SCHMITTIANA: Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts. Band VII (2001) [1 ed.] 9783428504336, 9783428104338

Der vorliegende Band der Schmittiana enthält Inedita, u.a. die 1922 verfasste Geschichte »Der treue Zigeuner«, sowie Zeu

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German Pages 419 Year 2001

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SCHMITTIANA: Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts. Band VII (2001) [1 ed.]
 9783428504336, 9783428104338

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SCHMITTIANA Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts

Band VII 2001

Herausgegeben von

Prof. Dr. Piet Tommissen

Duncker & Humblot . Berlin

SCHMITTIANA Band V I I

SCHMITTIANA Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts

Herausgegeben von Professor Dr. Piet Tommissen

Band V I I

SCHMITTIANA Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts

Band V I I 2001

Herausgegeben von

Prof. Dr. Piet Tommissen

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schmittiana : Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts / hrsg. von Piet Tommissen. - Berlin : Duncker und Humblot Band7.- (2001) ISBN 3-428-10433-1

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0945-9960 ISBN 3-428-10433-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Z u m Geleit

Als ich Herrn Professor N. Simon, Inhaber des Verlages Duncker & Humblot, am 2. Oktober 1998 schrieb, ich hätte mich dazu entschlossen, mit dem ,Schmittisieren* aufzuhören, brachte er in seiner Antwort vom 9. Oktober 1998 seine Überraschung zum Ausdruck und schlug vor, noch einen weiteren und zugleich letzten Band der Reihe ,Schmittiana' zusammenzustellen. Weil zwei von mir sehr geschätzte Kollegen, ausgewiesene C.S.-Kenner, derselben Ansicht waren, habe ich mich umstimmen lassen und mich an die Arbeit gemacht. Mitte August d. J. war dieser Band fertig. Aber dann stellte sich heraus, daß er über 470 Druckseiten umfassen würde. Da ich mir darüber im klaren war, daß dies den kalkulatorischen Rahmen sprengen würde, konnte ich Professor Simon das Manuskript nicht ungekürzt zumuten. Drei Beiträge mußten gestrichen werden: im Einvernehmen mit Frau Dr. Gisela Fischer die von mir annotierten Auszüge aus den Memoiren Ihres verewigten Gatten, dank des Verständnisses von Herrn Alain de Benoist eine Übersicht der französischen C.S.-Literatur - er kann sie in einem größeren Zusammenhang veröffentlichen - , und eine von mir erstellte seitenlange Liste der Fehler und Lücken, die das „Glossarium" verunstalten (vgl. infra S. 277279). Schmittiana VII enthält wiederum Inédita, Zeugnisse, Forschungsergebnisse, Dokumente, Briefe und die sich auf die vorangehenden sechs Bände der „Schmittiana" beziehenden Berichtigungen und Ergänzungen. Abermals konnte ich bei Archiven, Bibliotheken und Einzelpersonen Auskunft einholen. Ich bedanke mich in den entsprechenden Fußnoten für ihre wichtige Hilfeleistung. Ich kann jedoch nicht umhin, an dieser Stelle einigen Herren ausdrücklich meine Dankbarkeit zu bekunden: Herrn Kollegen Jürgen Becker, derzeitiger Verwalter des Nachlasses von C.S., für die anstandslos gewährte Abdruckgenehmigungen, den Herren Dipl.Ing. Ernst Hiismert, Dr. Manfred Lauermann und Günter Maschke für manche kritische Anmerkung, und schließlich Herrn stud. Tobias Wimbauer für die vielen Recherchen, die er für mich angestellt hat. Ich widme diesen Band Herrn Professor Norbert Simon, meinem verständnisvollen Verleger. Er hat nicht nur die Reihe ,Schmittiana* gefördert, sondern auch einen von mir zusammengestellten Briefband herausgegeben. Ein solches Verständnis für eine sich finanziell nicht lohnende Initiative ist heutzutage keineswegs selbstverständlich und bedarf eines besonderen Dankes.

Zum Geleit

6

Bevor ich mich von Lesern und Benutzern meiner Reihe verabschiede, sei noch daran erinnert, daß die Beiträge dieses Bandes nur die Meinung(en) ihres jeweiligen Verfassers zum Ausdruck bringen. Β-1850 / Grimbergen Reinaertlaan 5

R T.

RS.: Die Schmittiana-Bände I bis V I werden in diesem Band oft herangezogen, so daß ich sie mit Kürzeln kennzeichne, die folgenden Publikationen entsprechen: a) Schmittiana I, Berlin: Akademie Verlag, die drei Aufl. (1988, 1988, 1990) sind vergriffen b) Schmittiana Π, Berlin: Akademie Verlag, 1990, 162 S., ISBN: 3-527-17715-9 c) Schmittiana ΠΙ, Berlin: Akademie Verlag, 1991, 179 S., ISBN: 3-527-17728-0 d) Schmittiana IV, Berlin: Duncker & Humblot, 1994, 304 S., ISBN: 3-428-08044-0 e) Schmittiana V, Berlin: Duncker & Humblot, 1996, 332 S., ISBN: 3-428-08612-0 f) Schmittiana VI, Berlin: Duncker & Humblot, 1998, 352 S., ISBN: 0-428-09642-8

Inhaltsverzeichnis

A. Inédita Carl Schmitt Drei Inédita (1919 - 1922 - 1930)

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Β. Zeugnisse Ehrenfried

Schütte

Meine Kontakte mit Carl Schmitt

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Christian Gremmels (Hrsg.) Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938 -1956

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Piet Tommissen Raymond Aron face ä Carl Schmitt

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C. Forschungsergebnisse Gabriel Seiberth Legalität oder Legitimität? ,»Preußenschlag" und Staatsnotstand als juristische Herausforderung für Carl Schmitt in der Reichskrise der Weimarer Endzeit

131

Tobias Wimbauer Personenregister Briefwechsel Ernst Jünger / Carl Schmitt

165

Matthias Miguel Braun / Volker Pesch Die Umstände der Berufung Carl Schmitts nach Greifswald

195

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Inhaltsverzeichnis D. Dokumente

Carl Schmitt Zwei ungewöhnliche Initiativen (1931 -1946)

207

Alvaro d'Ors Das „Glossarium" von Carl Schmitt (Aus dem Spanischen übersetzt von Günter Maschke) 219 Christian Tilitzki Margret Boveri und Carl Schmitt - ein lockerer Briefkontakt

281

E. Briefe A. Briefe an Carl Schmitt

309

B. Briefe von Carl Schmitt

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F. Anlage Piet Tommissen Berichtigungen und Ergänzungen

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A. Inédita CARL SCHMITT Drei Inédita ( 1 9 1 9 - 1 9 2 2 - 1 9 3 0 ) I . Thomas Hobbes/Baruch Spinoza (1919) Auf Grund des Studiums reichhaltigen Archivmaterials kam Christian Tilitzki (geb. 1957) zu der Schlußfolgerung, daß Moritz Julius Bonn (1873-1965) „maßgeblichen Anteil an C.S.s Berufung" an die Handels-Hochschule Berlin (1928) gehabt hat, C.S. jedoch „keineswegs auf direktem Wege über diese persönliche Beziehung an die HHB berufen wurde" (Schmittiana IV, S. 161 bzw. 162). Bevor ich die Ergebnisse dieser Recherchen kannte, war auch ich der Meinung, daß Bonn recht hatte und C.S. ihm und nur ihm diese Bestallung verdanke. Im Lichte der von Tilitzki erarbeiteten Fakten ist aber schwer verständlich, daß Bonns Behauptung noch dann und wann für bare Münze genommen wird 1 . Wie dem auch sein, es liegt kein Grund vor, die Richtigkeit einer anderen Aussage Bonns anzuzweifeln: Nach dem Ersten Weltkrieg hat er C.S., der „auf dem Trockenen saß", „zum Start verholfen" 2. Des Verlustes von Elsaß-Lothringen wegen mußte C.S. sich im Prinzip umhabilitieren; er empfand diese Forderung „als ungerecht" 3, war aber froh, die - wie gesagt, von Bonn eingefädelte - Dozentur an der Handels-Hochschule München antreten zu dürfen. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte auch die Geschichte der politischen (bzw. staatsrechtlichen) Lehrmeinungen. Aus drei erhalten gebliebenen Schulheften (zwei Texthefte und ein Literaturheft) geht hervor, daß er seine diesbezüglichen Vorlesungen sogar ausgearbeit hat. In den Textheften steht der eigentliche (handschriftliche) Text auf der rechten Seite (Heft 1, angefangen am 17. Okt. 1919 = 48 durchnumerierte S., davon die ersten 10 auf losen Blättern; Heft 2, angefangen am 21. Nov. 1919 = 77 S.), während Korrekturen und Ergänzungen auf den linken Seiten stehen. Das dürftige Literaturheft umfaßt 35 numerierte und 7 nicht-numerierte S. 1

(PT) Vgl. u. a. die Berliner Dissertation (Doktorvater: Professor Wilhelm Schmidt-Biggemann [geb. 1946]) von Felix Blindow (geb. 1967), Carl Schmitts Reichsordnung. Strategie für einen europäischen Großraum, Berlin: Akademie Verlag, 1999, 209 S., in der Reihe »Schriften zur Kunstwissenschaft und Philosophie4; dort S. 155 FN 947. 2 (PT) M.J. Bonn, So macht man Geschichte. Bilanz eines Lebens, München: Paul List Verlag, 1953, 410 S.; dort S. 330. 3 (PT) Victor Klemperer (1881 -1960), Tagebücher 1920-1921, Berlin: Aufbau Taschenbuch Verlag, (1996) 2000, 392 S.; dort S. 12: Eintragung vom 18. Januar 1920. Inzwischen erhielt ich vom Universitätsarchiv München diese Auskunft: „leider hat sich in unseren Unterlagen kein Hinweis finden lassen, daß Carl Schmitt sich an die LMU umhabilitiert hat." (Brief vom 30. März 2000).

Carl Schmitt

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Ich teile nunmehr den Inhalt der beiden Texthefte und die entsprechenden Seitenzahlen mit: 1. Heft. S. 1 - 1 4 : S. 15-27 : S. 28-36 : S. 37-48 :

§ 1 und § 2 aber ohne Überschrift § 3 - Reformation, deutscher Bauernkrieg, die Wiedertäufer in Münster § 4 - Die Monarchomachen § 5 - Die Idee des Einheitsstaates. Jean Bodin

2. Heft S. 1 - 2 3 : § 6 - Das Naturrecht des 17. Jahrhunderts S. 25 - 4 0 : § 7 - Die englische Revolution und das englische Naturrecht S. 4 2 - 5 2 : § 8 - John Locke (1632- 1704) [zwei S. tragen die Zahl 48; sie und der erste Abschnitt der S. 49 sind hinterher als Anfang des § 11 aufgefaßt worden] S. 53 - 5 6 : § 9 - Das 18. Jahrhundert. Die Aufklärung S. 57-65 : § 10 [wohl irrtümlicherweise als 10.2. gekennzeichnet] - Montesquieu S. 66-77 : § 11 - Rousseau [die S. 48 und 49 des § 8 bilden den Anfang dieses §] Es erheben sich Fragen, aber als Antworten kommen lediglich Spekulationen in Betracht: a) Sind die Texte vor oder nach den Vorlesungen hingeschrieben worden? Meiner Ansicht nach schließen die beiden Möglichkeiten sich nicht aus: Im Hinblick auf eine Publikation (Studienkurs? Buch?) hat C.S., nach jeder Vorlesung, an seinen Text gefeilt. b) Ist das Manuskript jäh abgebrochen worden? Da sich im Literaturheft Titel über die Französische Revolution, den Sozialismus, den Anarchismus finden, darf jedenfalls nicht voreilig geschlußfolgert werden, daß C.S. die Arbeit zu Ende geführt hat. Als mir Herr Kollege Jürgen Becker dankenswerterweise die Erlaubnis erteilte, in diesem Schmittiana-Band ein Kapitel des Manuskripts abzudrucken, habe ich mich entschieden für das Subkapitel § 6 III., das über Thomas Hobbes (1588-1679), mit anschließenden Betrachtungen über Baruch de Spinoza (1632-1677), handelt; erstens weil C.S. sich öfter zum englischen Staatsphilosophen geäußert hat, zweitens weil die Eds du Seuil im nächsten Jahr (2001) die Übersetzung des Leviathan-Buches herausbringen werden 4, und der Pariser Verlag die Übertragung der nachstehenden Seiten gerne als Anlage hinzufügen möchte, so daß ich vielleicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlage. Der Titel stammt von mir. Vier oder fünf Fehler wurden stillschweigend berichtigt. Übrigens drucke ich den Text als Dokument ab, verzichte also absichtlich auf erläuternde Fußnoten. Die wenigen, in der Gabelsberger Kurzschrift niedergeschriebenen kurzen Ergänzungen im Text und einige unleserliche Vokabel C.S.s werden folgendermaßen kennbar gemacht: [...]bzw. [ ? ] . P.T.

[11] ... Hier war es Gassendi und seine Schule, die den entscheidenden Schritt zur Entthronung des Menschen tat. Der Mensch will mehr sein als ein Tier oder eine Pflanze. Schon für den Skeptizismus (Montaigne) war das ein lächerlicher 4

(PT) C.S., Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes. Sinn und Fehlschlag eines politischen Symbols (mit einem Anhang und einem Nachwort von Günter Maschke [1943]), Köln: Hohenheim, (1938) 1982, 244 S. Vgl. in diesem Band, S. 392 ZI. 30-35.

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Hochmut. Die neue Naturlehre machte mit dieser Naturalisierung des Menschen wissenschaftlich Ernst, wie auch der wissenschaftliche Sozialismus im 19. Jahrhundert den Darwinismus benutzte, um den Menschen in die allgemeine historische Entwicklung einzubeziehen. Jetzt gab es keine Auserwählten, keine Offenbarungen und Visionen mehr. Alles war »natürlich4 d. h. menschlich erklärbar. Descartes hat die Welt, auch die organische Lebewelt zu einem großen Automaten gemacht; auch die Tiere sind Automaten. Den Menschen hatte er ausgenommen weil er außer der [12] Materie noch etwas Immaterielles, den Geist hat. Doch Automatismus brauchte sich aber nur mit dem konsequenten Materialismus zu verbinden, um auch aus dem Menschen und allem Menschlichen ein mechanisches Räderwerk zu machen, dessen Konstruktion man auf [?] und nötigenfalls nachmachen konnte. Dieser Schritt tat der größte Repräsentant des naturwissenschaftlichen Naturrechts, Hobbes, ein Freund und Anhänger Gassendis. ΠΙ. Die Staats- und Gesellschaftslehre ist bei Hobbes der Schluß eines von den allgemeinsten Fragen ausgehenden philosophischen Systems. Eine konzentrierte Zusammenfassung enthält der 1651 englisch und lateinisch erschienene „Leviathan, sive de Materia, Forma et Potestate Civitatis Ecclesiasticae et Civilis". Dieses Ungeheuer des Leviathan ist ein mit genialer Anschauung dem alten Testament (Hiob Kap. 40, 25) [ . . . ] entnommenes Symbol für den Staat. Der große Leviathan (magnus ille Leviathan) ist aber ein planmäßig zusammengesetzter Zwangsapparat, ein künstlicher Übermensch, ein homo artificialis: der Souverän ist seine Seele, die Behörden sind die Gliedmaßen, die wirtschaftlichen Reichtümer des Einzelnen seine Kraft, Revolutionen seine Krankheiten. Er kommt durch Pacta der Menschen zustande, die Menschen bauen durch gegenseitiges Einvernehmen diesen irdischen Gott (mortalis Deus). Wie er bei vernünftiger Betrachtung konstruiert ist, will Hobbes zeigen. Dabei ist er überzeugt, daß der Kunst, Staaten zu gründen und zu erhalten, absolut zuverlässige Gesetzmäßigkeiten zu Grunde liegen, die ebenso sicher sind wie die Regeln der Arithmetik und Grammatik (Lev. c. 20). Machiavell war nur ein Praktiker und Techniker, mit Instinkt und Intuition, aber ohne wissenschaftliche Methode und ohne abstrakte Interessen. Dagegen will Hobbes bewußt die Politik zu einer Wissenschaft erheben, bei der nicht die Praxis (der usus) entscheidet, sondern die wichtige mathematische Methode, die nach seiner Überzeugung den Menschen bisher gefehlt hat. Um zu wissen, was der Staat ist, muß man demnach fragen, wie er entsteht, nicht in der historischen Entwicklung, sondern wie er zu konstruieren ist, d. h. man muß fragen, welcher Zustand entstände, wenn es keinen Staat gäbe. Der Staat ohne Zustand ist der Naturzustand. Es versteht sich für Hobbes von selbst, daß es in diesem Zustand nur Einzelne gibt. Von ständischen Kooperationen ist nicht mehr die Rede. Verbände oder Organisationen, die „von Natur", d. h. vor dem staatlichen Zusammenleben da sein sollten, gibt es bei den Menschen nicht. Es gibt wohl einen Ameisen- und einen Bienenstaat. Aber der Mensch unterscheidet sich von sol-

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chen Lebewesen nicht etwa durch eine moralische Würde, durch Rechtssinn oder dergleichen, sondern im Gegenteil, durch Eigenschaften, die ein Zusammenleben ohne jenen Zwangsapparat unmöglich machen [ . . . ] ; er benutzt seinen [13] Verstand, d. h. die Fähigkeit Eindrücke miteinander zu vergleichen und zu verbinden, zur Kritik; er ist ehrgeizig, habgierig, seine Fähigkeit, Recht und Nutzen zu unterscheiden führt ihn dazu sich gegen andere auch dann zu empören, wenn es ihm gut geht, er sucht Reformen, kurz er hat Bestrebungen, die das Tier nicht kennt (Lev. c. 17). Daher ist der natürliche d. h. der außerstaatliche Zustand des Menschen ein furchtbarer Krieg Allen mit Allen, das bellum omnium contra omnes. Das ist die notwendige Folge der Natur, des Kampfes. Der Kampf ist, nein die ganze Natur ist, in mechanischer Bewegung. In dem selbstverständlichen Streben nach Selbsterhaltung liegt die ewigeTriebfeder der menschlichen, nein aller lebendigen Strebung. Dabei hat die Bewegung kein letztes Ziel und kein Ende; wessen Begehren und Drang erloschen ist, der lebt eben nicht mehr. Glück ist der ewige Übergang von einer Begierde zur andern; habe ich die erstrebte Sache erreicht, so muß ich sie gegen andern verteidigen, oder etwas neues suchen. Ein ununterbrochener Kampf um die Macht entsteht daraus, weil ich nichts bewahren kann, wenn es sich nicht durch eine innere größere Macht sichere. Reichtum, Ehre, politischer Einfluß, alles ist Mittel zur Macht. Dabei steht aber immer ein anderer Mensch im Wege, der dieselben Ziele hat wie ich und den ich beseitigen muß, um zur Macht zu gelangen. Mit großartiger Psychologie schildert Hobbes diesen Krieg aller mit allen, dieses wie Tönnies bemerkt hat, „Bild der freien Konkurrenz" (Thomas Hobbes, 2. Aufl. 1912 S. 144). Da die Kräfte des einzelnen Menschen, auch der Männer und Frauen von Natur im Wesentlichen gleich sind, körperlich oder geistig der eine dem andern immer soweit gewachsen ist, daß er ihm schaden oder ihn mit Gewalt oder List erzwingen kann, so kommt es niemals zu einer dauernden Entscheidung. Im Naturzustand ist das Dasein des Menschen immer in Gefahr, er lebt in beständiger Angst, sein Leben ist einsam, armselig, dumpf, von kurzer Dauer (Lev. c. 13). Der Naturzustand liegt nicht am Anfang der Geschichte, sondern ist latent immer vorhanden. Nicht nur einzelne Völker, wie die Indianer, leben noch darin; auch die modernen Staaten befinden sich im Verhältnis zu andern Staaten in diesem beständigen Krieg, immer auf der Lauer, den andern zu überfallen und immer in Angst, überfallen zu werden. Aber auch innerhalb des Staates wenn einmal der staatliche Zwang nachläßt, während einer Revolution tritt der Naturzustand wieder ein und zeigt den Kampf ums Dasein in [14] seiner hemmungslosen Brutalität. Ja, praktisch rechnet jeder, der im tiefsten Frieden nachts seine Tür abschließt oder sich für eine Reise Waffen mitnimmt, mit der gefährlichen Natur des Kampfes und teilweisen Fortdauer des Naturzustandes. Nimmt man alle staatlichen Institutionen und die gemeinschaftlichen Veranstaltungen zu gegenseitigem Schutz hinweg, so erhält man den Naturzustand in seiner abstrakten Reinheit. In ihm gibt es kein Recht und Unrecht. Gewalt und List sind die Tugenden, mit denen man siegt. Dafür ist es nicht das Rechtsgefühl das aus dem Naturzustand in das staatliche d. h. geregelte soziale Leben überleitet, sondern et-

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was anderes: eine Leidenschaft (passio) verbunden mit einer verstandesmäßigen Berechnung. Die Leidenschaften die den Menschen dazu führen, den Naturzustand des Krieges aufzugeben, sind Furcht, vor allem Furcht vor dem Tode, die Sehnsucht nach einem friedlichen und auskömmlichen Leben und die Hoffnung, durch Fleiß und Arbeit ein solches Leben erreichen zu können. Der Verstand aber lehrt den Menschen die Voraussetzungen, unter denen aus dem Krieg im allgemeinen Friede entstehen kann. Er zeigt den Menschen zunächst, daß es klüger ist nach Frieden als nach Krieg zu streben, allerdings nur solange, als Aussicht auf Frieden besteht; sonst ist es klüger, sich kampfbereit zu halten. Der Verstand sagt mir auch, daß der Friede nur auf Gegenseitigkeit beruhen kann; er sagt mir, daß ich auf einen Teil meiner Macht verzichten muß, um den Gegner zu einem entsprechenden Verzicht zu veranlassen; daß ich an mein Versprechen gebunden bin, nicht rechtlich, oder moralisch, sondern einmal aus Furcht vor Schaden, dann aber auch weil ein Versprechen nicht zu halten, Selbstwiderspruch, ja eine logische Absurdität wäre, die jede friedliche Beendigung des sinnlosen Vernichtungskrieges unmöglich machen würde. Solche vernünftigen Berechnungen nennt Hobbes leges rationales. Es sind keine Gesetze im rechtlichen Sinne, auch keine moralischen Normen, sondern nur verstandesmäßige Erwägungen zur Selbsterhaltung - theoremata quae ad conservationem hominum conducunt (Lev. c. 15); ihre Übertretung ist kein Verbrechen, kein crimen, sondern ein Fehler (vitium). Wer solche natürlichen Sätze beobachten würde während die Andern sie nicht beobachten, würde sich selbst zu Grunde richten und gegen das natürliche Grundgesetz der Selbsterhaltung verstoßen. Auch die miteinander kämpfenden natürlichen Leidenschaften [15] des Kampfes, Habgier, Haß, Furcht, sind keine Sünde, denn es gibt noch keine Einrichtung, die die Menschen hindert, ihren Leidenschaften zu folgen (Lev. c. 13). Die Furcht vor den Schrecken des Krieges Aller mit Allen, verbunden mit einer vernünftigen Berechnung, wie man sich mit dem Gegner verständigen kann, führt zur Entstehung des Staates. Gesetze und Verträge sind an sich machtlos; halte ich mich an die Abmachungen, während andere sich nicht daran halten, so bin ich betrogen. Daher müssen alle, ohne Ausnahme, ihre gesamte Macht auf Einen (oder ein Kollegium oder eine Versammlung) übertragen und auf diese Weise einen einzigen Willen schaffen. Das ist der Staatsvertrag, der den Staat schafft. Der Inhalt des Vertrages hat sich bei Hobbes verschieden entwickelt. In de Corpore politico (II 1, § 2 u 3) und de Cive (II 5 § 6) enthält der Vertrag einen Verzicht Aller zu gunsten des Souveräns (mag dies nun ein Monarch, oder eine aristokratische oder eine demokratische Versammlung sein), der Vertrag ist seinem Inhalt nach wesentlich eine Passion. Später dagegen, im Leviathan (c. 16 und 17) erscheint als wesentlicher Sinn des Vertrages die Schaffung eines repräsentativen Organs: Jeder verhält sich so, als ob die Handlungen des Souveräns seine eigene wären d. h. der Vertrag schafft eine absolute Repräsentation, die jeder Einzelne gegen sich gelten lassen muß. Jeder hat mit jedem Andern im Hinblick auf seinen Souverän kontrahiert, dadurch sind alle Einzelnen zu einer dem Souverän unterworfenen Einheit

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geworden. Damit ist der Staat entstanden. Jetzt ist der Friede garantiert. Die Definition des Staates lautet: der Staat ist eine Einheit, die als selbständiges Subjekt handelt und deren [16] Handlungen eine größere Anzahl von Menschen durch Vertrag jeder Einzelnen mit jedem Andern, als eigene Handlung anerkennt, zu dem Zweck damit jenes einheitliche Subjekt aus eigenem Gewissen die gemeinsame Macht in den Dienst des Friedens und gemeinsamer Verteidigung stellt (Civitas Persona una est, cujus Actionum homines magno numero per Pacta mutua uniuscujusque cum unoquoque feoerunt se Authores, eo fine, ut Potentia omnium arbitrio suo ad Pacem et communem Defensionem uteretur; Lev. c. 17). Daraus folgt, daß nicht ein Einigungsvertrag der Einzelnen den Staat begründet, sondern die Unterwerfung Aller unter die souveräne unteilbare Einheit. Der Staatsvertrag ist nur ein pactum subjectionis. Damit ist aber auch der Dualismus, der sich aus der Althusischen Verbindung von pactum unionis und pactum subjectionis wieder entwickelte, radikal beseitigt und der Begriff der staatlichen Souveränität und Einheit mit größter Schärfe entwickelt ; der Souverän ist der Motor der Staatsmaschine, die Feder, die dem ganzen Apparat die Bewegung gibt. Neben dem so entstandenen Staat per institutionem kennt Hobbes noch einen Staat per acquisitionem, in dem die höchste Macht durch Gewalt erworben ist. Der Unterschied der beiden Staaten ist aber nur der, daß sich im ersten Falle die Menschen aus der Furcht, die jeder vor dem Einzelnen hat, dem Souverän unterwerfen, während bei dem durch Gewalt begründeten Staat die Unterwerfung auf der Furcht vor dem Souverän selbst beruht. In beiden Fällen treibt sie die Furcht, in keinem Falle kann dies Motiv den Vertrag ungültig machen, denn der Satz, daß erzwungene Verträge unwirksam sind, gilt nur kraft positiven Rechts d. h. staatlicher Satzung und innerhalb des bereits bestehenden Staates. Hier dagegen handelt es sich um den Übergang aus dem Naturzustand des Krieges in den staatlichen Zustand des Friedens (Lev. c. 20). Für den Naturzustand gilt der Satz, daß Verträge einen binden, auch wenn es nämlich eine unvernünftige Berechenbarkeit geben muß, um aus dem Zustand des Krieges in den des Friedens zu gelangen, [17] trifft auch bei den aus Furcht oder einem anderen Motiv geschlossenen Verträge zu. Ohne Furcht würden die Menschen überhaupt nicht aus dem Naturzustande herauskommen. Daher hat der Souverän sowohl in dem durch allgemeines Einverständnis der Bürger untereinander, wie in dem durch Gewalt erworbenen Macht unbegrenzte und unwiderrufliche Befugnisse. Die Macht der einmal entstandenen Staaten ist grenzenlos. Er ist der irdische Gott; ihm verdankt der Mensch Frieden und Schutz. Er kann aber auch von den Untertanen alles verlangen. Die Freiheit des Staatsbürgers besteht nur soweit als die Gesetze keine Einschränkung getroffen haben. Freiheit des Bürgers ist Unterwerfung unter das Gesetz (Lev. c. 21). Religion ist Aberglaube, soweit sie nicht staatlich anerkannt ist (c. 12) und es gibt im Staat kein privates Gewissen, dem man mehr gehorchen müßte, als den staatlichen Gesetzen; jedem muß das staatli-

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che Gesetz höchste Gewissenspflicht sein (Lev. c. 29) [ . . . ] . Auch aller Privateigentum kommt vom Staat (de Cive II 1, 7, 9; Lev. c. 29) [ . . . ]; ja, den Gegensatz von Recht und Unrecht überhaupt gibt es nur und nur durch diesem Staat. Dieser kann selber kein Unrecht tun. Deshalb ist irgend ein Satz Recht nicht weil er irgend einem Gerechtigkeitsideal entspricht, sondern weil der Staat seinen Inhalt befiehlt. Auctoritas, non Veritas facit legem (Lev. c. 26) [ . . . ]. Jemand ist unschuldig, wenn der staatliche Richter ihn frei gesprochen hat, [ . . . ] . Der Souverän [ . . . ] verteilt alle Ehren und Würden, vor ihm sind alle gleich, mag er nun, wie in der Monarchie ein Einzelner sein, oder, wie in der Demokratie eine Versammlung (c. 19). Der Unterschied der Staatsformen liegt nicht in der Verschiedenheit der staatlichen Macht, sondern in der Zweckmäßigkeit in Hinsicht auf das höchste Ziel: Frieden und Schutz. Hier gibt Hobbes aus Zweckmäßigkeitserwägungen der Monarchie den Vorzug, weil in ihr der private Vorteil des Fürsten am ehesten mit dem des Gemeinwesens zusammenfalle, während in der Demokratie Bürgerkriege, Parteiungen, demagogische Herrschaft leicht wieder den Naturzustand herbeiführen können. Doch ist das nur eine praktische, keine wissenschaftliche Frage. Die Rechtspflicht des Bürgers zu unbedingtem Gehorsam besteht in jedem Staat. Daher kann man Hobbes nicht einen Theoretiker der absoluten Monarchie oder gar einen Roy allsten nennen, er ist nur unbedingt gou vernemental. Noch weniger ist von einem irrationalen, göttlichen Recht der Monarchie, von einem „Königtum von Gottesgnaden", das in den absolutistischen Theorien des 17. Jahrhunderts schon entschieden auftritt, die Rede. Der Staat ist eine ganz [28] weltliche und durchaus rationale Angelegenheit. Die Vorstellung von dem natürlichen Machtwillen des Menschen führte allerdings dazu, die Notwendigkeit des staatlichen Zwanges und einer starken von den menschlichen Stimmungen der Bürger unabhängigen Macht besonders nachdrücklich zu betonen. Daher wurde der „Atheist" Hobbes von theokratisch argumentierenden Monarchisten gern verwertet. Bei Bossuet wie bei de Maistre, den man den klerikalen Hobbes genannt hat, ist sein Einfluß deutlich und im entscheidenden Punkt durch den Kardinalsatz vermittelt, daß der Mensch „von Natur böse" ist. Doch ist dieser Satz bei Hobbes im moralischen Sinne gemeint. Der Mensch im Naturzustande ist für ihn immer der Einzelne, jedoch kein individuelles Subjekt, das als solches für eine moralische oder rechtliche Bewertung in Frage steht, sondern nur das Atom, aus dessen Zusammenstoß mit andern Atomen in einem durch einfache Bewegungsgesetze getriebenen Wirbel die Welt des staatlichen und sozialen Lebens entsteht. Daß der Mensch von Natur einen Erhaltungs- und Machtwillen hat, der ihn mit andern in Konflikt bringt und den Naturzustand des allgemeinen Krieges bewirkt, ist nichts worüber man sich nach Hobbes moralisch entrüsten darf. Neutri accusamus Naturam (Lev. c. 13). Daß die Menschen sich aus Furcht und Berechnung zum Staat zusammenfinden, ist ebenfalls ein natürlicher Prozeß, keine sittliche Tat des Einzelnen. Der Staat ist aber das mit Bewußtsein gemachte Werk der Einzelnen und es handelt sich darum, daß die Menschen sich der Gesetze einer sozialen Mechanik bewußt werden, um nachteilige Erschütterungen zu ver-

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meiden und das vernünftige Ziel nicht zu verfehlen. Es wäre eine Dummheit, anders zu handeln. An ein moralisches Pathos ist dabei ebensowenig zu denken wie bei einem chemischen Rezept, das ebenfalls zeigt, mit welchem Mittel und unter Beobachtung welcher Naturgesetze ein gewisser [19] Erfolg erreicht werden kann. Allerdings beschreibt Hobbes die antisozialen Instinkte des einzelnen Menschen mit erschütternder Sorglichkeit und auch über die Kraft der Vernunft macht er sich keine Illusionen; er weiß, daß der euklidische Satz, wonach die Summe der Winkel eines Dreiecks gleich zwei Rechten ist, längst bestritten oder unterdruckt worden wäre, wenn es den Interessen der Herrschenden zuwiderliefe (c. 11). Aber das Bedürfnis nach Frieden ist für ihn so stark, daß der Friede oft den Charakter eines höchsten Gutes erhält und seine Gefährdung zu einer moralischen Verfehlung wird. Entsprechend erscheint dann die Ausbildung der rationalen Fähigkeiten und die Überwindung des Aberglaubens schon durchaus im Sinne der Aufklärung als ein solches Ziel menschlichen Strebens. Hobbes glaubt daran, daß die Menschheit sich dem Ideal des vernunftbeherrschten Lebens nähert, ein Glaube den er mit diesem ganzen naturwissenschaftlichen Jahrhundert, mit Bacon, Descartes, Gassendi (?) teilt und der bei Hobbes in der epikureischen Tradition von dem am Ende der Entwicklung eintretenden glücklichen Zeitalter liegt. Dadurch gelangen theologische und sogar moralisch-wertende Gesichtspunkte in die Darstellung des sonst mathematisch exakt sein will und es auch durchwegs ist. Weil er den Frieden als ein so hohes Gut bewertet und den Staat als den Gott des Friedens ansieht, wird der Staat jene große, Hemmungen gegen die kriegerischen Machtinstinkte produzierende Maschine, zum indirekten Gott und zur Quelle alles Rechts und erhält eine Würde, die bloß naturwissenschaftlich nicht zu erklären ist. Auch für das Individuum ergeben sich daraus Pflichten im eigentlichen Sinne. Trotzdem hört im Ganzen des Systems das Individuum nicht auf, bloßes Atom zu sein und ist keine Monade, hat keine unsterbliche Seele, ist niemals als solches unendlich wertvoll, obwohl es sich nach dem natürlichen Gesetz des Selbsterhaltung eine eigene Vernichtung niemals, auch im Staate nicht, gefallen zu lassen braucht. Nichts ist ihm verhaßter als der religiöse oder moralische Individualismus. Die religiösen Visionäre sind für ihn staatsgefährliche Wahnsinnige, die an einer ungeheueren Leidenschaft, an einen furchtbaren Machtwillen erkrant sind (c. 8), Glaube und Heiligkeit sind keine übernatürlichen Wunder, sondern das Ergebnis von Erziehung, Disziplin, Korrektur und anderer rationaler Dinge (c. 29). Eine Seele kennt er schon deshalb nicht, weil er sich als Materialist auch in der Politik konsequent bleibt (c. 12). Der Staatsvertrag durch den der Staat errichtet wird, ist daher sowenig eine individualistische [20] Grundlage des Staates wie die rechtliche Absorbierung des Einzelnen durch den Staat Monarchismus ist. Gegen Hobbes bemerkte schon Jos. Friedr. Horn (Politicorum jura architectonica, 1664, p. [fehlt]) er brachte den Monarchen nur scheinbar gute Argumente; in Wahrheit wäre seine Lehre aufrüherisch (seditiosus) und gefährlich, weil sie die einzelnen Individuen zur Grundlage des Staates mache. Das Aufrührerische der Hobbesschen Lehre bestand aber nicht in ihrem Individua-

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lismus. Sie hat vielmehr das Individuum zu voller Belanglosigkeit verurteilt und ihre pessimistische Beurteilung der menschlichen Natur mußten jede revolutionäre Energie und den irrationalen Glauben an sich selbst und die eigne welthistorische Mission vernichten. Gefährlich aber war die Ablehnung aller traditionellen Werte und der Rechtfertigung aus dem historisch Gewordenen. Hobbes kennt keine Rücksicht auf hervorgebrachte Gewohnheiten und Gebräuche, die ihm so lächerlich sind wie jedem Rationalisten. Bei Descartes, der die gleiche Rücksichtslosigkeit vor aller Überlieferung hatte, war die politische Bedeutung dieses Rationalismus nicht hervorgetreten, weil er sich nicht auf politische Untersuchungen einließ. Er protestierte dagegen, daß man ihm politische Reformen unterschiebe und hielt auch in seiner moralischen Theorie an die Maxime fest, dem König zu gehorchen und die Religion, den Gesetzen und Gebräuchen seines Vaterlandes (Disc, de la méthode, 3. partie) treu zu bleiben. Er war im Ergebnis so gouvernemental wie Hobbes. Aber Hobbes zog bewußt die Politik vor dasselbe Forum und man brauchte nur die menschliche Natur anders zu beurteilen, um mit denselben konstruktiven Mitteln das entgegengesetzte politische Resultat zu erreichen und statt des absolutistischen einen demokratischen Staat zu begründen, aus dem Herrschaftsvertrag einen bloßen Einigungsvertrag ohne Unterwerfung zu machen, wie Rousseau das getan hat [ . . . ]. Ein Beispiel dafür, daß der Staatsvertrag und die mathematische Methode sich auch in den Dienst demokratischer Ideen stellen konnten, erbrachte der theologisch-politische Traktat Spinozas (1670, anonym). Freilich änderte Spinoza unter dem Eindruck des Bürgerkriegs seine politischen Anschauungen und im politischen Traktat (1677) zieht er eine demokratische Regierungsform vor. Doch bezeichnet er stets die libertas als Ziel und die securitas als virtus (Wert) des Staates (Ad. Menzel, Grünhuts Zeitschr. 34. S. 450). Die Konstruktion [21] des Staates selbst ist aber nach dem Vorbild von Hobbes aufgestellt, die Selbsterhaltung ist der allgemeinste und natürlichste Trieb. Aus Furcht und unvernünftiger Berechnung gehen die Menschen aus dem Naturzustand in den bürgerlichen Zustand über und begründen durch Vertrag und Machtübertragung den Staat als höchste d. h. stärkste Macht. Allerdings tritt der Sozialvertrag bei Spinoza später zurück. Das hängt konsequent damit zusammen, daß Spinoza die letzten Reste von normativen Gesichtspunkten, wie sie bei Hobbes immer noch wirksam waren, beseitigt und mit größter methodischer Klarheit Recht und Macht gleichsetzt. [ . . . ] Im Naturzustand hat jeder soviel Recht wie er Macht hat, die großen Fische haben das Recht die kleinen zu fressen (Theol.pol. Traktat, cap. 16). Das soziale Leben soll nicht an einem utopischen Ideal gemessen, sondern erklärt werden. Daher gilt der Naturzustand auch noch im staatlichen Leben. Der Staat hat das größte Recht weil er infolge der Machtübertragung aller Bürger die größte Macht in sich vereinigt und die Demokratie ist die beste Staatsform, weil sie die Macht Aller, demnach die stärkste und sicherste Macht bewirkt. Recht ist, was die stärkste Macht für Recht erklärt. Aber mit den Grenzen der Macht sind auch die Grenzen des Rechts gegeben. Weil der Staat nicht die Macht hat, mein Denken und mein 2 Schmittiana VII

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Gewissen zu zwingen, ist die Denk- und Gewissensfreiheit ein natürliches Recht. Die Verbindlichkeit der Staats Verträge hat ebenfalls an einer nur tatsächlichen Berechnung ihre Grenze: da die Staaten sich untereinander noch im Naturzustande befinden, muß für jeden der Vertragschließenden sein Vorteil das höchste Gesetz sein und gelten deshalb alle Verträge nur unter dem Vorbehalt, daß sich die gegenwärtigen Verhältnisse nicht ändern, die clausula rebus sie stantibus ist mit andern Worten ein selbstverständlicher Bestandteil aller völkerrechtlichen Verträge; aber, da der Naturzustand im Staat weiter gilt, alle Verträge überhaupt. Aber wie bei Spinoza der Rationalismus in einen pantheistischen Mystizismus umschlägt, so kann aus der Auflösung des Rechts in die bloße Macht umgekehrt eine Erhebung der bloßen Macht zum Recht werden, denn das Recht läßt sich nicht vernichten und gerade in seiner Herabsetzung zur bloßen Macht bewährt es seine Kraft, indem es nunmehr den Charakter der Macht verwandelt. Wenn Recht nur Macht ist, so wird die Macht eben zum Recht und erhält dadurch eine Würde, die [22] sie als bloßes Faktum nicht haben kann. Wenn in allen Naturdingen Gott selbst wirkt und Gott und die Natur identisch sind (Deus sive Natura) so ist das Natürlichste das Göttlichste, und Gott die wahre Natur; aber Spinoza unterscheidet die natura naturans von der gewordenen, unvergänglichen, in der Attribution von Denken und Sein sich bewegenden Natur, der natura naturata. Das Ziel alles richtigen Strebens ist der Friede, die ruhige Betrachtung acquiescentia, in Gott. Die vergängliche Natur, von der der Einzelne nur ein Teil ist, verschwindet für den, der die wahre Einsicht und den höchsten Grad der Betrachtung erreicht hat. Aus diesem System ließ sich keine bestimmte politische Theorie ableiten, die eine notwendige Konsequenz der philosophischen Sätze gewesen wäre, weil Staat, Gesellschaft und Politik Angelegenheiten sind, die in den Bereich des Menschlichen, der natura naturata fallen. Daher hat Spinoza seine politischen Ansichten ändern und erst die Demokratie, dann die Aristokratie für die beste Staatsform halten können, ohne daß er wesentliche Sätze seines rationalistischen Pantheismus aufgeben müßte. Nur eine Konsequenz, die für diesen Pantheismus unumgänglich ist, konnte unmittelbare politische Bedeutung haben: das Individuum ist als solches wertlos, ein bloßer Gedankending, ein ens rationis, es geht wenn es sein Ziel erreicht hat, unter in der umfassenden Größe Gottes und seiner bewegungslosen Ruhe. Gerade wegen der Bewegungslosigkeit Gottes ließ sich daraus kein bestimmtes Ergebnis für das politische oder soziale Tun des Einzelnen gewinnen. Spinoza ist in seinen politischen Ansichten von Hobbes und Machiavell, zum Teil auch von den geschichtlichen Ereignissen der damaligen Zeit beeinflußt und seine Argumente lassen sich leicht zu verschiedenen politischen Idealen werden. Sobald aber ein pantheistisches System aufgestellt wurde, das den alle Einzelnen absorbierenden Gott in Bewegung zeigte, als Hegel Gott zu dem, im historischen Ablauf der Ereignisse sich entwickelnden Geist machte, wurde jene Entwicklung des Einzelnen politisch aktuell: das Individuum [23] ging unter in der Gemeinschaft, die als Subjekt und Träger des historischen Geschehens angesehen wurde, im Staat, in der Nation oder in der Klasse. Dadurch

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bekam die Forderung, mit der diese Gemeinschaft den Einzelnen in Anspruch nahm, den Charakter eines erhabenen Rechts, das von den Nützlichkeitserwägungen von Hobbes weit entfernt ist, obwohl der Staat die gleiche überragende Kraft hat, allein Träger von Macht zu sein. Hatten die Ideen von Hobbes bei Spinoza neben einer konsequenten Weiterbildung gleichzeitig ihre Auflösung und Überleitung in irrationale Gedankengänge gefunden, so wurden sie von Samuel Pufendorf \on einigen Rücksichtslosigkeiten befreit und infolge ihrer Verbindung mit dem Gerechtigkeitsnaturrecht des Grotius einer großen Popularität fähig. Pufendorf veröffentlichte zunächst 1660, drei Bücher „Elementorum jurisprudentiae universalis", eine Art Programmaschrift, die zugleich als die erste naturrechtliche Leistung der deutschen Rechtswissenschaft interessant ist. I n der 1667 pseudonym veröffentlichten Schrift Severini de Monzambano Veronensis de statu imperii germanici [fehlt]. Das Hauptwerk erschien 1672 unter dem Titel De jure naturae et gentium libri V I I I . Das Werk hatte einen großen Erfolg, es wurde sogar auf Befehl Peters des Großen ins Russische übersetzt.

I I . D e r treue Z i g e u n e r (1922) In der ersten Fassung meiner Abhandlung über die satirischen Ergüsse C.S.s ist noch vom verschollenen Text „Der Zigeuner" die Rede, aber in der zweiten Fassung konnte ich mitteilen, daß jener Text erhalten geblieben ist und ihm einige Abschnitte widmen5. Und jetzt bin ich, dank dem freundlichen Entgegenkommen des Kollegen Jürgen Becker, in der Lage, diese Satire der Forschung zur Verfügung zu stellen. Obzwar ihn Franz Blei (1871 -1942) 6 dazu anstachelte7, hat C.S. „das Gerippe einer Geschichte", wie Blei die Satire nannte, nicht weiter ausgearbeitet. Dennoch hat er sie einen bestimmten Wert zugemessen, denn nach dem Zweiten Weltkrieg las er sie gelegentlich vor, wie ich von Anni Stand (1915-1997), seiner Hausfrau, und von Ernst Hüsmert (geb. 1928; vgl. Schmittiana VI, S. 289-303) erfahren habe. Indes fragt es sich, wie man diesen Text bezeichnen bzw. einordnen soll. C.S. legt selber ganz am Schluß sieben angeblichen Gesprächspartnern (nach meinem Dafürhalten, drei real existierenden und sechs fiktiven) 8 ebensoviele

5 (PT) P. Tommissen, In Sachen Carl Schmitt, Wien: Karolinger Verlag, 1997, 155 S.; dort S. 11-52: „Über die satirischen Texte Carl Schmitts" (dort. S. 28-29: „2.8. ,Der Zigeuner4 "). 6 (PT) Über Blei, vgl. P. Tommissen, art. cit. [FN 5], S. 20-21 sowie S. 65 FN 68. Seitdem ist erschienen Raimund Theiss (Hrsg.), Franz Blei - Andre Gide. Briefwechsel 1904-1933, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1997, XXXI-242 S., Nr. 1 in der Reihe »Beiträge zur Romanistik4. 7 (PT) Angela Reinthal (Hrsg.), Franz Blei: Briefe an Carl Schmitt 1917-1933, Heidelberg: Manutius Verlag, 1995, 180 S.; dort S. 40: Brief Nr. 17 vom 19. 4. 22. 8 (PT) Bei den sog. Gesprächspartnern die jedenfalls gelebt haben, handelt es sich um: (a) Hans Pichler (1882-1958), seines Zeichens Philosoph (er hat u. a. in Königsberg gelehrt);

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Interpretationen in den Mund, doch bleibt die Frage, ob wir nur mit einer schönen Geschichte oder mit einem verschlüsselten „Traktat" (so Blei) zu tun haben, offen. Ich setze auf die Ansicht des Kollegen Hans Schneider (geb. 1912): Es handelt sich wohl um eine Illustration der Legendenbildung9. Adäquat teilt mir Herr Ernst Hüsmert mit, daß er sich anläßlich des „treuen Zigeuners" mit C.S. über die Prozedur der Heiligsprechung unterhalten hat, weist aber gleichzeitig darauf hin, daß „Der treue Zigeuner" im Jahr der Scheidung von C.S.s erster Ehe entstanden ist und diese erste Ehe im Hause C.S. absolutes Tabu war (vgl. Schmittiana V, S. 176-180, sowie in diesem Band, S. 389 Punkt 5.). Dann zitiert er die Hausdame Annie Stand: „Der treue Zigeuner, das war er selber." 10 Die Paginierung stammt von mir. Da C.S.s Numerierung der Unterteile ab IX. nicht stimmt, habe ich mich für die richtige Durchnumerierung entschieden. Zwei oder drei unwichtige Tippfehler sind stillschweigend berichtigt worden. Das erste Wort der S. 8 fehlt; diese Lücke habe ich mittels eines Fragezeichens kenntlich gemacht. P.T.

[2]

I.

Ein Zigeuner in den Karpathen hatte eine schöne Frau, die sich plötzlich einer seltsamen, schweren Sünde anklagte. Mehrere Rücksichten verbieten es, die Sünde zu nennen. Der Beichtvater hielt sich nicht für befugt, die Absolution zu erteilen und äußerte als seine private Ansicht, daß am besten der Heilige Vater, der Papst, persönlich über den unerklärlichen Fall entscheide. Die Frau war sofort bereit, nach Rom zu pilgern. Das rührte den Beichtvater tief, doch wies er auf die Beschwerlichkeiten und die Kosten einer solchen Reise hin und sagte der Frau, da sie wegen ihrer Armut kaum in einem Wagen fahren könne, müsse sie wohl zu Fuß gehen, wie das allerdings auch zu einer Wallfahrt gehöre. Übrigens gab er ihr keineswegs einen direkten Befehl. Die Frau gelobte, trotz allem nach Rom zu wallfahrten, um ihre Angelegenheit dem Heiligen Vater persönlich vorzutragen. Sie versicherte ihrem Mann, daß sie keine Mühsalen scheue, wenn ihr Seelenheil auf dem Spiel stehe. Aber ihre Gesundheit war nicht sehr stark und auch ihre Schönheit konnte durch eine lange Fußwanderung leiden. Deshalb meinte sie, es wäre am einfachsten, wenn ihr Mann sie auf dem Rücken nach Rom trage. Auf diese Weise könnte sie ihr Gelübde erfüllen und gleichzeitig ihren Mann der Gnaden einer Pilgerfahrt teilhaftig machen. Der Zigeuner nahm also seine Frau auf den Rücken und sie machten sich auf den Weg nach Rom.

(b) Blei; (c) Kathleen Murray (1898-1946; sie war allerdings keine Irländerin, sondern Australierin: vgl. Schmittiana VI, S. 180). * (PT) Der Ausspruch Schneiders findet sich in: P. Tommissen, art. cit. [FN 5], S. 29. μ (PT) Diese Auskunft ist mir per Fax-Schreiben vom 16. Februar 2000 mitgeteilt worden.

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Π. Der Weg ging zunächst durch die heimatlichen Karpathen. Es war März und auf dem Rücken des Zigeneuers mußte die Frau [3] manchmal frieren. Vor Kälte weinend bat sie ihrem Mann um eine wärmere Decke. Der Zigeuner fing einen Fuchs und gab das Fell seiner Frau. Aber am andern Tage warf sie es wieder weg, weil es ein gewöhnlicher Fuchs war und das Fell einen unangenehmen Gerücht hatte.

III. Auf der Straße der Theiß-Ebene ging ein Handwerksbursche eine Weile neben ihnen her. Er trug einen großen Rücksack. Als die Frau seine schwere Last bemerkte, wurde sie von Mitleid ergriffen und suchte ihm zu helfen. Sie ließ sich den Rücksack geben und hing ihn vor sich auf die Schultern ihres Mannes. Voll Güte fragte sie den jungen Handwerksburschen nach seiner Heimat und seinen Eltern, und als er gegen Abend einen andern Weg nehmen mußte, reichte sie ihm sein Bündel mit einem freundlichen Lächeln zurück. Lange sah der Bursche ihr nach, die Augen voll Tränen. Er glaubte, der Mutter Gottes begegnet zu sein.

IV. Der Handwerksbursche war aus Wien und hatte erzählt, daß Wien eine schöne Stadt sei, mit vielen schönen Kirchen. Daher bat die Frau ihren Mann, den kleinen Umweg über Wien zu machen. In Wien zeigte ihr ein freundlicher Böhme die Stadt, während der Zigeuner durch Holztragen einen Gulden verdiente. Weil der Böhme immer von neuem wiederholte, Prag sei viel schöner als Wien, ging sie mit ihm für einige Zeit nach Prag. Mehrere Wochen später brachte ein Freund des Böhmen die Frau nach Wien zurück. Dort hatte der Zigeuner unterdessen noch zwei Gulden verdient. Für das Geld kaufte er der Frau ein Paar neue Schuhe und sie setzten ihre Reise nach Rom fort.

V. [4] In der Gegend von Graz wurden sie von einem reitenden Kurier überholt, der nach dem Wege fragte. Sie konnten ihm keine Auskunft geben, doch kam der Kurier bei dieser Gelegenheit mit der Frau in ein Gespräch. Er hatte freilich große Eile. Die Frau ersuchte ihren Mann, etwas schneller zu laufen, während der Kurier so rücksichtsvoll war, in einem leichten Trab zu reiten. So konnten sie ihr Gespräch fortsetzen. Der Kurier war sehr liebenswürdig. Er nahm eine Feldflasche

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vom Sattel seines Pferdes, schenkte Wein in ein Glas und reichte es mit zuvorkommender Anmut der Frau. Sie war gerührt von seiner Güte. Als sie sich trennen mußten, stiegen beide ab, die Frau von ihrem Mann, der Kurier von seinem Pferd und verabschiedeten sich in herzlicher Freundschaft.

VI. Hinter Graz kam die Frau auf den Gedanken, es wäre schön, einen Strauß Edelweiß als Andenken an die Pilgerfahrt mit nach Hause zu nehmen. Der Mann trug sie daher tiefer in die Alpen hinein und pflückte auf einem hohen Berg einen Strauß besonders schöner Blumen. Dann stiegen sie in die italienische Ebene hinab und kamen nach Verona, wo sie einen fahrenden Scholar trafen, der eine schöne Guitarre hatte und die Frau mehrere Lieder lehrte. Nach einem melancholischen Lied erzählte er einmal, daß seine Braut ihn betrogen habe. Die Frau suchte ihn zu trösten und schenkte ihm den Strauß Edelweiß. Vor Dankbarkeit küßte der Scholar ihre Hände und begleitete sie bis nach Bologna. Er versicherte in großer Rührung, daß er durch sie ein besserer Mensch geworden sei.

VII. Zwischen Sutri und Viterbo schloß sich ihnen ein Benediktiner an. Er war jung, aber sehr gelehrt, übrigens von deutscher Abstammung. Kaum hörte er, daß die Zigeunerfrau mit dem Heiligen Vater [5] sprechen wollte, so belehrte er sie über die zu beobachtenden Zeremonien und ihre Bedeutung. Die Frau hörte mit großem Interesse zu. Der Benediktiner machte darauf aufmerksam, daß sie sich sehr beeilen mußten, denn der Heilige Vater sei hoch betagt und trotz ungeminderter geistiger Frische doch körperlich ziemlich schwach, sodaß die für den übernächsten Tag angesetzte öffentliche Audienz für absehbare Zeit wohl die letzte Möglichkeit sein werde, ihn zu sehen. Die Frau ermahnte ihren Mann eindringlich zu größter Eile, bat aber gleichzeitig den Mönch, noch etwas zu bleiben und seine Belehrung fortzusetzen. So hielten sie sich noch einen und einen halben Tag auf. Plötzlich wurde der Benediktiner schweigsam und gab der Frau keine Antwort mehr. Er hatte nämlich einen Stein entdeckt, dessen Inschrift er nicht entziffern konnte. Über diese unerwartete Änderung seines Benehmens war die Frau bestürzt. Sie weinte vor Traurigkeit. Dann erinnerte sie sich, daß sie spätestens in einem Tag in Rom sein müßten und sagte ihrem Manne, jetzt sei es nötig, in größter Eile zu laufen, wenn man noch rechtzeitig ankommen wollte.

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νιπ. In größter Eile, die Frau auf dem Rücken, kam der Zigeuner in der Stadt Rom an und lief, ohne sich aufzuhalten, geradewegs zum päpstlichen Palast. Er rannte durch das erste Tor, das er offen sah, durch viele Gänge, über Treppen und Korridore und fand sich nicht mehr zurecht. Seine Frau ermahnte ihn sich zu eilen. Als er ein Tor sah, an dessen Eingang er einen Pförtner vermutete, sprang er dorthin, um nach dem Weg zu fragen. Dabei übersah er aber eine kleine Treppe mit mehreren Stufen und stolperte. Die Frau schrie laut auf und glitt von seinem Rücken zur Erde. Der Zigeuner schoß stolpernd noch einen Schritt weiter, stieß dann auf einmal einen gräßlichen Fluch aus und schlug mit dem Kopf so heftig auf eine Marmorstatue, daß er tot zu Boden fiel. [6] Die Frau weinte und schluckzte als sie ihrem Mann tot am Boden liegen sah. Ein alter Pförtner und ein junger Gardist kamen herbeigelaufen. Ohnmächtig sank die Frau in die Arme des Gardisten. Dieser sprach ihr freundlich zu und trug sie durch den Garten auf eine Bank am Tiber, wo er sie sorgsam hinlegte. Er ließ sie einen Augenblick allein, um in einem Wirtshaus Wein zu holen. Unterdessen kam ein junger Student vorbei, der sich zu der Frau setzte und dem sie erzählte, daß sie aus ihrer Heimat zu Fuß nach Rom gepilgert sei, um den Heiligen Väter zu sehn, aber zur Audienz zu spät gekommen sei. Der Student, der Neffe eines Kardinals, bewunderte ihre Schönheit und Frömmigkeit und war mit großem Eifer bereit, seinen Oheim in dieser Angelegenheit um Hilfe zu bitten. Er lud sie ein, mit ihm in den Palast des Kardinals zu gehen, wo sie gewiß eine gastfreundliche, ihrer Frömmigkeit würdige Aufnahme finden würde. Durch ein liebevolles Lächeln zeigte die Frau ihre Dankbarkeit. In diesem Augenblick kam der Gardist mit dem Wein zurück. Er bemerkte das Lächeln der Frau und geriet sofort in eifersüchtigen Zorn, sodaß der Student die Frau in Sicherheit bringen mußte; den Gardisten, der ihm folgte, stieß er in Notwehr das Ufer hinab in den Tiber. Der arme Soldat ertrank in den Fluten. Der Student konnte nur noch sehen, wie die Leiche den Fluß hinuntertrieb. Dann mußte er sich um die Frau bemühen, die laut weinte. Er holte einen Wagen und fuhr mit ihr zum Palast seines Oheims. Über den schönen Wagen freute sich die Frau sehr und während der Fahrt erinnerte sie sich, daß der Zigeuner niemals so liebevoll gewesen war wie dieser freundliche Student und nie daran gedacht hatte, sie in einem schönen Wagen zu fahren.

[7]

IX.

Der Kardinal war etwas überrascht, als sein Neffe eine fremde Frau ins Haus brachte. Aber er kannte die Frömmigkeit und den ritterlichen Sinn des jungen Mannes und weil er ihn sehr liebte, nahm er sich auch der Frau mit freundlichem Interesse an. Sie bekam ein schönes großes Zimmer, wurde in ein weißes Bett gebracht und da sie der Erholung bedurfte, bemühten sich mehrere Dienstboten um

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ihre Pflege. In dem weißen Bett, umgeben von der eifrigen Dienerschaft, lächelte sie vor Glück wie ein Engel. Ein alter, im Dienst des Kardinals ergrauter Diener küßte ihre Hände und nannte sie laut eine Heilige. Dann begann sie plötzlich zu weinen und als man sie fragte weshalb sie weine, gab sie mit leiser Stimme zur Antwort, es tue ihr weh, den Heiligen Vater nicht gesehen zu haben. Alle waren von tiefstem Mitleid ergriffen. Der Kardinal versprach, ihr eine Audienz zu verschaffen. Der Student küßte in großer Entrüstung ihre Hände und ging dann weg um seinen Jugendfreund, einen Juristen aus vornehmer Familie, zu holen und ihm die heiligmäßige Frau zu zeigen. Die Frau lächelte immer noch, aber von den Aufregungen des letzten Tages und von ihrem unerwarteten Glück war sie so schwach geworden, daß sie wieder das Bewußtsein verlor. Besorgt schickte der Kardinal seinen Leibarzt, damit er ihr einen besonders kräftigen Trank bereite. Der Arzt gab sich große Mühe, doch war das Medikament, das er zusammenstellte, für den Körper der Frau allzu fremdartig. Sie wurde plötzlich bleich und starb nach wenigen Minuten, immer mit einem glücklichen Lächeln auf ihren Lippen. Der Kardinal, der Arzt und die ganze Dienerschaft weinten und riefen laut, sie hätten eine Heilige sterben sehen.

X. Währenddessen war der Student bei seinem Freund, dem Juristen. Zum ersten Mal in ihrem Leben kamen die beiden Freunde in einen Wortwechsel, weil der Jurist mit vielen scharfsinnigen Bedenken widersprach, als er hörte, [8] daß sein Freund eine Heilige entdeckt habe, eine Frau aus dem Zigeunerlande. In ihrem Eifer verloren sie jede Besonnenheit und noch ehe sie beim Palast des Kardinals angekommen waren, beleidigten sie sich heftig und zogen ihre Degen, sodaß es auf offenem Markt zu einem Duell kam. Dabei versetzte der Jurist seinem Freund einen tödlichen Stoß. Viele Menschen liefen hinzu. Sterbend rief der Student, es sei zwar der Freund, durch dessen Hand er falle, aber es sei eine Heilige, zu deren Ruhm er sein Leben lasse. Während er starb stellten mehrere Frauen und Männer den Juristen zu Rede. Dieser erklärte, weshalb er seinen Freund getötet habe. Wütend rissen ihn die aufgeregten Menschen in Stücke. Sie brachten seine Leiche und die des Studenten zum Palast des Kardinals und verlangten die neue Heilige zu sehen. Der Kardinal war vom Tode seines Neffens erschüttert. Man erzählte ihm, wie der edle junge Mann für die neue Heilige gestorben sei und sogleich befahlt er, ihre Leiche in prachtvoller weißer Aufbahrung auf den Balkon des Palastes zu stellen. Mit lautem Geschrei rühmte die ganze Dienerschaft die Frömmigkeit der Toten. Hunderte von Frauen und Männern versammelten sich auf der Straße und knieten die Nacht hindurch vor dem Balkon. Am andern Tage wurde die Leiche in einer Kirche, über die der Kardinal verfügen konnte, mit großem Gepränge beigesetzt

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und zahllose Menschen erwiesen der Toten öffentlich die Verehrung einer Heiligen. [XI] Schon während der Beisetzung war es zu heftigen Diskussionen gekommen, weil einige die Heiligkeit der Verstorbenen bezweifelten und Näheres über ihre Herkunft und ihr Leben zu wissen verlangten. Nach dem Begräbnis setzten sich die Diskussionen fort und führten zu Streitigkeiten, die bis in die Familien hineindrangen, den Väter mit dem Sohn entzweiten und langjährige erprobte Freundschaften und Sympathien zerstörten. Als der Zwist aus dem Rahmen des Privatlebens heraustrat und sich öffentlich Parteien bildeten, die einander schließlich [9] [ ? ]Straßenkämpfe lieferten, durfte die kirchliche Behörde nicht länger schweigen. Der Kardinal und seine Freunde betrieben eifrig die Heiligsprechung der Verstorbenen. Der Prozeß wurde eingeleitet. Sämtliche Diener und Dienerinnen des Kardinals bezeugten, daß die Tote wie eine Heilige gestorben sei. Niemand wagte es daran au zweifeln. Auch der advocatus diaboli erklärte, daß er die Heiligmäßigkeit ihres Lebenswandels nicht bestreiten könne; aber er verlangte den Nachweis eines Wunders. Die Verteidiger der neuen Heiligen machten geltend, daß nach den Wahrnehmungen aller Augenzeugen die Verstorbene, obwohl sie aus ihrer Heimat, dem Zigeunerland zu Fuß nach Rom gepilgert sei, trotzdem Schuhe an den Füßen gehabt habe, die kaum Spuren einer Berührung mit dem Erdboden aufwiesen; sie sei also offenbar geschwebt, unter Aufhebung des Gesetzes der Schwerkraft: Engel müßten sie getragen haben. Der advocatus diaboli entgegnete, daß man nicht nur von Engeln getragen werden könne, man könne fahren oder sich von einem andern Menschen tragen lassen, sogar, wie er mit einigem Spott hinzufügte, vom eignen Gatten, denn man wisse ja nicht einmal, ob die Verstorbene nicht vielleicht verheiratet gewesen wäre. Der Spott an solcher Stelle war unpassend. Die Zuhörer wurden erregt, mehrere Frauen schrien vor Empörung laut auf, ein fanatischer junger Mann schoß von der Tribüne mit einer Pistole auf den advocatus diaboli und traf ihn tödlich. Der Prozeß mußte abgebrochen werden. Jetzt nahmen die Streitigkeiten ihren Fortgang mit verdoppelter Wut. Im Interesse der Einigkeit und des Friedens mußte sobald als möglich eine Entscheidung ergehen. Mit großer Feierlichkeit wurde der Prozeß wieder aufgenommen. Es fand sich ein junger Mönch, der die Funktion des advocatus diaboli übernahm und mit Absicht an demselben Punkt der Argumentation fortfuhr, an dem sein Vorgänger ein Opfer seiner Anständigkeit geworden war. Er führte aus, niemand könne wissen, ob die Verstorbene nicht getragen worden sei und er brachte einen uralten Pförtner als Zeuge, der aussagen konnte, daß um die Zeit des Todes der Verstorbenen [10] ein Zigeneuer im päpstlichen Palast tödlich verunglückte, in dessen Begleitung eine Frau war, die auf eine unerklärliche Weise verschwand, während der Pförtner die Leiche des Zigeneuers fortschaffte. Aber die Freunde der neuen Heiligen wußten diesen Einwand triumphierend zu widerlegen und das Argument in

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sein Gegenteil umzukehren, indem sie von dem Pförtner nähere Angaben über den Tod des Zigeuners verlangten. Der Pförtner konnte aus eigener Wahrnehmung bekunden, daß jener Zigeuner mit einem gotteslästerlichen Fluch auf den Lippen gestorben, also, wie man wohl annehmen dürfe, geradewegs zur Hölle gefahren war; einen solchen Menschen mit einer Frau in Verbindung zu bringen, deren Lebenswandel unbestrittenermaßen der einer Heiligen war, erschien allen als eine frivole Lästerung. Die Zuhörer auf der Tribüne wurden wieder sehr erregt [ ? ], viele ballten die Fäuste gegen den advocatus diaboli und es war zu befürchten, daß es wiederum zu Gewalttätigkeiten kam, nachdem bereits soviel Blut geflossen war. Der advocatus diaboli erschrak, als er das erkannte; nicht aus Furcht um sein Leben, denn er war ein mutiger Mann und zu jedem Martyrium bereit aber aus Sorge um den Frieden und die Einigkeit des öffentlichen Lebens. Er machte jetzt nur noch geltend, daß die Heilige vielleicht aus ihrer Heimat nach Rom geschwebt sei - pósito, non concesso daß aber dann immer noch die erforderliche Zahl der Wunder (in diesem Falle mußten es vier sein) nicht erfüllt wäre. Darauf versuchten die Freunde der Heiligen eine Reihe weiterer Nachweise, die ihnen zwar nicht gelangen, die aber den Ruhm der neuen Heilige vermehrten und ihre Verehrung verbreiteten. Daß die weitere Fortsetzung des Prozeßes diese Verehrung noch weiter ausdehnen werde, konnte nicht zweifelhaft sein. Bei einer solchen Lage der Dinge ergab sich das Ende des Prozeßes mit zwingender Notwendigkeit von selbst. Die Verehrung mußte geduldet werden, auch wenn keine Heiligsprechung erfolgte. Also erging denn über jene Frage, die so viele Diskussionen und soviel Unheil heraufbeschworen hatte, eine Entscheidung, die den Frieden und die Einigkeit des öffentlichen Lebens wiederherstellte und die kirchliche Autorität sprach das letzte Wort: tolerari opotest.

[11]

XII.

Ich habe die Geschichte vom treuen Zigeuner vielen erzählt. Zuerst Agnes Schröder in Berlin, Ende Februar 1922; sie schien anfangs sehr gerührt, aber nach einigem Überlegen hielt sie es für sicher, daß der Zigeuner überhaupt nicht treu war. Dann Miss Doris Abbott aus Boston, U.S.A.; sie war entzückt und nannte den Zigeuner einen nature's gentleman, empfahl dringend die Geschichte in die Knabenlesebücher aufzunehmen, damit die Deutschen endlich einmal ein würdiges Beispiel der Nacheiferung vor Augen hätten, aber natürlich dürfe der Zigeuner nicht fluchen. Die scheinbar klügste Frau, die ich bis dahin kennen gelernt hatte (sie stammte aus der früheren Habsburgischen Monarchie) sagte: das ist die Geschichte jeder Ehe, worauf ein norddeutscher Student der deutschen Philologie von Strindberg sprach, anscheinend um seine hoffnungslose psychologistische Verdummung kundzutun. Hans Pichler, der Philosoph, erkannte sofort einen geschichtsphilosophischen Tiefsinn. Auf seine, wie es sich für einen Philosophen ziemt, abstrakt gehaltene Bemerkung nannte eine lettische Studentin, die begeisterte Bolschewi-

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stin war, den Zigeuner ein Symbol des den kapitalistischen Luxus tragenden Proletariers, während ein junger russischer Jude es für methodisch richtiger hielt, in begrifflicher Allgemeinheit von dem Verhältnis der ökonomischen Basis zum ideologischen Überbau zu sprechen. Franz Blei konnte ich die Geschichte leider nicht erzählen; aber ich zweifle nicht, daß er sie auf die Beziehungen der offiziellen Kirche zu der die Kirche immer weiter schleppenden, aber trotzdem zur Hölle führenden Häresie deuten würde. Dagegen hörte ich aus dem Munde einer Irländerin, Kathleen Murray, die Versicherung, daß sie niemals eine schönere Apologie des römischen Katholizismus gehört habe. Nach dem perfiden Tiefsinn jener Ansicht von Franz Blei war das eine große Beruhigung. Aber ich möchte die Geschichte doch noch einmal erzählen.

I I I . F r a u i m Staat (1930) Beim nachstehenden Text handelt es sich um einen Vortrag, den C.S. am 6. Dez. 1930 im ,Katholischen deutschen Frauenbund4 gehalten hat. Es sprechen mehrere Indizes dafür, daß er frei gesprochen und hinterher, an Hand einer stenographischen Unterlage, niedergeschrieben worden ist: (a) hinter einem Wort steht - ohne Grund - zwischen Klammern ein Fragezeichen (S. 6); (b) dreimal ersetzen Punkte fehlende Satzteile (S. 8, 9 und 14); (c) mehrere Sätze sind unelegant und manche Wiederholung wirkt störend. Wie ich bereits in Schmittiana III, S. 81 FN 12 mitgeteilt habe, erfuhr ich von C.S. (Brief vom 11. Januar 1968), daß über diesen Vortrag in der katholischen Zeitung ,Germania' berichtet wurde; wahrscheinlich hat sein langjähriger Freund Pau\ Adams (1894-1961; vgl. Schmittiana III, S. 117-118) den Bericht geschrieben. Da mir Herr Günter Maschke (geb. 1938) mitteilte, daß über den Vortrag auch im „Ring" berichtet wurde (Telephonat vom 14. März 2000), habe ich den diesbezüglichen Jahrgang dieser Wochenschrift durchblättert und herausgefunden, daß nicht über den Vortrag im Frauenbund, sondern über einen am Tag vorher, also am 5. Dezember, im Plenarsaal des Reichswirtschaftsrates von C.S. gehaltenen Vortrag, im „Ring" Bericht erstattet worden ist. Die Argumentation und die Thesen der beiden Vorträge überschneiden sich jedoch, ja teilweise sind sie sogar identisch, eine Feststellung, die die im Einführungsparagraphen formulierte Hypothese noch erhärtet. Informationshalber teile ich den Bericht als Anlage mit. Wie dem ferner auch sei, das Typoskript des Vortrags im Frauenbund befindet sich im C.S.-Nachlaß (Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Bestand: RW 265-20100). Für die Abdruckgenehmigung bin ich dem verehrten Kollegen Becker zu aufrichtigem Dank verpflichtet. Denn der Text berührt Themen, die C.S. damals in Atem hielten, z. B. das Wahlverfahren, und aus seiner persönlichen Überzeugung über die deutsche Lage macht er kein Hehl. Auch die Hinweise auf zwei Heiligen sind bedeutungsvoll. Der Uniformität habe ich für ß statt für ss, und für ü bzw. ä statt für ue bzw. ae optiert. Nur offensichtliche Tippfehler sind stillschweigend berichtigt worden. Die wenigen Fußnoten stammen von mir. RT.

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Meine sehr verehrten Damen und Herren! [1] Es wird mir sehr schwer, unter dem tiefen Eindruck der Worte Ihrer Vorsitzenden in dem sachlichen Tone zu Ihnen zu sprechen, den ich mir vorgenommen hatte, den ich von meinen Vorlesungen her gewohnt bin und zu dem ich mich als Wissenschaftler und Gelehrter verpflichtet fühle. Das soll nicht bedeuten, daß ich als Fremder von den Dingen rede, um die es sich handelt, von dem Staat, um den es sich handelt. Ich weiß, daß es nicht möglich ist, von diesen Dingen und dem eigenen Staat so zu sprechen, als ginge einen alles das nichts an. Es ist ein Mißverständnis des Begriffs der Sachlichkeit und der Wissenschaftlichkeit, wenn jemand so tut, als könne er etwas von außen betrachten, mit dem er in seiner Existenz verbunden ist. Ich möchte zu dem sehr weiten Thema „Frau im Staat" zunächst ein paar naheliegende Bemerkungen machen, die sich ohne weiteres aus der heutigen Situation ergeben. Es wird bei der Art zu denken, die heute in Deutschland und auch anderen Ländern verbreitet ist, das Nächste sein, an Fragen der Wahlstatistik zu denken, und das ganze Problem der „Frau im Staat" als eine Angelegenheit der Wahlstatistik aufzufassen, und die Frage zu stellen, wie wählt die Frau? usw. Mir ist von der letzten Wahl her noch keine umfassende und vollständige Wahlstatistik bekannt; aber Sie werden wahrscheinlich auch wissen, daß aus einer ganzen Reihe von großen Städten Wahlstatistiken vorliegen, die die Ziffern der männlichen und weiblichen Stimmen mit einander vergleichen. Man kann so ungefähr den Prozentsatz der abgegebenen Stimmen berechnen. Es ist eingetreten und hat sich sehr schnell als Tatsache verbreitet, daß ein besonders hoher Prozentsatz weiblicher Stimmen beim Zentrum zu treffen ist. Die Ziffer schwankt zwischen 60 und 70%. Bei den Sozialdemokraten sind ungefähr die Hälfte weibliche Stimmen. [2] Unter 50% bleiben die Nationalsozialisten mit 45% und verhältnismäßig am wenigsten weibliche Stimmen findet man bei den Kommunisten mit etwa 3 2 34%. Es ist aber nun nicht so, als ob das Zentrum die meisten weiblichen Stimmen hätte! In andern Gegenden, wie z. B. Thüringen, hat der Christlich-Soziale Volksdienst, der evangelisch ist, eine viel höhere Zahl weiblicher Stimmen, etwa doppelt so viel. Das ist eine Teilstatistik mit allen Vorbehalten und es ist die Frage, wie weit man aus diesen Ziffern allgemeine Schlüsse ziehen kann, denn damit erst werden solche Statistiken verwendbar. Es liegt nahe, zu sagen, daß die Frauen nicht gern für die radikalen Parteien stimmen, sondern im allgemeinen konservativ sind, wobei sehr fraglich ist, was „konservativ" bedeuten soll; es liegt ferner nahe, eine gewisse Vorliebe der weiblichen Wähler für religiöse oder konfessionelle Parteien festzustellen, was sich aus der eben gegebenen Statistik ergibt. - Das ist die nächstliegende Folgerung aus dieser Teilstatistik. Es ist äußerst gefährlich, hieraus nun gleich - selbst wenn diese Ziffern vollständig und endgültig sind - allgemeine Schlüsse zu ziehen. Statistik ist eine der pro-

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blematischsten Wissenschaften, in dem Augenblick, wo sie aufhört, Statistik zu sein und man versucht, praktisch verwendbare Folgerungen aus ihr zu ziehen. Man kann die Ziffern der Nationalsozialisten nicht etwa unter denselben Gesichtspunkten wie die Ziffern der Sozialdemokraten betrachten, denn sie hängen von der Größe der Partei, von der Art der Organisation, die sehr verschieden ist, und anderen Dingen ab. Das ist dabei zu beachten. [3] Ein weiteres ist zu beachten, wenn man aus diesen Ziffern einen allgemeinen Schluß ziehen will für das heutige Verhältnis der Frau zum Staat. Ich möchte auf folgendes hinweisen: Es ist bei den heutigen Wahlen so, daß in der Wahl zwei ganz verschiedene Elemente stecken. Wir sprechen immer noch in den überlieferten Vorstellungen und bezeichnen den Vorgang vom 14. September 193011 immer noch als „Wahl", mit dem Wort also, das man in der Vorkriegszeit für die Wahl der Abgeordneten gebrauchte. In Wahrheit ist es heute so, daß man sich darüber klar sein muß, daß für die Masse der abgegebenen Stimmen die Wahl etwas verschiedenes bedeutet, und zwar für einen Teil dieser Wahlmasse eine einfache, feste Gruppierung. Eine bestimmte Quote der 40 Millionen Stimmen ist fest von der Sozialdemokratischen Partei mit Beschlag belegt. Diese Partei ist anders zu betrachten als etwa die Nationalsozialisten, weil sie in sich eine andere Organisation hat. Infolge dieser festen Organisation bedeuten die für die Sozialdemokratie und für das Zentrum abgegebenen Stimmen z. B. eine ganz andere Art Gruppierung der Wähler, als die Masse der von solchen Organisationen nicht Erfaßten. In jeder Wahl steckt etwas doppeltes: einmal die Parade der fest organisierten Parteien und zum andern das plebiszitäre Element. Dieses gehört aber zu unserem heutigen Staat. Es ist bei weitem nicht so, daß etwa die Parteien den größten Teil der Wahlmassen in der Hand hätten! Die Sozialdemokratie mit etwa 1 Million eingeschriebener Stimmen hätte also den 40. Teil der Wähler. Das ist aber nicht so; sie hat stets 6 bis 7 Millionen der Wahlstimmen gehabt. Man sieht, daß hier also noch etwas anderes hinzukommt. Das andere ist „Flugsand" oder wie man es nennen will, etwas was hin und her fließt und nicht stabil ist; es ist etwas, was die berufenen [4] Politiker sehr leicht mißachten oder unterschätzen, weil es schwer zu berechnen ist. Es ist die große Reserve-Armee der Nichtorganisierten. Und dies ist, glaube ich, das Element, an dem die Frauenstimmen besonders stark beteiligt sind. Es u (PT) Vgl. u. a. Wilhelm Mommsen (1892-1966) und Günther [Siegfried] Franz (1902-1992) (Hrsg.), Die deutschen Parteiprogramme 1918-1930, Leipzig/Berlin: Teubner, 1931, VI-139 S.; dort S. 139 eine Liste der Mandatsstärke der Parteien (in der letzten Kolonne diese der Wahlen vom 14. Sept. 1930). Das Buch erteilt auch Auskunft über die in C.S.s Text genannten politischen Parteien. - Über G.S. Franz, Marburger Doktorand von W. Mommsen, vgl. Wolfgang Behringer (geb. 1956), „Bauem-Franz und Rassen-Günther. Die politische Geschichte des Agrarhistorikers Günther Franz (1902-1992)", S. 114-141 in Winfried Schulze (geb. 1942) und Otto Gerhard Oexle (geb. 1939) (Hrsg.), Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag, (1999) 2000, 367 S., in der Reihe ,Die Zeit des Nationalsozialismus'.

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ist besser, dieses festzustellen, als nach Statistiken zu sagen: Das Zentrum ist eine Frauenpartei und die Kommunisten sind eine Männerpartei. Es ist besser, diese Unterscheidungen zu machen und sich den Vorgang so vor Augen zu führen. Das entspricht auch dem alten Idealbegriff einer Partei, denn danach soll eine Partei kein festes Gebilde sein, sondern ein auf freier Werbung beruhendes Gebilde, wie 1848 und auch noch 1900. Es gab zwar eine Fraktion im Parlament, im übrigen aber bestand weiter keine feste Organisation. - Wir sehen jetzt jedoch überall, daß sich alle Parteien fest zu organisieren suchen und sind leicht geneigt, die freien Elemente zu übersehen. Die plebiszitäre Masse, die unter irgend einem Eindruck der letzten Zeit vor dem Wahltermin protestiert, nichts anderes als ja oder nein zu sagen weiß, stellt das fluktuierende Element dar; es ist unrecht, sie zu verachten. Gerade den Leitern festorganisierter Parteien liegt dies nahe. Sie sprechen von mangelnder Disziplin der Wählermassen. Unser sorgfältig ausgebautes Wahlgeheimnis soll es ja aber gerade dem einzelnen Wähler ermöglichen, sich einer Organisation zu entziehen. Ich darf hier also das Wort der Verteidigung für diesen berüchtigten „Flugsand" vorbringen. Es gibt doch gewöhnlich sogar den Ausschlag, namentlich bei uns, wo sich nur sehr schwache Mehrheiten in den Parlamenten bilden. Nun hat man, namentlich von kommunistischer Seite, mit großem moralischem Pathos von diesem „Treibholz" gesagt, daß es unmöglich sei, daß diese unorganisierten Wähler den Ausschlag geben sollen, während die festorganisierten Massen sich das Gleichgewicht halten. Diese Masse mit ihren [5] unkontrollierbaren Stimmungen solle das Element sein, daß bei der Entscheidung des politischen Willens den Ausschlag gibt? Ich möchte noch etwas zur Verteidigung dieser plebiszitären Masse sagen. Es entspricht nicht dem Sinne eines Staates mit freiem Wahlrecht, daß sozusagen das ganze Volk restlos in 1,5, 10 festorganisierte Parteien einregistiert ist, daß feste Armeen aufmarschieren, und auf diese Weise die Zersplitterung des Volkes noch stärker wird. Es gehört zu jeder Demokratie ein solches fluktuierendes Element, sonst wäre ja die ganze Wahl wieder nichts als ein Appel der verschiedenen Parteiregimenter und man könnte sich diese kostspielige und aufregende Sache schenken. Es sind jedoch sehr merkwürdige Erscheinungen zu beobachten. Man hat gesagt, Hindenburg sei von Frauen gewählt. Plötzlich erscheint eine Million Stimmen, man sagt Frauenstimmen, und verschwindet dann abenso plötzlich. Hoovers Wahl in Amerika... Die Merkwürdigkeit dieses Vorganges bestand darin, daß zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten, in diesem bei selbstverständlich größter Religionsfreiheit protestantischen Land, ein katholischer Präidentschaftskandidat von einer Partei in aller Form präsentiert wurde 12 . Plötz12 (PT) Frank Freidel, Les Etats-Unis d'Amérique au XXe siécle (aus dem Amerikanischen übersetzt), Paris: Sirey, (1960) 1966, XVI-454 S., in der Reihe ,L'Histoire du XXe siécle4;

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lieh erschienen ein bis zwei Millionen weiblicher Stimmen, die nicht duldeten, daß ein Katholik Präsident der Vereinigten Staaten würde. An diesen Vorgang möchte ich erinnern; er gehört zum lebendigen Wesen einer Demokratie. Die plebliszitäre Masse erscheint stets in entscheidenden Momenten um Ihr , Ja" oder „Nein" zu irgend einem Vorgang abzugeben. [6] Ich glaube, es ist unrichtig, zu meinen, man kenne eine Partei, wenn man ihr Programm liest! Es handelt sich heute nicht mehr um Honoratioren, Parteien und alles das! Das Merkwürdige unserer Zeit sind die Akklamationen der Wählermassen, die sich einer Berechnung entziehen. Man sieht gewöhnlich nur das unsympathische, unrationelle eines solchen Vorganges. Man darf nicht nur die schwarze Seite betonen. Ich möchte dieses Element im Leben der Demokratie nicht missen. So stellt sich heute die Gesamtsituation eines modernen demokratischen Staates dar. Die Masse der Wähler ist teils erfaßt von festen Organisationen, teils dieses fluktuierende Element, das bei einer Wahl irgend welcher Art akklamiert und dadurch einen Willen äußert. So weit nicht das herrscht, was man eine Diktatur nennt, ist dieses Phänomen in allen Ländern zu beobachten; es galt bisher als ein Zeichen der demokratischen englischen Gesinnung, ganz sorgfältig auf diese Zeichen zu achten und sie unter allen Umständen zu respektieren. In der Gesamtsituation unseres Staates ist heute eine Wahl etwas doppeltes: Einmal die Stellungnahme der festorganisierten Wähler und zweitens die nicht organisierten Elemente. Je mehr die Sache an die Diktatur heranrückt, um so stärker wird das zweite Gesicht. Jede gute Diktatur (gut im technischen Sinne) stützt sich auf ein solches Plebiszit. Wenn es einer Faschistischen Regierung gelingt, das berühmte Plebiszit vom März vorigen Jahres zu veranstalten und ohne offenkundigen Terror die ungeheure Mehrheit der italienischen Wähler dazu „Ja" sagt13, so sieht man, wie stark die Neigung jeder Volksmasse dahin geht, zu dem, was eine erträgliche Regierung einigermaßen gut gemacht hat, Ja" zu sagen und die Regierung handeln zu lassen. Man müßte einer Regierung eigentlich einmal Zeit lassen und ihr die Möglichkeit geben, gewisse Erfolge zu haben und über schwierige Situationen

dort S. 171. Der katholische Gouverneur des Staates New York, Alfred E. Smith, war der Kandidat der Demokratischen Partei. 13 (PT) Vgl. Giovanni de Luna (geb. 1943), Benito Mussolini in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1978, 158 S., Nr. 270 in der Reihe »Rowohlts Monographien'; dort S. 67-68: „ . . . An Stelle der traditionellen politischen Wahlen fand am 24. März [1929] ein »nationales Plebiszit' zur Erneuerung der faschistischen Kammer statt. Es handelte sich darum, mit ,Ja' oder ,Nein' über eine Vierhundert-Namen-Liste abzustimmen, die der Faschistische Großrat aufgestellt hatte: ... Es gab 8.517.838 Ja-Stimmen und nur 135.773 Nein-Stimmen." de Luna zufolge sollen die Lateranverträge und das vom Papst für Benito Mussolini (1883-1945) erfundene „ungewöhnliche Attribut des »Mannes der Vorsehung'" zu diesem Ergebnis beigetragen haben.

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[7] hinwegzukommen, so würde ein so loyales Volk wie das deutsche sicher auch zu der Regierung , Ja" sagen. Es wird etwas sehr kostbares zerstört, politisch kostbar im Sinne der Aktionsmöglichkeit eines Volkes, wenn man die plebiszitären Elemente vernichtet und ihre natürliche Neigung, einer einigermaßen anständigen Regierung Recht zu geben, vernichtet. Auch dafür sind leider genug Anfänge im heutigen Deutschland vorhanden. Ich sprach eben von der Gesamtsituation in Deutschland. Diese ist nun nicht nur kritisch, sondern sie ist, wenn ich eine andere Bezeichnung gebrauchen darf, in der Tat abnorm! Diese Unmoral der gesamten deutschen Situation ist der Ausgangspunkt für jede richtige Erfassung der Gesamtsituation unseres heutigen Staates. Die Erklärung dafür liegt nicht zum Geringsten darin, daß wir immer noch nicht so weit sind, unsere Begriffe und Sprechweise der neuen Situation anzupassen. Die Gesamtsituation ist im tiefsten Sinn abnorm und ich darf das mit einigen Sätzen noch etwas näher darlegen. Ich sehe die Abnormität in verschiedenen Dingen, namentlich aber in folgendem: Die Situation jeden Staates von einer gewissen geschichtlichen Bedeutung ist durch eine merkwürdige Wendung des gesamten Staatswesens zu dem gekommen, was ich als eine Wendung zum Totalstaat bezeichen möchte. Unser ganzes Jahrhundert, unsere ganze politische Rede- und Denkweise wird beherrscht von der Vorstellung des neutralen Staates, d. h., der Staat hat gegenüber der Religion, der Kultur und der Wirtschaft neutral zu sein, indifferent und neutral im Sinne der Nicht-Intervention, d. h. der Nicht-Einmischung in diese Dinge, namentlich in die Wirtschaft. Die Wirtschaft hat bekanntlich ihren eigenen Automatismus, Angebot und Nachfrage. Das regelt sich von selbst und Jeder, der vom Staat her eingreift, stört. Die Wirtschaft [8] bringt sich namentlich dadurch in Ordnung, daß von Zeit zu Zeit Krisen stattfinden. Während dieser gibt es Arbeitslose, zusammengebrochene Industrien. Das alles ist nach der liberalen Auffassung eine Wirtschaft dadurch ruinieren, daß man aus den besten Motiven in diesen freien Automatismus hineingreift und ihn zu korrigieren versucht, während man warten sollte, bis er sich von selbst ordnet. Das war in der Tat der Glaube des 19. Jahrhunderts und ist es heute noch in sehr weiten Schichten der Bevölkerung. Daß das heute noch die Überzeugung der großen Menge der Gewerbetreibenden ist, [davon] können Sie sich täglich überzeugen. Andererseits ergreift der Staat gerade dieses Gebiet der Wirtschaft mit allen möglichen Dingen, nicht nur mit Sozialpolitik, Handelspolitik usw. Mit einem Wort, der Staat ist ein Wirtschaftsstaat geworden, ein Steuerstaat. Nun habe ich noch keinen Praktiker des Wirtschaftslebens gesehen, der nicht Subventionen für sich verlangt hätte, wenn seine wirtschaftliche Praxis Erfolg haben soll, der aber gleichzeitig in der Erwerbslosenunterstützung einen Eingriff in das Sich-SelbstRegulieren der Wirtschaft gesehen hätte. Wenn ein Staat nicht mehr ist als eine Or-

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ganisation derartiger Interessengruppen, kann man keine politischen oder Gesamtprobleme mehr Ich glaube nicht, daß man die Entwicklung zurückschrauben kann und plötzlich alles wieder sich selbst überlassen. Das ist in Deutschland nicht möglich, weil Deutschland nicht nur ein Wirtschaftsstaat, ein Steuerstaat, ein Fürsorgestaat ist, sondern vor allem ein Reparations-Staat. Hier hört von selbst der freie Automatismus auf, denn die Milliarden für die Tribute müssen vom Staat aus der Wirtschaft herausgenommen werden. So weit ist noch niemand gegangen, zu sagen, daß man diese Tribute einem privaten Konsortium überlassen soll. Es ist also mit einem Wort, nichts [9] daran zu ändern: dieser Staat ist ein Wirtschaftsstaat. Aber wir haben uns noch nicht klar gemacht, was das bedeutet. Wir gehen immer noch davon aus, daß die Wirtschaft etwas ganz anderes ist als der Staat. Aber selbst eine so vorsichtige Regierung wie die gegenwärtige, macht doch ununterbrochen Notverordnungen, die ausschließlich wirtschaftlichen Inhaltes sind: Steuerverordnungen, Haushaltsgesetze und dergleichen. Das alles wird heute auf Grund der Befugnisse des Ausnahmezustandes von der Regierung unternommen. Aber auch dieser ist ein wirtschaftlicher Ausnahmezustand geworden und hier offenbart sich der Kern des Staates in seinem eigentlichen Wesen wie er ist. Da kann man leicht vom „sozialen Staat" reden. Auch hier muß man deutlicher unterscheiden. Auch das Schlagwort vom „Sozialismus" ist ein völlig veränderter Begriff geworden. Wenn man heute die politische Entscheidungsfrage so stellen würde: Kapitalismus oder Sozialismus?, würde höchstwahrscheinlich die Entscheidung für den Sozialismus fallen. Aber derartige Fragestellungen wären ein Unglück und ein Unverstand. In Wahrheit weiß heute noch Niemand, was es ist, eine sozialistische Wirtschaftsordnung. Das alles sind vorweg genommene Schablonen, die in die Entwicklung eine ganz neue Richtung bringen und in der Tat eine sehr starke Tendenz haben, auf Grund eines Wirtschaftssystems die Entscheidung zu forcieren. Ein einfaches Faktum: stellte man das deutsche Volk vor die Frage Kapitalismus oder Sozialismus, und fiele die Entscheidung für den Sozialismus aus, so wäre das überhaupt keine Entscheidung. Eine Entscheidung, wenn sie politisch ist, bedeutet immer eine Entscheidung für konkrete Gesetze und Menschengruppen. Ob durch diese Entscheidung etwa die sozialdemokratische Partei-Organisation mit ihrem Gewerkschaftsapparat zur Herrschaft kommt, oder die Kommunisten oder die Nationalsozialisten, die sich auch als Sozialisten bezeichnen ... Es kommt nicht auf der[10] artige abstrakte Fragestellungen sondern darauf an, daß man konkret politisch denkt und weiß, nicht Maschinen entscheiden sich für Ordnung, sondern dahinter steht die Frage, wer durch diese Entscheidungen die politische Macht bekommt. Es sind dies immer sehr konkrete Organisationen und sehr konkrete außen3 Schmittiana VII

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politische Gruppierungen. Die Entscheidung für den Sozialismus kann für Deutschland bedeuten: Anschluß an Rußland, bei den Nationalsozialisten ein Bündnis mit Italien, usw. Das im tiefsten Sinne Abnorme der heutigen Situation liegt darin, daß wir immer noch nicht wissen, in welchem Maße der Staat die Wirtschaft erfaßt hat und daß in den meisten Staaten immer noch unverändert die Worte des ganz anders gearteten XIX. Jahrhunderts weitergeführt werden. Wir sind ja garnicht mehr in einem liberalen Staat. Wir sind ja auch werden wir sagen - wir haben eine parlamentarische Regierung - in einer ganz anderen Situation als wenn wir 1890 eine parlamentarische Regierung hatten. Kein unbefangener Betrachter kann sich dem Ein-druck entziehen, daß diese Regierung gar keine Diktatur sein will, trotzdem gerade diese Regierung gezwungen ist, Notverordnungen zu erlassen, deren Möglichkeit keiner unserer liberalen Väter überhaupt nur für menschenmöglich gehalten hätte. Undenkbar, daß eine Regierung, auch noch mit einem Zentrumsmann an der Spitze, auf dem Wege der Notverordnung Steuern auferlegt hätte, und daß das auch sogar funktionieren würde! Das Alles ist uns noch nicht genügend bewußt und trägt dazu bei, daß man fühlt, die begriffliche Erfassung dieser Situation ist noch nicht vorhanden. Wir leben immer noch in dem Staat des XIX. Jahrhunderts und werden in Wirklichkeit doch von allen Seiten aus diesem Staat herausgestoßen. Wir leben nicht in einem Minimum von Staat, sondern schon beinahe in einem totalen Staat, der alle Gebiete des menschlichen Lebens ergreift und registriert. [11] Hierzu kommt die außenpolitische Situation, die an sich vielleicht noch viel abnormer ist. Vor allem deshalb, weil die ganze Welt von Stichworten beherrscht wird, deren Bedeutung man nicht fassen kann. Viele Menschen haben gesagt, daß sich überall das Gefühl verbreite, betrogen zu sein. Daß wir 1918 betrogen worden sind, das wissen wir. Aber noch viel stärker als in Deutschland ist das Gefühl, betrogen zu sein, in Italien 14 ; betrogen nicht um irgend ein Stück Land oder dergleichen, sondern es herrscht vor allem das Gefühl, überhaupt in einer Atmosphäre des Betruges zu leben. Wir leben in einer Zeit, in der die intensivste Form der Herrschaft nicht in Form von Annektionen ausgeübt wird, sondern im Namen der Freiheit, vor allem im Namen des Friedens und im Namen der Menschheit. Jeder große Staat, der im Namen der Menschheit handelt, begründet damit sein Machtbedürfnis über seine nationalen Grenzen heraus und seinen Imperialismus. So erleben wir die ungeheure Enttäuschung, daß gerade die Worte von Frieden und Menschlichkeit die spezifischen Instrumente eines besonders rücksichtslosen und grausamen Imperialismus geworden sind. Nur im Namen der Menschheit wird die Menschheit unterdrückt und beherrscht. Es ist doch eine abnorme Situation, wenn ein großer Teil der Menschheit das Gefühl hat, die ganze berufliche und ideelle Atmosphäre 14 (PT) Das 1915 in London geschlossene Geheimabkommen hatte Italiens Kriegseintritt an alliierter Seite zur Folge, aber nach 1918 wurden die zugesagten territorialen Versprechen nicht eingelöst.

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der ganzen Welt ist eine Atmosphäre der Lüge und des Betruges. Es ist erklärlich, daß unberechenbare Aktionen einzelner Völker aus dieser Einstellung hervorgehen müsssen. Auf die Frage nach dieser Abnormität, die viel mehr Menschen innerlich empfinden als es zum Ausdruck bringen, kann ich nur sehr verschieden antworten. Ich kann mit einem verzweifelten „Nein" antworten, daß irgendwohin zurückverlangt, nach einer Restauration vergangener Dinge. - Ich sehe besonders beim deutschen Volk drei Möglichkeiten verbreitet. Man kann [12] in einer durchaus verzweifelten Weise „Ja" sagen in dem Sinne, daß ich es mit vollem Bewußtsein zu einem tiefen Chaos sage; daß ich sage, die Welt ist bis in ihre tiefsten Atome hinein in Unordnung und wir haben genug psychische und physische Kraft um auch im Chaos zu beharren. Das halte ich für eine typisch deutsche Antwort, aus dem Überschuß an Kraft dieses Volkes entstanden und noch aus vielen andern Dinge erklärlich. Gerade die Ablehnung jeder Restauration, jeder Utopie in der Zukunft ist ein leicht zu erkennendes Phänomen gerade bei guten Deutschen. Es entspricht der Denkweise eines Soldaten, der gesehen hat, was der Krieg ist, und nun den Krieg als Krieg bejaht, weil er sagt, das ist Leben, viel intensiveres Leben als irgend ein Programm oder irgend etwas von Menschen ausgedachtes. Demgegenüber fragt es sich, ob noch die Möglichkeit einer Vorstellung dessen zu haben, was normal und natürlich, durch die Umgestaltung der Erdoberfläche, durch alle die überraschenden und verblüffenden Änderungen unserer äußeren Situation diese Vorstellung festzuhalten. Ich meine dies nicht als ein Programm oder als eine Utopie, sondern als ein ruhiges und sicheres Wissen von dem, was normaler und menschlicher (oder gesetzlicher?) Natur ist, was ihre Gegebenheiten und ihre nationalen Maße sind. Ich gehe an den Anfang meiner Ausführungen zurück. Ich glaube, daß es notwendig ist, daß die Frauen wählen, daß sie sich im politischen Leben betätigen. Ich sehe den großen Wert nicht nur in der politischen, sondern auch in der sozialen Praxis. Aber es muß hinzukommen das, was all dem erst seinen Sinn gibt, nämlich die Vorstellung einer in der Natur des Menschen selbst begründeten Ordnung und des natürlichen Maßes. Ich glaube, [13] daß die wichtigsten Trägerinnen dieser Vorstellung von einer natürlichen Ordnung und Selbstverständlichkeit die Frauen eines christlichen Volkes sind: als Trägerin der Familie, der Kindererziehung, als diejenigen die die Sprache eines Volkes tragen. In Zeiten einer so maßlosen Abnormität wie der, in der wir leben, kommt alles darauf an, ob diese natürlichen Maße lebendig bleiben oder nicht. Das ist oft in der Geschichte der christlichen Völker geschehen und geschieht eigentlich täglich. Ich bin überzeugt, daß durch die Geduld unbekannter Frauen die Ordnung intensiver aufrecht erhalten wird als durch irgendwelche äußerlichen Aktionen, und ich würde es für eine große Gefahr halten, wenn auch dieser bisher in 3*

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einem wohltuenden Dunkel gebliebene Teil unseres Volkes in das Licht der Illustrierten Blätter 15 hineingezerrt wird. Ich glaube, daß es in jedem Volke diese unendliche Summe von täglicher Frömmigkeit und Geduld gibt, die aus dem Bewußtsein entsteht, daß auch die abnormste und rätselhafteste Situation nicht so zu nehmen ist, als wäre dies nun das Ende aller Zeiten, als hätte die Menschheit niemals etwas derartiges erlebt. Wenn ich sagte, es liegt also so, daß diese Reihe unbekannter Menschen die Ordnung mitträgt, daß sie dazu gehört, so muß ich doch hinzufügen, daß es auch sehr leuchtende und auffällige Beispiele dafür gibt, wie diese von einer Frau getragene Ordnung mit frauenhafter Selbstverständlichkeit auf einer politischen Bühne erschien, auf der man alles andere erwarten sollte, als das Auftreten einer unbekannten Frau. Ich denke dabei an zwei christliche Heilige, die in abnormer Situation erschienen: einmal an Katharina von Siena , die es in tiefster Abnormität der kirchlichen Verhältnisse, als der Papst in Avignon gefangen saß, als Frau verstanden hat, den Nachfolger [14] Petri wieder nach Rom zurückzuführen 16 und die Ordnung wieder herzustellen, die für uns darin liegt, daß der Papst in Rom und nicht in irgend einer andern Stadt seine Residenz hat. Die andere politische Heilige ist die Heilige Johanna, die ihr Volk aus einer verzweifelten militärischen Lage befreit hat, die aufgestanden ist als ein Mädchen und ihr Land rettete und zwar so, daß eine unzerstörbare Nation, wie die französische Nation, bis auf den heutigen Tag von diesem Ereignis ihre Geburtsstunde ableitet 17 . Fast jeder Satz aus dem Mund dieser Heiligen ist eine Antwort, die jede Nation sich geben kann. Es gehört zu der überirdischen Kraft einer christlichen Heiligen, daß auf die Kraft ihrer Worte und Taten gleichzeitig jede andere Nation sich berufen kann. Wenn diese Heilige auf die Frage, ob sie überhaupt wolle, daß Gott die Engländer hasse, geantwortet hat, sie wisse dies nicht, sie wisse aber, daß die Engländer aus Frankreich herausmußten, so ist dies eine Antwort, die jedes Volk durch den Mund dieser Heiligen seinen Unterdrückern und Ausbeutern geben muß. Ich weiß, wie schrecklich die Lage in Deutschland heute ist: innenpolitisch eine grauenhafte Unordnung, außenpolitisch die grauenvolle Situation eines aufs äußer(PT) Gemeint ist die humoristische Wochenzeitschrift „Fliegende Blätter 44, die 18441928 erschien. 16 (PT) Die Hl Katharina von Siena (eig. Katharina Benincasa; 1347- 1380), eine Mystikerin, überzeugte Papst Gregor XI. (eig. Pierre Roger de Beaufort; 1329-1378) von der Notwendigkeit, Avignon zu verlassen und nach Rom zurückzukehren (1377). 17 (PT) Die Hl Johanna (eig. Jeanne d'Arc; 1412-1431) hat, angeblich einem göttlichem Auftrag Folge leistend, im Hundertjährigen Krieg versucht, die englischen Invasoren aus Frankreich zu vertreiben. Zeitlebens hatte C.S. ein Faible für die sog. ,Pucelle4; vgl. Schmittiana III, S. 81 FN 12 (zu dem dort erwähnten Film, vgl. den anonymen Bericht ,Johanna von Orleans im Film 44 in: Der Ring (Berlin), 1. Jahrg. Nr. 49, 2. Dez. 1928, S. 948-949). Vgl. auch in diesem Band, S. 232 FN 33.

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ste gewaltsamen Feinden ausgesetzten waffenlosen Landes. Dem allem kann man nur das Bewußtsein innerer Ordnung, die wir als ein christliches Volk wollen, entgegenhalten, um in dieser moralischen und geistigen Wirrnis überhaupt als Volk weiterbestehen zu können. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß Hunderttausende deutscher Frauen dieses Wissen um die natürliche Ordnung lebendig erhalten. Ich vertraue darauf, daß diese Ordnung eines Tages wieder sich ... [Schlußwort].

Anlage Quelle: „Der Ring. Unabhängige Wochenschrift für nationale Politik" (Berlin) 3. Jahrg. Nr. 51, den 21. Dezember 1930, Monatsbeilage 5 - S. 912

Carl Schmitt über den totalen Staat Der bekannte Staatsrechtslehrer Carl S c h m i t t sprach am 5. Dezember 1930 im Plenarsaal des Reichswirtschaftsrates. Es war bedeutungsvoll, gerade in diesem Augenblicke der innerpolitischen Verwirrung den Autor der „Politischen Theologie", der „Geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus", der „Diktatur" und der „Politischen Romantik" eine strenge Analyse der gegenwärtigen politischen Gesamtsituation vortragen zu hören. Diese Gesamtsituation in Deutschland ist nicht nur kritisch, sondern geradezu abnorm; und diese A b n o r m i t ä t ist der Ausgangspunkt für jede richtige Erfassung der Gesamtsituation des heutigen deutschen Staates. Zu unserem Unglück sind wir noch nicht so weit, unsere Begriffe und Sprechweisen der neuen Situation anzupassen. Die Abnormität liegt vor allem darin, daß jeder Staat von einer gewissen geschichtlichen Bedeutung durch eine merkwürdige Wendung des gesamten Staatswesens heute zu dem gekommen ist, was Carl Schmitt als eine W e n d u n g z u m t o t a l e n Staat bezeichnet. Dabei wird unsere Rede- und Denkweise noch ganz beherrscht von Begriffen und Formen des n e u t r a l e n Staates, wie sie in der Situation des 19. Jahrhunderts entstanden. Aber Deutschland ist heute nur ein Wirtschaftsstaat, ein Steuerstaat, ein Fürsorgestaat und vor allem ein R e p a r a t i o n s s t a a t : hier hört von selbst der A u t o m a t i s m u s d e r f r e i e n W i r t s c h a f t auf, denn die Milliarden für die Tribute müssen vom Staat aus der Wirtschaft genommen werden. Der Kern des heutigen Staates offenbart sich darin, daß sein Ausnahmezustand ein w i r t s c h a f t l i c h e r A u s n a h m e z u s t a n d ist. Selbst eine so vorsichtige Regierung wie die gegenwärtige ist in die Lage versetzt, auf Grund der Befugnisse des Ausnahmezustandes fortwährend Notverordnungen zu erlassen, die ausschließlich wirtschaftlichen Inhalts sind. Während wir uns immer noch in den Vorstellungen des Staates vom 19. Jahrhundert bewegen, werden wir in Wirklichkeit von allen Seiten aus diesem Staat herausgestoßen. Wir

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leben nicht mehr in einem M i n i m u m v o n S t a a t , sondern schon beinahe in einem totalen Staat, der alle Gebiete des menschlichen Lebens ergreift. Noch viel abnormer ist die a u ß e η ρ o 1 i t i s c h e Situation. Wir leben in einer Zeit, in der die intensivste Form der Herrschaft nicht in der Form von Annektionen ausgeübt wird, sondern im Namen der „Freiheit", vor allem im Namen des „Friedens" und im Namen der „Menschheit". Jeder große Staat, der im Namen der Menschheit handelt, begründet damit sein Machtbedürfnis über seine nationalen Grenzen hinaus und seinen Imperialismus. So erleben wir die ungeheure Enttäuschung, daß gerade die Worte von Frieden und Menschlichkeit, die spezifischen Instrumente eines besonders rücksichtslosen und grausamen Imperialismus geworden sind. Nur im Namen der Menschheit wird die Menschheit unterdrückt und beherrscht. Die Antworten auf die Probleme dieser Abnormitäten können sehr verschieden sein. Carl Schmitt sieht beim deutschen Volke besonders drei Antworten verbreitet, die alle drei etwas Verzweifeltes haben, neben der r e s t a u r a t i v e n vor allem eine solche, die mit vollem Bewußtsein das C h a o s bejaht: Die Welt ist bis in ihre letzten Atome hinein in Unordnung, und wir haben genug psychische und physische Kraft, um uns auch im Chaos zu behaupten. Das entspricht der Denkweise eines Soldaten, der ohne Furcht durch den Krieg hindurchgegangen ist und nun den Krieg als Krieg bejaht wie das Leben, das intensiver als irgendein Programmoder irgendeine von Menschen ausgedachte Formel ist. Mit Recht ist dem gegenüber zu fragen, ob trotz aller Umgestaltungen der Erdoberfläche und durch alle die überraschenden und verblüffenden Veränderungen unserer äußeren Situation hindurch noch die Möglichkeit einer Vorstellung vom Normalen und Natürlichen festzuhalten ist: nicht als ein Programm oder als eine Utopie, sondern als ein ruhiges und sicheres Wissen von der in der Natur des Menschen selbst begründeten Ordnung und des natürlichen Maße. Die Antwort auf diese Frage gab Carl Schmitt in der Form eines Appells an die anonymen Frauen unseres christlichen Volkes als Trägerinnen der Familie, der Kindererziehung, als diejenigen, die die Sprache eines Volkes bewahren. Zu Zeiten einer so maßlosen Abnormität wie der, in der wir leben, kommt alles darauf an, ob die natürlichen Maße lebendig bleiben oder nicht. Es gibt in jedem großen Volk ein unendliche Summe von täglicher Frömmigkeit und Geduld, die aus dem Bewußtsein entsteht, daß es ein u n c h r i s t l i c h e r B e t r u g w ä r e , aus d e r E r d e e i n Par a d i e s m a c h e n zu w o l l e n . Zu welcher Größe politischer Art diese von der Frau getragene Ordnung werden kann, wenn sie mit frauenhafter Selbstverständlichkeit auf einem geschichtlichen Schauplatz erscheint, zeigen zwei heilige Frauen: K a t h a r i n a v o n S i e n a und J o h a n n a v o n O r l e a n s . Beide p o l i t i s c h e Heilige; die eine hat den Papst aus Avignon nach Rom zurückgeführt, die andere ihr Volk aus einer verzweifelten politischen Lage befreit, und zwar so, daß die französische Nation bis auf den heutigen Tag in diesem Ereignis ihre Geburtsstunde sehen kann. Beide

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arme und bescheidene Frauen, keine Amazonen und keine Walküren. Fast jeder Satz aus dem Munde Johannas ist eine Antwort, die j e d e N a t i o n geben kann, und es beweist sowohl die überirdische Kraft einer christlichen Heiligen wie auch die innere Gerechtigkeit, die im Begriffe der Nation liegt, daß jede Nation sich darauf berufen kann. Wenn Johanna auf die Frage, ob sie behaupten wolle, daß Gott die Engländer hasse, geantwortet hat, sie wisse dies nicht, sie wisse aber, daß die Engländer aus Frankreich hinaus müßten, so ist dies eine Antwort, die jedes Volk seinen Unterdrückern und Ausbeutern durch den Mund dieser Heiligen gegeben hat.

Β. Zeugnisse EHRENFRIED SCHÜTTE

Meine Kontakte mit Carl Schmitt Im informativen Buch von Dirk van Laak (geb. 1961) ist nebenbei die Rede von einem C.S.-freundlichen Leserbrief eines Herrn Ehrenfried Schütte, von dem nur mitgeteilt wird, daß er C.S. „1952 zu einem Vortrag vor dem ,Club zu Bremen' eingeladen" hatte1. Meine Neugierde war groß, aber die vielen sonstigen Sucharbeiten hatten zur Folge, daß ich mich erst im Dezember 1998 um die Sache kümmern und die Anschrift von Herrn Dr. E. Schütte herausfinden konnte. Es ist zu einem Briefwechsel gekommen und mein neuer »Korrespondent4 hat meiner Bitte entsprochen und über seine Kontakte mit C.S. Bericht erstattet. Er wurde 1910 in Stettin geboren als Sohn des Königlich Preußischen Oberförsters, zuletzt Oberlandforstmeisters im Reichsforstamt (Berlin), und dessen Ehefrau Dagmar (geb von Zitzewitz), besuchte die Gymnasien von Köslin (Pommern) und Breslau. Nach bestandenem Abitur (1928) studierte er Jura in Breslau, Prag, Grenoble und Königsberg. Dort bestand er 1932 die Referendarprüfung, wonach er 1932-33 an der University of Denver (Col., USA) weiterstudierte. 1936 wurde er Assessor in Berlin, amtierte dann 1936-39 als Geschäftsführer der Berliner Vertretung ost-orientierter Institute und Einrichtungen in Königsberg, 1939 — 42 als General-Sekretär der in Berlin etablierten Zentrallstelle Osteuropa. Im Jahre 1940 heiratete Schütte die 1913 in Sankt-Petersburg geborene Edith Siebert (gest. 1999), die ihm drei Kinder gebahr. 1941 promovierte er in Halle/Saale zum Dr. rer. pol. Wehrdienst leistete er 1942-45 in einem Verband kaukasischer Freiwilligen. Am Ende des Krieges gelang seiner Familie die Flucht aus Pommern nach Bremen. Dorthin kam er 1946 aus britischer Kriegsgefangenenschaft. 1948-56 war er Geschäftsführer einer Studiengesellschaft, die im Bericht zur Sprache kommt, 1956-75 in der Münchener RückversicherungsGesellschaft tätig, zuletzt als Mitglied des Vorstands. Ich bedanke mich bei Herrn Dr. E. Schütte für die anstandslos gewährte Abdruckgenehmigung seines Berichts und bei seinem Bremer Freund Carl Otto Merkel 2 für die wertvolle Auskunft. Die Fußnoten stammen zwar von mir, haben Herrn Schütte jedoch vorgelegen. PT 1 (PT D. van Laak, Gespräche in der Sicherheit des Schweigens. Carl Schmitt in der politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik, Berlin: Akademie Verlag, 1993, 331 S.; dort S. 150 FN 69. Es handelt sich um die Buchausgabe einer Hagener Dissertation (Doktorvater: Professor Lutz Niethammer [geb. 1939]). 2 (PT) Von Herrn Merkel, der Leiter der alten Bremer Übersee-Firma Louis Delius & Co. gewesen ist und aus diesem Grunde vor dem Krieg einige Jahre in Lateinamerika gelebt hat, schickte mir freundlicherweise u.a einen informativen Aufsatz von Wolfgang Heyen, „ ,Gei-

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Ehrenfried Schütte

I. Der im Jahre 1931 aus der Fusion von zwei älteren Vereinen (der 1783 gegründeten Gesellschaft Bremen und der Gesellschaft von 1914) entstandene ,Club zu Bremen4 ist eine in Bremen hoch angesehene, seit alters unter verschiedenen Namen bestehende Einrichtung, die z.Zt. 1.200 Mitglieder zählt. Zusammen mit dem ,Überseeclub4 in Hamburg ist er in Deutschland wohl der einzige Club, der diesen Namen im englischen Sinne verdient. Schon 1947 wurde der Club nach Überwindung der Zulassungshürde der gegenüber alteingesessenen Einrichtungen mißtrauischen US-Militärregierung unter dem Vorsitz von Wilhelm Volkmann (1989 — 1958)3, bremischer Kaufmann alten Stils, wieder ins Leben gerufen. Die großzügigen Clubräume in der berühmten Böttcherstraße waren zerstört. Volkmann hatte den Einfall, das im Laufe der Jahrhunderte zweckentfremdete und teilweise mit Bauschutt angefüllte Kellergeschoß des »Schütting4 zu Clubräumen auszubauen. Dieser ehrwürdige Renaissance-Bau, Sitz der Handelskammer, blickt auf das am Markt gegenüber stehende gothische Rathaus, in dem der Senat der Hansestadt vorsteht: ein topographisches Zeugnis ihrer bewährten Doppelregierung durch Politik und Kaufmannschaft. Der Vorstand des Clubs berief einen Vortragsausschuß, dem es oblag, geeignete Referenten für Vorträge auszuwählen und zu gewinnen. Ich gehörte beiden Gremien an. Die Vorträge des Clubs wurden in den geistig ausgedörrten Nachkriegsjahren bald zu kulturellen und geselligen Ereignissen. Da nicht nur Wirtschaft und Politik bei den Vorträgen zum Zuge kommen sollten, sondern auch der Geist, erlaubte ich mir einen verwegenen Vorschlag. Es hatte sich allmählich herausgestellt, daß große Geister der Nachbarländer sich für den Kommunismus erklärt hatten, ohne daß ihr Ansehen als großer Geist unter diesem politischen Irrtum litt; Jean-Paul Sartre (1905-1980) darf als Musterbeispiel gelten. Demgegenüber erging es großen Geistern Deutschlands, die sich vorübergehend auf den Nationalsozialismus eingelassen hatten, ganz anders; sie wurden in Acht und Bann getan, an vorderster Stelle Martin Heidegger (1889-1976) und Carl Schmitt (1888-1985) (künftig: C.S.). Die unwürdige Ausgrenzung dieser zwei Sterne erster Ordnung fand ich empörend. Lutz Helmken 4, der zu unsrem weiteren Freundeskreis gehörte, dachte ebenso. Wir beschlossen, uns ihrer anzunehmen. Die durch seinen Schüler Helmken vermittelte Einladung des ,Clubs zu Bremen4 nahm Heidegger gerne an. Am 4. Mai 1951 sprach er im Kaminsaal des Rathauses stiges Leben in Freiheit und Würde 4. Eine bremische Institution: 200 Jahre Club zu Bremen/ Alte Kaufmannschaft 44, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 284, 7. Dezember 1983, S. 19 (Sendung vom 28. Januar 1999). 3 (PT) W. Volkmann entstammte einer alten bremischen Kaufmannsfamilie und übernahm 1948 den Vorsitz des ,Klubs zu Bremen4. Herr Merkel [FN 2] war sein Nachfolger. 4

(PT) Über Helmken liegt mir keine Auskunft vor.

Meine Kontakte mit Carl Schmitt

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über den Begriff des Logos. Der sozialdemokratische Senat hatte keine Hemmungen gehabt, uns diesen Prestige-Raum seines Dienstsitzes zur Verfügung zu stellen. Am nächsten Tag hatte Helmken einige befreundete Ehepaare in seine Wohnung zu einem Gespräch mit dem Philosophen, der klein und untersetzt von Wuchs war aber einen wie gemeißelt wirkenden Kopf und fest blickende schöne Augen hatte, eingeladen. Jedesmal waren die Damen, wie weiland in Heidelberg seine Schülerinnen, hingerissen. Übrigens hat Heidegger am 8. Mai 1953 ein zweites Mal das Wort geführt; diesmal erläuterte er seinen Hörern ein Fragment von Heraklit 5. Da den meisten meiner Club-Ausschuß-Freunden C.S.s Name nur als der eines berühmten Rechtsgelehrten bekannt war, begrüßten sie meinen Vorschlag, auch ihn einzuladen, einmütig. Nur Rolf Seggel (1910-1968) 6 , Jurist nach Ausbildung und Neigung, war die Brisanz des Namens C.S. gegenwärtig und hatte Bedenken. Jedoch mißfiel auch ihm C.S.s Verfehmung und so konnte ich ihn bewegen, seine Bedenken nicht vorzubringen. Als Student hatte ich nicht bei C.S. gehört, wohl aber seine Schriften verschlungen: „Politische Theologie" (1922), „Der Begriff des Politischen" (1927), „Der Hüter der Verfassung" (1931). In der Einladung stellten wir den Gelehrten am 23. Oktober 1952 vor. Sein Thema des Abends war mit seinem bedeutenden Nachkriegswerk gleichlautend7: Der Nomos der Erde. Er hatte seinen Vortrag hervorragend auf sein gemischtes, keineswegs akademisches Publikum zugeschnitten. Mit seiner scharfen Begrifflichkeit und klaren Sprache erwarb C.S. sich großen Beifall. In meinem Brief vom 9. Dezember 1977, aus dem ich noch zitieren werde (vgl. Punkt 4), hieß es: „ . . . Ihr Besuch bei uns erregte einiges Aufsehen und auch Murren. Uns war er um so willkommener." Die Einladung nach Bremen scheint eine der ersten, wenn nicht die erste Gelegenheit für C.S. gewesen zu sein, im Zustand seiner Ächtung in einem hochhonorigen Rahmen öffentlich aufzutreten. Die beiden Lokal-Zeitungen, die „Bremer Nachrichten" und der „Weser Kurier", berichteten über den Vortrag 8.

5 (PT) a) Dieser Vortrag liegt gedruckt vor. Vgl. M. Heidegger, Vorträge und Aufsätze, Pfullingen: Neske, 1954, 284 S.; dort S. 207-229: „Logos (Heraklit, Fragment 50)". In diesem Vortrag exponierte der Philosoph die Vokabel ,Gestell', die in seiner Zivilisationskritik eine große Rolle spielt.b) Ich nutze die Gelegenheit um hinzuweisen auf den interessanten Vergleich der Positionen von Heidegger und C.S. in Myriam Revault d'Allonnes, La persévérance des égarés, Paris: Bourgeois, 1992, 329 S., in der Reihe ,Détroits'; dort S. 217-243: „Lectures de la modernité: Heidegger, Carl Schmitt, Hannah Arendt " (erstmals 1990 erschienen). 6 (PT) Nach bestandenem Abitur (1928) studierte der in Bremerhaven geboren R. Seggel Jura in Göttingen, München und Berlin. Das Assessorexamen bestand er 1937 und war dann beim Unternehmen Deutz-Motoren tätig. 1939 wurde er eingezogen und geriet 1945 als Hauptmann in französische Kriegsgefangenschaft. Im Jahre 1946 wurde er von der Bremer Straßenbahn A.G. eingestellt und 1948 in ihren Vorstand berufen. Interessanterweise verbrachte er 1953 drei Monate in den U.S.A. und entfaltete nach seiner Rückkehr bis 1956 eine politische Tätigkeit. 7 (PT) C.S., Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus publicum europaeum, Berlin: Duncker & Humblot, (1950) 1997, 308 S.

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Ehrenfried Schütte II.

Bald nach dem Bremer Vortrag forderte der Bundestags-Abgeordnete A d o l f Arndt (1904-1974), in seiner Eigenschaft als Kronjurist der sich damals in der Opposition befindlichen SPD (= Sozialdemokratische Partei Deutschlands) 9 , die Bundesregierung auf, die Erwähnung des Namens von C.S. oder die Zitierung seiner Werke zu verbieten. Richard Tüngel (1893-1970), der Redakteur der Wochenzeitung „Die Zeit" der ihre ersten Jahre geprägt hat, brandmarkte dieses erstaunliche Ansinnen 1 0 , worauf ich ihm unter dem 5. Dezember 1952 einen bejahenden Leserbrief zuleitete, der, unter Auslassung des von mir genannten Professors Erich Kaufmann ( 1 8 8 0 - 1 9 7 2 ) 1 1 , am 8. Januar 1953 in „Die Zeit" veröffentlicht wurde 1 2 . Ich hatte C.S. bereits am 5. Dezember 1952 den Aufsatz von Tüngel geschickt, sowie eine Kopie meines Briefes, den ich hier mitteile:

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(PT) Diese Auskunft scheint nicht zu stimmen. Denn der Verlag Bremer Tageszeitungen teilte mir unter dem 4. März 1999 Folgendes mit: „ . . . zu dem von Ihnen erwähnten Vortrag von Carl Schmitt haben wir weder im WESER-KURIER noch in den BREMER NACHRICHTEN etwas veröffentlicht." 9 (PT) a) Über ihn, vgl. u. a. Werner Holltfort (geb. 1920), „Adolf Arndt (1904-1974), Kronjurist der SPD", S. 451-460 in Kritische Justiz (Hrsg.), Streitbare Juristen. Eine andere Tradition, Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 1988, 500 S., und vor allem Dieter Gosewinkel, Adolf Arndt. Die Wiederbegründung des Rechtsstaats aus dem Geist der Sozialdemokratie (1945-1961), Bonn: Dietz, 1991, 660 S., Nr. 25 in der Reihe ,Politik und gesellschaftsgeschichte 4. b) A. Möhler (Hrsg.), Carl Schmitt - Briefwechsel mit einem seiner Schüler, Berlin: Akademie Verlag, 1995, 475 S.; dort S. 134 (Brief Nr. 98 vom 4. Dezember 1952): „ . . . ; die Hetze ist wieder mächtig im Gange; der SPD-Arndt schwingt das Schächtmesser und spielt den Hecht im Karpfenteich der Bundes-Republik, was angesichts der allgemeinen Verkarpfung nicht schwierig ist." - Laut Protokoll der 7. Sitzung des Bundestag-Ausschußes für Rechtswesen und Verfassungsrecht vom 19. Februar 1954 hat Arndt von einer Erkenntnis gesprochen, „die wir den Arbeiten von Carl Schmitt verdanken"; dieser Aussage fügte er hinzu: „Ich habe gar keine Hemmung, den Teufel zu zitieren; denn manchmal ist auch die Kraft, die stets verneint, eine, die Gutes schafft. Leute, die wie Carl Schmitt oder Ernst Jünger oder andere Leute dieser Art sich stark beim Einreißen falscher Vorstellungen betätigt haben, haben durch diese Art des Schuttwegräumens eine durchaus positive geschichtliche Funktion erfüllt." J o (PT) R. Tüngel, „Wir treiben in eine Staatskrise", in: Die Zeit (Hamburg), 7. Jahrg. Nr. 49,4. Dezember 1952, S. 1 (Leitartikel). 11 (PT) Über ihn, vgl. das C.S. (= Carl Schmitt?) gewidmete Buch von Emanuele Castrucci (geb. 1952), Tra organicismo e ,Rechtsidee4. II pensiero giuridico di Erich Kaufmann, Mailand: Giuffre, 1984, XV-201 S., Nr. 15 in der Reihe ,Per la storia del pensiero giuridico moderno4. Außerdem Schmittiana II, S. 132 und S. 158 die diesbezüglichen FN 83 bis 86 S, sowie Schmittiana III, S. 170 FN 63. 12 (PT) E. Schütte, „Nomos der Erde44 (Leserbrief), Die Zeit, 8. Jahrg. Nr. 2, 8. Januar 1953, S. 18.

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5. Dezember 1952 Dr. S . / K Herrn Richard Tüngel c/o „Die Zeit" Hamburg Pressehaus Sehr geehrter Herr Tüngel! Ihren Aufsatz, „Wir treiben in eine Staatskrise44, habe ich mit Interesse und Zustimmung gelesen. Es ist alles richtig, was Sie sagen, nur ist es leider nicht alles, was zu diesem Thema zu sagen wäre. Es fehlt vor allem zu einem ausgewogenen Bild der Anteil, den leitende Persönlichkeiten der Bundesregierung und der Koalitionsparteien an der mit Recht erkannten Staatskrise haben. Es wäre sicherlich nützlich, wenn Sie in einem weiteren Aufsatz eine Ergänzung brächten, obschon es wahrscheinlich wenig nützen wird, die verantwortlich Handelnden auf ihre Verantwortung hinzuweisen. Wie eng sich die Verantwortlichkeit aller Parteien für die Staatskrise berührt, ist anschaulich an dem von Ihnen mit Recht gerügtem Verhalten des Abgeordneten Arndt zu Prof. Carl Schmitt zu erkennen. Sie können versichert sein, daß es nicht eines Verbotes des Abgeordneten Arndt bedürfte, um die Koalitionsparteien und die Regierung daran zu hindern, den Namen von Carl Schmitt zu erwähnen oder seine Werke zu zitieren. Hierüber wacht im Regierungslager eifersüchtig Prof. Dr. Erich Kaufmann, auf dessen weitreichenden Einfluß es auch im wesentlichen zurückzuführen ist, daß die juristische Fachpresse bisher noch nicht von dem neuen Werk von Carl Schmitt, „Nomos der Erde44 Kenntnis nahm, obschon dieses Werk inzwischen im Ausland und bei allen unabhängigen Lesern im Inland größte Beachtung fand. Mit verbindlichen Empfehlungen (s) (Dr. Schütte) C.S. bestätigte den Eingang meiner Sendung am 13. Dezember 1952, stattete seinen Dank ab für mein „Eintreten für Recht und Gerechtigkeit" und schickte etwas später ein „Exemplar (wenn auch nur ein geheftetes)" seines Buches „Der Hüter der Verfassung" (1931), mit dem vielsagenden und bedenkenswerten Eigen-Zitat: „Der Sinn der verfassungsgerichtlichen Entscheidung ist nicht überwältigende Argumentation, sondern autoritäre Entscheidung durch autoritäre Beseitigung des Zweifels" 1 3 . Unter Bezugnahme auf den Bremer Besuch hatte er mir schon etwas früher mit Widmung (aber ohne Datum) „Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft" zugeleitet und am 28. Oktober 1952 sein Rechtsgutachten „Rechtsstaatlicher Verfassungsvollzug" 14 .

13 (PT) C.S., Der Hüter der Verfassung, Berlin: Duncker & Humblot, (1931) 1985, VIII159 S.; dort S. 46. In der Widmung hat C.S. das Zitat leicht angepaßt.

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Am 9. Februar 1953 teilte mir C.S. Näheres über die Wirkung meiner Initiative mit: Die Veröffentlichung Ihrer Zuschrift in „Die Zeit" hat, wie ich aus mehreren an mich gerichteten Schreiben entnehme, ein starkes Echo gefunden. Sie ist wohl richtig verstanden worden, auch ohne daß der Name von Prof. Erich Kaufmann gedruckt wurde. Die Wirkung war umso stärker, als sich in dem Ergänzungsgutachten von Kaufmann vom 2. Dezember 1952 (das hauptsächlich gegen Forsthoffs Gutachten gerichtet ist) wieder die üblichen Beschimpfungen und Verdächtigungen finden 15 . Es ist das erste Mal, daß ein deutscher Jurist in der Öffentlichkeit für mich und meinen Namen offen eingetreten ist. Zu denjenigen, die mich auf Ihre Zuschrift aufmerksam machten, gehörte auch Rechtsanwalt Weitzel in Frankfurt 16, mit dem ich in den letzten Wochen einige längere Besprechungen über die Hessische Sozialisierung hatte, wegen der beim BVG [= Bundesverfassungsgericht] in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde anhängig ist. [ . . . ]

Erst ein Jahr später, acht Jahre nach Beginn der Ächtung von C.S., hat Tüngel es erstmals gewagt, ihn in „Die Zeit" zu Worte kommen zu lassen17. Marion Gräfin 14 (PT) C.S., Rechtsstaatlicher Verfassungsvollzug. Rechtsgutachten zu der Frage: Ist den Eigentümern der von Art. 41 der Verfassung des Landes Hessen Abs. 1 Nr. 1 betroffenen Gegenstände ihr Eigentum durch Art. 41 mit Inkrafttreten der Verfassung entzogen worden?, als Manuskript gedruckt, März 1952, 51 S. Es handelt sich um ein auf Ersuchen der Buderus'schen Eisenwerke erstattetes Gutachten. 15 (PT) In der Ergänzung vom 2. Dezember 1952 zu seinem Rechtsgutachten vom 17. August 1952 zum Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und zum Deutschlandvertrag hat E. Kaufmann bemängelt, daß C.S. in seiner „Verfassungslehre" (Berlin: Duncker & Humblot, [1928] 1993, XXII-404 S.; dort S. 131) den Rechtsstaat als ein auf einer Reihe von Fiktionen beruhendes Gebilde bezeichnet hat. Vgl. Der Kampf um den Wehrbeitrag, München: Isar Verlag, 1953, 2. Halbd. = XVI-838 S., Nr. 2 in der Reihe Veröffentlichungen des [Mainzer] Instituts für Staatslehre und Politik'; dort S. 786-801 (die diesbezüglichen Stellen S. 794 und 796). (PT) Rudolf Müller (1904-1997) ließ sich nach seiner Amtszeit als Hessischer Minister für Wirtschaft und Verkehr (Herbst 1945-Herbst 1946) in Frankfurt a.d. Main als Rechtsanwalt nieder und gründete dort 1947 mit Otto Klepper (1988-1957), einem ehemaligen preußischen Finanzminister (1931-32) der nach einer abwechslungsreichen Emigrantenexistenz als Rechtsanwalt und Notar tätig war, dem späteren Bundeskanzler Ludwig Erhard (18971977) und einigen Gesinnungsgenossen die noch immer existierende »Wirtschaftspolitische Gesellschaft' (Kürzel: Wipoge), eine damals angesehene Organisation zur Pflege und Verbreitung marktwirtschaftlicher Vorstellungen; ihr Geschäftsführer war der gelernte Agrarökonom Ulrich von Pufendorf (1901 -1997?), ein umtriebiger und allseits beliebter Mann. Müller führte in Frankfurt die nach ihm genannte, damals in Deutschland führende Wirtschaftssozietät, weil sie nach amerikanischem Muster eine größere Zahl von Anwälten, darunter Heinz Weitzel (1902-1990), umfaßte. Weitzel hat mit C.S. in regem Gedankenaustausch gestanden; im C.S.-Archiv (Hauptstaatsarchiv Düsseldorf) lagern 16 Briefe, 4 Postkarten und 2 Telegramme von ihm aus der Periode 1953-82. - Über die Wipoge, vgl. die Broschüre: Soziale Marktwirtschaft - Verpflichtung und Chance. 50 Jahre Wirtschaftspolitische Gesellschaft von 1947 e.V., Frankfurt a.M.: Industrie- und Handelskammer, 1998, 50 S., Nr. 9 in der Reihe ,Neue Schriften'. 17

(PT) Gemeint ist ein Vorabdruck aus C.S., Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber, Pfullingen: Neske, 1954, 31 S.; vgl. „Im Vorraum der Macht", in: Die Zeit, 9. Jahrg. Nr. 30, 29. Juli 1954, S. 3. Deswegen erhielt Tüngel einen empörten Brief von seiner

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Dönhoff (geb. 1909) war empört und wollte weitere Veröffentlichungen mit der Drohung verhindern, die Redaktion zu verlassen. Sie konnte sich durchsetzen. Angewidert von der Unduldsamkeit bundesdeutscher Machart schied daraufhin Tüngel „protestierend und prozessierend aus der Redaktion" aus18. Dieser Vorgang verdeutlicht wohl hinreichend die Zivil-Courage unseres ehrwürdigen und bedächtigen ,Clubs zu Bremen 4.

III. In der einführenden Notiz erwähnt Professor Tommissen meine Tätigkeit als Geschäftsführer der ,Studiengesellschaft für privatrechtliche Auslandsinteressen4. Das war der besatzungsrechtlich bedingte Tarnnahme für den Verein, den hanseatische Kaufleute und Juristen gegründet hatten, um sich um die Freigabe der als Feindvermögen enteigneten privaten deutschen Vorkriegsvermögen im Ausland zu bemühen. Diese dem damals geltenden Völkerrecht widersprechenden Enteignungen einschließlich des geistigen Eigentums, der Patente, Marken und Warenzeichen, hatten unter amerikanischem Druck auch die vier neutral gebliebenen Staaten Schweiz, Schweden, Spanien und Portugal vornehmen müssen. Für die deutsche Wirtschaft war der Verlust sämtlicher Stützpunkte im Ausland und insbesondere der Marken und Warenzeichen eine schwere Behinderung des Wiederaufbaus. Deshalb wurde unser Verband von ihr kräftig unterstützt und auch die westdeutsche Presse setzte sich damals unbefangen und deutlich für nationale Interessen ein. Damals habe ich wohl in der umfangreichen Literatur über die völkerrechtlichen und innerstaatlichen Aspekte von Enteignungen privater Vermögen durch ausländische Staaten gelesen, daß C.S. s.Zt. ein Gutachten zu jener Frage erstattet hat 19 . So Kollegin Marion Gräfin Dönhoff, die, einer Bitte von Gerd. Bucerius (1906-1995) entsprechend, auf ,Urlaub 4 ging „um in London beim liberalen »Observer4 weiterzulernen 44. Später wurde Tüngel zum Rückzug gezwungen (1955), erhielt aber nach einem zweijährigen Prozeß „eine Abfindung, die sich sehen lassen konnte44, während Bucerius die Wochenschrift zufiel und die Gräfin Dönhoff zurückkehrte. Die Zitate stammen von G. Bucerius, „ZEIT-Geschichte - wie sie uns in Atem hielt. Zuweilen war die aufregendste Spalte in dieser Zeitung das Impressum44, in: Die Zeit, 21. Jahrg., 21. Februar 1966. Die Geschichte wurde nochmals zusammengefaßt im Rahmen eines Gesprächs von G. Bucerius und Theo Sommer (geb. 1930) mit der 75jährigen Gräfin Dönhoff , abgedruckt in: Die Zeit, 39. Jahrg. Nr. 49, 30. November 1984, S. 9 - 11 (dort S. 10). is (PT) D. van Laak, op. cit. [FN 1], S. 150. 19 (PT) Es handelt sich um C.S.s gedrucktes Gutachten vom 3. Februar 1930 zu dem deutsch-polnischen Abkommen über Liquidationsschäden vom 31. Oktober 1929, nachgedruckt in C.S., Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924-1954, Berlin: Duncker & Humblot, (1958) 1998, 517 S.; dort S. 124-136 („Ratifikation völkerrechtlicher Verträge und innerstaatliche Auswirkungen der Wahrnehmung auswärtiger Gewalt [(1929]44 und S. 136-139 Glossen dazu.

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ist es zu einer kurzen Korrespondenz über das deutsch-polnische Liquidations-Abkommen von 1929 gekommen. Dem Schreiben von C.S. vom 10. Februar 1953 entnehme ich diesen Abschnitt: eben finde ich in Papieren meiner (1950 verstorbenen) Frau ein Exemplar meines gedruckten Gutachtens zum Poln. Liq. Abkommen vom 31/10 /1929. Ich schicke es Ihnen gleich (schon um nicht in den Verdacht zu geraten, daß ich vielleicht etwas verschweigen wolle) und bitte Sie, es mir bald zurückzuschicken, weil es ein letztes Exemplar und ein kostbares Andenken für mich ist. Ich habe das Gutachten und die von C.S. erbetenen drei Ablichtungen am 24. Februar 1953 nach Plettenberg geschickt und i m Begleitschreiben Folgendes gesagt: Wie Sie mir bereits in Bremen sagten, eignet sich Ihr Gutachten nicht für Zitierung durch uns in unserer jetztigen Frontstellung gegen den Fiskus und den Reparation steil des Generalvertrages. Immerhin sichert uns die bestens bekannte Freundschaft, die Prof. Kaufmann für Sie empfindet, auch davor, daß die Regierung Ihr Gutachten etwa gegen uns zitiert. Aber auch Kaufmann hatte 1930 ein Gutachten erstellt und es reizte die Studiengesellschaft sehr, es in ihren „Nachrichten" ausführlich zu zitieren, „damit wir ihn gegen sich selbst hinsichtlich seiner jetzt zu diesen Fragen eingenommenen Stellung anführen können", wie ich C.S. unter dem 18. März schrieb. Es sind mir und meinen Freunden jedoch Zweifel gekommen, wie sich aus einem weiteren Passus jenes Briefes ergibt: Wir haben jedoch Bedenken, da uns nicht ersichtlich ist, ob sein Gutachten damals gedruckt oder allgemein zugänglich gemacht worden war. Ich möchte letzteres zwar annehmen, da sich Auszüge aus ihm in den Zeitungsausschnitten der damaligen Zeit finden, die Sie uns freundlichgerweise zur Einsichtnahme überließen. Immerhin möchte ich hierüber, bevor wir Auszüge veröffentlichen, doch möglichst genaues wissen und wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich über die damaligen Umstände der Behandlung der Gutachten, die von der Reichsregierung in Auftrag gegeben worden waren, freundlicherweise unterrichten wollten. Mangels Unterlagen bin ich außerstande Konkretes über den Ablauf dieser Geschichte auszusagen. Nach meiner Erinnerung haben wir letzten Endes jedoch weder C.S.s noch Kaufmanns Gutachten 2 0 verwertet, womöglich um die Schwierigkeiten, die wir mit Prof. Kaufmann, dem Intim-Feind von C.S. und Berater der Bundesregierung in dieser Sache, nicht noch weiter zu verschärfen.

20 (PT) in seiner Kaufmann-Bibliographie [FN 10] erwähnt E. Castrucci kein derartiges Gutachten. Gemeint ist wohl Walter Simons (1861-1937), Heinrich Triepel (1868-1946) und Erich Kaufmann, Rechtsgutachten über den verfassungsändernden Charakter des deutsch-polnischen Liquidations-Abkommens, Berlin, 1930, 76 S.

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IV. Es hat bis zum 9. Dezember 1977 gedauert, bevor ich mit C.S. von neuem in Verbindung trat 21 : als jemand, der sich gelegentlich als Freizeitbeschäftigung zu Themen, die ihn interessieren, publizistisch äußert, hatte ich neulich willkommene Gelegenheit, Ihre schöne Schrift über den Partisanen 22 zu zitieren. Wahrscheinlich sind diese Stellen Ihnen nicht zu Gesicht gekommen, weshalb ich mir erlaube, Ihnen anliegend einen Beitrag über Clausewitz aus der Zeitschrift »Criticón1 Nr. 40 2 3 und einen Leserbrief an die FAZ vom 1.12. 1977 in Ablichtung zu übersenden. Ich hoffe, daß Ihnen beides Freude macht, und vielleicht interessieren Sie auch die Bezüge, in denen Ihr Partisan bei mir auftritt.

Mit erheblicher, altersbedingter Verspätung schrieb C.S. am 13. Januar 1978 einen langen Brief, den ich teilweise wiedergebe: ... Ihr vorbildlich klarer und exakter Bericht über ein schwieriges und sogar gefährliches Thema wie ,Clausewitz heute', und ein gehaltvoller Leserbrief, dem ich eine günstigere Tribüne gewünscht hätte als die Nachbarschaft des derzeitigen Feuilletons der FAZ - habe ich als erfahrener Autor mit aufrichtiger Bewunderung gelesen. [ . . . ] Auch würde es mich interessieren, ob Sie das Buch von Madame Marie-Louise Steinhauser (Strasbourg) über „Clausewitz, de la Révolution ä la Restauration", bei Gallimard 1976 erschienen, kennen, das in der deutschen Öffentlichkeit totgeschwiegen wird 24 . - Ihre Mitteilungen zu Ihrer persönlichen Situation haben mich besonders erfreut, weil ich daraus entnehme, daß es Ihnen vergönnt ist, die kontemplative Ruhe des Alters ohne bösartige Störungen zu genießen. Ich habe das Unglück, meine Altersgenossen zu überleben und den Ausspruch des alten, alleswissenden Goethe zu verifizieren: „Der Alte (sie.) verliert eines der größten Menschenrechte (sic. wörtlich), von Seinesgleichen beurteilt zu werden." 25. Das ist nicht arrogant, sondern sehr traurig gemeint. Ich dachte daran, als ich neulich einen handschrift21

(PT) Es handelt sich um das in der einführenden Notiz herangezogene Schreiben. (PT) C.S., Theorie des Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, Berlin: Duncker & Humblot, (1963) 1995, 96 S. 23 (PT) E. Schütte, „Carl von Clausewitz, Denker des Krieges", in: Criticón (München), 7. Jahrg., Nr. 40, März-April 1977, S. 99-103. 24 (PT) a) M.-L. Steinhauser, Clausewitz. De la Révolution ä la Restauration, Paris: Gallimard, 1976, 516 S. Dazu schrieb mir die Autorin unter dem 8. Februar 1999 Folgendes „ . . . ich habe diese Arbeit auf Ersuchen von Raymond Aron gemacht, der mit meiner Übersetzung von Carl Schmitt zufrieden war und ein Opus über Clausewitz ( . . . ) in Angriff genommen hatte. Aron hat mittels J. Freund mit mir Kontakt aufgenommen. ..." (meine freie Übersetzung). b) Frau Steinhauser hat tatsächlich, einer Bitte des Straßburger Soziologen und Polemologen Julien Freund (1921 -1993; vgl. Schmittiana II, S. 31) entsprechend, C.S.s Schriften ,Der Begriff des Politischen' und .Theorie des Partisanen' ins Französische übersetzt, c) Beim Opus Arons handelt es sich um: Penser la guerre, Clausewitz, Paris: Gallimard, 1976, Bd 1 („L'äge européen") = 472 S. + Bd 2 („L'äge planétaire") = 365 S., in der ,Bibliotheque des Sciences humaines'. 22

2 5 (PT) J.W. Goethe, „Maximen und Reflexionen", S. 365-547 in: Goethes Werke. Hamburger Ausgabe, Hamburg: Christian Wegner, 12. Bd. = 1953, 742 S.; dort S. 542 (Maxime Nr. 1334).

4 Schmittiana VII

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Ehrenfried Schütte liehen Brief des alten Laband 26 aus dem Jahre 1916 (!) bei alten Papieren fand, und mich bestürzt der jugendlichen Uninteressiertheit erinnerte, mit der ich den Brief damals (als Privatdozent in Straßburg) gelesen und vergessen habe.

V. Zu seinem 90. Geburtstag habe ich C.S. einen Glückwunschbrief geschrieben, wofür er am 27. September 1978 seinen Dank abstattette mittels eines Sonderdrucks - mit schöner Widmung - seines Aufsatzes „Die legale Weltrevolution" 2 7 . Damit hörten meine (überwiegend brieflichen) Beziehungen zum Gelehrten auf.

26 (PT) Als erster Einstieg in das juristische Denken von Paul Laband (1838-1918), der in Königsberg und Straßburg lehrte, ist geeignet Ilse Staff (geb. 1928), Lehren vom Staat, Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 1981,445 S.; dort S. 277-291. 27 (PT) C.S., „Die legale Weltrevolution. Politischer Mehrwert als Prämie auf juristische Legalität und Superlegalität", in: Der Staat (Berlin), 17. Jahrg. Nr. 3, 1978, S. 321-339.

CHRISTIAN GREMMELS (Hrsg.)

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels Briefe 1938-1956 Schon in einem früheren Band meiner Schriftenreihe durfte ich ein unbekanntes Typoskript von Heinrich Gremmels (1913-1977; künftig: H.G.) veröffentlichen (Schmittiana IV, S. 234-243). Gremmels, der 1940 von C.S. promoviert wurde 00 , war 1939-41 Offizier im niedersächischen Regiment Nr. 287, dem auch Ernst Jünger (1895-1998; künftig: E.J.) angehörte; beide standen im Rang eines Hauptmanns und haben am Westwall (Gremmels ab Mitte 1941 auch an der Ostfront) (b) gekämpft. Bis er 1949 Stadtdirektor in Königslutter wurde, bewährte er sich in Wuppertal, sowohl in der dortigen Zweigstelle der Kant-Gesellschaft wie im ,Bund\ In diesem Milieu freundete er sich mit Gerhard Nebel (1903-1974) an (c) ; die beiden setzten sich damals für Jünger ein ( d ) und standen bald in reger Verbindung mit C.S. Einzelheiten über Gremmels' Verhältnis zu C.S. ist den nachstehenden Briefen zu entnehmen, die Gremmels4 Sohn, Herr Kollege Christian Gremmels (geb. 1941), der an der Universität Gesamthochschule Kassel lehrt, annotiert und dankenswerterweise zu meiner Verfügung gestellt hat. Nur die Fußnoten dieser Notiz stammen von mir; sie sind mittels Buchstaben und der Kürzel (PT) gekennzeichnet. Die übrigen (also vom Kollegen Chr. Gremmels stammenden) Fußnoten wurden numeriert. Angesichts der Tatsache, daß einige Namen oft vorkommen und zwei Bücher mehrmals herangezogen werden, gelten die folgenden Kürzel: - E.J. = Ernst Jünger; H.G. = Heinrich Gremmels - „Gespräche44: Dirk van Laak (geb. 1961), Gespräche in der Sicherheit des Schweigens. Carl Schmitt in der politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik, Berlin: Akademie Verlag, 1993, 331 S.

(a) ^pj^ pQr Einzelheiten über die Dissertation vgl. infra Nr. 1, FN 2. (b) ( p T ) V g l Briefe« S. 128 (Brief von Jünger vom 28. August 1941): „Gremmels weilt jetzt in den skytischen Einöden.44 (C) (PT) Über den ,Bund4 und über Nebel vgl. meine Abhandlung „Ernst Jünger und Carl Schmitt. Zwischenbilanz44, in: Etappe (Bonn), Nr. 10, Februar 1994, S. 16-28; dort S. 17. Laut Armin Möhler (geb. 1920) ergänzten Gremmels und Nebel „sich ideal44; vgl. das von ihm hrsg. Buch: Carl Schmitt - Briefwechsel mit einem seiner Schüler, Berlin: Akademie Verlag, 1995,475 S. (dort S. 35 FN 24 - mit einer Ernst Jünger entliehenen hübschen Charakteristik ihrer Unterschiede). (d) ( P T ) Ygj m e j n e annotierte Edition von „Ernst Jünger: Briefe an die Freunde (1946)44, in: Etappe (Bonn), Nr. 15, Oktober 2000, S. 137-153; dort S. 150-153 drei ergänzende Dokumente, vor allem das dritte. 4*

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Christian Gremmels

- ,3riefe": Helmuth Kiesel (geb. 1947) (Hrsg.), Ernst Jünger - Carl Schmitt. Briefe 19301983, Stuttgart: Klett-Cotta, 1999, 893 S. - NL: Nachlaß Heinrich Gremmels

1 An Heinrich Gremmels1

P.T.

