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SCHMITTIANA NEUE FOLGE
Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts
Band III
Herausgegeben von der Carl-Schmitt-Gesellschaft
A Duncker & Humblot · Berlin
SCHMITTIANA NEUE FOLGE
Band III
SCHMITTIANA NEUE FOLGE
Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts
Herausgegeben von der Carl-Schmitt-Gesellschaft
Band III
SCHMITTIANA NEUE FOLGE Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts Band III
Herausgegeben von der Carl-Schmitt-Gesellschaft
Duncker & Humblot · Berlin
Veröffentlicht unter Mitwirkung des wissenschaftlichen Beirats der Carl-Schmitt-Gesellschaft e.V. Mitglieder des Beirats: Jürgen Becker (Vorsitzender) Horst Bredekamp Gerd Giesler Reinhard Mehring Wolfgang H. Spindler Carl-Schmitt-Gesellschaft e.V., c/o Duncker & Humblot, Carl-Heinrich-Becker-Weg 9, 12165 Berlin (www.carl-schmitt.de) Redaktion: Gerd Giesler und Martin Tielke
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Printed in Germany ISSN 2199-059X ISBN 978-3-428-15025-0 (Print) ISBN 978-3-428-55025-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-85025-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ∞
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Internet: http://www.duncker-humblot.de
Inhaltsverzeichnis Carl Schmitt Grundsätzliches zur Verfassung des Deutschen Reiches (1929) . . . . . . . . . . . . 7 Carl Schmitt Verfassungsrechtliche Fragen der Gegenwart (1930) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Carl Schmitt Öffentlichkeit (1930) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Reinhard Mehring (Hrsg.) Carl Schmitt in der Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen I: Eduard Rosenbaum, Kurt Singer, Edgar Salin, Emil Lederer, Gottfried Salomon, Ferdinand Tönnies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Rolf Rieß (Hrsg.) Carl Schmitt in der Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II: Carl Brinkmann, Erwin von Beckerath, Friedrich Lenz, Eduard Heimann . . . 119 Jens Hacke (Hrsg.) Briefwechsel Moritz Julius Bonn – Carl Schmitt 1919–1932 . . . . . . . . . . . . . 233 Marin Tielke (Hrsg.) Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting (1959–1983) . . . . . . . . . . 251 Reinhard Mehring Im Netzwerk der Selbstglossierung: das Corollariengefüge der Handexemplare und Materialien. Zur Neuauflage von Carl Schmitt „Der Hüter der Verfassung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Ergänzungen zu Korrespondenzen Briefwechsel Carl Schmitt – Rudolf Smend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Briefwechsel Carl Schmitt – Armin Mohler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Fundstücke aus dem Nachlass von Carl Schmitt Erinnerung an meinen Vater / Illustration anlässlich der Einkommenssteuererklärung 1965 Zusammengestellt von Gerd Giesler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Berichtigungen zu Band I und II Schmittiana NF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Personenregister (Band I, II und III) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
Carl Schmitt Grundsätzliches zur Verfassung des Deutschen Reiches (1929) Die auffälligste Verschiedenheit zwischen der heutigen (Weimarer) und der früheren (Bismarckschen) Verfassung betrifft die Organisation des Deutschen Reiches, also den I. Hauptteil der Weimarer Verfassung. Die drei großen „Klammern“ des Bismarckschen Reiches – Kaiser, Bundesrat, preußische Hegemonie – sind entfallen. Die Weimarer Verfassung macht den Reichstag zum entscheidenden Mittelpunkt der politischen Organisation und gründet die politische Einheit des deutschen Volkes auf ein parlamentarischdemokratisches System. – Weniger auffällig, in den Wirkungen aber ebenso folgenreich ist die Verschiedenheit zwischen der Weimarer und der früheren Verfassung, die sich im II. Hauptteil der Weimarer Verfassung zeigt, in den „Grundrechten und Grundpflichten der Deutschen“. Bismarcks Reichsverfassung kannte keine Grundrechte. Auch in den damaligen Landesverfassungen, in denen sich ein für das 19. Jahrhundert typischer Katalog von Grundrechten wiederholte (Gleichheit vor dem Gesetz, persönliche Freiheit, Hausrecht, Vereins- und Versammlungsfreiheit, Preßfreiheit, Vertrags- und Gewerbefreiheit, Privateigentum), treten die Grundrechte nicht so stark und auffällig hervor, wie in der heutigen Verfassung. Der erste Entwurf der Weimarer Verfassung von Hugo Preuß wollte ebenfalls möglichst wenig Grundrechte aufnehmen. Der außerordentlich umfangreiche II. Hauptteil der Weimarer Verfassung ist erst im Laufe der weiteren Verhandlungen der Nationalversammlung entstanden. 1. Die Verschiedenheit ist zunächst quantitativ auffällig. Der ganze II. Hauptteil, fast die Hälfte der Weimarer Verfassung, beschäftigt sich mit diesen „Grundrechten und Grundpflichten“. Dabei ist man über den im 19. Jahrhundert üblichen und typischen Katalog weit hinausgegangen. Die verschiedenartigsten Programme und Prinzipien – des bürgerlichen Rechtsstaates, der sozialistischen Reformbestrebungen, des katholischen Naturrechts, des Beamtenstaates – sind nebeneinander aufgeschrieben, positive Einzelbestimmungen, Richtlinien und bloße Proklamationen stehen oft kaum unterscheidbar nebeneinander. Es gibt kein Gebiet des menschlichen Lebens und keine wichtige politische Frage, für das sich nicht irgend eine Wendung in diesem II. Hauptteil der Weimarer Verfassung zitieren ließ: Bürgerliche Freiheit und Sozialisierungsprogramm, Schutz der Ehe und Schutz der un-
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ehelichen Kinder, Simultanschule und konfessionelle Schule, Trennung von Kirche und Staat und Bindung des Staates an die Kirche, kurz ein ganzes „interfraktionelles Parteiprogramm“. 2. Die Wirkung dieser neuartigen Verfassungspraxis wird sich erst allmählich in vollem Maße entfalten, ist aber in wichtigen Punkten schon heute zu erkennen. Ein deutliches Anzeichen ist erstens die große Zahl der entweder zweifellos oder wenigstens möglicherweise verfassungsändernden Gesetze und die Menge der Zweifel und Meinungsverschiedenheiten, die sich hier täglich erheben; zweitens die täglich wachsender Heranziehung von Verfassungsartikeln in der Praxis der bürgerlichen Gerichte. Während vor dem Kriege Verfassungsartikel im täglichen Rechtsleben verhältnismäßig selten erwähnt waren, ist heute dieser II. Hauptteil der Weimarer Verfassung in der Zivilrechtslehre und – Praxis neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch und andern rein bürgerlich-rechtlichen Gesetzen eines der meist zitierten Gesetzeswerke. Es kommt noch hinzu, dass die Gerichte durch ihr richterliches Prüfungsrecht über die Landesgesetzgebung (d. h. über die Landesparlamente) auf Grund der sehr weiten und vieldeutigen Bestimmungen jenes II. Hauptteils eine weitgehende Kontrolle ausüben und dass sie auch ein Prüfungsrecht (das Reichsgericht seit der Entscheidung vom 4. November 1925, RGZ 111, S. 320) gegenüber einfachen Reichsgesetzen (d. h. vor allem gegenüber dem deutschen Reichstag) in Anspruch nehmen. Die Gerichte könnten dadurch eine neue, politisch bedeutungsvolle Stellung in der Organisation des Reiches erhalten. 3. In der Sache bezweckt der II. Hauptteil der Weimarer Verfassung eine „Verankerung“ bestimmter Interessen und Normen, d. h. Sicherung gewisser (sehr zahlreicher) Interessen vor der jeweiligen Mehrheit des Parlamentes und Schutz vor den wechselnden Mehrheiten des Reichstages und der Landtage. Es ist besonders beachtenswert, dass die Weimarer Verfassung, nachdem sie im I. Hauptteil einen radikal parlamentarisch-demokratischen Staat organisiert und den Reichstag scheinbar allmächtig gemacht hat, gleichzeitig in ihrem II. Hauptteil Sicherungen gegen das demokratische Mehrheitsprinzip aufstellt. Man ist sich dessen noch nicht genügend bewusst geworden und hat solch „Verankerungen“ missverständlich und irrtümlich als „Entpolitisierung“ bezeichnet. Die organisatorische und politische Wirkung solcher „Verankerungen“ kann verschiedenartig sein: einmal könnten die Gerichte auf Grund ihres richterlichen Prüfungsrechtes eventuell einem mit weitgehenden Zuständigkeiten ausgestatteten Staatsgerichtshof eine politische Stellung erhalten und zweitens fällt den Parteien, die in der Minderheit sind, ein über die ziffernmäßige Bedeutung hinausgehender politischer Einfluss zu. – Die Gefahr dieses verfassungsrechtlichen Zustandes liegt darin, dass die Bestimmungen des II. Hauptteils allzuweit und mannigfaltig sind. Es ist
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zuviel und zu Verschiedenartiges auf einmal „verankert“ worden. Die Folge ist – abgesehen von den vielen Meinungsverschiedenheiten und Auslegungsmöglichkeiten, welche das Ansehen der Verfassung gefährden müssen –, vor allem der Missstand, dass noch mehr Parteien und Gruppen an den Abmachungen beteiligt werden, auf denen heute die staatliche Willensbildung des Reiches beruht. Das Deutsche Reich verwandelt sich dann aus einer geschlossenen politischen Einheit in eine Vielheit, in ein Agglomerat von Parteien und Gruppen, die in Form von Abmachungen verschiedenster Art, in Kompromissen und andern Verträgen über das Reich entscheiden. Das Reich wird dadurch ein pluralistisches Gebilde, der deutsche Reichstag der Schauplatz dieser Disaggregation. Mit dem viel erörterten Problem des Föderalismus – das in Wahrheit doch vor allem das Problem der süddeutschen, insbesondere der bayerischen Staatlichkeit ist – kombiniert sich dieses noch nicht genügend zum Bewusstsein gekommene Problem des Pluralismus, d. h. der Auflösung des deutschen Staates in eine Vielheit von sozialen Gruppen höchst verschiedenartiger Zusammensetzung und mannigfaltiger Überkreuzungen, die an dem Kompromiss beteiligt sein können: einige Staaten wie Bayern, Interessenverbände wie Industriellenverband und Landbund, die Gewerkschaften, das Beamtentum, die römisch-katholische Kirche, die evangelischen Landeskirchen, vielleicht auch noch die Reichsbahn usw. Das erinnert an Zustände der Reichsauflösung im mittelalterlichen Ständestaat. Die Einheit des deutschen Reiches würde dann schließlich nur noch auf dem Druck von außen beruhen, auf dem Versailler Vertrag, dem Dawes-Plan und Locarno; es wäre in Wahrheit nur noch die Einheit des Reparationsschuldners. – Die Weimarer Verfassung enthält eine sehr bedeutende organisatorische Sicherung gegen diese pluralistische Auflösung und Desintegration in den Befugnissen des vom ganzen deutschen Volk gewählten Reichspräsidenten. Dieser ist nach Sinn und Wortlaut der Weimarer Verfassung der eigentliche „Hüter der Verfassung“ und der deutschen Einheit, wenn der Reichstag sich infolge der Parteizersplitterung aus einem Schauplatz der Einheitsbildung in ein Instrument des parteimäßigen Pluralismus verwandelt. Dadurch tritt der Reichspräsident, ohne dass es einer Verfassungsänderung oder einer besonderen Aktivität bedürfte, in weit höherem Maße in den Mittelpunkt des heutigen staatsrechtlichen Systems, als man sich bisher bewusst gemacht hat. Gleichzeitig allerdings wird deutlich, in welchem Maße das Schicksal des deutschen Volkes davon abhängt, ob es gelingt, einen Reichspräsidenten zu finden, bei dem sich das Vertrauen zu seiner parteipolitischen Neutralität mit persönlicher Autorität verbindet. – Dem Druck von außen kann man auf Dauer die Wahrung der deutschen Einheit nicht überlassen. Die innerpolitischen Interessen und Klassengegensätze müssen zu einer pluralistischen Auflösung führen, wenn die parlamen-
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tarischen Parteien und das von diesen Parteien gebildete Parlament sich in bloße Exponenten dieser Gegensätze verwandeln. Es wäre unrichtig, der Weimarer Verfassung die Schuld an dieser Entwicklung zu geben. Die Weimarer Verfassung enthält vielmehr in ihrer Konstruktion des Reichspräsidenten ein sehr wirksames Mittel, um die Einheit zu retten. Freilich hängt es ganz von dem politischen Willen und dem politischen Bewusstsein des deutschen Volkes ab, ob dieses Mittel effektiv ist oder nicht. Aber es ist eben das Wesen jeder Demokratie, dass das Volk selber über sein Schicksal entscheidet und das Risiko der eigenen Entscheidung selber trägt, zu seinem Glück, wenn es starke und richtige politische Instinkte hat, zu seinem Verderben, wenn die einzelnen Staatsbürger und sozialen Gruppen nicht imstande sind, den Gedanken einer ihnen allen überlegenen Volkseinheit durch die Tat zu realisieren. Der bisher nicht wieder abgedruckte Vortrag von Carl Schmitt wurde von ihm auf dem ersten Lehrgang zur staatswissenschaftlichen Fortbildung von Lehrkräften landwirtschaftlicher Schulen gehalten, der vom 14. bis 17. Mai 1929 in Berlin stattfand. Die Broschur wurde bei Walter Säuberlich, BerlinHohen-Neuendorf ohne weitere Verlagsangabe gedruckt, der Vortrag Schmitts befindet sich auf den Seiten 64–67. In dem noch unveröffentlichten Tagebuch von 1929 hat Carl Schmitt notiert: „Freitag, 17.5.29. Gut ausgeschlafen, um 10 kam Hans Freyer, sehr nett unterhalten, über den Begriff des Politischen. Nachher Fräulein Kraus diktiert, dann nach dem Essen zum Haare schneiden im Auto gefahren, um 3 zurück, etwas ausgeruht, ½ 5 Vortrag in der Landwirtschaftlichen Hochschule, sehr nett, über Pluralismus, Verfassung, I. und II. Teil usw. Leibholz und Fuhrmann waren da, gingen noch mit zu mir, freundlich mit ihnen unterhalten, das Buch von Heller soll bald erscheinen …“ (Nachlass Carl Schmitt, Landesarchiv NRW. Abtlg. Rheinland, RW 265-21638).
Carl Schmitt Verfassungsrechtliche Fragen der Gegenwart (1930) I. Wenn Herr Prof. Ritter in seinem Vortrag über „Ideenrichtungen der Agrarpolitik seit dem 19. Jahrhundert“ vorhin feststellen konnte, daß ein „wachsender Einfluß staatlicher Maßnahmen in der Agrarpolitik“ wahrzunehmen sei, so hat er damit eine Beobachtung ausgesprochen, die auch auf andern Gebieten des heutigen wirtschaftlichen Lebens gemacht werden kann und dazu führt, dass man allgemein den heutigen Staat als einen „Wirtschaftsstaat“ kennzeichnen darf. Nicht nur deshalb, weil der Staat Zoll- und Handelspolitik treibt und durch seine sozialpolitischen Regelungen und Maßnahmen das Wirtschaftsleben beeinflusst, sondern auch darüberhinaus als Wohlfahrts- und Fürsorgestaat, der große Subventionen an die verschiedenen Wirtschaftszweige verteilt, der sich in großem Umfang als „öffent liche Hand“ betätigt und in Deutschland insbesondere noch ein Reparationsstaat ist, der Milliarden-Tribute für andere Staaten aufbringen muss. Es liegt daher nahe, für diesen Wirtschaftsstaat auch eine Wirtschaftsverfassung zu verlangen, in welcher den einzelnen Zweigen der Produktion ein unmittelbarer Anteil an der staatlichen Willensbildung gewährt wird, während die geltende Reichsverfassung als „rein“ politische Verfassung, die ökonomischen Größen und Faktoren als solche ignoriert und nur den Staatbürger als soIchen, nicht aber Produzenten, Steuerzahler, Arbeitgeber und -nehmer für die politische Willensbildung heranzieht. Eine solche Forderung, dem Staat, der nun einmal ein Wirtschaftsstaat ist, auch eine Wirtschaftsverfassung zu geben, hat scheinbar den Vorteil der Ehrlichkeit und der Anpassung an die Wirklichkeit unserer heutigen Zustände für sich. Trotzdem ist die Forderung keineswegs einfach und unproblematisch. Welche Art von Wirtschaftsverfassung man auch immer fordern mag – berufsständiger Staat, Rätestaat, fascistischer stato corporativo – immer enthält die Entscheidung über die Bewertung und die Stimmenverteilung für die einzelnen Berufszweige und Wirtschaftssysteme eine hochpolitische und nicht etwa nur eine rein wirtschaftliche Entscheidung. Die wirtschaftlichen Gegensätze und Gruppen wären nicht mehr gezwungen, den
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Umweg über allgemeine Wahlen zu machen, sondern ständen sich in offenem Egoismus rücksichtslos gegenüber und die Einheit des staatlichen Handelns wäre nicht gefördert, sondern aufs schwerste gefährdet. Wir müssen daher davon ausgehen, dass das geltende, sogenannte politische System unserer Reichsverfassung trotz des Überwiegens der wirtschaft lichen Probleme seinen Sinn und seine Richtigkeit behält.
II. Es ist freilich notwendig, sich der Bedeutung der geltenden Verfassungsbestimmungen richtig bewusst zu werden und sich von den Vorkriegsvorstellungen zu befreien, die immer noch unsere innenpolitischen Begriffe in weitem Maße beherrschen. Das gilt am meisten von den Ansichten über die Regierungsbildung. Die Weimarer Verfassung hat das parlamentarische Regierungssystem in Deutschland eingeführt (Art. 54). Aber es wäre ein Irrtum, zu glauben, dass damit nun eine einfache automatische Regel für diesen schwierigen Vorgang aufgestellt sei, die es ermöglichte, sozusagen fahrplanmäßig abzulesen, wer Reichskanzler und Reichsminister zu werden habe. Vielmehr enthält die Reichsverfassung viele verschiedene Möglichkeiten der Regierungsbildung und beruht in ihrem Grundgedanken auf einer Verbindung von vier Systemen, die sich folgendermaßen kennzeichnen lassen: 1. Parlamentssystem (i. e. S.) (Maßgebende politische Leitung durch die Parlamentsmehrheit) kann sich ergeben aus: Art. 54 RV (Abhängigkeit vom Vertrauen des Reichstages), Art. 50 RV (Allgemeines Erfordernis der Gegenzeichnung), dagegen kann aus Art. 59 RV (Minister- und Präsidentenanklage, also justizförmige Verantwortlichkeit)
2. Premierminister-(Kanzler-) System Art. 56 RV (Der Reichskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik) Art. 55 RV (Vorsitz des Reichskanzlers in der Reichsregierung, mit dem Vorsitz verbunden: Art. 58, S. 2 Stichentscheid im Kollegium). Nicht entscheidend ist hier die Möglichkeit, dass der ReichsKanzler mit dem Reichsminister der Finanzen zusammen nach § 21 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung vom 31. Dezember 1922 die Ein stellung einer Ausgabe oder eines Vermerks im Entwurf des Haushaltsplans auch gegen die Mehrheit der übrigen Minister verhindern kann.
Verfassungsrechtliche Fragen der Gegenwart 3. Kabinetts-System
4. Präsidentielles System
(Das Kabinett als Kollegium bestimmt die Richtlinien der Politik). Kann sich ergeben aus Art. 53 RV (Ernennung des Reichskanzlers und der Reichsminister durch den Reichspräsidenten) in Verbindung mit Art. 54 RV (Abhängigkeit vom Vertrauen des Reichstags) als praktische Folge von Koalitionsregierungen. Art. 57 RV (Kollegiale Beschlussfassung, besonders bei Gesetzentwürfen). Art. 58 RV (Die Reichsregierung fasst ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende).
Politische Führung des ReichsPräsidenten, möglichst auf der Grundlage von
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Art. 41 R (Wahl durch das ganze Volk). Art. 25 RV (Auflösung des Reichstages). Art. 73 RV (Anordnung des Volksentscheids), in Verbindung mit Art. 53 RV (Ernennungs – und Entlassungsrecht) für Reichskanzler und Reichsminister.
Auf der Verbindung und Mischung der dadurch geordneten Möglichkeiten beruht die Praxis unserer Regierungsbildung. Sie wird vor allem von der Tatsache beherrscht, dass alle Regierungen des Deutschen Reiches Koalitionsregierungen sind, bei denen die an der Koalition beteiligten Parteien die Richtlinien der Politik in einem Kompromissprogramm festlegen und infolgedessen nicht der Reichskanzler, der nach Art. 56 der Reichsverfassung die Richtlinien der Politik bestimmen soll, sondern das Kabinett (als Ausdruck der Koalition) maßgebend ist. Dass der Reichspräsident bei der letzten Regierungsbildung (März 1930) nicht das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen abwartete, sondern den Reichskanzler aus eigenen Entscheidung ernannte, zeigt aber, wie sehr infolge der Parteizersplitterung des Deutschen Reichstages das präsidentielle System überwiegen und den Ausschlag geben kann. Es kommt hier noch hinzu, dass nach dem Reichsministergesetz vom 27. März 1930 die Ernennung des Reichskanzlers von ihm selbst gegengezeichnet wird. Immer ist für die klare verfassungsrechtliche Betrachtung zu beachten, dass die Verfassung hier sehr elastisch ist und dass je nach der politischen Situation die verschiedenen Elemente der genannten vier Systeme hervor- oder zurücktreten können, ohne dass man gleich von Verfassungswidrigkeit oder Verfassungsbruch sprechen dürfte.
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III. Das organisatorische System, auf welchem die politische Willensbildung nach der geltenden Reichsverfassung beruht, enthält eine Balance, Gleichgewicht von parlamentarischer und plebiszitärer Demokratie. Träger und Mittelpunkt der parlamentarischen Elemente ist der Reichstag, Träger und Mittepunkt der plebiszitären Elemente ist der vom ganzen Volk gewählte, also selbst aus einem Plebiszit hervorgegangene Reichspräsident. Auflösung des Reichstages und Anordnung eines Volksentscheids sind die typischen Gegenbefugnisse gegenüber dem Parlament. Die Verfassungspraxis der letzten 6 bis 7 Jahre hat nun zwar die Auflösungsbefugnis des deutschen Reichspräsidenten in ihrer großen Bedeutung hervortreten lassen (2 Reichstagsauflösungen 1924, eine 1928) und der republikanischen Verfassung Deutschlands, zum Unterschied von der Entwicklung in Frankreich, ihren wirklichen Staatspräsidenten bewahrt, der ein selbständiges politisches Entscheidungsrecht hat und nicht nur eine bedeutungslose dekorative Figur ist. Dagegen ist der Volksentscheid noch nicht zu seiner eigentlichen Bedeutung gekommen. Die Fälle, in denen ein Volksentscheid das öffentliche Interesse in Deutschland beschäftigte, waren sämtlich Fälle des Volksentscheids auf Volksbegehren, niemals ein vom Reichspräsidenten angeordneter Volksentscheid. Sie waren außerdem Unternehmen der politischen Opposition. Fürstenenteignung (1926) und Hugenbergsches Freiheitsgesetz (1929) sind bisher die einzigen Gegenstände einer Volksabstimmung im Wege des Volksentscheids gewesen, bei dem kommunistischen Panzerkreuzer-Gesetz (1928) ist es nur zum Eintragungsverfahren der Vorabstimmung, nicht zum Volksbegehren gekommen. In keinem dieser drei Fälle hat das Volksbegehren Erfolg gehabt. Aus diesem bisherigen Ergebnis entsteht leicht der Eindruck, dass die Verwendung der plebiszitären Elemente der Reichsverfassung erstens notwendigerweise ein Mittel der Opposition, sogar der radikalen Opposition bedeutet, und zweitens, dass sie praktisch wenige Aussicht auf Erfolg hat. Beides entspricht nicht dem Sinn der Weimarer Verfassung. Es würde sogar ihrer eigentlichen Absicht zuwiderlaufen. Vielmehr sollen die plebiszitären Elemente ein Mittel der Regierung bleiben und diese nicht schwächen, sondern stärken. Es liegt auch in der Natur der Sache, dass die bei einem Plebiszit dem Volk vorgelegte, von ihm mit Ja der Nein zu beantwortende Frage in wichtigen Fällen von der Regierung und nicht von der Opposition oder gar von einer Obstruktion gestellt wird. Hier liegen für eine Reichsregierung noch sehr starke verfassungsmäßige Möglichkeiten, deren Ausnutzung oder Nicht-Ausnutzung für das Schicksal Deutschlands von großer, vielleicht von entscheidender Bedeutung sein kann.
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Zu dem Vortrag von Prof. Dr. Schmitt wird als weiterführende Literatur empfohlen: Anschütz, Kommentar zur Reichsverfassung. 1930. Schmitt, C., Verfassungslehre. München u. Leipzig 1928. Anschütz u. Thoma: Handbuch des deutschen Staatsrechts. Tübingen 1929. Der bisher ebenfalls nicht wieder abgedruckte Vortrag wurde von Carl Schmitt auf dem zweiten Lehrgang zur staatswissenschaftlichen Fortbildung von Lehrkräften an landwirtschaftlichen Schulen gehalten, der vom 12. bis 15. Mai 1930 in Berlin stattfand. Die Broschur wurde bei Walter Säuberlich, Berlin-Hohen-Neuendorf ohne weitere Verlagsangabe gedruckt, der Vortrag Schmitts befindet sich auf den Seiten 69–72.
Carl Schmitt Öffentlichkeit (1930) Ich möchte die wenigen Minuten, die mir zur Verfügung stehen, nicht mit Schilderungen und Deskriptionen ausfüllen; das werden andere Kollegen viel besser können als ich. Ich kann auch nach dem allseitigen Referat meines hochverehrten Freundes Carl Brinkmann nicht ebenso allseitig werden, muss also einseitig werden und will versuchen, eine andere Art der Ergänzung dieser Betrachtung hier vorzubringen, nämlich einige Begriffe aufzustellen, wie ich hoffe, substanzielle Begriffe, die vor allen Dingen eine Diagnose ermöglichen. Carl Brinkmann sprach mit Recht von der „geistigen Natur“ der „Meinung“, die mit der öffentlichen Meinung bezeichnet wird. In dem Werk von Tönnies über die öffentliche Meinung tritt es immer hervor, mir selbst ist es bei der Lektüre der Autoren des 17. Jahrhunderts, der heroischen Zeit des Bürgertums, immer aufgefallen, welche Kraft der Begriff opinio, opinion publique früher hatte. Es wäre ein Irrtum, zu meinen, es handle sich hier nicht um einen spezifischen Begriff, sondern um irgendein Wort. Die deutsche Übersetzung „Meinung“ ist, wie sehr viele Verdeutschungen, schon eine Abschwächung des spezifischen Charakters. Opinio ist bei jedem Autor des 17. und auch des 18. Jahrhunderts ein politischer und daher ein polemischer Begriff; was opinio bedeutet, weiß man erst, wenn man den Gegner kennt, den dieses Wort im Auge hat. Opinio ist der Gegenbegriff gegen Dogma, gegen Glauben und ähnliche Begriffe. Nur so lange hat die Redewendung „öffentliche Meinung“ Kraft und Leben, als dieser Gegenspieler noch Leben hat. In dem Augenblick, in dem der Gegner, der Feind, entfällt und damit die politische und polemische Kraft des Wortes, entfällt eigentlich auch die ganze Redewendung; es tritt eine völlig neue Situation ein, und alles hängt davon ab, wer der neue Gegner ist. Man darf also, summarisch zusammengefasst, sagen: opinio-Meinung hat den spezifisch polemischen Sinn eines Gegenbegriffs zu Dogma. Darauf beruht die geschichtliche Energie des Begriffes im 17., 18. und 19. Jahrhundert. Wenn wir nun heute das Gefühl haben, dass es mit diesem Zeitalter der Meinungen und Gegenmeinungen zu Ende ist, dass an die Stelle der „Meinung“ Propaganda, Suggestionen, Agitation und andere Dinge treten – dieses Gefühl ist in den Referaten deutlich genug zum Ausdruck gekommen –, dann müssen wir die naheliegende Frage stellen: Was ist heute, ebenso
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einfach mit einem Wort bezeichnet, nunmehr der Gegenbegriff gegen opinio? Man kann nicht einfach auf Dogma, Glauben usw. zurückgreifen. Meiner Meinung nach ist das spezifische Gegenwort gegen opinio – ich will nicht einmal sagen: der Gegenbegriff – wie damals opinio der Gegenbegriff gegen Dogma und Glaube war, so heute nach zwei Jahrhunderten bürger lichen Liberalismus: Aktion. Es ist im Deutschen schwer zu übersetzen. Ebenso wie Meinung keineswegs die Prägnanz von opinio hat, weil es nicht in der sprachlichen Prägnanz einer alten Tradition steht, so wenig haben Worte wie Bewegung, Strömung, Tat usw. dieselbe Prägnanz wie Aktion. Aber um diesen aktuellen Gegenbegriff handelte es sich bei allem, was für den Referenten eigentlich aktuell war. Das wäre zum Begriff der opinio zu sagen. Worte wie Pressefreiheit, Zensur, Gesellschaft sind polemische Begriffe. Man kennt sie erst, wenn man den konkreten politischen Gegner kennt, gegen den sie sich wenden. Die Unterscheidung von Gesellschaft und Staat wird sofort sinnlos, wenn die Gesellschaft sich selber zum Staat „integrieren“ will. Man weiß dann nicht mehr, was Staat und was Gesellschaft ist. Solange die Dinge institutionell in überlieferter Einfachheit einander gegenüberstehen wie im 17., 18. und im deutschen 19. Jahrhundert, so lange kann man von Pressefreiheit, kann man von Zensur sprechen. Aber es ist ungenau, glaube ich, wenn Carl Brinkmann meint, heute sei an die Stelle der Zensur des Staates über die Presse eine Zensur der Presse über den Staat getreten. In dieser Wendung, deren antithetische Eleganz ich sehr bewundere, ist das Wort Zensur verschiedendeutig, und infolgedessen verliert die Wendung an Erkenntniswert. „Zensur“ bekommt dadurch den allgemeinen Sinn von „Kontrolle“ überhaupt. Pressefreiheit aber ist vor allem Freiheit. Presse ist keine geheimnisvolle, mysteriöse Sache. Presse ist ein Komplex von technischen Mitteln und von Menschen, die sich dieser technischen Mittel bedienen. Solange die Menschen, die sich der technischen Mittel bedienen, gegen einen wirklich vorhandenen Staat kämpfen, hat ihr Kampf um die Freiheit einen sehr guten Sinn. Doch darf man die Begriffe nicht aus der historischen Situation herausnehmen und verabsolutieren. Nun fällt mir in den beiden Referaten der enge Zusammenhang des technischen Mittels „Presse“ mit der Freiheit auf. Ich weiß, in welchem Maße vom 17. bis 19. Jahrhundert Presse und Freiheit verbunden sind. Trotzdem ist Pressefreiheit eigentlich eine seltsame Verbindung: ein bestimmtes technisches Mittel, die Druckerpresse, wird mit dem Begriff Freiheit verbunden. Logisch richtiger, nicht historisch richtiger, müsste man sagen: Freiheit der Meinungsäußerung, Diskussionsfreiheit, Freiheit der Nachrichtenübermittlung, Freiheit der Propaganda usw. Man sagt aber Pressefreiheit, verbindet also Freiheit mit einem bestimmten technischen Mittel, mit der Druckerpresse, die ursprünglich eine Handpresse war. Inzwischen ändert sich das technische
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Mittel, es entsteht eine ungeheure Maschinenpresse. Jetzt erhebt sich die Frage: Hat dieses völlig veränderte technische Mittel „Presse“ immer noch den alten Zusammenhang mit Freiheit? Ich glaube, dass ist nicht der Fall. Ich möchte Sie darauf hinweisen, wie selbstverständlich ein anderes Mittel der Meinungsäußerung, der Nachrichtenübermittlung und der Propaganda, nämlich der Rundfunk, als Monopol ins Leben trat. Mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der seit dem 16. Jahrhundert die Presse ein Instrument der Freiheit war, ist heute der Rundfunk kein Instrument der freien Meinungsäußerung, sondern durch Zensur und Monopol gebunden. Das ist ein merkwürdiger Zusammenhang: verschiedene technische Mittel, verschiedene Beziehung zu Freiheit und Monopol. Überall sehen wir ein Rundfunkmonopol, das sich mit der gleichen Selbstverständlichkeit in allen Staaten ohne Rücksicht auf Verschiedenheiten der soziologisch-politischen Struktur durchsetzt. Das Rundfunkmonopol wäre ein unerträglicher Zustand, wenn wie Brinkmann sich ausdrückte, die gigantische Macht, die es darstellt, in den Händen eines Einzelnen oder weniger Gruppen wäre, die sich ihrer rücksichtslos und zu ihrem privaten Vorteil bedienen könnten. Man erschrickt vor der Massenhaftigkeit, vor dem ungeheuren Quantum dieses technischen Apparates und seiner Wirkungsmöglichkeiten und kann nun optimistisch oder pessimistisch sein. Das ist eine Frage für sich. Die Häufigkeit des Wortes Neutralität erklärt sich jedenfalls aus dem Bedürfnis, dem Monopol, das heute selbstverständlich mit derartigen technischen Mitteln verbunden ist, irgendeine Korrektur oder sogar eine Kompensation an die Seite zu stellen. Der Begriff der Neutralität ist nur ein Komplement dieser Monopolsituation, die bei der Eigenart des technischen Mittels heute einfach das Gegebene und vorläufig Unabänderliche ist. Man spricht jedoch in sehr verschiedenartigem, vieldeutigem Sinne von der Neutralität eines technischen Mittels. Sie kennen die etwas komischen Versuche, eine absolute parteipolitische Neutralität des Rundfunks durchzuführen. Man hat das eine Zeitlang versucht und in dieser Zeit nur Unterhaltungsvorträge, Musik u. dgl. gebracht. Man musste sich, um ganz neutral zu sein, auf geradezu insipide Belanglosigkeiten beschränken. Infolge dieser Art Neutralität wurde der Rundfunk so unerträglich langweilig, dass die Absatzmöglichkeiten des neuen Instrumentes schon wieder gefährdet waren. Das war die Neutralität der politischen Indifferenz gegenüber den strittigen d. h. immer: politischen Fragen; man suchte das umkämpfte Gebiet zu vermeiden und sich auf Sport, schöne Literatur, Musik und Belehrung zu beschränken. Diese Neutralität der Indifferenz ließ sich nicht halten. Man hat dann eine andere Art Neutralität versucht, indem man die einzelnen Parteien, Deutschnationale, Volkspartei, Sozialdemokratie mit einer gewissen Parität, d. h. einer Quote nach, ungefähr gleichmäßig oft, an die Reihe kommen ließ. Im Hintergrunde dieses Versuchs einer Parität steht die Vor-
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stellung, mit jedem Monopol müsse naturgemäß eine gleiche Benutzungschance verbunden sein. Aber während es uns selbstverständlich ist, dass jeder, auch der Kommunist und der Nationalsozialist, sich eine Fahrkarte an der Eisenbahn kaufen oder Telephongespräche fuhren kann, ist es schwer, die Neutralität eines technischen Apparates wie des Telephons auf den Apparat Presse zu übertragen. Das scheiterte selbstverständlich. Entweder musste die Presse sich entschließen, die eben erwähnte Art der indifferenten Neutralität durchzuführen, also Unterhaltung zu werden, oder aber das Instrument einer Aktion. Man kann bei der Presse nicht ganz davon absehen, dass der Mensch ein, wenn nicht denkendes, so doch redendes, empfindendes und handelndes Wesen ist. Es wäre aber noch eine weitere Art von Neutralität möglich, und hier bemerke ich in den Referaten einen Optimismus, den ich nicht teile. Ich darf vielleicht kurz meine StelIungnahme zu dem Schluss, zu der Konklusion des Referates von Herrn Brinkmann, präzisieren. Er sagte dort, vielleicht werde sich der Geist doch jener gigantischen Kräfte bemächtigen können. Ich hoffe es auch, sehe aber nichts davon. Ich sehe namentlich nicht, dass sozusagen aus der Immanenz des technischen Apparates, nur weil der Apparat immer ungeheurer, immer mächtiger und vollkommener wird, ein neuer Geist entsteht und die Menschen, die sich des Apparates bedienen, wenn auch nur aus Erwerbsgründen und ähnlichen Motiven sich seiner bedienen, sozusagen überwältigt werden, weil ihnen sein Geist über den Kopf wächst, der als solcher schon notwendigerweise eine Neutralität der Objektivität, eine Neutralität im Sinne der objektiven, intelligenten Sachlichkeit bewirkte, auf deren Boden dann eine echte, autonome Zensur durch die Presse als durch ein geistiges Instrument ausgeübt werden könnte. Ich sehe nicht, dass für diese Art Neutralität irgendwelche ernsthaften Ansatzpunkte gegeben wären. Ich sehe nur ein Interim, einen Zwischenzustand, das Gefühl für den Zwischenzustand, der gerade den Ruf nach Neutralität erklärlich macht, das Gefühl dafür, dass neue und, wie Brinkmann mit Recht sagt, gigantische Kräfte am Werk sind, dass wir aber nicht wissen, wer es ist, der sich ihrer bemächtigt. Aus der Immanenz der technischen Kräfte heraus entsteht keine Objektivität. Ich halte es für sicher, dass es sich nur darum handelt, wer die ungeheuren technischen Mittel in die Hand nimmt. Hier kann man optimistisch oder pessimistisch sein, das ist eine Frage für sich. Der Ruf nach Neutralität aber ist, wie so häufig, nur ein Ausdruck der Ahnung, dass ein unheimlicher Kampf darum bevorsteht oder schon im Gange ist, wer die gewaltigen technischen Mittel in die Hand nehmen darf. Dieser Kampf ist noch nicht entschieden. Inzwischen heißt dann Neutralität weiter nichts als: der Entscheidung, solange es möglich ist, aus dem Wege gehen; solange es eben noch angeht, sich im Zwischensta dium des Nochnichtentschiedenseins halten. Die Formel des Nochnichtent-
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schiedenseins kam auch in dem Referat des Herrn v. Eckardt vor. Ich glaube, hier liegt noch eine weitere Erklärung für das allgemeine Bedürfnis nach Neutralität. Aber kein technisches Mittel – und um so weniger, je größer, je mächtiger und brauchbarer es ist – ist in seinem Wesen auf die Dauer neutral. Jedes technische Mittel wartet auf den, der sich seiner bedient, und darin sehe ich das eigentliche Problem der heutigen Presse. Beitrag zur Diskussion „Presse und öffentliche Meinung“ auf dem Deutschen Soziologentag in Berlin, September 1930. Abgedruckt in: Verhandlungen des Siebenten Deutschen Soziologentages vom 28. September bis 1. Oktober in Berlin. Vorträge und Diskussionen in der Hauptversammlung und in den Sitzungen der Untergruppen, Mohr (Siebeck), Tübingen 1931, S. 56–59. Die beiden Hauptvorträge zum Thema hielten Carl Brinkmann (Heidelberg) und Hans von Eckardt (Heidelberg). Zum Vortrag Brinkmann siehe in diesem Band S. 122–124. In der Zeitschrift „Die Weltbühne“, XXXVI. Jg., Nr. 41 v. 7. Oktober 1930, S. 556–558 schilderte der Mitarbeiten Wolf Zucker seine Eindrücke von dem Soziologenkongress und ging dann auf Seite 558 näher auf Carl Schmitts Äußerungen ein: „… Die Diskussionsredner marschierten der Reihe nach auf, jeder erzählte von etwas anderem und nur einer war darunter, der etwas zu sagen hatte: das war Carl Schmitt, und der hat es gut, denn er ist katholisch. Er, für den die berliner Universität keinen Lehrstuhl hat und der deshalb an die Handelshochschule abgetreten wurde, hat einen festen Standpunkt, eine Gesinnung, und deshalb konnte er zur Sache sprechen. Seine These, die Entlarvung der negativen Neutralität der großen Presse, mag richtig oder falsch sein, sie war eine These, über die man hätte streiten können. Hier aber bei den quasi offiziellen Referenten gab es nichts Greifbares, sondern nur einen Redegallert, der einen das geschmähte „Zeitungsdeutsch“ als literarische Erquickung empfinden ließ.“ Gerd Giesler
Carl Schmitt in der Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen I Eduard Rosenbaum, Kurt Singer, Edgar Salin, Emil Lederer, Gottfried Salomon, Ferdinand Tönnies Herausgegeben von Reinhard Mehring In München und Berlin lehrte Carl Schmitt bis 1933 einige Jahre an Handelshochschulen in enger Nachbarschaft mit Nationalökonomen und Soziologen. Disziplinär waren die Bezeichnungen damals noch nicht sonderlich trennscharf. Nationalökonomie wurde von Schmitts Gesprächspartnern noch historisch und „geistesgeschichtlich“ betrieben und „Soziologie“ war in Weimar auch nach Max Weber noch ein Sammel- und Verlegenheitstitel. Von „Politikwissenschaft“ konnte institutionell noch kaum die Rede sein. Die Berliner Hochschule für Politik, an der Schmitt gelegentlich auftrat, war hier ein institutioneller Prototyp. Sondiert man die Nachlasskorrespondenzen unter diesen weiten und nicht ganz trennscharfen Labeln, so kam Schmitt vor 1933 in mehr oder weniger enge Kontakte mit Eduard Rosenbaum, Moritz Julius Bonn und Melchior Palyi, Carl Brinkmann, Edgar Salin, Kurt Singer, Emil Lederer, Friedrich Lenz, Joseph Schumpeter, Robert Michels, Herbert und Erwin von Beckerath, Ferdinand Tönnies, Werner Sombart, Alexander Rüstow und manchem anderen.1 Man kann hier weiter zwischen den Kontakten differenzieren, die 1 Zentrale Quellen für die Rekonstruktion der Kontakte sind neben dem Nachlass Carl Schmitts im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (Abteilung Rheinland. Standort Duisburg) vor allem die Tagebücher und Korrespondenzen. Wiederholt zitiert werden im Folgenden: JB = Carl Schmitt, Jugendbriefe. Briefschaften an seine Schwester Auguste 1905–1913. Hrsg. von Ernst Hüsmert, Berlin 2000; TB 1912–1915 = Carl Schmitt, Tagebücher Oktober 1912 bis Februar 1915. Hrsg. von Ernst Hüsmert, Berlin 2003; TB 1915–1919 = Carl Schmitt, Die Militärzeit 1915–1919. Tagebuch Februar bis Dezember 1915. Aufsätze und Materialien. Hrsg. von Ernst Hüsmert und Gerd Giesler, Berlin 2005; TB 1921–1924 = Carl Schmitt, Der Schatten Gottes. Introspektionen, Tagebücher und Briefe 1921 bis 1924. Hrsg. von Gerd Giesler / Ernst Hüsmert / Wolfgang H. Spindler, Berlin 2014; TB 1930–1934 = Carl Schmitt, Tagebücher 1930–1934. Hrsg. von Wolfgang Schuller in Zusammenarb. mit Gerd Gieseler, Berlin 2010; LFCS = Carl Schmitt / Ludwig Feuchtwanger. Briefwechsel 1918– 1935. Hrsg. von Rolf Rieß, Berlin 2007.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen I
auf die frühe Münchner, die Bonner oder Berliner Zeit zurückgingen. Eduard Rosenbaum war ein Studienkommilitone, Moritz Julius Bonn, Melchior Palyi und auch Gottfried Salomon gehörten zu frühen Münchner Bekanntschaften. Die Vernetzung der Begegnungen mit den Heidelbergern Brinkmann, Salin und Lederer ist nicht ganz klar. Die Korrespondenz mit Ferdinand Tönnies resultierte Publikationen ohne nähere Begegnungen. Herbert und Erwin von Beckerath, Arthur Spiethoff und Schumpeter begegneten Schmitt in Bonn. Werner Sombart gehörte in Berlin dann zum engeren Freundeskreis; andere Kontakte waren eher peripher. Die folgenden Korrespondenzen stehen etwas additiv ohne starke These und verbindenden roten Faden je für sich. Eine gewisse Zweiteilung oder ein politischer Bruch zeichnet sich aber schon in den Weimarer Korrespondenzen ab: Während hier im ersten Teil mehr die frühen Kontakte mit meist „jüdischen“ Wissenschaftlern rekonstruiert werden, übernimmt Rolf Rieß spätere Weimarer Korrespondenzen. Eine klare Einordnung in ein LinksRechts-Schema ist dabei nicht möglich, auch wenn alle zunächst hier erörterten Autoren den Nationalsozialismus ablehnten und die späteren Bekanntschaften teils anders optierten. Moritz Bonn, dessen Korrespondenz mit Schmitt Jens Hacke ediert, gehört auch in die frühe Reihe. Melchior Palyi (1892–1970), von dem einige freundschaftliche Briefe aus den Jahren 1921 bis 1925 (RW 265-10805 / 09) erhalten sind, ließe sich hier ebenfalls aufführen, passt aber auch in eine Dokumentation der Max Weber-Bezüge Carl Schmitts. Einige der folgenden Korrespondenzen beziehen sich geschäftlich auf Publikationsfragen.
I. „Obwohl man unser Gespräch gewiss nicht als ein unendliches bezeichnen kann …“ Eduard Rosenbaum an Carl Schmitt 1922–1932 Eduard Rosenbaum (1887–1979)2 studierte ab 1906 Nationalökonomie in München, Berlin, Straßburg und Kiel und promovierte 1910 in Kiel bei Bernhard Harms mit einer Arbeit über Ferdinand Lassalle, die 1933 bei der Bücherverbrennung „der Flamme übergeben“ wurde.3 Er arbeitete dann in einer Firma, wurde 1913 Assistent in Kiel und wechselte Ende 1914 an die Handelskammer Hamburg. 2 Biographische Angaben nach: Christian Scheer, Eduard Rosenbaum (1887– 1979) – Syndikus, Bibliothekar, Homme de Lettres, in: Joist Grolle / Matthias Schmoock (Hg.), Spätes Gedenken. Ein Geschichtsverein erinnert sich seiner ausgeschlossenen Mitglieder, Hamburg 2009, 138–157, hier: 144. 3 Eduard Rosenbaum, Ferdinand Lasalle. Studien über historischen und systematischen Zusammenhang seiner Lehre, Jena 1911.
I. Eduard Rosenbaum an Carl Schmitt 1922–193225
Vom April bis Juni 1919 war er ein Mitarbeiter der deutschen Delegation in Versailles. Er gehörte zu den Kritikern des Vertrags und legte sein Mandat vor der Unterzeichnung nieder. In Versailles lernte er John Maynard Keynes kennen, mit dem er lebenslang befreundet blieb. Im gleichen Jahr 1919 wurde er Syndikus und Direktor der traditionsreichen Commerzbibliothek Hamburg. Er übersetzte und publizierte einige Schriften,4 übernahm Lehraufträge an den Universitäten von Hamburg und Kiel und gab einige Jahre für das Hamburger Welt-Wirtschafts-Archiv die Zeitschrift Der Weltwirtschaftsdienst heraus, in der Kurt Singer Schriftleiter war und Schmitt drei Rezensionen veröffentlichte. 1933 musste er die Bibliotheksleitung abgeben. 1934 emigrierte er nach London und arbeitete dann von 1935 bis 1952, wohl auf Vermittlung von Keynes, als Bibliothekar an der London School of Economics. 1939 wurde er kurze Zeit als „enemy alien“ interniert. Zwei seiner Geschwister wurden in Konzentrationslagern ermordet. Er blieb nach Kriegsende in London, kam aber häufig nach Hamburg zurück, wie Schmitt schon 1947 im Glossarium bemerkte,5 und publizierte auch weiter in deutschsprachigen Organen wie dem Merkur. Seit 1956 wirkte er als Schatzmeister und Vorstandsmitglied des Leo-Baeck-Instituts und gehörte auch zum Vorstand der Wiener Library. Er verstarb 1979 in London.6 Rosenbaum gehörte zu den ältesten und engsten jüdischen Intellektuellen, die Schmitt kannte. Die ganze Fallhöhe im Verhältnis zu jüdischen Intellektuellen zeigt sich auch und gerade im Verhältnis zu ihm. Schmitt lernte ihn schon etwa 1910 in Straßburg oder über Fritz Eisler kennen. Die Jugendbriefe verzeichnen zwei Treffen Ende 1911 in Düsseldorf. Rosenbaum schreibt am verschollenen „Schnekkeroman“ mit, „der von mir zu Kluxen, Eisler und Rosenbaum zirkuliert“ (JB, S. 109). Im Antiquariatshandel tauchte ein Widmungsexemplar von Gesetz und Urteil auf: „Herrn Eduard Rosenbaum mit vielen Grüssen. Düsseldorf, 4. Juni 1912 / Carl Schmitt“. Es gab dann einen schweren Streit. Schmitt fühlte seinen Namen durch Rosenbaum missbraucht und äußerte sich im Tagebuch nun erstmals unmäßig antisemitisch (TB 1912–1915, S. 47 f., 50). Rosenbaum muss von Schmitts Wut erfahren haben, denn am 23. August 1913 publizierte er in der bedeutenden expressionistischen Wochenschrift Die Aktion eine negative Besprechung der Schattenrisse. Auf diesen Verriss bezieht sich vermutlich eine weitere Tagebuch-Erwähnung des „armseligen Rosenbaum“ (TB 1912–1915, S. 111) vom Oktober 1913. Wenige Wochen 4 Die Bedrohung der deutschen Wirtschaftshoheit durch den Frieden von Versailles, Berlin 1920; Der Vertrag von Versailles. Inhalt und Wirkung, gemeinverständlich dargestellt, Leipzig 1921; Das Gesicht Hamburgs, Hamburg 1927; Der Wirtschaftskrieg nach dem Versailler Vertrag, Leipzig 1932; rückblickend vgl. Eduard Rosenbaum / A. J. Sherman, Das Bankhaus M. M. Warburg & Co. 1798–1938, Hamburg 1976, S. 152 ff. 5 Carl Schmitt, Glossarium. Aufzeichnungen aus den Jahren 1947 bis 1958. Erweiterte, berichtigte und kommentierte Neuausgabe. Hrsg. von Gerd Giesler und Martin Tielke, Berlin 2015, S. 13. 6 Ein Teilnachlass in der Library der London School of Economics and Political Science enthält laut Auskunft der Bibliothek (Mail vom 3.9.2015) keine Briefe Schmitts an Rosenbaum. Die Commerzbibliothek und die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg haben ebenfalls keinen Nachlass Rosenbaums.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen I
später überfallen Schmitt erneut seine panischen „Schmitt-Affekte“, und er verbindet seine Rosenbaum-Aversionen auch mit Eisler (TB 1912–1915, S. 124, vgl. S. 250). Die unmäßigen Ausfälle in den frühen Tagebüchern rufen nach spekulativen Deutungen. Unübersehbar interpretiert Schmitt seine Panikattacken antisemitisch, und er verknüpft seine Rosenbaum-Affekte dabei mit seinem Verhältnis zu Fritz Eisler. Es liegt nahe, hier von einer Art psychodynamischer Spaltung ambivalenter Einstellungen auszugehen: Die Abgrenzung von Rosenbaum war für den jungen Schmitt demnach eine Möglichkeitsbedingung seines engen freundschaftlichen Umgangs mit der Familie Eisler. Erst mit der Abgrenzung vom „Ungeziefer und Plebejer“ kann er seinen „Ausnahmejuden“ (Hannah Arendt) lieben.7 Wie es genau zur Wiederaufnahme positiver Beziehungen kam, ist aus der erhaltenen Korrespondenz nicht ersichtlich. Die regelmäßigen Reisen nach Hamburg beginnen eigentlich erst nach der Trennung von der ersten Frau Cari und nach dem Greifswalder Intermezzo in der Bonner Zeit. Rosenbaums leicht ironische Briefe lassen keine negativen Einstellungen erkennen. Von Rosenbaum stammt 1913 aber die erste öffentliche Abrechnung mit Schmitt aus der Sicht eines jüdischen Weggefährten, und am 25. November 1950 publizierte Rosenbaum im Rheinischen Merkur eine negative Rezension von Ex Captivitate Salus gegen Schmitts publizistisches Comeback, die zwar den Rang des politischen Romantikers bestätigt, aus intimer Kenntnis aber auch das Sündenregister auflistet. Schmitt meinte noch Jahrzehnte später: „Wer hat den ersten Stein geworfen? Der ‚Rheinische Merkur‘, das Blatt Adenauers, Ende November 1950, mit dem Artikel von Eduard Rosenbaum ‚Carl Schmitt ante Portas?‘ “.8
1. RW 265–11744; Gedruckter Briefkopf: Commerzbibliothek. Hamburg, d. 30.XI.1922. Sehr geehrter Herr Schmitt, obwohl man unser Gespräch gewiss nicht als ein unendliches9 bezeichnen kann, muss ich Ihnen doch sagen, dass mich seit langem kein Aufsatz so gepackt hat, wie Ihrer über die Staatsphilosophie der Gegenrevolution.10 7 Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Frankfurt 1955, S. 56 f. 8 Schmitt am 4. Juni 1976 an Hans-Dietrich Sander, in: Carl Schmitt / Hans-Diet rich Sander, Werkstatt Discorsi. Briefwechsel 1967–1981. Hrsg. von Erik Lehnert und Günter Maschke, Schnellroda 2008, S. 353. 9 Anspielung auf den früheren Kontaktabbruch 1912, mit Schmitts Romantikkritik formuliert. 10 Carl Schmitt, Die Staatsphilosophie der Gegenrevolution, in: Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie 16, 1922, S. 121–131; Wiederabdruck als viertes Kapitel in ders.: Politische Theologie, München 1922.
I. Eduard Rosenbaum an Carl Schmitt 1922–193227
Persönlich traf mich am stärksten Ihre Kennzeichnung der „Fachmänner“[-] Idiotie und [-]Arroganz, die zu bekämpfen mit zu den Aufgaben meiner täglichen Praxis gehört. Ich schicke Ihnen lediglich für Ihre „documentation“ einen Brief,11 den ich vor Lektüre Ihres Aufsatzes diktierte, ebenso wie Aufsätze über „Indexfragen“, in denen ich mich bemühe, dem Irrsinn entgegenzutreten, der alles durch „restlose“ Bruchstückrechnungen lösen will, weil der Mut zur Entscheidung fehlt. Wenn Sie Sonderdrucke haben, sollten Sie doch einen an Mussolini12 und einen an Dr. Carl Petersen13 schicken. Mendelssohn Bartholdy14 erzählte mir von Ihrem Besuch; wir waren nachher abends mit Keynes15 zusammen. – Die beigefügte Heiratsanzeige werden gewiss auch Sie merkwürdig finden; so weit kann man es als Sociologe bringen. Mit freundlichen Grüssen Ihr Rosenbaum [darunter aufgeklebte Anzeige:] „Georg Simmel kennzeichnete bereits richtig die Heiratsanzeige als wichtiges Mittel zur Befreiung v. der reinen Zufälligkeit des gegenseitigen Findens. Somit kann sie auch als durchaus einwandfrei gelten. Ich versuche auch den Kreis meiner Damenbekanntschaften zu erweitern, um eine junge, hübsche, wirklich geistige Dame (Jüdin) zwecks Ehe kennen zu lernen. Große Mitgift erw.; ber. vorh. Gefühle würden letzt. unwesentlich machen; aber geradezu unnatürlich wäre es, eine Heiratsangelegenheit zu suchen, die nicht die erhöhte Möglichkeit bietet, das Dasein auch materiell zu verschönern. – Ich selbst bin Jude, Anfang der 30, Nationalökonom in leit. Stellg. […]“
11 Fehlt.
12 Benito
Mussolini (1883–1945), italienischer Diktator. Wilhelm Petersen (1868–1933), damals DDP-Reichstagsabgeordneter, ab 1924 Erster Bürgermeister von Hamburg. 14 Albrecht Mendelssohn Bartholdy (1874–1936), seit 1920 Prof. in Hamburg, begründete dort ein Institut für auswärtige Politik. 15 John Maynard Keynes (1883–1946), berühmter Nationalökonom. 13 Carl
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2. RW 265-11745; Commerzbibliothek Hamburg / Hamburg, den Rektor 13. Dec. 1922. Sehr geehrter Herr Schmitt, für Ihren Brief und die Zusendung Ihres Buches16 danke ich Ihnen herzlichst. Die beiden ersten Aufsätze habe ich schon gelesen und zwar auch diese mit der gleichen Freude wie den, der meine Aufmerksamkeit fast schlagartig erregte. Meiner eigenen Auffassung von Staat und Politik, aber auch von der Art, wie man Grundbegriffe einer Wissenschaft bilden soll – nämlich nicht als Etiketten, sondern mit einer latenten Explosionskraft geladen – entspricht Ihre Einstellung sehr. – Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie während Ihres Aufenthaltes in Hamburg17 einen Abend, zusammen mit Georgi,18 bei uns verbrächten. Ich würde Sie dann gerne mit meinen Freunden Dr. Kurt Singer19 und Dr. Al fred Bertram,20 dem Staatsrechtsdezernenten für Hamburg bekanntmachen. Beide kennen Ihre wesentlichen Bücher, und Sie werden in beiden auch Gedankenverwandtschaft finden. Vielleicht hat Mendelssohn Bartholdy auch Zeit, zu kommen. Inzwischen freundlichste Grüsse von Ihrem sehr ergebenen Eduard Rosenbaum Schmitt notiert dazu am 14. Dezember in sein Tagebuch: „Zu Hause ein Brief von Rosenbaum aus Hamburg, der mich nach Hamburg lockt, mich mit vielen interessanten Leuten (Kurt Singer, Mendelssohn, Bertram usw.) zusammenführen will.“ (TB 1921–1924, 423) Am 15. Januar 1923 schickt Schmitt „Bücher von Rosenbaum“ (TB 1921–1924, 141) nach Hamburg zurück. Am 22. August 1923 erwähnt er einen „Brief an Rosenbaum“ (TB 1921–1924, 239) und notiert dann am 17. September: „Freute mich sehr über den Brief von Rosenbaum21 über meinen Aufsatz vom Parlamentarismus.“ (TB 1921–1924, 248) Offenbar schickte er die Fassung der Zitelmann-Festschrift. Für den 20. März 1924 notiert er ein Treffen zum Mittag 16 Carl Schmitt, Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität, München 1922. 17 Schmitt hält sich zum Jahresende damals einige Tage in Hamburg auf, zumal er zu der Hamburger Ärztin Carola Sauer gerade ein Verhältnis hat. Vielleicht kam es in Hamburg zu einer Begegnung. Schmitt kannte Singer vermutlich schon aus seiner Straßburger Zeit, TB 1921–24, S. 158. 18 Georg Eisler (1892–1983), gemeinsamer Freund von Rosenbaum und Schmitt. 19 Kurt Singer (1886–1962), Nationalökonom, dem Umkreis von Stefan George zugerechnet. 20 Alfred Bertram (1890–1937), Jurist, in der Hamburger Justiz tätig. 21 Fehlt.
I. Eduard Rosenbaum an Carl Schmitt 1922–193229
essen: „zu Rosenbaum in die Bibliothek und mit ihm und Bertram im Ratskeller. Gut unterhalten“ (TB 1921–1924, 327). Rosenbaum vermittelt dann wohl die Bekanntschaft mit Kurt Singer und am 23. März kommt es in Hamburg zu einer ersten Begegnung. Am 3. November 1924 notiert Schmitt dann einen „Brief von Rosenbaum, der mir nicht gefiel“ (TB 1921–1924, 372).
3. RW 265-11746; Commerzbibliothek. Hamburg, den 8. Juni 1925. Lieber Herr Schmitt, unsere brieflichen Unterhaltungen22 stehen im Zeichen merkwürdiger Duplicitäten. Ich habe einen Teil des gestrigen Sonntag Nachmittages mit der Lektüre Ihres Cölner Vortrages23 ausgefüllt, und hatte dabei schon beschlossen, ihn in den Kritischen Blättern des Wirtschaftsdienstes anzuzeigen. Nun will ich das mit einer Besprechung24 Ihres Völkerbund-Aufsatzes verbinden, und vielleicht veranlasst dieser etwas unzünftige Eingriff dann auch andere Zeitschriften, sich mit Ihren Arbeiten zu befassen. Damit hätte ich Ihnen gleich tätig gedankt, was ich an sich schon eher hätte tun sollen. Ihr Rheinland-Vortrag hatte für mich, wenn dieser Vergleich auch beinahe symbolisch ist, den Geschmack eines Weines und Brotes. Ich habe selten (oder am Ende nie) einen bei aller Sachlichkeit zugleich so weihevollen Vortrag gehört. Dabei ging mir Ihre Definition der Aufgaben internationaler Kommissionen besonders nahe, weil sie sich mit dem bemüht, was ich in dem vorbereiteten Festheft für Tönnies25 geschrieben habe: dass nämlich „diplomacy by conference“ keine besonders innige, seelenvolle Beziehung der Staaten zueinander sei, sondern eine specielle Form der internationalen Exekutive. 22 Rosenbaum erhielt gerade wohl die Sendung von Carl Schmitt, Die Kernfrage des Völkerbundes, in: Schollers Jahrbuch 48 (1925), 1–26; komment. Wiederabdr. in: Carl Schmitt, Frieden oder Pazifismus, a. a. O., S. 73–193. 23 Carl Schmitt, Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik, Köln 1925; komment. Wiederabdr, in: Carl Schmitt, Frieden oder Pazifismus. Arbeiten zum Völkerrecht und zur internationalen Politik 1924–1978. Hrsg. von Günter Maschke, Berlin 2005, S. 26–50. 24 Nicht ermittelt. 25 Nicht ermittelt.
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Freilich wird auch das Mendelssohn Bartholdy nicht gefallen; denn er schwärmt für alles, was sich vom Englischen herleiten lässt, also „government by debating“ (eine Formel von Macaulay),26 europäische „Gespräche“, protestantisch-puritanische Bürgertüchtigkeit mit einem biederen eidgenossenschaftlichen Einschlag. Ich glaube, von seiner Ironie haben Sie weniger zu erwarten, als von diesen kleinbürgerlich-moralistischen Eigenschaften. Er hält Ihre auf „Dezisionismus“ eingestellte Anschauung für sonderbar; hat sicher auch Ihre Diatribe gegen die romantische Liebe für das Gespräch tief eingeatmet. Ist aber gleichwohl ein viel zu geistiger Mensch, um nicht von Ihnen als gleicher Erscheinung die höchste Achtung zu haben. Das war in gelegentlichen Gesprächen, in denen Ihr Name vorkam, stets unverfälscht zu spüren. Nun Singer: Im Januar hiess es einmal, die Handelshochschule Königsberg interessiere sich für ihn. Auf Wunsch des zuständigen Oberbürgermeis ters ist er Anfang März dort gewesen, hat einige angenehme Tage mit den Herren verbracht, aber ein Ruf ist bis jetzt nicht erfolgt. Vielleicht deshalb nicht, weil Singer eine gleichzeitige Honorarprofessur an der Universität zur Bedingung gemacht hatte, was auch von dieser im Princip gebilligt wurde, da eine Auflösung der Handelshochschule und Überleitung an die Universität geplant ist. In Hamburg hatte Gottl27 bei seinem Fortgang nach Kiel S.[inger] als seinen Nachfolger sehr eindringlich bezeichnet. Die Fakultät hat jedoch den Senat Hamburgs mit einem Vorschlag und einem Namen überrascht, so dass S. nicht einmal an 2. oder 3. Stelle genannt zu werden brauchte. Prof. Eduard Heimann28 wurde dann berufen, ohne dass man S. irgend eine Kompensation geboten hätte. Er hat seine Vorlesungen für diesen Sommer abgesagt, um ein Platon-Buch,29 das schon weit vorgeschritten ist, zu beenden. Über das Wort des unheimlichen Weisen Knapp30 wage ich mich nicht zu äussern. Jedenfalls wäre S. für einen Ruf frei31 und würde sicherlich auch einem solchen nach Westen kaum widerstehen. Der Osten wäre ihm weniger behaglich. 26 Thomas
Macauly (1800–1859), berühmter englischer Historiker. von Gottl-Ottlilienfeld (1868–1958), seit 1902 Prof., 1919–1924 in Hamburg, dann Kiel und ab 1926 Berlin. 28 Eduard Heimann (1889–1967), Nationalökonom, seit 1925 Prof. in Hamburg, 1933 Emigration, 1963 Rückkehr nach Hamburg. 29 Kurt Singer, Platon, der Gründer, München 1927. 30 Gemeint ist der gemeinsame Straßburger Lehrer und Nationalökonom Georg Friedrich Knapp (1842–1926); vgl. G. F. Knapp, Staatliche Theorie des Geldes, München 1905. 31 Rosenbaum antwortet hier wohl auf eine Anfrage Schmitts für Bonn. 27 Friedrich
I. Eduard Rosenbaum an Carl Schmitt 1922–193231
Von Mises’32 Schriften kenne ich nur wenig. Immerhin ist der instinktive Eindruck der eines Hauses von prächtig aufgesetzter Fassade mit schlechtem Grundriss. Aber so etwas will man ja, wenn man Namen mit Resonanz sucht. Ich hoffe Anfang August meine Ferienreise in Cöln zu beginnen und würde glücklich sein, Sie dann noch zu treffen und vielleicht gar von Ihnen in der Ausstellung33 geführt zu werden. Mit herzlichem Gruss, auch von meiner Frau, stets Ihr ergebener Eduard Rosenbaum 4. RW 265-11747; Bildpostkarte südfranzösische Drachengestalt: En Provence. – La Tarasque, adressiert nach Zagreb, weitergeleitet mit Eingangsstempel Bonn 11.9.1925 Avignon, 31.VIII.25. Lieber Herr Schmitt, Ihr levantinischer Gruß erreichte mich an der Riviera di Ponente.34 Auch hier gibt es – wie Sie sehen35 – Chimären, vor allem aber unerhört viel Sonne. Ihr herzlich ergebener Rosenbaum. 5. RW 265-11748; maschinenschriftlich und handschriftlich mit Briefkopf: Dr. Eduard Rosenbaum / Direktor der Commerzbibliothek / Speersort / Altes Johanneum / Hamburg, den 10. Oktober 1925 Lieber Herr Schmitt, Ihr Brief vom 14. Sept. aus Alt-Ragusa erreichte mich 10 Tage später in Venedig, nachdem er mich bei meinem Durchgange durch Triest schon beinahe gestreift hatte. Ihre Schilderung dieser phantastisch reichen und 32 Ludwig von Mises (1881–1973), Nationalökonom, seit 1918 Prof. in Wien, 1934 Genf, später Emigration in die USA. 33 Rheinland-Ausstellung im Rahmen der „Rheinischen Jahrtausendfeiern“, die im Frühjahr 1925 im besetzten Rheinland eine nationalistische Demonstration waren. 34 Küstenregion in Ligurien / Italien. 35 Steinerne, stachelige und gefesselte Drachengestalt auf der Bildpostkarte.
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einsamen Bibliothek36 hat mich ungemein interessiert. Ehe ich auf diese und andere Dinge Ihres Briefes handschriftlich zurückkomme, möchte ich heute nur kurz eine Frage herausgreifen, deren Erledigung mir doch nicht unwichtig scheint. Herr Dr. Heinz Marr37 war früher in Hamburg und Leiter des Volksheims. Ich habe ihn damals, etwa Sommer 1907, ganz gut gekannt, da wir dort in den akademischen Ferien Arbeiter-Unterrichts-Kurse nach dem Muster der Berliner eingerichtet hatten. Er ist im Wesentlichen, von einigen geistigen Verzierungen abgesehen, das, was Sie als eine „ethische Tante“ bezeichnen. Er ging vor etwa 10 Jahren nach Frankfurt a. M., um dort die Leitung ähnlicher, halb städtisch, halb privat gestützter Wohlfahrtseinrichtungen zu übernehmen. Seine Privat-Dozentur ist somit nicht eigentlich der Ausdruck einer wissenschaftlichen Berufung, sondern eine Pertinenz (oder Impertinenz) seiner dortigen Stellung, wie solche Verquickungen bei jüngeren Universitäten nicht selten sind. Dies brauchte ihn freilich, selbst wenn man starke Inanspruchnahme durch das Amt berücksichtigt, nicht zu hindern, seine Bücher auch selbst zu verfassen. Da ich auch schon in seinem Verhältnis zu Tönnies38 eine durch Fussnoten mangelhaft unterbaute Einfühlung empfunden habe, so wäre ich sehr bereit, den neuesten Sachverhalt in den kritischen Blättern39 in ruhiger und bestimmter Weise festzustellen und dabei einige sachdienliche Fragen an den Autor zu richten. Vielleicht könnten Sie mir Ihr Exemplar mit Ihren Hinweisen für einige Tage zur Verfügung stellen. – [Text weiter handschriftlich:] Inzwischen habe ich in unserem Exemplar den Vortrag durchgesehen, der in sein[em] beschreibenden Teil weder dumm noch witzlos ist, übrigens S. 29 wieder mit Tönnies Kür- und Wesenswillen40 pflügt. Ich könnte nun die Vergleiche auch allein ziehen; jedoch würden Ihre Hinweise die Arbeit erleichtern und beschleunigen. Ich hoffe, Sie haben sich bei aller Arbeit doch auch gut erholt; mir ist das gleiche unter absolutem Nichtstun gelungen. 36 Dazu vgl. Schmitts Brief vom 14. September 1925 an Rudolf Smend, in: Carl Schmitt / Rudolf Smend, „Auf der gefahrenvollen Straße des öffentlichen Rechts“. Briefwechsel 1921–1961. Hrsg. von Reinhard Mehring, 2. Aufl., Berlin 2012, S. 48–50. 37 Heinz Marr (1876–1940), Soziologe, PD 1924 Frankfurt. Marrs Schrift „Klasse und Partei in der modernen Demokratie“ (Frankfurt 1925); Schmitt hat sich über das Plagiat von Marrs Schrift damals häufig beklagt, u. a. am 14. Sept. 1925 bei Smend (S. 50); vgl. Salomons Brief vom 17. Juni 1926 (hier in: IV). 38 Ferdinand Tönnies (1855–1936), dazu unten unter V. 39 Text im Anhang. 40 Kategorien von Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft (1887).
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Mit herzlichen Grüssen auch von meiner Frau, die das Ihr Zugängliche Ihres Schreibens (nicht nur das über die Postbeamtinnen) sehr gern gelesen hat, stets Ihr Eduard Rosenbaum
6. RW 265-11749; maschinenschriftlich und handschriftlich mit Briefkopf: Dr. Eduard Rosenbaum / Direktor der Commerzbibliothek / Speersort / Altes Johanneum / Hamburg, den 24. November 1928 Herrn Professor Dr. Carl Schmitt Berlin Lieber Herr Schmitt, Sie hatten vor einiger Zeit die Freundlichkeit, mich durch Hinweise auf einige Abschnitte in Jellineks Verwaltungsrecht41 zu erheitern. Ich möchte mich erkenntlich zeigen, indem ich Ihnen die nachstehende Besprechung mitteile, die sich in „Niemeyers Zeitschrift für Internationales Recht“; XXXIX. Band, 6. Heft, Seite 470–471 findet. Stammler, Rudolf.42 Rechts- und Staatstheorien der Neuzeit. Leitsätze zu Vorlesungen. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Berlin und Leipzig (Walter de Gruyter & Co.) 1925. 116 Seiten. Diese schon als Kundmachung Stammlerscher Vorlesungs-Leitsätze interessante, aber dann auch als sachkundige Gruppierung der zerstreuten Bilder politischer Geistesgeschichte wertvolle (in der Form anspruchslose) Publikation, wird von Lernenden als ersehntes Vademecum, von der Gelehrtenrepublik wohl als ein pietätvoll zu wertender wissenschaftlicher Werkzeug-Schrein, von der politischen Welt als ein Blitzlichter über die Staatenprobleme der Jahrhunderte werfender Leuchtapparat gewürdigt werden. R.R. [Weiter handschriftlich:] Voraussichtlich bin ich erst Anfang Dezember wieder in Berlin, dann können wir auch über einen Hamburger Vortrag spre41 Walter Jellinek, Verwaltungsrecht, Berlin 1928; vgl. dazu Walter Jellinek / Carl Schmitt, Briefwechsel 1926 bis 1933. Hrsg. von Reinhard Mehring, in: Schmittiana NF II, 2014, S. 87–117. 42 Rudolf Stammler (1856–1938), bekannter Rechtsphilosoph, zuletzt in Berlin.
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chen, zu dem eine officielle Aufforderung noch nicht möglich war, da alle Termine (immer Donnerstags) bis Ende Februar vergeben sind Mit herzlichen Grüssen Ihr Eduard Rosenbaum Mit dem Wechsel nach Berlin scheint sich Schmitts Kontakt mit Rosenbaum zunächst zu intensivieren. Das Tagebuch verzeichnet 1928 / 29 einige positive Begegnungen. Schmitt nennt ihn „sehr witzig“ und „nett“ (TB 21.12.1928, 20.2.1929). Schmitt begegnet Rosenbaum gelegentlich auch in der „Deutschen Gesellschaft“ in Berlin (TB 1930–1934, 22; TB 1930–1934, 98). Am 13. November 1930 hält er auf Einladung oder Vermittlung von Rosenbaum im Hamburger Übersee-Klub einen „Vortrag über Ausnahmezustand“ (TB 1930–1934, 55). Damals liest er Musils Roman Mann ohne Eigenschaften und empfiehlt ihn wahrscheinlich an Rosenbaum. Der antwortet darauf in seinem folgenden Brief:
7. RW 265-11750; maschinenschriftlich mit Briefkopf: Dr. Eduard Rosenbaum / Direktor der Commerzbibliothek / Speersort / Altes Johanneum / Hamburg, den 16. Dezember 1930 Herrn Professor Dr. Carl Schmitt Berlin Lieber Herr Schmitt, mit grossem Vergnügen lese ich in den wenigen unregelmässigen Mussestunden den Roman von Robert Musil „Der Mann ohne Eigenschaften“.43 Ich finde die Schilderung des europäischen Vorkriegsmenschen vorzüglich; grausam, grossartig und vollkommen richtig die Persiflage auf Walther Rathenau,44 an deren Formung wohl die Eindrücke von Franz Blei mitgeholfen haben. Übrigens würde ich bei vielen Sätzen des Buches nach Satz-Rhythmus und Diktion auch Sie für den Verfasser halten können und höre Sie förmlich sprechen. Dr. Bertram ist ebenso entzückt, vor allem freut auch ihn die Schilderung des Zusammenwirkens von Regierung, Verwaltung und sogenanntem Volk. Dagegen haben die Lebenserinnerungen von Franz Blei,45 trotz der letzten Seite, die mich freute,46 keine Stätte in meinem Bücherzimmer gefun43 Robert
Musil, Der Mann ohne Eigenschaften. Bd. I, Berlin 1930. Rathenau, von Schmitt und Fritz Eisler schon früh in den „Schattenrissen“ karikiert, wie Rosenbaum wusste. 45 Franz Blei, Erzählung eines Lebens, Leipzig 1930. 46 Erwähnung Schmitts. 44 Walther
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den; meine Toleranz geht nicht so weit, dass ich diese Art von Geschreibe über Stefan George47 in meiner Nähe dulde. Das ist aber kein Einwand gegen Franz Blei, sondern nur gegen die Literatur. Heute etwas anderes. Der Archivrat und ausgezeichnete Historiker Dr. Hans Goldschmidt,48 Potsdam, veröffentlicht innerhalb der nächsten Wochen ein ausserordentlich interessantes Buch mit dem Titel: Das Reich und Preussen im Kampf um die Führung von Bismarck bis 1918. Für die Abfassung ist ihm von der Reichsregierung Urlaub und Einsicht in die sämtlichen geheimen Akten gewährt worden. Der „Bund zur Erneuerung des Reiches“ hat 100 Exemplare bestellt, der Übersee-Klub hat Goldschmidt für den Februar 1931 zu einem Vortrag eingeladen. Ich habe nun selbst angeregt, ob Sie wohl geneigt wären, das Buch in einem kleinen Aufsatz für die „Germania“ zu besprechen. Goldschmidt schreibt mir, dass er seinerzeit Ihre Abhandlung über den Parlamentarismus mit grosser Freude angezeigt habe und bemerkt dann weiter[:] „ob für ihn hier der gleiche Fall vorliegt, steht dahin. Aber hoffentlich kann er das Aktenmaterial brauchen“. Falls Sie einverstanden wären, können Sie es freundlichst mitteilen, oder auch Herrn Goldschmidt direkt nach Potsdam, Im Bogen 11. Den Bericht der Handelskammer,49 den ich diesmal wieder allein geschrieben habe, werden Sie gegen Neujahr erhalten. Falls ich inzwischen von Ihnen nichts mehr höre, bitte ich, schon jetzt Frau Schmitt und Ihnen sehr herzlich angenehme Weihnachtstage und Ferien wünschen zu dürfen. Mit den freundlichsten Grüssen stets Ihr Rosenbaum 8. RW 265-11751 Hamburg 20 X 1931 Lieber Herr Schmitt, es ist unerhört, dass ich erst nach fast vier Wochen dazu gelange, Ihnen für Ihren Brief und die DJZ50 zu danken. 47 Stefan
George (1868–1933), Lyriker und Stern seines Bundes. Hans Goldschmidt (1879–1940), seit 1923 am Reichsarchiv Potsdam tätig, Emigration 1939 nach London; vgl. J. H. Goldschmidt, Das Reich und Preussen im Kampf um die Führung. Von Bismarck bis 1918, Berlin 1931. 49 Vermutlich: Mitteilungen der Handelskammer Hamburg 12 (1930). 50 Schmitt publizierte 1931 zwei Artikel in der DJZ. Wahrscheinlich ist der spätere gemeint: Wohlerworbene Beamtenrechte und Gehaltskürzungen, in: DJZ 36, 1931, Sp. 917–921 (vom 15. Juli). 48 Julius
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Zunächst einmal die allerherzlichsten Glückwünsche von meiner Frau und mir zur Geburt der Tochter Anima.51 Es war ein Unrecht, uns davon nicht sogleich in Kenntnis zu setzen, da es uns grosse Freude gemacht hätte, davon sofort zu erfahren. Hinsichtlich der „konkreten metaphysischen Konstruktion Ihres neuen status“ haben Georg E.[isler] und ich alles Zutrauen, dass Sie sie noch finden werden: inzwischen also der Mutter und der Tochter unsere besonderen Grüsse. – Hinsichtlich Anzilottis52 sind wir uns ja völlig einig; Bilfinger53 behandelt ihn auch noch sehr zahm und so bin ich auf den weiteren Aufsatz gespannt. Natürlich hatte ich Kelsens Schrift54 gegen Sie in der Hand; natürlich kann ich nicht allen Argumenten folgen, aber es schien mir als Ganzes doch recht subaltern, vor allem, wenn er keinen Unterschied zwischen dem amerikanischen Staatsgerichtshof sehen will und irgend einem Amtsgericht, das etwas für verfassungswidrig hält. Es wird mir immer deutlicher, dass diese Art von „demokratischer“ Denkweise doch immer noch das Untertanenressentiment gegen den Staat ist, als dessen Mitschöpfer diese Menschen sich nicht fühlen können. Während wir uns doch für Minister „in being“ halten[,] und wenn wir auf die Regierung schimpfen[,] doch nur meinen, dass unsere zur Zeit amtierenden Kollegen es etwas besser machen dürften. Übrigens war nicht nur Frau E.[isler], sondern auch eben dieses K.[elsen] Gattin in Kampen, mit zwei Töchtern,55 deren Konturen mehr durch den Konsum von Pralinen, als durch die Idee des Menschen bestimmt erscheinen. Sie waren mir alle drei als nicht hinreichend gestaltet aufgefallen[,] noch ehe ich ihre Namen wusste. Aber ich will unseren Gegner nicht auch noch sociologisch interpretieren, das wäre unfair. Hoffentlich kommen Sie im Oktober noch hierher. Inzwischen die herzlichsten Grüsse von Ihrem Eduard Rosenbaum Tatsächlich ist Schmitt wenige Tage später in Hamburg und frühstückt einmal „mit Rosenbaum“ (TB 1930–1934, S. 140). Am 11. Februar hält er dann in der Hamburger Universität einen „schönen“ Vortrag „über Notverordnung. Sehr großer Erfolg. [Albrecht Erich] Günther hörte zu, Rosenbaum auch, mit Laun und Lassar und ei51 Dazu vgl. Reinhard Mehring, „Eine Tochter ist das ganz andere“. Die junge Anima Schmitt (1931–1983), (Plettenberger Miniaturen 5), Plettenberg 2012. 52 Dionisio Anzilotti (1867–1950), italienischer Völkerrechtler und Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag. 53 Carl Bilfinger (1879–1958), mit Schmitt befreundeter Jurist. 54 Hans Kelsen, Wer soll der Hüter der Verfassung sein?, Berlin 1931. 55 Margarete (1890–1973), Hanna (1914–2000) und Maria (1915–1994) Kelsen.
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nigen anderen noch im Curiohaus, nett unterhalten, Bier getrunken.“ (TB 1930–1934, S. 176 f.) Schmitt erwähnt im TB nicht die Intervention und Verstimmung, auf die Rosenbaum umgehend brieflich einging:
9. RW 265-11752 handschriftlich 13 II 32 Lieber Herr Schmitt, es liegt mir doch sehr daran, bei Ihnen nicht den Eindruck zu hinterlassen, als ob ich die Helligkeit und das gezügelte Feuer des „Sinnesromanen“ nicht in gleichem Masse gewürdigt hätte, wie Ihre anderen geistigen Vorstösse dieser Art. Das scheinbar ironische Lächeln56 galt, soweit es Lächeln war, der Freude über die federnde Präcision Ihrer Formulierungen, soweit es Ironie war, den Opfern, die sich dies Alles mit soviel Härte sagen lassen mussten. Im übrigen haben mir meine Freunde Dr. Lena Schock57 und Morstein Marx58 bestätigt, dass Sie recht hatten, Ihre Energie auf das Juristische zu konzentrieren. Auch meinten beide, dass die Trauer über den Untergang der geistigen Freiheit implicite in jedem Satz Ihres Vortrags enthalten gewesen sei. Ich ziehe also meinen Einwand,59 der wirklich aus der ungenügenden Kenntnis fachjuristischer Umwelten kam, zurück. – Hinsichtlich der berückenden, gläsern strengen und krystallklaren Winterlandschaft: in Wien haben wir uns, wie mir schon gestern morgen schien[,] geirrt: sie ist nicht von Bosch, sondern von Pieter Breughel d. J. (1601 gemalt).60 56 Rosenbaum antwortet hier vermutlich auf eine verstimmte Anspielung oder Bemerkung Schmitts. 57 Nicht ermittelt. 58 Fritz Morstein Marx (1900–1969), Diss. „Beiträge zum Problem des parlamentarischen Minderheitenschutzes“, 1922 Hamburg, danach im Verwaltungsdienst Hamburg, 1933 Emigration in die USA, 1962 Rückkehr nach Deutschland und Prof. in Speyer. 59 Vermutlich Diskussionsbeitrag. 60 Winterlandschaft mit Eisläufern und Vogelfalle (Wiener Version), Kunsthistorisches Museum Wien; der Verweis auf die Winterlandschaft bezieht sich vermutl. hintergründig auf Schmitts Verstimmung und konkret auf den abgebildeten Kontrast zwischen den unbekümmerten Eisläufern im Bild und der Falle, in die Vögel gelockt werden.
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Eine Aufstellung über den USA-Imperialismus bekommen Sie noch. Grüssen Sie bitte die anima cogitans, vor allem aber bitte auch Ihre Frau Gemahlin. In Herzlichkeit stets Ihr Eduard Rosenbaum
10. RW 265-11753; handschriftl. Postkarte: Commerzbibliothek, gest. 17.2. 1932 Herrn Prof. Dr. Carl Schmitt Berlin NW 87 Flotowstrasse 5 17 II 32 Lieber Herr Schmitt, für Ihre Zeilen vom Sonntag herzlichen Dank. – Als Bücher über USA empfehle ich aus übersichtlicher Unterrichtung: 1) Ludwell Denny, America conquers Britain: a record of economic war. London: Knopf 1930 (Auch deutsch erschienen).61 2) Charles A. u. W.[illiam] Beard, The American Leviathan. London 193062 3) Als empirisch interessantes Material zu 1 + 2: Trends in the foreign trade of the U.S. New York 1930 (National Industr.[ial Conference Board).63 Alle drei Werke gehören in die Bibl.[iothek]der Handels-Hoch.[schule], und sind vielleicht längst erworben. Mit freundlichen Grüssen Ihr Rosenbaum
61 Ludwell Denny, Amerika schlägt England. Geschichte eines Wirtschaftskrieges, Stuttgart 1930. 62 Charles Austin u. William Beard, The American Leviathan. The republic in the machine age, New York 1930; von Schmitt mit rotem Buntstift dick unterstrichen. 63 Trends in the foreign trade of the United States (Studies of internat. problems), New York 1930.
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11. RW 265-11754; handschriftl. Hamburg, 22.XI. [wahrscheinlich aber: IX] 32 Lieber Herr Schmitt, in Ihrem Brief vom 16. vermeldeten Sie mir gütiger Weise, dass Sie mir „Legalität und Legitimität“64 gesandt hätten. Da ich es aber nicht erhalten hatte, fragte ich bei D & H. nach dem Verbleib. Dr. Feuchtwanger65 schickte es mir sogleich, schrieb aber dann, dass mein Name nicht auf der von Ihnen gesandten Liste gewesen sei. Diese technische Bagatelle nur, falls der Verlag Ihnen etwas melden sollte. – Im übrigen muss ich Ihnen von Herzen danken für diese „hilflose Geste“,66 denn sie hat mir mehr gegeben als nur die Kenntnis einer bedeutenden Abhandlung. Ihre Arbeit über den „Begriff des Politischen“67 warf doch die Frage auf, ob Sie sich mit gewissen Methoden der Analyse und Beschreibung nicht einer Gefahrengrenze genähert hätten, bei deren Erreichung aus den an sich einwandfreien Feststellungen gleichsam „nichts mehr folgen“ würde. Ich hatte mir dieses Problem als Gegenstand unserer nächsten Unterhaltung vorgemerkt. Ihre neue Arbeit empfinde ich als völlig frei von solchen Ansatzpunkten zur Skepsis. Sie scheint mir – wenn der Fachfremde so etwas sagen darf – ein wahrhaft würdiger Nachfolger Ihrer klarsichtigen Abhandlung über den Parlamentarismus, eine schöpferisch-konstruktive Leistung zur Fortbildung eines deutschen Staatsrechts. Das Schöpferische sehe ich in der aufregend lehrreichen Herausarbeitung der drei in der Weimarer Verfassung enthaltenen Gesetzgeber und in deren eindringlicher Darlegung, dass funktionale Legalität durchaus das Ende aller substantiellen Rechtsbildung und Gerechtigkeit herbeiführen kann. Ich glaube, dass für die sehr bald fällige Neuschöpfung unserer Verfassung auch einem weiteren Kreise deutlich werden muss, dass eine Verfassung machen nicht bedeutet, in der Praxis aller Länder und Zeiten bewährte Recepte eklektisch zu kompilieren, sondern eben, wie Sie dies lehren, Entscheidungen treffen. Und dies wird man nun in die Möglichkeiten von Weimarer Ordnung zu bringen haben. –
64 Carl
Schmitt, Legalität und Legitimität, München 1932. Feuchtwanger (1885–1947), Schmitts Verleger. 66 Zitat aus Schmitts Begleitbrief zur Sendung. 67 Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, München 1932. 65 Ludwig
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Sie sagen einiges nicht sehr freundliche über die geschäftsführenden Regierungen. Ich billige nicht, was in Preussen durch Änderung der Geschäftsordnung68 gemacht wurde (übrigens hat auch die „Frankf. Ztg.“ sofort und sehr heftig gewarnt). Aber vielfach besteht doch eine objektive Zwangslage zur Weiterführung, da die heterogene Opposition zur Bildung einer Regierung nicht imstande ist. Sie selbst vertreten doch die Auffassung, dass sich sogar hieraus Einwände gegen ein von sich programmatisch ausschliessenden Gruppen eingebrachtes Misstrauensvotum ergeben können. Aber das ist eine Einzelheit. Im Ganzen kam mir noch folgende Überlegung. Ich empfinde es als ein sehr komisches Missverständnis, dass gerade diese neueste Schrift links stehenden Zeitungen Anlass zu besonderen Auseinandersetzungen bietet. Denn mir scheint, dass Sie noch nie so viel für die Sache des Staatsbürgers getan haben, als mit dieser Abhandlung. Wenn man unter Liberalismus eine persönliche Freiheitssphäre versteht und nicht das Anrecht auf sociale Atomisierung, wenn man sich erinnert, welche Bedeutung das Widerstandsrecht und die „gleiche Chance“ für die Grundkonception des modernen Parlamentarismus haben, so finde ich, ist diese Abhandlung „liberaler“ als alles, was Sie je zuvor geschrieben haben. Und was die Voss. Zeitg. durch den zwar mit guten Manieren, aber darum nicht weniger gründlich missverstehenden Herrn Quabbe69 untersuchen liess, war nicht das staatsrechtliche Ergebnis Ihrer Schrift, sondern die statistische Position, die sich zur Zeit daraus für die Linksparteien ergeben mag. Die Blickblindheit rein politischer Diskussion kommt hier vortrefflich zum Ausdruck. Man könnte mit der gleichen advokatorischen Besessenheit aus Ihrer Abhandlung einen Leitfaden für Parlamentsbeflissene70 herauspräparieren. Will man überhaupt kurzschlüssige Folgerungen sociologischer Art und de lege ferenda aus Ihrer Erörterung ziehen, so sehe ich sie darin, dass Sie stärker als irgendwann vorher die gefahrvolle Leere plebiscitär-diktatorischer Einrichtungen betonen, wenn sie nicht lediglich eine „schöpferische“ Pause überbrücken, in der sich eine neue tragende Substanz rechtsgestaltender Kräfte bilden muss. – 68 Rosenbaum verteidigt hier die Haltung der preussischen Regierung Otto Braun gegen den von Schmitt bejahten „Preußenschlag“ der Reichsregierung Papens. Zur „Prämie auf den Machtbesitz“ durch Geschäftsordnungsänderung vgl. Carl Schmitt, Legalität und Legitimität, München 1932, 39 f.; Ernst Rudolf Huber sprach (Reichsgewalt und Staatsgerichtshof, Oldenbourg 1932, S. 47 f.) kritisch sogar von einer „illegalen Geschäftsregierung“; rückblickend dagegen rechtfertigend ders. zur preußischen Geschäftsordnungsänderung vom 12. April 1932 vgl. Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band VII: Ausbau, Schutz und Untergang der Weimarer Republik, Stuttgart 1984, S. 952 ff. 69 Georg Quabbe (1887–1950), Die Interpretation des Ausnahmezustands. Ein staatsrechtlicher Leitfaden für Diktaturbeflissene, in: Vossische Zeitung Nr. 437 vom 11. September 1932. 70 Rosenbaum wendet hier Quabbes Wort „Diktaturbeflissene“.
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Hoffentlich haben wir doch bald einmal Gelegenheit, uns zu sprechen. Inzwischen verstehe ich durchaus, wenn Ihnen die Arbeit an Preussen und Verfassungsaufgaben wenig Zeit für eine private Existenz lässt. (Später auch einmal ein Wort über Herrn Friedrich-Harvard).71 Mit herzlichen Grüssen, auch bitte für Frau Schmitt und Anima, stets Ihr Eduard Rosenbaum Am 23. September notiert Schmitt ins Tagebuch: „schöner Brief von Rosenbaum“ (TB 1930–1934, 218). Am 29. November ergibt sich noch einmal die Gelegenheit zu sprechen: „Mit Rosenbaum bei Jellinek, nett unterhalten, aber überflüssig und langweilig.“ (TB 1930–1934, 240) Am 11. März 1933 erfolgt dann eine zufällige und letzte Begegnung: „Im Café Kranzler Rosenbaum und Käthe Asch getroffen. Der Jude hat Angst wegen der Nazis. Glücklicherweise kam es zu nichts.“ (TB 1930–1934, 268) Schmitt plagen nun erneut seine „Schmitt-Affekte“.
Anhang 1. Rezension Rosenbaums zu den Schattenrissen, in: Die Aktion. Wochenschrift für Politik, Literatur, Kunst, hrsg. Franz Pfemfert, Jg. 3, vom 23. August 2013, Sp. 801–803 Anreisser im Schatten Das Augenzwinkern des „gelüstigen Fräuleins“ (tu viens avec?) und die Hüftenrhytmik des Schnepfenstrichs zu regulativen Ideen einer Wissenschaft gemacht zu haben, ist psychoanalytisch. Ist diese Betrachtungsweise einmal angenommen worden – und das ist geschehen –, so entwickelt sich ein Privatcode von Anspielungen und Heranpürschungen, welche von der Unterhose unmittelbar auf die Eingeweide gehen, Oberkleid und Seele nicht sehen können. Witz, die Zusammenreißung des Unerhörtem mit synthetischem Blick, der die Welt als Ganzes lächelnd aufnimmt und in gütiger Intellektualität Kettenglieder aus dem Borne für die Kleinen und für die besten Freunde aufzeigt, der die ungeheure Heiterkeit des klaren Himmels über alles Gewimmel / spannt – Witz soll plötzlich seiner Heimat beraubt werden. Aus der Sphäre des freien Aufstiegs wird er herabgenötigt unter die Städte der Erde, soll dort grinsend erkennen, wie eine Kanalisation alle Häuser verbindet, wie alles einem einzigen Ziele zugeführt wird. Die Lebenstafel wird mit einem Loch inmitten als Abort gesehen. Ein junger Mann von Talent und Begabung hat ein Buch veröffentlicht und Zeugnis von seiner Kenntnis in Literatur abgelegt.72 Es ist ihm zuzubilligen, daß er 71 Carl Joachim Friedrich (1901–1984), Politikwissenschaftler, a. o. Prof. in Harvard, für den Schmitt damals akademische Perspektiven in Deutschland eruierte. 72 Johannes Negelinus, Schattenrisse, Leipzig 1913; komment. Wiederabdr. in: Ingeborg Villinger, Carl Schmitts Kulturkritik der Moderne. Text, Kommentar und Analyse der „Schattenrisse“ des Johannes Negelinus, Berlin 1995.
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manchen die Krone nahm, die sie doch nur von ihresgleichen trugen und weiter tragen werden, daß er andere mit Rohheit traf und brüchige Dinge unzart hervorhob, wie es einer perfiden Kälte und ruchlosen Abkehr von den Qualen schöpferischen Lebens, einer selbstquälerischen Abkehr vom warmen Küchendampf des Daseins stets gelingen wird. Von seiner Sehnsucht ist hier nicht zu reden, weil er zu schweigen verstand. In einem Schattenriß, genau „Pipin dem Kleinen“73 sinkt das Herz dem Knaben in die Hose und läßt ihn so den Boden zur Entwicklung eigenen Ideals gewinnen. Das muß man wörtlich hören; denn hier ist es, wo das Rührende dieser Schrift beginnt, das Heimweh des verlorenen Sohnes durch alle Hilflosigkeit hindurch erkennbar wird. Hier möchte man sein kaltes Händchen nehmen und ihn nach Hause führen in sein Bettchen, daß er ein Kind werde, klein und zart, feuchten Glanz über bläulich schimmernden Augapfel. Der Autor meint das Folgende zu meinen: „Der Selbsterhaltungstrieb wird ihnen (den Talenten) ewig die Erkenntnis verschließen, daß es nur eine Einteilung der Menschheit gibt: Volk und Genie – und daß, wer sich nicht ehrlich und ohne Narrheit für ein Genie halten darf, schweigend und selbstverständlich zum Volk treten muß.“ Dies ist der Kernsatz, mit einem Schweif doktrinären Gezeters versehen, das zu lesen oder gar zu durchdenken müde macht und heiß. Denn hier ist alles halb richtig und gänzlich falsch. Volk und Genie sind nicht eine Einteilung nach Gegensätzen, sondern ein untrennbares Ganzes unter polarer Spannung. Es gibt keine Genialität, die nicht auf dem „dunklen Grunde“ des Volkes sich aufbaute, und die nur deshalb oft aus aller Berührung mit ihm sich zurücknimmt, weil in ihr der Gedanke des Volkes tiefere und vollere Antwort findet, als in den Dilettanten des Volksdaseins von heute. Der Begriff des Volkes ist nicht weniger metaphysisch als der des Genies. Aus tiefen Ursprüngen quillt das Leben breit herauf, haftet an Scholle und Bergeshang, rinnt zögernd, endlich traurig / in die Städte ab und bildet hier erst das Andere, das Volk und Genie gleichmäßig entgegenzustellen ist: das Bürgertum, die Zivilisation, den grellen Schrei, die dumpfe Angst, den Tod. Wer sich nicht für ein Genie halten darf, hat nicht zum „Volk“ im Sinne des Schattenreißers zu treten. Denn dieses Volk ist heute Stadtvolk. Das andere ist beinah verdorrt; an den letzten Inseln nagt die Flut der Gleichen und Maschinen. Zu ihnen soll keiner treten, der nicht unter sie geboren ist, sie, deren Hirn trocken, deren Schoß geschlagen ist. Wer die Quellen nicht mehr gehen hört, mag die Hände vor die Augen legen und warten. Er lege sich zur alten Erde und gebe, was Kraft und Samen noch an seinem Wesen ist, an sie zurück. Außer diesen aber, den Unfruchtbaren, Tätig-Kalten, die zur neuen Brache sich betten sollen, gibt es nur redende und schweigende Genialität. Wer zur Heraussetzung der Schöpfung nicht die Kraft hat, muß sich dennoch zum 73 [Negelinus, Schattenrisse, 1913, S. 28–31; Rosenbaum bezieht sich auf Aussagen eines „Verfassers“ im fiktiven Gespräch mit der historischen Gestalt Pipins, des Vaters von Karl dem Großen. Rosenbaum rechnet die Aussagen dieses fiktiven Verfassers autorschaftlich Carl Schmitt zu. Ingeborg Villinger, verweist in ihrem Kommentar, der Rosenbaums Besprechung nicht erwähnt (a. a. O., S. 242 ff.), auf den zeitgenössischen Kontext einer methodologischen Debatte um den Kulturhistoriker Karl Lamprecht. Auch sie rechnet Schmitt dabei der „Gegenpartei“ (S. 246) zu. Die Identifizierung des „Verfassers“ mit Schmitt ist freilich fraglich.]
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Genie halten; es gibt keine Wahl, als hier zu folgen, demütiges Erfassen, inniges Begreifen, plastischer Lebensstoff für die zu sein, in denen Blut und Geist zur Tat und Formkraft sich gestaltet. Also müssen alle, die das Leben wollen, auf die eine Seite treten, wo das Volk ist und Genie; denn sie haben den gleichen Feind. Nur freilich „schweigend und selbstverständlich“ – das hat der Doktor Negelinus klar gesehen. Aber in der Art, wie er Volk und Genie gegenüberstellt, liegt Gefahr eines Irrtums. Als ob der Künstler grundsätzlich jenseits des „Volkes“ stände, als sein Widerpart und seine Verneinung. Der Feind des Volkes ist nie der Schöpferische, der etwas kann, sondern nur der Erschöpfende, der etwas weiß. Hier drohen heute Grenzverwirrungen. Das Wissen um die formalen und stofflichen Möglichkeiten der Kunst, dessen sich der Künstler freilich nicht erwehren kann, soll zureichender Ersatz für das aus gebundenem Einklang und schicksalhafter Verbindung mit ganzem Menschtum kommende Erlebnis sein. In spielender Anwendung der Frissons aller Jahrtausende und Völker, mit kalter Erregung die Technik der seelischen Zerrissenheit verwertend, wird eine Kunst geschaffen, die zum Volke steht, wie der Sensenmann gegenüber dem Führer der Pflugschar. Diese Künstler, diese Wisser, diese Gelehrte, sind die Brüder solcher Ingenieure und Unternehmer, denen nur der Nutzeffekt gilt und der Reingewinn. Man muß die Koordinaten anders legen, als der Doktor Negelinus, muß die Begriffe Volk und Genie doch tiefer in das strömende Leben senken. / Das Buch hätte ein wenig dankbarere Worte erwarten können, wenn jener doktrinäre Absatz unterblieben wäre, der in jedem Sinne seine Form zerstört, in dessen Sprache schon des Schreibers anspruchsvolle Angst und Not des bösen Gewissens rasselt wie die Tanzmaus in der Stäbchentrommel. Oh Sonne, starker Wein, oh große graue Augen, zuckende Lippen … Die Wüste glaubt Oasenland zu sein, weil sie fruchthafter Dinge Schatten auf ihren Sand herabzuziehen gewusst. Aber sie ist nur fatamorganatisch mit der Schöpferkraft vermählt. Eduard Rosenbaum (Alt-Heikendorf)74 2. Rezension Rosenbaum in: Wirtschaftsdienst Heft 8 vom 26. Februar 1926 Klasse und Partei in der modernen Demokratie (Frankfurter gelehrte Reden und Abhandlungen). Von Heinz Marr. Verlag Englert & Schlossert, Frankfurt a. M. 1925. 30 S. Preis 1 RM. Wenn Worte überhaupt Gewicht und Sinn behalten sollen, wird man unter einer „gelehrten“ Arbeit immer eine solche verstehen müssen, mit der der Verfasser wesentlich das Ergebnis eigenen Forschens und Nachdenkens vorlegt. Wird dagegen nur ein Bericht über den Stand einer wissenschaftlichen Frage geboten, so kann dies sehr nützlich sein, vor allem um Laien an eine ihnen sonst fremde Literatur heranzubringen: aber eine gelehrte Leistung ist dies nicht.
74 [Offenbar
damaliger Wohnort Rosenbaums an der Kieler Förde.]
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Der Vortrag von Marr kann in der vorliegenden Form nur als eine mißbräuchliche Benutzung der Denkergebnisse eines wirklichen Gelehrten bezeichnet werden. Alle entscheidenden Gedanken sind der bedeutenden, neuerdings auch von Robert Michels als grundlegend anerkannten Abhandlung von Carl Schmitt entnommen: „Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“ (in Bonner Festgabe für Zitelmann, München und Leipzig 1923, auch als Sonderdruck). Die Aufnahme des Titels in einem dem Vortrag anhängenden Verzeichnis von 15 sehr verschiedenartigen Schriften ist ein völlig unzulänglicher Ausdruck für den Grad geistiger Hörigkeit, in dem sich Marr gegenüber Schmitt befindet. Der Raummangel verbietet, Parallelstellen abzudrucken. Aber der von Marr mit so viel Bestimmtheit übernommenen Lehre von den „Identitäten“ wird man eine weitere hinzufügen dürfen: überall, wo in der soziologischen Literatur zum Wesen der Demokratie der Name Marr zitiert wird, ist richtig Carl Schmitt einzusetzen. 3. Rezension Rosenbaum in: Rheinischer Merkur Nr. 48 vom 25. November 1950, S. 18 Carl Schmitt vor den Toren Wer wäre nicht vielen Zweifeln, Qualen und Selbstprüfungen ausgesetzt in einer Zeit wie der gegenwärtigen, vor allem, wenn er handelnd an den entscheidenden Vorgängen teilgenommen hat? Und niemanden wird es erstaunen, daß ein Mann wie Carl Schmitt, unabhängig von irgendwelchen amtlichen und immer problematischen Verfahren, sich forschender Selbstbesinnung unterwarf. Wenn aber dann das Ergebnis in einem besonderen Buch der Öffentlichkeit vorgelegt wird („Ex Captivitate Salus“ – Erfahrungen der Zeit 1945 / 47, Greven-Verlag Köln, 1950, 95 Seiten, DM 4,50), so wird damit ein Gültigkeitsanspruch erhoben, der nicht ohne Bedenken hingenommen werden kann. Das Buch enthält sechs contemplativ-melancholische Betrachtungen und ein Gedicht in freien Strophen, das seinen Ort irgendwo zwischen Walt Whitman und Francis Jammes hat. Für den unbefangenen Adressaten ein ergreifendes und erbauliches Buch, das die Prüfungen einer differenzierten Seele im Wildtobel dieser Zeit mit all dem schriftstellerischen Glanz und der Spannweite des Wissens zeigt, die zu den unverlierbaren Eigenschaften des Verfassers gehören. Wie aber wirkt das Buch auf den befangenen Adressaten, jemanden etwa, der die Jugendjahre leuchtender Gespräche mit Carl Schmitt geteilt hat? Wir erschrecken bei dem Satz: „Vor dem Forum des Geistes hat unsere wissenschaftliche Arbeit nichts zu fürchten, nichts zu verhehlen, nichts zu bereuen“ (S. 22) und wir glauben, zu der Frage, was des Verfassers Wesen wirklich sei, aus seinem eigenen Werk eine etwas anders gerichtete Antwort geben zu können. Carl Schmitt beginnt seine Betrachtungen mit dem Bericht über ein Gespräch mit Eduard Spranger, das dieser im Sommer 1945, offenbar in einem amtlichen Auftrage, mit ihm zu führen hatte. Ihm wird die Frage vorgelegt: „Wer bist du?“, und er meditiert in ansprechender Weise darüber, inwieweit eine solche Frage überhaupt möglich sei, was den anderen legitimiert, sie zu stellen, und er, der Meister der polemischen Fragen, führt fort: „Solche Gegenfragen lagen nahe. Aber mir liegt es nicht, Gegenfragen zu stellen. Mein Wesen mag undurchsichtig sein, jedenfalls ist es defensiv. Ich bin ein contemplativer Mensch …“. Und er schließt den Bericht mit
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einer Wendung eigener Wahl, die seinen Fall kennzeichnen soll: „Es ist der schlechte, unwürdige und doch authentische Fall eines christlichen Epimetheus“ (vom Verfasser gesperrt). Wenn diese Formel Carl Schmitt erlaubt, einem Ausspruch Spinozas gemäß, in seinem Sein zu beharren,75 so liegt für uns keine Notwendigkeit vor, dagegen zu polemisieren. Wir möchten sie nur durch eine etwas schlichtere Ansicht der Dinge ergänzen. Carl Schmitt gehörte und gehört zu den großen Rechtsdenkern unserer Zeit, dem die Fähigkeit des Ausdrucks in erstaunlicher und verpflichtender Weise zu Gebote steht. Es wird kaum irgendwo einen Staatsrechtler oder Soziologen geben, der nicht wüsste, welche entscheidenden Impulse er den Untersuchungen über den Begriff des Politischen, über Politische Theologie, über Verfassungen und vor allem über „Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“ (1923 / 1926) verdankt. Aber das erklärt nicht den „Fall“. Carl Schmitt war ein Universitätslehrer, der seine durchaus ungewöhnlichen Gaben ohne äußeren Zwang den verschiedenen Systemen und Anschauungen in Deutschland zur Verfügung gestellt hat. Er pries Preuß für seinen Anteil an der Verfassung von Weimar; er half Brüning gutachtlich, als dieser mit dem Artikel 48 diese Verfassung aufzulösen begann, und er bedauerte an ihm nur, daß der für seine abendliche griechische Entspannungslektüre Platon statt Aris toteles wählte.76 Er war v. Papens Rechtsberater und Anwalt vor dem Reichsgericht, als die preußischen Minister gegen die Reichsregierung klagten, und er war stolz auf das Festmahl,77 das Papen seinen erfolgreichen Anwälten im Saal des Berliner Kongresses gab. Als die Ruine des ausgebrannten Reichstages noch schwelte, meinte er,78 daß eine Partei, die zu solchen Mitteln den Mut habe, wohl wert sei, an die Macht zu gelangen. Er gehörte sehr bald zur Gefolgschaft Görings und dämpfte den Eifer seines artgleichen Auftretens erst etwas, als im „Schwarzen Korps“, vermutlich von einem rechtskonservativen Kollegen79 inspiriert, ein Artikel erschien, der sich unfreundlich mit seinen früheren persönlichen Assoziationen beschäftigte.
75 [Rosenbaum zitiert hier Schmitts Verweis auf Spinoza aus der Verfassungslehre von 1928: „in suo esse perseverare“ (VL 22). Auch in der Schattenrisse-Rezension sprach er mit Schmitt vom „Selbsterhaltungstrieb“.] 76 [Evtl. persönliche Erinnerung an eine mündliche Äußerung.] 77 [Schmitt notiert dazu am 26. November ins Tagebuch (TB 1930–1934, 239): „Bilfinger erschien gegen 12. Um 1 fuhren wir zur Reichskanzlei, dort vom Kanzler empfangen, 40 Gäste, Reichsminister, darunter Schleicher und Gayl und Staatssekretäre, sehr schönes Essen im Kongresssaal, sehr gute Weine. Papen saß zwischen Bilfinger und mir, Jacobi gegenüber. Sprach nett mit Papen und meinem Nachbarn, dem Reichsminister, Schleicher trank mir zu und war vergnügt. Ott war auch da und Marcks.“] 78 [Rosenbaum könnte sich hier auf ein letztes Gespräch vom 11. März 1933 beziehen, zu dem Schmitts ins Tagebuch notierte (S. 268): „Im Café Kranzler Rosenbaum und Käthe Asch getroffen, langweilig. Der Jude hat Angst wegen der Nazis. Glücklicherweise kam es zu nichts.“ Demnach sprachen beide auch über den Reichstagsbrand. Schmitt hätte demnach Rosenbaums Verdacht bzgl. einer nationalsozialistischen Tat positiv umgedeutet und bestätigt.] 79 [Gemeint ist: Otto Koellreutter.]
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen I
Wir brauchen Carl Schmitt, für den es in der wissenschaftlichen Methodologie und in der Kasuistik der Moral keine unbekannten Probleme gibt, nicht darauf hinzuweisen, daß in solcher Abfolge der Tätigkeiten ein Problem steckt, das mit dem schönen Bild des „Epimetheus“ allein nicht abgetan ist. Er spricht sehr klug und beinahe richtig über die besonderen Berufsgefahren, denen der Vertreter des öffentlichen Rechts ausgesetzt ist. Aber das erklärt noch nicht, warum es unter den vielen möglichen Publizisten Carl Schmitt war, der in der „Deutschen Juristen-Zeitung“ vom 1. August 1934 den grauenerregenden Aufsatz „Der Führer schützt das Recht“ veröffentlichte; es erklärt nicht, warum er allein, das Sakrament der Taufe verachtend, Julius Stahl nach 1933 nur noch als Jol Jolsen zu zitieren vermochte; und es erklärt nicht, warum es der „Reichsgruppenwalter Staatsrat Professor Dr. Carl Schmitt“ war, der am 3. Oktober die Tagung über „Das Judentum in der Rechtswissenschaft“ einleitete und dabei bemerkte: „Was der Führer über jüdische Dialektik gesagt hat, müssen wir uns selbst und unseren Studenten immer wieder einprägen, um der großen Gefahr immer neuer Tarnungen und Zerredungen zu entgehen.“80 Man kann Carl Schmitt weder den Vorwurf der Undurchsichtigkeit machen, noch den, daß er, nach einem Worte Hegels es an „totaler Herauswendung“ habe fehlen lassen. Er hat 1940 einen Band „Positionen und Begriffe“ veröffentlicht, der seine wichtigsten Aufsätze aus den Jahren 1923 bis 1939 enthält. Um ohne kleinliches Moralisieren die atembeklemmende Abfolge wechselnder Standpunkte zu verstehen, muß man sich ein paar Dinge klarmachen. In den meisten rechtlichen Begriffen steckt „bereits eine ganze Welt vorentschiedener Stellungnahme“. Somit ist der jeweils eingenommene Standpunkt nicht nur Ergebnis reinen Denkens oder „fundamentaler Neugierde“, sondern er enthält Weltanschauungsmomente, die einen moralischen Geltungsanspruch erheben. Dieser Anspruch wird in der Regel honoriert werden, wenn die wechselnden Standpunkte als Ergebnis einer langsam reifenden Entfaltung der Persönlichkeit des Verfassers erscheinen. Wenn aber der „Epimetheus“ sich mit einem unendlichen Regreß die spätere Revision oder Widerrufung des außerwissenschaftlichen Elements seiner Auffassungen vorbehält, so darf nach einiger Zeit doch wohl dem Konsumenten ein Recht auf Abwehr zugebilligt werden. Und auch hier hilft Carl Schmitt selbst, der wenige Dinge nicht weiß, die zu seinem Beruf gehören. „Vorsicht also, und sprich nicht leichtsinnig vom Feinde. Man klassifiziert sich durch seinen Feind. Man stuft sich ein durch das, was man als Feindschaft anerkennt.“ (Ex Captivitate, p. 90). Carl Schmitt hatte als seinen ersten und großen Feind die „politische Romantik“ erkannt, im besonderen personifiziert in Adam Müller. Er legte überzeugend dar, daß es nicht bestimmte romantische Objekte gäbe, sondern daß im Grunde alles zu occasio des romantischen Enthusiasmus werden könne. „Ohne Änderung ihres Wesens und ihrer Struktur, die immer occasionalistisch bleibt, kann die romantische Produktivität sich an irgend ein anderes Objekt der historisch-politischen Wirklichkeit anknüpfen als gerade an den legitimen Fürsten“ (Polit. Romantik, 2. Auflage, p. 170). Auf der „Unfähigkeit zu normativer Bewertung beruht die ‚organische‘ Staatsauffas80 [Carl Schmitt, Eröffnung der wissenschaftlichen Vorträge durch den Reichsgruppenwalter Staatsrat Professor Dr. Carl Schmitt, in: Die deutsche Rechtswissenschaft im Kampf gegen den jüdischen Geist, Berlin 1936, S. 14–17, hier: S. 14.]
II. Kurt Singer und der Wirtschaftsdienst (1924–1927)
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sung des Romantischen. Sie weist das ‚Juridische‘ als eng und mechanisch von sich ab und sucht den über Recht und Unrecht erhabenen Staat, d. h. einen Anknüpfungspunkt für Gefühle, der zugleich die Projektion des romantischen Subjekts ins Politische ist“ (p. 162). Und ein letztes Wort, den Schluß von Carl Schmitts Votum über die „Politische Romantik“: alles Romantische steht im Dienste anderer, unromantischer Energien und die Erhabenheit über Definition und Entscheidung verwandelt sich in ein dienstbares Begleiten fremder Kraft und fremder Entscheidung“. Wir glauben, daß diese Sätze den Schlüssel zu dem seltsamen Gestalt- und Ausdruckswandel von Carl Schmitt enthalten. Sie wollen warnen vor den moralischen Bestandteilen seiner zukünftigen Äußerungen, sie sollen aber seine geistesgeschichtliche Bedeutung ebenso wenig „vernichten“, wie er Adam Müller und die politische Romantik als historisches Phänomen und als einen Teil seiner selbst zu vernichten vermocht hat. Eduard Rosenbaum, London
II. Am Ort der Hamburgischen Dramaturgie redigiert: Kurt Singer und der Wirtschaftsdienst (1924–1927) Kurt Singer (1886–1962), Nationalökonom, dem Umkreis von Stefan George zugerechnet, lebte nach dem Studium seit 1912 in Hamburg, wo er sich 1920 habilitierte und 1924 apl. Prof. wurde. Dass Singer vor 1933 in Deutschland nicht berufen wurde, war schon ein Thema der Korrespondenz zwischen Rosenbaum und Schmitt. Ab 1931 lehrte Singer in Japan und emigrierte dann 1939 nach Australien; 1957 kehrte er nach Europa zurück und lebte zuletzt in Griechenland. Schon 1922 will Rosenbaum Schmitt mit Singer bekannt machen. Singer schickt im Februar 1923 auch eine „Zusendung“, die Schmitt freut (TB 1921–1924, S. 158). Erst am 23. März 1924 aber kommt es zu einer ersten Begegnung, falls beide sich nicht schon aus Straßburger Studientagen kannten: „nachmittags zu Rosenbaum, Singer war auch da, ein sonderbarer Kerl, wirkt wie ein Gnom, hat aber einen guten Kopf.“ (TB 1921–1924, S. 328) Die Korrespondenz mit Singer betrifft dann vor allem Redaktionsgeschäfte und verstummt mit der Einstellung der Kritischen Blätter. Es gab aber noch spätere positive Begegnungen. Am 26. Juni 1929 besucht Singer Schmitt zusammen mit Rosenbaum und anderen. Das Tagebuch notiert dann am 14. Februar 1930: „Mittags Kurt Singer, aus Hamburg da; sympathisch unterhalten; über Plato,81 Spanien, Knapp.“ Am 15. November 1930 heißt es: um 6 kam Professor Singer, sehr hübsche Unterhaltung, über Platon, Staatsbegriffe usw. Angenehmer Eindruck.“ Die Gegenbriefe Schmitts an Singer sind im Teilnachlass der Württembergischen Landesbibliothek und auch in Hamburg nicht erhalten.
81 Kurt
Singer, Platon der Gründer, München 1927.
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1. RW 265-15179; Briefkopf: Wirtschaftsdienst / herausgegeben vom / Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv / Schriftleitung; Brief maschinenschriftlich mit handschriftlicher Unterschrift Herrn Professor Dr. Carl Schmitt Bonn a / Rh. Hedenüher82 Allee 20. Hamburg 36, den 8. August 1924. Sehr geehrter Herr Professor, verbindlichen Dank für Ihr freundliches Schreiben. Sie werden inzwischen die Belegexemplare erhalten habe. Es war mir besonders amüsant, dieses Heft fast ausschliesslich mit Beiträgen von Ihnen, von Rosenbaum und mir bestritten zu sehen.83 Ich hoffe, man merkt der Zeitschrift ein wenig an, dass sie an dem Ort redigiert wird, wo die Hamburgische Dramaturgie84 entstanden ist. Jedenfalls ist dieses das einzige Lokalkolorit, das ich ihr wünschen kann. Würden Sie bereit sein, die deutsche Uebersetzung von James Bryce „Moderne Demokratien“85 zu besprechen? Ein Besprechungsexemplar würde, wenn gewünscht, zur Verfügung stehen. Ich stelle es Ihnen gern anheim, ob Sie einen kurzen Aufsatz oder nur einen Hinweis von 20 bis 30 Zeilen schreiben wollen. Ihr ergebener Singer S / Si. 82 Sic!
Endenicher Allee. Kritischen Blätter Heft 7 vom 25. Juli 1924 enthalten eine Miszelle Singers „Über Keynes’ Währungstraktat“ (985–986), Schmitts Hobhouse-Besprechung sowie die „Erläuterung und Abwehr“ (989) von Rosenbaum, die eine kritische Besprechung gegen „Eine Entgegnung“ verteidigt und dabei für Rezensionen von einer „Form des geistigen Kampfes“ und „Pflicht zur Härte“ spricht. Singer kritisiert in seiner Miszelle auch die „deutsche Übersetzung“ von Kocherthaler. Damit flankieren und kontextualisieren Singer und Rosenbaum gleichsam in Parallelaktion S chmitts scharfen Verriss und formulieren Grundsätze der Kritischen Blätter in der Tradition Lessings. 84 1767 / 69 in zwei Bänden unter diesem Titel publizierte Reihe von Theaterkritiken von Gottfried Ephraim Lessing (1729–1781). 85 James Bryce, Moderne Demokratien. Bd. I: Allgemeine Einleitung. Europäische Demokratien. Übersetzt von Karl Löwenstein und Albrecht Mendelssohn Bartholdy, München 1923; es folgten 1925 / 26 noch zwei weitere Bände. Schmitt sagte die Besprechung vermutlich auch der beiden Übersetzer wegen ab. 83 Die
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2. RW 265-15180; Briefkopf: Wirtschaftsdienst; Brief maschinenschriftlich mit handschriftlicher Unterschrift; Rückseite stenographische Notiz eines Antwortbriefes Herrn Professor Dr. Carl Schmitt Bonn a / Rh. Hamburg 36, 17. September 1924 Sehr verehrter Herr Professor Schmitt, Verbindlichen Dank für Ihr Schreiben vom 6. September. Ich werde gern Ihrer Anregung folgen und Herrn Ball86 ein Exemplar meines Buches87 senden. Es scheint auch mir sehr zweckmäßig, daß einmal die Leichtfertigkeit, mit der Übersetzungen aus dem Englischen88 neuerdings angefertigt werden, zum Gegenstand eines Aufsatzes gemacht wird. Bezeichnend für die Haltung der Übersetzer ist ein Brief des Herrn Dr. Kochertaler,89 in dem er mir mitteilt, daß er meine Einwendungen gegen seine Übersetzung eines Keynes’schen Geldbuches durchaus billige. Er hätte leider die Übersetzung „zwischen zwei Reisen rasch herunterdiktieren müssen“. Darf ich Ihnen „Bryce: Die modernen Demokratien“ zur Besprechung zugehen lassen? Wenn Sie keinen Aufsatz darüber schreiben wollen, so wäre ein kurzer Hinweis von 1–2 Dutzend Zeilen für unsere Zwecke hinreichend. Mit besten Grüßen verbleibe ich Ihr aufrichtig ergebener Singer 86 Hugo Ball (1886–1927), Publizist und Dichter; Schmitts Hinweis auf Ball erfolgte in der Zeit seiner Bemühungen um Ball, vor Erscheinen der Folgen der Reformation und Schmitts Bruch mit Ball. Kurt Singer publizierte im Wirtschaftsdienst (10, 1925, 1010) unmittelbar neben Schmitts Kjellen-Besprechung dann einen scharfen Verriss von Balls Buch. Wiederabdruck in: Reinhard Mehring, Carl Schmitt. Aufstieg und Fall, München 2009, 176, vgl. 172 ff. 87 Gemeint ist wohl: Kurt Singer, Staat und Wirtschaft seit dem Waffenstillstand, Jena 1924. 88 Schmitt Streit mit dem Kölner Kollegen Fritz Stier-Somlo wurde durch eine kritische Besprechung der Parlamentarismus-Broschüre durch Stier-Somlo ausgelöst. Schmitt publizierte daraufhin am 25. Juli 1924 im Wirtschaftsdienst eine negative Besprechung eines von Stier-Somlo herausgegeben Buches, worauf Stier-Somlo und der Verleger Meiner im Wirtschaftsdienst mit einer Erwiderung antworteten. Der Streit ist dokumentiert in: „Auf der gefahrenvollen Straße des öffentlichen Rechts ….“ Briefwechsel Carl Schmitt-Rudolf Smend 1921–1961, hrsg., um Materialien ergänzt und kommentiert von Reinhard Mehring, 2010, 2. verbessert. Aufl. Berlin 2012, 155–161. 89 John Maynard Keynes, Ein Traktat über Wirtschaftsreform. Übersetzt von Ernst Kocherthaler, Verlag Duncker & Humblot, München 1924.
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Schmitt notierte am 18. September umgehend ins Tagebuch (TB 1921–1924, S. 368): „schön zu Hause Briefe geschrieben, besonders an Singer wegen des Verlegers Meiner.“
3. RW 265-15181; Briefkopf: Wirtschaftsdienst; Brief maschinenschriftlich mit handschriftlicher Unterschrift Herrn Professor Dr. Carl Schmitt, Hamburg 36, den 2. Dezember 1924 Sehr geehrter Herr Professor Schmitt, wie Sie vielleicht aus dem letzten „Wirtschaftsdienst“ gesehen haben, habe ich aus dem Meiner’schen Schreiben90 das Faktische herausgenommen und mit einigen Bemerkungen versehen. Da Meiner sich zwischen Sie und Herrn Stier-Somlo gestellt hat, habe ich es der Symmetrie wegen für richtiger gehalten, mich zwischen Herrn Meiner und Sie selber zu stellen. Abschriften des Briefwechsels mit Meiner liegen bei. Darf ich Ihnen Ludwig Bernhard’s Buch über „Mussolini und den Faschismus“91 und Kjellén’s „Staat als Lebensform“92 zur Besprechung zugehen lassen? Es ist nicht nötig, einen Aufsatz darüber zu schreiben, eine kurze Anzeige von 10 bis 20 Druckzeilen würde durchaus genügen, wenn uns auch ein Aufsatz aus Ihrer Feder weit angenehmer wäre. Ihr sehr ergebener Singer S / Si.
90 Abdruck
in: Briefwechsel Carl Schmitt-Rudolf Smend 1921–1961, 159 f. Bernhard, Das System Mussolini, Berlin 1924. 92 Carl Schmitt, Rezension von Rudolf Kjellen, Der Staat als Lebensform, 4. Aufl. Berlin 1924, in: Wirtschaftsdienst 10 (1925), 1010 (Kritische Blätter Nr. 6 vom 26. Juni 1925); Wiederabdruck in: Schmittiana N.F. 1 (2011), 16–17. 91 Ludwig
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4. RW 265-15182; handschriftlich in George-Druckschrift Gryphiusstr. 9 d. 28.V.25 Lieber Herr Schmitt: Vielen Dank für Ihren brief. Es freut mich sehr[,] dass Sie die ‚umgebung‘ Ihres aufsatzes einigermassen passend fanden.93 Die aufgabe war schwer, aber auch ich muss gestehen, dass ich mit der lösung ganz zufrieden bin. Die gewünschten exemplare werden Ihnen inzwischen zugegangen sein. Leider bin ich noch immer nicht dazu gekommen, die schrift von gerber94 zu lesen. Beim durchblättern hatte ich den eindruck, dass hier versucht wird, aus rechtsbegriffen die art des ‚richtigen‘ geldes zu deducieren – ein unternehmen[,] das mir nur in einer hermetisch geschlossenen geschichtslosen welt möglich scheint. Sobald ich mit meinen gegenwärtigen studien etwas weiter gerückt bin, will ich mir die arbeit genauer ansehen. Dass sich ein theologe95 von einiger tiefe mit Salin96 auseinandersetzen will, ist ein grosser gewinn … in einem lande wo nichts eingreift, weder im positiven noch im negativen. Es scheint mir immer sicherer[,] dass auch mein letztes buch absichtlich unangezeigt bleibt: ausser der Köln. Ztg.97 hat keine tageszeitung etwas darüber gedruckt. In der Hoffnung[,] unsere Gespräche bald fortsetzen zu können[,] verbleibe ich Ihr ergebener Singer
93 Gemeint ist die direkte Nachbarschaft von Schmitts Kjellen-Besprechung mit Singers Ball-Verriss (Wirtschaftsdienst 10, 1925, 1010). Singers Bemerkung deutet darauf hin, dass beide sich über die Tendenz des Verrisses unterhielten. Schmitt greift Singers Bezug auf Lessings „Hamburgische Dramaturgie“ und das Programm der „Pflicht zur Härte“ auf. 94 Gemeint ist evtl.: Hans Gerber, Deutschland als Staat der Deutschen. Ein Kapitel über die Rechtslage Deutschlands nach dem ‚Friedensvertrag‘ von Versailles, Marburg 1925; Hans Gerber (1889–1981) war 1923–1929 PD und apl.-Prof. in Marburg, seit 1929 Ordinarius für Öffentliches Recht in Tübingen, Leipzig und Freiburg. 95 Schmitts Bonner Freund Erik Peterson (1890–1960). 96 Edgar Salin, Civitas Dei, Tübingen 1926. 97 Kölnische Zeitung.
