gut ausgestatteter städtischer Sportplätze, war nicht neu. Ein Jahr zuvor hatte Leberecht Migge die Frage, warum bei den Olympischen Spielen die amerika­ nischen Athleten so gut abgeschnitten hatten, folgendermaßen beantwortet: »Die 1000  Spielparks der Amerikaner waren es, die ihnen jene körperliche Überlegenheit […] verliehen.«203 Dass Diems Schrift durch Widersprüche und Auslassungen gekennzeichnet ist, überrascht genau genommen wenig.204 Aber der Vorwurf, er habe bewusst die in den USA vorgefundenen Verhältnisse zu seinen Zwecken umgedeutet und Aspekte der amerikanischen Sportentwicklung, die nicht in seine Argumentation passten, ausgelassen, verkennt den Zweck und Charakter dieser 198 Ebd., S. 4. 199 Wassong, Playgrounds und Spielplätze, S. 242. 200 Siebert, Sport und Körperschulung, S. 5 f. 201 Beispielsweise Hegemann, Amerikanische Parkanlagen; H. Koch, Gartenkunst; Schultze, Amerikanische Volksparks. 202 Koselleck, Vergangene Zukunft, S. 349–375. 203 Migge, Die Gartenkultur, S. 26. 204 Hierzu Wassong, »US-American Playgrounds«, S. 80 f.

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Schrift. Bei Sport und Körperschulung in Amerika handelt es sich nicht um einen Reise­bericht, der um Ausgewogenheit und Faktizität bemüht ist, sondern um eine in das Gewand eines Reiseberichts205 gekleidete Werbeschrift für den Sport und den Sportplatzbau, die erstens durch semantische Figuren wie »die Kommission hat gesehen« oder »in den von uns besuchten« Faktizität suggerieren und dadurch die eigenen Argumente stärken sollte und in der es zweitens weniger um die Gegebenheiten in den USA ging als um die Kritik an den widrigen Sportverhältnissen in Deutschland.206 Und nicht zuletzt ging es darum, mittels der utopisch anmutenden Zukunftsvision, für die die USA standen, das Gesehene in Deutschland umzusetzen. Hierbei wies Diem jedoch von sich, irgendetwas amerikanisieren zu wollen. Er versuchte, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er klarstellte, dass das, was »Amerika an Einrichtungen für Sport und Körperübung besitzt, […] nicht etwa ›amerikanisch‹, sondern zweckmäßig« sei.207 Das Argument der Zweckmäßigkeit wurde gegen den Vorwurf der schleichenden Amerikanisierung durch den Sport in der Folgezeit auch andernorts aufgenommen. Im Athletik-Jahrbuch 1914 führte der ehe­malige Geschäftsführer der Deutschen Sportbehörde für Athletik, Wilhelm Malessa, unter der kämpferischen Überschrift An unsere Gegner aus: »Es kommt nicht darauf an, daß wir das Deutscheste im Lande haben, sondern daß wir das Beste haben«.208 Was aber war »das Beste«, was genau erachtete Diem als zweckmäßig und nachahmenswert? Welche Forderungen leitete er aus seinen Erörterungen ab? Insgesamt beinhaltet Sport und Körperschulung in Amerika elf Forderungen: Ausbildung einer Sportlehrerschaft, die sportive Gestaltung des Schulturnens, Vorrang von Sport- und Turnvereinen vor Schulsportvereinen, Sportangebote für Jugendliche, sportliche Ergänzung der gymnastischen Ausbildung, Verwissenschaftlichung des Trainings, Einbeziehung des Sports in das Militär­wesen, Entwicklung großer Sportvereine, Förderung des Hochschulsports, Förderung von Sport durch die öffentliche Hand und privaten Stiftungen.209 Aber als Kardinalaufgabe benannte Diem die Spielplatzfrage: »Einige Städte bauten, andere ließen es sein. Da also auf freiwillige Arbeit nicht zu rechnen ist, müssen gesetzliche Maßnahmen an die Stelle treten, die verlangen, daß für ein bestimmtes Areal Land und entsprechend der darauf lebenden Einwohnerschaft ein bestimmter Platz für Spielzwecke freigemacht wird. Auch der Begriff Spielplatz muß deutlich festgelegt werden, sonst kommen die merkwürdigsten Irrtümer vor. Ein Spielplatz muß alle für die Volkssports und Spiele nötigen Einrichtungen in mustergültiger Form und ausreichender Größe […] haben.«210 Dabei er205 Weiterführend Brenner, Der Reisebericht. 206 Vgl. Becker, Den Sport gestalten, Bd. 1, S. 194. 207 Diem, Sport und Körperschulung in Amerika, S. 12 f. 208 Malessa, An unsere Gegner, S. 12. 209 Diem, Sport und Körperschulung in Amerika, S. 52–59. 210 Ebd., S. 53 f.

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laubten ihm die amerikanischen Beobachtungen als Gegenentwurf zu der als entwicklungsbedürftig dargestellten deutschen Situation, die Förderung des Sportstättenbaus mit detaillierten Angaben zu unterfüttern, wie etwa mit der Relation von Wohnfläche zu Sport- und Parkfläche oder von Bevölkerungszahl und Sportfläche. Wenn Diem den diffusen Gehalt des deutschen Begriffs »Spielplatz« anprangerte, konnte er mit Blick auf die US-amerikanischen Plätze eine Definition liefern: Der eigentliche Spielplatz müsse in zwei Teile gegliedert werden. Er bestehe nämlich aus einem Kinderspielplatz und aus einem Sportplatz, dessen Merkmale genau angegeben wurden: Er müsse von einer sportgerechten Aschenlaufbahn, den Standards entsprechend vierhundert und einen halben Meter lang, umgeben sei; auf dem Sportplatz selbst müsse es Abschnitte für Rasensportarten, Wurf- und Sprungübungen, Hindernisse und Geräte geben.211 Insgesamt lieferte diese Schrift also keine Beschreibung der tatsächlichen amerikanischen Verhältnisse, sondern eine Idealvorstellung bzw. Leitbilder, die mehr über den Betrachtenden als über das Betrachtete aussagen.212 Entscheidend war, dass im Vergleich zu den USA die Sportbedingungen in Deutschland kümmerlich, die bisherigen Anstrengungen der Kommunen engstirnig und beschränkt wirken mussten. Darin liegt eine weitere Bedeutung von Sport und Körperschulung in Amerika: Die mit Bezug auf das Vorbild USA entwickelten Forderungen waren eine Grundsatzerklärung, die bis in die 1920er Jahre hinein eine wichtige Orientierungsmarke darstellte.

5. Regeln und Standards »Altes muß in Haufen weichen vor den Errungenschaften der Technik, zum andern sind die neuen Formen noch nicht immer gefunden.«213

Das Leitbild USA und die Motive der Reisenden zeigen paradigmatisch zwei für die Herausbildung von Sporträumen wesentliche Entwicklungsstränge. Zum einen zeichnete sich ein Prozess der Einschließung und Spezialisierung ab, d. h. ein Bemühen, zu klar definierten Kriterien zu gelangen, die einen Sportplatz 211 Ebd., S.  58 f. Offen bleiben muss hierbei die Frage, inwieweit die Hervorhebung Diems der unterschiedlichen Klassifikationen in den USA auch mit der englischsprachigen Unterscheidung zwischen »Game« und »Play« zu tun haben könnten. Während der Begriff »Play« hauptsächlich das Vergnügen und das von Notwendigkeit und Konsequenz befreite Spielen betont, charakterisiert – hier nur grob skizziert – der Terminus »Game« das Spiel in regelgebundenen Situationen. Siehe grundsätzlich Goffman, Fun in Games. Vgl. auch Neuenfeld, Alles ist Spiel, S. 142 und Poser, »Kannst Du bremsen, Geliebter?«, S. 19–22. Den Hinweis auf diese Problematik verdanke ich Mikael Hård. 212 Kaschuba, Erkundungen der Moderne, S. 38. 213 Zitat Berner, Fußballsport und Staat, S. 110.

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auszeichneten. Damit verknüpft war zum anderen die Tendenz, Sport abzulösen von unspezifischen und mehrdeutigen Räumen, wie etwa Parks. Für diese Annahme spricht, dass die ersten Jahre nach der Jahrhundertwende, in denen auch die Debatten um die Leitfunktion der USA stattfanden, von einer zunehmenden Verregelung und Standardisierung geprägt waren, die einzelne Sportdisziplinen, Sportgeräte und nach und nach auch die Sporträume erfassten. Vor allem den Sportvereinen und -verbänden ging es um eine genaue Definition des Sportplatzes, insbesondere in Abgrenzung zum allgemeineren Spielplatz. Es ging um Fragen der baulichen Gestaltung, um Maße und Abmessungen, um räumliche Ordnungen, um die Bodenbeschaffenheit der Spiel­ fläche und Laufbahn, um den Winkel der Kurvenerhöhungen, kurz, es ging um die Schaffung von sportiven Funktionsräumen. Mit dem von John Bale geprägten Begriff des »Sportscape« kann man diesen Prozess als eine an den besonderen Anforderungen des Sportes ausgerichtete Umformung von Landschaft unter Indienstnahme von Wissenschaft und Technik fassen.214 Im Gegensatz zu den weitgehend ephemeren Sport- und Spielräumen in städtischen Brach­ flächen oder den unter dem Zeichen der Jugendpflege entstandenen Sporträumen in Parkanlagen standen hinter diesen Bemühungen die Kernmerkmale des modernen Sports: Wettkampf, sportliche Leistung und Chancengleichheit. Aus diesem Grund waren es insbesondere die Sportverbände und -vereine, nicht Parkreformer oder Architekten, die sich bemühten, Orte zu schaffen, die erstens möglichst gute Bedingungen für den Wettkampf und die Produktion von sportlicher Leistung boten und zweitens weitgehend standardisiert waren, um eine exterritoriale Vergleichbarkeit der erbrachten Leistungen zu ermöglichen. Dieser Prozess lässt sich an zwei auffälligen Erscheinungen nachzeichnen. Erstens sticht die zunehmende Anzahl von Verbandspublikationen ins Auge, die neben Informationen zu Spielregeln auch detaillierte Auskünfte über einen wettkampftauglichen Sportplatz enthielten.215 Diese Publikationen waren aber nicht nur Informationsschriften, sondern gleichermaßen eine Aufforderung zur Einhaltung verbindlicher Regeln auf einem für alle verbindlich herzurichtenden Sportplatz. Ich möchte diesen Punkt am Beispiel der beiden zu Beginn des 20. Jahrhunderts mitgliederstärksten Sportverbände in Deutschland erläutern: dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Deutschen Sport-Behörde für Athletik (DSBfA). Um 1910 veröffentlichte der DFB erstmals ein Büchlein, das angesichts der in den Vereinen häufig anzutreffenden Unkenntnis das allgemein gültige Regelwerk enthielt216 – für Karl Markus eine »Großtat« in der Geschichte des Fuß214 Bale, Landscapes, S. 2 f. 215 Erste große Anstrengungen zur Vereinheitlichung der Spielregeln lassen sich bis in die 1890er Jahre zurückverfolgen. Ein Ausdruck hierfür war die Gründung des Technischen Ausschusses des ZA 1894. Siehe Prange, Der Zentralausschuss, S. 196. 216 Deutscher Fußball-Bund, Fußballregeln 1912–13. Siehe auch Marum, Der Schiedsrichter, S. 99–103.

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balls.217 Etwa zur gleichen Zeit häuften sich Beiträge, die sich speziell mit den Ausmaßen des Spielfeldes, seiner Bodenbeschaffenheit und räumlichen Binneneinteilung auseinandersetzten. Zwar beschäftigte sich auch der ZA bereits um die Jahrhundertwende mit den Größenverhältnissen von Sport- und Spielplätzen, doch er hatte vielmehr Schüler im Blick, wenn er Richtwerte für das als angemessen erachtete Pro-Kopf-Verhältnis von Jugendlichen zu Grünfläche formulierte.218 Der DFB hingegen setzte unter anderem fest, dass das Spielfeld möglichst 70 × 105 Meter, unter allen Umständen aber 90 bis 120 Meter lang und 50 bis 90 Meter breit sein sollte. Insgesamt wurden die Vorteile eines solcher­ maßen mustergültigen Platzes mit ausschließlich sportlichen Argumenten unterfüttert. Ein Beispiel: In der Praxis spielte man häufig auf Kiesboden. Um dem Kiesboden die Feuchtigkeit zu entziehen und ihn bespielbar zu machen, unterlegte man den Kies mit Bockasche. Darüber brachte man eine Schicht aus Lehm und Kies auf, so dass sich eine feste Fläche herrichten ließ.219 Zwar finden sich Beschreibungen, die nicht ohne Ironie die Vorzüge der Kiesböden oder insgesamt der »altertümlichen« Sportplätze anpriesen, wie: »Maulwurfshügel, kleine Gräben und Erhöhungen bildeten prächtige Hindernisse, und die Balltechnik jener Zeit war solchen Hindernisrennen durchaus angepasst. Zerschlagene Seltersflaschen und sonstige scharfkantige Sachen sorgten für [eine] Schärfung des Blicks.«220 Aber das vom DFB vertretene Ideal war ein kurz geschorener Rasen, »wie ein Billard, weich wie ein Moosteppich und doch widerstandsfähig genug […]. Keine Unebenheit stört hier den Flug des Balls; die Balltechnik aber feiert Triumphe.«221 Mit ihrer ab 1905 erscheinenden Anleitung zur Veranstaltung athletischer Wettkämpfe setzte die DSBfA ein noch deutlicheres Signal. Neben Ratschlägen zur professionellen Aufstellung eines Wettkampfprogramms, zur Formulierung von Ausschreibungen, zur Werbetätigkeit und zur Arbeit der Rennleitung bildeten die ausgesprochen ausführlichen Anweisungen zur fachgerechten Herrichtung eines Sportplatzes zweifelsohne den Schwerpunkt dieser Schriften. Insgesamt lassen sich fünf Kernbereiche identifizieren: 1. Grundsätzlich ging es um die Ausmaße des möglichst frei gelegenen und ebenen Platzes. Das Hauptkriterium hierbei war, dass sich um den Platz eine mindestens 300, maximal 500, idealerweise 400 Meter lange Laufbahn legen ließ.222 2. Des Weiteren drehten sich die Ausführungen um die Bodenbeschaffenheit, wobei sich die Anforderungen an den Sportboden innerhalb kürzester Zeit 217 Markus, Die Entwicklung, S. 28. 218 F. A. Schmidt/K. Koch, Leitsätze über Neuanlage und Einrichtung, S. 303–305; ders., Über die Notwendigkeit, S. 176–178. 219 Grundner, Spielregeln und Spielfeld, S. 164 f. 220 Ebd., S. 167. 221 Ebd., S. 168 f. 222 Diem, Anleitung zur Veranstaltung athletischer Wettkämpfe (1908), S. 30.

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veränderten. 1905 etwa galt wie beim DFB ein elastischer und kurzgeschorener Grasboden als der beste Wettkampfboden. Aschenbahnen wurden zwar positiv bewertet, aber zugleich mit dem Hinweis versehen, dass diese in Deutschland nicht vorzufinden seien. Auch wurde angeregt, die Fahrflächen von Radrennbahnen zu nutzen, falls die Kurvenerhöhungen nicht zu steil waren.223 Nur drei Jahre später, Aschenbahnen waren in Deutschland mittlerweile vorhanden, wurden diese und Grasböden gleichermaßen zur Nutzung empfohlen. Der aus der Not geborene Vorschlag zur Verwendung von Radrennbahnen entfiel komplett.224 3. Ferner sind diesen Schriften einfache Anweisungen zur Form der Bahn zu entnehmen. Die zuvor übliche unpräzise Formulierung »ei- oder birnenförmig« wurde 1908 ersetzt durch: »Man lege die Bahn elliptisch mit zwei Längsseiten und zwei abgeflachten Halbkreisen ähnelnden Kurven an, deren Länge nie unter 60 m (Kurven) sinken soll«.225 4. Darüber hinaus wurden auch die Absteckungen standardisiert. Die D ­ SBfA schrieb vor, die Absteckung der Bahn entweder mit einem auf kleinen ­Pflöcken dicht über der Erde befestigten weißen Band oder, was in den Anleitungen bevorzugt empfohlen wurde, mit einer einfachen, 30 cm über der Erde an kleinen Pfählen angebrachten Schnur zu markieren. Die einzelnen Laufbahnen für den einzelnen Läufer wiederum waren in einem Abstand von 1,20 Meter voneinander mit Kreidestrichen zu markieren. Ähnliche Anweisungen gab es auch für die Startmarkierungen.226 5. Schließlich legte die Schrift genauestens die Herrichtung und die Abmessungen der Sprung- und Wurfanlagen fest. Geregelt wurden die Anzahl der Sprungbahnen (drei, wenn Wettkämpfe in Hoch- Weit- und Dreisprung vorgesehen waren), die Absprungstelle (10 cm breit, bestehend aus einem weißgestrichenen, weichen Holz auf gleicher Höhe mit dem Erdboden), die Aufsprungstelle (Sand, am besten Lohe) und vieles andere mehr.227 Aus jeder Zeile dieser Schriften spricht der unbedingte Wille der Athletik­ behörde, die räumlichen Bedingungen der Wettkämpfe bis ins kleinste Detail zu regulieren. Dabei hatte die Behörde bei der großen Anzahl der ihr angehörigen Vereine durchaus die Möglichkeit, die ordnungsgemäße Herrichtung von Sportplätzen zu kontrollieren und durchzusetzen. Die Vereine hatten die Wettkämpfe bei der DSBfA anzumelden und diese erlaubte die Abhaltung nationaler 223 Ders., Anleitung zur Veranstaltung athletischer Wettkämpfe (1905), S. 78. 224 Ders, Anleitung zur Veranstaltung athletischer Wettkämpfe (1908), S. 30. 225 Siehe ders., Anleitung Veranstaltung athletischer Wettkämpfe (1905), S. 78; (1906), S. 102– 114, hier S. 107; (1907), S. 5–55, hier S. 85 und Zitat (1908), S. 30 (alle abgedruckt in den entsprechenden Bänden des Athletik-Jahrbuchs). 226 So beispielsweise ebd. (1906), S. 107. 227 Siehe stellvertretend für viele gleichlautende Ausführungen in anderen Jahrgängen ebd. (1908), S. 32 f.

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und internationaler Wettkämpfe erst nach zweimaliger Beaufsichtigung regionaler Ver­anstaltungen, bei denen auch die Sportplätze begutachtet wurden.228 Weiterhin wurde die Herausbildung von sportiven Funktionsräumen in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts neben den Bauauforderungen und den dazugehörigen Informationen durch ausführliche, von Ingenieuren verfasste Bauanleitungen begleitet. Es ging hierbei mehr um das Wie als um das Was. Dabei dienten vor allem die oben dargelegten Anweisungen der DSBfA als Richtlinie.229 Auch hier ist es bemerkenswert, dass wiederholt und keinesfalls in herabsetzender Art und Weise auf die unspezifischen Sporträume Bezug genommen wurde, um das Neue des funktionalen, professionell hergerichteten Sportplatzes hervorstechen zu lassen: »Wenn man allerorten angehende Fußballspieler und improvisierte Mannschaften auf den mannigfaltigsten Plätzen, Wiesen usw. in Tätigkeit sieht, so liegt die Auffassung nahe, daß an ein Spielfeld für den Fußballsport nur geringe Anforderungen zu stellen sind. […] Eine ebene Wiese oder die besandete Fläche der städtischen Plätze, irgendein Exerzierplatz oder Kasernen­hof genügt den wenig verwöhnten Spielern, um mit Lust und Liebe dem Sport zu huldigen. Man behilft sich eben. Etwas anderes ist es aber, wenn der Platz dauernder Benutzung dienen soll, wenn auf ihm Wettkämpfe von Bedeutung ausgetragen werden.«230 Während sich an den Informationsschriften zu den Charakteristika eines wettkampftauglichen Sportplatzes die Tendenz zur Standardisierung ablesen lässt, zeugen die Bauanleitungen von dem steigenden Aufwand, der betrieben werden musste, wollte man diesen Ansprüchen gerecht werden. Insbesondere die Auswahl des Terrains, auf dem der Platz entstehen sollte, stellte eine erhebliche Herausforderung dar. Bei dieser ersten Phase der Herrichtung, die nach John Bale mit dem Kartographieren der Landschaft und der nach sportlichen Bedürfnissen ausgerichteten Bearbeitung des Bodens einherging, richtete sich die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die Bodenbeschaffenheit, Höhenunterschiede oder nahegelegene Anhöhen, die den Sportplatz vor Wind schützten.231 Schon diese Vorstufe identifiziert den Boden als ein zentrales Kriterium sportiver Funktionsräume. Weil die Vereine nur in seltenen Fällen in der Lage waren, eine Fläche nach ihren Vorstellungen aussuchen zu können, waren Erdarbeiten häufig der umfangreichste und kostspieligste Teil des Sportplatzbaus. Dementsprechend nahmen in den Bauanleitungen die technischen Erläuterungen zu den Erdarbeiten einen wichtigen Platz ein. Dass Sträucher und Bäume zwar in ihrer Funktion als Sonnenschutz für die Zuschauer stehen bleiben sollten, der Platz aber ansonsten von ihnen befreit werden musste, ist nachvollziehbar. Den schwierigsten Teil der Arbeiten aber bildete die Nivellierung der 228 Wettkampfbestimmungen und Geschäftsordnung der D. S. B.f.A., 1907. 229 Bauwens, Der Fußballplatz, S. 126; Hahn, Wie eine Bahn angelegt wird, S. 64. 230 Zitat Bauwens, Der Fußballplatz, S. 125. 231 Ebd. Siehe ferner das Phasenmodell von Bale, Landscapes, S. 10–12.

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Höhenunterschiede. Nicht allein, dass der Platz durch Ab- und Auftrag von Erde eine eben und horizontal verlaufende Oberfläche erhalten musste, auch war die erforderliche Querneigung der Laufbahnkurven zu berücksichtigen. Für das Abtragen der Erde von höher gelegenen Bereichen verwendete man beispielsweise auf Schienen laufende Schubkarren und Rollwagen. Auf dieser Vorrichtung wurde die Erde zu den zu niedrig gelegenen Gebieten gebracht und, um spätere Absenkungen zu vermeiden, dort gestampft und gewalzt. Als ein zusätzliches Mittel, um Absenkungen vorzubeugen, galt es, Wasser aus nahe gelegenen Teichen auf das Erdreich zu pumpen. Bei all dem war darauf zu achten, den vorhandenen Mutterboden nicht zu vergeuden, der für das Wachstum der Grasnarbe notwendig war. Folgt man den Anleitungen von Camillus Bauwens (1911), so war für die Herrichtung eines den Standards halbwegs angepassten Sportplatzes (68  Meter Breite × 110  Meter Länge) von 7.480 Quadratmeter Fläche, inklusive der von den Kurven und den Laufbahnen gebildeten Räume (ca. 3.620 Quadratmeter Fläche) und den Erdwällen für die Zuschauer (ca. 2.900  Quadratmeter Fläche), insgesamt knapp 14.000 Kubikmeter Erdreich zu bearbeiten. Um es kurz zu machen: Es mussten erhebliche Mengen an Erde bewegt werden, um eine dem Sportbetrieb entsprechende Fläche zu schaffen. Nicht zuletzt aus den daraus resultierenden Kosten, Bauwens veranschlagte hierfür etwa 2.400 Mark, wird die Bedeutung der vorausgehenden Auswahl des Terrains ersichtlich.232 Ein weiteres Problem, das eine technische Bearbeitung des Bodens nach sich zog, war die kontinuierliche, zumindest aber kontrollierbare und planbare Nutzung des Terrains. Das Problem an sich ist banal: Regenfälle verwandelten die Rasenfläche in einen Morast, so dass die Plätze für einige Zeit nicht nutzbar waren. Für Vereine mit einem regelmäßigen Spielbetrieb war das ein ernstes Problem, zu dessen Lösung die Bauanleitungen ebenfalls einen Vorschlag bereithielten: Ein einfaches Drainagesystem, ein Netz von 10 bis 20 cm tief liegenden kleinen Gräben mit tiefen, in die wasserdurchlässigen Schichten führenden Löchern an den Kreuzungspunkten. Durch das Gefälle der Gräben sollte überschüssiges Wasser in den Untergrund sickern. Die Enge des Netzes war abhängig von der Bodenbeschaffenheit. Beispielsweise erforderte ein sehr ton- oder lehmhaltiger und so eher wasserundurchlässiger Boden ein dichteres Drainagenetz. Für den Fall, dass die durchlässigen Erdschichten nicht zu erreichen waren, schlug Bauwens vor, tiefere Gräben mit Drainagerohren auf der Sohle anzulegen und das Wasser durch eine Rohrleitung nahe gelegenen Wasserläufen, Bächen, Kanälen oder Teichen zuzuführen. Zu den Erdarbeiten kamen Arbeiten hinzu, die der Ausstattung und der räumlichen Binnendifferenzierung des Sportplatzes galten. Darunter fielen zum Beispiel einfache Verrichtungen wie die Errichtung eines Tores, das Anbringen der Netze (nach Möglichkeit verzinktes Drahtgeflecht) oder die Verwendung einer Markiermaschine zur Zeichnung der Einzelräume der Anlage 232 Bauwens, Der Fußballplatz, S. 127–130.

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Abb. 6: Drainageskizzen für einen Sportplatz des Ingenieurs Camillus Bauwens, 1911.

mittels Gips, Kreide, Kalk oder Marmorstaub.233 Zieht man noch das hier nicht eigens erörterte Besäen der Wege, die Herrichtung der Zuschauerplätze und den Transport der Rasendecke in Betracht, kommt klar der technische Aufwand zum Vorschein, der in diesem Umfang erstmals betrieben wurde, um möglichst alle für den Sportbetrieb störenden naturräumlichen Bedingungen zu neutralisieren und die Landschaft den Anforderungen des Sports entsprechend um­ zuformen. Aber es wäre zu einfach, den Anfang der zunehmenden Technisierung und Standardisierung von Sporträumen lediglich in den Anweisungen und An­ leitungen zu sehen. Die oben dargelegten Ausführungen sind vielmehr begleitend zu einer in der Praxis ohnehin zu beobachtenden Tendenz hin zu sportiven Funktionsräumen entstanden. Einzelne Anlagen sind sogar schon früher entstanden, wiesen aber trotzdem die beschriebenen baulichen Kennzeichen auf und dienten so als nachahmenswerte Vorbilder (beispielsweise die Sportplätze in Charlottenburg, Hamburg, Elberfeld, Flensburg oder Braunschweig).234 Als vorbildlich wurde insbesondere der städtische Sportplatz in Kiel herausgestellt, wobei die mustergültigen Ausmaße der Anlage und die vorausgegangenen Planierungs- und Drainagearbeiten betont wurden.235 1913 ließ der 1.  FC  Nürnberg auf eigenem Grund und Boden ein Stadion für rund 20.000 Zuschauer erbauen, das nicht nur die oben beschriebenen Eigenschaften aufwies, sondern darüber hinaus auch ein eigenes, elektromotorisch betriebenes Pumpwerk für die Besprengung des Rasens.236 Eine wichtige Rolle spielte im Übrigen das Stadion der Dresdener HygieneAusstellung 1911. Dieses Stadion war einerseits ein Ausstellungsobjekt, das den gesundheitlichen Wert des Sportreibens dokumentieren sollte. Anderer233 Hahn, Wie eine Bahn angelegt wird, S. 68 f. 234 K. Koch, Der gegenwärtige Stand der Spielplatzfrage, S. 193 f.; Teichgräber, Der Sportplatz in Flensburg; Wegener, Der neue Spielplatz Charlottenburgs; F. A. Schmidt, Der Übergang des Sportplatzes. 235 Von Schenckendorff, Öffnungs- und Begrüßungsrede, S. 11–15. 236 Das Stadion wurde August 1913 eingeweiht. Siehe: Eine vorbildliche Sportplatzanlage, S. 173–178.

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seits diente es aber auch dem »echten« sportlichen Wettkampfbetrieb. Das Stadion enthielt dementsprechend Sprungbahnen, Hochsprung- und Wurfstellen, Plätze für Stabhochsprung sowie sechs Lawn-Tennisplätze.237 Obwohl die verschiedenen Sportarten mit jeweils eigenen baulichen Einrichtungen bedacht waren, waren sie von einer einheitlichen architektonischen Klammer umgeben, was die visuell attraktive Konzentration des Wettkampfes auf einem Feld ermöglichte. Den Kern dieser Anlage bildete eine Rasenfläche von 110 Metern Länge und 70 Metern Breite. Diese Ausmaße ermöglichten das Spielen von verschiedenen Rasensportarten (Fußball, Hockey, Schlagball) sowie den Bau einer Laufbahn von 410  Metern Länge und, für den Wettkampfbetrieb, sechs Metern Breite. Diese Ausmaße ermöglichten wiederum die Einrichtung einer geraden 100-Meter-Laufbahn. Auf die Ausführung einer wettkampfgerechten Laufbahn wurde viel Wert gelegt. Sie bestand aus einer besonderen Mischung einer fest gewalzten Schichtung von Kalk, Lohe, gesiebter Asche und nicht bindendem Flusssand.238 Hinzu kamen Umkleide-, Klosett- und Waschräume, zwei Wannen und drei Duschen mit Warmwasserversorgung.239 Überhaupt nahm die Ausstellungs-Sportanlage viele Elemente einer modernen Sportanlage vorweg: den einheitlichen Grundriss, das standardisierte Flächenmaß, die Trennung von Zuschauern und Sportlern durch die bauliche Zweiteilung in Spielfeld und Zuschauerplätze sowie die sportgerechte Beschaffenheit des Rasens und der Laufbahn.240 Zusammenfassend kann die Anlage sowohl als Ausdruck als auch als Motor der Technisierung und Verwissenschaftlichung des Sports und der Herausbildung standardisierter, rational gestalteter sportlicher Funktionsräume interpretiert werden. Sie war, wenigstens der Idee nach, eine nur auf den Sport spezialisierte Landschaft, in der all die Kräfte, die von der physischen Umwelt des Menschen ausgehen, umgewandelt und neutralisiert waren (siehe hierzu ausführlich Kap.  V).241 Vor diesem Hintergrund wird ersichtlich, dass die oben untersuchten Schriften einen bereits in Gang gesetzten Prozess dokumentieren, dessen Kern, die Standardisierung von Sporträumen, schriftlich fixiert und als verbindliche Handlungsaufforderung formuliert wurde.

237 Sonderkatalog der Abteilung Sportausstellung, S. 44–46; Der Sport auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden, S. 31 f. 238 Sonderkatalog der Abteilung Sportausstellung, S. 44 f. 239 Ebd., S. 45. 240 F. A. Schmidt, 10 Auskunftsbogen und Diem/Berner, Städtische Sportanlagen. 241 Allgemein Bale, Der Sportplatz, S. 38; Eichberg, Sport, S. 469.

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6. Was ein Sportplatz ist und was nicht… … wurde in den Jahren zwischen 1911 und 1914 festgelegt. Damit schließe ich nicht aus, dass in den Jahren zuvor Sportplätze errichtet wurden, ebenso wenig, dass unbestimmte Räume angeeignet und zu Sportplätzen umfunktioniert wurden. Beispiele hierfür sind oben zur Genüge aufgeführt worden. Aber in diesen Fällen handelte es sich entweder um eine viele Abweichungen beinhaltende, häufig situationsbedingte Praxis oder um die mit hohem technischem Aufwand betriebene Errichtung von einzelnen, den Interessen und Ansprüchen eines Vereins oder einer Sportart gemäßen Anlagen. Zwischen 1911 und 1914 aber wurde erstmals vereinsübergreifend definiert, was ein Sportplatz ist und was eben »nur« ein Spielplatz, wurden erstmals Allgemeingültigkeit beanspruchende Regeln aufgestellt, wurde festgelegt, welche materiellen und räumlichen Bedingungen der Sport notwendigerweise benötigt, um überhaupt als Sport und eben nicht als Spiel betrieben werden zu können. Das Berliner Zentralblatt der Bauverwaltung empfahl 1911 das Stadion der Dresdener HygieneAusstellung als vorbildliche Anlage Städten und Gemeinden zur Nachahmung.242 Zum ersten Mal fanden Sportanlagen Eingang in die allgemeine technische Fachliteratur, etwa in die Hochbautechnische Bibliothek der Sammlung ­Göschen, die ansonsten Bücher zur Hydraulik, zur Elastizitätslehre, zu Statik oder zum Materialprüfungswesen verlegte, aber 1913 zwei Bände ausschließlich dem Sportbau widmete.243 Es wird erstmals ein umfassendes Ordnungssystem sichtbar, das weniger die einzelnen Spezialräume als vielmehr den Sportraum als Ganzes zum Objekt hatte, diesen idealtypisch definierte und von dieser Idealform ausgehend bestimmte Variationen klassifizierte. In anderen Worten, unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg kristallisierte sich ein deutlich abgrenz­barer Begriff vom Sportraum heraus. Es ist kein Zufall, dass der Personenkreis, der im Auftrag des DRAfOS die Studienreise in die USA unternommen hatte, 1914 maßgeblich an der ersten Publikation beteiligt war, die für sich beanspruchte, ein allgemeiner, praktischer Wegweiser für den Bau von Spiel- und Sportgelegenheiten zu sein.244 Neben Diem und Berner schrieb aus der Reisegruppe auch Josef Waitzler einen Teil des Buches. Ferner steuerten die Nürnberger Architekten Richard und Heinz Gerling Beiträge bei. Hervorzuheben ist die Beteiligung Georg Demmlers, der als Architekt bereits mehrere Sportanlagen geschaffen hatte (z. B. den Germania-Sportplatz in Berlin-Tempelhof oder das 1914 eingeweihte Katzbachstadion in BerlinKreuzberg) und als aktiver Fußballer und Leichtathlet in Erscheinung getreten 242 Zentralblatt der Bauverwaltung, Berlin 31/40 (1911), S. 245–147. 243 Schmitt, Sportanlagen. 244 Diem/Berner, Städtische Sportanlagen. Die einzelnen Teile der Schrift sind den verschiedenen Autoren nicht genau zugeordnet. Deswegen wird diese Schrift lediglich mit »Diem/ Berner« angegeben.

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war. Nicht unerheblich ist auch der Umstand, dass Demmler Gründungsvorsitzender der DSBfA war.245 Der Titelzusatz Spiel- und Sportgelegenheiten ist missverständlich und darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei dieser Schrift ausdrücklich um eine systematische Darstellung über den Nutzen, die Herrichtung und die damit verbundenen Kosten eines Sportplatzes handelte. Den Ausgangspunkt dieser Publikation bildete der Befund, dass Spielplätze nicht die Anforderungen erfüllten, die der Sport stellte.246 Das daraus abgeleitete Hauptanliegen war die »Aufstellung allgemein gültiger Regeln« bei der Errichtung von Sportplätzen.247 Begründet wurde dies damit, dass Spielplätze an den Bedürfnissen der Jugend, von denen der Erwachsenen ganz zu schweigen, gänzlich vorbeigingen. Sie seien zu friedlich, um Ältere, die Abwechslung im Sport suchten, zufrieden zu stellen: »Wer also die Anlegung von Plätzen nur nach dem Bedürfnis von Schulkindern beurteilt, geht damit an dem wichtigsten, nämlich der Mehrzahl der Jugend, achtlos vorbei.«248 Es sind diese beiden Punkte – die Konzentration auf den Sport und die räumliche Separierung von Schülern – die diese Schrift von vorausgegangenen Verregelungsversuchen grundlegend unterscheiden. Dies wird besonders augen­fällig, wenn man den Wegweiser mit dem 1911 erschienenen Auskunftsbogen des ZA vergleicht.249 Zwar unternahm der ZA damit einen Versuch, verbindliche Regeln für das Anlegen von Spiel- und Sportplätzen aufzustellen, doch die Basis der Ausführungen waren nicht etwa Fußball, Athletik oder Hockey, sondern Spiele wie »Urbär«, »Dritte abschlagen«, »Schlagball«, »Balljagd im Kreise« oder »Kreisfußball«, eine entschärfte Form des Fußballspiels.250 Welche Forderungen stellten nun die Autoren des Wegweisers? Was genau verbarg sich hinter der Bezeichnung »sportgerecht«, was genau machte einen Sportplatz aus? Der immer wieder gebrauchte Terminus »sportgerecht« zielte zunächst auf die Bodenbeschaffenheit. Sportgerecht war danach bestenfalls ein kurzer Rasen, der stetig vor dem »Verwildern« bewahrt werden müsse.251 Einfache Sandplätze oder schmutzige Kiesbahnen fielen nicht darunter, ebenso wenig wilder Grasboden oder ein »saftiger« und »weicher« oder »üppiger« Rasen wie in Parks, da diese Böden unnötig ermüden würden.252 Die Kriterien und Anleitungen unterschieden sich nur in Nuancen von den Anleitungen der ­DSBfA. Hinzu kam, dass alle Merkmale, die bei Spielplätzen ihre Berechtigung hatten, aber die Ausübung des Sports beeinträchtigten (etwa gärtnerischen Anlagen, fest eingelassene Geräte, Brunnen, Wasserhähne, Baumgruppen), vom Sport245 Demmler, Aus der Geschichte der Deutschen Sportbehörde. Zu Demmler vgl. Eisenberg, »English Sports«, S. 220; Lennartz, Karriere durch Kontakte?, S. 369 f. 246 Diem/Berner, Städtische Sportanlagen, S. 18. 247 Podbielski, Vorwort, Zitat S. 7. 248 Diem/Berner, Städtische Sportanlagen, S. 19. 249 F. A. Schmidt, 10 Auskunftsbogen. 250 Ebd., S. 6. 251 Zitat Diem/Berner, Städtische Sportanlagen, S. 68. 252 Ebd., S. 10, 19 f., 39 f.

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platz verbannt wurden. Gefordert wurden auch Umkleidemöglichkeiten, damit nicht in gewöhnlichen Kleidern Sport betrieben werden musste. Es ging also auch um die Möglichkeit, in sportgerechter Kleidung die Übungen auszuführen und den Sport durch die Bekleidung äußerlich von den Verrichtungen des Alltags zu trennen.253 Den wichtigsten Punkt bildeten aber zweifellos die Abmessungen. Hieran wird deutlich, dass sich Fußball und Athletik als Leitsportarten durchgesetzt hatten und sich dieser Umstand massiv in der Konzeption des Sportraums niederschlug. Dass diese von Diem und Berner gar als »deutsche Volkssports«254 bezeichnet wurden, ist nicht abwegig, hatte der DFB doch kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs bereits knapp 185.000  Mitglieder, wobei natürlich bedacht werden muss, dass eine kaum bestimmbare Anzahl von Menschen diesem Sport in Mannschaften nachging, die nicht beim DFB organisiert waren. Und auch in der DSBfA waren zu diesem Zeitpunkt knapp über 150.000 Sportler organisiert.255 So orientierten sich die Abmessungen und die Ordnung des Sportplatzes einzig und allein an den Anforderungen dieser beiden Sportarten. Diem und Berner stellten als wichtigste Regel des städtischen Sportanlagenbaus folgenden Leitsatz heraus: »Die Flächen müssen so groß sein, daß die deutschen Volkssports – Fußball und Athletik – auf ihnen betrieben werden können.«256 Mit anderen Worten, in dieser Zeit kristallisierte sich ein Sportplatz heraus, dessen Zentrum immer ein Raum bildete, in dem zwar auch andere Sportarten betrieben werden konnten, in dem aber in jedem Falle das Spielen von Fußball möglich sein musste. Dieser Raum wurde von Laufbahnen umgrenzt, wobei in den durch die Kurven hervorgerufenen zusätzlichen halbkreisförmigen Räumen Anlagen für Sprung- und Wurfdisziplinen untergebracht werden konnten. Dementsprechend hatte ein Sportplatz eine reine Nutzfläche von mindestens 11.900  Quadratmetern (= 85 × 140  Meter) aufzuweisen, bestehend aus einem Fußballfeld von 70 × 100 Meter und (entsprechend den Richtlinien der DSBfA) einer Laufbahn von insgesamt 6 Metern Breite und mindestens 400, maximal aber 450 Metern Länge. Um dem Laufsport gerecht werden zu können, kamen drei Formen in Frage: 1. Ganz oval, 2. Vier Geraden und vier Kurven, 3. Zwei gerade Längsseiten und zwei Halbkreise. Innerhalb der Räume zwischen Laufbahn und der Breitseite des Fußballfeldes blieb Platz für weitere athletische Disziplinen.257 Mit diesen Kennzeichen wurde die Norm eines »Minimalsportplatzes« definiert, ein Sportplatz der einfachsten Art und mit dem kleinsten Raumbedarf, der gerade deshalb, wie die beiden Autoren nicht versäumten zu unterstreichen, den Kommunen zu empfehlen sei.

253 Ebd., S. 36. 254 Zitate ebd., S. 19, Argument wiederholt auf S. 36. 255 Eisenberg, Massensport in der Weimarer Republik. 256 Zitat Diem/Berner, Städtische Sportanlagen, S. 19 f. 257 Ebd.

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Abb. 7: Ein »Mustersportplatz«, entworfen vom Architekten Georg Demmler, 1914. D ­ emmler sah in seinem Entwurf ein Stadion mit Fußball-, Athletik-, Kricket-, Gymnastik- und Turnplätzen, separate Hockey- und Tennis- und (zusätzliche) Turnplätze, einen Übungsplatz speziell für Schüler und Lehrlinge und einen Raum für Licht- und Luftbäder vor. Hinzu kamen eine Turnhalle, ein Restaurant oder Eispalast (im Entwurf war es noch nicht eindeutig festgelegt), ein Klubhaus, sieben Tribünen am Stadion, eine am Hockeyplatz und zwei an den Tennisplätzen. Schließlich bezog er in seine Skizze auch ein Beamtenwohnhaus sowie eine Kraftstation für Licht und Wasser ein.

Vom »Minimalsportplatz« ist eine weitere in dieser Schrift definierte Normalform zu unterscheiden: der dem amerikanischen Vorbild nachempfundene »Mustersportplatz«. Dieser umfasste wie der Minimalsportplatz einen Fußballplatz, eine Laufbahn und Raum für die Wurf- und Sprungsportarten. Hinzu kamen aber eine weitere große Grasfläche, die als Übungsplatz dienen sollte oder Frauen und Mädchen überlassen werden konnte, ein Planschbecken sowie ein Sandspielplatz für Kinder. Ein Mustersportplatz beinhaltete auch Bäume, Sträucher und Ruhebänke, also Einrichtungen, die in der Regel zu einem Park gehörten.258 Selbstverständlich hatte ein solcher Platz einen größeren Raumbedarf. Im Gegensatz zum Minimalsportplatz haben wir es in diesem Fall also mit einer Mischform, einer Variation zu tun, bei der die Interessen des Sports mit denen des Spiels räumlich miteinander verbunden wurden. Hier zeigt sich, dass die Verbindung von Sport und Park durchaus noch lebendig war. Den258 Ebd., S. 45.

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noch unterscheiden sich die hier gemachten Vorschläge radikal von der bislang üblichen Praxis. Genaugenommen handelt es sich sogar um eine Verkehrung der Verhältnisse: Waren Räume im Park in einigen Fällen für Spiel und Sport freigegeben, handelte es sich also um Parks mit Sportgelegenheiten, entwarfen nun Architekten wie Demmler Sportparks, deren Hauptelement einzig der Sport war, deren Zentrum ein großer Sportplatz bildete, der mit Zuschauerplätzen oder gar Tribünen ausgestattet werden konnte. Andere für den modernen Park wesentliche Elemente, wie Planschweiher, Baumgruppen, Spazierwege oder Kinder- und Jugendspielwiesen, waren, sofern vorhanden, um den Sportplatz herum gruppiert. Obwohl in diesem Fall dem Spiel und den Gestaltungselementen eines Parks keine klare Absage erteilt wurde, haben wir es dennoch mit einem durch und durch vom Sport strukturierten Raum zu tun.

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II. Die »Mutter« deutscher Stadien

1. Berlin 1913: Jenseits des Leistungsraums Stadien sind Musterbeispiele sportlicher Funktionsräume. Unter diesen nahm das 1913 eingeweihte Deutsche Stadion eine Sonderstellung ein. Errichtet für die Olympischen Spiele 1916 in Berlin, die allerdings wegen des Ersten Weltkriegs abgesagt wurden, kann die Anlage als Zeugnis einer Experimentierphase des deutschen Stadionbaus dienen. Sie galt in den 1920er Jahren als die »Mutter« deutscher Sportanlagen, die »Neues aus sich heraus gebärend« die Weiterentwicklung des Sportstättenbaus in entscheidender Weise geprägt habe.1 Diese Weiterentwicklung lässt sich aber keineswegs nur auf architektonische und technische Merkmale beziehen, die letztlich nur auf eine Verfeinerung der Charakteristika sportlicher Funktionsbauten hinweisen würden. Vielmehr zeigt sich schon mit der ersten Großsportanlage Deutschlands das Stadion auch als Projektionsfläche außerhalb des primär sportlichen Verwendungszweckes. Der Sportraum kann allein mit den Kategorien Leistungsraum oder Funktionsraum nicht hinreichend erschlossen werden, vielmehr war er ebenso wie der Sport selbst offen für verschiedene, teilweise von außen an sie herangetragene, teilweise von Vertretern des Sports selbst vorangetriebene Aneignungs- und Nutzungsformen.2 Am Beispiel der Entstehungsgeschichte und der Einweihung der ersten Großsportanlage Deutschlands möchte ich darlegen, dass erstens der Sport weitaus mehr darstellte, als eine nur sich selbst genügende körperliche Praxis und dass zweitens Stadien mehr Wahrnehmungsund Sinnmuster zu beherbergen imstande waren, als die rein auf den Sport rekurrierenden analytischen Begriffe wie »Leistungsraum« oder »Sportscape« nahelegen.3

1 Ostrop, Deutschlands Kampfbahnen, S.  8. Siehe auch Krause, Das Deutsche Stadion und Sportforum, S. 10. 2 Hierzu Pyta, Sportgeschichte, S. 10 f. 3 Die Kategorien Leistungs- und Funktionsraum werden, in Bezug auf den Sport, vor allem von folgenden Autoren verwendet: Eichberg, Leistungsräume; Bale, Landscapes; Vertinsky/ Bale, Sites of Sport.

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2. Eine Sandmulde im Grunewald Die Idee, eine Großsportanlage in Deutschland zu errichten, hatte zwei parallel verlaufende Wurzeln. Erstens war sie an die Idee eines nationalen Repräsentationsbaus gekoppelt, der den Sport als Bestandteil einer deutschen National­ kultur symbolisieren sollte.4 Die zweite Wurzel und zweifellos Haupttriebfeder des Stadiongedankens waren die um die Jahrhundertwende aus der Taufe gehobenen Olympischen Spiele, die, an antike Vorbilder anknüpfend, abwechselnd nicht an Staaten, sondern an Städte vergeben wurden. Bereits auf der vierten Sitzung des IOC im Mai 1901 beantragten deutsche Vertreter, die Olympischen Spiele 1908 in Berlin stattfinden zu lassen. Doch Berlin schied aus, auch weil kein Stadion vorhanden war. 1906 kam man im IOC überein, die Spiele 1912 in Berlin abzuhalten, was den Deutschen Reichsausschuss für Olympische Spiele veranlasste, mit der Forderung nach einer Großsportanlage an die Öffentlichkeit zu gehen. Doch auch dieser Termin konnte aufgrund organisatorischer Probleme nicht eingehalten werden. 1912 jedoch vergab das IOC die nächsten Spiele (1916) endgültig an Berlin.5 Die Initiative der Olympischen Bewegung in Deutschland, die Spiele nach Berlin zu holen, ließ den Bau einer Großsportanlage ab 1906 also immer dringlicher werden. Dementsprechend war der Träger dieser Initiative weder eine staatliche Stelle noch die Stadt Berlin, die dem Sport zu diesem Zeitpunkt weitgehend gleichgültig gegenüberstand, sondern der DRAfOS, der sich als ständiger Ausschuss für die Durchführung der Olympischen Spiele konstituiert hatte. Um dieselbe Zeit, also gegen 1906, nahm mit der Bestimmung eines Grundstücks des preußischen Forstfiskus im Berliner Grunewald das Stadionprojekt langsam Gestalt an. Jedoch war das östlich der Havel, zwischen Spandau und Westend unweit von Villenkolonien gelegene Gelände im selben Jahr vom Union­k lub, einem der vornehmsten Berliner Reitsportvereine, gepachtet worden, um dort eine Pferderennbahn zu errichten.6 Zwar enthielt der Vertrag mit dem Unionklub einen Absatz, der das Gelände auch für allgemeine sportliche Zwecke offenhielt, doch die projektierte Pferderennbahn erschwerte die Suche nach einem geeigneten, und das hieß vor allem großen, Grundstück erheblich. Allerdings verkehrten die wesentlichen Akteure aus dem Leitungsgremium des DRAfOS, wie etwa ihr Präsident, der ehemalige Generalleutnant Graf 4 T. Schmidt, Stadionbauten in Berlin. In diesem Zusammenhang weist Schmidt der Abhaltung nationaler »Olympiaden« einen entscheidenden Stellenwert zu, eine These, die allerdings, wie auch Eisenberg (»English Sports«, S. 282) zurecht betont, nicht aufrecht zu erhalten ist. 5 Borgers u. a., Deutsche Olympiade-Kalender, S. 79. 6 Zum Unionklub siehe Eisenberg, »English Sports«, S.  165–170. Das Waldgelände der Domäne Ruhleben war von Kaiser Wilhelm II. bereits 1904 als Volkspark der Bevölkerung für Er­holung und Freizeit versprochen. Hierzu Wilson, Environmental Protest.

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­ gbert von Assenburg, oder sein Nachfolger Viktor von Podbielski, ebenfalls E ein Generalleutnant a. D. und preußischer Landwirtschaftsminister,7 nicht nur wie viele Angehörige der Wilhelminischen Eliten im Unionklub, sondern sie hatten dort hohe Funktionen inne. Von Podbielski beispielsweise war erst Vizepräsident, später gar Präsident des Rennsportvereins.8 Vor allem von Podbielski fungierte als Mittler zwischen Unionklub, D ­ RAfOS und preußischen Behörden. Schon in seiner Eigenschaft als Präsident des Unionklubs und preußischer Landwirtschaftsminister war er in Bezug auf die Pferderennbahn Pächter und Verpächter in Personalunion.9 Vor diesem Hintergrund ist auch leichter nachvollziehbar, dass es der Leitung des D ­ RAfOS gelang, ihre Interessen mit denen des Unionklubs in Übereinstimmung zu bringen: In einer etwa 85.000  Quadratmeter großen Sandmulde inmitten der projektierten Pferderennbahn des Unionklubs sollte die erste Großsportanlage Deutschlands entstehen.10 Durch die Kooperation mit dem Unionklub kamen die Vertreter des ­­DRAfOS auch einer finanziellen Lösung nahe. Die Geldbeschaffung für den Stadionbau erwies sich nämlich als außerordentlich schwierig, da öffentliche Gelder zur Förderung des Baus ausblieben.11 Ganze 180 Anfragen auf Zinsgarantien richtete der ­­DRAfOS an alle Provinzialverwaltungen Preußens und an alle deutschen Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern. Parallel dazu bat von Assenburg in einem Schreiben die städtischen Sportvereine um Hilfe, die durch »Beziehungen zu maßgebenden Personen« oder mittels einer Eingabe an die jeweilige Stadtverwaltung den Stadionbau unterstützen sollten.12 Mit Ausnahme der Provinzialverwaltung Brandenburg, die immerhin 1.000 Mark zur Verfügung stellte, blieben all diese Mühen ergebnislos. Auch die Verhandlungen mit Charlottenburg, Schöneberg, Wilmersdorf und dem Kreis Teltow missglückten. Die Stadt Charlottenburg unter ihrem Oberbürgermeister Karl S­ chustehrus stellte beispielsweise die Bedingung, dass der ­DRAfOS das Stadion der Stadt an 120 Übungstagen sowie sechs Sonntagen zur Verfügung stellen müsse, eine aus Rentabilitäts- und Instandhaltungsgründen kaum erfüllbare Forderung. Die Stadt Berlin lehnte 1911 endgültig ab und begründete diese Haltung mit den ungeklärten Bedingungen zum Erhalt des Wald- und Wiesengürtels der Stadt, in dessen Gebiet das Stadion ja stehen sollte. Und auch das Reichsamt des Innern und das preußische Kultusministerium entschieden sich gegen eine finanzielle Beteiligung.13 In der optimistischen Annahme, dass die öffentliche Hand die Finanzierung weitgehend abdecken würde, hatte der D ­ RAfOS den Einwei7 Siehe Zilch, Viktor von Podbielski, S. 555 f. 8 Ausführlich hierzu Eisenberg »English Sports«, S. 273–283. 9 Meyer-Künzel, Städtebau, S. 195. 10 Podbielski, Das Stadion in Grunewald, S. 23–26. 11 Eisenberg, »English Sports«, S. 281; Becker, Den Sport gestalten, Bd. 1, S. 177; Lennartz, Die VI. Olympischen Spiele in Berlin 1916, S. 27. 12 Der Aufruf an die Vereine erfolgte am 30. Dezember 1908. Das Schreiben lagert in: CuLDA, Sachakten, Mappe 1: ­DRAfOS. 13 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 10.

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hungstermin ursprünglich auf das Jahr 1908 gelegt.14 Doch nach den gescheiterten Finanzierungsverhandlungen verschob man die Fertigstellung um ein Jahr. Als sich infolge der immer noch ungesicherten Finanzbasis auch dieser Termin nicht einhalten ließ, wurden 1909 im Reichsausschuss sogar Stimmen laut, die sich gegen den Standort Berlin aussprachen.15 Da die unsichere Finanzierungsgrundlage den Bau immer weiter verzögerte, entschloss sich der Unionklub, insgesamt 2,25  Millionen Mark beizusteuern, auch weil die sich hinziehenden Bauarbeiten am Stadion den Rennbetrieb der 1909 fertiggestellten Pferderennbahn behinderten. Durch die Beteiligung des Unionklubs wurden auch die Eigentumsverhältnisse am Deutschen Stadion festgelegt: Es handelte sich um ein privates Unternehmen, das der ­­DRAfOS, der Unionklub sowie die Tochterunternehmen des Unionklubs, der Berliner Rennverein und der Verein für Hindernisrennen, gemeinschaftlich trugen. Dabei musste der D ­ RAfOS erhebliche Zugeständnisse machen. Der Unionklub ließ sich vertraglich zusichern, dass bauliche Veränderungen nur mit seiner Zustimmung erfolgten und bei Pferderennen auf der Grunewaldbahn das Stadion nur nach vorheriger Absprache benutzt werden konnte. Ferner hatte der ­DRAfOS dafür Sorge zu tragen, dass die Stadionbesucher das Gelände der Pferderennbahn nicht betraten und beschädigten.16 Nachdem das Projekt somit über eine solide finanzielle Basis verfügte und zudem im IOC 1912 endgültig die Entscheidung für Berlin als Austragungsort der Olympischen Spiele 1916 gefallen war, lief die Errichtung des Sta­dions auf vollen Touren. Mit dem Bau wurde der Architekt Otto March beauftragt, der sich zuvor mit Pferderennbahnen (beispielsweise in Köln, Mannheim und Breslau), Mietshausbebauungen, Kirchen- und Theaterbauten einen Namen gemacht hatte. March war der Fachwelt vor allem durch die Vorarbeiten für den Städtebau-Wettbewerb Groß-Berlin 1909 (er war als Vorsitzender u. a. mit Werner Hegemann, Hermann Josef Stübben17 und Hermann Muthesius in der Vorbereitungsgruppe) und die Erste Internationale Städtebauausstellung von 1910 ­ RAfOS mit ihm einen Architekbekannt geworden.18 Gleichzeitig gewann der D ten, der dem Unionklub schon die Pferdebahnanlage im Grunewald errichtet 14 CuLDA, Sachakten, Mappe 657: Bericht über die Hauptversammlung des D ­ RAfOS am 4. Juli 1907, Bericht über das Stadionprojekt. 15 CuLDA, Sachakten, Mappe 657: Protokoll der 12. Wahlversammlung am 23. Januar 1909. 16 CuLDA, Sachakten, Mappe 1: Vertrag zwischen dem Berliner Rennverein zu Berlin, dem Union-Klub zu Berlin und dem Verein für Hindernis-Rennen zu Berlin und dem Reichsausschuss für Olympische Spiele zu Berlin, 24. Juni 1913, § 10, § 12 und § 13. 17 Siehe Karnau, Hermann Josef Stübben. 18 Otto March verstarb vor der Einweihung des Stadions am 1. April 1913. Es gibt keine ausführliche Arbeit zum Leben und Werk Otto Marchs. Dies liegt auch daran, dass er im Schatten seines Sohnes Werner March steht, der als Architekt des Berliner Olympia-Stadions für die unter den Nationalsozialisten abgehaltenen Olympischen Spiele 1936 bekannt wurde. Zu Otto March siehe den von seinem Sohn Werner March herausgegebenen Band: Otto March 1845 bis 1912. Kurze Hinweise gibt auch T. Schmidt, Werner March, S. 9 f.

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hatte und infolgedessen mit den schwierigen örtlichen Gegebenheiten und Auflagen bestens vertraut war.19 Überhaupt ist davon auszugehen, dass Marchs Erfahrungen in der Errichtung von Pferderennbahnen eine wichtige Rolle für seine Wahl zum Architekten der ersten deutschen Großsportanlage spielten. Pferderennbahnen nahmen einige der wesentlichen Charakteristika moderner Stadien vorweg. Pferderennen waren die ersten sportorientierten Veranstaltungen, die sich zu Zuschauerspektakeln entwickelten. Ihre Anlagen bestachen durch vornehme Pavillons oder Tribünen ebenso wie durch großzügige Trainingsgelände und eine beeindruckende Technik. Die Pferderennbahn in Hoppe­garten hatte ein ausgefeiltes System der Rennbahnbewässerung aufzuwei­sen, ihr Klubhaus war eines der ersten elektrisch beleuchteten Gebäude Berlins.20 Richtpunkt für die Stadioneröffnung war das Jahr 1913. Zwar wurden noch im Frühjahr 1912 Stimmen laut, die die Errichtung einer solchen Anlage, die mustergültige Plätze und Bahnen für jede Art von Spiel und Sport, geräumige, schöne Bauten für die »Bequemlichkeit der Benutzer, gefällige Gartenanlagen, große Zuschauerräume« und ein Schwimmbad beinhalten sollte, als einen wunderbaren »Zukunftstraum« bezeichneten, dessen Verwirklichung man erst im »nächsten Menschenalter« ansetzen müsse.21 Doch nach dem Baubeginn im November 1912 konnte das Stadion nach nicht einmal einem Jahr Bauzeit am 8. Juni 1913 offiziell eröffnet werden.22

3. Internationale Vorbilder Die Entscheidung für die Sandmulde innerhalb der Pferderennbahn bestimmte die bauliche Ausführung des Stadions beträchtlich. Die Pferderennvereine machten verständlicherweise zur Auflage, dass das Stadion die Sicht über die Rennbahn nicht beeinträchtigte.23 Somit musste die Anlage als Erdstadion ausgeführt werden. Spielfläche und Zuschauerplätze wurden in die Erde hinein versenkt, die ausgehobene Erde zu Wällen aufgeschüttet und diese mit Rasen eingesät oder durch Steinplatten befestigt. Diese Form war kostengünstig, ein nicht zu unterschätzender Aspekt, wenn man bedenkt, dass das Deutsche Stadion fast ausschließlich aus privaten Geldern finanziert wurde. Die arbeitsintensive Ausführung als Erdstadion erlaubte den Einsatz vieler lediglich mit Spitzhacke und Spaten ausgestatteter Arbeiter.24 Auch die Verwendung von Beton und Eisenbeton geschah nicht zuletzt aus Kostengründen, weil der Sand 19 Ehemalige Rennbahn Grunewald und ehemaliges Deutsches Stadion, S. 220 f. 20 Eisenberg, »English Sports«, S. 168. 21 R. Du Bois-Reymond, Der Studententurn- und Sportplatz im Grunewald, S. 253. 22 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 11. 23 T. Schmidt, Das Deutsche Stadion in Berlin-Grunewald, S. 212. 24 Zentralblatt der Bauverwaltung, Berlin 33 (1913), S. 311.

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für die Betonmischung an Ort und Stelle vorhanden war.25 Unter diesen Umständen schied die Option eines Hochbaus mit repräsentativer Außenfassade als Ausweis nationaler Bau- und Ingenieurskunst für das Deutsche Stadion von vornherein aus. In Deutschland ein Pionierbau, war das Deutsche Stadion international keineswegs die erste olympische Großsportanlage. Überhaupt bewirkte die Einführung der neuzeitlichen Olympischen Spiele 1896 eine rege Bautätigkeit im Bereich der Sportstätten. Da diese Bauten im Rahmen der Olympischen Spiele eine gewisse Repräsentationsfunktion erfüllten, widmete man ihnen national und international, städtebaulich und architektonisch besondere Aufmerksamkeit. Die Olympischen Spielen hatten für die Entwicklung von sportlichen Großbauten also eine beträchtliche Bedeutung. Aber konnten unter den erwähnten schwierigen Berliner Umständen andere Großsportanlagen überhaupt als Vorbilder fungieren? Wie wurden sie von den deutschen Beobachtern wahrgenommen und beurteilt? Als 1895 der Internationale Athletische Kongress in Paris beschloss, die ersten modernen Olympischen Spiele als Referenz an die antiken Traditionen 1896 am Ort des Panathenäischen Stadions in Athen durchführen zu lassen, rekonstruierte der griechische Architekt Anastasios Metaxas das langgestreckte, hufeisenförmige Stadion in pentelischem Marmor.26 Die Ausführung des Stadions richtete sich also nach archäologisch rekonstruierten Kriterien, die sich aber für viele moderne Sportwettkämpfe als ungeeignet erwiesen. Der schmale Innenraum bot keinen Raum für Rasenspiele und auch die Laufbahn mit 333,33 Meter erwies sich als zu kurz.27 Während der beiden folgenden, im Rahmen von Weltausstellungen durchgeführten Spiele in Paris (1900) und St. Louis (1904) wurde ein wesentlich geringerer Aufwand betrieben – die Spiele fanden auf einem Vereinssportplatz (Paris) und einem Universitätssportplatz (St. Louis) statt.28 Erst das vom Architekten James  B.  Fulton für die Olympischen Spiele 1908 kon­ zipierte White City Stadion in London kann als eigenständiger moderner olympischer Sportbau bezeichnet werden.29 In London zeigte sich der Stadienbau erstmals als Experimentierfeld für neue Konstruktionsformen, vor allem in der unverkleideten Stahlskelettkonstruktion und mit einer für die erste Dekade des 20. Jahrhunderts ungewöhnlich klaren, transparenten Architektur.30 Das White City Stadion weckte auch in Deutschland großes Interesse, doch insgesamt wurde es zwiespältig beurteilt. Die verschiedentlich in der For25 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 21. 26 T. Schmidt, Architektur für die Olympischen Spiele, S. 81. Zum Stadion in Athen während der Zwischenspiele 1906 siehe Diem, Olympische Spiele 1906, S. 15 f. 27 So beispielsweise Martin, Olympische Kampfstätten. Weiterführend hierzu Kratzmüller, »quae beneficia«. 28 T. Schmidt, The Olympic Stadium grounds. 29 Das Stadion wurde in den 1980er Jahren abgerissen. Heute befindet sich auf dem Gelände das Sendehauptquartier der BBC. 30 T. Schmidt, Architektur für die Olympischen Spiele, S. 81.

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schung geäußerte Vermutung, die Londoner Anlage habe für das Deutsche Stadion als Vorbild gedient, mag vielleicht für die Ausführung des Innenraums zutreffen, ist jedoch abwegig, was ihre äußeren Gestaltungsmerkmale und die offene Zurschaustellung von technischer Modernität und Funktionalität betrifft.31 Carl Diem, damals Vorsitzender der DSBfA, und der Architekt Johannes Seiffert, der als Mitarbeiter von Otto March am Entwurf und Bau des Deutschen Stadions beteiligt war,32 bezeichneten das White City Stadion abschätzig als »große Badewanne« oder als »Waschschüssel«, die sich insbesondere durch den Mangel an künstlerischer und festlicher Wirkung auszeichne.33 Speziell das Moderne, Transparente rief Kritik hervor. Die offen zur Schau gestellte Technik und Funktionalität könne den Mangel an ästhetischer Wirkung und baulicher Erhabenheit nicht aufwiegen: »Ein kolossales Amphitheater in moderner nüchterner Ausführung. […] Eisen und Zement – es machte einen kahlen Eindruck – kein Marmor und keinen Triumphbogen«  – so das enttäuschte Resümee im Athletik Jahrbuch 1909.34 Zu zweckmäßig, zu nüchtern, zu kahl – so kann man die zeitgenössischen Urteile zusammenfassen. In diesen Auseinandersetzungen kommt die Konkurrenz zwischen den funktionalen und kultischen Elementen des Sports zum Ausdruck, die auf dem Boden des Stadionbaus verhandelt wurde. Diese Konkurrenz lässt sich am nächsten olympischen Stadion in Stockholm (1912) zeigen. Mit dem Bau dieses Stadions, das zu den wichtigen Werken der schwedischen Nationalromantik gehört, wurden zwei Motive in den Vordergrund gerückt. Zum einen sollte das erste künstlerisch gestaltete Stadion geschaffen werden, um der olympischen Idee Bestand und Bedeutung zu verleihen. Zum anderen wurde mit dem Bauwerk die Struktur der schwedischen Gesellschaft modellhaft entproblematisiert und das Bild einer intakten Nation vermittelt. Für die auf einem U-förmigen Grundriss errichteten Ränge der Arena wählte der Architekt Torben Grut, einer der wichtigsten Vertreter des romantischen Eklektizismus in Schweden, das Stadtmauermotiv zinnenbekränzter mittelalterlicher Städte.35 Einem deutschen Beobachter drängte sich der Eindruck einer »wuchtigen Normannenburg« auf, 31 Die Vermutung äußern Eisenberg, »English Sports«, S.  281 und Lennartz, Die VI. Olym­ pischen Spiele Berlin 1916, S. 234. 32 CuLDA, Sachakten, Mappe 24: Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen. Kurzer Bericht über die gemeinsame Verwaltungs- und Finanz-Ausschuss-Sitzung am 18. Dezember 1913, Berlin, Palast-Hotel. 33 Diem, Die Anlage von Spiel- und Sportplätzen, S. 42, 57; Seiffert, Spielplätze und Festspielplätze, S. 24. 34 Mehlkopf, Die Olympischen Spiele in London, S.  14. Erst wenn es von einer begeisterten Menge angefüllt sei, werde die fehlende Illusion nicht mehr empfunden. Allerdings scheint das Interesse an den Spielen recht gering gewesen zu sein. Von einer begeisterten Menge zumindest kann nicht die Rede sein und das Stadion blieb selbst am Eröffnungstag weitgehend leer. Selbst die bescheidene Zahl von 20.000 Zuschauern sei – so Arthur Mallwitz – zu hoch gegriffen. Siehe Mallwitz, Die Bedeutung der Olympischen Spiele, S. 229. 35 T. Schmidt, Architektur für die Olympischen Spiele, S. 83.

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angesichts deren Mauern die Besucher »sich leicht nach Wisby, der ehemaligen nordischen Hansestadt auf der Insel Gothland versetzt wähnen« konnten.36 Selbstverständlich kamen auch in Stockholm neueste technische Mittel zum Einsatz, wie Beobachter hervorhoben, eine verschwenderische Ausstattung mit Telefonen, Geräte zur elektrischen Zeitmessung oder, als Neuheit, die Auslösung einer fotografischen Aufnahme durch das Berühren des Zielbandes, die dem Zielrichter zur Klärung der Platzierungen diente.37 Allerdings wurden neue Konstruktionselemente und Materialien wie Eisenbeton nun nicht mehr wie in London offen gezeigt, sondern mit einem regionalen, grau-violetten Backstein verkleidet. Granit als Grundmauerwerk und Ziegel als Wandmaterial verstärkten den Eindruck eines sich aufgrund seiner ehrwürdigen historisierenden Form jeder Kritik entziehenden Bauwerks. Sorgsam stattete Grut den Bau mit Insignien der nationalen Kultur Schwedens aus – reichem ornamentalen Schnitzwerk an den Pfeilern der Stadionüberdachung und dem immer wieder auftauchenden Sonnenrad.38 Im Unterschied zur Londoner Anlage, die kein Marmorheiligtum einer Nation, sondern unverhohlen einen funktionellen, universellen Wettkampfplatz darstellte und damit eine spezifisch nationale Repräsentationsfunktion entweder nicht zum Ausdruck brachte oder nur durch die offen gezeigte Technisierung erreichte, lautete das Motto in Stockholm: »Material und Gestalt eines Monumentalbaues müssen der Umgebung, dem Volk und seiner Geschichte angepasst sein wie Klima, Luft und Farben.«39 In diesem Sinne kann die Ausführung des Stockholmer Stadions als der Versuch zur Historisierung und Nationalisierung des neuen und modernen Phänomens Sport interpretiert werden. Insgesamt ist diesen Bauten also eine gewisse Ambivalenz inne: als Ausdruck des international kommunizierten, universalistischen Sportmodells und als Orte, die die nationalen und regionalen Eigenheiten der ausrichtenden Städte und Länder spiegeln sollten. Dabei zeigt sich, dass die im Sportraum ersichtlichen Modernisierungstendenzen mit dem unverkennbaren Bemühen einer invention of tradition nicht automatisch in einem Konkurrenzverhältnis treten mussten. Ganz im Sinne eines reactionary modernism verbanden sich im Sportbau ökonomisch-rationale und technisch-funktionale Momente mit den Repräsentationsbedürfnissen einer eklektizistischen, im ausgehenden 19. Jahrhundert verwurzelten Inszenierungsarchitektur.40

36 Martin, Olympische Kampfstätten. 37 Markus-Brünninghausen, Von der Organisation, S. 14 f. 38 Das Stadion in Stockholm, 1911, S. 165–168; Diem, Die Olympischen Spiele 1912, S. 10 f. 39 Markus-Brünninghausen, Von der Organisation, S.  13–15. Weiterhin schreibt der Autor (S. 14) zum Stockholmer Stadion: »Die wundervolle, der nordischen Natur mit seinem Empfinden angepaßte Schöpfung des Stadions.« 40 Herf, Reactionary Modernism; Hobsbawm/Ranger, The Invention. Ich danke Frau Gunilla Budde für ihren Hinweis.

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4. »Baugesinnung«: Von Griechen, Römern und Ariern Doch was spiegelte sich im Deutschen Stadion, wofür stand es? Welche »Gesinnung« brachte es zum Ausdruck? Dies waren Fragen, die im Vorfeld der Errichtung und im ersten Jahr seiner Inbetriebnahme viele Zeitgenossen umtrieben. Sie bewegten auch Karl Scheffler, den bekannten Kunstkritiker, Publizisten und Beobachter moderner Großstadtentwicklung, dem die Erbauung dieser Großsportanlage als ein Wendepunkt des deutschen Sports erschien.41 Scheffler stand dem Sport grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber, doch das riesige Stadion rief in ihm eine eher misstrauische Haltung hervor: »Kurz, dieses Stadion scheint mir mehr wie ein Freiluftzirkus, als wie ein nationaler Spielplatz. […] Wie der römische Zirkus dem berufsmäßigen Wagenlenker, wie das antike Amphitheater dem Berufsgladiator gehörte, so wird auch dieses moderne Stadion wohl mehr und mehr dem professionsmäßig geübten Sport anheimfallen. Die Tatsache, daß dreißigtausend Menschen müßig zuschauen sollen, während bestenfalls ein paar hundert sportlich kämpfen, daß der Sport also nicht von allen praktisch geübt, sondern als Gleichnis genommen wird und als Suggestiv­ mittel, zur Aufstachelung benutzt wird, ist doch schon in der Anlage gegeben. […] Das Stadion spricht es in seiner ganzen Gestalt aus, daß es die Schaustellung befördern will.«42 Die Kritik ist deutlich. Sie umfasst die im Bau zum Ausdruck kommende Absage an den Breitensport und damit unlösbar verknüpfte Aspekte des Berufssports sowie den sogenannten Zuschauersport. So diene das Stadion Berufs­sportlern, die in Wettkämpfen Zehntausende ansonsten in Passivität verharrender Zuschauer aufstacheln würden. Bemerkenswert ist an dieser Argumentation die rhetorische Verknüpfung dieser Elemente mit einem populären und verbreiteten Bild des antiken Rom, die Scheffler durch die Verwendung der Begriffe »Berufsgladiator«, »Freiluftzirkus« und »Amphitheater« herstellt. Für Scheffler war der »römische Sport« unmittelbar mit der Gestalt des Deutschen Stadions amalgamiert. Scheffler ist kein Einzelfall. Zur Charakterisierung des Erdstadions arbeiteten viele zeitgenössische Autoren systematisch mit dem Gegensatz von griechischem Stadion und römischem Amphitheater. Den Kern dieser Arbeit mit Gegensätzen bildete – um einen Begriff des Stadionarchitekten March aufzugreifen – die »Baugesinnung«.43 Stand das Stadion für eine ordinäre Zurschaustellung von körperlichen Rekordleistungen, für die Unterhaltung Tausender Menschen, die sich an Wettkämpfen ergötzten? Wie passte das Stadion zu den 41 Zu Schefflers Werken gehören u. a. »Die Architektur der Großstadt« (1913) und »Berlin. Wandlungen einer Stadt« (1931). Zur Person siehe Zeising, Studien zu Karl Schefflers Kunstkritik. 42 Scheffler, Das Stadion. 43 March, Die Beziehung festlicher Kampfspiele zur Kunst, S. 5.

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positiven Wirkungen sportlicher Betätigung, mit denen die Sportbewegung seit Jahren für sich warb? Worin bestand der nationale Nutzen des Sports und in welcher Beziehung stand das Stadion dazu? Gerade für die Akteure des modernen Olympismus diente die Antike stets als normative Folie, wenn es galt, den Sport im Rückgriff zu legitimieren. Hierbei boten sich die beiden antiken, aber in ihrer Konnotation doch konträren Beispiele des römischen Amphitheaters und des griechischen Stadions als Zeichen zweier Richtungen, die der Sport annehmen konnte, geradezu an. March nahm bereits zwei Jahre vor der Fertigstellung der Großsport­anlage diesen rhetorisch-semantischen Faden auf: »Auch im Volksleben der Römer, die die Formen ihrer Kultur vielfach den Griechen entlehnten, nahmen Zirkusspiele, nur in sehr viel roherer Form, eine außerordentlich wichtige Stellung ein. Gewaltig sind noch in den Ueberresten die von ihnen zur Aufnahme ihrer pomphaften Vorführungen geschaffenen Bauten, die die Baugesinnung dieses Volkes für ewige Dauer ersonnen zu haben scheint. Aber gegenüber dem griechischen Einsetzen der eigenen Persönlichkeit huldigte das in den Lebens­ anschauungen und in der Blutmischung dem Orient näherstehende Römervolk mehr der Auffassung des Morgenlandes, da es derartige körperliche Leistungen als Schaustellungen betrachtete, die es bezahlten Athleten von Beruf, Kriegs­gefangenen oder der Todesstrafe Verfallenen überließ.«44 Indem er Griechen und Römern Abendland und Morgenland zuordnete,45 erklärte March die viel kritisierten zeitgenössischen Merkmale des modernen Sports wie etwa Zuschauerorientierung (»körper­liche Leistungen als Schau­stellung«) oder Verrat am Amateurprinzip (»bezahlte Athleten«) zu wesensfremden, nicht dem Abendland zugehörigen Eigenschaften, die eben auch in der »Baugesinnung« ihren Ausdruck fänden. An seine eigene »Baugesinnung« ließ er keine Zweifel aufkommen – selbstverständlich orientiere er sich beim Entwurf des Berliner Erdstadion bautypologisch am griechischen Stadion. Aus einer anderen, nämlich medizinischen Sicht näherte sich Georg ­Friedrich Nicolai dem Stadion. Nicolai stand als Pazifist und Sozialist in Gegnerschaft zum ­DRAfOS.46 Er stellte die Frage, ob sich das Deutsche Stadion in den Dienst des Sports und der Leibesübungen stellen oder ob es mehr einen »Kampfplatz« darstellen werde. Er mochte die Frage nicht klar beantworten, aber seine Präferenzen waren eindeutig. Wenn man die körperliche Ertüchtigung des Volkes und insbesondere der Jugend vom Gesichtspunkt der Volksgesundheit ernst nehme, den Patriotismus stärken und die Wehrkraft erhöhen wolle, dann müsse man jeden kleinen Spiel- und Sportplatz dankbarer begrüßen als das Entstehen

44 Ebd., S. 5 f. 45 Zu diesem Begriffspaar, das letztlich auf eine Historisierung und Erweiterung der aufein­ ander bezogenen, asymmetrischen Begriffe von »Hellenen« und »Barbaren« zurückgeht, siehe Koselleck, Zur historisch-politischen Semantik. 46 Court, Deutsche Sportwissenschaft, Bd. 1, S. 235–237.

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dieses »Monumentalbaues«.47 Tatsächlich steht Nicolai für eine ganze Gruppe von Personen, die wie beispielsweise Arthur Mallwitz und Nathan Zuntz aus wissenschaftlich-medizinischen Kreisen stammten, in der Spielbewegung, repräsentiert durch den ZA, beheimatet waren und den Sport über lange Jahre durch wissenschaftliche Argumente unterstützt hatten, aber nun durch den Stadionbau den Sport in eine Richtung abgleiten sahen, die sie immer schon bekämpft hatten. Dieses Unbehagen illustriert Nicolai wie andere auch durch die Gegenüberstellung antiker Referenzbauten. Das Deutsche Stadion, eine »Riesenarena«, ähnle dem gewaltigen Kolosseum Roms: »In dem römischen Zirkus fand das bluthungrige Sensationsbedürfnis einer entarteten Zeit höchste Befriedigung.« Nicolai lässt keinen Zweifel aufkommen, dass er seine Zeit und speziell die Stadt Berlin für ähnlich entartet hielt, denn »vielleicht würde auch in Berlin ein ähnlicher Spektakel ähnliche Massen anlocken, denn Stierkämpfe [sic], Boxmatches und das völlig kunst- und sinnlose, eben nur gefährliche Looping the loop verfehlen auch heute ihre Wirkung nicht.«48 Doch stellte er sich nicht endgültig gegen den Stadionbau, zumindest bezweifelte er nicht grundsätzlich die lauteren Absichten seiner Träger. Immerhin wolle das Stadion keine niederen Vergnügungen bieten und ja auch mehr an Griechenland anknüpfen als an Rom. Doch das Problem liege in der Größe der Anlage, ein nicht von der Hand zu weisendes Argument. Denn die enormen Kosten dieser Anlage, so die Gedankenführung Nicolais, würden die Betreiber dazu zwingen, immer mehr Schauveranstaltungen zu arrangieren, damit die notwendigen zahlenden Besucher auch kämen. Damit komme das Stadion aber zwangsläufig vom rechten griechischen Weg ab und nähere sich gefährlich dem römischen Zirkus.49 Dieses Ringen um die gesundheitlichen und vermeintlich reinen Ziele des Sports wurde auch an anderer Stelle deutlich. In einer Werbeschrift zur Ein­ weihung des Stadions erklärte etwa Carl Diem, dass der übermäßige Alkohol­ konsum etwas sei, was sich in Deutschland erst eingebürgert habe, aber im Grunde »dem feinen arischen Sinne fremd« sei.50 Damit das Deutsche Stadion nicht mit einer Stätte belustigender Volksunterhaltung verwechselt werden konnte, kam es bereits in der Projektphase zu einer bemerkenswerten Einschränkung des Gastronomiebetriebs. Bierzelte und Gaststätten direkt am Stadion ließen sich nur schwer mit den Werbeslogans des D ­ RAfOS vom Stadion als einem der »Jugendkraft« geweihten Ort, einem »großen nationalen Tummelplatz«, in dem »hellenischer Ernst, Schlichtheit und Mäßigung« herrschten, in Einklang bringen: »Im Stadion selbst darf nur die vornehme Eigenart der klassischen Stätte der Körperkultur zum Ausdruck gelangen. Nie darf es durch un-

47 Nicolai, Die Bedeutung des neueröffneten Stadions, S. 978. 48 Ebd., S. 976. 49 Ebd., S. 976 f. 50 CuLDA, Sachakten, Mappe 657: Carl Diem: Die Weihe des Deutschen Stadions.

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passende Einbauten auf das tiefer liegende Niveau eines Vergnügungsparks oder einer Unterhaltungsstätte bei Bier und Musik sinken.«51 Die Denkschrift zum Deutschen Stadion stellte in schwülstig völkischem Ton das Stadion unmissverständlich in eine vermeintlich griechische Tradition: Der Bau erfasse den »wahren Geist griechischer Kultur« und verbinde diese, »­arischen Geblüts wie er ist, mit dem deutschen Geiste«.52 Im Gegensatz zum natur- und erdverbundenen Charakter der in die Erde hineingesetzten Stadien des antiken Griechenland  – und durch das Stadion im Grunewald jetzt auch Deutschlands – stehe etwa das Londoner Stadion, das ein Hochbau vom Charakter des Kolosseums sei und damit das »Steinerne und Unromantische einer solchen Anlage besitze.«53 In diesen Äußerungen zur »Baugesinnung« des Stadions tritt nicht nur die hellenophile Facette des »arischen Mythos« (Poliakov) zu Tage, sondern auch der antirömische Affekt der völkischen Germanen­ ideologie, der den ökonomischen, rationalen, kühlen Eigenarten des römischen Wesens das gemütsbetonte, natur- und sippenverbundene der Germanen gegenüberstellte.54 Schon George Mosse beschrieb die Herrschaft Griechenlands über den »­Geschmack in Deutschland« als einen wesentlichen Bestandteil deutscher nationaler Selbstidentifikation schon in »vor-völkischer« Zeit. Die Walhalla am Donauufer bei Regensburg war einem griechischen Tempel nachempfunden, das Niederwalddenkmal oder das Völkerschlachtdenkmal waren mit Friesen griechischer Motive geschmückt.55 Auch das Deutsche Stadion nahm klassizistische Elemente durch den Figurenschmuck auf. Den griechischen Geist beschwor etwa eine in der Mitte der Tribüne, gegenüber der Kaiserloge, auf einer Säule angebrachte Figur der Siegesgöttin Nike. Ansonsten stellten die von Bildhauern wie beispielsweise Walter Schmarje, Ludwig Cauer, Ludwig Vordermayer, Hermann Fuchs und Georg Kolbe errichteten Figuren im klassizistischen Stil mit Ausnahme einer Neptungruppe Sportlermotive dar: Reiter, Ringer, Leichtathleten, Schwimmer, Sandalenbinder, Sportknaben, Läufer u. a.56 Insofern ließe sich das Deutsche Stadion in diese Form einer Repräsentationsästhetik einreihen. Dennoch war diese Anlehnung an klassische Formen, das 51 Kilian, Noch einmal das Grunewald-Stadion, S. 1751. 52 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 7. 53 Diem, Moderne Sportplatzanlagen, S. 420. 54 Poliakov, Der arische Mythos. Ferner Puschner, Die völkische Bewegung, S. 92; ­Wiwjorra, Die deutsche Vorgeschichtsforschung, S. 191; Kipper, Der Germanenmythos. 55 Mosse, Die Nationalisierung der Massen, S. 43. 56 Diem, Das Deutsche Stadion, S. 676. Siehe auch Reher, Das Deutsche Stadion, S. 11 f., Abbildungen auf den S. 19–24. Jedoch verfielen diese Figuren mit der Zeit. 1913 wurden sie zunächst nur provisorisch in Hartgips ausgeführt und sollten erst für die Olympiade 1916 in Bronze gegossen werden. Durch den Ersten Weltkrieg wurde dieser Plan auf unbestimmte Zeit verschoben, so dass 1926 einigen Figuren teilweise sogar die Hand oder der Fuß fehlte und den Pferden der Reiterfiguren Hals und Kopf abhanden gekommen war. Im selben Jahr wurde der Figurenschmuck des Stadions entfernt. Siehe Krause, Das Deutsche Stadion und Sportforum, S. 30 f.

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semantische und materielle Andocken an griechische Vorbilder auch problematisch, insbesondere dann, wenn es um das spezifisch Deutsche ging. Schon in der Namensgebung »Stadion« erblickten Vertreter der Turnerschaft »Epigonentum« und einen Mangel an »völkischer Eigenart«.57 Im Zusammenhang mit dem Deutschen Stadion ist nun wichtig, dass in Anknüpfung an das antike Vorbild die olympische Idee selbst national umgedeutet wurde, wobei das deutsche Volk als der legitime Erbe der Griechen die Bühne betrat. Diem etwa löste den Spagat zwischen Internationalität und Natio­ nalismus folgendermaßen: »In der Blütezeit der Olympischen Spiele waren die Griechen das einzige Kulturvolk der ihnen bekannten Welt  – ich rechne die technische Entwicklung des alten Ägyptens nicht zum Kriterium der Kultur, sondern der Zivilisation. – Die Menschen um sie waren Barbaren […]. Sie ließen diese so wenig zu ihren Spielen zu, wie wir heute Negerstämme aus dem Innern Afrikas zur Teilnahme laden würden. […] Wenn die Spiele heute aber international sind, so ist der Kern der alten Spiele noch nicht verletzt. Das wäre erst der Fall, wenn sie eine Form annehmen würden, die jedes nationale Moment ausschaltet. Ich behaupte aber, daß sie auch heute trotz ihrer ›Internationalität‹ national sein können. […] National sind diese Spiele nämlich, wenn das Gemeingültige, also das internationale auf dem Gebiet der Leibesübungen, mit dem Bewußtsein gepflegt wird, damit dem eigenen Vaterlande zu dienen, national sind sie, wenn im sportlichen Streite mit erhöhtem Eifer gekämpft wird, in dem heißen Willen, an dieser Stelle das Ansehen des Vaterlandes zu mehren, wenn aus diesem von Vaterlandsliebe durchglühten Kampfeseifer Ströme der Begeisterung in das Volk fließen und dort die nationalen Gefühle in edler Weise entfachen.«58 In Übereinstimmung mit der nationalen Rhetorik des Jahres 1913 beschwor er in der Konstruktion historischer Analogien zwischen Befreiungs- und Einigungskriegen im Vorgriff auf den 100. Jahrestag des Sieges über Napoleon im Oktober 1913 die »nervigen Fäuste, die die Franzosen von deutschem Boden jagten« und die »auf blutigen Feldern die deutsche Einigkeit schmiedeten« und machte gleichzeitig aus der Reichsgründung von 1871 die Vollendung eines bereits 1813 angelegten Werkes.59 Die hier konstruierte Gemeinschaft war in erster Linie eine Schicksals-, Kampf- und Opfergemeinschaft. Das Stadion wurde in ebendiese Traditionslinie gestellt; die »nervigen Fäuste« waren eben auch »beteiligt beim Entstehen des Stadions. Die rauhen Tage von 1813, die glor­ reichen von 1870 hatten den Grund geschaffen […], und in den heißen Sonnenstrahlen des echt deutschen Idealismus eines v. Podbielskis, eines Grafen Assen57 Schröer, Ein deutsches Stadion. 58 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 6. 59 Ebd., S.  5. Allgemein zur nationalen Rhetorik 1913 siehe Winkler, Deutsche Geschichte, S.  323 f. sowie Hoffmann, Sakraler Monumentalismus. Zu der Konstruktion der Ana­ logien zwischen 1870/71 und den Befreiungskriegen siehe auch Becker, Bilder von Krieg, S. ­306–321.

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burg, eines Paul Martin [ehrenamtlicher Geschäftsführer des ­DRAfOS] ist die Frucht gereift.«60 Diese Frucht war das Deutsche Stadion. Was die Legitimation des Stadionbaus anging, so befand sich der D ­ RAfOS also in einem Spannungsfeld, in dem das klassische Ideal mit dem Bemühen um symbolische Einschreibung der Nation in den Stadionraum konfrontiert war. Vor diesem Hintergrund kann das Deutsche Stadion als eine aus dieser Spannung hervorgegangene Synthese betrachtet werden, in der das klassische Ideal, wenn auch umgedeutet, weiterhin bestimmend blieb, die aber auch Symbole und Elemente einschloss, die als genuin deutsch galten, etwa eine einzelne, bedeutungsschwangere Eiche an der Ostflanke des Stadion. Angesichts der fehlenden Nationalflagge dienten Eiche und Eichenlaub als Zeichen deutscher Treue, Stärke und Naturverbundenheit schon seit den ersten Dekaden des 19.  Jahrhunderts als Nationalsymbole und schmückten Feste.61 »Weit ausladend« – so die Beschreibung in der Stadiondenkschrift – »steht sie mit starken Wurzeln im Mutterboden, frank ragt sie aus ihm in die Höhe, trotzend Wetter und Sturm, und Schatten und Schutz spendet sie jedem, der ihn begehrt. So mag die sporttüchtige Jugend bei allen Uebungen sich stets bewusst sein, daß auch die Wurzeln ihrer Kraft und ihres Glücks in dem Boden ruhen, der sie geboren, und den zu schützen, für den einzustehen ihr höchster Stolz sein muß.«62

5. Raumbeziehungen Die Eigenart eines Stadions ist im Wesentlichen durch die Herstellung spe­ zifischer Raumbeziehungen und Grenzziehungen bestimmt. Dabei sind es nach Markus Schroer drei Räume, die ein Stadion miteinander in Beziehung setzt. Geht man von Innen nach Außen vor, so handelt es sich erstens um den Innenraum. Der Begriff »Innenraum« bezeichnet die im Zentrum der Anlage ge­legene Fläche, die dem Sporttreiben, dem Wettkampf gewidmet ist. Zweitens wird der Innenraum wie von einem Gürtel vom Zuschauerraum umfasst. Am äußeren Rand des Zuschauerraums grenzt schließlich der Umgebungsraum an.63 Gleichzeitig weisen der Innenraum und der Zuschauerraum Binnen­ differenzierungen in ihrem räumlichen Gefüge auf. So ist der Innenraum etwa durch Kreidemarkierungen unterteilt in einzelne Räume, die verschiedenen Sportarten zugewiesen sein können, ebenso wie der Zuschauerraum in der Re60 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 5. 61 Bereits Ernst Moritz Arndt hatte 1814 die Eiche zum Symbol des 18. Oktobers, des Jahrestages der Leipziger Schlacht, erklärt. Ute Schneider weist darauf hin, dass das Symbol vor allem dann Eingang in die Festkultur fand, wenn zu dem Anlass außenpolitische Bedrohungsängste hinzukamen. Schneider, Politische Festkultur im 19. Jahrhundert, S. 57. 62 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 7. Diese Eiche wurde 1916, in Erinnerung an den zuvor verstorbenen Präsidenten des ­DRAfOS, »Podbielski-Eiche« genannt. 63 Schroer, Materielle Formen, S. 32 f.

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gel unterteilt ist in Steh-, Sitz- und Logenplätze.64 Die Art, wie diese Räume miteinander konfrontiert und wie die Grenzen zwischen den einzelnen Räumen baulich und symbolisch gestaltet sind, ermöglicht Rückschlüsse auf den Charakter der ersten deutschen Großsportanlage sowie die mit der Errichtung verbundenen Motive und Wünsche. In einem ersten Schritt möchte ich die Beziehung des Stadions zum Um­ gebungsraum erörtern. Das dominierende Merkmal des Deutschen Stadions war seine Ausführung als Erdstadion, auch wenn sich dies, wie dargelegt, aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten und der Auflagen des Unionklubs mehr oder minder als Sachzwang ergab. In dieser Beziehung unterschied sich das Deutsche Stadion erheblich von den internationalen Vorbildern, ein Unterschied, der den Akteuren bewusst war und selbstbewusst nach außen vertreten wurde: »Nicht weiß schimmernd von penthelischem Marmor und prächtig, wie das Panathenäische Stadion an den Ufern des Ilissos, und nicht hochragend wuchtig wie das steinerne Monument nordischer Baukunst im ­Osten Stockholms, sondern weit ausladend, angeschmiegt an die knappen Erhebungen des Bodens, in matten Farben, so liegt das deutsche Stadion inmitten der Föhren des Grunewalds, schlicht in seinen Linien, gewaltig in seinen Massen, monumental in seiner Wirkung.«65 Allerdings stellte sich die monumentale Wirkung des Stadions erst beim Betreten des Innenraums ein, da sich wegen des Fehlens einer Außenfassade erst in diesem Augenblick die architektonischen Elemente und die große Flächenausdehnung des Baus offenbarten. Das Deutsche Stadion war eben nicht, wie bei vielen öffentlichen Bauten üblich, ein weithin sichtbares Gebäude, tendierte eben nicht schon von außen zum Monumentalen. Der Architekt Otto March verzichtete nicht nur auf die Außenfassade, sondern auch auf überdachte Tribünen. Selbst die oberen Zuschauerreihen befanden sich auf Bodenhöhe, so dass sich die Übergänge zwischen Stadionraum und umgebender Landschaft weich und offen gestalteten. Frank Becker hat darauf hingewiesen, dass auch die »Farbsinfonie« des Stadions, die tatsächlich in vielen Beschreibungen der Anlage ausführlich beschrieben wird,66 als eine symbolische Brücke zu ihrer Umwelt und damit auch als Ausdruck dieser Raumbeziehung betrachtet werden kann. Die große Rasenfläche des Innenraums, die den Fußballplatz und die beiden seitlich davon gelegenen Turnplätze beinhaltete, war in einer symmetrischen Anordnung von drei Bändern umgeben: zuerst der grauen Laufbahn, dann der weißlich-gelben Radrennbahn, schließlich der 64 Bale, Raum und Sport, S. 153 f. 65 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 5. 66 Etwa CuLDA, Sachakten, Mappe 657: Der Sport unserer Zeit; Zum Projekt des Berliner ­Stadions, in: Illustrierte Zeitung, 23. April 1908. Interessanterweise beziehen sich die beiden Beschreibungen der Farbwirkung sogar noch auf die Entwicklungsphase des Stadions. Ferner Martin, Olympische Kampfstätten; Diem, Unser Stadion und die anderen, S. 678; ders., Die Weihe des Stadion im Grunewald, S. 738 f.