Berlin-Dahlem Kaiserswerther Str. 17 3. Februar 1938

Lieber Herr Gremmels! Ich habe Ihren Brief vom 25. Januar erhalten. Wenn es mir auch leid tut, daß Sie nicht zur Arbeit an der Dissertation 2 kommen, so ist der Grund dafür doch eigentlich nichts, was einen zu beunruhigen braucht. Vielleicht ergibt sich in einem anderen Stadium Ihres Vorbereitungsdienstes 3 eine bessere Gelegenheit. Ich freue mich, daß Sie so gründlich in den wirklichen Verwaltungsdienst hineinkommen, grüße Sie herzlichst und bleibe [hsl.] stets Ihr Carl Schmitt 1 NL Β III, 1: masch.; Briefkopf: Preussischer Staatsrat Professor Carl Schmitt; adressiert an: Herrn Regierungsreferendar Gremmels, Leer/Ostfriesland, Bergmannstr. 15. 2 Zu der am 10. Mai 1940 erfolgenden Promotion (Thema „Das Problem der Ämterverbindung und der Ämterunvereinbarkeit von Partei- und Staats- und Kommunalämtern unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses von Landrat und Kreisleiter") vgl. Christian Tilitzki (geb. 1937), Carl Schmitt - Staatsrechtslehrer in Berlin. Einblicke in seinen Wirkungskreis anhand der Fakultätsakten 1934- 1944, in: Siebte Etappe (Bonn), Oktober 1991, S. 6 2 117; dort S. 94. Zu ergänzen ist die Mitteilung des Dekans der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, „daß ich bereit bin, Sie vor Ablieferung der gedruckten Exemplare Ihrer Dissertation in absentia zum Doktor der Rechte zu promovieren. Von der Thesenverteidigung habe ich Sie ebenfalls befreit. Ich mache Ihnen jedoch zur Pflicht, 1 / 2 Jahr nach Kriegsschluß die gedruckten Exemplare Ihrer Arbeit im Dekanat abzuliefern." (Brief vom 15. 4. 1940)

3 Vgl. Nr. 2 FN 2.

2 An Heinrich Gremmels1

Berlin-Dahlem den 15. September 1940

Lieber Herr Gremmels! Meine Freude, Sie bald wiederzusehen, ist sehr groß. Ich entnehme aus Ihrem Brief, daß Sie schon am Samstag, den 28. September wieder abreisen wollen. Sollte das unabänderlich sein, so würde ich Ihnen vorschlagen, daß wir uns Freitag abend bei mir treffen. Dann haben Sie das Examen2 hinter sich. Im übrigen sind Sie herzlich, nach wie vor, eingeladen, bei uns zu wohnen. Aber ich verstehe, daß Sie vielleicht lieber in der Stadt, in der Nähe des Prüfungsortes wohnen. Ich habe Freitag abend von 18 - 20 Vorlesung, sodaß wir uns am besten abends in der Stadt

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938 -1956

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treffen und zusammen zu mir heraus fahren. Die Störung durch friedliche Flieger ist ganz unbeachtlich. Rufen Sie bitte Donnerstag, den 26. September gleich an, wenn Sie in Berlin eintreffen (76 29 14), dann können wir das Nähere besprechen. Auf Wiedersehen also Ende September, lieber Herr Gremmels! Herzlichst Ihr alter und unveränderlicher Carl Schmitt ι NL Β III, 2: hsl. 27. 9.1940: Vereinfachte große Staatsprüfung vor dem Reichsprüfungsausschuss für den höheren Verwaltungsdienst; mit Ernennungsurkunde (zum Regierungsassessor) vom gleichen Tage durch den „Reichs- und Preußischen Minister des Innern. In Vertretung [hsl.] Dr. Stuckart". 2

3 An Carl Schmitt1

Hildesheim, den 19.1.42

Hochverehrter Herr Staatsrat. Ich habe Ihren Weihnachtsbrief mit großer Freude und dankbaren Herzens gelesen; das Büchlein „Land und Meer" 2 habe ich mit Begeisterung verschlungen.- Ich habe mir in letzter Zeit beim Lesen Ihrer Bücher oftmals die Frage gestellt, ob die Eigenart Ihrer wissenschaftlichen Betrachtung nicht entfernt verwandt ist mit der phänomenologischen Methode? Ich meine jedenfalls, daß die weltgeschichtliche Betrachtung „Land und Meer" Phänomenologie im besten Sinne des Wortes ist und besonders fruchtbar die Methode dieser philosophischen Richtung auswertet. Meine Beschäftigung mit den Fragen des Christentums ist wirklich ernsthafter Natur und hat schon lange nicht mehr nur den Charakter eines wissenschaftlichen Interesses, sondern auch den eines religiösen Bedürfnisses. Insbesondere meine ich langsam dessen inne zu werden, was es mit dem Begriff der christlichen Gnade auf sich hat.- Auch dem Katholizismus glaube ich in Köln 3 sehr nahe gekommen zu sein. Es waren mir die Gespräche, die ich oft mit Theologen beider Konfessionen habe führen können, die liebste Beschäftigung; ich habe auch ein Verhältnis zur Messe gewonnen, das mich sehr froh macht. Inzwischen bin ich nun nach Hildesheim4 übergesiedelt. Ich verbringe mein einsames und zurückgezogenes Leben fast auschließlich in meinem elterlichen Hause. Neben meinen philosophischen und theologischen Studien treibe ich wieder ein wenig Harmonielehre und Kontrapunkt. Die Juristerei liegt mir zur Zeit sehr sehr fern. Ich werde in Kürze im O.K.H. 5 vorsprechen müssen; dann werde ich rechtzeitig Ihnen, hochverehrter Herr Staatsrat, Nachricht geben, damit Sie mir dann vielleicht

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Christian Gremmels

eine Möglichkeit nennen, wann ich Ihnen und Ihrer verehrten Frau Gemahlin den lang ersehnten Besuch machen kann. Ich bitte um Grüße an Ihre Frau Gemahlin und an Ihr Töchterlein. In großer Dankbarkeit Heinrich Gremmels ι NL Β III, 3: hsl. C.S., Land und Meer. Eine weltgeschichtliche Betrachtung, Leipzig: Verlag von Philipp Reclam jun., 1942, 76 S., Bd. 7536 in der Reihe „Reclam". Mit hsl. Widmung: „Heinrich Gremmels mit herzlichen Weihnachtswünschen von seinem alten Freunde Carl Schmitt. 24. XII 1942. Marc. 1.8." („Ich taufe euch mit Wasser; aber er wird euch mit dem heiligen Geist taufen"). 3 Während eines Lazarett-Aufenthaltes in Köln-Nippes (Reserve-Lazarett Mehrheimerstrasse). Während dieses Aufenthalts fand ein Besuch von C.S. statt: „Heinrich Gremmels zur Erinnerung an den Besuch seines Freundes Carl Schmitt. Köln, 9. März 1942" (hsl. Widmung in einem Exemplar von E.J.: Gärten und Strassen. Aus den Tagebüchern von 1939 und 1940, Berlin: Verlag von E.S. Mittler & Sohn, 1942, 219 S.). 4 Brehmestrasse 17. Elternhaus. 5 Oberkommando des Heeres, Berlin W 35, Tirpitzufer 72-76. 2

4 An Carl Schmitt1

Hildesheim, den 18.Π.44

Hochverehrter Herr Staatsrat. Aus meinem Erholungsurlaub von der Ostfront, der sich leider bereits wieder dem Ende nähert, möchte ich Ihnen, Herr Staatsrat, ein Lebenszeichen und recht herzliche Grüße senden; gleichzeitig hoffe ich hiermit, mit Ihnen wieder in Verbindung zu kommen. Seit ich Anfang November vorigen Jahres den Anschluß an die kämpfende Truppe wiedergefunden habe, verschlug mich das Schicksal von Italien über Kroatien schließlich Anfang Januar nach Rußland in den Abschnitt Shitomir-Berditschew. Die aufreibenden Bandenkämpfe in Kroatien und die schweren Schlachten im Osten stellten an mich als Regimentsadjutanten zu große Anforderungen; mein Herz hielt nicht durch und Ende Januar war es soweit, daß ich vor dem körperlichen Zusammenbruch stand. Man muß eben die Erfahrung machen, daß der beste Wille nichts vermag, wenn die Physis versagt. Die vielen Operationen der beiden Lazarettjahre haben eben ihre Nachwirkungen, die sich in einem schweren Herzfehler äußern. Nun hat man mich zunächst auf Urlaub geschickt, von meinem unruhigen Posten als Regimentsadjutant abgelöst und zum Ic. der Division gemacht.- Diese Entwicklung hat mich sehr betrübt. Ich bin nunmehr in militärischer Hinsicht auf ein totes Gleis geschoben und mein Ehrgeiz, noch einmal wieder Truppenführer zu

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938 -1956

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werden, ist damit hinfällig geworden. So bin ich hinsichtlich meines persönlichen soldatischen Schicksals fast verzweifelt und trage mich mit dem Gedanken, zu versuchen, mich vom Innenminister reklamieren zu lassen, was wegen meines Tauglichkeitsgrades durchaus möglich wäre. Gott sei Dank sind das rein persönliche Gründe, die z.Z. mein Herz beschweren. Was die allgemeine Lage angeht, so sehen wir Soldaten des Ostens den Dingen mit Ruhe entgegen. Wir sind den Russen - das habe ich wieder einsehen können - in jeder Hinsicht haushoch überlegen. Er selbst ist jetzt wirklich am Ende seiner Kraft. Wenn wir manchmal immer noch zurückgehen, so hat das nichts zu bedeuten. Je näher wir die Front an das General-Gouvernement heranbekommen, desto günstiger wird die allgemeine strategische Lage mit besonderer Beziehung auf die zu erwartende Westinvasion. Daß letztere aber scheitern wird, das ist unser aller Zuversicht, vom General bis zum letzten Mann; eine Zuversicht, die nicht unbegründet ist, da wir annähernd wissen, welche Panzertruppen im Westen stehen.- So sind wir der Meinung, daß die Entscheidung dieses Krieges nicht bevorsteht, sondern bereits gefallen ist, und zwar im Jahr 1943. Die Tatsache, daß es den Feinden 43 nicht gelungen ist, bei ihren großen Erfolgen unseren militärischen Zusammenbruch herbeizuführen, ist kriegsentscheidend. Die Russen sind im Osten festgefahren; die Engländer und Amerikaner sowohl in Italien wie auch in ihrem Luftkrieg. Es ist doch erstaunlich, mit welcher Gelassenheit das Volk langsam den Luftterror hinnimmt. Wir haben in unserer Division mindestens 25% Totalfliegergeschädigte. Es läßt sich nicht verkennen, daß dies die besten Soldaten sind; ihre Stimmung ist wirklich an ihrer mißlichen Lage gemessen ausserordentlich gut. Wenn aber der Luftterror die Moral nicht zu beugen vermag, dann ist es - auch vom Feind aus gesehen - sinnlos. Wenn sich so der Feind überall festgefahren hat, so mag man damit rechnen, dass sich langsam der politische Zustand des Nachkriegseuropas herausschält. Die Umrisse des NachKriegs-Status von Europa scheinen mir jedenfalls deutlich genug: So dürfte Großdeutschland mit dem Protektorat, dem Generalgouvernement und Baltenland ohne Ukraine die Suprematie über den Südostraum behalten. Auch die Herrschaft über den oberitalienischen Raum werden wir behalten, denn Italien ist nach meiner Kenntnis des Volkes und Landes für alle Zeiten politisch erledigt. Die Engländer werden Süditalien und Sizilien, Sardinien nicht wieder herausgeben und dazwischen wird u.U. ein vergrößerter Kirchenstaat als Pufferstaat wieder existent werden.· Wie es mit dem Westen bestellt sein wird, darüber läßt sich allerdings noch nichts Rechtes sagen: die beiden großen Unbekannten „Invasion und Vergeltung" harren noch der Entschlüsselung. Jedoch halte ich persönlich von beiden nicht viel; man spricht auf beiden Seiten zu viel davon, sodaß diese Begriffe mir mehr dem Propaganda- und ... [?]krieg anzugehören scheinen. Mag nun kommen, was da will; jedenfalls werden „Invasion und Vergeltung" keine entscheidende Veränderung der Gesamtsituation hervorrufen, sie werden sich schlimmsten Falls gegenseitig auffressen.

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Christian Gremmels

Die Totalverlierer sind Frankreich und Italien. Die wirklichen Gewinner Amerika und Japan. Die Unbesiegten bleiben England, Rußland und Deutschland, wobei Deutschland noch am besten abschneidet. Verzeihen Sie - hochverehrter Herr Staatsrat - meine langatmigen politischen Ausführungen. Ich dachte mir aber, es könnte für Sie von Interesse sein, wie man sich im Osten zu den Dingen einstellt und welches Bild man sich von der weiteren Entwicklung macht.- Über meine mancherlei schönen und glücklichen Erlebnisse aus Kroatien - wir operierten im Raum Agram-Karlstadt-Sisak - berichte ich ein ander Mal. Darf ich nun zuletzt noch nach Ihrem persönlichen Wohlergehen und dem Ihrer Familie fragen? Ich wünsche Ihnen, Ihrer verehrten Frau Gemahlin, die ich herzlich zu grüßen bitte, und Ihrem Töchterchen alles Gute. In alter gehorsamer Verehrung und Dankbarkeit, Ihr Heinrich Gremmels ι NL Β III, 4: hsl.; mit hsl. Archivnummer „43900".

5 An Heinrich Gremmels1

Berlin-Schlachtensee Schönererzeile 19 den 16. 6. 1944

Lieber Herr Gremmels! Eben komme ich von einer längeren Spanien-Portugal-Reise zurück 2 und finde zu meiner großen Freude Nachricht von ihnen vor. Ich schreibe Ihnen heute in Eile, um den Empfang zu bestätigen und Ihnen zu sagen, daß ich mich freuen würde, weitere Nachricht von Ihnen zu erhalten. Hoffentlich geht es Ihnen und den Ihrigen gut und ertragen Sie diese schwere Zeit ohne Schaden. Ich bin noch ganz benommen von den Eindrücken dieser inhaltsreichen, aber auch sehr anstrengenden Reise. Herzliche Grüße, auch von Frau Schmitt, für Sie und Ihre Familie! Stets Ihr alter und getreuer Carl Schmitt ι NL Β III, 5: hsl. Für C.S., „der seit dem Jahre 1936 eine Art Reiseverbot hatte", öffneten sich „die Grenzen erst seit den Jahren 1941/42 wieder". (Paul Noack [geb. 1925], Carl Schmitt. Eine Biographie, Frankfurt am Main und Berlin: Propyläen Verlag, 1993, 360 S.; dort S. 221). Im Mai/Juni 1944 hatte C.S. Portugal besucht; vgl. Schmittiana VI, S. 241 -244. 2

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938-1956

6 An Carl Schmitt1

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Solingen-Ohligs, den 20. 5. 47

Hochverehrter, lieber Herr Professor. Vor kurzem aus englischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, 2 versuche ich nun, unter den völlig veränderten Verhältnissen mich wieder zurechtzufinden. Dabei ging mein Bestreben von Anfang an dahin, die Verbindung zu Ihnen wieder zu gewinnnen. Nach vielen vergeblichen Bemühungen erfuhr ich nun anläßlich eines Besuches bei Ernst Jünger in Kirchhorst 3 die erschütternde Nachricht, daß Sie nach einem 3 monatlichen Leben in Freiheit wieder verhaftet wurden.4 Es ist mir völlig schleierhaft, was man einem Manne wie Ihnen, der Sie zumindest seit 1936 in heftigster Opposition zum NS Regime standen - wie das alle Ihre Schüler aus Ihren Lehren und Ihrem ganzen Verhalten leicht schließen konnten - eigentlich vorzuwerfen hat. Ich kann mir die ganze Angelegenheit nur damit erklären, daß Sie eine Reihe persönlicher Feinde haben. Darf ich Ihnen versichern, wie überaus schmerzlich mir das Bewußtsein ist, Sie in Haft und vor Anklage zu wissen und darf ich Ihnen besonders zusichern, daß ich bei allem, was die Zukunft bringen wird, in meiner Treue zu Ihnen nicht wanken werde. Auch daß ich Sie abends in meinen Gebeten nicht vergesse, möchte ich Ihnen sagen. Ich hörte von Ernst Jünger, daß Sie nur an ihre Frau Gemahlin schreiben dürfen. Ich werde daher in ein paar Wochen bei Frau Schmitt anfragen, ob Sie meinen Brief erhalten haben und ob Ihnen in Ihrer augenblicklichen Lage daran gelegen ist, von mir mehr zu hören. Ich würde Ihnen auch gern einen Aufsatz von mir mit dem Thema „Der christlich-abendländische Kulturgeist als Verfassungsfrage" zugänglich machen, den ich in einer Zeitschrift für englische Kriegsgefangene veröffentlichen konnte.5 An diesem Aufsatz hätten Sie sicher Ihre Freude, zumal Sie mich darin leicht als Ihren Schüler wiedererkennen können. „Tout ce qui arrive est adorable" dieses bedeutende Wort von Ihnen im Augenblick Ihrer erneuten Inhaftierung 6 nahm ich mit tiefer Genugtuung zur Kenntnis als Beweis für die innere Größe, mit der Sie Ihrem harten Schicksal begegnen. Hoffentlich haben Sie in Ihrer Gefangenschaft Gelegenheit zum Denken und Schreiben. Wenn ich auch nicht das Schicksal eines Boethius oder Thomas Morus für Sie befürchte, so weiß ich doch, daß in Ihrer Gefangenenzelle Gedanken reifen werden, die sich mit denen der erwähnten Philosophen werden messen können. Und davon bin ich fest überzeugt, daß spätere Generationen zu würdigen wissen werden, was Philosophie und Wissenschaft Ihnen alles verdankt. In herzlicher Treue und Dankbarkeit grüße ich Sie und wünsche Ihnen alles gute, insbesonders baldige Freiheit. Heinrich Gremmels 1 NL Β III, 6: hsl. Mit hsl. Briefumschlag: „Prof. Dr. C. Schmitt, Nürnberg, Justizpalast". Maschinenschrift. Vermerk: „zurueck an Absender, abgereist". Stempel: „US Civil Censorship. Passed 11240. Germany"; Klebeband mit Aufdruck: „Opened by Mil[itary]-Gen[eral]Civil Mails".

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Christian Gremmels

2 Während seiner Gefangenschaft (Mai 1945 bis 6. 2. 1947) in verschiedenen englischen Kriegsgefangenenlagern (Colchester, Otley, Norton Camp) wurde H.G. 1946 als Leiter des „Publication Office" in das Studienlager der „World's Alliance of the Young Men's Christian Associations (War Prisoner's Aid)" berufen und war in dieser Funktion an der Herausgabe des ,,Studienblatt[es] der Kriegsgefangenenhilfe des Weltbundes der Christlichen Vereine Junger Männer in England, Norton Camp, Cuckney, nr. Mansfield, Notts." (vgl. dazu den redaktionellen Artikel „Zum Geleit", a. a. O., Nr. 12/November 1946, S. 19) sowie am Aufbau der „Zaunkönigbücherei" beteiligt. (Vgl. dazu: H.G., „Aufforderung an alle Kriegsgefangenen zur Mitarbeit an der Zaunkönigbücherei, dem Kulturspiegel und dem Studienblatt", in: Studienblatt, Nr. 12/November 1946, S. 13 f.). Zur Rolle von H.G. in England vgl. : Erhart Kästner (1904-1972), Die Stundentrommel vom Heiligen Berg Athos, Frankfurt: Insel-Verlag, 1956, 254 S.; dort S. 14 f., Matthew Barry Sullivan, Auf der Schwelle zum Frieden. Deutsche Kriegsgefangene in Großbritannien 1944-1948, Frankfurt am Main/Wien/Hamburg: Paul Zsolnay Verlag, 1981, 444 S.; dort S. 138 f.; Horst Ferdinand, Heinrich Gremmels - Ein Gedenkblatt, in: Ders., Fac et Spera. Erinnerungen. Maschinenschriftl. Mskr., o.O. [Bonn], o.J. [1983], S. 118-129. Nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft war H. G. freier Schriftsteller in Solingen-Ohligs, von 1949 bis zu seinem Tod (1977) Stadtdirektor von Königslutter am Elm. 3 Der Besuch wird von E. J. bestätigt: siehe Nr. 7, FN 2. 4 Zur Internierung von C.S. vgl. u. a.: P. Tommissen, in: Schmittiana II, S. 126 und 142148; Claus-Dietrich Wieland (geb.1952), „Carl Schmitt in Nürnberg (1947)", in: 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, 2/1987, Heft 1, S. 96-122 sowie die in „Briefe" S. 624-629 abgedruckten Briefe von Duschka Schmitt (geb. Todorovic; 1903-1950) an Gretha Jünger (geb. von Jeinsen; 1906-1960) vom 26. 1. 1947 und 17.4. 1947. 5 H. G., „Der christlich-abendlänische Kulturgeist als Verfassungsfrage", in: Kulturspiegel. Zeitschrift der deutschen Kriegsgefangenenlager in Großbritannien, 5. Heft, März 1947, S. 27-54. 6 Von C.S. häufig verwandte Interpretationsformel zur Aneignung lebensgeschichtlicher Zäsur-Erfahrung.

7 A n Heinrich Gremmels 1

Plettenberg Bahnhof Brockhauserweg 10 den 9. Juli 1947

Lieber Herr Gremmels! Durch Ernst Jünger, der mir seine Atlantis-Fahrt schickte, erhielt ich Ihre Adresse. 2 Ist es nicht möglich, daß wir uns sehen, nachdem wir solange und soweit getrennt waren? Ich habe vor, um den 20. Juli herum einige Tage nach Kirchhorst zu fahren, 3 zusammen mit Frau Schmitt, die Ende Juli nach Berlin zurückreist, während ich i m Sauerland bleiben möchte (soweit ich noch Pläne machen kann). Geben Sie mir bitte ein Wort der Nachricht über Sie und Ihre Familie. Ich grüße Sie und Ihre Frau herzlichst auch im Namen von Frau Schmitt und bleibe Ihr alter und unveränderlicher Carl Schmitt

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938-1956

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ι NL Β III, 7: hsl.: mit einem hsl. Vermerk „erwidert 10. Juli 1947". 2 Vgl. hierzu: E. J. an C.S.: Brief vom 3. 6. 47: „Gremmels (22a, Solingen-Ohligs, Wittenbergstr. 4) war hier und nahm viel Anteil an Ihrem Geschick. Bitten Sie ihn doch, wenn Sie ihm schreiben, daß er Ihnen meine »Atlantische Fahrt* schickt, die in England erschienen ist. Ich glaube, er erhielt Exemplare davon." („Briefe", S. 205) H. G. war in England am Aufbau der „Zaunkönigbücherei" beteiligt (vgl. Nr. 6 FN 2), in der als Nr. 518 Jüngers Reisetagebuch „Atlantische Fahrt" 1947 in London erschienen ist. Vgl. dazu: E. J. an H. G. Brief vom 1. 3. 48: „Die ,Atlantische Fahrt' ist für die Masse der Gefangenen vielleicht ein wenig schwer. Umsomehr freue ich mich über die Exemplare, die nach hier einsickern. So erhielt ich gerade gestern wieder von einem Leutnant Fritz Heller aus Cuckney ein Paket davon. Die Schrift erschien übrigens jetzt auch in einer schönen Ausgabe im Verlag ,Die Arche' in Zürich^ ... ] Da aber aus der Schweiz wenige Stücke hereinkommen, bleibt es schade, dass der englische Drucker die Nachfrage nicht befriedigen kann." 3 Die Reise kam wegen einer Augen-Operation E. Js nicht zustande; vgl. dazu: Gretha und E. Jünger an C.S.: Brief vom 12. 7. 47, in: „Briefe", S. 206-208.

8 An Carl Schmitt1

Solingen-Ohligs, den 10. 7. 47 Wittenbergstrasse 4

Hochverehrter, lieber Herr Professor, in großer Freude und tiefer Dankbarkeit nehme ich nach so langer Zeit Ihre ersten Zeilen entgegen.2 Ich bin glücklich, Sie in Plettenberg zu wissen. Die Nachrichten, die ich anläßlich meines Besuches bei Ernst Jünger im Mai d.J. über Sie erfuhr, 3 haben mich sehr betrübt und ließen Schlimmes befürchten. Ich habe Ihnen damals sofort einen längeren Brief an die mir von Frau Jünger angegebene Adresse geschrieben. Offenbar haben Sie diesen Brief nicht erhalten.4 Nun bewegt mich nur der eine Wunsch, Sie so rasch wie möglich wiederzusehen. Darf ich Sie in Plettenberg besuchen? Ich käme heute lieber als morgen. In einem Tage werde ich wohl die Reise hin und zurück nicht schaffen, außerdem fehlt dann der Abend, der für ein gutes Gespräch5 immer die beste Voraussetzung schafft. Ich hoffe aber durch Bekannte hier, die in Plettenberg ihrerseits Verwandte haben,6 eine Notunterkunft dort zu finden, sodaß Sie in dieser Hinsicht keine Sorge haben brauchen. Darf ich daher Ihre Antwort erbitten, an welchem Tage bis zum 20. Juli Ihnen mein Besuch am genehmsten ist? Ich würde um so lieber gleich kommen, damit ich Gelegenheit fände, Frau Schmitt meine Aufwartung zu machen. Selbstverständlich würden meiner Frau und mir Ihr Besuch jederzeit herzlich willkommen sein. Wir leben glücklicherweise - rein räumlich gesehen - noch in so weitläufigen Verhältnissen, daß wir Besuch ohne jede eigene Belastung auch für länger aufnehmen können. Ich möchte daher nicht verfehlen, Sie zusammen mit Ihrer verehrten Frau Gemahlin nochmals recht herzlich zu uns einzuladen.

Christian Gremmels

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Die Aussicht, bald in einem guten Gespräch mit Ihnen vereint zu sein, macht mich unlustig, jetzt Ihnen über meine Situation und besonders meine innere Situation etwas zu schreiben. Ich bitte daher, dafür Verständnis zu haben, wenn dieser Brief inhaltlich so karg ausfällt, wo ich Ihnen doch soviel zu sagen habe. In der Anlage überreiche ich Ihnen 2 Aufsätze aus meiner englischen] Kriegsgefangenschaft. Den Aufsatz „Systemdenken und Problemdenken4'7 erbitte ich bei Gelegenheit zurück, da er mein einziges Handexemplar ist. Den Aufsatz „Der christlich-abendländische Kulturgeist als Verfassungsfrage" 8 bitte ich freundlichst als Geschenk annehmen zu wollen. Die große innere Abhängigkeit von Ihrer Denkungsart, die dieser Aufsatz verrät, wird jedem, der hier überhaupt zu folgen und zu urteilen versteht, offenbar machen, was er letztlich ausdrückt: mein aufrichtiges und undwandelbares Treuebekenntnis zu Ihnen. Meiner Frau und meinen Kindern geht es gut. Sie lassen alle 3 recht herzlich grüßen. Bitte grüßen Sie insbesondere Frau Schmitt recht herzlich von uns allen. In der Vorfreude auf ein baldiges frohes Wiedersehen bin ich Ihr Heinrich Gremmels NL Β III, 8: hsl.; mit Briefkopf: Dr. Gremmels. Nr. 7. Vgl. Nr. 6 FN 3. Nr. 6. 5 Zum Thema „Gespräch" vgl. „Gespräche", S. 42-69. 6 Der Bekannte ist Dr. iur. Karl Heinrich Bock (1909-1978), damals: Essen, Schinkelstr. 5; dessen Verwandter: Dipl.Ing. Ernst Pehl, Kirchstr. 24, Plettenberg. (Angaben nach: K.H. Bock an H. G. Brief vom 16. 11. 1947). ι 2 3 4

7

H. G., „Systemdenken und Problemdenken", in: Studienblatt, Nr. 14/Januar 1947, S. 1 -

4. 8 Vgl. Nr. 6 FN 5.

9 An Heinrich Gremmels1

Plettenberg Bahnhof Samstag, 12/7/47

Kommen Sie gleich, lieber Heinrich Gremmels, sobald Sie nur können, von Montag bis Freitag einschließlich, auch bis Samstag Mittag (den 19/7), sind Sie uns auch für mehrere Tage willkommen und können Sie in einer bescheidenen Unterkunft bei uns im Hause wohnen; das tägliche Brot wird sich wohl auch noch finden. Ich freue mich unendlich darauf, Sie wiederzusehen. Hoffentlich kommt dieses Schreiben schon Montag in Ihre Hände. Vielen Dank für Ihren Brief vom 10. Juli, der heute, am 12. schon hier war, und für die beiden Aufsätze, 2 die mich aufs tiefste angehen. Telegrafieren Sie Ihre Ankunft, damit ich Sie an der Bahn abholen

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938-1956

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kann. Frau Schmitt freut sich ebenfalls sehr, Sie noch vor der Abreise aus dem Westen wiederzusehen. Anima 3 ist auch hier. Wir grüßen Sie, Ihre Frau und Ihre Kinder herzlichst, mit allen guten Wünschen stets Ihr getreuer Carl Schmitt 1 NL Β III, 9: hsl. 2 Vgl. Nr. 8 FN 6; Nr. 6 FN 5. 3 Anima Schmitt (verheiratete Schmitt de Otero; 1933-1983), einziges Kind von C.S., damals 14jährig. Vgl. u. a. Schmittiana I, S. 43-44; Schmittiana III, S. 59-60 FN 31; infra S. 329-330.

10 An Carl Schmitt1

Solingen-Ohligs, den 21. 7. 47

Hochverehrter, lieber Herr Professor, ich möchte Ihnen sowie Ihrer verehrten Frau Gemahlin noch einmal auf diesem Wege meinen tiefsten Dank sagen für die schönen Tage, die ich bei Ihnen in Plettenberg verbringen durfte. Die Begegnung mit Ihnen hat mir für Monate Antrieb genug gegeben; je mehr ich Abstand von unseren Gesprächen bekomme, desto mehr erweist sich, wie viel Sie in mir wieder zum Leben erweckt haben. Ich hoffe, daß ich Ihnen davon bald Zeugnis ablegen kann in der Form einer kleinen Arbeit. Ich habe für Sie Briefpapier in Leichlingen in Auftrag gegeben. Als Briefkopf habe ich schlicht C. Schmitt drucken lassen. Als Absender auf dem Briefumschlag wird stehen Prof. Dr. C. Schmitt, Plettenberg II Brockhauserweg 10. Sollte Ihnen dieser Aufdruck nicht gefallen, so bitte ich um Gegenvorstellung; es ist dazu noch etwa 8 Tage Zeit. Wenn ich auch für Frau Schmitt einen entsprechenden Auftrag übernehmen soll, so bitte ich gleichfalls um den Text des Aufdruckes für das Briefpapier und die Umschläge. Mit herzlichen Grüßen, besonders auch an Frl. Anima von uns allen, Ihr dankbarer Heinrich Gremmels • NL Β III, 10: hsl.; mit einem hsl. Vermerk „beant. 22/7 47".

11 An Heinrich Gremmels1

Plettenberg Bahnhof Brockhauserweg 10 22. 7. 47

Lieber Herr Dr. Gremmels! Ihr Brief vom 21. Juli war heute morgen schon hier. Vielen herzlichen Dank! Die Umschläge kamen mir sehr erwünscht; ich benutze gleich den ersten für diesen

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Christian Gremmels

Brief an Sie. Auch ich setze unsere Gespräche fort und diese Nacht fiel mir ein, daß zwischen „Situation" und „Gelegenheit" ein aufschlußreicher Unterschied ist. Morgen reisen wir (Frau Schmitt, Anima und ich) nach Köln; Anfang nächster Woche bin ich wieder hier. Vielen Dank für die Besorgung des Druckauftrags der Umschläge und des Briefkopfes. Ich möchte Sie bitten, auf dem äußeren Umschlag nur: C. Schmitt, (21b) Plettenberg II, Brockhauserweg 10 (also nicht Prof. und nicht Dr.!) drucken zu lassen; innen auf dem Bogen nur: Carl Schmitt. Frau Schmitt will auch gerne welche haben, mit dem Umschlag: Duschka Schmitt-Todorovic, (21b) Plettenberg II, Brockhauserweg 10, Briefkopf: Duschka Schmitt-Todorovic; Anima möchte daraufhin natürlich auch gleich welche: Umschlag: Anima Schmitt, (23) Cloppenburg i.O., Bahnhofstr.; Briefkopf: Anima Schmitt. Jeder will je 100 Sück haben; wenn es nicht soviele gibt, sollen die von Frau Schmitt vorgehen. Schreiben Sie mir den Preis, damit ich das Geld überweisen kann. Ich benutze gleich den ersten der von Ihnen gesandten Umschläge, um diesen Brief zu schreiben, lieber Heinrich Gremmels. Ich bin sicher, daß wir uns bald zu einem guten Gespräch wiedersehn. Grüßen sie herzlich Ihre Frau und Ihre Kinder, auch von Frau Schmitt, und seien Sie von uns allen herzlich gegrüßt. Immer Ihr getreuer Carl Schmitt ι NL Β III, 11: hsl.; mit hsl. Vermerk „erwidert 1.VIII.47".

12 An Heinrich Gremmels1

Plettenberg, den 4 / 8 / 4 7

Lieber Herr Gremmels! Ich will gleich den ersten Bogen dieses schönen Briefpapiers benutzen, um Ihnen, auch im Namen von Frau Schmitt, für ein so kostbares Geschenk von Herzen zu danken. Hoffentlich sind Sie mit Ihrer Familie gut in Hildesheim2 angekommen und haben Sie eine Zeit guter Erholung für sie alle. Frau Schmitt ist vorige Woche von Hildesheim nach Berlin gereist und, wie sie telegrafierte, gut angekommen. Sie hat auch Jüngers in Kirchhorst 3 besucht. Besonders habe ich mich gefreut, daß Sie Ihre Gedanken zusammenfassen und formen und daß ich bald einen Entwurf von Ihnen erhalte. Toute notre dignité consiste dans notre pensée. Im Juniheft 1947 der Südddeutschen Juristen Zeitung findet sich ein außerordentlich aufschlußreiches Urteil des OLG Kiel vom 26. 3. 47 (über Legalität),4 ferner ein typischer Aufsatz eines Landgerichtsrats Jagusch (Braunschweig) „Rechtsnorm und Normsituation", 5 beides, wenn auch in verschie-

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938 -1956

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dener Weise, ein Symptom dafür, daß Ihre Gedanken aktuell bleiben, auch ohne daß es nötig ist, sich in die heutige Tagespraxis zu begeben. Mit vielen Grüßen und Wünschen für Sie und die Ihrigen stets Ihr getreuer Carl Schmitt ι NL Β III, 12: hsl.; mit hsl. Vermerk „erwidert 16. IX. 47". 2 Vgl. Nr. 3 FN 4. 3 Vgl. dazu: „Briefe", S. 209 f. 4 OLG Kiel. Urteil vom 26. 3. 47 (Ss 27/47) betreffend 53,54 StGB, 161,163 StPO. „Die Amtstätigkeit eines polizeilichen Vollzugsbeamten ist bei pflichtgemäßer Vollstreckung eines im ordnungsmäßigen gerichtlichen Verfahren ergangenen Urteils immer rechtmäßig; ihr gegenüber kann kein Notwehr- oder Notstandsrecht geltend gemacht werden. Auch die Völkerrechtswidrigkeit des Krieges beseitigt nicht die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung, die auf Ergreifung eines wegen Fahnenflucht Verurteilten gerichtet ist." Dem Urteil und seiner Begründung (Süddeutsche Juristen-Zeitung 2/1947, Nr. 6, Sp. 323-330) folgt in Gestalt einer „Anmerkung" ein scharfer Kommentar von Adolf Arndt (1904-1974), damals Ministerialrat im Hessischen Justizministerium (a. a. O., Sp. 330-337). 5 Landgerichtsrat Dr. Heinrich Jagusch (Braunschweig), „Rechtsnorm und Normsituation", in: Süddeutsche Juristenzeitung, 2/1947, Nr. 6, Sp. 295-301.

13 An Carl Schmitt1

Solingen-Ohligs, den 16. IX. 47

Sehr verehrter, lieber Herr Professor, ich bin gestern von meinem 6-wöchigen Landaufenthalt in Hildesheim und Umgegend mit 20 Pfund Gewichtzunahme prächtig erholt wieder zurückgekehrt. Ich bitte sehr um Verzeihung, wenn ich in der Zwischenzeit nichts von mir hören ließ. Ich habe nämlich wie ein Urmensch gelebt und weder eine Zeile gelesen noch eine geschrieben. Ich habe es direkt genossen, einmal so ganz aus den Zusammenhängen der heutigen Gegenwart heraustreten zu dürfen. Mittlerweile ist es nun aber Mitte September geworden und die Hitze hat doch soweit nachgelassen, daß Ihnen wohl die versprochene Besuchsreise zu uns zumutbar ist. Ich möchte Sie hiermit also nochmals recht herzlich bitten, uns demnächst zu besuchen. Ich bin dabei ganz egoistisch, da ich unbedingt wieder einige Impulse von Ihnen nötig habe.- Dr. Herbert Nette, 2 der literarische Leiter des Verlags Ciaassen & Würth Darmstadt, den ich bei Ernst Jünger kennenlernte und mit dem ich seither im Briefwechsel stehe, äußerte den Wunsch, Sie durch mich kennenlernen zu dürfen. Vielleicht ließe es sich einrichten, daß Sie gelegentlich Ihres Hierseins seinen Besuch kurz empfingen. Also, lieber Herr Professor, kommen Sie bitte bald - sofern Sie es einrichten können. Wir können hier auch wunderschöne Spaziergänge machen. Es wird auch

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dafür gesorgt werden, daß Sie genügend Ruhe und „Für sich sein" finden werden. Herzliche Grüße von uns allen an Sie und die Ihren Ihr stets dankbarer Heinrich Gremmels Ich habe jetzt das Tagebuch eines Landpfarrers 3 ausgelesen, es hat mich zutiefst berührt. Soll ich es zurückschicken? Könnten Sie mir gelegentlich Ihres Besuchs ein Exemplar Ihres Werkes „Politische Theologie"4 leihweise überlassen? ι NL Β III, 13: hsl.; mit hsl. Vermerk „beantw.18/9". 2 Herbert Nette (1902-1994) hatte am 12. 8.1947 an H. G. geschrieben: „Ich habe nach wie vor die Hoffnung, daß ich im Laufe des Herbstes noch einmal bei Ihnen einsprechen kann. Vielleicht läßt es sich dann einrichten, daß ich Herrn Professor Schmitt bei Ihnen treffe." Der Wunsch nach einer Begegnung mit C.S. wird in vier weiteren Briefen erneuert (12.9., 27.9., 1.10. und 14.10.) . Die Zusammenkunft fand am 22. Oktober 1947 statt (vgl. Nr. 15 und Nr. 16). Zu H. Nette vgl. in diesem Band, S. 320-321. 3 Georges Bernanos (1888-1948), Tagebuch eines Landpfarrers. Ein Roman, Frankfurt am Main und Hamburg: S.Fi scher-Verlag, 1956, 367 S., Bd. 116 in der Reihe Fischer-Bücherei. 4 C.S., Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität, München und Leipzig: Verlag von Duncker & Humblot (1922), 2. Aufl. 1934, 84 S.

14 An Heinrich Gremmels1

Plettenberg den 18. September 1947

Lieber Heinrich Gremmels! Mit großer Freude las ich Ihren Brief vom 16. September, besonders die Nachricht von dem großartigen Erfolg Ihres Sommer-Aufenthaltes. Für Ihre Einladung vielen herzlichen Dank! Ich komme sehr gern und hoffentlich bald. Im Augenblick verhält es sich so, daß ich morgen Besuch aus Mainz bekomme und in der nächsten Woche die Ankunft von Frau Schmitt erwarte, die von Berlin kommt und hofft, auch ihre Sachen von dort mitzubringen. 2 Alles ist bei den heutigen Verkehrsverhältnissen unbestimmt, aber ich muß jedenfalls hier sein, wenn meine Frau und die Sachen eintreffen. Deshalb wird es wohl Oktober werden, bis ich Sie besuchen kann. Aber die nächsten Wochen werden wohl auch noch so sein, daß wir schöne Spaziergänge machen können. Ich freue mich sehr darauf. Auch Herbert Nette3 würde ich gern kennen lernen. Das Tagebuch eines Landpfarrers brauchen Sie nicht zu schicken. Ich hole es mir zurück, wenn ich Sie besuche. Die Politische] Theologie schicke ich Ihnen hiermit in einem Exemplar, das Dr. Serge Maiwald 4 in Tübingen (Mörikestrasse 5) gehört. An ihn können Sie es zurückschicken, wenn Sie es nicht mehr brauchen. Das hat aber viel Zeit, denn ich habe dieses Exemplar

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938 -1956

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vor über 3 Jahren geliehen und inzwischen hat es viele Reisen gemacht. Der Eigentümer wird sehr überrascht sein, seinem Eigentum wieder zu begegnen. Inzwischen habe ich auch das 1945 in New York in deutscher Sprache erschienene Buch von Karl O. Paetel über Ernst Jünger erhalten,5 das ich hier für Sie bereit halte. Ich vermute, daß es Sie interessieren wird. Viele herzliche Grüße für Sie, Ihre Frau und ihre Angehörigen! Ich hoffe, Sie alle bald in guter Gesundheit zu sehen und bleibe stets Ihr Carl Schmitt Wenn Ihnen das im Verlag V. Klostermann (Frankfurt a.M.) erschienene Buch von Otto Veit „Die Flucht vor der Freiheit" 6 in die Hände fällt, sehen Sie es sich bitte einmal an; es ist ein geistesgeschichtlicher Versuch von großer Objektivität (über 350 Seiten groß) und als Werk eines Praktikers (Veit ist Präsident der Staatsbank von Hessen) erstaunlich. ι NL Β III, 14: hsl.; mit Briefkopf: Carl Schmitt; hsl. Vermerk „erwidert 30. Sept. 47". „Umzugs-Reise" von Frau Schmitt von Berlin nach Plettenberg. 3 Vgl. Nr. 13 FN 2. 4 Serge Maiwald (1916-1952), 1943 Promotion bei C.S. („Die völkerrechtliche Stellung der Staatshandelsschiffe"; vgl. dazu: Chr. Tilitzki, „Carl Schmitt - Staatsrechtslehrer in Berlin", a. a. O., S. 104 f.); nach dem Krieg Begründer der Zeitschrift „Universitas". Zu S. Maiwald siehe Schmittiana II, S. 127 und 156 FN 59 b), sowie Schmittiana V, S. 183-189. 5 Karl O. Paetel (1906-1975), Ernst Jünger. Die Wandlung eines deutschen Dichters und Patrioten (Zweiter Band der Dokumente des anderen Deutschland, hg. v. Friedrich Krause), New York City: Verlag Friedrich Krause, 1946, 76 S. Zu Karl O. Paetel vgl. dessen Kurzbiographie in: Ders., Jugend in der Entscheidung. 1913- 1933-1945, Bad Godesberg: Voggenreiter Verlag, 1963, 308 S.; dort S. 305-307. 6 Otto Veit (1898-1984), Die Flucht vor der Freiheit. Versuch zur geschichtsphilosophischen Erhellung der Kulturkrise, Frankfurt am Main 1947; mit einem Abschnitt zu C.S.: „Der Leviathan in der Staatstheorie des Thomas Hobbes" (a. a. O., S. 279-281). Vgl. dazu auch die unter dem Titel „Soziologie der Freiheit" erschienene „vollständige Neubearbeitung", Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 1957, 275 S.; der Abschnitt über C.S. dort S. 218 f. 2

15 An Heinrich Gremmels1

Plettenberg, den 10. Oktober 1947

Lieber Herr Dr. Gremmels! Ist es Ihnen recht, wenn ich Mittwoch, den 22. Okt. zu Ihnen komme? Dr. Nette hat mir inzwischen geschrieben. Ich habe vor, am 17. Oktober nach[mittags] in Köln zu sein, wo ich einige Bekannte treffen möchte.2 Wollen Sie dabei sein? Am 5 Schmittiana VII

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16. fahre ich zu meinem Bruder 3 (Tel. Köln 73800). Ich freue mich unendlich, Sie bald wiederzusehen. Stets Ihr getreuer Carl Schmitt 1

NL Β III, 15: hsl; Briefkarte mit Kopf „Professor Carl Schmitt" und durchstrichener Anschrift „Berlin NW 87, Flotowstr. 5"; hsl. Archiv-Vermerk: 516 B; hsl. Vermerk „erwidert 13. X". 2 ,Als Vorläufer der späteren A[cademia] M[oralis] darf ein Weinabend am 17. Oktober 1947 im ,Kölner Hof 1 gelten. An ihm nahmen neben C.S. 15 Personen teil." (Wilhelm Schmitz [1912-2000], „Zur Geschichte der Academia Moralis", in: Schmittiana IV, S. 119156; dort S. 121). Zur,Academia Moralis" vgl. auch „Gespräche", S. 52-63.. 3 Josef Schmitt (1892-1978): Einziger Bruder von C.S., in Köln-Kalk als praktischer Arzt tätig. Vgl. in diesem Band, S. 243-244.

16 An Heinrich Gremmels1

Plettenberg, den 7. November [1947]

Lieber Heinrich Gremmels! Jetzt sind es schon 14 Tage her, daß ich bei Ihnen zu Besuch war und ich habe mich noch nicht einmal bei Ihnen und Ihrer verehrten Frau für die rührend gastfreundliche Aufnahme und den schönen, inhaltsreichen Tag bedankt. Sie müssen das mit den vielen Ablenkungen entschuldigen, die die Einrichtung und Unterbringung heute mit sich bringen. Frau Schmitt mußte sich erst in Siegen registrieren (unter unvorstellbaren bürokratischen Schikanen), dann in Altena, dann erst in Plettenberg, dann kamen Kohlen, die in einem entfernten Nest abgeholt werden mußten etc. Sie kennen das ja. Frau Schmitt hat sich über Ihre freundliche Einladung sehr gefreut und läßt herzlichst dafür danken, zugleich mit vielen Grüßen für Sie, Ihre Frau und Ihre Kinder, von denen ich ihr erzählt habe. Sie konnte aber noch nicht kommen, weil sie erst das allernotwendigste hier in Ordnung bringen und dann (am 1 O.Nov.) nach Cloppenburg zu Anima fahren muß, wo sie eine Woche zu tun hat. Wir haben jetzt Kohlen, aber keinen einzigen Ofen. 2 Wenn Sie wirklich einen brauchbaren Zimmerheizofen besorgen könnten, wäre uns das eine ungeheure Wohltat. Sollten wir dorthin kommen? Könnten Sie mir gleich näheres darüber mitteilen? Am liebsten hätten wir einen Allesbrenner, der ein Zimmer von 6 m Länge heizen soll. Auf einen Bezugsschein zu warten, ist hoffnungslos. Ich würde mich sehr freuen, bald Nachrichten von Ihnen, über Ihre Arbeit und Ihre Gedanken zu erhalten. Ich setze unser Gespräch ununterbrochen fort. Haben Sie damals ein Exemplar Ihres Aufsatzes über die Verfassung 3 an Dr. Gustav von Schmoller 4 in Tübingen geschickt? Er verdient es wirklch. In Plettenberg fühle ich

Carl Schmitt - HeinrichGremmels: Briefe 1938 -1956

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mich außerordentlich wohl. Hoffentlich können Sie mich bald einmal wieder besuchen! Viele Grüße und die besten Wünsche für Sie und die Ihrigen! Immer Ihr getreuer Carl Schmitt Ich habe den Namen des Plettenberger Freundes von Karl Bock 5 vergessen; wissen Sie ihn? Grüßen Sie Karl Bock bestens von mir! 1

NL Β III, 16: hsl.; mit Briefkopf „Carl Schmitt"; hsl. Vermerk „erwidert 11.XI. 47". C.S. an E. J. (Brief vom 13. 11. 1947): „(Der Brief ist in einem eiskalten Zimmer geschrieben, wir haben nämlich noch keinen Ofen)." (,3riefe", S. 215). 3 Siehe Nr. 6 FN 5. 4 Gustav von Schmoller (geb. 1907), Assistent von C.S. (SS 1934); 1943 Promotion bei C.S. („Die Neutralität im gegenwärtigen Strukturwandel des Völkerrechts"; vgl. dazu: Chr. Tilitzki, „Carl Schmitt - Staatsrechtslehrer in Berlin", a. a. O., S. 106 f.). Nach dem Krieg Direktor des Tübinger „Instituts für Besatzungsfragen" (siehe Nr. 39 FN 3 ). Vgl. auch „Briefe", S. 636. 2

5 Vgl. Nr. 8 FN 6.

17 An Carl Schmitt1

(22a) Solingen-Ohligs, den 13. XI. 47

Hochverehrter, lieber Herr Professor, ich bin sehr traurig, daß ich Ihnen im Augenblick wegen Ihrer Ofensorgen keinen Rat weiß. Meine Schwiegermutter und auch meine Frau verfügen zwar beide über gute Beziehungen, aber sie haben es z.Z. noch nicht fertig gebracht, für unsere Wohnung einen Ofen zu besorgen. Ich habe aber sofort an Herrn Bock geschrieben, der doch neulich meinte, es müßte wohl in Essen etwas zu machen sein. Ich hoffe, dass Herr Bock sich dieserhalb direkt in den nächsten Tagen an Sie wenden wird. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie Sie unter dem Mangel eines Ofens leiden müssen, denn ich schlage mich seit 14 Tagen mit einer ekligen Grippe herum, die auch nur auf das Sitzen in kalten Räumen zurückzuführen ist. Auch meine Frau liegt mit einer kleinen Rippenfellentzündung zu Bett. Gottlob sind die Kinder mobil.· Ich arbeite z.Z. an einem Aufsatz über den Freiheitsbegriff der politischen Parteien,2 der mir viel Freude macht und der in den „Gefährten" 3 erscheinen soll.Dr. Gerhard Nebel4 schickte ich meinen Aufsatz aus dem Kulturspiegel. 5 Er hat ihn mit Freude gelesen, und nun soll ich über den Gegenstand in Wuppertal 6 sprechen, wozu ein paar Landtagsabgeordnete geladen werden solllen. Ich weiß nicht recht, ob ich es tun soll. Ist der Zeitpunkt schon gekommen, wo man als politischer Verfasser heraustreten darf? *

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Lassen Sie mich herzlich danken für Ihren freundlichen Brief und Ihre guten Worte sowie die Grüße von Frau Schmitt. Wir alle denken viel an Sie beide in Verehrung und mit vielen herzlichen Grüßen, Ihr Heinrich Gremmels ι NL Β III, 17: hsl. Im Nachlaß nicht nachweisbar; vgl. jedoch in H. G., Der Leviathan und die totale Demobilmachung (Nr. 26 FN 2) die Abschnitte zum „weltanschaulich-politischen Freiheitsbegriff" des „Marxismus" (S. 12-15), der „Rechtsparteien" (S. 15-20), der „Mittelparteien" (S. 2 0 22) sowie den Vergleich zum „Verhältnis der drei weltanschaulich-politischen Freiheitsbegriffe." (S. 22-26). 3 Die Gefaehrten. Monatsschrift fuer Erkenntnis und Tat, 1946-1950. 4 Gerhard Nebel (1903-1974): Studium der klass. Philologie, Philosophie und Theologie in Freiburg, Marburg, Heidelberg und Köln. Mit E. J. befreundet, Teilnehmer an der „GeorgsRunde" im besetzten Paris. Sein Aufsatz „Auf dem Fliegerhorst" (in: Die Neue Rundschau, 52/1941, S. 606-608) führt 1942 zur Strafversetzung auf die Kanalinsel Alderney (siehe dazu: G.Nebel, Bei den nördlichen Hesperiden. Tagebuch aus dem Jahre 1942, Wuppertal: Marées-Verlag, 1948, 334 S.). Nach 1945 zunächst im Schuldienst, danach freier Schriftsteller. Zu Gerhard Nebel vgl.: Friedrich Georg Jünger - Gerhard Nebel. Briefwechsel. Mit einer Einleitung und Anmerkungen hrsg. von Ulrich Fröschle (geb. 1963), in: Friedrich Georg Jünger zum Gedenken. Albert von Schirnding (geb. 1935): Wiederkehr. Zum 100 Geburtstag von Friedrich Georg Jünger, Marbach am Neckar: Deutsche Schillergesellschaft, 1998, S. 17-48; dort S. 21 f. FN 7. Siehe auch Heinrich Boll (1917-1985): „Ich hörte die Namen Ernst und Friedrich Georg Jünger zum ersten Mal von Gerhard Nebel, der einmal vertretungsweise für einige Wochen unser Deutsch- und Boxlehrer war. An die Lehrer des Gymnasiums, das ich ein Jahr nach Nebels stürmischen Auftritten absolvierte, erinnere ich mich mit großer Dankbarkeit, auch an Gerhard Nebel. Ich war in beiden Fächern, die Nebel gab, keine Glanznummer, im Boxen noch weniger als im Deutschen, aber Nebel hatte meine volle Sympathie. Er trug uns damals Gedichte von Friedrich Georg Jünger vor, machte uns auf Ernst Jünger aufmerksam und erklärte uns ziemlich offen, daß die Einführung des Boxens auf deutschen Schulen einem anglophobisch-anglophil gemischten Minderwertigkeitsgefühl der Nazis entsprungen sei. [ . . . ] Nebel war schwer zu plazieren. Diese Mischung aus höchster Sensibilität mit einer gewissen Rauhbeinigkeit, etwas Poltrig-Liebenswürdig-Bärenhaftes; dazu war er »strafversetzt 4; es wurde geflüstert, er sei Kommunist - zumindest gewesen. [ . . . ] Gerhard Nebel paßte so gar nicht in diese stille, katholische Schule, die passiven Widerstand ausstrahlte - und ein oder zwei Jahre später von den Nazis aufgelöst wurde - , und doch, das spürte ich, Nebel »gehörte dazu4." (H. Boll, „Das meiste ist mir fremd geblieben. Emst Jünger zum 80. Geburtstag44, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 74 vom 29. März 1975). Zu G. Nebel vgl. auch Schmittiana III, S. 86 FN 52 b). 5 Vgl. Nr. 6 FN 5. 2

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G. Nebel an H. G., Brief vom 1.11. 1947: „Ich danke Ihnen herzlich für die Übersendung des ,Kulturspiegels 4. Ihr Verfassungsentwurf hat mich geradezu gepackt, und ich stimme in jeder Hinsicht mit Ihnen überein [ . . . ] . [ . . . ]Ich habe nun von Ihrem Entwurf zunächst mit Dr. Leep gesprochen, dem Direktor des hiesigen »Bundes4. Er bittet Sie [ . . . ] hier in einem Kreise darüber zu referieren. Wir werden auch alle Landtagsabgeordneten der Umgebung einladen und dann darüber sprechen. Mir scheint Ihre Verfassung der einzige Weg zu sein, das verhängnisvolle und beinahe notwendige Umschlagen der Massen-Demokratie in eine Massen-Despotie zu verhindern, ganz abgesehen davon, daß auch die Massen-Demokratie amerikanischen Stiles mich nicht gerade begeistert.44 Zum Wuppertaler „Bund44 vgl. „Gespräche", S. 44 FN 7, sowie Schmittiana VI, S. 97-98.

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938-1956

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Plettenberg, den 17. November [1947]

Lieber Heinrich Gremmels! Besten Dank für Ihren Brief vom 13. November. Es tut mir leid, daß ich Ihnen wegen des Ofens soviel Mühe gemacht habe. Inzwischen, nämlich heute morgen, haben wir einen bekommen und sind jetzt mit der Aufstellung beschäftigt. Wie kommt es, daß es bei Ihnen kalt ist; liegt das an dem Mangel an Heizmaterial oder woran? Es tut uns so leid, daß es Ihnen nicht gut gut geht und wir wünschen Ihrer lieben Frau baldige Besserung. Sagen Sie bitte auch Herrn Bock, daß er sich nicht weiter um einen Ofen bemühen soll. Wenn Sie vor einem kleinen und vertrauenswürdigen Kreis sprechen können, tun Sie es nur. Ein solcher Vortrag bringt immer eine heilsame Selbst-Klärung mit sich. Das lähmende Gefühl, daß alles, was wir heute sagen, nur ein „e vinculis ratiocinari" 2 ist, halte ich für gefährlich, ohne mir die geringsten Illusionen zu machen. Wir haben in den letzten 20-30 Jahren sehr große Erfahrungen gemacht und nicht schlecht gedacht. Das in den westlichen Ländern so erfolgreiche Buch von James Burnham „Managerial Revolution"3 macht Entdeckungen, die wir längst gemacht haben. Zu den Gedanken ihres Aufsatzes im „Kulturspiegel" 4 wollte ich Ihnen schon längst empfehlen, sich einmal die letzten (früher sehr berühmten) Schluß-Paragraphen von Hegels Encyclopädie anzusehen, mit dem berühmten Satz: „Es ist für eine Torheit neuerer Zeit zu achten, ein System verdorbener Sittlichkeit, deren Staatsverfassung und Gesetzgebung ohne Veränderung der Religion umzuändern, eine Revolution ohne eine Reformation gemacht zu haben, zu meinen, mit der alten Religion und ihren Heiligkeiten könne eine ihr entgegengesetzte Staatsverfassung Ruhe und Harmonie in sich haben" etc.).5 Ich leihe Ihnen gern mein Exemplar. Ferner kann ich Ihnen das neue Buch von Otto Veit „Die Flucht vor der Freiheit" 6 leihen, ohne Ihnen Lektüre aufdrängen zu wollen. Geben Sie mir bald wieder Nachricht und seien Sie mit Ihrer Frau und Ihren Kindern herzlich von uns gegrüßt. Stets Ihr alter und getreuer Carl Schmitt ι NL Β III, 18: hsl.; hsl. Vermerk „erwidert 24. XI. 47". dt.: aus Fesseln (heraus) überlegen. 3 James Burnham (1905-1987), The Managerial Revolution. What is Happening in the World?, New York, 1941; deutsche Übersetzung: Das Regime der Manager, Stuttgart: Union Deutsche Verlagsgesellschaft, 1948, 348 S. Eine fast gleichlautende Einschätzung dieses Buches auch im „Glossarium", S. 42 (vom 16.11. 1947). Über J. Burnham vgl. Schmittiana IV, S. 127 FN 23 und Schmittiana VI, S. 127 FN 23. 4 Vgl. Nr. 6 FN 5. 2

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5 Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831), Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften III (Theorie-Werkausgabe Bd. 10), Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1970, 431 S.; dort S. 360. 6 Vgl. Nr. 14 FN 6.

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(22a) Solingen-Ohligs, den 18. XI. 47

Sehr verehrter, lieber Herr Professor. Hoffentlich haben Sie jetzt ein warmes Öfchen in Ihrem Zimmer. Wenn Sie noch kein Glück gehabt haben sollten, so bitte ich Sie, die im anliegenden Brief von Herrn Bock 2 gegebenen Tips zu überprüfen, ob sie für Sie von Wert sind. Ich war am Sonntag bei Dr. G. Nebel3 zu Besuch. Es war ein aufregend schöner Nachmittag. Wie glücklich macht es, wieder einem Menschen begegnet zu sein, der „auf dem Wege" ist (in statu viatoris). Im übrigen leiden meine Frau und ich immer noch an den Nachwirkungen unserer Grippe; aber wir brauchen doch wenigstens nicht mehr das Bett zu hüten. Wir haben uns jetzt auch in unserem Stübchen einen Ofen leisten können, sodaß wir jetzt auch wieder für einen Besuch von Ihnen nebst Ihrer verehrten Frau Gemahlin empfangsbereit sind. Anfang Dezember fahre ich für 14 Tage zu einer Schlachtefest-Hamsterfahrt nach dem Hildesheimer Land. Meine Frau, die Kinder und ich grüßen Frau Schmitt und Sie, lieber Herr Professor, recht herzlich. In Treue und Dankbarkeit Ihr Heinrich Gremmels ι NL Β III, 19: hsl. 2 Karl H. Bock an H. G. Brief vom 16. 11. 1947: „Mein in Plettenberg lebender,Vetter' ist Dipl.Ing. Ernst Pehl. [ . . . ] Kirchstr. 24, Telefon: 919. An ihn habe ich geschrieben, ob er nicht an einen Ofen kommen könne. Bitte teilen Sie C.S. mit, daß er bei Ernst Pehl, der ein angenehmer Kerl ist, nachfragen möchte, ob dieser helfen konnte.". 3 Vgl. Nr. 17 FN 4.

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938-1956

20 An Carl Schmitt1

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Solingen-Ohligs, den 24. XI. 47

Hochverehrter, lieber Herr Professor, wir freuen uns sehr, daß Sie nun ein Öfchen haben und also auch eine warme Stube. Vielen Dank auch für Ihren freundlichen Brief. Sehr gerne nehme ich das einschlägige Hegelwerk und das Buch „Flucht vor der Freiheit" 2 als Leihgabe von Ihnen entgegen. Ich brauche beides dringend. Meine Arbeit über den Freiheitsbegriff der politischen Parteien3 schreitet munter fort. Ich habe den Eindruck, als ob sich eine ganze Reihe von Einsichten dieses Jahres zu einem Ganzen runden wollen. Und ich muß wieder einmal dankbar der Hinweise gedenken, die ich aus den Gesprächen mit Ihnen und Ihren Büchern entnehmen konnte. Mein Verkehr mit Gerhard Nebel wird enger. Ich bin glücklich, in ihm einen nicht nur ausgezeichneten Denker und Schriftsteller, sondern auch einem wirklichen Menschen begegnet zu sein. Aber das ist wohl garnicht einmal so merkwürdig. Ein tiefer Denker kann ja wohl auch nur ein echter Mensch sein. Darf ich Ihnen verraten, daß ich schon lange wieder Sehnsucht nach einer Begegnung und einem guten Gespräch mit Ihnen habe? Läßt es sich nicht einrichten, daß Sie zusammen mit Frau Schmitt nicht doch noch in der Zeit bis etwa zum 6. Dezember zu uns zu Besuch kommen? Anschließend muß ich dringend zu den Hildesheimer Fleischtöpfen. Meine Frau, die Kinder und nicht zuletzt ich senden Ihnen und Frau Schmitt herzliche Grüße. In immerwährender Dankbarkeit und Treue Ihr Heinrich Gremmels ι NL Β III, 20: hsl. 2 Vgl. Nr. 18 FN 5 und FN 6. 3 Vgl. Nr. 17 FN 2.

21 An Heinrich Gremmels1

Plettenberg, den 28. November [1947]

Lieber Herr Gremmels! Am meisten freue ich mich darüber, daß das Thema ,»Freiheitsbegriff der verschiedenen Parteien" 2 Sie so interessiert und daß wir hoffentlich bald darüber (d. h. über ihre Ergebnisse) sprechen können. Das Wichtigste ist, nicht unproduktiv zu werden. Frau Schmitt läßt vielmals grüßen und für Ihre Einladung herzlich danken. Aber bis zum Beginn des nächsten Jahres sitzt sie tief in ihren häuslichen Arbeiten und kann sich nicht davon trennen. Weihnachten kommt jetzt schnell heran. Hier im Sauerland ist es herrlich. Die Berge im schönen Schnee und die ganze Land-

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schaft wie in verhaltener Erwartung; dem Adventistischen Zug, den dieses Land immer hat, ist diese Jahreszeit besonders angemessen. Den Brief von Karl Bock 3 gebe ich mit bestem Dank zurück. Herrn Dipl.-Ing. Pehf habe ich schon gesagt, daß wir uns inzwischen einen Ofen verschafft haben. Für Anfang Dezember erwarten wir den Besuch von Gerhard Nebel; er wird mir dann wohl auch von Ihrer Begegnung erzählen. Er ist wirklich höchst anregend. Wenn Sie von Ihrer Fahrt nach Hildesheim zurück sind, wollen wir uns über eine Zusammenkunft verständigen. Ich wollte Sie noch fragen, ob Sie etwas von Jüngers Schrift über „Sprache und Körperbau" 5 wissen. Es war davon die Rede, als ich bei Ihnen war, aber ich weiß nicht mehr, wo ich mein Exemplar gelassen habe. Herzliche Grüße, auch von Frau Schmitt, und die besten Wünsche für Sie, ihre liebe Frau und Ihre Kinder! Immer Ihr getreuer Carl Schmitt ι 2 3 4

NL Β III, 21: hsl.; mit hsl. Vermerk „erwidert 23.XII.47". Vgl. Nr. 20 FN 3. Vgl. Nr. 19 FN 2. Ebd.

5 E. J., Sprache und Körperbau, Zürich: Arche, 1947, 63 S. Jetzt in E. Jünger, Sämtliche Werke, Bd. 12, Stuttgart: Klett-Cotta, 1979,535 S.; dort S. 47-98.

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Solingen-Ohligs, den 23. XII. 47

Sehr verehrter, lieber Herr Professor Zum Weihnachtsfest und zum Neuen Jahr wünschen meine Frau, meine Kinder und ich Ihnen und Frau Schmitt sowie Fräulein Anima von Herzen alles Gute.- Ich bin gestern von meiner Hildesheimer Reise zurückgekehrt und jetzt geht es mit frischen Kräften wieder an meine Arbeit über den Freiheitsbegriff der politischen Parteien. Ich bin mit wahrer Lust dabei und ich hoffe, daß was Rechtes daraus wird. Mitte Januar werde ich Ihnen ein Manuskript zur Kritik übersenden. Für Ihren freundlichen Brief vom 28.XI. noch herzlichen Dank. Über Ihr Exemplar von Ernst Jüngers „Sprache und Körperbau" 2 kann ich Ihnen leider keine Auskunft geben. Sie haben bei mir nur Paetels Versuch über Ernst Jünger3 zurückgelassen.

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938-1956

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Die Zeitschrift „Merkur" 4 ist an mich herangetreten, um mich zur Mitarbeit aufzufordern. Ich bin ganz glücklich. Ich hoffe, daß Sie und die Ihren bei bester Gesundheit das Fest feiern können. Grüßen Sie bitte auch Ihre Schwestern. In herzlicher Treue und Dankbarkeit Ihr Heinrich Gremmels ι NL Β III, 22: hsl. 2 Vgl. Nr. 21 FN 5. 3 Vgl. Nr. 14 FN 5. 4 Die Mitarbeit am „Merkur" kommt erst später zustande; siehe H.G., „Das Ende des konstantinischen Zeitalters", in: Merkur. Zeitschrift für europäisches Denken, 12/1958, Nr. 127, S. 821-832.

23 An Carl Schmitt1

Hildesheim, 16.2. 48

Sehr geehrter Herr Professor! Ich habe mich nun doch dazu bereit erklärt, Herrn Rechtsanwalt Dr. Koch, 2 Köln, in seiner Verteidigung Körners 3 zu unterstützen. Die Völkerechtsfragen, die in dem Prozeß auftauchen, sind so interessant, daß ich ruhig ein paar Wochen der Arbeit darauf verwenden will. Es dreht sich vor allem um das Problem, wie weit die Haager Landkriegsordnung in einem totalen Krieg noch Gültigkeit beanspruchen kann, inwieweit durch Seekrieg, Wirtschaftskrieg, Luftkrieg, Partisanenkrieg die Bestimmungen der HLKO insbesondere über die occupatio belli überholt sind. Ich arbeite mit großer Freude an den Problemen; nur kann ich trotz eifriger Bemühung nicht an die notwendige angelsächische Literatur heran. Ich erlaube mir daher die Bitte, ob Sie mir nicht ein geeignetes englisches oder amerikanisches Völkerrechtslehrbuch zur Verfügung stellen können. Vielleicht den Oppenheim, 4 Auch wäre ich sehr dankbar, wenn Sie mir vorübergehend ein Exemplar Ihrer Arbeit: Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff, 5 übermitteln würden. Könnten Sie mir vielleicht auch einige Hinweise geben, welche ausländischen Autoren sich mit der völkerrechtlichen Seite des Problems des totalen Krieges auseinandergesetzt haben? Meine Arbeit: Die totale Demobilmachung hat bei Dr. Tigges 6 große Freude ausgelöst, er will sie bald drucken. Hoffentlich macht die Zensur keine Schwierigkeit. Nachdem wir unsere Kinder für 7 Wochen zur Erholung in den Taunus geschickt haben, haben meine Frau und ich unseren Wohnsitz für ein paar Wochen nach Hildesheim verlegt und wollen uns, soweit das meine Arbeit zuläßt, auch ein wenig erholen und durchfuttern. Die letzten Wochen in Ohligs waren ernährungsmäßig eine böse Sache.

Christian Gremmels

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Wie geht es Ihnen und Frau Schmitt? Die Wuppertaler Tage, die ich mit Ihnen verleben durfte, 7 bleiben mir in schöner Erinnerung. Ich bedauere nur, daß ich mit Ihnen garnicht so recht in ein Gespräch gekommen bin, das war aber wohl nach Lage der Dinge nicht möglich. Wenn der Frühling kommt, so hoffen meine Frau und ich, daß Sie und Frau Schmitt endlich Ihr Versprechen wahr machen und uns in Ohligs besuchen werden. Meine Frau und ich grüßen Sie beide in Treue und Dankbarkeit Ihr Heinrich Gremmels P.S. Wenn Sie mir in den nächsten 3 Wochen schreiben wollen oder ein Bücherpäckchen schicken wollen, so bitte ich meine Hildesheimer Adresse Brehmestrasse 17 benutzen zu wollen.

ι NL Β III, 23: Maschinenschrift. Justus Koch (1891 -1962): Rechtsanwalt und Notar in Berlin, später in Düsseldorf. Verteidiger vor dem Internationalen Militärgerichtshof im 11. Kriegsverbrecherprozeß („Wilhelmstraßen-Prozeß", vgl. FN 3). Zu Koch vgl. C.S., Glossarium, S. 137 f. (vom 24. 4. 1948); Schmittiana II, S. 102 FN 3; Schmittiana IV, S. 122 f.; Schmittiana VI, S. 98. 3 Paul Körner (1893-1957): Staatssekretär, ab 1936 Stellvertreter Hermann Görings (1893-1946) als Beauftragter für den Vierjahresplan; im sog. „Wilhelmstraßen-Prozeß" (4. 11. 1947 bis 4. 4. 1949) - „Die Vereinigten Staaten von Amerika gegen Ernst von Weizsäcker" (Militärgerichtshof V der USA in Nürnberg) - im April 1949 wegen „Verbrechen gegen den Frieden, Teilnahme an einer verbrecherischen Verschwörung, Ermordung und Mißhandlung von Angehörigen der kriegsführenden Mächte" und anderer Verbrechen zu 15 Jahren verurteilt. Zu Paul Körner vgl. Rainer A. Blasius , „Fall 11: Der Wilhelmstraßen-Prozeß gegen das Auswärtige Amt und andere Ministerien", in: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.), Der Nationalsozialismus vor Gericht. Die alliierten Prozesse gegen Kriegsverbrecher und Soldaten 1943-1952, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1999, 319 S. in der Reihe „Die Zeit des Nationalsozialismus", Fischer-Taschenbuch Bd. 13589; dort S. 187-198; sowie: Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg 14. 11. 1945 bis 1. 10. 1946, fotomechanischer Nachdruck München und Zürich: Delphin Verlag, 1984 Bd. I-XXIV; dort Bd. XXIII-XXIV, 635 S., S. 311 f. (Personen-Index sub voce „Körner, Paul"). 2

4 Lassa Francis Lawrence Oppenheimer (1858-1919), International Law. A Treatise, London: Longmans, 1905-1906, 2 Bde; die 8. Aufl. (bearbeitet von H. Lauerpacht [18791960]) erschien in London: Longmans Green & Co, 1955, LVI-1072 S. 5 C.S., Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbergriff (1938), 2. Aufl. Berlin: Duncker & Humblot, 1988, V-53 S. 6 H. G., Der Leviathan und die totale Demobilmachung (siehe Nr. 26 FN 2). Hubert Tigges (1895-1971), Leiter des Μarées-Verlags in Wuppertal. ι Die Umstände einer Zusammenkunft in Wuppertal, dem Wohnort G. Nebels, sind nicht mehr aufklärbar; vgl. jedoch die in diese Zeit fallende Erwähnung Nebels in C.S.s „Glossarium" vom 13.2. 1948 (S. 97).

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938 -1956

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Solingen-Ohligs, den 23 III. 48

Hochverehrter, lieber Herr Professor, zum Osterfeste senden Ihnen und Frau Schmitt wie Fräulein Anima meine Frau, unsere Kinder und ich die herzlichsten Glück- und Segenswünsche.- Sodann danke ich Ihnen für die freundliche Überlassung Ihrer Schrift über den diskriminierende Kriegsbegriff 2 und die Haager LKO von Laun3 die ich von Fräulein Anni Startef in Hildesheim bekam. Das, was Laun zur HLKO sagt, ist leider ziemlich dürftig. Wenn Sie meinem Hochmut verzeihen wollen: ich glaube, ich hätte es besser gemacht. Darf ich die beiden Schriften noch ein paar Wochen behalten? Nun zieht mit Macht der Frühling ins Land. Ließe es sich doch nicht endlich möglich machen, daß Sie und Frau Schmitt das Versprechen wahrmachen und uns hier in Ohligs besuchen? Wir laden Sie beide nochmals herzlich ein. In der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen bleibe ich in steter Dankbarkeit Ihr Heinrich Gremmels ι NL Β III, 24: hsl. 2 Vgl. Nr. 23 FN 5. 3 Rudolf Laun (1882-1975), Die Haager Landkriegsordnung. Das Übereinkommen über die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs. Textausgabe mit einer Einführung v. R. Laun, 5. vollst, überarb. und erw. Auflage, Hannover 1950, 184 S. Zu Rudolf Edler von Laun vgl. Schmittiana IV, S. 125 FN 18 und S. 164 FN 31. 4 Anni Stand (1915-1997): Langjährige Hausdame (seit 1938) von C.S.

25 An Carl Schmitt1

Ohligs, den 22.V.48

Hochverehrter Herr Professor. Ich weiß, daß Sie über meine Schweigsamkeit verstimmt sind. Seien Sie mir bitte nicht allzu böse! Ich war die letzten Monate so zerrissener Stimmung, daß ich mich außerhalb meiner Hauseinrichtung und Familie nicht recht sehen lassen konnte. Aber ich habe gearbeitet und bin gewiß, deswegen in Ihren Augen wieder etwas zu gewinnen. Die „totale Mobilmachung"2 liegt jetzt im 1. Probedruck zur Korrektur vor. Ich hätte Ihnen gern das Manuskript zugänglich gemacht, indessen drängte Tigges3 mit der Drucklegung und so blieb keine Zeit, um es Ihnen noch vorher zuzusenden.· In der Anlage überreiche ich einen Aufsatz über das Ordnungsproblem 4 mit der Bitte um gefl. Kenntnisnahme und gelegentliche Rückgabe. Anfangs meinte ich, er sei mir geglückt. Nun bin ich aber wieder sehr unsicher geworden und be-

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zweifele, ob er zur Drucklegung reif ist. Als ich den Aufsatz schrieb, hatte ich eine Reihe glücklicher Tage und meinte, das Problem an der richtigen Stelle in den Griff bekommen zu haben, glaubte sogar, Wege zu wirklichen Lösungen zu wissen. Wie unsagbar schwer ist doch das Ringen mit Problemen und wieviel Zeit niederdrückender Ungewissheit muß man in Kauf nehmen, um jenes einen glücklichen Augenblicks willen, in dem man einen Gedanken in seiner ganzen Kraft und Wahrheit erleben darf. Manchmal bin ich ganz verzagt und möchte am liebsten den Umgang mit den Problemen ganz aufgeben, wenn ich es nur könnte. Wie sicher und beruhigend war ein Handwerk und wäre es auch wieder das Kriegshandwerk. Schwer bedrückt mich, daß ich Ihnen über meine Mitarbeit in Kochs Nürnberger Verteidigung noch nicht eingehend berichtet habe.5 Von Februar - Ende April habe ich mit meinen dürftigen Hilfsmitteln versucht, in kleinen Gutachten zu den Rechtsfragen des Körner-Prozesses 6 Stellung zu nehmen. Ich habe diesen Arbeiten selbst keinen besonderen Wert beigelegt, ein paar Gedanken sind Koch aber offenbar doch von Wert gewesen. Ab 1. Mai hat er mich nun für einen Monat ganz in seinen Dienst genommen. Er bestellte mich zunächst nach Nürnberg und schickte mich sodann nach Tübingen, um in einer angeblich nach dort verlagerten völkerrechtlichen Bibliothek des Kaiser Wilhelm Instituts für ihn zu arbeiten. Tübingen war aber für mich eine große Enttäuschung. Fast wäre ich verhungert, und das Übernachten in Herbergen der Heimat wurde mir unerträglich. Zudem gibt es dort nur eine Bibliothek für Internationales Privatrecht, die dem Kaiser Wilhelm Institut angegliedert [ist]. So bin ich denn aus Tübingen geflohen und versuche im Kölner völkerrechtlichen Seminar meine Aufträge für Koch zu erledigen. Ein Lichtblick war mir in Tübingen die Begegnung mit Gustav v. Schmoller. 7 Ich berief mich auf Sie und wurde herzlich empfangen; er hat mir auch sehr unter die Arme gegriffen und die Staatskanzlei mobil gemacht, damit ich einmal in einem ordentlichen Hotel übernachten konnte. Dieser Staat dort unten ist im übrigen ein Witz. Ich verstehe nicht, wie man sich in ihm zum Justizminister machen lassen kann.8 So etwas Niederträchtiges konnten auch nur die Franzosen aushecken und wir Deutschen geben [uns] dafür her, solche - im besten Falle - Albernheiten mitzumachen.- Leider hatte Schmoller wenig Zeit. Er arbeitet offenbar am Besatzungsstatut und ist viel auf Dienstreisen. Er trug mir auf, Ihnen die herzlichsten Grüße zu übermitteln. Was nun meine Arbeit in Köln angeht, so finde ich dort im völkerrechtlichen Seminar doch einen wesentlichen Teil angelsächischer Literatur, wenn auch nur bis zum Jahre 1938. Ich hoffe daher auch, für Koch einiges brauchbare Material zusammenzubekommen.- Koch gab mir auch Ihr Gutachten aus 1945 über den Satz „nullum crimen sine lege" 9 zu lesen. Wenn man den Aufsatz richtig auszuwerten versteht, so kann man auch im Falle Körner auf herbeigeschafftes neues Material im Grunde verzichten. Ich weiß daher manchmal nicht, ob meine Arbeit sich überhaupt noch lohnt. Aber Koch behauptet immer, es sei notwendig und so unterziehe ich mich denn dieser sauren und undankbaren Aufgabe.- Ich lege ein-

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mal ein paar kleine Arbeiten mit der Bitte um gelegentliche Rückgabe bei und ich wäre sehr dankbar, von Ihnen zu erfahren, ob Sie den Versuch einer solchen Mitarbeit in dem Prozeß für sinnvoll halten. Schließlich gebe ich Ihnen mit herzlichem Dank Hegels Encyklopädie und Launs H.L.K.O. zurück. 10 Ihre Arbeit über den diskriminierenden Kriegsbegriff darf ich bitte noch zurückbehalten. Wäre es nicht denkbar, daß ich diese wichtige Schrift durch Ersitzung oder gar donandi causa erwürbe? Ich bin mir der Unverschämtheit eines solchen Ansinnens bewußt und richte es nur an Sie in dem Bewußtsein, daß Sie mir - trotz aller meiner Versäumnisse - von Herzen wohlwollen. Wie geht es der verehrten Frau Schmitt und Fräulein Anima? Nehmen Sie bitte von meiner Frau und den Kindern sowie besonders von mir die herzlichsten Grüße entgegen, die gleichermaßen Frau Schmitt und Fräulein Anima gelten. In Treue und steter Dankbarkeit Ihr Heinrich Gremmels P.S. Beim Verpacken der Sachen merke ich, daß sich Hegels Encyklopädie nicht gut mit den anderen Teilen verträgt. Ich werde das Buch Gerhard Nebel mitgeben, wenn er demnächst nach Werdohl zum Vortrag fährt. 11 H.G.

ι NL Β III, 25: hsl. 2 Vgl. Nr. 23 FN 6. 3 Ebd. 4 Maschinenschriftl. Mskr. „Sein und Ordnung" (54 S.); mit hsl. Vermerk: Solingen, 24. 4. 1948. 5 Vgl. Nr. 23 FN 2. 6 Vgl. Nr. 23 FN 3. 7 Vgl. Nr. 16 FN 5. 8 „Württemberg-Hohenzollern" existierte bis zum 25. 4. 1952 als eigenständiges Bundesland, danach mit den ehemaligen Bundesländern „Württemberg-Baden" und „(Süd-)Baden" zum Bundesland „Baden-Württemberg" zusammengefasst. 9 Das internationalrechtliche Verbrechen des Angriffskrieges und der Grundsatz „Nullum crimen, nulla poena sine lege"; hektogr. Mskr. (August 1945) hrsg., mit Anmerkungen und einem Nachwort versehen von Helmut Quaritsch (geb. 1930), Berlin: Duncker & Humblot, 1994, 259 S. Für die japanische Übersetzung seines Buches hat der Autor ein (ergänzendes) Geleitwort geschrieben, dessen deutsche Originalfassung abgedruckt worden ist in: Schmittiana VI, S. 305-311. 10 Vgl. Nr. 18, FN 5 und Nr. 24 FN 3. 11

G. Nebel hatte am 28.5. 1948 in Werdohl einen Vortrag über E. J. gehalten; vgl dazu C.S., Glossarium, S. 156 (vom 30. 5. 1948) und „Briefe", S. 229 (Brief vom 11.6. 1948).

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(22a) Solingen Ohligs, 1. Sept. 48

Hochverehrter, lieber Herr Professor. Ich überreiche Ihnen hiermit mein kleines Büchlein „Der Leviathan und die totale Demobilmachung".2 Hoffentlich wird es vor Ihrer Kritik bestehen können. Neske 3 (Kloster Pfullingen) hat mir nun den Auftrag zur Herausgabe einer Tocqueville-Auswahl gegeben. Ich habe jetzt die Demokratie in Amerika I. Teil in der Übersetzung von Rüder (1836)4 gelesen und bin dabei, den Π. Teil zu übersetzen. Ich habe Neske vorgeschlagen, das Werk - etwa auf die Hälfte gekürzt - im Zusammenhang neu herauszubringen. Einen Band „Reflexionen und Maximen" aus dem Gesamtwerk Tocquevilles zusammenzustellen - wie Neske es vorhatte - läßt mich unbefriedigt. Die Demokratie in Amerika enthält eine solche Fülle von wertvollen Gedanken gerade auch für unsere gegenwärtige Situation, daß ich das Werk eigentlich nicht gerne zerstückeln möchte. Selbstverständlich muß viel zeitbedingtes Beiwerk fallen. Neske ist auch grundsätzlich mit meinem Vorschlag einverstanden,5 sofern auch Sie, Herr Professor, gleicher Meinung sind. Darf ich Sie sehr um eine Stellungnahme zu dieser Frage bitten? Es interessiert Sie sicher, daß ich nach den neusten hannoverschen Entnazifizierungsbestimmungen als Angehöriger des Jahrhangs 1913 unter Jugendamnestie falle. Da ich polizeilich in Hildesheim gemeldet bin, so hat sich der Fall für mich auf halbwegs anständige Weise geklärt. 6 Meine Familie, die gesund und munter ist, grüßt Sie und die Ihren recht herzlich. In der Hoffnung, Sie am 26. Sept. zu Nebels Geburtstag in Wuppertal wiederzusehen, bin ich mit vielen herzlichen Grüßen besonders auch an Frau Schmitt und Fräulein Anima. Ihr dankbarer Heinrich Gremmels ι NL Β III, 26: hsl. H. G., Der Leviathan und die totale Demobilmachung, Wuppertal: Marées-Verlag, 129 S. in der Reihe „Schriften zur Zeit". 3 Die auf Aufforderung des Verlegers Günther Neske (1913-1997) zustande gekommene Tocqueville-Arbeit blieb unveröffentlicht: Alexis de Tocqueville (1805-1859), Die Demokratie in Amerika, gekürzt, übersetzt und mit einer Einleitung versehen von Heinrich Gremmels. Maschinenschriftl. Mskr., Bd.I: 1 - 2 4 („Einleitung", datiert: „Solingen, den 14. 2. 1949") und 1 -156 S.; Bd.II: 1 -251 S. 2

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Ueber die Demokratie in Amerika von Alexis de Tocqueville. Aus dem Französischen übersetzt von F. A. Rüder, Leipzig bei Eduard Kummer, 1836. Erster Theil 267 S., Zweiter Theil 343 S. 5 G. Neske an H. G. Brief vom 23. 9. 1948: „In Überlingen konnte ich in Ruhe noch einmal mit E. Jünger über unsern Tocqueville sprechen und fand auch bei ihm völlige Zustimmung. Es freute mich, daß auch Sie immer mehr davon überzeugt sind, die »Demokratie in Amerika 4 als besonderen Band zu bearbeiten, sodaß ich also ganz einverstanden bin."

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938-1956

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6 Der „Bescheid" („Der öffentliche Kläger bei dem Entnazifizierungs-Hauptausschuß der Stadt Hildesheim"/Az.: VE 918/48) erfolgte am 30. 10. 1948: „Das Entnazifizierungsverfahren gegen Herrn Dr. Heinrich Gremmels [ . . . ] habe ich eingestellt, weil die vorgenannte Person als am 30. 10. 1913 Geborener nicht zu dem zu überprüfenden Personenkreis gehört."

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Mein lieber Heinrich Gremmels! Was soll ich Ihnen zu Ihrem „Leviathan" 2 schreiben. Ich befinde mich in zwei Rollen, die aber beide derselben tiefen Freundschaft und Verbundenheit entspringen. Ich lese das Buch zunächst als einen Bestandteil unseres freundschaftlichen Gesprächs und bin entzückt, finde es originell und sogar, manche Apercus, geradezu genial, voller Ideen und ein erstes, allerersten Zeichen dafür, daß Ihre Jahrgänge nicht tot und nicht nur gleichgeschaltet sind, sondern eine Stimme haben. Auch die gelockerte, weder systematisch angestrengte noch aphoristisch-fahrige Gedankenführung gefällt mir gut. Erst wollte ich mich über die Heideggerei des Anfangs ärgern. Dann aber sah ich, für wieviele vorzügliche Einfälle und eine gutsitzende Kritik und sogar Polemik das eine erstklassige Enveloppe ist. In dieser Stimmung fand ich auch den Druckfehler in dem (komischerweise einzigen) Zitat (denn die Anmerkung S. 21 und S. 80 sind kein Zitat mit Seitenangabe) auf S. 1053 überaus lästig und für den Betroffenen wohlverdient; ebenso die milde Toleranz, mit der ein fauchender Vernichter wie Karl Marx als candidat ä la neutralisation in die Weltanschauungskammer rezipiert wird; und was Sie zur „Position" 4 sagen, habe ich als Autor eines Buches „Positionen und Begriffe" 5 geradezu genossen. Gut. Nun aber die andere Rolle, die des besorgten älteren Mentors, des durch 30 Jahre Prüfungskommissionen hindurchgegangenen Examinators, des Alten, der das Publikum kennt. In dieser Rolle habe ich die größten Befürchtungen und bedauere ich, daß Sie mich nicht um Rat gefragt haben. Zunächst wegen des Titels. Der „Leviathan" ist kein Spielzeug, das möchte ich Ihnen vorhalten wie es der Riesenvater in der Ballade Chamissos 6 seiner Tochter vorhielt. Wie kommen Sie dazu, einen solchen Namen auf Ihr Titelblatt zu schreiben? Ihr Buch hat zum Inhalt höchstens „die Demontage des Leviathan". Das wäre ein Titel gewesen. Aber der Leviathan und die totale Demobilmachung ist eine parataktische Häufung, eine Kumulierung, deren Glieder sich gegenseitig im Licht stehn. Ihr Leviathan ist ein Kaninchen, und Ihr Staat ein Schrebergarten, der dem Morgenthau-Plan7 entspricht. Warum also beschwören Sie einen magischen Namen? Zweitens wegen der Form. Die Mischung von Theologie, Philosophie, politischer Theorie und praktischem Reformprojekt läßt keinen einheitlichen Zug erkennen und keine einheitliche Wirkung aufkommen. Die vom Verfasser selbst gefühlte „Paradoxie" seiner Grundthese und seine mehrfach geäußerten Befürchtungen ei-

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nes „milden Lächelns der Skepsis" (so wörtlich zweimal S. 45 und 110) werden dadurch nur verschlimmert. Drittens wegen des Inhalts, im Ganzen und in vielen Einzelheiten. Um das zu spezifizieren, müßte man eine neue Broschüre schreiben. Ich greife als bereit liegende Steine des Anstoßes heraus: die Bezeichnung einer Besatzungsmacht als „echte Autorität" 8 und die Parallele, in die ein hartherziger feindlicher Sieger mit den angestammten deutschen Landesherrn gebracht wird (S. 98, 100 f.); 9 die Verschwommenheit der Hoffnung auf das künftige „Europa", das keinen Nationalismus mehr kennnen soll, weil es keinen deutschen Nationalismus mehr gibt; 10 die Institutionalisierung des Heloten- und Fellachentums, mit einem Parlament als Beschwerdebüro 11 etc.etc. Ich will aber nicht in dieser Rolle verweilen, lieber Heinrich Gremmels. Ganz verschweigen konnte ich einige jener leicht zu berechnenden Einwendungen nicht. Sonst wäre es ja nicht der Don Capisco.12 Ich freue mich trotzdem über die Schrift und bleibe dabei, daß ihre wichtigsten Erkenntnisse und Formulierungen genial sind. Nachdem Gerhard Nebel als erster auf literarischem Gebiet einen neuen Ton gefunden hat 13 und damit in das große Vacuum der fehlenden Jahrgänge, der années creuses, hineingesprungen ist, haben Sie mit dieser Schrift in aller Originalität dasselbe für den Bereich der politischen Publizistik vollbracht. Ich hoffe, daß die Zeit in Deutschland reif ist, um das zu erkennen und anzuerkennen, und daß diese erste Publikation ein guter Start für Ihre weitere Laufbahn sein wird. Mit herzlichen Grüßen und Wünschen von Haus zu Haus unveränderlich Ihr Carl Schmitt Über Tocqueville ein ander Mal. Herzlichen Glückwunsch zur Amnestierung! 14

ι NL Β III, 27: hsl. 2 Vgl. Nr. 26 FN 2. 3 Jürgen von Kempinski statt, wie richtig, Jürgen von Kempski Rakoszyn (geb. 1910); vgl. Schmittiana III, S. 150 FN 1; Schmittiana IV, S. 150 FN 63 g). 4 H. G., Der Leviathan und die totale Demobilmachung, S. 124-127: „Position". 5 C.S., Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar-Genf-Versailles. 1923-1939, Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt, 1940, 322 S. 6 Adelbert von Chamisso (1781-1838), Das Riesen-Spielzeug, in: Chamisso's Werke, Bd. 1, Berlin o.J., S. 228 f. 7 Der amerikanische Finanzminister Henry Morgenthau Jr. (1891 -1967) befürwortete die Zerstörung der Ruhr-Industrie und die Reagrarisierung Deutschlands; sein Plan wurde schließlich von Präsident Harry S. Truman (1884- 1972) abgelehnt.

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938-1956

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8 Vgl. z. B.: „Wir haben es im deutschen Räume wieder mit einer echten vom Volkswillen unabhängigen Autorität zu tun. Vorläufig wird diese Autorität von den Besatzungstruppen dargestellt. Diese sind jedoch nur Platzhalter einer kommenden im Namen einer europäischen oder gar einer Weltordnung auftretendenden Autorität." (S. 98). 9 „Damit rückt unsere Verfassungssituation in vergleichbare Nähe zur Situation der konstitutionellen Monarchie. Auch in der konstitutionellen Monarchie behauptet eine vom Volkswillen unabhängige Autorität ihren Platz, auch dort sind letzte Verfassungsfragen der Entscheidung des Volkes entzogen." (S. 98; vgl. auch S. 102). 10 Zur These, daß die kommende »Autorität übernational ist und bleiben wird" vgl. S. 102 f. 11 „ [ . . . ] das Parlament ist die gegebene Appellationsinstanz [ . . . ] , der offizielle politsche Raum, wo immer wieder die Ansprüche des Volkes auf bürgerliche, nationale und soziale Freiheit gegenüber der Autorität geltend zu machen sind." (S. 103) 12 In E. Js Tagebüchern Deckname für C.S. 13 Das Urteil von C.S. bezieht sich zu diesem Zeitpunkt auf: Gerhard Nebel, Feuer und Wasser, 2. veränderte Aufl. Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt, 1939, 259 S.; Ders., Von den Elementen, Wuppertal: Marées-Verlag, 1947, 171 S. Vgl. aber auch: G. Nebel, Tyrannis und Freiheit, Düsseldorf: Drei Eulen Verlag, 1947, 431 S.; Ders., Griechischer Ursprung, Bd. I, Wuppertal: Marées-Verlag, 1948, 401 S. 14 Vgl. Nr. 26 FN 5.

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Sehr geehrter, lieber Herr Professor! Ich erhielt Ihr Exemplar der „Demokratie in Amerika" 2 und danke herzlich dafür. Als Gegenleistung für die Entleihung - die ich bitte, bis etwa Weihnachten befristen zu wollen - möchte ich Ihnen ein paar Raschen Wein schenken. Verzeihen Sie aber bitte, daß ich statt des Weines als Surrogat 20 DM diesem Brief beilege. Der Vorteil ist ja augenfällig. Sie können sich die Marke selbst wählen und ich erspare das Risiko des Schickens. Nebel hat vergangene Woche mit Middelhauve 3 gesprochen und ihn ziemlich ausgescholten darüber, daß er Sie 2 χ behelligen ließ, ohne überhaupt an ein Honorar zu denken. Ich schreibe auch noch Herrn Middelhauve, um so Nebels Attacke zu unterstützen. So etwas von hinterhältiger Gaunerei ist mir noch nicht vorgekommen. Nebels Geburtstag4 war mir eine kleine Enttäuschung. Mit Erschütterung sah ich, daß „Heliopolis" offenbar die 2. Fassung des Arbeiters 5 wird. Schade, daß ich nicht den Rest des Abends mit Ihnen noch zusammen sein konnte. Nebel sagt, daß es dann ganz lohnend geworden sei. Ich habe von Nicolaus Sombart aus München eine sehr positive Stellungnahme zur totalen Demobilmachung,6 Möhler schreibt teils positiv, im übrigen lehnt er 6 Schmittiana VII

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meine christliche Einstellung als völlig antiquiert ab. Er empfiehlt mir Selbstmord. 7 Herzliche Grüße von Haus zu Haus, Ihr Heinrich Gremmels ι NL Β III, 28: hsl. Alexis de Tocqueville, De la Démocratie en Amérique, Treiziéme édition Paris: Pagnerre, 1850, Bd. I: VIII-512 S., Bd.II: VIII-476 S. Von C.S. zum 31. Oktober 1948 (vgl. Nr. 30, Nr. 31) als Geburtstagsgeschenk für H.Gremmels mit der Widmung versehen: „Heinrich Gremmels zu seinem 35. Geburtstag mit herzlichen Wünschen überreicht von Carl Schmitt. Causa victrix diis placuit, sed victa Catoni. 31. 10. 48." Vgl. zu diesem Widmungszitat (= „Der siegreiche Prozeß gefiel den Göttern, der gewonnene dem Cato"): C.S., Glossarium, S. 287 (vom 30. 12. 1949): „Der Satz: Causa victrix deis placuit ist ganz atheistisch gemeint, von unten nach oben, und spielt den Menschen gegen den grausamen, d. h. unmenschlichen Gott aus. Lukans Pharsalia, das Epos des Bürgerkriegs, ist voll von solchen atheistischen Manifestationen. Gott ist nicht tot, sondern etwas viel schlimmeres. Gott ist auf der Seite des Siegers. Gott schaltet sich gleich und wird immer gleichgeschaltet. Der Mensch als der Besiegte ist der Bessere. Weitere Beispiele aus der Pharsalia VIII. 484 ff. (die Rede des Pothius) oder VII. 440 ff. und die fabelhafte Figur des Bürgerkriegssoldaten Scaeva (vgl. Notiz vom 22. 8. 49). Ernst Jünger scheitert an der Figur des Scaeva." Vgl. auch die weiteren Lucanus (39-65) betreffenden Einträge in C.S.'s „Glossarium" vom 23. 12. 1947; 24. 12. 1947; 26. 2. 1948; 24. 6. 1948 u.ö. 3 Friedrich Middelhauve (1896-1966), Vorsitzender des Landesverbands NordrheinWestfalen der FDP, Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag Nordrhein-Westfalen. 4 26. September. 5 E. J., Heliopolis. Rückblick auf eine Stadt, Tübingen: Heliopolis-Verlag, 1949, 439 S.; E. J., Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt, Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt, 1932, 300 S. 6 Nicolaus Sombart (geb. 1923), 1942-45 Kriegsteilnehmer, Studium der Soziologie, Philosophie und Staatswissenschaften (Berlin, Heidelberg, Paris), Heidelberger Promotion (vgl. Nr. 34 FN 8), hatte am 27. 9. 1948 („z.Z. Muenchen 42, Neuburgerstrasse 1") „An den Marees-Verlag Wuppertal" geschrieben: „Mit groesstem Interesse habe ich das in Ihrem Verlag erschienene Buch von H. Gremmels ,Der Leviathan..gelesen, und stehe nicht an, zu sagen, daß ich es fuer die bedeutendste Publikation auf seinem Gebiet halte, die nach dem Kriege in Deutschland erschienen ist. Ich habe die Absicht, es in groesserem Rahmen zu besprechen. Waere es Ihnen moeglich, mir Einzelheiten ueber den Autor zu vermitteln, der zweifellos aus der Schule von C. Schmitt und Juenger kommt?" Nachdem H. Gremmels mit Brief vom 4. 10. 1948 Auskünfte zu seiner Person gegeben hatte, antwortete N. Sombart am 8.10. 1948: „Die Besprechung Ihres Buches liegt mir in der Tat sehr am Herzen; mehr allerdings, um es zur Diskussion zu bringen, als weil ich es 100% guthiesse. Im Gegenteil, ich halte es für ,gefährlich 4 - in dem Sinne, in dem politische Romantik gefährlich ist [ . . . ] . [ . . . ] In der Anlage lasse ich Ihnen einen Aufsatz zugehen (den Sie vielleicht schon haben?). Es ist eine unveröffentlichte Arbeit von C. Schmitt, der sie mir nach Italien schickte. Sie stehen doch mit ihm in Verbindung? Auch ich zähle mich zu seinen Schülern und hoffe, dies bald durch eine Publikation zu beweisen. (Warum haben Sie eigentlich so freundlichst vermieden, ihn bei Namen zu nennen?).[.... ] In dem Lehrer verbunden. Ihr N. Sombart." Zu den C.S. betreffenden Veröffentlichungen und Deutungen von N. Sombart vgl. Piet Tommissen, in: Schmittiana II, 5. 133-145; und Schmitiana VI, S. 64 - 74; desweiteren „Gespräche", S. 266-271. 7 Armin Möhler an H.G. Brief vom 2. 10. 1948: „Wissen Sie, was die konsequenteste Demobilmachung ist? Der Selbstmord." 2

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Lieber Heinich Gremmels! Ihr Brief vom 5/10 ist gut angekommen, einschließlich der potentiellen Weinflasche. Tausend Dank. Es hat mich tief gerührt, daß Sie sich in dieser Weise meiner erinnern. Was Middelhauve angeht, so lassen Sie ihn lieber und schreiben Sie bitte nicht.2 Es ist schon viel, wenn heute einer mit mir spricht. Der normale Kollege (normal im Sinne des durchschnittlichen Types) würde das nicht wagen, sondern die Ungnade Erich Kaufmanns 3 fürchten. Über die Gespräche mit Ernst Jünger denke ich immer noch nach. Er ist wirklich eine Monade und man darf von ihm nicht mehr menschliche Wärme erwarten, als er hat.4 Vielleicht erwartet Gerhard Nebel in dieser Hinsicht zu viel. 5 Da ist es besser, sich vor Enttäuschungen zu wahren, und auch vor unberechtigten Vergleichen mit dem eigenen Eifer. Ich bin um Nebel etwas besorgt. Die Krankheit könnte ihn verbittern, und wenn eine gewisse niedersächsische Frostigkeit Jüngers ihn jetzt noch befremdet und seelisch erkältet, könnte das sehr traurig werden. Sie müssen alles tun, um das zu verhindern. Ich glaube, es wäre das beste, wenn Nebel jetzt bald nach Heidelberg zu Prof. Siebeck 6 ginge und sich in aller Ruhe ein paar Wochen dort in der Klinik beobachten Hesse. Wieviel Geld das kostet, weiß ich nicht. Siebeck wird ihn schon nicht zu teuer behandeln. Herrn Dr. Maiwald in Tübingen (Mörikestr. 5), der Herausgeber der „Universitas", habe ich auf Ihren Leviathan hingewiesen.7 Er schreibt mir, daß ihn das Buch sehr interessieren würde. Bei Möhler 8 dürfen Sie nicht vergessen, daß er die geschichtlichen, physischen und psychischen, individuellen und politischen Voraussetzungen Ihres Buches nicht mitgemacht hat und auch nicht mitmachen kann. Ihm fehlt hier jede participado im Existenziellen. Es kommt ausschließlich darauf an, wie Ihre eigenen Kameraden auf das Buch reagieren. Abgesehen davon gilt heute vervielfacht, was Tocqueville 1856 seinem Freunde de Kergolay schrieb: les classes influentes ne sont plus Celles qui lisent9 Waren Sie es jemals? Außer dem glücklichen Intermezzo von 1748-1848, das selber wiederum durch die harten Stöße von 1792-1815 unterbrochen worden ist. Vielleicht interessiert Sie der beiliegende kleine Aufsatz von Carl Brinkmann über Tocqueville 10 als kleines Inzitament für Ihre Arbeit. Ich habe noch einige schöne Tocqueville-Notizen,11 aber sie sind in meiner Privat-Stenographie geschrieben. Wenn wir uns einmal wieder treffen, bringe ich sie mit. Den beiliegenden Aufsatz bitte ich mir gelegentlich zurückzugeben, weil er aus meiner Carl Brinkmann-Sammlung stammt, die ich gern vollständig halten möchte. Es ist herrliches Wetter, sodaß ich fortwährend überlege, wie wir zu einem schönen gemeinsamen Spaziergang kommen könnten. Dienstag will Günther Krauss für einige Tage zu Besuch12 kommen. Auf Wiedersehen, lieber Heinrich Grem*

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mels; lassen Sie sich nicht entmutigen und grüßen Sie Ihre Frau und Ihre Kinder herzlich von uns allen. Stets Ihr Carl Schmitt ι NL Β III, 29: hsl. 2 Vgl. Nr. 28 FN 3. 3 Erich Kaufmann (1880-1972): Staats- und Völkerrechtslehrer; vgl. Schmittiana II, S. 158 FN 83 und Schmittiana IV, S. 125 FN 17 und S. 170 FN 63. 4 Vgl. C.S., Glossarium, S. 277 (vom 6. 11. 1949): „E.J. hatte für meine Lage als Outlaw weder Gefühl noch Verstand noch einen Blick. Entsetzliche Sparsamkeit der ihre Einfälle restlos verwertenden Vollmonade. Weder ein Fenster noch eine Tür zum Mitmenschen." Und: Glossarium, S. 278 (vom 15.11. 1949): „Ernst Jünger ist eine Primadonna geworden, eine Vollmonade." 5 „Guter Gerhard Nebel. Er entdeckt in Ernst Jüngers Wesen die Liebe. Das ist allerdings rührend. Guter Gerhard Nebel, das Gold, das Deiner Liebe reiche Deutung an Deinem Jünger-Bild verschwendet, ist eigener Reichtum, eigener Überfluß." (C. Schmitt, Glossarium, S. 231; vom 20. 4. 1949) Vgl. dazu: Gerhard Nebel, Auf ausonischer Erde. Italienisches Tagebuch 1943/44, Wuppertal: Marées-Verlag, 1949, 432 S.; dort S. 160: Jünger spricht selten von Liebe, aber sie durchflutet seine Sätze, und darum machen sie frei." Vgl. auch: G.Nebel, Ernst Jünger und das Schicksal des Menschen (Schriften zur Zeit), Wuppertal: Marées-Verlag, 1948, 31 S.; dort S. 22; Ders., Ernst Jünger. Abenteuer des Geistes, Wuppertal: MaréesVerlag, 1949, 379 S.; dort S. 338 f. 6 Richard Siebeck (1883-1965): 1934-41 Direktor der 1. Medizinischen Klinik der Charité in Berlin; 1941-52 Leiter der Ludolf-von-Krehl-Klinik in Heidelberg. 7 Vgl. Nr. 14 FN 4. 8

Armin Möhler hatte H.G's Schrift „Der Leviathan und die totale Demobilmachung" brieflich scharf kritisiert; vgl. Nr. 28, FN 7. 9 dt. „Die einflussreichen Klassen sind nicht diejenigen, die lesen". 10 Carl Brinkmann (1885-1954), „Tocqueville", in: Die Gesellschaft, 7/1930, S. 555561. Mit hsl. Widmung für C.S.: „Herzl. Dank und Gruss. C.B." n Vgl. dazu die von Piet Tommissen annotierte Anlage. 12 Günther Krauss (1911 -1989), Rechtsanwalt, Mitarbeiter von C.S. seit den 30er Jahren; vgl. Schmittiana I, S. 55-56.

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(22a) Solingen-Ohligs, 20. X . 48

Sehr verehrter, lieber Herr Professor. Darf ich Sie recht herzlich zu meinem Geburtstag am 30. X . - also Sonnabend in 8 Tagen - zu uns einladen. Es kommen Gerhard Nebel, Heinz Bock und Gerhard Seiler, ein ehemaliger Konreferendar von mir. 2 Ich möchte gerne die Nichtigkeit des Anlasses des geplanten Symposions dadurch wett zu machen versuchen, daß Sie daran teilnehmen. In meinem Haushaltsplan findet sich ein Titel „Familienfei-

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ern". Es versteht sich von selbst, daß die Ihnen entstehenden Reise- und Übernachtungskosten zu Lasten dieses Titels gutgeschrieben werden. Für Ihren guten Brief danke ich Ihnen recht herzlich, insbesondere für die Übersendung des Tocqueville-Aufsatzes von C. Brinkmann. 3 Auch für Ihre stenographischen Tocqueville-Notizen4 habe ich größtes Interesse und wäre dankbar, wenn Sie diese für ein Abendgespräch mitbrächten. Inzwischen habe ich an Dr. Maiwald geschrieben und ihm das „Leviathan-Kaninchen"5 geschickt. Er hat aber noch nicht geantwortet. Nebel ist wieder ein kreuzfideler Mensch, nachdem man ihm die Mandeln genommen hat. Seine Nieren sind durchaus gesund. Der Wein schmeckt wieder. Vorgestern hielt Werner Milch in Wuppertal einen Vortrag mit dem Thema „Die Überwindung der Romantik in der europäischen Kultur". 6 Milch gilt als der beste Literaturhistoriker, sein Vortrag war eine einzige Enttäuschung. Nebel und ich werden Ihnen noch ein wenig darüber berichten. Bitte, lieber Herr Professor, kommen Sie zum 30.X. Mit herzlichen Grüßen von Haus zu Haus, Ihr Heinrich Gremmels ι NL Β III, 30: hsl. 2 a) Gerhard Nebel: siehe Nr. 17 FN 4; b) Heinz Bock: siehe Nr. 8 FN 6; c) Gerhard Seiler: Nicht identifiziert. 3 Vgl. Nr. 29 FN 11. 4 Vgl. Nr. 29 FN 12. 5 Auf Empfehlung von C.S. (vgl. Nr. 29, S. 83) hatte Gremmels an Serge Maiwald ein Exemplar seiner Schrift „Der Leviathan . . g e s c h i c k t , die von C.S. mit dem Satz kritisiert worden war: „Ihr Leviathan ist ein Kaninchen." (Nr. 27, S. 79). 6 Werner Johannes Milch (1903 -1950), seit 1947 Prof. für Vergleichende deutsche Literaturgeschichte in Marburg. Zuvor Mitarbeit am „Kulturspiegel", der „Zeitschrift der deutschen Kriegsgefangenenlager in Großbritannien", vgl. dazu: W. Milch, „Deutsche Dichtung der Gegenwart", in: Kulturspiegel, 5. Heft (März 1947), S. 3-15. Der Aufsatz enthält eine Würdigung E.Js, die zugleich als eine der damals zirkulierenden Aneigungsformeln jeweils eigener Lebensgeschichte gelesen werden darf: Jünger „ist nicht ein »Antifaschist 4, der sich rühmen dürfte, gegen Irrlehren der Zeit immun gewesen zu sein - das ist ein fast zweifelhafter Titel, den sich manch Einer heute lediglich als Mäntelchen umhängt - , er ist ein ,nachfaschistischer' Denker, einer, der der Irrlehre angehangen und sie aus sich überwunden hat." (a. a. O., S. 17).

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Plettenberg 24 /10 48

Lieber Herr Dr. Gremmels! Über Ihre Einladung zu Ihrem Geburtstag bin ich sehr gerührt. Vielen herzlichen Dank! Ich folge ihr mit größer Freude und habe vor, wenn ich von Ihnen nichts

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anderes höre, Samstag den 30. Oktober morgens um 7.23 hier abzureisen, sodaß ich gegen 11 Uhr in Ohligs sein werde (ein Zug soll 8.41 von Hagen nach Köln fahren). Auf das Wiedersehen mit Ihnen und den Ihrigen und auf diesen schönen Anlaß einer Wiederbegegnung mit gemeinsamen Freunden freue ich mich ganz außerordentlich. Die Tocqueville-Notizen2 bringe ich mit. Viele Grüße von Haus zu Haus! Stets Ihr alter Carl Schmitt ι NL Β III, 31: hsl. 2 Vgl. Nr. 29 FN 12.

32 An Heinrich Gremmels1

Plettenberg, den 4. November 1948

Mein lieber Heinrich Gremmels! Ihr Geburtstag ist mir noch in schönster Erinnerung und dankbaren Herzens empfinde ich noch die Freude über Ihre Gastfreundschaft. Ich erinnere mich auch der aufopfernden Güte Ihrer lieben und verehrten Frau und denke an Ihre beiden Kinder. Auch Ihre Freunde gehörten dazu, besonders natürlich Gerhard Nebel. „Fülle, wen Du Dir gewinnest!" Ich schicke Ihnen hier den Madrider-Vortrag über Donoso2 und bitte Sie, ihn noch als Geburtstagsgeschenk anzunehmen. Dazu paßt die schmutzige Bosheit nicht, die sich in den beiliegenden Verleumdungen des William Ebenstein dokumentiert. Ich füge Sie auf Ihren Wunsch bei. Da ich keine Abschrift habe und vielleicht in einem andern Zusammenhang noch einmal darauf zurückkommen muß, bitte ich um gelegentliche Rückgabe. Die Abschrift habe ich von einem Bekannten aus Göttingen, der das Buch in einer LagerBibliothek gefunden hat. Die Abschrift ist absolut zuverlässig. Der Verlag ist: Risehart & Company, Inc. Publishers; das Buch hat X V I + 781 Seiten und kostet $ 6.50.3 Ich glaube nicht, daß es Sinn hat, dieses dummdreiste Zeug zu behandeln. So sehr es mich empört - Wort und Begriff „Vernichtung" kommen in meinem Begriff des Politischen nicht vor; die Unterscheidung von Feind und Verbrecher ist gerade das Grundanliegen der Abhandlung - so wenig halte ich es für opportun, solchen gesinnungsträchtigen Begriffspanschern öffentlich entgegenzutreten. Nachdem einmal die Rede drauf gekommen ist, übersende ich es Ihnen. Ich bin sicher, daß sich der Unsinn von selber korrigiert und auch die eifrigsten Teufel im Dienste Gottes arbeiten, wenn man sie nicht fürchtet. Die Abhandlung „Legalität und Legitimität" 4 aus dem Jahre 1932, von der ebenfalls die Rede war, habe ich noch nicht zurückgehalten. Sie bekommen sie also später.

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Vielleicht sehen wir uns Mitte November in Wuppertal, wenn Ernst Jünger aus „Heliopolis" 5 vorliest. Ich soll im November noch nach Walberberg und Burg Brohl. Das Reisen wird mir schwer. Doch war die Fahrt von Solingen-Ohligs nach Neheim sehr angenehm und die Lektüre des Conflicts von 1861 - 1 8 6 5 sehr spannend. Frau Schmitt habe ich von der wunderschönen Geburtstagsfeier erzählt. Sie läßt Sie alle herzlichst grüßen. Anima ist noch auf ihrer Ferienreise nach Mainz und Frankfurt. Grüßen Sie Ihre Frau vielmals von mir und seien Sie selber herzlich gegrüßt von Ihrem alten und getreuen Carl Schmitt

ι NL Β III, 32: hsl. C.S., Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation. Maschinenschriftl. Durchschlag, 15. S., mit (wenigen) hsl. Korrekturen durch C.S.; Widmung: „Für Heinrich Gremmels zum 30. Oktober 1948. C.S.,Fülle, wen Du Dir gewinnest'". Ohne Verfasserangabe abgedruckt in: Die neue Ordnung, 3/1949, S. 1 -15. Vgl. dazu Nr. 41, FN 3. 3 Mit den exakten bibliographischen Angaben dieses Briefes läßt sich die Frage klären, auf welche Veröffentlichung von William Ebenstein (1910-1976) sich C.S. bezieht (vgl. dazu Schmittiana III, S. 61 FN 45 b)); es handelt sich um: Man and the State. Modern political Ideas, edited by William Ebenstein (Associate Professor of Politics Princeton University), Rinehart Company, Inc. Publishers, New York 1947, 2. Aufl. 1948, XVI und 781 Seiten.- Das Buch enthält in „Part II" (.Antidemocratic Thought") ein Kapitel „Fascism: Government by Force and Lies" (S. 294-321), in dem neben Auszügen von Heinrich Treitschke („The State as Power": S. 297-299), Adolf Hitler („The Bigger the Lie, the Better": S. 302 f.) auch ein Abschnitt C.S. gewidmet ist („The Struggle with the Enemy": S. 299-302); es handelt sich um einen vom Herausgeber W. Ebenstein (erstmalig) ins Englische übersetzten Auszug aus C.S., The Concept of ,The Political·, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, vol. 58 (September 1927). In der Einleitung zu Kapitel VIII „Facism: Government by Force and Lies" lautet die C.S. betreffende Passage: „Schmitt was undoubtedly one of the two or three ablest German political scientists of the twentieth century. His brilliance was surpassed only by his lack of character: in 1919 Schmitt was a near Communist; later, he ran through the gamut of all major German political parties. From communism he »evolved4 into a Social Democrat, Democrat, Catholic Centrist, German Nationalist, and finally, a full-fledged Nazi. Schmitt's definition of the friend-enemy contrast as the peculiar and specific criterion of the realm of politics gave the German militarists and Nazis the philosophical clothing with which to cover up the vacuity of ethical nihilism. Schmitt even denies that the liberal theory of the state, which seems to ,tame4 government through ethical rules and balances and seperation of powers, is a political theory at all. Politics begins and ends with the possibility of an enemy and his total annihilation. This conception of politics is extended by Schmitt from the domestic to the international scene in which states face each other all the time as implacable enemies, to be eventually destroyed.44 (a. a. O., S. 295). 2

4 5

C.S., Legalität und Legitimität (1932), Berlin: Duncker & Humblot, 1993,91 S. Nähere Umstände nicht aufgeklärt. Zu „Heliopolis", vgl. Nr. 28 FN 5.

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33 An Carl Schmitt1

Solingen-Ohligs, den 28.XI. 1948

Hochverehrter, lieber Herr Professor! Am heutigen 1. Advent sind es bereits 4 Wochen her, daß Sie bei uns waren und ungefähr 3 Wochen, daß ich Ihren lieben Brief zusammen mit Ihrem Aufsatz über Donoso Cortés 2 als zusätzlichem Geburtstagsgeschenk erhielt. Es drückt mich sehr, daß ich Ihnen seitdem noch nicht schrieb, und ich bitte Sie herzlich um Nachsicht. Eine Reihe kleiner, aber zeitraubender Aufträge hat mich viel Mühe und manchen Ärger gekostet, und so fand ich nie die rechte Zeit und Stimmung, um Ihnen zu schreiben, zumal man auf die Übersendung des „Donoso Cortés" ja nicht mit einem einfachen Danke-schön antworten kann. Von diesem Aufsatz bin ich ganz begeistert und bin glücklich, ihn mit einer so warmherzigen Widmung von Ihnen zu besitzen. Ich bin der Meinung, daß er unbedingt publiziert werden müsste. Abgesehen von seinem überzeitlichen Wert, den ich keineswegs gering einschätze, scheint er mir so aktuell zu sein, daß ich von seiner Veröffentlichung direkt eine Veränderung der geistesgeschichtlichen Situation der Gegenwart erwarte. Ich kenne Ihren Skeptizismus gegenüber Publikationen der Gegenwart - da es keine intakte Öffentlichkeit mehr gibt, so ist im Grunde auch jede Veröffentlichung unsinnig - ich weiß auch, daß Sie recht damit haben, zu behaupten, die Veränderung der geistigen Situation sei bereits durch den Gedankenvollzug als solchem und seine Niederschrift erfolgt. 3 Dennoch möchte ich in diesem Falle eine Ausnahme annehmen. Ihr Aufsatz schafft erstmalig eine Gesamteuropäische Gegenposition bezüglich des Kommunismus, die deutsch-europäischem Denken entspricht und von der aus die pseudologischen Derivationen, mit denen die Amerikaner gegen die Bolschewiken antreten, in ihrer ganzen Dürftigkeit durchschaut werden können. Ihr Aufsatz kann grundlegende Bedeutung haben für die Festigung einer konservativen Haltung im gesamteuropäischen Sinne. Er könnte bei den geistigen Eliten der europäischen Volker die Atmosphäre schaffen, in der man sich nicht nur einander näher kommt, sondern auch den Mut zu gemeinsamen konkreten Zielsetzungen findet. Darum müßte er nicht nur in Deutschland, sondern vor allem in Frankreich und Spanien publiziert werden.- Persönlich verdanke ich dem Aufsatz außerordentlich viel. Mein Geschichtsbild vom 19. Jahrhundert hat sich ruckartig vervollständigt und damit auch zu einer Veränderung meines Situationsbewußtseins geführt. Ich möchte Ihnen noch in diesem Zusammenhang von einem Besuch von Günther Krauss4 berichten, der am Freitag der vergangenen Woche ein paar Vormittagsstunden bei uns war. Ich habe Krauss in dem guten Gespräch, das wir führten, erst richtig kennengelernt. Mit tiefer Genugtuung stellten wir fest, wie leicht eine Verbindung von Mensch zu Mensch geknüpft ist, wenn man sich in der gemeinsamen Treue zu einem Dritten begegnet. Unser Gespräch drehte sich um den politischen Mythos. Krauss vertrat die These Mythos gegen Mythos und sah deshalb in dem durch die Ereignisse keineswegs widerlegten Faschismus den einzig brauch-

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baren antibolschewistischen Mythos. Dem läßt sich im Grunde nur entgegen halten: vorausgesetzt, daß der Mythos überhaupt noch eine entscheidende Bedeutung in der Zukunft haben wird. Ich glaube, daß sich zumindest im deutschen Räume der politische Mythos überlebt hat.5 Insbesondere halte ich das deutsche Volk keiner Massenaffekte mehr für fähig, die einen politischen Mythos tragen könnten. Sowohl der Bolschewismus wie der politische Christianismus wie ein Nationalismus neuer Art werden das deutsche Volk kalt lassen. Massenaffekte und deren pseudologischen Derivationen sind theologisch betrachtet Verzweiflungsausbrüche. Auflehnungen gegen Gott, Idolatrien. Und in der Tat handelt es sich 1848 in Frankreich um den ersten Durchbruch eines antichristlichen Massenaffektes, und der Nationalsozialismus war ein letzter Massenaffekt dieser Art. In gottfernen Zeiten wie dem 19. Jahrhundert gibt es noch Gottesliebe und Gottesfeindschaft als Massenerscheinung, also christliche Gemeinde und politischer Mythos - beides sind gewiß Formen menschlicher Verzweiflung. Aber in der Zeit der Gottesunfähigkeit 6 gibt es auch keine echte Möglichkeit der Auflehnung wider Gott mehr, gibt es gar keine Verzweiflung mehr. Und daher meine ich, daß die Zeit des politischen Mythos vorbei ist. Dies möchte ich in unserer politischen Lage als Vorteil buchen. So wird überhaupt erst eine Diktatur von oben möglich, jene einzige Form, in der Europa noch einmal zu einer eigenständigen politischen Ordnung kommen kann. Alle Diktaturen, die mit Hilfe von Massenbewegungen, mit politischen Mythen und Ideologien die Macht ergreifen und ausüben, sind doch zweifellos Diktaturen von unten und mag sich die fragliche politische Mythe gar an der Bibel orientieren. Die Diktatur von oben, die ich für möglich halte, wird eine reine Militärdiktatur sein. Nach dem ersten Weltkrieg war sie in Deutschland noch unmöglich, weil sich damals nicht gegen die Leidenschaften der Masse mit dem Bajonett allein regieren ließ. Nach dem Zusammenbruch von 1945 sind die Zeiten der Massenleidenschaften vorbei der Aufbruch 1933 war in dieser Hinsicht das letzte Ereignis - und jede Militärdiktatur hat leichtes Spiel. Eine solche Militärdiktatur würde indirekt der Sache des Christentums dienen können. [Damit könnte sie] - durch keine Massenideologien und Mythen mehr gehindert - ihre Soldaten wieder alle Sonntage geschlossen in die Kirche befehlen. 7 Die preußische Kaserne käme wieder zu ihrem vollen Recht. Auch wäre mit einer solchen Diktatur eine weitgehende Freiwirtschaftsspähre des Einzelnen vereinbar. So etwa verteidigte ich meinen Standpunkt gegenüber Günther Krauss. Selbstverständlich ist das noch ungegorenes Zeug. Aber es lohnt sich, glaube ich, darüber nachzudenken. Es betrifft im übrigen den noch ungeschriebenen II. Teil von „Der Leviathan und die totale Demobilmachung".8 Entscheidend wichtig ist mir dabei die These: In einer Zeit der Gottunfähigkeit gibt es auch keinen politischen Mythos mehr. Ich habe Günther Krauss versprochen, daß ich ihn nach Ohligs bitten werde, wenn Sie einmal wieder zu uns zu Besuch kommen werden. Möchte es bald sein.

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Zum Schluß möchte ich Ihnen noch einmal recht herzlich für Ihre Geburtstagsgeschenke danken und Ihnen, Frau Schmitt und Fräulein Anima eine frohe und gesegnete Adventszeit wünschen. Meine Frau und die Kinder bedanken sich recht sehr für Ihre guten Worte des Gedenkens und grüßen Sie, lieber Herr Professor, mit mir auf das allerherzlichste. Ihr [Heinrich Gremmels] ι NL Β III, 33: Maschinenschriftl. 2 Vgl. Nr. 32 FN 3. 3 Vgl. zu dieser Argumentationsfigur ζ. B. C.S., Glossarium, S. 97 (vom 12. 2. 1948): „'Der Edle bleibt in seinem Zimmer. Formt er seine Gedanken richtig, so braucht er sie nicht zu publizieren, er findet ein Echo aus einer Entfernung von über tausend Meilen.' (Konfuzius)." Zu den Nachbarthematiken „Gespräch" und „Schweigen" vgl. „Gespräche", S. 42-69 und S. 70-133. 4 Vgl. Nr. 29 FN 13. 5 Vgl. hierzu: A. Möhler an H. G. Brief vom 25. 12.1948: „Ihr Bericht über das Gespräch mit Krauss (von dem mir kurz zuvor Schmitts Freund Oberheid erzählt hat auf seiner Durchreise in Basel) hat mich natürlich sehr interessiert und Sie werden mit Recht vermuten, daß ich in dieser Sache eher auf der Seite Krauss' stehe. Dies allerdings mehr formal: in der Behauptung, daß solche Mythen noch (oder wieder) existieren, ja daß unser ganzes Denken bereits wieder von solchen Mythen geleitet wird, die so umfassend sind, daß wir ihre Anwesenheit gar nicht bemerken." 6 A. Möhler an H. G. Brief vom 25. 12. 1948: „Ihre Formulierung der ,Gottesferne 4 des 19. Jahrhunderts und der ,Gottesunfähigkeit' des 20. Jahrhunderts finde ich sehr glücklich und werde mich ihrer bedienen (unter Wahrung Ihres Copyrights). Jedoch scheint mir das, was hier ,Gott' heißt, eine ganz bestimmte Form des Göttlichen zu sein. Das Göttliche scheint mir heute immer näher zu rücken, wenn auch vorerst noch vorwiegend in dunkeln Erscheinungsformen." Vgl. hierzu auch den Abschnitt „Gottesferne" in : G. Nebel, Ernst Jünger. Abenteuer des Geistes, a. a. O., S. 314-328. 7

A. Möhler an H. G. Brief vom 25. 12. 1948: „Die Soldaten alle Sonntage geschlossen in die Kirchen zu befehlen, das scheint mir heute fruchtlos. Denken Sie daran, daß unter Friedrich Wilhelm I. eben noch die Glaubenssubstanz da war, die ein solches Reglementieren fruchtbar werden ließ - wo sie verschwunden ist, scheint mir da ein Befehlen nutzlos oder gar schädlich zu sein." 8 Nicht erschienen.

34 A n Heinrich Gremmels 1

Plettenberg, den 15. Dezember 1948

M e i n lieber Heinrich Gremmels! Ihr Schreiben vom 28. November hat mir gut getan und mich gestärkt. Ich habe es öfters gelesen und auf mich wirken lassen. Eine der praktischen Konklusionen dieser Wirkung bestand darin, daß ich den lebhaften Wunsch empfand, Sie mit dem Kreis des „Pressedienstes für undoktrinäre P o l i t i k " 2 in Verbindung zu bringen. Ich habe Friedrich Vorwerk, 3 der mich dieser Tage besucht hat, Ihre Adresse gegeben.

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Er hat mir versprochen, in „Christ und Welt" eine Erörterung Ihres „Leviathans" zu veranlassen. Lassen Sie ihm doch bitte ein Exemplar schicken (Friedrich Vorwerk, Stuttgart, Hauptmannsreutte 90, bei di Centa). Er, der sonst außerordentlich gut infomiert ist, hatte noch nichts von dem Buch gehört. Zu jenem „Pressedienst" gehört vor allem Prof. Ernst Forsthoffdem ich Ihren Namen nennen werde. Über das Thema Ihrer Diskussion mit Günther Krauss („Freie Wirtschaft im starken Staat") und das Zeitalter der „Mythen" schreibe ich nicht gern etwas nieder. Ich freue mich aber auf den II. Teil Ihres Leviathan. Heute wollte ich Ihnen noch mitteilen, daß Nicolaus Sombart5 mir (seit langem unerwartet wieder zum erstenmale) geschrieben hat, aus Heidelberg, und zwar aus Anlaß eines Rundfunkgespräches mit Ihnen.6 Ich mische mich nicht gerne in Rundfunkgespräche ein. Ich wollte es Ihnen aber mitteilen und Sie für alle Fälle zu einer gewissen Vorsicht mahnen, damit Sie nicht in den Geruch des „Reaktionärs" und „Schülers von Carl Schmitt" geraten. Ich weiß nicht, wie Nficolaus] S[ombart] sich als Charakter entwickelt hat. Einige Gerüchte über ihn veranlassen mich zu einer Vorsicht, die mir sonst nicht liegt. Ich weiß noch nicht, was ich antworten werde und ob ich ihm antworte. Die Rücksicht auf meine Freundschaft mit seinem Vater7 macht den Fall für mich kompliziert. Er ist jetzt wieder in Heidelberg, wo er bei Alfred Weber 8 promovieren will. Das Wort „Demokratie" kam etwas sonderbar in dem Briefe vor. Als ein seit Jahren gejagtes Wild bin ich hellhörig für Nebentöne. Als alter Professor will ich nicht, daß meine jungen Freunde sich in die Dunstsphäre der Verleumdung begegben, in die man meinen Namen vernebelt hat. Das wird als Andeutung genügen. Ich habe immer große Sympathien für den jungen Sombart gehabt, aber ich kenne seine „Situation" nicht. Dieses als Information nur für Sie persönlich, nicht für Gerhard N[ebel]. Machen Sie ein schönes Rundfunkgespräch, aber vergessen Sie nicht, welche Situation damit verbunden ist und welcher Art die „Öffentlichkeit" ist, in der Sie dann stehen. Alles horcht auf das „geheime" Deutschland, um einige Schüsse in das Dunkel abzugeben. Die Adventswünsche kann ich jetzt schon mit Weihnachtswünschen erwidern. Ich tue das aus ganzem Herzen und hoffe insbesondere, daß Ihre Wohnungsorgen sich bald klären und daß Sie, Ihre liebe und verehrte Frau und Ihre Kinder trotz aller Finsternisse ein schönes und segenvolles Weihnachtsfest begehen können. Frau Schmitt und Anima schließen sich meinen Grüssen und Wünschen aufs herzlichste an. Wir werden in diesen kommenden Tagen oft an Sie denken. Ich bleibe stets und in allem Ihr Carl Schmitt ι NL Β III, 34: hsl. 2 Zum „Pressedienst für undoktrinäre Politik" vgl. Schmittiana IV, S. 122 FN 10 b). 3 Friedrich Vorwerk (1893-1969): Verleger; mit C.S. langjährig befreundet; vgl. Schmittiana III. S. 159-160.

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4 Ernst Forsthoff (1902-1974): Staatsrechtslehrer. Zu Ernst Forsthoff vgl. „Gespräche", S. 240-246, sowie Schmittiana IV, S. 124 FN 13 c) und S. 143 FN 35. 5 Vgl. Nr. 28 FN 6. 6 Radio Frankfurt /Abendstudio (Leitung: Alfred Andersch, 1914-1980): 15. 3. 1949, 21.15 Uhr: Masse und Elite. Thesen-Disputation zwischen H. G., Friedrich Minssen, Gerhard Nebel und Nicolaus Sombart. Vgl. hierzu: „Briefe", S. 235. (Brief vom 24. 3. 1949) und C.S., Glossarium vom 15. 3. 1949: „Das traurige Gespräch über Demokratie und Elite: ein Soziologensohn [=Sombart], ein Studienratssohn [= Gremmels], ein Ex-Studienrat [= Nebel] veranstalten eine schlechte Anfängerübung. Traurig." 7 Werner Sombart (1863-1941), von 1906-17 Prof. für Volkswirtschaftslehre an der Handels-Hochschule Berlin. 8 Nicolaus Sombart, Vom Ursprung der Geschichtssoziologie; in einer Kurzfassung veröffentlicht in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, 41/1955, S. 469-510 (vgl. hierzu: „Gespräche", S. 267 f. FN 154); thematisch anschliessend: N. Sombart, Krise und Planung. Studien zur Entwicklungsgeschichte des menschlichen Selbstverständnisses in der globalen Ära, Wien / Frankfurt am Main/Zürich: Europa Verlag, 1965, 103 S., in der Reihe „Europäische Perspektiven"; dort (S. 63) die ohne Bezug auf C.S. bleibende Bestimmung „'Feind 4 ist derjenige, der den Plan verhindert." (vgl. hierzu Schmittiana IV, S. 57 FN 57).

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Mein lieber Heinrich Gremmels! Ihr Brief vom 9. März ist für mich eine ganz außerordentliche Freude. Ich habe lange nichts mehr von Ihnen gehört und dachte schon, Sie hätten mich vergessen. Das war unrecht von mir, aber es liegt nahe und wäre das Normale. Am 15. März werde ich also mit Anima zu einem Nachbarn gehn, der Radio hat und mich freuen, Ihre Stimme zu vernehmen.2 Den Faden des Gespräches3 füge ich wieder bei, mit bestem Dank. Sie haben das klippenreiche Thema gut umschifft, ohne sich viel zu vergeben. An Nicolaus Sombart4 habe ich auf Ihren Brief hin gleich geschrieben. Ihr Aufsatz Kasack-Nebel 5 ist ausgezeichnet, auch in der Form. Ich habe ihn mit großer Freude gelesen, vor allem mit Freude daran, daß Sie aus einem Zeitungsaufsatz soviel an guten Gedanken und gut sitzenden Formulierungen zu machen wissen. Ich füge den Zeitungsausschnitt wieder bei, ebenso den über die Demokratie der Resignation.6 Hat Thoma 7 übrigens wirklich eine Antwort veröffentlicht? Sie tun dieser Giftmücke zuviel Ehre an. Sein Renommier-Schüler Karl Schuttes 8 liquidiert zur Zeit als SEDist in Thüringen den von ihm gegen mich verteidigten „Rechtsstaat". Tausend Dank für Ihre Einladung nach Ohligs. Ich würde Sie gern wiedersehn, aber ich kann es nicht noch einmal annehmen, auf Ihre Kosten zu reisen. Könnten Sie nicht stattdessen einen Tag hierher kommen? Ich verstehe Ihren Wunsch nach einem Abschiedsfest von Ihrer schönen Studierstube und wäre auch gern dabei, aber ich kann jetzt nicht mehr reisen. Ich bin alt und entrechtet, das habe ich in

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diesem Winter gemerkt, und das dürfen Sie in Ihrer liebevollen und gastfreundlichen Anhänglichkeit nicht vergessen. Es ist besser, ich bleibe zu Hause; man wird dann sehn, wer sich die Zeit nimmt, mich zu besuchen. Daß Sie, lieber Heinrich Gremmels, von solchen Erwägungen nicht erreicht werden, versteht sich von selbst, sonst hätte ich sie Ihnen gar nicht ausgesprochen. Aber Sie dürfen auch nicht vergessen, daß ich mich nicht unter die Jugend mischen kann, als wäre ich mir der Schande, die man mir antut, nicht bewußt. Der Ihnen zu Ihrem Geburtstag gewidmete Donoso-Aufsatz 9 hat ein merkwürdiges Schicksal gehabt. Verschaffen Sie sich einmal die letzte Nummer der Zeitschrift „Die Neue Ordnung", 10 die von den Dominikanern in Walberberg herausgegeben wird und die Sie sicher in einem Lesesaal in Ohligs finden werden. Ein Asyl, das mich zu vielen Reflexionen über die Ur-Institution allen Rechts, das Asyl, veranlaßt hat. Wer kann denn heute überhaupt noch ein Asyl gewähren? Weizsäcker 11 hat eine Zeitlang ein Asyl im Vatikan gefunden. Der gerechte Krieg, der alle Gerechtigkeitsanwandlungen des Siegers beseitigt, hat auch hier tabula rasa gemacht. Daß heute selbst Emigranten wie Kelsen 12 mit etwas Scheu einige Verbeugungen gegenüber dem Christentum machen, beruht wohl auf Asyl-Erfahrungen und dem Instinkt, daß die Autorität der Kirchen manchmal noch Asyle bewirken kann, auch ohne daß man deshalb gleich das christliche Sakrament der Taufe zu Schutzzwecken missbrauchen müsste. Die Civitas Dei des Augustinus beginnt gleich in Cap 1 mit dem Asylproblem; 13 aber nicht so, daß man heute seine reine Freude an diesen Darlegungen haben könnte. Aber gleich, ich habe mit meinem Donoso-Aufsatz so etwas wie ein Asyl gefunden, das ist eine wichtige Erfahrung. Was macht Ihre Tocqueville-Publikation?14 Ich erhielt ein italienisches Buch Commento a Tocqueville,15 das aber nur eine Exzerptensammlung zu dem Thema Freiheitsrechte des Individuums ist. Es wird Sie kaum interessieren. Meine Tocqueville-Notiz, die im Herbst 1948 im Boletim der Juristischen Fakultät Coimbra 16 auf portugiesisch erschienen ist, liegt jetzt auch spanisch vor, im Februarheft 1949 der Revista di Estudios Políticos (Madrid); 17 in einer herrlichen Übersetzung. Wie steht es mit Ihren Stadtdirektor-Aussichten? 18 Ich hoffe, bald wieder etwas von Ihnen [zu hören] und grüße Sie, Ihre liebe Frau und Ihre Kinder herzlich, auch im Namen von Frau Schmitt und Anima. Das Schönste wäre, wenn wir uns bald einmal wiedersehen könnten. Ein Briefwechsel macht zu sehr den einen Brief zur Ursache und zur Wirkung des andern, eine Art Kausalität, die die gemeinsame Steigerung zerstört. Also hoffentlich auf ein baldiges Wiedersehn, lieber Herr Gremmels. Ich bleibe stets Ihr Carl Schmitt Die Grüße von G. Nebel erwidere ich bestens. ι NL Β III, 35: hsl. 2 Vgl. Nr. 34 FN 6.

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3 Zur Vorbereitung des „Rundfunkgesprächs" (siehe Nr. 34, FN 6) hatte H. G. zum Thema „Das Problem der Elite in der deutschen Demokratie der Gegenwart" 16 Thesen verfasst. (Masch inenschriftl. Μ skr., 2 S.). 4 Vgl. Nr. 28 FN 6. 5

H.G., „Hermann Kasack und Gerhard Nebel", in: Westdeutsche Rundschau, 19. 2. 1949. H.G., „Demokratie der Resignation", in: Westdeutsche Rundschau, 18. 12. 1948. Der Zeitungsaufsatz ist eine Auseinandersetzung mit Richard Thoma (1874-1957), Ueber Wesen und Erscheinungsformen der modernen Demokratie, Bonn: Dümmlers-Verlag, 1948,40 S. 7 Vgl. FN 6. 6

8 C.S. bezieht sich auf: K. Schuhes, Der Niedergang des staatsrechtlichen Denkens im Faschismus. Die Lehren des Herrn Professor Carl Schmitt, Kronjurist der Gegenrevolution, Weimar: Verlag Werden und Wirken, 1947, 38 S., Nr. 2 in der Reihe „Bausteine unseres neuen Weltbildes"; vgl. die Besprechung von Gustav Radbruch (1878-1949) in: Süddeutsche Juristenzeitung, 3/1948, Nr. 5, Sp. 223-224. Zu K. Schultes vgl. C.S., Glossarium, S. 166 (vom 17. 6. 1948); „Gespräche", S. 166 f. 9 Siehe Nr. 32 FN 3.. 10 C.S., „Francisco de Vitoria und die Geschichte seines Ruhms", in: Die neue Ordnung, 3/1949, S. 289-313 (ohne Verfasserangabe); vgl. Schmittiana II, S. 128-130. h Ernst Freiherr von Weizsäcker (1882-1951), Diplomat, 1938-43 Staatsekretär im Auswärtigen Amt; 1943-45 Botschafter am Vatikan. Im Nürnberger „Wilhelmstraßen-Prozeß" 1948 zu Jahren Haft verurteilt, nach Herabsetzung der Strafe im Oktober 1950 entlassen. 12 Hans Kelsen (1881-1973): Österreichischer Staatsrechtslehrer; Vgl. C.S.s. Urteil im Brief an E. J. vom 11. 6. 1948 („Briefe", S. 228).

13 Aurelius Augustinus, Der Gottesstaat. In deutscher Sprache von Carl Johann Perl, I. Bd. (Buch I-VII), Salzburg: Otto Müller Verlag, 1951, 446 S., dort: Abschnitt I, 1 (S. 40-42): „Die Gegner des Namens Christi, die bei der Verwüstung Roms um Christi willen von den Barbaren geschont wurden." 14 Vgl. Nr. 26 FN 3 und FN 5. 15 Gino Gorla (1906-1992), Commento a Tocqueville. L'idea dei diritti, Mailand: Giuffré, 1948, 395 S.; vgl. dazu in diesem Band die Anlage zu C.S.s Tocqueville Notizen, dort S. 106 FN b). 16

C.S., „Alexis de Tocqueville (Historiographia in nuce)", in: Boletim da Faculdade Dereito da Universidada de Coimbra, 14/1948, S. 205-212. 17 C.S., „Historiographia in nuce. Alexis de Tocqueville", in: Revista de Estudios políticos, 23/1949, S. 109-144. 18 Vgl. Nr. 36.

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Solingen-Ohligs, den 29. III. 49 Wittenbergstrasse 4

Hochverehrter, lieber Herr Professor! Auf Ihren freundlichen Brief vom 1 O.III, hin, für den ich noch recht herzlich danke, hätte ich mich am liebsten gleich in den Zug gesetzt, um zu Ihnen zu fahren. Aber ich habe meine große Plettenbergsehnsucht erst noch unterdrücken müssen.

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Wie Gerhard Nebel Ihnen berichtet haben wird, bin ich von Mai bis Oktober als Reiseleiter in Dr. Tigges Reiseunternehmen2 nach Überlingen verpflichtet. Auf diese Weise möchte ich vor allem meine Finanzen in Ordnung bringen, hoffe aber noch genügend Zeit für mich und meine Interessen zu haben. Meine Stadtdirektorenaussichten haben sich inzwischen weder verbessert noch verschlechtert. Ich habe mich in Königslutter 3 auf Anforderung der RSF4 und in Heiligenhaus bei Düsseldorf mit einer Empfehlung der FDP offiziell beworben. Der 1. ΠΙ. war in beiden Fällen der Schlußtermin für die Bewerbungsgesuche. Bislang habe ich noch nichts Weiteres gehört. Doch ziehen sich solche Angelegenheiten bekanntlich sehr in die Länge. So bestehen hier noch Hoffnungen, aber ich mußte dennoch Dr. Tigges Anerbieten annehmen. Denn meine saure Übersetzungsarbeit des Tocqueville wirft vorläufig noch nichts ab. Neske schrieb zwar begeistert über die Übersetzung, scheint aber die Drucklegung aus finanziellen Gründen hinausschieben zu wollen. Einen Durchschlag von meiner Tocqueville-Einleitung lege ich bei.5 Da es das einzige Exemplar ist, das ich noch in Händen habe, bitte ich um gelegentliche Rückgabe. Die Zeitschrift „Die neue Ordnung", die ich bereits durch Günther Krauss kennenlernte - er schickte mir einen in ihr erschienenen Aufsatz seines Freundes Berger: „Der Staat als Ordnungsmacht"6 - ist leider hier in Ohligs nicht aufzutreiben. Ich habe aber meinen Buchhändler beauftragt, die Nummer, in der Ihr Donoso Cortés-Aufsatz steht,7 zu besorgen. Es freut mich wirklich aufrichtig, daß dieser für die Erhellung unserer geistigen und politischen Situation so außerordentlich wichtige Aufsatz nun auch mehr in die Breite wirken kann. Im übrigen bin ich der besten Zuversicht: Sie werden nicht lange mehr ein „Asyl" nötig haben. Auch bei unseren Frankfurter Gesprächen8 fiel mir auf, daß selbst Ihre sachlichen Gegner genau wissen, daß sie auf die Dauer nicht an Ihnen vorüber gehen können. Was aber das Asylproblem als solches angeht, so hoffe ich, daß es in Zukunft wieder eine erhebliche Bedeutung bekommen wird. Solange es Neutralität im völkerrechtlichen Sinne gab, war ja das Asylinstitut praktisch bedeutungslos. Nach Beseitigung der völkerrechtlichen Neutralität wird es jedoch wieder bitter notwendig, und ich glaube, daß die Exponenten totalitärer Mächte es achten lernen werden, weniger aus Respekt vor der Autorität der Kirche als in der geheimen Besorgnis, daß sie selbst einmal auf dieses Institut angewiesen sein könnten. Ich danke Ihnen sehr herzlich, daß Sie mich auf diese wichtige Frage aufmerksam gemacht haben. Ich werde sie in meinen Bemühungen nicht mehr aus den Augen lassen. In den nächsten Tagen fahre ich auf ein paar Wochen zum Besuch meiner Mutter nach Hildesheim. Zwischen der Zeit nach Ostern und meiner Reise nach Überlingen möchte ich dann gerne noch - wenn es Ihnen passen sollte - nach Plettenberg kommen. Ich freue mich sehr auf einen schönen Spaziergang mit Ihnen in Ihren heimatlichen Bergen und Wäldern.

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Meine Frau, meine Kinder und ich grüßen Sie, lieber Herr Professor, Frau Schmitt und Fräulein Anima recht herzlich. In dankbarer und treuer Verbundenheit Ihr [Heinrich Gremmels] ι NL Β III, 30: Maschinenschriftl. Dr. Hubert Tigges (vgl. Nr. 23 FN 6) hatte bereits 1938 unter dem Namen „Central Europe Tours Ltd." in London ein Reisebüro erödffnet; Neugründung der „Dr. Tigges-Reisen" nach der Währungsreform. 3 H. G. hatte sich am 19. 2. 1949 um die Stelle eines hauptamtlichen Stadtdirektors der Stadt Königslutter am Elm (Kreis Helmstedt; Niedersachsen) beworben; nach einem Vorstellungsvortrag am 17. 5. 1949 wurde ihm brieflich durch den mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragten Stadtdirektor mitgeteilt, daß die Stadtverwaltung beschlossen habe, „Ihnen die Stelle des hauptamtlichen Stadtdirektors [ . . . ] zu übertragen." (Brief vom 20. 5. 1949: Az.: a VI). Das „Bestätigungsverfahren" nach 7 des „Gesetzes zur vorläufigen Regelung einiger Punkte des Selbstverwaltungsrechts" vom 28. 5. 1947 (Nieders. Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 7, S. 62; vgl. Nr. 40 FN 4) verzögerte sich durch die von Gremmels C.S. am 21. 6.1949 mitgeteilten Umstände (vgl. Nr. 38, S. 98). Die endgültige Bestätigung erfolgte am 8. 9. 1949 durch den Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Braunschweig, Abt. für Inneres (AZ.: J I b 932/49). 2

4 RFS = Radikal-Soziale Freiheitspartei für die Britische Zone. Mit der FSP (Freie soziale Partei) der Französischen Zone und der SFP (Soziale Freiheitspartei) der Amerikanischen Zone in der am 9. September 1950 in Bielefeld gegründeten FSU (Freisoziale Union) aufgegangen. (Vgl. Richard Stöss (Hrsg.), Parteienhandbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Bd. III, Opladen 1983, S. 1397-1401: „Die Freisoziale Union"). Die genannten „Splitterparteien" waren den Ideen von Silvio Gesell (1862-1930) verpflichtet: Vergesellschaftung des Bodens, Nutzung durch Erbpacht („Freiland"), Zinsverbot („Freigeld"). Vgl. S. Gesell, Die natürliche Wirtschaftsordnung. Durch Freiland und Freigeld [1916], 9. Aufl., Lauf bei Nürnberg: Rudolf Zitzmann Verlag, 1949). H. G. hatte in SolingenOhligs unter dem Namen „Der neue Weg" eine „Freiwirtschaftliche Buchgemeinschaft" gegründet, in der er unter dem Pseudonym Dr. Henricus zwei Broschüren veröffentlichte: Alte Fehler - neue Erkenntnisse, Solingen-Ohligs: Der neue Weg, 1948, 24 S.; Freiheit, die wir meinen!, Solingen-Ohligs: Der neue Weg, 1948, 22 S. 5 Vgl. Nr. 26 FN 3. 6 Hans Berger (1909-1985): vgl. Schmittiana II, S. I l l FN 98 Punkt b); Schmittiana IV, S. 124 FN 15c). 7 C.S., „Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation", in: Die neue Ordnung, 3/ 1949, S. 1-15. 8 Vgl. Nr. 34 FN 6.