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5. RW 265-15183; Briefkopf: Wirtschaftsdienst; Brief maschinenschriftlich mit handschriftlicher Unterschrift Herrn Professor Dr. Carl Schmitt Bonn a / Rh. Endemüher Allee 20. Hamburg 36, den 2. Dezember 1925. Sehr verehrter Herr Schmitt, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir mit solcher Offenheit geschrieben haben.98 Aber ich bin doch betroffen, dass Sie es für möglich halten, dass ich Bedenken der von Ihnen geschilderten Art irgendeine Art von Einwirkung auf die Schriftleitung einräume. Es ist mit mir und mit Ihren Büchern gegangen, wie mit so vielen der wichtigsten Bücher überhaupt: Sie wurden eben wegen Ihres Wertes an einen besonders zuständigen Schriftsteller zur Besprechung gegeben (in diesem Falle Herrn Dr. Rosenbaum) und, wie Sie wissen, kann man von solchen Schriftstellern hohen Ranges sehr viel schwerer Besprechungen erhalten als von anderen. Ich werde mich auch durch Ihren Brief nicht abhalten lassen, die Besprechungen99 zu veröffentlichen, sobald ich sie von Rosenbaum extrahieren kann. Was Sie mir über die „Frankfurter Zeitung“ schreiben,100 hat mich auf das höchste interessiert. Ich hätte einen solchen Grad von Beengtheit selbst an dieser Stelle nicht für möglich gehalten, aber ich verstehe jetzt auch, warum mein Staats- und Wirtschaftsbuch an verschiedenen Stellen bisher nicht besprochen worden ist. Ich hoffe, Sie werden auch in künftigen Zweifelsfällen in diesen verwirrten und zu allerhand düsteren Vermutungen Anlass gebenden Zeiten sich mit der gleichen Offenheit aussprechen, und ich verspreche dagegen, mich mit der gleichen Rückhaltlosigkeit auch dann zu äussern, wenn die Sache sich nicht so einfach auflösen liesse wie im vorliegenden Fall. In der
98 Schmitt notierte am 29. November 1925 ins Tagebuch: „Abends schönen Brief an Singer nach Hamburg geschrieben.“ In den „Kritischen Blättern“ Nr. 11 des Wirtschaftsdienstes (10, 1925, 1827) war am 27. November 1925 eine knappe Besprechung von Schmitts Politischer Romantik durch Carl Krämer erschienen, die die Polemik gegen Schmitt selbst wendete und meinte, „dass jedes Urteil fast mehr über Artung des Urteilenden und seiner Welt auszusagen weiß als über die Dinge, wie sie wirklich gewesen.“ Schmitt kritisierte aber vermutlich auch, dass die von Rosenbaum brieflich am 8. Juni 1925 versprochene Doppelbesprechung seiner Rheinland-Broschüre und seines Völkerbund-Aufsatzes nicht erschien. 99 Gemeint ist die von Rosenbaum angekündigte Doppelbesprechung. 100 Schmitt hatte versucht, seinen Hobhouse-Verriss bei der Frankfurter Zeitung zu publizieren.
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Erwartung Ihres Aufsatzes über Romier101 verbleibe ich mit den besten Grüssen Ihr aufrichtig ergebener Singer Das Tagebuch verzeichnet im März 1926 zwei Briefe an und einen Brief von Singer. Schmitts wichtiger Romier-Aufsatz erscheint dann Ende Mai 1926.
6. RW 265-15184; handschriftlich in George-Druckschrift Sehr verehrter Herr Schmidt:102 Es war sehr freundlich von Ihnen, mir Ihre arbeit über volksentscheid und volksbegehren103 zu senden. die vereinigung von analytischer schärfe und intensiver tiefe, die sie ebenso wie Ihre früheren arbeiten zeigt, erregt in mir ebensoviel bewunderung – wie hoffnung, Sie könnten sich eines tages entschliessen, uns die geschlossene darstellung der staatlichen gebilde zu schenken,104 die es erlaube, die universal- und parcialprobleme an ihrem ort und in ihrem organischen bezug zu sehen.- überraschend ist immer wieder der hellseherische wirklichkeitssinn Rousseaus105 – malgré tout. Ihr stets ergebener Singer Gryphiusstr. 9 d. 20.VII.27 Die letzte nachweisbare Kontakt ist ein Sonderdruck, der sich im Nachlass Schmitts erhalten hat: Kurt Singer, Die geistesgeschichtliche Bedeutung des literarischen Faschismus, in: Festgabe für Werner Sombart zur 70. Wiederkehr seines Geburtstages am 19. Jänner 1933, hrsg. von Arthur Spiethoff, Duncker & Humblot, München 1933, S. 363–381 (RW 579–673).
101 Carl Schmitt, Eine Französische Kritik der Zeit. Besprechung von Lucien Romier, Explication de notre temps, Paris 1925, in: Wirtschaftsdienst 11 (1926), S. 593–594, vom 7. Mai 1926; Wiederabdruck in: Briefwechsel Carl Schmitt-Rudolf Smend, 2012, S. 165–168. Schmitts Besprechung erschien im Wirtschaftsdienst selbst, nicht in der Beilage der Kritischen Blätter. 102 Zur Fehlschreibung des Namens notierte Schmitt: „ecco!!“ 103 Carl Schmitt, Volksbegehren und Volksentscheid. Ein Beitrag zur Auslegung der Weimarer Verfassung und zur Lehre von der unmittelbaren Demokratie, Berlin 1927, Neuausgabe Berlin 2014. 104 Carl Schmitt, Verfassungslehre, München 1928. 105 Singer bezieht sich hier wahrscheinlich auf Ausführungen Schmitts über Rousseau in der Broschüre (vgl. Neuausgabe 2014, S. 52, 79f, 83).
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III. „Wir haben uns zeitweise in den Schlingen des Dämons verfangen“. Briefwechsel Carl Schmitt – Edgar Salin 1923–1933106 Carl Schmitts erste Berührungen mit dem Heidelberger Milieu gehen vermutlich auf seine Straßburger Zeit zurück. In München trat er dann schon durch seine Teilnahme an Max Webers Dozentenseminar mit dem Heidelberger „Geist“ und Milieu in Berührungen. Wiederholt war er schon in den frühen 20er Jahren in Heidelberg. Es ist aber nicht eindeutig geklärt, wie Schmitts Kontakt mit Edgar Salin (1892– 1974) entstand. Vielleicht vermittelte Ludwig Feuchtwanger die Bekanntschaft. Über Salin lernte Schmitt flüchtig Friedrich Lenz kennen, einen anderen Aktivisten der Friedrich-List-Gesellschaft. Auch Julius Löwenstein und dessen Hegel-Dissertation,107 im Begriff des Politischen exponiert zitiert, begegnete Schmitt wohl über Salin. Erste Wirkungen der Heidelberger Kontakte sind wichtige Publikationen im Heidelberger Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, dem Hausorgan der Historischen Schule der Nationalökonomie, in dem Max Weber, Werner Sombart und viele andere wichtige Texte veröffentlicht hatten. Schmitt publizierte dort in den 20er Jahren größere Auseinandersetzungen mit Richard Thoma und Friedrich Meinecke sowie, vor allem, die Erstfassung des Begriffs des Politischen.108 Cantus firmus dieser Beiträge ist die Forderung des Begriffs; Thoma und Meinecke109 gegenüber fordert Schmitt den Begriff ein, im Begriff des Politischen setzt er dann ein Beispiel. Schmitt war dann im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik auch weiter durch wichtige Besprechungen seiner Werke präsent. 106 Die Briefe Schmitts an Salin befinden sich im Nachlass Edgar Salins in der Universitätsbibliothek Basel (Nachlass 114, Salin, Fa 8271–8381); einige Kopien der Briefe Salins befinden sich in der Sammlung Tommissen im Nachlass Carl Schmitt im Landesarchiv NRW. Abteilung Rheinland. Standort Duisburg unter RW 579–520. Die Kenntnis der Korrespondenz Salin-Feuchtwanger verdanke ich Rolf Rieß, die Abdruckgenehmigung der Salin-Briefe dem Enkel Prof. Dr. Wolfgang Bernard. 107 Julius Löwenstein, Das Doppelgesicht der Hegel’schen Staatsanschauung, Diss. Heidelberg 1925; Druckfassung: Hegels Staatsidee. Ihr Doppelgesicht und ihr Einfluss im 19. Jahrhundert, Berlin 1927; Erstgutachter war Karl Jaspers, der die Dissertation auch in seine Publikationsreihe aufnahm. Löwenstein dankt im Vorwort aber auch emphatisch Edgar Salin. Löwenstein besuchte Schmitt am 9. Oktober 1927 und erläuterte ihm sein Buch, das Schmitt im Dezember d. J. „ausgezeichnet“ fand. Löwenstein diagnostizierte bei Hegel ein „Doppelgesicht“ von „Reichsidee“ und „Freiheitsidee“. 108 Carl Schmitt, Der Begriff der modernen Demokratie in seinem Verhältnis zum Staatsbegriff, in: ASwSp 51 / 3, 1924, S. 817–823; Zu Friedrich Meineckes ‚Idee der Staatsräson‘, in: ASwSp 56 / 1, 1926, S. 226–234; Der Begriff des Politischen, in: ASwSp 58 / 1, 1927, S. 1–33; Thoma replizierte auf Schmitts Parlamentarismuskritik: Richard Thoma, Zur Ideologie des Parlamentarismus und der Diktatur, in: ASwSp 53, 1925, S. 212–217. 109 Meineckes erstaunlich freundliche Antwort auf Schmitts Besprechung ist inzwischen publiziert: Friedrich Meinecke, Neue Briefe und Dokumente. Hrsg. von Gisela Bock u. a., München 2012.
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Salin verehrte Stefan George, war mit Friedrich Gundolf und Norbert von Hellingrath befreundet, promovierte 1913 in Heidelberg bei Alfred Weber und verkehrte auch in den Kreisen Max Webers. Nach dem Kriegsdienst habilitierte er sich 1920 in Heidelberg mit einer – von Ludwig Feuchtwanger bei Duncker & Humblot verlegten – Arbeit über Platon und die politische Utopie.110 1924 wurde er außerordentlicher Professor am Institut für Sozial- und Staatswissenschaften der Universität Heidelberg und wechselte dann 1927 als Ordinarius an die Universität Basel. Am 7. Januar 1923 aß Schmitt in München „mit Feuchtwanger und Salin zu Mittag“ (TB 1921–1924, S. 137). Vielleicht gab es im Herbst 1923 dann ein weiteres Treffen in München. Die erhaltene Korrespondenz beginnt Ende 1923 mit dem Austausch von Schriften und erlahmt bald über die negative Aufnahme von Civitas Dei und Salins Wechsel nach Basel. Salins politische Haltung vor 1933 ist schon der weiten und vagen Semantik des George-Kreises wegen schwer zu bestimmen. Wie viele seiner Zeitgenossen und Mitglieder des George-Kreises war er jedenfalls kein starker Anhänger der Demokratie und Weimarer Republik. Korinna Schönhärls nicht unstrittige Darstellung betont Nähen zum „starken Staat“ und autoritären „Prinzip von Herrschaft und Dienst“111 nach dem Muster Georges. Schönhärl schreibt auch: „Salins Ablehnung des Parlamentarismus erinnert in vielen Zügen an die Staatsphilosophie Carl Schmitts, den Salin las und zitierte“.112 Die Korrespondenz belegt aber auch Dissonanzen und Differenzen schon vor 1933, die hier nicht dogmatisch festzustellen sind. Salin konnte die zentrale Bedeutung des Antisemitismus nicht ignorieren und überdachte auch sein Verhältnis zur Demokratie. Er überlebte den Krieg in der Schweiz, interpretierte den Nationalsozialismus in der Perspektive der antiken Tyrannislehre und betonte nach 1945 wiederholt Nähen zwischen Georges „innerem Reich“ und dem deutschen Widerstand.113 Nach 1945 widersprach er weiter dem Mainstream des Ordoliberalismus. Carl Schmitt hat er nach 1932 wohl nicht mehr gesehen und gesprochen. Er blieb aber mit Erwin von Beckerath befreundet, der ebenfalls mit Schmitt gebrochen hatte.114 Da Schmitt das Gespräch mit Nationalökonomen suchte und in vielfältigen Querverbindungen mit Salin stand, publizistisch auch am Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik interessiert war, verwundert die Kontaktnahme 1923 nicht. Salin erhielt auf Schmitts Veranlassung hin ein Exemplar der Parlamentarismusschrift durch den Verlag (LFCS, S. 39). Er antwortete mit einer „Empfangsbestätigung“ (LFCS, S. 42) und Gegengabe. Ins Tagebuch notiert Schmitt am 11. November 1923: „ferner eine Drucksache von Salin, der sich für den Aufsatz über den Parlamentarismus bedankt“ (TB 1921–1924, S. 269). Eine formale Stütze hatte die Be110 Edgar Salin, Platon und die griechische Utopie, München 1921; Werner Jaeger (in: Weltwirtschaftliches Archiv 19, 1923, S. 172–175) kritisierte die Verzeichnung Platons durch den Einfluss Georges. 111 Korinna Schönhärl, Wissen und Visionen. Theorie und Politik der Ökonomen im Stefan-George-Kreis, Berlin 2009, S. 264. 112 Ebd., S. 265. 113 Edgar Salin, Die Tragödie der deutschen Gegenrevolution, in: ZRGG 1, 1948, S. 193–206. 114 Siehe Heiner Faulenbach, Ein Weg durch die Kirche. Heinrich Josef Oberheid, Köln 1992, S. 226.
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gegnung an Berufungsfragen: Schmitt warb offenbar um Salin für Bonn; durch Salin kam er mit dem George-Kreis peripher in Berührung; über Salin erfuhr er vermutlich auch einiges über Norbert von Hellingrath und die Hölderlin-Edition, was für Schmitts Hölderlin-Bild und Konkurrenz zu Heidegger nicht unwichtig war.115 Allerdings rechnete er Salin später nicht zum engeren George-Kreis.116 Salin wollte Schmitt in den Arbeitszusammenhang der List-Gesellschaft einbinden117 und wünschte ihn 1931 noch als Koautor für eine (gescheiterte) Werner Sombart-Festschrift. Wie aus Salins Korrespondenz mit Feuchtwanger hervorgeht, unterhielt Schmitt sich mit Salin auch über Hugo Balls umstrittenes Buch Die Folgen der Reformation. Weitere Themen waren die Parlamentarismusdeutung, die akademische Form polemischer Besprechungsdiskurse, Friedrich List und der Völkerbund sowie die Auseinandersetzung mit der Monographie Civitas Dei von 1926, die Schmitts späteren Grundbegriff des Nomos exponierte. Feuchtwanger und Peterson lehnten Salins Schrift zwar sachlich unabhängig von Schmitts Urteil ab, kannten aber dessen negative Einschätzung.118 Schmitt sah Salin als einen jüdischen Intellektuellen an, dessen Geschichtsbetrachtung den hohen Standards von Feuchtwanger und Peterson nicht standhielt. Auch Feuchtwanger bezeichnete Salin im Gespräch mit Schmitt gelegentlich als Schönschreiber und „romantisierenden katholisierenden Juden“ (LFCS, S. 272). Letzte gelegentliche Begegnungen in Berlin standen schon im Zeichen politisch-theologischer Distanz. 115 Dazu vgl. Edgar Salin, Um Stefan George, Godesberg 1948, 2. Aufl. München 1954; ders., Hölderlin im George-Kreis, Heidelberg 1950. 116 Eine seltene Äußerung Schmitts ist ein Brief vom 3. November 1972 an Hans-Dietrich Sander (Carl Schmitt / Hans-Dietrich Sander, Werkstatt Discorsi. Briefwechsel 1967–1981. Hrsg. von Erik Lehnert und Günter Maschke, Schnellroda 2008, S. 239); darin nennt Schmitt Walter Elze „den einzigen Angehörigen des ‚Kreises‘, den ich persönlich kenne“. Kurt Singer und Edgar Salin waren aber kaum weniger enge Mitglieder des George-Kreises. 117 Dazu Salins Brief an Ludwig Feuchtwanger 24. März 1925, in: NL Salin, Nr. 859; Salin schreibt: „Eine weitere Angelegenheit; die ich Ihnen einstweilen nur unter strengster Diskretion mitteilen kann: es ist geplant, dass von Friedrich Lenz und mir gemeinsam eine Gesamt-Ausgabe von List’s Werken veranstaltet wird, Die abschliessenden Verhandlungen mit der deutschen Verlagsanstalt sollen im April stattfinden. Es handelt sich dabei darum, den sehr grossen unveröffentlichten Nachlass auszuwerten, wie auch die amerikanischen und französischen Schriften zu publizieren. Zur finanziellen Stützung des Unternehmens wird eine Friedrich List-Gesellschaft gegründet, die gleichzeitig etwa unter dem Titel „Deutsche Studien zur politischen Oekonomie“ eine Reihe wichtiger Abhandlungen herausbringen sollen. (Auch die Ihnen jüngst angekündigte Schrift über die klassische Wert-Lehre könnte darin Platz finden). Ehe noch dieser Plan spruchreif war, hatte ich durch einen gemeinsamen Schüler mit Professor Karl Schmitt über die gemeinsame Herausgabe von staatswissenschaftlichen Studien verhandeln lassen und Schmitt ist im Prinzip dazu geneigt gewesen. Ich erwäge nun, ob man vielleicht die beiden Pläne verbinden kann derart, dass die List-Studien nicht nur oekonomische, sondern auch staatswissenschaftliche Arbeiten im weitern Sinne aufnehmen.“ Feuchtwanger lehnte den weiterreichenden Abhandlungsplan mit Schreiben vom 24. März 1925 ab. 118 Dazu hier Feuchtwangers Ablehnungsbrief vom 5. November 1925 im Anhang.
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Diese Gegnerschaft hatte nach 1945 indirekte Nachwirkungen. Salin beeinflusste in Basel als akademischer Lehrer einige Personen, die nach 1949 für Schmitt wichtig wurden: so Armin Mohler, Jacob Taubes, Hans-Dietrich Sander und auch Marion Gräfin Dönhoff, die eine direkte Schülerin Salins und publizistische Gegnerin Schmitts war. In der Festschrift für Erwin von Beckerath äußerte Salin sich 1964 sehr negativ über Schmitt. Spätestens seitdem betrachtete Schmitt sich „als ein von Edgar Salin Verfehmter“.119 Weil Salin den jungen Hans-Dietrich Sander akademisch förderte, riet Schmitt Sander eindringlich, „ihn nicht durch die Einmischung meiner Person zu ‚entfremden‘ “.120 Zu Sanders zahlreichen Äußerungen über Salin schwieg er weitgehend und lobte später am Salin-Nachruf nur, dass Sander „das Judenproblem ausgespart“ hat.121 Neben den erhaltenen Briefen finden sich auch einige Bücher und Sonderdrucke Salins im Düsseldorfer Schmitt-Nachlass: 1. Platon und die griechische Utopie, München 1921 2. Geschichte der Volkswirtschaftslehre, Berlin 1923 3. „Sozialismus“ in Hellas. In: Bilder und Studien aus drei Jahrtausenden. Eberhard Gothein zum 70. Geburtstag als Festgabe, München 1923, S. 18–59 (RW 265–25720); Widmung: Karte gedruckt: Edgar Salin, mit handschriftlichem Zusatz: „mit freundlichen Grüssen.“ Dazu Vermerk Schmitt: „1923“. Zahlreiche Anstreichungen. 4. Civitas Dei, Tübingen 1926 5. Der isolierte Staat 1826–1926. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 81, 1926, S. 410–431 (RW 265–27233 – Widmung: „Mit freundlichen Grüssen. / E. S.“ 6. Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., Berlin 1929 7. Kapitalbegriff und Kapitallehre von der Antike zu den Physiokraten. In: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 23, 1930, S. 401–440 8. Urchristentum und Staat. In: Schmollers Jahrbuch 55, 1931, S. 21–36 (RW 265–24587 – Widmung: „Mit besten Grüssen / E. S.“ Dazu Notiz: „1931 / Wiederbegegnung am 1. Adventssonntag 29. November 1964“, zahlreiche alte und neuere Anstreichungen 9. Wirtschaft und Staat. Drei Schriften zur deutschen Weltlage, Berlin 1932 10. Am Wendepunkt der deutschen Wirtschaftspolitik. In: Deutsche Agrarpolitik im Rahmen der inneren und äußeren Wirtschaftspolitik. Hrsg. von F. Beckmann u. a., 1932, S. 684–733 (RW 265-29316 – Widmung: „Carl Schmitt / mit freundlichen Grüssen / E. S.“; ohne Anstreichungen)
119 Schmitt am 10. April 1966 an Armin Mohler, in: Carl Schmitt, Briefwechsel mit einem seiner Schüler. Hrsg. von Armin Mohler, Berlin 1995, S. 371, vgl. S. 343. 120 Schmitt am 2. Mai 1969 an Sander, in: Schmitt-Sander, Briefwechsel 1967– 1981, S. 81. 121 Schmitt am 18. Juni 1974 an Sander, in: Schmitt-Sander, Briefwechsel 1967– 1981, S. 313.
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1. [handschriftl. Karte gestemp. Oberdollendorf 27.12.23; FA 8371; Kopie RW 579-520] [Abs.] Prof. Schmitt, Meckenh. Allee 45 Bonn a. Rh. Herrn Dr. E. Salin Heidelberg Universität. Heisterbach122 26. Dezember [1923] Sehr verehrter Herr Salin, ich habe Ihnen noch zu danken für die beiden Zusendungen, für Ihre Wirtschaftsgeschichte123 und den Aufsatz über den Sozialismus in der Antike.124 Beides war mir eine wertvolle Belehrung und, darüber hinaus[,] ein belebendes Zeichen neuerwachter wissenschaftlicher Großartigkeit und Rigorosität. Daß es nicht möglich war, Sie für die Bonner Universität zu gewinnen,125 habe ich bei diesem Anlaß aufrichtig bedauert. Mit den besten Grüßen Ihr Carl Schmitt.
122 Kloster
Heisterbach im Siebengebirge. Salin, Geschichte der Volkswirtschaftslehre, Berlin 1923. 124 Salin antwortete auf die Zusendung der Parlamentarismusschrift mit einer „Empfangsbestätigung“ bzw. „Drucksache von Salin, der sich für den Aufsatz über den Parlamentarismus bedankt“. Schmitts Dankesbrief erwähnt zwei Zusendungen: Edgar Salin, Geschichte der Volkswirtschaftslehre, Berlin 1923 (RW 579-1102); ders., Der „Sozialismus“ in Hellas, in: Bilder und Studien aus drei Jahrtausenden. Eberhard Gothein zum siebzigsten Geburtstag. Hrsg. von Edgar Salin, München 1923, S. 15–59. Der Sonderdruck ist in Schmitts Nachlass erhalten (RW 265-25720). Schmitt hat ihn sich mit anderen wichtigen Texten (von Adorno, Cassirer und Löwith) zusammenbinden lassen und einen Pressespiegel zu einem Heidelberger Vortrag Adornos über „Aufarbeitung der Vergangenheit“ von 1960 dazu in den Umschlag geklebt. Dem SD liegt eine Karte mit handschriftlichem Zusatz Salins bei: „mit freundlichen Grüssen.“ Dazu vermerkte Schmitt: „1923“. Vermutlich ist das die gegenüber Feuchtwanger erwähnte „Eingangsbestätigung“. Zu Salins Nomos-Begriff vgl. auch Anhang 1. 125 Arthur Spiethoff (1873–1957) lehrte ab 1918 in Bonn. Josef Schumpeter (1883–1950) kam 1925 nach Bonn. Die Anfrage an Salin bezieht sich evtl. auf den Lehrstuhl, den Schumpeter erhielt. 123 Edgar
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2. [handschriftl. Karte FA 8372; Kopie RW 579-520; kursiv gedruckt: Dr. Carl Schmitt / ord. ö. Professor der Rechte] Mit vielem Dank für die freundliche Zusendung126 und in aufrichtiger Erwiderung Ihrer Grüße 26 / 7 24. [gedruckt: Bonn a. Rh.] 3. [handschriftl. Karte FA 8373; Kopie RW 579-520] Sehr verehrter Herr Professor Salin, herzlichen Dank für Ihre freundliche Karte127 und Ihr Interesse an der Hobhouse-Besprechung.128 Wegen Ihrer Besprechung im Arch. für Soz. W.129 bin ich in großer Erwartung. Ich weiß noch nicht, ob ich nach Hei126 Gemeint ist hier wahrscheinlich: Edgar Salin, Zur Stellung G. Schmollers in der Geschichte der Nationalökonomie, in: Schmollers Jahrbuch 48, 1924, S. 307– 319; der Beitrag erschien im Juni 1924. Salin antwortet hier auf eine negative Besprechung seiner „Geschichte der Volkswirtschaftslehre“ durch den Berliner Nationalökonomen Heinrich Herkner (1863–1932). Ein zentraler Streitpunkt war das Schmoller-Bild. An Salins Replik schließen noch eine Replik Georg von Belows und ein Kommentar „Zum Abschluß“ von Arthur Spiethoff an. Salins kritisches Scharmützel trifft auf Schmitts damaligen Streit mit Fritz Stier-Somlo. Es geht auch um die Formen polemischer Auseinandersetzung in der Wissenschaft. Es sei erinnert, dass Schmitt später mit seinem Aufsatz „Die Stellung Lorenz von Steins in der Geschichte des 19. Jahrhunderts“ einen ähnlichen Titel ebenfalls in Schmollers Jahrbuch (Schmollers Jahrbuch 64, 1940, S. 641–646) publizierte. 127 Fehlt. 128 Carl Schmitt, Rezension von L. T. Hobhouse, Die metaphysische Staatstheorie, Leipzig 1924, in: Wirtschaftsdienst 9. 1924, S. 986–987. 129 Eine namentlich gezeichnete Schmitt-Besprechung Salins findet sich damals im ASwSp nicht. Vermutlich ist aber eine kurze Buchanzeige der Festgabe für Ernst Zitelmann gemeint, die nur mit dem Namen der „Redaktion“ gekennzeichnet ist und also wohl von Edgar Salin stammt. Salin schreibt in der Buchanzeige: „Diese Festgabe [für Zitelmann] enthält vor allem einen Beitrag, der für den Leserkreis des Archivs von höchstem Interesse ist und deshalb in einem besonderen Aufsatz ausführlicher gewürdigt werden soll. Es ist dies die Abhandlung des Bonner Staatsrechtslehrers Carl Schmitt: ‚Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus‘.“ (ASwSp 52, 1924, S. 842). Der erwähnte „besondere Aufsatz“ war dann die „eingehende und gedankenreiche Besprechung“ (Carl Schmitt) von Richard Thoma (Zur Ideologie des Parlamentarismus und der Diktatur, in: ASwSp 53, 1925, S. 212–217), auf die Schmitt seinerseits antwortete: C. Schmitt, Der Gegensatz von Parlamentarismus und Massendemokratie, in: Hochland 23 / 2, 1926, S. 257–270 (als Vorbemerkung in die 2. Aufl. der Parlamentarismusbroschüre aufgenommen). Schmitt schickte Salin seine Replik auf Thoma deshalb auch, wie aus Salins Brief vom 11. Juni 1926 hervorgeht. 1925 erschien im ASwSP noch eine längere positive
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delberg kommen kann und kenne die Termine des Kongresses130 nicht genau. Würden Sie die Güte haben, sie mir nach Frankfurt a. M. Westendstr. 68 bei Dr. G. v. Schnitzler,131 mitzuteilen? Mit den besten Grüßen Ihr ergebener Carl Schmitt Lugano132 8 / 9 24. Es gab offenbar weitere Korrespondenz. Am 10. November 1924 notiert Schmitt Post von Salin ins Tagebuch. Anfang Januar 1925 reist er dann aus Bayern über Heidelberg nach Bonn zurück. Dazu schreibt Schmitt am 8. Januar an Feuchtwanger (LFCS, S. 108): „In Heidelberg traf ich Salin, Thoma, [Carl] Brinkmann und [Ale xander von] Schelting (vom Archiv), besonders mit Salin habe ich mich gut unterhalten und erwarte dessen Buch über Augustin mit großer Spannung.“ Das erwartete Buch ist Civitas Dei.
4. [handschriftl. Brief FA 8374; Kopie RW 579-520] Bonn, den 12. Februar 1925 Endenicher Allee 20. Sehr verehrter Herr Professor Salin! Heute lasse ich Ihnen durch eine Buchhandlung das Buch von Goeser über List133 zurückschicken; ich danke Ihnen sehr für den freundlichen Hinweis Besprechung von Carl Brinkmann, Carl Schmitts politische Romantik, in: ASwSp 54 / 2, 1925, S. 530–536. 130 Vom 11.–13. September 1924 fand in Heidelberg der 33. Deutsche Juristentag statt. Schmitt war wohl nicht anwesend. Dazu Schmitt / Smend Briefwechsel, Berlin 2012, S. 34–35. 131 Georg und Lilly von Schnitzler, Freunde Schmitts, dazu: Lilly von Schnitzler / Carl Schmitt, Briefwechsel 1919 bis 1977. Hrsg. von Rolf Rieß, in: Schmittiana NF I, 2011, S. 113–256. 132 Schmitt hielt sich damals in Lugano der Lungenerkrankung Duschkas wegen auf. 133 Karl Goeser, Der junge Friedrich List. Ein Politiker des württembergischen Verfassungskampfes, Stuttgart 1914; Salin war ein Mitbegründer der 1925 gerade gegründeten Friedrich-List-Gesellschaft und gab zusammen u. a. mit Erwin von Beckerath und Karl Goeser Lists Schriften (10 Bde., 1927–1936) heraus. 1933 erschien der von Salin verantwortete Tagebuchband. Salins „Geschichte der Volkswirtschaftslehre“ zielte auf eine anti-universalistische und „evolutionistische“ Begründung einer „echte[n] Volkswirtschaftslehre“ (1923, S. 42); Salin betrachtete den „Historismus“ dabei als Antwort auf den „Sozialismus“ und berief sich gegen – den von Schmitt vehement abgelehnten – Adam Müller auf Friedrich List (1923, S. 31 ff.). Als wahren „Vorläufer“ und Überwinder der – durch Schmoller repräsentierten –
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und die Überlassung dieser mir sonst nicht ohne weiteres zugänglichen Schrift. Gleichzeitig sende ich Ihnen als Drucksache einen Aufsatz über den Völkerbund,134 dessen Schluß135 Sie vielleicht interessiert. Mit aufrichtiger Dankbarkeit erinnere ich mich der freundlichen Aufnahme, die ich im Januar bei Ihnen in Heidelberg fand, und habe den lebhaften Wunsch, Sie bald in Bonn begrüßen zu können. Sie würden mir die größte Freude machen, wenn Sie mir diese Möglichkeit gewährten. Herzliche Grüße, mit besten Empfehlungen an Ihre Gattin. Ihr sehr ergebener Carl Schmitt.
5. [handschrifl. Brief FA 8375] 21. April [25] Sehr verehrter Herr Prof. Salin! Besten Dank für Ihre Karte vom 19. April.136 Ich freue mich sehr darauf, Sie Ende des Monats137 in Bonn zu sehen und bin, mit herzlichen Wünschen für Ihre Gesundheit, stets Ihr aufrichtig ergebener Carl Schmitt
älteren Historischen Schule der Nationalökonomie preist Salin in seiner knappen – später erweiterten – Broschüre zuletzt Max Weber (S. 41 ff.). In der Müller-Kritik und Weber-Rezeption konnte Salin sich mit Schmitt einigen. Deshalb setzte er damals vermutlich auch Hoffnungen darauf, Schmitt für List zu interessieren und für die List-Gesellschaft zu gewinnen. 134 Carl Schmitt, Die Kernfrage des Völkerbundes, in: Schmollers Jahrbuch 48, 1925, S. 1–26. 135 Schmitts erste Fassung seiner späteren Broschüre endet mit einem „Schluß: Das Doppelgesicht des Genfer Völkerbundes“ und unterscheidet „zwei Gesichter“ der damaligen deutschen Völkerbundspolitik: „eines nach Westen und ein anderes nach Osten“. Schmitt betont die Schwächung gerade unter Legitimitätsaspekten, die von einer Schaukelpolitik ausgeht. 136 Fehlt. 137 Dazu schreibt Schmitt am 2. Mai 1925 an Feuchtwanger (LFCS, S. 134): „Vorgestern hatte ich Besuch von Prof. Salin“. Der 30. April war ein Donnerstag.
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6. [handschriftl. Karte gest. 3.6.25; FA 8376; Kopie RW 579-520; handschriftl. Abs. Schmitt, Endenicher Alle 20 / Bonn.] Herrn Prof. D: Edgar Salin Heidelberg Mönchhofstraße 27 3 / 6.25. Sehr verehrter Herr Salin! Die Schrift von R. Freund138 über die Genfer Protokolle habe ich inzwischen erhalten. Ich bin Ihnen sehr verpflichtet für diesen Hinweis. Der Titel der englischen Broschüre, auf welche in unserem Gespräch139 die Rede kam, ist Sir William Hayter140 (late legal adviser to the Egyptian government) Cambridge (Univ. Press) 1925 „Recent constitutional Developments in Egypt“. Mit den besten Grüßen Ihr aufrichtig ergebener Carl Schmitt. 7. [handschriftl. RW 579-304] Heidelberg, 20.7.25. Sehr verehrter Herr Schmitt! Ich danke Ihnen herzlich für die Übersendung des Peterson’schen Vortrags,141 den ich mit grösstem Interesse und uneingeschränkter Zustimmung gelesen habe. Dies und dies allein ist echte Theologie. Aber ich frage mich und frage Peterson: wie ist dann protestantische Theologie überhaupt möglich? Ohne Offenbarung und Dogma keine Theologie – damit könnte noch Calvin sich zur Not abfinden – aber Luther? Sie verstehen mich recht: ich habe kein Interesse an der Aufrechterhaltung protestant. Theologie – aber sie ist eine Tatsache, deren Bedeutung umso stärker hervortritt[,] wenn es ein protest. Theologe ist[,] der ihr den Lebensfaden abschneidet – und wüsste daher gerne seine Antwort. 138 Rudolf Freund, Die Genfer Protokolle. Ihre Geschichte und Bedeutung für das Staatsleben Deutsch-Österreichs, Berlin 1924. 139 Vermutlich das Treffen vom Ende April. 140 William Hayter, Recent constitutional developments in Egypt, Cambridge 1924. 141 Erik Peterson, Was ist Theologie?, Bonn 1925.
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Mit freundlichen Grüssen, auch für Herrn Peterson, Ihr sehr ergebener Edgar Salin.
8. [handschriftl. Brief Fa 8377] Ragusa, den 26. August 1925. Sehr verehrter Herr Professor Salin! Besten Dank für Ihren freundlichen Brief! Ich will versuchen, im Oktober nach Heidelberg zu kommen oder mich dann jedenfalls brieflich mit [Richard] Thoma zu verständigen.142 Es liegt eine gewisse Schwierigkeit darin, daß Thoma schon einmal sich hat umwerben lassen. Ich wäre glücklich, ihn als Kollegen in Bonn zu haben. Was Peterson betrifft, so ist er alles weniger als ein römischer Katholik. In seinem Vortrag steht nicht ein Wort, das nicht jeder anglikanische, jeder jansenistische, jeder griechisch-orthodoxe Theologe akzeptieren würde. Es ist nur für den Protestantismus interessant, daß er keinen Kirchenbegriff143 mehr hat und von den selbstverständlichsten Voraussetzungen einer christ lichen Theologie nichts mehr weiß. Als Jurist hoffe ich, daß die protestantischen Theologen durch die Notwendigkeit, den Religionsunterricht von irgendeinem anderen Unterricht moralischen oder geschichtlichen Inhalts zu unterscheiden (welche Notwendigkeit sich aus art. 149 I der Weimarer Verfassung144 ergibt)[,] zum Verständnis für die Kategorie ihrer Existenz gezwungen werden. Auch die Veränderung des Problems Staat und Kirche,145 die sich mit der partei=parlamentarischen Methode ergibt, wird den Men142 Es gab damals in Bonn in der Juristischen Fakultät ständige offene Berufungsfragen u. a. wegen Erich Kaufmanns Engagement in Genf und Berlin; Schmitt war durch Kaufmanns Fehlen in der Fakultät sehr belastet. Richard Thoma wurde aber erst 1928 Schmitts Nachfolger in Bonn. 143 Dazu dann Erik Peterson, Die Kirche, München 1929; vgl. ders., Ekklesia. Studien zum altchristlichen Kirchenbegriff. Hrsg. von Barbara Nichtweiß und Hans-Ulrich Weidemann, Würzburg 2010 (Bonner Vorträge von 1926). 144 Art 149 WRV: „Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach der Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien (weltlichen) Schulen. Seine Erteilung wird im Rahmen der Schulgesetzgebung geregelt. Der Religionsunterricht wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religionsgesellschaft unbeschadet des Aufsichtsrechts des Staates erteilt.“ 145 Schmitt hat sich über diesen Wandel niemals staatskirchenrechtlich ausführlicher geäußert. Dazu vgl. Ernst Rudolf Huber, Verträge zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich, Breslau 1930.
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schen allmählich bewußt werden, sodaß auch alte Konsistorialräte und prä=leninische146 Liberale begreifen, daß alles, was im alten Beamtenstaat galt, im heutigen Parteienstaat sich ändert, vor allem aber das Pathos des Verhältnisses von Staat und Kirche. – Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Sie im Oktober treffen könnte; diesen Monat Oktober habe ich mir für kleinere Reisen vorbehalten, sodaß sich vielleicht eine Zusammenkunft einrichten ließe.147 Ich sage Ihnen meine besten Wünsche für Ihre Gesundheit und Ihre Arbeit und bitte Sie, mich Ihrer Gattin bestens zu empfehlen. Stets Ihr aufrichtig ergebener Carl Schmitt.
9. [handschriftl. Karte; Fa 8378; Kopie RW 579-520] Am 8. Februar 1926, unmittelbar nach seiner Hochzeit mit Duschka, trifft Schmitt Salin zufällig am Bonner Bahnhof. Er interessiert sich damals im Gespräch mit Peterson und im Rahmen des Themas Römischer Katholizismus und politische Form intensiv für Salins Augustinus-Deutung und betrachtet Civitas Dei als Prüfstein auf die Bedeutung Salins. Civitas Dei liest er – laut Tagebuch – am 19. Februar 1926. Am gleichen Tag trifft er Peterson zum Mittagessen und es ist anzunehmen, dass er über seinen negativem Lektüreeindruck sprach. Er schreibt dann am 18. März 1926 an Feuchtwanger (LFCS, S. 123): „Was Salins Buch angeht, so habe ich ebenfalls große Bedenken. Ihr Brief über das Manuskript148 würde mich aufs höchste interessieren; vielleicht überlassen Sie ihn mir für kurze Zeit zur Einsicht. Ich habe den (von Berufsarbeit leider sehr entmutigten) Plan, die ersten christlichen Jahrhunderte genau zu untersuchen; alles, was mich beschäftigt, betrifft ja immer wieder den Staat, und seit meinem Aufenthalt in Spalato, im Palast des Diokletian, läßt mich die alte Frage nicht los, ob nicht das Christentum diesen herrlichen Staat zerstört oder gefälscht, oder aber in der Form der römischen Kirche gerettet hat. In diesem Zustand meines Interesses hat mich das Buch von Salin enttäuscht. Es ist glatt, gewandt, zieht eine Linie, aber das Material ist unzulänglich und eigentlich nicht einmal in die Hand genommen, viel weniger gestaltet.“ Schmitt tritt seine Bedenken gleichsam an seinen Experten Peterson und dessen kritische Besprechung ab und erwartet im Fortgang von Salin nicht mehr viel. Für Salin war Stefan George rückblickend „der erste katholische Nicht-Christ“.149 Ähnliches wurde gelegentlich über den „Römer“ Schmitt gesagt und Schmitt äußert sich hier gegenüber Feuchtwanger fragend in diese Richtung. 146 Schmitt spielt hier auf den in der Parlamentarismusschrift diagnostizierten Epochenumbruch an. 147 Treffen nicht nachgewiesen. 148 Brief Feuchtwangers vom 5. November 1925 an Salin hier im Anhang; Salin antwortete Feuchtwanger am 10. November 1925 knapp dankend. 149 Edgar Salin, Um Stefan George, 1954, S. 278.
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22.5.26. Sehr verehrter Herr Salin! Schnell nur ein Wort, wegen der Pfingstferien für den Fall, daß Sie nach Bonn kommen sollten:150 Ich bin Dienstag und Mittwoch nach Pfingsten in Bonn und bitte Sie herzlich, mich zu benachrichtigen, wenn Sie hier sein sollten. Nach Heidelberg könnte ich nicht kommen. Prof. Peterson will Ihre Civitas151 für Schmollers Jahrb.152 besprechen, doch wird er wohl viel Zeit dafür brauchen. Harnack153 war bis gestern hier zu einer Gastvorlesung; großer Erfolg; der Schwanengesang des Liberalismus. Auf Wiedersehen, sehr verehrter Herr Salin, ich bleibe Ihr stets ergebener Carl Schmitt.
10. [handschriftlich RW 579-304] H.[eidelberg], 11.6.26. Sehr verehrter Herr Schmitt, Ihr Parlamentarismus-Aufsatz154 erinnert mich an meine Zusage[,] Ihnen Vertrag155 und Brief Feuchtwangers156 zu senden. Ich muss Sie aber nun bitten[,] mich von dieser Zusage zu entbinden. Ich habe leider gesprächs 150 Das Bonner Treffen erfolgte wohl; s. folgenden Brief vom 11.6.1926; Pfingstsonntag fiel 1926 auf den 23. Mai. Schmitt bot demnach den 25. / 26. Mai für ein Treffen an. 151 Edgar Salin, Civitas Dei, Tübingen 1926. 152 Petersons sehr negative Besprechung erschien: Schmollers Jahrbuch 50, 1926, S. 860–862; Peterson las Salins Buch erst im Sommer. Am 26. August 1926 schrieb er an Schmitt: „Salin‘s Buch zu lesen kostet mich die größten physischen Anstrengungen. Ich nehme täglich nur ein Kapitel ein. Wo man etwas anfasst, zerrinnt es einem zwischen den Fingern. Ich kann das Buch nur höflich ablehnen.“ 153 Adolf von Harnack hielt im Mai 1926 in Bonn einen Vorlesungszyklus, der publiziert ist: A. von Harnack, Die Entstehung der christlichen Theologie und des christlichen Dogmas. Sechs Vorlesungen, gehalten an der Universität Bonn im Mai 1926, Gotha 1927; anknüpfend: Erik Peterson, Briefwechsel mit Adolf von Harnack und ein Epilog, in: Hochland 30 (1932 / 33), S. 111–124. 154 Salin dankt hier offenbar für die Zusendung von: Carl Schmitt, Der Gegensatz von Parlamentarismus und moderner Massendemokratie, in: Hochland 23 / 2, 1926, S. 257–270. 155 Diese Verlagsfrage könnte eine Publikation Salins bei Duncker & Humblot betreffen. Eine größere monographische Publikation Salins erfolgte dort aber nicht. 156 Brief Feuchtwangers evtl. Petersons Salin-Verriss betreffend.
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weise,157 gereizt durch die „wissenschaftliche Rigorosität“,158 Ihnen die ganzen Dinge erzählt. Nachdem ich aber nun Vertrag und Brief wieder überlas und feststellte[,] dass der Brief schon einigermaßen komisch geworden ist (da gerade die theolog.[ischen] „Autoritäten“, deren Urteil F.[euchtwanger] etwa noch hätte hören wollen, den wissenschaftl.[ichen] Wert des Buches emphatisch betonen – was für den Wert des Buches so wenig besagt[,] wie es umgekehrt eine wissenschaftl. Verneinung täte), schien es mir illoyal[,] den Brief noch herum zu reichen. Im übrigen ist dies meine Erfahrung: dass der Verlag nur auf die Schnelligkeit der Wirkung und auf die Verbreitung einigen Einfluss hat – über alles Wesentliche entscheidet die Qualität der verlegten Arbeit, nicht der Name noch die Propaganda des Verlages. Wenn man also nicht „Geld machen“ will, so ist die Verlagsfrage nicht sehr wichtig. Freundliche Grüsse Stets Ihr sehr ergebener Edgar Salin. Ihre Kluckhohn-Negierung159 teile ich. Warum sagen Sie aber nie etwas gegen den wirklichen Schwindel bei Baxa?160
11. [handschriftl. Karte; gedr. Briefkopf: Dr. Carl Schmitt / o. Ö. Professor der Rechte / an der Universität Bonn / Godesberg-Friesdorf / Bonner Str. 211; Fa 8379; Kopie RW 579-520] 9 / 2.27. Sehr verehrter Herr Salin, darf ich Sie einladen, während Ihres Aufenthaltes in Bonn bei mir zu wohnen?161 Ich hörte von Herrn Oberheid,162 daß 157 Vermutlich
beim 25. / 26. Mai anvisierten Bonner Treffen. vermutlich auf Schmitts ersten Brief vom 26. Dezember 1923. 159 Carl Schmitt, Rezension von Paul Kluckhohn, Persönlichkeit und Gemeinschaft. Studien zur Staatsauffassung der deutschen Romantik, Halle 1925, in: Deutsche Literaturzeitung 47, 1926, Sp. 1061–1063; wenn Schmitt Salin seine polemische Ablehnung von Kluckhohns politischer Romantik im Zusammenhang mit Petersons Verriss schickt, stellt er sich hinter Petersons Verriss und rückt Salin an die politische Romantik heran. 160 Jakob Baxa (1895–1979) war ein Wiener Schüler von Othmar Spann und propagierte auch als Herausgeber der verbreiteten Publikationsreihe „Die Herdflamme“ eine „romantische“ Staats- und Gesellschaftsauffassung, die Schmitt vehement ablehnte. Auch Schmitts Kluckhohn-Verriss steht im Zusammenhang mit seinem Kampf gegen eine Renaissance der „politischen Romantik“. 161 Eine damalige Begegnung mit Salin in Bonn ist bisher nicht nachgewiesen. 158 Anspielung
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Ihre Gattin vielleicht mit Ihnen nach Bonn kommt; dann möchte ich Sie beide um Ihren Besuch bitten. Auch meine Frau lädt Sie beide herzlich ein. Ihr aufrichtig ergebener Carl Schmitt.
12. [handschriftl. Karte, gedr. Briefkopf: Professor Carl Schmitt, Fa 8380] Am 13. Dezember 1930 notiert Schmitt ins Tagebuch: „Schnell angezogen, mit Salin telefoniert und zu Mittag verabredet. […] Mittags zum Fürstenhof, mit Erwin Beckerath und Salin, sehr nett gefrühstückt, gut unterhalten, oft gewisses Vertrauen zu Salin, dann wieder Angst und Misstrauen. Nach dem Frühstück mit den beiden zur List-Gesellschaft, Sitzung, nette Leute, der Reichskanzler [Hans] Luther, [Friedrich] Saemisch, der schlaue [Bernhard] Harms (sein Gesicht erinnert mich manchmal an das von Professor Jordan, also auch ein Jude), grauenhafte Sache, die Beratung über die Untersuchung des Nationalsozialismus. Spricht, aber dumm, scheußlich der Sozialdemokrat [Alfred] Meusel.163 Die jüdischen Hanswürste sind die schlimmsten.“ (TB 1930–1934, 68)
Sehr verehrter Herr Salin, vielen Dank für Ihr freundliches Schreiben;164 auch mir hat es sehr leid getan, daß ich Sie vorigen Sonntag165 nicht mehr sehen konnte. Darf ich heute einen Aufsatz eines meiner Schüler166 beile162 Heinrich Josef Oberheid (1895–1977), protestant. Theologe und Freund Carl Schmitts, späterer Bischof der „Deutschen Christen“ und Industrieller. 163 Dazu vgl. Alfred Meusel, List und Marx. Eine vergleichende Betrachtung, Jena 1928. 164 Fehlt. 165 Tag nach dem Treffen am Samstag, den 13.12.1930. 166 Gemeint ist: Josef Pfister, Die politische Funktion der Psychoanalyse im Drama zum Beispiel in der ‚Elisabeth von England‘, in: Germania Nr. 550 vom 20.12.1930: Kulturelle Beilage ‚Das Neue Ufer‘ (Samstagausgabe) S. 3–4; Ferdinand Bruckner war damals ein literarisches Pseudonym für Theodor Tagger (1891– 1958), einem u. a. in Wien aufgewachsenen expressionistischen Dichter, Regisseur und Intendanten, 1922 Begründer des Berliner Renaissance-Theaters. Ab 1928 publizierte Tagger unter dem Pseudonym Bruckner. Seine Stücke waren damals sehr erfolgreich. „Elisabeth von England“ erschien 1929 im Fischer-Verlag und wurde am 1. November 1929 unter der Regie Heinz Hilperts am Deutschen Theater uraufgeführt. Agnes Straub (1890–1941) und Werner Krauß (1884–1959) spielten Hauptrollen. 1933 emigrierte Tagger nach Paris und später in die USA. 1953 kehrte er nach Berlin zurück. Pfisters langer Artikel beschränkt sich nicht auf eine Theaterkritik der Inszenierung im Deutschen Theater, sondern entwickelt unter Verweis auf Carl Schmitt weitläufige Überlegungen zur „künstlerischen Repräsentation der Politik“. Er überträgt also die Parallelitätsthese der „Politischen Theologie“ vom Feld der „Theologie“ auf die Kunst und vertritt hier, Schmitts Neutralisierungsthese variierend, starke Thesen zum literarischen und dramaturgischen „Kampf gegen den sichtbaren Staat und gegen die sichtbare Kirche“ sowie die „Auflösung des Politischen
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gen, der gerade in der Germania erschienen ist – in Weiterführung jenes Gesprächs,167 das ich lieber mit Ihnen allein als mit 5 verschiedenen Fronten geführt hätte und dessen Eifer Sie dem guten Burgunder zugute halten müssen, der vraiment théologique gewesen ist. Ich bleibe in aufrichtiger Verehrung Stets Ihr sehr ergebener Carl Schmitt Berlin, den 30. [wahrscheinlich richtig: 20.] Dezember 1930.168
13. [maschinenschriftl. Durchschlag mit handschr. Unterschrift; RW 579304] Basel 29. Dez. 30. Herrn Prof. Dr. Carl Schmitt Berlin NW 87. Sehr verehrter Herr Schmitt, Haben Sie freundlichen Dank für Ihre Karte vom 30. ds. [20.?]169 und für die Zusendung des Artikels von Pfister. Was der Artikel negativ über das sogenannte Drama von Bruckner sagt, ist natürlich richtig. Aber der wichtigere Eingang des Artikels170 bewegt sich auf einer ebenso inadäquaten in erotische Konflikte“. Die aktuelle literarische „Entehrung und Verlästerung des Politischen“ exemplifiziert er dann an Taggers Stück. Solche Überlegungen zur ästhetischen Repräsentation von Politik und Entpolitisierung qua Kunst interessierten Schmitt damals vielfältig, etwa im Gespräch mit Smend, Gustav Steinbömer und anderen. Interessant ist hier auch der Bezug auf das elisabethanische Zeitalter, der sich später auch in Schmitts Schiller- und Shakespeare-Deutungen zeigt. 167 Vom 13. Dezember. 168 Dieser Brief ist im Tagebuch für den 20. Dezember 1930 erwähnt (TB 1930– 1934, S. 71). Er ist hier aber eindeutig auf den 30. Dezember datiert. Ins Tagebuch notierte Schmitt zuvor (TB 1930–1934, S. 71): „Schön gefrühstückt, schöne Post; in Eile zur Hochschule, kaufte mir die Germania mit dem Aufsatz von Pfister über das politische Drama. Großartiger Aufsatz (von der Ehre zur Unehre)“. Schmitt wusste also offenbar vom Erscheinen des Artikels, kannte ihn aber nicht im Detail. 169 Fehlt. 170 Gemeint sind Pfisters weitläufige Ausführungen zu den Stadien der „künstlerischen Repräsentation der Politik“. Eine negative Wahrnehmung von Pfister findet sich dann auch im Brief Eduard Sprangers vom 18. Januar 1931 an Schmitt (Schmittiana NF II, 2014, S. 141).
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Ebene wie das seinerzeitige Abendgespräch. Pfister vermischt in einer seltsamen Weise richtige Gedanken mit falschen Theorien,171 und vor allem: was Dichtung und Drama eigentlich ist, weiss er nicht; er verwechselt die politische Repräsentation seiner Welt, welche auch das wirkliche Drama gibt, mit dem aktuell politischen Willen, welchen die Tendenzschriftstellerei172 mit der Rhetorik gemeinsam hat. Mit freundlichen Wünschen zum neuen Jahr bin ich wie stets, Ihr ganz ergebener Salin
14. [Briefkopf Professor Carl Schmitt / Berlin NW 87, / Flotowstr. 5, Schreibmaschine mit handschriftl. Unterschrift] Im Tagebuch erwähnt Schmitt eine zufällige Begegnung mit Salin am 8. August 1932: „Vergnügt nach Hause, abends kam Kirchheimer, mit Duscka zu Popitz, dort war auch Salin, nett unterhalten, über Richard Wagner und Ludwig II. (Salin erklärte Wagner für einen Juden,173 peinlich). Nachher über die Frage, ob Hitler Kanzler wird.“ Der Nachlass Schmitts enthält weitere Sonderdrucke, mit denen Salin vielleicht auch auf die Begegnungen 1930 / 1932 bzw. Briefe Schmitts antwortete: E. Salin, Urchristentum und Staat. In: Schmollers Jahrbuch 55, 1931, S. 21–36 (RW 265-24587) – Widmung: „Mit besten Grüssen / E. S.“; ders., Am Wendepunkt der deutschen Wirtschaftspolitik. In: Deutsche Agrarpolitik im Rahmen der inneren und äußeren Wirtschafts politik. Hrsg. von F. Beckmann u. a., 1932, S. 684–733 (RW 265-29316 – Widmung: „Carl Schmitt / mit freundlichen Grüssen / E. S.“).
171 Schmitt
musste sich hier angesprochen bzw. getroffen finden. Tendenzschriftstellerei und Polemik ist tatsächlich im grobkörnigen Artikel unverkennbar. 173 Zu diesen verbreiteten und „haltlosen Spekulationen“ schreibt Dieter Borchmeyer, Richard Wagner. Werk, Leben, Zeit, Stuttgart 2013, S. 20: „Für Wagners Abstammung von Ludwig Geyer gibt es keinerlei Anhaltspunkte, noch weniger dafür, dass Geyer sich – und Wagner ihn – für einen Juden gehalten hat.“ Schmitt bezeichnete Wagner in frühen Tagebüchern allerdings selbst als „Juden“ (TB 21.8.1915: „Wut über den Juden Wagner“) und als eine „rein interne jüdische Angelegenheit“ (TB 8.12.1915) und neigte später, in der Nachfolge von Wagners Judenschrift, ungeheuerlichen Spekulationen bzgl. jüdischer Einflüsse und „Maskenwechsel“ an geschichtlichen Wendepunkten zu. So schrieb er 1938 in der Vorbemerkung zu Tatarin-Tarnheyden, Der Einfluss des Judentums in Staatsrecht und Staatslehre, Berlin 1938, S. 3 unter dem Eindruck von Wagners antisemitischer Grundschrift: „Die Totalität des jüdischen Einbruchs erfasste sowohl das literarisch-journalistische Leben (Heine, Börne, Harden usw.), das musikalische Leben (Mendelssohn-Bartholdy, Meyerbeer), die wirtschaftliche Praxis (Rothschild, Bleichröder, Rathenau), die Wirtschaftstheorie (Ricardo, Marx) wie das Recht.“ 172 Politische
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17. Februar 1933. Sehr geehrter Herr Salin! Besten Dank für Ihre überaus freundliche Einladung.174 Ich kann ihr leider nicht folgen, da ich den Vortrag in Basel175 absagen musste, und dadurch auch die Möglichkeit, Sie bei diesem Anlass wiederzusehen, verloren habe. Ich würde mich aufrichtig freuen, wenn sich bald eine andere günstigere Gelegenheit eines Zusammentreffens fände. Im Laufe des März denken wir von Berlin nach Köln überzusiedeln,176 vielleicht besuchen Sie uns einmal dort. Indem ich Sie bitte, Ihrer sehr verehrten Gattin mit meinem Dank für Ihre Einladung meine besten Empfehlungen zu sagen, verbleibe ich Ihr aufrichtig ergebener Carl Schmitt.
Anhang 1. Zum Nomos-Begriff Schmitts Korrespondenz mit Salin beginnt Ende 1923 mit der Zusendung der Parlamentarismusbroschüre. Eine im ersten Brief Schmitts vom 26. Dezember 1923 erwähnte Gegengabe war: Edgar Salin, Der „Sozialismus“ in Hellas. In: Bilder und Studien aus drei Jahrtausenden. Eberhard Gothein zum siebzigsten Geburtstag. Hrsg. von Edgar Salin, München 1923, S. 15–59 (RW 265-25720); Schmitt arbeitete den Text mit handschriftlichen Bemerkungen intensiv durch. Den Abschnitt „Der Begriff ‚Sozialismus‘. (Über historische Begriffsbildung)“ kommentierte er S. 23 mit der Randbemerkung: „Gut, gilt aber ebenso für den ‚Staat‘ “. Mehrfach notierte er das Wort „Staat“ auch an den Rand. Schmitt unterstreicht auch das Wort „Nomos“ S. 47. Salin schreibt (S. 48), „daß Nomokratie am besten das Wesen aller griechischen Herrschaft im 6. und 5. Jahrhundert bezeichnet.“ Schmitt unterstreicht das und markiert es auch am Rand. Der Nomos-Begriff begegnete ihm also bei Salin schon 1923. Dies weckte vielleicht hohe Erwartungen, die Schmitt dann mit dem Erscheinen von Civitas Dei nicht eingelöst fand. Salins Sozialismus-Aufsatz erwähnte er später noch ausführlich in einer Rezension von Alfred Verdross-Drossberg, Grundlinien der antiken Rechts- und Staatsphilosophie, Wien 2. Aufl. 1948, in: Universitas 4, 1949, S. 587–588; Schmitt kritisiert dort (S. 588) das Platon-Bild von Verdross und meint zur ungeschichtlichen Begrifflichkeit: „Die vielen Deutungen Platons als eines Sozialisten oder Kommunisten liefern dafür [für ungeschichtliche Begrifflichkeit] nahe 174 Fehlt. 175 Nicht
ermittelt. wechselte im April 1933 zum Sommersemester an die Universität Köln. Dazu vgl. Reinhard Mehring, Kriegstechniker des Begriffs. Biographische Studien zu Carl Schmitt, Tübingen 2014, S. 73 ff. 176 Schmitt
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liegende Beispiele. Der Verfasser [Verdross] hat sich nicht mit ihnen auseinandergesetzt. Hätte er es getan, so wäre er wohl auf den wichtigen Aufsatz von Edgar Salin in der Eberhard Gothein-Festschrift von 1923 gestoßen, der den „Sozialismus“ in Hellas behandelt und grundsätzlich gegen die Übertragung moderner Begriffe Verwahrung einlegt. Eine entsprechende Problematik ergibt sich aber in der heutigen, überaus kritischen Situation auch noch für andere, scheinbar allgemeinere Begriffe wie Reich, Staat und Gesetz. Wer eine antike Polis als „Staat“ bezeichnet, entfesselt unabsehbare Projektionen aus durchaus andersgelagerten Gemeinwesen.“ Der Nomos-Begriff ist für Salins Civitas Dei zentral. Schon auf S. 1 schreibt Salin in Civitas Dei, Tübingen 1926: „Mit Herrschaft des Nomos, Nomokratie, glauben wir am besten den entscheidenden Zug [aller Formen der griechisch-römischen Antike] zu bezeichnen. Jeder Staat zwar, auch der mittelalterliche, auch der moderne, kennt ein Grund-Gesetz, heiße es nun Verfassung, magna charta oder wie auch immer. Nur in der Antike aber ist dieser Nomos die bestimmende Form und das eindeutige Symbol des gesamten Lebens, ist der Nomos, das Staatsgesetz, zugleich das Rechts- und Sitten-, das Kult- und Kultur-, kurz das Lebensgesetz schlechthin.“ Auf der nächsten Seite zitiert Salin für seinen Nomos-Begriff dann Pindar. Schmitt spricht vom „Nomos“ zunächst mehr gelegentlich in der Verfassungslehre von 1928: dort im Kapitel über den „rechtsstaatlichen Verfassungsbegriff“. Er zitiert Triepel für den „Gegensatz des richtig verstandenen Gesetzesbegriffes im Unterschied zu einem hilflosen Formalismus“ und fügt an: „Es ist daher auch in der Sache begründet, aber in der Ausdrucksweise missverständlich, wenn J. Goldschmidt für den Kampf gegen den Missbrauch der Gesetzgebungsgewalt das Wort ‚Nomomachie‘ bildet (Jur. Wochenschrift 1924, S. 245 ff.). Das, was gerade fehlt, ist der Nomos, und der Missbrauch liegt in der Verkennung dessen, was als Minimum des alten rationalen Begriffes eines echten Gesetzes übrig bleiben muß, in der Verkennung des generellen Charakters der Rechtsnorm.“ (VL, S. 142). Erst 1934 führt Schmitt dann seinen Grundbegriff vom „Nomos“ systematisch und programmatisch ein. Er zitiert „das Wort Pindars vom Nomos basileus“ und führt aus: „So bleibt es für immer richtig, was Hölderlin in einer Anmerkung zu seiner Übersetzung jener Stelle des Pindar vom ‚Nomos basileus‘ gesagt hat: ‚Der Nomos, das Gesetz, ist hier die Zucht, sofern sie die Gestalt ist, worin der Mensch sich und dem Gott begegnet, die Kirche und das Staatsgesetz und altererbte Satzungen, die, strenger als die Kunst, die lebendigen Verhältnisse festhalten, in denen mit der Zeit ein Volk sich begegnet hat und begegnet‘ “ (Carl Schmitt, Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, Hamburg 1934, 17). Schmitt zitiert aus der Hellingrath-Ausgabe. Salin war, wie erwähnt, mit v. Hellingrath befreundet und wirkte an dessen viertem Band mit.177 Im Nomos der Erde zitiert Schmitt die Pindar-Stelle erneut und fügt an: „Aber auch Hölderlin verwirrt seine Deutung der Pindar-Stelle (Hellingrath V, 277) dadurch, daß er das Wort Nomos im Deutschen mit ‚Gesetz‘ wiedergibt und auf den Irrweg dieses Unglückwortes lenkt, obwohl er weiß, daß das Gesetz die strenge Mittelbarkeit ist. Der Nomos im ursprünglichen Sinne aber ist gerade die volle Unmittelbarkeit einer nicht durch Gesetze vermittelten Rechtskraft; es ist ein konstituierendes geschichtliches Ereignis, ein Akt der Legitimität, der die Legalität 177 Dazu
Edgar Salin, Um Stefan George, 2. Aufl. München 1954, 102 f.
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des bloßen Gesetzes überhaupt erst sinnvoll macht.“ (Carl Schmitt, Der Nomos der Erde, Köln 1950, S. 42). Schmitt problematisiert mit Hölderlins Übersetzung erneut die Legitimität der Legalität, emanzipiert seinen „Nomos“ vom Legalitätsmodus und rechnet ihn der „unmittelbaren“ oder charismatischen Herrschaft zu. Es soll hier nicht behauptet werden, dass Schmitt seinen Rekurs auf das Grundwort „Nomos“ direkt von der Auseinandersetzung mit Salins Civitas Dei her aufnahm. Die Quellen seines Nomos-Begriff sind vielfältig. Sicher aber begegnete Schmitt das „Grundwort“ vom „Nomos“ schon sehr früh und terminologisch grundlegend bei Salin. Von Salin her lag auch der Bezug auf Hölderlin und v. Hellingrath nahe. Und mit Salin begegnete ihm (und auch Ludwig Feuchtwanger) die „alte Frage […], ob nicht das Christentum diesen herrlichen [römischen] Staat zerstört oder gefälscht, oder aber in der Form der römischen Kirche gerettet“ hat.
2. Ludwig Feuchtwanger über Salins Civitas Dei Brief Dr. Ludwig Feuchtwanger an Salin 05.11.1925, in: NL Salin, Nr. 2240178 Lieber Herr Professor ! […] Die Arbeit habe ich nun genau durchstudiert und schicke voraus, dass ich mit den grössten Erwartungen an die Lektüre gegangen bin und auch den allerhöchsten Massstab bei meiner Urteilsbildung anlege. Wenn ich sie nun zunächst bitte, von der Mitwirkung des Verlages Duncker & Humblot bei der Herausgabe Ihres neuen Buches abzusehen, so könnte meine Begründung geschäftlich gesprochen einfach lauten, dass sie ein ganz anderes Buch geschrieben haben als Sie ursprünglich vor Jahren in Aussicht stellten und dass der Verlag nicht glaubt, dieses Buch, das sich nicht an gelehrte Fachkreise wendet, an ein breiteres Publikum in geschäftlich befriedigender Weise absetzen zu können. Aber ich befinde mich in Ihrem Falle einigermassen in Verlegenheit. Auf der einen Seite entspricht es nicht meiner Funktion als Verleger, zu dem Inhalt kritisch Stellung zu nehmen, auf der anderen Seite fühle ich doch, dass ich es Ihnen und Ihrem bisherigen grossen und mich verantwortlich machenden Vertrauen schulde, Ihnen genau zu sagen, was ich meine. Ich finde nämlich, dass Ihnen die grossartige Absicht, das Werden und die Ausdehnung des Christentums von Jesus bis Augustin deutlich zu machen, nicht geglückt ist. Wenn sie sich nun auch um die Meinung der Fachwissenschaft, der Theologen, Philologen und Historiker, die Ihr Buch naturgemäss ablehnen müssen, nicht viel kümmern, so ist auf der anderen Seite nicht zu verkennen, dass Bild und Gestalt dieser 4 Jahrhunderte der Auseinandersetzung des antiken Geistes mit dem christlichen und ihrer schliesslichen Vermählung von Ihnen doch mit dem Anspruch gezeichnet werden, wissenschaftliche Erkenntnis zu bieten. Denn Sie bedienen sich nicht nur des grandiosen wissenschaftlichen Apparates der letzten Jahrhunderte mit seinen vorzüglichen Texteditionen und Rezensionen, sondern auch der grossen synthetischen Darstellungen neuerer Zeit und wollen [‒] wie ich sehe [‒] nur feststellen, dass Dieses und Jenes damals unter den und jenen geschichtlichen Umständen und psychologischen Bedingungen wirklich gedacht, gesagt, getan worden ist. Sie lesen 178 Brief
und Transkription wurden mir freundlich von Rolf Rieß überlassen.
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also die Bibel und die Kirchenväter nicht mehr in dem Sinn wie der Kirchengläubige, der nicht erkennen oder sein Wissen bereichern will, sondern in den Schriften Lehren für sich selbst und für seine momentane Lebens-Situation gläubig sucht und findet. Deshalb hilft es nun einmal nichts: man darf trotz Ihrer gehobenen Sprache, trotz Ihres religiösen christlichen Enthusiasmus beim besten Willen an Ihre Darstellung keinen anderen Maßstab anlegen wie an jede wissenschaftliche Arbeit und moderne zeitgeschichtliche Erklärung der ersten 4 nachchristlichen Jahrhunderte. Und da stösst man – trotzdem zweifellos Ihre Sehweise und Ihre Methode von sämtlichen Richtungen der protestantischen Theologie abgelehnt würde – immer wieder auf eine merkwürdige theologische Befangenheit in Ihrer Auffassung. Sie sehen alles theologisch, wie es der beamtete Professor an unseren evangelischen Fakultäten seit Baur179 zu sehen pflegt. Merkwürdig deshalb: Das gewaltige Privileg, das Ihr Stand ausserhalb der Fachtheologie bietet, machen Sie sich nicht zu Nutze, sondern Ihre Urteilsweise ist die der grossen protestantischen Theologen, die das Kunststück fertiggebracht haben zu glauben, „voraussetzungslose Wissenschaft“ zu betreiben und noch christlich zu sein, während das Endurteil und die Wertbetonung doch im vornherein festgelegt sind. Was hätten Overbeck,180 Reuter,181 eine ganze Reihe vorzüglicher Gelehrter und Menschen im 19. und 20. Jahrhundert da rum gegeben, von Ihrem ungebundenen Standpunkt aus grossartig und frei urteilen zu dürfen. Sie legen sich freiwillig Fesseln an. An und für sich müsste ich zur Begründung dieser Sie vielleicht befremdenden Thesen näher darauf eingehen, mit welchen wissenschaftlichen Voraussetzungen ich selbst mir ein solches Kritikeramt182 anmasse, ferner welche Gründe im einzelnen mich zu der Annahme einer ausser- oder überwissenschaftlichen Leistung bei Ihrem Buche führen. Wenn ich meine vielblätterigen Notizen überblicke, die ich mir fast zu jeder Seite gemacht habe (manchen Stellen bin ich in den Texten nachgegangen, die Literatur, die sie zitieren, war mir im ganzen gut vertraut), so ist es mir ganz unmöglich, ohne selbst wieder eine grosse Arbeit zu schreiben, auf Einzelheiten einzugehen. Sie geben, wenn ich richtig sehe, statt einer stofflichen Durchführung Ihres Themas nur ausgewählte Gestalten-Skizzen, Gestalten-Auslegungen, Vergleiche, Symbole, Gegenüberstellungen. Ich musste dabei lebhaft an Ihre frühere entschiedene Forderung denken, eine historische Erscheinung nur aus sich selbst zu erklären. Irre ich mich, wenn ich sage, dass Sie diesmal gegen Ihre eigene Forderung in vielen Fällen schwer verstossen haben. Oder halten Sie etwa die von Ihnen geschilderten Erscheinungen nach der alten historischen Methode überhaupt nicht [für] 179 Ferdinand Christian Baur (1792–1860), bibelkritischer protestantischer Theologe, Begründer der sog. Tübinger Schule. 180 Franz Overbeck (1817–1889), protestant. Theologe und Nietzsche-Freund. 181 Wahrscheinlich: Hermann Reuter (1817–1889), Schüler Baur’s, Kirchenhistoriker, Prof. in Breslau, Greifswald und Göttingen. 182 In der Vorbereitung einer großangelegten Geschichte des jüdischen Volkes schrieb Feuchtwanger damals auch „Grundsätzliches“ zur jüdisch-christlichen Religionsgeschichte. Dazu Ludwig Feuchtwanger, Auf der Suche nach dem Wesen des Judentums. Beiträge zur Grundlegung der jüdischen Geschichte, Berlin 2011; ders., Der Gang der Juden durch die Weltgeschichte, Berlin 2014.
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erklärbar und wollen Sie demzufolge dem Thema durch ausgewählte Bilder neue Seiten abgewinnen, um vielleicht an Stelle der unbefriedigenden philologisch-historischen Teilerkenntnisse ein ahnendes Verstehen [zu] setzen. Hier muss ich wieder als Verleger kommen: Die Beschäftigung eines breiteren Laienpublikums mit den religiösen Büchern und mit dem intellektuellen Roman geht für den Buchhändler deutlich spürbar zu Ende. Ziegler – Keyserling – Blüher – Spengler – Haecker – Scheler:183 Das Interesse der „weiteren Kreise“ geht sichtlich zu Ende. Ich muss noch 2 allgemeine Sätze aufstellen, im Anschluss an die Lektüre Ihrer Blätter: Seit ich vor 20 Jahren, vielleicht 2 Jahre hindurch in Berlin die Vorlesungen Harnacks184 etc. besucht habe und seitdem ohne Unterbrechung, aber immer als Dilettant mich mit einer mir bis dahin unbekannten Welt, nämlich der protestantischen Theologie und im Anschluss daran mit vielen verwandten Gebieten befasst habe, bin ich zu der festen Überzeugung gekommen, dass gewisse Komplexe wie die Bibel beider Testamente, namentlich ihr reicher ausserkanonischer Kranz, dann der Talmud, die Kirchenväter, die Scholastik, auch Dante, Luther, Calvin und das System der Ketzer und Antipoden nur aus Jahrzehnte langem Zusammenleben mit dieser Literatur, ihrer Sprache, ihrer Spiegelung in den verschiedenen Zeiten und nach vollständiger Beherrschung des philologischen und historischen Rüstzuges erfasst oder gar literarisch gefasst werden können. Sonst ist die Gefahr garnicht zu vermeiden, dass man sich sehr häufig unbewusst von zufälligen, wenn auch noch so guten Einfallen und vor allem auch zufälligen Lesefrüchten treiben lässt. Ich wiederhole: Ich muss der Versuchung[,] im einzelnen zu kritisieren[,] unbedingt widerstehen. Das Jesus-Bild gleich zu Anfang ist ganz unkritisch und vorwissenschaftlich. Dass Sie noch dazu diesem Bild den Hintergrund der Augustus-Gestalt unter dem Gedanken Christus-Kult gegen Kaiser-Kult geben, bringt eine wahre Erkenntnis der Entstehung des Christentums eher in Verwirrung als in Ordnung. Der Christus-Kult hängt mit dem historischen Christus nur sehr lose zusammen. Dessen Haltung zu Mensch, Volk und Staat ist schlechterdings nicht mehr erkennbar. Die von Ihnen zitierten Mischnah-Stellen aus den Evangelien haben keine stärkere Beweiskraft als die alte Methode: „Denn es steht geschrieben“. Aber ich kann keinen Aufsatz schreiben! Bei Ihrer Schilderung ausgewählter Gestalten der Kirchenväter wollten sie nur Leuchtkugeln werfen und nicht die überaus reiche Literatur, die kaum zu bewältigenden Texte zu einer plastischen Anschauung verarbeiten. Ich will nicht bei Ihrem Paulus-Bild, Ihrem Augustinus-Bild verweilen. Ich möchte einmal, das war mein Wunsch nach der Lektüre, ein Urteil über Ihre Arbeit etwa von Ihrem Heidelberger Theologen Dibelius185 oder von Herrn von 183 Leopold Ziegler (1881–1958), Graf Hermann Keyserling (1880–1946), Hans Blüher (1888–1955), Oswald Spengler (1880–1936), Theodor Haecker (1879–1945), Max Scheler (1874–1928); Feuchtwangers heterogene Liste ist – etwa Scheler gegenüber – nicht unpolemisch. 184 Adolf von Harnack (1851–1930); dazu Ludwig Feuchtwanger, Zum Tode Adolf von Harnacks (1930), in: ders., Auf der Suche nach dem Wesen des Judentums, Berlin 2011, S. 65–66. 185 Martin Dibelius (1883–1947).
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Schubert186 oder auch von Täubler187 hören, um in meinem Gesamturteil eines besseren belehrt zu werden. Ich könnte mir vorstellen, dass Ihnen ein ehrlicher Freund von der Veröffentlichung dieses Buches überhaupt abrät. Aber ich sehe, dass ich in meiner Begründung der Natur der Sache nach – ich habe einen Verlagsantrag vor mir – viel zu flüchtig war, um berechtigt zu sein, dieses geradezu selbst zu tun. Ich habe mich schon zu viel strapaziert und sehe zu meinem Schrecken, dass ich bereits zu weit aus der Reserve heraus gegangen bin. Ich habe wenig Hoffnung, dass Sie mir das nicht übel nehmen werden. So haben Sie nun meinen persönlichen Eindruck erfahren. Ich hielt mich zur schriftlichen Niederlegung dieses Eindrucks unter den obwaltenden Umständen für verpflichtet. Ich fühle selbst, dass ich Ihnen noch viele Ausführungen im einzelnen schuldig geblieben bin. Ihre freundlichen Grüsse aus Ihrem letzten Brief aus Italien erwidere ich aufs beste und wünsche Ihnen ein erfolgreiches und befriedigendes Winter-Semester. Wie immer Ihr ergebener L. Feuchtwanger
3. Edgar Salin über Carl Schmitt188 Salin erinnert Beckerath zunächst an die Geschichte ihrer Freundschaft, die „Arbeitsgemeinschaft“ mit Bernhard Harms, Werner Sombart, Julius Landmann und Christian Eckert,189 charakterisiert dann näher Bernard Harms und profiliert in seinem kurzen Text dann „Käuze und Bösewichter“: „Als Prototyp der Käuze will ich Erik Peterson nennen, diesen ordentlichen Professor der evangelischen Theologie in Bonn, der durch die intensive Durchforschung des Urchristentums und durch den Einfluss eines (offiziell katholischen, in Wirklichkeit urheidnischen) Freundes zum Katholizismus übertrat, die Professur aufgab, nach Rom zog, eine schöne Römerin heiratete und eine Fülle von prächtigen Büchern und Kindern produzierte. Ich gedenke mit Wehmut unsrer stillen Trinkstunden in der Bonner Weinstube und unseres letzten Wiedersehens in Basel kurz vor seinem Tod. Der Freund, der Petersons Konversion in langen Diskussionen erleichterte, war der böse Dämon von Universität und Politik in diesen Jahren, war Carl Schmitt. Er ist verdientermaßen heute verfemt; denn geistige Missetaten wie die seinen wiegen mindestens so schwer wie die Morde geborener Verbrecher. Aber geziemt es sich nicht für uns,
186 Hans
von Schubert (1859–1931). Täubler (1879–1953). 188 In: System und Methoden in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Erwin von Beckerath zum 75. Geburtstag, Tübingen 1964, S. 13–17, hier: 16 f. 189 Bernhard Harms (1876–1939), Werner Sombart (1863–1941), Julius Landmann (1877–1931), Christian Eckert (1874–1952). 187 Eugen
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daß wir dessen gedenken, wie oft190 wir uns an seinen geschliffenen Reden erfreuten,191 wie gern wir mit ihm diskutierten, wie er uns als einer der ganz wenigen erschien, dessen politische Bildung und dessen juristische Schärfe jedes Gespräch bereicherte und würzte? Ich stehe gewiß nicht im Verdacht, daß ich etwas zugunsten des Halbirren sagte, der 1936 die deutsche Rechtswissenschaft zerstörte,192 oder zugunsten des eitlen Monomanen, der den großen Bodinus als seinen „Bruder im Geiste“ bezeichnete,193 ‒ der wilde Antisemit instinktlos den Maranen … Aber gab es nach dem allzu frühen Tod von Rothenbücher194 einen Staatsrechtslehrer von Rang und von der Intensität dieses politischen Chamäleons und hatten lautere Charaktere wie [Gerhard] Anschütz oder [Gustav] Radbruch das gleiche Gespür für den Umbruch der Welt? Wir haben uns zeitweise in den Schlingen des Dämons verfangen; aber es gebührt sich, daß wir auch zu unseren Schwächen stehen.“ Anm.d.Redaktion (G. G.): Heinrich Oberheid, der seit den Bonner Jahren mit Carl Schmitt befreundet war und in dieser Zeit auch Edgar Salin kennenlernte, widerspricht in seinem Brief v. 31.10.1964 Salins Behauptung, Peterson sei unter dem Einfluss von Schmitt zum katholischen Glauben konvertiert, und fährt fort: „Deine Erinnerungen an die Bonner Begegnungen mit Schmitt erwecken den Eindruck, als ob Beckerath und Du in gleicher Weise mit Schmitt bekannt, und von dem ‚Dämon‘ in seinen Schlingen eingefangen worden wäret. Davon kann keine Rede sein. Wie 190 Durch die Korrespondenz sind fünf Treffen belegt. Vermutlich gab es noch einige mehr. 191 Es ist anzunehmen, dass es auch Bonner Gespräche zusammen mit Peterson gab. 192 Gemeint ist die bekannte Tagung vom Oktober 1936; dazu Carl Schmitt, Die deutsche Rechtswissenschaft im Kampf gegen den jüdischen Geist, in: Deutsche Juristen-Zeitung 21, 1936, Sp. 1193–1199. 193 Dazu Carl Schmitt, Ex Captivitate Salus, Köln 1950, S. 64: „Heute bin ich [im Camp] auf mein Gedächtnis angewiesen. Aber die Gedanken und Formulierungen der beiden [Bodin und Hobbes] sind mir geläufig, wie die Denk- und Redeweise eines Bruders.“ 1936 schon schrieb Schmitt in einer Rezension der Bodin-Arbeit seines Schülers Francisco J. Conde: „Condes Arbeit ist mit großer Sorgfalt, mit guter Literaturkenntnis und echt philosophisch-konstruktivem Sinn geschrieben. Daß Bodins Souveränitätsbegriff von einem neutralen und toleranten Monotheismus abhängig ist, wird sehr deutlich. Infolgedessen ist neben Bodins ‚Sechs Büchern über die Republik‘ vor allem sein ‚Heptaplomeres‘ die wichtigste Grundlage für Condes Buch. Im engsten Zusammenhang mit dieser Lehre vom neutralen Staat und dieser Art toleranten Monotheismus ist es für uns von Bedeutung, daß Hermann Conrings oft angezweifelte Behauptung, Bodin sei mütterlicherseits jüdischer Abstammung, inzwischen durch E. Pasque (Revue d’Histoire de l’Eglise de France, Bd. XIX, 1933, S. 457 ff.) bestätigt worden ist: Seine Mutter, Catalina Dutrestre, war eine spanische Jüdin, die aus dem „intoleranten“ Spanien in das „tolerantere“ Frankreich emigriert war.“ Carl Schmitt, Rezension von F. J. Conde, El pensiamiento político de Bodino, Madrid 1935, in: Deutsche Juristen-Zeitung 41, 1936, Sp. 181–182, hier: Sp. 182; Schmitts Bodin-Vereinnahmung spielt auch in der Korrespondenz zwischen Voegelin und Schmitt eine zentrale Rolle, Staats- und Kirchenrechtler. 194 Karl Rothenbücher (1880–1932).
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oft Du Schmitt gesehen hast, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass Deine Verbindung zu ihm vorübergehend und ganz lose war …. Zur Rechtfertigung Deiner flüchtigen Bonner Bekanntschaft mit dem schon ‚damals bösen Dämon von Universität und Politik, der 1936 die deutsche Rechtswissenschaft zerstörte‘, hageln nun Deine Beschimpfungen. Du nennst Carl Schmitt einen verdientermaßen Verfemten. Unterstellen wir das einmal theoretisch. Dann frage ich Dich, wo in aller Welt hat ein Edelmann einen Verfemten, der wehrlos ist, öffentlich beschimpft und geschmäht. Bist Du Dir klar darüber, dass Du mit Deinen Schimpfworten mitten in das hitlersche Injurien-Vokabularium hineingegriffen hast? ‚Roosevelt der halbirre Paralytiker, Churchill der halbirre Whiskysäufer‘ und Verbrecher und Mörder nannte er alle Intellektuellen, die nicht seiner Meinung waren. Wenn Du Dich gehalten und berufen fühlst, Schmitt sachlich anzugreifen oder zu erledigen, so magst Du das tun. Aber ihn im Vorbeigehen mit Schimpfworten im Stil schlechter Volkstribunen abzutun, das nehme ich Dir nicht ab. Das nimmt Dir kein Mann von Rang und Takt.“195
IV. „Raum des Archivs dafür immer zur Verfügung“. Lederer – Schmitt 1926–1932 Emil Lederer (1882–1939) wurde in Pilsen geboren und wuchs in Böhmen auf. Er promovierte 1905 als Jurist in Wien und 1911 bei Lujo Brentano in München in der Nationalökonomie. 1912 habilitierte er sich in Heidelberg und wurde dort 1920 Extraordinarius für Nationalökonomie. Von 1923 bis 1925 lehrte er in Japan.196 1931 wechselte er als Ordinarius an die Berliner Universität und wurde 1933 dann aus „rassischen“ wie politischen Gründen entlassen. Lederer emigrierte 1933 in die USA. Er baute eine Émigré Faculty an der New School for Social Science mit auf und lehrte bis zu seinem frühen Tod 1939 in New York.197 Nach dem Tod von Edgar Jaffé und Max Weber sowie dem Rücktritt Werner Sombarts von der aktiven Herausgeberschaft war Lederer zwar seit den frühen 20er Jahren nominell der verantwortliche Herausgeber des Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, die faktische Redaktionsarbeit dürfte während des japanischen Intermezzos aber mehr auf der Redaktionsassistenz Alexander von Scheltings gelastet haben.198 Edgar Salin kam als Heidelberger Kollegen gerade in dieser Zeit vermutlich ein 195 Siehe Heiner Faulenbach, Ein Weg durch die Kirche. Heinrich Josef Oberheid, Köln 1992, 226 sowie Schmittiana III, S. 163–168. 196 Dazu vgl. Emil Lederer / Emy Lederer-Seidler, Japan-Europa. Wandlungen im fernen Osten, Frankfurt 1929. 197 Der schmale Nachlass in der University of Albany (Emil Lederer Papers [Ger057]. German and jewesh intellectual Émigre Collection, Grenander Department of spezial Collections and Archives) enthält keine Briefe Carl Schmitts. 198 Wenig aufschlussreich hier Regis A. Factor, Guide to the Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 1904–1933. A History and Comprehensive Bibliography, New York 1988; siehe auch Hans Ulrich Eßlinger, Interdisziplinarität. Zu Emil Lederers Wissenschaftsverständnis am InSoSta, in: Heidelberger Sozial- und Staatswissenschaften. Das Institut für Sozial- und Staatswissenschaften zwischen 1918 und
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starker beratender Einfluss zu. Für die damaligen Publikationen Schmitts im ASwSp findet sich keine Korrespondenz mit Lederer. Die Publikationen der Thoma-Auseinandersetzung von 1924 und des Meinecke-Verrisses von 1925 dürften deshalb eher auf Kontakte mit Salin und v. Schelting zurückgehen. Zum Wintersemester 1925 / 26 wechselte der Ökonom Joseph Schumpeter (1883–1950) an die Bonner Universität und Schmitt traf ihn gelegentlich im gemeinsamen Dozentenzimmer und auch privat. Lederer gab das ASwSp „in Verbindung mit Joseph Schumpeter und Alfred Weber“ heraus. Auch über Schumpeter führt nachweislich also der Weg des Begriffs des Politischen ins Archiv. Schmitt lernte Lederer wohl erst nach dessen Rückkehr aus Japan kennen und zitierte ihn fast niemals. In den gemeinsamen Berliner Jahren ist Lederer in den Tagebüchern nicht erwähnt. Mit dem ersten Brief scheint er den Kontakt Ende 1926 erst aufzunehmen. Das ASwSp blieb Schmitt nicht nur durch seine eigenen drei Beiträge wichtig. Dort erschienen bis zum Januar 1933 auch lange Besprechungen der Politischen Romantik (Brinkmann), Parlamentarismus-Broschüre (Thoma), Verfassungslehre (Hensel), des Begriffs des Politischen (Strauss) und zuletzt noch von Legalität und Legitimität (Kirchheimer / Leites).
1. RW 265-8663; Briefkopf Archiv für Sozialwissenschaften und Sozial politik / Schriftführender Herausgeber: Prof. Dr. Emil Lederer / Heidelberg, den / Landfriedstrasse 6 14. / XI. 26. Sehr verehrter Herr College, eben habe ich, mit ständig steigender Spannung[,] Ihre bedeutende Schrift „Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“199 gelesen, und habe das Bedürfnis, Ihnen für die Fülle von Anregungen daraus zu danken. Wobei man es bezweifeln kann, ob sich daraus schon zwingende Schlüsse für die politische Willensbildung ergeben? Freilich ist Ihr Hinweis auf die Bedeutung des Bildes vom Gleichgewicht (S. 28)200 außerordentlich wichtig. Und man spürt es ja in allen einzelwis1958, hrsg. Reinhard Blomert / Hans Ulrich Eßlinger / Norbert Giovannini, Marburg 1997, 117–146, spez. 133–139. 199 Lederer las die erste Auflage: Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, München 1923. 200 Schmitt schreibt in Lage des Parlamentarismus, S. 28: „Über die allgemeine Bedeutung der Vorstellung von einer Balance braucht man nicht mehr viele Worte zu verlieren. Von den Bildern, die in der Geschichte politischen und staatsrechtlichen Denkens typisch wiederkehren und deren systematische Untersuchung noch nicht einmal begonnen ist (ich nenne als Beispiele nur: der Staat als Maschine, der Staat als Organismus, der König als Schlussstein des Gewölbes, als Fahne oder als ‚Seele‘ des Schiffes), ist sie für die moderne Zeit das Wichtigste. Seit dem 16. Jahrhundert herrschen auf allen Gebieten menschlichen Geisteslebens alle Arten von
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senschaftlichen Problemen, wie wir geneigt werden, dieses Bild vom Gleichgewicht aufzugeben, zu Gunsten einer Erfassung des Prozesses im „Ganzen“, als „Gestalt“ etwa, dieses Wort in einem sehr weiten Sinne genommen. Das spüren wir auch sehr stark in der theoretischen Ökonomie, in den allerorten auftauchenden Bemühungen um eine dynamische Theorie.201 Eine solche ist ohne Erfassung der Wirtschaft als Gesamtphänomen, ohne Hinausgehen über das Gleichgewicht hinaus, gar nicht möglich. Neue Grundvorstellungen bemächtigen sich des wissenschaftlichen Gedankens. Sie sind übrigens auf dem politischen Felde als Postulat einer Willensbildung aus dem Organismus heraus, insbes. aus dem „Wirtschaftsorganismus“ heraus meist alt, älter als die „Krise des Parlamentarismus“. Dabei dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass auch der Parlamentarismus durch die spontane Organisation gesellschaftlicher Kräfte einen Funktionswandel erfährt, in dem das Parlament (vielleicht?) zu einem Organ einer an sich und in sich vorläufig noch recht ungeordneten Gesellschaft werden kann, und derart (vielleicht?) auch Träger von Gestaltungstendenzen, nicht bloß Mittel zur Feststellung sei. Wahlen? Oder eines „richtigen Rechtes“ durch Diskussion. Aber ich wollte Ihnen nicht nur für die Anregungen (ich griff ja hier nur einen Punkt in oberflächlicher Weise heraus) herzlich danken, sondern damit die Bitte verknüpfen, ob Sie nicht geneigt wären, für unser Archiv über das so interessante, von Ihnen hier berührte Problem der „sozialen Produktivität politischer Bilder“, wenn man so sagen will (wovon Sie auf S. 28 sprechen),202 eine Abhandlung zu schreiben? Es ist dies eine Frage, die mir auch schon wiederholt auftauchte, ohne daß ich mich je systematisch damit beschäftigt hätte. Wenn Sie dieses – oder, falls Sie dafür keine Neigung haben, ein anderes Thema bei uns bearbeiten wollten, werden Ihnen [gestrichen:] die Spalten [darüber:] Raum des Archivs dafür immer zur Verfügung stehen, wie wir Ihnen ja für die Besprechung des Meinecke’schen Buches203 auch besonders dankbar waren. Mit der Versicherung der ausgezeichneten Wertschätzung bin ich Ihr ergebener E Lederer.
Balancen“. Die politische Ikonologie und Metaphorologie wurde in den letzten Jahren (u. a. durch Horst Bredekamp) verstärkt entwickelt. 201 Dazu vgl. Emil Lederer, Grundzüge der ökonomischen Theorie. Eine Einführung, Tübingen 1922. 202 Nicht wörtlich bei Schmitt, zusammenfassend von Lederer. 203 Carl Schmitt, Zu Friedrich Meineckes ‚Idee der Staatsräson‘, in: ASwSp 56 (1926), 226–234.
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2. RW 265-8664; Briefkopf Archiv für Sozialwissenschaften und Sozial politik / Schriftführender Herausgeber: Prof. Dr. Emil Lederer / Heidelberg, den / Landfriedstrasse 6 5. / XII.26. Sehr verehrter Herr Kollege! Entschuldigen Sie es bitte mit meiner ganz exorbitanten Belastung während dieses Wintersemesters, daß ich bisher noch nicht einmal Ihre so freundlichen Zeilen vom 19. XI (!) bestätigt habe. Für Ihre generelle Zusage,204 über das von mir angeregte Thema zu schreiben, danke ich Ihnen verbindlichst. Ihr Beitrag wird, wann immer er einlangt, uns willkommen sein. Auch würde ich mich sehr freuen, wenn Sie sich entschließen könnten, ihm in Ihrem, sicher sehr überlasteten Arbeitsprogramm eine bevorzugte Stellung zuzuweisen. Mit der Annahme, dass ich nur die erste Auflage Ihrer Schrift in der Hand hatte, hat es tatsächlich seine Richtigkeit. Die zweite Auflage205 ist sicherlich bei der Redaktion eingegangen, aber da ich diese nicht mehr persönlich führe, so ist sie mir entgangen. Zur Besprechung wäre sie wohl versendet, aber ich weiß auswendig nicht an wen. Sicherlich aber hat sie der Verlag der Redaktion zugeschickt. Ich habe mir aber schon vorgemerkt, das von Ihnen erwähnte Vorwort anzusehen, sobald ich aus dem Gröbsten heraus bin. Mit verbindlichen Empfehlungen bin ich Ihr sehr ergebener E Lederer. Schmitts Bonner Kollege Joseph Schumpeter war damals ebenfalls am ASWSP beteiligt und wirkte so an der Redaktion des Begriffs des Politischen mit. Seine beiden wichtigsten Briefe im Schmitt-Nachlass beziehen sich darauf. Am 23. November 1926 schreibt Schumpeter (RW 265-14794) an Schmitt: „Hochverehrter Herr Kollege, Ich war während des Wochenendes in Heidelberg und erfuhr anlässlich des Durchsprechens der Angelegenheiten des Archivs zu meiner großen Freude, dass das Archiv einen Beitrag aus Ihrer Feder zu erwarten hat. Mir wurde die Mission [zuteil,] Sie zu bitten[,] uns diesen Beitrag recht bald zukommen lassen zu wollen, wenn möglich noch vor Jahresende, um ihn an entsprechender Stelle placieren zu können. 204 Schmitts „generelle Zusage“ vom 19. November 1926 fehlt. Schmitt schreibt zwar nicht über das von Lederer angeregte Thema, publiziert im ASwSp dann aber die erste Fassung seines Begriffs des Politischen. 205 Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 2. Aufl. München 1926; eine Rezension der zweiten Auflage ist im ASwSp nicht erschienen.
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Gestatten Sie, dass ich persönlich hinzufüge, dass es mir von Wichtigkeit zu sein scheint, dass möglichst kein anderer Autor außer Ihnen über diesen Problemkreis zu unseren Lesern spricht, und halten Sie es dem Umstand, dass ich völlig eingezogen lebe, zugute, dass ich Sie schriftlich bitte statt Sie aufzusuchen. / In Kollegialer Hochschätzung / Ihr ergebener / Schumpeter“. Eine (undatierte) Postkarte aus BadenBaden (RW 265-14795) ergänzt er später um den Satz: „Ihren Archivaufsatz habe ich neuerlich bewundert.“
3. RW 265-8665; Briefkopf Archiv für Sozialwissenschaften und Sozial politik / Schriftführender Herausgeber: Prof. Dr. Emil Lederer / Heidelberg, den / Landfriedstrasse 8 17. / VI.27. Sehr verehrter Herrn Kollege, von Herrn Dr. Schelting,206 der sich einige Wochen zur Erholung in Wien aufhält, bekomme ich eben Ihre Zeilen v. 9. VI.207 zugesendet, u. beeile mich, Ihnen zu sagen, dass wir qua Redaktion, wenn der Verlag zustimmt, gegen die Sonderveröffentlichung208 gewiss nichts einzuwenden haben. Dabei setze ich voraus, dass diese Publikation erst nach dem Abdruck Ihrer Abhdlg [Abhandlung] im „Archiv“ erscheinen wird. Das heißt also etwa nicht früher als Ende August, zu welchem Zeitpunkt wir das erste Heft des 58. Bandes herausbringen wollen.* Mit verbindlichster Empfehlung bin ich Ihr sehr ergebener ELederer. * Ferner werden Sie ja so freundlich sein, zu vermerken, dass die Abhdlg im „Archiv“ publiziert wurde. Außer wenn Sie den Text umformen sollen.
206 Alexander von Schelting (1894–1963) promovierte 1922 in Heidelberg über Max Weber und war dann Mitherausgeber des ASwSp. Er habilitierte sich 1933 in Heidelberg und emigrierte in die USA, lehrte an der Columbia University in New York und ging später in die Schweiz. 207 Der Brief vom 9. Juni 1927 die „Sonderveröffentlichung“ betreffend fehlt. 208 Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, in: Probleme der Demokratie. Hrsg. von Arnold Wolfers, Berlin 1928, S. 1–34.
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Im Verlagsarchiv von Mohr-Siebeck (Berlin) sind zwei redaktionelle Briefe Schmitts erhalten, die schon der besonderen Bedeutung des Begriffs des Politischen wegen hier angefügt seien. Die Begriffsschrift erschien Mitte September. a. Handschriftlich mit gedr. Briefkopf: Dr. Carl Schmitt / o. Ö. Professor der Rechte / an der Universität Bonn / Godesberg-Friesdorf / Bonner Str. 211; Handschriftliches Datum: 3 / 7 [19]27. Sehr geehrter Herr! Die Redaktion des Archivs für Sozialwissenschaft teilt mir mit, daß mein Aufsatz „Der Begriff des Politischen“ Ende August, in dem 1. Heft des 58. Bandes erscheint. Sollte es noch möglich sein, daß ich wenige kleine Korrekturen anbringe, ohne daß dadurch eine Verzögerung oder Störung entsteht, so möchte ich Sie bitten, mir die Druckbogen zuzuschicken und mir mitzuteilen, bis wann ich sie zurückschicken muß, damit ich mich darauf einrichte. In vorzüglicher Hochachtung ergebenst Prof. Schmitt b. Handschriftlich mit gedr. Briefkopf; Datum: 19 / 7 27. Sehr verehrter Herr Doktor!209 Auf Ihre Karte vom 16. Juli habe ich die Fahnenkorrektur meines Aufsatzes „Der Begriff des Politischen“ zurückgefordert. Ich danke Ihnen bestens, daß Sie mir die Möglichkeit geben, wenige Anmerkungen, die für den Aufsatz von Wert sind, sowie einige kleine Korrekturen noch anzubringen. Ich bleibe in vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener Carl Schmitt
4. Maschine mit handsr. Unterschrift; RW 265-8667; Briefkopf Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik / Schriftführender Herausgeber: Prof. Dr. Emil Lederer / Berlin NW 87, den / Brückenallee 36 Herrn Professor Carl Schmitt Berlin NW 87, Flotowstr. 5
15.4.32
Sehr verehrter Herr Kollege! Schon lange habe ich die Absicht, wieder einmal vom Archiv aus bei Ihnen anzufragen. Ihre leider sehr seltenen Beiträge210 haben bei unseren Lesern 209 Gemeint
ist vielleicht Alexander von Schelting.
IV. Lederer – Schmitt 1926–193283
so lebhaftes Interesse gefunden, dass wir wünschen würden, wieder bald einmal eine Abhandlung aus Ihrer Feder zu erhalten. Wie Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen sein dürfte, haben wir das Archiv auf monatliches Erscheinen umgestellt, was uns die Möglichkeit bietet, aktuelleren oder sonst wichtigen Beiträgen sehr rasch Raum zu geben. Wenn ich mir einen Vorschlag gestatten darf, so wäre es z. B. von höchstem Interesse für uns, von Ihnen einen Beitrag etwa über die Wandlungen im Begriff und in der Funktion der Notverordnungen zu erhalten, die sich ja doch offenbar seit fast 2 Jahren in ihrem Wesen vollkommen geändert haben. Dies gilt aber vielleicht ähnlich auch für England,211 wo die weitestgehenden Entscheidungen besonders wirtschaftspolitischer Art von kleinen Kommitees getroffen werden. Die Stütze einer Autorisierung durch das Parlament ist schliesslich auch in Deutschland bisher wenigstens noch immer vorhanden gewesen. Vielleicht liegt Ihnen aber ein anderes Thema näher? In diesem Falle würden wir für eine kurze Mitteilung dankbar sein. Ihrer freundlichen Nachricht entgegensehend bin ich Ihr ergebenster ELederer. 5. Maschine mit handschr. Unterschrift; RW 265-8668; Briefkopf Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik / Schriftführender Herausgeber: Prof. Dr. Emil Lederer / Berlin NW 87, den / Brückenallee 36 Herrn Professor Dr. Carl Schmitt Berlin NW 87, Flotowstr. 5
2.6.32.
Sehr verehrter Herr Kollege! Es tut mir sehr leid, dass Sie z. Zt. nicht in der Lage sind,212 den von uns angeregten Beitrag fürs Archiv zu übernehmen. Es bedarf wohl keiner be210 Schmitt publizierte insgesamt drei Texte im ASwSp: die Auseinandersetzungen mit Thoma und Meinecke sowie den Begriff des Politischen. 211 Eine vergleichende Studie zur Notverordnungspraxis publizierte Schmitt erst später: Carl Schmitt, Vergleichender Überblick über die neueste Entwicklung des Problems der gesetzgeberischen Ermächtigungen (Legislative Delegationen), in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 6, 1936, S. 252–268; Wiederabdruck in ders., Positionen und Begriffe, Hamburg 1940, S. 214–229. 212 Schmitts betreffende „Nachricht“ fehlt.
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sonderen Betonung, dass uns ein Beitrag aus Ihrer Feder, zumal über das von uns erwähnte Problem, auch später sehr willkommen sein wird. Mit verbindlichster Empfehlung Ihr ELederer.
6. Maschinenschriftlich mit Unterschrift; RW 265-8669; Briefkopf Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik / Schriftführender Herausgeber: Prof. Dr. Emil Lederer / Berlin NW 87, den / Brückenallee 36 24.6.32. Herrn Professor Carl Schmitt Berlin NW 87, Flotowstr. 7 Sehr verehrter Herr Kollege, entschuldigen Sie bitte, wenn ich erst jetzt Ihre freundlichen Zeilen vom 10. d. M.213 mit verbindlichstem Dank bestätige. Die Abhandlung von Herrn Dr. Strauss,214 die auch mir das Problem ganz grundsätzlich und entscheidend zu behandeln scheint, werden wir gern im Archiv publizieren. Wir haben allerdings eine gewisse Bindung dahingehend eingegangen, dass wir Besprechungen ohne jede Fühlung mit Autor und Verlag vergeben müssen, aber in diesem Falle liegt natürlich eine wohlbegründete Ausnahme vor, die uns berechtigt, von Ihrem freundlichen Hinweis Nutzen zu ziehen.215 Ich darf mit der Bestätigung Ihres Briefes die Bitte verbinden, die uns neulich216 allgemein gemachte Zusage, uns einmal einen Beitrag (vielleicht über den Funktionswandel der Notverordnungen) zu geben, in Ihrem Arbeitsprogramm zu berücksichtigen. Endlich möchte ich um die Adresse von Herrn Dr. Strauss bitten, dessen Manuskript ich gleichzeitig in Satz gebe und dessen Veröffentlichung wir für das nächste Heft voranzeigen. 213 Fehlt.
214 Leo Strauss, Anmerkungen zu Carl Schmitts ‚Der Begriff des Politischen‘, in: ASwSp 57, 1932, S. 732–749. 215 Satz von Schmitt am Rand mit Rotstift hervorgehoben. 216 Vielleicht in der Antwort auf den Brief vom 15. April 1932.
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Mit verbindlichsten Empfehlungen Ihr ELederer. Schmitt antwortete auf Lederers Anfrage vom 15. April 1932 vor dem 2. Juni ablehnend und vermittelte dann mit Schreiben vom 10. Juni die Anmerkungen zu Carl Schmitts ‚Der Begriff des Politischen‘ von Leo Strauss. Lederers Wort von der „wohlbegründeten Ausnahme“ bezieht sich vermutlich auf Schmitts Schreiben und rechtfertigt sich schon durch die vorgängige Anfrage. Laut Tagebuch (TB 1930–1934, S. 149; vgl. Schmittiana NF II, 2014, S. 170–176) stellte sich Strauss mit seinen Hobbes-Studien und der „Bitte um eine Empfehlung für Rockefeller oder eine andere Stiftung“ am 27. November 1931 bei Schmitt vor. Am 25. Januar 1932 bittet er bei einem weiteren Treffen erneut um „eine Empfehlung für die RockefellerStiftung“ (TB 1930–1934, S. 171), die ein Berliner Büro hatte. Ein Anruf vom 29. Februar erfolgte vermutlich auch in dieser Angelegenheit und am 13. März kann Strauss brieflich bereits für die gutachterliche Unterstützung danken. Die Korrespondenz mit Lederer erlaubt nun eine genauere Datierung des Publikationsprozesses (nicht: der Niederschrift) der Anmerkungen. Am 2. Juni bedauert Lederer die Absage Schmitts auf die Anfrage vom 15. April. Am 4. Juni wird Schmitt dann aber von Strauss „angerufen“ (TB 1930–1934, S. 195) und am 7. Juni abends besucht. Vermutlich überreicht Strauss damals die Anmerkungen, die Schmitt demnach in den folgenden Tagen las. Für den 9. Juni notiert Schmitt ein Gespräch mit dem Historiker Walter Elze „über den Begriff des Politischen“ (TB 1930–1934, S. 195). Es ist gut möglich, dass er zuvor am Nachmittag die Anmerkungen las. Am 10. Juni empfiehlt er Lederer dann die Publikation. Am gleichen Tag schreibt Schmitt an Feuchtwanger: „Über den Begriff des Politischen sind inzwischen etwa hundert Besprechungen erschienen, aus denen ich aber wenig gelernt habe. Von Interesse ist nur, dass Herr Dr. Leo Strauss, der Verfasser eines Buches über Spinoza, einen sehr guten Aufsatz darüber geschrieben hat, sehr kritisch natürlich, den ich in Lederers Archiv für Sozialwissenschaft unterzubringen hoffe.“ (LFCS, S. 377) Nach Lederers Zusage ruft Strauss am 4. Juli dann noch einmal an (TB 1930–1934, S. 200), vermutlich, um vom Stand der Drucklegung zu berichten. Am 4. September 1932 sind die Anmerkungen dann bereits erschienen und Strauss schreibt Schmitt mit brieflichen Ergänzungen und legt dem Brief evtl. den im Nachlass (RW 265-28422) erhaltenen und gewidmeten SD bei. Es ist nicht ausgeschlossen, aber auch nicht belegt, dass Schmitt eine ähnliche Vermittlung für die Besprechungsabhandlung von Legalität und Legitimität durch Otto Kirchheimer / Nathan Leites217 vornahm. Ins Tagebuch notierte er jedenfalls am 5. November 1932: „etwas gelesen, Kirchheimer-Aufsatz“ (TB 1930–1934, 231). Im Januarheft 1933 erschien diese Abhandlung noch im ASwSp, das dann eingestellt wurde.
217 Otto Kirchheimer / Nathan Leites, Bemerkungen zu Carl Schmitts Legalität und Legitimität, in: ASwSp 68 (1932 / 33), 457–487.
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V. „Ich möchte an sich sehr gern mit Ihnen zusammen arbeiten“. Carl Schmitt – Gottfried Salomon 1919(?)–1932 Gottfried Salomon wurde 1892 in Frankfurt geboren und verstarb dort 1964. Er promovierte in Straßburg bei Georg Simmel,218 arbeitete mit Martin Buber zusammen, trat mit Franz Oppenheimer (1864–1943) in näheren Kontakt und habilitierte sich 1921 in Frankfurt im Fach Soziologie. Salomon gab in den 20er Jahren u. a. Werke von Proudhon, Saint-Simon und Lorenz von Stein heraus und war ein Kenner des Frühsozialismus;219 er edierte auch Georges Sorel und René Worms. Salomon war ein bedeutender Vermittler, arbeitete die Geschichte der „organizistischen Soziologie“ in ihrer französischen und deutschen Linie systematisch und detailliert auf und übersetzte sie in Studien zur vergleichenden Nationsforschung. Das alles interessierte Schmitt.220 1925 wurde Salomon Extraordinarius. Er setzte sich damals, nach Adornos Erinnerung, „für [Walter] Benjamins Habilitation im Rahmen seiner Ohnmacht“221 ein. Salomon ging dann für ein Jahr nach Frankreich und organisierte später die Davoser Hochschulkurse,222 ein „Experiment neuer Formen akademischen Lebens“ und einer „Freien Hochschulgemeinde“ mit dem Ziel persönlicher „Bekanntschaft und Kenntnisnahme“223 und europäischer „Verständigung“,224 an dem Schmitt auf der ersten Tagung von 1928 teilnahm. Sowohl Salomons Jahrbuch der Soziologie als auch die Davoser Hochschulkurse machten sich die Internationalisierung und europäische Verständigung zum Programm. Seit 1928 war Salomon 218 Gottfried Salomon, Beitrag zur Problematik von Mystik und Glaube, Diss. phil. Straßburg 1916. 219 Dazu vgl. Gottfried Salomon (Hrsg.), Saint-Simon und der Sozialismus, Berlin 1919; ders., Proudhon und der Sozialismus, Berlin 1920; Das Mittelalter als Ideal der Romantik, 1922; Pierre-Joseph Proudhon, Bekenntnisse eines Revolutionärs, Berlin 1923; Begriff der Gesellschaft in der deutschen Sozialphilosophie, Karlsruhe 1926; René Worms, Die Soziologie, Karlsruhe 1926; Georges Sorel, Über die Gewalt, Innsbruck 1928. 220 Für Schmitts eigene Sicht der Entwicklung der „organischen Staatslehre“ vgl. Carl Schmitt, Hugo Preuss. Sein Staatsbegriff und seine Stellung in der deutschen Staatslehre, Tübingen 1930, bes. S. 10 ff. 221 Adorno am 18. Mai 1960 an Scholem, in: Theodor W. Adorno / Gershom Scholem, Briefwechsel 1939–1969. Hrsg. von Asaf Angermann, Berlin 2015, S. 213. 222 Kongressort war das Grand Hotel Curhaus in Davos. Fast 50 Dozenten hielten Vorträge. Das Publikum bestand aus internationalen Studenten und der Davoser Bürgerschaft, die die Tagung vollständig finanzierte. Vor allem die 2. Hochschulkurse von 1929 sind durch die Heidegger-Cassirer-Kontroverse legendär. 223 Gottfried Salomon, Eröffnungsansprache, Abdruck in: Davoser Hochschulkurse 13. März bis 14. April. Die Eröffnung, in: Davoser Revue 3, 1928, Nr. 7 vom 15. April, S. 5–33, hier: S. 6–9; dazu vgl. Gustav Radbruch, Davoser Hochschulkurse, ebd., S. 32–33. 224 So Salomon im Bericht zur letzten Tagung von 1930: Davoser Hochschulkurse 1930, in: Kantstudien 35, 1930, S. 564–567, hier: S. 567, 564; 1931 sollte noch eine Tagung zu „Fragen der Erziehung und Bildung“ stattfinden, die aber an der Finanzierung scheiterte.
V. Carl Schmitt – Gottfried Salomon 1919(?)–193287
dann ein Mitarbeiter von Karl Mannheim in Frankfurt. 1933 verlor er seine Venia und emigrierte nach Frankreich, später in die USA, wo er an verschiedenen Hochschulen lehrte, bis er 1958 als Ordinarius nach Frankfurt zurückkehrte. Er starb 1964. Sein Nachlass befindet sich im Internationaal Instituut vor Sociale Geschiedenis Amsterdam. Schmitt lernte Salomon schon früh in der Münchner Zeit, sicher vor dem Herbst 1921 kennen. Eine erste Erwähnung im Tagebuch stammt wohl vom Juli 1922.225 Engen Kontakt mit Salomon gab es 1928 auf den Davoser Hochschulkursen. Volle zwei Wochen war er dort, ab dem 1. April über Ostern im Kurhotel u. a. mit Salomon zusammen. Damals wechselte er gerade an die Berliner Handelshochschule. Wenige Tage zuvor schrieb er an Ludwig Feuchtwanger: „Auf Davos bin ich neugierig; nach den bisherigen Nachrichten226 soll es außerordentlich interessant sein. Erinnern Sie sich noch an Dr. Gottfried Salomon (der die Sache in Davos arrangiert). Ich habe ihn in München durch Franz Blei kennen gelernt.“ (LFCS, S. 263). Schmitt sprach in Davos über Moderne Verfassungslehre. Sein Vortrag war, der hier im Anhang abgedruckten Dispositionsskizze und einer Inhaltsskizze folgend, nicht identisch mit dem kurz zuvor gehaltenen Vortrag Der bürgerliche Rechtsstaat,227 sondern scheint bereits die neue Frage nach den Grenzen der Verfassungsjustiz und dem Hüter der Verfassung anzugehen. Damit gab Schmitt vorab seine Antwort zum Thema „Wesen und Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit“, das wenige Tage später auf der von Kelsen veranstalteten Tagung der Staatsrechtslehrervereinigung verhandelt wurde. Schmitt fuhr damals nicht nach Wien. Ein Bericht in der Davoser Revue vom April 1928 beschreibt den Ablauf der Davoser Kurse detailliert: Von den neuen Kollegen der Berliner Handelshochschule nahmen wenigstens Arthur Liebert und Moritz Bonn teil. Als Juristen waren neben Schmitt u. a. Albrecht Mendelssohn Bartholdy, Gustav Radbruch sowie die Frankfurter Hans Lewald und Karl Strupp anwesend. In Davos sprach Schmitt wiederholt mit Salomon: „Nachmittags sehr nett mit [Carl] Brinkmann und Salomon“, notierte er am 5. April beispielsweise ins Tagebuch; dessen Vortrag aber fand er „schlecht“ (TB, 10.4.1928). Salomon hielt „zwei Vorträge über ‚politische Soziologie‘ und ‚Theorie der Macht und die Demokratie‘ “.228 „Der nette Salomon“, notierte er später zu einem Wiedersehen während einer Sitzung der Soziologischen Gesellschaft und traf ihn am 16. Mai 1931 auch abends allein in einem „ungarischen Restaurant, wartete auf Gottfried Salomon, der mir sehr gut gefiel (seine Abneigung gegen Smend), tranken teuren Tokajer, der gut war, bis ½ 1 dagesessen, schön geplaudert“ (TB 1930–1934, S. 110). Damals tritt Schmitt auch in regelmäßigen Kontakt mit Salomons Schüler Heinz Otto Ziegler 225 TB 1921–1924, S. 115; der Kommentar verweist auf Albert Salomon, aber die selbstverständliche Erwähnung deutet eher auf Gottfried Salomon hin. Albert Salomon kannte Schmitt nur ganz flüchtig. 226 Albert Einstein eröffnete die Hochschulkurse am 18. März mit einem Festvortrag. 227 Carl Schmitt, Der bürgerliche Rechtsstaat, in: Die Schildgenossen 8, 1928, S. 127–133, komment. Wiederabdr. in: ders., Staat, Großraum, Nomos, Berlin 1995, S. 44–50. 228 Bericht: Davoser Hochschulkurse 13. März bis 14. April. Die Eröffnung, in: Davoser Revue 3, 1928, Nr. 7 vom 15. April, S. 5–33, hier: S. 29.
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(1903–1944), der eine bedeutende Monographie über Die moderne Nation publizierte und dessen Broschüre Autoritärer oder totaler Staat Schmitt mit inspirierte. Schmitt nimmt Ziegler bald als „sehr jüdisch“ wahr, trifft ihn aber nach dem 30. Januar 1933 noch und berät ihn auch bezüglich seiner Lage im Nationalsozialismus.229 Ziegler verstirbt 1944 als Pilot der Royal Air Force. Salomon emigrierte 1933 nach Paris und 1941 in die USA. In die Pariser Zeit fällt sein Schmitt-Portrait von 1938 im Emigrationsbeitrag Staatsrecht in Deutschland;230 es gehört mit seiner intimen Version des Romantikverdikts in die Reihe der scharfen Abrechnungen vertriebener Weggefährten (Blei, Bonn, Salin, Gurian, Niekisch). Von Löwiths bekannter Version – gerade Löwith stand nicht in Verbindung mit Schmitt – unterscheidet Salomons Abrechnung die persönliche Nähe und der späte Zeitpunkt nach Schmitts „Fall“. Wie Blei231 und Gurian bezweifelt Salomon, dass Schmitt seinen eigenen nationalsozialistischen Phrasen glaubte.
1. [RW 265-12002; Ansichtspostkarte Gasthof zur Post / Inning am Ammersee; Stempel unleserlich]232 Herrn Dr. C. Schmitt München Schraudolphstr. 5 Sehr verehrter Herr Doktor. Ich musste leider schleunigst abreisen. Verabreden Sie bitte für Dienstag Nachmittag oder Abend, ich komme um 4 Uhr bei Ihnen vorbei. 229 Heinz O. Ziegler (1903–1944), 1927 PD für Soziologie in Frankfurt: Die moderne Nation. Ein Beitrag zur politischen Soziologie, Tübingen 1931; Autoritärer oder totaler Staat, Tübingen 1932; Schmitt trat mit Ziegler 1931 in Verbindung. Ein Antwortbrief Zieglers vom 19. Oktober 1931 (RW 265-18542) ist erhalten, der für ein Schreiben Schmitts dankt und ein Treffen für den „26. oder 27. Oktober“ vorschlägt. Schmitts Tagebuch verzeichnet eine erste Begegnung dann am 28. Oktober 1931 auf der Tagung der Staatsrechtslehrervereinigung in Halle; Schmitt erwähnt positive Gespräche über die Alternative „autoritärer oder totaler Staat“ (17.12.1931 und 25.2.1932), findet die Broschüre (29.4.1932) aber nicht „nachhaltig“, macht sich dann Duschkas Bezeichnung von Ziegler als „ ‚Salonjüdchen‘ “ zu eigen (19.10.1932) und findet ihn nun „sehr jüdisch“ (12.12.1932). Vom Treffen am 7. Februar 1933 notiert er, dass Ziegler „von Frankfurt nach Prag“ in seine Geburtstadt zurück will. Schmitt berät ihn am 7. März 1933 noch „über seine Möglichkeit, die Vorlesung Staatslehre zu halten“. Ziegler emigrierte dann zunächst nach Prag. 230 Gottfried Salomon, Staatsrecht in Deutschland, in: E. J. Gumbel (Hrsg.), Freie Wissenschaft. Ein Sammelbuch aus der deutschen Emigration, Strasbourg 1938, S. 174–189. 231 Abschließend: Franz Blei, Carl Schmitt, in: ders., Zeitgenössische Bildnisse, Amsterdam 1940, S. 21–29. 232 Die Karte ist nicht datiert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie schon vor dem Herbst 1919 geschrieben wurde, weil Schmitt hier nicht als Dozent oder Professor der Münchner Handelshochschule angeschrieben ist. Salomon lebte damals in München.
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Sehr erg. Ihr Gottfr. Salomon.
2. [1042 / 1; Handschriftl. Postkarte gestemp. 23.4.1923; Abs. Schmitt / Bonn a. Rh. / Endenicher Allee 20] Herrn Prof. Dr. Gottfried Salomon Frankfurt a. M. Sophienstr. 42 Sehr verehrter Herr Salomon, bei meiner Rückkehr nach Bonn fand ich den Sonderabdruck Ihres Aufsatzes aus der Oppenheimer Festschrift.233 Vielen Dank! Das Thema und die Art der Behandlung hat mich im höchsten Maße interessiert. Auf Ihr Werk bin ich außerordentlich begierig. Beste Grüße Ihres ergebenen Carl Schmitt 23.4.1924
3. [1042 / 2; Maschinenschriftl.Durchschlag] Frankfurt a. M., den 19. Mai 1924. Sophienstrasse 42. Sehr verehrter Herr Professor! Ich danke Ihnen bestens für die freundliche Aufnahme meines Festschriftartikels. Darf ich mich heute mit der Bitte an Sie wenden, an einem Soziologischen Jahrbuch234 mitzuarbeiten? Unter zugesicherter Mitarbeit der Italiener (CROCE, NICEFORO, MOSCA u. a.), der Franzosen (LEVY- BRUEHL, GIDE, BOUGLE u. a.), von Angelsachsen (SMALL und ROSS) soll ein internationales Jahrbuch mit Archiv und Bibliographie erscheinen, das erstens eine Übersicht über die Entwicklung der Sozialwissenschaften in den verschiedenen Ländern und zweitens aktuelle Probleme und Bezie233 Gottfried Salomon, Geschichte als Ideologie, in: Wirtschaft und Gesellschaft. Beiträge zur Oekonomik und Soziologie der Gegenwart. Festschrift für Franz Oppenheimer, Frankfurt 1924, S. 427–484. 234 Jahrbuch für Soziologie. Eine internationale Sammlung, Bd. 1–3, 1925–1927; von den genannten Autoren haben Beiträge in einem der Jahrbücher geliefert: C. Brinkmann, C. Bouglé, Alfred Vierkandt, Karl Haff, Edward A. Ross.
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hungen zwischen den verschiedenen Sozialwissenschaften bringt; z. B. wird LORIA über die Entwicklung der italienischen Sozialwissenschaft schreiben, oder VIERKANDT über die Beziehungen zwischen Psychologie und Soziologie schreiben. Von BRINKMANN und HAFF habe ich Zusagen und ich glaube, auch von Ihnen einen rechtsphilosophischen Beitrag erwarten zu dürfen. Die Beiträge müssten bis Ende dieses Jahres in meiner Hand sein. Mit bestem Dank für Ihren zunächst prinzipiellen Bescheid bin ich Ihr ergebener
4. [1042 / 3; Handschriftl. Postkarte Abs. Prof. Schmitt / Endenicher Allee 20 / Bonn a. Rh.] Herrn Dr. Gottfried Salomon Frankfurt a. M. Sophienstr. 42 Bonn, den 24. Mai 1924. Sehr verehrter Herr Dr. Salomon, ich möchte heute, Ihrem Wunsch entsprechend, nur mein prinzipielles Einverständnis zu den Vorschlägen Ihres Briefes vom 19. Mai erklären, unter der Voraussetzung, daß es sich um staatssoziologische (nicht nur rechts = im Gegensatz zu staatssoziologischen) Themen handelt. Besten Dank für Ihren freundlichen Brief. Ihr ergebener Carl Schmitt.
5. [1042 / 5; Handschrift] Bonn, den 27. Juni 1924 Endenicher Allee 20 Sehr verehrter Herr Dr. Salomon! Ich danke Ihnen bestens für Ihr freundliches Schreiben vom 25. Juni.235 Leider muß ich aber nunmehr meine Zusage zurücknehmen. Es tut mir 235 Das Schreiben vom 25. Juni fehlt. Der Verweis auf Kaufmann deutet aber da rauf hin, dass Salomon Schmitts Bedingung vom 24. Mai brieflich nicht garantierte.
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aufrichtig leid, denn ich möchte an sich sehr gern mit Ihnen zusammen arbeiten. Wollen Sie daher bitte meine etwas voreilig gegebene Erklärung entschuldigen. Prof. Kaufmann236 wäre zweifellos sehr geeignet, eine rechtssoziologische Untersuchung zu liefern, ich wüsste eigentlich unter den Juristen Deutschlands kaum einen bessern. Aber er ist seit fast 2 Jahren ganz in Anspruch genommen von praktischen Arbeiten, deutscher Regierungsvertreter bei auswärtigen Verhandlungen, und daher ist von ihm wohl kaum eine Mitarbeit zu erwarten. Seit 5 Semestern ist er von Bonn beurlaubt. Mit den besten Grüßen Ihr sehr ergebener Carl Schmitt.
6. [RW 579-00305; maschinenschriftl. mit handschriftl. Unterschrift; Briefkopf: Jahrbuch für Soziologie. Bibliothek der Soziologie und Sozialpolitik. Herausgeber: Dr. Gottfried Salomon / Verlag G. Braun Karlsruhe, Karlfriedrichstr. 14; im Nachlass Salomon erhalten 1042 / 4 als maschinenschriftl. Durchschlag] Frankfurt a. M., 18.5.25. Sehr verehrter Herr Kollege! Gestatten Sie mir Ihnen bestens für die Uebersendung Ihrer Flugschrift zum Rheinproblem237 zu danken, die mir als Auftakt der juristischen Untersuchung des Imperialismus sehr bedeutsam scheint. Unter den Büchern, die ich übersetzen lasse, erscheint in meiner Bibliothek:238 Commons: Legal foundation of Capitalism, die mehr das interne Problem der Trust-Gesetzgebung behandelt. Ihre Ergänzung in Bezug auf den Imperialismus hat eigent236 Erich Kaufmann (1880–1972), Staats- und Völkerrechtler, seit 1912 Prof., seit 1920 in Bonn, bald Wechsel nach Berlin und mit Schmitt persönlich verfeindet. 237 Carl Schmitt, Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik (Flugschriften zum Rheinproblem), Köln 1925; komment. Wiederabdr. in: ders., Frieden oder Pazifismus, S. 26–50. 238 In der Vorrede (1925, S. 3) zum ersten Jahrbuch prospektiert Salomon – wohl nach dem Vorbild von Worms’ „Bibliothèque Sociologique Internationale“ ‒ eine „Bibliothek der Soziologie und Sozialpolitik“, von der bereits einige autorisierte Übersetzungen „in Vorbereitung“ seien. Vielleicht erkundigte Schmitt sich damals nach Möglichkeiten einer Übersetzung der Rheinland-Broschüre etwa ins Französische. Die englische Übersetzung (durch Karl Rick) war damals die erste größere Übersetzung eines Buches von Schmitt überhaupt.