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Abb. 8: Luftaufnahme des Deutschen Stadions innerhalb der Pferderennbahn Grunewald, 1913.

grauen Eisenbetontribüne. Eingebettet war das Ganze wiederum in das Grün der Wiesen und Bäume des Grunewalds.67 Elementar waren in dieser Hinsicht Natur und Wald, oder anders ausgedrückt, die räumliche Kombination von Natur und Bau, wie sie in den fließenden Übergängen des Stadionraums mit der Landschaft des Grunewalds zum Ausdruck kam. In den Worten Carl Diems: »Die ganze Naturliebe und Naturverbundenheit des deutschen Wesens spiegelt sich in der Art, wie es Stadionbauten schafft. […] Mit dieser Naturliebe verbindet sich als letztes Kennzeichen deutscher Art der Kunstsinn.«68 Durch die Betonung einer romantischen und ursprünglichen deutschen Landschaft, des »märkischen Sandes« und der »immergrünen Föhren« des Grunewalds, wurde das Stadion semantisch nationa­ lisiert. Dabei ist es zweitrangig, ob nun praktische oder symbolisch-ideologische Gründe den Ausschlag zur Ausführung als Erdstadion gaben. Entscheidend ist, dass sich das Erdstadion dazu eignete, die »deutsche Naturliebe« hervorzuheben. Demnach war das Stadion in die Natur eingebettet, verschmolz gleichsam mit der umgebenden Landschaft des Grunewalds. »Der Blick […] kann dann über die oberen Ränder des Theaterbaus [sic] hinausschweifen zu den Baum­ kronen der Grunewaldwipfel und zu ganz fernen, nur noch schattenhaft sich zeigenden Gebäuden«  – so der Eindruck eines Journalisten, der das Stadion kurz vor seiner Eröffnung 1913 besuchte.69 In diesen Beschreibungen erscheint das Stadion kaum als ein städtisches Objekt oder Teil einer urbanen Massen­ 67 Vgl. Becker, Den Sport gestalten, Bd. 1, S. 180. 68 Diem/Krause, Deutsche Kampfspiele 1926 zu Köln am Rhein, S. 4. 69 Berliner Tageblatt, 7. Juni 1913.

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kultur. Den sichtbaren Hintergrund des Stadions bildeten die dunklen Kiefern des Grunewalds, die Stadt Berlin mit all ihren schillernden Verlockungen jedoch war nur schemenhaft als ferner Schatten sichtbar. Ich komme nun zur Betrachtung des Innenraums und damit auch zum Verhältnis von Zuschauer- und Sportraum. An diesem Punkt wird schnell deutlich, dass die Gestalt des Deutschen Stadions nicht von vornherein feststand, sondern das Ergebnis jahrelanger Anstrengungen und Verhandlungen war, in die die verschiedenen Interessen der beteiligten Gruppen hineinspielten. Vor allem die schwer miteinander in Einklang zu bringenden Forderungen der einzelnen im ­DRAfOS vertretenen Sportverbände bereiteten Otto March immense Schwierigkeiten. Dabei erwiesen sich die verschiedenen Anforderungen des Radsports und der Leichtathletik, hier speziell des Wettlaufs, als besonders problematisch. Wollte man dem Radsport innerhalb der baulichen Klammer des Stadions einen Platz einräumen, so musste den nationalen wie internationalen Standards gemäß eine 666 2∕3 Meter lange Radrennbahn aus Zement angelegt werden. Eine Verkürzung entsprechend der Kurvenüberhöhungen hätte die üblichen Maximalgeschwindigkeiten von etwa 75 bis 80  km/h und Minimal­ geschwindigkeiten, die immerhin noch ca. 45 km/h er­reichen konnten, verhindert und bei einer kürzeren Umrundung des Ovals zu erheblichen Einbußen in der Spannung geführt.70 Demgegenüber benötigte man aber für den Wettlauf eine Bahn von ca. 400 Metern Länge. Ohne ›tote‹ Räume in Kauf zu nehmen, war es also nicht möglich, die Radrennbahn um die Aschebahn für Wettläufe zu legen. Dennoch zeigen erste Entwürfe aus den Jahren 1907 und 1908 sowohl eine Radrennbahn von beschriebener Länge als auch eine Laufbahn von 400 Metern.71 Man war anfangs also eher bereit, eine dysfunktionale Raumordnung im Innern in Kauf zu nehmen als auf die disziplinspezifischen Maße und Standards zu verzichten. Doch im Laufe der Zeit und nach langen Debatten löste die vom Deutschen Reichsausschuss eingesetzte Baukommission das Problem zu Beginn des Jahres 1909, indem sie die Laufbahn auf 600 Meter verlängerte, so dass diese gerade in die Radrennbahn hineinpasste. Durch diese Lösung entstand nun gezwungenermaßen ein übermäßig großer Innenraum von 254 × max. 82 Metern, so dass sich auch der Fußballplatz im Zentrum der Anlage weitgehend nach diesen Maßen richten musste. War die ursprüngliche Fläche auf 90 × 60 Meter angelegt, wurde diese zunächst auf 100 × 65 Meter und dann abschließend gar auf 110 × 70 Meter erweitert. Die dadurch an den beiden Seiten entstandenen halbkreisförmigen Räume – der Abstand vom Rand des Fußballplatzes bis zur Wettlaufbahn betrug dort immerhin noch 72 Meter – dienten der Abhaltung von weiteren Athletik-Wettkämpfen wie Hoch- und Weitsprung, Speer- und Diskuswerfen und Turnübungen. Fer70 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 14. Nicht zuletzt hoffte man auch durch den damals überaus populären Radsport auf größere Einnahmen im Stadion. Siehe Becker, Den Sport gestalten, Bd. 1, S. 178. 71 CuLDA, Sachakten, Mappe 657: Otto March, Das Deutsche Stadion, 22. Dezember 1908.

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Abb. 9: Das Deutsche Stadion. Maße und räumliche Gliederung, 1913.

ner beinhaltete der Bau noch ein Schwimmbecken von 104  Meter Länge und 22 Meter Breite mit separaten Zuschauerplätzen auf der Gegengeraden, gegenüber den Logenplätzen, der Kaiserloge und dem Haupteingang.72 So stellte die Gestaltung des Innenraums eine Kompromisslösung dar. Das Deutsche Stadion war eine Multifunktionsanlage, in der man versuchte, für den Wettkampfbetrieb möglichst viele Sportarten baulich zu vereinen.73 Die daraus resultierenden Effekte für den Berliner Bau waren erheblich. Das Stadion war riesig, größer noch als die vorherigen olympischen Sportbauten. Die gewaltigen Ausmaße, die Idee, innerhalb einer einzigen architektonischen Klammer verschiedene separate Sporträume mit ihren verschiedenen Anforderungen und Standards zu integrieren, bestimmte in erheblichem Maße den Charakter dieser Anlage. Dies gilt insbesondere für die Konfrontation des Innenraums mit dem Zuschauerraum. Für die überwiegende Anzahl der Zuschauer war die oben geschilderte Raumkonzeption höchst unbefriedigend. Insgesamt bestand der Zuschauerraum aus 2.208  Logenplätzen, 12.232  Sitzplätzen und 12.470  Steh72 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 14; Krause, Das Deutsche Stadion und Sportforum, S. 17. 73 Das war zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich. Beispielsweise war das Londoner White City Stadium ähnlich gestaltet: mit einem Schwimmbecken, einem Spielfeld im Zentrum, einer Laufbahn von 537 Metern und einer Radrennbahn, die wie in Berlin um die Laufbahn gelegt wurde. Siehe Lennartz, Geschichte des Deutschen Reichsausschusses, Heft 3, S.  122. Siehe auch The British Olympic Association, 1908.

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plätzen.74 Ein breiter Streifen, bestehend aus den an den Enden des Kernrasenplatzes gelegenen Turnplätzen, der Laufbahn sowie der Radrennbahn, bildete die Grenze zwischen Sport- und Zuschauerraum. So lagen an den Längsseiten der Anlage die Zuschauerplätze bis zu etwa 100 Meter vom Spielgeschehen entfernt. Hinzu kam, dass die außen gelegene Radrennbahn, auf der hohe Geschwindigkeiten erreicht werden konnten, direkt an die Stehplätze angrenzte, weswegen nach baupolizeilichen Bestimmungen diese durch massiv aufragende Betonplatten eingefriedet wurden.75 Überhaupt zeigt sich in der räumlichen Anordnung der einzelnen Sitzplatzarten innerhalb des Zuschauerraums ein nach sozialen Schichten segregierter Bau. Das Stadion markiert insofern die fortgeschrittene Territorialisierung der Zuschauerränge in Sportbauten. Selbstverständlich gab es Tendenzen der Segmentierung bereits vorher, dennoch galt bis dahin, dass der Zuschauer sich in der Regel mit dem Erwerb einer Eintrittskarte nach Gutdünken auf dem Areal bewegen konnte. Im Deutschen Stadion hingegen waren die Eintrittskarten und die Plätze mit Ausnahme der Stehplätze nummeriert, d. h. jedem Besucher wurde ein bestimmter Platz zugewiesen. Die Sportstätte als Typus einer sozial-räumlichen Technik zeigte sich auch in der Verteilung von Steh-, Sitz- und Logenplätzen. Die Kaiserloge lag in der Mitte des Südflügels, direkt über den Tunnel, der in das Stadion führte. Rechts und links der Kaiserloge waren die insgesamt 536 Logenplätze für etwa 2.208 Personen verteilt. Die einzelnen Logen waren wiederum voneinander durch knapp über einen Meter hohe Holzwände voneinander separiert und für jeweils vier oder acht Personen angelegt. Diese Binnenseparierung der Logenplätze in einzelne Kleinräume ermöglichte die individualisierte und distanzierte Form der Teilhabe an den Veranstaltungen. Auch die Eingänge zu den Logenplätzen waren von denen zu den Sitz- und Stehplätzen geschieden. Demgegenüber erschienen die Besucher des Stadions auf den günstigen Steh- und Sitzplätzen als eine große, amorphe Masse. Steh- und Sitzplätze zogen sich an den beiden Enden der Logenplätze im Halbrund um die Turnplätze, die den Kernplatz des Stadions umrahmten, unterbrochen durch die Schwimmbahn, die auf dem Nord­f lügel direkt gegenüber der Kaiserloge und den Logenplätzen lag. Dabei befanden sich sämtliche Stehplätze ganz unten, dicht vor der Einfriedung der Radrennbahn. Unmittelbar am Kernraum des Stadions waren einzig die Logenplätze angebracht, nur von diesen Plätzen aus ließ sich das Geschehen im Zentrum ohne Beeinträchtigungen verfolgen. Alle anderen Plätze hingegen lagen hinter dem Kernplatz und wer an den Enden des Ost- oder Westflügels saß oder stand, befand sich vom Hauptgeschehen – wie erwähnt – ca. 100 Meter entfernt und hatte eine äußerst schlechte Sicht auf die Darbietungen im Zentrum der Anlage. In der Gesamtschau entstand hier eine Großsportanlage, die, wie manche Beobachter urteilten, den Charakter eines Festraumes trug, geeignet vor allem 74 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 20. 75 Krause, Das Deutsche Stadion und Sportforum, S. 19.

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für Massenaufführungen und -aufzüge.76 Die Massenwirkung und damit einhergehend das Überwältigende eines solchen Baus lagen gerade darin, dass »in diesem gewaltigen Freilichttheater jeder Zuschauer ohne Gage« mitspielte und die »Bewegungsvorgänge als ein einziges ungeheures Ganzes in sich aufnehmen« konnte. Es bot dem Volk die Gelegenheit, sich »beim Anblick seiner selbst, durch das Gefühl der eigenen Stärke zu berauschen« – so das Berliner Tageblatt in einer beeindruckend hellsichtigen Beschreibung des Stadions am Vortag der Einweihung.77 Aber sich am Sport oder einem Fußballspiel zu berauschen war nur bedingt möglich: »Gestern war die Sache aber jedenfalls ziemlich langweilig«, so war es anlässlich des ersten Übungsabends im Deutschen Stadion in der Zeitung zu lesen: Die Teilnehmer würden auf dem weiten Platz ganz verloren wirken.78 Jede unmittelbare Interaktion von Zuschauern und Sporttreibenden wurde durch die bauliche Zwischenzone unterbunden. Als Ort des Sportkonsums war die erste Großsportanlage in Deutschland nur bedingt geeignet.79

6. Wissenschaftlicher Sportbau Das Deutsche Stadion galt als das Fanal zur Überwindung des »unwissenschaftlichen und primitiven« Sportstättenbaus.80 Johannes Seiffert, Otto March, Carl Diem oder Gerhard Krause gehörten zu jenen Männern, die an der Errichtung des Stadions unmittelbar beteiligt waren und unermüdlich den wissenschaft­ lichen Charakter dieser Anlage hervorhoben. Noch 1930 unterstrichen die Oberbauräte Richard Konwiarz und Karl Brandt die Pionierrolle des Stadions. In der Schrift Deutscher Sportbau, die aus Anlass des Olympischen Kongresses in Berlin veröffentlicht und auch an maßgebliche Mitglieder des IOC verteilt wurde, stellten sie es den frühen mehr oder minder improvisierten Sportplätzen gegenüber, um das Neue, Professionelle und Wissenschaftliche des Berliner Stadions zu betonen: »so war doch der Spielplatz der Vorkriegszeit in der Regel noch nicht viel mehr als eine fast unbearbeitete Freifläche bescheidensten Ausmaßes, bestenfalls mit 4  Torstangen und einem hohen Bretterzaun versehen. Noch ist der Spielplatz ein Fremdkörper im Stadtbild, zufällig und häßlich dort hingepflanzt, wo gerade eine Baulücke Platz ließ.«81 Das Attribut »wissenschaftlich« wurde auf drei wesentliche Eigenschaften des Deutschen Stadions angewandt, die das Neue dieser Anlage klar hervor76 Seiffert, Spielplätze und Festspielplätze, S. 30. 77 Berliner Tageblatt, 7. Juni 1913. 78 Vossische Zeitung, 15. Juli 1913. Siehe auch die Ausgabe vom 8. Juli 1913. 79 Leo, Das Stadion, S. 152. 80 Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen, Deutscher Sportbau, S. 18. 81 Ebd.

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stechen lassen: 1.  die Technisierung und ausgeprägte infrastrukturelle Vernetzung, 2.  die Professionalisierung und Technisierung der Einzel­anlagen im Inneren des Stadions und 3. das Bemühen, im Stadion Sportbetrieb und Sportforschung zu verbinden. In der Tat stand das Stadion erstens für ein im deutschen Sportbau bislang unbekanntes Maß an Technisierung. Nicht nur war ein Stab von Architekten und Ingenieuren an der Konzeption und Umsetzung beteiligt, auch dem Betreiber stand zahlreiches Personal zur Verfügung, das arbeitsteilig für die Wartung, Instandsetzung und andere anfallende technische Arbeiten zuständig war.82 Dieses vergleichsweise neue Merkmal wurde auch außerhalb der Sportbewegung deutlich wahrgenommen. Dabei fällt auf, dass das Schlagwort von der Wissenschaftlichkeit des Stadions nicht allein in architektonischen und technischen Fachzeitschriften kursierte, die von vornherein auf ein interessiertes Fachpublikum gerichtet waren. Zahlreiche Artikel in populärwissenschaftlichen Zeitschriften und in Tageszeitungen wie Berliner Tageblatt, Nordland, ­Illustrierte Zeitung, Tägliche Rundschau oder B. Z. am Mittag beschäftigten sich mit Fragen der Konstruktion, der verwendeten Materialien, der Infrastruktur der Anlage, der Konstruktion der Zuschauerränge und druckten sogar technische Zeichnungen ab.83 Diese Technology’s Storytellers (Staudenmaier) erfüllten das Neue, Riesige und Spektakuläre dieser Anlage durch technische Details mit Leben.84 In diese allgemeine Faszination am Technischen mischte sich aber auch ein etwas distanzierter Ton: In ein »wüstes, graues Loch [hat sich] eine RiesenBeton-Schüssel gepreßt und von der um sich treffenden Stadt her einen Tunnel für die Untergrundbahn gebohrt, der auf einmal in einen ebenerdigen Bahnhof mitten in einer Grunewaldlandschaft ausläuft. Der Beton hat den Sand benützt und besiegt, und mitten durch seine trockenen Flugwehen strammen sich Straßen und Flächen, wie sie das neue Berlin braucht.«85 Diese wehmütige Beschreibung stammt von Ulrich Rauscher, einem bekannten Journalisten, der u. a. für die Frankfurter Zeitung und die Weltbühne tätig war und in der Weimarer Zeit als persönlicher Referent Philipp Scheidemanns und als Pressechef der Reichsregierung arbeitete. Und mehr noch – so Rauscher weiter: eben diese drei Elemente, die Untergrundbahn, das Stadion und die Heerstraße, die vom Kaiserdamm durch den Grunewald zur Rennbahn führte, würden mehr als all die antiquierten Militärschauen die 25jährige Regentschaft Wilhelm II. charakterisieren.86 Damit brachte er das anachronistische, scheinbar Widersprüchliche 82 CuLDA, Sachakten, Mappe 1: Anstellung eines Stadionverwalters 1913 und Mappe 657: Dienstanweisung für den Stadion-Wart, o. J., vermutlich 1913/14. Demnach standen dem Stadionverwalter ein Pförtner, zwei Garderobenfrauen, ein Gerätewart, ein Tischler, ein Schlosser, drei Maler und sechs Arbeiter zur Seite. 83 Siehe die Zeitschriften- und Zeitungsartikelsammlung in CuLDA, Sachakten, Mappe 657. 84 Staudenmaier, Technology’s Storytellers. 85 Rauscher, Das Deutsche Stadion. 86 Ebd.

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der Wilhelminischen Epoche zwischen dem aufgeklärten Absolutismus verhafteten Elementen und moderner Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Neuerungen zum Ausdruck, wie sie Wolfgang König beschrieben hat.87 Dabei konzentriert sich Rauscher in seiner Beschreibung nicht zufällig vornehmlich auf Straßen, U-Bahnen und Bahnhöfe, denn die Technisierung des Stadions manifestierte sich vorrangig in einer enormen sportspezifischen Infrastruktur und in einer ausgeprägten infrastrukturellen Vernetzung. Warmwasserversorgung, Aborte, Gesellschaftsräume und Krankenzimmer gehörten zur Ausstattung, in den Umkleidekabinen standen Duschen und Wannen­bäder bereit sowie Fußbadewannen für Läufer, die mit Gasschnellerhitzern das Wasser erwärmen konnten.88 In das Stadion gelangte man durch einen großen Tunnel, der unter der Pferderennbahn hindurch ins Stadion führte und 1913 zu den größten Betonbauten Berlins zählte. Vor dem Tunneleingang befand sich der »Ehrenhof«, an dessen Seitengebäude sich Räume für die Presse, Post, Polizei und Stadionverwaltung befanden.89 Aus Kostengründen verzichtete man auf eine reguläre Beleuchtung, weshalb die Übungen und Wettkämpfe bei Einbruch der Dunkelheit beendet werden mussten. Für Notfälle allerdings stand eine große Anzahl von Scheinwerfern zur Verfügung.90 Auch der Betrieb und die Wartung setzten einen Technisierungsschub frei. Die Bewässerung des Rasens etwa wurde in Teilen maschinell bewerkstelligt. Die Anlage war an die städtische Infrastruktur angeschlossen, in diesem Fall an die Charlottenburger Wasserwerke. Eine Pumpanlage saugte das Wasser vom Schwimmbecken in eine Druckleitung und von hier aus in sogenannte »fahrbare Regenapparate«, was sowohl für niedrigere Wasserkosten sorgte als auch für eine kontinuierliche Erneuerung des Schwimmwassers.91 Zusätzlich wurden der Bodenbelag und die Pflasterung so ausgeführt, dass Regenwasser durch die Fugen versickern konnte. Ein Teil des Wassers wurde durch eine eigens angelegte Rohrleitung, die unter den Zuschauersitzen verlief, in einen ca. 700 Meter entfernten Teich eingeleitet. Größere Regenwassermengen speiste man, ebenso wie die Abwässer aus Küche, Aborten und Badeeinrichtungen, in das angeschlossene Kanalisationssystem ein. Ferner wurde das Stadion durch die Ver­längerung einer U-Bahnlinie an die städtische Infrastruktur angebunden, woran sich der ­DRAfOS anteilig mit knapp 200.000 Mark beteiligte. Die U-Bahnstation »Stadion« konnte 1913 zeitgleich mit der Einweihung des Deutschen Stadions in Betrieb genommen werden, wobei diese Neubaustrecke zwischen Reichskanzlerplatz und Stadion nur bei Veranstaltungen in der Groß87 König, Wilhelm II. und die Moderne. 88 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 14, 21; Berliner Tageblatt, 7. Juni 1913. 89 Krause, Das Deutsche Stadion und Sportforum, S. 21. 90 Berliner Tageblatt, 7. Juni 1913. 91 CuLDA, Sachakten, Mappe 657: Das Deutsche Stadion, 22.  Dezember 1922. Zusätzlich setzte man Fische (Goldorfen und Karauschen) im Schwimmbecken ein. Die Fische, fähig auch im sehr sauerstoffarmen Gewässer zu überleben, hatten die Aufgabe, Insekten zu fressen. Siehe Krause, Das Deutsche Stadion und Sportforum, S. 29.

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sportanlage freigegeben wurde.92 Überhaupt war das Gelände für den Verkehr ausgezeichnet erschlossen. Auch wenn der Individualverkehr zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine untergeordnete Rolle spielte, lag das Stadion immerhin an drei Berliner Hauptverkehrsachsen, darunter die zentrale Ost-West-Achse der Stadt. Ein S-Bahnhof in der Nähe bestand schon seit 1909.93 Wie oben erwähnt, lässt sich die Wissenschaftlichkeit dieser Anlage auch auf die Einzelanlagen im Innenraum des Stadion beziehen, wobei sich der Grad an Spezialisierung, Verwissenschaftlichung und Technisierung besonders gut am Sportrasen und an der Laufbahn darstellen lässt. Schon im Vorfeld äußerte der Physiologe René  Du  Bois-Reymond, das speziell der Konstruktion der Laufbahn und des Rasens besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden müsse. Es könne nicht angehen, dass die Wettkämpfe und Übungen auf einem beliebigen Boden stattfänden. Nur auf Bahnen, die höchsten Anforderungen genügten, könnten Sportler höchste Geschwindigkeiten erreichen. Die Laufbahn müsse nicht nur eben sein, sondern auch ein »ganz bestimmtes Maß von Härte mit einer gewissen Elastizität vereinigen.«94 Diese hier noch etwas schwammige Formulierung nahm im Deutschen Stadion genauere Form an. Die Konstrukteure legten auf die Ausführung einer wettkampfgerechten Laufbahn besonders viel Wert. Sie legten diese nach einem besonderen Verfahren an, mit dem man etwa seit der Jahrhundertwende experimentierte, einer fest gewalzten Schichtung von Steinschlag, grober und feiner Schlacke, Humuserde, Lehm und Sand.95 Die Schichtung und die Zusammensetzung waren keineswegs willkürlich oder vom Gutdünken des jeweiligen Verantwortlichen abhängig, sondern eine mit wissenschaftlichem Eifer verfolgte Angelegenheit. Es wurde mit diversen Schichtmodellen und Bestandteilen experimentiert, die schriftlich genauestens festgehalten wurden. Für das Deutsche Stadion diente die Zusammensetzung der Laufbahn des Stockholmer Stadions als Vorbild.96 Zur Einweihung des Stadions 1913 lag der Laufbahn noch folgendes Rezept zugrunde: »1. 50 % aus durch 55 mm Maschen gesiebte Lokomotivschlacke, 2. 10 % Dampfkesselschlacke, 3. 30 % schwarze Humuserde, 4. 5 % sandiger Lehm und 5. 5 % scharfer Sand.«97 Doch im Laufe der Zeit erwies sich diese Zusammensetzung offensichtlich als zu weich, was man auch aus den niedrigen Geschwindigkeiten der Läufer ableitete. Daher mischte man ab 1918 alljährlich eine bestimmte Menge pulverisierten Tons hinzu. Um die Qualität der Laufbahn aufrechtzuerhalten, wurde diese täglich gesprengt, geglättet und gewalzt. Mitte der 1920er Jahre konnte man sich schon rühmen, dass viele deutsche Rekorde 92 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 21 f. Siehe auch Bendikat, Öffentliche Nahverkehrspolitik, S. 117, 527 und Jung/Kramer, Die U-Bahn, S. 138 f. 93 Meyer-Künzel, Städtebau, S. 198 f. 94 R. Du Bois-Reymond, Der Studententurn- und Sportplatz im Grunewald, S. 254. 95 Krause, Das Deutsche Stadion und Sportforum, S. 19 f. 96 Diem/Berner, Städtische Sportanlagen, S. 42. 97 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 22 f. Mit »scharfem Sand« bezeichnete man groben Sand, der häufig auch beim Bauen und Mauern zum Einsatz kam.

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Abb. 10: Bodenquerschnitt des Rasens (Fußballplatz) und der Laufbahn des Stockholmer Stadions 1912.

und sogar der Weltrekord über 3.000 Meter des finnischen Leichtathleten Paavo Nurmi auf der Berliner Laufbahn zustande gekommen waren.98 Einen ähnlichen Stellenwert besaß auch der Rasen im Stadioninnern. Schon Keith  Sandiford und John  Bale haben darauf hingewiesen, dass das britische Cricketfeld paradigmatisch für den Einsatz von Wissenschaft und Technik zur Kultivierung von Sporträumen wurde. Auf der Suche nach den optimalen Bedingungen formte man den Rasen den Anforderungen des Sports entsprechend um. Zu diesem Zweck wurden in England bereits in den 1860er Jahren Spezialisten der Hortikultur eingestellt, die ihr Wissen zur Pflege von Landhausgärten auf die Pflege von Sportplätzen übertrugen. Zu ihren Tätigkeiten gehörten auch empirische Untersuchungen der Böden, Gräser und Mergelsorten. Mit dem Sportrasen als Objekt empirischer Untersuchungen setzte auch die technische Umformung der ehemals mehr oder minder naturbelassenen Flächen ein, wozu neben dem Säen bestimmter Rasensorten auch der Einsatz spezieller Maschinen, z. B. einer schweren Walze zur Nivellierung von Bodenunebenheiten, gehörte.99 Auch in Deutschland experimentierte man zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit verschiedenen Rasenmischungen, die hauptsächlich zur Nutzung als Sportuntergrund gezüchtet waren. Für die Instandhaltung und Wartung des Rasens des Deutschen Stadions wurden spezialisierte Arbeiter beschäftigt. Nicht nur mussten der Rasen täglich gesprengt oder das Unkraut entfernt werden, sondern die Zusammensetzung des Rasens, bzw. der Mischung verschiedener Rasensorten war auch Gegenstand empirischer Versuche. So hatte man unmit98 Krause, Das Deutsche Stadion und Sportforum, S. 28. 99 Bale, Parks and Gardens, S. 52 f.; Sandiford, Victorian Cricket Technique. Zur Entwicklung in den USA siehe als Überblick Jenkins, »Fairway Living«.

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telbar nach dem Ersten Weltkrieg dem Rasen des Deutschen Stadions 15 Prozent kleinblättrigen Weißklee hinzugefügt, um die Widerstandsfähigkeit bei häufiger Nutzung zu steigern.100 Überhaupt zeigt sich in diesem Fall besonders anschaulich ein wissenschaftlich vorbereitetes und minutiös in allen Einzelheiten ausgearbeitetes Vorgehen, das mit äußerstem Ernst und größter Konzentration von Experten betrieben wurde: Zuerst wurde das Gefälle nivelliert, dann je nach Bodenbeschaffenheit umgeformt, d. h. der Boden durch Zusätze für die Strapazen des Sportes nutzbar gemacht. Sandböden erhielten durch den Zusatz von keimfähigen Boden­materialien eine Zusammensetzung, in der sich Wasser halten konnte. Lehmböden galten als wenig geeignet, da sich in ihnen Grassamen nur schwer entwickeln konnten und sie bei Dürre schnell hart wurden. Daher wurden lockernde und keimfähige Materialien zugesetzt. Weiche Wiesenböden waren wegen des Grundwassers problematisch. Harter Wiesenboden hingegen wurde bevorzugt, aber auf keinen Fall der üppige und weiche Rasen, wie er in Parkanlagen anzutreffen war und die Bewegungen der Sportler hemmte. Insgesamt sollte der Rasen sehr strapazierfähig sein, wobei in dieser Hinsicht englischer Rasen (Raigras) geschätzt wurde, dem man je nach Klima, Umgebung und Erde weißen Klee, Schaffwingel oder Platthalmrispengras zugab. Der einmal ausgesäte Rasen brauchte aber kontinuierlich die Pflege von Spezialisten, eine häufige Sprengung und regelmäßiges Walzen.101 In der öffentlichen Wahrnehmung weniger präsent, aber inhaltlich unmissverständlich trat schließlich der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit im Konzept des »Stadionorganismus« zu Tage.102 Dieser von Otto March geprägte Begriff bezeichnete in der Hauptsache die räumliche Verbindung von Sport, Kunst und Wissenschaft im Stadion.103 Was die räumliche Einverleibung von Wissenschaft betrifft, so bezog March sie auf die Integration von Räumlichkeiten für Ärzte und eines anthropometrischen Laboratoriums für Körpermessungen.104 Das Konzept des Stadionorganismus, also permanent im Stadion befindlicher Räume zur wissenschaftlichen Untersuchung des Sport und des Sportlers, war ausgesprochen neu. Es erklärte das Stadion zum Ausgangsort sportwissenschaftlicher Forschung. Allerdings muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass dieses Konzept zunächst im anfänglich projektierten Umfang nicht realisiert werden konnte. Die ursprüngliche Idee eines Stadionlaboratoriums scheiterte an den damit verbundenen Kosten und verbandsinternen Streitigkeiten.105 100 Krause, Das Deutsche Stadion und Sportforum, S. 29. Die »Rasenmischung« ist abgedruckt ebd., S. 20. 101 Diem/Berner, Städtische Sportanlagen, S. 38–41. 102 Hierzu siehe vor allem Court, Deutsche Sportwissenschaft, Bd. 1, S. 63–71. 103 Die Urheberschaft Marchs wird aus den Ausführungen von Arthur Mallwitz ersichtlich. Siehe Mallwitz, Das deutsche Stadion, S. 30. 104 March, Das Stadion im Grunewald, S. 14. 105 Court, Deutsche Sportwissenschaft, Bd. 1, S. 63–65, 121–126.

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Der DRA konnte lediglich einen Stadionarzt, Arthur Mallwitz, einstellen.106 Gleichwohl war das Deutsche Stadion die erste Einrichtung dieser Art, die einen hauptamtlichen Mediziner beschäftigte.107

7. Das Stadion als Festspielstätte: Die Einweihung 1913 Es war die bis dahin größte Manifestation des deutschen Sports: 30.000  Mitwirkende und ebenso viele Zuschauer waren an der Einweihung des Deutschen Stadions beteiligt. Schon in der Hauptversammlung des ­DRAfOS am 29. September 1912 war davon die Rede, die Einweihung des Stadions zum Regierungsjubiläum des Kaisers stattfinden zu lassen und zu diesem Zweck den Bau des Stadions derart zu beschleunigen, dass im Juni 1913 die feierliche Eröffnung durch ein »allgemeines nationales Sportfest« begangen werden könnte.108 Im Beisein von Vertretern des Auswärtigen Amtes, des Kultusministeriums, des Reichsamtes des Innern, des Kriegsministeriums und des Kolonialamtes kreierte der Reichsausschuss für die Einweihung den Begriff »HuldigungsSportfest«.109 Mit dem Begriff der »Huldigung« wurden auch der Rahmen der Einweihung und das Arsenal von Zeremonien und symbolischen Praktiken markiert. Das »Huldigungs-Sportfest« war einerseits als Manifestation des Obrigkeitsstaates und einer vertikal strukturierten Herrschaft angelegt, indem sich der Kaiser seinen Untertanen präsentierte und ihre Treue einforderte. Andererseits aber – und dieser Aspekt ist im reziproken Charakter der Huldigung selbst angelegt – würde sich Kaiser Wilhelm II. durch die Annahme der Loyalitätsbekundung des Sports verpflichten, sich dieser Loyalität würdig zu erweisen, also die Erwartungen und Wünsche der Sportbewegung gerecht und angemessen zu behandeln.110 Feste wie die Einweihungsfeier waren ein zentrales Element der kulturellen und politischen Repräsentation. Sie erlauben aus diesem Grund die Analyse sowohl von Selbstdeutungen der Sportverbände und -vereine als auch von politi106 CuLDA, Sachakten, Mappe 1: Vertrag zwischen dem Deutschen Reichsausschuss für Olympische Spiele E. V. und Herrn Dr. med. A. Mallwitz. 107 Allerdings ist anzumerken, dass die Tätigkeit von Mallwitz von nur sehr kurzer Dauer war (1. April bis 31. Dezember 1913). Der Vertrag wurde nicht mehr verlängert, so wie es aussieht, hauptsächlich aus finanziellen Gründen. Siehe CuLDA, Sachakten, Mappe 24: ­DRAfOS, Deutsches Stadion. Kurzer Bericht über die gemeinsame Verwaltungs- und Finanz-Ausschuss-Sitzung am Donnerstag, den 18.  Dezember 1913, Berlin, Palast-Hotel. Den Archivunterlagen zufolge, blieb das Stadion danach bis 1920 ohne einen hauptamtlich eingestellten Stadionarzt. 108 Vossische Zeitung, 30. September 1912 und 2. August 1912. 109 CuLDA, Sachakten, Mappe 1: ­DRAfOS. Sitzungsbericht über die Hauptversammlung vom 29. September 1912, Vorm. 10 Uhr, Berlin, Palast Hotel, S. 1 f., 4. 110 Zur Bedeutung von Huldigungsfeiern siehe Frevert, Neue Politikgeschichte, vor allem S. 16 f.; Holenstein, Die Huldigung der Untertanen.

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schen Ordnungskonzepten. Insbesondere die Öffentlichkeit dieser Veranstaltungen und die breite Partizipation banden diese in weiten Teilen an verbreitete Einstellungen und an eine bereits existente symbolische Formsprache.111 Daher bietet das »Huldigungs-Sportfest« ebenso wie die Kritik an ihm die Möglichkeit, der mit erheblichem Aufwand betriebenen Verknüpfung der Repräsentation von Sport, Nation und Herrschaft nachzugehen und zu Aussagen über ihre Akzeptanz zu kommen. Bevor die organisatorischen, semantischen und performativen Facetten der Einweihung des Deutschen Stadions im Einzelnen untersucht werden, möchte ich einige Erläuterungen einschieben, die die Einweihungsfeier in einen größeren Rahmen einordnen. Die Regierungszeit Wilhelms II. war geprägt durch eine deutliche Zunahme öffentlicher Feste, die nicht selten in Anwesenheit des Kaisers begangen wurden. Es handelte sich dabei häufig um Vereinsgründungen, Ausstellungseröffnungen oder lokale Jubiläen. Im Jahre 1913 häuften sich die nationalen Feste, also jene Feste, die entweder vom Nationalstaat oder seinen Monarchen initiiert und organisiert oder vom Anlass her an diese gebunden waren. Zu den herausragenden Festen gehörten die in der Reichshauptstadt begangenen pompösen kaiserlichen Geburtstagsfeiern im März, die Feiern zum Jahrestag der Leipziger Schlacht im Oktober und das 25jährige Regierungsjubiläum Wilhelms II. im Juni. Ute Schneider hat nachgewiesen, dass die Feste zum Regierungsjubiläum Wilhelms II. verglichen mit denen seiner Vorgänger sowohl in ihrer Anzahl als auch in ihren Ausmaßen einzigartig waren. Ohne all die großen und kleinen Festivitäten aufzulisten: Auffällig ist, dass öffentliche Sportveranstaltungen, Turnfeste (»vaterländische Volks- und Festspiele«) und die Einweihungen von kleinen Sportplätzen dazugehörten.112 Eine weitere Tendenz dieser Jubiläums-Feierlichkeiten war ihre ausgesprochen militärische Konnotation. Die Feierlichkeiten bereiteten nicht konkret auf einen kommenden Krieg vor, aber ohne Zweifel trugen sie erheblich zur Bildung und Kräftigung einer Mentalität in Deutschland bei, die militärische Auseinandersetzungen als einen gewöhnlichen, unausweichlichen Zustand wahrnahm und sogar begrüßte.113 Diesen Zusammenhang nahmen auch einige Zeitgenossen deutlich wahr. Der Reformpädagoge Gustav Wyneken beispielsweise attestierte in dieser Beziehung eine »Mechanisierung der Begeisterung«, zu deren Auslösung man lediglich die Worte »Deutschtum« und »national« in die Runde werfen müsse.114 Diese Entwicklung fand vor dem Hintergrund statt, dass der Krieg allmählich zu einem bedeutenden Thema in öffentlichen Debatten wurde. Das bayerische Kriegsministerium verabschiedete einen Er111 Düding, Politische Festkultur, politisches Fest, S. 17. 112 Schneider, Politische Festkultur, S. 319–336, vor allem S. 326–327. Zur Festkultur im Kaiserreich siehe Behrenbeck/Nützenadel, Inszenierungen des Nationalstaats; Siegrist u. a., Nation und Emotion; Hardtwig, Nationsbildung und politische Mentalität. 113 Dülffer/Holl, Bereit zum Krieg. 114 Zitat n. Winkler, Deutsche Geschichte, S. 325.

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lass, in dem angesichts der bedrohlichen Weltlage dazu geraten wurde, den »vater­ländischen Geist der Bevölkerung zu stärken«.115 Bedeutsamer war, dass die Jubiläums­feiern und auch die Stadioneinweihung parallel zur Militärvorlage der Regierung stattfanden. Das mit dieser Vorlage verbundene Ziel, das Heer in einer bislang nicht gekannten Dimension aufzustocken und den Wehr­ etat zu erhöhen, war seit Beginn des Jahres 1913 bekannt und Gegenstand heftiger Debatten. Im Juni, also dem Monat des »Huldigungs-Sportfestes«, nahm der Reichstag die Militärvorlage an.116 Die beinahe gleichzeitig durchgeführten Feste zielten auch darauf ab – insbesondere Sozialdemokraten sowie die Deutsche Fortschrittspartei betonten diesen Zusammenhang –, die Aufrüstung und ihre Finanzierung als unumgänglich erscheinen zu lassen.117 a) Logistik und Organisation Dem Deutschen Reichsausschuss war es also gelungen, die Einweihungsfeier in diesen außergewöhnlichen Festzyklus des Jahres 1913 einzureihen. Und er tat gut daran, sich bereits 1912 darauf festzulegen, denn im Sommer selben Jahres war der Hof emsig mit der Organisation und dem Ablauf der Feierlichkeiten beschäftigt.118 Der D ­ RAfOS und die darin vertretenen Sportverbände standen vor kaum gekannten Herausforderungen. Schon Monate vor der Einweihung liefen die logistischen Vorbereitungen auf Hochtouren. Der Reichsausschuss hatte den Gesamtvertrieb der Eintrittskarten dem bekannten Warenhaus Wertheim übertragen, das zu dieser Zeit jenseits des Warenkonsums nicht nur mit einer eigenen Kunstausstellung glänzte, sondern darüber hinaus auch eine Kasse unterhielt, die für alle Berliner Theater Eintrittskarten verkaufte.119 Mit diesem Schritt reihte der ­DRAfOS die Einweihungsfeier in akzeptierte Formen des bürgerlichen Kulturkonsums ein.120 Bereits am 27. Mai 1913 war ein großer Teil der Karten für die 2.208  Logenplätze verkauft. Immerhin kostete ein einzelner 115 Zitat n. Schneider, Politische Festkultur, S. 319. 116 Förster, Der doppelte Militarismus, S. 274–294. 117 Siemann, Krieg und Frieden, S. 292, 300. 118 Schneider, Politische Festkultur, S. 327. 119 B. Z. am Mittag, 27. Mai 1913. Zur Theaterkasse Wertheims siehe Göhre, Das Warenhaus, S. 48. Kurze Zeit später verlängerte der ­DRAfOS die Kooperation. Wertheim übernahm den alleinigen Kartenvorverkauf für sämtliche Veranstaltungen im Deutschen Stadion und erhielt zu diesem Zweck die Tickets zum Verkauf auf Kommission. Die nicht verkauften Tickets musste Wertheim eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn der Tageskasse zurückliefern. Die Hauptverkaufsstelle für die Eintrittskarten befand sich im bekannten Wertheim-Warenhaus in der Leipziger Straße. Siehe CuLDA, Sachakten, Mappe 1: Vertrag zwischen den Deutschen Reichsausschuss für Olympische Spiele und der Firma A. Wertheim GmbH, Berlin 6. September 1913. 120 Zum Warenhaus als »Einfallstor zur bürgerlichen Lebenswelt« siehe Marx, Ein theatra­ lisches Zeitalter, S. 284.

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­ ogenplatz 25 Mark, eine komplette Loge für vier Personen 100 Mark und eine L für acht Personen ganze 200 Mark.121 Die logistische Bewältigung der großen Menschenmenge machte auch die Einbindung städtischer Behörden und Nutzung städtischer Infrastrukturen notwendig. Vor allem die Berliner Eisenbahn-Direktion sah sich mit einer Aufgabe kaum gekannten Ausmaßes konfrontiert. Am 9. Mai fand sie sich zu einer mehrstündigen Sitzung zusammen, da sich mittlerweile abzeichnete, dass trotz des geplanten Einsatzes von Extrazügen auf der Stadtbahnstrecke über Charlottenburg zur Station »Rennbahn« nicht genügend Personen befördert werden konnten. Als erstes mussten zwischen 8:30 Uhr und 10:30 Uhr die in die Feierlichkeiten eingebundenen Personen und die Sportler der einzelnen Verbände transportiert werden. Hier rechnete die Eisenbahn-Direktion zutreffend mit etwa 30.000 bis 35.000 Personen. Daran anschließend war eine ungefähr gleich große Anzahl von Zuschauern ins Stadion zu bringen. Für einen Teil der Zuschauer war die U-Bahn vorgesehen, die etwa 4.000 Menschen in der Stunde befördern konnte. Die Bauarbeiten zur Verlängerung der entsprechenden Strecken (R und P) waren schon fortgeschritten und tatsächlich eröffnete die Berliner Hoch- und Untergrund-Bahn am Tag der Einweihung die Haltestelle »Stadion«.122 Außerdem wurde ein Teil der Zuschauer mit der Straßenbahn zur Einweihung gefahren. Hier rechnete die Eisenbahndirektion mit einer Transportkapazität von ca. 5.000 bis 6.000  Personen pro Stunde, wobei Extrabahnen und zusätzliche Anhängewagen mit einberechnet waren. Zur Entlastung des Verkehrs setzte die Direktion auf der Strecke vom Lehrter Bahnhof über Spandau nach Station Pichelsberg und Rennbahn zusätzlich eine Reihe von Sonderzügen ein und verdichtete den Zugverkehr auf bis zu 2 ½ Minuten, so dass schätzungsweise vierundzwanzig Züge in der Stunde knapp 10.000 Personen zur Einweihung des Deutschen Stadions bringen konnten.123 Auch die Berliner Omnibusgesellschaft setzte Busse vom Alexanderplatz und vom Brandenburger Tor Richtung Stadion ein.124 Waren all diese Menschen erst einmal im Stadion, stellte sich die Frage, wie sie auf dem Terrain des Stadions geleitet und verteilt werden sollten, wie die Choreografie der Einweihung organisiert werden sollte, zumal in Deutschland (abgesehen vielleicht von Turnfesten) keinerlei Erfahrungswerte für Sportveranstaltungen in dieser Größenordnung vorhanden waren. Im November, als der Termin auf den 8. Juni festgesetzt wurde, gingen die Organisatoren zunächst von einer Teilnehmerzahl von 20.000 bis 25.000 Personen aus. Über diese Zahl hinauszugehen schien unmöglich, zumal in dieser Größenordnung Proben als undurchführbar galten. Um Unstimmigkeiten zu minimieren und einer B ­ lamage 121 CuLDA, Sachakten, Mappe 1: D ­ RAfOS: Preisliste der Eintrittskarten vom 30. April 1913 im Brief des D ­ RAfOS an Ober-Hofmarschall Graf zu Eulenberg. 122 Bendikat, Öffentliche Nahverkehrspolitik, S. 117, 527. 123 Vossische Zeitung, 8. Juni 1913 (Morgenausgabe) und B. Z. am Mittag 10. Mai 1913. 124 Berliner Tageblatt, 7. Juni 1913.

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des deutschen Sports ausgerechnet vor den Augen des Kaisers vorzubeugen, regte der D ­ RAfOS an, dass sich wenigstens die einzelnen beteiligten Sportverbände und Organisationen schon im Vorfeld mit den Örtlichkeiten bekannt machen und in einzelnen Abteilungen den Aufmarsch und die Aufstellung proben sollten.125 Darüber hinaus hielt der ­DRAfOS in Ausführungsbestimmungen, die er an alle beteiligten Verbände verteilte, den Ablauf der Veranstaltung minutiös fest: »11 Uhr 45 Min. vorm. Vorwärts! Alles antreten! Die Spitzen der Turnerkolonnen durchschreiten um diese Zeit die beiden Eingänge an der Südwestecke der Rennbahn. Hinter jedem Verbande 100 Meter Abstand. In ruhigem Schrittmass vorwärts gehen! Einzelne Teile des Zuges müssen zu zeitweisem Halten durch Ordner veranlasst werden.«126 In diesem Duktus gaben die Ausführungsbestimmungen äußerst detaillierte Anweisungen, die die Anfahrt in den im Vorfeld zugewiesenen Zügen, den Marsch zu den Sammelplätzen, die Zeiten für das Frühstück und das Ablegen der Oberkleider, die zu benutzenden Eingänge, die Entfernung der Anzeigetafeln im Stadion, die genauen Schrittfolgen, die Positionierung der Bannerträger sowie die Bekleidung der Vorstandsmitglieder (bei günstigem Wetter weiße Beinkleider) festhielten.127 Stunden vor dem Beginn der Feier hatten sich schon Tausende Zuschauer und Mitwirkende am Stadion eingefunden. Die vielen Fahnenstangen des Stadions waren mit den Flaggen der »sporttreibenden Nationen« (wobei im Dunkeln bleibt, welche dazugerechnet wurden und welche nicht) und mit Hunderten Wimpeln der Sportverbände geschmückt. Die Kaiserloge zierten Teppiche sowie Blumenarrangements, der Vorstand des ­DRAfOS hatte dort schon frühzeitig seinen Platz eingenommen.128 Für Notfälle standen seit den Morgen­ stunden Krankenwagen bereit.129 Die Rheinisch-Westfälische Sportzeitung verglich die Umgebung der Anlage mit einem großen Heerlager: »Soldaten hatte Zelte errichtet, wo sich die teilnehmenden Vereine und Mannschaften für den Umzug umkleiden konnten.«130 Lange Zeit vor Beginn der Feierlichkeiten nahmen die meisten Zuschauer ihre Plätze im riesigen Stadion ein. Die eigens dafür eingestellten und mit genauen schriftlichen Instruktionen versorgten Kontrolleure bezogen ihre Positionen, rissen die Tickets ab und sorgten dafür, dass Neugierige und Schaulustige, die ohne Eintrittskarte in das Stadion zu gelangen versuchten, draußen blieben. Ein für die technische Leitung im Innenraum beauftragter Angestellter des Reichsausschusses war dafür zuständig, den Innenraum von »unrechtmäßigen« Personen freizuhalten.131 125 CuLDA, Sachakten, Mappe 553/I: Sitzungsbericht über die Hauptversammlung vom 7. November 1913. 126 CuLDA, Sachakten, Mappe 657: Deutscher Reichsausschuss für Olympische Spiele. Generalsekretariat. Stadion-Weihe, 8. Juni 1913, mittags. Ausführungsbestimmungen, o. S. 127 Ebd. 128 Die feierliche Einweihung des Deutschen Stadions durch den Kaiser, S. 1. 129 Berliner Tageblatt, 7. Juni 1913. 130 Die feierliche Einweihung des Deutschen Stadions durch den Kaiser, S. 1. 131 CuLDA, Sachakten, Mappe 657: Deutscher Reichsausschuss für Olympische Spiele.

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Abb. 11: Gedränge am Eingangstunnel (Ehrenhof) des Deutschen Stadions nach dem Ende der Einweihungsfeier 1913.

b) Das »Huldigungs-Sportfest«: Ein Stück in drei Akten Insgesamt dauerte der Festakt etwa zwei Stunden.132 Der erste Akt der Vorführungen begann um ca. 11:15 Uhr. Aberhunderte so genannter Bannerträger machten sich auf dem Weg ins Innere des Stadions. Zuerst kamen die Turner mit Bundesbanner und den Fahnen der diversen städtischen Vereine. In breiter Front auf 60 Metern nahmen sie das Zentrum direkt gegenüber der Kaiserloge ein. Auf dem rechten Seitenflügel marschierten die Vertreter des Deutschen Akademischen Bundes für Leibesübungen sowie die Verbände für Eislauf, Leichtathletik, Radfahren und Tennis auf. Links von den Turnern formierten sich die Fußballer, Schwerathleten und Schwimmer, alle mit unzähligen Bannern und Fahnen. Im Hintergrund standen 600 Vertreter des erst zwei Jahre zuvor zur Wehrertüchtigung der Jugend gegründeten Jungdeutschlandbundes.133 Gegen 11:30 Uhr traf der Kaiser ein. Zunächst mit Gattin per Auto­mobil angefahren, stieg das Kaiserpaar an der Pferderennbahn auf eine Kutsche um, in einer Anspannung à  la  Daumont, da sie so nicht vom Kutscherbock ver132 Berliner Stadion. Eröffnungsfeier und diesjähriges Programm, 1913. 133 CuLDA, Sachakten, Mappe 657: Deutscher Reichsausschuss für Olympische Spiele, Generalsekretariat. Stadion-Weihe, 8.  Juni 1913, mittags. Ausführungsbestimmungen, Skizze B.: Fahnenparade und zugewiesene Block-Stehplätze nach dem Festzuge.

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deckt wurden und ihre Repräsentationspflichten besser wahrnehmen konnten. Mit dieser Kutsche fuhren sie vor der Hofloge vor, in der neben dem ­DRAfOS-Vorstand schon ein illustrer Kreis wartete: Repräsentanten des Hofes wie etwa Prinz Eitel Friedrich von Preußen samt Gattin, der Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg, die Minister Clemens Delbrück, Paul von Breitenbach, Reinhold von Sydow, August von Trott zu Solz, der Kriegsminister Josias von Heeringen, mehrere Staatssekretäre, Gesandte der deutschen Bundes­ staaten und Oberbürgermeister, der Präsident des Reichstages Johannes Kaempf sowie die Botschafter der USA, Englands, Japans, Russlands, Schwedens, Dänemarks, Belgiens und Rumäniens.134 In dem Moment, da der Kaiser an die Balustrade trat, um »seine Blicke über das glänzendste und imposanteste Bild schweifen [zu lassen], das wohl je in der Reichshauptstadt gesehen worden ist«, senkten sich die Fahnen zum Gruß. Die Musik setzte zum Fanfarengruß ein, das Orchester der Gardekürassiere spielte den Hohenfriedberger Marsch und über dem Stadion zog ein Doppeldecker seine Runden.135 Auf einer kleinen, gegenüber der Hofloge gelegenen Rednertribüne hielt von Podbielski, auf seinen Säbel gestützt und in einer roten Husarenuniform gekleidet, zu Beginn der Feier eine Ansprache: »Eure Majestät! Ein Tag des Jubels für Deutschlands Jugend. Ein Tag der Freude für unser gesamtes Vaterland. Das Deutsche Stadion ist aufgebaut. Geschaffen ist eine Stätte für friedliche Wettkämpfe, berufen zu Förderung der Körperkraft, zur Stählung der Willenskraft, zur Pflege patriotischen Geistes! Unser Wahlspruch sei: Allezeit bereit für des Reiches Herrlichkeit. 2 ½ Millionen Deutsche, geeint im Deutschen Reichsausschuß, huldigen heute hier Euer Majestät dankerfüllten Herzens. Und jubelnd rufen wir: Der hohe gnädige Protektor des deutschen Sports Seine Majestät der Deutsche Kaiser Hurra!«136 Die Menge erhob sich von ihren Plätzen und stimmte in das Kaiserhoch ein. Die Musik intonierte Heil Dir im Siegerkranz137 und im gleichen Augenblick flatterten unter Jubel des Publikums an der Westseite des Stadions etwa 10.000 Brieftauben (»Huldigungsflug der Brieftauben«) in die Höhe.138 Dann begann der Festzug, welcher den zweiten Akt der Veranstaltung bildete (12:40 bis 13:20 Uhr). Unter Fanfarenklängen zogen knapp 20.000 Sportler und 10.000 Turner an der Kaiserloge vorbei, angeführt von den im Innenraum auf134 Die feierliche Einweihung des Deutschen Stadions durch den Kaiser, S. 1. Es handelt sich hierbei um eine zweiseitige Broschüre mit zwei Fotografien, die vermutlich innerhalb des ­DRAfOS und an staatliche Stellen verteilt wurde. Siehe CuLDA, Sachakten, Mappe 657. 135 Zitat Breslauer Zeitung, 10. Juni 1913. Vgl. ferner Die feierliche Einweihung des Deutschen Stadions durch den Kaiser, S. 1. 136 Nationaler Sport, 1913 und Die feierliche Einweihung des Deutschen Stadions durch den Kaiser, S. 1. 137 Das Kaiserreich hatte keine eigentliche Nationalhymne. Die Monarchenhymne »Heil Dir im Siegerkranz«, die nach der Melodie von »God save the King/Queen« gesungen wurde, ersetzte diese in der Regel. 138 Rauscher, Das Deutsche Stadion.

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gestellten Bannerträgern, um abschließend durch den Tunnel unter dem Kaiserpavillon das Stadion wieder zu verlassen.139 Das Militär leitete die sportlichen Vorführungen ein, den dritten und letzten Akt der Einweihungsfeier. Zwei Kompanien des vierten Garde-Grenadierregiments liefen im Laufschritt in das Stadion ein und in feldgrauer Uniform, das Gewehr über dem Rücken hängend eine Runde auf der neuen Aschebahn. Anschließend stand ein militärisches Hindernisrennen auf dem Programm. Das Regiment zeigte Tiefsprünge von 2,50 Meter, kletterte über zwei und vier Meter hohe Wände: Die Soldaten warfen ihre Kameraden an der Wand in die Höhe, die sich dann über die oberste Brüstung hinweg schwangen. Das Überwinden der Hindernisse durch 120 Soldaten dauerte nur – schließlich sollte es ja eine sportliche Vorführung sein – 6 Min. 34,3 Sek.140 Die Einweihungsvorführungen zeigen das Stadion auch als einen Raum, in dem vor den Massen Geschlechterordnungen verhandelt und artikuliert wurden. Das Deutsche Stadion war ein durch und durch männlich konnotierter Raum, was durch das militärische Element der Einweihung zusätzlich zugespitzt wurde. Das Stadion erziehe zum »männlichen Sport« – so Carl Diem zur Bedeutung des Deutschen Stadions.141 In der Denkschrift wird das Stadion als ein Ort der »Manneskraft«, von »Männern der Tat« oder des »edlen Mannesruhms« beschrieben: »Solange die Jungen ihre Glieder geschmeidig, ihre Augen klar, ihren Sinn rein und ihren Willen hart erhalten, […] solange wird die Geschichte vom Niedergang des deutschen Volkes nichts zu melden haben.«142 Doch die Betonung von Manneskraft und Wehrhaftigkeit ließ die Beteiligung des »schwachen Geschlechts« keineswegs undenkbar erscheinen. Nur ließ sich die Demonstration von Mut, Kraft und Ausdauer nur schwerlich mit den herrschenden Frauenidealen in Einklang bringen. Wenn bei der Einweihungsfeier nach dem Militär 800 Frauen und Mädchen Gelegenheit bekamen, sowohl dem Kaiser als auch dem Sport zu huldigen, so wurde die Geschlechterdifferenz vor allem über den Faktor Ästhetik inszeniert. Die Frauen und Mädchen zeigten Übungen im Keulenschwingen, Geräteturnen und turnerischem Spiel, also Bewegungsabläufe, die Geschick und Anmut ausdrückten.143 Den Kern dieser Vorführungen bildete aber die männliche Jugend der Turnund Sportvereine. Etwa 2.000 von ihnen marschierten in Formation in das Innere der Anlage und umrundeten das Stadion im Laufschritt auf der Laufbahn. Die Radrennbahn wurde durch ein Vereinsmannschaftsrennen über vier Kilo139 Stadion-Einweihung. Vorbereitungen der Sportverbände; Die feierliche Einweihung des Deutschen Stadions durch den Kaiser, S. 3–5. 140 Die feierliche Einweihung des Deutschen Stadions durch den Kaiser, S. 4. 141 CuLDA, Sachakten, Mappe 657: Carl Diem: Die Weihe des Deutschen Stadions, S. 1. 142 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 7, Zitat S. 5. 143 Einen sehr informativen, auch kurz das Kaiserreich streifenden Überblick bietet Pfister, Neue Frauen und weibliche Schwäche. Siehe weiterhin Günter, Geschlechterkonstruktion im Sport. Allgemein siehe Frevert, »Mann und Weib, und Weib und Mann«.

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Abb. 12: Abzug der Bannerträger während der Einweihungsfeier des Deutschen Stadions, 1913.

meter eingeweiht, woraufhin Schwerathleten auf dem Kernplatz diverse Übungen und einen kurzen griechisch-römischen Ringkampf vorführten. Daran anschließend fand ein Stafettenlauf der Landesverbände und ein 1.500 Meterlauf statt. Ein Springwettkampf des Deutschen Schwimmverbands beendete die Sportvorführungen gegen 14:30 Uhr.144 Für jede dieser Sportvorführungen standen maximal zehn Minuten zur Verfügung.145 Zwei Tage später, am 10. Juni 1913, war in den Zeitungen bereits der Dank des Kaisers zu lesen: »Die Huldigung des deutschen Sports, die ich bei der Einweihung des Stadions im Grunewald […] entgegennehmen durfte, bildete eine großartige Einleitung zu den festlichen Tagen meines Regierungsjubiläums. Die überwältigenden Eindrücke werden wie wohl jedem Zeugen dieser imposanten Kundgebung stets unvergesslich bleiben. Wessen Herz schlüge nicht höher angesichts der schmucken Turner, Schwimmer, Läufer, Ringer, Ruderer und Radfahrer, wie der frischen Knaben und Mädchen des Jungdeutschlandbundes und der Pfadfindertrupps? Eine solche sportliebende, kräftige und wohldisziplinierte Jugend berechtigt zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft des deutschen Vaterlandes. Meine wärmste Anerkennung, mein herz144 Diem, Die Weihe des Deutschen Stadions im Grunewald; Die feierliche Einweihung des Deutschen Stadions durch den Kaiser, S. 4. 145 CuLDA, Sachakten, Mappe 657: Deutscher Reichsausschuss für Olympische Spiele, Generalsekretariat. Stadion-Weihe, 8.  Juni 1913, mittags. Ausführungsbestimmungen, Skizze B.: Fahnenparade und zugewiesene Block-Stehplätze nach dem Festzuge.

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lichster Dank gebührt allen, die zu dem gestrigen Ehrentage des deutschen Sports beigetragen.«146 Und drei Tage später erreichte den Generalsekretär des Deutschen Reichsausschusses, Carl Diem, ein Telegramm vom Kammerherrn Karl Friedrich Graf von Behr, in dem er im Namen des Kaisers Wilhelm II. seine Anerkennung für die geleistete Arbeit zum Ausdruck brachte.147 c) Festbedeutung und Festkritik »Ein Blick auf die jungen Leute, die – standes- und ordnungsgemäß getrennt  – im Stadion an der Kaiserloge vorbeidefilieren, zeigt, was hier für Männer aufwachsen. Jede Bauchwelle ein Treugelöbnis. Jeder Hechtsprung ein Fahneneid. Und der Rottenführer darf bewegten Herzens melden: ein Oberst a. D. und zwölf Mann am Reck zur Stärkung des monarchistischen Gefühls.«148

Mit dem Deutschen Stadion beanspruchte der Sport so deutlich wie nie zuvor Öffentlichkeit und urbanen Raum. Doch die erste Großsportanlage Deutschlands war zum Zeitpunkt ihrer Entstehung weniger ein städtisches Repräsentationsobjekt als vielmehr ein dezidiert politischer Raum, ein nationaler Geltungsbau.149 Die Einweihungsfeier diente durch den Einzug all der Verbände und Organisationen, die sich im weitesten Sinne den Leibesübungen verschrieben hatten, selbstverständlich der öffentlichkeitswirksamen Selbstdarstellung des deutschen Sports. In diesem Zusammenhang reihte das »Huldigungs-Sportfest« den Sport aber auch in die Reihe politischer Feste ein, die der Inszenierung der gesellschaftlichen Ordnung des Wilhelminischen Kaiserreichs dienten. Dabei kam mit dem Stadion eine Architektur zum Einsatz, die die Ästhetisierung der Politik, die sich in feierlichen Zeremonien manifestierte, mit der Herstellung einer repräsentativen Massenöffentlichkeit verband.150 Aus gutem Grund charakterisierte von Podbielski das Deutsche Stadion ausdrücklich als einen »nationalen Festort«.151 146 B. Z. am Mittag, 10. Juni 1913. 147 CuLDA, Sachakten, Mappe 657: Telegraphie, »An generalskretaer karl [sic] diem«, 38 12/45. 148 Tucholsky, Vormärz, S. 193–196. 149 Kleinere Bemerkungen allgemein zur politischen Nutzung von Stadionbauten in Marschik, Phantome der Einmütigkeit, S. 136. 150 Die Formulierung »Ästhetisierung der Politik« geht auf Walter Benjamin zurück. Auch wenn diese Charakterisierung mittlerweile auf verschiedene Epochen angewendet wird, muss darauf hingewiesen werden, dass Benjamin diese zum einen nicht primär auf politische Feste und andererseits nur auf den Nationalsozialismus bezog. Siehe Benjamin, Das Kunstwerk, S. 42–44. 151 Podbielski, Das Stadion im Grunewald, S. 26.

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Erstens bot das Stadion einen großen »Spielraum« bei der Verteilung der Körper, die in ihrer gegliederten Einheit den gesunden »Volkskörper« und die Disziplin, Ordnung, Integrität, Leistungsbereitschaft und Wehrhaftigkeit der Nation repräsentierten. Diese Werte wurden auf körperliche Weise vermittelt und in theatralischen Spektakeln vor aller Augen in Szene gesetzt. Ulrich Rauscher sprach in diesem Kontext von einer zu »bildende[n], zusammenzuhaltende[n], zu disziplinierende[n]« Masse und bemerkte: »All diese Bewegungen zwang die Form des Stadions zu einem Rhythmus der Größe, zu einem Sinn, der ihnen auf dem regellosen Paradefeld fehlt oder dort durch rechtwinkligen Drill ersetzt wird.«152 Zweitens wurde die Rolle der Zuschauer aufgewertet. Das Stadion übernahm dabei die Funktion eines panoptischen Spiegels, in dem die Zuschauer sich als Teil einer Masse sahen. Das große Oval mit seinen aufsteigenden Zuschauerrängen war dazu prädestiniert, das Volk nicht nur durch die aufmarschierenden Turner und Sportler und mit dem Kaiser in der Loge, sondern ebenso »mit sich selbst zu imponieren«. Wolfgang Hardtwig vertritt in seiner Studie Bürgertum und Staatssymbolik die These von der Verformung des bürgerlichen Staatsbewusstseins, derzufolge in der politischen Ikonographie der offiziellen Feierlichkeiten im wilhelminischen Deutschland das Volk weitgehend ausgeblendet worden sei.153 Doch während der Einweihung war das Volk in Form der Zuschauer weit mehr als nur ein passiver Teil der politischen Ikonographie, es war sowohl Akteur als auch Teil der Inszenierung. Doch wie ist die Wirkung dieser Inszenierung einzuschätzen? In vielen Studien zur politischen Festkultur des Kaiserreichs herrscht die Meinung vor, dass die politische Sozialisation von Individuen in kollektiven Zeremonien erfolgte, die den einzelnen an die Nation banden. In diesem Zusammenhang werden in der Regel der manipulative Charakter solcher Feste hervorgehoben und ebenso wirkungsmächtige wie eindeutige symbolische Handlungen diagnostiziert.154 Doch Aussagen über die Zielsetzung, Interpretation und Wirksamkeit lassen sich nicht einseitig nur über den Handlungsvollzug treffen, sondern auch über ihre Rezeption. Dann nämlich zeigt sich, dass die symbolischen Handlungen der Einweihungsfeier und das Stadion selbst mehrere Interpretationsmöglichkeiten zuließen. Mitnichten waren es nur die sozialistischen Zeitungen, die beißende Kritik an dieser Veranstaltung übten – im Vorwärts etwa konnte man lesen, dass die Einweihung nichts als eine einzige »Hurrabrüllerei« und »Hocherei« gewesen sei.155 Auch die ausländische Presse berichtete in einer Mixtur aus Schaudern und Bewunderung über das Stadion und die Feierlich152 Rauscher, Das Deutsche Stadion. 153 Hardtwig, Bürgertum, Staatssymbolik und Staatsbewußtsein, S. 208. 154 Zu den Autoren, die den manipulativen Charakter dieser politischen Feste betonen – nicht nur, aber vor allem im Hinblick auf Faschismus und Nationalsozialismus – siehe Moscovici, Das Zeitalter der Massen; Gebhardt, Fest, Feier und Alltag. Differenzierter, was die Wirkung solcher Feste angeht, und am Beispiel der Feste der Französischen Revolution Ozouf, Festival and the French Revolution. 155 Nationaler Sport, 1913.

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keiten – die Daily Mail etwa betitelte ihren Artikel mit »Das Überstadion für die Überdeutschen«.156 Versucht man die Kritik am »Huldigungs-Sportfest« zu systematisieren, so stechen zwei Aspekte heraus. Zum einen registrierten zeitgenössische Beobachter aufmerksam den militärischen Charakter der Veranstaltung. Das Marschieren der Verbände in den Innenraum, das Strammstehen vor der Kaiserloge, der Drill der Aufführung des Jungdeutschlandbundes, all das wurde beanstandet. Diese Kritik offenbart, dass auch andere Repräsentationsformen des Sports und Stadions denkbar waren. Ulrich Rauscher konstatierte in der Frankfurter Zeitung sogar einen Widerspruch zwischen olympischer Idee beziehungsweise der Idee eines Stadions und dem militärischen Charakter der Einweihungsfeier: »Der Miniatur-Militarismus all dieser Knaben-Organisationen mag für die Kaiserhuldigung am Platze gewesen sein, weil er eben seiner Natur oder Un­natur nach nicht ohne einen kleinen ›obersten Kriegsherren‹ zu denken ist. Aber, so seltsam das im wilhelminischen Berlin klingen mag, auf dem Rasen Olympischer Spiele wirkt er peinlich, schematisch, kommissig.«157 Und die Breslauer Zeitung erblickte in der Einweihungsfeier eine Demonstration alldessen, was an »Kraftprotzigem, Täppischem, Brutalem in der kleinbürgerlichen Aus­ legung des Sports oft eingeschlossen ist« und bemerkte, dass genau diese Form der Inszenierung des Sports in der Zeit der Wehrvorlage vielleicht gar nicht so absichtslos war.158 Zum anderen gaben zahlreiche bürgerliche Blätter die Einweihungsfeier der Lächerlichkeit preis. Diese Diskreditierung, die der Veranstaltung auch immer die von den Sportakteuren so herbeigesehnte Respektabilität absprach, funktionierte in der Hauptsache über die Ästhetik, obwohl Vertreter des Sports nicht müde wurden, gerade die ästhetischen Qualitäten der Veranstaltung durch die Charakterisierung des Stadions als Stätte deutscher Kunst hervorzuheben.159 So verwandelte sich in den Presseberichten die Kaiserloge zu einem »Tempelchen«, die Husarenuniform von Podbielkis zu einem »grellen Farbenfleck im grauen Felde«, seine erhabene Ansprache zu einem stotternden Schreien, da zogen »Neu-Griechen mit ›solchen‹ Beinen« an einem vorbei, die Skulptur der Siegesgöttin Nike wurde zur unterernährten Siegessäule erklärt, sowieso der ganze Skulpturenschmuck als »ungewaltig« und langweilig beschrieben und die Jugend, die zwar marschieren, aber nicht gehen könne, die sei möglicherweise »hie und da gesund, in einzelnen Exemplaren«, aber alles andere als schön. »Summa: Das Ganze ist so überwältigend wie die schöpferische Kraft seines Materials, des Eisenbetons.«160 156 Zitat n. der Übersetzung in: Ausländische Pressestimmen zur deutschen Stadioneinweihung, 1913, S. 425. Siehe auch: Das Deutsche Stadion und das Ausland, 1913, S. 10. Auf die britischen Pressereaktionen geht auch ein Eisenberg, »English Sports«, S. 294 f. 157 Rauscher, Das deutsche Stadion. 158 Breslauer Zeitung, 10. Juni 1913. 159 Siehe beispielsweise Reher, Das Deutsche Stadion, S. 11 f. 160 Zitate n. Rauscher, Das deutsche Stadion sowie Breslauer Zeitung, 10. Juni 1913.

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Hier vermischte sich die Kritik am militärisch-martialischen Auftreten mit dem Unbehagen gegenüber einem Parvenü, der sich zwar den Machteliten anbiedere, dem es aber trotz Riesenstadion und Kaiserhuldigung nicht gelinge, sich mit den anerkannten Insignien bürgerlicher Respektabilität auszustatten. Besonders deutlich wird das an vermeintlichen Kleinigkeiten wie der Kleidung. An diesem Beispiel wird ersichtlich, dass die Einweihungsfeier nicht einfach als Blaupause existierte, die eine gehorsame Masse dumpf ausführte, und das sie sich nicht blind an bekannten Inszenierungsformen politischer Massenrituale, wie beispielsweise Turnfesten oder königlichen Geburtstagsfesten, orientierte.161 Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet die Kleidungsfrage für den Festzug in den Ausführungsbestimmungen keine Berücksichtigung fand und ausdrücklich den einzelnen an der Huldigung beteiligten Verbänden selbst überlassen war.162 Und eben hier, frei von Anweisungen, zeigte sich der Sport in einer karnevalesken Inszenierung seiner selbst. Junge Männer, in grellen Phantasieuniformen und mit Zylindern ausgestattet, taten sich zusammen, um vor zehntausenden Zuschauern, Diplomaten und Vertretern des Hofes die Fahne des Fußballs hochzuhalten. Athleten mit weißer Oberkleidung und schwarzer Krawatte, mit dunklen Stoffjackett, einem schmalrandigen Strohhut und weißen Stulpenhandschuhen, Turnerinnen in Matrosenblusen und bauschigen, schwarzen Bloomers (diese ersten Frauenhosen stießen bei Frauenrechtlerinnen und später im Sport auf reges Interesse, riefen aber bei der breiten Öffentlichkeit in der Regel Spott hervor), Läufer mit roten Hosenträgern über weißen Leinenhemden oder terrakottafarbenen Kutten, in hellblauen, mit weißen Schnüren besetzter Bekleidung, die einige Besucher an Pyjamas erinnerte, bevölkerten das Stadion.163 Selbst Vertreter der so disziplinierten Arbeitersportbewegung kamen nicht umhin, pikiert auf das seltsam bunte Treiben hinzuweisen.164 Das Stadion verwandelte sich hier in einen Raum, der zwar von klaren Regeln und Ordnungen geprägt war, aber keinesfalls, wie etwa der französische Soziologe Jean-Marie Brohm 1978 behauptete, in einen Disziplinarraum zur Unterdrückung von Eigensinn165 – vielmehr ermöglichte das Stadion kon-

161 Krüger, Turnfeste als politische Massenrituale; Hardtwig, Nationsbildung und politische Mentalität. Zu den »Apparaten der Festproduktion«: Rolf, Die Feste der Macht, S. 48–50. 162 »Im Übrigen nimmt der Deutsche Reichsausschuss davon Anstand, sich für eine bestimmte Anzugsart auszusprechen, sondern überlässt es den Verbänden, eine, den vorzugsweise von ihnen gepflegten Leibesübung, entsprechende Kleidung anzulegen.« Siehe CuLDA, Sachakten, Mappe 657: Deutscher Reichsausschuss für Olympische Spiele, Generalsekretariat. Stadion-Weihe, 8. Juni 1913, mittags. Ausführungsbestimmungen, o. S. 163 Rauscher, Das deutsche Stadion und Breslauer Zeitung, 10. Juni 1913. 164 Vgl. Nationaler Sport, 1913. Die karnevalesken Aspekte der Sportbegeisterung behandelt Lindner, Die Sportbegeisterung. Allerdings wendet er diese Kategorie lediglich auf die Praxisformen der Zuschauer an und vernachlässigt dabei, dass sie auch auf die Repräsentations­formen der Sportler angewandt werden kann. 165 Brohm, Sport: A Prison of Measured Time.

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vergenten Eigensinn.166 Bei den mitwirkenden Sportlern und Verbänden ist der Drang, endlich in der bürgerlichen Gesellschaft anzukommen, deutlich erkennbar, gleichzeitig vollzog sich dieser Versuch, wie die Kleidungsfrage zeigt, zum Teil durch eine recht lockere Aneignung von Symbolen der Respektabilität, die nicht zuletzt angesichts der in zeitgenössischen Karikaturen oft parodierten Phantasieuniformen Wilhelm II. zahlreiche Beobachter verärgerte.167 Offensichtlich fiel die Berichterstattung über die Einweihungsfeier anders aus als erwartet. Sichtlich enttäuscht über das Presseecho schrieb Martin Berner unter seinem Pseudonym Serenissimus einen übelgelaunten, Afterkritik betitelten Artikel, der auf die Überparteilichkeit des Sports abhob.168 Doch genauer betrachtet war die anlässlich der Einweihung unterstrichene Überparteilichkeit des Sports im Grunde ein Einschwören auf die Volksgemeinschaft, in der es, wie es knapp ein Jahr später hieß, keine Parteien, sondern nur noch Deutsche gab. Dass sich der Vorwärts dem »Mitfeiern in der Volksgemeinschaft« entziehe, so Berner, sei zu erwarten gewesen. Überhaupt sei der Sport eine vaterländische Sache, weswegen das zur »heilige Kampfstätte der Nation« erklärte Stadion der Sozialdemokratie verschlossen sei. Nach wütenden Angriffen gegen »Feuilletonisten mit ihrer besonderen Weisheit« bezeichnet Berner die Kritiker, denen das Wesen des Sports und die Bedeutung des Deutschen Stadions verschlossen geblieben seien, sogar als »Volksfremde« im Dienste anderer Nationen: »Vielleicht wird es einmal besser um sie [die Presse] bestellt sein, wenn sie mehr aus deutschem, als wie jetzt, aus fremdländischem Geist für ihr Volk und für ihre Sache zeugen kann.«169 Hier wird die Nation als solidarische Volksgemeinschaft verstanden, und mehr als das: Das Stadion galt Berner auch als eine Stein gewordene Kampfansage gegen innere und äußere Feinde Deutschlands.170 Alles in allem lief das während der Stadioneinweihung aufgeführte Argument darauf hinaus, die große Rolle des Sports für das Wohl der Nation zu demonstrieren, gesellschaftliche Anerkennung zu erlangen und das Wohlwollen und die Unterstützung der Obrigkeit zu gewinnen.171 Zehn Jahre nach der Einweihung äußerte Gerhard Krause die Ansicht, dass das Deutsche Stadion dem Sport das lang ersehnte »würdige Gewand« anlegte und ihn dadurch endlich zum »anerkannten Staatsbürger« emporhob.172 Dabei sind die Nationalisierung 166 Den Begriff »konvergenter Eigensinn« habe ich folgendem Aufsatz entnommen: Uhl, Die Geschlechterordnung der Fabrik, S. 109 f. Ich danke Karsten Uhl für seine Anregung. 167 Rebentisch, Die vielen Gesichter des Kaisers, S. 123 f. 168 Berner [Serenissimus], Afterkritik, S. 424–425. 169 Ebd., S. 425. 170 Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs veröffentlichte Martin Berner, der sich gleich in den ersten Tagen als Kriegsfreiwilliger gemeldet hatte, unter den Pseudonym Serenissimus noch einige patriotische Artikel über »sportfreudige Regimenter«. 1915 erlag er einer Schussverletzung am Kopf. Siehe Berner [Serenissimus], Erlebnisse eines Kriegsfreiwilligen, S. 581–582 sowie den Nachruf von Markus, Martin Berner †. 171 So auch die zeitgenössische Interpretation von Hessen, Fortschritt und Sport, S. ­1308–1313. 172 Krause, Das Deutsche Stadion und Sportforum, S. 8.

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des Sports, die sich sowohl in seiner Anlage als auch in der Stadioneinweihung manifestierte, und die Betonung des Militärischen in Zeiten des Kriegsgerassels und der Wehrvorlage, nicht vom Kampf um Respektabilität und Anerkennung des Sports zu trennen. Dass dieses aufgeführte Argument nicht unbedingt erkannt geschweige denn geteilt wurde, spricht für die Deutungsoffenheit sowohl des Sports als auch des Stadions.

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III. Konsum und soziale Selbstverständigung

1. Sportbau, Sportpublikum und Kulturkonsum Die Entwicklung des Sports zu einem kulturellen Massenphänomen be­deutete auch immer die Entwicklung zum Zuschauersport. Sportanlagen sollten nicht nur etwa das Erbringen und die Vergleichbarkeit von sportlicher Leistung, sondern auch den Konsum der Wettkämpfe gewährleisten. In diesem Abschnitt geht es nicht um die Strukturierung des »Sportmarktes«, zumal – wie Christiane Eisenberg zu bedenken gibt – nicht alle sportlichen Dienstleistungen über den Markt vermittelt wurden. Sportkonsum in diesem Zusammenhang meint auch nicht den Sportgüterkonsum, sondern Sport als Kultur- und Freizeitkonsum.1 Sportkonsum als Kultur- und Freizeitkonsum manifestierte sich zu konkreten Anlässen und an konkreten Orten: während Sportveranstaltungen in Sportstätten. Der Zuschauer erwarb die Zutrittsberechtigung für eine bestimmte Sportstätte, um einen Wettkampf verfolgen zu können, der in dieser Form nur dort, nur einmal und nur zu einem mehr oder minder klar bestimmten Zeitraum dargeboten wurde.2 Allerdings verharrte das anwesende Publikum während des Produktionsvorgangs nicht per se in einer passiven Konsumentenrolle. Durch Gesänge, Beschimpfungen oder Anfeuerungsrufe konnte das Publikum Funktionen übernehmen, die der Sphäre der Produktion zuzurechnen sind. Nicht nur das Stadion selbst und nicht die Sportdarbietung allein waren das konsumierte Gut, sondern ebenso die durch den Sportbau ermöglichte Kulisse des Publikums. Diese Form des Sportkonsums hob also in gewissem Umfang die klare Unterscheidung von Konsumenten und Produzenten auf. Das Publikum war Konsument und zugleich Teil der Darbietung.3 Welche Bedeutung kam in dieser Hinsicht den Sporträumen zu? Die Architektur als wesentlicher Teil der Raumordnungen des Stadions schuf die materiellen Gegebenheiten, die auf Kommunikation und soziales Handeln wirkten. Die Raumordnungen bildeten nicht einfach nur den Rahmen, vor dem sich der Konsum von Sportveranstaltungen vollzog, genauso wenig wie das Sport­ 1 Eisenberg, Möglichkeiten und Grenzen, S. 516, die in diesem Aufsatz den theoretischen und methodischen Aspekten einer Konsumgeschichte des Sports nachgeht. Siehe auch Dunning, The Dynamics of Sports Consumption und Bourdieu, Historische und soziale Voraussetzungen. Zum Kultur- und Freizeitkonsum vgl. Brewer/Porter, Consumption and the World of Goods; Bermingham/Brewer, The Consumption of Culture; North, Genuss und Glück. 2 Guttman, Sports Spectators, S. 66–68. 3 Eisenberg, Möglichkeiten und Grenzen, S. 522.

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publikum eine rein passive, durch die räumlich-bauliche Struktur determinierte Verschiebemasse darstellte. Anknüpfend an Pierre Bourdieu stehen im Folgenden das Verhältnis von physischem Raum und sozialer Strukturierung, die Wechselwirkungen zwischen der variablen und dynamischen räumlichen Gebundenheit des Stadions und sozialer Praxis beim Sportkonsum im Zentrum meiner Überlegungen.4 Damit sind im Wesentlichen drei Erkenntnisziele verbunden: Erstens wird danach gefragt, welche Auswirkungen die Entwicklung des Sportkonsums zum Massenphänomen auf die räumliche Struktur von Stadien hatte. Zweitens wird die Konsumtion von Sportereignissen als eine Form des Kulturkonsums und damit auch der sozialen Selbstverständigung betrachtet. Insbesondere im Zuschauerraum wurden soziale Beziehungen und Distinktionsstrategien ausgehandelt, öffentlich inszeniert und räumlich erfahrbar gemacht. Drittens ist im Einzelnen zu ermitteln, welche Verhaltensformen von dem abwichen, was als Intention der Veranstalter oder Sportverbände ermittelbar ist. Damit verbunden ist der Versuch, Vorstellungen vom Sportpublikum herauszuschälen. Diese Vorstellungen manifestieren sich in Bauten, Architekturen und Topographien, in Auseinandersetzungen darüber, wo und wie bauliche und symbolische Grenzen innerhalb des Stadionraums herzustellen seien. Dementsprechend wird auch die Abfolge von Grenzsetzungen, Grenzerosionen und Grenzüberschreitungen in den Blick genommen. Die gebauten Raumstrukturen des Stadions, die Generierung, Verschiebung und Auflösung von Grenzen sowie die Diskurse darüber werden dabei als Versuche interpretiert, Handlungen und Kommunikation zu regulieren, um eine spezifische Form des Sportkonsums zu produzieren.

2. Orte des Schreckens Die Entwicklung von Sporträumen zu Orten des Kulturkonsums war um 1913 noch recht neu. Sie war abhängig erstens von der Öffnung der Sportwettkämpfe, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der Regel einen eher privaten Charakter aufwiesen, und zweitens von der räumlichen Abschließung der Sportanlage. Um 1900 konnte, wie bereits ausgeführt, von einer Verregelung der Spiele und von normierten Spielplätzen kaum die Rede sein. Hinzu kam, dass im Unterschied zu späteren Sportbauten der Zuschauerbereich nur selten vom Innenraum räumlich unterschieden war. Doch diese weitgehend improvisierten und wenig verregelten Züge des Sports riefen bereits in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts Kritik hervor. Sportveranstaltungen seien für Zuschauer von geringer Attraktivität. Schlimmer noch, die Organisatoren seien sich der immensen Bedeutung einer gewissen Anziehungskraft von Sportwettkämpfen für Zuschauer noch gar nicht bewusst, weswegen die Gründe für die nur dürftige Popularität 4 Bourdieu, Sozialer Raum und »Klassen«, S. 7–46.

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nicht nur in der bornierten Engstirnigkeit der anderen, sondern ebenso in der Sport- und Spielbewegung selbst zu suchen seien. Diese Debatten kreisten im Wesentlichen um zwei Aspekte. Zum einen ging es darum, die Popularität von Sportveranstaltungen für die breiten Massen zu steigern und somit Zuschauer anzulocken, und zum anderen, unmittelbar damit zusammenhängend, aus dem Zuschauen Eintrittsgelder zu generieren.5 Beides war jedoch nur mit einem räumlich separierten Sportplatz möglich. Trotz aller Kritik an der finanziellen Abhängigkeit von Zuschauern war es in den meisten Wortmeldungen zur »Werbungsfrage« selbstverständlich, dass der Sport unter Beobachtung eines im günstigen Falle neugierigen bis gleichgültigen, im schlechten Falle mit Vorurteilen behafteten Publikums stehe und daher ständig Propaganda betrieben werden müsse, um die Vorurteile zu widerlegen oder die vorhandene Neugierde in Begeisterung umschlagen zu lassen.6 Der Sportfunktionär Martin Berner kritisierte 1909 die in seinen Augen nur nachlässig organisierten und lediglich für Eingeweihte veranstalteten Sportwettkämpfe. Überaus anschaulich und polemisierend beschrieb Berner in seinem schlicht Propaganda betitelten Artikel den Ablauf einer Sportveranstaltung: »Bei schönem Wetter machten sich immerhin ein paar Dutzend Enthusiasten auf den Weg zum Sportplatz, der zur Zeit des Beginns der Wettkämpfe gerade in Ordnung gebracht zu werden pflegte. Wenn dann das Publikum die Besteckung der Bahn genugsam bewundert hatte, ging es allmählich los. Inzwischen waren die meisten Mitglieder des Renngerichts erschienen. Zuletzt der Starter, dem aber meist Revolver oder Patronen oder beides fehlten. Zwischen den Konkurrenzen endlose Pausen, während der die Herren Teilnehmer die Kabinen gemessenen Schrittes zu verlassen geruhten. Das Häuflein Zuschauer suchte und fand inzwischen das Weite oder den Innenraum, in dem sich zum Schluß ein tapfer ausharrendes Knäuel von Menschen hin und her schob. Die Dunkelheit brach herein und in ihrem Schutze wurden dann noch die letzten Rennen gewonnen. Nach etwa sechsstündiger, durchaus nicht schmerzloser Dauer hatte man dann auch den stärksten davon überzeugt, daß er gut tue, sich von diesem Ort des Schreckens zu entfernen.«7 Diese ironische Beschreibung eines Wettkampfes, immerhin im AthletikJahrbuch abgedruckt, kann auch als eine strategische Intervention gewertet werden, denn die Sportbewegung stand vor einer grundlegenden Entscheidung. Selbstverständlich sei der Sport um seiner selbst willen da und nicht wegen des Publikums  – so der Tenor vieler Wortmeldungen. Aber die Übertragung des Grundsatzes l’art pour l’art auf den Sport kam der Fortdauer seiner gesellschaftlichen Randexistenz gleich, denn der Sport hatte die Gunst und das Geld des Publikums bitter nötig. Um allerdings ein größeres Publikum für sich ge-

5 Runge, Die wirtschaftliche Seite, S. 53–62; Diem, Das Recht des Sports, S. 40–42. 6 Markus, Innere Erziehung, S. 56; Berner, Werbearbeit im Sport, S. 71–78. 7 Berner, Propaganda, Zitat S. 64 f.

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winnen zu können, musste den Sportstätten selbst und den dort dargebotenen Veranstaltungen größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Ein gutes Beispiel für den wachsenden Stellenwert des Publikums sind die seit 1905 jährlich herausgegebenen Anleitungen zur Veranstaltung athletischer Wettkämpfe der Deutschen Sport-Behörde für Athletik.8 Diese Schriften widmeten sich mit Blick auf das Publikum in besonderer Weise der Organisation von athletischen Veranstaltungen und unternahmen den Versuch, diesbezüglich Regeln aufzustellen. Hintergrund dieser Anleitungsschriften waren das Vordringen des Sports in kleinere Städte zu Beginn des 20.  Jahrhunderts und die damit verbundene Annahme, dass sowohl die Kenntnisse als auch der sport­liche Tatendrang dieser »Neulinge« lediglich auf der Lektüre von Sportzeitungen basierten.9 Sie wurden also vorrangig verfasst, um zu verhindern, dass athletische Veranstaltungen in deutschen Kleinstädten abschreckend oder langweilig auf das Publikum wirkten. Insgesamt galten sie aber als Richtlinie für alle Athletik-Wettkämpfe, auch für das als verwöhnt und ungeduldig geltende Großstadtpublikum.10 Das Ziel dieser Anleitungen wird 1908 besonders prägnant formuliert: »Das grosse Publikum muss in seinem Interesse, in seiner Schaulust, in seiner Neugier gepackt werden, muss, wenn es einmal einen athle­ tischen Wettkampf besucht, durch geschickte Zusammenstellung, flotte Abwicklung und prompte Aufklärung über die sportlichen Ergebnisse gefesselt werden. Ein athletisches Meeting muss in der Abwicklung vor sich gehen, wie eine gut geleitete Zirkusvorstellung. Das Publikum darf nicht zur Besinnung kommen. Ein Kampf muss den anderen jagen.«11 Was dieser Appell für die Veranstaltungen bedeutete, wird greifbar, wenn man sich die Wettkampf-Hinweise genauer ansieht. Sie lassen den intrinsischen Wettkampfcharakter völlig außer Acht. Insgesamt sollten lange Rennen (mehr als 1.500 Meter) möglichst vermieden werden (es sei denn, die Beteiligung besonders bekannter Läufer war gesichert), erstens weil sie die Zuschauer langweilten und zweitens, weil sie eigentlich wegen der langen zu bewältigenden Strecke auf die Landstraße und nicht auf den Sportplatz gehörten. Ein anderes Beispiel ist das Sportgehen, das nach Ansicht einiger Sportfunktionäre nur mit Vorsicht zur Aufführung kommen sollte, da diese Sportart für die Laien im Publikum wie eine unfreiwillige humoristische Einlage wirke. Überhaupt solle das Programm nicht allzu lang sein – maximal drei Stunden –, um das Publikum nicht zu ermüden und zu langweilen.12 Das Diskuswerfen oder der Hochsprung, Sportarten also, die auf einem kurzen Bewegungsablauf basieren und 8 Von 1905 bis 1908 erschienen die Anleitungen als Teil  des »Athletik-Jahrbuchs«, danach als eigenständige Broschüre. Sie wurden an alle der Sport-Behörde angehörigen Landesverbände und Vereine kostenlos verteilt. Siehe: Verwaltungsbericht für das Geschäftsjahr 1909, S. 128. 9 Diem, Anleitung zur Veranstaltung athletischer Wettkämpfe (1906), S. 102. 10 Ders,, Anleitung zur Veranstaltung athletischer Wettkämpfe (1908), S. 26. 11 Ebd., S. 25 f. 12 Siehe die Anleitungen zur Veranstaltung athletischer Wettkämpfe 1905 bis 1912.

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in denen das »Kampfmoment« deutlich ist, galten hingegen als populäre Disziplinen, die nach Möglichkeit zur Aufführung gebracht werden sollten.13 Hinzu kamen zu Beginn des 20.  Jahrhunderts verstärkt Anregungen, Gestaltungselemente in Sportveranstaltungen aufzunehmen, die auf den ersten Blick mit Sport im engeren Sinne nur bedingt etwas zu tun hatten und allein der Unterhaltung dienten: Verfolgungsrennen zweier Mannschaften und vor allem Hindernislaufen, wobei hier der Phantasie der Veranstalter nur wenig Grenzen gesetzt waren: Es müsse »nicht immer der Wassergraben sein, der das Publikum belustigt.«14 Tatsächlich begann beispielsweise in Leipzig ein Hindernislaufen damit, dass die Wettkampfteilnehmer sich beim Startschuss erst die Schuhe anziehen mussten.15 Kurz: Sportstätten waren »Orte des Schreckens«, weil sie potenziell schrecklich langweilig waren. Damit sie sich zu Orten attraktiven Sportkonsums ver­ wandelten, wurden erstens zusätzliche Elemente in die Wettkämpfe aufgenommen: Musik, Abwechslung, ausreichend Start- und Platzordner und humoristische Einlagen. Zweitens wurden bestimmte Sportarten für den Sportkonsum als attraktiver erachtet und deshalb häufiger im Wettkampfzusammenhang praktiziert. Schließlich wurde zusätzlich der Schulterschluss mit der Stadt gesucht und der Lokalpatriotismus, also das identifikationsstiftende Element des Sports auf regionaler Ebene, genutzt.

3. Städtekonkurrenz als Konsumanreiz Im Rahmen des Sportkonsums spielte der so genannte Städtekampf eine wichtige Rolle. Eric Dunning hat am englischen Beispiel herausgearbeitet, wie sich im ausgehenden 19. Jahrhundert speziell in den Vororten urbaner Ballungsgebiete neue soziale Gruppierungen bildeten. Das Neue an diesen Gruppierungen war neben einer Dominanz aggressiver Männlichkeitsnormen die »segmentäre Solidarität«, worunter Dunning die ausgeprägte lokale Identität fasst.16 Demnach traten im Milieu des vorstädtischen Proletariats bereits zu diesem Zeitpunkt traditionelle Orientierungen  – etwa an Familie, Religion und auch Klassenzugehörigkeit – hinter der Lokalität zurück oder wurden von dieser in zunehmendem Maße ergänzt.17 Für Deutschland gilt als Formierungsphase der lokalen Vereinsbindung die Zeit zwischen 1910 und 1920. Als Ursache dafür wird die schleichende Ver13 Diem, Anleitung zur Veranstaltung athletischer Wettkämpfe (1905), S.  76; Verwaltungs­ bericht für das Geschäftsjahr 1909, S. 159. 14 Berner, Propaganda, S. 73. 15 Ebd. 16 Dunning, Soziale Bindung, S. 412–421. 17 Die Attraktivität des Sports auf Großstadtjugendliche, die nicht in die Netzwerke der jeweiligen Milieus eingebunden waren, thematisiert Saldern, Sozialmilieus und Massenkultur.