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Plettenberg, den 31. Mai 1949

Mein lieber Heinrich Gremmels! Ihr Brief war für mein altes Lehrer-Herz eine unglaubliche Freude und Erleichterung. Ich hoffe, Sie werden mir auch meine Wuppertaler Bemerkung über Ihren „wahren Beruf 4 nicht länger nachtragen, ja, Sie werden sie eines Tages als Ausdruck meiner Liebe verstehen. Gerhard Nebel schürt gern solche Zuspitzungen, ich weiß, daß er es nicht böse meint. Somit: allerrespektvollsten und allerherzlichsten Glückwunsch!2 Schade, daß wir nicht zu den von Ihnen Administrierten gehören! Peterheinrich Kirchhoff, 3 der inzwischen Bürgermeister von Werdohl geworden ist, hatte schon mit mir überlegt, ob man Sie nicht als Stadtdirektor nach Werdohl ziehen könnte. Aber Königslutter ist sicher schöner. Vielen Dank für die Einladung! Im Herbst möchte ich gern einmal kommen. Leider schweben noch viele Fragen, die mir einen sicheren Plan unmöglich machen. Ich denke mit großer Freude daran, daß auch Ihre liebe, gute und von vielen Sorgen geplagte Frau die neue Lage als eine große Verbesserung, Erleichterung und Entlastung ansehen wird. Ich will Sie heute, da Sie in den Molesten des Umzugs stehen, nicht länger aufhalten und mich mit diesem Glückwunsch und mit unsern Pfingstgrüßen und -wünschen begnügen. Die Pfingsttage will ich in Walberberg verbringen, vom 1 .-10. Juni. Am 11. Juni ist eine Sitzung der Academia moralis, 4 bei der wir alle Sie sehr vermissen werden. Wenn Sie in einigen Wochen eingerichtet sind und der Wagen von selbst läuft, müssen Sie mir einen kleinen Bericht schicken. Nach Göttingen ist es von Ihnen wohl etwas weit, sonst müßten Sie mit meinem dortigen Freunden, Prof. Werner Weber 5 und Prof. Hans Schneider, 6 in Verbindung treten, die beide hervorragende Verwaltungsrechtler sind. Vielleicht werden Ihnen die Jahre der Entrechtung in kurzem als eine Zeit fruchtbarster Erfahrungen erscheinen, aus deren Reserven Ihr weiteres berufliches Leben seine eigentliche Kraft und Würde erhält. Ich bleibe mit vielen herzlichen Grüßen und Wünschen von Haus zu Haus immer Ihr alter Carl Schmitt ι NL Β III, 37: hsl. 2 Vgl. Nr. 36 FN 2. 3 Peterheinrich (auch Peter-Heinrich) Kirchhoff (1885-1973), Fabrikant in Werdohl, CDU-Bundestagsabgeordneter. Vgl. Schmittiana I, S. 41; Schmittiana II, S. 127, 155-156 FN 59; Schmittiana IV, S. 94, S. 133, FN 36 Punkt d). 4 a) Zur Beziehung von C.S. zum Dominikaner-Kloster Walberberg vgl. Schmittiana IV, S. 128 f.; b) Zur Tagung der »Academia moralis" vom 11. und 12. 6.1949 in Bad Godesberg vgl. Schmittiana IV, S. 126 f.; dort (S. 147 f.) als „Anlage" auch der Abdruck der Niederschrift der Tagung.

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5 Werner Weber (1904-1976), Promotion bei C.S.; 1935 Professor für Öffentliches Recht in Hamburg, Berlin und Leipzig, seit 1949 in in Göttingen. Über W. Weber vgl. Schmittiana IV, S. 184 FN 127. 6 Hans (Hannes) Schneider (geb. 1912), Staatsrechtslehrer in Göttingen; vgl. Schmittiana IV, S. 124 FN 15b). Zu einem späteren C.S. betreffenden Kontakt zwischen H. G. und H. Schneider siehe Schmittiana IV, S. 227-248: „Eine Diskussion über C.S."

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Königslutter, den 21. VI. 1949

Hochverehrter, lieber Herr Professor! Ich überreiche Ihnen anliegend einen Bericht des am 17. V. 49 von der Stadtvertretung Königslutter gewählten Stadtdirektors über den Wahlvorgang und seine tatsächlichen und rechtlichen Folgen.2 Aus diesem Bericht mögen Sie entnehmen, in was für eine schauerlich verworrene Lage ich geraten bin. Wenn es nur um mich dabei ginge, hätte ich sicherlich diesem ganzem Schmutz hier den Rücken längst gekehrt. Aber ich muß an meine Familie denken und außerdem an meine Generation, die ja meist mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Ich darf also nicht unterliegen. Zudem ist meine Kampfesleidenschaft erwacht, und ich möchte gerne den Lemuren, die mich zur Strecke zu bringen versuchen, einen Streich spielen. Das Pikante, aber auch Gefährliche an der Angelegenheit ist, daß man gar nicht so sehr die politische Belastung zum Anstoß nimmt, als vielmehr, daß ich sie im Bewerbungsgesuch nicht offen zum Ausdruck gebracht habe. Ich habe im Bewerbungsgesuch nur meine nominelle Parteizugehörigkeit angegeben und das Eintrittsdatum (Juli 32) nicht. Dies „Verschweigen" legt man mir als Arglist aus und will nun darauf hinaus, mir die charakterliche Eignung abzusprechen, die für die Bestätigunmg Voraussetzung ist. Ich will aber hier auf die Einzelheiten nicht eingehen, sie gehen aus dem Bericht zur Genüge hervor. Doch habe ich eine Bitte an Sie: Glauben Sie, daß Ihre Freunde, Professor Werner Weber und Professor Hans Schneider,3 für den Fall, der ja nun wirklich von allgemeiner Bedeutung ist, Interesse hätten und unter Umständen bereit wären, mir zu helfen? Mein Fall enthält ja eine ganze Reihe verwaltungsrechtlicher Probleme, die allerdings von den Leuten, mit denen ich es bislang zu tun hatte, einfach ignoriert werden. Die Verwaltungskurfuscher in Helmstedt (untere Kommunalaufsichtsbehörde) lassen sich auf eine juristische Argumentation überhaupt nicht ein, halten vielmehr eine solche für intellektuelle Spitzfindigkeit und einen Beweis für Charakterschwäche. Gott sei Dank ist die Bestätigungsfrage Angelegenheit des niedersächsischen Ministers des Inneren (Kopf) 4 und ich hoffe daher, daß mein Fall doch noch einem Menschen mit gediegener Rechtskenntnis und mit dem Mut zur Sachlichkeit begegnet. Für diesen Fall möchte ich gern gut vorbereitet sein und würde gerne wissen, ob meine rechtliche Argumentation stichhalig bzw. vollständig ist. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie vielleicht mir raten könnten oder aber eine Verbindung zu Werner Weber und Hans Schneider vermitteln würden. Ich habe wirklich das Gefühl, als ob in

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dem Fall des Stadtdirektors von Königslutter mehr auf dem Spiele steht als meine persönliche Existenz. Jedenfalls werde ich kämpfen bis zum Letzten und alle Möglichkeiten verwaltungsgerichtlicher und ziviler Klagen auszunutzen versuchen, wenn es nötig sein sollte. Dabei bin ich guter Hoffnung. Meine Feinde sind so unbeholfen und machen Fehler auf Fehler. Wenn ich nur bald jemand treffe, der für diese Kurfuscherei überhaupt einen Blick hat. Zur Zeit liegt der Vorgang in Braunschweig bei dem sogenannten Präsidenten des niedersächischen Verwaltungsbezirks Braunschweig (Regierungspräsident). Für Ihre freundlichen Grüße vom 31. V. danke ich recht herzlich. Hoffentlich hatten Sie schöne Pfingsttage in Walberberg. 5 Ganz besonders freue ich mich darauf, daß Sie auch einmal nach Königslutter kommen wollen. Bis dahin hoffe ich auch meine Angelegenheit ins Reine gebracht zu haben und dann werde ich insbesondere Sorge tragen, daß an guten Weinen kein Mangel ist. Bei all den Sorgen fühle ich mich frisch und munter, ja es macht mir dies Königslutterer Abenteuer einen richtigen Spaß und selbst bei einem möglichen Scheitern der Angelegenheit hätte ich immer noch einen prächtigen Stoff für eine aristophanische Komödie. Meine Frau und ich grüßen Sie, lieber Herr Professor, und Ihr ganzes Haus in alter Dankbarkeit und Herzlichkeit. [Heinrich Gremmels] ι NL Β III, 38: Maschinenschriftl. H. G., Bericht des am 17. 5. 1949 von der Stadtvertretung Königslutter gewählten Stadtdirektors über den Wahlvorgang und seine tatsächlichen und rechtlichen Folgen. Maschinenschrift. Μ skr., 10 S.; datiert: 8. 6. 1949. 3 Vgl. Nr. 37 FN 5 und FN 6. 4 Ministerpräsident Hinrich W. Kopf (1893-1961), SPD, amtierte vom 18. 6. 1947 bis zum 9. 6. 1948 zugleich als Innenminister des Landes Niedersachsen. Innenminister des 3. Kabinetts Kopf: Richard Borowski (1894-1956), SPD. 5 Vgl. Nr. 37. 2

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Plettenberg 27 / 6 49

Mein lieber Heinrich Gremmels! Mit Ekel und Empörung nahm ich Kenntnis von dem neuen Beispiel der in Deutschland herrschenden Unanständigkeit. Ich habe gleich an Prof. Hans Schneider in Göttingen (Am Reinsgraben 4) geschrieben und ihn gebeten, auch Prof. Werner Weber 2 zu benachrichtigen, sodaß Sie bei beiden eingeführt sind für den Fall, daß Sie den Wunsch haben, die Sache mit ihnen zu besprechen. Halten Sie mich mit einer kurzen Mitteilung auf dem Laufenden. Ich bin ohnmächtig und leide gerade in diesem Fall schwer darunter. Vorgestern war G. von Schmoller 3 hier, 7*

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dem ich Sie wieder von neuem empfohlen habe. Er hat jetzt ein sehr interessantes „Institut für Besatzungsfragen" in Tübingen4 gut gestartet und wird, angesichts des Föderalismus der 11 Länder und der damit gegebenen Verwirrung, viel zu tun haben. Ich bin sicher, daß sich auch für Sie etwas finden wird, falls die gegenwärtigen Gemeinheiten Erfolg haben sollten. Doch ist es wohl am besten, wenn sich die Königslutteraner Sache befriedigend löst. Wer ist denn eigentlich der Anstifter und Betreiber gewesen? Das also nennt sich in Deutschland Amnestie. Man muß sich vor Jugoslawen und Albaniern schämen, die sich im ehrlichen Bürgerkrieg bekämpft und dann gegenseitig amnestiert haben. Aber der deutsche „Widerstand" braucht wohl solchen Fragebogendreck, um sich als Heldenhaft zu fühlen. Mit Entnazifizierung hat das nichts zu tun. Es ist der Existenzkampf der 3. Garnitur gegen alles, was in Deutschland noch nicht verkümmert ist. Hoffentlich erhalte ich bald gute Nachrichten von Ihnen! Inzwischen herzliche Grüße und Wünsche für Sie, Ihre liebe und verehrte Frau und die Kinder! Auch Frau Schmitt und Anima lassen vielmals grüßen und alles Gute wünschen. Stets Ihr alter und getreuer Carl Schmitt ι NL Β III, 39: hsl. 2 Vgl. Nr. 37 FN 6 und FN 5. 3 Vgl. Nr. 16 FN 5. 4 Zu den Forschungsgebieten des von Gustav von Schmoller (vgl. Nr. 16 FN 4) geleiteten „Instituts für Besatzungsfragen Tübingen" (gegründet 1950/51; aufgelöst 1960) gehörten Rechtsfragen im Zusammenhang mit der alliierten Nachkriegsbesetzung Deutschlands sowie Rechtsfragen, die sich aus der deutschen Besatzung von Nachbarländern im Zweiten Weltkrieg ergaben. Zu den Veröffentlichungen des Instituts gehörten u. a.: Sechs Jahre Besatzungslasten. Eine Untersuchung des Problems der Besatzungskosten in den drei Westzonen und in Westberlin 1945-1950, Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1951. Vgl. auch: G. von Schmoller/H. Maierl A. Tobler (Institut für Besatzungsfragen, Tübingen), Handbuch des Besatzungsrechts, Tübingen: J.C.B.Mohr (Paul Siebeck), 1957. (Für diesen Hinweis danke ich Herrn Dr. Reinhard Schiffers, Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Partein in Bonn).

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Plettenberg, 21 / 7 49

Mein lieber Heinrich Gremmels! Ihr Brief vom 20/7 2 hat mich beglückt und mir und meiner ganzen kleinen Familie einen freudigen Tag bereitet. Gerhard Nebel, der vor seiner Holland-Reise am 13 / 7 in Plettenberg war, 3 hatte schon einiges Optimistische erzählt, aber wir waren noch mißtrauisch. Prof. Hans Schneider, Göttingen, hatte meinen Pessimismus

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noch vermehrt durch den Hinweis, daß die Bestätigung in den Grenzen des § 7 des Selbstverwaltungs-Gesetzes (abgedruckt unter Nr. 34 seiner Sammlung Öffentliches Recht in Niedersachsen, Verlag Otto Schwartz & Co in Göttingen)4 Ermessenssache ist. Im übrigen hatte sowohl Hans Schneider wie Prof. Werner Weber sich in der eifrigsten Weise zur Hilfe bereit erklärt. Umso schöner, daß alles jetzt gut verlaufen ist. Tout ce qui arrive est adorable.5 Die Bekanntschaft mit einem Mann wie Hamann 6 (leider kenne ich ihn nicht) ist vielleicht, auf die Dauer, der Preis dieser fürchterlichen Niedertracht wert. Ich werde auch Schmoller auf H. aufmerksam machen. Vielen herzlichen Dank für Ihre Einladung. Ich muß wegen meiner Zeiteinteilung noch vielerlei überlegen, aber ich denke immer darüber nach, wie ich diese Reise einrichten könnte. Für den September habe ich mich auch wieder für Walberberg ziemlich festlegen lassen und bereue das nicht, weil die Patres sich als treu und zuverlässig erwiesen haben, als ich vor kurzem im „Hochland" sehr scharf und bösartig angegriffen wurde. 7 Für Ende August hat sich Frau Jünger hier angemeldet mit meinem Patenkind Carl Alexander. 8 Über Gerhard Nebel haben wir uns wieder von Herzen gefreut. Gebhard und das Maler-Ehepaar Wessel aus Iserlohn waren dabei, ebenso Peterheinrich Kirchhoff und Frau aus Werdohl. 9 Nebel strahlte in seinem Bericht über Ihren Casus soviel Wärme und Freundschaft aus, daß wir alle davon beglückt waren. Ihr Landwirtschaftsminister Gereke 10 war ein naher Freund von Joh. Popitz. n Sollten Sie ihn zufälligerweise einmal sehen und Gelegenheit haben, mit ihm darüber zu sprechen, wäre das vielleicht gut, wenn Sie ihm von mir erzählten. Doch läßt sich dergleichen nicht berechnen oder organisieren. Also herzliche Glückwünsche zu Ihrem ersten Sieg über die Niedertracht! Alles Gute für Sie und Ihre Familie und herzliche Grüße von Haus zu Haus! Immer Ihr Carl Schmitt Ich bin immer noch beim Begriff der Amnestie! Ich zeigte Gerhard Nebel den Schluß der Odyssee. Ende des Bürgerkrieges auf Ithaka durch Amnestie, δρκια, 1 2 Eide, Urfehde; anderes Ende nicht denkbar. ι NL Β III, 40: hsl, Nicht auffindbar; der Sache nach handelt es sich um die Mitteilung, daß im „Bestätigungsverfahren" der Wahl zum Stadtdirektor von Königslutter mit einem positiven Ausgang zu rechnen sei (vgl. Nr. 36 FN 2). 3 Nähere Umstände nicht identifiziert. 4 Gesetz zur vorläufigen Regelung einiger Punkte des Selbstverwaltungsrechts (28. Mai 1947), in: Öffentliches Recht in Niedersachsen. Sammlung der in Niedersachsen geltenden Vorschriften staats- und verwaltungsrechtlicher Art. Textausgabe mit einführenden Hinweisen und Sachverzeichnis, zusammengestellt von Prof. Dr. Hans Schneider, Göttingen: Verlag Otto Schwartz & Co., 1949, 423 S.; dort: Nr. 34, S. 115-119. Gemeint ist die am 10. Juli 2

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1947 erlassene „Zweite Ausführungsanweisung" des genannten Gesetzes, Abschnitt II, 2: „Ob die Anstellung auf Zeit oder Lebenszeit erfolgt, ist dem pflichtgemäßen Ermessen der Gebietskörperschaft überlassen." (Öffentliches Recht in Niedersachsen, a. a. O.., S. 140). 5 Vgl. Nr. 6 FN 6. 6

Nicht identifiziert. Vgl. jedoch: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949. Ein Kommentar für die Wissenschaft und Praxis von Dr. Andreas Hamann (1956), 2., völlig neu bearbeitete und wesentlich erweiterte Aufl., Neuwied/Berlin: Hermann Luchterhand Verlag, 1960, 536 S. (Nachlaß-Bibliothek H.G.). 7 Friedrich August von der Heydte (1907-1994), „Francisco de Vitoria und die Geschichte seines Ruhmes. Eine Entgegnung", in: Die Friedenswarte, 49/1949, S. 190-197. Zu von der Heydte vgl. - außer Schmittiana II, S. 128-130; S. 156 FN 67; Schmittiana IV, S. 129 - vor allem C.S., Glossarium, S. 276 (vom 27. 10. 1949): „Ein armer Asylschänder namens von der Heydte läuft in der großen Weltdiskussion über Vitoria mit wie ein asinus mysterio vehens in der Prozession. Mit solchen Nutznießern der Psychosen von 1945 soll man nicht diskutieren. Das Gefühl der Sicherheit, das ihn vor einem politisch-polizeilich wehrlos Gemachten und Diskriminierten überkommt, verleiht ihm Mut zu taktlosen Beleidigungen und dummdreisten Angeberein, schwellt seine Ritterkreuz betresste Brust. Doch halt! Nimm Dich in Acht! Man klassifiziert sich durch seinen Feind." 8 Der für den Sommer 1949 in Aussicht genommene Besuch (vgl. „Briefe", S. 238) kam erst im Januar 1950 zustande (,3riefe", S. 243 f.). 9 a) Klaus Gebhardt (1896-1976), Fabrikant in Wuppertal-Elberfeld, mäzenatisch tätig. Mitbegründer des Wuppertaler Gesprächskreises „Der Bund", b) Wilhelm Wessel (19041971), Maler in Iserlohn; vgl. „Briefe", S. 235. c) Peterheinrich Kirchhoff: Siehe Nr. 37 FN 3. ίο Günter Gereke (1893-1970), CDU, amtierte unter Ministerpräsident Hinrich W. Kopf (vgl. Nr. 38 FN 4 ) vom 9. 6. 1948 bis zum 21. 6. 1950 als Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und war zugleich stellvertretender Ministerpräsident des Landes Niedersachsen. „Als bekanntgeworden war, daß Gereke in Angelegenheiten des innerdeutschen Warenaustausches eine Besprechung mit dem ostzonalen SED-Chef Ulbricht angestrebt und auch erhalten habe, und die Bundesregierung [ . . . ] Kopf ihre Mißbilligung aussprach [ . . . ] , nahm der Ministerpräsident das Rücktrittsgesuch Gerekes an." (Thilo Vogelsang , Hinrich Wilhelm Kopf und Niedersachsen, Hannover: Verlag für Literatur und Zeitgeschehen, 1963, 218 S.; dort S. 141 f.). 11 Johannes Popitz (1884-1945): 1933 preußischer Finanzminister; seit 1938 Zusammenarbeit mit dem „Amt Ausland/Abwehr" im Oberkommando der Wehrmacht; nach einem gelungenen Umsturz als Kultusminister vorgesehen. Nach dem 20. Juli 1944 verhaftet, in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Vgl. Lutz-Arved Bentin (1940-1986), Johannes Popitz und Carl Schmitt. Zur wirtschaftlichen Theorie des totalen Staates in Deutschland, München: Beck, 1972, X-186 S., Nr. 19 in der Reihe „ M ü n c h e n e r Studien zur Politik". 12 δρκια: Beschworene Bündnisse oder Verträge (Waffenstillstand). Athene veranlaßt den Waffenstillstand zwischen Odysseus, Laertes und den Verwandten der ermordeten Freier, die sich an Odysseus rächen wollen. Siehe Johann Heinrich Voß, Homers Werke, Stuttgart und Tübingen: J.G.Cotta'scher Verlag, 1840, 671 S.; dort S. 659-671 (Odyssee: 24. Gesang). Vgl. auch C.S., Glossarium, S. 257 (vom 14. 7. 1949): „Ein Bürgerkrieg kann nur mit einer Amnestie enden, nicht mit Gerichtsurteilen einer politischen Justiz. Deren Unheil ist auch durch Begnadigungen nicht wieder gutzumachen. Hier gibt es nur, wie im letzten Buch der Odyssee, den Blitz des Zeus und dann Amnestie." (C.S., Glossarium, S. 257; vom 14. 7. 1949).

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938-1956

41 An Heinrich Gremmels1

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Plettenberg, den 1. November 1949

Mein lieber Heinrich Gremmels! Sie dürfen nicht meinen, daß ich Ihren Geburtstag am 30. Oktober vergessen hätte und mich der schönen Feier vorigen Jahres in Solingen nicht mehr erinnerte. Das wäre undankbar und unentschuldbar. Ich konnte nur nicht gleich schreiben, weil die letzten Wochen voller Last und Tribulation für mich waren. Erst einmal aber gratuliere ich herzlich. Seit langem bin ich ohne Nachricht von Ihnen und Ihrer Familie und wüßte zu gern, wie sich Ihre Tätigkeit in Königslutter weiterentwickelt hat. Gerhard Nebel konnte mir bei meinem Besuch in Wuppertal, Mitte Oktober, nur einiges Allgemeine erzählen. Betrachten Sie den Posten als Durchgangsstation und lassen Sie sich nicht deprimieren. Mir geht es nicht gut. Frau Schmitt ist seit September in Heidelberg in der Klinik. Vorgestern ist sie operiert worden. Ich bin noch ohne Nachricht über den Verlauf. Am 22. Oktober konnte ich die Gelegenheit benutzen, mit einem fremden Wagen mit nach Heidelberg zu fahren und eine Stunde mit ihr und mit dem Arzt zu sprechen.2 Wir hoffen, daß die Operation, die durch eine gefährliche Darmblutung unvermeidlich geworden ist, gelingt und Frau Schmitt schon vor Weihnachten hierher zurückkehrt. Dann ist gleichzeitig eine Sache passiert, die einen Augenblick gefährlich schien. Ich hatte in der ,,Neuen Ordnung" ein Asyl gefunden und dort im Februar den Aufsatz über Donoso,3 den ich Ihnen vor einem Jahr schenkte, und im August einen Aufsatz über Vitoria 4 veröffentlicht. Bisher wurde das Asyl von Protestanten und Katholiken, Christen und Juden respektiert. Jetzt aber hat ein katholischer Privatdozent, ein Frhr. von der Heydte, in der Genfer Friedenswarte einen denunziatorisehen Hetzartikel darüber veröffentlicht und das Asyl gefährdet. 5 Das tut mir wegen der guten Patres in Walberberg sehr weh. P. Welty 6 wurde telefonisch nach Frankfurt bestellt etc. Der Asylschänder selbst ist nur ein Werkzeug und für seine Person ein dummer Kerl, der stolz darauf ist, sich einmal wichtig machen zu dürfen; ein wahrer asinus [ . . . ] 7 portans. Das Ganze ist ekelhaft. Auf der Staatsrechtslehrer-Tagung in Heidelberg, zu der man mich ostentativ nicht eingeladen hatte, sorgte Erich Kaufmann für die Verbreitung des Vorgangs,8 um mir noch weiter zu schaden, was denn auch eingetreten ist. Die Kollegen sehen sich das teils mit Schadenfreude, teils mit dem angenehmen Gefühl, daß ein Andrer betroffen ist, an. Ich erzähle es Ihnen, damit Sie informiert sind und mein taedium sogar verstehen. Im übrigen erwarte ich für morgen Ernst Jünger und Gerhard Nebel in Werdohl, wohin die beiden von Peter-Heinrich Kirchhoff eingeladen sind.9 Das Wetter ist wunderbar, kalt und klar. Leider kann ich die beiden nicht bei mir bewirten, wie ich das möchte, denn durch die lange Abwesenheit meiner Frau 10 ist der Haushalt verwahrlost. Wir werden aber in Werdohl an Sie denken, lieber Heinrich Gremmels! Ihnen, Ihrer lieben und verehrten Frau und

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Christian Gremmels

Ihren Kindern wünsche ich gute Gesundheit und ungestörten Frieden. Ich grüße Sie herzlich, auch von Anima, und bleibe stets Ihr alter und getreuer Carl Schmitt ι NL Β III, 41: hsl. 2 Duschka Schmitt (vgl. Nr. 6 FN 4) wurde von Prof. Richard Siebeck (vgl. Nr. 29 FN 6) in dessen Heidelberger Klinik behandelt, in der sie am 3. 12. 1950 verstarb. Vgl aus der Zeit ihres Klinikaufenthalts ihre Briefe an Gretha Jünger vom 6. 9. 1950 und 26. 9. 1950, in: „Briefe", S. 682 f. und S. 685. 3 C.S., „Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation", in: Die neue Ordnung, 3/ 1949, S. 1 - 1 5 (ohne Verfasserangabe); vgl. Nr. 32 FN 3. 4 C.S., „Francisco de Vitoria und die Geschichte seines Ruhms", in: Die neue Ordnung, 3/1949, S. 289-313 (ohne Verfasserangabe); vgl. auch Nr. 35 FN 10. 5 Vgl. Nr. 40 FN 7. 6 Eberhard Franz Welty O.R (1902-1965), katholischer Sozialphilosoph, Schriftleiter der Zeitschrift „Die neue Ordnung"; vgl. Schmittiana II, S. 128-130; 156 FN 64 und FN 65. 7 Unlesbar; vgl. jedoch die im gleichen Zusammenhang gebrauchte Wendung „asinus mysterio vehens" in Nr. 40 FN 7. 8 Zum Vorgang vgl. u. a. „Gespräche", S. 37. 9 Vgl. Nr. 42. 10 Vgl. FN 2.

42 An Heinrich Gremmels1

Werdohl, 4. 11. 49

Mein lieber Heinrich! Wir trinken auf Dein Wohl in alter Verbundenheit. Dein Gerhard [Nebel]. Die Freiheit strahlt aus jäh erkannten Dingen. C[arl] S[chmitt]. Freundliche Grüße, Ihr Peterheinrich Kirchhoff. Herzlich Ernst Jünger. ι NL Β III, 42: Postkarte, Stempel „Werdohl 4. 11.49". Vgl. auch: „Briefe", S. 673 FN zu S. 241.

43 An Heinrich Gremmels1

Plettenberg 13/8 56

Lieber Herr Dr. Gremmels, erst heute las ich den vollständigen Text Ihrer Hamlet-Hekuba-Besprechung in der Schwäbischen Landeszeitung.2 Ich habe mich ganz außerordentlich darüber gefreut. Wenn man bedenkt, daß die deutschen Nationalen und Liberalen wie Gervini, Börne und Freiligrath 3 1848 sagen konnten: Deutschland ist Hamlet, und daß 1918 Franzosen wie Paul Valéry und Drieu la Rochelle 4 sagten: Europa ist Hamlet,

Carl Schmitt - Heinrich Gremmels: Briefe 1938 -1956

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und daß heute Adlai Stevenson 5 in den USA den „Hamlet" frißt, dann ergibt sich eine Hamlet-Kurve: 6 1848: Deutschland ist Hamlet 1918: Europa ist Hamlet 1958: die ganze westliche Welt ist Hamlet, die zugleich eine Hieroglyphe der westlichen Welt ist. Die beiliegende Besprechung von Rüdiger Altmann 7 möchte ich Ihnen ebenfalls zeigen. Herzlichen Dank, und die besten Grüße und Wünsche Ihres alten Carl Schmitt ι NL Β III, 43: hsl. H. G., Rezension von C. Schmitt, Hamlet oder Hekuba. Der Einbruch der Zeit in das Spiel, Düsseldorf / Köln: Eugen Diederichs-Verlag, 73 S., 1956; unter dem Titel „Deutschland ist Hamlet" in: Schwäbischen Landeszeitung, Samstag, 26. 5. 1956. 3 a) Georg Gottfried Gervinus (1805-1871), Historiker; b) Ludwig Börne (1786-1837), Schriftsteller; c) Ferdinand Freiligrath (1810-1876), Verfasser des Gedichts „Hamlet", das C.S. „so sehr schätzte, daß er es mit der Maschine abschreiben ließ und an Bekannte verteilte." („Briefe", S. 744). 4 Paul Valéry (1871-1945), franz. Schriftsteller; Pierre Drieu la Rochelle (1893-1945), franz. Schriftsteller, Kollaboration mit der deutschen Besatzung, 1945 Suizid. 5 Adlai Ewing Stevenson (1900-1965): Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei (1952 und 1956). 6 Die nachstehenden Daten 1848,1918,1958 sind mit einer hsl. Hieroglyphe verbunden, die einem Ε ähnelt. Zur graphischen Gestalt der „Hamletkurve" siehe den Abdruck einer vergleichbaren brieflichen Fassung in: Carl Schmitt - Briefwechsel mit einem seiner Schüler, S. 220; auch in: „Briefe", S. 310. 7 Rüdiger Altmann (1922-2000), nähere Angaben zur Person in: Schmittiana IV, S. 55 FN 10 a); „Gespräche", S. 262-265; „Briefe", S. 745. 2

Anlage C. S.s Tocqueville-Notizen Im obigen Brief Nr. 29 vom 10. Oktober 1948 teilte C. S. mit, er „habe noch einige schöne Tocqueville-Notizen", leider in seiner „Privat-Stenographie geschrieben". Umgehend (obiger Brief Nr. 30 vom 20. Oktober 1948) zeigte Heinrich Gremmels lebhaftes Interesse. So konnte es geschehen, daß C. S. ihm während seines Besuchs vom 30. Oktober 1948 diese Notizen vorlas und sie sogar zurückließ. Herr Chr. Gremmels hat sie von Herrn Hans Gebhardt (Ekkersdorf), einem der wenigen Spezialisten der Gabelsberger Kurzschrift, die es heutzutage noch gibt, entziffern lassen. Angesichts der großen Bewunderung, die C. S. dem französischen Beobachter' Alexis de Tocqueville zeitlebens schuldete, hat es schon Sinn, diese Notizen in dieser Anlage mitzuteilen.

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Christian Gremmels

Wann C. S. sich für de Tocqueville zu begeistern begann, ist eine Frage, die wohl nicht geklärt werden kann. Es könnte jedoch sein, daß seine Neugierde geweckt wurde, als er am Schluß der von ihm sowohl geschätzten als benutzten, vom Pariser Professor Paul Janet (1823-1899) verfaßten zweibändigen Geschichte der politischen Lehrmeinungen in ihrem Verhältnis zur Moral, diese (von mir frei, aber sinngemäß übersetzten) Zeilen las: »Außer und neben diesen divergierenden, mehr oder weniger mit den militanten Parteien verschlungenen politischen Schulen, pflegten einige freie Geister und Schüler, die sich darauf nicht einlassen wollten, die Politik [gemeint ist wohl: ihr Studium) auf eine abstrakte und objektive Weise, und befolgten die Traditionen der großen Publizisten, worüber wir berichtet haben. Das war u. a. der Fall bei Herrn de Tocqueville, dessen Name noch immer zunimmt und dessen Bedeutung stets mehr gewürdigt wird, seitdem die Fakten die Richtigkeit einiger seiner wichtigsten Prophezeihungen bestätigt haben. Keiner bezweifelt, daß die Démocratie en Amérique als eines der schönsten Bücher, ja vielleicht als das schönste der politischen Philosophie unseres Jahrhunderts betrachtet werden muß." (a) Immerhin hat C. S. in seiner Berliner Internierungszeit diesem Mann einen schönen Aufsatz gewidmet (b) . Laut Aussage des Kollegen Günter Rohrmoser (geb. 1927) hatte er die Absicht, ihm ein größeres Werk zu widmen (Schmittiana VI, S. 149) und von Herrn G. Maschke (geb. 1943) erfuhr ich, daß noch 1980 ein Tocqueville-Bild über seinem Schreibtisch hing (c) . Im Nachlaß befinden sich mehrere Drucksachen und Notizen in Sachen de Tocqueville. Bislang war jedoch nicht bekannt, daß er nicht nur den wichtigen Artikel von Carl Brinkmann (vgl. supra Nr. 29 FN 10) und das noch wichtigere Buch seines spanischen Freundes Luis Diez del Corral Pedruzo (1911 -1998; vgl. Schmittiana III, S. 41 FN 5, und Schmittiana VI, S. 233-234 FN) ( d ) , sondern obendrein eine Monographie des Engländers James Bryce (1838-1922) studiert hatte. Gemeint ist nicht dessen Standardwerk über die modernen Demokratien^, sondern eine ältere und wenig bekannte Veröffentlichung: The Predictions of Hamilton and De Tocqueville, Baltimore: Johns Hopkins University Press, 1887, 57 S., Nr. 9 (a) ^prQ ρ Janet, Histoire de la science politique dans ses rapports avec la morale, Paris: Alean, (1872) 2. erweiterte Ausg. = 1887, 2 Bde = II-CIII-609 bzw. 11-780 S.; dort Bd. 2 S. 735-736. - C. S. benutzte allerdings die mir nicht vorliegende 3. Ausg. (1913); 1924 ist noch eine vierte erschienen. (b) ( p j ) c s Ε χ captivitate Salus. Erfahrungen der Zeit 1945/47, Berlin: Duncker & Humblot, (1950) 1997, 95 S.; dort S. 25-33 „Historiographia in Nuce: Alexis de Tocqueville" (der Text entstand im Sommer 1946). Der Aufsatz wurde teilweise nachgedruckt in: Universitas (Stuttgart), 5. Jahrg. Nr. 10, 1950, S. 1175-1178 („Existentielle Geschichtsschreibung: Alexis de Tocqueville"). - C. S. hat die Monographie des italienischen Kenners Gino Gorla (1906-1992) anonym rezensiert (Commento a Tocqueville. L'idea dei diritti, Mailand: Giuffre, 1948, 395 S.) in: Universitas (Stuttgart), 4. Jahrg. Nr. 5, Mai 1949, S. 587, eine Tatsache die nicht erwähnt wird von Francesco M. de Sanctis, „Carl Schmitt e Tocqueville", in: Filosofía política (Bologna), 2. Jahrg. Nr. 1, Juni 1988, S. 173-183. (c) (pT) Tefephonische Auskunft vom 15. Februar 2000. (d) ( p x ) L £)iez fei Corral Pedruso hat seine diesbezüglichen Aufsätze gesammelt: El pensamiento politico de Tocqueville, Madrid: Allianza, 1965, 302 S. (e) (PT) a) J. Bryce, Modern Democracies, London: Macmillan, 1921, 2 Bde = XXVI-567 bzw. XI-757 S. b) Herr Kollege Hans-Christof Kraus (geb. 1958) machte mich aufmerksam auf die Monographie von Thomas Kleinknecht, Imperiale und internationale Ordnung. Eine Untersuchung zum angloamerikanischen Gelehrtenliberalismus am Beispiel von James Bryce (1838 — 1922), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1985, 277 S., Nr. 25 in der Schriftenreihe der

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in der 5. Serie der Reihe ,Johns Hopkins University Studies in Historical and Political Science4. Leider ist es Herrn Gebhardt nicht gelungen, alles zu entziffern. Zweifelsfälle und Fehlendes hat er mittels eines Fragezeichens, einige nicht deutbare Wörter durch Punkte gekennzeichnet. Dessenungeachtet sind die Notizen durchaus begreiflich: Sie werden als Dokument abgedruckt, also ohne Korrekturen, geschweige denn Retouchen. - Übrigens ist in diesem Band noch von Tocqueville die Rede; vgl. S. 236 FN 47 und 49. P. T. Spricht zunächst von den Berechnungen i m Federalist. Η . nahm an, daß die Vereinigten Staaten ein Agrarstaat bleiben würden, daß keine großen Reichtümer und Vermögenshäufungen erstehen würden; der Gegensatz von Legislative und Exekutive hat sich nicht [1 Wort nicht deutbar]; die Macht der Zentrale ist stärker geworden, aber die Staaten haben doch ihre Selbständigkeit behalten. Das Eigentum ist nicht bedroht. Damals, als die Federalisten erschienen* 0 , 1788, hatten die 13 vereinigten Staaten 3.929 Millionen Einwohner, also weniger als die Bevölkerung von Pennsylvania 1880! Diese großen „Voraussagen" sind abstrakt, sehr zeitgebunden, ohne große Vision; Berechnungen aus der schl . . . [?] Unterhaus [?], Parteigeist usw. Gründe S. 22 f. De Tocqueville and his Book (Eine merkwürdige . . . [1 Wort]: Eigentlich bleibt nichts übrig und doch wird immer wieder der gerechte Sinn T. gerühmt, seine Beobachtungsgabe usw.). Er nennt das Buch von T. classic, bewundert seinen Scharfsinn, die Klarheit seines Stils, seine Liebe zur Wahrheit, die Höhe seines Blickpunktes; he is not only urbane, but judicial; not only noble, but edifying. „There [is] perhaps no book of the generation to which he belongs, which contains more solid wisdom and a more attractive dress" (sic. 23) Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 4 (Brief vom 2. März 2000). (f) (pT) 1787-1788 erschienen in drei New Yorker Zeitungen, unter dem Namen Junius, 85 Essais, die sog. Federalist Papers. Hinter dem Pseudonym versteckten sich Alexander Hamilton (1757-1804; im Unabhängigkeitskrieg Flügeladjutant des 1. amerikanischen Präsidenten George Washington [1732-1799]), James Madison (1751-1836; 4. amerikanischer Präsident) und John Jay (1745-1829; Diplomat). Ihre Essays bezweckten die Sensibilisierung der Bevölkerung des Staates New York für die Ratifizierung des Verfassungsentwurfs des vom Duo Hamilton-Madison durchgesetzten Konvents von Philadelphia; es wurden einerseits der Föderalismus, andererseits eine starke zentrale und republikanische Regierung befürwortet. Von diesen einflußreichen Essays - sie werden zu den heiligen Schriften der U.S.A. gerechnet - liegt eine von Barbara Zehnpfennig erstellte deutsche Übersetzung vor: Die Federalist Papers, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1993, VIII-561 S. Als erster Einstieg in diese Geschehnisse eignet sich u. a. der Aufsatz von Jürgen Gebhardt (geb. 1934) „'The Federalist"', in Hans Maier (geb. 1931), Heinz Rausch (geb. 1940) und Horst Denzer (geb. 1941) (Hrsg.), Klassiker des politischen Denkens, München: Beck, (1968) 1969, Bd. 2 („Von Locke bis Max Weber") = VIII-423 S.; dort S. 75 -103.

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Aber was T. von der Diplomatik [?] in Amerika sagt, ist nicht nur in vielen Punkten nicht mehr wahr, sondern es war niemals wahr. Einiges war richtig mit Bezug auf Amerika, aber nicht auf die Demokratie; anderes mit Bezug auf die Diplomatie im allgemeinen, aber nicht in Amerika. T. wird in den US nicht viel gelesen; heute auch nicht mehr so viel wie früher in England und Frankreich. Aber sein Einfluß ist groß und ist in das Gewebe unserer Vorstellungen eingegangen. 3 Gründe für die Mängel des Buches; es war a priori gedacht, trotz sorgfältiger Studien. In der Einleitung sieht man schon, daß er auf einige allgemeine Prinzipien hin ein Phantasiegebilde errichtet! „J'avoue que dans l'Amérique j'ai vu plus que l'Amérique; j ' y ai cherché une image de la démocratie elle-méme, ..." sagt Τ. selbst (ß) ! Er war in Amerika und schrieb über Amerika. But his heart was in France and the thought of France, never absent from him, unconsciously colored every picture he drew. Er will Frankreich vor Gefahren warnen (24). - Dazu Randvermerk: Sehr gut; das hätte er aber weiter zu Ende führen müssen. Er wußte nicht viel von England; he has failed to grasp the substantial identity of the American people with the English (sic. S. 25). Die Wahrheit ist, daß the American people is the English people. T. war überrascht von der absence of what the French call Administration und der Neigung, das Volk sich selbst zu überlassen. Aber das war doch ganz englisch und würde einen Engländer, der gewohnt ist, die Freiheit zu lieben [?], nicht überrascht haben! (26). Auch vieles andere ist englisch, z. B. die Neigung, Komfort dem Vergnügen vorzuziehen, die kommerzielle [?] Tendenz usw. Diese Bezugnahme auf Frankreich bestimmt das ganze Buch, bestimmt auch seinen Stil (vielleicht auch: sein Ziel) und seinen Sinn. „The Democracy in America is not so much a political study as a work of edification" (sic. 27), eine Warnung an Frankreich, sich eine moralische und religiöse Basis für sein nationales Leben zu verschaffen, das soziale Gebäude wieder zu errichten, das die Revolution umgeworfen hat. Das Buch ist mehr artistic, mehr impressive, so wie ein Landschaftsgemälde ein besseres Bild einer Landschaft geben kann als eine topgraphische Karte. Diese Schilderungen [2 Wörter nicht deutbar] sind nur Illustrierung und Illuminierung der vorgefaßten Grundsätze ... [1 oder 2 Wörter nicht deutbar] Tocqueville. Das zeigt besonders der letzte Teil, der geschrieben wurde, als die amerikanischen Eindrücke bereits verblaßt waren (1840). Trotzdem ist er ein guter Beobachter. Dann folgt wieder ein Einblenden [?] auf seinen gerechten Sinn ... [1 Wort] (29/30). Die Änderungen der Lage von 1830 gegenüber der zur Zeit von Hamiltons. 14 Millionen Einwohner; keine großen außenpolitischen Probleme. Eine bedeutende (g) ( P T ) a d e Tocqueville, De la Démocratie en Amérique, Paris: Eds Génin, (1835) 1951, 2 Bde = XVI-629 bzw. 461 S.; dort Bd. 1 S. 16. - Als Einführung in Leben und Werk des bedeutenden Franzosen kommt u. a. ein Aufsatz des Sachverständigen Heinz Rausch (vgl. FN f) in Betracht: „Tocqueville", in: op. cit. [FN f], S. 217-239.

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Literatur war entstanden (Hawthorne , Longfellow, Emerson, von der übrigens Tocqueville nichts weiß). (h) Was sah [?] Tocq. die grundsätzliche Durchführung der F . . . [?]; die Bedeutung der Gemeinde und des local gov. das Fehlen jeder administration im europäischen Sinn. Das Fehlen jeder Hierarchie; dafür aber gouvernementale Zentralisierung, die Mehrheit... [1 Wort]. Die Richter können, zum Unterschied von ihren europäischen Kollegen, Gesetze für verfassungswidrig erklären. Der Präsident erscheint T. verhältnismäßig schwach. Am meisten rühmt er den Fed. sup. Court. Τ . . . . [2 Wörter] Änderlichkeit der Gesetze. Alle sind große Gemeinwohl [?] [1 Wort]. Allgemeinsinn für Freiheit und Toleranz. Aber die Gefahren des Despotismus der Mehrheit. Großer indirekter Einfluß von Religion und Moral, auf Ehe und Familie. Christentum und Freiheit gehören zusammen.

(h) ( p j ) G e m e j n t s j n c i der Romancier Nathaniel Hawthorne (1804-1864), der Dichter Henry Wadsworth Longfellow (1807-1882) und der Essayist Ralph Waldo Emerson (18031882).

PIET TOMMISSEN

Raymond Aron face ä Carl Schmitt Vor fünfzehn Jahren hat Manfred Baldus (geb. 1963) der C.S.-Rezeption in Frankreich eine längere Abhandlung gewidmet1. Zwischenzeitlich sind weitere Schriften von C.S. ins Französische übertragen und noch andere Übersetzungen angezeigt. Darüber hinaus gibt es neuere Literatur über C.S., und interessante Hinweise harren einer eingehenden Untersuchung2. Daher bin ich der Meinung, daß eine ergänzte Neufassung der wertvollen Studie des Kollegen Baldus ein dringendes Desiderat ist. Persönlich habe ich Bausteine zu dieser Neufassung beigesteuert, indem ich die Briefe von C.S. an Julien Freund (1921-1993) aus der Zeit von 1959 bis 1969 veröffentlicht habe (vgl. Schmittiana II, S. 31-71 bzw. Schmittiana IV, S. 53-91), sowie über die Beziehungen von C.S. zu Francis Perroux (1903-1987) und Jacques Maritain (1882-1973) Bericht erstattete (vgl. Schmittiana V, S. 208-213) und außerdem der Forschung die Korrespondenz zwischen C.S. und Alexandre Kojéve (19021968) zur Verfügung stellte (vgl. Schmittiana VI, S. 94-124 und in diesem Band S. 394402). Kürzlich konnte ich eine andere Lücke schließen. Der Bitte des italienischen C.S.-Forschers Alessandro Campi (geb. 1961) entsprechend, reichte ich für das Themaheft »Raymond Aron 4 der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Studi Perugini" einen Beitrag über die Kontakte zwischen C.S. und Raymond Aron (1905-1983) ein. Da dieser in italienischer Sprache erschienen ist 3 , drucke ich hier die - freilich überprüfte und außerdem erweiterte - französische Originalfassung ab. 1 M. Baldus, „Carl Schmitt im Hexagon. Zur Schmitt-Rezeption in Frankreich", in: Der Staat (Berlin), vol. 26 n° 4, 1987, pp. 566-586. 2 Quelques exemples ä l'appui de cette affirmation: (a) Léo Hamon ( ? -1993; juriste et ancien ministre), „Une lettre sur la Théorie de la constitution de Carl Schmitt", in: Droits (Paris), Nr. 19, 1994, S. 153-159; (b) Michael A. Soubbotnik, „Hobbes années trente: l'absolutisme et l'Etat total", in: Revue F r a n 9 a i s e d'histoire des idées politiques (Paris), n° 6, 1997, pp. 311 -327 et la discussion pp. 329-337; (c) P. Tommissen), „Der Briefwechsel zwischen Carl Muth und Carl Schmitt", pp. 127- 159 in v.a. (éds.), Politisches Denken. Jahrbuch 1998 (Stuttgart/Weimar: Metzler), pp. 127-159 (cf. p. 140: „ . . . J'ai donné votre article, paru dans le numéro de juin [1926 de la revue ,Hochland', Munich], e.a. ä Georges Goyau [1869 — 1933], qui manifestait un vif intérét pour cet exposé. ..."); (c) cf. note 61; (d) Stéphane Caporal, „Les cycles politiques et les äges du droit", pp. 39-57 in: Actes du colloque de Strasbourg (11-12 septembre 1997) de Γ Association d'Histoire des Idées Politiques (Pensée politique et Droit), Aix-en-Provence: Presses Universitaires d'Aix-Montpellier, 1998, 526 p., n° 12 de la .Collection d'histoire des idées politiques' (cf. p. 41: „On se propose de montrer dans ce qui va suivre qu'aux trois catégories de pensée politique que nous avons vues, tradition, action et production [proposées et élaborées par Frangois Terré, né en 1930] correspondent respectivement les trois types de pensée juridique de Schmitt, ordre concret ou organique, décision et réglementation."). 3

P. Tommissen, „Raymond Aron e Carl Schmitt", in: Studi Perugini (Pérouse), vol. 6, juillet-décembre 1998, pp. 171 -188.

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Vorsorglich sei darauf hingewiesen, daß die Briefe, die C.S. und Aron gewechselt haben, dem nachstehenden Exposé zugrunde liegen4, und daß die meisten Zitate drei Veröffentlichungen entnommen sind, die ich unmittelbar im Text mittels Kürzel kennzeichne: A.M. = Armin Möhler (geb. 1920) (Hrsg.), Carl Schmitt - Briefwechsel mit einem seiner Schüler, Berlin: Akademie Verlag, 1995,473 S. J.E = Julien Freund, „Ebauche d'une autobiographie intellectuelle", in: Revue européenne des sciences sociales / Cahiers Vilfredo Pareto (Genf), 19. Band, Nr. 54-55 („Critique des théories du social et Epistémologie des sciences humaines. Etudes en l'honneur de Julien Freund"), Januar 1981,403 p.; cf. pp. 7 - 4 7 Mém. = Raymond Aron, Mémoires, Paris: Julliard, 1983, 778 S. Ferner verwende ich drei Siglen: R.A. = Raymond Aron, J.F. = Julien Freund, C.S. = Carl Schmitt. - Sätze aus Briefen, die in deutscher Sprache abgefaßt sind, übersetze ich frei (aber sinngemäß) ins Französische. Nur offensichtliche Schnitzer und einige (in sprachlicher Hinsicht) unglückliche Formulierungen C.S.s korrigiere ich stillschweigend. Ρ. Τ

„Vers 1930, Tintérét pour la philosophic, la sociologie et la théologie professées en Allemagne - qui faisait paraítre archai'que l'enseignement frangais de ees matiéres - avait provoqué chez les plus doués des jeunes diplomés de l'Ecole normale et de la Sorbonne une vague de pélerinages ä destination des universités allemandes." 5 Ces jeunes intellectuels ont pu satisfaire leur curiosité comme pensionnaire ä la Maison académique frangaise de Berlin ou comme assistant ä une université allemande. Quant ä R.A., i l a eu la chance de pouvoir profiter des deux possibilités. En effet, durant Tannée académique 1 9 3 0 - 3 1 i l a enseigné ä Cologne sous l'aile paternelle du romaniste Leo Spitzer ( 1 8 8 7 - 1 9 6 0 ) (Mém., pp. 5 2 - 5 4 ) , et ensuite i l a vécu ä Berlin 6 : „Je ne suivis guére de cours ou de séminaires ä Γ université" (Mém., p. 72), mais „je passais une bonne partie de mon temps ä la Staatsbibliothek" (Mém., p. 73). Comme ses articles écrits pour des revues et des hebdomadaires frangais traitent presque tous des événements, surtout politiques, qui ont pré4

J'ai publié deux lettres adressées par C.S. ä R.A. in Paul Janssens (né en 1943), Eigentijdse geschiedenis: een vraaggesprek met Raymond Aron, Bruxelles: E.H.S.A.L, 1985, 63 p., n° 59 dans la collection ,Ecléctica'; cf. pp. 50-51 et 51 - 52. 5 Albrecht Betz (né en 1943), Exil et engagement. Les intellectuels allemands et la France 1930-1940, Paris: Gallimard, 1991, 409 p., dans la ,Bibliothéque des Idées'; cf. p. 177. II s'agit de la traduction fransaise d'une these (doctorat d'Etat) soutenue ä Aix-en-Chapelle: Exil und Engagement. Deutsche Schriftsteller im Frankreich der dreißiger Jahre, Munich: Edition Text + Kritik, 1986, 338 p. 6 Qu'il me soit permis d'intercaler une information que j'emprunte ä Nicolas Baverez (né en 1961), Raymond Aron, Paris: La Manufacture, 1986, 251 p., dans la collection ,Qui suisje?'; cf. p. 241 le début de la lettre adressée par R.A. le 2 déc. 1981 ä l'historien Golo Mann (1909-1994): „ . . . : c'est moi qui a porté l'argent de votre pére [Thomas Mann, 1875-1955] ä l'ambassade de France. ... Mais les cinq mille marks étaient passés." - A noter aussi que R.A. a donné „des le9ons de f r a n 9 a i s au fameux metteur en scene [Max] Reinhardt [18731943]" (Mém., p. 73).

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cédé la fin de la République de Weimar (Mém., pp. 5 4 - 5 5 ) , on est en droit de se poser la question s'il a entendu parier de C.S. ä cette époque? Or, c'est bei et bien le cas, puisque nous disposons de cet aveu dans sa lettre adressée en date du 14 janvier 1954 ä C.S. lui-méme: „je suis, depuis de longues années, un de vos lecteurs attentifs." Cet aveu est corroboré plus tard par cette reminiscence : „ A Berlin, au cours des deux années qui précédérent rarrivée au pouvoir de Hitler, je me liáis avec un historien, de formation philosophique, . . . Nous discutions de Γ article fameux de Carl Schmitt, Le concept du politique, qu'il voulait critiquer durement." 7 Par contre, contrairement ä Maurice de Gandillac (né en 1906) 8 , René Capitant (1901-1970) 9 et quelques autres, R.A. n'a pas rendu visite au savant allemand. C'est dans „ L a France Libre", la revue créée par André S. Labarthe (né en 1902) en 1941 ä Londres avec Γ approbation du général Charles de Gaulle (1890 — 7

a) R.A., Penser la guerre. Clausewitz, Paris: Gallimard, 1876, 2 vol. = 472 et 365 p., dans la ,Bibliotheque des Sciences humaines'; cf. tome I, p. 9. - Sur quelques idées exprimées dans cet ouvrage, cf. Emmanuel Terray (né en 1935), Clausewitz, Paris: Fayard, 1999, 267 p. (cf. surtout chapitre 2, pp. 51-83). Terray s'occupe également de C.S., mais il ignore son article de 1967 [note 46]; cf. surtout pp. 104-111 (ä la p. 111). L'auteur détecte chez Michel Foucault [1926-1984] [ Ί 1 faut défendre la société4. Cours au College de France (19751976), Paris: Gallimard/Seuil, 1997, XI-288 p., dans la collection ,Hautes Etudes'] ,,le clivage entre Fami et l'ennemi eher ä Carl Schmitt"), b) Cet ami s'appelait Herbert Rosinski (Mém., p. 72). Ce Rosinski (1903-1962), de nationalité allemande et spécialiste de stratégie maritime, est l'auteur d'une étude hautement appréciée par R.A., „Die Entwicklung von Clausewitz' Werk ,Vom Kriege', im Lichte seiner .Vorreden und Nachreden'", in: Historische Zeitschrift (Göttingen), vol. 151, 1935, pp. 278-293. 8 Μ. de Gandillac, bien qu'ayant prié C.S. de Γ „aider ä mieux comprendre le nouveau visage de l'Allemagne" (lettre du 24 janv.1935), s'est permis, il y a quelques années, de calomnier son höte d'antan! Cf. Dominique Bourel, „Un jeune universitäre fran9ais ä Berlin; entretien avec Maurice de Gandillac", in: Prefaces (Paris), n° 13, mai-juin 1989, pp. 78-80 (cf. 79-80). A noter que de Gandillac s'est référé ä Alfred Rosenberg (1893-1946) dans l'introduction ä un choix de textes traduits du mystique rhénan Eckhart (1260-1327) paru en 1942; cf. Jan Ollivier, „Le vif du sujet", in: Krisis (Paris), n° 1, été 1988, pp. 105-117 (cf. p. 116 note 18). II a aussi partiellement traduit une brochure dans laquelle le politologue allemand Dolf Sternberger (1907-1989) propose une interpretation du politique diamétralement opposée ä celle de C.S.: „De la paix comme fondement de la notion méme du politique", in: La Table ronde (Paris), n° 190, novembre 1963, pp. 65-77. En outre, sa Sympathie pour I'Action Fransaise de Charles Maurras (1868-1962) est attestée par Jean-Francois Sirinelli (né en 1949), Génération intellectuelle. Khägneux et Normaliens dans rentre-deux-guerres, Paris: Fayard, 1988, 721 p.; cf. pp. 277-282. 9 R. Capitant est l'architecte de la Constitution de la 5éme République fran$aise qui serait, selon certains spécialistes, influencée par des propositions émises par C.S. en 1932. Cf. (a) Antonio Caracciolo (né en 1950), „Carl Schmitt, René Capitant e la dottrina dei limiti materiali", in: Diritto e Societä (Padoue), N.S. n° 3, 1986, pp. 504-533; (b) Xavier Marchand (né en 1967), Carl Schmitt, René Capitant et les doctrines institutionnelles, Paris: GRECE, 1994, 29 p., n° 3 dans la collection ,Point de vue'; (c) Gwénaél Le Brazidec, René Capitant, Carl Schmitt: Crise et reforme du parlementarisme. De Weimar ä la Cinquiéme République, Paris: L'Harmattan, 1998, 310 p., dans la collection ,Logiques juridiques' (il s'agit de l'édition sous forme de livre d'un mémoire parisién; directeur : le prof. Jacques Chevallier ).

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1970) (Mém., p. 168), ä laquelle il a collaboré assidüment sous le Pseudonyme de René Avord, que R.A. cite C.S. ä deux reprises. La premiere fois pour rappeler que „Celui qui est devenu le théoricien juridique du national-socialisme, le juriste Karl Schmitt a écrit que la République de Weimar était faite d'une pluralité de totalités et que le Ule Reich avait tiré la conclusion logique et réalisé Γ indispensable unité." 10 Une deuxiéme fois dans le cadre d'une réflexion sur la méchanceté humaine selon les Nazis: „Karl Schmitt, un des théoriciens officiels du national-socialisme, affirme que toutes les doctrines politiques (il songe avant tout ä Machiavel et ä Hobbes) partent de Thypothése que Thomme est méchant."11 Je suppose que c'est pendant la Deuxiéme Guerre mondiale, done ä Londres, qu'Aron a expliqué au philosophe Hugo Fischer (1897-1975; cf. dans ce volume pp. 389390): „R. Aron du »Figaro4, collaborates de de Gaulle ä Londres, m'a expliqué que rantisémitisme ,subculturer de Schmitt contraste avec son combat simulé intensément dialectique. Schmitt serait un tireur qui veut toujours viser et toucher et néglige les préparatifs indispensables ä cet effet. II gaspillerait son talent et se serait vendu trop bon marché; des capacités supérieures seraient placées ä la légére dans un milieu indigne de confiance." Quant ä C.S., des son retour ä Plettenberg en Westphalie (mai 1947), une double ,opération' lui a permis de se tenir au courant des événements et des publications nouvelles: il s'est efforcé de retrouver la nouvelle adresse de collégues et d'amis, et certains collégues, plusieurs anciens étudiants et méme de jeunes inconnus se sont manifestés. Tandis que le fameux „Glossarium" refléte ces efforts de part et d'autre 12 , les lettres éditées par Α. Möhler nous apprennent que trois nouveaux amis suisses - lui-méme, le journaliste Hans Fleig (1916-1988), le poete Erhard Hürsch (né en 1920) - lui avaient rendu des services appréciables, soit en expédiant sa correspondance (e.a. vers l'Espagne) soit en lui fournissant des revues et des livres étrangers (A.M., p. 14). Comme „Le grand Schisme"13 figure dans ce qui reste de sa bibliothéque, il est permis de croire que c'est ä travers cet ouvrage que C.S. s'est rendu compte pour la premiere fois de Γ existence et de la signification de R.A. Cependant, Nicolaus Sombart (né en 1923; cf. Schmittiana VI, p. 64) a parfaitement raison: „A ce moment-lä, Aron η'était pas encore le titulaire d' une chaire ä la Sorbonne" 14. Ce n'est done qu' aprés avoir lu d'autres publications de R.A. (cf. p. ex. A.M., p. 128), que C.S., conformément ä son habitude d'ailleurs, a 10

R.A., „Naissance des tyrannies", in: La France libre (Londres), vol. 2, n° 8, juin 1941, pp. 131-141; repris pp. 113-128 in R.A., L'Homme contre les tyrans, Paris: Gallimard, 1946, 305 p. (cf. p. 123). 11 R.A., „Tyrannie et mépris des hommes [février 1942]", in: La France libre (Londres), vol. 3, n° 16, pp. 291-300; repris in R.A., op. cit. [note 10], pp. 67-81 (cf. p. 71). 12 C.S., Glossarium. Aufzeichnungen der Jahre 1947-1951 [éd par Eberhard Freiherr von Medem (1911 -1993)], Berlin: Duncker & Humblot, 1991, XVII-364 p. 13 R.A., Le grand Schisme, Paris: Gallimard, 1948, 346 p. 14 N. Sombart, Pariser Lehrjahre 1951-1954. Lemons de Sociologie, Hambourg: Hoffmann und Campe, 1995, 382 p.; cf. p. 213.

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senti le besoin de connaitre ce Fran^ais. A coup sur, c'est Michelle Ponceau (1884- ?), la veuve dynamique du philosophe Amédée Ponceau (1884-1948) 15 , dont il avait fait la connaissance en aoüt 1953 ä Baden-Baden (A.M., p. 144), en insistant pour qu'il écrive ä R.A. (A.M., p. 147), qui est ä la base de sa décision de se mettre en rapport avec R.A. A cette lettre C.S. a joint un tiré ä part d'un nouveau texte: „J'ai appris que vous connaissez mon livre sur le Nomos der Erde; peut-étre vous intéresse done aussi ce corollaire inédit ä l'heure présente." 16 La réponse de R.A. du 14 janvier 1954 (déja citée) est précieuse, parce que nous apprenons qu'il avait effectivement lu „Der Nomos der Erde", qu'il avait expédié un tiré ä part de deux articles, écrits en marge de l'ouvrage „Les Guerres en chaíne" 17 , qu'il se rendrait le mois prochain ä Tübingen en tant qu'invité du professeur Hans Schneider (né en 1912; cf. Schmittiana IV, p. 124 note 15 point a, et p. 136 note 43) 18 : „Peut-etre aurai-je, ä cette occasion, le privilege de faire votre connaissance." L'importance de cette réponse réside pourtant dans une phrase du premier paragraphe dans lequel R.A. avoue qu'il a toujours eu de l'admiration pour le juriste et le philosophe C.S., indépendamment de ses réactions vis-ä-vis de certaines prises de position du meme C.S.! Quoi qu'il en soit, la rencontre a eu lieu: , A Tübingen, j'ai eu deux bons et vifs entretiens." (A.M., p. 150). Que les deux interlocuteurs se soient entretenus de géopolitique et de Herman Melville (1819-1891) apparaít des annexes ä la lettre de C.S. du 18 mars 1954: une strophe du poéme de Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) sur Napoléon Ier (1769-1821), qualifiée d' „anticipation invraisemblable de la contre-partie terrestre de la position maritime de Mackinder" 19, et l'étude consa15 a) Sur Mme Ponceau, cf. Schmittiana II, pp. 68-69 note 75. - Jusqu'ä présent, mes tentatives en vue d'obtenir des renseignements biographiques sur cette femme ont été vaines. b) Sur le philosophe A. Ponceau, cf. Schmittiana II, p. 71 note 100. 16 a) C.S., Der Nomos der Erde im Völkerrecht des jus publicum europaeum, Berlin: Duncker & Humblot, (1950) 1997, 308 p. Une traductionfrangaise de cet ouvrage est annoncée (Paris: P.U.F.). - En novembre 1953, le philosophe Hugo Fischer a raconté ä Α. Μ. que R.A. avait élogieusement parlé du „Nomos" (A.M., p. 144). b) C.S., „Nehmen/Teilen/Weiden. Ein Versuch, die Grundfragen jeder Sozial- und Wirtschaftsordnung vom Nomos her richtig zu stellen [1953]", in C.S., Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 19241954. Materialien zu einer Verfassungslehre, Berlin: Duncker & Humblot, (1958) 1998, 517 p.;cf. pp. 489-501. 17 a) C.S., Les Guerres en chame, Paris: Gallimard, 1951,503 p. b) R.A., (a) „De la limitation de la guerre", in: Cahiers de la Pierre-qui-vire (Paris), n° 40, 1953, pp. 36-50; (b) „En quéte d'une philosophic de la politique étrangére", in: Revue F r a n 9 a i s e de science politique (Paris), vol. 3 n° 1, 1953, pp. 69-91. 18 Le nom de Η. Schneider, alors professeur ordinaire de droit public ä Heidelberg, manque dans les „Mémoires" de R.A., tandis que le cours y est mentionné: „A Tübingen, en 1953, Gastprofessor pendant quelques semaines,..." (Mém., p. 54). 19 La géopolitique doit au géographe anglais Haiford John Mackinder (1861 -1947) la notion de Heartland, qui englobe ees parties de FEurasie qui sont inaccessibles ä partir de la mer et ainsi présumées inattaquables par une force maritime (R.A. en parle in: op. cit. [note 22], le chapitre VII qui traite de Fespace).

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crée par Enrique Tierno Galván (1918-1986; cf. Schmittiana Π Ι, p. 40 note 1, et Schmittiana IV, p. 97 note 22 point a) au récit „Benito Cereño" de Melville 20 . Le 26 mars 1954, R.A. a accusé reception de ees documents; il loue les mérites de Tétude de Tierno Gal van, mais il prend ses distances quant aux vers de Goethe: „des lors que l'empire continental se confond avec la parfaite tyrannie, je me sens, pour mon compte, convertí ä la mer." Quelques semaines plus tard, C.S. a suggeré le nom de R.A. ä Heinz Friedrich (né en 1922; cf. Schmittiana IV, p. 98 note 25, et ce volume, pp. 362-366), qui fut en quéte d'un connaisseur pour parer les arguments de C.S. dans le cadre d'un dialogue sur le pouvoir, ä émettre par la T.S.F. de la Hesse. En vain, car R.A. envisagea justement un voyage en Union Soviétique21. La correspondance n'a repris qu'en 1962, ä la suite de la remise par J.F. ä C.S. d'un exemplaire du livre de R.A. „Paix et guerre entre les nations" 22 , ä la demande expresse de l'auteur (Mém., p. 456). La remise a eu lieu ä dessein, ce qui découle de ce paragraphe de la lettre de R.A. ä J.F. du 25 oct. 1962: „Vous m'aviez dit que vous aviez remis un exemplaire de mon livre ä Karl Schmitt. Si vous etes en relation épistolaire avec lui, dites lui que je serais heureux s'il me faisait part de ses impressions et de ses critiques éventuelles." C.S., dans sa lettre du 13 novembre 1962, s'excuse d'abord de son témoignage de gratitude tardif (il avait un retard de six mois ä se faire pardonner!), bien que cet ouvrage l'ait impressionné plus que celui de Quincy Wright (1890-1970), paru ving ans plus tot 2 3 . Ensuite, il se permet ce qu'il appelle une „fiction heuristique": „Si Lénine avait lu votre phrase ,Nous ne voulons pas détruire, mais convertir 4 (p. 686), il l'aurait vraisemblablement spontanément marqué d'une glose similaire ä celle qu'il a mise en 1915 ä coté d'une phrase du livre de Clausewitz, p. 167. Clausewitz écrit: ,Le conquérant est toujours pacifique; c'est en tout repos qu'il préfere entrer dans notre Etat4, et Lénine note en marge: »Extraordinaire ! Haha!'" 24 . Selon lui, cette „fiction heuristique" peut servir de point de gravi20 a) II s'agit du roman „Benito Cereño" de l'écrivain américain Η. Melville, paru en 1851.b) Ε. Tierno Galván, „Benito Cereño oder der Mythos Europas", in v.a., Epirrhosis. Festgabe für Carl Schmitt, Berlin: Duncker & Humblot, 1968, 2 tomes = VIII-778 p.; cf. tome 1 pp. 345 - 356. 21 a) J'ignore si ce voyage a eu lieu. Par contre, je sais que R.A. a visité Γ Union Soviétique en 1958. b) Pour l'histoire de la discussion (qui a culminé dans l'opuscule „Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber" [1954]; repris in C.S., Gespräche, Berlin: Akademie Verlag, 1994, 70 p.), cf. Schmittiana V, pp. 169- 176. L'opuscule a été traduit en fran9ais par Fran^oise Manent: „Entretien sur le pouvoir", in: Commentaire (Paris), vol. 8, n° 32, hiver 1985-86, pp. 1113-1120. 22 R.A. Paix et guerre entre les nations, Paris: Calmann-Lévy, 1962, 794 p. 23 Q. Wright, A Study of War, Chicago: The University of Chicago Press, 1942, 2 vol. = XXIII-XVII-1552 p. 24

C.S. s'est servi de W.I. Lénine, Clausewitz4 Werk ,Vom Kriege 4. Auszüge und Randglossen (éd. Otto Braun), Berlin: Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, 1957, 46 p. Mais il cite de mémoire une phrase abrégée, traduite comme suit par Berthold C. Friedl, „Les fondements théoriques de la guerre et de la paix en U.R.S.S., suivi du Cahier de Lénine sur Clausewitz44 (Paris: Eds Médicis, 1945, 205 p.): „ . . . Le conquérant, comme l'a toujours

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tation ä une discussion de Γ ouvrage de R.A., qui la mentionne dans ses „Mémoires", tout en émettant une nuance: „Lénine, probablement, aurait ri, mais il n'aurait pas compris la pensée;..(Mém., p. 456) Ensuite, Mme Ponceau est de nouveau intervenue, cette fois-ci aupres de R.A. Elle lui a fait savoir que C.S., de peur d'etre indiscret, hésita ä lui envoyer la nouvelle édition du „Begriff des Politischen" et son nouvel ouvrage sur les partisans 25. Sa lettre du 24 aoüt 1963, écrite ä la main durant les vacances qu'il passa ä Bronnay en lisant la these „de notre commun disciple Freund", donne Γ impression que R.A. ait établi un rapprochement entre cette hésitation et le fait qu'il n' avait pas donné son avis sur la „fiction heuristique" précitée et il se häte de dissiper tout malentendu: „Vous étes, indéniablement, un des lecteurs dont le jugement m'importe grandement. Votre approbation, quoique nuancée, m'avait fait,grand plaisir' si j'ose employer cette expression banale pour une impression plus rare." C.S. a répondu par retour du courrier, contrairement ä son intention de réfléchir ä une réponse adéquate; ayant re$u une invitation de Francis Rosenstiel (né en 1937)26 de participer ä une petite réunion ä Saulxures dans les Vosges (cf. Schmittiana Π, p. 69 note 79), l'idée lui était venue que R.A. pourrait étre de la partie. Dans ce cas, il eut été possible de remettre en main propre ses deux publications, qu'il avait fait relier entretemps; sinon elles auraient été expédiées ä l'adresse parisienne de R.A. Comme celui-ci n'a pas pu se rendre ä Saulxures, le 13 septembre 1963 C.S. a envoyé ees deux écrits par la poste. Leur lecture a fasciné R.A., ä tel point qu'il s'en est occupé dans deux lettres consécutives. Tandis que la lettre du 20 septembre 1963 est plutöt une lettre de remerciements, qui contient néanmoins un paragraphe intéressant sur la notion d'ennemi, „qui tourmente notre commun ami Freund", dans celle du ler octobre 1963-2V 2 pages sans interligne! - R.A. formule quatre »regrets' et une critique. Les soi-disant regrets peuvent étre résumés comme suit: - il manque quelques considérations sur le resistant, puisque „la resistance au cours de la derniére guerre a constitué, me semble-t-il, un intermédiaire entre la guerre des armées et la guerre des partisans"; prétendu Bonaparte est ami de la paix, il entrerait bien volontiers chez nous sans effusion de sang, mais nous qui n'y pouvons y consentir, nous sommes bien obligés de vouloir la guerre, et par suite de nous y préparer." (p. 58) 25 C.S., (a) Der Begriff des Politischen. Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien, Berlin: Duncker & Humblot, 1996, 124 p.; (b) Theorie des Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, Berlin: Duncker & Humblot, (1963) 1995, 96 p. 2 6 Fr. Rosenstiel, ancien étudiant de J.F. et, ä partir de 1965, haut fonetionnaire au Conseil d'Europe ä Strasbourg, a demandé ä C.S. de préfacer la traduction allemande de son ouvrage „Le principe de ,supranational'. Essai sur les rapports de la politique et du droit" (Paris: Pedone, 1962, 134 p.). Le savant s'est contenté de suggérer un sous-titre alléchant („Eine Politik des Unpolitischen") que Rosenstiel a effectivement utilisé (cf. Schmittiana II, pp. 6 9 70, note 86). Face aux bonnes relations qu'il a entretenues avec C.S., on s'étonne du paragraphe consacré ä celui-ci dans les souvenirs de Rosenstiel: Les dents du destín. Vichy et suites, Paris: Transition, 1997, 229 p.; cf. pp. 107-108.

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- il manque également un mot sur le fait surprenant „que les paysans allemands ne se soient pas soulevés contre les armées napoléonniennes et que les paysans espagnols et russes l'aient fait?"; - il manque une distinction entre les trois formes possibles de l'ennemi absolu, ä savoir l'ennemi biologiquement absolu (qui doit etre anéanti), l'ennemi politiquement absolu (cf. Carthage aux yeux de Catón dit VAncien) et l'ennemi idéologiquement absolu (présent dans la pensée de Lénine). Quant ä la critique, elle vise l'antithése entre l'ami et l'ennemi qui „ne se situé pas sur le méme plan que celui du bon et du mauvais, du beau et du laid"; le malentendu est la suite logique d'une oscillation entre critére et essence: „Les antitheses des autres domaines touchent ä l'essence de celles-ci. L'antithése ami-ennemi est seulement un critere." Simultanément, C.S. a re$u de Mme Ponceau une longue lettre presque dithyrambique, da-tée du 22 sept. 1963. Fort intéressé ä la propagation de ses idées ä l'étranger, les oreilles doi-vent lui avoir tinté en lisant cette phrase: „Si Raymond Aron ne prend pas ees deux chefs-d'oeuvre pour sa collection de haute tenue ,Liberté de I'esprit 4, chez Calmann-Lévy, je chercherai d'autres éditeurs." D'oü la reaction ä la fois positive et prudente qu'il a glissée dans sa réponse du 22 octobre 1963.11 avoue volontiers que l'intérét porté par R.A. ä son oeuvre Γ avait touché, mais il aborde aussi l'éventualité d'une traduction fran^aise de ses deux ouvrages. Ne voulant pas s'imposer ni risquer un refus, il a prié Mme Ponceau de sonder R.A. ä ce sujet (cf. ANNEXE /). Son voeu ne sera exausé qu'en 1971, comme nous verrons dans quelques instants. En effet, tout donne ä croire que luiméme et R.A. aient suspendu la correspondance durant les sept années qui ont précédé cet événement, mais sans se perdre de vue pour autant, puisque ,Julien Freund, . . . , devint un intermédiaire entre nous deux" (Mém., p. 650), méme au delä de ce septennat. Avant d'en dire un peu plus sur ce role d'intermédiaire, il vaut mieux rappeler les circonstances qui ont permis ä J.F. de devenir l'ami des deux savants: a) Des qu'il eut lu dans les 100 premieres pages de la these de J. F. Γ assertion , Jl n'y a de politique que la oil il y a un ennemi" 27 , allant ä l'encontre de sa conviction pacifique, Jean Hyppolite (1907-1968; cf. Schmittiana IV, p. 87 note 165, et Schmittiana VI, p. 89), un des premiers spécialistes frangais de la philosophic de Friedrich Hegel (1770-1831; cf. Schmittiana VI, pp. 78-79), a demandé ä son éléve de chercher un autre directeur de these (J.F., p. 28). Sans tarder J.F. a prié R.A. de prendre la succession d'Hyppolite, qui a accepté de diriger la these. Lors de la soutenance le 26 juin 1965 en Sorbonne, R.A. a ouvert la séance en priant l'auditoire de se lever, car „Qu'un resistant ait pu faire une these pareille, c'est extraordinaire" 28. L'intervention de R.A. a plu ä C.S.: „Cette noblesse d'äme et de 27 J.F., Lessence du politique, Paris: Sirey, (1965) 1986, XII-828 p., dans la collection »Philosophie politique'; cf. p. 1.

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Γ esprit contrebalance toute une époque de bassesses et de persécutions." 29 A noter qu'auparavant R.A. avait déja rédigé une longue introduction pour la traduction par J.F. d'un texte fondamental de Max Weber (1864-1920) 30 . b) Le 26 janvier 1957, l'ancien resistant J. F. s'était mis en rapport avec la maison d'édition Greven ä Cologne, pour obtenir desrenseignementssur les derniers ouvrages de C.S. ainsi que pour demander l'adresse du savant. Ayant appris, e.a. par le philosophe Paul Ricoeur (né en 1913; cf. Schmittiana IV, p. 88 note 171 point b, et Schmittiana V, p. 340) que C.S. s'était compromis avec les Nazis (J.F., p. 29), J. F. est resté sur sareserve, méme en dépit de Γ encouragement du germaniste Pierre-Paul Sagave (né en 1913; cf. Schmittiana Π, p. 64 note 5) (J.F., p. 29). Ce n'est qu'apres la relecture du „Begriff des Politischen" qu'il s'est décidé d'envoyer sa missive du 4 septembre 1959 (J.F., pp. 181-182). Bientöt, dans sa lettre du 5 février 1962 ä son collégue portugais Luís Cabral de Moneada (1888-1974; cf. Schmittiana VI, p. 242 note 166), C.S. pouvait écrire ajuste titre „qu'une correspondance philosophique s'est développé entre nous", c'est-ä-dire entre J.F. et lui 3 1 . A la lumiére de ees quelques détails, la courte phrase finale de l'avant-propos de la these imprimée de J.F. ne cause guere de surprise: „J'ai eu deux grands maítres" 32 . Et étant donné qu'il est resté en contact avec eux, il a pu fonetionner comme une espéce de courroie de transmission intellectuelle entre ses deux maitres. Un jour, ä Rome, il m'a confirmé ce fait, en soulignant toutefois que la plupart des informations ont été échangées verbalement, en téléphonant ou ä Γ occasion d'une entrevue ä Paris ou ä Plettenberg, d'oü résulte que de ce point de vue, la correspondance est assez maigre. II y a tout de méme une déclaration que je ne peux pas passer sous silence. Sollicité par J.F. d'envoyer une étude pour le liber amicorum que ses amis aimerent offrir ä C.S. ä l'occassion de son 80eme anniversaire 33, R.A. a répondu par la négative dans sa lettre du 17 avril 1967: „En toute franchise, je n'envisage pas de collaborer au volume en l'honneur de Carl Schmitt. Vous savez quelle est mon attitude en ces sortes de questions. Je ne juge personne et je laisse ä d'autres le soin de prononcer des condamnations catégoriques. Tout de méme, j'ai vécu la période des années 30 et je ne puis pas oublier le role que Carl Schmitt a joué, volontairemet ou involontairement, consciemment ou inconsciemment. Mon admiration pour sa personne est grande et j'ai entretenu avec lui 28

J.F., L'aventure du politique. Entretiens avec Charles Blanchet [né en 1923], Paris: Critérion, 1991, 251 p.; cf. p. 44. Aussi J.F., „Raymond Aron directeur de these", in: Commentaire (Paris), vol. 8, n° 28-29 (numéro spécial R.A.), février 1985, pp. 55-58 29 Cf. Schmittiana IV, p. 54: lettre du 3 juillet 1965. 30 Μ. Weber, Le savant et le politique [traduit par J. F.], Paris: Union générale d'éditions, (1959) 1963, 186 p., n° 134 dans la collection ,10/18'; cf. pp. 5-52. E. Jayme (né en 1934) (éd.), Luís Cabral de Moneada und Carl Schmitt. Briefwechsel 1943-1973, Heidelberg: Müller, 1997,64 p., n° 101 dans la collection »Heidelberger Forum'; cf. p. 42. 32 J.F., op. cit. [note 27], p. 6. - Cf. aussi R.A., Mém., p. 650. 33 II s'agit de v.a., op. cit. [note 20 point b)].

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des relations intermitientes depuis la guerre, mais la collaboration ä un volume de ce genre est un hommage ä une personnalité, hommage que je ne puis pas malgré tout lui rendre." Un changement dans la situation est intervenu début 1971, ä savoir l'exaucement du voeu susmentionné de Mme Ponceau et de C.S. Dans sa lettre ä J.F. du 3 oct. 1970, C.S. s'informe de l'opportunité d'adresser ä R.A. un exemplaire de son opuscule „Politische Theologie Π " et y ajoute que „Ce que vous m'écrivez sur Tédition frangaise du ,Begriff des Politischen' me remplit de joie." De son coté R.A., ayant requ de C.S. un exemplaire dédicacé de l'opuscule34, a exprimé sa gratitude dans sa lettre du 26 janvier 1971 et profité de Γ occasion pour annoncer ceci: „Vous avez dü apprendre qu'ä ma suggestion, vos deux ouvrages: Der Begriff des Politischen et Die Theorie des Partisanen vont paraitre ensemble aux éditions de Cal-mann-Lévy. J'espere que Julien Freund acceptera d'écrire une breve introduction pour faire connaítre au public frangais Γ origine et la signification de ees deux textes." Bien entendu, J.F. a aequieseé ä ce désir et envoyé son essai ä C.S., qui a suggéré quelques améliorations, annexées ä sa lettre du 20 juillet 1971. Dans sa réponse du 5 février 1971, C.S. se réjouit de cette bonne nouvelle et ajoute: „ . . . Votre livre »Progress and Desillusion' (que j'ai lu dans la traduction allemande Fortschritt ohne Ende?') me préoccupe fort; j'aimerais en discuter - si Dieu me préte vie." Presque par retour du courrier, le 10 février 1971, R.A. a fait envoyer ä son lecteur allemand un exemplaire de la versión frangaise de ce livre, qui „comporte une introduction et une post-face qui ne figurent probablement pas dans le livre allemand", dont il ignora la qualité de la traduction 35. En date du 6 mars 1971, C.S. a envoyé une longue lettre, dans laquelle il fait l'éloge de cette version frangaise, de loin supérieure aux deux traductions, et insiste sur l'actualité de l'exposé; il annonce Γ envoi d'un ouvrage de son ancien éléve Ernst Forsthoff ( 190234 C.S., Théologie II. Die Legende von der Erledigung jeder Politischen Theologie, Berlin: Duncker & Humblot, (1970) 1996, 126 p. II existe une traduction frangaise aussi bien de la premiere [note 68] que de cette deuxiéme tentative de préciser la notion: Théologie politique (traduit par Jean-Louis Schlegel), Paris: Gallimard, XVII-184 p., dans la »Bibliotheque des sciences humaines4. Sur la position schmittienne, cf. e.a. Jean-Francis Courtine, „A propos du ,probléme théologico-politique'", in: Droits (Paris), n° 18, 1993, pp. 109-119, et JeanClaude Monod, „Le ,probléme théologico-politique4 au XXe siécle44, in: Esprit (Paris), n° 2, février 1999, pp. 179- 192. Cf. également P. Tommissen, „Erster Einstieg in zwei Desiderate der Carl-Schmitt-Forschung 44, S. 565-602 in Dietrich Murswiek, Ulrich Storost, Heinrich Amadeus Wolff (Hrsg.), Staat - Souveränität - Verfassung. Festschrift für Helmut Quaritsch zum 70. Geburtstag, Berlin: Duncker & Humblot, 2000, VIII-721 S., Nr. 814 in der Reihe »Schriften zum Öffentlichen Recht4. 35

a) J'énumére les trois éditions de cet ouvrage de R.A.: (a) Progress and Desillusion. The Dialectics of Modern Society, Londres: Pall Mall Press, 1968, 230 p., dans la collection »Pelican Books'; (b) Les désillusions du progrés. Essai sur la dialectique de la modernité, Paris: Calmann-Lévy, 1969, 375 p., dans la collection ,Liberté de l'Esprit'; (c) Fortschritt ohne Ende? Über die Zukunft der Industriegesellschaft, Gütersloh: Bertelsmann - Munich: Goldmann, 1970, 286 p. b) J'ignore le motif qui a poussé R.A. ä envoyer ä C.S. la versión anglaise de son ouvrage trois ans aprés sa parution.

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1974; cf. Schmittiana IV, p. 124 note 13 point c): „ . . . ; il suffit de jeter un coup d'oeil dans ce petit livre, surtout sur les conclusions, pour qu'il vous soit possible de saisir son importance ici [sc. dans la Bundesrepublik]." 36 Mais cette lettre impressionne en premier lieu par une remarque sur la notion de »Wert4 [sc. valeur], de venue selon lui un véhicle de Γ emprise de Téconomique et de la convertibilité totales qui caractérisent notre temps37. La longue lettre manuscrite que la philosophe Raymonde Moulin (née en 1924)38, qui assurait ä cette époque toute la gestión administrative du Centre de Sociologie européenne, intégré dans l'Ecole Pratique des Hautes Etudes (= EPHE; cf. Schmittiana VI, p. 55 note 15) et dirigé par R.A., a adressée en date du 8 février 1972 ä J.F., traite surtout du nombre et du Statut des secretaires de 1ΈΡΗΕ, mais dans l'avant-dernier paragraphe il est question du „dernier séminaire [sc. de R.A.] qui portait sur Carl Schmitt." Est-ce que la traduction du „Begriff des Politischen" et de la „Theorie des Partisanen" y furent pour quelque chose? En effet, puisque ces traductions, dues ä Marie-Louise Steinhauser (née en 1924)39 et enrichies d'une excellente introduction de J.F., a paru début 197240. A cette occasion, R.A. a en voy é ä C.S. le texte de sa legón inaugúrale au College de France 41 et dans la lettre d'accompagnement il a glissé un paragraphe de nature ä faire plaisir au destinataire: ,,Μοη dernier séminaire [sc. ä 1ΈΡΗΕ] a été consacré ä commenter et discuter avec mes amis ces deux essais [sc. les traductions], pour la premiere fois offerts sous une forme convenable au public frangais." Le 17 février 1972, C.S. a accusé reception des quatre „envois importants" 42, mais concentré sa reconnais36 E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, dargestellt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, Munich: Beck, 1971, 169 p., n° 77 dans la collection ,Beck'sche Schwarze Reihe'. 37 C.S. ä consacré une conférence ä ce theme qui lui tint ä coeur; elle a été publiée d'abord sous forme de brochure hors commerce: Die Tyrannei der Werte, Stuttgart: Kohlhammer, 1960, 16 p., ensuite mise ä la disposition des intéressés dans deux recueils d'articles. 38 Sur la carriere de cette femme, cf. la notice de Hans Leo Krämer (né en 1936) Wilhelm Bernsdorf (né en 1904) et Horst Knoppe (éds.), Internationales Soziologenlexikon, Stuttgart: Ferdinand Enke, 1984, tome 2 = XI-963 p.; cf. p. 593. 39 Mme Steinhauser a également traduit des textes du général; cf. Carl von Clausewitz. De la Révolution ä la Restauration . Ecrits et lettres, Paris: Gallimard, 1976, 516 p. «o C.S., La notion de politique/Théorie du partisan, Paris: Flammarion, (1972) 1992, 323 p., n° 259 dans la collection »Champs'; cf. pp. 7 - 5 4 la „Préface" de J.F. 41 R.A., De la condition historique du sociologue, Paris: Gallimard, 1971, 66 p. Cette Legón se trouve aussi in: Information sur les sciences sociales/ Social Science Information, vol. 10 n° 1, février 1971, pp. 7 - 3 2 . 42 „Quatre envois", parce que C.S. avait regu entretemps aussi l'étude de R.A., „Comment l'historien écrit l'épistémologie, ä propos du livre de Paul Veynein: Annales E.S.C. (Paris), vol. 26 n° 6, 1971, pp. 1319-1354. II s'agit de l'ouvrage du spécialiste de l'histoire romaine P. Veyne (né en 1930), Comment on écrit l'histoire. Essai d'épistémologie, Paris: Eds du Seuil, 1971, 350 p. - Dans la méme lettre, C.S. sígnale qu'il avait envoyé son exemplaire de I'article de R.A., muni de notes marginales et de soulignements, au prof. Dieter Groh (né en 1932).

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sanee surtout sur deux d'entre eux: „En dépit de ma contemplation plutót épiméthéénne, mon äge est une illustration bruyante et larmoyante de la phrase: le combat spirituel est plus brutal que la bataille des hommes43. Dans un soir de vie pareil, l'édition frangaise des deux essais - sous vos auspices, avec la préface de Julien Freund, la traduction excellente de Madame Steinhauser et la maison d'édition de premiere ordre - est un événement heureux. Je peux m'exprimer ainsi, parce que mes remerciements émanent de la conscience claire et évidente de la situation et parce que votre legón inaugúrale au College de France est la déclaration convaincante et fascinante d'une comprehension scientifique, qui dépasse souverainement aussi bien un ,comprendre, c'est pardonner' qu'un ,comprendre, c'est anéantir'." Cette formulation énigmatique a mis R.A. devant un dilemme, qu'il a soumis ä I'approbation de J.F. dans sa lettre du 25 février 1972: „Une question ä laquelle vous pourrez peut-etre répondre: la derniére phrase: ,comprendre, c'est anéantir' est-elle, ä votre avis, une protestation polie contre tel ou tel aspect de ma Legon inaugúrale ou une simple reflexion philosophique?" Voici le raisonnement que J.F. a tenu dans sa réponse du 29 février 1972: „ [ . . . ] II ne me semble pas que le „comprendre, c'est anéantir" pourrait constituer une critique meme indirecte de Tun ou Γ autre passage de votre Legón inaugúrale. En effet, il s'agit d'un theme que C. Schmitt a souvent développé: une fois que Ton a compris autrui il est paralysé, car ses armes ne portent plus. Cela est lié ä la théorie de l'ennemi, car l'ennemi est un étre que Γ on ne comprend pas ou que Γ on ne veut pas comprendre. A mon avis, C. Schmitt veut dire que votre legón confirme précisément ce point de vue et je pense qu'il fait allusion ä votre comprehension du socialisme qui est désarmé apres une telle critique. Celui qui comprend l'adversaire le domine et par conséquent l'anéantit. En fait, cette these de C. Schmitt est conque en réaction contre la conception trop affective du Verstehen qui faisait fureur en Allemagne il y a quelques quarante ans et qui voulait faire de la comprehension la base épistémologique de la connaissance d'autrui. Le Verstehen n'a pas uniquement une signification positive d'amour ou $ Einfühlung ou encore du Hineinversetzung in das andere Ich, mais il a aussi une signification négative, du fait que I'autre risque de perdre son autonomic existentielle. Je pense done que C. Schmitt voulait faire l'éloge de votre legón, parce qu'elle refuse la conception plate qu'on se fait en général du comprendre. [ . . . ] "

Grace ä ce raisonnement 44, R.A. a adresse déja le 3 mars 1972 ä son collégue allemand une lettre en allemand, dans laquelle il dit que sa réponse du 17 février 43 La phrase „Le combat ... hommes" est empruntée ä Arthur Rimbaud (1854-1891), „Une saison en enfer", pp. 159-199 des „CEuvres", Paris: Mercure de France, 1950, 318 p.; cf. p. 198. 44 A noter qu'aussi bien R.A. que J.F. ont écrit sur ees notions Verstehen et Einfühlung, le premier dans son ouvrage „La philosophie critique de l'histoire. Essai sur une théorie allemande de l'histoire" (Paris: Vrin, [1938] 1950, 324 p., dans la ,Bibliothéque d'histoire de la philosophie4), l'autre dans son livre „Les théories des sciences humaines44 (Paris: PUF, 1973, 164 p., n° 108 dans la »Collection SUP4).

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1972 Ta tellement ému, qu'il „sent le besoin de continuer le dialogue". Convaincu de l'intérét que celui-ci porte ä Karl von Clausewitz (1780-1831) et ayant constaté ä sa grande surprise qu'une véritable interpretation de la pensée philosophique clausewitzienne manqua dans la littérature allemande et frangaise, il annoncait qu'il entrait dans ses intentions de consacrer un petit livre aux concepts, méthodes et conclusions principales du célebre général prussien. De surcroít, il envoyait d'ores et déja un texte, „rien qu'une petite chose" comme il dit, notamment le premier jet d'une conférence faite aux Etats-Unis et intitulée „Passion and Reason", soit l'équivalent anglais du contraste pour lequel Clausewitz s'est servi „des deux notions ,Gemüf et, Verstand' (non: Leidenschaft ' et, Vernunft')" 45 La reaction ne se fit pas attendre: le 14 mars 1972 C.S. a expédié une remarquable lettre de trois pages, qu'on peut difficilement résumer, hélas! De toute faςοη, la prudence étant de rigueur, C.S. raconte qu'il s'est contenté de presenter Clausewitz dans un article recent comme un penseur politique 46 , bien qu'il le considere dans son for intérieur comme un authentique philosophe. Cependant, la confusion des langues de nos jours, engendrée par la galopade de la repartition du travail scientifique aux universités, Γ inquiétait davantage et ä ce propos il renvoit ä la fameuse distinction que fait Anatol Rapoport (né en 1911) entre la guerre clausewitzienne et la guerre tolstoienne et aux 44 degrés de Γ escalade qui ménent, Selon Herman Kahn (1920-1983), vers la guerre du ,spasme' ou ,insensée\ deux théories critiquées par R.A. 4 7 . Quant aux mots anglais pour rendre exactement le sens de Verstand, Vernunft, etc., C.S. s'abstient de trancher, peut-étre parce qu'il η'avait pas pu mettre ä bonne fin ni ses tentatives de comparer „Wirtschaft und Gesellschaft" de Max Weber (1864-1920) et sa traduction américaine ni son combat avec les multiples traductions de Hegel. Pour autant que je puisse en juger, cette reaction est restée sans suite jusqu'ä ce que, quatre années plus tard, R.A. a fait parvenir ä C.S. un exemplaire de son livre „Penser la guerre" 48. C.S. a pris sa revanche par l'envoi d'une lettre de trois pages, qui cette fois-ci est vraiment impossible ä résumer. D'ailleurs, l'auteur formule cette impossibilité ä sa fagon dans ce document du 18 mars 1976: „Vous devez me pardonner, tres vénéré Monsieur et Collégue, qu' aujourd'hui je n'essaie qu'accuser reception de votre cadeau et que, en guise de remerciements, je me suis laissé tenter, face ä larichessestupéfiante de votre ouvrage sur Clausewitz, ä uneregression quelque peu baroque dans un style

45 R.A., „Reason, Passion, and Power", in: Social Research (New York), vol. 39 n° 4, hiver 1972, pp. 599-621. II s'agit de la réimpression du discours paru en 1970 dans un recueil d'études que je ne posséde pas. 46 C.S., „Clausewitz als politischer Denker. Bemerkungen und Hinweise", in: Der Staat (Berlin), vol. 6 n° 4, 1967, pp. 479-502. 47 R.A., Penser la Guerre, Clausewitz, Paris: Gallimard, 1976, 2 tomes = 472 et 365 p., dans la ,Bibliothéque des Sciences humaines*. 48 R. Hepp, „Der harmlose Clausewitz. Kritische Bemerkungen zu einem deutschen, englischen und französischen Beitrag zur Clausewitz-Renaissance", in: Zeitschrift für Politik (Cologne/Berlin), vol. 25 n° 3 et 4 , juillet et oct. 1978, pp. 303-318 et 390-429.

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épistolaire peu moderne." Cela η 1 a pas empéché R.A. d'en isoler cette phrase élogieuse: „C'est un livre qui vous entraine et qui, dans sa structure en deux parties, pleinement accomplie, constitue un succés total. C'est un accomplissement inou'i, captivant du début jusqu'ä la fin, et méme dans les ,Notes4 encore passionnant." (Mém., p. 651) Cet ouvrage de R.A. a provoqué dans la Bundesrepublik une réplique apre, pour ne pas dire agressive, de la part du professeur Robert Hepp (né en 1938)44. Le savant frangais a rédigé une réponse 49, dont il envoyé ä C.S. un tiré ä part. De sa lettre du 29 nov. 1979 jointe ä cet envoi, j'extrais ces phrases significatives: „Je ne sais si vous aviez regardé ce compte-rendu [sc. de Hepp] dans la »Zeitschrift für Politik4 qui dépassait les limites de la décence scientifique et qui approchait de I'injure personnelle. - Ma réponse a été volontairement extraordinairement modérée, conformément aux convenances et ä ma propre maniere.44 Le 4 déc. 1979 C.S. a répondu qu'il était au courant de Γ affaire depuis plusieurs mois et qu'il avait communiqué son mécontentement ä Mme Steinhauser et ä J.F. II s'explique le manque de tact du prof. Hepp objectivement, c'est-ä-dire sans vouloir minimaliser, voire excuser ce manque de tact. II est assez curieux pourtant que cet essai d'objectivité existe dans une longue glose sur la situation de la guerre qui, du moins pour la Bundesrepublik, η' pas encore conduit ä un traité de paix. Cette glose déroute et je comprends que R.A. n'a pas insisté. Mais elle prouve que l'incident a mis C.S. dans rembarras, ce qu'illustre ce passage de sa lettre a J.F. du 15 oct. 1979; „Je viens de lire une longue discussion de Monsieur Raymond Aron avec le professeur Robert Hepp (dans la Zeitschrift für Politik, Heft 3, 1979). Quant ä moi, il m'attriste amerement de voir un homme noble et généreux |>c. R.A.] attaqué par un jeune homme sans grande expérience [sc. Hepp], mais bien exercé au cours de deux dizaines d'années dans des discussions ä la Habermas et contre Habermas, contre ce type de gladiateurs dans le Colisée moderne. 4'50 Du reste, soyons sinceres: les trois paragraphes que R.A. consacre ä C.S. dans ses „Mémoires" ont aussi dérouté certains lecteurs, e.a. Joseph Rovan (né en 1918): „Une opinion fort indulgente sur le juriste Carl Schmitt, fameux auxiliaire du totalitarisme, peut étonner." 51 Quoique l'étonnement de Rovan soit également déroutant, ces paragraphes témoignent de l'intégrité de R.A. II se trompe évidemment en affirmant que C.S. „n'appartint jamais au partí national-socialiste" (Mém., p. 650), car C.S. est devenu membre du Partí Nazi en mai 1933. Et ce qu'il dit sur la prise de position de C.S. aprés la Nuit des longs couteaux (le 30 juin 1934) ,,L'interpretation pouvait passer ä Γ époque pour approbation.44 (Mém., p. 650) est une explication parmi d'autres. Ces paragraphes témoignent, en outre, d'un 49 R.A., „Verdächtigter Anwalt. Bemerkungen zu Robert Hepp's Rezension", in: Zeitschrift für Politik (Cologne/Berlin), vol. 26, n° 3, oct. 1979, pp. 284-308. 50 Le sociologue Jürgen Habermas (né en 1929) s'acharne réguliérement contre C.S. J. Rovan, „Raymond Aron et l'Allemagne", in: Commentaire (Paris), vol. 8, n° 28-29 (numéro spécial R.A.), février Ϊ985, pp. 248-251; cf. p. 250.

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changement d'attitude de la part de R.A.vis-ä-vis de C.S. Ce revirement au fil des années s'est manifesté encore d'une tout autre maniere. Tandis qu'il avait décliné, comme nous avons vu, l'invitation de J.F. de collaborer au líber amicorum C.S. de 1968, il a permis ä J.F. et ä moi d'insérer cette phrase dans notre introduction au liber amicorum offert en 1978: „M. Raymond Aron avait envisagé de rédiger un texte pour figurer dans cet hommage ä C. Schmitt. II η'a malheureusement pas eu le temps de le faire, mais il nous a fait savoir qu'il est en Sympathie avec cette initiative et qu'il tient ä presenter, dans le cadre de ees études, ses meilleurs voeux ä C. Schmitt ä l'occasion de son 90e anniversaire." 52. La Sympathie était réciproque: C.S. s'est toujours élogieusement prononcé sur R.A. Les jugements et tournures de phrase suivants, tous empruntés ä des lettres adressées ä J.F., sont symptomatiques: a) dans celle du 21 déc. 1970, reproduite intégralement plus loin (cf. ANNEXE 2) se trouve une question intéressante; b) ayant regu enfin (cf. ci-dessus) et attentivement lu ce discours, il a fait part de son opinion dans celle du 20 février 1972: „J'ai lu la legón inaugúrale au College de France, que Raymond Aron m'a en voy é avec une dédicace écrite tres aimable; c'est magnifique (imaginez-vous ma joie en lisant un exemple de théologie politique: moins encore que les théodicées, les sociodicées [justifient la condition de l'homme] (p. 41); et l'évocation de la mémoire de Max Weber qui me fait faire des reproches ä moi-méme." 53 ; c) dans celle du 4 mars 1974 - tres longue - il marque son accord avec les positions de R.A de fagon claire et nette: „Je lis et relis le livre de Mr. Raymond Aron ,La république impériale'. Mon exemplaire du livre est souillé par une masse de gloses marginales. II s'agit de la réalité: le développement d'une nouvelle notion de l'espace et d'un ,sens de l'espace' (dont parle R.A. p. 197) est la conséquence immanente de la Société industrielle; c'est la raison pour laquelle je parle de Großraum (comme terme provisoire pour le travail scientifique), et non pas de region d'influence, bloc, zone etc. ou d'espace vital." 54 ; d) dans celle du 30 déc. 1976 nous lisons: „La discussion sur Max Weber - ... augmente ma Sympathie pour Raymond Aron."; e) de celle du 9 janvier 1977, il y a lieu de reteñir cette exclamation: „Mon eher Julien [sc. J.F.], pouvez-vous saisir ce que signifie pour moi le fait que R. Aron contribuera ä la publication genevoise que vous et Tommissen congoivent?"55;

52 J.F. et P. Tommissen (éds.), Miroir de Carl Schmitt, Genéve: Droz, 1978, 238 p.; cf. p. 6. « R.A., op. cit. [note 41]. 54 R.A., République impériale. Les Etats-Unis dans le monde 1945-1972, Paris: Calmann-Lévy, 1973, 338 p. 55

II s'agit de J.F. et P. Tommissen (éds.), op. cit. [note 52].

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f) celle du 13 sept. 1979 contient également une petite phrase intéressante: „J'ai entendu [ä la T.S.F.?] la conférence admirable de Raymond Aron; j'en suis touché, aussi en me souvenant de Max Weber et de Tocqueville ." En guise de conclusion, je me permets d'attirer Γ attention bienveillante du lecteur sur un aspect inattendu des contacts épistolaires et autres qui ont existé entre R.A. et C.S., ä savoir le fait que la lettre précitée de 4V2 pages que C.S. a adressée en date du 30 déc. 1976 ä J.F. s'arréte brusquement, sans formule de politesse ni signature. Je n'y vois qu'une explication plausible: C.S. s'est tellement embrouillé par une reflexion, qu'il n'en pouvait plus. J.F. ayant probablement effleuré le theme de la these de son étudiant Claude Polin, soit libéralisme et totalitarisme 56, ce n'est pas étonnant que ce théme a éveillé Γ attention de C.S.: „Le pont entre libéralisme et totalitarisme est peut-etre la théorie de l'Etat de Th. Hobbes?" Cette idée est suivie de quelques remarques non dépourvues d'intérét, mais qui sont tout d'un coup, ä l'improviste pour ainsi dire, interrompues par un renvoi ä la traduction du „Nomos der Erde" en coréen et des excuses pour „ma conversation prolixe, conséquence de ma solitude ici . . . " 5 7 On s'attend done ä un adieu cordial et la signature habituéis. Or, sans la moindre raison, vraisemblament toujours préoccupé par le theme de Polin et - pourquoi pas? - se rappelant le credo libéral de R.A., il continue: „Ce qui m'attriste, en pensant ä Raymond Aron, c'est mon expérience ... que le libéralisme est la meilleure chose pour le caractére et Γ habitus, et qu'il dégénére inévitablement sous Γ impact des nécessités d'un parti politique. ,La politique corrompt le caractére', surtout le caractére libéral - c'est tragique." Indépendamment de la brusque fin de cette lettre, sa phrase finale en dit long, du moins pour autant qu'il me soit possible d'en juger, sur le respect de C.S. pour Γ option libérale de R.A. et sur son propre anti-libéralisme 58.

56 Cl. Polin, L'esprit totalitaire, Paris: Sirey, 1977, 363 p., dans la collection »Philosophie politique4. 57 Pour le „Nomos der Erde44, cf. note 16 point a). 58 L'anti-libéralisme schmittien a fait l'objet de plusieurs études. Voici deux titres récents dus ä des chercheurs frangais: (a) Chantal Mouffe, „Carl Schmitt and the Paradox of Liberal Democracy44, pp. 38-53 in Ch. Mouffe (éd.), The Challenge of Carl Schmitt, Londres/New York: Verso, 1999, VII-212 p.; (b) Christian Saves, „Carl Schmitt, théoricien de l'Etat: la politique pensée comme une refutation doctrínale du libéralisme44, in: France Forum (Paris), vol. 43, n° 326, 4e trimestre 1999, pp. 23-34. - Je profite de la correction des épreuves pour signaler une étude d'A. Campi, (né en 1961), „Trittico sulla guerra: Schmitt, Aron, Freund, in: I Quaderni di Avallon (Rimini), n° 35 (numéro spécial sur la guerre), 1995, pp. 101 -118.

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Annexes Je me permets de reproduire intégralement et sans retouches deux lettres de C.S. (c.ä.d. queje n'élimine méme pas les coquilles et que je ne corrige non plus quelques tournures de phrase douteuses) qui jouent un role dans ma tentative de reconstruction des relations qui ont existé entre R.A. et C.S.

1. Lettre adressée par C.S. á Mme Ponceau Plettenberg le 22 octobre 1963 Chére Madame Amédée Ponceau, Chére amie, je viens de recevoir votre lettrre du 15 octobre en rentrant d'un voyage ce qui explique - sans le justifier - mon grand retard. J'ai toujours l'impression que Mr. Adenauer avec sa presque immortalité a troublé les plus naturelles mesures de la biologie humaine parce qu'il m'empéche d'alléguer mes 76 ans59. Pour moi, le chemin qui va de la pensée au mot écrit est loin et se fait plus long tous les jours. J'en appelle ä votre bénignité et me dépéche de répondre immédiatement, au moins avec ees lignes provisoires. A Saulsure (aux Vosges) il y avait une conférence et colloque tres intéressant oü Mr. Francis Rosenstiel (l'auteur du livre Le principe de Supranational 1962) avait invité quelques amis frangais (entre eux mon ami Strasbourgeois Julien Freund) et quelques jeunes allemands (Rüdiger Altmann, Nicolas Sombart, Roman Schnur et autres) 60. Théme: le Tiers dans la coexistence des Deux et dans un monde oü la bombe ne permet plus d'autre genre de guerre que la guerre des Partisans. Nous avons tous regretté que Mr. Raymond Aron ne pouvait étre present. Mr. Aron m'a écrit une longue lettre sur le Partisan ä laquelle je n'ai pas encore répondu. Je suis touché de son intérét pour mon ceuvre et je vous serais profondément reconnaissant si vous parleriez avec lui ä cause de la traduction de mon livre. Vous comprendrez, chére amie, que je voudrais éviter rimpression de m'imposer et que je n'aimerait pas ä risquer un refus. Quant ä Mr. Gabriel Le Bras 51, je lui ferai envoyer immédiatement mes deux nouveaux livres et les lui aviserai. Son article sur l'Initiation philosophique m'inté59 II s'agit de Konrad Adenauer (1876-1967), le premier chancelier (1949-63) de la République fédérale d'Allemagne, qui a pris fin apres la reunification de Γ Allemagne en 1990. 60 Sur R. Altmann (1922-2000) et J. Gross (1932-1999), cf. Schmittiana IV, p. 55 note 10; sur Ν. Sombart (né en 1923) et R. Schnur (1927-1996), cf. Schmittiana VI, p. 64 resp. 57. 61

G. Le Bras (1891 - 1970) a enseigné la sociologie de la religión ä 1ΈΡΗΕ. Son article cité dans la lettre se rapporte ä un ouvrage d'A. Ponceau [note 15 point b)].

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Piet Tommissen

resserait énormément et je vous prie de bien vouloir Γ envoyer. Je tächerai d'en intéresser une bonne revue allemande. Pour aujourd'hui je me borne ä ces mots hätifs. Je vous promets solennellement un compte-rendu plus détaillé quand je me serai reposé et quand j'aurais regagné la concentration intérieure et la sérénité contemplative qui seules feront possibles une lettre qui serait véritablement digne d'étre adressée ä vous, ma chére amie. Je reste toujoiurs votre respectueusement et cordialement dévoué

(s) 2. Lettre de C.S. ä J.F. D 597 Plettenberg 2/Pasel 11c le 21 décembre 1970 Cher ami Julien, votre dernier livre, Le Nouvel Age 6 2 , est pour moi un véritable rayón de lumiére. II m'est arrivé au commencement du „brumaire" qui, en Westphalie, mérite son nom plus que dans toute autre region63. Je suis trés fier de la dédicace d'un si brillant article comme „la paix introuvable" 64 . Votre préface „Villé, le 2 aoüt 1968" m'a menagé une euphorie salubre par sa supériorité morale et intellectuelle vis-ä-vis des deux cotés, ä gauche comme ä droit, et surtout vis-ä-vis de ce que vous appelez les „zizanies internes" des Facultés. Je suis sür que cette supériorité est due ä votre refuge ä Villé. Ici, ä Pasel, j'espére atteindre un port semblable que je vous montrerai une fois au cours des mois prochains - si Dieu me préte vie. Vous vous faites tant de peines avec l'édition frangaise du „Begriff des Politischen". Je le sens bien et je vous en remercie de tout mon coeur. La maison éditrice Callman-Lévy a prié Duncker & Humblot de lui envoyer une photo et un courte note biographique. On lui enverra la photo de l'Epirrhosis et une copie d'un dictionnaire Who's who 6 5 ; je crois que cela suffit. J'ai lu dans Le Monde (auquel ma filie Anima m'a abonné) le récit sur la conférence initiale de Mr. Raymond Aron au Collége de France. Quel est le motif fondamental de sa ,mélancholie'?66 J'ai lu

62 J.F., Le nouvel Age. Eléments pour la théorie de la démocratie et de la paix, Paris: Riviere, 1970, 249 p., dans la collection ,Etudes sur le devenir social'. Louvrage contient une préface (pp. 9 - 1 0 ) , la réimpression de deux études, la versión élargie d'une étude, la traduction frangaise d'une étude, cinq inédits et une postface. 63 C.S. a développé cette idée dans son article „Welt großartigster Spannung", in: Merian (Hambourg), vol. 7 n° 9, sept. 1954, pp. 3 - 6 . Cet article a été réédité ä plusieurs reprises. 64 J.F., op. cit. [note 62], pp. 145- 181. Cette étude est dédiée ä C.S. ä l'occasion de son 75éme anniversaire. 65 a) Cette photo figure, en effet, in: op. cit. [note 20 point b)], tome 1, p. 11. b) Who is who in Germany, Munich: Oldenbourg, 1956, X-1311 -114 p.; cf. p. 1032.

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Raymond Aron face ä Carl Schmitt

beaucoup de lui; il reste fidel ä Max Weber, c'est-ä-dire ä un maitre qui pour les sociologues d'aujourd'hui n'est qu'un „philosophe". J'ai lu aussi quelques „structuralistes" et je me demande: dans quelle confusion babylonienne tombera l'édition frangaise du „Begriff des Politischen"? Je repéte ma question: le croyez-vous opportun d'envoyer un exem-plaire de ma „Politische Theologie I I " ä Mr. A r o n 6 7 ? C'est une continuation tres hermétique de mon travail apparu en 1922 dans la „Erinnerungsgabe für Max Weber" 6 8 . Vous avez eu la bonté de m'écrire quelques mots sur ce l i v r e 6 9 ; pour moi le „Nachwort" est une contribution au théme „progrés" qui m ' a coüté une année de piochage farouche 7 0 de sorte que plus d'une fois je me sentís sur le point de mourir. Tout mon espoir se concentre sur une conversation et sur un dialogue avec vous, eher Julien. M o n effort d'écrire ressemble de plus aux peines d'un enfant de l'école primaire qui s'efforce d'accomplir une tache exceptionnellement grave. Je vous embrasse cordialement en vous priant de dire mes voeux pour Noel et pour le nouvel an ä votre femme et vos gargons. Votre vieil ami

(s) 66 a) Anima Schmitt de Otero (1933 -1983) était le seul enfant de C.S. b) Comme je ne dispose pas de ce ,récit\ il m'est impossible d'indiquer les références bibliographiques. 67 Cf. note 34. - A noter que C.S. avait déjá posé cette question dans sa lettre du 3 oct. 1970. 68 C.S., „Soziologie des Souveränitätsbegriffs und politische Theologie", in Melchior Palyi (1892- 1970) (éd.), Hauptprobleme der Soziologie. Erinnerungsgabe für Max Weber, Munich/Leipzig: Duncker & Humblot, 1922, tome 2 = VII-352 p.; cf. pp. 3-35. II s'agit des trois premiers chapitres de Γ ouvrage: Politische Theologie, Berlin: Duncker & Humblot, (1922) 1990, 70 p. (pour la traduction frangaise, cf. note 34). 69 II s'agit du premier paragraphe de la lettre de J.F. du 25 octobre 1970: „Je suis en train de lire Politische Theologie II. II s'agit d'un ouvrage difficile, du moins pour moi, car il fait allusion ä une si importante littérature allemande, queje ne connais que partiellement, qu'il me faut prendre du temps. Mais déjá un théme passionne qui forme comme une toile de fond de Γ ouvrage: le parallele entre théologie et droit. Je crois que par lä vous ouvrez des perspectives qui déroutent l'actualité ordinaire. La question queje me pose en vous lisant est la suivante: une problématique, qu'elle soit, peut-elle étre définitivement close? Du moment qu'elle a été soulevée une fois elle demeure, c'est-ä-dire elle peut sans cesse renaítre. Aucune idée n'est jamais épuisée, elle s'enrichit indéfiniment de toute l'histoire qui est sans cesse en train de se faire. II en est de méme de tout probléme, et c'est pour cette raison qu'Héraclite ou Parménide restent des auteurs actuéis. II me semble que philosophiquement Γ idée du dépassement ou de 1'Erledigung est un faux probléme. Dire que l'on dépasse un théme, c'est précisément le reprendre, lui redonner une actualité. Si j'interpréte bien ce que j'ai lu jusqu'a présent de votre ouvrage, j'en arrive ä conclure ceci: il vise plus loin que le simple probléme de la théologie politique, car il réduit ä une légende la notion méme de Erledigung. En tout cas l'histoire ne dépasse jamais rien; elle demeure éternellement contemporaine d'elle-méme." 70 Cette postface est en réalité une discussion serrée des theses du philosophe Hans Blumenberg (1920-1996) formulées dans un ouvrage traduit en frangais: La légitimité des temps modernes, Paris: Gallimard, 2000, 702 p. (cf. la recension in: Le Monde [des lettres] [Paris], 12 mai 2000, p. V). 9 Schmittiana VII

C. Forschungsergebnisse GABRIEL SEIBERTH

Legalität oder Legitimität? „Preußenschlag" und Staatsnotstand als juristische Herausforderung für Carl Schmitt in der Reichskrise der Weimarer Endzeit Vor kurzem erschien die Buchausgabe der Berliner Dissertation von Lutz Berthold (geb. I960).1 Wer sie gelesen und studiert hat, wird unwillkürlich erinnert an das bekannte Urteil von Julius von Kirchmann (1802-1884): „drei berichtigende Worte des Gesetzgebers und ganze Bibliotheken werden zu Makulatur". 2 Denn Lutz Berthold stellt die von Heinrich Muth (1909-1983?) vertretene und seitdem in der Literatur herumgeisternde These, derzufolge C.S. ein Mann des Reichskanzlers Franz von Papen (1879-1969) gewesen sei3, als unhaltbar hin und kommt zu der Schlußfolgerung, daß C.S. ein Mann des Reichskanzlers General Kurt von Schleicher (1882-1934) gewesen ist und außerdem verantwortlich war für einen (übrigens von der zuständigen Wehrmachtsabteilung akzeptierten) Alternativplan, der unter Umständen Hitlers legale Machtübernahme hätte verhindern können. Allerdings gehört Berthold nicht das alleinige Erstgeburtsrecht dieser neuen Sicht auf das Benehmen C.S.s im Krisenjahr 1932. Gabriel Seiberth (geb. 1973) hat bereits im September 1997, im Rahmen eines anläßlich der Emeritierung des Kollegen Eberhard Jäckel (geb. 1929) in Stuttgart abgehaltenen Kolloquiums, im selben Sinne erfolgreich referiert, wobei er die zentralen Thesen seiner damals in Entstehung befindlichen Dissertation vortrug. 4 Nach-

1 (PT) L. Berthold, Carl Schmitt und der Staatsnotstandsplan am Ende der Weimarer Republik, Berlin: Duncker & Humblot, 1999, 94 S. Die im Anhang (S. 78-88) abgedruckten Dokumente wurden bereits von W. Pyta veröffentlicht: „Konstitutionelle Demokratie statt monarchischer Restauration. Die verfassungspolitische Konzeption Schleichers in der Weimarer Staatskrise", in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 47. Jahrg. Nr. 3, 1999, S. 417-441. 2 (PT) J. von Kirchmann, Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft. Ein Vortrag gehalten in der Juristischen Gesellschaft zu Berlin 1848, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1973,46 S., Nr. 34 in der Reihe JLibelli'; dort S. 25. Über ihn ausführlich Rainer A. Bast, Die Philosophische Bibliothek. Geschichte und Bibliographie einer philosophischen Textreihe seit 1868, Hamburg: Meiner, 1991, XVI-977 S.; dort S. 3-24. 3 (PT) H. Muth, „Carl Schmitt in der deutschen Innenpolitik des Sommers 1932", in: Theodor Schieder (1908-1984) (Hrsg.), Beiträge zur Geschichte der Weimarer Republik. Beiheft 1 der »Historischen Zeitschrift', München: Oldenbourg, 1971, VI-147.; dort S. 7 5 147.-Zu Muth, vgl. FN 18. 9*

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Gabriel Seiberth

stehender Text ist eine für die Drucklegung überarbeitete Fassung dieses Vortrags. Übrigens beschäftigte sich auch schon die Diplomarbeit Seiberths mit C.S. und dem sog. „Preußenschlag" (Otto-Suhr-Institut 1996). Seine Berliner Dissertation zum gleichen Thema wurde wie die seines Freundes Lutz Berthold durch Prof. Dr. Peter Steinbach (geb. 1948) am OttoSuhr-Institut betreut. 5 Zweitgutachter war der Stuttgarter Historiker Prof. Dr. Wolfram Pyta (geb. 1960), mit dem Seiberth ausgedehnte Studien im Nachlaß Carl Schmitts betrieb. Zusammen mit Prof. Pyta (der sich ebenfalls seit langem intensiv mit diesen Themen befaßt) 6 veröffentlichte er einen zweiteiligen Aufsatz, der sich erstmals auf die Tagebücher C.S.s aus dem Zeitraum 1930- 1933 stützen konnte und daher neue, gesicherte Erkenntnisse über seine Rolle in der Weimarer Endphase liefert. 7 Ich freue mich, daß Herr Seiberth auf meine Bitte hin die nachstehende Abhandlung anstandslos für diesen Band zur Verfügung gestellt hat. Meine Fußnoten beziehen sich ausschließlich auf diese editorische Notiz. Die übrigen Fußnoten stammen vom Autor des Beitrags. R T

„Legalität und Legitimität" - mit diesem Titel seiner letzten selbständigen Weimarer Publikation, die 10 Tage vordem „Preußenschlag" abgeschlossen war, 8 hatte C. S. nicht nur ein Schlaglicht auf die Situation in der Endphase der Weimarer Republik geworfen, sondern zugleich die Kategorien für die spätere Auseinandersetzung mit seinem Werk geprägt.9 Die kurze, aber komplexe Streitschrift endete mit einer komprimierten Positivismuskritik, wie sie in dieser Form beispiellos war: C.S. forderte mit Nachdruck die Entscheidung für eine „substanzhafte Ordnung", 4

(PT) Aus unbekannten Gründen ist der geplante Tagungsband nicht zustande gekommen; er hätte in der Schriftenreihe der „Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte" erscheinen sollen. Es wurde jedoch ein Tagungsbericht publiziert (in dem auch Seiberths Exposé und die anschließende Diskussion skizziert werden); vgl. Andreas Rödder, (geb. 1967) „Reflexionen über das Ende der Weimarer Republik. Die Präsidialkabinette 1930-1932/33. Krisenmanagement oder Restaurationsstrategie?", in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 47. Jahrg. Nr. 1, 1999, S. 87-101. 5 (PT) G. Seiberth, Anwalt des Reichs. Carl Schmitt und der Preußenkonflikt des Jahres 1932, Berlin, FU-Berlin, Juli 2000, 360 hektographierte S. 6 (PT) Eberhard Kolb (geb. 1933) und Wolfram Pyta, Die Staatsnotstandsplanung unter den Regierungen Papen und Schleicher, in: H. A. Winkler (Hg.), Die deutsche Staatskrise 1930-1933, München: Oldenbourg Verlag, 1992, XII, 296 S; dort 155 -182. Und Pyta, „Verfassungsumbau, Staatsnotstand und Querfront: Schleichers Versuche zur Fernhaltung Hitlers von der Reichskanzlerschaft August 1932 bis Januar 1933", 173-197 in: W. Pyta und Ludwig Richter (Hrsg.), Gestaltungskraft des Politischen. Festschrift für Eberhard Kolb, Berlin, 1998, 532 S. Ders., op. cit. [FN 1]. 7 (PT) Pyta/Seiberth, „Die Staatskrise der Weimarer Republik im Spiegel des Tagebuchs von Carl Schmitt", in: Der Staat, 38. Jahrg. Nr. 3 und 4, 1999, S. 423-448 bzw. S. 594-610. Eine komplette Publikation der Tagebuchnotizen ist aus Gründen, die in dem Beitrag diskutiert werden, nicht geplant. 8 C.S., Legalität und Legitimität, München /Leipzig, 1932, 98 S.; dort: Vorbemerkung. 9 Etwa Hasso Hofmann (geb. 1934), Legitimität gegen Legalität - Der Weg der politischen Philosophie Carl Schmitts, Neuwied: Luchterhand, 1964, 304 S., Nr. 19 in der Reihe »Política4.

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da es sonst mit der „Fiktion eines gegen Wert und Wahrheit neutralen Mehrheitsfunktionalismus bald zu Ende" sei. Dann, so seine düstere Prophezeiung, räche sich die Wahrheit. 10 Aufgrund dieser Fundamentalkritik jener positivrechtlichen Legalitätstheorie, wie sie die Mehrheit der Weimarer Verfassungsrechtler vertrat, war C.S. sowohl von Zeitgenossen wie von Historikern zumeist als Exponent naturrechtlicher Legitimitätsvorstellungen betrachtet worden. Aufgrund dieser Deutung wurde er damals wie heute zumeist den Verfassungskonzepten des ,Neuen Staates' von Franz von Papen (1879-1969) und Freiherr Wilhelm von Gayl (1879-1945) zugeordnet. 11 Als wichtiges Indiz für diese Auffassung diente der Umstand, daß vor allem auch Schüler von C.S dessen Analyse benutzten, um nicht zuletzt die Legalität gegen die Legitimität auszuspielen. So kritisierte etwa der „Schmitt-Schüler" 12 Horst Michael (1901 -1983?) 13 am 26. Juli 1932 in einem Aufsatz für die Zeitschrift des Herrenklubs 14, daß der 1. Hauptteil der Weimarer Verfassung nicht den „sittlichen Forderungen des Naturrechts" entspräche. Er sei deshalb zwar zu halten, solange er nicht abgeändert werde, aber es gelte sich auf eine Erneuerung des Reiches „nach den unwandelbaren Grundsätzen der christlichen Weltanschauung" vorzubereiten. In diesem Sinne versuchte auch Ernst Rudolf Hubev (1903 -1990), der sich - zumeist unter Pseudonym - in jungkonservativen Blättern mit klaren Worten zum Thema geäußert hatte, aus C.S.s Theorie politisch Kapital zu schlagen. So hatte der C.S.-Schüler in einem Aufsatz mit dem Titel „Verfassung und Legalität" 15 behauptet, verfassungsmäßig handele, „wer die im zweiten Hauptteil der Verfassung feierlich versprochene Volksordnung herstellt, nicht wer an den [ . . . ] unanwendbar gewordenen Organisationsnormen des ersten Hauptteils unter allen Umständen festzuhalten sucht." 16 An anderer Stelle bekräftigte er, angesichts der Erschütterung der Verfassung stelle sich die Frage nach der io Schmitt: Legalität und Legitimität [FN8], Schlußsatz. u Besonders H. Muth, „Carl Schmitt in der deutschen Innenpolitik des Sommers 1932", in op. cit. [FN 3]. In jüngerer Zeit in diesem Sinne Dieter Grimm (geb. 1937): Verfassungserfüllung - Verfassungsbewahrung - Verfassungsauflösung, in H. A. Winkler (Hrsg.): Die Staatskrise 1932-33, 1992. Sowie H. A. Winkler, Weimar 1918-1933, München, 2. Aufl. 1994, 709 S.; dort S. 107-108 und 519. 12 So „Das Zentrum", 4. Jahrg. Nr. 12, 1933, S. 25. 13 Zur Person Michaels,vgl. Pyta, art. cit. [FN 1], sowie infra FN 116. 14 Horst Michael, „Naturrecht, Legalität und das Zentrum", in: Der Ring, Heft 33, 12. 8. 1932, S. 548 ff. Typoskript vom 26. 7. 1932, HStAD/RW265-422/8. 15 Wer hinter dem Pseudonym Friedrich Landeck steckte, war lange nicht eindeutig klar. H. Muth vermutete Forsthoff oder Huber als Autor. C.S. hatte handschriftlich in seinem Handexemplar des Aufsatzes von Muth „Forsthoff' neben die entsprechende Fußnote geschrieben. Dieter Grimm ordnet das Pseudonym ohne Begründung Huber zu. Vermutlich stützt er sich auf die Literaturliste in der Festschrift für E.R. Huber, in der die Aufsätze Landecks dem Jubilar zugeordnet werden. In der Festschrift Forsthoff tauchen die Aufsätze nicht auf. In einem Gespräch mit dem Verfasser hat Tula Huber-Simons (1905-2000), die Ehefrau des Autors, bestätigt, daß Landeck ein Pseudonym Hubers war. 16 Friedrich Landeck, „Verfassung und Legalität", in: Deutsches Volkstum, 14. Jahrg. Nr. 15, 2. Septemberheft 1932, S. 733-737; dort S. 737.

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„geschichtlichen Legitimität eines Handelns, das den Boden der Verfassung verläßt um das Reich zu erhalten". 1 7 Diese Lesart im engsten Schülerkreis, für die es noch eine ganze Fülle weiterer Beispiele gibt, wurde als Beleg für C.S.s eigentliche Intentionen genommen. Seine Schüler, so unterstellte man, sprächen das aus, was ihr Lehrer aus Opportunitätsgründen nicht zu sagen wagte. Die Zuordnung C.S.s zu restaurativen Umsturzplänen geht im wesentlichen auf Heinrich M u t h und dessen einschlägigen Aufsatz über „Carl Schmitt in der Reichskrise des Sommers 1932" zurück. Muth, der 1932 bei Fritz Stier-Somlo (1873 — 1932) über den Artikel 48 promoviert worden war, 1 8 wertete solche Äußerungen der C.S.-Schüler als Beweis dafür, daß das Wirken C.S.s im Sommer 1932 vor dem Hintergrund „trivialer Restaurationsbestrebungen" 19 zu betrachten sei. Die 17 Ludwig Veeck (d.i. Huber), „Verfassungsnotstand", in: Deutsches Volkstum, 14. Jahrg., 1932, S. 983-984; dort S. 984. Zu der Zuordnung des Pseudonyms, vgl. Grimm [FN 11] und die Festschrift Huber. H. Muth, Das Ausnahmerecht - Versuch einer rechtsvergleichenden Darstellung, Phil. Diss. Köln 1932 gedruckt: Emsdetten: Heinr. & J. Lechte, 1932, I I - 1 3 7 - X I S. Die Arbeit wurde zwar von Friedrich Stier-Somlo (vgl. Schmittiana IV, S. 170 FN 62; S. 172) betreut, sie stellt aber in großen Teilen eine Auseinandersetzung mit C.S. dar. Gerhard Schulz (geb. 1924) bezeichnet Muth im Anschluß an lange Gespräche mit ihm über sein Werk als C.S.Schüler; so in einem Brief an den Verfasser vom 22. 11. 1996. Dieser Umstand deutet darauf hin, daß Muth bei C.S. gehört hatte. Muth kommt denn auch in der am 1. Juni 1932 abgeschlossenen Dissertation in ausdrücklicher Übereinstimmung mit C.S.s Diagnose des „totalen Staates" (S. 133) zu dem Ergebnis: „Vorläufig ist die auf Art. 48 gegründete Praxis der einzige Ausweg gegenüber dem pluralistischen Parlamentarismus. [ . . . ] Die Vorschrift des Art. 48 R.V. wird ganz entgegen ihrem ursprünglichen konservierenden Sinn zu einer Brücke, die hinüberleitet in ein gänzlich verändertes Staatssystem. Es geht daher wohl kaum an, dem Reichspräsidenten die Aufgabe eines Hüters der Verfassung zuzuerkennen; denn er ist gerade durch die Entwicklung gezwungen, wesentliche Vorschriften der Verfassung zu ignorieren." (S. 136) Diese normative Zielaussage geht freilich weit über alles hinaus, was C.S. in seiner thematischen Behandlung des „totalen Staates" vorgebracht hatte. Denn anders als Muth und einige der C.S.-Schüler - hatte dieser lediglich eine Diagnose gestellt und keineswegs Vorschläge für eine Therapie unterbreitet, wie z. B. die von Muth, Huber u. a. reklamierte Überleitung „in ein gänzlich verändertes Staatssystem". Dem Doktorvater Stier-Somlo war aufgrund solch „burschikoser" Ausdrucksweise eines seiner „begabtesten Schüler" nicht ganz wohl zumute, denn auf keinem anderen Gebiete als auf dem der Diktaturgewalt könne „so viel Schaden angerichtet" werden (Gutachten, Universitätsarchiv Köln, 42/3170). Vor dem Hintergrund einer „auch politischen, nicht bloß rechtlichen Behandlung des Problems" seines Schützlings wollte er verhindern, daß der Fakultät Vorwürfe wegen „bedenklicher Äußerungen" gemacht werden könnten. Daher verdiene die Arbeit zwar mindestens das Prädikat „Gut", sie sei aber alles in allem genommen „noch nicht druckreif 4 (ebd.). Zur Biographie H. Muths: 1909 geb. in Hamburg-Blankensee, 1927 Abitur in Koblenz, rechtswiss. Stud, in Bonn, München, Köln, Göttingen, Staatsexamina 1930 und 1934 am OLG Düsseldorf, ab 1. 10. 1935 (bis mindestens 1942) am Institut für Staatsforschung (Leitung: Reinhard Höhn [1909 - 2000]). Dort zunächst Habil.-Projekt zur Verfassungsgeschichte des absoluten Staates („Genese des Staates als »Anstalt*"), daneben beamten- u. polizeirechtliche „Tagesarbeiten" im Rahmen von Hohns ,»Politikberatung" für Reichsministerien, SS und ΒesatzungsVerwaltung. Publikationen u. a. „Staatswissenschaft und historische Forschung", in: Deutsche Rechtswissenschaft, 1938, S. 346 ff.; „Die Anfänge des Liberalismus im dt. Beamtentum", in: Jugend und Recht, 1939, Heft 5, S. 7 -11;,Judenemanzipation und Staatsbürgerbegriff',

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Entscheidung für den zweiten Hauptteil der Weimarer Verfassung, die C.S. durchaus nicht eindeutig - in seiner Legalitätsschrift proklamiert hatte, so die dramatisierende Lesart des Chronisten, bedeute nicht weniger als die „Aufgabe der Demokratie, des Parlamentarismus und der Republik". 20 In dieses naheliegende Gesamtbild einer unterstellten restaurativen Gesinnung wurde insbesondere die Beteiligung C.S.s an der Verteidigung des sog. „Preußenschlages" sowie an der juristischen Vorbereitung der „Staatsnotstandspläne" eingeordnet. Denn in beiden Fällen, so die weithin herrschende Meinung der historischen Forschung, habe die Reichsregierung die Durchführung eines „Staatsstreichs" 21 beabsichtigt, der sich anstelle des Wortlauts der Verfassung auf die Legitimität einer vermeintlichen Notwendigkeit stützen sollte. Nimmt man eine restaurative Intention an, so drängt sich in der Tat geradezu der Verdacht auf, daß C.S. in seiner Beteiligung an beiden Aktionen die Chance sah, die Überwindung der Verfassung politisch zu realisieren. Auch wenn diese Sichtweise noch so einleuchtend sein mag und auch eine Reihe von Evidenzen für sich in Anspruch nehmen kann, so hält sie doch der Überprüfung unter Heranziehung aller heute verfügbaren Quellen nicht stand. Während die früheren Darstellungen in weiten Teilen auf Spekulation angewiesen waren, da einschlägige Quellen nicht vorlagen, lassen sich nun neue Erkenntnisse aus dem C.S.-Nachlaß im Düsseldorfer Hauptstaatsarchiv22 gewinnen, die eine Revision der gängigen Deutung nahelegen. Nach dessen Öffnung sind nun Quellen 23 zugänglich, die eine ausführliche Re-Interpretation von C.S.s Position in den letzten Monaten der Weimarer Republik erlauben. Auf dieser Grundlage ist nicht nur eine schärfere Konturierung bekannter Vorgänge möglich, es können auch bestimmte historische Ereignisse anders akzentuiert werden. Zwar bleiben in: ebd. Heft 5, S. 27-29; „Reich und Führung", in: Deutsches Recht, 1940, S. 1913 ff.; Mitarbeit an der Zeitschrift „Reich, Volksordnung, Lebensraum". - Seit 1. 12. 1935 (?) in der SA, ab 1. 5. 1937 in der NSDAP (Angaben Christian Tilitzki ) 19 Muth, op cit. [FN 4], S. 125. Dagegen bereits unter Heranziehung eines Teils von C.S.s „personal papers" Joseph William Bendersky (geb. 1946 ): „Carl Schmitt in the Summer of 1932 - A Reexamination", in: Revue européenne des sciences sociales, Nr. 44 [Festschrift für C.S.], Juli 1978, S. 39-53. 20 Muth, op. cit. [FN 4] S. 114. 21 So waren sowohl der „Preußenschlag" wie die Staatsnotstandsplanung bezeichnet worden. Zum „Preußenschlag", vgl. etwa Winkler, op. cit. [FN 4], S. 503. In bezug auf die Staatsnotstandsplanung: Achim Kurz, „Zur Interpretation des Art. 48 Abs. 2 der WRV 19301932", in: Offene Staatlichkeit - Festschrift für Böckenförde , 1995, S. 408. Die positivere Beurteilung des Januar-Notstandsplanes vor allem durch Winkler und Kolb/Pyta ist demgegenüber eine neuere Entwicklung, die sich selbst als „Re-Interpretation" versteht. 22 Vgl. das Findbuch Dirk van Laak (geb. 1961) und Ingeborg Villinger (geb. 1946): Nachlaß Carl Schmitt - Verzeichnis des Bestandes im nordrhein-westfälischen Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (HStAD), 1993,698 S. 2 3 Inzwischen sind die wichtigsten Dokumente publiziert bei W. Pyta und L. Berthold, op. cit. [FN 1]. Weitere Quellen werden ausgewertet bei G. Seiberth, op. cit. [FN 5].

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die wesentlichen Erkenntnisse der Geschichtsforschung zum Untergang der Weimarer Republik von diesen Erkenntnissen unangetastet, es ergibt sich aber ein differenzierteres Bild bezüglich der Intentionen maßgeblicher Protagonisten und der Handlungsspielräume und Alternativen, die in der Krisensituation sehr wohl bestanden und auch in strategischen Konzeptionen ausgeleuchtet wurden. Einmal mehr bestätigen diese Quellen: die Ernennung Hitlers war keineswegs die zwangsläufige Konsequenz aus der Entwicklung in Richtung präsidialer Staatsführung. Diese Stärkung der präsidialen Komponente der Verfassung bedeutete auch noch nicht für sich genommen das Ende der Weimarer Republik. Im Gegenteil: Unter Umständen hätte sich aus den Planungen eine Alternative zu der Ernennung Hitlers abzeichnen können, die einen Konflikt mit der Weimarer Verfassung zwar nicht völlig vermieden, aber doch auf ein unter Umständen vertretbares Minimum reduziert hätte. Im folgenden sollen daher die beiden zentralen historischen Ereignisse, an denen C.S. maßgeblich beteiligt war bzw. auf die er als Staatsrechtler Einfluß zu nehmen suchte, nämlich „Preußenschlag" und „Staatsnotstand", kurz anhand neuer Quellenfunde dargestellt werden. Entlang dieser Darstellung wird versucht, eine Antwort auf die im Titel gestellten Frage herzuleiten. Dabei geht es weniger darum, mögliche verfassungspolitische Fernziele C.S.s, die abgesehen von einigen unklaren Bemerkungen weitgehend im Dunkeln geblieben sind, zu erhellen, sondern vielmehr seine genaue Verortung in dem politischen Kräftefeld vorzunehmen. Ob sich in der Tätigkeit für den politischen General die Zukunftspläne C.S.s erschöpften, oder ob die juristische Flankierung der Präsidialkabinette für ihn vielleicht nur eine Zwischenstation auf dem Wege zu einem erstrebten Endpunkt darstellte, soll daher dahingestellt bleiben. Diese Darstellung steht nicht im Dienste einer Suche nach C.S.s „Arcanum", sondern versteht sich als Analyse der Rolle, die er im Umfeld des Schleicher-Kreises in der Weimarer Endphase einnahm.

I . Der Preußenschlag Die Absetzung der republikanischen Regierung in Preußen im Rahmen des sog. „Preußenschlages" steht wie kaum ein anderes Ereignis im Schatten der Machtübernahme Hitlers. Da die „Gleichschaltung" des größten Landes auf lange Sicht nur den Nationalsozialisten zugute kam, wurde den Akteuren - gemäß dem Argument ex hoc, ergo propter hoc - eben diese Intention unterstellt. Der Reichseingriff ist daher oft als Endpunkt der Weimarer Republik bezeichnet worden. Und in der Tat hatte dieses Ereignis, das in einem engen Zusammenhang mit den wenig später einsetzenden Staatsnotstandsplanungen stand, wie kaum ein zweites erbitterte Auseinandersetzungen um die Zukunft der Verfassung und der Republik heraufbeschworen. Gleichwohl legt eine Re-Interpretation die Auffassung nahe, daß diese Aktion nicht notwendig nur mit Bestrebungen in Zusammenhang gebracht werden kann, die auf die Zersetzung der Verfassung zielten, sondern möglicherweise auch

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mit dem Versuch, extremistische Parteien von dem Zugriff auf die Regierungsgewalt in dem größten deutschen Land fernzuhalten. Die Vorgeschichte des Reichseingriffs vom 20. Juli beginnt bereits im Frühjahr 1932. In den Preußenwahlen vom 24. April 1932 stand eine Zusammensetzung des Landtages zu befürchten, die den Nationalsozialisten eine Machtergreifung im größten deutschen Land ermöglicht hätte. Damit wäre die Partei ihrem Ziel der Usurpation der gesamten Staatsmacht einen entscheidenden Schritt näher gekommen. Denn: Nach dem zu erwartenden Wahlsieg wäre die Bildung einer Minderheitsregierung möglich gewesen, weil zur Wahl des preußischen Ministerpräsidenten nur eine relative Mehrheit erforderlich war. Diese Regierung hätte sich durch Rücktritt einem zu erwartenden Mißtrauensvotum entziehen können und wäre somit geschäftsführend im Amt geblieben. Die Ablösung durch eine Mehrheitsregierung wäre angesichts der Verhältnisse im Landtag auf längere Zeit nicht zu erwarten gewesen. Damit hätte man die Verhältnisse zu eigenen Gunsten zementiert. Durch diesen rechnerischen „Schlich", so das alarmierende Szenario, hätten die Verfassungsfeinde die volle Verfügungsgewalt über die zahlenmäßig so bedeutenden preußischen Machtmittel erhalten - mit unabsehbaren Folgen für Staat und Verfassung - und darüber hinaus eine Plattform für die Eroberung der Macht auch im restlichen Reichsgebiet. Um dieser dringenden Gefahr zu begegnen, sahen die preußischen Regierungsparteien keinen anderen Ausweg, als ihrerseits einen rechtlichen „Kunstgriff 1 durchzuführen, der zwar nach formalistischen Kriterien legal, politisch aber umso problematischer war, als er selbst in den eigenen Reihen umstritten blieb. 24 Aufgrund der politischen Alternativlosigkeit änderten die Parteien der Weimarer Koalition in einer eilig einberufenen Sondersitzung am 12. April 1932 mit hauchdünner Mehrheit - nur einer Stimme mehr als erforderlich - die Geschäftsordnung des Landtages. Nun konnte die amtierende Regierung nur noch mit qualifizierter und nicht mehr wie bisher mit einfacher Mehrheit abgelöst werden. 25 Einer NS-Minderheitsregierung war damit der Weg zur Macht versperrt. Diese direkt gegen den politischen Gegner gemünzte Aktion einer von der Wahl24 z. B. Julius Leber (1891-1945), „Die überhebliche Klugheit jener peinlichen Geschäftsordnungsänderung [ . . . ] war für jeden nicht ganz Blinden eine absolute Lächerlichkeit." Vgl. seine „Gedanken zum Verbot der deutschen Sozialdemokratie" (geschrieben im Juni 1933), in: Ein Mann geht seinen Weg. Schriften, Reden und Briefe von Julius Leber, Berlin/Frankfurt/M, 1952, S. 241. Zu Leber in der Endphase der Weimarer Republik, vgl. Dorothea Beck , „Theodor Haubach, Julius Leber, Carlo Mierendorff und Kurt Schuhmacher. Zum Selbstverständnis der „militanten Sozialisten" in der Weimarer Republik", in: Archiv für Sozialgeschichte, 26. Jahrg., 1986, S. 87-123, und dies., Julius Leber, Sozialdemokrat zwischen Reform u. Widerstand, Berlin: Siedler, 1983, 384 S. 25 Die Änderung ist in der Wirkung mit einem „konstruktiven Mißtrauensvotum" verglichen worden. Jürgen Bay (geb. 1934): Der Preußenkonflikt 1932/33, Jur. Diss. 1965, Erlangen-Nürnberg [Referent: Prof. Dr. Alfred Voigt, (geb. 1913)], S. 283; dort S. 26, Winkler; Katastrophe, S. 542, Winkler, op. cit.[ FN 11], S. 457. Dagegen allerdings Schulz, Von Brüning zu Hitler, Berlin/New York, 1992, S. 771 FN 523. Zu der These von Bay und Winkler ist einschränkend zu sagen, daß eine negative Mehrheit die Geschäftsordnungsänderung prinzipiell jederzeit hätte aufheben können.

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niederlage bedrohten Landtagsmehrheit - von der Opposition als „Geschäftsordnungsmanöver" gebrandmarkt - war den Regierungsmitgliedern denn auch eher peinlich. Die preußischen Minister, besonders Ministerpräsident Otto Braun (1872-1955) und Innenminister Carl Severing (1875-1952), traten wiederholt gegen die Änderung ein, 26 sie unterließen aber, aus der Not der Situation heraus, gleichzeitig ein entschiedenes Vorgehen im Landtag gegen den geplanten Entschluß. Erwartungsgemäß war das Wahlergebnis ein Debakel für die Regierungsparteien. 27 Die NSDAP hatte dagegen sensationelle Gewinne verzeichnen können.28 Andererseits bewahrheitete sich die Annahme, daß eine Alleinregierung der NSDAP rechnerisch nicht möglich war. 29 Damit war die antizipierte Situation eingetreten, in der das „Geschäftsordnungsmanöver" seine intendierte Wirkung entfalten konnte: Die Änderung der Geschäftsordnung in „letzter Minute" hatte es unmöglich gemacht, daß die Regierung dem Wahlergebnis entsprechend zu einer NSMinderheitsregierung umgebildet werden konnte. Die Geschäftsordnungsänderung ist oft kritisiert worden. C.S. formulierte etwa die in weiten Kreisen herrschende Befürchtung, daß ein solches taktisches Vorgehen einer Partei gegen eine andere das politische Klima vergiften müsse und den Kampf der Parteien verschärfe. Entscheidungen mit einer solchen immensen politischen Reichweite, die sich unmittelbar auf den Gesamtschutz des Staates bezögen, so meinte nicht nur er, seien allein dem von der Verfassung dafür vorgesehenen und vom Wähler politisch legitimierten Reichspräsidenten vorbehalten. 30 Die Si2 6 In einem internen Papier der preußischen Regierung hieß es: „Da die Geschäftsordnung ein Internum des Landtags ist, hat das preußische Staatsministerium bei dieser Änderung in keinem Stadium mitgewirkt. Die Initiative zur Änderung ist auch nicht etwa vom Staatsministerium ausgegangen. Im Gegenteil - als die einzelnen Staatsminister um ihren Rat befragt wurden, haben sie, insbesondere der Ministerpräsident Braun und der Innenminister Severing, sich gegen eine Änderung im damaligen Zeitpunkte ausgesprochen. Das geschah nicht etwa, weil sie die Änderung für unzulässig hielten, sondern lediglich, weil ihnen der Zeitpunkt zur Vornahme der Änderung ungeeignet schien." Anlageheft der Erklärung des Preußischen Staatsministeriums vom 10. August 1932, Anlage 9, S. 57 ff. »Änderung der Geschäftsordnung des Landtags", HStAD RW 265 - 6 / Nr. 13.

27 Gegenüber 229 von 450 Sitzen bekamen Sie nun nur noch 163 von 423. 28 Die 163 Sitze der Regierungsparteien waren zusammen nur ein Sitz mehr, als die NSDAP innehatte, die auf 162 Sitze gekommen war (1928 waren es noch 8 gewesen). 29 Die MehrheitsVerhältnisse im neuen Landtag stellten sich wie folgt dar: Die Weimarer Koalition (Zentrum/SPD/Staatspartei) käme auf 163 Sitze, ein linkes Bündnis (SPD/KPD) immerhin auf 151. Auf der rechten Seite gab es folgende rechnerische Möglichkeiten: Die nationale Rechte (NSDAP/DNVP/CSVD) konnte 195 Sitze vorweisen, während Zentrum und nationale Rechte (DNVP/CS VD) lediglich auf 100 Sitze kamen. Die rechnerisch attraktivste Koalitionsmöglichkeit war deshalb der Schulterschluss von Zentrum und NSDAP, der immerhin stolze 229 Mandate eingebracht hätte. Vgl. auch Seiberth, op cit. [FN 5]. 30

C.S., „Die Verfassungsmäßigkeit der Bestellung eines Reichskommissars für das Land Preußen", in: Deutsche Juristen-Zeitung, 37. Jahrg. Nr. 15, 1. August 1932, Sp. 953-958; dort Sp. 958.

