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German Pages 246 Year 2014
Nino Ferrin Selbstkultur und mediale Körper
KörperKulturen
Für unsere Kinder – Inara und Mikel
Nino Ferrin (Dr. phil.) lehrt Erziehungswissenschaft an der Freien Universität Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind (Medien-)Bildungstheorie, Pädagogische Ethnographie/Anthropologie und Schulforschung.
Nino Ferrin
Selbstkultur und mediale Körper Zur Pädagogik und Anthropologie neuer Medienpraxen
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Inhalt
1. Einleitung | 7 2. Theorien der Selbst-Kultur | 13
Foucaults Grundlegung: Selbstbildung | 13 „culture de soi“ | 17 Über Anthropotechnik | 21 Theorien zum Selbst | 27 Selbst-Bildungstheorie | 36 Körperliche Selbstbilung | 43 Mediale Selbstbildung | 51 Ästhetik der Simulation | 72 3. Performative Technographie: Stil- und Netzwerkanalye | 87
Stilanalyse und fokussierende Ethnographie | 87 Technographie medialer Kultur | 92 Performativ-rekonstruktive Netzwerkanalyse | 98
4. Anthropologie ludischer Selbstverhältnisse | 109 Körperbilder in Bewegung: Körperliche Avatarsteuerung in Wii-Sportsimulationen | 115
Boxtechnik | 120 Anrufung beim Bowling | 124 Selbstfindung beim Tennis | 131 Zusammenfassung | 137
Selbstbilder | 143 Selbstbeobachtung | 148 Der strategische Körper: Welt der Kriegskunst | 153
Ansichten des Jägers | 158 Mit den Augen eines Priesters | 170 Zusammenfassung | 179
Strategien des Selbst | 183 (Selbst-)Stilisierung | 191 5. Von der Selbstbildung zur Selbstkultivierung | 201
Selbstkulturen des Performativen | 201 Entwurf einer Selbstkultur | 209 Hybride Selbstkultur | 218 Literatur | 223 Anhang – Richtlinien der Transkription | 243
1. Einleitung
Das zentrale Anliegen der vorliegenden Untersuchung ist die Entwicklung des Konzepts der Selbstbildung in einer inhaltlichen Verschiebung zum abweichend akzentuierten Begriff der Selbstkultur im Sinne einer „Selbstkultivierung“. Unter diesem Blickwinkel werden einleitend eine Reihe von Diskurskomplexen erörtert: Was sind die Grundannahmen der Konzepte der Selbstbildung, wie verorten sie sich in Bezug zur Bildungstheorie und worauf bezieht sich das Selbst in der Bildung? Medial gerahmte Praktiken gegenwärtiger Spielkulturen führen in diesem Zusammenhang von den zugrunde liegenden Konzepten des Untersuchungsfelds zu einer Übersicht der theoretischen Paradigmen und münden in einer beispielhaften Datenanalyse, in der ein Potential der Selbstbildung beziehungsweise Selbstkultivierung auch innerhalb der empirischen Darstellung erforscht werden soll. Die Auseinandersetzung soll wie hier dargestellt erfolgen: In einem ersten Schritt wird ein Entwurf von Selbstbildung im Sinne des Konzepts der Selbstkultivierung erläutert, es werden Bezüge zu unterschiedlichen Disziplinen vorgestellt und dabei wird auf verschiedene Theoriehintergründe rekurriert. Unter Zuhilfenahme (medien-)bildungstheoretischer Argumentationen wird ein Entwurf von Selbstkultur in medialen Praktiken erstellt und im Anschluss auf die empirische Fragestellung nach selbst-bildenden Praktiken im Medium und den Potentialen der Arbeit an sich auf die Akteure und ihre medialen Praktiken bezogen. Dabei stellt die Rolle der technischen Vermittlung einen Fokus dar, da in dem Zwischenraum von Akteur und Medium sowie an der Kontaktfläche beider Bedeutungen generiert werden, die nicht nur auf menschlichen Prozessen basieren, sondern auch auf dem technischen Prozessieren. Als Beispiel kann die Bedienung von Sportsimulationen an der von Nintendo produzier-
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ten Konsole „Wii“ dienen, die in einem Dazwischen von Körperwahrnehmungen und -bewegungen sowie Medienbildern die Rahmung der Situation als technosozial vermittelte bereit stellt (vgl. Ferrin 2011). Die Spielpraxis mit der Wii sowie mit dem Onlinespiel „World of Warcraft“ als Mehrspielerfantasieszenario am PC bilden (neuere) Spielkulturen ab, die als verschiedene Formate von Gebrauchspraktiken analysiert und mit einer ethnographischen Forschungshaltung zugänglich gemacht werden. Es zeigen sich zum einen submedial spezifische Ausprägungen der Spiel-, Simulationsund Bewegungsmodi, welche jeweils für sich genommen feldbedingte Aneignungsformen erfordern, um praktikabel zu sein. Gleichermaßen ist den jeweiligen Darstellungen, die eine eher exemplifizierende Rolle innerhalb dieser Arbeit einnehmen, eine unterschiedliche Position der ethnographischen Beobachterposition zu eigen, indem sie jeweils einen anderen Standpunkt des Forschers zum einen als teilnehmenden, zum anderen als teilhabenden Beobachter anzeigen. Die Konsequenz, die jeweiligen Standorte als je eigene Beobachterpositionen zu kennzeichnen, verhilft zu einem Überblick der ethnographischen Zugänglichkeit zum Medienpraxisfeld. Denn wenn sich in den Subfeldern ein Akteur1 etabliert, so geschieht dies unter medialen Konditionen, sozusagen innerhalb einer bestimmten Weise von technischer Vermittlung. Die Akteure, die sich in die medialen Bedingungen involvieren, entwerfen sich gleichzeitig als Mediensubjekte, welche in mancher Hinsicht dem Prinzip der Steuerung durch die Akteure unterstellt sind. Dem Paradigma der Performativität gemäß entsteht jedoch innerhalb von solchen Handlungen stets eine simultane Doppelstruktur: Während der Akteur noch meint, Kontrolle über seine Spielfigur (Avatar) auszuüben, sind der Avatar sowie der Akteur selbst als hybride Kopplung anderen (medialen und) symbolischen Ordnungen ausgesetzt. Hier wird zu zeigen sein, wie sich die Spieler zu ihrer eigenen Spielfigur verhalten und innerhalb der Medienumwelt verorten, und inwieweit sie in der Distanz oder Nähe zu der Figur zu einer Sicht auf die Darstellung gelangen, die implizit wie explizit das Selbstbild, aber auch das Weltbild der Akteure der Möglichkeit nach ändern kann.
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Im Folgenden ist in der vorliegenden Forschung mit der Nennung der männlichen Funktionsbezeichnung, sofern nicht anders gekennzeichnet, immer auch die weibliche Form gemeint.
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Jeweils kurze Einleitungen sollen dabei die Feldmodalitäten (prä-)definieren und die Strukturen des Spiels oder der Simulation beschreiben. Da sich die Analyse primär auf Praktiken richtet, soll bei den Betrachtungen mehr die eigentliche Praxis der Akteure als eine Spielstrukturanalyse im Vordergrund stehen. Im Prinzip der Komparation der jeweiligen Handlungen in einem Feld stellt sich die Art und Weise, wie ein Medienakteur „spielt“, als Aneignung des Feldes dar. Die Artikulationen der Akteure basieren der weiteren These nach auf typischen Gebrauchsformen, die selbst auf andere Felder verweisen und meistens nicht nur medienbedingte Gewohnheiten darstellen. An den jeweils typischen Umgangssituationen interessiert sodann die besondere Haltung, Stellung, Einstellung, die der Akteur im Vollzug zu sich selbst, zum eigenen Körper und den Handlungen einnimmt, und die vom Alltagsnormalität insofern abweichen, als nunmehr mediale Möglichkeitsräume genutzt werden, um eine Arbeit mit und an sich zu vollziehen. Als eine Dimension der Forschung kann der medial (re-) präsentierte Körper dienen, welcher im Gegensatz zu älteren bilderlosen Formen so genannter „Muds“2 (vgl. dazu Turkle 1998) in den Untersuchungsfeldern visuell „gegenwärtig“ ist. Er ist im bewegten Bild beobachtbar, steuerbar und stellt eine Form der medialen Positionalität heraus, welche in anderen (nicht medialen) Feldern keineswegs herstellbar ist, somit können mediale Erfahrungen als nicht gleichwertig substituierbar gelten. Solche Formen stellen allgemein gesprochen eine Möglichkeit der Selbstreflexion dar. In den beiden submedialen Feldern („Wii“ und „World of Warcraft“, von hier an WoW) werden zudem unterschiedliche Grade und Modi an reflexiven Praktiken erkennbar, welche von Experimenten bis hin zu Selbstinszenierungen reichen. Zur Interpretation der Daten wird eine videographisch angelegte, konkret auf Rekonstruktionen basierende Forschungsmethode angewandt, die auf eine Analytik kultureller und performativer Aufführungen zielt. In der empirischen Auslegung zeigen sich bestimmte Arten medialer Gebrauchsstile, die jeder Akteur im Moment der Mediennutzung ausprägt. So gesehen wird der Begriff des Stils eine wichtige Rolle innerhalb der Untersuchung einnehmen. „Unter Stil wird im Folgenden die beobachtbare individuelle und sozial kohärente (Selbst-) Präsentation verstanden“ (Wulf/Zirfas 2007: 21), wobei die Nuance in dem
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Mit Multi User Dungeons sind textbasierte Online-Rollenspiele gemeint.
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vorliegenden Ansatz darin besteht, die Klammer um den Begriff des Selbst aufzulösen und explizit nach den Stilelementen der Selbstpräsentation zu fragen. Die mediale Doppelung des Körpers, die Beobachtung und die Orientierungsfunktion der Bilder lassen zumindest aus einer „distanzierten“ Forschersicht Handlungskonzeptionen deutlich werden, die in der Praxis als Gewohnheiten meist unbeachtet bleiben. Indes zeigen sich gerade im medialen Bearbeiten solcher Praktiken alternative Orientierungsmuster, welche weitere Reflexionen anregen und als erspielte Selbstbilder zu Umbildungen führen können. Mit dem Begriff des (Mediengebrauch-)Stils oder aber der Selbststilisierung lässt sich dann das forschungsleitende Interesse empirisch bearbeiten: inwiefern die Selbstkultivierung durch mediale Praktiken konkretisiert wird und als Erfahrung orientierungsprägend ist. Schließlich sei noch darauf verwiesen, dass bei alledem und gerade unter dem Gesichtspunkt einer „performativen Bildungstheorie“ die körperlichen Ausdrucks- und Wissensformen eine herausragende Rolle spielen. Sie tun dies unter dem Blickwinkel, dass solche Wissensformen die Akteure meist in einem „Anschmiegen“ an die Situation leiten, ohne dass intentionale Entscheidungen sie steuern. Es wird also auch im besonderen Sinne zu bedenken sein, ob dem Konzept der Selbstbildung die „Hexis“ (vgl. Fröhlich 1999) als Körperdimension der Orientierungen zu ergänzen ist. Im selben Maße muss der empirischen Textanalyse eine visuell ausgerichtete Form zur Seite gestellt und im Wechselspiel miteinander kombiniert werden, um die Interpretationen reziprok aufeinander abzustimmen. Grundlegend bedient sich die Darstellung der theoretischen Begrifflichkeit der Selbstbildung in den Bedeutungsnuancen von Selbstkultur oder Selbstformation einer kulturwissenschaftlichen Ausrichtung, wie sie Micha Brumlik in primärem Bezug auf ein kulturwissenschaftlich argumentierendes Forschen postuliert (vgl. Brumlik 2006, vgl. dazu auch Wimmer 2002). Sie richtet sich in erster Linie gegen eine im systemischen Vokabular verbleibende Theorieorganisation und plädiert dafür, Themen und Ansätze für die Erziehungs- und Bildungswissenschaft zu fokussieren, die man unter dem Namen der „historisch-pädagogischen Anthropologie“ (vgl. bspw. Gebauer/Kamper/Lenzen/Mattenklott/Wulf/Wünsche 1989 sowie Wulf 2001) subsumieren könnte. Der Ansatz einer kulturhistorischen Differenziertheit nicht des Menschen, sondern der Menschen und einer jeweils kulturspezifischen Ausformung von Praktiken und Techniken ist in diesen
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Ausführungen leitend. Die reflexive Position des (theoretisch wie empirisch agierenden) Forschers gilt dementsprechend auch für den Ethnographen, der sich bei Begegnungen mit anderen, zumeist fremden Akteuren gewiss über die eigene Begrenztheit der Wahrnehmung innerhalb solcher Kontaktzonen (vgl. Wulf 2010) sein soll. Es wird in den untersuchten Medienpraktiken eine Selbstsicht, ein Motiv der stets wiederkehrenden und seit geraumer Zeit praktizierten Selbstbezüglichkeit zu erkennen sein, welche als Bedingungsmoment eines (Selbst-)Bildungsprozesses angesehen werden kann. Solche Eigenrelationen eröffnen durch die Hinwendung zu sich einen Möglichkeitsraum, der zur Ausprägung vielfältiger Aktivitäten werden kann. Das Einüben des Sich-Betrachtens und zugleich Neu-Entwerfens kann durch die verschiedenen submedialen Praktiken hindurch beobachtet werden. Eine normative Komponente stellt die darin enthaltene Idee der übungsbedingten Verbesserung auf zwei Ebenen dar. Erstens werden einfache Tätigkeiten „geschult“. Doch zweitens, so die weiterführende These, übt der Akteur dabei noch andere Handlungskomplexe, die auf anderer Ebene ein Organisieren von den erstgenannten Tätigkeiten andeuten. Die Festlegung auf aktuelle Akteursmodalitäten wird im Neuentwurf auch anders möglich erkennbar und insofern „gespiegelt“. Der Hauptgehalt der Bildung des Selbst, der Selbstbildung, liegt in einer stärkeren Ausdifferenzierung, welche sich in letzter Konsequenz nicht nur auf mediale Praktiken beschränken kann, aber hier einen primären Reflexionsraum vorfindet: „Lesen/Schreiben, Film- und Fernsehbetrachtung, schließlich der Umgang mit dem Computer sind auch interobjektive Beziehungen – zudem mit intersubjektiven Bestandteilen –, aber im Zusammenhang einer Kulturtheorie des modernen Subjekts stellen sie sich primär als Technologien des Selbst heraus, in denen das Subjekt über den Weg der Wahrnehmung von ihm präsentierten oder selbst produzierten Zeichensequenzen mit sich selbst beschäftigt ist, sei es zum Zwecke der Bildung, des Kunstgenusses, der Selbstexploration, der Zerstreuung oder des Spiels.“ (Reckwitz 2006: 59)
Ziel der Forschung kann im vorliegenden Fall nicht sein, eine Hypothese verallgemeinernd auf größere Populationen hin zu prüfen, sondern den Bereich der Untersuchung in einigen Kategorien auszulegen, nicht aber zu erklären. Daher befindet sich nach der Explikation der theoretischen Annahmen und Ausgangsfragen (Kapitel 2), die jedoch auch immer fortlau-
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fenden Differenzierungen durch Erfahrungen im Feld, mit Kollegen und weiteren Texten etc. unterliegt, den Methoden (Kapitel 3) und Interpretationen empirischen Datenmaterials und den jeweiligen abstrahierenden Rückbezügen auf eine theoretische Ebene (Kapitel 4), sodann ein abschließender Teil, den man am ehesten als Ausblick und Rückblick (Kapitel 5) auf die Arbeit beschreiben kann. Infolgedessen ist die theoretische wie praktische Skizzierung von Gebrauchssituationen zentral für die Untersuchung, die sich als Verbindung von pädagogischer Anthropologie sowie Ethnographie und medialer Selbstbildung versteht. Dabei wird (mediale) Selbstkultivierung als eine Selbsttechnik ausgewiesen, welche auch in künftigen (techno-)sozialen Entwicklungen eine konstitutive Bedingung zur Beschreibung von Selbstpraktiken sein wird.