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änderung der sozialen Zusammensetzung des Publikums gesehen, wobei hier selbstverständlich zwischen den einzelnen Sportarten unterschieden werden muss. Tendenziell kann diese Entwicklung für besonders populäre Sportarten wie Fußball, Radfahren oder Leichtathletik angenommen werden. Spätestens ab 1910 umfasste das Publikum dieser Sportarten neben den dominierenden Angestellten auch die Arbeiterschaft.18 Eine Auswirkung dieser Entwicklung war die Herausbildung neuer, lokal verorteter Konkurrenzverhältnisse, beispielsweise zur Nachbarstadt oder zum nächstgelegenen Stadtviertel, das freilich sozial und kulturell ähnlich strukturiert sein konnte.19 Vor allem Fußballvereine entwickelten sich zu Fixpunkten lokaler Identität, wobei, wie Rudolf Oswald schreibt, die bürgerliche Provenienz der Vereine nebensächlich war: »Die Fußball- und Sportvereine konnten einerseits der Identität eines Stadtteils zu Ausdruck verhelfen und sie boten andererseits durch ihre Teilnahme am Wettkampfgeschehen Möglichkeiten zur Bewährung der lokalen Gemeinschaft im Kampf mit Rivalen aus benachbarten Vierteln.« Die Attraktivität von Sportveranstaltungen rührte in dieser Perspektive aus Konflikten partikularer Gemeinschaften, die auf Sportplätzen ausgetragen wurden.20 Insofern markierte der Konsum von Sportveranstaltungen Prozesse der Inklusion und Exklusion und bot die Möglichkeit, durch den Sportkonsum Selbstentwürfe und Bindungen zur eigenen sozialen Umgebung zu gestalten. Doch weshalb wurden lokale Rivalitäten auf dem Sportplatz ausgetragen? Warum konnte das Konsumieren von Sportveranstaltungen mit der Bildung und Stärkung lokaler Identitäten eine Verbindung eingehen? Weshalb konnte sich die segmentäre Solidarität urbaner Vororte auf dem Boden eines bürgerlichen Vereinswesens ausdrücken? Insgesamt kann die Frage nach der Bedeutung des Sports für die Bildung städtischer oder lokaler Identitäten und umgekehrt nicht abschließend beantwortet werden, nicht zuletzt weil regionalhistorische Studien weitgehend fehlen und die, die vorliegen, ihrerseits häufig eine zweifelhafte, zumeist populärwissenschaftliche »Identitätspräsentationsfunktion der Historie« erfüllen.21 Richtet man den Blick auf die Vereine, so wird deutlich, dass zumindest um 1900 ihr Bezug zur Stadt oder zum Stadtteil zunächst nicht sonderlich ausgeprägt war – der Hinweis Eisenbergs auf den beliebtesten Vereinsnamen zu dieser Zeit, nämlich »Deutschland« (oder auch »Germania« und »Teutonia«), kann hierfür als Indiz dienen. In diesen Fällen handelte es sich zweifellos um eine demonstrative Anbindung an einen National-Patriotismus, der übrigens in der Namensgebung von Sportvereinen in anderen europäischen Nationen kaum eine Entsprechung hat.22 Andererseits sollte man sich aber davor 18 Oswald, »Fußball-Volksgemeinschaft«, S. 219. 19 Dunning, Soziale Bindung, S. 417–419; ders. u a., Zuschauerausschreitungen, S. 453 f. 20 Oswald, »Fußball-Volksgemeinschaft«, S. 212. Zeitgeschichtlich relevant ist der Aufsatz des englischen Kultur- und Sporthistorikers Holt, Fußball und regionale Identität. 21 Lübbe, Die Identitätspräsentationsfunktion der Historie. 22 Raithel, Preußen im Fußball, S. 106.

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in Acht nehmen, daraus auf eine stark ausgeprägte Affinität von Sportvereinen zum Nationalen zu schließen, waren doch die meisten Sportler Anhänger einer Bewegung, die ihren Ursprung in England hatte und national gesinnte Kreise als »englische Krankheit« bezeichneten.23 Ausdruck eines offensiven Bekenntnisses zu den fremdländischen Wurzeln ihrer Passion ist der beliebte Vereinsname »Britannia« (etwa Britannia Berlin) oder englische Zusätze wie »Kickers« oder »Football-Club«.24 Ferner fällt auf, dass die Bezeichnung Preußen häufig in den Namen von Vereinen auftaucht (etwa Borussia), vor allem, wenn sie zwischen den 1890er Jahren und dem Ersten Weltkrieg, also in der Gründerzeit des Sports in Deutschland, entstanden waren und innerhalb des Territoriums des Staates Preußen lagen. In diesem Fall kann man von einer borussischpatriotischen Grundstimmung ausgehen, doch schließt diese Diagnose nicht auto­matisch eine lokale oder regionale Konkurrenz aus. Viele dieser borussischen Vereinsgründungen ballten sich an Grenzorten und können sicherlich auch als Ausdruck und Stimulans einer lokalen, zum Teil städtischen Konkurrenz betrachtet werden. Als Beispiele können der FC Borussia 04 Harburg, unmittelbar vor den Toren der Freien Hansestadt Hamburg, oder der VFV Borussia 06 Hildesheim nahe der Stadt und dem Herzogtum Hannover dienen.25 Mein Argument läuft daraus hinaus – und zu diesem Zweck habe ich kurz die Namensgebung für Sportvereine ausgeführt –, dass die segmentäre Solidarität und der Sport nicht ursächlich miteinander verwoben waren und dass lokale, städtische und nationale sowie – anknüpfend an das oben gegebene Beispiel – borussische Loyalitäten nebeneinander existieren konnten. Vielmehr haben wir es hier auch mit einer Invention of Tradition, mit Sport als Medium für ­factitious community auf regionaler Ebene und einer aktiven Bildung regionaler, sportgestützter Identitäten zu tun.26 Diese These widerspricht der Annahme eines Automatismus von Sport und lokaler Identität, bei der das Phänomen der segmentierten Solidarität auf den Sport trifft und in dieser Konstellation urbane Subkulturen, wenn sie ihre Feindseligkeiten weiterhin pflegen wollten, gezwungenermaßen den Sportplatz aufsuchen mussten.27 Es lässt sich beobachten, dass lokale Sportidentitäten und -konkurrenzen gerade in ihrer Formierungsphase um 1910 durch Sportvereine und -verbände nicht nur diskutiert, sondern auch gestützt oder sogar provoziert wurden. Dabei kritisierten diese freilich nicht, dass diese Rivalität kaum mit dem Bild des Sportkonsums bürgerlicher Zirkel in Einklang zu bringen war. Hier ging es erster Linie darum, das Interesse eines größeren Publikums zu gewinnen. Ein Anhaltspunkt dafür sind die Bezeichnungen der Wettkämpfe, die beim Fuß23 Bekannt ist in diesem Zusammenhang die auf den Fußball bezogene Polemik aus dem Jahr 1898 von Planck, Fußlümmelei. 24 Raithel, Preußen im Fußball, S. 106. 25 Ebd., S. 109 f. 26 Siehe Hobsbawm, Mass-Producing Traditions, für den Sport S. 300. 27 So etwa Oswald, »Fußball-Volksgemeinschaft«, S.  223 und in der Skizze von Koller, Das Derby.

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ball recht einprägsam und eindeutig waren, aber bei anderen Sportveranstaltungen schwer verständlich sein konnten. Sie wurden in der Regel schlicht als »­Meeting«, als »athletisches Meeting« oder gar als »Olympische Spiele« angekündigt. Damit trug man dem Ruf der Einwohner von Großstädten Rechnung, die als verwöhnt galten: sie bevorzugten Mannschaften und Sportler aus weit entfernten Städten, am besten aus dem Ausland. Die exotischen Bezeichnungen von Sportwettkämpfen scheinen deshalb auch keine Irritationen ausgelöst zu haben.28 Bei mittelgroßen Städten und Kleinstädten sah die Situation anders aus. Einhellig hoben Vereine und Verbände hervor, dass diese Bezeichnungen hier unverständlich oder gar beunruhigend wirkten. Anstatt mit so hochtrabenden Namensgebungen wie »Olympische Spiele« aufzuwarten, regte beispielsweise der Athletik-Verband an, in Form von »Städtekämpfen« den lokalen Patriotismus zu nutzen, also vorhandene lokale Identitäten mit dem Sportkonsum zu verknüpfen, und verstärkt städtische und innerstädtische Aufeinandertreffen zu organisieren. Im Gegensatz zu Großstädten wie Berlin oder Hamburg seien hier das Heimatgefühl und die Konkurrenz mit Nachbarstädten deutlich ausgeprägter und für solche Ereignisse hervorragend geeignet. Das Austragen von lokalen Rivalitäten auf dem Sportplatz barg zwei Vorzüge. Einerseits für den Sportbetrieb selbst, denn die größere Attraktivität für die Einwohner sollte sich in größeren Zuschauerzahlen niederschlagen. Andererseits hofften die Veranstalter, insbesondere bei jüngeren Einwohnern den Wunsch zu wecken, selbst in die repräsentative Städte- oder Viertelauswahl zu kommen, womit den Vereinen mehr Mitglieder zugeführt würden.29 Ferner versprach die Betonung der lokalen und städtischen Aspekte des Sports – unabhängig davon, ob dieser Bezug tatsächlich vorhanden war oder erst erfunden werden musste  – eine unkompliziertere Einbeziehung und Kontaktaufnahme mit kommunalen Behörden. Zu diesem Zweck wurde bereits in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts zunehmend der Kontakt zur Stadtverwaltung hergestellt und diese in die Planung und Organisierung solcher Städtekämpfe einbezogen, und sei es lediglich durch die Stiftung eines »Ehrenschildes oder Banners«, um das die Mannschaften und Sportler zu kämpfen hatten.30

28 Runge, Die wirtschaftliche Seite, S. 54 f.; Berner, Vereinspolitik, S. 63. Hier spricht Berner vom »Urzustand«, in dem jeder Verein im anderen den »geborenen Feind« erblicke. Siehe auch Protokoll der XIII. Wahlversammlung, 1910, S. 136–175, hier S. 138. 29 Berner, Propaganda, S. 67–69. Siehe auch Jersch, Geschäftsführung, S. 62, 66–68; Markus, Die Entwicklung, S. 24. 30 Berner, Propaganda, S. 66. Die Anzahl der »Stadtpreise« wurden etwa von der Athletik-Behörde speziell in den Verwaltungsberichten aufgeführt. Siehe z. B. Verwaltungsbericht vom 29. Januar 1905 bis 20. Januar 1906, S. 10.

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4. Consumer skills: Den Sport(raum) lesen lernen »Der Eine: Denken Sie sich einen Mann, der die Leistungen auf einem Sportplatz zu beurteilen hat, aus welchem Antrieb, sei gleichgültig. Nehmen wir an, er sehe dem Stabhochsprung zu und habe Kenntnis davon, daß der Rekord hierin etwas über vier Meter beträgt. Wenn er nun selbst sich niemals in dieser Übung versucht hat und zusieht, wie etwa der beste der eifrigen jungen Leute es mit Not auf drei Meter sechzig bringt, wird er nicht versucht sein, das für eine geringe Leistung zu erklären? Der Andre: Ist es denn keine? Der Eine: Oh nein, sie ist aller Ehren wert. Der Andre: Sie selbst, soviel ich weiß, sind auch kein Meister mit dem Sprungstab, nur kennen Sie zufällig außer dem Rekord auch den Wert geringerer Erfolge. Das scheint also doch zum Urteil zu genügen. […] Der Eine: Ich merke, daß mein Beispiel schlecht gewählt ist; doch das macht nichts, wenn Sie nur festhalten, daß ich es nicht vom Zirkus, sondern vom Sportplatz hergeholt habe. Im Zirkus sitzen wir und lassen uns etwas vormachen; wir klatschen oder wir verziehen die Lippen, ohne jeden Gedanken daran, ob wir auch nur das Verunglückte, was dort unten geschieht, erreichen könnten. Der Sport aber setzt uns als mindestens ideelle Mitbeteiligte voraus. Der Zirkus lebt geradezu davon, daß er den Zuschauer in der Distanz der Überraschung, des Staunens, der Angst und der Grausamkeit hält, davon, daß er ein unnützes und gefährliches und durch die Gefahr geadeltes Spiel bietet; der Sport will uns nur als Solche, die mittun können und wollen. […] Der Andre: Zirkus und Sport – ich gebe zu, das von dieser Gegenüberstellung unser Problem ein Licht zu empfangen scheint, von weitem.«31

Das Gespräch des Einen mit dem Anderen, das 1922 in der Weltbühne abgedruckt wurde, dreht sich um die Figur des Zuschauers und um Kriterien, Bedingungen und Voraussetzungen, die zur Beurteilung des Gesehenen und zur entsprechenden Anteilnahme notwendig sind. Dass dabei dem Sport der Zirkus gegenübergestellt wird, hat nicht nur mit der Suche nach möglichst Gegensätzlichem zu tun, sondern auch mit gewissen historischen Überkreuzungen. Die Überkreuzungen, die 1922 in den Vorstellungen der Zeitgenossen noch präsent gewesen sein dürften, bestanden darin, dass Sportler regelmäßig auf Jahrmärkten und in Zirkussen auftraten. Beispielsweise fanden, wenn auch selten, noch in den 1920er Jahren Boxkämpfe im Berliner Lunapark statt.32 Vorzugsweise traten Leichtathleten und Schwerathleten auf. In der Regel waren es Boxer und Ringer, die im Zirkus und auf Jahrmärkten die Riege der »stärksten Männer der Welt« bildeten.33 Der Schnittpunkt beider Phänomene lag also in jenen körperzentrierten Handlungen, die die evasiven Vergnügungen des Zirkus prägten.34 31 Heimann, Gespräch über das Besserwissen, S. 572 f. 32 Siehe Schmeling, Erinnerungen, S. 43. 33 Wedemeyer, Muskelwettbewerbe und Modellathleten, S. 46. 34 Maase, Die Menge als Attraktion ihrer Selbst, S. 22 f.

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Die Gemeinsamkeit ist offensichtlich, aber rein phänologisch. Die strukturellen Unterschiede, die den modernen Sport von den körperorientierten Vorführungen im Zirkus trennten, sind überaus deutlich und bilden auch den Kern des obigen Zitats. Der Konsum einer Zirkusvorstellung wird hier mit Attributen wie Gaukelei (sich »etwas vormachen« lassen) und Gedankenlosigkeit beschrieben. Die Frage, ob die vorgeführte Übung vom Zuschauer selbst ausführbar ist, der fiktive Vergleich mit der eigenen körperlichen Leistungsfähigkeit, spiele keine Rolle: Zu absurd erscheine dieser Gedanke angesichts des Gesehenen. Das Ergebnis sei eine gleichermaßen überwältigte wie distanzierte Haltung zum Dargebotenen, die sich in Angst, Staunen und Überraschung ausdrücke. Ganz anders der Sport. Dadurch, dass dieser den Zuschauer, wie der Autor Moritz Heimann es ausdrückt, als »ideellen Mitbeteiligten« voraussetze, fordere er geradezu zum Vergleich mit der eigenen Leistungsfähigkeit heraus. Zugleich liefere er die Parameter des Vergleichs gleich mit. Und in der Tat hatten diese Parameter mit der Überwältigungsstrategie des Zirkus nichts gemein. Sie waren abstrakter Natur und schlugen sich in Zahlenreihen und Quantifizierungen nieder. Auch hier kann eine gewisse distanzierte Haltung gegenüber dem Dargebotenen konstatiert werden. Doch war dies eine ganz andere Art der Distanz. Sie manifestierte sich nicht in Überwältigung, Erstaunen und Furcht. Der Sport setzte trotz aller Emotionalität eine kenntnisreiche Souveränität des Publikums gegenüber dem auf den Sportplatz Dargebotenen voraus. Die Beurteilung, Anteilnahme und die Spannung von Sportveranstaltungen waren abhängig von Vorkenntnissen, die die Regeln des jeweiligen Spiels, die jeweils gültigen Leistungsspitzen und den strukturierenden Sportraum umfassten. Diese Kenntnisse erschlossen sich nicht von selbst, sie mussten vermittelt und angeeignet werden. Es war allerdings zu Beginn des 20.  Jahrhunderts keineswegs üblich, dass das Publikum Spiel und Raum lesen konnte, und so war die Schulung des Urteilsvermögens ein unverzichtbares Element, um die Attraktivität des Sportkonsums zu steigern. Die Attraktivität einer Sportveranstaltung gehörte zu den wesentlichen endogenen Wachstumsmechanismen des Sportkonsums.35 Allerdings ist für die Attraktivität einer Sportveranstaltung und die befriedigende Konsumtion eines Wettkampfs eine gewisse Kenntnis des Sports unerlässlich.36 Kurz, es geht um consumer skills, deren Vermittlung und Aneignung sich bis in die Zeit um die Jahrhundertwende zurückverfolgen lässt.37 Auf die wichtige Rolle der um die Jahrhundertwende expandierenden Sportpresse als Vermittlungsinstanz ist in der Forschung schon mehrfach hingewiesen worden,38 aber 35 Eisenberg, Möglichkeiten und Grenzen, S. 527. 36 McPherson, Sport Consumption, S. 256–258. 37 Eisenberg, Möglichkeiten und Grenzen, S. 527. 38 Eine eingehende Analyse der Weimarer Sportpresse fehlt noch immer. Einen Überblick gibt dies., »English Sports«, S. 221–224 und vor allem Eggers, Die Geschichte der Sportpublizistik, S. 10–24. Siehe auch die Studie von Scharenberg, Die Konstruktion des öffentlichen Sports.

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wie gestaltete sich die Vermittlung und Verbreitung von Sportkenntnissen während des eigentlichen Konsumvorgangs auf dem Sportplatz? Interessanterweise stand in diesem Kontext die verwirrende Wirkung der räumlichen Ordnung von Sportplätzen im Vordergrund, die Herausforderung an den Zuschauer, sich in seinen diversen geometrischen Separierungen zurechtzufinden, diese richtig zu interpretieren und sich selbst vorteilhaft – mit gutem Blick auf das Geschehen, ohne den Ablauf zu stören  – zu positionieren. Orientierungshilfe war von Nöten und damit auch die Möglichkeit, die Gesamtanlage, die Sportartefakte und die erbrachten Leistungen richtig einschätzen zu können. Martin Berner schlug 1909 vor, an alldiejenigen zu denken, »die zum erstenmal einen Sportplatz betreten und sich nicht gern erst in einem unentwirrbaren Chaos von Menschen, Strichen, Kreisen, Bändern und Rasenstücken zurechtsuchen wollen, sondern gleich die ganze Anlage zu übersehen wünschen.«39 Er empfahl, das Publikum über die Länge der Bahnstrecke und, als Vergleichsmöglichkeit für die erbrachte Leistung, über die deutschen Höchstleistungen und Weltrekorde zu informieren. Vor allem aber sollte zur Vermeidung eines größeren Durcheinanders der den Sportlern vorbehaltene Innenraum der Anlage von Zuschauern freigehalten werden.40 Zu Beginn des 20.  Jahrhunderts scheinen diese consumer skills nur wenig entwickelt gewesen zu sein – trotz gelegentlicher Wettkämpfe in Großstädten wie in etwa Berlin, Hamburg, Leipzig oder Frankfurt/Main mit bereits Tausenden von Zuschauern. Beispielsweise war noch Jahre nach der Gründung des Deutschen Fußball-Bundes im Jahre 1900 die Begeisterung für diese Sportart recht verhalten. Insbesondere britischen Beobachtern, die an den ohrenbetäubenden Lärm der Anfeuerungen und Beschimpfungen in der Heimat gewohnt waren, fiel die dem Anlass unangemessene Ruhe des deutschen Publikums auf: »Die Zuschauer verstanden meiner Meinung nach das Spiel nicht und waren nur aus Neugierde gekommen«  – so das enttäuschte Resümee eines englischen Beobachters 1908.41 Zu Recht weist Christiane Eisenberg darauf hin, dass zu dieser Zeit das deutsche Sportpublikum weitgehend nicht in der Lage war, »von der dargebotenen Übung zu abstrahieren und den Wettkampf als solchen zu würdigen«.42 Dieser Umstand galt besonders für Mannschaftsspiele wie ­Cricket, Rugby oder Fußball, wohingegen die Leichtathletik-Wettkämpfe noch einige Anknüpfungspunkte zu bekannteren gymnastischen oder turnerischen Übungen aufweisen konnten. Auf der anderen Seite aber dürfen die Äußerungen englischer Beobachter auch nicht zu der Annahme verleiten, dass das deutsche Publikum nur still und unwissend ihm weitgehend unbekannte Übungen verfolgt hätte oder dass die 39 Berner, Propaganda, S. 76 f. 40 Ebd., S. 73 f., 76. 41 Shadwell, England, Deutschland und Amerika, S.  457 f., zitiert n. Eisenberg, »English Sports«, S. 160. 42 Eisenberg, »English Sports«, S. 160.

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Verbände und ihre Vertreter zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine genaue Vorstellung dessen gehabt hätten, was ein Sportpublikum nun genau zu sein und welche Rolle es in der Sportanlage zu spielen hatte. Der emotional aufgeladene Zuschauerkörper, der als aktiver Teil der Sportdarbietung für den Sportkonsum selbst produktive Funktionen erfüllt, indem er den kontrollierten Affekthaushalt des bürgerlichen Subjekts überschreitet, war suspekt. Die im Spannungsfeld von Mitmachen und Eigensinn generierten Formen der Teilhabe konnten den Intentionen der Veranstalter zuwiderlaufen. In den Blättern des Deutschen Fußball-Bundes distanzierte man sich von einem als ungezogen charakterisierten Publikum, das sich offensichtlich in besonderem Maße von Sportveranstaltungen angezogen fühlte: »Ich denke etwa an die Ungezogenheiten mancher Zuschauermassen, die mithelfen wollen und mitraten, wo ihnen das Spiel des Günstlings nicht zu gelingen scheint, die durch Zuruf und laute Empörung gegen Schiedsrichter und Gegner einen Einfluß gewinnen wollen, der ihnen nicht zusteht. Das soll unser Publikum nicht sein.«43 Es war das distanzierte bürgerliche Publikum des Theaters, das den Sportverbänden als Ideal vorschwebte. Auffälliges Verhalten auf dem Sportplatz war nicht gerne gesehen, aber langweilen durfte (sich) das Publikum auch nicht. Daher musste es in den Zustand versetzt werden, die erbrachten Leistungen sofort beurteilen zu können. Eine Möglichkeit waren Skizzen des Sportplatzes mit genauen Markierungen, die einen Überblick der Anlage verschafften, eine andere Möglichkeit gedruckte Programme, die illustriert alle Fachausdrücke erklärten.44 Berner verdeutlichte 1910 den letztgenannten Aspekt am Beispiel der Stafette. Dieser Ausdruck sollte seiner Ansicht nach folgendermaßen erläutert werden: »Im Stafettenlaufen wird ein Gegenstand (Stab, Tuch u. s. w.) durch mehrere sich ablösende Läufer ans Ziel gebracht. Im Mittelalter wurde die Eilpostbestellung nach dem Stafettensystem erledigt.«45 Beim Diskuswerfen müsse das Publikum erfahren, dass es aus einem genau bestimmten und markierten Kreis von zweieinhalb Meter Durchmesser erfolge. Auch schlug er vor, die Markierungen bei 20, 25 und 30 Metern, die zur besseren Orientierung der geworfenen Entfernung dienten, zu beschriften und zu erläutern. Überhaupt seien von jedem Platz der Sportanlage sichtbare Tafeln unabdingbar, damit das noch unerfahrene Publikum beim Wettkampf verfolgen könne, wer vorne liegt und wer abgeschlagen die hinteren Plätze belegt. Die Hauptsache war, dass alles bekanntgegeben wurde, was die Zuschauer wissen mussten, um den Vorführungen folgen zu können.46 Das Protokoll der XIII. Wahlversammlung der DSBfA aus dem Jahr 1910 dokumentiert, dass diese Zielsetzung sogar Wortmeldungen provozierte, die die Zuschauertauglichkeit ganzer leichtathletischer Disziplinen in Frage stellten und dementsprechend auch dafür plädierten, diese aus den Vorführungen zu 43 Hofmann, Fußballsport und Publikum, S. 156. 44 Berner, Start und Starter, S. 59. 45 Ders., Propaganda, S. 74. 46 Ebd., S. 75.

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verbannen. Es ging hierbei um den Weitsprung. Man war sich einig, »daß das Publikum etwas fürs Auge« geboten bekommen sollte. In diesem Wortwechsel zwischen den beiden stellvertretenden Vorsitzenden der DSBfA, Johannes Runge und Friedrich Burger, aber bemerkte Runge, dass beim Weitsprung etwa die Hälfte der Zuschauer nicht sehe, was sie gerne sehen würden, nämlich die dargebrachte Sprungleistung. Überhaupt ginge dieser Wettkampf zuweilen vorüber, ohne dass das Publikum erfahre, wer mit welcher Weite gewonnen habe. Einen Kompromiss fand man schließlich in einem Vorschlag Burgers, der vorsah, Schilder mit den jeweiligen Sprungleistungen aufzustellen, um das Einschätzen der Sprungleistung zu ermöglichen und somit auch diese Disziplin für die Zuschauer interessant zu gestalten.47

5. Konsumhemmnisse Die Entwicklung zum Zuschauersport und damit der Sportstätten zu Orten des Konsums war keine Zwangsläufigkeit und gewiss keine konfliktfrei verlaufende Einbahnstraße. Erstens erzeugten Sportveranstaltungen vielfältige Reibungsflächen mit den Behörden. Zu nennen ist hier ausdrücklich die Lustbarkeitssteuer. Ihre Anwendung war eine Sache landesrechtlicher Regelung und variierte daher von Bundesstaat zu Bundesstaat. Die gesetzliche Grundlage bildeten in der Regel Ortsgesetze, die, unter Genehmigung der zuständigen Verwaltungsbehörden des betreffenden Bundesstaates, von den Städten und Gemeinden erlassen wurden. In Preußen entsprachen Sportveranstaltungen Anfang des 20.  Jahrhunderts nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes nicht einer Lustbarkeit. Demnach waren hier Sportveranstaltungen, auch solche mit kommerziellem Anstrich, nicht der Lustbarkeitssteuer unterworfen. In Hamburg waren nach örtlicher Steuerordnung Sportwettkämpfe dann von der Luststeuer befreit, wenn sie nachweislich der körperlichen Ausbildung und nicht der Gewinnerzielung dienten. In der Praxis waren in Hamburg auch Fußballspiele und Athletikwettkämpfe von dieser Steuer ausgenommen. Wesentlich schwieriger gestaltete sich die Situation im Süden. Im Großherzogtum Hessen etwa war es den Gemeinden ab März 1910 per Gesetz gestattet, »Billetsteuern« bis zu zehn Prozent des Eintrittspreises zu erheben. Dies galt für mehr oder minder alle Sportveranstaltungen. Ebenso ungünstig lagen die Verhältnisse in Bayern und Baden.48 Hinzu kam die Sonn- und Feiertagsheiligung. Insgesamt konkurrierte auch der Sport ebenso wie eine ganze Reihe anderer Freizeitvergnügungen zunehmend mit dem kirchlichen Anspruch auf Feiertags- und insbesondere Sonntagsheiligung. Doch im Gegensatz zu Varietés, Theatern, Ausflugslokalen oder 47 Verwaltungsbericht für das Geschäftsjahr 1909, S. 159. 48 Blaschke, Die Behörden und der Fußballsport; Nürck, Sport und Steuer.

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Jahrmärkten, die ihre spezifischen Zeiten in den Abendstunden und ihre spezifischen Orte zumeist in geschlossenen Bauten hatten,49 wurde Sport im Freien und bei Tageslicht betrieben. In Preußen waren sportliche Wettkämpfe am Karfreitag und am Buß- und Bettag unzulässig, sofern Eintrittsgelder erhoben wurden. In diesem Fall galten Sportveranstaltungen als öffentliche Schaustellungen. Doch etwas Spielraum gewährte man den Vereinen durch die Feststellung, dass der sportliche Zweck der Veranstaltung durch die Erhebung von Eintrittsgeldern nicht notwendigerweise aufgehoben werde, denn die Heranziehung des Publikums geschehe zum einen zum Zwecke der Deckung der entstehenden Unkosten und diene somit nicht der Gewinnerzielung, zum anderen rege eine solche Veranstaltung zur sportlichen Selbstbetätigung an, was einer gesundheitlichen Förderung vor allem der Jugend gleichkomme. Der Kern der Auffassung, auch der Oberlandesgerichte von Dresden, Karlsruhe und Darmstadt, war, dass die sportliche Seite des Wettkampfs die Schaustellung nicht ausschließe, da die Wettkämpfe nicht nur der Förderung des Sports bei Teilnehmern und Zuschauern dienten, sondern auch die Schaulust und das Unterhaltungsbedürfnis des Publikums befriedigten. Dabei wurde es als unerheblich angesehen, ob der Veranstalter Eintrittsgelder erhob oder nicht. In Sachsen waren beispielsweise Fußballspiele am Buß- und Bettag, Karfreitag und Totensonntag, in Hessen am Karfreitag und Buß- und Bettag, in Baden sogar am Palmsonntag, Buß- und Bettag, Karfreitag vollständig verboten, und am Christtag, ersten Ostertag, ersten Pfingsttag und Fronleichnamstag erst ab 15:00 Uhr erlaubt, vorausgesetzt der Verein hatte die Genehmigung der zuständigen Polizeibehörde eingeholt. Was die Sonntagsruhe anging, so galt speziell der Fußball als ausgemachter Störenfried: durch lautes Rufen und Schreien, das dumpfe Aufschlagen des Balles und das Lärmen der Zuschauer und Teilnehmer. Das Berliner Landgericht etwa untersagte Fußballspiele an öffentlichen Orten während der Zeit des Hauptgottesdienstes. Ein anderes Beispiel: Im Herzogtum Braunschweig wurde während des Hauptgottesdienstes jegliche Sportveranstaltung untersagt.50 Es ist naheliegend, dass diese Regelungen den Unmut der Vereine und Verbände hervorriefen. Georg Blaschke, Gründer des ersten Kieler Fußballvereins, DFB-Funktionär und späterer Stadtrat in Kiel, witterte 1912 »Beschränkungen ringsum! Überall tauchen Paragraphen und Verordnungen auf, die der lebendigen Arbeit für das Wohl von Deutschlands Jugend Fesseln anlegen.«51 Vom erdrückenden »Fiskalismus« der Behörden ist da die Rede, von nicht mehr zeitgemäßen Verordnungen, unnötigen Besteuerungen und »engherzigen Beschränkungen«.52 Abgesehen davon machte er aber in seiner Empörung 49 Siehe am Dresdner Beispiel Rosseaux, Freiräume. 50 Raydt, Lustbarkeitssteuer und Sonntagsheiligung, S. 120–124. 51 Blaschke, Behörden und der Fußballsport, S. 119–221, Zitat S. 124. Zu Blaschke siehe Havemann, Fußball unterm Hakenkreuz, S. 46 f., 53–55 und P. H. Blaschke, Georg Blaschke. 52 Blaschke, Behörden und der Fußballsport, S. 115.

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auf einen Punkt aufmerksam, der ansonsten in den Wortmeldungen zu diesem Thema selten angesprochen wurde: das Zeitproblem als eine wichtige Voraussetzung für geregelten Spielbetrieb und Sportkonsum. Die Sonntagsheiligung schränkte angesichts der üblichen Arbeitszeit, bei der nur der Sonntag komplett zur freien Verfügung stand, die ohnehin knapp bemessene Zeit empfindlich ein. Zweitens erzeugte die Entwicklung zum Zuschauersport, wie angedeutet, auch innerhalb der Sportbewegung viele Reibungsflächen. 1908 war in der schon erwähnten Anleitung zur Veranstaltung athletischer Wettkämpfe zu lesen, dass man sich als Verein nur dann zu einer nationalen oder gar internationalen Veranstaltung entschließen solle, wenn der dafür vorgesehene Sportplatz »allen Anforderungen in Grösse und Anlage« entsprach.53 Was das im Detail bedeutete, geht aus dem umfangreichen Teil Bahnanlage und Vorbereitungen hervor. Die Beschaffenheit des Rasens und der Laufbahn wird dort ebenso behandelt wie die Absteckung per Holzpflöcke »30 cm über der Erde«. Genauestens werden die Anlage und die Ausmaße der Bahnen, die Längsachsen oder der Radius der Kurven bestimmt. Hinzu kamen akribische Ausführungen, die sich mit den Spezialanlagen für den Weit-, Hoch- und Dreisprung samt Absprungstellen beschäftigten.54 Was hier deutlich zutage tritt, ist ein im hohen Maße standardisierter und arti­fizieller Sportraum. 1911, also nur drei Jahre später, war im Fußball-Jahrbuch zu lesen: »Statt der krummen Wiesen, die uns früher ein Eden des Sports dünkten, verlangt man heute einen mustergültig hergerichteten Sportplatz«.55 Im nostalgischen Rückblick wurde der natürliche, unebene Rasen zum ursprünglichen Ort eines ebenfalls ursprünglichen, noch unkorrumpierten und nur um seiner selbst Willen betriebenen Sports. Offensichtlich schienen die Veränderungen so gravierend, dass vor diesem Hintergrund gar die »gute alte Zeit unseres Sports« beschworen wurde.56 Dieser Rückgriff auf eine gar nicht so lange zurückliegende Vergangenheit war unmittelbar an eine Debatte geknüpft, die, reichlich diffus und unbestimmt, mehr ein allgemeines Unbehagen an den modernen Erscheinungsformen des Sportes formulierte und in der Wortmeldungen in der Regel unter den Begriffen »Werbung«, »Werbearbeit« und »Propaganda« erschienen. Letztlich wurde hier der Kern des noch jungen Sports verhandelt. In den Verbandszeitschriften war bereits in den ersten beiden Dekaden des 20.  Jahrhunderts verstärkt von »sportfeindlichen Tendenzen« und von »Pseudosport« die Rede, der sich prostituiere, weil er nur nach Re­korden und Meisterschaften schiele oder um die Gunst des Publikums buhle und darüber seinen »erzieherischen Auftrag« und seinen »sozialen Kulturwert« 53 Diem, Anleitung zur Veranstaltung athletischer Wettkämpfe (1908), S. 26. 54 Ebd., S. 30–34. 55 Markus, Innere Erziehung, S. 50. Siehe auch Sorber, Jugendsport, S. 95 und Grundner, Spielregeln und Spielfeld, S. 164 f. 56 Jersch, Geschäftsführung, S. 62.

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vernachlässige.57 Die sportliche Entwicklung sei weit genug vorangeschritten und daher habe beispielsweise die Leichtathletik es nicht nötig, sich einseitig auf das Gewinnen von Preisen, das Erzielen von Rekorden oder auf die Hervorbringung auch international beachteter Athleten zu konzentrieren. Vielmehr sei es erforderlich, in die Breite zu gehen und die aktive Einbindung möglichst vieler Menschen in den Sport voranzutreiben und sich so der Kulturaufgaben des Sportes zu besinnen: »Ich [Johannes Runge] denke vor allem daran, die Allgemeinheit, die Masse in unserem Sport mehr als bisher zu beschäftigen. Unser Sport als Volkssport ist dazu da, die Volksgesundheit zu heben, nicht aber in erster Linie Meisterschaften zu gewinnen.«58 Auf der anderen Seite stellten Sportfunktionäre immer wieder in Rechnung, dass die noch junge Sportbewegung auf die Generierung von Eintrittsgeldern angewiesen war und eine wesentliche Grundlage hierfür die professionelle Errichtung von abgeschlossenen Sportplätzen bildete. So oder so, der Sport befinde sich an einem Scheideweg: Entweder er behalte seinen »Erziehungsauftrag« bei oder er wandle sich zu einer kommerziellen »Schaustellung«.59 Vor diesem Hintergrund müssen die Beschwörungen der primitiven, aber glücklichen Ursprünge des Sports als Kritik an den zunehmenden Technisierungs- und Kommerzialisierungstendenzen gelesen werden, die immer auch in einem Verhältnis zu den wirtschaftlichen Erfordernissen der Vereine standen. Es sind letztlich Zeichen eines diffusen Unbehagens an sich bereits abzeichnenden Entwicklungstendenzen des modernen Sports. Anfang des 20.  Jahrhunderts wurde der Sportstättenbau durch Repräsentanten der Deutschen Sportbewegung mit Argumenten der Kriminalitätsprävention, der Volksgesundheit, der Wehrkraftförderung sowie des vermeintlichen Schutzes der Jugend vor den gefährlichen Verlockungen der Großstadt legitimiert.60 Die Popula­rität des Sports schuf mit sukzessive zunehmender Kommerzialisierung und steigenden Zuschauerzahlen eine Dynamik, die sich auch in der Standardisierung und Technisierung von Sporträumen niederschlug. Freilich geriet diese Dynamik mit der pädagogischen Mission des Sports mehr und mehr in Widerspruch. Der Sport schien an denselben Krankheiten der Moderne zu leiden, die zu kurieren er für sich in Anspruch nahm.61 In einem zum Teil bizarren Mischmasch von Argumenten lassen sich häufig auf ein und derselben Seite das Verlangen nach finanzieller Absicherung und öffentlicher Anteilnahme an den Sportwettkämpfen neben Ausbrüchen gegen die kommerziellen Zwänge und ungesunden Auswüchse der Sportentwicklung herauslesen, so 1911 unter dem Titel Innere Erziehung: »Die Ausübung des 57 Markus, Innere Erziehung, S. 50; Auenhag, Sport und Berufssport, S. 26–28. 58 Runge, Die wirtschaftliche Seite, S. 58. 59 Hofmann, Fußballsport und Publikum, S. 156; Runge, Die wirtschaftliche Seite, S. 58. Siehe ferner im »Deutschen Fußball-Jahrbuch 1911« folgende Beiträge: Blaschke, Dem Volkssport entgegen! S. 182; Diem, Das Recht des Sports, S. 40 f.; Auenhag, Sport und Berufssport. 60 Diem/Berner, Städtische Sportanlagen, S. 9–13. 61 Am Beispiel des Fußballs und des DFB vgl. Leo, »Bremsklötze des Fortschritts«.

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Sports muss um seiner selbst willen geschehen. Meisterschaft, Punkte und Preise sind nicht das Ziel, das wir erstreben!« Zugleich wird aber auch dem Zuschauer und damit den finanziellen Zwängen von Sportstätten und Wettkämpfen Rechnung getragen: »Ein volles Haus zu erzielen, den Verein durch geschickte Finanzpolitik sicherzustellen, ist gewiß ein berechtigtes Streben. Die Finanzpolitik muß aber stets unter dem höheren Gesichtspunkt der Förderung des Sportes und der Sportlichkeit stehen, sie darf nicht um ihrer selbst willen getrieben werden.«62 Der Verwaltungsbericht der Deutschen Sport-Behörde für Athletik forderte 1910 einen Mittelweg zwischen den rein sportlichen Anforderungen und den Ansprüchen des Publikums.63 Diese Ambivalenz manifestierte sich in den Sportanlagen. Deren räumliche Ordnung sowie die Choreographie der darin veranstalteten Wettkämpfe zeigen eine Geschichte beständigen Schwankens zwischen den untersuchten Positionen, ein Schwanken, das sich in der Praxis weniger als ein Entweder-Oder als vielmehr als ständiges Hin-und-Her zwischen Offenheit und Isolationismus, zwischen kulturellem Abwehrkampf gegen Entwicklungen des kommerziellen Sportkonsums und zweckdienlichen Arrangements interpretieren lässt.64

6. Sportkonsum als Massenphänomen Die dynamische Entwicklung der modernen Massenkultur gehört zu den Gemein­plätzen der allgemeinen Forschungsliteratur zur Weimarer Republik. Hierbei hat neben der künstlerischen Avantgarde, dem Film, dem Aufschwung des Pressewesens und den Anfängen des Tourismus auch der Sport seinen festen Platz.65 In der Regel basierend auf einem Intellektuellendiskurs, für die beispielhaft Robert Musil, Bertolt Brecht, George Grosz oder Egon Erwin Kisch stehen, wird konstatiert, dass der Sport sich in der 1920er Jahren zu einem Massenphänomen entwickelt habe. Dabei wird seine Vergesellschaftungsfunktion, seine Kraft, überkommene Klassen- und Standesgrenzen zu nivellieren, hervorgehoben.66 Diese Ansicht ist mittlerweile etwas relativiert worden. Christiane Eisenberg hat dezidiert herausgearbeitet, dass der Sport trotz einer unzweifelhaften und bemerkenswerten Zunahme von Rezipienten und Betreibern auch noch in der Weimarer Zeit »weniger Massen- denn Klassencharakter« 62 Markus, Innere Erziehung, S. 58. 63 Verwaltungsbericht für das Geschäftsjahr 1908, S. 142. 64 Hierzu auch Dinçkal, Stadien, Sportparks und Musterspielplätze. 65 Etwa in Peukert, Die Weimarer Republik, S. 169–171; Jost/Trommler, Die Kultur der Weimarer Republik, S. 75 f.; Kolb, Die Weimarer Republik, S. 101 f.; Büttner, Weimar, S. 331–334. Aus Mediengeschichtlicher Perspektive Faulstich, Die Kultur der 20er Jahre. Zur Massenkultur siehe Maase, Grenzenloses Vergnügen. 66 Beispielhaft Becker, Amerikanismus in Weimar und Fleig, Körperkultur und Moderne.

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hatte, ebenso wie er trotz aller Präsenz von Frauen (auch als Werbeträger für Sportartikel), noch immer durch und durch eine männlich dominierte Kultursphäre war.67 Die Frage, welchen Anteil der Erste Weltkrieg am Aufschwung des Sports in der Weimarer Republik hatte, drängt sich an dieser Stelle geradezu auf, ist aber nicht eindeutig zu beantworten. Jedenfalls haben neuere Arbeiten gezeigt, dass von einem Stillstand während der Kriegsjahre nicht die Rede sein kann. So erfreute sich die körperliche Erziehung von Kindern und Jugend­ lichen als eine Form der Wehrertüchtigung einer großen staatlichen Wertschätzung. Für staatliche Stellen (etwa das Kriegsministerium oder Schul­behörden) galt die Förderung des Sports als ein Instrument der Jugendpflege, die in den Kriegsjahren offen militärischen Nutzbarkeitserwägungen unterlag. An der Front machte sich diese neue Wertschätzung ebenfalls bemerkbar. Langsam verdrängten sportliche Übungen die dem Turnen entlehnten Abläufe körperlicher Ertüchtigung beim Militär.68 Auch in den Dienstplänen und Armeezeitungen fand der Sport zunehmend Erwähnung.69 Dabei diente der Sport, zumindest aus staatlicher Sicht, der Vorbereitung auf den Krieg und der »Wiederherstellung« von im Krieg versehrten Körpern gleichermaßen. Tatsächlich liegen die Wurzeln des Versehrtensports im Ersten Weltkrieg, als sportliche Übungen erstmals im Rahmen therapeutischer Maßnahme eingesetzt wurden – ein Thema, dass noch immer einer eingehenden Untersuchung bedarf.70 Insgesamt gesehen war der Sport auch in den Jahren des Ersten Weltkriegs durchaus präsent. Für englische Soldaten ist mehrfach hervorgehoben worden, wie wichtig ihnen der Sport an der Front war, wie sehr sie sportliche Methapern zu Beschreibung von Kriegshandlungen heranzogen, auch zur Überwindung der eigenen Sprachlosigkeit angesichts der Kriegserlebnisse, und vor allem, wie der Sport ihnen dazu diente, sich ihrer Identität zu vergewissern.71 Dieser Umstand veranlasste Werner Sombart in seiner berüchtigten Schrift Händler und Helden zu dem Kommentar: »Der Krieg als Sport! Wir haben von dieser eklen Ausgeburt englischen Krämergeistes schon Kenntnis genommen.«72 Während man für England durchaus von einer diskursiven Versportlichung des Krieges sprechen kann, so ist für die deutsche Seite vor allem eine zunehmende Militarisierung des Sportbetriebs zu diagnostizieren, eine Entwicklung, die an den bereits beschriebenen Tendenzen der Vorkriegszeit mühelos anknüpfen konnte und sich beispielsweise in Stadionaufführungen von Handgranatenweitwerfen, Gepäck67 Eisenberg, Massensport, S. 171. 68 Siehe hierzu die Studie von Tauber, Vom Schützengraben. 69 Nelson, German Soldier Newspapers, S. 76–79. 70 Als eine erste Studie hierzu siehe Wedemeyer-Kolwe, Vom »Versehrtenturnen« zum Deutschen Behindertensportverband. 71 Eksteins, Tanz über Gräben, S. 188–199. 72 Sombart, Händler und Helden, S. 72.

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märschen und Hindernisläufen mit Gasmasken niederschlug.73 Allerdings ist hier auch festzuhalten, dass die militärische Indienstnahme des Sports, trotz ­a ller patriotischen Bekundungen, in den Vereinen offensichtlich eine nur geringe Wirkung erzielte.74 Und überall dort, wo sport­liche Aktivitäten auf der Eigeninitiative von Soldaten unabhängig von offiziellen Anweisungen erfolgten, etwa in Kriegsgefangenenlager, können diese kaum auf den Wunsch nach Wehrertüchtigung zurückgeführt werden. Bekannte Kriegsgeschichten, wie die von einem Fußballspiel zwischen englischen und deutschen Soldaten an der Westfront Weihnachten 1914,75 sagen vor allem etwas über die Wünsche und Erwartungen der Soldaten aus, und sie zeigen, dass auch während des Ersten Weltkriegs und selbst an der Front der Sport überaus populär war, was nicht ­automatisch etwas mit dem neu entfachten militärischen und staatlichen Interesse zu tun haben muss. Damit behaupte ich nicht, dass die Entwicklung des Sports zu einem Massenphänomen durch den Ersten Weltkrieg begünstigt oder gar beschleunigt worden wäre, wie es jüngst nahegelegt worden ist,76 sondern lediglich, dass die seit der Jahrhundertwende zunehmende Begeisterung für den Sport durch die Kriegsjahre keinen Einbruch erlitten hat. Das allein ist sehr bemerkenswert, wenn man sich die enormen Verluste der Vereine unter ihren meist jugendlichen und männlichen Mitgliedern vor Augen führt und die dementsprechend großen Probleme des Spielbetriebs und Vereinslebens bedenkt. Allein der Süddeutsche Fußballverband verlor zweidrittel seiner insgesamt knapp 60.000 Mitglieder.77 Hinzu kommt, dass sich mit dem Ersten Weltkrieg die ohnehin schwierige Sportraumsituation verschlechterte, was Auswirkungen auf den Sportkonsum hatte. Ein Großteil der städtischen Sportplätze stand für den Spielbetrieb nicht mehr zu Verfügung, da vor allem während der Versorgungsund Hungerkrise 1917/18 viele kommunale Grünflächen und Sportplätze zu Ackerland oder zu Schreber- und Kleingärten umgewandelt wurden, um darauf Gemüse, Rüben oder Kartoffeln anzubauen.78 Letztlich hatte sich der Sport in den meisten deutschen Städten bereits bis 1914 weitgehend etabliert. Dass er in der Weimarer Republik flächendeckend Verbreitung fand, hatte mit der veränderten Rolle von Kommunen im politischen System der Weimarer Republik zu tun. Die Städte entwickelten sich zu zentralen Akteuren bei der Bereitstellung von Sporträumen. Die politische Aufwertung der Arbeiterbewegung, die Demokratisierung des Wahlrechts und die institutionelle Beteiligung der Sozialdemokratie an Stadtregierungen schufen die Grundlage, dass nicht-bürgerliche Turn- und Sportvereine eine kommu73 Eisenberg, »English Sports«, S. 318. Für den Fußballsport siehe Herzog, Fußball als Kultur­ phänomen, S. 78 f. 74 Nielsen, Sport und Großstadt, S. 602. 75 Eksteins, Tanz über Gräben, S. 177. 76 Tauber, Vom Schützengraben. 77 Blaschke, Und wir daheim!, S. 65. 78 Nielsen, Sport und Großstadt, S. 510, 513.

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nale Förderung erfuhren, die vor dem Ersten Weltkrieg und währenddessen kaum vorstellbar gewesen wäre, was nicht bedeutet, dass es in einigen Städten nicht auch weiterhin zu einer strukturellen Benachteiligung des Arbeitersports (etwa bei der Vergabe von Stadionzeiten) kam.79 Überhaupt wurde erst in der Weimarer Republik die staatliche Verantwortung zur Ertüchtigung der ­Jugend in die Reichsverfassung aufgenommen. Obwohl darin die Förderung des Sports nicht ausdrücklich erwähnt wurde und den Kommunen als eine freiwillige Aufgabe zufiel, interpretierten zeitgenössische Sportprotagonisten diesen Umstand als einen Aufruf zu mehr kommunalen Engagement im Sportbereich.80 Dass der Sport und damit auch der Sportkonsum zu einem Feld kommunal-ökonomischer Entwicklung und trotz finanzpolitischer Beschränkungen zum Bestandteil städtischer Dienstleistung avancierten, hatte freilich auch externe Ursachen.81 So forderte etwa der Deutsche Städtetag die Kommunen auf, städtische Sportämter einzurichten, Sportplätze zu schaffen und die Vereine zu unterstützen.82 Auch der Druck, den sowohl die DRA als auch die Arbeitersportverbände mit Petitionen, Diskussionen und Demonstrationen aufbauten, um speziell den Sportstättenbau zu fördern, muss in dieser Hinsicht in Rechnung gestellt werden.83 Tatsächlich gehörte zu den Aufgaben der in den 1920er Jahren zahlreich geschaffenen Sportämter die Verteilung von Nutzungszeiten für städtische Sportplätze, die Mitwirkung bei der Planung, Erhaltung und Erweiterung der Sportanlagen und die Beratung von Vereinen beim Sportstättenbau.84 Insgesamt erfolgte also die kommunale Förderung des Sports auf der Grundlage einer erweiterten, freiwilligen Daseinsfürsorge. In einigen Städten wie etwa Köln, Hannover oder Berlin hatte das eine bislang kaum gekannte Förderung des Sports und des Sportstättenbaus zur Folge. In anderen Städten, wie beispielsweise Münster, galten diese Aufgaben als ein zu vernachlässigendes »Luxusproblem«.85 Doch trotz aller regionalen Unterschiede, in der Gesamtschau wurde in den Weimarer Jahren eine große Anzahl städtischer Sportplätze und Stadien errichtet. Zusätzlich bewirkte der Versailler Vertrag mit der Reduzierung der Reichswehr, dass viele der nun ungenutzten Exerzierplätze an der städtischen Peripherie im Sinne der Jugendpflege in Sportplätze umgewandelt wurden. Mit der Neuerrichtung von Sportplätzen und der Umwidmung neu­ 79 Ebd., S. 555. 80 Mallwitz, Geschichtlicher Rückblick, S. 3. 81 Als Überblick siehe Wirsching, Zwischen Leistungsexpansion und Finanzkrise. Als zeitgenössische Problematisierung der Auswirkungen der finanzpolitischen Beschränkungen auf den Sportstättenbau siehe Brandt, Der Sportplatzneubau. 82 Krabbe, Die deutsche Stadt, S. 128. 83 CuLDA, Sachakten, Mappe 177: Allgemeiner deutscher Spielplatz-Werbetag, 9. Mai 1920. Veranstaltung Gross-Berlin; ebd.: Musterrede; ebd.: Mitteilungsblatt des Spielplatz-Verbands Groß-Berlin, September 1919. 84 Nielsen, Sport und Großstadt, S. 553. 85 Ebd., S. 444 f.

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entstandener Freiflächen in Sporträume wurde letztlich auch die räumliche Basis für das massenhafte Sporttreiben und -konsumieren geschaffen.86 Es ist in der Forschung schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass verschiedene, besonders populäre Sportarten wie der Fußball, der Radsport oder die Leichtathletik von Angestellten dominiert waren.87 Auch wenn man ihre Heterogenität berücksichtigt  – Angestellte waren die einzige soziale Gruppe, die bedingt durch die Ausdehnung des tertiären Sektors während der Weimarer Jahre anwuchs. Und obwohl sich ihre materielle Lage im Vergleich zum Kaiserreich verschlechterte, hatten sie im allgemeinen sowohl das disponible Einkommen, das sich in Vergnügung und Freizeitaktivitäten investieren ließ, als auch die disponible Zeit, die für einen regelmäßigen Spielbetrieb nötig war.88 Zusätzlich zu diesen sozialstrukturellen und wirtschaftlichen Erklärungsmustern muss noch ein kulturelles in Betracht gezogen werden. Als noch junge soziale Gruppe waren Angestellte weder fest in der bürgerlichen noch in der proletarischen Kultur verankert, was die Aneignung des in Deutschland ebenfalls noch jungen Kulturphänomens Sport erheblich erleichterte. Bereits Siegfried Kracauer charakterisierte sie 1930 in seiner klassisch gewordenen Schrift Die Angestellten als die wesentlichen Träger der modernen urbanen Kultur und Lebensweise und hob in dieser Beziehung ihre Affinität zum Sport hervor.89 An die Beobachtungen Kracauers anschließend bezeichnet Andreas Reckwitz den Sport als Ausdruck und Mittel einer Kultur des »extrovertierten Angestelltensubjekts« in der organisierten Moderne, die sich in Zerstreuung, Augenblicklichkeit und Körperlichkeit manifestiert.90 Diese Diagnose lässt sich in der Tendenz sicherlich auch auf die Besucher der Sportstätten übertragen, auch wenn sich hier aufgrund der wenigen Vorarbeiten und der schwierigen Quellensituation kaum gesicherte und generalisierende Aussagen machen lassen, ohne die zum Teil erheblichen Unterschiede in den einzelnen Sportarten sowie regionale und innerstädtische Besonderheiten zu vernachlässigen. In Frankfurt/Main unterschied sich das Publikum in seiner sozialen Zusammensetzung nicht nur von dem einiger Ruhrgebietsstädte wie Dortmund, Essen oder Gelsenkirchen, sondern es wies auch innerhalb des Stadtgebiets zum Teil  erhebliche Differenzen auf.91 Aus zahlreichen Foto­grafien und einigen wenigen Untersuchungen lässt sich etwa vermuten, dass Frauen bei Hockeyspielen oder Tennismatches sowohl als Spielerinnen als 86 Genauere statistische Angaben hierzu in Manthey, Sportplatzbau (1932). Ich danke Dieter Schott für seine wertvollen Hinweise. 87 Zum Beispiel Eisenberg, Fußball in Deutschland 1890–1914, S. 193–195. 88 Siehe König, Geschichte der Konsumgesellschaft, S.  123–131. Zum Wachstum der Angestelltengruppe siehe Büttner, Weimar, S. 816 (Tab. 15), zum Problem ihrer Zusammensetzung Schulz, Die Angestellten, S. 58. 89 Kracauer, Die Angestellten, S. 75–77, 99–101. 90 Reckwitz, Das hybride Subjekt, S. 444. 91 Müller, Turnen und Sport, S. 109. Siehe auch Goch, Stadt, Fußball und Stadion; Gehrmann, Fußball-Vereine-Politik; ders., Fußball im Ruhrgebiet.

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Abb. 13: Etwa 50.000 Zuschauer verfolgten im Deutschen Stadion (Berlin) die Europa-Wettkämpfe im Juni 1925. Im Bild zu sehen ist der Sieg des deutschen Läufers Hubert Houben über 100 Meter.

auch als Zuschauerinnen vertreten waren, wenn auch in einer deutlich geringeren Anzahl als Männer. Ähnliches gilt auch für gymnastische Vorführungen, die, wie im Rahmen der Einweihung des Deutschen Stadions erwähnt, in ihrer Ästhetik als typisch weiblich galten. Doch waren dies Ausnahmen: Das Publikum der meisten Sportveranstaltungen war überwiegend männlich.92 Anknüpfend an Überlegungen aus dem Feld der Konsumgeschichte, die Warenhäuser, aber auch Kinos als spezifisch »weibliche Konsumorte« in den Blick nehmen,93 können Stadien und Sportplätze als Orte männlicher Vergemeinschaftung mittels Sportkonsum gedeutet werden.94 Aber trotz dieser Einschränkungen erfreute sich der Sport in der Weimarer Zeit einer bis dahin nicht gekannten Popularität. Dabei manifestierte sich der Massencharakter des Sports weniger in der ebenfalls zunehmenden Anzahl von Personen, die in Vereinen und Verbänden organisiert Sport trieben als vielmehr in der großen Anzahl der Zuschauer, die nun die Wettkämpfe verfolgten. Zeit92 Zu diesem Thema besteht großer Forschungsbedarf. Einen Überblick geben Kreisky/Spitaler, Arena der Männlichkeit. 93 Siehe als Überblick Bernold/Ellmeier, Konsum, Politik und Geschlecht. Ferner vgl. Mentges u. a., Geschlecht und materielle Kultur. 94 Der Begriff »Vergemeinschaftung« und nicht »Vergesellschaftung« wird in diesem Zusammenhang in Anlehnung an Max Webers Unterscheidung verwendet. Vergemeinschaftung bezeichnet demnach die Erzeugung sozialer Zusammengehörigkeit durch kulturelle Praktiken, die durch das Zusammenwirken der Teilnehmer zustande kommen. Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 21–23.

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genossen monierten gar, dass das Zuschauen zur eigentlichen »Lieblingsleibesübung« avanciert sei.95 Leichtathletikwettkämpfe, Handballspiele und vor allem Fußballspiele zogen Tausende von Zuschauern an. Während im Kaiserreich selbst wichtige Wettkämpfe nur einige hundert, mit etwas Glück einige tausend Zuschauer verfolgten, bestand das Publikum jetzt aus bis zu Zehntausenden von Menschen. Der größte Publikumsmagnet war zweifellos der Fußball.96 Insbesondere Meisterschaftsendspiele im Fußball verfolgten in der Weimarer Zeit durchschnittlich 50.000 Personen. Bereits 1920 kamen ca. 30.000 Personen zusammen, um auf dem Platz des FC Germania 94 das Meisterschaftsendspiel zwischen der SpVgg Fürth und dem 1. FC Nürnberg zu sehen.97 Über 30.000  Zuschauer zogen internationale Spiele an, wie das erste Länderspiel nach dem Ersten Weltkrieg zwischen Deutschland und der Schweiz 1922 in Frankfurt/Main. Der Massencharakter wird in der Gesamtsicht auch in unbedeutenderen, regionalen Wettkämpfen deutlich. So fanden 1929 beispielsweise 523.314 Fußballspiele statt (das ist die Anzahl der beim DFB gemeldeten Spiele). Wenn man nun nur für diese Anzahl von Spielen hypothetisch eine Zuschaueranzahl von 100 bis 200 Personen zugrunde legt, so ergibt das über das Jahr verteilt immerhin eine Mobilisierungsquote von 52 bis 104 Millionen Personen.98 Was den Fußball im Sportkonsum als Teil der Massenkultur von anderen Sportarten unterschied, war nicht die kurzfristige, sondern die sich wöchentlich wiederholende Mobilisierungsquote.99

7. »Eine Maschine zur Handhabung der Massen« Die Massenmobilisierung des Sports schlug sich im Stadion nieder.100 Kein anderer Ort ermöglichte die Aufnahme derart vieler Menschen auf engstem Raum. Der Publizist und Architekturkritiker Jan Tabor charakterisiert das Sta95 Neuendorff, Geschichte der deutschen Leibesübungen, S. 30. 96 Siehe Pyta, Einleitung, insbesondere S. 13–25. Einen hervorragenden Überblick bietet derselbe Autor in: German Football. Unverzichtbar ist Eggers, Fußball. 97 Gehrmann, Fußball in einer Industrieregion, S. 398. 98 Die quantitativen Angaben beruhen alle auf Eisenberg, Massensport, S. 148 f. 99 Oswald, »Fußball-Volksgemeinschaft«, S. 15 f. 100 Der Begriff »Stadion« wurde in den 1920er Jahren häufig vermieden. An seiner Stelle taucht in den zeitgenössischen Schriften der Begriff »Kampfbahn« auf (z. B. die GlückaufKampfbahn in Gelsenkirchen, die Kampfbahn Rote Erde in Dortmund oder die Hindenburg-Kampfbahn in Hannover). Die Wortschöpfung »Kampfbahn« geht auf den Ehrgeiz deutschtümelnder Sportfunktionäre zurück, alle fremdländischen Begriffe im Sport durch deutsche Namen zu ersetzen. Beide Begriffe wurden verwendet: »Nachdem einmal das ­Stadion geschaffen war und der Begriff dem Volke geläufig wurde, entstand neben d ­ iesem griechischen Wort die deutsche Bezeichnung ›Kampfbahn‹ und sie eroberte sich Heimatrecht. Trotzdem aber lebt der Fremdname fort, ein Zeichen für seine treffende Schlagkraft.« Zitat Krause, Das Deutsche Stadion und Sportforum, S. 7.

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dion als eine »Maschine zur Handhabung von Massen« und Franz-Joachim Verspohl gab seiner architekturhistorischen Studie über Stadienbauten gleich den Untertitel Regie und Selbsterfahrung der Massen.101 Für Gunter Gebauer und Gerd Hortleder sind Stadien »Orte des Massenerlebens«, Orte die der Erfahrung von »Massendichte« dienen.102 Aber kann man, wenn man das Sportpublikum im Stadion in den Blick nimmt, überhaupt den Begriff »Masse« verwenden und vom Sportkonsum als einem Bestandteil von Massenkultur sprechen? Die Schwierigkeiten bei der Beantwortung dieser Frage rühren auch daher, dass in ebendiese die intellektuell einflussreichen Schriften der Massengesellschaftskritik der Zwischenkriegszeit, etwa Der Aufstand der Massen von José Ortega y Gasset und Die geistige Situation der Zeit von Karl Jaspers, hineinspielen.103 Der gemeinsame Nenner dieser Schriften ist die Interpretation der Massenkultur als Ausdruck des Niedergangs von Hochkultur und Exzellenz. Aus diesem Grund hat der Begriff noch heute einen etwas verächtlichen Beiklang.104 Wenn hier bewusst der Begriff »Masse« im Zusammenhang mit dem Sportkonsum verwendet wird, dann geschieht dies, weil Masse nicht automatisch gleichbedeutend mit einer großen Anzahl von Menschen ist. Massen entstehen dann, wenn sie, wie im Stadion, »auf etwas ausgerichtet sind, sich in Erwartungshaltung befinden«.105 Es muss eine auf ein Ziel gerichtete Spannung, wie sie ein sportlicher Wettkampf bietet, zu identifizieren sein, unter der Voraussetzung, dass das Ziel »nicht aus den Massen selbst hervorgeht, sondern ihnen zu­gewiesen« wird.106 Aus dieser Perspektive wird schon deutlich, dass die Charakterisierung des Stadions als ein Leistungsraum oder als ein rein sportlicher Funktionsraum, der die Trennung von Zuschauern und Sportlern als ein Kriterium unter anderen fasst, zu kurz greift.107 Die spezifische Form, ihre Ausmaße und räumliche Anordnung sind vornehmlich aus dem Konsumkomplex ableitbar. Die Entwicklung des Sportkonsums zum Massenphänomen und der Stadionboom in den 1920er Jahren bedingten sich gegenseitig. So waren um 1920/21 etwa 10 Stadien in Betrieb. Bis 1925 stieg ihre Anzahl auf etwa 30. Und obwohl ab ca. 1925 von Sportverbänden immer deutlicher Kritik am Stadionbau geäußert und stattdessen die Errichtung kleinerer kommunaler Sportplätze gefordert wurde, beschleunigte sich ab Mitte der 1920er Jahre die Stadionbautätigkeit. Nicht zuletzt weil Stadien zu städtischen Repräsentationsobjekten avancierten, stieg innerhalb von nur zwei Jahren, also bis 1927, ihre Anzahl in Deutschland auf 80. 1930 standen in knapp über 100 Städten mehr als 125 Stadien zur 101 Tabor, Olé, S. 58; Verspohl, Stadionbauten. 102 Gebauer/Hortleder, Fußball, S. 260–270 (Hervorhebung im Org.). 103 Jaspers, Die geistige Situation der Zeit; Gasset, Der Aufstand der Massen. 104 Vgl. Maase, Grenzenloses Vergnügen. Siehe auch Bruch, »Der Zug der Millionen«. 105 Stadler, Masse und Macht, S. 14. 106 Ebd. Zur Bedeutung von Spannung im Sport siehe Elias/Dunning, Die Suche nach ­Erregung. 107 Eichberg, Leistungsräume.

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Verfügung.108 Diese Stadien nahmen beispielsweise 1930 ungefähr ein Siebtel der insgesamt zu Sporträumen umgewandelten städtischen Nutzungsflächen ein. Doch ist dieses Verhältnis, wie Stefan Nielsen dargelegt hat, ausgesprochen problematisch, da es auf Angaben der Kommunen beruht und diese in ihrer Orientierung am Breitensport auch Flächen in ihren Erfolgsbilanzen berücksichtigten, die mehrdeutig waren: Grünanlagen, Parks, Schulturnplätze und, wie um 1900, Exerzierplätze. Ohne genaue Zahlen angeben zu können, lässt sich jedoch festhalten, dass sich ab 1920 die Relation von kleineren Sportplätzen und Stadien zugunsten von Stadien verschob.109 Das Besondere an Stadien war nun, dass sie sowohl deutlich auf den Wettkampf als auch auf den Konsum von Sport ausgerichtet waren. Wenn man nun das oben aufgeführte Argument wieder aufnimmt, wonach sich der Massencharakter des Sports mehr an der Anzahl der konsumierenden Zuschauer manifestierte als an der Anzahl aktiv Sporttreibender, so wird die Bedeutung des Stadions als spezifischer Ort des »Massen­ erlebens« (Gebauer/Hortleder) in der Weimarer Republik ersichtlich. Für Elias Canetti war das Stadion daher ein wichtiges Massensymbol der Moderne, vor allem in seinem Werk Masse und Macht, in dem er gleichermaßen Zugänge der Soziologie, Psychologie und Ethnologie miteinander verwob, um die Frage »Was ist eine Masse?« zu beantworten.110 Die Faszination Canettis für den Sport scheint auch aus einer gewissen biographischen Affinität herzurühren. Zwischen 1924 und 1938 lebte der Autor in Wien, davon eine lange Zeit in unmittelbarer Nähe des Stadions von Rapid Wien. »Es fällt mir schwer« – so die Erinnerungen Canettis – »die Spannung zu beschreiben, mit der ich dem unsichtbaren Match aus der Ferne folgte. Es waren zwei Massen, das war alles, was ich wusste, von gleicher Erregbarkeit beide und sie sprachen dieselbe Sprache«.111 Seine Überlegungen kreisten um die Fragen, weshalb von der Masse für den Einzelnen eine so große Faszination ausgeht, unter welchen Umständen sich eine Masse bildet und welchen Gesetzmäßigkeiten die Bildung einer Masse folgt. In Canettis Reflexionen über das Phänomen der Masse spielten die räumliche Positionierung des Stadions in der Stadt sowie seine amphitheatralische Form eine essentielle Rolle. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war, dass das Stadion, »[n]ach außen, gegen die Stadt« eine »leblose Mauer«, nach »innen« aber eine »Mauer von Menschen« aufweist.112 In der Tat wies das Stadion in seiner ovalen, nach innen gerichteten räumlichen Ordnung eine deutliche Grenze zur Stadt auf – sei es nun in Form einer einfachen Mauer oder einer steil ansteigenden Tribüne. Die Zuschauer lösten sich, sobald sie das Stadion betraten, aus dem Gefüge der Stadt heraus: »Für die Dauer ihres Auf­enthalts in der Arena 108 Die quantitativen Angaben sind Manthey, Sportplatzbau (1932), S.  6–13 und Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen, Deutscher Sportbau, S. 14 entnommen 109 Nielsen, Sport und Großstadt, S. 553. 110 Canetti, Masse und Macht, S. 25. Zur Auseinandersetzung mit diesem Werk unter der Perspektive der Sportstättenentwicklung siehe van Winkel, Tanz, Disziplin, Dichte und Tod. 111 Canetti, Die Fackel im Ohr, S. 220. 112 Ders., Masse und Macht, S. 25.

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scheren sie sich um nichts, was in der Stadt geschieht. Sie lassen das Leben ihrer Beziehungen, ihrer Regeln und Gewohnheiten zurück.«113 Im wortwörtlichen Sinne drehten sie ihrem Alltag den Rücken zu. Zugleich bewirkte diese Anordnung eine gewisse Erregung im Stadion, allerdings nur für einen klar umrissenen Zeitraum und unter einer ganz entscheidenden Übereinkunft: »Die Masse muß sich nach innen entladen.«114 Diese Entladung nach innen war untrennbar verknüpft mit der konzen­ trischen und vertikalen Gliederung eines Stadions, die eigene Wahrnehmungs-, Erlebnis- und Verhaltensweisen implizierte und mit einer Disziplinierung des Blickes einherging. Dieser nach innen gerichtete Blick nahm zweierlei wahr: Einerseits konfrontierte das Stadion den Zuschauer mit sich selbst, ließ den Zuschauer sich als Teil einer größeren Masse wahrnehmen. Gleichzeitig konfrontierte das Stadion die Zuschauer mit den Wettkämpfern im Zentrum der Anlage und förderte die unentwegte Interaktion zwischen Innenraum und Zuschauerraum, die eine verbale oder körperliche Verletzung von räumlichen Grenzen geradezu herausforderte.115 Es sind diese beiden charakteristischen Züge, die das Stadion von anderen Orten des Kulturkonsums, wie etwa Theatern, Museen oder Vergnügungsparks, deutlich unterschied. Kurz, das Stadion verwandelte sich, insbesondere wenn man es mit offenen Sportplätzen wie etwa auf dem Tempelhofer Feld vergleicht, mehr und mehr zu einem von der Außenwelt getrennten Raum mit seiner Unterscheidung in Publikum und Sportler und einer auf Massen ausgelegten Dimension. Als Ort konzentrierter Dichte begünstigte es aber auch die Entwicklung einer ungestümen, schwer zu kontrollierenden Publikumskultur. In anderen Worten: Das Stadion verwandelte sich in einen Raum, der gleichermaßen von klaren Regeln (sowohl auf dem Spielfeld als auch auf den Zuschauerrängen) und Normverletzungen geprägt war.116

8. Entladung »Eine Masse von sechzigtausend Menschen Kopf an Kopf, zusammengeschmolzen zu einem kreisrunden Untier. Dieses Untier starrt besessen und ausbruchsbereit in die Arena herab, wo die beiden Mannschaften ihren Kampf ausfechten. Eine dieser Mannschaften gehört dem Untier an, es vertritt die Sache seiner Stadt oder seines Landes. Dies soll nur ein Spiel sein?«117

Der Schriftsteller Franz Werfel zeichnet mit diesen Worten ein ausgesprochen düsteres Bild vom Stadionpublikum. Er vergleicht es mit einem riesigen 113 Ebd. 114 Ebd. 115 Bale, The Stadium as Theatre, S. 314. 116 Marschik u. a., Einmarsch ins Stadion, S. 8 f. 117 Werfel, Können wir ohne Gottesglauben leben? S. 435.

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und jederzeit ausbruchsbereiten »Untier«. Er lenkt damit die Aufmerksamkeit nicht nur auf die von ihm so bezeichnete »Weltanschauungsseuche« des Chau­ vinismus, die sowohl lokal wie national verfasst sein konnte und im Stadion ihre Heimstätte fand, sondern gleichermaßen auf die bedrohlichen Aspekte des Sportkonsums. Die stetig wachsende Anzahl von Zuschauern offenbarte auch das Gefahrenpotenzial des Stadions und des Sportkonsums und hierbei speziell des Fußballs.118 Diese Tendenz war nicht allein auf Deutschland bezogen. Bereits 1902 starben bei einem mit schätzungsweise 75.000 Menschen besuchten Länderspiel (Schottland – England) im Glasgower Stadion Ibrox Park 26  Personen beim Einsturz eines Teils der fünfzehn Meter hohen Tribüne. Sie fielen durch die auseinanderberstenden Holzplanken in die Tiefe. Über 300 Zuschauer wurden dabei verletzt.119 Nach diesem Vorfall wurden in Großbritannien hölzerne Stehtribünen verboten.120 In den 1920er Jahren erregte in dieser Hinsicht das Länderspiel Österreich gegen Italien im Stadion Hohe Warte in Wien große Aufmerksamkeit. Schätzungsweise 85.000 Personen verfolgten am 14. April 1923 dieses Spiel im Stadion. Allerdings versammelten sich vor den Toren des Stadions deutlich mehr Menschen, etwa 100.000. In der Zeitung Illustriertes Sportblatt, die zwei Wochen später ausführlich über die Ereignisse berichtete, findet sich folgende Beschreibung: »Es war eine Qual, eine Marter, ja eine unausgesetzte Lebensgefahr. Die Leute waren förmlich inein­ander verkeilt. Viele hatten die Füße gar nicht am Boden und schwebten förmlich in der Luft, von der sie umgebenden Masse in dieser Lage festgehalten. […] Die Rettungsmannschaften hatten in etwa 20 Fällen interveniert. Hunderte aber haben ihre Hilfe nicht in Anspruch genommen, weil die Retter beim besten Willen nicht hätten zu ihnen gelangen können. Wie viele Beulen es gab, wie viel zertretene Schuhe und zerrissene Röcke, insbesondere aber wie viel ausgestandene Todesängste, das wird man nie erfahren.«121 Die Ursachen dieses Gefahrenpotenzials im Stadion, dieser Beklemmungs­ erfahrungen, des in der Masse Verkeiltseins und auch der Gewalterfahrung ist sicherlich nicht allein in der Masse selbst, in bloß quantitativen Kriterien zu finden. Vielmehr bestand ein Verhältnis zwischen der Konzeption des Stadions und dem Ausmaß der Unfälle. Die räumlich-bauliche Abschließung des Terrains nach außen machte – um Canettis Vokabular wieder aufzugreifen – das Publikum zu einer auf engem Raum verdichteten, »geschlossenen Masse«, deren Entladung dadurch gerade in Katastrophenfällen nur nach innen erfolgen konnte.122 Außerdem muss man die Ausdifferenzierung des Zuschauerraums bedenken: Besonders die hochgebauten Holztribünen erwiesen sich  – wie in Glasgow 1902 – als lebensgefährlich. 118 Morris, Das Spiel, S. 272–275. 119 Ebd., S. 272 f.; Inglis, The Football Grounds, S. 28 f. 120 Skrentny, Das große Buch, S. 386. 121 Illustriertes Sportblatt, 28. April 1923, zitiert n. Müllner, Wiener Stadion, S. 179. 122 Canetti, Masse und Macht, S. 25.

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In den 1920er Jahren zeigten sich auch in Deutschland die bedrohlichen Facetten des Sportkonsums, oder genauer, das Gewaltpotential von Fußball­ spielen. Dieses Problem der Zuschauergewalt ist aus historischer Perspektive in Deutschland nur in Ansätzen aufgegriffen worden – im Gegensatz zur britischen Forschung.123 Anknüpfend an britische Studien zum Phänomen des Hooliganism, hat Christiane Eisenberg aus konsumhistorischer Sicht vorgeschlagen, die Zuschauergewalt als »elaboriertes Konsumentenverhalten«, analog zu »Skiabfahrten abseits der Piste, Ferien in Krisengebieten und gefährlichem Sex«, in den Blick zu nehmen.124 Sicherlich ist die Zuschauergewalt im Sport und speziell beim Fußballspiel kein Phänomen, das erst in den 1970er Jahren seinen Anfang nahm, wie in manchen Studien zu lesen ist.125 Dennoch bestehen grundlegende Unterschiede: Im Gegensatz zum Hooliganism waren Aggres­ sion und Gewalt in den Stadien der 1920er und -30er Jahre unorganisiert, situativ, an konkrete Anlässe im Spielverlauf und an den konkreten Sportplatz gebunden  – Wray Vamplew spricht in diesem Zusammenhang von »heat-ofthe-moment-violence«.126 So treffend diese Charakterisierung zur Abgrenzung von aktueller Zuschauergewalt ist, so wenig ist sie aber geeignet, das Gewaltpotenzial des Fußballs in der Weimarer Republik umfassender zu erklären. Ein wesentlicher Schwachpunkt ist, dass diese Erklärung die Aggression vollständig an das konsumierte Spiel koppelt, dabei aber ebenso vollständig das identitätsstiftende Element des Sports, die bereits erwähnte segmentäre Solidarität und die Erscheinung suburbaner Identitäten  – das, was im zeittypischen Jargon als »Vereinsfanatismus« oder »Lokalchauvinismus« bezeichnet wurde  – ausblendet.127 Eine Möglichkeit, diesem »Lokalchauvinismus« nachzugehen, ist, ihn in Beziehung zu setzen mit Kämpfen um lokale Räume, abgesteckt durch Stadien und Sportplätze. Wie Rudolf Oswald nachgewiesen hat, forcierte der kommunale Neubau von Sportplätzen in der Weimarer Republik solche Kämpfe, weil diese wegen des Mangels an Freiflächen häufig auf unbebaute Grundstücke zwischen Innen- und Vorstadt angelegt wurden. Als beispielsweise Eintracht Frankfurt 1920 endlich eine neue Sportanlage beziehen konnte, lag diese unweit von Bornheim, also unmittelbar am feindlichen Territorium eines Frankfurt-Bornheimer Fußballvereins (FSV Frankfurt). In solchen Fällen  – weitere 123 Siehe Dunning, Sport Matters; ders., Soziale Bindung, S. 398–432; Lewis, Fottball Holliganism before 1914; Armstrong/Young, Legislators and Interpreters; Taylor, Football and its Fans. Aus der deutschsprachigen Forschung behandeln das Thema Luh, Fußball als Massenphänomen und Oswald, »Fußball-Volksgemeinschaft«. Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive bietet einen Überblick Gehrmann, »Selbstregulierungsmechanismen«, S. ­437–450. 124 Eisenberg, Möglichkeiten und Grenzen, S. 519. 125 Etwa in Pilz, Zuschauerausschreitungen oder Hüther, Fußball, Zuschauer, Gewalt und ­Medien. 126 Vamplew, Sports Crowd Disorder in Britain, S. 11. 127 Zur zeitgenössischen Begrifflichkeit siehe Pyta, Einleitung, S. 19.

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Beispiele für solche territoriale Grenzfälle in den 1920er Jahren sind die Sportplätze von Kickers Offenbach und VFR Mannheim – besetzten die betroffenen Anhänger des jeweiligen Vereins in der Regel einen Teil des Stadions (einzelne Ränge oder eine Kurve), was regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen den Anhängerschaften führte. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Hartnäckigkeit, mit der diese im Stadion besetzten Einzelräume verteidigt wurden, nämlich auch dann, wenn der eigene Verein gar nicht anwesend war und der Rivale gegen einen beliebigen anderen Verein antrat – nur, um im feindlichen Territorium Präsenz zu zeigen und den Rivalen verlieren zu sehen.128 Als der Journalist Willy Meisl 1929 die Anhängerschaft von Hertha BSC anlässlich eines von 50.000 Zuschauern verfolgten Spiels gegen den 1. FC Nürnberg wegen ihres fanatischen Anfeuerns und der Handgreiflichkeiten im Stadion in der Vossischen Zeitung des »Chauvinismus« bezichtigte (»was ein guter Fußballchauvinist ist, der läuft mit einem Brett vor dem Schädel zum Spiele und glaubt, es sei der Balken im Auge des gegnerischen Anhängers«129), wurde seine Kritik von Kollegen und Vereinsoffiziellen als »hochverräterisch« kritisiert.130 Aber wenn es in solchen Fällen zu Ausschreitungen kam, blieben diese auf das Stadion beschränkt. Die der Stadt abgewandte, nach innen gerichtete räumliche Ordnung des Stadions begünstigte die Trennung von den Konventionen und vom sozialen Gefüge des Alltags und, damit zumindest potentiell einhergehend, die Affektentladung und das in dieser Form wohl nur selten praktizierte öffentliche Ausleben von Emotionen. Ein Beispiel soll veranschaulichen, welche Formen diese Normüberschreitungen im Stadion annehmen, wie Vereinsrivalitäten zum Ausdruck kommen und welche konkrete Gestalt Aggression und Gewalt im Stadion annehmen konnten sowie in welchem Zusammenhang die Konsumtion des dargebotenen Spiels dazu stand. Es handelt sich um zwei zusammenhängende Fußballspiele, die in der Weimarer Republik Schlagzeilen machten. Am 18.  Juni 1922 fand im Deutschen Stadion das Meisterschaftsendspiel zwischen dem 1.  FC  Nürnberg und dem Hamburger SV statt. Der Schiedsrichter brach nach beinahe drei Stunden das Spiel bei einem Stand von 2 : 2 ab, zum einen weil nach zahlreichen Platzverweisen und Verletzungen nur noch sieben Spieler des 1. FC Nürnberg auf dem Platz standen, zum anderen, weil nach Anbruch der Dunkelheit der Ball nicht mehr zu erkennen war. Das Wiederholungsspiel einige Wochen später (6. August) verlief ähnlich turbulent. Es wurde bei einem Stand von 1 : 1 abgepfiffen. Wiederum schieden mehrere Nürnberger Spieler wegen des unsportlichen Verhaltens oder verletzungsbedingt aus. Wegen unsportlichen Verhaltens des 1. FC Nürnberg wurde der Hamburger SV zum Meister erklärt, was

128 Siehe zu den Beispielen Oswald, »Fußball-Volksgemeinschaft«, S. 223–225. 129 Meisl, 2 ½ Stunden Kampf. Zur Person siehe Eggers, Willy Meisl, S. 288–299. 130 Zur Kritik am Artikel siehe Meisl, Ein Führer über die »Fußballgefahr«. Dieser Fall ist auch dokumentiert in Pyta, Einleitung, S. 19.

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dieser allerdings unter diesen Umständen ablehnte. Deswegen wurde in der Saison 1921/22 kein Meister gekürt.131 Hinsichtlich der Zuschauer erscheinen in diesem Kontext zwei Umstände bemerkenswert. Erstens fällt auf, dass beide Spiele ausgesprochen gut besucht waren. Das erste Spiel im Deutschen Stadion war mit etwa 30.000  Zuschauern ausverkauft. Das zweite Spiel, ausgetragen auf dem kurz zuvor fertiggestellten Platz des VfB Leipzig, damals eines der größten vereinseigenen Stadien in Deutschland überhaupt, verfolgten sogar fast doppelt so viele Zuschauer. Obwohl das Stadion bezüglich des Komforts nicht mit dem Berliner Bau mithalten konnte  – die kleine Tribüne bot nur 800  Personen Platz und die rest­ lichen Zuschauer standen auf einem einfachen, erhöhten Erdwall – zog das Spiel ca. 50.000 bis 60.000 Zuschauern an.132 So wird das ungeheure Mobilisierungspotenzial des Sports als Freizeitspektakel bereits in der Frühphase der Weimarer Republik erkennbar. Zweitens ist in diesem Kontext nicht nur die Quantität des Publikums auffällig, sondern auch sein Verhalten. Bereits im ersten Spiel in Berlin beherrschten Beschimpfungen, lautstarkes Anfeuern und Tumulte die Atmosphäre auf den voll besetzen Rängen.133 In Leipzig spitzte sich die Situation dramatisch zu. Viele Anhänger der Mannschaften kümmerten sich nicht um die Grenze zwischen Zuschauer- und Spielraum und liefen über die provisorischen Absperrungen einfach auf das Feld. Ohnehin hatten Tausende von ihnen erst gar kein Ticket gelöst. So ist es auch zu erklären, dass sich in dem Leipziger Stadion, das ursprünglich für 40.000 Personen angelegt war, an diesem Tag beinahe 60.000 Zuschauer befanden. Diejenigen, die sich ohne Eintrittskarte Eingang verschafft hatten, drückten diejenigen auf den regulären Stehplätzen über die Absperrungen hinweg in den Innenraum der Spielfläche, was – so könnte man vermuten  –, wenn die Spielfläche konsequent baulich eingefriedet und nicht nur provisorischer Art gewesen wäre, mehr Verletzungen zur Folge gehabt hätte. Ferner war in den Tageszeitungen von geworfenen Flaschen und Steinen und von Dutzenden Verletzten die Rede.134 Ein Stadionbesucher beschrieb die Ereignisse als einen »frisch fröhliche[n] Kampf den die hinteren Reihen im Zuschauerraum mit Sodawasserflaschen gegen die vorderen Reihen geführt haben. Wie das flog, klirrte und in der Sonne glitzerte, als so einige tausend Soda­ wasserflaschen auf einem Frontabschnitt von 200 Meter hoch im Bogen auf die vorderen Reihen niederprasselten.«135 Auch wenn dieses Beispiel selbstverständlich nicht uneingeschränkt auf alle Sportveranstaltungen übertragbar ist: Die Schlussfolgerungen, die dieses Verhalten nahelegt, sind erstens, dass das Publikum eine überaus aktive Rolle 131 Eisenberg, »English Sports«, S. 331. 132 Leo, Das Stadion, S. 151 f. 133 Eggers, Fußball, S. 48. 134 So die Leipziger Volkszeitung 1922, nach Leo, Das Stadion, S. 152. 135 Zitat n. Bausewein u. a., 1. FC Nürnberg, S. 61.

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spielte und keine passive, lediglich von räumlichen Konfigurationen und baulichen Anordnungen eingeengte und getriebene Masse war, und zweitens, dass bereits zu Beginn der 1920er Jahre nicht nur die Popularität von Sportstätten als Orte des Kulturkonsums stieg, sondern auch, und dieser Aspekt ist mit dem ersten unmittelbar verknüpft, die Kommunikationsprobleme, die sich in Teilnahms- und Verständnislosigkeit niedergeschlagen hatten und die so charakteristisch für das Zuschauerverhalten im ausgehenden 19. Jahrhundert gewesen waren, nun endgültig der Vergangenheit angehörten.

9. Nähe: Zusammenrücken von Publikum und Sportler Die »Entladung« hatte also auch etwas mit der räumlichen Ordnung des Stadions zu tun. Die Stadionarchitektur der Weimarer Zeit hatte weitreichende Konsequenzen. Vor allem der Trend zum »Sportpark«, der – wie bereits dargelegt – konzeptionell von Demmler schon 1914 entworfen worden war, führte dazu, dass die zuvor in Deutschland vermiedene Trennung von sportlichen Wettkampf und Breitensport deutlicher als bislang zum Ausdruck kam. Der Sportpark galt als die »Krone des städtischen Sportbaus«.136 Er erweiterte den geläufigen Begriff des Stadions, weil man sich nun nicht mehr nur darauf beschränkte, eine einzige so genannte »Großkampfbahn« mit integrierter Fußballfläche, Einrichtungen für Leichtathletikwettkämpfe und Zuschauerplätzen zu errichten, sondern einen weitläufigen, ganzen Komplex von verschiedenen Wettkampf- und Übungsstätten, die um das Stadion herum angeordnet wurden. Alle bislang innerhalb des Stadions angebrachten Spezialräume, wie etwa für Tennis, Radfahren oder Schwimmen, gliederte man aus dem Innenraum des Stadions aus. Der Architekt des Nürnberger Stadions, Otto Ernst Schweizer, fasste den Unterschied zwischen herkömmlichen Stadien und Sportparks folgendermaßen zusammen: »Bei älteren Sportanlagen wurde versucht, möglichst alle Sportarten in einem Organismus zusammenzufassen. […] Es hat sich gezeigt, dass es unmöglich ist, alle Sportarten in einer Kampfbahn zu vereinigen.« Die Kombination Fußballfeld-Leichtathletik-Kernplatz habe sich bestens bewährt, weil es den engen Kontakt zwischen den Vorgängen auf dem Spielfeld und den Zuschauern ermögliche.137 Der klassische Typus des Sportparks war eine weitläufige Landschaft, in dessen Zentrum ein Stadion platziert wurde. Zuvor integrierte Sporträume, die zu einer für den Sportkonsum ungünstigen Größe des Stadioninnenraums geführt hatten und in vielen Fällen auch für den Breitensport offenstanden, wurden ausgegliedert und um den Stadionkern herum gruppiert. In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass diese

136 Diem, Moderne Sportplatzanlagen, S. 425. 137 Schweizer, Sportbauten und Bäder, S. 86.

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Entwicklung auch mit der zunehmend dichteren Bebauung der Städte zu tun hatte. Für den Sport verwendbare Flächen waren rar. Sportparks an der städtischen Peripherie waren oftmals die einzige Möglichkeit, den kommunalen Anspruch auf Förderung des Breitensports erstens mit dem Wunsch nach städtischer Repräsentation und zweitens mit den Ansprüchen eines sich immer weiter differenzierenden und professionalisierenden Sport in Einklang zu bringen. Eine Initialzündung für den Sportpark war das Müngersdorfer Stadion in Köln. Die Stadt Köln schickte sich, vom großen Interesse des Bürgermeisters Konrad Adenauer getragen und durch das tatkräftige Engagement der Kommune unterstützt, sogar an, Berlin als deutsche »Sporthauptstadt abzulösen. In der Tat war diese Anlage mit insgesamt 880.000 Quadratmeter, wovon 460.000 Quadratmeter reine Sportfläche waren, zum Zeitpunkt ihrer Einweihung 1923 die weltweit größte Sportstätte. Für den DRA war Adenauer »der erste, der einen Sportpark erbaute, nicht im Sinne eines Erholungsparks, sondern einer vielseitigen, […] reinen Sportstätte«, welche sich durch ihre immense Weitläufigkeit und die Kombination von Stadion und riesigen Übungsplätzen auszeichnete.138 Ein weiteres Beispiel für den Sportpark der Weimarer Zeit ist das 1925 ein­ geweihte Waldstadion in Frankfurt/Main. Diese Anlage lag im Weichbild der Stadt, inmitten des Stadtwaldes. Das Stadion, den Sportwettkämpfen vorbehalten, bildete das Zentrum der Anlage. Durch die Tribünen und Verwaltungsgebäude getrennt, waren Fest- und Spielwiesen angegliedert. Die Radrennbahn war ausgelagert und befand sich südlich der Kampfbahn. Die im Deutschen Stadion noch integrierten Übungsplätze waren ebenfalls aus dem Oval der Kampfbahn entfernt worden und lagen hier nördlich von ihr. Zusätzlich beinhaltete die Frankfurter Anlage mehrere Tennisplätze, Turn- und Gymnastikhallen sowie eine Schwimmbahn.139 In all diesen Fällen kam das wesentliche Kennzeichen des Sportparks zum Vorschein. Während die um das Stadion gruppierten Plätze von der Stadtbevölkerung weiterhin kontinuierlich genutzt werden konnten, entwickelte sich das Stadion in noch stärkeren Ausmaß als zuvor zu einem Ort der wöchentlich wiederkehrenden Spiele, zu einem Ort, der weniger dem Sporttreiben als vielmehr dem Konsumieren des Sportes gewidmet war, zu einem Ort, der jenseits der zu konsumierenden Spiele ein leerer Raum war. Unter diesen Umständen hatte das Deutsche Stadion in Berlin als Vorbild für die Stadien der 1920er Jahre ausgedient. Ein Stadion, das separate Anlagen für das Laufen, Springen, Werfen, Radfahren, Schwimmen und diverse Rasenspiele innerhalb einer baulichen Klammer vereinte, galt als eine Fehlentwicklung, weil diese Konzeption den Konsum von Sportereignissen erschwerte.140 Die Kri-

138 CuLDA, Sachakten, Mappe 19: Brief von Carl Diem an Oberbürgermeister Böss, 14. Juni 1926 (Durchschrift), S. 2 f. 139 Schädler, Archäologie, Theater und Sport; Festbuch zur Stadionweihe Frankfurt. 140 Krause, Das Deutsche Stadion und Sportforum, S. 8, 18.

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Abb. 14: Der ideale Sportpark, nach einem Entwurf aus dem Jahr 1928. Um das Stadion sind Frauenspiel- und Tanzplätze, Wiesen, Übungsplätze, eine Radrennbahn, Tennisplätze und sogar eine Regattabahn angelegt.

tik konzentrierte sich auf die Radrennbahn: »Die beim Deutschen Stadion ausgeführte Vereinigung einer Radrennbahn mit der Hauptkampfbahn war der Teil des Baues, der sich […] als am wenigsten glücklich erwiesen hat«, da – so Max Ostrop in seiner Zusammenstellung deutscher Stadien aus dem Jahr 1928 weiter – durch den großen Innenraum das Publikum die »innige Verbindung mit den Geschehnissen auf dem grünen Rasen« verliere.141 Ein deutliches Zeichen für eine Umorientierung ging von der Spielplatz­ tagung in Berlin 1927 aus. Der Leitfaden für den Sportstättenbau, der die Ergebnisse dieser von hunderten Kommunalbeamten, Ingenieuren und Architekten besuchten Tagung beinhaltete, kann als ein erster großer Versuch der detaillierten Standardisierung deutscher Sportbauten gelten.142 Die Sehlinien zum Spielfeld, die Positionierung von Lautsprechern, die Einbeziehung von Sanitär­ anlagen, die Höhe und Form von Tribünenbauten  – all das wurde darin behandelt und möglichst normiert. Der Leitfaden riet von Laufbahnen mit einer Länge von 600 Metern, wie im Deutschen Stadion vorzufinden, ab und empfahl unmissverständlich beim Bau eines Stadions auf die Zuschauer Rücksicht

141 Ostrop, Deutschlands Kampfbahnen, S. 10, 20. 142 Diem/Matthias, Übungsstättenbau.

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zu nehmen und daher den Innenraum klein zu halten. Als Ausgangspunkt der Stadionkonzeption galt nun der »Kernplatz«, der nichts anderes als einen »Normalfußballplatz« mit einer darum verlaufenden Laufbahn von 400 Metern bezeichnete.143 Die Kinder des »Mutterbaues« gingen eigene Wege. Bereits beim ersten Stadion der Nachkriegszeit, dem im Mai 1920 eingeweihten Hindenburg-Stadion in Hannover, verzichteten die Planer auf die Anlage einer Radrennbahn im Inneren und verkürzten die Laufbahn auf 500 Meter.144 Betrachtet man nun auch die anderen großen Stadien der Weimarer Zeit, etwa die in Köln, Duisburg, Frankfurt/Main, Nürnberg oder Breslau, so fällt auf, dass mit Ausnahme des Bergischen Stadions in Elberfeld nicht ein einziges Stadion noch eine Radrennbahn beinhaltete und somit spätestens in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre in jedem Stadion das Publikum näher an das Geschehen im Zentrum der Anlage herangerückt war. Zwar konnten in Elberfeld durch Radrennen weitere Eintrittsgelder generiert und auf der breit angelegten Bahn – sie war Mitte der 1920er Jahre mit 12 Metern die breiteste in Deutschland – zusätzlich Motorradund Kleinwagenrennen durchgeführt werden,145 aber letztlich ging diese Rechnung nur auf Kosten des populären Rasensports auf. Der 1924 eröffnete Bau in Elberfeld hatte dementsprechend das gleiche Manko wie das Deutsche Stadion: Die Spieler im Innenraum waren von den Zuschauern teilweise kaum noch deutlich zu erkennen.146 Generell gilt, dass angesichts steigender Zuschauerzahlen die Idee, alle Einzelräume für Sportarten und speziell die Radrennbahn innerhalb eines Stadions baulich zusammenzufassen, in der Weimarer Zeit als unzweckmäßig und überholt galt. Selbst das Mutterstadion wurde in den 1920er Jahren zum Objekt von Umbauplänen, die das größere Zuschauerinteresse und damit verbundene Bedürfnisse des Publikums berücksichtigten. Es sei »heute schon so, dass ganz große Spiele nicht mehr ins Berliner Stadion gelegt werden, weil die rheinischen Kampfbahnen mehr Menschen fassen«, berichtete Carl Diem über die Stadionanlage in Köln an den Berliner Oberbürgermeister Gustav Böß 1926.147 Hebe man in Köln den Zuschauerwall um drei Meter, so bräuchte man in Berlin lediglich den Innenraum des Deutschen Stadions um ebenso viele Meter tiefer zu legen und die Radrennbahn zu entfernen, um den gleichen Effekt hervorzurufen.148 Ein Jahr später zeigte das Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft in Berlin, dass das Deutsche Stadion der gestiegenen Nachfrage bei solch prominenten Sportveranstaltungen nicht mehr gewachsen war. Insgesamt konnten 143 Ebd., S. 57, 64. 144 Ebd., S. 13 f. 145 Diem, Die Anlage von Spiel- und Sportplätzen, S. 46. 146 Ostrop, Deutschlands Kampfbahnen, S. 21 f. 147 CuLDA, Sachakten, Mappe 19: Brief von Carl Diem an Oberbürgermeister Böss, 14. Juni 1926 (Durchschrift), S. 3. 148 Ebd., S. 5.