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lich bis jetzt nur Löwenstein239 versucht. Könnte ich anregen, dass Sie für das zweite Jahrbuch der Soziologie mir bis 1. Oktober einen Beitrag über Recht und Imperialismus geben. Jedenfalls bitte ich Sie hiermit um Ihre Mitarbeit, und werde mir gestatten, Ihnen das Anfang Juni erscheinende 1. Jahrbuch zu übersenden. Mit ergebenstem Gruss bin ich Ihr GottfSalomon
7. [RW 265-12004; Briefkopf: Archiv für Philosophie und Soziologie. He rausgegeben von Ludwig Stein. Mitherausgeber für die Abteilung Soziologie: Gottfried Salomon Prof. Dr. Gottfried Salomon / Frankfurt a / M. / Sophienstraße 42 / Fernsprecher Amt Maingau 5960] 17.6.1926 Sehr verehrter Herr Kollege! Ich habe mich sehr über Ihren „Hochland“Aufsatz240 gefreut, vor allem, weil ich Ihrer Hauptthese: Demokratie und Identitätsprinzip zustimme. In meinem Vorwort zu einem Buche von H. E. Barnes: Soziologie und Politik,241 das bei J. Wagner, Innsbruck hoffentlich bald erscheinen wird, will ich genau auf Ihre Arbeiten eingehen, da sie die einzigen in Betracht zu ziehenden sind, denn ich kann die Arbeiten von Bonn, Thoma und auch Alfred Weber242 nicht für sehr wesentlich ansehen. Bei Ihren Arbeiten fehlt mir nur der eigentlich soziologische Anschlag, merkwürdigerweise gehen Sie auf die französischen Werke von Bouglé, Duprat243 etc. nicht ein. Ich hoffe, durch Heranziehung der französischen Literatur einiges zu Ihren Ar239 Karl Löwenstein (1891–1973), damals bedeutender Anwalt in München, dort 1931 Habilitation, Emigration, nach 1945 Prof. in München. 240 Carl Schmitt, Der Gegensatz von Parlamentarismus und moderner Massendemokratie, in: Hochland 23 / 2, 1926, S. 257–270. 241 Harry Elmer Barnes, Soziologie und Staatstheorie. Eine Betrachtung über die soziologischen Grundlagen der Politik, Innsbruck 1927; in Salomons umfangreicher Einleitung findet sich keine Auseinandersetzung mit Schmitt. 242 Die bei Schmitt zitierten Moritz J. Bonn, Die Krisis der europäischen Demokratie, München 1925; Richard Thoma, Zur Ideologie des Parlamentarismus und der Diktatur, in: Archiv für Sozialwissenschaften 33, 1925, S. 212–217; Alfred Weber, Die Krise des modernen Staatsgedankens in Europa, Stuttgart 1925. 243 Célestin Bouglé (1870–1940), Guillaume-Léonce Duprat (1872–1956).
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beiten hinzusetzen zu können, ausserdem über das Identitätsprinzip etwas eingehender zu schreiben. Philosophisch beschäftigen mich in letzter Zeit Identität und Analogie am meisten und [es] wird als Ergänzung meines Vorworts zu Worms:244 Die organische Staats- und Gesellschaftslehre[,] im „Ethos“245 ein Aufsatz über Analogie erscheinen. Ich möchte ausserdem über den calvinistischen Charakter bestimmter Naturrechtsformen und über den Zusammenhang von Staatsraison und Naturrecht in Rousseau einiges vorbringen und hoffe, dass Sie über mein Vorwort zu Gumplowicz,246 Worms und Barnes, die einander ergänzen, vielleicht doch im Zusammenhang einmal schreiben können. Wie Sie aus der Aufschrift ersehen, habe ich provisorisch das alte Archiv247 übernommen und glaube, dass sich daraus vielleicht noch etwas machen lässt. Ich werde mir erlauben, Ihnen ein Heft zu übersenden, aus dem Sie ersehen können, worauf es mir ankommt. Ich will vor allem zur Kritik des deutschen Idealismus einiges beitragen, das natürlich nicht im ‚Logos‘ oder in den ‚Kantstudien‘248 erscheinen kann, und ich will mich auf den Zusammenhang von Philosophie und Soziologie beschränken und doch gegen das bloss methodologische Gerede angehen. Ich danke Ihnen sehr für Ihre Bereitwilligkeit, mir bei meinen Arbeiten über das Recht als Ideologie beizustehen, aber ich werde zu diesen Arbeiten (aus finanziellen Gründen) erst kommen, wenn ich Barnes, Jahrbuch III und eine kleine Schrift über den jungen Marx249 hinter mir habe. Mit Ihrer kritischen Auseinandersetzung in der Frage des Völkerbundes bin ich völlig einverstanden. Bei uns liegt die Sache daran, dass es seit Treitschke und 244 René Worms, Die Soziologie. Wesen, Inhalt und Beziehung zu anderen Wissenschaften. Mit einem Nachwort über die organische Staats- und Gesellschaftslehre von Gottfried Salomon, Karlsruhe 1926; Salomon publizierte in dieser Schrift ein Vorwort (S. V–VIII) sowie ein umfangreiches Nachwort (S. 111–141). Das Nachwort „Die organische Staats- und Gesellschaftslehre“ skizziert die Entwicklung des 19. Jahrhunderts von der „organischen Staatslehre“ zur „organischen Gesellschaftslehre“, die Salomon in ihrer französischen Linie durch „Positivismus, Organizismus und Solidarismus“ (S. 134 ff.) kennzeichnet. 245 Gottfried Salomon, Die Theorie des staatlichen oder gesellschaftlichen Organismus, in: Ethos. Vierteljahresschrift für Soziologie, Geschichts- und Kulturphilosophie 1, 1925 / 26, S. 637–643. 246 Ludwig Gumplowicz, Geschichte der Staatstheorien. Ausgewählte Werke Bd. I. Hrsg. von Gottfried Salomon, Innsbruck 1926, S. V–XXXV. 247 Das Archiv für systematische Philosophie und Soziologie wurde 1887 / 88 von dem Philosophen und Rabbiner Ludwig Stein (1859–1930) begründet und existiert als Archiv für Geschichte der Philosophie heute noch. 248 Etablierte philosophische Fachzeitschriften. 249 Nicht ermittelt.
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Holtzendorff250 keine Politik als Wissenschaft, überhaupt keine Staatswissenschaft, sondern nur eine Staatsrechtslehre gibt. Kaufmanns Kritik der neukantianischen Rechtsphilosophie251 müsste man Kelsen gegenüber fortführen und kritisch hat Nelson252 völlig recht, aber die Beschränkung auf die juristische Sphäre lässt uns aus dem Bannkreis nicht herauskommen. Ich hoffe, dass Bücher wie Nelson und Barnes und natürlich Gumplowicz uns in Deutschland etwas weiterbringen. Die neuen Arbeiten von Herrn Dr. Braubach und Herrn Dr. Eschweiler253 interessieren mich sehr, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn ich durch Sie mit den Herren in Verbindung treten könnte. Herr Dr. Braubach hat mir für das nächste Jahrbuch einen Beitrag versprochen, und Sie können sich denken, dass ich immer noch hoffe, von Ihnen die Zusage zu erhalten, bis 1. November d[iese]s. J[ahre]s. oder aber für das nächste Jahrbuch einen Beitrag zu haben. Eine Seminararbeit meines Schülers, Herrn Dr. H. Ziegler,254 über Demokratie und Nationalismus wird ihnen der Betreffende bei erster Gelegenheit zur Einsichtnahme vorlegen; eine Doktorarbeit von Herrn H.Weil255 über die Entstehung des deutschen Bildungsideals werde ich Ihnen auch sobald als möglich zugänglich machen. Die Sache Marr256 ist ja sehr merkwürdig, und ich bin Ihnen für Ihre Orientierung257 sehr dankbar. Genug für heute. Ich bin [mit] den besten Grüssen 250 Heinrich von Treitschke (1834–1896), Politik. Vorlesungen 1897 / 98, Bd. 1–2, Leipzig 1911–1913; Franz von Holtzendorff (1829–1889), Die Prinzipien der Politik, Berlin 1869. 251 Erich Kaufmann, Kritik der neukantianischen Rechtsphilosophie. Eine Betrachtung über die Beziehungen zwischen Philosophie und Rechtswissenschaft, Tübingen 1921. 252 Leonhard Nelson (1882–1927), Die Rechtswissenschaft ohne Recht, Leipzig 1917. 253 Bernhard Braubach (1892–1930), früher Bonner Schüler, im Tagebuch oft erwähnt, war mit Schmitt zum damaligen Zeitpunkt schon zerstritten. Der Theologe Karl Eschweiler (1886–1936) wurde zu einem engen Freund Schmitts und engagierte sich ab 1933 für den Nationalsozialismus (dazu vgl. Thomas Marschler, Karl Eschweiler (1886–1936). Theologische Erkenntnislehre und nationalsozialistische Ideologie, Regensburg 2011). 254 Heinz Otto Ziegler, vgl. Anm. 229. 255 Hans Weil, Die Entstehung des deutschen Bildungsprinzips, Bonn 1930; Weil dankt Salomon im Vorwort, reichte seine beachtliche Dissertation aber in Göttingen bei Hermann Nohl ein und datierte die Fertigstellung des Manuskripts auf 1927. 256 Heinz Marr (1876–1940), PD 1924 in Frankfurt. Dazu Rosenbaums Brief vom 10. Oktober 1925 und dessen kritische Besprechung Marrs (Wiederabdruck hier s. o., S. 43–44). 257 Vermutlich gab Schmitt diese „Orientierung“ in einem fehlenden Brief, der auch die „Bereitwilligkeit“ äußerte, der Arbeit „über das Recht als Ideologie beizustehen“.
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Ihr Sie sehr verehrender Gottfried Salomon 8. [1042 / 6] 19.7.26. Sehr verehrter Herr Kollege! Grade die Lektüre Ihrer „Kernfrage des Völkerbundes“258 veranlasst mich, Sie noch einmal um einen Beitrag für das nächste Soziologische Jahrbuch zu bitten. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie bis 1. November vielleicht für den 2. Teil des Jahrbuchs über das Nationalitätenproblem etwas für mich schreiben würden, denn ich lege besonderen Wert darauf, dass eben nicht nur ein Ethnologe wie v. Gennep oder der Sozialist F. Hertz und was das Material anbetrifft Maunier über die Berber, Ross über die Inder, Kosic über den Balkan zu Wort kommen.259 Dürfte ich Sie bitten, mir Ihren Bescheid baldmöglichst zukommen zu lassen. Ich verbleibe mit den besten Grüssen in aller Verehrung Ihr sehr ergebener 9. [1042 / 7; maschinenschriftlich mit Unterschrift; gedr. Briefkopf: Prof. Dr. Carl Schmitt / Bonn a Rh. / Endenicher Alle 20] den 26. Juli 1926. Sehr verehrter Herr Kollege, Besten Dank für die freundliche Zusendung der „Geschichte der Staatstheorien von Gumplowicz“.260 Ihre Einleitung hat mich besonders interessiert. 258 Carl Schmitt, Die Kernfrage des Völkerbundes, Berlin 1926; komment. Wiederabdr. in: ders., Frieden oder Pazifismus, S. 73–193. 259 Das dritte Jahrbuch von 1927 enthält tatsächlich solche Themen. Allerdings ist von den genannten Autoren nur René Maunier vertreten. Die eröffnende theoretische Einleitung lieferte Leopold von Wiese, Allgemeine Theorie der Gruppe, in: Jahrbuch für Soziologie 3, 1927, S. 1–21; im Vorwort zum dritten und letzten erschienenen Band kündigt Salomon noch einen Folgeband u. a. mit Beiträgen von Harms, Kelsen, Litt, Scheler, Sombart u. a. an. Salomon hatte mit seinem Jahrbuch also die üblichen Herausgeberprobleme nicht nur mit Schmitt erlitten. 260 Ludwig Gumplowicz, Geschichte der Staatstheorien. Ausgewählte Werke Bd. I. Hrsg. von Gottfried Salomon, Innsbruck 1926, S. V–XXXV; Gumplowicz (1838– 1909), polnisch-jüdischer Herkunft, lehrte lange in Graz und konstatierte das „Recht
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Gumplowicz selbst ist in dieser Geschichte sehr ungleich,261 Hobbes hat er jedenfalls nicht verstanden. Damit will ich den Wert dieser ungeheuren Arbeitsleistung nicht herabsetzen. Ich verstehe allerdings nicht, warum gerade Sie mit Ihrem Sinn für klare Begriffe sich für Gumplowicz so einsetzen,262 daß man gelegentlich den Eindruck einer Identifizierung hat. Ich gebe Ihnen recht darin, dass das Werk von Gumplowicz weder veraltet noch überholt noch ersetzt ist. Es wird mir wohl nicht möglich sein, in diesen Monaten noch einen Aufsatz zu schreiben. Ende dieser Woche gehe ich auf Reisen, da ich in Bonn keine Wohnung finde. Mit den besten Grüssen in aufrichtiger Verehrung stets Ihr Carl Schmitt.
10. [RW 265-12003; handschriftl. Postkarte gestemp. Frankfurt 14.7.27 mit Briefkopf u. a. Jahrbuch für Soziologie] Herrn Prof. Carl Schmitt Bonn Universität Sehr verehrter Herr Kollege. Ich gestatte mir Ihnen für die Übersendung Ihrer Schrift263 vorläufig nur herzlichst zu danken und wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir ein paar kritische Worte über meine Marx-Arbeit264 schreiben wollten. Es dürfte Sie interessieren, dass ich im S.Sem.265 wieder eine Ihrer Schriften meinem der Nationalitäten“ und den „Rassenkampf“ gegen den Staat (Vielvölkerstaat Österreichs). Sein Werk ist bis heute umstritten. Salomon grenzt das Werk im Vorwort als „reinsten Typus naturalistischer Soziologie“ (S. XXXV) vom Sozialdarwinismus und den Rassetheorien nach Gobineau ab. Vgl. auch Salomons Vorwort zu L. Gumplowicz, Der Rassekampf. Werke Bd. III, Innsbruck 1926, S. XV–XXV. 261 Schmitt meint: qualitativ unausgewogen. 262 Salomon gab eine vierbändige Werkausgabe heraus. 263 Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 2. Aufl., München 1926. 264 Nicht ermittelt. 265 Salomon bot laut Vorlesungsverzeichnis der Universität Frankfurt damals im SS 1927 in der „Politik und Soziologie“ Veranstaltungen über „Die französische Soziologie“, „Nation, Nationalitätenprinzip, Nationalismus“ und „Karl Marx“ sowie
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Seminar über demokrat. u. antidemokratische Strömungen zu Grunde lege. / Bestens grüssend in aller Wertschätzung Ihr erg[ebener] G. Salomon
11. [1042 / 9] Frankfurt a / M., den 28. Dezember 1929. Sehr verehrter und lieber Herr Kollege, da ich zu Sitzungen am 4.–7. Januar in Berlin sein werde, würde ich mich ausserordentlich freuen, wieder einmal eine Stunde zu Ihnen kommen zu dürfen.266 Ich hätte mancherlei mit Ihnen zu besprechen, weil ich die Staatslehre für das Beamtenhandbuch267 in der ersten Hälfte des Jahren 1930 fertig stellen muss, und auch gerne über die Kritik Ihrer Bücher für das weltwirtschaftliche Archiv268 einiger Hinweise bedürfte. Ihren Vortrag in Barcelona269 finde ich glänzend. Neutralität ist das Wort für den Zwischenzustand zwischen Amerika und Russland. Aber Frankreich? Die leidige Angelegenheit hier270 ist provisorisch, solange ich noch nicht an einen anderen Ort weggelobt bin, infolge der Bemühungen weiter Kreise der Stadt so geregelt, dass ich einen Lehrauftrag für soziale und wirtschaftliche Frankreichkunde erhalte. Alles hat sich verschworen, mich in den neuen Stand des Schriftstellers zu versetzen. Mit den besten Neujahrwünschen bin ich in aller Verehrung Ihr Ihnen stets ergebener
Übungen zusammen mit Franz Oppenheimer „über den Begriff der Gesellschaft“ und „über Nation u. Nationalismus“ an. 266 Auch jenseits von Davos hat es demnach persönliche Treffen im Hause Schmitt gegeben. Schmitts Tagebuch verzeichnet in diesen Tagen aber keine Begegnung. 267 Die Beamten-Hochschule, Bd. 1–3, Berlin 1928–1931. 268 Dazu vgl. G. Salomon, Rezension von Carl Schmitt, Verfassungslehre, in: Weltwirtschaftliches Archiv 34, 1931, S. 288–291; ders., Rezension: Der Hüter der Verfassung, in: Weltwirtschaftliches Archiv 36, 1932, S. 252–256 – siehe S. 100–101 in diesem Band. 269 Carl Schmitt, Die europäische Kultur im Zwischenstadium der Neutralisierung, in: Europäische Revue 5 (1929), 517–530. 270 Stellenfrage Universität Frankfurt.
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12. [1041; Ansichtspostkarte: Konditorei Kranzler, Berlin] Herrn Professor Dr. Gottfried Salomon Frankfurt a. M. Schumannstr. 65 Lieber Herr Salomon, der Vortrag „Das Problem der innerpolitischen Neutralität des Staates“271 ist in den Mitteilungen der Industrie & Handelskammer zu Berlin, Heft 9 (10. Mai 1930) erschienen. Besten Dank für Ihre Grüße,272 die ich herzlich erwidere. Stets Ihr Carl Schmitt 10. Okt. 1930
13. [1042 / 10; handschriftl. Karte; gedruckter Namenszug: Professor Carl Schmitt] Sehr verehrter Herr Salomon, besten Dank für die Allgemeine Staatslehre,273 die ich heute erhielt und in der ich schon mit lebhaftestem Interesse gelesen habe. Aber zu einem total. Eindruck, oder gar einem total. Urteil ist die Fülle der Gedanken und des Materials natürlich viel zu groß; dazu wird es noch einiger Zeit bedürfen. Jedenfalls freue ich mich sehr, daß dieses Buch jetzt da ist und auch meine engeren Fachkollegen aus ihrer Sackgasse hinausdrängt. Ich gratuliere Ihnen herzlich und wünsche aufrichtig den besten Erfolg. Sehr schade, daß ich die Buchausgabe meines „Hüter der Verfassung“274 schon beendigt habe; sie erscheint dieser Tage bei Mohr, wird Ihnen (außer einem Kapitel „Die Wendung zum totalen Staat“) nicht viel Neues sagen; doch enthält eine (nicht nur „rein juristische“) Erörterung der heutigen Praxis des Art. 48 einen schönen Beleg zu meinen Thesen vom „Ausnahmezustand“, der das Wesen des Staates enthüllt. Das wird Ihnen, wie ich vermute, einiges intellektuelles Vergnügen machen, trotz Ihrer Stellungnahme S. 40 und 95 (welche beiden Stellen mir nicht ganz concise 271 Carl Schmitt, Das Problem der innenpolitischen Neutralität des Staates, in: Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer zu Berlin 28, 1930, S. 471–477. 272 Evtl. fehlender Brief. 273 Gottfried Salomon, Allgemeine Staatslehre, Berlin 1931; von Schmitt zitiert in: C. Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten, in: ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze, Berlin 1958, S. 198, Fn. 45. 274 Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung, Tübingen 1931.
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erscheinen).275 Aber diese Erörterung von Einzelheiten wird sich hoffentlich bald in einem Gespräch ergeben; heute nur diese kurze Empfangsbestätigung und der Ausdruck meines besten Dankes und Glückwunsches. Mit herzlichen Güßen stets Ihr Carl Schmitt. 19.3.[19]31
14. [Handschriftl. Ansichtspostkarte 23.5.1932 RW 265-12005]
Bad
Homburg / Schloss,
gestemp.
Herrn Prof. C. Schmitt Berlin NW Klopstockstr. 48 Sehr verehrter Herr Koll[ege]. Infolge einer längeren Erkrankung bin ich jetzt hier zur Kur. Ich möchte Sie aber gerne ½ Stunde persönlich sprechen und erbitte Ihre Nachricht[,] wann und wo ich Sie in F a / M treffen kann.276 Villa Weiland, Homburg (Tel. 2596) In alter Verehrung Ihr Gottfried Salomon
Anhang Gottfried Salomon über Carl Schmitt 1. Schmitts Davoser Vortragsdispositionen (RW 265-20109 Bd. II) Handschriftlich in Lang- und Kurzschrift auf die Rückseite des Davoser Programms geschrieben: Schmitt nimmt zunächst Bezug auf die Verfassungsgeschichte: 1) „kein Enthusiasmus“ für den Verfassungsgedanken wie 1776, 1789 oder „noch 1848“. Er konstatiert 2) dann „kein Begriff der Verfassung“ und erörtert 4) zuletzt „richterli275 Gottfried
Salomon, Allgemeine Staatslehre, Berlin 1931. Tagebuch fuhr Schmitt am 2. Juni 1932 nach Frankfurt und hielt dort mit „großem Erfolg“ in der Aula der Universität einen Vortrag über Legalität und Legitimität. Das TB verzeichnet die Anwesenheit u. a. von H. Heller und R. Michels, nicht aber Salomon. Auch unter den Begegnungen des nächsten Tages in Frankfurt ist Salomon in den etwas fragmentarischen Aufzeichnungen nicht identifiziert. Eine – vielleicht letzte – Frankfurter Begegnung in diesem Juni ist aber nicht unwahrscheinlich. 276 Laut
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ches Prüfungsrecht: (Hüter der Verfassung)“. Einen zweiten Vortrag, dessen Disposition nicht vollständig erhalten ist, hielt er evtl. über den „bürgerlichen Rechtsstaat“. Er erörterte dort den „Dualismus der Verfassung des bürgerlichen Rechtsstaats“: den politischen und rechtstaatlichen Bestandteil der Verfassung. 2. Aus: Davoser Revue vom 15. April 1928 „Die modernen Verfassungsprobleme wurden von Professor Karl Schmitt-Bonn besprochen. Er ging davon aus, daß die heutigen (modernen) Verfassungen nicht mehr in Einklang stünden mit den alten, aber mustergültigen Verfassungen von 1776 (U.S.A.), 1789 (Frankreich) und in starkem Maße abgebeugt wurden. Den Versuch, die Gesetzgebung auf ihre Verfassungsmäßigkeit durch die Rechtsprechung nachprüfen zu lassen, lehnte Schmitt ab und forderte als bestes Mittel gesunder Reform die Schaffung der echten Repräsentation des Staats-Volkes.“277 3. Aus: Über Politik als Wissenschaft, in: Wilhelm Arntz (Hrsg.), Aussenpolitische Studien. Festgabe für Otto Körner, Stuttgart 1930, S. 52–69, hier: S. 60 „Das spezifisch politische Denken, wie es Carl Schmitt erklärt hat, zeigt sich in Kampfsituationen. Freund und Feind erkennen sich in der Entgegensetzung und Gegenüberstellung auf demselben Felde, und darum erscheint mir der Kampf jeweilig nicht zwischen Fremden, sondern den jeweilig Nächsten, wie zwischen feindlichen Brüdern, vor sich zu gehen. Es kämpfen gewiß nicht private Gegner, sondern öffentliche Parteien. Diese Parteien stellen eine Mobilisierung ideeller und materieller Kräfte dar, im Hinblick auf die Machtverteilung. Darum sind auch nicht die sozialen Ideen, sondern die sozialen Antagonismen entscheidend für die Lagerung des politischen Feldes.“ 4. Rezension: Verfassungslehre, in: Weltwirtschaftliches Archiv 34, 1931, S. 288*– 291* „Das große Werk hebt sich aus der Masse der öffentlichrechtlichen Publikationen heraus. Es ist nicht die französisch anmutende Eleganz der Formulierung, sondern der politische Geist, der die leeren staatsrechtlichen Formen füllt, worauf der Erfolg von Schmitts Büchern zurückzuführen ist. Die Ausführungen über Identität und Repräsentation, die Abschnitte über Vertrag, Gesetz, Bürger, Menschenrecht haben in den ideengeschichtlichen Abrissen wie in den systematischen Analysen allgemeine Aufnahme gefunden. Die distanzierte Haltung des Wissenschaftlers und der kritische ‚esprit classiques‘, welcher die Staatsräson begründet hat, gestattet den Versuch einer Institutionenlehre, in der der politische Charakter der staatsrechtlichen oder vielmehr rechtsstaatlichen Doktrin enthüllt wird.“ (S. 288*) Salomon referiert Schmitts Verfassungslehre dann in Erwartung einer Verfassungssoziologie über die juristische Analyse hinaus. Deshalb vermisst er eine klarere Thematisierung des Zusammenhangs von – in Schmitts Terminologie – „absoluter“ und „positiver“ Verfassung. So schreibt er u. a.: „Es fehlt nun merkwürdigerweise in dieser Verfassungs277 Bericht in: Davoser Hochschulkurse 13. März bis 14. April. Die Eröffnung, in: Davoser Revue 3, 1928, Nummer 7 vom 15. April, S. 5–33, hier: S. 28 f.; die Inhaltsskizze von Salomons Vorträgen schließt direkt an. Die Inhaltsangabe entstand nach Notizen von „Herrn stud. rer. pol. Kurt Göbel, Frankfurt“.
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lehre die Erklärung, wie dieses bürgerliche Volk als Nation zum Träger der verfassunggebenden Gewalt legitimiert wird. Die Verbindung von Demokratie und Nation ist aber für die Staatlichkeit des neunzehnten Jahrhunderts maßgebend und der Nationalstaat die Norm. Die vorausgesetzte Homogenität Volk und die Annahme einer einheitlichen bürgerlichen Gesellschaft besteht in Wirklichkeit nicht; die meisten Staaten bestehen aus verschiedenen Nationen und die bürgerliche Gesellschaft aus verschiedenen Klassen.“ (289*) Salomon beschließt seine längere Darstellung mit den Worten: „Die Neubestimmung von Gesellschaft oder Volk sowie die Darstellung der potestas oder auctoritas erwarte ich mit Spannung in dem angekündigten neuen Werk [Der Hüter der Verfassung] von Schmitt, dessen Bücher, ohne alle Kritik gesagt, für den Juristen und Soziologen der willkommene Anlaß lebhafter Diskus sion und außerordentlich fördernder Anregung sind.“ (S. 291*). 5. Rezension: Der Hüter der Verfassung, in: Weltwirtschaftliches Archiv 36, 1932, S. 252*–256* Die längere Besprechung ist im Urteil verhaltener und deutet Distanz nur in differenzierenden Erläuterungen von Schmitts Stichworten an. Salomon spitzt die Darstellung abschließend auf die Polykratiediagnose zu: „Diese Polykratie in Verbindung mit dem Pluralismus ähnelt Zuständen eines mittelalterlichen Ständestaats, wobei die Verbindung und Trennung, Überschneidung und Querverbindung von Parteien und Bürokratien eben durchaus das Bild einer völligen Zersplitterung der politischen Einheit zeigt. In diesem Zustand erklärt Schmitt das Vorgehen der Regierung nach Art. 48 als Entwicklung vom militärisch-polizeilichen zum wirtschaftlich-finanziellen Ausnahmezustand. Er hat die Balancierung der parlamentarischen mit der plebiszitären Demokratie durch den Reichspräsidenten und evtl. Beamtenkabinetts, vor allem auch in der ‚staatsrechtlichen Bedeutung der Notverordnungen‘ richtig gesehen. Wenn er den Reichspräsidenten als Hüter der Verfassung anspricht, so hat er merkwürdigerweise die Lehre vom pouvoir oder der autorité neutre Constants herangezogen, also eine Lehre der konstitutionellen Monarchie. Wie er den Liberalismus überhaupt immer am Beispiel Frankreichs begreift, so hat er auch die liberale Politik und die Tradition der römischen Staatsstruktur Frankreichs benutzt, um den von dem ganzen deutschen Volke gewählten Präsidenten als Hüter der Verfassung eines als Einheit vorausgesetzten deutschen Volkes zu erklären. Nun ist aber die Idee des Hüters und damit Herrn der Verfassung wie im Ephorat gegen den inneren Feind, die Heloten, gedacht. Ein Gerichtshof kommt als Hüter wie in den Vereinigten Staaten nur in Betracht, wo die Gesellschafts- und Wirtschaftsstruktur nicht umstritten ist. Wenn die Verfassung nicht mehr gegen Übergriffe der Exekutive, sondern der Legislative geschützt werden soll, so ergibt sich eben die Vorstellung eines neuen Obrigkeitsstaates, welcher auf Militär und Bürokratie beruht. Da wirtschaftlicher und politischer Liberalismus nicht wesentlich zusammengehören, vielmehr durch das allgemeine Stimmrecht die freie Wettbewerbswirtschaft, sei es durch Schutzzoll oder Arbeiterschutz, eingeschränkt wird, so ergibt sich mit der zunehmenden Entfernung der Demokratie von dem Liberalismus besitzender und gebildeter Schichten der Absolutismus eines auf der Massenzustimmung beruhenden ‚stato armata‘, aber nicht eines ‚stato-partito‘ infolge des durchaus dem deutschen Volk entsprechenden Partikularismus.“ Mit diesen Schlusssätzen scheint Salomon andeuten zu wollen, dass Schmitt die diskriminierenden Konsequenzen seiner Konzeption im Hüter der Verfassung nicht offen und deutlich aussprach.
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6. Aus: Staatsrecht in Deutschland, in: E. J. Gumbel (Hrsg.), Freie Wissenschaft. Ein Sammelbuch aus der deutschen Emigration, Strasbourg 1938, S. 174–189, hier: S. 182 ff. Unter dem Untertitel „ ‚Sacrificio del intelletto‘ “ rechnet Salomon am Ende seines Artikels auf sechseinhalb Seiten mit Schmitt ab. Er beginnt: „Abgesehen von den jungen Arrivierten ist nur ein bedeutender Publizist für das neue Regime eingetreten: Carl Schmitt. Ist er auch Parteigänger und von Goerings Gnaden Staatsrat geworden, so stellt er doch keineswegs den Typus des ‚alten Kämpfers‘ dar. Er ist vielmehr zunächst als Vertreter eines militanten Katholizismus erschienen. Schon im Krieg, und dann nach dem Umsturz des preussisch-protestantischen Regimes, traten die katholischen Akademiker (in der Zeitschrift ‚Summa‘278 und im ‚Hochland‘) mit dem Anspruch auf Beteiligung an Macht und Amt hervor. Die ‚politische Romantik‘ (1919), Carl Schmitts erstes grosses Buch, erscheint mir kennzeichnend für seine Gesamthaltung bis heute. […] Die Bekehrung, die zwischen dem ‚Hüter der Verfassung‘, dem Artikel 48, der Notverordnungspraxis und dem plebiszitären Caesarismus liegt, ist zu verstehen aus seinem Dezisionismus.“ (S. 183 f.) „Dieses Situationsdenken, wie es in den ‚drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens‘ dargestellt wird, hat eine verzweifelte Aehnlichkeit mit dem Denken der politischen Romantik eines Gentz oder Adam Müller, die im Dienste Metternichs standen. Jede Politik beruht auf einem Glauben oder Glaubensersatz: Wenn Christus als jüdischer Heiland und der Papst als ‚etruskischer Medizinmann‘ erscheinen, so tritt ein Mensch an ihre Stelle, in dem sich der ‚homme moyen‘ wieder erkennt. Wie alle primitiven Menschen Gott und die Welt nach ihrem eigenen Bilde begreifen, so wird nun das Bild des Volkes angebetet mit dem Anspruch auf Rechtgläubigkeit. Carl Schmitt, der es besser wissen müsste, macht diese Ideolatrie und Mystifikation mit.“ (S. 184 f.) „Es kann im jüdischen Sinn gerecht genannt werden, dass gerade diejenigen, die je nach dem Bedürfnis auswechselbare Ansichten haben und, nach königlich preussischem Ausspruch, wie Huren zu kaufen sind, sich weder im Amt noch in der Würde erhalten können. Carl Schmitt hatte immer noch Reste von ‚Bildung‘ und selbst die Verleugnung alter Freunde hat ihm nichts genutzt. Die Deutsche Juristenzeitung ist im 41. Jahrgang zugunsten der Konkurrenz eingegangen, die Tagung der deutschen Rechtslehrer vom Oktober 1936 hat den Staatsrat Carl Schmitt nicht vor dem Schwarzen Corps gerechtfertigt. Man muss sich wirklich fragen, ob ein Mann wie Carl Schmitt selber glauben kann, was er sagt […] Wenn auch Carl Schmitt dem ‚Radauantisemitismus‘ verfällt, was kann man von den geistig armen Stellenanwärtern erwarten, welche die Nummer der Parteimitgliedschaft zu Amt und Würden berechtigt. Was in Deutschland sich als Wissenschaft des Rechts ausgibt, das ist wider besseres Wissen die Verleugnung aller Bildung, der griechisch-römischen wie der christlichen. Eine beschämende Armseligkeit, wenn nicht ein schmachvoller Verrat! Die Opportunisten sind bloss Lakaien. Die Romantiker aber, die sich als Machiavellisten fühlen, werden occasionell zu Falschspielern und verschwinden von der Bildfläche. Pereat mundus iuris prudentiae.“ (S. 188 f.)
278 Der Hinweis auf Franz Bleis esoterische Zeitschrift Summa, 1917 / 18 nur in vier Heften erschienen, bestätigt Schmitts Aussage gegenüber Feuchtwanger, dass er Salomon schon in der Münchener Zeit über Franz Blei kennenlernte.
VI. Ferdinand Tönnies – Carl Schmitt 1924–1930103
VI. „Es kann für mich keine größere Anerkennung geben“. Ferdinand Tönnies – Carl Schmitt 1924–1930279 Ferdinand Tönnies (1855–1936), einige Jahre älter noch als Max Weber, gehörte zu den Begründern der deutschen Soziologie. 1881 habilitierte er sich an der Universität Kiel, wurde dort aber erst 1909 Professor. 1913 wurde er Ordinarius für „wirtschaftliche Staatswissenschaften“, ließ sich aber 1916 auf eigenen Wunsch emeritieren. 1921 nahm er erneut einen Lehrauftrag an. Noch während Schmitts Bonner Zeit erhielt er 1927 eine Ehrenpromotion der Universität Bonn. 1930 trat er der SPD bei.280 Schmitt rezipiert den „Geheimrat“ nicht nur als Hobbes-Forscher. Die relativ knappe Korrespondenz scheint einigermaßen vollständig erhalten zu sein. Dabei fällt auf, dass die erhaltenen Briefe ganz auf das Verhältnis von Parlamentarismus, Liberalismus und Staatslehre konzentriert sind. Soziologische Fragen im engeren Sinne und auch Tönnies’ wegweisende Hobbes-Interpretation sind dagegen nicht thematisch. Tönnies referierte 1923 schon Schmitts Beitrag zur Weber-Erinnerungsgabe wohlwollend281 und führte 1927 dann in seiner Abhandlung Demokratie und Parlamentarismus eine der längsten, eindringlichsten und exponiertesten zeitgenössischen Auseinandersetzungen mit Schmitts Parlamentarismuskritik. Sie definierte das Terrain des Gesprächs. Ludwig Feuchtwanger, der Verleger und Freund, wirkte bei der Entstehung des Kontaktes katalytisch mit.282 Schmitt lotet in der Korrespondenz die Stellung zum Liberalismus aus. Mit den letzten Briefen von 1930 erfährt er, was er wissen will: Tönnies’ Stellung zu Gierke am Ende der liberalistischen Tradition. Diese Klärung gibt der schmalen Korrespondenz ihre Bedeutung. Schmitt betrachtet 279 Die Briefe von Schmitt an Tönnies befinden sich in dessen Nachlass in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek in Kiel Cb 54.56: 734.08; Tönnies’ Briefe an Schmitt befinden sich im Schmitt-Nachlass (Duisburg). Bei den schwierigen Transkriptionen der Tönnies-Briefe halfen Gerd Giesler, Rolf Rieß und Ewald Grothe. 280 Dazu vgl. Uwe Carstens, Ferdinand. Tönnies. Friese und Weltbürger. Eine Biographie, Bredstedt 2013. 281 Ferdinand Tönnies, Zur Soziologie des demokratischen Staates (1923), Wiederabdruck in: ders., Soziologische Studien und Kritiken. Zweite Sammlung, Jena 1926, S. 304–352, hier: S. 350 f. 282 Vielleicht gab die Erwähnung von 1923 den Anstoß, dass Schmitt sich in Absprache mit Feuchtwanger um Tönnies bemühte. Am 6. November 1923 schreibt er an Feuchtwanger (LFCS, S. 40): „Soll man Tönnies ein Exemplar [der Parlamentarismusschrift] schicken?“ Feuchtwanger veranlasst dann die Sendung (LFCS, S. 42: „Tönnies erhält 1 Exemplar“). Am 18. Dezember 1926 (LFCS, S. 197) teilt Schmitt mit, dass Tönnies in Schmollers Jahrbuch „schreiben“ wird und bittet am 26. Januar 1927 (LFCS, S. 200) um „ein paar Abzüge“. Feuchtwanger antwortet umgehend (LFCS, S. 201): „Von dem Tönnies-Aufsatz in Schmollers Jahrbuch schicken wir Ihnen 10 Sonderbezüge.“ Der Kontakt mit Tönnies kommt also mit Unterstützung des Verlages zustande und Schmitt bemüht sich um die Verbreitung von Tönnies’ Text.
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den Kathedersozialisten Tönnies als einen letzten Vertreter der älteren liberalen Tradition, in der Reihe der Gierke, Harnack, Meinecke oder Smend. In diesem Sinne ist seine förmlich übertriebene Formulierung vom September 1926 wohl ehrlich gemeint: „Es kann für mich keine größere Anerkennung geben, als daß eine Publikation Ihr Interesse findet.“ Während Schmitt in der privaten Korrespondenz nach der Stellung zum Liberalismus fragt, betont er in knappen Erwähnungen der Verfassungslehre mehr die Gemeinsamkeiten und betrachtet Tönnies mehr als Demokratietheoretiker. Respektvoll erwähnt er das „große Werk“ (VL, S. 68) Gemeinschaft und Gesellschaft und schreibt dann zum „Gegensatz liberaler und demokratischer Prinzipien“: „Heute dürfte die Verschiedenheit dieser Prinzipien anerkannt sein, darüber Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 1926, S. 21; F. Tönnies, Demokratie und Parlamentarismus, in Schmollers Jahrbuch, Bd. 51 (1927), S. 173 f.; derselbe auf dem Deutschen Soziologentag, 1926, S. 35: ‚Privateigentum und Gewaltenteilung sind liberale und nicht demokratische Prinzipien.‘ “ (VL, S. 201)283 Seine längste Bemerkung lautet (VL, S. 268): „Ein hervorragender Soziologe und Staatstheoretiker, F. Tönnies, hat den Vorschlag gemacht, daß auch die Reichsregierung (d. h. Reichskanzler und Reichsminister) unmittelbar vom Volk gewählt werde, Schmollers Jahrbuch 51 (1927), S. 185. Es ist die Frage, ob diese unmittelbare Wahl dem Gedanken der demokratischen Identität oder Gedanken einer Repräsentation zugute kommt. Wenn ich richtig verstehe, sucht er hier das demokratische Prinzip zu stärken.“ Das verbindende Hobbes-Thema fehlt im Briefwechsel überraschend,284 obgleich es in Tönnies’ Abhandlung Demokratie und Parlamentarismus anklingt und von Schmitt auch im Sonderdruck deutlich unterstrichen ist. 1925 schon schreibt Schmitt im Gutachten zur Hobbes-Dissertation seines Schülers Werner Becker, das „eigentlich Neue“ von Hobbes’ Staatsbegriffs liege darin, „dass der Sinn des Staats weniger im Recht als in der Entscheidung über das Recht enthalten ist. Auch das deutsche Hauptwerk über Hobbes, das bedeutende Buch von Tönnies,285 hat dieses ‚dezisionistische‘ Element im System des Hobbes nicht beachtet“.286 Diese rechtsphilosophische Debatte um Hobbes und den „Dezisionismus“ ist in der Korrespondenz nicht angesprochen. Schmitt tritt als Hobbes-Forscher auch eigentlich erst nach 1933 hervor. Sein Leviathan-Buch zitiert Tönnies wiederholt distanzierend,287 räumt aber ein „Versäumnis“ ein: „Tönnies hat darauf auf283 Ähnlich schon in Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, 1927, in: ders., Frieden oder Pazifismus?, Berlin 2005, S. 214 Fn. 17. 284 Allerdings besaß Schmitt eine frühe Hobbes-Abhandlung (F. Tönnies, Hobbes und das Zoon Politikon, in: Zeitschrift für Völkerrecht 12, 1923, S. 471–488) im Sonderdruck und ließ sie sich als eröffnenden Beitrag in eine Sammlung „Aufsätze über Hobbes“ (RW 265-22362) einbinden. 285 Gemeint ist: Ferdinand Tönnies, Hobbes. Leben und Lehre, Stuttgart 1896; Schmitt besaß nachweislich die 3.Auf. 1925. 286 Abdruck des ganzen Gutachtens in: Carl Schmitt / Rudolf Smend, Briefwechsel, 2. Aufl., Berlin 2012, S. 164 f. 287 So Carl Schmitt, Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes. Sinn und Fehlschlag eines politischen Symbols, Hamburg 1938, Neudruck Köln 1982, S. 35.
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merksam gemacht, daß die Begründung des Staates auf einen Vertrag bei Hobbes dadurch von mittelalterlichen Vertragsvorstellungen wesentlich verschieden ist, daß alle mittelalterlichen Theorien jedes Gemeinwesen durch den Vertrag als einen ‚Rechtsstaat‘ begründen wollen, während Hobbes, sachlich-neutral und wissenschaftlich, jeden Staat als ein Menschenwerk auf einen Vertrag aller mit allen gründen“288 möchte. In seiner späten Besprechungsabhandlung von 1965 schreibt Schmitt: „Ferdinand Tönnies feiert ihn [Hobbes] als einen Begründer des modernen Rechtsstaats“.289 Schmitt sieht Tönnies am historischen Ende der liberalen Staatstradition, die er mit Hobbes als Begründer des liberalen Rechtsstaats beginnen lässt. Seine bedeutendste Referenz an Tönnies und größte Bekundung von Nähe wie Distanz erfolgte schon Ende 1930 und ist im Briefwechsel überhaupt nicht gespiegelt. Schmitt leitete seine Broschüre Der Völkerbund und das politische Problem der Friedenssicherung von 1930, seine Dokumentation der Völkerbunddebatte, ausführlich mit einem Text von Tönnies ein,290 der das Friedensproblem und die Völkerbundfrage universalgeschichtlich in den Kontext von Reichsbildungen stellt. Schmitt beschränkt sich 1930 auf eine kurze „Vorbemerkung“ und lässt Tönnies zur „Einleitung“ in die allgemeinen Fragen des Völkerbundes ausführlich sprechen; er tritt hinter Tönnies zurück und stellt sich hinter dessen Anschauungen. In der erweiterten und umgearbeiteten Neuauflage von 1934 ist Tönnies’ Text dann aber entfallen und Schmitt schreibt eine eigene kurze „Einleitung“,291 die die Frage nach den Reichsbildungen und „neuen Weltreichen“ mit einem Hinweis auf die neue „Entschlossenheit des deutschen Volkes“ und „Rede des deutschen Reichskanzlers vom 17. Mai 1933“ beantwortet. Schmitt tritt nun aus seiner Reserve hervor und markiert seine politische Distanz deutlich. Der Abdruck von 1930 dürfte nicht ohne Tönnies’ schriftliche Einwilligung erfolgt sein. Vermutlich fehlen also betreffende Briefe. Es könnte aber sein, dass die letzten erhaltenen Briefe vom Sommer 1930 Schmitt erst den Anstoß gaben, Tönnies’ Text einleitend in die Sammlung aufzunehmen, seine Endredaktion der Broschüre erfolgte in diesen Wochen. Die jüngste aufgenommene Quelle datiert vom 15. Juli 1930. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass Schmitt die Juli-Briefe beantwortete und mit einer Bitte um die Abdruckgenehmigung verband. Die letzte Korrespondenz zwischen beiden scheint also verschollen zu sein, das Tagebuch gibt darüber keinen Aufschluss. Die editorische Referenz an Tönnies markiert Ende 1930 einen Höhepunkt und Abschluss der Beziehung. Schmitt kommt darauf auch anlässlich einer persönlichen Begegnung, die im Tagebuch gespiegelt ist, nicht mehr zurück. Im Tagebuch heißt 288 Ebd.,
S. 104. Schmitt, Die vollendete Reformation, in: ders, Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes (Neuausg. 1982), S. [157]; gemeint ist: Thomas Hobbes, Naturrecht und allgemeines Staatsrecht in den Anfangsgründen. Mit e. Einführung von F. Tönnies, Berlin 1926. 290 Carl Schmitt, Der Völkerbund und das politische Problem der Friedenssicherung, Leipzig 1930; Wiederabdr. in: ders., Frieden oder Pazifismus? Hrsg. von Günter Maschke, Berlin 2005, S. 281–332, hier: S. 282 f.; Schmitt publizierte den Text: Ferdinand Tönnies, Wege zu dauerndem Frieden?, von 1926. 291 Carl Schmitt, Das politische Problem der Friedenssicherung, 2. erw. Aufl, Leipzig 1934, S. 1 f. 289 Carl
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es am 14. Mai 1931: „10 Uhr Sitzung der Soziologischen Gesellschaft. Soll Vorsitzender der politischen Gruppe werden. Tönnies bat mich sehr nett darum, habe mir aber Bedenkzeit ausgebeten. Mannheim292 scheußlich, schauderhaft, hinterhältig, feige, aber schon frech. Sprach aber nett mit ihm, weil ich immer an das intellektuelle Interesse dieser Leute glaube. Der nette Salomon.293 Zu Hause mittags mit Eisler gegessen (mit Z.) ausgeruht, nachmittags mit Eisler von Hölderlin geschwärmt. Um 7 zu Sombart,294 großer Herrenabend, saß neben dem alten Tönnies. Nett unterhalten, nachher mit Mannheim, scheußlicher elender Ostjude, schämte mich, im Ernst mit ihm gesprochen zu haben, Sombart war nett, müde nach Hause“. Das Verhältnis zu Tönnies ist hier als „nett“ beschrieben. Politische Differenzen zur Soziologischen Gesellschaft klingen aber schon im Verhältnis zu Karl Mannheim an. Schon damals war Schmitt sich seiner politischen Differenz zu Tönnies bewusst. Nähere Kontakte nach 1931 sind nicht anzunehmen. Schon der große Altersunterschied zwischen beiden reicht aber zur Erklärung des Kontaktendes völlig aus. Schmitt sah in Tönnies einen letzten Hauptvertreter der älteren liberalen Soziologengeneration. In seinem späten, wenig bekannten295 Aufsatz „Der Gegensatz von Gemeinschaft und Gesellschaft als Beispiel einer zweigliedrigen Unterscheidung“ his torisiert er Tönnies eingehend und markiert einen Generationenunterschied.
1. [RW 265-16108; handschriftl. Postkarte, gestemp. 23.3.1924] Herrn Professor Dr. Carl Schmitt Bonn i Rl. Kiel d. 23.III.1924 Niemannsweg 61 Sehr verehrter Hr. College! Nachdem ich durch Ihre Güte das Büchlein „Die geistesgeschichtl. Lage des heutigen Parlamentarismus“296 empfangen u. (schon am 15. November) zu 292 Zum Verhältnis zu Karl Mannheim (1893–1947) vgl. Reinhard Mehring, Utopiker der Intellektuellenherrschaft. Karl Mannheim und Carl Schmitt, in: Berliner Debatte Initial 23, 2012, S. 67–93. Dort ist auch der einzige Brief Mannheims an Schmitt vom 4.2.1927 abgedruckt. 293 Gottfried Salomon, siehe S. 86–102. 294 Werner Sombart (1863–1941); dazu vgl. jetzt Martin Tielke (Hrsg.), Schmitt und Sombart. Der Briefwechsel von Carl Schmitt mit Nicolaus, Corina und Werner Sombart, Berlin 2015. 295 Carl Schmitt, Der Gegensatz von Gemeinschaft und Gesellschaft als Beispiel einer zweigliedrigen Unterscheidung. Betrachtungen zur Struktur und zum Schicksal solcher Antithesen, in: Estudios jurídicos-sociales. Homenaje al profesor Luis Legaz y Lacambra, Santiago de Compostela 1960, Bd. I, S. 165–178. 296 Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage, wie Anm. 199.
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Ende gelesen hatte, habe ich Ihnen zu schreiben und zu danken vorgehabt. Indem ich d. Schrift jetzt wieder lese, gibt sie mir den Wunsch ein, ihren Inhalt mit dem Verfasser eingehend zu besprechen. Zu den letzten Seiten möchte ich nur im Vorbeigehen bemerken, daß die Irrationalität und Mythologie, wenn ich nicht irre, auch Symptome politisch-religiöser Psychose sind, die heute reißend um sich greifen. Sie tritt mir eben lebhaft entgegen in Gestalt von 4 Nummern einer Zeitschrift „Haeusser“,297 die ich Ihrer Aufmerksamkeit sehr empfehle. Verlag Adele Guets Hamburg Bachstr. 59 „Hauptdepot Otto Suhr Hamburg Marienstr. [?] 62“ Zu S. 25 gebe ich Ihnen durchaus Recht. Die Tatsache ist aber[,] daß ö.[ffentliche] M.[einung] überall als „allgemeine Meinung“ gedruckt wird, z. B. in Murrays Dictionary,298 in d.[er] schwed. Sprache u. sonst. Als solche wurde und wird ihre Bedeutung auch unter d. Absolutismus entdeckt und gepriesen. Mit kollegialischem Gruß d. Ihre Ferdinand Tönnies.
2. [Handschriftlich; gedr. Briefkopf: Dr. Carl Schmitt / o. Ö. Professor der Rechte [an der Universität Bonn / Godesberg-Friesdorf / Bonner Str. 211; Cb 54.56: 734.08] 17 / 9 26 Hochverehrter Herr Geheimrat! In der Anlage überreiche ich verehrungsvoll die neue Auflage meiner Abhandlung über den Parlamentarismus.299 Es kann für mich keine größere Anerkennung geben, als daß eine Publikation Ihr Interesse findet. So würde es mir deshalb eine außerordentlich große Freude sein, wenn Sie die Vorbemerkung zu dieser neuen Auflage, die ich Ihnen im Juni d. J. als Sonderdruck300 297 Ludwig Christian Hauesser (1881–1927), populärer Wanderprediger und Esoteriker der Weimarer Republik, Lebensreformer auf dem Monte Verità, 1922 Parteigründung, Gefängnis, Kandidatur des „Haeusserbundes“ 1924 bei Reichstagswahlen. Dazu vgl. Ulrich Linse, Barfüßige Propheten. Erlöser der zwanziger Jahre, Berlin 1983. 298 James Murray (1837–1915), seit 1884 Herausgeber des Oxford English Dictionary. 299 Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 2. Aufl., München 1926. 300 Carl Schmitt, Der Gegensatz von Parlamentarismus und moderner Massendemokratie, in: Hochland 23 / 2, 1926, S. 257–270.
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übersandte, auch in dieser Form gelten ließen und meine Thesen über Parlamentarismus und Demokratie und insbesondere die demokratische Homogenität diskutabel fänden. In aufrichtiger Verehrung ergebenst
Carl Schmitt.
3. [RW 265-16106; handschriftlich] Kiel, 20. Okt. 1926. Sehr verehrter Herr College – Ihre Schriften, deren Kenntniß ich durch Eigenbesitz Ihnen selber verdanke, habe ich stets mit großer Aufmerksamkeit und mit innerem Gewinn gelesen. So auch die „geistesgeschichtliche Lage“, deren Lesen ich, wie eine Notiz mir aufbehält, am 15. Nov. 23 beendet habe. Dadurch, daß Sie die neue Auflage mit einem mich ansprechenden und erfreuenden Schreiben begleiteten, fühlte ich mich alsbald aufgefordert, die Schrift aufs neue zu lesen, und fühle mich auch verpflichtet, Ihnen davon persönliche Rechenschaft zu geben. Es ist mir um so wichtiger, da ich jüngst auf dem 5ten Soziologentag in Wien über „Demokratie“301 an erster Stelle referiert und eine Reihe von Thesen aufgestellt habe, die eigentlich als solche diskutiert werden sollten. Das geschah aber nicht, sondern der gesamte Eindruck wurde durch das Koreferat Kelsens302 verdunkelt, und die Diskussionsredner303 nahmen 301 Ferdinand Tönnies, Demokratie, in: Verhandlungen des Fünften Deutschen Soziologentages vom 26.–29. September 1926 in Wien, Tübingen 1927, S. 12–36. 302 Hans Kelsen, Demokratie, in: Verhandlungen des Fünften Deutschen Soziologentages vom 26.–29. September 1926 in Wien, Tübingen 1927, S. 37–68; Tönnies’ vorbehaltliche Zeilen über Kelsen werden Schmitt nicht missfallen haben. Am 29. Oktober 1926 schreibt Schmitt dazu an Feuchtwanger (LFCS, S. 195): „Tönnies hat mir einen langen Brief geschickt; es scheint ihn doch etwas gekränkt zu haben, daß sein Referat durch Kelsen verdunkelt wurde und nachher alles politisierte.“ 303 Abdruck der „Diskussion“ ebd., S. 69–118; an der Diskussion beteiligten sich: Robert Michels, Franz Oppenheimer, David Koigen, Leonhard Nelson, Karl Renner, Max Adler, Georg Jahn, Karl Pribram, Gottfried Salomon, Ludwig Heyde. Als Wiener sind demnach außer Kelsen insbesondere Karl Renner und Max Adler gemeint, die Tönnies in seinem Schlusswort (S. 112) beide erwähnt. Im kurzen Schlusswort bemängelte Tönnies den Diskussionsverlauf: „Eine Reihe von menschlich, psychologisch und politisch höchst interessanten Reden habe ich gehört, bin dankbar, aber nicht zufrieden, weil fast alle auseinandergeredet haben. Ich möchte, daß akademischer verhandelt würde, und daß man einzelne Punkte eingehend erörterte. So war unser Plan, das war der Sinn der Thesen, die zur Debatte gestellt, nicht nur der Diskussionsredner halber aufgestellt werden sollten.“
VI. Ferdinand Tönnies – Carl Schmitt 1924–1930109
auch nur obenhin auf die Referate, mehr aber auf das zweite, Rücksicht. Für mich als Referenten war das nicht gerade erfreulich, als Präsident der Gesellschaft muß ich aber sagen, daß der Verlauf durchaus günstig gewesen ist, am meisten natürlich für die Wiener, deren Öffentliches [?] natürlich auch für die Wiener am meisten Interesse haben. Und wir wollten ja auch den Wienern eine Liebe erweisen. In meinem Referat habe ich die Fragen erörtert 1. welche Wahrscheinlichkeiten sprechen für, welche wider die Erhaltung und Dauer der „modernen Demokratie“, die durchaus anders gesetzt und anders bedingt ist, als die bisherigen historischen Demokratien?- 2. durch welche Prinzipien oder Formen vermag eine solche mod. [erne] Demokratie ihre Lebensfähigkeit am ehesten zu sichern? Ich habe daher auf die Literatur, auch auf Ihre Schriften, keine Rücksicht genommen. Die Fragen sind auch, soweit meine durchaus nicht hinlängliche Kenntniß solcher Literatur geht, in dieser Gestalt kaum gestellt oder erörtert worden. Ich zweifle aber, ob unter den Zuhörern einer gewesen ist, der diese Fragestellungen anerkannt hat und ihnen gefolgt ist. Ich soll auch, trotz hinlänglich lauten Sprechens[,] schlecht verstanden worden sein, teils wegen mangelhafter Akustik, teils wegen „norddeutscher Aussprache“. Übrigens waren Eindruck und Erfolg der Tagung durchaus günstig und sogar stark. Ich gedenke nun, mein Verhältniß zu Ihrer Parlamentarismus-Schrift binnen kurzem in eine vorläufige Fassung zu bringen und werde mir erlauben, Ihnen diese zu übersenden.304 Sie drucken zu lassen[,] behalte ich mir vor. Mit freundlichem kollegialischem Gruß und dankbar, bin ich ergebenst der Ihre Ferdinand Tönnies. Ich empfing vor kurzem ein M.S. Ihres Schülers Dr. Becker über Hobbes’ Staatslehre,305 das ich prüfen werde.
304 Das
mus“.
erfolgte wohl mit der Zusendung von „Demokratie und Parlamentaris-
305 Werner Becker, Die politische Systematik der Staatslehre des Thomas Hobbes, Diss. iur. Bonn 1925, Köln 1928.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen I
4. [Handschriftlich; Briefkopf: Dr. Carl Schmitt / o. Ö. Professor der Rechte (an der Universität Bonn / Godesberg-Friesdorf / Bonner Str. 211; Cb 54.56: 734.09] 9. Mai 1927. Hochverehrter Herr Geheimrat! Für die gütige Zusendung Ihres Aufsatzes „Demokratie und Parlamen tarismus“306 sage ich Ihnen aufrichtigen Dank. Ich habe die Abhandlung durch die Vermittlung des Kollegen Wolgast307 schon im Manuskript gelesen und jetzt, bei der Lektüre des gedruckten Aufsatzes, wieder das gleiche Gefühl der Freude darüber empfunden, daß eine Arbeit von mir eine so eingehende, sachliche und ideenreiche Kritik gefunden hat – eine Freude, deren Lebhaftigkeit Sie sicher verstehen werden, weil Sie ihre Seltenheit kennen. Für zahlreiche Belehrungen und Klärungen muß ich Ihnen danken. Insbesondere sehe ich, daß der spezifische Zusammenhang von Liberalismus und Parlamentarismus noch klarer dargestellt und besser bewiesen werden muß. Ich habe in einem nächstens erscheinenden Aufsatz über den Begriff des Politischen308 die liberale Entpolitisierung des Begriffs kurz behandelt,309 den Zusammenhang des Begriffes der „Diskussion“ im liberalen Denken erkannt und halte vorläufig daran fest, daß Liberalismus und Diskussion (allerdings in einer noch besser zu spezifizierenden Weise) zusammengehören. Sehr bewundert habe ich die Sicherheit, mit der Sie das Problem Demokratie und Finanz in seiner zentralen Bedeutung aufweisen. Davon steht nichts in meiner Abhandlung über den Parlamentarismus. Ich darf aber erwähnen, daß ich es in einem Vortrag vor der Juristischen Gesellschaft in Berlin am 15. Dezember vorigen Jahres behandelt habe. Der Vortrag ist seit Februar d. J. fertig gedruckt.310 Zu meinem großen Bedauern kann ich nichts mehr 306 Ferdinand Tönnies, Demokratie und Parlamentarismus, in: Schmollers Jahrbuch 51, 1927, S. 173–216; im Schmitt-Nachlass (RW 265-22827) mit Widmung („Überreicht vom Verfasser“) erhalten; in der Verfassungslehre S. 201 beiläufig zitiert. Wiederabdruck in: Ferdinand Tönnies, Soziologische Studien und Kritiken. Dritte Sammlung, Jena 1929, S. 40–84. 307 Ernst Wolgast (1888–1959) lehrte damals als Privatdozent in Kiel. Ab 1929 war er Prof. für öffentliches Recht in Rostock. 1929 publizierte er: Zum deutschen Parlamentarismus. Der Kampf um Artikel 54 der Deutschen Reichsverfassung. Eine staatsrechtliche Studie, Berlin 1929. 308 Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, in: ASwSp 57, 1927, S. 1–33. 309 Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen (1927), in: ders., Frieden oder Pazifismus?, Berlin 2005, S. 194–219, hier: S. 214 ff. 310 Carl Schmitt, Volksbegehren und Volksentscheid. Ein Beitrag zur Auslegung der Weimarer Verfassung und zur Lehre von der unmittelbaren Demokratie, Berlin
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einfügen, sonst hätte ich mich auf Ihre Ausführungen bezogen. Ich hoffe aber, zu diesen wie zu anderen der vielen Gedanken Ihres Aufsatzes bei baldiger Gelegenheit mich äußern zu können. Heute kam es mir darauf an, Ihnen meinen aufrichtigen Dank und meine große Freude auszusprechen und Ihnen meine verehrungsvolle Ergebenheit zu versichern. In größter Hochachtung Ihr
Carl Schmitt.
5. [RW 265-16197; handschriftl. Ansichtspostkarte: Braunwald. Am Weg zum Hubschein; gest. Braunwald 24.9.1927] Herrn Professor Dr. C. Schmitt Bonnerstr. 211. Godesberg-Friesdorf Bonn a Rhein d. 24.9.27. Sehr verehrter Herr Professor, Ihre freundliche Sendung311 erreichte mich hier in [den] Ferien, und ich danke Ihnen herzlich dafür. Ich freue mich sehr, Ihren Vortrag im Abdruck zu besitzen und bin besonders glücklich, nach der nun möglichen gründlichen Umarbeit noch einmal312 mit Ihnen darüber sprechen zu können. Ihr ergebener Tönnies
6. [Maschinenschriftlich mit handschriftl. Unterschrift; Briefkopf: Professor Carl Schmitt / Berlin NW 87, / Klopstockstr. 48; Cb 54.56: 734.10]
21. Juni 1930
Herrn Geheimrat Ferdinand Tönnies Kiel Niemannsweg. 1927; Neuausgabe Berlin 2014. Einen Auszug veröffentlichte Schmitt später unter dem Titel „Demokratie und Finanz“, also unter dem hier im Brief genannten Titel, in: Carl Schmitt, Positionen und Begriffe, Hamburg 1940, 85–87. 311 Gemeint ist vermutlich: Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen. 312 Text an den Rand geschrieben schwer leserlich.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen I
Hochverehrter Herr Geheimrat! Ich danke Ihnen bestens für die freundliche Zusendung Ihres Aufsatzes „Partei und Staat“313 und erlaube mir, Ihnen ein Exemplar meines HugoPreuss-Vortrages314 zu überreichen unter Bezugnahme auf die Anmerkung 20, S. 32, in welcher das Problem der Neutralität des Staates gegenüber seiner eigenen Staatsform behandelt ist. Der naive Liberalismus Radbruchs315 herrscht durchaus in der Jurisprudenz des positiven Verfassungsrechts. Die Folge ist eine unbegreifliche Verwirrung, und ich verstehe die Stimmung der soeben erschienenen Broschüre eines jungen Soziologen Otto Kirchheimer: „Weimarer Verfassung – was dann?“,316 die von der These ausgeht, dass die Weimarer Verfassung überhaupt keine politische Entscheidung enthält. Was soll man als Lehrer des positiven Verfassungsrechts gegenüber einer solchen Verwirrung tun?Ob der Vortrag über Preuss Ihre Zustimmung findet und namentlich der Versuch, Hegel (S. 23) und Gierkes Organische Staatslehre (S. 15) soziologisch zu deuten, vor Ihrem Soziologenblick bestehen kann, weiss ich nicht, doch wäre mir ein Wort der Kritik, wie jede Aeusserung von Ihnen von grösstem Wert. Der Societas Hobbesiana317 schicke ich dieser Tage meinen bescheidenen Obolus. Ich bleibe, hochverehrter Herr Geheimrat, in grösster Verehrung stets Ihr aufrichtig ergebener Carl Schmitt.
313 Ferdinand Tönnies, Partei und Staat, in: Die Gesellschaft 6, 1929, S. 193–197; im Nachlass (RW 265-24236) als SD erhalten. 314 Carl Schmitt, Hugo Preuss. Sein Staatsbegriff und seine Stellung in der deutschen Staatslehre, Tübingen 1930. 315 Gustav Radbruch (1878–1949), seit 1910 Prof. für Strafrecht und Rechtsphilosophie, SPD-Reichstagsabgeordneter und Justizminister, seit 1926 wieder Prof. in Heidelberg; Schmitt antwortet hier auf Tönnies‘ kritische Auseinandersetzung mit Radbruchs Aufsatz „Parteienstaat und Volksgemeinschaft“ im Aufsatz „Partei und Staat“. 316 Otto Kirchheimer, Weimar … und was dann?, Berlin 1930; Kirchheimer hatte bei Schmitt in Bonn promoviert. 317 Tönnies war der erste Präsident der 1929 begründeten Hobbes-Gesellschaft. Treibende Kraft der Gesellschaft war aber Cay von Brockdorff und die Gesellschaft bestand „im Wesentlichen“ nur aus der „Ortsgruppe Kiel“ (so Uwe Carstens, Ferdinand. Tönnies. Friese und Weltbürger, Bredstedt 2013, S. 259–261). Dazu vgl. Ferdinand Tönnies, Societas Hobbesiana-Societas Spinozana, in: Monistische Monatshefte 16, 1931, April, S. 78–83.
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7. [RW 265-16109; Handschrift] Kiel d. 17. Juli 1930 Niemannsweg 61 Sehr geehrter Herr CollegeLängst bin ich Ihnen Dank schuldig für einen freundlichen Brief und für wertvolle Drucksachen.318 Ich möchte ihn jetzt erledigen mit einer kurzen Anmerkung über die zuletzt gütigst überreichte Abhandlung betr. Staatsethik und den pluralistischen Staat.319 Ihre Diagnose in I320 hat einen starken Schein für sich, und eine Krisis ist allerdings vorhanden. Dennoch wage ich der These zu widersprechen. Ich möchte auf Italien und auf Rußland hinweisen:321 in beiden Ländern hat eben erst der Staat seine mächtigen Schwingen entfaltet. Ohne starke Armee vermag er das nicht, am wenigsten, nachdem er so ungeheure Zumutungen an die armen Untertanen gestellt hat, wie durch den Weltkrieg und im Weltkriege geschehen. Und doch ist nach dem Weltkriege und trotz seiner etwas sehr bedeutendes für den Staat im D.[eutschen] R.[eich] und wo[h]l hie und da sonst eingetreten: das Proletariat bejaht den Staat, wenigstens der größte und intelligenteste Teil der Klasse[,] die so lange nur die Last des Staates empfunden hat. Sie sieht und denkt den St.[aat] jetzt als ihren eigenen Willen – ob das von Dauer sein wird, mag man mit Grund bezweifeln, denn eben erst jetzo ist die Armee geschaffen für den Kampf um die Staatsgewalt zwischen Kapital und Arbeit, einen Kampf, in dem das Kapital bisher leichtes Spiel gehabt hat: fast alle realen und ideellen Potenzen, an ihrer Spitze die Monarchie, waren auf seiner Seite, wenn auch nicht ohne eine gewisse Neutralität zu markieren und in einigem Maße sogar zu betätigen. Die pluralistischen Theorien nehme ich nicht sehr ernst. Die angelsächsischen Länder haben den Staat noch garnicht in seinem furchtbaren Ernste 318 Wenn hier nicht Druckfahnen der Preuß-Broschüre gemeint sind, so vielleicht Schmitts Diskussionsbeitrag vom Deutschen Soziologentag: Presse und öffentliche Meinung, in diesem Band auf S. 17–21 wiederabgedruckt. 319 Carl Schmitt, Staatsethik und pluralistischer Staat, in: Kantstudien 35, 1930, S. 28–42. 320 Schmitt geht hier vom „Misskredit“ des europäischen Staatsgedankens aus und formuliert als kursiv gedruckte Eingangsthese: „Die Erschütterung des Staates ist immer auch eine Erschütterung der Staatsethik.“ 321 Schmitt verwies im Eingangsabschnitt nur auf die USA, England und Frankreich; Tönnies’ Einwand deckt sich allerdings mit Schmitts eigener Sicht, denn Schmitt bezog seine Neutralisierungsthese ja nur auf den („quantitativ-totalen“) liberalen Staat und betrachtete Italien und Russland selbst als Beispiele für die neuere Wendung zum autoritär-diktatorischen „starken“ Staat (des „20. Jahrhunderts“).
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kennen gelernt: Eduard Meyer322 wagte ja während des Krieges die ungeheuerliche Paradoxie, England habe und kenne keinen Staat. Der Staatsdruck auf die große Menge ist freilich von altersher – eben weil die Verfassung so viel mittelalterlicher blieb – viel schwächer gewesen, der gesellschaftliche Druck der Aristokratie aber um so schärfer. Jene Verfassung ist auf die Amerika-Colonien hinübergegangen und da ist noch der Foederalismus hinzugekommen, der auch im D. R. (und neuerdings in Oesterreich) die Entwicklung hemmt. „Pluralistisch“ wird die empirische Gestaltung des Staates immer aussehen. Die „Staatsethik“ kann nicht wohl einen anderen Inhalt haben als den[,] daß der Staat als die erhabene und unparteiische Macht, vom Gedanken des Rechtes auch in der Verwaltung erfüllt, eine ethische Idee ist, an die eine gewisse Annäherung [?] möglich ist, und die in Institutionen wenigstens die Umrisse einer Gestalt erhält. Hinzu kommt[,] daß wie in „den anderen Assoziationen“ die Menschen[,] die für die Sache tätig sind, ein sachliches Bewußtsein und Interesse erwerben, das sie mit der Sache verbindet: man kann das leicht bei Abgeordneten beobachten, die sonst etwa bloße Geschäftsmänner wären, doch nicht allzu viel von der Gesetzgebung zu fürchten und zu hoffen haben, allgemach einen Stolz erwerben, kraft dessen sie ehrlich glauben[,] sich dem gemeinen Wohle zu widmen: das Amt schafft ja immer in gewissem Maße den Verstand. Für den Sitz des Uebels im Parlamentarismus halte ich, auch aus diesem Grunde, den raschen Wechsel der Gesetzgeber und vollends der Minister. Mit freundlichem Gruß Ihr sehr ergebener Ferdinand Tönnies. 8. [RW 265-16110; Handschrift] Kiel d. 18. Juli 1930 Verehrtester Herr College – Nachdem ich den anliegenden Brief geschrieben, kam mir plötzlich zum Bewußtsein, daß Sie nicht wegen dieser Sache, sondern aus einem Grunde von mehr bedeutsamer Art323 mir Ihre Schrift 322 Der bedeutende Althistoriker Eduard Meyer (1855–1930) publizierte im Weltkrieg mehrere Texte über England: Eduard Meyer, England. Seine staatliche und politische Entwicklung und der Krieg gegen Deutschland; Der englische Staat und der deutsche Staat. Eine Studie, Berlin 1917; Das britische Weltreich, Berlin 1918. 323 Der zweite Absatz des Briefes legt nahe, dass Tönnies sich von Schmitt aufgefordert sah, sein Verhältnis zu Gierke und seine Zugehörigkeit zu dieser liberalen Tradition zu erklären. Zunächst antwortet Tönnies aber auf Fußnote 20.
VI. Ferdinand Tönnies – Carl Schmitt 1924–1930115
über Preuß gütigst vorgelegt hatten; ich komme gern darauf zurück. Vor allem möchte ich sagen[,] daß ich Ihren Satz, keine Verfassung könne diese absolute voraussetzungslose Neutralität haben, ohne sich selber ad absurdum zu führen,324 nicht nur unterschreibe, sondern als sich von selbst verstehend behaupte. – Es gibt für den Staat nur ein unbedingtes Postulat: auf seine Selbsterhaltung nach außen und nach innen bedacht zu sein. Die Möglichkeit einer auf gesetzlichem Wege geschehenden Umwälzung kann eine demokratische Verfassung allerdings nicht nehmen, aber sie soll allerdings sich bemühen, eine Umwälzung, die sie selber nicht verändern[,] sondern vernichten will, so unwahrscheinlich als möglich zu machen. Es ist nur ein Mangel der Form, wenn Art. 48 nicht ausdrücklich darauf hinweist, daß durch die zeitweilige Aussetzung von Grundrechten auch Art. 76 wesentlich eingeschränkt wird. – Die Brosch.[üre] von Kirchheimer werde ich prüfen. Daß die RV. „keine“ politische Entscheidung enthalte, ist doch wo[h]l unhaltbar. Was Sie über Hegel und Gierke schreiben,325 ist mir allerdings interessant. Ich meine, daß die Hegelische Wirklichkeit der sittlichen Idee doch etwas mehr bedeutet:326 nämlich den ganz republikanischen Gedanken, die Tatsache des Staates als eines hohen Gedankenproduktes mit jener Ehrfurcht zu betrachten, die herkömmlich dem Monarchen, vielleicht gar der Dynastie gezollt wird, und die Bryce327 an den amerikanischen Reichs- und Staatskriegen328 vermißt. Die materialistische Ansicht braucht die Wertleiter nicht umzudrehen, wenn sie nur unterscheidet zwischen Erscheinung und Idee. Sie kann sagen: erst eine gerechte soziale Ordnung wird den Staat Hegels möglich machen! – Der Idealismus Gierkes ist ja von dem Hegelschen durchaus verschieden wie Romantik von Rationalismus. Seine Zwiespältigkeit und Unsicherheit tritt schon darin zu Tage, daß er liberal anfängt und konservativ endet. Ich habe Gierke immer sehr bewundert – nicht nur seine 324 Carl Schmitt, Hugo Preuß, Tübingen 1930, S. 32, Fn. 20: „Richtiger Auffassung nach kann keine Verfassung diese absolute, voraussetzungslose Neutralität haben, ohne sich selber ad absurdum zu führen.“ Schmitt schreibt das in einer langen Fußnote zur juristischen Auslegung von Art. 76 WRV, auf die Tönnies eingeht. 325 Schmitt, Hugo Preuß, S. 13 ff. 326 Tönnies Abhandlung von 1927 schloss mit einem Bekenntnis zu Hegel: „In seiner Vollendung durch demokratische Verfassung, demokratische Finanz, demokratischen Geist kann der Staat einem echten Gemeinwesen so ähnlich werden, daß der Begriff Hegels auf ihn anwendbar wird. Dies würde eine große Epoche in der Geschichte des menschlichen Geistes bedeuten.“ (S. 216) Dazu vgl. auch F. Tönnies, Hegels Naturrecht, in: Schmollers Jahrbuch 56, 1932, S. 71–85. 327 James Bryce (1838–1921), britischer Jurist, Historiker und Diplomat, seit 1870 Prof. in Oxford. 328 Wahrscheinlich: James Bryce, Amerika als Staat und Gesellschaft, Bd. 1–2, Leipzig 1924.
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Gelehrsamkeit, sondern auch die Fülle seiner Gesichtspunkte –, aber seine Denkungsart ist mir nun ja etwas kindlich vorgekommen. So schon im Genossenschaftsrecht Bd. I,329 den ich vor nunmehr fast 50 Jahren kennen lernte. Ich habe z. T[ei]l. im Gegensatz zu ihm meine Theorie der Begriffe Gemeinschaft und Gesellschaft ausgebildet. Mit freundlichem Gruß und in Dankbarkeit der Ihre Ferdinand Tönnies. Im Nachlass (Cb 54.56: 734,11) findet sich auch ein Durchschlag von Schmitts Gegendarstellung vom 11. November 1931 an die Allgemeine Beamten-Correspondenz. Sie ist abgedruckt und kontextualisiert in: Schmittiana NF II, 2014, S. 109–113.
Anhang 1. Tönnies über Schmitt (1927) Ferdinand Tönnies, Demokratie und Parlamentarismus, in: Schmollers Jahrbuch 51, 1927, S. 173–216; Tönnies Beitrag ist eine umfangreiche Besprechungsabhandlung vor allem von Schmitts Broschüre und ferner anderen Autoren. Durchgängig und detailliert nimmt Tönnies auf Schmitts Thesen Bezug, wovon hier nur einige relevante Stellen dokumentiert werden können. Den erhaltenen Sonderdruck hat Schmitt mit Bleistift und wenigen Randbemerkungen intensiv durchgearbeitet und auch mit Farbstift vor allem eine Bemerkung zu Hobbes markiert (S. 215). Tönnies eröffnet seinen Beitrag mit den Absätzen: „Es ist ein gutes Zeichen für die Intensität des theoretisch-politischen Interesses in Deutschland, daß die Schrift Carl Schmitts nach wenigen Jahren in neuer Auflage erschienen ist.330 Das Ansehen, das der Verfasser durch mehrere andere Schriften erworben hat, dürfte dazu beitragen und sich dadurch vermehrt haben. Ich finde mich in einem Hauptpunkte mit dem Verf. durchaus einig: in bezug auf die scharfe Trennungslinie zwischen Liberalismus und Demokratie, so oft auch die beiden Begriffe zusammengeworfen oder vermischt werden. Man kann ja sagen, sie liegen nicht in einer Ebene: Liberalismus ist nicht eigentlich eine Staatsform,331 was die Demokratie ohne Zweifel ist. Wenn man aber Liberalismus und Demokratie zusammen nennt, so pflegt man allerdings an die Form des Staates in dem Sinne mit zu denken, daß der Liberalismus dem Volke einen Anteil an der Staatsgewalt gönne und verleihe; denn er sei ja offenbar für Volksvertretung und dafür, der großen Menge gewisse politische Rechte einzuräumen. Das soll dann demokratisch heißen. 329 Otto von Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht. Erster Band: Rechtsgeschichte der deutschen Genossenschaft, Berlin 1868. 330 Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus. 2. Aufl., München und Leipzig 1926. 331 These Schmitts.
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Der Unterschied von Liberalismus und Demokratie läßt sich begrifflich als Gegensatz fassen, wenn man erkennt, was ich behaupte, daß der Liberalismus seiner Tendenz nach aristokratisch ist. Er will die Herrschaft der Eigentümer und unter ihnen vorzugsweise die der Kapitalisten, wenn auch mit weiter Spannung dieses Begriffs“. (S. 173) Tönnies nimmt dann im weiteren Verlauf eingehend zu Schmitts Thesen historisch und systematisch Stellung. So schreibt er etwa: „Schmitt sieht den Grundgedanken des parlamentarischen Prinzips im Prozeß der Auseinandersetzung von Gegensätzen und Meinungen, also in der öffentlichen Debatte und der öffentlichen Diskussion. Er macht geltend, die beiden politischen Forderungen, durch die der liberale Nationalismus sich charakterisiere, erhalte nur aus diesem Grundgedanken ihre richtige Bedeutung und wissenschaftliche Klarheit, nämlich: die der Öffentlichkeit des politischen Lebens und die der Gewaltenteilung – die letztere stehe im Gegensatz zur demokratischen ‚Identitätsvorstellung‘. Er beschäftigt sich dann insbesondere mit dem Glauben an die öffentliche Meinung, bei dem es eigentlich auf die Öffentlichkeit der Meinung ankomme, die auch in meinem Werk über sie nicht richtig betont werde. Der geschichtliche Gegensatz werde durch die Theorien des 16. und 17. Jahrhunderts von den Arcana rei publicae bezeichnet, die den Kern der Literatur von der Staatsräson darstelle. Ich wage es, dagegen einiges einzuwenden.“ (179). Tönnies kritisiert dann seitenlang Schmitts ideengeschichtliche Ausführungen zu Hobbes und Condorcet und setzt sich in diesem Zusammenhang auch mit Alfred Weber auseinander. Auch in der zweiten Hälfte seiner Besprechungsabhandlung schließt er dann weiter an Schmitts Schrift an und kritisiert im Detail. Seine Ausführungen eröffnet er mit dem Absatz: „Schmitt handelt in seinem dritten Kapitel über die Diktatur im marxistischen Denken, im vierten und letzten über irrationalistische Theorien unmittelbarer Gewaltanwendung, als die Gegner des Parlamentarismus. Was mir an diesen geistvollen Darlegungen auffallend erscheint und zum Teil meinem Widerspruch begegnet, möge hier ferner erörtert werden.“ (189) Tönnies bestreitet dann insbesondere Schmitts Auffassung des marxistischen Rationalismus. „Schmitt will sagen, daß dieser marxistische Rationalismus notwendig in die irrationalistischen Theorien unmittelbarer Gewaltanwendung umschlagen müsse“ (S. 21 f.), schreibt Tönnies: „Ich sehe in diesem Anti-Intellektualismus ein Ergebnis wissenschaftlicher, also durchaus rationalistischer und positiver Denkarbeit, ein Ergebnis, das nur eine vollkommenere Ablösung von der theologisch-religiösen Ansicht des Menschentums in sich schließt.“ (S. 194). Tönnies verteidigt die marxistische Sicht gegen Schmitt. Als ein Fazit seiner Auseinandersetzung können deshalb folgende Sätze stehen: „Wenn Sorel, auf den Schultern von Marx stehend, ihn belehren wollte, so kam er zu spät. Marx hatte jahrelang gegen Bakunin gerungen, er kannte auch den Blanquismus gut genug. Die Theorie Sorels, die Schmitt darstellt, als wäre sie eine Konsequenz der sozialistischen Denkungsart, die über Marx hinausgehe, ist in Wahrheit nur die wieder aufgewärmte vormarxistische Auffassung des Sozialismus, wie die vom Syndikalismus empfohlene Sabotage eine Wiederholung jener primitiven Maschinenzerstörung, wodurch man die kapitalistische Entwicklung zu hemmen wähnte.“ (S. 197). Tönnies geht dann zur Auseinandersetzung mit anderen Autoren (Graham Wallas, Rudolf Smend) über. Seine Abhandlung schließt mit den Worten:
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„In seiner Vollendung durch demokratische Verfassung, demokratische Finanz, demokratischen Geist kann der Staat einem echten Gemeinwesen so ähnlich werden, daß der Begriff Hegels auf ihn anwendbar wird. Dies würde eine große Epoche in der Geschichte des menschlichen Geistes bedeuten.“ (S. 216).
2. Schmitt über Tönnies (1960) Die Unterscheidung von Gemeinschaft und Gesellschaft ist eine „typisch deutsche Unterscheidung. Es ist bekannt, dass sie von Ferdinand Tönnies in seinem Buch ‚Gemeinschaft und Gesellschaft‘ zuerst aufgestellt und als soziologische Grundlegung entwickelt wurde. Tönnies’ Buch gilt vielfach als das erste deutsche Beispiel formal-soziologischer Untersuchung und Begriffsbildung.“ (S. 166) Schmitt schreibt dann später: „Ursprünglich war der Gegensatz von Gemeinschaft und Gesellschaft keineswegs als eine ausschließende Alternative gedacht. Er implizierte anfangs immer noch die Einbettung in ein umfassendes System, in ein höheres Ganzes, einen höheren Dritten, der ihm aus der Philosophie des deutschen Idealismus überkommen war. Dieses höhere Ganze war die politische Einheit, die damals allgemein und widerspruchslos ‚Staat‘ genannt wurde. Gerade Tönnies selbst bietet uns hierfür das deutlichste Beispiel. Für ihn bleibt der Staat die im eigentlichen Sinne politische Erscheinungsform menschlichen Zusammenlebens und ‚wenn nicht in der gegenwärtigen Wirklichkeit, dann doch wenigstens im Postulat und hoffentlich in der Zukunft‘ eine höhere Synthese von Gemeinschaft und Gesellschaft. Die Zweigliedrigkeit des Gegensatzes von Staat und Gesellschaft wird dadurch relativiert, dass der Staat Elemente der Gemeinschaft in sich aufnimmt. Dadurch wird aber auch die Zwei gliedrigkeit des Gegensatzes von Gemeinschaft und Gesellschaft relativiert. Am Schluss eines grossen und bedeutungsvollen Aufsatzes über Demokratie und Parlamentarismus sagt Tönnies wörtlich: ‚Die Begriffe (nämlich Gemeinschaft und Gesellschaft) lassen sich auch dahin bestimmen, dass Gemeinwesen sich versteht als eine sinnreiche Erfindung der Vernunft, die der Kürwille realisiert. In seiner Vollendung durch die demokratische Verfassung, demokratische Finanz, demokratischen Geist kann der Staat einem echten Gemeinwesen so ähnlich werden, dass der Begriff Hegels auf ihn anwendbar ist. Dies würde eine grosse Epoche in der Geschichte des menschlichen Geistes bedeuten‘. Diesen Satz hat Tönnies im Jahre 1927 geschrieben, in einer Auseinandersetzung mit meiner Schrift über ‚Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus‘. Man hört in solchen Worten die ganze Skala einer Ahnenreihe mitschwingen, die von Hobbes bis zu Hegel geht und für den Sozialdemokraten Tönnies auch mit Karl Marx noch keineswegs zu Ende ist. […] Die erste Auflage von Tönnies’ Buch Gemeinschaft und Gesellschaft ist im Jahre 1887 erschienen, also noch im 19. Jahrhundert. Die eigentliche Wirkung des Buches und seiner Antithesen begann erst später, mit dem 20. Jahrhundert. So ist das Buch ein schönes Beispiel dafür, dass Bücher und mit ihnen ihre Thesen und Antithesen ein eigenes Schicksal haben.“332
332 Carl Schmitt, Der Gegensatz von Gemeinschaft und Gesellschaft (wie Anm. 275), S. 166, 170 f.
Carl Schmitt in der Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II Carl Brinkmann, Erwin von Beckerath, Friedrich Lenz, Eduard Heimann Herausgegeben von Rolf Rieß
Einleitung Carl Schmitt hört 1908 in München bei Walther Lotz und im selben Jahr bei Georg Friedrich Knapp in Straßburg Allgemeine Volkswirtschaftslehre,1 in München auch bei Karl Wasserrab Grundzüge der Sozialpolitik.2 Dennoch muss man einräumen, dass Schmitt sich für die Wirtschaft als eigenständiges Forschungsgebiet nicht interessiert und er sich mit wirtschaftlichen Fragen nicht im Detail beschäftigt hat. Die Nationalökonomen Er umgibt sich zeit seines Lebens mit Unternehmern und Wirtschaftswissenschaftlern, wie z. B. dem IG-Farbenvorstand Georg von Schnitzler, Werner Sombart, Carl Brinkmann u. a. Die Frage, die sich daran anschließt, ist natürlich die der Auswahl. Hat Schmitt sich die Personen gezielt gesucht oder handelt es sich um kontingente Beziehungen? Was verbindet diese Leute? Steckt dahinter eine bestimmte Theorie? Schmitt hat natürlich eine Auswahl seiner Bekannten getroffen, mit denen er wissenschaftlichen und privaten Umgang gepflegt hat. Die Auswahl wiederum wurde durch die universitären Kontakte sowie durch Mitgliedschaften in Vereinen wie der „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ oder der regelmäßigen Teilnahme an den Vorträgen der „Deutschen Gesellschaft von 1914“ gefördert.3 Nach welchen Kriterien Schmitt aber seine Personen sich 1 Vgl. dazu Reinhard Mehring, Carl Schmitt. Aufstieg und Fall, München 2009, S. 25–27. 2 Auskunft Universitätsarchiv München (Prof. Laetitia Böhm an P. Tommissen, 9.3.1987), RW 579-670. 3 Die „Deutsche Gesellschaft von 1914“ war ein exklusiver Kreis von hohen Beamten einschließlich meist ehemaliger Minister, von Professoren und Wirtschafts-
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ausgesucht hat, lässt sich nur schwer sagen. Die für ihn wichtigste Referenz in Sachen Nationalökonomie und Soziologie war der Berliner Lehrstuhlinhaber Werner Sombart, in dessen Haus Schmitt regelmäßig verkehrte und mit dessen Witwe Corina Schmitt noch lange Kontakt hielt.4 Sombart als einer der letzten Vertreter der Historischen Schule hat Einfluss auch auf die ablehnende Haltung zum Kapitalismus, worin er einen Kulturvorfall gesehen hat, ohne aber daraus den Schluss zu ziehen, die marxistische Lehre zu übernehmen. Auf der Suche nach den Verursachern dieser Entwicklung hat Sombart u. a. die Juden identifiziert und damit – gewollt oder ungewollt – den Antisemitismus seiner Zeit beflügelt.5 Auf diesen Topoi – Kapitalismus als kultureller Verfall und Juden als Kapitalisten – konnten andere aufbauen und etliche nationalsozialistische Ökonomen haben sich dabei bedient.6 Auffällig ist, dass alle Nationalökonomen in diesem Kapitel, mit denen sich Schmitt näher eingelassen hat – Brinkmann, Beckerath, Lenz – dieser Schule zuzurechnen sind. Auch wenn ihre Inhalte differieren, ihre Methode bleibt im Wesentlichen die historische. Der Kieler Ökonom Bernhard Harms hat dafür die Bezeichnung „Gestalttheorie“ verwendet und in Abgrenzung zur klassischen Theorie folgende Kriterien benannt: „Politische Ökonomie, Raum- oder Organwirtschaft, Gebilde, Universalismus, Wirtschaft als Leben, anschaulich.“7 Alle Autoren finden sich aber nicht nur in Konkurrenz zur englischen Klassik, sondern auch in Ablehnung der russischen Wirtschaftstheorie, des Versuchs einer sozialistisch-kommunistischen Planwirtschaft. Die diversen wirtschaftlichen Probleme der Weimarer Republik, wie z. B. die Hyperinflation 1923 oder die Arbeitslosigkeit in Folge der Weltwirtschaftskrise 1929, aber auch die Bankenkrise der 20er Jahre, verleiteten die Ökonomen nach antikapitalistischen Alternativen zu suchen. Hierzu bot sich der italienische Faschismus als Vorbild8 genauso an wie später die führern. Turnusmäßig kam man jeden zweiten Montag in der Schadowstraße 6 / 7 zusammen, wobei ein aktueller Vortrag mit anschließender Diskussion stattfand; s. Carl Schmitt, Tagebücher 1930 bis 1934. Hrsg. von Wolfgang Schuller / Gerd Giesler, Berlin 2010, S. 5 und passim. 4 Vgl. Nicolaus Sombart, Jugend in Berlin, München / Wien 1984, besonders S. 248–280; Martin Tielke (Hrsg.), Schmitt und Sombart. Der Briefwechsel von Carl Schmitt mit Nicolaus, Corina und Werner Sombart, Berlin 2015. 5 Vgl. Nicolas Berg (Hrsg.), Kapitalismusdebatten um 1900 – antisemitisierende Semantiken des Jüdischen, Leipzig 2008. 6 Vgl. Hans-Christian Petersen, Judenbild und Wirtschaftsleben. Über Nationalökonomen im „Dritten Reich“, in: Nicolas Berg (Hrsg.), (wie Anm. 5), S. 409–433. 7 Hauke Janssen, Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Wirtschaftslehre in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, 3. Aufl., Marburg 2009, S. 49. 8 Vgl. Wolfgang Schieder, Der Faschismus als Vorbild in der Krise der Weimarer Republik, in: ders., Faschistische Diktaturen. Studien zu Italien und Deutschland, Göttingen 2008, S. 149–184.
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nationalsozialistische Wirtschaftspolitik. Als Ausnahme ist hierbei Eduard Heimann zu nennen, der aber nicht zum engeren Kreis um Schmitt gehörte. Diesen bildeten Carl Brinkmann, Erwin von Beckerath und mit Abstrichen Friedrich Lenz. Carl Brinkmann Den längsten Kontakt hielt Schmitt zu Carl Brinkmann (1885–1954) von 1924 – vermutlich auch schon früher – bis zu dessen Tod 1954. Größere biographische Arbeiten über Carl Brinkmann fehlen, auch sein Nachlass hat sich bisher nicht auffinden lassen.9 Brinkmann hat als Historiker begonnen und ist über die Soziologie zur Nationalökonomie gekommen. Seit 1923 hat er den Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Universität Heidelberg inne, von 1942 bis 1946 lehrt er an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin, von 1947 bis 1954 an der Universität Tübingen. In den Nachrufen erscheint er als ein Mann des Ausgleichs. So schreibt Erwin von Beckerath: „Brinkmann war in der Wissenschaft ein Feind der Einseitigkeiten, in der Politik ein Gegner der Extreme.“10 Auch in der Wissenschaft strebt er „einen Zustand zwischen Kommunismus und Kapitalismus“11 an. Antonio Montaner beschreibt ihn wie folgt: „Den entschiedensten Wesenszug seiner Lehrer- und Forschernatur bildete die meisterlich beherrschte Zusammenschau von Theorie und Geschichte, in der er so bewußt wie bescheiden die Tradition seiner großen Berliner Lehrer Gustav Schmoller und Adolph Wagner weiterführte.“12 Was beide Gedächtnisartikel aussparen, ist die Zeit des Nationalsozialismus. Hier scheint Brinkmann, obwohl kein Parteimitglied, doch ein entschiedener Propagandist des Nationalsozialismus gewesen zu sein. Ob dies aus Überzeugung oder aus Opportunismus geschah, ist hier nicht zu entscheiden, zumal sein Schüler, der spätere Wirtschaftsminister Karl Schiller, sich ebenfalls sehr rücksichtsvoll äußerte.13 Für Schmitt aber ist Brinkmann vor und nach dem Nationalsozialismus wichtig geworden. Bereits 1915 bespricht er Schmitts Abhandlung „Der 9 Vgl. Heiko Körner, Carl Brinkmann. Eine wissenschaftsbiographische Skizze, in: Reinhard Blomert / Hans Ulrich Esslinger / Norbert Giovannini (Hrsg.), Heidelberger Sozial- und Staatswissenschaften. Das Institut für Sozial- und Staatswissenschaften zwischen 1918 und 1959, Marburg 1997, S. 159–166; Erwin von Beckerath, Carl Brinkmann, in: Zeitschrift für die gesamte Staatwissenschaft 121, 1955, S. 385–396; Antonio Montaner, Carl Brinkmann in memoriam, in: Finanzarchiv N.F. 15, 1954 / 1955, S. 205–211. 10 Erwin von Beckerath (wie Anm. 9), S. 388. 11 Ebd., S. 389. 12 Antonio Montaner (wie Anm. 9), S. 205. 13 Hauke Janssen (wie Anm. 7), S. 187–195, dort auch zu Karl Schiller.
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Wert des Staates und die Bedeutung des Einzelnen“.14 1925 rezensiert er Carl Schmitts „Politische Romantik“ in der zweiten Auflage.15 Auch auf dem 7. Soziologentag kommt es zu einem Treffen Brinkmanns mit Schmitt, das hier etwas ausführlicher wiedergegeben werden soll: Dort hält Brinkmann den Vortrag „Presse und öffentliche Meinung“.16 Er beginnt mit Überlegungen zur Ideologietheorie (vgl. Mannheim, der nicht genannt wird) und dreht hier die materialistische Sichtweise zugunsten seiner idealistischen um: „Hier wird klar, daß das Ideelle, daß geistiger Antrieb und Wert, statt nur immer Realitäten zu spiegeln, im Gegenteil auch Urbild und Vorläufer solcher Realitäten zu sein vermag.“ (S. 11). Presse und öffentliche Meinung seien „in weitem Maße Gedankenprogramme des liberalen bürgerlichen Geistes im 18. und 19. Jahrhundert“. Jetzt aber sieht er die Pressefreiheit durch die „Beschleunigung des Prozesses der Verwirtschaftlichung“ (S. 12) in Gefahr. Auf der Suche nach den Wurzeln der Presse macht Brinkmann zunächst die Wirtschaftsnachricht, dann die politische Nachricht aus: „In beiden steckt der egalitäre Gedanke der modernen bürgerlichen Verkehrsgesellschaft.“ Er stellt aber fest, dass „der Weg der Presse sehr viel mehr eine Entfaltung der Technik, der Apparatur als eine Erreichung der Sachziele jener bürgerlichen Marktharmonie gewesen“ sei (S. 13). Sodann widmet er sich der „Einkaufsmacht“ und der „Pressearistokratie“, heute würde man Pressekonzentration sagen (S. 14): Im Sinne des geschäftlichen Erfolgs seien große Blätter wichtig, die aber inhaltliche „Neutralität“ übten, um den Geschäftserfolg nicht zu gefährden (S. 16). Die Presse extrahiere einzelne Faktoren der Wirklichkeit und gebe ihnen „die Bedeutung der Massenangelegenheit, die einzige Bedeutung, die man sich noch vorstellen kann.“ (S. 17). Der „Sachlichkeits-Fanatismus“ (S. 21) gehe einher mit der „Zurückdrängung der seelischen und gefühlsmäßigen Gehalte.“ Sodann erörtert Brinkmann „das Gerede unter Bezugnahme auf Heideggers „Sein und Zeit“ (S. 23): „Das Gerede ist die Seinsart des entwurzelten Daseinsverständnisses.“ (S. 24). Die Presse selbst und die öffentliche Meinung seien von einer emanzipatorischen Institution „heute umgekehrt selber zu einer Zensur der Gesellschaft geworden …, zwar zu einer durchaus anonymen und formlosen, aber desto allmächtigeren und unangreifbareren Zensur.“ Brinkmann bezichtigt außerdem die Presse, nicht die politischen Institutionen, an der „Massenstimmung der Verdrossenheit an Parlamentarismus und Formaldemokratie“ schuld zu sein (S. 26). 14 Carl Brinkmann, Rezension, in: Deutsche Literaturzeitung Nr. 10 vom 6.3.1915, Sp. 520–523; wiederabgedruckt in diesem Band S. 188–190. 15 Carl Brinkmann, Politische Romantik, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 54, 1925, S. 530–536. 16 Carl Brinkmann, Presse und öffentliche Meinung, in: Verhandlungen des 7. Soziologentags, Tübingen 1931, S. 9–31.
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Auch die Installierung privater Informationsdienste sieht er skeptisch, da sich hier ein neues „großenteils noch ungekanntes oder unbeachtetes Gebiet der Nachrichtenmanipulation […] bei den großen Unternehmungseinheiten und Verbänden der Privatwirtschaft liegt“ (S. 28). Diese sei „unter der äußeren Erscheinungsform der ‚Demokratisierung‘ “ (S. 29) vor sich gegangen und habe vor allem die staatlichen Behörden am stärksten getroffen. Dadurch werde der Presse ihre eigentliche Aufgabe, die Kritik der öffentlichen Angelegenheiten, wieder entzogen (S. 30). Brinkmann schließt mit einem kulturkritischen Kommentar und einem optimistischen Ausblick. „Und es wird vielleicht nur nötig sein, daß sich der materialistische Wahn der Selbstschöpfung gesellschaftlichen und staatlichen Lebens in seiner letzten Gestaltlosigkeit totläuft, daß das ‚Gerede‘ (um mit Heidegger zu sprechen) auch in der hohen Aufgabe der öffentlichen Unterrichtung und Meinungsbildung wieder vor der Autonomie und Rangordnung geistiger Wert- und Sachgebiete zurückweichen und (nicht auf Schleichwegen, sondern frei und offen) ihrer Führung sich anvertrauen lernt, um auch und gerade die titanischen Kräfte des modernen Pressewesens wieder in den Dienst des Gött lichen, wahrer staatlicher Integration und sozialer Gesittung zu zwingen.“ (S. 31). Schmitts Aufgabe war nun, den Vortrag zu kommentieren. Er lobt zunächst den Vortrag seines „hochverehrten Freundes“, will aber als eine „Art Ergänzung“ „substanzielle Begriffe, die vor allen Dingen eine Diagnose ermöglichen“, aufstellen.17 In seinem Schlusswort repliziert Brinkmann, dass er doch ein paar Bemerkungen machen möchte „zu der kleinen Gruppe meines lieben Freundes Carl Schmitt, der immer auf seiner eigenen besonderen Linie steht“.18 „Carl Schmitt ist der einzige gewesen, der an keiner Stelle jene Unterstreichungen und Vergröberungen vorgenommen hat, der es mir aber daher auch am allerschwersten macht, in irgendeiner Weise mir seine Behauptungen anzueignen.“19 Er fährt fort: „Ich kann nicht anerkennen, daß die heutige Zeit, in der an Stelle des Gegners Dogma der Gegner Aktion getreten ist, sich dadurch wesentlich von der Entwicklung unterscheidet, die die Pressefreiheit in der bürgerlichen Zeit des 18. und 19. Jahrhundert schon einmal durchgemacht hat.“20 Zum Schluss kritisiert er zum einen Schmitt, zum anderen nähert er sich ihm wieder an: „Ich fürchte, Carl Schmitt hat in seiner Konstruktion auf seinen Lieblingsgedanken der Dezision, der Aktion hin nicht ganz gewürdigt, was mich zu 17 Diskussion über „Presse und öffentliche Meinung“, in: Verhandlungen des 7. Soziologentages, Tübingen 1931, S. 36; s. in diesem Band S. 17–21. 18 Ebd., S. 76. 19 Ebd., S. 78. 20 Ebd., S. 79.
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meinem heute so viel spöttisch erwähnten ‚optimistischen‘ Schluß bewogen hat … Ich denke nicht, daß dieser Schluß als optimistisch anzusprechen ist: denn auch ich habe im Grunde nicht mehr als Carl Schmitt gesagt: Ich will hoffen, ja ich will vielleicht sogar helfen, oder wir alle wünschen es und wollen es, daß es so werden möge. Daraus eine optimistische Prognose zu machen, geht nicht an, weil es eine der Hauptintentionen meines Referats übergehen würde, die doch darin bestand, in entschlossener Weise Werturteile zwar nicht als unmöglich zu unterstellen, aber hier beiseite zu lassen. Das möchte ich noch betonen, dann wird vielleicht auch Carl Schmitt einen Ausweg aus diesem Dilemma der verzweifelten Situation und des verbotenen Optimismus sehen. Ich habe nicht die Verschiebung der Zensurverhältnisse in den Vordergrund gestellt – das ist ein Nebenpunkt – sondern ich habe die Verschiebung der Gewichtverteilung zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Gewalten in den Vordergrund gerückt, die der Frage Carl Schmitts nach einer Gewichtsverteilung mir wenigstens sehr nahezukommen scheint.“21 Nach dem Zweiten Weltkrieg, als Schmitt von dem universitären Diskurs ausgeschlossen langsam wieder Anschluss suchte, war es Brinkmann, der 1951 Schmitts „Der Nomos der Erde“ in der Zeitschrift „Universitas“ positiv besprach.22 Schmitt hielt sie nicht nur für „eine sehr wichtige und bedeutende Besprechung“23, sondern wollte für sich daraus Nutzen ziehen: „Bei der grossen Bedeutung die Brinkmann heute in der internationalen Organisation der Wissenschaft hat, und bei seinen intensiven Beziehungen zur amerikanischen Soziologie ist die Besprechung besonders wichtig.“24 Dass Schmitt Brinkmann nicht immer uneingeschränkt hochachtete, zeigen die Tagebucheintragungen vom 7.3.1932 „Aufgeregt, weil mir Brinkmann von dem Gutachten erzählte, das Schiffer von Jellinek und Anschütz ein geholt hat“ und vom 5.3.1933, dem Tag des Ermächtigungsgesetzes, „Eschweiler gefiel allen gut, Ott war sympathisch, Brinkmann scheußlich wie ein Jude, nervös unruhig“,25 die eher einen instrumentellen Charakter der Beziehungen offenbaren. Dennoch hat Brinkmann für die Carl Schmitt Festschrift „Epirrhosis“ einen Beitrag mit dem Titel „Über Güte und Schlechtigkeit des Menschen in der Lehre von Staat und Gesellschaft“ verfasst, der eine versteckte Kritik bzw. Selbstkritik enthält: „Es ist die tiefste Eigenart aller Revolutionen, der Schlechtigkeit vergehender Systeme den 21 Ebd.,
S. 79 f. Brinkmann, Nomos der Erde, in: Universitas 6, 1951, S. 907 ff. 23 Armin Mohler (Hrsg.), Carl Schmitt – Briefwechsel mit einem seiner Schüler, Berlin 1995, S. 100. 24 Ebd., S. 101. 25 Carl Schmitt, Tagebücher 1930 bis 1934 (wie Anm. 3), S. 183 und 267. 22 Carl
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Glauben an die Güte ihrer neuen Systeme und Systemträger entgegen zustellen.“26 Erwin von Beckerath Kennengelernt haben sich Schmitt und Erwin von Beckerath Mitte der 20er Jahre über den Vetter Herbert von Beckerath, mit dem es aber keinen Briefwechsel gibt. In den noch unveröffentlichten Tagebucheintragungen von Schmitt kommt Erwin von Beckerath erstmals am 21.1.1926 mit einem Vortrag über den Faschismus vor, persönlich getroffen hat er ihn dann später noch mehrfach, u. a. am 23.1. und 14.2.1928.27 Erwin von Beckerath hat auch einen Nachruf auf Carl Brinkmann verfasst.28 War Brinkmann Spezialist in anglo-amerikanischen Staats- und Wirtschaftsfragen, so interessierte sich Beckerath vor allem für den italienischen Faschismus. War Brinkmann für die Rezeption Carl Schmitts von Nutzen, so rezensierte Schmitt Beckeraths Buch „Wesen und Werden des faschistischen Staates“.29 Schmitt lobt die „musterhafte Klarheit und Geschlossenheit“ des Beckerathschen Buches (S. 124): „Er nimmt ohne parteipolitisch-subalterne Beschränktheit in verständiger Sachlichkeit Stellung und wagt sogar eine Prognose. Dadurch unterscheidet es sich es sich sehr vorteilhaft auf der einen Seite von den Äußerungen enthusiastischer Bewunderer und blindwütiger Beschimpfer, unter denen leider auch bekannte deutsche Gelehrte zu finden sind; andererseits mißbraucht es nicht die Begriffe von Objektivität und Wissenschaftlichkeit, um in abwartender Ängstlichkeit klaren Erkenntnissen und Formulierungen auszuweichen.“ (S. 124). Schmitt verweist hier auch noch auf die Arbeit von Gerhard Leibholz zu Verfassungsfragen (S. 125). Als Erkenntnisinteresse formuliert Schmitt die Frage: „Ist es denkbar, daß heute ein Staat gegenüber den wirtschaftlichen und sozialen Gegensätzen und Interessen die Rolle des h ö h e r e n Dritten spielt (das ist der Anspruch des faschistischen Staates); oder ist er notwendigerweise nur der bewaffnete Diener einer jener wirtschaftlichen und sozialen Klassen (die bekannte marxistische The26 Carl Brinkmann, Über Güte und Schlechtigkeit des Menschen in der Lehre von Staat und Gesellschaft, in: Hans Barion / Ernst-Wolfgang Böckenförde / Ernst Forsthoff / Werner Weber (Hrsg.), Epirrhosis. Festgabe für Carl Schmitt, Erster Teilband, Berlin 1968, S. 83. 27 Ich danke Herrn Dr. Giesler für die freundlichen Hinweise auf die noch unveröffentlichten Tagebücher. 28 s. oben, Anm. 9. 29 Carl Schmitt, Rezension „Wesen und Werden des faschistischen Staates“, in: ders., Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar-Genf-Versailles 1923–1939, 3. Aufl., Berlin 1994, S. 124–130 (zuerst in Schmollers Jahrbuch 53, 1929, S. 107– 113). So nicht anders angegeben, stammen die Seitenangaben aus diesem Aufsatz.
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se); oder ist er eine Art von n e u t r a l e m Dritten, ein pouvoir neutre et intermédiaire (was er bis zu einem gewissen Grade heute faktisch in Deutschland ist, wobei die Reste des alten Beamtenstaates die Rolle eines solchen pouvoir neutre spielen)?“ (S. 125). An diese Rezension schließt sich ein Briefwechsel an, der insgesamt 14 Briefe und Karten im Zeitraum von 1930 bis 1950 umfasst. Der Briefwechsel ist unvollständig und dürfte wohl noch fortgesetzt worden sein, zumal eine Buchsendung mit Widmung von Carl Schmitt aus dem Jahr 1952 vorliegt. Da aber Beckerath sehr sorglos mit den Briefen umging, besteht nur wenig Hoffnung im unbearbeiteten und daher gesperrten Nachlass von Beckerath noch eine größere Anzahl von Briefen zu finden.30 Was interessierte Carl Schmitt nun an Erwin von Beckerath (1889–1964)? Er war ein ungemein vielseitiger Ökonom, der dogmengeschichtliche, finanztheoretische und verkehrswirtschaftliche Arbeiten hervorbrachte,31 und dabei Nationalökonomie, Soziologie und Politikwissenschaft integrierte. Auch er wird von Bernhard Harms zu den Theoretikern der Gestalttheorie gerechnet.32 In den Nachrufen wird dezent über die Zeit des Nationalsozialismus hinweggegangen, weswegen hier kurz auf ein paar Aspekte hingewiesen werden soll, die aber nicht gänzlich ausgeführt werden können. Zunächst bleibt festzuhalten, dass Beckerath 1933 seinen Lehrstuhl behält, ebenso 1945. Er hält 1933 vor dem „Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebund“ und vor dem „Kampfbund für deutsche Kultur“ Vorträge mit den Titeln „Der totale Staat in Italien“ und „Faschistische Wirtschaftsverfassung“, über die in der NS-Zeitung „Westdeutscher Beobachter“ berichtet wird.33 Auch wenn Zeit und Ort der Veröffentlichung skeptisch stimmen, so lassen sich kaum Sympathien für den Nationalsozialismus, wohl aber für den italienischen Faschismus erkennen. Dies wird bestätigt durch eine Tagebucheintragung Schmitts vom 18. Oktober 1933, in der es heißt: „Abends bei Beckerath; er ist für Faschismus gegen Nationalsozialismus.“34 Schmitt mag dies 1933 noch irritieren, 1936, noch vor seinem „Sturz in der Ämter30 Ich danke sehr herzlich Frau Dr. Melitta von Beckerath für die persönlichen Auskünfte. 31 Vgl. Fritz Neumark, Erwin von Beckerath † Nachruf, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswirtschaft 122, 1966, S. 193–208; Kurt Schmidt, Erwin von Beckerath, in: Weltwirtschaftliches Archiv 94, 1965, S. 153–163. 32 Hauke Janssen (wie Anm. 7), S. 49. 33 –n, Totaler Staat, in: Westdeutscher Beobachter Nr. 249 vom 4.10.1933; Faschistische Wirtschaftsverfassung, in: ebd. Nr. 145 vom 22.6.1933. 34 Carl Schmitt, Tagebücher 1930 bis 1934 (wie Anm. 3), S. 306. Vgl. auch: Matthias Damm, Die Rezeption des italienischen Faschismus in der Weimarer Republik, Baden-Baden 2013.
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hierarchie“ des Nationalsozialismus, ist auch er von Mussolini begeistert.35 Dennoch hält er am Nationalsozialismus fest, Beckerath dagegen beginnt sich zu distanzieren. Beckeraths Engagement für den italienischen Faschismus führte zu einer Reihe von Aufsätzen und 1931 zur Übernahme des deutschen Direktorats des Petrarca-Hauses, eines Kulturinstituts, das neben faschistischer Propaganda, aber auch seriöse Vorträge bot.36 Beckerath hat die Zeit des Nationalsozialismus als Professor überlebt. Dabei wurde er auch in die Klasse IV der Akademie für Deutsches Recht berufen, wo er die Abteilung Volkswirtschaftslehre leitete und auf Carl Brinkmann traf, der die Abteilung Wirtschaftsgeschichte führte. Auch wenn man den Eindruck, es handele sich um eine Widerstandsgruppe – immerhin wurde ihr Leiter Jens Jessen wegen seiner Kontakte zu Goerdeler und Beck hingerichtet – nicht teilt, so wird man dem Urteil von Hauke Janssen zustimmen können, dass der oppositionelle Charakter gegenüber den Grundlagen der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik der vierziger Jahre am prägnantesten in dem von Erwin von Beckerath geleiteten Zentralausschuß Volkswirtschaftslehre zum Ausdruck kam. Dessen Arbeit begann im November 1940 mit einer Diskussion der soeben erschienenen Grundlagen der Nationalökonomie von Walter Eucken. An diesen Diskussionen nahmen neben Beckerath und den Freiburgern Eucken, Lampe, Dietze, Böhm und Miksch die besten deutschen Theoretiker wie Preiser, Peter, Strigl und der Beckerath-Schüler Stackelberg teil. So entstanden Pläne, die heute als die theoretischen und ordnungspolitischen Grundlagen der Wirtschaftsordnung der späteren Bundesrepublik begriffen werden.37 Auch nach dem Krieg behält Beckerath seinen Lehrstuhl und wird 1949 als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats ins Bundeswirtschaftsministerium berufen, ein Amt das er bis zu seinem Tode innehat. Der Kontakt zu Schmitt reißt in dieser Zeit nicht ab, wenn er sich auch nur schwer belegen lässt und eher sporadisch gewesen sein dürfte. 1949 berichtet Carl Schmitt über ein geplantes Treffen mit Oberheid, Beckerath und anderen 35 Wolfgang Schieder, Mythos Mussolini. Deutsche in Audienz beim Duce, München 2013, S. 315; Reinhard Mehring (wie Anm. 1), S. 370 f. und 378 ff. 36 Andrea Hoffend, Das Deutsch-Italienische Kulturinstitut Petrarca-Haus zu Köln (1931–1941): Propagandazentrale oder seriöse Lehr- und Forschungsstätte?, in: Geschichte in Köln 37, 1995, S. 81–98; Mario Cotza, Ein Wirtschaftstheoretiker zwischen kritischer Analyse und Bewunderung des italienischen Faschismus. Erwin von Beckerath (1889–1964), in: Geschichte in Köln 39, 1996, S. 35–49; Wolfgang Schieder, Faschismus für Deutschland. Erwin von Beckerath und das Italien Mussolinis, in: Christian Jansen / Lutz Niethammer / Bernd Weisbrod (Hrsg.), Von der Aufgabe der Freiheit. Politische Verantwortung und bürgerliche Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Hans Mommsen, Berlin 1995, S. 267–283. 37 Hauke Janssen (wie Anm. 7), S. 212.
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Bonner und Godesberger Bekannten.38 Beckerath beteiligt sich 1951 auch mit 10 DM am Sonderkonto für Carl Schmitt, ein eher symbolischer Betrag.39 1952 übersendet Carl Schmitt Winstanleys Hamletbuch mit folgender Widmung: „Für Frau Thea von Beckerath als Schiedsrichterin, von derem milden Urteil dieses sonderbare Dreigespann 1) einer heute siebzigjährigen Engländerin, 2) einer zwanzigjährigen Bühnenbildnerin und 3) eines 65 jährigen deutschen Professors alle Nachsicht und Güte erbittend. Köln, 8. November 1952 Carl Schmitt (Zugleich im Namen der genannten beiden Damen)40
Hat man sich im Sommer 1932 „aus der klaren Sphäre reiner Staatlichkeit und reiner Politik“, d. i. das faschistische Italien, noch herzlich gegrüßt,41 so tritt in den 50er Jahren eine Entfremdung ein, als sich Beckerath Edgar Salin annähert.42 Friedrich Lenz Der Letzte, der zu dieser Art Ökonomen gehört, ist Friedrich Lenz (1885– 1968).43 Lenz ist eine schillernde Figur, dessen Nachlass ebenfalls verschollen ist, weshalb fünf Briefen an Schmitt eine durchaus höhere Bedeutung zukommt, als dies gewöhnlich der Fall ist. Lenz muss Schmitt schon vor 1923 gekannt haben, möglicherweise schon seit 1919, als Schmitt gesellschaftlichen Kontakt mit der in München und Bad Tölz lebenden Unternehmerfamilie Krause pflegte.44 Lenz ist seit 1919 Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften in Gießen. Die folgende Kurzbiographie beruht auf der Studie von Helmut Berding, worauf sich auch die Seitenzahlen im Text beziehen. Lenz hat die „Gießener Schule“ begründet, die „auf einer grundsätz38 Dorothee Mußgnug / Reinhard Mußgnug / Angela Reinthal (Hrsg.), Briefwechsel Ernst Forsthoff – Carl Schmitt (1926–1974), Berlin 2007, S. 57. 39 Ebd., S. 533. 40 Privatbesitz Dr. Melitta von Beckerath. 41 Karte vom 7.6.1932; Abdruck in: Tielke (Hrsg.), Schmitt und Sombart (wie Anm. 4), S. 179. 42 Vgl. Briefwechsel Ernst Forsthoff – Carl Schmitt (wie Anm. 38), S. 369. 43 Helmut Berding, Friedrich Lenz (1885–1968), Nationalökonom, in: Hans Georg Gundel / Peter Moraw / Volker Press (Hrsg.), Gießener Gelehrte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Marburg 1982, S. 602–611; Gottfried Eisermann, Friedrich Lenz – Der Mann und das Werk, in: Friedrich Lenz, Friedrich List, Der Mann und das Werk, Aalen 1970, S. V–XIII. 44 Vgl. Reinhard Mehring (wie Anm. 1), S. 155 f.
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lichen Ablehnung des wirtschaftlichen und politischen Liberalismus“ (S. 602) beruhte. „Ihm setzte Lenz eine Politische Ökonomie entgegen, die sich an Friedrich List und Karl Marx orientierte.“ (S. 602). Berding bescheinigt dieser Schule einen „ausgeprägten, staatswirtschaftlichen Nationalismus“ (S. 602) und eine Übernahme marxistischer Elemente, die nach 1933 zum Ende der „Gießener Schule“ führten. Lenz sei „einer [ihrer] letzten großen Vertreter“ (S. 602) der „historischen Nationalökonomie“, d. h. der Historischen Schule der Nationalökonomie um Adolph Wagner, Gustav Schmoller, Albert Schäffle u. a. gewesen (vgl. S. 602). 1913 entwickelte Lenz den Grundgedanken, „daß in der Macht das Wesen des Staates liege und sie die Voraussetzung für jede Betätigung der Wirtschaft sei: kein volkswirtschaftlicher Fortschritt ohne Machterweiterung!“ (S. 603). Von 1915 bis 1917 nimmt er als Leutnant am Ersten Weltkrieg in Frankreich und in der Auslandsabteilung der OHL teil (vgl. S. 603). 1919 schließt er sich dem „Juniklub“ um Moeller van den Bruck und dem Politischen Kolleg an (vgl. S. 604). Auch 1919 erhält er die Stiftungsprofessur (Siegmund Heichelheim) für Volkswirtschaftslehre an der Universität Gießen. (vgl. S. 604). Dort folgte 1921 eine ordentliche Professur, nach Ablehnung der Rufe nach Konstantinopel, New York, Graz und Prag (vgl. S. 604). Lenz stellt sich in den Dienst des Reichsinnenministeriums zum Kampf gegen den Versailler Vertrag (Art. 231), den „Dawes-Plan“ (vgl. S. 604 f.) und den „Young-Plan“ (S. 605). „Die Politische Ökonomie von Friedrich Lenz enthielt zweifellos marxistische Elemente, sie war aber nicht im Kern marxistisch, sondern knüpfte viel eher an Friedrich List an.“ (S. 605). Dieser diente vor allem dazu, „um die vom Liberalismus vertretene Annahme einer Wirtschaft im staatsfreien Raum als Ideologie zu entlarven“ (S. 606). 1925 gründet Lenz mit Beckerath, Salin u. a. die Friedrich-List-Gesellschaft e. V. (S. 606). List widmet er dann neben einer Biographie noch zahlreiche Schriften, die aber dem Zeitgeist angepasst werden (vgl. S. 606 f.). Berding spricht davon, dass „Zeitkolorit“ durchschimmert“ (S. 607), schränkt aber ein: „Eine aktualisierende Zubereitung historischer Tatbestände je nach politischer Opportunität kam für ihn nicht in Betracht. Ähnlich beständig wie seine geschichtlichen blieben seine theoretischen Anschauungen. Die daraus gezogenen politischen Schlüsse hingegen waren stärkeren Wandlungen unterworfen.“ (S. 607). Ab 1929 engagiert er sich im „Nationalbolschewismus“ und der „Deutschen Jungenschaft“ und es findet eine außenpolitische Umorientierung statt: Anlehnung an die UdSSR gegen den Westen und dessen Kapitalismus. Daraus ging 1932 ARPLAN, eine Studiengemeinschaft für die Erforschung der Planwirtschaft, hervor (vgl. S. 608).45 Nach 1933 geriet 45 Anlässlich eines Vortrages der ARPLAN am 25.4.1932 im Berliner CentralHotel trifft Schmitt Lenz; bei dem Vortrag war auch Georg Lukács anwesend; s. Schmitt, Tagebücher 1930 bis 1934 (wie Anm. 3), S. 189 f.
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Lenz ins Visier der Gießener SS (vgl. S. 608) und trotz Unterstützung nationalsozialistischer Parteimitglieder wie Graf Ernst zu Reventlow wird Lenz am 5.5.1933 „mit sofortiger Wirkung“ von allen Dienstverpflichtungen beurlaubt, am 1.8.1933 „wegen politischer Unzuverlässigkeit vom Reichsstatthalter aus dem hessischen Staatsdienst entlassen“ (S. 608). Dies wird ihm erst am 12.9.1933, also rückwirkend, mitgeteilt. Berding vermutet dahinter eine lokale Parteiintrige (vgl. S. 608). Ende 1933 wird die Entlassung in eine Zwangspensionierung umgewandelt (vgl. S. 609). Im August 1934 zieht er nach Berlin. Von 1937 bis 1940 hält Lenz sich in Den Haag, London und Washington zu Studienzwecken auf (vgl. S. 609). Dort entsteht auch die Studie „Total War. A Structural Analysis of Economics, Technological and Cultural Effects“. 1941 holt ihn Adam von Trott zu Solz ins Auswärtige Amt (vgl. S. 609). Bis 1944 bleibt er wissenschaftlicher Mit arbeiter im Auswärtigen Amt. Das Ende des Krieges erlebt er in Bayern (vgl. S. 609). Mit Brinkmann und Beckerath verbindet Lenz die Friedrich-List-Gesellschaft, aber auch die gemeinsame Herkunft und Wissenschaftsauffassung der Historischen Schule um Schmoller. Jedoch auch der marxistische Politikwissenschaftler Wolfgang Abendroth suchte in den 20er Jahren den Kontakt zu Lenz.46 Vielleicht gibt Gottfried Eisermann in seinem Nachruf den besten persönlichen Eindruck von Lenz wieder: „Mit ihm ist in der Universalität des die fachliche Einzeldisziplin in jeder Hinsicht sprengenden Gelehrten, der zugleich Nationalökonom und Soziologe, Jurist und Politologe war, nicht allein der letzte bedeutende Vertreter der deutschen Historischen Schule, sondern der letzte Repräsentant vielleicht der alten Humboldtschen Universität dahingegangen. Indem er zum politischen Grund aller dieser Disziplinen durchdrang und selbst dabei bewußt eindeutig Stellung bezog, indem er, mit einer Lieblingswendung von ihm, das wohlverstandene Erbe des Kathedersozialismus ‚dialektisch in sich aufhob‘ und indem er Bürgertum und Sozialismus, List und Marx, in einer übergreifenden Synthese miteinander zu versöhnen suchte, glich er seinem großen Vorbild, dem ‚Deutschen ohne Deutschland‘ die furchtbaren Bitternisse der Zeit nahezu gleich auf die Neige erfahrend.“47
46 Vgl. Wolfgang Abendroth, Ein Leben in der Arbeiterbewegung. Gespräche. Aufgezeichnet und hrsg. von B. Dietrich und J. Perels, 3. Aufl., Frankfurt / M. 1976, S. 68. 47 Gottfried Eisermann (wie Anm. 43), S. XII f.
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Eduard Heimann Völlig anders gelagert als die Beziehungen zu Brinkmann, Beckerath und Lenz ist der Kontakt zu Eduard Heimann (1889–1967).48 Heimann gehörte zu einer gänzlich anderen Theorierichtung, nämlich den religiösen Sozialisten um Paul Tillich. Als seinen Lehrer bezeichnete er Franz Oppenheimer. Anders als Brinkmann, Beckerath und Lenz emigrierte Heimann in die USA, wo er an der New School for Social Research lehrte. Heimann hat auch nicht die Nähe zu Schmitt aus Gründen der Theorie gesucht, sondern um ein Gutachten für seinen Assistenten Siegfried Landshut einzuholen,49 was auch gelingt. Die Briefe sind weniger wegen Fragen der Ökonomie von Interesse, sondern gehören in das Umfeld des gescheiterten Habilitationsverfahrens von Siegfried Landshut. So bedauert Landshuts Biograph Rainer Nicolaysen, dass „dieses mit Sicherheit hochinteressante Gegengutachten“ nicht „in den Akten verblieben“ ist.50 Schmitt hat sich für Landshut, gegen dessen akademischen Gegner, den Nationalsozialisten Andreas Walther ausgesprochen, was Schmitt allerdings nicht gewusst haben dürfte. Walther spielt 1933 / 34 noch eine wenig rühmliche Rolle bei der Gleichschaltung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.51 Landshut konnte sich nicht habilitieren, brachte aber seine Habilitationsschrift 1929 unter dem Titel „Kritik der Soziologie“ bei Duncker und Humblot heraus, womit er für heftige Auseinandersetzungen in der Zunft und darüber hinaus sorgte.52 Schmitts Leben wird also immer wieder von Nationalökonomen begleitet. Insgesamt aber darf der Anschein nicht täuschen. Schmitt hat kein zusammenhängendes Werk über Wirtschaft und Staat geschrieben, sondern wollte den Staat vor der liberal-kapitalistischen Vereinnahmung bewahren. Dass der Staat als „ideeller Gesamtkapitalist“53 selbst Teil des Problems werden könnte, lag möglicherweise noch außerhalb seiner Vorstellungswelt.