2. Theorien der Selbst-Kultur
F OUCAULTS G RUNDLEGUNG : S ELBSTBILDUNG Wenn man das zusammengesetzte Wort Selbst-Bildung einer genaueren Betrachtung unterzieht, gelangt man zunächst zu drei verschiedenen Bedeutungsvarianten: 1. zu den jeweils eigensinnigen Bedeutungen der einzelnen Wörter von
Selbst – Bildung, 2. zu dem Konzept der Selbstbildung als Bildung des Selbst bzw. „formation de soi“ und 3. zu der Selbstbildung bzw. „culture de soi“ im Modus der Selbstpraktik/ Selbsttechnik/Anthropotechnik, also dem nachfolgend zu entfaltenden Konzept der Selbstbildung als Selbstkultivierung. Zudem steht der Begriff Selbstbildung in der deutschen Tradition des exzeptionellen Modells des Wortes Bildung, für den man im fremdsprachigen Ausland kaum eine gleichwertige Übersetzung findet. Um die obigen Bedeutungsnuancen differenziert aufzugreifen und in der Folge als Anwendung auf den Bereich der Medienpraktiken auszuweiten und auszuweisen, dass die Selbstkultur hier einen originären Ort hat, eröffnet dieses Kapitel verschiedene Zugänge zum Konzept der „Selbstkultivierung“. Dabei soll nach den grundlegenden Bestimmungen anthropologischer und kulturwissenschaftlicher Art im nächsten Schritt die Zuordnung zum Bildungskonzept geschehen.
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antiken griechischen Selbstkonstitutionen das Modell medienstrukturell visualisiert und vorgeführt. In der Art und Weise des Gebrauchs lässt sich experimentell die Mediensubjektivation als Selbstformung verstehen. Die Bedienung der Spiele, oder genauer der Spielfigur, verweist, allgemein formuliert, auf den Stil oder eine Haltung, die der Spieler der Simulation gegenüber einnimmt. Analog zum Rezeptwissen des „Gebrauchs der Lüste“ (vgl. Foucault 1984) im antiken Griechenland gibt es eine Masse an Expertenwissen zum richtigen oder vielmehr zum falschen Gebrauch der Medien. Dieses speist sich zumeist aus der fast traditionellen und schon bei Platon auffindbaren Skepsis gegenüber Medien beziehungsweise Kunst(-schaffenden), welche, zu einer Medienwirkungsforschung ausdefiniert, nachhaltig mit dem Begriff und Konzept der „Wirkung“ operiert (Drinck/Ehrenspeck/Hackenberg/Hedenigg/Lenzen 2001). „Wirkung“ ist dabei einer naturwissenschaftlichen Argumentation entlehnt, bei der es sich eben um naturgesetzliche Annahmen handelt, die stets dieselben Resultate reproduzieren. Allerdings sind solche vereinheitlichenden Theorien hinsichtlich menschlicher Praktiken nicht haltbar, beziehungsweise als unterkomplex zu bezeichnen. Viel eher ist eine Wirkung der alltäglichen Eingebundenheit in biographische Prozesse nachgeordnet. Demgemäß ist auch der Gebrauch der Medien eine zutiefst subjektive Leistung und ermöglicht die Ausbildung, Anwendung und Transformation von Haltungen. Sicherlich gilt auch hier das Prinzip des Changierens zwischen den Formen der Involvierung von Nähe und Distanz, weshalb die unterschiedlichen Weisen des Gebrauchs auch differente Haltungen folgern lassen und Änderungspotentiale offerieren. In der Nutzung jener Spiele oder Simulationen formt sich ein auf habituellen Bedingungen basierender Akteur, der das Alltagshandeln von den gängigen Anwendungen des Tentativen und der medientechnischen Flexibilisierung erhöhen und dadurch lösen kann. Der Bezug zu sich als bildhaftes und veränderliches Mediensubjekt – in der Figur des Avatars simuliert – offeriert auch hier ein Modell zur aktiven Formgebung. Rückbezogen auf das Formationsprinzip kann eine Haltung gegenüber dem Mediensubjekt implementiert werden, welches bereits praktischer Teil der (interobjektiven) Symbiose aus technischer Spielrahmung und Akteur ist und in der Interaktion im Sinne von Steuerung via Bewegung Ausdruck findet. In der Beherrschung des medialen Selbst liegt auch empirisch in Form des „Stilkönnens“ die Inszenierung eines fortge-
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schrittenen und geübten Spielers zugrunde, dessen Avatar (und somit auch er selbst) gewisse Anerkennungsgesten genießt, die je Spiel und dem dazugehörigen Unterwerfungsmodus verschieden ausfallen. Den Bereichen der Medienpraktiken ist jeweils zu eigen, technisch spezifizierte und grundlegend unterschiedliche „Welten“ hervorzubringen, in die sich Spieler und Simulanten einpassen müssen. Von daher begibt sich der User in eine virtuell vorgeformte Welt, die sich auf Computerbildschirmen, Fernsehgeräten oder anderen Visualisierungsflächen entspannt. Die zunächst auf den Sehbereich beschränkte „Sichtweise“ ist konstitutionell für den Bereich der Spielkulturen. Die vermittelten Daten werden vornehmlich über die (audio)visuelle Wahrnehmung aufgenommen und könnten leicht auf diese beiden Sinnesbereiche beschränkt werden. Wie das Beispiel der Sportpraktiken mit der Wii zeigen wird, gilt das nicht für alle Spiele, und auch bei älteren Formen lässt sich sinnvollerweise das Audiovisuelle mit der Haptik ergänzen. Insbesondere verweist der Gebrauch der Wii darauf, dass der Körper mehr als eine Steuertechnik zu betrachten ist, und die Vermittlung durch die Bewegung mehr ausmacht als die bloße visuelle Wahrnehmung von beispielsweise Boxschlägen. Die Zugänge zur medialen Welt, die einleitend als mimetische gekennzeichnet wurden, in der sich der Medienakteur verorten muss und in der Folge eine simulierte Subjektivität ausbaut, sind primär durch die Struktur der Spiele und Simulationen determiniert, was zu einem gewissen Teil auch in die Analyse der Medienpraktiken einfließt. Für die übergeordnete Beschreibung der Untersuchungsfelder muss ferner ein Entwurf formuliert werden, welcher beide Bereiche insofern vereint, als dass die Selbstkultivierungen trotz differierender Verfahren darin aufgehen, um sodann in einer detaillierten Analyse auf die jeweiligen Subfelder zu sprechen zu kommen. Zusammenfassend lässt sich am ehesten und in Anlehnung an den theoretischen Einleitungsteil von einer Selbstkultivierung sprechen, die im Modus einer „Ästhetik der Simulation“ verläuft. Ziel dabei ist es nicht, ein Dispositiv der Spielkultur zu erstellen (vgl. Liebe 2008), sondern innerhalb der spezifischen Selbststilisierungen nach den jeweiligen Übungen, Askesen zu fragen und sie als mediale Selbstbildungspotentiale zu begreifen. Sie thematisieren einen bestimmten Bereich, der in der rekonstruktiven Datenauswertung untersucht werden soll. Im anschließenden empirisch ausgerichteten Analyseteil wird einerseits die methodische Erforschung der Gestaltung der medialen Welten fokussiert,
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und untersucht, wie der Akteur mit den Aktanten in den Interaktionsräumen navigiert. Dabei sollen die Modifikationen einer auf technische Praktiken ausgelegten Ethnographie und die Selbstrelationen abbildende Stilanalyse im Mittelpunkt stehen. Des Weiteren werden die erhobenen Daten mithilfe der komparativen wie rekonstruktiven Methodik auf Basis videogestützter Beobachtungen interpretiert. Dabei stehen die Analysen des WoW und WiiSports im Mittelpunkt, während die bereits erwähnte Simulation des 2nd Life einen Kontrast zu ihnen darstellt, jedoch in die eigentliche Datenauswertung nicht einbezogen wird.
3. Performative Technographie: Stil- und Netzwerkanalyse
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UND FOKUSSIERENDE
E THNOGRAPHIE
Als eine Folge aus dem bis hierhin Erörterten erfordert die empirische Erforschung von Selbsttechniken einen spezifischen Blickwinkel des Forschers, auch hinsichtlich seiner Analysemethode. Dies soll in Form einer Forschungsstrategie (siehe dazu S. 96ff) mit den Grundlagen und Annahmen einer „performativen Pädagogik“ (vgl. Wulf/Zirfas 2007: 18ff) gelingen. Dabei wird im Sinne einer Ethnographie sozialer Prozesse zunächst das „Was“ der Inszenierung und Aufführung von (Selbst-)Bildungspraktiken in den Mittelpunkt gerückt. In diesem Zusammenhang stellt sich weiterführend auch die Frage nach dem „Wie“ dieser Performanz (vgl. Bohnsack 2007), was den Blick auf die sozialen Arrangements und die in dieser Rahmung stattfindenden Ereignisse richtet, und nach der Art und Weise ihrer Darstellungen fragt. Das Phänomen performativer Überschüsse weist dabei darauf hin, dass Handlungen stets Unkalkulierbares, Nicht-Planbares bereithalten. Praktiken entspringen emergente wie kontingente Handlungsanteile, die auf eine Selbstreferenz der Situationen hindeuten, denn das rituelle Aufrufen von Regeln und Normen kann auch immer deren Subversion bedeuten (vgl. Wulf/Zirfas 2007: 17). Mit diesen Grundprinzipien entwerfen Wulf/Zirfas eine methodische Ausrichtung, die auf der teilnehmenden und videogestützten Beobachtung sowie der Auswertung von Photographien als auch der Durchführung von Interviews und Gruppendiskussionen aufbaut und damit einen Zugang zum Situativen einer Szenerie herstellt. Solche ethnographisch angelegten Forschungen einer als Kulturpädagogik verstandenen Forschung zielen auf eine „Analytik kultureller
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und performativer Aufführungsstile“, wobei Stil im Folgenden verstanden wird als „eine sichtbare, einheitsstiftende Präsentation, in die jede Einzelhandlung und jedes Detail mit dem Ziel eingearbeitet ist, eine homogene Figuration oder ‚Gestalt‘ – den Stil zu bilden und darzustellen. ‚Stil zu haben‘ – in diesem Sinne – bedeutet, fähig zu sein, bewusst für andere und auch für das eigene Selbstbild eine einheitliche Interpretation anzubieten und zu inszenieren.“ (Soeffner 1992: 79, vgl. auch Wulf/ Zirfas 2007: 21)
Die Analyse eines „performativen Stils“ soll dazu dienen, die Gebrauchspraktiken und den Stil der Akteure im Zusammenspiel mit der Medientechnik auszudeuten. In der Gestalt einer Stilanalyse zeigt sich überdies eine kongruente Selbstformung der Akteure oder einer Gruppe von Akteuren durch die ästhetische Haltung, die sich durch die konjunktive wie distingierende Funktion von der Umwelt abgrenzt, und in dem medialen Kontext eine spezifisch vom Alltäglichen zu unterscheidende Einstellung anzeigt. Dabei bilden die identifizierenden Praktiken einen Anteil an Selbststilisierungen und -inszenierungen aus, indem sie abbilden, was vollzogen wird. Die Ausdrucksformen erfordern eine videographisch fundierte Perspektive, um die Symbole sprachlicher und körperlicher Figurationen zugänglich zu machen. In einer von performativen Elementen geprägten Kultur sind die zentralen Neuerungen, dass ein spielerischer und gestaltender Umgang mit dem eigenen Selbst nur bedingt ein Maskerade, sondern eher eine „Zurschaustellung einer Selbstauslegung für andere“ (ebd.: 30) darstellt. Selbsteinwirkungen sind ferner empirisch zugänglich, weil sie sich nicht nur auf kognitive Prozesse beschränken lassen, sondern in der Situation körperlich sowie materiell-räumlich verortet sind. In Bezug auf die Beobachtbarkeit der gestalterischen Seite des Handelns lassen Medienselbsttechniken die Prozesse ostentativ werden. Um diesen Stilelementen nachzugehen, ist eine Komparation mit anderen Stilen (zur Komparation als methodologischem Prinzip vgl. Nohl und Bohnsack 2007) nötig, da erst in der Identifikation durch beispielsweise einen ethnographisch vergleichenden Beobachter die expressive Haltung von der rein instrumentellen abgehoben werden kann (vgl. Hahn 1986: 603f). Mit Hahn kann der Stilbegriff dann noch erweitert werden: Er wird aus Gewohnheitsbildungen abgeleitet und ist als verinnerlichter Habitus zu verstehen, der allerdings über Stilbil-
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dungen subkulturell wie auch bewusst und expressiv gestaltet werden kann (vgl. ebd.: 609). In der „Haltung“ treffen die Kategorien von Präsentation und Beobachtung aufeinander, da sie in dieser Einheit als soziale Interaktion zu begreifen sind. Die damit zusammenhängenden Stilisierungspraktiken, die „Stylings“, sind dementsprechend beobachtbare Handlungen, die eine homogene Präsentation bei Beobachtern erzielen sollen. Die „kulturelle Überhöhung des Alltags“ für sich selbst und andere Akteure ist dabei als ein bewusster Akt der Inszenierung aufzufassen, da sonst leicht jede Tätigkeit als Stil interpretierbar wäre (vgl. Soeffner 1992: 78f). Als Designer seiner selbst ist es dem Akteur möglich, seine Handlungen im Hinblick auf die potentiellen sowie konkreten Beobachter und auf seine Selbstbeobachtung hin teilaktiv zu „ästhetisieren“. Im Styling, dem selbst-bewussten Ästhetisieren, ist der Stil eine Kategorie, die von dem Inszenierenden in der Aufführung in der sozialen Interaktion erst produziert wird. Dessen ungeachtet ist es der Praxis inhärent, dass der Selbststilisierende einen Ausdruck formt, sich selbst beobachtend gegenübertritt und so eine Distanz zu sich herstellt (ebd.: 81). Mit anderen Worten liegt der ästhetisierenden Selbststilisierung eine Beobachtungskategorie zugrunde, welche empirische Zugänge zum Thema der selbstentwerfenden Medienpraktiken eröffnen kann. Für den Beobachter gilt es, dies als Reflexionsebene anzusehen, beziehungsweise zu erkennen, dass Stilisierungspraktiken erst durch den Beobachter entstehen, weshalb dem ethnographischen Forscher diese Rolle zukommt. Vor der Klassifikation der eigentlichen Daten erfolgt zunächst eine übergeordnete Diskussion ethnographischer Methoden, um den Zugang zu den Subfeldern der Medienpraktiken aus der Forscherperspektive darzulegen. Die methodische Entscheidung einer feldadäquaten Vorgehensweise ist zunächst als forschungsstrategische Annahme zu verstehen und schließt gleichsam die Reflexivität des eigenen Forscherblicks ein, soweit dies möglich ist. Amann/Hirschauer verstehen unter Ethnographie eine theoretische Perspektive auf die situative Schnittstelle zwischen Milieu und Biographie als einem empirischen Phänomenbereich und als methodische Leitdifferenz zwischen „Fremdheit und Vertrautheit“, eine Heuristik des „Vertrautmachens des Fremden“ (Amann/Hirschauer 1997: 11). Durch die technischen Neuerungen fällt es teilweise relativ schwer, sich medialen Praktiken zu nähern, zumal allein die medialen Grundbedingungen beim Spielen einem beträchtlichen Wert in vielerlei Hinsicht entsprechen. Dabei kommt dem generellen Zugang zum Medienfeld bedeutendes Gewicht zu,
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da insbesondere in der schnelllebigen Spielkultur eine Eintritt nicht ohne weiteres gelingt. Zumeist benötigt man dafür, wie es auch in der klassischen Ethnologie gebräuchlich ist, gar einen „Schlüsselinformanten“ (Amann/Hirschauer 1997: 26), einen „Einheimischen“ oder zumindest Eingeweihten und zur Subkultur Dazugehörigen. Denn obwohl in der jeweils eigenen und teils bekannten Kultur geforscht wird, basiert doch die Sprache auf diversen Abkürzungen und wird auf der Grundlage des „Netzjargons“ situativ neu generiert, so dass allein die De-Codierung dieser Interaktionsriten eine nicht leicht zu bewältigende Aufgabe darstellt. Die methodologischen Grundannahmen stellen insgesamt ein hart umkämpftes Diskursfeld innerhalb der methodisch oder methodologisch orientierten soziologischen Ethnographie (vgl. Knoblauch 2001 u. 2002 sowie Breidenstein/Hirschauer 2002) dar. Die Hauptdifferenz der verschiedenen Ansätze liegt in der Art und Weise des methodologischen Umgangs mit der Beobachtungssituation sowie der eigenen Rolle innerhalb dieser sozialen Szenarien begründet und zeigt sich ebenso bei der Aufnahme und Auswertung der technisch gewonnenen Daten. Außerdem unterscheiden sich diese Ansätze im weiteren Sinne bereits in dem Fremdheitsbegriff sowie in der Länge der Feldaufenthaltsphase (vgl. Knoblauch 2001, sowie Breidenstein/ Hirschauer 2002). Als Fremd sind zum Beispiel kulturelle Felder, aber auch Dinge oder Identitäten zu bezeichnen, die in generalisierten Erfahrungen keine Darstellung finden. Im Allgemeinen ließe sich neben diesen Unterschieden sagen, dass über den außerordentlichen Charakter der Methode bei den genannten Forschern eine breite Einstimmigkeit herrscht. Generell gilt: „Ethnographische Feldforschung erfordert zunächst und vor allem Anpassungsfähigkeit und Flexibilität. Jedes Feld stellt spezifische Anforderungen an den Feldzugang, jedes Feld ermöglicht andere Formen der Beobachtung und Befragung, jedes Feld erfordert spezifische methodische Vorgehensweisen“ (Breidenstein 2010: 206). Die Abweichungen einer „Fokussierten Ethnographie“ zu einer „klassisch“ zu berechnenden Ethnographie sind in der Definition zur Gestaltung des Feldaufenthaltes gegeben. Die Verschiedenartigkeiten sind aber eher in den Definitionen einzelner Begriffe und den von den plakativen Verkürzungen und polemischen Angriffen gezeichneten und wenig konturierten Methodenplänen begründet (vgl. hierzu die Reaktion von Breidenstein/ Hirschauer 2002 auf Knoblauch 2001).