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41.000 Karten verkauft werden. Hinzu kamen noch einige tausend Zuschauer, die, ohne eine Karte gelöst zu haben, offensichtlich über die Zäune der Rennbahn geklettert waren. Ungefähr 20.000 weitere Personen mussten aufgrund der begrenzten Zuschauerkapazität der Anlage wieder gehen.149 Die Erhöhung der mittlerweile als zu gering erachteten Zuschauerkapazität sollte mit einem Näherheranrücken des Publikums an das Geschehen im Zentrum der Anlage einhergehen. Es war die »Übergröße des Raumes«, die übereinstimmend für die fehlende »innige geistige Verbindung von Zuschauer und Sportereignis« verantwortlich gemacht wurde.150 Nicht unerheblich dabei war, dass die fehlende Nähe von Publikum und Sportereignis sowie die zu geringe Zuschauerkapazität spätestens nach 1925, als bereits mehrere neue Stadien errichtet worden waren, dazu führten, das wichtige überregional attraktive Sportveranstaltungen in andere Städte verlegt wurden. Als Alternative zum Berliner Stadion boten sich die Stadien der Städte Frankfurt/Main, Nürnberg, Düsseldorf oder Köln an, die allesamt Mitte der 1920er Jahre errichtet worden waren, mehr Zuschauer aufnehmen konnten und keine Radrennbahn als trennenden Zwischenraum aufwiesen.151 Johannes Seiffert, der, wie erwähnt, schon in der Kaiserzeit als Schüler Otto Marchs am Bau des Deutschen Stadions beteiligt war, setzte sich auf Wunsch des DRA bereits Mitte der 1920er Jahre mit Möglichkeiten eines Umbaus der Berliner Anlage auseinander. Der Kerngedanke seiner Überlegungen zur Umgestaltung, den er 1925 während der Ausstellung Volkskraft als Modell der Öffentlichkeit präsentierte, war die Entfernung der Radrennbahn, die die riesigen Ausmaße der Stadioninnenfläche und damit große Distanz zwischen Publikum und Sportgeschehen erst bewirkte. Der dadurch neu hinzugewonnene Raum sollte, verstärkt durch eine zusätzliche Tieferlegung der Innenfläche, mit neuen Zuschauerplätzen aufgefüllt werden.152 Die Planspiele, die Zuschauerkapazität und -attraktivität der Anlage zu erhöhen, wurden gegen Ende des 1920er Jahre immer präziser, da bereits zu diesem Zeitpunkt die Bewerbung Berlins für die Olympischen Spiele 1936 immer festere Konturen annahm. Als in Berlin im Mai 1930 der IX. Olympische Kongress stattfand, übergab Theodor Lewald als Mitglied der IOC-Exekutive dem Sekretariat des Internationalen Olympischen Komitees, Lausanne, offiziell die Bewerbung Berlins für die Austragung der Spiele 1936.153 Bereits zu diesem Zeitpunkt schien ausgemacht, dass bei einem Zuschlag die Spiele, wie schon 149 CuLDA, Sachakten, Mappe 24: Der Vorstand des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen an den Magistrat der Stadt Berlin, 6. Juli 1927, S. 1. 150 Ebd., S. 2. 151 CuLDA, Sachakten, Mappe 658: Besprechung des Ausschusses für den Stadionausbau am 9. April 1929 gemeinsam mit Vertretern des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen (Abschrift), S. 1. 152 Seiffert, Eine Feststätte der Leibesübungen, S. 850. 153 Alkemeyer, Körper, Kult und Politik, S. 229.

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für 1916 projektiert, im Deutschen Stadion statt­f inden sollten. Die Stadt Berlin stellte den Kongressteilnehmern ein neues Stadion­konzept vor. Dieses war allerdings nicht mehr von Seiffert, sondern von Werner March, dem Sohn Otto Marchs, erarbeitet worden.154 Doch viel Neues hatte Werner March den Überlegungen Seifferts nicht hinzugefügt. Auch bei ihm stand die Herausnahme der Radrennbahn im Mittelpunkt und auch er sah vor, den Innenraum tiefer zu legen (um 4,50 Meter). Darüber hinaus beinhaltete sein Vorschlag noch die Verkürzung der Laufbahn von 600 Metern auf 500 Meter, was durch die Entfernung der Radrennbahn nun problemlos möglich wurde, ohne tote Räume zu produzieren. Alles in allem wollte March dadurch die Zuschauer näher an das Zentrum der Anlage führen und die Aufnahmekapazität des Stadions auf 70.000  Personen steigern, wobei insgesamt 50.000  Sitzplätze vorgesehen waren.155 Angesichts der schwierigen Finanzlage herrschten 1929 in der Stadion-Kommission des Berliner Magistrats skeptische Töne vor. Ein Vertreter der Sozialdemokratischen Partei gab zu bedenken, ob zur Gewinnung von 16.000 neuen Sitzplätzen 3 Millionen Mark ausgegeben werden dürften.156 Doch die Zustimmung wuchs, nachdem das IOC im Mai 1931 Berlin zum Austragungsort der Olympischen Spiele 1936 bestimmt hatte. Der DRA erteilte Werner March den Auftrag, die von ihm vorgeschlagenen Umbauten in Angriff zu nehmen. Doch angesichts der schweren Wirtschaftskrise und der rigiden Deflationspolitik des Reichskanzlers Heinrich Brüning erschien eine Umsetzung dieser Pläne zunächst illusorisch.157

10. Distanz: Pazifizierungstechniken Durch die Verlagerung der ehemals um das Spielfeld gruppierten Flächen nach außen, rückten die Zuschauer also enger an den Wettkampf heran. Für Ar­ chitekten wie Otto March war das Stadion ein ästhetisch und funktional geordneter Raum, der sowohl der Inszenierung einer repräsentativen Massenöffentlichkeit als auch der Vergemeinschaftung dienen sollte. Doch gerade 154 CuLDA, Sachakten, Mappe 658: Stadionerweiterung. Brief Werner Marchs an den Deutschen Reichsausschuss für Leibesübungen, 19. Juli 1928. 155 Drigalski, Die Sporthauptstadt Deutschlands, S. 13–15. 156 CuLDA, Sachakten, Mappe 24: Bericht über die Sitzung der Stadion-Kommission des Magistrats vom 13. Februar 1929 (Abschrift vom 14. Februar 1929), S. 3. Mitglieder der Kommission waren Carl Diem, Theodor Lewald, Oberstudiendirektor Berger, KriminalPolizei­rat Linnemann, Stadtoberturnrat Preuss sowie Vertreter der KPD, SPD, DDP und DNVP. 157 Ebd. Zum wirtschaftlichen Hintergrund siehe James, Deutschland in der Weltwirtschaftskrise; Becker, Heinrich Brüning; Blaich, Der Schwarze Freitag; Büttner; Politische Alternativen zum Brüningschen Deflationskurs.

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die Durchbrüche der Zuschauer stellten die funktionale Ordnung des Sport­ raums in Frage. Es war diese »Unerzogenheit« des Sportpublikums, das bei Architek­ten, Ingenieuren und Sportfunktionären eine Neuakzentuierung von Steuerungs­techniken auslöste. Es handelte sich hierbei um räumlich-technische Strategien zur Pazifizierung der Zuschauer. Dabei wird deutlich, dass in den Steuerungsphantasien der Architekten und Ingenieure die Frage, wozu ein Stadion dient und was sich darin ereignet, eine Frage der Herstellung oder Verwischung, Anerkennung oder Missachtung von baulichen und symbolischen Grenzen war.158 In letzter Konsequenz kann man eine Neukonfiguration des Sportraums ausmachen. Die Grenzen innerhalb des Sportraums und damit auch ihre Bedeutung waren Gegenstand permanenter Auseinandersetzungen. Das Zusammenrücken von Spielfeld und Zuschauern führte im Gegenzug dazu, dass die vormals recht offen gehaltenen inneren Grenzen zwischen Zuschauerraum und Sportraum deutlicher definiert und diese Definitionen auch baulich umgesetzt wurden. Entsprechende erste Vorschläge und Bemühungen lassen sich bis zu den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts zurückverfolgen. Schon die Anleitung zur Veranstaltung athletischer Wettkämpfe aus dem Jahr 1905 erinnerte die Vereine daran, dass der »Innenraum für alle Unbeteiligten ohne Ausnahme gesperrt« werden müsse.159 Auch der Ingenieur Camillus Bauwens ließ in seiner schon erwähnten Bauanleitungsschrift 1911 den Zuschauer nicht unberücksichtigt, wobei es ihm besonders darauf ankam, zwischen dem eigentlichen inneren Sportplatz und dem Zuschauerraum eine kräftige Absperrung zu errichten, am besten »aus kräftigen Rundholz, dem durch weißen Anstrich ein freundliches Aussehen gegeben« werden sollte.160 Zwei Jahre später war der Innenraum des frisch eingeweihten Stadions des 1. FC Nürnberg in Zerzabelshof von einer mit Eisenbetonpfosten gehaltenen Brettereinplankung umzogen, damit Zuschauer nicht ohne weiteres den Platz betreten konnten.161 In diesem Kontext wird deutlich, dass die Entwürfe die zu erwartenden Aneignungs­ formen der Zuschauer berücksichtigten. Der einfachste Schritt hierzu war, die Einfriedung des Zuschauerraumes weiter von der Laufbahn abzusetzen, um die Belästigung der äußeren Läufer etwa durch das Hinübergreifen von einzelnen Zuschauern zu verhindern. Als Richtmaß galt in den 1920er Jahren ein Minimum von einem Meter.162 Selbst bei dieser einfachen Maßnahme wird ein Kernelement sichtbar: Es ging um die technische Unterbindung der »lästigen Neigung des Publikums«, auf das Spielfeld zu kommen. Diese Neigung galt nicht nur als gefährlich, sowohl für die Sportler als auch für jene Zuschauer, die ruhig 158 Van Winkel, Tanz, Disziplin, Dichte und Tod, S. 251. 159 Diem, Anleitung zur Veranstaltung athletischer Wettkämpfe (1905), S. 34 (Hervorhebung im Org.). 160 Bauwens, Der Fußballplatz, S. 133. 161 Eine vorbildliche Sportplatzanlage, S. 176. 162 Seiffert, Spielplätze und Festspielplätze, S. 4. Der Autor bezieht sich dabei auf den Sportplatz des Fußball- und Cricketklubs Viktoria in Magdeburg.

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auf den für sie bestimmten Plätzen blieben, sondern verhinderte zudem auch einen reibungslosen und flotten Verlauf der Wettkämpfe.163 Am Beispiel zweier verbreiteter Bücher zum Bau von Sportstätten aus den Jahren 1914 und 1925 lassen sich in dieser Hinsicht wesentliche Verschiebungen aufzeigen. So hieß es im 1914 erschienenen Wegweiser für den Bau von Spielund Sportgelegenheiten: »Die Anlage muß mit einem Zaun oder einer Mauer abgeschlossen sein, eine Umfriedung durch lebende Hecken genügt im allgemeinen nicht, weil die Vereine in der Lage sein müssen, bei ihren Wettkämpfen Eintrittsgelder zu erheben. […] Das setzt natürlich Kontrolle und Abschließung gegen Unbefugte voraus, überdies muß ein solcher Spielplatz auch ganz allgemein betrachtet, gegen allerhand unwillkommene Eindringlinge unbedingt zuverlässig geschützt sein.«164 Im Gegensatz zur klaren Grenzziehung zwischen Sportanlage und ihrer Umwelt spielten die bauliche Abschließung des Innenraums und der Schutz des Spielfeldes gegen das unerwünschte Eingreifen von Zuschauern keine Rolle – Kalklinien galten als ausreichend. Angesichts der rasanten Entwicklung des Sports zu einem Massenphänomen und dem Aufkommen von Sportveranstaltungen, bei denen Zuschauer ihren Unmut u. a. dadurch äußerten, dass sie einfach auf das Spielfeld liefen und Sportler wie Schiedsrichter zur Rede stellten, wurden in den 1920er Jahren die Forderungen nach deutlichen Grenzen immer vehementer gestellt und auch konkretere Vorstellungen zur baulichen Gestaltung geäußert. 1925 erschien das Buch Gebäudegelände für Gymnastik, Spiel und Sport.165 Die Autoren Pieter W. Scharoo (zweiter Vorsitzender des Niederländischen Olympischen Komitees) und Jan Wils (Architekt und Mitglied der niederländischen avantgardistischen Künstlervereinigung De Stijl) waren Hauptakteure beim Bau des als vorbildlich geltenden Olympiastadions in Amsterdam. Angereichert wurde das Buch durch Beiträge so prominenter Personen wie Pierre de Coubertin, Vorsitzender des Internationalen Olympischen Komitees, und Arthur Mallwitz, damals Regierungsrat im Ministerium für Volkswohlfahrt (Preußen). In diesem Leit­faden vertraten Scharoo und Wils die Meinung, dass sowohl das Sportgelände als auch die Innenräume durch einen Zaun abgeschlossen sein sollten, wobei sogar Wassergräben zwar andiskutiert, aber wieder verworfen wurden. Um das Spielfeld vom Andrang der Zuschauer freizuhalten, schlugen die Autoren vor, das Innere der Anlage in einem Abstand von zwei bis fünf Metern durch ein Gitter oder eine Hecke abzuschließen. Die Holzstangen der Gitterkonstruk163 Scharoo/Wils, Gebäudegelände, S.  143. Interessanterweise galten die Bedenken nicht allein den Zuschauern sondern auch den jugendlichen Mitgliedern der Vereine, die mit den sportlichen Verhaltensregeln auf dem Sportplatz nur wenig vertraut waren. Sie paradierten häufig auf der Mittelfläche gleich wie die Teilnehmer, auch wenn sie nicht an den Wettkämpfen beteiligt waren. Siehe ebd. 164 Diem/Berner, Städtische Sportanlagen, S. 37. 165 Scharoo/Wils, Gebäudegelände. Die Schrift erschien im Original auf Niederländisch und wurde noch im selben Jahr ins Deutsche übersetzt.

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tion sollten an Eisenpfählen befestigt werden, damit das Publikum diese nicht einfach beiseite drücken konnte. Hohe Pfähle mit Eisendraht, Gittereisen oder zweieinhalb bis drei Meter hohe Holzstakets seien ebenfalls eine zufriedenstellende Kon­struktionen. Derartige Grenzen erachteten Scharoo und Wils dann für notwendig, wenn das Sportgelände für Wettkämpfe verwendet wurde und das Publikum gegen Bezahlung Einlass hatte.166 Insgesamt solle dann dafür Sorge getragen werden, dass erstens nur an einigen Stellen, und dann für verschiedene Ränge gesondert, der Zutritt auf das Terrain gestattet werde, um so die Kontrolle zu vereinfachen, während zweitens durch eine große Anzahl von Ausgängen dafür gesorgt werden müsse, dass das Wettkampfgelände rasch wieder verlassen werden könne.167 Damit bei Wettkämpfen die Zugänge frei blieben, galt als Richtlinie, die Treppenstufen versetzt tiefer als die Sitz- beziehungsweise Stehreihen anzulegen. Dadurch sollte das Verfolgen der Sportveranstaltung von den Treppen aus zumindest erschwert werden.168 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass schon Mitte der 1920er Jahre mit Zuschauerzahlen von 30.000 bis max. 60.000 gerechnet wurde und dementsprechend für deren logistische Bewältigung verstärkt Vorkehrungen getroffen werden mussten. Das Schlagwort hierbei lautete »Dezentralisation«, womit die Platzierung der Eingänge und Kassenhäuschen sowie die gezielte Kanalisierung der Zuschauerströme gemeint waren.169

11. Führung und Entleerung Mit diesem letztgenannten Aspekt waren zwei weitere Facetten von Sportwettkämpfen als logistische Herausforderung verknüpft: Platzierung im Zuschauerraum und Entleerung des Stadions. Stadien und Zuschauersport führten zu einem Technisierungsschub im Sportbau, der sich in diesem Zusammenhang nicht allein im Inneren der Anlage niederschlug, sondern vielmehr die Be­ ziehung der Großsportanlage zur Stadt berührte.170 So schrieb der Oberbürgermeister von Berlin, Gustav Böß, 1927: »Wir warnen vor der übermäßigen Anlage solcher Großkampfbahnen, weil sie berechnet sind auf die Zuschauer und nicht auf die Ausübenden, und weil für die Zuschauer ein System von Straßenbahnen, von Zubringerstraßen, von Wartehallen und Plätzen errichtet werden muß, ein System, was ungeheuer kostspielig ist.«171 In der Tat sahen insbeson166 Ebd., S. 123. 167 Ebd., S. 123 f. 168 Diem/Matthias, Übungsstättenbau, S. 104. 169 Seiffert, Spielplätze und Festspielplätze, S. 9 f. 170 Hierzu siehe vor allem die Pionierstudie zu Coney Island von Kasson, Amusing the ­Million. 171 Ansprache Gustav Böß, Oberbürgermeister von Berlin, in: Diem/Matthias, Übungsstättenbau, S. 17.

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dere Kommunalbeamte die Errichtung von größeren Sportanlagen zunächst skeptisch. Auf der einen Seite scheuten die Kommunen die Errichtung von Großsportanlagen, weil diese eine schwierig zu bewerkstelligende und kostspielige infra­strukturelle Anbindung an die Stadt erforderten. Auf der anderen Seite aber bildete eben diese Anbindung die Basis der in der Weimarer Zeit erreichten hohen Zuschauerzahlen, was für die Kommunen wegen des Fremdenverkehrs nicht unerheblich war.172 Besonders bei Wettkämpfen und Spielen, die eine über die eigene Stadt hinausreichende Attraktivität boten, musste der Verkehr zwischen den Städten nicht nur vorhanden und funktionstüchtig sein, sondern darüber hinaus auch intensiviert werden. Als Zehntausende Zuschauer 1930 zum Fußball-Länderspiel zwischen Italien und Deutschland anreisten, konnte die logis­tische Herausforderung nur durch Sonderzüge bewältigt werden, die die Zuschauer aus Wiesbaden, Stuttgart, Nürnberg, Mannheim, Kassel und Saarbrücken ins Frankfurter Stadion transportierten. Die Züge wurden mit mehr Wagen ausgestattet, die Frequenz wurde erhöht.173 Entgegen der schon unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg formulierten Richtschnur, Sportanlagen nach Möglichkeit in den Städten zu errichten,174 wurden die großen Stadien und Sportparks der 1920er Jahre nicht zuletzt wegen des immensen Raumbedarfs in der Regel gezielt in die Leerräume der Vorstädte platziert.175 Dieses Konzept zog das Problem nach sich, dass die Anreise des Publi­kums zu den Plätzen länger wurde. Das Ziel war jedoch, alle Verkehrsmittel so nahe wie möglich an das Stadion heranzuleiten. In dieser Beziehung wurde bereits gegen Ende der 1920er Jahre zunehmend mit dem Auto als Transportmittel gerechnet und dieses dementsprechend in die Planungen mit einbezogen. Beispielsweise stellten Carl Diem und Eugen Matthias schon 1928 in Rechnung, dass in naher Zukunft die Anzahl der mit einem Auto anreisenden Besucher steigen werde, wobei hier fünf Prozent der Besucher veranschlagt wurde (drei Viertel davon Selbstfahrer). Bei angenommenen 40.000 Zuschauern waren das 2.000 Autos, die untergebracht werden und für die eigene Zufahrtstraßen errichtet werden mussten.176 Dass solche Schätzungen schon zwei Jahre nach Aufstellung übertroffen werden konnten, zeigte das erwähnte Länderspiel 1930  – insgesamt 3.000  Autos wurden auf dem Stadionparkplatz abgestellt.177 Doch die Automobile machten nur einen Bruchteil der verwendeten Verkehrsmittel aus. Insgesamt erforderte der Massenandrang zu den Stadien in der infrastrukturellen Planung die Berücksichtigung und die Trennung der verschiedenen Verkehrsarten und, damit verbunden, die gesonderte Zuführung zu 172 Zum Fremdenverkehr siehe Nielsen, Sport und Großstadt, S. 409. 173 Frankfurter Nachrichten, Nr. 59, 1930, S. 4, aus: Müller, Turnen und Sport, S. 134 f. 174 Diem/Berner, Städtische Sportanlagen, S. 29. 175 Siehe Marschik, Sport, Politik und Ökonomie, S. 13. 176 Diem/Matthias, Übungsstättenbau, S. 111. 177 Müller, Turnen und Sport, S. 134

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den jeweiligen Eingängen. Bei der Regelung des Verkehrs zum 1925 in Betrieb genommenen Frankfurter Stadion etwa wurden Eisenbahnen, Straßenbahnen, Kraftwagen, Radfahrer, Pferdedroschken und Fußgänger in Betracht gezogen. Eisenbahnen wies man die Aufgabe zu, vor allem bei größeren Ver­anstaltungen überregionalen Charakters, den auswärtigen Massenbesuch zu bewältigen. Die zur Verfügung stehenden Bahnhöfe (Louisa und Goldstein) lagen 2,1 und 1,1  Kilometer vom Stadion entfernt. Der Straßenbahn hingegen fiel die Massenbeförderung der Besucher aus Frankfurt zu. In den Stoßzeiten verdichtete man den Verkehr durch die Heranführung von Linien aus allen Stadtteilen auf einen Halbminutentakt, was einer Beförderung von 20.000 bis 25.000 Personen in der Stunde entsprach. Fahrräder, Droschken und Automobile fielen nicht unter die Massenbeförderungsmittel, ebenso wie diejenigen, die sich zu Fuß auf den Weg ins Stadion machten, sicherlich nicht allzu sehr in Gewicht gefallen sind. Allerdings ist zu bedenken, dass diejenigen, die mit Eisenbahn oder Straßenbahn anreisten, nicht direkt bis zum Stadion herangeführt werden konnten. Größere Massen an Menschen konzentrierten sich also an den Verkehrsknotenpunkten und von dort aus führte der Weg dann zu Fuß weiter in die Anlage. Insbesondere an diesen Knotenpunkten, an denen sich unmittelbar vor und nach dem Spiel Tausende Personen drängten, mussten die Zuschauer möglichst gleichmäßig über den Raum verteilt werden. Aus diesem Grund war es auch nicht möglich, ohne weiteres die bereits vorhandenen Fuß- und Radwege weiter zu verwenden, weswegen diese zum einen verbreitert und zum anderen in Fußgängerzonen, Radfahrzonen und gegebenenfalls in Zonen für Droschken funktionsräumlich getrennt wurden.178 Die zunehmende Popularisierung der Sportwettkämpfe und die damit verknüpfte steigende Anzahl von Zuschauern führten also zu einer logistischen Herausforderung sowohl in der Durchführung der Veranstaltungen als auch bereits in der Planungsphase der Großsportanlagen. Das Problem waren die Kanalisierung und die differenzierte Platzierung der Zuschauermassen. Als eine effektive Lösungsstrategie galt die erwähnte Funktionstrennung, beispielsweise jedem Zuschauerblock des Stadions einen eigenen Autopark zu errichten und diesem wiederum einen eigenen Zugang zum Zuschauerblock und einen vom normalen Fußgängerweg getrennten Weg zuzuweisen.179 Doch dies zog ein weiteres logistisches Problem nach sich, allerdings für einen Teil  der Zuschauer, denn die mit dem Auto anfahrenden Besucher mussten nun vorausplanen, bevor sie zum Spiel aufbrachen, von welchem Zuschauerblock aus sie das Sportschauspiel verfolgen würden, also ihre Eintrittskarten vor dem Spiel erwerben. Dies bedeutete nichts anderes als die Einführung des Kartenvorverkaufs innerhalb der Stadt.

178 Verspermann, Regelung des Verkehrs zum Stadion, S. 99. 179 Ebd., S. 112.

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Abb. 15: Verkehrswege zum Stadion in Frankfurt/Main aufgeschlüsselt nach Fußgänger, Pferdedroschken, Autos, Radfahrer sowie Straßenbahn, 1925.

12. Transparenz und Egalität »Oben und mitten und unten vermischt. Ein Heulen aus allen Rängen – unterschiedslos. Unterschiedslos. Das ist erreicht!«180

Im Stadion wurde die undurchsichtig erscheinende Realität moderner Gesellschaften in eine neu erschaffene Wettkampfsituation überführt. Die Welt des Sports ist in dieser Perspektive eine auf ihre essentiellen Eigenschaften reduzierte Fassung sozialer Praktiken der Moderne. Thomas Alkemeyer bezeichnet diesen durch eine klare Geometrie des Raums und ein klares Regelwerk charakterisierten Vorgang der Reduzierung als »Ersatzverzauberung der Moderne«.181 Diese Komplexitätsreduzierung beschrieben auch zeitgenössische Beobachter und stellten ebendiesen Zug des Sports als eine wichtige Ursache seiner Popu­ larität in Rechnung. Als Edmund Neuendorff 1927 in seiner großangelegten Geschichte der deutschen Leibesübungen auf die wachsende Beliebtheit des Sports in der Weimarer Republik zu sprechen kam, führte er diese Entwicklung auf dessen Simplizität zurück. Da das Leben und Vergnügen »draußen« immer 180 Kaiser, Von Morgens bis Mitternachts, S. 83. Die Zeilen beziehen sich auf ein Sechstagerennen in Berlin. 181 Alkemeyer, Körper, Kultur und Politik, S. 171.

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mannigfaltiger, unübersehbarer und nervenaufreibender werde, brauche der »Nervenmensch der Großstadt« starke Reize. Und aus Angst, in dem »allgemeinen Gewirr körperlich und seelisch unterzugehen«, suche dieser den Gegensatz im Einfachen: »Der Sport bietet es. Hier sind Spiele mit einfachen und durchsichtigen Regeln und einfachen, klaren Entscheidungen.«182 Diese Darbietung von Transparenz, Einfachheit und Übersichtlichkeit hatte einen spezifischen Inszenierungsraum – das Stadion. Doch das, was im Stadion dargeboten wurde, war weit mehr als ein mimetisches Modell der sozial-ökonomischen Wirklichkeit, die sich nur in einem überspitzten und in seinem Ablauf transparenten Wettkampf spiegelte.183 Das Stadion war ein Ort, dem ein gewisses utopisches Moment innewohnte. Als dessen herausragendes Kennzeichen kann das egalitäre Strukturprinzip des Sports gelten, das im Stadion in zwei Formen konkrete Gestalt annahm.184 Erstens wurde dieses egalitäre Prinzip durch das den Zuschauern Dar­ gebotene abstrakt impliziert. Unabhängig von Herkunft oder sozialen Hierarchien starteten alle Sportler unter den gleichen Bedingungen in den Wettkampf, unterwarfen sich freiwillig einem für alle gleichermaßen gültigen Reglement. Bezieht man das egalitäre Moment des Sports auf die konkurrierenden Ideologien der Weimarer Gesellschaft – Egalität im Sinne von Chancengleichheit und Leistungsgerechtigkeit auf der einen Seite, das Ideal von sozialistischer Egalität auf der anderen – so stand der Sport vorwiegend für das erstere. Bei gleicher Ausgangsposition und Chancenverteilung zählte für den Erfolg im Stadion einzig und allein die sportliche Leistung. Privilegien oder Distinktionsstrategien spielten für das Zustandekommen des Ergebnisses keine Rolle. Egalität hieß in diesem Kontext natürlich nicht, dass es keine Sieger und Besiegte gab, sondern lediglich gleiche Chancenverteilung. In dieser Hinsicht kann Sport – wie Frank Becker argumentiert – als ein soziales Feld betrachtet werden, »das in paradigmatischer Weise bereits Strukturen und Gesetzmäßigkeiten aufweist, die anschließend normativ auf die Gesamtgesellschaft zurückbezogen« werden können.185 Wenn Sport auch Spiel ist, und im Spiel gesellschaftliche Veränderungen »früher als in anderen, weniger beweglichen Handlungsbereichen« sichtbar werden,186 dann war das Stadion auch ein gesellschaftliches Experimentierfeld, in dem die Darbietung Elemente der Vision einer Gesellschaft enthielt, in der lediglich die Leistung im Hier und Jetzt zählte, die aber außerhalb des Stadions lediglich in Ansätzen zu beobachten war. 182 Neuendorff, Geschichte der deutschen Leibesübungen, S. 30. Zur Person siehe Ueberhorst, Edmund Neuendorff. 183 Alkemeyer, Körper, Kult und Politik, S. 171. 184 Zur egalisierenden Kraft massenkultureller Phänomene im 19. und 20. Jahrhundert siehe Maase, Grenzenloses Vergnügen, S. 25. 185 Becker, Amerikanismus in Weimar, S. 172. 186 Gebauer u. a, Treue zum Stil, S. 17. Zu der Spielthese siehe auch ders./Wulf, Spiel, Ritual, Geste; Cailois, Maske und Rausch.

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Das egalitäre Strukturprinzip des Sports wurde in einer vorreflexiven, körperlichen Art transportiert. Für die Rezeption dieser Prinzipien war Transparenz unabdingbar, die wiederum nur dann eine Wirkung erzielen konnte, wenn die angesprochenen Kommunikationsprobleme behoben waren, also das Publi­ kum einerseits sachverständig war und die entsprechenden consumer skills entwickelt hatte, und andererseits gelernt hatte, die charakteristischen räumlichen Ordnungen des Sportplatzes zu lesen. Erst das Verständnis des Regelwerkes und des Konkurrenzprinzips des modernen Sports ermöglichte die Konstituierung des Stadions als eine Sinnsphäre, in der alles, was sich darin zutrug, dem Verständnis des Publikums unmittelbar zugänglich war. Und erst wenn das Publikum gelernt hatte, sich in der räumlichen Ordnung des Spielfeldes zu orientieren, konnte das Stadion, wie es der Schriftsteller Martin Kessel 1933 formulierte, als »eine instinktiv helle, zutage liegende Welt« interpretiert werden, in der ein »Blick auf ein Spielfeld« für jeden nachvollziehbar und intuitiv »bezeugt […] wieviel innerhalb gesetzter Grenzen, zwischen Linien und mit Rechtecken gezierten Hälften, zwischen Kurven, in Reihen und Ellipsen die reine Zahl gilt.«187 Zweitens schlugen sich die egalisierenden Effekte des Sports im Zuschauerraum nieder. Das Stadion galt als ein sozialer Schmelztiegel, der klassenübergreifend Erfahrungen von Gemeinsamkeit ermöglichte. Das Wissen um derartige Gemeinsamkeiten und die Tatsache, dass sie auch öffentlich praktiziert wurden, hat soziale und kulturelle Distanzen sicherlich verringert.188 Im Stadion stoßen wir auf einen lebhaften Grenzverkehr zwischen ansonsten weitgehend getrennten sozialen und kulturellen Sphären. So spiegelt das Stadion auch gleichzeitig die sukzessive Erosion eindeutiger sozialer Grenzen in der Weimarer Gesellschaft und lässt sich in eine Vielzahl halböffentlicher Begegnungsund Zwischenräume in der modernen Stadt einreihen, wie etwa Warenhäuser oder Kinos.189 Ob Intellektuelle wie Heinrich Mann, der die Popularität des Sports bei Arm und Reich als »neu und wertvoll« charakterisierte,190 Geisteswissenschaftler wie Heinz Risse, der in der ersten sportsoziologischen Abhandlung die »klassenverbindende Tendenz« des Sportereignisses betonte,191 Physiologen wie Fritz Giese, der den sozialen Ausgleich im Sport unterstrich192 oder Sportfunktionäre und Politiker wie Theodor Lewald, für den der Sport ein »einigendes Band um alle Teile der Bevölkerung« darstellte: Dass der Sport im Stadion Menschen unterschiedlichster Provenienz zusammenbringe, scheint weitgehend unumstritten gewesen zu sein. Selbst für den Vertreter der Ausführungsbehörde der Unfall187 Kessel, Die romantischen Elemente im Sport, S. 400. 188 Maase, Grenzenloses Vergnügen, S. 25. 189 Hierzu aus einer Vielzahl von Untersuchungen König, Konsumkultur; Briesen, Warenhaus. Zum Begriff »Zwischenraum« siehe Löw, Raumsoziologie, S. 81–83. 190 Mann, Sieben Jahre, S. 306 f. 191 Risse, Soziologie des Sports, S. 82. 192 Giese, Geist im Sport, S. 167.

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versicherungen Lüders bot sich im Sportplatz eine Gelegenheit zum Ausgleich sozialer Gegensätze. Nicht allein, dass die »Söhne und Töchter aus den mit verschiedenen Maßen und Glücksgütern gesegneten Häusern […] unter denselben Bedingungen zum Wettkampf antreten, den gleichen Gesetzen und Spielregeln sich fügen und schließlich nur nach ihrer Tüchtigkeit bewertet werden«, berge Möglichkeiten für eine Gesundung der sozialen Verhältnisse, sondern auch das gemeinsame Erleben dieser Darbietung. Im Kölner Stadion habe er erlebt, wie eine »große Menschenmenge in angespannter Aufmerksamkeit den leichtathletischen Wettkämpfen« folgte. Könne es da ausbleiben, fragte er, »daß auch die Herzen gemeinsam schlagen und für Stunden wenigstens alles Trennende vergessen wird?«193 In diesen Erzählungen begegnen sich im gemeinsamen Er­leben des Sports die Angehörigen verschiedener Generationen, Berufe und Klassen im Stadion und erfahren sich als eine mehr oder minder homogene Masse, als Glieder einer Gemeinschaft, wobei die sozialen und kulturellen Schranken ver­ gessen werden oder in den Hintergrund treten. Die Basis dieser Vergemeinschaftungsnarrative bildet die Annahme, dass der Sport die Menschen im Stadion einander nicht nur räumlich, sondern auch sozial näher bringe, beziehungsweise dass eine unmittelbare und wechselseitige Beziehung von räumlicher und sozialer Nähe existiere.194 Anknüpfend an Pierre Bourdieu, der seiner Skepsis mit dem Satz: »Nichts ist unerträglicher als die Promiskuität empfundener Nähe sozial fern stehender Personen« Ausdruck verliehen hat, halte ich die These von einem unmittelbaren Zusammenhang von räumlicher und sozialer Annäherung auch aus historischer Sicht für eine Illusion.195 Vielmehr kam es an Orten wie dem Stadion, an denen eine Begegnung zwischen sozial weit auseinander liegenden Gruppen wahrscheinlich war, zu einer zunehmenden räumlichen Segregation, um die Korrelation von sozialem Raum und physischen Raum aufrechtzuerhalten. Eine soziale Nähe lässt sich jedenfalls nicht einfach aus einer räumlichen Nähe ableiten.196 Zugleich versperrt diese Annahme die Analyse der räumlichen Binnendifferenzierung des Sta­ dions. Trotz aller egalisierenden Zeichen des Sports, und zwar sowohl im Dargebotenen als auch im gemeinsamen Konsum: Das gemeinsame Interesse am Sport und an Sportwettkämpfen ging einher mit einer räumlichen Differenzierung im Stadion, um Abstand und Distinktionsmerkmale herzustellen. Mehr noch, erst das Stadion machte durch räumliche Segregation soziale Differenzen innerhalb des Sportpublikums sichtbar und generierte neue Formen der Distinktion im Sportkonsum. In dieser Hinsicht war das Stadion ein Raum, in dem Nähe und Distanz, Zusammengehörigkeit und Unterscheidung verhandelt, inszeniert und vermittelt wurden. So umfasste der Sportkonsum im Stadion über Nivellierung und Angleichung hinaus zahlreiche Formen der Distinktion. 193 Bericht von Regierungsrat Dr. Lüders, S. 55 f. 194 Hierzu vgl. auch Schroer, Räume, Ort, Grenzen, S. 95. 195 Zitat Bourdieu, »Ortseffekte«, S. 165. 196 Ders., Praktische Vernunft, S. 24 f.

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Man sah und konsumierte das Gleiche innerhalb eines geschlossenen baulichen Rahmens, aber räumlich segregiert, auf unterschiedliche Art und Weise, unter verschiedenen Bedingungen und mit anderen Bedeutungen versehen.

13. Sehen oder Gesehen werden: Die Tribüne Alle größeren Stadien der Weimarer Zeit hatten Tribünen vorzuweisen, auf denen ein ausgewähltes Publikum Platz nahm.197 Eine eigentümliche Ambivalenz charakterisierte die Tribüne. In ihrer erhöhten Lage war sie sowohl ein Ort privilegierten Zuschauens, eine besondere Aussichtsplattform, als auch ein Ort, der den Blicken anderer Zuschauer in besonderer Weise ausgesetzt war, eine Ansichts­plattform. Insbesondere die Loge, meist im Zentrum der Tribünenbauten gelegen, diente ähnlich der Promenade als soziale Bühne für das Spiel des Sehens und des Gesehenwerdens. Dass sich das Zuschauen von der Tribüne aus anders gestaltete als von den Erdwällen oder anderen Rängen des Stadions lässt sich an vier Aspekten schnell darlegen. Erstens waren Tribünen mit Sitzplätzen ausgestattet. Zweitens erlaubte die erhöhte Lage einen besseren Blick auf das Spielfeld. Drittens waren Tribünenbauten in der Regel überdacht, zumindest in den 1920er Jahren. Zwar waren beim Deutschen Stadion die Tribünenplätze noch nicht überdacht, auch weil Otto March befürchtete, die Überdachung würde den Blick auf die Pferderennbahn beeinträchtigen und damit gegen die Auflagen des Unionklubs verstoßen. Doch gerechtfertigt wurde dieses Konstruktionsmerkmal keineswegs mit solch trivialen Erwägungen. Nicht überdachte Tribünen wurden vielmehr als ein Ausdruck sportiver Geisteshaltung und deutscher Naturverbundenheit verkauft. Eine nicht überdachte Tribüne erziehe die Zuschauer in sportlichem Sinne: »sie dürfen einen Regenschauer nicht fürchten.«198 Doch dies waren lediglich vereinzelte Meinungen. Bereits das 1920 eingeweihte Rheinstadion in Düsseldorf enthielt eine überdachte, als Eisenbetonkonstruktion ausgeführte Tribüne.199 Viertens kam hinzu, dass Tribünenbauten immer zentral auf der Westseite mit Sicht gegen Nordosten oder Nordwesten lagen. Zum einen ermöglichte diese Lage einen zentralen Blick auf das Spielfeld, zum anderen hatten die Zuschauer so die Sonne im Rücken.200 Bemerkenswert ist nun aber, dass sich die Funktionen der Tribüne als privilegierte Orte des Sehens und Gesehenwerdens nicht immer miteinander vertrugen, ja sich zum Teil sogar ausschlossen. Da die Konstruktion von freischwebenden Dächern erhebliche Probleme bereitete, trugen diese zahlreiche Stützpfeiler 197 Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen, Deutscher Sportbau, S. 54–56. 198 Ostrop, Deutschlands Kampfbahnen, S. 10. 199 Schweizer, Sportbauten und Bäder, S. 71, 146. 200 Diem/Matthias, Übungsstättenbau, S. 103.

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und Säulen und zusätzlich noch eine Rückwand und zwei Seitenwände.201 Dadurch wurde das Sichtfeld auf das Zentrum der Anlage, vor allem der Gäste, die an den Rändern und/oder im hinteren Teil der Tribüne ihre Plätze hatten, erheblich eingeschränkt – ein Kennzeichen vieler Tribünenbauten, zum Beispiel des 1925 in Betrieb genommenen Stadions in Frankfurt/Main. In diesem Stadion trat das Tribünengebäude, das die nördliche Längsseite abschloss, besonders wuchtig in Erscheinung. Es bildete das Zentrum des Stadions und erhob sich über den Ringwall der mit Beton eingefassten Sitzstufen. Die Tribüne hatte zum Spielfeld je eine Fassade und war im Zentrum mit massigen, klassizistischen Säulen versehen. Die Tribüne eignete sich hervorragend als Hintergrund und Kulisse für ebenfalls im Stadion zur Aufführung gebrachte Tanz- und Theaterstücke, aber als Ort des Zuschauens war sie unzweckmäßig. Sie galt zwar als ein architektonisches Meisterwerk, aber einzelne Plätze hatten keine Sicht auf das Spielfeld.202 Wenn aber die Tribüne als Aussichtsplattform eine untergeordnete Rolle spielte und mehr als Ansichtsplattform, als Blickfang und Hintergrund gedacht wurde, was sollte sie dann inhaltlich vermitteln? An diesem Punkt stießen die repräsentativen und funktionellen Elemente des Tribünenbaus aufeinander. Auf der einen Seite galt, insbesondere für Vertreter des DRA und Architekten wie Johannes Seiffert, als Faustregel, im Zweifelsfalle der Repräsentationsfunktion immer der Vorzug zu geben und in diesem Fall auch den Verlust an Tribünenplätzen mit guter Aussicht in den Ecken, die durch die Rückwand der Tribüne und der Seitenwände des Mittelbaus ge­bildet wurden, nicht weiter zu bedauern.203 Diem, für den Tribünen mit frei schwebendem Dach wegen der mangelnden repräsentativen Wirkung den »Eindruck einer offenen Scheune« machten, schlug pragmatisch vor, die entsprechenden Plätze einfach nicht zu bestuhlen.204 Auf der anderen Seite aber nutzten Stadionarchitekten ab etwa Mitte der 1920er Jahre verstärkt die Baustoffe Beton und Eisenbeton, um freischwebende Dächer zu konstruieren und führten somit auch eine Versachlichung des Tribünenbaus ein, die in der Regel mit einem weitgehenden Verzicht auf historisierende Stilformen und mit einer einsehbaren Stützkonstruktion aus Beton und Eisenträgern einherging.205 So manifestierten sich im Tribünenbau verschiedene ästhetische und politische Ansichten. Bezeichnenderweise waren in dem vom Designer und Architekten Emanuel Josef Margold herausgegeben Band Bauten der Volkserziehung und Volksgesundheit (1930) auch Stadien vertreten. Vor allem über Abbildungen verlieh der Band, in bauhaustypischer Kleinschrift, der »forderung nach klarer konstruktiver form, nach zweckmäßigkeit [und] er201 Die Probleme werden geschildert in ebd., S. 106. 202 Diem, Die Anlage von Spiel- und Sportplätzen, S. 49–51; Ostrop, Deutschlands Kampfbahnen, S. 101. 203 Seiffert, Anlagen für Spiel und Sport, S. 135. 204 Diem, Die Anlage von Spiel- und Sportplätzen, S. 48 f. 205 Redslob, IX. Olympiade Amsterdam 1928, S. 5.

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fassung technischer fortschritte« Nachdruck. Dazu müsse man sich zum Neuen Bauen bekennen und sich frei machen von Tradition und »protzigem scheinfassadentum«. Im Gegensatz zu den Stadienbaubüchern der DRA waren die griechischen Bauten hier keine Erwähnung mehr wert. Neben US-amerikanischen Stadien waren Moskauer Sportanlagen und Tribünen sowjetischer AvantgardeArchitekten wie Nikolaj Ladovskij abgebildet. Von den deutschen Stadien waren lediglich die Anlagen in Köln, Breslau und Nürnberg aufgenommen.206 Der Vorteil eines frei schwebenden Daches liegt auf der Hand, zumindest wenn die Tribüne mehr Aussichtsplattform denn Ansichtsplattform sein sollte: Die Versachlichung des Tribünenbaus führte zu einer erheblichen Verbesserung des Sichtfeldes auf das Ereignis im Zentrum der Anlage. Ein herausragendes Beispiel hierfür war das zwischen 1926 und 1928 geplante und gebaute Nürnberger Stadion. Der Architekt Otto Ernst Schweizer, der 1924 bis 1929 Oberstadtbaurat in Nürnberg war und vom Architekturhistoriker Arnold Tschira als »Meister des Stahlbetons in Deutschland« bezeichnet wurde,207 entwarf das Stadion im Bauhaus-Stil. Kein anderes Stadion markierte so deutlich die endgültige Abkehr vom Erdstadionmodell wie das Nürnberger Stadion. Die Absage an jedwede Ornamentik, schmückende Säulen und Türmchen in historisierenden Stil war radikal. Der Stahlbeton in Skelettbauweise bestimmte die Ausführung. Die Funktionalität stand im Mittelpunkt, was für Schweizer nicht nur die gute Anbindung an die Verkehrsnetze oder die schnelle Entleerung des Inneren von Zuschauern, sondern auch die optimale Sicht der Zuschauer von jedem Platz auf das Geschehen im Innenraum umfasste. Schweizer war kein Gelegenheitsstadionarchitekt. Einige Jahre später (1931) entwarf er das Wiener Stadion nach ähnlichen Gestaltungsmerkmalen.208 Ausführlich hatte er sich mit internationalen und antiken Stadionbauten beschäftigt, die verschiedenen Anordnungsmöglichkeiten der Sitzplätze untersucht, mit verschiedenen Materialien experimentiert und Studien zu den verschiedenen Blickachsen unternommen.209 Er legte das Nürnberger Stadion für 34.000 Zuschauer aus. Die Tribüne mit 2.600 Sitzplätzen, deren Dach sich auf sechs schmale, nüchterne und die freie Sicht auf das Spielfeld kaum behindernde Pfeiler stützte, galt in ihrer Ausführung als innovativ und beispielhaft. Dass diese Versachlichung auch international im Trend des Stadionbaus lag, zeigt die Goldene Medaille im Kunstwettbewerb Architektur-Städtebau der 206 Margold, Bauten der Volkserziehung. Margold war ein ehemaliges Mitglied der Darmstädter Künstlerkolonie und späterer Vertreter des »Neuen Bauens«. Das Vorwort zu dem Band schrieb der damalige Minister des Innern des Volksstaates Hessen, Wilhelm Leuschner. Leuschner wurde 1944 wegen der Führung einer gewerkschaftlichen Widerstandsgruppe in Berlin-Plötzensse hingerichtet. Allgemein zur Architektur und Massenkultur in der Weimarer Republik siehe Hake, Topographies of Class. 207 Tschira, Otto Ernst Schweizer, der Architekt, S.  5–7. Zu Schweizer siehe ferner Boyken, Otto Ernst Schweizer; Pehnt, Deutsche Architektur seit 1900, S. 134–136. 208 Müllner, Wiener Stadion. 209 Siehe Schweizer, Sportbauten und Bäder.

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Abb. 16: Tribüne des von Otto Ernst Schweizer erbauten Nürnberger Stadions, ca. 1928/29.

IX.  ­Olympiade 1928 in Amsterdam, die das Nürnberger Stadion für den Gesamtentwurf erhielt.210 Die Nachteile einer solchen Hinwendung zu freischwebenden Tribünen­ konstruktionen liegen ebenso auf der Hand. Die Offenlegung des technischfunktionellen Gesichts des Stadions, indem man etwa auf durch Säulen verkleidete Betonkonstruktionen verzichtete, entriss der Tribüne einen Teil ihrer Distinktionsmerkmale, die im Wesentlichen zwei Elemente beinhalteten: Zum einen brachte sie ikonographisch als Zierde der Anlage und Proszenium durch Rückgriffe auf klassizistische Stilformen den so genannten Erziehungsauftrag des Sports zum Ausdruck. Zwar wurde die moderne Bauweise hervorgehoben, 210 Boyken, Otto Ernst Schweizer, S. 24 f. Siehe auch Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen, Deutscher Sportbau, S. 54.

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so im Falle des ganz in Eisenbeton ausgeführten Frankfurter Stadions, doch ihren eigentlichen Höhepunkt erreichte diese nach Meinung mancher Beobachter erst durch die »Vermählung« mit dem »antiken Baugedanken«.211 Zum anderen machten neue Baumaterialien und moderne Konstruktionsweisen massive repräsentative Außenfassaden, hinter denen sich das ausgewählte Publikum versammeln konnte, und Mauermassen, die als Raumgrenzen zu den übrigen Rängen dienten, überflüssig.

14. Von Zuschauern und Gästen Segregation und Distinktion im Stadion werden besonders anschaulich, wenn man die Logenplätze unter die Lupe nimmt. Vor allem die Haupt- oder Ehrenlogen (vor 1918/19 Kaiser- oder Hofloge), die in der Regel wuchtig und erhöht in der Mitte des Tribünenbaus lagen, spielten eine besondere Rolle. Die Funktionen der Loge lassen sich aus ihrer Form und ihrer räumlichen Gliederung ablesen. Durch die zentrale Platzierung der Logenplätze wurden zwei räumliche Prinzipien verbunden: Das Stadion als Ort einer sinnlichen Vergemeinschaftung und die Ausrichtung auf ein erhöhtes Zentrum, in der ein traditionelles Herrschaftsprinzip zum Tragen kam. Das Motiv, möglichst gut dem Sportgeschehen im Zentrum folgen zu können, spielte in diesem Fall eine eher nebensächliche Rolle. Das Kernprinzip dieser Logen war der freie Raum. Dieser freie Raum enthielt die Aufforderung zum Gespräch während der Sportveranstaltung. In der Tat bildete der freie Raum eine grundsätzliche Forderung des Logenbaus, da die Gäste sich dadurch bewegen konnten und auf diese Weise Gelegenheit fanden, eine »angenehme Geselligkeit« zu finden.212 Auch beim Versuch, Stadionbauten zu standardisieren, wurde 1927 festgehalten, dass die Loge sich durch Geräumigkeit auszeichnen müsse, damit die Gäste unter­ einander die Plätze wechseln und sich unterhalten können.213 Soziale Differenzierung zeigt sich hier durch den Anspruch auf Privatheit und gepflegte Geselligkeit, welche erstens eine ausreichende räumliche Ab­ geschlossenheit und zweitens Geräumigkeit voraussetzte. Logen ermöglichten Raumprofite, da deren Belegung nicht nur einen Prestigezuwachs versprach, sondern es darüber hinaus ermöglichte, zu Personen und Gegenständen, mit denen man keinen unmittelbaren Kontakt wünschte, Distanz zu wahren.214 Die Loge befreite den »Gast« von der Gesellschaft des »Publikums« – und bezeichnenderweise war nur in Bezug auf die Logenplätze vom »Gast« die Rede, an211 Festbuch zur Stadionweihe Frankfurt, S. 24, 101. 212 Diem, Die Anlage von Spiel- und Sportplätzen, S. 53. 213 Diem/Matthias, Übungsstättenbau, S. 106. 214 Der Begriff »Raumprofit« ist dem analytischen Vokabular Bourdieus entnommen. Siehe Bourdieu, Physischer und angeeigneter physischer Raum, S. 31.

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sonsten wurden durchgehend die Begriffe »Zuschauer« oder »Publikum« verwendet. Die Loge enthob also den Gast dem Zuschauer und damit der Masse. Gleichzeitig garantierte sie dem Gast herkömmliche Arten des Kulturkonsums. In dieser Hinsicht ist das geräumige und auf interne Kommunikation und Geselligkeit ausgerichtete Arrangement der Loge spezifisch bürgerlich, ähnlich den Kaffeehäusern und Theatern. Diese Eigenschaft wurde zusätzlich durch die materielle Ausstattung unterstrichen. Auf der einen Seite sollte den Gästen der schnelle Zugriff etwa auf Fernsprecher möglich sein. Dabei war es von Vorteil, dass aus Platzgründen die Technik des Stadions und die Umkleiden unter den Logen untergebracht waren. Auf der anderen Seite achtete man aber penibel darauf, dass »unschöne« technische Elemente des Stadions dort nicht offensichtlich wurden, das z. B. die Kabel der Lautsprecheranlagen, die »häßlichen Schalltrichter« oder die Sanitätsräume, Duschen sowie Presse- und Fernsprechräume unter dem Tribünenbau nicht zu sehen waren.215 Und während die Steh- und Sitzplätze schmucklos gestaltet waren, zeichneten sich viele Logenplätze in der Regel durch historisierende Bau­ elemente aus. Modernität und Funktionalität wurden verhüllt, da der Bau nicht als nüchternes Produkt von Maschinen erscheinen durfte. Die im Logenbau verknüpften Elemente orientierten sich an einem Kult des Erhabenen und Ewigen, unter Einbeziehung all jener Elemente, die bereits in der Vergangenheit Prestige genossen und zum legitimen Geschmack gehört hatten; ein zusammengewürfeltes symbolisches Kapital, das über seine stilistischen Konnotationen Anerkennungs­profite versprach.216 Ehrenlogenplätze stattete man zu besonderen Anlässen mit schweren Teppichen, Kissen oder Pflanzenschmuck aus – Zeichen des behaglichen »Bourgeoisgefühls«, des dekorativen »Als ob«, das in Kontrast zum technischen und funktionalen Charakter des Stadions stand.217 Doch diese Kennzeichen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der konkreten Gestaltung von Logenplätzen zu Variationen kommen konnte. Einerseits waren die meisten Stadienlogen der 1920er Jahre, vor allem die der­ jenigen Stadien, die nach 1925 eingerichtet worden waren, zwar nach außen abgeschlossen, aber nach innen weiträumig, weil auf eine weitere Binnen­ unterteilung verzichtet wurde. Die Funktion der Loge, bürgerliche Geselligkeitsformen im Stadion räumlich zu unterstützen und hervorzurufen, wurde so im Sinne der erwähnten Ergebnisse der Tagung für Übungsstättenbau gelöst, indem man sowohl das Sehen und Gesehenwerden als auch die Mobilität innerhalb der gesetzten Grenzen berücksichtigte. Andererseits aber orientierten sich einige Logenplätze am Theatermodell, also an einer Loge, die nur nach einer Seite 215 Diem/Matthias, Übungsstättenbau, S. 106. 216 Bourdieu, Sozialer Raum und symbolische Macht, S. 149. 217 Als Beispiel kann, wie dargelegt, die Einweihung des Deutschen Stadions dienen. Zum Plüsch als Metapher des Behaglichen und des »Bourgeoisgefühl« im Wilhelminismus siehe Bruch, Kaiser und Bürger, S. 38. Eine Bestandsaufnahme der Ehrenlogenausstattung des Deutschen Stadion Mitte der 1920er Jahre kann man entnehmen: CuLDA, Sachakten, Mappe 24: Renovierung der Ehrenloge, April 1926.

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Abb. 17: Die »einfachen« Logenplätze des Deutschen Stadions (Berlin) rechts und links unterhalb der Ehrenloge (vormals Kaiserloge) während des Propagandalaufens deutscher Athletik-Vereine, März 1923.

hin offen und von anderen angrenzenden Logen durch Trennwände separiert war und die  – nach der Beschreibung in Meyers Großem Konversations-Lexikon (1908) – im Wesentlichen eine nur kleine Zahl von Sitzplätzen beinhaltende »Zuschauerzelle« darstellte.218 So waren die einzelnen Logen im Deutschen Stadion bis weit in die 1920er Jahre hinein durch etwa knapp anderthalb Meter hohe Holzwände vonein­ ander getrennt und für jeweils vier oder acht Personen angelegt. Diese Binnen­ separierung der Logenplätze in einzelne Kleinräume implizierte eine gewisse Abgeschiedenheit, ermöglichte die individualisierte und distanzierte Form der Teilhabe an den Veranstaltungen sowie gegenseitige Besuche und ein relativ ungehindertes Kommen und Gehen. Trotz des Umstands, dass diese Form der strikten Trennung von Logenplätzen, zumindest im Logentheater, bereits im 19. Jahrhundert Gegenstand von Auseinandersetzungen war und um 1900 vielerorts die Trennwände abmontiert wurden, um neuen Geselligkeitsformen zu entsprechen und, zumindest in bürgerlichen Stadt- und Nationaltheatern, wenigstens symbolisch die Beseitigung von Standesgrenzen zu demonstrieren, zeigt sich an konkreten Orten wie der Berliner Großsportanlage, dass Stadien 218 Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6.  gänzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage, Bd. 12, 1908, S. 659.

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keineswegs so eindeutig Marker einer modernen, demokratischen oder egalitären Massenkultur waren. Und ebenso wie sich an räumlichen Strukturen Steuerungsphantasien der Stadionerbauer und soziale Distinktionsstrategien im Sportkonsum ablesen lassen, lassen sich daran auch verschiedene Nutzungs­ formen und Momente der Ungleichzeitigkeit festmachen. Raumbildende Artefakte sind wegen ihrer Trägheit und Beständigkeit nicht schlicht Seismographen gesellschaftlicher Zustände. An den Logenvariationen lässt sich ebenso wie an äußerlichen, zwischen eklektizistischer Aneignung klassizistischer Motive und Versachlichung schwankenden Gestaltungsmerkmalen zeigen, dass räumlichmaterielle Anordnungen im Sportkonsum nicht einfach eins zu eins jeweilige zeittypische und dominante Geselligkeitsformen, soziale Strukturen und Distinktionsstrategien spiegeln, sondern vielmehr ein bewegliches und variables Feld waren, wobei hier in der Weimarer Periode Veränderungen stattfanden, die sich offensichtlich nicht unmittelbar, sondern zeitverzögert, erst nach und nach im Stadion niederschlugen.219

219 Zur damit zusammenhängenden Auseinandersetzung mit Bourdieus These von der Trägheit sozialer Strukturen siehe Schroer, Räume, Orte, Grenzen, S. 102.

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IV. »Stadionvolksfeste«: Kampfspiel und Festspiel

1. Das Stadion als Ort politischer Festkultur Am 2.  Oktober 1927 wurde Paul von Hindenburg 80  Jahre alt. Knapp zwei­ einhalb Jahre zuvor (April 1925) hatte der »Held von Tannenberg« bei der Wahl zum Reichspräsidenten über Wilhelm Marx, den Kandidaten der Demokraten, gesiegt – die Republik und die Republikaner waren in die Defensive geraten.1 Wolfram Pyta hat in seiner Biographie detailliert herausgearbeitet, wie sehr Hindenburg als Inkarnation einer Sehnsucht nach nationaler Vergemeinschaftung galt und wie gut er sich auf »symbolisierende Politikrepräsentation und symbolische Politikinszenierung« verstand.2 Hindenburg steht für einen Stil, der die pragmatischen und performativen Dimensionen des Politischen zusammenführte, einen Stil, den man – so Pyta – anknüpfend an die kultursoziolo­ gische Forschung als »figurative Politik« bezeichnen kann.3 Der Ort dieser figurativen Politik war zumindest an Hindenburgs 80. Geburtstag vor allem das Stadion, genauer das Deutsche Stadion in Berlin. Nachdem der Reichspräsident am Morgen des 2.  Oktober einer Musikkapelle gelauscht und die Gratulationsempfänge bewältigt hatte, folgte der Hauptteil der Festchoreographie. Die Huldigungen zahlreicher an den Straßen versammelter Menschen entgegennehmend, wurde er ins Deutsche Stadion gefahren. Dort erwarteten ihn bereits etwa 40.000 Menschen. Nach einer Fahrt auf der Laufbahn an den Zuschauerplätzen vorbei und einigen Reden sangen tausende Berliner Schulkinder im Inneren des Ovals vaterländische Lieder. Es lohnt sich, genauer auf die Choreographie dieses Festes zu schauen. Die jubelnde Menge war nämlich keine spontan angerückte Masse. Es handelte sich vielmehr um Gruppen, die von der Festorganisation im Büro des Reichspräsidenten sorgfältig ausgesucht worden waren. Diese Gruppen standen Spalier, das gemäß einem Aufstellungsplan und entlang Berliner Straßen ins Stadion führte. Ich will nicht

1 Siehe beispielsweise Büttner, Weimar, S. 348 f. 2 Pyta, Hindenburg, S. 63, 484. 3 Ebd., S. 63. Zum Konzept siehe Soeffner/Tänzler, Figurative Politik. Die Autoren verstehen unter figurativer Politik die »spezifisch soziale Konstellation, in der sich die konkreten Beziehungsweisen zwischen symbolischer Repräsentation, Ästhetik und Pragmatik politischen Handelns als jeweils historische Strukturtypen« gestalten. Ihrer Konzeption liegt eine Auffassung zugrunde, in der politisches Handeln symbolischer Mittel bedarf, und mehr noch, das »Politische als Repräsentation einer alltagstranszendierenden Wirklichkeit selbst symbolisch verfasst« ist. Siehe dies., Einleitung, S. 8.

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behaupten, dass nicht auch spontane Besucher anwesend waren, die den Reichspräsidenten bejubelten. Doch was man am Straßenrand und im Stadion sah, war nicht »die Bevölkerung«, sondern ihre Repräsentation, die etwa Burschenschaften, Krieger- und vaterländische Frauenvereine, Handwerksvereinigungen sowie Sport- und Turnverbände beinhaltete, aber beispielsweise Vertreter der Arbeiterbewegung ausschloss.4 Doch die Arbeiterbewegung hatte, wie die überzeugten Republikaner, ihre eigenen Feierlichkeiten, und auch diese fanden zuweilen, wie die Verfassungsfeier im August 1929 zeigt, im (Deutschen) Stadion statt. Vor ca. 50.000 Zuschauern bestand diese Feier vornehmlich aus Gesang und turnerisch-sportlichen Massenfreiübungen. Diesmal sangen Berliner Schulkinder keine vaterländischen Lieder. Sie bildeten im Zentrum des Stadions eine lebendige Reichsflagge.5 Als Carl Diem im August 1933 die Bedeutung des Deutschen Stadions zusammenfasste, versäumte er nicht, die Geburtstagsfeier Hindenburgs zu erwähnen. Dass im Deutschen Stadion auch und vor allem Sportgeschichte geschrieben wurde, erschien ihm offenbar unter den neuen politischen Rahmenbedingungen des »Dritten Reichs« vernachlässigenswert. Zumindest erwähnte er keinerlei Sportveranstaltungen, im Gegensatz zu Festveranstaltungen, die namentlich aufgezählt werden: »Wallensteins Lager«, das das Stadion in eine riesige Freiluftbühne verwandelte, die abendlichen Musikfeste der Reichswehr, die unter Fackelschein mit dem Zapfenstreich und einem Feuerwerk endeten oder die zweimalige Nutzung des Baus für Feiern der Katholischen Kirche. In der Hauptsache aber betonte Diem die politischen Festveranstaltungen. Beginnend mit der Einweihung des Stadions 1913 im »Glanze des Kaiserhauses« und den Armeemeisterschaften sieben Wochen vor Kriegsbeginn schlug er den Bogen zur ersten Tannenbergfeier in den Anfangsjahren der Republik (1920). »Von da ab wurden zahlreiche patriotische Feste in seinen Mauern gehalten, die Hindenburg-Huldigung zum 80. Geburtstage 1927, die Kundgebung gegen Versailles 1929, die Feier der Rheinlandräumung 1930 mit dem Festspiel Deutschlands Strom, die Feiern des Kyffhäuserbundes, des Stahlhelms usw.« Die Verfassungsfeier 1929 ließ er unter den Tisch fallen. An die Adresse der neuen Machthaber gerichtet, vergaß er aber nicht zu erwähnen, dass am 27.  Juli 1932 die NSDAP in diesem Stadion eine Kundgebung abhielt, bei der zahlreiche Menschen  – »120000 waren es wenigstens«  – den Worten Hitlers lauschten.6 Diese kurzen Ausführungen illustrieren eine bislang nur selten untersuchte Nutzungsform von Sporträumen. Sie zeigen erstens, dass sich die Geschichte 4 BA Berlin, Büro des Reichspräsidenten/Präsidialkanzlei, R 601/55–56. Eine Beschreibung der Feierlichkeiten befindet sich in Pyta, Hindenburg, S. 541 f. Ich danke Wolfram Pyta für seine wertvollen Hinweise. 5 Rossol, Performing the Nation, S. 71–79. 6 Diem, Zwanzig Jahre Stadion. Zum Kontext der NS-Kundgebung im Stadion, die im Zusammenhang mit der Reichstagwahl im Juli 1932 stand, vgl. Allen, The Nazi Seizure, S. 298.

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von Sporträumen keineswegs in Sportveranstaltungen erschöpft. Die Nutzungsformen konnten Sport beinhalten, in manchen Fällen aber auch bewusst ausschließen, wie die Feiern der Katholischen Kirche oder die Musik- und Thea­terveranstaltungen.7 Zweitens machen sie deutlich, dass es sich dabei in der Hauptsache um Ereignisse handelte, die von den Zeitgenossen als »Fest« bezeichnet wurden. Zusammenfassend lässt sich hier festhalten, dass der Blick allein auf die rein sportliche Verwendung einen wesentlichen Teil der Geschichte von Sporträumen und des Sports selbst außen vor lässt. Um den Sport als Teil einer politischen Festkultur sowie um die Rolle von Stadien als Festorte wird es im Folgenden gehen. Dabei werde ich hauptsächlich die Deutschen Kampfspiele behandeln. Die Kampfspiele sind nicht willkürlich als Beispiel gewählt worden. In ihnen manifestiert sich das Bemühen, Stadien auch als nationale Festspielorte zu deuten und den Sport in die Reihe der angesehenen politischen Feste einzureihen. Dabei zeigt sich, dass diese Bemühungen kein Produkt der Weimarer Republik oder gar des »Dritten Reiches« sind, sondern – wie schon das »Huldigungs-Sportfest« 1913 angedeutet hat – im Kaiserreich wurzeln. Ferner ist die politische Konnotation der Deutschen Kampfspiele wichtig. Sie waren keinesfalls nur ein originär in der Weimarer Republik wurzelnder Versuch bürgerlicher Sportverbände, den Ausschluss aus den Olympischen Spielen nach dem Ersten Weltkrieg zu kompensieren.8 Von den ersten Planungen in den letzten Jahrzehnten des Kaiserreiches bis zur Durchführung in der Weimarer Republik standen die Kampfspiele auch für den Versuch, den Sport in die nationale Festszenerie zu integrieren.

2. Zum Verhältnis von Sport, Fest und Stadion Das Stadion war der spezifische Festort der Weimarer Zeit. Dies gilt nicht nur für die mittlerweile gut erforschte Festkultur der Arbeiterbewegung.9 Als der DRA 1927 beim Magistrat der Stadt Berlin um eine großzügigere Unterstützung beim Um- und Ausbau des Deutschen Stadions warb, führte er wie selbstverständlich auf, dass die Reichshauptstadt diesen Bau nicht nur für sportliche Großereignisse, sondern ebenso für »große Festlichkeiten und Volksversammlungen« brauche: »Massenkonzerte, Sprechchöre, Tanzaufführungen«, 7 Wegen ihrer in Grundzügen panoptischen Anlage wurden Stadien auch als Gefängnisse, Folterstätten oder Exekutionsorte verwendet. Beispiele sind die Internierung jüdischer Bürger im Wiener Prater Stadion 1938, die Estadio National und Estadio Chile in Santiago de Chile während des Militärputsches 1973 oder die öffentlichen Hinrichtungen im Olympiastadion von Kabul 2001. Siehe Hachleitner, Das Stadion als Gefängnis; Marschik, Kathedralen der Moderne. Zum Panopticon siehe Foucault, Überwachen und Strafen, S. 251–292. 8 So Rossol, Performing the Nation, S. 42. 9 Aus der Fülle der Literatur siehe ebd. und Warstat, Theatrale Gemeinschaften.

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eben »künstlerische Darbietungen aller Art«. Das Stadion sei eine »WeltstadtFreiluft-Arena«.10 Ein Kategorialbegriff, um diese außergewöhnlichen Züge von Sporträumen in den Griff zu bekommen, ist der des »Festes«. Die Verflechtung von Sport, Fest und Raum ist reich an Implikationen. Als allgemeine Merkmale des Festes gelten: Heraushebung aus dem Alltag, räumliche Abgrenzung, zeitliche Ordnung und das Außerkrafttreten konventioneller Verhaltensformen.11 In der sozialwissenschaftlich-historischen Forschung gilt das Fest als eine weitgehend von Affekten bestimmte Angelegenheit. In diesem Sinn erscheint das Fest als ein sozialer Ort, an dem Emotionalität nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht ist.12 Vergemeinschaftung und Konfliktentlastung sind wichtige Funktionen und Wirkungen, da im Fest an einem bestimmten Ort und innerhalb einer bestimmten Zeitspanne »alltägliche Wirklichkeit durch auratische Wirklichkeit substituiert wird.«13 Lars Deile weist dem Fest gar die Eigenschaften einer rauschhaften Transzendenzerfahrung oder eines therapeutischen Exzesses zu.14 Wie sieht es nun aus, wenn dieser Fest-Begriff auf den Sport angewandt wird? Obwohl Feste mittlerweile ein vielfach vermessenes Forschungsfeld sind, stellt der Sport in diesem Kontext noch immer ein Desiderat dar.15 Wendet man die oben genannten Fest-Merkmale auf Sportveranstaltungen an, so können diese als Versammlungen mit festlichen Elementen außerhalb der Zweckbestimmung einer religiösen oder politischen Überlieferung definiert werden. Im Unterschied zu dem »Huldigungs-Sportfest« 1913 stand bei der Sportveranstaltung, solange sie nur Sportveranstaltung blieb, der Leistungswettbewerb im Vordergrund, um den sich alle anderen Handlungen gruppierten. Der Besuch von Sportveranstaltungen war eine außergewöhnliche, aber regelmäßig wiederkehrende Gelegenheit zur »Verausgabung von Affekten« befreit von gesellschaftlichen Verhaltenskonventionen und Rücksichtnahmen.16 In diesem Sinne kann man Sportveranstaltungen im Allgemeinen einen festlichen Charakter zuschreiben, wobei für den festlichen Charakter der Sportveranstaltung wesentlich ist, dass sich affektive Handlungen nicht nur spontan äußerten  – etwa als impulsive Reaktion auf das Wettkampfgeschehen –, sondern auch in 10 CuLDA, Sachakten, Mappe 24: Der Vorstand des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen. An den Magistrat der Stadt Berlin, 6. Juni 1927, S. 1. Die Ausführungen dienten vor allem dazu, die Stadt Berlin zur Übernahme der Kosten des Stadion-Ausbaus zu be­ wegen, wobei die Kosten auf 1,9 Millionen Mark veranschlagt wurden. 11 Maurer, Prolegomena zu einer Theorie des Festes. 12 Gebhardt/Zingerle, Pilgerfahrt ins Ich, S. 23 f. 13 Kleiner, Der Kaiser als Ereignis, S. 341. 14 Deile, Feste, S. 6. 15 Einen guten Überblick zu den Kernbegriffen und einschlägigen Studien bietet noch immer Maurer, Feste und Feiern. Zu den wenigen Versuchen, Sportfeste aus einer historischen Perspektive in den Blick zu nehmen, siehe Teichler, Sportliche Festkultur und Rossol, Performing the Nation. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang Saldern, Sport und Öffentlichkeitskultur. 16 Prosser, »Fußballverzückung«.

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ritualisierten Formen fixiert und verstärkt wurden. Zutreffend bezeichnete Günter Wiegelmann bereits 1987 in einer ethnologischen Überblicks­studie Sportveranstaltungen als »Zuschauerfeste« und hob diesen Umstand als Periodisierungskennzeichen der europäischen Freizeitkultur nach 1945 hervor.17 Dass diese Entwicklung aber weitaus tiefer in der Vergangenheit wurzelt, zeigt eine Bemerkung im 1925 erschienenen Feste und Spiele des deutschen Landvolkes. Das Lehrbuch für traditionelle Feste und Brauchtum beklagte die Verdrängung alteingesessener »Fest-Spiele« wie des Bosselns in Friesland durch den Fußballsport.18 Dem Sportfest kam eine vergleichbare Bedeutung zu wie der allgemeinen Festkultur: Es vermittelte auch immer Werte und Normen. Am Festgeschehen, an seinem Ablauf und Symbolreservoir lassen sich sowohl die Ordnung der Gesellschaft als auch utopische Gegenentwürfe ablesen. In dieser Hinsicht lassen sich am Sportfest auch die Schwachstellen der anfangs dargelegten Festdefini­ tionen aufzeigen, die sich – wie Kasper Maase argumentiert – in der Neigung zu »romantischen und überhöhten Lesarten« des Festes zeigen. Wir haben es hier nicht mit Gegenwelten zu einem als »nüchtern-rational und konkurrenz­ individualistisch entfremdet verstandenen Alltag« zu tun.19 Die Figur eines klar abgrenzbaren und durch karnevaleske Elemente bestimmten leisure space im Sinne Rob Shields oder einer »Anti-Struktur«, wie sie Victor Turner geprägt hat, also eine spielerische Gegenwelt, die klar von den Normen, wie sie vor und nach dem Fest gelten, abgrenzbar ist, ist nur in eingeschränkter Weise auf den Sport anwendbar.20 Die Ambivalenz des Sportes in Bezug zum Fest bestand gerade darin, dass er einerseits außeralltägliche Affekthandlungen ermöglichte und einen gewissen utopischen Zug aufwies, der sich – wie schon geschildert – im egalitären Strukturprinzip des Wettkampfes manifestierte. Andererseits reproduzierten und verlängerten Sportveranstaltungen mit ihrer Leistungsorientierung, ihren an abstrakten Quantifizierungen angelehnten Bewertungskriterien, kurz mit ihrem Prinzip der rational organisierten Konkurrenz, gesellschaftliche Strukturen, statt sie zeitweilig und ortsgebunden außer Kraft zu setzen. Es ist keine Frage des Entweder-Oder, vielmehr sind beide Züge prinzipiell im sportlichen Wettkampf angelegt. Dass Sportveranstaltungen sich durch ihre Differenz zum Alltag auszeichneten, steht dabei außer Frage, jedoch manifestierte sich diese Differenz weniger in einer »Anti-Struktur« als vielmehr in der spielerisch gesteigerten Verlängerung alltäglicher Erfahrungen. Der Ereigniskern 17 Wiegelmann, Die Aufgabe, Volkskultur zu periodisieren, S. 187. 18 Hierzu Prosser, »Fußballverzückung«, S.  290; Kramer, Die letzten hundert Jahre, Bd.  1, S.  136 f. Beide Autoren beziehen sich auf die dritte Auflage von Sohnrey/Kück, Feste und Spiele des deutschen Landvolkes. Sohnrey gehörte aufgrund seiner Affinität zur völkischen »Blut und Boden-Ideologie« zu den von den Nationalsozialisten besonders hofierten Volkskundlern. Er war einer von den 88 Unterzeichnern des »Gelöbnisses treuester Gefolgschaft« für Adolf Hitler im Oktober 1933. Siehe Klee, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich, S. 575. 19 Zitate Maase, Die Menge als Attraktion, S. 25. 20 Shields, Places on the Margin, S. 83–100; Turner, Das Ritual.

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der Sportveranstaltung führte ein Prinzip vor, das in modernen Gesellschaften einen Leitwert darstellt: den Wettbewerb unter gleichen Ausgangsbedingungen und den Erfolg ausschließlich gemessen an Leistungskriterien. Karl Heinz Bette spricht deshalb für den symbolischen Kern von Sportdarbietungen treffend von »Feierstunden des Leistungsprinzips«.21 Dass es sich bei einem Stadion um mehr als eine bloße Spielstätte handelt, hat bereits Johan Huizinga erkannt, der in seiner Studie Homo ludens die Bedeutung der Abgrenzung des Raums hervorhob: »Unter den formalen Kennzeichen des Spiels war die Herausnahme der Handlung aus dem gewöhnlichen Leben die wichtigste. Ein geschlossener Raum wird materiell oder ideell abgesondert, von der täglichen Umgebung abgesteckt.«22 Notwendig war also ein spezifischer, abgegrenzter Festort, aber erst kollektives ereignisstiftendes Handeln ließ das Stadion zu einem außeralltäglichen Erfahrungs-, Kommunikations- und Handlungsraum werden. In dieser Beziehung kann das Stadion als »Festplatz der Weltausgrenzung« bezeichnet werden.23 Wenn das Fest immer auch ein außeralltägliches Ereignis ist – und zur Etymologie des Wortes Ereignis gehört wiederum das neuhochdeutsche »eräugen« oder »Eräugnis« für »sich zeigen« –, dann wird klar, dass Sportfeste ohne den Zuschauer, den Beobachter, der etwas sieht, nicht zu denken sind.24 Dieser Umstand verdeutlicht eine weitere wesentliche Festfunktion des Stadions. Ein zeitgenössischer Beobachter wie Alexander Dominicus, stellvertretender Vorsitzender des DRA und Oberbürgermeister von Berlin-Schöneberg (1911–1921), sprach in diesem Zusammenhang gar von »Stadionvolksfesten«.25 Allein die schiere Größe der Stadien, der weitläufige Innenraum, die durch das Oval ermöglichte gute Sicht ins Zentrum der Anlage, die durch die innere Segmentierung ermöglichten Repräsentationsmöglichkeiten und die logistischen Vorteile der Führung und Entleerung gehörten zu den charakteristischen Eigenschaften des Stadions, die sie zu Festorten, oder, in den Worten des Architekten Otto Ernst Schweizer, zu »Großversammlungsräumen« geradezu prädestinierten.26 Der Begriff »Großversammlungsraum« ist treffend, denn die Geschichte des Stadions in seiner amphitheatralischen Form ist, zumindest was seine moderne Zweckbestimmung und Nutzung angeht, nicht allein auf den Sport beschränkt. Schon ein kurzer Blick auf die Festkultur der Französischen Revolution zeigt weitere Traditionslinien auf. Für den Architekturhistoriker Franz-Joachim Ver21 Bette/Schimank, Sportevents, S. 319. 22 Huizinga, Homo Ludens, S. 26. 23 So Prosser, »Fußballverzückung«, S. 271. 24 Sahlins spricht in diesem Zusammenhang von der Konstitution des Ereignisses durch kulturelle Strukturen. Sahlins, Die erneuerte Wiederkehr des Ereignisses, S. 89. Zur Etymologie des Wortes »Ereignis« vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch, S. 229. 25 Dominicus, Bedeutung der Stadionvolksfeste. Dominicus (DDP) war zudem Vorstandsmitglied des Jungdeutschlandbundes und 1921 preußischer Innenminister. Siehe Broßmer, Alexander Dominicus. 26 Zitat n. Tabor, Olé, S. 83.

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spohl stellt die mit Erdrängen ausgestattete Arena am Pariser Champ de Mars, die für die Fête de la Fédération am 14.  Juli 1790, dem Jahrestag der Erstürmung der Bastille, errichtet wurde, das erste dauerhafte Stadion der Neuzeit dar.27 Auch eine der ersten theoretischen Reflektionen der Neuzeit über die Vorzüge des Stadions für politische Massenveranstaltungen entstammt diesem Kontext: Das Kapitel Colisée aus dem Essai sur l’art von Étienne-Louis Boullée. Boullée ging es um eine auf den Trümmern der Monarchie neu zu erfindende, den Idealen der Revolution entsprechende Festkultur.28 Drei Ziele waren darin eingebunden: Durch eine den antiken Amphitheatern entlehnte Festarchitektur sollte erstens eine Verdichtung der revolutionären Massenfeste erfolgen.29 Zweitens zielte er dadurch auf eine stärkere Einbeziehung der Zuschauer in das Festgeschehen, gerade auch in Abgrenzung zur monarchischen Festkultur, die, wenn die Bevölkerung überhaupt einbezogen wurde, die klare Ausrichtung der Massen auf den Herrscher und seine Repräsentanten vorsah. Drittens schließlich wollte Boullée die Masse auf ein Ziel ausrichten, wobei das Ziel, und das war das Neue, auch immer die Masse selbst war. »Man stelle sich 300.000 Menschen unter einer amphitheatralischen Anordnung vor, wo keiner den Blicken der Menge verborgen bleiben kann. Aus dieser Anordnung ergäbe sich eine einzigartige Wirkung: die Schönheit des erstaunlichen Schauspiels würde von den Zuschauern selbst ausgehen. Sie selbst wären das Schauspiel.«30 Auch ein genauerer Blick auf die anfangs erwähnte Aufzählung Diems zeigt, dass das, was als »Fest« bezeichnet wurde, häufig ein politisches Ereignis war. Diems Rückschau auf die Bedeutung des Deutschen Stadions offenbart zunächst natürlich seine Anbiederung an die neuen NS-Machthaber, denen es weniger auf den sportlichen Charakter des Baus ankam als auf die damit verknüpften Optionen politischer Repräsentation.31 Die von ihm aufgelisteten Ereignisse zeigen aber auch, dass das Zusammenspiel von Sport, Stadion und politischer Festkultur keineswegs auf autoritäre Staaten beschränkt war – neben den Olympischen Spielen 1936 in Berlin können in dieser Hinsicht die Moskauer Stadionbauten der 1920er Jahre oder das 1932 in Rom errichtete Foro Mussolini (heute Foro Italico) als Beispiel dienen,32 – sondern in Deutschland eine bis ins späte Kaiserreich zurückreichende Traditionslinie aufweist.33 27 Verspohl, Stadionbauten, S. 7. 28 Ebd., S. 27–32. 29 Richard Sennett hat den Unmut der Organisatoren der revolutionären Feste über die Ziellosigkeit der sich überallhin zerstreuenden Massen herausgearbeitet. Siehe Sennett, Fleisch und Stein, S. 378–384. 30 Zitiert n. Verspohl, Stadionbauten, S. 31. 31 Zu Diems Rolle im »Dritten Reich« siehe vor allem Becker, Den Sport gestalten, Bd. 3. 32 Schäche/Szymanski, Das Reichssportfeld; Gounot, Die Rote Sportinternationale, vor allem S. 218–224; Köhring, »Sporting Moscow«; dies., Exploring the Power of the Curve; Bolz, Ein neuer Mensch? 33 Siehe Dörner, Politischer Mythos und symbolische Politik; Tacke, Denkmal im sozialen Raum; Hettling/Nolte, Bürgerliche Feste.

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Abb. 18: Eine Gruppe von »Fridiricianern« im Parademarsch während des Reichskriegertags des Kyffhäuserbundes im Deutschen Stadion in Berlin, Oktober 1927. Anwesend waren u. a. Reichspräsident Paul von Hindenburg, der Reichswehrminister Otto Geßler und der Generalfeldmarschall August von Mackensen.

In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, sich die oben aufgeführte Argumentation des DRA aus dem Jahre 1927 anzusehen. Dort wird klar zwischen »sportlichen Großereignissen« und »Festlichkeiten« differenziert. Und in der Tat muss von dem Festcharakter, den jede Sportveranstaltung annehmen konnte, eine Form des Festes unterschieden werden, in die der Sport inkorporiert sein konnte. Zu denjenigen Festen, deren Handlungszentrum der Sport selbst war, kamen solche Feste hinzu, die zwar Sportwettkämpfe beinhalteten, im Kern jedoch einen Repräsentationsanlass hatten. In diesen Fällen war der Sport nicht Handlungszentrum, sondern eine von mehreren Handlungen, die sich um diesen Repräsentationsanlass herum bildeten. In anderen Worten: Sportliche Wettkämpfe waren ein Teil des Dargebotenen, ein Programmpunkt unter anderen, manchmal wesentlich für den Ablauf, manchmal nebensächlich. Die Anlässe der Feste galten etwa dem Geburtstag des Reichspräsidenten, der Weimarer Verfassung oder der Rheinlandräumung. Sie feierten beispielsweise die Kontinuität des Regierungssystems oder inszenierten die Einheit der Nation. Ein besonders prägnantes Beispiel sind die ab 1920 veranstalteten Reichs­ jugendwettkämpfe, an denen 1928 350.000 Menschen teilnahmen. Sie wurden jedes Jahr am 11.  August, dem Weimarer Verfassungstag, abgehalten, um die Verbundenheit des Sports mit der Republik zu demonstrieren.34 Der Sport war 34 Beyer, Sport in der Weimarer Republik, S. 658.

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hier kein Selbstzweck, sondern Mittel und Medium, um zum einen die »Besten« zu zeigen, indem man sie durch den Wettkampf bezeugte, und zum anderen den Repräsentanten des Landes Ehre zu erweisen.35 Diese Beispiele zeigen die »Stadionvolksfeste« als politische Feste, den Sport als Teil einer politischen Festkultur und Bestandteil symbolischer Ausdrucksformen des Politischen. In der Weimarer Republik wurden Stadien regelmäßig für derartige Massenfeste verwendet. Thomas Mergel hat in Auseinandersetzung mit der sich hartnäckig haltenden These von der an Symbol- und Bilderarmut leidenden Rationalität der Weimarer Republik, die dann der Bilder- und Zeichenflut des Nationalsozialismus erlag, gezeigt, dass diese Zeit durchaus reich an spektakulären Massenereignissen war.36 Im Zuge der zunehmenden Popularität des Sports und angesichts Tausender Menschen, die sich in den Stadien der Weimarer Republik versammelten, bemühten sich einzelne Politiker verstärkt darum, an dieser Popularität teilzuhaben. Offensichtlich bedurften die offiziellen Repräsentationsanlässe des Sports und des Stadions als Folie ihrer Wirksamkeit und Bedeutung.37 Dabei war es aber keineswegs nur so, dass »die Politik« aufgrund des Massencharakters des Sports Stadien als Orte der politischen oder nationalen Repräsentation zu nutzen begann, man also von einer politischen Indienstnahme von Sport und Stadien sprechen muss.38 Im Gegenteil, es waren vor allem die Sportverbände und hierbei insbesondere der Deutsche Reichs­ausschuss, die sich darum bemühten, Sport und Sporträume als Teil der politischen Festkultur zu etablieren.

3. Festspiel und Kampfspiel im späten Kaiserreich Erste Vorstöße zur Inkorporation von Sport in die politische Festkultur lassen sich bis zum letzten Jahrzehnt des 19.  Jahrhunderts zurückverfolgen.39 Diese Anfänge sind eng mit den Olympischen Spielen, genauer, mit dem Gedanken 35 Ein klassisches Beispiel hierfür liefert immer noch die Pionierstudie von Möhler, Das Münchner Oktoberfest. 36 Mergel, Propaganda. Paul spricht, was den Nationalsozialismus in den 1920er und 30er Jahren angeht, vom »Aufstand der Bilder«. 37 Alkemeyer, Verkörperungen, S. 203. 38 So etwa Marschik, Kathedralen der Moderne, S. 77. 39 Die Geschichte der Deutschen Kampfspiele bildet noch immer weitgehend einen weißen Fleck in der historischen Forschung. Die Monographie von Lissinna, Nationale Sportfeste, nimmt die Kampfspiele im »Dritten Reich« in den Blick und geht auf die der Weimarer Republik lediglich überblicksartig ein. Ebenso verfährt Bernett, Die Deutschen Kampfspiele des Jahres 1934. Hajo Bernett gehört zu denjenigen, die die Kampfspiele überhaupt erstmals auf die Agenda der historischen Forschung geholt haben. Aber auch er geht auf die Vorgeschichte nur auf zwei Seiten ein. Die Geschichte der Kampfspielpläne im 19. Jahrhundert hat Hamer, Entstehung und Inhalt, dargestellt. Als neuere Studie, die sich zumindest der Kampfspiele in Köln 1926 annimmt, vgl. Rossol, Performing the Nation.

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an die Durchführung nationaler Olympischer Spiele verwoben. Zu dieser Zeit trieb zunächst der Zentralausschuss für Volks- und Jugendspiele die Idee eines nationalen Sportfestes voran. Die Sedanfeste, die anlässlich des Sieges über Napoleon III. im September 1870 in zahlreichen deutschen Städten mit patriotischen Festreden, Tanzveranstaltungen und turnerischen Übungen stattfanden, dienten als Vorbild.40 Ein Jahr vor dem 25. Jahrestag der Schlacht bei Sedan schrieb der ZA einen Wettbewerb aus zum Thema: »Wie sind die öffentlichen Feste des deutschen Volks zeitgemäß zu reformieren und zu wahren Volksfesten zu gestalten?« Der Preisträger, Ernst Witte aus Braunschweig, beantwortete die Frage mit einem Hinweis auf den vermeintlich nationalen Charakter der antiken Olympischen Spiele. Zu dieser Zeit seien diese Spiele Ausdruck einer nationalen Idee gewesen und die dort betriebenen Übungen hätten dem Wohl des Vaterlandes gedient. Wenn man den nationalen Charakter der antiken Spiele mit dem deutschen »Volksfest« vermählen wolle – der Begriff Agon umfasse ja auch die musischen Künste –, dann liege die Veranstaltung eines rein deutschen Olympia nahe.41 Wittes Verweis auf die Olympischen Spiele traf einen entscheidenden Nerv, denn er fiel in ein Jahr heftiger Auseinandersetzungen, die sich um die deutsche Beteiligung an den frisch aus der Taufe gehobenen modernen Olympischen Spielen drehten, die erstmals 1896 in Athen stattfinden sollten. In Ermangelung geeigneter Ansprechpartner bat Demetrios Bikelas, Vorsitzender des IOC, Emil von Schenckendorff, Vorsitzender des ZA, Mitglied des Zentralvorstands der Nationalliberalen Partei und Abgeordneter im Preußischen Landtag, sich für eine deutsche Beteiligung stark zu machen. Doch ebenso wie die Deutsche Turnerschaft (DT) zuvor lehnte auch der ZA eine Beteiligung vehement ab.42 Die Gründe für diese Haltung waren vielfältig. Sie umfassten nationale Bedenken, die einer Beteiligung an internationalen Sportveranstaltungen im Wege standen, eine gewisse Skepsis gegenüber den Sinnprinzipien des englischen Imports wie Rekord, Wettbewerb und Individualität sowie gekränkte Eitelkeiten der ZA-Funktionäre, die sich durch ein unglücklich formuliertes Schreiben Pierre de Coubertins an Viktor von Podbielski, den damaligen Vizepräsidenten des Unionklubs, vor den Kopf gestoßen fühlten, weil Coubertin ihn als »eifrigen Protektor aller Sportarten« bezeichnet hatte.43 Mit der Absage des ZA an die Olympischen Spiele gewann Wittes Vorschlag eines national ausgerichteten »olympischen« Festes zunehmend an Attrak­ tivität. 1895 nahm der Physiologe Ferdinand August Schmidt, zweiter Vorsitzender des ZA und Ausschussmitglied der DT, diesen Faden auf und erklärte: 40 Naul, Gymnastics, Athletics, Games. 41 Witte, Wie sind die öffentlichen Feste; Raydt, Mitteilungen. 42 Bekanntermaßen wurde unter tatkräftiger Beteiligung Willibald Gebhardts 1895 das deutsche olympische Komitee gegründet und somit eine Beteiligung Deutschlands an den Spielen 1896 doch noch ermöglicht. Siehe Eisenberg, »English Sports«, S. 273–283. 43 Zum letztgenannten Punkt siehe Guttmann, The Olympics, S. 16.

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»Eine nationale Feier sei die Losung, keine internationale!«44 Die ersten Verlautbarungen dazu, was diese nationale Feier eigentlich darstellen, wie sie aussehen und welchen Zweck sie erfüllen sollte, waren naturgemäß verschwommen, auch wenn sich einzelne Kernelemente bereits herauszukristallisieren begannen. Erstens sollten die Spiele nach antikem Vorbild in regelmäßigen Abständen, aber an wechselnden Feststätten stattfinden. Zweitens waren die Abgrenzung zu den internationalen Olympischen Spielen und der Versuch, dem Sport »einen gemeinsamen vaterländischen Stempel aufzudrücken«, ihn »nach Form und Wesen national« zu gestalten, wesentliche Bestandteile dieser Idee.45 Als Schlüssel hierzu galt die Verschmelzung von Festspiel und Kampfspiel.46 Auch Teilnahmevoraussetzungen wurden formuliert. Sie waren den Motiven entsprechend nicht sportlicher Natur: »Nur eines setzen wir bei allen Teilnehmern voraus: eine treue deutsche Gesinnung, und stellen deshalb die Veranstaltung auf national-deutschen Boden.«47 Drittens finden sich schon 1896 Vorschläge, »Volksdramen« vorzuführen und als »Ornament« Männergesangsvereine auftreten zu lassen.48 In dem Bild, das die Protagonisten von diesen Veranstaltungen zeichneten, standen die Leibesübungen (also turnerische und sportliche Übungen) im Zentrum, waren aber umrahmt von musischen und künstlerischen Elementen und weihevollen Ansprachen, die der Veranstaltung erst den festlichen Charakter verleihen und zu einer »Veredelung« deutscher Festkultur führen sollten.49 Anfangs hatte die hier in Umrissen erkennbare Veranstaltung keinen feststehenden Namen, sondern firmierte abwechselnd unter »Deutsches Olympia«, »Nationaltag für deutsche Kampfspiele«, »Deutsche Wettkämpfe«, »Alldeutsche Kampfspiele«, »Deutsche Kampfspiele«, »Deutsches Kampfspielfest« oder schlicht »Das deutsche Fest«.50 1896 einigte man sich auf die Bezeichnung »National­tag für deutsche Kampfspiele«.51 Bis etwa 1898 nahm der Plan mehr und mehr Gestalt an. Mit der Gründung des Ausschusses für deutsche Nationalfeste 1897 (ein Jahr später in Reichsausschuss für die Deutschen Nationalfeste umbenannt) wurde auch ein Termin für die Spiele festgelegt. 1900, parallel zu den internationalen Olympischen Spielen in Paris, sollten nach Möglichkeit auch die nationalen Kampfspiele in Deutschland durchgeführt werden.52

44 F. A. Schmidt, Der Nationaltag für deutsche Kampfspiele, S. 350. 45 Ders., Die Wiederbelebung der olympischen Spiel, S. 1011 f. Siehe auch Goetz, Jahres- und Geschäftsbericht, o. S. 46 Schenckendorff, Denkschrift, S. 21. 47 Raydt, Nationaltage, S. 19. 48 Zitat n. Rühl, Das Nationalfest, S. 10. Siehe weiterhin Raydt, Nationaltage, S. 20 f. 49 Das Argument der Veredelung führt auf: Schenckendorff, Denkschrift, S. 16–18. 50 Hamer, Entstehung und Inhalt, S. 23. 51 F. A. Schmidt, Der Nationaltag, S. 349. 52 Zu diesem Zweck wurde eine Kommission ins Leben gerufen, die aus jeweils drei Mitgliedern des ZA und des DT zusammengesetzt war. Siehe Rühl, Das Nationalfest, S. 9 f.