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tuation wurde auch von der preußischen Regierung als unheilvoll empfunden: Die Minderheitsregierung der Weimarer Koalition hatte keine Autorität mehr und die Aufrechterhaltung der Geschäftsordnungsänderung hing von der taktischen Haltung der kommunistischen Partei ab, die damit zum „Zünglein an der Waage" geworden war. Somit hatte die KPD eine herausgehobene Stellung im neugewählten Landtag, die dem Wahlergebnis nicht entsprach. Nicht nur konservative Zeitgenossen schreckte diese Aussicht auf den entscheidenden Einfluß, der den Kommunisten auf die politische Willensbildung zukommen konnte. Der nunmehr geschäftsführende Ministerpräsident Otto Braun und sein Innenminister Severing hätten die Regierungsverantwortung auch lieber an einen Dritten abgetreten.31 Man kann sich die Verfahrenheit der Situation kaum drastisch genug vor Augen führen: Das größte Land innerhalb des Reichsgefüges, der bedeutendste wirtschaftliche und staatliche Machtfaktor der Weimarer Republik, war politisch implodiert. Die NSDAP stand ante portas - an der Machtübernahme nur gehindert durch einen politischen Trick der ehemaligen Regierungsparteien. Die nunmehr geschäftsführende preußische Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Otto Braun war ihrerseits zu einer kraftvollen und entschiedenen Regierungsführung nicht imstande. So konnte sie den Nationalsozialisten, die nun vehement ihren Führungsanspruch anmeldeten, kaum noch etwas Substantielles entgegensetzen. Wollte man in dieser Situation eine politische Gestaltungsmacht zurückgewinnen, war ein großes Maß an Phantasie erforderlich. Ein naheliegenderer, wenn auch politisch in weiten Kreisen unerwünschter Ausweg wäre die kommissarische Übergabe der Regierungsgewalt in Preußen an einen Kommissar des Reiches gewesen. Auf entsprechende Überlegungen gab es kein Monopol der politischen Rechten. Der Breslauer Rechtsprofessor Ludwig Waldecker (1881- ? ), später Berater der preußischen Regierung im Preußenprozeß 32, betonte im Juni 1932 in der 31 So E. Heilmann (1881-KZ Buchenwald 1940; Vorsitzender der SPD-Fraktion im Reichstag von 1928-1933), „Hindenburg gegen Nazidiktatur", in: Das Freie Wort, 34. Heft v. 21. August 1932, S. 3: „Otto Braun hatte bekanntlich unter Hinweis auf seine Erkrankung persönlich schon lange vor dem 20. Juli die Schlußfolgerung gezogen, auch aus der Wahrnehmung der Geschäfte auszuscheiden. Es ist kein Geheimnis, daß die Genossen Severing und Grimme Fraktion und Partei wiederholt um die Erlaubnis zum gleichen Schritt gebeten hatten; sie mußte ihnen verweigert werden, weil uns auch die geschäftsführende Regierung für eine unbeeinflußte Durchführung der Reichstagswahl von hohem Wert erschien. Aber als eine Machtposition hat die Stellung der Minister in dem zurückgetretenen Kabinett niemand angesehen, am allerwenigsten die beteiligten Genossen." Carl Severing (Journalist, SPD; 1920-1926 und 1930-1932 preußischer, 1928-1930 Reichsinnenminister) selbst teilt in seinen Memoiren (Mein Lebensweg, Köln: Greven, 1950, 2 Bd.; dort: Band II) allerdings nichts über diese Rücktrittsabsichten mit. Dagegen werden die Aussagen Otto Brauns (vgl. Hagen Schulze [geb. 1943], Otto Braun oder Preußens demokratische Sendung, Frankfurt/ M-Berlin: Propyläen, 1977, 1094 S.) durch dessen Briefe an Arnold Brecht bestätigt. 32 Vgl. Gutachterliche Äußerung von Ludwig Waldecker, HStAD/RW265-6/13. Anfangs hatte Waldecker sogar zum preußischen Prozeßvertreter bestellt werden sollen, was dieser aber ablehnte: „Zum 10. Oktober 1932. Ein Schlußwort", in: Die Justiz, 8. Bd Heft 1, Oktober 1932, S. 22 ff. Zu Waldecker (SPD-naher Staatsrechtler, 1913 in Berlin habilitiert,

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SPD-nahen „Justiz", solche Diskussionen hätten bereits längere Zeit vor den Reichspräsidentenwahlen bestanden.33 Die Vertreter dieser Auffassung seien der Meinung, daß „im Falle einer längeren Dauer des Zwischenzustandes ein Eingreifen des Reichspräsidenten und die Einsetzung eines Reichskommissars für Preußen vielleicht oder mutmaßlich die einzige Lösung sei." Zumindest sei der Kommissar ein Ausweg aus dem circulus vitiosus, in dem sich die preußische Regierung seit den Wahlen des 24. April 1932 befände. Da die Regierung Braun nicht bereit sei, sich als „Platzhalter" zur Verfügung zu stellen, so werde, wenn eine neue Regierungsbildung nicht möglich sei, „die Frage der Einsetzung eines Reichskommissars für Preußen akut". Damit würden die „Machtmittel Preußens der Reichsregierung zur Verfügung gestellt". 34 Daß die „an die Wurzeln unseren Staatsrechts greifende Frage der Bestellung eines Reichskommissars für Preußen" - eine Option, die Waldecker in der gegebenen Situation für nicht verfassungsmäßig erachtete „in aller Ruhe erörtert" werden konnte, habe aus der Persönlichkeit des Kanzlers Heinrich Brüning (1885-1970) resultiert, die ein „gewisses Gegengewicht gegenüber den in einer solchen Maßnahme liegenden Gefahren" geboten habe.35 In der Tat standen solche Erwägungen unter Brüning immer wieder auf der Tagesordnung. Bereits am 7. April äußerte Vizekanzler Hermann Robert Dietrich (1879-1954) gegenüber Staatssekretär Hans Schäffer (1886-1967): „Wenn die Wahlen in Preußen schiefgehen, dann übernimmt er [Brüning] die preußischen Dinge auf das Reich". 36 Brüning plante nach eigenen Angaben bereits im Mai, per Notverordnung die preußische Polizei und Justiz durch Einsetzung von Kommissaren dem Reich zu unterstellen 37, um einen „Stillstand der Staatsmaschinerie"38 1919 ao. Prof. ebd., 1921-1929 Königsberg, 1929-1933 Breslau, Köln. 1933 politisch entlassen) und seinen schweren politischen Stand als pro-sozialdemokratischer Staatsrechtler an der Universität Breslau, vgl. Helmut Heiher (geb. 1924), Universität unterm Hakenkreuz. Teil 1: Der Professor im Dritten Reich. Bilder aus der akademischen Provinz, München: K. G. Säur 1991,652 S.; dort S. 118 -120. 33 L. Waldecker, „Ein Reichskommissar für Preußen?" in: Die Justiz, 7. Bd Heft 10-11, Juli-August 1932, S. 427 ff. 34 Waldecker, art. cit. [FN 33], S. 428-429. 35 Ebd., S. 440 - 441. 36 Aufzeichnung H. Schäffers, 7. April 1932; Institut für Zeitgeschichte München (IfZ), Nachlaß Schäffer/Tagebuch. Vgl. auch Schulz, op. cit. [FN 25], S. 770. 37 Heinrich Brüning, Memoiren 1918-1934, Stuttgart: DVA 1970, 721 S.; dort S. 569 f. Ders. Ein Brief (an Dr. Rudolf Pechel [1882-1961]; vgl. über diesen Moderator jungkonservativer Kreise: Volker Mauersherger, Rudolf Pechel und die „Deutsche Rundschau". Eine Studie zur konservativ-revolutionären Publizistik in der Weimarer Republik 1918-1933, Bremen: Schuenemann 1971, 344 S., sowie Rosemarie (von dem Knesebeck, geb.) Schaefer, Zeitgeschehen und Zeitgeschichte im Spiegel einer konservativen politischen Zeitschrift. Eine Studie zur konservativen Publizistik, in: Deutschland nach d. Zweiten Weltkrieg, Goettingen, Univ., Wirtschafts- u. Sozialwiss. Fak., Diss. 1976, 438 S.), in: Deutsche Rundschau, 70. Jahrg. Nr. 7, Juli 1947, S. 9. Zur Kritik der Brüning-Memoiren, vgl. Andreas Rödder, „Dichtung und Wahrheit. Der Quellenwert von Heinrich Brünings Memoiren und seine Kanzlerschaft", in: Historische Zeitschrift, Bd 265, 1997, S. 77-116. Daß Brünings Schilderung

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aufgrund der Destruktionspolitik des Landtages zu verhindern. Die Preußische Regierung war mit diesen Plänen Brünings durchaus einverstanden und versuchte von sich aus in diese Richtung zu wirken. 3 9 Selbst als Papen diese Pläne aufgriff, brachten ihm maßgebliche Persönlichkeiten anfangs - bevor sich der neue Reichskanzler durch das rücksichtslose parteipolitische Vorgehen selbst desavouiert hatte - eine prinzipielle Aufgeschlossenheit entgegen - ein vielfach belegter Umstand, mit dem sich manche Historiker in der Nachkriegszeit schwertaten. 40 Als Papen am 1. Juni 1932 die Führung im Reich übernahm, hatten sich die Zustände dramatisch verschärft. Entsprechend intensiv wurde nun auch die Möglichkeit eines Reichseingriffs erwogen. Reichswehrminister Schleicher und Innenminister Gayl glaubten, problemlos an die Brüningschen Kommissariatspläne anknüpfen zu können. 4 1 Der preußische Innenminister Severing hatte zudem - wie zumindest Gayl empfand - die Unterstützung der preußischen Regierung signalisiert. 4 2 Aus diesen Gründen fühlte sich die Reichsregierung sehr sicher. In den Ministerbesprechungen wurde arglos und ohne Erwartung von Gegenwehr der „Staatsin diesem Falle zutrifft, ergibt sich allerdings auch aus komplementären Quellen, z. B. dem Informationsbericht Dertingers vom 11. April 1932, BA ZSg. 101/25, fol. 59 f. (Sammlung Brammer), in dem es hieß, eine zu befürchtende Obstruktionspolitik des preußischen Landtags gäbe dem Reich „den gewünschten Anlaß, einzugreifen und die Homogenität zwischen Reich und Preußen herzustellen". 38 Sammlung Brammer, BA, Informationsbericht Dertingers vom 17. März, ZSg. 101/25, fol. 31 f. 39 Vgl. etwa Bay, op. cit. [FN 25], S. 64. Dort auch weitere Nachweise. 40 Vgl. etwa die Reaktion von Karl Dietrich Bracher (geb. 1922) auf einen Beitrag Arnold Brechts, der diesen Umstand noch einmal in klaren Worten unterstrichen hatte. K. D. Bracher, „Der 20. Juli 1932", in: Zeitschrift für Politik, 3. Jahrg., 1956, S. 243-251. Bracher monierte indigniert, Brecht gehe so weit - und hier wolle er, Bracher, entschiedene Bedenken anmelden „Papens Vorgehen in einen engen Zusammenhang mit der Suche nach echten Alternativen zur verfahrenen parlamentarisch-demokratischen Situation zu rücken" (S. 245). Der Text Brachers ist eine Replik auf Arnold Brecht, „Die Auflösung der Weimarer Republik und die politische Wissenschaft", in: Zeitschrift für Politik, 2. Jahrg., 1955, S. 291-308. Der Entwurf einer Brüning'schen Notverordnung zur Übertragung der Polizei- und Justizhoheit auf das Reich befand sich im Besitz Schleichers. Vgl. den Auszug aus der eidesstattlichen Erklärung Brünings für Papen vom 17. Januar 1949. BA Kl. Erw. 242/7: Abschrift. Vgl. auch Thomas Trumpp (geb. 1931), Franz von Papen - Der preußisch-deutsche Dualismus und die NSDAP in Preußen. Ein Beitrag zur Vorgeschichte des 20. Juli 1932, Phil. Diss. Tübingen 1964, 235 S.; dort S. 76 f. Hauptberichterstatter dieser Arbeit war Professor Hans Rothfels (1891 -1976), Mitberichterstatter Professor Gerhard Schulz. 42 Vgl. hierzu die ausführliche Erörterung in Preußen contra Reich vor dem Staatsgerichtshof [FN 69], S. 110 und S. 296. Zwar hatte Severing, wie er später im Prozeß betonte, nur an einen Kommissar gemäß den Plänen Brünings gedacht und nicht an die Absetzung der gesamten Regierung (Arnold Brecht berichtete: „Gegen eine Einsetzung von Reichskommissaren innerhalb der Reichsverfassung hätten Braun, Severing und andere preußische Minister keine grundsätzlichen Bedenken gehabt". Brief Brecht an Hagen Schulze vom 8. 11. 1971. BA Koblenz Nachlaß Brecht Ν 1089/25). Aber aus seinen allgemeinen Äußerungen in dem Gespräch konnte man wohl eine prinzipielle Zustimmung entnehmen.

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streich" geplant: Am 11. Juli sagte Gayl, daß er den jetzigen Zeitpunkt für den „psychologischen Moment zum Eingriff 4 halte 43 . Seiner Auffassung nach sei jetzt die „historische Stunde gekommen, um die Beziehungen zwischen dem Reich und Preußen zu regeln". Schleicher und die übrigen Minister stimmten zu. Rechtliche Bedenken gab es keine. Reichsjustizminister Franz Gärtner (1881-1941) wies lediglich darauf hin, daß man die Einsetzung eines Reichskommissars vor allem „für die Öffentlichkeit motivieren" müsse. Versucht man, aus den eher allgemeinen Äußerungen in der Ministerrunde bzw. aus den Geboten der akuten Zwangslage die politischen Motive für das von Schleicher und Gayl initiierte Vorgehen zu extrahieren, so kommt man zu folgenden Punkten: 1. Depossedierung der SPD 2. „Endlösung mit Bezug auf die Beseitigung des Dualismus Preußen-Reich" 44 3. Inbesitznahme der preußischen Machtmittel als Faustpfand für den Fall einer Regierungsbeteiligung der NSDAP sowie die Stärkung der Reichsexekutive im Kampf um den Staat 45 Die Absetzung der preußischen Regierung zum Zweck der Herstellung einer Verbindung zwischen der preußischen Regierung und der Reichsregierung im Wege einer autoritären Reichsreform bedeutete freilich die Planung eines staatsstreichartigen Vorgehens. Die Aufhebung des Dualismus Preußen-Reich war zwar allgemein erwünscht 46 aber zu diesem Zeitpunkt auf dem verfassungsmäßigen Wege nicht zu verwirklichen. Zudem erstrebten Papen und Gayl, wie sie öffentlich 43

Die Ministerbesprechung am 11. Juli, Akten der Reichskanzlei, S. 204. Schleicher in Ministerbesprechung vom 11. Juli, Akten der Reichskanzlei, S. 206. 45 Das letzte Ziel wurde in den Ministerbesprechungen nicht explizit genannt. Es kann aber aus verschiedenen Äußerungen in anderen Zusammenhängen geschlossen werden. Papen nahm diese Auslegung ex post für sich in Anspruch: „Die Preußen-Aktion vom 20. 7. 1932 war, von mir aus gesehen, nicht aufschiebbar. Ich hätte Sie auch nicht aufgeschoben, wenn man mir gesagt hätte, diese Aktion müsse Hitler vergrämen und ein gemeinsames Handeln nach der Wahl zerschlagen. [ . . . ] Wir hätten dann für eine Probe-Koalition mit Hitler jedenfalls die Hand auf diesem Ordnungsinstrument gehabt." Brief vom 28. Februar 1963 an Helmut Sündermann. Zitiert nach ders., Das Dritte Reich - Eine Richtigstellung in Umrissen, erweiterte Neuauflage, Leoni am Starnberger See: Druffel, 1964, 252 S., dort S. 171. Bei der Auswertung dieses Briefes ist quellenkritische Vorsicht geboten. Zum einen, da in Leoni von interessierter Seite einschlägige Publikationen mit eindeutig rechtsradikalem Inhalt veröffentlicht werden und Sündermann (seit 1931 in der Pressestelle der NSDAP-Reichsleitung, 1937 Stabsleiter des Reichspressechefs, 1942 stellvertr. Pressechef der Reichsregierung) sowie seine Publikation einem solchen Umfeld zuzuordnen sind. Zum anderen, da retrospektive Äußerungen ohnehin mit Vorbehalt zu verwenden sind, weil sie ungenau sein oder bestimmten Interessen folgen können. Hier sei die zitierte Formulierung aber wiedergegeben, da sie sich in einen Gesamtzusammenhang einfügen läßt und somit als Symptom von Interesse ist. 44

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Vgl. dazu Ludwig Biewer (geb. 1949), Reichsreformbestrebungen in der Weimarer Republik: Fragen zur Funktionalreform und zur Neugliederung im Südwesten des Deutschen Reiches, Frankfurt/M, Bern, Cirencester: Lang, 1980, S. 197.

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betonten,47 neben der autoritären Überwindung des Dualismus eine Verfassungsreform in einem reaktionären Sinne, für die der Reichseingriff eine Vorstufe darstellen sollte 4 8 Dieses Ziel wurde zwar nicht von allen Kabinettsmitgliedern geteilt, aber wegen des überstürzten Vorgehens war keine genaue Abgrenzung der unterschiedlichen Motive der Beteiligten erfolgt. Die Planung reduzierte sich auf einige Ministerbesprechungen, in denen im Wesentlichen Vorstellungen über das politisch Wünschbare ausgetauscht wurden. Von einer juristisch fundierten Vorbereitung kann jedenfalls keine Rede sein. Da nimmt es nicht weiter wunder, daß neben den zuständigen Beamten keine externen Sachverständigen konsultiert wurden. Entgegen den Erwartungen der Reichsregierung stieß das Vorgehen Papens in Preußen allerdings auf entschiedene Ablehnung. Daß die Zurückweisung formeller und nicht prinzipieller Natur war, hatte Severing, ausweislich seiner Memoiren, bereits am 16. Juli im sozialdemokratischen Parteivorstand hervorgehoben. In dem Bericht betonte er, daß alles auf die Einsetzung eines Reichskommissars noch vor der Reichstagswahl hindeute. Über die Haltung der sozialdemokratischen Minister in der Preußenregierung und der sie stützenden Parteien zu diesem Vorhaben berichtete er, es komme ihnen „maßgebend darauf an, in welchen Formen die Einsetzung erfolgen würde, ob die verfassungsmäßigen Bestimmungen gewahrt bleiben oder ob sich Schleicher stark genug fühlen würde, sich über Verfassungsbestimmungen hinwegzusetzen."49 Arnold Brecht (1884-1977) hatte den Widerstand der preußischen Regierung in seinen Memoiren ähnlich begründet: Papen habe zwar später behauptet, er habe „diesen Schlag geführt, um die preußische Polizei in seine Hand zu bekommen, ehe die Nationalsozialisten Zugriffen", dazu habe aber die „Unterstellung der Landespolizei unter einen Reichskommissar" genügt. Eben damit habe Papen sich aber nicht begnügen wollen. 50 Das zeigt auch einen weiteren Punkt, der entscheidende Bedeutung hatte: die Personenfrage. Während man in Brüning Vertrauen gesetzt hatte,51 wurde der Regierung Papen politisches „Abenteurertum" und eine Gesinnung des Staatsstreichs unterstellt. In bezug auf diese

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Vgl. Werner Braatz, „Franz von Papen und die Frage der Reichsreform 44, in: Politische Vierteljahresschrift, 16. Jahrg., 1975, S. 319-340. 48 So die preußische Regierung in dem Schriftsatz vom 10. August 1932, HStAD/ RW265-6 / 13, S. 68. Zu den Plänen im Einzelnen, vgl. die Rede Wilhelm von Gayls (Jurist, 1909-1933 in der Geschäftsführung der ostpreußischen Siedlungsgesellschaft, DNVP) vom 28. 10. 1932 anläßlich der Feier zu 70jährigen Bestehen des Vereins Berliner Presse. BA, Ν 1031 (NL von Gayl), Nr. 37, S. 40-70, und Pyta, op. cit. [FN 1]. 4 9 C. Severing, op. cit. [FN 31], S. 347. 50 Brecht: Mit der Kraft des Geistes. Lebenserinnerungen (zweite Hälfte 1927-1967), Stuttgart: DVA 1967,496 S.; dort S. 173. Am 15. August 1931 hatte der damalige preußische Finanzminister Hermann HoepkerAschoff (1883-1954; vgl. Schmittiana IV, S. 250) geäußert, eine „Diktatur 44 in Form von Brüning wäre „tragbar 44, da nicht „ein Abenteurer diese Diktatur führen würde44. Zitiert nach Erich Matthias (geb. 1921) und Rudolf Morsey (geb. 1927), Das Ende der Parteien 1933, Düsseldorf: Droste, 1960, 816 S.; dort S. 73-74.

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Dimension hatte der angestrengte Prozeß maßgeblich die Funktion, die Regierung Papen in verfassungsmäßige Formen zu zwingen. Soweit die historischen Determinanten. Im folgenden soll versucht werden, die Rolle C.S.s unter Hinzuziehung neuerer Quellen zu rekonstruieren. Die in diesem Kontext erkenntnisleitende Frage ist, ob C.S. mit den über die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hinausgehenden Motiven der Reichsregierung assoziiert werden kann. Denn wenn seine Motive bislang zumeist mit den Vorstellungen Papens gleichgesetzt wurden, so wird nicht ausreichend in Rechnung gestellt, daß er an der Vorbereitung des „Preußenschlages" nicht beteiligt wurde. 52 Er war vielmehr erst hinzugezogen worden, als bereits vollendete Tatsachen bestanden. Daher reicht es keinesfalls aus, auf die in den Ministerbesprechungen geäußerten Ziele maßgebender Reichsminister zu verweisen, um eine politische Verortung der Position von C.S. zu erhalten. Vielmehr wäre ernsthaft zu prüfen, in welchem Sinne die externen - unter dem Druck der juristischen Gegenwehr hinzugezogenen - Prozeßberater versuchten, die vorgefundene Situation im juristischen Sinne mit Leben zu erfüllen. Immerhin ist es ja denkbar, daß sie andere Zielsetzungen verfolgten als Reichskanzler Papen und Innenminister Gayl. In diesem Zusammenhang gilt es zunächst zu klären, unter welchen Umständen C.S.s Berufung zum Prozeßvertreter von statten ging. Zur Beantwortung dieser Frage gibt es eine ganze Reihe sachdienlicher Hinweise. C.S. stand bereits seit dem Jahre 1930 in einem engen, ja vertraulichen Kontakt zu wichtigen Männern im Reichswehrministerium. Diese Kontakte zum Umfeld Schleichers waren wohl für die Benennung ausschlaggebend.53 Papen und Gayl hatten dagegen mit der Hinzuziehung nichts zu tun. Ihnen blieb nur, die Mitarbeit des Staatsrechtlers abzusegnen. Es gibt sogar Hinweise, daß die beiden Reichsreformer eigene und durchaus andere Vorstellungen hegten, die sich allerdings wenig realistisch ausnahmen. In der Kürze der Zeit hatte der Reichskanzler offenbar die Riege berühmter Staatsrechtslehrer, die schon zuvor für die Reichsregierung als Gutachter aufgetreten waren, heranzuziehen versucht. Es handelte sich hier vor allem um Gerhard Anschütz und Walter Jellinek. In der Ministerbesprechung vom 25. Juli, 54 als Papen erklärte, ihm sei vorgeschlagen worden, C.S., Erwin Jacobi (1884-1965) und Carl Bilfinger (1879-1958) als Vertreter bzw. Gutachter zu konsultieren, fügte er hinzu, daß ihm geraten worden sei, die Professoren Gerhard Anschütz (1867-1948) und Walter Jellinek (1885-1955) mündlich über den Standpunkt der Regierung zu unterrichten. Diese Äußerung kann nur so gedeutet werden, daß die Reichsregierung auch mit diesen Staats-

52 So bereits Muth, op. cit. [FN 4], S. 106. Dagegen aber die Vermutung Hubers, „Carl Schmitt in der Reichskrise der Weimarer Endzeit", S. 32-70 in Helmut Quaritsch (geb. 1930) (Hrsg.), Complexio Oppositorum. Über Carl Schmitt, Berlin 1988, 610 S.; dort S. 38, die sich jedoch als so nicht haltbar erweist. 53 Dazu mittlerweile ausführlich Pyta/Seiberth, op. cit. [FN 7], S. 434-435. 54 Akten der Reichskanzlei, S. 318.

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rechtlern im Gespräch war. Wahrend Anschütz und Jellinek aus begreiflichen Gründen eine Prozeßbeteiligung abgelehnt hatten - Anschütz war bereits von der Gegenseite verpflichtet worden, und Jellinek empfand, wie er später in einem Prozeßbericht schrieb, das Auftreten von Staatsrechtslehrern vor dem Staatsgerichtshof als ein prinzipielles Problem 55, - konnte das Reichswehrministerium seinen Kandidaten plazieren. 56 Allerdings gelang es dem Innenministerium, einen anderen renommierten Staatsrechtler und Verfassungskommentator für die Abfassung eines Gutachtens zu gewinnen. Dieser Erfolg war um so erfreulicher für die Reichsregierung, als dieser Staatsrechtler, wie Gayl in der Ministerbesprechung vom 28. Juli 1932 stolz erklärte, „von der Preußischen Regierung gebeten worden [sei], für sie tätig zu sein." Der Verfassungsjurist habe dies aber abgelehnt, „weil er die Einsetzung eines Reichskommissars für das Land Preußen für verfassungsmäßig halte." 57 Es handelte sich dabei ausgerechnet um W. Friedrich [genannt: Fritz] Poetzsch-Heffter (1881-1935), einen engen Vertrauten des preußischen Prozeß Vertreters Arnold Brecht. Die beiden waren zusammengeschweißt worden, als sie auf der sog. „Länderkonferenz" gemeinsam für die Überwindung des Dualismus Preußen-Reich im Rahmen einer Reichsreform gefochten hatten.58 Insofern war die Verpflichtung dieses Rechtsgelehrten - zumal unter der Maßgabe, daß er die Einsetzung eines Reichskommissars für verfassungsmäßig hielt - ein besonderer Erfolg, der allerdings weniger dem Reichsinnenminister zu danken sein dürfte, als vielmehr dem Ministerialdirektor Konrad Zweigert , der zu Brecht aus gemeinsamen Tagen in der Reichskanzlei eine freundschaftliche Bindung hatte. 55 „Können Männer der Wissenschaft sich überhaupt einer Prozeßpartei mit Haut und Haaren verschreiben?" Walter Jellinek (Staatsrechtler, 1913-1928 in Kiel, 1928-1935 in Heidelberg; vgl. Schmittiana IV, S. 169), „Der Leipziger Prozeß", in: Reichsverwaltungsblatt und Preußisches Verwaltungsblatt, 53. Jahrg. Nr. 46 vom 12. November 1932, S. 901-908; dort S. 904. 56 So berichtete etwa Eugen Ott retrospektiv, es sei Schleicher gewesen, der den „Beraterstab" C.S., Jacobi (vgl. Schmittiana IV, S. 168 [FN 48]), Bilfinger (vgl. Schmittiana VI, S. 185) aus „Sorge" um Art. 48 „herangezogen" hatte, um ,4m Einzelfall zu prüfen, ob der Art. 48 zu Recht angewandt werde". Eugen Ott, ,Aus der Vorgeschichte der Machtergreifung des Nationalsozialismus", Vortrag vor dem Rhein-Ruhr-Klub am 19. Mai 1965. Ungedruckt. Typoskript in HStAD / RW265 - 422 / 9. 57 Akten der Reichskanzlei. Das Kabinett von Papen 1. Juni bis 3. Dezember 1932, 2 Bd., Boppard a. R.: Boldt, dort Band 1 Juni bis August 1932, S. 334; Protokoll der Ministerbesprechung vom 28. Juli 1932, Dok. Nr. 89. 58 Das von Fritz Poetzsch-Heffter offenbar im September 1932 eingereichte undatierte „Rechtsgutachten zur Auslegung des Art. 48 der Weimarer Reichsverfassung" ist bislang, soweit ich sehe, nicht bekannt. In den Akten der Reichskanzlei wird es nicht zitiert. Es hat sich aber als Abschrift im Nachlaß C.S. erhalten (HStAD/RW 265-Karton 6). In seiner abstrakt gehaltenen Untersuchung argumentiert Poetzsch-Heffter weitgehend im selben Sinne wie später die Reichs Vertreter. Der entscheidende Unterschied bezog sich auf die Frage der Behandlung des Reichsrates. Poetzsch-Heffter erklärte diese Institution für unantastbar für den Diktator. Diese Frage war von einiger theoretischer, kaum aber von besonderer praktischer Bedeutung.

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Auch in dieser Hinsicht war die Zusammenstellung der Prozeßmannschaft offenbar an Kanzler und Innenminister vorbeigegangen. C.S., der ebenfalls bereits als Gutachter für die Reichsregierung tätig geworden war, stand auf Nachfrage des Reichswehrministeriums sofort zur Übernahme der Prozeßführung zur Verfügung. Zwar hatte er sich durch seine Schriften, die teilweise direkt mit dem Reichswehrministerium abgesprochen worden waren, 59 dem Schleicher-Kreis empfohlen, entscheidend dürfte aber nicht nur die politische Richtung seiner Publizistik, sondern auch seine Reputation als einer der ersten Staatsrechtler gewesen sein. Die Reichsregierung hatte unter großem Zeitdruck eine Reihe namhafter Staatsrechtler angesprochen (neben Anschütz und Jellinek war sogar Rudolf Smend (1882-1975) im Gespräch, wie aus einem Brief Bilfingers an C.S. hervorgeht 60), wohingegen C.S. jedenfalls nicht die erste Wahl des Reichskanzlers war. Von den Weimarer Koryphäen war aber nur er bereit, für die Reichsregierung seinen Ruf in einem solchen politischen Prozeß aufs Spiel zu setzen. C.S. war es dann, der seinerseits Jacobi und Bilfinger hinzuzog,61 zwei Kollegen, die zwar nicht zur allerersten Garde der Weimarer Staatsrechtslehre gehörten, denen er aber seit längerem verbunden war 6 2 Insofern hatte der Schleicher-Kreis seinen direkten Einfluß auf die zukünftige Entwicklung personell gesichert. Welche Rückschlüsse erlaubt die Rekonstruktion dieser Vorgänge auf die Intention von C. S. und seinen Auftraggebern? Mit der Bestellung von Prozeßvertretern hatte die Reichsregierung zum Ausdruck gebracht, daß sie den Wunsch der autoritären Durchführung der Reichs- und Verfassungsreform begraben und sich auf eine justizförmige Auseinandersetzung einlassen wollte. Das heißt, daß innerhalb der Reichsregierung, in deren Reihen noch unmittelbar vor dem Eingriff eine Klage der preußischen Regierung für „aussichtslos" gehalten wurde 6 3 ein Umdenken stattgefunden hatte. 64 Die Prozeßvertreter hatten damit die Funktion, die ursprünglich verfassungswidrigen Ziele Papens und Gayls zurückzunehmen und verfassungskonform umzudeuten. Ein Festhalten an den „staatsstreichartigen" Plänen hätte einen direkten Konfrontationskurs gegenüber dem Staatsgerichtshof notwendig gemacht, d. h. in der letzten Konsequenz Zwangsvertagung oder Zwangsauflösung des höchsten Verfassungstribunals. Es dürfte nicht zuletzt auf Schleicher und die von ihm vermittelten Prozeßvertreter zurückzuführen sein, daß die Reichsre59 Das geht aus den Korrespondenzen C.S.s mit Mareks und Ott hervor. 60 Brief von Bilfinger an C.S. vom 26. Juli 1932, Nachlaß C.S. HStAD/RW265 -1366. 61 Brief Bilfinger an C.S. vom 24. Juli 1932 HStAD/RW265-1365, Brief Jacobi an C.S. vom 16. November 1932. HStAD/RW265-6485. Bilfinger sprach von C.S. als „unser(em) verehrten Obmann", vgl. Bilfinger an C.S., 6. August 1932, HStAD/RW 265-1367. 62 Für C.S., Jacobi und Bilfinger war die erste Staatsrechtslehrertagung 1924 in Jena zu einem „freundschaftlichen Mythos" geworden. Bilfinger in einem Brief an C.S. vom 30. 5. 1926 HStAD/RW265 -1360 (vgl. Schmittiana IV, S. 170 FN 60). 63 Vgl. infra FN 68. 64 So auch Grund, op. cit. [FN 32], S. 73, der die „später vorgenommene einschränkende Auslegung des Vorgehens" auf „aufkommende rechtliche Bedenken" zurückführt.

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gierung in so kurzer Zeit sämtliche anfangs auch mit der Aktion verbundenen Staatsstreichpläne fallen ließ. 65 C.S. mußte angesichts der drängenden Zeit unter Hochdruck arbeiten. Bereits vier Tage nachdem seine Bestellung den Ministern bekannt gemacht worden war, erschien sein Verteidigungsartikel der Preußenaktion.66 Darin und in den folgenden Schriftsätzen mußte er sich zum einen an offizielle Verlautbarungen und vorgeschobene Begründungen der Papen-Regierung halten und zum anderen die Rücknahme des „Staatsstreichs" vornehmen. Dieser Spagat ließ seine Argumentation schwach erscheinen. Heinrich Muth betonte zu Recht, dass er wie ein von seiner Sache nicht überzeugter Anwalt gewirkt habe67. Die Umdeutung und Rücknahme des „Staatsstreichs" unter Beibehaltung der vorgeschobenen Gründe war allerdings auch eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Es überrascht deshalb nicht, daß sowohl in einem Schriftsatz der preußischen Regierung 68, wie in der Entscheidung des Staatsgerichtshofs 69 der Versuch einer Uminterpretation gegen die Reichsregierung verwendet wurde. Allzu offensichtlich war die Bemühung um Schadensbegrenzung und eine Abwicklung des „Staatsstreichs". Die Rücknahme des „Staatsstreichs" läßt sich an folgenden Punkten erkennen: a) Betonung der Zeitweiligkeit der Maßnahmen70 b) keine endgültige Absetzung der Regierung Braun (nur Suspension)71 c) keine endgültige Beseitigung des Dualismus Preußen-Reich72

65 Die Verlautbarungen C.S.s zum Thema lassen auf eine solche Rolle schließen. Denn seine Stellungnahmen widersprachen von Anfang an einer dauerhaften Verbindung von Reich und Preußen mit Hilfe des Art. 48. Insofern soll hier die These vertreten werden, dass die Prozeßvertreter in Übereinstimmung mit Schleicher und seinen Mittelsmännern darauf hinwirkten, daß die systemsprengenden Planungen der Verfassungsreformer Papen und Gayl fallengelassen wurden. 66 C.S. „Ist der Reichskommissar verfassungsmäßig?", in: Deutsche Allgemeine Zeitung, 71. Jahrg. Nr. 351 vom 29. Juli 1932, und C.S., art. cit. [FN 30]. 67 Muth, op. cit. [FN 4], S. 108. 68 Schriftsatz der Preußischen Regierung vom 10. August 1932, HStAD/RW265-6/ 13. Hier hieß es auf S. 9: „Erst nach der Amtsenthebung von Braun und Severing änderte - offenbar mit Rücksicht auf den Gegenschritt der Preußischen Minister [ . . . ] der Reichskanzler [ . . . ] die Taktik." 69 Entscheidung in der Hauptsache vom 25. 10. 1932, Preußen contra Reich vor dem Staatsgerichtshof. Stenogrammbericht der Verhandlungen vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig vom 10. bis 14. und vom 17. Oktober 1932, Berlin: J.H.W. Dietz, 1933, 520 S., dort S. 510. Hier hieß es, daß sich die Reichsregierung „im weiteren Verlauf der Angelegenheit für die engere Auslegung [keine endgültige Amtsenthebung der preußischen Minister, sondern „Suspension"] entschieden" habe. 70 Schriftsatz der Reichsregierung vom 19. August 1932. HStAD/RW265-6/13, S. 13. C.S., art. cit. [FN 30], Sp. 955. Auch: Preußen contra Reich, op. cit.[ FN 69], S. 311. 71 Schriftsatz der Reichsregierung vom 19. August 1932, S. 14. Ausdrücklich auch noch einmal Jacobi, op. cit. [FN 69], S. 220-221. 10*

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d) Betonung des Aspekts der Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Es war aber nicht nur der Sachzwang, der C.S. und seine Prozeßmannschaft zu dieser Umdeutungsaktion bewog. Zudem teilte C.S. die Motive des Kanzlers nicht. Ihm war es nicht, wie noch zu erläutern sein wird, um eine Ausschaltung nur der SPD zu tun, sondern um eine Zurückdrängung des „pluralistischen Parteienbundesstaates" als solchen. Da C.S. kein Verfechter einer Reichsreform war, für die der „Preußenschlag" erklärtermaßen als Vehikel hatte dienen sollen, standen für ihn andere Aspekte der Aktion im Mittelpunkt: 1. Vorübergehende Ausschaltung des Parteienstaates ohne gefährliche Experimente, d. h. vor allem keine Reichsreform. 2. Inbesitznahme der Machtmittel als Schutz gegenüber den verfassungsfeindlichen Parteien. 3. Interpretative Ausweitung der Kompetenz des Reichspräsidenten nach Art. 48, ohne die Verfassung zu brechen. Diese These läßt sich folgendermaßen begründen: C.S. hatte bereits 1930 in einem Vortrag vor dem „Langnamverein" 73 seine Ablehnung gegenüber den Reichsund Verfassungsreformplänen weniger aus prinzipiellen als aus praktischen Gründen zum Ausdruck gebracht. In einer Krisensituation seien „Experimente" an der Verfassung gefährlich. Er fühle sich in der Lage eines „Technikers", der davor warne, einen „Maschinenteil" - gemeint war die Verfassung - „während der Fahrt aus dem Wagen herauszunehmen und durch einen anderen zu ersetzen". Er plädierte dafür, diesen Teil in Ruhe zu lassen, „wenn man es nicht auf unabsehbare und gefährliche Experimente ankommen lassen" wolle 74 . C.S. schlug einen anderen Weg vor, den er bereits 1931 in einem Aufsatz in der ,Deutschen Juristen-Zeitung4 mit dem Titel „Reichs- und Verfassungsreform" 75 angedeutet hatte. Hier hieß es gegen einzelne Reformempfehlungen: durch eine „vernünftige Auslegung des geltenden Verfassungsrechts" hätten sich „manche Reformvorschläge von selbst erledigt und zwar besser und sachgemäßer, als es ein Änderungsgesetz bewirken kann" 76 Diesen Gedanken hatte er in der Folgezeit zu einer regelrechten „Methode der Interpretationsmöglichkeiten" ausgebaut. Am 4. November 1932 äußerte er sich in die72 Im Prozeß hatte C.S. ausgeführt, die „Fehlkonstruktion im Verhältnis von Reich und Preußen" sei eine „Gefahrenquelle allererster Art". Wie man sie „beseitigt", sei eine „Frage für sich". Hier ginge es darum, was man „in der konkreten Situation gegenüber einer konkreten Frage" tun könne. Vgl. op. cit. [FN 69], S. 179. Ansonsten war die Frage der Reichsreform von der Reichsseite auffällig gemieden worden. 73 „Mitteilungen des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen", N.F. Jahrg. 1930 Nr. 19, S. 458 - 464. 74 C.S., art. cit. [FN 73], S. 464. 75 C.S., „Reichs- und Verfassungsreform", in: Deutsche Juristen-Zeitung, 36. Jahrg. Nr. 1, 1931, Sp. 5-11. 76 Ebd. Sp. 11.

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sem Sinne in einem Vortrag vor Chemieindustriellen 77, in dem er auch über den „Preußenschlag" und die Reichs- und Verfassungsreformpläne gesprochen hat. Auch hier legte er großen Wert auf die Feststellung, man könne die Krise „faktisch ohne irgendeine Verfassungsänderung" 78 lösen79: „Ohne eine einzige Normierung ist hier ein großer Spielraum gegeben. Dessen sollte man sich erst einmal bedienen, ehe man mit vorschnellen neuen Verfassungen, Teilreformen oder Institutionen kommt." 80 Am 23. November 1932 sprach C.S. ein zweites Mal vor dem „Langnamverein", diesmal sogar an Stelle des Reichsinnenministers Gayl und des preußischen Reichskommissars Bracht, die sich, laut einem Rundschreiben, derzeitig außerstande sähen zu Fragen der Verfassungsreform Stellung zu nehmen.81 Auch hier erteilte er einer Transformation der Verfassung eine Absage.82 In bezug auf den Reichseingriff betonte er, der „Preußenschlag" vom 20. Juli habe „die schlimmste Fehlkonstruktion der Weimarer Verfassung, den Dualismus von Reich und Preußen, im Kern gefaßt und an einer wichtigen Stelle korrigiert". Weitergehende Verfassungsreformpläne müßten dagegen „heute zurück gestellt werden." In dem juristischen Beraterkreis wurde die Reichsreform einhellig abgelehnt. Dieser Aspekt kommt in den ausführlichen Briefen von Bilfinger an C.S. wiederholt zum Ausdruck. So schrieb Bilfinger etwa am 24. Juli, es komme keineswegs nur darauf an, „wie die Dinge in Leipzig verlaufen", vielmehr auf die „große Linie einer praktisch haltbaren Methode der Beseitigung des Parteienbundesstaates ohne radikale und gefährliche Experimente." 83 Eine „Reichsreform, welche zuletzt Herr

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C.S., Konstruktive Verfassungsprobleme, als Manuskript gedruckt, Nachlaß Carl Schmitt HStAD/RW265-291 (Abgedruckt bei Günter Maschke [geb. 1943] in C.S., Staat, Großraum, Nomos. Arbeiten aus den Jahren 1916-1969, Berlin 1995, XXIX-668 S.; dort S. 55-70). 78 C.S., op. cit. [FN 82], S. 13. 79 Dagegen plädierte eine Reihe von Staatsrechtlern für eine Reichs- und Verfassungsreform über Art. 48, z. B. (a) Walter Jellinek: „Verfassungsreform im Rahmen des Möglichen", in: Reich und Länder, 1932, S. 267 ff., ders. „Verfassungsrettung", in: Reich und Länder, 1933, S. 1 ff.; (b) Heinrich Herrfahrdt (1890-1969; nach Privatdozentur in Greifswald seit 1926 seit 1932 ao., 1933 oö. Prof. in Marburg): „Reichsreform durch Notverordnung?", in: Reich und Länder, 5. Jahrg., 1931, S. 257-261, ders., Plan für eine Notverfassung, 1932, unveröffentlicht, HStAD / RW-265 - 206 / 7; (c), als „äußerstes Mittel" Johannes Meckel (18891963, Bibliographie in Joh. Heckel, „Das blinde undeutliche Wort,Kirche 4 ", in: Ges. Aufsätze [hrsg. von Siegfried Grundmann ], Köln /Graz: Boehlau, 1964, 757 S.) und: „Diktatur, Notverordnungsrecht, Verfassungsnotstand, mit besonderer Rücksicht auf das Budgetrecht", in: Archiv des öffentlichen Rechts, N. F. 22. Jahrg., 1932, S. 257-338 (dort S. 314). Und sogar Politiker wie der damalige preußische Finanzminister Hermann Hoepker-Aschoff [FN 51], „Reichsreform 44, in: Der deutsche Volkswirt, 5. Jahrg., 1930-31, S. 1579-1581. so Infra [FN 81]. 81 Rundschreiben an die Mitglieder des „Langnamvereins" vom 17. 10. 1932, B A / N L 13/417, Bl. 74-76. 82 C.S., „Gesunde Wirtschaft im starken Staat44, in: Mitteilungen des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen, Jg. 1932, Nr. 21, S. 13-32.

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[Hans] Luther [1879-1962] und maßgeblich Herr Brecht entworfen haben", sei „schlimmer als man schon aus der Ehe zwischen der deutschen Volkspartei und der Sozialdemokratie nebst Anschütz und Zentrum vermuten müßte". Die inhaltliche Verknüpfung des ,JPreußenschlages" mit Reichsreformplänen und einer Depossedierung der SPD hielt er für eine schwere Hypothek. Am 20. August hieß es, er erschrecke „wieder und wieder" vor dem Gedanken, man sei sich nicht restlos der „Schwäche" bewußt, die darin liege, daß der „Vorwurf der antizipierten Reichsreform und des Zugriffs zum Sturze der üblen bisherigen Regierungsgesellschaft so viel bestechendes an sich" habe. Der Regierung, allen voran ihrem Reichskanzler, schrieb er deshalb ins Stammbuch: „Es ist nach wie vor selbstverständlich, daß das Kabinett Papen alle Mittel ergreifen muß, um sein ganzes Verhältnis als dem Sinne der Verfassung entsprechend zu erweisen, bezw. sämtliche Einwendungen insoweit auf das Zäheste und ohne die geringste Ermüdung zurückzuweisen." 84 Daß die Beratertrias an diesen Überlegungen nicht beteiligt war und auch nicht über einschlägige Informationen verfügte, dokumentiert das Schreiben vom 21. Oktober. Hier beklagte Bilfinger, er sei „nach dem Stande der Reichsreform harangiert 85 " worden, obwohl er mehrmals erklärt habe, daß er „an der Vorbereitung der Reichsreform nicht beteiligt" sei. Außerdem lehne er persönlich den „Oberhausgedanken" - das Ziel der Verfassungspläne Papens und Gayls - ab. 86 Er fügte an, daß „der Augenblick sehr nahe gekommen" sei, „wo unsereins wissen sollte, was eigentlich vorgeht und welches Spiel gespielt wird". Er habe es abgelehnt, einen ihm angebotenen Aufsatz im Verwaltungsblatt über die Oberhausfrage zu schreiben, „auf Dauer aber könnte sich eine solche reservierte Haltung als schädlich erweisen." Es könne durchaus auch sein, daß man „gegenüber der Gottheiner Gruppe einmal Front machen" müsse und da hätte man um so größere Chancen, „je stärker die Anderen etwa das Oberhaus betreiben". Der hier angesprochene Georg Gottheiner (1879- ?) war ein von Papen und Gayl neu berufener deutschnationaler Ministerialdirektor im Reichsinnenministerium. In dieser Eigenschaft dürfte er auch intensiv an den Planungen Papens und Gayls bezüglich einer autoritären Reichsund Verfassungsreform beteiligt gewesen sein, gegen die Bilfinger hier „Front machen" wollte. Daß C.S. - und mit ihm wohl der Schleicher-Kreis - mit dem Vorgehen gegen den „Parteienbundesstaat" weniger die SPD als vielmehr die verfassungsfeindlichen Parteien, namentlich die NSDAP 87 im Auge hatte, erhellt eine Äußerung von

83 Die im folgenden zitierten Briefe von Carl Bilfinger an C.S.: Nachlaß C.S. HStAD/ RW265-1365-1375. 84 Bilfinger an C.S. vom 20. August 1932, HStAD/RW 265-1368/2 R. 85 Harangieren, altmodisch für jemanden ansprechen/jmd. mit einer Unterhaltung langweilen. 86 Hier war er sich mit C.S. völlig einig. Vgl. etwa C.S., op. cit. [FN 77]. oder den Langnam-Vortrag von 1932 [FN 81]. Auch E.R. Huber berichtet von C.S.s Ablehnung der Verfassungspläne Gayls und Papens: art. cit. [FN 52].

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Horst Michael, die Schäffer am 26. Juli 1932 in sein Tagebuch notierte: Michael, der als Verbindungsmann zwischen C.S. und dem Reichspressechef Erich Mareks (1891 -1944) fungierte, habe zu Ullstein gesagt: „Man sei nicht gegen die Sozialdemokratie vorgegangen, sondern gegen den Dualismus, um zu verhindern, Preußen dem Nationalsozialismus auszuliefern." 88 Die Inbesitznahme der staatlichen Machtmittel als Stärkung im Kampf gegen die radikalen Parteien, insbesondere die NSDAP, stand in dieser Lesart im Mittelpunkt. C.S. hatte zudem eine Woche vorher, am Vortag des „Preußenschlages", im Hinblick auf die Reichstagswahlen eine Machtübernahme der NSDAP als Hauptgefahr dargestellt. In einer als „Unsere Nutzanwendung" titulierten Adnote zu einem Vorabdruck seiner Schrift „Legalität und Legitimität" hieß es in der „Täglichen Rundschau" im Hinblick auf eine drohende „legale Revolution": Wer den Nationalsozialisten am 31. Juli die Mehrheit verschaffe, der handele „töricht", da er ihnen die Möglichkeit gebe „die Verfassung zu ändern, das Staatskirchentum einzuführen, die Gewerkschaften aufzulösen usw.". Kurz: „Er liefert Deutschland dieser Gruppe völlig aus." Die 51 Prozent gäben der NSDAP eine „,politische Prämie4 von unabsehbarer Tragweite". 89 Ähnliche Verlautbarungen wie Michael am 26. Juli gegenüber Ullstein geäußert hatte - man habe verhindern wollen, Preußen dem Nationalsozialismus auszuliefern - scheinen auch an dieses Schleicher-nahe Presseorgan gegangen zu sein. Am 30. Juli 1932 schrieb Hans Zehrer (1899-1966), der Herausgeber der „Tat", in der „Täglichen Rundschau" einen Leitartikel unter dem Titel „Die Liquidation des Parteienstaates", in dem er sich mit dem „Preußenschlag" auseinandersetzte: Die prinzipielle Bedeutung der Ausschaltung des Parteienstaates liege darin, daß dieses parteienstaatliche „Experiment" auch von einer anderen Partei nicht wiederholt werden könne. Der Staat sei „neutral und unabhängig". Wenn deshalb die NSDAP heute den Umschwung in Preußen begrüße, so sei nicht ganz klar, „ob sie bereits weiß, daß ihr einmal damit die größte Perle ihrer Propaganda von einer neutralen Macht aus der Krone gebrochen wurde, und daß ihr ferner der Weg versperrt wurde, sich in Preußen selber eine Hausmacht zu schaffen". Ein großer Teil ihrer Anhängerschaft denke in liberalen Kategorien; er bekämpfe den Parteienstaat, wolle 87 Die Bedeutung des 20. Juli 1932 als Sicherungsmittel vor der NSDAP war in verschiedenen Kreisen wahrgenommen worden. Vgl. Johann Wilhelm Brägel und Norbert Frei, „Berliner Tagebuch 1932-1934, Aufzeichnungen des tschechoslowakischen Diplomaten Camill Hoffmann [1878 - KZ Auschwitz 1944]", in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 36. Jahrg., 1988, S. 131-183; dort S. 148-149. Ähnliche Überlegungen bei Hans Schäffer im Tagebuch, Nachlaß Hans Schäffer, IfZ ED 93/21, Eintragungen vom 20. bis 22. 7. 1932. Auch Winkler spricht im Hinblick auf diese Quellen von einer „möglichen »antinationalsozialistischen4 Dimension des Preußenschlags" (op. cit. [FN 11], S. 683 FN 25). 88 Tagebuch Schäffer, IfZ, S. 686. Da es sich hier um einen Hinweis aus dem Reichswehrministerium handelt, kann angenommen werden, daß C.S. und der Schleicher-Kreis sich in diesem Punkt einig waren. 89 C.S., „Der Mißbrauch der Legalität", in: Tägliche Rundschau, Ausgabe vom 19. Juli 1932, S. 1.

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aber an seine Stelle doch wieder nur den Staat der einen Partei setzen. Dieser Staat sei aber in Preußen „ebenso ausgeschaltet worden wie der Staat der SPD". Das könne eines Tages zu einem „bösen Erwachen in der NSDAP führen". 90 Und in der Tat folgte dieses böse Erwachen nur knapp zwei Wochen später am 13. August. Die NSDAP, die den Reichskommissar zuvor lautstark gefordert hatte, trat nun in erbitterte Opposition gegen die kommissarische Reichsregierung in Preußen. Der 13. August bedeutete eine tiefe Zäsur. Der Versuch der Heranziehung der NSDAP war vorerst gescheitert, und nun kam dem „Preußenschlag" eindeutig die Position der Stärkung des Reiches gegenüber den verfassungsfeindlichen Parteien zu. Während zuvor noch unterschiedliche Interessen mit dem Reichseingriff verbunden waren, stand jetzt die Akkumulation der Machtmittel gegenüber der NSDAP im Mittelpunkt. Auch wenn die preußische Regierung im Prozeß versuchte, den „Preußenschlag" als eine Vorleistung an die Nationalsozialisten darzustellen, muß betont werden, daß die Stärkung der Reichsmacht nach dem 13. August für die NSDAP eine Bedrohung bedeutete. Dies war der Partei auch nicht verborgen geblieben.91 Auch E.R. Huber, der von C.S. immer wieder zur Mitarbeit herangezogen worden war, betonte retrospektiv, die Bekämpfung der NSDAP sei das Kernstück der Aktion. So sei schon in den Anfängen des Reichskabinetts Papen „evident" gewesen, „welche Bedeutung der mit dem ,Preußenschlag4 eingesetzten Kommissariatsregierung des Reichs gerade auch als eines Schutzwalls gegen die drohende Inbesitznahme der preußischen Regierungsmacht durch die (von bürgerlichen Stimmen unterstützte) NSDAP zukam". In gleichem Maße sei die Bedeutung klar geworden, die dem „Preußenschlag" „unausgesprochen, aber unverkennbar", als „Sicherungsmittel gegen den Zugriff eines unter rechtsradikaler Führung gebildeten pseudolegalen Koalitionskabinetts auf die preußische Staatsmacht" innewohnte. Denn in rechtsradikaler Sicht hätte diese Machtübernahme in Preußen nur die Vorstufe einer Machtergreifung im Reich bedeutet. Deshalb habe sich das Reich selbst verteidigt, indem es die „preußische Regierungsmacht gegen die Inbesitznahme durch die äußerste Rechte sicherte". 92 Eine solche Deutung, die C.S. nach 1945 ebenfalls für sich reklamierte, 93 kam aber nicht nur aus dessen engstem Umfeld, also von interessierter Seite. Auch sein 90 Hans Zehrer (1899-1966; über ihn, den Herausgeber der Täglichen Rundschau, immer noch die informative, wenn auch aus der Perspektive von 1968 moralisierende Studie von Ebbo Demant, Von Schleicher zu Springer. Hans Zehrer als politischer Publizist, Mainz: Hase & Koehler 1971, 264 S.), „Die Liquidation des Parteienstaates", in: Tägliche Rundschau, 30. Juli 1932, S. 1. 91

Vgl. Brief des nationalsozialistischen Landtagspräsidenten Hanns Kerrl (1887-1941; Justizbeamter, seit 1923 in der NSDAP, Mitglied des Reichstags 1928-1933, 1933/34 preußischer Justizminister, 1935 Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten) an Papen vom 26. August 1932. Abgedruckt bei Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Stuttgart: Kohlhammer, 1966, Band 3, S. 525. 92 Huber, art. cit. [FN 52], S. 39.

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Gegner im Prozeß vor dem Staatsgerichtshof - der damalige Prozeßbevollmächtigte im Verfassungsstreit Preußen contra Reich - Ministerialdirektor a.D. Arnold Brecht, hatte rückblickend die Auffassung vertreten, der „Preußenschlag" habe sich gegen die Nationalsozialisten gerichtet. So hieß es etwa in seinen Lebenserinnerungen über die „Aktion vom 20. Juli 1932", daß „Hindenburg, Papen und Schleicher [ . . . ] (mit ihr) eine Machtübernahme Hitlers verhüten wollten". 94 Von der Seite der Nationalsozialisten war die Gefahr, die der Bewegung durch den „Preußenschlag" erwuchs, ebenfalls bemerkt worden. So berichtet etwa Helmut Sündermann (1911 -1972), ein Mitarbeiter des NSDAP-Pressechefs und späteren Reichspressechefs Dr. Otto Dietrich (1897-1952), daß die Preußenaktion des 20. Juli „das erste in München erkennbare Zeichen" dafür gewesen sei, daß Schleicher nicht auf eine Heranziehung, sondern auf eine Zermürbung der NSDAP aus war. Deshalb sei er sicher, daß die Aktion die „Führung der NSDAP bekümmert" habe.95 Seine Deutung gehe dahin, „daß der 20. Juli 1932 zwar gewiß nicht ein Vorspiel zum 30. Januar 1933, wohl aber zum 13. August 1932 gewesen ist, und daß auch für die Ereignisse dieses Tages General Schleicher die Weichen gestellt hat." 96 Konstatiert man, daß für C.S. und den Schleicher-Kreis offenbar die Inbesitznahme der Machtmittel als Stärkung gegenüber den radikalen Parteien, besonders der NSDAP, im Mittelpunkt stand, so müssen C.S.s Stellungnahmen im Prozeß, der ja lange nach der Peripetie des 13. August stattfand, merkwürdig anmuten: er übernahm die amtliche und von Papen stammende Begründung für das Vorgehen (Kampf gegen KPD und Heranziehung der NSDAP) und konnte den Aspekt des Schutzes vor einer Übernahme der preußischen Polizei durch die NSDAP daher schwerlich thematisieren. 97 Außerdem hätte dies nicht in die Prozeß-Strategie gepaßt.

93 Die Tagebuchnotiz vom 15. 1. 1949 lautete: „Die undankbarste Rolle ist die des Hüters einer demokratischen Verfassung gegenüber undemokratischen Parteien, die mit demokratischen Mitteln arbeiten. Das war meine, Schleichers und auch Johannes Popitz' Situation beim Preußenschlag vom 20. Juli 1932." C.S., Glossarium - Aufzeichnungen der Jahre 1947-1951, Berlin 1991, XVI-364 S.; dort S. 214. 94 Brecht, op. cit. [FN 50], S. 212. 95 Brief an Papen vom 26. 2. 1963, zitiert nach H. Sündermann, op. cit. [FN 45], S. 163. 96 Ebd., S. 164. 97 Diesen Punkt hatte Huber in einem Brief an Karl Otto Thieme (1902-1963) in einer Weise hervorgehoben, die wohl auch für C.S. gelten kann. Er betonte, daß für den Staatsrechtler ebenso wie für den Richter „keine andere Haltung statthaft" sei als die, die „politische Beurteilung der konkreten Lage durch den Reichspräsidenten hinzunehmen". „Ich bin davon überzeugt, daß es bessere Argumente gibt, als Herr v. Papen sie am 20. Juli vorgetragen hat; ich hätte vielleicht sogar das eine oder andere nennen können. Aber gerade das ist nach meiner staatsrechtlichen Überzeugung nicht möglich. Es geht nicht an, dem Reichspräsidenten Motive unterzuschieben". Institut für Zeitgeschichte München (IfZ), Nachlaß Karl Thieme, ED 163/38.

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Die Hauptschwierigkeit für die Verteidigung der Preußenaktion war der Umstand, daß die Stützung auf Art. 4 8 / 1 9 8 augenscheinlich ohne hinreichende Reflexion über die rechtlichen Konsequenzen erfolgt war. C.S. blieb daher nur das Argument, daß zwar der Art. 4 8 / 2 " für das Vorgehen ausgereicht hätte, daß aber durch ein Zusammenfallen von Bürgerkriegs- und Konfliktlage die Voraussetzungen beider Absätze gegeben seien. Darüber hinaus hatte er auch versucht, die Nachprüfungskompetenz des Staatsgerichtshofs zu bestreiten, was Abs. 1 betrifft. 1 0 0 Dies geschah aber ohne Nachdruck. Als sich kein durchschlagender Erfolg einstellte, schwenkte er daher wieder auf die Strategie der Vermischung der beiden Absätze ein. 1 0 1 Dies war wohl ein entscheidender Fehler seines Kalküls, da die herrschende Lehre bislang eine weitgehende Nachprüfungsbefugnis abgelehnt hatte und dieser Punkt daher als offene Flanke gelten konnte. 102 Denn der Staatsgerichtshof hatte ein Zusammenfallen der beiden Absätze in seiner Entscheidung zwar prinzipiell anerkannt, da er aber keine Pflichtverletzung der preußischen Regierung erkennen konnte 103 , wies er die Verordnung in diesem Punkte zurück. C.S. hätte den Staatsgerichtshof mit einem Insistieren auf dem Problem der Nachprüfbarkeit der Verordnung hingegen dazu zwingen können, sich zu dieser Frage präzise zu äußern. Dann hätte dieser nicht, wie geschehen, stillschweigend das Prüfungsrecht für sich beanspruchen können. 104 C.S. hatte den Prozeß in der entscheidenden strittigen Frage verloren. 105 Dieser Befund relativiert sich gleichwohl, 98

Art. 48 Abs. 1 lautet: „Wenn ein Land die ihm nach der Reichsverfassung oder den Reichsgesetzen obliegenden Pflichten nicht erfüllt, kann der Reichspräsident es dazu mit Hilfe der bewaffneten Macht anhalten." 99 Art. 48. Abs. 2 lautet: „Der Reichspräsident kann, wenn im Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet wird, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen, erforderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht einschreiten. Zu diesem Zwecke darf er vorübergehend die in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 festgesetzten Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft setzen." 100 Schriftsatz der Reichsregierung vom 5. August 1932, S. 16-17. ιοί Preußen contra Reich, op. cit. [FN 69], S. 133-134. 102 Heinrich Triepel (1868-1946; Staatsrechtslehrer in Berlin seit 1913), „Streitigkeiten zwischen Reich und Ländern. Beiträge zur Auslegung des Art. 19 der Weimarer Reichsverfassung", in: Festgabe für Wilhelm Kahl [(1849-1932), Kirchenrechtler, 1895-1922 an der Berliner Universität, Μ it-Herausgeber der Deutschen Juristenzeitung], Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1932, 118 S.; dort Heft II, S. 99-100. Friedrich Giese (1882-1958; Kirchenrechtler, seit 1914 in Frankfurt a.M. lehrend), Die Verfassung des Deutschen Reiches, 8. Aufl., Berlin: Heymanns, 1931, 11-378-27 S.; dort S. 136. Zu dieser Frage, vgl. Henning Grund, „Preußenschlag" und Staatsgerichtshof im Jahre 1932, Baden-Baden, 1976, S. 95 ff. 103 Entscheidung in der Hauptsache vom 25. 10. 1932, Preußen contra Reich, op. cit. [FN 69], S. 513. 104 Vgl. d i e Kritik an dem Urteil von H. Triepel, „Die Entscheidung des Staatsgerichtshofes im Verfassungsstreite zwischen Preußen und dem Reiche", in: Deutsche Juristen-Zeitung, 37. Jahrg., 1932, Sp. 1501 -1508. 105 Darüber kann auch der Umstand nicht hinwegtäuschen, daß Gayl C.S. in einem Schreiben vom 9. November 1932 dafür dankte, daß sich mit seiner Hilfe die „Rechtsauf-

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wenn man bedenkt, daß die Entscheidung de facto keine wesentliche Veränderung der durch den 20. Juli 1932 geschaffenen Situation bedeutete. Zusammenfassend läßt sich sagen: Die Pläne C.S.s können nicht mit den verfassungswidrigen Plänen der Reichsregierung ineinsgesetzt werden. Denn er war im Gegenteil maßgeblich an dem Versuch beteiligt, den geplanten Verfassungsbruch zurückzunehmen und in eine verfassungskonforme Aktion umzudeuten. Dabei wollte er aber durch eine extensive Interpretation des Art. 48 einen Verfassungswandel in Richtung einer weiteren Stärkung des Reichspräsidenten durchsetzen. Wenn in der Geschichtsschreibung zumeist von dem „Staatsstreich" am 20. Juli 1932 gesprochen wird, so wird dabei der folgenschwere Kurswechsel der Reichsregierung übersehen. Es bleibt festzuhalten, daß der „Preußenschlag" zwar in der Intention ein „Staatsstreich" war, daß dessen Durchführung aber durch den Prozeß vor dem Staatsgerichtshof verhindert worden war. Ein „Staatsstreich" wäre es dann gewesen, wenn der Spruch des Staatsgerichtshof nicht anerkannt oder gar „gegen diese Art Staatsrechtssprechung vorgegangen" wäre. 106 Es scheint daher, wenn man die Verordnung des Reichspräsidenten als „Staatsstreich" charakterisieren will, der Terminus „steckengebliebener Staatsstreich" zutreffender.

I I . Die Staatsnotstandsplanung Im September 1932 ging die Reichsregierung zum zweiten Mal an die Planung einer die Verfassung überschreitenden Aktion. Diesmal sollte neben dem preußischen Landtag auch der Reichstag ausgeschaltet werden. Zudem sollten bei zu erwartendem Widerstand die radikalen Parteien KPD und NSDAP verboten werden. In dem Monat, in dem „Legalität und Legitimität" mit seiner Warnung vor einer legalen Revolution im Buchhandel erschienen war, erwog Schleicher, unter dem beratenden Zuspruch von C.S., ein Verbot der NSDAP und ihrer Organisationen. fassung der Reichsregierung in den entscheidenden Punkten durchgesetzt" habe. HStAD/ RW265-11519. 106 So die Forderung eines nicht namentlich gekennzeichneten Papiers vom 26. Oktober 1932, „Betr.: Entscheidung des Staatsgerichtshofs". HStAD/RW265-6/12. Der Autor, der sich durch eine handschriftliche Notiz als Ernst Rudolf Huber identifizieren läßt, fordert die Vollstreckung des Urteils durch den Reichspräsidenten mit Verweis auf die Sicherung der Ruhe und Ordnung auszusetzen. Bezüglich einer erneuten Klage der preußischen Regierung stünden die Chancen für die Reichsregierung nicht schlecht (S. 7). C.S. hatte sich diesen Standpunkt nicht zu eigen gemacht. Zwischen Huber und C.S. bestanden ohnehin einige Differenzen. Huber selbst hatte auf solche Unterschiede immer wieder hingewiesen. In einem Brief an Walter Jellinek (BA, Ν 1242/21) bemerkte er sogar, es bestünde „nur in wenigen Fragen" eine „objektive Übereinstimmung" zwischen seiner Kritik des Urteils und der Position C. S.s. Auch retrospektiv versuchte er, Unterschiede nicht zu glätten. So berichtete er, daß sich C.S. zu Reichs- und Verfassungsreformplänen immer zurückhaltend geäußert habe, während er, Huber, „am liebsten gleich das Modell einer neuen Verfassung aus C.S.s Ärmel geschüttelt gesehen" hätte. Vgl. Huber, art. cit. [FN 52], S. 67.

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Hierfür war die Zusammenfassung der Machtmittel in der Hand des Reiches eine wichtige Voraussetzung. Dabei wollte Schleicher den Reichstag auflösen, ohne eine Neuwahl anzuberaumen, was unzweifelhaft eine offene Verfassungsverletzung bedeutete. Es ist nicht bekannt, ob C.S. diesen Weg konzipiert hatte und wenn nicht, ob er ihn für gut befand. Es ließe sich vermuten, daß er selbst ein anderes Vorgehen präferiert hätte. Denn er hatte 1928 in seiner „Verfassungslehre" einen alternativen Weg beschrieben, mit dem man ein Parlament, das nur einig in der Negation war, an einer rein destruktiven Ausübung seiner Rechte hindern konnte. Denn, so hatte er bereits damals argumentiert, wenn der Mißtrauensbeschluß ein „bloßer A k t der Obstruktion" bei sich offen widersprechenden Motiven sei, könne eine „Pflicht zum Rücktritt nicht bestehen". 1 0 7 Was C.S. hier vorgeschlagen hatte, war nichts anderes als die Mißachtung von destruktiven Mißtrauensvoten. 1 0 8 Wenn sich auch nicht sagen läßt, ob er einen solchen Weg empfohlen hatte, so ist doch durch eine Aktennotiz des Oberstleutnant Eugen Ott (1889-1977) bezeugt, daß C.S. die Staatsnotstandsplanung des Reichswehrministeriums durch die 107 C.S., Verfassungslehre, München/Leipzig: 1928, XX-404 S.; dort, S. 345. 108 Vgl. L. Berthold, „Das Konstruktive Mißtrauensvotum und seine Ursprünge in der Weimarer Staatsrechtslehre", in: Der Staat, 36. Jahrg., 1997, S. 81 ff. Mehr als einige unbestimmte Indizien lassen sich allerdings nicht dafür finden, daß C.S. diesen Weg im AugustSeptember Schleicher vorgeschlagen hatte. Ein Hinweis wäre ein nicht näher qualifizierbarer Brief von Dr. Erich Zwade vom 26. August 1932 (Institut für Zeitgeschichte, MA 251, s. auch Maschke (Hrsg.), op. cit. [FN 77], S. 469 [FN 12]). Hier hieß es: „Die Reichsregierung hat bekanntlich bei dem Staatsrechtslehrer Prof. Carl Schmitt ein Gutachten darüber eingefordert, ob sie zurücktreten müsse, falls sie seitens des Reichstages ein Misstrauensvotum erhält. Soviel ich weiss, hat Prof. Schmitt das Verbleiben im Amte trotz des Misstrauensvotums als mit der Verfassung vereinbar erklärt." Dieses Gutachten existiert nicht. Es dürfte sich daher bei Zwade um ein Mißverständnis handeln. Denn auch er bezog sich nur auf Hörensagen: „Ich versuche heute durch einen Gewährsmann den Wortlaut des Gutachtens zu erhalten. Im Innenministerium lehnte man jedoch die Herausgabe des Textes ab." Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, daß sich C.S. in anderer Form gegenüber dem Innenministerium in diesem Sinne geäußert hatte. Dafür spricht, daß auch sein Gefolgsmann in juristischen Dingen, Horst Michael, am 22. August 1932 den Weg der Ignorierung destruktiver Misstrauensvoten gegenüber Gewerkschaftskreisen favorisiert hatte (Aktennotiz Pähls über eine Unterredung mit Michael vom 22. August 1932, AsD, Bestand ADGB, Mappe 9, s. auch Pyta, op. cit. [FN 6], S. 188). In einem für C.S. bestimmten Typoskript vom 14. November 1932 hatte der Rechtsanwalt am Kammergericht Dr. Hans Fritz Abraham (1912- ? ) mit dem Titel „Kein Ausweg aus der Staats- und Rechtskrise?" nach einem Gespräch mit C.S. (Brief von Abraham an C.S. vom 14. November 1932) u. a. geschrieben: „Man vertage im gegenwärtigen Zeitpunkt alle weittragenden Verfassungsprobleme und schließe die Lücke des deutschen Verfassungsrechts [gemeint ist das destruktive Mißtrauensvotum nach Art. 54], sei es durch eine authentische Deklaration der Verfassung, sei es durch eine entsprechende Notverordnung". HStAD/ RW265-430/3. Den Weg der Änderung des Art. 54 hatte C.S. nie vertreten. Dagegen lassen allerdings die Passagen mit der „authentischen Deklaration der Verfassung" darauf schließen, daß C.S. diesen Weg erwogen und in interessierten Kreisen diskutiert hatte. Ein weiterer Hinweis könnte die retrospektive Äußerung C.S.s sein, er habe sich zu den „Staatsnotstandsplänen" nur mit „großer Zurückhaltung geäußert" (Kommentar zu: C.S., Verfassungsrechtliche Aufsätze, Berlin 1958, 517 S.; dort S. 350).

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Stützung auf den „Eid des Reichspräsidenten", wodurch echtes „Staatsnotrecht" entstehe, rechtfertigen wollte. 1 0 9 Diesen Weg hielt er also im August-September für gangbar, zumal feststand, daß Schleicher die Übergangszeit nicht für eine Transformation der Verfassung instrumentalisieren wollte. 110 Noch unter Brüning, am 4. November 1931, hatte C.S. betont, daß man sich theoretisch der Anerkennung eines Staatsnotrechtes nicht mit „unbedingten, abstrakten Verneinungen entziehen" könne. Er fügte aber hinzu, es sei „selbstverständlich, dass dieses Notrecht nur für den äußersten Fall und nicht als Mittel des Staatsstreiches gelten soll". 111 Wie dem auch sei, es kam aus bekannten Gründen nicht zu der Durchführung des Notstandsplans.112 Im November wollte Papen seinerseits die zuvor von Schleicher und dem Reichswehrministerium geplante Durchführung des Staatsnotstandes versuchen. Er scheiterte diesmal aber an dem Widerstand des „Schleicher-Kreises" und dem sog. „Planspiel Ott". 1 1 3 Genau wie Schleicher lehnte auch C.S. die Durchführung des Notstandsplanes, die er zuvor juristisch verteidigt hätte, nun ab. 114 Im Januar 1933 erschien aber auch Schleicher die Lage so aussichtslos, daß er auf die zuvor von ihm verhinderten Pläne selbst zurückgreifen wollte. Es wäre zu erwarten, daß nun C.S. als Schleichers Rechtsberater diese Planung unterstützte. Dies ist aber keineswegs der Fall, wie aus einem Papier hervorgeht, das Horst Michael am 20. Januar 1933 im Auftrag von C.S. konzipiert hatte. Der Titel lautete: „Wie bewahrt man eine arbeitsunfähige Präsidialregierung vor der Obstruktion eines arbeitsunwilligen Reichstags mit dem Ziel ,die Verfassung zu wahren4, bzw. zu retten. 44115 Die streng juristische Argumentation dieses Papiers, dessen Inhalt eindeutig auf C.S. zurückzuführen ist 1 1 6 , soll wegen ihrer Wichtigkeit kurz zusammengefaßt werden. Um 109 Vgl. Pyta, art. cit. [FN 6]. no Ebd. S. 183, 190. in C. S., Verfassungsstaat und Staatsnotstand, Rundfunkvortrag am 4. November 1931, Deutsche Welle. Typoskript, HStAD/RW265-204/5. ι· 2 Pyta, art. cit. [FN 6]. Detailliert zu dem Komplex, vgl. Lutz Berthold, op. cit.[FN 1]. 113 Vgl. W. Pyta: „Vorbereitungen für den militärischen Ausnahmezustand unter Papen/ Schleicher - Dokumentation", in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 51. Jahrg., 1992, S. 358-428. 114 So Huber, art. cit. [FN 52], S. 47-70. 115 Der Zusatz „zu retten" war handschriftlich angefügt worden. Vgl. HStAD/RW265-5, abgedruckt bei Pyta, Konstitutionelle Demokratie, op cit. (PT) [FN 1], S. 433 ff. Die Argumentation dieses Papiers fand auch Eingang in: Akten der Reichskanzlei, Das Kabinett von Schleicher, 3. Dezember 1932 bis 30. Januar 1933, bearbeitet von Anton Golecki, Boppard 1986, S. 241, Vortragsnotiz. 116 Horst Michael, Oberassistent bei dem Historiker Erich Mareks (1861 - 1938, Treitschte-Schüler, Bismarck-Biograph, seit 1922 in Berlin, dort 1928 emeritiert), war juristisch nicht besonders versiert und erstrebte zudem, anders als C.S., ein „großes, von einheitlichem Geist getragenes Reformwerk". Er kann als Vertreter einer legitimistischen Naturrechtsvorstellung im christlichen Sinne bezeichnet werden [FN 13]. Vgl. auch den undatierten „Entwurf für eine Kundgebung des Reichspräsidenten" von H. Michael, 1932. HStAD /RW265- 206, Nr. 13. und den undatierten „Vorentwurf zur Vorbereitung einer Denkschrift über die Weima-

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Auflösung und Neuwahlen des Reichstags zu vermeiden, wurden zwei Wege vorgeschlagen: „I. den schweren Weg mit einem Maximum an Verfassungsverletzung, entweder Zwangsvertagung = Bruch mit Art. 24 oder Auflösung mit hinausgeschobenen Neuwahlen = Bruch mit Art. 25 Abs. 2. II. der mildere Weg, der ein Minimum an Verfassungsverletzung darstellt: die authentische Auslegung des Art. 54 in der Richtung der naturgegebenen Entwicklung (Mißtrauensvotum gilt nur von Seiten einer Mehrheit, die in der Lage ist, eine positive Vertrauensgrundlage herzustellen)." Die Autoren des Papiers machten deutlich, daß sie in der gegenwärtigen Lage die Wahl des zweiten Weges für geeignet hielten. Sie begründeten dies damit, daß das Volk Neuwahlen i m Grunde für zwecklos hielt und die Wirtschaft zudem dringend Ruhe brauche. Die Situation für den zweiten Weg sei günstig, weil die Staatsrechtslehrer fast einmütig der Meinung seien, daß ein arbeitsunfähiger Reichstag nicht das Recht in Anspruch nehmen könne, ohne weiteres Regierungen zu stürzen.117 Der Weg des Verfassungsbruchs (Weg I) wurde dagegen als unsachgemäß abgelehnt. Ein Mißtrauensvotum, das nur in Aussicht steht, so die Argumentation, sei kein Staatsnotstand. Eine Ausschaltung des Reichstages gehe weiter, als die sachrer Verfassung". HStAD/RW265-5/9. Insofern hätte er, ohne den Einfluß C.S.s., vielleicht eher zu einem reformerischen Ansatz tendiert. Die Argumentation des Papiers liegt dagegen voll auf der Linie von C.S. Die Schülerschaft Michaels in juristischen Dingen ergibt sich nun auch aus dem Tagebuch C.S.s. Hier heißt es z.B.,Abends kam Michael, gaben ihm neue Instrutionen..." (26. 10. 1932). Auch wenn C.S. Michael zeitweilig für einen „Wichtigmacher" hielt (28. 4. 1932), so kam er doch häufig auf dessen Hilfe bei der Ausarbeitung gemeinsamer Papiere zurück. Schmitt rief ihn dann zumeist zu sich, man sprach über die Zielsetzung und Michael formulierte den Wortlaut. Etwa 4. 12. 1932: „Jünger rief an, Ott nochmals, dann Michael, er kam, wir tranken Okfener, machten einen Entwurf, den er schrieb, sehr zufrieden damit." HStAD RW 265-21640. 117 In der Tat hatte sich eine ganze Reihe von Staatsrechtlern und Praktikern für eine Änderung des Art. 54 ausgesprochen. In dem Papier wurden genannt (hier auch die Nachweise): Richard Thoma (1874-1957), Gerhard Anschütz, Johannes Heckel [FN 79], Otto Koellreutter (vgl. Schmittiana IUI, S. 106-107; Schmittiana IV, S. 175), Erich Kaufmann (vgl. Schmittiana IV, S. 125 [FN 17]), Heinrich Herrfahrdt [FN 79], Fritz Poetzsch-Heffter [FN 58], Walter Jellinek [FN 55], Abraham [FN 107]. Bei den Politikern: Eugen Schiffer (18601954; DDP, 1919-20 Reichsjustizminister), Reinhold, Hoepker-Aschoff [FN 51], Doehle, sowie die Gewerkschaftspolitiker Röhr, Frankel, Heller, Simons . Nachweise bei Pyta, art. cit. [PT 1], S. 439 ff. Hierbei wurde allerdings nicht in Rechnung gestellt, daß die meisten, allen voran die Staatsrechtler Thoma und Anschütz, eine interpretative Lösung des Problems ablehnten und eine Verfassungsänderung voraussetzten. In einem Leserbrief an das „TageBuch" vom 7. 3. 1931 war Anschütz etwa der hier vertretenen Auffassung der Wirkungslosigkeit destruktiver Mißtrauensvoten entgegengetreten. Anders als C.S. sei er mit Thoma der Auffassung, daß eine solche Regelung „de lege ferenda" wünschenswert ist, aber „leider" nicht dem geltenden Recht entspreche. Diese Auffassung war ebenfalls von Paul Lobe (1875-1967), dem Reichstagspräsidenten, in einer Zuschrift vertreten worden. C.S.s Handexemplar HStAD / RW265 - 7.

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liehe Notwendigkeit erfordert: Die Legislative werde vernichtet, ohne daß der Reichstag als Gesetzgeber versagt hat. Dem Reichstag sei damit die Möglichkeit praktischer Arbeit genommen. Den Verfassungsbruch wollte man nur als eine ultima ratio anerkennen. Deren Anwendung komme erst in Frage, nachdem alle anderen Mittel versagt hätten. Aber auch politisch wurde der Verfassungsbruch abgelehnt. Als Begründung wurde angegeben, daß Weg I im Widerspruch zu Schleichers ausdrücklichen Erklärungen gegen die Zweckmäßigkeit der Diktatur stehe. Mit der Proklamation des Staatsnotstandes würde sich Schleicher seiner besten moralischen Stütze berauben. Der Weg I sei als „Maßnahme zur Rettung der Regierung" zu charakterisieren. Weg I I habe dagegen offenkundig den Sinn einer „Erziehung des Reichstags zu seinen eigenen Pflichten". Dieser Weg wurde im Sinne eines angestrebten Verfassungswandels empfohlen, da er die „sinnvolle Korrektur" eines Verfassungsartikels bedeute, durch welche die Verfassung gerettet und wiederhergestellt, nicht aber durch Ausschaltung der Exekutive noch mehr lahmgelegt werde. Dieses Verfahren sei das verfassungspolitisch Gegebene und Notwendige und könne auf staatsrechtliche Forderungen aus allen Lagern gestützt werden. Als entscheidender Vorteil gegenüber Weg I erschien hier, daß dem Reichstag keine Gewalt geschehe. Ihm werde kein Recht genommen, sondern nur ein Mißbrauch seiner Rechte nicht anerkannt. Die Kontrolle der Volksvertretung bleibe erhalten. Das wurde als politisch wichtig angesehen, damit die Reichsregierung den Reichstag zu praktischer Arbeit anhalten und zur Verantwortung zwingen könne. Dadurch wäre nämlich gewährleistet, daß die Parteien nicht in das freie Feld hemmungsloser Agitation ausweichen könnten. Das Volk könne die Arbeit des Reichstags mit der Arbeit der Reichsregierung vergleichen. Die Frage der Durchsetzbarkeit wurde für diesen Vorschlag positiv beurteilt: das Zentrum könne dieser Regelung nicht widersprechen, da sie noch praktischer und vernünftiger sei, als der Vorschlag eines Ermächtigungsgesetzes. Zudem bleibe der Weg des Verfassungsbruchs ja als ultima ratio offen, da die Reichsregierung sich nicht festlege. Als wichtigster Vorteil des „milderen Weges" wurde noch einmal betont, daß das Verfahren in Übereinstimmung mit den Erklärungen Schleichers gegen die Diktatur und mit seiner Absicht zu erziehen bleibe. Es würde sich somit deutlich von den Notstandsverfahren der DNVP abheben. Die Regierung könne von den Parteien nicht gezwungen werden, die letzten staatlichen Machtmittel nur zur Erhaltung ihrer eigenen Existenz einzusetzen. Die conclusio dieser Argumentation lautete: „Der Weg II geht nicht über das verfassungspolitische Ziel hinaus, sondern trifft es unmittelbar". In diesem Sinne hatte C. S. bereits zuvor versucht, auf den Reichspräsidenten einzuwirken. In „Stichworten" für eine Rede Hindenburgs, 118 die er bereits am 13. Januar 1933 an Innenminister Bracht geschickt hatte 119 , führte er aus, daß in der 118 Vgl. den „Entwurf für eine Rede des Reichspräsidenten" und die dazugehörigen „Stichworte", HStAD / RW265 - 206 / 6. 119 Vgl. Brief von C.S. an Bracht vom 13. Januar 1933, HStAD/RW265-12835. Die Stellungnahme von C.S. war von Bracht erbeten worden. Bracht antwortete am 17. Januar 1933

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gegenwärtigen „Atmosphäre des allgemeinen und selbstverständlichen Mißbrauchs legaler Formen" die „heutige Praxis des Art. 48 eine Art Notwehr der Regierung" bedeute. Die Regierung sei gezwungen, auf den Mißbrauch legaler Möglichkeiten mit einer Ausnutzung aller ihr zur Verfügung stehenden legalen Möglichkeiten zu antworten. Würde sie sich entschließen, diesen „Faden" abreißen zu lassen, würde sie von den sonderbarsten Hütern der Verfassung des Verfassungsbruches und der Illegalität bezichtigt werden. In dem „pathologischen Zustande", in welchem „die einander feindlichen Parteien sich immer nur in einem Nullpunkt treffen", sei der Reichstag keine „Volksvertretung im Sinne der Verfassung". Es wäre unheilvoll, wenn der arbeitsunfähige Reichstag nun auch noch die Arbeit der Reichsregierung unmöglichen machen könnte. C.S. plädierte für die Ignorierung von destruktiven Mißtrauensvoten und hoffte, darin einen Weg gefunden zu haben, den Reichstag als Gefahrenquelle auszuschalten und dennoch „den Faden" der Legalität nicht „abreißen" zu lassen. Damit wollte er verhindern, daß sich die radikalen Parteien als „Hüter der Verfassung" aufspielen könnten, um die Reichsregierung und den Reichspräsidenten mittels einer Präsidentenanklage vor dem StGH der Illegalität und des Verfassungsbruchs zu bezichtigen. C.S. hatte die Situation im Auge, die tatsächlich wenig später eintrat, weil Schleicher an seinem Plan des Verfassungsbruchs festgehalten hatte. Der Zentrumsführer Ludwig Kaas (1881 -1952) schrieb am 26. Januar 1933 einen Brief an Hindenburg, in dem er unter Nennung von C.S.s Namen vor den „Staatsnotstandsplänen" der Regierung Schleicher warnte. 120 Er brachte damit seinen Protest gegen Schleichers Versuch zum Ausdruck, notfalls durch partiellen Verfassungsbruch eine Regierung Hitler zu verhindern. Durch dieses Schreiben sowie einem Schreiben des preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun wurde deutlich, daß Zentrum und SPD eventuell einer Präsidentenanklage von KPD und NSDAP das notwendige 2 / 3 -Quorum verschaffen würden. Kaas wollte eine Rückkehr zu parlamentarischen Regierungsformen erzwingen, was in der konkreten Situation die Ernennung Hitlers bedeutete.121 Dabei hatte Kaas C.S. fälschlicherweise als Urheber der Verfassungsbruchspläne bezeichnet.122 Tatsächlich hatte der nämlich mit seinem Vorund bedankte sich für das „schätzbare Material", das er allerdings in seiner Rundfunkrede vom 18. Januar nur „in vorsichtigen Anklängen" verwenden könne. HStAD/RW265-1976. 120 Abgedruckt u. a. in der „Germania", 63. Jg., Nr. 29 vom 29. Januar 1933, S. 1: „Kaas an Schleicher und Hindenburg: Kein Staatsnotstand, sondern Notstand eines Regierungssystems!" 121

„Braun und Kaas erzwingen Hitler. Das ist ihr Triumph". Tagebucheintrag von C. S. am 22. 1. 1933. HStAD/RW 265- 336/13, S. 4. 122 Das Schreiben von Kaas und der Vorwurf gegen C.S. wurde in dem Mitteilungsblatt der deutschen Zentrumspartei „Das Zentrum", das sich mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und der dadurch entstandenen Situation beschäftigte, wiederholt und ausführlich erläutert. In einer polemischen Auseinandersetzung mit seiner „Freund-Feind-Theorie" sowie den Schriften „Legalität und Legitimität" und „Der Hüter der Verfassung" (4. Jahrg. Nr. 1 - 2 , 1933; C.S.s Handexemplar HstAD/RW265430) wurden seine Lehren als willkürlich, vergröbernd und simplifizierend zurückgewiesen. Unter der Überschrift „Der,Staatsnot-

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schlag einen quasi-„legalen" Ausweg aus der Krise aufgezeigt, der zwischen der vermeintlichen Alternative Legalität (= Ernennung von Hitler zum Reichskanzler) und Legitimität (= Verfassungsbruch zur Ausschaltung der radikalen Parteien im Reichstag) einen dritten Weg darstellte. Ein solches Vorgehen ist post festum etwa von einem der besten Kenner der Geschichte der Weimarer Republik, Heinrich August Winkler (geb. 1938), als Königsweg bezeichnet worden. Winkler argumentiert: „Mit Bekenntnissen zur Unverletzlichkeit der Verfassung war der Zustand der Verfassungslähmung nicht zu überwinden. Abweichungen von einzelnen Verfassungsartikeln waren unvermeidbar, wenn der Angriff der Verfassungsgegner abgeschlagen werden sollte. Die geringfügigste Abweichung wäre die Ignorierung von rein destruktiven Mißtrauensvoten gewesen. Aber weder die Präsidialkabinette Papen und Schleicher noch die großen demokratischen Parteien zogen das Rettungsmittel dieses ,milden' Verfassungsbruchs ernsthaft in Erwägung." 123 Dieser nicht „ernsthaft erwogene" Weg wurde als hypothetische Möglichkeit betrachtet. Daß C.S., ein enger Verfassungsberater Schleichers, diesen Weg mit Nachdruck verfochten hatte, war bis dahin unbekannt und läßt diese mögliche „Alternative" in einem neuen Licht erscheinen. C.S.s Weg mit dem „Minimum an Verfassungsverletzung" bot zwei Vorzüge, die hier zu bedenken sind. Seine Interpretation bot zum einen „gute Aussichten", daß der Staatsgerichtshof sich bei der zu erwartenden Präsidentenanklage nach Art. 59 dieser Argumentation anschloß,124 was bei der Berufung auf ein „Staatsnotrecht" ausgeschlossen war. Zweitens hätte die Schaffung eines solchen Präzedenzfalls ein Argumentationsmuster geliefert, um mit der Begründung, ein handlungsunfähiges Parlament habe nicht das Recht zu verlangen, daß auch alle anderen verantwortlichen Stellen handlungsunfähig werden, auch die aus destruktiven Motiven resultierende Außerkraftsetzung der präsidialen Notverordnungen nach Art. 48 Abs. 3 aufzuheben. Diesen Aspekt hatte Horst Michael in einem Typoskript mit dem Titel „Der Eid des Reichspräsidenten" 125 hervorgehoben: „Wenn der Reichstag seine Verfassungspflicht verletzt, und wenn er nicht mehr selber die Gesetzgebungsarbeit leisten will, so verliert er damit zwangsläufig auch seinen Rechtsanspruch, die gesetzesvertretenden Verordnungen des Reichspräsidenten willkürlich aufzuheben." Wenn C.S. der Meinung war, er könne dem Reichspräsidenten und der Regierung auf diese Weise einen offenen Konflikt mit der Verfassung ersparen, so ist zu betonen, daß - unabhängig von der rückblickenden Bewertung - klar sein mußte, daß der Konflikt mit der Mehrheit der Weimarer Staatsrechtslehrer unvermeidbar war. stand4" hieß es gegen den „zeitweiligen Kronjuristen »autoritärer Regierungen 4" C.S.: „Wir können eine solche Bestimmung des Notstandes nicht für wissenschaftlich begründet und mit christlichen Moralauffassungen vereinbar halten44. 123 H. A. Winkler, op. cit.[FN 6], S. 607-608. 124 So L. Berthold, op. cit. [FN 1], S. 36. 125 Ohne Datum, Typoskript in HStAD/RW 265-422/9. Vermutlich vom August 1932. 11 Schmittiana VII

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Wie auch immer man die Durchsetzbarkeit dieses Weges bewertet, C.S. hatte mit diesem Vorschlag nicht durchdringen können. Über Motive Schleichers, die zur dessen Ablehnung führten, ist nichts bekannt. 126 Vermutlich hatte das Debakel Papens am 12. September im Reichstag zu der Überlegung geführt, den Verfassungsfeinden im Parlament müsse ihre wichtigste Agitationsbühne entzogen werden. Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler bedeutete für C.S. eine doppelte Niederlage: sowohl der „Preußenschlag" wie die Staatsnotstandsplanung, mit denen er die Verteidigung des Staates vor verfassungsfeindlichen Kräften verbunden hatte, waren durch die Entscheidung Hindenburgs gleichsam über Nacht zur Makulatur geworden. Am 25. 1. 1933 notierte er bestürzt in sein Tagebuch127: „Das ganze eine traurige Sache. Der 20. Juli ist dahin". Als er dann am 27.1. von dem Reichspressechef Erich Mareks von dem „Stellungswechsel des Reichspräsidenten und der damit eingetretenen Undurchführbarkeit des dritten Notstandsplans" unterrichtet wurde, notierte er: „Es ist etwas Unglaubliches geschehen. Der HindenburgMythos ist zu Ende. Der Alte war schließlich auch nur ein Mac Mahon. Scheußlicher Zustand. Schleicher tritt zurück; Papen oder Hitler kommen. Der alte Herr ist verrückt geworden."

Fazit C.S. hatte zwar enge Kontakte zum „Schleicher-Kreis" und war auch politisch dieser Gruppierung zuzuordnen, gleichwohl vertrat er eine eigene Konzeption, die sich nicht immer mit den Plänen Schleichers deckte. Im Januar 1933 hatte er eine Position eingenommen, die den Plänen Schleichers offen widersprach. Möglicherweise hatte er auch beim August / September-Plan eine solche Konzeption im Sinn, sich damit aber nicht durchzusetzen vermocht. 128 Zwar war C.S. bereit, auch eine Verfassungsverletzung juristisch zu verteidigen und somit den Staat über das Recht zu setzen - sein Ziel war aber ein anderes. In den beiden Fällen, in denen die Reichsregierung sich über die Verfassung hinwegsetzen wollte, versuchte er, die Durchführung des Verfassungsbruchs zu verhindern und plädierte für die Wahrung der - materiell gedeuteten - Legalität. Er sah im Kampf gegen die verfassungsfeindlichen Parteien das „Messer der Legalität" 129 126 Zu unterschiedlichen Theorien über die Gründe der Ablehnung dieses Vorschlages kommen W. Pyta, art. cit. [FN 6] und L. Berthold, op. cit. [FN 1 ]. ' 2 7 HStAD/RW265-336/13, Abgedruckt bei Paul Noack (geb. 1925), Carl Schmitt. Eine Biographie, Berlin-Frankfurt/M: Propyläen 1993, 360 S.; dort S. 159. ™ Vgl. supra [FN 107]. 129 So C.S.s Formulierung, in: „Von der TV-Demokratie", in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 28. Juli 1970, S. 8. Weiter hieß es: „Die Legalität ist ein Instrument der Macht und wem es gelingt, dieses Instrument in die Hand zu bekommen, der ist stärker als alles,

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und eine situative Auslegung der Verfassung als wichtigste Waffen an. Folglich erblickte er die Lösung in einer extensiven Interpretation des Art. 48, durch die er das „Springen über den Kreidestrich der Legalität" 130 vermeiden wollte. Die aus der Lähmung des parlamentarischen Systems entstehenden Engpässe, in die eine streng legalistisch orientierte Rechtswissenschaft zu geraten drohte, wollte er durch seine „Methode der Interpretationsmöglichkeiten" - die situative Auslegung der Verfassung unter Berufung auf einen „Verfassungswandel" - umgehen. Mit dieser „Methode" wollte C.S. zum einen den Vorwurf des Verfassungsbruchs vermeiden, zum anderen die Aktionsfähigkeit und Stärkung des Staates, genauer der Präsidialkabinette, gewährleisten. Wenn wir das Problem auf die Frage zuspitzen, ob C.S. nun ein Vertreter der Legalität oder ein Vertreter der Legitimität war, so muß man streng genommen sagen: weder noch. Zum einen lehnte er legitimistische Naturrechtsvorstellungen ab, denen er schon früh mit seiner Formel der „Entscheidung aus dem normativen Nichts" eine unzweideutige Absage erteilt hatte. Zum anderen war er aber auch einer der wirkungsmächtigen Kritiker der positivistischen Legalitätsauffassung. Zwar sprach er sich wiederholt für die Wahrung der Legalität aus, interpretierte den Begriff „Legalität" aber immer materiell und nicht positivistisch. Insofern optierte er weder eindeutig für Legalität noch Legitimität, sondern vielmehr für eine Verbindung von beiden: seine Option war eine sinngemäße, gleichsam teleologische Auslegung der Verfassung, die die Grundentscheidungen über den konkreten Wortlaut stellte. Ende 1931 hatte er diese Position folgendermaßen charakterisiert: „Zwischen einer formalistisch mißverstandenen Legalität und einer der Gesinnung des Staatsstreichs entspringenden Illegalität gibt es ein sehr weites Gebiet richtiger Auslegung der Verfassung, das ihren Sinn und ihren Geist auch gegenüber außerordentlichen Notlagen zur Geltung bringt." 131 Der Titel seiner berühmten Streitschrift gegen den legalistischen Positivismus lautete deshalb auch nicht „Legalität oder Legitimität" und nicht „Legalität gegen Legitimität", sondern „Legalität und Legitimität". C.S. war es nicht - wie zumeist angenommen - darum zu tun, die beiden Begriffe zu kontrastieren, um eine Scheidung vorzunehmen. Er wollte vielmehr den logischen Zusammenhang zwischen den beiden Kategorien hervorheben. Deshalb wendete er sich sowohl gegen den formalistischen Legalitätsbegriff der positivistischen Rechtswissenschaft wie gegen den naturrechtlichen Legitimitätsbegriff. Diese Zwischenposition war in der Weimarer Republik neu.

was ihm im Namen der Legitimität entgegengesetzt wird. Das Wort legitim ist im Grunde ein hilfloses Wort." 130 Bericht Brodführers über einen Vortrag von C.S. über „Das Staatsnotrecht im modernen Verfassungsleben. Aus einem Vortrag, gehalten Ende März in Weimar von Prof. Carl Schmitt", Typoskript HStAD/RW265-427. Gedruckt in: Deutsche Richterzeitung, 25. Jg., 1933, S. 254-255. 131 C.S., Verfassungsstaat und Staatsnotstand, Rundfunkvortrag am 4. November 1931, Deutsche Welle. Typoskript, HStAD/RW265-204/5. 1

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Nach dem Gesagten ergibt sich bezüglich der Frage, ob C.S. in der Endphase der Weimarer Republik für die Legalität oder die Legitimität optierte, folgendes Ergebnis: 1. Es ist nicht ausreichend C.S. als einen „Mann Papens" oder einen „Mann Schleichers" zu charakterisieren. Zwar zeigt die Auswertung des Nachlasses, daß er zum engen Schleicher-Kreis gehörte, gleichwohl hatte er in zentralen Fragen eigene Positionen entwickelt und vertreten. 2. Auch wenn C.S. politisch eine eigenständigere Rolle spielte, als bislang angenommen, so darf seine Position doch nicht überschätzt werden. Zwar hatte er für einen beratenden Wissenschaftler eine erstaunlich wichtige Funktion inne und war auch in geheime Planungen eingeweiht, aber in beiden Fällen, in denen er die Chance hatte, seine „Methode der Interpretationsmöglichkeiten" zu verwirklichen, konnte er sich nicht durchsetzen: Beim ,,Preußenschlag" konnte er sich nur teilweise vor dem StGH behaupten und bei der Staatsnotstandsplanung gelang es ihm nicht, Schleicher und dessen Kabinett von seiner Konzeption zu überzeugen. Insofern war C.S.s Konzeption nie wirklich zum Einsatz gekommen. Er hatte daher weder positiv noch negativ einen großen Einfluß auf die Entwicklungen in der Endphase der Weimarer Republik. Für diese Fragestellung ergibt das folgendes Resultat: Die Konzeption von C.S. war die eines „Krisenmanagers" und nicht - wie bislang zumeist angenommen die eines „Restaurations-Strategen". 132 Er wollte die Weimarer Verfassung - bei aller Kritik - nicht überwinden, sondern versuchte - wie ihm die Rolle als Berater Schleichers vorgab - Staat und Verfassung vor der Gefahr eines Bürgerkrieges oder einer nationalsozialistischen Machtübernahme zu schützen. Bei einer nachträglichen Beurteilung ist entscheidend, daß seine Konzeption die Möglichkeit einer Rückkehr zu verfassungsmäßigen Zuständen nicht „verschüttet" 133 oder erheblich erschwert hätte. Sein „verfassungspolitsches Ziel" war es, laut dem Michael-Papier, „die Verfassung zu wahren bzw. zu retten". Er unterstützte damit weniger die endgültige Ausschaltung anderer Institutionen, etwa des Reichstags, sondern versuchte den destruktiven Mißbrauch ihrer Rechte zu verhindern. Die Verletzung der Verfassung wollte er, wie aus den neuen Quellen eindeutig hervorgeht, auf ein „Minimum" reduzieren. Insofern verdient seine Position heute - unabhängig von politischer Ablehnung oder Zustimmung - als realistische Konzeption ernst genommen zu werden.

132 Hiermit komme ich zu einem anderen Ergebnis als Dieter Grimm (geb. 1937), „Verfassungserfüllung - Verfassungsbewahrung - Verfassungsauflösung 44, in H. A. Winkler (Hrsg.), op. cit.[FN 6]. Während Grimm C.S., wie bereits oben erwähnt, Papen zuordnet, rechnet er Heckel den politischen Bestrebungen Schleichers zu. Dabei hatte Heckel - anders als C.S. dem Diktator im äußersten Fall auch die Möglichkeit eingeräumt, den Einsatz der Notstandsaktion zur Verfassungsänderung zu benutzen [FN 79 Punkt (c)]. 133 E. Kolb/W. Pyta: art. cit. [FN 6], S. 181.

TOBIAS WIMBAUER

Personenregister Briefwechsel Ernst Jünger/Carl Schmitt Obzwar ich ein bescheidenes Scherflein zum Kommentar des vom Kollegen Helmuth Kiesel (geb. 1947) herausgegebenen Briefbandes „Ernst Jünger /Carl Schmitt. Briefe 19301983" (Stuttgart: Klett-Cotta, 1999, 893 S.) beigetragen habe, rechne ich mich zu denen, die das Fehlen eines Personenregisters bedauern. Als ich erfuhr, daß Herr Tobias Wimbauer (geb. 1976), für den eigenen Gebrauch, einen summarischen index nominum zusammengestellt hatte, habe ich ihn dazu ermuntert, diese »Vorlage4 zu vervollständigen und sie den Normen meiner Schmittiana-Reihe anzupassen. Das ist in ganz kurzer Zeit geschehen, so daß ich in der Lage bin, den Lesern des besagten Briefbandes künftighin seine Benutzung zu erleichtern. Tobias Wimbauer, der 1996 Abitur gemacht und anschließend (1996-97) in einer seefahrenden Marine-Einheit seinen Wehrdienst geleistet hat und z.Zt. in Freiburg i.Br. Germanistik und Philosophie studiert, ist beileibe kein Anfänger! Tatsächlich hat er ein mustergültiges „Personenregister der Tagebücher Ernst Jüngers44 (Freiburg i.Br.: Rombach, 1999, 296 S., Nr. 66 der Reihe ,Rombach Wissenschaften - Reihe Litterae 4) herausgegeben. Darüber hinaus ist Herr Wimbauer Mitarbeiter einiger Zeitschriften (u. a. »Decision. Zeitschrift für deutsche und französische Literatur 4 [Bielefeld]) und des Jahrbuchs des französischen Ernst-Jünger-Dokumentationszentrums ,Les Carnets4 (Anfang 2001 erscheint Bd. 5). Ich bin diesem jungen Forscher sehr erkenntlich für seine Mitarbeit, denn schließlich hat er einen von vielen Benutzern des Briefbandes Jünger-Schmitt gehegten Wunsch gestillt. P. τ Kursiv gesetzte Ziffern beziehen sich auf den Anhang bzw. Kommentarteil Abraham 414 Ahlmann, Wilhelm (1895-1944) 172, 394, Absalom 375, 790 600, 802, 866 Aladin 591 Achill 429 Alba, Fernando Alvarez de Toledo, Herzog Adam 413 f., 818 ff. Adams, Alfons (1899- 1973) 319, 752 von (1507-1582) 697 f. Adams, Maria 319 ff. Aldington, Richard (1892-1962) 270 Adams, Paul (1894-1961) 15, 235, 314, Lawrence Vimposteur 270 319, 409, 412, 464, 476, 645, 670, 748, 752, d'Alembert, Jean le Rond (1717-1783) 284 814 Alexander VI. (1431 -1503) 840 Alexander der Große (356-323 v. Chr.) Adenauer, Konrad (1876- 1967) 449, 461 329, 343, 515 Adonis 429 Altmann, Rüdiger (1922-2000) 288 f., 311, Agrippa von Nettesheym (1486-1535) 136, 340, 342, 745, 767, 785 574 Hamlet ZW, 745 De occulta philosophia 574

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Baeumler, Alfred („Magister Holzkopf 4 ; 1887-1968) 143, 338, 432, 519, 543, 582, 766, 835 Nietzsche der Philosoph 766 Bainville, Jacques (1879-1936) 50, 517 Bakunin, Michail Alexandrowitsch ( 1 8 Μ Ι 876) 568, 736 Ball, Hugo (1886-1927) 877 Ballin, Mogens 257, 691 Balzac, Honoré de (1799- 1850) 439, 841 Das Chagrinleder 841 Peau de chagrin 439, 841 Banville, Théodore de (1823-1891) 139, Arafat, Yasser (*1929) 437 576 Archimedes (um 287-212 v. Chr.) 343, 768 Odes funambulesques 139 Archytas (um 380 v. Chr.) 343, 768 Barbey d'Aurevilly, Jules Amédée (1808Ardenne, Manfred von (1907-1997) 330 1889) 177 f., 606 Ares 88 Critiques diverses 177 f. Ariost, Ludovico (1474-1533) 203 Barion, Hans (1899-1973) 347, 378, 476, 771, 792 Bradamante 203 Barlach, Ernst (1870-1938) 538, 817 Aristoteles (384-322 v. Chr.) 605 Der Schwertzieher 538 Arnim, Bettina von (geb. Brentano; 1785Barnikol, Ernst (1892-1968) 609 1859) 266 f., 700 Das entdeckte Christentum 609 Asklep 103, 550 Barres, Maurice (1862-1923) 157, 591 d'Astorg, Bertrand comte (*1913) 217, 219, Bart, Franz (1910- 1971) 296, 308 649 Βartholomeyczik, Horst (1903-1975) 276, Einfiihrung in die Welt des Schreckens 707 649 Baucis 380-383, 388, 390 f., 406, 719, 793, Introduction au Monde de la Terreur: de 795, 800, 821 St. Just, Sade et Blake a Ernst Jünger Baudelaire, Charles (1821-1867) 61, 74, 217,219 95, 147, 182, 523, 585f., 609 Atlas 240 Die Blumen des Bösen 523 Ausonius, Decimus Magnus (um 310-395) La Charogne 147, 586 138, 289, 575 f., 726 Fleurs du Mal 585f. Moseila 575f., 726 Le vin de Γ assassin 61, 182, 523 Averroes (eigtl. Abu el-Walid ibn Ahmad Bauer, Bruno (1809-1882) 84 f., 169, 178, ibn Muhammed ibn Ruschd, 1126-1198) 181, 190, 214, 266 f., 537, 598, 606, 608f., 175, 605 616, 641, 700, 703 Avicenna (eigtl. Abu Ali Husayn ibn Abd Christus und die Cäsaren 84 Allah ibn Sina, 980-1037) 175, 604 Evangelienkritik 84 Das Judentum in der Fremde 84, 190 Baader, Franz Xaver von (1765-1841) 118, Philo, Strauß und Renan 181, 267, 609, 557 703 Bachofen, Johann Jakob (1815-1887) 143, Rußland und das Germanentum 169, 178 582f. Zur Judenfrage 84 Mutterrecht 583 Baumann, Émile (1868 -1942) 315 Bacon, Francis (1561 -1626) 602 La vie terrible de Henri de Groux 315 Andersch, Alfred (1914-1980) 339, 444, 447, 844 Demokratisierung E.J.s 444, 447 Andres, Dorothea (geb. Freudiger) 659 Andres, Stefan (1906-1970) 230, 659 Andric, Ivo (1892-1975) 88 f., 98, 104, 112, 115, 541, 549 Novellen 98, 112 Andronikus (1122-1185) 86, 539 Antaios 358, 779, 786 Antonius, Hl. (um 251 -356) 154, 551 Apollon 504

Personenregister Briefwechsel Ernst Jünger/Carl Schmitt

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Bethmann, Moritz Freiherr von (1916Baumgart, Fritz (*1902) 167 1942) 139, 577 Beaumarchais, Pierre-Augustin Caron de (1732-1799) 290 Bilfinger, Carl (1879-1958) 815 Becker, Werner (1904- 1981) 628 Binding, Karl (1841 -1920) 660 Beckerath, Erwin von (1889- 1964) 850 Bismarck, Otto von (1815- 1898) 89f., 92, Wesen und Werden des faschistischen161 f., 166, 169, 175, 405, 455, 507f., 521, Staates 850 541, 544, 579, 595, 597, 605, 697, 732, 796, Beethoven, Ludwig van (1770-1827) 499 810, 850 Beheim-Schwarzbach, Martin (1900-1985) Gedanken und Erinnerungen 605 195, 621 Blake, William (1757- 1827) 217 Blei, Franz (1872-1942) 8, 289, 469, 665, Vom leibhaftigen Schmerz 195 689, 727, 856, 877 Beiisar (um 505-565) 445 f., 774, 845f, Briefe an Carl Schmitt 469 875 Erzählung eines Lebens 8, 469, 856 Bell, Ellis —> Bronte, Emily Der Fall C.S. 469 Bender 250 Katholische Meditation 469 Benincasa, Jacopo di (14. Jh.) 834 Talleyrand oder Der Zynismus 469 Benjamin, Walter (1892-1940) 421, 825, Blersch, Margret (1908-1997) 308, 741 854f Theorien des deutschen Faschismus 854 Blomberg, Werner von (1878-1946) 671 Ursprung des deutschen Trauerspiels 855Bloy, Jeanne Charlotte (geb. Johanna Molbech, 1859-1928) 214, 597, 641 Benn, Gottfried (1886-1956) 253, 300, Bloy, Léon Marie (1846-1917) 41, 45, 49, 304, 309, 311, 318, 320, 337, 379, 687ff., 739, 742, 745f., 751, 765, 793, 877, 881 54, 86, 157, 164, 167, 185 f., 191, 209, 212, 214 ff., 223, 251, 253, 255-258, 293 f., An Ernst Jünger 688 297, 299 f., 302, 315, 321 f., 350, 355 f., Ausgewählte Briefe 751 400, 435, 448, 505f., 511 f., 515, 539, 541, Briefe ...751 578, 591, 596f., 611, 641 ff., 647, 654, 686, Dorische Welt 746 690f., 731, 733, 738, 755, 773, 776, 806, Der Ptolemäer 337, 765 867 Benn, Ilse (geb. Kaul; 1913-1995) 318, 456 Die Armut und die Gier 539 Betrachtungen eines Einzelgängers 654 Bentin, Lutz-Arwed (1940- 1986) 382, 386, Blutschweiß 511 794f, 797 Celle qui pleure (Notre-Dame de la SaJohannes Popitz und Carl Schmitt 382, lette) 647 386, 794f, 797 Clotilde Maréchal 539 Berlinguer, Enrico (1922-1984) 828f. La femme pauvre 86, 539 Bernanos, Georges (1888-1948) 20, 37, 75, Gesamtausgabe 41, 256, 300, 692 77, 79, 239 f., 293, 299, 459, 500, 531 f., Das Heil durch die Juden 596 672, 857, 867, 879 Les grands cimetiéres sous la lune 75, 77, L'Invendable 255, 691 Lettres ä Veronique 738 531, 867, 879 Meditations d'un Solitaire 223, 654 Die großen Friedhöfe unter dem Mond Le Mendiant ingrat 41, 257, 506, 597, 531 691 Jeanne d'Arc 37, 459, 500, 672, 857 (Euvres Completes 258 Berndt, von 233 Le Salut par les juifs 164, 596 Bernini, Giovanni Lorenzo (1598-1680) Sueur de sang (1870-1871) A5, 511 f 70 f. Tagebücher 256, 297, 300, 642 f Berry, Jean due de (1340-1416) 691 Der undankbare Bettler 506, 643 Les tres riches heures 691

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Tobias Wimbauer

Das Unverkäufliche 691 Le Vieux de la Montagne 49, 515 Die Weinende 647 Blum, J. 154 Bockelson, Jan (1509-1536) 608, 840 Bodin, Jean (1529/30-1596) 129, 489, 566f. Les six livres de la république 566 Boll, Heinrich (1917-1985) 870 Billard um halb zehn 870 Bolland, Jean (1596-1665) 403, 809 Acta Sanctorum 809 Bonald, Louis Gabriel Ambroise comte de (1754-1840) 267,707 Bond 683 Bonn, Moritz Julius (1873- 1965) 702 Bonnard, Abel (1883-1968) 135 f., 269, 573, 704 Borges, Jorge Luis (1899- 1986) 813 Börne, Ludwig (1786-1837) 493 Bosch, Hieronymus (um 1450-1516) 18, 64, 117, 152, 164, 172, 174 f., 177, 183, 185, 229, 362, 480, 589, 596, 600, 610, 783, 857 Die Anbetung der Könige 480 Die Geburt Christi 480 Boveri, Margret Antonie (1900-1975) 753 ff. Der Verrat im XX. Jahrhundert 753f. Brandis, Cord von (f 1972) 388, 798 Brasillach, Robert (1909-1945) 135, 573 Braun, Otto (1872- 1955) 815 Brecht, Bertolt (1898-1956) 860 Brehm, Bruno (1892-1974) 159, 161, 163, 594f. Apis und Este 159 Breitbach, Joseph (1903-1980) 531, 801 Breker, Arno (1900 - 1991) 135, 573 Breughel, Jan (1568 -1625) 18 Breughel, Pieter d.Ä. (um 1520/25-1569) 153 Briand, Aristide (1862-1932) 672 Broch, Hermann (1886-1951) 860 Brock, Erich (1889-1976) 212, 312, 639, 747 Das Weltbild Ernst Jüngers 312, 639 Bronte, Emily Jane (1818-1848) 78, 534 Haute-Plainte 78

Die Sturmhöhe 534 Liebe und Haß auf Wuthering Heights 534 Wuthering Heights 78, 534 Bronté, Patrick (1777- 1861) 78 Brosses, Charles de (1709-1777) 209, 635 Lettres historiques et critiques sur l'Italie 635 Vertrauliche Briefe aus Italien 635 Brummel, George Bryan (1778-1840) 131, 570 Bülau, Friedrich (1805-1859) 315, 750 Geheime Geschichten und rätselhafte Menschen 315, 750 Burckhardt, Anne 233 Burckhardt, Jacob (1818-1897) 12, 473, 856 Weltgeschichtliche Betrachtungen 12, 473, 856 Burke, Edmund (1729-1797) 214, 264, 293, 698, 729 Betrachtungen über die Französische Revolution 698 Reflections on the French Revolution 698 Burmeister, Wilhelm Κ. F. 191, 230, 616, 659 Bussche-Streithorst, Axel Freiherr von dem (1919- 1993) 268, 308, 704, 742 Butler, Samuel (1835 -1902) 227, 656 Buch der Maschinen 656 Darwin im Reiche der Maschinen 227 Erewhon 227, 656 Byron, George Gordon Noel (1788-1824) 429 Caetano, Marcelo (1906-1980) 815 Calderón de la Barca, Pedro (1600-1681) 585 Calvin, Jean (1509-1564) 746 Campanella, Tommaso (1568-1639) 355 Canaris, Wilhelm (1887-1945) 543 Capitant, René (1901 - 1970) 416, 822 Hobbes et l'Etat totalitaire 822 Carl V. (1500-1558) 206 Carnot, Lazare Nicolas (1753-1823) 418 f., 824 Carnot, Marie Francois Sadi (1837-1894) 419

Personenregister Briefwechsel Ernst Jünger/Carl Schmitt

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Carnot, Nicolaus Leonard Sadi (1796Clémenceau, Georges Benjamin (1841 — 1832) 417 ff., 823, 832 1929) 298, 737 Reflexions sur la puissance du feu 417 ff. Cocteau, Jean (1889-1963) 131 f., 139, 147, 570, 576, 585, 592, 789 Carrä, Carlo (1881 -1966) 308, 742 Opium. Journal d'une disintoxication Zum ewigen Frieden 308, 742 131 f., 570 Carter, James Earl „Jimmy" (*1924) 436 Carus, Carl Gustav (1789-1869) 176, 606 Opium. Tagebuch einer Entziehung 570 Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte derCoh[e]n 198, 560, 622, 817 Seele 606 Coke, Edward (1552-1643) 279, 720 Conde y Graupera, Francisco Javier Gracia Cassian von Imola, Hl. (f um 304) 36, (1908-1974) 603 402 ff., 500, 737, 875 Constant de Rebecque, Charlotte baronne de Cassianus, Johannes (um 360-435) 209, (*1888) 488 404, 636 Céline, Louis-Ferdinand („Merline"; 1894 — Constant de Rebecque, Henri Benjamin (1767-1830) 24 f., 488f., 634, 857 1961) 21, 139, 485f., 576f, 813, 857 Adolphe 488 Reise ans Ende der Nacht 21, 485, 857 Voyage au bout de la nuit 485f Cahier Rouge 24 f., 488f., 857 Cellaris —> Niekisch, Ernst Cécile 488 Celsus (2. Jh.) 272, 706 Corbea (auch: Corbea-Hoisie), Andrej Alethes Logos 272, 706 (*1951) 441 Wahres Wort 706 Cortés, Hernando (1485 -1547) 134, 206 Cervantes Saavedra, Miguel de (1547Coyné, André 407 f., 812 1616) 6, 205, 297,407, 433, 467 Cramer von Laue, Konstantin 185, 188, 600, Don Quichote 6, 205, 297, 407, 467 611 Dulcinea 467 Cranach, Lucas (1472-1553) 117 Gläserne Licenciaten 433 Crisenoy, baron de 230 Sancho Pansa 205 Curie, Pierre (1859-1906) 255 f. Cézanne, Paul (1839-1906) 586 Curtius, Ernst Robert (1886-1956) 751 Chamfort, Nicolas de (eigtl. Sébastien Roch Nicolas Chamfort, 1741 -1794) 136, 574 Dali, Salvador (1904-1989) 798 Chamisso, Adelbert von (1781-1838) Dante Alighieri (1265-1321) 48, 667 390 f., 439, 841 Darwin, Charles Robert (1809-1882) 227 Däubler, Theodor (1876-1934) 96, 122, Peter Schlemihl 390 f., 439, 841 195, 198, 200, 235, 301, 320 f., 394, 412 f., Charon 443 415 f., 442, 452 f., 547, 559f., 622, 644, Chomeiny, Ruhollah Mussawi Hendi 739, 753ff., 803, 817, 843, 849, 877 (1902-1989) 436 f., 839 Der äthiopische Totentanz 416, 547 Chopin, Frédéric (1810-1849) 226 f., 655 Dichtungen und Schriften 753 Chronos 104, 551 Heimgang der Stämme 198 Cicero, Marcus Tullius (106-43 v.Chr.) Das Nordlicht 122,453, 559f., 849, 877 214, 617f., 703, 809 Daumier, Honoré (1808-1879) 286, 725 De re publica 617 Dauth, W. 233 De officiis 618 David 785, 790 Cid, El —• Diaz de Vivar Dean, Herbert A. (*1921) 763 Cioran, Émile Michel (1911-1995) 367, Decombis, Marcel 212, 639 785 Ernst Jünger: L'homme et Γ oeuvre jusClair, Louis 658 qu'en 1936 639 Introduction [zu EJ, Der Friede] 658 Defoe, Daniel (1660-1731) 17, 479 Clay, Lucius Dubignon (1897-1978) 628

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Tobias Wimbauer

Delacroix, Eugene (1798-1863) 539 Demosthenes (384-322 ν. Chr.) 214 Deodat von Gozon (14. Jh.) 74 Descartes, René (1596-1650) 22, 66, 70, 414, 490, 501, 527, 601 Deventer, Johanna „Hanna" Hermine (geb. Jünger; 1899-1984) 372 Diana 135 Díaz de Vivar, Rodrigo Ruy („El Cid"; um 1043-1099) 353, 775 Diderot, Denis (1713-1784) 137, 543 Diederichs, Eugen (1867-1930) 299, 307, 738, 741 Dietrich, Otto (1897-1952) 627, 631 Dimitroff, Georgi Michailowitsch (1882 — 1949)478 Diocletian, Gajus Aurelius Valerius (um 243-316) 403, 737, 875 Disraeli, Benjamin (1804-1881) 578f. Dohm, Anton (1840- 1909) 116, 556 Domingo 697f. Donders, Adolf (1877-1944) 317, 750 Dönhoff, Marion Gräfin (*1910) 702 f. Donoso Cortés, Juan, marqués de Valdegamas (1809-1853) 204, 214, 242, 319, 321, 360, 518f., 632 f., 640f., 676f., 736, 751 Essay über den Katholizismus 633 Über die Diktatur 214, 633 Über die europäische Lage 633 Draws-Tychsen, Hellmut (1904-1973) 125, 563 Dreyfus, Alfred (1859-1935) 221, 223 f., 312, 437,655/, 747,840 Drieu la Rochelle, Pierre (1893-1945) 135, 147, 179, 216, 573, 585, 607, 648, 744 Droste-Hülshoff, Annette von (1797- 1848) 190, 195, 198, 220,613 - 616, 620, 622, 652 Durchwachte Nacht 190 Das geistliche Jahr 195, 620 Gründonnerstag 190, 198, 613 - 616, 622 Drumont, Edouard Adolphe (1844-1917) 596 La France Juive 596 Das verjudete Frankreich 596 Duns Scotus, Johannes (1265-1308) 170, 172, 599

Echnaton (Amenophis IV., etwa 1365-1348 v. Chr.) 329 Eckart, Dietrich (1868-1923) 161,595 Deutschland, erwache! 595 Eckermann, Johann Peter (1792-1854) 382, 834 Eichmann, Adolf (1906-1962) 789 Einstein, Albert (1879- 1955) 342, 344 Eliade, Mircea (1907-1986) 346, 770, 779 Memoire II 770 Engels, Friedrich (1820-1895) 408, 537, 813 Epikur (341 -271 v. Chr.) 93, 722 Epimetheus 443, 622, 843, 875 Epp, Franz Xaver Ritter von (1868-1946) 130, 568 Epting, Karl (1905-1979) 126, 128, 131, 157, 179, 564, 567, 592, 607 Erasmus von Rotterdam (1469-1536) 83, 275, 444, 536 Ergelet, Heinz (1883-1969) 207 Erhard, Ludwig (1897-1977) 745 Ermacora, Felix (1923-1995) 361, 782 Der Föderalist 782 Eros 580, 667 Escherich, Carl Leopold (1871-1951) 79, 535 Termitenwahn 535 Eschweiler, Carl (1886-1936) 15, 476, 512, 771 Kann ein Katholik Nationalsozialist sein? 476 Euklid von Alexandria (4. Jh. v. Chr.) 432 Eva 161, 595 Evola, Julius (Giulio) Cesare Andrea (1898-1974) 12,529 Rivolta contro il mondo moderno 529 Erhebung wider die moderne Welt 529 Fabre d'Olivet, Antoine (1767-1828) 67, 527 La langue hébrai'que /Die wiederhergestellte hebräische Sprache 67, 527 Fabre-Luce, Alfred (1899-1983) 166, 170, 597, 599 Journal de la France 597 Tagebücher 166

Personenregister Briefwechsel Ernst Jünger/Carl Schmitt

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Fain, Agathon Jean Francis baron (1778 — Erlebte Weltgeschichte 734 1837) 16, 477f., 857 Fontane, Theodor (1819-1898) 161 f., 166, Neun Jahre Napoleons Sekretär 16, 450, 595 477f., 857 Förster, Bernhard (1843 -1889) 766 Fannius, Cajus (1. Jh. n.Chr.) 95 f., 547 Förster-Nietzsche, Elisabeth (1846-1935) Faye, Jean-Pierre (*1925) 385 f., 427, 797, 315, 335, 338, 765f. 830 Forsthoff, Ernst (1902-1974) 314, 378, 571, 660ff., 749, 792, 832 Théorie du Recit 386, 797 Ausnahmezustand der Länder 661 Theorie der Erzählung 797 Der Staat der Industriegesellschaft 792 Totalitäre Sprachen 427, 797 Der totale Staat 661 Fechner, Gustav Theodor („Dr. Mises"; Forzano, Giovacchino (1884-1970) 146, 1801-1887) 391, 800 584f Vier Paradoxa 800 Fiala —• Löwith, Karl Campo di Maggio 584 Fichte, Johann Gottlieb (1762-1814) 588 Die hundert Tage 146, 585 Fraenger, Wilhelm (1890-1964) 164, 174, Wissenschaftslehre 588 596, 604 Fischer, Hugo (1897-1975) 5, 9, 36, 44, 51-55, 63, 75, 87, 94, 154, 201, 203, 237, Hieronymus Bosch 174, 596 260, 262, 285, 290, 301 ff., 315, 317, 346, Fraenkel, Michael (1896-1957) 744 392, 420 f., 464f, 470, 487, 500, 509, 517, Bastard Death 744 520, 531, 540, 589, 631 f, 671, 695, 724f, Franco Bahamonde, Francisco (1892-1975) 740, 749, 801, 853, 856 603 Die Aktualität Plotins 285, 725 Frank, Maria (geb. Oldenburg, *1901) 419 Eschatologische Plaudereien 201 Frank, Walter (1905-1945) 312, 417, 419, Hegels Methode in ihrer ideengeschicht- 747, 823 lichen Notwendigkeit 464 Affäre Dreyfus 747 Lenin, der Machiavell des Ostens 465 Franklin, Benjamin (1706-1790) 284, 723f. Leonardo da Vinci als Gesetzgeber der Franz von Asissi (um 1181 -1226) 532 Moderne 87, 540 Freiligrath, Ferdinand (1810 -1876) 744 Nietzsche Apostata oder Die Philosophie Hamlet 744 des Ärgernisses 9, 470, 856 Freud, Sigmund (1856-1939) 299 Wer soll der Herr der Erde sein? 465 Freyer, Hans (1887-1969) 336, 339, 343, Fischer, Leonhard (*1930) 378, 384, 792, 377, 764f., 791 795 Revolution von rechts 765 Fischer, Ruth (eigtl. Elfriede Eisler, 1895Friedrich II. der Große (1712-1786) 134, 1961) 753 ff. 397, 735f., 805 Von Lenin zu Mao 753f. Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) 332, 761 Flaubert, Gustave (1821-1800) 20, 103, Fritsch, Werner Freiherr von (1880-1939) 551 237, 239, 671 La tentation de Saint-Antoine 551 Fritz, Egon (Pseudonym: Egon Vietta, Die Versuchung des Heiligen Antonius 1903 -1959) 144 (m. Vater u. Mutter) 551 Romantische Cyrenaika 144 Flechtheim, Ossip Kurt (1909-1998) 627 Fröhlich —• Fröhling Flegfenheimer], Edmond (1874-1963) 501 Fröhling, Carl Peter (*1934) 441 f., 842 Flex, Walter (1887-1917) 651 Wanderer zwischen beiden Welten 651 Gackenholz, Hermann (1908-1974) 42, Foerster, Friedrich Wilhelm (1869-1966) 507 734 ff. Gaia 779

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Gambetta, Léon (1838-1882) 405, 810 Goethe, Johann Wolfgang von (1749-1832) Gandhi, Indira (1917-1984) 410, 814 22, 59, 93, 145, 211, 272, 339, 354, 356, Gardot, André(*1883) 129 358, 367, 380, 382 f., 387 ff., 391, 407, Garibaldi, Giuseppe (1807- 1882) 405 412 f., 415, 428, 431, 433, 436, 443, 449Garve, Christian (1742- 1798) 444, 844 452, 463, 522, 546, 584, 613, 638, 722, 744, Über die Verbindung der Moral mit der 775, 778, 798, 800, 812, 817, 831, 834f., Politik 444 843, 847ff., 853 Gaß [Bruder] 230 Antromorphismus der Sprache 211 Gaß, Ilse 294 f., 302, 732, 740 Dichtung und Wahrheit 431, 834 Gaß, Karl-Eugen (1912-1944) 230, 281, Faust 59, 93, 358, 380, 383, 387, 433, 283, 287, 292, 294, 659, 721, 726, 729 436, 443, 450 ff., 522, 546, 744, 778, 843, Antoine de Rivarol und der Ausgang der 849 französischen Aufklärung 230, 281, 287, Lähmung 812 721 Maximen und Reflexionen 356, 817 Νational-VerSammlung 831 Gauger 162 f., 595 Unterhaltungen deutscher AusgewanderGaulle, Charles de (1890-1970) 353,442 ter 584 Gebhard, Klaus (1896-1976) 249 f., 258, Urworte, orphisch 613, 722 350,636f., 683, 693, 773 West-östlicher Divan 387, 798 Gelimer (6. Jh.) 353, 445 f., 774f., 845f., Gogol, Nikolaj (1809-1852) 301, 739 875 Tote Seelen 301, 739 Gentz, Friedrich (1764-1832) 444, 844 George, Stefan (1868-1933) 130, 567, 580, Goldberg, Oskar (1885-1953) 84, 537 583, 586, 829 Maimonides 84, 537 Goliath 366, 785 Übertragung der Fleurs du Mal 586 Gerhard, Paul (1607-1673) 254 Goncourt, Edmond Louis Antoine Huot de Geyer, Wilhelm (*1900) 308 (1822-1896) 136,574 Gide, Andre (1869-1951) 78, 226, 531, Goncourt, Jules Alfred Huot de (1830533f. 1870) 136, 574 Journal 136, 574 Journal 534 Göring, Hermann (1893-1946) 237, 394, Giesler, Gerd (*1940) 729 435,479, 541, 665, 671, 679, 802, 858, 865 Gildemeister, Karl Hermann (1801-1875) Goruneanu, Mircea 770 29 Gotthelf, Jeremias (1797-1854) 55, 410f., Gilles, Werner (1894-1961) 122, 135, 168, 521, 816 348 f., 558, 573, 629, 644, 772 Schuldenbauer 410 Giono, Jean (1895-1970) 119, 121, 123 ff., Gotto, Klaus (*1943) 449, 461 267, 273, 557, 562, 569, 701, 706, 714f Der Staatssekretär Adenauers 449, 461 Moby Dick (Übers.) 123 f., 569 Gould, Florence (1895-1983) 157, 597 f. Notes sur un Machiavel 267, 273, 701, Gould, Frank Jay (1877-1956) 597 706 Grass, Günter (* 1927) 870 Notes sur un Machiavel II 701 Pour saluer Melville 119, 121,557 Blechtrommel 870 Giotto di Bondone (um 1266-1337) 48, Green, Julien (1900- 1998) 57 f., 458, 522, 514 867 Inferno 48 Minuit 57 f., 522, 867 Giroux, Roger (1925-1974) 744 Mitternacht 522 Globke, Hans (1898-1973) 449, 461 Green, Martin (*1927) 421, 825 Goebbels, Joseph (1897-1945) 435, 594, Elsa und Frieda 421, 825 678, 863 Greene, Graham (1904-1991) 256

Personenregister Briefwechsel E s t Jünger/Carl Schmitt

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Günther, Hans Friedrich Karl (1891-1968) Gregor von Tours (538-594) 403, 809 499 Gregorius, Friedrich 510 Rassenkunde des deutschen Volkes 499 Kritik der Innerlichkeit 510 Günther, Johann Christian (1695-1723) Gremmels, Christian (* 1941) 129 613 Gremmels, Heinrich (1913-1977) 105, 119, Tro st-Aria 613 121, 128 f., 205, 211, 235, 430 f., 551, 558, Gurian, Waldemar Nahumowitsch (1902 — 566, 629, 633, 637f, 670, 833f 1954) 859, 864 An der milvischen Brücke 431, 834 Güstrow, Dietrich (eigtl. D. Wilde; *1909) Grillparzer, Franz (1791 - 1872) 242, 423 f., 448 f., 461, 848 677 Tödlicher Alltag 448 f., 461,848 Grimm, Hans (1875-1959) 6, 468 Volk ohne Raum 468 Grimm, Jakob Ludwig Carl (1785-1863) Hacks, Peter (*1928) 443, 843 263 Pandora 843 Grimm, Wilhelm Carl (1786-1859) 263 Saure Feste 843 Rotkäppchen 263 Häfeli, Johann Caspar (1754 -1811) 486 Groh, Ruth (geb. Remmert) 619 Hahm, Frau 159 Arbeit an der Heillosigkeit der Welt ... Hahm, Konrad Karl Paul (1892-1943) 159 619 Hahn, Wilhelm (1909-1996) 828 Gröninger, Johann Mauritz (1652-1707) Hahnemann, Christian Friedrich Samuel 317 (1755-1843) 344,768 Groot, Guigh de Grotius, Hugo Hamann, Johann Georg (1730-1788) 22, Gross, Johannes (1932-1999) 365 f., 383, 29, 39, 204, 486f., 498, 502f., 857 399, 745, 785, 795, 805 Aesthetica in Nuce 39, 503 Gross-Morel, B. 212, 639, 646 Hamilton, Alexander (1755-1804) 361, 781 Grotius, Hugo (1583-1645) 352 f., 567, Federalist Papers 361, 781 774 Hamlet 147, 258, 279, 295 f., 298 ff., 302, Freiheit der Meere 774 304, 308 - 311, 320, 360, 453, 692, 732f., Historia Gothorum 774 741, 743ff., 871 Über das Recht des Krieges und des Frie-Hardegg, Julius von (1800-1897) 700 dens 774 Harlan, Veit (1899-1964) 105, 551 Groux, Henry de (1867-1930) 315, 597 JudSüss 105, 551 Gruber, Franz Xaver (1787-1863) 153 Hattingen, Max 180, 199, 208, 607, 623 Stille Nacht, heilige Nacht 153 Hauff, Wilhelm (1802-1827) 305 f. Grunert, Christian (*1900) 154 Mann im Mond 305 f. Grüninger, Horst 135, 145, 171, 176 f., 572, Hauriou, Maurice (1856- 1929) 660 605, 769 Haushofer, Albrecht (1903 - 1945) 544f. Grüninger, Markus Reinhard (2. Hälfte 15. Moabiter Sonette 544f. Jh.) 176 Haushofer, Karl (1869-1946) 545 Hortulus Animae 176 Hebbel, Christian Friedrich (1813-1863) Grünwedel, Albert (1856- 1935) 65, 526 424 Tusca 65 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770Güllich, Hans 224-227,655 1831) 280, 295, 299, 367, 435, 454, 464, Gummersbach 172 537, 708, 731, 743, 752, 765, 786, 849f., Günther, Albrecht Erich (1893-1942) 8, 26, 861 56, 60, 178,469, 491, 521, 523, 606 Schriften zur Politik 849 Günther, Bernhard (1875-1943) 47, 88, Die Verfassung Deutschlands 731 513, 540 Heiber, Helmut (*1924) 417, 419, 823

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Tobias Wimbauer

Walter Frank und sein Reichsinstitut 417,Herse, Wilhelm (1879-1965) 26 419, 823 Hertz, Heinrich (1857- 1894) 758 Heidegger, Martin (1889-1976) 144, Hesiod (um 700 v.Chr.) 703 279 ff., 293, 355 f., 359, 362 f., 390, 427 f., Heß, Rudolf (1894-1987) 166, 545, 597, 432, 460, 518f., 687, 717 - 721, 733, 765, 747 783f., 790f., 797, 831 Hesse, Heinrich 703 Aus der Erfahrung des Denkens 831 Voltaire-Ausgäbe 703 Die Frage nach der Technik 719 Heuss, Theodor (1884-1963) 421, 825, Über „Die Linie" 279, 281, 717f, 720f 869ff. Vorträge und Aufsätze 718 Geleitwort zu Max Weber 825 Heine, Heinrich (1797-1856) 359, 493, Heyse, Hans (1891 -1981) 52,54 f., 519 f 564, 781, 838 Idee und Existenz 52, 54, 519f Guter Rat 838 Hielscher, Friedrich (1902- 1990) 11, 472 Romanzero 359, 564, 781 Fünfzig Jahren unter Deutschen 472 Heinisch 135 Das Reich 11,472 Heinrich 237 Hillenkamp 106, 108, 553 Himmelheber, Max (*1904) 822 Heinse, Johann Jakob Wilhelm (1746Himmler, Heinrich (1900-1945) 435,527 1803)572 Hindemith, Paul (1895-1963) 215, 641 f. Ardinghello 572 Hindenburg, Paul von (1847-1934) 289, Heisenberg, Werner (1901 -1976) 198, 208, 727 622, 635 Hekuba 295 f., 298 ff., 302, 304, 309, 360, Hiob 158, 552, 593 732, 741 Hitler, Adolf („Kniebolo"; 1889-1945) Helios 61,429, 832 232, 237, 258, 318, 359, 367, 435 f., 452, Heller, Gerhard (1909-1982) 157, 592 473, 480f., 516, 541, 544, 579, 597, 619, In einem besetzten Land 592 650, 663, 671, 679f., 704, 735f., 785, 789, Un Allemand ä Paris 592 802, 857f., 860, 862 ff. Hello, Ernest (1828-1885) 119 Hit. —> Loetscher, Hugo Helwig, Werner (1905-1985) 412 f., 817 Hobbes 25 Capri 413 Hobbes, Thomas (1588-1679) 24, 66, 70, 356, 414-417, 421, 430, 489ff., 501, 518, Däublers letztes Bekenntnis 817 Freundschaft. Gespräch über Th. Däubler527, 532, 567, 720, 736, 777, 821 f., 878 De Cive 821 und Ernst Barlach 817 Henkel, Heinrich (1903-1981) 376 f., 790 Leviathan 421, 489f., 490, 501, 736, 821 Hera 755 878 Malmesburiensis Vita Carmine expressa Herakles 673, 779 490 Heraklit (um 544-483 v.Chr.) 593, 645, Über den Bürger 821 765 Hoffmann, Ernst Theodor Wilhelm AmaHerbig, Gustav (1868 - 1925) 65 Die Geheimsprache der Disciplina Etrus- deus (1776 - 1822) 49, 241, 516 Hofmannsthal, Hugo von (1874-1929) 320 ca 65 Hohenlohe-Schillingfürst, Fürst Chlodwig Herder, Johann Gottfried von (1744-1803) zu (1819-1901) 332, 338, 761 34, 39, 501, 503 Memoiren 332, 338, 761 Herkules 70 Hölderlin, Friedrich (1770-1843) 38, 158, Hermes 177, 509 170, 473, 475, 593, 599, 867 Herodes I. der Große (um 7 3 - 4 v.Chr.) 140 Archipelagus 38 Herodot (um 484-425 v.Chr.) 75, 530f., Mnemosyne 593 746

Personenregister Briefwechsel E s t Jünger/Carl Schmitt

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Dichter zwischen rechts und links 496f. Stimme des Volks 599 Jesaja 175, 603f. Holofernes 435 f. Jessen 208 Holz, Arno (1863-1929) 521 Homer (8. Jh.v.Chr.) 121, 267, 439, 703, Jessen, Käthe (geb. Scheffer) 89, 199,541 f. 876 Jessen, Peter Jens (1895-1944) 140, 199, 208, 377, 542, 577, 623, 790 Odyssee 121,439, 703 Jesus Christus 84 f., 132, 144, 259, 272, Horaz Flaccus, Quintus (65-8 v.Chr.) 145, 329, 480, 570, 609, 614f., 629, 672, 757f., 230, 444, 584, 844 834 Epistulae 584 Jiménez, Juan Ramón (1881-1958) 323, Hoßbach, Friedrich (1894-1980) 237, 239, 756 671 Zwischen Wehrmacht und Hitler 237, 239,Joachim von Fiore (1130-1202) 757 Johannes, Evangelist 107, 178, 686, 697 671 Jolson, Joel —• Stahl Houdon, Jean-Antoine (1741 - 1828) 723 Jonas 644 Huebner, Friedrich Markus (1886-1964) 172, 600 Josephus, Flavius (37-100) 188, 448 f., Hieronymus Bosch. Das Werk des Malers461, 613, 847, 867 172, 600 Bellum Judaicum 867 Hürsch, Erhard (*1920) 232, 663 Jouhandeau, Marcel (1888-1979) 367, 411, Hüsmert, Ernst (*1928) 413 f., 688, 818 ff. 448, 785, 801, 816, 847 An Adam, 413 f., 818 ff. Jugurtha —• Seifert, Jürgen Jung, Carl Gustav (1875- 1961) 762 Iseult —• Isolde Jünger, Anna Maria Citta (geb. Weickhardt, Isolde 132, 570 1908-1987) 108, 233,555 Ixion 321,755 Jünger, Carl Alexander (1934-1993) 23 f., 26 f., 41, 45-51, 57, 60, 62-68, 70, 72 f., Jacobi, Erwin (1884- 1965) 815 76, 78 f., 81, 83 ff., 99-105, 107 ff., 111, Jacobi, Friedrich Heinrich (1743-1819) 113 f., 117, 122, 126, 141, 147, 149 f., 162, 487, 588 174, 186 f., 192 ff., 196 f., 200, 202, 206, Jacobus 381 213, 215 f., 219, 223, 228, 230, 233 f., 236, 238-241, 255, 257 ff., 261 f., 269, 275 f., Jaffé, Else (geb. von Richthofen, 1874278, 287, 296, 311, 315, 321, 323, 333, 335, 1973)421,825 346, 350, 352 f., 358, 372, 374, 379 f., Jahrreiß, Hermann (1894- 1992) 628 385 f., 389 f., 393, 396 f., 399, 401, 405, Jakob I. (1566-1625) 258, 279 f., 692 418 f., 425 f., 430 f., 448, 455, 488, 523, Janus 269 534ff, 626, 629, 645f., 669, 673, 683, 707, Jaspers, Karl (1883-1969) 291, 421, 425, 795, 852 432, 774f., 825, 835 Max Weber. Politiker - Forscher - Jünger, Christian Jakob Friedrich „Fritz" Clamor (1840-1904) 120 Mensch 826 Der philosophierende Mensch unserer Jünger, Ernst „Emstel" (1926-1944) 25 f., 45, 47 f., 50 f., 63 ff., 67 ff., 78, 107, 109, Zeit 291 113, 118, 141, 184, 186-189, 191, 194, Philosophische Autobiographie 835 262, 456, 523, 607ff., 611, 613, 624, 684, Jay, John (1745 - 1829) 361, 781 696 Federalist Papers 361, 781 Jünger, Emst Georg (1868-1943) 105, 155, Jeanne d'Arc (um 1412- 1431) 37, 77, 240, 188, 269, 274, 303, 410, 474, 551, 590, 706 459, 500, 533, 672, 857 Jünger, Friedrich Georg (1898-1977) 63, Jeinsen, Kurt von (f 1943) 590 98, 108, 142, 166, 181, 186, 197 f., 210, Jens, Inge(*1927) 496f.

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Tobias Wimbauer

215, 233, 255, 274 f., 291, 303, 338 f., 362, 372, 405, 408, 415, 426-429, 447, 460, 475, 517, 525, 530, 533, 548f., 553, 581 f., 611, 621 f., 644, 669, 706, 719, 783, 822, 829ff. Der alte Friedhof428, 830f. An Dr. Schranz in Siedlinghausen 525 Dalmatinische Nacht 475 Erinnerung an die Eltern 274, 706 Griechische Götter 644 Illusionen der Technik 98, 548 Der Mohn 475

Justinian I. (482-565) 845f. Justinus (100-165) 85, 538 Juvenal, Decimus Junius (um 60-140) 371, 787 Saturae 787

Kabermann, Friedrich (*1940) 406, 810 Widerstand und Entscheidung 810 Kader, Add-el 301 Kafka, Fanz (1883-1924) 267, 878 Kaiser, Joseph H. (1921 -1998) 880 Kanne, Johann Arnold (1773-1824) 95, Perfektion der Technik 186, 198, 475, 143, 547, 583 548f., 611, 622, 719 Kant, Immanuel (1724- 1804) 5, 9, 22, 466, Träumereien 142, 581 f. 735 Wort und Wortzeichen 783 Kapp, Ernst (1808 -1896) 719 Jünger, Gretha Lidy Toni Margrete Anni Grundlinien einer Philosophie der Tech(geb. von Jeinsen, 1906-1960) 19 ff., 2 3 nik 719 27, 36, 41, 44-51, 57 f., 60, 62-65, 67 ff., Karl (1823-1891) 700 76, 81, 83, 85, 91 f., 94, 99-103, 106-109, Karl V. Carl V. 111-114, 120, 122 f., 126, 130, 132, 134, Karl August (1757-1828) 847 136 f., 141, 145, 147-152, 155, 160, 162, Karl II. Wilhelm Ferdinand, Herzog v. 165, 168, 170, 172, 174, 181, 183, 186, 189, Braunschweig (1735-1806) 397,805, 846 191 ff., 196, 200-203, 205 f., 208, 210, Karneades (214-129 v.Chr.) 192, 241, 617, 213, 215, 217, 219, 223, 227 f., 230, 233 f., 674 236, 241, 243 f., 248 f., 251, 255, 259, Katharina von Siena (1347-1380) 834 261 f., 266, 269, 275, 296, 344, 346 f., 355, Katte, Anna Luise von (f 1973) 77 357, 366, 372, 385, 440 f., 458, 477, 522 f, 525, 536, 541 ff., 553, 560, 587, 590, 594, Katte, Martin von (1896-1988) 77, 213, 598f., 607 - 610, 624, 626, 628f., 632, 635, 533, 640 643ff., 657, 671, 680, 682 f., 685, 770, 787,Keiper, Wolfgang (1911 -1981) 38-41, 95, 143, 173, 179, 183, 333 f., 503f., 547, 601, 795, 852, 857, 870f. 610, 762 Die Palette 523, 542, 590 Kelsen, Hans (1881 -1973) 228, 657 Silhouetten 523, 590 Kemp, Friedhelm (*1914) 320, 523, 753f. Jünger, Hans Otto (1905-1976) 108, 111, Däubler, Dichtungen und Schriften 320, 139, 142, 144, 333, 372, 408, 553, 560, 582, 753 645 Kempner, Robert M. W. (1899-1993) 624, Jünger, Irina (*1971) 379, 383 f., 396, 795 628 Jünger, Karoline „Lily" (1873-1950) 105, Kierkegaard, Sören (1813-1855) 212 ff., 274, 305 f., 551, 706 220, 641, 699 Jünger, Liselotte (geb. Bäuerle, *1917) 384, Entweder/Oder 699 387, 402, 405 ff., 412 f., 417, 430 f., 434, Tagebücher 213 436, 440, 451 -454, 513, 795, 849, 880 Kiesel, Helmuth (*1947) 851 Jünger, Martin (*1974) 401 Kirchhoff, Hilde (geb. Stewens, 1898Jünger, Mechtild (geb. Beyerle) 385 f., 396 f. 1978) 241 Jünger, Wolfgang Wilhelm (1908-1975) Kirchhoff, Peter Heinrich (1885-1973) 142, 333, 372, 408, 582, 813 241, 250, 673, 675, 682f.

Personenregister Briefwechsel Ernst Jünger /Carl Schmitt

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Krauss, Günther (1911-1989) 55, 520 Klages, Ludwig (1872-1956) 130, 140, Disputation über den Rechtsstaat 520 390, 397 f., 432, 567, 577ff., 583, 606, 835 1 Der Geist als Widersacher der Seele 579 Krauss, S. [= Günther Krauss 7 ] 215, 642 Die Grundlagen der Charakterkunde 579 Krichler, Elfriede 629 Einführung zu Schuler, Fragmente undKrockow, Christian Graf von (*1927) 363 f., Vorträge aus dem Nachlaß 130, 140, 390, 783 Die Entscheidung 363, 783 397 f., 567, 577f. Krüger, Herbert (1905-1989) 377, 790 Vom kosmogonischen Eros 579 Kruse, Benno 401 Klee, Paul (1879- 1940) 335, 763 Kubin, Alfred (1877-1959) 17, 49 f., 57, They 're biting ! 763 230, 384, 479, 515, 522, 659, 796, 857, 867, Kleist, Heinrich von (1777- 1811) 195, 339, 879 423 f., 450, 767 Die andere Seite 49 f., 57, 479, 515, 522, Klemm 34 867, 879 Klett, Ernst (1911-1998) 251, 255, 686, Briefwechsel mit EJ 384, 796 851, 880f. Illustrationen zu >Myrdun< 230, 659 Klopstock, Friedrich Gottlieb (1724-1803) Kügelgen, Gerhard von (1772-1820) 800 127, 475, 564 Kühlmann, Wilhelm (*1946) 469 Messias 564 Franz Blei: Briefe an Carl Schmitt 469 Oden 564 Kuhn, Hans (* 1905) 156, 597 Klostermann, Vittorio (1901-1977) 235, Kükelhaus, Hugo (1906-1984) 89, 541 276 f., 296, 669, 715, 733 Künkel, Hans (1896-1956) 29, 35 f., 459, Kniébolo —* Hitler, Adolf 498, 857 Koellreutter, Otto (1883-1972) 865 Das Gesetz Deines Lebens 29, 498, 857 Koenen, Andreas (*1963) 464, 737 Der Fall Carl Schmitt 464, 737 Koenigs, Werner 56, 521 Koestler, Arthur (1905-1983) 217, 648 Darkness at Noon 217, 648 Sonnenfinsternis 648 Le Zero et I'lnfini 217, 648 Kohler, Josef (1849-1919) 195, 621 Kojéve, Alexandre (eigtl. A. Kojewnikow, 1902-1968) 320, 752/, 869 Kolonialismus in europäischer Sicht 753 Kopernikus, Nikolaus (1473-1543) 22, 39, 413 Korff, Friedrich-Wilhelm (*1939) 407 f.,

812 f 24 Geschichten 407 f., 812 Jericho 407 f., 812 Der Katarakt von San Miguel 812 Leichenschmaus 408, 812f Korn, Karl (1908 - 1991) 244, 678f. Rez. Heliopolis 244, 678 Kraljevic, Marko 104 f. Kranzbühler, Otto (*1907) 628 Kraus, Karl (1874- 1936) 411, 816 12 Schmittiana VII

Lafand, Paul 183, 185, 610 Hieronymus Bosch, son art ... 183, 185, 610 La Fontaine, Jean de (1621 -1695) 431,833 Lámbese, Karl Eugen Prinz von (17511825)284, 286, 724 Lamennais, Hugues Félicité Robert (17821854) 769 Langgässer, Elisabeth (1899-1950) 212, 214, 639f. Märkische Argonautenfahrt 639 Das unauslöschliche Siegel 214, 639f Laotse (4./3. Jh. v. Chr.) 199 La Rochefoucauld 97 f., 548 La Rochefoucauld, Francis de (16131680) 20 Laski, Harold J. (1893-1950) 763 Latzarus, Louis (1878-1942) 74, 529 La vie paresseuse de Rivarol 74, 529 1

Diese Möglichkeit ergibt sich aus der ähnlichen Schreibweise von „G" und „S" in Jüngers Handschrift zu dieser Zeit.

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Laval Pierre (1883-1945) 127, 565 Lawrence, Thomas Edward (1888-1935) 112, 270, 272 Léautaud, Paul Firmin Valentin (18721956) 294 f., 434 f., 592, 730, 837 In memoriam 434 f., 435, 730, 837 Passe Temps 295 Leclerq, Julien (1865-1901) 597 Leers, Johann von (1902-1965) 315, 749f, 764 Spenglers weltpolitisches System 750 Leers, von 315 Leibniz, Gottfried Wilhelm (1646-1716) 312, 722 Leistikow, Klaus Ulrich (*1929) 780 Lenau, Nikolaus (eigtl. Nikolaus Franz Niembsch, Edler von Strehlenau, 18021850)174 Waldlied 174 Lenin, Vladimir Iljitsch (1870-1924) 465, 730, 753, 827 Lenz, Jakob Michael Reinhold (1751 1792) 834 Catharina von Siena 834 Leonardo da Vinci (1452-1519) 87, 540 Lessing, Gotthold Ephraim (1729-1781) 366, 839 Nathan der Weise 839 Ligne, Charles-Joseph prince de (17351814) 82,536 Lindemann, Friedrich „Fritz" (1896-1986) 155, 590 Linden 682 Linné, Carl von (1707-1778) 116 Lipsius, Justus (1547-1606) 435, 837f. Politico rum sive civilis libri six 837 Liss, Konrad (1898- 1973) 365, 367, 784 Litzmann, Ursula (*1916) 228 Loetscher, Hugo(„hlt", *1929) 744 Lokatis, Siegfried (*1956) 502 Loose, Gerhard (*1907) 342,406, 767, 810 Ernst Jünger. Gestalt und Werk 767 Reisetagebücher Ernst Jüngers 767 Lorenz, Peter (1922-1987) 410, 815 Louise 62,68, 106, 113, 141,234, 524 Louis Philipp von Orléans (1773-1850) 389, 799 Löwith, Karl (1897-1973) 52, 518f.