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Im Folgenden soll aus den genannten Ansätzen eine Anpassung an das subkulturelle Feld der Medienpraktiken versucht werden, da in den jeweiligen Forschungsparadigmen für den Umgang mit Selbstpraktiken relevantes Wissen begründet liegt. Ein Basisproblem besteht in der Verwendung des Begriffs der „Fokussierung“ (Knoblauch). Sie ist in der Form den im Vorhinein fokussierten Ausschnitten, Elementen und Szenen sozialer Praktiken als eine Einschränkung aufzufassen wie auch die Beobachtung und Aufzeichnung medialer Selbstpraktiken ein spezifisch Aspekt des Interpretationsfokus in den beobachtbaren Szenen darstellt (vgl. Knobloch 2001: 132). Diesbezüglich ist jedoch der Hinweis von Breidenstein und Hirschauer hilfreich, die Bezeichnung der „fokussierten“ durch die „fokussierende Ethnographie“ zu ersetzen (vgl. Breidenstein/Hirschauer 2002: 126): Denn die Akteure werden in einer offenen Suchstrategie dahingehend erforscht, wie in ihren Feldern verschiedene Relevanzen erzeugt und wie mit ihnen umgegangen wird, demgemäß steht die Sinngebung der Akteure selbst im Mittelpunkt der Untersuchung. Zudem basiert die Debatte darauf, inwiefern der Feldaufenthalt als Grundlage der Forschung oder als (fast) ausschließliche Datenerhebung dient. Es ließe sich erwidern, dass die technische Datenerhebung für die Medienpraktiken von hoher Wichtigkeit ist. Das bezeichnet Knoblauch neben der kurzen Zeit im Feld und der Bedeutung der medialen Aufzeichnungsmedien als Fokus im Ethnographieverfahren. Gerade wenn die Subkultur, der sich der Ethnograph nähern will, eine spezifische Kultur ist, stellt sich der längere Verbleib in der zu untersuchenden Szenerie als wertvoll dar. Insofern ist das Konzept einer „fokussierenden Ethnographie“ die Grundlage für die weitere methodische Gestaltung der empirischen Datenerhebung und Bearbeitung. Auf die Grenzen und epistemologischen Probleme und die Art des Auswertungsverfahrens wird später noch eingegangen. Der methodischen Selbst-Kontrolle im Sinne einer analytischen Distanz kommt hierbei eine entscheidende Grundposition zu. Denn erstens hat die Position einen methodologischen Wert dahingehend, dass sie, als Bild gesehen, eine Fokussierung zu erzeugen verhilft, sowie auf die eigene reflexive Haltung verweist (vgl. Breidenstein/Hirschauer 2002: 126f). Die reflexive Position des Forschers geht dementsprechend auf eine ständig herzustellende „Befremdung“ der eigenen Sichtweisen zurück und soll von diesem Ausgangspunkt an als Haltung im Prozess verankert werden. Die Stellung des Forschenden kann dahingehend gedeutet werden, dass auch
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die eigenen Fokussierungen auf Gegenstände oder Inhalte des empirischen Feldes hinterfragt werden. Das gilt einerseits für die Auswahl des Feldes, die Fragen an die Beteiligten etc., also für alles, was mit dem Akt des (teilnehmenden) Feldzugangs und der Datengewinnung zusammenhängt. Andererseits bezieht sich die Reflexion des Forschers auf den Umgang mit den gewonnenen Daten, da auch in Auswertungsstrategien Akzentuierungen spezifischer Aspekte den Forschungsalltag bestimmen (vgl. Friebertshäuser 2009: 235f). Die Einordnung des Wissenschaftlers in eine soziale Alltagswelt kann demzufolge als Bestandteil einer „reflexiven Anthropologie und Erziehungswissenschaft“ betrachtet werden, die in einer ethnographisch fundierten Zugangsweise nicht nur das Alltägliche des Feldes und seiner Bewohner, sondern auch die „doxa“ der Analysten selbst mit in den Blick nimmt. Indem der Forscher seine eigene wissenschaftlichen Praxis auch als eine Alltagswelt markiert, in der die Möglichkeiten des objektiven Erkennens begrenzt und an den Glauben vermeintlich privilegierter Beobachterpositionen geknüpft ist, entsteht aufgrund dieser Eigenbeobachtung und der Beobachtung des Feldes eine Beobachterposition zweiter Ordnung. Forschungspraktisch ist diese Beobachtungsmodalität unter dem Stichwort der Reflexion von veränderten Betrachterebenen auszuweisen, so dass der Forscher in diesen Situationen sich selbst als Forscher anerkennt und die Situationen von ihm somit unter anderen Rahmenbedingen wahrgenommen werden als sie für gewöhnlich erfahren werden.
T ECHNOGRAPHIE MEDIALER K ULTUR Die beschriebene ethnographische Haltung wird im folgenden Schritt mit der Komplexität des Materials konfrontiert. Ferner stellt die performative Stilanalyse als Kategorie der Selbststilisierung ein tentatives Instrument mit heuristischem Charakter dar, welches die Selbstpraktiken fokussiert. Insofern wird der Begriff der Selbststilisierung methodisch wie auch theoretisch als Zugang behandelt, der aber nicht als Fashion oder Look der Akteure aufgefasst werden darf und kann. Zur Aufarbeitung der vorhandenen Daten bedarf es aufgrund der ethnographischen Zugangsweise neben einer Darstellung der feldspezifischen Modalitäten und der Beschreibung der konkreten Datenerhebung der Einordnung in methodologische Zusammenhänge,
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weil die Subfelder der Spielkulturen eine außergewöhnliche Rahmung aufweisen. Die weiter oben angeführten Praktiken der Simulations- und Rollenspielkultur am vernetzten Computer sowie die Mensch-Mensch und Mensch-Maschine-Interaktion bei der Nintendo Wii sind in der Darstellung verschiedener ethnographischer Beobachterpositionen von großem Wert und in der jeweiligen Beschreibung explizit werden. Im Fall des Multi-Player-Roleplay „World of Warcraft“ war es eine zum damaligen Zeitpunkt praktische Innovation, die den datentechnischen Zugang zum Feld gewährleistete. Eine über das Internet frei zugängliche Software, welche zur Aufnahme des jeweils aktuellen Bildschirmausschnitts dient, ermöglicht die Speicherung der Bilddaten, auf denen Interaktion via Avatarbewegung sowie soziale Interaktion mit anderen Spielern aufgezeichnet werden konnten. Die Rolle des Forschers bestand zunächst in der Beobachtung der Spieler und ihrem Feldzugang, da das Spiel im Verlauf sehr komplexe Formen annimmt. Allein auf dem Monitor erscheinen schier unzählige Buttons, deren Funktionen jeweils spezielle Fertigkeiten darstellen. Das Online-Spiel wird zudem für mehrere Spieler gleichzeitig über einen Server zugänglich gemacht, und ist in einer Phantasie-Welt auf kooperative Interaktionen ausgelegt. Die Akteure, die ich beim Spielen und in einem weiteren Schritt in ihren spezifischen Milieus beobachtete, wurden gebeten, eine „PC-Camera“ (fraps.com) auf ihrem Rechner zu installieren und während ihrer Spielaktivität ausgesuchte Bilddaten auf der Festplatte beziehungsweise einer externen Datenquelle zu speichern. Ein nicht hoch genug einzustufender Mehrwert besteht darin, die „komplette Sichtweise“ des jeweiligen Spielers zu bündeln und so die analytisch unterteilbaren Spielhandlungen der Akteure mehr in den Vordergrund stellen zu können. Die zwei Akteure der exemplarischen Falldaten der späteren Darstellung zeigten dem Forscher also ihre persönliche World of Warcraft und wie sie im virtuellen Raum navigieren und von Zeit zu Zeit darüber berichten, während sie das tun, also gewissermaßen eine Meta-Narration betreiben. Die Benennung der Akte als Selbstpraktiken geschah zu diesem Zeitpunkt noch nicht. In der Revision bietet die Methode einer „teilhabenden Beobachtung“ aber durch die Metabeschreibung der eigenen Handlungen der Spieler eine hervorragende Möglichkeit zur empirischen Ermittlung von Szenen der selbstreferenziellen Adressierung als Heuristik für die spätere Datensichtung.