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4. Das Stadion als nationale Feststätte: Erste Initiativen und Entwürfe Ende der 1890er Jahre wurde die Frage des Austragungsorts immer dringlicher. Sie entwickelte sich zu einem Problem, das sich auf das Gelingen oder Scheitern der ersten Kampfspielinitiativen entscheidend auswirken sollte. Es fällt auf, dass die meisten Vorschläge um die Angliederung der Großsportanlage an nationale Erinnerungsstätten und Denkmäler bemüht waren, ja in Einzelfällen sogar von vornherein die Kombination von Sportstätte und Nationaldenkmal projektiert war, und dass diese Stadionentwürfe zum Teil von denselben Architekten stammten, die auch die Denkmäler entworfen hatten.53 Um 1900 waren Standorte in der Nähe des 1883 im Gedenken an den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und die Gründung des Kaiserreichs eingeweihten Niederwalddenkmals am Rhein oberhalb der Stadt Rüdesheim und des Völkerschlachtdenkmals bei Leipzig im Gespräch.54 Am Fuße einer der beiden zentralen nationalen Erinnerungsstätten sollte das Stadion errichtet werden. Die verschiedenen Entwürfe zeigen die projektierten Stadien als monumentale Mischungen aus Freilufttheater und Amphitheater.55 Zunächst favorisierte der Reichsausschuss für deutsche Nationalfeste Leipzig als Standort. Doch seine Mitglieder bewiesen genug Realitätssinn, bei der Auswahl des Ortes neben symbolischen Gesichtspunkten auch ganz pragmatische Erwägungen einzubeziehen. Die zwei wesentlichen Kriterien fasste Hermann Raydt bündig zusammen: »Erstens muß eine Großstadt in der Nähe sein, die imstande ist, die Tausende der zum Feste strömenden Besucher zu beherbergen, und zweitens muß der Ort eine große nationale Bedeutung für Deutschland haben.«56 Leipzig erfüllte diese beiden Voraussetzungen. Dennoch scheiterte dieser Plan. Zum einen erwies sich das Terrain als ungeeignet, zum anderen konnte die Eigentumsfrage nicht geklärt werden. Der Festausschuss verlangte die Überlassung des Terrains als Eigentum, was Oberbürgermeister Otto Robert Georgi ablehnte.57 So verwarf der Ausschuss Leipzig als Festort für 1900. Nun standen sieben Entwürfe zur Auswahl: Frankfurt/Main, erneut Leipzig, mit einem Stadion­ entwurf des Architekten Arwed Roßbach, Goslar, Hannover, Kassel, Mainz, 53 Hierzu allgemein siehe Alings, Monument und Nation. 54 Diese frühen Initiativen zum Bau einer Großsportanlage trug im Wesentlichen die Gesellschaft Deutsche Nationalfeste, die wiederum der Zentralausschuss für Volks- und Jugendspiele finanziell unterstützte. Über diese Initiativen berichten die »Jahrbücher für Volksund Jugendspiele« 1898, 1900 und 1901. 55 Siehe die Werbeschrift des Reichsvereins für Vaterländische Festspiele, S. 37–39, hier S. 37. Ferner dazu Klein, Zwischen Reich und Region, S. 201–204, 221–223. Folgendes ist noch anzumerken: Auch wenn die Grundsteinlegung des Völkerschlachtdenkmals bereits 1898 erfolgte – die Einweihung fand wie die des Deutschen Stadion 1913 statt. 56 Zitat Rolfs, Deutsche Kampfspiele 1920, S. 14. 57 Rühl, Das Nationalfest, S. 65. Siehe auch Hamer, Entstehung und Inhalt, S. 31.

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wieder Rüdesheim-Niederwald und zwei Entwürfe am Kyffhäuser (KyffhäuserKelbra und Kyffhäuser-Langental).58 Insbesondere der letzte Entwurf bestach durch seine Gigantomanie. Baurat Wilhelm Böckmann und Architekt Bruno Schmitz  – letzterer bekannt durch seine monumentalen Provinzialdenkmäler für Kaiser Wilhelm I. in Koblenz am Deutschen Eck und an der Porta Westfalica oder das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig – beabsichtigten, dem Kyff­ häuserdenkmal ein riesiges, insgesamt 400.000 Menschen fassendes Stadion anzugliedern.59 Dem Architekten schwebten »Meisterschaften von Deutschland« vor, die dort durch sportliche und turnerische Übungen die Größe und Macht des Kaiserreiches demonstrieren sollten.60 Welche Vorstellungen über das Stadion als Feststätte lassen sich nun aus den Debatten herausschälen? Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es in all diesen Fällen darum ging, den sportlichen Wettkampf in eine nationale Fest­szenerie einzubetten. Darüber hinaus zeigt sich in den Auseinandersetzungen ein stark romantischer, antiurbaner Affekt. Die reichlich diffusen Vorstellungen forderten als Ort der Feststätte ein »von einem deutschen Alpheios durchströmtes, stilles Waldtal oder eine andere deutsche Ideallandschaft«.61 Das Motiv, die Kampfspiele nach Form und Wesen originär deutsch zu gestalten, bezog auch den Raum ein, in dem die Veranstaltung stattfinden sollte. Die geforderte deutsche Ideallandschaft war nichts anderes als eine symbolische Topographie, die die nationale Umdeutung der modernen Olympischen Spiele zum Ausdruck bringen sollte. Vor diesem Hintergrund überrascht es nur wenig, dass in der Sitzung des Ausschusses im Januar 1898 zuerst alle großen Städte ausschieden. Der zweite Präsident des Preußischen Abgeordnetenhauses und Mitglied des Ausschusses, Paul von Krause, begründete diese Streichung bezeichnenderweise mit folgendem Argument: »Das Fest muß im grünen Walde und in der freien Natur, nicht inmitten rauchender Fabrikschlote stattfinden.«62 Schließlich muss die militärische und antifranzösische Konnotation dieser Orte erwähnt werden. Nicht nur, weil Pierre de Coubertin, die zentrale Figur der olympischen Bewegung, ein Franzose war, sondern auch wegen des universalistischen und internationalen Charakters der Spiele waren die diskutierten Orte gegen Frankreich und den neuzeitlichen olympischen Gedanken ein Affront, der durch die Terminierung parallel zu den Olympischen Spielen 1900 in Paris noch an Schärfe gewann. 58 Siehe etwa Die Reichsfeststätte bei Mainz (Denkschrift); Deutsche Nationalfeste (Niederwald bei Rüdesheim a/Rhein). 59 Hierzu die Beiträge in Mai, Das Kyffhäuser-Denkmal 1896–1996. 60 Centralblatt der Bauverwaltung XVII/14 (3. April 1897). Weitgehend in Vergessenheit geraten sind die Planungen aus dem Jahr 1912 des belgischen Architekten Henry van de Velde, im Zentrum eines Denkmals für Friedrich Nietzsche in Weimar ein Stadion zu errichten. Van de Velde gilt als ein Vertreter des Jugendstils und im Rahmen des hier immanenten Körperkultes ging es ihm um die Verbindung von geistiger Kultur und körperlicher Kraft. Hierzu siehe Föhl/Kostka, Ihr Kinderlein kommet. 61 Rolfs, Die Deutschen Kampfspiele I., S. 62. 62 Zitat ders., Deutsche Kampfspiele 1920, S. 15.

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Abb. 19: Entwurf für ein Stadion für »Deutsche Kampfspiele« bei Leipzig der Architekten Wilhelm Böckmann und Bruno Schmitz aus dem Jahre 1897.

Letztlich fiel die Wahl 1898 auf Rüdesheim-Niederwald.63 Für diese Entscheidung sprach nicht nur der symbolische Wert des Ortes, sondern auch, dass sich erstens bereits 1897 ein eigener Rheinischer Ausschuss für die Nationalfeststätte auf dem Niederwald gegründet hatte, der sich sowohl für das Nationaldenkmal als auch für nationale Kampfspiele stark gemacht hatte, und dass zweitens für den Niederwald bereits ein Plan für die Errichtung einer Feststätte vorlag, den der Münchner Professor Friedrich von Thiersch entworfen hatte. Es handelte sich dabei bautypologisch um ein Stadion, wenngleich Thiersch diesen »fremdländischen« Begriff vermied.64 Doch auch diese Pläne misslangen. Das Gelände unmittelbar am Niederwalddenkmal ließ den Bau einer so großen und vielseitig verwendbaren Großsportanlage nicht zu.65 Darüber hinaus konnte weder organisatorisch die Jahrhundertwende als Termin eingehalten werden, noch war konzeptionell klar geworden, wie ein solches Nationalfest zu gestalten war. Hinzu kam die Finanzierungsfrage, die nicht abschließend gelöst werden konnte. Offenbar gelang es dem Ausschuss im nationalen Eifer nicht, die Schwierigkeiten eines so großen Unternehmens realistisch einzuschätzen, geschweige denn zu lösen. Komplett unterschätzte man die Frage des Austragungsortes. Unumwunden gab Ferdinand August Schmidt im Rückblick (1923) zu, »daß die Anlage eines großen Stadions [1923 war der Begriff »Stadion« salonfähig geworden] in einer, wenn auch noch so schönen landschaftlichen Umgebung, ein Unding ge­wesen

63 Deutsche Nationalfeste. Schriften und Mitteilungen (1897–98), I/6, S. 184. 64 Deutsche Nationalfeste (Niederwald bei Rüdesheim a/Rhein). 65 Deutsche Bauzeitung 22 (1898), S. 27, 44, 60.

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wäre.«66 Und auch der Münchener Kunsthistoriker Wilhelm Rolfs, einer der zentralen Protagonisten der Kampfspielidee, gestand 1914 ein, »daß man in heutigen Zeitläufen ganz von dem Versuche absehen muß, eine so gewaltige Anlage, wie sie die Deutschen Kampfspiele erfordern, in noch so idyllische Waldtäler mit finanziell ungenügenden Gemeindeflächen zu stellen. Nicht, weil es nicht viel schöner wäre, damit in den grünen Eichenwald Krauses zu gehen und die Fabrikschlote der Großstadt hinter sich zu lassen, sondern aus praktischen, finanziellen und wirtschaftlichen Gründen.«67 Diese Initiativen mündeten immerhin in der Durchführung mehrerer lokaler »vaterländischer Festspiele« unter Einbeziehung von Turnen und Sport, die in Städten wie Dresden, Köln oder Braunschweig stattfanden und teilweise wieder unter dem traditionellen Namen »Sedanfest« firmierten – gemessen an der Idee, mit den Deutschen Kampf­ spielen das zentrale Nationalfest zu kreieren, ein bescheidenes Ergebnis.68

5. »Eine gesunde deutsche Volksseele in einem gesunden deutschen Körper«.69 Deutungskonflikte während des Ersten Weltkriegs Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Kampfspielidee wieder aufgenommen, allerdings nicht mehr vom ZA. An seine Stelle trat vor allem der 1904 gegründete D ­ RAfOS. Im Gegensatz zum ZA verfolgte der ­DRAfOS eine Doppelstrategie. So bezog sich der Namenszusatz des D ­ RAfOS (»für die Olympischen Spiele«) sowohl auf die internationalen Olympischen Spiele als auch auf die Veranstaltung nationaler Olympischer Spiele. Dementsprechend hieß es im § 1 seiner Satzung: »Der Reichs-Ausschuss für Olympische Spiele mit dem Sitze in Berlin hat die Aufgabe, Nationale Olympische Spiele im Deutschen Reich zu veranstalten und die Beteiligung Deutschlands an den internationalen Olympischen Spielen vorzubereiten«.70 Zwar bildete die Vorbereitung der internationalen Spiele in der Vorkriegszeit ohne Zweifel den Hauptteil ihrer Aktivitäten, aber mit der Errichtung des Deutschen Stadions in Berlin 1913 nahm die Vorbereitung nationaler olympischer Feste an Bedeutung zu. Essentiell hierbei war, dass nach Ansicht des ­DRAfOS die Frage eines geeigneten Festortes endgültig gelöst war: selbstverständlich sollte das »Nationale Olympia, das deutsche Volksfest, das seinen deutschesten Ausdruck in der Vereinigung der Pflege 66 Zitiert n. Hamer, Entstehung und Inhalt, S. 34, Fußnote 136. 67 Rolfs, Deutsche Kampfspiele 1920, S. 16. 68 Zu den lokalen Festen und dem zu diesem Zweck gegründeten Reichsverein für vaterlän­ dische Festspiele siehe ebd., S. 35 f. 69 CuLDA, Sachakten, Mappe 19: Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen. Briefwechsel mit dem Deutschen Kampfspiel-Bund, U. v. Oertzen, 1. August 1916, S. 4. 70 CuLDA, Sachakten, Mappe 1: Satzungen des Deutschen Reichs-Ausschusses für Olym­ pische Spiele [1907], § 1.

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des Körpers, der Künste und des Wissens bildet«, im Berliner Pionierstadion stattfinden.71 Es blieb nicht bei Absichtserklärungen. Energisch bereitete der ­DRAfOS die Kampfspiele vor. Er setzte den Termin für die nationalen olympischen Spiele bzw. die Deutschen Kampfspiele (beide Bezeichnungen wurden synonym verwendet) auf das Jahr 1915, also ein Jahr vor den anvisierten Olympischen Spielen an gleicher Stelle.72 Die »Vorspiele« für die Deutschen Kampfspiele, die im Deutschen Stadion kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs durchgeführt wurden (Juni 1914), unterstrichen die Ernsthaftigkeit des Unternehmens.73 Allerdings war der ­DRAfOS nicht die einzige Organisation, die den Kampfspielgedanken vertrat. Er bekam ausgerechnet im Jahr der Stadion-Einweihung 1913 Konkurrenz durch eine Gruppe von Personen, die sich in Leipzig unter dem Namen »Deutscher Kampfspielbund« (DK) zusammengeschlossen hatten.74 Zu diesen Personen gehörten die Pioniere des Kampfspielgedankens: Hermann Raydt, Ferdinand August Schmidt und Wilhelm Rolfs. Dieser Bund hatte sich vorgenommen, 1920, also zum 50. Jahrestag von 1870/71, die ersten Deutschen Kampfspiele zu Füßen des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig stattfinden zu lassen.75 Dieser Gedanke weist deutliche Parallelen zu den frühen Plänen des ZA auf, aber mit dem entscheidenden Unterschied, dass diesmal dem Bau eines Stadions mehr Aufmerksamkeit zuteilwurde. Sogar ein Stadionentwurf lag vor. Dieser stammte wieder von Bruno Schmitz und sah ein Stadion in »deutscher Form«, also »naturverbunden« und eingebettet in die Landschaft, in unmittelbarer Umgebung des Völkerschlacht-Denkmals vor.76 Den internationalen Olympischen Spielen stand der DK unversöhnlich gegenüber. Ihre Propagierung kam für den DK einem Verrat am deutschen Fest gleich, so wie dieser Bund im Vergleich zum ­DRAfOS insgesamt ein militantnationalistisches Programm verfolgte. Ihrem Vorsitzenden Wilhelm Rolfs zufolge, war die Kampfspielidee Ausdruck der vaterländischen Gesinnung gegen die »Fremdzucht«.77 In diesem Zusammenhang sprach er von der Stärkung des »Masseninstinkt[s]« für die »Rassenpflege« durch das »Weihefest der Vaterlandsliebe«. Im Stadion sollte der Bevölkerung der Wert »strenge[r] Körperzucht« demonstriert werden. In der »einseitig geistigen Bildung« hingegen erblickte Rolfs die Ursache für die Schwäche der Wehrpflichtigen, die »Entartung des materiellen Genusses« und den »niedrigen Sinnentaumel«. Den gesunden 71 Reher, Das Deutsche Stadion, S. 6. 72 Endgültig wurde der Termin 1915 nach der Stadionweihe 1913 auf einer Generalversammlung des ­DRAfOS beschlossen. Siehe Deutsches Olympia 1915. Aus der Generalversammlung des D. R. A., in: B. Z. am Mittag, 10. Juni 1913. 73 Die Ergebnisse der Olympischen Vorspiele am Samstag 27. und Sonntag 28. Juni 1914, in: Stadion-Kalender 2 (1914), S. 73–75. 74 CuLDA, Sachakten, Mappe 19: Tgb.Nr. 777/17, 6. November 1917, S. 2. 75 Justhin, Deutsche Kampfspiele; Rolfs, Die Deutschen Kampfspiele I, S. 65. 76 Pohl, Deutsche Kampfspiele, S. 7. 77 Rolfs, Internationale oder nationale Olympien? S. 330.

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Volkskörper betrachtete er als notwendig, damit das Deutsche Reich mit seinem »Soldatenmaterial« wieder in Schlachten bestehen könne.78 Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs bemühten sich also zwei Gruppen um die Ausrichtung der Kampfspiele, wobei der Deutsche Kampfspielbund bestrebt war, sich als den wahren Vertreter der Kampfspielidee darzustellen und dem D ­ RAfOS vater­ländische Indifferenz vorzuwerfen. Der Erste Weltkrieg bewirkte aber auch beim D ­ RAfOS eine Akzentverschiebung. Als im Verlauf der Kriegshandlungen das IOC die Olympischen Spiele 1916 ausfallen ließ, begrub der ­DRAfOS seine international-olympischen Ambitionen. An den Kampfspielen hielt man hingegen umso hartnäckiger fest. Obwohl auch die für 1915 angesetzten Deutschen Kampfspiele wegen des Krieges ausgesetzt werden mussten, erblickte der Reichsausschuss ab 1916 in ihnen »das Volksfest der Zukunft«, das als eine im Vierjahresrhythmus wiederkehrende, dauerhafte Einrichtung »deutsche Sitte, deutsches Fühlen, deutsches Lied, deutsche Kunst« zum Ausdruck bringen sollte. Nach wie vor war als Ort dieser Spiele das Berliner Stadion vorgesehen.79 Als im Januar  1917 die Hauptversammlung des Reichsausschusses die ersten Deutschen Kampfspiele auf zwei Jahre nach Kriegsende verschob, gingen die Protagonisten von einem siegreichen Deutschland aus. Während auf den Schlachtfeldern noch gekämpft wurde, entwarf der Ausschuss bereits einen Brief an Wilhelm II. Er erläuterte zum einen die Bedeutung der Deutschen Kampfspiele als ein »allumfassendes deutsches Volksfest« und »Siegesfest« zur Symbolisierung der »Wiedergeburt des um sein bestes Blut geschwächten deutschen Geschlechts«. Zum anderen bat er um die Verleihung einer Kaiserkette für die Sieger der sportlichen und künstlerischen Wettbewerbe und um die Unterstützung des Kaisers und der Reichs- und Staatsbehörden für das Unterfangen.80 Selbst nach der Kriegsniederlage hielt man am Termin fest. Erst als sich der Friedensschluss hinauszögerte, verlegte man ihn endgültig auf das Jahr 1922.81 Parallel zur Verfestigung der Idee des Kampffests lässt sich eine semantische Verschiebung beobachten. Sprachen die Vertreter des ­DRAfOS vor dem Krieg unverblümt von »Nationalen Olympischen Spielen«, so achteten Diem oder Lewald ab 1916 peinlichst darauf, den Zusatz »olympisch« zu vermeiden. Auch der Begriff »Stadion« wurde weitgehend durch den Begriff »Kampfstätte« oder »Kampfplatz« ersetzt. Gleichzeitig fand eine partielle Umdeutung der Kampfspiele statt. In der Regel erfolgte ihre Legitimation durch die nationale Umdeutung der antiken Spiele. Stimmen, die die Eigenständigkeit der Kampfspielidee unter Berufung auf traditionell deutsche Volksfeste herbeiphantasierten, waren 78 Ders., Deutsche Kampfspiele 1920, S. 23. 79 CuLDA, Sachakten, Mappe 19: Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen. Briefwechsel mit dem Deutschen Kampfspiel-Bund, U. v. Oertzen, 1. August 1916, S. 1–3. 80 CuLDA, Sachakten, Mappe 535: An Seine Majestät den Deutschen Kaiser und König von Preußen, vorläufiger Entwurf [1917]. 81 Lissinna, Nationale Sportfeste, S. 158.

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in der Minderheit.82 Nun aber unterstrich der Reichsausschuss, dass die Kampfspiele als eine aus der nationalen Entwicklung der »Leibesübungen« hervorgegangene, spezifisch deutsche Form des »Spiels« und des »Fests« zu organisieren seien: »Ohne Anlehnung an andere Feste ist in den Deutschen Vaterländischen Kampfspielen an ein selbständiges Gebilde gedacht.«83 Außerdem fällt in diesem Kontext die Vermeidung des Begriffes »Sport« und seine weitgehende Ersetzung durch den Terminus »Leibesübungen« auf. Das ist keine Nebensächlichkeit. Der Begriff »Leibesübungen« war zuvor durchaus gebräuchlich, wenn auch nicht dominierend. Er konnte in der Regel synonym zu Sport, vor allem aber zusammenfassend für Sport und Turnen verwendet werden. Auch die Umbenennung des Deutschen Reichsausschusses für Olympische Spiele (­DRAfOS) in Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen (DRA) 1917 zeigte erstens an, dass die Olympischen Spiele keine Rolle mehr spielen sollten.84 Zweitens signalisierte der neue Zusatz »für Leibesübungen« eine Hinwendung zu einer als originär deutsch verstandenen Fusion des Sports mit dem Turnen und Körperübungen, die dem militärischen Ausbildungssystem entnommen waren.85 In der überarbeiteten Fassung des ersten Paragraphen der Satzung (1918) wurden die Leibesübungen explizit mit der Kampfspielidee verschmolzen: »Er [DRA] bezweckt, die Leibesübungen zu verbreiten, ihre Ausführungsform zu vervollkommnen und durch Veranstaltungen vaterländischer Kampfspiele in regelmäßigen Zeiträumen der Entwicklung ein wiederkehrendes Ziel zu setzen.«86 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass in den Debatten um die Umbenennung des ­DRAfOS auch der Vorschlag kursierte, den Verband in »Deutscher Reichsausschuss für Kampfspiele« umzunennen.87 Der Begriff »Kampf«, schon vorher im Kontext des Sports gebräuchlich, wurde omnipräsent und spätestens in den Weimarer Jahren zu einem »Schlüsselbegriff des Freikorpsgeistes und der Sportsprache gleichermaßen«.88 Diem, der den Sport semantisch in die Nähe von Krieg und Soldatentum rückte, brachte dies im Titel seiner Publikation Sport ist Kampf 1923 auf den Punkt.89 82 Ein Beispiel für die Betonung der Eigenständigkeit ist F. A. Schmidt, Ein deutsch-nationales Olympia, speziell S. 56. 83 CuLDA, Sachakten, Mappe 19: Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen. Briefwechsel mit dem Deutschen Kampfspiel-Bund, U. v. Oertzen, 1. August 1916, S. 3 (Hervorhebungen im Org.). 84 Lennartz, Die VI. Olympischen Spiele, S. 193–195 (Protokoll der Hauptversammlung am 25. Januar 1917). 85 Eisenberg spricht in diesem Zusammenhang von einem »Indiz für die erfolgreiche Integration des Sport in die deutsche Gesellschaft […] um den Preis der Identität als Sport«. Siehe Eisenberg, »English Sports«, S. 311. 86 CuLDA, Sachakten, Mappe 1: Entwurf der Grundsätze unserer Organisation, § 1. 87 Stadion-Kalender, 20. Januar 1917, Nr. 1, S. 4. 88 So Eisenberg, »English Sports«, S. 325; Vgl. auch Bernett, Sport zwischen Kampf, Spiel und Arbeit. Vgl. auch Reichardt, Gewalt. Die Bedeutung und Verwendung des Begriffes »Kampf« in der deutschen Literatur und Philosophie beleuchtet Kraft, Fahnenflucht, S. 10–19. 89 Diem, Sport ist Kampf.

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Doch noch immer waren die Deutschen Kampfspiele durch Auseinandersetzungen zwischen dem Deutschen Reichsausschuss und dem Deutschen Kampfspielbund geprägt. Der DRA war sich bewusst, dass die Durchführung mehrerer, voneinander unabhängiger Kampfspiele der Idee vom »deutschen Nationalfest« zuwiderlaufen würde, zumal diese zum »Symbol deutscher Einig­ keit« aus­erkoren worden waren.90 Daher nahm im Spätsommer 1916 der Vorstand des DRA Kontakt mit dem Kampfspielbund auf, um die Möglichkeiten eines gemeinsamen Vorgehens auszuloten.91 Allerdings nahm der DK dem DRA seine »nationale Wende« nicht ab. Als die Bezeichnung »Nationales Olympia« in den Verlautbarungen des DRA weitgehend durch den Begriff »Deutsche Kampfspiele« ersetzt wurde, ätzte 1918 Wilhelm Rolfs: »Die internationale Seifenblase ist geplatzt, und niemand hat das schneller begriffen als der ›Reichsausschuß für Olympische Spiele‹. Er hat mit scharfem Ruck seine überaus glänzende internationale Ladung über Bord geworfen, sofort eine neue Flagge gehißt, spricht heute nicht mehr von ›Olympischen Spielen‹ sondern nennt sie ganz wie der Deutsche Kampfspielbund ›Deutsche Kampfspiele‹ und verlangt nun, daß dieser seine alte Flagge einziehe und die neu geschaffene des ›Reichsausschusses für Leibesübungen‹ hisse! […] Dem Reichsausschuß gegenüber ist das Bestehen des Deutschen Kampfspielbundes schon deshalb notwendig, weil kein Mensch weiß, wann er es für zeitgemäß erachten wird, seine internationalen Olympien wieder hervorzuholen.«92 Am Schluss der Verhandlungen stand dennoch die Verschmelzung des deutlich kleineren Kampfbundes mit dem DRA, wobei sich das Verschmelzen 1919 letztlich als ein Aufgehen im DRA erwies.93 Was die Gestaltung der Kampfspiele angeht, so einigte man sich auf den Vierjahrestakt, ließ aber die Frage, ob die Kampfspiele immer im Berliner Stadion oder in wechselnden Stadien stattfinden sollten, offen.94

90 CuLDA, Sachakten, Mappe 19: Dr. Martin: Den Verbänden des D. R. A. zu gefälligen Kenntnisnahme übersandt, 20. Dezember 1917, S. 1. 91 CuLDA, Sachakten, Mappe 19: Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen. Briefwechsel mit dem Deutschen Kampfspiel-Bund 1. August 1916, S. 4; Mappe 19: Tgb.Nr. 777/17, 6. November 1917. 92 Rolfs, Deutscher Kampfspielbund und Reichsausschuss, S. 238–241. 93 Selbstverständlich blieb der Name »Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen« bestehen. Allerdings wurde der Vorsitzende des DK, Rolfs, in den Vorstand des DRA aufgenommen, so wie alle Mitglieder des Bundes automatisch zu Mitgliedern des DRA wurden. 94 CuLDA, Sachakten, Mappe 19: Dr. Martin: Den Verbänden des D. R. A. zu gefälligen Kenntnisnahme übersandt, 20. Dezember 1917, S. 1.

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6. Die Kampfspiele während der Weimarer Republik: Symbolik der Austragungsorte und Flaggenstreit Zur Durchführung der Kampfspiele kam es erst in der Weimarer Republik. Im vierjährigen Rhythmus fanden an verschiedenen Orten insgesamt drei solcher Kampfspiele statt: 1922 in Berlin, 1926 in Köln und 1930 in Breslau.95 Ich habe dargelegt, dass die Kampfspiele keine Erfindung der Weimarer Zeit waren, sondern tief in der Tradition des Wilhelminischen Kaiserreichs standen. Doch damit ist nicht behauptet, dass Erster Weltkrieg und Republikgründung spurlos vorübergegangen waren. Versucht man, die dominierenden Elemente der Kampfspielidee im Kaiserreich zusammenzufassen, so kann man den Gedanken an eine Verschmelzung von Sport, Turnen und Fest zur Stärkung des Reichsgedankens hervorheben.96 Die als »Feier der Wiedergeburt des Deutschen Reiches« konzipierten Kampfspiele wurzelten in der Hauptsache im Nationalkonservatismus des ZA. Doch im Zuge des Ersten Weltkriegs radikalisierte sich der nationale Ton, die zuvor eher vitalistisch aufgefasste Blutsgemeinschaft wich sukzessive biologistisch-rassistischen Auffassungen und der Gedanke an einen wehrertüchtigenden Effekt des Sports rückte stärker in den Vordergrund. Nach Beendigung des Ersten Weltkriegs hoben nicht zuletzt auch die Turn- und Sportverbände (mit Ausnahme der Arbeitersportverbände) die Bedeutung der Leibesübungen als Ersatz für die durch den Versailler Vertrag aufgehobene allgemeine Wehrpflicht hervor.97 Für diese Studie und insbesondere die Kampfspiele ist die Gedenkkultur dieser Jahre erwähnenswert. Noch bevor der Waffenstillstand von Compiègne im November 1918 in Kraft trat, wurden erste Überlegungen angestellt, Sporträume und Gedenkstätten für die gefallenen Soldaten zusammenzuführen. Im Spielplatzausschuss des DRA, der sich insbesondere um Belange der kommunalen Jugendpflege kümmerte, diskutierte man Pläne, »Helden-Spielplätze« zu schaffen und dabei nicht nur Gedenktafeln oder »Findlinge« mit den Namen der im Weltkrieg gefallenen in die Sportplätze einzufügen, sondern auch »vaterländische Gedenktage« stets durch turnerische und sportliche Kampfspiele festlich zu umrahmen.98 Und tatsächlich fanden 1920 im Deutschen Stadion

95 Die DRA finanzierte die Kampfspiele in der Hauptsache durch private Spenden, Werbeeinnahmen und eine Kampfspiellotterie. Preußen gewährte keinen Zuschuss, allerdings unterstützten die Kommunen und das Reich das Vorhaben. Siehe Eisenberg, »English Sports«, S. 358; Lissinna, Nationale Sportfeste, S. 160. 96 So auch Bernett, Die Deutschen Kampfspiele des Jahres 1934, S. 63, der in diesem Zusammenhang vor allem die ideologischen Kontinuitäten zum Nationalsozialismus betont. 97 Ausführlich hierzu Eisenberg, »English Sports«, S. 344 ff. 98 CuLDA, Sachakten, Mappe 27: Deutsche Heldenehrung. Leutnant d. R. Friedrich Toepfer, Hilfsoffizier bei der Oberleitung der militärischen Jugenderziehung im Großherzogtum Sachsen. Der Spielplatz-Ausschuß-Sitzung vom 29. Juni 1918 vorgelegt.

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»Gefallenen-Gedenksportfeste« mit weit über 10.000  Zuschauern statt.99 Architekten wie Hugo Koch, Leberecht Migge und Fritz Schumacher entwarfen zu Beginn der 1920er Jahre »Kriegergedenkstätten« die dem Sportpark nach­ empfunden waren.100 Allerdings darf man die damit verbundenen Versuche, den Sport aufzu­ werten, nicht außer Acht lassen. Die vorgebrachten Argumente, mit den Kampfspielen ein Signal gegen die drohende »körperliche Entartung« setzen oder die »Volkskraft« bessern zu wollen und die Charakterisierung der Fusion von Sport und Fest als »deutsche Eigenart«, verfolgten das Ziel, den Sport zum nütz­ lichen Bestandteil der Nation zu erklären und den Wettkampf in eine nationale Festszenerie zu integrieren.101 In diesem Zusammenhang ist es besonders aufschlussreich, dass die Kampfspielplaner das Stadion in unmittelbarer Nähe zu vorhandenen oder im Bau befindlichen Nationaldenkmälern setzen und es demzufolge vor allem als politischen Repräsentationsbau realisiert sehen wollten. Nach dem verlorenen Weltkrieg und dem Sturz der Monarchie kam es zu einer partiellen Modifizierung der Kampfspielidee. Zum übergeordneten Thema avancierte die Einigkeit und Stärke der Nation. Das »Volksfest« der Kampfspiele sollte ausdrücklich den vielbeschworenen Parteienhader der Republik überstimmen und die Verbrüderung aller Volksschichten zum Ausdruck bringen.102 Gleichzeitig sollte es Zeugnis davon ablegen, wie ungeschwächt das Volk aus dem Krieg hervorgegangen sei.103 1922 bündelte eine DRA-Werbeschrift diese Begründungen der Notwendigkeit von Kampfspielen, indem sie verkündete: »Deutscher Geist und deutsche Kraft wird sich wieder zu lichter Höhe emporarbeiten. Das deutsche Volk getrennt durch Gegensätze politischer Anschauungen und durch künstliche Landesgrenzen, muß sich innerlich wieder zusammenfinden. Wir gehören zueinander und wollen uns dessen bewußt bleiben. – Im Sinne dieser inneren Gemeinschaft sollen die ersten Kampfspiele alle die vereinen, die deutsch denken und deutsch fühlen. Unabhängig von Landeszugehörigkeit, von politischer Richtung, von turnerischer und sportlicher Verbandsmitgliedschaft, werden die Kampfspiele das Volksfest aller Deutschen sein.« Als Teilnehmer und Zuschauer waren alle Deutschen ohne Rücksicht der

99 B. Z. am Mittag, 8. Juli 1920. 100 H. Koch, Gartenkunst, S. 317 f. 101 Zitate aus Jahrbuch der Volks- und Jugendspiele 6 (1897), S. 11 f. Besonders deutlich wird die strategische Schlagseite beim Thema »Helden-Spielplätze«. Der DRA wurde Anfang der 1920er Jahre nicht müde, bei Planungen zu städtischen Gedenkstätten die Anlage eines Sportplatzes vorzuschlagen. Siehe CuLDA, Sachakten, Mappe 16: An die Landes- und Stadtgruppen des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen. Arbeitsplan 192 (2. Januar 1921) und Mappe 21: Spielplätze als Heldenehrung, 17. Juli 1918. 102 CuLDA, Sachakten, Mappe 535: Lewald, Zu den Deutschen Kampfspielen, 1922, S. 4. 103 CuLDA, Sachakten, Mappe 19: Dr. Martin: Den Verbänden des D. R. A. zu gefälligen Kenntnisnahme übersandt, 20. Dezember 1917, S. 2.

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Staatsangehörigkeit aufgefordert.104 Und tatsächlich waren Tausende Auslandsdeutsche, die als Athleten an den Spielen teilnahmen, fester Bestandteil der Weimarer Kampfspiele. Allein die Auswahl der drei Austragungsstädte zeugt von dem oben erörterten ideellen Kern der Kampfspiele. Die ersten Kampfspiele fanden vom 18.  Juni bis zum 2.  Juli 1922 wie ursprünglich geplant im Deutschen Stadion in der Reichshauptstadt Berlin statt. Speziell diese Spiele erhärteten den ohnehin vorhandenen Verdacht, dass sich im Stadion zu diesem Anlass eine reaktionäre, revisionistische und antirepublikanische Gesinnung zeigen werde. So war das Kampfspielstadion keineswegs ein Ort der oftmals beschworenen Manifestation einer klassen- und parteienübergreifenden Vergemeinschaftung. Noch nicht einmal die Einheit der Sportverbände ließ sich herstellen, da die Verbände der Arbeiterbewegung, der Arbeiter Turn- und Sportbund (ATSB) und die Zentralkommission Arbeitersport und Körperpflege (ZK), dieser Veranstaltung der bürgerlichen Verbände, die die Kampfspiele waren, fernblieben.105 Und mehr noch: Wie schon das »Huldigungs-Sportfest« zur Einweihung des Deutschen Stadions neun Jahre zuvor riefen auch die Kampfspiele im selben Stadion den Unmut der politischen Linken hervor. Am Vorabend der Kampfspiele protestierten im Lustgarten die USPD und die KPD gegen die Veranstaltung mit Plakaten, auf denen beispielsweise: »Die Kampfspiele sind die Generalprobe der Gegenrevolution« zu lesen war. Ihre Redner bezeichneten die Deutschen Kampfspiele als »Aufmarsch der Reaktion« und als nationalis­tische Veranstaltung, »ähnlich den Frontkämpfertagen und Regimentsfeiern«.106 Aber auch das Auswärtige Amt war beunruhigt. Die Teilnahme von Sportlern und Turnern aus den abgetretenen Ostgebieten schien dazu angetan, die Kampfspiele als Teil einer revisionistischen Volkstumspolitik erscheinen zu lassen. Aus diesem Grund und vor allem, weil man dem Eindruck entgegenwirken wollte, das Auswärtige Amt unterstütze eine irredentische und alldeutsche Bewegung, wies es an, Reiseerleichterungen für auslandsdeutsche Kampfspiel­teilnehmer nicht allzu offensichtlich zu gewähren.107 Wie sehr die Kampfspiele unter besonderer Beobachtung standen und wie sehr sie dazu angetan waren, als antirepublikanische Veranstaltung wahrgenommen zu werden, zeigt der Flaggenstreit. Anlässlich der Kampfspiele wurde das Deutsche Stadion besonders festlich geschmückt. Flaggenwimpel zogen sich in einer langen Reihe von Mast zu Mast. Der Kampfspielausschuss des DRA ließ lapidar verlauten, dass diese Fahnen und Wimpel dem Stadion »ein fröhliches

104 CuLDA, Sachakten, Mappe 535: Vortrag zur Lichtbildserie Deutsche Kampfspiele 1922, zusammengestellt vom Werbeamt des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen, S. 4 f. 105 Gegen die deutschen Kampfspiele (Juni 1922). 106 Linksradikale Demonstration im Lustgarten (Juni 1922). 107 Oelrich, Sportgeltung – Weltgeltung, S. 39–41.

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Aussehen« verleihen.108 Gleichwohl entfachte die Beflaggung eine Auseinander­ setzung um die symbolische Ausstattung des Stadions. Am 20.  Juni druckte die liberal-demokratische Berliner Volks-Zeitung109 folgende Beobachtung ab: »Besucher der Deutschen Kampfspiele im Stadion teilen uns in heller Entrüstung mit, daß auch die großen Sportveranstaltungen nur von Schwarzweißrot überflaggt sind. An einer einzigen Stelle sei einmal die schwarzrotgoldene Fahne zu sehen gewesen, und dieser eine Fall sei vielleicht auf einen Irrtum zurückzuführen. Es ist in der Tat ein Skandal, daß die rein sportlichen und von weitesten Kreisen mit Spannung verfolgten Spiele vom Reichsausschuss für Leibesübungen dazu benutzt werden, um gegen dieselbe Republik zu demonstrieren, von der er den Hauptteil seiner Aktionsgelder empfängt.«110 Es lässt sich nicht mehr mit Sicherheit rekonstruieren, ob dies stimmt oder nicht. Doch allein der Vorwurf besaß eine erhebliche Brisanz, die allerdings erst ersichtlich wird, wenn man den Ort des Geschehens kurz verlässt und sich den politischen Kontext vergegenwärtigt: Das Jahr 1922 war durch Auseinandersetzungen um symbolische Bekenntnisse für oder gegen die Republik geprägt.111 Politische Attentate verschärften diese Konflikte. Nur vier Tage nach dem Abdruck der Vorwürfe in der Berliner Volks-Zeitung und einen Tag vor dem Hauptfesttag der Kampfspiele ereignete sich ein Vorfall, der den zuvor erhobenen Vorwürfen wegen der schwarzweißroten Beflaggung des Stadions eine erhebliche Sprengkraft verlieh. Unweit des Stadions  – zu dieser Zeit fanden dort gerade die turnerischen Wettkämpfe statt  – ermordeten Angehörige der rechtsradikalen Organisation Consul den Reichsaußenminister Walther Rathenau, als Exponenten der »Erfüllungspolitik« und als Juden, vor seiner Villa im Grune­wald.112 Noch am selben Tag spielten sich im Reichstag dramatische Szenen ab. Als ein Bewunderer des deutschnationalen Fraktionsführers Karl Helfferich, der am Tag zuvor Rathenau des Vaterlandsverrats bezichtigt hatte, einen von schwarzweißroten Bändern zusammengehaltenen Blumenstrauß auf das Rednerpult legen ließ, überschlug sich die Empörung. Helfferich floh unter Schlägen aus dem Saal. Deutschnationale Parlamentarier wurden als Mörderfreunde beschimpft. Am Tag darauf, also am Hauptfesttag der Kampfspiele, kamen Anhänger verschiedener bürgerlicher Parteien, der Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung zu einer Massendemonstration zusammen, in der sie gegen die Welle politischer Morde von rechts protestierten und die Achtung der Symbole der Republik einforderten.113 108 Diem, Deutsche Kampfspiele 1922, S. 9. 109 Frölich, Die Berliner Volks-Zeitung. 110 Berliner Volks-Zeitung, 20. Juni 1922. 111 Buchner, Um nationale und republikanische Identität, S.  351–353. Siehe auch Artinger, Flaggenstreit, S. 244–251. 112 Siehe vor allem Volkow, Überlegungen zur Ermordung Rathenaus als symbolischen Akt; Sabrow, Der Rathenau-Mord. 113 Ders., Walther Rathenau, S. 602–604.

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Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Beflaggung des Stadions Bestandteil des Streits um Symbole und symbolische Bekenntnisse für oder gegen die Republik des Jahres 1922 war. Offensichtlich war sogar kurz angedacht worden, den Hauptfesttag am 25.  Juni wegen des Mordes an Rathenau zu verschieben. In seiner Rede am Hauptfesttag sah sich der Vernunftrepublikaner114 Lewald gezwungen, auch auf den Anschlag einzugehen: »Ein erschütterndes Verbrechen wirft einen tiefen Schatten auf den heutigen Festtag. Es zeigt sich erneut, welch schwere Krankheitsstoffe an verbrecherischen Wahnsinn und ruchloser Brutalität im einst gesunden deutschen Volkskörper nisten. Hilfe kann nur aus einer Gesundung des Volkes selbst erwachen. Was wir erstreben, ist sittliche Erneuerung, körperliche Vervollkommnung des gesunden Geistes und Körpers. Darum begehen wir trotz der Trauer um dieses Verbrechen den heutigen Tag.«115 Aber auch nach den Kampfspielen beschäftigte der Flaggenstreit den DRA weiter. So betonte Carl Diem den vermeintlich unpolitischen Charakter der Festtage. Für ihn bezweckte dieser durch »politische Leidenschaft verblendet[e]« Artikel der Berliner Volks-Zeitung nichts weiter, als in die »unpolitische Sache« der Kampfspiele »Wirrwarr« hineinzutragen. Und er entgegnete, dass im Stadion nur die »zurzeit bestehenden Fahnen des Reichs (Schwarzrotgold)« sowie die Banner aller Bundesstaaten und der Stadt Berlin angebracht waren.116 Vier Jahre später in Köln. Kurz nachdem alliierte Truppen im Zuge der Räumung der ersten Rheinlandzone Köln verlassen hatten, fanden die Kampfspiele vom 4.  bis 11.  Juli auf den Sportplätzen im und rund um das Müngersdorfer Stadion statt. Diese Kampfspiele waren Teil der symbolischen Wiederinbesitznahme des Rheinlands.117 Dabei hatte die Rheinlandbesetzung schon früher in der Begründung der Kampfspiele eine Rolle gespielt, etwa wenn es galt, diese in einen Gegensatz zu den Olympischen Spielen zu stellen. 1923 verband etwa Diem seine Kritik an der Vergabe der Olympischen Spiele 1924 an Paris mit einem Hinweis auf die französische »Kolonialtruppenpolitik«. Ganz im rassistischen Duktus seiner Zeit hob er auf die Präsenz französischer Kolonial­truppen im Rheinland ab, die ihm unerträglich erschien, und nutzte diesen Umstand zur Legitimierung der Kampfspiele: »Welcher Deutsche würde zu einem weltoffenen Feste nach Paris wollen, solange Neger in französischen Uniformen am deutschen Rhein stehen! Für uns sind die Kampfspiele ein vollwertiger Ersatz geworden.«118 114 So Eisenberg »English Sports«, S. 343. 115 Zitat n. Diem, Deutsche Kampfspiele 1922, S. 32. Die Rede ist auch abgedruckt in Bense­ mann/Frommel, Deutsche Kampfspiele 1922, S.  43, aber ohne die Passage, die auf den Rathe­nau-Mord eingeht. 116 Diem, Deutsche Kampfspiele 1922, S. 284 f. 117 Zu dieser Einschätzung vgl. Becker, Massengesellschaft, S. 47. 118 Diem, Sport ist Kampf, S.  35. Zur Debatte um die französischen Kolonialtruppen während der Rheinlandbesetzung siehe Koller, »Von Wilden aller Rassen niedergemetzelt«, S. ­201–249.

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Die Verbindung von Rheinlandbesetzung und Kampfspiel war kein Zufall. 1924 ließ sich der Vorstand des Reichsausschusses von der Idee leiten, die Spiele im befreiten Köln durchführen zu lassen und, wie es dann nach der Räumung Kölns am 31. Januar 1926 hieß, die Kampfspiele zum eigentlichen »Befreiungsfest« des Rheinlands zu küren.119 Mit dieser Idee stand der DRA nicht alleine dar. Er konnte sich der Unterstützung prominenter und einflussreicher Persönlichkeiten sicher sein. In seinem Willkommensgruß schrieb der Kölner Oberbürgermeister, Konrad Adenauer: »Feiert zugleich mit uns die endliche Befreiung aus jahrelanger schwerer Pein, die Befreiung von dem Druck durch fremde Besatzung, von der Trennung von deutscher Heimat und deutschem Bruderblut.«120 Den deutschen Kampfspielen wurde damit eine Symbolund Integrationsfunktion zuteil, wie sie in den Plänen für ein nationales Olympia als antifranzösische Antwort auf die Idee internationaler Olympischer Spiele schon in der Kaiserzeit formuliert worden war.121 In dieselbe Kerbe schlug auch Reichspräsident Hindenburg, der die Ehrenschirmherrschaft über die Kampfspiele übernommen hatte – es war das erste Mal, dass ein Reichspräsident als Schirmherr für ein Sportfest fungierte.122 Der schon früh hergestellte Zusammenhang von Kampfspiel und Rheinlandbesatzung dürfte in seine Entscheidung mit eingeflossen sein. Zumindest konnte sich der DRA in seiner Zielsetzung von allerhöchster Stelle bestätigt fühlen.123 Die dritten und letzten Kampfspiele der Weimarer Republik fanden vom 25. bis 29. Juni 1930 in Breslau statt. Die Breslauer Kampfspiele eigneten sich für die Demonstration der »deutschen Ansprüche auf ganz Schlesien gegenüber Polen«.124 Wie der Breslauer Oberbürgermeister Otto Wagner offen eingestand, stellten die Kampfspiele eine willkommene Gelegenheit dar, die Stadt an der östlichen Peripherie in ein positives Licht zu rücken. Vor allem aber sei man sich  – eingezwängt zwischen zwei Nachbarstaaten  – der besonderen Aufgabe »deutscher Kultur- und Geistespflege« bewusst, die die Kampfspiele dankenswerterweise böten.125 Kurz, bei der Entscheidung für Breslau war der Gedanke ausschlaggebend, dass im Osten »das Bewußtsein der Deutschen Stärkung und Zusammengehörigkeit ebenso notwendig ist wie im Rheinland.«126 Nicht ohne 119 Lissinna, Nationale Sportfeste, S. 171. Zu den Vorstellungen 1926 vgl. BA Berlin, Reichskanzlei, R 43-I/2, DRA-Tätigkeitsbericht, 1925/26, S. 9. Allgemein Herbes, Die inszenierte Befreiung. 120 Zitat Naul, Willibald Gebhardt, S. 88. 121 Ebd. 122 Lissinna, Nationale Sportfeste, S. 171 f. 123 Geschäftsstelle der Deutschen Kampfspiele, II. Deutsche Kampfspiele Köln am Rhein, S. 3. Das dort abgedruckte Schreiben ist auf den 19. Dezember 1925 datiert. 124 Becker, Massengesellschaft, S. 48. 125 CuLDA, Sachakten, Mappe 537: Begrüßungsschrift des Oberbürgermeister Wagner, September 1929. 126 CuLDA, Sachakten, Mappe 537: Begrüßungsansprachen bei der Hauptversammlung des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen, 27. Juni 1930.

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Grund erklärte sich Reichspräsident von Hindenburg erneut bereit, die Ehrenschirmherrschaft der Kampfspiele zu übernehmen, galt er doch seit dem Sieg von Tannenberg als Wächter der deutschen Ostmark.127

7. Die Eroberung der Stadt Ohne Zweifel war das Stadion die zentrale Feststätte, aber nicht alle Festlich­ keiten fanden im Stadion statt. In allen drei Städten wurde mal mehr, mal weniger der städtische Raum in die Festlichkeiten einbezogen, wobei diese Einbeziehung kein ursprünglicher Bestandteil des Kampfspielablaufs war. Beispielsweise begann das Fest zum Teil bereits mit der Ankunft einiger Teilnehmer: Als etwa rund 600 oberschlesische Turner am Vorabend der Kampfspiele 1922 mit einem Sonderzug in den Berliner Hauptbahnhof einfuhren, wurden sie mit den Klängen der Königshütter Hüttenkapelle und einer Reichswehrkapelle empfangen. Auch die Staatsregierung hieß die Teilnehmer dort mit einer Ansprache des Regierungspräsidenten Roland Brauweiler willkommen.128 Davon abgesehen blieb die Stadt aber insgesamt eher unberührt von den Kampfspielen, mit einer Ausnahme: Köln 1926. Der städtische Raum wurde in diesem Fall aus zwei Gründen zu einem bedeutsamen Schauplatz der Kampfspiele. Erstens spielte die bereits dargelegte Verbindung von Kampfspiel und Rheinlandbesetzung eine wichtige Rolle. Die symbolische Verknüpfung der Räumung Kölns von alliierten Truppen und der Vorsatz, die Kampfspiele auch zum Befreiungsfest der Stadt Köln zu machen, legten es nahe, die Stadt selbst in den Ablauf der Spiele einzubeziehen. Darüber hinaus sollte ein weiterer Umstand bedacht werden, ein Umstand, der für Sportveranstaltungen in Deutschland zu diesem Zeitpunkt einmalig war. Die Stadt selbst war nicht nur Hintergrund von Wettkämpfen und Sportfesten, sie stellte nicht bloß die Infrastruktur oder beteiligte sich an der Finanzierung. Die Neuerung, die die Kölner Kampfspiele mit sich brachten, war, dass erstmals eine Stadt die Vorbereitung und Organisation einer so großen Sportveranstaltung selbst in die Hände nahm. Dieser Beschluss war anfangs umstritten. Speziell der DRA hegte Zweifel an der Fachkenntnis der städtischen Akteure, doch die Übernahme des finanziellen Risikos sowie der aufwendigen 127 Pyta, Hindenburg, S. 391. Dieser Umstand beruht auch auf die Intensivierung der Kontakte des DRA zu Hindenburg. Bereits 1925 kam es zu einem Zusammentreffen von Hindenburg mit Lewald und anderen DRA-Vorstandsmitgliedern. Insgesamt zeigte sich Hindenburg offensichtlich beeindruckt von den Kampfspielen. »Förderung der Leibesübungen ist Dienst am Vaterland!« – so die Quintessenz Hindenburgs in einem Schreiben an Lewald, der mit diesem Ausspruch natürlich auch den Dienst am Vaterland des DRA würdigte. Siehe CuLDA, Sachakten, Mappe 647/I: Brief Hindenburg an Lewald, 19. Juni 1925. 128 Dominicus, Bedeutung der Stadionvolksfeste.

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Organisations­tätigkeit scheinen den Vorstand überzeugt zu haben.129 Die Gestaltung des Sportprogramms blieb freilich in den Händen des DRA, doch was die Aspekte des Festes anging, hatte die Stadt Köln nun ein gewichtiges Wort mitzu­reden und nicht zuletzt auf diesen Umstand müssen einige Modifikationen des Kampfspielzeremoniells zurückgeführt werden. Wie sah die Einbeziehung des städtischen Raums in Köln nun aus? Etwa zwei Tage vor Beginn der Spiele wurde die Innenstadt Kölns mit Fahnen und Wimpeln geschmückt. Unter die rotweißen Fahnen der Stadt mischte sich das Kampfspielzeichen, zwei rote Zielfahnen auf grünem Grund. Straßenbahnen, Häuser und städtische Gebäude wurden mit dem Kampfspielwimpel ver­ sehen.130 Die Hohe Straße, die Schildergasse und die Aachener Straße waren bis zum Stadion mit rotweißen Flaggen und Wimpeln geschmückt und wiesen dadurch den Weg in das Festzentrum.131 Doch die Beschmückung der Stadt mit Symbolen der Kampfspiele oder die durch Wegmarkierungen hergestellte Einheit von Kampfspiel und Stadt war nicht nur typisch für Köln. Ähnliches kann man auch in Berlin oder Breslau entdecken. Viel bedeutsamer ist, dass ein Teil der Eröffnungszeremonie vom Stadion in die Stadt verlegt, beziehungsweise der eigentlichen Eröffnung der Kampfspiele ein symbolischer Akt der Einbeziehung der Stadt vorgeschaltet wurde. Einhundert Studenten der Deutschen Hochschule für Leibesübungen in Berlin, die das »Ehrengeleit« des DRA-Banners bildeten, trafen am Mittag des 3. Juli in Köln ein. Am Kölner Dom, wo sie Aufstellung nahmen, empfing sie, umrahmt von Kölner Sport- und Turnvereinen, ein Vertreter des DRA-Ortsausschusses und führte sie anschließend unter den Klängen einer Musikkapelle zum Rathaus. Der offizielle Bannerträger, der Zehnkampfmeister Arthur Holz, ging voran. Vor dem Rathaus empfing sie der für Ausstellungen und Feste zuständige Beigeordnete Heinrich Billstein. Das »Ehrengeleit« übergab nun in einem feierlichen Akt das Banner für die Dauer der Kampfspiele der Stadt Köln.132 Durch diese Übergabe siedelte der Träger der Kampfspielidee symbolisch in die Stadt Köln über, die wiederum dadurch zum Hüter der Kampfspielidee und des Sports wurde. Den Höhepunkt der Kampfspielfestlichkeiten aber bildeten zweifellos der Fackelzug und das riesige Feuerwerk am Abend des 3. Juli. Sie leiteten das Fest ein. Es muss ein ungemein beeindruckendes Ereignis gewesen sein: Am Abend versammelten sich Kampfspielteilnehmer, Sportler und Turner, angereichert durch Kölner Schüler am Deutschen Ring. Insgesamt beteiligten sich wohl um die 10.000 Personen. Angeführt durch Studenten der DHfL, gefolgt von Athleten in Sportkleidung, Fechtern, die ihre Degen mit sich führten, Ruderern, die ihre Riemen über der Schulter trugen, Turnern, Radfahrern und Vertretern anderer Sportarten, und am Ende des Zuges von Kölner Schülern, allesamt mit Bannern 129 Wagner, Die Deutschen Kampfspiele am Rhein, S. 383. 130 Ebd., S. 382. 131 Diem/Krause, Deutsche Kampfspiele zu Köln, S. 26. 132 Ebd., S. 22.

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und Fahnen ausgestattet, zog eine ca. drei bis vier Kilometer lange, durch Fackeln hell erleuchtete Menschenschlange, von Marschmusik begleitet, am Rhein entlang, um den Dom herum, über die Hohenzollernbrücke auf das Deutzer Ufer und dann über die Hängebrücke zurück zum Neumarkt. Als die Spitze dieses Zuges den Neumarkt erreichte, setzte das gigantische Feuerwerk zwischen Hohenzollern- und Hängebrücke ein, an dessen Höhepunkt ein »silberner Feuer­regen wie ein Wasserfall« in den Rhein hinab fiel und die ganze Umgebung mit »tausend Silberblitzen« überrieselte. Der Rhein war erhellt durch das Feuerwerk und die Reflexionen der Fackeln im Wasser. Nach Schätzungen des DRA versammelten sich etwa 200.000 Menschen an den Straßen und den Ufern des Rheins, um an der »schaurig romantische[n] Stimmung« teilzuhaben. Insbesondere an den Straßen, die der Fackelzug passierte, und auf den beiden Brücken ballten sich die Menschen. Die Ehrengäste und verschiedene Gesellschaften sahen von dicht besetzten Ausflugsschiffen aus zu.133 Dieser Teil  der Kampfspielfeierlichkeiten bediente sich nach der Räumung Kölns einerseits des traditionellen Topos der Wacht am Rhein und symbolisierte andererseits, indem er die Eroberung der Stadt durch den Sport inszenierte, dass der deutsche Sportler selbst diese Wacht übernahm. Was die Einbeziehung der Stadt in die Kampfspiele angeht, so stellten die Kölner Spiele einen einmaligen Höhepunkt dar. Zwar machten die Kölner Kampfspiele tatsächlich Schule und auch die Stadt Breslau übernahm im Jahre 1930 offiziell die Austragung. Doch was die Ausmaße und Effekte des Ausgreifens in den städtischen Raum betraf, blieben die Breslauer Kampfspiele weit hinter Köln zurück.

8. Die Bedeutung von Sport und Wettkampf »[S]o sind auch unsere Deutschen Kampfspiele als Volksfest gedacht, das alle Deutschen ohne Unterschied vereint und diejenigen in die Arena ruft, die sich durch Kraft und Gewandtheit vor ihren Mitbürgern auszeichnen.«134

Trotz all der nationalen Rhetorik und des ständigen Rekurrierens auf ein Volksfest: Auf den ersten Blick unterschieden sich die Kampfspiele in nichts von großen Sportveranstaltungen, nur dass ähnlich wie bei den Olympischen Spielen die vielen Wettkämpfe auf mehrere Tage verteilt stattfanden. Bemerkenswert ist in diesem Kontext die Aufsplitterung der Kampfspiele in Winter- und Sommerspiele, die besonders augenfällig dem olympischen Vorbild folgte. Dabei bilde-

133 Ebd., S. 23 f. 134 CuLDA, Sachakten, Mappe 537: Begrüßungsansprachen bei der Hauptversammlung des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen, 27. Juni 1930.

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ten die Sommerspiele sowohl was den Publikumsandrang als auch die teilnehmenden Sportler angeht eindeutig den Höhepunkt der Kampfspiele. Unter den Disziplinen fanden sich Schwimmen, Segeln und Rudern, Mannschaftssportarten wie Fußball, Handball und Hockey, Radfahren, die gesamte Bandbreite leichtathletischer Wettbewerbe, Kampf- und Kontaktsportarten wie Jiu-Jitsu, Boxen und Fechten und Sportarten wie Golf und Tennis. 1930 in Breslau erklommen die Kampfspiele die Höhe der Zeit, als (wie bei den Olympischen Spielen erstmals 1912) der moderne Fünfkampf in das sportliche Programm aufgenommen wurde. Wenn in den Kampfspielpublikationen die Sprache auf die Wettkämpfe kam, so stand eindeutig die sportliche Leistung im Vordergrund, die ausführlich beschrieben und, wenn möglich, genau angegeben wurde. Höchstleistungen und Rekorde wurden besonders hervorgehoben und internationale Vergleiche angestellt.135 Viele, aber nicht alle dieser Wettkämpfe fanden im Stadion statt. Um alle sportlichen Programmpunkte in der vorgegebenen Zeit berücksichtigen zu können, lagerte man einige in Hallen, im Falle Breslaus in die Jahrhunderthalle,136 oder in entferntere kleinere Sportanlagen aus. Von einer Zentralisation der sportlichen Ereignisse in einem Stadion kann also nur bedingt die Rede sein.137 Die Kampfspielleitung einigte sich schon frühzeitig darauf, was gezeigt und was nicht gezeigt werden sollte. Dabei ist es wenig überraschend, dass die Wettkämpfe durch und durch männlich konnotiert waren. Obwohl Frauen an den Olympischen Spielen seit der Jahrhundertwende teilnahmen, und zwar in den Disziplinen Golf und Tennis, sahen die frühen Vertreter eines »nationalen Olympias« keine Teilnehmerinnen vor. So hieß es bei Rolfs 1914, dass Männer »der höchsten geistigen, wie der unerhörten körperlichen Anstrengungen mit unbeugsamer Willenskraft fähig sind«, und eben diese Attribute in den Kampfspielen ihren Ausdruck finden sollten. Frauen hatten »einen Nachwuchs zu gebären und zu erziehen […], der diesem Ideal mit unerschütterlicher Treue nachstrebt.«138 Es war vor allem dem DRA geschuldet, wenn diese Linie, die hauptsächlich vom DK vertreten wurde, sich in der Weimarer Republik nicht mehr aufrechterhalten ließ. So nahmen an den Kampfspielen letztlich Männer wie Frauen teil. Und obwohl immer wieder in den Veröffentlichungen des DRA von den Kampfspielen als einem Ausdruck männlicher Tugenden wie Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Mut, Gehorsam und Kameradschaft die Rede war – die

135 So vor allem Diem, Deutsche Kampfspiele 1922, etwa S. 46, wo er auch die vielen »Tage der Rekorde« hervorhebt, oder auf S. 48 über die Witterungsverhältnisse schreibt: »Das richtige Rekordwetter unterstützte die dargebotenen Leistungen«. 136 Die Jahrhunderthalle in Breslau war zum Zeitpunkt ihrer Entstehung 1913 der größte nichtsakrale Kuppelbau Europas. 137 Siehe Diem, Deutsche Kampfspiele 1922, S. 72–260 (Sommerdisziplinen), S. 263–276 (Winterdisziplinen); Diem/Krause, Deutsche Kampfspiele zu Köln, S. 102–162 (Sommerdisziplinen), S. 163–175 (Winterdisziplinen); Festbuch. 3. Deutsche Kampfspiele Breslau, S. 34–40. 138 Rolfs, Die Deutschen Kampfspiele (1914), S. 2 f.

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Rolle der Teilnehmerinnen beschränkte sich nicht auf gymnastische und turnerische Disziplinen, die Geschmeidigkeit, Anmut und Geschicklichkeit demonstrieren sollten, sondern umfasste auch auf Leistung, Schnelligkeit und Kraft basierende Sportarten wie Leichtathletik, Handball, Faustball und Tennis.139 Hier wiederum zeigt sich ein bedeutender Unterschied zu den Olympischen Spielen, denn während Frauen beispielsweise bei den Winter-Kampfspielen von Beginn an neben dem Eiskunstlauf auch Rodeln und Skilanglauf betrieben, wurden diese Disziplinen für Frauen bei der Olympiade erst mehrere Jahrzehnte später eingeführt.140 Ein anderer erörterter Aspekt der sportlichen Wettkämpfe betraf den Umgang mit Kriegsinvaliden. Im Frühjahr 1922, im Vorfeld der Auseinander­setzungen um Detailfragen der Berliner Kampfspiele, kam der Kampfspielausschuss des DRA etwa überein, offenbar ursprünglich vorgesehene Programmbestandteile, wie sportliche Vorführungen Kriegsinvalider, nicht zu berücksichtigen.141 Dieser Punkt ist insofern interessant, als in den letzten beiden Kriegsjahren und in den ersten Jahren der Weimarer Republik der »Versehrtensport«, beispielsweise Brustschwimmen für Amputierte sowie Kugelstoßen und Speerwerfen für Einarmige, im Veranstaltungsplan des Deutschen Stadions fest installiert war.142 Dies war innerhalb des DRA nicht unumstritten. Vor die Frage gestellt, ob es zweckmäßig sei, einem Kriegsinvaliden das Betreiben von Sport zu ver­bieten, fasste der DRA 1917 den grundsätzlichen Beschluss, den »Versehrtensport« unbedingt zu befürworten und fördern.143 Die Streichung des »Kriegsversehrtensports« beschränkte sich also auf die Kampfspiele. Auch hierin unterschieden sich die Kampfspiele nicht unbedingt von anderen großen Sportwettkämpfen, aber zu vermuten ist, dass die ideelle Stoßrichtung dieser Veranstaltung bei solchen Erwägungen eine Rolle gespielt hat. Das erklärte Ziel, im Stadion nach innen und außen zu demonstrieren, wie unbeschädigt die Nation und das deutsche Volk aus dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen waren, war mit den beschädigten Körpern der »Opfergemeinschaft« nicht zu erreichen.144 In den verstümmelten Soldatenkörpern zeigten sich für alle sichtbar Tod, Niederlage und Zerstörung. Nur die Praktiken und Bilder unversehrter, kraftvoller Körper 139 CuLDA, Sachakten, Mappe 532: Vortrag zur Lichtbildserie Deutsche Kampfspiele 1922, S. 1. 140 Lennartz, Die Zeit der Weimarer Republik, S. 88. 141 Deutsche Kampfspiele 1922 (März 1922). 142 CuLDA, Sachakten, Mappe 13: DRA-Tätigkeitsberichte, 1914–1919, S. 15–18. 143 Reichsausschuss. Sport und Schule – Stadionfeste – Leibesübungen der Kriegsversehrten, in: B. Z. am Mittag, 6. März 1917. 144 CuLDA, Sachakten, Mappe 19: Dr. Martin: Den Verbänden des D. R. A. zu gefälligen Kenntnisnahme übersandt, 20. Dezember 1917, S. 2. Allgemein zur Marginalisierung der Kriegsversehrten vgl. Reichardt, Gewalt, Körper, Kult. Anzumerken bleibt, dass speziell für Körperbehinderte eigene Kampfspiele in Berlin und anderswo veranstaltet wurden. Siehe beispielsweise Reichsausschuss der Deutschen Taubstummen-Verbände für Leibesübungen.

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waren imstande, die nationale Erneuerung zu vermitteln.145 Erst sie ließen die Idee einer kraftvollen Wiedergeburt Deutschlands plastisch werden. Insgesamt handelte es sich also um Sportveranstaltungen, die zwar durch die Kampfspiele einen gemeinsamen Rahmen erhielten, sich aber in ihren Darbietungen nicht von anderen Sportveranstaltungen unterschieden. Mehr noch, denn das, was die Sportler den Zuschauern darboten, konnte schriftlichen Verlautbarungen, die (unter Vermeidung des englischen Begriffs »Fairness«) den »ritterlichen« Umgang der Sportler miteinander und die feierliche Stimmung auf den Zuschauerrängen beschworen, zuwiderlaufen. Ein schönes Beispiel hierfür ist das in das Kampfspielprogramm aufgenommene Meisterschaftsendspiel zwischen dem Hamburger SV und dem 1. FC Nürnberg in Berlin. Ich habe schon an anderer Stelle ausgeführt, wie sehr dieses Spiel von regelwidrigem Verhalten, Platzverweisen und Verletzungen auf der einen Seite und vom »unge­ hörigen« Verhalten der Zuschauer auf der anderen Seite geprägt war. Der ritterliche Umgang als eine urdeutsche Eigenschaft, die sich im Sport manifestiere und dort eingeübt werde, wurde jedenfalls nicht während dieses Spiels sichtbar. Diem bemühte sich redlich, das Fußballspiel wenigstens rhetorisch dem Kampfspielgedanken einzuverleiben: »Hat vielleicht auch die Schärfe des Kampfes Mißfallen erregt, so muß doch die urwüchsige Energie und Ausdauer bewundert werden.«146 An den Winter-Kampfspielen zeigte sich die Vorbildfunktion der Olympischen Spiele besonders ungeniert. Besonders an diesen Spielen lässt sich darlegen, wie wenig sich einige sportliche Programmpunkte für die intendierten politischen Manifestationen eigneten. Die etwa sechs Monate vorher durchgeführten Winterspiele waren deutlich kleiner dimensioniert als die Sommerspiele. Und sie hatten wegen der vertretenen Sportarten, wie etwa Eislaufen, Skispringen, Bobfahren, Eisschießen, Eishockey, Eiskunst- und Eisschnelllauf, kein Stadion als zentralen Spiel- und Festort. Die ersten beiden Winter-Kampfspiele fanden in Garmisch-Partenkirchen, die dritten im schlesischen Krummhübel statt.147 Bereits 1922 offenbarten sich erste Schwierigkeiten. Zwar endeten die Winterspiele mit dem für alle Kampfspielveranstaltungen obligatorischen Hinweis auf die zahlreichen Teilnehmer aus Gebieten außerhalb der Reichsgrenzen und dem Bekenntnis des Vorsitzenden den Deutschen SKI-Verbands Alfons Holl: »Erst Deutscher, dann nochmals Deutscher und dann erst recht Deutscher«; doch im Großen und Ganzen beschränkten sich diese Spiele auf zeitlich und räumlich auseinandergerissene Wettkämpfe. Mit 700  Sportlern war die Teilnehmerzahl zudem recht überschaubar.148 Vier Jahre später wurden die Wintersportkampfspiele zu einem propagandistischen Desaster. Aufgrund diverser Meinungsverschiedenheiten der einzelnen Verbände und angesichts 145 Alkemeyer, Aufrecht und biegsam, S. 13. Siehe auch Cowan, Imagining the Nation. 146 Diem, Deutsche Kampfspiele 1922, S. 22. 147 Lissinna, Nationale Sportfeste, S. 163 f., 170 f., 177 f. 148 Luther, Die Wintersportwoche, S. 14.

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der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse blieben viele Sportler der Veranstaltung fern. Die Anzahl der teilnehmenden Sportler und Zuschauer lag sogar noch unter der des Jahres 1922. Die meisten Sportler waren wegen finanzieller Beihilfe der Wiener Regierung, wie etwa Fahrpreisermäßigungen, Österreicher. Von der vielbeschworenen nationalen, grenzüberschreitenden Gemeinschaft war, jedenfalls was die Athleten angeht, wenig zu spüren.149 Auch die Spiele im Winter 1930 standen unter einem ungünstigen Stern. Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Winterspiele verwundert es zunächst wenig, dass bis 1929 keine einzige Bewerbung eines möglichen Austragungsorts beim DRA eingegangen war. Erst knapp sechs Monate vorher kam man überein, die Spiele diesmal ebenso wie die Breslauer Sommerspiele im Osten stattfinden zu lassen, im schlesischen Krummhübel. An der dürftigen Beteiligung und der Konzentration auf den Wettkampf änderte sich auch diesmal nichts, mit Ausnahme einer noch stärkeren Dezentralisierung der Spiele, die ihren Höhepunkt in der Verschiebung des Bobfahrens und des Eiskunstlaufes um einen Monat fand. Diese beiden Wettkämpfe fanden wegen schlechter Witterungsbedingungen im Berliner Sportpalast statt.150 Wieso hielt der DRA über die Jahre trotz des dürftigen sportlichen und re­ präsentativen Werts an den Winterspielen fest? Das Fehlen eines zentralen Festorts, etwa eines Stadions, schmälerte sicherlich den Festcharakter und die repräsentative Funktion der Winterspiele erheblich, war jedoch aufgrund der im Winter betriebenen Sportarten kaum zu vermeiden. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass es sich bei den Austragungsorten um exklusive Wintersportorte handelte, die sich für lautstarke, auf Massen ausgerichtete politische Manifestationen wenig eigneten. Die Erklärung liegt darin, dass die Winterspiele ein Zugeständnis an die Wintersportverbände waren, die man nicht aus den Kampfspielen ausschließen wollte. Dieses Bemühen um die Einbeziehung aller in den einzelnen Verbänden organisierten Sportarten lässt sich in letzter Konsequenz nur durch die Vorbildfunktion der Olympischen Spiele erklären, die zumindest im Falle der Winterkampfspiele der Gesamtschau, auch als Gesamtleistungsschau, den Vorrang gegenüber der nationalen Inszenierung einräumte. Die Frage, die sich hier aufdrängt, ist, wie die sportlichen Darbietungen sich in den ideellen Kern der Kampfspiele eingliedern ließen. Die Schwierigkeit hierbei hatte offensichtlich etwas mit dem merkwürdigen Eigenleben des sportlichen Elements zu tun. Es ließ weder das von seinen Protagonisten so sehr bemühte nationale Argument, noch die ersehnte Eigenschaft als Volksfest ohne weiteres ersichtlich werden. Die Akteure des DRA waren sich dieses Problems und damit auch der Dringlichkeit eines klaren Interpretationsrahmens bewusst. Dass die Deutschen Kampfspiele »im Grunde nur ein Sportfest« seien, 149 Romberg, Die Deutschen Winterkampfspiele 1926, S.  7–9; Jensch, Wintersportwoche, S. 170–172. 150 CuLDA, Sachakten, Mappe 13: DRA-Tätigkeitsbericht, 1930/1931, S. 19.

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wurde anlässlich der Spiele in Köln offen eingestanden. Aber es hieß eben auch an gleicher Stelle: »Die Deutschen Kampfspiele sollen vor allen Dingen ein Fest der deutschen Seele sein. Und sie sollen deren Gehalt in ihrem Rahmen zum Ausdruck bringen, auch wenn die Form, in der das geschieht, mit dem Sport nichts zu tun hat.«151 Diese Bemerkungen lenken die Aufmerksamkeit auf zwei zentrale, miteinander verknüpfte Probleme, auf die Komplementarität zwischen Sport und Fest und die nationale Deutung des Sports. Die Fragen, die dahinter steckten und die Organisatoren aller drei Kampfspiele beschäftigten, waren: Was an den Deutschen Kampfspielen ist Fest? Wie ist es zu vermeiden, dass die Kampfspiele zu einer reinen Sportveranstaltung herabsinken? Wie sind die Spiele mit nationalen Werten zu füllen? Wie tritt man dem Vorwurf entgegen, die Kampfspiele seien im Grunde nur ein Etikettenschwindel, nur eine etwas national übertünchte Ersatzolympiade? Diese Fragen waren entscheidend, zumal es dem DRA über all die Jahre nicht gelang, musische und künstlerische Elemente als Ausweis des festlichen Charakters in die Kampfspiele zu integrieren. Die Verbindungen von Fest, Sport und Nation mussten, da sie aus den sportlichen Teil nicht ohne weiteres hervorgingen, während der Kampfspiele sinnfällig inszeniert werden, wobei der einzige dafür in Frage kommende Ort das Stadion und die einzigen dafür in Frage kommenden Kommunikationsschnittstellen die speziell ausgewiesenen Festtage waren. Die Deutschen Kampfspiele benötigten feierliche Elemente, um als Volksfest gelten zu können, und die Feierlichkeiten benötigten Gesänge, weihevolle Reden und Massenaufführungen, um die Deutungsangebote der Kampfspiele zu präzisieren. Die folgenden Überlegungen drehen sich daher um den Umgang der Kampfspielakteure mit den oben skizzierten Problemen. Dabei werde ich mich in einem ersten Schritt mit den Festveranstaltungen im Kampfspielablauf beschäftigen und in einem zweiten Schritt diese Aspekte mit den Olympischen Spielen und dem olympischen Zeremoniell vergleichen, die, wie gezeigt wird, trotz allen Beharrens auf originär nationalen Wurzeln in vielerlei Hinsicht als Vorbild fungierten.

9. Die performative Rhetorik der Deutschen Kampfspiele »Das Stadion schien unter dem festen Tritt der geordneten Reihen zu beben.«152

Schon die Sportwettkämpfe machen deutlich, dass die Kampfspiele in ihrer performativen Praxis noch andere Wirklichkeiten und Wahrnehmungsmöglichkeiten bereithielten, als die Texte es nahelegen. Jedenfalls lassen sich nicht 151 Diem/Krause, Deutsche Kampfspiele zu Köln, S. 99. 152 Borowik u. a., Deutsche Kampfspiele 1922, S. 28.

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ohne weiteres aus den schriftlichen Einordnungen der Kampfspielprotagonisten die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten dieser Spiele ableiten. Diesem Gedanken folgend soll es in diesem Abschnitt um die performativen Dimensionen der Kampfspiele gehen. Dabei gehe ich von der Annahme aus, dass ihre Bedeutung nicht allein aus vorgeschalteten und begleitenden Äußerungen und Texten ersichtlich ist, sondern dass diese auch im Augenblick des Aufführens erzeugt wurde.153 In diesem Sinne werden unter »performativer Rhetorik« körperliche und sprachliche Handlungen gefasst, die im vorliegenden Fall in der Hauptsache auf die Generierung patriotischer Auffassungen und Befindlichkeiten abzielten.154 Hierbei ist zu beachten, dass sich die performative Dimension der Kampfspiele nicht nur auf Sport und Wettkampf erstreckte, sondern auch Massenfreiübungen, Einmärsche, Gesang, Musik und weihevolle Reden beinhaltete, die gerade deswegen für notwendig erachtet wurden, weil sich die sportlichen Programmpunkte eindeutigen Zuschreibungen entzogen. Das zentrale Element hierbei war die Inszenierung und Visualisierung von Ordnung und Gemeinschaft. Deren Sichtbarmachung folgte einem klaren, formalisierten Reglement, das die ritualisierten, in erster Linie darstellenden festlichen Handlungen weit­ gehend festlegte und nur wenige Variationen von Ort zu Ort zuließ. Bereits 1919 publizierte der DRA eine kleine Schrift, in der ein Programmentwurf und ein Ablaufschema festgehalten waren und die im Wesentlichen unverändert die Grundlage der Kampfspiele bildete.155 Daher ist von einem spezifischen Kampfspielzeremoniell auszugehen, das – wie unten gezeigt wird – in vielerlei Hinsicht an das neuzeitliche olympische Zeremoniell anknüpfte.156 Dieses Kampfspielzeremoniell versah die verschiedenen performativen Akte mit einer gemeinsamen organisatorischen Klammer und mit einer gemeinsamen Bedeutung bzw. schränkte die möglichen Interpretationsvarianten ein. Erst dadurch erhielten die körperlichen Erscheinungen, Gesten, Gesänge, Gegenstände und der Raum, in denen sie stattfanden, einen repräsentativen Charakter. Im Umkehrschluss bedeutete die Formalisierung und Ver­regelung freilich auch, dass die Kampf153 Fischer-Lichte, Performance, Inszenierung, Ritual. 154 Hierzu Tschop, »Rhetorik des Performativen«, S. 254. 155 Diem, Die Deutschen Kampfspiele (1919), S. 9–13. Zur Bedeutung dieser Schrift siehe auch die kurze Notiz in Bernett, Die Deutschen Kampfspiele des Jahres 1934, S. 62 und Lissinna, Nationale Sportfeste, S. 159. 156 Untersuchungen zum Zeremoniell haben seit mehreren Jahren Konjunktur, wobei hier vor allem mediävistische und frühneuzeitliche Arbeiten die Voreiterrolle übernommen haben. Nach Gerrit Jasper Schenk ist das Zeremoniell der »Inbegriff derjenigen Regeln, welche die äußere Form von sich wiederholenden, in erster Linie darstellenden Handlungen bei (näher zu spezifizierenden) repräsentativen Anlässen innerhalb einer Schwankungsbreite festlegen.« Siehe Schenk, Zeremoniell und Politik, S. 67. Die Kampfspiele wie übrigens auch das Olympische Zeremoniell zeigen, dass Demokratisierungsprozesse und neue Medien im 20. Jahrhundert die Ordnungsfunktion des Zeremoniells keineswegs überflüssig machten. Hierzu Jahn, Entwurf und Unmöglichkeit. Für das olympische Zeremoniell ist grundlegend Alkemeyer, Körper, Kult und Politik, S. 195–207.

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spiele, so sehr sie auch als »Fest« bezeichnet wurden, zwar auf die Freisetzung von Emotionen zielten, Spontanität aber einschränkten. Es kann nicht darum gehen, lediglich ein festes Inventar von Handlungen aufzustellen, sondern vielmehr darum, ihre flexible und reflektierte Verwendung in der jeweiligen Situation zu untersuchen und dabei verschiedene Deutungsangebote und Rezeptionsmöglichkeiten im Blick zu behalten. Die Offenheit von Deutungsoptionen hängt mit dem angesprochenen Doppelcharakter der Kampfspiele zusammen. Grundsätzlich erschöpften sich die Deutschen Kampfspiele nicht in der Inszenierung und Repräsentation von Nation und Volksgemeinschaft. Sie sollten anfangs auch den nach dem Ersten Weltkrieg erfolgten Ausschluss Deutschlands von den internationalen Olympischen Spielen kompensieren. Allerdings entfiel diese Kompensationsfunktion spätestens ab 1928: An den Spielen dieses Jahres in Amsterdam nahmen deutsche Sportler wieder teil. Deutschland war mittlerweile nicht nur ein akzeptiertes und überdies erfolgreiches Mitglied der olympischen Familie, sondern schickte sich sogar an, die Spiele zwanzig Jahre nach den geplatzten Spielen 1916 wieder nach Berlin zu holen. Aus diesen Gründen nahmen Elemente des Olympischen Zeremoniells einen wichtigen Stellenwert ein, wurden in die Kampfspiele eingeflochten und, wenn möglich, national uminterpretiert. Die analytische Schwierigkeit besteht also nicht nur in der eigentümlichen Spannung zwischen dem einerseits festen und formalisierten Ablauf und den sich wandelnden Kontexten, sondern auch in den verschiedenen Deutungsangeboten der Kampfspiele, weshalb man in dieser Frage schnell an die Grenzen eines induktiven Verfahrens stößt. Beim Versuch, herauszufinden, welche Botschaften die Kampfspiele vermittelten, kann man, indem man die Untersuchung der performativen Akte durch eine Kontextanalyse ergänzt, generell drei voneinander abgrenzbare Komplexe identifizieren: Erstens ahmte man die Olympischen Spiele nach und demonstrierte dabei nach innen und außen die Fähigkeit, im nationalen Rahmen ähnlich große Sportveranstaltungen durchzuführen. Zweitens sollten die Kampfspiele die Verbundenheit Deutschlands zu den Territorien unter Beweis stellen, die im Gefolge des Versailler Vertrages abgetreten worden waren. Und schließlich wurde auf die Kraft und Leistungsfähigkeit der Nation hingewiesen.157 Das zentrale Element dieser »Stadionvolksfeste« war zweifellos die Eröffnungsfeier.158 Der Ort der Eröffnungsfeier war das Stadion, der Zweck die Bereitstellung eines Wahrnehmungs- und Interpretationsrahmens. Die Kampfspieleröffnung war extemporal, also zu jeder Zeit wiederholbar, wobei es freilich zu Modifizierungen kommen konnte. Sie war zudem exterritorial, jedoch nur in eingeschränkter Weise. Die Eröffnung konnte zwar in jeder Stadt wiederholt, aber nicht ohne ein Stadion durchgeführt werden. Die immense Bedeutung der Kampfspieleröffnung stützt auch ein kurzer vergleichender Blick auf die 157 Vgl. Becker, Massengesellschaft, S. 48. 158 Zitat Dominicus, Bedeutung der Stadionvolksfeste.

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Olympischen Spiele. Die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele diente der Einführung und Einstimmung der Wettkampfteilnehmer und Zuschauer auf das Geschehen. Bei den Kampfspielen hingegen fand die Eröffnungsfeier nicht vor dem Beginn der Wettkämpfe, sondern während des offiziellen Wettkampfbetriebs statt: In Berlin, wo sich die Kampfspiele über zwei Wochen hinzogen, lag das Eröffnungsfest am Anfang der zweiten Woche (25.  Juni). Dutzende Sportwettkämpfe innerhalb und außerhalb des Stadions waren schon vorüber. In Köln – das Programm war mittlerweile auf eine Woche zusammengekürzt – lag die Eröffnungsfeier immerhin am ersten offiziellen Eröffnungstag, dem 4. Juni, aber auch in diesem Fall hatten am Morgen desselben Tages schon mehrere Wettkämpfe stattge­f unden. Und in Breslau, wo die Kampfspieltage noch einmal etwas reduziert worden waren, fand die Eröffnung mittendrin, am 27. Juni statt.159 Im Gegensatz zum Olympischen Zeremoniell diente die Er­öffnung der Kampfspiele mehr der Deutung des Wettkampfes als der Einführung und Einstimmung auf die Spiele. Jede Kampfspieleröffnung bestand aus vier Einzelteilen: 1. dem Masseneinzug der Kampfspielteilnehmer in das Rund des Stadions, 2. den Gruß- und Eröffnungsreden hochrangiger Politiker, Vertreter der Gaststadt und des DRA, die das zuvor durch den Masseneinzug aufgeführte Argument über den Sinn und Zweck der Kampfspiele konkretisierten, 3. dem gemeinsamen Singen vaterländischer Lieder mit Zuschauern zur wechselseitigen Versicherung von Gemeinschaft und Identität, und 4. den Massenfreiübungen. Die Vorbildrolle des »Huldigungs-Sportfests« zur Einweihung des Deutschen Stadions 1913 ist unverkennbar – es wirkt wie eine Blaupause der Kampfspieleröffnungsfeiern.160 Beim Masseneinmarsch ins Stadion, der den Beginn der Feier einläutete, machten die Studenten der Deutschen Hochschule für Leibesübungen den Anfang. Bekleidet lediglich mit einer kurzen, weißen Turnhose und braungebrannt, wie »lebende Bronzefiguren«, fungierten sie als menschliche Wegmarkierungen im Stadionrund und regulierten den darauf folgenden Einzug Tausender Kampfspielteilnehmer.161 »Schon wenn bei Beginn des Festes die Mannschaften einziehen«, heißt es bei Carl Diem und Gerhard Krause, »ergreift den Zuschauer das Bild edelster Jugend, zu einem Willen geordnet. Dieses Sich-Einfügen ist ein Wesenszug der Kampfspiele; es zeigt uns, daß trotz des deutschen Triebes zur Selbstbehauptung des Ich, zur Eigenbrötlerei und Kleinstaaterei, der Trieb zur Einheit und Ordnung überwiegt.«162 Hier klingen die Hauptelemente der Eröffnung an. Das Charakteristikum eines jeden Masseneinzugs während der Eröffnungsfeier war »Ordnung«, die sich jedoch nicht auf die disziplinierte 159 CuLDA, Sachakten, Mappe 13: DRA-Tätigkeitsbericht 1930/31, S.  19; Der Auftakt der Kampfspiele, S. 66. 160 So auch Diem, Deutsche Kampfspiele 1922, S. 25 f. 161 Ebd., S. 26. Der Vergleich mit lebenden Bronzefiguren in: Bensemann/Frommel, Deutsche Kampfspiele 1922, S. 40. 162 Diem/Krause, Deutsche Kampfspiele zu Köln, S. 2 f.

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Formation der Teilnehmer beschränkte. Angesichts der in Reih und Glied ins Stadion marschierenden Kollektivkörper blieb nur ein einziger Mensch als Einzelperson klar erkennbar: der »Herold«. Der Herold, ein erfolgreicher Sportler, leicht bekleidet und möglichst hochgewachsen, wurde auserkoren, als »Ideal­ figur germanischer Jugend«163 den aufmarschierenden Sportlern ins Stadion voranzugehen und dabei entweder ein Banner mit den Insignien der jeweiligen Kampfspiele (in Berlin) oder das Banner des DRA zu tragen (in Köln und Breslau). In Berlin fiel die Wahl auf den Sportler und späteren Dozenten der Deutschen Hochschule für Leibesübungen Heinrich Lacour, der auch schon als Modell des Kampfspielplakats fungiert hatte. In Köln war es der Zehnkampf­ sieger der Spiele von 1922, Arthur Holz, der vorwegmarschierte. Lediglich in Breslau wurde der Herold durch mehrere Personen ersetzt, die sowohl das DRABanner als auch die Reichsflagge trugen.164 Danach folgten die Auslandsdeutschen. Diese waren immer Teil einer Landsmannschaft, die durch einheitliche Kleidung für die Zuschauer identifizierbar war. Große Schilder und Fahnen, die die Landsmannschaften vorneweg mit sich führten und beispielsweise mit Siebenbürgen, Freistaat Danzig, Deutschböhmen, Saargebiet oder Österreich beschrieben waren, ermöglichten den Zuschauern eine genaue Identifikation. Jeder Teilnehmer war als Repräsentant einer speziellen deutschen Herkunft ausgewiesen. Dem folgten die Stadtgruppen, Sportverbände und die Turnerschaft.165 Die Aufmärsche wurden von einer Kapelle musikalisch begleitet – eine Musik, die an den Rhythmus der Bewegungen angepasst war und nicht nur die Melodien wechselte, sondern je nach Anlass langsamer oder schneller, lauter oder leiser gespielt wurde.166 Die Ähnlichkeit mit der Einzugszeremonie der Olympischen Spiele ist frappierend. Zweifellos stand diese in vielerlei Hinsicht Pate für die Kampfspieleröffnung. Während beider Spiele wurde der Einzug der Athleten ins Stadion in Anlehnung an traditionelle Prozessionen als ein Übergang vom Ort des Profanen zum Zentrum des Heiligen inszeniert. In den Olympischen Spielen traten die Athleten den Zuschauern als nationale Einheiten, kenntlich gemacht durch Sportdress und Fahne, gegenüber. Gleichzeitig marschierten die Athleten sowohl bei den Olympischen Spielen als auch den Kampfspielen in einem einheitlichen Rhythmus ein. Dem Einmarsch wohnt also eine doppelte Bedeutung inne – eine partikulare und eine auf größere Einheiten ausgerichtete. Doch während die Olympischen Spiele die Athleten als Vertreter ihrer Nation und als Angehörige einer alle Nationen umfassenden Gemeinschaft inszenierten, deutete die Einmarschzeremonie der Kampfspiele nur auf das Nationale und seine 163 Diem, Deutsche Kampfspiele 1922, S. 28. 164 Siehe ebd.; Diem/Krause, Deutsche Kampfspiele zu Köln, S. 30; CuLDA, Sachakten, Mappe 13: DRA-Tätigkeitsbericht, 1930/31, S. 19. 165 Borowik, u. a., Deutsche Kampfspiele 1922, S. 26–28. 166 Siehe etwa Diem/Krause, Deutsche Kampfspiele zu Köln, S. 30. Am Beispiel der Olympischen Spiele siehe hierzu Schlüssel, Zur Rolle der Musik.

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einzelnen Partikel. Im olympischen Zeremoniell hatten nur die Sportler Griechenlands das Privileg, als erste in das Stadion einzumarschieren (die des Gastgeberlandes bildeten das Ende der Prozession), die Spitze des Kampfspiel-Festzuges hingegen bildeten immer die Auslandsdeutschen.167 Inszenierten die modernen Olympischen Spiele durch diesen performativen Akt ihre Wurzeln in der Antike, so brachten die Kampfspiele die Selbstbehauptung und Einheit der Nation zum Ausdruck. Nach dem Masseneinmarsch stand das Singen vaterländischer Lieder auf dem Programm. Obligatorisch war hierbei ein Kinderchor, der unter Beteiligung des Publikums als Gelöbnis, treu zur deutschen Schicksalsgemeinschaft zu halten, in allen drei Kampfspielen Was ist des Deutschen Vaterland? anstimmte. Um der Kampfspieleröffnung noch zusätzlich eine würdevolle Weihe zu verleihen, sangen Sportler, Zuschauer und anwesende Offizielle gemeinsam das Niederländische Dankgebet. In Köln und Breslau kamen noch ortspezifische Lieder, wie beispielsweise Am Rhein, o wie herrlich, am Rhein, o wie schön, hinzu. Anschließend ertönte eine Fanfare oder Glocke (dies konnte variieren), die die Reden einleitete.168 Die Reden waren keine beiläufige Ergänzung, sondern wesentlich für die Einordnung der Kampfspiele, weil sie für Zuschauer und Sportler den Interpretationsrahmen präzisierten. Während in Berlin nur der Vorsitzende des DRA (Lewald) als Redner auftrat, kamen in Köln noch der Oberbürgermeister Konrad Adenauer und der Reichsinnenminister Wilhelm Külz hinzu. In Köln las Lewald der Menge abschließend noch ein Grußtelegramm des Reichspräsidenten und Kampfspielschirmherrn Hindenburg vor. In Breslau sprachen neben Lewald der Oberbürgermeister Wagner und Alexander Dominicus, der diesmal nicht nur die Grußbotschaft Hindenburgs, sondern auch die des Innenministers Joseph Wirth vortrug. Es ist nicht nötig, an dieser Stelle im Detail auf die einzelnen Reden einzugehen. Aber ohne eine kurze Berücksichtigung der Reden lässt sich weder die Bedeutung der Eröffnung im Stadion, noch die Einordnung der sportlichen Wettkämpfe in den Kampfspielgedanken verstehen. Die Inhalte lassen sich in vier Bestandteile gliedern. Erstens legte der Sport, repräsentiert durch den DRA, während aller drei Kampfspiele ein Bekenntnis zur deutschen Nation und zum deutschen Volkstum ab. In diesem Zusammenhang spielten die Kampfspielstädte eine herausragende Rolle. In Köln stand die Zugehörigkeit des Rheinlandes zum Deutschen Reich im Vordergrund und Adenauer begrüßte die einmarschierten Sportler von der Tribüne des Stadions als Überbringer des Glückwunsches aller Deutschen zur Befreiung der Stadt.169 Breslau wiederum 167 Borowik u. a., Deutsche Kampfspiele 1922, S. 26–28; Alkemeyer, Körper, Kult und Politik, S. 202 f. 168 Die 3. Deutschen Kampfspiele in Breslau, S. 210; Diem, Deutsche Kampfspiele 1922, S. 34; Diem/Krause, Deutsche Kampfspiele zu Köln, S. 39 f. 169 Ebd., S. 36.