Bericht 518 Mein Leben in Deutschland 518 Politischer Dezisionismus 518 Lübbe, Marinus van der (1909-1934) 478 Ludendorff, Erich (1865-1937) 526 Der totale Krieg 526 Ludin, Hanns R. (1905 -1947) 49, 516f. Ludwig IX. der Heilige (1214-1270) 532 Lukas, Evangelist 85, 669 Lukian (um 120-180)429 Lullus, Raimundus (1235-1316) 333, 762 Luther, Martin (1483-1546) 95, 395, 428, 478, 486, 722 Maass, Joachim (1901 -1972) 339, 767 Kleist, die Fackel Preußens 339, 767 Macarius Hieromonachus 384, 406, 796, 811, 851 Machado y Ruiz, Antonio (1875-1939) 323, 756 Machiavelli, Niccolo (1469-1527) 267, 273, 306, 402 f., 465, 701, 706, 737, 808, 875 Freundschaftliche Briefe 306, 402, 808 II Principe 306 Maclise, Daniel (1806-1870) 387, 389, 798 MacMahon, Edme Patrice Maurice comte de (1808-1893) 335, 763 Macrobius, Ambrosius Teodosius (um 400) 572 Madison, James (1751-1836) 361, 781 Federalist Papers 361, 781 Mahan, Alfred Thayer (1840-1914) 124, 563 Der Einfluß der Seemacht auf die Geschichte 563 The influence of sea power upon history 563 Maier, Karl-Anton (1910-1971) 308 Maillol, Aristide (1861-1944) 203, 354, 632 Maimonides, Moses (1131 -1204) 84,537 Maistre, Joseph Marie comte de (1753 — 1821)267, 701 Maistre, Xavier comte de (1763 -1852) 240, 518, 673 Reise um mein Zimmer 673 Voyage autourde ma chambre 240, 673

Personenregister Briefwechsel Ernst Jünger/Carl Schmitt Mallarmé, Stéphane (1842-1898) 76, 119, 257, 552, 691 Malraux, André (1901-1976) 20 f., 217, 386, 484f., 585, 649, 797, 824, 857, 878 La Condition humaine 20, 484f, 857 Manet, Edouard (1832-1883) 257, 532, 691 Mann, Thomas (1875-1955) 280, 339, 407, 443,450,475, 699, 714f., 812, 860 Mannheim, Karl (1893-1947) 752 Mao Tsetung (1893-1976) 753 Marcel, Gabriel (1889-1973) 395, 804 Marcic, Bianca (f 1971) 379, 383, 388, 406, 792, 795 Marcic, René (1919-1971) 276, 379 ff., 383, 388, 390, 406, 715, 792, 795 Reform des deutschen Bundesverfassungsgerichtes 715 Mareks, Erich (1861 -1938) 92, 268, 544 Bismarck und die deutsche Revolution 1848-1851 92, 544 Mareks, Erich M. (1891 -1944) 544, 704 Marcu, Valeriu (1899-1942) 294, 297 f., 300,441,750/, 736,842 Die Vertreibung der Juden aus Spanien 730 Maria Stuart (1542-1587) 279, 692 Maritain, Jacques (1882-1973) 299 f., 714 f, 738 Controverse sur Léon Bloy 738 Humanisme integral 738 Introduction au livre de Léon Bloy >Lettres ä Veronique< 738 Quelques pages sur Léon Bloy 738 Le secret de Léon Bloy 738 Maritain, Raíssa (geb. Oumansoff, 18831960) 299 f., 738 Markus, Evangelist 85, 672 Marshall, George Catlett (1880-1959) 225, 655 Martinet, Suzanne 401 Marx, Karl (1818-1883) 282, 309, 333, 394, 437, 493, 537, 743 Der 18. Brumaire des Louis Napoleon 743 Maschke, Günter (*1943) 560, 602, 619, 640 Nachwort zu >Leviathan< 602, 619 12*

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Übersetzung d. Reden Donosos 640 Masek —• Masseck Masseck, Richard (1907-1935) 94, 547 Mathäus, Evangelist 487 Matisse, Henri (1869-1954) 669 Matzneff, Gabriel (*1936) 393 Mauch, Karl J. 448 f., 461,832, 847 Maupassant, Henri René Albert Guy de (1850-1893) 337 Maurras, Charles (1868-1952) 769 Maximilian von Mexiko (1832-1867) 206 Mayer, Otto (1846-1924) 717 Deutsches Verwaltungsrecht 717 Meerwein 275, 706 Meisner 129 Melville, Hermann (1819-1891) 114f., 118, 121, 123 f., 127, 129, 131, 159, 161, 166 f., 170, 193, 215, 273, 332, 395, 555, 557, 569, 572, 594, 599, 619, 761, 804, 867f., 874ff., 878 Benito Cereño 114, 118, 121, 129, 159, 166, 170, 193, 395, 555, 572, 594, 599, 619, 761, 804, 867f., 874f., 878 Billy Budd, Sailor 115, 273, 555 Moby Dick 115, 121, 123 ff., 127, 129, 131, 167, 332,569, 761 Mendelssohn, Moses (1729-1786) 492 f. Mendelssohn, Peter de (1908-1982) 243, 245, 247, 677, 679 Gegenstrahlungen 677 Merkenschlager, Friedrich (1892 -1968) 34 f., 498f. Aus der Keuperbucht 499 Götter, Helden und Günther 499 Rassensonderung ... 499 Merkur 509, 650 Merlin 174 Merline —• Céline Meryon, Charles (1821 -1868) 95 Metternich, Clemens Lothar Wenzel Nepomuk (1773-1859) 466,844 Meuter, Günter (*1950) 579 Blut oder Boden? 579 Meyerbeer, Giacomo (eigtl. Jakob Liebmann Beer, 1791 -1864) 493 Michael, Hl. 14 Michaux, Henri (1899-1984) 78 f., 370, 555, 787

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Un barbare en Asie 78, 555 Montherlant, Henry Millón de (1896-1972) Ein Barbar in Asien 533, 392 ff., 592, 801 Michelet, Jules (1798-1874) 502 Morand, Paul (1888-1976) 337 Vico- Aus gäbe 502 Morel —• Gross-Morel, B. Miller, Henry (1891-1980) 234 f., 311, Morgenstern, Christian (1871 -1914) 280 666-670, 744, 879 Moses 329, 388, 703 Hamlet 311, 744 Mosley, Oswald Ernald (1896-1980) 395, Tropic of Cancer 666, 669 804 Tropique du cancer 666 Mourre, Michel (1928-1977) 345, 769 Vom großen Aufstand 744 Mühleisen, Horst (*1943) 525, 659 Wendekreis des Krebses 666f, 669, 879 Bibliographie der Werke Ernst Jüngers Millet, Jacques (um 1425-1466) [116], 556 525, 659 Millet, Jean-Fransois (1814-1875) 116, Mühsam, Erich (1878-1934) 384, 796 [556] Müller, Adam Heinrich (1779-1829) 6, Minos 703 339,466f., 766 Mirabeau, Honoré Gabriel Riqueti comte de Elemente der Staatskunst 466 (1749-1791)214 Vorlesungen über deutsche Wissenschaft Mohl, Robert von (1799-1875) 494 und Literatur 466 Möhler, Armin (*1920) 230, 232 f., 240, Zwölf Reden über die Beredsamkeit und 253, 255 f., 278, 305, 345, 355, 472, 604, deren Verfall in Deutschland 466 619, 632, 636, 658, 669, 673f, 683, 686ff., Müller, Friedrich Theodor Adam Heinrich 690, 694ff., 702, 707, 716f., 723, 726, von (1779-1849) 834 732ff., 741, 743, 745, 747-750, 752f., Murger, Henri (1918- 1970) 669 759f., 763f., 769, 774f, 777, 783, 797, 10 scenes de la vie de bohéme 669 799, 825, 871 Musset, Alfred de (1810- 1857) 402, 808 Begegnungen bei Ernst Jünger 472 Die vergeblichen Wünsche 808 C.S.: Briefwechsel mit einem seiner SchüLes Voeux steriles 402, 808 ler 469, 619, 632, 688, 690, 694, 696, Mussolini, Benito (1883-1945) 146, 584f. 702, 707, 734, 741, 743, 745, 748ff., Campo di Maggio 584 752 f., 759, 769, 774, 783, 797, 799, 825, Die hundert Tage 146, 585 871 Die Konservative Revolution in Deutsch-Mutius, Bernhard von (1913-1979) 130, 567 land 658 Möhler, Edith (* 1921) 255 Napoleon Bonaparte (1769-1821) 16, 132, Molbech, Christian (1783-1857) 212 146, 197, 307, 418, 436, 477f., 488, 515, Moliere (eigtl. Jean Baptiste Poquelin, 570, 584, 824, 843, 857 1622-1673) 90, 137,545, 575 Napoléon III. (eigtl. Louis Napoléon BonaDie Betrügereien des Scapin 543 parte, 1808-1873) 138, 743 Les fourberies de Scapin 543 Nasser, Gamal Abd el (1918-1970) 315 Montesquieu, Charles de Secondat, baron de Nay, Ernst Wilhelm (1902-1968) 158, la Brede et de (1689-1755) 134, 140, 571, 167 f., 595f., 644 580 Cahiers 134, 140, 571, 580 Nebel, Gerhard (1903-1974) 210, 218 f., De Γ esprit des lois 571 221, 224 ff., 229, 232, 235, 237, 241, 249, Hefte 571 430f., 603, 636f., 644, 651, 654, 657, 665, Meine Gedanken 571 670f., 833 Mes Pensées 571 Ernst Jünger: Abenteuer des Geistes 651, Vom Geist der Gesetze 571 657

Personenregister Briefwechsel Ernst Jünger / Carl Schmitt

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Ernst Jünger und das Schicksal der Men-Oberheid, Heinrich Joseph (1895-1977) 17, 42, 348, 478, 508, 772 schen 657 Oberheid, Margarete Henriette (geb. Sopp, Negelinus, Johannes [Petrus] (fikt. Verfas1896-1977) 348 sername, 16. Jh.) 699 Odysseus 229, 439, 658 Dunkelmännerbriefe 699 Oetinger, Friedrich Christoph (1702-1782) Neptun 391 158 f., 161 f., 593 Nero, Claudius Caesar Augustus GermaniDas Geheimniß vom Salz 159, 162 cus (37-68) 96, 545 Ohnesorg, Benno (f 1967) 410, 815 Neske, Günther (1913-1997) 280, 658, 733 Okeanos 429 Neurath, Konstantin Freiherr von (1873Origines (185-253/54) 272, 706 1956) 671 Contra Celsum 706 Nickel, Otto 510 Oriola, Maximiliane contessa (geb. von ArKolportage 510 nim, 1818-1894) 700 Niebel 232 f. Ortega y Gasset, José (1883-1955) 11, Niedermayer, Oskar Ritter von (1885472f, 856f 1945) 112 f., 554 Aufstand der Massen 11, 472 f., 856 Im Weltkrieg vor Indiens Toren 554 La rebelión de las masas 472 Niekisch, Anna (1892-1973) 395 ff., 481, Orti y Lara, Juan Manuel (1826-1904) 319 803 Otero Bujan, Laureano 340, 767, 768f. Niekisch, Ernst („Cellaris"; 1889-1967) Otero Varela, Alfonso (*1925) 330 f., 340, 18, 22, 44, 89, 91 f., 201, 203 f., 217, 232, 342, 347, 356, 760, 767ff. 237, 247, 335, 354 ff., 359, 384, 444, 449, Otero Schmitt, Alvaro (*1968) 397, 805 453, 461, 465, 475, 479, 481 f, 487, 499, Otero Schmitt, Carlos (*1960) 397,805 509, 542 f, 627, 631 f, 649, 663, 702, 730, Otero Schmitt, Dusanka (*1958) 345, 763f, 776f, 796, 803, 810, 847, 857, 863 355 ff., 397, 777, 805 Deutsche Daseinsverfehlung 627, 631 Otero Schmitt, Jorge (*1963) 397, 805 Gewagtes Leben 354 f., 359, 764, 776 Ott, Eugen (1889-1977) 112 f., 118, 268, Hitler, ein deutsches Verhängnis 359, 481, 554, 557, 704 857 Otto der Große (912-937) 24 Zum Begriff des Politischen 18, 481 f Ovid (43 v.-17 n. Chr.) 240, 283, 382, 391, Niekisch, Ernst A. (* 1916) 481, 803 672, 722 Niemöller, Martin (1892-1984) 217, 649f Heroides 672 Nietzsche, Carl Ludwig (1813-1849) 215 Metamorphosen 382 Nietzsche, Friedrich (1844-1900) 9, 90, 98, Tristien 722 181, 198, 204, 214, 280, 315, 333, 335, 338 f., 388, 392, 398, 455, 470, 501, 519, Paetel, Karl Otto (1906-1975) 211 f., 638 537, 543, 548, 580, 588, 609, 641, 689, 699, Ernst Jünger. Die Wandlung eines Deut749, 764ff., 773, 779, 801, 850, 856, 860 schen Dichters und Patrioten 211 f., 638 Also sprach Zarathustra 98, 548, 779, Ernst Jünger. Weg und Wirkung 638 850 Pahlewi, Mohammed Reza (1919-1980) Götzendämmerung 280 815, 839 Der Wille zur Macht 315, 338, 543, 766 Pailleron, Edouard (1834- 1899) 135 f., 574 Nixon, Richard (1913-1994) 814 Le monde ou Γ on s'ennuie 135 f, 574 Noack, Paul (*1925) 464, 776 Die Welt, in der man sich langweilt 574 Carl Schmitt 464 Palmier, Jean-Michel (1944-1998) 385, Ernst Jünger 776 797 Nyssen, Wilhelm (1925-1994) 378, 791 Pandora 843

182

Tobias Wimbauer

Panowsky, Erwin (1892-1968) 164, 167, 596 Papen, Franz von (1879-1869) 815, 862 Paracelsus (1493-1541) 162 Parmenides (um 540-480 v.Chr.) 210 Parow, Johann Heinrich (f 1936) 51,54, 577 Pascal, Blaise (1623-1662) 22, 267, 769 Pasternak, Boris (1890-1960) 357, 777 Doktor Schiwago 777 Patinir, Joachim (um 1475-1524) 183 Paulhan, Jean (1884-1968) 592 Paulus 609, 812 Pedro 1.(1798-1834) 206 Perikles (um 500-429 v.Chr.) 214, 838 Perón, Juan Domingo (1895-1974) 725 Perón, María Eva (genannt Evita, geb. Duarte, 1919-1952) 287, 725/ Perroux, Francois (1903 -1987) 407, 811 Peterson, Erik (1890-1960) 222, 653 Peterson, Matilde (geb. Bertini, * 1910) 222 Petitjean, Armand 658 Introduction [zu EJ, Der Friede] 658 Philemon 380-383, 388, 390f., 406, 779, 793, 795, 800, 821 Philipp II. (1527-1598) 572, 697f. Philipp IV. der Schöne (1268-1314) 72 Philo Judaeus von Alexandria (um 20 v.Chr.-30 n.Chr.) 181, 267, 609, 703 Picard, Max (1888-1965) 789 Hitler in uns selbst 789 Picq, Ardant du (f 1870) 178 Etudes sur le Combat 178 Pieper, Josef (1904-1997) 42, 45, 146, 508, 511, 584 Maß und Zucht 146 Vom Sinn der Tapferkeit 42, 146, 508 Pilatus, Pontius (um 1. Jh. v.Chr.-1. Jh. n.Chr.) 170 Pius IX. (1792-1878) 332, 336, 338 Pius X. (1835-1914) 476 Pius XI. (1857-1939) 476 Plard, Henri (*1920) 254, 323, 336, 690, 756f, 764 Polarisations 254, 690 [Sur Γ homme et le temps. Essais 336] Le traite du rebelle 323, 336, 756f. Plassmann, Clemens (1894-1970) 338 f., 341, 766

Plassmann, Joseph Otto (1895-1964) 339, 341 Plato (42Ί-ΜΊ v.Chr.) 746 Plettenberg zu Lenhausen, Friedrich Christian Freiherr von (1644-1706) 317, 319, 321 Plinius, Caecilius Secundus (*61 /62 n.Chr.) 96, 173,547 Plotin (205 - 270) 285, 725 Plutarch (um 45 -125) 40, 504f. Abhandlungen 40 Moralia 505 Parallele Lebensbeschreibungen 504 Podewils-Juncker-B igatto, Clemens Graf (1905-1978) 135, 145, 164, 233, 252, 561, 572, 583, 666, 686 Söhne der Heimat 145, 583 Podewils, Sophie Dorothee (1909-1979) 233, 572 Poe, Edgar Allen (1809-1849) 12, 121, 127, 129, 159, 161, 173, 175 f., 188, 191, 474, 564f., 594, 604, 613, 616, 856, 867f, 876 A Descent into the Maelstrom 127, 159, 173, 188, 564f., 594, 613, 867f. Der Bericht des Gordon Pym 565 The Cask of Amontillado 191,474, 616 Eureka 565, 604 Das Faß Amontillado 12, 856 Kosmographie 127 The Narrative of Gordon Pym 127, 565 Polybios (um 200-120 v.Chr.) 549 Weltgeschichte 549 Pompeius, Gnaeus Magnus (106-48 v.Chr.) 703 Popitz, Hans 163, 167, 170, 194, 596f. Popitz, Heinrich (*1925) 194, 197, 620 Popitz, Johannes (1884-1945) 163, 178, 194, 197, 382, 386 f., 391, 415, 450, 510f., 542, 620, 794, 797, 848, 866 Popoff 478 Poseidon 779 Pound, Ezra (1885-1972) 390 f., 411, 799f., 813, 816 The Cantos 799 Poupet, Georges 337, 339 Priamos 732 Prigent, Tanette 744

Personenregister Briefwechsel Ernst Jünger/Carl Schmitt

183

Rimbaud, Jean Nicolaus Arthur (18541891) 161, 262,487, 744 Ritterbusch, Paul (1900-1945) 866 Rivarol, Antoine comte de (1753 -1801) 74, 131, 136, 138 f., 190, 230 f., 264, 267, 277, 279, 281, 283-288, 290-294, 299 f., 302, 307, 410, 529, 569, 571, 575, 613, 659f, 698, 700, 716, 720f, 723, 726, 728ff., 732, 816, 848, 867, 871, 878 Gesamtausgabe 281, 287, 726 Kleines Almanach unserer großen Männer 729 Riviére, Jacques (1886-1925) 332, 761 L'Allemand 761 Robespierre, Maximilien de (1758-1794) Quincey, Thomas de (1785-1859) 128 f., 269, 282 f., 285 566 Roditi, Georges (*1906) 228,656 Der Mord als schönste Kunst betrachtet Röhm, Ernst (1887-1934) 500, 680, 692, 128, 566 858, 864 On Murder considered as One of the Fine Roland 401 Arts 129, 566 Rommel, Erwin (1891-1944) 482, 561 Roschmann 403 Rabelais, Francois (1494-1553) 21, 486 Rosenberg, Alfred (1893-1946) 392 f., Gargantua/Pantagruel 486 519, 802 Racine, Jean Baptiste (1639-1699) 423 Der Mythus des 20. Jahrhunderts 802 Phedre 423 Roßkopf, Veit (1898-1976) 12 f., 27, Radek, Karl (eigtl. Karl Bernardovitsch So473f., 495, 645 belsohn, 1885-um 1941)750 Roth, Friedrich von (1780-1852) 29 Raeder, Erich (1876-1960) 671 Rothschild, Meyer Amschel (1743-1812) Rafael 607 u. Söhne 493 Rathenau, Walther (1867-1922) 559, 699, Roudier, Joseph (f 1795) 729 809 Roule, Anne-Marie („Véronique") 738 Rechel-Mertens, Eva (1895-1981) 489 Roulin, Alfred 489 Rehm 120 Rousseau, Jean-Jacques (1712-1778) 367, Reiners, Jakob (1917-1940) 154 524, 786 Reinthal, Angela 469 Roussel, William Gueydan de (1908-1997) Franz Blei: Briefe an Carl Schmitt 469 57 f., 205,458,522 Renan, Joseph Ernest (1823 -1892) 609 Über die Gefängnisse 205 Resch 403 Roux, Dominique Philippe comte de Reventlow, Franziska Gräfin zu (1871(1935-1977) 408,411,575 1918) 143,555 Harmonika Zug 813 Herrn Dames Aufzeichnungen 583 Ruge, Agnes (geb. Nietzsche) 214 f., 641 Richthofen, Else von —> Jaffé, Elsa Ruge, Arnold (1803-1880) 214, 641 Richthofen, Frieda von (1879-1956) 421, Rumpf, Helmut (1915-1986) 414 ff., 527 825 Carl Schmitt und Thomas Hobbes 414 ff., Riemer, Friedrich Wilhelm (1774-1845) 821 775, 834 Runte, Heinz (1921 -1995) 378 Runte, Kinder 378 Rilke, Rainer Maria (1875-1926) 586

Prokop (um 500-562) 445 f., 844f. Prokrustes 68, 70, 137, 528, 575 Prometheus 149 ff., 414, 586f., 622, 821 Prudentius Clemens, Aurelius (348-405) 402 f., 807f. Psychomachia 808 Przywara, Erich (1889-1972) 297, 314, 734, 736, 748 Ptuschko, Alexander Lukich (1900-1973) 163, 595 Gulliver in Lilliput 163, 595 Pyrrhus (319-272 v.Chr.) 134 Pythia 39, 504

184

Tobias Wimbauer

Runte-Schranz, Veronica (*1924) 199, 378, 399, 623, 629, 791, 806 Rychner, Max (1897-1965) 751 S., Raimis [?] 309, 743 Saadi (1215-1292) 803 Sade, Donatien Alphonse Fransois marquis de (1740-1814) 217 Saint-Just, Louis Antoine Léon de (17671794)217 Saint-Martin, Louis Claude marquis de (1749-1803) 118, 557 Saint-Pierre, Jacques Henri Bernardin de (1737-1814) 61,524 Paul et Virginie 61, 524 Salazar, Antonio de Oliveira (1889-1970) 815 Salier, Karl (1902-1969) 499 Sallust, Gajus Crispus (86-34 v.Chr.) 796 Bellum Catilinarum 796 Salomo 170, 350 f., 599 Salomon, Albert (1891 -1966) 855 Salomon, Ernst von (1902-1972) 404, 411, 734, 809f., 816, 855 Der Fragebogen 810 Salomon, von 404 Sartre, Jean-Paul (1905-1980) 198, 622 Satan 18, 65, 340 f., 734 Saturn 48,252, 261 Sauerbruch, Ernst Ferdinand (1875-1951) 44, 510 Sauerbruch, Margot (geb. Großmann) 44 Saul 713 Savonarola, Girolamo (1452-1498) 437, 840 Scarpa, Gino (1894-1963) 89, 91 f., 222, 224, 542, 544, 654 Schacht, Hjalmar (1877-1970) 338 f., 766 Schäfer, Wilhelm (1868-1952) 418, 823 Die Rheinlande 418, 823 Schalk, Fritz (*1903) 281 Rivarol-Übersetzung 281 Scheer, Reinhard (1863-1928) 429, 832 Scheffer, Paul (1883-1959) 754f. Schelz, Sepp (1917-1986) 428, 832 Scheringer, Richard (1904- 1986) 49, 516 Schick 13 Schifferli, Peter (1921 -1980) 751

Schiller, Friedrich von (1759-1805) 74, 264, 423 f., 530, 697f. Deodat von Gozon 74 Don Carlos 697f. Der Kampf mit dem Drachen 530 Marquis Posa 264, 697f Ubersetzung v. Racines Phédre 423 Schirnding, Albert von (*1937) 278, 716 Schlechta, Karl (1904-1985) 315, 325, 338 f., 749, 764 F. Nietzsche-Ausgabe 315, 325, 338 f., 749, 764 Schlegel, Friedrich von (1772-1829) 467 Schleicher, von (f 1934) 36, 500 Schleicher, Kurt von (1882-1934) 500, 510, 554, 704, 862 Schleyer, Hanns-Martin (1915-1977) 833 Schlichter, Elisabeth Elfriede „Speedy" (1902-1975)94 Schlichter, Rudolf (1890-1955) 94 f., 531, 546f Atlantis vordem Untergange 547 Briefwechsel mit Jünger 547 Schmid, Carlo (1896-1979) 147, 197, 210-213, 309, 320, 389, 585, 621, 636, 638ff., [645], 743, 753, 799 Baudelaire-Übersetzung 147, 585 Schmitt de Otero, Anima Louise (19311983) 16, 47, 60, 63 f., 67, 81, 87, 102 f., 107, 113 ff., 117 f., 122, 128, 132, 135, 137, 140, 146, 148, 151, 153, 155, 159, 164 f., 169 f., 173 f., 177, 186, 192, 194, 196, 199, 201 f., 206, 208, 215, 229, 236 f., 251 f., 254 f., 258, 261, 266, 288, 296, 306, 320, 323, 328, 330, 333, 335, 338, 340, 342, 344 f., 347 f., 350 f., 356, 359, 375 ff., 425, 436, 456, 477, 599, 620, 626, 645f., 674, 682, 685, 692, 733, 746, 756, 760, 762 f., 767f., 818, 850, 873 Übersetzung v. Hamlet, Sohn der Maria Stuart 258, 692, 733 Schmitt, Anna Margarete (1902-1954) 201, 261 f., 696, 790 Schmitt, Auguste (1891 - 1992) 201, 790 Schmitt, Duschka (geb. Todorovic, 19031950) 13 f., 17, 19 f., 23 f., 26, 47, 50 f., 53, 56, 58, 60 f., 63 f., 67 f., 75 f., 80 f., 87, 89, 91-94, 99-104, 107, 111-120, 122, 124,

Personenregister Briefwechsel Ernst Jünger/Carl Schmitt 128, 130, 132, 135, 137, 140 f., 146, 148151, 153, 155 f., 158 f., 161, 163 f., 169 f., 172 ff., 176 f., 183-186, 191 f., 194, 196, 199-203, 205-211, 215, 218 f., 225, 228 f., 236 ff., 241, 243 f., 246, 249, 251, 266, 296, 302, 346, 354, 356, 376, 384, 440 f., 477, 511, 541, 558, 598f., 624 - 629, 644ff., 681-685, 762, 776, 852, 866, 871 Schmitt, Johann (1853-1945) 69, 160, 200, 576, 594 Schmitt, Joseph Philipp (1893-1970) 175, 427, 604, 830 Schmitt, Louise (geb. Steinlein, 1863 — 1943) 69, 200,438 Schmitz, Arnold (1893-1980) 347 f. Schmitz, Maria 348 Schmoller, Gustav von (*1907) 209, 309, 369, 636, 743, 786 Schneider, Hans (*1912) 211, 638 Schneider, Peter (*1920) 330, 334, 336 f., 759f., 762 f. Ausnahmezustand und Norm 759, 762f. Schneider, Reinhold (1903 -1958) 735f. Schnitzler, Georg von (1884-1962) 687 Schnitzler, Nora 158,592 Schnitzler, Lieselotte (Lilly) von (18891981) 158, 253, 314, 348, 592, 687, 748, 771 Schoeps, Hans-Joachim (1909-1980) 297, 734, 737 Scholem, Gerhard Gershom (1897-1982) 421 f., 825, 827 Scholem, Werner (1895-1940) 422, 827 Schomerus, Hans (1902-1969) 405, 810 Schönerer, Georg Ritter von (1842-1921) 619 Schoor, Hilde 183, 610 Schopenhauer, Arthur (1788-1860) 120, 487, 812 Schranz, Franz (1894-1961) 74, 80, 129, 145 f., 171, 399, 453, 525, 530, 535, 584, 596, 599, 791, 806 Schranz, Veronica —• Runte-Schranz, Veronica Schroers, Rolf (1919-1981) 270 f., 705 Der Partisan 705 Schubart, Walter (1897- um 1941) 172, 175, 178, 181, 190, 199, 600f, 616, 623

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Eigenheiten des deutschen Nationalgeßhls 199 Europa und die Seele des Ostens 172, 178, 190, 199, 600f., 623 Religion und Eros 190 Schubart, Wera Markowna 600 Schuler, Alfred (1865-1923) 130, 140, 143, 390, 397 f., 567, 577-580, 583, 799, 804 Schulte, Josef 106, 108 Schultz, Edmund (1901-1965) 213, 221, 640, 652, 733 Die veränderte Welt 640 Schultz, Margret 296, 733 Schwab, George (*1931) 331, 334, 337, 760, 762 f. The Challenge of the Exception 760 Schweinichen, Otto von (1910-1938) 520f. Schwilk, Heimo (*1952) 465, 475, 480f, 496, 655, 741 Ernst Jünger. Leben und Werk in Bildern und Texten 465, 475, 480f., 496, 655, 741 Scipio, Publius Cornelius Africanus (235183 v.Chr.) 99, 549f. Scrovegni 48,463, 514 Scrovegni, Vater 48 Seeckt, Hans von (1866-1936) 704 Seifert, Jürgen („Jugurtha"; *1928) 365 f., 369 f., 784 Seilner, Gustav Rudolf (* 1905) 254 Seneca, Lucius Anaeus (4 v.Chr.-65 n.Chr.) 51, 92 f., 518, 545, 609 Dialogorum 545 Sextus Empiricus (2.-3. Jh.) 143, 583 Shakespeare, William (1564-1616) 147, 390,463, 645, 732 Hamlet 147, 732 Londoner Verlorener Sohn 645 Siebeck 348 Siebeck, Richard (1883-1965) 45, 251, 348, 511, 682 f., 685f, 771 Sieburg, Friedrich (1893-1964) 295, 374, 388, 789, 798 Die gute Himmelsrichtung 789 Siedler, Wolf Jobst (jun.; *1926) 184, 608 Siedler, Wolf Jobst (sen.) 180 f., 607 Simacher, Franz Anton 403 Weltpriester 403 Sindbad 147, 439

186

Tobias Wimbauer

Smollet, Tobias George (1721-1771) 103, 550f. Sohm, Rudolf (1841 -1917) 826 Kirchenrecht 826 Soissong, Jacques 438 Solowjew, Wladimir Sergejewitsch (18531900)342, 767 Kurze Erzählung vom Antichrist 767 Sombart, Corina (geb. Leon, 1892-1971) 348, 373, 375, 650, 772, 788 Sombart, Nicolaus (*1923) 198, 218, 235, 374 f., 650f, 670, 772, 788, 790, 879 Capriccio 218, 650f. Jünger in uns 788 Sombart, Werner (1863-1941) 235, 348, 373, 376, 650, 772, 788 Sommer 355

Stadler, Ernst (1883-1914) 877 Staél, Germaine baronne de (1766-1817) 488 Stahl, Friedrich Julius (eigtl. Jolson, 18021861)26, 48,491-494, 514f Das Monarchische Princip 492 Philosophie des Rechts 492 Stalin, Josef (eigtl. Djugaschwili, 1879 — 1953)436, 541 Stand, Anni (1915-1997) 402, 406 f., 412 f., 417, 434, 436, 440, 452, 626, 791,

811, 818

Stapel, Wilhelm (1882-1954) 278, 399, 419, 429, 491, 716, 805, 824, 832 Stauffenberg 308, 367,694, 869 Stauffenberg, Franz Schenk von 790 Stauffenberg, Friedrich Freiherr Schenk von (1907-1982) 694 Sontheimer, Kurt (*1928) 379, 792 Antidemokratisches Denken in der Wei- Steinlein 438 Steinlein, André Marie (1891-1964) 57, marer Republik 792 64, 438 f., 522, 525, 841 Speidel, Hans Emil (1897-1984) 123, 127, Steinlein, Hans (f 1945) 191 135, 145 ff., 161, 171, 177, 184, 197, 199, Steinlein (= 4 Kinder, 11 Enkel) 438 205, 210 f., 224 f., 232 f., 250, 255, 303, Stendhal (eigtl. Marie Henri Beyle, 1783335, 338 f., 385 f., 389, 399 f., 405, 424, 426, 561 f., 572, 622f., 647, 684, 796, 798, 1842) 20, 90, 542, 867 Die Certosa von Parma 90, 542 806, 828 La chartreuse de Parme 542, 867 Briefe aus Paris und aus dem Kaukasus Sterne, Laurence (1713-1768) 258,693 561 Tristram Shandy 258, 693 Invasion 1944 561 Stevenson, Adlai Ewing (1900-1965) 309 Spengler, Oswald (1880-1936) 39, 169 f., 221, 223, 271, 340, 364, 501, 503, 652, 736, Stevenson, Robert Louis (1850-1894) 12, 422, 427, 460, 473, 827, 830, 856 750, 757 Master of Ballantrae 12, 422, 427, 460, Preußentum und Sozialismus 169 473, 827, 830, 856 Untergang des Abendlandes 170, 503 Stieler, Josef Karl (1781 -1858) 387, 798 Spinola, Antonio de (1910-1996) 816 Stödter, Rolf (1909-1993) 314, 749 Spinoza, Benedictus Baruch de (1632Strauß, David Friedrich (1808-1874) 609 1677) 211, 229, 490, 492 f, 495, 637f, 708, Strauss, Leo (1899-1973) 752 715 Ethik 637 La Tyrannie 752 Spitta, Christoph (f um 1956) 309 f., 743 Strauss, Richard Georg (1864-1949) 423 Spitteier, Carl (1845-1924) 198, 622 Strindberg, Johann August (1849-1912) Prometheus der Dulder 622 667 Prometheus und Epimetheus 622 Stülpnagel, Carl-Heinrich von (1886-1944) Spitzemberg, Hildegard Baronin von 162, 308, 385, 742 (1843-1914) 700 Stülpnagel, Joachim von (1888-1955) 308 Stülpnagel, Otto Edwin von (1878-1948) Spranger, Eduard (1882-1963) 195, 197, 123,216, 308,567/, 647, 742 200, 289, 576, 621

Personenregister Briefwechsel Ernst Jünger/Carl Schmitt

187

Tommissen, Piet 260, 268, 312, 360, [409], 411 f., 465, 478, 491, 522, 525, 559, 621, 623, 687f., 695, 698f., 738, 746f., 751, 753, 770, 781, 784, 811, 814, 822 Bibliographie CS. 260, 265, 268, 360, 412, 695, 699, 781 [Carl Schmitt:] Leben, Werk und Bedeutung 747 Carl Schmitt: leven, werk en betekenis 312, 747 Tacitus, Cornelius (um 55-120) 159, 435, Schmittiana 1465, 559, 621, 695, 822 837f Schmittiana II 623, 695 Talleyrand, Charles Maurice de (1754Schmittiana III 522, 525, 695 1838) 436,469, 840 Schmittiana IV 478, 687, 695, 770 Taneff 478 Schmittiana V 491, 621, 687, 695, 698, Taubes, Jacob (1923-1987) 753 Ad Carl Schmitt - Gegenstrebige Fügung 738, 784, 811 Schmittiana VI 688, 695, 753 753 Schmittiana VII465 Tejado y Rodriguez, Gabino (1819-1891) Tondalus, Ritter 22, 48, 486, 514, 857 319 Toynbee, Arnold Joseph (1889-1975) Teunissen 409,411,5/4 221 -224, 297, 326,652, 879 Τ., F. J. 829 Friedliche Änderung 652 Thackeray, William Makepeace (1811Kollektive Sicherheit 652 1863) 387, 798, 800 Trajan, Marcus Ulpius (53 -117) 96 Themis 231,659/ Traz, Robert de (1884-1951) 501 Theodoretus (um 393 - 466) 210,636 Tristan 132, 232,570 Thomas 154, 589 Trotha, Thilo von (1909-1938) 859 Thomas, Henri (1912-1993) 156, 158, 160, Trotzki, Leo Dawidowitsch (eigtl. Lev D. 531, 589ff. Le Cceur Aventureux 156, 158, 531, 589f. Bronstein, 1879-1940) 122, 217,447, 730 Truman, Harry S. (1884-1972) 325, 758 Jeux africains 589 Tschiang-Kai-Schek (1887-1975) 484 Journal 1589 Tulpanow, Sergej Iwanowitsch (1902Le Précepteur 156, 158, 160 1984)217, 649 Sur les falaises de marbre 589 Tobias 180, 607 Turgenjew, Iwan Sergejewitsch (1818Tocqueville, Charles Alexis Henri Clérel de 1883)555 (1805-1859) 133, 135 f., 138, 169 f., 195, Väter und Söhne 588 214, 570f., 574, 598, 608, 621 Turgot, Anne Robert Jacques baron De la démocratie en Amérique 170, 571, d'Eaulne (1727-1781) 284, 723 608 L'Ancien Régime et la Révolution 571 Uhle 89, 109, 541, 553 Souvenirs 133, 135 Unamuno y Jugo, Miguel (1864-1936) 820 Todorovic, Milica 60, 679 Unruh, Friedrich Franz von (1893-1986) Todorovic, Vaso 60, 261,679 665 Toepfer, Alfred Carl (1894-1993) 406, 810 Uraia 353 Tolstoi, Leo Nikolajewitsch (1828-1910) Uräus 96 142 Uscatescu, George (Jorge; 1919-1998) Krieg und Frieden 142 301 f., 307, 368, 740, 742, 786 Tomasi, Henri (1901 - 1971) 137, 575 Escatología e Historia 368 Suhrkamp, Johann Heinrich Peter (1891 — 1959) 141, 580 Über das Verhalten in der Gefahr 580 Süss-Oppenheimer, Joseph (1692-1783) 105, 551 Swift, Jonathan (1667-1745) 163, 338, 349, 595, 772 Gullivers Travels 163, 349, 595, 772

188

Tobias Wimbauer

Rebelión de las Minorías 301 Rivarol 307

Voltaire (eigtl. Francois Marie 1694-1778) 261,635, 703

Arouet,

Wagener, Anni (geb. von Jeinsen) 372 Wagner, Richard (1813-1883) 232, 423, 580, 619 Der fliegende Holländer 619 Tristan 232 Warnach, Walter (1910-2000) 305 f., 741 Waugh, Evelyn Arthur St. John (19031966)248, 678 The Loved One 678 Tod in Hollywood 243, 678 Weber, Alfred (1868-1958) 421 Weber, Andreas Paul (1893-1980) 17, 44, 479ff, 510 Napoleon und Alexander 515 Britische Bilder 480 Varela Iglesias, Carmen 340, 767 ff. Das Ende vom Lied: der Sumpf 480 Vehse, Carl Eduard (1802-1870) 217, 648 Der verlorene Sohn 44, 510 Geschichte der deutschen Höfe ... 217, Weber, Marianne (geb. Schnitger, 1870648 1954) 421 Venus 74, 88 Weber, Max (1864-1920) 421 f., 515, Vercel, Roger (eigtl. Roger Crétin, 1894559f., 660f., 723, 825f. 1957) 43, 45, 449, 452, 461, 508f., 512, Die Entstehung des jüdischen Pariavolkes 848, 867 515 Capitaine Conan 43, 45, 449, 452, 461, Gesammelte Aufsätze 515 508f., 512, 848, 867 Gesammelte politische Schriften 825 Vergil, Publius Maro (70-19 v.Chr.) 92, Politik als Beruf 660 544, 550 Wirtschaft und Gesellschaft 826 Aeneis 544 Wissenschaft als Beruf 660 Was 550 Weber, Wilhelm Ernst (1790-1850) 39 f. Verlaine, Paul (1844 -1896) 119 Weininger, Otto (1880-1903) 36, 411, Vettori, Francesco (1747-1539) 306, 402, 499f., 817 808 Geschlecht und Charakter 499 Vico, Giovanni Battista (1668-1744) 3 7 Weinreich, Paul 93, 495, 546, 733 41, 204, 210, 459, 501-504, 636, 857 Weiß, Konrad (1880-1940) 27, 171, 195, Neue Wissenschaft/Scienza Nuova 38 ff., 259, 289 f., 436, 473, 495, 620, 630, 645, 501, 503f., 857 694, 726ff, 838, 843, 875, 877 Villiers de Γ Isle Adam, Jean Marie Mathias Klage über der Schöpfung 630 Philippe Auguste comte de (1838-1889) Lagiris 436, 838 16, 168,216,477, 598, 648, 856 Weizsäcker, Ernst Freiherr von (1882 — Villinger, Ingeborg (*1946) 699 1951)657 Kommentar zu CS, Schattenrisse 699 Wendt, Hans Friedrich (*1903) 576 Vilmorin, Louise Lévéque de (1902-1969) Wertheim Aymés, Clément Antoine 362, 783 411, 816 Hieronymus Bosch. Eine Einführung 362, Vitoria, Francisco de (um 1483-1546) 738 241 f., 674, 676 Wessel, Wilhelm (1904-1971) 235 De Indis et de iure belli 674 Valentiner, Claus (f um 1945) 146, 149, 157 f., 160 f., 164, 172, 502, 584, 587 Valentiner, Max jun. 584 Valentiner, Max sen. (*1883) 584 Valéry, Paul Ambroise (1871-1945) 80, 535, 744 La conquete allemande 535 Une conquete méthodique 80, 535 Eine methodische Eroberung 535 Valla, Lorenzo (1405-1457) 175, 605 Vallöe, Lucie 257, 691 Vandal, Albert (1853-1910) 515

Personenregister Briefwechsel E s t Jünger/Carl Schmitt Wesseling, Georg 194, 599 Westemeyer, Dietmar (*1908) 640 Wheeler-Bennett, John W. (1902-1975) 268, 704 Nemesis der Macht 268, 704 Whitman, Walt (1819-1892) 838 Wiechert, Ernst (1887-1950) 714f. Das einfache Leben 715 Der Totenwald 715 Wieland, Claus-Dietrich (*1952) 623 Carl Schmitt in Nürnberg 623 Wieman, Mathias (1902-1969) 254, 690 Wilamowitz-Moellendorf, Ulrich von (1848-1931) 195, 621 Wilde, Oskar (1854-1900) 439, 841 Das Bildnis des Dorian Gray 439, 841 Wilhelm 1.(1797-1888) 116,605 Wilhelm I. von Oranien (1533-1584) 46, 512 Wilhelm II. (1859-1941) 401, 807 Winckelmann, Johannes (1900- 1985) 825 Winstanley, Lilian (*1875) 258, 692, 733 Hamlet 258, 692, 733 Wirth, Hermann Felix (1885-1981) 67, 527 Wittgenstein, Ludwig Josef Johann (18891951)41,505 Tractatus 41, 505 Witthuhn, Viktoria (geb. von Jeinsen) 372 Wolf, Erik (1902- 1977) 377, 790 Zalmoxis 346, 770 Zarathustra 98, 548, 779, 850 Zeller, Bernhard (* 1919) 441 Zeus 329, 586, 755 Ziegler, Benno (1894-1949) 117, 126, 161, 168, 173, 556, 595, 601 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von (1700-1760) 144, 583 Werke Ernst Jüngers Das abenteuerliche Herz (1. Fassung) 20 f., 26 f., 69, 483 ff., 487, 853 Das abenteuerliche Herz (2. Fassung) 62, 64, 75 f., 158, 192, 408, 465, 485, 491, 508, 524f., 528, 531 /, 590 Afrikanische Spiele 180, 472, 824 Alfred Kubins Werk 417, 479f., 857

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Am Kieselstrand 253, 314, 689f., 749 Am Sarazenenturm 280, 773 Die andere Seite [Rezension] 479 An der Zeitmauer 317, 321, 323 f., 327, 364, 751, 757, 779, 784, 879 Meßbare und Schicksalszeit 751 Annäherungen. Drogen und Rausch 681, 688, 739 Der Arbeiter 9, 14, 217, 258, 277, 279, 282, 409, 437, 470, 475, 497, 601, 692 f., 716, 720f., 790, 840, 854, 859 Atlantische Fahrt 205 f., 523, 634 Auf den Marmorklippen 86-90, 92 ff., 119, 155, 166, 168 ff., 241, 416, 465, 538, 540f., 546, 555, 558, 563f., 574, 580, 590, 593, 605, 694, 822, 860, 863, 865, 878 Belovar 94 Biedenhorn 155, 590 Nigromontan 168, 465 Oberförster 89 f., 94, 166, 169, 175, 541, 605, 694, 822, 878 Aus den Pariser Nachtstücken 405 ff., 810 Ausgehend vom Brümmerhof 405 f., 465, 480f., 543, 810 Besuch auf Godenholm 465 Blätter und Steine 27, 45, 64, 130, 393, 475, 479, 487f., 494f., 512, 568, 580, 721, 801, 858 Briefe an die Freunde 678 Briefwechsel mit Kubin 384, 796 Briefwechsel mit Schlichter 547 Chien et chat 811 Le Coeur Aventureux 156, 158, 531, 589f. Commentaires sur les jeux de hasard 811 Dalmatinischer Aufenthalt 475 Dans la salle d'attente 216, 646 Ein Inselfrühling 530 Epigrammatischer Anhang 269, 280, 392 f., 494f., 512, 580, 721, 858, 800f. Das erste Pariser Tagebuch 204, 484, 547, 555, 557f., 570, 572, 576, 584f., 590, 592, 612, 647, 650, 662, 680, 769, 789, 801,806 Eumeswil 425, 432 f., 806, 827f., 835f., 877 Vigo 425 Barbassóro 425

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Tobias Wimbauer

[Farbenlehre - unveröff.] 204 Der Friede 199, 230, 232, 495, 600, 623, 638, 658 Gärten und Straßen 115, 119, 133, 137, 140 f., 153, 536, 538, 540, 543, 546, 548, 556, 558, 562, 570, 581, 594, 807 Geleitwort zu >Invasion 1944< 561 Gläserne Bienen 342 f., 348, 719, 767 Der Gordische Knoten 716 Heliopolis 204, 226, 235, 241-244, 465, 618, 655, 669, 674f., 677f., 751, 869, 876 In der Kriegsschule 241, 618, 674 Lucius de Geer 675 Herbst auf Sardinien 773 Hund und Katz 473, 705 In Stahlgewittern 498, 509, 513, 534, 651, 693 Jahre der Okkupation. Die Hütte im Weinberg 226, 472, 481, 535, 537, 541, 549, 560, 622, 633, 639, 696, 737, 750, 847 Jeux africains 180, 589 Journal I 589 Der Kampf als inneres Erlebnis 651 Der Kampf um die Vorherrschaft im besetzten Frankreich zwischen Armee und Partei 384, 796 Kaukasische Aufzeichnungen 587ff., 590, 618, 739 Die Kiesgrube 525 Kirchhorster Blätter 481, 511, 549, 565, 608f, 611ff., 616,618 [Hg.:] Krieg und Krieger 468, 854 Léautaud, Paul: In Memoriam 434 f., 730, 837 Lob der Vokale 22, 64, 67, 76, 487, 525, 527, 532 Mantrana 358 f., 362, 364-370, 780, 782, 784 Maxima/Minima. Adnoten zum > Arbeit e t 716 Myrdun 230,465, 517f., 659 Nachruf auf Andre Gide 534 Notizblock zu >Tausendundeine Nacht< 606 Ortners Erzählung 241 Philemon und Baucis 383, 388, 390 f., 406, 719, 795, 800, 821 Das Phosphorbad 212 f., 216

Polarisations 254, 690 Rivarol 264, 267, 277, 286, 288, 291-294, 299 f., 302, 571, 575, 659f., 698, 700, 721, 723, 726, 728 ff., 732, 816, 848, 871, 878 Das Sanduhrbuch 262, 266, 317, 696, 750 San Pietro 322 f., 756, 767, 773 Sardische Heimat 773 Serpentara 322 f., 329 f., 756f, 767, 773 Sgraffiti 355, 776, 785 Siebzig verweht 1482, 668, 790 Siebzig verweht II 638, 795, 798, 800f., 803, 806f., 821, 823, 827f., 831, 833, 835, 837, 839, 847 Siebzig verweht III 494f., 516, 541, 561, 573, 586, 591 f., 594, 607, 647, 680, 780, 845, 849 Siebzig verweht IV 485, 555, 656, 731, 770, 780 Siebzig verweht V 486f., 573, 592, 609, 679, 780, 782, 827, 880 Sprache und Körperbau 204, 209 f., 637 Standflächen 365, 785 Die Staub-Dämonen 479 Der Steg von Masirah 618, 674 Strahlungen 212, 215, 218, 225 f., 229, 231, 269, 376, 499, 603, 642f., 662, 668, 677, 680, 699, [704], 742, 773, 869f., 880f. Subtile Jagden 759 Sur les falaises de marbre 589 Sur Thomme et les temps. Essais 336 Tagebücher 464 Die totale Mobilmachung 66, 468, 526, 720, 854f Traité du rebelle 323, 336, 756f. Über den Schmerz 45, 57, 130 f., 195, 488, 568 Über die Linie 667, 717 Über Nationalismus und Judenfrage 494 [Hg.] Die veränderte Welt 640 Verlorene Schatten. Agadir III 417,823 Violette Endivien 408,813 Vorwort zu >Strahlungen< 699 Der Waldgang 289, 726, 757 Im Wartesaal 646 Zahlen und Götter 406 f., 811 Zur Geiselfrage 647

Personenregister Briefwechsel Ernst Jünger / Carl Schmitt

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Gespräch über den Neuen Raum 358, 360, 778, 780 Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber 263vf., 266, 269, 360, 696f., 704, 733, 778,821 Glossarium 464, 579, 603, 637, 640- 643, Werke Carl Schmitts 646, 652, 655, 657, 660, 663, 665f., 669f., Die andere Hegel-Linie 765 676, 678, 681, 688, 719, 765, 826, 832, 851, Der Begriff der Piraterie 68 f., 528 869, 879 ff. Der Begriff des Politischen 7, 73, 265, 360, Gottfried 253,688 428, 468, 471, 482, 526, 529, 601, 632, 662, Hamlet oder Hekuba: der Einbruch der Zeit 670, 854 in das Spiel 295 f., 298 ff., 302, 304-306, Behemot, Leviathan und Greif 552 309, 360, 732, 741, 871 Briefwechsel mit einem seiner Schüler [A. Hazazel 267, 701 f. Möhler] 409, 619, 632, 688, 690, 694, 696, Der Hüter der Verfassung 634 702, 707, 734, 741, 743, 745, 748 ff., 752 f., Illyrien. Notizen von einer dalmatinischen 759, 769, 774, 783, 797, 799, 825, 871 Reise 817 Die deutsche Rechtswissenschaft im Kampf Ist der Reichskommissar verfassungsmäßig? gegen den jüdischen Geist 514 815 Die Diktatur 435, 618, 660, 837, 854f. Die Lage der europäischem RechtswissenDie Diktatur des Reichspräsidenten nach Arschaft 265, 360, 720, 760 tikel 48 der Weimarer Verfassung 618 Land und Meer 124, 151, 153, 159, 165, Donoso Cortés in Berlin, 1849 214, 640 202, 225 ff., 311, 360, 417, 552, 558, 563, Donoso Cortés in gesamteuropäischer Inter569, 572, 579, 674, 746, 770, 823 f. pretation 242, 265, 360, 676 Die legale Weltrevolution 811 Don Quijote und das Publikum 467 Legalität und Legitimität 15,476, 856 Drei Tischgespräche 418 Der Leviathan in der Staatslehre des ThoEinheit der Welt und Einheit Europas 684 mas Hobbes 77, 79, 192, 203, 265, 356, 360, Die Erde die wir plündern ... 447 416, 419 ff., 490, 492, 494, 501, 532, 534 f., Erfahrungen aus der Zeit 1945/47 683 552, 602, 619, 736, 777, 821 f., 865, 868, Ex Captivitate Salus 203, 249, 289, 337, 394, 416, 495, 541, 560, 565, 567, 571, 576,878 621, 635, 661 f., 683f., 752, 765, 802, 822, Nachwort zu ,Disputation über den Rechtsstaat' 55, 520f. 843 Nehmen, Teilen, Weiden 260, 694 Die Formung des französischen Geistes Neujahrsgruss 316, 750 durch die Legisten 265, 360,567 Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Francisco de Vitoria und die Geschichte seiPublicum Europaeum 233, 283 ff., 663, 675, nes Ruhmes 242, 674, 676 722 f. Französische Rechtsauffassungen gezeigt an Politische Romantik 6, 265, 291, 293, 360, Vercels > Capital ne Conan < 509 466f., 547, 844 Der Führer schützt das Recht 679f. Politische Theologie 19, 454 f., 468, 483, Gemeinschaft und Politik 360 618, 633, 637, 661, 826, 855, 857 Die geschichtliche Struktur des heutigen Welt-Gegensatzes von Ost und West 717 Politische Theologie II 378 f., 407, 431, Gesang des Sechzigjährigen 230 f., 233 f., 653, 792, 812, 826, 834 261, 268, 658, 663 f., 683, 695, 704, 802 Positionen und Begriffe im Kampf mit WeiGespräch mit Eduard Spranger 195, 197, mar-Genf-Versailles 1923-1939 93, 95, 200, 288 f., 576, 621 214, 295, 454, 546, 640f., 849 Das zweite Pariser Tagebuch 204, 543, 564, 584, 590 - 595, 599f., 602, 604, 608, 610, 612, 646, 680, 687, 789, 860 Die Zwille 394, 803

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Tobias Wimbauer

Die Raumrevolution. Durch den totalen Krieg zu einem totalen Frieden 106,552 Rechtsstaatlicher Verfassungsvollzug 690 Recht und Raum 252, 265, 687, 802 Römischer Katholizismus und politische Form 443,469, 771, 844 Schattenrisse 265, 276, 322, 360, 390, 398, 418, 431, 443, 447, 699, 715, 756, 799f., 805, 812, 824 Schlimme Kunde 339-342 Schlüssel zur Politischen Theologie 454 f., 849 Der Staat als Mechanismus bei Hobbes und Descartes 66, 70, 490, 527 Staat, Bewegung, Volk 514, 736 Staatliche Souveränität und freies Meer 124 f., 128, 130, 563, 566f, 569, 572, 774 Staatsethik und pluralistischer Staat 5, 466 Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches 42, 268, 506f Die Sub-Stanz und das Sub-Jekt. Ballade vom reinen Sein 276, 280, 707- 715 Theorie des Partisanen 402, 405, 544, 662 f, 705, 810 Theodor Däubler, der Dichter des >Nordlichts< 412, 559 Theodor Däublers >Nordlicht< 559 Totaler Feind, totaler Krieg, totaler Staat 63, 66, 525f. Der unbekannte Donoso Cortés 214, 640 Verfassungslehre 265, 279, 360,634, 854 Die Verfassungsmäßigkeit der Bestellung eines Reichskommissars für das Land Preußen 815 Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924-1954 353 f., 511 Völkerrechtliche Großraumordnung mit Intervention s verbot für raumfremde Mächte 83, 536, 865 Die vollendete Reformation 490 Vorwort zu >Hamlet, Sohn der Maria Stuart< 258, 692 Der Waldgang 872 f Was habe ich getan? 307, 741 Die Wendung zum diskrimierenden Kriegsbegriff 662 Wesen und Werden des faschistischen Staates 850

Zum Sedantag 312 f., 748 Zwei Gräber 195, 200, 209, 560, 620f, 630, 635 Anhang Bei der Erstellung dieses Registers blieben ein paar wenige Fragen offen, die bis zur Drucklegung des vorliegenden Bandes nicht mehr geklärt werden konnten. Der Vollständigkeit halber seien sie nachstehend mitgeteilt. Der Verfasser bittet um Hinweise, die zu einer zweifelsfreien Zuordnung führen können. T.W. S. 11, 471, 856 „Krieg bei den Naturvölkern" S. 13 Das Fräulein S. 19, 62 f. Die Graphologin [= Gertrud von Kügelgen ?] S. 60 Der Arzt S. 73 Ein Student, mit Vater (Syndicus in der Großindustrie) S. 86 Autor: Byzantinische Geschichte [= Georg Ostrogorsky (*1902) ?1 S. 94 die Wirtin Hugo Fischers S. 116 Autor: Buch über Dohm S. 116 schwed. Autor: Buch über Linné S. 122 Der chinesische Bekannte S. 147 Die Heroine des Deutschen Theaters in Brüssel S. 165 Autor: Buch ü. nordische Seefahrt S. 176 „Nun, Petrowitsch, dann wandern wir nur weiter" S. 192, 617 Enzyklopädie „Du Naufrage" (um 1780) S. 192 „Du weinest - sieh, es lacht die Aue" S. 218 der von Polen gemeuchelte Nachbar S. 234 Chef der Süd württemberger Sureté S. 292 Ein spanischer Freund aus Madrid S. 295 Ein angesehener, älterer evangelischer Theologe [= Josef Klein (1896-1976) ?] S. 299 zwei bedeutende Spanier, die C.S. besuchten S. 315 der ungarische Student

Personenregister Briefwechsel E s t Jünger/Carl Schmitt S. 347 Dekan der jur Fakult. in Santiago, Trauzeuge des Gemahls von Anima [= Alvaro d'Ors (* 1915) ?] S. 356 Bischof, der Animas Tochter taufte S. 357 „Ein heimlich Licht fallt da herein" S. 358 der Lehrer S. 359 der Kaiser mit dem einen Arm S. 362 Botaniker (In EJ, Mantrana, als Anonymus verzeichnet) S. 367 Londoner Indologin S. 367 Professor, „CS-Ausbalancierer" hin u. wieder in Spanien S. 377 katholischer Bischof in Holland, der sich für d. Trauung von Schwulen einsetzt (1970) S. 381, 793 Rektor der Univ. Bonn

13 Schmittiana VII

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S 388, 798 der Xenie „Veitel und Itzig, die schmusen gewaltig von Freiheit, / Kommt noch der Moses hinzu, stürzen die Fürsten von [ihrem] Thron" S. 389 engl. od. amerik. Prof., der CS die , Alleinschuld" abnehmen wollte S. 394 französischer Neffe von CS aus Paris, nahm an der Trauerfeier von Montherlant teil S. 465, 695 Der Engländer, der H. Fischer 1954 auf seiner Deutschland-Reise begleitete. S. 628 ein Schüler von C.S., der sich als Zeuge angeboten hatte, Rechtsanwalt [= Günther Krauss (1911 -1989) ?]

MATTHIAS MIGUEL BRAUN und VOLKER PESCH

Die Umstände der Berufung Carl Schmitts nach Greifswald Auf Grund konkreter Angaben von Herrn Dr. Chr. Tilitzki (geb. 1957) konnte ich in Schmittiana VI, S. 345 Punkt 2, eine in Schmittiana V, S. 158 Punkt II. 1, formulierte Mutmaßung korrigieren. Aber Herr Dr. Volker Pesch (geb. 1966), Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Erfurt*, und Herr stud. Matthias Miguel Braun (geb. 1974) sind den Hintergründen dieser Bestallung auf den Grund gegangen und haben einige recht interessante Einzelheiten entdeckt. Das Endergebnis ihrer Recherchen darf ich hier mitteilen, wofür ich den Herren Pesch und Braun dankbar bin: Ihnen gebührt das Verdienst, eine Episode im Werdegang C.S.s endgültig geklärt zu haben. PT.

Über die Umstände der Berufung Carl Schmitts auf den Lehrstuhl für öffentliches Recht an der Universität Greifswald zum Wintersemester 1921/22 ist bislang nur wenig bekannt.1 Auch die Biographen widmen der kurzen Greifswalder Episode nur wenige Sätze. Paul Noack beispielsweise schreibt lediglich, Schmitt habe Greifswald als „möglichst schnell zu überwindende Zwischenstation" betrachtet.2 Joseph Bendersky umreißt diese Zeit in drei Sätzen, bezeichnenderweise in dem Kapitel über die anschließende Bonner Zeit. 3 Auch Andreas Koenen berichtet, Schmitt habe die „preußische Zugvögel-Universität" mit Erleichterung verlassen, ohne sich je dort wohlgefühlt zu haben.4 Aber was - abgesehen von der Sicherheit der Verbeamtung und dem Status eines ordentlichen Professors - hat ihn eigentlich an diesen Ort gebracht? Wer hat sich für den damals noch eher unbekannten Juristen eingesetzt? Und wie konnte der Katholik im protestantischen Greifswald auf ein Ordinariat berufen werden, daß ihn unter anderem dazu verpflichtete, Kirchenrecht zu lehren? * (PT) Herr Dr. V. Pesch hat sich schon mit C.S. befaßt: »Jenseits politischer Wirklichkeiten. Zur Kritik von Carl Schmitts politischer Theologie", in: Zeitschrift für Politik (Köln/ Berlin /Bonn /München), 46. Jahrg. Nr. 3,1999, S. 335-354. ι Piet Tommissen berichtet in Schmittiana, Bd. VI 1998, hrsg. von dems., Berlin 1998, S. 345, schon über die Vorschlagslisten der Fakultät; darauf gehen wir weiter unten ausfuhrlich ein. 2 Paul Noack, Carl Schmitt. Eine Biographie, Berlin /Frankfurt am Main 1996, S. 55. 3 Joseph W Bendersky, Carl Schmitt. Theorist for the Reich, Princeton 1983, S. 43. 4 Andreas Koenen, Der Fall Carl Schmitt. Sein Aufstieg zum „Kronjuristen des Dritten Reiches", Darmstadt 1995, S. 28 f. 13'

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Matthias Miguel Braun und Volker Pesch

Heute läßt sich die Berufung auf der Grundlage der Akten der Universität Greifswald, des Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung und der Sitzungsprotokolle der Greifswalder Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät wenn auch nicht vollständig, so doch weitgehend rekonstruieren. 5 Zugleich gibt das einen Einblick in die preußische Berufungspraxis der frühen zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts - und läßt hoffen, daß es ein Einzelfall gewesen ist.

I . Zur Quellenlage Im Greifswalder Universitätsarchiv findet sich die Akte der Juristischen Fakultät Nr. 386 über die „Besetzung des Lehrstuhls und Vergabe der Professur für Öffentliches Recht I" sowie das „Fakultätsbuch", in dem die Ergebnisse der etwa monatlich stattfindenden Fakultätssitzungen protokolliert sind. Der relevante Teil der Fakultätsakte besteht aus 38 Schriftstücken, die als Blätter bzw. Seiten von 30 bis 81 durchnumeriert sind, darunter vor allem handschriftliche Briefe von Kollegen aus der ganzen Republik an den Dekan oder an andere Fakultätsmitglieder mit Vorschlägen und Beurteilungen von Kandidaten. Schreiben der Fakultät sind, mit wenigen Ausnahmen, hier nicht erhalten. Neben den Briefen finden sich dort aber Abschriften solcher Schreiben, die das Berliner Ministerium für Wissenschaft , Kunst und Volksbildung zur Weiterleitung an die Fakultät an den Universitätskurator richtete sowie Abschriften der Vorschlagslisten und sonstiger Schreiben der Fakultät an das Ministerium. Zeitlich decken die Schriftstücke eine Spanne von Anfang März bis Ende Oktober 1921 ab.6 Im sogenannten „Fakultätsbuch", einer einfachen Kladde mit handschriftlichen Ergebnisprotokollen, finden sich unter anderem die wichtigen Protokolle der Sitzungen vom 21. März und 11. Juli 1921, in denen die Vorschlagslisten der Fakultät festgelegt wurden.7 Die Gegenakten des Kultusministeriums enthalten nur wenige Schriftstücke zu diesem Berufungsverfahren, was angesichts der Länge und der Kompliziertheit des Verfahrensganges verwundert. Hier finden sich die Originale der Briefe und Listen der Fakultät, Schreiben des Universitätskurators sowie Vereinbarungen zwischen Berufenen und Ministerium und die Bestallungsverfügungen. 8 Die Schmittschen 5 Die Archivrecherchen hat Matthias Braun unternommen. An dieser Stelle sei besonders den Mitarbeiterinnen des Archives der Universität Greifswald, Frau Schumann und Frau Peters, und dem Archivar, Herrn Herling, für ihre freundliche Hilfe beim Entziffern der Briefe und Unterstützung bei der Quellensuche gedankt. 6 Im folgenden: JurFak 386, Bl. 7 Im folgenden: FakB, Datum der Sitzung. 8 Geheimes Staatsarchiv - Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 7, Tit. IV Nr. 20, Bd. 8 (Anstellung der Professoren an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät Greifswald 1920-1931), hier: Aktenzeichen 4969; im folgenden: GStA, Bd. 8, Blatt-Nr.

Die Umstände der Berufung Carl Schmitts nach Greifswald

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Personalakten lassen sich nicht mehr beschaffen. Einem Aktenvermerk der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät zufolge wurde die Personalakte am 4. 12. 1935 nach Bonn abgegeben. Eine Nachfrage am Bonner Universitätsarchiv blieb aber ebenso ergebnislos wie Erkundigungen bei den Universitätsarchiven Köln und Berlin (HU), wo sich die Akte wegen des in der preußischen Verwaltung üblichen Verfahrens des „Mit-Wanderns" der Personalakten hätte befinden können.9

I I . Ein ewiges Gespräch Erwin Jacobi, der das persönliche Ordinariat für öffentliches Recht an der Universität Greifswald - die damals noch nicht den Namen Ernst Moritz Arndts trug innehatte, hatte zum Wintersemester 1920/21 einen Ruf nach Leipzig angenommen. Seine Nachfolge trat 1921 der junge Erhard Neuwiem an. Daneben lehrte auch Eduard Hubrich öffentliches Recht, und zwar als etatsmäßiger Ordinarius. Rechtlich waren beide Ordinariate gleichgestellt, aber das etatsmäßige war mit höheren Bezügen und besserer Ausstattung verbunden. Neuwiem war „persönlicher Ordinarius mit Extraordinarien Gehalt", wurde also nur wie ein Privatdozent bezahlt. 10 Hubrich dagegen war bereits seit dem Wintersemester 1908 Mitglied der Fakultät. Das Verhältnis zwischen ihm und den restlichen Fakultätsmitgliedern scheint eher gespannt gewesen zu sein, wohl wegen seines unkollegialen Verhaltens und seiner zahlreichen Beschwerden an das Ministerium in Berlin. 11 Am 6. März 1921 verstarb Hubrich an den Folgen eines Schlaganfalles. Es galt nun, das durch seinen Tod freigewordene Ordinariat wieder zu besetzten. Paul Merkel, Dekan der Fakultät, begann unverzüglich, von Kollegen Auskünfte über einen möglichen Nachfolger einzuholen, damit die Fakultät von ihrem Vorschlagsrecht zur Wiederbesetzung, das seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Preußen bei den 9 Anfragen im März und April 1997. - Interessant ist, daß die Akte erst Ende 1935 aus Bonn angefordert wurde, also zu einem Zeitpunkt, an dem Schmitt schon seit mehr als sieben Jahren nicht mehr in Bonn wirkte. Eine bloße Vermutung ist, daß dies mit den Angriffen gegen Schmitt Ende 1936 zusammenhängen könnte. 10

FakB, Sitzung vom 5. 11. 1921. Häufig ist auch von einer „I." bzw. „II. Professur" die Rede. Zu den Einteilungen der preußischen Dozentenschaft nach den Reformen von 1920 s. Guido Müller, Weltpolitische Bildung und akademische Reform. Carl Heinrich Beckers Wissenschafts- und Hochschulpolitik 1908-1930, Köln/Wien 1991, S. 311 ff. h JurFak. 313 („Hubrichsche Beschwerden! Bd. 1 1913-1921") und 311 („Fall - Hubrich 1920 Bd. 2"). Höhepunkt des Konfliktes war ein Streit um von Hubrich massenhaft betreute Promotionen und um ein Berufungsverfahren, der nach Ausfällen Hubrichs gegen die Fakultät vorerst in der Fakultätssitzung vom 3. Januar 1920 mit einer Rüge gegen Hubrich beigelegt wurde. Die übrigen Professoren sprachen im Beisein Hubrichs „ihre schärfste Entrüstung" über sein Verhalten aus (FakB, Sitzung vom 3. 01. 1920). An den folgenden zwölf Fakultätssitzungen von Januar 1920 bis März 1921 nahm Hubrich nicht mehr teil und fehlte entweder unentschuldigt oder gab an, verhindert zu sein.

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Matthias Miguel Braun und Volker Pesch

Fakultäten lag, Gebrauch machen konnte. Merkel dürfte gewußt haben, daß es nicht einfach sein würde, einerseits des Ortes wegen, andererseits wegen des spezifischen Profils der zu besetzenden Professur: Hubrich hatte nicht nur Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht gelehrt, sondern auch evangelisches Kirchenrecht, und dem kam als Lehrexport für die Greifswalder Theologische Fakultät besondere Bedeutung zu. Gesucht wurde also vorzugsweise ein Kandidat, der auch evangelisches Kirchenrecht lehren konnte. 12 Als erste meldeten sich Jacobi aus Leipzig und Neuwiem, der sich in Breslau aufhielt, zu Wort, beide bereits am 9. 3. 1921, dann der Greifswalder Strafrechtler Albert Coenders, später aber auch andere Fachvertreter wie Rudolf Smend und Heinrich Pohl f Gerhard Anschütz und Otto Mayer. Sie brachten verschiedene Namen möglicher Kandidaten ins Spiel. Einige wurden nur einmal genannt, wie Leo Wittmeyer, der von Anschütz 13 , oder Ottmar Bühler und Max Wenzel , die von Coenders erwähnt werden. Letztere sollten aber nur Beiwerk auf einer möglichen Berufungsliste sein. Coenders schrieb: „v. Köhler, Wenzel, Bühler (die beiden letzten kommen nicht)". 14 Andere Namen hingegen werden öfter genannt und waren wohl auch ernsthaft gemeint. So wurde Hans Nawiasky, außerordentlicher Professor in München, von Jacobi und Neuwiem jeweils an zweiter, von Anschütz an dritter Stelle vorgeschlagen.15 Ludwig Waldecker fand seine Fürsprecher in Anschütz, der ihn an erster Stelle nannte, und Smend, der ihn an zweiter Stelle vorschlug.16 Franz Jerusalem , ebenfalls außerordentlicher Professor in Jena, wurde von Jacobi an erster Stelle, von Neuwiem an dritter Stelle genannt. Ebenfalls einige Aussicht schien der Leipziger Rudolf Oeschey zu haben: Er wurde von Neuwiem an erster, von Jacobi an vierter und von Anschütz an sechster Stelle plaziert. Jacobi und Anschütz benannten darüber hinaus auch Hermann Heller, damals noch Privatdozent in Kiel, jeweils an fünfter Stelle 17 , Jacobi wies aber ausdrücklich darauf hin, daß Heller „Jude" sei. 18 Schließlich war auch Neuwiem, bisher nur Inhaber des persönlichen Ordinariats, selbst an der Stelle interessiert. Er hoffte dabei auf den „im allgemeinen befolgten Grundsatz, dass bei Freiwerden des etatsmässigen Ordinariats zunächst an den per12 Verweis Neuwiems auf ein nicht überliefertes Schreiben Merkels vom 7. 3. 1921 in einem Brief vom 30. 3. 1921 (JurFak. 386, Bl. 56). 13 JurFak. 386, Bl. 34-36 (Brief aus Heidelberg vom 11. 3. 1921). " JurFak. 386, Bl. 42 (Brief aus Bonn vom 19. 3. 1921). 15 JurFak. 386, Bl. 30/31 (Brief Jacobis vom 9. 3. 1921); JurFak. 386, Bl. 32/33 (Brief Neuwiems vom 9. 3. 1921). 16 JurFak. 386, Bl. 38/39 (Brief vom 16. 3. 1921). 17 Die Listen von Jacobi und Anschütz enthielten jeweils sechs Namen, während sich alle anderen mit dreien begnügten. 18 Ob dies wegen des auch zu vertretenden Kirchenrechts geschah (bei katholischen Bewerbern wurde die Konfessison ebenfalls erwähnt) oder mit Antisemitismus erklärt werden kann, bleibt der Spekulation überlassen. Jedenfalls wird Heller im laufenden Verfahren nicht mehr erwähnt.

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sönlichen Ordinarius gedacht wird, es sei denn, dass besondere Gründe gegen ihn vorliegen". 19 Diese Hoffnung war wohl auch durch einen Brief Merkels vom 7. März genährt worden, auf den Neuwiem sich hier bezog. Darin habe es geheißen, daß „völlige Einigkeit" darüber bestehe, Neuwiem an erster Stelle vorzuschlagen. 20 Coenders machte sich zwar für den Tübinger Honorarprofessor Ludwig von Köhler stark, der sonst in keiner der anderen Listen Erwähnung fand 21 , verband das aber mit dem Vorschlag, daß Neuwiem mit von Köhler „materiell gleichgestellt werden" 22 solle. Interessant ist, daß er sich in seinen Briefen auf Smend und Kaufmann bezog und seinen Vorschlag als Quintessenz der Gespräche mit den beiden in Bonn bezeichnete, gleichzeitig aber darauf verzichtete, das zu wiederholen, „was ich von ihm [Smend] weiß, bzw. mehr noch: was wir beide von E. Kaufmann gehört haben". 23 Offenbar befürchtete Coenders, daß eine längere Suche nach einem geeigneten Nachfolger die Stellung seines Wunschkandidaten verschlechtern würde, denn er drängte auf baldigen Abschluß der Berufungssache, bevor „wieder störende Gegenkräfte sich zu einer Übermacht steigern können". 24 Das Schreiben von Rudolf Smend ist auf den 16. März 1921 datiert. Smend empfahl nach „wiederholten Besprechungen mit Kaufmann und auswärtigen Erkundigungen" drei Kandidaten, vor den beiden Berlinern Ludwig Waldecker und Erhard Lassar den Münchener Privatdozenten „K. [sie!] Schmitt-Dorotic". 25 In dem Brief heißt es über Schmitt: „Seine drei Bücher über Individuum und Staat, Polit. Romantik und die Diktatur (1914. 1919. 1921) haben ihn in die erste Reihe der deutschen Staatstheoretiker gerückt. Als Straßburger sollte er versorgt werden. Er hat auch schon etwas zur Geschichte des [ein Wort unleserlich, evtl. Nihilismus] geschrieben, ist also höchstwahrscheinlich evangelisch. Danach fragen Sie vielleicht van Calker nach. Ich würde S. am liebsten auf dem von mir abgelehnten Berliner Ordinariat sehen. Sie tun da einen glänzenden Griff, auch in Ergänzung des Verwaltungsrechtlers Neuwiem." 26 In Berufungsverfahren war es übrigens noch nicht üblich, von den Kandidaten selbst Bewerbungsunterlagen einzufordern. Die

19 JurFak. 386, Bl. 55/56 (Brief Neuwiems aus Breslau an Merkel vom 30. 3. 1921). 20

Diesen Brief Merkels scheint es gegeben zu haben, obwohl er in den Akten nicht vorhanden ist. Dafür spricht jedenfalls die höfliche Dankesfloskel, mit der Neuwiem seinen Brief vom 9. 3. 1921 (JurFak. 386, Bl. 32/33) eröffnete: „Eure Spektabilität bitte ich für das mir im Namen der Hohen Fakultät erneut entgegengebrachte gütige Wohlwollen und große Vertrauen meinen ganz ergebensten Dank entgegennehmen zu wollen." 2

1 JurFak. 386, Bl. 39,40 und 42 (Briefe vom 14., 17. und 19. 3. 1921). JurFak. 386, Bl. 40. 23 JurFak. 386, Bl. 39. 24 Ebd. 25 JurFak. 386, Bl. 38/39 (Brief vom 16. 3. 1921). Schmitt wird hier noch bei seinem Doppelnamen genannt, den er nach der Hochzeit mit seiner ersten Frau Pawla Dorotic zeitweilig führte. 22

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6 JurFak. 386, Bl. 38, Unterstreichung im Original; gemeint ist Fritz van Calker, Strafrechtler und Straßburger Lehrer Schmitts.

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Matthias Miguel Braun und Volker Pesch

Fakultäten verließ sich ganz auf ihre Beurteilung von Publikationen beziehungsweise auf Empfehlungen renommierter Kollegen. Aber trotz Smends nachdrücklicher Empfehlung hatte in diesem Fall zunächst Coenders Insistieren auf von Köhler Erfolg. Auf der Fakultätssitzung vom 21. 3. 1921 wurde als Zwischenergebnis der Beratung über Hubrichs Nachfolge im Protokoll festgehalten, daß „Minister a.D. Köhler an 1. u. Neuwiem an 3. Stelle" für das etatsmäßige Ordinariat vorgeschlagen werden sollten, zusammen mit Bühler oder Wittmeyer auf Platz 2. Für den Fall, daß das Ministerium sich für ein Aufrücken Neuwiems auf diese Professur entscheiden sollte, wurden als Ersatz für das dann frei werdende persönliche Ordinariat „Schmitt-Dorotic an 1 und nach ihm Oeschey und Jerusalem" vorgeschlagen. Was den Ausschlag für diese Entscheidung gab und welche Argumente ihr zugrunde lagen, geht aus dem knappen Protokoll nicht hervor. 27 Wie dem auch gewesen sein mag: Dieses Zwischenergebnis gab im wesentlichen die Marschrichtung für das weitere Berufungsverfahren vor. Es gab jetzt eine erste Liste, auf der Schmitt nicht vertreten war, und eine Ersatzliste, auf der Schmitt an erster Stelle stand. Daran änderten auch weitere Briefwechsel nichts mehr. Interessant sind sie hier aber dennoch, da zum Teil noch einmal auf Schmitt eingegangen wird. Auf der einen Seite, aus dem Westen der Republik, versuchten Heinrich Pohl, der sich bisher zurückgehalten hatte, und erneut Coenders, die Position von Köhlers zu stärken. Pohl brachte, gewissermaßen als dessen Sprachrohr, vor, daß sein Tübinger Amtskollege einer Nachfolge Hubrichs nicht abgeneigt sei, daß aber die endgültige Entscheidung vor allem bedingt wäre „durch die Art der preussischerseits angebotenen Bedingungen sowie der befriedigenden Lösung der heute so wichtigen Wohnungsfrage". 28 Coenders, der sich bisher nur zu seinem Kandidaten geäußert hatte, schrieb an Merkel, nachdem er von den Ergebnissen der Fakultätssitzung erfahren hatte, und gab eine Stellungnahme zu den anderen Kandidaten ab, die mit von Köhler auf den Listen standen. Über Schmitt schrieb er, daß er ihn nicht vorschlagen würde, „da seine Produktion in weitem Maße auf unserem [Merkels und Coenders'] Gebiete Straf- u. Prozeßrecht sich bewegt". Zum Beleg zählte er frühe Schriften Schmitts auf, nämlich „Über Schuld und Schuldarten" und „Gesetz und Urteil". Und er bezweifelte, daß Schmitt die rechte Ergänzung zu Neuwiem sei. 29 Coenders erwähnt also lediglich die beiden ersten Monographien Schmitts von 27 FakB, Sitzung vom 21. 3. 21. Zwar war von Köhler (Jahrgang 1868) der älteste Kandidat, aber seine Vita - Karriere im württembergischen Innenministerium, stellvertretender Bundesratsbevollmächtigter in Berlin, im Krieg „Compagnie-Chef 4 und hoher Beamter der Militärverwaltung, in den Freiherrnstand erhoben, schließlich sogar württembergischer Innenminister - wird Eindruck auf die Greifswalder Fakultät gemacht haben (vgl. JurFak. 386, Bl. 64). 28 JurFak. 386, Bl. 48 (Brief Pohls vom 26. 3. 1921). Es folgt der Hinweis, daß von Köhler in Tübingen acht Zimmer zur Verfügung habe, in Greifswald aber nach den dortigen Bestimmungen nur sieben Zimmer beanspruchen könnte. 29 JurFak. 386, Bl. 47 u. 43 (Brief Coenders vom 25. 3. 1921).

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1910 und 1912, aber weder dessen Habilitationsschrift noch „Die Diktatur". Entweder er kannte diese Arbeiten nicht, oder wollte er wider besseres Wissen den Eindruck erzeugen, Schmitt sei eher Straf- als Staatsrechtler. Aus Breslau versuchte derweil Neuwiem, weitere Informationen über Oeschey und Nawiasky einzuholen. Zu diesem Zeitpunkt kannte er das vorläufige Ergebnis der Beratungen noch nicht und glaubte sich aufgrund des Schreibens vom Dekan noch an erster Stelle auf der Liste. 30 Erst nachdem er am Karfreitag durch Merkel erfahren hatte, daß er von seinem als sicher geglaubten ersten Platz auf den aussichtslosen dritten verdrängt worden war, äußerte er sich über die neuen Kandidaten und seine eigene Situation.31 Über von Köhler behauptete er, daß dieser „nur Verwaltungsrecht liest und zwar in der Hauptsache nur württembergisches Verwaltungsrecht", aber im preußischen Staats- und Verwaltungsrecht ebenso unbewandert sei wie im Völker- und Kirchenrecht. 32 Ebenso wies er darauf hin, daß beide Fürsprecher Köhlers, Coenders und Pohl, auf eine Quelle, nämlich Pohl zurückgingen. An Schmitt-Dorotic, der ihm wegen dessen „kleineren staatsphilosophischen Schriften" - Neuwiem nennt „Der Wert des Staates und die Bedeutung des Einzelnen" ebenso wie „Politische Romantik" - und des „gut geschichtlich fundierten Werkes" über die „Diktatur" ein Begriff gewesen sei, habe er nur deshalb nicht gedacht, weil er ursprünglich angenommen habe, daß ein Lehrer an der Handelshochschule nicht die geforderte Venia für Kirchenrecht besäße. Nachdem er von der akademischen Herkunft Schmitts erfahren habe, halte er es nicht mehr für ausgeschlossen, daß Schmitt auch die Venia für Kirchenrecht habe, es sei „vielleicht sogar anzunehmen, da er in seinen Schriften des öfteren auf kirchenrechtliche Dinge zu sprechen kommt". Unter der Voraussetzung, daß Smend sich besser über Schmitt als Jacobi über Oeschey geäußert habe, könne er einer Plazierung Schmitts als ersten Vorschlag auf der Liste für das persönliche Ordinariat zustimmen. Neuwiem schrieb also immer noch derart über die Besetzung des persönlichen Ordinariates, das er ja selbst noch innehatte, als sei es doch sicher, daß er auf das etatsmäßige aufrücken würde. Aber er konnte am Beschluß der Fakultät nichts mehr ändern, auch nicht durch seinen Hinweis auf entsprechende Ministerial-Erlasse, denzufolge er hätte gefragt werden müssen.33 Die erzürnte Antwort des Dekans, mit der der junge Kollege in die Schranken gewiesen wurde, ist als Abschrift sogar in die Berufungsakte eingegangen.34

30 JurFak. 386, Bl. 46 (Brief Neuwiems vom 20. 3. 21). 31 JurFak. 386, Bl. 49 (Telegramm Neuwiems vom 28. 3. 21 an Merkel); JurFak. 386, Bl. 55/56 (Brief vom 30. 3. 21).\ 32 JurFak. 386, Bl. 55. Von Köhlers Fachgebiete werden in Kürschners Gelehrtenkalender von 1926 (Sp. 975) mit „Verwaltungsrecht u. Arbeitsrecht" angegeben. 33 JurFak. 386, Bl. 65/66 (Brief Neuwiems vom 7. 4. 21). 34 JurFak. 386, Bl. 68 (Undatierte Abschrift eines Briefes von Merkel an Neuwiem).

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I I I . Das geregelte Verfahren Unterdessen hatte auch das preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung wegen der Nachfolge Hubrichs an den Universitäts-Kurator geschrieben, der wiederum die Fakultät veranlaßte, „für die Wiederbesetzung des erledigten Ordinariats Personal Vorschläge in der üblichen Anzahl einzureichen". 35 Dem kam die Fakultät bereits am 2. April 1921 nach und reichte ihre - nun offizielle Vorschlagsliste ein. An erster Stelle stand jetzt definitiv Ludwig von Köhler, mit dem „die Fakultät und damit der preußische Staat einen ungewöhnlich befähigten und kenntnisreichen Mann gewinnen" würde und „die Theologen zudem einen evangelischen Vertreter für das Kirchenrecht erhalten, die überwiegend evangelische Provinz Pommern einen diesem Bekenntnis angehörenden Berater in kirchenrechtlichen Angelegenheiten".36 Daß von Köhler sich bis dato nicht wirklich mit Kirchenrecht befaßt und als Verwaltungsfachmann noch nie Völkerrecht vertreten hatte, wurde nicht erwähnt. An zweiter Stelle wurde der Münsteraner außerordentliche Professor Bühler vorgeschlagen, über den sich die Fakultät schon in einem Berufungsverfahren im Februar 1920 positiv geäußert habe, der allerdings den Nachteil besäße, Katholik zu sein, so daß im Falle seiner Berufung das Kirchenrecht von zwei Katholiken Neuwiem war ebenfalls katholisch - vertreten werden würde. Allerdings sehe sich die Fakultät nicht in der Lage, einen evangelischen Kandidaten von gleichem wissenschaftlichen Rang vorzuschlagen und stellte fest, daß die Fakultät „auf die Konfession ihrer künftigen und jetzigen Mitglieder kein Gewicht" lege.37 Bühler war aber ohnehin kein ernsthafter Kandidat, sondern nur Beiwerk auf der Liste. Das belegt Neuwiems Aussage in dem bereits zitierten Schreiben an Merkel. Dort heißt es: „Da der an zweiter Stelle vorgeschlagene Herr Bühler nach Ihren [= Merkels] Worten gewissermassen nur als Dekoration auf die Liste gesetzt ist, brauche ich mich über ihn, über den ich sehr viel Gutes zu sagen hätte, nicht des Näheren zu äussern." 38 An dritter Stelle stand Neuwiem, „der sich trotz seiner Jugend bestens bewährt, sich den ihm übertragenen Aufgaben infolge seiner Fähigkeiten und seines Eifers durchaus gewachsen zeigt und uns [= den Fakultätsmitgliedern] in den wenigen Monaten seines Wirkens in der Fakultät ein lieber Amtsgenosse geworden ist". 3 9 Im Ministerium kam man obendrein zu dem Schluß, daß Bühler und Neuwiem sich wissenschaftlich zu stark deckten, „als daß man sie an einen Ort setzen könnte", so daß von Köhler unangefochten primo loco stand.40 35 JurFak. 386, Bl. 50 (Abschrift des ministeriellen Schreibens mit dem Aktenzeichen: U I Nr. 10734 durch den Kurator der Universität, datiert: 31.3. 1921). 36 JurFak. 386, Bl. 60/61 (Maschinendurchschrift vom 2. 4. 1921). 37 Ebd. 38 JurFak. 386, Bl. 55/56 (Brief Neuwiems vom 30. 3. 1921 an Merkel). 39 Jur. Fak. 386, Bl. 60/61 (Maschinendurchschrift vom 2. 4. 1921). 40 GStA, Bd. 8, Bl. 61 f. (Handschriftliche Bemerkung des Ministerialbeamten Wende auf der Berufungsliste).

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Von Köhler erhielt schließlich am 10. Mai 1921 erwartungsgemäß den Ruf nach Greifswald auf das seit Hubrichs Tod vakante etatsmäßige Ordinariat. Artig bedankte dieser sich für das Vertrauen der Fakultät, wies aber bei dieser Gelegenheit schon darauf hin, daß die finanziellen Bedingungen der Anstellung noch nicht geklärt seien.41 Sein Fürsprecher Pohl hatte, schon bevor der Ruf herausgegangen war, in einem seiner Briefe beiläufig erwähnt, daß es Pressemeldungen gebe, nach denen die „Regierungsparteien in Stuttgart Herrn Professor Dr. v. Köhler in Tübingen den Oberbürgermeisterposten in Stuttgart angeboten" hätten, von Köhler aber ein Ordinariat vorziehen würde, vorausgesetzt, es sei auch ordentlich ausgestatt e t 4 2 Sicherlich wollte er so erreichen, daß die Fakultät bzw. das Ministerium das Verfahren beschleunigen und die Konditionen der Stelle verbessern würden, schließlich konkurrierte nun ihr Angebot „Ordinariat" mit der Stuttgarter Offerte „Oberbürgermeister". Aber zuletzt siegte die Tübinger Universität: Ludwig von Köhler lehnte im Juni 1921 den Greifswalder Ruf ab, da das württembergische Ministerium ihm eine Verbesserung seiner Tübinger Stellung und „entsprechende Gestaltung der finanziellen Seite zugesichert" habe 4 3 Der Brief mit der Rufablehnung wurde in der Fakultät in Umlauf gegeben. Merkel fühlte sich von „Pohl u. Genossen" hintergangen, wie er auf dem Brief vermerkte. 44 Neuwiem schloß sich auf dem Brief der Bitte eines Kollegen um „baldige Fakultätssitzung"45 an. Seine eigene Position hatte sich plötzlich wieder erheblich verbessert. Den „Tübinger Drahtziehern" 46 hatte man gegenüber ihm, dem „lieben Amtsgenossen"47, den Vorzug gegeben, und dieses Unrecht wieder auszugleichen fühlte sich die Fakultät nun wohl verpflichtet. Auf ihrer Sitzung im Juli faßte sie den Beschluß, „in der Eingabe an das Ministerium zu betonen, daß für das etatsmäßige Ordinariat für die öffentlich-rechlichen Fächer allein Prof. Neuwiem in Betracht" komme 4 8 Am 19. Juli 1921 erreichte die Fakultät die Aufforderung des Ministeriums, neue Vorschläge einzureichen, da von Köhler den Ruf abgelehnt und Bühler mittlerweile einen Ruf nach Marburg erhalten habe 4 9 Neuwiem als verbliebener Dritter schien dem Ministerium für eine Berufung von der JurFak. 386, Bl. 70/71 (Brief von Köhlers vom 17. 5. 1921). 42 JurFak. 386, Bl. 57 (Brief Pohls vom 31. 3. 1921). 43 JurFak. 386, Bl. 72/73 (Brief von Köhlers vom 29. 6. 1921). Diese Verbesserung seiner Stelle wird wohl die Beförderung zum ordentlichen öffentlichen Universitäts-Professor im Jahre 1921 gewesen sein, von der in Kürschners Gelehrtenkalender von 1926, Sp. 975, die Rede ist. 44 JurFak. 386, Bl. 72/73 (Anmerkung Merkels in von Köhlers Schreiben). 45 Ebd., Unterstreichung im Original. 46 Ebd. 47 JurFak. 386, Bl. 61 (Erste offizielle Vorschlagsliste der Fakultät vom 2. 4. 1921). 48 FakB, Fakultätssitzung vom 11. 7. 1921. 49 JurFak. 386, Bl. 75 (Abschrift des Schreibens vom 11.7. 1921 mit dem Aktenzeichen U I Nr. 12034 durch den Kurator). Bühler nahm diesen Ruf allerdings nicht an, sondern ging 1922 nach Halle.

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ersten Liste nicht zu genügen. Gleichwohl wurde dieser auf der zweiten Vorschlagsliste dem Fakultätsbeschluß entsprechend „einstimmig" für das persönliche Ordinariat vorgeschlagen. 50 Um die Wahrscheinlichkeit seiner Berufung zu erhöhen, wurden keine weiteren Kandidaten für das etatsmäßige Ordinariat genannt. Für die Wiederbesetzung des so „durch das Aufrücken von Professor Dr Neuwiem in das etatsmässige Ordinariat freiwerdenden persönlichen Ordinariats für die öffentlichen Fächer" schlug die Fakultät „Carl Schmitt-Dorotic", Franz Jerusalem und Rudolf Oeschey vor, und zwar in dieser Reihenfolge. 51 Für Schmitt wurden zum einen seine straf- und vor allem staatsrechtlichen Schriften angeführt, nämlich „Gesetz und Urteil", „Der Wert des Staates und die Bedeutung des Einzelnen", „Politische Romantik" und sein gerade erschienenes Buch „Die Diktatur", welches beweise, daß er „sich auch mit Bestimmungen des positiven besonderen Staatsrechts in vollbefriedigender Weise auseinanderzusetzen" verstehe. Zum anderen wurde auf seine Lehrbefähigung hingewiesen, „die sich auch auf das Gebiet des Verwaltungsrechts, insbesondere des Arbeitsrechts" erstrecke, sowie auf seine Vorlesungen über Staatstheorien, die besonders den „zahlreichen Studenten der Volkswirtschaft zwecks Erweiterung der Allgemeinbildung von grossem Wert wären". Schmitt stelle so eine gute Ergänzung zu Neuwiem dar, der mehr das praktische Staats- und Verwaltungsrecht sowie das Kirchenrecht vertreten würde. 52 Schmitts besondere Fähigkeiten und seine vielfältigen Arbeitsgebiete wurden hier also deutlich benannt, deutlicher vielleicht als sie zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon sichtbar waren - aber um ihn auf die II. Professur, das kleinere, persönliche Ordinariat zu berufen, das Neuwiem zugunsten der besser ausgestatteten und vergüteten Stelle räumen würde. Für diese I. Professur war Schmitt zwar von Rudolf Smend vorgeschlagen worden, aber von keinem Mitglied der Greifswalder Fakultät oder gar von der ganzen Fakultät. Es war zu keinem Zeitpunkt vorgesehen, Carl Schmitt auf das ordentliche, etatsmäßige Greifswalder Ordinariat zu berufen.

IV. Die Entscheidung Am 16. September 1921 konnte der Kurator der Universität mitteilen, daß das Ministerium in der Berufungssache zu einer Entscheidung gekommen sei. Neuwiem wurde nicht berücksichtigt und blieb auf seiner kleineren Professur sitzen. Auf das „durch das Ableben des Professors Hubrich erledigte planmäßige Ordinariat" wurde Carl Schmitt berufen, verbunden mit der Verpflichtung, ab dem Wintersemester 1921/22 „das Staats-, Verwaltungs-, Kirchen- und Völkerrecht in Vorlesungen und Übungen zu vertreten". Zudem wurde er, wie alle ordentlichen Professoren, zum Direktor des Juristischen Seminars bestellt.53 50 JurFak. 386, Bl. 77/78 (Durchschlag der Vorschlagsliste vom 14. 7. 1921). 51 JurFak. 386, Bl. 77. 52 Ebd.

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Die Fakultät war zumindest überrascht. Am 7. 10. 1921 wurde in der Fakultätssitzung die „Tatsache der Übergehung von Prof. Neuwiem bei der Wiederbesetzung des Hubrichschen Ordinariats" besprochen und ein Gesprächstermin beim „Professualreferenten im Ministerium" anberaumt. 54 Ob solch ein Termin stattgefunden und welches Ergebnis das Gespräch ergeben hat, läßt sich leider nicht rekonstruieren, ebensowenig wie die Beweggründe der Ministerialen. Es fehlen dazu jegliche Belege. Auch die ministerielle Gegenakte enthält keine Gutachten, Vermerke oder andere Hinweise. Auf der zweiten Vorschlagsliste sind lediglich die Namen derer vermerkt, die im Ministerium mit dem Vorgang befaßt waren: „Staatssekretär Becker" und die Ministerialbeamten Wende und Richter (Abteilung U I). 5 5 Hinter „Staatssekretär Becker" verbirgt sich wohl der in Heidelberg habilitierte Orientalist und zweimalige preußische Kultusminister Carl Heinrich Becker. 56 Schmitt nahm den Ruf an. Am 30. August 1921 unterzeichnete er in Berlin eine Vereinbarung mit dem Ministerium, worin sein Gehalt auf 13.500 Μ festgelegt wurde, er allerdings noch eine besondere Besoldungszulage von 600 Μ erhielt, da er in München als hauptamtlicher Dozent in der Gehaltsgruppe 12 gestanden und somit mehr verdient hatte als ein preußischer Ordinarius. 57 Am 9. September erfolgte die Ernennung zum ordentlichen Professor für Öffentliches Recht. 58 Aber Schmitt ließ jeden Enthusiasmus, den man ob der beruflichen Verbesserung ja durchaus hätte erwarten können, vermissen: Er war zum 1. Oktober berufen worden, aber Merkel mußte ihn noch am 21. Oktober schriftlich auffordern, „baldigst" seine Vorlesungsankündigungen einzureichen, da „die Vorlesungen nach §§ 112, 113 der Universitätsstatuten am 15/10 von jedem Dozenten am schwarzen Brett anzuzeigen sind". 59 Das Semester hatte bereits begonnen, der Vorlesungsbeginn stand kurz bevor - aber Carl Schmitt war offensichtlich noch nicht in Greifswald angekommen. Daß er sich mit dem Ort nicht hat anfreunden können, belegt auch der Briefwechsel aus dieser Zeit. So schrieb Franz Blei seinem Freund, er 53 JurFak. 386, Bl. 80 (Mitteilung des Kurators vom 16. 9. 1921). Noack, a. a. O. (Fn. 2), S. 55, spricht dagegen von einem Ordinariat „für öffentliches Recht und Regierungslehre", Bendersky, a. a. O. (Fn. 3), S. 43, nur vom „appointment as a full professor of public law". 54 FakB, Sitzung vom 7. 10. 1921. In den Akten des Ministeriums ist nichts darüber enthalten. 55 GStA, Bd. 8, Bl. 64 und 65. 56 Merkwürdigerweise wird Becker hier als „Staatssekretär" bezeichnet, obwohl er von April bis November 1921 Kultusminister im bürgerlichen Minderheitskabinett Stegerwald war, vgl. Müller, a. a. O. (Fn. 10), S. 224 ff. Daß es eine persönliche Verbindung zwischen Schmitt und Becker gegeben habe, etwa über München und Max Weber, ließ sich bisher nicht belegen. Gekannt haben sie sich zweifellos, aber darin den Grund für die Berufung zu sehen, wäre reine Spekulation. 57 GStA, Bd. 8, Bl. 66. Daneben wurde pauschal ein Umzugsgeld von 6000 Μ bewilligt. 58 Ebd., Bl. 68 und 69. 59 JurFak. 386, Bl. 81. Das ist das letzte Blatt der Akte.

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solle nicht verzagen, schließlich wohne er doch „mit symbolischer Bedeutung in der Bahnhofsstraße". Und Ernst Robert Curtius spendete Trost aus „dem Greifswald an der Lahn" (Marburg): Er, Schmitt, werde schon nicht in Greifswald begraben werden, und außerdem gehöre zur „deutschen Ethik" der Satz: „man soll es schlecht haben." 60 Carl Schmitt machte in Greifs wald tatsächlich nur Zwischenstation: Kaum angekommen, bemühte er sich um eine Professur an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin, allerdings erfolglos. 61 Aber nach einem Semester - das ist selbst für heutige Verhältnisse schnell - verließ er Pommern und folgte einem Ruf nach Bonn, hier wiederum unterstützt von Smend und Kaufmann. 62 Immerhin hat er im kalten Greifswalder Winter sein heute berühmtes Buch Politische Theologie geschrieben, möglicherweise auch Römischer Katholizismus und politische Form. 63

60 Zit.n. Noack, a. a. O. (Fn. 2), S. 55. 61 Dazu Koenen, a. a. O. (Fn. 4), S. 90 und 98 f., Anm. 68; auch Bendersky, a. a. O. (Fn. 3), S. 130. 62 Das hinderte Schmitt nicht daran, mit vagen Vorwürfen und antisemitischen Floskeln maßgeblich zur Amtsenthebung des jüdischen Kollegen im März 1935 beizutragen. Unklar bleibt allerdings, wieso er die in den beiden ersten Ausgaben von Politische Theologie enthaltenen polemischen Passagen über Kaufmann in der dritten Ausgabe von 1934 kommentarlos gestrichen hat; dazu kurz: Volker Pesch, Jenseits politischer Wirklichkeiten. Zur Kritik von Carl Schmitts politischer Theologie, a. a. O. (Fn. des Hrsg.), S. 335. 63 Schmitts Behauptung in der Vorbemerkung zur ersten eigenständigen Ausgabe von Politische Theologie, er habe beide Schriften im März 1922 verfaßt, ist schon deswegen nicht sehr glaubwürdig, weil die erste Fassung (in der Erinnerungsgabe für Max Weber) schon im März erschienen ist.

D. Dokumente CARL SCHMITT

Zwei ungewöhnliche Initiativen (1931-1946) I . Ein Protestschreiben an die Allgemeine Beamten-Correspondenz Zweifellos war C.S. ein äußerst empfindlicher Gelehrter. Bereits in früheren Publikationen konnte ich auf einen gewissen Hang zur Gereiztheit an Hand einiger Beispiele hinweisen1. Nicht von ungefähr zitierte er in Gesprächen, u. a. auch mit mir, und in Briefen 2, oft und gerne den Ausspruch Goethes: „Die lieben Deutschen kenn' ich schon; erst schweigen sie, dann mäkeln sie, dann beseitigen sie." Der nachstehende Brief belegt abermals, wie großen Wert C.S. auf seine wissenschaftliche Integrität legte. Zum besseren Verständnis des Grundes der Beschwerde drucke ich den inkrimierten Aufsatz als Anlage ab3. Vollständigkeitshalber sei noch gesagt, daß C.S. bestimmten Kollegen, u. a. Walter Jellinek (18851955)4, eine Kopie seines Briefes zugeleitet hat. Es sei daran erinnert, daß das Thema der Kontroverse damals sowohl aktuell als brisant war. Beispielsweise stand die im Oktober ι (PT) Vgl. Schmittiana I, S. 54; Schmittiana II, S. 122 (Fall Mannheim) und 123-124 (Fall Marr). Auch P.T., Over en in zake Carl Schmitt, Brüssel: EHSAL, 1975, 171 S., Nr. 21 - 2 2 - 2 3 in der Reihe »Ecléctica4 (dort S. 111-112: „Text der an Ludwig Kaas gerichteten Antwort Carl Schmitts"). 2 (PT) Vgl. Schmittiana VI, S. 109. Außerdem Armin Möhler (geb. 1920), Carl Schmitt Briefwechsel mit einem seiner Schüler, Berlin: Akademie Verlag, 1995, 475 S.; dort S. 250 (Brief Nr. 206 vom 6. Juli 1958), 301 (Brief Nr. 255 vom 15. Februar 1961) und 421 (Brief Nr. 382 vom 18. November 1977). 3 (PT) Die Kontroverse wird berücksichtigt von Andreas Koenen (geb. 1963), Der Fall Carl Schmitt. Sein Aufstieg zum ,Kronjuristen des Dritten Reiches4, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1995, 979 S.; dort S. 144-146. 4 (PT) Erwähnenswert ist die Tatsache, daß C.S., auf der Suche nach einem geeigneten Assistenten, sich an Jellinek (vgl. Schmittiana IV, S. 169 FN 59) gewandt hat, mit der Bitte Kandidaten vorzuschlagen. Jellinek ist dieser Bitte nachgekommen (Brief vom 26. März 1932) und hat u. a. den späteren Staatsrechtler Martin Draht (1902-1976) vorgeschlagen, der sich 1946 in Jena mit einer Arbeit über C.S. habilitiert hat: „Carl Schmitts Freund -FeindTheorie. Eine Staatstheorie des neuen deutschen Imperialismus" (288 maschinenschriftliche Seiten). Otto Koellreutter (1883-1972; vgl. Schmittiana IV, S. 175 FN 87) hat in der Wochenzeitung „Der Fortschritt" (Nr. 11, 14. März 1952, S. 3: „Gralshüter der Demokratie44) zunächst behauptet, Draht habe sich nicht ordnungsgemäß habilitiert, diesen Vorwurf dann aber zurückgenommen („Der Fortschritt 44, Nr. 18, 2. Mai 1952, S. 3).

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1931 in Halle abgehaltene Tagung der Deutschen Staatsrechtslehrer teilweise im Zeichen des Beamtenrechts5. Eine Abschrift des Briefes erhielt ich von der Universitätsbibliothek Bonn, eine Ablichtung des Aufsatzes von der Staatsbibliothek zu Berlin/Preußischer Kulturbesitz (Sign.: 1 Tb 1697/17). Weil der damalige Nachlaßverwalter Professor H.J. Kaiser der Veröffentlichung dieser kleinen Dokumentation zugestimmt hat, bedauere ich, daß er sie nicht mehr gedruckt zu Gesicht bekommt. P.T.

Prof. Dr. Carl Schmitt

Berlin NW, den 11. Nov. 1931 Flotowstr. 5

Sehr geehrter Herr! Sie haben in Ihrer Nr. 256 vom 5. 11. 1931 einen Bericht veröffentlicht, in welchem Sie versuchen, mein wissenschaftliches Ansehen herabzusetzen. Ich kenne die Motive nicht, die Sie dazu treiben. Sollte es aber das sachliche Interesse des deutschen Berufsbeamtentums sein, das Sie bewegt, so möchte ich Ihnen sagen, daß Ihr Kampf gegen die Lehre von der institutionellen Garantie weder wissenschaftlich noch beamtenpolitisch klug ist. Man kann meine Ablehnung der ziffernmäßigen Garantie bekämpfen; aber daß man glauben kann, für diese ziffernmäßige Garantie sei etwas gewonnen, wenn man die Lehre von der institutionellen Garantie und darüber hinaus noch alle wissenschaftlichen Äußerungen ihres Urhebers, schließlich sogar noch die Hochschule, an der er tätig ist, zu disqualifizieren sucht, läßt sich aus sachlichen Gründen nicht mehr begreifen. Auf dem letzten Staatsrechtslehrertag in Halle, Ende Oktober d.J., hat der Referent, Prof. Gerber-Tübingen6, wie Sie aus Zeitungsberichten hätten entnehmen können, die institutionelle Garantie stark betont; er hat sogar gefordert, daß sie ausdrücklich in den organisatorischen Teil der Reichsverfassung aufgenommen werde. Hervorragende Kollegen, die als Vorkämpfer des deutschen Berufsbeamtentums bekannt sind, wie Prof. G/^-Frankfurt 7 , vertreten neben der Lehre von der ziffernmäßigen Garantie die 5 (PT) Entwicklung und Reform des Beamtenrechts / Die Reform des Wahlrechts. Verhandlungen der Tagung der Deutschen Staatsrechtslehrer zu Halle am 28. und 29. Oktober 1931, Berlin/Leipzig: Walter de Gruyter, 1932, 212 S., Nr. 7 in der Reihe Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer'; dort S. 2 - 5 4 (H. Gerber [FN 6]: „Entwicklung und Reform des Beamtenrechts"). Auch Michael Stolleis (geb. 1941), Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Bd III: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur 1914-1945, München: Beck, 1999,439 S.; dort S. 195198. Ich bin Herrn G. Maschke (geb. 1943), der mich auf diese Publikationen aufmerksam gemacht hat, sehr erkenntlich für diese Hilfeleistung. 6 (PT) Über Hans Gerber (1889-1981), vgl. u. a. den Nachruf von Martin Bullinger in: Archiv des öffentlichen Rechts (Tübingen), Bd 106, 1981, S. 651 -654. - Vgl. FN 5. 7 (PT) Über Friedrich Giese (1882-1958), vgl. den Aufsatz von M. Stolleis [FN 5] in Bernhard Diestelkamp und M. Stolleis (Hrsg.), Juristen an der Universität Frankfurt am Main, Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 1989, 325 S.; dort S. 117-127.

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Lehre von der institutionellen Garantie. Ich weiß, daß Viele sie, sei es mit, sei es ohne ziffernmäßige Garantie, für eine unentbehrliche Verteidigungslinie des deutschen Berufsbeamtentums und für den einzigen Schutz gegen einen Mißbrauch des besoldungsgesetzlichen Änderungsvorbehalts halten. Ich habe sie aus wissenschaftlichen Gründen 1927 aufgestellt 8 und verstehe nicht, welches sachliche Interesse das deutsche Berufsbeamtentum daran haben könnte, in der heutigen Lage eine Alternative zu proklamieren, die lautet: nicht Institution, sondern Geld! Da ich nicht die Ehre habe, Sie persönlich zu kennen, weiß ich also nicht, welche Gründe Sie zu Ihrem Vorgehen veranlassen. Ich kenne auch nicht Ihre Informations- und Motivationsquellen. Wenn Sie sich Ihre Informationen über mich und meine Lehre aus meinen Veröffentlichungen, insbesondere dem Aufsatz der Deutschen Juristen-Zeitung vom 15. Juli 19319 und der kürzlich bei Reimar Hobbing erschienenen Abhandlung „Freiheitsrechte und institutionelle Garantien" 10 verschafften, würden Sie es wohl nicht wagen, über einen Rechtsgelehrten so zu sprechen, wie Sie es tun. Wenn Sie dagegen andere private Informations- und Motivationsquellen haben, so kann ich nur sagen, daß es einer deutschen Beamtenorganisation nicht würdig ist, sich zum Werkzeug irgend eines privaten, gegen meine Person gerichteten Kampfes zu machen. Mit vorzüglicher Hochachtung

(s) Anlage Quelle: Allgemeine Beamten-Correspondenz. Unabhängiger Nachrichtendienst für Beamtenpolitik (Berlin), 7. Jahrg. Nr. 256, 5. November 1931, S. 1 - 3 [1]

Prof Schmitt sucht sich zu rechtfertigen Er spricht auf der „Deutschen Welle" über „Verfassungsstaat und Staatsnotstand"

abc. Gegenüber den mancherlei Angriffen, die sich Prof. Carl Schmitt von der Berliner Handelshochschule als Verfechter der Lehre von den „institutionellen Garantie" wegen der katastrophalen Folgen dieser Theorie in letzter Zeit aus Beam8

(PT) Über diese Aussage fehlen mir konkrete Hinweise. (PT) C.S., „Wohlerworbene Beamtenrechte und Gehaltskürzungen", in: Deutsche Juristen-Zeitung, 36. Jahrg. Nr. 14, 15. Juli 1931, Sp. 917-921; übernommen (mit einer Nachbemerkung) S. 174-180 im Sammelband: Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924-1954. Materialien zu einer Verfassungslehre, Berlin: Duncker & Humblot, (1958) 1985, 517 S. μ (PT) C.S., „Freiheitsrechte und institutionelle Garantien", in: Rechtswissenschaftliche Beiträge zum 25jährigen Bestehen der Handels-Hochschule Berlin, Berlin: Reimar Hobbing, 1931, 140 S. Der Beitrag wurde auch als Sonderdruck (31 S.) verbreitet und nachgedruckt in: op. cit. [FN 91, S. 140-173. 9

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ten- und Fachkreisen hat gefallen lassen müssen, versucht er am 4. November auf der Deutschen Welle eine Art Rechtfertigung, indem er über das Thema „Verfassungsstaat und Staatsnotstand" referierte. Man wird sagen dürfen, daß dieser Vortrag, der im Rahmen einer Vortragsreihe „Der heutige Staat und die Beamten" gehalten wurde, eine erhebliche Enttäuschung war; wenn sich selbstverständlich ein Rundfunkredner auf populärem Niveau bewegen muß, so darf doch ein Rechtslehrer, der auf wissenschaftlichen Ruf Wert legt und dessen Persönlichkeit - sicherlich nicht mit seiner Absicht - in den Mittelpunkt der beamtenpolitischen Diskussion gerückt ist, nicht in dem Grade jede wissenschaftliche Vertiefung seiner Darstellung vermissen lassen, wie dies bei Prof. Schmitt gestern in manchmal geradezu peinlicher Weise zu beobachten war. Redensarten ersetzen eben keine Argumente, selbst wenn sie aus dem Munde eines Wissenschaftlers kommen; man hatte manchmal den unangenehmen Eindruck, daß die Luft an der Berliner Hochschule einer wahren wissenschaftlichen Betrachtungsweise eben doch nicht recht zuträglich ist. Wie die Reichsregierung auf so mangelhaft fundiert Konstruktionen hin ihre Beamtenpolitik aufbauen kann, blieb zudem ein völliges Rätsel... Prof. Schmitt ging in seinen Ausführungen von der Frage aus, welches Recht eine außerordentliche Notlage einer Regierung gebe: dabei ließ er die Frage, wer über das Bestehen einer außerordentlichen Notlage zu entscheiden habe, offen. Nach Schmitt sind für den vorliegenden Fall zwei Fragen scharf zu trennen; die nämlich, ob die Reichsregierung mit der ungeheueren Zahl von Notverordnungen im Rahmen des Art. 48 1 1 bleibe, und ob eine zwingende Notlage dazu ermächtige, auch über die Grenzen der Verfassung hinauszugehen und alles zu tun, was ihr eben notwendig erscheine. In der letzteren Frage sei das Problem des Staatsnotzustandes oder des staatlichen Notrechts enthalten; die Ansichten der Rechtsgelehrten stünden sich hier scharf gegenüber. Natürlich dürfe man nicht die Frage formaljuristisch einfach damit abzutun suchen, daß ein solches Staatsnotrecht das Recht einer Regierung auf Illegalität

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(PT) Bekanntlich bezog der Art. 48 der Reichsverfassung sich auf Notstandssituationen. Vgl. u. a. den Artikel von Hans Boldt (geb. 1930), „Der Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung", S. 288 - 309 in Michael Stürmer (geb. 1998) (Hrsg.), Die Weimarer Republik. Belagerte Civitas, Königstein/Ts.: Athenäum Verlag, (1980) 1985, 411 S., Nr. 7254 in der Reihe .Athenäum Taschenbücher4. - Die Diskussion des Artikels wurde auch in den U.S.A. mit großem Interesse verfolgt; ich zitiere nur die detaillierte Analyse von Lindsay Rogers, Sanford Schwarz und Nicholas S. Kaltchas, „German Political Institutions. II. Article 48", in: Political Science Quarterly (New York), 47. Jahrg. Nr. 4, Dezember 1932, S. 576-601. Den Autoren wurde von Carl Friedrich (in diesem Band, S. 362 - 366) vorgeworfen, die wichtigsten Punkte seines 1930 erschienenen Artikels „Dictatorship in Germany?" nicht berücksichtigt zu haben: „The Development of the Executive Power in Germany", in: The American Political Science Review (New York), 31. Jahrg. Nr. 2, April 1933, S. 185-203 (dort S. 196-197 FN 28). Nebenbei sei darauf hingewiesen, daß Friedrich in dieser FN schreibt, daß eine Übersetzung von C.S.s Diktatur-Buch „will be published soon in a translation by Frederick] Mjundell] Watkins [geb. 1910]"; der Plan ist wohl nie realisiert worden. - Vgl. S. 375 FN 8.

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[2] in sich schlöße; keine Verfassung könne alle Eventualitäten voraussehen, und deswegen sei dem Staat ein Notrecht für außergewöhnliche Fälle zuzugestehen. Wenn man sich demgegenüber auf den Standpunkt stelle, es solle lieber nichts, als etwas Verfassungswidriges geschehen, so sei solche Ansicht verständlich, stelle aber deshalb noch kein höheres Rechtsprinzip dar; die Inanspruchnahme eines Staatsnotrechts durch eine Regierung sei eine Frage des Vertrauens, das der jeweiligen Regierung entgegengebracht wird. Selbstverständlich dürfe das Staatsnotrecht nur für den äußersten Fall gebraucht werden, wobei Prof. Schmitt offenbar die Bedenken nicht sah, die sich daraus ergeben, daß über das Vorliegen eines „äußersten Falles" diejenigen urteilen, die das Staatsnotrecht zur Anwendung bringen. Freilich hält auch Schmitt eine nachträgliche Legalisierung von Handlungen, die über den Rahmen der Verfassung hinausgehen, für wünschenswert; er verwies hierfür auf den in England üblichen Weg einer nachträglichen Indemnitätserteilung durch das Parlament, freilich ohne zu erwähnen, daß England als vorbildlicher demokratischer Staat einen Staatsnotstand - der in Wirklichkeit zumeist ein Regierungsnotstand ist - zunächst durch Neuwahlen zu beheben sucht. Überhaupt bekam der deutsche Reichstag von Schmitt keine gute Note; dieser machte sich - gewiß nicht wissenschaftlich einwandfrei - das Schlagwort vom „Versagen des Parlaments" zu eigen und bezweifelte deshalb die Geeignetheit des Reichstags, als letzte Instanz Indemnitätserteilung vorzunehmen. Prof. Schmitt betonte sodann, daß die Reichsregierung auf dem Standpunkt stünde, bisher vom Staatsnotrecht keinen Gebrauch gemacht sondern sich streng an die Befugnisse des Art. 48 R.V. gehalten habe; er vertrat die Meinung, daß dieser Standpunkt berechtigt sei, da es heute anerkanntes Recht wäre, daß Art. 48 R.V. auch wirtschaftliche und finanzielle Anordnungen ermögliche. Schmitt berührte in diesem Zusammenhang den Vorbehalt der „wohlerworbenen Rechte", durch den die Reichsregierung diese umstrittene Frage offengelassen und der Entscheidung der ordentlichen Gerichte überlassen habe. Auf seine Deutung dieses Begriffs ging der Vortragende dabei nicht ein, meinte aber, daß die Gerichte bei einer Prüfung der Frage eine eklatante Verfassungsverletzung bei den Maßnahmen der Reichsregierung nicht leicht würden feststellen können. Die merkwürdige Tatsache, daß eine Regierung die Rechtmäßigkeit ihrer Anordnungen offen läßt und den Betroffenen die Beweislast für ihre Unrechtmäßigkeit auferlegt, wurde dabei von Schmitt nicht berührt. Selbst er aber mußte zugeben, daß in den Länderverordnungen Bestimmungen enthalten seien, deren Verfassungsmäßigkeit zweifelhaft wäre; er bezeichnete es als Sache des Reichs, den Ländern gegenüber eine entsprechende Kontrolle auszuüben. Gewisse Bedenken konnte der Vortragende allerdings auch den Reichsnotverordnungen gegenüber nicht unterdrücken. Als Instanzen zur Kontrollierung des Staatsnotrechts bezeichnete Prof. Schmitt schließlich den Reichspräsidenten, den Reichstag, den Staatsgerichtshof und die ordentlichen Gerichte; Schwerpunkt sei dabei der Reichstag, der Indemnität erteilt habe, wenn er Außerkraftsetzung einer Notverordnung nicht verlange, und der andererseits Anklage wegen Verfassungsverletzung beim Staatsgerichtshof erheben könne. Soweit or14*

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dentliche Gerichte zu Verfassungsfragen Stellung zu nehmen unternähmen, hätten natürlich auch [3] sie das Recht der Kontrolle. Prof. Schmitt schloß mit dem - recht durchsichtigen - Hinweis, daß das sicherste Mittel zur Ruinierung der Verfassung wäre, wenn sich die Interessenten als ihre Hüter aufspielten; wir glauben das böse Wort von den „irregeleiteten Interessenverbänden" bei ähnlicher Gelegenheit schon gehört zu haben. Für jede Regierung spricht eben nach Schmitt zunächst die Vermutung der Legalität, solange eine staatliche Ordnung überhaupt bestünde. Wie man sieht, ist die Beamtenschaft in diesem Vortrage, der in der „Stunde des Beamten" gehalten wurde, nur recht spärlich berücksichtigt; gleichwohl ist das Bestreben Prof. Schmitts, die beamtenpolitischen Handlungen der Reichsregierung mit einem von ihm behaupteten „Staatsnotrecht" zu begründen, bei seinen Ausführungen überall ersichtlich. Prof. Schmitt wirft sich also auch hier wieder zum Verteidiger der Regierung auf, wie er es in der Frage der „institutionellen Garantie" zum Schaden der Beamtenschaft bereits getan hat. Die Beamtenschaft wird, wohlgemerkt nicht als Interessengruppe, sondern aus rechtlichen Erwägungen, seine Darlegungen nicht widerspruchslos hinnehmen können. Sie enthalten einmal, wie schon Schmitts Umdeutung des Begriffs der „wohlerworbenen Rechte" eine Umwertung aller Rechtswerte; sie würden andererseits den Eid illusorisch machen, den die Beamtenschaft verfassungsmäßig auf die Verfassung leisten muß. Wir halten daher Schmitts Apologie der Regierungshandlungen und die damit verbundene Entschuldigung seines eigenen beamtenrechtlichen Standpunktes für mißlungen; die Beamtenschaft wird sich durch eine Rechtsauslegung dieser Art nicht davon abhalten lassen, ihr wahres Recht bei den ordentlichen Geriehen zu suchen, wo es hoffentlich in besserer Hut ist als an der Berliner Handelshochschule.

I I . Entwurf eines ,Berichtes* an P. Erich Przywara Als C.S. in einem Briefband das Schreiben las, das Hugo Ball (1886-1927; vgl. Schmittiana IV, S. 75) an ihn gerichtet, jedoch nicht abgeschickt hatte1, bedauerte er das Faktum u. a. mir gegenüber - schon allein aus dem Grunde, weil er gerne reagiert hätte2. Aber auch C.S. hat selber Briefe formuliert und sie schließlich nicht auf die Post gebracht! Als Beispiel ι (PT) Hugo Ball, Briefe 1911 -1927 (hrsg. von Annemarie Schütt-Hennings [19061987]), Einsiedeln/Zürich/Köln: Benziger Verlag, 1957, 315 S.; dort S. 202-203 - übernommen in Bernd Wacker (geb. 1951), „Die Zweideutigkeit der katholischen Verschärfung Carl Schmitt und Hugo Ball", S. 123- 145 in B. Wacker (Hrsg.), Die eigentlich katholische Verschärfung ... Konfession, Theologie und Politik im Werk Carl Schmitts, München: Fink, 1994, 324 S.; dort S. 128- 129 (vgl. dazu S. 130: „Die erstmalige Veröffentlichung des zitierten Briefes durch Balls Stieftochter Annemarie Schütt-Hennings mehr als 30 Jahre später versetzte Schmitt noch einmal in große Erregung."). 2 (PT) Im besagten Brief beklagte sich Ball bei C.S. über die von Waldemar Nahumowitsch Gurian (1902- 1954) abgefaßte Besprechung seines Buches „Die Folgen der Reformation" (München/Leipzig: Duncker & Humblot, 1924, 330 S.), erschienen in der „Kölni-

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möge das nachstehende Dokument (kein Brief im eigentlichen Sinne des Wortes) dienen, zumal der Grund, oder vielleicht mehrere Gründe der Entscheidung, es nicht bei einem Brief zu belassen, uns Rätsel aufgeben, denn C.S. hat davon Kopien angefertigt und Bekannten (u. a. mir) zugeleitet, so daß es nicht Wunder nimmt, daß dieser Entwurf eines Berichtes in der Literatur gelegentlich Erwähnung findet 3. Der Adressat des Dokuments, der Jesuitenpater Erich Przywara (1889- 1969; vgl. Schmittiana III, S. 83 FN 25), war übrigens mit C.S. befreundet. Zwar wissen wir nicht mit Sicherheit, wann und wo die beiden sich zum ersten mal begegnet sind (vielleicht 1928 in Davos, wie ich an anderer Stelle gemutmaßt habe4), aber Pater Przywara hat schon in der Zeit zwischen den Kriegen über Bücher von C.S. berichtet 5 und nach 1945 für ihn Partei ergriffen 6, während C.S. für die Przywara-Festschrift einen Beitrag zur Verfügung gestellt hat7.

sehen Volkszeitung" und nachgedruckt in der „ A u g s b u r g e r Postzeitung", Nr. 5 vom 30. Januar 1925, S. 1 - 2 . Er ließ durchschimmern, daß C.S. diese Besprechung angeregt haben könnte, da „sie Fakten und Meinungen enthält, die auf Ihre Gespräche mit mir in Lugano zurückgehen". Der in diesem Satz enthaltene Verdacht hat C.S. in Gesprächen immer wieder von sich gewiesen. - Die zuständigen Forscher gehen in dieser Angelegenheit vorsichtig vor; vgl. B. Wacker, art. cit. [FN 1], S. 131: „ . . . damit auch, selbst wenn er auf Inhalte und Plazierung der Besprechung der Folgen der Reformation durch seinen Schüler Gurian keinen direkten Einfluß genommen haben sollte, bestätigt, wie sehr dieser ihm aus der Seele gesprochen hatte." In diesem Zusammenhang sind drei Fakten zu beachten: (a) es ist behauptet worden, C.S. habe auch einen von Gurian gegen den Romanisten Ernst Robert Curtius (1886 -1956) gerichteten Zeitungsartikel eingefädelt (vgl. S. 45-46 FN 93 in Heinz Härten [geb. 1928], Waldemar Gurian. Ein Zeuge der Krise unserer Welt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag, 1972, XXV-182 S., Nr. 1 in der Reihe Β der ,Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte'); (b) Raymond Aron (1905- 1983; vgl. in diesem Band, S. 111 - 129 hat eine ähnliche peinliche Erfahrung mit Gurian gemacht (Mémoires, Paris: Julliard, 1983, 778 S.; dort S. 266-268); (c) nur im übertragenen Sinne des Wortes kann Gurian als Schüler C.S.s betrachtet werden, denn sein Doktorvater war der Philosoph Max Scheler (1874-1928) (über die 63seitige Dissertation, vgl. H. Hürten, op. cit. [diese FN], S. 9: „Diese Schrift ist als Dissertation einer deutschen Universität wahrhaft erstaunlich.") 3 (PT) Vgl. ζ. B. Raphael Gross (geb. 1966), Carl Schmitt und die Juden. Eine deutsche Rechtslehre, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2000, 442 S. (vgl. in diesem Band, S. 412); dort S. 229-230.-Vgl. FN 11. 4 (PT) Anläßlich der ersten Davoser Hochschulkurse; vgl. P. Tommissen, In Sachen Carl Schmitt, Wien/Leipig: Karolinger Verlag, 1997, 155 S.; dort S. 94-95 (dort S. 95 meine Mutmaßung). 5 (PT) Die erste Rezension bezog sich auf die „Politische Romantik"; vgl. E. Przywara, „Augustinismus und Romantik", in: Stimmen der Zeit (Freiburg i.Br.), 55. Jahrg. Nr. 12, September 1925, S. 470-472 (dort S. 471 -472). Vgl. das vernichtende Urteil von Paul Adams (1894-1973; vgl. Schmittiana III, S. 117-118) über dieze Rezension in Barbara Nichtweiß (geb. 1960), „,Die Zeit aus den Fugen4. Auszüge aus den Briefen von Paul Adams an Erik Peterson ", in B. Wacker, op. cit. [FN 1], S. 65-87 (dort S. 67: Brief Nr. 2 vom 25. September 1925). 6 E. Przywara, In und Gegen. Stellungnahmen zur Zeit, Nürnberg: Glock und Lutz, 1955, 440 S.; dort S. 244 - 246. Vgl. dazu P. Tommissen (Hrsg.), Werner Becker: Briefe an Carl Schmitt, Berlin: Duncker & Humblot, 1998, 124 S.; dort S. 113-114 FN 5. 7 (PT) C.S., „Nomos Nähme - Name44, S. 92-105 in Siegfried Behn (Hrsg.), Der beständige Aufbruch. Festschrift für Erich Przywara S.J., Nürnberg: Glock & Lutz, 1959, 238 S.

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Pater Przywara hat wichtige theologische Bücher geschrieben, sich im deutschsprachigen Raum für die Verbreitung und Interpretation der Schriften des berühmten englischen Konvertiten John Henry Kardinal Newman (1801 -1890) 8 eingesetzt und eine Unzahl Bücher rezensiert 9. Darüber hinaus wurde er auch außerhalb des katholischen Rahmens geschätzt, wovon seine Teilnahme an einigen aufsehenerregenden Streitgesprächen ein beredtes Zeugnis ablegt 1 0 Weil ich davon überzeugt bin, daß der besagte Bericht, 1946 in Berlin [also im Internierungslager] abgefaßt, für eine richtige Bewertung der damaligen Positionen C.S.s aufschlußreich ist 11 , bin ich froh, ihn hier der Forschung in extenso zugänglich machen zu können. Eine Abdruckgenehmigung brauchte ich nicht einzuholen, denn im ersten Paragraphen erlaubt C.S. dem Pater expressis verbis den Bericht „irgendwohin weiterfzu]geben". P.T.

[Februar 1946] 12 Ich komme zu Ihnen, hochverehrter Pater, mit der Bitte, diesen Bericht als ein depositum anzunehmen, das Sie entweder bei sich aufbewahren oder irgendwohin weitergeben wollen, wie es Ihnen in der Abnormität unserer heutigen Lage richtig scheint. Das depositum betrifft Erkenntnise und Einsichten, die nur in langen Forschungen und Erfahrungen und nur aus dem innersten Kern der deutschen Ereignisse heraus entstehen und nur von einem deutschen Katholiken gemacht werden konn8

(PT) Über ihn, vgl. u. a. Charles Stephen Dessain, John Henry Newman. Wegweiser der Erneuerung der Kirche, Leipzig: St. Benno-Verlag, 1980, 331 S. 9 (PT) Vgl. Leo Zimny, Erich Przywara. Sein Schrifttum 1912-1962 (mit einer Einführung von Hans Urs Kardinal von Balthasar [1905-1988]), Einsiedeln: Johannes-Verlag, 1963, 92 S + 4 Tafeln. μ (PT) Das wichtigste Streitgespräch fand im Januar 1933 in Berlin statt, in „der überfüllten Singakademie, vor der sich die Einlaß suchende Menge staute" (Gustav Wilhelmy [Ps. von Sigrid Müller], „Vita Erich Przywara. Ein Überblick", S. 7 - 3 4 in: Erich Przywara 1889-1969. Eine Festgabe, Düsseldorf: Patmos-Verlag, o.J. [= 1969], 64 S.; dort S. 19). Przywara diskutierte mit dem evangelischen Theologen Gunther Dehn (1882-1970) und dem Vertreter einer »eigenen* Religiosität Friedrich Hielscher (1902-1990); vgl. S. 277-282 in Fr. Hielscher, Fünfzig Jahre unter Deutschen, Hamburg: Rowohlt, 1954, 484 S. (vgl. die Rezension von R.P. [= Rudolf Pechel; 1882-1961], „Ein ewiger Wanderer nach dem »Reich*", in: Deutsche Rundschau, 80. Jahrg. Nr. 10, Oktober 1954). - Es sei darauf hingewiesen, daß der Pater viele Streitgespräche mit Protestanten und Juden geführt hat und 1934 - horribile dictuf - von der Nazi-Regierung offiziell zum Internationalen Philosophenkongreß in Prag entsandt wurde. Über diese rege Tätigkeit, vgl. den in dieser FN herangezogenen Artikel von G. Wilhelmy. 11 (PT) Seine Suche nach Spuren antisemitischer Äußerungen und Regungen von C.S. verleitet R. Gross [FN 3] dazu, sich nur für die Stellen über Bauer [FN 14] zu interessieren. Ich plädiere dafür, den integralen Wortlaut des Berichts zu berücksichtigen. 12 (PT) Das Datum - C.S. befand sich noch im Internierungslager (vgl. Schmittiana II, S. 126) - erklärt vielleicht warum der Bericht nicht abgeschickt worden ist bzw. nicht abgeschickt werden konnte. Vom Manuskript hat C.S., nach seiner Heimkehr in Plettenberg, die in meiner einführenden Notiz gemeinten Abschriften angefertigt bzw. anfertigen lassen.

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ten, d. h. von einem Deutschen, der legitimen Anteil, volle participado hatte, ohne sich zu identifizieren. A u f die äußerste Formel gebracht, handelt es sich um einen geistesgeschichtlichen Benito-Cereno-Bericht. Der Name Benito Cereño ist für mich zu einem Symbol für die existenzielle Position des echten Intellekts i m heutigen Massenzeitalter geworden. Ein großer, amerikanischer Erzähler des 19. Jahrhunderts, Melville , hat in einer Erzählung gleichen Namens (um 1855) dieses erstaunliche Symbol geschaffen, ohne es i m geringsten zu beabsichtigen oder auch nur zu ahnen 1 3 . Für den sachlichen Inhalt meines Berichts nenne ich am besten drei Autoren, deren Namen als Abbreviaturen das Thema encadrieren und einige Linien andeuten können. A n erster Stelle Bruno Bauer , die aufschlußreichste Figur in dem langen Prozeß der Selbstzersetzung [des] deutschen Protestantismus und Idealismus, Urheber einiger erstaunlicher allerchristlicher Attentate auf das Christentum, angefangen von seiner Kritik des damals eben erschienenen Lebens Jesu von D.F. Strauß (1835) bis zu seinen sich auflösenden Altersschriften über Philo, Bismarck, Disraeli und „Christus und die Cäsaren" (1877), Autor vor allem der , Judenfrage" von 1843, die bestimmt ebenso wichtig ist wie Karl Marx* weltberühmte Antwort vom gleichen Jahr, des »Judentums in der Fremde" (1863) und der seit einigen Jahren wiederentdeckten Schrift „Rußland und das Germanentum" (1854) 1 4 . Der 13 (PT) Über Herman Melville (1819-1891), seine Erzählung ,3enito Cereño" (1855) und ihre Bedeutung für C.S., vgl. Schmittiana IV, S. 96-98 und 108-144 sowie die FN 2 0 21-22.

14 (PT) a) Über Bruno Bauers (1809-1882) Atheismus, vgl. u. a. die m.W. nicht gedruckt vorliegende Kölner Dissertation (Doktorvater: Professor Ludwig Landgrebe [1902-1991]) von Lothar Koch (geb. 1927), Bruno Bauers »Kritische Kritik 4 . Beitrag zum Problem eines humanistischen Atheismus, 1969, IV-220 hektographierte S. Für das Umfeld ist u. a. die Habilitationsschrift von Wolfgang Eßbach (geb. 1944) geeignet: Die Junghegelianer. Soziologie einer Intellektuellengruppe, München: Fink, 1988, 470 S., Nr. 16 in der Reihe »Übergänge. Texte und Studien zu Handlung, Sprache und Lebenswelt4; dort auch Auskunft über David Friedrich Strauß (1808 -1874). b) Br. Bauer, (a) die sich mit Straußens Jesus-Buch befassende Rezension in: Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik (Berlin), 3. Jahrg., 1838, Sp. 817-838; (b) Die Judenfrage, Braunschweig: Otto, 1843, 115 S.; (c) Rußland und das Germanenthum, Charlottenburg: Egbert Bauer, 1853, nicht paginiert (der Reprint [Aalen: Scientia Verlag, 1972] emfaßt I I - 8 121 S.); (d) Das Judenthum in der Fremde, Berlin: F. Heinicke, 1863, IV-77 S.; (e) Philo, Renan und Strauss und das Urchristentum, Berlin: Hempel, 1874, 155 S.; (f) Christus und die Cäsaren. Der Ursprung des Christenthums aus dem römischen Griechenthum, Berlin: Grosser, 1877, 387 S.; (g) Disraeli's romantischer und Bismarck's socialistischer Imperialismus, Chemnitz: Schmeitzner + New York: Steiger, 1882, V-257 S. c) Karl Marx (1818-1883), „Zur Judenfrage" (1844), S. 171-207 in Siegfried Landshut (1897-1968) (Hrsg.), Karl Marx: Die Frühschriften, Stuttgart: Kroner, 1971, LV-588 S., Nr. 209 in der Reihe ,Kröners Taschenausgaben4. Zum Thema, vgl. u. a. Jürgen Gebhardt (geb. 1934), „Karl Marx und Bruno Bauer", S. 202-242 in Alois Dempf( 1891 -1982), Hannah Arendt (1906-1975) und Friedrich Engel-Janosi (1893-1978) (Hrsg.), Politische Ordnung und menschliche Existenz. Festgabe für Eric Voegelin zum 60. Geburtstag, München: Beck, 1962, XII-634 S. (vgl. die Besprechung des katholischen Theologen Heinz Robert Schiene [geb 1931] in: Hochland (München), 57. Jahrg. Nr. 1, Oktober 1964, S. 83-87). Zu

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zweite Name betrifft das Problem der „Westlichen Hemisphäre" und ist durch die Bemühungen eines großen freimauererisehen Gelehrten zu einem falschen Ruhm, ja zum Aushängeschild einer unchristlichen potestas spiritualis geworden, indem man seine Lehre vom gerechten Krieg zu einem Instrument des heutigen, diskriminierenden Kriegsbegriffes machte, und zwar mit Hilfe eines neutralisierenden Menschheitsbegriffes. Es ist der bekannte Autor der Relecciones de Indis (1532), Francisco de Vitoria , der durch Ernest Nys und James Brown Scott zum Kronzeugen ihrer Idee eines Weltfriedens erhoben wurde 15 . Ein armer deutscher Dichter schließlich ist der Dritte, Konrad Weiß , wegen seines „Christlichen Epimetheus" (1933), ein unendlich tiefes, sybillinisches Buch über die Situation 1932/33, ein Dokument deutschen Geschichtssinnes, dessen Tiefe, Wahrheit und Schönheit viele berühmte Träger der deutschen Geschichtssinnigkeit, selbst Dilthey und Bachofen, hinter sich läßt, indem es den neutralen, klassischen Humanitäsbegriff durch eine marianische Frömmigkeit überwindet 16. Das sind die drei Namen, drei Sterne in einem globalen, Land und Meer umfassenden Weltaspekt, aber alle drei, entweder, wie Bruno Bauer, in sich selbst problematisch, oder, wie Vitoria, in eine falsche Problematik hineingezogen, oder, wie Konrad Weiß, dunkel bis zur vollen Esoterik. Konrad Weiß ist im Januar 1940 in München gestorben. Bruno Bauer, 1882 in Berlin gestorben, ist, wie ich höre, um 1931 mit seinem Nachlaß nach Moskau gewandert, wohin ihn Professor Rjasanow,

dieser Abhandlung von Gebhardt, vgl. Armin Möhler (geb. 1920) (Hrsg.), Carl Schmitt Briefwechsel mit einem seiner Schüler, Berlin: Akademie Verlag, 1995, 475 S.; dort S. 318: Brief Nr. 276 vom 15. Juli 1962: „Sehr wichtig für mich [sc C.S.] ist die fleißige (gegen mich freilich sehr schnöselige) Arbeit von Jürgen Gebhardt über Bruno Bauer und Karl Marx; hier kann ich ja nun wirklich mitreden;..." - Über Voegelin, vgl. in diesem Band, S. 354 - 356. 15 (PT) a) Ich benutze die von Maurice Barbier O.P. gefertigte französische Übersetzung von Francisco De Vitoria O.P. (1486-1564), Le$ons sur les Indiens et sur le droit de guerre, Genf: Droz, 1966, XCV-161 S., Nr. 3 in der Reihe ,Les classiques de la pensée politique'. b) C.S.s andauernde Beschäftigung mit de Vitoria darf als bekannt vorausgesetzt werden. c) Gemeint sind ein Buch des belgischen Völkerrechtlers Ernest Nys (1851 -1920) (Idées modernes, droit international et Franc-ma^onnerie, Brüssel: Weissenbruch, 1908 [nicht 1910], 124 S.) und zwei Bücher seines amerikanischen Kollegen James Brown Scott (18661943; vgl. Schmittiana IV, S. 237 FN 152) (The Spanish Origin of International Law. Lectures on Francisco de Vitoria and Francisco Suarez, Washington: Georgetown University -The School of Foreign Service, 1928, 7 - 121 S.; Francisco de Vitoria and his Law of Nations, Oxford: The Clarendon Press, 1934, 19-288-CLVIII S.). d) Zum Thema, vgl. C.S., Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Berlin: Duncker & Humblot, (1950) 1997, 308 S. 16 (PT) Konrad Weiß (1880-1940), Der christliche Epimetheus, Berlin: Runge, 1933, 111 S. Vgl. dazu Schmittiana III, S. 80 FN 6; außerdem Wilhelm Kühlmann (geb. 1941), „Im Schatten des Leviathan - Carl Schmitt und Konrad Weiß", in B. Wacker (Hrsg.), op. cit. [FN 1], S. 89-114. - Dem ist hinzuzügen, daß der Siedlinghausener Arzt und Mäzen Franz Schranz (1894-1961; vgl. Schmittiana III, S. 63-88) die Drucklegung ermöglicht hat (unveröffentlichter Brief von Weiß an Schranz vom 14. Februar 1933: „ . . . Dieser zweite Brief kam gerade in einer Depression hinein wegen des »Epimetheus4 und da stellen Sie mir 1.500 Mark zur Verfügung zur Herausgabe....").

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der Leiter des Marx-Engels-Instituts 17, überführen konnte, während die planungslose Selbstgefälligkeit der deutschen Philosophieprofessoren sich mit rein restaurativen //^^/-Renaissancen aus der Weltgeschichte verdrängte, ohne die explosiven Energien zu bemerken, die aus der Selbstzersetzung der idealistischen Systeme „frei" wurden. Von den unzeitgemäßen, isolierten Einzelgängern bemerkten sie nur den Renommisten der Unzeitgemäßlichkeit, Nietzsche, nicht aber einen so echten Fall wie Bruno Bauer. Der falsche Ruhm Vitorias, der seinen wahren Ruhm gefährdet, ist durch das offene Bekenntnis, das Ernest Nys (1910) öffentlich abgelegt hat, zu sehr in die Verbindung mit der Frage „Völkerrecht und Freimauererei" geraten, eine Frage, deren bloße Berührung heute nicht nur unzeitgemäß sondern fast skabrös erscheint, so daß man in der Öffentlichkeit besser darüber schweigt. In einem Buch des Emigranten Karl Löwith „Von Hegel bis Nietzsche"18 ist die geistesgeschichtliche Fährte, die Bruno Bauer bedeutet, wohl bemerkt. Aber Löwith verschweigt die Judenschriften Bruno Bauers, und damit ein spezifisch deutsch-protestantisches Anliegen, so daß jenes Buch „Von Hegel bis Nietzsche" die Binde vor Augen trägt, die auf mittelalterlichen Statuen von der Synagoge getragen wird. Ich habe in mehreren Vorträgen, 1943 und 1944, die Zusammenhänge behandelt. Es gehört zur Situation, daß diese Vorträge weder in Berlin, noch in Paris oder London, noch in Moskau oder New York, sondern nur in Spanien und in spanischer Sprache möglich waren, auch nur in spanischer Sprache publiziert worden sind. In einem Vortrag über „ Donoso Cortés und der Terror von 1848", gehalten Ende Mai 1944 vor der Academia de Jurisprudencia y Legislación in Madrid, ist in Anknüpfung an Ihren Aufsatz über Donoso Cortés und Nietzsche (in den Stimmen der Zeit 1934) die innige Antithese der beiden Unzeitgemäßen von 1848 Donoso und Kierkegaard entwickelt 19 , um zu zeigen, wo das Laboratorium lag, in welchem das Dynamit präpariert wurde, das zu sein Nietzsche sich rühmte. 17 (PT) Über D. Rjazanov (eig. David Goldenbach; 1870- 1938, vgl. Schmittiana IV, S. 49 FN 5.) und seine Intiativen, vgl. Carl-Erich Vollgraf (Hrsg.), David Borisovitsch Rjazanov und die erste MEGA, Hamburg: Argumente-Verlag, 1997, 273 S., N.F. Sonderband 1 in der Reihe »Beiträge zur Marx-Engels-Forschung'. is (PT) Karl Löwith (1897-1973), Von Hegel zu Nietzsche. Der revolutionäre Bruch im Denken des neunzehnten Jahrhunderts. Marx und Kierkegaard, Stuttgart: Kohlhammer, (1941) 1950, 464 S. - Für Löwiths Meinung über C.S., vgl. seine Publikationen: (a) „Der okkasionelle Dezisionismus von C. Schmitt" (1935), S. 93-126 in: Gesammelte Aufsätze. Zur Kritik der geschichtlichen Existenz, Stuttgart: Kohlhammer, 1960, VI-256 S.; (b) „Max Weber und Carl Schmitt", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 146, 27. Juni 1964; (c) Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933. Ein Bericht, Stuttgart: Metzler, 1986, XVI160 S. - C.S. hat sich zur Geschichtsphilosophie Löwiths geäußert: „Drei Stufen historischer Sinngebung", in: Universitas [vgl. Schmittiana V, S. 183], 5. Jahrg. Nr. 8, 1950, S. 927-931. Davon gibt es jetzt eine ausgiebig annotierte französische Übersetzung von André Doremus (geb. 1924), „Une vue ,critique' de Carl Schmitt sur la philosophie de l'histoire en 1950. ,Trois possibilités d'une image chrétienne de l'histoire'", in: Les Etudes philosophiques (Paris), Jhrg. 2000 Nr. 3, S. 405 -421. 19 (PT) a) Vgl. Schmittiana IV, S. 240 oben. Die deutsche Fassung des Textes wurde 1949 anonym veröffentlicht, dann übernommen in C.S., Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation, Berlin: Duncker & Humblot 1950, 114 S.; dort S. 80-114.

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Unser armes Europa war zu allen Zeiten ein Feld der Invasionen von allen Himmelsrichtungen, und seine geschichtliche Macht war nie mehr als ein katechon (2. Thess. 2,6). Aber während in den Zeiten des christlichen Mittelalters fremde Rassen und Religionen bis in die Mitte Europas vordrangen, Sarazenen, Mongolen, Wikinger und Türken, erscheinen heute von Westen und Osten Kinder und Ausgeburten des europäischen Geistes selbst und treffen sich auf unserem alten und heiligen Boden. Sobald diese erstaunliche Situation zum Bewußtsein gekommen ist, wird Manches an meinem Benito-Cereno-Bericht weniger überraschend oder paradox erscheinen. Aber wie dem auch sei, ich kann den Eindruck nicht berechnen und bitte Sie, hochverehrter Pater, nur um die Güte, diese Sendung in unserer phantastischen Zeit anzunehmen, als hätte Ihnen eine Meereswoge in einer versiegelten Flasche den Plan einer Schatzinsel zugetrieben, den irgendein Seeschäumer ins Meer geworfen hat, ein armer Seeschäumer, dem Sie aber trotzdem den priesterlichen Segen nicht zu versagen brauchen, um den er in seiner Art Frömmigkeit und Demut bittet, um unseres gekreuzigten Gottes willen und seiner reinsten und heiligsten Mutter Maria 20 .

b) E. Przywara S.J., „Dionysisches und christliches Opfer", in: Stimmen der Zeit (Freiburg i.Br.), 65. Jahrg. Nr. 7, April 1935 [nicht 1934], S. 11-24. 20 (PT) Für C.S.s Marienbild, vgl. Schmittiana III, S. 22.