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Im anderen Fall der Sportspiele an der Konsole „Wii“ erfolgte die Datengewinnung über zwei Realbildkameras, welche während einer Feier die Spielhandlungen der Akteure aufzeichneten. Hier kam es dementsprechend zur Aufnahme der parallel ablaufenden Realbewegungen und -interaktionen und deren Abbildungen als Beamerprojektionen, indem eine Kamera hinter den Spielern stand und deren Rückansicht und das Bild einfing. Die andere Kamera fokussierte die Spieler in der Vorderansicht. Obwohl der Autor auch einige Zeit selbst mitspielte, blieb die Forschungsaktivität dennoch mehr im Hintergrund. Da den submedialen Feldern bislang unterstellt wurde, sie seien ethnographisch zugänglich, ist es unumgänglich, die Rolle einer als OnlineEthnographie verstandenen Einordnung mit der Technographie zu explizieren. Das „being there“ des eigentlichen Feldzuganges als auch sinnliche Wahrnehmungsmuster müssen auf der Bildebene als bereits veränderte Bedingungen gedeutet werden. Dies kann jedoch nur gelingen, indem das Internet überhaupt als ein Kulturraum begriffen wird, der entsprechend den Möglichkeiten zur Konversion von Selbst- und Weltverhältnissen erforschbar ist. Dabei ist es die einzigartige Kommunikations- und Interaktionsform, die in technische Rahmungen, Regeln und Hierarchien eingespannt ist, welche es, wie auch in den nicht-medialen Verfahren, zu analysieren gilt (vgl. Marotzki 2003: 149f). Die Gebräuche und Gewohnheiten, die sich in solchen Medienhabitus zeigen, sind zugänglich, indem die herkömmlichen methodischen Prinzipien (der Ethnographie) in den Kulturraum Internet hinein verlängert werden (vgl. Lamla 2010: 130). Es ist insofern unproblematisch, die von Marotzki vorgeschlagene Online-Ethnographie von Internet-Communities als Analysetool für die „virtuelle Gemeinschaftsform“ auch auf Spielkulturen zu übertragen. Neben den Strukturanalysen Marotzkis geht es im vorliegenden Analysemodus jedoch um die über die verschiedenen Stationen medialer Subfelder vorgenommenen Fokussierungen auf körperliche wie sprachliche Selbstpraktiken, die in soziotechnische Interaktionen eingelagert sind. Des Weiteren wird der Aspekt der jeweiligen medialen Umgebungsformen als Rahmungen von Interesse sein, der die interaktiven Praktiken überhaupt erst ermöglicht. Neben der Rolle der (Medien-)Technologien in den Gebrauchssituationen gehen auch Elemente der jeweiligen Zugangswege etc. in die Analyse mit ein. In einer zweigliedrigen Transformation der klassischen Ethnographie fällt in Marotzkis Methodenzugang der Blick von der geographischen
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Fremde zurück oder hin zum Fremden der eigenen Gesellschaft, und darin auf eine spezifische kulturelle Nische, welche als Anforderung Sozialität ausbilden muss, um überhaupt erforschbar zu sein (vgl. Marotzki 2003: 150). Zur weiteren Unterscheidung wird ein Fokus auf die OnlineSituationen, so wie etwa Internet-Communities, Spielpraktiken oder Offline-Situationen, gerichtet, beispielsweise auf die Bedeutung verschiedener Medien im Alltag oder aber eine Mischform On- und Offlineaspekten. Einem anderen Vorschlag folgend kann unter Einbezug der netzspezifischen Anpassungsformen, ausgehend von der Art des Wahrnehmens, auch von „Webnographie“ gesprochen werden (vgl. Strübing 2006: 252), was jedoch nicht auf das Subfeld der Wii-Praktiken in der Untersuchung zuträfe. Am ehesten entspricht der Terminus der „Technographie“ den folgenden Analysen, sofern dadurch klar gemacht werden kann, inwiefern die Technik an den (medialen) Praktiken Anteil hat, sowie Eigen- wie Fremdrelationen rahmt. Gleich dem Diktum von Amann und Hirschauer begibt sich der ethnographisch verfahrende Technik-Ethnograph in Alltagssituationen, um in einer verfremdeten Perspektive die veränderte Rolle der Technik als situativer Wissensproduzent mitzudenken (vgl. Rammert/Schubert 2006: 11f). Die technosoziale Interaktion ist grundlegend für das Verständnis solcher Konstellationen, sie verläuft über körperliche Kommunikation, die wiederum in ein symbolisches und oftmals auch materielles Arrangement eingefasst ist. Die raum-zeitliche Beschränkung wird dadurch potentiell aufgehoben. Als mikroethnographisch orientierte Analyseform verengt sie ihren Blick auf bestimmte technosoziale Interaktionen, so wie Knoblauch es mit dem Konzept der Fokussierung thematisiert hat. „Technische Praktiken“ haben jedoch nicht den Ruf ausreichend beobachtbar zu sein, da ein Interface meist das „situative Interaktivitätswissen“ als Schnittstelle moderiert. Ein Vorschlag wäre dementsprechend, die Computerprotokolle als Aufzeichnungsmedium in die Analyse zu integrieren (vgl. Hahne/Lettkemann/Lieb/Meister 2006: 278). Auch in der verwendeten Videographie als Erhebungsinstrument, das neben der teilhabenden sowie teilnehmenden Beobachtung zur Auswertung Verwendung fand, ließe sich ein nicht wenig problematischer Zugang zum Feld verorten. Dieser bezieht sich zunächst auf den Selektionsaspekt der Kamera und auf ihre Positionierung und die schon damit geleistete Interpretation und Konstruktion der Forscherwirklichkeit. Die reflexive Auswahl steht jedoch in der Aufzeichnung des PC-
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Bildschirms beim Online-Spiel nicht zur Debatte, da hier der ganze Bildschirm ohne Fokus abgebildet, richtiger: digitalisiert ist. Mit der Sichtweise auf technische Praktiken ließe sich auch das bereits erwähnte praxeologische Interesse fortführen, „[…] das mediennutzende Subjekt nun als jemanden analysieren, für den die Techniken des Mediengebrauchs zu ‚Techniken des Selbst‘ werden, so dass sich durch die medialen Praktiken bestimmte ‚innere‘ Kompetenzen und Dispositionen aufbauen“ (Reckwitz 2003: 286, kursiv im Original). In der Kombination der Technographie mit den praxeologischen Einsichten ist es erkenntnistheoretisch nicht nur aufschlussreich, wie Artefakte in Handlungszusammenhängen „mitwirken“ (vgl. Rammert 2007: 11), sondern wie sie in den Subjekten eine grundlegende Beteiligung „mitproduzieren“, die auf eine habituelle Mediengebrauchskultur schließen lässt und dass die Technik in den Analysen sogar potentielle Selbstbildungsprozesse initiieren können. Der Mehrwert liegt zusammenfassend in der durch die Praxistheorie sowie Praxeologie explizierten Einbeziehung der (Medien-)Technik in die Entstehung sozialer Interaktionen. Davon ausgehend soll die anschließende empirische Bearbeitungsform von Medienpraxen und Mediengebrauchsstilen vorgestellt sowie ergänzend das Auswertungsverfahren der (dokumentarischen) Videographie herangezogen werden, mit dem es möglich ist, die eingangs erwähnten performativen Stile über die Bewegungen, Bilder und die Sprache als Selbstentwurfsprozesse auszudeuten. Im Sinne der Nutzungsweisen von Technik als Medienpraxis kann von einem habituellen Umgang beispielsweise mit dem Computer ausgegangen werden. Das Alltagshandeln, so zum Beispiel auch neuere Game-Praxen, ist ein auf Erfahrungen der konjunktiven Geschlechts-, Bildungs-, Milieu- und Generationenzusammenhänge aufbauendes praktisches Wissen. Folgt man der Dokumentarischen Methode der Interpretation in Bezug auf die QuasiHabitus der technischen Aktanten, muss die Forschung um die Dimension von Mediengebräuchen erweitert werden (vgl. Schäffer 2007: 62). Schäffer analysiert diese Dimensionen anhand von Gruppendiskussionen zweier Generationen und verschränkt seine Argumentation mit einer techniksoziologischen Perspektive. In der Hinsicht ließen sich die Handlungspraxen und Äußerungen ausdeuten, in denen sich die jeweiligen handlungsleitenden Erfahrungsräume dokumentieren (vgl. ebd.: 62). Die in den Gruppendiskussionen gewonnenen Daten werden als Dokumentation der Erfahrungen mit Medientechniken analysiert. Sie entsprechen einem Element in der
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Bildung von konjunktiven Erfahrungsräumen, da sie durch ihre Stellung im hybriden Zusammenspiel mit den menschlichen Akteuren Technik und Mensch als gegenseitige Einflussgrößen deklarieren. In den hybriden oder verteilten Kooperationen kommt es regelmäßig zu unvorhersehbaren emergenten Phänomenen, wobei dem habituellen Wissen des Menschen keine vergleichbare Qualität auf Seiten der Technik entspricht (vgl. Rammert 2000: 18). So kann eine Gruppendiskussion beispielsweise durch die konjunktive Bearbeitung eines Themas eine habituelle Praxis mit Technik abbilden (vgl. Schäffer 2007: 65). Darauf basieren der Verweis auf den Quasihabitus der Technik und die daraus abzuleitenden Kontagionsverhältnisse des Akteurs. Es entsteht, aufgrund differierender Erfahrungshintergründe, eine gänzlich andere Haltung beispielsweise gegenüber dem Computer, da dieser mit dem jeweiligen Quasi-Habitus der technischen Aktanten komplexe Aufgaben meistern kann, wenn er von einen Teenager oder einem Rentner bedient wird, besser wäre: Wenn er mit einem Rentner kooperiert. Die verschiedenen „Passungsverhältnisse“, bezogen auf „Rentner“ und „Teenager“, provozieren entweder eine habituelle Übereinstimmung oder negieren sie. Während die Älteren eher ängstlich mit dem Computer kollaborieren, haben die Jüngeren einen verstärkten Erfahrungszusammenhang als „kollektive Hybridakteure“: „Aus einer praxeologisch erweiterten Latourschen Perspektive sind also die in einem Computerprogramm ,geblackboxten‘ Funktionen Dokumente für die Delegation von Habitusformationen ganzer Generationen“ (vgl. ebd.: 67). Die impliziten Orientierungen sind als habituelle Muster über die Dokumente der Gesprächsaufzeichnung zugänglich gemacht worden, doch bilden sie nur einen Teil dessen ab, was unter habituellem Wissen zunächst einmal körperliches Wissen ist. Jenes Wissen also, welches als Zwischenglied von Wissensordnungen und Wissensperformanz gekennzeichnet ist. In der Aneignung solch impliziter Wissensformen verweist die empirische Fokussierung auf „Prozesse der Konstituierung und Artikulation von Selbst- und Weltdeutungen, die Praxen der Entwicklung und Präsentation von Wissen, Können und Handeln sowie die Performativität der körperlichen wie symbolisch-interaktiven Alltagspraxen“ (Thole 2010: 32). Solche körperlichen und selbstdeutenden Praktiken sind als Rahmungen und Setzungen jeweils von mehrdeutiger Natur und provozieren deshalb Anschlussinteraktionen an bereits vergangene Prozesse, sind jedoch in der Aktualisierung stets andersartig und offen (vgl. ebd.).
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P ERFORMATIV - REKONSTRUKTIVE N ETZWERKANALYSE An eine als performativ verstandene Ethnographie schließt auch Bohnsack an, der jedoch, im Rahmen der Weiterentwicklung der „Dokumentarischen Methode“ der Interpretation, die „Perfomativität des Sozialen“ thematisiert. Darin verbindet er methodologisch die wissenssoziologisch basierte Praxeologie mit einem breiten Verständnis von Performativität. Durch habituelles Handeln, verstanden als Existenzweise, und dem „modus operandi“ des Habitus verbinden sich grundlegende soziale Erfahrungen zu einem Erfahrungswissen. Diesen Komplex bezeichnet er als „performative Struktur“ oder lediglich als „Performativität“ unter Bezugnahme auf die praxeologische Analyseeinstellung. In der Hinsicht differenzieren sich die Akte in einer Doppelstruktur von Darstellungsweise oder Darstellungsmodus, welcher als „Performanz“ oder „performativer Vollzug“ bezeichnet wird (vgl. Bohnsack 2007: 204). In der dokumentarischen Interpretation werden die beobachtbaren Daten der verbalen oder non-verbalen Äußerungen als Performanz dahingehend rekonstruiert, wie sie die performative Einstellung der Akteure abbilden. In der Ausdrucksmodalität, „Wie“ eine Interaktion inszeniert und zur Aufführung gebracht wird, dokumentiert sich die performative Struktur. In dieser Hinsicht sind es die interpretierbaren Aussagen, Gesten und Bewegungsmuster, welche in der Form „Wie“ sie aufgeführt werden, und in ihrem Inhalt (ebd.: 204f.) als „wechselseitige Validierung“, einen Aufschluss über den Habitus beziehungsweise die performative Struktur geben. Die Performativität ist als habituelles Handeln ein überspannender Begriff, der die Performanz sowie den propositionalen Gehalt strukturiert (ebd.: 206). Diskussionswürdig ist dabei die folgende Betonung: „Die Performativität des habituellen Handelns ist – im Sinne einer praxeologischen Wissenssoziologie – nicht primär eine Inszenierung oder Selbststilisierung, also nicht primär ein Darstellungsmodus, eine Metapher des Theatralischen. Vielmehr bezeichnet sie primär eine Existenzweise, zu der die Selbststilisierung, der ‚intendierte Ausdruckssinn‘ […] ggf. noch hinzutritt.“ (Ebd.: 204)
Es wird an dieser Stelle klar, dass die Definitionen des Begriffs der „Performativität“ aus einer wissenssoziologischen Sichtweise von dem zu unterscheiden ist, was etwa Wulf/ Zirfas mit dem Begriff ausdrücken. Bei
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Letzteren nähern sich Existenzweise und Darstellungsmodus ja gerade einander an, beziehungsweise sind nicht voneinander zu lösen. Um eine empirische Handhabbarkeit der erhobenen Datensätze zu gewährleisten, bietet es sich jedoch an, die paradigmatische Kulturtheorie von der Methodologie abzugrenzen. Die Annahme einer Parallelstruktur im performativen Paradigma verweist auf die Gleichzeitigkeit, Iteration und Wirkkraft von beispielsweise Ausdrucksakt und Geschlechterzuordnung; auf Seiten der methodologischen Position markiert sie die Unterscheidung von explizitem und implizitem Bedeutungsgehalt empirischer Interaktionen. Auf der verbalen Ebene bei Gruppendiskussionen und der Interpretation von Orientierungsmustern ist die heuristische Trennung in Performanz und Performativität methodisch zweckmäßig. Dasselbe gilt hinsichtlich der videographisch basierten Interpretation der verbalen und körperlichen Ausdrücke in Spielkulturen, sowie für die Trennung in vorikonographische und explizite Beschreibung einerseits und die Interpretation der Daten als Spurensuche, wie die Akteure jene Prozesse organisieren (vgl. zu Spuren und Selbstreferenz Zirfas 2002: 70), andererseits wie die Akteure jene Prozesse organisieren. Ebenfalls kann mit Bohnsack die Kompatibilität der Begriffe Selbststilisierung und Selbstkultur aufgeworfen werden, ersetzt man im nachstehenden Zitat Selbststilisierung durch Selbstkultivierungt: „Möglicherweise muss die Aneignung, die Inkorporierung des habituellen Handelns, auch zunächst durch eine Selbststilisierung hindurch. Sie ist dann zunächst ein intentionales Produkt und wird erst allmählich routinisiert und habitualisiert“ (Bohnsack 2009: 149). In dem Moment, in dem eine Aneignung im Sinne von Inkorporierung durch eine anthropotechnische und autoplastische Selbstpraxis ,hindurch muss‘ und eben nicht nur, aber auch als „spontane Bildung“ (vgl. Nohl 2009) verstanden werden kann, ist die Selbstbildungspraxis bei der Unterscheidung von Habitus und Darstellungsmodus als Zwischenraum zu verstehen. Hierbei wird insbesondere der in der Dokumentarischen Methode fehlende „Möglichkeits- oder aber Imaginationsraum“ offenbar, der innerhalb der rekonstruktiven Methode nicht dargestellt werden kann. Wenn aber der Nachvollzug von Erfahrungsräumen auf performative Strukturen hindeutet, richtet die Selbstbetrachtung den Blick auf die potentiellen Möglichkeiten der Umbildung, so die weiterführende methodische These. Denn die Differenz zur Dokumentarischen Methode ist primär in dem Erkenntnisinteresse zu sehen, selbstbezügliche Praktiken zu identifizieren und zu beschreiben,