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Abb. 20 u. 21: Deutsche Kampfspiele 1922 während der Eröffnungsfeierlichkeiten am 25. Juni 1922. Einzug der Österreichischen Mannschaft in das Deutsche Stadion und die Massenfreiübungen der Deutschen Turnerschaft.

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wurde als das »deutsche Bollwerk des Südostens« bezeichnet und die Abhaltung der Kampfspiele dort galt als eine nationale Solidaritätsbekundung des gesamten deutschen Volkes.170 Zweitens deutete man den Sport als Ausdruck des deutschen Volkstums. Sport und Kampfspiele  – so Lewald 1922  – seien eine »nationale Volkssache«.171 Zwar vergaß insbesondere Lewald nicht, die antiken Vorbilder zu erwähnen, dennoch hob auch er hervor, dass der Sport, so wie er in den Kampfspielen zur Aufführung kam, etwas originär Deutsches sei. Keiner der Redner ging allerdings darauf ein, worin sich nun das spezifisch Deutsche niederschlug. Drittens galt es, die Förderung des Sports durch die Politik und das Sporttreiben selbst als eine vaterländische Aufgabe darzustellen, die laut Innenminister Külz (1926) darin bestehe, »den Einzelnen eingliedern in den Dienst der Gemeinschaft und ihn in seinem Sinn für die Pflicht zum Vaterlande« zu stärken.172 Durch ihren Auftritt im Rund des Stadions versicherten die Redner aus der politischen Sphäre den Zuschauern und Sportlern die Anerkennung und Wertschätzung des Staates für ebendiese vaterländische Arbeit der Sportler und Sportverbände. Und viertens schließlich formulierten die Reden die klassenübergreifende, konfliktfreie Volksgemeinschaft als eine die Wahrnehmung der Kampfspiele strukturierende Kategorie. Die Kampfspiele galten in diesem Zusammenhang als ein symbolischer Ausdruck der Zusammengehörigkeit aller Deutschen.173 Durch die Betonung der Volksgemeinschaft waren die Kampfspiele gleichzeitig auch für verschiedene politische Lager anschlussfähig, denn dieser Begriff konnte auf der einen Seite im Rekurs auf den »Geist von 1914« antipluralistisch und antiparlamentarisch besetzt sein, auf der anderen Seite aber mit dem Volk als politischem Willensträger im Zentrum auch Partizipationsverheißungen umfassen.174 Am Ende der Reden wurde das Deutschlandlied angestimmt. Das Verstummen des Gesangs signalisierte wiederum den Beginn der Massenfreiübungen. Eine geordnete Masse füllte den Innenraum des Stadions. Es waren in der Hauptsache Turner, die durch ihren Auftritt Einigkeit mit den Sportlern in nationalen Belangen demonstrierten und ohnehin größere Fertigkeiten in Massenfreiübungen aufwiesen. Wie Michael Krüger dargelegt hat, wurde das turnerische Massenritual schon in der Kaiserzeit praktiziert, setzte sich aber erst in den Jahren der Weimarer Republik als ein wesentliches Element von Turn- und Sportfesten durch. Das typische Merkmal dieses Massenrituals, der militärische Aufmarsch in geordneten Reihen und die Massenfreiübungen in einem Stadion, kamen nicht nur während der Kampfspiele zur Aufführung, sondern auch beispielsweise während der Deutschen Turnfeste, der Arbeiterturn- und Sportfeste 170 Andreae, Breslau, S. 13. 171 Borowik u. a., Deutsche Kampfspiele 1922, S. 34. 172 Diem/Krause, Deutsche Kampfspiele zu Köln, S. 38. 173 So Innenminister Külz in Köln. Siehe ebd., S. 38. 174 Hierzu Hettling, Erlösung durch Gemeinschaft; Mergel, Führer, Volksgemeinschaft und Maschine.

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oder der Deutsch-Akademischen Olympischen Spiele.175 Bei den Kampfspielen dirigierte ein Oberturnwart von einem Turm am Rand der Laufbahn aus »fast unsichtbar und unhörbar« die Bewegungen und Effekte des Kollektivkörpers.176 Als würde man einem »windbewegten Getreidefelde« zusehen, so sei »auch der Anblick einer großen Menge gleichgekleideter, in Ordnung stehender und im Gleichtakt schwingender Kraftgestalten immer ein Eindruck von ganz eigen­ artigem Reiz, den auch das Publikum voll empfand« – so eine Beschreibung des Effektes der Massenfreiübung auf die Zuschauer 1926.177 Das Spektakel Tausender gesunder, in den Worten Foucaults: »geübter, fügsamer und gelehriger Körper«,178 für alle sichtbar im Zentrum des Stadions und ohne sichtbare Distinktionsmerkmale, ließ als imagined community die deutsche Volksgemeinschaft entstehen.

10. Entwürfe für ein »Festspielstadion« Die Deutschen Kampfspiele sind geradezu paradigmatisch für die »Stadionvolksfeste« der Weimarer Zeit. Aber gerade das bis in das späte 19. Jahrhundert zurückreichende Vorhaben, künstlerisch-musische Elemente mit dem Sport im Stadion zu verknüpfen und damit sowohl den Sport als auch das Stadion aufzuwerten, ist in den Kampfspielen kaum realisiert worden. Zwar wurden Konzerte, Sprechchöre und Theaterstücke im Rahmen der Kampfspiele aufgeführt, aber losgelöst von den Sportwettkämpfen und nicht im Stadion. In Breslau etwa setzte sich das musische Programm aus einem Orgelvorspiel (Johann Sebastian Bach, Präludium in Es-Dur und Toccata und Fuge in d-Moll), aus Männer­ chören, die das Lob Gottes (August von Othegraven) und Deutschland, mein Vaterland (Viktor Kehldorfer) intonierten, sowie dem Sprechchor Volkstum und Vorführungen der Breslauer Schuljugend zusammen. All diese Aufführungen fanden in der Jahrhunderthalle statt.179 Ähnlich war es zuvor in Berlin und Köln gewesen. 1922 kam das künstlerische Programm im Deutschen Opernhaus Charlottenburg, in der Staatsoper, im Staatlichen und Großen Schauspielhaus, in der Garnisonskirche, in der Philharmonie und in der Volksbühne am Bülowplatz zur Aufführung, aber nicht im Stadion.180 Auch haben Überlegungen, ob dieses oder jenes Stadion für die Einbeziehung von Musik und Theater besonders geeignet war, für die Auswahl der Kampfspielstätten keine Rolle gespielt. Wesentlich war, dass die Stadien eine gewisse Zuschauerkapazität und 175 Krüger, Turnfeste als politische Massenrituale, S. 85 f. 176 Diem, Deutsche Kampfspiele 1922, S. 37. 177 Diem/Krause, Deutsche Kampfspiele zu Köln, S. 41. 178 Foucault, Überwachen und Strafen, S. 218. 179 Festbuch. 3. Deutsche Kampfspiele Breslau, S. 40 f. 180 Diem, Deutsche Kampfspiele 1922, S. 58 f.

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einen großen Aufmarschplatz für die Inszenierung der Masseneinmärsche und -freiübungen aufwiesen.181 Diese Diagnose bedeutet jedoch nicht, dass der Einbeziehung musischer Elemente und der Frage nach der Festspieltauglichkeit des Stadions keinerlei Bedeutung beigemessen wurde. Im Gegenteil. Die Tendenz zu kultartigen Massenfesten und speziell die Umsetzung der Kampfspielidee schlugen sich durchaus in den Stadionbauten und -entwürfen der 1920er Jahre nieder. Eine theoretischbauliche Ausformulierung erhielt das Konzept einer Vereinigung von Sport und Fest durch den in der Forschung bislang kaum beachteten Architekten Johannes Seiffert, der, wie ausgeführt, als Schüler Otto Marchs am Bau des Deutschen Stadions beteiligt war, vor dem Ersten Weltkrieg Entwürfe für den Bau des Düsseldorfer Stadions beisteuerte und von 1920 bis 1926 die Spielplatzberatungsstelle des DRA leitete.182 Seiffert zielte in seinen Betrachtungen und Entwürfen auf die Schaffung von »Festspielstadien«, die eine Verschmelzung von »Kampfspiel« und »Festspiel« ermöglichen sollten. So vergaß Seiffert in seinem 1924 erschienenen Buch Spielplätze und Festspielplätze auch nicht, Rolfs, den exponiertesten Vertreter des Deutschen Kampfspielbunds, als wichtigen Förderer des Festspielgedankens namentlich zu erwähnen,183 während umgekehrt Carl Diem als Generalsekretär des DRA die wichtige Rolle betonte, die Seiffert bei der Aufstellung von Richtlinien für die Gestaltung der Deutschen Kampfspiele eingenommen habe.184 In Seifferts Gedankengerüst war das Festspiel zentral, dessen wesentliche Eigenschaften die episodische Anordnung, die Verknüpfung musikalischer und theatralischer Elemente, der kultische Charakter und die Tendenz zu Masseninszenierungen waren.185 Vor diesem Hintergrund verwundert es wenig, dass Seiffert sich ursprünglich mit dem Theater und seinem Zuschauerraum beschäftigt hatte.186 Im Einweihungsjahr des Deutschen Stadions (1913) entwickelte er auf das Theater bezogen einige Gedanken, die er in den 1920er Jahren auch auf das Stadion anwenden sollte. Seine Überlegungen bezogen ihre Inspirationen aus der Theaterreform der Jahrhundertwende und kreisten zunächst um die Frage, welches Theater welchen Zweck zu erfüllen habe. Streng unterschied er dabei ein »volkstümliches« von einem »klassenbewußten« Theater, wobei er ersterem die »Erhebung über dem Alltag« bescheinigte, während in letzterem ein »Sichabfinden mit dem Alltag« zum Ausdruck komme. Die von Seiffert aufgebaute Dichotomie basierte auf einfachen Gegenüberstellungen, die dem »volkstümlichen« Theater den »Kult«, die »Religion«, die »Dramatik«, das »Schicksal«, die »Macht des Lebens« und das »Miterleben«, dem »klassen181 Siehe etwa Konwiarz, Das Stadion, S. 19–25. 182 Schäche/Szymanski, Das Reichssportfeld, S. 34 f. 183 Seiffert, Spielplätze und Festspielplätze, S. IX. 184 Diem, Nachwort, S. 51. 185 Sprengel, Die inszenierte Nation, S. 16 f. 186 Seiffert, Der Zuschauerraum des Theaters.

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bewußten« Theater das »Triviale«, die »Zerstreuung«, den »Witz«, die »Ablenkung« und das »Zuschauen« zuwiesen.187 Das so charakterisierte volkstümliche Theater habe  – so Seiffert weiter  – seine Entsprechung in der architektonischen Anordnung und in der Anlage des Zuschauerraums: »So sehen wir in den Perioden eines starken Volkslebens, dessen Rhythmus und Herzschlag Klassenschmerzen und Moquiersucht von Sonderbestrebungen verstummen macht, die einfache Szene inmitten der Zuschauer […]. Wir sehen dort […] ein Publikum versammelt, das wirklich, gemessen an seinen geistig-seelischen Interessen, als Repräsentant des Volkes, seines Fühlens und Denkens gelten kann.«188 Dementsprechend kritisierte er die Hof- und Gesellschaftstheater mit der ihnen eigenen Aufteilung in Logen und Ränge, weil er dort im Publikum eben nicht »das Volk« repräsentiert sah, sondern die Absonderung einer Klasse, weil das Publikum eben nicht »als Volk« mit sich selbst konfrontiert würde, sondern durch die Disziplinierung des Blicks nach vorne lediglich das aufgeführte Stück und die Rückenpartien der anderen Zuschauer wahrnähme und vor allem, weil diese Ordnung des Zuschauerraums ein Miterleben und Einbeziehen des Publikums, immer als Repräsentant des »Volkes« gedacht, unmöglich mache. Angesichts dieser Umstände sei es kein Wunder, dass die Menschen in Sportwettkämpfen und im Stadion statt im Theater ihre »seelische Erfrischung« suchen.189 Als potentielle Orte des volkstüm­ lichen Theaters klassifizierte er die »Shakespearebühne« (Globe-Theater in London), das antike Theater in seiner amphitheatralischen Form und – beeindruckt von Max Reinhardt, der 1911 im Zirkus Schuhmann die Uraufführung von Hugo von Hofmannsthals Jedermann ausrichtete  – den Zirkus. Diese Räume erlaubten erstens durch ihren kreis- oder halbkreisförmigen Grundriss oder ihre elliptische Form eine andere Positionierung des Publikums und zweitens die Unterbringung einer größeren Anzahl von Zuschauern, für Seiffert Grund­ voraussetzungen des »neuen« Theaters: »Die Forderung, größere Zuschauermassen heranzuziehen, in modernen Großstädten Aufführungen zu schaffen, die in deren Massenleben – Volksleben möchte man gerne wieder sagen – Ereignisse darstellen, wird nun nicht mehr verstummen.«190 Und um diese Forderung in die Tat umzusetzen, müsse man neue Anlagen schaffen. Spätestens in den 1920er Jahren sah Seiffert diese neu zu schaffenden Festspielanlagen in Stadien, die sowohl den geforderten amphitheatralischen Grundriss aufwiesen als auch so große Menschenmassen wie kein anderer geschlossener Raum aufzunehmen imstande waren.191 Die verstärkte Hinwendung zum Stadion bedeutete aber keinesfalls ein vorbehaltloses Eintreten für alle Sinnprinzipien und Erscheinungsformen des Sports, wenngleich Seiffert 187 Ebd., S. 100. 188 Ebd., S. 101. 189 Ebd., S. 101 f. 190 Ebd., S. 104. 191 Seiffert, Spielplätze und Festspielplätze, S. IX.

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zu diesem Zeitpunkt bereits die Spielplatzberatungsstelle des Reichsausschusses leitete. So führte er zeittypische kulturkritische Argumente auf, die den Sport als Massenspektakel beanstandeten. Zum einen verteidigte Seiffert, analog zu romantisch-konservativen Autoren der 1930er Jahre wie Ortega y G ­ asset und Johan Huizinga, das Spiel im Sport als den Kern menschlicher Bedürfnisse und die Kreativität vor der Banalisierung und Mechanisierung durch die Moderne.192 Damit verbunden kritisierte er zum anderen die vermeintlich passive Masse des Sportpublikums, die im kulturkritischen Diskurs der Weimarer Jahre als dumpf und roh galt.193 In seinem Nachwort zu Seifferts Studie Spielplätze und Festspielplätze verlieh Diem diesem Vorbehalt gegenüber der Masse besonders drastisch Ausdruck, indem er die Zuschauer, die sich des Sports bemächtigt hätten, als »Pöbel« bezeichnete.194 Wollte man aber in Abgrenzung hierzu dem Sport kulturelle Bedeutung zuschreiben, so erschien die Verbindung von »Kampfspiel« und »Festspiel« elementar.195 Erst das Fest  – so Seifferts Überzeugung – veredle die amorphe Masse im Stadion zu einem »maß­ freudigen Wir«.196 Seiffert unterschied streng zwischen »Schaustellung« und »Fest«. Die Schaustellung, auch im Sport, sei grundsätzlich amusisch und zeige sich im groben Nervenkitzel. Das Fest hingegen zeige sich im künstlerischen, musischen Zusammenwirken aller Teilnehmer. Die Kernbegriffe, mit denen Seiffert das Wesen der Kombination aus sportlichen Wettkampf und Fest beschrieb, waren »Spüren«, »Fühlen«, »Gemeinschaft«, »Ursprünglichkeit« und »Beseelung«.197 Das Festspielstadion war für Seiffert ein Ort zur Herstellung einer intakten Gemeinschaft, die in ihrer Ursprünglichkeit einem rationalen Zugang versperrt sei und daher im Fest erspürt und erfühlt werden müsse.198 Im antiintellektuellen Affekt der konservativen Kulturkritik beschwor er einen organischen, ursprünglichen Rhythmus als Kern des sportlichen Festspiels, das weitgehend ohne das gesprochene Argument auskomme.199 Der Gemeinschaftsgedanke, dem der »Frondienst des Argumentierens« entgegenstehe, sollte allein in der körperlichen Darbietung des Sports, im Gesang und in der Musik seinen Ausdruck finden.200 Dieses Konzept korrespondierte natürlich auch mit den eingeschränkten akustischen Möglichkeiten eines Stadions. In Gegensatz zu einem geschlossenen und kleineren Theaterraum, waren dort allen auf Wortverständnis und Wortvermittlung angelegten Aufführungen enge Grenzen gesetzt. Daher konn192 Huizinga, Homo Ludens; Gasset, Der Aufstand der Massen. 193 Hoberman, Sport and Political Ideology, S. 160 f. 194 Diem, Nachwort, S. 52. 195 Seiffert, Anlagen für Sport und Spiel, S. 139–141. 196 Ebd., S. 144. 197 Ders., Spielplätze und Festspielplätze, S. 31 f., 35–37. 198 Siehe Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 250 f. 199 Seiffert, Anlagen für Sport und Spiel, S. 140. 200 Zitat n. Seiffert, Spielplätze und Festspielplätze, S. 34.

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ten im Stadion, zumindest in der Tendenz, neben Gesang und Musik nur die Form- und Farbwirkung von Körper und Massen sowie ihre Bewegungen einen Effekt erzielen, wobei hinzuzufügen ist, dass es hier durchaus Ausnahmen gab. Das Stadion in Frankfurt am Main etwa kam durch die klassizistische Fassade und die Eingliederung eines nach Angaben des Würzburger Archäologen Heinrich Bulle rekonstruierten »altgriechischen« Theaters der Idee eines Festspielstadions im Sinne Seifferts sehr nahe.201 Diese Bühne wurde vor allem während der Ersten Internationalen Arbeiterolympiade in Frankfurt 1925 für Massenchorwerke genutzt. Max Bromme, damals Gartenbaudirektor der Stadt Frankfurt, hob bei dieser Gelegenheit jedenfalls die »sehr gute Akustik im grünen Raum« hervor,202 ebenso wie schon vorher bei Proben bemerkt wurde, dass jedes gesprochene Wort auch im entferntesten Winkel der Anlage gut vernehmbar gewesen sei.203 Ganz offensichtlich war Seiffert von der Wagnerschen Idee des Gesamtkunstwerks inspiriert. Der Gedanke an eine Verschmelzung von Tanz-, Tonund Dichtkunst, das Ideal eines synästhetischen Erlebnisses von Raum, Bewegung und Klang, die romantische Idee einer darin manifesten künstlerischen Gegenwelt, die überwältigungsästhetischen Inszenierungspraktiken, das Bevorzugen der amphitheatralischen Form, die Rückbesinnung auf das antike Theater sowie der schwülstige Germanenkult deuten in diese Richtung.204 Darüber hinaus weisen bei genauer Betrachtung viele der Überlegungen Seifferts Parallelen zur völkischen Kunst- und Theaterkritik seiner Zeit auf, mit deren Protagonisten (und Richard Wagner) Seiffert auch einen ausgeprägten Antisemitismus teilte.205 Ähnlich wie Ludwig Klages galt auch Seiffert der »innere Rhythmus« der Person oder eines Volkes mehr als Sprache, mehr als jedes Argument.206 Und ähnlich der völkischen Theaterreform war auch für Seiffert die nonverbale Kommunikation Gegenstand einer pädagogischen Mission, einer Kunsterziehung des Volkes durch musische Bewegung: Im Sport-Spiel, Tanz und Gesang würden Personen selbst zu Manifestationen ihrer ethnisch-biolo­ gischen Beschaffenheit.207 Auch der hohe Stellenwert des Rhythmus im Gedankengebäude Seifferts geht in vielen Teilen auf einen wichtigen Protagonisten der völkischen Theaterreform zurück: Georg Fuchs. Kultur war für Fuchs »das Produkt eines Volkes, das nicht entwurzelt ist und […] seinem eingeborenen Rhythmus des Blutes folgt«, weswegen – so seine Schlussfolgerung – aus dem 201 Siehe Schädler, Archäologie, Theater und Sport. Zum dortigen Massenchorwerk siehe auch Kampf um die Erde. Weihespiel von Alfred Auerbach. 202 Bromme, Das Stadion in Frankfurt am Main, o. S. 203 Frankfurt und sein Stadion, o. S. 204 Zum Konzept »Gesamtkunstwerk« als Teil der ästhetischen Moderne siehe Finger, Das Gesamtkunstwerk der Moderne. Genauer auf die Richard Wagner eingehend Bermbach, Der Wahn des Gesamtkunstwerks. 205 Siehe vor allem Seiffert, Zwischen den Fächern, S. 54–60. 206 Klages, Der Geist als Widersacher der Seele. Ferner siehe Ruhwinkel, Georg Fuchs. 207 Hein, Völkische Kunstkritik, S. 625.

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Rhythmus, oder aus der rhythmischen Bewegung des menschlichen Körpers im Raum, die »Wiedergeburt der Deutschen Bühne« zu erfolgen habe.208 Seifferts Angelpunkt war die Annahme einer ursprünglichen nationalen Fest- und Spielkultur, die durch die modernen Elemente eines im Kern wesensfremden Sports gefährdet sei. Die Idee der Kampfspiele erscheint in diesem Kontext nicht als etwas Neues, sondern als Teil einer weit in die Vergangenheit reichenden, genuin deutschen Festkultur: »Der deutsche Kampfspielgedanke ist so alt wie das deutsche soziale Bewußtsein. Er entstammt den Anfängen der deutschen Gesellschaftsbildung, der deutschen Kultur. Und schon in seinen Anfängen wurde er nicht nur schaustellerisch [ein Begriff, den Seiffert ansonsten zur Charakterisierung des modernen Sports verwendet] erfasst, sondern von besinnlichen Menschen sinnbildlich durchdrungen bis in seines Wesens Kern.« Um die ihm vorschwebende Verschmelzung von Volksfest, Sport, Aufmärschen, Gesang und Tänzen im Kampfspielgedanken zu verdeutlichen, bemühte er ein mystisch verbrämtes Germanentum, zu dessen elementarem Wesenszug er in Anlehnung an den Sport kurzerhand den Wettkampf erkor. Dabei scheute Seiffert keinen noch so absurden Vergleich: »den Wettkampf zwischen Siegfried, dem Drachentöter, mit Dietrich von Bern im Rosengarten der Kriemhild in Worms.«209 Durch den Rückgriff auf das Lied Rosengarten zu Worms aus dem 13. Jahrhundert deutete Seiffert das sportliche Volksfest der Weimarer Zeit und speziell die Deutschen Kampfspiele als essentiellen Teil der deutschen »Volksseele« und mystifizierte und dramatisierte zugleich das Festspielstadion durch die Verknüpfung mit Kriemhilds Rosengarten. Welche praktischen Schritte ersann nun Seiffert zur Umsetzung seiner Idee vom Festspielstadion? Zunächst stellte er eine Art Ablaufplan für Stadionvolksfeste auf, der in vielerlei Hinsicht mit Diems Kampfspielzeremoniell übereinstimmte (was nicht zuletzt auf die enge Beziehung zu Diem zurückzuführen ist), aber die dort vermissten musischen Aspekte in einem viel stärkeren Maße berücksichtigte. Zur Vereinigung von Wettkampf und Fest sah Seiffert den gezielten Einsatz von Theater, Gesang und Musik vor. Im Ganzen bezog er das Konzept des Rhythmus auf einen von ihm erdachten Takt, einen die Veranstaltungen strukturierenden Ablauf: Erstens das Vorspiel beziehungsweise die Eröffnungsfeier, was den Aufmarsch der Beteiligten umfasste, zweitens die Hauptfeier, bestehend aus Theater, Gesang und Musik, gefolgt vom sport­lichen Wettkampf und schließlich der Ausklang beziehungsweise die Abschlussfeier, in der Hauptsache Aufmärsche, umrahmt von Musik.210 Dieser »Takt« hatten auch Konsequenzen für seine Stadionentwürfe. Seiffert zufolge musste, damit »festliche Stimmung« aufkommt, die »ganze Anlage […] mitspielen«.211 Erst durch das Zusammenspiel von Raum und Spiel kommt Seiffert zufolge 208 Zitate n. Ruhwinkel, Georg Fuchs, S. 749 f. Siehe auch Prütting, Theater als Waffe. 209 Seiffert, Spielplätze und Festspielplätze, S. 47–49. 210 Ders., Anlagen für Sport und Spiel, S. 144. 211 Ders., Spielplätze und Festspielplätze, S. 3.

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das Fest zustande. Überhaupt habe der Architekt von Stadien die Aufgabe, die Verschmelzung von Wettkampf und Fest räumlich zu unterstützen, und zwar durch die Ausstattung der Sportstätte mit einem kultischen Zentrum, einem »Festkernplatz«. Dieser solle wiederum dazu dienen, die Zuschauer aktiv in das Festgeschehen einzubinden.212 In Seifferts eigenen Entwürfen scheinen klar die bereits erwähnten Impulse aus der Theaterreform und der mit der Heimatkunstbewegung verknüpften Freilichttheaterbewegung durch, auch was die Vorbildfunktion des antiken Theaters anging.213 Seiffert kreierte einen Mix aus Sportarena und Freilichttheater. Den Kernplatz des Festraumes konzipierte er als ein hufeisenförmiges Amphitheater und versah ihn mit einer neo-klassizistischen, an der offenen Seite gelegenen Chortribüne. Der »erhabene« Bautyp des antiken Theaters diente ihm dabei als Vorbild für seinen Entwurf des Festkernplatzes.214 Auch Diem versäumte in kaum einer seiner vielen Schriften zum Stadionbau auf die Form des antiken Theaters hinzuweisen, wenn er über die Vorzüge der »Huf­ eisenform« für Stadionbauten referierte.215 Abgesehen vom Festkernplatz platzierte Seiffert großflächige Übungs- und Aufmarschplätze vor dem Stadion, wie sie auch schon die Kampfspielstadien in Berlin, Köln und Breslau aufwiesen. Um die Wirkung von Masseneinmärschen zu erhöhen bestückte er das Stadion zusätzlich mit Eingängen, deren Breite, ganz im Sinne einer Überwältigungsarchitektur, die üblichen Ausmaße weit übertraf. Demselben Gedanken folgend verlagerte er die Eingänge unmittelbar links und rechts neben die zentrale Chortribüne. Sein ehrgeizigstes Projekt zielte auf eine Festspielstätte, die für 50.000 Zuschauer ausgelegt war. Die obligatorische Chortribüne war für ein riesiges, 300 Musiker und 1.000 Chorsänger umfassendes Ensemble ausgelegt. Von hier sollten die Festspiele musikalisch eröffnet und beendet werden. Die Konstruktion des Tribünendaches, diente der akustischen Verstärkung, war ganz auf die Entfaltung von Musik und Gesang ausgerichtet.216 Seifferts Entwürfe für eine Verschmelzung von Sport, Kunst und kultischen Handlungen spiegeln sicherlich Elemente des historisierenden olympischen Zeremoniells, doch die Hauptimpulse waren zeitgemäß, wurzelten eindeutig in den 1920er Jahren und den theatralen Formen der kulturellen Moderne.217 Zu dieser Zeit dienten Stadien häufig als Orte von Massenfesten, die auf jene Konstruktion von Gemeinschaft zielten, die auch Seiffert vorschwebte. Allerdings ist an dieser Stelle auch festzuhalten, dass die in diesem Rahmen auf Überwältigung und Vergemeinschaftung zielenden Inszenierungspraktiken aufgrund der 212 Ders., Anlagen für Sport und Spiel, S. 140. 213 Puschner, Deutsche Reformbühne und völkische Kultstätte. 214 Seiffert, Spielplätze und Festspielplätze, S. 17, 30. 215 Diem, Die Anlage von Spiel- und Sportplätzen, S. 55–57. 216 Seiffert, Anlagen für Sport und Spiel, S. 145–152. 217 Siehe Marx, Ein theatralisches Zeitalter.

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Abb. 22: Entwurf von Johannes Seiffert zu einem Festspielstadion mit überdecktem Amphi­ theater und einem vorgelagerten Aufmarsch- und Übungsplatz. Originalbildüberschrift: »Plastische Skizze eines Raummotivs zu einer Festspielstätte für Groß-Berlin«. Zeichenerklärung: »(a) Ovale Arena mit 400 m Laufbahn, Fußballplatz und Sprungbahnen p.p., (b) Zuschauerplätze für 50.000 Personen, (c) Chor für Sänger und Musiker, (d) Saalbau und Bürohaus, (e) Einmarschwege, (f)  Turmhäuser, Räume für verschiedene Verwendung, (g) Logierhäuser, Säle, (h) Uebungs- und Aufmarschplätze, (i) Gymnastiksäle, Ausstellungen u. a. m., (k) Turn- und Sporthallen, (l) Ehrenhof, Ausstellungen im Freien, (m) Schwimm-Stadion, (n) Eingänge für das Publikum, Nutzräume unter den Zuschauerplätzen, (o) Torbau (Marathontor).«

konstitutiven Vieldeutigkeit des Stadions und der strukturellen Unberechenbarkeit von Sportveranstaltungen an ihre Grenzen stießen. Die Kampfspiele der Weimarer Zeit haben die Schwierigkeiten aufgezeigt, das Stadion und den Sport mit musisch-künstlerischen Elementen zu »veredeln« und zugleich mit eindeutigen politischen Deutungsangeboten zu belegen. Vor diesem Hintergrund wird die elementare, aber in der Forschung kaum beachtete Verknüpfung von Sportbewegung, Massenkultur, Antikerezeption und Theater verständlicher, wobei das Theater in seiner Beziehung zum Fest gerade dann relevant wurde, wenn 222 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370292 — ISBN E-Book: 9783647370293

dort Gemeinschaftserlebnisse erzeugt und Identitäten gebildet werden sollten. Dabei spielte das Festspiel, das sich erkennbar auf antike Vorbilder bezog, eine ähnlich wichtige Rolle wie die künstlerische Avantgarde.218 In der Auffassung, dass Sportveranstaltungen Feste seien oder zu Festen gemacht werden müssten, war inbegriffen, dass das Publikum nicht nur zuschauen, sondern auch teilnehmen müsse – eine zur gleichen Zeit in den Bemühungen einer Reform des ­Theaters und insbesondere im politischen Theater ebenfalls diskutierte Sichtweise.219 Zentrale ideelle Topoi jener Zeit, wie beispielsweise die Einbeziehung des Rezipienten, die Befreiung von der Dominanz des Textes, die Suche nach Spielstätten außerhalb fixer Theaterhäuser und die konzeptionelle Einbeziehung antiker Theaterbauten spielten auch in den Entwürfen von Festspiel­ stadien eine wesentliche Rolle.

218 Siehe Nolte/Hettling, Bürgerliche Feste. 219 Fischer-Lichte, Theatre, Sacrifice, Ritual. Zitat Diem, Nachwort, S. 51.

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V. Körper-Wissen Das Interesse an Orten und Räumen des Wissens rührt von einer Verschiebung und Neuakzentuierung wissenschaftshistorischer Methoden, Fragestellungen und Erkenntniszielen her, die – hier nur grob angedeutet – als sukzessive Abkehr von einer institutionen- und ideengeschichtlichen Wissenschaftsbetrachtung beschrieben werden kann. Orte und Räume des Wissens rücken in den Vordergrund, je mehr man sich mit sozialen Verhältnissen innerhalb wissenschaftlicher Institutionen, ihrer Rolle bei der Generierung, Durchsetzung und Repräsentation von Wissen und mit der Materialität von Forschung (etwa Apparate und Architekturen) beschäftigt. Gemein ist diesem Forschungsstrang, dass er der Praxis eine eigene Örtlichkeit und eine eigene Geschichte zu­ gesteht, »die sich nicht auf die Bestätigung oder Widerlegung von Theorien be­ schränken lässt«.1 Ausgangspunkt dieses Kapitels ist die Annahme, dass der Aufstieg des Sports zu einem kulturellen Massenphänomen sowie die Herausbildung und Funktion von Sporträumen mit der Entwicklung der Naturwissenschaften und hier insbesondere der Physiologie und der angewandten Psychologie in vielfältiger Weise verquickt waren. Eine Geschichte von Sporträumen griffe daher ohne die Berücksichtigung jener Prozesse, die an die Verwissenschaftlichung und Rationalisierung des Körpers anknüpfen, zu kurz. Es ist ein auffälliges Phänomen in der Geschichte des Sports, dass während vieler Sportveranstaltungen wissenschaftliche Experten anwesend waren, für die der Sport und der Sportler offensichtlich begehrte Untersuchungsobjekte darstellten. Dieser Umstand gilt auch für viele in dieser Arbeit behandelte Veranstaltungen, seien es nun die Olym­pischen Spiele in Amsterdam 1928, die Frankfurter Arbeiterolympiade 1925 oder die Kampfspiele in Breslau 1930 – um nur einige Beispiele zu nennen. In anderen Worten, Sportstätten dienten nicht nur der Abhaltung von Wettkämpfen, dem Sportkonsum oder der festlichen Inszenierung von Gemeinschaft und Identität. Sie waren auch Räume, in denen Wissenschaft betrieben wurde  – und das zur selben Zeit und am selben Ort. Sportstätten lassen sich also auch als Orte interpretieren, in und an denen Wissen generiert und vermittelt wurde.2 Diese Hypothese aufgreifend, werden im Folgenden Sportstätten auch als Zwischenräume begriffen, in denen sich moderne Massenkultur und Wissenschaft überschnitten.3 Diese Zwischenräume 1 Ash, Räume des Wissens, S. 235. 2 Allgemein hierzu Heßler, Die kreative Stadt, S. 18; Smith/Agar, Making Space; Busche, Wissensräume. 3 Zum Begriff »Zwischenraum« vgl. Löw, Raumsoziologie, S. 81–83.

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geben nicht nur Aufschluss darüber, wie und welches Wissen über den Sport erzeugt wurde, sondern offenbaren auch Vorstellungen über die Rolle des Sports und der Wissenschaften in der Gesellschaft. Von diesen Überlegungen ausgehend werde ich im Folgenden der räumlichen Verknüpfung von Sportbetrieb und Sportforschung in unterschiedlichen Anordnungen nachgehen.

1. Die Verknüpfung zweier Welten: Die Sportstätte als Laborlandschaft Die Zeit um die Jahrhundertwende markiert nicht nur die allmähliche Wandlung des Sports von einem etwas abseitigen Freizeitvergnügen der leisure class zu einem kulturellen Massenphänomen, sondern auch eine Epoche der zunehmenden Verwissenschaftlichung des Körpers. Eben zu dieser Zeit rückten Sportler und Sportstätten in den Fokus der Wissenschaften. Bereits zu Beginn des 20.  Jahrhunderts zogen Sportgroßveranstaltungen, wie etwa die Olympischen Spiele, Wissenschaftler an. Aber was war der Grund für das erwachende Interesse der Wissenschaftler am Sport? Weshalb versammelten sich namhafte Wissenschaftler in Sportstätten, um den Körper des Sportlers zum Gegenstand der Vermessung und wissenschaftlicher Experimente zu machen? Um 1900 suchten Physiologen und Mediziner Sporträume auf, um wesentliche naturwissenschaftliche Körperfragen zu studieren. Im Mittelpunkt standen hierbei die mehr oder minder neu »entdeckten« Phänomene der Ermüdung und in diesem Zusammenhang das Zusammenspiel von Arbeitsleistung, Wärme und Nahrung. Im medizinischen Verständnis war das Wissen über die Körperfunktionen aus seinen anatomischen, morphologischen und chemischen Strukturen abzulesen, die sich allerdings in erster Linie über Leistung offenbarten. Situationen, in denen der menschliche Organismus großen Belastungen ausgesetzt wurde, waren dementsprechend von großem Interesse.4 Neben etwa marschierenden Soldaten oder Alpinisten war es insbesondere der Sportler, der sich freiwillig auf dem Sportplatz einer solch außergewöhnlichen Belastungssituation aussetzte und Wissenschaftler hoffen ließ, daraus die physiologischen Prozesse des human motor enträtseln zu können.5 Kurzum, Sporträume eigneten sich als Laboratorien der menschlichen Leistungsfähigkeit, da sie außeralltäg­liche körperliche Belastungssituationen generierten. In Anlehnung an die Studie von Philipp Felsch zu Angelo Mosso und der alpinen Höhen­ physiologie kann auch der Sportraum als ein »Steigerungsraum« betrachtet werden, der körperliche Anstrengungen und Erschöpfungszustände besonders intensiv zum Vorschein brachte.6 Diese Perspektive korrespondiert mit den 4 Hoberman, The Early Development, S. 233–282; ders., Sterbliche Maschinen, S. 15–26. 5 Rabinbach, The Human Motor. 6 Felsch, Laborlandschaften, S. 7–12.

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­Laboratory ­Studies, die Laboratorien als höchst artifizielle, »gesteigerte Umwelten« und »extreme Orte« betrachten, an denen »extreme Milieus« geschaffen werden.7 In diesem Sinne interpretiere ich im Folgenden Sporträume als Laborlandschaften. Für das zunehmende wissenschaftliche Interesse am Sport ist der epochale Aufschwung der Naturwissenschaften zur säkularen Deutungsinstanz der modernen Welt wesentlich. Dem Physiologen Emil Du Bois-Reymond, der mit seinem Essay Über die Übung (1881/1912) schon früh die physiologischen Komponenten der Leibesübungen thematisierte, war die Naturwissenschaft das »absolute Organ der Kultur« und ihre Geschichte »die eigentliche Geschichte der Menschheit«.8 Er untersuchte eine große Spannbreite menschlicher Fertigkeiten, beispielsweise die von Chirurgen, Glasbläsern, Mechanikern, Zeichnern, Uhrmachern, Pianisten und auch Sportlern. Er argumentierte, dass der Körper im wissenschaftlichen Zeitalter neuartige, komplizierte Bewegungen ausführen müsse und dass diese hochgradig effiziente Muskeln und Nerven verlangten. Am Beispiel des Sportlers legte er dar, wie der Muskel als »Kraftmaschine« durch häufige Arbeitsleistung stärker und für weitere Leistungen ausdauernder wird. Doch worin unterschieden sich Maschinen von Menschen, die metallenen Zahnräder von den Nervenbahnen? Der Physiologe sah den entscheidenden Unterschied in der Gabe des Menschen, seinen Körper zum Objekt einer Optimierung zu machen – er sei eine »Selbstvervollkommnungsmaschine«.9 Die Selbstverständlichkeit, mit der die sport­liche Entwicklung und Formung des Körpers als »Arbeit an sich selbst« erscheint, war ein neues Phänomen.10 Doch die Wissenschaften hatten den Körper zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur Ansätzen im Hinblick auf die Folgen von Sport untersucht. Von besonderem Interesse waren hierbei die modernen Olympischen Spiele, die als ein neues Experimentierfeld für die frühe sportphysiologische Forschung dienten. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Physiologe Étienne-­Jules Marey.11 Marey überschritt als einer der ersten prominenten Physiologen des 19.  Jahrhunderts die engen Grenzen des Laboratoriums. 1881 erhielt er in Paris ein Gelände am Parc des Princes. Hier entstand kein Laboratorium im herkömmlichen Sinne, sondern die Station Physiologique, um unter »natürlichen« Bedingungen, aber mit komplexen Verfahren auf einer runden Rennbahn Bewegungsstudien an Menschen und Pferden durchzuführen. Neuartig war neben dem Ort die 7 Ebd., S. 7 f. Vgl. auch Knorr-Cetina, Wissenskulturen, S. 45 f. 8 E. du Bois-Reymond, Kulturgeschichte und Naturwissenschaft, S. 596. 9 E. du Bois-Reymond, Über die Übung, S.  99–141, Zitat S.  101. Du Bois-Reymond formulierte, zumindest hypothetisch, die Idee von der Produktion herausragender Sportler. Hierzu Langenfeld, Auf dem Wege, S. 137. 10 Siehe Möhring, Die Regierung der Körper, S. 3 f. 11 Zu Marey siehe Sarasin, Der öffentlich sichtbare Körper, S. 426–428, 438; Chadarevian, Die Methode der Kurven; Rabinbach, The Human Motor, S. 84–119. Ausführlich die Arbeit von Dagonet, Etiénne-Jules Marey. Für Dagonet ist Marey mit Pasteur und Bernard einer der herausragenden französischen Naturforschern des 19. Jahrhunderts.

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Visualisierung komplexer, für das Auge unsichtbarer Bewegungsabläufe unter Zuhilfenahme foto­grafischer Methoden. Die Bewegungen waren, wie das Laufen, Fechten oder Hochspringen zeigen, in der Hauptsache der Welt des Sportes entnommen. Eine große Kamera bewegte sich auf eigens angelegten Schienen vor einer dazu tangential aufgestellten schwarzen Wand. Gleichzeitig legte Marey elektromagnetische Kontaktschranken entlang der Laufbahn an, die über Drähte die von den Läufern ausgelösten Impulse zu einem zentralen Registrierinstrument übermittelten. So zeichnete er sowohl die Umlaufgeschwindigkeit als auch den Bewegungsrhythmus auf. Im Mittelpunkt von Mareys Interesse standen also die Optimierung der Muskelarbeit und die verborgenen Mechanismen der Körperbewegung.12 Die Station Physiologique bildete die Schnittmenge einer zunächst parallel verlaufenden Entwicklung von Wissenschaft und Sport. Die Laufbahn war zwar eine Versuchsanordnung, aber der Raum und die Probanden der Untersuchungen entstammten einer anderen Welt, der Welt des Sports. Die Verknüpfung dieser zwei Welten erreichte 1900 ihren Höhepunkt, als Marey während der parallel zur Weltausstellung in Paris stattfindenden Olympischen Spiele die Fotografie-Abteilung leitete und Körper- und Bewegungsstudien an amerikanischen Athleten vornahm. Er verband als einer der Ersten wissenschaftliche Fragestellungen mit den olympischen Ereignissen. Die sportliche Leistung wurde jetzt nicht auf einer nachgebauten Laufbahn »simuliert«, sondern auf dem Sportplatz während des Wettkampfes analysiert. In den Worten von Dietrich Quanz: »Die apparative Körpermessung suchte die Sportereignisse im Feld auf.«13 Von den Pariser Untersuchungen gingen Impulse für die weitere physiologische Indienstnahme Olympischer Spiele aus. Dies galt auch für Deutschland. Bereits 1903 versuchte der Chemiker Willibald Gebhardt, ein wichtiger Akteur der frühen Sportbewegung in Deutschland und 1896 erster Deutscher im IOC, anlässlich der Olympischen Spiele ein Institut für körperliche Messungen zur Bestimmung des Körpergewichts und der »Muskelkräfte« zu gründen.14 Als Inspirationsquelle diente Gebhardt der Hochschulsport an US-amerikanischen Universitäten, die er während einer Reise besichtigt hatte. Hier waren anthropometrische Untersuchungen bereits um 1900 in der Ausbildung von Sportlern und Turnern fest verankert.15 Ein übergreifendes Untersuchungsfeld für die dort praktizierten Körpermessungen ergab sich mit den Anthropology Days während der Olympischen Spiele in St. Louis 1904.16

12 Sarasin, Der öffentlich sichtbare Körper, S. 426–428. 13 Quanz, Stadionlaboratorium, S. 13. 14 Carl-Diem-Institut, Dokumente zur Frühgeschichte, S. 158. Zu Gebhardt siehe Kuhn, Der vergessene Olympier. 15 Court, Deutsche Sportwissenschaft, Bd. 1, S. 65 und Peña, Dudlley Allen Sargent. 16 Brownell, The 1904 Anthropology Days.

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Abb. 23: Reihenaufnahme von Etienne-Jules Marey während der Olympischen Spiele 1900 in Paris. Hochsprung des US-amerikanischen Athleten Michael Sweeney.

Während der Athener Zwischenspiele 1906 nahm die Idee einer Verbindung von Sportplatz und Sportforschung festere Konturen an und konnte erstmals auch in größerem Umfang in die Tat umgesetzt werden.17 So erörterte der Berliner Arzt Arthur Smith die Frage, ob während der Zwischenspiele nicht die Herzen der deutschen Teilnehmer mit einem mitgeführten Röntgenapparat untersucht werden könnten.18 Der Transport gestaltete sich schwierig, dennoch konnte ein Röntgengerät im gleichen Sonderzug wie die Mannschaft nach Athen befördert werden.19 Auch wenn Mediziner während der Zwischenspiele und der Olympischen Spiele in London (1908) und Stockholm (1912) Messungen an Athleten vornahmen – immer wieder wurde das Fehlen größerer medizinischer Apparate bedauert, vor allem von Röntgengeräten für die als besonders wichtig erachteten Herzuntersuchungen. Röntgenapparate, aber auch Geräte der neueren Elektrokardiographie waren schwer zu transportieren, empfindlich und außerhalb von Laborbedingungen auf dem Sportplatz sehr störungsanfällig.20 So appellierte 1915 Max Willner in der Zeitschrift Medizinische Klinik, damals eines 17 Smith, Ueber ärztliche Beobachtungen, S. 56–66. 18 Quanz, Stadionlaboratorium, S. 12 f. 19 Diem, Die Olympischen Spiele 1912, S. 186. 20 Smith, Über ärztliche Beobachtungen; ders., Sport und Herz, S. 69–71; Mallwitz, Sportärztliches von den olympischen Spielen, S. 41–44; ders., Sportärztliche Betrachtungen, S. 380 f.; Brustmann, Sportärztliches aus Stockholm, S. 68–72.

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der bedeutendsten allgemeinmedizinischen Journale, nicht nur das »wunderbare Material« auf den Sportplätzen zu nutzen, sondern auch die relevanten Experimentalmethoden und -apparate fest an Sportplätzen zu verankern.21

2. Dresden 1911 und der suspekte Sport Einen wichtigen und öffentlichkeitswirksamen Schritt zu einer kontinuierlich arbeitenden Einrichtung zur Erforschung der Effekte sport­licher Betätigung auf den menschlichen Körper stellte die Sportabteilung der Dres­dener HygieneAusstellung 1911 dar.22 In der Ausstellungszeitschrift Die ­Hygiene erschien 1912 unter dem Titel Sport ein Artikel, der mit folgenden, im zeittypischen Pathos vorgetragenen Worten in die »hygienische« Relevanz des Themas einführte: »Noch allzuoft sehen wir den typischen deutschen Philister mit schmächtigen ungelenken Gliedern, mit flacher Brust und dem Hasenherz; und ebenso oft den an sich kräftigen und noch gesunden, der aber gänzlich untrainiert ist, und lieber auf [sic] der Kneipe den vollen Humpen schwingt, als sich in Hitze und Kälte, Sonne und Wind draußen herumzutreiben. Der deutsche Stuben­ hocker mit dickem Bauch und dünnen Waden ist viel zu häufig. Wir brauchen jedenfalls noch eine sehr energische Propaganda für den Sport, und jede Bestrebung, die heranwachsende Jugend in sportlichem Geist zu erziehen, ihnen einen gesunden Körper, einen hellen frischen Geist und einen stählernen Willen zu schaffen, ist ein Schritt weiter zur Erziehung eines starken, gesunden Volkes. Und wenn der Sport auch Opfer fordert, es sind deren viel weniger als deren, die viel zu früh in ihrem Bette sterben, als Opfer einer fehlerhaften körper­lichen Aufzucht.«23 In diesem Zitat sind wesentliche Elemente der wissenschaftlichen Wahr­ nehmung des Sports enthalten. Da ist die Rede von ungelenken und schmächtigen Personen mit dünnen Waden; von äußerlichen Merkmalen wie der »flachen Brust« schließt der Autor ohne Umschweife auf einen ängstlichen Charakter. Vor allem wird der gesundheitliche Nutzen des Sports angesprochen. Zugleich aber ist die Klage enthalten, dass dieser große Nutzen des Sports bislang noch nicht gebührend anerkannt sei und daher Propaganda benötige. Und ein weiterer Gedanke wird formuliert: Trotz des positiven Potentials ist der Sport auch gefährlich – er fordert Opfer. Mit zunehmender Popularität wurde der Sport auch suspekt. Insbesondere Mediziner begegneten der Verausgabung des Körpers in öffentlich inszenier21 Willner, Sportärztliche Tätigkeit, S. 145–147. 22 Ausführlicher Dinçkal, Das gesunde Maß. 23 Oppenheimer, Sport, S.  57. Oppenheimer war zu dieser Zeit ein anerkannter Biochemiker und erlangte später insbesondere durch seine Arbeit »Der Mensch als Kraftmaschine« (1921) größere Bekanntheit.

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ten Wettkampfspektakeln noch mit Skepsis. Zwar wurde der Sport im Zuge der Stadtkritik und im Kontext sozialdarwinistischer Deutungsmuster durchaus als Mittel zur »Volksgesundung« propagiert.24 Dennoch entsprach er mit seinen Konkurrenz- und Wettkampfprinzipien nur bedingt gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Erwartungshorizonten.25 Mit zunehmender Professionalisierung und Kommerzialisierung wurde der Sport gesellschaftlich auffällig, wobei aus wissenschaftlicher Sicht speziell die in Sportstätten zu beobachtenden und bis dahin weitgehend unbekannten körperlichen Erschöpfungszustände als ein pathologischer Zustand interpretiert und entsprechend zwie­spältig aufgenommen wurden.26 Hier offenbart sich deutlich der Doppelcharakter des Sports als Bestandteil hygienisch optimierter Lebensführung einerseits und schäd­ lichen Exzesses andererseits, der mit der Verwissenschaftlichung seiner Ambivalenz beraubt werden sollte. Die Grenzen zwischen Fluch und Segen des Sports waren somit verschwommen. Im Zentrum des medizinischen Interesses stand daher nicht allein die Frage nach dem »Normalen und Pathologischen«,27 sondern vielmehr die Definition der Grenze, an der der pathologische Zustand, die durch den Sport herbeigeführte »Schädigung« des Körpers, gefährlich zu werden begann und somit verurteilt gehörte.28 Initiiert durch einige am Sport interessierte Mediziner und Physiologen nahm das Thema in Form einer eigenen Sportabteilung (offiziell »Abteilung Sportausstellung«) einen hohen Stellenwert in der Dresdener Hy­giene-Ausstellung 1911 ein. Erstmals wurde in Deutschland der Sport aus wissenschaftlicher Perspektive umfassend der Öffentlichkeit präsentiert. Eine Besonderheit zeichnete die Dresdener Hygiene-Ausstellung aus. Obgleich in der Tradition der populären Weltausstellungen stehend, widmete sie sich im Gegensatz zu diesen in einer Mischung aus Wissenspopularisierung, Unterhaltung, Massenbelehrung und praktischer Anweisung einzig dem Thema Hygiene. Hygiene war zu diesem Zeitpunkt eine etablierte medizinische Teildisziplin, zu deren Anspruch es gehörte, auf alle Bereiche des Lebens regulierend Einfluss zu nehmen.29 Dieser Umstand erklärt auch die eigen­

24 Weindling, Health, Race and German Politics; Hau, The Cult of Health and Beauty. Mehr auf den Sport bezogen Tauber, »Die Leibesübungen« und Wedemeyer-Kolwe, »Der neue Mensch«. 25 Die Bedeutung der wissenschaftlichen Problematisierung sozial wie kulturell auffällig gewordener Phänomene im Prozess der primären Verwissenschaftlichung behandelt Böhme, Die Ausdifferenzierung wissenschaftlicher Diskurse, S. 251. 26 Die Hinwendung zum »Rekordsport« im ausgehenden 19.  Jahrhundert thematisiert Borscheid, Das Tempovirus, S. 176–192, die Wahrnehmung der damit einhergehenden körperlichen Erschöpfungszustände Hoberman, Sterbliche Maschinen. 27 Canguilhem, Das Normale und das Pathologische. 28 Sarasin, Der öffentlich sichtbare Körper, S. 437–447. 29 Aus der umfangreichen Literatur zum Thema Hygiene siehe Labisch, Homo Hygienicus; ­Löneke, Reinliche Leiber.

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tümliche Themenvielfalt der Ausstellung bei gleichzeitiger Konzentration auf den einen zentralen Begriff: Stadt, Kleidung, Ernährung, Technik, Arbeit, Vergnügungen, Genussmittel und Freizeit – all das wurde unter dem Aspekt der Gesundheitsschädigung und Gesundheitsvorsorge systematisch in den Blick genommen.30 Es gab einige thematisch eng verwandte Vorgängerausstellungen, etwa die Berliner Hygiene-Ausstellung 1882/83 und die im Rahmen der ersten deutschen Städteausstellung gezeigte Sonderausstellung Volkskrankheiten und ihre Bekämpfung in Dresden 1903. Die Sportabteilung aber hatte auch andere Traditionslinien aufzuweisen, die Sportausstellungen des ausgehenden 19.  Jahrhunderts. Hier standen insbesondere der Jagd- und Radsport im Vordergrund. Ansonsten zeichnete sich diese Ausstellung durch eine äußerst indifferente Zusammenstellung von Sportartikeln, Luxuswagen, pneumatischen Reifen und Angelausrüstungen aus. Eine wissenschaftliche Behandlung des Themas hin­ gegen fand nicht statt und war auch nicht angestrebt.31 a) Der Ort des Sports in der »Hygiene-Stadt« Insgesamt wurde die Dresdener Hygiene-Ausstellung durch die immense Größe des Geländes und die Breite der dort präsentierten Inhalte von den Zeitgenossen als eine Pionierausstellung wahrgenommen. Innerhalb von nur knapp sechs Monaten, von der Eröffnung am 6. Mai bis zur Schließung Ende Oktober 1911, besuchten sie etwa 5,5 Millionen Menschen.32 Zeitgenössische Beschreibungen machten bisweilen auf ein offensichtlich hervorstechendes Merkmal der Ausstellung aufmerksam: Sie hoben die strenge Gruppierung der Abteilungen und Hallen hervor. Diese seien weder dem Zufall überlassen, noch dem Diktat der natürlichen räumlichen Verhältnisse unterworfen worden, sondern vielmehr so geordnet, dass sich – wie in einem Lehrbuch – zusammengehörige Themen in unmittelbarer Nachbarschaft befanden. Im Unterschied zu den Weltausstellungen, bei denen einzelne Bauten im Vordergrund standen (etwa der Crystal Palace 1851 in London oder der Eiffelturm 1889 in Paris), sei in Dresden die Gesamtkonzeption, die Bebauung der Aus­stellungsfläche nach einheitlichen

30 Schrön, Ein »grosses, lebendiges Lehrbuch der Hygiene«, S. 309–312. 31 Dwertmann, Die erste deutsche Sportausstellung 1893. 32 Schrön, Ein »grosses, lebendiges Lehrbuch der Hygiene«, S. 310. 1912 baute man die einzelnen Teile der Ausstellung ab, aber noch im selben Jahr wurde in Dresden das vom Odol-Fabrikanten Karl August Linger finanzierte Deutsche Hygiene-Museum eröffnet. Dieses Museum war im Selbstverständnis ähnlich der Hygiene-Ausstellung eine »Volksbildungsstätte für Gesundheitspflege«. Doch trotz dieser Gemeinsamkeiten handelte es sich um zwei verschiedene Einrichtungen. So spielte der Sport im Hygiene-Museum kaum eine Rolle mehr. Siehe Preiß, Das Deutsche Hygiene-Museum. Als kurzen Überblick siehe auch König, Bilder vom Menschen.

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Gedanken und Plänen hervorstechend.33 In diesem Kontext findet sich in den Beschreibungen das Bild der Stadt: »Das Ganze bildet nicht Halle neben Halle, sondern es bildet – könnte man sagen – eine in sich geschlossene Stadt als Einheit. Nirgends haben beliebige künstlerische oder auch unkünstlerische Grundsätze willkürlich gewaltet«.34 Nimmt man nun die von Zeitgenossen formulierte Analogie der Ausstellung als eine Art »Hygiene-Stadt« ernst, welchen Ort nahm dann der Sport in dieser An­ordnung ein, wie standen die beiden Komplexe – der Ort des Sports und seine Inszenierung – in Beziehung zueinander, sowohl in räumlicher als auch in diskursiver Hinsicht? Die breite Themenvielfalt der Hygiene-Ausstellung wurde durch fünf Hauptabteilungen geordnet. Von diesen hatten drei übergreifenden Charakter: die historische, die populäre und die wissenschaftliche Abteilung. Hinzu kam die industrielle Abteilung, die sich jedoch auf alle anderen Abteilungen verteilte und in der verschiedene Industriezweige ihre hygienerelevanten Produkte vorstellten. Die Sportabteilung widmete sich als einzige Hauptabteilung einem spezielleren, klar umgrenzten Thema. Insgesamt waren die Themen »Körperertüchtigung« und »Spiel« in der Ausstellung allgegenwärtig.35 Verteilt auf das ganze Gelände, in den verschiedensten Ausstellungsräumen und in beinahe allen Abteilungen konnten sich die Besucher über die gesundheitlichen Vor- und Nachteile etwa von Rodelbahnen, Kinderspielplätzen, Kegelbahnen, Wellen-, Luft- und Lichtbad informieren oder diese gar selbst ausprobieren. Ferner wurden die Ausstellungsbesucher in der historischen Abteilung über den Stellenwert von Körperertüchtigung und Sport in den verschiedensten Kulturen und über einen Zeitraum von Jahrtausenden belehrt: »In der gewaltigen Einfachheit ihres Denkens erkannten die Kultur­ stifter der Vorzeit das eigentliche Wesen eines Staatsgebildes, erkannten, dass der Staat weiter nichts ist, als eine Menschengemeinschaft, deren Wohlfahrt, deren Glück und deren Dauer von der Beschaffenheit der einzelnen Individuen abhängig ist. Sie zogen daraus den einzig möglichen Schluss, dass das Gemeinwesen nicht gedeihen könne, wenn das einzelne Glied nicht gedeihe und folgerten weiter, dass, um ein Volk gesund und glücklich zu erhalten, man den einzelnen Menschen nicht ausschließlich seinen Naturtrieben überlassen, ihn nicht wie das Unkraut auf dem Felde aufwachsen lassen dürfe, sondern ihn plan­mässig kultivieren müsse.«36 In die Mittel der planmäßigen Kultivierung des Menschen und seines Körpers wurde auch der Sport eingereiht. Beginnend mit der Antike evozierte die historische Abteilung, die das Thema in die »hygienische Behandlung« der jeweiligen Epochen verwob, die allgemein bekannte und populäre Genealogie von 33 Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, S. 335 f., 338 f.; Mallwitz, Der Sport, S. 31 und ders., Die Sportabteilung, S. 193. 34 Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, S. 338. 35 Zum Sportbegriff um 1900 siehe Langenfeld, Auf dem Wege, S. 128. 36 Offizieller Katalog, S. 10 f.

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den glücklichen Tagen der Antike über den Verfall im Mittelalter bis zur Wiedererweckung des Sportgedankens unter Anknüpfung an antike Vorbilder in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. So waren zum Thema Antike beispielsweise bildliche Darstellungen von Diskuswerfern oder vom Fünfkampf ausgestellt. Im Mittelalter-Raum wurde das Thema nicht mehr erwähnt, um dann im Neuzeit-Raum zusammen mit Wochenstube, Säuglingsfürsorge und Schule behandelt zu werden. Gezeigt wurden hier  – interessanterweise bereits historisiert  – die Turnerbewegung sowie ihre Gründerväter Jahn, Spies und GutsMuths.37 Jenseits dieser klassischen Erzählung, in einem Raum, der die Kulturen Altamerikas vorstellte, konnten die Besucher erfahren, dass Naturvölker viel für körperliche Übungen übrig hatten und es daher nicht verwunderlich sei, wenn sie »beneidenswerte Körper« entwickelten.38 Abgesehen von der allgemeinen Präsenz des Themas Körperertüchtigung gab es die eigentliche, räumlich separierte Sportabteilung. Diese beanspruchte, etwa ein Viertel des riesigen Ausstellungsareals. Wenn ein Besucher die Sportabteilung besuchen wollte und die Ausstellung durch den Haupteingang betrat, so führte sein Weg zunächst an den zentralen Ausstellungshallen »Ansiedlung und Wohnen« und »Beruf und Arbeit, Technik und Maschinen« vorbei. Etwas abseits vom Weg lag die kleinere Halle »Kraftmaschinen«. Nachdem er die Welt der Häuser und Städte, der Arbeit, Büroräume und Fabrikhallen hinter sich gelassen hatte, musste er, um in die Welt des Sports eintreten zu können, eine Grenze überschreiten. Diese Grenze bestand zunächst aus einer breiten Allee. War diese passiert, betrat er anschließend einen großzügig angelegten Unterhaltungs- und Entspannungsgürtel. Dieser war für den Fall eines gelehrsamen Familienausflugs mit Kindern in der Mitte mit einem Kasperle-Theater und einem Karussell ausgestattet. Auf der linken Seite zog das »abessinische Dorf« die Aufmerksamkeit auf sich. Nachdem der Ausstellungsbesucher sich an den »Eingeborenen« und anderen Exotismen ergötzt hatte, lud auf der rechten Seite »Langs Münchener Bierhalle« zu einem kurzen Aufenthalt ein. Hier bot sich die Gelegenheit, sich bei einem oder zwei Krügen Bier zu entspannen, bevor man sich, nun wieder in der eigentlichen Ausstellung angelangt, in einer Halle über Alkoholismus und die schädliche Wirkung von Genussmitteln informieren konnte. Jetzt hatte der Besucher endgültig die Produktions- und Wohnstätten verlassen. Er befand sich in der südlichen Peripherie der »Hygiene-Stadt«, inmitten der Sportabteilung.39 Was in der Platzierung der Sportabteilung und allgemein in der räumlichen Ordnung des Ausstellungsareals deutlich zutage tritt, ist ein Ordnungssystem, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch Zonung und funktionale Differenzierung von Industrie-, Geschäfts- und Wohnbezirken sukzes­

37 Zur historischen Abteilung siehe ebd., S. 41–60. 38 Ebd., S. 66. 39 Ebd., Karte des Ausstellungsgeländes, o. S.

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sive auch für die moderne Stadtplanung bestimmend wurde  – freilich noch ohne die Berücksichtigung von Sporträumen.40 Zusammenfassend lässt sich für diese kurze Skizze festhalten, dass das weite Feld der Körperertüchtigung ein in alle Bereiche der hygienischen Lebensführung hineingreifendes Thema bildete. Der Sport im engeren Sinne aber war ein eigenständiger, von anderen Ausstellungsbereichen getrennt gedachter Bereich, dem in der räumlichen Konzeption der Ausstellung deutlich Ausdruck ver­liehen wurde. Hier stellt sich vorerst die Frage, ob und wie sich die räumlich eigenständige Präsentation der Sportabteilung durch ihre konzeptionelle Ausrichtung rechtfertigten ließ. b) Das gesunde Maß an Schädigung Ganz unbescheiden stand im offiziellen Ausstellungskatalog, dass die Sport­ abteilung der Internationalen Hygiene-Ausstellung einen Wendepunkt in der Geschichte der Leibesübungen bedeute.41 Auf den ersten Blick allerdings scheint die Sportausstellung wenig Neues geboten zu haben. Im Gegenteil, die dar­ gebotenen Themen weisen eine große Übereinstimmung zu denen der älteren Sportausstellungen auf, eine Mischung aus Sportgütern und Selbstdarstellungen der Verbände. Die Sportverbände stellten ihre Aktivitäten und ihre zumeist recht kurze Geschichte vor: etwa die Sportbehörde für Athletik, die ein Modell eines Rasensportplatzes und ihre mühsam errungenen Trophäen ausstellte, der Deutsche Lawn-Tennis-Bund und der DFB, die ebenfalls in der Hauptsache Modell-Sportanlagen präsentierten, der Deutsche Radfahrerbund, der die Entwicklung des Fahrrads zum Motorrad darlegte und selbstverständlich der Deutsche Reichsausschuss für Olympische Spiele. Aber auch kleinere und exklusivere Verbände gehörten zu den Ausstellern, wie beispielsweise der Dresdener Rollschuhsport-Verein, der Bogenbund, der Anglerbund, der Königlich-Sächsische Verein für Luftschifffahrt und der Verein für Schülerwanderungen. Auch der Frauensport (verbandsunabhängig) und die Sportphotographie waren vertreten.42 An die Sonderausstellung der Verbände war ein eigener Raum für die Ausstellungsobjekte der Sportindustrie gekoppelt, in dem vornehmlich Sportgeräte und -kleidung präsentiert wurden.43 Worin bestand aber dann der oben beschworene Wendepunkt? Eine der treibenden Kräfte hinter der Sportabteilung war Arthur Mallwitz.44 Ein Jahr nach der Fertigstellung seiner Dissertationsschrift Körperliche Höchstleistungen mit 40 Siehe etwa Breuer, Expansion der Städte; Sutcliff, The Rise of Modern Urban Planning; Ladd, Urban Planning; Reulecke, Geschichte der Urbanisierung, S. 86–108. 41 Sonderkatalog, S. 315. 42 Ebd, S. 47–76. 43 Offizieller Katalog, S. 316. 44 Zu Arthur Mallwitz siehe Schäfer, Ministerialrat.

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besonderer Berücksichtigung des olympischen Sports,45 die das allmählich er­ wachende medizinische Interesse am Sportlerkörper dokumentiert, arbeitete er ab etwa 1909 unter der Schirmherrschaft des ­DRAfOS an einer Zurschaustellung des Sports, wobei er in scharfer Abgrenzung zu früheren Sportausstellungen die wissenschaftliche Ordnung und Begleitung des Gegenstandes mehr und mehr ins Zentrum des Ausstellungskonzeptes rückte. Nicht zufällig konnten mit Georg Friedrich Nicolai, Friedrich Kraus und Nathan Zuntz beachtliche wissenschaftliche Autoritäten gewonnen werden.46 Zuntz, Professor am Tierphysiologischen Institut an der Königlich Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin, wurde zum Leiter des sporthygienisch-wissenschaftlichen Teils ernannt. Seine Stellvertreter waren Emil von Schenckendorff und der Physiologe Ferdinand August Schmidt, beide im Vorstand des ZA.47 Nicht zuletzt durch die Dominanz der Wissenschaftler unter den Hauptakteuren setzte sich als Haupt­intention schon früh durch, den Sport aus dem Stadium der Liebhaberei herauszuholen und ihn unter die angesehenen und wissenschaftlich fundierten Mittel der »Volkserziehung« einzureihen.48 So ist es zunächst wenig überraschend, dass diese Mission mit Argumenten der Gesundheitsfürsorge in Angriff genommen wurde.49 Interessanter wird es, wenn diese Argumente genauer untersucht werden, denn die Sportabteilung beanspruchte eine Sonderrolle. Ging es in den übrigen Ausstellungsbereichen um den Schutz des Körpers vor schädlichen Einflüssen, so stand hier die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit im Zentrum. Mehr noch; es sei sogar zu erwägen, wie weit der Schutz vor schädlichen Einflüssen gehen dürfe und ob nicht im Gegenteil gewisse Schädigungen notwendig seien, um die gesundheitserhaltenden Kräfte des Körpers zu entwickeln. Hier setze der Sport ein, da er sich wie kein anderes Mittel dazu eigne, diese Schädigung, als Synonym für Abhärtung und körperliche Belastung, herbeizuführen. Allerdings dürfe der Körper dieser Schädigung nicht willkürlich und unwissend ausgesetzt werden, sondern systematisch und auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse.50 Was nun die positiven Effekte der dosierten und nach wissenschaftlichen Kriterien herbeigeführten Schädigung des Körpers angeht, so wurden diese bei genauerem Hinsehen nicht nur als der körperlichen Gesundheit zuträglich dargestellt. Erstens wirke der Sport ausgleichend auf einseitige Entwicklungen der Muskulatur infolge harter körperlicher Arbeit. Zweitens wurden die psychischen Erträge sportlicher Übungen beschworen. Hinter der im Sonderkatalog zur Sportausstellung zu lesenden Floskel, dass die »Erziehung zur gewandten Beherrschung der Muskeln […] eine Entwicklung der Leistungen des Hirns 45 Mallwitz, Körperliche Höchstleistungen. 46 Quanz, Stadionlaboratorium, S. 9. 47 Prange, Der Zentralausschuss, S. 198 f. 48 Bernett, Zur Entwicklung, S. 230. 49 Siehe Pfister, Von Herzdilatationen. 50 Sonderkatalog, S. 5.

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[bewirkt] und zwar derjenigen Abschnitte desselben, in welchen dasjenige zustande kommt, was wir schnelle Überlegung, tatkräftiges Handeln nennen«,51 verbarg sich die Ansicht, dass der Sport auf die Widrigkeiten des Alltags vorbereite und dazu befähige, das Arbeitsleben erfolgreich zu meistern.52 Der Sportplatz wurde in dieser Perspektive zu einer Schule des Lebens. Diese doppelte Stoßrichtung des Sports ist als Argument für die Verbreitung des Sportgedankens in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts oft geäußert und auch hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung der Dresdener Sportabteilung positiv rezipiert worden. So war 1911 in einer Besprechung der Abteilung Folgendes zu lesen: »Für den größten Teil der Menschheit ist das Leben ein immerwährender Kampf, ein hartes Ringen und Arbeiten – ein Arbeiten welches geeignet ist, Körper und Geist frühzeitig müde und schwach zu machen und die Lebensdauer zu beeinträchtigen. Jede Berufsarbeit erfordert von dem, der in ihr vorwärtszukommen gedenkt, ein Höchstmaß von Leistungen, ein Aufbieten der vollen Kraft und Geschicklichkeit, ein immerwährendes Wach- und Muntersein, mit einem Wort: Sie erfordert körperliche Frische und Gesundheit. Da nun das Berufsleben unsere Kräfte auf höchste in Anspruch nimmt, zum anderen aber auch eine immer unermüdliche und ungeschwächte Kraft verlangt, so müssen wir ein Mittel suchen, welches uns die notwendige Kraft und Frische immer von neuem verleiht. Dieses Mittel […] heißt Körperübung.«53 Wenn es um die positiven Wirkungen des Sports im Berufsleben ging, wurden folglich Attribute aufgeführt, die im zeitgenössischen Verständnis das moderne Leben charakterisierten: Durchsetzungsfähigkeit, schnelles Reaktionsvermögen, Leistung und Selbstbewusstsein. Und diese Eigenschaften erwerbe man eben vor allem auf dem Sportplatz. Wenn dem Sport solche umfassenden und wichtigen erzieherischen Effekte innewohnten, welche Aufgaben leiteten die Verantwortlichen der Sportabteilung daraus ab? Zunächst einmal macht die Dresdener Inszenierung deutlich, dass der Sport in den Augen ihrer Akteure kein Spiel, sondern ein pädagogisches Mittel zur körperlichen wie moralischen Ertüchtigung darstellte.54 Dementsprechend dürfe der Sport nicht dem Zufall überlassen, sondern vielmehr wissenschaftlich durchdrungen werden.55 Vor dem Hintergrund der um 1900 dominierenden »magischen« Übungs­praktiken, bestehend aus einem Mix aus Konditionsübungen, geheimnisvollen Diäten und Aufputschmitteln,56 bedeutete dies die systematische Heranbildung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Erziehung zur Beherrschung der Muskulatur  – kurz, die Entwicklung rationaler Trainingsmethoden. Möglich war diese Entwicklung jedoch nur auf der Grundlage weiterer medizinischer Forschung. 51 Zitat aus ebd., S. 6. 52 Ebd., S. 6 f. 53 Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, S. 339. 54 Schierz, Die Erziehung der Muskeln. 55 Sport und Gesundheit, S. 155. 56 Langenfeld, Auf dem Wege, S. 140.

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So war die Erarbeitung von wissenschaftlichen Kriterien, die den erzieherischen und gesunden Sport von der »Sportbarbarei« unterscheiden sollten, besonders wichtig.57 Als Leiter des sporthygienisch-wissenschaftlichen Teils der Sportabteilung wies Zuntz beispielsweise unermüdlich auf diesen Punkt hin.58 Auf dem zwölften Kongress für Volks- und Jugendspiele, der 1911 auf dem Ausstellungsgelände stattfand, bemerkte er zum Verhältnis von Physiologie und Sport folgendes: »Übermaß zu vermeiden, bei allen Spielen darauf zu halten, daß nur der Maximales leistet, der dazu fähig ist, das ist die Aufgabe […]. Durch die Überwachung der Leistungen, durch Beschränkung des Ehrgeizes derer, die zu Maximalleistungen nicht fähig sind, werden Sie es erreichen, daß allmählich auch diejenigen […] gewonnen werden, die jetzt noch, auf üble Erfahrungen gestützt Angst haben, dass damit ihrem Kinde geschadet werden könne«.59 Es drehte sich in der Dresdener Sportinszenierung letztendlich darum, das gesunde Maß an Schädigung vom schädlichen Übermaß zu trennen und damit den nach wissenschaftlichen Kriterien betriebenen und seriösen Sport von der vielfach kritisierten Rekordsucht zu unterscheiden. Die Konstruktion dieser Grenze fiel den Physiologen zu.60 Diese Zuweisung von Kompetenz und Entscheidungsbefugnis war keine vereinzelte Position. Begründet wurde dies mit dem öffentlichen Interesse, das vom Arzt ein Urteil über die Schädlichkeit von sportlichen Grenz- und Höchstleistungen verlange. Diesem Gedanken zufolge konnte man sich weder auf gelegentliche Untersuchungen stützen, noch kam man mit allgemeiner physiologischer Forschung oder diffuser Hygiene der Leibesübungen aus.61 Das Ziel war die Erforschung des Sports als solchem und die Etablierung einer auf seine Erfordernisse ausgerichteten Physiologie. Die genannten Motive und Argumente spiegelten sich in den Exponaten der Sportausstellung. Gezeigt wurden Modelle und Zeichnungen über den Aufbau der inneren Organe und deren Beeinflussung durch den Sport, Körpermodelle wurden ausgestellt, die »Schädigungen« mangels sportlicher Betätigung aufwiesen, und Apparate zur Messung der Arbeitsleistung des Herzens, des Stoffwechsels und der Atmung vorgeführt.62 c) Verschmelzung von Stadion und Laboratorium Für die konzeptionelle und räumliche Eigenständigkeit spricht noch ein weiterer Grund, womit ich zur räumlichen Verschmelzung von Sportbetrieb und Sportforschung komme. Während die Exponate im sporthygienisch-wissenschaftli57 Offizieller Katalog, S. 325. 58 Siehe Die Hygiene 3 (12. Februar 1912), S. 54 f. 59 N. Zuntz, Zur Physiologie der Spiele, S. 63 f. 60 Ebd., S. 54. Siehe auch Ballerstedt, Das Sportherz; Hoche, Sport und Volkskultur. 61 Sonderkatalog, S. 316. 62 Ebd., S. 8.

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chen Teil einer Halle der Öffentlichkeit präsentiert wurden, bildete die direkt danebengelegene Sportanlage den eigentlichen Kern der Sportabteilung. Sie war das zentrale Element in der Inszenierung des Sports, aber als ein eigenständiges Ausstellungsobjekt räumlich separiert – mit eigenen Eingängen und Eintrittskarten.63 Dieses Stadion war, wie ich bereits ausgeführt habe (Kap. I), ein frühes Musterbeispiel einer rein auf den Sport ausgerichteten Anlage, die auch von allgemeinen technischen Fachzeitschriften zum Nachbau empfohlen wurde. Nicht ohne Grund beschrieben die Organisatoren der Sportabteilung die Sportanlage vorzugsweise mit Begriffen wie »eigentümlich« und »eigenartig«. Diese offensive Abgrenzung gegenüber der üblichen Ausstellungspraxis manifestierte sich in der Örtlichkeit selbst, aber darüber hinausgehend auch im realen Sportbetrieb, in zahlreichen publikumswirksamen Sportwettkämpfen, die auf der Anlage statt­fanden und den Sport als eine hervorragende »hygienische Betätigung« ins rechte Bild setzten. Eben dadurch sollte die Sportabteilung an die Stelle einer »toten Ausstellung« eine »lebendige Vorführung« setzen und die Sportabteilung über das Niveau anderer Ausstellungen erheben.64 Dass dieses Stadion das Zentrum der Sportausstellung war und zudem nicht nur zum Anschauen, sondern auch zum Bespielen und für den Sportkonsum konzipiert war, zeigt die beeindruckende Anzahl der dort beinahe täglich veranstalteten Spiele. Bereits am Tag der Ausstellungseröffnung, dem 6. Mai, spielten die Hockey-»Mannschaften« Dresdener Damen gegen Leipziger Damen, und am Nachmittag fand das Fußball-Pokalspiel Sportlust Dresden gegen GutsMuts Dresden statt. Hinzu kamen Pokalspiele, das Entscheidungsspiel um die deutsche Meisterschaft Victoria Berlin gegen VfB  Leipzig und auch interna­ tionale Spiele, u. a. mit dem schottischen Meister Celtic Glasgow. Außerdem gehörten Hockeyspiele, Radrennen, Tennis, Frauenturnen, Ringen und Cricket zu den dargebotenen Sportarten. Das Länderspiel Deutschland gegen Österreich verfolgten sogar knapp 12.000 Zuschauer von eigens ausgewiesenen Zuschauerplätzen oder einer großzügigen Tribüne aus.65 Die Zusammenführung von Sportbetrieb und Sportforschung fand ihren Ausdruck in der Verschmelzung von Stadion und Laboratorium. Für einige an Wettkämpfen teilnehmende Athleten kündigte sich diese neuartige Kombination in Form eines Fragebogens an. Sie wurden gelegentlich gebeten, einen vermutlich von Mallwitz erarbeiteten Fragebogen auszufüllen.66 Der erste Teil des Fragenkatalogs umfasste biographische Dispositionen, wie etwa zu bereits 63 Offizieller Katalog, S. 37 f., 317. Die Sportanlage wurde nach der Ausstellung nicht wie viele andere Bauten der Hygiene-Ausstellung wieder abgebaut. Sie wurde aber auch nicht in das Dresdener Hygiene-Museum integriert, sondern blieb als städtischer Sportplatz erhalten. 64 Zitat Sonderkatalog, S. 44. 65 Ebd., S. 44–46; Hofmann, Fußballsport und Publikum, S. 157; Akademische Blätter für Turnen und Sport 1 (1911), S. 20 f., 43 f. 66 Ähnliche Fragebögen deutscher Wissenschaftler kamen bereits 1906 bei den Olympischen Zwischenspielen in Athen zum Einsatz. Siehe CuLDA, Sachakten, Mappe 550: Olympische Spiele 1906 Athen, Ärztlicher Fragebogen.

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Abb. 24: Plan der Sportanlage der Dresdener Hygiene-Ausstellung.

durchgemachten Krankheiten, und Fragen wie: »Welche Lebensjahre brachten Sie auf dem Lande zu, und welche in der Stadt?«, »Haben Sie sich in Ihrer Kindheit viel im Freien bewegt?«, »Haben Sie gedient?« und »Welche Art Schulen haben Sie besucht, und bis zu welchem Alter?«. Der zweite Abschnitt fragte nach der Lebensweise, wobei das Interesse vorwiegend auf Genussmittel wie Alkohol- und Tabakkonsum gerichtet war, aber auch Fragen über das Sexualleben und die Ernährungsgewohnheiten (»Fleischverzehr, Vegetarisch, Laktovegetarisch, Rohkostvegetarisch«) enthielt. Abschließend standen Trainingsgewohnheiten im Mittelpunkt.67 Die aus den Fragebögen gewonnenen Erkenntnisse wurden mit den Ergebnissen eines eigens für die Ausstellung errichteten Sportlaboratoriums kombiniert, um, etwa bezüglich der vermuteten Korrelation von städtischer beziehungsweise ländlicher Herkunft und körperlicher Entwicklung oder der in dieser Zeit stark diskutierten Frage der richtigen Ernährung als Teil sportlicher Lebensgestaltung, weitere Schlussfolgerungen ziehen zu können. Dieses Stadionlaboratorium diente hauptsächlich zwei Zielen. Zum einen stand die Sichtbarkeit der Verbindung von exakter Wissenschaft und Wettkampfsport im Vordergrund. Zum anderen wurde in diesem Ausstellungsstück tatsächlich Pionierforschung betrieben. Beide Elemente unterstrichen eindrucksvoll das immer wieder hervorgehobene Postulat einer »aktiven« und 67 Die Fragen sind abgedruckt in ebd., S. 42 f.

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»lebendigen« Wissenschaft vom Sport, dem auch in der räumlichen Positionierung des Laboratoriums Rechnung getragen wurde. Es befand sich am Ende der 100-Meter-Laufbahn  – eine symbolische Anordnung, die erstens die Untersuchung der Sportler auf dem Höhepunkt der körperlichen Anstrengung ermöglichte und zweitens das Zusammenwirken vom Wettkampfs- und Laboratoriums­prinzip zum Ausdruck brachte.68 Besonders Zuntz und Mallwitz versprachen sich von einem kontinuierlich arbeitenden Stadionlaboratorium positive Effekte für die sportphysiologische Forschung, etwa die Nutzung störungsanfälliger Geräte. Darüber hinaus sollte von einem Laboratorium im Stadion eine erzieherische Wirkung auf die Probanden ausgehen. Damit trotz des Erregungszustandes vor und nach dem Wettkampf verlässliche Daten gewonnen werden konnten, mussten sich die Sportler an die Apparate gewöhnen. Auch beabsichtigte man, mit einem Stadionlaboratorium bei den Sportlern Interesse an wissenschaftlichen Fragen zu wecken, damit sie bereitwilliger bei den Untersuchungen mitwirkten.69 Insgesamt kam hier zum ersten Mal die gesamte Bandbreite der relevanten Experimentalmethoden in einem Stadion zur Anwendung. Im Stadionlaboratorium befanden sich sechs Speziallaboratorien. Das Röntgenlaboratorium nahm Forschungsstränge der allgemeinen Herzphysiologie auf und behandelte insbesondere die Herzerweiterung infolge des (übermäßigen) Sporttreibens. Die Respirationskammer zur Atmungs- und Stoffwechselphysiologie stand unter der Leitung von Nathan Zuntz und nutzte hier u. a. seinen aus der Militärforschung stammenden »Gasmesser« in Form eines Tornisters.70 Weiterhin war in einem der Räume das chemisch-mikroskopische Laboratorium untergebracht. Hier widmeten sich die Wissenschaftler vornehmlich der Untersuchung des Eiweißgehalts im Harn. Die Elektrokardiologie war eine medizinische Neuheit und wurde während der Ausstellungszeit erstmals gezielt auf die Untersuchung sportlicher Leistung angewandt.71 Die Apparate sollten Veränderungen des Herzrhythmus unter den Bedingungen sportlicher Leistung sowie Herzrhythmusstörungen nachweisen. Neben dem Raum für Blutdruckmessungen und Pulsaufzeichnungen war das anthropometrische Laboratorium, ausgestattet mit Tasterzirkeln, Maßbändern und Fotografie, zentral.72 Es integrierte an-

68 Quanz, Stadionlaboratorium, S. 9. 69 Sonderkatalog, S. 30 f. 70 Quanz, Stadionlaboratorium, S. 10. 71 Zur Aufzeichnung elektrischer Phänomene des Herzens siehe Lüderlitz, Geschichte der Herzrhythmusstörungen, S. 61. 72 Als Vorbild diente vor allem das 1908 eingerichtete Laboratorium des Anthropologischen Instituts der Universität Freiburg. Siehe Uhlmann, Der Sport, S. 45. Leiter war Eugen Fischer, der den Ruf des in Deutschland führenden Rasseanthropologen genoss und als ein wichtiges Scharnier in der völkischen Verknüpfung von Rassentheorien und Rassenhygiene gilt. Zu Fischer siehe Weingart u. a., Rasse, Blut und Gene, S. 99–102, 198, 201 und Lösch, Rasse als Konstrukt.

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thropometrische Messungen als neue Verfahren in die Sportforschung und ergänzte diese mit fotografischen Aufnahmen.73 Die Apparate im Laboratorium stellten ein an die spezifischen Erkenntnisziele einer noch nicht professionalisierten physiologisch-medizinischen Beschäftigung mit dem Sport angepasstes und transformiertes Sammelsurium dar. Anhand des Stadionlaboratoriums lässt sich exemplarisch zeigen, dass die angewandten Experimentalanordnungen nicht einfach aufgrund der Entwicklung neuer, auf die sportliche Betätigung ausgerichteter Techniken und Apparaturen entstanden sind. Sie waren vielmehr das Ergebnis von Umfunktionierungen und Neuanordnungen von Forschungspraktiken aus anderen und in der Regel etablierten Wissenschaftszweigen.74 Das führte zwangsläufig zu Problemen, die ich an dieser Stelle nur kurz andeuten möchte. Das »niedere« medizinische Personal war für die Aufgaben im Stadionlabor kaum vorbereitet. Wegen des noch neuen wissenschaftlichen Tätigkeitsfeldes hatten die Organisatoren große Mühe, ausreichend qualifiziertes Personal für diese Art von Unter­ suchungen aufzutreiben. Letztlich musste das Hilfspersonal des Stadionlaboratoriums zuvor in Lehrgängen der Physiologischen Anstalt an der Berliner Tierarzneischule im Gebrauch der Apparate unterwiesen werden.75 Abgesehen von Arthur Mallwitz, der während der Hygiene-Ausstellung wie kein anderer die Kombination von Sportbetrieb und Wissenschaft verkörperte (in Dresden trat er in sportlicher Hinsicht als Diskuswerfer hervor),76 und Ferdinand August Schmidt, der bereits kurz nach der Jahrhundertwende die Studie Physiologie der Leibesübungen publizierte,77 lässt sich dieser eklektizistische Charakter auch an weiteren Akteuren nachzeichnen. Die Forschungsgebiete von Zuntz etwa erstreckten sich auf Respiration, Stoffwechsel, Ernährung, Energieumsatz, Muskelarbeit und Höhenphysiologie. Aber bis 1911 hatte er keine Forschungsarbeit vorgelegt, die sich im strengen Sinne mit Sport beschäftigte.78 Erst im Rahmen seiner Tätigkeit in Dresden veröffentlichte er kleinere Beiträge zur Physiologie des Sports.79 Auch René Du Bois-Reymond, Leiter der Anthropometrie und Körperfotografie im Stadionlaboratorium, hatte bis dahin 73 Sonderkatalog, S.  30–46. Siehe auch Uhlmann, Der Sport, S.  45; Brinkschulte, Körper­ ertüchtigung(en), S. 55 f. 74 Siehe Orland, Wo hören Körper auf, S. 26. Zu konkreten Beispielen siehe Dierig, Physiologie und Psychologie, S. 26. 75 F. A. Schmidt, Die Internationale Hygiene-Ausstellung, S. 411. 76 Akademische Blätter für Turnen und Sport 1 (1911), S. 58. 77 F. A. Schmidt, Physiologie der Leibesübungen. 78 N. Zuntz, Leistungsfähigkeit und Sauerstoffbedarf (1911); ders./L. Zuntz, Über die Wirkung des Hochgebirges (1897); ders./Schumburg, Studien zu einer Physiologie des Marsches (1901). 79 N. Zuntz, Zur Physiologie der Spiele, abgedruckt in: Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele 21 (1912), S. 63 f.; Akademische Blätter für Turnen und Sport 1 (1911), S. 125–127, 137–140, Körper und Geist 20 (1911/12), S. 145–153 und unter dem Titel »Zur Physiologie des Sports und Leibesübungen, in: Himmel und Erde 26 (1914), S. 439–453.

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nur wenig an Problemen gearbeitet, die mit Sport zu tun hatten.80 Dies gilt auch für andere Akteure – sie kamen aus dem Bereich der Leistungsphysiologie oder waren wie Nicolai Kardiologen,81 doch ihre Arbeiten waren gerade wegen des noch diffusen Bilds eines wissenschaftlichen Sports unter dem Begriff »Sportphysiologie« subsumierbar.82 Ihnen ging es weniger um den Sport an sich. Für sie stellte das Stadion ein großes biologisches Experimentierfeld dar. d) Deutungsmacht in störungsfreien Räumen Was die Sportabteilung repräsentierte, war die Vision einer Verschmelzung von Leistungsforschung und Sportbetrieb im Stadion. Diese Vision manifestierte sich vor allem in der topographischen Zusammenführung von Stadion und Labora­torium, die hier als Modell künftig zu realisierender Stadionlaboratorien erstmals dem interessierten (Fach-)Publikum in realer Sportforschung vorgeführt wurde. Mit dem Einzug des Refugiums und der Bühne der Wissenschaft in die Welt des Sports wurden aber auch zwei miteinander verwandte Prinzipien gedanklich verflochten und baulich zusammengeführt. Stadion wie Laboratorium stellen spezifische und abstrakte Räume zugleich dar, in denen der Versuch unternommen wird, äußere Faktoren möglichst auszuschalten und, zumindest der Idee nach, Variablen störungsfrei und kontrolliert aufeinander einwirken zu lassen. In beiden Anordnungen gilt es, die Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit der gewonnenen Leistungsdaten unter artifiziellen Bedingungen aufrecht zu erhalten. Ebenso wie im Laboratorium werden im Stadion die unberechenbaren und ungewissen Einflussfaktoren der Natur, etwa in Form von Wetterverhältnissen und Unebenheiten der Laufbahn, als störende Größen wahrgenommen, da sie die Produktion der sportlichen Leistung und die rationale Vergleichbarkeit der Ergebnisse beeinträchtigen oder gar unmöglich ­machen.83 So war mit der Sportabteilung ein zweifaches, in die Zukunft weisendes Bemühen verquickt: Erstens das um Deutungshoheit einer in den Anfängen der Professionalisierung befindlichen wissenschaftlichen Spezialdisziplin über ihr Untersuchungsgebiet, den Sport, und zweitens das um seine gesellschaftliche Anerkennung. Dabei waren beide Ziele miteinander verwoben. Der öffentlich sichtbare Einsatz wissenschaftlicher Leitdisziplinen suggerierte durch »harte« und »exakte« Daten wissenschaftliche Objektivität und kündete von neuen Ge80 Von R. du Bois-Reymond (1863–1938) liegen bis 1911 einige kleinere Schriften zur Sportphysiologie im weitesten Sinne vor, etwa: Arzt und Sport (1906); Spezielle Muskelphysio­logie oder Bewegungslehre (1903); Zur Physiologie des Schwimmens (1904). 81 Sportrelevant etwa Nicolai, Sport und Sinnesorgane (1910); ders./Kraus, Das Elektrokardiogramm (1910); Kraus, Die Ermüdung (1897). 82 Besonders deutlich wird dies an der im Rahmen der Sportabteilung veröffentlichten Sportbibliographie, dessen Schwerpunkt eindeutig auf der Sportmedizin und -physiologie lag. Siehe Weissbein/Roth, Bibliographie des gesamten Sports. 83 Zum Labor siehe Felsch, Das Laboratorium, S. 35.

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wissheiten über den Nutzen des Sports. Zugleich implizierte die Anwendung von Wissenschaft zusätzliches symbolisches Kapital, das sich in Prestige und Einfluss umwandeln ließ. Das Eingreifen von Experten  – denen aufgrund ihres Fachwissens Urteilskompetenz und Entscheidungsbefugnis zugewiesen wurde – verweist auf einen der Basisprozesse der Moderne. Die Dresdener Sportabteilung ist ein Beispiel für die Verwissenschaftlichung sozialer und kultureller Phänomene, für den Beginn einer beständigen Präsenz humanwissenschaftlicher Experten, ihrer Denkformen, Kategorien und Argumente in alltäglichen Sinnwelten.84 In dieser Beziehung markiert die Sportabteilung auch das allmähliche Zurückdrängen der auf individuellen Erfahrungswerten und »magischen Ritualen« basierenden Übungspraktiken – noch bei den Olympischen Spielen 1904 wurde einem Marathonläufer das dringend benötigte Wasser durch eine »kraft­spendende« Mischung aus hochprozentigem Alkohol, Eiern und Strychnin-Sulfat ersetzt.85 Beide Bereiche, zwischen denen die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Sport pendelte, nämlich die Gesundheitsfürsorge für die Allgemeinheit und die Leistungsförderung einzelner herausragender Athleten, waren nun abhängig von der Wahl rationaler Trainingsmethoden, der »richtigen« Ernährung oder der sportgerechten Konstruktion der Laufbahn. »Die Mauern des Laboratoriums [umfassen] nun den ganzen Planeten. Kreuz und quer durchziehen Instrumente überall die Außenwelt.«86 Mit diesen Worten beschreibt der Wissenschaftsforscher Bruno Latour eben diesen Prozess der fortschreitenden Diffusion der Wissenschaften in das Alltagsleben, die selbstverständliche Präsenz der Wissenschaftler und ihrer Apparate in Schulen, Fabriken und eben auch auf Sportplätzen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihren Anfang nahm.

3. Vom suspekten zum nützlichen Sport: Sport und Sportplatz in den bevölkerungspolitischen Debatten der Weimarer Republik Das Eingreifen von wissenschaftlichen Experten in den Sport und die Debatten, die sich um den gesundheitlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen des Sports drehten, lassen sich in den Kontext der Menschenökonomie während der Weimarer Republik einordnen.87 Der Sport war nicht mehr sus84 Raphael, Die Verwissenschaftlichung des Sozialen. 85 Pfister, Von Herzdilatationen, S. 80. 86 Latour, Von »Tatsachen« zu »Sachverhalten«, S. 19. 87 Ute Planert macht darauf aufmerksam, dass der Begriff »Menschenökonomie« bereits im späten Kaiserreich von Rassenhygienikern verwendet wurde und in der Weimarer Zeit sowohl in konservativen wie in sozialdemokratischen Kreisen gebräuchlich war. Siehe Planert, Der dreifache Körper des Volkes, S. 547. Allgemein zur Figur der »Volkskraft« siehe Weipert, »Mehrung der Volkskraft«.