48 Vgl. Heinz Rieter, Eduard Heimann – Sozialökonom und religiöser Sozialist, in: Rainer Nicolaysen (Hrsg.), Das Hautgebäude der Universität Hamburg als Gedächtnisort, Hamburg 2011, S. 229–259; Rainer Nicolaysen, Siegfried Landshut. Die Wiederentdeckung der Politik. Eine Biographie, Frankfurt / Main 1997, S. 84–94. 49 s. unten, S. 230–232. 50 Nicolaysen, Siegfried Landshut (wie Anm. 48), S. 94–103, besonders S. 101. 51 Vgl. Rainer Waßner (Hrsg.), Wege zum Sozialen. 90 Jahre Soziologie in Hamburg, Opladen 1988, S. 9–22. 52 Nicolaysen, a. a. O., S. 103–115. 53 Friedrich Engels, Anti-Dühring, in: Marx Engels Werke (MEW), Bd. 20, Berlin 1968, S. 260.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
I. Carl Brinkmann 1. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Karte, 2 Seiten hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2037
Heidelberg, 23.11.1925 Sehr geehrter Herr Kollege. Verbindlichsten Dank für Ihre freundliche Karte und die grosse Ehre, die Sie mir erweisen, in dem Sie in Ihrem Seminar Arbeiten von mir ausgeben. Leider sind Separata meiner „Umformung“ und „Aristokratie“ (wie der ganze Grundriß-Band) noch immer nicht ausgegeben, aber da ich annehme, dass Ihnen Eile lieb ist, erlaube ich mir mit gleicher Post Revisionsbogen der beiden Beiträge zu übersenden, die ich glücklicher Weise noch habe und über deren äussere Schönheitsfehler Sie vielleicht hinwegsehen. Die K.V.54 werde ich mir gern ansehen. Über die Romantik können wir vielleicht einmal mündlich sprechen, ich soll nach Weihnachten an der T.H. Aachen einen Vortrag halten und komme vielleicht für ein paar Stunden nach Bonn. Es wird Sie interessieren, dass im Dez. an einem der von uns wiederbelebten Soziologenabende Hr. v. Wiese jr.55 (patre multo inferior) über Ihre Politische Romantik referieren wird. Und am Freitag kommt Guardini56 auf meine Veranlassung zum ersten Mal hierher! Mit angelegentlichen Grüßen stets Ihr C. Brinkmann
2. Carl Brinkmann an Carl Schmitt
Brief, 4 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland RW 265-2038
o. O. u. D.57 Sehr verehrter Herr Kollege. Aufrichtig herzlichen Dank für Ihre zu gütige Sendung. Wie sehr gern käme ich wieder einmal bald zu Ihnen, aber abgesehen davon, dass wir nun zu54 Kölnische
Volkszeitung. von Wiese (und Kaiserswaldau) (1903–1987), Germanist. Wiese erwähnt in seiner Autobiographie „Ich erzähle mein Leben“ das Referat nicht. 56 Romano Guardini (1885–1968), Theologe, bereits in den 20er Jahren mit Schmitt bekannt. 1939 auf Druck der Nationalsozialisten zwangsemeritiert, vgl. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Romano Guardini. Konturen des Lebens und Spuren des Denkens, Mainz 2005. 57 Schmitt erhielt den Brief am 11.9.1926; s. Carl Schmitt, Tagebuch 1925–1929 (in Vorber.). 55 Benno
I. Carl Brinkmann133
nächst einmal auf Ihren Besuch hier hoffen (unser Gastzimmer steht auf Anmeldung zur Verfügung) wartet meiner Ende d. M. die erste Juristenprüfung, in Karlsruhe und nimmt den Rest ohnehin sehr zersplitterter Ferien (Mittwoch gehe ich noch einige Tage zu Max Solms58 nach Assenheim). Ihre Meinecke-Rezension59 kannte ich schon und halte sie für ein Meisterwerk taktvoll schonender und doch deutlicher Zurechtweisung einer ziemlich verunglückten Leistung unseres verschwommenen Historikergeistes. Die Neuauflage des „Parlamentarismus“60 fesselt mich stark. Soll ich und darf ich ganz offen sein, habe ich zunächst den Eindruck einer ganz kleinen Standpunkteverschiebung durch Vorwort und Zusätze. Die jetzt stärkere Betonung des Gegensatzes zwischen Liberalismus und Demokratie ermöglicht gewiss die schön herausgearbeitete Erkenntnis der illiberalen, diktatorischen und inegalitär ‚homogenen‘ Demokratieformen, wie ich sie im Osten im amerikanischen Hinterwald mit Vergnügen beobachtet habe. Aber gerade darum steigen auch zweierlei Fragen jetzt stärker auf. Einmal, ob, wie Ihre interessante Unterscheidung publizistischer und privatrechtlicher ‚Diskussion‘ nahelegt, dieser Begriff nicht überhaupt mit einer echten und edlen Seite in die vorliberalen Systeme hinaufreicht und dort sogar (etwa im Sinne Wolzendorffs) das Organischere gegenüber autokratischer ‚Dezision‘ darstellt. Sodann und im Zusammenhang damit, ob nicht die moderne Mechanisierung dieser echten Diskussion in der Tat als ‚technische‘ Lösung der Aufgaben der modernen Massengesellschaft (analog der ‚Massenheilanstalt‘, die von Scheler61 angegriffen wird) ausreichend zu rechtfertigen ist. Die Politik und das Staatsrecht stehen m. E. vor der gleichen Problemlage wie unsere ökonomische Theorie: Neben die Erkenntnis der dezisionistischen Normen von ‚Gerechtigkeit‘ und ‚Produktivität‘ hat die der relativistischen Bedingungen ihrer Verwirklichung in einer Welt der ‚Technik‘ und der ‚Knappheit‘ zu treten, bei Strafe des Untergangs, wie Max Weber62 zu sagen pflegte. (Ich freue mich darauf, Ihnen bald eine 58 Max Solms (1893–1968), Soziologe, gründete das „Forscherheim Assenheim“ (1926–1932), vgl. Freda Gräfin zu Solms (Hrsg.), Max Graf zu Solms. Ein Lebensgang, Marburg 1982; Rolf Fechner / Herbert Claas, Verschüttete Soziologie. Zum Beispiel: Max Graf zu Solms, Berlin 1996. 59 Carl Schmitt, Zu Friedrich Meineckes „Idee der Staatsräson“, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 56, 1926, S. 226–234 (auch in: ders., Posi tionen und Begriffe, 1940, S. 45–52). 60 Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 2. Aufl., München 1926; 6. Aufl., Berlin 1985, S. 19. 61 Max Scheler (1874–1928), Philosoph. Vgl. Max Scheler, Wissenschaft und soziale Struktur, in: Verhandlungen des 4. Deutschen Soziologentages am 29. und 30.9.1924 in Heidelberg, Tübingen 1925, S. 138. 62 Max Weber (1864–1920), Nationalökonom, Jurist, Soziologe; vgl. Joachim Radkau, Max Weber. Die Leidenschaft des Denkens, München 2005, S 421–425.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
ökonomisch-theoretische Kleinigkeit im Anschluss an Schumpeters revolutionären Schmoller-Aufsatz63 vorzulegen; könnten Sie mir für diesen eine psychologische Genese geben – kann ein Mann wie Spiethoff64 selbst einen so versatilen Geist wie Schumpeter so ausstülpen?) Übrigens ist bei Ihrem interessanten Rousseau-Zitat (mein Name an dieser Stelle und mit dieser Epithese beschämt mich!)65 doch wohl anzumerken, dass neben dem naturalwirtschaftlich-antikapitalistischen Pathos entschieden auch die ‚liberale‘ Abwendung vom Merkantil- und Polizeistaat darin lebt; ‚Finanz‘ ist damals und besonders hier etwas in dieser Richtung Pejoratives, durchaus nicht gleich unserem späteren Sprachgebrauch. Leben Sie für heute recht wohl im neuen Heim und erfreuen Sie bald wieder durch eine Äusserung Ihren stets verehrungsvoll ergebenen Carl Brinkmann.
3. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2039
Heidelberg, 3.10.1927 Lieber verehrter Freund Schon eine Woche ist seit meiner Ankunft bei Ihnen verflossen und noch immer habe ich Ihnen und der gnädigen Frau nicht gesagt, wie herzlich dankbar ich die Erinnerung an die Stunden mit Ihnen als den Höhepunkt dieser schönen Herbstreise bewahre. Entschuldigen Sie es mit den sehr bewegten Homburger Verhandlungen66 und einer scheusslichen Erkältung, die ich nach Haus mitbrachte und die mich leider auch noch immer verhindert lang am Schreibtisch zu sitzen. Statt weiterer Dankesworte lassen Sie mich daher lieber Ihnen und Frau Schmitt sagen, dass ich im Bett sowohl den Begriff des Politischen wie die 63 Joseph Alois Schumpeter, Gustav von Schmoller und die Probleme von heute, in: Schmollers Jahrbuch 50, 1926, S. 337–388. 64 Arthur Spiethoff (1873–1957), Nationalökonom, seit 1918 Prof. der Wirtschaftlichen Staatswissenschaften Universität Bonn, Mitbegründer der Lehre von den Wirtschaftsstilen und der modernen Konjunkturforschung. 65 „Der von bedeutenden Nationalökonomen wie Alfred Weber und Carl Brinkmann bewunderte Philosoph der modernen Demokratie sagt in allem Ernst: Finanz ist etwas für Sklaven, ein mot d’esclave …“. Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 7. Aufl., Berlin 1991, S. 19. 66 Homburger Verhandlungen: Es handelt sich um die Besetzung des Vorstands der List-Gesellschaft.
I. Carl Brinkmann135
Krotkaja67 gelesen habe (in meinem Victor Hugo68 fand ich sogar ein Kapitel des Dernier Jour). Beides zugleich herrlich und quälend durch einen im Tiefsten verwandten Radikalismus. Beim Dostojewsky versinkt man immer wieder in den göttlichen Abgrund hinter aller Unerbittlichkeit, von dem die „Sanftheit“ dieses russischen Mädchens wie ein Schimmer ist. Beim Carl Schmitt zwingt leider die Wissenschaft bisweilen, jene eigene skeptische Unerbittlichkeit gegen ihn selbst umzukehren und der abgründigen Frage nachzusinnen, inwieweit Tendenz und Pathos (wie die des Liberalismus) überhaupt nur wieder durch ein entgegengesetztes Ihresgleichen zu enthüllen sind. Eine Einzelkritik würde namentlich wohl da einzusetzen haben, wo wir neulich schon mit Dohna69 waren, nämlich dem Zweifel an der Unauflösbarkeit der Freund-Feind-Kategorie. Betroffen hat mich im Zusammenhang damit, wie Sie in der „relativen Selbständigkeit“ der (von Ihnen viel zu spät in Sicht genommen) Kategorie des Rechts reden. Sie ist doch unmöglich Hobbesisch rein als Ideologie der Politik, Ökonomie usw. zu nehmen. Wie aber sonst? Meine Frau sendet herzliche Empfehlungen und hofft, Sie nach Überwindung unserer Wohnungsnöte recht bald mit mir bei uns zu begrüssen. In Freundschaft und Verehrung stets Ihr Carl Brinkmann
4. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2069
Chicago, 17.11.1928 Lieber verehrter Freund Indem ich mich nach zweimonatiger Arbeit an der hiesigen Universität zu der grossen Reise nach dem Stillen Ozean und dem Mexikanischen Golf anschicke, möchte ich Sie doch endlich einmal wissen lassen, wie sehr und 67 Es handelt sich dabei um die 1876 erschienene Erzählung „Die Sanfte“ von Fjodor Dostojewski. Über die Bedeutung dieses Werkes für Schmitt vgl. Carl Schmitt, Der Schatten Gottes. Introspektionen, Tagebücher und Briefe 1921 bis 1924. Hrsg. von Gerd Giesler, Ernst Hüsmert und Wolfgang H. Spindler, Berlin 2014. 68 Victor Hugo (1802–1885), franz. Schriftsteller, der sich vom Royalisten zum Liberalen wandelte. Der „letzte Tag“ (Dernier Jour) ist eine Anspielung auf Hugos 1829 erschienenen Roman „Le dernier jour d’un condamné à mort!“, mit dem er sich gegen die Todesstrafe wandte. 69 Alexander Graf zu Dohna (1876–1944), Prof. für Strafrecht, 1926 von Heidelberg nach Bonn berufen.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
oft ich hier in der Fremde in Ihrer geistigen Gesellschaft gelebt habe, und möchte Sie bitten, mir das traurige Weihnachtsfest fern von Zuhause durch einen freundlichen Gruss und Bericht von Ihrem Ergehen zu verschönen – ich bin zwischen Weihnachten und Neujahr wieder zu zwei Fachkongressen hier und in diesem Gasthaus, um dann noch nach dem Osten zu gehen und so Gott will, Ende Januar heimzukehren. Sowohl Arbeit wie Existenz hier waren zu grossem Teil laufende Auseinandersetzung mit den Staats- und Gesellschaftsgedanken, für die Sie in Europa eintreten, und erst hier habe ich auch Ihre schöne Verfassungslehre ganz gelesen. Als ein Symbol des neuen und grossen Kulturwillens, den man in diesem Lande und namentlich in dieser, sich mutig aus dem Pionierschmutz herausarbeitenden Stadtherrlichkeit an ihrem „Binnenmeer“ (wie Paul Claudel70 neulich hier sagte) verspürt, erlaube ich mir, Ihnen und insbesondere auch Frau Schmitt, deren Gesundheit sich hoffentlich recht gebessert hat, das Bild eines der beiden Indianer einzulegen, die Ihr grosser Landsmann für die grossartigste aller Wasserfronten der Welt gehauen hat. Besser als mit dem Bild könnte ich auf vielen Seiten nicht sagen, weshalb ich Amerika liebe, auch wenn sein Spartanertum mich bedrückt und die Tage bis zur Rückkehr in die europäische Feudalität (es ist nur eine, für alle Europäer) zählen lässt. Und dass ich das liebe kleine Buch von Paul Morand71 nicht vergesse, das mich mit seinem bald überlegenen, bald seltsam unzureichenden und mitunter sogar etwas kitschigen Gallizismus vor der Seekrankheit bewahren half und auf einen so wichtigen Teil der Überseewelt wenigstens in der Form vorbereitete. Die Verfassungslehre72 ist ein aufrüttelndes Buch. Aber ich sehe aus der Schwierigkeit meiner Selbstgespräche, geschweige denn der versuchsweisen Gespräche mit den hiesigen naiven Demokraten darüber immer und immer wieder die ganze Verwickeltheit unseres modernen politischen Schicksals. Sie werden nicht überrascht sein, dass ich mich an nichts so dauernd stosse wie an der „Eingleisigkeit“ Ihrer Dezisionen, von der wir in Davos73 spra70 Paul Claudel (1868–1955), franz. Schriftsteller, der vor allem auf dem Theater für eine katholische Erneuerung eintrat. 71 Es dürfte sich um das Buch „L’Europe galante“ (Paris 1925) von Paul Morand gehandelt haben. 72 Carl Schmitt, Verfassungslehre, München / Leipzig 1928. 73 Zu den Davoser Gesprächen vgl. Timothy Nelson, Gruppenbild mit Damen, in: Davoser Revue 77, 2002, Heft 2, S. 45–48; Christian Schmid, Die Davoser Hochschulkurse vor 75 Jahren. in: ebd. 78, 2003, Heft 1, S. 13 ff.; Timothy Nelson, Davos 1928: Anfang der Ökumene?, in: ebd., S. 16 ff.; Davoser Hochschulkurse 18. März – 14. April, in: Davoser Revue 3, 1928, Heft 7, S. 5–33 (zu Schmitt: S. 28 f.).
I. Carl Brinkmann137
chen, und erst jetzt ist mir recht klar geworden, wie sehr Sie sich trotz tieferer innerer Verwandtschaft der politischen Gesinnung in allem Theoretischen von Smend74 unterscheiden. Wissen Sie, wenn ich ganz ketzerisch sein darf, was, trotz Ihres Grundgegensatzes demokratischer Identität und monarchischer Repräsentation und aller Ihrer treffenden Enthüllungen der historischen Bedingtheit der Rechtsstaatlehre mein überragender Eindruck von Ihrem Buch ist? Es ist die vollkommene Unentrinnbarkeit der Ihnen so unangenehmen Mischformen alles modernen Verfassungslebens. So erkläre ich mir auch, warum ein Rechtsstaatler wie Anschütz75 solches Gefallen an dem Buch hat. Sie zeigen wie kein anderer den drohenden Hinter- und Abgrund der [1 Wort unlesbar] Rechtsstaatelei. Aber nichts kann vernichtend ehrlicher sein wie Ihr letztes Kapitel über die Monarchie. Ich aber habe gerade hierdurch meinen Glauben an die Aristokratie bestärkt, den Sie einmal in Bonn angriffen. Ich freue mich hier von Briefs76 zu hören, dass Sie in seiner Nachbarschaft so gut untergebracht sind. Ich hoffe sehr, Sie beide kümmern sich ein bisschen um meine Frau (Reichskanzlerplatz 5 bei Laurenz). Viele herzliche Grüsse und gute Wünsche von Ihrem allzeit Ihnen ergebenen Carl Brinkmann
5. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 1 Seite, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2041
Heidelberg, 19.3.1930 Lieber verehrter Freund. Nochmals Dank für alles!77 Die hier zurückgehenden Sachen waren wirklich eine sehr schöne Reiselektüre. Der Vortrag ist fast zu knapp, und ich war froh, aus Ihren Gesprächen einen Kommentar zu haben. Erleichtert war ich auch zu sehen, dass Ihre Intelligenz so etwas ganz anderes, wenn 74 Rudolf Smend (1892–1975), Staats- und Kirchenrechtler; vgl. Reinhard Mehring (Hrsg.), „Auf der gefahrenvollen Straße des öffentlichen Rechts“. Briefwechsel Carl Schmitt – Rudolf Smend 1921–1961, Berlin 2010. 75 Gerhard Anschütz (1867–1948), Staats- und Kirchenrechtler, Verfasser des bekanntesten Kommentars zur Weimarer Verfassung. 76 Goetz Briefs (1889–1974), Nationalökonom und katholischer Sozialethiker, vgl. Alois Amstad, Das Werk von Goetz Briefs, Berlin 1985. 77 Brinkmanns Aufenthalt in Berlin wird erwähnt in: Carl Schmitt, Tagebücher 1930–1934. Hrsg. von Wolfgang Schuller, Berlin 2010, S. 33.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
nicht das Gegenteil (als bürgerliche), ist wie unsere Heidelberger „freischwebende“. Herzliche Grüsse von Haus zu Haus stets Ihr Freund Carl Brinkmann
6. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 4 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2042
Bad Gastein, 28.8.1930 Lieber verehrter Freund. Heute komme ich in freudiger Erwartung des Wiedersehens bei meiner Berliner Rede mit einer Bitte und Frage, die Sie vielleicht seltsam finden werden, aber Carl Schmitt ist für mich nicht nur (nur!) der reine Geist, sondern einer der feinsten Lebenskünstler auf dem schmalen Gebiet zwischen dem Vulgus der Snobs und den Vulgus der Plebjer. Meine Frage ist kurz die: Kennen Sie in einer guten Gegend von Berlin eine gute Pension, wo ein Heidelberger Professoren-Ehepaar etwa 14 Tage gemütlicher leben könnte als in einem zweiten und (wenn sie wirklich gut ist) sogar in einem ersten Hotel? Meine gute Frau wünscht so sehr, dass ich wieder einmal länger als ein paar Tage mit ihr dort bin, und ich hätte an sich Zeit dazu nach dem 29. September – vorher geht es leider nicht, auch weil die Woche vor dem Soziologentag der Verein für Sozialpolitik in Königsberg tagt und ich es für eine Ehrensache halte, in die alte Heimat zu fahren. Ich habe mich bisher in Erinnerung an meine „Verbannung“ 192378 nicht entschliessen können, anders als tageweise in der schönsten deutschen Stadt zu sein. Aber es ist schon wahr, dass man dabei vielen lieben Menschen gar nicht gerecht werden kann. Könnte nicht ein Mensch auf den Gedanken gekommen sein, in der Tiergartengegend ausser Kunsthandlungen und Cafes auch eine schöne Pension aufzumachen? Oder in der Universitätsgegend, wo ich früher eine recht gute am Gendarmenmarkt kannte, aber mit den Jahren jede Spur davon verloren habe? Ich habe das Vertrauen, wenn jemand, so können Sie das wissen oder erfahren! Tausend herzlichen Dank voraus! Und nun noch eins: Ich habe Wiese79 sehr gebeten, Sie um ein Diskussionswort am 29. zu bitten, vielleicht hat er es getan und Ihnen meine Thesen geschickt. Sprächen Sie, so erfüllten Sie mir einen sehr grossen Wunsch! 78 Brinkmann war 1921 in Berlin zum außerordentlichen Professor ernannt worden, 1923 erhielt er ein Extraordinariat für Nationalökonomie in Heidelberg. 79 Leopold von Wiese (1876–1969), Prof. für Soziologie in Köln, Vorsitzender der deutschen Gesellschaft f. Soziologie, deren Neubegründer nach 1945..
I. Carl Brinkmann139
Ich habe (leider ohne meine Frau, die in Ihrem Oberstdorf ist und sehr beglückt davon schreibt) eine sehr erquickende, ganz einsame Kur hier fast hinter mir und gehe Sonntag für einige Nachkurtage auf den Semmering und dann über Wien zu den letzten Arbeiten nach Hause, wo ich etwa am 8. September zu sein und ein Wort von Ihnen zu finden hoffe. Mit herzlichsten Grüssen an Sie und Frau Schmitt, die hoffentlich bei bester Gesundheit ist, in Verehrung und Freundschaft stets Ihr Carl Brinkmann 7. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2043
z. Z. Hotel Berliner Hof, Königsberg (Pr), 22.9.1930 Lieber verehrter Freund. Sie entschuldigen gewiss, dass ich über leider nicht nur wissenschaftlichen, sondern auch persönlichen Sorgen und Geschäften nicht dazu kam, Ihnen für Ihren lieben Brief aus Westfalen zu danken, und hier nun aufs Neue auch durch die Nachsendung Ihres schönen Hochlandaufsatzes80 beschämt werde. Natürlich hat man bei unseren hiesigen Tagungen auch wieder keine Zeit. Aber ich möchte doch eine grosse Bitte wagen, nach dem Sie nun von Wiese die offizielle Einladung zur Diskussion erhalten haben. Tun Sie mir doch den Freundschaftsdienst und sprechen Sie! Zu diesem Zweck erlaube ich mir Ihnen (als Einzigem) einen Durchschlag meines Vortrags einzulegen, bei dem Sie die vielen Tippfehler, die ich hier nicht verbessern kann, gütigst entschuldigen wollen. Ich bin sicher, dass Sie in der Diskussion das Entscheidende sagen könnten! Und Sie sind bisher m. W. in der Soziologischen Gesellschaft ja auch noch nie hervorgetreten, sodass es ohnehin Zeit wird, wie Sombart81 immer sagt. Nicht wahr, Sie geben mir keinen Korb? Tausend herzlichen Dank voraus! Wir haben nun beschlossen, dass bei unserer Übersiedlung nach Berlin am 27., meine Frau zu ihrer Mutter geht und ich allein ins Continental, wo wir es auf der Heimreise recht gut fanden. Da wir etwa 10 Tage in Berlin zu bleiben denken, hoffen wir nach Ihrem Brief doch auch Frau Schmitt noch zu sehen. Auf das Wiedersehen freut sich mit treuen und verehrungsvollen Grüssen der Ihre Carl Brinkmann 80 Carl
Schmitt, Der unbekannte Donoso Cortés, in: Hochland 27, 1929, S. 491–496. Sombart (1863–1941), Nationalökonom und Soziologe, vgl. Friedrich Lenger, Werner Sombart 1863–1941. Eine Biographie, München 1994; Martin Tielke (Hrsg.), Schmitt und Sombart. Briefwechsel, Berlin 2015. 81 Werner
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
8. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 1 Seite, hs., m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2044
Heidelberg, 5.10.1930 Lieber verehrter Herr Carl Schmitt. Mit nochmaligem herzlichen Dank, auch von meiner Frau, für Ihre und Frau Schmitts grosse Freundlichkeit zu uns kann ich Ihnen hier den „Völkerbund“82 wieder schicken. Bülow83 kannte die Sache gut und bedauerte sie auch, das A. A. sei aber vom Preuss. Kultus wie gewöhnlich schlecht behandelt und auf die Rolle des tatsächlichen Berichtigers in einzelnen Punkten zurückgedrängt worden. Das Gleiche wurde mir von einer anderen Stelle über die katastrophale Kompetenzverwirrung zwischen Reich und Ländern in der politischen Polizei gesagt! Für heute in Eile, aber voll alter treuer Verehrung stets Ihr Carl Brinkmann
9. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2045
z. Z. Walserhaus, Oberstdorf i. B., 20.3.1931 O lieber verehrter Freund, schöner und zeitiger hätten Sie mir keine Freude machen können als durch Ihre lieben Zeilen, die mich am Vorabend meines gestrigen 46. Geburtstages und 10jährigen Hochzeitstags hier oben in meiner Berg- und Schneeeinsamkeit erreichten, und ich finde schwer die Worte, Ihnen von meiner Dankbarkeit für Ihre Freundschaft gerade jetzt eine Vorstellung zu geben. Lassen Sie mich also nur sagen, dass die Berliner Rede, geschrieben während der drei herrlichen Gasteiner Wochen letzten Herbst, ein insgeheim besonders geliebtes Sorgenkind ist von denen, über die man ein einigermassen ehrliches und urteilsfähiges gutes Wort so leicht nicht vergisst. Haben Sie das fade Zeug gelesen, das Wiese u. a. darüber schreiben, und erzählte 82 Beigefügt ist ein Zeitungsartikel vom 18.8.1930 „Ratssitzung für Südafrika? Die kommenden Neuwahlen in Genf“. 83 Bernhard von Bülow (1885–1936), seit 1911 im diplomatischen Dienst, Staatssekretär im Auswärtigen Amt unter Papen, Schleicher und Hitler, vgl. Peter Krüger / Erich J.C. Hahn, Der Loyalitätskonflikt des Staatssekretärs Bernhard von Bülow im Frühjahr 1933, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 20, 1972, S. 376–410.
I. Carl Brinkmann141
ich Ihnen, dass selbst ein Alfred Weber84 mir sagte, ich hätte den Nationalsozialisten Wasser auf die Mühle geliefert? Selbst die „Weltbühne“ soll mich verhöhnt haben.85 Da verstehen Sie, dass meine Stimmung beim Wiedersehen im Druck, eher die war: Das einzige Anständige daran ist doch die Diskussionsrede von Carl Schmitt!86 Aber nun zu Ihnen. Es ähnelt Ihnen, geringschätzig von „Aktualitäten“ zu reden, wo Sie in einer säkularen Epoche Deutschlands die verkleidete Diktatur Brünings (ist Platz für sie in Ihrer Diktatur–Systematik?) aus nächster und tätigster Nähe miterleben durften und überdies schon wieder ein Buch haben fertig machen können!87 Und es ähnelt Ihnen fast noch mehr, zur trennenden Frage meines letzten Briefes, Wien, zu schweigen, ohne sich vielleicht zu sagen, wie völlig fern ein Mann wie ich den Zirkeln um Harms88 oder Grimme89 steht, die vielleicht schon von (und hoffentlich für uns) gefallenen Würfeln wissen! Nachdem ich den ganzen Winter hindurch, ich kann wohl sagen in vorderster Reihe den Radbruchschen90 gouvernementalen Terror an meiner Universität bekämpft habe, fühlen wir uns kaum noch sehr für Berlin aufgelegt und freuen uns lieber in etwa 1 Woche auf ein paar Münchner Frühlingstage. Kommen Sie niemals mehr dahin? Sie wissen doch kaum, was ein Wiedersehen mit Ihnen mir bedeuten würde! Jedenfalls für heute die herrlichsten Grüsse auch für Ihre verehrte Gattin, die wir sehr wohl hoffen, von uns beiden besonders Ihrem stets getreuen und dankbaren Carl Brinkmann
84 Weber, Alfred Weber (1868–1958), Soziologe; vgl. Eberhard Demm, Alfred Weber als Politiker und Gelehrter, Stuttgart 1986. 85 Wolf Zucker, Soziologenkongreß, in: Die Weltbühne 26, 1930, Bd. 2, S. 556 ff.; siehe in diesem Band S. 21. 86 Carl Schmitt, Presse und öffentliche Meinung, siehe S. 17–21. 87 Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung, Tübingen 1931. 88 Bernhard Harms (1876–1939), Nationalökonom, Begründer der Weltwirtschaftslehre in Deutschland; vgl. Edgar Salin, Bernhard Harms in Memoriam, in: Hermann Brügelmann, Politische Ökonomie in kritischen Jahren. Die Friedrich-List-Gesellschaft e. V. vom 1925–1935, Tübingen 1956, S. VII ff. 89 Adolf Grimme (1889–1963), Pädagoge, Kultusminister in Preußen, 1932 von Papen amtsenthoben, 1946–48 Kulturminister in Niedersachsen, 1948–1956 Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks; vgl. Kai Burkhardt, Adolf Grimme (1889–1963). Eine Biografie. Köln 2007. 90 Brinkmann meint hier wohl den Aufruf von Anschütz und Radbruch mit dem Bekenntnis zur Weimarer Verfassung vom November 1930; vgl. Herbert Döring, Der Weimarer Kreis. Studien zum politischen Bewußtsein verfassungstreuer Hochschullehrer in der Weimarer Republik, Meisenheim a. Glan 1975, S. 102 f.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
10. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 1 Seite, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2046
Bad Gastein, 28.8.1931 Lieber verehrter Herr Carl Schmitt. Ihnen und Frau Schmitt wünschen wir von ganzem Herzen Glück und alles Gute zu der Geburt Ihrer Tochter91. Hoffentlich sind Mutter und Kind sehr wohl! Möge die Tochter der Mutter gleichen, wie ihr Name die Latinisierung des mütterlichen ist. Ich habe gerade Goethes Aufsätze aus Kunst und Altertum über die serbischen Heldenlieder92 da und denke daran, was für eine Frau dieser Spross aus slavischem und deutschem Bauernblut in unserer Zeit wohl werden mag. Nochmals alles Schöne jetzt und künftig in Freundschaft stets Ihr Carl Brinkmann
11. Carl Brinkmann an Carl Schmitt
Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland RW 265-2047
Heidelberg, 1.3.1932 Lieber verehrter Herr Carl Schmitt. Herzlichen Dank für Ihre wie immer gütige Karte aus Königsberg. Zu meinem Schrecken sehe ich, dass die Reichsbahn mir in Berlin, weil Dienstag Abend schon nach Nürnberg weiter gefahren wird, nur den einen Montag (7.) Abend frei lässt, und ich wäre natürlich dankbar und froh, dann ein wenig mit Ihnen und Frau Schmitt zusammen sein zu dürfen. Nun ist aber seit 14 Tagen auch meine Frau in Berlin (Charlottenburg 9, Reichskanzlerplatz 5, Tel. Westend 4329) bei meiner Schwiegermutter, und Sie können verstehen, dass auch wir beide uns Montag nach getaner Arbeit wiedersehen 91 Anima Schmitt de Otero (1931–1983), einzige Tochter von Carl Schmitt und seiner zweiten Ehefrau, der Serbin Dusanka Todorovič; vgl. Reinhard Mehring, „Eine Tochter ist das ganz andre“. Die junge Anima Schmitt (1931–1983), (Plettenberger Miniaturen 5), Plettenberg 2012. 92 Johann Wolfgang von Goethe, Ästhetische Schriften 1824–1832, in: ders., Sämtliche Werke, Abt. I., Bd. 22, hrsg. v. Friedmar Apel et al., Frankfurt / M. 1999, S. 124–135.
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möchten: Hätten Sie also wohl die Güte, mit meiner Frau zu telephonieren und etwas für Montag Abend zu verabreden, das sie mir dann bestellt, wenn sie mich (hoffentlich) Sonntag Abend um 10 vom FZ-Zug holt? Übrigens äusserte Popitz93, der Sonntag hier begeisternd sprach, den Wunsch, sich uns womöglich anzuschliessen. Ich brauche kaum zu sagen, wie sehr ich mich gerade darüber freuen würde.94 Also auf bald mit herzlichsten Grüssen mitten aus Examenstrubel heraus stets Ihr Carl Brinkmann
12. Carl Brinkmann an Carl Schmitt, Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2048
Heidelberg, 15.10.1932 Lieber verehrter Freund. Nun kann ich es nicht mehr aushalten, nur so aus der Ferne (und in eigene Arbeiten vergraben) zuzuschauen, wie Sie in Leipzig95 den guten Kampf kämpfen, sondern muss versuchen, Ihnen zum Sonntag einen treuen Händedruck zu senden. Lange wollte ich Ihnen auch wegen Köln schreiben, als ich hörte, dass Adenauer dort gegen Sie sei,96 aber immer dachte ich, mich lieber nicht bei Ihnen vorzudrängen in Dingen, die Sie sicher viel besser wissen. Heute ausser herzlichen Grüssen auch für die verehrte liebe Frau (und auch von der meinen) sachlich nur zweierlei: Mit Empörung lesen wir im 93 Johannes Popitz (1884–1945), Finanzwissenschaftler und Finanzpolitiker; vgl. Anne C. Nagel, Johannes Popitz. Görings Finanzminister und Verschwörer gegen Hitler. Eine Biographie. Köln/Wien 2015. 94 Carl Schmitt erwähnt den Besuch im Tagebuch 1930–1934 (wie Anm. 77), S. 183. 95 Es handelt sich um Schmitts Vertretung der Reichsregierung im Prozess vor dem Staatsgerichtshof beim sog. „Preußenschlag“, vgl. Gabriel Seiberth, Anwalt des Reiches. Carl Schmitt und der Prozess „Preußen contra Reich“ vor dem Staatsgerichtshof, Berlin 2001. 96 Konrad Adenauer (1876–1967), Oberbürgermeister in Köln, erster deutscher Bundeskanzler. Zur Berufung Schmitts nach Köln 1932 vgl. Frank Golczewski, Kölner Universitätslehrer und der Nationalsozialismus. Personengeschichtliche Ansätze, Köln / Wien 1988, S. 298–305. Adenauer äußerte sich am 30.6.1932 wie folgt: „Schmitt sei ein schwieriger Charakter, der in der Fakultät (die) Zerstörung des harmonischen Verhältnisses zwischen den Kollegen hervorrufen könne“ (Golczewski, S. 299).
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
gestrigen Morgenblatt der Vossischen Zeitung Herrn Dr. Carl Mischs Leipziger Bericht über den „Knick“, den die „Kette der Argumente unweigerlich bei Ihnen erhalte“, und Ihrem „auch bei spärlichem Ausritt verdienten Hafer“, vor allem aber über Bilfinger97 und Jacobi98, bei denen man „überlege, welcher von beiden Universitäten man mehr Glück wünschen solle“!99 Müssen wir Hochschullehrer uns eigentlich so etwas gefallen lassen? Schade, dass ich so wenig für die Öffentlichkeit geschaffen und so skeptisch gegen den Corpsgeist der Kollegen bin, sonst ginge ich Unterschriften sammeln! Um so mehr ein Zweites: Ich weiss nicht, ob es gelegentlich für Ihre Mandanten erheblich werden kann, dass ich bei dem Festessen zur Einweihung unserer neuen Universität (9.VI.1931) neben Schurman100 gegenüber Radbruch101 und (unserem damaligen Kultusminister) Remmele102 sitzend, im Gespräch über die Zukunft Preussens von dem letzten die Äusserung gehört habe (und beeiden kann), eine „Direktorialregierung“ werde sich nicht vermeiden lassen, und (auf Radbruchs Vorhalt der Verfassungswidrigkeit) die Verfassung mache dabei keinen Unterschied. Mit allem Guten und Herzlichen in Eile Ihr Carl Brinkmann
97 Carl Bilfinger (1897–1958), Öffentlichrechtler und Völkerrechtler, 1933 Mitglied der NSDAP, 1934 Mitglied der Akademie für Deutsches Recht, 1945 entlassen, 1949 Berufung nach Heidelberg. 98 Erwin Jacobi (1884–1965), Staats- und Kirchenrechtler; vgl. Martin Otto, Von der Eigenkirche zum volkseigenen Betrieb: Erwin Jacobi (1884–1965). Arbeits-, Staats- und Kirchenrecht zwischen Kaiserreich und DDR, Tübingen 2008. 99 C[arl]. M[isch], Weshalb schritt man gegen Preußen ein? Der Prozeß vor dem Staatsgerichtshof, in: Vossische Zeitung vom 14.10.1932; vgl. Martin Tielke, Carl Schmitt aus der Nähe betrachtet. Zeugnisse von Weggenossen (Plettenberger Miniaturen, 6), Plettenberg 2013, S. 12. 100 Jacob Gould Schurman (1854–1942), studierte 1878 / 79 in Heidelberger, später Präsident der Cornell University, von 1925–1930 amerikanischer Botschafter in Deutschland, sammelte Spenden für die Universität Heidelberg. Bei der Einweihung des Hauptgebäudes und des Westbaus kam es zu antisemitischen und antiamerikanischen Demonstrationen nationalsozialistischer Studenten. 101 Gustav Radbruch (1878–1949), Rechtsphilosoph und Strafrechtler; vgl. Adolf Laufs, Gustav Radbruch (1878–1949) in: Wilhelm Doerr et. al., Semper Apertus. Sechshundert Jahre Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 1386–1986, Bd. III, Berlin / Heidelberg 1985, S. 148–166. 102 Adam Remmele (1877–1951), sozialdemokratischer Politiker, Minister und Staatspräsident in Baden, 1929–1931 Minister für Kultur und Justiz.
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13. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2049
Heidelberg, 11.11.1932 Lieber verehrter Carl Schmitt. Wenn meine Frau mir recht berichtet, haben Sie den Wunsch nach einer freundschaftlichen Äusserung von mir über Ihre Berlin-Köln-Entscheidung.103 Diesen Wunsch will ich gern und mit Dankbarkeit für Ihr Vertrauen erfüllen. Wie ich stimme, hat meine Frau Ihnen schon gesagt. Ich brauche es aber nur noch zu begründen. Sie müssen aber verzeihen, wenn ich als „Provinziale“ manche Ihnen geläufige Dinge übersehen oder falsch sehen wollte. Zunächst das Positive. Ich glaube wirklich, Sie dürfen Berlin nicht verlassen. Von allem Persönlichen abgesehen (und manches davon könnte Sie ja auch an den Rhein zurücklocken) schulden Sie es dem Lande in dieser furchtbaren Lage, stets der Reichsregierung zur Hand zu sein. Ich weiss von Jellinek104 (der sehr sympathisch von Ihnen spricht), wie schwer das überall anders ist. Und Sie sind einer der ganz wenigen Politiker, die jetzt helfen können, durch die Hetze der Parteien hindurch eine Brücke zwischen der Präsidialregierung und dem Volk zu schlagen! (Übrigens: Haben Sie ausser der mir bekannten Fühlung mit Planck105 und Schleicher106 auch eine zu Gayl107, dessen Ministerium für die Rechtsformen doch federführend ist? Und könnte ich ihm über Sie schreiben. Wie schlecht war er mit dem Juden Gottheiner108 beraten!) 103 Köln-Berlin-Entscheidung:
Es geht um Schmitts Berufung nach Köln. Jellinek (1885–1955), Staats- und Verwaltungsrechtler; vgl. Reinhard Mehring (Hrsg.), Walter Jellinek – Carl Schmitt. Briefwechsel 1926 bis 1933, in: Schmittiana NF II, 2014, S. 87–117. 105 Erwin Planck (1893–1945), Staatssekretär in der Reichskanzlei unter Papen auf Wunsch Kurt Schleichers, auf eigenen Antrag am 31.1.1933 entlassen und im September 1933 in den Ruhestand versetzt, ab 1941 Kontakte zum Widerstandskreis um Goerdeler und J. Popitz, im Oktober 1944 zum Tode verurteilt und am 23.1.1945 hingerichtet. Zu den Kontakten Plancks mit Carl Schmitt vgl. dessen Tagebuch 1930–1934 (wie Anm. 77), S. 182, 220. 106 Kurt von Schleicher (1882–1934), 1932 Reichswehrminister, seit 4.12.1932 Reichskanzler, Reichskommissar für Preußen und das Reich, am 28.1.1933 zurückgetreten, am 30.6.1934 ermordet. Zu den Kontakten Carl Schmitts mit Schleicher vgl. Wolfram Pyta / Gabriel Seiberth, Die Staatskrise der Weimarer Republik im Spiegel des Tagebuchs von Carl Schmitt, in: Der Staat 38, 1999, S. 423–448, 594–610. 107 Wilhelm Freiherr von Gayl (1879–1945), Jurist und Politiker der DNVP, 1932 Reichsinnenminister. 108 Georg Gottheiner (1879–1956), Ministerialdirektor, Leiter der Verfassungsabteilung im Reichsinnenministerium. Er vertrat mit Carl Schmitt u. a. die Reichsregie104 Walter
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Darf ich so offen sein auszusprechen, dass ich natürlich auf die Dauer den Übergang an die dortige Universität für nicht mehr als Ihr gutes Recht halte? Aber da bin ich nicht pessimistisch, namentlich nach Kählers109 Berufung, der zwar altpreussisch, aber nach meiner Kenntnis kein so schlechter Politiker ist wie Triepel110 und Smend, von denen Sie einmal behaupteten, ihnen sei sogar Heller111 (von dem Jellinek Vernichtendes erzählt) lieber. (Wieder NB: käme ich nur öfter nach Berlin, ich würde mir bei Smend Einiges zutrauen, sogar bei Erich Kaufmann112.) Inzwischen würde ich an Ihrer Stelle die Ablösung der Handelshochschule vom Handelsminister geradezu für ein Anzeichen und eine Etappe halten. Endlich (natürlich im freundschaftlichen Vertrauen) das Negative: Köln wäre zu Bonn für Sie (trotz Beckerath113) ähnlich dem Verhältnis Handelshochschule zu Universität: Es ist ein Adenauersches Inflationsgeschöpf und obendrein für Sie mit Kelsen114 doppelt belastet, sodass ich schon manchmal gedacht habe, der Ruf sei ein Richterscher115 Uriasbrief für Sie! Die Atmosphäre Wiese116, Brauer117 usw. ganz unmöglich! Ich glaube (vielleicht unbescheidener Weise) nicht, dass irgendein mir unbekanntes Einzeldatum oder (wichtiger) ein Rückschlag der politischen Lage noch [nicht lesbar] an meinem Gesamturteil Wesentliches ändern würde. Aber ich hätte nun auch gern Ihre Meinung und würde dann gern weiter diskutieren als Ihr Ihnen und Frau Schmitt stets vertrauungsvoll ergebener Carl Brinkmann
rung im Prozess um den sog. „Preußenschlag“; vgl. Arnold Brecht, Mit der Kraft des Geistes. Lebenserinnerungen 1927–1967, Stuttgart 1967, S. 180. 109 Wilhelm Kaehler (1871–1934), Jurist, Kammergerichtsrat, 1932–1933 Reichskommissar im preußischen Kultusministerium. 110 Heinrich Triepel (1868–1946), Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrechtler an der Universität Berlin, Mitbegründer der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer; vgl. Ulrich Gassner, Heinrich Triepel. Leben und Werk, Berlin 1999. 111 Hermann Heller (1891–1933), sozialistischer Staats- und Rechtstheoretiker, Gegner Carl Schmitts im Prozess „Preußen contra Reich“, 1933 im Exil gestorben. 112 Erich Kaufmann (1880–1972), Staats- und Völkerrechtler, Rechtsphilosoph. 113 Erwin von Beckerath (1889–1964), s. oben, S. 125–128. 114 Hans Kelsen (1881–1973), Staats- und Völkerrechtler, Rechtstheoretiker, Vertreter der Reinen Rechtslehre, positivistischer Antipode von Carl Schmitt. 115 Werner Richter (1887–1960), einflussreicher Leiter der Hochschulabteilung im Preußischen Kultusministerium. 116 Leopold von Wiese (s. Anm. 79). 117 Theodor Brauer (1880–1942), katholischer Sozialethiker, Prof. in Köln, 1935 in die USA emigriert.
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14. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 1 Seite, hs. m U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 579-674
Heidelberg, 26.10.1933 Sehr verehrter und lieber Herr Carl Schmitt. Obwohl ich mich vergeblich nach einem persönlichen Wort von Ihnen auf meinen letzten Brief gesehnt habe, hoffe ich nicht aufdringlich zu erscheinen, wenn ich Ihnen mit einer Zeile unsere herzlichsten Glückwünsche zu Ihrer Berliner Ernennung118 sende, von der wir eben durch die Zeitung erfahren. Ich freue mich nicht nur als Kollege und Freund, sondern auch über die Erfüllung einer, wie Sie wissen, langjährigen Voraussage von mir. In der Zeitschriften-Angelegenheit habe ich lange nichts mehr von den Beteiligten gehört und hoffe, Sie haben sich inzwischen hinreichend an meine vor Ihnen immer ausgebreitete Natur erinnert, um zu wissen: Wo ich helfen kann, tue ich es im neuen Deutschland besonders freudig, somit bleibe ich gern bei meiner „unrealen Existenz“. Mit guten Grüssen für Sie und Frau Schmitt in alter Verehrung Ihr Carl Brinkmann
15. Carl Brinkmann an Carl Schmitt, Brief, 1 Seite, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland RW 265-2050
Heidelberg, 18.5.1938 Lieber verehrter Herr Carl Schmitt. Mit der Übersendung und Widmung Ihrer schönen Arbeit über die Diskriminierung des Kriegsbegriffs119 haben Sie mich hoch geehrt und erfreut, und ich will mit meinem herzlichen Dank nicht warten, bis ich Ihnen im späten Jahr kleine Ehrengaben überreichen kann. Es ist immer ein grosser Genuss Sie zu lesen und hier halten Sie einen mit der Schärfe Ihrer Kritik an einen so brennenden Fall in allergrösster 118 Carl Schmitts Berufung an die Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin zum WS 1933 / 34. 119 Carl Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff, München / Leipzig 1938, S. 42; 4. Aufl., Berlin 2008.
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Spannung, die sich nur durch den schönen, aber diplomatischen Schluss etwas löst. Als ich seinerzeit in Amerika trotz meiner Kinoscheu einige Verbrecherfilme ansehen musste, war ich betroffen von der dort offenbaren Wirklichkeit des S. 42 von Ihnen als unmöglich bezeichneten Kampfes zwischen Polizei und „Unterwelt“, was mit der von Ihnen gekennzeichneten amerikanischen Neutralitätspolitik sicher zusammenhängt.120 Auf baldiges Wiedersehen mit den schönsten Grüssen von Haus zu Haus stets Ihr alter Carl Brinkmann
16. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 1 Seite, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2051
Heidelberg, 27.9.1938 Lieber verehrter Herr Carl Schmitt. Hier ist das versprochene Clarendon-Zitat.121 Und lassen Sie mich nochmals herzlichen Dank Ihnen und vor allem Frau Schmitt dafür sagen, dass Sie zu mir kamen und mir wieder einmal einen unvergesslichen Abend schenkten. Mit vielen guten Grüssen auch von meiner Frau wie stets Ihr Carl Brinkmann. Ist das Zitat nicht sehr interessant, auch für die Geschichte des „Patriotismus“?
120 Dagegen opponiert Schmitt, da die „Einheitlichkeit des Kriegsbegriffs gesprengt“ werde: „Ein anerkannt rechtmäßiger und ein ebenso anerkannt rechtswidriger Vorgang kann, innerhalb derselben Rechtsordnung, nicht einen und denselben Rechtsbegriff bilden. Das wäre ebenso wenig denkbar, wie dass etwa innerhalb eines Staates der Kampf zwischen Politik und Verbrecher, oder rechtswidriger Angriff und die rechtmäßige Notwehr als eine einheitliche ‚Rechtseinrichtung‘ mit einer rechtmäßigen und einer rechtswidrigen ‚Seite‘ aufgefasst werden könnten.“ 121 Edward Hyde, 1. Earl of Clarendon, (1609–1674), englischer Staatsmann.
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17. Carl Brinkmann an Carl Schmitt, Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2052
Heidelberg, 3.1.1940 Lieber verehrter Herr Carl Schmitt. Durch die Übersendung Ihres schönen Aufsatzes122 haben Sie mir eine wirklich grosse Neujahrsfreude gemacht, und ich möchte Ihnen danken, so lange ich Ihre Wünsche noch sinnvoll erwidern kann. Sie haben wirklich in der Rechtswissenschaft des vergangenen Jahrhunderts echt Heraklitisch herumgerührt und haben der grossen Linie nach im Einzelnen die erstaunlichsten Dinge gefunden, wenn ich auch von meinem Fachgebiet immer wieder (wie schon seinerzeit zu Ihrer Romantik) Lust hätte zu Ihrer rein inneren Gedankenzeugung und Gedankenansetzung Takt für Takt eine Art „realistische“ Zweite Stimme zu spielen. Ob uns 1940 solche stets ersehnten Aussprachen bringen wird? Sie haben wohl inzwischen durch unseren gemeinsamen nationalökonomischen Freund123 und vielleicht sogar schon in der Fakultät davon gehört, auf welche besondere Weise das vielleicht geschehen könnte. Ich bin wie immer im persönlichen Leben vorläufig recht skeptisch über meine Aussichten auf „Restitution“, die es ja für mich alten Berliner und von Weimar Boykottierten bedeuten würde.124 Aber ich wüsste doch gern, ob auch mein Freund C.S. mich gern dort hätte. Manchmal denke ich voll Hybris: Kinder, was könnten wir noch in unserem Alter dort zusammen für eine Fakultät machen, wenn sich die Wogen des Dilettantismus einmal noch mehr verlaufen sollten! Einen schönen Handkuss an Frau Duschka, und denkt Anima noch so oft an mich wie ich an sie? Mit nochmals herzlichem Dank und Gruss auch von meiner Frau und auf baldiges Wiedersehen stets Ihr Carl Brinkmann
122 Vermutlich Carl Schmitt, Über das Verhältnis von Völkerrecht und staatlichem Recht, in: Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 7, 1940, S. 4–6. 123 Hierbei dürfte es sich um Werner Sombart handeln. 124 Brinkmann wurde 1942 an die Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin berufen.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
18. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 1 Seite, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2053
z. Zt. Heidelberg, 11.9.1942 Lieber Herr Carl Schmitt. Wenigstens kurz möchte Ihnen sagen, wie sehr mich Ihr schöner LegistenAufsatz125 (der Pariser Vortrag?) wieder erfreut und angeregt hat. Besonders dankbar bin ich für Ihre Achtung vor Max Webers126 Vorgang, wenn ich auch nicht glaube, dass er für den Typus „geschwärmt“ hat. Haben Franzosen schon reagiert? Ich war eine feine Woche auf der leidigen Wohnungssuche in Berlin, wo meine arme Frau noch immer dabei festgehalten wird, ich bin aber hierher geflüchtet, noch nie ist mir das Neckartal so schön erschienen. Die Widmung scheint zu sagen, dass Sie meine Sendungen erhalten haben. Auch den Schmoller!127 Der Lorenz von Stein128 ist noch nicht eingetroffen. Herzliche Wünsche Ihnen und Frau Schmitt, der ich dankbar die Hand küsse, stets Ihr Carl Brinkmann
19. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 1 Seite, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2054
Berlin, 22.2.1944 Lieber verehrter Herr Carl Schmitt. Aus wirren Funken der Bombenverbrecher bat ich eben die Fakultätssekretärin Ihnen Ihr Vortrags-Ms.129 und den Band der H.[istorischen] Z.[eit125 Carl Schmitt, Die Formung des französischen Geistes durch den Legisten, in: Deutschland-Frankreich Vierteljahresschrift des Deutschen Instituts Paris 1, 1942, S. 1–30 (auch in: Carl Schmitt, Staat, Großraum, Nomos, 1995, S. 184–217). 126 Vgl. Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl., Tübingen 1980, S. 816. 127 Carl Brinkmann, Gustav Schmoller und die Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 1937. 128 Carl Schmitt, Die Stellung Lorenz von Steins in der Geschichte des 19. Jahrhunderts, in: Schmollers Jahrbuch 64, 1940, S. 641–646 (auch in: Carl Schmitt, Staat, Großraum, Nomos, 1995, S. 156–165). 129 Es handelt sich um den erst 1950 veröffentlichten, aber bereits 1943 erstmals gehaltenen Vortrag „Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft“, Tübingen 1950
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schrift] (in einem Umschlag) zurückreichen nach dem Kolleg. Aber ich will doch noch eine Zeile besonders herzlichen Dankes hinterdrein schicken. Ihr Vortrag ist mit seiner m. E. endgültigen Deutung Savignys130 (meine Gedanken waren immer in diese Richtung gegangen) ein ganz grosser Meilenstein und man kann nur hoffen, er wird als solcher noch vor unserem Tode anerkannt werden. „Staatsgefüge und Zusammenbruch“131 war demgegenüber ein kühlerer Eindruck (ich kann Hartung132 in vielem verstehen). Wenn Ihnen jetzt der Nachdruck auf einer Unehrlichkeit des Kompromisses zu liegen scheint, so war wohl seinerzeit die Abwertung des Bürgertums die Hauptsache, und die scheint mir fraglicher. Mit herzlichem Gruss und dankbarem Handkuss für die gütige [ein Wort unlesbar] Gemahlin stets Ihr ergebener Carl Brinkmann
20. Carl Brinkmann an Carl Schmitt
Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2055
Oberstdorf, 30.1.1948 Lieber Herr Carl Schmitt. Fräulein Dr. Grahl, die mir seinerzeit Ihre freundlichen Grüsse bestellte, mich zum Schreiben an Sie ermunterte und mir schrieb, dass es angekommen sei, gab mir auch Ihre (hoffentlich ausreichende) Adresse, und ich möchte daraufhin bitten, Sie heute abend stören zu dürfen, und zwar mit einer Frage. In Tübingen (das bis zum Sommersemester Anfang April grosse Ferien hat) haben Spranger133 und ich im Rahmen des sogen. Fiat-Unternehmens134 den Auftrag, für eine von den Franzosen übernommene Bibliographie der Philo(auch in: Carl Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924–1954, Berlin 1958, S. 386–429). 130 Vgl. ebd., S. 408–420. 131 Carl Schmitt, Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches – Der Sieg des Bürgers über den Soldaten, Hamburg 1934; Berlin 2011. 132 Dessen Kritik in: Fritz Hartung, Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches, in: Historische Zeitschrift 151, 1935, S. 528–544. 133 Eduard Spranger (1882–1963), Philosoph, Psychologe, Pädagoge, Vertreter einer geisteswissenschaftlichen Pädagogik; vgl. Reinhard Mehring (Hrsg.), Carl Schmitt im Gespräch mit Philosophen, in: Schmittiana NF II, 2014, S. 130–152. 134 FIAT = Field Information Agency, Technical Reports, war eine Einrichtung der Alliierten, die den Entwicklungsstand der deutschen Forschung und Entwicklung
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
sophischen Soziologie in Deutschland 1939–45 Autoren und Arbeiten zusammenzustellen und sind beide der Meinung, dass eine solche Zusammenstellung ohne Rücksicht auf politische Vorurteile gemacht werden sollte, aber andererseits auch nicht ohne Einvernehmen mit Autoren in „Grenzfällen“. Ich wäre also dankbar, wenn Sie so gut wären, mich wissen zu lassen, ob Sie mit der Nennung Ihres Namens einverstanden sind, und mir gegebenenfalls auch Arbeiten nennen würden, auf deren Erwähnung bez. Nichterwähnung Sie besonderen Wert legen würden. Wir hoffen aber, dass es Ihnen und Frau Schmitt den Zeitverhältnissen entsprechend gut und jedenfalls besser geht als unserem letzten verehrten Dekan135, dem einstigen Berliner Fakultätskollegen, mit dem ich dank seinem Vertrauen (mit einem Göttinger Vertrag von mir im Sommer 1946) noch in dauernder Verbindung bin. Wie ich an Oberstdorfer Ferien immer besonders das Zusammensein mit meiner Frau geniesse, die mir zumal nach einer schweren (aber glücklichen) Operation letzte Ostern nach Tübingen noch lange nicht folgen kann, so denke ich, werden Sie an der Wiedervereinigung mit Anima und ihrer Entwicklung Freude haben. Mit den besten Grüssen und Wünschen von Haus zu Haus stets Ihr Carl Brinkmann 21. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2056
Oberstdorf, 7.2.1948 Lieber verehrter Herr Carl Schmitt. Vielen Dank für Ihren Brief vom 4., der eben kommt und uns als erstes Lebenszeichen nach langer Zeit doppelt erfreut. Ich glaube alles ganz zu verstehen, beinahe auch Ihre Antwort auf meine Frage, aber wenn Sie nicht noch ausdrücklich Nein sagen, kann ich wenigstens die Nennung Ihres Namens nicht unterdrücken, ich finde es wissenschaftlich unwürdig136. „Philogegen Endes des zweiten Weltkriegs sowie danach ermittelte und bis 1948 mehrere Schriftenreihen herausgab. 135 Eduard Kohlrausch (1874–1948), Professor für Strafrecht an der Universität Berlin, wurde 1946 zum, kommissarischen Dekan der juristischen Fakultät ernannt, im Februar 1947 Objekt eines Untersuchungsausschusses, der sein Verhalten im NSStaat untersuchte, starb vor Abschluss der Untersuchung. 136 „Carl Brinkmann fand es ‚wissenschaftlich unwürdig‘, meinen Namen in einer Bibliographie nicht zu nennen. Ich schrieb ihm: Ich brauche mich nur der Situa tionen zu erinnern, in denen die einzelnen Sätze meiner Notiz über Tocqueville
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sophische Soziologie“ ist ein von uns nicht verantworteter Sammelname für alles Soziologische. Bei Kohlrauschs Todesanzeige habe ich noch einen persönlichen Gedanken ähnlich dem Ihren: Der verehrte letzte Dekan meiner entschlafenen Gesamtfakultät grollte mir ohne Verstehen, dass ich nicht durch Rückkehr den Russen (die zwei Bücher von mir in Leipzig indizierten, darunter eines gegen den britischen Imperialismus, eben als dessen Schüler)137 in die Arme laufen wollte, hernach aber ist er selber ein typisches Opfer geworden (statt 1946 nach Erlangen zu kommen). Unser junger Fakultätskollege Kaiser138, den ich leider noch nicht persönlich traf, hat in Tübingen viel Beifall, z. T. in einer merkwürdigen Zufallskonkurrenz (die gerade das Kirchenrecht bei sonst grossem Mangel an jüngeren Kräften doppelt vertreten nie hätte) und mit dem Ihnen vielleicht noch aus dem Bonner Institut erinnerlichen Dr. Wehrhahn139, der etwas assessoral und zugleich theologisch die „Bekenntniskirche“ vertritt. Sollten Sie mit ihm (Kaiser) in Verkehr stehen, so schreiben Sie ihm doch einmal, er solle mich in meinem Universitätszimmer aufsuchen, wo ich wie in Berlin vor und nach der Katastrophe (da dort nur provisorisch in einer Klinik untergebracht) fast den ganzen Tag arbeite. In Tübingen (wohin ich natürlich erst nach den gegenseitigen grossen Fe rien zum Sommersemester zurückkehre) sehne ich mich oft besonders nach Ihrem Gespräch und Urteil, weil die Luft doch voll von französischen Kelten und sogar kärglichen Büchern ist. Leider musste ich heute die Einladung eines mir unbekannten Dr. Dieter Rosen versäumen, dort Maria Scheler140 zu treffen zu einer Besprechung über Schelers Nachlass und im Einvernehmen mit dem französischen Mounier-Kreis141. Wissen Sie irgend etwas von diesen Dingen, dann wäre ich sehr dankbar für ein Wort von Ihnen. entstanden sind, um sofort zu schweigen, wenn das Stichwort von der Würde der Wissenschaft fällt, die an mir und in meiner Person mit Füßen getreten wird.“ Carl Schmitt, Glossarium Aufzeichnungen aus den Jahren 1947–1958. Hrsg. von Gerd Giesler und Martin Tielke, Berlin 2015, S. 74. 137 Carl Brinkmann, Der englische Wirtschaftsimperialismus, Berlin 1940; ders., Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung, Heidelberg 1932. Vgl. Liste der auszusondernden Literatur. Hrsg. von der Deutschen Verwaltung, für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, Berlin 1946. 138 Joseph H. Kaiser (1921–1998), Öffentlichrechtler, Schüler Carl Schmitts vor 1945, der auch nach dem Krieg Kontakt zu ihm hielt und dessen Nachlassverwalter wurde; vgl. Jürgen Becker, Joseph H. Kaiser†, in: NJW 52, 1999, Bd. 2, S. 2652. 139 Herbert Wehrhahn (1910–1986), Professor für Staats- und Verwaltungsrecht in Saarbrücken 1957–1978. 140 Maria Scheler (1892–1969), dritte Ehefrau von Max Scheler. 141 Emmanuel Mounier (1905–1950), franz. Philosoph, Gründer der Zeitschrift „Esprit“, Begründer der personalistischen Bewegung, Mitglied der Widerstands-
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
In der Hoffnung, jetzt überhaupt öfter von Ihnen zu hören, mit herzlichen Grüssen und Wünschen auch an Frau Duschka und auch von meiner Frau immer 22. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2057
Oberstdorf, 18.2.1948 Lieber verehrter Freund Carl Schmitt. Darf ich um die Erlaubnis bitten, Sie so zu nennen? Den Namen habe ich, glaube ich, nicht mehr benutzt seit ich damals so entsetzt war, Sie in der Gesellschaft von Verbrechern wie Freisler142 zu sehen. Und nun, so erschüttert ich von der Resignation Ihres letzten Briefes bin, wollen Sie mir glauben: Weder für Sie noch für Deutschland noch für Europa ist das Spiel in irgend einem Sinne aus, machen wir doch keinen Journalismus mit. Es kommt nur darauf an, wie lange das gegenwärtige Zwischenspiel dauert. Und selbst unser „Untergang“ würde sich noch in Formen vollziehen, die wie alle früheren geschichtlichen Untergänge nur Übergänge in ein Neues, auch von uns Mitbestimmtes sind. Darin bin ich gerade als Wissenschaftler nicht wie Tocqueville143 ungläubiger, sondern eher tief und unerschütterlich christlich gläubig. Das allein hilft mir darüber hinweg, dass auch ich nicht immer „jugendlich“ sein kann, sondern oft recht verzagt bin über die Trennung von meinem Bubi und die vorläufige Aussichtslosigkeit, einen Arbeitsplatz und den Wohnsitz meiner Frau wieder zu vereinigen. Wie Sie so lieb von meinen Arbeiten schreiben, muss ich daran denken, das in den 12 sorgsam verpackten Bücherkisten, in denen ich mit Büchels Hilfe meine wertvollsten Sachen aus der Treuchtlinger-Strasse in den Universitätskeller hatte bringen lassen, auch alles war, was ich von Ihren Schriften besass: Gerade diese Kisten sind ausgepackt worden und gestohlen, die Bücher herumgeworfen und grösstenteils auch abhanden gekommen. Aber das höre ich mir in den Bergruppe Combat, Linkskatholik; vgl. Wolfgang Seeger, Politik und Person. Der Personalismus Emmanuel Mouniers als politischer Humanismus, Freiburg / Br. 1966. 142 Roland Freisler (1893–1945), Jurist, Vorsitzender Richter am Volksgerichtshof, verantwortlich für zahlreiche Todesurteile. Schmitt reagierte sehr empfindlich und vermutete eine Intrige. So schreibt er am 15.5.1948 im Glossarium: „Die Erwähnung Freislers (merkwürdig: ebenso von Carl Brinkmann und Helmut Rumpf, ecco, wo ist hier die gemeinsame Quelle?)“; Schmitt, Glossarium (wie Anm. 136), S. 113. 143 Charles Alexis de Tocqueville (1805–1859), Publizist, Historiker und Politiker.
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liner Briefen an wie eine Geschichte von einem anderen … Landsberg144 wurde in meinem Vorbericht über den Nachlass Scheler natürlich auch erwähnt. Was war mit dem Sohne? Ich wusste nicht, dass er schon so alt ist, um selbst „traurig“ aufzutreten; hörte nur vor längerem, er sei ein anormales Kind. Und auch über Franzosen in Tübingen hörte ich gern Näheres von Ihnen: Ist der Cusanus Pauker Gandillac145 wirklich da, und als was? Und ist Capitant146 mit dem grossen Zivilisten verwandt? Mir geht es in Tübingen insofern eigen, als ich mir ganz unfreiwillig (aber auch durchaus nicht zu meinem Missvergnügen) bei den jetzt Hundertfünfzigprozentigen den Ruf eines Nationalisten erworben zu haben scheine und die Franzosen deshalb zurückhaltender gegen mich sind, als ich gehofft hatte. Aber auch damit kann ich im Grunde wohl nur zufrieden sein. Meine Frau meint, wenn sie nach Anima fragen lässt, würden Sie schon antworten! Wir beide grüssen Sie und Frau Schmitt, doch wohl das heute „Accidens“147 Ihrer Gegenwart, von Herzen. Immer Ihr getreuer Carl Brinkmann 23. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2058
Oberstdorf, 23.10.1948 Lieber Herr Carl Schmitt. Unser Kollege Kaiser deutete mir noch in Tübingen (wohin ich übermorgen zum Wintersemester abgehe) an, dass Sie mir böse sind, wahrscheinlich weil ich im letzten Briefe eine unwillige Bemerkung über Ihre frühere Gemeinschaft mit schlechten Nationalsozialisten (wie ich es so oft von dem 144 Paul Ludwig Landsberg (1901–1944), Philosoph und Soziologe, Scheler-Schüler, Vertreter einer philosophischen Anthropologie, 1930 Privatdozent für Philosophie, 1933 Emigration, 1934 Rufe an die Universität Barcelona und Santander, 1937 an der Sorbonne, 1944 Tod im KZ Sachsenhausen; zu Carl Schmitts früher Bekanntschaft mit Landsberg siehe die Eintragungen im Tagebuch: Carl Schmitt. Der Schatten Gottes (wie Anm. 67). 145 Maurice de Gandillac (1906–2006), franz. Philosoph, Hrsg. und Übersetzer der Werke von Nicolaus Cusanus, Lehrer von J. Derrida und G. Deleuze, Übersetzer von Hegel, Lukács, Bloch und Benjamin, Mitherausgeber der Werke Nietzsches. 146 René Capitant (1901–1970), gaullistischer Jurist und Politiker, bis 1951 Professor für Rechtswissenschaft in Paris, seit 1931 mit Carl Schmitt bekannt; vgl. dessen Tagebücher 1930–1934 (wie Am. 77), S. 147. 147 Vgl. „Ich suche das Accidens meiner eigenen Gegenwart in reiner Gedanklichkeit treu zu bestellen.“ Carl Schmitt, Glossarium (wie Anm. 136), S. 73.
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unglücklichen Popitz148 im Gespräch mit Ihnen hörte) nicht unterdrücken konnte. Nun verstehen Sie vielleicht, dass ich gerade als Nationalökonom oft darunter leide, dass die gute Wirtschaftslenkung der NS-Zeit zu Gunsten der heutigen „liberalen Revolution“ immer wieder unter Berufung auf die moralischen Exzesse der Hitlerleute totgeschwiegen oder deformiert werden kann. Aber trotzdem hätte ich Sie schonen sollen. Es war nicht ritterlich, dass ich es nicht tat, und ich bitte um Ihre freundschaftliche Verzeihung. Darf ich diese Bitte mit der beiliegenden Kleinigkeit unterstützen, von der mir der (unsolide, von mir nur einem entlassenen Erlanger Kollegen zu Liebe überhaupt beschäftigte) Verlag bloss wenige Stücke geschickt hat?149 Vielleicht macht sie ihrer Kennerschaft doch eine kleine Freude, jedenfalls wäre es schön von Ihnen zu hören, ob Ihnen meine Auswahl und mein Nachwort etwas sagt. In Bad Boll, wo ich die Ehre hatte, dem liebenswerten Paul TournierGenf150 über soziale Massenkrankheiten soziologisch zu konferieren, wurde Ihre Einladung zur dortigen Akademie lebhaft und freudig diskutiert, wobei mich Dr. Schomerus151 von „Christ und Welt“ mit der Äusserung überrascht, Sie würden vielleicht zu unserer protestantischen Kirche herüberkommen! Wie dies auch sei, meine Frau und ich sprechen und denken oft von Ihnen beiden und senden Ihnen zum Abschluss unserer gemeinsamen Ferienzeit herzliche Grüsse und Wünsche. Stets unverändert der Ihre Carl Brinkmann 24. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2059
Oberstdorf, 28.3.1950 Lieber verehrter Herr Carl Schmitt. Mit grosser Freude erhielt ich Ihre Arbeit über die Europäische Rechtswissenschaft,152 und damit es Ihnen nicht geht wie mir bei Ihnen mit 148 s.
Anm. 93. Brinkmann / William Godwin / Robert Malthus (Hrsg.), Wirtschaftsfreiheit und Wirtschaftsgesetz in der englischen ökonomischen Klassik, Stuttgart 1948. 150 Paul Tournier (1898–1986), Arzt und Schriftsteller, Initiator der Internationalen Tagung der Medizin der Person. 151 Hans Schomerus (1903–1969), Theologe, 1948 Redakteur bei „Christ und Welt“, 1955–1967 Akademiedirektor der Evangelischen Akademie Herrenalb. 152 s. Anm. 129. 149 Carl
I. Carl Brinkmann157
meinem List-Buch,153 dessen richtiges Eintreffen ich nur durch Dritte (Helene Gradenhofer und Conny Popitz) weiss, danke ich Ihnen gleich unter dem ersten grossen Eindruck, dass Sie mich nicht damit vergessen haben. Dass ist nun die erste Publikation, die Ihren Namen in der deutschen Literatur wieder in sein Recht setzt, und ich weiss nicht, wie vielen es gehen wird wie mir, dass Sie das tröstet und entschädigt für manches von dem flachen oder auch tollen Zeug, das heute triumphiert. Z. B. dem widerlichen denunziatorischen Aufsatz jenes Münchner Dozenten154 über den gerechten Krieg in der wie immer scheusslichen „Friedenswarte“, von dessen Autor ich Ihnen nicht als Selbstlob, sondern mit freundschaftlicher Genugtuung sagen darf, dass ich wenigstens meine Dekanstimme vertreterweise dagegen abgeben durfte, als meine Fakultät (leider!) ihn auch unter ihre Vertretungsvorschläge für den (Gottlob) auch wieder verschwundenen A. Merkl155 aufnahm. Zu unserer grossen Betrübnis hörten wir durch eine jener heute stellvertretend und nur leider meist so oder so getrübten Medien, dass es Frau Duschka und auch Ihnen selber gesundheitlich nicht gut gegangen sei oder gehe. Wir wünschen von Herzen, dass diese Nachrichten heute schon nicht mehr den Status praesens wiedergeben. Auch von mir sind, wie ich aus einzelnen „kollegialen“ Wünschen zu meinem 65. Geburtstag sehe, anscheinend die wildesten Gerüchte verbreitet worden, seit ich im September ein durch Wachstum bedrohliches aber harmlose Chondrum auf meinem Brustbein durch den Münchner Meister K. E. Frey156, F. Sauerbruchs Erben, entfernen lassen musste. Glücklicher Weise ist es mir, Gottseidank und unberufen, niemals besser gegangen als seither, und ich fange sogar schon an, die bürokratischen Amtsverfügungen über die Altersgrenze als unwürdiges Fanal zu empfinden und nach einem Übergang in die „Wirtschaft“ Umschau zu halten. Mit der Bitte, die beifolgende Kleinigkeit freundlich wie immer aufzunehmen, und den herzlichsten Grüssen von uns beiden an Sie beide immer Ihr unverändert verehrungsvoller Carl Brinkmann
153 Carl
Brinkmann, Friedrich List, Berlin / München 1949. August Freiherr von der Heydte, Francisco de Vitoria und die Geschichte seines Ruhms, Eine Entgegnung, in: Die Friedenswarte 49, 1949, S. 190– 197. 155 Adolf Merkl (1890–1970), Staats- und Verwaltungsrechtler, aus der Schule Kelsens kommend, erkannte aber das Naturrecht als Regulativ an. 156 Emil Karl Frey (1888–1977), Chirurg. 154 Friedrich
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
25. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 1 Seite, ms. o. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2060
Heidelberg, 23. August 1950 Lieber Herr Schmitt. Ganz kurz vor meiner Abreise nach Konstanz Folgendes: Ich habe streng vertraulich in Erfahrung gebracht, dass die Untersuchung, Röntgen usw. bei Frau Schmitt bis jetzt keinen Zusammenhang mit ihrem früheren Leiden, wegen dessen Sie operiert wurde, erwiesen hat. Insofern war das Ergebnis durchaus negativ, sodaß, unberufen, zur Zeit kein Anlaß besteht, in absehbarer Zeit mit einer schweren Verschlechterung des Zustandes zu rechnen. Eine Prognose, im übrigen, scheint mit einiger Sicherheit jetzt nicht möglich. Sorge besteht selbstverständlich weiterhin. Daher möchte ich meinerseits persönlich glauben, daß Ihre Ansicht, daß eine gänzliche Befreiung Ihrer Gattin, für einige Zeit, von der Sorge um ihren Haushalt, so, wie Sie es mir selbst angedeutet haben, nützlich wäre. Ich glaube, daß diese Auskunft sachlich ist, so, wie ich es für mich selbst vom Arzt verlangt und durchgesetzt habe. Ihr Besuch war uns eine große Freude, wir alle grüßen Sie herzlich, und ebenso Anima. Es würde mich freuen, von Ihnen wieder zu hören. In Eile mit herzlichen Gruß Ihr alter C. B.
26. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265–2061
Oberstdorf, 24.9.1950 Lieber verehrter Herr Carl Schmitt. Dass ich seit Ihrem letzten so freundlichen Briefe mich immer nur mit mittelbaren Nachrichten von Ihnen begnügen musste, war mir um so schmerzlicher, als die Nachrichten, besonders über Frau Duschka, nicht immer gut waren. Aber ich kannte in dem mehr als bewegten und noch dazu tropisch heissen Tübinger Sommersemester nur keine Stunde mir gut genug für einen Brief an Sie.
I. Carl Brinkmann159
Heute möchte ich damit anfangen zu sagen, dass ich vor einigen Wochen als Vertreter meiner Universität Corrado Ginis157 Internationalen Soziologenkongress in Rom mitmachen durfte und dabei eine ganze Gruppe von Spaniern traf, neben Fraga-Madrid158 und Legaz-Santiago159 vor allem Ihren Schüler Conde160, der schon früher eine sehr gütige Korrespondenz mit mir eröffnet hatte, und es war ein sehr unvergesslicher Eindruck, wie nicht nur diese Männer, sondern überhaupt die ganze dort zentrale[?] romanische Welt eine ganz neue Rolle in der Soziologie zu spielen im Begriff ist, im Gegensatz zu dem von der Unesco bekannten Kreis, der sich gleich darauf in Zürich versammelte (und wozu weder meine Universität noch ich selbst eingeladen war). Seltsam und charakteristisch nur, dass auch diese „dritte“ Soziologie (und sie sollten sehen, wie unvergessen Mussolinis161 Gestalt in Italien ist) nicht im Stande ist, in Verbindung mit Moskau und der slawischen Welt zu kommen (die nur durch die Pariser Emigration vertreten war). Ich hatte mindestens auf Jugoslawen gehofft und war enttäuscht. Mit gleicher Post wage ich Ihnen eine kleine französische Arbeit162 zu schicken, die Laufenburgers Schwager mir entrissen hat. Sie ist von ihm übersetzt, und die Kritik an Bonn und den Alliierten, an der mir lag, kommt vielleicht nicht ganz, wie beabsichtigt, heraus. Aber Sie sollen mir sagen, ob nicht doch die Hauptsache spürbar ist. Wie ich lese, ist nun ausser dem Aufsatz in der Universitas163 auch ein Buch164 von Ihnen bei Greven in Köln erschienen, auf das ich natürlich um so begieriger bin, als ich kaum ohne Eifersucht hörte, dass andere Leute den Nomos der Erde schon aus dem Ms. kennen. 157 Corrado Gini (1884–1965), führender faschistischer Theoretiker, Soziologe und Statistiker; vgl. N. Federici, Gini Corrado, in: Dizionario Biografico Degli Italiani 55, 2000, S. 18–21. 158 Fraga Manuel Iribarne (1922–2012), span. konservativer Politiker, 1948 Prof. f. Politisches Recht, 1962–1969 Minister f. Information u. Tourismus, später Botschafter, 1990–2005 Präsident von Galizien, seit 1964 mit Schmitt persönlich bekannt. 159 Luis Legaz-Lacambra (1906–1980), Staatsrechtler. 160 Francisco Javier Conde (1908–1974), Jurist, Schüler Schmitts, Theoretiker des Franco-Regimes, seit 1943 Prof. in Madrid, später Botschafter u. a. in Bonn. 17 Briefe und 1 Telegramm im Nachlass Schmitt. 161 Benito Mussolini (1883–1945), faschistischer Diktator Italiens. 162 Carl Brinkmann, Économie du Marché. Fiscalité et Dirigisme dans la Politique économique allemande depuis la Réforme monetaire, in: Revue de science et de législation financières 42, 1950, Nr. 3 (SDr. im Nachlass Schmitt). H. Laufenburger war Rechtsprofessor in Paris und zusammen G. Jèze Herausgber der Zeitschrift. 163 Seit 1948 waren mindestens drei Artikel ohne Verfasserangabe und vier weitere mit Namensnennung von Carl Schmitt in der Zeitschrift „Universitas“ erschienen. 164 Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Köln 1950.
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Bitte, lieber Freund, üben Sie keine Talion und lassen Sie über Ihrer Antwort keine lange Zeit vergehen. Ich wüsste dann auch gerne, ob die Sorgen Ihrer lieben verehrten Gattin inzwischen wenigstens etwas gelindert worden sind und was für Pläne Sie haben. Meine Frau bittet ihre herzlichen Grüsse und Wünsche auszurichten, und ich bin in alter Anhänglichkeit und Verehrung immer Ihr alter Carl Brinkmann
27. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 1 Seite, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2062
Oberstdorf, 23.10.1950 Lieber Herr Schmitt. Mit Erschütterung höre ich aus Ihrem lieben Brief die Bestätigung der trüben mittelbaren Nachrichten von Frau Duškas hoffnungslosem Leiden.165 Durch was für ein finsteres Tal müssen Sie beide nun seit so vielen Jahren leidend[?]. Ich denke, Sie wissen, wie meine Frau und ich Ihre hochverehrte Gattin, ich kann wohl sagen, lieb gehabt haben, und wir bitten, auf den schweren Wegen, die noch vor Ihnen liegen, auch hier ein wenig uns Ihnen nahe zu fühlen. Das Buch166, das Sie mir jetzt mit so ernster Widmung zusenden, hatten wir natürlich längst beschafft und in Oberstdorf noch zusammen gelesen. Es ist uns eine ganze, neue Literaturgattung, möchte ich sagen, und hat seinesgleichen nicht in dieser Schreckenszeit der geistigen Stellenverwechslungen. Lassen Sie sich nicht nur für die Sendung, sondern auch für Wein[?] und Veröffentlichung danken. Bleiben Sie weiter stark; wir hören, was für eine starke kleine Frau Anima geworden ist. Einen festen Händedruck Ihres alten getreuen Carl Brinkmann
165 Carl
Schmitts Frau war lange leidend. Schmitt, Ex captivitate salus. Erfahrungen der Zeit 1945 / 1947, Köln 1950 (erw. Neuausgabe Berlin 2015). 166 Carl
I. Carl Brinkmann161
28. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 1 Seite, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2063
Oberstdorf, 11.8.1951 Lieber Herr Carl Schmitt. Josef Kaiser sagte mir zwar, Maiwald167 hätte Ihnen schon die Korrektur meiner Auszüge des Nomos der Erde geschickt, die mich angeblich Monate lang nicht erreichen konnte und deshalb den Druck peinlich verzögerte, aber vielleicht darf ich Ihnen doch einen der „Belege“ schicken, die nun endlich kommen, und sie dabei herzlich grüssen.168 Auch für Ihre liebe Karte aus Madrid habe ich noch sehr zu danken, ich habe mich so sehr gefreut, dass Sie dort einige Zeit in einer menschlicheren Atmosphäre leben konnten. Vielleicht darf ich auch von Ihnen selbst einmal mehr hören, nachdem Sie wohl wieder in Deutschland sind. Mir geht es augenblicklich schlecht, die Wetterkatastrophe hat mir meinen alten Ischias mit gräulichen Schmerzen [sic!] erneuert. Auch meine Frau grüsst Sie herzlich. Unverändert immer Ihr Carl Brinkmann
29. Carl Schmitt an Carl Brinkmann Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland RW 265-12840
Plettenberg, den 13.8.1951 Lieber und verehrter Herr Carl Brinkmann! Ihre Besprechung meines Buches „Der Nomos der Erde“ ist für mich mehr als ein überaus inhaltsreicher, von Wissen und Erfahrung gesättigter, gross artiger Aufsatz. Er trifft mich in meiner jetzigen Einsamkeit wie ein tröst licher Zuruf, und ich muss immer von neuem wiederholen: Trost ist kein absurdes Wort.169 Wer bleibt mir denn von allen Berliner Bekannten und 167 Serge Maiwald (1916–1952), Herausgeber der Zeitschrift „Universitas“, Schüler Carl Schmitts, wurde von ihm 1944 habilitiert. Vgl. Carl Schmitt, Zum Gedächtnis an Serge Maiwald, in: Zeitschrift für Geopolitik 7, 1952, S. 447 f. 168 Die Rezension Brinkmanns zum „Nomos der Erde“ erschien in: Universitas 5, 1951, S. 907–909. 169 Von Schmitt gelegentlich zitierter Vers Goethes: „Ja, schelte nur und fluche fort, / Es wird sich Bess’res nie ergeben. / Denn Trost ist ein absurdes Wort: / Wer nicht verzweifeln kann, der muß nicht leben“, in: Goethe, Werke (Weimarer Ausgabe), I / 2, S. 236. Vgl. Schmitt, Glossarium (wie Anm. 136), S. 239 und 489.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
Freunden? Nachdem ich Popitz, Ahlmann170, Jessen171 verloren habe und schliesslich auch Duška weggegangen ist? Die Reise nach Spanien (April bis Juni) war eine Ablenkung, die aber, wie jede Ablenkung mit einer heftigen Belehrung über meine wirkliche Lage endete; ich bin immer noch wie betäubt von dem Gegensatz der wahrhaft grossartigen, auch ehrenvollen Aufnahme in Spanien und der niederträchtigen Verfolgung in meinem Vaterlande. In Spanien habe ich eine herrliche Wiederbegegnung mit der Rechtswissenschaft und der juristischen Fakultät gefeiert, mit grösster Publizität, in Madrid im Ateneo, in Barcelona in der überfüllten Aula Magna der Universität, in Santiago im überfüllten Paraninfo, ebenso in Murcia und sehr schön in Sevilla; nicht nur Universitätsbehörden, sondern auch Minis ter und Gouverneure haben mich feierlich begrüsst; bei dem grossen Empfang in Madrid ist auch Súñer Serano172 erschienen; in Barcelona hat ein Fachkollege, nach der Begrüssung durch Rektor und Dekan, den Gesang des Sechzigjährigen auf Spanisch vorgelesen und kommentiert; kurz, die Aufnahme war wirklich grossartig und ehrenvoll. Aber sie war zugleich ein Ausdruck der Tatsache, dass es in Spanien noch keine offizielle Vertretung der heutigen deutschen Bundesrepublik gibt; somit hätten die früheren Kollegen vom Schlage Erich Kaufmann schon dafür gesorgt, dass die Aufnahme nicht allein ehrenvoll würde. Sie müssen mir erlauben, lieber Carl Brinkmann, dass ich einen Augenblick von mir und meiner Lage spreche. Seit dem Tode Duškas wird es mir schwer, die Unverschämtheit zu ertragen, mit der ich mit meinem Werk aus dem deutschen Geiste abgetrieben werden soll. Das ist doch schon ein ungeheuerlicher Vorgang. Da muss man sich doch schon sehr zusammennehmen, um nicht bitter zu werden, nicht „perspicax in interpretatione injuriae: illatae“ wie Fr. Bacon sagt173, und es ist schon eine Wohltat, das aussprechen zu dürfen, ohne neue Missdeutungen und Unterstellungen befürchten zu müssen. 170 Der blinde Bankier und Jurist Wilhelm Ahlmann (1895–1944) gehörte zum Widerstand gegen Hitler und verübte am 7. September 1944 Selbstmord, um seiner Verhaftung zuvorzukommen. Schmitt, der mit ihm befreundet war, widmete ihm 1950 „Ex Captivitate Salus“ und beteiligte sich 1951 auch an der Gedenkschrift für Ahlmann. In Hermann Kasacks Roman „Die Stadt hinter dem Strom“ (1947) erscheint Ahlmann als „Lübecker Kaufmann Dr. Hahn“. 171 Jens Jessen (1895–1944), Nationalökonom, zuerst Nationalsozialist, später hingerichteter Widerständler; vgl. Regina Schlüter, Der Volkswirt Jens Jessen, Leben und Werk, Marburg 2001. 172 Ramón Serrano Súñer (1901–2003), span. faschistischer Politiker. 173 Francis Bacon, Sermones Fideles sive interiora Rerum, Leiden 1644, Kap. LV, De Ira, 2 … Secundo, si quis curiosus et perspicax sit in interpretatione injuriae illatae … [… einsichtsvoll bei der Beurteilung ungerechter eingebrachter Fälle]; siehe auch Schmitt, Glossarium (wie Anm. 136), S. 62.
I. Carl Brinkmann163
Ich schicke Ihnen und Ihrer verehrten Frau ein Bild Duškas aus den letzten Tagen ihrer Krankheit. Ein Heidelberger Arzt hat es Ende November gemacht. Es hält den letzten Blick dieser tapferen Frau fest; deshalb ist es für mich so ergreifend und bedeutet es für mich eine Quelle des Vertrauens, dass ich es Ihnen Beiden zusenden darf, in der Gewissheit, dass Sie sich der Verstorbenen in Liebe erinnern. Mein Wunsch, mit Ihnen zu sprechen, ist sehr gross. Vielleicht besuche ich Ende September Ernst Jünger in Wilfingen bei Riedlingen. Sind Sie in dieser Zeit in Tübingen oder noch in Oberstdorf? Ich habe Ihre Publikationen der letzten Jahre sorgfältig gelesen, besonders die Schrift über die Revolution, und möchte über vieles mit Ihnen sprechen. Mir ist die Ehre echter Verfolgung widerfahren. Die heftige Steigerung aller Einsichten verleitet einen aber oft zu Ausbrüchen und Ungeduld. Sie, lieber Carl Brinkmann, haben viel Geduld mit mir gehabt und über meinen menschlichen Mängeln meine Situation nicht vergessen. Das haben sie in der Besprechung des „Nomos“ so sachlich und mit solcher wissenschaftlichen Reinheit zum Ausdruck gebracht, dass ich mir mit unendlicher Dankbarkeit des kostbaren Gutes Ihrer Freundschaft bewusst geworden bin. Mit herzlichen Grüssen und Wünschen für Sie und Ihre hochverehrte Frau bleibe ich Ihr alter Carl Schmitt 30. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2064
Oberstdorf, 24.8.1951 Lieber verehrter Herr Carl Schmitt. Immer wollte ich eine schmerzfreie Stunde erwarten, um Ihnen meinen, herzlichen Dank für Ihren lieben guten Brief und das ergreifende Bild von Frau Duška zu sagen, diese Stunde aber scheint nicht so bald zu kommen, und vielleicht ist das auch gut, dann ist der Abstand zu der schmerzlichen Welt ringsum nicht so gross und zu der wirklich ganz besonderen Weise, wie Ihre Freunde Ihre Lage mitfühlen müssen. Kennen Sie die Briefe Adalbert Stifters, auch ein wenig bekannter Ausdruck der katholischen Standhaftigkeit? Gerade las ich darin, dass er in Leid und Verkennung „von seiner inneren Gestalt leben“ kann.174 Ich denke, das zu können, wäre ein schöner Wunsch für uns alle. 174 „Jetzt, wo wenigstens äußere Ruhe ist, lebe ich sehr zurückgezogen, arbeite sehr viel, und lebe von meiner eigenen, innern Gestalt.“ Adalbert Stifter, Brief an Gustav Heckenast vom 6.3.1849. Ich danke Martin Tielke für den Hinweis.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
Dass Sie mit dem Photo Ihrer von uns so hoch verehrten verewigten Frau175 an uns dachten, steht uns als ein echtes Zeichen Ihrer Freundschaft. Sie schreiben uns nichts von Anima und doch wüssten wir gern etwas mehr als Josef Kaisers Bericht, dass sie von der Schule zurück bei Ihnen sei und töchterlich für Sie sorge. Wir sehen sie noch als Kind im Dahlemer Haus mit ihren ungewöhnlichen Begabungen. Wie mag das Erbgut beider Eltern in ihr weiterleben und sich verteilen? Nicht nur von unserem (jugendlichen, aber sehr ordentlichen) neuen Tübinger Publizisten Hans Schneider176, sondern auch sonst habe ich den Eindruck, als ob das Blatt der unnatürlichen Verschweigung und Verfinsterung Ihres Werks sich langsam wendet. Auch Sie haben wohl gesehen, wie harmlos in der Juristenzeitung mit einem Male H. Coing177 die „Krise der europäischen Rechtswissenschaft“ zitiert. Sie schrieben mir so besonders lieb, verehrter Freund, dass ich nicht fürchte anmassend zu erscheinen, wenn ich sage: Es ist auch für mich eines der seltsamsten, wehmütigsten Alters-Erlebnisse zu sehen, wie über Gleichgültigkeit und Neid hinweg etwas von unserer Arbeit sozusagen „objektiv“ wird. Sollte von Ihren spanischen Arbeiten etwas irgendwo im Druck erscheinen178, so denken Sie wohl gütig daran, mich darauf aufmerksam zu machen. Was sagen Sie dazu, dass ich für Siebeck eine deutsche Einführung in die Quellen aus Paretos Traité179 machen soll? Herzlichst bei Ihnen Ihr alter Carl Brinkmann
175 Duška
Schmitt war am 3.12.1950 gestorben. Schneider (1912–2010), Öffentlichrechtler, habilitierte sich bei dem Schmitt-Schüler Werner Weber über den preußischen Staatsrat, besuchte im Krieg Carl Schmitts Vorlesungen an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. 177 Helmut Coing, System, Geschichte und Interesse in der Privatrechtswissenschaft, in: Juristenzeitung 6, 1951, S. 481–485 (bes. S. 481). Dort zitiert er Carl Schmitts Bonmot vom „motorisierten Gesetzgeber“ (aus: Carl Schmitt, Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, Tübingen 1950, S. 18): „In den Zeiten der ‚motorisierten Gesetzgeber‘ und der sozialen Unruhe bedarf die Jurisprudenz der Festigkeit.“ 178 Carl Schmitt, La unidad del mundo, in: Annales de la Universidad de Murcia 1950 / 51, S. 343–355 bzw. ders, La unidad del mundo, Madrid 1951. 179 Vilfredo Pareto, Allgemeine Soziologie. Ausgewählt, eingeleitet und übersetzt von Carl Brinkmann, besorgt von Hans Wolfram Gerhard, Tübingen 1955. Brinkmann hat das Erscheinen des Buches selbst nicht mehr erlebt, aber bis in seine letzten Lebensmonate daran gearbeitet. 176 Hans
I. Carl Brinkmann165
31. Carl Brinkmann an Carl Schmitt, Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2065
Oberstdorf, 29.8.1951 Lieber verehrter Herr Carl Schmitt. Natürlich schicke ich Ihnen gern einige (genügen 5?) Sonderdrucke meiner Nomos-Anzeige180. Mit Vögelin181 stand früher auch ich in Verbindung und freue mich jetzt aus Ihrer Nachricht zu entnehmen, dass er nicht zu den unversöhnlichen Remigranten gehört. Sagte Ihnen Joseph Kaiser, dass ich Prof. Rosenbaum182, der mir durch meinen Schüler E. A. v. Neurath183 seine Anzeige von Ex Captivitate schickte, durch diesen sagen liess, ich könnte zwar seine Urteile kaum bestreiten, wohl aber die Legitimation des Richters? Sonnabend gehen wir zur 2. Saison nach Bad Gastein (Kaiserhof), werden also kaum vor Mitte September hier zurück sein. Wäre ich jünger und gesünder, ich käme jederzeit eigens, Sie zu sehen, nach Tübingen. So kann ich meinerseits nur fragen, ob es nicht möglich wäre, dass Sie uns nach dem 15.IX. für ein paar Tage hier aufsuchten? Wir haben zwar jetzt, da eine der Landsberger SS-Frauen mit einem kleinen Jungen meiner Frau im Haushalt hilft, nur noch eine Bodenkammer frei, und aber wenn ich, wie zu hoffen, geheilt aus Gastein zurückkehre, zöge ich selbst gern da hinauf und gäbe Ihnen mein kleines Schlafzimmer. Also überlegen Sie und schreiben Sie uns, es wäre zu schön. Mit herzlichen Grüssen und Wünschen auch für Anima von uns beiden immer Ihr alter treuer Carl Brinkmann
180 Carl
Brinkmann, Rezension (wie Anm. 168). (Erich) Voegelin (1901–1985), Politologe, bis 1938 Professor für Staatslehre und Soziologie in Wien, Flucht in die USA, von 1958 bis 1969 Professor für Politikwissenschaft in München; vgl. Reinhard Mehring (Hrsg.), Carl Schmitt im Gespräch mit Philosophen, in: Schmittiana NF II, 2014, S. 183–199. 182 Eduard Rosenbaum, Carl Schmitt vor den Toren, in: Rheinischer Merkur Nr. 48 vom 25.11.1950; vgl. Reinhard Mehring (Hrsg.), Carl Schmitt im Gespräch mit Philosophen, in diesem Band, S. 44–47. 183 Konnte nicht ermittelt werden. 181 Eric
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32. Carl Schmitt an Carl Brinkmann Brief, 2 Seiten, hs., m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-12841
Plettenberg, den 28. Dezember 1951 Lieber und verehrter Herr Carl Brinkmann! Der Lichtblick, den dieses vergangene Jahr mir in Deutschland gebracht hat, ist Ihre gute Tat,184 lieber Carl Brinkmann. Heute, gegen Ende des Jahres, erinnere ich mich mit grosser Dankbarkeit daran, zugleich auch der Freunde gedenkend, mit denen wir uns in früheren Jahren so oft in Berlin getroffen haben. Ich bin auf meiner Süddeutschlandreise im Dezember bis Wilflingen (über Riedlingen, Saulgau) zu Ernst Jünger185 vorgedrungen. Dann versagte mein Reisepotenzial (wozu, ausser Geld, auch Wäsche, Kleidung, Gesundheit etc. gehört). Jetzt wünsche ich mir von dem kommenden Jahr, dass es uns einmal zusammenführen möge, damit wir endlich zu einem Gespräch kommen. Wie soll man heute anders seine Situation kennen lernen. Immer handgreiflicher wird ja die Collingwood’sche Question – Answer Logic186: jedes Wort eines Menschen ist eine Antwort; jede Antwort kommt aus einer Frage; jede Frage kommt aus einer Situation. Alle guten Wünsche für Sie und die hochverehrte Gattin! Anima schließt sich meinen Wünschen von Herzen an. Ich bleibe stets Ihr getreuer Carl Schmitt
184 Anspielung Schmitts auf die Besprechung C. Brinkmanns zum „Nomos der Erde“ (wie Anm. 168). 185 Die Reise wird erwähnt im „Briefwechsel Gretha Jünger – Carl Schmitt (1934–1953)“, hrsg. von Ingeborg Villinger und Alexander Jaser, Berlin 2007, S. 159. 186 Robin George Collingwood (1889–1943), Philosoph und Historiker, der als Einzelgänger eine neue Philosophie entwarf, die den metaphysischen Realismus einerseits und die analytische Philosophie andererseits überwinden sollte, siehe auch Schmitt, Glossarium (wie Anm. 136), S. 247.
I. Carl Brinkmann167
33. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2066
Oberstdorf, 1.1.1952 Lieber verehrter Carl Schmitt. Der erste Brief im Neuen Jahr soll der Dank für Ihre guten Zeilen vom 28. Dezember sein, die mich tief bewegen. Freilich tun sie mir auch zu viel Ehre an, denn durch Josef Kaiser, dem ich schon in Tübingen unsere herzlichsten Wünsche für Sie übergab, bin ich ja einigermassen unterrichtet, wie auch die Menschen Ihres Bonner und Hamburger Kreises sich um Sie scharen, und Ihre Einladung in das für kommende Weltalter unabsehbar wichtige Spanien vor allem hat Ihnen doch 1951 zu einem ersten Annus Mirabilis gemacht. Gesundheit ist wohl das „Knappste“ und deshalb wertvollste der „Reisepotentiale“, und auch ich wünschte es mir etwas reichlicher, dann würde ich vielleicht auch einmal Kaisers Gedanken eines Besuchs auf seinem Gute ausführen und Sie in Plettenberg heimsuchen. Haben Sie das neue Buch meines Schülers und Freundes Giselher Wirsing187 gesehen? Dann wäre ich auf Ihr Urteil sehr begierig. Ich selbst halte es für eine sehr bemerkenswerte Etappe einer deutschen „Political Science“, nur vielleicht (durch Einflüsse der Seite W. Eschmann188 – Alfr. Weber) etwas zu „amerikanisch“. Hat man Ihnen einmal von den Tübinger „Dies“-Vorlesungen erzählt? In ihrer Reihe soll ich am 17. Januar über Europäische Wirtschaft und Abendländische Kultur sprechen und werde auch an Sie als Westmensch denken, wenn ich einsichtig zu machen hoffe, dass zwar jene unausweichlich „westlich“, dafür aber diese ebenso existentiell „östlich“ bestimmt sein muss. Leben Sie für heute wohl und lassen sich mit Anima von uns beiden herzlich und getreu begrüssen. Immer Ihr alter Carl Brinkmann
187 Giselher Wirsing (1907–1975), Volkswirt, Journalist, Mitarbeiter der politischen Monatsschrift „Die Tat“, von 1933–1941 Chefredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten, SS-Obersturmbannführer, nach 1945 zunächst Berufsverbot, 1954–1970 Chefredakteur von „Christ und Welt“. Bei dem erwähnten Buch handelt es sich um „Schritte aus dem Nichts“, Düsseldorf / Köln 1951. 188 Ernst Wilhelm Eschmann (1904–1987), Soziologe und Politologe, führte mit Wirsing die „Tat“, Prof. an der gleichgeschalteten und umgewandelten Hochschule für Politik, 1943 Leiter des Deutschen Instituts in Marseille, nach 1945 freier Schriftsteller, ab 1962 Prof. für Kulturphilosophie in Münster; vgl. M. Frederik Plöger, Soziologie in totalitären Zeiten. Zu Leben und Werk von Ernst Wilhelm Eschmann (1904–1987), Münster / Berlin 2007.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
34. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2067
Tübingen, 6.12.1952 Mein lieber verehrter Freund Carl Schmitt. Sie wussten, was Sie mir mit Animas Buch189 (eben hatte mir Arnold Gehlen190 davon und von dem Fraga-Jubiläum191 erzählt) und vor allem mit Ihrem lieben Brief für eine Weihnachtsfreude machten. Die Worte, mit denen Sie auf unsere beiderseitigen wissenschaftlichen Laufbahnen zurückblicken, werde ich nie vergessen können, sie legen sich so hell und tröstlich auf viele Müdigkeit und Enttäuschung, die auch ich, der äusserlich Glücklichere von uns beiden, vielleicht gerade deswegen als Last meines Alters empfinde. Nehmen Sie dazu, dass ich einen sorgenvollen Herbst hinter mir habe: Meine Frau musste, im Zusammenhang mit der Erlanger Operation von 1947, noch einmal von K. L. Frey in München operiert werden und erholte sich zunächst mit schmerzlicher Langsamkeit und erst neuerdings mit erfreulicher Beschleunigung. Sie sehen, wie gut ich ein so auf das ganze Leben gehendes Freundeswort brauchen konnte. Von der Winstanley habe ich freilich erst Ihr Vor- und Schlusswort lesen können und ahne, dass, was Sie über die Geburt des Mythos aus dem Drama sagen, wohl das Wichtigste an der Sache sein wird. Aber den kleinen Golo Mann192 habe ich mir aus dem neuen hiesigen Amerikahaus kommen lassen, und einen sehr schlechten Geschmack auf die Zunge bekommen. Die Bedeutung des „Nomos“ will der Sohn seines Vaters nicht leugnen, aber er hätte nicht nötig gehabt, Sie fortwährend „perfid“ zu nennen, um darauf aufmerksam zu machen, wie sehr er schon es ist. Die „Juristen“-Kulisse erfindet er, um die Schuld Amerikas dahinter zu verstecken. Interessiert hat mich sein Ausfall gegen den Neuliberalismus. Das stimmt zu der verfemten Weimarer Rede193 seines Vaters, gefällt mir aber, das muss ich gestehen, besser als die heutige Welle von Sozialistenhetze in der katholischen Literatur. 189 Es handelt sich dabei um: Lilian Winstanley, Hamlet, Sohn der Maria Stuart, Pfullingen 1952. Anima Schmitt hat es übersetzt, Carl Schmitt hat das Vorwort (S. 7–25) und ein Nachwort (S. 164–170) verfasst. 190 Arnold Gehlen (1904–1976), Soziologe, Philosoph, Anthropologe. 191 Gemeint ist wohl der 30. Geburtstag von Manuel Fraga Iribarne am 23.11.1952. 192 Golo Mann, Carl Schmitt und die schlechte Juristerei, in: Der Monat 49, 1952, S. 89–92. 193 Thomas Mann, Ansprache in Weimar, in: ders., Gesammelte Werke, Band 13, Frankfurt / M. 1974, S. 791–794.
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Ich hatte darüber Korrespondenz mit Ihrem sehr klugen Schüler G. Krauss194, den Beckerath an mich wies. Ich sagte ihm, dass ich Pareto195 nicht als Anti-Marx verstehen könne. Gern wüsste ich gelegentlich, ob Sie den Rummel (besonders auch in Österreich) kennen und gutheissen. Allen Segen zu den Festen Ihnen und Anima von Ihrem immer getreuen und dankbaren Carl Brinkmann
35. Carl Brinkmann an Carl Schmitt
Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2068
Oberstdorf, 17.4.1953 Hoch verehrter lieber Freund Carl Schmitt. Ihr lieber Osterbrief erreichte mich noch in der Klinik, wo ich noch nicht selbst schreiben konnte, sonst hätte ich Ihnen auf der Stelle gesagt, wie sehr er mich in der merkwürdigsten Katastrophe meines Lebens erfreut und getröstet hat, gerade weil ich es bis zu einem gewissen Grad dem Zufall anheim geben musste, wer von den Freunden und zu welcher Zeit davon hörte. Leider bedingt auch jetzt eine Erschöpfung, wie ich sie nie gekannt habe, dass ich vorläufig nur das Kürzeste und Knappste schreiben und danken kann. Und so möchte ich heute diesen Zeilen vor allem mit unermesslichem Bedauern die Antwort mitgeben, dass es leider vorläufig ganz unsicher bleiben muss, ob ich wirklich, wie ich möchte, wenigstens Mitte Mai meinen Tübinger Unterricht aufnehmen kann oder doch noch länger warten muss. Sie irgendwo in Schwaben zu treffen, könnte meine letzten Energien verbrauchen. Aber wäre nicht auch umgekehrt, wenn ich Oberstdorf nicht sollte verlassen können, Ihrerseits ein kleiner Abstecher zu uns möglich? In jedem Fall, lieber Freund, tun Sie mir die Liebe, mich von Ihren Schritten auf dem Laufenden zu halten, und ich will versuchen, das Gleiche zu tun. Mit den herzlichsten Grüssen auch für Anima und besonders auch von meiner Frau, ohne deren treue Pflege ich vielleicht nicht mehr am Leben und jedenfalls nicht so weit wie jetzt wäre, Ihr immer dankbar getreuer Carl Brinkmann 194 Günther Krauss (1911–1989), Jurist, Schüler Schmitts, Promotion über Sohms Rechtsbegriff, Notar und Rechtsanwalt; vgl. Günther Krauss, Erinnerungen an Carl Schmitt, in: Criticon 95, 1986, S. 127–130 (fortgesetzt in: Schmittiana I, 1988, S. 55–69 und II, 1990, S. 72–111). 195 Vgl. Carl Brinkmann, Über Vilfredo Pareto, in Jahrbücher für Sozialwissenschaft 1, 1950, S. 1–11.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
36. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2069
Oberstdorf, 19.5.1953 Lieber verehrter Carl Schmitt. Sie wissen inzwischen, wie schweren Herzens ich auf die Tübinger Begegnung verzichten und meinen Semesteranfang nach Pfingsten verschieben musste. Dürfte ich Sie heute bitten, mir in meiner trostlosen Rekonvaleszenz zwei Freundesdienste zu leisten? 1) C. Gini in Rom gibt mit Ogburn196, Bouthoul197 Poviña198 und (leider auch, auf Freyers199 Wunsch) mir eine neue Revue Internationale de Sociologie heraus, für deren deutsche Repräsentanz also ich zu sorgen habe: Könnten Sie uns bald einen Aufsatz schicken (deutsche Sprache)? Es wäre glorios, mit Ihnen (und etwa A. Gehlen u. a.) anzufangen. 2) Ganz verschämt wage ich die zweite Bitte: In der Unordnung meines Lebens ist die ehrenvolle Aufforderung zur Mitarbeit an der Festschrift für Sie abhanden gekommen, weshalb ich nicht weiss, wohin schreiben. Wäre es Ihnen recht, wenn ich ein paar Seiten über „Güte und Schlechtigkeit des Menschen in der Lehre von Staat und Gesellschaft“200 schriebe? Wenn ja, wäre ich sehr dankbar für nochmalige Unterrichtung, wohin und bis wann spätestens. Meine Frau und liebe Pflegerin grüsst Sie und Anima herzlich und ich bin mit freundschaftlichstem Dank voraus immer Ihr alter Carl Brinkmann
196 William Fielding Ogburn (1886–1959), amerik. Soziologe mit Schwerpunkt Statistik und quantitative Methoden, Entwicklungssoziologie und sozialer Wandel. 197 Gaston Bouthoul (1896–1979), franz. Soziologe und Kriegsforscher, der nach 1945 die Polemologie, d. i. die Kriegssoziologie, etablierte. 198 Alfredo Poviña (1904–1986), argent. Soziologe. 199 Hans Freyer (1887–1969), Soziologe, Prof. von 1925 bis 1948 an der Universität Leipzig, von 1953 bis 1955 in Münster. 200 s. Anm. 216.
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37. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2070
Oberstdorf, 26.5.1953 Lieber verehrter Carl Schmitt. Nur eine Zeile (die abnorme Hitze setzt meinem Zustand doch arg zu) allerherzlichsten Dankes für Ihren wieder so reichen wie gütigen Brief. Ja, ich gebe Ihnen einen „Anstoss“: Bitte machen Sie den Nomos-Aufsatz201 so rasch wie möglich fertig, „einige Seiten“ (meine für Sie werden gerade fertig) sind ganz das, was ich mir für eine deutsche „Repräsentation“ womöglich gleich beim Début der Rev. Internat. vorstelle. Ich stelle anheim, ob Sie das alles Gini unmittelbar (Rom, 10 Piazza Terme Diocletiana) oder durch mich schicken wollen. Jedenfalls tausend Dank für Ihre freundschaftliche Bereitwilligkeit! Wie freuen wir uns vor allem für Corrie Schulz-Popitz202, die nun gewiss aller Doktorsorgen enthoben ist. Von der Sache Bonn-Sombart203 habe ich in meiner Einsamkeit noch nichts gehört. Wie man einmal ist, empfinde ich eine Mischung von Genugtuung und Bestätigung bei der Erinnerung, dass ich Moju204 (so hiess er ja wohl im Brentano-Kreis) einst, als wir zusammen Keynes’ Friedensbuch verdeutschten, buchstäblich aus meinem Zimmer im (damaligen) A. A. hinausgeworfen habe. Es beruhigte mich überhaupt immer, auch bei Corinna205 eine gesunde Abscheu vor den schlimmsten Juden und Judengenossen des Alf. WeberKreises zu betrachten. Auch bei Frau Erich Kaufmann206, die ich neulich 201 s.
Anm. 212. Popitz (1922–1987), Tochter von Johannes Popitz, heiratete 1952 den Historiker Gerhard Schulz. 203 Bonn-Sombart: Anspielung auf Moritz Julius Bonn, So macht man Geschichte. Bilanz eines Lebens, München 1953, S. 332. Dort heißt es von Werner Sombart: „Gleich Schmitt schien er durchaus bereit seine jüdischen Freunde mit Haut und Haaren aufzufressen, obgleich er ihnen sehr zu Dank verpflichtet war.“ 204 Moju = Moritz Julius Bonn; Dieses Wortspiel sollte sich auf den Namen von Lujo Brentano beziehen. Moritz Julius Bonn spricht in seinen Memoiren nur von der „Vorbereitung der Übersetzung“, die „von Professor Brinkmann ausgeführt worden“ sei. Es handelt sich um das Buch John Maynard Keynes, Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrags, München / Leipzig 1920. 205 Corina Sombart, Zweite Frau Werner Sombarts, eine vermögende rumänische Studentin seines Seminars, die er 1922 heiratete; vgl. Briefwechsel Sombart-Schmitt (wie Anm. 4). 206 Hedwig Kaufmann, in Bonn seit 1922 mit Carl Schmitt bekannt und regelmäßige Hörerin seiner Vorlesungen. 202 Cornelia
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
bei Spiethoffs privat kennen lernte, freute ich mich, grosse Unabhängigkeit in der Judenfrage zu finden. Seien Sie von uns beiden herzlichst gegrüsst, ich warte auf Ihr Ms.! Immer Ihr alter Carl Brinkmann
38. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 1 Seite, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2071
o. O., 5.6.1953 Lieber Freund. Eben kommt Ihre liebe Karte, schon mir hierher nachgesandt, wo ich seit dieser Woche mit grosser Lust wieder lese und arbeite (und nur noch kleine Unbequemlichkeiten des Wundverbandes); Bitte beeilen Sie sich gar nicht mit Ihrem schönen Aufsatz207, auf den ich mehr als gespannt bin. Die Erfahrung mit Zeitschriften zeigt ja, dass man immer noch zu früh kommt. Alles Herzliche und Dankbare auch von Hanna Ihr alter C.B.
39. Carl Brinkmann an Carl Schmitt
Brief, 1 Seite, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2072
Tübingen, 16.6.1953 Lieber verehrter Carl Schmitt. Herzlichen Dank für die liebe und schöne Karte. So sehr gespannt ich auf Ihren Aufsatz208 bin, so möchte ich doch nicht, dass Sie dessentwegen sich irgendwie Zwang antun. Auf einen Tag kommt es nicht an. Das „Hochland“209 habe ich mir gleich angesehen und weiss wieder nicht, ob weinen oder lachen. Was ist das für eine Hetze. Mittlerweile habe ich auch 207 s.
Anm. 212. Anm. 212. 209 Brinkmann meint: Elias Hurwicz, Aus den Erinnerungen eines Abseitigen, in: Hochland 45, 1953, S. 452 f., wo u. a. von Carl Schmitt berichtet wird. Er irrt sich aber im Datum, Hurwicz schreibt von März 1927, Brinkmann von 1926, tatsächlich fanden die Davoser Hochschulkurse vom 18. März bis 14. April 1928 statt. 208 s.
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durch meine jungen Leute von Herrenalb und den Karlsruhern „Richtern“ erfahren.210 Soziologisch wäre interessant, ob ein Zusammenhang zwischen dem allem ist. Das war übrigens nicht 1928, sondern 1926. Ob ich das alles erinnere! Nachher waren Sie ja bei uns in Heidelberg zum ersten Mal. Wer mag der Nationalökonom L… der „völkische“, sein.211 Also Gott freuen diese Dinge. Jene sterben aus, und wir, vor allem Sie, leben. Sehr herzlichen Händedruck auch von meiner Frau Ihr alter Carl Brinkmann
40. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 1 Seite, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2073
Tübingen, 24.6.1953 Lieber verehrter Carl Schmitt. Was nennen Sie Altersstil? Ihr Biograph wird finden, dass die Tatze des Löwen noch sehr gigantisch ist. D. h. ich bin glücklich, mit gleicher Post den Nomos-Aufsatz212 an Gini nach Rom zu schicken. Das entschädigt mich (denn es ist doch schon etwas, Sie dort an der Spitze der deutschen soziologischen Arbeiten zu sehen), für den dummen wiederholten Schemen des Kampfes gegen die „Fünfundvierziger“ (wollen Sie mir diesen satirischen Terminus nicht verbreiten helfen?) Erich Fechner213 hätte ich nun wirklich kaum zugetraut, was Sie schrieben. Aber meine Erkundigungen (nicht bei ihm selbst natürlich) ergeben, er war in Athen, obwohl ich noch nicht herausbrachte, was er dort tat. Er hat 210 s.
unten, Anm. 258. handelt sich hierbei um den Nationalökonomen Friedrich Lenz (1885– 1968), der zwar antiliberal war, aber eher den Nationalbolschewisten als den Völkischen zuzuordnen ist. 1933 zwangsemeritiert, hatte er Kontakte zum Widerstand um seinen ehemaligen Schüler Arvid Harnack. Nach 1945 erneut als Hochschullehrer tätig; vgl. in diesem Band S. 219–229. 212 Carl Schmitt, Nehmen – Teilen – Weiden. Ein Versuch, die Grundfragen jeder Sozial- und Wirtschaftsordnung vom NOMOS her richtig zu stellen. Schmitt schickte das Manuskript. Im Druck erschien der Aufsatz erstmals Ende 1953 in: Gemeinschaft und Politik. Zeitschrift für soziale und politische Gestaltung 1, 1953, H. 3 (November), S. 17–27. Davon erhielt laut Schmitts Versandliste Brinkman Ende Dezember 1953 einen Sonderdruck (s. Brief Nr. 43 und 48). Wiederabdruck des Aufsatzes in: Revue internationale de sociologie, I, 1. Januar 1954; und in: Carl Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze (wie Anm. 129), S. 488–504. 213 Erich Fechner (1903–1991), Jurist, Rechtssoziologie und Rechtsphilosophie; s. auch Carl Schmitts Bemerkung über Boykott-Maßnahmen gegen ihn zu Ernst 211 Es
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
schon früher Dumme-Jungen-Seiten gezeigt, z. B. als seine (noch dazu hinterhältige) Opposition uns zwang, dem (ähnlich töricht) von W. Schönfeld214 aber dem Bischof Wurm215 versprochenen Ehrendoktor nicht zu profilieren. Dabei hat er, als katholisierender Protestant (Rheinländer) auch bessere Seiten, z. B. in Wirtschaftsrecht und Sozialpolitik. (Wie ich überhaupt gern einmal wüsste, ob nicht auch Sie in dem heutigen Rechtskatholizismus und seiner naturrechtlichen Begründung des Kapitalismus einen unschönen und gefährlichen Missstand sehen.) Aber leider ist das Bellum omnium contra omnes die Signatur unserer elenden Zeit. Lieber Freund, ich weiss nicht, wohin meine Wünsche zum 11.VII. richten, zumal ich nach Düsseldorf, das werden Sie verstehen, nicht kommen kann. Darf ich aber heute sagen, dass wir in alter Treue und Verehrung an Sie denken werden! Hoffentlich hat mein kleiner Beitrag zur Epirrhosis216 das Richtige getroffen. Dem grossen Erschütterer und Annager der Gedanken über Staat und Gesellschaft zu huldigen. Hanna grüsst Sie und Anima sehr. Gott wird uns schon ein Wiedersehen bescheren. In Freundschaft und Dankbarkeit Ihr alter Carl Brinkmann
41. Carl Schmitt an Carl Brinkmann Brief, 2 Seiten, hs., m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-12842
Plettenberg, den 24.7.1953 Mein lieber Freund und Weggenosse Carl Brinkmann, mit Ihrem inhaltgeladenen Beitrag „Über Güte und Schlechtigkeit des Menschen in der Lehre von Staat und Gesellschaft“217 sind Sie wirklich mit Forsthoff, in: Briefwechsel Ernst Forsthoff – Carl Schmitt (1926–1974) (wie Anm. 38), S. 86. 214 Walther Schönfeld (1888–1958), Jurist. 215 Theophil Wurm (1868–1953), evangelischer Bischof, führender Theologe der Bekennenden Kirche gegen den Nationalsozialismus. 216 Carl Brinkmann, Über Güte und Schlechtigkeit des Menschen in der Lehre von Staat und Gesellschaft. Da die Festschrift zu Carl Schmitts 65. Geburtstag 1953 nicht gedruckt wurde, waren die Original-Manuskripte gebunden und dem Jubilar überreicht worden (RW 265-21368). Mehrere Beiträge wurden 1968 in der zweibändigen Festschrift „Epirrhosis. Festgabe für Carl Schmitt“, hrsg. von Hans Barion et al. Berlin 1968 veröffentlicht, so auch der von Brinkmann auf S. 83–87. 217 s. Anm. 216.
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schnellen, aber sicheren Stössen zum „Urgestein der menschlichen Gemeinschaftsbildung“ vorgedrungen. Ich lese den Aufsatz jetzt zum dritten Male und finde eine immer neue Beziehungsfülle. Vielleicht muss man Sie, Ihren Habitus, Ihren Stil, aber auch Ihre Intonation und Ihren Tonfall so gut und so lange kennen wie ich, um alles zu hören, was Sie auf eine so höfliche, ja weltmännische Weise vortragen, ohne den Hörer in die Seiten zu stossen oder auf die Schulter zu klopfen. Das Entzücken über diesen Stil gehört – über alle die grosse und vielschichtige Belehrung hinaus – zu der Freude an der Lektüre dieses Beitrages, wie auch der Aufsätze (über Wirtschaftsgeschichte des Kapitals aus der Festschrift für W. Rieger218, und der Artikel aus dem HWBStW über Adel, Revolution und G. v. Schmoller219), die Sie mir kürzlich sandten. Ich werde die Musse der kommenden Sommertage benützen, um eine Sammlung Ihrer Sonderdrucke zu machen und sie in einigen Bänden zusammenbinden lassen. Noch vorgestern, als ich zu Besuch in Marburg war, um Prof. Betti220 aus Rom dort zu treffen, konnte ich mit Prof. Kirsch221, dem Betriebswirtschaftler in der gemeinsamen Bewunderung für Ihre wissenschaftliche Produktivität, meiner dankbaren Freude zu Ihrem Werk offen Ausdruck geben. Wer macht nun Ihre Bibliographie? Von dem „Versuch einer C. S. Bibliographie“222 werden Sie ein Exemplar erhalten haben; werfen Sie einmal einen Blick hinein und sagen Sie mir Ihren Eindruck! Sie hat Schönheitsfehler, ist aber doch wohl brauchbar. Leider fehlt ein sehr wichtiges Buch: Prof. José Caamaño Martinez223, (Santiago de Compostela, El Pensiamento juridico politico de C. S. Santiago 1950, 171 Seiten mit einer Bibliographie). Sollten Sie noch Adressen kennen, die für eine Zusendung dieser Bibliographie in Betracht kommen, wäre ich Ihnen für diese Mitteilung dankbar. Der Empfang vom 11. Juli in der Academia Moralis in Düs218 Carl Brinkmann, Die Wirtschaftsgeschichte des Kapitals und die Lehrgeschichte des Kapitalbegriffs, in: Die Unternehmung im Markt. Festschrift für Wilhelm Rieger zu seinem 75. Geburtstag, Stuttgart / Köln 1953, S. 9–13. 219 Carl Brinkmann, Adel, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 1, 1956, S, 24 ff.; ders. Revolution, in: ebd., Bd. 9, 1956, S. 10–13; ders., Schmoller, Gustav, in: ebd., S. 135 ff. 220 Emilio Betti (1890–1968), Jurist und Philosoph, der sich vor allem mit hermeneutischen Problemen beschäftigte. 221 Wilhelm-Michael Kirsch (1899–1976), Prof. für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Genossenschaftswesens in Marburg. 222 Es handelt sich dabei um den 43seitigen „Versuch einer Carl-Schmitt-Bibliographie“, die von der Academia Moralis 1953 in Düsseldorf herausgegeben und von Piet Tommissen erarbeitet worden ist. 223 José Caamaño Martinez (1921–1992), Prof. für Rechtsphilosophie an der Universität Santiago.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
seldorf war grossartig.224 Sie werden den Bericht erhalten haben. Leider fehlt in dem Bericht der Name von Nicolaus Sombart225, der eine entzückende Rede (für die „junge Generation“) gehalten hat. Dass Heinrich Popitz226 und Gustav Schmoller227 ebenfalls da waren, tat mir gut. In der Erinnerung an den 11. Juli 1943, den wir bei mir in Dahlem gefeiert haben, als ich Ihre hochverehrte, liebe Frau als Tischdame hatte und die Ode „Die frühen Gräber“228 gesungen wurde, wurde mir der Gesang dieser Ode jetzt wieder zu einem fast kultischen Vorgang, wie ich ihn aus der Sphäre der klassischen deutschen Literatur nicht erwartet hatte. Aber zu dem (jünglinghaften) Text kommt eben die Musik von Gluck229 hinzu, und bewirkt ein herrliches „Gesamtkunstwerk“, mit dem das deutsche 18. Jahrhundert das französische weit überragt. Vielleicht berichtet Ihnen Peter Scheibert230 oder einer der anderen Anwesenden über den Verlauf dieses schönen Festes, bei dem ich Sie und Ihre Frau stets vermisst habe. Die Rede von Ernst Forsthoff231 war ergreifend. Einer der Anwesenden Johannes Winckelmann232 (dessen Frau, geb. von Rechenberg, Sie vielleicht 224 Vgl. Dirk van Laak, Gespräche in der Sicherheit des Schweigens. Carl Schmitt in der politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik, Berlin 1993, S. 55 f.; zur Academia Moralis und zum Festakt s. auch Schmittiana IV, 1994, S. 137 f. 225 Nicolaus Sombart (1923–2008), Soziologe, Sohn Werner Sombarts, pflegte seit seiner Jugend mit Carl Schmitt freundschaftlichen Umgang; vgl. Nikolaus Sombart, Jugend in Berlin, München 1984; Martin Tielke (Hrsg.), Schmitt und Sombart (wie Anm. 4). 226 Heinrich Popitz (1925–2002), Soziologe, Sohn von Johannes Popitz. 227 Gustav Schmoller (1907–1991), Jurist, Diplomat; 1934 Schmitts Assistent, 1941 in der Wirtschaftsabteilung des Reichsprotektors in Prag, ab 1952 wieder im Auswärtigen Amt tätig, 1967 Rücktritt als deutscher Botschafter in Schweden. Der Spiegel (Nr. 40 vom 25.9.1967, S. 26) schrieb unter anderem: „In seinem Dissertations-Entwurf vertritt Schmoller die vom NS-Staatsrechtsideologen Carl Schmitt inspirierte Großraumpolitik Hitlers.“ 228 Friedrich Gottlieb Klopstock, Werke und Briefe. Hist.-krit. Ausgabe, I: Oden, 2: Apparat, Berlin 2015. Im Apparat, S. 395 ist die Beziehung Carl Schmitts zur Ode „Die frühen Gräber“ erwähnt. 229 Willibald Gluck (1714–1787), Komponist, vertonte von Die frühen Gräber („Willkommen, o silberner Mond“). Auf der Düsseldorfer Geburtstagsfeier wurde Glucks Vertonung von der Sängerin Otti Lewinski-Dollhausen vorgetragen. In Christian Linder, Der Bahnhof von Finnentrop. Eine Reise ins Carl-Schmitt-Land, Berlin 2008, findet sich auf S. 99 eine Abbildung der Partitur Glucks mit Anmerkungen Schmitts. 230 Peter Scheibert (1915–1995), Osteuropahistoriker; vgl. Inge Auerbach / Hans Lemberg (Hrsg.), Peter Scheibert zum Gedächtnis. Nachrufe-Erinnerungen-Würdigung, Marburg 1997. 231 Ernst Forsthoff (1902–1974), Jurist, Öffentlichrechtler; vgl. Florian Meinel, Der Jurist in der industriellen Gesellschaft. Ernst Forsthoff und seine Zeit. Berlin
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von Berlin her kennen) bat mich, Sie zu fragen, ob Sie nicht sein neues Buch „Legitimität und Legalität bei Max Weber“ (Mohr, Tübingen, 1952) besprechen wollen: Ich möchte seinen Wunsch aufs lebhafteste unterstützen und Sie auch auf Winckelmanns Aufsatz in der Z. f. d. ges. Staatsw. 105 Bd. (1949). S. 368 f. hinweisen. Die von W. mit wahrer Gelehrtenaskese gemachte neue Edition von Wirtschaft und Gesellschaft erscheint bald und wird eine Sensation werden. Jetzt schliesse ich mit dem Ausdruck meines herzlichsten Dankes und mit vielen Grüssen und Wünschen als Ihr alter und getreuer Carl Schmitt In Ihrem Beitrag erwähnen Sie eine persönliche Erinnerung an G. Radbruch. Mir fielen dabei viele Einzelheiten aus Berlin ein, wo er ja ebenfalls war („Genossen, nehmet Euch in acht vor diesem süsslichen Pastor!“). Damals entdeckte er das Homo Homini Homo, ohne den Abgrund zu sehen, der sich damit auftut, aber auch ohne jedes geschichtliche Wissen von der langen Entwicklung des Homo homini Deus; Homo homini Lupus; und der (mir bei Vitoria begegneten) betrügerischen ‚Falle der Fallen‘ Homo Homini Homo!“233
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Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2074
Tübingen, 25.7.1953 Lieber verehrter Freund Carl Schmitt. Nicht nur meine (von Bekannten gelegentlich belächelte) Vorliebe für „ungehemmte“ Antworten, sondern grosse Rührung und Dankbarkeit lassen mich wünschen, noch vor dem Abend des Tages, an dem Ihr lieber Jubiläumsbericht gekommen ist, mit Ihnen zu sprechen. Ja, wir sind wohl Weggenossen, auch und gerade jetzt, wo die Schatten um uns länger werden und wir die Freundschaft als das Wertvollste und Bleibende unseres Lebens empfinden. 2011; die Rede Forsthoffs ist abgedruckt in: Briefwechsel Forsthoff–Schmitt (wie Anm. 38), S. 397 f. 232 Johannes Winckelmann (1900–1985), Soziologe, Vorstand der Max-Weber-Gesellschaft; vgl. Johannes Winckelmann, Max Webers Opus Posthumum. Eine literarische Studie, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 105, 1948, S. 368–378; Stefan Breuer, Klassiker der Karlsruher Republik. Johannes Winckelmann etabliert nach 1945 Max Weber, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 9, 2015, S. 89–104. 233 Vgl. Carl Schmitt, Glossarium (wie Anm. 136), S. 235.