ALVARO DORS

Das „Glossarium" von Carl Schmitt Aus dem Spanischen übersetzt von Günter Maschke Alvaro d'Ors, geb. 1915, heute als Emeritus in Pamplona /Navarra und Pontevedra / Galizien lebend, wird als einer der bedeutendsten Romanisten unter den spanischen Juristen des XX. Jahrhunderts angesehen. Sein bekanntestes, in Spanien als Lehrbuch oft aufgelegtes Werk ist: Derecho Privado Romano (zuerst Pamplona 1968, EUNSA, 542 S., inzwischen in 9., erweiterter Auflage, ebd., 1997, 644 S.; mir lag auch die 6. Aufl., ebd., 1986, 635 S., vor). Eine Vorstellung vom Umfang wie von der inhaltlichen Spannweite seines Schaffens vermittelt die Bibliographie von Rafael Domingo in: Estudios de Derecho romano en honor de Alvaro d'Ors, Pamplona 1987, EUNSA, S. 35-86, die 562 Nummern umfaßt; inzwischen muß man eine erkleckliche Zahl an Büchern, Editionen (bes. von Schriften Ciceros ), Aufsätzen etc. hinzuzählen. Neben dem unter Anm. 91 aufgeführten Buch von Rafael Domingo kommt in der Literatur zu dOrs besondere Bedeutung dem Aufsatz von Frederick D. Wilhelmsen zu: „The Political Philosophy of Alvaro d'Ors", in: The Political Science Review, 1991, S. 145187; er wurde ins Italienische übersetzt von Maria Giuseppina Masulli: „La filosofía política di Alvaro d'Ors", in: Behemoth, Nr. 13, Januar-Juni 1993, S. 15-14, ebd., Nr. 14, Juli-Dezember, S. 21-31. Den hier vorgelegten Text hat d'Ors kurz nach der Lektüre von C. S.s „Glossarium - Aufzeichnungen der Jahre 1947-1951", hrsg. v. Eberhard Freiherr von Medem (1911-1993), Berlin 1991, Duncker & Humblot, XVII/364 S., verfaßt. An eine Veröffentlichung scheint d'Ors zunächst nicht gedacht zu haben; er verschickte das spanisch geschriebene Manuskript „El ,Glosario' de Carl Schmitt", das er selbst als eine „Plauderei mit dem Autor" („plática con el autor") einstufte, an einige Freunde. Der Schmitt-Forscher und -Übersetzer Antonio Caracciolo (geb. 1950) übersetzte den Text ins Italienische und veröffentlichte ihn in seiner Zeitschrift: „II ,Glossario' di Carl Schmitt", in: Behemoth, 12, Juli-Dezember 1992, S. 7-18. Spanisch erschien der Aufsatz erst in: Dalmacio Negro Pavón (geb. 1931) (Hrsg.) Estudios sobre Carl Schmitt, Madrid 1996, Fundación Cánovas del Castillo. Colección VEINTIUNO, 486 S., dort S. 17-47. Neben dem erwähnten Manuskript diente diese Fassung als Grundlage meiner Übersetzung. Im Einvernehmen mit Alvaro d'Ors wurde auf die Übertragung des letzten Abschnittes verzichtet (S. 44 - 47); hier werden mehrere spanische Übersetzungen von C. S.s „Gesang des Sechzigjährigen" (im Glossarium S. 177 bzw. S. 81 in Prosaform; in Ex Captivitate Captivitate Salus, Köln 1950, Greven, S. 92 f.) miteinander verglichen und die beste Lösung gesucht. Eine solche „Rückübersetzung" schien wenig sinnvoll. Der Text wird hier mit sehr ausführlichen Erläuterungen und Kommentaren präsentiert, die manchem Leser wohl allzu üppig erscheinen werden. Im allgemeinen ist aber in Deutschland weder das Werk d'Ors' bekannt (es wurden nur wenige Aufsätze ins Deutsche übertragen) noch weiß man Näheres über den spanischen Hintergrund. Da d'Ors hier des öfteren auf

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Motive aus seinen Schriften zurückgreift, wurde, z. T. ausführlicher, aus diesen zitiert bzw. wurden detailliertere Inhaltsangaben gegeben; in den Anmerkungen sind die Titel dieser Bücher sinngemäß abgekürzt. Es handelt sich um: De la guerra y de la paz, Madrid 1954, Rialp, 217 S.; Ensayos de teoría política, Pamplona 1979, EUNSA, 306 S.; Nuevos papeles del oficio universitario, Madrid 1980, Rialp, 495 S.; La violencia y el orden, Madrid 1987, Ediciones Dyrsa, 125 S. (zweite, unveränderte Aufl.: Madrid 1998, Criterio Libros, 189 S.); Una introducción al estudio del derecho. Octava edición, Madrid 1989, Rialp, 176 S.; Nueva introducción al estudio del derecho, Madrid 1999, Cuadernos Civitas, 208 S. D'Ors lernte C. S. 1944, während dessen Vortragsreise in Spanien und Portugal (4. 5. - 9. 6. 1944) kennen; wohl durch Vermittlung seines Vaters, des Philosophen Eugenio d'Ors (1881 -1954). Trotz seiner engen, nie getrübten Freundschaft und trotz seiner oft geäußerten, großen Bewunderung blieb d'Ors stets auch ein Kritiker C. S.s und bemängelte dessen „Etatismus" und dessen Hinnahme der Reformation, - von einem in Deutschland wohl höchst selten zu findenden, radikalem Katholizismus her. „Radikal" heißt freilich: von der Wurzel aus. Besonderes Interesse erheischen m. E. d'Ors' Einwände gegen C. S.s Kritik des „gerechten Krieges" dessen moderne Form in „Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff" (1938) und „Der Nomos der Erde" (1950) das Hauptthema war. Die Einschätzung dieses Krieges ist bei beiden Autoren weitgehend gleich, was jedoch durch d'Ors' sich vor allem auf C. S.s Sprachgebrauch richtende Zweifel etwas aus dem Blickfeld gerät. Zunächst weist d'Ors auf das römische bellum iustum hin. Danach wurde der Krieg durch bestimmte Formalitäten des Priesterkollegiums der Fetialen (ius fetiale) eingeleitet, die unabdingbar waren. Wenn man von der eigenen iusta causa belli überzeugt war, war der Krieg gerechtfertigt; eine iusta causa konnte sein: der Angriff auf Verbündete, der Vertragsbruch, der Bündnisbruch, die Unterstützung eines Feindes, mit den man gerade Krieg führte, der Angriff auf Gesandte. Zwar muß man der von antiken Autoren gerne strapazierten Behauptung, Rom habe nur gerechte Kriege geführt, nicht allzu großen Glauben schenken. Zugegeben ist jedoch, daß die Mehrzahl der von Rom geführten Kriege zumindest in etwa die notwendigen Bedingungen erfüllte und die Furcht vor den Folgen, wurden die betreffenden Regeln übertreten, recht wirksam war: die verbindliche Kraft der religiösen Gebote darf nicht unterschätzt werden. Das bellum iustum wurde auch bellum pium (der fromme Krieg) genannt, üblich war auch bellum iustum et pium und der Krieg durfte niemals more latronum, durch plötzlichen, heimtückischen Überfall, begonnen werden. Um eine Ideologie oder gar um eine auf systematischer Täuschung beruhende Lüge handelte es sich hier nicht. Der gerechte Krieg des katholischen Mittelalters, etwa beim hl. Thomas von Aquin (1228-1274), war damit nicht ganz unverwandt, doch anders akzentuiert. Die auctoritas principiis, die iusta causa und die intentio recta mußten hier zusammenfinden - schon damit fand eine bedeutende Begrenzung statt. Von größter Wichtigkeit war aber die Verhältnismäßigkeit der Mittel, das rechte Maß des ordo caritatis. (Man denke etwa an die „Proportionen" des Krieges gegen den Irak: 5.000 tote Kuwaitis und anschließend ca. 140.000 tote Irakis [in der Mehrzahl Zivilisten] und ca. 300.000 verhungerte Kinder aufgrund der Sanktionen). Man hat, vielleicht nur wenig überspitzt, gesagt, daß, sei man diesen Geboten treu, ein Krieg praktisch unmöglich sei. Zielte das römische Konzept mehr auf einen „Krieg in Form" vor-staatlicher Art, so war das des Mittelalters der Begrenzung der Gewalt zumindest förderlich; zumal sich auch der, der den „gerechten Krieg" führte, seiner Sündhaftigkeit bewußt zu sein hatte. Daß die Wirklichkeit der damaligen Kriege oft anders aussah, versteht sich ... Der von C. S. kritisierte „gerechte Krieg" des XX. Jahrhunderts enthüllte sein Gesicht im Diktat von Versailles und in der schaurigen Verhöhnung der Justiz in Nürnberg bei der

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Kriegs-Feinde, Ankläger, Richter, und „rückwirkende" „Gesetze" fabrizierende „Gesetz"-Geber sozusagen identisch waren; mit der durch die Zeitumstände gebotenen Vorsicht hat Schmitt dazu das Notwendige in seinem Gutachten „Das internationalrechtliche Verbrechen des Angriffskrieges und der Grundsatz „Nullum crimen, nulla poena sine lege,," vom August 1945 (hrsg. von Helmut Quaritsch [geb. 1930], Berlin 1994, Duncker & Humblot, 259 S.) gesagt. Um den „gerechten Krieg", als Sanktion oder Polizeiaktion verkleidet und als Bestrafung des „Angreifers" gedacht, ging es auch dem Völkerbund, wenn es auch, dank seiner Schwäche, eher bei Wunschvorstellungen blieb. Immerhin forderten Völkerbundideologen, in der Regel pazifistisch gesonnene Juristen wie etwa Nicolas Politis (1872-1942), sogar die Abschaffung des Kriegsrechts, da ja gegen den, der den völkerrechtlich weitgehend verbotenen Krieg dennoch führt, jedes Mittel recht sein müsse. Unfähig zur Kunst des Friedensschlusses, weil der besiegte Feind in ihren Augen ein Verbrecher war und dies nicht nur wegen seiner Verbrechen im Kriege, unfähig zum „Krieg in Form" geschweige denn zur Kriegsbegrenzung aus christlicher Demut und Frömmigkeit, wurde der Krieg am Ende „verboten" um gerade deshalb in unterschiedlichen, aber stets schreckenderen Gestalten als „gerechter" Krieg wieder aufzuerstehen: rachsüchtige Pazifisten, liberale Freimaurer, die „Menschheit" (und damit sich selbst) verehrende Humanitaristen, erklärte Atheisten und sogar Christen, die wähnten, der Himmel habe auf der Erde stattzufinden, usurpierten den Begriff des gerechten Krieges und führten dabei imgrunde „heilige" Kriege durch, - als satanische Karikatur. Zum schlechten Ende verkündigten die Kommunisten, der zwischen-staatliche Krieg sei ein Verbrechen, aber der revolutionäre sei gerecht. „Wenn ich ein göttliches Wort höre, blicke ich sogleich um mich her, um zu sehen, was geschieht ... Wenn es die Kirche ist, die es ausspricht, erwarte ich die Errettung; wenn der, der es ausspricht, ein anderer ist, erwarte ich den Tod" konnte Donoso Cortés, noch auf seine Kirche vertrauend, sagen; aber die Wahrheit dieser Sätze bleibt. Daß hier eine Usurpation christlicher Begriffe stattfand, hat der große Kritiker des modernen „gerechten Krieges" nicht zum Thema gemacht; er hat sogar die wesenhafte Differenz zum mittelalterlichen wie aber auch zum antiken „gerechten Krieg" eher verdunkelt denn erhellt; wohl auch weil selbst führende Vertreter der Kirche während des Interbellum wähnten, im Völkerbund würden die Ideen des hl. Thomas von Aquin oder die des (freilich schon stark zweifelhaften) Francisco de Vitoria (1483? - 1546) verwirklicht. Diesen blinden Fleck im völkerrechtlichen Denken Schmitts hat dOrs erkannt, doch vielleicht nicht ganz deutlich benannt. Ich darf einigen Freunden für Hilfe und Fingerzeige danken; neben Prof. Dr. Alvaro d'Ors selbst Prof. Dr. Antonio Caracciolo (Rom); Dr. Gabriel Guillén Kalle (Madrid); Dipl.-Ing. Ernst Hüsmert (Herscheid); Prof. Dr. Helmut Quaritsch (Speyer); Dr. Christian Tilitzki (Berlin) und Prof. Dr. Piet Tommissen (Grimbergen/Belgien). Günter Maschke

Gegen Ende des Sommers 1947, nach ausgedehnten, bitteren Erfahrungen seit der Beendigung des Zweiten Weltkrieges, während eines Zeitabschnittes, den sein Buch „Ex Captivitate Salus" (Köln 1950, Greven-Verlag, 95 S.) reflektierte, das seine Tochter Anima ins Spanische übersetzte (Santiago de Compostela 1960, Editorial Porto, 100 S.) und zu dem das Glossarium eine intime Ergänzung darstellt, zog sich Carl Schmitt in seine westfälische Heimatstadt, nach Plettenberg, zurück.

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Fortan schrieb er sein persönliches Tagebuch nicht mehr in der ihm gewohnten, schwierigen Stenographie nieder, sondern in üblicher, allgemein lesbarer Schrift. 1 Ohne Zweifel dachte er dabei an eine spätere Publikation, wie es die Schlußworte des Werkes offenbaren: „Und so schließt denn dieses Buch mit dem schönen Worte: Frieden!" Dieser Gruß Pax! mutet an wie ein befreiender Ausruf nach jahrelangen Bedrängnissen und Qualen, - doch Schmitt selbst mußte danach bekennen, daß er „ohne seine Feinde nicht leben" könne.2 Es sind drei Hefte, denen zwei weitere, aus den Jahren 1952-58, folgten. Da sich die letzteren in Form und Eigenart unterscheiden, wurden sie nicht in das Buch aufgenommen, das Eberhard Freiherr von Medem herausgegeben und Joseph H. Kaiser mit einem Prolog versehen hat; der Titel Glossarium - Aufzeichnungen der Jahre 1947-1951 stammt von Schmitt selbst. Diese freimütige Hinwendung zum Inneren war für die Gemütsverfassung des erlauchten Besiegten etwas Natürliches und Selbstverständliches. Schmitt, der sich geweigert hatte, die Formalitäten der „Entnazifizierung" mitzumachen3, befand sich nunmehr in einer selbst gewählten privaten Einschließung, die übrigens sehr fruchtbar war - : ein drittel Jahrhundert war er als Autor noch sehr aktiv, wenn ihm auch Unverständnis und Abneigung entgegenschlugen, die damals in Deutschland sehr lebhaft waren 4. Auch wenn Schmitts Interesse für Spanien sehr frühen Datums war und er bereits seit Ende der 20er Jahre bei uns Vorträge hielt und 1931 die Übersetzung von Der Hüter der Verfassung erschien5, so wurden seine Beziehungen zu Spanien erst 1 C. S. schrieb viele seiner Notizen, Randbemerkungen zu Büchern etc. in GabelsbergerKurzschrift (nach Franz Xaver Gabelsberger, 1789-1849) nieder. Da diese ab 1924 von der Deutschen Einheitskurzschrift abgelöst wurde, verstehen sich nur noch wenige Liebhaber auf die Entzifferung der oft bedeutsamen Bemerkungen Schmitts. 2 Dies hat C. S. im Gespräch öfters betont. Seine Tochter Anima (1931-1983) erklärte dies auch einmal auf meine Frage, weshalb ihr Vater nicht 1944 in Spanien geblieben sei oder weshalb er 1947 die schon recht weit gediehenen Vorbereitungen zur Auswanderung nach Argentinien abbrach. 3 D'Ors schreibt, daß C. S. sich geweigert habe, „a pasar por el trámite de la „depuración,," („den Instanzenweg der „Säuberung" mitzumachen"). Für alle Personen jedoch, die von den US-Amerikanern aus dem Automatischen Arrest entlassen wurden, entfielen die betreffende Prozedur und der „Fragebogen". In der Folge verzichtete C. S. auf seine Pläne, wieder bei einer Universität unterzukommen, weil man dort die Einstellung von einer (meist neuerlichen), der „Entnazifizierung" ähnlichen Prozedur abhängig machte; dazu war C. S. nicht bereit. (Freundliche Mitteilung von Ernst Hüsmert). 4 Bedenkt man, daß „Der Nomos der Erde" [FN 35] bei Kriegsende fast vollständig abgeschlossen war, dann ist das Werk C. S.s zwischen 1945 und 1985 eher als „schmal" zu bezeichnen. Sicher sind die für einige Jahre schwierigen Lebensumstände ebenso zu beachten wie der Wegfall der Facilitäten eines Ordinarius, - aber es bestanden auch keine Lehrverpflichtungen mehr. C. S.s Werk nach 1945 besteht aus Gesprächen, Briefen und relativ wenigen kleineren Schriften, die die Grundlagen des Werkes kaum berühren und nur als Ergänzungen oder Adnoten zu sehen sind, - wie hoch man auch ihr Niveau schätzen mag. Mit dem definitiven Untergang Europas hatte er sein Hauptthema verloren.

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nach einer neuerlichen Reise, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges, herzlicher und blieben es bis zu seinem Tode6. Zum Teil fand sich die Ursache darin, 5 a) Auf dem sechsten Jahreskongreß des „Internationalen Verbandes für kulturelle Zusammenarbeit" vom 16.-19. Oktober 1929 in Barcelona sprach C. S. über „Die europäische Kultur in Zwischenstadien der Neutralisierung" (in französischer Sprache); vgl. den Abdruck in: Europäische Revue, Heft 8, November 1929, S. 517-530, mit leichten Veränderungen u.d.T. „Das Zeitalter der Neutralisierungen und Entpolitisierungen" in: Der Begriff des Politischen, München /Leipzig 1932, Duncker & Humblot, 82 S., dort S. 66-81, sowie in der Ausgabe Berlin 1963, Duncker & Humblot, 124 S., dort 79-95 mit zwei Glossen, S. 123. Der Verband wurde 1924 von Karl Anton Prinz Rohan (1898-1975) gegründet; seine Vorform war der 1922 von Rohan in Wien gegründete „Kulturbund"; dazu und zur Tagung in Barcelona sein Buch: Heimat Europa. Erinnerungen und Erfahrungen, Düsseldorf 1954, Diederichs, S. 5 6 60, sowie Schmittiana V, S. 190-204. In spanischer Sprache gibt es meiner Kenntnis nach drei Fassungen dieses Textes: von José Ortega y Gasset (1883-1955) u.d.T „El proceso de neutralización de la cultura", in: Revista de Occidente, Februar - März 1930, S. 199-201 (Nachdrucke in: ebd , April 1987, S. 93 -109 u. in: Ciudad de los Césares (Santiago de Chile), Mayo - Junio 1933, S. 18-23); von Francisco Javier Conde u.d.T. „La época de la neutralidad", in: C. S., Estudios políticos, Madrid 1975, Doncel, 170 S., dort S. 11 - 3 1 ; von Eduardo Molina u. Raúl Crisafio u.d.T „La época de las neutralizaciones y de las despolitizaciones", in: C. S., El concepto de lo »político' / Teoría del partisano. Notas complementarias al concepto de lo,político', Buenos Aires 1984, Folios Ediciones, LXII/188 S., dort S. 77-90. b) Am 23. Oktober 1929 sprach C. S. in Madrid vor den „Centro de Intercambio intelectual Germano-Español" über Donoso Cortés; die Rede erschien u.d.T. Donoso Cortés - Su posición en la historia de la filosofía del Estado europea, Madrid 1930, Centro de Intercambio intelectual Germano-Español, 16 S.; C. S. referierte hier auf Spanisch. Der Text wurde größtenteils übernommen in: C. S., Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation, Köln 1950, Greven (jetzt lieferbar bei Duncker & Humblot, Berlin), 114 S., dort S. 41 -66, 67-79. Mit diesem Vortrag leitete C. S. in Spanien die Wiederentdeckung Donosos ein, - was auch die seiner Donoso-Deutung skeptisch gegenüberstehenden spanischen Interpreten stets gerne konzedieren. c) C. S.s Buch „Der Hüter der Verfassung" erschien erstmals 1931 im Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) in Tübingen. VI /159 S.: Es baute auf den mit dem gl. Titel versehenen Aufsatz in: Archiv für Öffentliches Recht, März 1929, S. 161-237, auf. Die spanische Ausgabe erschien ebenfalls bereits 1931 u.d.T. La defensa de la Constitución - Estudio acerca de las diversas especies y posibilidades de salvaguardia de la Constitución, Verlag Labor, Madrid-Barcelona-Buenos Aires, 195 S., übersetzt von Manuel Sánchez Sarto; ein Nachdruck erschien 1983 bei Editorial Tecnos, Madrid, 251 S., mit einem Prolog von Pedro de Vega (S. 11-24). 6 a) Über diese Reise, bei der S. C. auch Alvaro d'Ors kennenlernte und sich mit ihm anfreundete vgl. Christian Tilitzki, (geb. 1957) „Die Vortragsreisen Carl Schmitts während des Zweiten Weltkrieges", in: Schmittiana VI, S. 191-270, bes. S. 230-251. b) C. S. besuchte Spanien nach dem Zweiten Weltkrieg häufig und oft für längere Zeit; er unterhielt zu zahlreichen spanischen Gelehrten engere bis freundschaftliche Beziehungen und sprach und schrieb das Spanische sehr gut; wir unterhielten uns öfters auf Spanisch. Man kann mit Sicherheit sagen, daß sein Einfluß in keinem Land so groß war, wie in Spanien. Dabei erstreckte er sich keineswegs nur auf das „autoritäre" pro-Franco-Lager, das über sehr viele Facetten verfügte, - um es schlagwortartig zu sagen: etatistisch wie bei Francisco Javier Conde (1908-1974) und Manuel Fraga lribarne (geb. 1922), falangistisch wie bei Jesús Fueyo (1922-1993), restaurativ-monarchistisch wie bei Angel López Amo (1917 — 1956) und Rafael Calvo Serer (geb. 1916; dieser Autor wurde anfangs der 70er Jahre zu einem der schärfsten Kritiker Francos und verwandelte sich in einen überzeugten Demokraten), „politisch-eschatologisch" wie bei Alvaro d'Ors, technokratisch wie bei Gonzalo Fernández

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daß das damalige intellektuelle Spanien nicht zur Gänze an der triumphierenden demokratischen Welle in Europa teilnahm, die Schmitt so zuwider war. Dieser besonderen Wertschätzung Spaniens mag sich die Tatsache verdanken, daß Schmitt seinen Aufzeichnungen den Titel Glossarium gab, der auch über dem von dem spanischen Philosophen Eugenio dOrs viele Jahre zuvor erfundenen und seit langem praktizierten literarischen Genre stand.7 Schmitt hatte zwar mit dOrs seit den 20er Jahren Kontakt, doch erst jetzt lernten sie sich näher kennen. de la Mora (geb. 1934), im Hinblick auf eine Theorie der Großräume wie bei Camilo Barcia Trelles (1888-1977) und Luis García Arias (1922-1973), national-syndikalistisch wie bei Luis Legaz y Lacambra (1906-1980) usw.; kaum minder bedeutend war C. S.s Einfluß auf einen linksliberalen Emigranten wie den Soziologen u. Romancier Francisco Ayala (geb. 1906), der 1934 die „Verfassungslehre" übersetzte; auf einen militanten Republikaner (und späteren Emigranten) wie den Staatsrechtler Manuel Garcia Pelayo (1909- 1991) auf einen Sozialisten wie Enrique Tierno Galván [FN 79], auf sich politisch während der Franco-Zeit eher bedeckt haltende Autoren wie den Historiker Luis Diez del Corral (1911 -1998) oder den Juristen Carlos Ollero (1912- 1996), usw.; das ganze weitgespannte Panorama schreitet José Maria Beneyto (geb. 1956) ab in: Politische Theologie als politische Theorie. Eine Untersuchung zur Rechts- und Staatstheorie Carl Schmitts und zu ihrer Wirkungsgeschichte in Spanien, Berlin 1983, Duncker & Humblot, 215 S. (dazu m. Kritik in: Criticón, Jan.-Febr. 1985, S. 41). Der eigentliche Punkt dabei ist, daß das spanische Schrifttum weder Sekundärliteratur noch epigonal ist, sondern Thesen und Fragestellungen als Startpunkt zu eigenen, selbständigen Überlegungen, die sogar oft zu entgegengesetzten Folgerungen führen, nutzt. Der im wesentlichen nicht-autoritäre Denkmodus C. S.s erweist sich hier auf das Offenkundigste. Im übrigen ist die Entstehung einer modernen spanischen Politologie (einsetzend mit der 1939 gegründeten „Revista de Estudios Políticos") ohne C. S. gar nicht vorstellbar. Das hindert freilich universitäre Oberaufseher des heutigen demoliberalen Systems wie Elias Díaz (der sogar schon über C. S. publizierte!) nicht daran, den großen Anreger mit keinem einzigen Wort zu erwähnen, - in einem Buch, dessen Thema zumindest einen längeren Exkurs zu C. S. benötigte: Intellektuelle unter Franco. Eine Geschichte des spanischen Denkens 19391975, Frankfurt a. M. 1991, Vervuert. 7 A. d'Ors bezieht sich hier auf seinen Vater, den katalanischen Philosophen und Essayisten Eugenio d'Ors (1881 -1954), der C. S. auf der o. erwähnten Tagung in Barcelona kennenlernte u. sich mit ihm anfreundete. Eugenio d'Ors schrieb, häufig unter dem Pseudonym Xenius [Dazu Alvaro d'Ors. „Xenius y Cataluña", in: Atlántida, 41, 1969,S. 547-552, auch in: Nuevos papeles, s. 444-451; zugleich eine Besprechung des Buches von Enric Jardi, Eugeni d'Ors. Vida y obra, Barcelona 1967, Aymá Editora, 382 S.; auch „Xenius, desde Madrid," in: Nueva Revista de Política, Cultura y Arte, April 1999, S. 61-69 (zugleich eine Kritik des Buches von Vicente Jachu Viu, Revision de Eugenio d'Ors, Barcelona 1997)] „Glösas" zur Philosophie, Soziologie, bildenden Kunst, nationalen und internationalen Politik, Religion usw. und sammelte sie in „Glossarien"; vgl. u. a.: Glosari 1906, ab les gloses a la conferencia d'Algeciras y les gloses al viure de Paris, Barcelona 1907, Lliberia de Francesco Puig, 535 S.; Glosari de Xenius. Edició Completa, vol. II, MCMVII, Barcelona 1915, Talleres Gráficos Montserrat, 382 S.; Glosari de Xenius. Edició Completa,vol. III, gl. Ort, Verlag u. Jahr, 399 S. (diese Bde. alle in katalan. Sprache); Novísimo Glosario, I, (1944-1945), Madrid 1946, Aguilar, 1068 S., darin S. 150-53 „Karl Schmitt y la ciencia del derecho" (geht auf C. S.s Vortrag zur Lage der europäischen Rechtswissenschaft ein, den dieser im Mai 1944 in Madrid hielt) sowie S. 869 f., „La Hispanidad" (über den Zusammenhang opportunistisch-romantisch); Nuevo Glosario, vol. I, (1920-1926), Madrid 1947, Aguilar, 1251 S.; Nuevo Glosario, vol. II (1927-1933), Madrid 1947, Aguilar, 1109 S., darin S. 525-27, „Ideas de Carl Schmitt" (über C. S. und Donoso Cortés); S. 527-29, „Gravitación" (über

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Schmitt sagte mir einmal, daß ihm das Glossarium meines Vaters „kaleidoskopisch" anmute; ich möchte sagen, daß das seinige - und auf gewisse Weise seine ganze Person - „gonioeidoskopisch" 8 ist. Ich gebrauche den Neologismus, um Schmitts „Winkeligkeit" („angularidad") zu kennzeichnen; ihn mag hier vielleicht eine gewisse Alusion auf die „Normen" ärgern, die j a Apparate sind um Winkel abzustecken, die aber auch nomoi sind. Sogar der kantige Stil und selbst seine Gestik reflektierten diesen winkeligen Charakter seiner Persönlichkeit; trotz seines sympathischen physischen Profils katholischer „Bonhomie". Dennoch darf man nicht vergessen, daß sein Katholizismus in einer Haltung der „Verschärfung" wurzelte. „Das ist das geheime Schlüsselwort meiner gesamten geistigen und publizistischen Existenz: das Ringen um die eigentlich katholische Verschärfung (gegen die Neutralisierer, die ästhetischen Schlaraffen, gegen Fruchtabtreiber, Leichenverbrenner und Pazifisten)" schreibt Schmitt auf S. 165 des Glossarium. Hierin fühle ich mich als sein Verbündeter. Meine persönliche Beziehung zu Carl Schmitt begann 1944 und wurde danach sehr herzlich; mein Buch De la guerra y de la paz (Madrid 1954, Rialp, 217 S.) ist ihm gewidmet und sammelt zu einem guten Teil die Früchte des für mich sehr anregenden Umgangs mit Schmitt 9 . In den Jahren nach dem Glossarium wurde diese Beziehung sehr familiär, - wegen der ehelichen Verbindung, die Schmitts einzige Tochter Anima mit einem Kollegen der Universität Santiago de Compostela, dem C. S. und Marx); S. 532-34, ,Antiamericanismo" (über C. S.s Vortrag in Barcelona); S. 554-56, „Nómina" (über Herwegen, Guardini, C. S.); S. 573 f., „El romanticismo político"; S. 699 f., „Otra vez Donoso" (über Donoso u. C. S.) S. 700-702, „Oberservador y vidente" (über Geschichtsdenken bei Donoso, Marx u. C. S.); S. 861 -65, „Lo mismo daba" (über Opportunismus-Liberalismus); S. 917 f., „La defensa de la Constitución" („Hindenburgs Haltung zu Verfassungsfragen ist nichts anderes als eine Anwendung der theoretischen Prinzipien, die Schmitt seit dem März 1929 vertritt"); S. 947 f., „Pugna histórica" (zum Widerstreit zwischen „viriler" Autorität und „femininer" Deliberation); S. 984 f., „Esparta, Atenas, Roma" (Opportunismus - Liberalismus); Nuevo Glosario, vol. III (1934-1943), Madrid 1949, Aguilar, 1164 S., darin S. 534, „Karl Schmitt" (C. S. habe die der Politischen Romantik wesenhaft zu eigen seiende, inhärente Gemeinheit aufgedeckt); S. 1087-91, „Si el Bosco fué hereje" (über einen gemeinsamen Besuch des Prado um Hieronymus Boschs Werk „Im Garten der Lüste" (auch: „Das Tausendjährige Reich") zu betrachten, das nach C. S.s Überzeugung beweist, daß Bosch Häretiker und Anhänger einer adamitischen Sekte war; er stützte sich dabei auf die These des Kunsthistorikers Wilhelm Fraenger (1890- 1964) (Vgl. in diesem Band S. 312-317. Aufschlußreich ist auch Eugenio d'Ors' Aufsatz „Carl Schmitt y la Política Romántica" v. 1930, nachgedruckt in: ders., Diccionario Filosófico Portátil, hrsg. v. Dalmacio Negro Pavón, Madrid 1999, Criterio Libros, 153 S„ S. 111 - 119; sowie sein Artikel „La Lettre, Γ Esprit et Γ Esprit de la Lettre, I, Carl Schmitt" v. 1930, nachgedruckt in: Schmittiana V, S. 299-304. - Zu Eugenio d'Ors - C. S. auch: Beneyto, [FN 6] S. 25-27. Dazu inzwischen auch: Jorge Eugenio Dotti (geb. 1947), Carl Schmitt en Argentina, Rosario (Argentina) 2000, Homo Sapiens Ediciones, 929 S., dort S. 27-41. 8 Aus dem Griech.: Goniometer = Winkelmesser; Goniometrie = Winkelmeßkunst. 9 Das Buch enthält S. 181 -204 den außerordentlich bedeutsamen Aufsatz „Carl Schmitt en Compostela" (zuerst in: Arbor, 1952, S. 46-59); deutsch in m. Übersetzung in: Vierte Etappe (Bonn), Sept. 1989, S. 60-75. - Die Widmung lautet: CAROLO SCHMITT/CLARISSIMO VIRO/GRATVS SOLVIT AMICVS. 15 Schmittiana VII

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Rechtshistoriker Alfonso Otero, einging 1 0 . Beiläufig muß ich bemerken, daß Schmitt i n seiner Aufzeichnung vom 28. 5. 1950 meinen Optimismus bezüglich der unmittelbaren Zukunft Deutschlands zu beklagen scheint, den ich damals in einem Brief an den Dominikanerpater Welty ausdrückte; anscheinend gab ich Schmitt diesen Brief zu lesen 1 1 . Nach so vielen Jahren kann ich mich, offen gesagt, nicht mehr erinnern, was ich damals an Pater Welty schrieb. Über meine von mir oft bekannte und gewürdigte Beziehung zu Schmitt habe ich einen bis heute nicht publizierten Text verfaßt, sodaß ich mich hier nicht wiederholen werde 1 2 . Von den Briefen, die ich von Schmitt empfing, habe ich dem Nachlaß-Archiv in Düsseldorf Kopien ausgehändigt 13 .

10 Alfonso Otero (geb. 1925) war Prof. für Rechtsgeschichte an der Universität Santiago de Compostela u. heiratete 1957 Anima Schmitt; der Ehe entstammen vier Kinder. Otero zog sich 1981 aus der Universität zurück; zu der damals erschienenen Festschrift „Libro homenaje al profesor Alfonso Otero" steuerte C. S. seine spanisch geschriebene „Carta a Alfonso Otero" (S. 13-16) bei, die seine letzte Veröffentlichung darstellt; vgl. meine Übersetzung in: Siebte Etappe (Bonn), Okt. 1991, S. 119-123. 11 a) Schmitt notierte am Pfingstsonntag, den 28. 5. 1950 (Glossarium, S. 302) u. a.: „Wenn ich den schönen, gläubigen Brief von Alvaro d'Ors an P. Welty lese (vom Mai 1950), tut es mir fast leid um diese Art ehrlichen Interesses an einem Deutschland, das in Wirklichkeit Herrn Hausenstein als ersten Nachkriegsrepräsentanten nach Paris schickt und einen taktlosen Schauerkerl wie Erich Kaufmann zum kulturrechtlichen spiritus rector erhebt." b) Mit dem Dominikanerpater Eberhard Welty (1902-1965), einem Hauptvertreter der katholischen Soziallehre nach 1945, unterhielt C. S. in der Nachkriegszeit freundschaftliche Beziehungen. Unter Weltys Führung als Prior wurde das Dominikanerkloster Walberberg ein „Haus der offenen Tür," in dem viele Diskussionen, quer durch die politisch-weltanschaulichen Fronten hindurch, stattfinden konnten. 1946 gründete er die Zeitschrift „Die Neue Ordnung", in der u. a. C. S.s Aufsätze „Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation" (1 / 1949, S. 1-15) u. „Francisco de Vitoria und die Geschichte seines Ruhmes" (4/1949, S. 289-313) - wenn auch anonym - erscheinen konnten (vgl. Schmittiana II, S. 128-130). - W. schrieb u. a.: Gemeinschaft und Einzelmensch. Eine sozialmetaphysische Untersuchung, bearbeitet nach den Grundsätzen des hl. Thomas v. Aquin, 1935; Die Entscheidung in die Zukunft, 1946; er gab auch den berühmten Herderschen Sozialkatechismus heraus (3 Bde., ab 1950) u. kommentierte die Enzyklika ,»Mater et magistra"; vgl. a. die Nachrufe in: Die Neue Ordnung, 4/1965, S. 302 f.; ebd., 6/1966, S, 458-463. 12 Es handelt sich um ein engzeiliges Typoskript (2 1/ 2 S.) mit dem Titel ,»Mi recuerdo de Carl Schmitt". D'Ors schildert darin, wie stark die verfassungsrechtliche Diskussion in Spanien bis 1936 unter dem Einfluß Hans Kelsens (1881 -1973) stand, bis, nach den Bemühungen Condes [FN. 77], C. S. berühmt wurde. D'Ors selbst fand durch die Lektüre von „Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus" (zuerst 1923) Zugang zu C. S. („noch mit emsiger Benutzung des Wörterbuches") und hielt dieses Buch für „decisivo para mi pensamiento de toda la vida"). Danach geht d'Ors noch kurz auf die Freundschaft mit dem Ehepaar Otero ein. 13 Es sind dies 53 Briefe aus den Jahren 1948 -1978, die von großem Interesse sind, zumal C. S. und d'Ors hier des öfteren die Frage des „Nomos" erörtern. D'Ors' Schülerin Montserrat Herrero López, eine ausgezeichnete Kennerin der Werke beider Autoren, Professorin an der Universität Pamplona, bereitet eine Edition dieser Briefe vor; aus einigen von ihnen wird hier zitiert. Trotz der großen Sicherheit d'Ors' in der Beherrschung der deutschen Sprache hat C. S. die Mehrzahl dieser Briefe auf Spanisch verfaßt.

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Ich werde mich darauf beschränken, hier einige Anmerkungen zu sammeln, die bei der Lektüre dieses postumen Glossarium aufgrund jener anregenden Kraft entstanden, die für mich stets in Schmitts Feder lag. Es sind vereinzelte Beobachtungen, die auf gewisse Weise eine „kontrapunktische" Begleitung der Positionen des Meisters darstellen. Sie werden jedoch keine auch nur annähernd genügende Vorstellung von der Weite und Komplexität dieses Diariums geben, besonders wenn man bedenkt, daß ich ein Leser bin, der mit dem geistigen und politischen Ambiente Deutschlands weniger vertraut ist, sodaß für mich hier besondere Schwierigkeiten entstehen: Schmitts Reflexionen sind häufig nicht nur aphoristisch und rätselhaft, sondern sie geraten, wie der Verfasser der Einleitung schreibt, ins Surrealistische 14 und sind voll von schwer aufzulösenden Anspielungen. Das Namensverzeichnis (S. 321 -364) der von Schmitt erwähnten Personen (mit kurzen Hinweisen) genügt nicht, um die Schwierigkeiten der Interpretation zu beheben; die Fingerzeige des Prologschreibers, Joseph H. Kaiser, des Schülers und Testamentsvollstreckers Schmitts, versetzen uns zwar mitten hinein in die Lebenswelt des Autors, aber es fehlen, durch das gesamte Buch hindurch, Fußnoten, die dem Leser helfen. Man hat nicht einmal ein Sachregister erstellt, das bei einem Buch solchen Typs unentbehrlich scheint um die Themen zu finden und um verschiedene Stellen, die zuweilen auf eine enigmatische Weise widersprüchlich sind, einander konfrontieren zu können. Ich lasse die mangelnde Sorgfalt bei der Transposition der Zitate, insbesondere der griechischen, einmal beiseite, - hier wurde gegen eine gute deutsche Tradition verstoßen. Man muß freilich dabei bedenken, daß Schmitt, was die Zitate angeht, damals auf sein Gedächtnis angewiesen war. Zitiert er zum Beispiel Tacitus (Historien, 1, 2, wo „optimum " eine Korruption der „lectio difficilior" inopinum ist), so schreibt er ihm die Wendung „ bella civilia et externa permixta " zu, wo Tacitus sagt: „ trina bella civilia, plura externa ac plerumque permixta", was sehr viel konkreter und wirklichkeitsgesättigter ist und der Beobachtung Schmitts kräftigeren Nachdruck verleiht 15 . Bei dieser Gelegenheit erinnere ich mich an das Gedächtniszitat 14 „Von einigen Aufzeichnungen weht ein surrealistisch anmutender Hauch", bemerkt Joseph H. Kaiser (1921 - 1998) in seinem Prolog zum Glossarium, S. XIII. 15 D'Ors erörtert hier die erste Eintragung C. S.s vom 28. 8. 1947 im Glossarium, S. 3 5, bei der es um Tacitus (99-120) geht; das von ihm gerügte „optimum" ist wohl ein Schreibfehler C. S.s bzw. ein Druckfehler. Bei ihm heißt es: „Jedes Wort dieses Tacitus-Kapitels ist erschöpfend aktuell: magna ingenia cessere; opus adgredior optimum casibus, atrox proeliis, discors seditionibus, ipsa etiam pace saevum. Jawohl, ipsa etiam pace saevum, bella civilia et externa plerumque permixta. Die Verbindung von Außenkrieg und Bürgerkrieg, das ist nicht Rhetorik, sondern die schauderhafte Wirklichkeit erkannt und ausgesprochen, die Ununterscheidbarkeit von Krieg und Frieden." (S. 5). Korrekt lautet der Text „magna illa ingenia cessere" um später fortzufahren: „Opus adgredior opimum casibus, atrox proeliis, discors seditionibus, ipsa etiam pace saevom, quattuor principes ferro interempti; trina bella civilia, plura externa ac plerumque permixta" (Historiae/Historien, hrsg. von J. Borst, 4. Aufl., München u. Zürich 1984, Artemis, S. 6, 8). Borst übersetzt mit: „Die Darstellung, an die ich mich mache, berichtet von einer Menge Mißgeschick, von Schlachtengreueln, zwietrachterfüllten Meutereien, ja selbst von Schreckenstaten in Friedenszeit: 1*

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Schmitts, das er am 18. 5. 1951 in mein Exemplar des „Nomos der Erde" schrieb; es handelte sich um Verse des Ecclesiasticus (mit der konkretisierenden Bemerkung „24, 15 ff."): „Et sic in Sion firmata sum/et radieavi in populo honorificato et in plenitudine sanctorum detentio meau. Diese Verse waren zwar richtig erinnert, sie folgten jedoch in der betreffenden biblischen Passage einander nicht, - es wurden einige dazwischen liegende Zeilen übersprungen 16 . In einem Fall, (S. 11), erscheint eine Textstelle des Exodus (2. Mose, 23, 22), die Schmitt auf S. 21 erneut aufführt, als Epistel zum 15. Sonntag nach Pfingsten, was ich, wegen der damaligen Liturgie, nicht nachprüfen kann 1 7 . Nun, die folgenden Randbemerkungen sind notwendigerweise unvollständig, subjektiv und vielleicht sehr oberflächlich, wie die Worte, die in einer Plauderei mit dem Autor aufsteigen mögen, in einem Gespräch zwischen zwei Alten, in dem man dahin gekommen ist, die Distanz der Zeit zu überwinden, - die er aufhob und die ich, wie ich weiter unten erklären werde, glaube, beherrscht zu haben - auf die Art und Weise einer utopischen U-Chronie, die uns vorbereiten kann auf die Ewigkeit.

R a u m und Zeit Unser Einsamer von Plettenberg wiederholt bei vielen Gelegenheiten (S. 60, 171 u. ö.) daß er die Zeit für den Raum eingetauscht habe 1 8 : in all seinen GespräVier Fürsten vom Mordstahl getroffen, drei Kriege im Land, noch mehr auswärts und nicht selten ihre Verschmelzung." 16 Die Verse lauten vollständig: „et sie in Sion firmata sum/et in civitate sanctificata similiter/requievi/et in Hirusalem potestas mea /et radieavi in populo honorificato /et in parte Dei mei hereditas illius/et in plenitudine sanctorum detentio/mea/quasi cedrus exaltata sum in Líbano" (nach: Vulgata, Ausg. d. Württembergischen Bibelanstalt, II, Stuttgart 1975, S. 1059). Der deutsche Text nach der Echter-Bibel: „(Im heiligen Zelte tat ich Dienst vor ihm,)/und darauf wurde ich in Sion eingesetzt./In der Stadt, die er ebenso liebt wie mich, fand ich Ruhe,/und in Jerusalem (entstand) mein Machtbereich./Ich faßte Wurzel in einen ruhmreichen Volke,/im Anteil des Herrn, in seinen Erbbesitz:/und wie eine Zypresse auf dem Hermongebirge." (nach Sirach, bearbeitet von Vinzenz Hamp, Würzburg 1951, Echter, S. 65; die Zählung dort: 24, 11 - 14). 17 C. S., „immer wieder ... von neuem erschrocken über die Feindschaft, die das bloße Aussprechen des Wortes und des Namens „Feind"" gegen ihn entfesselte, weist auf S. 11 auf die Epistel v. 7. 9. 1947 (15. Sonntag nach Pfingsten) hin: „Deine Feinde sind meine Feinde und die Dich schlagen, werde ich schlagen"; beruhend auf 2. Mose, 23; 22: „Wirst du aber seine Stimme [= die des gesandten Engels] hören und tun alles, was ich dir sagen werde, so will ich deiner Feinde Feind und deiner Widersacher Widersacher sein." Am 29. 9. 1949 bezieht C. S. die biblische Wendung auf Donoso Cortés: " Von Donoso geht unverändert die alte Kraft aus; er ist einer meiner Schutzengel. Seine Feinde, sagt Gott, sind meine Feinde." 18 19 » S. 60: „Ich verliere meine Zeit und gewinne meinen Raum." S. 171: „Magie und Raum gehören zusammen, nicht Magie und Zeit. Ich, hier in Plettenberg, in den Bergen an der Lenne, verliere meine Zeit und gewinne meinen Raum. Die Zeit fällt von mir ab, der Raum kommt auf mich zu und hält mich umfangen. Er hegt mich." Zum Verhältnis der Worte

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chen wurde das Thema „Raum" häufig erörtert, ein Wort, das für ihn ein begriffliches Echo des katholischen „ R o m " ist (S. 3 1 7 ) 1 9 und ein gefühlvolles Echo von „Reim", den er (mit dem Beistand seiner Dichterfreunde Theodor Däubler und Konrad Weiß, den beiden „sibyllinischen Dichtern" aus dem „Gesang des Sechzigjährigen") verteidigte; den Reim, den er, so erinnere ich mich von ihm gehört zu haben, als wesenhaft (nicht nur als historisch) christlich bezeichnete, - in der Art der ästhetischen Askese des „minus ut plus". Der Raum ist für ihn das Paradies und die Zeit die Hölle (S. 171) 2 0 , zugleich ist er auch die Macht (S. 187) 2 1 und in Land und Meer „ein Kraftfeld menschlicher Energie" 2 2 , usw. Seine Aversion gegen die Zeit verbindet sich bei ihm mit einer Abneigung gegen die Sonne, von der jede Zeitmessung abhängt, sodaß es in der himmlischen Glorie weder Sonne noch Nacht geben wird (Offenbarung 21, 23 u. 25), ebensowenig aber die Zeit (ebd., 10, 6) und auch nicht das Meer (ebd., 21, l ) 2 3 . Die Sonne ist für Schmitt der Tod

„Raum" und „Rom" vgl. von C. S. „Raum und Rom - Zur Phonetik des Wortes Raum" (zuerst 1951), in: ders., Staat, Großraum, Nomos, hrsg. v. G. Maschke, Berlin 1995, Duncker & Humblot, S. 491-95. 20 „Der Raum ist das Paradies; die Zeit ist die Hölle. Grenze ist Magie. Es gibt keinen leeren Raum, wohl aber eine leere Zeit. Recht ist Ordnung, d. h. Ortung ..." 21 „In einem Propos d'Alain fand ich zitiert: der Raum ist das Bild unserer Macht und die Zeit ist das Bild unserer Ohnmacht. Ob das mit der Zeit stimmt, lasse ich offen. Aber der Raum ist die Macht. Darum war die Wortbildung Großraum ohne weiteres eingängig, während man zwar von einer großen Zeit, aber nicht von einer Großzeit spricht. Das Wesen des Seins ist räumliches Sein, Ortung, Raum und Macht; es ist nicht zeitliches Aufeinander; es ist Präsenz, d. h. Raum. Die Undurchdringlichkeit der Körper war Raum und Macht. Eben das hört auf. Die grenzenlose Durchdringlichkeit der Wellen ist nicht mehr Macht, sondern Einfluß. Gott ist tot heißt: der Raum ist tot, die Körperlichkeit ist tot (daher die bei aller Angst um ihr Leben unfaßbare Gleichgültigkeit der Massen gegen den physischen Tod und die Zerstörung ihres leiblichen Bildes); statt dessen Unterwerfung unter Kräfte. Der Raum ist präsente Macht, nicht Kraft. Die Zeit ist weder das eine noch das andere; Kräfte sind noch nicht geortete Mächte; Mächte sind geortete Kräfte." (5. 8. 1948). 22 „Heute verstehen wir unter Raum nicht mehr eine bloße, von jeder denkbaren Inhaltlichkeit leere Tiefendimension. Raum ist uns ein Kraftfeld menschlicher Energie, Aktivität und Leistung geworden. Erst heute wird uns ein Gedanke möglich, der in jeder anderen Epoche unmöglich gewesen wäre und den ein deutscher Philosoph der Gegenwart ausgesprochen hat: Die Welt ist nicht im Raum, sondern der Raum ist in der Welt." (Land und Meer - Eine weltgeschichtliche Betrachtung, Leipzig 1942, Reclam, S. 75; 3. Aufl., Köln-Lövenich 1981, Edition Maschke, S. 106) C. S. bezieht sich auf Viktor von Weizsäcker (1886-1957), Der Gestaltkreis. Theorie der Einheit von Wahrnehmen und Bewegen, (zuerst 1940) 5. Aufl., Stuttgart 1986, Thieme, dort bes. S. 111-114, 134-145; vgl. auch C. S.s Hinweise in: Völkerrechtliche Großraumordnung. 4. Aufl., 1941, in: Staat, Großraum, Nomos [FN 18/19], S. 269-371, hier S. 272, 319, sowie meine FN 30. 23 Offenbarung des Johannes, 21; 23, 25: „Und die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes, daß sie ihr scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm ... Und ihre Tore werden nicht verschlossen des Tages; denn da wird keine Nacht sein." Ebd., 10; 5: „Und (der Engel) schwur bei dem, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, der den Himmel geschaffen hat und was darinnen ist, und die Erde und was darinnen ist, und das Meer und was darinnen, daß hinfort keine Zeit mehr sein soll." Ebd., 21; 1: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste

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(S. 2 8 7 ) 2 4 , obgleich das Leben, von dem er spricht, auf der Erde nur dank der Sonne existiert. Für diese „boutade" benutzt Schmitt den Ausspruch La Rochefoucaulds: „ L e soleil et la mort ne se peuvent regarder fixement" 2 5 . In Wirklichkeit, so scheint mir, geht es bei dieser Assoziation um die menschliche Unfähigkeit und Schwäche, Gott erschauen zu können. Von Ihm ist uns nur „der Rücken" sichtbar (2. Mose, 33, 2 3 ) 2 6 und zu diesem Mysterium gehören auch der Tod und das Leben, die beide gleichermaßen unbegreiflich sind. Doch ist diese Identifizierung von Sonne und Tod noch unerklärlicher bei einem Deutschen, für den der Tod, wie i m Griechischen, maskulin ist, während jene - eine überraschende Inversion der deutschen Sprache gegenüber einem männlichen Mond, die auch ein Deutscher erstaunlich fand (vgl. Schmittiana , Π Ι, S. 148) 2 7 - weiblich ist. Meine eigene Erfahrung - als alter Mann, der heute mehr Jahre zählt als Schmitt 1950 - wenn auch, was stimmt, ohne das, was Schmitt die „Weisheit der Z e l l e " 2 8 nannte oder etwas Vergleichbares - ist dem wohl entgegengesetzt: Ich habe mich eingeordnet in die Zeit und habe auf das Verständnis des Raumes, dessen Ausdehnungen mich so weit überschreiten, ebenso verzichtet wie auf das der Macht. Doch glaube ich, das Raum und Zeit Korrelate sind und wesenhaft unaufspaltbar; das Shakespeare'sehe „Time must have a stop", das Schmitt geltend macht (S. 55 u. 6 0 ) 2 9 ist nicht nur ein Ende der Zeit, sondern der ganzen Welt und damit auch des Erde vergingen, und das Meer ist nicht mehr." - Heinz Giesen, Die Offenbarung des Johannes (Übersetzung u. Kommentar), Regensburg 1997, Pustet, bemerkt S. 452: „Das ist nicht verwunderlich, gilt das Meer doch als Wohnstätte widergöttlicher und menschenfeindlicher Mächte (TestLev 4. 1; AssMos 10, 6; OrSib V 158-160, 447 u.ö.). Aus dem Meer, das für den antiken Menschen als sehr bedrohlich gilt, kam auch das Tier, das im Namen Satans alle Welt verführt hat (13, 1)." Vgl. dazu die reichhaltigen Hinweise, bes. zur Deutung der Väter, über das „bittere" und das „böse Meer" bei Hugo Rahner S.J. (f 1968), Symbole der Kirche Die Ekklesiologie der Väter, Salzburg 1964, Otto Müller, S. 272-303. z4»25 „Le soleil ni la mort ne se peuvent regarder fixement (La Rochefoucauld Nr. 26). Großartig. Die Sonne ist ja der Tod. Leben gibt es nur auf der Erde. Die Sonne ist ein chaotisches Gemisch fortwährender Explosionen. Moderner Scheinwerfer." (29. 12. 1949). - Am 7. 10. 1947 notierte C. S.: „Ich habe eine Sünde zu beichten: Ende August 1946 habe ich in der Verzweiflung des Camps morgens, als die ersten Sonnenstrahlen auf meine Pritsche fielen, laut die Sonne angesprochen und ihr gesagt: Du Betrügerin. Das war schrecklich, so wie der Ausspruch, den der Vater von Kierkegaard mit Bezug auf Gott getan hat." (S. 27). 26 „Und wenn ich meine Hand von dir tue, wirst du mir hintennach sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen." Dazu bemerkt die Luther-Bibel v. 1912 (Württemberg. Bibelanstalt): „Die Herrlichkeit des Herrn soll an Mose vorübergehen, während er in der Höhle steht und Gottes Hand sein Auge bedeckt. Erst wenn der Glanz vorüber ist, darf er die Erscheinung von hinten sehen. Das gilt auch noch uns: wir können Gott nur hinten nachsehen d. h. ihn nur aus seinen Werken, Führungen und Worten erkennen." 27 D'Ors bezieht sich auf einen Brief von Moritz Freiherr von Bethmann (1916-1942) an C. S. vom 6. 4. 1941, in: Schmittiana III, S. 147-152 (mit Erläuterungen von P. Tommissen). 2 » Vgl. C. S., „Weisheit der Zelle", in: Ex Captivitate Salus, Köln 1950, S. 79 -91 (ein Text vom April 1947). 29 S. 55: „Herrlich die Glosse von Aldous Huxley (time must have a stop) zu den Versen des sterbenden Hotspur (Heinrich IV, 1. Teil, Akt 5). But thought's the slave of life, an life

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terrestrischen Raumes. Raum und Zeit sind zwei Maße der menschlichen Defizienz: der zur totalen Präsenz, zur Allgegenwart, beziehungsweise der zur Dauer. Eine Begrenzung (limite) - ein Raum ist stets begrenzt - ist notwendigerweise auf zwei Arten möglich: als Reichweite der eigenen Macht, das ist die Version Schmitts oder als eine andere, als Maß der eigenen Ohnmacht, das ist die meinige. Daher ziehe ich es, als Prä-Moderner der ich bin, vor, anzunehmen, daß die Welt im Raum ist und nicht der Raum in der Welt, wie Schmitt, es annimmt; dies letztere Konzept des Raumes ist modern, es gehört in den Umkreis des protestantischen Individualismus und ist auch newtonianisch. 3 0 Wir sagen hic et nunc, doch das hic ist auch temporal und das nunc ist nur verstehbar in einem bestimmten Raum. Die Verbindung Raum / Z e i t manifestiert sich i m Begriff der „Präsenz", der die Zeit reduziert, sowie in dem der „Repräsentation", der die räumliche Distanz reduziert; daher rührt vielleicht mein besonderes Interesse für das Thema der Repräsentation als Reduzierung des Raumes mittels der Z e i t . 3 1 Diese Reduktion muß verstanden werden sowohl als Eliminierung der räumlichen Distanz, in der sich das Repräsentierte befindet, als auch als Reduktion des Bedeutungsvolumens in den unterschiedlichen Typen der Repräsentation; nicht nur in der Repräsentation des pars pro toto, sondern auch in der symbolischen, sowie, ganz allgemein, in der figurati-

time's fool, und time, that takes survey of all the world, must have a stop. - Das Denken ist ein Knecht des Lebens; aber diese Lebensphilosophie ist nur der erste Satz: Es geht weiter. Das Leben selbst ist ein Narr der Zeit; und die Zeit hat einmal ein Ende. - Warum soll ich mich dem Trost solcher Verse und der blauen Milde dieses Adventsabends nicht überlassen? Ich bin doch kein Besitzer von Besitztümern dieses Lebens, dessen Knecht mein Denken wäre. Ich habe keinen Besitz, ich habe nur einen Bereich; soweit mein Auge und mein Gedanke reicht. Die anderen haben den Bereich ihrer Hände, der manus. - Erkannte mich selbst und meine Art zu denken in jedem Satz von Aldous Huxley wieder. Was bedeutet diese Kommunikation? Jedenfalls mehr als ein Briefwechsel. Versuche nur nicht, dein Denken in Besitz zu verwandeln." (1. 12. 1947). - S. 60: „Ich verliere meine Zeit und gewinne meinen Raum. Time must have a stop. Weg mit den 1.800, meinetwegen auch 18.000 Jahren! Schluß mit der Utopie! Aldous Huxley schließt die Epoche der Utopie ab, Thomas Morus hat sie eröffnet. Er kann jetzt heilig gesprochen werden, während Huxley (a people) can only be condemned out of its own mouth." (14. 12. 1947, Brief C. S.s an die Studienrätin Marie Stewens (18991981), die sich mit der Geschichte der Utopien stark beschäftigte; vgl. Schmittiana IV, S. 272-84. - C. S. war sehr beeindruckt von dem Roman A. Huxleys (1894-1963), „Time must have a stop" (zuerst 1945), vgl. dort die Ausführungen zu Hotspurs Worten, S. 290305 der Ausg. London 1960, Chatto & Windus, mit denen das Buch schließt. 30 Noch um die Jahreswende 1980/81 befaßte C. S. sich mit der Geschichte der philosophischen Raumtheorien u. las dazu u. a.: Werner Gent, Die Raum-Zeit-Philosophie des 19. Jahrhunderts, Bonn 1930, u. Max Jammer, Das Problem des Raumes. Die Entwicklung der Raumtheorie, Darmstadt 1960 (zuerst engl. 1954). - Vgl. den geschichtlichen Abriß und das Stichwort „Raum" in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, VIII, Basel 1992, Sp. 6 7 121. 3i,32 Dazu von d'Ors: El problema de la representación política (1978), in: Ensayos S. 223-240; Una introducción . . . , bes. S. 102-106; Nueva introducción . . . , bes. S. 23 f., 165 f.; auch Rafael Domingo [FN 91], S. 131 ff., 245 ff. - Die verschiedenen Formen der Repräsentation außerhalb der politischen (pars pro toto, symbolische, mentale etc.) erörtert d'Ors in seinem zuerst genannten Aufsatz S. 223-229.

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ven Kunst und sogar, auf ihre Weise, in der mentalen Repräsentation, in der die gesamte Wirklichkeit verwandelt bleibt in einem unantastbaren Mikrokosmos: die „Welt als Repräsentation". 32 Mir ist es nicht gelungen zu verstehen, wie Schmitt, in seiner mir sehr begreiflichen Aversion gegenüber dem Kino (S. 16) 33 in der Präsenz eine Überwindung der Zeit durch den Raum sieht und sagt, daß das Kino in der Eliminierung dieser Präsenz bestehe, als wäre nicht auch das Kino eine weitere Modalität der Repräsentation. An was das Kino tatsächlich leidet, ist eine dynamische Entartung der Beziehung von Zeit und Raum, eine Art unnatürliche Akzeleration des stets räumlichen Bildes, was sich besser verstehen läßt, wenn man den rückwärts abgespulten Film betrachtet. Eine noch weitergehende Denaturalisierung wird in der Imagination des Traumes erreicht, in der, wie in der Atopie, sich die Alogik und eine unnatürliche temporale Ausdehnung des Augenblicklichen vereinen. Imgrunde reflektiert Schmitts Bevorzugung des Raumes sein Konzept der „konkreten Ordnung" als notwendigerweise lokal 34 : sein Insistieren auf der Verbindung von „Ordnung" und „Ortung" 35 . Doch ist dieser Austausch von Zeit und Raum etwas, das jenseits der Kohärenz einer so bewunderungswürdigen diachronischen Sensibilität wie derjenigen Carl Schmitts liegt und was noch nicht wirklich verstanden wurde. Denn als Juristen können wir nicht vergessen, daß das Recht stets etwas Historisches ist, unbegreiflich nicht nur jenseits des temporalen Moments sondern auch jenseits der chronologischen Dimension. In seiner Zurückweisung der Zeit erweist sich Schmitt eher als Politiker denn als Jurist, was bei Öffentlichrechtlern nicht selten ist.

Utopie Wie ist es zu verstehen, daß dieser Raum, von dem Schmitt sagt, daß er ihn „gewonnen" habe, „atopon" sei ohne „Utopie" zu sein (S. 85)? 36 33 Trotz dieser Abneigung gegen das Kino hat C. S. den Stummfilm des dänischen Regisseurs Carl Theodor Dreyer (1889- 1968), „La passion de Jeanne d'Arc" (1927) sechszehnmal gesehen (Äußerung Schmitts sowohl ggü. Piet Tommissen als auch mir). Vgl. in diesem Band, S. 36 FN 17. 34 Vgl. das Referat von Joseph H. Kaiser, „Konkretes Ordnungsdenken" auf der Carl Schmitt-Tagung in Speyer, 1 . - 3. 10. 1986, in dem dieser das Smithsonian Agreement von 1971, mit dem die Vereinigten Staaten auf die Dollarkrise reagierten, als eine „konkrete Ordnung" bezeichnete, was z. T. Erstaunen hervorrief, da es hier nicht um einen konkreten Raum, sondern um „einen für die Weltwirtschaftsordnung unabdingbaren, sie tragenden Mechanismus eines Ausgleichs von Handels- und Finanzströmen" (Kaiser) ging. Das Referat in: H. Quaritsch, Hrsg., Complexio Oppositorum - Über Carl Schmitt, Berlin 1988, Duncker & Humblot, S. 319-331, dazu die Diskussionsbemerkung von Hans-Joachim Arndt (geb. 1923), ebd., S. 334. 35 Vgl. bes. C. S., Der Nomos der Erde, (zuerst 1950), Berlin 1997, Duncker & Humblot, 308 S., dort S. 13-20.

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Das Thema der Utopie als Form der „Entartung" (deslocalización) - zu unterscheiden von der „Dislokation" - erscheint immer wieder im Denken Schmitts während seiner letzten Jahre und auch in diesem Glossarium (hauptsächlich S. 47). 37

36 „Ich bin das atopon gegen die Utopie!! Wohnraum-Unraum? Der Raum, den ich gewinne, ist das atopon!" (17. 1. 1948). 37 a) „Thomas Morus bringt die Entortung, bei Beginn der geographischen Raumrevolution: Huxley die Entmenschung, bei Beginn der technischen Raumrevolution. Denn wir treten wohl ein in das Zeitalter der Technik. Morus kommt aus dem England, das die neue Welt des Meeres zu erobern sich anschickt; Huxley aus dem Punkt des modernen, industriell-technischen Ansatzes zu einer neuen Welt, deren Abenteuerlichkeit größer, grauenhafter sein wird als die der alten Adventurers der Piratenzeit des 16. und 17. Jahrhunderts." (S. 47 f.; die Sätze sind ein Resumé der Überlegungen ab S. 46). b) Zur von C. S: angesprochenen Entwicklung Morus-Huxley vgl. u. a. Willi Erzgräber, Utopie und Anti-Utopie in der englischen Literatur. Morus, Morris, Wells, Huxley, Orwell, München 1980; Peter Ederly Firchow, The End of Utopia. A Study of Aldous Huxley's Brave new world, Lewisburg 1984, Buckneil UP; Jan Eden Peters, We are the Dead. Untersuchungen zur historischen Analyse im anti-utopischen Roman: Nineteen Eighty-Four, Brave new World, Wir (My), Frankfurt a. M. 1985. - Begriffe wie: Anti-Utopie, Dystopie, schwarze Utopie, Ende der Utopie u.ä. scheinen mir nicht treffend; es handelt sich um „Inversion" (so auch C. S.), die aber die in den ursprünglichen Utopien bereits vorhandenen Elemente bis zur Kenntlichkeit verändert: die bereits dort zu findenden Elemente eines totalitären Zwangsbeglückungssystems. Bei Morus, der C. S. im Glossarium des öfteren beschäftigt (u. a. S. 46 ff., 55 f., 94 ff.), kommt hinzu, daß „die Dämonie der Macht ... ihr wahres Antlitz hinter der Maske der Gerechtigkeit" versteckt und sich bei ihm „jene Neigung zu moralischer Schönfärberei und Verbrämung der Machtpolitik [findet], die wir den englischen Cant nennen" (Gerhard Ritter (1888-1967), Die Dämonie der Macht, 6. Aufl., München 1948, Leibniz, S. 81, 212); vgl. Hermann Oncken (1869-1945), Die Utopia des Thomas Morus und das Machtproblem in der Staatslehre (1922), nachgedruckt in ders., Nation und Geschichte. Reden und Aufsätze 1919-1935, Berlin 1935, Grote, S. 373-397. Technisierung und Unritterlichkeit des Krieges bei Morus kritisiert Michael Freund (1902- 1972), „Zur Deutung der Utopia des Thomas Morus. Ein Beitrag zur Geschichte der Staatsräson in England" in: Historische Zeitschrift, 142, 1930, S. 254-278; Jesús Fueyo, „Tomás Moro y el utopismo político", in: Revista de Estudios Políticos, 86-87/1956, S. 61 -107, versteht die „Utopia" mehr als Satire auf humanitäre Illusionen. Grundsätzlicher wird die Kritik bei Eric Voegelin (1901 -1985), „Die spielerische Grausamkeit der Humanisten". Zu Niccolo Machiavelli und Thomas Morus, aus dem Engl., München 1995, Fink, S. 120: „Im Zentrum von Morus' utopischem Idealismus finden wir die gleiche pleonexia des Intellektuellen wie im Zentrum von Erasmus' Ästhetizismus. Es ist dies derselbe Dämonismus der Macht ohne die Gnade des Geistes wie bei Machiavelli, nur verschlimmert durch seine Verkleidung als Ideal. Das Konzept von Morus ist somit von weitaus größerer allgemeiner Bedeutung als jede Verwirklichung seiner Vorschläge durch den britischen Imperialismus. Morus hat das zweifellose historische Verdienst zum ersten Mal vollständig die pleonexia des säkularen Verstandes ausgesprochen zu haben - Gerechtigkeit und Moral. Seine Version des Ideals ist nicht Ursache von dem, was später folgte, aber es ist das erste spürbare Symptom der großen geistigen Krankheit, die die westliche Zivilisation in den folgenden Jahrhunderten befiel ... Utopia zeigt das Problem der geistigen Desintegration sogar in einem weitaus fortgeschritteneren Stadium als irgendein Werk von Machiavelli oder Erasmus, da hier die pleonexia von den Fürsten auf das Gemeinwesen als solches überging. Das Werk von Morus ist somit die erste Äußerung eines Volkes, das sich selbst als Standard für die Menschheit setzt." (S. 120).

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Die Erfindung des Wortes „Utopie" durch Thomas Morus, als literarische Zuflucht der humanistischen Evasion, führte, in verschiedenen Etappen, zur enthumanisierenden Utopie von Aldous Huxley, denn was man tatsächlich mittels der Utopie anstrebt, ist eine Umwandlung der Natur. Das beginnt bei Morus als optimistischer Perfektionismus (wenn auch mit einer Kritik der Gegenwart verbunden) und mündet konsequenterweise in der totalen Unterdrückung der Natur („Entnaturalisierung"). Vielleicht wurzelt das Übel schon im Worte selbst, das ohne jeden Respekt vor dem Griechischen erfunden wurde, den man bei einem großen Humanisten wie Morus hätte erwarten können.38 Das griechische Wort war exakt „atopia" und Morus wollte es wohl vermeiden wegen des pejorativen Sinns der diesem Worte eignet, den von „Extravaganz" 39; dies war wohl der Grund, der Morus dazu brachte, das Wort „Utopie" zu erfinden. Doch wenn es sich so verhält, versteht man nicht, weshalb Schmitt, unterscheidet er „Utopie" und „Atopie", sich zugunsten des letzteren Terminus ausspricht, sagt er doch, daß sein Raum - seine „Ortung" - „atopon" ist. Denn er könnte auch nicht sagen wollen, daß seine „Ortung", als essentiell angenommen, etwas Abstraktes wäre, ohne Verbindung mit einem konkreten Raum, scheint es doch nicht schlüssig, von einer „konkreten Ordnung" in einem „nicht-konkreten Raum" - in einer „no-where city" - zu sprechen; das würde sich in nichts von der Utopie unterscheiden, die, genau betrachtet, eine konkrete Ordnung ohne konkrete Lokalisierung ist. Wenn die Vorstellungskraft natürliche Bilder kombiniert und die Phantasie solche, die es nicht sind, so befindet sich die Utopie zwischen den beiden: dergestalt, daß sie natürliche Bilder kombiniert, die jedoch irrealer Natur sind. Hieraus resultiert die wesenhafte Entnaturalisierung des utopisch imaginierten Lebens. Doch bei dem Versuch, den eigentlichen Sinn der Natur zu erfassen, stößt Schmitt auf eine überraschende Schwierigkeit, weil er einen Begriff der Natur jenseits der Biologie nicht zuläßt (S. 50) 4 0 ; ohne Zweifel aufgrund einer überlegten Zurückweisung des 38 Vgl. Paul Oskar Kristeller/ Hans Maier, Thomas Morus als Humanist. Zwei Essays, Bamberg 1982, H. Kaiser. - Morus weigerte sich zeitlebens, eine englische Version seiner „in elegantem Humanistenlatein" verfaßten „Utopia" herauszubringen; so Uwe Baumann / Hans Peter Heinrich, Thomas Morus. Humanistische Schriften, Darmstadt 1986, Wissenschaftl. Buchgesellschaft, S. 147 39 Das „Handbuch der Fremdwörter in der deutschen Schrift- und Umgangssprache", hrsg. von Friedrich Erdmann Petri, überarbeitet von Wilhelm Hoffmann, 11. Aufl., Leipzig 1861, Arnoldische Buchhandlung, gibt „Atopie" mit „Ungehörigkeit, Unschicklichkeit" wieder (S. 91) - Kristeller, a. a. O., S. 17, bemerkt: " . . . die beste Entschuldigung, die wir für Morus' Wort „Utopia" vorbringen können, ist die, daß das Wort „atopia", das richtigere gewesen wäre, wenn auch nicht völlig richtig, seit alter Zeit durch eine andere Bedeutung besetzt ist („Ungewöhnliches, Wunderliches, Absurdes")." 40 „In der sonst so vollständigen Reihe von Antithesen, die Otto Veit (1898-1984) [C. S. bezieht sich auf den Aufsatz „Die geistesgeschichtliche Situation des Naturrechts", in: Merkur, 3/1947, S. 390-405] im Anschluß an die Antithese Naturrecht und positives Recht aufstellt, kommt diese Antithese [die von Legalität und Legitimität] nicht vor. Warum nicht? Weil die Distinktion Naturrecht-positives Recht überholt ist; es handelt sich nicht mehr um „Natur" (das ergäbe heute bestenfalls ein biologisches Recht, von dem wir ja alle genug

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theologischen Fundaments der Anthropologie: „die Gnade setzt die Natur voraus". 4 1 Doch ist gerechterweise anzuerkennen, daß ihn diese Ausschließung der Natur nicht zum Agnostizismus führt, wie es den modernen Negatoren der Natur zustößt. 4 2 Vielmehr kritisiert Schmitt die Zulassung des Rechts auf den politischen und den religiösen Irrtum als dem Fundament des heutigen agnostischen Verfassungsrechts (S. 6 ) . 4 3 Das erklärt sich meines Erachtens daraus, daß das moderne rationalistische Denken es sich versagt hat, den „Irrtum" und seine Ursachen gründlich zu untersuchen. W i r Juristen sprechen vom Irrtum in den Deklarationen und von seinen Konsequenzen, aber die Philosophen erklären uns die psychologischen Ursachen des Irrtums nicht und ziehen es vor, den Irrtum wie auch die Lüge zu ignorieren, deren Vater der Teufel i s t . 4 4

Donoso Cortés Schmitts Zurückweisung der Natur vermag ich schwerlich zu folgen, doch ebensowenig wäre ihm der von ihm so bewunderte Donoso Cortés gefolgt.

haben); es handelt sich um die Geschichte, sei es die Heilsgeschichte, sei es die von Menschen gemachte, immer bewußter, immer planvoller mit steigender Intensität des geschichtlichen Bewußtseins (und der totalen Planung) gemachte Geschichte." (24. 11. 1947). - Vgl. auch C. S.s Brief an Johannes Winckelmann (1900-1985) v. 19. 1. 1948, bes. S. 88. 41 Vgl. dazu J. Alfaro, Natur und Gnade, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg i. Br. 1962, VIII, hrsg. v. J. Höfer u. Karl Rahner (1904-1984), Sp. 830-35 o. das für die kathol. Theologie „klassische" Werk von Martin Josef Scheeben (1835-1888), Natur und Gnade. Versuch einer systematischen, wissenschaftlichen Darstellung der natürlichen und übernatürlichen Lebensordnung im Menschen, (zuerst 1861) München 1922, Theatiner, 344 S. 42 Gemeint sind wohl die modernen Leugner („negatores") der Natur des Menschen im Sinne der kathol. Theologie und des kathol. Naturrechts. 43 „ . . . das Recht auf den politischen Irrtum; das Recht auf den religiösen Irrtum ist die Grundlage des bisher modernen Verfassungsrechts geworden." (29. 8. 1947) 44 „Irrtum" (error) ist hier weniger im allgemeinen juristischen Sinne (= als unbewußte Unkenntnis vom wirklichen Sachverhalt), noch im kirchenrechtlichen Sinne (= als falsches Urteil, das subjektiv für richtig gehalten wird) noch im moraltheologischen Sinne (= als falsches Werturteil; wobei der Irrtum noch nicht Trug ist; es wird gutgeheißen, was der objektiven Norm nicht gemäß ist) zu verstehen, sondern in Richtung auf die „Irrlehre" im weitesten Sinne, etwas auf die Art und Weise des Donoso Cortés, der 1852 in seinem Brief an den Kardinal R. N. Fornari (1788-1854) „Über das Wesen und den Ursprung der schwersten Irrtümer unserer Zeit" in der säkularisierenden, demokratischen Entwicklung eine Kette von einander verschärfenden Irrtümern sieht, die allesamt in Häresien wurzeln; der Tenor ist hier: „el error mata" („der Irrtum tötet"). Der Brief, im Vorfeld des „Syllabus" Papst Pius' IX. (1792- 1878) (1864) entstanden, ist wohl der gelungenste Text Donosos; vgl. Juan Donoso Cortés (1809-1853) Obras completas, II, Madrid 1970, Biblioteca de Autores Cristianos, S. 744-762; deutsch in: ders., Essay über den Katholizismus, den Liberalismus und den Sozialismus und andere Schriften aus den Jahren 1851 bis 1853, hrsg. u. übersetzt von G. Maschke, Weinheim 1989, acta humaniora, S. 300-320.

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Diese Bewunderung Schmitts setzt sich offenkundig auch im Glossarium fort, und dies so viele Jahre nach seinem ersten Artikel von 1922. 4 5 Nunmehr lesen wir auf S. 40: „Ich scheue mich nicht, heute, als 60jähriger Mann, nach allen Erfahrungen mit Menschen und Büchern, mit Reden und Situationen, in aller Ruhe zu behaupten, daß die große Rede Donosos über die Diktatur vom 4. Januar 1849 die großartigste Rede der Weltliteratur ist, wobei ich weder für Perikles und Demosthenes noch für Cicero oder Mirabeau oder Burke eine Ausnahme mache". 4 6 Vielleicht kenne ich nicht genügend die Weltliteratur noch bin ich der geeignete Kritiker, um mich diesem Lob anzuschließen, doch ich muß bekennen, daß mir Donoso Tocqueville, mit dem er häufig verglichen wird, überlegen scheint. 47 Ausgangspunkt war für beide der romantische Liberalismus, aber Tocqueville überwand nicht die Verführung der Demokratie, während allein Donoso die unerbittliche Notwendigkeit der Diktatur einsah 4 8 Außerdem war Tocqueville nicht imstande, den amerikanischen Sezessionskrieg vorherzusehen; 1840 sagte er, „daß in den Zeitaltern der Gleichheit die Bürgerkriege viel seltener und kürzer werden" 4 9 , doch wenige Jahre später benötigte die von ihm so sehr bewunderte amerikanische De4 5 D'Ors bezieht sich auf C. S., „Zur Staatsphilosophie der Gegenrevolution (de Maistre, Bonald, Donoso Cortés)", in Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie, 1922/23, S. 121-31. Der Aufsatz wurde übernommen in: Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität, München u. Leipzig 1922, S. 47-56; in der 2. Aufl. 1934, die seither öfters nachgedruckt wurde, S. 57-70; auch in: Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation, Köln 1950, Greven, S. 22-40. 46 Dieser Passus stammt aus einem Brief an Ernst Jünger (1895 -1998) und ist wieder abgedruckt in: Ernst Jünger - Carl Schmitt. Briefe 1930-1983, Stuttgart 1999, Klett-Cotta, hrsg. v. Helmuth Kiesel (geb. 1947) 893 S., dort S. 213-215 (214) Donosos Discurso sobre la Dictadura v. 4. 1. 1849 in: ders., Obras completas, II. wie FN 44, S. 305-23; dt. in: ders., Über die Diktatur. Drei Reden aus den Jahren 1849/50, hrsg. u. übersetzt von G. Maschke, Wien 1996, Karolinger, S. 27-51, S. 110-32 (Anmerkungen). 47 Vgl. etwa C. S., Donoso Cortés, [FN 45], S. 88 ff., 103 ff.; Hans Joachim Schoeps (1909-1980), Vorläufer Spenglers. Studien zum Geschichtspessimismus im 19. Jahrhundert, 2. Aufl., Leiden 1955, Brill, S. 82-94 („Realistische Geschichtsprophetien um 1850"); J. P. Mayer, Alexis de Tocqueville. Analytiker des Massenzeitalters, München 1972, 3. Aufl., Beck, S. 153-156. Die Tendenz ist hier wie auch in anderen Schriften m. E. eher, die Autoren nacheinander vorzustellen denn sie qua Vergleich zu bewerten. 48 Sehr ähnlich wie Donoso argumentierte der Franzose Auguste Romieu (1800-1855), einer der Ideologen Louis Napoleons (1808-1873), in seiner Schrift ,,L'Ere des Césars", Brüssel 1850; dt. u.d.T. Cäsarismus, oder die Nothwendigkeit der Säbelherrschaft, Weimar 1851; vgl. die Neuauflage: Der Cäsarismus/Das rote Gespenst, hrsg. v. G. Maschke, Wien 1993, Karolinger, 180 S.; die Schlüsselsätze lauten hier: „Die Menschen hegen vor zweierlei Ehrfurcht: vor dem, was heilig und vor dem, was stark ist. Das heilige Element existiert in diesem Jahrhundert nicht mehr; das Element der Stärke gehört allen Jahrhunderten an, und dieses allein kann das andere wiederherstellen." (S. 117). 49

So Tocquevilles Resümé des Kapitels XXVI „Quelques considérations sur la guerre dans les sociétés démocratiques" aus dem 2. Band (zuerst 1840) von „De la démocratie en Amérique": „On peut done admettre, comme vérité générale, que dans les siécles d'égalité, les guerres civiles deviendront beaueoup plus rares et plus courtes." (Tb.-Ausg., Paris 1986, Gallimard, S. 392).

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mokratie einen großen Bürgerkrieg, dank dem die nationale Identität der Vereinigten Staaten geschaffen ward. Tocqueville sah zwar, wie im Falle der Vereinigten Staaten, die wachsende Macht Rußlands voraus, doch weder das Fiasko des Krimkrieges noch die spätere Diktatur des kommunistischen Proletariates. Donoso verfügte über ein triftigeres B i l d der Z u k u n f t . 5 0 Der Grund dieser Überlegenheit Donosos über Tocqueville liegt darin, daß dieser als Soziologe dachte und jener als Theologe und gerade deshalb dazu kam, Legalität und Legitimität zu unterscheiden, um seine Idee der Diktatur zu begründen (S. 4 9 ) 5 1 . Eine Diktatur, die sich, innerhalb der modernen politischen Wechselfälle, unerbittlich durchsetzt und durchhält und dies ungeachtet allen demokratischen Dekors und nicht nur wegen der Erforderlichkeit einer starken Exekutive (man denke an das gegenwärtige, post-sowjetische Rußland), - eine solche Diktatur ist, wie häufig auch die demokratischen Regierungen wechseln mögen, das auf einer Finanz-Kryptokratie beruhende politische System der Gegenwart; es ist die tat50

Donoso sah die Verbindung Rußlands (das damals noch als Hort der Reaktion galt) mit dem revolutionären Sozialismus ebenso voraus wie dessen raschen Verfall, setzt es sich in Europa fest; vgl. dazu seine „Rede über die allgemeine Lage Europas", in: Über die Diktatur, wie FN 46, S. 53-76, 133-148. Über Donosos Prognostik u. a.: Dietmar Westemeyer O. F. M., Donosos Cortés - Staatsmann und Theologe. Eine Untersuchung seines Einsatzes der Theologie in die Politik, Münster 1940, Regensbergsche Verlagsbuchhandlung, S. 231 ff.; José María Beneyto [FN 6], Apokalypse der Moderne. Die Diktaturtheorie von Donoso Cortés, Stuttgart 1988, Klett-Cotta, S. 171 ff. - An zutreffenden politischen Prognosen dürfte Donoso Tocqueville, der hierin schon Erstaunliches leistete, noch übertreffen. In einem Brief v. 7. 12. 1851 schildert er, eher gläubig als bescheiden-stolz, seine „Methode": „Meine Methode, die Dinge zu beurteilen, ist sehr einfach: Ich erhebe die Augen zu Gott, und sehe in Ihm, was ich vergeblich in den Ereignissen suche, betrachte ich diese ausschließlich für sich selbst. Diese Methode ist unfehlbar und jedermann zugänglich." (Brief an seinen Freund, den preußischen Gesandten Graf Athanasius Raczynski (1788-1874) in Madrid). Dennoch fällt die Entscheidung, wer der größere Prognostiker war, nicht leicht: sah Donoso voraus, wie die Idee der absoluten Humanität in Blutbädern endet, so Tocqueville die Entropie und die termitisierte Menschheit in den friedenssüchtigen Massendemokratien. 51 „ . . . der zeitgemäße Begriff und Distinktion ist Legalität und Legitimität. Das war schon Donoso Cortés bewußt (gleich im ersten Teil der großen Diktaturrede vom 4. Januar 1849 wendete er sich gegen den Politiker Cortina (1802- 1879), der aus dem unbedingten Festhalten an der Legalität ein Prinzip machte); die Zeit der bedingungslosen Legalität ist für ihn vorbei. Die Diktatur ist für Cortés nicht mehr legal aber legitim; die praktische Frage ist nur, ob die Diktatur von oben oder von unten (heute sagt man: von rechts oder links) gemacht wird; also die Frage der Legitimität der Diktatur; cuando la legalidad basta para salvar la sociedad, la legalidad; cuando no basta, la dictadura [Wenn die Legalität genügt, die Gesellschaft zu retten, dann die Legalität; wenn sie nicht genügt, bleibt nur die Diktatur]; und wie von selbst ergibt sich für ihn schon in dieser Rede von 1849 als der andere Begriff: Die Legitimität: la dictadura ... es un gobierno legitimo ... como cualquier otro gobierno [Die Diktatur ist eine legitime Regierung wie jede andere]. [Das fehlerhafte Spanisch, auf Schreibfehler C. S.s oder auf den Drucker zurückzuführen, wurde korrigiert]. Zum Konzept der Diktatur bei Donoso: Gonzalo Fernández de la Mora, „Schmitt y Donoso ante la dictadura", in: Razón Española, Nr. 17, Mai-Juni 1986, S. 311 -322; J. M. Beneyto, [FN 45]; G. Maschke, „General Narváez' „legale Diktatur" und Donoso Cortés - eine Skizze", in: Gedächtnisschrift Roman Schnur, Berlin 1997, Duncker & Humblot, S. 53-70.

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sächliche Regierung. Dieses System ist, auch wenn es nicht so scheint, im eigentlichen Sinne diktatorial, auch wenn es nicht auf einer einzelnen Person beruht. Doch ich erinnere mich nicht, daß Schmitt die Wirklichkeit dieser totalen FinanzSynarchie, unterhalb der augenscheinlichen Staaten tätig, in seinen Schriften expressis verbis enthüllt hätte. Dennoch ist diese Synarchie die Kulmination des Fahims der Diktatur. 52 Schmitt, insistierend auf der Unterscheidung Legalität / Legitimität, will „nicht theologisieren" (vgl. etwa S. 71) 53 und hält sich in diesem Punkte von Donoso 52 Auf diese „Synarchie", deren Macht zwar offenkundig ist, während die Behauptung, es gäbe sie, gern dem albernen Verdikt verfällt, man propagiere damit eine „Verschwörungstheorie" (als sei das Politische ohne „Verschwörung" überhaupt denkbar), hat d'Ors des öfteren hingewiesen, so in: „Doce proposiciones sobre el poder" (1978), in: Ensayos, S. 111121, dort S. 117 f.; „Una introducción", S. 151 f.; „Nueva introducción", S. 167 f. - D'Ors benutzt hier einen Ausdruck, der in Frankreich nach dem 2. Weltkrieg und bes. während der Regierungszeit Charles de Gaulies (1890-1970) im Schwange war. Danach war die „Synarchie" ein geheimer, elitärer Club mit starken finanzkapitalistischen Interessen, der seine Mitglieder in einflußreiche wirtschaftliche, politische, religiöse etc. Gruppen einschleuste und auf diese Weise Frankreich „regierte". Vgl.: Geoffroy de Charnay, Synarchie. Panorama de 25 années d'activité occulte, Paris 1946, Medicis; Jacques Weiss, Synarchie. L'autorité contre le pouvoir, ebd. 1955, Adyar; der Deutsche Hermann Rehwaldt schrieb unter dem Pseudonym German Pinning: Wer steht hinter de Gaulle? Näheres über Technokraten und Synarchisten, Pähl / Oberbayern 1959, Verlag Hohe Warte, daß de Gaulles Fünfte Republik eine Schöpfung jener Synarchie sei; kritisch zu diesem „Mythos": Armin Möhler (geb. 1920), Die Fünfte Republik. Was steht hinter de Gaulle, München 1963, Piper, S. 129, 133, 229 f., 294 f.; ebenso Richard S. Kuisel, „The Legend of the Vichy Synarchy" in: French Historical Studies, Frühling 1970, S. 365-398; vgl. a.: André Ullmann/Henri Azeau, Synarchie et pouvoir. Histoire véritable de la synarchie, Lausanne 1968, Recontre. - D'Ors ist m. W. der einzige bedeutende Autor, der den Ausdruck in einem allgemeineren Sinne benutzt und dabei vor allem an die in wenigen Händen liegende Kontrolle des Gros der internationalen Finanzströme und die damit verbundenen Vorstellungen von einer Einheit der Welt, von einen entsprechenden, anti-kirchlichen Menschheitskultus usw. denkt; bes. zum zuletzt genannten Aspekt: Johannes Rothkranz, Die kommende „Diktatur der Humanität" oder Die Herrschaft des Antichristen, 3 Bde., Durach 1992-96, Verlag Anton A. Schmid. 5 3 54 > „Ich soll über katholische Fragen als Laie, als Nicht-Theologe mitreden? Um belehrt zu werden, wie Donoso Cortés? Ubi nihil vales, ibi nihil velis. Ich, als Jurist, d. h. enttheologisierter Wissenschaftler ersten Grades? Armer Donoso!" (29. 12. 1947). - In einem Brief an den Übersetzer seiner „Politischen Romantik", den französischen Philosophen Pierre Linn (1897- 1966) v. 11. 1. 1948 weist C. S. auf seine Theorie des Kat-echon hin und erklärt: „eile date de 1932" was ein Schreib- oder Druckfehler sein kann; die erste Erwähnung des Katechon datiert wohl 1942 (in: „Beschleuniger wider Willen oder: Problematik der westlichen Hemisphäre", in: Das Reich, 19. 4. 1942, Ndr. in: C. S., [FN 18/ 19] S. 431 -40). C. S. fährt dann fort: „Je crois qu'il y a en chaqué siécle un porteur concret de cette force et qu'il s'agit de le trouver. Je me garderai d'en parier aux théologiens, car je connais le sort déplorable du grand et pauvre Donoso." Er bezieht sich damit auf die Kritik des französischen Theologen Gaduel an Donosos Hauptwerk; vgl. Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation [FN 45], S. 70. u. Donoso Cortés, [FN 44] S. 393-99. Man darf aber wohl sagen, daß Donoso auch theologisch rehabilitiert wurde, - zum einen durch das Breve von Papst Pius IX. v. 23. 3. 1853, zum anderen durch die Abhandlung eines so bedeutenden Theologen wie Luigi Taparelli d'Azeglio S. J. (1793-1862) über den „Essay" in: La Civiltä Cattolica, v. 16. 4. 1853, vgl. die deutschen Versionen in m. Ausgabe des „Essay", S. 412-428.

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abseits, - bis zu dem Extrem, von „la sort déplorable du grand et pauvre Donoso Cortés" (S. 8 0 ) 5 4 zu sprechen. Schmitt ist sich auch bei der ihn oft zwanghaft beschäftigenden Kritik, daß Donoso sich nicht für den paulinischen „Kat-echon" interessiert habe (S. 63, 7 0 ) 5 5 nicht im Klaren darüber, daß diese enigmatische paulinische Referenz nur eine sehr vage Idee davon geben kann, daß, durch die Jahrhunderte hindurch, unvorhersehbare Augenblicke sich einstellen, während derer es zur göttlichen Eindämmung der jeweiligen Interventionen des „Fürsten der Finsternis", der der „Fürst dieser Welt" ist, kommt. Der [bzw. das - G. M . ] „Kat-echon" ist kein unwiederholbares historisches Faktum, sondern eine Konstante, die, gemäß dem historischen Augenblick, sich unterschiedlicher Personen zu bedienen w e i ß . 5 6 Dieses Nicht-„theologisieren"-wollen Schmitts gehört zu einer hergebrachten professionellen Diskriminierung, zum „silete theologi in muñere alieno " des Alberico Gentili(s), an das Schmitt immer wieder erinnerte 57 und das in die mittelalter55 Der Brief an Gerhard Günther (1889-1976), dem der sorgfältige Kommentar zum mittelalterlichen „Ludus de Antichristo" zu danken ist (Der Antichrist. Ein mittelalterliches Drama. Kommentar von Gerhard Günther, Hamburg 1970, Friedrich Wittig, 318 S.) vom 19. 12. 1947 endet nach C. S.s Erwägungen, wer denn „heute" der Kat-echon sein könne mit der These: „Donoso Cortés ist theologisch daran gescheitert, daß ihm dieser Begriff unbekannt geblieben ist." (S. 63). Am 27. 12. 1947 notiert C. S. u. a.: „Armer Donoso, der seiner politischen Theorie adäquate theologische Begriff wäre nur der Katéchon gewesen; statt dessen gerät er in dieses Labyrinth der Lehre von absolutem und relativem Naturrecht." (S. 70). Man darf diese Behauptung wohl bezweifeln; Donoso kannte den Begriff nicht, aber die Sache ist wohl zur Genüge in seinen Werken anwesend; vgl. dazu den magistralen Aufsatz des Argentiniers Alberto Caturelli, „Despotismo universal e katéchon paulino en Donoso Cortés", in: Sapientia (Buenos Aires), 13/1958, S. 36-42, 110-127. 56 DOrs' Haltung gegenüber der Frage des Kat-echon ist weitaus reservierter als die C. S.s: „ . . . besteht die vornehmste Aufgabe, besteht die Kraft und die Tugend des Christentums darin, das Ende der Welt zu verzögern? Auf diese Frage, so gestehe ich frei heraus, können wir eine negative Antwort geben ... Das Ende der Welt aufzuhalten, hat nur eine Berechtigung als Erfüllung des providentiellen Willens, denn der Antichrist, so sagt es der Apostel, wird in suo tempore kommen, seine Ankunft ist unvermeidlich. Doch die Ankunft des Antichrist ist nichts anderes als eines der Zeichen, die der Parusie Jesu Christi vorausgehen; in diesem Sinne darf jenes Ende nicht nur nicht zurückgewiesen werden, sondern es muß ersehnt werden, obgleich es nicht in unserer Hand liegt." („Carl Schmitt in Compostela" [FN 9], S. 66). - Zum Kat-echon bei C. S. vgl. u. a.: Emmanuele Castrucci (geb. 1952), „Naphta, o un Katéchon per l'Europa" (zuerst 1981), in: ders., La forma e la decisione. Studi critici, Milano 1985, Giuffré, S. 91 - 102; Massimo Cacciari (geb. 1944), Commento teologico-politico a 2 Tessalonicesi 2, in: Multiformita ed unitä della política, Festschrift Gianfranco Miglio, Milano 1992, Giuffré, S. 103-23; Felix Großheutschi (geb. 1964), Carl Schmitt und die Lehre vom Katechon, Berlin 1996, Duncker & Humblot (theolog. Lizentiatsarbeit Basel). D'Ors erörtert die Frage des „Kat-echon" auch in: „Seneca, ante el tribunal de la Justicia" (1965), abgedruckt in: Nuevos papeles, S. 192-224: ob der hl. Paulus Seneca wegen seiner Rolle innerhalb der imperialen Politik für den „Kat-echon" hielt.

57 Vgl. von C. S. etwa.: Der Nomos der Erde [FN 35], S. 92; Ex Captivitate Salus, [FN 28], S. 70. Der Ausspruch des Alberico Gentiii (1552-1608) in: De Iure Belli libri tres (zuerst 1598), Nachdruck der Ausg. 1612, Classics of International Law, Oxford 1933, S. 92, bezog sich vermutlich auf eine Polemik Francisco de Vitorias gegen die seiner Meinung nach

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liehe Tradition, etwa des großen Gratian, einbricht. 5 8 Aber dies verbietet es Schmitt sowohl, eine „Politische Theologie" zu entwerfen, die über das bloß Metaphorische hinausginge 5 9 als auch, einen Inhalt der „Legitimität" zu konkretisieren und, im Zusammenhang damit und mit seiner Zurückweisung der „Natur", ein „Naturrecht" anzuerkennen. So besteht im Denken Schmitts, trotz seines Katholizismus, eine Schranke, die ihm den intellektuellen Zugang zur Transzendenz versperrt. Meine Vorbehalte gegenüber Donoso sind von anderer Art: dieser, ursprünglich Liberaler und „Europäer" durch Übung, vermochte es nicht, die nicht-staatliche Tradition Spaniens zu verstehen und hielt das etatistische Projekt der bourbonischen Dynastie gegenüber der genuin traditionalistischen Reaktion des Carlismus für irreversibel. 6 0 Doch ist es gerade die Kraft dieser hispanischen Authentizität, daß nicht einmal heute, aller Gewaltsamkeit der Europäisierung zum Trotz, die Spanier die Fiktion „Staat" angenommen haben. Das erklärt ihre radikale Absage an den föderalen Staat, - nicht wegen des regionalen Pluralismus, der eine große Tradition in Spanien aufweist, sondern wegen der etatistischen Voraussetzung. 61

zu großen Prätentionen der Juristen, so Peter Haggenmacher, Grotius et la doctrine de la guerre juste, Paris 1983, PUF, S. 354 f. 58 Gemeint ist Gratian (um 1140), vermutlich in Carraria bei Orvieto geboren; wahrscheinlich später Kamaldulensermönch; über sein Leben ist fast nichts bekannt. Mit seiner großen Gesetzessammlung, später Decretum Gratiani genannt (vgl.: Decretum Magistri Gratiani, hrsg. v. A. L. Richter, in: Corpus Iuris Canonici, pars prior, Leipzig 1870, Ndr. Graz 1959) wurde er zum Begründer der kanonistischen Rechtswissenschaft; dazu: Hans Erich Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte. Die katholische Kirche, 5. Aufl., München 1972, S. 276 ff.; Adam Zirkel, „Executio Potestatis". Zur Lehre Gratians von der geistlichen Gewalt, St. Ottilien 1975; Rudolf Sohm, [FN 106/07] Kirchenrecht, II, Katholisches Kirchenrecht, (zuerst 1923) Berlin 1970, S. 80, hielt Gratian nicht für den Begründer der „modernen" Kanonistik: „In Wahrheit ist Gratians Dekret die letzte und zugleich die mächtigste Bearbeitung des kanonischen Rechts in altkatholischem Stil. Es bedeutet die Vollendung und zugleich das Ende des kanonischen Rechts als eines Gegenstandes der Theologie." 59 Vgl. FN 62. 60 „Das Haus Bourbon importierte aus Frankreich eine zentralistische Politik und ein Streben nach materiellem Fortschritt; aber dies wurde erreicht auf Kosten des Einflusses des Katholizismus", schreibt Joaquín de Encinas O. F. Μ., La tradición española y la revolución, Madrid 1958, Rialp, S. 13; diese Einschätzung des „reformismo borbónico" wird von vielen span. Historikern geteilt. - Bedenkt man, wie nah Donoso dem Traditionalismus stand, wie sehr er die staatliche Zentralisation verabscheute, usw., so kann man sein Engagement bei den liberalen moderados sogar für erstaunlich halten. Er hielt aber stets unbedingte Treue zu der von seiner Partei unterstützten Regentin Maria Christina bzw. zu deren Tochter, Königin Isabella 11. (1830-1904), ja, war zeitweise die éminence grise des Systems. Er hielt die carlistische Bewegung für heimtückisch (alevosa), brudermörderisch (fratricida), schändlich (nefanda) usw.; seine konkrete, (tages-) politische Kritik am Carlismus verdeutlichen zahlreiche Artikel aus den Zeitungen „El Porvenir" und „El Piloto"; vgl. die von Federico Suárez (geb. 1917) herausg. Sammelbände: Artículos políticos en „El Porvenir" (1837), Pamplona 1992, EUNSA; Artículos políticos en „El Piloto" (1839-1840), gl. Ort, Verlag u. Jahr. Auch nach seiner Hinwendung zum Glauben (1847) und obgleich sein Lieblingsbruder Paco Carlist war, hielt Donoso an seiner Verurteilung des Carlismus fest, - was spätere Gerüchte, er habe sich mit Übertrittsgedanken getragen, nicht verhinderte.

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Hier finden sich die begriffsmäßigen Schlingen im theoretischen Diskurrieren Schmitts, in die man unvermeidlicherweise hineinstolpert, folgt man dem so bewunderten Meister zur Gänze: Staat, L e g i t i m i t ä t . . . Ich lasse das Thema der Politischen Theologie aus, dem ich eine vergleichende, auch auf Erik Peterson und Hans Barion eingehende Studie widmete, die, wie ich glaube, Schmitt niemals bereit war, gutwillig anzunehmen. 62

Staat u n d K r o n e Wenden wir uns hier Schmitts treffender Konkretisierung über den Ursprung der Idee des Staates zu (S. 19): „Der Staat ist wesentlich das Produkt eines religiösen Bürgerkrieges, und zwar dessen Überwindung durch Neutralisierung und Säkularisierung der konfessionellen Fronten, d. h. Enttheologisierung". 63 Dieser kontingente Ursprung erlaubt den Gedanken, daß der Staat kein irreversibles „Produkt" ist, denn das, was so ins Leben trat, vermag auch wieder zu verschwinden und ich weise seit geraumer Zeit auf die gegenwärtige Krise des Staates h i n . 6 4 Ich habe es stets beklagt, daß die Möglichkeit eines Staates ohne Territorium 61 Vgl. dazu von d'Ors etwa: „Nacionalismo en crisis y regionalismo funcional" (1958), in: Papeles del oficio universitario, Madrid 1961, Rialp, S. 310-343; „El regionalismo jurídico" (1978/79), in: Escritos varios sobre el Derecho in crisis, Rom /Madrid 1973, Cuadernos del Instituto Jurídico Español, S. 78-86; „Autarquía y Autonomía", in: La Ley (Buenos Aires), 76/1981, S. 1 - 3 . 62 D'Ors bezieht sich auf seine groß angelegte Auseinandersetzung mit C. S. (wie auch mit Erik Peterson [1890- 1960] u. Hans Barion [1899-1973]): „Teología política: una revisión del problema," in: Revista de Estudios Políticos, Januar - Februar 1976, S. 41-79. Danach verbleibt C. S.s Politische Theologie im bloß „Metaphorischen"; ein wirkliches Beispiel für eine christliche Politische Theologie biete die Enzyklika „Quas prima" (1925) von Papst Pius XI (1857- 1939). Das Gros der Studien zu C. S.s Politischer Theologie ist unergiebig, weil die Autoren diese Untersuchung d'Ors' nicht kennen. 63 C. S.s Bemerkung war verursacht durch die Lektüre des Buches von Gerhard Nebel (1903-1974; vgl. in diesen Band, S. 68, FN 4), Piaton und die Polis, Wuppertal 1947, Marées-Vlg. Er kritisiert an dem von ihm sehr gelobten Buche, daß Nebel die Polis einen „Staat" nennt: „ . . . aber der Staat ist in noch weit höherem (weil geschichtlich-dialektisch gesteigertem) Grade ein einmaliger, konkreter, zeitgebundener Typus, vom 16. zum 20. Jahrhundert des christlichen Aeon zu datieren und aus diesen vier Jahrhunderten, aus Renaissance, Humanismus, Reformation und Gegenreformation hervorgegangen; er ist die Neutralisierung des konfessionellen Bürgerkrieges, also eine spezifische Leistung des occidental(en) Rationalismus usw." (S. 19, Eintragung v. 27. 9. 1947). Grundlegend und programmatisch hierzu C. S.s Aufsatz „Staat als ein konkreter, an eine geschichtliche Epoche gebundener Begriff" (1941), in: Verfassungsrechtliche Aufsätze, 1958, S. 375 ff.; gerade diese Sichtweise des Etatisten C. S. erleichterte Anti- bzw. Nicht-Etatisten wie d'Ors ihre Argumentation und irreführende Begriffe wie „römischer Staat", „Staat des Mittelalters" u.ä. konnten entfallen. 64 Zu diesem Thema vgl. d'Ors, La violencia . . . , 1. Aufl., S. 101 - 110; 2. Aufl., S. 157169. Das Standardwerk in Spanien ist zweifellos: Manuel Fraga Iribarne, La crisis del Estado, Madrid 1955, Aguilar, XII/306 S.

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für die Palästinenser sich zu spät abzeichnete, sodaß Schmitt uns nicht mehr belehren konnte über diese unvermutete Anwartschaft. Schmitt, der sich als den letzten Verteidiger des „europäischen öffentlichen Rechts" bezeichnete65, war, trotz seiner Aversion gegen die pazifistische „Neutralisierung", ein dezidierter Etatist. Dennoch ist es verstehbar, daß ein Spanier die Existenz des Staates weder sich zueigen machen noch grundsätzlich akzeptieren kann. Der Grund liegt darin, daß Spanien, nach dem Ende des mittelalterlichen Krieges gegen den Islam 66 , weder von der protestantischen Reformation erfaßt wurde noch Religionskriege durchlebte, - bis zu dem von 1936-39, der eher als ein „Bürgerkrieg" im eigentlichen Sinne ein Religionskrieg gegen den marxistischen Atheismus war. Deshalb bestand in Spanien keine Notwendigkeit des Staates. Die essentielle Beziehung Regierung-Gehorsam lag in der personalen Beziehung zwischen dem Volk und den Königen. Die Habsburger waren niemals „Staatschefs", sondern „Herren" [señores], denen man diente; daher nannte man in der Sprache des Volkes bis vor kurzem die Ableistung der Wehrpflicht „dem Könige dienen". 67 Dieser Nicht-Etatismus erklärt sich aus der nicht vollständigen „Europäizität" Spaniens, das nach alledem vergleichbar ist und mit anderen peripherischen Nationen wie England und Rußland; auch diese sind keine Staaten im eigentlichen europäischen Sinne. Es sind drei Nationen, die nach anderen Kontinenten „schauen" als nach Europa, das, genau genommen, kein „Kontinent" ist, sondern der extreme Westen Eurasiens. Die drei wurden von Napoleon nicht besiegt, der der wahre „Europäer" war und in dem die bourbonische Identifikation von König und Staat - L'Etat, c'est moi" - sich vollständig, auf revolutionäre Weise, vollzog. Die institutionelle Abstraktion, die der Staat - gegenüber der Tradition des mittelalterlichen Königtums (die sich in Spanien durchhielt) - voraussetzt, scheint der „Krone" gleichartig, ist aber doch etwas sehr Unterschiedliches. Die Abstraktion der Krone war, vor allem, patrimonial und diente dazu, den königlichen Fiskus zu unterscheiden von strikt personalen Patrimonium des Königs mittels des Rück-

65 D'Ors bezieht sich auf: Ex Captivitate Salus [FN 28], S. 75: „Ich bin der letzte, bewußte Vertreter des jus publicum Europaeum, sein letzter Lehrer und Forscher in einem existenziellen Sinne und erfahre sein Ende so, wie Benito Cereño die Fahrt des Piratenschiffs erfuhr." 66

Vgl. das außerordentlich eindringliche und kenntnisreiche Buch von Alexander Pierre Bronisch, Reconquista und Heiliger Krieg. Die Deutung des Krieges im christlichen Spanien von den Westgoten bis ins frühe 12. Jahrhundert, Münster 1998, Aschendorf, X/431 S. Den „Feind im Spiegel", die wechselseitige Wahrnehmung von Christen u. Muslimen im „totalen Krieg" des span. Mittelalters untersucht der israel. Mediävist Ron Barkai, Cristianos y musulmanes en la España medieval (El enemigo en el espejo), 2. Aufl., Madrid 1991, Rialp, 301 S. (zuerst hebräisch, 1984). 67 Aufschlußreich: Luis Sánchez Agesta (1914-1997), El concepto del Estado en el pensamiento español del siglo XVI, Madrid 1959, Instituto de Estudios Políticos, 192 S. Der von C. S. nicht unbeeinflußte Autor benutzt zwar den Begriff „Staat", doch dieser „Staat" differiert wesentlich vom kontinentalen, souveränen Staat ä la Bodin und Hobbes.

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griffs auf den corpus fictum et repraesentatum: die „two bodies" des Königtums. 6 8 Doch gab Schmitt dieser Abstraktion einen mehr politischen Sinn, sodaß sie sich der politischen und juridischen Abstraktion des Staates annäherte. Diesbezüglich überrascht es mich, unter dem Datum vom 17. 4. 1948 eine Aufzeichnung mit der vertraulichen Mitteilung zu lesen, er habe „Conde und Franco" nahegelegt, in Spanien eine „Krone" einzurichten: „ . . . machen Sie eine Krone" (S. 129) 6 9 . Als wenn dies die Lösung gewesen wäre, um die Legitimität des neuen spanischen Regimes zu stiften, dem in Wirklichkeit - was Schmitt nicht verkennen konnte, - aufgrund des Sieges von 1939 die Legitimität zukam. Wenn ich mich nicht irre, wurde diese Anregung allein Schmitts Schüler Francisco Javier Conde gegeben und ich erkühne mich zu behaupten, daß Franco eine solche Idee verächtlich zurückgewiesen hätte, so wie er den Vorschlag eines Toren abfertigte, der ihm einreden wollte, sich selbst zum König zu machen und dem er antwortete: „Dazu muß man geboren sein". Wenn ich, nicht ohne Zweifel, darüber nachdenke, war die Lösung, als „Nachfolger" [sucesor] einen Fürsten von königlichem Geblüt zu adoptieren 70 , auf anderen, sehr unterschiedlichen Wegen, lanciert worden. 7 1 Aus-

68 Bezieht sich auf Ernst Hartwig Kantorowicz (1895-1963), The King's Two Bodies. A Study in Mediaeval Political Theology, Princeton UP 1957; dt. Ausg.: Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, München 1990, dtv 4465, 562 S., bes. S. 178 ff., 343 ff. - Vgl. in diesem Band S. 417-418. 69 C. S. geht hier von Ernst Jüngers Tagebucheintragung v. 14. 12. 1942 aus, in der es u. a. heißt: „Unter der Post ein Brief von Carl Schmitt, in dem er das Mißverhältnis von Schutz und Gehorsam behandelt, wie es der Bevölkerung in den Kellern während der Bombenangriffe deutlich wird. [Es handelt sich wohl um C. S.s Brief v. 28. 11. 1943, in: Ernst Jünger - Carl Schmitt [FN 46] S. 173-175]. C. S. ist unter allen Geistern, die ich kennenlernte, jener, der am besten definieren kann. Als klassischer Rechtsdenker ist er der Krone zugeordnet, und seine Lage wird notwendig schief, wo eine Garnitur des Demos die andere ersetzt. Bei der Heraufkunft illegitimer Mächte bleibt an der Stelle des Kronjuristen ein Vakuum, und der Versuch, es auszufüllen, geht auf Kosten der Reputation. Das sind so Mißgeschicke des Berufs." (zit. nach: Tagebücher III - Strahlungen II, Stuttgart 1979, Klett-Cotta, S. 198). C. S. bemerkt dazu: „Sehr wichtig und richtig die Erwähnung der Krone, und damit der Legitimität; eine richtige Intuition der Suggestionen, die ich Condé [sic!] und Franco gab: machen sie eine Krone." Zu den früheren spanischen Kronen: Percy Emst Schramm (1894-1970), Herrschaftszeichen und Staatssymbolik. Beiträge zu ihrer Geschichte vom dritten bis zum sechzehnten Jahrhundert, II, Stuttgart 1955, Hiersemann, S. 480-484; III, ebd., 1956, S. 817-29, 10041014, 1025-34; Manuel Garcia Pelayo, La corona. Estudio sobre un símbolo y un concepto político (1967), in: ders., Obras completas, II, Madrid 1991, Centro de Estudios constitucionales^. 1041-1240. 70 D'Ors schreibt: " . . . de adoptar como „sucesor" un príncipe de sangre real". In „La violencia ...", 1. Aufl., S. 41: 2. Aufl., S. 64, heißt es zutreffender: „Und die Sukzession? Was Franco durch viele Jahre hindurch über sie dachte, ist schwierig zu wissen; wir können jedoch sehen, daß er zu Beginn der 50er Jahre den Vorschlag, die Kontinuität seines Regimes ließe sich mittels einer Art Adoption eines Fürsten von königlichem Geblüt erreichen, nicht zurückwies ...; letzten Endes war dies eine Manier, seine Legitimität als Sieger mittels des Pfropfreises einer anderen, einer dynastischen Legitimität zu vervollständigen. Er hoffte, dafür die Zustimmung aller Monarchisten zu gewinnen, musste jedoch bald einsehen, daß zum 16*

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schlaggebend war die Sorge um die Kontinuität, da der militärische Sieg nur den Sieger selbst zu legitimieren schien 7 2 . Das eigentliche Ergebnis, die „insucesión", ist bekannt und war für Franco nicht völlig unvorhersehbar; darüber habe ich an anderer Stelle geschrieben 73 . Es war unvermeidbar, daß der zumindest relative weltweite Sieg des Feindes 1945 gegenüber dem bloß nationalen Sieg von 1939 den Ausschlag geben mußte. Doch das wirklich Erstaunliche ist, daß der Effekt dieses nationalen Sieges sich bis 1975 erhielt, als, mit dem Tode Francos, sich auf friedliche Weise die demokratische Revolution in Spanien durchsetzte 74 . So gesehen ist es nicht zu leugnen, daß Franco in diesen Jahren als der „Katechon" gegen die Weltrevolution w i r k t e 7 5 . Vor wenigen Jahren feierte man, etwas unklug, den Fall des Kommunismus, aber niemand erinnerte sich daran, daß der Kommunismus - der nicht tot ist - in Spanien 1939 besiegt worden w a r 7 6 Sicher aber ist für mich, daß durch Schmitts Einfluß sein Schüler Javier Conde sich für das Thema der „Krone" interessierte und ich erinnere mich, von ihm zu dieser Frage in Madrid einen Vortrag gehört zu haben. Francisco Javier Conde war das machtvollste Echo seines Meisters in Spanien. 77 Er hielt sich 1936 bei Schmitt

einen die Carlisten diese Lösung nicht akzeptierten und zum anderen auch die liberalen Monarchisten Vorbehalte hegten, auf diese Weise das Regime Francos zu verewigen." Francos Idee einer „transfusión de legitimidad", einer wirklichen Kontinuität statt der Errichtung eines demokratischen Spanien war mit der Ermordung des von ihm vorgesehenen „starken Mannes", Admiral Luis Carrero Blanco (1903-1973) am 20. 12. 1973, aufs äußerste gefährdet; das Attentat erleicheterte den „revanchismo de los mediocres", der sich 1976 mit der von Juan Carlos (geb. 1938) akzeptierten Demokratie vollendete. 71-73 Dazu: La violencia . . . , 1. Aufl., S. 40 - 44; 2. Aufl., S. 63-69. 74 Der Staatsrechtler José Zafra Valverde hält diesen „Cambio" zur Demokratie für eine „legale Revolution" im Sinne C. S.s; vgl. seine Artikelserie „La revolución „legal" en España", in: El Alcázar, 24. - 27. Mai 1984; auch in: Estudios en homenaje al Profesor Diego Sevilla Andrés, Universidad de Valencia 1984, II, S. 1087-1109. 75 In „La violencia y el orden" schrieb d'Ors, daß Franco allein durch seine Existenz „in etwa ähnlich" („algo parecido") einem paulinischen Kat-echon" gewirkt habe (1. Aufl., S. 42; 2. Aufl., S. 66) Daß Franco der Kat-echon sei, hat C. S. gesprächsweise des öfteren erklärt. 76 Dies war einer der Gründe für C. S.s Sympathie gegenüber Spanien; vgl. das Interview mit ihm von Ignacio María Sanuy, „Europa, Spanien und Carl Schmitt" (zuerst in: „Arriba" [Madrid], 22. 5. 1962), in m. Übersetzung in: Schmittiana V, S. 23-25: „Mich irritiert der sehr bekannte Inferioritätskomplex der Spanier. Dabei ist doch, ideologisch betrachtet, Spanien heute Europa überlegen: Ihr habt als einzige den Kommunismus besiegt." (S. 25). 77 Francisco Javier Conde y Graupera, (1908-1974) war ab 1933/34 als Postgraduierter Schüler von C. S. in Berlin; S. C. rezensierte auch seine erste bedeutendere Schrift „El pensamiento político de Bodino" (1935) in: Deutsche Juristenzeitung, 3/1936, Sp. 181 f. Ursprünglich Sozialist, wandte sich Conde früh Franco zu und wurde nach dessen Sieg Professor für „Derecho político" in Santiago de Compostela und später in Madrid; zeitweise war er Direktor des „Instituto de Estudios Políticos" und Herausgeber der damit verbundenen „Revista de Estudios Políticos". Sein Eifer, Schmitts Werk in Spanien durchzusetzen, war so groß wie erfolgreich. Er übersetzte u. a. die „Politische Theologie", den ,3egriff des Politischen", den „Leviathan" und mehrere Aufsätze; vgl. Schmittiana III, S. 17 f. - Conde veröffentlichte u. a.: Introducción al derecho político actual, Madrid 1942, Ediciones Escorial, 365 S.; Teoría

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in Berlin auf, mit vielen spanischen Stipendiaten, 78 und obgleich er ursprünglich Sozialist gewesen war, wandelte er sich zum „Kronjuristen" Francos, dessen Vertrauen er 1952 verlor. Dennoch wurde er von Franco mit hohen diplomatischen Ämtern betraut und er starb als Botschafter Spaniens in Bonn. Dem Einfluß von Conde muß man das Interesse von Tierno Galván für das Werk Schmitts zuschreiben, der aber i m Gegensatz zu ihm Sozialist blieb und von Conde in für ihn schwierigen Situationen des spanischen Nachkrieges geschützt wurde. 7 9

Der Leviathan Dieser „Staat" von dem Schmitt sich nicht losmachen konnte, ist, für sich selbst, und unabhängig von der kontingenten Form der Regierung, ein „totaler" oder „totalitärer" Staat. 8 0 Auch ich sehe ihn, von meinem Nicht-Etatismus aus, wie Schmitt

y sistema de las formas políticas, Madrid 1944, Instituto de Estudios Políticos, (2. Aufl., ebd., 1948, 202 S.); Escritos y fragmentos políticos, 2 Bde., Madrid 1974, gl. Verlag, 529/468 S., eine Art »Ausgewählte Werke". Der Einfluß C. S.s auf Conde war sehr stark, obgleich er als bedeutender und eigenständiger Autor angesehen werden muß. Über ihn u. a.: José Maria Ν in de Cardozo, in: Revista de Estudios políticos, Nr. 208/9, Juli/Okt. 1976, S. 221-235, J. M. Beneyto, S. 6 [FN 6], bes. S. 27-33; „Theologischer Dezisionismus"; E. Díaz, S. 6 [FN 6], bes. S. 23 ff.; Gabriel Guillén Kalle, C. S. en España. La frontera entre lo político y lo jurídico, Madrid 1996, Selbstverlag, bes. S. 106 f.; Pedro Carlos González Cuevas, „Carl Schmitt en España," in: Dalmacio Negro Pavón [Hrsg.] S. 7 [FN 7], bes. S. 245 ff.; J. A. López García, Estado y derecho en el Franquismo. El Nacionalsindicalismo: F. J. Conde y Luis Legaz Lacambra, Madrid 1996, Centro de Estudios Constitucionales, bes. S. 25 ff., 31 -126, 218 — 21; vgl. auch ders., „La presencia de Carl Schmitt en España," in: Revista de Estudios Políticos, Nueva Época, Nr. 91, 1996, S. 139-168 - Vgl. a.: Jerónimo Molina Cano (geb. 1968), „Francisco Javier Conde y el realismo político", in: Razón Española, Mai 2000, S. 165-187. 78 Es handelt sich um eine Anzahl spanischer Postgraduierter, die als Stipendiaten der ,Junta para la Ampliación de Estudios" an der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität hörten (u. a. auch Mediziner). Bei C. S. hörten, neben Conde, der Altphilologe und Philosophiehistoriker Antonio Tovar Llórente (1901 -1985) und der Geschichtsphilosoph Felipe Gonzáles Vicen (geb. 1908), die sich beide u. a. stark mit Donoso Cortés beschäftigten (vgl. die von Tovar herausgegebene »Antología Donoso Cortés", Madrid 1940, Ediciones Fe, cuarta edición, 1944, 224 S., innerhalb der Reihe „Breviarios del pensamiento español"; von Gonzáles Vicen: „Donoso Cortés als Deuter seiner Zeit", in: Geist der Zeit, Nov. 1940, S. 645-655 (es handelt sich um einen Vortrag vor der Philosophischen Gesellschaft in Leipzig am 6. 5. 1940). 79

Über Enrique Tierno Galván, (1918-1986), Sozialist und von großem Einfluß auf den Ministerpräsidenten Felipe González Márquez (geb. 1942), 1979 Bürgermeister von Madrid, vgl. Schmittiana III, S. 40 FN 1. R o DOrs schreibt: " ... un „Estado total" o „totalitario"." - Im allgemeinen sprach man in Spanien, bes. unter Falangisten, vom „Estado totalitario"; wobei jedoch der Begriff, wie ja auch „total", vieldeutig blieb und eine große Spannweite aufwies, was wohl für die europäische Literatur dieser Jahre wie auch für C. S.s Verwendung (in der Regel: „total") gilt. Dazu: Martin Jaenicke, Totalitäre Herrschaft. Anatomie eines politischen Begriffs, Berlin 1971, Duncker & Humblot, 282 S.; dort zu Schmitt S. 37 ff. u.ö., zu Spanien S. 48-59. Der Begriff

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ihn sah: „Der totale Staat ist eine ebenso unvermeidliche wie rationalisierbare Sache" (S. 78). Für Schmitt lag das Problem in der „totalitären Partei". 81 Doch die wichtigste Frage für mich ist, wie sich bei Schmitt die Konkurrenz zwischen diesem staatlichen Totalitarismus und seinen Katholizismus erklären läßt: sein Akzeptieren des Anti-Katholiken Hobbes (der übrigens, als Engländer, nicht vom „Staate" sprach, sondern von „Commonwealth", das heißt von der res publica). In der Konfrontierung von politischem Leviathan und papistischem Behemoth 82 , die der Engländer Hobbes betreibt, findet sich eine ganze kabbalistische

konnte in Spanien sowohl die revolutionär-gewaltsame Bewegung des Falangismus - die von Franco imgrunde nur benutzt wurde - als auch den harmonisierenden, autoritär-„ganzheitlichen" Staat meinen, der nicht als „etatistisch-hobbistisch" aufzufassen war. Nur einige Beispiele aus der damaligen span. Literatur, in der sich C. S. sehr gut auskannte: Der Falangist Juan Beneyto Pérez, El nuevo Estado español. El régimen nacional-sindicalista ante la tradición y los demás sistemas totalitarios, Madrid-Cádiz 1939, Biblioteca Nueva, stützte sich auf eine lip-service-Rede des Caudillo (der nie „Etatist" war): „Den neutralen Staat ohne Ideale ersetzt der sendungsbewußte und totalitäre (misional y totalitario) Staat" (S. 25); Beneyto Pérez forderte deshalb „Unidad, totalidad, autoridad" (S. 26). - Luis del Valle Pascual, El Estado nacionalista totalitario-autoritario, Zaragoza 1940, Liberia General, begreift den „Estado totalitario" als „vollkommen souverän" und als einen im Dienste des Gemeinwohl stehenden 100%igen Interventionsstaat („lo interviene todo, lo dirige todo"); sein Konzept läuft praktisch auf eine Kombination des „quantitativen" und des „qualitativen" totalen Staates hinaus, vgl. a. ebd., S. 137 ff., 173 ff., 181 ff. (über Macht-Autorität in der „Verfassungslehre" C. S.s, 1928, S. 75 ff.) Im Manual de Derecho político, ebd. 1941, gl. Verlag, weist del Valle nur kurz auf den „Estado totalitario" bei C. S. u. Ernst-Rudolf Huber (1903-1990) hin (S. 89, 127), geht aber ausführlicher auf C. S. sonst ein (bes. S. 190-93, 199-202, 274-76). - Alfonso García Valdecasas betonte den Unterschied zw. den totalitären Staaten und dem Francos: die faschistische Auffassung sei totalitär, weil sie im Staate den höchsten Wert sehe, das spanische Denken verweigere sich dem, da religiöse u. ethische Kriterien die Macht des Staates einschränken müßten (in: „Los Estados totalitarios y el Estado español," in: Revista de Estudios Políticos, 5/1942, S. 4 - 3 2 ; dort S. 17, 30). - Auch Francisco Javier Conde [FN 77] betonte, auf andere Weise, den Unterschied: „Nur eine politische Gestaltung gibt es heute, die, jenseits des liberalen wie des totalitären Staates, den modernen Staat transzendiert: der spanische Staat. Tatsächlich ist er die einzige politische Form der Gegenwart, die wirklich den modernen Horizont der Neutralität überschritten hat und sich entschlossen dem christlichen Horizont eingliedert. Aus der spanischen Perspektive erscheint der totalitäre Staat in seiner wirklichen Realität als ein letztes Glied in der Reihe moderner Staaten. Die spanische Haltung führt zu einer neuen metaphysischen Entscheidung und deshalb zur Möglichkeit eines neues Modus politischer Koexistenz, einer neuen Theorie des Politischen und eines neuen politischen Rechts." (In: „Teoría y sistema de las formas políticas", [FN 77], S. 201 f.). In seinem Essay „Las dos vías fundamentales del proceso de modernización política: constitutionalización, totalización" (abgedruckt in: Escritos y fragmentos políticos, [FN 77], Bd. II, S. 329-352) sieht Conde in der „constitutionalización" (er zieht diesen Begriff dem der „Demokratisierung" vor) nun den einen möglichen Weg zur politischen „Modernisierung". In „Introducción al Derecho político actual" erörtert er, stark an C. S. angelehnt, die Probleme totaler Staat - totaler Krieg - totaler Feind - Großmacht (S. 253-318), vgl. „Escritos", I, S. 395-416; hier erscheint der „Estado totalitario" als letzte Etappe des modernen Staates, die als Durchgang zu einer neuen Form der politischen Organisation dienen soll(te). - Vgl. auch das Buch von J. A. López García über Conde u. Legaz Lacambra, [FN 77]. 8i Dazu abschließend C. S. S. 24 [FN 63], S. 366 u. 385 (Nachbemerkungen von 1958).

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Theologie, deren Grundlage und deren philosophischer Rahmen ausführlich in dem (wie mir scheint wenig bekannten) Werk des Protestanten Dietrich Braun, Der sterbliche Gott oder Leviathan gegen Behemoth I (Zürich 1963) analysiert werden. 8 3 Tatsächlich, der Staat erklärt sich zur absoluten Macht auf Erden. A u f dem Frontispiz von Hobbes' „Leviathan" ist gedruckt, was man von dem Ungeheuer aus dem Wasser i m Buche Hiob (bzw. Job) liest: „non est potestas super terram quae comparetur ei" (41, 2 4 ) . 8 4 Daß diese Vergöttlichung der zeitlichen Macht sich als satanisch herausstellt, ist leicht zu verstehen: dieser Leviathan wird „der Fürst dieser Welt" (u. a. Johannes 12, 31; 14, 30; 16, 11) sein, der über die Kirche 82 Trotz des scharfen Anti-Katholizismus von Hobbes ist der Behemoth nicht „papistisch"; allgemein als Symbol für Bürgerkrieg und Unordnung angesehen, bezieht er sich in Hobbes' Schrift von 1668, die erst in seinem Todesjahr 1679 postum erschien, auf die Parteiungen des englischen Bürgerkrieges, vornehmlich auf die Presbyterianer. Vgl.: Behemoth, English Works, VI, London 1840, Molesworth-Edition, Ndr. Aalen 1966, Scientia, S. 161-418. Die erste sorgfältige Edition stammt von Ferdinand Tönnies (1855-1936): Behemoth or the long Parliament, London 1889, Ndr. ebd. 1969 (Cass); deutsch: Behemoth oder das lange Parlament, in: Julius Lips (1895 -1950), Die Stellung des Thomas Hobbes zu den politischen Parteien der englischen Revolution, Leipzig 1927, Ndr. Darmstadt 1970, S. 101 -288 (Anhang). 83 D'Ors bezieht sich auf den im 20. Jahrhundert wohl schärfsten theologischen Angriff auf Hobbes, auf das Buch des reformierten Theologen und Karl Barth-Schülers Dietrich Braun (geb. 1928): Der sterbliche Gott oder Leviathan gegen Behemoth. Teil 1. Erwägungen zu Ort, Bedeutung und Funktion der Lehre von der Königsherrschaft Christi in Thomas Hobbes' „Leviathan", Zürich 1963, EVZ-Verlag, XII/261 S. Für B. ist Hobbes „der zynische Maskenbildner eines anti-christlichen Staatstotalitarismus", der „dem bereits angebrochenen Königreich Christi auf Erden den heidnischen Mythos einer rein diesseitigen Friedensordnung" unterschieben will; so C. S. in seinem auch als Antwort auf Braun gedachten Aufsatz: „Die vollendete Reformation. Zu neuen Leviathan-Interpretationen". in: Der Staat, 1 /1965, S. 51-69, Ndr. in: ders., Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes, 2. Aufl., Köln-Lövenich 1982, Hohenheim-Edition Maschke, Anhang, S. 137-178, bes. S. 145 ff. C. S. hielt es für möglich, daß Braun sein Vorhaben, einen zweiten Band zu schreiben, auch aufgrund dieses Aufsatzes aufgegeben habe. - Zur Kritik an Braun: Bernard Willms (19311991), „Von der Vermessung des Leviathan, II", in: Der Staat, 2/1967, S. 220-236, bes. S. 226-233. - Braun glaubt, bei Hobbes eine „Mystik" feststellen zu können, aufgrund derer er gezwungen war „-aus Angst sowohl vor dem Mut, der nötig gewesen wäre, um das als nichtig Erkannte auch offen und direkt als nichtig zu erklären, wie aus Angst vor dem Anspruch und Einwand der christlichen Wahrheit - den sie ersetzenden Staat seinerseits sofort als christlichen Staat zu legitimieren." (S. 11). - Vgl. von Braun auch: „Carl Schmitt und Friedrich Gogarten. Erwägungen zur ,eigentlich katholischen Verschärfung' und ihrer protestantischen Entsprechung im Übergang von der Weimarer Republik zum Dritten Reich", in: Berliner Theologische Zeitschrift, 2/1994, S. 219-242 (auch in: Bernd Wacker (geb. 1951) (Hrsg.), Die eigentlich katholische Verschärfung ... Konfession, Theologie und Politik im Werk Carl Schmitts, München 1994, Fink, S. 203-227) sowie: „Gott mit uns" - Zur Frage der Nation als Thema gegenwärtiger politischer Ethik, in: Richard Faber (geb. 1943) (Hrsg.), Politische Religion - religiöse Politik, Würzburg 1997, Königshausen & Neumann, S. 243266. w Zum Frontispiz des „Leviathan": Reinhard Brandt, „Das Titelblatt des Leviathan", in: Leviathan, 1/1987, S. 164-186; Horst Bredekamp (geb. 1947), Thomas Hobbes' visuelle Strategien, Berlin 1999, Akademie Verlag, 264 S.

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triumphiert, die durch die Allegorie des Behemoth, des terrestrischen Ungeheuers, repräsentiert wird, von dem ebenfalls bei Hiob, 40 u. 41, die Rede ist. Doch was mich betrifft, so scheint mir dieser allegorische Rückgriff auf die beiden Monster weniger bedeutsam und auch der biblische Leviathan, trotz einer alten Interpretation, kann nicht mit dem Satan ineins gesetzt werden. Ich glaube, daß es in dem biblischen Kontext, in dem diese beiden mächtigen Ungeheuer erscheinen, nur darum geht, die Kraft des Krokodils und des Nilpferdes hervorzuheben. 85 Beide Tiere erscheinen in der Bibel nicht als diabolische Wesen, ja, nicht einmal als antagonistische; man hat, so glaube ich, eine ungebührliche Mystifikation dieser beiden in Judäa unbekannten Tiere betrieben, die aber im Hinblick auf Ägypten wichtig sind. 8 6 Sicherlich, es fehlt in der literarischen christlichen Tradition nicht an einer gewissen Annäherung des Leviathan an den Teufel. 8 7 Daß Hobbes diese Tradition 85 Tatsächlich geht es in den modernen Kommentaren zum Buche Job bzw. Hiob fast ausschließlich um die furchterregende Stärke der beiden Tiere, die nur erwähnt wird, um sowohl die menschliche Schwäche als auch die unendliche Macht Gottes zu beweisen; vgl. etwa: Hubert Junker, Das Buch Job, Würzburg 1951, Echter, S. 97: " Die Schilderung hebt die unwiderstehliche Stärke dieses Ungetüms hervor, vor dem alle anderen Tiere scheu zurückweichen, und dem der Mensch nichts anhaben kann. Der Hinweis, daß Gott das Nilpferd ebenso geschaffen habe wie den Menschen, soll Job daran von neuem erinnern, daß Gott viel gewaltigere Geschöpfe hat als den Menschen, daß der Mensch also Gottes Schöpfung nicht nach seinem kleinen menschlichen Maßstab messen und beurteilen darf. ... Der Mensch kann nur den gewaltigen Körperbau und die furchtbare Kraft dieser Tiere anstaunen und in ihnen „Meisterwerke" des Schöpfers bewundern." (S. 97, 99). Ähnlich: Georg Fohrer, Das Buch Hiob, Gütersloh 1963, Mohn, S. 521-531 (bes. akribisch) u. Franz Hesse, Hiob, Zürich 1992, 2. Aufl., Theologischer Verlag, S. 204-208: „Wie kann der Mensch das Weltregime ergreifen wollen, wenn er nicht einmal mit einem Flußpferd fertig werden kann!" (S. 205) und: „Der „Leviathan", sonst der Chaosdrache, das personifizierte Urmeer, Inbegriff des Gottwidrigen und Menschenfeindlichen, ist hier schlicht eine irdische Tierart, mit hoher Wahrscheinlichkeit das Krokodil." (S. 207). - Als Chaosdrache, als „flüchtige Schlange", vielleicht identisch mit der „Rahab", als Gefahr für die heile Welt erscheint der Leviathan aber in Job bzw. Hiob 3, 7 - 8 : „Siehe, jene Nacht soll unfruchtbar werden, kein froher Jubelruf soll mehr in ihr ertönen!" Fluchen sollen ihr, die imstande sind, den Leviatan in Bewegung zu setzen!" (nach Junker), d. h.: das schlafende Ungeheuer Leviat(h)an kann wiederkehren, das ursprüngliche Chaos neu einsetzen. 86

Sehr häufig gilt der Behemoth als Nilpferd (bei B. Couroyer O.R ist er ein Büffel bzw. Wildstier, vgl. von ihm: „Qui est Béhémoth?", in: Revue biblique, Juli 1975, 418-443; ,,Béhémoth = hippotame ou buffle?", ebd. 1987, S. 214-21), der Leviathan als Nilkrokodil (neben o. nach den Bedeutungen als großer Fisch, Walfisch, Drache, „gewundene Schlange" etc.). Das Jagen und Töten des männlichen Nilpferdes war Privileg des Königs und bedeutete den Sieg über die politischen Feinde wie auch den Kampf gegen die bösen Mächte überhaupt, dazu u. a.: H. Lesétr, „Béhémoth", in: Dictionnaire de la Bible, publié par F. Vigouroux, I, Paris 1895, Letouzey / Ané, Sp. 1551 - 5 5 ; H. Kees, Zu den Krokodil- und Nilpferdkulten im Nordwestdelta Ägyptens (Studi in memoria di I. Rosellini, II, Pisa 1955, S. 142-52); E. Ruprecht, „Das Nilpferd im Hiobbuch. Beobachtungen zu der sogen, zweiten Gottesrede", in: Vetus Testamentum, April 1971, S. 209-31. 8 ? So ist bei vielen Kirchenvätern, von den Anfängen, etwa Origines (185-254), bis ins Mittelalter hinein, der Leviathan (oft „cetus" = ,»riesiger Fisch") entweder ein Symbol für den Teufel oder mit diesem identisch, was mit den Vorstellungen vom „Drachenkampf 4 Jahwes zusammenhängt: Jahwe kämpft gegen das Urmeer, das oft personifiziert ist als „Rahab" (vgl.

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Jes. 51, 9 f.; Ps. 89, 10 ff.; Job 26, 12; Jesus Sirach 43, 23), als Schlange, Drachen oder Leviathan. Dazu u. a.: Hermann Gunkel (1862-1932), Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit, Göttingen 1895, Vandenhoeck & Ruprecht, S. 19-90; Otto Kaiser, Die mythische Bedeutung des Meeres in Ägypten, Ugarit und Israel, Berlin 1962, Topelmann, S. 140-159; auch Hugo Rahner, S. 12, FN 23, S. 272-303. Für Origines, (184-254) Genesishomilie, 1, 10 (Die griechischen christlichen Schriftsteller, Origines, VI, Leipzig 1899, S. 11 f.) ist der Walfisch ein Symbol des Teufels; in der Leviticushomilie 8, 3 (ebd., S. 297 f.) heißt es: „Dominus qui interfecturus erat cetum istum diabolum".- Gregor v. Nyssa (334-394), In Christi resurrezione, Migne, Patrología Graeca, 46, 608 A, stellt den Leviathan sozusagen „direkt" als Satan hin. - Ausführlich, häufig und einflußreich äußerte sich Gregor /. der Große (540640) bei dem der Erlöser den Leviathan (= Teufel) mit dem Hamen fängt: die Menschheit Christi ist der Köder, der Teufel schnappt zu und bleibt am Angelhaken der Gottheit hängen, - eine Variante der vielen Vorstellungen vom geprellten Teufel; vgl. von Gregor: Moralia, XXXIIII, 682 C - 683 A, Migne, Patrología Latina, 76; oder auch die Homilie 25, in: Homiliae in Evangelia/Evangelienhomilien, II, lat.-dt., Freiburg i. Br. 1998, Herder, S. 462-65. Honorius Augustodunensis (12. Jhdt.), Speculum Ecclesiae, Migne, Patrología Latina, 172, 937 Β, bemerkt: „Leviathan est poscis marinus similus draconi et significat diabolum." Der berühmte „Hortus deliciarum" der Herrad von Landsperg (1125-1195), Äbtissin des Klosters Hohenburg im Elsaß, bietet mit seiner Abbildung des von Christus geköderten Leviathan eine Konkretisierung solcher Vorstellungen, vgl. Johannes Zellinger, „Der geköderte Leviathan im Hortus deliciarum der Herrad von Landsperg", in: Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft, 1925, S. 161 -177 (das Bild zw. S. 168 u. 169). C. S. weist in seiner Schrift über den Leviathan eigens auf diesen Aufsatz hin (Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes. Hamburg 1938 bzw. Nachdruck Köln-Lövenich, 1982, S. 16); das Buch schließt auf S. 132 mit dem Bild des geköderten Leviathan aus dem „Lustgarten" der Herrad ν. Landsperg, freilich ohne den Christus mit der Angelschnur (an der die Bilder von 7 Patriarchen - als Symbol der Menschheit - befestigt sind). - Die Literatur - eher eine Literatur, die das Thema berührt, denn eine, die es behandelt - uferlos zu nennen, wäre untertrieben; deshalb sei hier nur hingewiesen auf: Josef Ernst, Die eschatologischen Gegenspieler in den Schriften des Neuen Testaments, Regensburg 1967, Pustet, bes. S. 117-23, 252-58, 26062; Cyrus Η. Gordon, „Leviathan: Symbol of Evil", in: Alexander Altmann (Hrsg.) Biblical Motifs. Origins and Transformation, Harvard UP 1966, S. 1 - 9 ; W. H. Greenleaf, „A Note on Hobbes and the Book of Job", in: Anales de la Cátedra „Francisco Suárez" (Hobbes-Sonderheft), Granada 1974, S. 11-34; Pablo Cepeda Calzada, „El Leviatán, símbolo bíblico," in: Crisis Mexiko 1974, S. 47-68 (S. 53 ff. über C. S.); Michael Oakeshott (1901 -1990), Hobbes on Civil Association, Oxford 1975, S. 150-54 („Leviathan: a myth"); Y. Madouas, „Essai sur le „Léviathan" de Thomas Hobbes: Le Crocodile et le Dragon", in: Revue de Métaphysique et de Morale, 4/1976, S. 478-512; Henning Graf Reventlow, Bibelautorität und der Geist der Moderne. Die Bedeutung des Bibel Verständnisses für die geistesgeschichtliche und politische Entwicklung in England von der Reformation bis zu Aufklärung, Göttingen 1980, ö.; Jürgen Ebach, [FN 88]; Samuel I. Mintz (geb. 1923), Leviathan as Metaphor, Hobbes Studies, II, 1989, S. 3 - 9 ; vgl. a.: John M. Steadman, „Leviathan and Renaissance Mythology", in: Journal of the History of Ideas, Okt.-Dec. 1967, S. 575 f.; Richard W. Alexander, „The Myth of Power: Hobbes' Leviathan", in: Journal of English and German Philology, Jan. 1971, S. 31-50; Hans-Dieter Metzger, „Die Bedeutung des Leviathan. Politischer Mythos oder politischer Begriff?", in: Hobbes Studies, V/1992, S. 23-52 (mit einer angesichts des sehr hohen Niveaus des Aufsatzes erstaunlich törichten Deutung von C. S.s „Leviathan": diese Populismus hingewiesen felten bedient Interpretation Papst (vgl.gemäße als werden, Ernst „Leviathan" sollte Wolf, Legitimationstheorie daß dazu Martin „Leviathan. bezeichnet dienen, Luther„den und Eine zu (1483-1542) beschaffen" nationalsozialistischen sich patristische dazu ausgerechnet den (S.Notiz 25)! als „Antichrist" -zuEn Machthabern Luthers der passant Schriften von Kritik sollihm eine nur der des verteudarauf ihrem Väter Papst-

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gekannt hat, darf man als gravierend ansehen. Dennoch ist es vergnüglich, lesen wir im Psalm 104, 26: Leviathan quamformasti ad ludendum cum eo.ss Sollte Gott mit dem Staate spielen wie die Katze mit der Maus? Doch gibt es einen anderen Aspekt bei dieser Vergöttlichung der politischen Macht, den man, wie mir scheint, nicht beachtet hat und den Hobbes selbst nicht in Betracht gezogen zu haben scheint. Wenn dieser „sterbliche Gott" ein Staat ist, dann ist er nicht der einzige, sodaß man in einen politischen Polytheismus fällt, weil es notwendig ist, viele Leviathane anzuerkennen, die alle beanspruchen, totalitär nach innen zu sein, die dies aber nach außen, gegenüber anderen „Göttern", nicht sein können. In diesem Sinne verfällt Hobbes, zusätzlich zu seinem Satanismus, in den Polytheismus. Diesen plumpen theologischen Rückschritt hat die M o derne konsakriert und die politische Theologie Schmitts hat es vorgezogen, diese Schwäche zu übersehen. 89

turns", in: ders., Peregrinado. Studien zur reformatorischen Theologie und zum Kirchenproblem, München 1954, Kaiser, S. 135-145), während etwa der Romancier Konrad Ott, Leviathan. Drama einer Hintergrundmacht. Roman-Chronik, München 1974, Ledermüller, die internationale „Synarchie" als „Leviathan" bezeichnet, - die außerordentlich vielseitige Benutzbarkeit des Symbols ist trotz oder wegen der Berge von Literatur noch keineswegs übersehbar. - Für Liebhaber intellektueller Excentrika, die gerade hier, am Rande der theologischen und jenseits der Hobbes-Literatur, üppig wuchern, sei das Buch des „Ariosophen" und Gründers des „Neutemplerordens", Jörg Lanz v. Liebenfels (1874-1955), erwähnt: Bibliomystikon, 2. Bd., Dämonozoikon, Pforzheim 1931, Privatdruck, S. 7 - 8 1 , „Buch Job, Kapitel 40 und 41 als Einstieg in die Geheimbibel"; S. 82-160, „Die Dämonozoa Behemoth, Leviathan und Teufel als bösartige prähistorische Elektrozoa enthüllt". 88 Die Vulgata, I, 2. Aufl., Stuttgart 1975, Württemberg. Bibelanstalt, beziffert, mit 103, 26; der Text weicht dort ab: „draco iste quem formasti ad inludendum ei." Daß Gott mit dem Leviathan spiele, scheint nur eine der möglichen Übersetzungen des hebräischen Urtextes zu sein; denkbar ist auch, daß Gott den Leviathan schuf, „damit er darin [im Meer] spiele", so Jürgen Ebach, Leviathan und Behemoth. Eine biblische Erinnerung wider die Kolonisierung der Lebenswelt durch das Prinzip der Zweckrationalität, Paderborn 1984, Schöningh, S. 48 f. Arthur Weiser, Die Psalmen, 7. Aufl., Göttingen 1966, Vandenhoeck & Ruprecht, übersetzt S. 455: „Da ist das Meer, so groß und so weit,/drin wimmelt es ohne Zahl,/das kleine Getier und das große./* Seeungeheuer' schwimmen darin, / Leviatan, den du schufst dir zum Spielzeug." Weiser bemerkt dazu (S. 488 f.): „Auch die Seeungeheuer, an die der Mensch nur mit Schrecken denken kann, - vielleicht verbirgt sich hinter der Bezeichnung Leviatan die alte mythologische Vorstellung vom Chaosdrachen als Verkörperung des Urmeers, - hat Gott sich geschaffen „zum Spielzeug". Dies Wort zeigt in eigenartiger Verschlingung zugleich die erhabene Kraft und die kindlich unmittelbare Tiefe der religiösen Schau des Dichters. Es ist die Kraft des monotheistischen Gottesglaubens, die aus dem Urweltdrachen, von dem man sich erzählte, daß er einst im Kampfe gegen den Schöpfergott unterlag, ein gefügiges Geschöpf Gottes gemacht hat - in 1. Mose 1, 2 ist merkwürdigerweise von einer Erschaffung der „Urflut" (Luther übersetzt „Tiefe") durch Gott nicht die Rede - ; und es verrät rührende Naivität und Tiefblick reichster Frömmigkeit, wenn der Dichter hier den religiösen Sinn des Geschaffenen in der Freude Gottes an seinem Geschöpf sieht („um mit ihm zu spielen"), losgelöst von aller menschlichen berechnenden Zweckmäßigkeit." 89 Meines Erachtens hat C. S. es nicht „vorgezogen", diese Schwäche zu „übersehen", sondern hielt sie für selbstverständlich und deshalb nicht weiter erörterungswürdig: die Leviathane herrschen nach innen, aufgrund der von ihnen stabilisierten Beziehung Schutz-Gehor-

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Potestad legítima Zwischen den Seiten meines Exemplars von Schmitts Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes (Hamburg 1938, Hanseatische Verlagsanstalt) bewahre ich eine Zeichnung des Autors vom 22. 8. 1961 auf, die die Überschrift „Der Kristall des Thomas Hobbes" trägt; es ist wahrscheinlich, daß Schmitt des öfteren eine derartige Zeichnung anfertigte. 90 Sie gliedert sich wie folgt: 1) Jesus is the Christ [5] 2) Quis interpretabit(ur)? [4] 3) Auctoritas, non Veritas [3] 4) Potestas directa, non indirecta [2] 5) Oboedientia / Protectio Protectio / Oboedientia [ 1 ] Ein ausführlicher Kommentar dieser Schmitt'sehen Analyse würde einen dicken Band füllen, da das Urteil von Hobbes selbst herausgefunden werden müsste. A u f der anderen Seite wäre es notwendig, den Unterschied zwischen auctoritas und potestas - die hier miteinander konfundiert sind - zu klären; diese Unterscheidung ist für mich der Schlüssel zur Klärung vieler Fragen, auch die der politischen Macht. Was mein Denken hierzu betrifft, so verweise ich auf das Buch von Rafael Domingo, Teoría de la „auctoritas", Pamplona, 1987 9 1

sam, „total", - nach außen haben sie Bewegungsfreiheit. Diese reicht vom Bündnis über die Neutralität (vgl. „Völkerrechtliche Neutralität und völkische Totalität", Aufsatz v. 1938, in: Positionen und Begriffe, 1940, S. 255 ff.) bis hin zum Naturzustand. Das Hobbes'sche wie auch das C. S.'sche „System" beruhen doch geradezu auf der strikten Trennung Innen/Außen. Da C. S.s Politische Theologie - was d'Ors als erster und einziger treffend feststellte nur metaphorisch ist (und zudem sehr fragmentarisch), hat dieser Sachverhalt auch keine zwingenden Folgen für sie. Vgl. auch: Odo Marquard, (geb. 1928) »Aufgeklärter Polytheismus - auch eine politische Theologie?", in: Jacob Taubes (1923-1987) (Hrsg.), Der Fürst dieser Welt. Carl Schmitt und die Folgen, München-Paderborn 1983, Fink-Schöningh, S. 7 7 84 (aus einer freilich ganz anderen Perspektive). 90 D'Ors' Vermutung ist zutreffend; C. S. versandte diese Zeichnung häufig. In der Ausgabe „Der Begriff des Politischen", Berlin 1963, Duncker & Humblot, S. 122, wurde sie nachgedruckt; der „Kristall" ergibt sich hier aus einer Umrandungslinie, deren einzelne Punkte auf der linken Seite von 1 - 5 gehen; es wird von oben, „offen für Transzendenz", abgestiegen zum „System der Bedürfnisse" (5), das geschlossen ist; die Linie auf der rechten Seite steigt nach oben, vom „System der Bedürfnisse" zur „Transzendenz"; sie wird, um die Bewegungsfolge zu verdeutlichen, wiederum mit 1 - 5 beziffert. C. S. sandte mir zum Neujahr 1982 eine Photokopie dieser Seite mit der Bemerkung zu: „Nach-Vollzug lohnt sich" und notierte an den Rand von 3: „Dieser Satz 3 - 3 ist nicht als Aphorismus in die Luft gespuckt!" - Zum „Hobbes-Kristall" inzwischen in großer Ausführlichkeit: Giuseppe Antonio Di Marco, Thomas Hobbes nel decisionismo giuridico di Carl Schmitt, Napoli 1999, Guida, 871 S.,S. 93-231. 91 D'Ors meint Rafael Domingo, Teoría de la „auctoritas", Pamplona 1987, Ediciones Universidad de Navarra, S. A. (EUNSA), 328. S. Im Mittelpunkt des Buches stehen Überlegungen zu d'Ors' Unterscheidungen von auetoritas-potestas u. Autoridad-Potestad; nach einem geschichtlichen Überblick erörtert der Verfasser die Frage anhand des Römischen Rechts, der

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Für das etatistische Denken des Hobbes und anderer, die ihm folgen, ist diese Unterscheidung zwischen dem anerkannten Wissen (auctoritas) und der anerkannten Macht (potestas) nicht hinnehmbar. Umso schlimmer für sie, die sie ohne ein Verständnis dieser Dinge verharren! Auch in der Kirche unterscheidet man sie nicht; der Grund liegt darin, daß es der ekklesialen Sprache nicht gelang, das Fehlen eines griechischen Terminus für auctoritas - das Basisvokabular der Kirche beruht auf der Septuaginta - zu überwinden. 9 2 Doch ist die Unterscheidung in der Realität selbst notwendig. Darüber möchte ich mich hier nicht verbreiten. Daß der Regierende der ist, der mehr weiß, ist einer dieser eingefleischten Irrtümer der Moderne; es ist eine neue Version der platonischen Illusion, daß die Gelehrten regieren sollen; auch Piaton war „totalitär". 9 3 A l l die Aggressivität von Hobbes wie die von Schmitt gegen die potestas indirecta der Kirche rührt daher, daß sie nicht einsehen wollen, daß diese keine potestas ist, sondern auctoritas. 94 Rechtsquellen, des „Derecho político", des Prozeßrechts, des kanonischen Rechts usw.; S. 119 bemerkt Domingo: „Wie der gleiche Verfasser [= d'Ors] bei verschiedenen Gelegenheiten erklärt hat, entstammt sein Begriff des Staates den ausgedehnten Gesprächen, die er mit C. S. 1944 in Granada und später in Santiago [de Compostela] bei verschiedenen Zusammenkünften führte." 92 Darauf hat d'Ors häufiger hingewiesen, u. a. in: „Doce proposiciones sobre el poder" (1978), in: ders. Ensayos de teoría política, Pamplona 1979, S. 111 -121, wo er feststellt, daß das Griechische kein eigenes Wort besitze, um auctoritas zu übersetzen und die Übersetzung des griech. exousia [= für d'Ors sozial anerkannte, legitime Macht (potestad) oder Macht (poder)] mit „autoridad" in modernen Versionen des Neuen Testamentes kritisiert (S. 117); sehr detailliert dazu ders., Las traducciones de „exousia" en el Nuevo Testamento, ebd., S. 123133. 93 Vgl. bes. Piaton, Der Staatsmann, wonach Wissen bzw. Wissenschaft das wichtigste Merkmal des königlichen Staatsmannes zu sein hat (258b, 292a); daraus wird die Behauptung abgeleitet: „Die einzig wahre Regierung ist die, in der die Herrscher gelernte Wissenschaftler sind" (293c). 94 a) C. S. bemerkte en passant und etwas bissig: „Selbst die römische Kirche der Gegenreformation weiß für ihre Ansprüche in der neuen, vom souveränen Staat her bestimmten Situation nur den Begriff der potestas indirecta aufzustellen, wie ihn der Theologe der Gegenreformation, Bellarmin, als vieldeutigen, alle Nebentüren offenhaltenden Ausweg gefunden hat." (Staat als ein konkreter, an eine geschichtliche Epoche gebundener Begriff [1941], in: S. 24 [FN 63] S. 375-385, dort S. 379). Demgegenüber weist C. S.s Freund Barion darauf hin, daß die potestas indirecta in temporalibus vor Bellarmin, besonders bei Papst Bonifaz VIII. (1235-1303), zu einer unmittelbaren politischen Weisungsgewalt gesteigert wurde, zur Hierokratie: „Erst der Jesuitenkardinal Robert Bellarmin (1542-1621) hat die kirchl. Weisungsgewalt endgültig als eine unmittelbar nur auf das Geistliche, praktisch auf die Sünde gerichtete Gewalt, mit bloß indirekter Auswirkung auf das Weltliche, beschrieben und damit die lehramtl. Theorie über das Verhältnis der kirchl. zur Staatsgewalt als eine p. i. begründet." („Potestas indirecta" [zuerst 1966], in: Barion, Kirche und Kirchenrecht. Gesammelte Aufsätze, hrsg. v. Werner Böckenförde (geb. 1928), Paderborn 1984, Schöningh, S. 509 f., hier S. 510. Einigermaßen überraschend fügt Barion hinzu: „die weitestreichende Kritik stammt von Thomas Hobbes (1588-1679) ... Indes läßt auch er der p. i. in dem nach ihm für die

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Ebenso ist es eine Verirrung, zu glauben, daß die auctoritas sich gründe auf die Beziehung „Schutz und Gehorsam", denn die auctoritas charakterisiert sich durch ihre „Ohnmacht" und fordert von niemandem „Gehorsam", ebensowenig bietet sie jemanden „Schutz" an, da ihr die Kraft fehlt, um irgend jemanden zu schützen; sie „antwortet" nur, wenn man sie „fragt". Verantwortlich für diesen radikalen Irrtum, für die Konfundierung von Macht und Autorität, ist der Glaube, daß die Klugheit der Regierung, daß ihr Vermögen zu begreifen gleich der Klugheit des Rates ist, der dem Regierenden geboten wird, der jedoch jeglicher Macht entbehrt. Um es so zu sagen: Herodes hatte die Macht, doch der heilige Johannes der Täufer, sein Berater, hatte die Autorität; Herodes befahl, daß man seinen Ratgeber enthaupte, aber seine Macht endete mit ihm, während die Autorität des Enthaupteten bis heute und für immer fortlebt. 95 Nun, dies ist nicht die Gelegenheit, dieses Diskurs zu verlängern, - die Autorität ist nicht die Macht, nicht einmal die Macht über dem, der befiehlt und nicht ausführt. Es ist etwas Nietzscheanisches in Schmitt, wenn er sagt: „Wille zur Macht, ist Wille zur potestas directa ... Wille zur potestas indirecta, steht das vielleicht moralisch höher als der Wille zur potestas directa?" (S. 160). 96 Aber es handelt sich hier nicht um eine höhere oder eine niedere moralische Tugend, liege sie nun bei dem, der regiert oder bei dem, der berät, es handelt sich um zwei unterschiedliche soziale Funktionen, deren moralische Wertschätzung unabhängig voneinander zu erfolgen hat und jeweils einzeln zu treffen ist. Christlichkeit eines Staates unentbehrl., aber auch hinreichenden Satz, daß Jesus der Christus sei, noch ein Fundament übrig. So erkennt man gerade an Hobbes, daß die herkömmliche Kritik an der p. i. vor allem Kritik an dem vorausgesetzten Kirchenbegriff und seinen theol. Auswirkungen ist ...". (ebd.). Klärend: Franz Xaver Arnold, Die Staatslehre des Kardinals Bellarmin. Ein Beitrag zur Rechts- und Staatsphilosophie des konfessionellen Zeitalters, München 1934, Max Hueber, S. 324-360. b) Festhaltenswert ist, daß C. S. am 1. 11. 1954 an d'Ors u. a. schrieb: „Es ist; wie Sie wissen, eine alte These von mir, dass es keine potestas indirecta gibt. Die Kirche hat auctoritas und zwar direkt. Die Formel von der potestas indirecta ist eine Evasion vor dem eigentlichen Problem der auctoritas und keine gute Evasion. Aber auch das ist ein sehr schwieriges Problem." Im Gästebuch Armin Möhler v. 9. 5. 1960 bemerkte C. S.: „Le secret de l'Eglise catholique c'est qu'il n'y a pas de pouvoir indirect." (Ulrich Fröschle (geb. 1963), Markus Josef Klein (geb. 1962) u. Michael Paulwitz (geb. 1965) (Hrsg.). Der andere Möhler. Lesebuch für einen Selbstdenker. Armin Möhler zum 75. Geburtstag, Limburg 1995, San Casciano, 331 S., dort S. 159. 95 Vgl. Markus, 6, 14-29, dort 20: „Denn Herodes fürchtete den Johannes, weil er wußte, daß er ein frommer und heiliger Mann war, und verwahrte ihn; und wenn er ihn gehört hatte, ward er sehr unruhig; und doch hörte er ihn gerne." 96 a) C. S. - dessen massiver Anti-Nietzsche-Affekt übrigens noch einer genaueren Betrachtung harrt - bemerkt freilich in der hier gemeinten Eintragung v. 9. 6. 1948 zuvor: „Die armseligen Teufel, die noch einmal Ernst machen wollten mit dem erfüllten Diesseits, sind von den erfahreneren Praktikern dieses Diesseits mit Recht gehängt und verbrannt worden. Das ist alles. Schon Nietzsche gehörte zu den Verspäteten." b) Vgl. E. Castrucci, „Genealogía della potenza cortituente. Schmitt, Nietzsche, Spinoza", in: Filosofía política, 2/ 1999, S. 245-251.