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pekt, sondern galt als nützlich. Er diene, so die Behauptung zahlreicher Wissenschaftler, der Stärkung der Volksgesundheit, der Volkskraft, der Wirtschaft und der Steigerung der Arbeitsleistung.88 Der Ausgangspunkt für diese bevölkerungspolitischen Überlegungen findet sich im Ersten Weltkrieg sowie in den ersten Nachkriegsjahren und lässt sich in drei Argumentationsstränge auffächern. Erstens wurde behauptet, dass im Weltkrieg überwiegend die Tüchtigsten, Mutigsten und Stärksten des deutschen Volkes gefallen seien. Dies habe, gemeinsam mit den Entbehrungen der letzten Kriegsjahre (»Kohlrübenwinter« 1916/17 und »Hungerblockade« 1917), zu einer dauerhaften und von den Alliierten durchaus beabsichtigten Schädigung der »Volksgesundheit« und zu einer erheblichen Schwächung der »Körperkraft« des deutschen Volkes geführt.89 Der zweite Argumentationsstrang, der nach dem Versailler Vertrag fast unisono vorgetragen worden ist, war folgender: Durch die Auflagen des Versailler Vertrags sei mit dem Ende der allgemeinen Wehrpflicht die wichtigste »Körperschule« des deutschen Volkes begraben worden. In der Tat zielte die Wehrpflicht im Sinne der stillen Pädagogik der Körpersozialisation auf die Sozialisierung und Konditionierung des (männlichen) Körpers, wobei, im Vokabular Bordieus, die eingeübte Hexis jeweils als der nach außen hin sichtbare Ausdruck des Habitus interpretiert wurde und somit die unterstellte allgemeine körperliche Kräftigung durch das Militär immer auch die für die Berufstätigkeit notwendigen inneren Tugenden wie Sauberkeit, Ordnung und Disziplin beinhaltete.90 Auch in diesem Falle wurde den Alliierten unterstellt, Deutschland mit dem Verbot der Wehrpflicht und der Beschränkung auf ein 100.000-Mann-Heer nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich schaden zu wollen.91 Ferner beklagte man den Verlust einer verlässlichen Quelle über den körperlichen Zustand des deutschen Volkes, was mit dem Wegfallen anthropometrischer Daten der Rekrutenerhebungen zusammenhing.92 Sportforschung mutierte hier zur »Ersatzstoffforschung«. Otto Kestner, Professor für Physiologie an der Universität Hamburg, fasste dies folgendermaßen zusammen: »Wie es im Kriege galt, für fehlende Rohstoffe Ersatzstoffe zu finden, so müssen wir heute einen Ersatz für die Heeresschule zu gewinnen suchen. Er liegt nirgends anders als in der weitesten Ausbreitung richtig betriebener körperlicher Übungen.«93 In dieser Perspektive nahm Sport die Stelle des Militärs, nahmen Sporträume die Stelle von Exerzier- und militärischen Übungsplätzen ein. 88 Hau, Sports in the Human Economy. 89 Lewald, Sport, deutsche Wirtschaft und Volksgesundheit, S. 1. Zum Hintergrund noch immer unentbehrlich Roerkohl, Hungerblockade und Heimatfront. 90 Bourdieu, Glaube und Leib, S. 128. Zum Militär als gesellschaftliche Sozialisationsinstanz siehe Frevert, Das Militär als »Schule der Männlichkeit«; Planert, Wie man aus Menschen Soldaten macht. 91 Lewald, Sport, deutsche Wirtschaft und Volksgesundheit, S. 2 f. 92 Ebd., S. 35 f. 93 Zitat n. ders., Leibesübungen und Volksgesundheit, S. 38.

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Abb. 25: Sportplakat aus der ersten Hälfte der 1920er Jahre.

Drittens schließlich glaubte man, mit der Sozialversicherung und hier insbesondere der Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung argumentieren zu können. Der monetäre Aufwand der Sozialversicherung war bis Mitte der 1920er Jahre immens gestiegen. So ließ etwa die im Vergleich mit der Zeit unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg höhere Zahl wegen Krankheit und »Versehrung« dauerhaft Arbeitsunfähiger die Aufwendungen für die Krankenversicherung anwachsen.94 1926 komplementierte Lewald diese Liste mit der These von der unaufhörlich anschwellenden Anzahl von Rentenempfängern durch den Wegfall von Millionen von Geburten in den Kriegsjahren und dem immer früheren Eintritt in die Invalidität. Insgesamt könnten, so das vorgebrachte

94 Als Überblick siehe Büttner, Weimar, S.  369–374; Hong, Welfare,. Als Spezialstudien vgl. Geyer, Soziale Rechte; Bogs, Die Sozialversicherung.

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Ar­gument, die deutsche Wirtschaft und der deutsche Staat die zunehmende Ver­sicherungsbelastung auf Dauer nicht mehr stemmen.95 Diese drei skizzierten Argumentationsstränge verwoben sich letztlich zum Topos einer allgemeinen und bedrohlichen »Körperkrise« der Weimarer Republik, auf die nicht zuletzt auch Aspekte der wirtschaftlichen Krisen zurück­ geführt werden konnten.96 In seiner programmatischen Rede zum Wirtschaftsprogramm der Reichsregierung vor der Berliner Industrie- und Handelskammer 1926 prophezeite der Präsident des DRA Lewald gar das nahe Umschlagen von Arbeitslosigkeit in Arbeitskräftemangel in Folge der oben geschilderten Faktoren.97 Zwei Fragen rückte er in das Zentrum seiner Ausführungen: Erstens, was vermag die Arbeitskraft auf möglichst lange Jahre hinaus zu erhalten, und zweitens, wie kann die »gewaltige Belastung der deutschen Wirtschaft durch unproduktive Ausgaben, die Aufwendungen für die Sozialversicherung herabgemindert werden?«98 Um den Worten Lewalds Nachdruck zu verleihen, hatte der DRA zuvor zahlreiche Wissenschaftler um Gutachten über das Zusammenspiel von Sport und Wirtschaft gebeten. So ließ er den Physiologen Kestner folgendermaßen schlussfolgern: »Will man diese Folgen des Maschinenzeitalters an der Wurzel fassen, will man Darmtätigkeit und mangelnde Leistungsfähigkeit von Kreislauf und Wärmeregulation ätiologisch behandeln, so gibt es nur eine Möglichkeit: Der Mensch muß die Muskelarbeit, die ihm sein Beruf verlangt, außerhalb seines Berufes suchen. Muskelarbeit außerhalb des Berufes aber bedeutet Leibesübungen treiben.«99 Und Max Rubner, Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Arbeitsphysiologie, schrieb in seinem Gutachten: »Die Schulung durch den Militärdienst ist verloren gegangen, also muß sie gesundheitlich durch die Leibesübungen ersetzt, und die ganze Bevölkerung als möglich dabei erfasst werden.«100 Den Ausgaben für die Errichtung von Sportplätzen stünden gegenüber: Abnahme der Todesfälle und der Krankheitsfälle sowie bessere körper­ liche Leistungen im Beruf.101 Letztlich, so Lewalds Fazit, seien Sport und Sportplätze »neben dem Kapital und neben der Intelligenz, der Tatkraft und dem Organisationstalent unserer Unternehmer das hauptsächliche Aktivum für den Aufbau der deutschen Wirtschaft.«102 Angesichts der diagnostizierten »Körperkrise« erschienen also Sport und Sportplätze in einer utopisch anmutenden Erzählung als die entscheidenden 95 Lewald, Sport deutsche Wirtschaft und Volksgesundheit, S. 5–7. 96 Makropoulos, Krise und Kontingenz. 97 Lewald, Sport, deutsche Wirtschaft und Volksgesundheit, S. 27. 98 Ebd., S.15, Zitat S. 7. 99 Ebd., S. 19. 100 Ebd., S. 21. Das komplette Gutachten Rubners ist in seinem Nachlass erhalten. Siehe MPGArchiv, III. Abt., Rep. 8, 147: Max Rubner: Leibesübungen, Spiel und Sport vom energetischen Standpunkte. 101 Lewald, Sport, deutsche Wirtschaft und Volksgesundheit, S. 23. 102 Ebd., S. 27.

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Heilsbringer. Sie würden Leiden wie Rachitis, Tuberkulose, Geschlechtskrankheiten und Trunksucht ebenso zum Verschwinden bringen, wie zuvor stadt­ hygienische Einrichtungen (z. B. die zentrale Wasserversorgung und Kana­ lisation) Typhus, Cholera und Fleckfieber ausgemerzt hätten. Und Sportstätten seien kostengünstiger, da sie, statt nur die Symptome zu bekämpfen, das Übel direkt an der Wurzel packen würden.103 In den Worten des Rektors der Deutschen Hochschule für Leibesübungen, August Bier: »Unsere ganze letzte Zeit beschäftigt sich viel mehr mit den Kranken als mit den Gesunden. Wir bauten prachtvolle Irrenanstalten, Krüppelhäuser, Tuberkuloseheilstätten usw.; aber für die Gesunden geschah nichts oder wenig. Das ist eine schwere Verirrung, denn die Gesunden sind wichtiger als die Kranken und Schwächlichen. Auch die Ärzte unterlagen dieser Zeitströmung, sie widmeten ihre Zeit und Kraft fast nur den Kranken und Minderwertigen. Deshalb fordern wir, daß die Ärzte sich mehr als bisher um die Gesunden kümmern und vor allem dafür sorgen, daß diese nicht krank werden.«104

4. »Stadionorganismus« und »Kraftzentrale«: Die Deutsche Hochschule für Leibesübungen In dieser »Körperkrise« wurde die Deutsche Hochschule für Leibesübungen (DHfL) als eine »Kraftzentrale« für das deutsche Volk propagiert.105 Eröffnet wurde sie am 15.  Mai 1920 im Beisein so hochrangiger Persönlichkeiten wie etwa des Reichspräsidenten Friedrich Ebert und des Chefs der Heeresleitung General Hans von Seeckt.106 Die Gründung dieser Hochschule zeigt zum einen, dass der Sport die Phase seiner weitgehend skeptischen Beurteilung hinter sich gelassen hatte und nun die Unterstützung einflussreicher Kreise und staatlicher Stellen genoss. Zum anderen steht die DHfL, wie auch die Preußische Hochschule für Leibesübungen (PrHfL) in Berlin-Spandau oder das Gießener Universitätsinstitut für Körperkultur, für einen ersten vorsichtigen Institutiona­ lisierungsschub der wissenschaftlichen Erforschung des Sports in der Weimarer Republik.107 103 Ebd., S. 8. 104 Bier, Die Notwendigkeit, S. 15. 105 Krause, Vom Stadion zum Sportforum, S. 23. 106 Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen, Eröffnung, S. 4. Zur Gründung der DHfL siehe auch Schneider, Die Hochschule für Leibesübungen, o. S. Die frühe Konzeption wird dargelegt in: Deutscher Reichsausschuß für Leibesübungen, Denkschrift. 107 Eine hervorragende Analyse der Gründungsphase liefert Court, Vor 90 Jahren. Zu Gießen siehe Gissel, Die Institutionalisierung der Körperkultur, zur PrHfL: Preußische Hochschule für Leibesübungen, Bericht über die Arbeit (1925–1931). Informationen zur frühen Institutionalisierung der Sportwissenschaften enthält Court, Deutsche Sportwissenschaft, Bd. 1, S. 17 f.

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Bemerkenswert an der DHfL waren ihr institutioneller Charakter sowie die Heterogenität der involvierten Akteure. Sie war eine private Einrichtung, die zwar mit staatlicher Hilfe und starker personeller Unterstützung der Berliner Universitätsmedizin entstand, aber institutionell außerhalb der Universitäten angesiedelt war. Träger der Hochschule war der DRA. Insgesamt ging die DHfL aus einer Allianz zwischen Universitäten, Sportverbänden und Reichsbehörden (z. B. Kultus-, Wehr- und Innenministerium) hervor. Das Reichsinnenministerium erhoffte sich durch die stärkere Popularisierung des Sports die Entschärfung politischer und sozialer Konflikte der Weimarer Republik. Über die interdisziplinäre Ausrichtung mit begleitender medizinischer Grundlagenforschung meinte man zudem, die Isolierung der deutschen Wissenschaft nach dem Ersten Weltkrieg beheben zu können, da möglicherweise einer privaten Einrichtung bei einer Wiederaufnahme wissenschaftlicher Beziehungen zu den Siegermächten mehr Erfolg beschieden sein würde als einer staatlichen. Auch das Militär war sehr interessiert, da aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags die militärischen Ausbildungsanstalten geschlossen worden waren und die Reichswehr an Leibesübungen als Wehrpflichtersatz großes Interesse zeigte.108 Allerdings blieb der DHfL die vollständige wissenschaftliche Anerkennung lange Zeit verwehrt. Das preußische Kultusministerium und die Konferenz der deutschen Hochschulverwaltung wiesen den unmittelbar nach der Gründung gestellten Antrag auf Verleihung des Promotionsrechts zurück.109 Dass der erste Rektor der DHfL, August Bier, die Erstsemester im Beisein Friedrich Eberts als »stramme sehnige Jungens« bezeichnete,110 und Diem verlautbaren ließ, dass ein Sportlehrer nicht unbedingt »ein Höchstmaß an Denkkraft« benötige, da er auch ohne wissenschaftliche Kenntnisse gut unterrichten könne und im besten Falle eine »Frohnatur« sein solle, hat sicher nicht dazu beigetragen, den wissenschaftlichen Charakter der Einrichtung zu unterstreichen.111 Die staatliche Anerkennung des Abschlusses erfolgte erst 1931 – elf Jahre nach Gründung.112 Dennoch war die DHfL die erste universitäre Institution dieser Art in Deutschland – ihre Gründung markierte die Institutionalisierung der noch jungen Sportwissenschaften mit ihren naturwissenschaftlichen Leitdisziplinen.113 108 Eisenberg, »English Sports«, S. 352–357. 109 CuLDA, Sachakten, Mappe 207: Der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, 5. Oktober. Auf die Eingabe vom 3. Mai ds. Js. An den Rektor der Deutschen Hochschule für Leibesübungen. 110 Carl-Diem-Institut, Dokumente zur Gründung, S. 51. 1932 wurde Bier durch den Direktor der chirurgischen Klinik der Charité Berlin, Ferdinand Sauerbruch, abgelöst. Vgl. Bäumler u. a., Sportmedizin und Sportwissenschaft, S. 50. 111 Zitat n. Bernett, Zur Entwicklungsgeschichte, S. 232. 112 Ebd., S. 232–234. 113 Die DHfL war auch eine Ausbildungsstätte. Je nach Studiengang sollten die Studierenden zu Turn- und Sportlehrern in Verbänden, Vereinen und Schulen oder zu Leitern von entsprechenden kommunalen Ämtern für Leibesübungen ausgebildet werden. Ferner bot die DHfL Freizeitsport für Studierende anderer Hochschulen, Fortbildungskurse für Ärzte,

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Zahlreiche Abteilungen dieser Einrichtung beschäftigten sich mit den körper­ lichen Auswirkungen sportlicher Betätigung und bedienten sich komplexer Technologien, um immer spezifischere Details des Sportlerkörpers zu begreifen, zu beschreiben und in Fachtermini zu bringen. Die hier vorgestellten wissenschaftlichen Disziplinen gruppierten sich um den Sportlerkörper und generierten, nachdem dieser in seine verschiedenen Untersuchungseinheiten auseinanderdividiert wurde, Expertenwissen über den jeweiligen Körperausschnitt. Der Forschungsbereich bestand aus den Laboratorien für Anthropometrie, Sportpsychologie und physiologisch-chemische Versuche, einem Röntgenlaboratorium sowie einer fotografischen Abteilung, wobei die Forschungsarbeiten zum Teil in Kooperation mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen stattfanden. So arbeitete das röntgenologische Laboratorium beispielsweise mit der II. Medizinischen Klinik der Charité zusammen.114 Aber noch etwas anderes war neu und bemerkenswert an dieser Hochschulgründung: Mit der DHfL konnte die topographische Verknüpfung von Laboratorium und Sportstätte dauerhaft umgesetzt werden. In dieser Hinsicht spielten zwei in dieser Arbeit schon untersuchte Stränge in die Gründung der DHfL hinein: Die Idee eines »Stadionorganismus«, die von vornherein mit dem Deutschen Stadion verquickt war und das enge Zusammenwirken von Sport, Kunst und Wissenschaft im Stadion zum Ausdruck bringen sollte, und das Stadionlaboratorium der Dresdner Hygiene-Ausstellung. Wie bereits ausgeführt wurde, konnte das ehrgeizige Versprechen des Stadionorganismus im Deutschen Stadion zunächst nur bedingt eingelöst werden. Statt eines Laboratoriums für Forschungszwecke bot das Stadion lediglich einen Stadionarzt mit entsprechendem Untersuchungszimmer auf. Dabei war nach dem Erfolg der Dresdner Sportabteilung zunächst geplant, das dortige Laboratorium im damals noch in der Planungsphase befindlichen Deutschen Stadion unterzubringen. Dieser Plan scheiterte aus Kostengründen und, wie Jürgen Court detailliert herausgearbeitet hat, wegen institutioneller und wohl auch politischer Querelen.115 Stattdessen sollte das Laboratorium dem städtischen Sport- und Spielplatz in Charlottenburg angegliedert werden, womit auch eine andere Akzentuierung der wissenschaftlichen Praxis einhergegangen wäre: Nicht geübte und professionell trainierte Sportler, sondern die regelmäßig dort Sport treibende Schuljugend sollte untersucht werden. Dennoch bleibt der weitere Weg des Dresdner Laboratoriums im Dunkeln, denn aus ähnlichen Gründen, die dem Transport ins Deutsche Stadion im Wege standen, wurde auch der Plan einer Angliederung an den Charlottenburger Sportplatz schließlich verworfen.116 Lehrer, Übungsleiter und Schüler höherer Lehranstalten, Volkshochschulkurse in diversen Berliner Bezirken und Wanderlehrgänge an. Siehe Uhlmann, Der Sport, S. 81 f. 114 Dinçkal, Der Körper als Argument. 115 Siehe Court, Deutsche Sportwissenschaft, Bd. 1, S. 116–118. Die antisemitischen Töne, die bei den Auseinandersetzungen um den Posten des Stadionarztes zu vernehmen waren, thematisiert ders., Vor 90 Jahren, S. 240. 116 Gottstein/Nicolai, Denkschrift, S. 4–8. Ausführlich dazu Court, Die Vereinigung.

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Als die DRA 1914 erstmals ernsthaft mit dem Gedanken spielte, eine sportwissenschaftliche Forschungsstätte im Deutschen Stadion zu installieren, konnte also von einer Vereinigung von Sportbetrieb und Sportforschung im Stadion noch nicht die Rede sein. Die Idee des Stadionorganismus nahm erst mit der Gründung der DHfL im ebenfalls zum DRA gehörenden Deutschen Stadion Gestalt an. Zunächst verwendete die Hochschule bereits bestehende Räumlichkeiten des Stadions. Doch von Beginn an war ersichtlich, dass diese nicht ausreichen würden. Bereits 1921 konnte dementsprechend ein neues, insgesamt 133  Meter langes Hochschulgebäude auf dem Aufmarschplatz hinter der Tribüne des Schwimmbads bezogen werden. Der Entwurf dieses Gebäudes stammte von Johannes Seiffert. Doch auch dieses Gebäude war zunächst nur ein Provisorium. 1924/25 entwarf Seiffert einen Erweiterungsplan für ein dem Stadion angeschlossenes »Sportforum«, in dem die DHfL endgültig ihren Sitz finden sollte.117 Die in Seifferts Konzeption angelegte Idee eines eigenen Frauentrakts und von Freiflächen im Mittelteil stießen auf Zustimmung, seine Gebäudeanordnung aber auf Kritik, weswegen das Sportforum öffentlich ausgeschrieben wurde. Neben Seiffert reichten Architekten wie Hermann Dernburg, Werner und Walter March, Hans Poelzig oder Max Taut Entwürfe ein. Begleitet von teils heftigen Auseinandersetzungen, vergab das von der DRA eingesetzte Preisgericht den Auftrag an die Gebrüder March.118 Insbesondere Diem verhehlte nicht seine Sympathie für die Entwürfe Seifferts, die sich seiner Meinung nach besser in das architektonische Gesamtbild des Deutschen Stadions einfügten. Der Entwurf der March-Brüder war ihm zu nüchtern, zu »kastenartig«.119 Letztlich konnte man 1926 mit dem Bau des Sportforums beginnen. Bis 1929 entstand eine der modernsten und größten Sporthochschulen der Welt, verbunden mit dem Deutschen Stadion und ausgestattet mit Laboratorien, Studentenwohnheimen, Hörsälen und Turn-, Tanz- und Sportplätzen.120 Zusammenfassend lässt sich hier festhalten, dass die DHfL erstmals die Idee des »Stadionorganismus«, also einer räumlichen Zusammenführung von Sporttreiben und Sportforschung, dauerhaft auf dem Gelände des Deutschen Stadions in die Praxis umsetzte und durch eben diese Verbindung von Theorie und Praxis und unter der geschilderten Denkfigur der »Menschenökonomie« moderne, in den Weimarer Jahren populäre Bereiche des Social Engineering wie Anthropometrie, Arbeitsphysiologie und Psychotechnik zu einer praxisorientierten Leistungswissenschaft bündelte. 117 Eine von Seifferts Planzeichnungen, datiert auf den 3.  Oktober 1924, ist enthalten in CuLDA, Sachakten, Mappe 658. 118 Deutsche Bauzeitung 60 (1926), Wettbewerbs-Beilage, S. 78 f. 119 CuLDA, Sachakten, Mappe 24: Carl Diem, Schreiben an Theodor Lewald, 11.  Februar 1926, S. 1. Seifferts Kritik und Enttäuschung wird deutlich in Seiffert, Eine Feststätte der Leibesübungen, S. 850. 120 Krause, Das Deutsche Stadion und Sportforum, S. 49–52; ders., Vom Stadion zum Sportforum, S.  20–26; Diem, Entstehung und Ziel, S.  1–4; Handbuch der Architektur. Teil  4, 4. Halbband, Heft 3; Harte, Das Sportforum, S. 19–22.

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5. Nackte Körper, uniformiert – das Stadion als Vermessungsstation »Die heutige Sportwissenschaft hat durch Beobachtungen und Messungen deutlich unterscheidbare Menschentypen herausfinden können, die sich für die eine oder andere Sportart besonders gut eignen.« So lautet die knappe Zusammenfassung des Hauptmotivs sportanthropometrischer Forschung durch den Sportarzt Hans Hoske in seinem Wege zur Leistung versprechenden Artikel.121 Sie betrifft den Kernbereich dieses Forschungszweiges, die Sporttypenforschung als Teil der zeitgenössischen Konstitutionsforschung. Folgende Fragen standen hierbei im Zentrum: die konstitutionellen Voraussetzungen körperlicher Leistungsfähigkeit, die Beeinflussung der Körperform durch sportliche Tätigkeit sowie die Erkennung erblich konstanter Körpermerkmale, wobei insgesamt die Analyse anthropometrischer Daten möglichst zu sportlicher Leistungssteigerung genutzt werden sollte. Die Sporttypenforschung in Deutschland hat sicherlich wichtige Impulse aus US-amerikanischen Institutionen, vornehmlich Universitäten, bezogen. Bereits Carl Diem berichtete nach seiner USA-Reise 1913 enthusiastisch über die dortigen anthropometrischen Untersuchungen an Sportlern und empfahl sie zur Nachahmung in Deutschland. Und tatsächlich geht die systematische Entwicklung sportanthropometrischer Verfahren in den USA bereits auf die 1880er Jahre zurück.122 Auf der anderen Seite jedoch muss für die deutsche Entwicklung – worauf Jürgen Court nachvollziehbar insistiert – der Erste Weltkrieg in die Überlegungen miteinbezogen werden.123 Wenn der Sport nach der Niederlage im Weltkrieg der Schaffung eines »neuen deutschen Menschen« verpflichtet war, der nicht nur mit Wissen und Bildung, sondern ebenso mit Kraft, Ausdauer und Gesundheit ausgestattet sein sollte, so fiel der Sportanthropometrie die Rolle zu, nach wissenschaftlichen Kriterien ermittelte und typisierte Konstitutionsdaten zu liefern, die diese Entwicklung begleiteten und belegten.124 Dabei knüpfte die Sporttypenforschung unmittelbar an der Konstitutions­ typenlehre des Psychiaters Ernst Kretschmer an.125 Für Kretschmer waren Persönlichkeit und Körperbau sich gegenseitig bedingende phänotypische Mani­ festationen der Erbmasse. Infolgedessen ging er auf der Basis von Messungen von Einzelmerkmalen im Konstitutionsschema (etwa Schädel- und Gesichtsform, Rumpfproportion, Muskulatur, Drüsenfunktionen und Behaarung) der Frage nach den wissenschaftlich messbaren Zusammenhängen zwischen psychischen und körperlichen Eigenschaften einer Person nach. Seine These er121 Hoske, Wege zur Leistung, S. 90. Zu Hoske siehe Beck, Leistung und Volksgemeinschaft. 122 Mrozek, Sport and American Mentality, S. 70–72; Peña, Dudley Allen Sargent, S. 9–47. 123 Court, Sportanthropometrie und Sportpsychologie, S. 405. 124 Zitat n. ebd., S. 406. 125 Kretschmer, Körperbau und Charakter.

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regte in den Weimarer Jahren erhebliche Aufmerksamkeit. Sie legte eine wissenschaftlich-empirische Antwort auf die vieldiskutierte Frage nach Korrelationen zwischen Körperbau und Persönlichkeit nahe. Dabei bot Kretschmer anhand von Konstitutionsmerkmalen drei simple Grundformen an: Den Typus asthenicus (ab 1924 als leptosom bezeichnet), den athletischen sowie pyknischen Typus.126 Es war vor allem die Eingängigkeit dieser Typologie, die große Interpretationsräume und Anwendungsmöglichkeiten zuließ, von der Kriminologie bis hin zu den Sportwissenschaften. Vor diesem Hintergrund bestand die Gemeinsamkeit der anthropometrischen Forschung darin, dass sie den Einfluss von Umweltreizen auf den Körper und die Grenze seiner Wandelbarkeit vor dem Hintergrund vererbter Konstitutionsmerkmale in den Blick nahm. Die Frage der Vererbung konstitutioneller Merkmale spielte in diesem Kontext eine ambivalente Rolle. So wurde die Annahme, dass erworbene Eigenschaften und Konstitutionsmerkmale nicht vererbbar seien, wie sie die Prä­formisten vertraten, bezweifelt, nicht zuletzt weil sie dem Nutzen des Sporttreibens Grenzen setzte. Exemplarisch für eine Mixtur aus sozialreformerischem Willen und sozialdarwinistisch-eugenischen Versatzstücken, ist August Bier, Mediziner und DHfL-Rektor.127 Man solle als Arzt – so Bier 1930 – »die Macht der Vererbung nicht unterschätzen und bei der Eheschließung und der Kindererzeugung, wenn nach aller Erfahrung die Gefahr der Fortpflanzung Entarteter vorliegt, dieser rücksichtslos entgegentreten. Ebensowenig aber soll man die Macht der richtig angeleiteten und richtig angewandten Gymnastik zur Hebung von körperlichen und seelischen Fehlern unterschätzen. Deshalb soll und kann man den schlecht Veranlagten und Schwächlingen Mut machen und den Willen, ihre Unvollkommenheit zu überwinden, stählen.«128 Biers Argumentation, dass selbst die »Schwächlichen« und »Minderwertigen« sich durch das sachkundige Betreiben von Sport zu »vollwertigen Menschen« entwickeln könnten, ließ sich hervorragend mit sozialreformerischen Anliegen verknüpfen. Durch den Sport ließen sich künftige Generationen gesünder, wehrhafter und kräftiger gestalten. Hieraus ergab sich ein sozialreformerisch-technisches Programm, das die Integration des Sports in die städtischen Schulen und den Bau von Sportplätzen umfasste. Zunächst ist zu erwähnen, dass für sportanthropometrische Studien nicht nur Sportplätze und Sportler verwendet wurden. Auch Strafgefangene gerieten in den Fokus der Sportanthropometrie. Beispielsweise boten die Insassen des Strafgefängnisses Plötzensee in Berlin eine günstige Möglichkeit, die Beeinflussung der Konstitution durch Sport an Jugendlichen unter genau geregelten und gleichmäßigen Lebensbedingungen zu erforschen, zumal die Sportlehrerschaft 126 Hau, The Cult of Health and Beauty, S. 150–175. 127 Lammel bezeichnet den Zugang Biers zum Sport, eine Mischung aus erzieherischem Wollen, Elementen der Naturheilkunde und sozialdarwinistischen und eugenischen Denk­ weisen, als »dritten Humanismus«. Lammel, August Bier, S. 175–202. 128 Bier, Der Sinn der Leibesübungen, S. 29 f.

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der DHfL an der Gestaltung einer dort eingeführten täglichen Turnstunde beteiligt war.129 So führte das Preußische Justizministerium dort 1922 gemeinsam mit der DHfL eine halbjährige Untersuchungsreihe durch, die Aufschluss über konstitutionelle Veränderungen in anthropologischer und klinischer Hinsicht nach der Absolvierung einer täglichen, nackt und im Freien vorzunehmenden Turn- und Sportstunde geben sollte. Dabei wurden die Messungen nur auf diejenigen beschränkt, denen auch ein »Verweilen [sic] für die Untersuchungsfrist« zustand. Als Vergleichsobjekte dienten jugendliche Insassen eines anderen Preußischen Gefängnisses, die die tägliche Turnstunde nicht absolvieren mussten.130 Doch blieben Fälle wie dieser die Ausnahme. Weitaus größeres Interesse weckten, wegen des reichhaltig vorhandenen Untersuchungsmaterials, große Sportveranstaltungen wie etwa die Turnfeste in München, die akademischen Olympiaden in Marburg, die Erste Internationale Arbeiterolympiade in Frankfurt 1925 oder die Deutschen Kampfspiele in Breslau 1930.131 Derartige »Massen­veranstaltungen in einer Stadt und auf einem Sportplatz bieten eine vorzügliche Gelegenheit zu wissenschaftlichen Untersuchungen an großem Menschenmaterial« – so die knappe Zusammenfassung der wissenschaftlichen Vorteile solcher Sportveranstaltungen durch den Mediziner Kurt Fürst anlässlich der Arbeiterolympiade in Frankfurt 1925.132 Die Arbeiterolympiade zog mit schätzungsweise 50.000  Teilnehmern die Aufmerksamkeit vieler Wissenschaftler auf sich. Das erst kurz vorher in Betrieb genommene Waldstadion gehörte wie das Breslauer Stadion (1930 führten Ärzte dort während der Deutschen Kampfspiele umfangreiche Blutuntersuchungen durch) zu denjenigen Anlagen, die über ein fest installiertes Laboratorium verfügten. Die Arbeiterolympiade veranlasste die nur wenige Wochen zuvor in Frankfurt gegründete Sportärztliche Vereinigung zu umfangreichen Studien. Die im Stadionlaboratorium durchgeführten Untersuchungen umfassten Herzmessungen, Kraftmessungen, Blutgruppenuntersuchungen, dermatologische Beobachtungen und vor allem Körpermessungen, die in Kooperation mit der Anthropologischen Gesellschaft vorgenommen wurden.133 Die Wissenschaftler gingen sportwissenschaftlichen Fragen nach, verbanden diese aber wegen der internationalen Zusammensetzung der Teilnehmerschaft auch mit rassenanthropologischen Fragen.134

129 CuLDA, Sachakten, Mappe 27: Brief Carl Diems an den Senat der DHfL, 20. April 1922. 130 Ebd. 131 Gersbach, Die Ergebnisse, S. 5; Jokl, Blutuntersuchungen an Sportsleuten, S. 379–389. 132 Fürst, Wissenschaftliche Untersuchungen, S. 947 (Hervorhebung im Org.). 133 Gersbach, Die Ergebnisse, S. 11. Ernst Schwarz, der als Mitglied der Frankfurter Anthropologischen Gesellschaft die Körper vermaß, nahm zwei Jahre später den Posten als Assistent am Zoologischen Museum in Berlin an. Ich danke Eike Stiller für seinen wertvollen Hinweis auf die Untersuchungen während der Frankfurter Arbeiterolympiade. 134 Fürst, Wissenschaftliche Untersuchungen, S. 947.

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Bemerkenswerterweise war die Basis einiger bei dieser Gelegenheit durch­ geführter Körpermessungen lückenhaft beziehungsweise entsprach in ihrer Breite nicht den Vorstellungen der vorher enthusiastisch gestimmten Wissenschaftler. Es ist schwierig, eindeutige Erklärungen hierfür zu liefern – aber offensichtlich konnte man nicht auf die erhoffte Menge an zu vermessenden Körpern zurückgreifen. Jedenfalls macht dieser Umstand auf ein wichtiges Problem aufmerksam, dass vor allem ein Problem der Überlieferung ist. Wir können vorrangig auf Quellen zurückgreifen, die von Wissenschaftlern stammen, die Auskunft über die Erkenntnisziele der Untersuchungen liefern, die die theoretischen Vorannahmen und Schlussfolgerungen darlegen oder die Unter­ suchungsobjekte in Zahlenreihen zusammenfassen, doch von Problemen der Forschungspraxis, die die Untersuchungsergebnisse weniger eindeutig erscheinen lassen könnten, oder gar vom Eigensinn der Sportler, ist nur selten die Rede. Es lassen sich jedoch Indizien herausschälen, die darauf hinweisen, dass die Zusammenführung von Sport und Wissenschaft im Stadion keine konfliktfrei verlaufende Entwicklung war. Wie erwähnt war bereits an die Implementation des Stadionlaboratoriums während der Hygieneausstellung in Dresden die Vorstellung geknüpft, erzieherisch auf Sportler zu wirken damit sie sich bereitwillig für Untersuchungen zur Verfügung stellten. Bei der Arbeiterolympiade 1925 kann man nun beobachten, das sich viele der teilnehmenden Sportler – sie sollten sich einer zweimaligen Vermessung unterziehen – gereizt auf diese Untersuchungen reagierten und ihren Körper schlicht nicht zur Verfügung stellten. Die Gründe für diese Verweigerungshaltung gegenüber der wissenschaftlichen Vermessungspraxis konnten variieren, sei es, dass die Sportler befürchteten, aus ihrem Wettkampfrhythmus herausgerissen zu werden, schlicht lieber massiert werden wollten, ihnen die »Einsicht« in den Wert der Wissenschaften fehlte oder dass sie sich, wie im Fall von Sportlerinnen, weigerten, von männlichen Ärzten und Studenten untersucht zu werden.135 Eine wichtige stationäre Einrichtung zu Körpermessungen im Dienste des Sports war das von Wolfgang Kohlrausch geleitete anthropometrische Laboratorium der DHfL.136 Es bestand aus einem Ärztezimmer und einem Messraum, in dem eine Messwand, mehrere Anthropometer, Tasterzirkel, Bandmaße, eine Laufgewichtswaage, ein Stephani-Meßstuhl, Spirometer und Muskelhärteprüfer untergebracht waren. Die weitaus wichtigste und kontinuierlich vorhandene Basis der dortigen Körpermessungen bildeten neben den Wettkampfteilnehmern im Deutschen Stadion die Studierenden. Zweimal im Jahr, jeweils am Beginn und Ende des Semesters, wurden die Studierenden gemessen, gewogen und fotografiert. Darauf aufbauend wurden Daten erhoben und die Veränderungen 135 Gersbach, Die Ergebnisse, S. 10. Ausführlicher Fürst, Wissenschaftliche Untersuchungen, S. 947 f. 136 Wolfgang Kohlrausch übernahm die Leitung des anthropometrischen Laboratoriums der DHfL 1920 zunächst gemeinsam mit Carl Krümmel, der allerdings 1923 an die Heeressportschule Wünsdorf wechselte. Zu Kohlrausch siehe Uhlmann, Der Sport.

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des Körpers durch die sportliche Betätigung in der Zeit untersucht. Alle Messergebnisse wurden in Messblätter eingetragen und archiviert.137 Die Körpermessungen an den Studierenden können in zwei Komplexe unterteilt werden: Erstens in die Aufnahmeprüfungen, in denen festgestellt werden sollte, ob sie gesund und leistungsfähig waren und vor allem, ob sie die körperliche Beschaffenheit aufwiesen, um später Überdurchschnittliches leisten zu können.138 Beispielsweise wurden 1928 von 44 männlichen und 31 weib­lichen Bewerber/innen lediglich 24 Männer und 13 Frauen aufgenommen. Der wesentliche Teil fiel durch, weil er den ärztlichen Anforderungen auf »Eignung« nicht entsprach. Diese Praxis war problematisch, da der durch Körper­messungen ermittelten Konstitution offenbar ein größeres Gewicht als der ebenfalls ab­ gerufenen sportlichen Leistung beigemessen wurde. Die Hochschulärzteschaft sah in der konstitutionellen Eignung das entscheidende Kriterium. Mehrmals trat der Fall ein, dass Prüflinge mit sportlich guten Leistungen abgelehnt wurden, weil sie körperliche Mängel aufwiesen. Hier traten Schwierigkeiten auf, die aus dem Widerspruch zwischen Konstitution und körperlicher Leistungs­ fähigkeit resultierten, wurde doch deutlich, dass die Untersuchungsobjekte nicht ohne weiteres auf anthropometrische Daten zu reduzieren waren.139 Zweitens wurden diese Körpermessungen regelmäßig während des Studiums vorgenommen. Ab 1921 waren diese Untersuchungen verpflichtend. Sie waren nicht für die Studierenden selbst, sondern für die Forschung an der DHfL bestimmt und sollten die körperliche Entwicklung und die Entwicklung einzelner Organsysteme während der gesamten Dauer des Studiums dokumentieren.140 Dass die Körpermessungen (wie bei vielen Teilnehmern der Arbeiterolympiade)  unbeliebt waren, offensichtlich sogar durch Disziplinarmaßnahmen durchgesetzt werden mussten, macht ein Beschluss der Hochschulleitung im April 1921 deutlich: »Die Studierenden verpflichten sich durch Unterschrift zur regelmäßigen Teilnahme an den wissenschaftlichen Unter­ suchungen und Leistungsprüfungen. Bei wiederholtem unentschuldigten Fernbleiben erfolgt Verwarnung, bei beharrlicher Weigerung Nichtanrechnung des betreffenden Semesters.«141 137 Diem, Die Deutsche Hochschule, S. 26. Diese Untersuchungen waren eine logistische Herausforderung, die zu meistern schon deswegen von Bedeutung war, weil in ihnen die Ordnung zum Ausdruck kam, die die Studierenden halten sollten. Das Schlagwort war Effizienz, die sich dadurch zeigte, dass die Studierenden »von Hand zu Hand gereicht werden und ohne mehr Pause als die Arbeit erfordert, dem Taylorsystem entsprechend, in wenigen Stunden diese Aufgabe ableisten.« Siehe CuLDA, Sachakten, Mappe 207: Brief von Carl Diem an Dr. Hoske, 4. Juni 1926, Abschrift. 138 CuLDA, Sachakten, Mappe 207: Brief Dr. Paul Krause an den Reichsausschuss für Leibesübungen, 15. Juni 1926, S. 1. 139 CuLDA, Nachlass Sippel, Mappe 15: DHfL, Monatsbericht Oktober-November 1928, S. 1. 140 CuLDA, Sachakten, Mappe 207, Brief Dr. Paul Krause an den Reichsausschuss für Leibesübungen, 15. Juni 1926, S. 1. 141 CuLDA, Sachakten, Mappe 187: DHfL, Bericht über die Sitzung des Senats am 27. April 1921, S. 1.

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Wie sah die sportanthropometrische Praxis aus? Es ist bemerkenswert, dass erst um die Mitte der 1920er Jahre eine Vereinheitlichung der Messmethoden und -techniken einsetzte. Bereits im Sommer 1920 erklärte sich Rudolf Martin, Direk­tor des Anthropologischen Instituts der Universität München und eine Koryphäe auf dem Gebiet anthropometrischer Messverfahren, bereit, eine Anleitung für wissenschaftliche Körpermessungen für die DHfL auszuarbeiten, die er im Jahr darauf in einem Vortrag mit dem Titel Grundlagen und Tatsachen der Körpermessung vorstellte.142 Am nächsten Tag lud die DHfL zu einer Sitzung, an der der Präsident des Reichsgesundheitsamtes, das Ministerium für Volkswohlfahrt, das Reichsministerium der Inneren, das Reichswehrministerium, der Verband Deutscher Sportlehrer, der Deutsche und der Preußische Turnlehrerverein, das Schulkollegium der Provinz Brandenburg und das Jugendpflegeamt des Magistrats der Stadt Berlin teilnahmen, um über die Einführung der Martinschen Messmethoden an der DHfL, in öffentlichen Schulen, im Heer und in den Turn- und Sportvereinen zu beraten.143 Doch erst 1925 beschloss der anthropometrische Ausschuss des Deutschen Ärztebundes zur Förderung der Leibesübungen, Untersuchungsverfahren, und hier insbesondere die Methoden der Körpermessungen, verbindlich zu vereinheitlichen. Angesichts der offensichtlich geringen Anzahl vergleichbarer Werte stand die Beschränkung auf wenige, aussagekräftige Maße im Vordergrund: Größe, Gewicht, Brustumfang und Stammlänge. Als erwünscht galt das Messen des Spirometerwerts sowie des Oberarmumfangs. Zusätzliche Messungen sollten variabel und abhängig vom Forschungsinteresse des einzelnen Wissenschaftlers sein.144 Um den Vergleich der Daten zu gewährleisten, war auch die Standardisierung der Messtechniken, also der verwendeten Messapparate, des Messstreckenverlaufs sowie die genaue Positionierung der zu messenden Personen in den beiden Grundhaltungen Stehen und Sitzen elementar. Auch in diesem Fall erklärte der Deutsche Ärztebund zur Förderung der Leibesübungen die von Rudolf Martin entwickelten Richtlinien für Körpermessungen für maßgeblich.145 Für alle anthropometrischen Untersuchungen galt, dass die Körpermaße möglichst am unbekleideten Körper zu ermitteln waren. Der Athlet hatte in ge142 CuLDA, Sachakten, Mappe 187: DHfL, Bericht über die Senatssitzung am Dienstag, 22. Juni 1920. 143 CuLDA, Sachakten, Mappe 207: Einladung Carl Diems. An die Herren Mitglieder des Senats der Deutschen Hochschule für Leibesübungen und CuLDA, Sachakten, Mappe 187: DHfL, Bericht über die Sitzung des Senats am 27. April 1921, S. 1. 144 Kohlrausch, Methodik der Körpermessungen, S. 139–142. 145 Martin, Richtlinien für Körpermessungen. Tatsächlich entwickelte Martin eine Technik der Körpermessungen, die auch für die Nachbardisziplinen der Anthropologie für Jahrzehnte maßgeblich wurde. Martins stark typologisch ausgerichteter Leitfaden der Messtechnik stellte im Grunde eines der letzten Zeichen eines technologischen Interesses in der Anthropologie dar, die sich in dieser Zeit in Richtung »Rassenanatomie« und »Rassen­ psychologie« orientierte. Hierzu Hoßfeld, Geschichte der biologischen Anthropologie, S. 182–184.

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Abb. 26: Fotografien der Sporttypenforschung an der DHfL.

nau definierten Grundhaltungen zu sitzen oder zu stehen. Für das Messen der Größe etwa: die Wirbelsäule straff ausgerichtet, den Blick geradeaus gerichtet, den Kopf in der genau definierten Ohr-Augen-Ebene, wobei die Oberränder der Ohrdeckelknorpel der Ohröffnungen sowie der tiefste Punkt des unteren knöchernen Augenhöhlenrandes des rechten Auges eine Horizontalebene zu bilden hatten (Tragus-Orbita-Linie): »Um diese Stellung zu erreichen, fasst man den Kopf im Nacken und schiebt ihn durch einen Druck der Hand nach vorn oben vor. Sodann legt man das Lineal des Anthropometers auf den Scheitel und liest auf Millimeter genau ab. […] Soweit ein Anthropometer nicht vorhanden ist, wird ein Stahlbandmaß an der Wand so befestigt, daß der Nullpunkt mit der Standfläche übereinstimmt, während die Kapsel des 2 Meter langen Band­maßes mit einem Gummiband straff nach oben gezogen wird.«146 Doch die Annahme, dass die Messungen immer direkt am Sportlerkörper vorgenommen wurden, täuscht. Als zusätzliches Analyse- und Dokumentations­ medium diente die Fotografie. Dabei musste die Kamera robust und leicht zu transportieren sein – reisten die Wissenschaftler, wie oben beschrieben, doch größeren Massensportveranstaltungen hinterher, um dort Sportler zu untersuchen und vermessen. Dieser Umstand erklärt, warum in den Stadien ein auch in der ethnologischen Feldforschung gebräuchlicher Kameratypus verwendet wurde. Ausgestattet mit einem Multiplikator konnten mit ihr drei Aufnahmen auf je einem Drittel der Platte gemacht werden – was für eine vergleichende Fotografie, etwa wenn es um den Vergleich so genannter Muskeltypen ging, gewisse Vorteile barg. Hinzu kamen stereoskopische Fotografien, die nachträg­ 146 Kohlrausch, Methodik der Körpermessungen, S. 139.

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liche, bildbasierte Messungen ermöglichten.147 Angesichts der langen Prozedur des Vermessens und der manchmal unkooperativen Sportler erschien die Fotografie als eine zeitsparende Messvariante. Mehr Sportler konnten in kürzerer Zeit abgelichtet werden, wobei die eigentliche Vermessung später auf Grundlage der Fotografien vorgenommen wurde. Ein gutes Beispiel für diese Praxis sind die Olympischen Spiele in Amster­ dam 1928, der ersten der Nachkriegszeit mit deutscher Beteiligung. Diese Spiele lösten einen enormen Aktivitätsschub aus. Unter den Dutzenden deutscher Sportmediziner und Physiologen, die sich zu diesem Anlass im Amster­ damer Stadion befanden, wie etwa Herbert Herxheimer, Otto Huntemüller, Walter Thörner u. a., war auch Wolfgang Kohlrausch.148 Er nahm bei dieser Gelegenheit umfangreiche Körpermessungen vor und bestimmte von ungefähr 300 Athleten Größe, Gewicht, Oberarm-, Waden- und Brustumfang. Sein Interesse erregte die internationale Zusammensetzung der Athleten, wobei sein Resümee ernüchternd ausfiel: Die Messungen zeigten, dass »auch bei dem international zusammengesetzten Material von Sportsleuten die Körperbauverhältnisse in den einzelnen Sportarten in fast allen Punkten denen entsprechen, die an deutschen Sportsleuten gefunden waren. Somit kann geschlossen werden, daß für diese Verhältnisse in erster Linie physikalische Gründe, die früher vermutet waren, maßgebend sind, nicht aber so sehr die konstitutionell oder rassenmäßig bedingten biologischen Eigenschaften, die erbgangsgemäß an eine bestimmte Form gebunden sind.«149 Nun kam Kohlrausch zu diesem Schluss nicht auf der Basis tatsächlich im Stadion vermessener Sportlerkörper. Einen Teil  der über 300  Körper fotografierte sein Assistent, wobei die eigentlichen Körpermessungen auf der Grundlage dieser Fotografien dann später in Berlin, im Laboratorium der DHfL, stattfanden.150 Der Einsatz von Fotografie war problematisch, was den Akteuren durchaus bewusst war. Zum einen wurden die Fotos nicht von Wissenschaftlern gemacht. Im Rahmen dessen, was man als Mechanisierung und arbeitsteilige Produktion von Wissen bezeichnen kann,151 oblag das Fotografieren im Stadion einem wissenschaftlichen Laien, der die Körperaufnahmen für das Laboratorium erledigte, sonst aber auch für Aufnahmen der Gebäude und Festakte zuständig war. Zum anderen war die Bildproduktion nur in Ansätzen standardisiert, was die Vergleichbarkeit der Ergebnisse erheblich erschwerte. Dies hing damit zusammen, dass das Laboratorium im Keller untergebracht war, um ein möglichst störungsfreies Funktionieren der empfindlichen Apparate zu gewährleisten. Die dadurch bedingte Verwendung von künstlichem Licht führte trotz gleich­

147 Diem, Die Deutsche Hochschule, S. 26. 148 Hollmann, Sportmedizin, S. 61. 149 Zitat n. CuLDA, Sachakten, Mappe 189: DHfL, Tätigkeitsbericht 1928/29, S. 45. 150 CuLDa, Nachlass Sippel, Mappe 15, S. 2 f. 151 Dierig, Wissenschaft in der Maschinenstadt, S. 157–159.

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bleibender Verhältnisse zu sehr »harten« Bildern mit unterschiedlichen Lichteffekten.152 Insgesamt lässt sich also eine Spannung zwischen dem exakten Messen, das offensichtlich gar nicht so exakt war, und der Beobachtung beziehungsweise dem alltäglichen Erfahrungswissen beobachten. Und eben dieses Spannungsfeld zwischen vermeintlich objektiven Indikatoren und alltagspraktischen Erfahrungen war eine Triebfeder der Standardisierung und Formalisierung. Die Fähigkeit der Wissenschaftler, die konstitutionelle Eignung von Sportlern zu erfassen, basierte in vielerlei Hinsicht auf allgemeiner Beobachtungsgabe. Zumindest wurde dieser Aspekt immer wieder durch die Akteure selbst zur Sprache gebracht. Kohlrausch zufolge wisse jeder in dieser Beziehung tätige Arzt, wie »ungenau diese sog. objektiven Meßmethoden sind.« Bei Prüfung der »Fehlerbreite« nach mehrmaligen Messungen des »gleichen Objekts« sei man an­gesichts der divergierenden Ergebnisse häufig erstaunt. Überhaupt, so Kohlrausch weiter, sei der geschulte Wissenschaftler auch ganz ohne Körpermessungen in der Lage, den körperlichen Zustand des Sportlers richtig zu beurteilen. Und auch wenn Kohlrausch noch beschwichtigend einräumte, dass die sportanthropometrischen Untersuchungen für den Wissenschaftler wie für den Sportler »einen gewissen Wert« hätten, überrascht eine solch skeptische Grundhaltung gegenüber der eigenen wissenschaftlichen Tätigkeit durch eine ihrer prominentesten Figuren.153 Letztlich fanden die Wissenschaftler keine strenge Methodik, sondern behalfen sich im Grunde mit Annäherungswerten. Basierend auf dem Grundschema der Anthropometrie, in dem durchschnittliche Vergleichswerte aufgestellt und dann prozentuale Abweichungen und deren Häufung festgestellt wurden, kam eine Mixtur aus objektivierbaren Befunden und individuellen Beobachtungen zur Anwendung. Beim Betrachten der von der DHfL verwendeten Mess­blätter wird dieses Dilemma deutlich. Neben Angaben zur Stammlänge, Brustumfang, Muskeldicke, Ruhepuls und Respiration werden hier alltägliche Normalitätsvorstellungen und alltagspraktische Erfahrungen sichtbar, die in der Regel vor der Folie zeittypischer »Degenerationszeichen« gelesen wurden: sportliche Veranlagung, Gesamteindruck des Körperbaus, Krankheiten in der Familie, Tabak- und Alkoholkonsum. Ein noch größeres Sammel­surium von Konstitutionskriterien zeigen die Beobachtungsblätter der anthro­pometrischen Studien während der internationalen Arbeiterolympiade in Frankfurt 1925. Hier wurden die Sporttypenforschung und die Rassenanthropologie miteinander verflochten und zu Problemen der körperlichen Leistungsfähigkeit ins Verhältnis gesetzt. Die Beobachtungsblätter wiesen neben den klassischen Kriterien wie Stammlänge, Schulterhöhe, Ellenbogenhöhe auch den Beruf, die Konfession sowie Kennzeichen wie beispielsweise Hautfarbe, Kopfhaar, Farbe

152 Diem, Die Deutsche Hochschule, S. 26; Kohlrausch, Körperbau und Wachstum, S. 51 f. 153 Kohlrausch, Methodik der Körpermessungen, S. 142.

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des Bartes, Körperbehaarung, Nasenbreite und Lippen des Sportlers auf.154 Die charakterisierenden Konstitutionsmerkmale wurden auf den Fotografien in »Anthropologische Typen«, »Ähnliche Typen aus verschiedenen Gebieten« und »Konstitutionstypen« unterteilt. Die in den Bildunterschriften zusammengefassten Merkmale lauteten etwa: »Nr. f. 79. Linz a. d. Donau, Oberösterreich. Negerkomponente. Kraushaarig, Kurze, breite Nase, dicke Lippen. Bräun­ licher Teint«, oder: »Nr. m. 258. Styr, Oberösterreich. Beruf: Mechaniker. Lauf, lange Strecke, 25 km. Typische Läuferfigur. Stark durchtrainiert. Wirbelsäule verkrümmt; Körper aber sonst gut ausgeglichen. Richtig betriebener Sport (Ausgleich).«155 Welcher Wert wurde dann der Sportanthropometrie beigemessen? Im Rahmen der Sporttypenforschung galt es, nach der Devise »der rechte Mann am rechten Platz«, erstens die günstigsten körperlichen Konstitutionsmerkmale mit der entsprechenden Sporttätigkeit zu verknüpfen. Zweitens ging es im anthropometrischen Laboratorium letztlich um den Nachweis der Veränderbarkeit des Körpers durch den Sport im Sinne einer Angleichung an ein körperliches Normmaß, das Leistungsfähigkeit und Willensstärke symbolisierte. So wollte man Aufschluss über die körperlichen Auswirkungen der einzelnen Sport­arten gewinnen, vor allem auch, weil in der Beurteilung der Sportanthropometrie spätestens 1930 mehr und mehr ein skeptischer bis pessimistischer Grundton vorherrschte, so etwa bei dem Arzt der DHfL Richard Kost. Er kam bezüglich der Messungen zu dem äußerst diffusen Ergebnis, dass die »Beeinflussung […] irgendwie von persönlicher Eigentümlichkeit abhängig und doch wahrscheinlich konstitutionell vorausbestimmt« sei.156 Angesichts der Begrenztheit objektivierbarer Messmethoden, der Spannung zwischen exaktem Messen und Beobachtung und der nicht klar definierten Erkenntnisziele der Sportanthropometrie wird dieser bemerkenswert zweifelnde Ton verständlich. Immer wieder wurden im Stadion Körper gemessen, wobei selbst den messenden Akteuren nicht immer klar gewesen zu sein scheint, was zu welchem Zweck gemessen wurde. Ähnlich wie es Dietrich Milles am Beispiel ärztlicher Gutachten bei der Etablierung der Sozialversicherung in Deutschland nachgewiesen hat, scheint auch die Sportanthropometrie in erster Linie eine Normalisierungsfunktion ausgeübt zu haben: Es wurde zwar viel gemessen und viel Aufmerksamkeit auf methodische und technische Fehlerquellen gelenkt, aber »was wozu gemessen wurde, erschien gegenüber dem Sammeln an objektivierbaren Daten und dem damit einhergehenden Akt der Normierung als solchem sekundär.«157 In den Worten Kohlrauschs: »Was die äußere Körperform anbetrifft, so fiel auf, dass Studenten bei Eintritt in die Hochschule naturgemäß sehr ungleich wirkten. Es gab Muskelschlanke und Muskelbepackte, Dünne 154 Schwarz, Körpermessungen, S. 56 f., Fotografien S. 73–101. 155 Ebd., S. 84, 97. 156 Kost, Die sportärztliche Praxis, S. 55. 157 Milles, Die Physiologie als Grundlage ärztlicher Gutachten, S. 377.

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und Dicke usw. Sah man die gleichen Leute nach einem halben Jahr wieder, so waren sie sich ähnlich geworden. Die nackten Körper sahen geradezu uniformiert aus, ein Eindruck, der in Gruppenbildern der Hochschüler deutlich zum Ausdruck kommt. Die Körpermessungen haben diesen Ausdruck objektiviert.«158 Doch während die Körpermessungen etwa bei den Musterungen und Gutachten der deutschen Sozialversicherung auf die Identifizierung und Beurtei­lung von Normalität und Abweichung zielten, ging es in der Sporttypenfor­schung vorrangig um Variationen von Normalität, darum, das Feld der Normalität auszuweiten, zweckorientiert nach sportlichen Anforderungsmustern auszudifferenzieren und somit auch Abweichungen nutzbar zu machen.159 Beispiele sind »Sporttypen« wie der Schwerathlet (»hohes Gewicht, breite Schultern«), Mittelstreckenläufer (»lange Beine, geringe Rumpfentwicklung) oder der Werfer (»große Körper- und große Armlänge«).160 So erhielten Normalitätsvorstellungen eine zusätzliche Dynamik, weil die Konstitution auf der Suche nach Optimierung eine veränderliche Komponente war, und weil die Feststellung qualitativer Abweichung von durchschnittlichen Vergleichswerten zur Auswahl geeigneter Körper für spezifische sportliche Belastungszustände genutzt werden konnte.

6. Das Stadion als psychotechnische Versuchsanordnung 1928 veröffentlichten ein Ingenieur und ein Mediziner gemeinsam ein populärwissenschaftliches Buch mit dem Titel Ändert die Technik den menschlichen Körper? Interessanterweise wiesen die Autoren Eduard Pfeiffer und Waldemar Schweisheimer in diesem Zusammenhang dem Zusammenspiel von Technik und Sport eine besondere Rolle zu und behandelten diese Facette in einem eigenen Kapitel. Darin heißt es: »Sportgeist und Technik beeinflussen einander heute gegenseitig. Die zeitkarge Technik verlangt Regsamkeit, der im Menschen erweckte Sportgeist sucht, von den technischen Möglichkeiten angestachelt, unter Anwendung technischer Mittel seine sportlichen Leistungen zu erhöhen, ja, die Technik zum Sport zu machen. Die Technik hat erst den Sport im modernen Sinne geschaffen«.161 Wir haben es hier keineswegs mit einer Einzelmeinung zu tun. Auf dem Höhe­punkt seiner sportlichen Karriere referierte etwa Otto Peltzer, einer der 158 Kohlrausch, Körperbau und Wachstum, S. 50. 159 Allgemein zu diesen Überlegungen siehe Mehrtens, Kontrolltechnik Normalisierung, besonders S. 46–48. 160 Hoske, Wege zur Leistung, S. 89. 161 Pfeiffer/Schweisheimer, Ändert die Technik den menschlichen Körper? S. 66 f. Das Buch erschien im populärwissenschaftlichen »Dieck u. Co, Verlag der technischen Bücher für alle«.

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populärsten Athleten der Weimarer Republik, im gleichen Jahr unter dem Titel Der Kampf um die Zehntelsekunde über den Nutzen und die Bedeutung körperlicher Leistungsfähigkeit.162 Für jemanden, der den finnischen »Wunder­läufer« Paavo Nurmi über 1.500 Meter besiegt und bis 1933 elf deutsche Rekorde aufgestellt hatte, war diese kurze Schrift freilich auch eine Legitimierung des eigenen Tuns.163 So schrieb er: »Immer wieder glauben Menschen, die im besten Falle einmal zufällig einen Sportplatz von weitem sehen, die Nase rümpfen zu dürfen über jene sonderbaren Menschen, die ohne jeden erkennbaren Zweck dort auf dem Rund der Aschenbahn herumlaufen. Sie glauben, das Recht zu haben, über diesen merkwürdigen Ehrgeiz schimpfen zu können, der seine Lebensaufgabe darin zu erblicken scheint, ein paar hundert Meter eine Zehntelsekunde schneller zu laufen, als man es bisher vermochte. Eine Zehntelsekunde! Eine Zeitspanne, die nie im praktischen Leben Bedeutung gewinnt! Wirklich nie? Wissen diese Leute, mit welch rasender Geschwindigkeit der heutige Verkehr in der Großstadt sich abspielt? Wie es da oft nicht um Zehntelsekunden, sondern um Hundertstelsekunden geht? Wissen jene murrenden Leute, mit welcher Schnelligkeit die Industrie rechnet? […] Und diese gewonnene Zehntelsekunde bedeutet ja auch etwas ganz anderes: hinter ihr sitzt eine Kraft, eine ungeheure Energie, der es gelang, eine Grenze des Menschlichen zu sprengen. […] Dieser Mensch zeigt – genau wie ein Ingenieur, dem es gelingt, ein Auto herzustellen, das statt 330 Stundenkilometer 400 fährt –, was zu erreichen ist. Zeigt genau wie der Erfinder des Fernhörens und Fernsehens, daß Grenzen nicht ewig sind. […] Er erschließt unbekanntes Land.«164 Diese zeitgleich entstandenen Äußerungen  – Pfeiffer/Schweisheimer einerseits und Peltzer andererseits – sind exemplarisch für die Grundannahmen über das Wechselspiel von Technik, Sport und Körper in der Weimarer Zeit. Sie können – trotz aller vorhandenen Variationen – in zwei Thesen zusammengefasst werden. Erstens ist festzustellen, dass Sport und Technik als zwei eng miteinander verwobene Phänomene betrachtet wurden. Dieses Zusammendenken von Technik und Sport bezog sich auf eine durch die Technisierung hervorgerufene Beschleunigung des Alltags. Dieser Wandel forderte den Menschen eine erhöhte Aufmerksamkeit ab, die Georg Simmel bereits fünfundzwanzig Jahre zuvor in seiner bekannten Schrift Die Großstädte und das Geistesleben als »Steigerung des Nervenlebens« charakterisiert hat.165 Aus dieser Perspektive bereitete der Sport auf die Anforderungen des Alltags vor, übte die für deren Bewältigung als 162 Peltzer, Der Kampf. 163 Peltzer lief 1925 den Weltrekord über 500 Meter und im darauf folgenden Jahr den Weltrekord über 800 Meter. Neben seiner sportlichen Laufbahn studierte er Rechts- und Staatswissenschaften und war als Lehrer für Biologie, Geschichte, Geographie und Sport tätig. Siehe ders., Umkämpftes Leben. Vgl. ferner Kluge, Otto der Seltsame; Bernett, Dr. Otto Peltzer. 164 Peltzer, Der Kampf, S. 105 f. 165 Simmel, Die Großstädte und das Geistesleben, S. 116. Zum Thema Neurasthenie siehe Radkau, Das Zeitalter der Nervosität.

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erforderlich erachteten Eigenschaften wie Willensstärke, körperliche Leistungsfähigkeit und Reaktionsschnelligkeit ein.166 Auf dem Sportplatz  – so könnte man mit einem Begriff Peltzers sagen  – gab der Mensch eine »Lebensprobe« ab, die Aufschluss darüber gewährte, inwieweit er den Anforderungen der Moderne gewachsen war.167 Mit der Abgabe einer »Lebensprobe« war es aber nicht getan. Die Anwendung technischer Mittel im Sport erhöhe die Leistungsfähigkeit des Menschen und verändere ihn damit, befähige ihn, die Beschleunigung zu meistern.168 Da aber die Beschleunigung des Lebens als ein fortwährender Prozess erlebt wurde, als dessen Motor die Technik galt, konnten die Parameter etwa der Leistungsfähigkeit und Reaktionsschnelligkeit keine festen sein. Es ist ebendiese Dynamik der Entgrenzung, die in dieser Perspektive als ein zentraler Wesenszug der technischen Entwicklung und des Sports erscheint und die Verwandtschaftsbeziehungen dieser beiden Phänomene prägte. Als potentielle Produktionsstätte dieser Entgrenzung galt somit, neben den Werkstätten der Industrie und Technik, der Sportplatz. Zweitens ist hervorzuheben, dass sich in den Augen der zeitgenössischen Beobachter diese Veränderung nicht ausschließlich auf die rein körperlichen Merkmale beschränkte, sondern ebenso psychische Momente mit einschloss. Wenn Peltzer die seiner Ansicht nach verwandten Triebfedern von Ingenieuren und Sportlern betonte, so tat er das mit dem Verweis auf Kategorien wie »Kraft« und »Energie«. Nicht ohne Grund betonten Pfeiffer und Schweisheimer die immense Rolle von Reaktionsschnelligkeit, Konzentrationsfähigkeit, Geistesgegenwart oder des »Willens«, denen man durch »psychotechnische Prüfungsmethoden« auf die Spur kommen könne. Kurz, das Erreichen des »unbekannten Landes« jenseits der »Grenzen des Menschlichen« war auch von psychischen Dispositionen abhängig, die zu identifizieren und gegebenenfalls zu korrigieren waren. Die Psychologie profitierte vom steigenden Interesse an wissenschaftlichen Techniken der Menschenführung, -optimierung und -anpassung einerseits, von Erwartungen auf Stabilisierung oder Befreiung des Individuums andererseits. Psychologisches Wissen über Wesen, Funktion und Formbarkeit des Selbst definierte also einen subjektbezogenen Machbarkeitshorizont. Als Wissenschaft vom Selbst bezog die Psychologie von Beginn an ihre Legitimation und Anerkennung aus dem Versprechen ihrer praktischen gesellschaftlichen und individuellen Anwendbarkeit.169 Der Sport mit seinem Leistungsparadigma galt in 166 Becker, Der Sportler. Zum Leistungsbegriff im Zusammenhang mit Sport siehe insbesondere Pyta, Vom Segen zum Fluch? Die Wechelbeziehungen zwischen Sport und Technik beleuchtet aus historischer Perspektive Poser, »Kannst Du bremser, Geliebter?«. 167 Peltzer, Der Kampf, S. 107. 168 Besonders deutlich kommt dies zum Ausdruck in Lewin, Der erfolgreiche Mensch (3 Bde.). Auf den Sport geht in dem ersten Band (»Voraussetzungen des persönlichen Erfolges«) ein: Vieregg, Trainiere deinen Körper! und im dritten Band (»Der öffentliche Erfolg«) Schmeling, Der Weg des Sporthelden. 169 Eghigian u. a., Introduction: The Self as Project.

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diesem Kontext als Experimentierfeld zur Bestimmung und Einübung moderner Verhaltensmuster, woran sich die Frage anschließt, inwieweit der Sportraum als eine psychotechnische Versuchsanordnung interpretiert wurde, die sowohl auf die exakte Identifizierung von mentaler Eignung und Leistung als auch auf die Einübung leistungsfördernder Techniken zielte. Ich möchte zunächst in kurzen Zügen auf einige allgemeine Entwicklungslinien der Psychotechnik eingehen. Der Begriff Psychotechnik wurde 1903 von William Stern, Professor für Philosophie und Leiter des psychologischen Laboratoriums der Universität Hamburg, eingeführt.170 Eine Spezifizierung erfuhr der Terminus durch Hugo Münsterberg, der die Psychotechnik als eine wissenschaftliche Methode anpries, die es ermögliche, gesellschaftliche Prozesse zu planen und zu beherrschen. Indem er die Psychotechnik als »Wissenschaft von der praktischen Anwendung der Psychologie im Dienste der Kulturaufgaben« definierte, stellte er sie zugleich als potentiell auf alle Lebensbereiche anwendbar dar.171 Im Kontext der Wandlung der Psychologie von einem spekulativen Bereich der Philosophie zu einer experimentellen Laborwissenschaft kann die Psychotechnik als ein Zweig der angewandten Psychologie bezeichnet werden. Sie beschäftigte sich, grob skizziert, mit der mathematisch-exakten Analyse und Beschreibung der menschlichen Psyche nach dem Vorbild der Naturwissenschaften, wobei Denkvorgänge, das Phänomen der Ermüdung, die Konzentrationsfähigkeit sowie Gedächtnisleistungen die primären Untersuchungs­objekte darstellten.172 Erste große Anwendungsmöglichkeiten ergaben sich im Ersten Weltkrieg. Hier beschäftigten sich die Psychotechniker unter Einsatz experimentalpsycho­logischer Verfahren mit der Auswahl, Rekrutierung und Ausbildung von Kraftfahrern, Funkern und Piloten. Den Schwerpunkt der Untersuchungen bildeten die so genannte Sinnestüchtigkeit der Augen und Ohren, Aufmerksamkeit als Momentan- und Dauerleistung, Reaktionsschnelligkeit, Erregbarkeit und Ermüdung.173 Ihre Blütezeit aber erlebte die Psychotechnik in den Zwischenkriegsjahren, und zwar in beinahe allen industrialisierten Ländern Europas, in den USA, Japan und der Sowjetunion.174 Jetzt hatte die Psychotechnik ihren festen Platz innerhalb der noch jungen Arbeitswissenschaften gefunden, deren Hauptmotive die wissenschaftliche Erfassung von »Körperdaten« und die Normierung von Bewegungsabläufen zur Erhaltung und Steigerung produktiver körperlicher Leistungen waren. Die Psychotechnik hatte hauptsächlich die psychologische Auswahl für und Anpassung des individuellen Arbeiters an den 170 Stern, Angewandte Psychologie, S.  4–6. Zur Geschichte der Psychotechnik in Deutschland siehe die ältere Darstellung von Dorsch, Geschichte und Probleme, 160–163. Neuere ­Studien: Jäger, Zur Herausbildung; Gundlach, Untersuchungen; Killen, Weimar Psychotechnics. 171 Münsterberg, Grundzüge, S. 1. 172 Ash, Die experimentelle Psychologie, S. 56. Siehe auch Borck, Kopfarbeit. 173 Gundlach, Der Faktor Mensch; Geuter, Polemos panton pater, S. 147–149. 174 Zur Sowjetunion siehe Vöhringer, Avantgarde und Psychotechnik..

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Arbeitsprozess zum Gegenstand und war somit eng mit der Rationalisierungskultur der 1920er Jahre verwoben.175 Allein in Deutschland entstanden zwischen 1918 und 1930 209 psychotechnische Anstalten.176 Für Walter Benjamin waren die psychotechnischen Forschungspraktiken ein »gewaltige[s] Laboratorium, das eine neue Wissenschaft: die Wissenschaft von der Arbeit, gerade in Deutschland in kurzer Zeit erstellt hat«.177 Ab ca. 1920 rückten auch der Sport und der Sportler verstärkt in den Fokus der Psychotechnik, und die Sportplätze wurden in das »gewaltige Laboratorium« eingegliedert. Dies schlug sich auch institutionell nieder. Als Beispiele für den Boom der Sportpsychotechnik können das psychotechnische Laboratorium an der DHfL in Berlin oder die Psychotechnische Hauptprüfstelle für Sport und Berufskunde der Preußischen Polizeischule für Leibesübungen in Spandau dienen.178 Womit beschäftigte sich nun die Psychotechnik im Sport genau und welche Ziele verfolgte sie? Die psychotechnische Forschung im Sport hatte sich zur Aufgabe gemacht, sich umfassend mit Problemen seelischer und geistiger Art in Spiel und Sport zu beschäftigen und zur Erfüllung dieser Aufgabe »in die seelische Struktur des Sportmanns einzudringen«.179 Dieses Eindringen in die seelische Struktur diente vor allem der systematischen Untersuchung der Leistungssteigerung in allen möglichen Bereichen der Leibesübungen. Das hieß: »Experimentelle Erforschung der körperlichen Arbeit und der dafür erforderlichen psychischen Kräfte, diagnostische psychologische Eignungsprüfung für alle Sportarten, bestmögliche Leistungs- und Konstitutionssteigerung durch die Leibesübungen, Erzielung von Höchstleistungen, sofern sie biologisch wertvoll sind«.180 Doch welche psychischen Eigenschaften wurden für den Sport als wesentlich erachtet und wie wollte man ihnen auf die Spur kommen? Die Untersuchungen kreisten um Fragen der Sinneswahrnehmung, des Vorstellungs-, Willens- und Gefühlslebens sowie der Arbeitsleistung. Während der Eignungsprüfungen für Sportarten oder der Untersuchungen zur Leistungs- und Konstitutionssteigerung wurden etwa die Bewegungsschnelligkeit und die Startgeschwindigkeit gemessen. Zusätzlich standen Untersuchungen zur Schlagkraft, Sehschärfe, Konzentration und Geschicklichkeit sowie die Messung von Geistesgegenwart und Entschlusskraft auf dem Programm.181

175 Zum Begriff »Rationalisierungskultur« siehe Peukert, Max Webers Diagnose, S.  55–91; Sarasin, Die Rationalisierung des Körpers, vor allem S. 81–85. 176 Spur u. a., Von der Psychotechnik, S. 392. 177 Benjamin, Karussell der Berufe, S. 669. 178 Hoberman, Sterbliche Maschinen, S.  206 und Fleig, Körperkultur und Moderne, S.  76 f. Einen internationalen Überblick geben Green/Benjamin Jr., Psychology Gets in the Game. Mit Blick auf die europäische Entwicklung darin Bäumler, The Dawn of Sport Psychology. 179 Schulte, Eignungs- und Leistungsprüfung, S. 23 f. 180 Diem, Die Deutsche Hochschule, S. 32. 181 Schulte, Probleme, Methoden und Ergebnisse, S. 217 f.; ders., Grundfragen.

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Ein Beispiel aus der Mitte der 1920er Jahre: Im Frühjahr 1925 sammelte der Arzt Wilhelm Reich praktische Erfahrungen in der Verwendung anthropometrischer und psychotechnischer Verfahren bei der Untersuchung von Schülern.182 Er beteiligte sich maßgeblich an einer Untersuchung, die die Sportuntersuchungsstelle des Erfurter Stadtgesundheitsamtes auf einem städtischen Sportplatz durchführte und in der das Verhältnis von körperlichen und psychischen Eigenschaften zur Leistung im Schnelllauf im Mittelpunkt stand.183 Zunächst bestimmte er die Größe, das Gewicht und die Beinlänge der Schüler. Da jedoch »niemals die Größten z. B. stets die besten Schnellläufer« seien oder, in anderen Worten, die anthropometrisch ermittelten Körperproportionen nur unzureichend Auskunft über die Leistungsfähigkeit einzelner Personen gäben, setzte Reich ergänzende Verfahren zur Bestimmung psychischer Dispositionen ein.184 Hierbei handelte es sich um diverse psychotechnische Testmethoden zur Eignungs- und Leistungsprüfung. Beispielsweise wurden die Schüler vor eine etwa 40 × 40 cm großen Tafel gesetzt. Es ging bei dieser »Zahlenquadratprobe« darum, mit Hilfe eines Zeichenstocks die darauf abgebildeten durcheinander gewürfelten Zahlen laut zählend in der richtigen Reihenfolge möglichst schnell aufzuzeigen. Die dazu benötigte Zeit wurde in Sekunden gemessen. Hintergrund dieses Tests war die vermutete Korrelation zwischen der schnellen Bewegungsleistung im Sport und der Konzentrationsfähigkeit und Geschwindigkeit beim Erfassen der Zahlen.185 Auf der Basis der ermittelten Durchschnittswerte sowohl der Körpermessungen als auch der psychotechnischen Tests zog Reich die Schlussfolgerung, dass diejenigen, die die Zahlenquadratprobe schnell gemeistert hatten und groß gewachsen waren, auch schnelle Läufer sind und die besten Läufer ein im Vergleich geringes Körpergewicht aufweisen. Alles in allem, so sein Fazit, böten sowohl anthropometrische als auch psychotechnische Durchschnittszahlen brauchbare Fingerzeige für die Beurteilung des Einzelnen.186 Daher würden nun in Erfurt sämtliche Wettkampfmannschaften mit über 1.000  Sportlern auf städtischen Sportplätzen nach den oben dargestellten anthropometrischen und psychotechnischen Methoden untersucht. Darüber hinaus regte er weitere anthro­ pometrische Untersuchungen an Schülern der Volks- und Berufsschulen an, um einen Grundstock für »vergleichende Individualwerte der körperlichen Entwicklung Sporttreibender und auch nicht Sporttreibender zu legen.«187 182 Reich, Einiges über Anthropometrie, S. 572–573. 183 Zur Einführung städtischer sportärztlicher Beratungsstellen vgl. BA Berlin, R 36/2089, Deutscher Gemeindetag, Sportärztliche Beratungsstellen. 184 Sieben Jahre später versuchte Reich, einen Zusammenhang zwischen sportlicher Leistung in der Schule und wissenschaftlicher Begabung nachzuweisen, in anderen Worten: je besser die Turnnote, desto besser die Leistung in den wissenschaftlichen Fächern. Siehe Reich, Einiges über Rassenmerkmale, S. 289–294. 185 Schulte, Sportarzt und Sportpsychologie, S. 491. 186 Reich, Einiges über Anthropometrie, S. 573. 187 Ebd.

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Diese Untersuchung kann als geradezu paradigmatisch für die sich neu herausbildende Disziplin der Sportpsychotechnik aufgefasst werden, und zwar sowohl hinsichtlich der Mittel als auch hinsichtlich des Ablaufs und der Wirkung. Eine Ansammlung von flexiblen Apparaten, überwiegend Mess- und Aufzeichnungsgeräten, die transportiert und verschieden kombiniert werden konnten, analysierten jeweils einzelne physiologische und psychische Eigenschaften des Sport treibenden Untersuchungsobjekts. Diese Geräte wurden in der Regel außerhalb und unabhängig von kontrollierten Laborzusammenhängen, in denen sie häufig entwickelt worden waren, eingesetzt und mussten, wenn sie auf dem Sportplatz bestehen wollten, möglichst einfach, handlich und robust konstruiert sein. Sie machten durch ihren Feldeinsatz den Sportplatz selbst zu einer Versuchsanordnung mit dem Ziel, bewusst nicht steuerbare Prozesse aufzuzeichnen, zu messen und sie in Relation zur sportlichen Leistung zu setzen. Noch etwas anderes deutete sich in der Erfurter Untersuchung zumindest an, nämlich erstens die Dominanz dessen, was Lorraine Daston und Peter G ­ alison als »mechanische Objektivität« bezeichnet haben, und damit verknüpft der technische Zugriff auf die menschliche Psyche.188 Zweitens wird hier ersichtlich, dass die Kernbegriffe der sportpsychotechnischen Arbeit, »Eignung« und »Leistung«, der Welt der Arbeitswissenschaften entlehnt waren. Neben den Verfahren deuten auch die Motive und Argumente, mit denen eine solche Praxis begründet wurde, in diese Richtung, zielten sie doch nicht nur darauf, vergleichbare Daten für die körperliche Entwicklung zu erheben, sondern ebenso auf der Basis der gesammelten Daten einzelnen Schülern die geeignete Sportart zuzuweisen, der diese im günstigsten Falle in einem Sportverein nachgehen sollten.189 Die Anpassung erfolgte hier nicht mittels moralischer Belehrung, ökonomischen Zwangs oder schlechter Noten, sondern durch die Ermittlung von Körperdaten, Leistungsmessung und die wissenschaftlich »exakte« Prognose von Leistungsfähigkeit. Insofern spiegeln sich in der Sporttypen­forschung und in der Sportpsychotechnik deutlich die Denkmuster und Kategorien der tayloristisch inspirierten Rationalisierungskultur der 1920er Jahre, deren konzeptionellen Kern die Begriffe »Eignung« und »Leistung« und die bekannte Phrase vom »rechten Mann am rechten Platz« markierten  – nur angewandt auf den Sportplatz.190 Die Verbindung der frühen Weimarer Sportpsychologie mit den Arbeits­ wissenschaften sowie die Technikbegeisterung manifestierten sich besonders ausgeprägt in der Person Robert Werner Schultes, dem wohl umtriebigsten Sportpsychologen der 1920er Jahre. Schulte war, bevor er 1920 seine Tätigkeit als Dozent für Psychologie und Pädagogik sowie als Leiter des psychotechnischen Laboratoriums an der DHfL aufnahm, an Eignungsprüfungen von Pilo­

188 Zum Begriff »mechanische Objektivität« siehe Daston/Galison, The Image of Objectivity. 189 Reich, Einiges über Anthropometrie, S. 573. 190 Becker, Sport bei Ford.

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ten, Polizisten und Postangestellten beteiligt.191 Kurz nach Kriegsende und seiner Promotion wurde er Assistent am neu gegründeten Laboratorium für industrielle Psychotechnik an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg und Dozent für experimentelle und praktische Psychologie an der Humboldt-Hochschule. Neben seinem Wirken an der DHfL fungierte er u. a. auch als Leiter der Psychotechnischen Hauptprüfstelle für Sport und Berufskunde und arbeitete in diversen Beiräten von Behörden und Industrien für Rationalisierung und Arbeitshygiene.192 Als Erfinder unzähliger psychotechnischer Apparaturen ist er geradezu ein Musterbeispiel der apparativen Sportpsychologie.193 Bei den psychotechnischen Untersuchungen wurde eine große Anzahl von Geräten verwendet, die Schulte zumeist selbst entwickelt hatte. Diese neuartigen Apparate waren deshalb nicht nur dazu gedacht, Untersuchungen an den Versuchspersonen vorzunehmen, sondern umgekehrt dienten die Probanden auch dazu, die diagnostische Brauchbarkeit der noch neuen Apparate und Testverfahren zu prüfen.194 Dass für die Tests im Sport nicht unbedingt ausgefeilte Technik erforderlich war und manche auch durchaus sadistische Züge trugen, zeigen die Verfahren zur Feststellung der »Schreckhaftigkeit« und der »Standhaftigkeit«. Während bei Ersterem die Versuchsperson gebeten wurde, irgendetwas Beliebiges zu Papier zu bringen, während hinter seinem Rücken unvermittelt eine Pistole abgefeuert wurde – das Ausmaß der Schreckhaftigkeit zeige sich am Ausschlag des Stiftes  –, ging es bei der zweiten Untersuchung am »Mutprüfer« darum festzustellen, wie häufig, wie lang und mit welcher Mimik der Proband es fertig brachte, einen mit elektrischem Strom versorgten Handgriff zu umfassen.195 Doch trotz dieser aus der Retrospektive grotesk anmutenden Versuche: In der Mehrzahl handelte es sich bei den verwendeten Apparaten um fest installierte Sportgeräte, an denen Registrierwerke angebracht waren und an denen die Versuchspersonen vorgegebene Aufgaben zu erfüllen hatten, die in der Regel für eine bestimmte oder für mehrere Sportarten zentral waren: rennen (auf der Stelle), treten (eines Fußballs), schlagen (für Boxer).196 Aufzeichnungs­ vorrichtungen registrierten und visualisierten dann die Daten über die voll­ zogene Bewegung und die vermuteten damit verknüpften psychischen Prozesse. Die psychotechnischen Apparate waren technische Agenten, die Unbemerktes erfassbar machen sollten.197

191 Schulte, Psychotechnik und Polizei. 192 Zu Schulte siehe Court, Sportanthropometrie und Sportpsychologie, S.  403 f.; Gorzny, DBA, N. F., Mikrofiche-Edition 1193, Sp. 302–307; Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft, Bd. 2, 1931. 193 Schulte, Neukonstruktionen von Apparaten. 194 Diem, Die Deutsche Hochschule, S. 35. 195 Schulte, Sportarzt und Sportpsychologie, S. 492. 196 Giese, Handbuch der psychotechnischen Eignungsprüfungen, S. 32. 197 Siehe Schrage, Psychotechnik und Radiophonie, S. 75.

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Abb. 27: Messung der Reaktionsgeschwindigkeit beim Start auf der Laufbahn des Deutschen Stadions, Mitte der 1920er Jahre.

Dabei wurden Sporträume selbst zu psychotechnischen Versuchsanordnungen umfunktioniert. Ein Beispiel hierfür ist die Versuchsanordnung zur Messung der Anlaufgeschwindigkeit beim Weitsprung, die in den 1920er Jahren im Deutschen Stadion in Berlin zur Anwendung kam. Unmittelbar vor der Absprungstelle wurden im Abstand von 2 Metern zwei Abreißfäden angebracht, die mit jeweils einem elektrischen Kontakt verbunden waren. Diese Kontakte lagen mit einer elektromagnetischen Schreibmarke in einem Stromkreis. Beim Durchreißen des ersten Fadens schlug der Schreibmagnet nach unten aus, beim Durchreißen des zweiten Fadens kehrte dieser in die Ausgangsposition zurück. Eine elektromagnetische Stimmgabel mit 100 Schwingungen pro Sekunde verzeichnete die Zeitkurve, so dass die Zeit zwischen dem Abreißen der beiden Fäden von einem Papierstreifen des Registrierapparats abgelesen werden konnte. Das Umrechnen auf die Länge der Entfernung zwischen den Fäden sollte Aufschluss über die Geschwindigkeit kurz vor der Absprungstelle geben.198 Zentral für die Legitimation des damals jüngsten Zweigs der Sportforschung, sowohl nach innen als auch nach außen, war die praktische Anwendbarkeit dieser Prüfverfahren. Es war insbesondere Schulte, der die Kooperation mit den Behörden suchte und in seinen Veröffentlichungen immer wieder unterstrich, wie wesentlich wissenschaftliche und speziell psychologische Tests für die Arbeit von städtischen Sportberatungsstellen, aber auch Schulärzten und Sportlehrern seien.199 Diese hätten die Aufgabe, angehenden Sportlern den rechten Weg zu weisen, ihnen also die »nutzlose Kraft- und Lustvergeudung« zu ersparen.200 Voraussetzung für diese Tätigkeit seien allerdings objektive, d. h. auf wis198 Schulte, Anlaufstrecke, S. 489. 199 Ders., Neigung, Eignung und Leistung, S. 136 f. 200 Ebd., S. 170.

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Abb. 28: Versuchsanordnung zur Messung der Anlaufgeschwindigkeit beim Weitsprung nach Schulte. Deutsches Stadion Berlin, ca. 1920/21.

senschaftlichen Untersuchungen basierende Ratschläge, damit nicht wahllos Leibesübungen »verordnet« würden. Das Maß und die Art von körperlicher Betätigung müsse »nach der körperlichen und geistigen Beschaffenheit des betreffenden Menschen« abgestuft werden, »um ein Höchstmass von Leistungsverbesserung und Lebensfreude zu erzielen, Ueberanstrengung zu vermeiden und dauernde Befriedigung zu schaffen.«201 Bei der Sportpsychotechnik handelt es sich offenbar um eine anwendungsorientierte Leistungswissenschaft und Sozialtechnologie, die unverkennbar nach Effizienzkriterien ausgerichtet auf die Führung, Optimierung und Anpassung des Selbst zielte. Aber wie ist dieser Befund mit den Verheißungen der Wissenschaft vom Selbst mit der eingangs erwähnten Befreiung des Individuums in Übereinstimmung zu bringen? Gibt es außer den vorgestellten Maximen der fortlaufenden »Entgrenzung«, der »Leistung« und der »Eignung« noch andere Sinnprinzipien, die sowohl dem Sport als auch der Psychotechnik zu Eigen waren und zum Verstehen der psychotechnischen Interpretation des Sportraums in den 1920er Jahren beitragen können? Zweifellos nahm die Psychotechnik einzelne, voneinander unterscheidbare psychische Eigenschaften in den Blick, konstruierte auf dieser Grundlage Typen, um sie dann in steuerbare Gruppen zu bündeln. Doch dies steht nicht zwangsläufig im Gegensatz zu dem Anspruch der Psychotechnik, den individuellen psychischen Dispositionen gerecht zu werden – und eben dies macht die Ambivalenz dieser Wissenschaft aus. Die Wissenschaftler zielten mit ihren Apparaten auf die Generierung von exaktem Wissen über individuelle Differenzen. Sie zielten aber keineswegs auf die Bestimmung der Grenze zwischen Normalität und Abnormität, sondern auf »Variationen von Individualität innerhalb 201 Ebd., S. 137.

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der Normalität selbst, die erst eine begründete Beurteilung und Förderung von Menschen erlaube«.202 In der psychotechnischen Forschung ging es um die regulative Humanisierung gesellschaftlicher Verhältnisse.203 Vor diesem Hintergrund wird die weitgehend positive Aufnahme der Psychotechnik durch Schulreformer, die das Schulwesen unabhängig von sozialer Herkunft strikt nach Leistung und Begabung reformieren wollten,204 und Gewerkschaften, die sich dadurch neue, gerechtere Kriterien in der Einstellungspolitik erhofften, verständlich.205 Der Sport schien Hoffnungen dieser Art vorwegzunehmen. Wie ich bereits ausgeführt habe, wohnte dem Sport ein gewisses utopisches, auf die Zukunft gerichtetes Moment inne, dessen herausragendes Merkmal ein egalitäres Strukturprinzip war, das mit den Begriffen »Chancengleichheit« und »Leistungsgerechtigkeit« beschrieben werden kann. Die Ausgangsbedingungen waren gleich. Der Erfolg auf dem Sportplatz basierte nicht auf Herkunft und Privilegien, sondern auf individueller Eignung und Leistung, die ad hoc und öffentlich zu erbringen war. Und wenn der Psychologe Fritz Giese behauptete: »Rekord und Akkord sind verwandt, denn sie stellen eine exakte Quittung für die Leistung dar«,206 dann verweist dies darauf, dass der Sport mit der Psychotechnik einen abstrakten Leistungsbegriff teilte, der von gesellschaftlichen, kulturellen und ökonomischen Komponenten losgelöst und deshalb für eine vermeintlich objektive, messbare und damit auch unparteiische Beurteilung durch die technisierte »Apparatepsychologie« geradezu prädestiniert war. Auf die Krise der Psychotechnik gegen Ende der Weimarer Zeit ist schon mehrfach hingewiesen worden.207 Die staatlich geförderten Rationalisierungsmaßnahmen in der Wirtschaft waren 1927 weitgehend abgeschlossen und die Psychotechnik war im Wesentlichen ein Kind ebendieser Maßnahmen. Doch angesichts der großen Masse an Arbeitslosen in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre schien das Schlagwort der Rationalisierung und die damit verknüpfte Psychotechnik kaum die in sie gesetzten gesellschaftlichen Hoffnungen erfüllt zu haben.208 Die externen Ursachen dieser Krise können hier nur angedeutet werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber, dass auch interne Ursachen für einen sukzessiven Ansehensverlust der Psychotechnik im Sport in Rechnung gestellt werden. Zu diesen internen Ursachen muss die Hinwendung zur so ge-

202 So Fleig, Körperkultur und Moderne, S. 65. 203 Schrage, Psychotechnik und Radiophonie, S. 74. 204 Stern, Die Differentielle Psychologie, S. 7. 205 Rabinbach, The Human Motor, S. 331–334. 206 Giese, Psychotechnik in der Körpererziehung, S. 67. 207 Diese Krise wurde schon in den 1920er Jahren konstatiert. Siehe zeitgenössisch Juhász, Die Krise der Psychotechnik. Vgl. auch Jäger, Zur Herausbildung, S. 105 f.; Spur u. a., Von der Psychotechnik, S. 392–396; Ash, Die experimentelle Psychologie, S. 62–67. 208 Siehe Spur u. a., Von der Psychotechnik, S. 395; Radkau, Technik in Deutschland, S. 269– 284; James, Deutschland in der Weltwirtschaftskrise, S. 402–404.

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nannten Ganzheitspsychologie gerechnet werden.209 Mit ihren zentralen Kategorien des »Gefühls« und des »Erlebnisses« und ihrer Betonung des »Organischen«, »Natürlichen« und »ursprünglich Ganzen« vermochte diese Strömung mit der ihr immanenten antirationalistischen Ausrichtung an zeittypische geistige Strömungen anzudocken, deren Gemeinsamkeit in der Kritik an den atomisierenden Wirkungen der Moderne bestand.210 Diese sich allmählich durchsetzende Wendung berührte auch die sport­ psychologische Forschung. Trotz wiederholten Hervorhebens der Anwendungsorientierung war die Blütezeit der apparativen Psychotechnik im Sport nur von kurzer Dauer. So unterstrich Diem in einem Brief zwar das technische Genie und den Erfindungsgeist Schultes, stellte aber auch fest, dass er »in vielem einen Weg gewiesen« habe, »der leider von niemandem zu Ende gegangen« worden sei.211 Sportfunktionäre und Sportwissenschaftler distanzierten sich zunehmend von der »seelenlosen Apparatepsychologie«.212 Vor allem in der psychologischen scientific community stießen Schultes Methoden zunehmend auf Ablehnung. So fasste Fritz Giese vom psychotechnischen Laboratorium der Technischen Hochschule Stuttgart, Verfasser verschiedener arbeitswissenschaftlicher und psychotechnischer Werke, die bisherigen Leistungen der Sportpsychologie zusammen: »Man darf sagen, dass bis heute überwiegend die Psychotechnik (zumal auf sportlichen Gebiete) nicht gerade bedeutungsschwer war, weil sie von einer verhältnismäßig eingeengt anwendbaren und so nur relativ geltungswertigen Methode ausging: dem Kult der Apparate, dem Grundsatz der Messung und der zifferngemäßen Feststellung.«213 Bereits 1925 fand die zunehmende Kritik in der Ablösung Schultes als Leiter des psychologischen Laboratoriums durch Hanns Sippel ihren Ausdruck. Sippel stand – ganz am Puls der Zeit – für eine Neuorientierung der Sportpsychologie, indem er sich am ebenso zeittypischen wie schwammigen Begriff der »Ganzheit«, beziehungsweise »Ganzheitlichkeit« orientierte, die in diesem Falle für eine Abkehr von den differenzierenden, die körperlichen Vorgänge und Abläufe fragmentierenden Methoden der apparativen Psychotechnik stand. Er forderte seine Wissenschaft auf, sich nicht von der »Bequemlichkeit der Zahlen betrügen« zu lassen, da die auf der Aschebahn erzielte Geschwindigkeit »zum nicht geringen Teil das Verdienst des Sportplatzbaumeisters« sei. »Ehrliche Leistung« hingegen erbringe man beim Sprung über Wassergräben auf schlüpfrigen Untergrund oder beim Waldlauf durch unbekanntes Gelände über Sand und Geröll.214 Die in seinen entwicklungs- und tiefenpsychologischen Schriften favorisierten Kernbegriffe wie etwa »Erleben«, »Spiel«, »Freude an der Bewegung« 209 Krueger, Über psychische Ganzheit [1928]. 210 Ash, Die experimentelle Psychologie, S. 63–65. 211 CuLDA, Korrespondenzen, Mappe S 1424: Robert Werner Schulte, 30. November 1930. 212 Lück, Hanns Sippel, S. 143–147. 213 Giese, Psychotechnik in der Körpererziehung, S. 7. 214 Sippel, Einige Gedanken über Leibesübung, S. 78.