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sowie die Potentiale zur Transformation auszudeuten. Während dort Rückschlüsse auf die Habitusformationen aus der Interpretation gezogen werden, sollen Selbstpraktiken auf ihren verändernden Gehalt hinsichtlich von Selbstverhältnissen betrachtet werden. Selbstpraxis ist aber immer auch in soziale Szenarien eingebunden und gleichsam auch als körperliche Praktik einzustufen. Daher ist der Analysemodus bei der Interpretation des „Wie“ zu verorten und nicht auf der Ebene des „Common Sense“, dessen „Was“ die Akteure in ihrer Praxis tun. Dabei wird verhandelt, „Wie“ die Akteure aus verschiedenen Situationen zu einer Arbeit an sich selbst vordringen und „Wie“ das durch andere, intersubjektiv wie interobjektiv gerahmt, begleitet oder angestoßen wird. In dieser Beziehung ließe sich von einer zunächst intentionalen Habitualisierung als Änderungspotential von Selbstverhältnissen sprechen. Dass solche Akte nicht regelmäßig ablaufen, sondern eine mögliche Haltung der Selbstbeziehung durch Erfahrungen voraussetzen, wurde mit Jörissen und Marotzki bereits argumentiert. Medien arrangieren idealerweise solche Potentiale allein durch ihre Struktur, indem sie dem Akteur die Gelegenheiten bieten, als technisch veränderter Akteur auf verschiedene Arten zu interagieren und dabei eine Befremdung herbeizuführen. Hinsichtlich der Medienkulturen sind ebenfalls die von Bohnsack aufgeworfenen Unterschiede zwischen der Rezeption einerseits und der Proposition des Medieninhalts andererseits zu beachten (vgl. Bohnsack 2009: 132). Obwohl er die Differenzierung nicht für die Spielfelder des Computers und der Konsole ausmacht, sondern auf den Film und auf Bilder beschränkt, gilt für die folgenden empirischen Beispiele – wie auch schon Bausch/Jörissen in „erspielten Ritualen“ (vgl. 2004) die Rezeption auf die Inhalte beziehen – , dass beide Bereiche Beachtung finden und sie in der Praxis als miteinander verbunden zu verstehen. Schon mit dem Beginn von Narrativität in Computerspielen sowie dem Aufkommen von auf Interaktion basierten Online-Spielen kann gewiss von Propositionen in den genannten Produktklassen ausgegangen werden. In dem speziellen Medium des Computerspiels oder im Fall der Wii-Sportsimulationen sind die „abgebildeten und die abbildenden Bildproduzenten“ (vgl. Bohnsack 2009: 137) in der Figur des Avatars zwar nicht aufgehoben, aber als steuerbare und stilisierbare Zugänge zu denken, um so in mediale Welten vorzudringen und auch die dort digitalisierten Propositionen teilweise selbst zu gestalten. Deshalb muss von einem besonderen Fall der Medienanalyse ausgegangen
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werden. In den unten stehenden Beispielen rückt die geteilte performative Praxis der Akteure und Aktanten sowie die medial vermittelte Bildund/oder Sprachebene in den Mittelpunkt. Nicht primär die Produktanalyse unter Einbezug einer grundlegenden Strukturanalyse, sondern die Medientechniken des Selbst bilden entsprechend den fokussierenden Analysemittelpunkt, oder wie Bohnsack es nennt: die Rezeption. Sie wird in ein Wissen im Umgang mit den Medien (Welterfahrung) und über etwas durch Medien Vermitteltes als soziale Interaktion beziehungsweise Praxis differenziert (vgl. ebd.: 133). Die beiden Aspekte sind in den untersuchten Szenen im fließenden Übergang vorzufinden. Dennoch, und das soll die jeweils einführende Strukturbeschreibung der Felder leisten, bietet die mediale Rahmung eine grundlegende Situationsdefinition an, der die Spieler folgen müssen, um nicht in eine zu große Distanz zum Medieninhalt zu gelangen. Der Begriff der (Rollen-)Distanz (vgl. Goffman 1973) kann dabei in einigen Interpretationen als Referenz dienen, um die verschiedenen Möglichkeiten der Beziehungen genauer zu betrachten. Nimmt man die verschiedenen Aspekte der performativen Bedeutungskonstitutionen auf, kann als wesentliche Konsequenz das Fokussieren von Videoaufzeichnung als Datenquelle aufgrund der Erfassung von körperlichen Bedeutungskonstitutionen in sozialen Szenerien aufgefasst werden. Die dadurch entstehenden Konsequenzen sind einerseits im Problem des Status der zu analysierenden Bilder sowie andererseits in der Verschränkung von Simultanität und Sequenzialität der akustischen und visuellen Videodaten zu suchen (vgl. zur Unterscheidung der Begriffe ebd.: 47 sowie vgl. Wagner Willi 2007: 215). Dabei zeigt sich die Verknüpfung der körperlichen Bewegungen mit anderen Akteuren sowie Aktanten als eine Erweiterung des von Bohnsack (vgl. 2007) vorausgesetzten methodologischen Doppelcharakters von Performanz und Performativität jedweder Interaktion sowie von Schäffers Gruppendiskussion (vgl. 2007) um generationsspezifische Medienkulturen. Das videographische Datenmaterial vermag daher die Körperlichkeit und Expressivität sowie die Materialität einer Situation aufzuzeichnen. In dem vorliegenden Fall handelt es sich um natürliche Situationen, die teils in Eigenaufnahmen der Akteure, teils durch den Forscher vorgenommen wurden (vgl. Knoblauch 2005: 265f). Die Videos, welche als Digitaldaten auf dem Rechner abgelegt, abgespielt und interpretiert werden, sind als Teil des ethnographischen Verfahrens zu verstehen und zeichnen sich
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durch die enorme Detailliertheit und den Überblickscharakter über die Aspekte der Simultanhandlungen und Sequenzabläufe aus. Als solche sind sie bestens geeignet, die beobachtbaren körperlichen, verbalen und technischen Interaktionen aufzuzeichnen und bei Bedarf mehrere Male abzuspielen. Die Zeit des Forschers, der die Szenen immer wieder reproduzieren und stets anhalten und vor- und zurückspulen kann, ist dabei nicht mit dem Zeitverlauf der Akteure gleichzusetzen, die in andere Situationszwänge eingespannt sind, die ihnen die Praxis abverlangt. Die Entscheidungen innerhalb der Zeit der untersuchten Praxis sind demnach anderen Zwängen unterworfen als die „Forscherzeit“ und im Handlungsdruck zu verorten. Zudem ist die Produktion eines Videos immer Aufgabe des Forschers, daher kann ein Video kein neutrales Medium oder eine Abbildung der Realität sein. Vielmehr ist hier noch einmal die reflexive Position des Forschers hervorzuheben, der den Fokus und die Ausrichtung der Kamera bestimmt. Dadurch werden bereits externe Zentrierungen in die Situation getragen, die zur Reaktanz der Akteure auf den Forscher beitragen (ebd.: 269). Der Vorteil der raum-zeitlichen Reproduzierbarkeit mündet sodann in die Erfassung einer komplexen Situationsanalyse, die die verschiedenen Aspekte der Szenendefinition einbezieht. Im Falle der online-ethnographischen Beispiele der WoW-Praktiken sind diese noch einmal moduliert. Es wurde hier aufgezeichnet, wie sich die Spielfigur in der medialen Umwelt verhält beziehungsweise gesteuert wird. Die Aktionen verweisen in besonderem Maße auf eine technosoziale Weise der Interaktion. Dabei rückt erneut die mediale Grundausrichtung stärker in den Fokus, da allein über das Medium eine Interaktion entfaltet wird. Daraus ergibt sich die spezifische Situation der in den jeweiligen Teilen stattfindenden Strukturbeschreibung der Spiele als ein sich abgrenzende submediale Form, da die emergierenden Situationen zunächst der technischen Grundlage entspringen, der man sich nicht entziehen kann. Erspielt werden kann nur, was programmiert ist. Dem steht entgegen: Kommuniziert werden kann so ziemlich alles. So ist das Argument, die Technik als alleinige Dimension zur Situationsdefinition heranzuziehen, genauso wie die alleinige menschliche Verfügungsmacht über die Medien eine unterkomplexe Auffassung der technosozialen Szenerie, die als hybride definiert auch in der medialen Form von den Akteuren abhängig ist. Die Videos, seien es Aufzeichnungen der Online-Spiele oder die Doppelerfassung der Spielsituationen bei der Bedienung und dem Spielbild der Wii, werden nach Maß-
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gaben der Dokumentarischen Videointerpretation dahingehend untersucht, wie die Akteure im Zusammenspiel untereinander, mit den Medien(-bildern) und hinsichtlich von selbstreferenziellen Prozessen die Situation gestalten. In diesem Sinne und auch hinsichtlich der selbstkonstituierenden Prozesse (siehe theoretische Einleitung) können dabei kaum die interaktiven Formen ausgespart werden, die solche Selbststilisierungen im Sinne Foucaults sowie Sloterdijks zunächst einmal prägen, in Gang setzen und formen. Dabei ist von besonderem Interesse, wann und ob Irritationen, Ungereimtheiten, Freude, Aufregung etc. auftreten, wenn eine sehr interaktive und körperliche Dichte zu verzeichnen ist. Hier lassen sich dann in sogenannten „Fokussierungsakten“ (Nentwig-Gesemann 2002: 54) Zentren der technosozialen Interaktion bestimmen, die in besonderer Weise die Bilddaten mit den Verbaldaten bündeln und analysierbar machen. Erst nach der Ermittlung solcher Szenen und der Fokussierung von Selbststilisierungen und deren Einbindung in soziale Interaktionen unter Berücksichtigung der unterliegenden Kontingenzen und Potentiale können (über Medien gelenkt) potentielle Reflexionen einsetzen, die an andrer Stelle bereits als Selbsttechniken ausgewiesen wurden. Neben den Aspekten des methodologischen und methodischen Vorgehens bleibt zuletzt die Bestimmung der Analyseeinstellung zu erläutern. Die Interpretationen verlaufen insgesamt in Anlehnung an die Dokumentarische Methode, so wie sie schon charakterisiert wurde, unter Beibehaltung der Einteilung in Proposition, Performanz und Performativität in Gegenstand, den Stil als Vollzug sowie die übergeordnete Struktur des Habitus. In der Inkorporierung des habituellen Handelns können zunächst Akte der Selbststilisierung aufgezeigt werden. An diesem Punkt setzt sodann die Analyse der medialen Selbstpraktiken an, die dahingehend solche Szenen erörtern, in denen Selbststilisierungen als Selbsttechniken enaktiert werden. Dass solche Möglichkeiten in medialen Praktiken aufzufinden sind, wurde bereits eingehend diskutiert. Abschließend bleibt eine geeignete Beschreibungssprache darzulegen, die einer lesbaren Darstellung gerecht wird, aber auch für eine ausreichende Komplexitätsdarstellung sorgt, die sich aus der körperlichen wie verbalen Interaktion genauso ergibt wie aus der Parallelstruktur von Sequentialität und Simultanität. Um diesem Umstand gerecht zu werden, schlagen Nentwig-Gesemann und Wagner-Willi (vgl. Nentwig-Gesemann/Wagner-Willi 2007) ebenfalls im Anschluss an Bohnsack und an die „Dokumentarische Bildinterpretati-
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on“ vor, die so genannte „formulierende Interpretation“ als eine vorikonographische Beschreibung (vgl. hierzu Bohnsack 2009: 60) der Gebärden und sprachlichen Ausdrücke zu fassen, die den Gegenstand der Interaktion ausmachen. Die reziprok bezogenen Elemente sollen in einer fortlaufenden Deskription die Prozesshaftigkeit nicht untergraben und müssen daher in verbale Transkriptionen umgewandelt werden (vgl. Nentwig-Gesemann/ Wagner-Willi 2007: 216). Die abzuleitende „reflektierende Interpretation“ zielt auf die Art und Weise des performatorischen Vollzugs, der in der Diskursorganisation analysierbar ist. Die performative Struktur als habituelles Handeln ist somit sowohl in der Bezugnahme der Akteure und Aktanten aufeinander als auch in der inhaltlichen Setzung von Themen präsent. Die Transkription einer Szene muss also den sprachlichen Diskurs sowie körperliche Praktiken gleichsam aufzeigen und zielt darauf ab, „[…] wie die Akteure miteinander interagieren, als auch, wie im interaktiven Prozess mit Gegenständen, stilistischen Ausdrucksmitteln und Territorien umgegangen wird, mit welcher Deutung und Symbolik diese belegt werden und auf welche konjunktiven und kommunikativen Sinnzusammenhänge verwiesen wird“ (ebd.: 216, kursiv im Original). Darüber hinaus verfügt noch eine andere methodische Komponente über große Bedeutsamkeit hinsichtlich der genannten Auswertungsschritte. An die Forschungsstrategie der Technographie als einer offenen Haltung gegenüber dem Feld, die im Sinne der schrittweise erfolgenden Fokussierung als fortlaufender Prozess erfolgt, schließt sich eine Auswertungsstrategie an, die als „komparative Analyse“ bezeichnet wird. Der Kontrast von Szenen eines Falles mit anderen Szenen und anderen Fällen stellt eine bedeutende Maßnahme im Rahmen qualitativer Verfahren dar, welche auf einer Vergleichbarkeit der ermittelten Daten beruhen. Die leitenden Fragen in dieser Hinsicht lautet: Ist die Umsetzung einer medialen Praxis charakteristisch für diesen Fall oder die Handlung für die Struktur des Subfeldes? Handelt es sich um gleich bleibende Muster über die Institutionen und Felder der Medien hinweg, oder sind sie spezifisch für den Bereich, jenen Akteur etc.? Es handelt sich bei einer solchen Auswertungsstrategie auch immer um die Grenzziehung zu anderen (Sub-)Feldern oder verschiedenen Typen von Akteuren, die in ihrer Praxis diese oder jene Eigenheiten aufweisen (vgl. Knoblauch 2001: 137). Heteronome Materialbestände führen häufig dazu, den untersuchten Forschungsgegenstand als wesentlich und bedeutsam zu
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deklarieren. Die zuvor erwähnte Stellung des Forschers fordert dann im Sinne einer methodischen Kontrolle noch einmal zur Reflexion auf, da sich die mit dem ersten Fall sich bildenden sequenziellen Fallvergleiche im Fortlauf, auch durch hypothetische Gedankenexperimente des Forschers, in empirische Vergleichsfälle überführen lassen (vgl. Nohl 2003: 101). Grundlegend ist die Relationierung über Themen oder die jeweiligen Personen in der Interpretation über ein „gemeinsames Drittes“. Im Falle der anvisierten Subfelder und den handelnden Personen ist dies sowohl durch die Frage nach dem Selbstbildungspotential vorstrukturiert, was wiederum aus dem Forschungsprozess eruiert wird und nicht im Voraus bedacht werden konnte, als auch durch das gemeinsame Medium vorbestimmt. Daher wird neben den verschiedenen Positionen des Forschers im dazugehörigen submedialen Feld außerdem eine deskriptive Erläuterung der Strukturen unter Einbeziehung von Dokumenten einleitend vorgestellt. Auf diese Weise wird dem Leser die Spezifizität der jeweiligen medialen Anordnung deutlich, sowie die dadurch teils bedingten Handlungsmöglichkeiten. Der Vergleich wird nicht nur auf der Ebene der Fälle maßgeblich sein, sondern ebenso in der Modalität der Untersuchung der jeweiligen Felder des WoW und der WiiSpiele. Neben dem Vergleich werden die Akteure und Aktanten selbst in die Untersuchung eingeschlossen und bilden dann den Hauptteil der Analyse. Eine technographische Beschreibung wird demnach die unterschiedlichen Felder darlegen; es folgt dann eine an die Dokumentarische Methode angelehnte Videographie zur Auswertung der aufgezeichneten Daten. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, auf dem Wege die Spezifika der beschriebenen Ebenen – Forscherposition, submediales Feld sowie die Praxis der Akteure und Aktanten – zu erarbeiten, sowie die vom Forscher vorgeschlagenen Interpretationen exemplarisch anzuführen. Auf diese Weise wird zugänglich und nachprüfbar, wie die Ergebnisse abschließend mit den theoretischen Annahmen rückgekoppelt und abstrahiert werden. Neben der Einführung in die Felder als Strukturbeschreibung wird auch in Bezug auf die in den Bildpraktiken wichtige Figur des Avatars (die digitalisierte Spielfigur eines Akteurs) eine Vorstellung erfolgen. Der Avatar kann als eine Art „technischer Agent“ bezeichnet werden, auf den die „Agency“ eines Akteurs teilweise übertragen wird (vgl. Rammert 2007). Da Avatare insbesondere für die Selbstpraktiken eine maßgebliche Größe darstellen, sei hier kurz auf die so genannte (struktura-