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Einen Spiegel wie den, den sie meinem Verhältnis zu unserer Muttersprache vorhalten, empfinde ich wie einen der wenigen Sonnentage dieses dunklen Sommers. Und wenn Sie sich wirklich um etwas wie meine „Bibliographie“ verdient machten (besitzen Sie denn die „Wirtschaftsformen und Lebensformen“?234), so wäre die Hilfe für einen in dieser Beziehung sehr Beraubten und etwas Nachlässigen, aber auch Trost für einen, der sein geringes Interesse an der „Öffentlichkeit“ jetzt manchmal doch zu stark mit deren eigner Interesselosigkeit vergolten sieht. Den Düsseldorfer 11. Juli235 haben wir freudig mit Ihnen, schon aus dem mit der Bibliographie übersandten Bericht, erlebt, wie auch der Dahlemer von 1943 noch bildhaft vor uns steht. Von P. Scheibert hörte ich bisher nur durch meinen genialen Tübinger Lieblingsschüler W. Stützel236. Die Bibliographie ist mit ihren aufeinander bezogenen Teilen und der Aufnahme auch aller bedeutenden Gegner ein wahrhaft historisches neues Muster. Mit J. Winckelmann habe ich bisher nur Briefe über Fragen von ihm zu seinen MaxWeber-Studien gewechselt, bin gern bereit sein Buch zu besprechen. Die durchschlagende Leistung auf diesem Felde ist aber eine bei Gadamer237 in Heidelberg gearbeitete, bei Siebeck erschienene Dissertation von D. Henrich238. Auch in einer Ihrer letzten Karten sehe ich noch eine unbearbeitete Frage: Für die Bekanntschaft mit Benito Cereno hatte ich, wie für den ganzen Melville239 Ihnen ja schon in Berlin zu danken. Damals erzählten sie von Ernst Jüngers240 Freude daran. Sind Sie mit dem noch in Verbindung? Ich möchte ihn immer so gerne einmal in meinem Seminar haben. Und hat Ihre Freundschaft mit Albrecht Schaeffer241, von dem der letzte Insel-Alma234 Carl Brinkmann, Wirtschaftsformen und Lebensformen. Gesammelte Schriften zur Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftspolitik, Tübingen 1950. 235 Schmitts Geburtstagsfeier in Düsseldorf. 236 Wolfgang Stützel (1925–1987), Nationalökonom, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. 237 Hans-Georg Gadamer (1900–2002), Philosoph. 238 Dieter Henrich, Die Einheit der Wissenschaftslehre Max Webers, Heidelberger phil. Diss. 1949, Tübingen 1952; vgl. dazu die Besprechung Brinkmanns in: Finanzarchiv N.F. 14, 1952 / 53, S. 215 f. 239 Hermann Melville (1819–1891), amerik. Schriftsteller; bei der Erzählung „Benito Cereno“ identifizierte sich Carl Schmitt mit der gleichnamigen Hauptfigur; vgl. den Briefwechsel Marianne Kesting – Carl Schmitt, hrsg. von Martin Tielke, in diesem Band, S. 251–316. 240 Ernst Jünger (1895–1998), Schriftsteller; s. Ernst Jünger – Carl Schmitt. Briefe 1930–1983, hrsg. von Helmuth Kiesel, 2. Aufl., Stuttgart 2012, S. 114 ff. 241 Albrecht Schaeffer (1885–1950), Schriftsteller; aufgrund bisheriger Quellen ist unklar, ob Schmitt Schaeffer gekannt hat, ggfls. könnte eine Verwechslung mit dem Journalisten Paul Scheffer vorliegen.
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nach das wunderbare Emigrations-Gedicht242 brachte, die Emigration überdauert? Sie sehen, man fragt und fragt, und doch wird es nötig sein, sich bald einmal zu sprechen und zu sehen. Bis Anfang August gehen wir nach Oberstdorf, wo zunächst der Besuch meines älteren Stiefsohnes, unseres neuen Gesandten in Colombo, erwartet wird und auch nachher noch manche Termin-Unterbrechung (leider), der ich hoffentlich gewachsen bin. Soll ich bei Reisch versuchen, Sie für ein Rendezvous zu verständigen. Lassen Sie sich, auch in Hannas Namen, von Herzen die Hand drücken von Ihrem alten C. B. 43. Carl Schmitt an Carl Brinkmann
Brief, 1 Seite, ms. o. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-12843
Plettenberg, den 27. Oktober 1953 Lieber und verehrter Freund. Dieses mal muss ich den Brief an Sie diktieren, weil meine Augen mich so schmerzen, dass ich nicht mit der Hand schreiben kann. Der Augenarzt hat mich beruhigt und meint, es sei keine organische Krankheit, hat mir aber gleichzeitig absolute Ruhe anbefohlen, zu der mich übrigens schon der Zustand meiner Augen von selber zwingt. Hans Schneider aus Tübingen war vor 14 Tagen hier in Plettenberg, und es versteht sich von selbst, dass wir viel von Ihnen gesprochen haben. Ich muss unbedingt versuchen, Sie im Laufe dieses Jahres zu sehen. Inzwischen habe ich auch den Betriebswirtschaftler Professor Kirsch in Marburg gesprochen, der viel von Ihnen erzählt hat. Aber ich würde gern auch von Ihnen selbst Nachricht haben und wissen, wie es Ihnen und Ihrer hochverehrten Frau geht. Für das kommende Frühjahr (Mitte März bis Mitte April) habe ich eine Einladung der juristischen Fakultät Mexiko, verbunden mit einer Einladung der geplanten deutschen Industrie-Ausstellung Mexiko erhalten und bereits angenommen. Die deutsche Botschaft in Mexiko hat mich in einer besonders freundlichen Weise gebeten, die Einladung anzunehmen. Der dortige Botschafter ist ein Herr von Twardowski243. Ist es ein Verwandter von Ihnen 242 Albrecht
Schaeffer, Der Auswanderer, in: Insel-Almanach 1953, S. 75–79. von Twardowski (1890–1970), Diplomat seit 1922 im diplomatischen Dienst in Moskau, im Zweiten Weltkrieg Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen 243 Fritz
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der früher im Auswärtigen Amt war? Hoffentlich kommen keine Querschüsse von Seiten Hallsteins244, der solche anlässlich meiner Spanien-Reise 1951 versucht hat, aber damit zu spät kam und bei den Spaniern nur ein verächtliches Achselzucken über ihn ausgelöst hat. Vor längerer Zeit schickte ich Ihnen ein kleines Exposé NEHMEN / TEILEN / WEIDEN245, das Sie an Ihren Freund Professor Gini weitergeben wollten, damit es in einer italienischen Zeitschrift veröffentlich werde. Ich habe seit ungefähr einem halben Jahr nichts mehr davon gehört und muss es jetzt aus einem besonderen Grunde so schnell wie möglich auf deutsch veröffentlichen. Deshalb habe ich es heute einer kleinen neuen Zeitschrift gegeben, die sich „Politik und Gemeinschaft“ nennt, nur, weil die deutsche Publikation keinen Aufschub duldet und ich bei meiner Lage im heutigen Deutschland keine andere Möglichkeit habe, mein Kind vor den deutschen kidnappers zu retten. Ich weiss nicht, ob Professor Gini überhaupt noch Interesse an der kleinen Sache hat. Für mich handelt es sich um etwas sehr wichtiges, nämlich das Thema des Nomos und den Schutz vor Fruchtabtreibern. Ich bleibe, lieber Herr Brinkmann, mit vielen herzlichen Grüssen und Wünschen für Sie und Ihre verehrte Frau Immer Ihr alter und getreuer
44. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2075
Oberstdorf, 29.10.1953 Lieber verehrter Herr Carl Schmitt. Ihr lieber Brief erschreckt und betrübt mich zunächst durch die Nachricht von dem, was hoffentlich noch nicht ein Augenleiden genannt werden muss, aber jedenfalls unsereinen doch sehr stört und deprimiert. Dann aber auch durch das, was Sie über Ihren schönen Aufsatz für Gini schreiben. Die Italiener haben ihren alten Ruf für geschäftliche Nachlässigkeit wieder einAmt, ab 1943 Generalkonsul in Istanbul, 1946 Tätigkeit beim Evangelischen Hilfswerk, 1950 stellv. Leiter des Bundespresseamtes, von 1952–1955 Botschafter in Mexiko. 244 Walter Hallstein (1901–1982), Jurist und Politiker, seit 1951 Staatssekretär im Auswärtigen Amt, von 1958 bis 1967 erster Präsident der EWG-Kommission. 245 s. Anm. 212.
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mal insofern Ehre gemacht, als ich noch nicht die geringste Mitteilung wieder über den Stand der Zeitschriften-Angelegenheit habe. Jetzt raten Sie mir doch bitte: Soll ich Gini schreiben und den Beitrag zurückziehen, oder sollen wir es darauf ankommen lassen, dass er dann eben doch eine Zweitveröffentlichung darstellt? Ich würde zu dem zweiten neigen, aber was sagen Sie? Es ist jedenfalls eine dumme Sache und grosse Enttäuschung für mich. Um so mehr freut mich natürlich Ihre Einladung nach Mexiko. Der Botschafter dort ist der Mann der älteren Tochter meiner Frau aus erster Ehe, und beide werden sie gewiss mit offenen Armen aufnehmen. Hallstein lernte ich neulich bei der ersten deutschen Tagung des Brüsseler Internationalen Finanzinstituts in Frankfurt (woher ich ja beinahe mit Kaiser zu Ihnen gekommen wäre) in seiner ganzen Armseligkeit kennen und hoffe für unsere Russenpolitik auf sein baldiges Verschwinden. Uns geht es schlecht und recht. Meine arme Frau tröstet sich über die Schmerzen und Bewegungsstörungen ihres Operations-Armes mit dem Gedanken, dass damit Schlimmeres verhütet ist. Und ich warte immer noch auf das Zuheilen meiner Narbe vom März, während schon ein neues Rückfall-Chondrom da zu sein scheint und vielleicht 1954 operiert werden muss. Wenn wir das alles erleben! Aber vorläufig freue ich mich nur darüber, im Wintersemester in alter Weise in Tübingen tätig sein zu können. Meine Frau wird in Mitte November wieder dahin folgen; wie schön wäre es also, wenn wir es mit Hans Schneider fertig bekämen, Sie dahin zu verabreden. Für heute mit herzlichen Grüssen und Wünschen immer Ihr alter treuer Carl Brinkmann
45. Carl Schmitt an Carl Brinkmann Brief, 1 Seite, ms. o. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-12844
o. O., den 3.11.1953 Lieber und verehrter Freund, allerherzlichsten Dank für Ihr gutes Schreiben. Ich kann diesen Monat nicht nach Tübingen kommen, weil ich mit einer Sehnenentzündung zu Bett liege. Heute wollte ich Ihnen nur den Empfang Ihres Briefes bestätigen und Sie bitten, Prof. Gini zu sagen, dass ich mit der deutschen Publikation jetzt nicht gut länger warten kann, ihm aber die italienische, wenn
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er noch Interesse daran hat, selbstverständlich gerne überlasse. Besonderen Dank für Ihre Mitteilung über Twardowski. Ich bin gespannt, was aus der Sache wird. Unser gemeinsamer Freund, Peter Scheibert, wird am 21. November in Köln einen Vortrag halten. Wenn mein Gesundheitszustand es irgendwie erlaubt, werde ich natürlich hinfahren, Thema: Von Bakunin zu Lenin.246 Anima, die diesen Brief schreibt, schließt sich meinen Grüßen und Wünschen für Sie und Ihre hochverehrte Gattin an. Stets ihr alter und getreuer
46. Carl Schmitt an Carl Brinkmann Brief, 1 Seite, ms. o. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-12845
o. O., den 7.11.1953 Lieber und verehrter Freund, Ihren Aufsatz aus dem Finanzarchiv247 habe ich mit großem Genuß und Gewinn gelesen. Vielen herzlichen Dank. Meine C. B. Sammlung wird immer reichhaltiger und das Problem einer Bibliographie immer dringender. Aus einer Anmerkung entnehme ich, dass Sie den Aufsatz als Rundfunkvortrag248 gehalten haben. Behält man das Urheberrecht an den Rundfunkvorträgen? Das interessiert mich im Augenblick, weil ich am 14. Dezember im Hessischen Rundfunk249 20 Minuten über den Nomos der Erde spreche. Ihnen und Ihrer hochverehrten Gattin herzliche Grüße und Wünsche ihres alten
246 Peter Scheibert, Von Bakunin bis Lenin. Geschichte der russischen revolutionären Ideologien 1840–1895. Erster Band. Die Formung des radikalen Denkens in der Auseinandersetzung mit deutschem Idealismus und französischem Bürgertum. Brill, Leiden 1956. 247 Carl Brinkmann, Europäische Wirtschaftsprobleme, in: Finanzarchiv N.F. 14, 1952 / 53, S. 243–247. 248 Vortrag im Süddeutschen Rundfunk am 11.3.1953. 249 Nach Angaben des Hessischen Rundfunks haben sich weder eine Aufnahme noch ein Manuskript erhalten.
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47. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 1 Seite, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2076
Oberstdorf, 9.11.1953 Lieber verehrter Freund. Vielen Dank für Ihre lieben Zeilen. Die abnehmende Dichte unserer schriftlichen Versuche nehme ich für ein Augurium, dass es doch bald einmal zu einem wirklichen Treffen kommen muss. So viel ich weiss, „behält“ der Autor sein Urheberrecht an einer Rundfunksendung wenigstens nicht ungeteilt, sondern gerade neuerdings fällt bekannteren Schriftstellern (z. B. Verfassern der unvermeidlichen Hörspiele – lieben Sie sie?) immer unangenehmer auf, dass für ein einmaliges Honorar viele Male gesendet wird, es aber an jedem Tantiemenrecht fehlt. Bei mir ist das ja unwichtig; bei Ihnen könnte es schon von Bedeutung werden.250 – Anderseits freue ich mich Ihrer Verbindung mit dem sozialistischen Hessen.251 Sozialismus und Konservatismus müssen heute zusammengehen. Herzlich grüssend immer Ihr getreuer Carl Brinkmann
48. Carl Brinkmann an Carl Schmitt
Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2077
Oberstdorf, 28.12.1953 Mein lieber verehrter Freund Carl Schmitt. Mit einem heiteren einem nassen Auge bekomme ich eben Ihren schönen Nehmen-Aufsatz,252 den (oder doch jedenfalls dessen Erstabdruck) sich C. Gini so schnöde hat entgehen lassen – nach einem Jahr verlautet noch immer nichts von dem schönen Plan der Revue Internationale, und hinter den Kulissen tobt noch immer der Kampf der amerikanischen UN-Folgeinstitute, wieder ISA, gegen die feinen Europäer, die mich z. B. um einen nächstjährigen Kongress in Paris plagen, weil sie in völliger Verkennung meiner 250 Brinkmann
an.
spielt hier auf die prekären finanziellen Verhältnisse Carl Schmitts
251 Die hessische Landesregierung wurde 1953 von der SPD gestellt, nachdem diese 1950 die absolute Mehrheit errungen und Georg August Zinn zum Ministerpräsidenten gewählt hatte. 252 s. oben, Anm. 212.
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„systematischen“ Neigungen und Fähigkeiten von mir Verbindungen zu dem Unesco-Verein253 erhoffen. Aber nun vor allem von Herzen Dank und auch von meiner Frau und mir alles Schöne zum Neuen Jahr! Möchte es Ihnen die letzte Rate der „Verfolgung“ bringen. Wir denken an Sie, wie wir es von allen Seiten bestätigt hören, immer als an einen jungen Mann mit trotz allem geschonter und gespeicherter Kraft, während wir etwas trübe in die nächste Zukunft schauen: Meine arme Frau hat seit ihrer letzten Operation durch Muskel- und Nervenschwund eine nicht nur schmerzhafte, sondern fast unbewegliche rechte Hand, und ich selbst komme kaum zum Genuss der Freude an diesen letzten, von ihr hier begleiteten Vertretungs-Semester bis zum Erscheinen des immer noch nicht gefundenen Nachfolgers, weil mein Brustbein ein wahrer Schulfall des so seltenen, rezidivierenden Chondroms zu sein scheint und mir zu den wiederholten Punkturen und Fistel-Verbänden nächstes Frühjahr ein neuer grösserer „Eingriff“ bevorsteht. Guardini schickte mir zu Weihnachten ein Büchlein über „Die Lebensalter“,254 einen Abschnitt aus seinem Münchener Ethik-Kolleg, das mir grossen Trost gibt. Er spricht von den Krisen, die jeweils zwischen den Lebensaltern aufgegeben seien, und der letzten als der der „Ablösung“. Auf die wollen wir uns vorbereiten. Aber vorher doch noch einmal den jugendlichen Freund Carl Schmitt umarmen. In Freundschaft stets [ein Wort nicht lesbar] Ihr Carl Brinkmann 49. Carl Schmitt an Carl Brinkmann Brief, 2 Seiten, ms. o. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-12846
o. O., den 4.1.1954 Lieber und verehrter Freund! Ihr Neujahrsbrief hat mich sehr bewegt. Die Aussicht, daß Sie im kommenden Jahre wieder in ärztliche Behandlung gehen müssen und auch ihre hochverehrte Gattin um ihre Gesundheit besorgt sein muß, macht mich traurig. Mein Wunsch, Sie beide bald einmal wiederzusehen, wird immer lebhafter, und wir müssten doch ernstlich überlegen, in welcher Form er 253 Unesco-Verein: Es handelt sich um die Auseinandersetzungen zwischen der neuen International Sociological Association (ISA) und den alten von Gini wiederbelebten Institut International de Sociologie (IIS), zu deren deutscher Sektion u. a. Carl Brinkmann gehörte. Mit dem Unesco-Verein ist also die ISA gemeint. 254 Romano Guardini, Die Lebensalter. Ihre ethische und pädagogische Bedeutung, Würzburg 1953.
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sich in diesem Jahr verwirklichen lässt, sei es im Semester, sei es in den Ferien. Vor allem müssen Sie mir immer mitteilen, wenn Sie in Tübingen sind, weil ich gelegentlich bis nach Heidelberg komme und dann bis Tübingen vorstoßen könnte. Auch für mich bedeutet eine größere Reise jetzt schon ein gesundheitliches Problem. Vorgestern erhielt ich aus Rom von dem Institut des Prof. Gini Druckfahnen meines Aufsatzes NEHMEN / TEILEN / WEIDEN. Ich war darüber sehr überrascht und überlege, was man jetzt tun soll. Die Publikation in der kleinen Zeitschrift Politik und Gemeinschaft brauchte, wie ich glaube, an sich kein Hindernis zu sein, um den Aufsatz in dem völlig anderen Rahmen einer internationalen soziologischen Zeitschrift normal zu bringen. Die Leserkreise sind ja ganz verschieden. Aber vielleicht sieht Prof. Gini aus Prestigegründen von seiner Publikation ab. Das ist alles etwas heikel, und es tut mir furchtbar leid, daß ich Sie mit dieser Frage behelligen muß. Ich kenne Prof. Gini nicht persönlich und habe keinerlei Beziehungen zu ihm. Wollen Sie ihm ein Wort schreiben? Mir würde es sehr leid tun, wenn der Aufsatz nicht in Rom erschiene. Dieses vergangene Jahr 1953 war für mich voller Enttäuschung, abgesehen nur von dem einen, allerdings großen Lichtblick der Feier meines 65. Geburtstages255 und der wunderbaren Festgabe, an der Sie sich mutigerweise mit einem so schönen Aufsatz beteiligt haben. Im Uebrigen machte ich die Erfahrung einer neuen und besonders infamen Art von Verfolgung. Nicht weniger als viermal bin ich im Laufe eines Jahres mit ungeheurer Höflichkeit in aller Form feierlich eingeladen und dann, nach einigen Monaten auf eine brüske und beleidigende Weise wieder ausgeladen worden. Zweimal haben sich an dieser Methode evangelische Akademien ausgezeichnet, einmal die Darmstädter Gespräche und zuletzt – genau zu Weihnachten traf die Ausladung ein der deutschen Vertretung in Mexico. Ich nehme an, dass Hallstein an dieser letzten Sache beteiligt ist, denn er hat schon vor einem Jahr der spanischen Botschaft erklärt, daß der triumphale Empfang, den mir die Spanier 1951 in ihrem Lande bereitet haben, ihn befremdet hätte und hat dadurch erreicht, daß die große Einladung zur Feier des hundertsten Todestages von Donoso Cortés (3. Mai 1953) – eine Einladung, die ich wohl verdient hatte und über die sich alle spanischen Kreise einig waren – nicht erging. Diese Art Verfolgung durch deutsche Behörden gehört zum Stil. Ich überlasse es Ihnen, ob Sie Herrn von Twardowski davon erzählen wollen. Ich selber schweige zu allem. Meine tiefe und aufrichtige Verachtung erlaubt mir keine andere Form des Reagierens. Genug von diesen Dingen. Das Wichtigste ist, sich nicht vergiften zu lassen. Nicht einmal die Lektüre der 140 Maschinenseiten der Begründung 255 s.
Brief vom 24.7.1953.
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des Urteils des BVerfG in der Beamtensache von 17.12.1953 hat mich erschüttert.256 Impavidum ferient ruinae.257 So wünsche ich Ihnen denn für das kommende Jahr gute Gesundheit, Mut und guten Erfolg für Ihre Arbeit. Ich grüße – auch im Namen von Anima – Sie und Ihre verehrte Gattin aufs herzlichste und bleibe stets Ihr alter und getreuer
50. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 2 Seiten, hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2078
Oberstdorf, 7.1.1954 Lieber verehrter Freund. Vielen Dank postwendend für Ihren lieben Brief vom 4., der wiederum mich erschüttert. Nicht, natürlich, wegen des Aufsatzes, dem ich unmassgeb lich raten würde, ohne Korrespondenz mit Gini einfach zu korrigieren und zu retournieren. Und zwar weil ich in den Sozialwissenschaften ständig solche Mehrfachdrucke sehe, und vor allem wegen der ungebührlich langen, unentschuldigten Wartezeit. Ich selbst freue mich ein bisschen, dass die Revue in Gang zu kommen scheint und mit Ihnen (editore me ipso) beginnt. Aber aber Ihre politischen Nachrichten! Und ich hielt den mir zugetragenen Herrenalber Skandal258 für den Einzigen! Leid wäre mir, wenn unsere Verwandten in Mexiko selber eine Rolle dabei spielen würden. Schreiben möchte ich ihm bisher nicht, er ist ein übermässig vorsichtiger, dafür ja auch durch seine Carrière belohnter Mann, mit dem ich nicht auf vertrautem Fusse stehe. 256 Urteil vom 17. Dezember 1953 (1 BVR 147 / 52). Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen vom 11. Mai 1951 Verf[assungs] Beschw[erde] von Beamten und Versorgungsempfängern, in: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 3, 1954, S. 58–162. Die Verfassungsbeschwerden wurden sämtlich als unbegründet zurückgewiesen. 257 Horaz, Oden 3,8. „Wenn der Erdkreis zusammenbrechend einstürzt, auf einen Unerschrockenen werden die Trümmer niederfallen“. 258 Auf Protest des Staatsekretärs im Bundesjustizministeriums Walter Strauss (1900–1976) wurde Carl Schmitt auf Anordnung des evangelischen Landesbischofs Julius Bender von der Tagung „Neuer Zugang zu Shakespeare“, die in der Evangelischen Akademie Baden in Herrenalb vom 16.–18.5.1953 stattgefunden hat, ausgeladen; s. Briefwechsel Forsthoff-Schmitt (wie Anm. 38), S. 96 und 396.
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Interessant wäre mir, was für eine Rolle Conde in der Sache der CortésFeier259 gespielt hat. Der ökonomische Inhalt der Estudios Politicos fiel mir schon lange durch „liberale Reaktion“ auf, u. a. stand dort eine negative Kritik meines List-Bandes.260 Und als ich einmal den mir in Rom 1950 nahegekommenen Fraga y Iribarne danach fragte, hörte ich sehr Bitteres über Condes (vermeintliche) . Aber Sie haben vielleicht Recht: Tiefe und aufrichtige Verachtung ist das Einzige, was diesen ganzen Machenschaften von uns aus ziemt. Werden wir Ihre Festschrift261 bald in Händen halten? Am 11. beginne ich wieder das Tübinger Semester und hoffe es bis Ende Februar richtig zu Ende führen zu können, dann München. Wie schön wäre es, für alle Fälle, Sie kämen vorher noch nach Tübingen, das „Lamm“ hat behagliche Zimmer und französischen Käse. Alles Herzliche und Schöne von uns beiden, auch für Anima, Ihr alter Carl Brinkmann
51. Carl Brinkmann an Carl Schmitt Brief, 1 Seite, ms. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2079
Tübingen, den 8.3.1954 zur Zt. Medizinische Klinik Lieber und verehrter Freund, Ihr Brief nach Ihrem hiesigen Besuch bewegt wie dieser selbst mein Innerstes. Nachdem ich Sie jetzt nach soviel im Unterschied von mir ertragenen Kämpfen im Fleische gesehen habe, hoffe auch ich, mir aus Ihrer Ungebrochenheit ein Stückchen Hoffnung herausnehmen zu können. Verzeihen Sie den sofortigen Schluss, aber wenn ich selbst diktiere, muss ich es auf das Allerknappste beschränken. Meine Frau und auch Anneliese Herbst sprechen viel und mit ständiger Teilnahme von Ihnen. Ich umarme Sie Ihr treuer Freund Carl Brinkmann262 259 Zur
Nichtberücksichtigung Schmitts. A. Piera, Noticia de libros, in: Revista de Estudios Politicos 33, 1950, Nr. 53, S. 232 f. 261 Die Festschrift von 1953 wurde erst 1968 gedruckt, s. Anm. 200. 262 Carl Brinkmann stirbt am 20. Mai 1954 in Oberstdorf im Allgäu. 260 J.
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Anhang Rezension Deutsche Literaturzeitung, 1915, Nr. 10, 6. März 1913 Johann Gottlieb Fichte, Über den Begriff des wahrhaften Krieges in Bezug auf den Krieg im Jahr 1813. Ein Entwurf für den Vortrag, mit einer Rede verwandten Inhalts herausgegeben. Tübingen in der Cottaischen Buchhandlung 1815. Leipzig, Felix Meiner, 1914. VI u. 87 S. Carl Schmitt, Der Wert des Staates und die Bedeutung des Einzelnen. Tübingen, J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 1914. VI u. 110 S. Die schöne und nützliche Neudrucksammlung des Meinerschen Verlags, der man bereits den Wiederbesitz der Philosophischen Rechtslehre von Jakob Friedrich Fries verdankt, errichtet mit den beiden Fichteschen Abhandlungen das wahrhaft zeitgemäße Denkmal einer Staatsgesinnung, die wir in all ihrer Schärfe begreifen müssen, ehe wir ihr folgen wollen. Meinecke hat einmal (Fichte als nationaler Prophet, Velhagen und Klasings Monatshefte 1908, S. 377) bei einer lehrreichen Vergleichung des Fichteschen mit dem modernen Nationalismus von den „Entdeckungen in der Wirklichkeit“ gesprochen, durch die Fichte namentlich seit 1807 „seine ursprünglich ganz idealistische Gedankenwelt mit realem Inhalt zu füllen beginnt“. Die „Rede an seine Zuhörer bei Abbrechung der Vorlesungen über die Wissenschaftslehre am 19. Februar 1813“ und die drei Vorlesungen der im Mai 1813 vorgetragenen, 1820 erstmals ganz als „Staatslehre“ veröffentlichten Reihe von „Beiträgen verschiedenen Inhalts aus der angewendeten Philosophie“ zeigen, wie vorsichtig man selbst eine solche Qualifikation noch einzuschränken hätte. Überall, selbst in diesen leidenschaftlich, mit zusammengebissenen Zähnen skizzierten Entwürfen herrscht einmal, in der Theorie, die allerstrengste Entfernung des sittlichrechtlichen Ideals von dem „gegenwärtigen Zeitmoment“, dem Anwendungsfall, über den „keiner absolut allgemeingültig urteilen“ kann „für irgend einen anderen“ (S. 71); sodann, für diesen Fall selbst, auch praktisch die größte Unerbittlichkeit des Ideals gegen die Realität, der Staatsidee gegen den Staat nicht minder als gegen den Einzelnen. So könnte man etwa das berühmte, aus der Tiefe einer europäischen Geschichtsphilosophie geschöpfte Bildnis Napoleons in der dritten Vorlesung nicht ärger missverstehen denn als einen jener Versuche, „die Charakterkraft und die Hülfsmittel unseres Feindes“ herabzuwürdigen, in die nach Fichte „jämmerliche Wichte und Feiglinge den Patriotismus setzen“ (S. 34); es ist in Wahrheit die Verdammung jedes individualistischen Heldentums, dessen „Grille mit der formalen Kraft des sittlichen Willens“ (S. 58) den Staat einer anderen Größe als dem Recht unterwerfen will. Und der glühende Hohn gegen die Kriegsphilosophie der „Eigentümer“, d. h. des von den feudalen Staatsordnungen beschützten kommerziellen Frühkapitalismus, ist es so wenig eine Vorahnung der militaristischen Notwendigkeiten des 19. Jahrhunderts, dass vielmehr die demokratische Vertragstheorie der Freiheitskriege nirgends philosophischer begründet worden ist. „Wenn nach Errettung im Kampfe abermals die Selbstständigkeit der Nation dem Vorteile der Herrscherfamilie aufgeopfert würde, wenn sich zeigte, dass der Herrscher zwar wollte, dass für seine Herrschaft das edelste Blut seines Volkes flösse, er dagegen für die Selbständigkeit desselben seine Herrschaft nicht wagen wolle, so könnte unter einem solchen der Vernünftige durchaus nicht bleiben. Sein Wirken in der Gesell-
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schaft könnte, wie oben erinnert, nur den Zweck haben, den Keim einer freien und rechtlichen Verfassung dieselbe zu legen“ (S. 31). Wenn ich neben zugleich so gewaltigen und so fernen Erinnerungen ein heutiges Buch hier anzuzeigen wage, so tue ich es, weil es mir in maßgebenden Teilen eine bedeutsame und edle Erneuerung Fichteschen Geistes zu sein scheint. Böte Carl Schmitt weiter nichts als einen neuen ganz prinzipiellen Nachweis für die Unmöglichkeit der sogen. Machttheorie vom Staat und die Notwendigkeit und Hinlänglichkeit seiner Begründung auf die Rechtsidee, so hätte er sich schon damit den Dank eines politischen Publikums verdient, auf dessen Ausdehnung und Urteilsfähigkeit er aus der Zerfahrenheit der juristischen Rechts-und Staatsphilosophie im heutigen Deutschland doch wohl ungerechte Schlüsse gezogen hat. Man würde von einer so knappen Abhandlung nicht verlangen, dass sie nun auch selbst der von ihr scharf gesehenen Aufgabe genüge, die allgemeinen empirischen Bedingungen staatlicher Rechtsschöpfung in einem „Naturrecht ohne Naturalismus“ (S. 76) auseinanderzulegen, wobei sich dann allerdings die Tragweite ihrer strengen grundsätzlichen Scheidung der Rechtsnorm vom Sittengesetz allererst zu ergeben hätte. Aber vielleicht gestattet auch ein Verfasser, der mit echt Fichtes Verächtlichkeit und glänzender Ironie die Reinheit seines idealen Normenstandpunkts dem Leser ins Gewissen zu schieben pflegt, einige vorläufige Bemerkungen zur Begrenzung von der Erfahrung her. Denn es geht schlechterdings nicht an, den (um mit dem Kritizismus zu reden), „modalischen“ Unterschied von Rechtsnorm und Staatstatsächlichkeit zu einer Unvereinbarkeit der Methoden politischer Erkenntnis zu machen (S. 10), von deren „Wechselwirkung“ vielmehr für jedes nicht bloß formale Problem der Staatslehre in der Tat alles abhängt. Der kantische Unterschied der äußern und innern Gesetzgebung ist nicht, wie Schmitt (S. 57) zu glauben scheint, ein Unterschied der Verbindlichkeit, sondern der psychologischen Wirksamkeit, die den Staat durch die Mehrheit und physische Verbundenheit der Persönlichkeiten ebenso klar nach der einen Seite als Tatsache von der reinen sittlichen Norm wie nach der andern Seite als normgewollte Tatsache von dem „Recht“ der Räuberbande trennt. Mag daher die Erzwingbarkeit zum Begriff der Rechtsnorm (die doch im Gegensatz zur ästhetischen immer eine Norm für das Handeln und nicht nur das Sein bleibt) gehören oder nicht, gerade sie wird als unvermeidliches Zwischenglied zwischen Idee und Wirklichkeit des Staats auch der allgemeinen Staatslehre nicht ohne Schaden fehlen. So wird von allem der Souveränitätsbegriff nur unvollkommen verstanden, wo ein rationalistischer Formalismus die Staatskontinuität nur in der „Selbstunterwerfung“ unter den einmal ausgesprochenen Willen (statt materiell unter das jeweils Rechte) zu erkennen vermag (S. 71). Und die so ganz folgerichtig geforderte Erhebung der Rechtsprechung über die anderen Souveränitätsäußerungen ist weder, wie die mittelalterliche Vermengung von Urteil und Gesetz beweist, historisch „allen Zeiten“ gemeinsam noch theoretisch irgend widerspruchsfrei durchzuführen; von der Definition des Richters als „der Idee nach Funktion des Rechtes“ (nicht Gesetzes) kann man jedenfalls nur hoffen, dass sie keinem radikalen Freirechtler in die Hände fällt Über die reichen staatsgeschichtlichen Einzelheiten des Buches wie Z. B. den Ephoratsgedanken in der neueren Staatsphilosophie (S. 82) oder die Konsequenz zwischen Robespierres vertu und volonté génerale wird es Zeit sein, sich mit dem Verf. zu unterhalten, wenn er seine so weit etwas preziös verwendete Erudition (dennoch begegnet S. 95, Anm. 1 Febronius, De Stato Ecclesiae) in die Niederungen
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hinab zu tragen sich entschließt, wo die Erfüllung der Norm vielleicht einmal sogar an der „Zufuhr einer bestimmten Quantität von Nährstoffen und deren Voraussetzungen“ (allerdings schwerlich „bis ins Unendliche“, S. 101) hängt. Freiburg i. B.
Carl Brinkmann
II. Erwin von Beckerath 1. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt Brief 2 S. ms. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1167 / 1
Köln 29. August 1930 Hohenzollernring 62 Hochverehrter und lieber Herr Kollege! Ich habe Ihnen herzlichst zu danken für zwei freundliche Uebersendungen: Ihre bedeutsame Gedächtnisrede auf Hugo Preuß263 mit der wichtigen Entlarvung des polemischen Charakters aller politischen Begriffe, aus welcher mir im übrigen die schöne Kennzeichnung der alten preußischen Monarchie und die pessimistischen Schlußbemerkungen, die die „Lösung“ andeuten und angesichts des parlamentarischen Jammers gleich wieder aufheben, besonders wertvoll waren; weiter danke ich Ihnen für Ihren Aufsatz264 in den Kant-Studien, dessen Manuskript Sie vergangenen Februar schon so freundlich waren, mir für die Reise nach Köln zu überlassen. Ich denke so oft an die angenehmen Stunden in Ihrem Hause zurück und würde sie gerne wiederholen, aber meine Antipathie gegen Berlin ist so groß, daß ich mich nur sehr schwer zu einer Reise dorthin entschließe. Als eine kleine Gegengabe lege ich einen Aufsatz265 bei, den ich für die Festschrift zu Ehren Camillo Supinos266 geschrieben habe, und der mir soeben aus Italien zugeschickt wird. Es handelt sich um den Versuch, die angelsächsischen „Verteilungsmaßstäbe“ des Steueraufkommens, rationale 263 Carl Schmitt, Hugo Preuß, sein Staatsbegriff und seine Stellung in der deutschen Staatslehre (Recht und Staat, 72), Tübingen 1930; wiederabgedruckt in: Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung, 5. Aufl., Berlin 2016, S. 161–184. 264 Carl Schmitt, Staatsethik und pluralistischer Staat, in: Kant-Studien 35, 1930, S. 28–42; wiederabgedr. in: ders, Positionen und Begriffe, Hamburg 1940, S. 133– 145. 265 Erwin von Beckerath, Die Theorie der Steuerverteilung, in: Economia politica contemporanea. Saggi di economia e finanza in onore del Prof. Camillo Supino, vol. 2, Padova 1930, S. 369–385; wiederabgedr. in: ders., Lynkeus. Probleme aus Wirtschaft und Politik, Tübingen 1962, S. 118–130. 266 Camillo Supino (1860–1931), ital. Nationalökonom.
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Folgerungen aus der Bentham’schen Maxime, zu widerlegen; deshalb war mir der internationale Standort einer italienischen Festschrift nicht unangenehm. Meine These, die vielleicht in einer früheren Schrift besser zum Ausdruck kommt als in dieser, besteht darin, das ökonomische Prinzip und die abstrakt-rationale Methode (im Gegensatz zu Sombart) innerhalb der Markt-Wirtschaft zur Erlangung theoretischer Sätze zu betonen, sie für die Staatswirtschaft dagegen zu verwerfen; denn hier ist das Prinzip des kleinsten Mittels m. E. sogar als Hypothese unzulässig, da alle mit seiner Hülfe gewonnenen Deduktionen von der Wirklichkeit so weit abliegen, daß sie völlig wertlos werden. Damit wende ich mich vorläufig von der Nationalökonomie ab, und ich glaube, Ihnen – im Zusammenhang mit meiner bevorstehenden Reise nach Italien – in absehbarer Zeit andere Arbeiten schicken zu können, für die ich auf Ihr Interesse hoffe. Die schweren Nackenschläge, welche die Universität Köln inzwischen erhalten hat, werden Sie vernommen haben. Das eklatante Versagen Moldenhauers267 war allerdings für keinen, der ihn kannte, eine Überraschung; es ist ein Beweis für die politische Kurzsichtigkeit der Großindustrie, daß sie auf dieses schwache Werkzeug jemals ernste Hoffnungen setzen konnte. Kurz darauf kam die Berufung Kelsens nach Köln. Mag die Vorliebe des Ministeriums für diesen Mann noch so groß sein, der Ruf ist heute zum mindesten ein Anachronismus; die Kölnische Volkszeitung hat sich wenigstens publizistisch dagegen gewehrt, leider mit Argumenten, die ganz ahnungslos und schwach waren.268 Ich reise in diesen Tagen nach Italien, zuerst an die toskanische Küste, später nach Rom, wo ich jedenfalls den ganzen Oktober zubringe in dem sehr zu empfehlenden Hôtel de Russie mit den herrlichen Gärten am Pincio! Meine Frau wird mich dort treffen, da sie für den kommenden Winter mit dem Theater einen Gastspiel-Vertrag abgeschlossen hat und dadurch in ihrer Zeiteinteilung wesentlich freier geworden ist.269 267 Paul Moldenhauer (1876–1947), Jurist, Ökonom, Politiker (DVP), seit 1919 Prof. an der Universität Köln, 1929 Reichsminister der Finanzen, 21. Juni 1930 Rücktritt. Er kehrte daraufhin nicht auf seinen Lehrstuhl an der Universität Köln zurück. 268 Die Argumente waren offen antisemitisch: „Ist dem Oberbürgermeister [Adenauer] nicht bekannt, daß die Universität Köln bereits mit Dozenten jüdischen Bekenntnisses überbesetzt ist …“; Kölnische Volkszeitung vom 14.7.1930. Die Rheinische Zeitung brachte am Tag darauf die Überschrift: „Zentrums-Antisemiten rüffeln Adenauer – Jüdische Professoren dürfen an die Kölner Universität nicht berufen werden – Wissenschaft soll künftig nach konfessionellen Gesichtspunkten gelehrt werden.“ Rheinische Zeitung vom 15.7.1930. Vgl. Bernd Heimbüchel / Klaus Pabst, Kölner Universitätsgeschichte, Bd. 2: Das 19. und 20. Jahrhundert, Köln / Wien 1988, S. 456. 269 Thea von Beckerath (1900–1975), Schauspielerin und Psychotherapeutin, nach dem Abitur 1919 in Leipzig war sie, nach einer Ausbildung bei Stegmann, bei
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Kürzlich schrieb mir Dr. Posse270 wegen eines Sammelbandes von Aufsätzen über Sorel,271 über den er auch mit Ihnen gesprochen habe, und fragte an, ob ich eventuell zur Mitarbeit bereit sei. Ich antwortete ihm, daß ich grundsätzlich nicht abgeneigt wäre, da ich Posse’s Aufsätze sehr schätze, weniger seine Einführung in die deutsche Ausgabe der „Décomposition du Marxisme“.272 Das ganze Projekt schien mir noch ganz in den Anfängen zu stecken, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich gelegentlich mit zwei Worten Ihre Ansicht hören liessen. Bitte empfehlen Sie mich angelegentlichst der verehrten gnädigen Frau und seien Sie selbst herzlichst gegrüßt von Ihrem stets aufrichtig ergebenen Erwin von Beckerath 2. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt Brief 2 S. hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1168 / 1–2
Professor E. von Beckerath
Köln 20. Juni 1931 Hohenzollernring 62
Sehr verehrter und lieber Herr Kollege! Vor mir liegen Ihre lieben Zeilen vom 17. Mai, die mir eine rechte Freude gemacht haben. Die Kritiken273, die Sie uns zusandten, hat meine Frau sogleich mit Begeisterung und Zustimmung gelesen; mich begleiten sie morgen nach Godesberg, wo ich für zwei Tage untertauche. Ich werde mir erlauben, Ihnen dann zu schreiben. Da ich zu wissen glaube, daß Sie an unserem Kollegen Pleßner274 ein freundschaftliches Interesse nehmen, so möchte ich Ihnen heute diskret sagen, daß mir der Moment gekommen zu sein scheint, aktiv für ihn einzutreten; denn ich habe erfahren, daß die Liste nach Berlin abgegangen ist. Wie Sie wissen werden, gehört Pleßner nicht zu den Vorgeschlagenen der Liste, er wird vielmehr im Begleitscheiben sehr warm empfohlen. Prestige-Politik hat – glaube ich – die Fakultät daran gehindert, einen Privatdozenten auf die Max Reinhardt in Berlin bis 1922 / 23, 1925 / 26 hatte sie ein Engagement in Köln, wo sie Erwin von Beckerath kennen lernte. Nach einer Erkrankung, die Bühnenauftritte nicht mehr zuließ, studierte sie in München und Bonn Psychologie Ich danke Frau Dr. Melitta von Beckerath für die freundliche Auskunft. 270 Ernst H. Posse (1860–1942), Chefredakteur der Kölner Zeitung. 271 Dieser Sammelband ist nicht erschienen. 272 Georges Sorel, Die Auflösung des Marxismus, Jena 1930. Die Einleitung von Posse trägt den Titel: „Der antidemokratische Denker und der moderne Sozialismus“. 273 Möglicherweise über Auftritte von Frau Beckerath. 274 Helmuth Plessner (1892–1995), Philosoph u. Soziologe, seit 1926 Prof. in Köln.
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Liste selbst zu setzen! Immerhin hat er nach allem, was ich höre, sehr ernste Chancen, und ich glaube, wenn Sie gelegentlich Zeit und Neigung hätten, mit einem Herrn aus dem Ministerium zu reden, so wären Sie bene meritus sowohl um Pleßner als auch um unsere Kölner Universität! In meiner Brust kämpfen zwei politische Strömungen gegeneinander: der Wunsch, die Regierung Brüning275 zu erhalten, weil ihr Chef intelligent, sympathisch und bewundernswert geduldig ist, und die Erkenntnis, daß diese Regierung m. E. einer dreifachen Illusion zum Opfer gefallen ist; dem Glauben an die mögliche Rettung des Parlamentarismus (durch die zu schaffende „dritte Partei“), der Hoffnung auf eine erträgliche Lösung der Reparationsfrage276 (so gar nichts geht trotz des amerikanischen Silberstreifens) und drittens endlich der Erwartung auf eine Besserung der Weltkrise277 innerhalb dreier Monate. Das alles in einer Zeit, die sich offen auf den Bürgerkrieg vorbereitet und in der die Kommunisten den stärksten Zuwachs haben.278 Von den Büchern, die Sie mir freundlich nannten und die ich inzwischen bestellt, aber noch nicht gelesen habe, kannte ich in der Tat nur Freyers „Revolution von rechts“279; er hat neulich in Köln über soziologische Theorien der Romantik gesprochen, mich persönlich nach seinen Schriften ein wenig enttäuscht. Meine Nichtmitgliedschaft im Rate der soziologischen Gesellschaft280 hat mich also neulich um die Freude gebracht, mit Ihrer verehrten Gattin und Ihnen in Berlin zusammen zu treffen. Aber ich hoffe, diese Gelegenheit Ende Juli nachzuholen, da ich einen Vortrag in Königsberg halte und auf der Rückreise gerne bei Ihnen vorsprechen würde. Uebrigens interessiert es Sie vielleicht, daß der Verleger281 mir vor kurzer Zeit mitteilte, das Buch über den faschistischen Staat282 sei vergriffen. Zu 275 Heinrich Brüning (1885–1970), deutscher Politiker der Zentrumspartei, von März 1930 bis Mai 1932 Reichskanzler des ersten Präsidialkabinettes. 276 Vgl. Albrecht Ritschl, Deutschlands Krise und Konjunktur 1924–1934. Binnenkonjunktjur, Auslandsverschuldung und Reparationsprobleme zwischen Dawes-Plan und Transfersperre, Berlin 2002. 277 Vgl. Harold James, Deutschland in die Weltwirtschaftskrise, Stuttgart 1988. 278 Zuwachs der Kommunisten (Juni 1931): Dieses Urteil beruht auf einer Fehlwahrnehmung, denn bei der Reichstagswahl vom 14.9.1930 konnte zwar die KPD um 2,5 % zulegen, die NSDAP aber um 15,7 %. Die KPD war jedoch hinter der SPD (24,5 %) und der NSDAP (18,5 %) mit 13,1 % die drittstärkste Partei. Die Mitgliederzahl stieg von 176.000 (1930) auf 381.000 (1931), um dann aber wieder auf 360.000 (1932) zu fallen. 279 Hans Freyer, Revolution von rechts, Jena 1931. 280 Die Ratsversammlung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie tagte 1931. 281 Das Buch war im Verlag Julius Springer Berlin erschienen. 282 Erwin von Beckerath, Wesen und Werden des faschistischen Staates, Berlin 1927. Danach hat Beckerath diverse Lexikonartikel zum Thema Faschismus geschrieben.
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einer Neuauflage kann ich mich nicht entschliessen, da sie die Form der alten total sprengen müßte. Ich verwerte die italienischen Studien der letzten Zeit lieber in meinem neuen Buche. Von der älteren Schrift möchte ich dagegen einen anastatischen Neudruck herstellen lassen, dem man vielleicht ein zusammenfassendes Nachwort beigeben könnte.283 Von meiner Frau und mir Ihrer sehr verehrten Gattin und Ihnen herzlichste Wünsche und Grüsse Ihres getreu ergebenen Erwin v. Beckerath Genügt es, wenn ich die Kritik nach Berlin mitbringe oder soll ich sie früher zurückschicken?
3. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt Brief 2 S. ms. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1169 / 1
Köln 13. Februar 1932 Hohenzollernring 62 Sehr verehrter und lieber Herr Schmitt! Ihre liebenswürdigen Bemerkungen über Herrn Fischer284 in Ihrem letzten Schreiben haben inzwischen zu einer Korrespondenz zwischen ihm und mir geführt, aus der sich sogar die Möglichkeit persönlicher Bekanntschaft gelegentlich eines von uns beiden für das Frühjahr geplanten Aufenthalts in Italien ergibt. Der Aufsatz, der inzwischen in der „Literarischen Welt“ erschienen ist,285 enthält einige starke und treffende Bemerkungen. Trotzdem scheint mir nicht alles durchaus richtig gesehen zu sein; gerade in Gesprächen, die ich in der letzten Zeit mit Faschisten hatte, wurde mir wiederum deutlich, welche Rolle in Italien sowohl historisch als in der staatstheoretischen Konstruktion die Monarchie spielt. Jemehr sich die Diktatur normalisiert, je älter Mussolini wird und dadurch die Gefahr seines Todes näher rückt, desto stärker wird man die Funktion der Krone im Leben des Staates herausstreichen, weil ja sie in letzter Instanz die Kontinuität des Regimes verbürgen 283 Zu
einem Nachdruck ist es nicht gekommen. Fischer (1897–1975), Soziologe und Philosoph. 285 Hugo Fischer, Bolschewismus und Faschismus, in: Literarische Welt Nr. 4 / 5 vom 22.1.1932, S. 1. 284 Hugo
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muß. Daß Mussolini 1922 vor der Monarchie halt machte, war staatspolitische Verantwortung in höchstem Sinne, welche hoffentlich die gewünschten Früchte tragen wird. Sie fragen, was die Kölner Kollegen eigentlich vorhaben. Von dem pronunziamento Nipperdeys286 hörte ich vor einigen Wochen zufällig, als ich abends mit ihm zusammentraf. Daß sich eine gemeinsame Aktion dahinter verbirgt, glaube ich kaum. Vermutlich ist es der Geist Kelsens, der über den Wassern schwebt. Uebrigens scheint es mir kaum notwendig, im Falle Nipperdey nach einer tieferen Begründung zu suchen. Wer hat im Augenblick ein stärkeres Interesse an der Erhaltung des bürgerlichen Rechtsstaates und an der Pflege einer entsprechenden Ideologie als die Beamtenschaft, deren gemäßes Sprachrohr die Professoren sind? Denn die Professoren, welche heute schon in großer Zahl ihre Autos durch die Strassen Kölns lenken, genießen eine ungleich gesichertere Existenz als jeder Kaufmann und Privatangestellte. Die rechtsstaatliche Ideologie bietet die bequeme Handhabe, die alten Ansprüche an den Staat unverändert aufrecht zu erhalten, wenn auch die Wirtschaft einem Schrumpfungsprozeß „in geometrischer Progression“ unterliegt, wie mein Bruder287 mir neulich sagte aus genauer Kenntnis des Krefelder Sektors, den er überschaut. Als ich ihm erzählte, die Professoren würden ihren Emeritierungsanspruch im Prozeßwege durchfechten, reagierte er ironisch; letztenendes wird man nicht mehr verteilen können, als da ist. Diese Wahrheit haben die national-oekonomischen Kollegen den Arbeiter-Gewerkschaften durch Jahre gepredigt!288 Jemehr die Dinge politisch fortschreiten, umso deutlicher wird mir, welche entscheidende Rolle das Militär in Deutschland zu spielen berufen ist. Nicht nur die tatsächliche Macht, auch die Tradition des Landes weist in diese Richtung. Denn hier liegt eine Kommando-Gewalt vor, welche der Deutsche selbstverständlich anerkennt; kann ein bloßer Parteiführer jemals mit einem solchen Anspruch auftreten? Ich bin deshalb sehr gespannt, Seeckt289 zu hören und vermutlich auch kennen zu lernen, der am kommenden Dienstag für die „Junge Rechte“ einen Vortrag zugesagt hat. Allerdings ist mir durchaus unklar, welche Rolle er im Augenblick spielt.
286 Hans Carl Nipperdey (1895–1968), Prof. für Bürgerliches Recht, Handelsund Arbeitsrecht in Köln. 287 Oskar von Beckerath (1878–1932), Textilunternehmer in Krefeld. Ich danke Frau Dr. Melitta von Beckerath für die freundliche Auskunft. 288 So etwa von Werner Sombart. 289 Hans von Seeckt (1866–1936), Chef der Heeresabteilung der Reichswehr, Mitglied der DVP, MdR seit 1930. Seeckt hielt am 16.2.1932 einen Vortrag über Rüstungsfragen. In den großen Kölner Tageszeitungen wurde darüber aber nichts berichtet. Vgl. Hans Meier-Welcker, Seeckt, Frankfurt 1967, S. 638.
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Das Deutsch-Italienische Institut290 in Köln hat zu meiner Freude gute Fortschritte gemacht. Kürzlich hat Margherita Sarfatti (l’amante di Mussolini),291 eine sehr intelligente Blüte des venezianischen Ghettos, sehr geschickt über moderne italienische Malerei geplaudert.292 Ihr Auftreten war gut berechnet in einer Stadt, wo gesellschaftliche Erfolge so viel bedeuten. Mario Einaudi293, von dem Sie schreiben, erinnere ich einmal bei seinem Vater294 in Turin kurz gesehen zu haben. Der Vater ist eine sehr starke, aber gleichwohl etwas enge Intelligenz. Er ist der Typ des italienischen Liberalen, der bis heute in seiner Zeitschrift295 stets negiert hat, daß es so etwas wie „Kapitalismus“ geben könne. Mit den herzlichsten Wünschen und Grüssen Ihnen stets Ihr aufrichtig ergebener Erwin v. Beckerath PS / Das Manuskript von Fischer habe ich nicht beigefügt, da ich annehme, daß Sie es nicht mehr nötig haben. Ich lege es jedoch zurück und kann es, falls Sie wünschen, jeden Augenblick senden. D. O. [Handschriftliche Ergänzung:] Für die Übersendung eines Exemplars des Aufsatzes von Koellreuter296 wäre ich sehr dankbar.
290 Beckerath
war der deutsche Direktor des Petrarca-Hauses in Köln. Sarfatti (1880–1961), Schriftstellerin und Verfasserin einer damals populären Mussolini-Biographie. Als Jüdin emigrierte sie 1938 nach Argentinien. Vgl. Karin Wieland, Die Geliebte des Duce. Das Leben der Margherita Sarfatti und die Erfindung des Faschismus, München 2004. 292 Vgl. Franz Rodens, Neue Kunstströmungen in Italien, in: Kölnische Zeitung vom 09.2.1932. 293 Mario Einaudi (1904–1994), Prof. für politische Theorie. 294 Luigi Einaudi (1874–1961), Finanzwissenschaftler und von 1948 bis 1955 ital. Staatspräsident. 295 Es handelt sich um die „Riforma Sociale“, die Luigi Einaudi von 1908 bis 1935 herausgegeben hat. 296 Otto Koellreutter (1883–1972), Öffentlichrechtler, Gegner von Carl Schmitt, Nationalsozialist. Es dürfte sich um folgenden Aufsatz gehandelt haben: Otto Koellreutter, Parteien und Verfassung im heutigen Deutschland, in: Hans Gmelin / Otto Koellreutter (Hrsg.), Festgabe für Richard Schmidt, Bd. 2 (1932), Aaalen 1997, S. 107–139. 291 Margherita
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4. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt Brief 2 S. ms. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1170
Professor E. von Beckerath
Köln, 4. Juni 1932 Hohenzollernring 62 Vertraulich!
Hochverehrter und lieber Herr Kollege! Eigentlich wollte ich Ihnen heute ausführlich schreiben, aber da ich genötigt bin, sogleich zu einem Vortrage nach Wien zu fahren, so möchte ich diese Absicht erst verwirklichen, wenn ich von der Reise zurück bin. Es wird ja jetzt in Berlin mit sehr hohem Einsatze gespielt!297 Der Schlußpassus Ihres letzten lieben Briefes weckt in mir die Hoffnung, Sie würden einer eventuellen Berufung nach Köln nicht unsympathisch gegenüberstehen.298 Ich habe inzwischen mit voller Vorsicht und Diskretion, wie sie sich in solchem Falle für das Mitglied einer anderen Fakultät geziemen, meine Fühler vorgestreckt. Vor kurzem hatte ich aus einer Unterhaltung mit einem juristischen Kollegen den deutlichen und bestimmten Eindruck, daß innerhalb der Fakultät für Sie eine sehr starke Stimmung besteht. Es ist jedenfalls nicht so, wie Sie in Ihrem letzten Briefe vermuteten. Allerdings habe ich das Empfinden, daß die Fakultät nichts gegen Kelsen unternehmen würde, auf den sie sehr stolz ist. Ob Kelsen genügend Seelengröße besitzt, lässt sich schwer beurteilen. Ich persönlich halte es nicht für ganz ausgeschlossen.299 Vielleicht sind Sie selbst über die Vorgänge besser unterrichtet. Gleichwohl wollte ich Ihnen meine Eindrücke kurz vermitteln. Nicht zu sagen brauche ich Ihnen, wie tief und aufrichtig ich mich freuen würde, wenn es gelänge, Sie und die Ihren für Köln zu gewinnen! Für heute bleibe ich mit den herzlichsten Grüssen Ihr getreu ergebener E. v. Beckerath
297 Anspielung auf den sog. Preußenschlag, den Prozess Preußen contra Reich vor dem Leipziger Staatsgerichtshof. 298 Schmitt geht zum Sommersemester 1933 an die Universität Köln; vgl. Reinhard Mehring, Carl Schmitt, Aufstieg und Fall. Eine Biographie, München 2009, S. 295 f. und S. 145 f. in diesem Band. 299 Kelsens Haltung zu Schmitts Berufung war freundlich: „Ich bin überzeugt, dass wir uns trotz aller wissenschaftlichen Gegensätze menschlich trefflich verstehen können.“ (s. Mehring, wie Anm. 74, S. 295).
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
5. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt Brief 2 S. ms. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1171
Prof. E. von Beckerath
Köln 29. Juni 1932 Hohenzollernring 62
Sehr verehrter und lieber Herr Schmitt! Schon seit langem habe ich vor, Ihnen mein politisches und wissenschaftliches Herz auszuschütten, um Ihnen so auf die Fragen Ihres letzten lieben Briefes zu antworten, aber ich finde leider im Augenblick noch nicht die nötige Muße. Diese wird sich einstellen, wenn ich in der nächsten Woche von Frankfurt / Main zurückkomme, wo ich mit meiner Frau einige „italienische Tage“ verbringe. Trotz der Finanzkalamität (Frankfurt soll schon Häuser verkaufen, um Beamtengelder bezahlen zu können) hat Frankfurt immer noch Mut genug, Feste zu organisieren (im Zeichen Goethe’s).300 Von Wien bin ich sehr entzückt zurückgekommen. Die Stadt hat einen unverwüstlichen Charme. Eine leichte Verkommenheit lagert über dem Ganzen, aber sie macht Wien nur noch liebenswerter. Von den Kollegen sah ich nur den Kreis der national-ökonomischen Gesellschaft. Es sind alte Liberale unter der Führung des Herrn von Mises301, persönlich liebenswürdige und achtbare Gesellen. Wenn ich Ihnen heute schreibe, so geschieht es nicht nur, Ihnen für Ihre liebenswürdigen Zeilen zu danken, vielmehr auch wegen der Angelegenheit, die uns im Augenblicke bewegt. Ich habe (wie ich vertraulich mitteile) gestern den Stier ein wenig bei den Hörnern zu packen versucht und mich direkt mit Eckert302 unterhalten, da ich annehme, daß gerade in dem augenblicklichen Stadium sehr viel von ihm abhängt. Er ist in höchstem Grade von Ihrer Bedeutung durchdrungen und auch von der Bedeutung der Tatsache, Sie eventuell für Köln zu gewinnen. Der Haken ist ein finanzieller; Köln scheint leider nur sehr wenig Geld bieten zu können, die Situation der Stadt mit einem Defizit von (ich glaube) 24 Millionen ist ja eine katastrophale.303 Im300 Zu Frankfurts Goethefeiern im Sommer 1932 vgl. Sabine Hock, Von Kanonendonner zu „Radio Goethe“. Ein Rückblick auf die Goethefeiern in Frankfurt am Main 1915–1982, Frankfurt / M. 1999, S. 6 f. 301 Ludwig von Mises (1881–1973), Nationalökonom, Vertreter einer liberalistischen Wirtschaftslehre. 302 Christian Eckert (1874–1952), Prof. für wirtschaftliche Staatswissenschaften, seit 1920 Vorsitzender des Kuratoriums der Universität Köln, 1933 entlassen. 303 Die finanzielle Lage Kölns Anfang der 30er Jahre war desolat, da Adenauer sich auf undurchsichtige Finanzgeschäfte eingelassen hatte und die Lage durch die
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merhin wollte ich Ihnen Eckerts Meinung schreiben, damit Sie sehen, daß die Universitätsverwaltung Ihre Persönlichkeit durchaus zu würdigen weiß. Darf ich Ihnen nochmals sagen, wie sehr ich hoffe, daß die Sache zu einem guten Ende kommt? Herzlichste Grüsse Ihnen und den Ihren Ihr getreu ergebener E. v. Beckerath PS / Ein Herr Dr. Behrendt304, der in Köln studiert und in Basel promoviert hat, unlängst eine Schrift über politischen Aktivismus veröffentlichte, bittet Sie besuchen zu dürfen. Er ist eine angenehme, doch etwas weichliche Persönlichkeit. Ich habe ihm erlaubt, sich auf mich zu beziehen. D. O.
6. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt Brief 2 S. ms. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1172
Prof. E. von Beckerath
Köln 24.Nov. 1932 Hohenzollernring 62
Hochverehrter und lieber Herr Kollege! Erst heute, nach sehr interessanten und anstrengenden Tagen in Rom,305 komme ich dazu, Ihnen herzlichst zu der Annahme des Kölner Rufes zu gratulieren.306 Quod felix faustumque sit! Meine Frau und ich sind aufrichWeltwirtschaftskrise 1929 noch verschärft wurde; vgl. Hans-Peter Schwarz, Adenauer. Der Aufstieg: 1876–1952, Stuttgart 1968, S. 312–323. 304 Richard Behrendt (1908–1972), Soziologe, Prof. FU Berlin 1965–1972. Es handelt sich um dessen Buch Politischer Aktivismus. Ein Versuch zur Soziologie, Psychologie der Politik, Leipzig 1932. 305 Beckerath nahm an dem Volta-Kongress zum Thema „Europa“ vom 14.– 20.11.1932 in Rom teil und hielt auch einen Vortrag mit dem Titel „Zu der Frage der Voraussetzungen einer Solidarität Europas auf politischem Gebiet“ in: S. Reale Accademia d’Italia, Fondazione A. Volta (Hrsg.), Convegno di scienze morali e storiche, vol. II, Roma 1933, S. 625–633. Weitere deutsche Teilnehmer waren Göring, Hellpach, Alfred Rosenberg, Schacht, Seldte, Sombart und Alfred Weber. Auch Stefan Zweig hat teilgenommen. Carl Schmitt war eingeladen, verzichtete aber und schickte ein Grußtelegramm. Vgl. Reale Accademia d’Italia, Fondazione A. Volta (Hrsg.), Convegno di scienze morali e storiche, vol. II, Roma 1933, S. 36. 306 Schmitt nahm den Ruf nach Köln am 5.10.1932 an. Gekürzte alte Segensformel „Quod bonum, faustum, felix, fortunatumque sit! „Dies sei gut, günstig, glücklich und gesegnet!“ Cicero, De Divinatione 102.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
tig froh und glücklich, Ihre verehrte Gattin und Sie so bald in unserer Nähe zu wissen. Ueber Rom müßte ich Ihnen ausführlich schreiben, wozu ich heute leider wegen der vielen unerledigten Dinge, die ich vorgefunden, nicht komme. Die herzlichsten Empfehlungen und Grüsse Ihres Ihnen treu ergebenen E. v. B.
7. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt Brief 1 S. hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1175
Köln, Hohenzollernring – den 27.III.[1935] Sehr verehrter und lieber Herr Schmitt! Herzlichst danke ich Ihnen für Ihre lieben Zeilen; durch Gabetti307; der im Laufe des Monats hier gesprochen hat,308 hörte ich schon, daß Sie im Frühjahr in der Villa Feierman (?) sprechen werden.309 Von der Villa selber (vor allem an dem Park mit den weißen Pfauen) werden Sie entzückt sein. Ich selber bin im April leider nicht in Rom, hoffe ich doch im Herbst wieder einmal dort zu sein. Es wäre nun sehr schön, wenn Sie in Verbindung mit der römischen Reise Köln berühren würden! In der ersten Aprilwoche (bis Freitag) werde ich allerdings gemäß einer schon getroffenen Absprache nicht hier sein können. Mit besten Grüßen von Haus zu Haus getreu ergeben Ihr E. v. Beckerath Frau Schmitt und Ihrer kleinen Tochter wie Ihnen alle herzlichsten Grüße Ihre Thea von B.
307 Giuseppe
Gabetti (1886–1948), ital. Literaturwissenschaftler. Gabettis in Köln im März 1935: „Das Italien-Erlebnis bei Nietzsche und George“; Petrarca-Haus, Tätigkeitsbericht 1931 / 36, S. 30. 309 Vortrag Schmitts in Rom am 16. April 1936, vgl. Mehring (wie Anm. 298), S. 370. 308 Vortrag
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8. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt PK 2 S. hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1174
Cöln, 12. Juni (Poststempel 3.6.1935) Hochverehrter und lieber Herr Schmitt! Mit großem Genuß habe ich die italienische Fassung Ihrer mir so liebenswürdig übersandten und aus dem Deutschen vertrauten Schrift310 durchgesehen; die Übersetzung scheint uns sehr gelungen. Die Vorrede stört Ihre Freude an dem Buche mit Recht nicht; Volpicelli311, so wie sein Meister Spirito312, werden in Italien mit Vorsicht aufgenommen, auch wegen der Übersetzungen ihrer Lehren. Wir sind in der Übersiedlung nach Godesberg (Kurfürstenstr. 5), von wo aus man in einer Viertelstunde jeden erreicht; ich schreibe aus dem Wahn des Umzuges herzlich Ihrer sehr verehrten Gattin und Ihnen stets ergebener Ihr E. v. Beckerath Herzlichste Grüsse an Ihre liebe Frau und Anima von Th. v. B. 9. Erich von Beckerath313 an Duschka Schmitt
Brief 2 S. hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 579-388
Den Haag Holland, 2. August 1936 Sehr verehrte Frau Professor! Meine Gedanken beschäftigen sich noch immer mit den Anregungen und Hinweisen, die Sie mir in der Unterhaltung vor meiner [nicht lesbar] gegeben haben. Es lässt mich nicht los, dass Sie sagten, die links befindliche Kreuzes310 Es handelt sich um: Carl Schmitt, Principii politici del nazionalsocialismo. Scritti scelti e tradotti da D[elio] Cantimori. Pref. di A[rnaldo] Volpicelli, Firenze 1935. Die Einleitung „Note sul nazionalsocialismo“ ist von Delio Cantimori. Der Band enthält die Übersetzung von „Der Begriff des Politischen“ (1928), „Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches“ (1934) und „Staat, Bewegung, Volk“ (1933). Schmitt geriet mit seinen Schriften in die innerfaschistische Auseinandersetzung um den korporativen Staat zwischen A. Volpicelli und C. Costamagna; vgl. dazu Wolfgang Schieder, Mythos Mussolini (wie Anm. 35), S. 123 f.. 311 Arnaldo Volpicelli (1892–1968), ital. Rechtsphilosoph, Schüler von G. Gentile und Vertreter eines „integralen Korporativismus“. 312 Ugo Spirito (1896–1979), Philosoph, Verbündeter von G. Gentile. 313 Erich von Beckerath (1891–1981), Maler und Astrologe.
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abnahme trage einen ausgesprochenen herrischen, mehr allgemein gehaltenen Charakter, und Gegensatz dazu sei, die durch ihre Strenge den eigentlichen Christusgedanken wiedergegebene Composition an der Wand eingegangen [mehrere Wörter nicht lesbar] ‒ Wäre es nicht doch einmal möglich einer Ausführung meines Gedankens – ein Wandgemälde dem Gedächtnis des verstorbenen Königs für Obban R. zu schaffen, näher zu treten. Ein Gemälde war als Gedanke damals entsprungen, wie ich Ihnen erzählte, dem Eindruck seiner hellen Persönlichkeit auf mich, abgehoben von dem dunklen Hintergrund seines erschütternden, tragischen Todes. – Ich glaube, dass es ein grosses und ausdrucksvolles Gemälde werden könnte, und dass ich sehr wohl es zur Durchbildung dieses Ausdrucks führen könnte. Würden Sie vielleicht einmal an geeigneter Stelle, also wohl beim Gesandten die Frage stellen, wie von der Seite ein derartiger Gedanke aufgenommen wird. Oder ist es vielleicht richtiger, an der deutschen Seite einmal erst anzufragen. Am schönsten wäre es, am liebsten mir, wenn das Ganze als mein Gedanke bestehen bliebe, der es ja auch war, und der nur Unterstützung findet von aussen. – Ich würde mich freuen, und Ihnen dankbar sein, sehr geehrte Frau Professor, Ihre Meinung über obigen Vorschlag zu hören, der mich innerlich beschäftigt. Bitte empfehlen Sie mich Herrn Professor. Hier das Meer ist sehr bewegt dieses Jahr, jeden Tag hat es ein anderes Gesicht. Ich habe hier das Innere der Deutschen Kirche abgemalt, eine Gabe für den scheidenden Pfarrer. Grüssen Sie die Kleine, sie wird sich meiner wohl kaum erinnern. Mit den besten Grüssen an Sie bin ich Ihr sehr ergebner Erich von Beckerath 10. Erwin von Beckerath an Frau Schmitt Brief 2 S. hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 579-388
Bad Godesberg, 10.I.38 Sehr verehrte und liebe Frau Schmitt, die winterlichen Semesterwochen sind bereits so besetzt, dass eine Reise nach Berlin keinen Raum mehr findet. Im März muss man den hiesigen Frühling geniessen. Wir wünschen sehr, dass Sie unser beiderseitiger Hoffen auf ein Zusammenkommen dann zur Tat werden lassen und uns am Rhein besuchen. Anima und Melitta314 werden sich sicherlich manches zu sagen haben. Melitta war jedenfalls sehr stolz auf „ihr“ Geschenk und ordnete es sogleich in „ihren“ nach Muster des grossen Bruders neugerichteten Bücherschrank. 314 Melitta von Beckerath (geb. 1933), promovierte Bibliothekarin im höheren Bibliotheksdienst an der Universitätsbibliothek Bonn.
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Selbstverständlich musste ich es ihr auch vorlesen und sie hielt sogar bis zur Hälfte dank der Zeichnungen und mancherlei „Kikiriki“ aus. Es ist eine zumindest reizvolle kleine Dichtung. Mein Mann und ich danken sehr herzlich vor allem auch für die Widmungen, die uns mit heiterer Freude erfüllten. Wie stets Ihre E. und Th. von Beckerath
11. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt Brief 4 S. hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1176
Partenkirchen, den 4. Juni [1941] Sehr verehrter und lieber Herr Carl Schmitt! Ein Zusammensein mit Jessen315 in Wiesbaden und ein anschließender Pfingstbesuch bei den Meinen haben meine Gedanken wiederum so lebhaft den Ihren und Ihnen zugewandt, daß ich die übrigen Tage benutzen muß, ein herzliches Lebenszeichen nach Dahlem zu senden. Zunächst habe ich Ihnen noch für den Stein316 zu danken! Ich habe ihn aufmerksamst gelesen. Diesen Aufsatz kannte ich noch nicht. Die Mischung von Spekulation, Realistik, Voraussicht und echtem Pathos ist in der Tat frappierend. Das Unheil ergab sich doch erst daraus, daß Bismarcks Reich, wegen des Fehlens der Grundvoraussetzungen, ebenso wenig „verfassungsreif“ war wie das fragmentarische Preußen. Kritisch hat die geschichtliche Schwäche dieser Konzeption sehr schön Jul. Ficker gesehen in dem bedeutenden Buche „Das deutsche Kaiserreich in seinen universalen und nationalen Beziehungen“,317 das meine Frau und ich zusammen hier gelesen haben; es ist durch die protestantische Geschichtsschreibung völlig zugedeckt worden. Wenn Sie in Ihrem knappen und dabei so vielsagenden Kommentar S. 62 die geistesgeschichtliche Wende des Jahres 1848 hervorheben,318 so erinnere 315 Zu
Jens Jessen s. Anm. 171. Schmitt hatte die Schrift „Zur preußischen Verfassungsfrage“ von Lorenz von Stein neu herausgegeben, Berlin 1940 (Neuaufl. Berlin 2002). 317 Julius Ficker, Das deutsche Kaiserreich in seinen universalen und nationalen Beziehungen, Düsseldorf 1868. 318 Schmitts Kommentar S. 62: „Der kurze revolutionäre Ausbruch des Jahres 1848 ist trotz seines äußeren Mißerfolges das alles bestimmende Ereignis und teilt das Jahrhundert von sich aus ein. Von hierher, und zwar vom äußeren Mißerfolg her, gewinnt man den Richtpunkt für eine tiefere Betrachtung der geistigen, politischen und sozialen Geschichte des 19. Jahrhunderts.“ 316 Carl
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ich mich an eine gleichlautende Bemerkung Diltheys (in seinem Beitrage in Hinnebergs Kultur der Gegenw.“).319 Steins Sätze S. 26 oben charakterisieren exakt die verfassungspolitische Lage des faszistischen Italiens nach der Umbildung der zweiten Kommune.320 Schmoller321 erscheint mir viel abhängiger von Stein, als er selber zugeben wollte; was seine „Finanzepochen“ angeht, so hat er sich einfach darauf beschränkt, die geschichtsphilosophischen Konstruktionen Steins mit empirischem Material auszufüllen. Der Assistent von unserem Bonner Seminar, Dr. Kamp322, hat diese Untersuchungen gemacht, mit dem er erst in absehbarer Zeit an die Öffentlichkeit treten dürfte. Eine sehr schöne Überraschung war, wie ich glaube, für alle Beteiligten unsere Unterhaltung im theoretischen Ausschuß der Akademie,323 die Ende Mai in Wiesbaden stattgefunden hat. Es drehte sich um Euckens bekanntes Buch und seinen Aufsatz in Weltw. Archiv sowie um Grundfragen der „gelenkten Wirtschaft“.324 Ich erinnere mich nicht, an einer so guten Debatte (zwei Tage, zu je 8 Stunden) in größerem Kreise teilgenommen zu haben, 319 Wilhelm Dilthey, Das Wesen der Philosophie, in: Paul Hinneberg (Hrsg.), Die Kultur der Gegenwart, Teil I, Abt. VI, Systematische Philosophie, Berlin / Leipzig 1907, S. 1–72. 320 Stein (S. 26): „Die Volksvertretung hat daher, selbst da wo ihr die Grundlage der historischen Berechtigung abgeht, in dem Güterleben des Volkes eine zugreifende Voraussetzung. Allerdings wird ihr Recht und ihre Stellung nun etwas anders sein, wo sie nur auf diese Grundlage berufen ist. Sie wird hier zunächst nur über materielle Fragen gehört werden; und es ist sogar nicht zu verkennen, daß für diese Volksvertretung das Recht der Beratung als ausreichend erscheint. Wie aber das Güterleben auf allen Punkten in das Gesamtleben hinübergreift und wie es für die meisten Betätigungen des Lebens Voraussetzung und Zweck ist, so wird auch die Vertretung desselben jenes bald genug über den engen Kreis der Beratung in Materiellen Angelegenheiten hinaustreiben und sie zu einer wirklichen Volkvertretung machen. Daher gilt der allgemeine Satz, daß je höher die wirtschaftliche Entwicklung eines Volkes steht, desto notweniger und desto natürlicher eine gesamte Volksvertretung für den Staat und seine Gewalt wird“. 321 Gustav von Schmoller (1838–1917), Nationalökonom, führender Kopf der Historischen Schule und des „Kathedersozialismus“. 322 Matthias Ernst Kamp (1909–1983), Nationalökonom und Politikwissenschaftler. 323 Akademie für Deutsches Recht Theoretischer Ausschuß. Beckerath meint mit dem „theoretischen Ausschuß“ die „Arbeitsgemeinschaft Volksarbeitslehre“ der Akademie für Deutsches Recht, die sich am 23. / 24.5.1941 in Wiesbaden getroffen hat. Thema waren „Ziele und Mittel der gelenkten deutschen Wirtschaft“, Teilnehmer waren Beckerath, v. Stackelberg, Adolf Lampe, Hans Peter, Erich Preiser und v. Strigl. Vgl. Christine Blumenberg-Lampe, Das wirtschaftspolitische Program der ‚Freiburger Kreise‘, Entwurf einer freiheitlich-sozialen Nachkriegswirtschaft. Nationalökonomen gegen den Nationalsozialismus, Berlin 1972, S. 32 f. 324 Walter Eucken (1891–1950), Vordenker der sozialen Marktwirtschaft. Bei dem Aufsatz handelt es sich um: W. Eucken, Staatliche Strukturwandlungen und die Krisis des Kapitalismus, in: Weltwirtschaftliches Archiv 36, 1932, 297–321; bei dem Buch um: W. Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, Jena 1939.
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die eigentlich nur in Abbreviaturen geführt wurde, da alle Teilnehmer vollständig in die Probleme eingedacht waren. Diese Unterhaltung bestärkte mich in meiner Ansicht, selbst noch einmal zu Euckens Gedanken eine jüngere Stellung zu verfassen, wie ich mich überhaupt mit literarischen Plänen trage (Elitetheorie325: Mosca, Pareto, Gini, italienische Finanztheorie326, Neoparetismo: Giobati, Cesare Balbo, Massimo d’Azeglio) und ich warte nur darauf, daß dann immer und öfteren Maassen etwas mehr Muße geschenkt sein möge: wann und wohin werden sich die Massen verlaufen? Vor meiner Abreise von Cöln sprach ich noch einmal mit den Italienern des Petrarcahauses327. Sie sind natürlich sehr erfreut, wenn Sie einen Beitrag zum Jahrbuche (wozu das Petrarcahaus Sie gebeten hat) beisteuern wollten!328 Das Thema möchten sie selbstredend ganz Ihrem Ermessen überlassen: Falls es Sie interessieren sollte, die neue ital. Völkerrechts-Literatur (etwa auch die dortigen Großraum-Themen329) zu behandeln, so stände Ihnen die im Petrarcahaus vorhandene Literatur ganz zur Verfügung: auch Passendes wäre für uns leicht zu beschaffen. Ich fahre in ben wir noch Möglichkeiten haben Sie und
diesen Tagen vorüber an den Rhein zurück. Ferienpläne hanicht gemacht. Meine Frau schwankt noch zwischen den nach Godesberg zurückzukehren oder hier zu bleiben. Was die Ihren vor?
Herzlichst von uns zu Ihnen und den Ihren und in aufrichtigster Verehrung stets Ihr E. v. Beckerath 325 Es handelt sich um die Frage des Elitenaustauschs, der vor allem von Mosca und Pareto bearbeitet wurde. Gaetano Mosca (1858–1941), Politik- und Sozialwissenschaftler, Theoretiker der Elitenherrschaft; Vilfredo Pareto (1848–1923), ital. Nationalökonom und Soziologe mit Sympathien für den Faschismus; Corrado Gini (1884–1965), Statistiker und Soziologe, der die Ungleichverteilung der Einnahmen (Gini-Koeffizienten) untersuchte, zugleich Verfasser der „Theorie des Faschismus“, der 1932 aber im Streit sein Amt in Italien niederlegte. 326 Zur ital. Finanztheorie: Vincenzo Giobati (1801–1852), ital. Philosoph und Theologe. Kurzzeitig auch Ministerpräsident von Sardinien-Piemont. Cesare Balbo (1789–1853), ital. Politiker und Historiker, gemäßigter Liberaler. Massimo d’Azeglio (1798–1866), ital. Schriftsteller und Politiker, Ministerpräsident bis 1852, mit Sympathien für den Liberalismus. 327 s. Anm. 36. 328 Carl Schmitt leistete keinen Beitrag zum Jahrbuch des Petrarca-Hauses. 329 Carl Schmitt hat sich seit 1937 mit Fragen des Raumes und des Krieges beschäftigt. Am 1. April 1938 hält er in Kiel einen seiner wichtigsten Vorträge im Nationalsozialismus „Völkerrechtliche Großraumordnung“, der als Buch ein Jahr später erschienen ist: Carl Schmitt, Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte. Ein Beitrag zum Reichsbegriff im Völkerrecht, Berlin 1939.
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Der Tod Werner Sombarts330 kam uns ganz unverwandt. Wer wird einmal dieser so merkwürdigen und interessanten Figur wirklich gerecht werden? Wir lasen viel Tolstoi. Falls Sie „Krieg und Frieden“ nicht ganz deutlich in Erinnerung haben, so werden Sie gewiß von einer erneuten Lektüre sehr entzückt sein! E. v. B.
12. Carl Schmitt an Erwin von Beckerath331
Brief 2 S. ms. o. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1177 / 2 (1 / 1)
Berlin, 7. Juni 1941 an Prof. Erwin von Beckerath in Köln von Prof. Carl Schmitt, Berlin […] ich bin sehr begierig, etwas neues von Ihnen zu lesen und dürste danach. Es gibt heute nicht viel mehr neues zu lesen, und jede Stimme, die das Tote Meer überfliegt, wirkt wie ein unendlicher Trost, beglückende Gabe und ich weiß nicht, was ich mit meinen bescheidenen Möglichkeiten tun kann, um Sie zu einer solchen Arbeit auch von mir aus anzutreiben. Ich möchte Ihnen aber nicht verschweigen, wie groß mein Bedürfnis nach solcher Nahrung ist, damit es Ihnen nicht geht wie mir, den das Bewußtsein des Mangels jeder echten Publizität völlig lähmt. In diesem Zusammenhang bitte ich Sie nochmals Benito Cereno332 von Melville zu lesen. Wenn Sie ihn nicht schon haben, schicke ich Ihnen ihn gern; ich habe eine gute Übersetzung, es sind kaum 100 Seiten zu lesen. Für mich größer als [Name gestrichen: Gogol333] und – bis zu Ihren Bemerkungen in Ihrem letzten Brief – auch als Tolstoj334, weil reine SituationsEpik, keine Psychologie als solche. Aber ich werde Tolstoj wieder lesen.
330 Werner
Sombart starb am 18. Mai 1941. einer Abschrift des Briefes, auszugsweise abgedruckt in: Martin Tielke (Hrsg.), Briefwechsel Schmitt und Sombart (wie Anm. 4), S. 211. 332 Schmitt hat dieses Buch immer wieder empfohlen, siehe in diesem Band S. 267 ff. 333 Nikolai Gogol (1809–1852), russ. Schriftsteller. 334 Beckerath hat Schmitt dazu angeregt, Tolstois „Krieg und Frieden“ zu lesen (s. Brief Nr. 11). 331 Kopie
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Jene Beisetzung Werner Sombarts war unsagbar traurig. Die Reden Schumachers, Giesekes, Emges, Heymanns so arm und inadäquat,335 daß ich es für eine wichtige Standesfrage halte, die, wie Sie sagen „merkwürdige und interessante Figur“ dieses Mannes einmal zu zeichnen, damit nicht der Eindruck entsteht, als wären wir schon so tief in das nachwissenschaftliche Zeitalter eingesunken, daß wir uns der vorangehenden Generation nicht einmal mehr bewußt zu werden vermögen. Frau Sombart, die klug und gebildet ist, der 15jährige Sohn Nikolaus336, der etwas Genialisches hat, taten mir so leid, als ich sie dieser deprimierenden Povertät am Sarge ihres Vaters und Mannes ausgesetzt sah. Müssen wir auch diese Standespflicht emigrierten Juden überlassen; oder Amerikanern? Ist es schon soweit, daß man sich an den Satz Franz von Baaders337 aus dem Jahre 1820 erinnert: Die Exkommunikation der Intelligenz, die einige servile Narren heute (1820!) fordern, wird mit der Exkommunikation aus der Intelligenz beantwortet werden. […]
13. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt Brief 4 S. hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 579-388
Planegg b. / München, Waldsanatorium, 8.I.[1944] Lieber Herr Carl Schmitt! Ihre Zeilen, in denen Sie uns von Ihrem Schicksal Kunde geben, haben meine Frau und mich tief erfreut und beruhigt. Sie wissen, und es ist vielleicht zu Beginn eines ominösen Jahres gut, es auszusprechen, wie freundschaftlich wir uns Ihnen beiden verbunden fühlen und stets fühlen werden. 335 Hermann Schumacher (1868–1952), Nationalökonom; Paul Gieseke (1888– 1967), Jurist, Prof. für Handelsrecht an der Handelshochschule Berlin, zuerst DVP, nach 1934 SS- und 1937 NSDAP-Mitglied; Carl August Emge (1886–1970), Rechtsphilosoph, seit 1931 NSDAP-Mitglied, 1935 Ordinarius in Berlin, seit 1936 stellvertretender Präsident der Akademie für Deutsches Recht und Leiter des wissenschaftliches Ausschusses des Nietzsche-Archivs Weimar; Ernst Heymann (1870–1946), Jurist, Prof. der Rechte an der Friedrich-Wilhelms-Universität seit 1914, Mitglied der Akademie für Deutsches Recht. Vgl. auch Nicolaus Sombart, Jugend in Berlin, München / Wien 1984, S. 54: „Ich erinnere mich an kein Wort, nur an meinen Eindruck: sie liebten ihn nicht. Der einzig menschliche, aus tiefer Anteilnahme aufsteigende Blick während der Kondolenzcour war der von Carl Schmitt. Von ihm wußte ich, daß er für meinen Vater eine aufrichtige Verehrung empfand.“ 336 Vgl. Nicolaus Sombart, Jugend, ebd. S. 248–280. 337 Franz von Baader (1765–1811), Bergbauingenieur, Philosoph.
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Daß Ihnen der schwere Verlust Ihres Dahlemer Hauses338 eine neue Einsicht vermittelt, zeigt mir wieder, wie unentbehrlich eine schwere Wende die eigene Erholung ist. Auch bei meinem Bruder, der in Krefeld sein Geschäft sowie sein Privathaus (unser väterliches Haus) eingebüßt hat – überdies erhielt er zu der gleichen Zeit die Todesnachricht seines jüngsten Sohnes von der Ostfront – bemerke ich eine Gelassenheit, die mich zunächst erstaunt hat. Bei alledem werde ich allerdings das Wort eines pietistischen Aristokraten nicht los, der bei der Belagerung Athens aus seinem brennenden Hause stürzte mit den Worten: „Zeus, für welches Schicksal hast du mich aufgespart?“ Ich treffe seitdem meinen Bruder gelegentlich in einem alten Eifeler Gasthof, um manches gemeinsam Interessierende zu bereden. Wie gerne würde ich mich einmal mit Ihnen über den „Sinn von alledem“ – Gegenwärtigem und Zukünftigem – unterhalten. Kommen Sie gelegentlich einmal zu Ihrem Kölner Bruder?339 Mein Sohn Valentin, der schon fast 16jährige, und ich sind gerade am Ende unseres Besuches von wenigen Tagen bei meiner Frau, die immer noch im Waldsanatorium Planegg bei München sich aufhält. Ihr Befinden ist subjektiv sehr gut, objektiv krank, daß wir bei ihr erst noch mit einem längeren Kuraufenthalt rechnen müssen. Inzwischen führen zwei ältere Freundinnen – die eine ist meine langjährige Haushälterin – meinen Godesberger Haushalt, dem sich zu meiner Freude auch meine 89jährige, noch sehr widerstandsfähige Mutter angeschlossen hat. Über meine Arbeiten, nach denen Sie freundlich fragen, ein anderes Mal, da ich meiner Frau noch Raum für einen Gruß lassen möchte; nur kurz zur Kenntnis, daß ich in der letzten Zeit exzeptionell fleißig war. Schon morgen müssen Valentin und ich wieder heimwärts ziehen! Sehr herzlichst verbunden Ihr getreuer E. v. Beckerath (4 Zeilen unleserlicher Gruß von Th. v. Beckerath)
338 Schmitts Haus in Berlin Dahlem wurde am 23.8.1943 bei einem Luftangriff zerstört. 339 Joseph (Jup) Schmitt (1893–1970), Arzt in Köln, Bruder von Carl Schmitt.
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14. Zu der Übersendung von Erwin v. Beckerath’s Dietzel-Vortrag340 LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-12809
Brief vom 3.9.1944 Ein schönes, lichtvolles Gespräch: Frau Schmitt kannte Dietzel341 noch von Ihrer Studentenzeit her und zog ihn Spiethoff342 vor. Seine über-preußische Beamten-Handschrift steht mir noch deutlich vor Augen, als unmittelbarste Dokumentation Ihrer Charakterisierungen. Wunderbar, wie Sie die Dünnheit dieser Klarheit zu korrigieren wissen (soziale Ideengeschichte nicht anders möglich als mit dem Gegensatz von Individuum und Gesellschaft). Für mich als Juristen ist es spannend zu sehen, wie alle wesentlichen Probleme der Rechtswissenschaft zu den Nationalökonomen abgewandert sind (z. B. das Großraum-Welt-Problem S. 26 Anm. 2 der Dietzel-Schrift),343 und wie die von Savigny344 zum Sieg geführte Historische bei den Nationalökonomen und nicht bei den Juristen fruchtbar geworden ist. Das beschäftigt mich sehr, denn es betrifft mich in meiner Existenz. Ich habe in Madrid und Barcelona (auf spanisch) und in Coimbra (französisch) vor einigen Monaten über die Lage der Europäischen Rechtswissenschaft345 gesprochen und damit ein Zeugnis geschichtlicher Bewußtheit deponiert, sodaß ich mich sehr erleichtert fühle und eine Art Testament errichtet habe. Sie können über 340 Abschrift
eines Briefes von Schmitt an Beckerath. Dietzel (1857–1935), Nationalökonom, Schüler von Adolph Wagner, ab 1890 an der Universität Bonn als Nachfolger von Ernst Nasse. Vgl. Erwin von Beckerath, Heinrich Dietzel als Nationalökonom und Soziologe, Bonn 1944; ders., Lynkeus (wie Anm. 3), S. 3–26. 342 Arthur Spiethoff (1873–1957), Nationalökonom, Schüler von Gustav von Schmoller, s. auch Anm. 64. 343 Großraum-Welt-Problem, S. 26 Anm. 2: Ob die Weltreiche von damals (britisches Empire, die Vereinigten Staaten und Rußland) die Tendenz hatten autark zu werden, oder auch intensiver die Weltwirtschaft eingliedern würden, war in der Jahrhundertwende der Gegenstand einer Kontroverse zwischen Dietzel und Schmol ler, Wagner, Sering u. a. „Schmollers Theorie von den drei Weltreichen“ (1900, S. 373 ff.) behauptete das Anwachsen der Autarkie, Dietzel das Gegenteil (in: Die Nation 127, 1899 / 1900). Dietzels Prognose: Nicht Neo-Merkantilismus vielmehr Smithianismus, hat vor der Geschichte Unrecht bekommen. Wie stets in diesen Dingen, so ruhten seine Schlußfolgerungen wesentlich auf der Annahme eines rationalen handels-politischen Verhaltens auf der Grundlage des „wohlverstandenen Interesses“ so wie auf der Fortdauer des Weltfriedens. – Tatbestände, mit denen eben nur selten in der Geschichte gerechnet werden kann. 344 Friedrich Carl von Savigny (1779–1861), Jurist, Rechtshistoriker. 345 Vorträge Schmitts in Madrid u. Barcelona 1944, die die Grundlage bildeten für Carl Schmitt, Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, Tübingen 1950. Vgl. Christian Tilitzki, Die Vortragsreisen Carl Schmitts während des Zweiten Weltkriegs, in: Schmittiana VI, 1998, S. 191–270. 341 Heinrich
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Schmoller, Max Weber, sogar über Dietzel mit gutem Gewissen sprechen. Ich muß mich fragen, über welchen Juristen ich in entsprechender Weise einen Vortrag halten könnte, und muß verzweifeln. Es ist gar nicht möglich, die Verkommenheit des Gesetzespositivismus richtig zu schildern.346 Beim Anblick dessen, was sich seit Bismarck aus dem großen Strom deutscher Geistigkeit abgezweigt hat, um sich mit hüstelnder Selbstgefälligkeit als „rein juristisch“ in Sicherheit zu bringen, kann einem rot vor den Augen werden. Doch werden Sie sich kaum dafür interessieren, und Sie tun recht daran. Laß die Toten ihre Toten begraben. (Es folgen Bemerkungen zu dem Provinzialismus Tocqueville’s347 und über die Rede Napoleons III. vor dem Senat im Januar 1853).348 Am 12.9.1944 übersandte ich ihm das Manuskript meines Vortrages über die Lage der europäischen Rechtswissenschaft mit Bleistiftbemerkungen.
15. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt Brief 3 S. hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 579-388
Godesberg, den 7. Sept. 1944 Kurfürstenstr, 5 / I Lieber und sehr verehrter Herr Carl Schmitt! Mit großer Freude erfüllen mich Ihre Zeilen vom 3. Sept. Von Planegg aus hatten meine Frau und ich Ihnen Weihnachten nach Plettenberg geschrieben, aber dieser Brief hat Sie wohl nie erreicht. Nun war mir Ihr Urteil über den Dietzel-Vortrag höchst wertvoll. Geradezu beglückend aber war es für mich, daß Ihr untrügliches Feingefühl eben die S. 13349 heraushörte, nämlich die 346 Dieser Ausfall gilt Rechtslehrern wie Richard Thoma, Gerhard Anschütz und Hans Kelsen. 347 Vgl. Carl Schmitt, Historiographia in Nuce: Alexis de Tocqueville, in: ders., Ex Capitivitate Salus, Köln 1950, S. 25–35. Schmitt schätzte vor allem Tocquevilles „Schlussbetrachtung“ des 1. Bandes „Über die Demokratie in Amerika“, in der dieser den Aufstieg der USA und Russlands „nach einem Plan der Vorsehung“ prognostizierte. Vgl. Alexis Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, München 1976, S. 473–479, bes. S. 479. 348 86 Rede Napoleons III. vor dem Senat im Januar 1853. Nach den Angaben des französischen Senats hat Napoleon III. am 22. Januar seine Hochzeit dem Senat bekanntgegeben; vgl. http: / / www.senat.fr / evenement / archives / D28 / retald.html. (aufgerufen am 2.6.2015). 349 Beckerath behandelt auf dieser Seite 13 das Verhältnis des Einzelnen zum sozialen Umfeld: „Die Antithese von Individuum und sozialen Gebilde verfälscht die
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Stelle, bei der ich selber in objektiver Vergegenwärtigung das Gesteinbrummen, den Anhauch von etwas anderem und besserem zu spüren glaubte und auf eine Resonanz gespannt war, die nun auch von Ihnen gekommen ist. Diese Studie war für mich persönlich wichtig, weil ich sie als eine Art ballon d’essai betrachtete, ob ich es wagen könne, weiter dogmengeschichtlich zu arbeiten; allerdings beschäftige ich mich im Augenblick mit der Theorie des Kapitalismus,350 zu der man, wie ich glaube, heute Abschließendes sagen könnte. Ich hatte früher sooft das traurige Gefühl von Hebbels Marianne,351 „kein Instrument und keine Parze“ zu sein und es ist merkwürdig, daß ich jetzt, wo die Stützen der Existenz wanken und man endlich weiß, weshalb die Furcht Gottes höher ist als alle Vernunft, das Gefühl habe, „begreifen“ zu können; ich glaube, ich hatte sehr viel „Erfahrung“ im weitesten Sinne notwendig. Ich vermag nun anzuerkennen, daß der Positivismus, wenn er in einer Wissenschaft von der Rechtslehre, welche ganz von der Sittlichkeit lebt, einbricht, besonders erschreckende Ergebnisse zu Tage fördert. Aber es würde mich doch sehr interessieren, Ihre Ausführungen in Spanien und Portugal zu lesen; das Spanische ist mir zugänglich. Von Herrn von Stackelberg352 hatte ich schon gehört, daß Sie in Madrid waren und er erzählte von schönen Tagen, die er mit Ihnen verbrachte habe. Er ist übrigens im Augenblick dort. Wirklichkeit; es handelt sich viel eher um zwei Seiten des sozialen Lebens, die einander wechselweise beeinflussen und durchdringen.“ Nach einer kurzen Bemerkung über die Methode, die „Ideengeschichte“, wendet er sich auf Schmittschen Kategorien des Freund-Feind-Denkens dem sozialen Geschehen zu: „Wer soziale und wirtschaftliche Forderungen verficht, wird stets einen Gegner im Auge haben, sei es im geistigen oder im materiellen Raume; er polemisiert.“ Schließlich spricht er vom „Feind in der selbst geschaffenen Wüste des Individualismus, durch welche man die Menschheit hindurchführen müsse“ (das affirmative Zitat stammt von K. Rodbertus). 350 Die Überlegungen münden schließlich in Beckeraths Aufsatz über Schumpeter, der den Titel „Größe und Verfall des Kapitalismus“ trägt. Vgl. Beckerath, Lynkeus (wie Anm. 265), S. 234–264. 351 Marianne: „Ich bin kein Instrument und keine Kerze, Ich soll nicht klingen und ich soll nicht leuchten, Drum nehmt mich, wie ich bin. …“ Vers 2396 ff. in: Friedrich Hebbel, Herodes und Marianne, IV. Akt, 5. Szene. Hebbels Drama, 1847 / 48 geschrieben, vereint ein großes Geschichtsdrama, den Kampf um die Herrschaft zwischen Marc Anton und Octavian und ein großes Liebesdrama, Marianne die schweigend in den Tod geht und ihren Mann zum Mörder macht. Die Heiligen Drei Könige kündigen aber schon den Zusammenbruch der Alten Welt und den Beginn einer neuern Zeit an. 352 Heinrich von Stackelberg (1905–1946), Nationalökonom. Vgl. Erwin von Beckerath, Adolf Lampe und Heinrich von Stackelberg, in: ders., Lynkeus (wie Anm. 265), S. 39–51 (zuerst in: Zeitschrift für Staatswissenschaft 105, 1949, S. 602– 614).
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Meine Frau bleibt vorläufig in Planegg. So gern ich sie in Godesberg sehen würde, wo das Marienstift sie aufgenommen hätte, so ist sie gleichwohl in Südbayern bestens aufgehoben und umpflegt. Wenn Tocqueville das Wort providence ausspricht, so kommt es, wie ich glaube, aus dem Munde eines sehr verhaltenen liberalen Katholiken. Für ihn gilt das Wort, das Renan353 (der vom Menschlichen mehr weiß als alle unsere Historiker) auf Marc Aurel354 angewandt hat: comme les gens qui sonts été très bien élevés – Marc Aurèle se genait sans cesse. Zur providence bei Napoleon III. – ich werde sogleich versuchen das betreffende Heft der revue zu bekommen – erinnere mich an einige besagte Bemerkungen von Marx in dem 18ten Brumaire des Louis Napoléon,355 bald am Anfang; ich würde sie gerne zitieren, aber ich habe das Heft nicht zur Hand. Daß die Festschrift nicht zustande kommen kann, wusste ich noch nicht, noch kenne ich das Nähere: aber ich glaube es zu ahnen.356 Unlängst ließ ich die großen Reize von Shakespeares Sturm auf mich einwirken. Wie schön ist eine so verhaltene Stelle wie „ich habe innerlich geweint, sonst hätt’ ich längst gesprochen“, (aus dem Gedächtnis V. Akt).357 353 Ernest Renan (1823–1892), franz. Historiker und Religionswissenschaftler. Im letzten Kapitel seines „Leben Jesu“ schreibt Ernst Renan über Marc Aurel: „Es giebt Tugenden, die in gewissen Beziehungen unserer Neigung mehr befriedigen als andere. Der ehrenwerte sanfte Marc Aurel, der bescheidene, gutartige Spinoza, die an Wunder nicht geglaubt haben, sind frei gewesen von manchen der Irrtümer, die Jesus teilte […] Durch unsere besonders zarte Anwendung von Mitteln der Überzeugung, durch unsere absolute Aufrichtigkeit und selbstlose Liebe zu reinen Gedanken, haben wir, die wir unser Leben der Wissenschaft geweiht haben, ein neues sittliches Ideal begründet. Doch das Urteil der allgemeinen Geschichte darf sich nicht auf die Abschätzung persönlicher Verdienste beschränken. Marc Aurel und seine edlen Maximen sind ohne dauernden Einfluß auf die Welt geblieben. Er hinterließ köstliche Bücher, einen fluchwürdigen Sohn, eine im Verfall begriffene Welt.“ 354 Marc Antoninus Aurelius (121–180), römischer Kaiser und stoischer Philosoph. 355 Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, in: MEW, Bd. 8, Berlin 1978, S. 110–207. Dort heißt es: „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden.“ (S. 115). 356 Es handelt sich um die geplante Festschrift für Johannes Popitz zu dessen 60. Geburtstag am 2. Dezember 1944, in der auch Schmitts Beitrag „Die Rechtswissenschaft als letztes Asyl des Rechtsbewußtsein“ stehen sollte. Nach der Verhaftung von Popitz im Zusammenhang mit dem 20. Juli-Attentat konnte sie nicht erscheinen. 357 Im fünften Aufzug von Shakespeareʼs „Der Sturm“ richtet Gonzalo seine Bitte an die Götter: Ich habe innerlich geweint, sonst hätt’ ich / Schon längst gesprochen. Schaut herab ihr Götter / Senkt eine Segenskron’ auf dieses Paar! / Denn ihr seid’s, die den Weg uns vorgezeichnet, / der uns hierher gebracht.
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Es muß schon über 2 Jahre her sein, daß Sie zuletzt in Godesberg waren. Damals fühlte ich die Vorboten einer Erschöpfung, die einige Monate dauerte, aber inzwischen längst völlig überwunden ist. Ich habe daher Erfahrungen über den Zusammenhang von Seele und Leib gemacht, die mir vordem ganz unbekannt waren. Es ist etwas außerordentliches, an die Grenzen seiner Existenz gesetzt zu werden – aber es ist zugleich sehr gefährlich. Ihre Zeilen gehen sogleich auch an meine Frau. Ihnen und den Ihren, alle guten Wünsche stets Ihr E. v. B.
16. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt Brief 1 S. hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1165
Godesberg, den 3. August [1949?]358 Verehrter und lieber Herr Carl Schmitt! Ihre sehr freundliche Überraschung zu dem Tage, dessen Verlauf taktvoll und in sich vollendet war, hat meine Freude und die dankbare Verbundenheit Ihnen gegenüber (wenn dies überhaupt möglich war) noch gesteigert, und ich genieße nun Ihre Worte „in der schönsten Sprache, deren sich je ein Volk bediente“,359 wie ich einmal in einer Charakteristik des Cervantes360 gelesen habe. – Eine besondere Freude ist es mir, daß ich nun in engeren Kontakt mit Ihrem so klugen und sympathischen Schüler Günther Krauss361 gekommen bin. Die gemeinsame passione für Vilfredo Pareto hat uns zusammengeführt. Ich glaube, Herrn Krauss auch in der Literaturbeschaffung nützen zu können. Ich bleibe unwandelbar Ihr E. v. Beckerath
358 Vermutlich handelt es sich um die Beantwortung eines Geburtstagsbriefes von Schmitt zum 60. Geburtstag von Beckerath am 31.7.1949. 359 Es handelt sich vermutlich um die spanische Übersetzung von Schmitts Aufsatz über Vitoria, s. Anm. 367, erschienen in Revista españiola de derecho internacional, 2. Jg. (1949), S. 13–45. 360 Miguel de Cervantes (1547–1616), span. Nationaldichter, Autor des Don Quijote. 361 Zu Günther Krauss s. Anm. 194.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
17. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt Brief 2 S. hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1164
Godesberg, 16 Sept. ([1948–1950?]) Kurfürstenstr. 6 Lieber und verehrter Herr Carl Schmitt! Ihre lieben Zeilen, in denen Sie sich nach dem Schicksal von Walter Benjamin362 erkundigen, liegen vor mir; ich habe damals gleich an Salomon363 in New York geschrieben, aber er hat bis heute noch nicht geantwortet. Sobald ich seine Auskunft in Händen habe, gebe ich Ihnen Mitteilung. Persönlich habe ich Ihnen manches zu erzählen, Schönes und Enttäuschendes. Meine Frau ist seit einigen Monaten hier, und der gesundheitliche Zustand ist im Ganzen recht gut, wenn auch das schwere Klima Godesbergs nicht immer leicht zu ertragen ist. Dieser guten und freundlichen Wendung des Schicksals steht gegenüber, daß Valentin364 zuerst leicht, dann etwas schwerer an der Lunge erkrankt ist und sich zur Erholung augenblicklich im Sanatorium Harlaching, wo meine Frau soviele Jahre zugebracht hat, aufhält. Der Arzt hat einen Pneu angelegt, und ich hoffe, daß er eine richtige Wirkung ausübt, wie es den Anschein hat; aber es gibt bei dieser Krankheit keine Prognose (wo gibt es eine solche?). Vielleicht fügt es sich so, daß Valentin im Winter sein Studium in Bonn fortsetzt; meine Frau hat die Absicht, den Winter in der Nähe Münchens zu verbringen, um sich von dem Klima des Rheinthals zu erholen und von der Anstrengung, die die Betreuung unseres Haushalts erfordert: ‒ Ich selbst habe mich unter der Obhut eines sehr intelligenten Freundes in den letzten Monaten hauptsächlich der höheren Mathematik zugewandt. Ich hatte solche Sehnsucht nach dem streng Beweisbaren und nach dem Wissen um merkliche Leistung auf diesem Gebiete und zudem, aber in positiver Linie: die theoretische Ökonomik ist eine ziemlich mathematische Wissenschaft, und ihre Denkformen haben auf mich stets eine starke Attraktion ausgeübt und tun es noch. Die Infizierung unseres Faches macht übrigens 362 Walter Benjamin (1892–1940), Literaturwissenschaftler, Philosoph; vgl. Reinhard Mehring, „Geist ist das Vermögen, Diktatur auszuüben“. Carl Schmitts Marginalien zu Walter Benjamin, in: ders., Kriegstechniker des Begriffs. Biographische Studien zu Carl Schmitt, Tübingen 2014, S. 137–152. 363 Albert Salomon (1891–1966), Soziologe und Ökonom, 1935 nach New York emigriert, von 1928 leitender Redakteur der Zeitschrift „Die Gesellschaft. Interna tionale Revue für Sozialismus und Politik“, in der auch Aufsätze von Walter Ben jamin veröffentlicht worden sind. 364 Valentin von Beckerath (1928–2009), Jurist, Kanzler der TU Clausthal-Zellerfeld. Ich danke Frau Dr. Melitta von Beckerath für Auskünfte.
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in der jüngeren Generation rapide Fortschritte, u. das Jonglieren mit komplexen Beziehungsgraden ist, in den Debatten, zu anständiger Kunst ausgebildet. Barion365 sah ich zu meiner Freude in den letzten Monaten häufig; nur in den letzten Tagen hat er sich unsichtbar gemacht. Oberheid366 ist in der Schweiz [drei Wörter nicht lesbar]. Mit herzlichen Wünschen Zu Ihnen und den Ihren stets Ihr E. v. B. 18. Erwin und Thea von Beckerath an Carl Schmitt K. 1 S., hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1173)
o. O. u. D. Ihnen und Anima, dem lieben kleinen Räuber, die herzlichsten Grüsse und frohe Wünsche zum Fest von Ihren E. und Th. von Beckerath Valentin u. Melitta 19. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt Brief 1 S. hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 579-388
Godesberg, den 24.II.[1950] Sehr verehrter und lieber Herr Carl Schmitt! Herzlich danke ich Ihnen für Ihre lieben, gehaltreichen Zeilen, die mich herzlich erfreuten. Ich bin sehr gerne bereit, zu Ihnen und den Herrn der Eisenindustrie nach Werdohl einmal herüberzukommen – das Format dieser Industriellen kenne ich aus meinem Besuche in Hagen, wo ich einmal mit den Herren der „Ennepe-Runde“ eine Nacht verbracht habe, nachdem 365 Hans Barion (1899–1973), kath. Priester, Jurist des kanonischen Rechts, nach 1945 enger Freund Schmitts, Mitherausgeber der Festschriften zu Schmitts 70. und 80. Geburtstag; vgl. Werner Böckenförde, Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Hans Barion. Kirche und Kirchenrecht. Gesammelte Aufsätze, Paderborn 1984, S. I–X. 366 Josef Oberheid (1895–1977), evang. Theologe, Bischof der „Deutschen Christen“ nach 1933, mit Schmitt seit 1926 befreundet, seit 1928 NSDAP-Mitglied, nach 1945 als Unternehmer im Stahlhandel tätig; vgl. Heiner Faulenbach, Ein Weg durch die Kirche. Heinrich Josef Oberheid, Bonn 1992.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
ich ihnen einen Vortrag gehalten hatte; wenn Sie am 7ten in Walberberg367 sind – und wir freuen uns sehr, Sie zu sehen! – können wir über die Details sprechen. In Ihre justificacion etc. habe ich mich angemessen (?) vertieft und die eigenartigen Gedankengänge, die Sie so meisterhaft ausbreiten, stark auf mich wirken lassen. Der „Schumpeter“ kommt noch im März heraus.368 Herzliche Grüße Ihnen und den Ihren immer Ihr getreuer E. v. Beckerath 20. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt.
Brief 2 S. hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 579-388
Godesberg, 15.IV.[1950] Herzogstr. 25 Lieber und sehr verehrter Herr Carl Schmitt! Zugleich mit Ihrer lieben Karte lief die Nachricht bei mir ein, daß die Sitzung des Beirats369 „voraussichtlich“ auf den 6 / 7. V. verschoben wird. Ich stünde also am 29.IV. zur Verfügung, aber auch in der Woche nach den 7.V. (ausser am 13ten), was vielleicht insofern von Vorteil wäre, als ich augenblicklich noch tief in Reform alter Finanzwissenschaft stecke und zudem aus der Beiratsbesprechung, wo es voraussichtlich um ein verwandtes Thema geht, manche Anregung schöpfen werde. Ich möchte die Entscheidung Ihnen überlassen; wenn ich in Godesberg abgeholt werden könnte, wäre mir dies recht sympathisch. Ich richte mich darauf, in einem kleinen Kreise zu sprechen, und nehme an, daß mein Referat den Auftakt zu einer Diskussion bildet. – Ihre Abhandlung370 kenne ich schon, umso mehr freut es mich, Sie in Werdohl aus Ihrer Hand zu bekommen und Sie selbst bei dieser Gelegenheit wiederzusehen. Mein Schumpeter-Aufsatz muß jeden Tag herauskommen; ich schicke Ihnen sogleich nach Erscheinen ein Exemplar zu. 367 In dem Dominikanerkloster Walberberg war Carl Schmitt auf Einladung von P. Eberhard Welty Anfang der 1950er Jahre mehrfach Gast; seinen ersten großen Aufsatz in der Nachkriegszeit über Francisco de Vitoria veröffentlichte er anonym in der Zeitschrift der Dominikaner „Die Neue Ordnung“; vgl. Mehring, Biographie (wie Anm. 1), S. 470 ff. 368 Erwin von Beckerath, Größe und Verfall des Kapitalismus, Betrachtungen zu Schumpeters Buch über Kapitalismus Sozialismus und Demokratie, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 106, 1950, S. 193–222. 369 Vgl. Alexander Nützenadel, Die Stunde der Ökonomen. Wissenschaft, Politik und Expertenkultur in der Bundesrepublik 1949–1974, Göttingen 2005. 370 Carl Schmitt, Lage (wie Anm. 129).
II. Erwin von Beckerath217
Mit großer Betrübnis hören wir, daß der gesundheitliche Zustand von Frau Schmitt wieder einen Aufenthalt in der Heidelberger Klinik notwendig macht.371 Herzlichste Wünsche Ihnen Allen stets Ihr E. v. Beckerath
21. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt
Brief 1 S. hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1163
Ems, 1. Sept.[1951] Hotel Löwen Sehr verehrter und lieber Herr Schmitt! Ich habe schon mehrfach Ihre höchst eigenartigen gedanklichen Variationen, ex captivitate lux372 über einige sehr faszinierende Themen an meinem geistigen Auge vorüberziehen lassen – erstaunlich, wie das Ganze den Zellencharakter373 vermittelt – und ich war freudig überrascht, nun Ihren Namen selber in der Frankf. Allg. Ztg.374 – an den Emser Abenden blättert man in alten Zeitungen und Feuilletons und Depeschen – zu begegnen. Wie geht es Ihnen und den Ihren? Was macht der Werdohler Kreis und sein so sympathischer Leiter, Bürgermeister und Landrat?375 Ich denke sehr gerne an den Nachmittag im Frühjahr zurück. Meine Frau ist die Paruzellin (?)-Infektion, die gegen eine Bronchie-Ektase versucht wurde, bisher nicht so recht bekommen, doch hat sie die shock-Wirkung rasch überwunden. Ich fühle mich sehr wohl hier, da ich die notwendige Passivität aufbringe, mich sämtlichen Kurmitteln widerstandslos hinzugeben. Herzlichst und verehrend stets Ihr erg. E. v. Beckerath 371 Duschka Schmitt verstarb am 3.12.1950; sie war seit Herbst 1949 in der Klinik in Heidelberg bei Professor Siebeck. 372 Gemeint: Carl Schmitt „Ex captivitate salus“, Köln 1950. 373 In Schmitts „Ex captivitate salus“ gibt es das Kapitel „Weisheit der Zelle“ (April 1947), S. 79–91. 374 Karl Korn, Der christliche Epimetheus, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7.10.1950. 375 Peterheinrich Kirchhoff (1885–1973), Bürgermeister von Werdohl und von 1952 bis 1960 CDU-Bundestagsabgeordneter, Verwalter eines Geldkontos zugunsten von Carl Schmitt. Kirchhoff veranstaltete kleinere Tagungen in seinem Haus, etwa 1949 zu Theodor Däubler; vgl. Gerd Giesler, Carl Schmitt und die Künste in der Plettenberger Nachkriegszeit (Plettenberger Miniaturen 3), Plettenberg 2010, S. 13.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
22. Carl Schmitt an Erwin von Beckerath Brief /Abschrift 1 S. ms. o. U. LAV NW Abt. Rheinland, RW 265 – 178/K180
o. O., 26.12.1953 Lieber und verehrter Herr von Beckerath! In diesen ruhigen Weihnachtstagen habe ich Ihrer gedacht und mich Ihres freundlichen Vorschlages für Anfang Januar erinnert. Ich habe vor, am 7. und 8. Januar nach Bonn und Godesberg zu kommen und würde dann am 9. in Köln zur Tagung der Academia Moralis376 sein. Bitte teilen Sie mir mit einem Wort mit, zu welcher Tageszeit Ihnen mein Besuch passen würde. Ich wollte noch einen Godesberger Bekannten, Prof. Hettlage377, besuchen, möchte mich aber zunächst nach Ihnen richten, bevor ich etwas mit ihm verabrede. Alles weitere hoffentlich mündlich. Kommen Sie mit den Ihrigen gut ins neue Jahr, sagen Sie Ihrer Gattin die besten Empfehlungen und Valentin und Melitta die besten Grüße von Anima und Ihrem PS. Mir wurden diese Tage durch die Lektüre der 140 MaschinenseitenBegründung des Beamten-Urteils des BVerfG vom 17. Dez.378 verdüstert, zumal ich kurz vorher Werner Webers379 Aufsatz: Das Richterrecht in der deutschen Verfassung (Göttinger Festschrift für Niedermeyer, S. 272) gelesen hatte.
23. Erwin von Beckerath an Carl Schmitt Brief 2 S. hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-1166
Hotel Bellevue, den 11.Sept.[1955] Hoch verehrter und lieber Herr Schmitt! Ich danke Ihnen von Herzen für die schönen Worte, die Sie über meinen Brinkmann-Aufsatz380 geschrieben haben. Sie erfreuten mich besonders, da 376 Academia Moralis war eine lose Vereinigung von Schülern und Bewunderern von Carl Schmitt. Vgl. Wilhelm Schmitz, Zur Geschichte der Academia moralis, in: Tommissen (Hg.), Schmittiana 4 (1994), S. 119–146. 377 Karl Maria Hettlage (1902–1995), habilitierter Jurist, im Nachlass von Schmitt befindet sich ein größerer Briefwechsel mit ihm. 378 Vgl. Anm. 256. 379 Werner Weber (1904–1976), Staats- und Verwaltungsrechtler, von Carl Schmitt 1930 promoviert.
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sie von Ihnen kommen, dessen Urteil ich so unendlich hoch schätze. Obwohl alles, was mit Humanität zusammenhängt, heute nicht sonderlich geachtet wird, so kann ich mich über die Resonanz dieses Vortrags nicht beklagen. Jecht381, Krauss, Dr. Wissler382, ein Schüler Brinkmanns, der das Konjunkturpolitische Institut in Berlin leitet, und andere haben mir über die Gedenkrede vor allem über C. B.’s Persönlichkeit recht schön geschrieben. Herr von Wiese hat geschwiegen. Offenbar geht sein Haß über das Grab hinaus. Ich kann mir kaum etwas Absurderes vorstellen. Ihre Worte umschreiben die wissenschaftliche Person und zugleich die besondere Schwierigkeit und tiefere Bedeutung dieses Nekrologs in gleicher Vollendung. Meine Frau und ich sind nur noch kurz in Baden-Baden, nachdem wir nach Durchführung einer Kur in Schuls-Tarasp und einigen herrlichen Tagen in Padua und Venedig auch noch in Lugano waren, das ich wegen seinen klaren Konturen besonders liebe. Dort habe ich vor fast 50 Jahren an einem Mai-Morgen zum ersten Male die südliche Landschaft gesehen. Ihre Bemerkungen über den Moselwein, die nur allzu wahr sind, erinnern mich daran, daß der Genuß an den [nicht lesbar] Weinen noch ganz ungetrübt ist, obwohl der technische Elan dort gewaltig erstaunt. Italia – so mag Gott es weiter wollen – absorbiert alles und wahrt seine Substanz. Die „Ballade“383 hat mir die tiefste und reinste Freude gemacht. Ein Hegelbuch (in irgendeinem jener Verlage, die uns mit billigen Büchern beglücken) wirkte auf mich wie die Frische des ersten Schöpfungstages. Haben Sie schon das Grauen an E. Vaugh’s Tod in Hollywood384 auf sich einwirken lassen? In der Hoffnung, uns bald in Godesberg zu sehen, e sempre di cuore, auch von meiner Frau, stets Ihr E. v. Beckerath
380 Vgl. Erwin von Beckerath, Carl Brinkmann, in: ders., Lynkeus (wie Anm. 265), S. 52–65 (zuerst in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 111, 1955). 381 Horst Jecht (1901–1965), Nationalökonom, ab 1930 / 34 Professor an der Universität Bonn, Nationalsozialist, ab 1949 an der Hochschule für Arbeit, Politik und Wirtschaft in Wilhelmshaven, ab 1951 wieder in Bonn. 382 Albert Wissler (1904–1957), Nationalökonom, Mitarbeiter beim Institut für Wirtschaftsforschung. 383 Carl Schmitt, Die Sub-Stanz und das Sub-Jekt. Ballade von reinen Sein, in: Gerd Giesler / Ernst Hüsmert (Hrsg.), Gedichte für und von Carl Schmitt (Plettenberger Miniaturen 4), Plettenberg 2011, S. 16–21. 384 Evelyn Waugh, Tod in Hollywood, Originalausgabe 1948, deutsche Übersetzung 1950.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
III. Friedrich Lenz 1. Friedrich Lenz an Carl Schmitt
Brief, 2 S., hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-8733
Bad Tölz, 16.11.23 Sehr geehrter Herr Professor! Durch die Übermittlung Ihrer Schrift: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus haben Sie mir eine wirkliche Freude gemacht. Was mir, abgesehen von dem tiefen Inhalt, besonders angenehm auffällt, ist die klare Sprache und das gute knappe Deutsch. Man findet das leider nicht immer bei unseren Gelehrten und besonders Juristen sind hier oft Sünder. Die Nachrichten über den Hitlerputsch385 haben Sie sicher mit Interesse verfolgt. Der ganze Verlauf ist für Bayern kein Ruhmesblatt. Was da alles an Verkennung und Unrecht zutage trat! Sonst verständige Leute, wie unsere gemeinsamen hiesigen Freunde,386 und ganz besonders Madame, schwelgten in bittersten Kränkungen für Kahr387 und hoben Hitler himmelhoch, erst allmählich legt sich die Erregung und verwandelt sich vielleicht das Urteil, die richtige Erkenntnis fehlt aber noch sehr Vielen. Sogar aufrichtige Anhänger Kahrs bedauern seine Haltung und tragen ihm den Schönheitsfehler nach, daß er Komödie spielen mußte.388 Der Schaden aber, den der Putsch angerichtet, wird noch lange nachwirken. Familie K.389 ist noch hier. Es geht ihnen gut, sie lassen Sie herzlich grüßen. Auch ich grüße Sie bestens Ihr ergebenster Dr. Lenz
385 Der
Hitlerputsch fand am 8. / 9.11.1923 in München statt. handelt es sich um die Familie Krause; vgl. Carl Schmitt, Der Schatten Gottes (wie Anm. 67), passim. Schmitt hat in seinen Tagebüchern den Hitlerputsch kaum vermerkt. „Nachricht vom Putsch in München, Ludendorff. Schrecklich aber ich dachte nur an Duschka …“ (ebd., S. 268). Schmitt spricht im selben Eintrag vom „Ludendorff-Putsch“, Hitler kommt nicht vor. 387 Gustav von Kahr (1862–1934), Regierungspräsident von Oberbayern, seit 1920 bayerischer Ministerpräsident und Generalstaatskommissar, ab 1923 diktatorische Vollmachten, beim Hitler-Ludendorffputsch spielte er eine zwiespältige Rolle und wurde 1934 im Rahmen des „Röhm-Putsches“ ermordet. 388 Zur Rolle Kahrs vgl. Karl Rothenbücher, Der Fall Kahr, Tübingen 1924. 389 s. Anm. 386. 386 Vermutlich
III. Friedrich Lenz221
2. Friedrich Lenz an Carl Schmitt
Brief, 1 S., hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-8734
Gießen, den 27. September 1927 z. Z. Genf, 9 rue d’Italie Hoch verehrter Herr Kollege. Für Ihre gütigen Zeilen vom 19. d. M. danke ich verbindlichst. Ich habe ihre Studie über den „Begriff der Politik“ sowie Ihre „Kernfragen des Völkerbundes“ gelesen und feststellen dürfen, dass mein vierwöchentlicher Aufenthalt in Genf Ihre Ansichten und meine Eindrücke von dieser Seite sich völlig hat angleichen lassen. Auch in der Beurteilung des politischen Liberalismus glaube ich meine Analyse der demokratisch-kapitalistischen Endformen der ihrigen verwandt. Zu meiner Freude lernte ich hier einen Ihrer Schüler, Referendar Wil ckens390 aus Bonn, kennen. In aufrichtiger Verehrung bin ich Ihr ganz ergebener Fried. Lenz
3. Vertraulich Berlin, 25.4.1933 Nationale Ziele und politische Bildung Vorschläge betr. Die Hochschule für Politik) 1. Die ökonomischen und außenpolitischen Aufgaben, welche der Nationalen Revolution bevorstehen, verlangen die Ausbildung einer politischen Elite (Sorel). Den Aufgaben des neuen Reiches in einer größtenteils feindlich gestimmten Umwelt entsprechend, sollte die außenpolitische Willensbildung im Mittelpunkt einer solchen Eliteschulung stehen. In dem Maße, wie Staat und NSDAP, Nation und nationale Bewegung sich integrieren, muss auch die politische Willensschulung eine Funktion der nationalen Diktatur werden. Die Umschaltung der bisherigen „Hoch390 Johann Heinrich Wilckens (1903–1962), Oberregierungsrat im Reichswirtschaftsministerium 1935–1939, danach aus politischen Gründen Wechsel zur Firma Gütermann in Gutach. Wilckens wurde 1928 von Schmitt mit der Dissertation „Die Entwicklung des Abrüstungsbegriffs“ promoviert. Er arbeitete 1927 im Völkerbundsekretariat. Vgl. Reinhard Mehring, Carl Schmitt (wie Anm. 1), S. 627.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
schule für Politik“ auf das Propagandaministerium und ihre Unterstellung unter einen Staatskommissar ist daher nur folgegerecht. Es liegt m. E. im Wesen sowohl der Forschung wie der Außenpolitik, dass sie im „totalen Staat“ (Carl Schmitt) geformt und in ihrer Dynamik durch ihn ausgerichtet werden; andererseits bleiben sie eigene Wertgebiete, im Erkennen wie im Handeln auf die nationale Haltung ausgerichtet. 2. Hieraus folgt als wünschenswert, dass die „Hochschule für Politik“, in ihrer besonderen hochschulpolitischen Aufgabe neugeformt, erhalten bleibe. Während die formale Neustrukturierung der Hochschule alleinige Aufgabe der hierfür zuständigen Amtsstellen sein muss, erscheint die Ernennung des Lehrkörpers und seiner Arbeitsweise als eine Angelegenheit von zugleich nationalem Ausmass. Ohne der formalen Abgrenzung der Aufgabengebiete vorzugreifen, erscheint es wesentlich, dass hier nicht „der falsche Mann am falschen Platze“ (wie Herr Minister Rust sagt) stehe und dann die Arbeitsweise den Aufgaben und Methoden einer lebendigen Erkenntnis- und Willensbildung angeglichen werde. 3. Wie weit beides bisher der Fall war, entzieht sich meiner genaueren Kenntnis. Wertvolles zu bewahren, wird auch hier die Aufgabe der neuen Hochschulpolitik sein. Jedenfalls aber fordern die objektiven Aufgaben des neuen Reiches, dass die hier zentralen Gebiete durch führende Persönlichkeiten zur Darstellung gelangen. Gewiss wird eine philosophische Grundlage erforderlich sein, die nicht an Kant’s Scheidung der „reinen“ von der „praktischen“ Vernunft anknüpft, sondern das Umschlagen der „Theorie“ in die „Praxis“, die immanente (dialektische) Bedingtheit des Handeln durch das Erkennen zum Bewusstsein bringt. Keinerlei lebendige Wissenschaft kann etwa mit den bisher herrschenden Fiktionen sich begnügen, nach denen eine angeblich „reine“ Theorie der „freien“ Volks- und Weltwirtschaft unverbunden neben der angeblich „praktischen“ Gestaltung des „besonderen“ deutschen Staats- und Wirtschaftslebens stand. Unerbittlicher Kampf gegen diese „liberalen“ Axiome einer vergangenen Zeit wird die politische Ökonomie in den Mittelpunkt jeder staatlich-wirtschaftlichen Schulung rücken müssen. Eine bloße, notwendig äußerliche Anpassung der liberalen „Schule“ (an der schon Friedrich List zerbrach) müsste das nationale und erst recht das sozialistische Gedankengut der heute herrschenden Partei verfälschen; sie wäre unfähig, die objektiven Aufgaben, die sich dem national-sozialistischen Staate stellen, auch nur zu sehen – geschweige denn zu lösen (Arbeitsbeschaffung, Ordnung des Außenhandels usw. Zum Grundsätz lichen darf ich hierfür auf meinen „Aufriss der Politischen Ökonomie“ verweisen; Cotta, 1927).