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oder »Zwecklosigkeit der Leibesübungen«215 waren nur schwerlich mit der bisherigen Orientierung des Laboratoriums an »Eignung« und »Leistung« zu vereinbaren.216

7. Sportplatz und Arbeitsplatz: Zum Verhältnis von Physiologie, Arbeit und Sport Die inhaltliche und räumliche Schnittmenge von Sport- und Arbeitswissenschaften wird besonders deutlich in der schon recht früh geknüpften Verbindung zwischen der DHfL und dem Kaiser-Wilhelm Institut für Arbeitsphysiologie (KWI-A).217 Die Initiative zur Zusammenarbeit ging von der DHfL aus. Bereits im März 1920 offerierte der Generalsekretär Carl Diem dem Direktor des KWI-A, Max Rubner, das Amt des ersten DHfL-Rektors. Durch die Einbeziehung eines wissenschaftlich prestigeträchtigen Namens sollten von Beginn an mögliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Forschungsarbeit an der DHfL aus dem Wege geräumt werden. Man habe, so Diem in einem Brief an Rubner, das Bedürfnis, »unter dem Schutze Ihres [Rubners] wissenschaftlichen Namens in das Dasein geleitet zu werden. Damit wäre aller Welt kund getan, dass es sich hier wirklich um eine ebenso praktisch wie wissenschaftlich wichtige Anstalt handelt.«218 Rubner lehnte dieses Angebot aus Gründen der Arbeitsüberlastung ab. Stattdessen übernahm nach anfänglichem Zögern der bekannte Chirurg August Bier das Amt des Rektors.219 Aber die Bemühungen der DHfL, eine engere Zu215 Ders., Körper – Geist – Seele und ders., Der Turnunterricht. 216 Bezeichnenderweise ging schon ein 1926 in der »Münchener Medizinischen Wochenschrift« erschienener Artikel mit keinem Wort auf apparative Eignungs- und Leistungstests oder auf psychotechnische Laboratorien ein. Siehe Ruhemann, Zur Psychologie des Sportmannes, S. 1580–1582. 217 Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie wurde 1912 gegründet. Ihr Direktor Max Rubner (1854–1932) hatte einen entscheidenden Anteil an der Herausbildung der Arbeitsphysiologie und war als Nachfolger Robert Kochs als Professor für Hygiene und Direktor des Hygienischen Instituts in Berlin tätig. Rubner beschäftigte sich vor allem mit der Beziehung von Arbeitsleistung und Ernährung bei verschiedenen Berufsgruppen. Zu beachten ist, dass sich auch weitere Institutionen mit Fragen der Arbeitsphysiologie befassten, etwa das arbeitsphysiologische Institut der Universität Breslau oder die Karlsruher psychologisch-ärztlich-volkswirtschaftliche Anstalt. Siehe Schottdorf, Arbeits- und Leistungsmedizin, S. 86. Die Geschichte der Arbeitswissenschaften ist gut aufgearbeitet. Siehe z. B. Rabinbach, The Human Motor; Nolan, Visions of Modernity; Stollberg, Die Rationa­ lisierungsdebatte; Freyberg, Industrielle Rationalisierung. 218 Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft (MPG-Archiv), III. Abt., Rep. 8: Nachlass Max Rubner, Nr. 83/13, Zitat S. 1. 219 CuLDA, Sachakten, Mappe 207: Schreiben Carl Diems an die Mitglieder des Senats der DHfL, 19. April 1920.

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sammenarbeit mit dem KWI-A herbeizuführen, rissen auch 1921 nicht ab. ­Rubner stand einer solchen Zusammenarbeit positiv gegenüber. In seinen Überlegungen spielte das Deutsche Stadion eine herausragende Rolle, da dort jederzeit Versuchspersonen für arbeitsphysiologische Experimente zur Ver­fügung stünden, aber auch, weil Untersuchungen über die gewerbliche Arbeit sich leicht an Versuche bei Sportleistungen anschließen ließen. Nicht unerheblich war zudem die Aussicht, durch eine Verbindung zum populären Sport an einem öffentlichen Ort wie dem Stadion der Allgemeinheit die praktische Bedeutung der Arbeitsphysiologie demonstrieren zu können.220 Insgesamt lag es nach Rubners Einschätzung sowohl im wissenschaftlichen als auch im politischen Interesse, eine intensive Kooperation mit der DHfL herbeizuführen. Der Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), Adolf von Harnack, genehmigte die Zusammenarbeit, ohne zuvor das Kuratorium dazu angehört zu haben.221 So schlossen im November 1921 Vertreter der DHfL und des KWI-A einen Vertrag ab, der im Wesentlichen folgende Punkte beinhaltete: Rubners Assistent Edgar Atzler, übernahm die Leitung des sportphysiologischen Instituts der DHfL im Nebenamt.222 Dabei unterlag Atzler keiner Beschränkung in Bezug auf die Wahl und Ausführung seiner wissenschaftlichen Arbeiten.223 In dem separat mit Atzler ausgehandeltem Vertrag (Dezember 1921) spielte die Frage, wo denn nun die sportphysiologische Forschung im Rahmen der Zusammenarbeit angesiedelt werden sollte, eine wichtige Rolle. Der im Vertrag festgeschriebene Kompromiss sah vor, auch die Laboratorien des KWI-A in der Berliner Inva­ lidenstraße zu nutzen, aber die Hauptarbeit sollte Atzler in den Forschungs­ räumen der DHfL am Deutschen Stadion verrichten.224 Die physiologische Zusammenarbeit zwischen der DHfL und dem KWI-A hatte ein dreifaches Ziel: Zum einen die Untersuchung der Frage, welche körperliche Arbeitsleistung je nach Alter, Geschlecht und Konstitution verlangt werden könne, ohne die Gesundheit zu gefährden. Zweitens sollten, um auf schnellstem Wege Leistung zu erzielen, Grundlagen für die effektive Anord220 MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1A: Hauptakten Generalverwaltung, Nr. 1351, S. 1 f., Zitat S. 2. 221 MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1A, Nr. 1379: 104. 222 Atzler erhielt dafür von der Hochschule ein Jahresgehalt von zunächst 8.000 Mark. Darüber hinaus trug die DHfL die Sachkosten, zahlbar in vierteljährlichen Raten, in Höhe von 6.000 Mark. MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1A, Nr. 1444: 11, hier § 1 und 2. Entwürfe des Vertrags sind ebd., 1 und 2 sowie Rep. 1351: 163 und 164 zu finden. Edgar Atzler (1887–1938) war zuvor am Physiologischen Institut in Greifswald tätig, wo er auch habilitierte. 1921 trat er in das KWI für Arbeitsphysiologie ein. Siehe Schottdorf, Arbeits- und Leistungsmedizin, S. 50. 223 MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1A, Nr. 1444: 11, § 3. Atzler übte diese Funktion bis zu seiner Ernennung zum Direktor des Instituts in der Nachfolge Rubners 1926 aus. 224 MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1A, Nr. 1444: 12, § 1, 3, 4 und 7 sowie Nr. 1393: 162. Die DHfL übernahm die Kosten eines Assistenten und einer Schreibhilfe. Ferner entrichtete die DHfL einen jährlichen Betrag von 20.000 Mark für Miete, Heizung, Beleuchtung, Fernsprecher, Reinigung und wissenschaftliche Apparate. Siehe ebd. Nr. 1351: 173.

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nung und Regelung körperlicher Übungen erarbeitet werden. Schließlich ging es um den Nachweis der fördernden und leistungssteigernden Wirkung von Leibesübungen für die Berufstätigkeit. So sollte durch Ermüdungsmessungen die Grenze der Intensivierung einer rationalisierten Arbeit festgestellt werden. Während die Untersuchungen in der Hochschule sich hauptsächlich auf Beobachtungen bei und unmittelbar nach sportlichen Leistungen im Stadion erstreckten, ermöglichten die umfangreicheren Apparaturen in den Räumlichkeiten des KWI-A – wie etwa die Respira­tionsapparate von Benedict und Zuntz/ Geppert oder der große Kammer-Respirationsapparat nach Pettenkofer – komplexere Versuchsreihen. Insbesondere die Respirationsversuche dienten der Beantwortung der Frage, unter welchen Bedingungen eine geforderte Arbeitsleistung mit einem Mindestmaß an Kraftaufwand und Energieabgabe des Körpers geleistet werden kann. Hierzu bestimmten Atzler und sein Assistent Robert Herbst mittels Respirationsapparaten und Stoffwechseluntersuchungen den Wirkungsgrad verschiedener Bewegungsformen sowohl beim Sport als auch bei diversen Arbeitsverrichtungen durch Veränderung der Arbeitsbedingungen – etwa der Geschwindigkeit, der Anordnung der Geräte oder der Arbeitszeit. Weitere Experimente bezogen sich auf den Wirkungsgrad der Muskeln bei Ermüdung und auf die Effekte von Arbeitsrhythmus und Ruhepausen.225 Eine Grundannahme war, dass die »Organkräftigung« durch Leibesübungen die Berufsarbeit fördern und gewerbliche Schäden mindern würde. Aber welche Sportart für welche Berufstätigkeit förderlich sei, ob Arbeitspausen der Erholung dienen sollten oder ob es für die Produktivität besser wäre, diese Zeit mit Sport zu verbringen, ob die Geschicklichkeit in einer Sportart auch mit der Geschicklichkeit bei der Arbeit einherging, auf diese Fragen wollte die Forschung noch die Antworten finden.226 Die Leitidee der Zusammenarbeit, derzufolge zwischen Sport- und Arbeitsphysiologie kein wesentlicher Unterschied bestand, nahm, besonders wenn es um die Außendarstellung und den gesellschaftlichen Nutzen der sportphysiologischen Forschung ging, einen wichtigen Stellenwert ein. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich die Gründe dieser Kooperation in der postulierten inhaltlichen Schnittmenge von Sport- und Arbeitsphysiologie erschöpften. Auch der sicherlich wichtige Aspekt des Zugewinns an sozialem Kapital für die DHfL beleuchtet nur eine Seite der Medaille, denn das arbeitsphysiologische Institut gehörte in den Nachkriegsjahren bis etwa 1923 zu den Sorgenkindern der KWG. Offensichtlich erwog der Senat der KWG 1921 wegen der schwierigen Finanzlage und des mangelnden öffentlichen Interesses sogar, das arbeitsphysiologische Institut komplett zu schließen.227 Neben damals noch sehr losen Kontakten zu den Gewerkschaften, dem Reichsarbeitsministerium und einer noch aus der Zeit des Ersten Weltkriegs stammenden Zusammenarbeit mit dem Ernährungsmi225 Diem, Die Deutsche Hochschule, S. 31 f. 226 Hoske, Die Leibesübungen in der sozialen Medizin, S. 47. 227 MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1A, Nr. 1351:172, S. 1.

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nisterium, erschien eine engere Kooperation mit der DHfL als ein Ausweg aus der geschilderten Misere. Offensichtlich erwarteten Harnack und andere Führungsmitglieder der KWG von der Kooperation eine finanzielle Gesundung.228 Insgesamt kann man festhalten, dass dem KWI-A sowohl aus Legitimationsgründen als auch aus finanziellen Erwägungen heraus an einer Zusammenarbeit mit der DHfL gelegen war. Mitte der 1920er Jahre häuften sich die Versuche einer räumlichen Intensivierung der Zusammenarbeit. Zunächst zeichnete sich eine erhebliche Erweiterung der Arbeitsräume am Deutschen Stadion durch die Errichtung des Sportforums ab. Gleichzeitig führte die sukzessive Ausweitung arbeitsphysiologischer Arbeitsfelder im KWI-A zu einer Verknappung der Räume. Besonders um 1925 häuften sich die Klagen über die Verhältnisse an der Invalidenstraße. Wie sehr »urbane Labordämonen« in den Laboralltag und in die Handhabung der empfindlichen Apparate einwirkten, lässt sich den Beschwerdebriefen entnehmen. Der Platz vor der Invalidenstraße war nicht eingezäunt und wurde zum Abstellen von Automobilen genutzt. »Durch das Ankurbeln der Motoren direkt unter den Institutsfenstern und das An- und Abfahren der Wagen wird der wissenschaftliche Betrieb ernstlich gestört. […] Die Kinder benutzen den Platz als willkommene Erholungsstätte; sie klettern auf den Wagen herum, klopfen an die Laboratoriumsfenster, zerschlagen bei Wurfspielen die Kellerfenster, werfen Sand in den Keller und in Laboratoriumsräume, bemalen und zerkratzen die Hausfront usw.«229 Störfaktoren auf den Experimentiertischen ließen sich zwar ausschalten, nicht aber die Stadt Berlin.230 Auch die Anzahl der Laborräume war den Ansprüchen des KWI-A nicht mehr gewachsen. Es fehlte an Dunkelräumen, an Ateliers für Fotografie und Kinematografie, an Laboratorien für Stoffwechsel- und physikalisch-chemische Untersuchungen, an Gasanalyse-, Galvanometer-, Destillier- und Schwefelwasserstoffzimmern. Ebenso wurden das Fehlen eines ausreichend großen Maschinenraumes sowie fehlende Kohlen-, Heizungs- und Akkumulatorenräume bemängelt. Selbst die Stallungen der für Experimente mit Ermüdungsgiften benötigten Tiere wurden als ausgesprochen mangelhaft eingeschätzt.231 So mehrten sich die Stimmen, die sich für eine »organische Verschmelzung« des KWI-A mit dem sportphysiologischen Institut der DHfL aussprachen. Die Phrase von der »organischen Verschmelzung« bezog sich vordergründig auf die Vereinigung von Arbeits- und Sportphysiologie auf dem Boden des Deutschen Stadions, bedeutete in letzter Konsequenz aber auch die symbolische Auflösung der Unterschiede von Sport und Arbeit sowie von Sportplatz und Arbeits228 MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1A, Nr. 1351: 164. 229 MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1356: 147. 230 Zum physiologischen Laboralltag im Kontext der stadtgeschichtlichen und technischen Umbrüche siehe Dierig, Wissenschaft in der Maschinenstadt. 231 MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1391: 1–18 (Denkschrift für die Neuorganisierung des Kaiser Wilhelm Instituts für Arbeitsphysiologie vom November 1926).

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platz.232 Für Martin Hahn vom Hygienischen Institut der Universität Berlin war es unverkennbar, dass sich die Interessen der Arbeitsphysiologie in erheblichem Maße mit denen der Sportphysiologie deckten. In der Tat schienen ja gerade die Tätigkeiten von Rubner und Atzler auf beiden Gebieten für diesen Standpunkt zu sprechen. Für die Arbeitsphysiologie sah Hahn den großen Vorteil der Verschmelzung darin, dass das »menschliche Untersuchungsmaterial« im Deutschen Stadion reichlich zur Verfügung stand und dieser Umstand sogar viel ausgedehntere Versuchsreihen gestattete, als es in den Laboratorien des KWI-A möglich war. Und mehr noch: Hahn regte an, die sportwissenschaftliche Abteilung des Stadions so auszugestalten, dass sie sowohl von der Ausstattung als auch von den angestellten Wissenschaftlern her den allgemeinen Anforderungen eines arbeitsphysiologischen Instituts genügen würde. In der Verbindung von Arbeitsphysiologie und populärem Sport erblickte er zusätzlich die Chance, das öffentliche Interesse an der Arbeitsphysiologie anzufachen. Die wissenschaftlich-physiologischen Berührungspunkte zwischen Arbeit und Sport wurden offensichtlich als so zahlreich gesehen, dass sogar zusätzlich die Angliederung eines Instituts für Gewerbehygiene im Stadion in Betracht gezogen wurde. Die Arbeitsphysiologie, aber auch die Gewerbehygiene könnten, so Hahn, von einer solchen Verbindung nur profitieren, da dadurch ihr Nutzen den Arbeitern nahe gebracht würde, deren Sportvereine das Stadion ausgiebig nutzten.233 Der DRA bekräftigte 1925 ebenfalls grundsätzlich die Vorteile einer en­ geren Zusammenarbeit. Auch nach Ansicht des DRA-Präsidenten Lewald bestand zwischen der Arbeits- und der Sportphysiologie »in der Form der Untersuchungen und deren Ziel kein wesentlicher Unterschied.« Daher begrüßte er das Vorhaben einer räumlichen Verschmelzung.234 Das KWI-A nahm den von Hahn und Lewald ausgelegten Faden auf und beurteilte die Idee zunächst durchaus positiv  – abgesehen von dem Vorschlag, die Gewerbehygiene hinzuzuziehen, deren Aufgaben es als zu unterschiedlich von denen der Arbeitsphysiologie ansah. Bevorzugt wurde ein Neubau auf dem Gelände des Stadions, weil dieser in der Nähe des Hauptuntersuchungsmaterials, der Sportler, lag. Dennoch fällt auf, dass das KWI-A in seiner wissenschaftlichen Außen­ darstellung dem Sport nur noch eine untergeordnete Rolle zuwies. In einem Bericht Atzlers über das Gesamtgebiet der Arbeitsphysiologie im Herbst 1925  – Hintergrund war eine Anfrage diverser Ausschüsse des Preußischen Landtags und des Staatsrats an die Staatsregierung – war von Sport und Sportphysiologie keine Rede mehr.235 Und auch in der Denkschrift über die Neuorganisierung

232 So Lewald in einem Brief an Harnack vom 25.  Januar 1926. Siehe MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1353: 212 f. 233 MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1A, 1353: 152. 234 MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1A, 1353: 212 f. 235 MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1353: 131 und 133–139.

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des Kaiser Wilhelm I­ nstituts für Arbeitsphysiologie 1926, werden die Planspiele der »organischen Verschmelzung«, das Stadion oder der Sport mit keinem Wort erwähnt.236 Dieser Umstand hängt zum einen mit Konflikten zusammen, die sich eben aus der Kooperation und der angenommenen großen Schnittmenge von Sportund Arbeitsphysiologie ergaben. Vor allem das Planspiel der »organischen Verschmelzung« entfachte Befürchtungen, die Sportphysiologie könnte sich von einem verwandten, aber gleichberechtigten Forschungsgebiet zu einer Subdisziplin der Arbeitsphysiologie entwickeln. Diese Sorge war berechtigt. Letztlich war der Sport für das KWI-A nur dann von Relevanz, wenn er Fragen der beruflichen Leistungsfähigkeit berührte.237 Deshalb wurden vom KWI-A Mittel, die für das sportphysiologische Aufgabenfeld zur Verfügung gestellt wurden, auch für Zwecke benutzt, die zwar von sportphysiologischen Interesse sein konnten, aber in erster Linie auf streng arbeitsphysiologische Forschungsprobleme ausgerichtet waren. Beispielsweise wurden 1924/25 3.000 Mark, die das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung dem KWI-A zur Förderung der Sportphysiologie stellte, hauptsächlich für die »Durchführung und Beendigung über statische Arbeit« verwendet.238 Die Ausrichtung der Sportphysiologie an allgemeinen Problemen der Arbeitsphysiologie war allerdings umstritten. Die durch die Verbindung mit dem KWI-A vollzogene enge Verknüpfung von Sport und Arbeit widersprach der etwa in Dresden 1911 programmatisch erhobenen Forderung nach Etablierung einer speziell auf die Erfordernisse des Sports ausgerichteten Physiologie. Nicht zuletzt aus diesem Grund rief die Entwicklung auch den Unmut herausragender Wissenschaftler an der DHfL hervor, der darin gipfelte, dass 1927 der Physiologe und Leiter der sportärztlichen Untersuchungsstelle an der Medizinischen Klinik der Charité, Herbert Herxheimer, der Hochschule den Rücken kehrte und aus dem dortigen Dienst ausschied. Herxheimer begründete diesen Schritt damit, dass die Hochschule ihre Hauptaufgabe, nämlich die Erforschung der medizinisch-physiologischen Grundlagen des Sports, kaum erfülle. In überaus deutlichen und unmittelbar gegen Atzler und Rubner gerichteten Worten fuhr er fort: »Die in sechsjähriger Arbeit erzielten praktisch verwertbaren Ergebnisse des in erster Linie mit dieser Aufgabe betrauten physiologischen Laboratorium sind höchst kärglich und stehen in schroffen Gegensatz zu dem Aufwand an Zeit und Mitteln. Eine Änderung hierin herbeizuführen, erscheint bei der derzeitigen Art der Leitung der Abteilung Gesundheitslehre [Max Rubner] aussichtslos.«239 236 MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1391: 1–18. 237 MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1A, Nr. 1393: 160. 238 So Atzler an Glum am 14. Juli 1925. Siehe MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1A, 1353: 127. 239 MPG-Archiv, III. Abt., Rep. 8, Nr. 82/11:17 f. Herbert Herxheimer ließ diese Begründung am 1. Juni 1927 mit der Bitte um Bekanntgabe bei der Gesamtheit des Lehrkörpers dem Senat der DHfL zukommen. Der leitete diesen Brief am 09. Juni 1927 weiter.

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Zum anderen hing die Abkühlung des Verhältnisses mit den sich um diese Zeit anbahnenden Umzugsplänen des KWI-A zusammen. Das Institut sollte zu einer umfassenden arbeitswissenschaftlichen Forschungsstätte werden. Diesem Vorhaben kam das Angebot der Stadt Dortmund einer großzügigen räumlichen und finanziellen Unterstützung entgegen. Zwar hielt die KWG-Spitze noch einige Zeit an Berlin fest und auch die Verschmelzung mit dem Institut der DHfL im Deutschen Stadion stellte offensichtlich noch eine Option dar, dennoch zeichnete sich ab 1926 Dortmund immer deutlich als neuer Hauptsitz des Instituts ab. Die endgültige Entscheidung fiel 1927 und zwei Jahre später konnte die Einweihung des neuen Sitzes des KWI-A gefeiert werden.240 Mit diesem Umzug erlosch 1929 auch offiziell die Kooperation mit der DHfL.241

8. Der rechte Mann am rechten (Sport-)Platz? »In Deutschland ist es Gemeingut, dass nur die rationellste Wirtschaft in Ackerbau und Industrie uns wieder frei und wohlhabender machen kann, dagegen fehlt vielfach die Erkenntnis, dass zu rationeller Wirtschaft ein nicht minder rationell hochentwickelter Mensch gehört. Eine vernünftige Körperkultur ist die Grundlage rationeller Arbeitsweise, der Spielplatzbau, gewissermassen der zweite Arm des Wohnungsbauwesens, und das Steigen der Sportkraft automatisch ein Abbau von Krankheit, Unfall und vorzeitiger Invalidität.«242

In den 1920er Jahren verband die Rationalisierung des Körpers Formen und Ansprüche einer sich langsam herausbildenden Massenkultur und Konsumgesellschaft mit wissenschaftlich gestützten Techniken der Menschenführung. Es entstand eine spezifische Rationalisierungskultur, in der die beherrschenden Motive der Gesunderhaltung und Körperhaltung von der wissenschaftlichen Erfassung von Körperdaten und Bewegungsnormierung sukzessive abgelöst bzw. damit verwoben wurden. Eine Gemeinsamkeit der beschriebenen Forschungsparadigmen und -praktiken liegt in der Hinwendung zum »ingenieursmäßigen« Eingriff in das Lebendige, der sich durch das Primat der Neuformung, Umgestaltung und Verbesserung der »Biologie« im Dienste der Nation, der Ökonomie und des Individuums charakterisieren lässt. Auch die sportliche Betätigung stand, so Schulte 1923, im »Interesse der persönlichen Selbstkultur und Lebensfreude, im Interesse der Berufsleistung und der Volks240 Schottdorf, Arbeits- und Leistungsmedizin, S. 115–121. 241 MPG-Archiv, I. Abt., Rep. 1A, Nr. 1444: DHfL, 27 und 28. 242 CuLDA, Sachakten, Mappe 28: Carl Diem an den Reichsminister des Innern, Carl Wilhelm Severing, 16. November 1929 (Abschrift), S. 8.

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wirtschaft, der Heimat und des Staates, des Menschengeschlechts und seiner Fortentwicklung.«243 Dabei sollten alle verfügbaren physischen und psychischen Kräfte des Sportlers bestmöglich eingesetzt werden. Die verschiedenen Wissenschaftszweige produzierten Informationen über den Sportlerkörper, die die optimale und effiziente Zuordnung und Steuerung seiner Bewegungsabläufe ermöglichen sollten. In diesem Sinne war Sport auch Teil der Rationalisierungskultur einer von den Prinzipien der Produktivität, der Steigerung und der Verbesserung durchdrungenen Gesellschaft.244 Tatsächlich sind die Parallelen zwischen dem »wissenschaftlichen Sport« und Rationalisierungsbewegung245 in Methodik und Erkenntnisziel frappierend, speziell in den Anfangsjahren der Weimarer Republik. Dabei ist es für den Sport zunächst unerheblich, dass die praktische Umsetzung arbeitswissenschaftlicher Paradigmen, etwa in der Industriearbeit und Betriebsführung, recht bescheiden gewesen war – für die Zeitgenossen schien die »Wunderkraft« der Rationalisierung kaum bestreitbar. »Rationalisierung« war vor allem in den Jahren zwischen der Inflation 1923 und der Weltwirtschaftskrise 1929 mehr als nur ein inflationär für alle möglichen sozialen und kulturellen Phänomene, und eben auch für den Sport, angewandtes Schlagwort.246 Für interdisziplinären und anwendungsorientierten Leistungswissenschaften der Weimarer Zeit waren speziell Sportstätten jene Orte, an denen jenes Wissen produziert wurde und eben jene Diskurse entstanden, die die körperlichen Praktiken des Sports einer zweckrationalen, nutzenmaximierenden Idee verpflichteten. Dies wird in der institutionellen Kooperation zwischen der DHfL und dem KWI-A ebenso deutlich wie in den Experimentalmethoden und Apparaten der Sportpsychologie und -anthropometrie. Durch die Aneignung und Anpassung von Testverfahren aus der Arbeitswelt machte sich die apparative Sportpsychologie mit ihren zentralen Kategorien »Eignung« und »Leistung« Fragestellungen der Arbeitspsychologie zu Eigen. Insbesondere die Sportpsychotechnik erscheint hier als ein etwas missratenes Kind der Arbeitswissenschaften. Aber auch für die »Sporttypenforschung« des anthropometrischen Laboratoriums war die Phrase der Rationalisierung vom »rechten Mann am rechten Platz«, oder anders, die Frage, mit welchen körperlichen Voraussetzungen man bei welcher Sportart den größten Erfolg erreiche, die zentrale Denkfigur. In dieser Denkfigur war Sport eine andere Form der Arbeit, nur dass sie in ungewöhnlicher Kleidung (Sportdress) an ungewöhnlichen Orten (Sportplatz) ausgeführt wurde, wenngleich, und das zeigen sowohl die Kritik Sippels an der Psychotechnik als auch die skeptischen Töne gegenüber Sinn und Zweck der anthropometrischen Forschung, diese Kategorien nicht frei von Konflikten, Überlappungen und Widersprüchen war. 243 Schulte, Neigung, Eignung und Leistung, S. 135. 244 Becker, Der Sportler als »moderner Menschentyp«, S. 233, 239 f. 245 Sarasin, Die Rationalisierung des Körpers, S. 81. 246 Peukert, Max Webers Diagnose, S. 71.

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Das bedeutet, dass der Sport als eine spezifische körperliche Praxis nicht vollständig in den Kategorien und Deutungsmustern der Rationalisierungskultur aufging, wir es also nicht mit einer stringenten, einseitigen Disziplinierungs- und Modernisierungsgeschichte zu tun haben. Mit einer solchen Darstellung wären die vielfältigen Bemühungen der Experten, sich Deutungs- und Definitionshoheit über das Selbst und die Körper ihrer Klientel zu verschaffen, nicht zu fassen. So kann ausgehend von der Hinwendung zur »Ganzheitspsychologie« im Sport für die zweite Hälfte der 1920er Jahre eine Akzentverschiebung konstatiert werden – Akzentverschiebung, weil der unmittelbar mit dem Rekurs auf den Rationalismus verbundene Fortschrittsoptimismus nicht einfach von kulturpessimistischen Deutungsmustern abgelöst wurde. Beide hatten im Falle des Sports schon vor dem Ersten Weltkrieg koexistiert und erneuerten ihre Konkurrenz um den Zeitgeist immer wieder. Insofern können die Haltungen Schulte gegenüber – von der Hochachtung und Bewunderung seines schöpferischen »Ingenieursgeists« bis hin zur offenen Ablehnung und Verachtung seiner »kalten Maschinenpsychologie« – auch als Ausdruck dieser der Moderne immanenten Ambivalenz von Wissenschaftsgläubigkeit und Kultur­ pessimismus gedeutet werden. Auch wenn man mit Peukert hier in der Gesamtschau »von einem Trend zur totalitären Ermächtigung des öffentlichen Umgangs mit den Menschen« sprechen kann und nicht umhin kommt, mit Lutz Raphael eine Regulierung immer weiterer Lebensäußerungen durch formell rationale Normen und Techniken von wissenschaftlichen Experten zu bescheinigen;247 immer sind auch kritische Töne zu vernehmen, die der Reglementierung die Schlagwörter vom »schöpferischen Leben« oder »Erleben« entgegenhielten. Es ist dieses Spannungsfeld, in dem sich auch die spezifischen und widersprüchlichen Stellungnahmen und Selbstdarstellungen der sportwissenschaftlichen Akteure verorten lassen. Es ist jener immer wieder zum Vorschein tretender Antiintellektualismus bei gleichzeitigem Bemühen, den Sport durch Verwissenschaftlichung und unter Zuhilfenahme technischer Verfahren zu einem angesehen Mittel der »Volkserziehung« zu erheben, der diese Akteure zu Vertretern eines reactionary modernism macht.248 Das Bestreben, den Sport als Gegengewicht zur »reinen Geistes­ bildung« in Schulen einzuführen, das beständige Wiederholen der Begriffe »Natur«, »Natürlichkeit«, »Wesen« oder »Willen« im Zusammenhang mit dem Sport und das gleichzeitige Ziel, den Sport als eine verwissenschaftlichte, ratio­ nale Form der Lebensführung zu etablieren, kennzeichnen diese Ambivalenz.

247 Ebd., S. 67; Raphael, Die Verwissenschaftlichung des Sozialen, S. 166. 248 Herf, Reactionary Modernism.

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Zum Abschluss 1932 erschien in der Kulturzeitschrift Der Querschnitt das Themenheft Fug und Unfug des Sports.1 Es wurde von einer Satire des Schriftstellers und Übersetzers Hans  Seiffert eröffnet, der einen Wissenschaftler des 120.  Jahrhunderts seine Forschungsergebnisse zum europäisch-amerikanischen Kulturkreis des frühen 20.  Jahrhunderts vorstellen ließ.2 Der Wissenschaftler hatte erstaun­ liches zu berichten: Seine Recherchen hätten unmissverständlich zutage gefördert, dass vor rund 10.000 Jahren der Sport die beherrschende Religion gewesen sei. Symbolisch sei dies u. a. in der Verdrängung des Kreuzes und anderer populärer Zeichen, wie Sichel, Hammer oder Hakenkreuz, zum Ausdruck gekommen. Als Gegenstand der Verehrung sei der Ball an ihre Stelle getreten. »In seiner Kugelgestalt« – so die Interpretation des Wissenschaftlers – »galt er offenbar als Sinnbild des im Endlichen beschlossenen Unendlichen, als Sinnbild auch einer vollkommenen Form, der – um einen damals häufig verwendeten Ausdruck zu gebrauchen – Höchstform.«3 Langjährige und mühsame Forschungen hätten zudem die These erhärtet, dass bei dieser neuen Religion der »Grundsatz des allgemeinen Priestertums« vorherrschend war: »[J]eder Gläubige konnte dem Dienst am Ball huldigen.«4 Doch zu diesem egalitären und ungezwungenen Zug gesellte sich eine weitere aufsehenerregende Entdeckung: gesonderte Kulthandlungen in eigens dafür hergerichteten Stätten. In diesem Falle diente »nur eine auserwählte Schar einheitlich gekleideter Priester […] dem Ball nach strengen Regeln, deren strikte Befolgung ein amtierender Oberpriester (Schiedsrichter) überwachte. Die Massen der Gläubigen schauten dem Mysterium zu und brachen des Öfteren in eine Art kurzer Chorgesänge und Responsorien aus.« Archäologische Fundstücke hätten zusätzlich offenbart, dass sich einige »Priester und Priesterorden« immenser Beliebtheit erfreuten und oftmals hunderttausende Menschen gleichzeitig anzogen. Diese versammelten sich dann laut aufgefundener Berichte an speziellen, »heiligen Bezirken«, an Orten »sorgfältig und mit großer Kunst zubereitet[er] Natur«. Dort gaben sie sich voller Inbrunst den Kulthandlungen hin, wobei es nicht selten »wegen irgend-

1 Zur Zeitschrift »Der Querschnitt«, die den Untertitel »Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte« trug und von 1921 bis 1936 erschien, siehe Midgley, Writing Weimar, S. 20 und Sicks, Der Querschnitt. Die Verbindung Sport und Literatur vor allem in den 1920er Jahren behandelt Guttmann, Faustian Athletes. 2 Seiffert, Weltreligion des 20. Jahrhunderts. 3 Ebd., S. 385 (Hervorhebung im Org.). 4 Ebd., S. 387.

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welcher Unstimmigkeiten in der Auslegung der Dogmen (Sport-Regeln) zu blutigen Zwischenfällen« kommen konnte.5 Durch das fiktionale Narrativ, das Parodieren des wissenschaftlichen Jargons und den suggerierten Abstand von Jahrtausenden gelang es Seiffert auf nur wenigen Seiten, in einer Mixtur aus Faszination und Frustration die Allgegenwärtigkeit des Sports spöttisch zu kommentieren. Aber an jeder Stelle des Textes scheint auch das Erstaunen des Autors über den Siegeszug eines zunächst belächelten Phänomens durch, das sich innerhalb von nur wenigen Jahrzehnten zu einem Massenphänomen entwickelte. Vor allem aber lenkte Seiffert den Blick auf einen Aspekt, der auch die Ausgangsüberlegung dieser Studie bildet: Der Sport als Massenphänomen manifestierte sich vor allem zu konkreten Anlässen und an konkreten Orten. Diese »sorgfältig und mit großer Kunst« hergerichteten Sportlandschaften waren weit mehr als nur Austragungsstätten sportlicher Wettkämpfe; darauf weist auch Seifferts Charakterisierung des Sports als Weltreligion und der Sportstätten als »heilige Bezirke« hin. Nun muss man, auch wenn der Sport sicherlich die nach Émile Durkheim wesentlichen Kennzeichen der Religion – Ritus, Gemeinschaft, Mythos – aufweist, nicht assoziativ jede Überschneidung als Hinweis auf »reale Entsprechungen der Inhalte oder Funktionen« deuten.6 Wesentlich sind in diesem Zusammenhang die Grundlagen derartiger Analogien, nämlich die Versportlichung des Alltags und die große kulturelle Bedeutung des Sports. Die ausdrücklich für den Sport hergerichteten Sportlandschaften waren im Wesentlichen urbane Landschaften. Einige Studien zum Verhältnis von Stadt und Sport, die dem traditionellen Selbstverwaltungsparadigma der Stadtforschung verpflichtet sind und die mühsame, aber letztlich erfolgreiche Fortschrittsgeschichte der Integration des Sports in eine dem Allgemeinwohl verpflichtete städtische Leistungsverwaltung erzählen, vertreten die These, dass nur die Stadt die infrastrukturellen, technischen, wirtschaftlichen, sozialen und mentalen Voraussetzungen für das Aufkommen und die Verbreitung des Sports und von Sporträumen bot.7 Aber der Sport stieß keineswegs auf ein schon bestelltes Feld. Die Stadt stellte mitnichten per se die technischen oder infrastrukturellen Fundamente für die Verbreitung des Sports, ebenso wie die mentalen Bedingungen nicht einfach schon da waren. Ich hoffe gezeigt zu haben, dass die Entwicklung des Sports zu einem Massenphänomen und die Hervorbringung von Sporträumen Ergebnisse mannigfaltiger sozialer Praktiken waren. 5 Ebd., S. 386 f. 6 Durkheim, Die elementaren Formen, S.  9. Siehe weiterhin Krawczky, Sport als Symbol, S. 432; Zitat Zimmermann, Die Religion des 20. Jahrhunderts, S. 337. Trotz seiner Kritik an allzu vereinfachenden Analogien deutet Zimmermann den Sport als die »civil religion« des 20. Jahrhunderts. 7 Nielsen, Sport und Großstadt und Reinartz, Sport in Hamburg. Dass Sport und Stadt nicht ursächlich miteinander verknüpft waren, zeigt auch seine Frühphase in England. Hierzu siehe Henricks, Disputed Pleasures; Harvey, The Beginnings of Commercial Sporting ­Culture.

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Die von Seiffert karikierte Sportbegeisterung ist in der Tat ein Phänomen der Weimarer Zeit, doch sie ist nicht gleichsam aus der Asche des Ersten Weltkriegs aus dem Nichts entstanden. Nicht nur die Gründung vieler Sportverbände und -vereine geht auf die Kaiserzeit zurück, sondern auch die Hervorbringung der ersten Sportlandschaften. Selbst die für die Weimarer Zeit typische Idee einer Verbindung von Park und Sportstätte lässt sich bis zur ersten Dekade des 20. Jahrhunderts zurückverfolgen. Die ersten Stadien in Berlin oder Nürnberg entstanden bereits vor dem Ersten Weltkrieg und auch viele Konstruktionspläne von Sportplätzen und Stadien lagen da schon in den Schubladen von Sport­ vereinen, Stadtverwaltungen oder Architekturbüros, um zu Beginn der 1920er Jahre wieder hervorgeholt zu werden. Doch zunächst ist festzuhalten, dass um die Jahrhundertwende speziell für den Sport hergerichtete Räume die Ausnahme bildeten. Sport wurde haupt­ sächlich auf Bauterrain, Wiesen, Ackerflächen oder Exerzierplätzen betrieben. Er fand häufig an Orten statt, an denen sich mehrere Räume überlagerten – beispielsweise konnten diese zu bestimmten Zeiten als Weideflächen dienen oder Markt- und Exerzierplätze sein. Es waren ephemere Räume, die immer wieder erst durch die Bespielung, körperbezogene Kommunikation und eine zeitlich begrenzte Markierung als Sportraum aktiv in einem Prozess sekundärer Rahmung angeeignet werden mussten. Man kann darin, in einer etwas romantisierenden Art, den räumlichen Ausdruck eines ursprünglichen, wilden, durch Spontanität und Improvisation geprägten Sports erblicken, oder anknüpfend an Foucaults »andere Räume« gar von »undisziplinierten Räumen« sprechen.8 Man kann aber auch den Schwerpunkt der Interpretation etwas verlagern und in diesen Praktiken – wie ich es getan habe – den Beginn einer auf den Sport gerichteten dauerhaften und funktionalen Raumproduktion sehen. Ein wichtiges Ziel der Darstellung dieser Frühphase war, zu zeigen, dass der Prozess der räumlichen Absonderung des Sports erstens mit der Bildung von Sonderräumen einherging und zweitens diese Entwicklung auch immer ein Akt sozialer Schließung bedeutete. Die Entstehung des Sports als ein eigenständiges Handlungsfeld mit eigener Feldlogik war zumindest in Deutschland und in dieser Phase auch eine Abkapselung vom allgemeinen Spiel, dem die Konkurrenz- und Leistungskomponente weitgehend abging und das mit seiner pädagogischen Ausrichtung insbesondere für Heranwachsende und Kinder konzipiert war. Überhaupt war die Hervorbringung von Sporträumen in Deutschland keine Zwangsläufigkeit, die sich einfach aus dem Naturell des Sports ableiten ließe, sondern das Resultat der Rezeption englischer und vor allem US-amerikanischer Vorbilder und vielfältiger Aushandlungsprozesse, in die die verschiedensten Akteure eingebunden waren. Sehr deutlich sind diese sozialen und räumlichen Schließungsprozesse und die damit verwobenen verschiedenen Interessen am Beispiel von Sport und Park hervorgetreten. Einerseits forder8 Foucault, Andere Räume.

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ten Parkreformer zu Beginn des 20. Jahrhunderts vehement die Integration des Sports in Parkanlagen. Diese Gruppe der Reformer verstanden sich als an den Bedürfnissen der Bevölkerungsmehrheit orientierte Gartenarchitekten. Lebe­ recht Migge etwa wollte den Sport in die Parkgestaltung einbeziehen, weil er in ihm schon 1913 ausdrücklich einen wertvollen und wichtigen Teil der Massenkultur erblickte. Allerdings war der Integration des Sports in Parks Grenzen gesetzt, weil diese vieldeutige Orte waren. Nicht nur, dass die Einbeziehung von Sport in Parks Konflikte zwischen den verschiedenen Nutzergruppen herauf­ beschwor, sie zog auch eine Neuorientierung in den Raumordnungen und Grenzsetzungen nach sich, die aber letztlich die Vertreter des Sports nicht zufriedenstellen konnte. Die Mehrdeutigkeit und Nutzungsvielfalt von Parks stand der Integration von funktionalen und nur auf den Sport gerichteten Sportlandschaften innerhalb von Parklandschaften im Wege. Ein Grundmotiv dieser Phase ist die Herausbildung dessen, was Heinz Risse 1921 in seiner Soziologie des Sports, der ersten umfassenden sportsoziologischen Studie in Deutschland überhaupt, als »sportlichen Apparat« bezeichnet hat.9 Darunter fasste Risse nicht nur die Schaffung eines Verwaltungsapparates, die Verwendung sportlicher Kleidung und Schuhe oder rationale Trainings­methoden, sondern insbesondere die Standardisierung und Technisierung von Sporträumen: »Vorteile sind besonders die strenge Meßbarkeit der jeweils durchlaufenen Strecke, die Uebersichtlichkeit des ganzen Rennens für jeden Zuschauer, was bei langen Rennen auf der Straße ja nicht möglich gewesen war, sowie die Kontrollierbarkeit des einzelnen Läufers durch den Schiedsrichter. […] So entsteht aus der Grasbahn die ganz glatte Aschenbahn.«10 Insgesamt wurde in den Jahren kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs endgültig definiert, was ein Sportplatz ist und was nicht, welche Variationen legitim waren und welche nicht, welche Maße er aufweisen musste, welche Binnenräume bei seiner Einrichtung zu berücksichtigen, welche Grenzen und Zeichnungen notwendig waren und vor allem, welche Sportarten die Raumordnung zu dominieren hatten. Diese Schließung manifestierte sich sowohl in der Praxis der Produktion von Sportlandschaften als auch in schriftlich fixierten Vorgaben, Bauanweisungen und -aufforderungen, die um diese Zeit nicht nur in den etwas exotischen Publikationsorganen des Sports abgedruckt wurden, sondern auch Eingang in die angesehene technische Fachliteratur fanden.11 In anderen Worten, es hatte sich ein klares räumliches Ordnungssystem für Sportstätten herauskristallisiert, das von nun an die Charakteristika von Sportlandschaften bestimmen sollte. Für Henning Eichberg begründet die Grundvoraussetzung aller massen­ kulturellen Erscheinungsformen, die Übersetzung von Freizeit ins Räumliche, 9 Risse, Soziologie des Sports, S. 30. 10 Ebd., S. 31. 11 Zum Konzept der »Schließung« siehe Pinch/Bijker, The Social Construction of Facts and Artifacts.

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die Herausbildung spezialisierter Sportlandschaften. Da der Sport selbst eine rationale Form der Körperbetätigung sei, führe dies auch zur Rationalisierung des Raums unter dem Diktat der Ergebnisproduktion. Aus dieser Perspektive stellt sich die Geschichte urbaner Sporträume in letzter Konsequenz als eine Verlustgeschichte der Moderne dar. Anstelle von Fest, Spiel und Tanz  – die Eichberg in diesem Zusammenhang als Kontrastfolie dienen –, eingebunden in soziale Rituale und eingebettet in »vieldeutige Orte« wie Dorfanger, Marktplatz und Straße, seien eindeutig standardisierte Räume eindeutig definierter Sportarten getreten: Der Sport fordere das Verallgemeinbare des Raums, wo das Fest das Einzigartige des Orts betont habe.12 Man muss den kulturkritischen Duktus nicht teilen, aber in der Tat führte die Eigenschaft des modernen Sports als »rational organisierte Konkurrenz«13 zu Bemühungen, Maße und Regeln zu vereinheitlichen sowie zu einer zunehmenden Standardisierung der räumlichen Anordnungen und der materiellen Ensembles. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Es gehört zu den herausragenden Merkmalen des Kulturphänomens Sport, dass die Schließung der Konstitution von Sportlandschaften, die mit der Konstitution des Sports als eigenständiges Handlungsfeld einherging, in der Folgezeit zu einer kulturellen Öffnung des Sports und seiner Orte führte. Diese Studie setzte voraus, dass Sporträume weit mehr waren als nur Handlungshintergrund sportlichen Wirkens. Schon in der Planungs- und Bauphase der ersten deutschen Großsportanlage, des Deutschen Stadions in Berlin, zeigte sich, dass Sporträume wesentlich mehr waren als nur »Leistungsräume«, mehr als nur standardisierte, einförmige und nach den intrinsischen Erfordernissen des Wettkampfes durchrationalisierte Austragungsorte des Sports. Das Stadion nahm in dieser Beziehung eine Sonderposition ein. Gegenwärtig wird das Stadion häufig als die Kultarchitektur des 21.  Jahrhunderts bezeichnet. Es habe etwa den Museumsbau als Prestigebau des 20. Jahrhunderts abgelöst, ebenso wie das Museum in dieser Beziehung die Bahnhöfe, Theater und Opern des 19.  Jahrhunderts abgelöst habe.14 Doch alles in allem ist die Architekturgeschichte des modernen Stadions laut dem Publizisten und Architekturkritiker Jan Tabor »wenig beeindruckend«.15 Stadien seien keine Tempel, sosehr sich »ihre Baumeister auch abmühen, sie dazu zu machen.«16 Für Bertolt Brecht waren sie schlicht, durchaus positiv konnotiert, »ungeheure Zementtöpfe«.17 Aber im Falle des Deutschen Stadions trat der unbedingte Wille, das Stadion zu einem nationalen Repräsentationsbau zu machen, drastisch hervor. 12 Eichberg, Sport, S. 472 f. 13 Eisenberg, Sportgeschichte als Kulturgeschichte, S. 295 f. 14 Zu aktuellen Tendenzen siehe die kurzen Bemerkungen in Schubert, Empirische Architektursoziologie, S. 20 f. und Architekturmuseum der TU München, Architektur + Sport. 15 Tabor, Olé, S. 49. 16 Ebd., S. 56. 17 Brecht, Mehr guten Sport, S. 119.

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In der Beschäftigung mit Sportlandschaften wurde vor allem deutlich, dass Sport und Sportlandschaften mit variablen Bedeutungen versehen werden konnten und auf kulturelle Erscheinungen verwiesen, die über den Sport hinausweisen. Sporträume waren zu verschiedenen symbolischen Repräsentationen fähig. Was die in diesem Buch untersuchte Entstehungs- und Einweihungsphase des Deutschen Stadion so interessant macht, ist, dass hier schon früh mit dem Sport verknüpfte, aber dennoch über den eigentlichen sport­lichen Wettkampf hinausragende Nutzungs- und Aneignungsformen, Bedeutungs­zuschreibungen und Ausdifferenzierungen in Erscheinung traten. Bereits hier offenbart sich die erhebliche Bedeutung des Sportkonsums im Sinne von Freizeit- und Kulturkonsum, wobei in dieser Studie die These vertreten wurde, dass sich der Sport als Massenphänomen insbesondere im Sportkonsum manifestierte. Vier Aspekte erscheinen mir in diesem Zusammenhang als besonders bemerkenswert: Ein erster wichtiger Befund ist, dass die Attraktivität sportlicher Veranstaltungen nicht automatisch im sportlichen Handlungsakt begründet lag. Ebenso wie Sportler, deren Unkenntnis der Regelwerke Verbandsfunktionäre zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer wieder monierten, mussten auch die Zuschauer lernen, dass Spiel auch in seiner räumlichen Dimension zu lesen. Die Attraktivität von Sportkonsum war also abhängig von gewissen Vorkenntnissen. Diese consumer skills erschlossen sich nicht von selbst, sondern mussten in der Sportstätte erst vermittelt und angeeignet werden, hauptsächlich durch Orientierungs­ hilfen der Veranstalter. Umgekehrt wurde auch die große Bedeutung des Sportkonsums in der Anpassung der sportlichen Wettkämpfe an die Bedürfnisse der Zuschauer ersichtlich. Bestimmte Sportarten kamen weniger zur Aufführung, weil sie schlicht langweilig auf die Zuschauer wirkten oder die Abstraktionsleistung zur Beurteilung der körperlichen Leistung als zu hoch ange­ sehen wurde. Gleichzeitig wurden diejenigen Sportarten favorisiert, die sich durch Geschwindigkeit und Kampf auszeichneten. Zudem ist zu beachten, dass die Architektur und die räumlichen Anordnungen von Sportstätten nicht allein aus dem Wettkampfbetrieb und seinen auf Vergleichbarkeit und Nachvoll­ ziehbarkeit ausgelegten Regeln erklärbar sind. Ihre Bedeutung als Konsum­orte hatte einen erheblichen Anteil an der architektonisch-technischen Ausgestaltung und ihrer räumlichen Ordnung. Die vielfältigen Variationen, die Trennung zwischen Publikum und Sportlern, das räumliche Zusammenrücken von Dargebotenem und Zuschauern sowie verschiedene räumliche Pazifizierungsstrategien sind speziell auf diesen Faktor der modernen Sportentwicklung zurückzuführen. Schließlich erscheinen Sporträume auch als soziale Schule, durch die Normen und Werte diskutiert und legitimiert wurden. Dieser Aspekt berührt nicht nur das Sporttreiben oder Sportwettkämpfe im Zentrum dieser Anlagen; auch der Besuch eines Sportraums zum Zwecke des Konsums von Sportveranstaltungen muss als kulturelle Praxis angesehen werden, durch die sich das Publikum auch selbst inszenierte. Dabei hat die Analyse der räumlichen Gliederung von Sportlandschaften eine fortschreitende Territorialisierung der Zuschauerränge und einen nach sozialen Gesichtspunkten segregierten Bau 287 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370292 — ISBN E-Book: 9783647370293

zutage gefördert. In Sportlandschaften wurden soziale Beziehungen ausgehandelt und räumlich erfahrbar gemacht. Die Geschichte von Sporträumen erschöpft sich nicht in Sportveranstaltungen. Mit dem Stadion kam eine Architektur zum Einsatz, die die Ästhetisierung der Politik mit der Herstellung einer modernen repräsentativen Massenöffentlichkeit zu verbinden in der Lage war. Dabei handelte es sich in der Regel um Festveranstaltungen. Mit anderen Worten, Sporträume waren Festräume und der Sport Bestandteil der politischen Festkultur, vor allem während der Weimarer Zeit. Ausdrücklich die bürgerlichen Sportverbände, allen anderen voran der Deutsche Reichsausschuss für Leibesübungen, bemühten sich darum, den Sport in die Riege der »altehrwürdigen« und angesehenen nationalen Feste einzu­ reihen und Stadien auch als nationale Festspielorte zu deuten. Das Stadion – so die hier vertretene These – war ein spezifischer Festort der Weimarer Republik. Sport, Fest und Sportraum waren auf vielfältige Weise miteinander verknüpft. Allgemein lassen sich Sportveranstaltungen auch als Ereignisse in den Blick nehmen, in denen festliche Element zum Tragen kamen. Sie boten einerseits eine Gelegenheit zur Affektverausgabung, waren bestimmt durch Emo­ tionalität und ermöglichten Handlungen, die gängigen Verhaltenskonventionen zuwiderlaufen konnten. Andererseits jedoch hatten Sportveranstaltungen nicht unbedingt etwas mit festlichen, spielerischen Gegenwelten im Sinne V ­ ictor ­Turners zu tun. Sie waren »Feierstunden des Leistungsprinzips«:18 Sie reproduzierten, verdichteten und verlängerten, gekoppelt an außeralltägliche Affekthandlungen, gesellschaftliche Leitwerte wie Leistungsorientierung, statt sie für eine bestimmte Zeit und an einem bestimmten Ort außer Kraft zu setzen. Welche Rolle spielte nun in diesem Kontext das Stadion? Eine sowohl für den Sportkonsum als auch für seine Festfunktion herausragende Besonderheit des Stadions ist seine ovale, auf die Aufnahme von Massen ausgerichtete und nach innen gerichtete räumliche Ordnung. Nach außen aber weist es eine Mauer auf. Beim Eintritt in das Stadion – so Elias Canetti – drehte man dem Alltag wortwörtlich den Rücken zu.19 Diese Anordnung bewirkte, verknüpft mit einer konzentrischen und vertikalen Gliederung, eine gewisse Erregung im Stadion, implizierte spezifische Wahrnehmungs-, Erlebnis- und Verhaltensweisen und disziplinierte den Blick des Publikums. Einerseits konfrontierte das Stadion den Zuschauer mit sich selbst, ließ den Einzelnen sich als Teil einer größeren Masse wahrnehmen. Gleichzeitig konfrontierte das Stadion die Zuschauer mit dem Geschehen im Zentrum der Anlage und eröffnete die Option einer Interaktion zwischen Innenraum und Zuschauerraum. Diese charakteristischen Züge unterschieden das Stadion von anderen Orten des Kulturkonsums, wie etwa Theatern, Museen oder Vergnügungsparks. Stadien förderten kollektive ereignis­ stiftende Praktiken.

18 Bette/Schimank, Sportevents, S. 319. 19 Canetti, Masse und Macht, S. 25.

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Doch abgesehen von diesen allgemeinen Sportfesten fällt auf, dass Stadien insbesondere während der Weimarer Republik Orte politischer Feste waren – von der Verfassungsfeier 1929 über die Feier der Rheinlandräumung 1930 bis hin zu den Deutschen Kampfspielen. Im Unterschied zu Sportfesten, bei denen der sportliche Wettkampf den Kern der Handlungen bildete, um die sich alle anderen Praktiken gruppierten, stand bei politischen »Stadionvolksfesten« ein Repräsentationsanlass im Zentrum, auf den der Sport neben anderen symbolischen Handlungen wie Gesang, Masseneinmärsche und Reden ausgerichtet wurde. Im Gegensatz zu Sportveranstaltungen war sportliches Wirken kein Selbstzweck und waren Stadien nicht nur Austragungsorte von Wettkämpfen, sondern symbolische Ausdrucksformen des Politischen. Die Deutschen Kampfspiele sind ein eindrucksvolles Beispiel für die Inkorporation von Sport in die politische Festkultur. An ihnen wird zweierlei deutlich: Erstens ist es keineswegs nur so, dass Sport und Stadien von außen zweckfremd angeeignet oder gar instrumentalisiert wurden. Ganz im Gegenteil: Es waren Vertreter des Sports, die eine eindrucksvolle Aktivität entwickelten, um das Stadion als nationalen Festort zu etablieren und den Sport in die symbolischen Handlungen politischer Festakte zu integrieren. Eine wichtige Triebfeder bildete dabei der Wunsch, den gesellschaftlichen Nutzen des Sports hervorzuheben. Zweitens offenbaren die Kampfspiele, dass das Zusammenspiel von Fest, Stadion und politischer Festkultur nicht auf die Weimarer Republik beschränkt war oder gar – wie von der historischen Forschung betont – ein exklusives Charakteristikum autoritärer Staaten wie des faschistischen Italiens, des nationalsozialis­tischen Deutschlands oder der Sowjetunion war. Die ideellen Wurzeln reichen zumindest in Deutschland bis in das ausgehende 19. Jahrhundert zurück. Interessanterweise kreisten die damaligen Überlegungen um die Errichtung eines Stadions, in der Regel als eine gigantomanische Mischung aus Frei­ lufttheater und Amphitheater konzipiert, um den Gedanken, dieses an ein Nationaldenkmal, wie etwa das Niederwalddenkmal, anzugliedern und somit die nationale Bedeutung dieser Anlage aufzuwerten. Ferner sticht ein stark national-romantischer, anti-urbaner Affekt ins Auge. Als Standort war keine Großstadt vorgesehen, sondern die »freie Natur«, am besten ein Waldtal – eine symbolische Topographie, die sich in der Vorstellung eines in einer deutschen Ideallandschaft aufgehenden Stadions niederschlug. Auch wenn all diese Pläne scheiterten, zeigen sie, dass die Idee eines Sta­dions bis in die 1890er Jahre zurückreichte und die diesbezüglichen Motive nicht in sportimmanenten Motiven begründet waren. Die in der Weimarer Republik durchgeführten Deutschen Kampfspiele stellten sich ausdrücklich in diese Tradition. Der ideelle Kern der Kampfspiele war die Einheit und Selbstbehauptung der Nation. Da dieser Kern jedoch nicht ohne weiteres aus dem sportlichen Wirken selbst hervorging, wurden um diesen Repräsentationsanlass herum weitere Handlungen gruppiert bzw. diese mit dem Sport sowohl rhetorisch als auch performativ verknüpft: Weihevolle Reden, Masseneinmärsche und das 289 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370292 — ISBN E-Book: 9783647370293

gemeinsame Singen vaterländischer Lieder gehörten neben sportlichen Wettkämpfen zu den Hauptbestandteilen der Kampfspiel-Zeremonie. Die Kampfspiele benötigten neben dem Sport diese feierlichen und weihevollen Elemente, um als Fest gelten zu können und um die Deutungsangebote der Kampfspiele zu präzisieren. Die Verknüpfung von Stadion, Sport und politischer Festkultur schlug sich auch in Stadionentwürfen und -bauten der Weimarer Republik nieder. In diesen Entwürfen nahm das Festspiel eine zentrale Rolle ein: Theatralische Elemente und Masseninszenierungen sollten eine musisch hervorgerufene Erhebung aus dem Alltag ermöglichen und sich in einem stärker kultisch akzentuierten Stadion­bau niederschlagen. Es war vor allem der Architekt Johannes Seiffert, der hierzu die konzeptionellen Grundlagen lieferte und einen gewissen Einfluss auf Weimarer Stadionbauten wie in Düsseldorf oder Frankfurt/Main ausübte. Seiffert sah seine Aufgabe in der räumlichen Unterstützung der Verschmelzung von Fest und Sport im Stadion. Zu diesem Zweck entwarf er monumentale, hufeisenförmige, mit zahlreichen neo-klassizistischen Versatzstücken und Chortribünen ausgestattete Stadien, eine vollständig auf Masseninszenierungen und Überwältigung zielende Architektur und Raumordnung, bei der der Sport selbst eine nur untergeordnete Rolle einnahm. Aber insgesamt – das haben auch die Kampfspiele gezeigt – hat die Verknüpfung von Sport und Fest auf die Gestaltung der konkreten Stadien keinen nennenswerten Einfluss gehabt. Es scheint so, dass jeder beliebige Stadionbau, wenn er nur eine ausreichende Zuschauerkapazität und einen Aufmarschplatz aufwies, dafür geeignet war. Zum Festraum wurde das Stadion erst durch soziale Praktiken und die Positionierung von Körpern, zum politischen Festraum erst durch ein spezielles Arsenal an symbolische Handlungen. Schließlich war Aufstieg des Sports zu einem kulturellen Massenphänomen eng mit der Entwicklung naturwissenschaftlicher Disziplinen wie der Physiologie, der Medizin und der angewandten Psychologie verknüpft. Sportstätten wurden von wissenschaftlicher Seite als »Laborlandschaften« gedeutet, als Orte, an denen sich über die erbrachte körperliche Leistung die physiologischen Prozesse des Menschen als »Kraftmaschine« im Feldexperiment entschlüsseln ließen.20 Sie galten als »Steigerungräume«, die körperliche Belastungszustände schärfer zutage treten ließen.21 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts standen eher allgemeine zeittypische Fragen, wie beispielsweise das Verhältnis von körperlicher Arbeit, Wärme und Nahrung oder die Auswirkungen von Genussmitteln im Zentrum der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. In der Weimarer Republik rückten zunehmend Nutzbarkeitserwägungen in den Vordergrund. Im Rahmen bevölkerungspolitischer Überlegungen avancierte das Sport­treiben zum Ausweg aus der immer wieder konstatierten »Körperkrise« der 1920er Jahre, die 20 Oppenheimer, Der Mensch als Kraftmaschine. 21 Zum Konzept des »Steigerungsraums« und der »Laborlandschaft« vgl. Felsch, Laborlandschaften, S. 7–12.

290 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370292 — ISBN E-Book: 9783647370293

auf die hohen Verluste an »wertvollen Menschenmaterial« im Ersten Weltkrieg und großstädtische Lebensverhältnisse zurückgeführt wurde. Sportstätten wurden sowohl von Protagonisten des Sports als auch von Wissenschaftlern mit einer nahezu utopischen Bedeutung versehen. Sie galten als Orte, in denen für das Arbeitsleben notwendige Verhaltens- und Bewegungsweisen trainiert und die für das moderne Erwerbsleben als notwendig erachteten psychischen Dispositionen wie Durchsetzungs- und Teamfähigkeit erlernt werden konnten, als Orte, an denen überhaupt die Geschwindigkeit des modernen Lebens zum Ausdruck kam, und als Orte, die der vermeintlich fortschreitenden körperlichen »Degeneration« entgegenwirkten. Das Ineinandergreifen von rational gestalteten Sportlandschaften und der Verwissenschaftlichung und Rationalisierung des Körpers lässt sich an drei auffälligen Tendenzen darlegen. Erstens suchten seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert Wissenschaftler Sportstätten auf. Sportler dienten ihnen als Untersuchungsmaterial, weil sie sich freiwillig großen körperlichen Belastungssituationen aussetzten. Zweitens ist seit der Errichtung des Deutschen Stadions 1913 die Absicht zu erkennen, Stadien und Laboratorien topographisch zusammenzuführen, um dauerhaft und stationär wissenschaftliche Untersuchungen vornehmen zu können. Das programmatisch formulierte Konzept des »Stadionorganismus« (ebenfalls 1913) sah von vornherein vor, im Stadion zumindest ärztliche Untersuchungsräume, im günstigsten Fall aber Laboratorien einzurichten, um Sportpraxis und Naturwissenschaft auch räumlich zusammenzuführen. Drittens wurden Sporträume selbst zu Versuchsanordnungen umfunktioniert. Laufbahnen wurden mit elektrischen Kontakten, mit Apparaturen zur Anlaufgeschwindigkeitsmessung und Registriergeräten ausgestattet, um nicht nur nach der Beendigung der sportlichen Leistung, sondern auch währenddessen zu Aufschlüssen über physische und psychische Vorgänge zu gelangen. Sportlandschaften erwiesen sich, ähnlich den Laboratorien, als rationale und abstrakte Räume, die unter höchst artifiziellen Bedingungen die Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit von Leistungsdaten zum Ziel hatten. Insgesamt lässt sich der Sport auch als ein von den Maximen der Weimarer Rationalisierungskultur, wie Produktivität, Leistungssteigerung und anthro­ potechnischen Verbesserungsstrategien, geprägtes Phänomen interpretieren. Die entscheidende Schnittstelle hierfür war die Konstruktion des wissenschaftlich betriebenen Sports. Insbesondere Sportstätten waren Orte, an denen Körper-Wissen generiert und vermittelt wurde. Insofern lassen sich Sportlandschaften als Zwischenräume betrachten, an denen sich Wissenschaft und moderne Massenkultur überschnitten. Nicht nur in Fabriken und Schulen, sondern auch in Sportstätten manifestierte sich die zunehmende Durchdringung kultureller Äußerungen und alltäglicher Lebenswelten durch rational-wissenschaftliche Normen, Techniken und Denkmuster. Wie sehr die in diesem Buch analysierten Komplexe  – Orte des Sport­ konsums, Sport und Sportstätten als Teil der politischen Festkultur und Sportlandschaften als Laborlandschaften  – in der Kultur der klassischen Moderne 291 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370292 — ISBN E-Book: 9783647370293

ineinander verwoben waren, illustrieren die Breslauer Kampfspiele 1930. Während dieser Kampfspiele fanden über mehrere Tage nicht allein sportliche Wettkämpfe im Breslauer Stadion statt, die Tausende von Zuschauern begeistert verfolgten. Gleichzeitig war diese Veranstaltung, zu der sich mehrere hochrangige Politiker einfanden und deren Schirmherrschaft von Hindenburg übernahm, Teil der politischen Festkultur der Weimarer Zeit. In diesem Kontext verwandelte sich das Stadion in einen politischen Massenversammlungsraum und das darin aufgeführte Argument überführte den sportlichen Akt, ergänzt durch weitere symbolische Handlungen wie Massenaufführungen, Gesänge und Reden, in eine Demonstration nationaler Stärke sowie deutscher Ansprüche auf ganz Schlesien. Zusätzlich fanden sich zu diesem Anlass Arbeitsphysiologen und Mediziner ein, die über mehrere Tage Blutuntersuchungen an den teilnehmenden Sportlern vornahmen, um daraus Aufschlüsse über den gesundheit­ lichen Nutzen des Sports und seinen Wert für die allgemeine »Volksgesundheit« zu gewinnen.22 Das Beispiel zeigt: Die Dinge ereigneten sich nicht nur am gleichen Ort, sondern auch zur gleichen Zeit. In diesem Sinne zeigt sich auch in der Narration dieses Buch die Folge eines Vorgehens, das man als spacing history23 bezeichnen kann: die historische Arbeiten prägende »Sicherheit des Nachein­ anders« wird durchgehend durch das Prinzip des Nebeneinanders ergänzt. Eben diese »Einheit von Ort, Zeit und Handlung« gerät in aller Deutlichkeit erst in den Blick, wenn man Geschichte aus der Perspektive von Orten und Räumen betrachtet.24 Wenn ich als Ausgangspunkt meiner Überlegungen die Metapher »Sportlandschaften« gewählt habe, dann nicht, um eine Geschichte der sportlichen Funktionsräume zu schreiben, sondern weil es sich um Orte und Räume handelt, in denen sich die Vielgestaltigkeit, Deutungsoffenheit und Komplexität des Sports als ein bedeutendes Kulturphänomen der Moderne verdichteten.

22 Jokl, Blutuntersuchungen an Sportsleuten; Festbuch. 3. Deutsche Kampfspiele Breslau. 23 Hierzu Lossau, »Mind the gap«, S. 68. 24 Zitat Schlögel, Im Raume, S. 10.

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Dank Während der Arbeit an diesem Buch sind Olympische Spiele, Europa- und Weltmeisterschaft sowie weitere kleine und große Sportereignisse vorbei­gezogen. Und das wäre wohl noch einige Zeit so weitergegangen, hätte ich nicht vielfältige Unterstützung erfahren. Mein Dank gilt zunächst Dieter Schott, Wolfram Pyta, Martina Heßler und Gunilla Budde für ihre anregende Kritik und wertvollen Hinweise. Vor allem danke ich Mikael Hård. Ohne seine Ratschläge, Diskussionsfreude und sein Interesse an »Raumfragen« sehe diese Arbeit anders aus. Der großherzigen Unterstützung, den scharfsinnigen Kommentaren und der konstruktiven Kritik von Detlev Mares verdankt diese Arbeit viel mehr als er zuzugeben bereit wäre. Nicht zuletzt ihm ist es zu verdanken, dass das Spielerische in der intellektuellen Auseinandersetzung mit Sport nicht verloren gegangen ist. Christiane Abele, Martin Knoll, Stefan Schmunk, Marcus Stippak und Karsten Uhl haben das Manuskript vollständig oder in Teilen ge­ lesen und mit kritischen Kommentaren nicht gespart. Von ihren Hinweisen und Vorschlägen hat dieses Buch viel profitiert. Kati Grund hat sich die Mühe gemacht, den Anmerkungsapparat zu bearbeiten. Bei der Literaturbeschaffung waren mir Simon Bihr, Christian Zumbrägel und Marie-Christin Wedel behilflich. Insbesondere Dirk Ullmann vom Archiv zur Geschichte der Max-PlanckGesellschaft (Berlin) und Michael Winter vom Carl und Liselott Diem-Archiv (Köln) haben mich bei den Archivrecherchen geduldig unterstützt. Nutzen zog ich zudem nicht nur aus der Kritik und den Anmerkungen von Kollegen, die während verschiedener Konferenzen, Kolloquien und Workshops geduldig meinen Ausführungen zuhörten, sondern auch aus den Nachfragen meiner Studenten, die ich am Institut für Geschichte an der TU Darmstadt unterrichtete. Sie bewahrten mich vor einigen argumentativen Kurzschlüssen und unglücklichen Formulierungen. Für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe »Kritischen Studien zur Geschichtswissenschaft« möchte ich mich bei den Herausgebern bedanken, für die freundliche Betreuung beim Verlag bei Daniel Sander. Für Druckkostenzuschüsse danke ich der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften und der Johanna und Fritz Buch Gedächtnisstiftung. Schließlich danke ich meiner Tochter für ihre Frage, was ich denn eigentlich den ganzen Tag am Computer so arbeite. Istanbul, Herbst 2012

Noyan Dinçkal

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Bildnachweis Abb. 1:

Berliner Sportplätze, hg. v. der Berliner Morgenpost unter Mitarbeit des Berliner Stadtamts für Leibesübungen, Berlin 1928, ­Planquadrate C 1–3 und D 1–3.

Abb. 2:

Hampel, W., Aus dem Kinderlande, in: Deutsches Fußball-Jahrbuch 1913, S. 71.

Abb. 3:

Encke, F., Der Volkspark, in: Die Gartenkunst 13 (1911), S. 163.

Abb. 4, 5:

Hegemann, W., Amerikanische Parkanlagen. Zierparks, Nutzparks, Außen- und Innenparks, Nationalparks, Parkzweckverbände. Ein Parkbuch zur Wanderausstellung von Bildern und Plänen amerikanischer Parkanlagen, Berlin 1911, o. S.

Abb. 6:

Bauwens, C., Der Fußballplatz, in: Deutsches Fußball-Jahrbuch 1911, S. 131.

Abb. 7, 10:

Diem, C./Berner, M., Städtische Sportanlagen. Ein Wegweiser für den Bau von Spiel- und Sportgelegenheiten, hg. im Auftrage des Deutschen Reichsausschusses für Olympische Spiele, Berlin 1914, S. 51, 42.

Abb. 8:

Schmidt, T., Werner March. Architekt des Olympia-Stadions 1894– 1976, Basel u. a. 1992, S. 21.

Abb. 9:

Reher, A. (Hg.), Das Deutsche Stadion. Sport und Turnen in Deutschland 1913. Eine Denkschrift für das deutsche Volk, Charlottenburg 1913, S. 16.

Abb. 11, 12:

Krause, G., Das Deutsche Stadion und Sportforum, Berlin 1926, S. 35, 34.

Abb. 13:

BA, Bildarchiv, Bild 102-01567, Fotograf: Georg Pahl, Juni 1925.

Abb. 14:

Diem, C., Moderne Sportplatzanlagen, in: ders./F. Breithaupt (Hg.), Stadion. Das Buch von Sport und Turnen, Gymnastik und Spiel, Berlin 1928, S. 431.

Abb. 15:

Verspermann, Regelung des Verkehrs zum Stadion, in: Stadtamt für Turn-, Sport- und Badewesen (Hg.), Festbuch zur Stadionweihe Frankfurt a. M., 21. Mai 1925, Frankfurt/Main 1925, S. 99.

294 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370292 — ISBN E-Book: 9783647370293

Abb. 16:

Margold, E. J. (Hg.), Bauten der Volkserziehung und Volksgesundheit, Berlin 1999 [1930], S. 145.

Abb. 17:

BA, Bildarchiv, Bild 102-00027, Fotograf: Georg Pahl, März 1923.

Abb. 18:

BA, Bildarchiv, Bild 102-04892, Fotograf: Georg Pahl, Oktober 1927.

Abb. 19:

Böckmann, W./Schmitz, B., Vorschlag zur Anlage einer Feststätte für Deutsche Kampfspiele am Kyffhäuser, in: Deutsche Bauzeitung, 31 (1897), S. 133.

Abb. 20, 21:

Diem, C. u. a., Deutsche Kampfspiele 1922. Bericht des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen, Berlin 1922, S. 25, 39.

Abb. 22:

Seiffert, J., Zwischen den Fächern. Ein notgedrungener Versuch über den Rhythmus. Spiel, Pflicht und Fest der Quellen sozialer Freiheit, Leipzig 1929, Anhang, o. S.

Abb. 23:

Schmidt, F. A., Physiologie der Leibesübungen, Leipzig 19143, S. 23.

Abb. 24:

Sonderkatalog der Abteilung Sportausstellung der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, zusammengestellt von N. Zuntz u. a., Dresden 1911, S. 39.

Abb. 25:

Kost, H., Das Sportplakat, in: Die Leibesübungen 2 (1926), S. 4.

Abb. 26:

Hoske, H., Wege zur Leistung, in: C. Diem/F. Breithaupt (Hg.), Stadion. Das Buch vom Sport und Turnen, Gymnastik und Spiel, Berlin 1928, S. 89.

Abb. 27:

Schulte, R. W., Eignungs- und Leistungsprüfung im Sport. Die psychologische Methodik der Wissenschaft von den Leibesübungen, Berlin 1925, S. 144.

Abb. 28:

Schulte, R. W., Anlaufstrecke, Laufgeschwindigkeit und Sprungleistung beim Weitsprung, in: Die Umschau 25 (13. August 1921), S. 489.

295 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370292 — ISBN E-Book: 9783647370293

Abkürzungen ATSB BA B. Z. CuLDA

Arbeiter Turn- und Sportbund Deutsches Bundesarchiv Berliner Zeitung am Mittag Carl und Liselott Diem-Archiv, Olympische Forschungsstätte der Deutschen Sporthochschule Köln DBA Deutsches Biographisches Archiv DDP Deutsche Demokratische Partei DFB Deutscher Fußball-Bund DGFG Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst DHfL Deutsche Hochschule für Leibesübungen DK Deutscher Kampfspielbund DRA Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen ­DRAfOS Deutscher Reichsausschuss für Olympische Spiele DSB Deutscher Sportbund DSBfA Deutsche Sport-Behörde für Athletik DT Deutsche Turnerschaft DVP Deutsche Volkspartei FZ Frankfurter Zeitung GG Geschichte und Gesellschaft GWU Geschichte in Wissenschaft und Unterricht IOC International Olympic Committee IHRSA International Health, Racquet u. Sportsclub Association KPD Kommunistische Partei Deutschlands KWG Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft KWI-A Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie MPG-Archiv Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin N. F. Neue Folge NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei PrHfL Preußische Hochschule für Leibesübungen SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands ZA Zentralausschuss für Volks- und Jugendspiele ZfG Zeitschrift für Geschichtswissenschaft ZK Zentralkommission Arbeitersport und Körperpflege

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Archivalien Carl und Liselott Diem-Archiv, Olympische Forschungsstätte der Deutschen Sporthochschule Köln a) Sachakten

Deutscher Reichsausschuß für Olympische Spiele/Deutscher Reichsausschuß für Leibes­übungen: Mappen 1, 13, 19, 24, 27, 28. Sportförderung auf Länderebene: Mappe 177. Deutsche Hochschule für Leibesübungen: Mappen 187, 189, 207. Deutsche Kampfspiele: Mappen 532, 535, 536, 537. Olympische Spiele: Mappen 550, 553/I. Martin Berner: Mappe 629. Theodor Lewald, Schriftwechsel: Mappe 647/I. Sport und Presse: Mappen 773, 774. Berlin, Deutsches Stadion: Mappen 657, 658.

b) Korrespondenzen

Robert Werner Schulte: Mappe S 1424.

c) Fremdakten

Nachlass Hanns Sippel: Mappe 15.

Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin a) I. Abt., Rep. 1A: Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. KWI für Arbeitsphysiologie: Akten 1351, 1353, 1356, 1379, 1391, 1393. Deutsche Hochschule für Leibesübungen, Akte 1444. b) III. Abt., Rep. 8: Nachlass Max Rubner.

Deutsches Bundesarchiv Koblenz, Bildarchiv

Bildnummern: 102-01567, 102-04892, 102-00027.

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Berlin-Lichterfelde:

Büro des Reichspräsidenten/Präsidialkanzlei: R 601/55–56. Reichskanzlei, Spiele und Sport: R 43-I/2. Deutscher Gemeindetag, Sportärztliche Beratungsstellen: R 36/2089.

Dokumentensammlungen Carl-Diem-Institut (Hg.), Die VI. Olympischen Spiele Berlin 1916. Dokumente, Köln o. J. – Dokumente zur Gründung und zum Aufbau einer wissenschaftlichen Hochschule auf dem Gebiete des Sports, Köln 1967. – Dokumente zur Frühgeschichte der Olympischen Spiele, Köln 1970. Diem, C., Ein Leben für den Sport. Erinnerungen aus dem Nachlaß, Ratingen u. a. 1974. Lennartz, K./Schmidt, T. (Bearb.), Der Briefwechsel zwischen Carl Diem und Werner March: »Unsere gemeinsam gelöste Lebensaufgabe«, Köln 2002. – Die VI. Olympischen Spiele Berlin 1916, Dokumente, Bonn 1981.

Periodika Namentlich gekennzeichnete und besonders zentrale Artikel sind zusätzlich auch in das Literaturverzeichnis aufgenommen worden. Akademische Blätter für Turnen und Sport; Akademische Turnbundsblätter; Arbeitersport; Athletik-Jahrbuch; Berliner Tageblatt; Berliner Zeitung am Mittag; Blätter für Volksgesundheit und Volkskraft; Blätter für Volksgesundheitspflege; Breslauer Zeitung; Centralblatt der Bauverwaltung; Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege; Der Rekord; Der Städtebau; Der Querschnitt; Deutsche Bauzeitung; Deutsche Turn-Zeitung; Deutsches Fußball-Jahrbuch; Die Bauwelt; Die Gartenkunst; Die Hygiene. Zentralblatt für alle Bestrebungen der Volkswohlfahrt, Gesundheitspflege und Technik; Die Körpererziehung; Die Leibesübungen; Die Schönheit; Die Umschau; Die Weltbühne; Frankfurter Zeitung; Fußball und Leichtathletik, Illustrierte Sportzeitung; Himmel und Erde; Jahrbuch der Leibesübungen; Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele; Körper und Geist; Körperkultur; Monatsschrift für das Turn­wesen; Neue Rundschau; Olympiade; Rheinisch-Westfälische Sportzeitung. Allgemeine Sportund Industrie-Rundschau; Sport im Bild; Sport im Wort; Sport, Spiel und Turnen; Stadion-Kalender; Start und Ziel; Tägliche Rundschau; Vorwärts; Vossische Zeitung; Westdeutsche Sport-Zeitung; Zentralblatt der Bauverwaltung, Berlin.

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Enzyklopädien, Chroniken, statistische Jahrbücher Borgers, W. u. a., Deutsche Olympia Kalender. Daten zur Olympischen Bewegung in Deutschland. Teil 1: I. bis XIII. Olympiade (1896–1945) mit Interludium (­ 393–1889) und Praeludium (1889–1896), Kassel 1996. Brockhaus Konversations-Lexikon, 14. völlig neu bearbeitete Auflage, 16 Bde., Leipzig 1892–94. Gorzny, W. (Hg.), Deutsches Biographisches Archiv, N. F. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, München 1989–1993, Mikrofiche-Edition 1193. Kluge, F., Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearb. v. Elmar Seebold, Berlin 199523. Kluge, V., Olympische Sommerspiele. Die Chronik I. Athen 1896 – Berlin 1936, Kassel 1997. Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild, 3 Bde., Berlin 1930–33. Meyers Konversations-Lexikon. Eine Encyklopädie des allgemeinen Wissens, 4. gänzlich umgearbeitete Auflage, 16 Bde., Leipzig 1885–90, Register, Ergänzungen und Nachträge Bd. 17, 1890, Jahres-Supplemente Bde. 18 und 19, 1891–92. Meyers Großes Konversations-Lexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens, 6. gänzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage, 20 Bde., Leipzig ­1902–08, Ergänzungen und Nachträge Bd. 21, 1909, Jahres-Supplemente Bde. 22–24, 1­ 910–13, Kriegsnachträge 1916, 1917, 1920. Verband Deutscher Städtestatistiker (Hg.), Statistisches Jahrbuch deutscher Städte, Bd. 17, Breslau 1910.

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Register

Personenregister Adenauer, Konrad  153, 199, 212 Alkemeyer, Thomas  163 Appadurai, Arjun  14 Arndt, Ernst Moritz  95 Assenburg, Graf Egbert von  83 f. Atzler, Edgar  274–275, 277 f. Bale, John  12, 14, 70, 73, 105 Bauwens, Camillus  74 f., 158 Becker, Frank  96, 164 Behr, Karl Friedrich Graf von  116 Benjamin, Walter  116, 265 Bentham, Jeremy  46 Berner, Martin  36, 63 f., 77, 79, 120, 124, 129, 132 f. Bernett, Hajo  18, 183 Bernstein, Eduard  17 Bethmann-Hollweg, Theobald von  113 Bette, Karl Heinz  180 Bier, August  247 f., 252, 273 Bikelas, Demetrios  184 Billstein, Heinrich  201 Blaschke, Georg  135 Böckmann, Wilhelm  187 f. Boschert, Bernhard  21 Böß, Gustav  155, 160 Boullée, Étienne-Louis  181 Bourdieu, Pierre  19, 21 f., 25, 123, 166, 171 Brandt, Karl  101 Brecht, Bertolt  138, 286 Brehmer, Arthur  17 Breitenbach, Paul von  113 Brohm, Jean-Marie  119 Bromme, Max  219 Brüning, Heinrich  157 Bulle, Heinrich  219 Burger, Friedrich  134 Canetti, Elias  146 f., 148, 288 Cauer, Ludwig  93

Coubertin, Pierre de  159, 184, 187 Court, Jürgen  249, 251 Daston, Lorraine  267 Deile, Lars  178 Delbrück, Clemens  113 Demmler, Georg  77–78, 80 f., 152 Dernburg, Hermann  250 Diem, Carl  50, 53 f., 56, 59, 63–69, 77, 79, 88, 92–94, 97, 101, 114, 116, 155, 161, 168, 176, 181, 191 f., 198, 205, 210, 216, 218, 220 f., 248, 250 f., 272 f. Digel, Helmut  18 Dominicus, Alexander  180, 212 Du Bois-Reymond, Emil  226 Du Bois-Reymond, René  104, 241 Dunning, Eric  22, 126 Durkheim, Émile  283 Ebert, Friedrich  247 f. Eichberg, Henning  285 f. Eisenberg, Christiane  18, 19, 122, 127, 132, 138, 149, 192 Eitel Friedrich Prinz von Preußen  113 Elias, Norbert  22, 45 Encke, Fritz  48 f., 58 Engelhardt, Freiherr Walter von  47 Esser, Ludwig  41 Felsch, Philipp  225 Fischer, Eugen  240 Foucault, Michel  21, 34, 45, 215, 284 Friedman, Michael  14 Fuchs, Georg  219 f. Fuchs, Hermann  93 Fulton, James B. 87 Galison, Peter  267 Gebauer, Gunther  145 f. Gebhardt, Willibald  184, 227

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Georgi, Otto Robert  186 Gerling, Heinz  77 Gerling, Richard  77 Giddens, Anthony  26 Giese, Fritz  165, 271 f. Gitner  29 f. Gleichmann, Peter  21 Grosz, George  138 Grut, Torben  88 f. GutsMuths, Johann Christoph Friedrich  233 Guttmann, Allen  19 Haffner, Sebastian  12 Hahn, Hermann  27 Hahn, Martin  277 Hård, Mikael  51 Hardtwig, Wolfgang  117 Harnack, Adolf von  274, 276 Harvey, David  21 Heeringen, Josias von  113 Hegemann, Werner  30, 42, 59–61, 85 Heimann, Moritz  131 Helfferich, Karl  197 Herbst, Robert  275 Herxheimer, Herbert  258, 278 Hindenburg, Paul von  175 f., 182, 199 f., 212, 292 Hitler, Adolf  176, 179 Hobsbawm, Eric  52 Holl, Alfons  205 Holz, Arthur  201, 211 Horak, Roman  34 Hortleder, Gerd  145 Hoske, Hans  251 Huizinga, Johan  180, 218 Huntemüller, Otto  258 Hurtzig Ferdinand  46 Ingen, Cathy van  14 Jahn, Friedrich Ludwig  233 Jaspers, Karl  145 Kaempf, Johannes  113 Kessel, Martin  165 Kestner, Otto  244, 246 Kisch, Egon Erwin  34–36, 138 Klages, Ludwig  219 Koch, Hugo  41, 48 f., 195 Koch, Konrad  31, 52

Koch, Robert  273 Kohlrausch, Wolfgang  254, 258–260 Kolbe, Georg  93 König, Wolfgang  103 Konwiarz, Richard  101 Koselleck, Reinhart  13, 67 Kost, Richard  260 Kracauer, Siegfried  12, 142 Kraenzlein, Alvin  64 Krause, Gerhard  101, 120, 210 Krause, Paul von  187 Kretschmer, Ernst  251 f. Krüger, Michael  19, 214 Külz, Wilhelm  212, 214 Lacour, Heinrich  211 Ladovskij, Nikolaj  169 Latour, Bruno  243 Lefebvres, Henri  10, 21, 24 Lenné, Peter Josef  37 Leuschner, Wilhelm  169 Lewald, Theodor  156 f., 165, 191, 198, 200, 212, 214, 245 f., 277 Linger, Karl August  231 Lombroso, Cesare  17 Lüders 166 Maase, Kasper  179 Maasz, Harry  42 Maderthaner, Wolfgang  34 Malessa, Wilhelm  68 Mallwitz, Arthur  88, 92, 107, 159, 234 f., 238, 240 f. Mann, Heinrich  165 March, Otto  59, 85 f., 88, 90 f., 96, 98, 101, 106, 156 f., 167, 216 March, Walter  250 March, Werner  85, 157 Marey, Étienne-Jules  226–228 Margold, Emanuel Josef  168 f. Markus, Karl  36, 70 Martin, Paul  95 Martin, Rudolf  256 Marx, Wilhelm  175 Matthias, Eugen  161 Meisl, Willy  150 Metaxas, Anastasios  87 Migge, Leberecht  42, 57, 67, 195, 285 Milles, Dietrich  260 Mosse, George  93 Mosso, Angelo  225

343 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370292 — ISBN E-Book: 9783647370293

Münsterberg, Hugo  264 Musil, Robert  12, 138 Muthesius, Hermann  57, 59, 85 Napoleon Bonaparte  94 Napoleon III. 184 Neuendorff, Edmund  163 Nicolai, Georg Friedrich  91 f., 235, 242 Nielsen, Stefan  146 Nurmi, Paavo  105, 262 Nye, David  23 Oppenheimer, Carl  229 Ortega y Gasset, José  145, 218 Ostrop, Max  154 Oswald, Rudolf  127, 149 Peltzer, Otto  261–263 Peukert, Detlev J. K. 281 Pfeiffer, Eduard  261–263 Planert, Ute  243 Podbielski, Viktor von  84, 94, 113, 116, 184 Poelzig, Hans  250 Poliakov, Léon  93 Pyta, Wolfram  175 Quanz, Dietrich  227 Rathenau, Walther  197 f. Rauscher, Ulrich  102 f., 117 f. Raydt, Hermann  52, 186, 190 Reckwitz, Andreas  142 Rehorst, Carl  48 Reich, Wilhelm  266 Reichenau, Walter von  63 f. Reinhardt, Max  217 Rigauer, Bero  28 Risse, Heinz  165, 285 Rolfs, Wilhelm  189 f., 193, 203, 216 Roßbach, Arwed  186 Rubner, Max  246, 273 f., 277 f. Runge, Johannes  134, 137 Sahlins, Marshal  180 Sandiford, Keith  105 Sauerbruch, Ferdinand  248 Scharoo, Pieter W. 159 f. Scheffler, Karl  90 Scheidemann, Philipp  102 Schenckendorff, Emil von  184, 235

Schenk, Gerrit Jasper  208 Schlögel, Karl  12, 26 Schlögl, Rudolf  34 Schmarje, Walter  93 Schmidt, Ferdinand August  55, 184, 188, 190, 235, 241 Schmidt, Thomas  83 Schmitz, Bruno  187 f., 190 Schneider, Ute  95, 108 Schroer, Markus  21, 95 Schulte, Robert Werner  267–270, 272, 279, 281 Schultze-Naumburg, Paul  59 Schulze, Diana  60 Schustehrus, Karl  84 Schwarz, Ernst  253 Schweisheimer, Waldemar  261–263 Schweizer, Otto Ernst  152, 169 f., 180, Seeckt, Friedrich Hans von  247 Seiffert, Hans  282–284 Seiffert, Johannes  88, 101,156 f., 168, ­216–222, 250, 290 Sennett, Richard  181 Shields, Rob  179 Siebert, Albert  66 f. Simmel, Georg  262 Sippel, Hanns  272, 280 Sitte, Camillo  38 Smith, Arthur  228 Soeffner, Hans-Georg  175 Sohnrey, Heinrich  179 Sombart, Werner  139 Spies, Adolf  233 Staudenmaier, John M. 102 Stern, William  264 Stippak, Marcus  51 Stübben, Hermann Josef  85 Suttner, Bertha von  17 Sydow, Reinhold von  113 Tabor, Jan  144, 286 Tänzler, Dirk  175 Taut, Max  250 Thiersch, Friedrich von  188 Thörner, Walter  258 Trott zu Solz, August von  113 Tschira, Arnold  169 Turner, Victor  179, 288 Vamplew, Wray  149 Veblen, Thorstein  17

344 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370292 — ISBN E-Book: 9783647370293

Velde, Henry van de  187 Verspohl, Franz-Joachim  145, 180 f. Vinnai, Gerhard  28 Vordermayer, Ludwig  93

Wilhelm I. 187 Wilhelm II. 83, 102, 107, 116, 120, 191 Willner, Max  228 Wils, Jan  159 f. Winkel, Camiel van  22 Wirth, Joseph  212 Witte, Ernst  184 Wittgenstein, Ludwig Josef Johann  18 Wyneken, Gustav  108

Wagner, Otto  199, 212 Wagner, Richard  219 Waitzler, Josef  63, 77 Weber, Max  19, 143 Wehler, Hans-Ulrich  30 Werfel, Franz  147 Wiegelmann, Günther  179

Zinnecker, Jürgen  45 Zuntz, Nathan  55, 92, 235, 237, 240 f., 275

Ortsregister Ägypten  19, 94 Amsterdam  159, 170, 209, 224, 258 Annapolis 63 Athen  53, 87, 184, 228, 238 Baden  134 f. Bayern 134 Berlin  9–11, 27, 29, 33–36, 38 f., 54, 63, 77, 82–86, 92–93, 98, 102–104, 110, 118, 129, 132, 141, 147, 151, 153, 155–157, 175–177, 194, 196–198, 206, 209, 212, 252–253, 256, 269, 276, 279, 284 Boston  59, 63 Brandenburg  84, 256 Braunschweig  10, 75, 135, 184, 189 Bremen 39 Breslau  85, 155, 169, 194, 199, 201–203, ­210–212, 215, 221, 224, 253, 273 Cambridge/Mass. 63 Charlottenburg (1920 eingemeindet nach Groß-Berlin) 75, 84, 110, 215, 249, 268 Chemnitz 40 Chicago  43 f., 52, 61, 63 Danzig 211 Darmstadt  135, 169 Dortmund  142, 144, 279 Dresden  37, 38, 51, 75, 77, 135, 189, 229–231, 241, 254, 278 Düsseldorf  39, 47, 156, 167, 216, 290 Duisburg  39, 155

Elberfeld  75, 155 England  10 f., 20, 29, 38, 50–52, 57 f., 60, 62, 105, 113, 128, 139, 283 Erfurt 266 Essen  38, 142 Flensburg 75 Frankfurt/Main  132, 142, 144, 149, 153, 155 f., 162 f., 168, 186, 219, 253, 259, 290 Frankreich  51, 187 Freiburg 240 Friesland 179 Garmisch-Partenkirchen 205 Gelsenkirchen  142, 144 Gießen 247 Glasgow  148, 238 Goslar 186 Griechenland  92 f., 212 Großbritannien  14, 51, 148 Hamburg  10, 75, 128 f., 132, 134, 244, 264 Hannover  10, 128, 141, 144, 155, 186 Harburg 128 Hessen  134 f., 169 Hildesheim 128 Italien  148, 161, 289 Japan  113, 264 Kabul 177 Karlsruhe  135, 273

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Kassel  161, 186 Kiel  75, 135 Koblenz 187 Köln  141, 153, 155 f., 169, 183, 189, 194, ­198–202, 207 Krummhübel  205 f. Kyffhäuser-Kelbra 187 Lausanne 156 Leipzig  38, 95, 108, 126, 132, 151, 186–188, 190 Magdeburg  37, 39, 158 Mainz  39, 186 Mannheim  85, 161 Marburg 253 Moskau  169, 181 München  38 f., 41, 253, 256 New Haven  63 New York  63 Niederwalddenkmal  93, 186, 188, 289 Nürnberg  75, 155, 158, 161, 169, 284 Offenbach 150 Österreich  148, 211, 238, 260 Paris  87, 185, 187, 198, 226–228, 231 Philadelphia  63, 66 Pittsburgh 63 Porta Westfalica  187 Preußen  84, 113, 128, 134 f., 159, 194 Princeton/New Jersey  63

Regensburg 93 Rheinland  198–199, 212 Rom  90, 92, 181 Rüdesheim 186 Rüdesheim-Niederwald  187 f. Ruhrgebiet  38, 142 Saarbrücken 161 Sachsen 135 Santiago de Chile  177 Schlesien  199, 292 Schöneberg (1920 eingemeindet nach ­Groß-Berlin) 84, 180 Schweden  88 f., 113 Schweiz 144 Sowjetunion  63, 264, 289 Spandau (1920 eingemeindet nach ­Groß-Berlin) 83, 110, 247, 265 St. Louis  55, 87, 227 Stockholm  53 f., 88, 89, 96, 228 Stuttgart 161 Vereinigte Staaten von Amerika  43 f., 51, 52–56, 59–61, 63–69, 77, 169, 227, 251, 264 Völkerschlachtdenkmal  93, 186, 190 Washington D. C. 63 Weimar 187 West Point/New York  63 Wien  146, 148, 177 Wiesbaden 161

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