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le) Avatar-Ethnographie verwiesen. Demnach erfüllen Avatare teils eine (Re-)Präsentationsaufgabe und gewinnen zudem auch hinsichtlich von Interaktionsaufgaben immer mehr an Bedeutung. Die Avatar-Ethnographie umfasst vier zu unterscheidende Aspekte: einerseits die Rahmungsstruktur, andererseits die Präsentationsstruktur, ebenso die Interaktions- und schließlich die Präsenzstruktur (vgl. Marotzki/Jörissen 2009: 208). Die Spielfiguren selbst bilden teils autark in Bezug auf ihren (Daten-)Raum vorprogrammierte Praktiken aus, weshalb sie in Rückbezug auf Latour und Rammert als Aktanten bezeichnet werden können. Sie sind es auch, die durch ihre Handlungsoptionen verschiedene Grade an Selbstpraktiken mitproduzieren, indem sie mit den Akteuren in einem Netzwerk kollaborieren. Im Subfeld der Onlinepraktiken führt das zu einer neuen Form der Forschung. Von dieser Warte aus gesehen, müssen einige Schritte der eigentlichen Datenverschriftlichung und Auswertung an die mediale Situation angepasst werden. Die jeweiligen Zugänge durch das sinnliche Interface und durch die haptische Bedienung des Spiels sowie die Differenzierungsmöglichkeiten der Darstellung der Spielfigur führen zu jeweils zu unterscheidenden Ausprägungen der medialen Felder. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Neben der technographischen Haltung als übergeordneter Befremdungsstrategie, die in die Analyse des medialen Kulturraums eingebunden ist, steht der Forscher vor dem Problem, den „Einheimischen“ der Medienwelten durch geleitete Metabeobachtungen zu begegnen und die vorgefundenen Praxen reflexiv als unbekannte immer wieder zu dekonstruieren, um auf dieser Basis zur Erfassung von Daten zu gelangen, die in der Rekonstruktion (vgl. Bohnsack 2007a) als unbestimmte Fälle immer aufs Neue durchanalysiert und kontrastiert werden. Die an der Dokumentarischen Methode angelehnte Auswertung der Videos legt einen Fokus auf Selbstpraktiken in den Analysen und Interpretationen, und ist insofern eine Weiterentwicklung der Methode auf die sich ändernden Selbstverhältnisse hin. Die Fragestellung, die abschließend diskutiert werden soll, beschäftigt sich mit der empirischen Umsetzbarkeit des Forschungsinteresses. Im Hinblick auf die Selbstpraktiken als Selbststilisierungen wurde „Stil“ als Analysetool eingeführt. In dem Wechselverhältnis zwischen Medienstruktur und Akteurperformance realisiert sich die Mediensubjektivierung als eine Normalisierung innerhalb der technischen Rahmung als zugeordnete Form. Die Medienakteure sind demnach als Mediensubjekte erkennbar, und je nach Habitualisierung lassen
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sich die gewöhnlichen Gebrauchspraktiken deuten, da sie einem Medienhabitus Ausdruck verleihen. Der Frage nach den transformativen Potentialen der Selbststilisierungen, als Teil der Selbstkultur verstanden, kann dementsprechend über Aspekte wie plötzliche Änderungen, Irritationen, Verweigerungen und Ironisierungen nachgegangen werden, die auch immer über die anderen Spieler und deren (Re-)Aktionen hervorgerufen werden können. Diese Aspekte können zusammenfassend unter dem Terminus der „Seinsungewissheit“ der Spieler gefasst werden, die dann aufscheint, wenn sich die Medienakteure als Individuen problematisieren oder ihr Können ausbauen beziehungsweise umarbeiten. Wenn solche Merkmale vorliegen, kann im Material ein Selbstverhältnis identifiziert und weiterführend ein Potential zur Selbstkultivierung rekonstruiert werden. Sie sind in den Medienpraxen teilweise als Arten der Verweigerungen aufzufassen, die Selbsttests und Umgestaltungen der Ordnungen sowie die Distanzierung vom Spiel oder eine experimentelle Praxis nach sich ziehen können. Es werden also Selbstproblematisierungen aufgespürt und daraufhin untersucht, wie sie sich in dem jeweiligen Mediensubfeld ausprägen Solche Problematisierungen haben auch insofern exemplifizierenden Charakter, als dass sie nicht Bildungsprozesse abbilden, sondern vielmehr die Spielarten der medialen Bereitstellung der Selbstbearbeitung als Bildungspotentiale. Die erhobenen Medienpraktiken entstammen zwei submedialen Feldern, die in den Ausprägungen stark unterschiedlich sind. Sie zugänglich zu machen und die konstitutiven Praktiken zu kennzeichnen ist Bestandteil der technographisch-ethnographischen Vorgehensweise, die mit dem Verweis auf die Integration der Medientechniken in die Beschreibungspraxis selbst zu den Feldern überleiten soll. Da, wie bereits vermerkt, die Medienstruktur eine große Relevanz für die Ausformungen des medialen Selbstverhältnisses aufweist, sollen die zwei Praxisfelder des World of Warcraft und der Wii-Sport-Simulationen einleitend beschrieben werden, um den jeweiligen Potentialen zur Transformation im empirischen Material nachzugehen. Den Abschluss soll ein übergeordneter Rückbezug auf spezifische Medientechniken darstellen, die sich durch charakteristische Merkmale von den anderen abgrenzen und so zu einem Vergleich mit anderen Feldern führen. Die Oberbegriffe, die die Bereiche kennzeichnen, die für mediale Selbstverhältnisse relevant sind, sind als das Verhältnis des Akteurs zum Feld zu verstehen und gliedern sich in einen körperlich-haptischen (Wii) und einen von Strategie geprägten
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Zugang (WoW). Jedes Subfeld verlangt, sich selbst im medialen Bezug als einen anderen zu simulieren, zu bewegen oder zu instrumentalisieren. Es zeigt ein Verhältnis zu sich selbst an, welches durch den medialen Anteil Veränderungen unterworfen ist und trotzdem gerade durch die Artifizierung ein Potential zur Selbstkultivierung mit sich bringt. Inwiefern von einem Vermögen zur Ent-subjektivierung im Sinne einer Entwöhnung von alltäglichen Verhaltensweisen oder aber von Entbildung (vgl. Zirfas 1999) gesprochen werden kann, soll abschließend mit einem erweiterten Diskurs über feldübergreifende Subjekthomologien noch einmal theoretisch hinterfragt werden.
4. Anthropologie ludischer Selbstverhältnisse
Um zunächst darzulegen, wie sich die bis dahin entworfene theoretische Kategorie der Selbstkultur aus dem Gegenstand der medialen Praktiken entwickelt, sei noch einmal auf das Material der Computersimulation „2nd Life“ und die Selbstartikulationen der medialen Akteure verwiesen. In der Simulation kann der Spieler beim Tippen von Nachrichten im Chat durch die Anrufung der Avatare in der Praxis des Schreibens eine mediale Differenzerfahrung machen, weil die Avatare auch tippen wenn der Spieler tippt, und somit ein reziproker Verweisungszusammenhang entsteht. Diese Art von Erfahrung, die nicht substituierbar ist, prägt zugleich solche Orientierungsmuster, die im „Real Life“ handlungsleitend sind, da die Entstehung körperbezogener Selbstbilder auch an medienbezogenen Praktiken entfaltet werden und einen imaginären Raum für individuelle, aber auch soziale Deutungen und Projektionen, also neue Quellen der Selbstbildung, offerieren. Als Weiterführung hierzu können die Interpretationen von Althans und Ferrin dienen, die diesen Sachverhalt aufgreifen, indem sie eine OnlinePraktik beschreiben, bei der die User durch eine Selbsthilfe-Funktion ihr Alltagshandeln und Selbstbild bearbeiten und reflektieren. Anhand von Foreneinträgen essgestörter junger Frauen konnte herausgestellt werden, dass der mediale Raum zur „Selbsthilfe“ befähigt, in dem die Forenmitglieder in einem freien und zugleich durch Selbstzensur und Zugangsbeschränkungen geschützten Bereich, relativ weit entfernt vom gängigen psychiatrischen Macht-Wissen-Komplex, über ihre Krankheit schreiben und diskutieren können. Insofern konnten die durch Normalitätsdefinitionen oder, anders gesagt, durch Krankheitsbilder bestimmten Beschränkun-
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gen hier umgangen werden. Die Frauen tauschten sich aus und hatten im medial geschaffenen Rahmen die Chance, unter ihren eigenen, aus der Fremdperspektive fehlgeleiteten, Erfahrungsmustern einen diskursiven Selbstbezug herzustellen, der nicht von außen gestört oder geprägt wurde, sondern lediglich einer Teilöffentlichkeit zugänglich war. Die Art der Selbstkultivierung, wie sie im Argumentationsmodus der Arbeit bezeichnet wird, konnte jedoch lediglich entstehen, indem die „Offenheit des virtuellen Raumes die übliche Bearbeitungsstrategie aus der therapeutischen Situation löste und sich als Selbstheilung diskursiv inszenierte und ereignete“ (Althans/Ferrin 2008: 146). Die in dem Beitrag verdeutlichte Aufführungspraxis von „Gender“ in eben diesen Foren ist wie im phantasmatischen 2nd Life in Teilöffentlichkeiten organisiert, die fernab der geltenden Dispositive Selbstverhältnisse ermöglichen und bearbeiten, schließlich aber auch scheitern lassen können. Als Selbsttechnik wäre demzufolge die Bearbeitung von Körperbildern und -praktiken jenseits von (therapeutischen) Dispositiven zu bezeichnen. Mediale Felder als solche produzieren folglich andere Strategien als es habituelle Feldanpassungen jenseits dieser Felder zulassen. Insofern ist die Idee, Selbstkultivierungen in medialen Praktiken zu analysieren, in der Erforschung empirischer Settings entstanden. Dabei spielte die Strukturanalyse eine prägendere Rolle als die Interaktionsanalysen, die den Hauptbestandteil der nachstehenden Analyse bilden. Die bis hierher gewonnenen Erkenntnisse werden im Folgenden in einer empirischen Datenrekonstruktion auf die Potentiale medialer Spielkulturen bezogen. Dabei wird ermittelt, inwiefern Ungewissheiten und Reflexionen im Material als Indikatoren für Selbsttechniken und Selbststilisierungen, als Arbeit am medialen Selbst zu werten sind. Die interpretierbaren Gebrauchsformen sind allerdings vor diesem Hintergrund als situative Momentaufnahmen zu fassen, die auf einen rekonstruierbaren Stil verweisen. Die jeweils aktuelle Nutzung ist also je nach Akteur kennzeichnend für die typische Art und Weise des „Wie“ der normalen Praxis, die durch die interobjektive Konstellation gestört werden kann. Da Medienstrukturen solche Bedingtheiten provozieren, kann davon ausgegangen werden, das zwar Möglichkeiten von sich ändernden Selbstverhältnissen ausfindig gemacht werden können, sie jedoch nicht vollständig, so etwa in Hinblick auf introspektive Prozesse, rekonstruiert werden können. In Bezug auf die Selbstverhältnisse ist dann ein besonderes Augenmerk auf die Reflexionen des Bildes und der körperlichen Zwischenräume zu
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legen, es sind also die Situationen zu finden, in denen das Selbstbeobachten und -steuern der Akteure einsetzt und zu einer möglichen Arbeit am medialen Selbst führen kann. Meist geschieht dies in den Momenten der „Verwunderung“ (vgl. Ferrin/Blaschke 2010), wenn normale oder routinisierte Handlungsweisen unterbrochen werden. Dabei ist die Verwendung des Terminus „Glauben“ ein wichtiger Aspekt, um auf die normalen Eintaucheffekte – Immersion genannt – zu sprechen zu kommen. Der von Pierre Bourdieu verwendete Begriff des „Spielsinns“ (vgl. Bourdieu 1987: 122ff), der als praktischer Sinn oder auch als „illusio“ das Passungsmuster von Feld und Habitus als ein durch Spielerfahrungen einverleibtes Körperwissen bezeichnet, stellt genau genommen solch einen Effekt des Eintauchens des Akteurs in eine auch objektiv gegebene Struktur dar. Die Spieler führen in der Regel ihre subjektive Sinnzusammenhänge ständig fort und hinterfragen aus diesem Grunde die Strukturen nicht. Die Analogie zum Spiel und der Glaube an die Regeln sowie das grundlegende Interesse kann im Allgemeinen auch mit dem Begriff „doxa“ umschrieben werden, der dahingehend gedeutet werden muss, dass ein kollektiver Glaube an die Bedeutung des Spiels bei allen Mitspielern gegeben ist, es handelt sich sozusagen um einen „Urglauben“ (vgl. Bourdieu 1987: 122ff sowie 125). Diese Bedingungen erwirken dann die Vorwegnahme der eigenen Spielzüge sowie die der Mitspieler, indem die Akteure das gegenwärtig eingeschlossene Zukünftige antizipieren und auf der Basis der Virtualität von medialen Umwelten zu begegnen. Die lineare Zeitordnung, in der der Alltag abläuft, ist in der naiven Form eine seit der Geburt erlebte Praxis; in andere Felder dringt der Mensch jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt seiner Biografie vor, so dass die Gesetzmäßigkeiten der „Spiele" erst symbolisch erlernt werden müssen. Zu ihren Logiken gehören die Mythen der Felder, die Regeln und deren Anerkennung sowie ein sich kontinuierlich ausbildendes Grundinteresse. Dasselbe lässt sich auch für die Medienpraktiken voraussetzen und ist von daher ein Motiv, auf die generelle Reflexionsmöglichkeit des „Spiels“ zu verweisen. Der Prozess der „mimetischen Einbildung“ dieser komplexen Spiele, als auch die Inkorporierung der symbolischen Ordnung, gewährt die Sinnzuordnung und eine auf atheoretischen Wissensbeständen sich bildende Verfahrensweise. Der bereits erwähnte Unterschied veranschaulicht dies am Beispiel der akademischen (analytischen) Zeitordnung und dem Zeitdruck der Praxis, die demzufolge als getrennte Felder Betrach-
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tung finden müssen. Als Muster eines verstehenden Zugangs zum Feld beschreibt Bourdieu eine Sozialordnung, die bereits auf frühe Prägungen hindeutet. Im Zusammenhang mit der Klassenteilung der Gesellschaft verweist er auf die wissenschaftliche Kultur. Sie setzt eine „[…] Einprägung des Systems von Regeln (der Grammatik) voraus, […]. In […] der wissenschaftlichen Kultur ist es die halbwissenschaftliche Norm (Grammatik, schulische Kategorien der Wahrnehmung, Bewertung und Äußerung usw.), welche (in Form von ,Bildung‘ verinnerlicht) zur Grundlage der Erzeugung und des Verstehens von Praktiken und Diskursen wird. Hieraus folgt, dass die Beziehungen zur wissenschaftlichen Kultur (und Sprache) soziologisch betrachtet durch das Ausmaß der Verinnerlichung der legitimen Norm definiert werden: die Leichtigkeit, mit der diejenigen, welche die wissenschaftliche Grammatik der Praktiken und Diskurse früh und gründlich beherrschen, so hohe Übereinstimmung mit ihr erreichen, dass sie sich Spiele mit der Regel erlauben können, wie sie für wahre Meisterschaft typisch sind, steht im Gegensatz zu der Steifheit und dem Dünkel jener, die durch ihre strikte Einhaltung der Regel ständig erkennbar werden lassen, dass ihnen viel an der Durchsetzung der Regel liegt, ganz zu schweigen von denen, die sich, was immer sie auch tun mögen, nicht an Regeln halten können, die gegen sie erlassen werden.“ (Ebd.: 199, Fußnote, kursiv im Original)
Die erkennbare Referenz an eine Bildungsidee, die als eine Art von Befähigung dem Gebildeten eingeschrieben ist, verdeutlicht die Frage nach der Selbstbildung, wie sie sie auch Sloterdijk (siehe oben) kritisch an Bourdieu stellt. Denn wenn Bildung als ein Grundlagenverstehen von Feldern aufgefasst wird, droht die spätere Anstrengung, zu mehr oder anderer Bildung zu gelangen beziehungsweise sie auszuprägen, unwirksam, weil nicht habituell zu sein. Der von Bourdieu als performativ und mimetisch konzipierte Prozess der Aneignung von „Grammatiken der Diskurse und Praxis“ zollt der Dringlichkeit und Augenblicklichkeit der fortlaufenden Praxiszeit insofern Tribut, als dass „Distanzgewinn und Gelassenheit, Überschauen und Abwarten“ dabei nicht möglich sind. All diese Kennzeichen von Selbstkultur haben als Grundlage allerdings die mögliche Durchbrechung der „illusio“, das zeitweise Abschalten des Spielsinns, und werden von Bourdieu auch explizit als eine Beobachterposition außerhalb des Spiels vorgesehen. Den weiterführenden Schritt, den generellen Bruch mit der „illusio“, hält er dagegen für „surreal“, da jeder Praxissinn gefährdet wäre und das Zukünf-