III. Friedrich Lenz223
Die grundsätzliche Einheit der Nation, als Wirtschafts-, Staats- und Rechtsgemeinschaft, muss also zum theoretischen Leitgedanken der neuen Hochschulbildung werden. Dass etwa jedem Wirtschaftsbegriff notwendig ein Rechtsbegriff entspricht, bedingt bereits die praktische Vereinigung staatsphilosophischer, historischer und politisch-ökonomischer Disziplinen an der neuen Hochschule. Die politische Geographie (GeoPolitik) und alle positiven Lehrgebiete (Statistik) sind dieser grundsätzlichen Einheit anzugliedern, während die reine „Gesellschaftswissenschaft“ (Soziologie) – ihrem liberalistisch-oppositionellen Standort gemäß – nur mit Vorsicht und stärkster Aussonderung hinzugenommen werden darf. Die begriffliche Einheit, zu welcher die Staatengesellschaft des internationalen Rechts mit dem internationalen Produktionsverhältnissen (der sogenannten Weltwirtschaft) und mit den Grossen Mächten im Sinne vom Ranke und Max Lenz verbunden ist, gibt jeder wahrhaften „Hochschule für Politik“ ihren abschließenden Rahmen. Alle völkischen und kulturellen Bestandteile unseres zu erneuernden Bildungsgutes sind demnach an dieser Stelle auf die „Staatswirklichkeit“ auszurichten (vgl. meinen „Staat und Marxismus“, 2. Aufl. Cotta 1922). 4. Es leuchtet nach dem Gesagten ein, dass eine solche inhaltliche Erneuerung des Gedankengutes zugleich eine personale Erneuerung grundsätzlich erfordert. Nur Männer, die innerlich der nationalen Bewegung im neuen Reich verhaftet sind, dürfen als Lehrer an einem solchen Mittelpunkt der Willens- und Erkenntnisbildung wirken. Ohne auf die formale Parteizugehörigkeit den entscheidenden Akzent zu legen, sollten die zuständigen Stellen bemüht bleiben, wirklich repräsentative Persönlichkeiten des wissenschaftlichen und politischen Deutschlands für die hier vorliegende Aufgabe zu gewinnen. Bei aller Ungunst, unter der gerade selbständige und eigenwillige Persönlichkeiten manchmal zu leiden hatten, fehlt es nicht an solchen, die im Kampf gegen bisher vorherrschende Anschauungen und damit in der Vorbereitung des neuen Reiches – auch ohne parteipolitisch sich zu binden, ja gerade zu der verpflichtenden Eingabe an den Staat als Forderung und Wirklichkeit – bewährt sind. Beispielweise sind mir die politischen Historiker Universitäts-Professor Adolf Rein391 – Hamburg und Universitäts-Professor Otto Westphal392 – 391 Adolf Rein (1885–1979), Historiker und Hochschulpolitiker, Rektor der Universität Hamburg, der dort die nationalsozialistische Gleichschaltung durchführte. Vgl. Arnt Goede, Adolf Rein und die „Idee der Politischen Universität“, Berlin 2008. 392 Otto Westphal (1891–1950), Historiker und NS-Wissenschaftspolitiker an der Universität Hamburg.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
Göttingen als ausgezeichnete Männer bekannt, die ihren Leistungen und Interessengebieten nach die Hochschule fördern würden. Unter den Staatsrechtlern steht Carl Schmitt – Köln voran. In der Wirtschaftswissenschaft herrschen die bisherigen liberalen Ansichten (z. T. in Zentrumsfärbung, wie bei Adolf Weber393 – München und Götz Briefs394 – Charlottenburg) noch fast ungebrochen. Für die hier skizzierten Aufgaben wären ausser Werner Sombart und (in ständisch-katholisierender Richtung) Othmar Spann395 – Wien – m.W. nur Schüler von Edgar Salin396 – Basel (der als jüdischer Abkunft (wohl [zunächst} [gestrichen] ausscheidet) – und des Unterzeichneten (ich habe mit meiner Schule (7 Wörter gestrichen) vierzehn Jahre von Gießen aus den Fragenkreis der Politischen Ökonomie behandelt) sowie auch mein Mitarbeiter in der „Friedrich-List-Gesellschaft“, Privatdozent Erwin Wiskemann397 – Marburg – neben jüngeren Fachgenossen ausdrücklich zu nennen. Ferner kämen Führer aus der n. s. Kampfpraxis in Betracht, falls sie sich als Dozenten nach einiger Zeit bewähren; gleiches gilt für praktische Statistiker, Auslandskenner und Führer von Arbeitskreisen aus den jüngeren Jahrgängen. Namen von allgemeinem Rang wie Ernst Jünger und Hans Schwarz398 (Moeller van den Bruck-Kreis399) seien ergänzend wenigstens genannt, und auf die Erneuerung unseres diplomatischen Nachwuchses im hochschulpolitischen Zusammenhänge hingewiesen. Die notwendigen Massnahmen sollen m. E. gegebenenfalls in Form von zeitweisen Lehraufträgen und Beurlaubungen, schon für dies Sommersemester ergriffen werden. Die nationale Revolution zeigt, mit den Zielen, auch den Weg. (gez.) Professor Friedrich L e n z 393 Adolf
1948.
Weber (1876–1963), Nationalökonom, Prof. in München von 1921–
394 Götz Briefs (1889–1974), Sozialphilosoph und Nationalökonom, Vertreter einer katholischen Soziallehre. 395 Othmar Spann (1878–1950), Nationalökonom, Vertreter einer Ständestaatstheorie. 396 Edgar Salin (1892–1974), siehe in diesem Band S. 54–77. 397 Erwin Wiskemann (1896–1941), Prof. für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn, Vertreter einer nationalsozialistischen Wirtschaftstheorie mit Großraumideologie. 398 Hans Schwarz (1890–1967), Schriftsteller und Lehrer, Gründer des Politischen Kollegs. 399 Volker Weiß, Moderne Antimoderne. Arthur Moeller van den Bruck und der Wandel des Konservatismus. Paderborn 2012. Stefan Breuer, Ordnungen der Ungleichheit – die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen. Darmstadt 2001.
III. Friedrich Lenz225
4. Friedrich Lenz an Carl Schmitt
(Brief, 2 S., hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-8735
Berlin-Wilmersdorf, Kaiserallee 54 4.5.1933 Lieber verehrter Herr Kollege, Ihr Fortgang400 aus Berlin beraubte mich der Freude, Sie über wissenschaftliche Fragen sprechen zu können. Der Sieg der national-soz. Revolution hat einen Streit, den ich seit 1919 ohne akademischen Erfolg mitkämpfte, gegen die sozialdemokratischen und wirtschaftsliberalistischen Lehren auf unseren Kathedern siegreich entschieden. Ich hoffe, dass die Bereinigung – trotz gelegentlicher Missgriffe – rücksichtslos weitergeführt wird, und ich habe mich mit meiner „Schule“ – meiner theoretisch-praktischen Grundhaltung entsprechend – der n. s. Bewegung zur Verfügung gestellt. Drei Denkschriften401, die ich heute der zuständigen Stelle übergeben kann, sende ich Ihnen auf Wunsch gerne zu. Sie betreffen den Einsatz der wirtwiss. Institute zu produktiver Arbeit, die Umschaltung des volkswirtschaftlichen Fachverbandswesens, die Begründung eines „Institut für Politische Ökonomie und deutsche Wirtschaftsordnung“ an der Universität Berlin. Die Neubildung eines akademischen Nachwuchses wird jetzt drängend. Die trostlose Lage meines Fachs hat hier Lücken hinterlassen, die alsbald aufgefüllt werden müssen! Sie selber haben wohl Schüler gebildet – wie Ihren Freiburger Privatdozenten402, den ich einmal in Berlin (Sie waren verhindert) hörte. Auch mein Bruder403, von dem jetzt ein Buch erscheint über „Demokratie und Diktatur im 17. Jahrhundert“, ist tätig. An HerrfahrdtGreifswald404 wird wohl auch gedacht; desgl. Emge405.
400 Schmitt lehrte im Sommersemester 1933 an der Universität Köln, kehrte dann aber nach Berlin zurück. 401 Vgl. die voranstehenden Schriften. 402 Zu Ernst Forsthoff s. Anm. 231. Forsthoff hatte sich nach seiner Promotion 1925 bei Carl Schmitt in Bonn bei Freiherr Marschall von Bieberstein in Freiburg habilitiert und begann seine Lehrtätigkeit im WS 1930 / 31. 403 Georg Lenz (1890–1969), Bruder von Friedrich Lenz, Staatsrechtler, Direktor des Amtsgerichts Hamburg. 404 Heinrich Herrfahrdt (1890–1969), Öffentlichrechtler, Prof. in Greifswald, ab 1933 in Marburg. Am 5.1.1931 schreibt Carl Schmitt in sein Tagebuch: „Nach dem Abendessen kam Herrfahrdt, scheußlicher Kerl, ob er nicht doch Jude ist?“; Carl Schmitt, Tagebücher 1930–1934 (wie Anm. 77), S. 76. 405 Zu Karl August Emge s. Anm. 335.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
In meinem engeren Fach ist, außer einigen meiner besten Schüler, nur mein Mitarbeiter bei der „Fried. List-Ges.“406, Wiskemann-Marburg, bekannt. Dann einige junge Fachgenossen und Spann mit seiner Schule. Sonst wüsste ich im Augenblick niemanden. Es wäre mir eine Freude, Sie einmal zu dieser Sache und Personalfragen zu sprechen. Nachdem das „System“407 mich 14 Jahre in Gießen festgehalten hat, sehe ich mich endlich vor Aufgaben gestellt und lerne Männer kennen, mit denen die Grundfragen sich erörtern lassen. Hier bilden sich Einsatzmöglichkeiten zu tätlicher Gemeinschaftsarbeit, bei denen Sie gewiss schon in erster Reihe stehen. Nächste Woche bin ich noch in Berlin. Sollten Sie inzwischen nicht in Berlin sein, so schreiben Sie mir vielleicht einige Zeilen, wie Sie die Lage in meinem Fach ansehen und wer sich hier aktivieren ließe? In bekannter Verehrung stets Ihr Fried. Lenz
5. Friedrich Lenz an Carl Schmitt
Brief, 4 S., hs. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-8736 / 1–3
Berlin-Wilmersdorf, Kaiserallee 54 11.5.1933 Sehr verehrter und lieber Herr Kollege, haben Sie herzlichen Dank für Ihren Brief vom 9. Mai. Gerne lege ich eine Denkschrift sowie eine Aufreihung über meine Personalien bei. Inzwischen bin ich, ohne Angabe irgendwelcher Gründe, in Gießen „bis auf weiteres“ beurlaubt worden.408 Die lokalen Ressentiments, die dem mindestens mit zugrunde liegen und die ein Jahrzehnt zurückreichen mögen, kann ich Ihnen nicht schildern. Ich lebte dort wie auf einer wissenschaftlichen Insel, mied den gesellschaftlichen Verkehr, hörte niemals selber von entstandenen Differenzen und bildete meine Schule aus, deren ca. 120 406 Vgl. Hermann Brügelmann, Politische Ökonomie in kritischen Jahren. Die Friedrich-List-Gesellschaft e. V. von 1925–1935, Tübingen 1956. 407 NS-Ausdruck für die Weimarer Republik. 408 Vgl. Helmut Berding, Friedrich Lenz (1885–1968), Nationalökonom, in: Hans Georg Gundel / Peter Moraw / Volker Press (Hrsg.), Gießener Gelehrte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Marburg 1982, S. 608 f.
III. Friedrich Lenz227
ehem. Doktoranden „durchweg“ rechts stehen und von denen allenfalls 2 oder 3, gegen meinen dauernden Rat, in dem lokalen Milieu hängengeblieben und mir durch aufreizende Kneipenreden geschadet haben mögen. Alte Generalstäbler, ein Pfarrer, ein n.s. Oberbürgermeister sind unter m[einen] Schülern; kein Demokrat, kein Kommunist, kein Jude, kein Centrumsanhänger und m[eines] W[issens] auch kein Sozialdemokrat. Sie kennen mich genug um zu wissen, dass ich als Professor seit 20 Jahren jetzt – im Fach isoliert und kaum offen, umsomehr wohl hinterrücks angegriffen – gegen alle liberalistisch-demokratische Lehren gekämpft und die Geschichte wie die Theorie der Politischen Ökonomie vom Staate aus begründet habe. Als ich im letzten Herbst eine wiss. Delegation nach Russland409 leitete, geschah es im engsten Einvernehmen mit allen unseren amtlichen Stellen hier und drüben. Für Planwirtschaft interessierte ich mich, soweit Besprechungen mit Sombart410, Nationalsozialisten und „Tat“–Leuten411 hierzu Gelegenheit gaben, die mich hinzuzogen. Im übrigen arbeite ich von 1914 bis heute an der wiss. Wiederentdeckung von Fried. List412, die meine Hauptaufgabe bildete. Ministerialdirektor Gerullis413 vom preuß. Kultusministerium, Graf Reventlow414 (dessen Mitarbeiter ich seit 1932 bin), Korv.-Kapitän Tholens415 von der wirtschaftlichen Reichsleitung der Partei; der n. s. Personalreferent 409 Vgl. ARPLAN (Arbeitsgemeinschaft zum Studium der Planwirtschaft in der Sowjetunion); Protokolle der Studienreise nach der Sowjet-Union vom 20. August bis 12. September 1932 (Als Handschrift vervielfältigt); s. auch Anm. 42. 410 Vgl. Werner Sombart, Was ist Planwirtschaft?, in: Die Wirtschaftswende 23 vom 1.6.1932. 411 Vgl. Ebbo Demant, Hans Zehrer als politischer Publizist, Mainz 1971, S. 29–79. 412 Neben seiner Tätigkeit in der Friedrich-List-Gesellschaft widmete sich Lenz der Biographie Friedrich Lists, die er 1936 unter dem Titel „Friedrich List. Der Mann und das Werk“ bei Oldenbourg in München veröffentlichte und die 1970 nachgedruckt wurde. 413 Georg Gerullis (1888–1945 / 1953), 1933 Ministerialdirektor und Leiter der Hochschulleitung im preußischen Kultusministerium, 1934 bis 1937 Prof. in Königsberg, ab 1937 Prof. für Baltische Philologie in Berlin, 1939–1945 Kriegsdienst, vermutlich 1945 erschossen, 1953 für tot erklärt. 414 Ernst Graf zu Reventlow (1869–1943), Offizier, Schriftsteller und nationalsozialistischer Politiker, ab 1934 Leiter der Deutschen Glaubensbewegung, ab 1937 im Beirat der Abteilung „Judenfrage“ des Reichsinstituts für Glaubensfragen des neuen Deutschland, Herausgeber der antisemitischen Zeitschrift „Der Weltkampf“. 415 Hermann Tholens (1882–1967), Leiter des Amtes für Arbeitsplanung und Arbeitsausbildung in der Reichsleitung des Reichsarbeitsdienstes, später Inspekteur, Obergeneralarbeitsführer, seit 1931 Mitglied der NSDAP.
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Korrespondenz mit Nationalökonomen und Soziologen II
des statist. Reichsamt Dr. Brandt416 kennen mich und stimmten m. W. mit meinen Ansichten völlig überein. Ich war zu wichtigen Aufgaben mit vorgesehen. Jetzt soll alles, mein Lebenswerk und meine wissenschaftliche wie persönliche Zukunft, von Gießen aus zerschlagen werden, wo ich Schüler aus verschiedensten Ländern um mich versammelt habe. Außerhalb Gießens galt ich vielfach als National-Sozialist; mit Moeller van den Bruck417 habe ich in Berlin 1917 / 20 gearbeitet; Rodbertus418, List, Adolph Wagner419 etwa sind meine geistigen Vorfahren. Mein Buch „Staat und Marxismus“ 1921 gab die erste positive Marxkritik; es ist eben ins Japanische übersetzt worden. Vom „Weimarer System“ wurde ich volle 14 Jahre in Gießen isoliert gehalten; meine „Geschichte der deutschen Sozialdemokratie“ hat schon 1924 diese Gegenwehr wissenschaftlich begründet. Aus alten Missverständnissen herauszufinden ist nicht einfach. Niemand der lokalen Gegner kennt mein Werk. Meine Schüler, die früher schon in der Partei waren, werden nicht gehört. Ich war wohl zu wenig Taktiker, fühlte mich nur der Wahrheit und der Nation verpflichtet – bin ja gegen den Young-Plan420 usw. aufgetreten, seitdem Versailles besteht. Ich möchte Sie weder bitten, noch irgendwie kompromittieren. Aber wenn Sie dazu beitragen könnten, etwa bei K[ultus].Minister Rust421 Ihre Ansicht hiezu, schriftlich oder mündlich, vorzutragen, wäre gerade Ihre Stimme nicht ohne Einfluss! Vielleicht auch in Darmstadt? Als alter Frontoffizier derart behandelt zu werden – um meine nationale Zuverlässigkeit kämpfen zu müssen, ist angesichts meiner Lebensarbeit und Herkunft etwas bitter. Ich bin für wissenschaftlichen Kampf geschaffen, aber nicht um für meine Person etwas geltend zu machen. Meine Programmschrift („Aufriss der Polit. Ökonomie“; Cotta 1927) steht der nat.soz. Denkungsweise außerordentlich nahe; aber wer hat Zeit sie zu lesen?
416 Dr. Brandt konnte nicht ermittelt werden, evt. Personalreferent des statistischen Reichsamts. 417 Arthur Moeller van den Bruck (1876–1925), Kulturhistoriker und nationalistischer Publizist. 418 Karl Rodbertus (1805–1875), Nationalökonom, Staatssozialist. 419 Adolph Wagner (1835–1917), Nationalökonom, Staatssozialist. 420 Vgl. Philipp Heyde, Das Ende der Reparationen. Deutschland, Frankreich und der Young-Plan 1929–1932, Paderborn 1998. 421 Bernhard Rust (1883–1945), von 1934–1945 Reichswissenschafts- und Erziehungsminister.
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Trotzdem bejahe ich die nationale Erhebung aus ganzem Herzen und war sogar von m. Freunden aufgefordert der Partei beizutreten, in der ich ausgezeichnete Männer eines neuen nationalen Typus kennen lernte. Ich wünschte die gegenwärtige Säuberung – gleich Ihnen – noch gründlicher! Wenn Missgriffe vorkommen, ist das heute begreiflich. In mir freilich wird ein Mann getroffen, dessen Kritik und eigene Bemühung nichts anderem gegolten hat, als der „nationalen Freiheit und sozialistischen Gerechtigkeit“, wie ein Minister neulich sagte. Wobei ich keineswegs „Staatssozialist“ in einem dogmatischstarren Sinne bin! Mein Bruder wohnt in Hamburg 20, Husumerstr. 4 (z. Z. Carlshafen an der Weser, Pension Wenck). Er verehrt Sie, wie ich, und wäre glücklich, seine Arbeiten und seine m. Erachtens starke Begabung für die Grundfragen des Staatsrechts einsetzen zu können. Niekisch422 hält sich jetzt m. W. abwartend. Bäumler423 kenne ich leider nicht, Rothacker424 sah ich in Berlin. Prof. Emge, der Jenaer Kurator, ist ein alter geschätzter Bekannter von mir. Spann stehe ich seit jeher nahe, ohne seine universalistische Anschauung voll zu teilen; Zwei meiner jetzigen Doktoranden waren auch seine Schüler. Ich war nicht nach Gießen gefahren, weil mir der dortige Kanzler es kürzlich widerriet, und hatte in Darmstadt425 mich zu mündlichem Bericht (nach meinem schriftlichen) zur Verfügung gestellt. Wollen Sie etwas tun um mich der Wissenschaft zu erhalten – außerhalb des Staates und der ihn lenkenden Partei gibt es im Einparteienstaat ja kein Leben – so verfügen Sie bitte ganz über diesen Brief; voraussichtlich fahre ich nächsten Montag nach Gießen und weiter nach Darmstadt, habe aber wenig Hoffnung von mir allein aus alle Missverständnisse zerstreuen zu können. In alter und aufrichtiger Verehrung stets Ihr Fried. Lenz
422 Ernst Niekisch (1889–1967). Schriftsteller und Politiker des Nationalbolschewismus. 423 Alfred Baeumler (1887–1968), Philosoph und führender Pädagoge im NS-Erziehungssystem, vgl. Reinhard Mehring (Hrsg.), Carl Schmitt im Gespräch mit Philosophen, in: Schmittiana NF II, 2014, S. 158–161. 424 Erich Rothacker (1888–1965), Philosoph und Soziologe, zunächst Mitglied der DVP, ab 1933 NSDAP, ab 1934 Mitglied der Akademie für Deutsches Recht (Ausschuss Rechtsphilosophie), Mitbegründer der philosophischen Anthropologie. 425 Darmstadt war der Sitz des Regierungsbezirks Darmstadt, zu dem Gießen gehörte.
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IV. Eduard Heimann 1. Eduard Heimann an Carl Schmitt Brief, 1 S. ms. m. U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-5840
Seminar für Nationalökonomie [und Kolonialpolitik (gestrichen)] Herrn Professor Dr. Carl S c h m i t t Handelshochschule Berlin
Hamburg, 20. Juni 1928
Hochverehrter Herr Kollege, Die sachliche und persönliche Anerkennung, welche Sie letzthin mündlich und schriftlich meinem Assistenten Dr. Siegfried Landshut426 gewähren, gibt mir den Mut, mich in Landshuts Interesse, aber ohne sein Zutun oder Wissen, mit einer grossen und dringenden Bitte an Sie zu wenden: nämlich mit der Bitte um ein etwas näher substantiiertes Urteil über Landshuts neueste Schrift,427 welche ich im Manuskript beilege. Den besonderen Anlass dieser Bitte glaube ich – aus Gründen des Fakultätsgeheimnisses – Ihnen nicht mitteilen zu dürfen, möchte nur erwähnen, dass nach der Ansicht einer Stelle, welche für Landshuts Laufbahn428 wichtig ist, die Arbeit „die notwendige Gründlichkeit vermissen lässt“,429 während diese Arbeit andererseits mir als eine hervorragende, im höchsten Grade aktuelle und gerade durch ihre Kürze schlagende Leistung erscheint. Unter diesen Umständen liegt es nahe, die zur Zeit höchste Autorität auf dem von Landshut bearbeiteten Feld des Funktionswandels der politischen Begriffe um eine gutachtliche Aeusserung zu bitten. Ich wäre besonders dankbar, wenn ich Ihre Aeusserung bis zur Mitte der nächsten Woche etwa erhalten könnte und wenn diese Aeusserung auf die angedeutete Kontroverse in keiner Weise Bezug nähme, sondern lediglich über die Landshutsche Arbeit selber spräche. Mit der Bitte, die ungewöhnliche Zumutung im Interesse des Herrn Dr. Landshut, aber auch der Wissenschaft freundlichst verzeihen zu wollen, verbleibe ich 426 Siegfried Landshut (1897–1968), Begründer der Politikwissenschaften in Deutschland, vgl. Rainer Nicolaysen, Siegfried Landshut. Die Wiederentdeckung der Politik. Eine Biographie, Frankfurt / M. 1997. 427 Siegfried Landshut, Kritik der Soziologie, Berlin / Leipzig 1929. 428 Es handelt sich um die gescheiterte Habilitation. 429 Gutachten von Andreas Walther (1879–1960), Soziologe, Prof. in Hamburg 1926–1944.
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Mit ausgezeichneter Hochachtung Ihr ganz ergebener E. Heimann 2. Carl Schmitt an Eduard Heimann Brief / Abschrift 1 S. ms. M.U. LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-13075
Berlin, den 25. Juni 1928 Sehr verehrter Herr Kollege, Ihre Frage nach meiner Ansicht über die wissenschaftlichen Qualitäten von Herrn Dr. Landshut beantworte ich gerne, so gut ich – auf Grund der Lektüre seines Aufsatzes „über einige Grundbegriffe der Politik“430 und des Manuskriptes über die „ursprüngliche Fragestellung zur sozialen und politischen Problematik“431 – dazu imstande bin. In beiden Arbeiten sehe ich die Äußerung einer ungewöhnlichen Begabung, in der sich eine große theoretische Fähigkeit mit einem starken Sinn für das Konkrete verbindet. Dadurch ist es dem Verfasser möglich, das schwierige und verwirrte staatstheoretische Problem zu fassen. Eine Unterscheidung wie die vom Staat als Allmacht und als Ausgleichsinstanz trifft in prägnanter Klarheit die beiden entscheidenden Begriffe, die sich in der Staatstheorie der bürgerlichen Gesellschaft vom Staate bilden. Allerdings beschränkt sich [die] wissenschaftliche Leistung (wenigstens in den genannten beiden Arbeiten) auf eine Verbindung eines ausgezeichneten, treffenden Apercus mit einer scharfsinnigen Kritik der Meinungen oder Systeme. Es fehlt eine systematische Darstellung des eigenen Standpunktes und an manchen Stellen eine Auseinandersetzung mit der bisher vorliegenden Literatur. Was das erste angeht, so scheint mir die Art der Fragestellung und der „Ansatz“ stets auf systematisch Wesentliches zu gehen; von einem Fehlen des systematischen Sinnes kann nicht die Rede sein; eine [eigene] [gestrichen] ausgeführte Darlegung der eigenen Thesen wird man bei systematisch derartigen Problemen von einem jungen Gelehrten billigerweise nicht ver430 Siegfried Landshut, Über einige Grundbegriffe der Politik, in: Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik 53, 1925, S. 36–86 (auch in: ders., Kritik der Soziologie und andere Schriften zur Politik, Neuwied / Rhein / Berlin 1969, S. 261– 305. 431 Die Habilitation für das Fach Politik wurde am 2.5.1928 unter dem Titel „Untersuchungen über die ursprüngliche Fragestellung zur sozialen und politischen Problematik“ eingereicht. Vgl. Rainer Nicolaysen (wie Anm. 426), S. 94.
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langen. Dagegen empfinde ich es als einen Mangel, daß an manchen Stellen jede Erörterung oder auch nur Erwähnung der zum Thema vorliegenden Literatur fehlt und auf eine methodische Dokumentierung, wie sie sonst nach der akademischen Tradition üblich [ist] [gestrichen] wäre, verzichtet ist. Die Darlegungen über Marx (S. 64 des Manuskripts)432 z. B. begnügen sich zu einer vielerörterten Frage mit einigen wenigen Quellen-Zitaten und ignorieren nicht nur die zum Teil oberflächliche umfangreiche Literatur zum Marx-Hegel-Problem, sondern auch eindringliche Untersuchungen. Ferner: ein ausführlicher Aufsatz von Götz Briefs „Zur Geltung sozialer Grundprinzipien“ (Band 50 des Arch. SozWiss.)433 wird ohne erkennbaren Grund beiseitegelassen, an anderer Stelle wieder eine ganz anfängerhafte Dissertation wie die von Unruh434 erwähnt; ein ganz vortrefflicher soziologisch und historisch wertvoller und interessanter Aufsatz wie der von Werner Wittich in der Erinnerungsgabe für Max Weber,435 wird wegen seines allerdings unglücklichen Titels mit einer wegwerfenden (S. 11) Geste behandelt, die den Verdacht naheliegt, daß der Autor nur den Titel kennt, usw. Das sind zweifellos Mängel der Arbeit, aber, wie mir scheint, keine konstitutionellen Fehler, sondern leicht heilbare Schäden. Die eigene Fragestellung des Autors, seine Kritik wie seine Ergebnisse beweisen seine wissenschaftliche Produktivität und legitimieren ihn als echten Gelehrten.436 Ich bin, sehr verehrter Herr Kollege, in ausgezeichneter Hochachtung Ihr ganz ergebener gez. Carl Schmitt
432 Landshut,
Kritik, Ausg. 1969 (wie Anm. 430), S. 55 ff. Briefs, Zur Kritik sozialer Grundprinzipien, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 49 / 1, 1922, S. 1–53. Vgl. auch Landshut, Kritik (wie Anm. 430), S 25. 434 Adalbert von Unruh, Dogmenhistorische Untersuchungen über den Gegensatz von Staat und Gesellschaft vor Hegel, Leipzig 1928. 435 Werner Wittich, Der soziale Gehalt von Goethes Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“, in: Melchior Palyi (Hrsg.), Hauptprobleme der Soziologie. Erinnerungsgabe für Max Weber, Bd. 2, München / Leipzig 1923, S. 278–306. 436 In seinem Tagebuch notiert Schmitt am 2.11.1928 eine Begegnung mit Siegfried Landshut: „… dann kam Landshut von Hamburg, den ich überflüssigerweise zum Abendessen eingeladen hatte, etwas frech und anmaßend. Wir aßen zusammen zu Abend, tranken , er ging gegen 10 Uhr. Ich war müde. Er ist übrigens Straßburger, dummerweise gab ich ihm eine Empfehlung an Wittich.“ (Veröff. in Vorber.). 433 Götz
Briefwechsel Moritz Julius Bonn – Carl Schmitt 1919–1932 Herausgegeben von Jens Hacke Der aus einer Frankfurter Bankiersfamilie stammende Nationalökonom Moritz Julius Bonn (1873–1965) stand zur Zeit der Weimarer Republik in enger Verbindung mit Carl Schmitt.1 Bonn und Schmitt dürften sich um 1918 / 19 in München kennengelernt haben; der Kontakt könnte auch über den gemeinsamen Bekannten Eduard Rosenbaum hergestellt worden sein. Bald wurde Bonn zu einem der wichtigen Mentoren Schmitts, auch weil er ihm jeweils zu einer Anstellung an der Münchener wie an der Berliner Handelshochschule verhalf, und es entwickelte sich offenkundig eine freundschaftliche Beziehung. Bonn beriet Schmitt in Berufungsfragen, gab Hilfestellungen für das gesellschaftliche Parkett in Berlin und kannte die privaten Sorgen des jüngeren Kollegen. Von dieser – vor allem in späteren Berliner Jahren – nicht spannungsfreien Freundschaft gibt der (lückenhaft überlieferte) Briefwechsel nur einen sporadischen Eindruck. Einige Briefe sind nicht überliefert, und der alltägliche Umgang in den gemeinsamen Berliner Jahren an der Handelshochschule führte dazu, dass sich die Korrespondenz auf Dienstliches beschränkte. Schmitts Tagebücher der 1920 / 30er Jahre dokumentieren die Nähe der beiden. Von Bonn unbemerkt blieben offenkundig Schmitts antisemitische Seiten, die dessen Verhältnis zu Bonn heftigen psychischen und emotionalen Schwankungen unterwarf. Zum Ende der Weimarer Republik häufen sich im Tagebuch Schmitts Ausfälle gegen den Juden Bonn.2 Der diplomatieerfahrene, weltgewandte und kosmopolitische Liberale verkörperte einen Typus, der Schmitt intellektuell faszinierte und ihm gleichzeitig, wie anderen antiliberalen, zumeist antisemitischen Parteigängern einer 1 Zu Bonn vgl. Patricia Clavin, A ‚Wandering Scholar‘ in Britain and the USA, 1933–1945. The Life and Work of Moritz Bonn, in: Anthony Grenville (Hrsg.), Refugees from the Third Reich in Britain, Amsterdam / New York 2003, S. 27–42; Jens Hacke, Moritz Julius Bonn – Liberale Krisendiagnostik in der Weimarer Demokratie, in: Moritz Julius Bonn, Zur Krise der Demokratie. Politische Schriften in der Weimarer Republik 1919 bis 1932, hrsg. von Jens Hacke, Berlin 2015, S. 1–38. 2 Carl Schmitt, Tagebücher 1930 bis 1934, hrsg. von Wolfgang Schuller in Zusammenarbeit mit Gerd Giesler, Berlin 2010.
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Moritz Julius Bonn – Carl Schmitt
Konservativen bzw. nationalen Revolution, so verhasst war. Schmitts Ambivalenz gegenüber Bonn blieb auch nach dem Bruch der Verbindung 1932 / 33 bestehen. So notierte er noch nach Bonns Gang ins englische Exil Angsträume, in denen dieser auftauchte, und auch im Glossarium finden sich Bemerkungen über den ehemaligen Freund, mal als „guten alten Moritz“, mal als „Moju“, der das Messer zum Ritualmord wetze.3 Vor allem ging das decouvrierende Charakterporträt, das Bonn in seinen Memoiren von Schmitt zeichnete, nicht spurlos an Schmitt vorbei. „Wie alle schwachen Gemüter“ habe Schmitt zum Ende der Weimarer Republik „nach der befreienden Tat“ gelechzt, schrieb Bonn – „ob Tat oder Untat war ihm schließlich einerlei“. Nach dem Untergang des Nationalsozialismus reue ihn „der Mißerfolg der Untaten, deren Begehung er unterstützt hat, nicht die Untat selbst. Er rechtfertigt sich, wo er sich schämen sollte, und er schwelgt in Klagen, wo er schweigen müßte. Wissen ersetzt ihm das Gewissen.“4 – Einen Kontakt dürfte es zwischen den beiden nach 1933 nicht mehr gegeben haben. In der Forschung taucht Moritz Julius Bonn als Randfigur immer wieder auf. Schon 1986 wies Armin Mohler die Teilnehmer der Schmitt-Tagung in Speyer darauf hin, dass Bonn als einer der wichtigsten Gesprächspartner des Staatsrechtlers bislang übersehen worden sei und „dass das Verhältnis von Moritz Julius Bonn und Carl Schmitt ein fruchtbares Dissertationsthema wäre“. Aus Mohlers Sicht war Bonn für Schmitt aus drei Gründen interessant: erstens als Finanzfachmann, zweitens als ausgezeichneter Kenner der angelsächsischen Welt und drittens aufgrund seiner hervorragenden gesellschaftlichen Verbindungen. „Das waren drei Gebiete, mit denen Schmitt nicht sonderlich vertraut war. So wie wir ihn kennen, hat er tagelang, wochenlang im Gespräch aus Bonn alles herausgepumpt, was ihm selbst an Kenntnissen und Erfahrungen aus jenen Gebieten fehlte.“5 Nachvollziehbar ist in erster Linie, wie Schmitt als Protegé von Bonns Beziehungsnetz profitierte. In fachlicher Hinsicht sind die Gemeinsamkeiten kaum zu greifen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern Schmitt Bonns nationalökonomische Schriften oder seine Studien zu Amerika überhaupt zur Kennt3 Carl Schmitt, Glossarium. Aufzeichnungen aus den Jahren 1947 bis 1958. Erweiterte, berichtigte und kommentierte Neuausgabe, hrsg. von Gerd Giesler und Martin Tielke, Berlin 2015, S. 301, 304, 319. 4 Moritz Julius Bonn, So macht man Geschichte. Bilanz eines Lebens, München 1953, S. 331. Carl Schmitt glossierte sein Exemplar auf dem Titelblatt „So verwertet man Geschichte. Verkaufs-Bilanz eines Lebens“, vgl. Martin Tielke, Carl Schmitt aus der Nähe betrachtet. Zeugnisse von Weggenossen (Plettenberger Miniaturen 6), Plettenberg 2013, Abb. in der Umschlagklappe. 5 So Armin Mohler in der Aussprache über das Referat von Ernst-Rudolf Huber in: Helmut Quaritsch (Hrsg.), Complexio Oppositorum. Über Carl Schmitt. Vorträge und Diskussionsbeiträge des 28. Sonderseminars 1986 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1988, S. 69.
Briefwechsel 1919–1932
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nis genommen hat,6 und im Politischen konnten die Standpunkte kaum unterschiedlicher sein. Aufschlussreich ist vor allem Bonns Auseinandersetzung mit Schmitts Parlamentarismuskritik.7 Der sachliche Dissens trat hier offen zutage, beeinträchtigte aber keineswegs den freundschaftlichen Umgang, obgleich die im Briefwechsel diskutierten und eng miteinander verwobenen Hauptschriften – Schmitts „Geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“ (1923 / 26), Bonns „Die Auflösung des modernen Staats“ (1921) sowie „Die Krisis der europäischen Demokratie“ (1925) – in einem diametralen Gegensatz zueinander stehen. Bonn erweist sich hier als der offenere und diskussionsbereite Gesprächspartner, der dem jüngeren intellektuelle Brillanz konzediert, aber die praktischen Vorzüge parlamentarischer Politik gegen den theoretischen Rigorismus Schmitts verteidigt und den Empfänger mit Argumenten überzeugen möchte. Schmitt hingegen flüchtet sich in allgemeine Höflichkeitsfloskeln und wiegelt eine eingehendere Diskussion ab.8 Die zunehmenden politischen Differenzen, begleitet von Schmitts Berufung nach Köln, hinterlassen in den wenigen erhaltenen Briefen keine sichtbaren Spuren. Auch hier ist es Bonn, der das freundschaftliche Verhältnis zu retten suchte, ihn in sein österreichisches Sommerhaus einlud, während Schmitt nunmehr darauf verzichtete, seine Motive und Pläne offen zu besprechen. In seinen Memoiren schilderte Bonn den Prozess einer Entfremdung, und seine offen bekannte Enttäuschung über Schmitt macht es wahrscheinlich, dass Bonn dessen Übertritt ins Lager der Nationalsozialisten weder voraussah geschweige denn für möglich gehalten hatte.9 Zwar konnte ihm nicht verborgen geblieben sein, in welchen rechtsintellektuellen 6 Wegen Carl Schmitts Interesse am irischen Freiheitskampf hat er vermutlich das Werk Moritz Julius Bonn, Irland und die irische Frage, Berlin 1919 gelesen; vgl. Piet Tommissen in: Quaritsch, Complexio (wie Anm. 5), S. 87 f. Laut der Zusammenstellung der Schmitt-Bibliothek auf der Seite der Carl-Schmitt-Gesellschaft (www.Carl-Schmitt.de) besaß Schmitt frühe Bücher von Bonn. 7 Dies hat bereits gesehen Ernst Nolte, Vierzig Jahre Theorien über den Faschismus, in: ders. (Hrsg.), Theorien über den Faschismus, 3. Aufl., Köln 1972, S. 15–75, hier S. 48 f. 8 Zur Debatte um die Grundlagen des Parlamentarismus zwischen Bonn und Schmitt vgl. Jens Hacke, Moritz Julius Bonn – ein vergessener Verteidiger der Vernunft. Zum Liberalismus in der Krise der Zwischenkriegszeit, in: Mittelweg 36, Jg. 17, 2010, Heft 6, S. 26–59, hier S. 35–46. 9 Bonn überliefert die Entfremdung der beiden folgendermaßen: „Wenige Wochen, bevor Adolf Hitler an die Macht kam, hatte Schmitt einen Ruf nach Köln erhalten. Er begründete die Annahme damit, dass er glaube, es sei besser für ihn zu gehen, nachdem unsere politischen Ansichten nicht mehr übereinstimmten. ‚Das ist doch kein Grund‘, sagte ich ihm, ‚Sie wissen, ich bin ein altmodischer Liberaler. Ich verbrenne keine Ketzer. Ich überlasse sie den Qualen ihres schlechten Gewissens.‘ Er wußte keine Antwort hierauf.“ Bonn, So macht man Geschichte (wie Anm. 4), S. 331.
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Moritz Julius Bonn – Carl Schmitt
Milieus Schmitt sich bewegte – alles Kreise, die Bonn geringschätzte –, aber die Geschwindigkeit, mit der Schmitt sich den nationalsozialistischen Machthabern andiente, muss ihn zutiefst verstört haben.10 1. M. J. Bonn an C. Schmitt
maschinenschriftlich LAV NW, Abt. Rheinland, RW 265-2971
München, den 21. August 1919 Ludwigstr. 4 Sehr geehrter Herr Kollege, Nur ein Wort, um Ihnen zu sagen, daß Ihre Ernennung mit einem Gehalt von Mk. 6000,– (pensionsfähig) glatt durchgegangen ist. Hoffentlich bleiben Sie also hier.11 In Eile herzlichen Gruß Ihr sehr ergebener MJ Bonn 2. M. J. Bonn an C. Schmitt
maschinenschriftlich, mit handschriftlichem Postscriptum [nicht vollständig entzifferbar] RW 265-537
Berlin, 20. Januar 1920 Matthäi Kirchstr. 33 Sehr geehrter Herr Kollege, Vielen Dank für Ihr Schreiben, über das ich mich sehr gefreut habe. Ich glaube, es wird nicht schwer sein, Sie von Greifswald zu erlösen. Es besteht die Absicht an der hiesige Hochschule für Politik 4 ordentliche Professuren zu errichten, darunter eine für Geschichte der politischen Ideen und Verfassungsfragen. Für diese Professur hat man in erster Linie an Sie gedacht. Wenn Sie bereit dazu sind, grundsätzlich natürlich nur, schreiben Sie mir 10 Vgl. Stefan Breuer, Carl Schmitt im Kontext. Intellektuellenpolitik in der Weimarer Republik, Berlin 2012. 11 Schmitt lehrte rund zwei Jahre, vom 1. September 1919 bis zum 30. September 1921 als Privatdozent an der Münchener Handelshochschule. Siehe dazu Reinhard Mehring, Carl Schmitt. Aufstieg und Fall. Eine Biographie, München 2009, S. 115 f.
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ein paar Worte nebst Ihren Wünschen. Die Sache lässt sich, glaube ich, ohne weiteres machen. Ihr sehr ergebener Dr. MJ Bonn P.S. Die Professoren sollen so gestellt sein wie die Ordinarien der hiesigen Universität: Meinecke hat Sie vorgeschlagen, […] lebhaft unterstützt. 3. M. J. Bonn an C. Schmitt
maschinenschriftlich, gedruckter Briefkopf „Prof. Dr. M. J. Bonn“, mit handschriftlicher Notiz von Schmitt an Ludwig Feuchtwanger. Verlagsarchiv Duncker & Humblot, Mappe: Schmitt, Diktatur
Berlin, den 8.12.1921 Matthäi Kirchstr. 33 Sehr verehrter Kollege! Es ist sehr schade, dass ich Sie verfehlt habe. Hoffentlich haben wir das nächste Mal mehr Glück. Palyi12 sagt mir, Sie hätten mir Ihre „Diktatur“ geschickt. Ich habe sie nie bekommen.13 Ihr sehr ergebener MJ Bonn 4. C. Schmitt an M. J. Bonn handschriftlich BA Koblenz NL 1082 / 49
Greifswald, 5.3.1922 Sehr verehrter Herr Professor Bonn, heute vor 8 Tagen war ich bei Ihnen und Sie hatten die rührende Güte, mich in meiner Krankheit wie ein erfahrener und menschenfreundlicher Seelsor12 Melchior Palyi (1892–1970), liberaler Ökonom jüdischer Herkunft, den Schmitt bereits aus seiner Münchener Zeit an der dortigen Handelshochschule kannte. Palyi fungierte auch als Herausgeber der „Erinnerungsgabe für Max Weber“ (1923), zu der Schmitt drei Kapitel seiner Politischen Theologie beitrug. Er emigrierte 1933 über England in die USA. 13 Schmitt leitete diesen Brief an seinen Lektor bei Duncker & Humblot, Dr. Ludwig Feuchtwanger, mit der Bitte weiter, Bonn ein Exemplar des Buches zu senden.
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Moritz Julius Bonn – Carl Schmitt
ger zu behandeln. Ich kann Ihnen nicht dafür danken wie man für irgend eine Gefälligkeit dankt, aber ich möchte Sie doch bitten, mich nicht für so oberflächlich zu halten, dass ich es Ihnen vergessen könnte. Mit aufrichtigen Wünschen und Grüßen bleibe ich Ihr stets ergebener Carl Schmitt
5. C. Schmitt an M. J. Bonn handschriftlich BA Koblenz NL 1082 / 49
Bonn a. Rh., den 16.6.1922 Meckenheimer Allee 45 Sehr verehrter Herr Professor Bonn, ich wende mich heute an Sie in einer traurigen Angelegenheit und bitte Sie vor allem um Diskretion, auch unseren gemeinsamen Bekannten gegenüber. Sie würden mich zu großem Dank verpflichten, wenn Sie Ihre kroatischen Verwandten, von denen Sie mir einmal erzählten, bitten würden, sich nach der Familie Dorotic aus Stabica oder Agram zu erkundigen.14 Ich habe durch das Konsulat nichts erfahren können, kann auch keine nähere Adresse angeben. Ich versuche gleichzeitig, durch das S. H. S. Konsulat in Düsseldorf etwas zu erfahren. Eine weitere schriftliche Explikation des Anlasses meiner Bitte wollen Sie mir gütig erlassen. Wenn wir uns einmal wieder begegnen, was ich von Herzen wünsche, erzähle ich Ihnen mündlich davon. Hoffentlich geht es Ihnen gut und hat Ihre Arbeit Erfolg. Wegen der Unterbrechung, die Ihnen dieser Brief vielleicht verursacht, bitte ich um freundliche Entschuldigung. In Bonn ist es jetzt prachtvoll. Alles, Vorlesungen, Übungen usw. hat den besten Erfolg, sodaß ich sehr zufrieden sein könnte, wenn nicht die traurigen Familienverhältnisse mich lähmten. Aber zum Glück ist hier, trotzdem die Universität Bonn als borussischer Vorposten gedacht war, die Sonne 14 Bonn muss sich tatsächlich (vergeblich) darum bemüht haben, Erkundigungen über Schmitts erste Ehefrau Pauline Carita Dorotic (1882–1968) einzuholen, denn der Eingang zweier Briefe wird von Schmitt im Tagebuch erwähnt. Sie sind aber nicht überliefert. Siehe Carl Schmitt, Der Schatten Gottes. Introspektionen, Tagebücher und Briefe 1921 bis 1924, hrsg. von Gerd Giesler, Ernst Hüsmert und Wolfgang H. Spindler, Berlin 2014, S. 104, 117.
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einer tausendjährigen Zivilisation und Humanität immer noch am Leuchten; sodaß ich wenigstens noch atmen kann. Ich möchte gern einmal am Rhein mit Ihnen einen langen Spaziergang machen. Mit den besten Grüßen und aufrichtigem Dank bleibe ich, wie immer, Ihr ergebener Carl Schmitt 6. M. J. Bonn an C. Schmitt maschinenschriftlich RW 265-1937
Berlin, 5. Mai 1924. Landgrafenstr. 6. Herrn Prof. Dr. Carl Schmitt, Bonn. Endenicherallee 20. Lieber Herr Kollege, von Palyi höre ich eben, dass Sie ihm geschriebene haben. Ich war bei Ihrem letzten Besuch in Berlin, wie Sie wissen, gerade im Umzug. Ich habe versucht, Sie telefonisch zu erreichen. Ehe ich aber erfuhr, dass das nur unter einer Geheimnummer möglich war, waren Sie bereits abgereist. Ich habe das sehr bedauert, denn ich hätte gern vieles mit Ihnen besprochen. Ich habe Ihre kleine Schrift mit dem grössten Interesse gelesen.15 Ich bin allerdings nicht in jeder Beziehung Ihrer Meinung. Ich glaube das Problem ist wesentlich komplizierter, als Sie es darstellen. Aber in allen diesen Fragen kommt es ja darauf an, dass man ein Problem sieht und zu ihm Stellung nimmt; dann können die anderen Leute sich ja weiter mit ihm auseinandersetzen. Ich glaube, die Dinge gehen viel tiefer. Der Krieg ist doch in letzter Linie ein Zusammenprall zwischen Naturrecht, beziehentlich Naturgesetzlichkeit und Relativismus, Historismus und ut aliquid fieri videatur Diktaturhuberei gewesen. Das erste Ergebnis ist gewesen, dass das Naturrecht überall gesiegt hat. Dann kam die gewaltige Weltkrise, in der wir heute leben, und mit Vernunft und Gesetzmässigkeit war die Sache nicht mehr in die Reihe zu bringen. In den Ländern, die davon am meisten betroffen werden, wie in Deutschland, wartet man infolgedessen auf ein Wunder. Es entspricht ganz der deutschen Mentalität, wie sie durch die preussische Hegemonie geworden ist, dass man sich bei uns den Messias in Kürassier15 Hier handelt es sich wohl um Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, Berlin 1923.
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Moritz Julius Bonn – Carl Schmitt
stiefeln mit aufgewichstem Schnurrbart vorstellt. Sie haben mir einmal mit vollem Recht gesagt, der französische Nationalismus trage Erdgeruch. Das ist völlig richtig. Der deutsche ist dem gegenüber, in seiner eigenen Sprache zu reden, „stämmlich“. Was mich an der ganzen Sache amüsiert, ist, dass die Diktaturherrschaften usw. in ihrem Antisemitismus über das Alte Testament nicht hinauskommen. Ihr Wotan-Gottvater ist eigentlich nichts anderes als Jehova mit einem blonden Bart, minus des Geistigen und der Weltgesetzlichkeit, ein Jehova, der weder allwissend noch allmächtig ist, sondern der von Zeit zu Zeit einen Wutanfall bekommt.16 Verzeihen Sie diese Frivolitäten, aber Sie sind einer der wenigen Menschen, die sie ja verstehen. Ich arbeite eben sehr stark an dem Problem dieser Krise, die sich ja nicht auf Deutschland beschränkt.17 Ich hoffe, es wird dabei etwas herauskommen, das mich wahrscheinlich nicht populär machen wird, von dem ich aber hoffe, dass es Leute wie Sie anregen wird. Herzlichen Gruss Ihr sehr ergebener MJ Bonn
7. M. J. Bonn an C. Schmitt
maschinenschriftlich (Durchschlag) BA Koblenz NL 1082 / 50
Berlin, 11. Juni 1926 Landgrafenstr. 6 Herrn Prof. Dr. C. Schmitt Bonn Lieber Herr Schmitt, Vielen Dank für Ihre freundliche Sendung, die ich mit grossem Vergnügen gelesen habe, insbesondere auch die rot angestrichenen Stellen.18 16 Bonn benutzte das Bild vom Jehova nachgebildeten germanischen Stammgott mit blondem Bart wiederholt. Vgl. etwa Moritz Julius Bonn, Die Psychologie des Nationalsozialismus. Seine Wurzeln und sein Weg (1931), in: ders., Zur Krise der Demokratie (wie Anm. 2), S. 249–258, hier S. 253. 17 Hinweis auf Moritz Julius Bonn, Die Krisis der europäischen Demokratie, München 1925. 18 Schmitt hat Bonn vermutlich die zweite Auflage seiner Schrift über „Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“ (Berlin 1926) zugesandt. In der neu verfassten 18seitigen Vorbemerkung setzt sich Schmitt mit Bonns Krisis-Schrift kritisch auseinander.
Briefwechsel 1919–1932
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Was meine Definition des Parlamentarismus als Methode des Verhandelns betrifft, so bin ich trotz Ihrer Ausstellungen unbekehrt. Selbstverständlich wird nicht nur in den Parlamenten diskutiert. Ich betone ja ausdrücklich, dass die Anhänger der Diktatur auch diskutieren wollen, weil einmal die Geschwätzigkeit zum Wesen des Menschen gehört. Die parlamentarische Diskussion ist aber nicht nur eine Diskussion, die den Gegner von der Unrichtigkeit seiner Auffassung überzeugen sucht, sondern sie ist eine Diskussion, deren Zweck ein ab- und zugeben ist, ein verhandeln [sic! Alles kleingeschrieben, J. H.]. Ihr Gegensatz ist die einseitige Anordnung. In meiner englischen Ausgabe ist der Obertitel „Government by Conference“ und der Gegensatz ist „Government by Violence“.19 So ist schliesslich auch der Parlamentarismus entstanden. Denn darüber sind wir einig, dass er mit Demokratie nicht identisch ist. Die grossen Barone, die in Runnymede mit dem König Johann verhandelten, haben nach dem Satze „No taxation without representation“ gehandelt, d. h. Du darfst deine Hand nicht in meine Tasche strecken, ehe wir über Zweck, Verwendung und Umfang der Gelder geredet haben.20 So sehr ich das Ideologische im Parlamentarismus und anderen Institutionen anerkenne, und dadurch unterscheide ich mich nicht sehr stark von Ihnen, so klar bin ich mir über den engen Zusammenhang, den es immer im Parlamentarismus zwischen Ideologie und Interessen gegeben hat, insbesondere in Steuerfragen. Die zwei Kaufleute, von denen Sie sprechen, handeln durchaus ähnlich wie die Parlamente in den gloriosen Zeiten des alten Parlamentarismus. Was den Pluralismus betrifft, so haben Sie mich, glaube ich, missverstanden. In der Homogenität sind wir einig. Ich habe im Gegenteil im einzelnen systematisch auszuführen gesucht, welcher Art die Probleme der Demokratie sind und welches die Methoden ihrer Lösung sind. Nur im Vorübergehen möchte ich bemerken, dass kein Engländer das britische Reich als Demokratie bezeichnet. Es setzt sich zusammen aus einer Anzahl Demokratien und einer geographisch verteilten Autokratie. Was in Indien heute vorgeht, zeigt das ja deutlich genug. Der Pluralismus, von dem ich spreche, ist nicht eine Vielheit von Gruppen, sondern in Anlehnung an die englische Literatur – das Wort Pluralismus stammt nicht von mir, sondern ist vor allen Dingen von Laski21 in die Diskussion geworfen worden – eine geteilte Souveränität. Was nun das letzte, die drei Arten der Krisis der Demokratie, betrifft, so hat es sich für mich letztlich darum gehandelt, darzustellen, welches die 19 Siehe Moritz Julius Bonn, The Crisis of European Democracy, New Haven 1925. 20 Bonn verweist hier auf die Unterzeichnung der Magna Charta 1215. 21 Vgl. Harold Laski, The Foundations of Sovereignty and other Essays, New York 1921.
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Moritz Julius Bonn – Carl Schmitt
Schwierigkeiten sind, mit denen die parlamentarische Demokratie sich auseinanderzusetzen hat und welches die Methoden, die sie dabei braucht. Ich bin mir vollkommen klar darüber, dass ich auf sehr viel niedrigere geistige Ziele meine Untersuchung abstellte als die meisten meiner Kollegen, Sie inbegriffen. Aber ich glaube, ich habe eines vor Ihnen voraus: Ich beobachte das Objekt, um das es sich handelt, seit vielen Jahren in den verschiedensten Ländern. Ich stehe in meiner Kenntnis der Ideen hinter den meisten ernsthaften Mitarbeitern, ganz sicher aber hinter Ihnen zurück. Ich kenne aber die Maschine und die Menschen, die diese Maschine beleben. Mein Buch hat den Nachteil, dass es die komplizierte Wirklichkeit viel zu einfach darstellt. Aber nur mit einer gewissen Vergewaltigung kann man die Dinge so zusammenpressen. Ich bin mir vollkommen klar darüber, dass ich nicht tiefsinnig bin. Aber ich habe den Eindruck, dass die meisten Leute, die schreiben, es noch weniger sind und von den Dingen nichts wissen. Bei Ihnen habe ich das Gegenteil, die äusserst scharfe Formulierung und die Fähigkeit, die Dinge bis in ihren letzten Kern zu verfolgen, immer mit Bewunderung genossen. Es ist schade, dass Sie nicht in Berlin leben. Wenn wir öfter sprechen würden, könnten wir uns nicht nur, glaube ich, mancherlei bieten, sondern wir könnten auch auf die anderen erzieherisch wirken. Herzlichen Gruß und schönen Dank Ihr sehr ergebener Moritz Julius Bonn
8. C. Schmitt an M. J. Bonn
handschriftlich, gedruckter Adresskopf: „Prof. Dr. Carl Schmitt, Bonn a. Rh., Endenicher Allee 20“ BA Koblenz NL 1082 / 50
17. Juni 1926 Sehr verehrter Herr Professor Bonn! Für Ihren Brief muß ich Ihnen mehr danken, als bloß für eine anregende, höchst förderliche Erwiderung – obwohl das heutzutage auch eine seltene Freude ist. Vor allem empfand ich wieder die ganz große Freude eines lebendigen Kontaktes mit Ihrem höchst lebendigen Geist und war deshalb nicht nur erfreut, sondern auch beglückt. Ich habe alle Ihre Äußerungen, soweit sie veröffentlicht und mir zugänglich wurden, stets mit besonderem Interesse verfolgt und mich in meiner sicher etwas weltfremden Weise damit auseinander gesetzt; immer mit dem lebhaften Gefühl, hier in der Wüste von unmenschlicher Dummheit, in der wir leben, eine Oase möglicher Diskussion zu treffen und die mir notwendige anders geartete Geistigkeit.
Briefwechsel 1919–1932
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Noch mehr: einen Trost in der fast beständigen Angst, mit der ich die Deutschen rechts und links ihre Politik treiben sehe. So musste ich Ihren Brief mit besonderer Spannung lesen und den Wunsch einer persönlichen Unterhaltung, den Sie am Schlusse äußern, von ganzem Herzen erwidern. Ich bleibe, sehr verehrter Herr Professor Bonn, in alter Verehrung stets Ihr Carl Schmitt 9. M. J. Bonn an C. Schmitt
maschinenschriftlich, gedruckter Adresskopf: „Volkswirtschaftliches Seminar der Handels-Hochschule Berlin, Berlin C 2, Spandauer Straße 1“ RW 265-1938
Prof. Dr. M. J. Bonn. Lieber Herr Schmitt,
19. Jan. 1927. Herrn Prof. Dr. Schmitt, Bonn.
Ich habe lange nichts von Ihnen gehört; seit Palyi in Amerika ist, fehlt auch die mittelbare Beziehung zwischen uns beiden. Zweck meines heutigen Schreibens ist das folgende: Sie wissen wohl, dass bei uns die Professur für öffentliches Recht frei ist. Sie erinnern sich vielleicht, dass ich stets den Wunsch gehabt habe Sie nach Berlin zu ziehen und seinerseits versuchte, Sie durch die Hochschule für Politik zu gewinnen.22 Das ist damals missglückt. Heute liegen die Dinge so, dass ich die Verwaltung der Handels-Hochschule aller Wahrscheinlichkeit nach veranlassen kann, an Sie heranzutreten. Das hat aber nur Zweck, wenn Sie den Wunsch haben, nach Berlin zu kommen.23 Denn ich habe keine Lust, zu veranlassen, dass überflüssige Verhandlungen geführt werden, die nachher doch zu keinem Ergebnis gelangen. Lassen Sie mich also in alter Freundschaft wissen, ob es Zweck hat, diese Sache weiter zu verfolgen oder nicht. Herzlichen Gruss Ihr sehr ergebener Dr. MJ Bonn 22 Siehe
Brief Nr. 2. Geschichte von Schmitts Berufung an die Berliner Handelshochschule (die schließlich im Oktober 1927 erfolgte) siehe Christian Tilitzki, Carl Schmitt an der Handels-Hochschule Berlin 1928–1933, in: Schmittiana IV, 1994, S. 157–202; Mehring, Carl Schmitt, S. 201–205. 23 Zur
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Moritz Julius Bonn – Carl Schmitt
10. M. J. Bonn an C. Schmitt maschinenschriftlich RW 265-1939
Prof. Dr. M. J. Bonn Berlin, 28. Febr. 1927 Landgrafenstr. 6. Herrn Prof. Dr. C. Schmitt, Godesberg-Friesdorf. Lieber Herr Schmitt, Es hat mir sehr leid getan, dass ich Samstag vor acht Tagen keine Gelegenheit hatte, Sie unter vier Augen zu sprechen. Es war aber viel zweckmässiger, Herrn Demuth24 die Möglichkeit zu geben, Sie kennen zu lernen, als dass wir beide ungestört miteinander konfabulierten. Die Dinge sind nun ein gutes Stückchen weiter. Die meisten Hemmungen sind überwunden, und wenn Sie wirklich den Wunsch haben, hierher zu kommen und wir eine vernünftige finanzielle Basis finden können, so sehe ich keine Schwierigkeiten. Ueber das erste steht die Entscheidung ausschliesslich bei Ihnen; ich nehme an, dass sie vom zweiten wesentlich beeinflusst wird. Wenn Sie sich darüber klar sind, dass das Maximaleinkommen, das irgendeiner von uns hier bezogen hat, 27.000 M nicht überstiegen hat (und der hatte viele Kinder), so werden Sie einsehen, dass ich bei der Handelskammer keinen Erfolg habe, wenn ich wesentlich darüber hinausgehende Forderungen vertreten soll. Ob ich Erfolg habe, wenn ich 30.000 M vorschlage, weiss ich nicht; aber das wäre das alleräusserste. Einen Versuch, darüber hinauszugehen, würde ich nicht unternehmen, da ich ihn als hoffnungslos ansehe. Ein festes Einkommen in diesem Umfang ist übrigens als Grundlage nicht zu verachten, zumal in Berlin an anderen Erwerbsmöglichkeiten kein Mangel ist. Wenn ich Ihnen als alter Freund, der, glaube ich, finanziell die Dinge nüchtern sieht, raten darf, so würde ich es an Ziffern nicht scheitern lassen. Es ist selbstverständlich, dass Sie sich nicht unerheblich besser stellen müssen, als Sie das heute tun. Ich möchte, dass Sie in der nächsten Zeit in aller Ruhe Ihren Arbeiten leben. In dieser Beziehung können Sie sicher Bedingungen stellen, was Zusammenlegung von Vorlesungen an besonders günstigen Tagen betrifft, oder Einrichtung eines Instituts mit den dazu gehörigen Hilfskräften. Wenn Sie aber mit Ihren grossen Arbeiten fertig sind und sich etwas in Ihrer 24 Fritz Demuth (1876–1965), Syndikus der Industrie und Handelskammer Berlin, Vorsitzender des Kuratoriums der Berliner Handelshochschule. Er emigrierte 1933 nach England.
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Tätigkeit ausdehnen wollen, so gibt es nicht die geringsten Schwierigkeiten. Ueber die Hochschule für Politik, an der sehr viel zu tun ist, und das Auswärtige Amt haben wir ja neulich schon gesprochen. Sie wissen, wie sehr ich es begrüssen würde, wenn ich Sie für hier gewinnen könnte, und dass das nicht bloss Egoismus ist, sondern dass ich auch an Ihre weitere Entwicklung denke. Wenn Sie also glauben, dass in dem Rahmen meiner Auffassung die Sache für Sie lockend genug ist, kommen Sie möglichst bald hierher; wir können dann ernsthaft über die Dinge verhandeln, sie nicht nur besprechen; wenn nicht, müssen wir es fallen lassen. Denn schliesslich ist Ihnen nicht damit geholfen, dass Sie in Verhandlungen eintreten, die zu nichts führen, und ich persönlich habe mich soweit vorgestellt, dass ich nach Ueberwindung aller andern Hindernisse nicht gern an einer Ziffernfrage scheitern möchte, nachdem ich die Hochschule an den Verhandlungstisch geführt habe. Das verstehen Sie sicher. Herzlichen Gruss, und lassen Sie sich richtig inspirieren. Ihr sehr ergebener Dr. MJ Bonn
11. M. J. Bonn an C. Schmitt maschinenschriftlich RW 265-1940
Berlin, 1. März 1927 Landgrafenstr. 6. Herrn Prof. Dr. C. Schmitt, Godesberg-Friesdorf. Lieber Herr Schmitt, Gelegentlich einer Veranstaltung der Hochschule für Politik habe ich erfahren, dass Sie auf dem Kultusministerium gewesen sind und dort mitgeteilt haben, Sie stünden in Verhandlungen mit der Handels-Hochschule Berlin. Da die gleiche Mitteilung, deren Zuverlässigkeit ich zu bezweifeln keinen Grund habe, an die Hochschulverwaltung gegangen ist, so ist eine neue Sachlage entstanden. Ich weiss nicht, ob ich imstande sein werde, unter diesen Umständen das zu erreichen, was sonst möglich gewesen wäre. Ich bedaure diesen Zwischenfall außerordentlich. In Eile, Ihr sehr ergebener Dr. MJ Bonn
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12. M. J. Bonn an C. Schmitt maschinenschriftlich RW 265-1941
Prof. Dr. M. J. Bonn. Berlin, 10. März 1927. Landgrafenstr. 6. Herrn Prof. Dr. Carl Schmitt, Godesberg-Friesdorf. Lieber Herr Schmitt, Nur ein Wort, um mich zu entschuldigen, dass ich Ihr Schreiben vom 3.d. M. noch nicht beantwortet habe. Ich war aber ein paar Tage verreist. Ich persönlich habe mich über Ihre Antwort gefreut, da sie mir ermöglicht, die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Dass im akademischen Leben geklatscht wird, ist mir nichts Neues. Dass Sie sich darüber wundern, erklärt mir, warum Sie in Berlin nicht vorsichtiger waren. Ich persönlich habe gar keine Bedenken mehr; ob die andern, kann ich Ihnen noch nicht sagen. Herzlichen Gruss Ihr sehr ergebener Dr. MJ Bonn
13. M. J. Bonn an C. Schmitt maschinenschriftlich RW 265-1942
Berlin, 19. Mai 1927. Landgrafenstr. 6. Herrn Prof. Dr. Carl Schmitt, z. Zt. Berlin. Lieber Schmitt, Es tut mir furchtbar leid, dass ich Sie nicht in Berlin begrüssen kann; ich muss aber nach Frankfurt. Ich hätte Sie umso lieber gesehen als ich Ihnen gern gesagt hätte, dass wir uns inzwischen noch weiter mit der Sache beschäftigt haben und dabei zu dem Ergebnis gekommen sind, dass die Ihnen gemachten Vorwürfe im wesentlichen dem üblichen Tratsch entstammen. Wie die Dinge nun weiter laufen, weiss ich allerdings noch nicht. Aber auf jeden Fall freut es mich, dass es so gewesen ist, wie ich immer behauptet habe, dass es sei.
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Herzlichen Gruss Ihr ergebener Dr. MJ Bonn
14. C. Schmitt an M. J. Bonn
maschinenschriftlich, gedruckter Adresskopf: Professor Carl Schmitt, Berlin NW 87, Flotowstr. 5 BA Koblenz NL 1082 / 56
20. August 1932 Sehr verehrter, lieber Herr Bonn! Vielen herzlichen Dank für ihr freundliches Schreiben aus Salzburg25 und für Ihr Telegramm aus Genf.26 Ich werde ganz selbstverständlich, bevor ich irgend etwas Festes wegen Köln abmache, vorher mit ihnen sprechen, und zwar natürlich rechtzeitig vorher. Gegenwärtig bin ich durch eine fürchterliche Arbeit in Berlin festgehalten und habe die Ferien bisher verloren. Nach Köln wollte ich Mitte September reisen. Nochmals besten Dank, alle guten Wünsche für Ihre Ferienerholung und die besten Empfehlungen an Ihre sehr verehrte Gattin. Stets Ihr Carl Schmitt
15. M. J. Bonn an C. Schmitt maschinenschriftlich, Durchschlag BA Koblenz NL 1082 / 56
Parsch bei Salzburg, den 5. September 1932 Herrn Professor Carl Schmitt Berlin Flotowstraße
25 Moritz Julius Bonn und seine Frau Therese Cubitt-Bonn (1874–1959) hatten seit 1926 ein Sommerhaus bei Salzburg. Siehe Bonn, So macht man Geschichte (wie Anm. 4), S. 351 ff. 26 Beides nicht überliefert.
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Moritz Julius Bonn – Carl Schmitt
Lieber Herr Schmitt, Schönen Dank für Ihre Mitteilungen. Inzwischen ist es September geworden und ich nehme an, dass Sie in absehbarer Zeit nach Köln gehen werden. Wäre es nicht das Nächste, wenn Sie zur Besprechung hierher zu uns kommen würden? Ich stehe Ihnen natürlich auch wo anders zur Verfügung, aber ein Salzburger Herbst ist ein schönerer Rahmen, als wir ihn anderswo bekommen können. Meine Frau würde sich freuen Sie wieder einmal, und zwar bei uns, zu sehen. Herzlichen Gruß, Ihr sehr ergebener MJ Bonn
16. M. J. Bonn an C. Schmitt
maschinenschriftlich, Durchschlag ohne Briefkopf BA Koblenz NL 1082 / 56
5. Oktober 1932 Herrn Prof. Dr. Carl Schmitt Berlin Lieber Herr Schmitt, Ich habe mir unserer gestrige Unterhaltung durch den Kopf gehen lassen und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß Sie unter allen Umständen sofort Urlaub für das Wintersemester beantragen sollten. Ich habe seinerzeit das Rektorat unter der Voraussetzung übernommen, daß Sie wegen der Notwendigkeit eines Urlaubs eine Wahl ablehnen mußten. An dieser Notwendigkeit hat sich m. E. nichts geändert, da Sie ja zweifelsohne durch ihre starke Inanspruchnahme Ihre Ferien nicht zur Erholung haben ausnutzen können. Neu ist nur Ihr Ruf nach Köln. Dieser sollte m. E. auf unsere Entscheidung in der Urlaubsfrage ohne Einfluß sein. Denn da ihr Urlaubsgesuch sachlich begründet ist, so kann seine Genehmigung nicht von dem Umstand abhängen, daß Sie möglicherweise – was ich nicht hoffe – nach Ablauf des Urlaubs nicht zu uns zurückkehren. Ich bin bereit, diesen Standpunkt dem Senat und insbesondere auch dem Kuratorium gegenüber zu vertreten, und bin überzeugt, daß dasselbe sich meiner Auffassung anschließen wird. Es ist das auch im Interesse unserer Studierenden. Ich begreife sehr gut, daß Sie keinen Urlaub bei uns beantragen möchten, solange die Möglichkeit besteht, daß Sie den Kölner Ruf annehmen. Da sich aber die Entscheidung unter Umständen doch längere Zeit hinausziehen
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wird, so könnte das Ergebnis sein, daß der Urlaub aus sachlichen Gründen kaum noch bewilligt werden kann, weil nämlich eine Vertretung so spät im Semester nicht mehr beschafft werden kann. Sie würden dann einer Belastung ausgesetzt sein, die ich nicht verantworten möchte, einerlei, ob Sie, wie ich hoffe, bei uns bleiben oder weggehen werden. Ich möchte diese Sache nicht vom Standpunkt einer rein bürokratischen Verwaltungsauffassung aus behandeln. Ich würde daher anregen, daß Sie umgehend ein Urlaubsgesuch an mich richten und gleichzeitig Vorschläge für die Vertretung. Die Frage des Reisestipendiums kann natürlich erst praktisch werden, wenn Sie sich entschieden haben, ob Sie bei uns bleiben oder nicht. Aber wenn das Urlaubsgesuch bewilligt ist, die Vertretung bereits gestellt ist, dann wird sich diese Sache formal ohne Schwierigkeiten abwickeln. Herzlichen Gruß Ihr sehr ergebener MJ Bonn
17. M. J. Bonn an C. Schmitt
maschinenschriftlich, gedruckter Adresskopf: „Rektor der Handels-Hochschule Berlin, Spandauer Straße 1“ LAV NW, Abt. Rheinland, Nachlass Piet Tommissen, unsortierter Teil
Berlin, den 2. Dezember 1932 Sehr verehrter Herr Schmitt! Erst gestern ist es möglich gewesen, dem Senat ihr Schreiben vorzulegen, in dem Sie mir die Annahme des Rufs nach Köln mitteilen. Da ich es gern in Ihrer Anwesenheit vorgetragen hätte, setzte ich es nicht auf die Tagesordnung der vorletzten Sitzung. Denn ich hätte gewünscht, Ihnen persönlich im Senat den Dank für die Zusammenarbeit aussprechen zu können, in der Sie mit uns in vier fruchtbaren Jahren verbunden waren, und Ihnen des Senats und mein lebhaftes Bedauern darüber auszusprechen, daß es nicht möglich gewesen ist, Sie uns zu erhalten. Da Sie auch am Erscheinen in der letzten Sitzung verhindert waren, muß das heute schriftlich geschehen. Der Senat hat einstimmig beschlossen, Ihnen für Ihre Arbeit zu danken, insbesondere für die weitgehende, tiefwirkende Anregung, die von Ihnen ausgegangen ist, und die in Ihren Hörern noch lange nachwirken wird. Er sieht Sie mit dem allergrößten Bedauern aus unserer Mitte scheiden. Er hat mich beauftragt, Ihnen noch eine Bitte vorzutragen. Wir möchten sehr gern, daß Sie als letzten Gruß an die Handelshochschule die Festrede
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Moritz Julius Bonn – Carl Schmitt
bei der Reichsgründungsfeier am 18. Januar 1933 halten.27 Da ich persönlich diesen Antrag gestellt habe, darf ich vielleicht auch meine persönliche Bitte mit der des Senats vereinen. Mit freundlichen Grüßen Ihr sehr ergebener Dr. MJ Bonn
27 Schmitt kam dieser Bitte nach und hielt anlässlich des Reichsgründungstages am 18. Januar 1933 die ungedruckt gebliebene Rede „Bund und Reich als Probleme des öffentlichen Rechts“. Siehe Schmitt, Tagebücher 1930 bis 1934 (wie Anm. 2), S. 253, Anm. 1301.
Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting (1959–1983) Herausgegeben von Martin Tielke Über ihre Beziehung zu Carl Schmitt hat die Literaturwissenschaftlerin Marianne Kesting 1994 in dieser Reihe berichtet,1 weshalb sie hier nicht noch einmal dargestellt werden muss. Ihr Briefwechsel mit Schmitt ist allerdings, mit Ausnahme eines Briefes von Kesting, bislang unveröffentlicht geblieben. Er beginnt 1959 etwas förmlich-respektvoll damit, dass sie – angestoßen durch ihren älteren Bruder Hanno Kesting, der schon als Heidelberger Student Ende der 1940er Jahre mit Schmitt in Berührung kam – dem berühmten alten Mann in Plettenberg ihre Dissertation über das epische Theater Brechts2 schickt und in ihrem Begleitbrief betont, dass sie für die Abfassung dieser Arbeit den Schriften Schmitts wichtige Hinweise verdanke. Das bezog sich auf dessen Aufsatz „Die Einheit der Welt“, das Buch „Politische Romantik“ sowie das Hamlet-Buch. Vor einer Lektüre der juristischen Schriften Schmitts scheute sie zurück, da sie meinte, dafür „keinen rechten Kopf“ zu haben. Als sie aber kurze Zeit später bei ihrem Bruder zu Besuch ist, stößt sie in dessen Bibliothek auf die Bücher Schmitts und hat darin, wie sie an den Autor schreibt, „Tag und Nacht in großer Erregung gelesen“ (Nr. 3). Vor allem der „Nomos der Erde“ beeindruckte sie stark. Sie schrieb Schmitt dazu, „dass zu unserer Zeit wenig Bücher von diesem Rang geschrieben worden sind“ und rückte ihn in die Nähe „meines großen Lehrers“ Bert Brecht. An beiden faszinierte die junge Wissenschaftlerin offenbar die lakonische Präzision und der nüchtern-illusionslose Blick auf die Wirklichkeit. Durch die Schriften Schmitts geschult hoffte sie, „das übliche Literaturgewäsch zu durchstoßen“ und zu den „grundsätzlichen Probleme[n] unseres saeculums“ durchzudringen. 1 Marianne Kesting, Begegnungen mit Carl Schmitt, in: Schmittiana IV, 1994, S. 93–118. 2 Marianne Kesting, Das epische Theater. Zur Struktur des modernen Dramas (Kohlhammer-Urban-Taschenbücher, 36), Stuttgart 1959 (Diss. phil. München 1957). Das Buch wurde schnell zum Standardwerk, erreichte 1989 die 8. Auflage und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. – Über Hanno Kestings Beziehung zu Schmitt vgl. Dirk van Laak, Gespräche in der Sicherheit des Schweigens. Carl Schmitt in der politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik, Berlin 1993, S. 271– 276.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Schmitts Antwort auf die Kontaktaufnahme fehlt in der Überlieferung, doch wie Kestings nächster Brief zeigt, muss es sich um mehr als einen konventionellen Dankesbrief gehandelt haben. Schmitt hatte sich mit dem zugesandten Buch auseinandergesetzt, wies die Autorin auf ergänzende Aspekte hin und lud sie zu einem Besuch in Plettenberg ein. Dieser Besuch kam zunächst nicht zustande, und die weiteren sporadischen Kontakte beschränkten sich auf den Austausch von Publikationen, die mit begleitenden Briefen kommentiert wurden. Das änderte sich schlagartig, als Schmitt am 16. November 1968 zwei Sonderdrucke aus der ihm zum 80. Geburtstag gewidmeten Festschrift an Marianne Kesting schickte, nämlich die beiden Aufsätze über Herman Melvilles Erzählung „Benito Cereno“ von Enrique Tierno Galván und Sava Kličković.3 Er „beschwört“ sie, „dieses Thema Melville nicht aus den Augen zu lassen“ (Nr. 14). Tatsächlich gelang es ihm, seine Adressatin nachhaltig für das Werk Melvilles zu interessieren mit der Folge, dass sie drei Jahre später eine umfassend kommentierte und mit einem Dokumentenanhang versehene Neuausgabe der Erzählung publizierte.4 Mit „Benito Cereno“ hatte der Briefwechsel sein eigentliches Thema gefunden und nahm nun Fahrt auf. Wie sehr Schmitt engagiert war, zeigt sich schon daran, dass er jetzt umgehend, zuweilen noch am selben Tag, auf die Schreiben Kestings antwortete. Zugleich begann aber auch eine in der Form freundliche, in der Sache scharfe Differenz. Sie war dem komplexen Parabelcharakter der Erzählung Melvilles geschuldet. Die Parabel ist eine für politische Unterdrückungssysteme nicht ungefährliche Form. Als Ernst Jünger Ende 1939 sein Buch „Auf den Marmor-Klippen“ veröffentlichte, drängte sich die Assoziation der fiktiven „Schinderstätte“ mit dem realen Konzentrationslager so sehr auf, dass nur der Ruhm des Soldaten den Autor schützte. („Durchgesehen im Felde“ hatte er vorsichtshalber ins Impressum drucken lassen.) Bei Friedrich ReckMalleczewen war das zwei Jahre zuvor anders. Sein Buch „Bockelson. Geschichte eines Massenwahns“, das den Massenwahn der Gegenwart im scheinbar historischen Bericht über das Wiedertäuferreich von Münster spiegelte, wurde schnell verboten und brachte den Autor schließlich nach Dachau und in den Tod. Auch 1938 rutschte ein Buch durch das Raster der 3 Enrique Tierno Galván, Benito Cereno oder der Mythos Europas, in: Epirrhosis. Festgabe für Carl Schmitt. Hrsg. von Hans Barion / Ernst-Wolfgang Böckenförde / Ernst Forsthoff / Werner Weber, Teilbd. 1, Berlin 1968, S. 345–356 (lag schon 1952 auf Spanisch vor); Sava Kličković, Benito Cereno – Ein moderner Mythos, in: ebd., S. 265–273. 4 Marianne Kesting (Hrsg.), Benito Cereno, Vollständiger Text der Erzählung; Dokumentation (Dichtung und Wirklichkeit, 32), Frankfurt a. M. / Berlin / Wien 1971. Durch einen umfangreichen Bildteil erweiterte Neuausgabe Frankfurt a. M. 1983 (Insel-Taschenbuch, 644).
Einführung253
Zensur, dessen parabolische Anlage allerdings sehr viel verschlungener und anspruchsvoller war: eben jene Erzählung „Benito Cereno“ in der ersten deutschen Übersetzung von Richard Kraushaar.5 Es wurde für Carl Schmitt zu einem Schlüsselbuch. Unter dem Datum des 2. Februar 1941 berichtet Gretha Jünger in ihren Erinnerungen von einem Besuch bei Schmitt in Berlin: „Angenehme Tage bei Carolus [= C. Schmitt] verbracht und dort Romain [= E. Jünger] getroffen. Die Abende verplauderten wir am Kaminfeuer, von unseren Gastgebern liebevoll verwöhnt. Gespräche über Melville und seinen Benito Cereno.“6 Am folgenden Tag schreibt Schmitt in sein Tagebuch: „Ich bin der arme Benito Cereno“.7 Drei Wochen später schickt er Ernst Jünger, der inzwischen wieder in Paris ist, das Buch von Melville8 und schreibt dazu: „Ich bin von dem ganz ungewollten, hintergründigen Symbolismus der Situation als solcher ganz überwältigt.“9 Am 6. April hakt er nach: „Haben Sie B. Cereno inzwischen gelesen? Sehr wichtig“. Und beinahe schon penetrant kommt er wiederum am 4. Juli und noch einmal am 17. September dieses Jahres auf Benito Cereno zu sprechen.10 Im Oktober reist Schmitt für eine Woche zu Vorträgen nach Paris. Mit Ernst Jünger macht er eine Bootsfahrt auf dem Lac de Rambouillet, wobei man sich ungestört unterhalten konnte. Über ihre Gespräche notiert Jünger am 18. Oktober 1941: „Carl Schmitt verglich seine Lage mit der des weißen, von schwarzen Sklaven beherrschten Kapitäns in Melvilles ‚Benito Cereno‘ und zitierte dazu den Spruch: Non possum scribere contra eum, qui potest proscribere.“11 5 Herman Melville, Benito Cereno, Berlin [1938]. Diese Übersetzung Richard Kraushaars im Berliner Verlag Herbig erschien erneut 1947 in Hamburg im Verlag Hamburgische Bücherei. 6 Gretha von Jeinsen [= Gretha Jünger], Die Palette. Tagebuchblätter und Briefe, Hamburg 1949, S. 46 f. 7 Schmitt zitiert sich selbst aus seinem Tagebuch von 1941 in: Carl Schmitt, Glossarium. Aufzeichnungen aus den Jahren 1947 bis 1958. Erweiterte und kommentierte Neuausgabe. Hrsg. von Gerd Giesler und Martin Tielke, Berlin 2015, S. 309. 8 Das Exemplar, in dem eine aufschlussreiche Widmung stehen dürfte, ist verschollen. 9 Ernst Jünger / Carl Schmitt, Briefe 1930–1983. Hrsg., kommentiert und mit einem Nachwort von Helmuth Kiesel, 2. Aufl., Stuttgart 2012, S. 115. 10 Ähnlich insitierend auch an Gretha Jünger; vgl. Gretha Jünger / Carl Schmitt, Briefwechsel Gretha Jünger Carl Schmitt (1934–1953). Hrsg. von Ingeborg Villinger und Alexander Jaser, Berlin 2007, S. 45 und 55. Auch anderen hat Schmitt zu dieser Zeit die Lektüre dringend ans Herz gelegt, z. B. Grethas Schwager Hans Jünger (vgl. ebd.) oder Erwin von Beckerath (vgl. Andreas Koenen, Der Fall Carl Schmitt, Sein Aufstieg zum „Kronjuristen des Dritten Reiches“, Darmstadt 1995, S. 820). 11 Ernst Jünger, Strahlungen (Sämtliche Werke, 2), Stuttgart 1979, S. 265. „Ich kann nicht gegen den schreiben, der die Macht hat, mich in die Acht zu erklären.“
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Das mitten im Dritten Reich in Berlin erschienene Buch von Melville war für Schmitt Konterbande. In ihm erkannte er sich als einen Besiegten, und in seiner symbolischen Ausdeutung fand er die Möglichkeit, das unter den Bedingungen der Diktatur auch zu äußern, ohne dabei die sichere Deckung verlassen zu müssen: „Solche Symbole vereinfachen die sonst oft schwierige Verständigung.“12 Zu dieser Zeit war Schmitt geradezu besessen von Melvilles Erzählung. Nicolaus Sombart bezeugt, wie Schmitt auf den gemeinsamen Spaziergängen im Grunewald „in größter Erregung“ über „Benito Cereno“ sprach, so als spüre er das Rasiermesser, mit dem der Geiselnehmer den spanischen Kapitän in scheinbar devoter Haltung rasiert, „auf der eigenen Haut“.13 Als nach dem Ende der NS-Herrschaft das freie Wort wieder möglich war, äußerte Schmitt seine Selbstdeutung auch öffentlich. In „Ex Captivitate Salus“ heißt es 1950: „Benito Cereno, der Held von Herman Melville’s Erzählung, ist in Deutschland zu einem Symbol für die Lage der Intelligenz in einem Massen-System erhoben worden.“14 Wer es konkret war, der die literarische Figur derart zum Symbol erhob, belässt der Autor zwar in der Anonymität, aber die aus dem Jahr 1941 zitierten Belege machen klar, dass Schmitt damit niemand anders als sich selbst meinte und sein Schicksal pars pro toto für das der „Intelligenz“, d. h. der NS-kritischen Intelligenz nahm. Im selben Buch „Ex Captivitate Salus“ kommt Schmitt noch ein weiteres Mal auf Benito Cereno zu sprechen, und jetzt tritt er aus der Anonymität heraus: Er bezeichnet sich als den letzten Vertreter des Jus publicum Europaeum, der das Ende von dessen Epoche so erfahre, „wie Benito Cereno die Fahrt des Piratenschiffs erfuhr.“15 Schmitt kann sich hier zu erkennen geben, weil er an die Stelle seines bloß subjektiven Verständnisses des Symbols Cereno eine objektivere Deutung setzt: Er stellt sich vor als den Repräsentanten einer an ihr Ende gelangten europäischen Tradition. Diese Objektivierung sollte bald in den Vordergrund rücken, da die Virulenz der persönlichen Bedrohung geschwunden war. Mit dem Ende des NS-Regimes ließ Schmitts Interesse an dem Thema keineswegs nach. Das Jahr 1945 bedeutete für ihn insofern keine Zäsur, als er sich auch jetzt als Besiegter sah. Er verspüre „große Lust, eine FortsetZitat des spätantiken Philosophen Macrobius; s. auch Carl Schmitt, Ex Captivitate Salus. Erfahrungen der Zeit 1945 / 47, Köln 1950, S. 21. (Neuaufl. Berlin 2015). 12 Am 15.2.1942 an Gretha Jünger; Gretha Jünger / Carl Schmitt, Briefwechsel (wie Anm. 10), S. 55. 13 Nicolaus Sombart, Jugend in Berlin 1933–1943. Ein Bericht, 6. Aufl., Frankfurt a. M. 1986, S. 269. 14 Carl Schmitt, Ex Captivitate Salus (wie Anm. 11), S. 21 f. Gleiche Formulierung im Glossarium am 5.10.1952. 15 Carl Schmitt, Ex Captivitate Salus (wie Anm. 11), S. 75.
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zung von Benito Cereno auf anderer Ebene zu schreiben: B. C. vor Gericht“, heißt es zu Beginn des Glossariums.16 An Hans Barion schreibt er am 8. Januar 1948, Benito Cereno sei eine „Modell-Situationen“, vergleichbar mit dem „Un-Helden von Kafkas ‚Prozeß‘ “; darauf könne man Bezug nehmen. Melvilles Erzählung liefert ihm Verständnishilfe für die Situation auch nach Ende des NS-Staates: sie zeige „die falsche Befreiung“.17 Er fühle sich, schreibt er an Marianne Kesting, „als Objekt amerikanischer Reeducation oft genug an den gutmeinenden Delano erinnert“ (Nr. 48), also an den etwas einfältigen Amerikaner, der von der wahren Lage Benito Cerenos nichts begreift. Als Nicolaus Sombart im Nachklang seiner Spaziergänge mit Schmitt sich Anfang der 50er Jahre in Rundfunk und Zeitung über Melvilles Erzählung äußert, ist Schmitt begeistert und schreibt ihm, wie sehr er von diesem literarischen Werk noch immer überwältigt wird: „[…] unser eigentliches Thema bleibt natürlich Benito Cereno. Doch fällt mir auch angesichts dieses Themas die Feder aus der Hand, wenn auch die Schreibmaschine noch klappert.“18 Die anhaltende Faszination Schmitts belegen schließlich die zahlreichen Aktenfaszikel, die sich zu „Benito Cereno“ in seinem Nachlass finden.19 Für Marianne Kesting war die Ausgangslage eine ganz andere. Als Jahrgang 1930 profitierte sie von der Gnade der späten Geburt. Im Unterschied zu Schmitt war ihr der Zwang erspart geblieben, sich als Intellektuelle in der Diktatur öffentlich verhalten zu müssen. Folglich lag es ihr einigermaßen fern, Melvilles Figur zu einem „Symbol für die Lage der Intelligenz in einem Massen-System“ zu erheben. Von persönlichen Bezügen frei, las sie das Werk mit dem distanzierten Blick der Literaturwissenschaftlerin und suchte es professionell-nüchtern mit der Methodik ihrer Disziplin zu erfassen. Dieser objektive Zugang war sehr verschieden von demjenigen Schmitts. Blieb er auf die einzelne Erzählung fokussiert, so bestand sie auf deren Einbettung in das Gesamtwerk Melvilles. Daher las sie nicht nur seine Romane, Erzählungen, Gedichte, sondern nahm auch die Sekundärliteratur und die historischen Quellen – ein reales Geschehen war die Vorlage für „Benito Cereno“ – zur Kenntnis. Daraus ergab sich für sie die Überzeugung, dass 16 Carl
Schmitt, Glossarium (wie Anm. 7), S. 41. Schmitt, Glossarium (wie Anm. 7), S. 325. Vgl. auch dort auf der folgenden Seite die Auseinandersetzung mit der Benito-Cereno-Deutung von Pierre Leyris. 18 Carl Schmitt, Brief vom 30.11.1954 an Nicolaus Sombart, in: Schmitt und Sombart. Der Briefwechsel von Carl Schmitt mit Nicolaus, Corina und Werner Sombart. Hrsg. von Martin Tielke in Zusammenarbeit mit Gerd Giesler, Berlin 2015, S. 64. 19 Vgl. Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, RW 0265 Nr. 20183, 20440–20447, 21090, 21271, 21882. 17 Carl
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
die Erzählung eine inneramerikanische Thematik abbildet. Der Autor ergreift mit ihr Partei gegen die Sklaverei in seinem Land, wogegen seine Sympathien für Europa und das Verhältnis Europa-Amerika in den Hintergrund treten. Schmitt warf sie eine kontrafaktische Lesart vor. Während er von einem „Piratenschiff“ sprach, stellte sie klar, dass es sich um ein Sklavenschiff handele und penibel hält sie ihm (bzw. Tierno Galván und Kličković) die Tatsachen entgegen, die er geflissentlich übersah bzw. für bedeutungslos zu erklären geneigt war. Den philologischen Skrupeln seiner Briefpartnerin begegnete Schmitt als Hegelianer und Antipositivist: „Wenn die Tatsachen nicht mit der Theorie übereinstimmen – umso schlimmer für die Tatsachen.“ Kestings Verständnis der Erzählung als Kritik an der Sklavenhaltung in den amerikanischen Südstaaten wischt er als „Lincolnisierung“ beiseite. Damit mache Kesting sich die Mythenbildung der Siegerpartei im amerikanischen Bürgerkrieg zu eigen und passe sich opportunistisch dem Mainstream an.20 Worauf sie selbst in ihrem Brief an Schmitt vom 25. November 1968 hingewiesen hatte, dass nämlich die Entschlüsselung Melvilles nie ganz gelungen wäre, weil politische Tabus dem entgegenstünden, das sieht Schmitt nun durch ihre eigene Deutung bestätigt. Marianne Kestings Melville-Verständnis blieb für ihn in den Denkverboten der Political correctness befangen. Carl Schmitt las die Werke der Literatur nicht als Literaturwissenschaftler, sondern als politischer Denker. Literatur wurde für ihn da bedeutsam, wo sie mythische Qualität bekam. „Mythos“ aber war für Schmitt keine alberne Göttergeschichte aus grauer Vorzeit, keine unverbindlich-folgenlose Erzählung, sondern eine, die beständig in die Geschichte hineinwirkt und eine stets gegenwärtige Macht darstellt. Das lässt sich sehr schön an seiner Sicht Hitlers zeigen, wenn er in dessen Ausspruch: „Mein Leben ist ein Roman“ den Schlüssel zum Verständnis des geschichtlichen Phänomens findet. Indem Hitler sich selbst ins Mythische hob, gab er den Massen die Vorgabe, die ihre Gefolgschaft erklärt. Was bei Hitler bloße politische Ro20 Der Ausdruck „Lincolnisierung“ erscheint bei Schmitt wohl erstmals 1956 im Glossarium (wie Anm. 7), S. 297 und 353. Für Kestings Melville-Interpretation gebraucht Schmitt ihn 1973 gegenüber Nicolaus Sombart; vgl. Schmitt und Sombart (wie Anm. 18), S. 118 f. Mit „Lincolnisierung“ meint er die Moralisierung des amerikanischen Bürgerkrieges als Kreuzzug des Guten gegen das Böse. In einem Brief Schmitts an Sava Kličković vom 25.7.1972 heißt es über Kestings Melville-Buch: „Es ist als Dokumentation sehr nützlich, ihre Interpretation scheint mir aber sehr beeinflusst von dem, was eine bestimmte Richtung in USA heute antreibt, nämlich die Deutung von der Begegnung Delano-Benito weg zu dirigieren und auf das Sklaven- und Neger-Problem zu lenken (Emancipation) …“ (Brief in Privatbes.). Insbesondere auch im Briefwechsel mit Hans-Dietrich Sander spielt diese Kritik eine Rolle; vgl. Carl Schmitt / Hans-Dietrich Sander, Werkstatt Discorsi. Briefwechsel 1967–1981, hrsg. von Erik Lehnert und Günter Maschke, Schnellroda 2008.
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mantik war, wurde bei seinen Anhängern zum politischen Mythos, der sie mit Enthusiasmus erfüllte und die Dynamik ihres Handels bedingte.21 Dieses Hineinwirken des Mythos in die Geschichte war es, was Schmitt vor allem interessierte. Zu Christian Meier sagte er einmal, dass sein Lernen sich „auf dem Wege der Entdeckung von Mythen“ vollziehe.22 Eines dieser geschichtsmächtigen Mythenbilder – und zwar eines der größten23 – war ihm „Benito Cereno“. Die mythische Qualität dieser Erzählung bestimmte seinen Zugang zu ihr und immunisierte ihn gegen philologische Einwände. Der Mythos nämlich ist nicht „wahr“ in einem platt-realistischen Sinn; er hat seine eigene Wahrheit, der gegenüber die faktischen Details unwichtig sind.24 Ein literarisches Kunstwerk ist groß, wenn es die „Kraft zum Mythos“ hat. Dann bekommt das Spiel der Fiktionen plötzlich einen Riss und gibt den Blick frei auf den Ernst der konkreten geschichtlichen Wirklichkeit. Im Falle Melvilles ist das für Schmitt das sich wandelnde Verhältnis von Eu ropa und Amerika. Tocqueville hatte es erstmals beschrieben, und für Carl Schmitt findet dessen Diagnose in Melvilles Erzählung ihr symbolisch verschlüsseltes Pendant. Der Kapitän des Sklavenschiffes, der für Spanien und damit für das alte Europa steht, ist ein Verlierer, während der amerikanische Kapitän Amasa Delano der Gewinner ist, der aber – da geschichtslos – den tieferen Vorgang nicht verstehen kann. Das alles ist in den Aufsätzen von Tierno und Kličković dargelegt, doch war es von Schmitt längst vorgedacht. Nicht von ungefähr fällt der Beginn seiner hochgradigen Erregtheit durch die Erzählung Melvilles zusammen mit seiner 1941 einsetzenden verstärkten Beschäftigung mit Tocqueville.25 Bei einem Besuch Ernst Jüngers im Jahre 1944 las er mit diesem zusammen das berühmte Schlusskapi21 Vgl.
Glossarium (wie Anm. 7), S. 27. Meier, Zu Carl Schmitts Begriffsbildung – Das Politische und der Nomos, in: Complexio oppositorum. Über Carl Schmitt. Vorträge und Diskussionsbeiträge des 28. Sonderseminars 1986 der Hochschule für Verwaltungswissenschaft Speyer. Hrsg. von Helmut Quaritsch, Berlin 1988, S. 554. 23 Vgl. Carl Schmitt, Glossarium (wie Anm. 7), S. 69. 24 Das zeigt sich auch in einer Äußerung gegenüber Nicolaus Sombart, an den Schmitt am 22.9.1955 schreibt: „Deine Benito-Cereno-Interpretation hat Widerspruch gefunden. Man wird Dir entgegenhalten, dass Melvilles Erzählung zum großen Teil wörtlich aus dem (authentischen) Tagebuch eines Captain Delano (tatsächlich sein Name) stammt. Doch wäre die Frage, was von Melville hinzugetan ist. Wenn er auch nur die Bemerkung Babos zu Benito ‚Dann (wenn wir den Amerikaner überfallen) wirst Du Captain von zwei Schiffen sein‘ erfunden hat, hat er genug getan.“ Schmitt und Sombart (wie Anm. 18), S. 81. 25 Vgl. sein Manuskript über Tocqueville von 1941; Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, RW 0265 Nr. 20011. Vgl. auch den Briefwechsel mit Ernst Jünger (wie Anm. 9). 22 Christian
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
tel aus Tocquevilles „Demokratie in Amerika“, in dem der Aufstieg Amerikas prognostiziert ist, und in „Ex Captivitate Salus“ findet sich dann nicht nur die zweimalige Anrufung Benito Cerenos, sondern auch ein Kapitel über Tocqueville. Für Carl Schmitt also war die Beschäftigung mit Werken der Literatur nicht mit einem philologischen oder literaturwissenschaftlichen Erkenntnisinteresse verbunden. Zwar hatte er durchaus hohe Wertschätzung für die Leistungen der Philologie, was sich beispielsweise in seinem Brief an Marianne Kesting vom 6. Dezember 1968 zeigt, wo er mit Bewunderung von der von Karlfried Gründer verantworteten Hamann-Edition spricht. Aber seine Rezeption literarischer Werke geschah unter gänzlicher Missachtung des Werkzeugkastens der literaturwissenschaftlichen Fachdisziplin. Das wird in seiner Lesart des „Benito Cereno“ sehr deutlich und markiert die Differenz zu seiner Briefpartnerin. Auf die Darstellungen von Sava Kličković und Enrique Tierno Galván antwortete sie umgehend mit einem langen Brief, in dem sie mit Berufung auf das Gesamtwerk Melvilles und „als pedantischer Philologe“ ihre Bedenken gegen die beiden Aufsätze darlegt (Nr. 10). Schmitt reagierte darauf großzügig und ironisch, blieb im übrigen aber völlig unbeeindruckt. Mit Berufung auf Walter Benjamin beharrte er auf dem „allegorischen oder symbolischen Bereich jedes Kunstwerkes“. Dieses habe qua Kunstwerk die Kraft zum Mythos, was eben ganz unabhängig von dem Tun und Lassen der Literaturwissenschaft sei: „Solche Dinge warten nicht auf die Philologen. Hat der deutsche Sturm und Drang für seinen Shakespeare-Mythos, hat die Schlegel-Romantik für ihren Hamlet-Mythos auf die Philologen gewartet?“ (Nr. 13). Im Alter werde er, bekennt Schmitt, wie der alte Aristoteles zum „Mythenfreund“. Und diese Altersweisheit machte ihn auch souverän gegenüber der um zwei Generationen jüngeren Frau: Als Marianne Kesting in einem Gespräch mit Schmitt ihre Wissenschaft vereidigte, habe dieser nur mokant gelächelt und gesagt: „Ja, ja, die Philologen …“.26 Die Korrespondenz Carl Schmitt – Marianne Kesting bewegt sich auf einem Feld, das für den Juristen Schmitt zwar ein Nebenschauplatz, aber keineswegs eine Nebensache war. Seine Briefe lassen erkennen, welche Bedeutung die Literatur für ihn hatte und wie er ihre großen Werke aufnahm. Dabei zeigte er sich der Literaturwissenschaftlerin auf deren Feld gewachsen und konnte ihr sogar immer wieder neue Horizonte eröffnen. Er hat sich mit ihr über das ganze Themenspektrum ihrer Arbeit unterhalten; über Dante, Shakespeare und Samuel Beckett konnte er ebenso mitreden wie über Stéphane Mallarmé, Auguste Villiers de l’Isle-Adam oder Walter Benjamin. Marianne Kesting hebt hervor, dass dieser Austausch in großer 26 Marianne
Kesting, Begegnungen mit Carl Schmitt (wie Anm. 1), S. 98.
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Freiheit geschah. Schmitt akzeptierte, wenn die Jüngere sich ganz ungeniert mit abweichenden Ansichten äußerte, und sie setzte ihre Philologenehre darein, die Deutungen Schmitts, die die Maßstäbe seines eigenen Denkens an die Kunstwerke legte, zunächst einmal sauber mit literaturwissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Begünstigt wurde der Kontakt auch dadurch, dass es neben Hanno Kesting und Marie Stewens27 weitere gemeinsame Bekannte gab. So hatte Marianne Kesting während ihres Aufenthalts in Rom Schmitts Freund aus Bonner Zeiten, Erik Peterson, kennengelernt. Davon berichtet sie arglos an Schmitt am 18. Dezember 1970, ohne zu ahnen, was das bei ihm auslöste; war Peterson doch nicht nur sein alter Freund, sondern auch sein vielleicht wichtigster Antipode. Wenige Tage später erlitt er einen Herzinfarkt, was laut Schmitts Hausdame Anni Stand auf diese Erinnerung an Peterson zurückzuführen war. Auch stand Marianne Kesting in Verbindung mit Joseph H. Kaiser und Ernst Forsthoff, und als Mitarbeiterin der Forschungsgruppe „Poetik und Hermeneutik“ ebenso mit Jacob Taubes, Hans Blumenberg und Reinhart Koselleck; allesamt wichtige Gesprächspartner auch für Carl Schmitt. Von dem Briefwechsel Schmitts mit Marianne Kesting hat Piet Tommissen lediglich einen publiziert (Nr. 15). Hier sind jetzt alle erhaltenen 55 Schreiben aus dem Zeitraum von 1959 bis 1983 wiedergegeben. Die Briefe von Kesting liegen im Nachlass Carl Schmitt im Landesarchiv NRW in Duisburg (RW 0265 Nr. 7496–7532); die Briefe Schmitts sind im Besitz von Marianne Kesting, Köln; Kopien davon finden sich ebenfalls im Nachlass Schmitt (RWN 0260 Nr. 396). Von den insgesamt 55 Schreiben entfallen 37 auf Kesting und 18 auf Schmitt; darunter sind ein Telegramm und drei Ansichtskarten von Kesting und eine Karte von Schmitt. Das ist nicht die vollständige Korrespondenz. Schon 1994 hatte Marianne Kesting das Fehlen von Briefen erwähnt; den hier abgedruckten Briefen lässt sich entnehmen, dass mindes tens vier Schreiben von Schmitt verloren sind, nämlich vom 16.9.1959 (s. Anm. 28), 22.5.1970 (s. Anm. 62), 14.12.1972 (s. Anm. 117) und ein Brief zwischen Nr. 53 und 54 (s. Anm. 128). Frau Marianne Kesting dankt der Herausgeber für die Überlassung ihrer Schmitt-Briefe und die Zustimmung zum Abdruck.
27 Marie Stewens (1899–1981), Studienrätin für Deutsch und Geschichte, Schwägerin von Schmitts Nachbar Peterheinrich Kirchhoff, kam wie Kesting aus Wetter. Vgl. Schmittiana IV, 1994, S. 272–284. Ihr Briefwechsel mit Schmitt berührt vor allem Fragen der Utopie; vgl. auch Glossarium (wie Anm. 7).
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Briefe Nr. 1 Marianne Kesting an Carl Schmitt28 RW 0265 Nr. 7496
München, den 10.9.1959 Sehr verehrter Herr Professor, Mein Bruder ermutigte mich, Ihnen mein jüngst erschienenes Buch über das epische Theater zuzuschicken.29 Ich komme dem umso lieber nach, als ich Ihrem Aufsatz über die Einheit der Welt (auf den ich S. 107, Anm. 4 hinzuweisen mir erlaube), Ihrem Buch über die politische Romantik, jetzt Ihrem Hamlet-Buch außerordentlich wichtige Hinweise verdanke. Ihre Souveränität in der Handhabung geschichtlicher Erfahrung gewährt Einsichten und Aufschlüsse, die dazu führen könnten, den Begriff des aristotelischen Dramas, der bei mir zu weit und zu ungenau gefasst ist, näher zu definieren im Hinblick auf die politischen Ordnungen, die er in den einzelnen Zeitaltern spiegelt. Ihre Bemerkungen zum Drama Shakespeares, Corneilles und Racines geben den Ansatz zu einer fruchtbareren Diskussion der Struktur des Dramas als sie mir bisher möglich war. Auch dem Zusammenhang von „Nicht-Aristotelismus“ und Revolution müßte einmal nachgegangen werden Bei nochmaliger Lektüre Ihres Hamlet-Buches kam mir übrigens der Gedanke, ob nicht das „Spiel im Spiel“ eine weitere Bestätigung Ihrer These enthalte: das „Spiel im Spiel“ (das die „verkleidete“ Abbildung eines wirkliche Geschehens enthält, nämlich des Mordes) ist wohl als Hinweis für den Zuschauer gedacht, auch das Theaterstück Hamlet als eine „verkleidete“ Abbildung eines wirklichen Geschehens anzusehen, es also auf die damalige politische Situation zu beziehen. Das „Spiel im Spiel“ brächte so eine Wiederholung des Verhältnisses Politische Wirklichkeit – Theater – Publikum, das auch das Theaterstück selbst charakterisiert. Ich habe vom Piper Verlag den Auftrag, eine Dramaturgie des gesamten modernen Dramas zu schreiben, was m. E. nicht möglich ist, ohne den Zusammenhängen nachzugehen, auf die Sie hinweisen. Ich wäre Ihnen dankbar, könnte sich mein langer Wunsch, Sie einmal kennenzulernen und zu sprechen, erfüllen lassen, wenn ich bei meinen Eltern in Westfalen zu Besuch bin. In aufrichtiger Verehrung Ihre Marianne Wolf-Kesting 28 Auf dem Briefkopf teilw. stenogr Notizen von Schmitt: „1) Hamlet-Sonett v. B. Brecht, 2) Joachim Kaiser , 3) . Dr. M. Wolf-Kesting. b.[eantwortet] 16.9.59“. 29 Marianne Kesting, Das epische Theater (wie Anm. 2).
Briefe261
Nr. 2 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7497
München, den 23.9.1959 Sehr verehrter Herr Professor, Über Ihre schnelle Antwort30 habe ich mich ganz außerordentlich gefreut. Nehmen Sie herzlichen Dank auch für die freundliche Einladung zu einem Gespräch. Ich hoffe, ihr noch im Oktober folgen zu können, vielleicht zusammen mit meinem Bruder,31 der schon lange eine Reise zu Ihnen plant. Für den Hinweis auf das Corneille-Zitat bin ich Ihnen besonders dankbar. Ich werde diesen Zusammenhängen nachgehen müssen und mich nicht scheuen, etwaige Standpunkte, die ich schon gewonnen zu haben glaube, zu revidieren. Theorien existieren ja nur so lange als nicht bessere gefunden werden. Ihre Kritik meines Buches würde mich besonders interessieren. Ich bin ohne Autoren-Empfindlichkeit, da ich etwas lernen möchte. Um die Wirkung Ihres Hamlet-Buches wird man sich kaum Sorgen machen müssen. Die gängige Literaturwissenschaft wehrt sich vermutlich, wahrzunehmen, was sie im Grunde in Frage stellt. Aber ich glaube, Erkenntnisse sind wirksam, sobald man sie einmal in die Welt gesetzt hat. Die Zeit tut das Ihre, überholte Standpunkte zu liquidieren. Zuweilen machen auch Enkel-Generationen ihre „Entdeckungen“ an Schriften, die schon eine Weile in der Welt sind. Walter Benjamin ist kein isoliertes Beispiel. Ich freue mich sehr darauf, Sie einmal kennenlernen zu dürfen und kann nur hoffen, dass sich das geplante Gespräch bald verwirklichen läßt. In aufrichtiger Verehrung und Dankbarkeit Ihre Marianne Kesting Bitte entschuldigen Sie die Maschinenschrift. Ich bin in der unglücklichen Lage, meine schwer leserliche Handschrift nicht gut anbieten zu können.
30 Fehlt.
31 Hanno Kesting (1925–1975), Soziologe, kam 1947 über die gemeinsame Bekannte Marie Stewens und dann auch seine Heidelberger Kommilitonen Reinhart Koselleck und Nicolaus Sombart mit Schmitt in Kontakt.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Nr. 3 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7498
München, z. Zt. Ulm, den 26.9.1959 Sehr verehrter Herr Professor, Erlauben Sie mir, Sie noch einmal mit einem Brief zu behelligen. Ich habe damit begonnen, die Reihe Ihrer Bücher zu lesen, die hier bei meinem Bruder aufgestellt ist. Mein Bruder hat zwar nicht versäumt, mir diese Lektüre seit Jahren zu empfehlen, aber ich war immer in einer gewissen Scheu vor juristischen Dingen befangen, für die ich, wie ich glaube, keinen rechten Kopf habe. Wie viel ich im einzelnen begreifen kann, sei dahingestellt, aber ich habe Tag und Nacht in großer Erregung gelesen. Vor allem hat mich Ihr großes Buch „Der Nomos der Erde“ und Ihr Gespräch über die Macht fasziniert; ich bin mir bewußt – wenn ich das als junger Mensch aussprechen darf –, dass zu unserer Zeit wenig Bücher von diesem Rang geschrieben worden sind. Umso glücklicher und dankbarer bin ich, mit Ihnen Verbindung aufnehmen zu dürfen. – Wissen Sie, wie nah viele Ihrer Gedanken und Erkenntnisse denen meines großen Lehrers Bertolt Brecht stehen? Ich war längere Zeit an seinem Theater und hatte vor seinem Tode ein langes Gespräch mit ihm, das zu den ganz entscheidenden Anstößen meines Denkens gehört. Es bedurfte langer Zeit und Arbeit, zu begreifen, was er mir gesagt hat. Brechts Schriften sind zum großen Teil noch nicht veröffentlicht, und ich fürchte, sie werden auch zukünftig nicht veröffentlicht werden, wenigstens nicht zu unserer Zeit. Ich hatte indes genügend Zugang zu einigen Dingen, um seine Position zu kennen. Danach dürfte es nicht mehr ganz leicht sein, ihn für Ost oder West zu beschlagnahmen. Ich glaube, er war wohl einer der einsamsten Menschen, denen ich begegnet bin. So gut ich vermag, habe ich versucht, in aller gegebenen Vorsicht, über ihn zu schreiben. Das Büchlein wird im Dezember bei Rowohlt erscheinen,32 und ich darf mir erlauben, es Ihnen zuzuschicken? Mit einigen Vorbehalten: es wäre klüger und umfassender geworden, wenn ich Ihre Schriften vorher gekannt hätte. Mir sind Hintergründe und Horizonte aufgegangen, und dafür werde ich Ihnen viel zu danken haben. Dabei erscheint mir der Ausgang „von rechts“ oder „von links“ vordergründig. Letztlich wird doch nur das Ergebnis zählen. Wenn man sich heute mit Literatur oder Theater beschäftigt und sich bemüht, sei es in saurer und primitiver Kleinarbeit, das übliche Literaturge32 Marianne Kesting, Bertolt Brecht in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten (rowohlts monographien, 37), Hamburg 1959 (41. Aufl. 2003).
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wäsch zu durchstoßen, wird man hartnäckig immer wieder auf die grundsätzlichen Probleme unseres saeculums gerückt. Die Literatur hat keine Sonderprobleme, wenn man auch allenthalben sich so gebärdet. – So möchte ich Sie sehr bitten, Fragen stellen zu dürfen, offene, vielleicht naive – mit dem Risiko, dass auch einige dumme darunter sind. Besonders zu Donoso Cortez [!] habe ich viele Fragen, denn ich vermute, Ihre Aufsätze über diesen großen Denker enthalten auch einige Thesen über das, was zu tun sei. Ich war ungefähr ein halbes Jahr in Rom und habe zuletzt, wie ich gestehen muß, ziemlich kritisch von der wunderbaren Peterskuppel auf den Vatikan heruntergeschaut, mit dessen Vertretern ich nahezu ausschließlich zu tun hatte. (Dieser Blick war nicht inspiriert durch Brecht; ich habe, ganz unvoreingenommen, einige Aufsätze im „Hochland“ veröffentlicht33). Verzeihen Sie, dass ich so viel von mir erzähle. Nehmen Sie es als echtes Bedürfnis und als Vorfreude, mit Ihnen sprechen zu dürfen. Ihre Marianne Wolf-Kesting
Nr. 4 Marianne Kesting an Carl Schmitt
RW 0265 Nr. 23729 (im Innendeckel des Buches eingeklebt)
Köln, 4.10.1965 Sehr verehrter Herr Professor, Gestatten Sie, dass ich Ihnen mein Buch34 als kleinen „Geistesgruß“ zusende – auch, wenn unverzeihlicherweise der Name Cortés darin falsch geschrieben ist. Ihre Marianne Kesting
33 Im 50. Jahrgang des „Hochland“ finden sich 1957 / 58 zwei Beiträge von Marianne Kesting: Tennessee Williams (S. 171–174) sowie: Fellinis Filme (S. 592– 595). 34 Marianne Kesting, Vermessung des Labyrinths. Studien zur modernen Ästhetik (Fischer doppelpunkt, 20), Frankfurt a. M. 1965. Mit Anmerkungen Schmitts im Nachlass (RW 0265 Nr. 23729).
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Nr. 5 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg-San Casciano, den 7.10.1965 Liebe Frau Marianne Kesting, es gibt schlimmere Dinge als den Druckfehler „Cortez“ auf Seite 11,30 Ihrer „Vermessung des Labyrinths“ und wenn jeder solche Fehler zum Anlass einer so kostbaren Zusendung [nehmen] würde, dann wäre ich sehr damit zufrieden. Sie können nicht ahnen, was diese Ihre „Vermessung“ in einem alten Mann aufreißt, der seit über 70 Jahren in solchen Labyrinthen wandelt und manche ihrer Vermessungen aber auch ihrer Vermesser erlebt hat. „Aufreißen“ wird dabei ebenso hintersinnig-hinterhältig wie viele Verben unserer deutschen Sprache, wenn sie in das Philosophische hineingeraten, wie z. B. Hegels gängig gewordenes „Aufheben“. Aber wie kann ich für ein solches Geschenk danken? Ich habe nur den beigefügten Leviathan-Aufsatz35 zur Hand. Dieser „Leviathan“ des Thomas Hobbes ist ein fabelhaftes Beispiel für Ihren Satz (Seite 42): „eine Idee geht in Szene mit Hilfe der Metapher“. Um Ihnen aber Ihre Zeit nicht zu stehlen, habe ich mir erlaubt, einige Stellen anzumerken, für den Fall, dass Sie einen Blick in diese esoterischen Zeilen werfen sollten. Vielen Dank für dieses Buch, dem ich zahlreiche ebenso gut präparierte (‒ voraussetzungsvoll verständige ‒) Leser wünsche wie es ihn hat an Ihrem alten Carl Schmitt
Nr. 6 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7499
Köln, den 13.10.1965 Sehr verehrter Herr Professor, Über Ihren Brief und die Hobbes-Dedikation habe ich mich sehr gefreut. Sie dürfen versichert sein, dass ich nicht nur die angestrichenen Stellen 35 Carl Schmitt, Die vollendete Reformation. Bemerkungen und Hinweise zu neuen Leviathan-Interpretationen, in: Der Staat 4, 1965, S. 51–69.
Briefe265
aufmerksam gelesen habe. Der ganze Komplex interessiert mich, seit mir mein Bruder einmal das Titelblatt des „Leviathan“ zeigte, außerordentlich. Wie zumeist bei derlei Symbolen wird es sich auch hier um ein Ineinander von Sagen und Verbergen handeln, um Zeichen also, die nur den Eingeweihten verständlich sind und anderen unverständlich sein sollen. Das sogenannte „Zeitalter des Manierismus“ war ja nicht zuletzt ein Zeitalter der neuen politischen Ideen (die sich nicht freihin äußern durften), der Geheimorden – und Sekten. Mir fehlt die genauere geschichtliche Orientierung in Bezug auf Hobbes und so auch der eigentliche Zugang zur Entschlüsselung der Symbolik, wenngleich Sie, falls ich richtig gelesen habe, in Ihrer Besprechung einiges andeuten. Dies gehört in das Kapitel „Die Kunst, die Wahrheit zu sagen“. Haben Sie also meinen Dank für dieses bedeutsame Geschenk, das ich mit besonderer Freude zu Ihren übrigen Werken gereiht habe. Verzeihen Sie bitte die Maschinenschrift. Ich gehöre zu den Leuten mit nahezu unleserlicher Handschrift, die es für höflicher gegenüber dem Briefempfänger erachten müssen, ihre Briefe zu drucken. In herzlicher Verbundenheit Ihre Marianne Kesting
Nr. 7 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg, den 14.3.1968 Sehr verehrte Frau Marianne Kesting, vor 14 Tagen bat mich Herr Walter Boehlich vom Suhrkamp-Verlag (sehr höflich und zivil) um einen Brief von Walter Benjamin, von dem ich dann gleich eine Fotokopie an ihn geschickt habe. Es handelt sich um den auf Seite 64 meiner Schrift „Hamlet oder Hekuba“ (1956) herangezogenen Brief. Ich schicke Ihnen hier beides, den Benjamin-Brief, und meine Hamlet-Schrift. Die Anfrage des Suhrkamp-Verlages wurde für mich zum Anlass, nicht nur Walter Benjamin, sondern auch Ihre „Vermessung des Labyrinths“ neu zu lesen. Das ergab für mich eine große neue Erfahrung. So müssen Sie sich die Übersendung der beiden anliegenden Stücke erklären. Es sind schon drei Jahre her, dass Sie mir Ihr Buch geschickt haben. Das war 1965. Der Brief Walter Benjamins ist von 1930. Das sind sogar 38 Jahre her. In weiteren 38 Jahren schreiben wir das Jahr 2006. Aber der technisch-industrielle Fortschritt führt unsere ganze Zeitstruktur ad ab-
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
surdum. Im Grunde wissen wir vom Jahre 2000 nicht mehr als vom Leben nach dem Tode. Mit allen guten Wünschen Ihr alter Carl Schmitt Anlagen: 1 Fotokopie (Brief) 1 Buch (Hamlet oder Hekuba) Nr. 8 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7500
Köln, den 15.3.1968 Sehr verehrter Herr Professor, Schon seit langem wollte ich Ihnen schreiben. Schuld an der Verzögerung war eine etwas törichte Situation, nämlich die, dass ich schon seit einem Jahr auf den Druck eines Essays warte, den ich Ihnen schicken möchte. Ich warte noch immer, aber Ihr Brief und das große Geschenk Ihres Buches (das schon seit vielen Jahren Gegenstand meiner Meditationen ist) ermutigen mich, Ihnen die Arbeit in ihrem vorläufigen, etwas schäbigen Rundfunk-Gewand zu senden. Lesen kann man sie so immerhin, wenn man die unsinnige Sprecheraufteilung, derer sich der Rundfunk nicht enthalten kann, übersieht. (Selbstverständlich bekommen Sie noch den gedruckten Essay.)36 Es wird Ihnen nicht entgehen, dass ich hier Ihr großes Thema auf das Gebiet des Ästhetischen überführe, das mir bei bedeutenden Dichtern ein gutes diagnostisches Instrument zu sein scheint. Aber dieser Gedanke dürfte jemandem, der „Hamlet oder Hekuba“ und die „politische Romantik“ geschrieben hat, nicht unvertraut sein. So hat es sich ergeben, dass mancherlei von Ihrem Geist und Ihren Entdeckungen durch meine ästhetischen Reflexionen schwebt, auch einiges aus „Land und Meer“ … 36 Marianne Kesting, Der Schrecken der Leere. Überlegungen zur modernen Ästhetik, Rundfunktyposkript SDR vom 16.1.1967 (im Nachlass Schmitt, RW 0265 Nr. 19523). Die Druckfassung mit geändertem Untertitel: „Zur Metaphorik der Farbe Weiß bei Poe, Melville und Mallarmé“, in: Marianne Kesting, Entdeckung und Destruktion. Zur Strukturumwandlung der Künste, München 1970, S. 94–119 (RW 0265 Nr. 24430). Schmitt erhielt auch einen Sonderdruck der franz. Übersetzung: Marianne Kesting, L’horreur du vide. La metamorphose du blanc chez Poe, Melville, et Mallarmé, in: Romantisme 4, 1972, S. 20–36 (im Nachlass Schmitt).
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Neben all diesem Dank, den ich Ihnen nicht recht abzustatten vermag, noch meinen besonderen Dank für den Benjamin-Brief. Benjamin hat mich aus den trüben Gewässern meines Germanistik-Studiums errettet, und Sie ermessen kaum, wie viel mir dieser Brief und der Geisteskontakt, den er aufzeigt, bedeutet. Was die technisch-industrielle Gesellschaft betrifft, die Sie in Ihrem Brief berühren, und das Meer von unbewältigten Problemen, das sie heraufführt, so erfüllt sie mich mit einem unbestimmten Schrecken vor dem „Weiß“ der Zukunft. Auch davon spricht das Manuskript. Nehmen Sie es als einen Gruß, als ein Gespräch, das ich seit langem mit Ihnen und Ihren Büchern führe. Ihre Marianne Kesting
Nr. 9 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg, den 16.11.1968 Sehr verehrte Frau Marianne Kesting, mit großer Verspätung antworte ich auf die Zusendung Ihrer „Überlegungen zur modernen Ästhetik“; ich wollte aber die Drucklegung der beiden anliegenden Sonderdrucke37 abwarten, die beide Melvilles Benito Cereno betreffen, als Beispiel dessen, was Sie „die Vielschichtigkeit der Interpretation[“], die in der Sache (oder Situation) liegt nennen; ein Serbe und ein (Links-)Spanier treffen sich hier. Schade, dass Sie nicht hören konnten, was Kličković vor einigen Monaten hier über die Metaphorik der Farbe Weiß sagte, ohne Ihre Überlegungen zu kennen. Das treibende Schiff (auf Seite 25 Ihrer Sendung vom 16.1.67) werden Sie in beiden Aufsätzen wiederfinden. Herzlichen Dank und alle guten Grüße und Wünsche Ihres alten Carl Schmitt
37 Von Sava Kličković und Enrique Tierno Galván in der Schmitt-Festschrift (wie Anm. 3).
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Nr. 10 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7501
Köln, den 25.11.1968 Sehr verehrter Herr Professor, Nehmen Sie meinen sehr herzlichen Dank für Ihren Brief und die beiden Sonderdrucke, die, wie Sie sich denken können, mein ganz besonderes Interesse erregt haben. Ich fühle mich nicht wenig zu weiterer Melville-Forschung stimuliert. Dieser rätselhafte und geheimnisvolle Dichter ist nie ganz entschlüsselt worden, und dies hängt m. E. mit politischen Tabus zusammen. Sicherlich hat die Melville’sche Parabel eine ästhetische und politische Ursache. Die ästhetische ist die Entdeckung der Vieldeutigkeit der Realität, die politische versteht sich aus Melvilles Anschauungen. Er war ja zunächst ein begeisterter Anhänger der amerikanischen demokratischen Ideale, der Bill of right etc., um nach und nach einer einschneidenden Desillusion zu verfallen, die er aber erst in den letzten Lebensjahren deutlich formuliert hat, und zwar vor allem in „Clarel“, einem Epos. Wenn Sie und Jünger die Lage Cerenos mit der der europäischen Intelligenz vergleichen, so ist das Ihr gutes Recht, aus einer vieldeutigen Parabel das Bild für die eigene Situation zu gewinnen. Und es ist ein Bild von einer bestürzenden Evidenz. Es hat mich, schon bei der Lektüre von „Ex captivitate salus“ vor einigen Jahren, sehr betroffen. Als pedantischer Philologe halte ich natürlich für eine ganz andere Sache, ob nun Melville-Forscher behaupten, eben dieses habe Melville in seiner Erzählung sagen wollen. Da sind mir einige Bedenken gekommen, die ich meine Ihnen nicht verschweigen zu dürfen. Galván und Kličković gleiten über zwei nicht ganz unwichtige Fakten hinweg. Sie übersehen schlicht, dass es sich in „Benito Cereno“ um eine Auseinandersetzung zwischen Schwarzen und Weißen handelt, ferner: dass Cereno nicht Europäer, nicht Kontinentalspanier, sondern, wie es bei Melville heißt, „gebürtiger und ansässiger Chilene“ ist. Endlich wird nirgend auch nur suggeriert, der Neger Atufal symbolisierte den Mob und den Terror. Melville berichtet, dass dieser Atufal ein Negerkönig ist, ein „kühner Gefangener“, den Cereno als Aristokraten behandelt. Später wird er mit einem Türhüter vor einem ägyptischen Königsgrab verglichen. Meine Interpretation der Erzählung lautet also anders, nämlich, dass es sich hier um eine Auseinandersetzung zwischen den amerikanischen Nordstaaten und dem sklavenhaltenden Südamerika (bzw. Südstaaten?) handelt. Die Erzählung wurde kurz vor Ausbruch des Sezessionskrieges geschrieben (1855).