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Wer das nicht versteht, mutet an wie ein Alter, der die Wände seiner Zelle abtastet, ohne die Ausgangstür zu finden. Und das am meisten Paradoxe ist, daß Schmitt sich erkühnt, diesen „Raum", von dem er behauptete, daß er ihn im Tausch gegen die „Zeit", gewonnen habe, mit einer „Macht" identifiziert, die er nicht besaß - „exil in patria mea" (S. 158) 97 - noch jemals besessen hat. Das Einzige, was Schmitt jemals besaß - und auch das wurde diskutiert - war eine auctoritas, die des Magisteriums, die wir anerkennen. Um es in seiner Terminologie zu sagen: seine „potestas " war niemals etwas anderes als „indirecta ".

Nulla potestas nisi a Deo Der von Schmitt gezeichnete „Kristall" beginnt mit der Affirmation, daß Jesus der Messias sei. Doch daraus wird keinerlei politische Konsequenz gezogen, sondern unverzüglich zur Frage übergeleitet „wer interpretiert?", ohne daß gesagt wird, „was" es ist, das zu interpretieren sei. Ist es der Wille Gottes? Dem scheint nicht so, denn unverzüglich geht es zum existentiell Politischen, das die göttliche Wahrheit - denn Jesus Christus ist die Wahrheit selbst, in Person - ausschließt; was hier geschieht, erinnert ein wenig an den Modus des Pilatus: „quid es veritas?". Deshalb kann es hier nicht darum gehen, ein göttliches Gesetz zu interpretieren, was in die Kompetenz der wahrhaften auctoritas fiele, in die des Lehramts der Kirche, sodaß man trotz der Frage zu der pragmatischen Lösung gelangt, die auctoritas in die wirkliche, aktuale potestas der politischen Macht zu konvertieren, in die potestas directa und nicht in diese „ indirecta ", die die auctoritas der Kirche wäre, für Hobbes die des verhaßten Behemoth. Und diese politische Befugnis (potestad), verständlicherweise gegründet auf die Relation Schutz-Gehorsam, weil man nur dem Gehorsam schuldet, der genügend Kraft besitzt, um sicheren „Schutz" zu geben, vermag die wahrhafte auctoritas ist, konkret die der Kirche, nicht zu geben, weil sie der Macht entbehrt, - auch wenn es diese auctoritas, die das Gewissen der Untertanen zum Gehorsam gegenüber der konstituierten Macht bewegt. Dieser Kristall ist klar, aber klar ist auch die Übertragung der Legitimität der politischen Macht, ungeachtet der ersten Affirmation „Jesus is the Christ". Kurz, die Frage liegt darin, wovon faktisch die Legitimität der genügend starken Macht abhängt. Das läuft darauf hinaus, zu sagen, daß wir nicht wissen, wovon die Legitimität der Macht abhängt, wenn man vom Magisterium der wahren auctoritas 97 „Erinnern wir uns noch jener kritischen Schulmeister, die uns Cicero und Seneca als Feiglinge, Schwächlinge, Opportunisten und bloße Rhetoriker anschwärzten? Ein wohlgenährter, wohlsituierter, fest in der Wolle der Vorkriegsprosperität wattierter Professor fand Cicero und Seneca nicht herrisch genug. Seneca fand vielleicht noch etwas Gnade, aber auf Cicero hackten sie los, der große Theodor Mommsen an der Spitze. Exil in patria mea." (4. 6. 1948).

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absieht, die uns aus den Zweifeln reißen könnte. Denn es scheint offenkundig, daß die Frage nach der Legitimität die nach dem Ursprung aufwirft, ist doch jede potestas stets eine delegierte und nur wenn über diese Delegation Klarheit herrscht, kann von Legitimität gesprochen werden. „Hier steckt", sagt Schmitt auf S. 158, „das große Problem: alle Macht geht von Gott aus oder vom Volke aus (vom Volke im Sinne der Identität von Macht und Ohnmacht, im Sinne der Legitimierung des Befehls durch den Gehorsam". 98 Auf diese Weise gelangt man zu dem Paradox, die politische Macht auf die Ohnmacht dessen zu gründen, der sie gibt und der sich gehorsam dem Schutz dessen unterwirft, der sie empfängt. Ein seltsamer Fall, in dem man gibt, was man nicht hat. Doch nicht weniger gewiß ist es, daß die Macht, auch wenn sie gemäß der traditionalen Lehre von der Macht Gottes ausgeht, die Zustimmung der Beherrschten erfordert. Kann dies jedoch, wie viele gedacht haben, durch eine doppelte Delegation 99 geschehen: von Gott auf das Volk und vom Volk auf den Regierenden? Meine Lösung ist eine andere: wenn die Macht „die sozial anerkannte Macht (deren erster Ursprung in Gott liegt)" 1 0 0 ist, dann ist diese soziale Anerkennung durch das Volk nicht der „Ursprung" dieser Macht, sondern nur deren faktische „Bedingung". Bloß daß diese anerkannte Macht, die „konstituiert" bleibt durch diese „Legitimität des Ursprungs" noch, um auf effektive Weise legitim zu sein, eine konstante Legitimation benötigt: nämlich in dem sie recht und redlich ausgeübt wird. Durch eine entartete Ausübung kann sie die Legitimität ihres Ursprungs verlieren. 101 98 Dazu: La violencia, 1. Aufl., S. 55-57; 2. Aufl., S. 85-88. 99,100 Vgl. den - allzu harmonisierenden? - Abriß der verschiedenen katholischen Theorien über die Lehre vom Ursprung der Staatsgewalt in: Heinrich Rommen (1897-1967), Der Staat in der katholischen Gedankenwelt, Paderborn 1935, Bonifacius, S. 196-231. 101 In diesem Falle gilt auch der bisher legitime Herrscher als Tyrann; vgl. Rommen, S. 37 [FN 99-100], S. 231 ff.; dazu auch dOrs, Ensayos, S. 177-192 („Tyrannis", 1947) u. S. 193 -199 („Tiranocidio y democracia"); dort S. 195 f.: „Die Doktrin vom erlaubten Tyrannenmord ist das Beste, was das katholische Denken im Laufe der Jahrhunderte geschaffen hat, um die paulinische Doktrin vom Gehorsam zu vervollständigen, ohne sie Lügen zu strafen. Tatsächlich war es die Unterscheidung von Legalität und Legitimität die es ermöglichte, auf den schuldigen Respekt der Untertanen gegenüber den Königen zu verzichten, verloren diese ihre Legitimität durch tyrannischen Mißbrauch der Macht. ... Die Legitimität des Ursprungs kann sich verlieren durch die Illegitimität der Machtausübung." Im weiteren Verlauf seiner Überlegungen kommt d'Ors zu der Feststellung: „Als die Tyrannei personal war, vermochte der Tod des Tyrannen das Rechtsmittel des Widerstandes sein, doch seitdem die Tyrannei mittels einer bürokratischen Maschine ausgeübt wird, oft mit simplen Computern ohne Herz, kann der Tyrannenmord nur in der massiven Sabotage dieser Maschinerie bestehen. Es ist offenkundig, daß diese neue Form des Widerstandes einschneidendere Folgen für den guten Verlauf des sozialen Lebens zeitigen kann, aber das ist nur eine Konsequenz des demokratischen Unternehmens selbst; deshalb muß der Widerstand massiv sein. Auch die Kriege zwischen demokratischen Völkern sind weitaus schmerzhafter für die Zivilbevölkerung als die Kriege der Könige von einst, die Duelle zwischen Heeren waren und nicht zwischen Völkern; auch der soziale Verschleiß - und die öffentlichen Kosten - des politischen Kampfes in einem demokratischen Staat sind unvergleichlich größer als die der Rivalitäten in den Fluren

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Nun gut, in was wurzelt die Entartung der legitimen Ausübung der Macht? Wohl darin, so scheint klar zu sein, indem gegen die Raison des Ursprungs verstoßen wird, das heißt, indem gegen den Willen Gottes verstoßen wird, dem letzten Ursprung jedweder Macht: „nulla potestas nisi a Deo!" ... et non legitima nisi cum Deo. Natürlich, um zu wissen, wie es um diese zweite Bedingung der Legitimität steht, müssen wir es von einer auctoritas erfahren, die von der potestas selbst zu unterscheiden ist; ergo . . . Letzten Endes: die Legitimität der staatlichen Macht hängt von der Autorisierung durch eine nicht-staatliche auctoritas ab, auch wenn sie sich nicht von dieser ableitet, sondern von Gott. Tatsächlich, die Macht benötigt die Unterstützung der Ohnmacht [beide Wörter im Original auf deutsch, G. M.] aber nicht die Unterstützung des Volkes, das der auctoritas entbehrt und das, genau genommen, nur über Kraft verfügt. In dieser Frage ist es, wie man sehen kann, in der politischen Theorie des Staates zu einem Abgleiten von der „conditio" zur „causa", von der die Legitimität des Ursprungs der Macht abhängt, gekommen. Dieses Abgleiten hat auch in der juridischen Doktrin im eigentlichen Sinne, im Zivilrecht, stattgefunden, etwa wenn die mortis causa eines Testaments konfundiert wird mit dem Tod des Erblassers als conditio juris für die Gültigkeit des Testaments. Deshalb wird man verstehen, daß ich den eigentlichen Begriff der juridischen causa in meinem Beitrag „Relectio de Causa" zur Festschrift fiir Carl Schmitt von 1959 klären wollte. 102 Eigentlich hat sich alles Recht auf die Klärung der Begriffe des Privatrechts zu gründen. Carl Schmitt gibt als Öffentlichrechtler dem kanonischen Recht den Vorzug: „Das Kirchenrecht (und seine Geschichte) erweist sich doch (für den Publizides Palastes. Die Demokratie totalisiert politisch das Zusammenleben und kann nicht anders, als die betreffenden Konsequenzen des politischen Lebens und des Krieges zu verschärfen." 102 D'Ors, Relectio de Causa, in: Festschrift für Carl Schmitt zum 70. Geburtstag, Berlin 1959 (2. Aufl. 1989), Duncker & Humblot, S. 145-157. Der Aufsatz schließt mit den für das Verhältnis d'Ors' zu C. S. bezeichnenden Sätzen: „Ein weiteres Mal führt uns unser Gedankengang in der Glut der Inspiration eines Carl Schmitt zum Judicium universale, ein weiteres Mal nehmen wir uns die Freiheit, einen Geist vom privilegierten Rang eines Carl Schmitt aufzurufen, daß er aus der Asche des Jus publicum Europaeum die Verheißung und das Leben der Erwartung des unfehlbaren göttlichen Gerichts erwecken möge, dieser letzten Instanz allen Rechts." - D'Ors hatte diese Forderung schon früher, so in einem Brief Anfang des Jahres 1952, an C. S. gestellt. Dieser antwortete ihm am 29. 2. 1952: „Ihre Aufforderung, über das Judicium Universale zu schreiben, fällt bei mir auf fruchtbaren Boden. Das ist in der Tat das grosse Thema, vor dem der ganze Spuk des Progressismus und der Geschichtsphilosophie versinkt. Ihre Frage: ¿como es posible que los juristas pueden desinterarse de eso iudicio? ist berechtigt. Ich füge noch hinzu: Wie kommt es, dass gerade das Naturrecht keinen Zugang mehr zu diesem „iudicium" hat? Weil es im Normativismus untergegangen ist. Der Kern des Christentums, die „Aria mirabilia" sind ungeheuerliche Ereignisse, Fakten, nicht subsumierbare Anwendungsfälle von Normen. Ich bin Ihnen aus ganzer Seele dankbar, lieber Don Alvaro, dass Sie mich zu solcher grossen Aufgabe ermuntern wie es die Betrachtung des „iudicium universale" ist." Möglicherweise finden sich noch in C. S.s Nachlaß Versuche zu diesem Thema; publiziert hat er dazu nichts. - Zur mortis causa: d'Ors, Derecho privado romano, 9. Α., Pamplona 1997, EUNSA, §§ 137, 239; S. 186 f., 310 f.

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sten) als ergiebiger und an paradigmatischer Form- und Modellkraft reicher als die ganze privatisierte Wissenschaft des traditionellen Römischen Rechts." (S. 1 3 4 ) 1 0 3 . Tatsächlich hat das „kanonische" Recht (dies scheint mir besser denn „Kirchenrecht") uns so bedeutende Begriffe geschenkt wie den „Prozeß", die „juristische Person", die „Repräsentation", die „pönale Zurechnungsfähigkeit" 1 0 4 ; selbst die moderne Demokratie hat ihre Wurzeln in dem Irrtum des „Konziliarismus" 1 0 5 . Doch imgrunde nährt sich auch das Öffentliche Recht aus der Substanz des Privatrechts als dem „eigentlichen Recht". Was das „Kirchenrecht" [im Original deutsch, G. M . ] angeht, so weise ich beiläufig auf den Fund hin (auf den sich Schmitt S. 118 bezieht), daß Rudolf Sohm „Marcionit" w a r . 1 0 6 Das erklärt, daß dieser illustre deutsche Jurist so extrem die Barmherzigkeit Gottes von Seiner Gerechtigkeit getrennt hat, daß er ein „Recht der Kirche" geleugnet hat, sodaß die Geringschätzung Luthers für jedwedes Recht 103 c. S. bezieht sich hier (am 22. 4. 1948) auf einen Brief an Barion, in dem er auf die Bedeutung eines Kapitels von Rudolf Sohms „Kirchenrecht" hinweist. (Sohm, S. 22 [FN 58], S. 284-308, § 29, Der Titel); die betr. Seiten stellten eine „Fundgrube für das Problem der Nichtigkeitserklärung, der Widerruflichkeit von Regierungs- und Unwiderruflichkeit von Verwaltungsakten, der Rückwirkung, der wohlerworbenen Rechte usw." dar. Soweit ich sehe, findet sich diese überraschende Einschätzung des Kanonischen Rechts in anderen Schriften C. S.s nicht. Zum Einfluß der Kanonistik auf die profane Rechtswissenschaft vgl. Franz Wieacker (1909-1994), Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl., Göttingen 1967, Vandenhoeck & Ruprecht, S. 71-80. Eine umfassende Studie zu diesem komplexen und wichtigen Thema scheint noch zu fehlen. Zwar lassen sich die Ursprünge des „Konziliarismus" (= daß das Konzil ggü. dem Papst die Oberhoheit habe; der Papst kann in Irrtum verfallen, nicht jedoch die Ecclesia Romana) bis ins 12. u. 13. Jahrhundert zurück verfolgen; wichtig wurden aber vor allem die Werke von Marsilius von Padua (1275/80-1342/43) u. Wilhelm van Ockham (12851349?). Die Zurückweisung der Machtansprüche des Papstes gingen, bes. bei Marsilius, zusammen mit einer Theorie der Volkssouveränität in statu nascendi, dazu zusammenfassend: Ernst Reibstein, Volkssouveränität und Freiheitsrechte. Texte und Studien zur politischen Theorie des 14. - 18. Jahrhunderts, I, Freiburg/ München 1972, Karl Alber, S. 2 5 62. 106 „Fand eine Notiz vom 14. 12. 1913 (Düsseldorf): Sohm ist Marcionit." (27. 3. 1948). Marcion o. Markion (85- 160), „der bedeutendste Irrlehrer des 2. Jahrhunderts" (Hugo Rahner), konfrontierte das Evangelium mit dem Gesetz, die erlösende Liebe mit der Strafgerechtigkeit; er gab das Alte Testament auf und entjudaisierte das Neue Testament und entwickelte eine Lehre von zwei „Göttern": Der Gott des Alten Testaments ist „bekannt", er ist der Demiurg der Materie, der Geister und des Bösen; der Gott des Neuen Testaments ist der „fremde Gott", der der gütigen, erlösenden Liebe, der sich in Christus geoffenbart hat; die Hauptgehalte von Markions Theologie sind durch Tertullians Polemik „Adversus Marcionem" (vgl. die vorbildliche Edition von Claudio Moreschini, Milano 1972, Ediz. Cisalpino, XIII/434 S.) überliefert; vgl. über ihn: Adolf Harnack (1851-1930), Marcion. Das Evangelium vom fremden Gott. Eine Monographie zur Geschichte der Grundlegung der katholischen Kirche, 2. Aufl., 1924. Ndr. Darmstadt 1985, der dafürhält, daß „der Katholizismus gegen Marcion erbaut worden ist" (S. VII) und ihn als den „ersten Protestanten" sieht; Hans Liermann, Geschichte der Alten Kirche, I, 1932, S. 265-281 (Ndr. der vier Bände in einem, Berlin 1961, de Gruyter). 17 Schmittiana VII

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in einer etatistischen Lösung kulminierte. 107 Sohms radikale Antithesen LiebeRecht, Geist-Welt, Charisma-Amt haben, so scheint mir, eher einen religiösen (protestantischen) Ursprung denn, wie Schmitt denkt, einen philosophisch-idealistischen (S. 198) 108 .

107 Rudolph Sohm, 1841-1917. Der von C. S. außerordentlich geschätzte protestantische Rechtshistoriker unterschied das altkatholische Sakramentrecht (endend mit Gratian im 12. Jhdt.) von dem durch die päpstliche Gesetzgebung getragenen neu-katholischen Körperschaftsrecht; für S. stand die Kirche als rechtlich verfaßte Größe im Gegensatz zur Kirche Christi; dies sei erst von Luther wirklich begriffen worden. „Alle Herrschaftsansprüche der katholischen Kirche, ihrer Organe und ihrer Rechtsordnung, sind logisch notwendige Folgerungen aus der Gleichsetzung ihres Rechtskörpers mit der Kirche Christi, mit der Kirche im religiösen Sinn, mit dem durch Gottes Geist regierten „Volk" (Ekklesia)... In demselben Augenblick, in welchem die Unterscheidung der Kirche im Rechtssinn von der Kirche im religiösen Sinn sich durchsetzt, ist die Macht des Katholizismus gebrochen." (Wesen und Ursprung des Katholizismus, 2. Aufl., 1912, Ndr. Darmstadt 1967, S. 20, 24). Nach Sohms Auffassung ist das Kirchenrecht kein Teil des Evangeliums, sondern kann ihm allenfalls dienen, wenn es sich von ihm unterscheidet (ebd., S. 10); sonst dient es nur der Aufrichtung menschlicher Herrschaft; Luthers Grundgedanke sei gewesen, „"daß überhaupt kein Kirchenrecht sein soll ... Christus herrscht im Wort, nicht im formalen Recht" (Kirchenrecht, I, 2. Aufl. 1923, Ndr. Berlin 1970, S. 462, 471); vgl. auch Sohms populäre Schrift „Kirchengeschichte im Grundriß", 19. Aufl., Leipzig o. J. (nach 1906), S. 26-36: „Wo Christus ist, da ist die Kirche ...Es bedarf keines menschlichen Priestertums ...Es bedarf noch weniger einer rechtlichen Verfassung. Ja, jede rechtliche Verfassung ist ausgeschlossen! - Es liegt keineswegs im Wesen der Kirche (Christenheit), sich mit Papst und Bischöfen, Oberkirchenrat und Superintendenten nach Art des Staates rechtlich zu verfassen. Im Gegenteil! Wenn jede Versammlung der Gläubigen die Kirche (die Christenheit, die ganze Christenheit mit Christo, ihrem Haupt) darstellt, vermag keine Versammlung rechtliche Gewalt über andere Versammlungen zu üben. Und wenn Christus allein das Haupt der Christenheit (der Kirche, des Leibes Christi) ist, so kann kein Mensch sich zum Haupte der Kirche machen wollen ... - Und dennoch ist das Kirchenrecht aufgekommen! Wie was das möglich? - Aus einem sehr naheliegenden Grunde: weil der natürliche Mensch ein geborener Feind des Christentums ist... Der natürliche Mensch will unter dem Gesetz bleiben." Nach einer längeren historischen Skizze kommt Sohm zu dem Schluß: „Der ursprüngliche echtapostolische Begriff der Kirche ging unter, damit die äußere Herrschaft der Kirche begründet werden könne, und erst nach langen Jahrhunderten, als der katholische Kirchenbegriff seine weltgeschichtliche Mission erfüllt hatte, konnte durch die deutsche Reformation der apostolische Begriff der Ekklesia und das allgemeine Priestertum der Gläubigen wieder hergestellt werden, um ein nunmehr mannbar gewordenes Christentum und eine geläuterte Kirche zu erzeugen, deren Macht nicht äußere Gewalt ist, sondern allein die Kraft der göttlichen Wahrheit." - C. S.s enger Freund Hans Barion befaßte sich öfters mit Sohm, vgl. ders., Rudolph Sohm und die Grundlegung des Kirchenrechts. Bonner Antrittsvorlesung, Tübingen 1931, Mohr-Siebeck, 28 S., Ndr. in: ders., S. 35 [FN 94 Punkt a], S. 79-104; vgl. auch: Ernst Rößer, Göttliches und menschliches, unveränderliches und veränderliches Kirchenrecht von der Entstehung der Kirche bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts. Untersuchungen zur Geschichte des Kirchenrechts mit besonderer Berücksichtigung der Anschauungen Rudolph Sohms, Paderborn 1934; D. Stoodt, Wort und Recht. Rudolph Sohm und das theologische Problem des Kirchenrechts, München 1962. 108 „Zu Rudolph Sohm: Seine Antithese von Liebe und Recht, Geist und Welt, Charisma und Amt ist doch wohl nicht so rein lutherisch wie es scheint. Sie ist stark gereinigt, und zwar durch den Reinheitsbegriff der Philosophie des deutschen Idealismus: Idee und Wirklichkeit; die Verwirklichung der Idee ist Pflicht und Schuld zu gleicher Zeit." (18. 9. 1948).

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Endlich gilt, daß, wenn wir uns sträuben, diese göttliche causa der potestas anzuerkennen, wir dahin gelangen, mit Jacob Burckhardt zu sagen, das „die Macht in sich böse ist" aber Schmitt anerkennt diese nihilistische und atheistische Konklusion natürlich nicht. (S. 2 0 1 ) 1 0 9

Naturrecht Unsere Darlegungen zur legitimen Ausübung der „konstituierten" Macht, das heißt der mit legitimen Ursprung, folgen übrigens einer traditionalen Unterscheidung bezüglich der Legitimation der K ö n i g e 1 1 0 ; sie zielen jedoch weiter, weil sie in Verbindung stehen mit dem Thema des Naturrechts als dem „legitimen" und dem des positiven Rechts als dem „legalen". Die Unterscheidung von Legalität und Legitimität, so bedeutsam für das Denken Schmitts, bleibt bei ihm jedoch, wegen des Fehlens einer Konkretisierung und einer inhaltlichen Bestimmung der Superlegalität, unvollkommen. 1 1 1 Die Römer trafen diese Unterscheidung nicht, denn i m Lateinischen ist „legitimus" das, was mit der lex übereinstimmt 1 1 2 , so wie „iustus" konform geht mit ius, während „ legalis" nur ein rhetorischer Terminus ist, um sich auf die legale Subsumption einer juristischen Voraussetzung zu beziehen, auf den status legalis. Der Christ Tertullian- dieser große Erfinder von W o r t e n 1 1 3 - war der erste, der „lega109

„Die lauen Neutralisierten regen sich auf über Atheismus und Nihilismus und merken nicht, daß in einem (von Ihnen sehr geschätzten und viel zitierten) Ausspruch Jakob Burckhardts unendlich mehr Atheismus und Nihilismus steckt, als in Bakunins ganzem Werk. Ich meine den Ausspruch: „Die Macht ist in sich böse". Wer weiß heute, daß dieser Satz dasselbe bedeutet wie: Gott ist tot." Burckhardt schreibt, daß die Macht „an [von mir kursiviert, G. M.] sich böse ist"; er meint damit stets die Ausdehnungstendenz der Macht: „Und nun ist die Macht an sich böse, gleichviel wer sie ausübe. Sie ist kein Beharren, sondern eine Gier und eo ipso unerfüllbar, daher in sich unglücklich und muß also andere unglücklich machen." (Weltgeschichtliche Betrachtungen, Krönerausgabe o. J., S. 97, vgl. ebd., S. 36). Burckhardts Ausspruch geht auf eine Wendung des Historikers Friedrich Christoph Schlosser (1776-1861) zurück. - Zum sehr vieldeutigen Begriff der Macht bei B.: Werner von der Schulenburg, „Macht und Kraft bei Jacob Burckhardt", in: Deutsche Rundschau, März 1935, S. 152-156. no Heute noch dazu interessant die jede Theorie von der Volkssouveränität schroff als Häresie ablehnende Studie von F(ranz) X(aver) Kiefl (1869-1928), Die Staatsphilosophie der katholischen Kirche und die Frage der Legitimität in der Erbmonarchie, Regensburg 1928, Manz. in Diese „Konkretion" ist bei C. S. (wie auch wohl schon bei Maurice Hauriou) nur möglich als die während einer bestimmten Epoche, eines bestimmten Kulturkreises, eines bestimmten Volkes mit einer bestimmten Geschichte „allgemein" geltenden und wirksamen Vorstellungen ... 112 Zu „legitimus" vgl. u. a. Thomas Würtenberger jun., Die Legitimität staatlicher Herrschaft. Eine staatsrechtlich-politische Begriffsgeschichte, Berlin 1973, Duncker & Humblot, bes. S. 32-36; auch dOrs, Derecho romano privado, FN 102, § 33, S. 64. 113 Die außergewöhnliche Fähigkeit Tertullians zur Prägung von Neologismen ist schon häufiger untersucht worden, vgl. bes.: Heinrich Hoppe, Beiträge zur Sprache und Kritik Ter1

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lis" benutzte, nämlich i m Sinne der Übereinstimmung mit dem „Gesetz", paradoxerweise aber mit dem „göttlichen Gesetz"; ich erinnere beiläufig daran, daß, ebenfalls paradoxerweise, ius positivum der mittelalterliche Ausdruck für das göttliche Gesetz des Dekalogs war, - in Gegenüberstellung zum ius naturale. 114 Schmitt beobachtet, daß weder die „Angelsachsen" noch die Kirche die Unterscheidung kennen (S. 1 8 4 ) 1 1 5 . Es ist klar: für die Engländer, Volk ohne Gesetze, ist law das Recht - die „rule of law" - und „legal" i s t , juridisch" ohne weitere Unterscheidungen. Für die Kirche hingegen bleibt legitimus weiterhin „legal" wie in Rom, und es gibt keine davon zu unterscheidende Legalität, weil das positive Recht der Kirche nicht so konzipiert ist, daß es nicht konform ginge mit dem göttlichen Recht. Und so fehlt ein Terminus wie Superlegalität. 116 Doch selbst die Kirche gelangt dahin, die Legalität von der Legitimität zu unterscheiden, stellt sie das Naturrecht in einen Gegensatz zur Legalität des staatlichen Rechts. A u f diese Weise bezieht sich die Legitimität - und auch die Legitimität der Ausübung der staatlichen potestas - auf die Beachtung und Befolgung des göttlichen Naturrechts. Doch Schmitt, darin wie sein alter Widersacher Kelsen 1 1 7 , w i l l vom Naturrecht nichts wissen: „Naturrecht ist ein irreführend anachronistisches Wort im Zeitalter

tullians, Lund 1932, der 982 Neubildungen auflistet; jetzt, nur zu einem Teil des Werkes: Matthias Wellstein, Nova Verba in Tertullians Schriften gegen die Häretiker aus montanistischer Zeit, Stuttgart u. Leipzig 1999, Teubner, der freilich befindet, daß „seine Neubildungen ... Element seines Individualstiles [seien], der kaum Nachahmer finden konnte." (S. 333). C. S. schätzte das Buch von Alexander Beck, Römisches Recht bei Tertullian und Cyprian, 1930, mit rechtsgeschichtlichen Bemerkungen des Autors zum Neudruck, Aalen 1967, Scientia, XIX/149 S. 114 Dazu d'Ors, Introducción, S. 38 f. 115 „Diese Legitimität", die seit 1848, seit der Aufspaltung der Legitimität entstand," ist heute links, im Osten, monopolisiert; der Westen hat noch nicht einmal die Aufspaltung von Legalität und Legitimität bemerkt. Die Angelsachsen und die katholische Kirche kennen und machen diese Unterscheidung noch nicht." (30. 7. 1948). Dazu Barion, S. 35 [FN 94], S. 338: „Nach Kanonischem Recht ist im Bereich des göttl. Rechts jede legale Rechtstatsache auch legitim, d. h. sachl., inhaltl. dem göttl. Recht entsprechend, während es umgekehrt illegal zustande gekommene Rechtstatsachen im Bereich des göttl. Rechts, soweit es an der starren Legalitätssicherung teilhat, nicht geben kann. Diese Bindung der Legitimität an die Legalität und die darin beschlossene Unmöglichkeit der Entgegensetzung beider ist eines der formalen, d. h. Rechtsmerkmale, das den kath. Kirchenbegriff prägt und ihn vom Kirchenbegriff der reformatorischen Kirchen ... scheidet." 116 D'Ors schreibt „legalidad supralegal"; im allgemeinen wird die „superlegalité constitutionnelle" (nach Maurice Hauriou, Précis de droit constitutionnel, Paris 1923, S. 297) im Spanischen als „superlegalidad constitucional" bezeichnet. 117 Vgl. die frühe, grundsätzliche Stellungnahme Kelsens: „Die Idee des Naturrechts", in: Zeitschrift für Öffentliches Recht, 2/1928, S. 221-250. Immerhin zieht Kelsens Kategorie der „Grundnorm", die ja keine gesetzte, sondern eine vorausgesetzte Norm ist, dem Prinzip des Rechtspositivismus Grenzen; vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, Wien 1934, Deuticke, S. 67 ff.; Reine Rechtslehre, 2., vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Wien 1960, Deuticke, bes. S. 223-227, - was freilich, wie Kelsen wohl zu Recht meint, nicht dazu führen kann, seine Theorie von der Grundnorm als Naturrechtslehre zu bezeichnen.

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der Naturwissenschaften und der Herrschaft ihrer konkreten Ergebnisse." (S. 195). 118 Dieses „wissenschaftliche" Argument mutet sehr „modern" an, aber es ist das gleiche, das es unmöglich macht, die Legalisierung der Abtreibung, die Vernichtung defizienten Lebens und ähnliche „Fortschritte" zurückzuweisen, die Schmitt auf gar keine Weise hinzunehmen bereit war. 119 Doch wie den Sturz in die positivistische Legalität vermeiden, wenn wir auf die natürliche Legitimität verzichten? Abermals können wir eine gravierende Folge der Schmittschen Negation der „Natur" mit Händen greifen. Die Negation der menschlichen Natur ist das unerbittlich zwingende Ergebnis der Wende der modernen Wissenschaften ins Quantitative, von der auch Schmitt nicht unbeeindruckt blieb: „Natur" ist ein metaphysischer Begriff, den die Mathematiker gänzlich ignorieren; in diesem Sinne zahlte auch Schmitt seinen Tribut an die „Modernität", von dem ich mich, durch spanisches Privileg, exemt sehe. Es ist der Legalismus, den eben Schmitt selbst als Ursache für den Verlust der „erworbenen Rechte" ausmacht (S. 124). 120 So ist es tatsächlich, denn das Gesetz ist Ausdruck eines aktuellen Willens, der das Vorhergegangene nicht respektiert und daher kommt es, daß die Demokratie wesenhaft legalistisch ist und das Gewohnheitsrecht als den höchsten Ausdruck des Respekts gegenüber dem „erwobenen Recht" ablehnt. In diesem Sinne ist das „Naturrecht" das am meisten auf dem Hergebrachten beruhende Modell des „erworbenen Rechts", auch wenn es nicht immer, weder von der Gewohnheit des Völkerrechts, noch von den staatlichen Gesetzen, respektiert wurde.

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C. S. fügt dem hinzu: „Nach der Entwicklung von Legalität und Legitimität aber hat das Recht heute nur noch in der Rechtswissenschaft ein Asyl, und nicht mehr im Gesetz. Es wird also nur so viel Recht geben, wie von der Rechtswissenschaft erkannt, erfaßt und zum Keimen gebracht wird. Die Rechtswissenschaft aber geht, wie in ähnlichen chaotischen Zeiten früherer Jahrhunderte, ihren eigenen Weg und findet ihre eigenen Träger." (1.9. 1949). Vgl. auch C. S., Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft (1943/44), Tübingen 1950; später in: S. 24 [FN 63], S. 386-429, dort bes. S. 420 -426. 119 Vgl. c. S.s Bemerkung v. 2. 5. 1950 im Glossarium, S. 300: „Der genaue Titel des Buchs von Karl Binding [1841-1920] und Alfred Hoche [1865-1943], heißt tatsächlich „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens" (Leipzig 1920 bei Felix Meiner). Jedes Wort dieses Titels ist totalitär, Orwell hätte damals schon merken müssen, wo wir leben, er selber auch. Freigabe der Vernichtung! Lebensunwertes Leben." Die 62seitige Broschüre, die u. a. die Tötung „leerer Menschenhülsen" und „Ballastexistenzen" forderte, wurde von C. S. noch in den frühen 80er Jahren im Gespräch scharf kritisiert, - die Heftigkeit der Ablehnung erklärt sich aus der Enttäuschung, die er gerade wegen seines großen Respekts vor Binding empfand. 120 Die Passage entstammt einen Brief C. S. an Arnold Gehlen (1904-1976) vom 8. 4. 1948: „Im Ganzen beginnt das Ende der erworbenen Rechte selbstverständlich mit der Verwandlung des Rechts in positivistische Legalität. Erworben heißt dann légalement acquis, und ein Federstrich des Gesetzgebers verwandelt nicht nur ganze Bibliotheken in Makulatur, sondern auch ganze Paradiese wohlerworbener Rechte in Schutthaufen. Die modernen Juristen sprechen schon längst von situation établie oder dergleichen. Der Kern des Problems liegt in dem Verhältnis von Legalität und Legitimität."

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Einmal mehr können wir in dieser Verbundenheit die Untrennbarkeit von subjektivem und objektivem R e c h t 1 2 1 erfassen: sowohl von dem einen, wie von dem anderen aus läßt sich die Krise der „erworbenen Rechte" beleuchten. Das bringt uns dazu, auch wenn dies außerhalb des Zusammenhanges mit Schmitt steht, die Gekünsteltheit des „subjektiven Rechts" festzustellen, das wie es uns der Franzose Villey demonstrierte 1 2 2 , eine weitere Konsequenz der protestantischen Revolution ist; vielleicht fehlte Schmitt der notwendige Sinn des Privatrechtlers, um den Trug des „subjektiven Rechts" zu erfassen.

S u b j e k t u n d Person Es ist richtig, wenn Schmitt sagt, daß die deutsche Sprache kein eigenes, germanisches Wort für „Person" und „Rechtssubjekt" besitzt (S. 303, 3 0 6 ) 1 2 3 ; daraus 121 Vgl. die sehr detaillierte Studie von dOrs: »Aspectos objetivos y subjetivos del concepto de ,ius'" (1950) in: Nuevos papeles, S. 280-311. In einem Brief vom 2. 8. 1951 lobte C. S. diese Untersuchung u. bemerkte, daß sie „ein grosser Schritt zur Überwindung der (heute steril gewordenen) Alternative von „subjektivem" und „objektivem" Recht" sei und fügte hinzu: „Es gibt übrigens kein deutschsprachiges Wort für ,,Rechtssubjekt„". - Zur Geschichte der Unterscheidung objektives/subjektives Recht auch: Georg Dahm (1904-1963), Deutsches Recht. Die geschichtlichen und dogmatischen Grundlagen des geltenden Rechts, Stuttgart 1951, Kohlhammer, S. 501 ff.; vgl. auch Hans Hattenhauer (geb. 1931), Zwischen Hierarchie und Demokratie. Eine Einführung in die geistesgeschichtlichen Grundlagen des geltenden deutschen Rechts, Karlsruhe 1971, C. F. Müller, Randnrn. 84, 307, 311,609. 122

Michel Villey (1917-1992) erklärte, daß dem subjektiven Recht im antiken Römischen Recht praktisch keine Bedeutung zukomme und daß das ius sich auf die res incorporalis beziehe und keineswegs mit dem „droit subjectify' gleichzusetzen sei; so in „L'idée du droit subjectif et les systémes juridiques romains", in: Revue historique de droit fran£ais et étranger, 1947, S. 201 - 2 7 ; „Du sens de Γ expression jus in re en droit romain classique", in: Revue internationale des droits de l'antiquité, 1949, III, (Mélanges Fernand de Visscher), S. 417 — 436; dazu u. a. Helmut Coing (geb. 1912), „Zur Geschichte des Begriffs »Subjektives Recht'" (zuerst 1959) in: ders., Gesammelte Aufsätze zu Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie und Zivilrecht, I, Frankfurt a.M. 1982, Klostermann, S. 241 -262, bes. S. 244 f. - Später konstatierte Villey: " .. .un débordement de morale chrétienne est responsable du succés du droit subjectify' u. untersuchte, von einem thomistischen Standpunkte aus, die einzelnen Etappen dieses „débordement", bes. bei Ockham, Hobbes u. Ihering, in: Seize essais de philosophie du droit dont un sur la crise universitaire, Paris 1969, Dalloz, S. 140-220. Vgl. auch: Philosophie du droit. Définitions et fins du droit, Paris 1975, Dalloz, bes. S. 153-157; dort S. 154: „Le jus est défini dans le Digeste ce qui est juste (id quod justum est); appliqué ä l'individu, le mot désignera la part juste qui devra lui étre attribué (jus suum cuique tribuendum) par rapport aux autres, dans ce travail de repartition (tributio) entre plusieurs qu'est l'art du juriste.... Le droit était un rapport aux autres ... Tout est contraire chez les modernes individualistes ... Le droit n'est relié qu'ä son sujet." D'Ors' oben angeführte Studie geht ζ. Τ. von Villeys Untersuchungen aus u. schließt mit den Worten: " .. .wollen wir das klassische Denken rekonstruieren, müssen wir auf diese Unterscheidung [= von objektivem u. subjektivem Recht] verzichten." 12 3 S. 303, Eintragung v. 29. 5. 1950: „Die deutsche Sprache hat kein eigenes Wort für Person und keine [sie!] für Rechtssubjekt; sie kann nur Ich sagen, das Ich. Überlege einmal,

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schließt er auf eine Schwierigkeit, „ i n einer solchen Sprache juristisch zu denken." Doch diese Folgerung scheint mir falsch zu sein, denn die heutige juridische Wissenschaft ist in ihren Fundamenten deutsch, auch in den Ländern mit französisch beeinflußter Legislation. Das deutsche Pandektenrecht ist etwas Unvergleichliches und man muß die Intuition des großen Savigny bewundern, als er in dieser juridischen Kultur das erhabenste Produkt des deutschen Geistes sah. Schmitt findet das man nächsten liegende Äquivalent für „Rechtssubjekt" in „Rechtsträger" (wie der „Gepäckträger" meiner Jugend, der „portador del equipaje"); deshalb, weil etwas, das „man hat" mehr ist, als daß „es ist"; „Haben" und „Sein" ist das zentrale Thema unserer Existenz. [Die kursivierten Worte i m Original auf deutsch - G. M . ] . 1 2 4 wie schwer es ist, in einer solchen Sprache juristisch zu denken. Die deutsche Sprache hat auch kein eigenes Wort für Familie; sie kennt nur die Sippe. Subjekt = Träger?" S. 306, Eintragung v. 12. 6. 1950, notiert C. S.: „Die deutsche Sprache hat kein eigenes Wort für Person und auch keins für Rechtssubjekt. Gut. Auch die rabiatesten Verdeutscher haben bisher kein deutsches Wort dafür gefunden. Die deutsche Sprache kennt nur das Ich. Aber siehe da: schon naht die Technik mit einem unerwarteten ganz anderen und zwar sehr deutschen Wort: Träger! Das ist es: ein Rechtsträger, ein Amtsträger, der Eigentumsträger (das ist die Zerstörung des persönlichen Eigentums), Pflichtträger." 124 So bemerkt d'Ors in „Universidad y sociedad" (Text von 1979, in: Nuevos papeles, S. 17-37): „Sein oder Haben, hier findet sich das große Dilemma unserer Zeit. Denn unsere eigentliche menschliche Funktion besteht darin, Person zu sein, doch die moderne Gesellschaft führt zur Depersonalisierung und strebt danach, diesen Verlust mittels einer Ausweitung der Herrschaft über die Sachen zu kompensieren, mit dem Haben. Man hat vom „posessiven Individualismus" [d'Ors bezieht sich wohl auf das Buch des Canadiers Crawford Brough Macpherson (geb. 1911), The Political Theory of Posessive Individualism. Hobbes to Locke, Oxford UP 1962] gesprochen, - als einem der politischen Ideale der modernen Welt, und dies besonders im Hinblick auf die liberale Revolution. Doch zielt der Ausdruck auf einen allgemeineren, größeren Zusammenhang. In erster Linie ist die Bevorzugung des Individuums gegenüber der Person zu nennen. Das Individuum, der homo, oder, wie die Römer auch sagten, das Haupt, caput, ist das natürliche, unteilbare Ganze, die biologische Einheit innerhalb des Menschengeschlechts. Das Individuum ist, selbstverständlich, ein spirituelles Sein, denn die menschliche Seele ist wesenhaft spirituell und nicht vergleichbar mit der der Tiere. Doch wenn das Individuum in Beziehung zu anderen tritt, tut es dies notwendigerweise als Person, als ein Gesicht mit Namen. Ein und dasselbe Individuum, gerade wegen der Pluralität der intersubjektiven Beziehungen, vermag es, als Vielzahl unterschiedlicher Personen zu erscheinen [im Spanischen: „personarse"]. Ein und derselbe Mensch, sagen die Philosophen, „vermag verschiedene Personen zu enthalten". Wo eine moralische Relation besteht, d. h. eine verantwortliche Beziehung zwischen Subjekten, ergibt sich unausweichlich die differenzierte Persönlichkeit. Doch das revolutionäre Ideal einer äußersten Gleichheit tendiert dazu, von den Differenzen der Persönlichkeit abzusehen, um alles auf die biologische Individualität zu reduzieren; es neigt dazu, von den Namen abzusehen, weil die Namen die Wesen unterscheiden ... Die moderne Revolution will Menschen ohne Namen." (S. 35). - In „Caput und persona", ebd., S. 377-381, kommt d'Ors zu dem Resumé - nachdem er die Konfundierung von persona und caput aufgezeigt hat - : „Aus diesem grundsätzlichen Irrtum folgt, daß der Mensch depersonalisiert wurde, reduziert wurde zu einem simplen Individuum einer gemeinsamen Natur. Wie Marx es selbst sagte: die Geschichte ist nichts als die Naturgeschichte des Menschen. Aus dieser falschen Perspektive heraus verbindet die Gesellschaft nicht Personen miteinander, sondern rein natürliche Ein-

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Doch ist „Subjekt", trotz seines Ursprungs, vollständig deutsch. Das lateinische subiectus ist nur ein Adjektiv. Ich verkenne nicht, daß es in der Renaissance substantiviert wurde zu subiectum, aber im Sinne einer „(Rechts-) Fähigkeit um etwas zu erhalten". Zum Beispiel erinnere ich an unseren erhabenen heiligen Johannes vom Kreuz, wenn dieser sagt, daß „zwei Gegensätze, nach dem, was uns die Philosophie lehrt, nicht in einem Subjekt enthalten sein können" (Subida del Monte Carmelo, I, 4 u. 6 ) 1 2 5 , auch wenn sie miteinander, im „Subjekt der Seele" (Llama de amor viva, I, 2 2 ) 1 2 6 Krieg führen können oder daß es „nicht Subjekt und Kraft" in der Seele gibt, um die Verbindung mit Gott zu ertragen ohne daß man ohnmächtig wird (ebd., IV, I I ) 1 2 7 oder das der neue Wein „das Subjekt verwüstet", während der abgelagerte „dem Subjekt Kraft gibt" (Cántico espiritual, Kommentar X X V , 7 ) 1 2 8 . Es geht hier nicht um Personen, sondern um „Fähigkeit". Dennoch wurde die Ersetzung von „Person" durch „Subjekt", dank dessen größerer Abstraktion, mit Kant definitiv, wie Sartre es gut gesehen hat, und sie erreichte ihren Höhepunkt bei dem Neo-Kantianer Hans Kelsen, als dieser im juristischen Subjekt ein bloßes „Zentrum normativer Zurechnung" sah. 1 2 9

heiten ohne Namen, Häupter ohne Gesicht, simple Nummern, Wesen, deren Persönlichkeit nicht anerkannt wird, letzten Endes humane Föten." 125 San Juan de la Cruz (1542-1591), Subida del Monte Carmelo (Aufstieg zum Berge Karmel), in: ders., Obras completas, hrsg. von Lucinio Ruano de la Iglesia, 11. Aufl., Madrid 1982 (zuerst 1974), Biblioteca de Autores Cristianos, S. 79-316, hier S. 97 (I, 4, 2): „(Die Finsternis vermag es nicht, das Licht zu empfangen;) der Grund liegt darin, daß zwei Gegensätze, nach dem, was uns die Philosophie lehrt, nicht in einem Subjekt enthalten sein können und weil die Finsternis, welche die Affektation in den Geschöpfen ist und das Licht, das Gottes ist, Gegensätze sind, die keinerlei Ähnlichkeit haben noch zusammen leben können." S. 105 (I, 6, 1): " .. .zwei Gegensätze können nicht (nach dem, was uns die Philosophen sagen) in einem Subjekt enthalten sein . . . ; die Zuneigung zu Gott und die Zuneigung zum Geschöpf sind Gegensätze und deshalb können die Zuneigung zum Geschöpf und die Zuneigung zu Gott nicht in ein und demselben Willen wohnen." Der Gedanke findet sich, meist nur schwach variiert, öfters in den Schriften des hl. Johannes vom Kreuz. 12 6 Vgl. Llama de amor viva (Lebendige Liebesflamme), o.a. Ausgabe, S. 741-869, hier S. 759/60 (I, 22): „O wie wundersam, wenn sich in der Seele zu diesem Zeitpunkt Gegensätze wider Gegensätze erheben; die der Seele wider die von Seiten Gottes und die, auf die Seele einstürmend, einander (wie die Philosophen sagen) beleuchten und Krieg im Subjekt der Seele führen (y hacen la guerra en el sujeto de el alma)." 127

Vgl. ebd., S. 863 f. (IV, 11): „Wie vermag die Seele bei der Schwäche des Fleisches eine derart mächtige Mitteilung (tan fuerte comunicación) zu ertragen, da sich tatsächlich in ihr weder Subjekt noch Kraft vorfinden, um so viel zu erleiden, ohne in Ohnmacht zu sinken?" 12

« Cántico espiritual (Geistlicher Gesang), o.a. Ausgabe, S. 423-731, hier S. 672: Es geht um den Qualitätsunterschied zwischen dem jungen, noch nicht ausgegorenem Wein und dem ausgegorenen (añejo) der mit den alten und den neuen Liebhabern (amadores) Gottes, den „Fortgeschrittenen" und den »Anfängern" in der mystischen Erkenntnis, verglichen wird. Während der junge Wein noch leicht verderben kann, noch einen herben und scharfen Geschmack hat und der Gesundheit schaden mag und, trinkt man ihn unmäßig, „estraga el sujeto", ist der zweite, ausgegorene, imstande, „da fuerza al sujeto". - Hier scheint mir das „Subjekt" bereits auch im umgangssprachlichen Sinne von heute gebraucht zu werden.

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Vielleicht ist dieses Fehlen eines deutschen Wortes für „Person" dem Anti-Juristen Martin Luther 1 3 0 geschuldet, dem Verantwortlichen des modernen Deutsch; jedenfalls scheint es klar, daß die Ersetzung von „Person" durch „Subjekt" ein rein deutsches Produkt ist, das die juristische Wissenschaft unglücklich belastet und zur Exaltation des „subjektiven Rechts" und der unglaublichen „Menschenrechte" geführt hat, deren begriffliche Unangemessenheit uns weltweit heimsucht.131 129 D'Ors schreibt in Anführungszeichen: „centro de imputación normativa"; möglicherweise bezieht er sich auf Kelsen, Reine Rechtslehre, Wien 1934, Deuticke, S. 57: „Diese Beziehung eines Tatbestandes auf die Einheit der Ordnung wird auch mit „Zurechnung" bezeichnet; die „Person" ist demnach ein „Zurechnungs"-Punkt. Alle Akte der juristischen Person sind Akte von Menschen, die dem fiktiven Subjekt zugerechnet werden, als das man sich die Einheit einer Teil- oder Totalrechtsordnung vorstellt." Vgl. auch Kelsen, Reine Rechtslehre, zweite, vollkommen neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Wien 1960, ebd., S. 193 f., wo die juristische Person als „Hilfsbegriff' der Rechtswissenschaft betrachtet wird, „dessen man sich bei der Darstellung des Rechts bedienen kann, nicht aber bedienen muß." Zu den rechtsphilosophischen Auseinandersetzungen um die juristische Person u. zu deren Krise vgl. Luis Legaz y Lacambra, Rechtsphilosophie, aus dem Span., Neuwied 1965, Luchterhand, S. 663-689. 130 Vgl. dazu etwa: Hans Hermann, „Der unjuristische Luther", In: Luther-Jahrbuch 24, 1957, S. 69-85. Luthers heftige Ausfälle, auch in vielen Predigten, sowohl gegen das kanonische Recht als auch gegen die Jurisprudenz und die Juristen, sind Legion; einige dieser „Scheltworte" sammelt: Hermann Wolfgang Beyer, „Luther und das Recht", in: Paul Althaus (1888 — 1966)/Theodor Knolle (Hrsg.), Die Lehre Luthers. Texthefte, IV, München 1935, S. 52 f. Luther verbrannte 1520 am Elstertor zu Wittenberg ein Handbuch des kanonischen Rechts öffentlich. Der Katholik Heinrich Rommen {FN 99-100] bemerkt: „Die Reformatoren hatten die letzten Konsequenzen für die Theologie aus dem Occamismus gezogen und kamen unter Verachtung der ratio zu einem prägnanten Voluntarismus in der Theologie sowie zur Lehre von der natura deleta, wodurch das tradierte Naturrecht spekulativ unmöglich wurde." Die ewige Wiederkehr des Naturrechts, München 1947, 261 S., S. 62). Der Protestant Karl Holl (18661926) feierte Luther gar als den großen Überwinder des Naturrechts und sah darin ein weltgeschichtliches Verdienst. (Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte, I, Luther, 6. Aufl., Tübingen 1932, S. 243 ff.) - Der These vom anti- oder unjuristischen Luther widerspricht sehr heftig und detailliert: Johannes Heckel (1889-1963), Lex charitatis. Eine juristische Untersuchung über das Recht in der Theologie Martin Luthers, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1973 (zuerst 1953); zu Heckel bes.: Wilhelm Steinmüller, Evangelische Rechtstheologie. Zweireichelehre-Christokratie-Gnadenrecht, Bd. I, Köln 1968, S. 19-237. 131 „ E i n e Kulmination des Subjektivismus zeigt sich in der gegenwärtigen Doktrin der sogenannten „Menschenrechte", die als individuelle Berechtigungen oder „Freiheiten" konzipiert sind, ohne daß sie gestützt würden durch ein objektives natürliches oder positives Kriterium und die dahin kommen, den Gebrauch der sozial anerkannten, legitimen Macht (potestad) zu begrenzen. - In Wirklichkeit sind die prätendierten „Menschenrechte" nur „persönliche Pflichten gegenüber der sozialen Ordnung". Auf gar keine Weise vermag eine internationale Erklärung der „Menschenrechte" die Ordnung des Naturrechts über die moralischen Pflichten der Personen zu ersetzen oder zu verdrängen. Das Naturrecht erlegt Pflichten auf, die nur indirekt zu sozial einforderbaren Ansprüchen führen." (d'Ors, Nueva introducción, S. 27). An anderer Stelle schreibt er: „In Wirklichkeit handelt es sich nicht um „natürliche Rechte des Menschen" sondern um „persönliche Pflichten", wie wir es an den Befehlen des Dekalogs sehen, die den Personen Pflichten auferlegen und nicht den Individuen Rechte zugestehen." (Introducción, S. 33). Vgl. auch: M. Villey, „Critique des droits de l'homme", in: Anales de la Cátedra Francisco Suárez, 1972, S. 9 - 16.

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Außerdem ist es durch diese Erfindung schwierig geworden, die klare römische Unterscheidung zwischen dem Individuum (caput) mit seiner vernünftigen, unteilbaren Natur und der „ p e r s o n a " 1 3 2 aufrechtzuerhalten, die, trotz Boethius ( 4 8 0 524) und der scholastischen Tradition, als relatives Akzidenz erkannt werden m u ß . 1 3 3 Denn das Individuum ist stets dasselbe, während es Person ist inbezug auf eine andere, und ein und dasselbe Individuum unterschiedliche Persönlichkeiten unterhält oder trägt. Deshalb sagt der Canon 96 (genau wie der frühere Codex) daß der Mensch durch die Taufe zur Person in der Kirche wird, denn seine früheren Persönlichkeiten als „Sohn", als „Bürger" wie auch alle folgenden, die man sich vorstellen kann, sind unterschiedliche „Persönlichkeiten", die der Kirche fremd sind.134 Der Fehler des Terminus „Subjekt" liegt darin, daß er die Unterscheidung zwischen ,,Mensch" und „Person" erschwert h a t . 1 3 5 Dies hat eine besondere Bedeutung für das Kriegsrecht, denn es identifiziert die Menschheit mit der Persönlichkeit des „Feindes", während die feindliche Person eines ist und ein anderes ihr Mensch-sein, das des Respektes würdig ist, auch wenn es das eines Besiegten ist. 132

Dazu d'Ors, „Caput y persona" (1979), in: Nuevos papeles, S. 377-381; auch ders., Prelección jubilar, Publicaciones Universidad Santiago de Compostela 1985 (33 S.) 133 Zur „Person" bei Boethius u. a.: Hans Rheinfelder, Das Wort „Persona". Geschichte seiner Bedeutungen mit besonderer Berücksichtigung des französischen und italienischen Mittelalters, Halle 1928, Niemeyer, bes. S. 169 ff.; Boethius' Definition lautet: Persona est naturae rationalis individua substantia. Vgl. a.: Maurice Nédoncelle, „Variationen über das Thema „Person" bei Boethius" (zuerst französ., 1955), in: Manfred Fuhrmann / Joachim Gruber (Hrsg.), Boethius, Darmstadt 1984, Wissenschaftl. Buchgesellschaft, S. 187-231. - Zur Bedeutungsgeschichte insgesamt u. a.: Siegmund Schlossmann, Persona und prosöpon im Recht und im christlichen Dogma. Festschrift der Universität Kiel zum Geburtstage Seiner Majestät des Kaisers am 27. 1. 1906; Adolf Trendelenburg, „Zur Geschichte des Wortes Person (aus dem Nachlaß, mit Einführung v. Rudolf Eucken)" in: Kant-Studien 1908, S. 1-17; Hans Hattenhauer, „Person" - Zur Geschichte eines Begriffs, Juristische Schulung, 6/1982, S. 405 - 411; Historisches Wörterbuch der Philosophie, VII, Basel 1989, Schwabe, Sp. 269338. 134 Der Can. 96 nach dem Codex Iuris Canonici v. 1985 (im früheren unter der Nr. 87) lautet: „Baptismo homo Ecclesiae Christi incorporatur et in eadem constituitur persona, cum officiis et iuribus quae christianis, attenta, quidem eorum condicione, sunt propria, quatenus in ecclesiastica sunt communione et nisi obstet lata legitime sanctio." Deutsch: „Durch die Taufe wird der Mensch der Kirche Christi eingegliedert und wird in ihr zur Person mit den Pflichten und den Rechten, die den Christen unter Beachtung ihrer jeweiligen Stellung eigen sind, soweit sie sich in der kirchlichen Gemeinschaft befinden und wenn nicht eine rechtmäßig verhängte Sanktion entgegensteht." (Codex Iuris Canonici / Codex des Kanonischen Rechts, Lat.-dt. Ausg., 3. Aufl., Kevelaer 1929, Butzon & Berger, S. 34/35); dazu d'Ors, Introducción, S. 72; Nueva introducción, S. 23. In bezug auf diese (und wohl auch auf andere) Verwandlungen des Menschen in eine Person schreibt d'Ors des öfteren: " .. .jeder Mensch ist, bezogen auf einen anderen, eine Person: homo homini persona." (so a. a. O., S. 23). 13 5 Zu dieser Unterscheidung: Caput y persona, [FN 132]; Introducción, S. 72; Nueva introducción, S. 23; vgl. auch den kurzen Essay: „IMAGO, NVMEN, GENIVS (Para una teología pagana de la personalidad)", in: Estudios en homenaje al Profesor Juan Iglesias con motivo de sus Bodas de Oro con la Ensenañza (1936-1986), Madrid 1988, S. 191 -196.

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D e r Gerechte K r i e g Die Rechtfertigung des Krieges kann letztlich nicht vom Naturrecht absehen, da wir sie j a nach allem auf die legitime Verteidigung 1 3 6 zurückführen müssen, die zweifelsohne ein Prinzip des Naturrechts ist. Doch für Schmitt ist der „gerechte Krieg" nur ein Vorwand, um den Besiegten zu kriminalisieren: „Der gerechte Krieg ist ein bellum politicum; der Sieger i m gerechten Krieg hebt den Unterschied von Feind und Verbrecher auf 4 (S. 7 0 ) 1 3 7 . Diese Behauptung Schmitts muß verstanden werden i m Lichte der Differenz, die zwischen dem lateinischen iustum und dem modernen „gerecht" besteht, genauer i m Lichte der Differenz zwischen „Legitimität" und „Legalität" oder besser, zwischen moralischer Gerechtigkeit und Juridizität. Kehren wir zur „causa" zurück, denn dies dient uns dazu, die Differenz zwischen der römischen iusta causa, die gerade die ist, die es i m Zivilrecht aufrechtzuerhalten gilt und der modernen „gerechten Sache" klarer zu sehen. Jene ist die

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Sicher ist die „legitime Verteidigung" ein Prinzip des Naturrechts, doch unter der Herrschaft des diskriminierenden Kriegsbegriffes pervertiert es und wird allzugern zur Konstruktion des Angreifers bzw. zur Bemäntelung der vom »Angegriffenen" geschaffenen Angriffsprovokation benutzt; vgl. dazu die mutigen Bücher des Franzosen Georges Demartial, der die diesbezügliche Ideologie seiner Staatsführung unbarmherzig zerpflückte: Die Mobilmachung der Gewissen, Berlin 1926; Das Evangelium des Quai dOrsay, ebd., o. J. (1927/28?); Le mythe des guerres de légitime défense, Paris 1931 (dort zu Wilson, S. 160 ff.); dazu auch Heinrich Rogge, Nationale Friedenspolitik, Berlin 1934, bes. S. 232, 268. Zur Geschichte des Begriffs bis hin zum Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen: Jean Delivanis, La légitime défense en droit international public moderne (Le Droit International face ä ses limites), Paris 1971, der freilich die Geschichte des Mißbrauchs weitgehend ignoriert und es bei allgemeinen Warnungen beläßt. D'Ors, Introducción, S. 159, sieht die Krise der „legitimen Verteidigung" u. a. verursacht in dem „desprestigio moderno" des Krieges; das trifft m. E. aber nur auf doktrinär-pazifistische Völkerrechtler zu, die die „legitime Verteidigung" gänzlich durch die Mechanismen der kollektiven Sicherheit ersetzen zu können glaubten, - wie etwa Hans Wehberg (1885-1962) während des Interbellum; vgl. a. d'Ors, Nueva introducción, S. 169172; ders., De la guerre, bes. S. 37 ff. 137

Das Erstaunliche scheint mir hier C. S.s Wendung „bellum politicum" [von mir kursiviert] zu sein, da das Politische gemäß dem „Begriff des Politischen" ja nicht die Aufhebung des Unterschiedes Feind / Verbrecher bedeutet, sondern auf der Unterscheidung Freund/Feind beruht. Die „gerechten" Kriege unter modernen Bedingungen wollen ja den Krieg abschaffen bzw. beanspruchen jeweils, der „letzte Krieg der Menschheit" zu sein: „Solche Kriege sind notwendigerweise besonders intensive und unmenschliche Kriege, weil sie, über das Politische hinausgehend, den Feind gleichzeitig in moralischen und anderen Kategorien herabsetzen und zum unmenschlichen Scheusal machen müssen, das nicht nur abgewehrt, sondern definitiv vernichtet werden muß ...". (Der Begriff des Politischen, Ausg. 1932, S. 24; Ausg. 1963, S. 37; die Kursivierungen C. S.s erst in der Ausg. 1963!). Die Diskrepanz zwischen der Eintragung im Glossarium v. 29. 12. 1947 und dem „Begriff des Politischen" ist offenkundig. - Freilich scheint auch die Wendung „über das Politische hinausgehend" unglücklich, da das Politische durchaus mit dem Prinzip der Vernichtung ineins fallen kann und so unserem Auge „entschwindet" (Clausewitz), aber eben nur unserem „Auge", d. h.. unserer kurrenten Auffassung, daß dem Politischen die Mäßigung der Gewaltanwendung inhärent sei.

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typische, durch das Zivilrecht anerkannte causa, diese andere, moderne, bezieht sich auf eine höhere, unbestimmte moralische Rechtfertigung, die zunächst die des Naturrechts ist, die aber auch die in einer konkreten Situation und bei einer günstigen Gelegenheit passende und zweckmäßige ist. Auf sie bezieht sich auch die kanonische „iusta causa", auch wenn sie lateinisch ist. So ist es auch mit dem Krieg. Wir sprechen vom moralisch „gerechten" Krieg. Als Modalität des Naturrechtsprinzips vim vi repeliere licet 138 setzt der gerechte Krieg einen Angreifer voraus, dem gegenüber es gerecht ist, daß man ihn mit Gewalt zurückweist. Doch die Feststellung, wer denn der Angreifer sei, ist schwierig zu treffen. Schmitt sagte 1947, daß die „juristische Lösung" in der Zukunft darin liege, zu sehen, wer die erste Atombombe geworfen habe; doch dieses Kriterium ist unnütz, weil die Kriege seither ohne Atombomben vonstatten gegangen sind; auch ist nicht daran zu denken, daß diese dazu taugten, einen Krieg zu eröffnen. 139 Gemäß der antiken catonischen Wendung ist der, der sich gegen mich bewaffnet, mein Angreifer. Bei der gegenwärtigen Problematik von Weltkriegen oder zumindest potentiellen Weltkriegen gelangt man mit diesem Kriterium dahin, den am besten Bewaffneten als Angreifer zu sehen, als Welt-Aggressor. De facto kann dieser jedoch jedweden schwächeren Widersacher ohne Einsatz von Waffengewalt züchtigen und zwar mit dem Ziel, daß dieser mit den kriegerischen Operationen beginne, - und so der Öffentlichkeit den Eindruck vermitteln, daß nicht er der Angreifer sei, sondern der weniger Starke. 140 Da es so schwierig ist, den wirklichen 138 v i m vi repeliere licet = Gewalt darf mit Gewalt abgegrenzt werden. (Ulpian [? - 228] unter Berufung auf Cassius (um 30 n. Ch.); vgl.: Digesta Iustiniani Augusti, 43, 16, 1§ 27 (Bd. II der Ausgabe von Theodor Mommsen [1817-1903] Berlin 1870, Weidmann, Nachdruck 1963, S. 584). 13 9 Damit weist d'Ors auf C. S.s Eintragung vom 27 10. 1947 hin: „Nach einer rein historischen Definition des Angreifers wird man in Zukunft nicht mehr sagen müssen: Angreifer ist, wer den ersten Schuß abgibt, sondern Angreifer ist, wer die erste Atombombe abwirft. Pflicht zum Abwarten des Abwerfens der ersten Atombombe; das ist die „juristische" Lösung des Problems." (Glossarium, S. 34 f.) C. S.s Äußerung fand noch während des US-amerikanischen Atomwaffenmonopols statt; die erste sowjetische Atombombe detonierte erst am 29. 8. 1949. Der Kontrast zu Überlegungen im „Nomos der Erde" [FN 35] ist auffällig; dort heißt es S. 298: „Der Überlegene hält seine Waffen-Überlegenheit für einen Beweis seiner justa causa und erklärt den Feind für einen Verbrecher, weil man den Begriff des justus hostis nicht mehr zu realisieren vermag. Die Diskriminierung des Feindes zum Verbrecher und die gleichzeitige Hineinziehung der justa causa laufen parallel mit der Steigerung der Vernichtungsmittel und mit der Entortung des Kriegsschauplatzes. Die Steigerung der technischen Vernichtungsmittel reißt den Abgrund einer ebenso vernichtenden, rechtlichen und moralischen Diskriminierung auf." Der mittels des Kernwaffen(erst)einsatzes Siegende dürfte wohl keine Mühe haben, den Besiegten als Angreifer zu konstruieren. - Daß Atomwaffen, wie d'Ors meint, nicht dazu taugen, Kriege zu eröffnen, darf lebhaft bezweifelt werden. 140 Dies war in etwa die Strategie Roosevelts im Zweiten Weltkrieg; außerordentlich klar gegenüber Japan, etwas verdeckter gegenüber Deutschland (gegen dessen Kriegsschiffe die Rotte der Vereinigten Staaten bereits einen unerklärten „Schießkrieg" führte, als man offiziell noch die eigene „Neutralität" beteuerte); vgl. dazu, aus der (Über-)Fülle der Literatur: Fritz Berber (1898-1984), Die amerikanische Neutralität im Kriege 1939-1941, Essen

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Angreifer zu bestimmen, vermag der Sieger - ex post facto - am Ende die Meinung durchzusetzen, daß seine Gewalt, als legitime Verteidigung, gerecht und mit dem Naturrecht in Übereinstimmung war. De facto ist es wahrscheinlicher, daß die Aggression von einer Seemacht denn von einer Landmacht ausgeht; dies als Ergänzung zu Land und Meer. 141 Eine andere, davon zu unterscheidende Sache ist das „iustum bellumdas iustus ist, weil es zwischen „iusti Höstes" statthat und sich auch, in seiner Ausführung, an die kriegrechtlichen Regeln dieser Ordnung hält. Es handelt sich also hier um eine formale Vernunft und nicht um eine au fond wie bei dem Kriege, der moralisch gerecht ist; deshalb ist sie objektiver und leichter zu bestimmen als jene andere Moral-Raison, die stets ziemlich obskur bleibt. Das Risiko der Kriminalisierung des Besiegten besteht nicht bei Feindseligkeiten zwischen vom Völkerrecht zugelassenen Kriegführenden wie es die antiken Reiche oder Republiken waren oder die modernen Staaten, halten sie sich an die Regeln des ius belli. Es kann natürlich geschehen, daß auch das iustum bellum, das für beide Kriegsparteien, die die Regeln des Rechts beachten, „ iustum " ist, für die eine von ihnen auch ein moralisch gerechter Krieg ist, für die andere hingegen nicht. Doch bleibt diese moralische Ungleichheit unter jener juridisch korrekten Form gleichsam verdeckt, sodaß dem Sieger, der gewöhnlich glauben wird, die moralische Vernunft und die gerechte Sache auf seiner Seite zu haben, nichts in Händen hält, um den besiegten Widersacher zu kriminalisieren, - so wenig wie der Besiegte eines gewöhnlichen Rechtsstreits kriminalisiert wird. Denn dieses bellum iustum ist, auf seine Weise, auch ein Urteil ultima ratio, gerade weil weder ein gewöhnlicher Prozeß möglich ist noch es einen Konsens durch ein Schiedsverfahren gibt, wie es zuweilen im Internationalen Recht der Fall ist. Das Schicksal des Kriegführenden kann der Tod sein oder, zeitweise, das Gefangenenlager, aber niemals, aufgrund der simplen Tatsache, daß er Krieg führte, der Kriminalprozeß. Und das okkupierte Territorium - die occupatio bellica setzt natürlich ein Dominium des Siegers voraus, der aber weder die etablierte, konstitu1943, Essener Verlagsanstalt. Anders lag der Fall mit England und Frankreich, die 1939 erklärten, sie seien „angegriffen" worden; aufgrund des damaligen Völkerrechts wie auch aufgrund des Völkerbundrechts waren sie jedoch nach ihren Kriegserklärungen v. 3. 9. 1939 die Angreifer Deutschlands. Vgl. dazu u. a. Axel Frhr. von Freytagh-Loringhoven (1878- 1942), Kriegsausbruch und Kriegsschuld 1939, Essen 1940, Essener Verlagsanstalt. Eine unvoreingenommene Kenntnisnahme der reichhaltigen deutschen völkerrechtlichen Literatur zu diesem Thema während der Kriegszeit findet freilich so gut wie nicht statt. 141 D'Ors argumentiert hier nach dem Motto: „Angreifer ist, wer mich zum Angriff zwingt." Dies kann eine Seenmacht stets besser als eine Landmacht. Der - soweit ich sehe einzige bedeutende Völkerrechtler, der sich intensiv um eine Klärung der „Angriffsprovokation" bemühte, war Heinrich Rogge, Nationale Friedenspolitik, wie Anm. 136, bes. S. 54884. Die große Angriffsprovokation sollte freilich erst noch kommen, vgl. etwa Dirk Kunert, Ein Weltkrieg wird programmiert. Hitler, Roosevelt, Stalin: Die Vorgeschichte nach Primärquellen, Kiel 1984, Arndt-Verlag; Paul Rassinier (1904-1967), Die Jahrhundert-Provokation, Tübingen 1998, 3. Aufl., Grabert, 368 S.

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ierte Staatsgewalt zur Gänze vernichtet und auch nicht deren Legitimität beseitigt; so sagt es Schmitt (S. 147, 1 5 6 ) 1 4 2 , wenn auch mit gewissen Schwankungen, wie es der Vorbehalt zeigt, den er S. 115 ausdrückt: daß nämlich Deutschland - dasselbe ließe sich von Japan sagen - zwar „okkupiert", aber nicht „erobert" [ d O r s übersetzt hier mit „ganado", eher „gewonnen", G. M . ] wurde. Schmitt sagt: „Erobern kann nur derjenige, der seine Beute besser kennt als sie sich selbst" 1 4 3 . Tatsächlich kann nur derjenige „gewonnen" [„ganado"] oder „erobert" [„conquistado"] werden (im Recht von Navarro waren die „conquistas" die „gananciales" des ehelichen Patrimonium) der auf seine eigene Identität verzichtet; zuweilen geschieht solche Eroberung ohne Waffengewalt, wie es dem friedlich „europäisierten" Spanien seit 1975 durch die Welt-Sieger von 1945 widerfahren ist, die den spanischen Sieg von 1939 über den Kommunismus und die Demokratie abrogierten. 1 4 4 Die perverse 142 in einem Brief vom 8. 5. 1948, vermutlich an Hans-Peter Ipsen (1907-1999), geht C. S. (S. 147) lobend auf das Werk des englischen Völkerrechtlers William Edward Hall (18351894), A Treatise of International Law, 8. Aufl., hrsg. v. Higgins, Oxford 1924 (zuerst 1880), ein. Hall erklärt hier die Lehre, daß der Okkupant die Souveränität des okkupierten Landes ausübe, für falsch; dies würde den Okkupanten „enable to brand acts of resistance on the part of an invaded population with a stigma of criminality which is as useless as it is unjust". Am 31.5. 1948 befaßt sich C. S. (S. 156) mit der Forderung des italienischen Juristen Carlo Francesco Gabba (1835-1920) daß die Bevölkerung des besetzten Gebietes als eigenes Rechtssubjekt konstruiert werden müßte, da sie zum Unterschied von ihrem bisherigen Staat und vom Okkupanten eine eigene, dritte Größe sei; vgl. S. 14 [FN 35], S. 172-83, 180. 143 Diese Wendung, die C. S. auch gesprächsweise gerne benutzte, stammt von Bruno Bauer (1809-1882): „Die Eroberung der aufgelösten Masse, ihre gewaltsame Unterwerfung und Umbildung durch das Heer ist unmöglich - das Heer in seiner alten Organisation ist nicht mehr erobernd, die Aristokratie seiner Führer keine vorschreitende geschichtliche Macht mehr, denn erobern kann nur derjenige, der seine Beute besser kennt, als sie sich selbst, und sie durch diese Ueberlegenheit der Bildung und der Kenntniß sich unterwirft." Die bürgerliche Revolution in Deutschland seit dem Anfang der deutsch-katholischen Bewegung bis zur Gegenwart, Berlin 1849, G. Hempel, S. 294 f.). - Inzwischen ist die vollständige Eroberung Deutschlands im Sinne Bauers und C. S.s eine nicht mehr bezweifelbare Tatsache: zufrieden liegt die Beute in ihrem Fett. In Japan dürften die Dinge, dank seiner Resistenz gegenüber den Zumutungen der Vergangenheitsbewältigung und der Umerziehung, um einiges besser stehen. 144 DOrs war stets ein Gegner Europas und der „Europäisierung" Spaniens, - eine Haltung, die typisch ist für den spanischen Traditionalismus, der in „Europa" zum einen ein Produkt der Reformation sah, zum anderen die aufgrund der Reformation „notwendig" gewordene Etatisierung ablehnte, weil sie eine Gefahr für die fueros Spaniens als Verwirklichung des „Regionalismus" und des Subsidiaritätsprinzips darstellt(e). Vgl. etwa von ihm: Europa ist nur eine täuschende und gefährliche Formel, „um eine gespaltene, von der Häresie neutralisierte Einheit aufrechtzuerhalten. „Europa" ist ein historisches Produkt der Reformation." (De la guerra, S. 19 f.). - „Europa, das soll also heißen, daß, während seine religiöse Einheit ruiniert wurde, seine Zivilisation christlichen Ursprungs unzerstörbar sein soll. Der Name Europa ist nichts als ein moderner Ersatz, um den Riß, den die Christenheit aufgrund der satanischen protestantischen Reform erlitt, zu überdecken, (ebd., S. 101). - „Wir pflegen den Begriff Europa in den Rang einer wahren spirituellen Entelechie zu erheben und wir begeistern uns an der Verteidigung dessen, was wir pompöserweise als „Werte" der europäischen Zivilisation bezeichnen. Doch das ist ein trügerisches Spiel. Alles, was wir wirklich wertvoll finden können an Europa, ist die Kontinuität oder das simple Echo der Werte der christlichen

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Kriminalisierung des Krieges, die Schmitt so scharf und beharrlich denunziert hat 1 4 5 , setzt eine pazifistische Zurückweisung des Krieges voraus, des ius belli 146 Gemeinschaft. Diese Werte jedoch sind dabei, sich im Dampf aufzulösen (a evaporarse) ... oder sind völlig verschwunden in jenen Milieus, die freiwillig auf die christliche Erbschaft verzichtet haben. Das Aufrechterhalten der Fiktion, daß diese Werte „europäisch" seien, neutralerweise europäisch, bedeutet nichts weiter, als den Prozeß der Degeneration zu beschleunigen." („Jus Europaeum?", in: L'Europa e il diritto romano. Studi in memoria di Paolo Koschaker, I, Milano 1954, Giuffré, S. 449-476, dort S. 474). - Der Aufsatz ist interessant wegen seiner Überlegungen zur Beziehung der Konzepte Paul Koschakers (1879-1951) und C. S.s bezüglich einer europäischen Rechtswissenschaft; d'Ors fordert ein ius oecumenicum im Sinne eines ius catholicum, weil ein ius europaeum aufgrund des Charakters Europas als fragwürdiges Säkularisat nicht erfolgreich sein kann und die politische Geschichte des genau genommen erst 1648 einsetzenden Europa nur eine Geschichte von Desastern ist. 1979 bemerkt er, im Vorwort zu „Ensayos" S. 9: „Die zentrale Idee jenes Buches [gemeint ist; De la guerra y de la paz, 1954] war, daß „Europa" nichts ist als ein schlechtes Produkt der Säkularisation der Christenheit - heute nur noch ein „Markt" oder ein „Haus von Händlern" - und daß der „Europäismus" für die Spanier angesehen werden muß als eine unheilvolle Verführung, die die hispanische Substanz zerstört. Die Tatsachen des letzten Vierteljahrhunderts haben mich in dieser ideologischen Position bestärkt und tatsächlich hat sich der Gedanke, es wäre möglich, sich zu europäisieren ohne daß man sich an den Gebresten Europas ansteckt, als ziemlich illusorisch erwiesen. Im übrigen bedeutet, gesellt man sich dem Sieger von 1945 zu, daß man sich dessen Joch unterwirft. Unter dem Strich ist für Spanien herausgekommen, daß es seinen eigenen Sieg von 1939 aufgegeben hat zugunsten dem seiner Feinde 1945. Ich habe mich erkühnt, den letzteren Sieg, bevor er vollständig war, als unnütz für einen wirklichen internationalen Frieden zu prognostizieren." - Noch 1998 bemerkte d'Ors: " .. .der weltweite Sieg der Demokraten von 1945 ersetzte den unter französischer Ägide entstandenen spanischen „Europäismus" durch einen universalistischen Pazifismus, der aber nunmehr dominiert wird vom imperialistischen, nicht-europäischen Anspruch der Vereinigten Staaten. Hieraus resultiert das Paradox, daß der Amerikanismus als „Europäismus" Spanien infiltriert hat ... Eine au fond freimaurerische Demokratie beherrscht die Welt und Europa ist jetzt nichts als ein historischer Mythos der neuen Welt-Hegemonie, auch wenn deren Protagonist sich nunmehr noch weiter im Westen befindet, in der früheren Kolonie Nordamerika." („Rafael Gambra y Europa", in: Comunidad humana y tradición política. Liber Amicorum de Rafael Gambra, hrsg. ν. Miguel Ayuso, Madrid 1998, Editorial Actas, S. 69-78, dort S. 72 f.). 14 5 Pointiert und zusammengefaßt in: Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff, München 1938, Duncker & Humblot, 53 S.; die Schrift beruhte auf dem nur geringfügig veränderten Bericht C. S.s für die Klasse II der Abteilung für Rechtsforschung der Vierten Jahrestagung der Akademie für Deutsches Recht in München am 29. 10. 1937; dieser Hinweis fehlt leider im photomechan. Nachdruck, Berlin 1988, Duncker & Humblot. Vgl. dazu: José Caamaño Martínez (1921 -1992), „Sobre el concepto schmittiano de guerra discriminatoria", in: Revista Española de Derecho Internacional, 2-3/1948, S. 457-63; die Zahl spanischer Bezugnahmen auf C. S.s Schrift ist außergewöhnlich hoch und erforderte eine eigene Bibliographie. Vgl. auch C. S.s Schüler und Freund Günther Krauss (1911 -1989), „Der diskriminierende Kriegsbegriff (Vortrag in Godesberg v. 18. 3. 1947)", in: Schmittiana IV, S. 203-220.

Während des Interbellum kam es immer wieder zu oft sehr ernsthaften Bestrebungen, das Kriegsrecht abzuschaffen: da der Krieg verboten sei, dürfte die den Friedensbrecher und „Angreifer" zurechtweisende Staatengemeinschaft in ihrer Strafaktion nicht durch das Kriegsrecht behindert sein, sondern (beinahe) alles tun dürfen. Besonders unrühmlich tat sich hier der vielleicht einflußreichste Völkerbundsjurist von damals, der Grieche Nicolas Politis (1872-1942) hervor; vgl. von ihm: „Die Zukunft des Kriegsrechts", in: Wie würde ein neuer Krieg aussehen?, hrsg. von der Interparlamentarischen Union, Zürich-Leipzig 1932, Orell

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und deshalb des bellum iustum, um ohne formale Palliative einer moralischen Justiz die Diskriminierung zu überlassen, - doch nicht mehr, angesichts der Schwierigkeit, die Legitimität der Verteidigung festzustellen, nach Kriterien der natürlichen Gerechtigkeit, sondern als Prämie für die simple Tatsache des Sieges. Diese Kriminalisierung ist ein juridischer Rückschritt wie es die Geschichte des Privatrechts belegt, kommt es zu einer zunehmenden Kriminalisierung der in einem gewöhnlichen Prozeß verurteilten Schuldner oder zur Wende zur Kriminalisierung in Verfallsepochen; in der Geschichte der Justiz ist z. B. das Schuldgefängnis ein klares Anzeichen für diese Regression. Was diesen Erdrutsch vom formalen bellum iustum zum moralischen „gerechten Krieg" begünstigt hat, ist der Gebrauch des Wortes „Feind", um sich auf den Gegner allgemein, ohne jene Unterscheidung, zu beziehen; 1 4 7 d. h.: die Ersetzung von hostis, nachdem der Pazifismus jedweden Krieg geächtet hat, durch inimicus, d. h. durch den politischen Widersacher, mit dem kein bellum iustum möglich ist, sondern nur ein politischer, kriminalisierender Bürgerkrieg. Wenn die Diskriminierung 1 4 8 für den Begriff des „Politischen" essentiell ist, dann ist konsequenterweise die Diskriminierung des äußeren Feindes - des mögliFüssli, S. 371-89, mit dem Resumé: „Es sei das Ziel der wahren Friedenspolitik, dem Kriege vorzubeugen, und nicht, ihn menschlicher zu machen." Ein unermüdlicher Kritiker dieser Tendenzen war der österreichische Völkerrechtler Josef L. Kunz, vgl. Plus des lois de la guerre?, Revue Générale de Droit International Public, 1 /1934, S. 22-57; Kriegsrecht und Neutralitätsrecht, Wien 1935, Springer, bes. S. 11-19; The laws of war, The American Journal of International Law, 1956, S. 313-37. Auch der verbotene Krieg ist Krieg und muß, wechselseitig, unter Kriegsrecht stehen, will man das Schlimmste verhüten; der Hinweis bes. pazifistischer Völkerrechtler, das Kriegsrecht werde „sowieso" gebrochen, geht fehl, weil das Recht ein Sollen statuiere, etc. 147 Zu den vielen möglichen, unterschiedlichen „Feind"-Begriffen u. a.: Georges Schwab (geb. 1931), Enemy oder Foe: Der Konflikt der modernen Politik, in: EPIRRHOSIS. Festgabe für Carl Schmitt, II, Berlin 1968, Duncker & Humblot, S. 665-82; AMICUS-(INIMICUS)-HOSTIS. Le radici concettuali della conflittualitä »privata4 e della conflittualitä política'. Ricerca diretta da Gianfranco Miglio, Milano 1992, Giuffré, Arcana Imperii 25, VII/ 310 S.; Günter Maschke, „Freund und Feind - Schwierigkeiten mit einer banalité supérieure", in: Der Staat, 2/ 1994, S. 286-306. 148 D'Ors schreibt: „discriminación del „enemigo" para el cozcepto de lo político", was irritieren mag, denkt man an C. S.s bekannte Wendung „Die spezifische politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung von Freund und Feind." S. 5 [FN 5a] S. 26). Anstelle von „Diskriminierung" bzw. „discriminación" müßte, so denkt man wohl in einer ersten Regung, „Unterscheidung" bzw. „distinción" verwandt werden. Doch zum einen kann „discriminación" im Spanischen auch Ergebnis eines nicht juristischen, sondern politischen „Verdammungs"-Urteils sein, zum anderen deckt sich der hier von d'Ors verwandte Begriff des Politischen nicht mit dem, den C. S. üblicherweise gebraucht (vgl. FN. 137). - Nach einem Brief v. 31. 3. 2000 hat d'Ors in einem bisher nicht veröffentlichten Essay „Bien común y enemigo público" dargelegt, daß der Feind im Bürgerkriege, wegen des ihm vorgeworfenen „Verrats" auch inimicus genannt wurde: der bisherige civilis wurde inimicus, präsentierte er sich als „exterior al régimen de la comunidad". Zu solchen und anderen Bedeutungsschwankungen vgl. auch Moreno Morani in dem unter FN 147 erwähnten, von G. Miglio hrsg. Band, S. 48 ff.

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chen hostis - weniger wichtig, weil er weniger häufig ist, als die des inneren Feindes, des inimicus des möglichen Bürgerkrieges (guerra civil) oder „politischen" Krieges, denn civilis ist das lateinische Äquivalent des griechischen politikos; auch wenn die römischen cives etwas von der griechischen polis sehr Unterschiedliches sind, scheint es mir nicht unpassend zu sein, bezüglich des Krieges die betreffenden Adjektive als Äquivalente zu benutzen. Der Bürgerkrieg, gerade weil er kein bellum iustum sein kann, unterwirft sich einzig den moralischen Kriterien des diskriminierenden gerechten Krieges. Wie wir gesehen haben, sagt Schmitt deshalb (S. 70): „Der gerechte Krieg ist ein bellum politicum", woraus die Kriminalisierung des Besiegten resultiert. M.a.W.: der Pazifismus, das Recht des bellum iustum verwerfend, ist dahin gekommen, jedweden Krieg zu „politisieren" und das Ergebnis ist die Kriminalisierung des Besiegten. Deshalb werden in jedem Bürgerkrieg Gründe der moralischen Gerechtigkeit geltend gemacht. Im Falle unseres Spanischen Krieges 1936-39 ist dies, genau betrachtet, anders; auch wenn er gemeinhin „Bürgerkrieg" genannt wird, war er dies letztlich nicht, sondern eher ein „Kreuzzug" (cruzada), wie dies die Kirche gleich zu seinem Beginn erklärte; ich verweise hier auf den ersten Teil meines Buches La violencia y el orden. 149 Das Problem, das sich an dieser Wende des modernen Krieges zeigt, ist ein doppeltes. Auf der einen Seite tendiert die Einheit der Welt, auf die uns gerade Schmitt vor vielen Jahren aufmerksam machte 150 und die jetzt, nach der Schwächung der öst149

D'Ors bezieht sich auf den 2. Abschnitt seines ersten Kapitels „La Cruzada del 36 y su significación histórica", in der 1. Aufl. S. 19-28, in der 2. Aufl. S. 31-44. Daß es sich um eine „cruzada", nicht um eine „guerra civil" handelte, um eine Verteidigung der Kirche gegen den Untreuen" und um die notwendige Resurrektion der eigentlichen spanischen Substanz, der Treue zum katholischen Glauben, war angesichts der brutalen Unterdrückung der Kirche - bereits durch die Gesetzgebung der Republik der Enteignungswelle, bes. aber angesichts der zahllosen Massaker unter Nonnen, Mönchen und Priestern, eine nur zu verständliche These; vgl. etwa.: Antonio Montero, Historia de la persecución religiosa en España, 1936 — 1939, Madrid 1961, Biblioteca de Autores Cristianos. Der spanische Episkopat erklärte am 1. 7. 1937 in einer „Carta colectiva" die Auseinandersetzungen zur „cruzada"; der Text in: M. C. García Nieto/ J. M. Donézar (Hrsg.), La guerra de España 1936-1939, Madrid 1974, Guadiana, S. 292-303, dazu u. a.: A. de Castro Albarrán, Guerra santa. El sentido católico de la guerra española, Burgos 1938; Juan de la Martínez, ¿Cruzada o rebelión? Estudio histórico-jurídico de la actual guerra de España, Zaragoza 1938, Liberia General; H. R. Southwort, El mito de la cruzada de Franco, Paris 1963, Ruedo Ibérico; José María García Escudero, Historia política de las dos Españas, III, Madrid 1975, Editora Nacional, S. 1439- 1479 (relativ breite Darstellung der Debatte vom nationalist. Standpunkt aus). 150 D'Ors meint C. S., „La Unidad del Mundo", in: Anales de la Universidad de Murcia. Tercer Trimestre de 1950/51, S. 343-355, etwa gleichzeitig als Broschüre mit einem Vorwort von Florentino Pérez Embid, Madrid 1951, Ateneo, Colección „O crece, o muere" (das Vorwort dort S. 9 - 14, C. S.s Text, S. 15-37). Der Text stellt in etwa eine Kompilation dar aus: „Die Einheit der Welt" (in: Merkur, Jan. 1951, S. 1 -11, Nachdruck mit Erläuterungen in: S. 6 [FN 18-19], S. 496-512) und „Drei Stufen historischer Sinngebung" (in: Universitas, 8/1950, S. 927-931). C. S. hielt diesen Vortrag zuerst am 11. 5. 1951 im Madrider „Ateneo" 18 Schmittiana VII

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liehen Hemisphäre, noch offenkundiger ist - die „one world under the leadership of U S A " 1 5 1 - dazu, jeden möglichen Krieg in einen „Bürgerkrieg" [„guerra civil"] zu verwandeln, d. h. in den „politischen Krieg" mit seinen kriminalisierenden Wirkungen. Das seit jeher bestehende Problem, daß ein Bürgerkrieg internationale Komplikationen hervorrufen kann, hat sich damit noch verschärft. A u f der anderen Seite hat es der Pazifismus nicht nur nicht erreicht, den Krieg abzuschaffen, sondern die Kriege sind, nachdem vom Kriegrecht und von den Formalitäten des bellum iustum abgesehen wird, ungeordneter und grausamer geworden, sodaß vielfältige Modalitäten der informellen, man kann sagen „schmutzigen" K r i e g e 1 5 2 entstanden sind. In erster Linie ist hier der Terrorismus zu nennen, der gelegentlich als „unilateraler" K r i e g 1 5 3 bezeichnet wurde. Seine Differenz zur

und wiederholte ihn bis zum Ende des Monats mindestens viermal; nachgewiesenermaßen an den Universitäten Santiago de Compostela, Murcia und Sevilla sowie im Club „La Rábida" in Sevilla. Die Reaktion der Zeitungen war freundlich bis enthusiastisch; zu den Hörern der Vorträge zählten u. a. Francisco Javier Conde, Serrano Suñer (geb. 1901), Eugenio dOrs, Luis Legaz y Lacambra u. Antonio Truyol y Serra (geb. 1913). Am 13. 9. 1951 schrieb C. S. an Alvaro d'Ors u. a.: „Mein Vortrag über die Einheit der Erde entsprach durchaus Ihrer Auffassung von dem unum ovile und der una saneta, und zwar deshalb, weil jede andere als diese christliche Einheit der Erde das Werk des Antichrist ist... Es hat mich oft tief betrübt, grade von Spaniern zu hören, dass sie die aus der technisch-industriellen Entwicklung hervorgehende Einheit der Welt mit grösster Selbstverständlichkeit aeeeptieren, ohne den eschatologischen Charakter des Themas „Einheit der Welt" zu bemerken. Der Sinn meines Vortrages ist nun grade der, mit einer kalten und sachlichen Diagnose das Bild der heutigen Lage zu entwickeln und bis an die Schwelle der Eschatologie zu führen, aber keinen Schritt weiter; Hasta el umbral, pero ningún paso tras!" - Nach einigen Bemerkungen über den heutigen Rückfall in die Diskriminierung der „in der Tat etwas eschatologisches [hat], wie jeder Kampf um die Einheit der Welt" schreibt Schmitt: ,Aber es ist die Eschatologie des AntiChrist, die der Christi vorausgeht. Sollen wir nun die anti-christliche Einheit beschleunigen, weil ihr die Parusia Christi folgen wird?". 151 Angesichts der Fülle der Literatur sei nur hingewiesen auf das in seiner offenherzigen Schamlosigkeit nicht zu überbietende Buch von Zbigniew Brzezinski (geb. 1928; 1977-81 Sicherheitsberater Präsident Carters [geb. 1924]): The Grand Chessboard. American Primary und Its Geostrategic Imperatives, New York 1997; deutsch: Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft, Weinheim u. Berlin 1997, Beltz, bzw. Frankfurt a.M. 1999, Fischer-Tb. 14358,311 S. 152 „Guerra sucia" = „schmutziger Krieg" ist eine besonders in Kolumbien und Peru bei Militärs beliebte Formel; gemeint ist damit nicht nur der Terrorismus sondern auch die (weitgehend unvermeidbaren) Methoden im Kampf gegen ihn. 153 Vgl. d'Ors, „La guerra unilateral", in: La Ley (Buenos Aires), 8. 11. 1979, S. 1 - 4 . Als „guerra unilateral" bezeichnet d'Ors hier „bewaffnete Konflikte, die nicht als Kriege, nicht einmal als Bürgerkriege, Befreiungskriege etc. betrachtet werden können, gerade weil es sich um Feindseligkeiten mit einem Feind handelt, der kein Territorium besitzt und der gemeinhin als „Terrorist" bezeichnet wird. Hier findet sich das große Problem: Wie kann man Krieg führen mit einem Nicht-Belligeranten, der aber nicht effektiv bekämpft werden kann, erscheint er als simpler Störer der öffentlichen Ordnung? Wie kann man diesen nichtbilateralen Krieg juristisch qualifizieren? Wie kann man zu einer diesbezüglichen Theorie gelangen, die sich nicht mit einfachen, ausgeweiteten, stets nur partiell bleibenden Analogien zum Regime des bilateralen Krieges, d. h. dem zwischen zwei wirklichen Belligeranten,

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Guerilla und zum Partisanenkrieg ist sehr gering, - bis zu dem Punkt, daß der gleiche Kriegführende, der im offenen Kampf als „Guerillero" agiert, seine kriegerische Aktion in den Städten als „Terrorist" fortsetzt. 1 5 4 Inzwischen haben wir die Erfahrung gemacht, daß ein Feind, der im offenen Krieg besiegt wurde, noch Rebellenkontingente unterhält, die ihren Krieg als Terror fortsetzen. Doch der heutige Terrorismus ist nicht die ungeordnete Fortsetzung einer bestimmten Kriegsführung, sondern eine latente Kriegführung, die zu schwach ist, um die Form eines regulären Krieges zu erreichen. 1 5 5 Und in der Haltung des heutigen demokratischen Staates gegenüber dem Terrorismus können wir den wunden Punkt dieser Wendung zur Kriminalisierung des Krieges finden, denn hier werden von Beginn an die terroristischen Kriegführenden als Kriminelle eingestuft und ungebührlicherweise dazu ungeeigneten Strafgerichten unterworfen, - wie es mit einem hostis nicht möglich wäre und nicht einmal mit einem „zivilen" inimicus. Der Kriegführende ist dazu bestimmt, entweder zu fallen oder Gefangener zu sein, aber es ist absurd, ihn als Kriminellen abzuurteilen, - ausgenommen in den Fällen, in denen er einer ist: nicht, weil er Krieg führt, sondern weil er die Regeln des ius belli nicht beachtet. 1 5 6

begnügt?" Danach weist d'Ors daraufhin, daß das humanitäre Völkerrecht, die Genfer Konvention von 1949, die Menschenrechte etc. keine Lösung bringen, da sie sich auf marginale Interessen des Krieges beziehen, nicht wirklich auf diesen selbst. Die Unterdrückung bzw. Verdrängung des Krieges als Institution führt zur - juristisch erleichterten - Ausweitung bewaffneter interner Konflikte. Die Regelungen zielen nur auf eine Begrenzung der repressiven Aktion ab, während sie sich für die Effektivität in der Bekämpfung des Terrors nicht interessieren. Der Terminus „guerra unilateral" findet auch hier eine Erklärung: aufgrund der „vista humanitaria" erscheint die „figura de una guerra sin reciprocidad". D'Ors fordert eine „ley marcial" innerhalb des eigenen Territoriums und die Schaffung eines internationalen Statuts einer „guerra unilateral"; nötig sei ein anerkannter „estado intermedio" zwischen Krieg und Frieden. 154 Die Verwandlung des Partisanen in den Terroristen und vice versa geschieht zwar, dürfte aber bei einem höheren Niveau des Bürgerkriegs eher selten sein. Dann kämpfen sie getrennt und gehören z. T. sogar unterschiedlichen sozialen Klassen an; besonders deutlich in der cubanischen Revolution. Dort kam es 1959 zu größeren Auseinandersetzungen zwischen Castros Partisanen und dem städtischen Widerstand, sprich Terrorismus, dessen meist bourgeoise Vertreter sogar den höheren Blutzoll entrichtet hatten. Angesichts der rasanten Vergroßstädterung der Dritten Welt wird der Terrorist bedeutsamer, der Partisan unwichtiger. Vgl. auch: Julien Freund (1921 -1993), „Der Partisan oder der kriegerische Friede", in: S. 14 [FN 34], S. 387-99 (mit Diskussion). Freund unterscheidet den „Terroristen" vom „Partisanen" und vom „Störer". 155 „Regulär" meint hier wohl nicht den Kampf zwischen staatlichen Armeen sondern offen geführte Auseinandersetzungen auf etwa gleichem Waffenniveau, wie sie während der Kulminationspunkte von Bürger- und revolutionären Kriegen möglich sind. 156 Dieses „ius belli" müßte freilich noch erst geschaffen werden, - von völlig heterogenen Schöpfern? 18*

Anlage N o c h m a l s das „ G l o s s a r i u m " Die interessierten Forscher erfuhren zum ersten M a l vom „Glossarium", als Eberhard Freiherr von Medem (1911-1993), während der Speyerer Tagung von Anfang 1986, die Existenz eines „von C.S. in den Jahren 1947-1958 in normaler deutscher Schrift geführten Tagebuch[s] ,Glossarium 4 " mitteilte 1 . Er und der damalige Nachlaßverwalter, weiland Professor Joseph H. Kaiser (1921-1998), waren dermaßen von der Notwendigkeit der Veröffentlichung dieses sog. Tagebuchs 2 überzeugt, daß sie die „ i n den Jahren 1947-1951 geschriebenen drei Bände, die sich nach Inhalt und Form als geschlossene Darstellung anbieten", 1991 herausgaben 3. Die Richtigkeit der von den Initiatoren vorausgesetzten These, daß C.S. „selbst an eine posthume Publikation gedacht hat" 4 , nachträglich in Frage stellen, hat kaum Zweck 5 . Demgegenüber hat es noch immer Sinn, die Qualität der Edition zu ι (PT) Helmut Quaritsch (geb. 1930) (Hrsg.), Complexio Oppositorum. Über Carl Schmitt, Berlin: Duncker & Humblot, 1988, 610 S., Nr. 102 in der »Schriftenreihe der Hochschule Speyer4; dort S. 27. Vgl. dort auch S. 29. 2 (PT) H.J. Kaiser, „Das Glossarium von Carl Schmitt. Eindrücke und Hinweise44, S. X I XVII in C.S., Glossarium. Aufzeichnungen der Jahre 1947-1951, Berlin: Duncker & Humblot, 1991, XVII-364 S. 3 (PT) E. Freiherr Von Medem, „Vorwort 44, S. V - V I in: op. cit. [FN 2]; dort S. VI. 4 (PT) E. Freiherr von Medem, art. cit. [FN 3], S. VI. 5 (PT) Jedenfalls hätte C.S. das Glossarium bestimmt nicht in der vorliegenden Form veröffentlicht. Es ist z. B. kaum denkbar, daß er eine Exerption aus einem fremden Buch als eigenes Gedankengut verkauft hätte. Ein geeignetes Beispiel hat Herr Andreas Raithel (geb. 1960) in einem Leserbrief („Carl Schmitt exzerpierte nur44, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. August 2000) vorgeführt: Einige Sätze, die C.S. unter dem 27. September 1947 eintrug und die ihm verübelt worden sind, hat er in Wirklichkeit „The End of Economic Man. A Study of the New Totalitarianism44 (London/Toronto: Heinemann, 1939 [zwei Auflagen im selben Jahr!], XVII-251 S.) entnommen, einem Buch des amerikanischen Management-Experten österreichischer Herkunft, Peter Ferdinand Drucker (geb. 1909). Zu meiner Überraschung ist auch der von Herrn Raithel nicht genannte Kollege Jürgen Seifert (geb. 1928; vgl. Schmittiana V, S. 109-150) schön hereingefallen. Vgl. seine Rezension „Unterschiedliches rechtskonservatives Verhalten. Der »neuralgische Punkt4 im Briefwechsel Ernst Jünger-Cai\ Schmitt44, in: Vorgänge, 39. Jahrg. Nr. 1, März 2000, S. 102-104; dort zitiert er (S. 104 Sp. 2) Worte „die - nach Auschwitz geschrieben - einem den Atem verschlagen44. Es sind jedoch Worte, die Drucker vor Auschwitz veröffentlicht hat und die Seifert jetzt C.S. in die Schuhe schiebt! - In seiner Bepsrechung des Buches von Drucker wurden die hier zur Debatte stehenden Sätze von Friedrich H. Tenbruck (1919-1994) mit Schweigen übergangen: „Die antifaschistische Illusion44, in: Frankfurter Hefte, 3. Jahrg. Nr. 8, August 1948, S. 711-720.

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Anlage

beanstanden. Erstens, weil die Notizen, ohne eine elementare Vertrautheit mit der Nachkriegslage, unweigerlich falsche (unter Umständen sogar groteske) Schlußfolgerungen gezeitigt haben und noch zeitigen, und weil darüber hinaus fast jede Seite solide und zugleich differenzierte Vorkenntnisse voraussetzt - historische, theologische, literarische, juristische, usw. - , sodaß ein Ergänzungsband kein übertriebener Luxus wäre. Zweitens, weil die Ausgabe einfach wimmelt von Fehlern und das Personenregister, gelinde gesagt, ergänzungsbedürftig ist. Es wundert mich immer wieder, daß das Fehlen eines deratigen Hilfs-Büchleins nicht bedauert wird, und bislang niemand ernsthaft auf die Unzulänglichkeiten der Edition hingewiesen hat6. Leider ist es mir unmöglich, einen Ergänzungsband zusammenzustellen, denn meiner Meinung nach kann diese Aufgabe bloß von einem Team ausgewiesener Kenner gemeistert werden. Aus diesem Grunde hatte ich vor, in diesem Band die Irrtümer und Lücken aufzulisten. Unabhängig von einander stellten die Kollegen Alexander Demandt (geb. 1937) und Wolfgang Schuller (geb. 1935) eine Liste der lateinischen und griechischen ,Druckfehler' zusammen7. Ich kümmerte mich um die übrigen Schwächen. Das Endergebnis konnte sich sehen lassen: Schätzungsweise 20 Druckseiten. Wie ich im „Zum Geleit" sagte, muß der Abdruck, Platzmangels wegen, jedoch in diesem Band unterbleiben ... Der Umfang der Liste(n) berechtigt dennoch zu der Frage: Wie konnte eine solche, vor typographischen und anderen Mängeln strotzende Edition überhaupt erscheinen? Die Erklärung ist einfach: Die Zusammenstellung des Personenregisters und das Lesen der Korrektur sind Anfängern, u. a. einem Assistenten von Professor Kaiser, anvertraut wordenn. Die in der Einführung mit Dank bedachten Personen bekamen höchstens einige harte Nüsse zu knacken. Da Herr Kaiser mir damals böse war - ungerechteterweise, wie er mir später gestand - durfte ich nur, übrigens auf Geheiß von Rechtsanwalt Günther Krauss (1911-1989), die Lebensdaten von zehn Personen liefern. Als ich Herrn von Medem, nach der Auslieferung des „Glossariums" 16 Seiten Berichtigungen und Ergänzungen geschickt hatte (Sendungen vom 11. November 1991, 28. Dezember 1991, 5. und 23. Januar 1992), gab er schon im Schreiben vom 18. November 1991 zu, daß meine erste Liste ihn „etwas bedruckt hat[te]", daß die Ergebnisse meiner Mühewaltung der etwaigen 6 (PT) Seit kurzem gibt es eine Ausnahme, die sich leider nur auf die altsprachlichen Fehler beschränkt. Vgl. Annette Rink, Das Schwert im Myrtenzweige. Antikenrezeption bei Carl Schmitt, Wien/Leipzig: Karolinger Verlag, 2000, 189 S.; dort S. 13: „ . . . Es ist schade, daß die Mitarbeiter des Hauptstaatsarchivs Düsseldorf, die die griechischen und lateinischen Zitate überprüften, sich nicht auch die Druckfahnen anschauten. Wissenschaftliche Arbeit setzt erst einmal einen korrekten Text voraus.", sowie S. 23 FN 42: ,»Bisweilen kommt man auf einen Schnitt von einem Fehler auf drei Seiten. Eine Liste sämtlicher Fehler befindet sich im Besitz der Verfasserin."

7 (PT) Herr Kollege A. Demandt hat seine Liste Herrn H. Quaritsch [FN 1] zur Verfügung gestellt, mit der Bitte sie „an Herrn von Medem weiterzuleiten" (Sendung vom 25. Juni 1992). Demgegenüber hat Herr Kollege W. Schuller seine (umfangreichere) Liste mir zugeleitet (Sendung vom 9. Mai 2000). Für die Mühewaltung bin ich den beiden Kollegen sehr dankbar. - Vgl. auch FN 11.

Nochmals das „Glossarium"

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zweiten Auflage des Bandes sehr zugute kommen würden, und er allerdings - und das ist am wichtigsten - an dem Grundsatz festhielt, „daß der Originaltext Carl Schmitts nicht verändert wird, auch wenn er Fehler in der Schreibweise enthält", weil gerade dadurch, der von Herrn Armin Möhler (geb. 1920) unterstrichene „Kladde'-Charakter der Tagebücher8 bestätigt würde. Herr von Medem widersprach also der seiner Edition zugrunde liegende These, denn C.S. kann sich kaum mit dem Gedanken getragen haben, eine Kladde als Buch herauszubringen bzw. posthum als Buch edieren zu lassen: Entweder hatte er gar nicht vor, diese Aufzeichnungen und Reflexionen der Öffentlichkeit zu übergeben, oder er hätte zunächst alles von vorne bis hinten überprüft. Freilich hat er sich manchmal auf sein fabelhaftes Gedächtnis verlassen und z. B. Verszeilen aus dem Stegreif zitiert, oft fehlerhaft und/oder unvollständig, und außerdem hie und da die Quelle einer Aussage nicht mitgeteilt. Aber andererseits hat er sich stets über sinnentstellende Fehler entrüstet. Zwei Beispiele mögen diese Behauptung illustrieren. Anläßlich der tatsächlich abstrusen Übertragung des Buches von JeanPierre Faye (geb. 1925) schrieb er: „Die deutsche Übersetzung der »Théorie4 bei Suhrkamp ist einfach schändlich und saudumm; ein wahrer Ulk; .. ." 9 Und als die 4. Ausgabe von Max Webers (1864-1920) Meisterwerk „Wirtschaft und Gesellschaft" herauskam, erhielten Möhler und andere Korrespondenten, auch ich, eine handschriftliche Notiz, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigläßt: „ . . . Gegenüber der bisherigen (1922-56, also über 30 Jahre) unbeanstandet erschienenen Ausgaben über 1.000 Text-Berichtigungen. Beispiele: Es muß heißen: Höfe, statt (wie bisher) Hilfe; Protest, statt (wie bisher) Prozeß; Kinder statt (wie bisher) Kunden; Honoratioren statt (wie bisher) Bondamenden (sie!!!); Universitätsprofessoren statt (wie bisher) Kommunal vi vilisten (sie!); Quirites statt (wie bisher) Feuites (!); spezifisch statt (wie bisher) periodisch - hunderte von Fehlern, zum Totlachen. Was sagen Sie zu dieser deutschen Universitäts-Wissenschaft? Das Verzeichnis der Berichtigungen (zum Glück hat Winckelmann es durchgesetzt, daß es mitabgedruckt wird!) umfaßt 20 große Druckseiten und über 50 Zeilen pro Seite. Es ist eine Fundgrube der Komik und zugleich der Blamage für unseren WissenschaftsBetrieb." 10 Es soll allerdings nicht verheimlicht werden, daß auch C.S. unverständliche Sätze unterlaufen sind - aber nur wenige11. P.T. 8

(PT) A. Möhler, „Carl Schmitt und Ernst Jünger. Anläßlich von Carl Schmitts NachlaßWerk »Glossarium4", in: Criticón (München), 21. Jahrg., Nr. 128, November-Dezember 1991, S. 294—298; dort S. 296: „ . . . Das Glossarium ist vielmehr eine Kladde." 9 (PT) A. Möhler (Hrsg.), Carl Schmitt - Briefwechsel mit einem seiner Schüler, Berlin: Akademie Verlag, 1995,475 S.; dort S. 419: Brief Nr. 381 vom 9. November 1977. 10 (PT) a) A. Möhler (Hrsg.), op. cit. [FN 9], S. 212: Brief Nr. 173 vom 14. Januar 1956. b) Über Johannes Winckelmann (1900-1985), vgl. Schmittiana II, S. 68 FN 73. 11 (PT) Vgl. Volker Pesch (geb. 1966; vgl. in diesem Band, S. 195 - 206), Jenseits politischer Wirklichkeiten. Zur Kritik von Carl Schmitts politischer Theologie", in: Zeitschrift für Politik (Köln/Berlin), 46. Jahrg. Nr. 3, 1999, S. 335-354; dort S. 347. Es ist erstaunlich, daß ausgerechnet dieser Irrtum nicht früher beanstandet worden ist.

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Margret Boveri und Carl Schmitt ein lockerer Briefkontakt I . Vorbemerkung Ohne Zweifel ist Margret Boveri die bedeutendste deutschsprachige Journalistin des 20. Jahrhunderts. Aber weder verfügen wir heute über eine bescheidensten wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Darstellung ihres Werdegangs, noch ist von ihren zahlreichen Werken mehr als nur ein Titel gegenwärtig im Buchhandel greifbar. Wer sich ihr opus magnum, die vier zwischen 1956 und 1960 in „rowohlts deutscher enzyklopädie" veröffentlichten Bände „Der Verrat im XX. Jahrhundert" (von denen die ersten beiden in 75.000 Exemplaren abgesetzt wurden) beschaffen will, muß den Antiquar bemühen.1 Immerhin ist im Gedenkjahr ihres in den Spalten der Tagespresse zurückhaltend gewürdigten 100. Geburtstages2 zu vermelden, daß eine Dissertation über Leben und Werk entsteht, die aus dem umfangreichen Nachlaß Boveris schöpft, der in der Berliner Staatsbibliothek verwahrt wird und der als Reservoir einer im Herbst 2000 gezeigten kleinen Ausstellung diente, die anhand von Schriftstücken und Photos die Vita der Publizistin Revue passieren ließ.3 Das Unzeitgemäße ist das Signum der windungsreichen Biographie Margret Boverts. Als einzige Tochter des an der Universität Würzburg lehrenden, dicht am Nobelpreis vorbeigeschrammten Biologen und Genetikers Theodor Boveri (1862 — 1 M. Boveri , Der Verrat im XX. Jahrhundert, Bd. 1: Für und gegen die Nation. Das sichtbare Geschehen, Reinbek 1956, 154 S. (rde Bd. 23), Bd. 2: Für und gegen die Nation. Das unsichtbare Geschehen, 1956, 171 S. (rde Bd. 24), Bd. 3: Zwischen den Ideologien. Zentrum Europa, 1957,197 S. (rde Bd. 58) und Bd. 4: Verrat als Epidemie. Amerika. Fazit, 1960, 341 S (rde Bd. 105/106). 2 Henning Ritter (geb. 1943), „Schwierige Loyalität. Zum hundersten Geburtstag der Publizistin Margret Boveri", in: FAZ ν. 14. 8. 2000, S. 45. Ulrike Imhof, „Die gelehrte Abenteurerin. Zum 100. Geburtstag der Publizistin Margret Boveri", in: Junge Freiheit, 15. Jhg., Nr. 33 v. 11. 8. 2000, S. 13. 3 Am Lehrstuhl für Publizistik (Prof. Dr. Bernd Sösemann, geb. 1944) wird voraussichtlich 2001 Frau cand. phil. Görtemaker (Potsdam) ihre Dissertation über M. Boveri zum Abschluß bringen. Zur Präsentation von Teilen des Boveri-Nachlasses in der Berliner Staatsbibliothek: Ralf Breslau (geb. 1957) unter Mitarbeit von Lefke Härders : „Ich möchte schreiben und schreiben". Margret Boveri (1900- 1975) - eine deutsche Journalistin. Ausstellungskatalog, Wiesbaden: Reichert Verlag 2000, 74 S.

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1915) am 14. August 1900 geboren, Cousine von Walter Boveri , eines Mitbegründers des Weltkonzerns Brown, Boveri & Cie. AG 4 , absolvierte sie nicht das familiär vorgezeichnete naturwissenschaftliche, sondern ein philologisch-historisches Studium, das sie 1925 mit dem bayerischen Staatsexamen abschloß. Doch eine Pädagogenexistenz behagte ihr nicht. Deshalb übernahm sie, hoffnungslos unterbezahlt, aber mit der Rückkehr in die Väterwelt gleichwohl eine lohnende berufliche „Erfüllung" findend, eine Stelle als Assistentin in der Zoologischen Station Reinhard Dohms5 in Neapel, wo sie bis 1929 blieb. Daß sie in diesen Jahren ein Verhältnis mit einem an der Station tätigen „amerikanischen Neger", einem verheirateten Familienvater, hatte, festigte ihren Ruf als enfant terrible. In der Weltwirtschaftskrise - im Gegensatz zu vielen Kommilitonen - finanziell abgesichert dank monatlicher Zuwendungen der Mutter, begann sie an der Berliner Universität, bei Hermann Oncken 6, ihre Doktorarbeit über britische Außenpolitik am Vorabend des Ersten Weltkriegs 7, studierte aber hauptsächlich an der Hochschule für Politik, von dem diffusen Wunsch beseelt, im Geist der Briand-Stresemannschen Europapolitik beruflich einst irgendwie zur „Verständigung" zwischen den Völkern beitragen zu können. Die dreißigjährige Doktorandin durchlebte während der Agonie der Weimarer Republik eine „rötliche" Phase, sah sich selbst als Internationalistin, Pazifistin, Philosemitin. Nach der NS-Machtergreifung, als viele Freunde emigrierten oder in die Illegalität abtauchten, stellte sich für sie selbst drängend die Frage, Deutschland zu verlassen. Die Entscheidung zu bleiben, begründete sie vierzig Jahre später Uwe Johnson (1933 -1983) gegenüber damit, daß sie eine „sehr starke Liebe zu Deutschland" empfunden habe, ein Gefühl, „daß man sein Land nicht gerade dann verläßt, wenn es ihm schlecht geht". Schließlich hatte sie bei jeder Rückreise kurz nach der Reichsgrenze „das starke Gefühl: das ist mein Land. Hier gehöre ich hin." Die positive Beziehung zur „Heimat", konkret zu Berlin und zur fränkischen Landschaft („das, worin man wurzelt, falls so ein Wort erlaubt ist"), immunisierte sie gegen die in ihrer Generation vorherrschende existentielle Unbehaustheit, von der viele der Zeitgenossen ergriffen waren, die die „Landschaft des Verrats" bevölkerten. 8

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Zu Walter Boveri (1894 Baden/CH-1972 ebd.) vgl. nur dessen voluminöse Autobiographie: Ein Weg im Wandel der Zeit, München: Verlag Georg D. W. Callwey, 2 Bde. 1963/69, 391 und 443 S.; vgl. auch supra FN 70. 5 Zu Reinhard Dohm (1880-1962) vgl. FN 87. 6 Boveri, die schon in München, wo Hermann Oncken (1869-1945) zwischen 1923 und 1928 lehrte, in dessen Seminar saß, hat dann aus nächster Nähe das von Walter Frank (1905-1945) entfesselte, 1935 zum Amtsverzicht des Berliner Ordinarius führende Kesseltreiben gegen den „Liberalen" und „Vernunftrepublikaner" Oncken erlebt, Erfahrungen die sie einfliessen läßt in ihre Besprechung zu Helmut Heibers Mammutwerk: Walter Frank und sein Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschland, Stuttgart 1966: „Die Wandlungsfähigkeit der Historie. Dargestellt an einem Institut des Dritten Reiches", in: Merkur, 23. Jhg., 1969, S. 278-289. 7 M. Boveri , Sir Edward Grey und das Foreign Office, Berlin: Rothschild 1933, VII-198 S. (Phil. Diss. Berlin 1932)

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Während die Lehrer und Studienfreunde aus dem linksliberalen Weimarer Milieu also die Koffer packten, erstrebte Margret Boveri in der nach 1933 noch keineswegs gleichgeschalteten Presse einen exponierten Posten als Auslandskorrespondentin. Für die von Theodor Heuss 9 verantwortete liberale Zeitschrift „Die Hilfe", lieferte sie Artikel vornehmlich zu politischen Konstellationen im Fernen Osten, fand aber zunächst keinen Zugang zu wichtigen meinungsbildenden Blättern. In der von ihr über Gebühr bewunderten „Frankfurter Zeitung" (FZ) lehnte man sie als Frau ab, bei dem anderen liberalen Leitmedium der Weimarer „Systemzeit", dem „Berliner Tageblatt" (BT), sprach zunächst ihr Alter gegen die Berufsanfängerin, die als Mittdreißigerin nicht über die geringste Erfahrung in der Pressearbeit verfügte. Paul Scheffer (1883-1963), selbst eine extravagante „Existenz im Widerspruch", langjähriger, mit der ersten bolschewistischen Garnitur vertrauten Umgang pflegender Moskau-Korrespondent, verheiratet mit einer russischen Fürstin, übernahm 1934 die Chefredaktion des finanziell schwer angeschlagenen, auf Goebbels' Abschußliste stehenden „Judenblattes" BT, gab der Boveri gegen allerlei Widerstände einen Vertrag als Redakteurin, spannte sie sofort umstandslos in die Leitartikel-Produktion ein und verhalf ihr in kurzer Zeit zu einem „Namen". Kräftig protegiert von Scheffer, machte sie, immer noch im Bann linksliberaler Präferenzen - gegen das faschistische Italien und für das von Mussolinis Truppen Überfallene Abbessinien, gegen Franco und für die spanischen „Roten" Partei nehmend - , eine erstaunliche Karriere als „Außenpolitikerin" des BT und als politische Reiseschriftstellerin. 10 Ihre Reportagen aus den Krisenregionen am Mittelmeer und besonders aus dem Nahen Osten, wo sie die Kraftfelder erkundete, die zwischen Jerusalem und Teheran noch heute zu den konfliktträchtigsten des Planeten gehören, erschienen, in dickleibigen Wälzern, 1936 („Das Weltgeschehen am Mittelmeer") und Ende 1938 („Vom Minarett zum Bohrturm. Eine politische Biographie Vorderasiens"), im renommierten Atlantis-Verlag Martin Hürlimanns.11 8 Vgl. M. Boveri , Verzweigungen. Eine Autobiographie. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Uwe Johnson München-Zürich: Piper 1977, 438 S., dort S. 402-404. 9 Nach 1945 hat M. Boveri zu einer Würdigung des zwischen 1949 und 1959 amtierenden Bundespräsidenten Theodor Heuss (1884-1964) beigetragen: Theodor Heuss, M. Boveri: Die literarische Gestalt. Walter Prinzing: Bibliographie der Schriften und Reden von Th. Heuss. Hrsg. v. d. Württemb. Bibliotheksgesellschaft, Stuttgart: Vorwerk Verlag 1954, 302 S. 10 M. Boveri, Wir lügen alle. Eine Hauptstadtzeitung unter Hitler, Olten-Freiburg/Br: Walter-Verlag 1965, 744 S. 11 M. Boveri, Das Weltgeschehen am Mittelmeer. Ein Buch über Inseln und Küsten, Politik und Strategie, Völker und Imperien, Zürich-Leipzig-Berlin: Atlantis-Verlag 1936, 543 S. ; Vom Minarett zum Bohrturm. Eine politische Biographie Vorderasiens, Zürich-Leipzig-Berlin: Atlantis-Verlag 1938, 502 S. Vgl. dazu: Gregor Streim: ,Junge Völker und neue Technik. Zur Reisereportage im »Dritten Reich', am Beispiel von Friedrich Sieburg, Heinrich Häuser und Margret Boveri", in: Zeitschrift für Germanistik, N. F. 9 (1999), S. 344-359.

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Ende 1936 ergatterte sie den begehrten Posten einer Auslandskorrespondentin in Rom, doch wenige Monate später, im Frühjahr 1937, nachdem Scheffer politisch bedingt zu Fall gekommen war, war es mit der BT-Herrlichkeit schon zu Ende. 1937/38 ein berufliches Interregnum durchlebend, an der „Europäischen Revue" wie an der „Deutschen Rundschau" als freie Mitarbeiterin tätig, glückt es Boveri 1938 endlich, bei der von ihr so lange umbuhlten „Frankfurterin" zunächst als Reisekorrespondentin, 1939 als in Stockholm stationierte Auslandskorrespondentin unterzukommen. 12 Aber das neutrale Schweden liegt abseits von der „schönen großen Politik", über die Frau Boveri berichten will, und es langweilt sie daher: „.. .wenn Prosperität, Wohlleben und Gedankenfreiheit und über hundertjähriger Frieden nichts anderes als diese Selbstzufriedenheit und Eitelkeit zur Folge hat, dann bin schon für ein kriegerisches und vor allem »gefährliches 4 Leben". 13 Mitte 1940 delegierte sie die FZ in die USA. Margret Boveri brach mit der Transibirischen Eisenbahn Richtung Japan auf, wo sie in Tokio den exemplarischen „Verräter" Richard Sorge (1895-1944) kennenlernte, und bezog im Oktober 1940 in New York ihren Posten in einem Moment, als „kein sehender Mensch" daran zweifelte, „daß Amerika sich am Kriege beteiligen werde. Debattiert wurde nur die Frage des Zeitpunktes".14 Die Heimat der Mutter war ihr, gelinde gesagt, suspekt. Aber diese negative USA-Erfahrung machte sie empfänglich für die Geschichtsphilosophie der „Konservativen Revolution", so daß sie sich auf ihrem neuen Posten in Lissabon, nach ihrer Rückkehr im Mai 1942, in Ernst Jüngers „Arbeiter" („eine ungeheuerliche, in Erfüllung gegangene Prophetie") und dessen „Stahlgewitter" vertiefte, Bücher, die die „Anti-Militaristin aus Prinzip" nicht einmal als literarische Ereignisse wahrgenommen hatte.15 Jünger lobte, als sie nach 1945 mit ihm zu korrespondieren begann, ihre „Amerikafibel" (1946) 16 , das Konzentrat ihres fast zweijährigen Aufenthalts in der Werkstatt des Konformismus und der Standardisierung, im sie beängstigenden Umfeld der Entortung und des Nomadismus, als „Bestätigung meiner Thesen, da sie eine genaue Beschreibung des »Typus4 in seiner amerikanischen Species enthält'4 (1947).17 Im Frühjahr 1944, ein halbes Jahr nach dem FZ-Verbot nunmehr „freie" Publizistin, schlug Margret Boveri Angebote der um sie werbenden deutschen Botschafter in Lissabon und Madrid aus, im Dienst des Auswärtigen Amtes weiter über die USA zu berichten. Die Sicherheit und die Annehmlichkeit, die man ihr in den neu-

12 M. Boveri , op. cit. [FN 8], 275-321. 13 Ebd., S. 361. 14 Ebd., S. 372. Vgl. infra FN 32; dazu auch das Urteil in einem Schreiben an A. Möhler vom 20. 3. 1955: Sie habe nach langer Zeit wieder große Teile des „Arbeiter" gelesen, „und ich bin wieder einmal überzeugt, daß es doch Jüngers größtes Werk ist" (SBPK, NL Boveri). 16 M. Boveri, Amerika-Fibel für erwachsene Deutsche. Ein Versuch Unverstandenes zu erklären, Berlin: Minerva-Verlag 1946, 112 Seiten. 17 SBPK, NL Boveri; E. Jünger an M. Boveri vom 16. 9. 1947. 15

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tralen Staaten der iberischen Halbinsel geboten hätte, vertauschte sie mit dem „gefährlich Leben" in der vom alliierten Luftterror („die Sprache der Herrschenden, etwa der Ausdruck ,Terrorangriffe'. Er stimmte eben" 18 ) heimgesuchten Reichshauptstadt, wo sie in der Charlottenburger Wundtstraße, unweit des Lietzensees, eine Etagenwohnung mietete. Während dieser von ihr in zahlreichen Briefen fixierten „Tage des Überlebens" (1968 veröffentlicht) 19 setzte sie ihre USA-Berichterstattung fort, nun für das Goebbels-Flaggschiff „Das Reich", wo in der letzten Ausgabe am 22. April 1945 ihr Nachruf auf Franklin D. Roosevelt noch erscheinen konnte. 20 Die Journalistin, die, nicht zuletzt aufgrund ihrer engen Beziehung zu dem Diplomaten Adam Trott zu Solz 21 mit Widerstandskreisen Verbindung hielt, der NSDAP nie angehörte und stets ihre „Anti-Nazi"-Haltung pflegte, erwartete die nach Charlottenburg eindringende Rote Armee auch deshalb mit stoischer Ruhe, weil sie Berichte über deren Greueltaten als NS-Propaganda einschätzte. Nach dem 8. Mai riskierte „Besichtigungsfahrten" zu Freunden nach Dahlem belehrten sie eines Besseren.22 Ihren Standort in der ungeliebten Adenauer-Republik beschrieb sie 1972, im Kontext eines Bekenntnisses zu Willy Brandts Ostpolitik: „Ich gehöre zu denen, die sich in den fünfziger Jahren mit Ingrimm für die Wiedervereinigung eingesetzt haben, allerdings immer unter dem Aspekt des geforderten Gesprächs mit der anderen Seite." 23 Der US-Administration, dem „Kanzler der Alliierten" (Kurt Schu18 M. Boveri, op. cit. FN 19. 19 Μ. Boveri, Tage des Überlebens, München: Piper 1968, 337 S.; hier zitiert nach der Taschenbuchausgabe: München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1970, 264 S. (= dtv Bd. 691). 20 M. Boveri, „Ein Feind Deutschlands. Zum Tode Franklin Delano Roosevelts ", in: Das Reich, 6. Jhg., 1945, Nr. 16 vom 22. April. In sehr auffälligem Gegensatz zu den nicht nur in der Parteipresse notorischen Hinweisen auf Roosevelts jüdische Rat- und Geldgeber verzichtet Boveri auf die Erwähnung dieser Zusammenhänge, um den US-Präsidenten zurückhaltend als gelehrigen Schüler des imperialistischen Marinestrategen Admiral Mahan (s. FN 43) zu charakterisieren, der nach dem Scheitern seines innenpolitischen Programms („New Deal"), aber mehr noch getrieben vom „Haß gegen Deutschland", zielstrebig auf einen Weltkrieg hingearbeitet habe. 21 Dazu Boveri, op. cit. [FN 1], Bd. 2, S. 73 f.: „Im Krieg hatten Trott und ich im angloamerikanisehen Ausland parallele Erfahrungen gemacht ... Daraus erwuchsen - lange bevor das Wort vom unconditional surrender 4 gefallen war - Einsichten in bezug auf die feindliche Kriegführung, ihre Psychologie und die zu erwartenden Friedensbedingungen, die nur wenige Deutsche unter den Gegnern des Regimes mit uns teilten. Diese begründeten Befürchtungen über das, was unserem Land bevorstehe, vertieften nur die schmerzhafte Liebe zu Deutschland." In Sachen Trott gibt es einen umfänglichen Briefwechsel mit dessen Witwe Ciarita (geb. 1917) (SBPK, NL Boveri) ab 1946. Vgl. auch deren Biographie: Adam von Trott zu Solz (1909-1944). Eine Lebensbeschreibung. Mit einer Einführung von Peter Steinbach (geb. 1948), Berlin: Edition Hentrich 1994, 238 S., Bd. 2 in der Reihe »Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand4. 22 M. Boveri op. cit. [FN 19], S. 83 f. Die Verfasserin hat diese Schilderungen der im Westen viel später so genannten „Befreiung 44 erst 1968 veröffentlicht, weil sie fürchtete, sie würden in der Hochzeit des Kalten Krieges „für antisowjetische Propaganda mißbraucht44 (ebd., S. 7).

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macher) Konrad Adenauer (CDU) sowie dem Westberliner Bürgermeister Ernst Reuter (SPD), beide für die Boveri Väter des „westdeutschen Separatstaates", maß sie den größeren Schuldanteil daran zu, das von den Sowjets noch in der StalinNote vom März 1952 vermeintlich ernsthaft angebotene „Deutschland als Ganzes" preisgegeben zu haben. Den 17. Juni 1953 ordnete sie daher eher als westliche, der deutsch-deutschen Entzweiung dienende Inszenierung ein, wie sie unter dem Eindruck der obligaten eigenen Erkundungen an Armin Möhler berichtete. 24 Ihr „Ziel Gesamtdeutschland" verfolgte die von den zahlreichen Neutralisten-Zirkeln und Exponenten des „Dritten Wegs" weitgehend isolierte, allein mit dem NiekischKonfidenten Joseph E. Drexel in engem Kontakt stehende Publizistin25 bis in die Zeit nach dem Mauerbau. „Waffenstillstand, nicht Aufstand" betitelte sie 1962 ihren „Phasenplan" zum Wandel durch Annäherung. Einseitige, „vertrauensbildende" Vorleistungen des Westens sollten die UdSSR zur Öffnung der DDR bewegen. Berlins Vier-Mächte-Status sei dann sukzessive aufzuheben, die Jalta-Besatzer in der geteilten Stadt müßten durch polnische, tschechische und holländische Soldaten ersetzt werden. Am Ende gewännen die beiden deutschen Staaten, trotz Zonengrenze und Mauer, einen Platz im föderativen Europa, das sich Boveri, wie ihr langjähriger Briefpartner Möhler, auf der Linie des anti-amerikanischen Generals de Gaulle als „Europa der Vaterländer" dachte.26 Erst im Bann der sozialliberalen 23 M. Boveri, Die Deutschen und der Status quo, München: Piper, 1974, 160 S.; dort S. 118-119. 24 „Natürlich war ich am 17. Juni in Berlin, und nicht nur das, sondern ich habe am Nachmittag des 17. VI., noch nicht ahnend, daß schon der Ausnahmezustand erklärt sei, einen mehrstündigen Spaziergang durch den Ostsektor gemacht, um mit eignen Augen zu sehen, wieweit die Zeitungsberichte stimmen, - wie immer stimmten sie natürlich nur halb. Ich sah erst einen jungen Mann in klein-rot-kariertem Hemd bester Textilware die ziemlich passive Menge, die beim Aktenverbrennen aus einem demolierten Bürohaus zuschaute, aufhetzen; und zwei Stunden später, nach der Rückkehr in den amerikanischen Sektor, denselben jungen Mann sich neue Instruktionen einholen. Im übrigen geht aber so vieles durcheinander: die echte, ganz unbezweifelbare Wut der Bevölkerung, die sich nun auch nicht so schnell wieder legt; die sehr undurchsichtigen Manöver des psychologischen Kriegs (hier (sind) soviel ich beurteilen kann nur die Amerikaner und die SPD und Gewerkschaften tätig, - wieweit sie koordiniert sind, weiß ich nicht) und die geplante und nun durchkreuzte ,neue Linie4 der Semjonov-Politik, daß es sehr schwer ist, sich ein Bild zu machen. Das heißt, man kann immer nur die Teilausschnitte wirklich beurteilen, und von Ihnen aufs Ganze schließen.44 (SBPK, NL Boveri; M. Boveri an A. Möhler v. 27. 7. 1953) 2

5 Mit dem Max-Weber-Schüler, Nürnberger Verleger und „Neutralisten44 Joseph E. Drexel (1896- 1976) führt Boveri zwischen 1952 und 1975 eine sehr dichte Korrespondenz (SBPK, NL Boveri). Vgl. zu Niekisch-Drexel: Wilhelm R. Beyer (über ihn: Schmittiana VI, S. 114, FN 7b) (Hrsg.), Rückkehr unerwünscht. Joseph Drexels ,Reise nach Mauthausen4 und der Widerstandskreis Ernst Niekisch, München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1980, 370 S. Wie wenig M. Boveri in die neutralistischen Gesprächskreise eingebunden war, bezeugt auch die Forschungs- und Erinnerungsliteratur, vgl. etwa Rainer Dohse, Der Dritte Weg. Neutralitätsbestrebungen in Westdeutschland zwischen 1945 und 1955, Hamburg: Holsten Verlag 1974, 239 S. 2

6 Erschien zuerst im Merkur 1962, wiederabgedruckt in: M. Boveri, op. cit. [FN 23], S. 101-109, dortS. 108.

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Ostpolitik nahm sie endgültig Abschied vom Projekt Wiedervereinigung. Da heute die beiden Deutschland im West- und Ostblock die zweitstärksten Wirtschaftsmächte seien, gefürchtet, beneidet, zum Teil sogar wieder verhaßt, dürfe das laute Beharren auf der nationalen Einheit nicht fortgesetzt werden. Der Zusammenschluß der beiden so gegensätzlich organisierten, aber „in ihrer Tüchtigkeit zwillingsähnlichen deutschen Staatsgebilde" in der Mitte Europas sei im jetzigen Status unerträglich. 27 Diese wenig zeitgeistkonformen Urteile der politischen Publizistin, die 1956 wegen ihrer Anti-Adenauer-Position nicht in die FAZ-Redaktion eintreten konnte, fand das Publikum seit 1948 in der Kulturzeitschrift „Merkur", denn, wie es treffend in einem Nachruf hieß: „Diese große Journalistin mußte in Feuilleton und Literaturkritik emigrieren, weil sie, bis in die letzten Tage, Schwierigkeiten hatte, ihre oft unbequeme Meinung zu äußern. Auch das belegt ihr letztes Buch (,Die Deutschen und der Status quo' 2 8 ), am schlimmsten mit dem Vorwurf in einem Brief vom November 1953 an den Bundespräsidenten Heuss, ,daß in der Tagespresse fast ebensoviel an meinen Artikeln gestrichen und geändert wird wie unter den Nazis'." 29 Daß Margret Boveri sich selbst zu den in der „restaurativen Normalität Westdeutschlands unterdrückten Geistern aller Lager", zur non vocal opposition zählte 30 , brachte sie fast von selbst ins Gespräch mit den abwesend Anwesenden wie Gottfried Benn, Ernst Jünger, Armin Möhler - und C.S. Gemeinsamkeiten ergaben sich dabei weniger aus den sich tagespolitisch akkumulierenden Aversionen gegen „Bonn" und Adenauers Westintegration.Auf dieser Ebene, bis hinein in die Aufregungen über Schlagzeilen-Größen, nimmt es nicht Wunder, wenn der Briefwechsel mit dem Journalisten-Kollegen Möhler davon am stärksten geprägt ist. 31 C.S. und - wesentlicher nachhaltiger - Ernst Jünger, dessen Produktion die Rezensentin Boveri ab 1950 kontinuierlich kommentierte, lieferten das geschichtsphilosophischen Instrumentarium, das der Publizistin half, die „Landschaft des Verrats" zu vermessen und die Konvulsionen des Kalten Krieges zu diagnostizieren. 32 Vom Waldgänger und Inselfahrer Jünger bezog die Atheistin, die in den 50er Jahre vage 27 M. Boveri, „Der Umdenker" (zu Willy Brandts Ostpolitik), zuerst: Merkur, 1972, wiederabgedruckt in M. Boveri, op. cit. [FN 23], S. 110-119, dort S. 118-119. 28 M. Boveri, op. cit. [FN 23], dort S. 157. 29 Rolf Michaelis, „Margret Boveri. Texte des Überlebens. Zum Tode der politischen Publizistin", in: Die Zeit, 30. Jhg., 1975, Ausgabe vom 11.7., S. 5. 30 M. Boveri, „Inzucht der Außenseiter", in: Merkur, 17. Jhg., 1963, S. 491 -494 (= Rez. zu R. Altmann (s. FN 81), Das deutsche Risiko. Außenpolitische Perspektiven, Stuttgart: Seewald 1962, 146 S.

31 Der Briefwechsel mit Möhler ist sicher der intensivste und für den Historiker aufschlußreichste unter denen, die Boveri mit einem Nachkriegsexponenten der „Konservativen Revolution" geführt hat (SBPK, NL Boveri). 32 Der Briefwechsel mit E. Jünger umfasst die Jahre 1947-1973, schleppt sich aber ab 1950, nach vielversprechendem Auftakt, infolge despektierlicher Äußerungen Boveris über den Jüngerschen Lebensstil in Ravensburg, etwas mühsam dahin (SBPK, NL Boveri). Das tat

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meinte, „ohne Gott geht es nicht", die verschiedensten Chiffren für „Heimat", als „Widerstand gegen die Welt des beliebig Vertauschbaren", die wie Felsen dem nihilistischen Strudel trotzen sollten.33 Ob die Nation, die wiederzuvereinigende deutsche, als ein solcher Felsen in Betracht gezogen wurde, ist für C.S. und Jünger mit guten Gründen zu bezweifeln, während für Margret Boveri damit mindestens ein Fluchtpunkt aufleuchtete. Der Horror vor dem westlichen Universalismus, konkret vor der „universalistisch-legalistischen, auf eine Welt abzielende Ideologie der Vereinigten Staaten", erleichterte die Identifizierung des gemeinsamen Feindes, führte aber nur bei Margret Boveri zu politisch-konkreten, nationalistischen Alternativentwürfen. Denn im Gegensatz zu C.S. und Jünger, die den Universalismus als Signatur des Zeitalters spätestens nach 1939, als das Deutsche Reich in den „Kampf der Kontinente" (Sven Hedin) eingetreten war, nur noch als Seismographen registrierten, als Beobachter kühl analysierten, ist bei der Auslandskorrespondentin Boveri zur gleichen Zeit eine „Hinwendung zum Nationalismus" (Günther Gillessen 34) festzustellen. Schon die Münchner Konferenz im September 1938 war für sie ein Wendepunkt: Die Westmächte, von denen sie erwartet hatte, sie würden Adolf Hitler den Weg nach Prag verlegen, gaben aus realpolitischem Kalkül nach. Seitdem mißtraute sie dem moralisch aufgeladenen, sich auf angeblich universell geltende „Werte" berufenden und penetrant im Namen der „Menschheit" intervenierenden Politik Londons und Washingtons: „Sie fand auf Reisen ins Ausland, daß das Gute und das Böse in der Welt ziemlich gleichmäßig gemischt seien. Sie entdeckte, daß andere Nationen nationalistisch sind. Sollten, mußten also die Deutschen, gerade unter Hitler, es nicht auch sein?" (Gillessen)35 Diese ihr oft vorgehaltene moralische „Indifferenz" immunisierte Margret Boveri dann auch gegen jede Spielart der „Reeducation", eine Resistenz, die in Plettenberg und Wilflingen allemal als Empfehlung galt. Gleichwohl entspann sich zwischen C.S. und der Publizistin, die sich wie der Verfasser des „Nomos der Erde" 1944/45 mit dem „Raumwandel des Luftkrieges" beschäftigte 36 und die als passionierte Leserin geoder Faszination freilich keinen Abbruch, die Jünger mit jedem neuen Werk auf Boveri ausübte und die in ihren so zahlreichen wie ausführlichen Rezensionen Ausdruck gefunden hat. Aus einem Schreiben an den Romanisten Albin E. Beau (vgl. Schmittiana VI, S. 229, FN 114) geht hervor, daß Boveri 1942 in Lissabon mit der Lektüre der „Stahlgewitter" begann: „Damals als wir uns sprachen, war ich erst dabei, ihn mir als Leser zu entdecken, wobei Sie mir halfen, in dem Sie mir die erste Lektüre der Stahlgewitter ermöglichten." (SBPK, NL Boveri, Brw. mit E. Jünger, darin Schreiben an Beau ν. 8. 9. 47). 33 Μ. Boveri, op. cit. [FN 8], S. 57 und S. 355. 34 Günther Gillessen, Auf verlorenem Posten. Die Frankfurter Zeitung im Dritten Reich, Berlin: Siedler Verlag 1986, 587 S., dort S. 386-389. 35 Ebd., S. 388. 36 M. Boveri beteiligte sich am letzten Heft der von Franz Alfred Six (s. Schmittiana VI, S. 228, FN 112) hrsg. Zeitschrift „Politische Wissenschaft", das allerdings nur noch in Form des im März 1945 ausgedruckten Korrekturexemplars erhalten geblieben ist. Bundesarchiv Berlin, Bestand DAW 10, Politische Wissenschaft, 3. Jhg. 1945, Heft 1; darin M. Boveris Besprechung zu „Richard Edes Harrison (geb. 1901), Look at the World. The Fortune Atlas at World Strategy". Darin heißt es, daß die USA seit 1941 einen regelrechten „Atlanten-Boom"

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politischer Studien mit C. S. intensiver hätte ins Gespräch kommen können, ein nur lockerer Briefwechsel. Dessen hier kommentierte Dokumentation bereichert das C.S.-Bild, das uns der „Briefwechsel mit einem seiner Schüler", Armin Möhler nämlich, unlängst für die 50er und 60er Jahre vermittelt hat 37 , zwar nur um einige Facetten, und ist wohl eher geeignet zu belegen, wie fest Margret Boveri im Milieu jener „Deutungselite" (Dirk van Laak) 3* verwurzelt war, die dem westdeutschen Teilstaat reserviert gegenüberstand. Insoweit erwartet den Leser im folgenden also nur eine bescheidene Ergänzung zur „politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik".

I I . Der Briefwechsel von 1950 bis 1965 3 9 Nr. 1 C.S. an M. Boveri (Plettenberg)

4. November 1950

Sehr verehrte Frau Margret Boverei, Tant ce qui arrive est adorable. 40 Heute am Tage des großen hl. Carl Borromaeus, traf Ihr Brief vom 18. X. hier ein, nachdem ich über 14 Tage unterwegs war. Die Drucksache mit den erregenden Merkur-Aufsätzen ist schon vor 10 Tagen angekommen.41 Ich hätte sie schon beantwortet, aber ich konnte Ihre Adresse nicht recht entziffern. Heute möchte ich, in Eile, mit einem Wort den Empfang bestätigen und Ihnen vielmals danken. Weil es mir mit dem vorhin zitierten Satz von Léon Bloy ernst ist, bin ich sicher, daß sich einmal ein Gespräch über das Thema Ihres Briefes ergeben wird. Die Erregung, die mich schon bei der Lektüre Ihres Roosevelt-Hopkins-Aufsatzes 42 erfaßt hatte (ich hatte erlebe, der eine ,Air education" schon in den Volksschulen fördere. Der US-Wirtschaftsimperialismus wandle sich, von Präsident Roosevelt forciert, Stützpunkte, Flughäfen, Ölfelder vernetzend, geradezu zum Verkehrsimperialismus. 37 Carl Schmitt - Briefwechsel mit einem seiner Schüler. Herausgegeben von Armin Möhler in Zusammenarbeit mit Irmgard Huhn und Piet Tommissen, Berlin: Akademie Verlag 1995,475 S. 38 Dirk van Laak (geb. 1963), Gespräche in der Sicherheit des Schweigens. Carl Schmitt in der politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik, Berlin: Akademie Verlag 1993,331 S., dort S. 11. 39 Der Briefwechsel wird verwahrt in der Staatsbibliothek zu Berlin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (= SBPK), Handschriftenabteilung, Nachlaß (NL) Margret Boveri. Herrn Dr. Ralf Breslau (SBPK) habe ich dafür zu danken, daß er mir schon während der Erschließung und Ordnung des Nachlasses Einsicht die Briefwechsel mit C. S., E. Jünger, A. Möhler, J. E. Drexler und H. Fleig gewährte. 40

Von C. S. oft verwendetes Zitat von Léon Bloy (1846- 1917), vgl. die Kommentierung von Helmuth Kiesel (geb. 1947) (Hrsg.), Ernst Jünger - Carl Schmitt. Briefe 1930-1983, Stuttgart: Klett-Cotta 1999, 893 S., dort S. 597. M. Boveri, „Der Weg in den Krieg", in: Merkur 4, 1950, S. 98-105, 202-225. 42 „Roosevelt und Hopkins" ist der zweite Teil des Aufsatzes, art. cit. [FN 40] betitelt. 19 Schmiltiana VII

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sie schon im Merkur gelesen) ist durch die Sätze Ihres Briefes noch größer geworden. Darf ich Ihnen ein inzwischen ausgerottetes Reclam-Heft schicken, das 1941 entstanden ist? 43 Ich möchten Ihnen bald den „Nomos der Erde" zusenden lassen, der bald erscheint; 44 auch, was Sie sonst interessiert. Aber ich will Sie auch nicht mit Gedrucktem überschütten. Dagegen bitte ich Sie, aus „Land und Meer" wenigstens das Kapitel über die Lady Killigrew zu lesen (S. 30 f.), oder „Mahans größere Insel" (S. 71). In dem wahrheitsgemäßen Vermerk „meiner Tochter Anima erzählt" soll nicht die Prätention einer epischen Leistung liegen (etwa nach dem Vorbild von Dickens Child's History of England45). Ich bin Jurist und kein Erzähler. Immer noch staune ich über den Roosevelt-Hopkins-Aufsatz, besonders über die „Grenzen des Personalistischen" 46.