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tige auf diese Weise verstellt würde. Der Hinweis für Forscher, sich der analytischen Haltung der Distanz von Wissenschaft zur Praxis bewusst zu werden, ist dabei Bourdieus vorrangiges Ziel. Hingegen leitet er aus der Gegebenheit nicht ab, dass der Durchdringung der „illusio“ ein (Selbst-) Bildungspotential innewohnen könnte, und zwar dem „Zauber“ des Alltags zu entkommen und zu erkennen, dass die Anordnungen der Felder, der Zugang und der Akteur auf kulturhistorischen Formen aufbauen und über Grammatiken und Schemata anderen hinsichtlich der Feldanpassung überoder unterlegen sind. Bildung im von Bourdieu verstandenen Sinne wäre eine Bildung des Selbst, des Subjekts in Bezug auf ein oder mehrere Felder der alltäglichen Ausübung. Bildung wird hier als symbolisches Kapital verstanden, welches den Zugang zu Diskursen und Praktiken der Felder sichert und eben nicht auf transformative Prozesse verweist. Die illusio der Medienpraktiken ist als Spielsinn und Anerkennung der Medienzeit ähnlich dem einzustufen, was zuvor über Felder im Allgemeinen gesagt wurde. Die bereits gelebte Erfahrung mit Medien, Spielen und Bewegungsformen erweist dem einen Spieler Vorteile, dem anderen eben nicht. Doch ist, mit Bezug auf die Reflexionsqualität der Medien, eine andere Lagerung des Zugangs angelegt, ihm ist schon strukturell eine Distanzierungsfunktion enthalten, welche sich in einem durch den Gebrauch eröffneten Zwischenraum offenbart. Jegliche Handlung mit dem virtuellen Körper(-bild) ist potentiell auch eine Aktivierung der Distanzierung, indem die technische Produktion von Differenzen im Zusammenspiel mit den Akteuren immer wieder Irritierendes, Neues und Fremdes hervorbringt. Einerseits zeigt sich in den medialen Selbstbildern ein Potential zur Körperschulung, das durch die Technik „pädagogisiert“ wird, andererseits ein mögliches Reflexionsmittel, das – bezogen auf die wachsende Gesamtheit der Medien – einen immer wichtigeren Stellenwert erlangt. Dabei ist eine Auswertungsstrategie, das (Spielen-)Können als Praxis der Medienakteure zu rekonstruieren, da sich hier die Prozesse des Selbstbezugs abbilden und eine (Selbst-)Wirksamkeit der eigenen Bewegungen anzeigen. Zugleich verändert sich durch die mediale Komponente auch die Eigenbeobachtung, aus der Eigenrelation wird eine Relationierung. Daneben bringt die Metakommunikation über die Praxis, gesehen als Kommentar oder verstehbar als situatives Tagebuch, ebenfalls und im Zusammenspiel von verbalen und non-verbalen Daten eine denkbare Selbstpraxis in Gang. Bewegungsakte und Sprechakte können als Verweis auf die eigene Praxis
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fungieren, und sind somit Teil einer Selbstrelation. In der Beobachtung der Spieler in Interaktion mit dem Medium sowie mit Mitspielern oder Zuschauern lässt sich sodann eine Haltung (nicht nur) gegenüber dem Medium erkennen, weil sich „durch die medialen Praktiken bestimmte ‚innere‘ Kompetenzen und Dispositionen aufbauen“ (Reckwitz 2003: 286, kursiv im Original). Diese Praktiken stellen jene Techniken des Selbst dar, welche sich aus dem (körperlichen) Kontakt mit den Medien historisch entwickeln und in denen „das Individuum auf sich selbst einwirkt“ (Foucault 1993: 27). Der Zweck dieser Einwirkung ist, durch an sich selbst ansetzende Operationen am Körper positive Veränderungen des eigenen Könnens in Form von Steigerungen herbeizuführen (vgl. ebd.: 26). Die in der Beschreibung des methodischen Zugangs aufgeworfenen Stilisierungsprozesse sind als Eigeneinwirkungen keine Stylings im alltagsgebräuchlichen Sinn, sondern verweisen auf performative und reflexive Verknüpfungen von Medienkultur und Akteur als aktive Auseinandersetzung. Von Bedeutung für die folgenden Medienpraktiken ist die implizite Ebene der körperlichen wie sprachlichen Reflexionen. Wie im Nachstehenden deutlich wird, sind submediale Ausprägungen der Spiel-, Simulations- und Bewegungsbeispiele als feldbedingte Aneignungsformen bereits strukturell als Biographisierungs-, Inszenierungs- und Entscheidungsprozesse angelegt. Die Selbstbeobachtung des eigenen haptischen Umgangs mit dem medialen Bild verweist auf alltägliche Handlungsmaxime, welche für gewöhnlich praxisinhärent verbleiben. Beispielsweise sind Irritationen bei den Sportspielen mit der Wii fast in jedem der Spiele zu vermerken. Die Bandbreite reicht dabei von der Einsicht, dass das Einüben des eigentlich langjährig und schwierig zu erlernenden Vorhandschlags in der Tennissimulation der Wii von jedem durchführbar ist, bis zu einem Erkennen oder Verkennen der eigenen Möglichkeiten durch den Vergleich mit Sporthandlungen außerhalb des Mediums. Die körperliche Avatarsteuerung ist in dem Sinne eine Selbstwahrnehmung und Beobachtung im bewegten Bild. Die Simulation des 2nd Life führt solche performativen Konzepte wie das Gender-Konzept von Butler oder aber die Konstrukthaftigkeit der Person(a) generell vor, indem die Stilbildungen des Avatars in die Hände des Spielers gelegt werden und dieser gänzlich durch ihn erschaffen wird (vgl. Althans/Ferrin 2007). Die ebenso online-basierte World of Warcraft exponiert hingegen die Taktik- und Strategieentscheidungen bei virtuellen Biographieentwicklungen. Die Selbstaufsicht als bildlich vermitteltes
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Selbstverhältnis ist in jedem submedialen Feld ein anderes und daher durch einen anderen Beobachterfokus zugänglich. Während bei den Spielen videobasierte Beobachtungen durchgeführt wurden, gab es bei WoW eine teilhabende Beobachtungssituation, da die Spieler in zwei Fällen in ihrer vertrauten Umgebung vorführten, in welchem Modus sie das Spiel umsetzen.
K ÖRPERBILDER IN B EWEGUNG : K ÖRPERLICHE AVATARSTEUERUNG IN W II -S PORTSIMULATIONEN Das mediale Subfeld der Spielpraktiken mit der von „Nintendo“ produzierten Konsole „Wii“ steht zu Beginn der empirischen Materialbeispiele, da hier besonders deutliche Verflechtungen der (körperlichen) Interaktion mit der medialen Praxis rekonstruierbar sind. Zudem stellt das Feld einen leichten Einstieg in die ethnographische oder aber technographische (siehe oben) Beschreibung dar, weil nur zum Teil das Digitalbild – auch wegen der trivialen Bildinhalte – der Medienpraktiken fokussiert und in erster Linie die andere, außerhalb stattfindende Seite der hybriden Praxis untersucht wird. Das heißt, es sind hauptsächlich die Realbewegungen der Spieler im Raum hinsichtlich der situativen Rahmungen relevant, so dass die Darstellung am ehesten geeignet ist, Praktiken des medialen Gebrauchs einleitend zu erörtern. Zu den wesentlichen Formen für mediale Selbstbildungsprozesse gehört an erster Stelle der Bezug zum Spielbild, in dem (fast klassisch) jeder Spieler in der Figur eines Avatars verortet ist. Der bildlichen Präsentation liegt die Vermittlung von Spieler und Spielfigur zugrunde, welche als technisch-körperlicher Zwischenraum die Bereitstellung eines technosozialen Raumes eröffnet, und gleichzeitig inhaltlich die Rahmung der Situation definiert. Daher kann von einem medialen Körper als disponierte Struktur durch die technische Einflussnahme ausgegangen werden, in und an der sich der Spieler orientieren muss. Die Vorgabe und nicht aussetzbare Bedingung der digitalen Spiele ist dem Gebrauch also vorgeordnet; allerdings gehen die Akteure mit ihnen analog zu ihrem Habitus der Mediennutzung um. Dabei spielen Grundbedingungen wie das Alter, der Grad der Erfahrung oder die Medienbildung eine wesentliche Rolle. Jedoch, und dies ist die übergreifende These, eröffnen Medien durch ihre komplexe Vernetzung untereinander je nach Medienart unterschiedli-
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che Räume zur Reflexion, die als eine Art von Angebot als Medienkultur des Selbst fungieren. Teils realisiert sie sich in Form der reinen Speicherund Erinnerungsfunktion, wie bei den antiken hypomnemata (siehe oben: S. 54f), oder aber als komplexe „Spielfläche“ für praktische oder gar kognitiv zu leistende Reflexion. Es entstehen beispielsweise innerhalb der OnlineSimulation „Second Life“ Stilisierungsangebote der Avatare in allen denkbaren Facetten, da es hier kein formales Spielende und somit kein anderes Spielziel als die Präsentation des Avatars gibt. Dabei sind die Rekonstruktionen der medialen Praxis beispielhaft für die Form des „Außer-sichseins“, das der Medienverbund anbietet. Die fortdauernden Weisen des Selbstverweises – sei dies das eigene Bewegungsbild oder aber das Entscheidungsverhalten hinsichtlich der Avatarbiographie – sind im Rückblick auf den einleitenden Diskurs zum Selbstkulturbegriff jedoch bei weitem noch keine Form der als Selbsttechnik verstandenen Kultivierung. Sie bilden über solche Bereitstellungen von Angebotsformen zur Selbststilisierung lediglich den Anfang eines Prozesses ab. Die mit jeder technischen Innovation einhergehende qualitative Erhöhung (oder Überhöhung) der Angebote zur Reflexion ist als ein Verhältnis zur medialen Welt zu verstehen, das in der Irritation, der Experimenthaftigkeit und der Konfrontation mit dem Anderen in letzter Konsequenz wieder auf den Akteur rückwirkt. Das Spiel erzeugt ein mediales Subjekt, es kann sich als solches vollkommen in die Welt des Spiels einbeziehen lassen. Die Dezisivität einer jeden Handlung während einer solchen Immersion wäre jedoch im Sinne einer transformierenden Selbstkultur als unwahrscheinlich einzustufen. Auch eine distanzierte Spielhaltung kann keine solche herausbilden, ein Einsatz im Sinne der feldspezifischen „doxa“ ist nötig, um an den Medienspielen überhaupt partizipieren zu können. Die medialen Angebote zur Reflexion im Sinne einer Strukturanalogie zu nutzen hieße, die medialen Räume als Übung(sräume) aufzufassen, die stellvertretend für die Gesamtheit möglicher Selbstkultivierungen stehen. Sie werden im medialen Umgang zunächst aktualisiert, dann erprobt, vorgeführt und eingeübt, und unterliegen fernab davon dem Effekt, selbst ein Teil der Form sowie der Bildung zu sein. Die im Folgenden analysierten Samples des Wii-Sports wurden von zwei Kameras aufgenommen, die neben dem Bild und hinter den Spielern installiert wurden, um die groben Abläufe der Spiele aufzuzeichnen. Die verschiedenen Modi der Beobachtung geben ihrerseits Aufschluss über die
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Spiel- und Selbstverhältnisse der Beteiligten. Während der Forscher bei WoW zunächst die Akteure beim Spielen beobachtete und befragte, ergab es sich, dass die Teilnehmer dort bereitwillig Auskunft über ihr Verhältnis zum Spiel und zu den anderen gaben. Dagegen steht bei Wii-Sports in erster Linie ein Modus der technosozialen und körperlichen Praxis im Fokus. Insofern lassen sich die verschiedenen Subfelder auch in Komparation untereinander nutzen, da der Feldzugang zum Medium gleichsam die eigentliche Spezifizität des Spielens ausmacht. Die Technik: Die Spielekonsole Wii zeichnet sich im Kontrast zur Maus, zum Joystick und zur Tastatur insbesondere durch eine veränderte Art der Steuerung aus, die sich am ehesten in der innovativen Bedienung zeigt. Der Wii-Remote – die Fernsteuerung der Wii – sind Sensoren implementiert, welche ihre Position im Raum durch die Haltung in Relation zu der Infrarotkamera am Gerät und zwei weiteren Sensoren in der Nähe des Bildschirms übermitteln und Bewegungsänderungen registrieren. Diese Daten werden parallel in sinngemäße Bildbewegungen umcodiert. Hier zeigt sich bereits der bedeutungsgenerierende Effekt der technischen Datenaufnahme, -umwandlung und -wiedergabe, was bereits als hybride Praxis in der Situationsdefinition gekennzeichnet wurde. Die Konsole stellt sich als ein effizientes Kontrollorgan dar, da sie Positionen und Richtungsänderungen des Spielers aktiv neu mitgestaltet, indem sie Bedeutungszuweisungen innerhalb der medialen Rahmungen vornimmt, wodurch die mediale Bildausstrahlung den Charakter einer Synchronität zu parallel stattfindenden Körperbewegungen gewinnen kann. Anders formuliert: Im Realraum ausgeführte Bewegungen werden nahezu simultan auf dem Bildschirm technisch reinszeniert. Realisiert wird dies durch die „Wii-Remote“. Sie wird vom Hersteller wie folgt vermarktet: „Die Wii-Fernbedienung funktioniert kabellos und reagiert auf Ihre Bewegungen. Dadurch ermöglicht sie eine völlig intuitive, natürliche Art des Spielens. Der ergonomische Controller verwandelt Ihre ganz realen Bewegungen in Bewegungen auf dem Bildschirm. Sie wollen eine Trommel schlagen oder einen Tennisschläger schwingen? Warum sollten Sie dazu einen Knopf drücken? Machen Sie es doch ganz einfach! Dank der Wii-Fernbedienung versetzen Sie ganz normale Bewegungen ins Zentrum Ihres Spiels. [...] Sie ist Ihr Pinsel, Ihr Golfschläger, Ihr Flugzeug,
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kurz: Ihr Schlüssel zu einer neuen Welt voller Spaß, wie Sie sie sich bisher nicht vorstellen konnten.“ (Nintendo 2009, Abruf: 22.04.2010)
In dieser stark affirmativen Darstellung des Erfolges der eigenen Technikund Marketingabteilung des Herstellers wird beschrieben, wie die WiiFernbedienung beispielsweise als Tennisschläger fungieren kann. Die Handhabung erfolgt in Anlehnung an den Tennissport, der Spieler hält sie deshalb wie einen Tennisschläger in der Hand. Der Schlägerkopf, der an der Fernbedienung fehlt, kann als Aufsatz hinzugekauft oder lediglich imaginiert werden, während mit der Fernbedienung der Tennisschwung als Körperbewegung „vollzogen“ wird. Aufgrund des Aufbaus und der Auswahl der Spiele, die im Kaufumfang der Wii-Konsole bereits enthalten sind und ausschließlich Sportsimulationen umfassen, sind aktive Bewegungsmomente in der Reziprozität von Bild und Körper in allen Aufnahmen des Datensatzes enthalten. Die Praxis: Aufgrund des interaktiven Charakters und der antagonistisch ausgerichteten Kampfstruktur des Spiels „Boxen“ bieten ein einleitender Ausschnitt aus dem empirischen Material eine gute Ausgangsbasis, um dem körperlichen Umgang mit dem Medium und dem eigenen Körperbild nachzugehen. Daneben werden die Spielpraktiken des virtuellen Bowlings im Fokus stehen, wobei pointiert solche Handlungen dargestellt werden, in denen Verortungen im virtuellen Raum vermittelt werden, was beim Boxen eher vermindert stattfindet. Zwar ist dabei die direkte Interaktion der Spieler untereinander geringer ausgeprägt, da sie nicht via Bildschirm gegeneinander spielen, sondern nacheinander kegeln, die Bezugnahme der Spieler auf die Spielfigur und die Spielumwelt ist jedoch von außerordentlicher Ausprägung. Ergänzt werden die Sportspiele um die im Tennis angedeutete Identifikation der Teilnehmer mit dem bildlichen Pendant. Die teilnehmende und videobasierte Beobachtung fokussiert dabei insbesondere auf die Interaktionen dieser so genannten „Hybridakteure“. Denn die folgende Annahme gilt für das eine wie auch für die anderen Spiele: Bei dem auf sich selbst blickenden Spieler („Selbstbild“), der die „eigenen“ Bewegungen durch die computerisierte Verarbeitung zu erkennen meint, entsteht eine auf sich selbst bezogene Praxis, die einen einzigartigen Selbstbezug hervorbringt.