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Der Nordamerikaner Delano ist gutherzig, hilfsbereit, nicht sehr intelligent, harmlos, unerfahren in den Belangen der Sklavenhalterei. Er begreift nicht die Vorgänge auf dem Schiff Cerenos, und zwar, weil auf seinem Schiff „die Leute wie eine große Familie friedlich zusammenlebten“. Diese freundliche Metapher hat Melville öfters als seine Wunschvorstellung von der Rassentoleranz und dem einmütigen Zusammenleben vieler Rassen und Völker in Nordamerika gebraucht! Delano teilt auch seine Vorräte gleichmäßig an Schwarz und Weiß aus! Der Meuterei allerdings begegnet er scharf: auf seinem Schiff ist er „an Ruhe und Ordnung gewöhnt“! Cereno entstammt der spanischen Aristokratie, „einer Art kastilischer Familie Rothschild, mit einem vornehmen Bruder oder Vetter in jeder größeren Handelsstadt Südamerikas“. Die ursprünglichen Aristokraten sind in der „Neuen Welt“ sklavenhaltende Kaufleute geworden. In der Meuterei der Schwarzen manifestiert sich das Menetekel ihrer Entmachtung. Cereno ist von den Schwarzen besiegt worden, er hat die Umkehrbarkeit der Situation „Herr und Knecht“ erfahren und ist an Leib und Seele gebrochen. Ein Mediziner informierte mich, dass die Symptome seiner Krankheit eindeutig die der Schwindsucht seien. Cereno wird deutlich mit dem abdankenden Karl V. verglichen. Auch er zieht sich in ein Kloster zurück nach seiner Abdankung. Und er stirbt seinem Diener Babo nach. Dieses und das letzte Gespräch mit Delano spielen auf das Geheimnis der Erzählung an, die unauflösliche Verbundenheit zwischen Herrn und Sklaven. Die Schwarzen sind ihres ursprünglichen Lebensraumes beraubt worden, sie brauchen die Weißen, um das Schiff zu lenken. Umgekehrt aber scheint die Aristokratie nicht lebensfähig ohne Sklaven. Delano begreift das alles nicht. Er meint, das Problem sei schon gelöst, indem die meuternden Schwarzen überwältigt und hingerichtet würde. Cereno selbst belehrt ihn eines anderen. Melville war übrigens ein Gegner der Sklaverei. Als junger Mann desertierte er von einem Schiff und lebte auf den Marquesas lange Zeit als einziger Weißer unter Kannibalen. Er konnte sich sein Leben lang nicht mehr darüber beruhigen, welch nicht wieder gutzumachendes Desaster die Europäer mit ihrer Zivilisation unter den Eingeborenen veranstalteten. Ich denke nun, dass „Benito Cereno“ den Wahn nordamerikanischer Harmlosigkeit brandmarken möchte, der da meint, dieses – für Melville unauflösliche – Problem lösen zu können, indem man kurzerhand „Ordnung schafft“. Sagt die Erzählung nicht, dass dabei beide, Herr und Knecht, zugrunde gehen werden? Übrigens behandelt Melville die Schwarzen fair. Der Kampf auf dem Schiff wird mit einem Schachspiel verglichen, dann mit dem Kampf zweier
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
maskierter Gegner. Und diese Symbole sprechen „die Wahrheit“. Melville bedient sich eines ganz sonderbaren ästhetischen Verfahrens. Alles, was Delano für Realität hält, erweist sich als Täuschung. Aber die Symbole, die er wahrnimmt (Verwandlung des Columbus in ein Gerippe, das Wappen des maskierten Kampfes etc., Kette und Schloß) sprechen den Sinn und die Wahrheit der Geschichte aus – in Chiffren. Ferner widerspricht Melville der Auffassung vom edlen oder primitiven Wilden. Die Schwarzen sind listig und entschieden unheimlich, weil sie sich so verhalten, wie man es nicht erwartet. Dies erinnert an das Verhalten der Schwarzen auf der Insel Tsalal in Poes „Arthur Pym“, die, wie sich herausstellt, eine weitaus ältere Kultur haben als die Europäer, die sich als Eroberer fühlen. Auch hier kehrt sich das Verhältnis Herr und Knecht bald um. Verzeihen Sie diese langen Auslegungen, die Sie hoffentlich nicht ermüden. Aber Ihre These und die beiden Aufsätze von Galván und Kličković haben mich wieder mit dem Problem Melville konfrontiert, und es lockt mich, der von Ihnen stimulierten Frage Amerika-Europa im Werk Melvilles nachzugehen. Dazu müßte ich noch einige Werke lesen, vor allem Melvilles Schilderung seiner Europa-Reisen. Ich hoffe also, darüber noch Genaueres recherchieren zu können und Ihnen zu berichten, sodass dieses über so weite Entfernung geführte Gespräch nicht abreißen möge. Nehmen Sie meinen Dank und meine herzlichen Grüße Ihre Marianne Kesting
Nr. 11 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg, den 6.12.1968 Liebe und verehrte Frau Marianne Kesting, Ihre Kritik an den Methoden der beiden Benito-Cereno-Aufsätze (von Sava Kličković und Enrique Tierno Galván) ist berechtigt. Wie weit von dem allegorischen oder symbolischen Bereich jedes Kunstwerkes her an dieser und auch meiner Benito-Cereno-Deutung noch etwas zu retten ist – aus der allegorischen Dimension bei Walter Benjamin z. B., die neben der kommunistisch-Brechtschen und der jüdisch-zionistischen als dritte Dimension bei Walter Benjamin durchaus vorhanden bleibt – wäre eine Frage für sich. Ich hoffe, dass die Lektüre der beiden Aufsätze für Sie insofern nicht unnütz war, als Sie dadurch in Ihrer bisherigen Melville-Arbeit bestätigt worden sind und das große Thema „Amerika-Europa im Werk Melvilles“ weiterführen. Darauf bin ich geradezu begierig, denn die völkerrechtliche Seite des
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Problems hält mich seit Jahrzehnten in Atem. Doch kommt es auf mich nicht mehr an. Ich bin museumsreif für einen noch zu erfindenden amerikanischen Museumstyp. Dagegen hat Ihre philologische Kritik einen sensiblen Punkt in dem mir noch verbliebenen Existenz-Rest getroffen: den Schullehrer-Ehrgeiz. Die beiden Kandidaten, die ich Ihnen in der Benito-Frage präsentierte, sind beide durchgefallen und haben das philologische Examen nicht bestanden. Um diese Scharte auszuwetzen und die philologische Ehre der mir gewidmeten Festschrift zu retten, wage ich es, Ihnen noch einen dritten Beitrag zu übersenden.38 Der Verfasser, Karlfried Gründer, hat sich als Mitherausgeber der großen Hamann-Edition legitimiert – und was das bedeutet: eine tadellose, einwandfreie, exakte Hamann-Edition, das können Sie sich als Philologin wohl denken – und vom Stoff her könnte der Aufsatz als Material für Ihre Arbeit zum Thema der Tragik und der Tragödie in Betracht kommen (vgl. die auf Seite 497 oben angemerkte Stelle39). Hoffentlich kann dieser Beitrag zum Problem der Katharsis vor Ihren Augen bestehen. Es ist erstaunlich, was hier alles zum Zuge kommt: die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik, die Psychoanalyse Freuds, die deutsche Universitätswissenschaft des 19. Jahrhunderts, die sich in einer hochpolitischen Situation für ein hochpolitisches Problem (denn das ist es) nur in der Neutralisierung einer Aristoteles-Diskussion ereifern kann. Auch wenn Sie keine Zeit zur Lektüre dieses Beitrags haben, möchte ich die Geste einer Überreichung nicht unterlassen. Mit herzlichem Dank für Ihre wirkungsvolle Belehrung (ich habe sie den beiden Kandidaten schon weitergegeben) und den besten Wünschen für Ihre weitere Arbeit. stets Ihr alter Carl Schmitt
38 Karlfried Gründer, Jacob Bernays und der Streit um die Katharsis, in: Epirrhosis (wie Anm. 3), S. 495–528. 39 Da heißt es: „Dazu kommt eine ungewöhnliche Tendenz zur Aktualisierung und Applikation. Von der französischen Klassik bis zu Brecht haben sich Dramatiker und Dramaturgen kaum mehr erlaubt, an der aristotelischen Poetik vorbeizugehen, ja eine Reihe der wichtigsten Deutungsansätze stammt von ihnen, nicht von Philologen (sofern, wie zumal in älterer Zeit, eine solche professionelle Scheidung nicht unstatthaft ist).“
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Nr. 12 Marianne Kesting an Carl Schmitt40 RW 0265 Nr. 7502
Köln, den 12.12.1968 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, Nehmen Sie meinen besonderen Dank für Ihren Brief und den sehr wichtigen Essay Karlfried Gründers, in dem ich (S. 502 oben) den schönen Goethe-Satz fand,41 der mich sehr amüsiert hat, wenn er auch auf unsere Diskussion nicht so ganz paßt. Aber dennoch! Gründers Entdeckung ist von Bedeutung, und die Wiederausgrabung Bernays eine verblüffende Sache. Ich kannte nur Nietzsche – und brachte ihn dann später, als ich Freuds Theorie von der Sublimierung der Antriebe las, selbst in Verbindung mit der Aristoteles-Interpretation, leider ohne Bernays zu kennen, der ja wohl die wichtigste Station dieser Gedankenkette ist. Die Philologen-Thesen gegen Bernays sind denn auch die gleichen Anwürfe, wie sie später Freud zu hören bekam. Heute, da die affektlösende und heilende Kraft des Schauspiels fester Bestandteil der Psychotherapie ist, würde kaum jemand Bernays These bezweifeln. Was den staatserhaltenden „Abfuhr der Affekte“ betrifft, so kann man deren Mechanismus bei Protestversammlungen studieren. Ich habe zuweilen den Eindruck, bei manchen jungen Leuten sei das politische Handeln in Theatervorstellung und Reden umgewandelt. Unterdessen hat die Melville-Frage nicht aufgehört mich zu beschäftigen. Und ich möchte Ihnen doch – wenn Sie diese Diskussion nicht ermüdet – einige Gedanken dazu mitteilen. Melville hat in seinen bedeutenden Erzählungen, wozu auch der „Cereno“ selbstverständlich rechnet, auf dichterische Weise die Ti e f e einer geschichtlichen Situation auszuloten versucht und somit natürlich mehr und anderes geliefert als die glatt aufgehende Umsetzung einer bestimmten Anschauung in ein dichterisches Bild, das dann ebenso glatt wieder interpretatorisch aufzulösen wäre. Mein Augenmerk geht hier auf den Umbruch zur modernen Ästhetik, wie er sich bei Melville abzeichnet, und das heißt: der Umbruch von der eindeutigen realistischen 40 Am
Ende stenogr. Notiz von Schmitt: „ V. Achille“. Stelle in des Aristoteles Poetik legte ich aus als Bezug auf den Poeten und die Composition. Herr v. Raumer, in einer verdienstlichen Abhandlung, die er mir mittheilt, beharrt bey dem einmal angenommenen Sinne, indem er diese Worte als von der Wirkung aufs Publicum zu verstehen deutet und daraus auch ganz gute und annehmbare Folgen entwickelt. Ich aber muß bey meiner Überzeugung bleiben, weil ich die Folgen, die mir daraus geworden, nicht entbehren kann …“ Goethe an Zelter, Brief vom 31.12.1829. 41 „Eine
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Erzählung in die vieldeutige, vielleicht nicht ausdeutbare Allegorie, die eben das Rätsel der Geschichte in das Rätsel der Dichtung einbringt. Die Erzählung lehrt den Zweifel am realistischen Augenschein. Alles, was Delano auf dem fremden Schiff hört, sieht und wahrnimmt, erweist sich als Täuschung. Nur die Symbole sprechen die Wahrheit, aber Delano versteht sie nicht zu lesen. Nun, die Täuschung wird aufgedeckt, aber nur in ihrem faktischen Bereich: Cerenos Prozeßaussagen enthüllen die Geschichte von der Meuterei. Dennoch ist der Leser genasführt, der glaubt, das Rätsel sei nun gelöst. Dieser Leser wäre ein Delano. Ein Cereno-Leser hingegen stünde nun vor der Chiffre der grundsätzlichen Allegorie. Hier gibt es nun einige Fingerzeige und einiges Dunkel. Zwar meine ich schon, dass sich Melville zunächst auf eine inneramerikanische Situation bezogen hat, aber in der Tiefe dieser Situation insofern auch europäische Probleme mitberührt, als sich gewisse geschichtliche europäische Fakten – Abdankung der Aristokratie, Revolution – hier in anderer Form (Sklaverei, Meuterei) indirekt spiegeln. Es erhebt sich ja überhaupt die Frage, ob nicht Amerika sich aus transportierten europäischen Problemen konstituiert hat, ob sie sich nicht auf dem anderen Kontinent in denkwürdiger Weise neu abzeichneten. Wie weit Melville dies nun berührt, wieweit er überhaupt an Europa gedacht hat, ist eine Frage, die ich, wie ich hoffe, Ihnen in nicht allzu langer Zeit werde beantworten können. Nur ist die Entzifferung von Melvilles idiomatischem Amerikanisch für mich mit meinem Schulenglisch eine sehr schwierige Sache, und ich bitte um etwas Geduld. Aber es wird mich ermutigen, dass Sie mir zuhören. Darf ich Ihnen in der Zwischenzeit zu diesem Problem eine ältere Arbeit über die politische Parabel bei Poe zuschicken, die leider erst in einer schäbigen Radio-Fassung vorliegt.42 Ich bin aber mit dem Kohlhammer Verlag in Diskussion wegen eines Essaybandes und gebe die Hoffnung nicht auf, Ihnen ein besseres Exemplar des Aufsatzes zuschicken zu können.43 (Der Melville liegt immer noch bei den Neuen Deutschen Heften, und der Herausgeber teilt mir mit, er sei „so schön zeitlos“, könne also gut und gerne noch länger liegen!44) Das Thema Poe wird Sie interessieren, zumal es in 42 Marianne Kesting, Im Malstrom der Geschichte. Die politische Parabel bei Edgar Allan Poe, Rundfunktyposkript, Hess. Rundfunk vom 26.4.1966 (im Nachlass Schmitt, RW 0265 Nr. 19524). 43 Der Essayband erschien nicht bei Kohlhammer, sondern im Verlag Wilhelm Fink: Marianne Kesting, Entdeckung und Destruktion (wie Anm. 36); der Aufsatz hier auf S. 69–93. 44 Ein Aufsatz über Melville von Marianne Kesting ist nicht erschienen, wahrscheinlich ist er 1971 in ihr Buch über Melvilles Benito Cereno eingegangen.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
denkwürdiger Weise mit Ihre Thesen übereinstimmt. Hier stellt sich nun das Thema Amerika-Europa sehr direkt. Ich lege dieses Manuskript etwas zaghaft in Ihre Hände, zumal ich hier unversehens in Ihr Gebiet geraten bin, sogar in Ihr Gehege! … Nehmen Sie’s in jedem Falle als Gruß und Dank Ihre Marianne Kesting
Nr. 13 Marianne Kesting an Carl Schmitt45 RW 0265 Nr. 7503
Köln, den 13.1.1969 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, Verzeihen Sie, dass ich – ohne erst Ihre Antwort abzuwarten, einen Brief „zwischenschiebe“. Aber unsere Debatte scheint sich zu erledigen, da 1964 eine Arbeit eigens zum Thema „Rebellion“ bei Melville erschienen ist,46 die vielleicht nicht besonders tiefgründig ist, aber ein Material zusammenbringt, das nicht so ohne weiteres ignoriert werden kann. Ich habe Ihnen einige Seiten aus der „Cereno“-Interpretation, vor allem aber die Interpretation von „Mardi“ ablichten lassen. „Mardi“ ist bisher nicht ins Deutsche übertragen worden, ich kannte es also nicht. Offenbar bedient sich aber hier Melville zum erstenmal vollends einer Art Allegorie, um sich mit dem Thema Rebellion und Revolution in den verschiedenen Ländern auseinanderzusetzen, und zwar läßt er seine Protagonisten von Land zu Land reisen, u. a. auch nach Frankreich und Amerika. Auch Melvilles Haltung zur Sklavenfrage wird hier deutlich. „Mardi“ wurde 1849 schon geschrieben, aber offensichtlich hat sich Melvilles grundsätzliche Haltung zur Rebellion nicht mehr grundlegend geändert, wohl aber zu Amerika, dessen Entwicklung er in den späteren Jahren als desaströs beurteilte. Nehmen Sie meine herzlichen Grüße! Wie immer Ihre Marianne Kesting
45 Am Ende des Briefes von Schmitt stenogr. Entwurf des folgenden Antwortbriefes. 46 John Bernstein, Pacifism and Rebellion in the Writings of Herman Melville, London / The Hague / Paris 1964.
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Nr. 14 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg, den 15.1.1969 Sehr verehrte Frau Marianne Kesting, dafür, dass Sie mir die Seiten aus dem Buch von Bernstein (über „Mardi“ und Benito Cereno) geschickt haben, ohne meine Antwort auf Ihr vorangehendes Schreiben abzuwarten, bin ich Ihnen ganz besonders dankbar. Ich warte immer noch auf Antwort von Sava Kličković, der auf Reisen ist. Inzwischen geht das Interesse an der B. C.-Deutung und Allegorisierung weiter; in Athen hat, wie ich hörte, ein Kreis von Intellektuellen den Aufsatz von Enrique Tierno Galván „verschlungen“. Solche Dinge warten nicht auf die Philologen. Hat der deutsche Sturm und Drang für seinen ShakespeareMythos, hat die Schlegel-Romantik für ihren Hamlet-Mythos auf die Philologen gewartet? Dennoch bleiben die Philologen ein Element und nicht nur ein Ferment solcher Vorgänge. Ich bitte Sie um Geduld und beschwöre Sie, gerade dieses Thema Melville nicht aus den Augen zu lassen. Sie können nicht ahnen, wie mich jede Mitteilung von Ihnen belebt. Auch Ihre E. A. Poe-Rundfunksendung habe ich mit Spannung gelesen. Im Alter aber wird man – wie der alte Aristoteles von sich bekennt – „Mythenfreund“. Die wissenschaftlich-methodische Schulung und Übung wird dadurch nicht etwa „erledigt“, sondern in neuer Weise virulent. Warum erscheint eigentlich Ihre Sammlung bei Kohlhammer? Sollte man nicht versuchen, Heinz Friedrich47 für eine Benito-Cereno-Ausgabe (Text und einige ausgewählte Aufsätze) in DTV zu interessieren? Also vielen Dank und herzliche Grüße Ihres alten Carl Schmitt P. S. Die Hinzuziehung des „Inquisitors“48 ist eine billige Spanien-TotalitarismusAssoziation, Klamotte; sie verdient kaum noch ein: Buch!
47 Heinz Friedrich (1922–2004), Verleger, Geschäftsführer des Deutschen Taschenbuchverlages, mit Schmitt freundschaftlich verbunden. 48 In dem Buch von John Bernstein (s. Anm. 46) wird Melvilles Erzählung mit der spanischen Inquisition in Verbindung gebracht; Babo stehe für den Inquisitor.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Nr. 15 Marianne Kesting an Carl Schmitt49 RW 0265 Nr. 7504
Köln, den 24.1.1969 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, Nicht einmal die Melville-Lektüre habe ich mir beschaffen können. So möchte ich nur vorerst herzlich für Ihren Brief danken, dessen Anregung, „Benito Cereno“ mit Deutungen herauszugeben, bei mir auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Vielleicht könnte man dem Buch auch den Tatsachenbericht über die wirkliche Meuterei beigeben und so das Quellenmaterial vervollständigen.50 Es kann, muß aber nicht dtv sein; ich bin mit vielen Verlagen in Verbindung. Ein solches Projekt allerdings, das ich persönlich als ein bedeutsames empfinde, bedarf einer genauen Vorbereitung – und der Zeit. So ein totaler Philologe bin ich natürlich nicht, dass ich nicht begriffen hätte, welche politischen Aspekte Interpretationen haben und haben können.51 Wenn Athener Intellektuelle den Aufsatz von Galván verschlingen, so muß das nicht unbedingt mit der Richtigkeit seiner Melville-Deutung zusammenhängen. Vielleicht sollte man einmal grundsätzlich auseinanderhalten 1. die genaue Bemühung, herauszubekommen, was Melville hat sagen wollen, eine Bemühung, die nicht ohne Kenntnis des Gesamtwerks in Szene zu setzen ist; 2. die politische Interpretation, die Melvilles Parabel als Mythos der eigenen Anschauungen deutet.52 Da nun Mevilles Parabel eine politische ist, könnte es hier Überschneidungen geben; aber ich glaube, nach meinen bisherigen Erfahrungen mit Melville, nicht an eine exakte Übereinstimmung der Ansichten mit der Interpretation von Kličković und Galván. Das einzige Moment von Schüchternheit bei mir resultiert aus meiner eben auch nicht ganz exakten Kenntnis aller Werke Melvilles, aber des Eindrucks kann ich mich wiederum nicht erwehren, dass diese meine nicht ganz exakten Kenntnisse dennoch exakter sind als die G.[alván]s und K.[ličković]s, die, wie mir scheint, nur „Benito Cereno“ gelesen haben. Oder?53 49 Mit
Randbemerkungen und Unterstreichungen von Schmitt. Schmitt am Rand: „sehr gut Fotokopie“. Tatsächlich ist dann der Delano-Bericht in dem Buch Kestings (s. Anm. 4) enthalten, S. 135–171. 51 Dazu Schmitt am Rand: „Tierno“. 52 Dazu Schmitt am Rand: „benutzt und verwertet“. 53 Dazu Schmitt am Rand: „richtig“. 50 Dazu
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Der „Cereno“ ist wirklich das einzige Werk Melvilles, in dem er sich nicht mit der Deutlichkeit, die er sonst bei diesem Thema zu haben pflegte, über die Sklavenfrage äußert. Das hat seinen subtilen Grund. Erinnern Sie sich aus der „Moby Dick“-Lektüre, dass es des Wilden Queequegs Sarg ist, der nach dem Untergang des Schiffes „nach oben“ steigt, und dass es der Wilde Tashtego ist, der, als Genosse des königlichen Gottesrebellen Ahab, noch ertrinkend den Himmelsvogel an den sinkenden Mast nagelt. Melville war Zeit seines Lebens ein Vertreter des freien, „königlichen“, auf sich selbst gestellten Menschen, den er in der amerikanischen Erklärung der Menschenrechte garantiert sah. Er befindet sich aber im Drehpunkt der Aufklärung, die sich aus den religiösen Bindungen löste, deren Errungenschaften aber schließlich im „Fortschritt“ der technischen und ökonomischen Belange erstickten. Die Mündigkeitserklärung des Menschen verkam zu einer gewaltigen Sklaverei. So vielleicht erklärt sich die Merkwürdigkeit bei Melville, dass er sich als König und Rebell zugleich empfand, als Rebell später dann auch gegen den zerstörerischen Fortschritt. Erlauben Sie mir, Ihnen diese kleine Erzählung „Ich und mein Kamin“54 zuzuschicken, die gerade diesen „Drehpunkt“ der Aufklärung behandelt: der königliche Kamin ist hier zugleich das „Denkmal von Bunker Hill“, für Melville ein Symbol der Erklärung der Menschenrechte. Aber lesen Sie selbst. Ich denke, die Lektüre wird Ihnen Vergnügen bereiten. Und wirft sie nicht auch ein Licht auf den – nun unlösbaren – Konflikt des Aristokraten Cereno mit den Rebellen, die ihn gefangen nehmen – und dennoch – vielleicht – seine Gefährten sind, die mit ihm „in einem Boot“ sitzen? Nehmen Sie meine sehr herzlichen Grüße Ihre Marianne Kesting Nr. 16 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7505
Köln, den 24.3.1969 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, Sie wissen, dass Sie mir mit Ihrem überraschenden Anruf und unserer Begegnung55 eine ganz große Freude gemacht haben, und es ist an mir, dafür 54 Herman Melville, Ich und mein Kamin. Eine Erzählung (Die kleinen Bücher der Arche, 412), Zürich 1965 (im Nachlass Schmitt, RW 0265 Nr. 25278). 55 Schmitt und Kesting hatten sich im März in Köln getroffen, wobei sie auch Joseph H. Kaiser kennenlernte; vgl. Schmittiana IV, 1994, S. 98 f.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
zu danken! Sie haben offenbar gut wieder die Plettenberger Raumkapsel erreicht und sich, wie ich hoffe, die Zeit mit den amüsanten Adorno-BrechtNachrichten verkürzt.56 Dies nur in puncto Juden-Problem und Brecht: es existierte für ihn nicht das jüdische Problem, sondern nur das kapitalistische. So kann man den einen Mythos durch einen anderen unter Umständen ersetzen. Mit Prof. Kaiser habe ich mich ganz ausgezeichnet unteralten. Er ist ein überraschend vielseitiger Geist, erstaunlich. Er möchte mich zu einem Vortrag über Medien engagieren, aber ich bin nicht so sicher, dass ich da zuständig bin: wer darin steckt, überschaut nicht unbedingt die Beschaffenheit dieses Maelstroms. Sehr gern würde ich mich einmal mit Kličković unterhalten. Sicher muss man bei Melville mit übertragener Ausdrucksweise rechnen, aber ob Süd amerika = Europa ist, oder das europäische Problem nicht mehr als Hintergrund amerikanischer Konflikte hier eine Rolle spielt und im Vordergrund das Sklavenproblem und die Metaphorik Schwarz-Weiß steht – hm. Ich möchte am liebsten Äußerungen von Melville selbst dazu auffinden. Aber die Briefe sind verloren, Tagebücher hat er nicht geführt,57 sonstige Aufzeichnungen sind nicht überliefert. Er hat uns nur seine geheimnisvollen Nüsse überlassen, und nun braucht jeder sein Instrument, sie aufzuknacken und sieht im Kern – sein eigenes Problem. Sinnigerweise gibt es darüber sogar eine Reflexion im „Moby Dick“, Ahab stellt sie an, als er darüber nachdenkt, dass jeder Gegenstand der mächtigen Allegorie Welt uns unser eigenes rätselvolles Bild zurückgibt. Nehmen Sie meine herzlichen Grüße Ihre Marianne Kesting P.S: Ich habe mich über einen Vervielfältigungsapparat erkundigt, den auch ein normaler Sterblicher bezahlen und bedienen kann. Es scheint dergleichen heute zu geben. So wundern Sie sich bitte nicht, wenn eine Düsseldorfer Firma, die mir genannt wurde, Ihnen da Prospekte zuschickt.
56 Bezieht sich auf: Klaus Völker, Die Turandot-Story. Warum Brechts Stück geschrieben wurde, in: Theater heute 10, 1969, Märzheft, S. 22–26. Kesting hatte Schmitt in Köln auf den Beitrag über Brechts Adorno-Kritik hingewiesen; vgl. Ernst Forsthoff / Carl Schmitt, Briefwechsel Ernst Forsthoff Carl Schmitt (1926–1974). Hrsg. von Dorothea Mußgnug, Reinhard Mußgnug und Angela Reinthal, in Zusammenarbeit mit Gerd Giesler und Jürgen Tröger, Berlin 2007, S. 279 und 498. 57 Das ist nicht korrekt. Es gibt Briefe und Tagebücher, die allerdings erst spät entdeckt wurden und inzwischen auch in deutscher Übersetzung vorliegen: Herman Melville, Ein Leben. Briefe und Tagebücher, München / Wien 2004.
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Nr. 17 Marianne Kesting an Carl Schmitt58 RW 0265 Nr. 7507
Köln, den 13.1.1970 Sehr verehrter Herr Professor, Mit meinen – freilich etwas verspäteten – Grüßen zum Neuen Jahr, meinen Wünschen für Sie, Gesundheit und Geistesfrische betreffend, so wie ich sie bei unserer Begegnung erfahren habe, kann ich heute die Nachricht verbinden, dass der „Cereno“ endlich unter Dach und Fach ist vertraglich, nachdem sich die Verhandlungen mit verschiedenen Verlagen über ein Jahr hingezogen haben. Aus schlichtem Grunde: man war nicht davon überzeugt, dass sich dergleichen auch verkaufe. Nun bin ich also bei Ullstein gelandet, was aber keineswegs schlecht ist. Inzwischen habe ich zur Sache ein gigantisches Material gesammelt, das den Fall politisch, soziologisch und ästhetisch einkreisen wird. Hieroglyphen wie die Melvilles wollen regulär entziffert werden, und ich habe dazu nicht nur noch einmal den gesamten Melville, sondern auch die Geschichte Amerikas, der Sklaverei, die Verhältnisse auf den Schiffen etc. studiert, dann die Skala der literarischen und politischen Interpretationen. Der Themenkreis, der hier berührt wird, ist sehr groß, die Problematik vielfältig, und Melville hat es wohl gewußt. Aber nicht davon allein wollte ich sprechen. Ich würde gern wissen, wie es Ihnen geht. Von Fräulein Stewens, die ich jüngst sah, konnte ich gerade darüber nichts rechtes erfahren. Mit Herrn Professor Kaiser bin ich in einen Briefwechsel über „Planung“ geraten, ein ebenso furchtbares wie aktuelles Thema, mit dessen ungeplanter Seite ich dauernd auf dem Gebiet der Kunst zu tun habe. Hier toben sich die Anarchien aus. Im Augenblick erwäge ich auch Universitätspläne. Man hat mir in Heidelberg die Habilitation angeboten, einfach auf Grund meiner bisherigen Schriften. Wenn ich auch nicht ungern der Journalistik entweiche, so habe ich doch meine Bedenken, was die Situation der Universität betrifft, die sich in einer unguten Phase der Meuterei, der Indoktrinierung, der falschen und der unzulänglichen Reformbestrebungen oder eines platten Pragmatismus (Ausbildung von Studienräten und Naturwissenschaftlern) befindet. Also, das muß man wirklich überlegen, ob man seine Kräfte dort zermahlen läßt. Aber zunächst senke ich den Kopf über „Benito Cereno“, der jetzt zu Papier gebracht werden will – endlich. 58 Auf
dem Briefkopf stenogr. Notizen von Schmitt sowie: „b.[eantwortet] 15.1.“.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Dies nur zum Gruß und Zeichen. Ich würde gern einmal wieder von Ihnen hören. Oder kommen Sie einmal wieder auf Reisen durch Köln? Mit herzlichen Grüßen Ihre Marianne Kesting
Nr. 18 Carl Schmitt an Marianne Kesting San Casciano, 15.1.1970 Liebe und verehrte Frau Marianne Kesting, das ist ja eine wahre Freudenbotschaft! und kann hoffentlich noch als augurum für das begonnene Jahr 1970 gelten! Haben Sie bei Ullstein mit Jobst Siedler59 zu tun? Dann müssen Sie ihm bei passender Gelegenheit einen Gruß von mir bestellen (ich bin ihm seit Monaten eine Antwort schuldig und habe ein schlechtes Gewissen). Von Sava Kličković (der mich im November überraschend – direkt, non-stop-Flug, von Kanton aus, hier besuchte) hörte ich dieser Tage brieflich, dass ein Prof. Howard Vincent60 von der Universität Chicago ihn in Belgrad besucht hat, das Thema Benito Cereno ist fällig; gut, dass Sie es in die Hand genommen haben! Mein Freund Luis Diéz del Corral schrieb aus Madrid über dasselbe Thema;61 es wird Zeit, dass Sie beginnen, das spüre ich sehr deutlich. Im übrigen sind die Items Ihres Schreibens für eine Besprechung besser geeignet als für eine schriftliche Korrespondenz. Zu den Lichtpunkten des vergangenen Jahres gehörte für mich unsere improvisierte Begegnung vom März. Eine Wahrheit ist nur einmal wahr, aber warum sollte es nicht neue Wahrheiten geben, die sich ungeplant selber improvisieren? Auch gegen das Prinzip Hoffnung?
59 Wolf-Jobst Siedler (1926–2013), Verleger, von 1967–1979 Geschäftsführer der Ullstein GmbH. Schmitt kannte ihn über Ernst Jünger, mit dessen Sohn Siedler befreundet war und mit dem zusammen er 1944 verhaftet wurde. Siedler wollte eine Gesamtausgabe Schmitts im Propyläen-Verlag herausbringen, was daran scheiterte, dass Schmitt jegliche Retuschen an seinen NS-Schriften ablehnte. 60 Howard P. Vincent (1904–1985), amerikanischer Literaturwissenschaftler, Herausgeber und Kommentator Melvilles. 61 Luis Diéz del Corral y Pedruzo (1911–1997), spanischer Jurist und Poli tikwissenschaftler, mit Schmitt seit den 30er Jahren bekannt. Möglicherweise meint Schmitt den Aufsatz „L’Europe face à l’Amerique“ (Sonderdruck im Nachlass).
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Demnach: alle guten Wünsche, allerherzlichsten Dank für Ihr Schreiben und auf ein gutes Wiedersehen irgendwo, am Rhein oder an der Lenne oder ganz unerwartet irgendwo anders, nur nicht auf der San Dominick! Stets Ihr Carl Schmitt Wussten Sie, dass ein urechter alter Pirat, Lafitte, das Kommunistische Manifest hat finanzieren helfen? Stanley Clisby Arthur, Jean Lafitte; gentleman rover, New Orleans 1952; Jean Lafitte hat Marx und Engels 1847 in Brüssel besucht und eine Abschrift des K. M. mit nach USA genommen, um sie Lincoln zu zeigen. Ich erfahre das aus dem Buch von Georges Blond, Histoire de la Filibuste, Paris (Stock) 1969, das meine Tochter Anima mir zu Weihnachten geschenkt hat.
Nr. 19 Marianne Kesting an Carl Schmitt62 RW 0265 Nr. 7508
Köln, den 21.5.1970 Sehr verehrter Herr Professor, „Benito Cereno“ ist schon abgeschlossen und wird gerade beim Verlag von einer Dame, die weder der deutschen noch der englischen Sprache mächtig ist, bearbeitet; aber selbstverständlich interessiert mich sehr die weitere Diskussion in der Zeitschrift „L’arc“.63 Vielleicht kann ich in das Manuskript noch einiges einfügen, wenn nötig. Darum wäre ich Ihnen für eine Photokopie sehr verbunden, wenn Ihnen das nicht zu viel Mühe macht. Ich stecke sehr in der Arbeit und trage mich mit Habilitationsplänen, befasse mich mit so scheinbar entlegenen Fragen wie dem „absoluten“ Buch (Novalis, Mallarmé, Borges), d. h. dem Muster der Literaturplanung. Sehr würde ich mich freuen von Ihnen zu hören und grüße Sie herzlich Ihre Marianne Kesting
62 Auf dem Brief von Schmitt teilw. stenogr. notiert: „b.[eantwortet] 22.5., 2 Fotok. Arc BC. W. Benjamin “. 63 Die Nr. 41 der Zeitschrift LʼArc war 1970 Melville gewidmet, darin auch ein Aufsatz über Benito Cereno.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Nr. 20 Marianne Kesting an Carl Schmitt64 RW 0265 Nr. 7509
Köln, den 26.5.1970 Sehr verehrter Herr Professor, Haben Sie sehr herzlichen Dank für die beiden Cereno-Aufsätze, vor allem für die Anzeige des Buches von Schwab,65 dessen einschlägige Kapitel vielleicht wichtiger sind als die Auslassungen der Franzosen, die den Stand der Forschung nicht überschreiten, also im Grunde keine neuen Aspekte einführen. Professor Kaisers Artaud-Zitat hat mich sehr gerührt. Der gute Artaud würde sich über die Gesellschaft Napoleons wohl nicht wenig verwundern. Könnte hier nicht ein Mißverständnis über das Wort „Inszenierung“ (die nicht gleich Planung ist!) vorliegen? Das Gesamtkunstwerk der Inszenierung bei Artaud klammert sich lediglich nicht an ein Dramenbuch, ist also auf der Szene selbst gemacht. Im übrigen werden Sie sich sehr freuen, dass ein so gewichtiges Buch über Ihre Schriften erscheint – und ich freue mich mit Ihnen. Ich werde es mir so schnell als möglich beschaffen. Also nochmals meinen Dank und meine herzlichen Grüße! Ihre Marianne Kesting Nr. 21 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg, den 17.6.1970 Liebe und verehrte Frau Marianne Kesting, ich lese gerade eine für mich sehr spannende und wichtige italienische Besprechung des Benito-Cereno-Stückes von Robert Lowell (am 4. März 1969 in Turin aufgeführt) in der Zeitschrift Il Ponte, vom 28.2.1970; bei Lowell wird Delano der ugly American, Schieber und paternalistischer Bedrücker aller derer, denen er zu helfen glaubt; das Stück Lowells müsste „Amasa Delano“ und nicht „Benito Cereno“ heißen; was bei Melville ver64 Auf dem Briefkopf von Schmitt notiert: „b.[eantwortet] 17.5. [recte: 6.] Lowell Drama Il Ponte“. 65 George Schwab, The challenge of the exception. An introduction to the political ideas of Carl Schmitt between 1921 and 1936, Berlin 1970. Das Kapitel IX, 3 (S. 141–143) hat die Überschrift: „The Benito Cereno Myth“.
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steckt und ironisch angedeutet ist, wird bei Lowell offen als Problem gestellt; wozu der italienische Kritiker (Mario Materassi) bemerkt: die „Unschuld“ (der Neger) ist heute, nach 100 Jahren, systematische Kriminalität geworden; James Baldwin: Die Unschuld ist das eigentliche Verbrechen. Interessiert Sie das noch? Mich beschäftigt das noch, weil vielleicht eine größere Diskussion auch in Deutschland zu erwarten ist. Haben Sie in der Hanser-Reihe 42, Seite 178 (München 1970) „Guerrilleros, Partisanen etc.“ von J. Schickel den Aufsatz über die Neger-Guerrillas in den großen Städten („Wie sich die schwarze Revolution bewaffnet“) von Robert F. Williams gelesen? Herzliche Grüße und Wünsche Ihres alten Carl Schmitt Nr. 22 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7510
Köln, den 2.7.1970 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, Natürlich beschäftigt mich „Cereno“ weiterhin, und ich fürchte, das Problem der Erzählung wird noch den Amerikanern, vielleicht uns allen, zu schaffen machen. Darum danke ich Ihnen sehr für die Mitteilungen über das Theaterstück. Der Gedanke des italienischen Kritikers ist zweifellos richtig und sehr intelligent. Sicher: wenn man den Neger emanzipiert ohne ihn in die Gesellschaft zu integrieren, wird er sich systematisch kriminalisieren. Diese Situation ist heute mit der Black-Power-Bewegung gegeben, und Amerika könnte noch seine französische Revolution in Form des Rassenkonflikts erleben. Wenn meine Interpretation stimmt, wollte eben dies Melville mit seiner Erzählung sagen. Dessen ist sich Cereno, aber nicht Delano bewußt. – Mittlerweile gibt es auch einen Benito-Cereno-Film,66 den ich aber noch nicht habe erwischen können. Er scheint in Deutschland noch nicht angelaufen zu sein. Ich habe viel Ärger mit dem Ullstein Verlag, der für die Dokumente und die von mir angeführten amerikanischen Interpretationen des „Cereno“ eine Übersetzung ausgesucht hat, die jeder Beschreibung spottet. Und jetzt wissen sie nicht, wie sie das in Ordnung bringen sollen. Ich kann es auch nicht verbessern, da ich kein Anglist bin, also nur über mein Schulenglisch verfüge. 66 Der französische Film „Benito Cereno“ entstand 1967 unter der Regie von Serge Roullet.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Es wird Sie vielleicht interessieren, dass ich gerade von einem hochinteressanten Colloquium auf der Insel Reichenau komme, an dem u. a. auch Koselleck und Jürgen Habermas mitwirkten. Es ging um Geschichtsschreibung unter dem Titel „Geschichte und Geschichten“. Im Hintergrund der sehr erregten und erregenden Diskussionen schwebte nicht nur Karl Marx, sondern auch Carl Schmitt. Es würde Sie sehr amüsiert haben. Ich berichte über das Colloquium in der „Frankfurter Allgemeinen“ und denke, es wird in der Samstagsbeilage erscheinen.67 Veranstalter des Colloquiums, das auch in Buchform ediert wird,68 ist die Forschungsgruppe „Poetik und Hermeneutik“, eine Versammlung von besten Universitätsköpfen, die bereits drei hervorragende Bände (meist über ästhetische Probleme) publiziert hat und sich, auf Anregung wohl von Koselleck, nun auf dieses brisante Thema gestürzt hat. Wenn mein Artikel – nur ein kursorischer Bericht auf wenigen Seiten – erscheint, werde ich mir erlauben, Ihnen eine Kopie zu schicken. Nehmen Sie für heute meine herzlichen Grüße! Ihre Marianne Kesting P. S. Beiliegend schicke ich Ihnen einige Verse aus Melvilles spätem Versepos „Clarel“, auf das ich meine Cereno-Interpretation stütze.69 Ich habe diese Verse selbst, zusammen mit meinem Vater, übertragen, da bei Ullstein niemand dazu imstande war. Es ist natürlich kein Meisterwerk geworden, aber es kam ja nur darauf an, dieses vertrackte Amerikanisch in ein einigermaßen verständliches Deutsch zu bringen. Klarer ist Melville nun einmal nicht, aber ich denke, man versteht, was er sagen will.
Nr. 23 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7511
Köln, den 6.7.1970 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, Beiliegend der kleine Bericht über „Geschichte und Geschichten“, der zu meinem Verdruß um die Schlußpointe gebracht wurde, nämlich die Ge67 Marianne
Kesting, Geschichte und Geschichten, in: FAZ vom 3.7.1970. dem Titel: Geschichte, Ereignis und Erzählung. Hrsg. von Reinhart Koselleck und Wolf-Dieter Stempel (Poetik und Hermeneutik, 5), München 1973. 69 Die Verse sind abgedruckt in: Marianne Kesting, Herman Melville: Benito Cereno, Frankfurt a. M. / Berlin / Wien 1971, S. 196–199. 68 Unter
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schichte von der Geschichtsphilosophie. Aber als Reporter darf [man] wohl keine eigenen Gedanken entwickeln, bzw. die von Borges zitieren, die mir doch in diesem Zusammenhang recht denkwürdig erscheinen. Oder? Mit sehr herzlichen Grüßen! Ihre Marianne Kesting [Anlage: Bericht über das Kolloquium] gekürzt um folgenden Schluß: Während nun die meisten der Anwesenden auf die Fiktivität der Geschichtsphilosophie und des Marxismus hinwiesen, wagte jemand den schüchternen Einwand, dass schließlich die halbe Welt qua Marxismus in recht konkreter Weise von den Folgeerscheinungen der Geschichtsphilosophie beherrscht würde, also Fiktionen sich realisieren könnten. Darüber hat ein großer Dichter, Jorge Luis Borges, eine morbide Erzählung „Tlön, Uqbar, Orbis tertius“ geschrieben, in der er darstellte, wie die utopische Erfindung einer Geheimgesellschaft Wirklichkeit wurde: „Die Berührung und der Umgang mit Tlön haben diese unsere Welt zersetzt … Schon hat das Uridiom von Tlön Einzug in die Schulen erhalten; schon hat seine harmonisierende Geschichtslehre … die in meiner Jugend herrschende verdrängt; schon ist im Gedächtnis eine fiktive Vergangenheit an die Stelle jener anderen getreten, von der wir mit Sicherheit nichts wissen – nicht einmal, ob sie falsch ist … Eine über die Erde verstreute Dynastie von Einsiedlern hat die Erde umgewandelt … Die Welt wird Tlön sein.“
Nr. 24 Marianne Kesting an Carl Schmitt70 RW 0265 Nr. 7506
Köln, den 18.12.1970 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, Sie haben mir mit Ihrem Buch71 große Freude und ein intimes geistiges Vergnügen bereitet: ich habe es gleich und in einem Zuge gelesen, nicht wenig verwundert, auf einen alten Freund dabei zu stoßen: Erik Peterson, der sich einst meiner in Rom sehr freundlich annahm und mich mit dem 70 Auf dem Briefkopf stenogr. Notizen von Schmitt, wovon zu lesen ist: „Abschrift an 1) Barion, tel. 22.12.70 26.12.70, 1958 : Mathilde 1) Ferd. 2) H. Barion“. 71 Carl Schmitt, Politische Theologie II. Die Legende von der Erledigung jeder Politischen Theologie, Berlin 1970.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
halben Vatikan bekannt machte, obgleich ich in der Nähe des heiligen Stuhles ein Büchlein über Brecht schrieb. Der Vatikan verfuhr also sehr großzügig mit mir. Nun denn, ich könnte Ihnen bestätigen, dass Peterson, soweit wenigstens aus seinen langen Gesprächen mit mir hervorging, eigentlich nur vom Urchristentum etwas hielt, die spätere Entwicklung der katholischen Kirche aber wenig zu goutieren schien. Er befaßte sich damals vor allem mit frühchristlicher Archäologie und führte mich durch viele alte Kirchen, zeigte mir die Mithras-Kultstätte usw. Was seine These von der Erledigung der politischen Theologie betrifft, so scheint das „Erledigte“ (soweit es überhaupt erledigt ist) doch zumindest in neuer Form wiederaufzuerstehen Für mich ist der Sowjetstaat eine vollendete Einheit von Kirche und Staat, mit Aposteln, Kirchenlehre, sogar mit einem Mythos: dem Fortschritt. Wenn ich auch nicht zu den Gläubigen zähle, so kann ich doch nicht die pseudoreligiöse Struktur übersehen. Sehr interessiert hat mich auch Ihr Nachwort zu dem von mir sehr geschätzten Blumenberg,72 der demnächst in einem neuen Band der Gruppe „Poetik und Hermeneutik“ (Wilhelm Fink Verlag) einen hochinteressanten Essay über „Mythos und Terror“ publizieren wird,73 den ich schon einsehen konnte. Bl. ist ein Renaissance-Spezialist, aber er übersieht nicht die aktuelle Wendung seiner Fragestellung, weshalb er zurecht Ihren Ironisierungen anheim fällt. Auf dem letzten Kongress der Techniker und Naturwissenschaftler, der sich Rat bei der Philosophie holen wollte, wußte er nichts, aber auch gar nichts zu dem ungeheuerlichen Problem der katastrophalen Konsequenzen des rein technisch-naturwissenschaftlichen Fortschritts zu sagen: der Umweltzerstörung, oder der Frage: wohin eigentlich der Fortschritt fortschreitet, zu welchem Ende er letztlich dient, da er die Phase der Emanzipation längst überschritten hat und zu einer unübersehbaren Knechtung der Einzelnen sich anschickt. Aber dies nebenbei. Der Cereno-Band läßt noch auf sich warten. Die überarbeitete Übersetzung der Dokumente ist ebenso schlecht ausgefallen wie die erste Übertragung selbst; ich bin ziemlich verzweifelt und begreife nicht, dass ein Verlag wie Ullstein nicht imstande sein soll, einen halbwegs vernünftigen Übersetzer zu engagieren. Der Ärger kann sich also noch eine Weile hinziehen. Es ist dumm, das Buch hätte längst erscheinen sollen. In den Weihnachtstagen bin ich bei meinen Eltern in Wetter und würde gern, wenn es Ihnen recht wäre und das Wetter es gestattet, Sie einmal für 72 Ebd.,
S. 109–126. Blumenberg, Wirklichkeitsbegriff und Wirkungspotential des Mythos, in: Terror und Spiel. Probleme der Mythenrezeption. Hrsg. von Manfred Fuhrmann (Poetik und Hermeneutik, 4), München 1971, S. 11–66. 73 Hans
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eine Stunde aufsuchen, falls Sie in Plettenberg sind und Zeit und Lust haben. Vielleicht dürfte ich Sie einmal von Wetter aus anrufen? Nehmen Sie nochmals meinen Dank für die bedeutsame Gabe und meine besten Grüße und Wünsche für die Festtage! Ihre Marianne Kesting
Nr. 25 Marianne Kesting an Carl Schmitt74 RW 0265 Nr. 7512
Köln, den 10.2.1971 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, Erst jetzt bin ich dazu gekommen, Hillards Buch75 zu lesen, das mir mein Vater gleich aus der Hand riß, um zu konstatieren, dass der Essay über Maximilian Harden der beste sei, den er je über Harden gelesen. (Und auf diesem Gebiet ist er mehr Fachmann als ich.) Ich hatte aus diesem glänzenden souveränen Essay-Band noch anderen Gewinn, und so möchte ich meinen Dank für den interessanten Nachmittag bei Ihnen mit meinem Dank für die Ausleihe des Buches verbinden. Bei dem gegenwärtig schon industriell zu nennenden Buchausstoß entgeht einem viel, selbst wenn man nichts anderes tut als lesen. Da wir unter anderem auch über Gehlen sprachen und Ihnen vermutlich der beiliegende Aufsatz,76 der mir wichtig erscheint, entgangen ist, möchte ich Ihnen zeigen, was mich an Gehlen hauptsächlich interessiert: seine Diagnostik der industriellen Gesellschaft. Sie trifft sich mit manchem, was ich auf meinem Gebiet der Ästhetik konstatieren muß. Im übrigen habe ich mich aufs Neue mit „Römischer Katholizismus und politische Form“ beschäftigt und meine damaligen Eindrücke von der Schrift bestätigt. Ich hatte sie doch recht genau im Gedächtnis behalten. Heute stellt sich mir in Bezug auf die letzten Seiten, die Frage, ob innerhalb der industriellen Gesellschaft und ihrer alles regierenden Modi die katholische Kirche noch einmal wirkliche politische Macht wird entwickeln können, da zumindest ihre Grundlagen, das Mönchs- und Priestertum, das auf 74 Auf
dem Briefkopf von Schmitt notiert: „b.[eantwortet] 14.2.71, Gehlen“. Hillard [= Gustav Steinbömer], Recht auf Vergangenheit. Essays, Aphorismen, Glossen, Hamburg 1966. 76 Vielleicht: Arnold Gehlen, Die Chancen der Intellektuellen in der Industriegesellschaft, in: Neue Deutsche Hefte Nr. 125, 1970, S. 3–15. 75 Gustav
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
asketischen Idealen beruht, im modernen „privatisierenden Eudämonismus“ angefochten werden. Die Massen fallen ihm anheim, und dies zeichnet sich vorerst in leeren Klöstern, mangelndem Priesternachwuchs, Anfechtung des Zölibats etc. ab. Die Säkularisierungen gleiten auf der Rutschbahn des Wohllebens. Es erhebt sich also erneut die Frage, ob „Gott zur Pistole wird, mit der wir auf Marx schießen können“. (S. Entdeckung und Destruktion, S. 6477). Nun, Sie sehen, es gibt weiter viel zu bereden, und ich danke Ihnen für manche Anregung an diesem kurzen Nachmittag. Ich hoffe, es langt also, bei meinen vollgestopften Tagen, noch einmal für einen Besuch in Pasel. Nehmen Sie für heute meine herzlichen Grüße! Ihre Marianne Kesting
Nr. 26 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg-Pasel, den 14.2.1971 Sehr verehrte, liebe Frau Marianne Kesting, vielen Dank für Ihr Schreiben vom 14.2. und für den hochinteressanten Aufsatz von Arnold Gehlen, den ich hier zurücksende. Dass Hillard-Steinbömers „Recht der Vergangenheit“ Ihnen und Ihrem Vater gefällt, macht mir Freude. Ihr Buch „Entdeckung und Destruktion“ habe ich schon an mehrere Freunde verliehen; es macht überall den größten Eindruck. Ich warte noch auf meinen Freund Sava Kličković, um es ihm zu schenken. Macht es Ihnen Last, mir zwei Expl. vom Verlag schicken zu lassen (mit Rechnung zum Ladenpreis?). Haben Sie das Buch von Sander (Kyklos Verlag Basel und Mohr Tübingen) schon bestellt?78 Für den 11. / 12. März ist eine Besprechung mit dem Ullstein-Verlag geplant, sie muss bei mir in der Wohnung stattfinden, weil ich bis dahin nicht 77 Kesting zitiert in ihrem Buch „Entdeckung und Destruktion“ (wie Anm. 36) auf S. 64 folgende Sätze von Witold Gombrowicz: „Unser Denken ist so sehr an unsere Situation gekettet und so durch den Kommunismus fasziniert, daß wir nur gegen ihn denken können oder mit ihm und avant la lettre sind wir an seinen Wagen gespannt, er hat uns besiegt, indem er uns an sich fesselte, obwohl wir uns des Anscheins der Freiheit erfreuen. Also darf man auch vom Katholizismus heute nur denken als von einer Kraft, die zum Widerstand geeignet ist, und Gott wurde zur Pistole, mit der wir Marx erschießen möchten.“ 78 Hans-Dietrich Sander, Marxistische Ideologie und allgemeine Kunsttheorie, Basel / Tübingen 1970.
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geheilt sein kann.79 Wie steht es mit Ihrer Benito-Cereno-Publikation, und kann ich Dr. Siedler danach fragen? Herzliche Grüße und alle guten Wünsche Ihres alten Carl Schmitt Haben Sie Beckett’s dépeupleur gesehen oder gelesen? Und wo kommt die Dame Belacqua in Dantes Divina Commedia?
Nr. 27 Marianne Kesting an Carl Schmitt80 RW 0265 Nr. 7513
Köln, den 18.2.1971 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, Mit Bestürzung hörte ich, als ich kürzlich in Wetter war, durch Fräulein Stewens von Ihrer Herzattacke. Nun beruhigt es mich, dass Sie doch schon wieder korrespondieren, es Ihnen also besser geht. Das Buch von Sander habe ich beim Verlag zur Besprechung bestellen lassen, aber der Verlag schickt es nicht. Ich habe nochmals mahnen lassen. Es ist mir unverständlich: im allgemeinen möchten doch Verlage sehr gern, dass man ihre Bücher beachtet! Belacqua kommt in Dantes Purgatorium vor, im IV. Gesang. Ich lege dem Brief einen kleinen Aufsatz bei über die Beziehung Becketts zu dieser Dante-Figur.81 Von der Benito-Cereno-Publikation höre ich seit Monaten – nichts. Mein Manuskript liegt nun seit über einem Jahr im Verlag, ist einem ignoranten Lektor übergeben, der unfähig ist, einen vernünftigen Übersetzer für die Dokumente zu engagieren und mir nach sieben Monaten dieselbe schlechte Übersetzung nochmals zugeschickt hat in der Hoffnung, ich akzeptiere sie nun. Ich habe mir schon durch mein Veto den Unmut von Herrn Richter zugezogen und weiß nicht, was der Verlag weiter vorhat. Wahrscheinlich 79 Schmitt hatte am 27.12.1970 einen Herzinfarkt erlitten. Im März 1971 erwartete er Besuch von Wolf-Jobst Siedler und Joachim Fest vom Ullstein-Verlag, wobei es um die geplante Werkausgabe ging (vgl. Anm. 59). 80 Auf dem Briefkopf von Schmitt notiert: „b.[eantwortet] 1.3.71 “. 81 Marianne Kesting, Belacqua im Purgatorium. Der frühe und der späte Beckett, in: dies., Auf der Suche nach der Realität. Kritische Schriften zur modernen Literatur, München 1972, S. 100–103.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
übergibt er die Übersetzung nun einem weiteren Ignoranten. Es ist sehr ärgerlich. Schon im vorigen Herbst sollte das Buch erscheinen! Jüngst las ich übrigens in der Zeitung über Ihren Freund Enrique Tierno Galván, der ja in Francos Regierung wohl auf der Oppositionsbank sitzt? Sollte Sava Kličković Sie besuchen, so richten Sie doch bitte meine respektvollen Grüße aus. Ich habe mich im Cereno-Buch sehr ausführlich mit ihm auseinandergesetzt und würde mich freuen ihn einmal kennenzulernen. „Entdeckung und Destruktion“ bestelle ich gern beim Verlag für Sie. Nun, lieber Herr Professor, ich hoffe sehr, dass Sie bald gesunden – und ich Sie auch bald einmal wieder in Plettenberg besuchen kann. Es ist ja so vieles bei unserem letzten Gespräch Fragment geblieben zwangsläufig. Ich denke noch sehr über die „politische Theologie“ und das Schachspiel nach (welche Metapher übrigens Benjamin von Poe übernommen hat: „Mälzels Schachspieler“. Bei Poe durchdringt die Rationalität das Geheimnis des künstlichen Schachspielers!82) Nehmen Sie meine herzlichsten Grüße Ihre Marianne Kesting
Nr. 28 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg-Pasel, den 1.3.1971 Liebe und verehrte Frau Marianne Kesting, schnell (und hinter dem Rücken der Ärzte) eine Zeile des Dankes (für Ihren Brief vom 18.2.71) sowie die Mitteilung, dass zum Wochenende 13. / 15. März zwei Herren vom U.[llstein]-Verlag nach Bonn und vielleicht auch hierher nach Pasel kommen (Dr. Siedler und Fest); ich habe Joh. Gross (von der Deutschen Welle) informiert, damit Sie die Möglichkeit haben, wenn Sie es wünschen, die beiden zu sprechen. Dank auch für die Fotokopie Ihres Belacqua-Aufsatzes, der großartig ist; in dem (französisch geschriebenen) „dépeupleur“ ist wiederum das Fegefeuer auf die Bühne gebracht; mir scheint, so groß wie Dante; jetzt erst verstehe ich Beckett; es ist alles Theologie. 82 Walter Benjamin zitiert in seinen Geschichtsphilosophischen Thesen die Puppe, die als Schachautomat auftritt. Sie sei ein Bild für den historischen Materialismus und „kann es ohne weiteres mit jedem aufnehmen, wenn sie die Theologie in ihren Dienst nimmt, die heute bekanntlich klein und häßlich ist und sich ohnehin nicht darf blicken lassen“.
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Auf Ihr Buch freue ich mich. Bei Sander habe ich moniert. Die Verleger behandeln die Autoren wie Heimarbeiter (was die guten ja auch sind). Vor allem noch eine Bitte: Ich möchte gern Poes Mälzels Schachspieler lesen; könnten Sie mir dazu verhelfen? Ohne mehr für heute. Ihr alter Carl Schmitt Ich schicke Ihnen Sanders Buch, wenn der Verleger versagt.
Nr. 29 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7514
Köln, den 2.3.1971 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, Nehmen Sie meinen besonderen Dank für Ihre Brief! Aber Sie sollten nicht „hinter dem Rücken der Ärzte“ schreiben – das macht mich ein wenig besorgt. Vielleicht ließe sich auch Ihrer netten Haushälterin diktieren? Dieser Rat aus rein egoistischen Gründen: ich möchte noch so manches Gespräch mit Ihnen führen. Was Poe betrifft, so werde ich Ihnen die Geschichte kopieren lassen. Es handelt sich hier um einen berühmten „künstlichen Schachspieler“, über den übrigens auch E. T. A. Hoffmann meditierte. Dieser Schachspieler wurde von Baron van Kempelen erfunden und durch Mälzel (den Erfinder des Metronoms) in ganz Europa, Rußland und Amerika vorgeführt. Poe kam hinter das Geheimnis dieser „Maschine“, in der sich natürlich ein Mensch verbarg, und die rationelle Entschlüsselung ist das Aufregende an der Sache, der natürlich, innerhalb des Poe’schen Oeuvres, ein symbolischer Wert zukommt: die rationelle Entschlüsselung eines Mythos. Benjamin hat Poes Erzählung gekannt und bezieht sich auf sie. In seiner „geschichtsphilosophischen These“ könnte sich m. E. die Spanne Mythos-Geheimnis-Ratio-Politik verbergen. Kennen Sie übrigens Benjamins Tagebuchaufzeichnungen über seine Gespräche mit Brecht?83 Politisch ungemein aufschlußreich. Wenn Sie sie nicht haben, würde ich sie Ihnen einmal schicken. Inzwischen habe ich das Sander-Buch gleich zweimal bekommen und bereits gelesen. Ganz außerordentlich gescheit und interessant. Sanders persönlicher Hintergrund scheint 83 Walter Benjamin, Gespräche mit Brecht. Svendborger Notizen, in: ders., Versuche über Brecht, Frankfurt a. M. 1966, S. 117–135.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
zu sein, dass er – ursprünglich – engagierter Marxist war und jetzt versucht, diesen Marxismus mit Ihrem Staatsgedanken zu liieren. Aber darüber müßte man einmal genauer sich unterhalten. An diesen Stellen wird das Buch, das in seiner ästhetischen Auseinandersetzung außerordentlich präzise ist, ein wenig kryptisch, und vielleicht ist es so, dass er Sie selbst unter den Tisch des Schachspielers setzen will? Im übrigen will ich mich einmal mit Herrn Gross in Verbindung setzen und ermitteln, ob ich Herrn Siedler einmal sprechen kann – und wie. Es wäre nötig, damit das Buch nicht noch jahrelang auf seine Publikation warten muß. Dass so etwas an der Ignoranz eines unmündigen Lektors scheitert, ist zu ärgerlich. Samuel Beckett ist in meinen Augen einer der ganz großen – und entsetzlichen Autoren der Gegenwart. Und: das überlege ich heute – ob große Literatur ohne Theologie, ohne Auseinandersetzung mit ihr, nicht die wesentlichste Basis verlöre. Offensichtlich braucht sie sie noch als Bezugspunkt, wie sehr sie sich von der religiösen Basis entfernen möge. Selbst der alte Flaubert bekannte von sich: Je suis mystique, mais je ne crois à rien – und schrieb „Die Versuchung des heiligen Antonius“. Dies für heute. Ich wünsche Ihnen von Herzen Ruhe und schnelle Genesung! Sie hören noch von mir, was Siedler und Fest betrifft. Nehmen Sie meine allerbesten Grüße Ihre Marianne Kesting
Nr. 30 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg-Pasel, den 6.4.1971 Liebe und verehrte Frau Marianne Kesting, hier ist meine Telefon-Nummer; es würde mich freuen, die vielen Antworten und Empfangsbestätigungen, die ich Ihnen schuldig bin (Mälzels Schachspieler; Belacqua; Hugo Ball84) mündlich geben zu können. Sie brauchen sich nur telefonisch anzumelden. Auch wegen Villiers de l’Isle84 Bezieht sich auf: Marianne Kesting, Das Preußentum als Urübel. Eine wieder ausgegrabene Polemik von Hugo Ball, in: Die Zeit vom 26.3.1971. Es ist eine Besprechung von: Hugo Ball, Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Ein Pamphlet, hrsg. und eingeleitet von Gerd-Klaus Kaltenbrunner, München 1970 (eine verstümmelte Ausgabe der Schrift von 1919, in der antiprostestantische, antisemitische und antipreußische Auslassungen Balls stillschweigend unterschlagen worden waren).
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Adam, der wichtiger ist als sich aus Ihrem Buch entnehmen lässt (schon wegen seiner Ève!).85 Herzlichen Dank und ein schönes Osterfest! Ihr alter Carl Schmitt
Nr. 31 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7516; Telegramm
Wetter, den 12.4.1971 Verhindert zu kommen – Herzlichst Marianne Kesting
Nr. 32 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7517
Köln, den 20.4.1971 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, Es hat mir so leid getan, dass ich Ostern nun doch nicht kommen konnte. Aber da gab es geharnischte familiäre Proteste, und da ich mich ohnehin nur zu den Feiertagen um Kind und Familie kümmern kann, ließen sich die Argumentationen nicht ganz beiseite schieben, sie bestanden zu einem gewissen Recht. Andererseits sind solche zwei aufeinander folgende Feiertage die einzige Möglichkeit für mich, Sie zu besuchen. Aber vielleicht ergibt sich noch eine andere Gelegenheit. Inzwischen sammeln sich viele Themen an. Gerade lese ich Forsthoffs neues Buch „Der Staat der Industriegesellschaft“ (Beck, München), das sich der mich völlig in Atem haltenden Frage widmet, ob die moderne Demokratie es fertig bringen wird, den Industrialismus zu zügeln. Das ist, schlicht gesprochen, unser aller Lebensfrage. Solange der Lobbyismus nicht unter strenge Strafen gestellt wird, sehe ich zur Bewältigung dieser Frage wenig Aussicht, und wie sollen die, die um solcher Interessen willen im Parlament sitzen, sich ausgerechnet selbst bekämpfen? Macht der Industrie und politische Macht sind bereits zu sehr ineinander verflochten. Da ist keine einzige Partei, die nicht in dieser unheiligen Allianz säße. 85 Auguste de Villiers de l’Isle-Adam (1838–1889), franz. symbolistischer Schriftsteller. Sein Roman „L’Ève future“ war Anfang der zwanziger Jahre eine wichtige Lektüre für Schmitt; vgl. auch Brief Nr. 35.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Forsthoff war mir aus einem sehr interessanten Aufsatz in Kaisers „Planung III“86 ein Begriff. (Er hat sein Buch übrigens Gustav Hillard gewidmet.) Wir sitzen alle auf einem gewaltigen Pulverfaß, in jeder Hinsicht, und zuweilen kommt man sich seltsam vor mit literarischen Interessen. Die Herren, die ich bei Herrn Siedler in Bad Godesberg versammelt fand, hielten derlei Beschäftigung denn auch für „nekrophil“, worauf ich nur antworten konnte: ich beschäftige mich lieber mit dem machtlosen Geist als mit der geistlosen Macht. Vielleicht ist es eben besser, mit Begleitung von Literatur und Kunst zugrunde zu gehen als ohne. In Bezug auf „Cereno“ war die Begegnung mit Siedler leider nicht von Erfolg gekrönt. Er versprach, mich zu benachrichtigen, aber er hat mir nicht geschrieben. Ich weiß nicht, was da überhaupt los ist. Dies, lieber Herr Professor, als ein kleiner Zwischengruß. Wie immer Ihre Marianne Kesting
Nr. 33 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7518, Ansichtskarte87
Konstantinopel, den 28.7.1971 Lieber Herr Professor, Von einer Türkeireise, die einer mit der Zeitmaschine durch sechs Jahrtausende glich, schicke ich Ihnen aus dem oströmischen Reich die herzlichsten Grüße Wie immer Ihre Marianne Kesting
86 Ernst Forsthoff, Über Mittel und Methoden moderner Planung, in: Pierre auchet / Joseph H. Kaiser (Hrsg.), Planung 3. Mittel und Methoden planender VerB waltung, Baden-Baden 1968, S. 21–38. 87 Vom Inneren der Hagia Sophia.
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Nr. 34 Marianne Kesting an Carl Schmitt88 RW 0265 Nr. 7519
Köln, den 16.9.1971 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, Endlich muß ich einmal wieder eine Nachricht von mir geben, eine erfreuliche: „Benito Cereno“ ist nun in der dritten Übersetzung endlich gelungen und kann in Druck gehen. Das Buch wird also im Frühjahr erscheinen. Nach einer denkwürdigen Türkeireise, die mich in kurzer Zeit kreuz und quer durch das gesamte westliche Land führte, bin ich nun wieder an meinem Schreibtisch in diverse Arbeiten versunken, noch bevor ich recht meine türkischen Erfahrungen verarbeiten konnte. Ich weiß allerdings auch nicht, ob dergleichen auf Anhieb überhaupt zu verarbeiten ist: dieses erschreckende Kulturgefälle sich gegenseitig vernichtender Kulturen, die an einem vorübergleiten wie die Visionen an Flauberts „Heiligem Antonius“, die aufgespaltene Antike des Mittelmeerraumes, Byzanz, die Osmanen und dann, nach Niedergang dieser Kultur: nichts, ein erschreckender Kahlschlag, durch Erdbeben und Elend noch gefördert. Es gibt also nur Vergangenheit, eine verarmte und verkommene Vergangenheit: die Bewohner der anatolischen Dörfer sicheln das Korn mit der Hand, wohnen in Höhlen, mahlen das Korn zwischen zwei Steinen und vegetieren als Analphabeten dumpf dahin, lauschen allenfalls den melancholischen Rufen der islamischen Gebetsstunde, die nun per Lautsprecher von den Minaretts vermittelt wird. Das ist einfach gespenstisch. Daneben, besonders um Istanbul herum, die „moderne“ Türkei. Das sind die Öltruste, Industriekonzerne etc. Und dann das unermeßliche, noch kaum erschlossene Gebiet der Ausgrabungen, die eben die gegenseitige Vernichtung der Kulturen vor Augen führen. Kaum ein byzantinisches Gemälde – und es gibt deren ja herrliche – worin nicht die Gesichter durchkreuzt und wütend zerstört worden wären. Das Bilderverbot Mohammeds hat hier sein Teil getan, aber wie es durchgeführt wurde! Da blieb quasi „kein Stein auf dem anderen“ oder der Stein wurde „umfunktioniert“. Aber dies nebenbei. Bei meiner Rückkehr fand ich hier einen Brief von Professor Forsthoff vor, der mich zu seinem Ferienseminar nach Ebrach lud. Ich kannte Forsthoff von vielen bemerkenswerten Aufsätzen, wußte aber nicht genau, oder ahnte bloß, daß er „Ihr Schüler“ ist, wie er sich nicht ohne Stolz bezeichnet. Nun denn, er hat zum Thema den „Wirklichkeitsverlust des Geistes“ ge88 Auf dem Briefkopf stenogr. Notizen von Schmitt, sowie: „b.[eantwortet] 19.9.71“.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
wählt, und ich habe versucht, aus meinen Recherchen ein wenig Material zusammenzustellen, das Ihnen z. T. wohl nicht unbekannt ist. Aber vielleicht zerstreut es Sie, ein wenig an unserer Diskussion teilzunehmen.89 Kommen können oder mögen Sie wohl nicht? Ich möchte versuchen, Sie einmal wieder von Wetter aus zu besuchen. Es stehen ja noch viele Themen aus. Aber auch ich bin, wenn ich nicht in dem auch auf den Geist übergreifenden Industriestress befangen bin, okkupiert durch meine Tochter, die ich nur selten sehe, und da hat es oft seine Schwierigkeiten loszukommen. Meine Doppelrolle ist halt höchst anstrengend. Indes hoffe ich, dass es Ihnen gut geht gesundheitlich? Ich darf mich vielleicht, wenn es spruchreif ist, einmal wieder telefonisch melden? Nehmen Sie für heute meine sehr herzlichen Grüße und Wünsche Ihre Marianne Kesting
Nr. 35 Carl Schmitt an Marianne Kesting Kunstkarte90
[Plettenberg], den 19.9.1971 Liebe und verehrte Frau Marianne Kesting, über Ihren Gruß aus der Türkei habe ich mich sehr gefreut; auch über Ihre Sendung vom 16.9. mit dem interessanten Referat! Es tut mir leid, dass ich nicht reisen kann und auf die Vorträge und Diskussionen (und nicht zu vergessen: die glänzende Lenkung der ganzen Debatte durch Forsthoff) verzichten muss, obwohl das Thema akut ist; schon weil die 89 Marianne Kesting hielt im September 1972 in Ebrach ein Referat mit dem Thema „Verlust und Konstruktion der Wirklichkeit. Zur Situation der Literatur in der Industriegesellschaft“. Das Typoskript, das sie an Schmitt schickte, befindet sich in dessen Nachlass (RW 0265 Nr. 19527). 90 Selbstporträt Goyas aus seiner Sammlung „Los Caprichos“. Legende: „Fran. co Goya y Lucientes. Pintor“. Darunter von Schmitt geschrieben: „donde hay pápeles (= Rollen) hay barbas; das gilt auch für die Neo-Soziologie, die jetzt die ‚Rolle‘ wissenschaftlich entdeckt und destruiert.“ „Pápeles“ heißt eigentlich Dokumente. Möglicherweise denkt Schmitt an das geflügelte Wort „Donde hay papeles, callan Barbas!“ „Wo es Dokumente gibt, schweigen Bärte“, was in dem Sinn zu verstehen ist: „Das geschriebene Wort wiegt mehr als das gesprochene.“ Hier ist vielleicht gemeint: „Die soziologische Diskussion über ‚Rollen‘ ist bloßes Geschwätz.“
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recherche de la réalité (vgl. Pol. Romantik, S. 88, Bonald: la réalité est dans l’histoire et dans la société) inzwischen zum Sur-Realismus und darüber hinaus geführt hat, wie Sie das in Ihrem Buch gezeigt haben. Ich hoffe, dass wir uns in absehbarer Zeit sehen und sprechen können; in Ihrem Buch „Entdeckung und Destruktion“ lassen sich die beiden Substantive einfach umkehren; vor allem wollte ich Sie auf Villiers de l’Isle-Adam hinweisen, insbesondere seine Ève future, von Edison konstruierte Ève! 1886! Doch darüber hoffentlich mündlich! Ich danke Ihnen herzlich für die überaus inhaltreiche Zusendung und wünsche Ihnen den besten Erfolg vor der Prominenz in Ebrach! Grüßen Sie alle gemeinsamen Bekannten von mir! Auf ein gutes Wiedersehen! Ihr alter Carl Schmitt
Nr. 36 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg-Pasel, den 9.11.1971 Liebe und verehrte Frau Marianne Kesting, ich weiß, dass Sie viel, zu viel beschäftigt sind, und Sie haben längst alle Dispense von mir, die etwa nötig sein könnten, um Schreiben von mir unbeantwortet zu lassen. Dennoch freue ich mich über den großartigen Leviathan,91 den Sie mir jetzt geschickt haben und der meine kleine Sammlung wesentlich bereichert, ebenso, wie das Bild von der Hagia Sophia in Konstantinopel für mich eine Quelle unaufhörlicher Meditationen geworden ist. Auf die Publikation Ihres Benito-Cereno-Buches bin ich begierig und möchte sie noch erleben – so wird man im „pianissimo des höchsten Alters“ (es ist in Wirklichkeit heute ein scheußliches glissando, denn die MedizinTechniker lassen einen nicht sterben) bis zum letzten Atemzuge von immer neuen expectations ins Diesseits verwickelt und singt sein „Nunc dimittis“92 vergebens. Alle guten Wünsche für Ihre Arbeit und herzliche Grüße Ihres alten Carl Schmitt
91 Vgl.
auch unten Nr. 42 und 47. Zitat aus der Vulgata, Lk 2,29: „Nunc dimittis servum tuum domine, secundum verbum tuum in pace.“ Luther: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast.“ Der lateinische Text wurde zum „Lobgesang des Simeon“, der im Stundengebet in der Kirche täglich gesungen wurde. 92 Verkürztes
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Nr. 37 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7520, Ansichtskarte93
o. O., den 1.12.1971 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, Haben Sie sehr herzlichen Dank für Ihren Gruß und Ihren Brief. Dies nur als Zwischennachricht: ich habe mich nun endlich – mit allem Drum und Dran – habilitiert; eine Berufung läuft, und ich muß nun hoffen, nicht in den Bürgerkrieg der Alma Mater verwickelt zu werden. – Es ist meine feste Absicht, die Atempause der Weihnachtstage zu benutzen, Sie zu besuchen. Inzwischen haben sich so viele Themen angesammelt: Forsthoff, Villiers de l’Isle-Adam, Industrialismus + Gesellschaft, Beckett etc. etc. – Jüngst sprach ich den Historiker Christian Meier, der Ihre „Politische Theologie II“ rezensieren will.94 Er ist ein kluger Kopf und zudem ein Kenner Ihrer Schriften. Nehmen Sie inzwischen meine sehr herzlichen Grüße! Ihre Marianne Kesting Vielleicht darf ich mich bei Ihnen telefonisch anmelden, um zu fragen, wo und wann Ihnen mein Besuch recht wäre?
Nr. 38 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg-Pasel, den 29.1.1972 Liebe und verehrte Frau Marianne Kesting, eben erhalte ich ein Schreiben meines Freundes Sava Kličković aus Karachi, der mich nach Ihrer Adresse fragt. Ich habe sie ihm gleich mitgeteilt. Er hat für den Abdruck des Benito Cereno-Aufsatzes noch einige KorrekturWünsche, deren Abschrift ich beifüge. Ich weiß nicht, wie weit die Fahnen oder gar die umgebrochenen Druckbogen Ihres Melville-Buches beim Ullstein-Verlag bereits gediehen sind; ich kenne auch die Schwierigkeiten späterer Korrekturen. Deshalb habe ich Kl. gleich geschrieben, dass vielleicht nur noch kleinere Korrekturen möglich sind. Kleinere deutschsprachliche Unebenheiten werden Sie selber korrigieren können; dafür wären wir 93 Ausschnitt 94 Christian
aus Hieronymus Bosch, „Garten der Lüste“. Meier hat das Buch nicht rezensiert.
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dankbar. Ich schreibe in Eile und (weil ich vom Schneewetter ganz benommen bin) leider in schlechter Handschrift. An Ihren Besuch in Pasel erinnere ich mich mit großer Freude; Ihr Vater schrieb mir einen freundlichen Gruß zu der Flasche Moselwein, die Sie ihm von mir überbracht haben; das hat mir besonders wohlgetan. Hoffentlich sind Sie mit Ullstein zufrieden! Auf Ihr Buch sind wir alle in großer Erwartung! Stets Ihr alter Carl Schmitt
Nr. 39 Marianne Kesting an Carl Schmitt95 RW 0265 Nr. 7521
Köln, den 2.2.1972 Sehr verehrter Herr Professor, Auch ich denke gern an die ruhige Stunde auf Ihrer Pasel-Insel zurück, eine Denk-Insel, die man hier in Köln nur unter ungeheurer Anstrengung erreicht. Und wer weiß, ob man künftig auf der Universität dann nur noch mit dem Bürgerkrieg beschäftigt ist. Haben Sie herzlichen Dank für die Übersendung der Korrekturen, des Kličković-Aufsatzes, die ich gleich an Ullstein weiterleite, da die Fahnen schon nicht mehr in meinen Händen sind. Wahrscheinlich wird sich da noch einiges korrigieren lassen. Bei Ullstein wartet eine weitere Panne und Verzögerung auf das Buch. Nachdem nun endlich eine vernünftige Übersetzung vorliegt, hat der junge Lektor, dem die Reihe anvertraut ist, versäumt, in der Zwischenzeit – und es handelt sich um 3 Jahre! – die Lizenzen für die Aufsätze einzuholen, was wiederum das Erscheinen des Buches hinausschieben soll. Ich habe meinen geharnischten Protest eingelegt – mit welchem Erfolg bleibt ungewiß. Jetzt würde ich Sie gern um die Adresse von Kličković bitten, um von ihm zu erfahren, ob man ihn in der Zwischenzeit überhaupt um die Abdruck erlaubnis seines Aufsatzes gebeten hat. Es ist wirklich ärgerlich, was sich solch ein Verlag da an Lektoren leistet. Dieser junge Mann wird schließlich nicht nur bei mir solch ein Tohuwabohu anrichten. Übrigens habe ich – für Ihre Sammlung – noch eine wunderbare Leviathan-Jonas-Darstellung auf einem armenischen Kirchenrelief entdeckt, viel95 Auf dem Briefkopf stenogr. Notizen von Schmitt, wovon zu lesen: „b.[eantwortet] 3.2. Levia Sava Tabu-Effekt-Un “.
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leicht die schönste, die ich kenne. Ich will versuchen, sie zu reproduzieren und Ihnen zu schicken. Nehmen Sie für heute meine sehr herzlichen Grüße! Ihre Marianne Kesting
Nr. 40 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg-Pasel, den 3.2.1972 Liebe und verehrte Frau Marianne Kesting, auf den Leviathan bin ich begierig; vielen Dank, dass Sie mir ein Foto besorgen wollen! Die Adresse von Sava lautet: Dr. Sava Kličković 35 / M Block 6 P.E.C.H.S. Karachi – 29 Pakistan Soviel ich weiß, hat der Verlag Duncker & Humblot seine Zustimmung (Lizenz) schon vor einiger Zeit gegeben. Was sonst noch zu sog. Lizenzen nötig ist, weiß ich nicht und kann ich mir nicht recht denken. Inzwischen ist eine sehr schöne französische Ausgabe meines Begriffs des Politischen und Theorie des Partisanen erschienen,96 in der von Raymond Aron herausgegebenen Reihe „Liberté de l’Esprit“, Verlag CalmanLevy, Paris. Jetzt müsste oder dürfte der negative Tabu-Effekt-Unfug, den man mit meinem Namen getrieben hat, eigentlich entfallen sein. Aber wer verzichtet auf einen Sündenbock, wenn er sich einmal an ein so nützliches Tier gewöhnt hat? Herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom 2.2.72 und alle guten Wünsche Ihres alten Carl Schmitt
96 Carl Schmitt, La notion de politique. Suivi de Théorie du partisan (Liberté de l’esprit, 17), Paris 1972. Mit einer Einleitung von Julien Freund. [Übersetzung: Marie-Louise Steinhauser].
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Nr. 41 Marianne Kesting an Carl Schmitt97 RW 0265 Nr. 7522
Köln, den 3.3.1972 Sehr verehrter, lieber Herr Professor Schmitt Hier kommt nun endlich der Prophet Jona zu Ihnen, der mit einiger Gelassenheit seine Hände dem Walfisch entgegenstreckt, er fürchtet also den Leviathan offenbar nicht.98 Seine technische Reproduktion ließ so lange auf sich warten, weil das Photo Bekannten gehörte, die mich lange mit der Abphotographiererei hinhielten. Kličković hat mir einen sehr netten Brief geschrieben aus Pakistan und will mich, wenn er in Deutschland ist, besuchen. Darauf freue ich mich, da Literaturwissenschaftler ja nicht allzu oft nach Pakistan kommen. Nehmen Sie dies als meinen herzlichen Gruß Wie immer Ihre Marianne Kesting
Nr. 42 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg-Pasel, den 8.3.1972 Liebe und verehrte Frau Marianne Kesting, Dieser Leviathan aus der Klosterkirche zu Achtamar ist unüberbietbar; er bringt jeden faulen Intellektuellen, der sich seiner Mission entziehen möchte, eine Funktion des Leviathan zum Bewusstsein, deren man sich meistens zu spät erinnert. Vielen herzlichen Dank für eine solche Botschaft zum Sonntag Oculi 1972! Ich hatte kurz vorher Besuch von Johannes Gross, der mit mir der Meinung war, der Abdruck des Aufsatzes von Kličković bedürfe keiner Lizenz. Hoffentlich erscheint das Buch nun auch bald! Alle guten Wünsche Ihres alten Carl Schmitt
97 Auf
dem Briefkopf von Schmitt: „b.[eantwortet] 8.3.72“ und stenogr. Notizen. Rede ist von der Reliefdarstellung an der westlichen Südseite der Kirche von Achtamar (vgl. Anm. 106). 98 Die
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Nr. 43 Marianne Kesting an Carl Schmitt99 RW 0265 Nr. 7523
Köln, den 30.6.1972 Sehr verehrter, lieber Herr Schmitt, Ihnen schicke ich als erstem den „Cereno“, der nun – endlich – das Licht der Druckwelt erblickt.100 Der Verlag hat meine Geduld arg strapaziert, aber schließlich ist es auch sein Schade, wenn er sich solch unfähige Lektoren leistet. Nun bin ich gespannt, ob Sie meine sehr vorsichtige Interpretation billigen, die in einigen Punkten von der meiner Vorgänger abweicht, aber dafür auf der sehr genauen Recherche des Gesamtwerks Melvilles beruht.101 Sehr gern möchte ich Sava Kličković das Buch schicken, aber ich habe unglücklicherweise seine Adresse verlegt – und er hat mir auf meinen letzten langen Brief auch nicht geantwortet, sodass ich nicht weiß, ob ihm irgendetwas passiert ist, ob die alte Adresse überhaupt noch stimmt, ob ihn mein Brief erreicht hat, in was für Verhältnissen er überhaupt im Augenblick lebt. Wie es Ihnen wohl geht? Ich habe mich, wie Sie sehen,102 in das strapaziöse Universitätsleben begeben und erlebe dessen Demokratisierung am falschen Ende: in überbordenden Sitzungen, die einem nur noch wenig Zeit zum eigenen Schreiben lassen werden. Nehmen Sie für heute meine sehr herzlichen Grüße! Ihre Marianne Kesting 99 Auf
zen.
dem Briefkopf von Schmitt: „b.[eantwortet] 2.7.72“ sowie stenogr. Noti-
100 Exemplar im Nachlass mit der Widmung: „Herrn Professor Carl Schmitt, auf den eine wichtige Interpretation des ‚Cereno‘ zurückgeht, herzlich zugeeignet. Marianne Kesting, Juni 1972.“ (RW 0265 Nr. 25493). Es gibt ein weiteres Exemplar mit dem Besitzvermerk: „Carl Schmitt, 2. Exemplar 1979“ (RW 0265 Nr. 27601). Beide Bücher sind von Schmitt intensiv durchgearbeitet und mit vielen Anmerkungen und Unterstreichungen versehen. 101 Dass Schmitt Kestings Interpretation nicht billigte, ergibt sich aus den Anmerkungen in seinen Exemplaren, etwa auf dem Innendeckel des ersten: „Dieses Buch floatet und strandet auf der ‚Schwarzen Welle‘ – schade.“ Gegenüber anderen sprach er von der „Lincolnisierung“ des „Benito Cereno“ durch Kesting. Vgl. auch oben, Anm. 20. 102 Kesting schrieb erstmals unter dem Briefkopf „Prof. Dr. Marianne Kesting“.
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Nr. 44 Carl Schmitt an Marianne Kesting [Plettenberg], den 2.7.72 Liebe und verehrte Frau Marianne Kesting, das ist ein kostbares Geschenk, das Sie mir übersandt haben, diese BenitoCereno-Ausgabe mit ihrem Reichtum an Interpretation und Dokumentation und ihrer atemberaubenden Aktualität. Ich gratuliere Ihnen zu dieser ganz außerordentlichen Publikation, auf die ich alle meine Freunde gleich hinweisen werde. Auf meine kritischen Einwendungen kommt es jetzt nicht an (sie würden prima vista bei Ihrer Ablehnung von Tierno Galváns Deutung einsetzen, die Atufal als Terror-Figur auffasst, vgl. Seite 134, eine Auffassung, die ich trotz Ihrer Gegenargumentation für richtig halte). Die Stelle aus Melvilles Clarel p. 196 / 7 ist erstaunlich und zerschlägt einen zweihundertjährigen Mythos (1776–1972). Ich besorge mir eine größere Anzahl von Exemplaren, um das Buch bei meinen Freunden ins Gespräch zu bringen.103 Sava Kličković ist zur Zeit in Belgrad, seine dortige Adresse ist: Beograd, Sradečka ul. 8II. Ich werde ihm gleich schreiben.104 Für heute nur diese kurze Mitteilung des guten Empfangs! Ich bleibe mit herzlichem Dank und allen guten Wünschen für Ihre Ferien Ihr alter Carl Schmitt Nr. 45 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg-Pasel, den 6.7.1972 Liebe und verehrte Frau Marianne Kesting, eben erhalte ich einen Brief von Sava Kličković aus Belgrad; er schreibt, dass er am 13. Juli wieder in Karachi ist. Deshalb teile ich Ihnen seine dortige Adresse mit: Dr. Sava Kličković 35 / M Block 6 P.E.C.H.S. Karachi – 29 Pakistan 103 Auf der Umschlagseite 3 seines Exemplars (RW 0265 Nr. 25493) hatte Schmitt eine Liste von 22 Personen notiert, denen er ein Exemplar des Buches zusandte. 104 Brief Schmitts an Kličković vom 25.7.1972 (vgl. Anm. 20).
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Ihr Benito-Cereno-Buch fesselt mich immer mehr, bis in jedes Detail hinein. Ich möchte wissen, wie die andern Autoren der Reihe das Problem „Dichtung und Wirklichkeit“ für ihr Thema (z. B. Nr. 29 Ludwig Berger, Shakespeare Hamlet) behandelt haben; jeder Fall liegt völlig verschieden. Ihre Methode ist überzeugend; Stoff für eine literaturwissenschaftliche Seminar-Übung mehrerer Semester und für eine lange Ferien-Meditation! Stets Ihr Carl Schmitt ¡Dios guarde a Ud muchos años!
Nr. 46 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7524
Köln, den 6.7.1972 Sehr verehrter, lieber Herr Schmitt, Haben Sie sehr herzlichen Dank für Ihre schnelle Reaktion auf den „Cereno“, über die ich mich sehr gefreut habe. Aber noch zu Tierno Galván: ich hätte ihn ganz sicher abgedruckt, auch wenn ich in zwei Details abweichender Meinung bin (ich habe ja auch andere Interpretationen, mit denen ich nicht völlig übereinstimme, zur Geltung gebracht), aber Kličković hatte ja schon sehr ausführlich gerade diese Interpretation in seinem Aufsatz wiedergegeben (s. 244–246), sodass ich, da ich Wiederholungen zu vermeiden angehalten war, entweder bei Kličković hätte streichen müssen oder eben Tierno Galván nicht noch einmal bringen konnte. Also: Ihr Freund Tierno Galván ist durchaus und sehr würdig apostrophiert im Bande vertreten, wenngleich ich nach wie vor die Interpretation des Atufal als Symbol des Terrors nicht vertretbar finde: laut Melvilles Text ist dieser Atufal ein Negerkönig, durchaus nicht mit irgendwelchen terroristischen Zügen ausgestattet, und er wird, Cereno gegenüber, mit einem „schwarzen Türhüter vor einem ägyptischen Königsgrab“ verglichen. Zwischen Cereno und ihm herrscht so etwas wie eine Kollegialität unter Aristokraten, ins Zwielicht getaucht durch die Situation der Revolte. – Freilich hat Tierno Galván aber darin zweifellos Recht, die ganze Situation als terroristisch zu interpretieren. Daran läßt ja denn auch Melville keinen Zweifel. Sie sehen, es geht mir überhaupt nicht darum, Recht zu behalten. Ich gebe gern zu, dass Tierno Galván die Situation sehr konsequent weitergedacht hat und Melville sich von seiner ausgesprochenen Vorliebe (!) auch für die Wilden hier hat führen lassen, die sein gesamtes Werk übrigens exemplifiziert. Denken Sie an Tashtegoo, den enragierten Helfer des „Königs“ Ahab!
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Ich habe übrigens noch etwas sehr Schönes zum Thema Walfisch aufgetan, das ich Ihnen hoffentlich nach meinem Urlaub im August zuschicken kann. Ich glaube, es wird Ihnen Freude machen! Nehmen Sie vorerst meinen herzlichen Grüße! Ihre Marianne Kesting Nr. 47 Marianne Kesting an Carl Schmitt105 RW 0265 Nr. 7525
Köln, den 18.8.1972 Sehr verehrter, lieber Herr Schmitt, Endlich kann ich Ihnen schicken, was ich schon lange versprochen hatte, aber nicht rechtzeitig bekam: ein Buch über jene Kirche am Van-See, an der jene naiv-großartige Darstellung der Jonas-Legende ist.106 Und da sie in einer Gegend steht, in der sich Traditionen erhalten, nämlich in der Nähe des Berges Ararat, auf dem Noah landete, ist vielleicht in die Darstellung noch etwas vom ursprünglichen Sinn der Legende eingegangen. Mir scheint es wenigstens so. Auf S. 87 finde Sie die Gesamtdarstellung der Jonas-Geschichte, auf S. 95, 99 die Details. Ich muß mich noch für Ihre letzten Briefe bedanken, auch für die Adresse von Kličković, dem ich nun noch ein Exemplar des „Cereno“ zugeschickt habe, obgleich ich hoffe, er bekommt auch vom Verleger ein Exemplar mindestens. Die übrigen Bände der Reihe kenne ich zum Teil, der Hamlet-Band ist leider schwach; der Autor hat dort eben nicht das Thema „Dichtung-Wirklichkeit“ innerhalb des Schauspiels aufgegriffen, wie nahegelegen hätte, sondern nur die Hamlet-Historie mit der Shakespeare-Bearbeitung verglichen. „Cereno“ war m. E. für diese Reihe auf hintersinnige Weise geeignet, weil das Thema „Dichtung-Wirklichkeit“, überhaupt das Thema der Fiktion und Wirklichkeit in ihm dokumentiert wird – übrigens eine der großen Fragen moderner Literatur, die auch im „Moby Dick“, wie ich zu zeigen versucht habe, eine große Rolle spielt: ist der Wal Ahabs Projektion (nicht der wirk105 Auf Vorder- und Rückseite des Briefes umfangreiche stenogr. Notizen von Schmitt sowie: „b.[eantwortet] 19.8.72“. 106 Mazhar Şevket İpşiroğlu, Die Kirche von Achtamar. Bauplastik im Leben des Lichtes, Berlin / Mainz 1963.
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liche, der ja existiert, sondern das, was er dahinter sieht). Und dann die Jagd nach dem Wal: zu wissen, „was dahinter ist“, wie Melville schreibt. Der Drehpunkt der Sache ist wohl, dass Ahab, indem er den Mythos bekämpft, selbst zum Mythos wird. Alors: unerschöpfliche Themen für unser unerschöpfliches Gespräch. Nehmen Sie für heute meine sehr herzlichen Grüße! Ihre Marianne Kesting
Nr. 48 Carl Schmitt an Marianne Kesting Plettenberg-Pasel, den 19.8.1972 Liebe und verehrte Frau Marianne Kesting, das Buch über die Lichtkirche von Achtamar ist nicht nur wegen der JonasWalfisch-Plastik für mich von großem Interesse, das große Thema „Licht vom Lichte“ erinnert mich auf jeder Seite des Buches an ein Hymnenbuch der orthodoxen Kirche,107 das ein (1944 verstorbener) Nachbar aus Rönkhausen, der Franziskaner P. Kilian Kirchhoff,108 1930 veröffentlicht hat, in einer deutschen Übersetzung, die, leider, von Walter Benjamin sehr oberflächlich und überlegen abgetan worden ist.109 Das sind für Sie alte Geschichten, die Sie nicht mehr verstehen; im Alter aber wird die „Folgelast“ zu schwer. Ihre Benito-Cereno-Dokumentation wird sehr bewundert. Ich habe sie hier einer Oberstudienrätin vom Gymnasium, Frau Ilse Greve, empfohlen, die sie mit ihren Primanern behandeln will; Benito Cereno von Melville steht zwar nicht auf der Liste des offiziellen Studienplanes, kann aber, wie ich höre, auf Grund einer Verständigung von Lehrer und Schülern (darf man diese jungen Leute noch Schüler nennen?) im Unterricht behandelt werden. Frau Greve, eine sehr erfahrene Anglistin, war begeistert von diesem didaktisch hervorragenden Diskussionsstoff. Aus Pamplona (in Navarra) schrieb 107 Symeon , Licht vom Licht. Hymnen. Übers. und mit einem Nachwort versehen von Kilian Kirchhoff, Hellerau 1930. 108 Schmitt drückt sich hier zu neutral aus: Kirchhoff, der mit Schmitt zusammen das Gymnasium in Attendorn besucht hatte, wurde als NS-Gegner hingerichtet; vgl. Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon 3, Sp. 1518 f. Carl Schmitt soll sich vergeblich für ihn eingesetzt haben; vgl. Schmittiana IV, 1994, S. 103, Anm. 49. 109 Walter Benjamin rezensierte das Buch in: Die literarische Welt 6, 1930, Nr. 44, S. 6.
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mir mein Freund Álvaro d’Ors ebenfalls, dass Ihre Form der Darbietung eines solchen Themas etwas Geniales (genio) habe; er ist aber, als Spanier und Karlist, an das Thema Spanien-USA gefesselt und möchte sich nicht durch die Verlagerung des Schwerpunktes auf das allgemeine Neger-Sklavenproblem ablenken lassen.110 Er schickte mir auch einen hochinteressanten spanischen Artikel der (in Paris erscheinenden) Zeitschrift „Cúadernos“ (Nr. 70, vom März 1963) von José de Onis „Melville y el mundo hispanico“, dessen Horizont der (in seinen Mythen sich dokumentierende) Kampf zwischen den angelsächsischen und den spanischen Völkern ist; für mich ungeheuer spannend; der Schluss ist das Zitat aus Clarel: The Anglo-Saxons – lacking Grace To win the love of any race Hated by myriads dispossessed Of Rights – etc. Die Neger in den USA dagegen sorgen dafür, dass man nur vom NegerSklaven-Problem spricht. Ich besitze hierfür ein instruktives Dokument: einen vollständigen Bericht über ein Gespräch: The Negro in American Culture (= Literatur) anlässlich der Jahrhundertfeier des Civil war, von 1961. James Baldwin, einer der Gesprächspartner, erklärt einfach: I don’t want to talk about it in such mythical terms; let’s talk now not about books but about this country. Mir selber dagegen lag es seit 1933 nahe, meine eigene Situation zu bedenken, und das steigerte sich seit 1939, fortwährend bis ins amerikanische Camp und Nürnberg, wo ich als Objekt amerikanischer Reeducation oft genug an den gutmeinenden Delano erinnert wurde und wo ich mir vornahm, auf meinen alten Tag, wenn ich einmal viel Zeit hätte, meine Erfahrungen aufzuschreiben, und zwar unter dem Gesichtspunkt und unter dem Titel: „Education of Henry Adams – Reeducation of Carl Schmitt“. Jetzt bin ich alt, aber die Zeit wird mir noch rarer als in der Langeweile des Camps. Es überlagern und verknoten sich zuviele FreundFeind-Unterscheidungen. H. D. Sander kritisiert an Ihrem Benito Cereno die Verlagerung vom Delano-Cereno-Gespräch zum Neger-Sklaven-Thema.111 Doch ist dieses Thema heute überwältigend präsent, und wenn von Feindschaften die Rede ist, wird die Feindschaft von Schwarz und Weiß als Krieg in biologischen Uniformen aufgefasst, sodass sie ohne weiteres einleuchtet. Ich warte begierig auf die Diskussion über Ihr Buch; hoffentlich wird sie nicht durch Feigheit oder Faulheit der Rezensenten geschwächt oder verhin110 Im veröffentlichten Briefwechsel Schmitts mit Álvaro d’Ors ist dieser Brief nicht enthalten; Carl Schmitt / Álvaro d’Ors, Briefwechsel. Hrsg. von Montserrat Herrero, Berlin 2004. 111 Vgl. Carl Schmitt / Hans-Dietrich Sander, Werkstatt Discorsi (wie Anm. 20), S. 222 f.
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dert. Vorläufig ist Olympiade und die Ferien sind noch nicht zu Ende. Herzlichen Dank für Ihr Schreiben und für das schöne Jonas-Dokument! Stets Ihr Carl Schmitt
Nr. 49 Marianne Kesting an Carl Schmitt112 RW 0265 Nr. 7526
Köln, den 22.8.1972 Sehr verehrter, lieber Herr Schmitt, Haben Sie sehr herzlichen Dank für Ihren langen Brief. Ich freue mich sehr, dass der „Cereno“ Anklang findet; nur erhoffe ich mir von der öffentlichen Resonanz nicht gerade viel, wie aktuell sein Themenkomplex sein möge; der Bücherausstoß der Verlage ist so unermeßlich, dass man an Rezensionen nicht groß denken kann: die einzelnen Blätter haben nur sehr geringe Kapazität. Allenfalls kann ich damit rechnen, dass die FAZ und die „Zeit“ das Buch als das eines ihrer Mitarbeiter ankündigen, aber das ist schon einiges wert. Was den Calvinismus Melvilles oder seine Feindseligkeit gegenüber Spanien betrifft, so meine ich, dass sich da beim späten Melville ganz entscheidende Wandlungen abzeichnen; siehe den Dominikaner in „Clarel“ und die Umformung der Cereno-Figur! Außerdem hat er sich sogar sein Leben lang gegen die calvinistische Kirche gewehrt und wurde von ihr entsprechend behandelt; siehe seine Erzählung „Die beiden Tempel“. Die „Freund-FeindKonstellationen“ sind also gerade bei Melville, der einen ziemlich eigenen Kopf hatte, recht kompliziert: er mochte die Priester nicht, besonders nicht die amerikanischen. Er war so etwas wie ein frommer Atheist. Was Herrn Sanders Einwand betrifft, so hat er wohl übersehen, dass eben das Delano-Cereno-Gespräch endet: „Sie sind doch gerettet – was wirft einen solchen Schatten auf Sie?“ „Der Neger“. Aber man muß damit rechnen, dass ein Buch, dessen Thema das „Zwielicht“ und dessen literarische Methode das Enigma113 ist, die Interpreten in 112 Auf dem Brief Anstreichungen und stenogr. Notizen von Schmitt, wovon zu lesen: „1) M. Steinhauser Brief 7.9. Benito Cereno, 2) zu P. Kilian: [Anton] Baumstark “. Anlage: M. Kesting, Allergien gegen das Allgemeine. Neue Veröffent lichungen zur Brecht-Forschung, in: FAZ vom 19.8.1972 (Mit Anstreichungen und stenogr. Randbemerkung von Schmitt versehen.). 113 Im Original: „Anigma“.
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einzigartiger Weise herausfordert. Die Kapazität, Bedeutung aufzunehmen, ist gerade seine Bedeutung. Dazu ein ironisches Zitat von James Joyce über „Ulysses“: „I have put in so many enigmas and puzzles to keep the professors busy for centuries arguing over what I meant; and that is the only way of insuring one’s immortaliy.“114 Etwas ähnliches ist offenbar auch Melville gelungen, nicht nur mit dem „Cereno“, sondern auch mit „Moby Dick“. Übrigens wird Sie vielleicht interessieren, dass ich gerade Becketts „Dépeupleur“ für die „Zeit“ und Villiers de l’Isle-Adams „Ève future“ für die FAZ besprochen habe.115 Wenn es erscheint, schicke ich es Ihnen zu und bin gespannt, ob Sie eine andere Interpretation haben. Sie wissen vielleicht, dass die Benjamin-Gesamtausgabe angelaufen ist bei Suhrkamp. In dem Band III „Kritiken und Rezensionen“ suchte ich freilich vergeblich nach der von Ihnen angeführten über den Pater Kirchhoff, obgleich die Herausgeber behaupten, sie hätten alles aufgenommen! Wann und wo ist sie erschienen?116 Zu Benjamins 80. Geburtstag war ein großer Empfang bei Suhrkamp, und Jürgen Habermas hielt in der Universität eine Rede über Benjamin als Geschichtsphilosophen und Marxisten, in der auch Ihre Beziehung zu Benjamin zur Sprache kam, Dies, so meinte Habermas, verhindere, Benjamin für den dialektischen Materialismus ganz zu reklamieren. Allerdings, er war eine höchst vielschichtige Figur, und das sollte man nicht verwischen. Am nächsten Tag gab es dann eine heftige Diskussion zwischen Habermas, Bloch und Gerhard Scholem um die „richtige“ Interpretation des „richtigen“ Benjamin. Offenbar hat auch er einige „enigmas and puzzles“ hinterlassen. Übrigens wäre es wichtig, wenn Sie Ihre Erfahrungen mit den „Delanos“ einmal formulierten. Schon Flaubert meditierte eingehend die Möglichkeit gewaltiger Industriekapazität und Machtentfaltung bei gleichzeitiger Erfahrungsarmut und gigantisch sich ausweitender geschichtlicher Dummheit. Hat er nicht Recht behalten? Aber, ich fürchte, auch wir Europäer machen in dieser Richtung fleißig mit. Signal der Liquidation der Geschichte ist augenblicklich das Niederreißen der alten Städte. Banken, Versicherungen, Konzerne, Kaufhäuser kommen an ihre Stelle. Ich habe einige geharnischte Artikel geschrieben, aber das 114 1922 mündlich gegenüber Jacob Schwartz. Zit, in: Richard Ellmann, James Joyce, new and rev. ed., New York usw. 1982, S. 521. 115 Marianne Kesting, Ein Quadratmeter für jeden. Eine schaurige Parabel von Samuel Beckett, in: Die Zeit vom 8.9.1972; dies., lʼIsle-Adam, Villiers de: Die Eva der Zukunft, in: FAZ vom 28.11.1972. 116 Die Aussage trifft nicht zu; die Rezension befindet sich in dem zitierten Band der Benjamin-Ausgabe auf S. 266.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
bedeutet wenig gemessen an den gewaltigen Interessen von gewerkschaftseigenen (!) Baukonzernen, Behörden und Parteien. Immerhin hat es die Regierenden sehr geärgert und die Bürger unterstützt. Nehmen Sie für heute meine herzlichen Grüße! Ihre Marianne Kesting
Nr. 50 Marianne Kesting an Carl Schmitt117 RW 0265 Nr. 7527
Köln, den 11.12.1972 Sehr verehrter, lieber Herr Schmitt, Hier schicke ich Ihnen – nur als kleinen Gruß – zwei Kritikern über Themen, die wir einmal angerührt haben.118 Ich hoffe, es geht Ihnen gut? Ernst Forsthoff hatte neulich einen sehr ernsten und guten Vortrag in der FAZ zur Umweltmisere abgedruckt,119 worin er – wie schon in „Staat und Industriegesellschaft“ – nach dem starken Staat rief. Ich hatte eigentlich vor, ihm noch zu schreiben und ihn auf eine Lücke in seiner Argumentation aufmerksam zu machen: der Staat selbst ist bereits ungeheuer korrumpiert durch eben jene Instanzen, die er eigentlich kontrollieren sollte, und ehe nicht sehr stramme Gesetze gegen diese Korruption geschaffen werden, wäre wohl auch dem Staate nicht zu trauen. Nun werden aber diejenigen, die von den diversen „Beraterverträgen“ profitieren, gerade nicht diese strammen Gesetze erlassen. Was könnte der Verfassungsrechtler zu diesem Problem sagen? Wer kontrolliert den Staat? Und wer, letztlich, schützt den Bürger? Wie würde im konkreten Falle Ihre heutige Antwort lauten? Es handelt sich um nichts geringeres als die Eindämmung der präpotenten Industrie. 117 Auf dem Briefkopf von Schmitt notiert: „b.[eantwortet] 14.12.1972“ und stenogr. Notizen, wovon zu lesen ist: „ Mallarmé (‚horreur du vide‘ Romantisme). K. H. Bohrer Mommsen (bateau ivre) Rimbaud. 1) Ève future 2) Aktualit. (Haberm.)“. 118 Möglicherweise Rezensionen von: Horst Rüdiger (Hrsg.), Zur Theorie der Vergleichenden Literaturwissenschaft, Berlin 1971, in: Romanische Forschungen 84, 1972, H. 1 / 2, S. 230–232, und: „Das Theater der Grausamkeit“. Zur Werkausgabe von Antonin Artaud, in: Merkur 26, H. 293, 1972, S. 937–939. 119 FAZ vom 28.10.1972. Dazu: Marianne Kesting, Die rollende Katastrophe. Was sind die Alternativen zur Umweltmisere? – Zwei Bücher zum Thema, in: FAZ vom 27.1.1973.
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Im übrigen bin ich sehr in meine Universitätsprobleme eingesunken. Dort hat ja eine unsinnige Form der Demokratisierung um sich gegriffen, die uns eine Unzahl Sitzungen und Ausschüsse beschert, die eigentliche Forschungsarbeit rückt an den Rand und die Universität m. E. dem Ruin zu. Hoffentlich sind Sie gesundheitlich wohlauf in der relativen Idylle Pasel, wo sich wenigstens noch Gelegenheit bietet nachzudenken. Ich bin auch schon auf der Suche nach solcher Gelegenheit, fürchte aber, ich muß noch eine gute Weile robotern. Nehmen Sie für heute meine besten Grüße! Wie immer Ihre Marianne Kesting Nr. 51 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7529
Köln, den 28.5.1973 Sehr verehrter, lieber Herr Schmitt, Wir haben längere Zeit nichts voneinander gehört, und ich hoffe, dass dies nicht ein schlechtes Zeichen ist, Ihre Gesundheit betreffend? Ich bin sehr in die organisierte Zeitverschwendung des bundesrepublikanischen Universitätslebens eingetaucht und sinne darüber nach, wie man in Zukunft noch zum Arbeiten kommen soll. Die Lage ist desaströs, wenn auch in Bielefeld noch im Aufbau des Desaströsen. Jüngst tauchte Koselleck bei uns auf, der Heidelberg entflieht und in Bielefeld noch zwei Jahre Luft zum Arbeiten erhofft. In den Abendstunden hatten wir eine Reihe interessanter Gespräche, und Sie können sich denken, dass darin Ihr Name eine gewisse Rolle spielte. Ich schicke Ihnen einmal einen Sonderdruck von Kosellecks neuester Arbeit, die ich doppelt besitze.120 Ich weiß nicht, ob Sie die jüngsten Entwicklungen in der Publizistik genauer verfolgt haben, aber da gab es ein böses Ereignis, dessen Konsequenz überhaupt nicht abzusehen ist: Joachim Fest wird, anstelle von Karl Korn, in die Herausgeberschaft der FAZ eintreten und hat gefordert, Karl Heinz Bohrer von der Leitung des Literaturblattes zu entbinden und – ausgerechnet – Marcel Reich-Ranicki an seine Stelle zu setzen. Wir alle sind entsetzt, denn mit der Liquidation dieses letzten Forums zwischen der intellektuellen Diskussion und der breiteren Öffentlichkeit wird auch ein 120 Möglicherweise: Reinhart Koselleck, Geschichte, Geschichten und formale Zeitstrukturen, in: ders. / W.-D. Stempel (Hrsg.), Geschichte – Ereignis und Erzählung, München 1973, S. 211–222.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
letzter intakter geistiger Organismus verschwinden. Ich begreife nicht die Instinktlosigkeit Fests, der einen hervorragenden Mann durch einen fulminanten Schwätzer ersetzen will – und andere Feuilletonisten von Plaudercharakter, über deren Niveau es keine Diskussion geben kann. Das Faktum hat die Intellektuellen in seltener Einmütigkeit alarmiert, und es ist eine Flut von Briefen bei den Herausgebern der FAZ eingegangen, worin die Spitzen der Öffentlichkeit, der Universität bis hin zu den maßgeblichen Rezensenten einhellig gegen diese Entscheidung Fests protestieren. Das hat zwar seine Wirkung nicht verfehlt, aber es liegen bereits Verträge vor, also vollendete Tatsachen, und im Wesentlichen ist es eine Entscheidung Fests, ob er seine Konzeption (falls es eine ist!) aufrecht erhalten will. Man muß ihm wohl eine gewisse Ahnungslosigkeit unterstellen. Mir ist das Ganze unverständlich. Ich persönlich habe einmal im Kreise Siedlers flüchtig Joachim Fest kennengelernt, und da in diesem Kreise sehr viel von Ihnen die Rede war, vermute ich, dass Sie auch Fest besser kennen? Ich weiß es nicht, aber wenn Sie überhaupt Lust haben, sich in einer solchen freilich generell wichtigen Sache einzuschalten, so könnten Sie vielleicht Ihr Prestige geltend machen und Joachim Fest zu anderen Vorstellungen bewegen? Die ganze Sache ist von grotesken Zufällen gesteuert. So vermutet man, Karl Korn habe nicht gegen Reich-Ra nicki protestiert, um nicht in den Geruch des Anti-Semitismus zu geraten. (Hat nicht RR damals bei Korns Prozess sehr böse gegen ihn geschrieben?121) Generell wirft man Bohrer vor, er habe das Blatt zu esoterisch, nicht „marktkonform“ geführt. Es scheint den Beteiligten nicht klar zu sein, dass man nur so ein gewisses Niveau der Diskussion aufrecht erhalten kann. Ich selbst überlege, ob man Bohrer nicht zur Universität holen kann, weiß aber, dass er gerade an der Schalt-Stelle, an der er jetzt ist, weitaus wichtiger wäre. Bohrer hat gerade ein kleines hochinteressantes Buch über „Literatur und Utopie“ verfaßt, ein Thema, das mich selbst seit „Cereno“ nicht mehr losläßt, sodass ich es mit Koselleck dem Kreis „Poetik und Hermeneutik“ unterbreiten möchte. Ich hoffe, es geht Ihnen gut? Sie können sich glücklich schätzen, in Ihrer Paselschen Klause dem Stress, der infolge der ständig steigenden Industrieproduktion alle gesellschaftlichen Bereiche überzieht, entronnen zu sein. Nachgerade sieht man sich um nach solche einer Klause, worin allein noch möglich ist zu sehen, zu denken, zu arbeiten. 121 Dazu von Schmitt am Rand eine stenogr. Anmerkung und Hinweis auf: Der Spiegel, 1970, Nr. 27. Hier findet sich ein Artikel „Vom armen K. K.“, in dem sich Otto Köhler mit der NS-Vergangenheit Korns beschäftigt.
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Nehmen Sie meine sehr herzlichen Grüße und Wünsche! Ihre Marianne Kesting Nr. 52 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7530, Ansichtskarte122
Ischia, den 11.7.1973 Lieber Herr Schmitt, Ob Sie auf einer schlichten Postkarte Geburtstagsgrüße von mir entgegennehmen? Vielleicht doch: Sie kommen von S. Angelo, wo ich oft mit Werner Gilles,123 Ihrem alten Freund, Schach gespielt habe. Ihrer herzlich gedenkend Marianne Kesting Nr. 53 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7531
o. O., den 31.12.1973124 Sehr verehrter, lieber Herr Schmitt, Aus meiner Commedia dell’arte, die ich noch in voruniversitären Mußestunden fabriziert habe,125 schicke ich Ihnen den Dottore nebst Doña, der Ihnen meine besten Grüße und Wünsche für 1974 überbringt. Im Herbst1974 machen wir in Bielefeld an der Universität mit R. Koselleck ein Colloquium über „Utopie und Melancholie“, worin viel von Ihnen die Rede sein wird. Ob Sie die Kraft und die Lust hätten zu kommen?126 Sehr herzlich Ihre Marianne Kesting 122 Von
Sant’Angelo auf Ischia. Gilles (1894–1961), mit Schmitt befreundeter Maler, der zeitweise in Sant’Angelo auf Ischia gelebt hat. 124 Das Datum ist von Schmitt zugefügt. 125 Möglicherweise: Franz von Pocci, Lustiges Komödienbüchlein. Hrsg. von Marianne Kesting, Köln / Berlin 1965. 126 Das Kolloquium mit dem Thema „Utopie und Melancholie in der Literatur“ fand vom 23.–25.1.1975 unter der Leitung von Wolf Lepenies und Wilhelm Voßkamp statt. 123 Werner
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Nr. 54 Marianne Kesting an Carl Schmitt127 RW 0265 Nr. 7528
Köln, den 12.1.1974 Sehr verehrter, lieber Herr Schmitt, Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Brief,128 der mir anzeigt, dass Sie die Bewegungen und Debatten noch in alter Munterkeit verfolgen, und den Aufsatz von Herrn Sander,129 den ich aufmerksam gelesen habe. Der junge Mann scheint aus unerfindlichen Gründen irgendwelche Ressentiments gegen mich mobilisiert zu haben, obgleich ich mich für sein Buch über die ästhetische marxistische Theorie seinerzeit ganz außerordentlich eingesetzt habe, so viel ich nur konnte.130 Darüber hinaus denke ich nicht die literarische Klinge mit ihm zu kreuzen, wenn er mich zu den „frustrierten Meinungsmachern“, zu den ReichRanickis und Raddatz zählt, mit welchen Herren mich nichts verbindet. Ich sehe auch keinen Anlaß, mich frustriert zu fühlen, denn ich weiß von der Fehde Brecht – Thomas Mann seit 1959, als ich biographische Recherchen über Brecht trieb, und kenne das „Arbeitsjournal“ schon seit langen Jahren vor seiner Veröffentlichung. Brechts widersprüchliche politische Haltungen und Äußerungen sind ebenfalls seit langem bekannt und seit Herbert Lüthys Aufsatz „Vom armen Bert Brecht“ (1951)131 bis hin zu Hannah Arendts Studie132 vielfach Gegenstand der Erörterung gewesen. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges waren sogar die Zeitungen voll davon. 127 Mit zahlr. Anstr. von Schmitt und stenogr. Randbemerkungen, wovon zu lesen: „Erewhon“. In der Datumsangabe hat Schmitt die Jahreszahl „73“ in „74“ korrigiert, was durch den Briefinhalt bestätigt wird. 128 Fehlt. 129 Hans-Dietrich Sander, Der prolongierte Maulkorb, in: Zeitbühne, Februar 1974. 130 Kesting hatte das Buch von Sander („Marxistische Ideologie und allgemeine Kunsttheorie“, 1970) am 1.4.1971 im Hessischen Rundfunk besprochen; nicht zur vollen Zufriedenheit Sanders (vgl. Carl Schmitt / Hans-Dietrich Sander, Werkstatt Discorsi, wie Anm. 20, S. 154 f.). In einem Brief an H.-D. Sander vom 4.2.1974 schreibt Schmitt: „Inzwischen hat Frau Kesting sich für meine Zusendung (Ihres Aufsatzes aus der ‚Zeitbühne‘) bedankt; sie ist enttäuscht, 1) erstens weil sie sich doch stets für Ihr Buch über die Kunsttheorie des Marxismus eingesetzt habe; 2) weil das Material Ihres B. B. Aufsatzes doch längst bekannt sei. Ich schicke ihr jetzt die Fotokopie des B. B. Aufsatzes aus den ‚Kritischen Blättern‘, die ich Gerd Giesler verdanke.“ (Ebd., S. 305). Zu den Vorbehalten Sanders gegenüber Kesting vgl. ebd., S. 222 f., 228. 131 Herbert Lüthy, Vom armen Bert Brecht, in: Der Monat 4, 1951 / 52, H. 44, S. 115–144. 132 Hannah Arendt, Walter Benjamin, Bertolt Brecht. Zwei Essays, München 1971.
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Ich sehe also nicht ganz, worauf Sander hinauswill mit seinem Artikel. Den deutschliebenden Brecht gegen den die Deutschen hassenden Thomas Mann ausspielen? Da liegen die Verhältnisse weitaus komplizierter als sich überhaupt in einem Brief darstellen läßt. Und Brechts Äußerungen über Thomas Manns Äußerungen für bare Münze zu nehmen, ist wohl grotesk. Der ganze Komplex läßt sich nicht auf schlichte Formeln bringen. Sanders Darstellung enthält eine ganze Reihe von Entstellungen und Fehlern, aber damit mögen sich andere auseinandersetzen. Auf dem Dorotheenfriedhof in Berlin wollte Brecht übrigens liegen, weil dort Hegel liegt. Es ist schade, dass Sie keine Lust zum Thema „Utopie und Melancholie“ verspüren. Es sollte dort z. B. auch die negative Utopie, wie Sie sie erwähnen, zur Sprache kommen, Ursprünge und Antriebe utopischen Denkens überhaupt, künstlerische Utopie und Realitätsanstöße etc. Ich persönlich werde mich sicherlich dem Thema der negativen Utopie in der Literatur widmen, ausgehend etwa von Schopenhauers Bemerkung über Hieronymus Bosch, dem zum Thema Paradies nichts mehr einfiel, weil er zu viel Hölle erlebte. Also, möchten Sie nicht doch kommen? Wir würden im „Zentrum für interdisziplinäre Forschung“ in Bielefeld ein schönes und bequemes Apartment für Sie zur Verfügung haben, sodass Sie alle äußeren Annehmlichkeiten, die Sie brauchen, in Anspruch nehmen könnten, und sich auch zur Diskussion gesellen, wann immer Sie möchten. Der Teutoburger Wald beginnt direkt hinter dem Haus. Überdies kommen interessante Leute. Nun, aber ich will Sie keineswegs drängen. Ich fände es nur schön, wenn Sie Lust hätten. Nehmen Sie für heute meine sehr herzlichen Grüße Ihre Marianne Kesting
Nr. 55 Marianne Kesting an Carl Schmitt RW 0265 Nr. 7532
o. O., den 24.10.1983 Sehr verehrter Herr Schmitt, Der „Cereno“ ist wieder erschienen, und, da die grundsätzliche Erarbeitung des rätselvollen Sujets auf Ihre Anregung zurück geht, erlaube ich mir, Ihnen diese erste Exemplar als Gruß zu schicken.133 133 Marianne Kesting (Hrsg.), Melville, Benito Cereno. Mit einer Dokumentation (Insel-Taschenbuch, 644), Frankfurt a. M. 1983.
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Carl Schmitts Briefwechsel mit Marianne Kesting
Den Turner134 habe ich mit einiger Mühe dem Verlag aufgeredet, weil mir scheint, die Unbestimmtheit, die durch Melvilles aesthetische Verfahren intendiert ist, habe hier ihre malerische Entsprechung. Wie ich in Verlagsprospekten sehe, hat Herr Jacob Taubes, den ich aus „Poetik und Hermeneutik“ sehr gut kenne, sich Ihrer politischen Theologie angenommen.135 Ich bin sehr gespannt. Ich hoffe, es geht Ihnen gut und ferner, daß Sie Ihr Weiterwirken noch mit Engagement verfolgen. Mit verbindlichen Grüßen Ihre Marianne Kesting
134 Das Buch zeigt auf dem Umschlag das Gemälde „Sklavenschiff“ von William Turner. 135 Jacob Taubes (Hrsg.), Der Fürst dieser Welt. Carl Schmitt und die Folgen (Religionstheorie und politische Theologie, 1), München usw. 1983.
Im Netzwerk der Selbstglossierung: das Corollariengefüge der Handexemplare und Materialien Zur Neuauflage von Carl Schmitt „Der Hüter der Verfassung“ Von Reinhard Mehring Neben den Briefen und Tagebüchern ist auch die Bibliothek Carl Schmitts eine Quelle ersten Ranges. Das gilt nicht zuletzt für die Handexemplare eigener Schriften, die mitunter überreich verdichtete Palimpseste sind. Der Bestand ist nicht vollständig. Mitunter führte Schmitt auch mehrere Handexemplare eines Werkes für marginale Eintragungen. Die Textstufen sind durch Handschrift, Stiftwahl, Literaturverweise u. a. oft einigermaßen genau datierbar. Späte Glossierungen seit den 60er Jahren zeigen bei aller Flüchtigkeit der Eintragungen ein gewisses Formbemühen um den Typus der Selbstglossierung. Häufig klebte Schmitt Zeitungsartikel ein und glossierte diese. Wichtig sind auch die Empfängerlisten, die er öfters in seine Handexemplare eintrug. Sie ermöglichen eine Prosopographie des jeweiligen Adressatenkreises.1 Eine systematische Erforschung der Selbstglossierungen in den Handexemplaren ist ein Desiderat. Ergänzend zur Neuausgabe der Schrift Der Hüter der Verfassung sei dies hier etwas ausführlicher an einigen Materialien gezeigt. Das Dickicht der Selbstglossierung ließe sich noch weit umfassender rekonstruieren. Die folgenden Hinweise zielen über die einzelnen Quellen hinaus auf Schmitts Bemühungen, die Einheit und Kontinuität seiner Problemsicht glossierend herauszustellen. So lässt sich das Dickicht seiner Notate als Anspruch auf Aktualität und Konsequenz lesen. Der Nachlass legt gleichsam die Spinne eines Corollariengefüges über die Vielfalt der Texte.
1 Empfängerliste der Preuß-Broschüre in RW 265-20831; Empfängerliste Hüter der Verfassung RW 265-19280; ähnliche Adressatenlisten finden sich häufiger im Briefwechsel mit dem Verleger Feuchtwanger. Von 1947 bis 1966 notierte Schmitt viele Empfänger seiner Publikationen in der wichtigen Kladde (RW 265-19600). Auch in späten Handexemplaren finden sich immer noch Empfängerlisten.
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Reinhard Mehring
I. 1930 und 1931 wechselte Schmitt auch aus Verstimmung über seinen Verleger Ludwig Feuchtwanger für zwei Broschüren zum Verlag Mohr Siebeck.2 Jahrzehnte später will er mit beiden Schriften nach Duncker & Humblot zurückkehren. Dazu schreibt er am 25. Mai 1968 an seinen Verleger Johannes Broermann (1897–1984): „Wenn der ‚Hüter der Verfassung‘ neu gesetzt wird, liesse sich vielleicht die damit zusammenhängende kleine Schrift über Hugo Preuß als eine Art Corollarium mitabdrucken. Diese Schrift ist sehr wichtig. Ich füge ein Exemplar bei. […] Es wäre auch zu überlegen, ob man diesem Neudruck des ‚Hüters der Verfassung‘ eine kurze Vorbemerkung vorausschickt.“3 In seiner Antwort vom 7. Juni 1968 erklärt sich Broermann mit Schmitts Vorschlägen einverstanden. Aus ungeklärten Gründen kommt es 1969 dann aber nur zu einem unveränderten Nachdruck der Schrift von 1931, dem 1985, im Todesjahr Schmitts, eine dritte unveränderte und seitenidentische Ausgabe folgte. Erst heute, 2016, ließ sich Schmitts Plan realisieren und damit erstmals seit 1930 seine „sehr wichtige“ Schrift über Hugo Preuß erneut zugänglich machen. Die reiche Selbstglossierung sei hier in den Schmittiana näher vorgestellt und gedeutet. Im Nachlass Carl Schmitts sind zwei Handexemplare der Broschüre erhalten. Ein Exemplar (RW 265-765) trägt den Besitzvermerk eines Vorbesitzers von 1948 und darunter den neuen Vermerk „Carl Schmitt“. Schmitt erhielt es offenbar als Zweitexemplar. Es zeigt nur wenige Unterstreichungen. Ein zweites Exemplar (RW 265-28767), stark zerlesen, trägt den mit Tinte geschriebenen Vermerk „Handexemplar Carl Schmitt“ und zahlreiche stenographische, schwer leserliche Bleistiftmarginalien. Im Nachlass befindet sich darüber hinaus eine Mappe mit wichtigen Materialien (RW 26520831): stenographischen Teilen des Manuskripts, Steno-Exzerpte von Schriften von Hugo Preuß, eine gedruckte Adresskarte von Preuß mit handschriftlichem Dank vom „7. Jan.[uar 19]17“ für eine freundliche „Zusen dung“,4 das gedruckte Einladungsschreiben der Handels-Hochschule zum „Festakt in der Aula“, adressiert an den Vortragenden selbst, Seiten der 2 Dazu Schmitts Briefe vom 19. Januar und 12. April 1930 sowie 20. März 1931 an Feuchtwanger, in: Carl Schmitt / Ludwig Feuchtwanger. Briefwechsel 1918–1935, hrsg. Rolf Rieß, Berlin 2007, 315, 319, 334. 3 Carl Schmitt am 25. Mai 1968 an Johannes Broermann (Verlagsarchiv D & H, Mappe: Der Hüter der Verfassung); ähnlich zuvor schon am 16. November 1967 an Broermann. 4 Evtl. Carl Schmitt, Diktatur und Belagerungszustand, Z. f. d. ges. Strafrechtswissenschaft 38. Jg (1916), S. 138–162.