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Diese Praktiken werden hier herangezogen, um die Thesen, die mit Bezug auf die Rekonstruktion sowie auf die Analysen der anderen Beobachtungen und Befragungen entwickelt wurden, exemplarisch zu verdeutlichen. In den dabei fokussierten Szenen des virtuellen Boxens, Bowlings und Tennis’ agieren jeweils zwei Duellanten, zwei Tennisdoppel bzw. ein Kegler, sowie einige im Raum verteilte Zuschauer. Jeder Spieler steht beim Boxen und beim Tennisspiel räumlich gesehen Seite an Seite mit seinem Gegner, oder eben allein auf der Bowlingbahn, seine Aufmerksamkeit richtet sich jedoch der eigentlichen „Spielfläche“ auf dem Bild zu, auf der jeder Spieler eine Spielfigur steuert, die mit dem Rücken zum Spieler positioniert ist und somit aus der „third person“-Perspektive dargestellt wird. Ein Box-, Tennisschlag oder Bowlingwurf, im Realraum mit einer Fernbedienung in der Hand vollzogen, wird nahezu synchron (im Spiel als zeitgleich wahrgenommen) auf dem Bildschirm gezeigt und mit den Ausweichbewegungen und Schlägen des Kombattanten abgeglichen; welcher der Wettstreiter mehr Treffer erzielt oder mehr Kegel umwirft, gewinnt das Spiel. Die Beobachtung eigener Bewegungsmuster im externen Medium der Bilder ermöglicht, trotz der Parallelität von Bewegung und Abbild, aufgrund der Visualisierung der eigenen Praxis ein Abstandnehmen von der eigenen Position im Raum, untersteht aber auch der technischen Performanz sensorischer Leistung. Durch die visuellen und taktilen Körpertechniken beinhalten solche Praktiken das Potential, den „eigenen Körper“ in der medialen Vermittlung zu erkennen sowie motorisch zu koordinieren, und dies zu Möglichkeiten der Reflexion über die eigenen Bewegungsgewohnheiten weiterzuentwickeln. Es wird zunächst davon ausgegangen, „Gesten“ als intersubjektive und –objektive reziproke Bedeutungskonstitution im Sinne von Bewegungen des Körpers als Interface zwischen den materiellen Anforderungen der Technik und den Bedingungen des in der Praxis verhafteten Körpers aufzufassen. Das Interface ist eine Kopplungsstelle zur Umwandlung von Informationen, wobei Bewegungen als performativer Akt außerhalb des Apparats die Operationen im Inneren begleiten. Ein im Forschungsprozess entwickelter Fokus auf die körperliche Bedienung der Spielfigur als Bezugnahme und Verbindung zum Medium stellt zugleich die Medientechnik des Selbst im Subfeld dar. Das Wii-Sports hat insofern einen anderen Modus der Teilnahme als die später noch dargestellten klassischen Steuerungsoptionen durch die Tastatur oder die Maus. Die Aufteilung widmet sich dem
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Faktum der Ausrichtung auf einen verstärkt körperlichen Mediengebrauch, der der „Hexis“ (vgl. Fröhlich 1999) verhaftet ist und zudem eine jeweils individuelle Art von Rollendistanz oder Nähe (vgl. Goffman 1973) zum Medium zeigt. Anders formuliert kann die illusio in beide Richtungen verstanden werden – als vollkommenes Eintauchen in das oder aber als Distanzieren vom Spiel. Dabei vollziehen die Akteure Bewegungen, die sich mehr auf die mediale Seite, auf das (von ihnen) bewegte Bild beziehen bzw. dieses eher ausklammern und in diesem Fall zur sozialen Interaktion mit den Zuschauern und dem Gegner zählen. Aufgrund der systematischen Trennung der Interaktionsräume medialer und sozialer Rahmung liegt der Fokus hierbei auf der selbst- und gemeinschaftsbildenden Kraft von nonverbalen Ausdrucksgesten und verbalen Kommentaren. Die Aufnahmen sind einer Familienfeier entnommen, die sich an eine Taufe im Herbst 2008 anschließt. Auf der Feier ist neben den etwa 40 Familienmitgliedern ca. dieselbe Anzahl an Freunden und Bekannten zugegen. Die „Spielgemeinschaft“ setzt sich aus diversen Familienmitgliedern und bekannten Zuschauern im Alter von acht bis 16 Jahren und einem älteren, circa vierzigjährigen Familienmitglied zusammen. Im späteren Verlauf kommen noch weitere Familienmitglieder hinzu (darunter die einzigen weiblichen Personen), die ca. 30 und 50 Jahre alt sind. Zuletzt gesellt sich noch ein Sechzigjähriger zu den Spielern, der von seinem Sohn, dem 40-jährigen Fred, zum Mitspielen animiert wird. Während die restlichen Spieler aus Berlin und der ländlichen Region um Oldenburg stammen, kommt der jüngste Spieler Avery aus London, die Frauen stammen aus den USA. Insgesamt fanden während der gesamten Feierlichkeit sechs Kämpfe statt. Die Spielekonsole ist in einem großen Wohnraum aufgestellt, der genug Platz für die Projektionsfläche des Beamers, mehrere Stuhlreihen und eine großzügige Spielfläche bietet. Boxtechnik Ausgangssituation Boxen: Die beschriebene Fernbedienung „Wii-Remote“ wird beim ausgewählten Spiel „Boxen“ mit einem weiteren Controller verknüpft, so dass in beiden Händen jeweils eine Fernbedienung liegt. Die Bewegungen werden von dieser Ausgangsposition an die Konsole übermittelt, die die gesendeten Informationen in digitale Bilder und Bildbewegungen umrechnet und ein in zwei Felder geteiltes Bild ausgibt. Auf diesem
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kehrt der jeweilige Avatar beziehungsweise Boxer dem bedienenden Spieler den Rücken zu und steht dem Avatar des Gegners gegenüber. Der eigene Avatar jedes Spielers erscheint also nicht seitenverkehrt vor ihm auf dem von der Konsole ausgegebenen Bild, wobei die Spieler nebeneinander vor dieser Projektion stehen. Sie blicken, wie auch alle Zuschauer während der Kämpfe, wie „gebannt“ auf die digitale Darstellung und sollen den Avatar des Kontrahenten mit Faustschlägen mit der Wii-Remote bearbeiten, um diesen zu besiegen. Dabei erzeugt das Gerät bei einem Treffer den Boxschlägen analoge Geräusche sowie Zuschauerlaute. Ebenso wird jeder ungeschützte Treffer mit einem spielspezifischen „Ping“ begleitet. Die folgende Darstellung folgt dem Schema der Transkription von Szenen und deren anschließender weiterführender Interpretation. Abb. 1: Schlag-Technik
Quelle: Private Aufnahme/Wii (Nintendo)
„Switch the hands“ Der Ausschnitt der Boxsimulation führt einleitend in einen Kampf zwischen dem etwas über 30-jährigen Timo und seinem ca. doppelt so alten Onkel Klaus. Letzterer vollzieht einige Schläge und fragt schließlich: „Bin ich das nun?“ Er schleudert die links gehaltene Wiimote nach außen und wirbelt sodann mit beiden Händen vor und über dem Kopf herum. Die Zuschauerin Larissa wirft ein: „Nein, du musst sie tau-
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schen. Wrong hands. Switch, switch, switch the hands“. Timo lehnt sich zu Klaus und sagt: „Du musst sie zusammenhalten, zusammenhalten die Dinger“. Timo dreht sich zu Klaus und führt die Hände aneinander: (1) „Mit beiden Händen, so!“ Klaus nimmt nun die Hände zusammen und hält sie vor seine Brust, als Timo seinen Oberkörper von links nach rechts wiegt. „Tauschen, switch the hands (1) Klaus!“ wiederholt Larissa. Klaus führt seine Arme angewinkelt vor der Brust langsam hin und her. Timo versetzt Klaus einen Schlag, daraufhin Klaus: „Ach so, jetz’ seh ich mich ja“, wobei er abermals seine Hände aneinander haltend bewegt. Larissa wird nicht müde: „Wrong controller, switch the hands.“ Während Timo einige Schläge anbringt und Klaus fragt: „Hast du einen abbekommen?“ „Nee, du“ antwortet Timo lachend und wiegt sich von links nach rechts. Auch Klaus lacht kurz auf. Der Zuschauer Kai verlässt seine Position hinter den Kämpfenden und geht zu Klaus, der nun, beide Hände aneinander haltend, sie ein Stück nach vorn führt und wieder zurückzieht. „He doesn't listen. Switch 'em“ entgegnet Larissa. Kai nun zu Klaus: „Entschuldigen Sie“ und ergreift vorsichtig nach den Controllern, um sie zu vertauschen, als auch Timo dies bemerkt: „Switchen, umdrehen, andere Seite“.
Wie an anderem Ort herausgestellt, kann eine mögliche Alters- respektive Generationsdifferenz innerhalb der Videografien des virtuellens Boxens angenommen werden (vgl. Ferrin 2010). Die „Boxszene“ zeigt zunächst die ‚irritierende Spielart‘ der medialen Sportsimulation auf. Zwischen Klaus und Timo wird ein klares Missverhältnis deutlich. Klaus inszeniert dieses auch formell, indem er danach fragt, welcher Avatar denn der seine ist. Er hat nicht nur die Spiellenkung nicht verstanden, sondern an der Übereinstimmung von Aussage und körperlicher Bewegung wird ein situatives Nicht-Verstehen deutlich. Abgesehen von der Aussage illustriert sich das Missverhältnis von Avatar und Spieler in den abrupten und heftigen Bewegungen – er weiß gar nicht, was er da tun soll. Auf der körperlichen Ebene verstehen sowohl Larissa wie auch Timo selbst, dass Klaus an die Grenzen seines praktischen Wissens und Könnens gelangt oder geführt wurde und Unterstützung benötigt. Insbesondere Larissa versucht von diesem Moment an Klaus zu vermitteln, dass er die Controller vertauscht hat und sie von der einen in die jeweils andere Hand wechseln muss. Doch die verbalen Aussagen vernimmt Klaus nicht; erst als Timo eingreift, selbst ein Ausweichmanöver enaktiert und ihm somit vorführt, wie eine Bewegungsfigur innerhalb der Simulation dargestellt wird, reagiert Klaus auf den an ihn gerichteten Hinweis. Jedoch wird auf dieser
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Ebene deutlich, dass sein Mitspieler Timo, der selbst in das Spielgeschehen involviert ist, gar nicht versteht, was das Problem von Klaus ausmacht. Und obwohl das Hindernis der vertauschten Controller (noch) nicht überwunden ist, kann Klaus durch simulierte Annäherung an Timos Vor-bild-funktion erkennen, dass der Avatar auf die Bewegungen außerhalb reagiert beziehungsweise wie der Transfer funktionieren kann. Trotzdem verkennt Klaus seine Position und kann nicht aktiv ins Spielgeschehen eingreifen. Das wird ihm jedoch noch nicht bewusst, obgleich er mehrere Treffer von Timo hinnimmt. Dies offenbart sich auch durch die zum Ende an Timo gerichtete Nachfrage, ob er getroffen worden sei. Zum Ausdruck gebracht wird die Disharmonie im Spielfluss ebenfalls durch die Reaktionen der Zuschauer, die durch die anhaltenden Hinweise seitens Larissa schließlich doch ein Ende findet, als Kai endlich zu Klaus vorgerückt ist und ihm seine Hilfe anbietet. Erst in diesem Moment des durch Körperlichkeit inszenierten Kontakts wird nun Timo wie gleichsam Klaus offenbart, dass die andauernden Zurufe aus dem Bereich hinter der Spielfläche einen an ihn adressierten Gehalt aufweisen. Die Erfahrungen aus den vorhergehenden Spielhandlungen – zumeist als externer Beobachter – und die von der medialen Situationsdimension ausgehende Rahmung der Spielfläche als auch die Grenze zu den Zuschauern und die Selbstbeobachtungsstrategien der Akteure bewirken einen tentativen Spielzugang von Klaus. Dieser betrifft die eigene technisch-taktile Bewegung mit der Steuerung ebenso wie den visuellen Abgleich mit dem Bildgeschehen. Er ist geneigt, den Modus der Spielpraxis zu erlernen, wie die Steuerung funktioniert und wohin er auf dem Spielbild blicken muss. Aber erst die praktische, und das bedeutet in diesem Fall konkret die körperliche Zuwendung von Kai, bewirkt den Tausch der Controller und lenkt die Aufmerksamkeit von Timo weg vom Bildgeschehen hin zu seinem Onkel. Dem Körper als konstantes Vorbild hinsichtlich der Bewegungen und der Lenkung der Aufmerksamkeiten steht die sprachliche Anrufung aus dem Publikum gegenüber, die in diesem Fall keinen der spielenden Akteure erreicht. Beide sind offensichtlich dermaßen auf die Bewegungen fokussiert, dass sie den Sinn der sprachlichen Äußerungen nicht auf die körperliche Ebene und die Spielebene umzusetzen in der Lage sind. Die sprachliche Funktionszuweisung innerhalb dieser Rahmung dient lediglich, wie am Beispiel von Klaus, der Eigenkommentierung, oder am Beispiel des Publikums des Fremdkommentars. Die Möglichkeit zur Distanzsetzung, die als
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