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Erstveröffentlichung in der Neuen Rundschau5 mit leicht ironischer Widmung Schmitts an seine Frau („Unveräußerliches Eigentum von Duška Schmitt / Berlin, 26. Februar 1930“), eine Empfängerliste der Preuß-Broschüre von 1930, einige Rezensionen sowie Zeitungsartikel zu Hugo Preuß: u. a. zwei Exemplare eines Artikels von Theodor Heuss: Staat, Recht und Freiheit. Hugo Preuss. Eine Würdigung zum 100. Geburtstag, in der FAZ Nr. 254 v. 29. Oktober 1960 erschienen, mit kritischen Abgrenzungen von Schmitt. Schmitt verwies damals kontrastierend auch seinem Verleger gegenüber auf Heuss’ lobenden Brief vom 20. Januar 1930 zum Preuß-Vortrag6 und schrieb ein Spottgedicht.7 Die Mappe enthält darüber hinaus auch eine mit „28 / 12 33.“ datierte Typoskriptseite, zu der Schmitt handschriftlich unten in Tintenschrift bemerkte: „Anm. zu S. 17 von Staatsgefüge und Zusammenbruch, von Duprel8 missbilligt; Aus dem Ms. Staatsgefüge u. Zusammenbruch, 1934 (nach Besprechung mit Popitz9 gestrichen)“. Der Text lautet vollständig: „1) (Stenographischer Bericht, Band 2, Seite 754) Hugo Preuss hat diesen Ausspruch Bennigsens in einer Erstlingsschrift „Friedenspräsenz und Reichsverfassung“, Berlin 1887, Seite 41 zitiert. Meine Rede über Preuss (Hugo Preuss, sein Staatsbegriff und seine Stellung in der deutschen Staatslehre, Tübingen 1930), beruht auf dem Satz, dass es „historisch gerecht und fast symbolhaft“ ist, dass gerade Hugo Preuss der Vater der Weimarer Verfassung wurde. Ich glaube nicht, dass man das Wesentliche deutlicher zusammenfassen kann. Preuss hat seine Laufbahn mit jener Schrift über „Friedenspräsenz und Reichsverfassung“ begonnen und mit der Weimarer Verfassung beendet. Auch das gehört zum Gesamtbilde der inneren Folgerichtigkeit, mit welcher der liberale Konstitutionalismus sich entwickelt hat. Ein Mann wie Hugo Preuss konnte zu einer paradigmatischen Figur dieser Entwicklung werden. Wenn ein Joll Jolson aus dem Münchner Ghetto unter dem Tarnungsnamen Friedrich Julius Stahl den geistigen Führer des preussischen Konservatismus spielt, so muss das für alle beteiligten Menschen und für die Sache selbst zu einer krampfartigen Scheinechtheit führen. Hugo Preuss dagegen ist als liberaler Bürger weltanschaulich in Ordnung und existentiell echt. Die Geschichte des liberalen Bürgertums zeigt, dass „der Zusammenhang von bürgerlicher Bildung und Weimarer Ver5 Hugo Preuß in der deutschen Staatslehre, in: Die Neue Rundschau 31 (1930), 289–303. 6 Abdruck in: Carl Schmitt und die Öffentlichkeit, hrsg. Kai Burkhardt, Berlin 2013, 64 f. 7 Dazu der Abdruck in: Gerd Giesler / Ernst Hüsmert / Wolfgang H. Spindler (Hrsg): Gedichte für und von Carl Schmitt (Plettenberger Miniaturen 4), Plettenberg 2011, 26 f. 8 Maximilian Du Prel (1904–1945), promovierter Jurist, damals Schriftleiter des Völkischen Beobachters, Leiter des Presseamtes des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen. 9 Johannes Popitz (1884–1945), Freund Carl Schmitts, damals preußischer Finanzminister.
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fassung nicht gelegentlich, sondern wesensmässig ist“. Und das Schicksal der deutschen Intelligenz und Bildung wird deshalb tatsächlich mit dem Schicksal der Weimarer Verfassung untrennbar verbunden bleiben.“
II. Zum Hüter der Verfassung sind eine Mappe mit Rezensionen (RW 26519281) sowie Manuskriptteile (RW 265-19277) erhalten, die sich in verschiedenen Textstufen auf die Seiten 111–115 („Übersicht über die verschiedenen Bedeutungen und Funktionen des Begriffes der innerpolitischen Neutralität des Staates“) beziehen. Es handelt sich um eine stenographische Urschrift, eine handschriftlich ausgearbeitete Gliederung in Langschrift wie Kurzschrift sowie um ein Typoskriptfragment mit handschriftlicher Überarbeitung. Die Langschrift-Gliederungseinteilung wird hier übertragen, weil sie mit der Druckfassung nicht formulierungsidentisch ist und den Entscheidungsbegriff exponiert, der in der Endfassung fehlt. Schmitt gliedert im Manuskript: „I. Die Neutralität der Nicht-Entscheidung, Offenhaltung aller Entscheidung, von der Entscheidung wegführend, die Entscheidung suspendierend oder anderes freilassend 1. Neutralität der Nicht-Intervention / Nicht-Einmischung 2. Neutralität der gleichen Chance 3. Neutralität der gleichen Quote (Parität) II. Neutralität als Grundlage einer Stellungnahme oder Entscheidung (zur Entscheidung hinführende Neutralität). 1. Neutralität der Distanz / Entfernung vom Streitgegenstand 2. Neutralität der normgebunden[en] (und dafür unabhängigen) Entscheidung 3. Neutralität des über den Parteien stehenden höheren Dritten: der Standpunkt des Ganzen“
Vom Buch Der Hüter der Verfassung befinden sich im Nachlass ein Exemplar (RW 265-28072) der zweiten Auflage von 1969 ohne Anstreichungen und Einträge, eine Mappe (RW 265-19280) lediglich mit kartonierter Vorderseite und Eintrag in Tintenschrift unter dem Titel: „Hüter gegen wen??“ sowie eine Liste von Empfängern und ein Handexemplar (RW 26528063), Leinen gebunden, mit Besitzvermerk „Carl Schmitt“, das nicht als Korrekturexemplar geführt ist und außer Bleistiftunterstreichungen, wenigen frühen Rotstiftmarkierungen und einigen späten Füllerunterstreichungen keine Randbemerkungen enthält. Nur der Name „Joseph H. Kaiser“ steht als späte Literaturergänzung S. 158 mit Bezug auf die Fußnote. In den Vor- und Nachsatz sind allerdings Zeitungsartikel eingeklebt und glossiert, siehe Abbildungen Seite 324–326. Schmitt markiert hier die Kontinuität des Themas seit 1931.
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In den Vorsatz klebt er – wahrscheinlich erst rückblickend 1969 / 70 – aus der Rubrik Vermischtes der Deutschen Juristen-Zeitung 1932 Sp. 725 eine Glosse „Der Reichsjustizminister zur Unabhängigkeit der Gerichte“10 und schreibt daneben: „Joël 11. Mai 1932 Recht sprechen nicht aber Politik treiben – Politik treibt man!“ In den Nachsatz klebt er ebenfalls mehrere Artikel. Der erste lautet: „Bundespräsident Heinemann hat dem Bundestagspräsidenten schriftlich mitgeteilt, daß er sich nach eingehender Prüfung der Verfassungsrechtslage außerstande sieht, das vom Bundestag am 2. Juli und vom Bundesrat am 11. Juli beschlossene Architektengesetz auszufertigen und zu verkünden. (dpa)“ Daneben notiert Schmitt mit Bleistift: „2 / 5 1970: er sieht sich ausserstande / er sieht sich ausserstande“. Darunter steht ein Artikel vom 26. September 1969, ein Kommentar von fr. [F.K.Fromme] aus der FAZ: „Heinemann prüft Gesetze. Mittel für eigene Gutachten erwünscht / Es geht um die Verfassungsmäßigkeit“. Daneben schreibt Schmitt: „ ‚Tücke des Gesetzes‘ / Heinemann 1969 / (Gesetz & Urteil Seite 30“).11 Darunter folgt ein Artikel vom 6. Juli 1970 „Wirbel um Wiens Parlament“. Nach Erscheinen der 2. Auflage von 1969 markiert Schmitt also die Kontinuität und Aktualität des Problems in den Vorder- und Rück umschlag. 1978 / 79 glossiert er den Vorderumschlag erneut und schreibt über die DJZ-Miszelle zunächst lateinisch: „Minima non curat Praetor / Maxima non curat praetor“.12 Auf die gegenüberliegende Seite notiert er unter den Besitzvermerk „zu S. 48 – der normativistische Schatten / Schulfrage [Seite] 56“ und daneben „Die grosse Übersicht, Anm. 9 auf Seite 7 / 8 dieses Buches (Ephoren)“. Er schreibt eine z. T. in Gabelsberger Stenografie formulierte „Notiz (zu meinem 90. Geburtstag 1978), zu Seite 155, Anm. 4 (Inamovibler Preussischer Staatsrat von 1934“ sowie „bei Beseitigung oder Änderung der Institution […] im Amte lassen […] den Französischen Senat einige auf Lebenszeit 1884, bereits die lebens […] der letzte Überlebende (der andere geblieben bis zu seinem Tod geamtet, siehe Anm. 4 auf Seite 155 / 6.“13 Am Ende des Textes verweist Schmitt auf Prozentzahlen des Volkseinkommens und auf „heute (1979) 44 % Bruttosozialprodukt“. 10 DJZ
37. Jg. (1932), Heft 11, Sp. 725. Schmitt, Gesetz und Urteil. Eine Untersuchung zum Problem der Rechts praxis, 2. Aufl. München 1969. 12 Vgl. Carl Schmitt, Glossarium. Aufzeichnungen aus den Jahren 1947 bis 1958, hrsg. Gerd Giesler u. Martin Tielke, Berlin 2015 S. 42 u. 420 „Um Kleinigkeiten kümmert sich der Prätor nicht, um Wichtiges kümmert sich der Prätor [auch] nicht.“ Der erste Satz stammt aus dem römischen Recht, der zweite ist von Schmitt dazugesetzt. 13 Korrekt: S. 154 / 155 Fn. 4. Für die Mithilfe bei der Entzifferung der Notizen in Gabelsberger Stenografie danken Autor und Herausgeber Dr. Philipp Gahn. 11 Carl
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Sein einziges erhaltenes Handexemplar glossiert also in zwei Bearbeitungsphasen die Kontinuität des Problems – im Abstand von 50 Jahren – in der Tradition der Ephoren als Hüter der Verfassung. Er sieht und präsentiert sich – zu seinem 90. Geburtstag – auch 1934 als „Aufhalter“ und meint hier vermutlich seine Rolle nach dem 30. Juni und seinen Artikel „Der Führer schützt das Recht“ aus der DJZ, deren Herausgeberschaft er damals übernahm. Schmitts Handexemplar Der Hüter der Verfassung verweist in der Selbstglossierung also einerseits auf die Kontinuität und Aktualität des Problems und andererseits auf alternative Institutionen des Verfassungsschutzes sowie das eigene Notstandshandeln. Dass er die Kontinuität des Problems systematisch verfolgte, belegen im Nachlass auch mehrere Sammlungen von Zeitungsartikeln, deren Funktion (RW 265-19287) durch die Anlage eines DIN A-5 Heftes mit eingeklebten Zeitungsartikeln noch hervorgehoben ist. Das Heft enthält ausschließlich Zeitungsartikel und verzichtet auf Kommentierungen. Seine Funktion ist im Titel klar benannt. Schmitt betitelt das verfassungspolitische Schulheft: „Wo liegt Bonn? / Hüter der Verfassung / ab 11. Dezember 1952. / (Karlsruhe-Bonn)“. Das Heft ist mit Artikeln vom Dezember 1952 bis April 1954 nur halb gefüllt und endet mit einem Artikel aus der FAZ Nr. 79 vom 3. April 1954 zum Thema Wiederbewaffnung mit dem Titel: „Der Prozeß geht weiter“. Liest man dieses Heft und Schmitts scheinbar chaotische Artikelsammlungen als „Corollarien“ zum Thema „Hüter der Verfassung“, so macht Schmitt über die Momentaufnahmen der Handexemplar-Glossen von 1931 / 32, 1979 / 70 und 1978 / 79 hinaus auf die Kontinuität des Problems aufmerksam. Im Schreiben von 1968 nannte er seine Broschüre „eine Art Corollarium“. Neudeutsch gesprochen verlinkte er seine Publikationen auch durch Materialsammlungen miteinander, wie es sein spätes Handexemplar von Legalität und Legitimität ebenfalls zeigte. Das Handexemplar von Legalität und Legitimität schlug eine Brücke zur Theorie des Partisanen.14 Der Untertitel Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, als Zwischenbemerkung in den gängigen literarischen Formen des akademischen Diskurses schwer einzuordnen und semantisch irgendwie zwischen journalistischem Zwischenruf und akademischer Zwischenbetrachtung situiert, erhält durch Schmitts fortdauernde Rede von „Corollarien“ einen starken Akzent auf der Konsequenz und Folgerichtigkeit. Die Schlaglichter der Glossen zielen über den okkasionellen Fall hinaus auf die Kontinuität der Probleme.
14 Dazu der Anhang in: Carl Schmitt, Legalität und Legitimität. Achte, korrigierte Auflage, Berlin 2012, 93–97.
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Reinhard Mehring
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Ergänzungen zu Briefwechseln mit Carl Schmitt Zur Korrespondenz mit Rudolf Smend Von Reinhard Mehring Im Besitz der Familie Smend, Göttingen, fanden sich weitere Schmittiana, die die bisherige Briefausgabe1 ergänzen und dem Nachlass Smends in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen inkorporiert werden. Der Brief vom 14. Januar 1940 ist für den leicht elegischen, anspielungsreichen Versuch einer Wiederanknüpfung an die alte „Weggenossenschaft“ nach Schmitts „Fall“ wichtig. Weitere Widmungen von Publikationen verdeutlichen die Kontinuität der Korrespondenz. Der RomantikEssay von 1924 und die Cortés-Sendung vom Oktober 1927 überschneiden sich mit erhaltenen Briefen und waren wohl Briefen beigelegt. 1. Briefkopf: Preussischer Staatsrat / Professor Carl Schmitt / Berlin-Dahlem / Kaiserswerther Str. 17, handschriftlich: den 14. Januar 1940 Sehr verehrter, lieber Herr Smend! Seit Jahren habe ich den Vorsatz, Ihnen zum Geburtstag zu gratulieren, seit Jahren wurde ich an meinem eigenen Geburtstag durch Sie beschämt, diesesmal also soll das nicht eintreten, wobei ich das, „was Natur und Zeit getan“,2 natürlich nicht für meine Besserung halte. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie von Herzen alles Gute, Ihnen selber vor allem die Überlegenheit des geistigen Rückhalts, die einem das Leben heute allein noch erträglich machen kann. Aber dieser „Wunsch“ ist ja nur der Ausdruck meiner Gewissheit, daß Sie über diese Reserven verfügen, wahrscheinlich mehr als ich. 1 Reinhard Mehring (Hg.), „Auf der gefahrenvollen Straße des öffentlichen Rechts“. Briefwechsel Carl Schmitt – Rudolf Smend 1921–1961. Mit ergänzenden Materialien, 2010, 2. überarbeitete Aufl. Berlin 2012. 2 „Und was Natur und Zeit getan, / Sieht unser Stolz als Besserung an.“ Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769), Gedicht „Die Wachsamkeit“, in: Geistliche Lieder und Oden (1757), in: Gesammelte Schriften, hrsg. Bernd Witte, Bd. II, Berlin 1997, 118 (V 32–33).
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Ergänzungen zu Briefwechseln mit Carl Schmitt
Wenn nicht eines der vielen Hindernisse, die meinen Publikationen entgegentreten, sich als stärker erweist, bekommen Sie bald eine Zusammenstellung einiger meiner Reden und Aufsätze unter dem Buchtitel „Positionen und Begriffe“,3 unter dem Rechtstitel des „Weggenossen“4 (eine der wenigen Wortverbindungen, in denen das Wort „Genosse“ sinnvoll ist, vgl. die Marienbader Elegie 1823).5 Wann sind Sie einmal wieder in Berlin? Machen Sie mir dann bitte die Freude Ihres Besuches. Mit vielen herzlichen Grüßen und Wünschen von Haus zu Haus unveränderlich und allezeit Ihr Carl Schmitt 2. Sonderdruck: Romantik, in: Hochland 22 (1924), S. 157–171 Hochland, November (Vorwort zur 2. Auflage 1924 der Politischen Romantik. (das Resultat von 10 Kahnfahrten auf dem Luganer See). 3. Sonderdruck: Der Begriff des Politischen, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 58 (1927), Heft 1, S. 1–33; Widmung neben dem Verlagslogo; Schmitt notiert damals ins Tagebuch: „Ein paar Exemplare meines Aufsatzes über den Begriff des Politischen verschickt.“ Verehrungsvoll mit herzlichen Grüßen 19 / 9 / 27. C. S. 3 Carl Schmitt, Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar-Genf-Versailles, Hamburg 1940. 4 Anspielung auf Schmitts Widmung des Leviathan-Buches an Smend: „Meinem besten Weggenossen / auf der gefahrenvollen Straße / des öffentlichen Rechts“ (Briefwechsel Schmitt–Smend, 2012, 98). 5 „Verlaßt mich hier, getreue Weggenossen! Laßt mich allein am Fels in Moor und Moos; / Nur immer zu! Euch ist die Welt erschlossen, / Die Erde weit, der Himmel her und groß; / Betrachter, forscht, die Einzelheiten sammelt, / Naturgeheimnis werde nachgestammelt. / Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren“ – Johann Wolfgang Goethe, Marienbader Elegie, Trilogie der Leidenschaft, in: Hamburger Ausgabe, hrsg. Erich Trunz, München 1982, Bd. I, 385, V 127–128. Leicht elegische Erinnerung an die alte Weggenossenschaft.
Zur Korrespondenz mit Rudolf Smend
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4. Sonderdruck: Donoso Cortés in Berlin (1849), in: Max Ettlinger, Philipp Funk und Friedrich Fuchs (Hg.), Wiederbegegnung von Kirche und Kultur in Deutschland. Eine Gabe für Karl Muth, München 1927, S. 338–373; Widmung SD oben rechts: Aus der Hochland-Festschrift Oktober 1927 Rudolf Smend verehrungsvoll Carl Schmitt
5. Broschüre: Hugo Preuss. Sein Staatsbegriff und seine Stellung in der deutschen Staatslehre, Tübingen 1930; Widmung rechts oben über dem Reihentitel: Rudolf Smend in treuer Verehrung ergebenst überreicht. Berlin, den 2. Mai 1930. Carl Schmitt. Unter dem Titel neben dem Autorennamen: Quod quicumque leget, si quis leget, aestimet ante, compositum quo sit tempore, quoque loco.6
6. Broschüre: Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, Hamburg 1934; Widmung auf der ersten Innenseite unter der Reihenangabe und vor dem Titel. Das Tagebuch notiert für den 2. Mai 1934: „Nachmittags ½ 5 zu Smend.“ Schmitt übergab die Broschüre demnach bei einem Besuch. Rudolf Smend mit verehrungsvollem Gruß Berlin, den 2. Mai 1934 Carl Schmitt.
6 Ovid, Tristia, hrsg. Georg Luck, Heidelberg 1967, Bd. I, 140 f. (Buch III, 14, V 27–28): „Wer es auch lesen wird – wenn es überhaupt jemand lesen wird – möge zuvor erwägen, an welchem Ort es abgefasst wurde.“
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Ergänzungen zu Briefwechseln mit Carl Schmitt
7. SD: „Was bedeutet der Streit um den Rechtsstaat?“, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 95 (1935), Heft 2, S. 189–201; Widmung oben rechts Rudolf Smend verehrungsvoll C. S. 10 / 2 35. 8. SD: Der Staat als Mechanismus bei Hobbes und Descartes, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 30 (1937), S. 622–632; Widmung oben links Rudolfo Smend invariabiliter 25 / 8 37 C. S.
Zur Korrespondenz mit Armin Mohler Von Gerd Giesler Die nachfolgende Karte und der Brief von Carl Schmitt an Armin Mohler sind in der Ausgabe des Briefwechsels7 nicht abgedruckt. Da sie bei der vom Briefpartner Armin Mohler gesammelten Korrespondenz fehlten und erst später in dessen Nachlass auftauchten, ist es möglich, dass sich bei der Zusammenstellung des Manuskriptes Mohler nicht mehr daran erinnert hatte. Aktueller Anlass der Schmittschen Kommentierungen war die Verleihung des Konrad Adenauer-Preises der Deutschland-Stiftung an Mohler am 27. Februar 1967, die von einer Presse-Kampagne begleitet wurde. Angezettelt hatte sie der katholisch-konservative Journalist Paul-Ludwig Wenger, dem sich von linker und linksliberaler bis zur bürgerlichen mehrere Presseorgane anschlossen. Gegen Wengers Behauptung, Mohler sei von der schweizerischen Armee zur Waffen-SS desertiert, erwirkte Mohler eine einstweilige Verfügung, deren Wirkung Schmitt skeptisch beurteilte.
7 Carl Schmitt – Briefwechsel mit einem seiner Schüler. Hrsg. v. Armin Mohler in Zus. m. Irmgard Huhn u. Piet Tommissen, Berlin 1995.
Zur Korrespondenz mit Armin Mohler
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Ansichtskarte, handschriftlich [o. O., 7.3.67] Mein lieber Arminius, ich mache es Ihnen leicht und bitte Sie nur, die beil. Postkarte auszufüllen (Sendezeit und Sender), damit ich Winfrid Martini hören kann. Im „Handelsblatt“ lese ich, dass kein Schweizer Vertreter bei Ihrer Dankrede anwesend war; aus Ihrer Dankrede (vielen Dank!) entnehme ich, dass der Schweizer Konsul anwesend war. Offenbar ist ein neuralgischer Punkt getroffen. Den (üblen) Aufsatz im Handelsblatt (6 / 3 / 67) hat ein Redaktionsmitglied namens Fritz Hufer geschrieben; ich höre den Namen zum ersten Mal. Hat Ihnen Hans Fleig gratuliert? Ich werde mir Donnerstag die „Zeit“ kaufen („hier bedient Sie eine echte Gräfin“), was ich sonst nicht tue, um mal zu sehen oder hören, ob es dort wieder mal „geklingelt“ hat. Herzlich Ihr alter C.S.
Brief, handschriftlich Plettenberg 28 / 3 / 67 Mein lieber Arminius: an jedem Tag dieser letzten Woche (seit dem 16. März, an dem ich Ihren Brief aus Wiessee erhielt) wollte ich Ihnen schreiben, aber vieles hat mich gelähmt, am meisten der Anblick der lahmen „Rechten“, die Ehre und Preise verteilen, ohne den von ihnen Geehrten zu verteidigen. Der Frhr. von der Heydte ist da wirklich eine überraschende Ausnahme8. Nicht die biereifrigen Entrüstungsakrobaten von Links, sondern die Preis- und Spielverderber von Rechts sind es, die man näher betrachten muss. Ich erinnere mich an die blamable Figur, die der traurige Heinrich von Brentano s. Zt. im Bundestag machte, als er es gewagt hatte, anzudeuten, dass Bert Brecht „engagiert“, politisch engagiert war, ein bedenkenswerter Vorgang, an den auch Johannes Gross in seinem neuen Buch „Die Deutschen“ S. 256 erinnert, und zwar unter der Überschrift: Macht und Geist. Hier bricht sovieles in mir auf, dass ich besser verstumme. Capisco et obmutesco. An Ihrer Stelle, lieber Arminius, hätte ich keine gerichtliche einstweilige Verfügung beantragt. Hier ist für Sie und Ihre Freunde noch vieles zu ler8 Friedrich August von der Heydte (1907–1994) hatte Carl Schmitt 1949 wegen dessen anonym erschienenen Aufsatzes über Francisco de Vitoria in der Zeitschrift „Die Neue Ordnung“ massiv angegriffen.
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Ergänzungen zu Briefwechseln mit Carl Schmitt
nen; vgl. die Glosse 5 auf Seite 109 meiner Verf.rechtlichen Aufsätze von 1958 (besitzen Sie das Buch? Ich schicke es Ihnen gern als Ostergeschenk)9. Dass ich Ihnen dergleichen schreibe, dürfen Sie nicht falsch verstehen. Ich meine, Sie dürfen sich die Fragen nicht von der Meute stellenlassen. Sie sind jetzt Privatdozent10 und Ihr Stil (auch der Ihres behaviour) wird dadurch bestimmt. Wichtiger als alles andere ist Ihre nächste wissenschaftliche Publikation. Hoffentlich haben Sie sich in Bad Wiessee gut erholt. Was Sie mir von Ihrer Frau berichten, hat mich begeistert; ich hatte es aber auch nicht anders erwartet. Schade, dass meine gute Frau Duška diesen Puppentanz nicht erlebt hat. Grüßen Sie Edith herzlich von mir; auch Winfried Martini und seien Sie selber vielmals gegrüsst von Ihrem alten und getreuen Carl Schmitt
9 In der Glosse zu seinem Beitrag „Das Reichsgericht als Hüter der Verfassung (1929)“ schreibt Carl Schmitt „Es bedürfte einer grundsätzlichen wissenschaftlichen Untersuchung der Frage, wie weit die Mittel und Methoden des justizförmigen Prozesses ihren Gegenstand verändern“. 10 Mohler hatte sich an der Rechts- u. Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck mit der Arbeit „Die fünfte Republik“ (München 1963) habilitiert. Die Herausgeber danken Wulf Mohler (Zürich) für Kopien der beiden Korrespondenzteile.
Fundstücke aus dem Nachlass von Carl Schmitt Zusammengestellt von Gerd Giesler
Erinnerungen an meinen Vater Nachlass RW 265 Nr. 21628 (Blatt22), handschriftlich Erinnerung an meinen Vater, an ein kurzes Gespräch 1904 / 5, in der Bachstraße; er war damals 51 / 52 Jahre alt, ich Obersekundaner 16 / 17 Jahre; ich teilte ihm mit, dass ich nicht Theologie studieren wollte; er sagte: hast du schon mit der Mutter gesprochen? Und fügte hinzu: jedenfalls wollen wir die Kirche im Dorf lassen. Heute (April 1975, während der Lektüre des neuen Buches von Hans Jakob Stehle, Ostpolitik des Vatikans [München 1975]): Steht die Kirche noch im Dorf? Klar! Eine funkelnagelneue Nicht-mehr-Kirche steht im funkelnagelneuen Nicht-mehr-Dorf. Legitimität der Neuzeit! Die romanischen Kirchen standen nicht im Dorf, sondern auf dem feudalen Lande, die gotischen Kirchen standen nicht mehr im Dorf, sondern in der bürgerlichen Stadt, deren Kennzeichen Markt, Münze und Stadtmauer waren. Wann also und für wen standen die Kirchen im Dorf? Auch Attendorn war kein Dorf … Die Familie Schmitt lebte seinerzeit in Plettenberg-Eiringhausen, Bachstraße 4a, einer Doppelhaushälfte in unmittelbarer Nähe der Schraubenfabrik Graewe & Kaiser, in der Schmitts Vater als leitender Angestellter arbeitete. Das Haus wurde nach einem Brand 1982 abgerissen. Carl Schmitts Mutter wünschte, dass ihr ältester Sohn Priester oder Mönch werden solle. 1900 wechselte er von der katholischen Volksschule in Plettenberg in die Quarta des städtischen Gymnasium in Attendorn und wohnte gleichzeitig im kirchlichen Knabenkonvikt „Collegium Bernadinum“, einer Pflanzschule vor allem für Priesteramtskandidaten mit strenger Hausordnung, gegen die Schmitt mehrfach verstieß. 1906 in der Unterprima musste er das Konvikt verlassen und die Monate bis zum Abitur wieder bei seinen Eltern in Plettenberg wohnen.
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Fundstücke aus dem Nachlass von Carl Schmitt
„Der höchste Wert“ Nachlass RW 579 Nr. 679, handschriftlich Grimmelshausen, der abenteuerliche Simplizissismus, Buch III, cap 6: „… dem ward sein Geld entfremdet.“ Frage: kann Geld enteignet werden, wenn 1) Enteignung = Zweckentfremdung, 2) der Zweck des Geldes die Zirkulation, und 3) die parl. Steuer- und Ausgabenbewilligung nicht mehr die Bewilligung aus der eigenen Tasche, sondern Verteilung des Sozialprodukts geworden ist? … la circulation monétaire oder: der Begriff der eigenen Tasche bei Selbstkontrolle der Geld-Zirkulation und Abgaben-Bewilligung in die eigene Tasche. Carl Schmitt hat zu der Aufzeichnung notiert: „Entstanden im Mai 1966 während der Arbeit an der Einkommenssteuer-Erklärung für 1965“.
Berichtigungen zu Band I und Band II Band I Otto, Erwin Jacobi und Carl Schmitt im Briefwechsel 1926–1933 S. 41, Anm. 42 Gotheiner, korrekt: Gottheiner Rieß, Briefwechsel Lilly von Schnitzler / Carl Schmitt S. 131, Brief Nr. 8 [1923], korrekt: [31.1.1923] Tielke, Die Bibliothek Carl Schmitts S. 321, Abs. 2, Z. 2 Wohnverhältnisse, korrekt: Wohnverhältnissen S. 323, Abs. 2, Z. 9 v.u. Seminarbibliothek, korrekt: Seminarbibliotheken
Band II Mehring, Carl Schmitt im Gespräch mit Philosophen S. 154, Abs. 2, Z. 5 Dempf, korrekt: Gempf. Es handelt sich um Carl Albert Gempf in Halle, in dessen Brief an Schmitt er um ein Gutachten für den Schriftsteller Rudolf Pannwitz bittet (Nachlass Schmitt, RW 0265 Nr. 4705). Wegen dieser Fehllesung entfallen die nachfolgenden Zeilen auf S. 154, Abs. 2 ersatzlos: „Am 15. November 1925 notiert Schmitt einmal im Tagebuch: ‚Herrr Dempf in Halle, ein Freund von [Rudolf] Pannwitz, kurz geantwortet‘. Der Brief betraf wohl eine Verabredung, denn“. Giesler, Carl Schmitt, Notizen zu seinen Geburtstagsansprachen Band II S. 291, 14. Z. v.o. Moritz von Weithmann , korrekt: Moritz von Bethmann
Abbildungsnachweis Seite 323–325 Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland, Düsseldorf, Nachlass Carl Schmitt RW 265-28063
Personenregister (Band I, II und III) Kursive Seitenangaben verweisen auf Fußnoten Abaelardus, Petrus (I) 81 Abendroth, Wolfgang (III) 130 Achelis, Johann Daniel (II) 144, 236 Achterberg, Norbert (II) 63 Acker, Detlev (II) 55, 59 f. Adams, Alfons (I) 60 Adams, Paul (I) 60, 73, 82, 84, 88, 93, 149, 284; (II) 141 Adenauer, Konrad (I) 216, 219, 223, 232, 244; (III) 26, 143, 146, 191, 198 Adler, Max (III) 108 Adorno, Gretel (II) 223 Adorno, Theodor W. (I) 116, 271, 272 f., 329; (II) 223, 239, 253, 279, 280; (III) 58, 86, 278 Aemmer, Katharina (I) 137 Aeschylos (I) 309 Ahlmann, Wilhelm (I) 286; (II) 11, 236, 239, 291; (III) 162 Albert [Prinz v. Bayern] (I) 152 Albert, François (I) 78 Alembert, Jean-Baptiste Le Rond d’ (II) 271 Alexander [der Große] (II) 206 Almeida, Fabrice d’ (I) 113 Alt, Peter Andre (II) 247 Althusius, Johannes (II) 77, 78, 101 Altmann, Rüdiger (I) 244; (II) 197, 226 Ammann, Rolf (I) 78 Amstad, Alois (III) 137 Andrić, Ivo (I) 147 f., 151, 238; (II) 242 Angermann, Asaf (III) 86 Anschütz, Gerhard (I) 9, 10, 17–23, 29, 39, 44 f., 47, 49; (II) 55, 60 f., 63, 85,
88–90, 92, 95 f., 99 f., 105, 106–108, 115–117; (III) 15, 76, 124, 137, 141, 210 Anzilotti, Dionosio (III) 36 Apel, Friedmar (III) 142 Aquin, Tomas von (I) 309 Arendt, Hannah (II) 280, 284; (III) 26, 314 Aristophanes (I) 309 Aristoteles (I) 309; (II) 153, 156, 161, 205, 210, 215, 223, 243, 246, 248 f., 260, 266; (III) 45, 258, 271 f., 275 Arnold, Karl (I) 232 Arntz, Wilhelm (III) 100 Aron, Raymond (I) 206, 208, 240, 244, 252 Arp, Hans (I) 286 Arthur, Stanley Clisby (III) 281 Asch, Käthe (III) 41, 45 Atatürk, Mustafa Kemal (II) 206 Auerbach, Inge (III) 176 Augsberg, Steffen (II) 105, 186 Augustin-Thierry, A. (I) 84 Augustinus, Aurelius (I) 204, 309; (II) 161 f., 203; (III) 60, 64, 72, 74 Ausonius, Decimus Magnus (II) 148 Auvermann [Antiquar] (I) 325 Averbeck, Hubertus (II) 85 Averroes (II) 194 Ay, Karl-Ludwig (II) 205 Azeglio, Massimo d’ (III) 205 Baader, Franz von (I) 86, 100; (III) 207 Bab, Julius (I) 265 Bachofen, Johann Jakob (II) 158
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Personenregister (Band I, II und III)
Bacon, Francis (III) 162 Badocco, Corrado (II) 119 Badoglio, Pietro (I) 165 Badura, Peter (II) 66 Bähr, Hans-Walter (II) 132 Bärtschi, Christian (II) 57 Baeumler, Alfred (II) 119 f., 158–161, 169, 187; (III) 229 Bakunin, Michail (I) 100 f.; (III) 117, 182 Balbo, Cesare (III) 205 Baldwin, James (III) 283, 307 Ball, Hugo (I) 62, 65, 76 f., 88, 90, 99–103, 134, 136 f., 309; (II) 291; (III) 49, 51, 56, 292 Ballestrem, Karl (II) 219 Barion, Hans (I) 108, 205, 210, 228, 236, 239 f., 252 f., 265; (III) 125, 174, 215, 252, 255, 285 Barnes, Harry Elmer (III) 92–94 Barres, Maurice (I) 93 Batocki-Friebe, Adolf von (II) 62 Bauch, Bruno (II) 121 Bauchet, Pierre (III) 294 Baudelaire, Charles (I) 150; (II) 284, 285 Bauer, Bruno (I) 308; (II) 259 f., 262, 263 Bauer, Karl-Heinrich (I) 187, 195 Baumgarten, Alexander Gottlieb (II) 215 Baumgarten, Eduard (II) 187 Baumstark, Anton (III) 308 Baur, Ferdinand Christian (III) 73 Baxa, Jakob (III) 66 Bay, Jürgen (I) 36, 37 Bayle, Pierre (II) 271 Beard, Charles Austin (III) 38 Beard, William (III) 38 Beck, Ludwig (III) 127 Becker, Carl Heinrich (II) 63 Becker, Helmut (I) 173, 176 Becker, Jürgen (II) 274; (III) 153
Becker, Maren (II) 30 Becker, Werner (I) 60, 70; (II) 154, 171; (III) 104, 109 Beckerath, Erwin von (I) 93; (II) 108; (III) 23 f., 55, 60, 67, 75 f., 120 f., 125–128, 131, 146, 169, 190–219, 253 Beckerath, Herbert von (III) 128, 191, 201, 215 Beckerath, Melitta von (III) 126, 128, 192, 195, 202, 214, 215 Beckerath, Oskar von (III) 195 Beckerath, Thea von (III) 128, 191, 201, 203, 215 Beckerath, Valentin von (III) 208, 214 f. Beckett, Samuel (III) 258, 289 f., 290, 298, 309 Beckmann, Fritz (III) 57, 69 Beckmann, Mathilde Q. (I) 149 Beckmann, Max (I) 113, 115, 117, 122, 147, 149, 196 f., 206, 207, 213, 234, 246, 250 Beckmann, Peter (I) 197, 249, 252 Beebee, Thomas O. (II) 235 Behn, Siegfried (I) 238; (II) 153, 243, 278 Behrendt, Christian (III) 199 Beissner, Friedrich (I) 161, 287 Belgiojoso-Trivulzi, Christina (I) 84 Below, Georg von (II) 127, 128; (III) 59 Bender, Julius (III) 186 Bendersky, Joseph (I) 295–297, 312 Benedikt XV. [Papst] (I) 99 Benjamin, Walter (I) 269–271, 309, 332; (II) 223, 275 f., 279–285; (III) 86, 155, 214, 258, 261, 265, 267, 270, 281, 290 f., 306, 309 Benn, Gottfried (I) 185 f.; (II) 233 Bennigsen, Rudolf von (III) 319 Bentham, Jeremy (III) 191 Berber, Friedrich (III) 95 Berding, Helmut (III) 128, 129 f., 226 Berdjajew, Nikolai (I) 75
Personenregister (Band I, II und III)
Berg, Nicolas (III) 120 Berger, Ludwig (III) 304 Bergsträsser, Arnold (I) 140 Bernays, Jacob (III) 272 Bernhard, Ludwig (III) 50 Berning, Vincent (II) 154 Bernstein, John (III) 274, 275 Berth, Edouard (I) 90 Bertram, Alfred (III) 28 f., 34 Bertram, Ernst (I) 108, 110 Bethmann, Moritz von (III) 335 Betti, Emilio (III) 175 Beutler, Ernst (I) 218 Beyerhaus, Gisbert (I) 72 Beyerle, Franz (I) 9, 11–12, 27, 41; (II) 92 Bien, Günther (II) 215 Bildt, Eva (I) 54 Bilfinger, Carl (I) 39–41, 51 f.; (II) 8, 45, 115 f.; (III) 36, 45, 144 Binding, Rudolf G. (I) 134, 144 Birk, Fernando (I) 219 Bismarck, Otto von (I) 17, 80, 84, 99, 101–103, 193; (II) 30–32; (III) 7, 35, 203, 210 Blank, Theodor (I) 224 Blei, Franz (I) 108, 109, 282, 308, 309, 327; (II) 129, 154, 162, 278; (III) 34 f., 87 f., 102 Bleichröder, Gerson von (III) 69 Bloch, Ernst (I) 100; (II) 280; (III) 155, 309 Bloch, Kurt (II) 162 Blomert, Reinhard (II) 220; (III) 78, 121 Blond, Georges (III) 281 Bloy, Léon (I) 139, 169, 204, 255, 281, 286, 306 Blücher, Franz (I) 217 Blühdorn, Jürgen (II) 212 Blumenberg, Hans (II) 123, 203; (III) 259, 286 Blumenberg-Lampe, Christine (III) 204
339
Bluntschli, Johann Kaspar (II) 46, 77 Bock, Gisela (III) 54 Bodin, Jean (I) 265, 308; (II) 77, 189 f., 192–195; (III) 76 Böckenförde, Ernst-Wolfgang (I) 42 f., 92, 245, 268, 326; (II) 179, 205, 214, 217, 218, 241, 248, 250 f., 254, 263, 265, 269, 274; (III) 125, 252 Böckenförde, Josef (I) 245 Böckenförde, Werner (I) 43, 245; (III) 215 Boehlich, Walter (III) 265 Böhm, Franz (III) 127 Böhm, Laetitia (III) 119 Boehm, Max Hildebert (I) 79 Boehme, Hermann (II) 8 Börne, Ludwig (III) 69 Bohannan, Laura (II) 268 Bohle, Thomas (II) 55, 63, 79 Bohrer, Karl Heinz (III) 310, 311 f. Bolingbroke, Henry St. John (I) 307 Boll, Bernd (I) 176 Bollnow, Otto F. (II) 143 Bonald, Louis-Gabriel-Ambroise de (I) 87; (II) 179; (III) 297 Bonn, Moritz Julius (I) 294; (III) 23 f., 87 f., 92, 171, 233–250 Bonsels, Waldemar (I) 63 Boos, Roman (II) 57 Borchardt [stud. jur.] (II) 97 Borchardt, Knut (II) 205 Borchmeyer, Dieter (III) 69 Borges, Jorge Louis (III) 281, 285 Boris III. [Zar von Bulgarien] (I) 164 Bork [Hausmeister v. LvS] (I) 151 Bork, Hans (I) 167 Borries, Kurt (I) 103, 106 f. Bosch, Hieronymus (I) 286; (III) 37, 298, 315 Bosch, Robert (I) 217, 218 Bouglé, Célestin (III) 89, 92 Bourgeois, Leo (II) 155 Bouthoul, Gaston (III) 170
340
Personenregister (Band I, II und III)
Bovensiepen, Rudolf (II) 66 Brandt, Dr. (III) 228 Brandt, Leo (II) 228 Braubach, Bernhard (I) 60, 77, 96 f.; (III) 94 Brauer, Theodor (II) 155; (III) 146 Braun, Horst (I) 316 Braun, Matthias (II) 124 Braun, Otto (III) 40 Braun, Rudolf (I) 119 Brecht, Arnold (III) 146 Brecht, Bert (II) 277, 280; (III) 251, 260, 262 f., 271, 278, 286, 291, 308, 314 f., 331 Bredekamp, Horst (III) 79 Brehm, Bruno (I) 161; (II) 233 Breidecker, Volker (I) 116 Breitenbach, Edgar (I) 315–319, 325 Brenner, Hildegard (II) 283 f. Brentano, Heinrich von (I) 217; (III) 331 Brentano, Lujo (III) 77, 171 Breuer, Stefan (II) 105; (III) 177, 224, 236 Breughel, Pieter d. J. (III) 37 Briefs, Götz Anton (II) 9; (III) 137, 224, 232 Brinkmann, Carl (II) 77, 92, 108, 220; (III) 17–21, 24, 60, 78, 87, 89, 90, 121–125, 132–190, 219 Brockdorff, Cay von (III) 112 Brockmöller, Annette (II) 121 Brod, Max (I) 69 Broermann, Johannes (III) 318 Bruckner, Ferdinand, siehe Tagger, Theodor Brügelmann, Hermann (III) 141, 226 Brüning, Heinrich (II) 87; (III) 45, 141, 193 Bruns, Viktor (II) 145 Bryce, James (III) 48 f., 115 Buber, Martin (III) 86 Buchholz, Karl (II) 172
Buchholz, Werner (II) 96 Bülow, Bernhard Fürst von (II) 125 Bülow, Bernhard Wilhelm von (III) 140 Bülow, Ulrich von (II) 203 Büschen, Adolf Peter (I) 284 Büschen, Mary (I) 284 Bullinger, Martin (I) 42 Bumke, Erwin (I) 40, 49; (II) 91 Burkhardt, Kai (III) 141, 319 Burns, Cecil Delisle (II) 156 Busse, Gisela von (I) 316–321, 322 Buys, Johannes Theodor (II) 74 Caamaño Martinez, José (III) 175 Caesar, Gajus Julius (I) 108 Calderón de la Barca, Pedro (I) 208 Calker, Fritz von (I) 243 Calvin, Jean (III) 62, 74 Cantimori, Delio (III) 201 Capitant, René (III) 155 Capurro, Rafael (II) 253 Carossa, Hans (I) 143 Carpenhauer, S. (I) 200 Carstens, Uwe (III) 103, 112 Carver, Michael (II) 233 Casals, Pablo (I) 208 Cassian von Imola [Hl.] (II) 232, 274 Cassirer, Ernst (II) 170, 202 ; (III) 58, 86 Céline, Louis-Ferdinand (I) 153 Cervantes, Miguel de (III) 213 Chamberlain [Frau] (I) 142 Charnitzky, Jürgen (II) 271 Chateaubriand, François-René de (I) 87, 91 Chopin, Frédéric (I) 75 Churchill, Winston (I) 165, 232; (III) 77 Cicero, Marcus Tullius (I) 108; (III) 199 Cincar-Marković, Aleksandar (II) 153 Claas, Herbert (III) 133 Claudel, Paul (III) 136
Personenregister (Band I, II und III)
Claudius, Matthias (I) 144 Clausewitz, Karl von (II) 212, 213 Clavin, Patricia (III) 233 Clemen, Paul (II) 161 Cohen, Hermann (I) 269 Coing, Helmut (III) 164 Colli, Giorgio (I) 144 Collier, Rebecca L. (I) 310 Collingwood, Robin George (III) 166 Colomies, Paul (II) 193 Columbus, Christoph (I) 178 Commons, John Roger (III) 91 Comte, Auguste (II) 189 Conde, Francisco J. (II) 193; (III) 76, 159, 187 Condorcet (III) 117 Conradi, Peter (I) 160 Conring, Hermann (II) 193; (III) 76 Conte, Domenico (II) 271 Conze, Eckart (I) 114, 215 Cordemoy, Geraud de (I) 104 Corneille, Pierre (III) 260 f. Corot, Jean Baptist Camille (I) 153 Costamagna, Carlo (III) 201 Cotza, Mario (III) 127 Cramme, Stefan (II) 119 Croce, Benedetto (II) 271; (III) 89 Cubitt-Bonn, Therese (III) 247 Curtius, Ernst Robert (I) 62, 93; (II) 162, 222 Curtius, Ludwig (I) 140 Cusanus, Nicolaus (III) 155 [s. auch Nicolaus] Däubler, Theodor (I) 179, 230, 278 f., 281 f., 285, 304, 306; (III) 217 Dahlheimer, Manfred (I) 136, 138 Dahlmann, Friedrich Christoph (II) 77 Dallmann (II) 94 Damm, Matthias (III) 126 Dante [Alighieri] (I) 264; (III) 74, 258, 289 f. Debevoise, Eli Whitney (I) 319
341
Defoe, Daniel (II) 67 Deichmann, Ada, geb. von Schnitzler (I) 171 Deichmann, Karl (I) 171 Deleuze, Gilles (III) 155 Demant, Ebbo (III) 227 Demm, Eberhard (III) 141 Dempf, Alois (I) 60, 64; (II) 119, 153–158; (III) 335 Demuth, Fritz (II) 145; (III) 244 Denny, Ludwell (III) 38 Derrida, Jacques (III) 155 Descartes, René (II) 162 Dessoir, Max (II) 176 Dibelius, Martin (III) 74 Dickens, Charles (I) 159 Dickman, William (I) 302 f., 304 f., 309–314 Diderot, Denis (II) 133, 271 Diederichs, Eugen (II) 233 Diederichs, Peter (I) 211, 213 Diels, Rudolf (I) 173, 175, 177, 181, 184, 187, 209 f., 236 Diemel, Christa (I) 114 Dierse, Ulrich (II) 202 f., 235 Dietrich, Barbara (III) 130 Dietze, Constantin von (III) 127 Dietzel, Heinrich (III) 209 f. Diéz del Corral, Luis (I) 244 f.; (II) 252; (III) 280 Dillenz, Richard (II) 141 Dilthey, Wilhelm (II) 130, 131 f., 168, 202, 262; (III) 204 Dionysius Aeropagita (II) 189, 193 Dirksen, Herbert (I) 215 Döllinger, Ignaz von (I) 97 Dönhoff, Marion Gräfin (I) 271, 274 f.; (III) 57 Döring, Herbert (III) 141 Doerr, Wilhelm (III) 144 Doerries, Reinhard R. (I) 160 Döscher, Hans-Jürgen (I) 117, 155
342
Personenregister (Band I, II und III)
Dohna, Alexander Graf zu (I) 24; (III) 135 Donoso Cortés, Juan (I) 69, 85, 184, 197, 306; (III) 185, 263 f., 327 Dorotić, Pauline Marie (I) 284 [s. a. Schmitt, Cari und Büschen, Mary] Dostojewski, Fjodor (III) 135 Draht, Martin (II) 96–98 Dreyer, Fritz (II) 59 f. Driesch, Hans (II) 130, 158 Droste-Hülshoff, Annette von (I) 309 Drummont, Edouard (II) 157 Du Prel, Maximilian (III) 319 Dubois, Josiah E. (I) 192 Dubois, Louis-Ernest (I) 137 Duch, Arno (II) 75 Duisberg, Carl (I) 217, 218 Duns Scotus, Johannes (I) 290 f., 329 Duprat, Guillaume-Léonce (III) 92 Durst, Karl (II) 291 Dutrestre, Catalina (II) 193; (III) 76 Duve, Thomas (II) 67 Dyroff, Adolf (II) 153, 161 Dyroff, Anton (II) 153 Ebbinghaus, Hermann (II) 130 Ebers, Georg (I) 113 Eberz, Otfried (I) 282 Echte, Bernhard (I) 137 Eckardt, Hans von (III) 21 Eckert, Christian (III) 75, 198 f. Eden, Robert Anthony (I) 165, 232 Edison, Thomas Alva (III) 297 Ehlers, Wilhelm (II) 291 Eichendorff, Joseph von (I) 74 f.; (II) 70 Einaudi, Luigi (III) 196 Einaudi, Mario (III) 196 Einer, A. (II) 53 Einer, Ch. (II) 53 Einstein, Albert (III) 87 Einstein, Carl (I) 74 Einstein, Mary (II) 203 Eisermann, Gottfried (III) 128, 130
Eisfeld, Jan (II) 53 Eisler, Fritz (III) 25 f., 34 Eisler, Georg (II) 162; (III) 28, 106 Eisler, Rudolf (II) 267, 271 Elias, Norbert (II) 220 Ellmann, Richard (III) 309 Elschenbroich, Adalbert (II) 293 Elster, Ludwig (II) 55, 59 f. Elze, Walter (II) 159; (III) 56, 85 Emge, Carl August (II) 122, 159, 287; (III) 207, 225, 229 Emmerich, Wolfgang (II) 233 Endres [Major] (I) 124 f. Eneccerus, Ludwig (II) 60 Engels, Friedrich (III) 131, 281 Engert, Horst (II) 124 Englert, Ludwig (II) 143 Entelecho, Pedro Luis (I) 196 Epting, Karl (I) 285; (II) 289 Erasmus, Desiderius (I) 258 Erffa, Hans Martin von (I) 206 Erhard, Ludwig (I) 211, 217; (II) 259 Eschmann, Ernst Wilhelm (III) 167 Eschweiler, Karl (I) 60, 83, 90–94; (II) 24, 93, 119, 142; (III) 94, 124 Eßlinger, Hans Ulrich (III) 77 f. Ettlinger, Max (III) 329 Eucken, Walter (III) 127, 204, 205 Euripides (I) 153 Ewers, Hans-Heinz (I) 150 Faber, Richard (II) 214 Factor, Regis A. (III) 77 Fahy, Charles (I) 304, 305, 311 Faulenbach, Heiner (I) 145; (III) 55, 77, 215 Febronius [Ps. f. Johann Nikolaus von Hontheim] (III) 189 Fechner, Erich (III) 173 Fechner, Rolf (III) 133 Fehling, August Wilhelm (II) 170 Feller, Fritz (II) 91, 96–98 Ferman [Verleger] (I) 99 Fest, Joachim (III) 289, 290, 292, 311 f.
Personenregister (Band I, II und III)
Fetscher, Iring (II) 212 Feuchtwanger, Ludwig (I) 39, 76, 157 Fichte, Johann Gottlieb (II) 194, 213, 215; (III) 188 f. Ficker, Julius (III) 203 Fietkau, Wolfgang (II) 284 f. Figal, Günter (II) 120 Figge, Klaus (I) 126, 262; (II) 7, 270 Filmer, Robert (II) 276 Fischer, Hugo (II) 120 f., 123, 168; (III) 194, 196 Fischer, Lorenz (I) 78 Flaubert, Gustave (III) 292, 295, 309 Flechtheim, Ossip K. (I) 184, 301, 313 Fleig, Hans (III) 331 Fleiner, Fritz (II) 55, 61 Fleischmann, Max (II) 64 Fleming, Paul (I) 144 Flick, Friedrich (I) 293, 303 Förster, Friedrich Wilhelm (I) 78 Forsthoff, Ernst (I) 36, 42, 239, 290; (II) 72, 88, 104, 117, 122, 198, 201, 210, 247, 265, 272, 287; (III) 125, 174, 176, 177, 225, 252, 259, 278, 293–296, 298, 310 Fraenger, Wilhelm (I) 286 Fraenkel, Ernst (I) 40 Fraga Iribarne, Manuel (I) 248; (III) 159, 168, 187 Franco, Francisco (I) 208 f., 223, 244 François-Poncet, André (II) 8 Frank, Hans (I) 227 Frank, Karl Hermann (I) 250 Franke, Ursula (II) 215 Frantz, Constantin (II) 56, 70 Franziskus [von Assisi] (I) 134, 182 Freiligrath, Ferdinand (I) 229 Freisler, Roland (III) 154 Freud, Sigmund (III) 271 f. Freund, Julien (I) 244, 252; (II) 215, 250–252; (III) 300 Freund, Rudolf (III) 62 Frey, Emil Karl (III) 157, 168
343
Freyberg, Baron von (I) 192 Freyer, Hans (I) 68, 153, 156, 167; (II) 120 f., 158, 169, 211 f., 214, 239; (III) 10,170, 193 Friedmann, Alfred (II) 89 Friedrich II. [König von Preußen] (II) 47 Friedrich August III. [König von Sachsen] (I) 173 Friedrich, Carl Joachim (II) 100 f., 175; (III) 41 Friedrich, Heinz (III) 275 Friedrich, Manfred (I) 249 Fries, Jakob Friedrich (III) 188 Friesenhahn, Ernst (I) 79, 84; (II) 102, 113 f., 117 Fritsch, Werner von (II) 294 Fromme, Friedrich Karl (III) 321 Frommel, Wolfgang (I) 286 Fuchs, Friedrich (III) 329 Fuhrmann, Ernst (III) 10 Fuhrmann, Manfred (III) 286 Fuld, Werner (II) 284 Funk, Philipp (I) 110; (III) 329 Funke, Andreas (II) 105, 186 Funke, Gerhard (II) 278 Fur, Louis le (I) 78 Gabetti, Giuseppe (III) 200 Gadamer, Hans-Georg (II) 203; (III) 178 Gahlings, Ute (I) 116 Gahn, Philipp (III) 321 Gajzago, Ladislaus von (I) 155 Gallwitz, Dieter (I) 114 Gandillac, Maurice de (III) 155 Gangl, Manfred (II) 88 Gargan, Edward T. (II) 198 Garosci, Aldo (II) 193, 195 Garve, Theo (I) 113, 218 Gayl, Wilhelm von (III) 45, 145 Gebensleben (II) 96–98 Gebhardt, Hans (II) 288
344
Personenregister (Band I, II und III)
Gebhardt, Peter (II) 275 Gehlen, Arnold (II) 122 f., 215, 239; (III) 168, 170, 287 f. Gellert, Christian Fürchtegott (III) 327 Gempf, Carl Albert (III) 335 Gennep, Arnold van (III) 95 Gentile, Giovanni (II) 271; (III) 201 Gentz, Friedrich von (III) 102 Georg [Kronprinz von Sachsen] (I) 35, 52 George, Heinrich (I) 173 George, Stefan (I) 301 f.; (II) 276, 278; (III) 28, 35, 47, 55, 64 Gerber, Hans (I) 42; (II) 110; (III) 51 Gerhard, Hans Wolfram (III) 164 Gerhardt, Volker (II) 130 f., 176 Gerl-Falkovitz, Hanna-Barbara (III) 132 Gerstenhöfer, Gerhard (II) 119 Gerstenmaier, Eugen (II) 8 Gerullis, Georg (I) 53; (III) 227 Geulincx, Arnold (I) 104 Geyer, Ludwig (III) 69 Gide, André (III) 89 Gierke, Otto von (II) 56–58, 61 f., 65, 66, 77, 81; (III) 103 f., 112, 114, 115, 116 Giese, Friedrich (II) 110 Gieseke, Paul (III) 207 Giesler, Gerd (I) 33, 36, 126, 147, 152, 160, 162, 257, 262, 272, 286 f., 290, 301, 307, 316; (II) 7, 57, 65, 107, 119, 150, 274, 287–294; (III) 23, 25, 103, 120, 125, 135, 217, 219,, 233 f., 238, 253, 255, 278, 314, 319, 321 Gildemeister, Otto (I) 134 f. Gilles,Werner (I) 113, 117, 142, 153, 163, 200; (II) 229; (III) 313 Gillet, Louis (I) 84 Gini, Corrado (III) 159, 170 f., 173, 180–183, 184, 185 f., 205 Giobati, Corrado (III) 205 Giovannini, Norbert (III) 78, 121
Gluck, Christoph Willibald (I) 271, 274, 309; (II) 288; (III) 176 Gmelin, Hans (III) 196 Gneist, Rudolf von (II) 287 Gobineau, Arthur de (III) 96 Godwin, William (III) 156 Goebbels, Josef (I) 224 Göbel, Kurt (III) 100 Goede, Arnt (III) 223 Göpel, Erhard (I) 206 Goerdeler, Carl Friedrich (III) 127, 145 Göring, Hermann (I) 173, 182, 199, 215; (II) 36; (III) 45, 102, 199 Görres, Johann Joseph von (I) 74 f. Goeser, Karl (III) 60 Goethe, Johann Wolfgang von (I) 185, 213, 242, 254, 329 f.; (II) 70, 83, 166, 196, 232, 290; (III) 142, 161, 198, 232, 272, 328 Goetz, Leopold Karl (II) 153 Götz, Lina (II) 73 Gogol, Nikolai (III) 206 Golczewski, Frank (III) 143 Goldmann, Lucien (II) 268 Goldschmidt, Hans (III) 35 Goldschmidt, Julius (I) 124, 127 f.; (III) 71 Goll, Iwan (II) 53 Gollwitzer, Helmut (I) 54 Gombrowicz, Witold (III) 288 Gosewinkel, Dieter (II) 241 Gottfried [von Straßburg] (I) 181 Gottheiner, Georg (I) 41; (III) 145, 335 Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich von (III) 30 Goya, Francisco (III) 296 Grabbe, Christian Dietrich (I) 73 Gradenhofer, Helene (III) 157 Graehl, Gerhard (I) 78 Grahl (III) 151 Grau, Richard (I) 39
Personenregister (Band I, II und III)
Grauert, Ludwig (I) 199, 205 Grelling, Kurt (I) 98 f. Grenville, Anthony (III) 233 Greve, Ilse (III) 306 Greven, Michael Th. (II) 56 Grillparzer, Franz (I) 153, 282 Grimm, Jacob (I) 266 Grimm, Wilhelm (I) 266 Grimme, Adolf (III) 141 Grimmelshausen, Hans Jakob C hristoffel von (III) 334 Groh, Dieter (I) 126, 262; (II) 7 Grolle, Joist (III) 24 Gross, Johannes (I) 268; (II) 226; (III) 290, 292, 301, 331 Grothe, Ewald (II) 87, 119; (III) 103 Grotius, Hugo (I) 288, 308, 311, 331 Gruber, Hubert (I) 75 Gruel [Pariser Buchbinder] (I) 291 Gründer, Karlfried (II) 123, 204, 214, 218, 254–256, 262 f., 265; (III) 258, 271 f. Grüninger, Horst (I) 161 Grüttner, Michael (II) 141 Gryphius, Andreas (II) 293 Grzimek (II) 275 Guardini, Romano (II) 142, 150, 156, 158; (III) 132, 184 Günther, Albrecht Erich (III) 36 Günther, Horst (II) 274 Guenther, Irene (I) 142 Günther, Johann Christian (I) 144 Gütersloh, Albert Paris (I) 309 Gumbel, Emil Julius (III) 88, 102 Gumplowicz, Ludwig (III) 93 Gundel, Hans Georg (III) 128, 226 Gundolf, Friedrich (III) 55 Gurian, Edith (I) 63 Gurian, Johanna (I) 84 Gurian, Waldemar (I) 59–111, 183; (II) 154; (III) 88 [s. a. unter Peltastes] Gutjahr, Herbert (II) 287, 291 Guttmann, Julius (II) 170
345
Haas, Willy (I) 69 Habermas, Jürgen (II) 211, 218; (III) 284, 309, 310 Hacke, Jens (II) 202, 215, 217; (III) 24, 233, 235 Hadlich, Käthe (II) 131, 137 f., 145 Hadrich, Julius (II) 172 Haecker, Theodor (I) 63, 282; (III) 74 Haenisch, Konrad (II) 58 f., 62 Haerendel, Ulrike (I) 148 Haff, Karl (III) 89, 90 Haftmann, Werner (I) 207, 213 Hahm, Haidi (I) 287 Hahm, Konrad (I) 287 Hahn, Erich J. C. (III) 140 Hahn, Rudolf (I) 138 Haller, Albrecht von (I) 257 Haller, Bertram (I) 268 Haller, Johannes (II) 125 Hallstein, Walter (III) 180 f., 185 Hamann, Johann Georg (II) 279; (III) 258 Hanfstaengl, Erna (I) 160, 164, 174, 184 Hanfstaengl, Ernst (I) 160 Hansdorff, Felix (II) 161 Hansen, Reimer (II) 146 Hansert, Andreas (I) 114, 116, 142 Harck, Frau von (I) 179 Harden, Maximilian (III) 69, 287 Hardt (II) 275 Hargreaves, Mary (I) 308 Harich-Schneider, Eta (I) 262 Harms, Bernhard (III) 24, 67, 75, 95, 120, 126, 141 Harms-Ziegler,Volker (I) 138 Harnack, Adolf von (II) 161; (III) 65, 74, 104 Harnack, Arvid (III) 173 Hartmann, Hans (II) 155 Hartmann, Nicolai (II) 119–121, 126, 130 Hartung, Fritz (III) 151
346
Personenregister (Band I, II und III)
Hartung, Gerald (II) 121 Hasenkamp, Gottfried (I) 60 Hauesser, Ludwig Christian (III) 107 Hausenstein, Wilhelm (I) 113 Haushofer, Karl (I) 79 Hayes, Peter (I) 160 Hayter, William (III) 62 Hebbel, Friedrich (III) 211 Heckel, Johannes (II) 117 Heckenast, Gustav (III) 163 Heer, Friedrich (I) 161 Hegel, Georg Friedrich Wilhelm (I) 16, 99, 101, 103, 169, 193 f., 227, 255, 309, 332; (II) 12, 24–26, 43 f., 48, 81, 122, 135, 168, 194, 196, 204, 208 f., 211 f., 214–216, 219, 224, 226, 238, 241, 244, 245 f., 252, 255, 256, 266; (III) 46, 54, 112, 115, 118, 155, 256, 264, 315 Heidegger, Martin (I) 277; (II) 119 f., 125, 130, 158, 163, 170, 181–183, 202, 242, 268; (III) 56, 86, 122 f. Heil, Susanne (II) 223 Heilinger, Christoph (II) 131 Heimann, Eduard (III) 30, 121, 131, 229–232 Heimbüchel, Bernd (III) 191 Heimsoeth, Heinz (II) 121, 211 Heine, Heinrich (II) 282; (III) 69 Heine, Jens Ulrich (I) 129 Heinemann, Gustav (III) 321 Heinig, Hans-Michael (II) 78 Held, Hans Ludwig (I) 153 Heldt, Werner (II) 229 Helfritz, Hans (II) 89 Hella [Geliebte Schmitts] (II) 92 Heller, Hermann (I) 9, 37, 40; (II) 96, 97, 162; (III) 10, 99, 146 Hellingrath, Norbert von (III) 55 f., 71 f. Hellpach, Willy (III) 199 Hemleben, Johannes (II) 57 Hemmerich, Gerd (II) 282 Henkel, Michael (II) 96
Hennings, Emmy (I) 137 Henrich, Dieter (III) 178 Hensel, Albert (II) 104; (III) 78 Hentzen, Alfred (II) 229 Hepp, Robert (II) 218 Heraklit (II) 50, 182 Herberg (II) 71 Herbst, Anneliese (III) 187 Herder, Johann Gottfried (II) 134 Herkner, Heinrich (III) 59 Herrero, Montserrat (III) 307 Herrfahrdt, Heinrich (III) 225 Herrmann, Albert (II) 85 Hertweck, Frank (I) 126, 262; (II) 7–9, 14, 19 Hertz, Friedrich (I) 83; (III) 95 Herzen, Alexander (I) 63 Hesse, Hermann (I) 76 Hessen, Johannes (II) 153 Hettlage, Karl Maria (I) 322; (III) 218 Heuss, Theodor (I) 215; (III) 319 Heyde, Ludwig (III) 108 Heyde, Philipp (III) 228 Heydrich, Reinhard (I) 174 Heydt, Eduard von der (I) 215, 233 Heydte, Friedrich August Freiherr von (III) 157, 331 Heyer, Karl (II) 155 Heym, Georg (II) 53 Heymann, Ernst (II) 98, 146; (III) 207 Hilgendorf, Eric (II) 121 Hillard, Gustav [Ps. f. Gustav Stein bömer] (III) 287 f., 294 Hiller, Kurt (II) 53 Hilpert, Heinz (III) 67 Himmler, Heinrich (I) 118 f., 160, 164, 173 Hindenburg, Paul von (II) 138 Hinneberg, Paul (III) 204 Hinrichs, Bernhard (II) 97 Hintze, Hedwig (I) 79 Hitler, Adolf (I) 41, 117, 160, 193, 217 f., 224, 227, 296, 298, 313,
Personenregister (Band I, II und III)
(II) 16, 18, 36, 49, 162; (III) 69, 140, 162, 176, 220, 235, 256 Hobbes, Thomas (I) 265, 269, 288, 290, 306, 308; (II) 77, 168, 171, 179 f., 189, 219, 289; (III) 76, 96, 103–105, 109, 116–118, 264 f. Hobbing, Reimar (II) 111 Hoberg-Heese, Christel (I) 290 Hobhouse, Leonard Trelawney (III) 48, 52, 59 Hock, Sabine (I) 114; (III) 198 Hodler, Christian (I) 267, 289 Hodler, Otto (I) 266, 267, 286, 288, 289 Hoeft, Bernhard (I) 258 Höhn, Reinhard (II) 57 f. Hölderlin, Friedrich (I) 63, 107, 156, 161, 287; (II) 196; (III) 56, 71 f., 106 Hoentzsch, Meta (II) 288 Hoffend, Andrea (III) 127 Hoffmann, Arthur (II) 124 Hoffmann, Dieter (I) 114 Hoffmann, Elisabeth (I) 184 Hoffmann, Ernst Theodor Amadeus (II) 80; (III) 291 Hofmann, Albert (I) 321 Hofmann, Hasso (I) 249 Hofmann, Walter (II) 59 Hohenzollern, Johann Georg von (I) 120, 173 Hohenzollern-Sigmaringen, Margarete von [Herzogin von Sachsen] (I) 119, 120, 142, 173, 175, 180, 233, 246 f. Holfilus [Prof.] (I) 199 Holler, Christian (I) 288 Holste, Christine (II) 214 Holstein, Günther (I) 37, 49; (II) 90, 126 f., 141 f., 158, 159 f. Holstein, Horst (I) 49, 158 Homer (I) 108; (II) 73, 256 Honigsheim, Paul (I) 70, 85 Hooker, Richard (II) 194, 196 Horaz (III) 186 Hradil, Rudolf (I) 250
347
Huber, Ernst Rudolf (I) 33, 87, 173; (II) 11, 14, 18, 20, 75, 88, 104, 105, 117, 122; (III) 40, 63, 234 Huber, Eugen (II) 57 Hürten, Heinz (I) 60, 91 Hüsmert, Ernst (I) 153, 160, 162, 265, 278 f., 325, 332; (II) 57; (III) 23, 135, 219., 238, 319 Hufer, Fritz (III) 331 Hugo, Victor (I) 75; (II) 284; (III) 135 Huhn, Irmgard (I) 188, 270; (III) 330 Humboldt, Wilhelm von (II) 279 Hummel, Fritz (II) 97 f. Hurwicz, Elias (III) 172 Husserl, Edmund (II) 130 Hyde, Edward, 1. Earl of Clarendon (III), 148 Iamone, Enrico (II) 56 Ihering, Rudolf von (II) 102 Ilting, Karl-Heinz (II) 123 Immelmann, Max (I) 35 Imredy, Bela von (I) 155 Ipsen, Hans-Peter (I) 34 f. İpşiroğlu, Mazhar Şevket (III) 305 Isay, Ernst (I) 49 Ishida, Yūji (II) 10 Jabes, Contesa Carmen de (I) 196 Jachmann, Günther (II) 126 Jacobi, Erna (I) 53 Jacobi, Erwin (I) 33–57, 67; (II) 87 f., 92, 101, 103, 115 f., 169; (III) 45, 144 Jacobi, Gottfried (I) 38 Jacobi, Nora (I) 38, 41, 43, 50, 52 Jacobi, Rudolf (Rudi) (I) 38, 44–46, 52 Jacobi, Thomas (I) 38 Jacoby, Günther (II) 123 Jacoby, Henry (II) 58 Jäger, Werner (III) 55 Jaffé, Edgar (III) 77 Jahn, Georg (III) 108 Jahrreiss, Hermann (II) 67
348
Personenregister (Band I, II und III)
James, Harold (III) 193 Jammes, Francis (III) 44 Jansen, Christian (II) 96; (III) 127 Janssen, Hauke (III) 120 f., 126, 127 Janssen, Wilhelm (I) 268 Jaser, Alexander (I) 285; (III) 166, 263 Jaspers, Karl (II) 89, 158; (III) 54 Jauer, Otto (II) 141 Jay, Herta (I) 134 Jecht, Horst (III) 219 Jeinsen, Gretha von (I) 255; (III) 253 Jellinek, Dora (II) 107 Jellinek, Georg (I) 56, 296; (II) 60 f., 77, 87, 277 Jellinek, Otto (II) 107 Jellinek, Paula (II) 107 Jellinek, Walter (I) 34, 38, 41, 51, 52; (II) 87–117; (III) 33, 41, 124, 145 f. Jessen, Jens (II) 291; (III) 127, 162, 203 Jèze, Gaston (III) 159 Joël, Curt (III) 321 Johann Ohneland [König von England] (III) 241 Johannes XXIII. [Papst] (II) 249 Jolson, Joll [s. Stahl, Friedrich Julius] (III) 319 Jordan, Leo (III) 67 Jostok, Paul (II) 155 Joyce, James (III) 309 Juana Ines [de la Cruz] (I) 150 Jünger, Ernst (I) 113, 145, 147, 150, 165 f., 185, 186 f., 198, 255, 257, 260, 266, 271, 277, 286, 290 ff., 308, 321, 330, 331, 333; (II) 10, 120, 205–207, 209, 218–220, 225, 242 f., 254; (III) 163, 166, 178, 224, 252 f., 257, 268, 280 Jünger, Gretha (I) 146, 187, 255, 285, 287 [s. a. unter Jeinsen]; (III) 253 f. Jünger, Hans (III) 253 Jung, Carl Gustav (I) 119, 149 f., 153 Kaehler, Wilhelm (III) 146 Kaesler, Dirk (II) 205, 259
Kafka, Franz (I) 69 Kafka, Gustav E. (II) 252 Kahl, Wilhelm (II) 114 Kahr, Gustav von (III) 220 Kaiser, Christian (II) 56, 63, 79 Kaiser, Joachim 260 Kaiser, Joseph H. (I) 231, 267, 295, 325; (II) 188; (III) 153, 155, 161, 164 f., 167, 181, 259, 277, 278 f., 282, 294, 320 Kaltenbrunner, Gerd-Klaus (III) 292 Kamp, Matthias Ernst (III) 204 Kampits, Peter (II) 233 Kandinsky, Wassily (I) 207 Kant, Immanuel (I) 86, 99, 101, 103; (II) 123, 214, 215, 242; (III) 222 Karl [der Große] (II) 26; (III) 42 Karl V. [römisch-deutscher Kaiser] (III) 269 Kasack, Hermann (III) 162 Kaufmann, Arthur (II) 55 Kaufmann, Erich (I) 9, 29, 37, 48, 50, 73, 192; (II) 60, 88 f., 142; (III) 63, 90, 91, 94, 146, 162, 173 Kaufmann, Hedwig (III) 171 Kaulbach, Friedrich (II) 211 Kayser, Jacques (II) 167 Keckeis, Gustav (I) 73 Keiper, Gerhard (II) 56 Keller, von [Anwalt] (I) 176 Kelsen, Hanna (III) 36 Kelsen, Hans (I) 9, 37, 44, 296; (II) 54, 105, 183 f., 186; (III) 36, 87, 94, 95, 108, 146, 157, 191, 195, 197, 210 Kelsen, Margarete (III) 36 Kelsen, Maria (III) 36 Kemp, Friedhelm (I) 156 Kempelen, Wolfgang van (III) 291 Kemper, Franz (I) 160 Kemper, Wilhelm (I) 160 Kempner, Robert (I) 183, 301, 303, 310, 312–314, 332; (II) 191 Kempner, Walter (I) 301
Personenregister (Band I, II und III)
Kempter, Klaus (II) 87, 89 Kennedy, Ellen (II) 223 Kerschensteiner, Georg (II) 143 Kerst, Rolf (I) 257, 294, 322–326 Kesper, Carl Erich (I) 323 Kesting, Hanno (III) 251, 259, 261, 262, 265 Kesting, Marianne (I) 228; (III) 251– 316 Keynes, John Maynard (III) 25, 27, 48 f., 171 Keyserling, Hermann (I) 113, 116 f., 119, 138, 149, 227, 236; (III) 74 Kiesel, Helmuth (I) 165, 257; (II) 243; (III) 178, 253 Killigrew, Mary [Lady] (I) 159 King, Colin (II) 131 Kirchheimer, Otto (I) 30; (II) 185; (III) 69, 78, 85, 112, 115 Kirchhoff, Kilian (III) 306, 308, 309 Kirchhoff, Peterheinrich (III) 217, 259 Kirchner, Hildbert (I) 280, 311, 324, 328 Kirsch, Wilhelm-Michael (III) 175, 179 Kirschweng, Johannes (I) 60 f., 108–110 Kirstein, Martina (II) 119, 132 Kisoudis, Dimitrios (I) 126, 262; (II) 7–9, 14, 19 Kjellen, Rudolf (I) 9, 10, 16; (II) 77; (III) 49, 50 Klee, Paul (I) 207, 262 f. Kleemann, Christiane (I) 193 Klein, Franz (II) 81 Kleist, Heinrich von (I) 107, 318; (II) 196 Klemperer, Viktor (I) 87 Kličković, Milka (I) 286, 289 Kličković, Sava (I) 228, 248, 286, 289; (III) 252, 256–258, 267 f., 270, 275 f., 278, 280, 288, 290, 298–305 Klinkenberg, Heinrich (I) 73 Klippel, Diethelm (II) 53 Kluckhohn, Paul (III) 66
349
Kluxen, Franz (III) 25 Knapp, Georg Friedrich (III) 30, 119 Koch, Rudolf (I) 143 Kocherthaler, Ernst (III) 48, 49 Kockenbach, Martin (I) 66 Kodalle, Klaus-M. (I) 225 Koechlin, Carl (I) 223 Köhler, Dietmar (II) 213 Köhler, Michael (II) 61 Köhler, Otto (III) 312 Koellreutter, Otto (I) 9, 42; (II) 53, 65, 67, 76, 78, 92, 117; (III) 45, 196 Kölz, Alfred (II) 61 Koenen, Andreas (II) 9–11, 13, 15, 153; (III) 253 König, Rene (I) 108 Körner, Heiko (III) 121 Koerner, Paul (I) 182 Köttgen, Arnold (I) 24 f., 298; (II) 117 Kogon, Eugen (I) 174, 188 Kohler, Josef (I) 264 Kohlrausch, Eduard (III) 152, 153 Koigen, David (III) 108 Kojève, Alexandre (II) 123, 229 f., 238 Kolbenheyer, Erwin Guido (II) 10 Konen, Heinrich (II) 164 Konfuzius (I) 116 Kopp-Oberstebrink, Herbert (II) 123 Korb, Axel-Johannes (I) 44 Korioth, Stefan (II) 126 Kormann, Karl (II) 58–61 Korn, Karl (III) 217, 311 f. Koselleck, Reinhart (I) 258–260; (III) 259, 261, 284, 311–313 Kosic, Mirko M. (III) 95 Kottler, Liselotte (II) 67 Kottler, Wilhelm (II) 66 f., 85, 86 Krabbe, Hugo (II) 74 Kracauer, Siegfried (II) 280 Krämer, Carl (III) 52 Kramer, Franz (I) 60 Kraus, Annie (II) 169; (III) 10 Kraus, Karl (II) 278
350
Personenregister (Band I, II und III)
Krause, Friedhilde (I) 293 Krause, Georg Alexander (I) 123; (II) 287; (III) 128, 220 Kraushaar, Richard (III) 253 Krauss, Günther (I) 94, 283 f. [s. a. unter Lang]; (III) 169, 213, 219 Krauß, Werner (III) 67 Krebs, Friedrich (I) 117, 142 Kriele, Martin (II) 214, 217 Krockow, Christian Graf von (I) 271, 276 f., 329; (II) 242 Krüger, Felix (II) 121, 169 Krüger, Peter (III) 140 Kubo, Keiji (II) 65 Kühlmann, Richard von (I) 113 Kühnemann, Max (II) 98–100 Kükelhaus, Hugo (II) 292 Kugler, Hans (I) 192 Kuhn, Annette (II) 119, 176, 177, 179 f. Kuhn, Helmut (II) 119 f., 170, 176–181 La Touanne, Sebastien de (II) 250 Laak, Dirk van (I) 280, 329; (II) 201, 205, 273; (III) 176, 251 Laband, Paul (I) 29, 35; (II) 87, 99 Laffert, Maximilian von (I) 35 Lafitte, Jean (III) 281 Lagarde, Paul de (I) 80 Laing, Ronald D. (II) 270 Lamanskij, Vladimir I. (I) 81 Lamennais, Felicité de (I) 59, 87, 91 Lampe, Adolf (III) 127, 204 Lamprecht, Karl (III) 42 Landmann, Julius (III) 75 Landsberg, Anna (II) 162 f. Landsberg, Ernst (II) 161 Landsberg, Paul Ludwig (II) 119 f., 161–168; (III) 155 Landshut, Siegfried (III) 131, 230, 231 f. Lang, Clemens [Ps. f. G. Krauss] (I) 94 Lang, Markus (I) 294 Lange, Heinrich (I) 41, 55, 57
Langgässer, Elisabeth (I) 113, 183 f., 247 Lanxx, Pierre de (I) 89 Laotse (I) 116, 168, 264 Larenz, Karl (II) 121, 158, 159 Larese, Dino (I) 146 Lasalle, Ferdinand (I) 99, 101 f.; (II) 82; (III) 24 Laski, Harold (III) 241 Lassar, Gerhard (III) 36 Laube, Reinhard (I) 258 Laufenburger, Henry (III) 159 Laufs, Adolf (III) 144 Laun, Rudolf von (III) 36 Lawrence, David Herbert (I) 153 Lederer, Emil (III) 23 f., 77–85 Leers, Johann von (II) 287 Legaz y Lacambra, Luis (I) 208; (III) 159 Lege, Joachim (II) 125 f. Lehmann, H. (I) 30 Lehmann, Rudolf (I) 191 Lehnert, Erik (II) 57; (III) 26, 56, 256 Leibholz, Gerhard (I) 29; (II) 122; (III) 10, 125 Leibniz, Gottfried Wilhelm (II) 123, 134, 237 Leip, Hans (I) 159 Leist, Erich (II) 144 Leistikow, Hans (I) 176 Leites, Nathan (III) 78, 85 Lemberg, Hans (III) 176 Lenger, Friedrich (III) 139 Lenin, Wladimir Iljitsch (II) 211 Lenz, Christian (I) 113–115, 137 Lenz, Friedrich (III) 23, 54, 56, 120 f., 128–131, 173, 220–229 Lenz, Georg (III) 225 Lepenies, Wolf (II) 268, 270; (III) 313 Lepper, Marcel (II) 123 Lerchenfeld, Hugo Graf von und zu (II) 157 Lessing, Gotthold Ephraim (II) 193 f.; (III) 48, 51
Personenregister (Band I, II und III)
Levi-Bruhl, Lucien (III) 89 Levi-Strauss, Claude (II) 268, 270 Lewinski, Karl von (I) 310 f. 312 Lewinski-Dollhausen, Otti (II) 288; (III) 176 Leyh, Georg (I) 292 Leyris, Pierre (III) 255 Liebert, Arthur (II) 9, 120 f., 121, 176; (III) 87 Lieberwirth, Rolf (II) 63 Lilienthal, Karl von (II) 73 Lilla, Joachim (I) 55 Lincoln, Abraham (III) 281 Linder, Christian (III) 176 Lingelbach, Gerhard (II) 96 Linn, Pierre (I) 90 Linse, Ulrich (III) 107 Lippert, Peter (I) 139 Lipps, Hans (II) 120, 121, 123 List, Friedrich (III) 56, 60, 61, 129 f., 222, 227 f. Liszt, Franz (I) 75 Litt, Theodor (II) 119, 168–170; (III) 95 Lochner, Stefan (I) 151, 163 Locke, John (II) 77 Loening, Edgar (II) 62 Loesch, Karl von (I) 79 Löwenstein, Julius (III) 54 Loewenstein, Karl (I) 261, 289, 293–298, 300–303, 305 f., 309–313, 319, 325, 331; (III) 54, 92 Löwith, Karl (I) 61, 108, 269; (II) 171, 181 f.; (III) 58, 88 Lohmann, Karl (II) 8, 287 Lokatis, Siegfried (II) 10, 15 Lopes, Igor (I) 200 Lorca, Garcia (I) 208 Loria, Achille (III) 90 Lortz, Joseph (I) 321–323, 326, 328 Lotz, Walter (III) 119 Louis Philippe I. [König von Frankreich] (I) 75, 217
351
Lowell, Robert (III) 282 f. Luck, Georg (III) 329 Ludendorff, Erich (I) 125 f.; (III) 220 Ludwig II. [König von Bayern] (III) 69 Ludwig XIV. [König von Frankreich] (II) 27 Ludwig, Emil (I) 89 Lübbe, Hermann (II) 123, 204, 214, 218, 265 Lüthy, Herbert (III) 314 Lütkehaus, Ludger (I) 153 Lukács, Georg (I) 279; (II) 196; (III) 129, 155 Lukan, Markus Aennaeus (II) 291 Lurçat, Jean (I) 229 Luther, Hans (III) 67 Luther, Martin (I) 99–102; (II) 233; (III) 62, 74, 297 Macauly, Thomas (III) 30 Macdonald, Hugh (I) 308 Mach, Ernst (II) 126 Machiavelli, Niccolò (I) 89, 219, 308; (II) 232, 274 Mackert [Bibliothekar] (I) 326 Macrobius, Ambrosius Theodosius (III) 254 Mälzel, Johann Nepomuk (III) 291 f. Magaß, Walter (II) 214 Magee, Warren E. (I) 176 Magnus (II) 97 Mahner, Franz (I) 78 Mahnke, Dietrich (II) 130 Maier, Hans (II) 154 Maier, Reinhold (I) 313 Maimonides, Moses (II) 193 Mainzer, Gertrud (II) 65 Maistre, Joseph de (I) 87, 308 Maiwald, Serge (II) 150 f., 291; (III) 161 Malebranche, Nicolas (I) 104 Mallarmé, Stéphane (III) 258, 281, 310 Mallinckrodt, Gustav Wilhelm Otto von (I) 162, 188
352
Personenregister (Band I, II und III)
Mallinckrodt, Lydia von (I) 162, 175, 185, 188, 209; (II) 287 Mallinckrodt, Nadine von (I) 233 Malraux, Madeleine (I) 183 Malthus, Robert (III) 156 Mann, Golo (III) 168 Mann, Heinrich (I) 113 Mann, Thomas (I) 113, 185, 278–280, 291, 294; (II) 197; (III) 168, 314 f. Mannheim, Karl (I) 24; (II) 139, 220; (III) 87, 106, 122 Marc Aurel (I) 282; (III) 212 Marcel, Gabriel (II) 215 Marcks, Erich (II) 14, 291; (III) 45 Marcus Antonius (III) 211 Marcuse, Herbert (II) 181, 214 Marées, Hans von (I) 213 Marías Aguilera, Julián (I) 244 Maritain, Jacques (I) 89 f., 139 Mark, Walther (II) 125 Marquard, Odo (II) 123, 202 f., 206, 214, 217, 218, 233, 235, 237, 242, 254 Marr, Heinz (III) 32, 43 f., 94 Marschall von Bieberstein, Fritz (III) 225 Marschler, Thomas (II) 24; (III) 94 Martini, Winfried (III) 331 f. Martinsen, Sylvia (II) 119, 132 Martynkewicz, Wolfgang (I) 114 Marwitz, Roland (II) 162 Marx, Karl (I) 99, 101 f., 332; (II) 122, 202, 282, 284; (III) 69, 93, 117 f., 129 f., 212, 232, 281, 284, 288 Marye [Lt. Col.] (I) 302, 304 f. Maschke, Günter (I) 36, 156, 244, 257; (II) 13, 18, 54, 57, 75; (III) 26, 29, 56, 105, 256 Massignon, Louis (II) 176 Materassi, Mario (III) 283 Matisse, Henri (I) 229 Maunier, René (III) 95 Maurer, Reinhart (II) 215
Maurras, Charles (I) 60, 88; (II) 139, 176 Mayer, Hans (I) 183 Mayer, Otto (I) 34; (II) 87 Mayer, Theodor A. (I) 107 Mazzini, Giuseppe (I) 100 Mecklenburg, Frank (I) 303 f., 313 Medem, Eberhard von (I) 183, 260 f., 266, 268 f., 271, 316 f., 321; (II) 287 Mehring, Reinhard (I) 10, 46, 49, 54, 129, 155, 187, 192, 197, 225, 227, 243, 261, 270, 278, 283, 301; (II) 8, 10–12, 16, 18, 19, 53, 54, 64, 77, 88, 105, 121, 123, 125, 130, 142, 160, 171, 182, 186, 201, 216, 229, 233, 264, 290; (III) 32 f., 36, 49, 70, 106, 119, 127 f., 137, 142, 145, 151, 165, 197, 200, 214, 216, 221, 229, 236, 243, 327 Meier, Albert (II) 247 Meier, Christian (III) 257, 298 Meier, Heinrich (I) 269, 316; (II) 122, 170 f. Meier, Wiebke (II) 171 Meier-Welcker, Hans (III) 195 Meinecke, Friedrich (III) 54, 78 f., 83, 104, 133, 188, 237 Meinel, Florian (II) 88, 201, 247; (III) 176 Meissner, Boris (I) 233 Melville, Herman (I) 153 f., 204, 228, 281; (II) 236; (III) 178, 206, 252–258, 266, 267–270, 272–279, 280 f., 282–284, 298, 302–304, 306–309, 316 Mende (I) 24 Mendelssohn, Peter de (II) 242 Mendelssohn Bartholdy, Albrecht (III) 27 f., 30, 48, 87 Mendelssohn Bartholdy, Felix (II) 93, 95; (III) 69 Mercier, Desiré-Joseph (I) 99 Merkl, Adolf (II) 183; (III) 157 Merton, Richard (I) 116–118 Metternich, Klemens Wenzel Lothar von (III) 102
Personenregister (Band I, II und III)
Meusch, Matthias (II) 119 Meusel, Alfred (III) 67 Meuter, Günter (II) 56, 70 Meyer, Eduard (I) 103; (III) 114 Meyer, Georg (II) 46 Meyerbeer, Giacomo (III) 69 Michael, Horst (II) 153 Michel, Ernst (I) 97 f. Michel, Karl Markus (I) 255; (II) 24, 209, 224 Michelet, Jules (I) 106 Michels, Robert (III) 23, 44, 99, 108 Mies van der Rohe, Ludwig (I) 115 Miksch, Leonhard (III) 127 Mirgeler, Albert (I) 67, 68, 70 Misch, Carl (III) 144 Misch, Georg (II) 158 Mises, Ludwig von (III) 31, 198 Missiroli, Mario (I) 94 Möbius, Stefan (II) 162 Möhler, Johann Adam (II) 24 Moeller van den Bruck, Arthur (III) 129, 224, 228 Mössinger, Wilhelm (I) 177 f. Mohl, Robert von (I) 14 Mohler, Armin (I) 188, 269 f., 323, 327, 328; (II) 10, 206, 254, 289; (III) 57, 124, 234, 330–332 Mohler, Wulf (III) 332 Moldenhauer, Eva (I) 255; (II) 24, 209, 224 Moldenhauer, Paul (III) 191 Moltke, Dorothy (I) 117 Moltke, Helmut James von (I) 117 Mommsen,Wolfgang (I) 267, 312, 329; (III) 310 Monroe, M. G. B. (I) 319 Montalembert, Charles de (I) 91 Montaner, Antonio (III) 121 Montesi, Gotthard (II) 196 f. Montesquieu, Charles de Secondat Baron de (II) 134 f. Montinari, Mazzino (I) 144
353
Morand, Paul (III) 135 Moras, Joachim (I) 115 Moraw, Peter (III) 128, 226 Morgenstern, Ulf (II) 55, 60, 63, 66 Morhenn, Alfred (I) 152 Morstein Marx, Fritz (III) 37 Mosca, Gaetano (III) 89, 205 Mounier, Emmanuel (III) 153 f. Mount-Temple [Lady] (I) 142 Mozart, Wolfgang Amadeus (II) 92 Muckermann, Friedrich (I) 75, 82 Müller [Prof.] (II) 138 Müller, Adam (I) 61, 83, 105 f., 316; (II) 75; (III) 46 f., 60, 102 Müller, Aloys (II) 153 Müller, Günther (I) 82 f. Müller, Guido (I) 136 f. Müller, Jan-Werner (II) 201 Müller, Johannes (I) 146 f. Müller, Roger (II) 61 Müller-Jerina, Alwin (I) 293 Müller-Meiningen, Johanna (I) 148 Münzer, Thomas (I) 100, 102 Muller, Jerzy Z. (II) 239 Murray, James (III) 107 Murray, Kathleen (I) 70; (II) 125, 128 Musil, Robert (III) 34 Musset, Alfred de (I) 75 Mußgnug, Dorothee (I) 42, 290; (II) 72, 287; (III) 128, 278 Mußgnug, Reinhard (I) 42, 290; (II) 72; (III) 128, 278 Mussolini, Benito (I) 91; (III) 27, 127, 159, 194–196 Muth, Carl (I) 65, 68, 76, 88, 90; (II) 154 Muth, Heinrich (II) 278 Mutius, Bernhard von (II) 287 Mutschmann, Martin (I) 55 Naas, Stefan (II) 63 Nagel, Anne C. (III) 143 Napoléon Bonaparte (I) 102; (II) 26–28, 44, 212 f.; (III) 188, 282
354
Personenregister (Band I, II und III)
Napoléon III. (III) 210, 212 Nasse, Ernst (III) 209 Natorp, Paul (II) 125 Naumann, Friedrich (II) 46, 61, 81 Nawiasky, Hans (I) 29; (II) 79 Nay, Elly (I) 163; (II) 229 Nay, Ernst Wilhelm (I) 113, 117, 163, 174, 207; (II) 229 Nebel, Gerhard (I) 278 Nelson, Leonhard (III) 94, 108 Nelson, Timothy (III) 136 Neugebauer, Erwin (I) 53 f. Neugebauer, Karl Anton (I) 53 f. Neumann, Franz (I) 30 Neumann, Volker (II) 54 Neumark, Fritz (III) 126 Neumayer, Fritz (I) 217 Neundörfer, Karl (I) 61 Neurath, E. A. von (III) 165 Neuss, Wilhelm (I) 72; (II) 119, 154 Neuwiem, Erhard (II) 127 Niceforo, Alfredo (III) 89 Nichtweiß, Barbara (I) 60; (III) 63 Nicolaus [de Cusa] (II) 202 [s. auch Cusanus] Nicolaysen, Rainer (III) 131, 230 f. Nicoletti, Michele (II) 162 Nida-Rümelin, Julian (II) 202, 233, 239, 253 Niekisch, Ernst (II) 10; (III) 88, 229 Niemayer, Theodor (II) 64 Niemöller, Martin (I) 54 Niethammer, Lutz (III) 127 Nietzsche, Friedrich (I) 82, 110, 144, 293; (II) 122, 258; (III) 155, 272 Nipperdey, Hans Carl (I) 9 f., 23, 25, 29 f.; (III) 195 Noack, Paul (I) 262, 286 Nörpel, Clemens (I) 40 Nohl, Hermann (II) 158 Nolde, Emil (I) 117, 147, 163 Nolte, Ernst (I) 54; (III) 235
Novalis (I) 105; (III) 281 Nützenadel, Alexander (III) 216 Nyssen, Wilhelm (I) 60 Oberheid, Heinrich (I) 145 f., 148, 171 f., 174 f., 178, 181, 185, 198, 200, 205, 210, 214 f., 221 f., 228, 233, 237, 239, 240, 242, 247, 251–256, 321; (II) 287; (III) 66, 67, 76, 127, 215 Oberheid, Margareta (I) 221 Octavian [röm. Kaiser] (III) 211 Oeing-Hanhoff, Ludger (II) 214 Oelmüller, Willi (II) 214, 215 Oeter, Stefan (II) 11 Özmen, Elif (II) 202, 233 Ofner, Julius (II) 81 Ogburn, William Fielding (III) 170 Ollivier, Emile (I) 84 Onis, José de (III) 307 Opitz, Peter J. (II) 119, 184, 187, 189 f. Oppenheimer, Franz (II) 259; (III) 86, 89, 97, 108, 131 Ors, Álavaro d’ (III) 307 Ors, Eugenio d’ (I) 196 Ortega y Gasset, José (I) 244; (II) 253 Ortmeyer, Benjamin (II) 131 Osterhammel, Jürgen (I) 116 Otero, Alfonso (I) 244 Ott, Bernadette (I) 148 Ott, Eugen (III) 45, 124 Otte, Holger (II) 74 Otten, Henrique Ricardo (II) 56, 70 Ottmann, Henning (II) 202, 204, 239 Otto, Martin (I) 33; (II) 53, 55, 60–62, 64, 67, 73 f., 81, 87, 96 Otto, Walter Friedrich (I) 226 Overbeck, Franz (III) 73 Ovidius Naso, Publius (I) 212, 309; (III) 329 Pabst, Klaus (III) 191 Paeschke, Hans (I) 115 Palyi, Melchior (III) 23 f., 232, 237, 239, 243
Personenregister (Band I, II und III)
Pannwitz, Rudolf (I) 80; (II) 154; (III) 335 Panofsky, Erwin (I) 318 Papen, Franz von (I) 52 f., 55; (II) 33, 39; (III) 40, 45, 140 f., 145 Papini, Giovanni (II) 271 Pareto, Vilfredo (III) 164, 169, 205, 213 Pascal, Blaise (I) 309; (II) 163, 165, 268 Pasque, E. (II) 193; (III) 76 Passerin d’Entrèves, Alessandro (II) 196 Patzig, Günther (I) 327 Paulus [Apostel] (I) 259; (III) 74 Pauly, Walter (II) 63, 73 Péguy, Charles (II) 291 Peletier, W. M. (II) 74 Peltastes [Ps. für Gurian] (I) 81 f., 85, 95, 103 Pepys, Samuel (I) 308 Perels, Joachim (III) 130 Perels, Kurt (I) 34, 36 Pesch, Volker (II) 124 Peter, Hans (III) 127, 204 Peters, Hans (II) 116 Petersen, Carl Wilhelm (III) 27 Petersen, Hans-Christian (III) 120 Petersen, Julius (I) 87 Peterson, Erik (I) 60, 84, 309; (II) 119 f., 123, 154, 157, 281, 294; (III) 51, 56, 62–65, 66, 75 f., 259, 285 f. Petrarca, Francesco (I) 264 Petwaidic, Walter (I) 92 Petzelt, Alfred (II) 210, 221 Pfafferott, Henning (I) 89 Pfeiffer, Helmut (II) 287 Pfister, Josef (II) 141; (III) 67, 68 f. Picasso, Pablo (I) 208, 229 Pichler, Hans (I) 308; (II) 119 f., 123–130 Pieper, Josef (I) 330; (II) 214 Pindar (III) 71
355
Pipin der Jüngere (III) 42 Planck, Erwin (III) 145 Planck, Max (II) 145 Platon (I) 108; (II) 161, 163, 172, 184, 193, 215; (III) 45, 47, 55, 70 Platz, Hermann (I) 60; (II) 153 Plessner, Helmuth (II) 119 f., 131, 166, 170; (III) 192 Plöger, M. Frederik (III) 167 Pocci, Franz von (III) 313 Podach, Erich Friedrich (I) 293 Podewils, Clemens Graf (II) 205 Poe, Edgar Allan (I) 150; (III) 270, 273, 290 f. Pöggeler, Otto (II) 213 Pohl, Johann Heinrich (I) 24, 67; (II) 64 Poincaré, Raymond (I) 137 Polak, Karl (II) 89 Ponceau, Amedée (I) 208 Ponceau, Michelle (I) 208 Popitz, Cornelia (III) 157, 171 Popitz, Heinrich (III) 176 Popitz, Johannes (I) 28, 54, 160, 169, 170, 266, 286, 288–292, 311, 332; (II) 14, 39, 142, 171, 287, 291; (III) 69, 143, 145, 156, 162, 172, 176, 212, 319 Posse, Ernst H. (III) 192 Poviña, Alfredo (III) 170 Pozzo, Ricardo (II) 204 Preiser, Erich (III) 127, 204 Preller, Ludwig (II) 61 Press, Volker (III) 127, 226 Preusker, Victor-Emanuel (I) 217 Preuß, Hugo (I) 19, 36; (II) 57, 74, 109, 139; (III) 7, 45, 113, 115, 190, 318 f. Pribram, Karl (III) 108 Proudhon, Pierre-Joseph (I) 179; (II) 284 ; (III) 86 Przywara, Erich (I) 83, 113, 120, 176, 225 f., 228 f., 238–242, 245, 247 f.,
356
Personenregister (Band I, II und III)
250, 252, 309; (II) 153, 242 f., 256, 278 Pufendorf, Samuel (II) 43 Pyta, Wolfram (III) 145 Quabbe, Georg (III) 40 Quaritsch, Helmut (I) 177, 192, 261, 266, 294, 300, 314, 329; (II) 191, 216 f.; (III) 234 f., 257 Racine, Jean (II) 268; (III) 260 Radbruch, Gustav (II) 54 f., 65, 73, 89, 92 ; (III) 76, 86, 87, 112, 141, 144, 177 Raddatz, Fritz J. (II) 282; (III) 314 Radkau, Joachim (III) 133 Radon, Johann (II) 126 Rahn, Rudolf (I) 210, 213 Ranke, Leopold von (I) 258 Raschhofer, Hermann (I) 250 Rathenau, Walter (III) 34, 69 Rathke, Arthur (II) 109, 111 f., 113 Ratzel, Friedrich (II) 77 Raulff, Ulrich (I) 173, 301 Raumer, Friedirch von (III) 272 Rauterkus [Pater] (I) 189 Reck-Malleczewen, Friedrich (III) 252 Redwitz, Philipp Freiherr von (I) 233 Regenbogen, Otto (II) 89 Regnier, Henri de (I) 80 Reich-Ranicki, Marcel (III) 311 f., 314 Reichenau, Walter von (II) 145 Reichert, Klaus (II) 53 Reidemeister, Kurt (I) 327 Reifenberg, Benno (I) 207, 213, 218, 227 Rein, Adolf (III) 223 Reinhardt, Karl Ludwig (I) 218 Reinhardt, Max (III) 192 Reinthal, Angela (I) 42, 290; (II) 72; (III) 128, 278 Reithel, Thomas (I) 190 Reitz, Tilman (I) 225
Remmele, Adam (III) 144 Renan, Ernest (II) 270; (III) 212 Renner, Karl (III) 108 Reuter, Hermann (III) 73 Reventlow, Ernst Graf zu (III) 130, 227 Rexroth, Karl Heinrich (I) 332 Rheinstein, Max (II) 192 Ribbentrop, Annelies von (I) 142 Ribbentrop, Joachim von (I) 215 Ricardo, David (III) 69 Richter (III) 289 Richter, Hans (I) 279 Richter, Werner (III) 146 Rick, Karl (I) 73 f.; (III) 91 Riedel, Wolfgang (II) 247 Rieger, Wilhelm (III) 175 Rieß, Rolf (I) 39, 157; (II) 87, 119; (III) 23 f., 54, 60, 72, 103, 318, 335 Rieter, Heinz (III) 131 Rilke, Rainer Maria (I) 113, 134 Rimbaud, Arthur (III) 310 Ritschl, Albrecht (III) 193 Ritter, Edith (II) 258 Ritter, (Hanns) Henning (II) 233, 236, 257, 261, 268, 270, 272 Ritter, Joachim (II) 122, 201–274 Ritter, Kurt (III) 11 Ritter, Susanne (II) 233 Ritterbusch, Paul (I) 53, 55, 57; (II) 67 Robbins, Marjorie (I) 309, 320, 321, 322 Robespierre, Maximilien de (III) 189 Rockwell, Alvin J. (I) 302, 305, 310, 311 f., 313, 315 Rodbertus, Karl (III) 211, 228 Rodens, Franz (III) 196 Röder, Werner (I) 293 Roh, Franz (I) 207, 286 Rohan, Karl Anton Prinz (I) 113, 120, 138 f., 142, 145, 147, 149, 164, 165, 172, 176, 181, 185, 188, 196, 211–213, 216, 221, 225, 229, 238,
Personenregister (Band I, II und III)
240, 244, 245, 246, 248, 250, 252, 254 Rohrmoser, Günter (II) 214, 215 f., 265 Romier, Lucien (I) 86; (III) 53 Roosevelt, Franklin D. (III) 77 Rosen, Dieter (III) 153 Rosenbaum, Eduard (II) 150; (III) 23– 48, 52, 94, 165, 233 Rosenberg, Alfred (III) 199 Rosenstiel, Francis (II) 284 Rosenstock-Huessy, Eugen (I) 34, 37 Ross, Edward Alsworth (III) 89, 95 Roßkopf, Veit (II) 7 Roth, Christian (I) 116, 124–127, 132, 192 Roth-Plettenberg,Volker (I) 326 Rothacker, Erich (II) 153, 162, 203; (III) 229 Rothe, Paul (I) 79 Rothenbücher, Karl (I) 44; (III) 76, 220 Rothschild, Mayer Amschel (III) 69 Rouault, Georges (I) 207 Roullet, Serge (III) 283 Rouselle, Erwin (I) 116 Rousseau, Jean-Jacques (I) 84; (II) 268, 270 ; (III) 53, 93, 134 Rozanov, Vasily (I) 75 Rubinstein, Sigmund (II) 75 Rückert, Friedrich (II) 80 Rüdiger, Andreas (II) 236 Rüdiger, Horst (III) 310 Rürup, Reinhard (II) 192 Rüssel, Herbert Werner (I) 150 Rüstow, Alexander (III) 23 Rüthers, Bernd (I) 333 Ruhm von Oppen, Beate (I) 118 Rumpf, Helmut (II) 275; (III) 154 Rumpf, Michael (II) 275–285 Rust, Bernhard (III) 222, 228 Sacher, Werner (II) 131, 271 Saemisch, Friedrich (III) 67 Sagave, Pierre-Paul (I) 279
357
Saint-Martin, Louis-Claude de (I) 182 Saint-Simon, Pierre-Joseph (III) 86 Salin, Edgar (I) 288; (III) 23.f., 51–78, 88, 128 f., 141, 224 Salmen, Brigitte (I) 114, 119, 137 Salomon, Albert (III) 214 Salomon-Delatour, Gottfried (II) 170; (III) 24, 32, 86–102, 106, 108 Salzborn, Samuel (I) 250 Sand, Georges (I) 75 Sander, Fritz (I) 44 Sander, Hans-Dietrich (I) 92; (II) 57, 223, 269; (III) 26, 56, 57, 256, 288 f., 291, 307 f., 314 f. Sandkühler, Hans Jörg (II) 203, 216 Sarfatti, Margherita (III) 196 Sarre, Carl (I) 300, 301, 311 Sass, Hans-Martin (II) 261 f., 274 Sauerbruch, Ferdinand (III) 157 Sauter, Johannes (I) 61, 86, 110 f. Savigny, Friedrich Carl von (I) 332; (II) 81, 158; (III) 151, 209 Scarbi, Marco (II) 204 Scelle, Georges (I) 78 f. Schachinger, Hermann (I) 192 Schacht, Hjalmar (I) 113, 233; (III) 199 Schäfer, Hermann (I) 217 Schäfer, Wilhelm (I) 152 Schaeffer, Albrecht (III) 178, 179 Schäffle, Albert (III) 129 Schätz (I) 192 Scheer, Christian (III) 24 Scheffer, Paul (I) 129, 132, 135, 308; (II) 125, 127, 129; (III) 178 Schefold, Dian (II) 74 Scheibert, Peter (III) 176, 178, 182 Scheibler [Vetter v. LvS] (I) 133 Scheler, Maria (III) 153 Scheler, Max (I) 59, 70, 309; (II) 119 f., 161, 163; (III) 74, 95, 133, 153, 155 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph (I) 83, 107; (II) 194 Schelsky, Helmut (II) 214
358
Personenregister (Band I, II und III)
Schelting, Alexander von (III) 60, 77 f., 81, 82 Schenk, Lydia (II) 73 Schepers, Heinrich (II) 236 Scheuner, Ulrich (II) 122 Schickel, Joachim (III) 283 Schieder, Theodor (II) 278 Schieder, Wolfgang (III) 120, 127, 200 Schiele, Egon (I) 229 Schiffer, Eugen (III) 124 Schiller, Friedrich von (II) 70, 73, 196 f., 247; (III) 68 Schiller, Karl (III) 121 Schiller, Kay (II) 121 Schindler, Alfred (II) 281 Schinkel, Karl Friedrich (I) 309 Schirnding, Albert von (II) 205 Schlegel, Friedrich (I) 82 ff., 105, 106 Schleicher, Kurt von (II) 33, 35, 39 f.; (III) 45, 140, 145 Schlick, Moritz (II) 126 Schlüter, Regina (III) 162, 203 Schmaus, Alois (I) 147 Schmid, Carlo (I) 333; (II) 294 Schmid, Christian (III) 135 Schmidhauser, Julius (I) 146 Schmidt, Doris (I) 206 Schmidt, Hermann (II) 255 f. Schmidt, Kurt (III) 126 Schmidt, Richard (I) 39, 44, 53, 67 Schmidt, Walter (II) 97 Schmidt-Biggemann, Wilhelm (II) 254 Schmied, Wieland (II) 229 Schmitt, Anima (I) 50, 53, 140, 144, 148, 150–154, 157, 159 f., 162 f., 168 f., 170, 174, 177 f., 180, 183, 187–189, 192, 194, 199 f., 205 f., 209, 213, 222 f., 233, 237–239, 244, 248 f., 252–254, 267, 285, 287; (II) 142, 144 f., 198 f., 233, 238, 287 f.; (III) 36, 41, 142, 149, 152, 155, 158, 160, 164–169, 171 f., 183, 186 f., 200, 202, 215, 281 Schmitt, Auguste (I) 278, 282
Schmitt, Cari (I) 9, 283; (II) 64; (III) 26, 238 [s. a. unter Dorotić und Büschen] Schmitt, Duschka (Duška) (I) 38, 40, 45 f., 65, 79, 140, 150, 152–155, 160–164, 165–175, 177 f., 180, 183 f., 186–189, 191, 193–195, 199, 202 f., 208 f., 213, 228, 239, 245, 247 f., 266, 285–287, 289, 295, 298, 300 f., 305, 310–312; (II) 137, 143, 153, 287, 289; (III) 60, 64, 69, 88, 142,149, 154, 157 f., 160, 162 f., 164, 202 f., 217, 219, 319, 332 [s. a. unter Todorović] Schmitt, Georg (II) 175 Schmitt, Johann (II) 287 Schmitt, Josef (Jup) (I) 46, 64; (III) 208 Schmitz, Alexander (II) 123 Schmitz, Arnold (II) 93, 154, 161, 165, 267 Schmitz, Hermann (I) 160 Schmitz, Oskar A. H. (I) 131 f. Schmitz, Wilhelm (I) 203; (III) 218 Schmoller, Gustav (II) 287; (III) 176 Schmoller, Gustav von (II) 77; (III) 60, 121, 129 f., 150, 204, 209, 210 Schmook, Matthias (III) 24 Schmundt, Hilmar (II) 273 Schneider, Hans (I) 311; (III) 164, 179,181 Schneider, Peter (II) 234 Schnitzler, Georg von (I) 113–256; (III) 60, 119 Schnitzler, Lilly von (I) 113–256, 285, 289; (II) 287; (III) 60, 335 Schnitzler, Valentine (gen. Fanny), geb. Joest (I) 175, 178, 209 Schnur, Roman (I) 281 f., 290, 325, 328, 331; (II) 56 Schock, Lena (III) 37 Schödlbauer, Ulrich (II) 277 Schönberger, Christoph (II) 58, 74 Schönburg-Waldenburg [Fürst] (I) 138 Schönfeld, Walter (III) 174 Schönhärl, Korinna (III) 55
Personenregister (Band I, II und III)
Scholem, Gershom (II) 277, 279; (III) 86, 309 Scholtz, Gunter (II) 203 Scholz, F. (II) 281 Scholz, Herbert (I) 117, 155 Scholz, Jeannette (I) 122, 229 Scholz, Manfred (I) 181, 250 Scholz, Nikolas (I) 122, 229 Scholz, Wilhelm Georg (I) 181 Schomerus, Hans (III) 156 Schopenhauer, Arthur (I) 102; (III) 315 Schramm, Wilhelm Ritter von (II) 10 Schranz, Franz (I) 167, 285, 329 Schraut, Alban (II) 131, 271 Schrenck-Notzing, Caspar von (I) 327 f. Schreyvogel, Friedrich (II) 155 Schroeder [Baron u. Baronin] (I) 142 Schröder, Klaus-Peter (II) 100 Schröder, Rudolf Alexander (I) 157, 247 Schröder, Wilhelm (II) 112–114 Schröter, Manfred (II) 158, 159 Schubert, Franz (II) 95 Schubert, Hans von (III) 75 Schubert, Werner (II) 66 Schuchardt (II) 146 Schücking, Adelheid (II) 58 Schücking, Lothar Engelbert (II) 60 Schücking, Walther (II) 55, 58 f., 60, 61–63, 66, 70 Schüler-Springorum, Stefanie (II) 246 Schuller, Wolfgang (I) 33, 192, 290; (II) 7, 169; (III) 23, 120, 137, 225, 233 Schulte, Aloys (I) 72 Schultze, Alfred (II) 169 Schulz, Gerhard (III) 171 Schulze (II) 101 Schumacher, Hermann (III) 207 Schumpeter, Joseph (III) 23 f., 58, 78, 80 f., 134, 211, 216 Schurman, Jakob Gould (III) 144
359
Schwab, George (I) 92; (III) 282 Schwarz, Hans (III) 224 Schwarz, Hermann (II) 121, 123, 124 Schwartz, Jacob (III) 309 Schweda, Mark (II) 203 f., 212 Schweinichen, Otto von (II) 287, 291 Schwitters, Kurt (I) 309 Seeckt, Hans von (II) 140; (III) 195 Seefried auf Buttenheim, Ferdinand Graf (I) 249 f. Seefried auf Buttenheim, Franz Graf (I) 152 Seefried auf Buttenheim, Gabriele Gräfin, geb. von Schnitzler (I) 134, 142, 152 f., 155, 157, 185, 187, 196, 200, 221, 224, 250 Seefried auf Buttenheim, Johannes Graf (I) 185 Seeger, Wolfgang (III) 154 Seiberth, Gabriel (II) 11, 103; (III) 143, 145 Seidel, Bruno (I) 197 Seifert, Jürgen (II) 214, 215, 216, 225 Seipel, Ignaz (II) 157 Seldte, Franz (III) 199 Semmel, Emil (I) 292, 324, 331 Seneca, Lucius Annaeus (I) 153 Sering, Max (III) 209 Serner, Walter (II) 53 Severing, Carl (I) 174 Seydel, Max von (II) 30 f. Shaftesbury, Anthony Ashley-Cooper Earl of (II) 134 Shakespeare, William (I) 264, 270, 332; (II) 196; (III) 212, 258, 260, 275, 305 Shaw, George Bernard (I) 265 Sherman, A. J. (III) 25 Shoham, Shlomo Giora (II) 284 Siebeck, Oskar (II) 108 Siebeck, Richard (I) 187, 195, 252; (III) 217 Siebels, Volker (II) 162 Sieburg, Friedrich (I) 113
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Personenregister (Band I, II und III)
Siedler, Wolf-Jobst (III) 280, 289 f., 292, 294, 312 Sieg, Ulrich (II) 121 Siegfried, André (II) 176 Siemers, Walter (I) 176 Silesius, Angelus (I) 152 f. Silva-Taruca, Egbert Graf (II) 157 Simmel, Georg (III) 27, 86 Simon, Ernst (II) 284 f. Simon, Heinrich (I) 116 f. Simons, Tula (II) 105 Simons, Walter (I) 50; (II) 91, 140 Simson, Eduard von (I) 328 Singer, Kurt (I) 10; (III) 23, 25, 28–30, 47–54, 56 Sint, Peter Paul (II) 75 Sinzheimer, Hugo (II) 55, 57, 58, 65 Sippel, Ignaz (II) 155 Slapnicar, Klaus W. (II) 67 Small, Albion Woodbury (III) 89 Smend, Rudolf (I) 9, 10, 37, 38, 40–42, 44, 301; (II) 62, 88, 96, 126, 139, 142, 145, 160, 168, 171, 185, 191, 290; (III) 32, 68, 87, 104, 117, 137, 146, 327–330 Smith, Adam (II) 219 Smith, Gary (II) 283 f. Söderblom, Nathan (I) 139 Sohm, Rudolf (I) 34; (II) 81; (III) 169 Solf, Werner (II) 140 Solms, Freda Gräfin zu (III) 133 Solms, Max (III) 133 Solowjew, Wladimir (I) 75 Sombart, Corina (II) 287; (III) 120, 171, 207 Sombart, Nicolaus (I) 213 f., 258, 331; (II) 172, 288; (III) 176, 207, 254 f., 256 f., 261 Sombart, Werner (I) 103, 258 f.; (II) 131, 145, 162; (III) 23 f., 54, 75, 77, 95, 106, 119 f., 139, 149, 171, 173, 176, 191, 195, 199, 206 f., 224, 227 Sophokles (I) 309
Sorel, Georges (I) 93 f.; (III) 86, 117, 192, 221 Souday, Paul (I) 79 Spaemann, Robert (II) 179, 213, 214, 217, 265 Spann, Othmar (I) 86 f.; (II) 122, 126, 128, 160 f., 183; (III) 66, 224, 226, 228 Specht, Rainer (II) 123, 267, 269 Spee, Friedrich von (I) 309 Spendel, Günter (II) 73 Spengler, Oswald (III) 74 Spiethoff, Arthur (II) 165; (III) 24, 53, 58 f., 134, 172, 209 Spindler, Wolfgang H. (III) 23, 135, 238, 319 Spinoza, Baruch (I) 269; (II) 171 f.; (III) 45, 85, 212 Spirito, Ugo (III) 201 Spranger, Eduard (I) 192, 269; (II) 119–121, 130–152, 159 f., 161, 164 f., 168, 176, 271; (III) 44, 68, 151 Sprecher, Drexel A. (I) 192 Sprenger, Jakob (I) 119, 142 Stackelberg, Heinrich von (III) 127, 204, 211 Staff, von (I) 25 Stahl, Friedrich Julius (II) 25; (III) 46, 319 [s. auch Jolson] Stalin, Iosif (I) 160, 165, 233; (II) 211 Stammler, Rudolf (III) 33 Stand, Anni (I) 286, 325, 331; (III) 259 Stapel, Wilhelm (II) 10 Steffes, Johann Peter (I) 73 Stegmann (III) 191 Stehle, Hans Jakob (III) 333 Stein, Edith (I) 236 Stein, Lorenz von (II) 81; (III) 86, 150, 203 f. Stein, Ludwig (III) 92, 93 Stein, Waltraud (II) 270 Steinbömer, Gustav [s. auch Gustav Hillard] (III) 68, 287, 288 Steinbüchel, Theodor (II) 150 f.
Personenregister (Band I, II und III)
Steiner, Rudolf (II) 57 Steinhauser, Marie-Louise (III) 300, 308 Steiniger, Peter Alfons (II) 89 Steinlein, André (I) 85 Stempel, Wolf-Dieter (III) 284, 311 Stewens, Marie (III) 259, 261, 279, 289 Stiefel, Ernst C. (I) 303 f., 313 Stier-Somlo, Fritz (I) 9, 25–30, 36 f., 45; (II) 53, 76; (III) 49, 50, 59 Stifter, Adalbert (III) 163 Stilgebauer, Edward (I) 98 f. Stödter, Rolf (I) 34 Störring, Gustav (II) 153, 161 Stoll (I) 30 Stolleis, Michael (I) 36, 44, 49; (II) 53, 58, 60, 77, 88 f. Straub, Agnes (III) 67 Strauss, Herbert A. (I) 293 Strauss, Leo (I) 269–271, 309; (II) 119 f., 122 f., 170–176, 181, 214; (III) 78, 84 f. Strauss, Walter (III) 186 Streeruwitz, Ernst (II) 155 Stresemann, Gustav (II) 138 Strich, Fritz (I) 103, 107 Strich, Walter (I) 77 Strigl, Richard von (III) 127, 204 Studnitz, Hans Georg von (I) 114, 117 Stützel, Wolfgang (III) 178 Stutz, Ulrich (I) 35 Sundhausen, Holm (II) 235 Súñer, Ramón Serrano (III) 162 Supino, Camillo (III) 190 Susemihl-Gildemeister, Lissy (I) 148 Swarzenski, Georg (I) 117 Symeon [Novus Theologus] (III) 306 Szilvinyi, Liselotte (gen. Lilo) von, geb. von Schnitzler (I) 117, 134, 155, 164, 178, 181, 185, 187 f., 198, 221, 250 Täubler, Eugen (III) 75 Tagger, Theodor [s. auch Ferdinand Bruckner] (III) 67 f.
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Taine, Hippolyte (I) 70 Tatarin-Tarnheyden, Edgar (III) 69 Taubes, Jacob (I) 269 f., 330 f.; (II) 123, 171, 280 f.; (III) 57, 259, 316 Teichfischer, Philipp (II) 158 Teleki, Pal (I) 151 Tennyson, Alfred Lord (I) 253 Thieme, Hans (I) 41, 188 Thiergen, Peter (II) 242 Thionville, Eugene (II) 222 Tholens, Hermann (III) 227 Thoma, Richard (I) 9, 25–28, 39, 44, 67; (II) 87, 90, 95 f., 99, 107, 114; (III) 15, 54, 59, 60, 63, 78, 83, 92, 210 Thompson, Francis (I) 73 Thormann, Werner (I) 66 Thudichum, Ferdinand (II) 81 Thümmler, Ellen (I) 59 Thyssen, Johannes (II) 153 Tiedemann, Rolf (II) 276 f. Tielke, Martin (I) 187, 286, 289; (III) 25, 106, 120, 128, 139, 144, 153, 164, 176, 178, 206, 234, 253, 255, 321 Tierno Galván, Enrique (I) 228; (II) 195; (III) 252, 256–258, 267, 270, 275, 276, 290, 303 f. Tilitzki, Christian (I) 48, 155, 167; (II) 53, 58, 61, 122 f., 130; (III) 209, 243 Tillich, Paul (III) 131 Tinner, Walter (II) 204 Tito, Josip Broz (II) 235 Tjutčev, Fjodor Iwanowitsch (I) 64 Tocqueville, Alexis de (I) 190; (III) 153, 154, 210, 212, 257 f. Todorović, Duška (I) 65, 79, 209 [s. auch unter Schmitt] Tönnies, Ferdinand (II) 120, 168; (III) 17, 23 f., 29, 32, 103–118 Tolstoi, Leo (III) 206 Tommissen, Piet (I) 68, 88, 92, 108, 149, 188, 270, 284, 323; (II) 7, 147, 287; (III) 119, 175, 235, 259, 330
362
Personenregister (Band I, II und III)
Tournier, Paul (III) 156 Treitschke, Heinrich von (III) 93, 94 Trenkle, Michael (I) 325 Triepel, Heinrich (I) 21, 29, 34–36, 37, 39, 45, 50, 51; (II) 88, 90, 113; (III) 71, 146 Trier, Jost (II) 255 f. Tröger, Jürgen (III) 278 Tross, Ludwig (II) 148 Trott zu Solz, Adam von (III) 130 Trunz, Erich (III) 328 Tucht, Julius (II) 56 Tugendhat, Ernst (II) 215 Turner, William (III) 316 Twardowski, Fritz von (III) 179, 182, 185 Ueberschär, Gerd R. (I) 176 Ulich, Robert (I) 40 Unamuno, Miguel de (I) 208, 209 Ungewitter, Claus (I) 160; (II) 287 Unruh, Adalbert von (III) 232 Unseld, Siegfried (I) 270 Urs von Balthasar, Hans (I) 176 Usinger, Fritz (I) 161 Vaihinger, Hans (II) 119 Valery, Paul (I) 229 Vec, Miloš (II) 273 Veith, Friedrich (I) 78 Verdross, Alfred (II) 122, 155, 186, 190, 191; (III) 70 f. Vergilius Maro, Publius (I) 157 Vettori, Francesco (II) 274 Veuillot, Louis (I) 91 Vienot, Pierre (II) 167 Vierkandt, Alfred (III) 89, 90 Viesel, Hansjörg (I) 270 Vietta, Egon (I) 198 f. Villiers de l’Isle-Adam, Auguste (III) 258, 292, 293, 297 f., 309 Villinger, Ingeborg (I) 278, 280, 282, 285; (II) 278; (III) 41 f., 166, 253
Vitoria, Francisco de (I) 188; (III) 177, 213, 216, 331 Voegelin, Eric (II) 119 f., 123, 183– 199; (III) 76, 165 Vögler, Albert (I) 217, 218 Völker, Klaus (III) 278 Voermanek, Charlotte (II) 271 Vogel, Ludwig (I) 231 Voigt, Alfred (I) 36 Volhard, Rüdiger (II) 53, 216 Volkmann, Richard (II) 60, 85 Vollmar, Emma (II) 56 Vollmar, Georg (II) 56 Vollmar, Hermann (II) 56 Volpicelli, Arnaldo (III) 201 Vorwerk, Friedrich (II) 9, 21 Vorwerk, Herbert (II) 66 Voßkamp, Wilhelm (III) 313 Vossler, Karl (I) 150, 208 Wacker, Bernd (I) 77, 136 Wagner, Adolph (III) 121, 129, 209, 217, 228 Wagner, Richard (I) 75, 250, 272 f., 309; (III) 69 Waibel, Dieter (I) 306 Wallas, Graham (III) 117 Wallbaum, Klaus (I) 174 Walther, Andreas (III) 131, 230 Walz, Gustav Adolph (II) 291 Walzel, Oskar (II) 161 Wambach, Lovis Maxim (II) 53 Wanda, Sybille (I) 324 Warburg, Aby (I) 259 Warnach, Walter (I) 206–208, 213, 226–228; (II) 289, 291 Waserrab, Karl (III) 119 Waßner, Rainer (III) 131 Waugh, Evelyn (III) 219 Weber, Adolf (II) 55; (III) 224er, Alfred (II) 89, 220; (III) 55, 78, 92, 134, 141, 167, 199 Weber, Max (I) 85, 244, 252, 257, 264, 294, 312 f., 331; (II) 87, 126, 205, 223,
Personenregister (Band I, II und III)
227, 231, 234, 265; (III) 23, 54 f., 61, 77, 81, 103, 117, 133, 150, 210, 231 Weber, Werner (I) 42, 239, 317, 322; (II) 104, 28; (III) 125, 164, 218, 252 Weber-Schumburg, Erland (I) 287 f. Weckel, Petra (I) 286 Wehberg, Hans (II) 55, 58, 66 Wehler, Hans-Ulrich (I) 119 Wehrhahn , Herbert (III) 153 Weidemann, Hans-Ulrich (III) 63 Weil, Hans (III) 94 Weil, Simone (II) 277 Wein, Hermann (II) 123 Weinrich, Peter (II) 242 Weisbrod, Bernd (III) 127 Weiß, Konrad (I) 156, 158, 167, 281 f., 285, 288, 306; (II) 233, 294 Weiß, Volker (III) 224 Weisser-Lohmann, Elisabeth (II) 213 Weissmann, Karlheinz (II) 10 Weithmann, Moritz von [s. korrekt Bethmann, Moritz von] (II) 291 Weitling, Wilhelm (I) 102 Weizsäcker, Ernst von (I) 176 Welser [Wahrsagerin] (I) 136 Welty, Eberhard (III) 216 Wendland, Ulrike (I) 318 Wenger, Paul-Ludwig (III) 330 Wentscher, Max (II) 161 Westphal, Hildegard (II) 273 Westphal, Otto (III) 223 Weyreich (I) 138 Whitman, Walt (III) 44 Wiedemann, Albert (I) 94 Wieland, Claus-Dietrich (I) 301, 313 Wieland, Karin (III) 196 Wienfort, Monika (I) 114 Wiesberger, Hella (II) 57 Wiese, Benno von (II) 214; (III) 132 Wiese, Leopold von (III) 95, 138–140, 146, 218 Wieser, Friedrich (II) 55 Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von (I) 264 f.
363
Wilckens, Johann Heinrich (III) 221 Wilhelm II. [Kaiser des Deutschen Reiches] (I) 215; (II) 58 Wilhelm, Richard (I) 116, 137 f., 154, 226–228 Wilhelmine von Bayreuth [Markgräfin] (II) 47 Williams, Robert F. (III) 283 Williams, Tennessee (III) 263 Willms, Bernhard (II) 123, 214, 215 f. Wilson, Woodrow (I) 102 Winckelmann, Johannes (II) 205, 218 f., 223, 225, 227 f., 231, 234, 237, 244, 247; (III) 176–178 Windelband, Wilhelm (II) 123 Winkler, Friedrich (I) 291 Winstanley, Lilian (III) 128, 168 Wirsing, Giselher (III) 167 Wiskemann, Erwin (III) 224, 226 Wissler, Albert (III) 219 Witte, Bernd (II) 278; (III) 327 Witten, H. O. (I) 261, 305, 309 Wittgenstein, Ludwig (I) 309, 327 Wittich, Werner (III) 232 Wittig, Joseph (I) 65, 70, 86 Wittmayer, Leo (I) 9, 13–16 Wittwer, Hector (II) 131 Wolf, Wilhelm (I) 41 Wolfers, Arnold (III) 81 Wolff, Christian (II) 123 Wolff, Ernst (I) 328 Wolff, Hans J. (II) 214 Wolff, Martin (I) 21, 28; (II) 114 Wolff, Theodor (I) 84 Wolgast, Ernst (III) 110 Wolzendorff, Dolores (II) 56 Wolzendorff, Elise (II) 65, 84 Wolzendorff, Gustav (II) 85 Wolzendorff, Kurt (II) 53–86; (III) 133 Worms, René (III) 86, 91, 93 Wright, Philip Quincy (II) 149, 253 Wulff, Peter (II) 239 Wundt, Max (II) 121
364
Personenregister (Band I, II und III)
Wurm, Theophil (III) 174 Wust, Peter (I) 139 Yorck von Wartenburg, Paul (II) 262 Zachariae, Karl Salomo (II) 27, 44 Zahn, Christian Jakob (II) 70 Zechmeister, Martha (II) 243 Zehnhoff, Hugo am (I) 126, 129; (II) 64
Zeigner, Erich (I) 39 Zelter, Carl Friedrich (III) 272 Ziegler, Heinz Otto (III) 74, 87 f., 94 Ziegler, Leopold (III) 74 Zierold, Kurt (I) 315 f. Zinn, Georg August (III) 183 Zucker, Wolf (III) 21 Zündorf [Frl.] (I) 124 Zweig, Stefan (III) 199