Nr. 2

C. S. an M. Boveri

Todesanzeige Duschka Schmitt-Todorovic,

Nr. 3

Plettenberg, den 7. Dezember 1950

C.S. an M. Boveri (Plettenberg) 18.12. 1950

Tausend Dank, verehrte Frau Margret Boveri, für den Brief vom 26. November! Inzwischen habe ich etwas sehr Trauriges erlebt, von dem das „Tout ce qui arrive est adorable" auf die Probe gestellt wird, obwohl Frau Schmitt es mir und allen Beteiligten leicht gemacht hat, durch ihre rätselhafte Kraft und ihren schönen, furchtlosen, unbezwingbaren Stolz. Von den genannten Büchern wünsche ich mir das über den Weizsäcker-Prozeß 47 (die Amerika-Fibel 48 habe und kenne ich ... zu meinem großen Vorteil und Ge43

C. S., Land und Meer. Eine weltgeschichtliche Betrachtung, Leipzig: Philipp Reclam 1942 (Reclams Universalbibliothek Nr. 7536), 76 S.; die empfohlenen Abschnitte behandeln die „Blütezeit des frühen Beutekapitalismus" und Admiral Mahans Vision der „ewigen" anglo-amerikanischen Seeherrschaft. 44 C. S., Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Köln: Greven Verlag 1950, 310 S. 45 Das im angelsächsischen Raum in zig Ausgaben verbreitete Werk von Charles Dickens, Child's History of England (zuerst London 1852-1854) war 1950 in Chicago: Donohue wieder einmal auf dem US-Markt erschienen. * Dazu M. Boveri, op. cit. [FN 40], S. 218-221. 47 Margret Boveri, Der Diplomat vor Gericht, Berlin-Hannover: Minerva-Verlag 1948, 88 S. 48 M. Boveri, op. cit. [FN 16].

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winn), während ich es lese, müßten Sie den ,»Nomos der Erde" lesen, wenigstens z. B. S. 264, 270, und was Sie so ganz „ungebildet" aufschlagen. 49 Das Buch ist, wie Ernst Jünger sagen würde, eine lautlos explodierende Miene (sie) und die Zerstörung ist perfekt ehe sie ruchbar wird. Ich bitte Sie, in dem Buch zu lesen und sich nicht durch Fach-Schranken-Bedenken und juristische Komplizierungen beirren zu lassen. Ich setze alle meine Hoffnungen auf Sie, Paul Scheffer 50 , Hans ZehHans von Hentig 52 und solche Leute. Die sogenannten Experten sind nur noch Abtreiber und bestenfalls Abdecker oder Kadaververwerter. Wo sind diese Experten denn z. B. i m Falle Ihres Aufsatzes der „Berliner Hefte" geblieben? 53 Haben sie etwas getan, um das Leichentuch zu lüften und die Luft zu reinigen? Von diesem Aufsatz hätte ich gern noch ein Exemplar, um ihn bei Freunden zu verbreiten. Ich habe manches schönes Weihnachtsfest in der Gegend Berlins erlebt, in der Sie jetzt wohnen, ich wohnte nämlich viele Jahre, bis zu meiner Ausbombung 1943, in Dahlem, Kaiserswerther Str. 17, nahe dem Bahnhof Thielplatz. Was Sie mir über Ex Captivitate Salus geschrieben haben, hat mich sehr getröstet und gestärkt. Ich hoffe, daß Sie ein von jeder Sonderbefürchtung freies Weihnachtsfest haben, grüße Sie mit vielem Dank für Ihren Brief und bleibe Ihr C.S.

49 C. S., op. cit., FN 43, S. 264 (über die völkerrechtlichen Konsequenzen des US-amerikanischen Isolationsgedankens, der die „verseuchte" europäische Hemisphäre vom „gesunden" Amerika trennt) und S. 270 (über die Faktoren, die den „Krieg des bisherigen Völkerrechts" in einen „globalen Weltbürgerkrieg" verwandeln). 50 Zu Paul Scheffer vgl. infra FN 88 und 90 sowie die eingehende Behandlung seines Wirkens als Chefredakteur des „Berliner Tageblatts", die Boveri in op. cit. [FN 10] bietet. Ausführlich zu Scheffers „russischer Periode", als Korrespondent in Moskau und Mit-Gestalter der Berliner Rapallo-Politik äußert sich Boveri in ihrer Einleitung zu Neuausgabe von: Paul Scheffer, Augenzeuge im Staate Lenins. Ein Korrespondent berichtet aus Moskau 19211930. Mit einer Einleitung von Margret Boveri, München: R. Piper 1972, 450 S., dort S. 7 50. 51 Zum offenbar seit 1950, als der einst wie C.S. zu General von Schleichers „Truppe" zählende Hans Zehrer C.S.s „Ex Captivitate Salus" nicht eben begeistert rezensierte, offenbar etwas gestörten Verhältnis vgl. Möhler op. cit. [FN 37], S. 87, Anm. 90. 52 Gemeint ist der Strafrechtler Hans von Hentig (1887-1970); vgl. zu dessen politischer Wirksamkeit in den 20er Jahren: Louis Dupeux (geb. 1931), „Nationalbolschewismus" in Deutschland 1919-1933. Kommunistische Strategie und konservative Dynamik. Deutsch von Richard Kirchhoff, München: C.H. Beck 1985, 492 S. (dort S. 156 ff. et passim). Nach 1949 war v. Hentig allerdings eher eine Hoffnung denn ein publizistischer Faktor i. S. von C. S. Bio-Bibliographisch zu v. Hentig vgl. Armand Mergen (Hg.), Kriminologische Wegzeichen. Festschrift für Hans von Hentig zum 80. Geburtstag am 9. Juni 1967, Hamburg: Kriminalistik Verlag 1967, 340 S. 53 Gemeint ist wohl M. Boveri, ,Archäologie oder Geschichte?", in: Berliner Hefte, 3. Jhrg., 1948, H. 7., S. 1 - 8 ; ein Aufsatz, der sich parallel zu entsprechenden Reflexionen in C.S.s Glossarium vehement gegen das von der „Entnazifierung" induzierte „Niedertrampeln unseres Gestern" und die Übernahme von Geschichtsbildern aus der Hand der „einen oder anderen Besatzungsmacht" wendet. 19*

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Nr. 4

M. Boveri an C.S. (Berlin)

3.1.1951

Verehrter Herr Professor Carl Schmitt! Ich liege mit einer Weihnachtsgrippe darnieder, weshalb ich heute nur zu ein paar diktierten Zeilen des Dankes für Ihren Brief und des Mitgefühls für Ihren schweren Verlust komme, den ich umso besser nachfühlen kann, als ich erst vor 10 Wochen meine Mutter verloren habe. Das erwünschte Exemplar der Berliner Hefte und den „Diplomaten vor Gericht" lasse ich gleichzeitig an Sie abgehen. Falls Sie letztes nicht auf die Dauer behalten wollen, würde ich Sie um gelegentliche Rückgabe bitten, da ich, nachdem der bankrotte Verleger durchgegangen ist und die Bücherlager gesperrt sind, nur noch 3 Exemplare davon besitze. Im Nomos der Erde werde ich die von Ihnen angeführten Stellen lesen; zu mehr komme ich in der nächsten Zeit nicht, da ich mich zur ersten größeren Erholungsreise seit mehreren Jahren rüste.

Nr. 5

(Plettenberg) 23. 4. 1953

Sehr verehrte Frau Margret Boveri, Ihre freundliche Zusendung eines Sonderdruckes von Paul Scheffers großartigem Brief hat mich unendlich erfreut. 54 Ich hatte den Brief schon im „Merkur" gelesen und meine alte, treue Liebe und Bewunderung für Paul Scheffer ist wieder einmal heftig entbrannt. Es schmerzt mich, daß ich ihm nicht unmittelbar schreiben kann. Beinahe hätte ich es trotzdem getan und Paeschke 55 vom Merkur nach seiner Adresse gefragt, aber da fiel mir gerade Moritz Julius Bonn, So macht man Geschichte56, in die Hand, und wie ich Seite 331 las, daß dieser angeblich kluge Moritz sogar noch auf das Grab meiner verstorbenen Frau zu spucken sucht, verlor ich doch die Lust, denn die beiden, Paul Scheffer und M. J. Bonn sind doch sehr befreundet. Ich möchte Ihnen so gerne von meinem letzten Abenteuer erzählen. Es betrifft eine entzückende Miss, die in Aberystwyth, in Wales lebt, und die ich noch nie gesehen habe, zu der ich aber wallfahrten werde, wenn und sobald mir das unter den schwierigen Verhältnissen meines Lebensabends möglich sein wird. Ich schicke Ihnen hier die deutsche Ausgabe ihres Hamlet-Buches.57 Eigentlich müßten Sie sich, 54 Paul Scheffer, „Die Lehren von Rapallo", in: Merkur 7, 1953, S. 372-392. Dies die kritische Replik auf M. Boveri, „Rapallo. Geheimnis - Wunschtraum - Gespenst", in: Merkur 6. Jhrg, 1952, S. 872-388. 55 Über Hans Paeschke (1911 - 1991), Herausgeber des Merkur von 1947 bis 1978. Vgl. Hans Schwab-Felisch (geb. 1918), „An den Europäer Hans Paeschke", in: Merkur, 35. Jhrg., 1981, S. 1092- 1098, und Karl Heinz Bohrer (geb. 1932), „Hans Paeschke und der Merkur", in: ebd., 45. Jhrg. 1991, S. 991 -996. 56 Zu M. J. Bonn, einem Kollegen von C.S. an der Handels-Hochschule Berlin, s. Schmittiana IV, S. 161 f. et passim.

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ganz unabhängig vom Thema des Buches, für den Fall als solchen interessieren. Denn was spielt sich hier ab? Ein alter deutscher Professor, im Vergleich zu dem Don Quichote ein müder Skeptiker ist, kommt schwer bewaffnet in die Arena geritten, rechts eine 77jährige Lady, links ein 20jähriges Fräulein, und fordert die furchtbarsten Schulmeister der Welt, die Shakespearelogen, zum Kampfe heraus, ja, er treibt seine Hybris so weit, daß er es wagt, einen berühmten Zürcher Anglisten, der jene Lady vor über dreißig Jahren schwer gekränkt hat, an seinem verehrungswürdigem Anglisten-Bart zu zupfen. Die Zürcher Weltwoche (Halb-Weit, Ganz-Woche) hat mir denn auch die gebührende Abfuhr erteilt. Miss Winstanley ist begeistert von den deutschen Professoren und schreibt, daß es nur noch bei ihnen Sinn für Wissenschaftlichkeit gäbe. Sie ahnt nicht, was meine Lage in Deutschland ist und daß ich hier nur ein weißer Rabe bin, der auf keiner schwarzen Liste fehlt. Das Thema selbst ist uferlos. Trotzdem lockt es einen immer von neuem. Ich wäre Ihnen besonders dankbar, wenn Sie mir irgendwann einmal ein Wort dazu schrieben. Im übrigen versuche ich, soweit das über Zeitungen und Zeitschriften geht, aller Ihrer publizistischen Äußerunge habhaft zu werden und bleibe insofern mit Ihnen in Kontakt.

Nr. 6

M. Boveri an C.S.

(Berlin) 18. 5. 1953

Sehr geehrter Herr Professor Schmitt, vielen Dank für Ihren Brief vom 23. April, der mich sehr gefreut hat, und dessen anerkennender Satz, den ich weitergeben werde, sich(er) auch Paul Scheffer erfreuen wird. Im übrigen liegt hier, wie ich glaube, ein Mißverständnis vor: Ich habe in den 19 Jahren, in denen ich Scheffer kannte, und mit ihm befreundet (war), nie eine Erwähnung von M.J. Bonn aus seinem Mund gehört. Ob Sie ihn vielleicht mit Schotthöfer, dem einstigen Außenpolitiker der Frankfurter Zeitung verwechseln, der ein Schwager von Bonn war? 58 Nun muß ich leider noch melden, daß Sie mit mir dank meiner Unzulänglichkeiten, wohl fast immer Pech haben: ich mag Shakespeare nicht. Das kommt möglicherweise daher, daß ich schon mit dreizehn Jahren mit meiner Mutter den Julius Caesar auf Englisch lesen mußte, und daß ich in meinem Staatsexamen an der Uni57 C.S. hatte das Vorwort geschrieben zur deutschen Ausgaben Lilian Winstanley, Hamlet and the Scotch Succession (Cambridge 1921): Hamlet, Sohn der Maria Stuart, Pfullingen: Verlag Günther Neske 1952, dort S. 7 - 2 5 . 58 Fritz Schotthöfer (1871 -1951), dazu: Gillessen, op. cit. [FN 34], S. 100; von 1900 bis 1914 FZ-Korrespondent in Paris, London, Madrid, „seit 1918 Leiter des außenpolitischen Ressorts in der Frankfurter Zentrale". Veröffentlichungen: Sowjet-Rußland im Umbau, Frankfurt/M.: Societäts-Druckerei 1922, 197 S. und: II Fascio. Sinn und Wirklichkeit des italienischen Fascismus, Frankfurt/M.: Societäts-Druckerei 1924, 224 S.

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versität in vierstündiger Klausur ein Drama von Shakespeare zu behandeln hatte. Aber vorläufig hat sich an dieser Einstellung, die sicher ein Vorurteil ist, noch nicht(s) geändert; mit Ausnahme der „Zähmung der Widerspenstigen", die ich sehr liebe, hat mich noch keines seiner Stücke wirklich berührt (allerdings kenne ich längst nicht alle) und die Lustspiele mit ihren ewigen Verwechslungen finde ich langweilig. Trotzdem bedanke ich mich sehr für die Zusendung des Buches, das ja wirklich sehr interessant zu sein scheint. Und wenn ich es einmal vornehmen kann, werde ich mich daraus belehren lassen, - denn ein Urteil darüber zu fällen, wird mir aus den oben genannten Gründen unmöglich sein. Meine publizistischen Äußerungen müssen sich in dem engen Rahmen dessen halten, was von Bonn aus gesehen heute erlaubt ist; das ist sehr wenig, - und so sehe ich das Meiste auch nur noch als Brotverdienst an.

Nr. 7

M. Boveri an C.S.

(Berlin) 21. 2. 1954

Sehr verehrter Herr Professor Schmitt, Ich bedanke mich sehr für Ihren gedruckten Neujahrsgruß. An sich enthält das Wort Soziologie und was damit zusammenhängt, für mich vor allem Schrecknisse, aber wie Sie vom Sinn des Wortes her so eine Frage anpacken, ist für mich ebenso anziehend wie aufschlußreich. 59 Meinem privatem Charakter (die ich in Zeiten, welche es erlauben, für mein Leben gern stehle) ist außerdem das Nehmen ein ebenso naher Vorgang wie das Teilen. Weidend bestelle ich als Hauptlebensfreude einen großen Garten (den ich leider nicht „nehmen", sondern nur auf zehn Jahre pachten konnte). Wenn Sie einmal nach Berlin kämen, ihn samt meiner Baracke Ihnen vorzuführen.

Nr. 8 M. Boveri an C.S.

21. 10. 1954 Höfen bei Bamberg

Sehr verehrter Herr Professor Carl Schmitt, dieser Tage war ich drauf und dran Ihnen einen Brief mit einer Bitte zu schreiben, unterließ (es) aber, weil ich mir Ihrer Adresse nicht sicher war (sie liegt in Berlin). Nun kommt Ihr „Gespräch über die Macht" - und ich habe es gleich in einem Zug durchgelesen, mit Genuß und Gewinn, ich bedanke mich schönstens dafür. 60 Am faszinierendsten finde ich, was 59 Der gedruckte Neujahrgruß von Ende 1953 der C.S.-Aufsatz: „Nehmen / Teilen / Weiden - Ein Versuch, die Grundfragen jeder Sozial- und Wirtschaftsordnung vom NOMOS her richtig zu stellen", in: Gemeinschaft und Politik. Zeitschrift für soziale und politische Gestaltung Jhg. 1, 1953, Heft 3, S. 18-27. 60 C.S., Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber, Pfullingen: Verlag Günther Neske 1954,29 S. Dazu: Schmittiana V, 169-176.

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Sie über den Vorraum der Macht sagen. Beispiele dafür habe ich zahlreich gesammelt, von dem Einfluß des sogenannten „kitchen cabinet" auf Roosevelts Politik 61 bis zu den Amtszimmern im Bamberger Landratsamt, wo ich mich zur Zeit wegen der Genehmigung eines Wiesenkaufs herumärgern muß (die Schwierigkeiten stammen aus einem Kontrollratsgesetz). Mit einem Punkt des Gesprächs kann ich mich nicht einverstanden erklären: Sie sagen von sich selbst, Sie seien machtlos. Aber wer denken und das Gedachte in Worte fassen kann wie Sie, ist doch mächtig. Das ist eine Form der Macht, über die Sie sich nicht geäußert haben. Die Bitte, die ich Ihnen vortragen wollte, knüpft an Ihren letzten Brief an mich an. Sie erwähnten darin ein von Raymond Aron eingeleitetes Buch „Trahison". 62 Meine Versuche, es durch eine Buchhandlung zu beziehen, waren vergeblich. Nun geht an Sie die Frage, ob Sie mir Ihr Exemplar auf ein paar Wochen leihen würden (an meine hiesige Adresse)? Oder ob Sie den genauen Titel samt Verlag desselben mitteilen könnten. Sie sehen, ich bin von diesem Thema noch nicht losgekommen. Zur Zeit lese ich das 992 Seiten lange, ganz eng gedruckte Buch über das Verfahren gegen Robert Oppenheimer, - eine tolle Sache.63 In den nächsten Tagen, sobald ich es selbst habe, schicke ich Ihnen ein Exemplar der Broschüre zur Wiedervereinigung, die wir auf Anregung unseres gemeinsamen Freundes Möhler herausbringen. 64 Ich hätte gern Möhler mit dabei gehabt; aber er selbst war dafür, daß es besser kurz bleiben und dafür schnell herauskommen solle. 61

Die Zusammensetzung von Roosevelts „Küchenkabinett" bildete den Hauptangriffspunkt nationalsozialistischer Publizistik zur Untermauerung der These vom beherrschenden »jüdischen Einfluß" auf die Politik der USA. In dieser Tendenz auch M. Boveri, „Landschaft mit doppeltem Boden. Einfluß und Tarnung des amerikanischen Judentums", in: Frankfurter Zeitung, 87. Jhg. 1943, Nr. 268 vom 28. 5., S. 1 und Nr. 269 v. 28. 5., S. 1 -2. Die relative Schärfe dieses Artikels führte M. Boveri nach 1945 auf redaktionelle Eingriffe zurück (dazu Gillessen, op. cit. [FN 34], S. 479-480), doch das von manchen Forschern für C. S. als so zentral eingestufte Verhältnis zu Juden und zum Judentum Hesse sich für Boveri nicht auf einen ursprünglichen, nach 1933 lediglich zu einigen antijüdischen Lippenbekenntnissen gezwungenen Philosemitismus reduzieren. Vgl. nur die kritischen Bemerkungen in Boveri, op. cit. [FN 19], S. 118: In allem Fahrzeugen (im Frühjahr 1945), säßen Russen („vereinzelt neuerdings auch Zivilisten, und diese fast immer Juden"), oder dies., op. cit. [FN 8], S. 205, im Gespräch mit Uwe Johnson noch 1968: ,Am Kurfürstendamm trat ein bestimmter Typ Juden höchst provozierend auf." Dem steht gegenüber das Kapitel „Reichskristallnacht", S. 322328 in M. Boveri, op. cit. [FN 8]. 62 (PT) Raymond Aron , Einleitung zu: André Thérive (Ps. von Roger Puthoste, 1891 — 1967), Essai sur les trahisons, Paris: Calmann-Lévy 1951, XXXII-215 S. (in der Reihe ,Liberté de Γ Esprit 4), dort S. V I I - X X X I I . 63 Verfahren gegen Oppenheimer: In the Matter of J. Robert Oppenheimer: transcript of Hearing Before Personnel Security Board, Washington 1954. 64 Gemeint ist: „ . . . mitten ins Herz44. Berlin: Karl H.Henssel Verlag 1954, 74 S. (Dazu A. Möhlers spontaner Kommentar in einem Schreiben an Μ. Boveri vom 5. 11. 1954: „Die Broschüre sieht aus wie der Jahresbericht einer schweizerischen Pflanzlandpächtervereinigung. .. .Von Henssel ließ ich mir 8 Exemplare schicken.. .eines davon gab ich an den eigentlichen

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Dafür habe ich in meinem letzten Stück Möhlers Gedanken über Dualismus und Pluralismus gestohlen.65

Experten für das heutige Westdeutschland: (Alfred) Grosser ..."). - Beiträger sind: 1. Hans Fleig mit zwei zuvor in der schweizerischen „Die Tat" veröffentlichten Attacken gegen Bonn als „politischen Krebs am deutschen Volkskörper", eine „Schöpfung der westlichen Sieger", mit einer politischen Klasse, die in ihrem illusionären „Entäußerungsdrang" lieber in „Europa" aufgehen wolle als „deutsche Politik" zu treiben („Ein Rezept für die Wiedervereinigung Deutschlands", S. 15-25, und: „Das eigene Lebensgesetz", S. 55-63), 2. Hermann Rauschning („... mitten ins Herz", S. 7 - 1 4 ; auch diese Klage über die sich ganz dem „Wirtschaftswunder" hingebenden Westdeutschen, die von der DDR und den von Polen und der Sowjetunion annektierten deutschen Ostgebieten wie von China sprächen - „achselzuckend" - , erschien zuerst im März 1954 in der „Tat"), 3. Johann A. von Rantzau („Das Bürgertum auf außenpolitischem Irrweg", S. 4 8 - 5 4 (zuerst: „Geist und Tat", Oktober 1953); Rantzau hält hier dem deutschen Bürgertum vor, sich im Vergleich mit den relativ nüchternen außenpolitischen Konzeptionen des Adels - Friedrich II, Bismarck - und der Arbeiterschaft - SPD vor 1933 - phantastischen Ideen hingegeben zu haben, etwa als man imperialistisch-sozialdarwinistisch das „biologische Kraftideal" in die Politik trug oder der „überlebten Reichsidee" zu lange nachhing; soweit dieser Illusionismus sich nach 1945 nunmehr „Träume(n) von christlichen Kreuzügen" hingebe oder als Juniorpartner Washingtons mit „gewaltsamer Weltverbesserung" befasse und sich dabei auch noch auf „Preußen" berufe, erinnerte Rantzau daran, daß im Gegensatz zu „Bonn" Berlin und Potsdam zwischen 1763 und 1933 stets einen modus vivendi in der Nachbarschaft mit Rußland gesucht hätten), 4. M. Boveri, („Schuld und Verrat", S. 26-47, zuerst: Merkur, Juni 1954, sowie: „Der Teig geht auf, 64-74; Originalbeitrag). Zu Hans Fleig (1911 - 1988) vgl. A. Möhler, op. cit. [FN 37], passim. - Zu H. Rauschning (1887-1982), mit einer kritischen Sichtung der Debatte über die Authentizität seiner „Gespräche mit Hitler", vgl. jetzt Winfrid Halder, „Irrtum und Umkehr eines Konservativen. Hermann Rauschning und das Regime Hitlers", in: Frank-Lothar Kroll (geb. 1959) (Hg.), Deutsche Autoren des Ostens als Gegner und Opfer des Nationalsozialismus, Berlin: Duncker & Humblot 2000, 518 S. (dort: S. 477-500).- Johann Albrecht von Rantzau (geb. 1900 in Schwerin), geschichtswiss. Studium, 1923 in Berlin promoviert (Friedrich Gentz und die Politik, Ms., 43 S.; Teilabdruck: Jahrbuch der Dissertationen der Phil. Fak. Berlin 1922/23, S. 305-308), 1939 in Würzburg habilitiert (Wilhelm von Humboldt . Der Weg seiner geistigen Entwicklung, München: C. H. Beck 1939, 113 S.), 1946 Dozent in Hamburg, seit 1951 Prof. an der TU Berlin; vermittelte unter dem Pseud. J. v. Dissow Einblicke in seine Herkunftswelt: Adel im Übergang. Ein kritischer Standesgenosse berichtet aus Residenzen und Gutshäusern, Stuttgart: W. Kohlhammer 1961, 239 S. Darin (S. 186-189) beiläufig einige Absätze zu dem C.S.-Gesprächspartner Wilhelm Ahlmann (s. Schmittiana VI, S. 186, FN 62) und dessen Neffen Klaus und Max Valentiner, die ab 1941 wie Rantzau selbst in Ernst Jüngers Pariser Umfeld gerieten. Der 1945 in sowjetischer Haft verhungerte Diplomat Josias von Rantzau war dessen Bruder, ein enger Freund des nach dem Attentat am 20. Juli 1944 hingerichteten, wiederum mit M. Boveri sehr gut bekannten Adam Trott zu Solz (vgl. supra FN 21). 65 Boveri bezieht sich hier auf die Frankreich-Berichterstattung Möhlers für „Die Tat", die seit Ende 1953 in der Außenpolitik des Nachbarlandes Kräfte auszumachen glaubte, die Europas Eigenständigkeit gegenüber den USA durchsetzen könnten (vgl. S. 66-67 in der von Karlheinz Weißmann (geb. 1959) erstellten Mohler-Bibliographie, in: ders./Ellen Kositza/ Götz Kubitschek, Lauter Dritte Wege. Armin Möhler zum Achtzigsten, Bad Vilbel: Edition Antaios 2000, 96 S.).

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Nr. 9

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C.S. an M. Boveri (Plettenberg) 23. Oktober 1954

Sehr verehrte Frau Marget Boveri, hier ist das Buch - eigentlich sollte ich es Ihnen längst schicken und den Vorwurf der Trägheit kann ich mir nicht ersparen. Behalten Sie das Buch, solange Sie es brauchen. Ich habe bei diesem Anlaß noch einmal wieder einen Blick auf Ihr Bild der „Landschaft von Schuld und Verrat" getan - hier wird Amieis Satz „le paysage est un état d'ame" plötzlich von einer umgekehrten Seite her richtig - ich bilde mir immer ein, wir wüßten in Deutschland mehr als in anderen Ländern. 66 Aber hüten wir uns vor jeder Art von Einbildung, namentlich der tieferer Erkenntnis. Sehr interessant ist: De la Tyrannie von Leo Strauss (d. h. eine Erwiderung von Strauss auf Kojeve). 61 Problem: hat es Sinn, dem Tyrannen einen guten Rat zu geben? (Vgl. meine Antwort zu Karl Mannheim in Ex Captivitate Salus68) Ich kenne das Buch nur aus der eben (bei Gallimard) erschienenen französischen Übersetzung. Wenn es Sie interessiert, schicke ich es Ihnen gern. Auf die Broschüre über die Wiedervereinigung bin ich sehr gespannt. Auch auf Ihre Darstellung des Falles Oppenheimer. Ich hörten in den letzten Monaten öfters die Redensart: „Ich kenne meine Oppenheimer"!! Vielen Dank für Ihr Schreiben vom 21. Oktober! Ich sollte Ihnen noch sagen, daß wir hier Ihr Büchlein vom Hausbau mit ungeheurem Vergnügen lesen und als Weihnachtsgeschenk für Baulustige vorgemerkt haben.69

Nr. 10

C.S. anM. Boveri (Plettenberg) 21. 2. 1955

Sehr verehrte Frau Margret Boveri, hier schicke ich Ihnen einen kleinen Gruß, ein kleines Echo, das Ihnen bezeugen soll, wie Ihre Publiaktionen bei mir wirken. Nächstens bekommen Sie ein zweites Beispiel aus Ernst Jüngers Festschrift zu seinem 60. Geburtstag; zunächst schicke ich hier nur den Anfang der Fahnen.70 Ar66 (PT) Wohl aus dem Opus von Henri Frédéric Amiel (1821-1881), Fragments d'un journal intime (1884) zitiert. 67

Leo Strauss, zuerst englisch: On tyranny, New York 1948, dann De la Tyrannie, Paris: Gallimard 1954, die deutsche Ausgabe: Über Tyrannis. Eine Interpretation von Xenophons „Hieron" mit einem Essay über Tyrannis und Weisheit von Alexandre Kojeve, Neuwied und Berlin: Luchterhand 1963, 241 S., Bd. 10 in der Reihe ,Política. Abhandlungen und Texte zur politischen Wissenschaft 4, hg. v. Wilhelm Hennis und Roman Schnur. Erschöpfend zu C.S.Kojéve: Tommissen in: Schmittiana VI. Vgl. zu Strauss auch Schmittiana V, S. 222 und VI, S. 15, Nr. XVb und S. 85, FN 41. 68 Die Antwort an Karl Mannheim in C.S., Ex Captivitate Salus - Erfahrungen der Zeit 1945/47, Köln: Greven Verlag 1950,96 S., dort S. 13-24. 69 M. Boveri, 16 Fenster und 8 Türen. Eine dynamisch-horoskopische Bauchronik, Berlin: Henssel 1953, 224 S.

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beiten Sie auch an der Festschrift mit? Ich habe mich noch nicht einmal für den entzückenden Aufsatz über Ihren Vetter Walter Boveri bedankt, ich hole es hiermit nach.71 Ich beneide diesen Vetter, den ich nicht persönlich kenne, um ein solches Portrait zum 60. Geburtstag. Beate vir, qui talem (unleserlich) invenit. 72

Nr. 11 M. Boveri an C.S.

(Berlin) 28. 2. 1955

Sehr verehrter Herr Professor Carl Schmitt! Bei der Rückkehr von einer Reise fand ich Ihren Brief mit den beiden gedruckten Beilagen, und bedanke mich sehr für alle drei. Der Anfang Ihres Aufsatzes zum „Gordischen Knoten" hat mich so gefesselt, daß ich betrübt war, ans Ende der Fahne zu kommen, und umso gespannter bin, wie es nun weiter geht (eine Verfassung, in die ich in früheren Zeiten bei Zeitungsromanen oft geriet, bei ernst zu nehmenden Schriften aber nur selten).73 An der Festschrift für Ernst Jünger arbeite ich nicht mit, obwohl Möhler mich dazu aufgefordert hat. 74 Es hätte meiner Eitelkeit geschmeichelt, mich in diesem Buch in einer Reihe mit χ so bedeutenden Namen zu finden. Aber alle anderen Gründe sprachen dagegen. Ich halte mich zwar für fähig, in der Tagespresse ein Jünger'sches Buch ordentlich zu besprechen, aber nicht für kompetent in einer derartigen Festschrift etwas bleibend Gültiges über ihn auszusagen. Ich bin ihm auch so großen Dank schuldig, daß es an der nötigen inneren Unabhängigkeit fehlen würde. Außerdem habe ich allmählich die Geburtstagsschreiberei, der ich mich in manchen Fällen nicht entziehen kann, gründlich satt. Und die Wirkung, die meine Schrift über den Vetter hatte, zeigt mir, daß es offenbar nicht möglich ist, das Bild, das man von einem Menschen hat, bei solchen Anlässen zu vermitteln. Neben Zuneigung fühle ich diesem Vetter gegenüber eine starke, und eigentlich von Jahr zu Jahr wachsende Kritik, und habe auch versucht, dieselbe wenigstens andeutungsweise auszudrücken. Das ist aber, so viel ich sehe, nur von denen verstanden wor-

70 Gemeint ist hier C.S. Studie: „Die geschichtliche Struktur des heutigen Weltgegensatzes von Ost und West. Bemerkungen zu Ernst Jüngers Schrift ,Der Gordische Knoten'", in: Freundschaftliche Begegnungen. Festschrift für Ernst Jünger zum 60. Geburtstag, Frankfurt/ Μ.: V. Klostermann 1955, S. 135-167. 71 M. Boveri hatte eine kurze Einleitung verfaßt zu: W. Boveri, Ansprachen und Betrachtungen. Ausgew. u. angeord. von Albert Hanold u. Eugen Laubacher, Zürich: Morgarten-Verlag 1954, 327 S. 72 Schwer leserliches Zitat; nicht ermittelt. 73 Vgl. FN 70. 74

Mit Schreiben vom 12. 2. 1954 hatte Boveri Möhler mitgeteilt, daß sie „kein zusammenschauender Geist" sei und sich daher nicht zutraue, „etwas Grundsätzliches über das Werk oder einen seiner Aspekte zu sagen" (SBPK, NL Boveri).

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den, die ihn selber kennen, und in meinen kritischen Wendungen eigene Überzeugungen bestätigt fanden. Ihre Besprechung des Borch überzeugt mich, daß ich das Buch lesen sollte. 7 5 Das ist mit einem Seufzer verbunden, denn das Lesen geht bei mir langsam, und desto älter ich werde, desto mehr zieht es mich, meine Zeit über meinen Beeten statt über Gedrucktem zu verbringen. Leider habe ich auch den Raymond Aron, den Sie mir freundlicherweise liehen, seit November nicht mehr angeschaut, da die Arbeit am „Verrat" liegen bleiben mußte. Wenn Sie ihn wieder brauchen, lassen Sie es mich bitte wissen. Anderfalls behalte ich ihn noch ein paar Monate da.

Nr. 11

M . Boveri an C.S.

(Berlin) 23. 4. 1955

Sehr verehrter Herr Professor Carl Schmitt Ich danke Ihnen sehr für den Separatdruck Ihres Beitrags für die Jünger-Festschrift. Ich hatte ihn schon in dem Buch gelesen und war umso faszinierter davon, als ich mir kurz vorher nach der Lektüre eines Artikels von A . Just in der „Aussenpolitik" (Märzheft) zum ersten M a l aufgrund der heutigen Umwandlungen in Zentralasien klargemacht hatte, daß wir nun nach der Epoche der Seeherrschaft möglicherweise wieder in eine der Festlandherrschaft übergehen. 76 Wenn alle die Bahn75 Herbert von Borch, Obrigkeit und Widerstand. Zur politischen Soziologie des Beamtentums, Tübingen: Mohr-Siebeck 1954, VIII, 243 S. C.S. hat dieses Werk rezensiert in: Das Historisch-Politische Buch Jhg. 3, 1955, S. 72. Der Verfasser, als Sohn eines Diplomaten 1909 in Swatau/China geboren, promovierte 1934 bei Alfred Weber in Heidelberg mit der Untersuchung: Das Gottesgnadentum. Historisch-soziologischer Versuch über die religiöse Herrschaftslegitimation, Berlin: Junker und Dünnhaupt 1934, VI-170 S. Anschließend war von Borch bis 1943 außenpolitischer Redakteur der Deutschen Allgemeinen Zeitiung, seit 1950 Mit-Herausgeber der Zeitschrift „Aussenpolitik" (dazu: Asmussen [FN 75], S. 92 f.), zwischen 1953-1956 außenpolitischer Leitartikler der FAZ, anschließend Washington-Korrespondent der „Welt" und von 1965 bis 1979 USA-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung. von Borch gehörte (und dies war 1956 Grund seines Ausscheidens aus der FAZ-Redaktion) wie Boveri zu den publizistischen Kritikern der Adenauerschen Politik; der 1959 ihm verliehene Joseph E. Drexel-Preis (vgl. FN 25; Preisträgerin 1962 war M. Boveri) ging somit an einen „Gegner Adenauers". Eine Geschichte der internationalen Politik in der Ära des Kalten Krieges bietet seine Monographie: Friede trotz Krieg. Spannungsfelder der Weltpolitik seit 1950. München: R. Piper 1966, 375 S. 76 Artur W. Just, „Das sowjetisch-chinesische Vertragswerk von Peking", in: Aussenpolitik, 6. Jhg., 1955, S. 148-158. Just glaubt, der „Geburtsstunde Eurasiens" (ebd., S. 155) beizuwohnen, so daß er die Mitte der fünfziger Jahre eigentlich schon erkennbaren Gegensätze zwischen Moskau und Peking genauso übersieht wie er die Fähigkeit der beiden kommunistischen Giganten geradezu grotesk überschätzt, den von ihnen beherrschten Teil des Fernen Ostens zu einem weltwirtschaftlichen Kraftzentrum umzugestalten. Der Baltendeutsche Artur W. Just (1896 Riga - 1955 Stuttgart) war gegen Ende der Weimarer Republik mit einer bedeutenden Untersuchung über die Sowjetpresse und einer schmalen Stalinbiographie auf den Plan getreten: Die Presse der Sowjetunion. Methoden dikatorischer Massenführung, Berlin: Carl Duncker Verlag 1931, XX-304 S. (= Zeitung und Zeit, Bd. 1) und: Joseph Wissanio-

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bauten, die Just erwähnt, dazu die Kanal- und Straßenbauten, die zwischen Indien, China und dem sowjetischen Asien i m Entstehen sind, verwirklicht sein werden, ist eine neue Lage entstanden, mit der die angelsächsischen Strategen vielleicht noch nicht oder doch zu wenig rechnen, weil sie j a immer von den Rändern her denken. Die Frage scheint mir noch offen, welche Rolle die Beherrschung der Luft bei dieser ganzen Wandlung spielen wird. Ernst Jünger ordnet j a die Luftüberlegenheit den Seemächten zu, aber es ist wohl die Frage, ob die Landmächte nicht die geistige Beweglichkeit aufbringen werden, um sie ihrer Herrschaft zuzuordnen. Besonders gefreut hat mich, daß Sie, wenn auch sehr zart, Arnold Toynbee eine Abfuhr erteilten. 7 7 Soweit ich ihn gelesen habe, ist er mir unausstehlich und ich nenne ihn bei mir den Darwin der englischen Geschichtswissenschaft. M i t den schönsten Grüßen und Dank bin ich

nowitsch Dshugastwili - Stalin, Lübeck: Colemann 1932, 72 S. (= Colemanns kleine Biographien 12). Er hat dann mit einigen Monographien sukzessive seinen Ruf als Moskau-Experte gefestigt: Militärmacht Sowjetunion. Studien zur politischen Situation Europas, Breslau: Korn 1935, 103 S.; Die Sowjetunion. Staat, Wirtschaft, Heer. Berlin: Junker und Dünnhaupt 1940, 140 S.; Rußland in Europa. Gedanken zum Ostproblem der abendländischen Welt, Stuttgart: Union 1949, 305 S.; Stalin und seine Epoche, München: Heyne 1953, 75 S. ^ B i bliothek der Zeit). Just zählte neben Herbert von Borch (FN 74), dem Forsthoff-Schüler und Adenauer-Berater Wilhelm Grewe (1911-2000), dem einstigen Bürochef Joachim von Ribbentrops im Auswärtigen Amt, Erich Kordt (1903-1969), dem Gründer des Düsseldorfer „Handelsblattes" und Verfasser zahlreicher wirtschaftspolitischer Bücher Herbert Gross (geb. 1907 in Hannover), dem aus der Emigration auf einen Tübinger Lehrstuhl zurückgekehrten Historiker Hans Rothfels (1891 -1976) und dem Journalisten Hans-Georg von Studnitz (1907-1993) zum Herausgeberkreis der Zs. „Aussenpolitik". Zu v. Studnitz aus linksextremer Sicht: Otto Koehler (geb. 1935), , Jubel für die Juden am Roten Meer - Der Antisemit stellt sich um: Hans-Georg von Studnitz", in: ders., Wir Schreibmaschinentäter. Journalisten unter Hitler - und danach, Köln: Pahl-Rugenstein 1989, 331 S., dort S. 135-152), ausgewogener: Nils Asmussen, „Hans-Georg von Studnitz, ein konservativer Journalist im Dritten Reich und in der Bundesrepublik", in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 45. Jhg., 1997, S. 75-119 (dort, S. 92 f., zu v. Studnitz* Angebot an Boveri, ins Mit-Herausgeberkollektiv der Zs. „Aussenpolitik" einzutreten, was sie ablehnte, weil sie meinte, das Organ werde sich zu sehr „im amerikanischen Lager einer Marshall-Plan-Politik bewegen"; gleichwohl verfolgte auch v. Studnitz so wie Boveri eine nationale, auf Wiedervereinigung, gegen „Westintegration" gerichtete Deutschlandpolitik). Autobiographisch von v. Studnitz, Seitensprünge. Erlebnisse und Begegnungen 1907-1970, Stuttgart: Seewald 1975, 428 S. und: Menschen aus meiner Welt, Frankfurt/M. usw. 1985, 158 S. 77 Den englischen Geschichtsdenker Arnold J. Toynbee (1889-1975) berührt C.S. op. cit. [FN 69], dort S. 155 -157 (zu dessen 1953 veröffentlichtem Werk: The World and the West).

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Nr. 12 C.S. an M. Boveri (Postkarte, Santiago de Compostela Hostal de los Reyes Catolicos / Antigua Hospital Real) 20.7. 1958 (Vermerk: „übrigens das schönste Hotel der Welt!") Vielen Dank, liebe und verehrte Frau Margret Boveri, für Ihren Geburtstagsgruß, über den ich mich ganz besonders gefreut habe. Er erreichte mich hier im westlichsten Winkel unseres geplagten Kontinents, nahe dem Cap Finisterre, wo ich bei meiner (hier verheirateten) Tochter Anima wohne und den Geburtstag mit spanischen Freunden gefeiert habe.78 Meiner alter Wunsch, Sie aufzusuchen, ist durch die Entfernung nur noch größer geworden; nun, alle Wünsche gehen in Erfüllung und tant ce que arrive est adorable. Im Herbst bin ich wieder in Deutschland. Sie können nicht ahnen, wie viele Anläufe zu einem Exposé über Ihre Rowohlt Bücher ich schon versucht habe.79

Nr. 13

C.S. an M. Boveri (Plettenberg, Visitenkarte Professor Carl Schmitt) 9. 4. 1960

Sehr verehrte Frau Margret Boveri Darf ich Ihnen hier einen jungen Mann und Plettenberger Nachbarn vorstellen? 80 Er ist ein eifriger Leser und hat weiter keine besondere Petition; er soll meine herzlichen Grüße und Wünsche überbringen und mir später von Ihnen erzählen. Anfang Mai fahre ich nach Santiago de Compostela, zu meinen Enkelkindern

Nr. 14 C.S. an M. Boveri (Postkarte Santiago de Compostela, Fassade Hospital real) 24. 5. 1960 Liebe und verehrte Frau Margret Boveri; hier erhielt ich die Nachricht, daß das neue Buch über den Verrat in Plettenberg eingetroffen ist; ich bin sehr gespannt, es zu lesen.81 Ich klammere mich in solchen schwierigen Fragen gern an einfache Sätze, in diesem Fall z. B. wieder: treason is not piracy, und suche mich von dort aus weiter zu tasten. Mein spanischer Schwiegerohn (auf spanisch heißt das: hijo político) hat ein Buch über den Riepto geschrieben (eine Art Duell, speziell wegen 78 Zur Spanienreise Juni/Juli 1958 s. Brw C.S.-Mohler, op. cit. [FN 38], S. 249-254. 79

Gemeint sind Boveri, op. cit. FN 1, Bd. 1 - 3 . 80 Zu G. Giesler (geb. 1940) vgl. Henning Ritter, Warburgs Bibliothekar. Zum sechzigsten Geburtstag des Verlegers Gerd Giesler, in: FAZ ν. 21. 7. 2000. 81 Es handelt sich um den vierten und letzten Band: Μ. Boveri, op. cit. [FN 1], Bd. IV.

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des Vorwurfs eines Verrats, zwischen Hidalgos vor dem König). 82 Ich schicke Ihnen als Drucksache ein kleines Exposé, das Sie lesen müssen und bleibe stets Ihr alter C.S. Achten Sie auf zwei neue Bücher: R. Altmann, Erbe Adenauers und Winfried Martini , Freiheit auf Abruf 8 3 .

Nr. 13

C.S. an Margret Boveri

(Plettenberg) 18. 10. 1961

Sehr verehrte Frau Margret Boveri, ich habe meinen Nachbarn Gerd Giesler, der Ihnen einmal Grüße von mir brachte, sehr darum beneidet, daß er jetzt wieder nach Berlin fährt. Ich möchte Ihnen für Ihre neue Landnahme meine herzlichsten Wünsche aussprechen: nehmen, teilen, weiden! und würde es als Trost empfinden, einmal wieder etwas von Ihnen zu hören. In Ihren Büchern über den Verrat lese ich viel. Ich habe sie auch meinem spanischen Schwiegersohn geschenkt (Schwiegersohn heißt auf spanisch: hijo político), der als Rechtshistoriker eine Monographie über den „riepto" geschrieben hat, eine sehr originelle Form des mittelalterlichen spanischen Duells beim Vorwurf des Verrats: weder ein Beweismittel im heutigen prozessualen Sinne, noch ein Gottesurteil (im Sinne eines Ordals?), sondern nur eine Probe männlichen Mutes, zu der der Beleidigte den Ankläger zwingen konnte. Wenn es schon so ist, daß jeder jeden töten kann, dann sollen wir uns lieber gleich stellen. Ich schicke Ihnen einen Durchschlag des Briefes, mit dem ich Herrn Schroers auf sein Buch über den Partisanen geantwortet habe. Ihr Gespräch im hiesigen Sender UKW (NRW) am Samstag (21/10) werde ich mir mit großem Interesse anhören; hoffentlich bekomme ich die Welle. 84 Herzliche Grüße und Wünsche Ihres alten Carl Schmitt ohne Datum, beigefügter Zettel: Ich möchte so gerne Ihr Interesse an dem herrlichen Thomas Hobbes erregen, von dem ich in Ex Captivitate Salus gesprochen habe. Hören Sie nur einmal die Stelle im Text des Leviathan (1651) chap. XIII: 82 Alfonso Otero Valera (geb. 1925), Dos estudios histérico-jurídicos: El riepto en el derecho castellanoleonés. La adopción en la historia del derecho español. Roma, Consejo Superior de Investigaciones Científicos Delegación de Roma 1955, 148 S. (= Cuadenos del Instituto Jurídico Español, no. 4). 83 Rüdiger Altmann (1922 Frankfurt/ Μ-2000 Bad Godesberg), Das Erbe Adenauers, Stuttgart: Seewald Verlag 1960, 211 S. Vgl. zu Altmann Dirk van Laak, op. cit. [FN 38], S. 262-265. - Winfried Martini (1905-1991), Freiheit auf Abruf. Die Lebenserwartung der Bundesrepublik, Köln: Kiepenheuer & Witsch 1960,451 S. Stärker noch auf C.S. rekurrierend ist Martinis Opus: Das Ende aller Sicherheit. Eine Kritik des Westens, Stuttgart: DVA 1954, 376 S. - Zu Martini vgl. die scharfen Urteile Möhlers im Briefwechsel (op. cit. [FN 37]), S. 162; dagegen ebd., S. 182, C.S.: Er habe mit „großem Mut das Komplott der deutschen Totschweiger und Beseitiger... gestört und einen Strich durch die Rechnung gemacht". β4 Gespräch MB auf NRW am 21. 10. 1961; nicht ermittelt.

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„yet is reckoned together the difference between man, and man, is not so considerable, as that one man can there upon claim to himself any benefit, to which another may not pretend, as well as he." 85

Nr. 13a C.S. an Rolf Schroers 86

(Plettenberg) 18.10 1961

Lieber Herr Schroer, ich habe Ihr Buch über den Partisanen erhalten und gelesen. Sie haben die Situation in Ihrer Wirklichkeit erkannt und die spezifische Figur, den Partisanen, auf eine erstaunliche Weise „genommen". Eigentlich müßte das Buch ungeheures Aufsehen erregen, aber Sie haben es mit einem Volk zu tun, das eisern entschlossen ist, die Wirklichkeit nicht zu sehen.Was mich persönlich anbetrifft, so führen Sie mich bei Ihren Lesern als „geschichtlichen Mittäter" ein. Was diese Einstufung praktisch bedeutet, wissen Sie selber am besten, sonst hätten Sie nicht ein so situationsgerechtes Buch schreiben können, und ich selber weiß es auch, sonst wäre ich nicht ein so vorzüglicher Leser dieses Buches. Heute kann jeder jeden töten. Das ist die Formel des Thomas Hobbes, die unsere Lage immer noch am besten trifft. Indem ich meinen alten Bruder Hobbes zitiere, habe ich sie auch schon bewältigt. Das ist in den letzten drei Jahrzehnten, vor und nach 1945, öfters erprobt worden. Infolgedessen reagiere ich nur noch in der Weise, daß ich Notiz nehme, nicht in einem papiernen Tagebuch, sondern mit einer Einkerbung in einem Stück meiner Seele. My tables! schreit Hamlet; der romantische Literat Schlegel übersetzt das mit: Schreibtafel her! Ganz besonderen Dank für Ihre freundliche handschriftliche Widmung und die besten Wünsche für einen großen Erfolg des Buches! Abschrift dieses Briefes schicke ich Frau MB.

85 Th. Hobbes, The English Works, London 1839, Vol. III, S. 110, chap. XIII. 86 Rolf Schroers (1919-1981), Der Partisan. Ein Beitrag zur politischen Anthropologie, Köln-Berlin: Kiepenheuer & Witsch 1961, 344 S.; dort S. 315 die Kennzeichnung C.S.s als „Mittäter". Demgegenüber aber die abwägende, auch persönliche Sympathien offenbarende, zuerst 1978 im „Merkur" veröffentlichte Einschätzung von Schroers in dem Essay: „In der Landschaft des Verrats. Zum 90. Geburtstag von Carl Schmitt", in: ders., Meine deutsche Frage. Politische und literarische Vermessungen 1961 -1979, Stuttgart: DVA 1979, 229 S., dort: S. 169-174. Der Düsseldorfer C.S.-Nachlaß weist für die Jahre 1955 bis 1980 nicht weniger als 108 Briefe und 13 Postkarten von Schroers auf. Zu Schroers Dirk van Laak, op. cit. FN. 38, S. 251-255. Vgl. auch Theodor Schiller, „Rolf Schroers und Carl Schmitt - eine Grauzone", in: Monika Faßbenderl Klaus Hansen (Hg.), Feuilleton und Realpolitik. Rolf Schroers: Schriftsteller, Intellektueller, Liberaler, Baden-Baden 1984, 240 S. (dort: S. 7 7 94) (= Schriften der Friedrich-Naumann-Stiftung: Liberale in Programm und Praxis). Vgl. M. Boveri, „Der Partisan und die Partisanen", in: Merkur, 16. Jhg., 1962, S. 167- 177 und C.S., Theorie des Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, Berlin: Duncker & Humblot 1963, 96 S.

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Christian Tilitzki

Nr. 14 C.S. an M. Boveri

(Postkarte, Iserlohn) 19. 11. 1961

Ihr Weihnachtsgruß, sehr verehrte Frau Margret Boveri, traf mich hier in Iserlohn im Krankenhaus, wo sie mich vor 14 Tagen operiert haben (Prostata) und Weihnachten wieder entlassen wollen. Die Nachbehandlung ist lästig, so daß ich Ihnen mit diesen Zeilen nur ein Wort des Dankes schreiben kann. Das Kaleidoskop muß man oft drehen, um es recht zu geniessen, und dazu habe ich im Bett gut Zeit. 87 Bisher wußte ich von dem heutigen Indien nicht mehr, als es die längste aller modernen Verfassungen hat, und fragte mich oft, wie sich das erklärt. Talleyrand meinte noch, eine Verfassung müsse kurz sein, kurz und brutal, wie er hinzufügte. Ihr Kaleidoskop erklärt mir da vieles. Aber auch die einzelnen Stücke sind entzückend zu lesen. Wie sollen alle diese Volker einen Zustand, der typisch das Produkt einer Säkularisierung und Neutralisierung des Religiösen ist und in Europa nur aus der Überwindung des theologisch-konfessionellen Bürgerkriegs zu verstehen ist, wie sollen alle diese Völker ohne unsere europäischen Stufen der Neutralisierung plötzlich in die perfekte Neutralisierung hineinspringen? Also vielen Dank für Ihre freundliche Sendung und alle guten Wünsche für ein schönes Weihnachtsfest und ein zufriedenes neues Jahr. Ich bleibe Ihr alter C.S.

Nr. 15

C.S. an M. Boveri

(Postkarte, St. Gallen Kantonsspital) undat. 1963

Liebe und verehrte Frau Margret Boveri: in diesem Kantonsspital von St. Gallen lag meine Frau mehrere Monate; ich habe währenddessen in der Stiftsbibliothek die Regel des Heiligen Columbat abgeschrieben.88 So traf mich Ihr Aufsatz über Reinhard Dohm, den ich als „Contemporane" mit brennendem Verständnis gelesen habe, am Schluß auch noch mit einer ganz persönlichen Erinnerung und, wenn Sie wollen, abergläubischen Bezug. 89 Ich habe Reinhard Dohm nicht persönlich gekannt, trotzdem ist die Contemporanität durch Ihren Aufsatz stärker geweckt worden als vor einigen Wochen durch den Aufsatz Karl Koms über Paul Scheffer 90, obwohl ich diesen gut kannte und er in meinem Leben eine wichtige Rolle gespielt hat. 91 87 M. Boveri, Indisches Kaleidoskop, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1961, 118 Seiten (= Kleine Vandenhoeck Reihe 120/121); dies ist das am wenigsten „politische" unter den Reisebüchern der Boveri. 88 Regeln des Hl. Columbar, Stiftsbibliothek St. Gallen; vgl. zu den Mönchsregeln des Columbanus (etwa 530-615): Otto Seebaß, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte, Jhg. 16, 1896, S. 465 ff. und Jhg. 18, 1898, S. 58 ff. Der Dresdner Gymnasiallehrer hatte sich in Leipzig über dieses Thema promoviert: Über Columba von Luxeuils Klosterregel und Bußbuch, Dresden: Höckner 1883, 66 S. 89 M. Boveri zu Dohm in: „Reinhard Dohm", in: Dem Andenken an Reinhard Dohm. Reden, Briefe und Nachrufe. Hrsg. v. Heinz Götze, Berlin usw.: Springer-Verlag 1964, 70 S. (dort S. 21-42: „Reinhard Dohm. Ein Leben für die Zoologische Station Neapel"). 90 K. Korn: „Paul Scheffer. Zum Tode eines großen deutschen Journalisten", in: FAZ Nr. 45 v. 22. 2. 1963, S. 28. Der Briefwechsel Korn-Boveri im NL Boveri ist für die Benutzung gesperrt; wohl wegen jener „Verstrickungen", in die man einen Einblick gewinnt, wenn

Margret Boveri und Carl Schmitt Nr. 16

C. S. an M . Boveri

305 18. Oktober 1963

M i t großem Eifer habe ich Ihnen neulich den „Losen Vogel" geschickt. Und nun haben Sie meinen Eifer schön ad absurdum geführt: Öffentlich durch den Aufsatz FAZ 1 3 / 7 / 6 3 , privat durch die Weitergabe an Robert Held. 92 Könnten Sie mir das Buch jetzt zurückgeben? Für Ihre Gratulation zum 75. Geburtstag nachträglich noch vielen Dank! M i t allen guten Wünschen Ihr C. S.

Nr. 17

C.S. an M . Boveri

(Plettenberg) 4. 11. 1963

Robert Held hat den Losen Vogel zurückgeschickt. Vielen Dank auch für Ihr freundliches Schreiben vom 19. Oktober. Zu meiner großen Betrübnis bemerke ich Sie (in Ihrer Studnitz-Besprechung FAZ, 26.10., Zeile 5 9 3 ) in der (Ihrer nicht würdigen) Gesellschaft derer, die das Wort „legitim" verpantschen (vgl. Theorie des Partisanen Seite 86 unten). Was würden Sie sagen, wenn ich schriebe: von Frau Boveri eine Stellungnahme zu Hannah Arendts Eichmann Schrift 9 4 erwarten, ist „legitim"? (Oder Frau Boveris Bewertung des 20. Juli 1932 ist nicht „legitim") man ebd. den Brw. Boveri-Mohler aus dem Jahr 1958 heranzieht (SBPK, NL Boveri). Aus diesem Informationsaustausch speist sich auch Möhlers kritische Charakterskizze: „Der Fall Karl Korn", in: ders., Tendenzwende für Fortgeschrittene, München: Criticón Verlag 1978, 206 S. (S. 156-163) (= Criticón-Bücherei 1). Zu Korn auch Köhler op. cit. [FN 35], S. 260271: „Und hurtig wendet das Wort er zwischen den Zeilen - Sprachmeister mit vielfach gebrochenem Rückgrat: Karl Korn". 91 Zu Scheffer-C. S.: Piet Tommissen, „Bausteine zu einer wissenschaftlichen Biographie (Periode 1888-1933)", in: Helmut Quaritsch (Hrsg.), Complexio Oppositorum. Über Carl Schmitt. Vorträge und Diskussionsbeiträge des 28. Sonderseminars der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin: Duncker&Humblot 1988, 610 S., dort 71 -100 (9697). 92 Robert Held (1922-1988), seit 1949 in der FAZ, ab 1962 Leiter des Feuilletons, schließlich einer der „Außenpolitiker" des Blattes. Sein Schreiben vom 28. 10. 1963 an C.S. in Abschrift im NL Boveri, darin heißt es u. a.: „Auf jeden Fall sind wir Ihnen zu Dank verpflichtet, weil Sie Frau Boveri auf die Trouvaille aufmerksam gemacht haben; freilich hätte mich außer Frau Boveris Kommentar auch Ihre Meinung zu diesen Texten interessiert. Ich habe überhaupt den Eindruck, daß, nachdem man den zwanziger Jahren zu modischem Interesse verholfen hat, jetzt kluge Köpfe daran gehen werden, die ersten beiden Jahrzehnte unseres Jahrhunderts noch einmal auf Vorwegnahmen und Bewußtseinsveränderungen zu untersuchen." Vgl. dazu M. Boveri, „Die zornigen jungen Männer von 1913 - Beim Blättern im »Losen Vogel 4 ", in: FAZ, Nr. 159 v. 13. 7. 1963. 93

Gemeint ist M. Boveris Besprechung von Hans-Georg von Studnitz (vgl. infra [FN 75]): Als Berlin brannte. Diarium der Jahre 1943-1945, Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag 1963, 299 S. (darin gleich zum Auftakt ,S. 8 f., die respektvolle Bemerkung, das die Auslandberichterstattung der „Frankfurter Zeitung44 Anfang 1943 im wesentlichen von drei Damen geleistet werde: Lilly Ahegg, Irene Seligo und M. Boveri), die unter dem Titel „Auch ein Weltuntergang" in der Wochenendbeilage „Bilder und Zeiten44 der vom FAZ Nr. 249 vom 26. 10. 1963 erschienen ist. 94 Hannah Arendt (1906-1975), Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen, deutsche Ausgabe München: R. Piper 1964, 344 S.

20 Schmittiana VII

Christian Tilitzki

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Obwohl wir doch alle die besten Gründe haben, es wirklich zu erwarten! Ich selber erfahre täglich allzusehr die Bosheit der Banalität, als daß ich für ein Buch mit dem Unter-Titel ,3analität des Bösen" noch in Betracht käme.

Nr. 18

C.S. an M. Boveri

(Plettenberg) 12. 1. 1965

Sehr verehrte Frau Margret Boveri, sollte der brave Gerd Giesler richtig übermittelt haben als er mir Ihre Besprechung Hammerstein-Kluge aus dem „Merkur" schickte und Griisse von Ihnen bestellte?95 Ich bin jedenfalls glücklich, wenigstens einen Vorwand zu haben und Ihnen meine Wünsche für das eben begonnene Jahr 1965 aussprechen zu können. Das Buch „Spähtrupp" von Kunrat von Hammerstein 96 hatte ich natürlich gleich beim Erscheinen gelesen. Im Jahre 1934 war seine Schwester Marie Louise eine Zeitlang bei mir Privat-Sekretärin. Die Eindrücke aus Gesprächen mit dem General Hammerstein haben wesentlich zu meiner Theorie von Legalität und Legitimität beigetragen.97 Die Geschichte seiner Kinder wäre ein Thema für Sie. Was bleibt diesen Kindern anders als die „Subjektivität"? Und was den Enkeln? Alle guten Wünsche für Ihre Arbeit! Ihren Aufsatz über Raymond Aron 9 8 verdanke ich der unsichtbaren Hand, die unseren Griff nach Büchern und Zeitungen führt, nicht etwa einem Abonnement auf die FAZ oder regelmäßigem Kauf am Kiosk. Ich schicke Ihnen eine Fotokopie des „Beschleunigers wider Willen" vom April 1942 9 9 Auf diesen Aufsatz (auch den über die „Raumrevolution") bin ich heute noch sehr stolz. Wenn Sie Zeit haben ihn zu lesen und ihn dabei sogar interessant finden - in seiner heute noch aktuellen Situations-Problematik, nicht nur „aufschlußreich" als Belastunsgmaterial gegen den Autor - dann fände mein Stolz noch weitere Nahrung. Unveränderlich Ihr C.S. 95 M. Boveri , „Zwei Experimente in politischer Kriegsgeschichte", in: Merkur 18, 1964, S. 1083-1087. (= Rez. zu v. Hammerstein [FN 96] und Alexander Kluge (geb. 1932), Schlachtbeschreibung, Olten-Freiburg/Br. 1964). 96

Kunrat Freiherr von Hammerstein-Equord (1878-1958), Spähtrupp, 2. erw. Aufl. Stuttgart: Goverts 1964, 315 S. (zuerst ebd. 1963). 97 Vgl. jetzt über die Beziehung beider Tochter von Hammersteins zur KPD: Lorenz Jäger, „Das Rätsel der Hansa-Zelle. Werner Scholem und die kommunistische Ultralinke", in F.A.Z. Nr. 300 vom 27.12.2000, S. N. 5). 98 M. Boveri, „Die Moral der Weisheit. Raymond Aron oder: über Frieden und Krieg und die Theorie der Staatenwelt (= Besprechung des Werkes: Frieden und Krieg. Eine Theorie der Staatenwelt, Frankfurt/M.: S. Fischer 1963, 928 S.), in: FAZ Nr. 267 vom 16. 11. 1964, S. 11-12. 99 C.S., „Beschleuniger wider Willen oder: Die Problematik der westlichen Hemisphere", in: Das Reich, 3. Jhg. 1942, Nr. 16 vom 19. April. Wiederabgedruckt und dicht kommentiert in: C.S., Staat, Großraum, Nomos. Arbeiten aus den Jahren 1916-1969, hg., mit einem Vorwort und mit Anmerkungen versehen von Günter Maschke, Berlin: Duncker&Humblot 1995, 668 S., dort: S. 429 - 440.

Margret Boveri und Carl Schmitt

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PS: Sie kennen doch Hans Fleig (Zürich). Kann man wirklich nichts für ihn tun?100

Nr. 19

C.S. a n M . Boveri 19. 12 .1965 Tag der Stichwahl (second vote) de Gaulle's

„Waren Sie nicht auch einmal ein Dahlemer?" Welche Frage! Ich gehöre 1) zu denen, die am 23. August 1943 in Dahlem Kaiserswertherstrasse 17 (nahe Thielplatz) mit dem ganzen Haus total ausgebombt wurden; 2) zu denen, die nicht geflohen sind, weder vor den späteren Aus- und Anbombungen, noch vor den Russen; die 3) Tag für Tag, und Nacht für Nacht bis zum 8. M a i 1945 und dann 4) alles weitere erlebt haben, wie es zu einem modernen Krieg gehört. Ich gehöre also zu den von Ihnen S. 1177 genannten „ A l t e n " die „ b l e i b e n " . 1 0 1 Ich bin nicht geflohen, sondern i m März 1947 von amerikanischen MPs von Berlin nach Nürnberg transportiert worden, streng legal, per Eisenbahn, nicht über die grüne Grenze etc. etc.102 Dies alles nur, damit Sie es wissen und damit Sie sich denken können und wie ich Ihren „Merkur"-Aufsatz über die „gemordete S t a d t " 1 0 3 verstehe. Die „gemordete Stadt" war zugleich ein „gemordetes Imperium". 100 Zu Hans Fleig supra Möhler, op.cit. [FN. 37], und den Bnv. mit Boveri (SBPK, NL Boveri). Dort teilt Fleig seiner Kollegin am 28. 1. 1965 mit: „Wie Sie, glaube ich, bereits durch Carl Schmitt erfahren haben, hat mich das Schicksal wieder einmal ereilt. Einge zugegebenermaßen nonkonformistische Äußerungen an Werner Höfers (1913-1997) Frühschoppen vom 1. November letzten Jahres - ich schlug zur Verminderung des Ei η wandererstroms nach Israel die Schaffung eines zweiten jüdischen Staates in Europa vor und nannte als denkbare Möglichkeit die zwischen Deutschland und Polen strittigen Gebiete östlich von Oder und Neisse - gab meinen schweizerischen Gegnern das Startzeichen zu einem eigentlichen Vernichtungsfeldzug gegen mich." Fleig mußte deswegen Ende 1964 von der Leitung der politischen Redaktion der Züricher „Weltwoche" zurückgetreten. Eine „ziemlich verzweifelte Lage" einräumend, bat er Boveri zu prüfen, ob es bei der FAZ. oder dem Hamburger Wochenblatt „Die Zeit" Einstiegsmöglichkeiten gebe; derweil habe er sich sogar bei der Betriebszeitung von Brown, Boveri & Cie. in Baden (CH) beworben. Als sich auch diese Aussicht zerschlug, richteten sich Fleigs Hoffnung auf die Mitarbeit an einem „schweizerischarabischen Studienzentrum": „Damit würde ich mir die Zionisten natürlich erst recht auf den Buckel laden und hätte wohl bald eine Bombe im Keller. Die Herren Zionisten sind ja nicht eben wählerisch.". 101

M. Boveri, ,ΛΙβ die Russen Berlin einnahmen" (Rezension von: Erich Kuby, Die Russen in Berlin 1945, München usw.: Scherz 1965, 337 S.), in: Merkur, 20. Jhrg., 1966, S. 661 668. 102 Zum Nachkriegsschicksal von C.S. zwischen Mai 1945 und Sommer 1947 vgl. die Dokumentationen von Helmut Quaritsch (geb. 1930): Carl Schmitt, Das international-rechtliche Verbrechen des Angriffskrieges und der Grundsatz „Nullum crimen, nulla poena sine lege", hg., mit Anmerkungen und einem Nachwort versehen von H. Quaritsch, Berlin: Duncker & Humblot 1994, 259 S., dort: S. 125-133 sowie: C.S., Antworten in Nürnberg, hg. und kommentiert von H. Quaritsch, Berlin: Duncker&Humblot 2000, 153 S., dort S. 11-50. *

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Christian Tilitzki

Vor Jahren haben Sie mir einmal ein gutes Wort zu meinem Berliner Stück „ Z w e i Gräber" geschrieben 1 0 4 . Dieses Stück aus „Ex Captavitate Salus" sollte sich wohl Jobst Siedler 1 0 5 zu Herzen nehmen, als Berliner, statt mich ironisch zu behandeln, weil ich zu denen gehöre, die den zweiten Weltkrieg nicht gewonnen haben und auch nachträglich nicht gewonnen haben wollen. Heute, im Laufe dieses Dezember Sonntags 1965, 3. Adventsonntag, offenbart sich die ganze Tragik de Gaulle's. 1 0 6 W i r sind nicht die einzigen, die scheitern. Schöner Vers Theodor Däublers (eines der beiden oben genannten Berliner Gräber, zu denen übrigens nachträglich - aber nicht als drittes - noch das von Bert Brecht zu vergleichen wäre): Ereigne dich, wo Du Dein Scheitern erbst.

103

M. Boveri, „Bauvergangenheit - Bauzukunft Berlins", in: Merkur 19, 1965, S. 11771187 = Rez. zu Wolf Jobst Siedler/Elisabeth Niggemeyer / Gina Angress, Die gemordete Stadt, Berlin: F. A. Herbig 1964. 104 Vgl. C. S., op. cit. [FN 67], S. 35-53; „Zwei Gräber" (Däubler-Kleist). 105 Zu Siedler (geb. 1926) vgl. das scharf gezeichnete Portrait von Armin Möhler: „Wolf Jobst Siedler. Der tolerierte Konservative", in: Criticón, Nr. 75/ 1983, S. 10-12. Jetzt auch die etwa 1950 endende Autobiographie Siedlers, deren Fortsetzung angekündigt ist: Ein Leben wird besichtigt. In der Welt der Eltern, Berlin: Siedler Verlag 2000, 383 Seiten; dort S. 290 f. zu M. Boveri („Sie sprach ja überhaupt gern von Dingen, die gemeinhin verschwiegen werden."), leider mit der falschen Angabe, etwa der, daß sie vom neutralen Schweden aus registrierte, „wie es mit dem Reich zu Ende ging". Weniger Günstiges über Siedler findet sich im Briefwechsel Boveri-Joseph Drexel 1974 (SBPK, NL Boveri). Zu C.S. heißt es bei Siedler, op. cit. S. 162, der „inoffizielle Verfassungsrechtler der Nazis" geworden, habe aber „seine Beziehungen zum Regime zu Ratschlägen und Warnungen an (Ernst) Jünger" genutzt. 106 „Tragik de Gaulies": Bezieht sich auf die französischen Präsidentschaftswahlen vom 5. Dezember 1965, die Charles de Gaulle nicht die erforderliche absolute Mehrheit brachten, so daß er sich am 19.12. einer Stichwahl stellen mußte, die er nur relativ knapp gewann. Nicht zu Unrecht wurde dies von deutscher Seite als Anfang vom Ende des „plebiszitären Cäsarismus" der V. Republik gewertet (Der Spiegel, 1965, Nr. 53, S. 36).

Ε. Briefe Ich darf daran erinnern, daß die Bände Schmittiana III und Schmittiana IV bereits eine Rubrik ,Briefe' enthalten (S. 117-191 bzw. 249-290). Des Umfangs wegen (323 bzw. 352 S.) mußte diese Rubrik - und damit die Veröffentlichung weiterer Briefe - jedoch in den Bänden Schmittiana V und Schmittiana VI entfallen. Angesichts der Tatsache, daß ich in einigen Fällen schon vor mehreren Jahren die Abdruckgenehmigungen erhalten habe, kann ich nicht umhin, in diesem letzten Schmittiana-Band diese (sowie einige andere) Briefe der Forschung zur Verfügung zu stellen. Ich unterscheide zwei Gruppen: A = Briefe an C.S. Β = Briefe von C.S. Den meisten Briefen sind als Anlage(n) Dokumente beigefügt. P.T.

A. Briefe an C.S. A 1. Von Adolf Caspary (1898 -1953) 1928 gab Ernst Jünger (1895-1997) einen „Die Unvergessenen" betitelten Sammelband heraus, in dem einigen im Ersten Weltkrieg Gefallenen ein Denkmal gesetzt wurde 1. Heute könnte man unter der Überschrift „Die Vergessenen" dasselbe für (oft ungerechterweise) in Vergessenheit geratene Denker, Dichter, Forscher und Gelehrte tun. Als geeignetes Beispiel für die Spezies der Forscher käme m.E. Adolf Caspary in Betracht. Im Kürschner wird er nur im Band 1928-29 erwähnt. Dieser kurzen Notiz (Sp. 2781) zufolge war er Jurist und damals wohnhaft in Berlin 2 . Der stets besonders gut informierte Dr. Chr. Tilitzki (geb. 1957; vgl. Schmittiana VI, S. 167) schrieb mir zu Caspary unter dem 10. November 1999 Folgendes: „Über sein Schicksal nach 1933 ist mir nichts bekannt; ich würde auch erst einmal in Abrede stellen, daß er in Berlin »gelehrt' hat - vielleicht an der Volkshochschule Groß-Berlin, aber wohl nicht an der FWU [= Friedrich-Wilhelms-Universität] oder TH [= Technische Hochschule]." Er konnte wenigstens Casparys ungedruckt gebliebene Dissertation eruieren 3 (Brief vom 10. November 1999). Dann teilte Herr Tobias Wimbauer (geb. 1957) mir eine Stelle aus einer Studie mit, aus der hervorging, daß Caspary der »Philosophischen Gruppe Berlin* angehört hat. Als weiteres Mitglied dieser Gesellschaft wird u. a. Oskar Goldberg (1885-1952; vgl. Schmittiana III, S. 75 und S. 86-87 FN 54) genannt4. Deshalb nahm ich die Goldberg-Monographie von Manfred Voigts (geb. 1946) zur Hand und stieß sofort auf das Subkapitel über Caspary, in dem seine wichtigsten Schriften zur Sprache kommen5, und der Leser erfährt, daß er eine Lehrtätigkeit

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Briefe

im Rahmen des Außenministeriums einer Professur an der Universität Jena vorgezogen hat. Diese Tätigkeit hörte 1932 auf. 1942 konnte er von Marseille aus in die U.S.A. flüchten, wo er als Mitarbeiter der Emigrantenwochenschrift »Aufbau" tätig gewesen ist 6 . Daß Caspary in Italien recherchiert hat, geht indes aus einem Sonderdruck hervor, den er C.S. zugeleitet hat und in dem C.S. als einziger zeitgenössischer Rechtsgelehrter herangezogen wird 7 . Leider sehe ich keine Möglichkeit, für den nachstehenden Brief die Abdruckgenehmigung einzuholen, die ich bestimmt problemlos bekomme hätte, denn in diesem Brief wird nur ein wissenschaftliches Thema gestreift, obschon er gleichzeitig zu der Mutmaßung berechtigt, daß Caspary und C.S. sich irgendwie nahegestanden haben. Sonst ist der Schlußsatz hinsichtlich einer etwaigen Habilitation bei Werner Sombart (1863-1941) oder Götz Briefs (1889-1974; vgl. Schmittiana V, S. 156 FN 23 Punkt a), die Nationalökonomen bzw. Soziologen und keine Juristen waren, schwer verständlich8. P.T.

Roma, den 2. Juli 32 viaTreviso 31 casa Trouché Hochverehrter Herr Professor, nachdem ich ganz und gar den römischen Zeitvorstellungen erlegen bin, schreibe ich Ihnen erst heute den Brief, den ich seit den ersten Tagen meiner Reise vorhatte. Dafür ist er aber auch herzlich umfänglich geworden, und ich hoffe nicht umfänglicher, als Ihnen lieb ist. Da Sie nämlich einmal so freundlich waren, zu sagen, Sie interessierten sich für die romanistischen staatsrechtlichen Arbeiten, die ich vorhabe, erlaube ich mir, Ihnen anliegend die erste Frucht (falls ich das so nennen darf) zu übersenden: eine Abhandlung über den - oder vielmehr die drei Begriffe von Souveränität der Römer. Die Arbeit ist mit mehr Quellen- und Literaturkritik belastet, als mir eigentlich lieb ist, aber es ging nicht anders. Trotzdem würde ich die Abhandlung lieber in einer öffentlich-rechtlichen als in einer rechtsgeschichtlichen Zeitschrift veröffentlicht sehen, weil sich ja schließlich nicht die Romanisten ex professo mit den modernen Verfassungsproblemen befassen! Eine große Bitte: könnten Sie den Aufsatz, wenn er auch nur einigermaßen Ihren Beifall findet, irgendwo unterbringen? Das Arbeiten hier ist wirklich so schwer, wie Sie mir vorausgesagt haben. Vielleicht noch schwerer, da ich infolge des Klimawechsels allerlei Beschwerden habe und lange Zeit richtig krank war. Auch die Bibliotheksverhältnisse sind schwierig, denn was nützen mir die kostbarsten Werke und Handschriften der alten und mittleren Zeit, wenn sie nicht ordentlich katalogisiert sind und entschlossen italienisch sprechende Bibliothekare niemand heranlassen und die moderne Wissenschaft ganz schlecht vertreten ist? Und dann die schon erwähnten Zeitmasse! Das schönste Beispiel: vor einem Monat habe ich, um gewisses Material zu bekommen, an den Kardinalstaatssekretär geschrieben. Vor ein paar Tagen lasse ich durch mehrere Mittelsmänner, von denen immer einer nichts vom vorvorigen wissen darf, fragen, wie es mit der Antwort steht. Da bekomme ich den klassischen Bescheid: „Die Eingabe ist angekommen." Da ich sie persönlich abgegeben hatte, habe ich das nie

Briefe n C.S.

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bezweifelt, aber nach sachverständiger Interpretation bedeutet dieser Orakelspruch, man werde mir überhaupt eine Antwort geben. Ich bitte Sie, mir Böses mit Gutem zu vergelten und bald zu antworten. Es interessiert mich äußerst, Ihre Meinung über mein Buch „Wirtschaftsstrategie" zu erfahren. Auch würde ich gern wissen, was die Herren, mit denen Sie s.Zt. über eine mögliche Habilitation sprechen wollten (Sombart, Briefs) geäußert haben. In besonderer Hochschätzung Ihr sehr ergebener

(s) 1

(PT) E. Jünger (Hrsg.), Die Unvergessenen, Berlin / Leipzig: Wilhelm Andermann Verlag, 1928,399 S. 2 (PT) Herr Kollege Helmut Quaritsch (geb. 1930), nachdem er mir schon eine Ablichtung jener Seite zugeleitet hatte (Sendung vom 19. Oktober 1999), teilte mir am 16. November 1999 noch mit, daß das vierbändige Emigranten-Lexikon Casparys Namen nicht enthält. 3 (PT) A. Caspary , Zur Lehre vom angemessenen Preise. Versuch einer theoretischen Grundlegung und Kritik der deutschen Kriegsnotgesetzgebung, Kiel am 12. August 1921, 146 hektographierte S.; Doktorvater war Gustav Radbruch (1878-1949). Über Radbruch, vgl. u. a. Carlos Miguel Herrera , „Compromis politique et théorie juridique chez Gustav Radbruch", in: Revue F r a n 9 a i s e d'histoire des idées politiques (Paris), Nr. 11, 1. Semester 2000, S. 113-134 (und S. 185-189 die deutsche Originalfassung und die Übersetzung von zwei Briefen die Radbruch dem sozialdemokratischen Politiker Hermann Müller [18761931] 1928 bzw. 1929 zugeleitet hat). - Obschon C.S.s Aversion gegen Radbruch als bekannt vorausgesetzt werden darf, erlaube ich mir hinzuweisen auf einige Stellen in Armin Möhler (geb. 1920) (Hrsg.), Carl Schmitt - Briefwechsel mit einem seiner Schüler, Berlin: Akademie Verlag, 1995, 475 S.; z. B. S. 166-167 (Brief Nr. 130 vom 26. Juli 1954). Möhlers Briefedition wurde u. a. besprochen von Ingeborg Villinger (geb. 1946) in: Politische Vierteljahresschrift (Opladen/Wiesbaden), 37. Jahrg. Nr. 4, Dezember 1996, S. 793-794. 4 (PT) Harald Landry , „Philosophie", S. 242-277 in Siegmund Kaznelson (Hrsg.), Juden im deutschen Kulturbereich. Ein Sammelwerk, Berlin: Jüdischer Verlag, 2. stark erw. Ausg. = 1959, XX-1060 S.; dort S. 263. 5 (PT) a) Die veröffentlichten Bücher von Caspary: (a) Geschichte der Staatstheorien im Grundriß, Mannheim / Berlin / Leipzig: Bensheimer, 1924, VII-98 S.; (b) Die Maschinen-Utopie. Das Übereinstimmungsmoment der bürgerlichen und sozialistischen Ökonomie, Berlin: Verlag David, 1927, 101 S.; Nr 4 in der Reihe ,Die Theorie. Versuche zu philosophischer Politik'; (c) Wirtschafts-Strategie und Kriegsführung: wirtschaftliche Vorbereitung, Führung und Ausweitung des Krieges in geschichtlichem Aufriß, Berlin: Mittler, 1932, XII-166 S. Zum zweiten Buch schrieb mir Herr Tilitzki Folgendes: „Das schmale ,Utopie'-Bändchen von 1927 paßt übrigens ganz gut zu der von C.S. u. a. aufgemachten Gleichung, wonach Kapitalismus und Bolschewismus nur zwei Seiten der Weltverwüstung darstellen" (stets Brief vom 10. November 1999). Vgl. zu diesem Hinweis die Reflexionen C.S.s in: Glossarium, S. 84: Eintragung vom 16. Januar 1948. b) Einige Artikel von Caspary: (a) „Eine biologische Theorie des Totemismus", in: Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft, einschließlich der ethnologischen Rechtsforschung (Stuttgart), 42. Jahrg. Nr. 3, 1926-27, S. 430-465. (b) „Über Phänomenologie", in: Geisteskultur. Monatshefte der Comeniusgesellschaft für Geisteskultur und Volksbildung (Berlin), 36. Jahrg. Nr. 7 - 8 , 1927, S. 234-243; (c) „Versuch über den Begriff des Staatszweckrechts", in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft (Tübingen), 83. Jahrg. Nr. 2, Juni 1927, S. 225-240; (d) „Technik und Bevölkerungsvermehrung", in: Zeitschrift für Völkerpsychologie und Soziologie (Leipzig), 5. Jahrg. Nr. 2, Juni 1929 (ein Sonderdruck dieses

312

Briefe

Aufsatzes ist das einzige Dokument Casparys in C.S.s Nachlaß). Ferner soll Caspary in italienischen, französischen und schweizerischen Periodika Studien veröffentlicht haben (vgl. M. Voigts, op. cit. [FN 6 Punkt a)], S. 271. c) Leider sind Casparys Studien zur Staatslehre bislang nicht veröffentlicht; vgl. M. Voigts, op. cit. [FN 6 Punkt a)], S. 242. 6

(PT) a) M. Voigts, Oskar Goldberg. Der mythische Experimentalwissenschaftler. Ein verdrängtes Kapitel jüdischer Geschichte, Berlin: Agora Verlag, 1992, 375 S., Nr. 10 in der Reihe ,Canon - Literaturwissenschaftliche Schriften'; dort S. 164-167 („5.3. Hinweis auf Adolf Caspary"). Die Monographie enthält noch weitere Hinweise auf Caspary, z. B. S. 242 die Aufforderung von Thomas Mann (1875-1955) an die Exilzeitschrift „Maß und Wert" (Zürich) mitzuarbeiten und Casparys Ablehnung - Zu Voigts Monographie, vgl. die Besprechung von Uwe Steiner, „Wiederkehr eines Verdrängten? Zu M. Voigts Monographie über Oskar Goldberg", in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte [Leiden], 46. Jahrg. Nr. 1, 1994, S. 74-82; auf diese wichtige Besprechung machte mich Herr Andreas Raithel aufmerksam. b) Goldberg faßte den Pentateuch als die Auflösung einer Einheitszahl auf, „als der in Zahlenschrift umgesetzte, entfaltete Name JHWH". Dieser These wegen wurde er von Kennern der Kabbala weitgehend ignoriert; daher Goldbergs Enttäuschung: „ . . . Die W.d.H. [Die Wirklichkeit der Hebräer. Einleitung in das System des Pentateuch, 1925] ist nur durch Nichtjuden (Dacqué, Leisegang , Breysig, Carl Schmitt etc.) und nicht durch Juden bekannt geworden, ..." (M. Voigts, op. cit. [diese FN Punkt a)], S. 286). Tatsächlich hat Goldberg 1937 (?) einen Brief eines nicht genannten emigrierten Schüler C.S.s erhalten, in dem es heißt: „Aufmerksam gemacht wurde ich auf Sie und Ihr Werk ... durch einen christlichen, katholischen Soziologen und Juristen, meinen früher von mir geliebten Lehrer, Prof. Karl Schmitt..." (M. Voigts, op. cit. [diese FN Punkt a)], S. 218. 7 (PT) a) Es darf angenommen werden, daß eine erste Fassung gemeint ist von A. Caspary, „Über den Souveränitätsbegriff des römischen Rechts", S. 374-417 in Pietro Ciaspessoni (Hrsg.), Studi in memoria di Aldo Albertoni, Mailand: Cedam, 1937, Bd 2 („Diritto romano e binzantino") = 560. S., Bd 18 in der Reihe ,Studi di diritto privato italiano e straniero* - Ich bedanke mich beim Kollegen H. Quaritsch für die Beschaffung einer Ablichtung dieser Abhandlung (Sendung vom 22. Februar 2000). b) In diesem Aufsatz wird C.S. anerkennend erwähnt S. 376, 383 FN 7, S. 390 FN 17, S. 394, S. 417; erstaunlich ist jedoch die Bemerkung S. 415: „bis zu seiner [= C.S.s] Bekehrung zum Nationalsozialismus". 8 (PT) Das war wohl unmöglich; daher die verspätete Veröffentlichung im Rahmen einer Festschrift [FN 7 Punkt a)].

A 2. Von Wilhelm Fraenger (1890-1964) Der aus Erlangen stammende Wilhelm Fraenger hat in Heidelberg bei Henry Thode (1837-1920) und Carl Neumann (1860-1934) Kunstgeschichte, bei Friedrich Gundolf (1880-1931; vgl. Schmittiana IV, S. 281 FN 47) Literaturgeschichte studiert und schon 1913 eine Auszeichnung für eine Preisarbeit erhalten. Nach kurzer Tätigkeit als Assistent entschloß er sich, freier Schriftsteller zu werden. Langsam aber sicher entwickelte er sich zu einem originellen Meister der Volkskunde und Kunstgeschichte, ja zu einem Kulturhistoriker, wobei zu beachten ist, daß er sich mit vielen Nachbarwissenschaften (Theologie, Psychologie, Literaturwissenschaft, usw.) eingehend beschäftigt hat. Erst 1927 akzeptierte Fraenger eine neue Anstellung, und zwar als Direktor der Schloßbibliothek Mannheim. Der Ankauf der vielbändigen sowjetischen Enzyklopädie wurde ihm im März 1933 zum Verhängnis. Auf Betreiben der Nazis wurde er entlassen und wurden seine Bücher verbrannt.

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1938 - Fraenger saß ganz auf dem Trockenen - konnte sein langjähriger Freund Heinrich George (eig. Georg Heinrich Schulz; 1893-1946), der international anerkannte Schauspieler und Intendant, ihn als Mitglied des Beirats an das Berliner Schillertheater holen. Er hat ihn, trotz auf Entlassung zielender Anfragen des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels (1897-1945), bis zuletzt gehalten. Nach Kriegsende wählte man Fraenger zum Bürgermeister des westhavelländischen Dorfes Päsewin, aber noch im selben Jahr amtierte er schon als Stadtrat für Volksbildung und Kultur im benachbarten Brandenburg, um dann von Wolfgang Steinitz (1905 -1967) in das 1946 gegründete Institut für Volkskunde verpflichtet zu werden 1. Die wissenschaftliche Produktion Fraengers ist umfangreich 2. Als erster Einstieg in seine Themen und Entdeckungen ist eine Anthologie geeignet, zum korrekten Verständnis seines Arbeitsmethode ein Buch über die Radierungen des holländischen Malers und Graphikers Hercules Seghers (1590-1635) 3 . Jedoch ist vor allem seine Deutung des (Euvres von Hieronymus Bosch (eig. van Aeken; 1450-1516) heftig diskutiert worden 4, für die sich auch C.S. lebhaft interessiert und die er in zweifacher Hinsicht gefördert hat: (a) indem er nützliche Vorschläge unterbreitete 5; (b) indem er das Manuskript des ersten Buches gelesen hat und es sogar teilweise in Sicherheit brachte6. Es ist allerdings schade, daß wir die Umstände (noch) nicht kennen, die die Freundschaft Fraenger-C.S. herbeigeführt haben, obzwar sie über allen Zweifel erhaben ist (vgl. Schmittiana II, S. 155 FN 50, aber auch S. 156 FN 59). Indes wirft C.S.s Interesse für die Ergebnisse von Fraengers Bosch-Studien ein Licht auf seinen eigenen Hang zu Themen und Zusammenhängen, die gemeinhin als esoterisch und /oder gnostisch eingestuft werden7. Die inzwischen verstorbene Nachlaßverwalterin Fraengers, Frau Ingeborg Baier-Fraenger (1926-1994), hat mir schon vor Jahren den Abdruck der nachstehenden Briefe problemlos genehmigt, und der Vorstand der Wilhelm-Fraenger-Gesellschaft 8 hat diese Erlaubnis unter dem 13. März 1995 freundlicherweise bestätigt. Die Brief-Auswahl hat einen doppelten Zweck: Zum ersten belegt sie Fraengers Lektüre des Leviathan-Buches von C.S.9, zum anderen beweist sie das gute Verhältnis zwischen C.S. und Fraenger. - Die Fußnoten stammen von mir. P.T.

1.. Brief ( handschriftlich ) Päsewin (Westhavelland) 10 Tel. Nr. 4 14.1.44 Sehr verehrter, lieber Herr Professor! Seien Sie für Ihre freundlichen Zeilen schön bedankt, denen ich leider nur entnehmen mußte, daß auch Sie in Ihrer Beweglichkeit durch eine Armverletzung sehr behindert sind. M i r geht es ebenso: ich bin jetzt durch mein Rheuma derart lahm, daß ich beide Arme kaum mehr bis zur Ellenbogenhöhe hoch bekomme, also mich nicht mehr allein in Weste oder Rock hineinbugsieren kann 1 1 . Ich muß deshalb hier das feuchte Lehm- und Wasserloch so bald als möglich räumen und ich habe vor, mich in die Pfalz zurückzuziehen. Umso lieber wäre es mir, wenn ich Sie während Ihres Berliner Aufenthaltes eine halbe Stunde noch erreichen könnte. Ich

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möchte Sie dabei um ein paar Stichworte zur staatsrechtlichen Bibliographie bitten dürfen. Sie können mir die benötigten Titel aus dem Ärmel schütteln, deren Aufsuchen mir, zumal jetzt keine Bibliothek mehr funktioniert, größte Umstände machen würde. Ich habe vor, mich von dem harten Knechtedienst am Hieronymus ein bischen zu erholen und Fachliches über die Stränge zu schlagen. Da mich nun im St. [?]-Krankenhaus Ihr Leviathan wieder sehr aufgerüttet hat - er war mit dem »Tibetanischen Totenbuch 412 meine einzige Nachtlektüre - habe ich mir so ein paar Harpunen zurecht überlegt, die ich - um mich selber wieder nach der schweren Arbeit flott zu machen - gern loslassen möchte. Aber ich wünschte da noch ein paar Sicherungen aus Ihrer Fallrecherchen. Sollte es Ihnen möglich sein, mich zu empfangen, so wäre ich Ihnen für eine telefonische Verständigung sehr dankbar (Nr. 4). Meine Leitung ist zwar z.Zt. gestört, aber das Postamt Päsewin konnte mir Ihre Mitteilung ausrichten lassen. Es freut mich, daß Ihnen der Hochmeister gefallen hat 13 , der dann im Folgenden in seiner Art des Zusammenarbeitens mit dem Maler methodisch instruktiv herausgearbeitet wird. Auch serviere ich zum Schluß ein großartiges Selbstporträt von Bosch auf dem Mittelbild, so daß also alles Wünschbare vereinigt ist. Mit den besten Empfehlungen Ihr (s). 2. Brief ( handsch riftlich ) Brandenburg, Burgstraße 15 30. Juni 194714 Lieber Herr Professor! Zu Ihrem Geburtstag begrüsse ich Sie mit dem herzlichsten Glückwunsch. Wie gern hätte ich Ihnen das fertige Buch 15 zu diesem Tage überreicht, aber - obwohl in Süddeutschland die Auslieferung bereits erfolgte - ist noch kein Exemplar in meine Hand gelangt. Ich wollte Sie vergangene Woche in Berlin besuchen, fand aber, was mir wahrhaft in das Herz schnitt, Alles ausgeräumt16. Doch auch ich selber gehe jetzt ans Räumen und löse meinen hiesigen Haushalt auf, um mich fürs nächste ganz unabhängig nur der Arbeit an dem 2. Band zu widmen 17 . In Holland hat ein Korrekturexemplar, das ich einem Freunde schickte, die erstaunliche Folge gehabt, daß ein Amsterdamer Verlag sofort eine deutsche Parallelausgabe herausbringt und daß ich von dem Europese Werkkring eine Einladung nach Holland bekam, zusammen mit Romano Guardini , Ernst Hoffmann, Walter Otto, Lillje - Hannover und Lewald - Basel 18 , die dort Vorträge halten sollen. Ich werde dabei über den „TISCH DER WEISHEIT" sprechen und über „DIE HOCHZEIT VON ΚΑΝΑ ALS GNOSTISCHES MYSTERIUM" 1 9 . Hoffentlich bahnen sich darüber hinaus noch förderliche Wege an, die es mir möglich machen, nach Lissabon zu kommen und in Venedig den St. Julian-Altar im Original zu sehen. Es traf sich ausgezeichnet, daß ein Schüler Huizingas 20 der Niederländ. Militärmission in Berlin attachiert ist, der sich aufs lebhafteste für meine Arbeit interessiert. Nur leider ist Huizinga

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selbst im letzten Kriegsjahr gestorben. Seien Sie, lieber Herr Professor, doch so freundlich, mir die Adresse Ernst Jüngers 21 mitzuteilen, dem ich gleich ein Exemplar übersenden lassen möchte. Vor allem aber hoffe ich, Sie bei meiner Reise nach Holland in Plettenburg besuchen zu können, von dem ich nur leider nicht weiß, wo ich das PI. I u Π auf der Landkarte zu suchen habe22. Sollte ich Ihnen gelegen kommen, so lassen Sie mich doch wissen, wie ich Sie erreiche. Mit allen guten Grüßen und Wünschen, Ihr (s) 1 (PT) Für biographische Einzelheiten, vgl. W. Fraenger, Eine Sammlung von Erinnerungen, Amsterdam/Bonn: Castrum Peregrini Presse, 1964, 132 S. 2

(PT) Vgl. das Schriftenverzeichnis in der von der Pirckheimer Gesellschaft hrsg. Zeitschrift: Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie (Wiesbaden), Nr. 49, 1973, S. 45-68. 3 (PT) a) W. Fraenger, Von Bosch bis Beckmann. Augewählte Schriften, Köln: Dumont Buchverlag, (1977) 1985, 342 S., Nr. 161 in der Reihe ,Dumont Taschenbücher4. b) W. Fraenger, Die Radierungen des Hercules Seghers. Ein physiognomischer Versuch, Leipzig: Reclam, (1922) 1986, 116 S., Nr. 1068 in der Reihe ,Reclams Universalbibliothek'. 4

(PT) a) Die Arbeiten Fraengers zu diesem Thema sind postum zusammengetragen: Hieronymus Bosch, Dresden: VEB Verlag der Kunst, (1975) 1985, 516 S. Der Band enthält die nach 1945 von Fraenger herausgegebenen zwei Bosch-Bücher: (a) S. 9-144: Hieronymus Bosch. Das Tausendjährige Reich. Grundzüge einer Auslegung (Coburg: Winkler Verlag, 1947, 142 S. und 15 Tafeln; 2. vom Autor veränderte Ausg. in: Castrum Peregrini [Amsterdam], Nr. 8 6 - 8 7 - 8 8 , 1989, 222 S.); (b) S. 145-225: Die Hochzeit zu Kana. Ein Dokument semitischer Gnosis bei Hieronymus Bosch (Berlin: Verlag Gebr. Mann, 1950, 127 S., Nr. 6 in der Reihe »Kunstwerk und Deutung'). b) Die Kritik bemangelt(e) vor allem die von Fraenger an Hand vieler Indizien (keine Beweise!) gezogene Schlußfolgerung, Bosch habe im Auftrag des Hochmeisters eines Geheimbundes, in concreto einer jüdisch-christlichen Sekte gearbeitet. Statt vieler und weil er unser Wissen um die ,Brüder und Schwester des Freien Geistes' gut zusammenfaßt, empfehle ich den akademischen Vortrag des flämischen Kunsthistorikers Léo Van Puyvelde (1882-1965), „De bedoelingen van Bosch", in: Mededelingen der Koninklijke Nederlandse Akademie van wetenschappen, afd. Letterkunde (Amsterdam: Noord-Hollandsche Uitgevers Maatschappij), N.S. Bd 19, Nr. 2, 1956, S. 89-118 (These: Bosch hatte nichts mit irgendeinem Geheimorden zu tun, sondern war ein moralisierender Humorist). 5 (PT) Beispielsweise bedankte sich Fraenger für zwei Hinweise, die er nachgegangen und übernommen hat (Postkarte vom 28. Januar 1944).

6 (PT) Sein flämischer Schüler Emiel Roos (1914-1962; vgl. Schmittiana IV, S. 285 FN 2) hat Unterteile des Manuskripts des Fraenger'sehen Buches nach C.S.s Geburtsort Plettenberg [FN 22] in Sicherheit gebracht. 7 (PT) P. Tommissen, „Erster Einstieg in zwei Desiderate der Carl-Schmitt-Forschung", S. 565-602 in Dietrich Murswiek (geb. 1948), Ulrich Storost (geb. 1946) und Heinrich Amadeus Wolff (geb. 1965) (Hrsg.), Staat - Souveränität - Verfassung. Festschrift für Helmut Quaritsch zum 70. Geburtstag, Berlin: Duncker & Humblot, 2000, VIII-721 S.; dort S. 580589. Im Nachhinein bedauere ich, nicht auf Fraengers Bosch-Studien hingewiesen zu haben. 8 (PT) Diese in Potsdam (Tschaikowskiweg 4) etablierte Gesellschaft organisiert regelmäßig Salons und Soirées, jedoch auch (im Zusammenarbeit mit anderen Vereinen) größere Veranstaltungen, z. B. im Oktober 1999 eine Tagung über den preußischen Stil (Oktober 1999) und im März 2000 ein Stefan-George-Kolloquium.

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(PT) C.S., Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes. Sinn und Fehlschlag eines politischen Symbols (hrsg. von Günter Maschke [geb. 1938]), Köln: Hohenheim-Verlag, (1938) 1982, 244 S., in der Reihe ,Edition Maschke'. - Vgl. in diesem Band, S. 417. 10 (PT) Als seine Berliner Wohnung (Marchstraße 15 A in Charlottenburg) von Bomben zerstört wurde, zog Fraenger sich in Päsewin zurück. 11

(PT) In Wirklichkeit litt Fraenger an der Bechterewschen Krankheit.

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(PT) W.Y. Evans-Wentz (Hrsg.), Das tibetanische Totenbuch, [mit einem psychologischen Kommentar von Carl Gustav Jung (1875-1961)], Zürich / Leipzig: Rascher Verlag, 1936, 163 S. π (PT) Vgl. op. cit. [FN 2 Punkt a) die erste Edition des unter (a) genannten Buches]. 14 (PT) Aus einem Vermerk geht hervor, daß C.S. diesen Brief erst am 24. November 1947 beantwortet hat; es ist aber möglich, daß Fraengers Schreiben wochenlang unterwegs gewesen ist. 15 (PT) Vgl.FN 13.

16 (PT) a) Frau Schmitt (geb. Duschka Todorovic; 1903 -1950) hat die Berliner Wohnung (Schönerer Zeile 19 in Schlachtensee) 1947 tatsächlich in Phasen geräumt. b) Noch am 2. Mai 1947 hatte Fraenger C.S. zur Ausstellungseröffnung des Malers Curt Ehrhardt - „eines heutigen H. Bosch" - eingeladen (maschinenschriftlich; Briefkopf: Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands. Kultur - Kreis /Bezirk Brandenburg). Anscheinend waren ihm die Erfahrungen C.S.s (Camp in Berlin; Verhöre in Nürnberg) nicht zu Ohren gekommen. Ob sie seine Beziehungen zum Staatsrechtler beeinträchtigt haben, als er davon erfuhr, vermag ich nicht zu sagen.. π (PT) Vgl. FN 4: Punkt a); dort das unter (b) erwähnte Buch. 18

(PT) a) Es handelt sich um den katholischen Theologen Romano Guardini (1885 — 1968; vgl. Schmittiana V, S. 155 FN 19 Punkt b), den Altphilologen und Religionsforscher Walter Otto (1874-1958), den evangelischen Bischof Johannes (genannt: Hanns) Lilje (1899-1977) und den Juristen Walter Lewald (1887-1986; vgl. Schmittiana V, S. 187 FN 119 Punkt a). Nur Ernst Hoffmann kann ich nicht unterbringen. b) Die Einladung hat für Fraenger eine erfreuliche Konsequenz gehabt: Er wurde 1951 Mitbegründer der Zeitschrift „Castrum Peregrini" (Amsterdam), in der viele Beiträge von ihm erschienen sind: vgl. u. a. FN 4 Punkt a) die 2. Ausg. des unter (a) genannten Buches; auch FN 21. 19 (PT) Diese Vorträge sind wohl in späteren Arbeiten eingegangen. 20 (PT) Gemeint ist der niederländische Historiker und Kulturphilosoph Johan Huizinga (1872-1945). Er hat sich zweimal mit C.S. befaßt: (a) Homo ludens. Proeve eener bepaling van het spelelement der cultuur (1938), S. 26-246 in: Verzamelde werken, Haarlem: Tjeenk Willink, Bd V = 1950, XI-490 S. (dort S. 242); (b) In de schaduwen van morgen. Een diagnose van het geestelijk lijden van onzen tijd (1935), in: S. 313-428 in: Verzamelde werken, Haarlem: Tjeenk Willink, Bd 7 = 1950, VIII-616 S. (dort S. 371). Merkwürdigerweise wurden die C.S. betreffenden Stellen des Buches (a) in französischer Sprache übersetzt: „Le droit et la force", in: Civilisations (Paris), 2. Jahrg. Nr. 9, 1939, S. 3 - 5 . - Ohne den Beweis anzutreten hat der Schweizer Historiker Werner Kaegi (1901-1979) behauptet, der öffentliche Verkauf der deutschen Übersetzung von Buch (b) sei von den Nazis untersagt worden, um der Polemik gegen C.S. willen: Das historische Werk Johan Huizingas, Leiden: Universitaire Pers, 1947, 37 S. (dort S. 28). - Vgl. jetzt Helmut Quaritsch (geb. 1930), „Eine sonderbare Beziehung: Carl Schmitt und Erich Kaufmann S. 71 - 8 7 in Martin Dreher (Hrsg.), Bürgersinn und staatliche Macht in Antike und Gegenwart. Festschrift für Wolfgang Schuller zum 65. Geburtstag, Konstanz: Universitätsverlag, 2000, XIII-327 S.; dort S. 80-82.

21 (PT) Fraengers Name kommt in den Tagebüchern Ernst Jüngers (1895-1998) nicht vor. Etwaige Kontakte könnten jedoch durch den österreichischen Zeichner Alfred Kubin (1877-1959) vermittelt worden sein. Kubins Briefwechsel mit Jünger liegt geschlossen

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(Eine Begegnung, Berlin: Propyläen, 1975, 119 S.), dieser mit Fraenger nur auszugsweise vor (in: Castrum Peregrini [Amsterdam], 35. Jahrg., Nr. 173-174, 1986, S. 53-71). 22 (PT) Damals umfaßte C.S.s Geburtsort noch zwei getrennte Teile: Plettenberg I (sozusagen das Zentrum) und Plettenberg II (genannt Eiringhausen; hier hat C.S. seine Jugend verbracht und nach dem Zweiten Weltkrieg gelebt).

A 3. Von Victor Leemans (1901 -1971) Der Lebenslauf dieses Flamen darf getrost als erstaunlich bezeichnet werden. Denn der Müllersohn Leemans fing als Schulmeister an und verbrachte die Ferien stets in Deutschland. Ohne Vorlesungen zu besuchen studierte er Soziologie an der ,Ecole des Hautes Etudes sociales* in Paris und promovierte über zwei Themen: 1931 über Presse und Universität in Deutschland und 1932 über Ferdinand Tönnies (1855-1936) l . In den dreißiger Jahren galt er als der geistige Mentor vieler Hochschulstudenten in Löwen und Gent. Dazu trugen die von ihm geleitete Wochenschrift „Jong Dietschland" und Vortragsreihen 2 maßgeblich bei. Auf Grund dieser regen Tätigkeit und ihrer Erfolge hat er in Flandern das an den damals noch überwiegend französisch orientierten Universitäten kaum zur Kenntnis genommene deutsche soziologische Denken eingeführt und darüber hinaus, mit seiner Berichterstattung in Zeitschriften und Zeitungen, aber auch in Büchern und Broschüren, die neuen weltanschaulichen Richtungen und erst recht die Parolen der konservativen Revolution und die Notwendigkeit einer neuen Ordnung popularisiert. Dieser Ideenvermittler trat dem V.N.V.3 bei und leitete 1936-40 das ,Arbeitsorde\ die Gewerkschaft dieser nationalistischen Partei. Während des Zweiten Weltkriegs amtierte er als Staatssekretär des Belgischen Wirtschaftsministeriums und enttäuschte den V.N.V. Nach Kriegsende wurde er verhaftet. Auch verlor er seine Frau unter tragischen Umständen. Er wurde straffrei aus der Haft entlassen. 1949 verhalf ihm die C.V.P. (= Christelijke Völkspartij) zu einem Sitz im belgischen Senat. Dieser zweite Start kam einer Mutation gleich: Von seinen alten Steckenpferdchen und von seinem ehemaligen flämischen Nationalismus4 war nicht mehr die Rede. Dem Europarlament in Straßburg, dem er ab 1958 angehörte, saß er 1965 — 66 vor. Nebenbei schrieb er einige beachtenswerte Bücher über Karl Marx (1818- 1883), Sören Kierkegaard (1813- 1855), das 19. Jahrhundert im allgemeinen, sowie Beiträge in Zeitschriften, und fast jede Woche einen Artikel in der Tageszeitung „De Standaard"5. Schon im Jahre 1926 stellte Leemans im Rahmen einer Artikelserie über bedeutende Menschen C.S. der flämischen Leserschaft vor 6 . 1933 erschien sein Buch über C.S., übrigens die erste Monographie über den Gelehrten7. Nachher hat er sich noch oft zu C.S. geäußert, vor allem in Buchrezensionen. Den zugesagten Beitrag für die erste (ungedruckt gebliebene) Festschrift hat er nicht eingereicht (Schmittiana IV, S. 154 ), aber bei der Überreichung (in Düsseldorf) der zweiten (also der ersten gedruckten) war er, in Begleitung seines Verlegers Albert Pelckmans (1910- 1994), zugegen. Ich habe mich für den nachstehenden Brief entschieden, weil er einige interessante Bausteinchen für eine korrekte Rekonstruktion des Denkens C.S.s im Krieg enthält, d. h. Stellen, worauf ich schon anderwärtig aufmerksam gemacht habe8. Das Original befindet sich im C.S.-Nachlaß (Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Sign.: RW 2 6 5 - 2 0 3 / / Κ 8) - Nur kleinere Schnitzer wurden berichtigt. Sämtliche Fußnoten sind selbstverständlich von mir. P.T.

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SENAAT

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Berchem-Antwerpen, 17. August 50 8 Prins Albertlei

Lieber Herr Schmitt, an das Gespräch von Anfang ,439 habe ich noch öfters zurückgedacht; auch noch in den letzten Tagen während ich daran war, von Tocqueville L'Ancien Régime et la Révolution 10 zu lesen. (Ein Buch von ihm, das ich nicht kannte und das beinahe so aktuell ist wie „La Démocratie en Amérique"). In klarer Erinnerung habe ich auch unser Gespräch von 1941, als Sie mir sagten: „Wir haben kein Reich mehr, nur noch einen Führer. Die Rechtssicherheit ist dahin." 11 Und dabei erzählten über die Besuche und Versuche von Mölders 12 u. a. um einen anderen Weg zu gehen. Ihre Anerkennung meines Buches13 hat mir ganz besonders gefreut. Von der Wochenschrift „De Vlaamse Linie" erhielt ich den letzten Tage zur Besprechung „Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft" 14. Ich hoffe in der nächsten Woche die Lektüre anzufassen. Nach den letzten Ereignissen in Belgien bin ich besonders gespannt auf die Lesung; und umso mehr noch, nachdem ich Ihren Brief an die „Zeit" gelesen habe 15 . Ich glaube, daß Ihre Diagnose richtig ist. Es fragt sich aber ob man nachgeben muß und ob die Legitimität keine andere gegenüber gesetzt werden kann, die auch legal die Sicherheit wiederherstellt - wenigstens in dem Raum wo[rin] wir leben. Das Vorherrschen der »Legitimität* steht ja gleich mit der völligen »Unsicherheit" ... Ich habe noch immer die Hoffnung mal 14 Tage auf Urlaub zu gehen und Sie dann aufzusuchen und diese Fragen weiter durchzusprechen. Ich freue mich sehr darüber, daß Sie bei der Arbeit sind und bin äußerst gespannt auf Ihre neuen Schriften. Auch ich wünsche nur wieder ins Gespräch zu kommen; und dadurch aus der vielen sinnlosen Arbeit, die man machen muß, herauszutreten. Nichts nützt uns mehr als die Pause, und ab und zu eine schöpferische Pause. Ich habe während einer längeren Krankheit viel Péguy 16 gelesen, West-östlicher Divan und Faust I. Über die Tagebücher von Gide , Mauriac und Jünger habe ich einen Aufsatz geschrieben, der im nächsten Monat erscheinen wird 17 . Bei aller Anerkennung habe ich auch einige kritische Bemerkungen gegen Jüngers Tagebuch geäußert und freue mich schon darüber Ihre Meinung zu kennen. Mit herzlichen Grüßen Ihr

(s). 1

(PT) V. Leemans, (a) Pers en universiteit in Duitsland. Een inleidende Studie, Kortrijk: Steenlandt, 1932, 126 S. + 5 S. Tabellen (die französische Originalfassung ist nicht als Buch erschienen); (b) F. Tönnies et la sociologie contemporaine en Allemagne, Paris: Alean, 1933, X-125 S. (Doktorvater: Professor René Maunier [1887-1946]; es gibt eine niederländische Übersetzung [1932]).

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2

(PT) Während eines Verbleibs in einem deutschen Sanatorium (er war an Tuberkulose erkrant) hat Leemans seine in der Studentengesellschaft ,De Politieke Academie' gehaltenen Vorträge zu einem Buch ausgearbeitet: Politieke sociologie, Kortrijk: Steenlandt, 1936, 394 S., in der Reihe ,De Politieke Academie. Studies over Staat en volk'. Über die Gesellschaft und Leemans' Rolle, vgl. meine Studien „De Politieke Academie, een door het wetenschappelijk onderzoek verwaarloosd tussenoorlogs initiatief" und „De Politieke Academie, aanvullingen en een toemaatje", in: A.K.V.S.-Schriften (Brüssel), Nr. 28 bzw. 31, April 1994 bzw. November 1995, S. 5 - 2 1 bzw. 42-50. 3

(PT) Der V.N.V (= Vlaamsch Nationaal Verbond) wurde 1933 gegründet. Die Partei hatte ihre Vertreter im belgischen Parlament. Nach der Kapitulation der belgischen Armee (Mai 1940) entschloß sie sich zur Zusammenarbeit mit dem Dritten Reich. Diese weitgehende Kollaboration wurde ihren Mitgliedern nach Kriegsende zum Verhängnis: Vor allem in den ersten Jahren fielen sie einer sowohl willkürlichen als gnadenlosen sog. Repression zum Opfer. 4

(PT) In der Vorkriegszeit hat Leemans auch in Deutschland über die flämische Problematik im belgischen Staat geschrieben: (a) „Von dem Kampfe der flämischen Jugend", in: Abendland (Bonn), 3. Jahrg. Nr. 2, November 1927, S. 48-50; (b) „Aus der Gedankenwelt der flämischen Jüngeren", in: Volk und Reich (Berlin), 3. Jahrg. Nr. 12, Dezember 1927, S. 595-601; (c) „Zur Geschichte und Philosophie des flämischen Befreiungskampfes", in: Hochland (München), 26. Jahrg. Nr. 6, März 1929, S. 561-577; (d) „Zur soziologischen Gliederung Flanderns", in: Süddeutsche Monatshefte (München), 26. Jahrg. Nr. 5, 1929, S. 563-566; (e) „Zur Soziologie des flämischen Nationalismus", in: Europäische Revue (Berlin), 10. Jahrg. Nr. 6, Juni 1934, S. 344-347. 5

(PT) Für weitere Einzelheiten über Leemans, vgl. meinen Artikel in: Nationaal Biografisch Woordenboek, Brüssel: Koninklijke Academién van Belgié, Bd 12 = 1987, Sp. 423434. 6 (PT) V. Leemans, „Mannen van Beteekenis. V : Prof. Dr. Carl Schmitt", in: Het Vlaamsche Land, 8. Jahrg. Nr. 29, 33 und 34, 10. Juli/14. August/21. August 1926, S. 376-377, 424-425 bzw. 436-438. 7 (PT) V. Leemans, Carl Schmitt. Bijdrage tot de sociologie van Staat en politiek, Antwerpen: De Sikkel + Den Haag: Belifante, 1933, VII-96 S., in der ,Vlaamsche rechtskundige bibliotheek'. Es gibt auch deutsche Rezensionen dieser Monographie: (a) Franz Große in: Europäische Revue (Berlin), 10. Jahrg. Nr. 1, Januar 1934, S. 62-63; (b) B.: „Ein Flame über Carl Schmitt", in: Kreuzzeitung, Nr. 35 vom 10. Februar 1934; (c) χ in: Nation und Staat (Wien), 7. Jahrg. Nr. 10 -11, Juli-August 1934, S. 719. β (PT) Vgl. FN 2. 9

(PT) Im August 1943 befand Leemans sich in Berlin, an der Spitze einer belgischen Delegation, die Protest einlegte gegen den von Fritz Sauckel (1894-1946), dem Generalbevollmächtigden für den Arbeitseinsatz, angeordneten Pflichteinsatz (d. h. Zwangseinsatz) belgischer Arbeiter in Deutschland. 10 (PT) Alexis de Tocqueville (1805- 1859), L'Ancien Régime et la Révolution, Paris: Lévy, (1856) 1860,11-475 S. Über den Autor, vgl. in diesem Band, S. 105 - 109. 11

(PT) Über diese Begegnung von C.S. und Leemans habe ich keine Einzelheiten gefun-

den. 12 (PT) Gemeint ist wohl der bekannte Jagdflieger Werner Mölders (1913-1941), der erste Träger des Ritterkreuzes mit Eichenlaub, Schwertern und Brillanten. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß der britische Geheimdienst, anhand eines gefälschten Briefes, Mölders' Absturz als ein Märchen bezeichnet hat: Er soll beseitigt worden sein. 13 (PT) V. Van Waas (= V. Leemans), Schermutselingen, Antwerpen: De Nederlandsche Boekhandel, 1948, 201 S. Es handelt sich um eine Sammlung bereits in Zeitschriften erschienener Studien.

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η (PT) Pater D. Butaye S.J. teilte mir unter dem 13. April 2000 mit, daß das Büchlein am 2. Juni 1950 bei der Redaktion der Wochenschrift „De Vlaamse Linie" eintraf, jedoch nicht besprochen wurde. (PT) Dieser Brief ist mir unbekannt. 16

(PT) Mittels seiner Schriften und der von ihm herausgegebenen ,Cahiers de la Quinzaine' hat Charles Péguy (1873-1914 gefallen) in Frankreich einen großen Einfluß ausgeübt. Vgl. u. a. Hermann Platz (1880-1945), Geistige Kämpfe im modernen Frankreich, München: Kösel & Pustet, 1922, XIX-672 S.; dort S. 412-433: „XIV. Péguy und sein Kreis im Kampf um die religiöse Idee". Über Platz, vgl. Vincent Bertling (geb. 1933) (Hrsg.), Hermann Platz 1880-1945. Eine Gedenkschrift, Düsseldorf: Patmos Verlag, 1980, 164 S. π (PT) V. Leemans, „Wijsheid aan de lopende band", in: Kultuurleven (Löwen), 17. Jahrg. Nr. 9, November 1950, S. 671 -675. Es werden die Tagebücher der französischen Schriftsteller André Gide (1869-1951) und Francis Mauriac (1885-1970) und diese von Ernst Jünger (1895-1998) unter die Lupe genommen.

A 4. Von Herbert Nette (1902-1994) Oft ist es nicht möglich, die Anfänge der Kontakte zwischen C.S. und seinen Gesprächspartnern zu eruieren und ebenso oft ist es schwierig, zuverlässige Auskunft über diese Gesprächspartner einzuholen. Aber in diesem Fall war das Glück mir hold! Das hängt damit zusammen, daß ich Nette noch kontaktieren konnte und von ihm Informationen erhalten habe. Zu seinem Lebensweg schrieb er mir am 22. Februar 1992: „ich wurde geboren am 14. 3. 1902 in Oberhausen (Rheinland; [eig. Oberhausen-Sterkrade]). Studierte Geschichte, Germanistik und Rechtswissenschaft. Dr. jur. 1 Feuilletonredakteur des ,Darmstädter Tagblatts' von 27-41; 41 - 4 3 der,Kölnischen Zeitung'. Kriegsdienst. 46-49 Literarischer Leiter des Classen-Roether Verlags 2, Darmstadt. 50-51 Feuilletonredakteur der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung'. 54-73 Cheflektor des Eugen Diederichs Verlags, Düsseldorf, in dem ich einige Bücher veröffentlichte. Danach schrieb ich für Rowohlt 4 Bildmonographien ..." Dem ist hinzuzügen, daß Nette verheiratet war (seine Frau starb im Sommer 1991) und zwei Kinder hatte, daß er 1955-77 dem P.E.N.-Klub angehört hat und im Verlag von Mitarbeiterinnen) Unterteile des Manuskripts von C.S.s Büchlein über Donso Cortés abtippen ließ3. Wie es zum Treffen mit C.S. gekommen ist, erfahren wir aus dem Brief, den Heinrich Gremmels C.S. am 16. September 1947 zugeleitet hat: „Dr. Herbert Nette, der literarische Leiter des Verlags Ciaassen & Würth Darmstadt, den ich bei Ernst Jünger kennenlernte und mit dem ich seither im Briefwechsel stehe, äußerte den Wunsch, Sie durch mich kennenlernen zu dürfen." (vgl. in diesen Band, S. 63). Im soeben benutzten Brief vom 22. Februar 1992 fährt Nette folgendermaßen fort: „ . . . Wir haben uns dann öfter gesehen, beim ,Darmstädter Gespräch', in Wiesbaden zu Hans Freyers (1887-1969; vgl. Schmittiana IV, S. 151 FN 64 Punkt d, sowie Schmittiana VI, S. 203 FN 31) Geburtstag und einen Tag in Plettenberg, wohin er mich eingeladen hatte. Mehrere Tage war er in Düsseldorf, als ich sein Buch ,Hamlet oder Hekuba?' verlegte 4. Im Gespräch war er immer überaus höflich, in der Sache klar und bestimmt, wobei er seine ungemeine Belesenheit bewies. Bei all dem - das wird Sie enttäuschen - haben wir nie ein Wort über Politik gesprochen. So habe ich z. B. erst aus seinem »Glossarium' erfahren, daß er in Nürnberg fast zwei Jahre in automatischer Zeugenhaft war, bis ihn der amerikanische Ankläger Kempner freisprach 5." Nette hat ziemlich viel veröffentlicht: Sammelbände (z. B. Grundstock einer Bibliothek. Führer durch wertvolle Literatur, Friedrichsssegen/Lahn: Folkwang-Auriga-Verlag 1928,

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173 S.; Adieu aux belles choses. Eine Sammlung letzter Worte, 1971), Neuauflagen berühmter Schriften (z. B. Goethe [1749-1832]; Reden, 1947; Wilhelm von Humboldt [17671835], Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues, 1949; Georg Christoph Lichtenberg [1742- 1799], Aphorismen, Briefe, Satiren, 1982), die von ihm genannten Bildmonographien (Friedrich II. von Hohenstaufen, Jeanne d'Arc, Karl V., Elisabeth I., alle Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1975, 1977, 1979, 1985, Nr. 222, 253, 280 und 311 in der Reihe ,Rowohlts Monographien 4, 157-156-151 -157 S.); eigene sprachtheoretische Studien (z. B. Wort und Sinn. Von den Elementen der Sprache, Fulda: Parzeller, 1946, 63 S.).6 Das soeben erwähnte Büchlein ist von Jüngers „Lob der Vokale447 angeregt worden. Sein Thema kommt im Briefwechsel Nette-C.S. immer wieder zur Sprache. Aber im Briefwechsel ist ebenfalls die Rede von Johannes Arnold Kanne [1773-1824] 8 , von den Sprachforschungen von Jost Trier [1894-1970; vgl. Schmittiana III, S. 86 FN 46), von Bernard de Mandevilles [1670- 1733] „Bienenfabel 449, von Ernst Hüsmerts (vgl. FN 10 und Brief Nr. A 6: Anlage) poetische Begabung, sowie von einem Plan, „einige unbekannte Dichter mit wenigen, aber starken Proben anonym in einem Band zu vereinigen44 (Brief vom 14. Mai 1954)10. Nette war mit dem Abdruck aller Briefe einverstanden (Brief vom 22. Februar 1992), aber Platzmangel zwingt zur Beschränkung. Infolgedessen teile ich bloß den handschriftlichen Brief vom 11. Oktober 1948 mit, schon deswegen, weil er mehrere Punkte berührt. P.T

Darmstadt, 11. Okt. 48 Rosenhöhe Lieber und verehrter Herr Professor Schmitt, ich schreibe, zwischen zwei Klubsessel gelagert, in der unbequemsten Lage: ich habe mir vor 10 Tagen durch eine unglückliche Bewegung einen Meniskus-Riß zugezogen und mein eines Bein steckt in Gips von der Hüfte bis zum Knöchel. So kommt mein Dank für Ihren Brief vom 30. September etwas verspätet. Die Zusendung des Buches von Walter Rehm11 geht nicht auf eine Veranlassung von mir zurück; ich selbst kenne es noch nicht und habe von Dr. Rima lange nichts gehört 12 . Aber ich habe ihm jetzt geschrieben und ihm mitgeteilt, daß Sie sich über die Zusendung des Buches gefreut haben; auch daß Sie keine Besprechung vornehmen können 13 . Morgen werde ich ihm noch Ihren Donoso-Cortés-Wo rtrag 14 in Ihrem Auftrag und zur Weiterleitung an W. Rehm schicken (über dessen Person ich Ihnen zunächst nichts sagen kann; doch habe ich Dr. Rima auch danach gefragt.) Die Abschriften Ihres Ms sind mir für morgen zugesagt. Hoffentlich genügt die Anzahl; ich selbst möchte mir gerne einen Durchschlag zurückbehalten, einen hat mir Herr Pflügge 15 abgebettelt, und einen schicke ich, wie gesagt, an Rima. Den Vortrag selbst finde ich außerordentlich. Ich meditiere immer wieder über die Perspektiven, die mir hier erstmalig aufgegangen sind. So war mir die Bedeutung der 48er Revolution bisher nie klar geworden 16. Die Lektüre traf mich über der Abfassung eines Vorwortes zu einer Fallmerayer-Ausgabe, die ich für einen Stuttgarter Verlag besorge 17. Sie veranlaßte mich, meine Berichte über die histo21 Schmittiana VII

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Briefe

risch-politi sehen Tendenzen Fallmerayers zu überprüfen. Wenn er etwa in seinem Aufsatz „Zar, Byzanz und Okzident" aus dem Jahre 1850 neben die beiden Weltmächte Rom und Moskau als dritte die Revolution stellt, so erscheint mir das jetzt in neuem Licht 1 8 . Aber das ist nur ein beiläufiger Ertrag der Lektüre Ihres Vortrags, der mich auch weiterhin beschäftigen wird. Von der Arbeit am Eigentum bin ich immer noch abgehalten, vor allem durch die Vorbereitung von Humboldts Sprachwerk, zu dem ich ein ausführliches Nachwort schreiben muß 19 . Es nimmt viel Zeit in Anspruch, denn es zeigt sich, daß die Sprachwissenschaft und auch die Philosophie seit einem Jahrhundert in einer Art respektvoller Verlegenheit um Humboldt herumgegangen ist. Sein philologisches Werk steht zwischen Mystik und Positivismus genau in der Mitte; es ist eine geistige Sprachforschung und in vielem ein Gegenstück zu Goethes Metamorphose der Pflanzen 20, für die ja auch keine Disziplin zuständig ist. Aber im Spätherbst und Winter hoffe ich wieder zu meiner Wort-Genetik zu kommen. Man muß da viel probieren und versuchen und mit dem Wachsen des Materials wird allmählich eine Methode entstehen. Vielleicht schreibe ich zunächst eine Art Programm mit Angabe der Richtung, in der die einzelnen Untersuchungen vorgetrieben werden müßten. Dabei wären auch die Vorsichtsmaßregeln anzugeben. Bei der Lautdeutung etwa ist davon auszugehen, daß in jedem entscheidenden Falle der Laut von der begrifflichen Bedeutung unabtrennbar ist. Doch geschieht da oft ein späterer Bann, der dem Laute seine Bedeutung aufzwingt und aus vielen seiner Möglichkeiten eben diese realisiert. Dies oft - wie ein Gedicht - aus der Ganzheit eines Gefüges heraus, also nicht in isolierter Innenbeziehung eines einzelnen Wortes. Oder etwa zum unendlich komplizierten Problem der Lautverschiebungen: Die Erwägung des Einwandes, den Rudolf Pannwitz mir nannte21, daß dabei in manchen Fällen der alte Lautsinn verloren geht, ohne daß der neue gewonnen wird. Andererseits gibt es sicher viele Wurzeln oder Wörter, deren Kern unabhängig von der Lautverschiebung bestehen bleibt, und die ihn dann wie Konstellationwerk (vgl. Astrologie) nur abwandeln. Ich lege Ihnen noch das großartige Stück von Konrad Weiß 22, von dem ich mir eine Abschrift nahm, bei. Entschuldigen Sie, daß ich es so sehr lange behielt. Zu meiner Enttäuschung: das letzte Blatt des Ms war schon beschädigt, als ich es erhielt. Ich erwähne es, weil das Ms durch die eingenhändigen Einfügungen des Verfassers ja einen besonderen Wert hat. - Während für die Grammatik das Wort und gar der Laut nur wie Moleküle sind, aus denen die höhere Potenz [?] des Tiers oder der Pflanze nicht erklärt werden können, sieht Weiß im Wort noch das Element, verbum, das dem Stilisten und Grammatiker gar nicht vernehmbar ist. Es ist der Unterschied von essentiellem Wort und konventioneller Sprache, aus dem begreiflich wird, daß sich der Zeitungsschreiber und der Dichter - scheinbar - des gleichen Mittels zum Ausdruck bedienen.

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Eine Bitte zum Schluß: sollten Sie die Briefe, in denen ich über das Thema: Sprache ausführlicher schrieb, noch aufbewahrt haben, so möchte ich mich Ihres freundlichen Anerbietens erinnern und Sie bitten, mir dieselben gelegentlich - es hat keine Eile! - zur Verfügung zu stellen23. Manche Formulierung gerät einem frischer und treffender im ersten zwanglosen Impuls. Ich denke gerne an den schönen Tag in Plettenberg. Mit herzlichen Grüßen und Wünschen stets Ihr

(s) 1 (PT) Herr Tobias Wimbauer (geb. 1976) faxte am 16. März 2000 den Titel seiner Dissertation: Die Beihilfe zum Versuch, Jena: Universität, 1925, 57 maschinenschriftliche S.; es gibt einen Auszug in: Jenaer jur. und wirtschaftswiss. Doktorarbeiten 1924-26, S. 93-94. 2 (PT) Hier wird Nette das Opfer einer Erinnerungstäuschung, denn der Verlag hieß Ciaassen & Würth, wie aus dem Briefkopf mehrerer Briefe hervorgeht. 3 (PT) a) C.S., Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation. Vier Aufsätze, Berlin: Duncker & Humblot, (1950) 1997, 114 S. - Vgl. FN 14. b) Es gibt einen kurzen aber gehaltvollen (anonymen) Nachruf in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 224 vom 26. September 1994, Feuilleton S. 37, und eine nekrologische Notiz in Willi Gorzny (Hrsg.), Internationaler Nekrolog 1994, München: Saur, 1996, S. 93. Dankenswerterweise hat mir Herr T. Wimbauer von diesen Texten Abichtungen zur Verfügung gestellt.

4 (PT) C.S., Hamlet oder Hekuba? Der Einbruch der Zeit in das Spiel, Stuttgart: Klett-Cotta, (1956) 1985, 73 S. Vgl. dazu C.S., „Was habe ich getan?", in: Schmittiana V, S. 13-25. 5

(PT) Die im Schlußsatz zum Ausdruck gebrachte Information stimmt nicht ganz; vgl. dazu C.S., Antworten in Nürnberg (hrsg. und kommentiert von Helmut Quaritsch [geb. 1930]), Berlin: Duncker & Humblot, 2000, 153 S . 6

(PT) In der Bibliothek C.S.s gibt es ein Exemplar der 1948 im selben Verlag erschienenen 2. Auflage dieses Büchleins (64 statt 63 S.). Unter dem Titel „Über die Konsonanten" wurde es teilweise übernommen in der Nette-Anthologie: Varia aus vier Jahrzehnten, Darmstadt: Gesellschaft hessischer Literaturfreunde, 1975, 159 S.; dort S. 67-83. 7 (PT) E. Jünger (1895-1998)," Lob der Vokale", S. 47-88 in: Blätter und Steine, Hamburg: Hanseatische Verlags-Anstalt, 1934, 226 S. 8 (PT) a) J.A. Kanne, Aus meinem Leben, gefolgt von Georg Heinrich von Berenhorst [1733-1814]: Selbstbekenntnisse, Wien: Karolinger Verlag, 65 S., Nr; 4 in der ,Bibliothek von R'; dort S. 57-58 (C.S.: Nachwort zur Kanne-Ausgabe 1918; S. 59-61 [biographische Notiz über Kanne], S. 65 [Bibliographie von und über Kanne)]. b) Über den Erlanger Professor der Geschichte und der orientalischen Sprachen Kanne teilte Nette C.S. unter dem 31. Oktober 1947 Folgendes mit: „Mit Kanne habe ich mich wiederholt beschäftigt, gelegentlich sogar an eine Edition seiner sprachphilosophischen Arbeiten gedacht. Leider sind mir seine »Ersten Urkunden der Geschichte', die ich besaß, bei dem Darmstädter Großfeuerwerk im Herbst 1944 verbrannt, ... Um eine Photokopie vom Manuskript seines ,Panglossariums', das auf der Universitätsbibliothek Erlangen liegt, bemühe ich mich seit längerer Zeit. Über sein ungewöhnliches Leben weiß ich nur durch die Dissertation von Erich Neumann. " Als er C.S.s Edition [diese FN Punkt a)] erhalten hatte, schickte er seinem Gesprächspartner die Abschrift dieses Abschnitts des vom Schriftsteller Clemens Brentano (1778-1842) am 20. August 1809 an den Rechtsgelehrten Friedrich Karl von Savigny (1779-1861) gerichteten Briefes: „Außer ihm [dem Naturphilosophen Gotthelf Heinrich von Schubert, 1780-1860] sah ich den eisernen stahlscharfen Phantasus Kanne, den un2

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tiefen linguistischen Mythologen, der auch Professor an der Realschule ist, ein sehr anderer, aber vielleicht noch merkwürdigerer Mensch, witzig und scharf und fest, wie ich keinen Menschen kenne. Zweimal war er preußischer und zweimal österreichischer Soldat und bloß aus der ihm ganz strengen und festen Idee, man könne heutzutage nur entweder ein sehr bedeutendes Buch schreiben oder Soldat sein. Er war im vorigen österreichischen Feldzug bei Ulm und im preußischen bei Eylau französischer Gefangener. Jetzt hat er eine Schwester von Me raus zweiter Frau geheiratet, seit etwa drei Monaten. Er sagte mir aber, er fühle, daß er sehr unrecht getan, und sei entschlossen sich, sobald er sein neustes Werk vollendet, von ihr zu trennen und wieder die Waffen zu ergreifen. [Friedrich] Creuzers [1771 -1858] mythologische Arbeiten und [August Wilhelm] Schlegels [1767-1845] indische erklärt er für äußerst seicht. Alles dies tut er mit der einfachsten strengsten Ruhe, hier ist keine Spur von Windbeutelei oder Modernität, nur eine große stolze Einsamkeit und eine feine, ungemein scharfe, witzige Strenge ohne alles selbstgefällige, er ist einer der bestimmtesten respektabelsten Eindrücke, die ich je erhalten." (Quelle: Cl. Brentano, Sämtliche Werke und Briefe. Bd 32: Briefe IV, Berlin/Köln: Kohlhammer, 1996,523 S.; dort S. 173-174). 9 (PT) Nette bat C.S. am 18. November 1947 (Postkarte) um Rat: „Mögen Sie mir gelegentlich mit einem Wort sagen, ob Sie die Herausgabe eines solchen Büchleins [die Bienenfabel von Mandeville ] heute als müssig oder als interessant und berechtigt ansehen." Das Votum C.S.s lautete negativ: „Nach Ihrem Programm und den Namen, die es enthält ist es mir zweifelhaft, ob die ,Bienenfabel 4 in diese Reihe gehört. Das ginge höchstens mit einer fabelhaften Einleitung, die dazu die Hauptsache wäre. So etwas kommt ja auch vor. Dann wäre es besser, eine Utopie wie [Thomas] Campanellas [1568-1639] ,Civitas Solis4 zu nehmen...." »o (PT) C.S., Armin Möhler (geb. 1920) und Ernst Hüsmert (geb. 1928; vgl. Schmittiana VI, S. 289-303) haben sich mit einem ähnlichen Gedanken getragen, der allerdings von Möhler als Spiel bezeichnet worden ist: „Aufbau einer idealen Anthologie der deutschen Lyrik durch selektive Wahl" (A. Möhler [Hrsg.], op. cit. [Brief Nr. A 1 FN 3], 125 FN 132). 11

(PT) a) Der Literaturhistoriker W. Rehm (1901-1963) lehrte in Gießen und Freiburg i.Br. b) W. Rehm, Experimentum medietatis. Studien zur Geistes- und Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts, München: Rinn, (1947) 1948, 268 S. 12

(PT) Dr. Rima: ich weiß nicht, wer gemeint ist. 13 (PT) Am 11. November 1948 teilte Nette C.S. Folgendes mit: „ . . . ; der Zettel ,Zur Besprechung4 sei irrtümlich beigelegt worden und enthalte keine Verpflichtung für Sie.44 14 (PT) a) C.S., „Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation", in: op. cit. [FN 3 Punkt a],S. 80-114. b) Über den spanischen kontra-revolutionären Politiker und Denker Juan Donoso Cortés (1809- 1853), vgl. Günter Maschke (geb. 1943) (Hrsg.), Juan Donoso Cortés: Essay über den Katholizismus, den Liberalismus und den Sozialismus, und andere Schriften aus den Jahren 1851 bis 1853, Weinheim: VCH/Acta humaniora, 1989, LI-485 S.; dort u. a. S. 467-485: „Chronologie".

(PT) Ρ flügge: über ihn liegen mir mir keine Informationen vor. 16 17

(PT) Von diesem Thema ist immer wieder die Rede in: op. cit [FN 14].

(PT) a) Der österreichische Historiker Jakob Philipp Fallmerayer (1790-1861) verwies in seinen Schriften oft und gerne auf die wachsende Bedeutung des Orients, den er übrigens bereist hatte (1831-34). Kurzfristig hat er in Landshut (1826-34) gelehrt. Er publizierte sehr viel in der ,Augsburger Allgemeinen Zeitung44. Sein bedeutendster Bewunderer und Sammler seiner Veröffentlichungen war der Georgianer Karl Wolfskehl (1869-1948); vgl. seinen Zeitungsaufsatz vom 2. Mai 1926, nachgedruckt S. 298-303 in: Gesammelte Werke. Hamburg/Düsseldorf: Ciaassen Verlag, 1960, 2. Bd = 625 S. Merkwürdigerweise ist von diesem Interesse nicht die Rede im Ausstellungskatalog: Karl Wolfskehl 1869-1969. Leben und Werk in Dokumenten, Darmstadt: Agora Verlag, 1969, 396 S. + Bildanhang.

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b) J. Ph. Fallmerayer, Byzanz und das Abendland. Ausgewählte Schriften, Wien: Andermann, 1943, 375 S.; dort S. 337-353: „Zar, Byzanz und Okzident". Der von Nette gemeinte Satz findet sich S. 341: „ . . . Rom und Moskau sind, nach unserem Dafürhalten, ... durch die Natur der Dinge selbst nicht weniger als durch ihren Genius zu Herrschaft und Gewalt über die Menschen auserkoren. Solange aber ein Drittes auf dem Kontinent besteht und beide bedroht, aber nur solange, sind die beiden Nebenbühler - natürlich für Wahrung des allgemeinen Wohles - überall im engsten Bunde. Diese Dritte,... ist die Revolution." c) In den einschlägigen Nachschlagewerken ist diese Edition nicht verzeichnet. Ist sie nicht zustande gekommen? 18 (PT) Dieser Aufsatz stand mir nicht zur Verfügung. 19 (px) w. von Humboldt, Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts, Darmstadt: Ciaassen & Roether, 1949, 385 S.; dort S. 368-382, nachgedruckt in: op. cit. [FN 6], S. 26-36. 20 (PT) „Die Metamorphose der Pflanzen" (1790) in: Goethes Werke (Hamburger Ausgabe), Hamburg: Wegner, 1955, Bd 13 = 644 S.; dort S. 64-101 und die Fußnoten dazu S. 754-576. Schon der Anfangssatz muß für Nette viel bedeutet haben: „Ein jeder, der das Wachstum der Pflanzen nur einigermaßen beobachtet, wird leicht bemerken, daß gewisse äußere Teile derselben sich manchmal verwandeln und in die Gestalt der nächstliegenden Teile bald ganz, bald mehr oder weniger übergehen." 21 (PT) a) Über den nie recht zum Zuge gekommenen Kulturphilosophen Rudulf Pannwitz (1881 -1969), vgl. Alfred Guth, Rudolf Pannwitz. Un Européen, penseur et poete allemand en quéte de totalité 1881 -1969, Paris: Klincksieck, 1973, 799 S. + Bildanhang. - C.S. hat ihn gekannt: vgl. Schmittiana II, S. 114 und 151 FN 14. Es ist nicht ohne weiteres auszuschließen, daß der Dichter Theodor Däubler (vgl. Brief Nr. Β 3) dabei eine Vermittlerrolle gespielt hat. Seinerseits hat Nette viermal auf Pannwitz attendiert; vgl. u. a. op. cit. [FN 6], S. 48-52. Vgl. Brief Nr. Β 3. b) In diesem Zusammenhang darf ein Hinweis auf einen Zeitungsartikel von Pannwitz nicht fehlen: „Anwendungen der Klangforschung aufs Neue Testament und auf Hölderlin in: Darmstädter Tagblatt, 15. April 1939. 22 (PT) Welches Manuskript des von C.S. hochgeschätzten katholischen Dichters Konrad Weiß (1880-1940; vgl. Schmittiana III, S. 80 FN 4 und 6) gemeint ist, entzieht sich meiner Kenntnis. 23 (PT) Hat C.S. dieser Bitte entsprochen? Ich weiß es nicht...

A 5. Von Karl Neundörfer (1885 -1926) Der von mir edierten Korrespondenz zwischen C.S. und Karl Muth (1867-1944), dem Begründer und Herausgeber der Zeitschrift „Hochland", ist u. a. zu entnehmen, daß eine Stelle in einem Beitrag des Priesters Karl Neundörfer 1 C.S. aufs tiefste verletzt hat2. Der Grund dieser Verstimmung ist von Muth in seinem Brief an C.S. vom 26. Juni 1926 auf den richtigen Nenner gebracht worden: „Ich sehe aus Ihrem Brief 3 , daß Sie die Bemerkung über die »Richtung Carl Schmitt4 in dem Sinn auffassen, als ob Sie damit den atheistischen Kulturkatholiken Frankreichs beigeordnet wären." 3 Immerhin scheint die Affäre im Redaktionsstab der Zeitschrift Wellen geschlagen zu haben. Denn im besagten Brief erklärte Muth sich bereit, „einen Einspruch von Ihnen [sc C.S.s] aufzunehmen". Darüber hinaus wiederholte sein Stellvertreter Friedrich Fuchs (1890-1948) nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub sein Bedauern über den Vorfall („Nun geht mir freilich durch den Sinn,..., Sie ( . . . ) gegen den Vorwurf zu schützen, als verträten Sie einen rein positivistischen Katholizismus."). Außerdem bot er die Möglichkeit einer definitiven Klarstellung durch C.S. an („Es wäre vielleicht doch

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zu erwägen, ob Sie nicht den Anlaß der Neundörfer'sehen Bemerkung nutzen sollten, um in der Form eines Protestes gegen eine Mißdeutung dieser Bemerkung die Dinge richtig zu stellen/ 4 ) 4 Als ich die Briefedition für den Druck vorbereitete, war mir noch nicht bekannt, daß Neundörfer sich ebenfalls eingeschaltet hat. Aber dann erhielt ich von der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn eine Ablichtung des Briefes von Neundörfer an C.S. vom 1. Juli 1926: das (maschinenschriftliche) Original befindet sich im Nachlaß des Kirchenhistorikers Wilhelm Neuß (1888-1985; vgl. Brief Nr. A 6) (ULB Bonn, Signatur: Nachlaß Neuß - unkatalog.). Leider kann ich die übliche Abdruckgenehmigung nicht einholen, bin aber sicher, daß ich sie anstandslos bekommen hätte. Denn schließich handelt es sich um ein Dokument, das eine interessante Präzision enthält und schon deswegen zum z.Zt. aktuellen Thema ,C.S. und der Katholizismus4 gehört. Die Universitätsbibliothek ist jedenfalls mit der Veröffentlichung einverstanden (Brief vom 31. März 2000). Für die Überlassung einiger Seiten aus „Hochland44-Heften bin ich Herrn Ernst Hüsmert (geb. 1928) zu aufrichtigem Dank verpflichtet. P.T.

Mainz, den 1. Juli 1926 Sehr geehrter Herr Professor! Zu meinem aufrichtigen und schmerzlichen Bedauern erfahre ich eben durch Herrn Professor Muth, wie Sie und offenbar noch andere eine Bemerkung meines Faschismusaufsatzes im letzten Hochlandheft aufgefaßt haben. Ich wollte mit der betreffenden Bemerkung allerdings Kritik an Ihnen üben, aber an Ihrer Richting, nicht an Ihrer Person. Diese Ihre Richtung habe ich, wie jetzt mit der von Mussolini und Barres 5, so früher in meiner Besprechung Ihrer Schriften in den „Schildgenossen" (Juli 1925, S. 331) mit der von H. Plessner in Beziehung gebracht. Damals schrieb ich darüber: „Die Erkenntnisse, wie Schmitt und Plessner sie formulieren, bedeuten eine Neuerorberung katholischen Gedankengutes. Sie können aber auch zu einer Gefährdung desselben führen. Die politische Form der Kirche erscheint, namentlich bei Plessner, mehr als ein kultureller, denn als ein religiöser Wert." 6 Wenn ich dabei auch auf Plessner besonders hinwies, so bezog sich diese Kritik auch ausdrücklich auf Ihre Haltung. Diesen Aufsatz hatten Sie schon in Händen, als ich später in Bonn mit Ihnen zusammen war. Ich erinnere mich aber nicht, daß Sie damals gegen diese Kritik etwas gesagt hätten. Garnichts anderes hatte ich jetzt im Sinne, als ich auf Sie als auf den stärksten deutschen Exponenten einer Richtung hinwies, die mir in Italien Mussolini und in Frankreich Barres zu vertreten scheinen, nämlich jenes, wesentlich kulturell bedingten, Antiliberalismus und Prokatholizismus. Daß Sie daneben auch vieles andere von den beiden genannten Politikern trennt, verkenne ich in keiner Weise. Ich hatt aber in diesem Zusammenhang keine Veranlassung darauf einzugehen. Und wenn ich schrieb, daß man in dieser Weise den Katholizismus als Kulturfaktor nehmen könne, auch ohne persönliche kirchliche Praxis, ja selbst bei ausgesprochenem persönlichem Atheismus7, so wollte ich damit nur auf jene Möglichkeiten und Gefahren hinweisen, von welchen ich schon in den „Schildgenossen" schrieb. Eine persönliche Beziehung auf Sie liegt in die-

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sen Worten nicht. Wenn sie trotzdem so aufgefaßt wurden, so tut mir dies aufrichtig leid. Natürlich bin ich bereit, Ihnen in dieser Hinsicht hier jede gewünschte Genugtuung zu geben. Haben Sie bitte die Güte mir mitzuteilen, in welcher Weise das nach Ihrer Ansicht am besten geschehen könne. In vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich Ihr ergebener

(s) 1

(PT) Über Neundörfer, vgl. P. Tommissen (Hrsg.), Werner Becker: Briefe an Carl Schmitt, Berlin: Duncker & Humblot, 1998, 124 S.; dort S. 44-45 FN 9. Aber auch den Nachruf des Historikers Philipp Funk (1884-1937), „Karl Neundörfer +", in: Hochland (München); 24. Jahrg. Nr. 1, Oktober 1926, S. 111-114, dem ferner zu entnehmen ist, daß Neundörfer die von ihm ersehnte Nachfolgerschaft des Kanonisten Johann Baptist Sägmüller (1860 -1942) in Tübingen nicht antreten durfte und ausgerechnet in Sils Maria einem Todessturz zum Opfer gefallen ist. 2 (PT) a) K. Neundörfer, „Die Kirchenpolitik des italienischen Faschismus ...", in: Hochland (München), 23. Jahrg. Nr. 9, Juni 1926, S. 369-371; dort S. 370-371: ,An diesen ganzen Verhandlungen [sc. zwischen Vatikan und Quirinal] ist zunächst die grundsätzliche politische Haltung der italienischen Regierung bedeutsam. Es verbindet sich in ihr ein starker Antiliberalismus mit einem ausgesprochenen Prokatholizismus in ganz ähnlicher Weise, wie bei der Bewegung eines Maurice Barres in Frankreich und der Richtung eines Carl Schmitt in Deutschland. Dabei wird aber der Katholizismus im wesentlichen nur als Kulturfaktor genommen, den man auch ohne persönliche kirchliche Praxis, ja selbst bei ausgesprochenem persönlichem Atheismus schätzen und fördern kann... b) Es darf angenommen werden, daß Neundörfer nicht den Schriftsteller Maurice Barres (1862- 1923), sondern Charles Maurras (1868-1952), den Begründer der ,Action fra^aise', ins Auge gefaßt hatte. Immerhin eine erstaunliche Verwechslung. 3 (PT) P. Tommissen, „Der Briefwechsel zwischen Carl Muth und Carl Schmitt", S. 127159 in: Politisches Denken. Jahrbuch 1998 (Stuttgart: Metzler), 1998, IV-225 S.; dort S. 139. 4 (PT) P. Tommissen, art. cit. [FN 3], S. 159 (Brief vom 9. Juni 1926). 5

(PT) a) Kennzeichnend für die Attraktion des italienischen Experiments von Benito Mussolini (1883-1945) ist eine Aussage seines Bonner Doktoranden Ernst Rudolf Huber (1903-1990) in Helmut Quaritsch (geb. 1930) (Hrsg.), Complexio Oppositorum Über Carl Schmitt, Berlin: Duncker & Humblot, 1988, 610 S.; dort S. 106. b) Für den Fall Maurras, vgl. P. Tommissen (Hrsg.), op. cit [FN 1]; dort die informativen Angaben S. 107 FN 17 Punkt c). 6 (PT) a) K. Neundörfer, „Religiöser Glaube und politische Form", in: Die Schildgenossen (Augsburg), 5. Jahrg. Nr. 4, Juli 1925, S. 323-331; dort S. 331. Dieser Aufsatz wurde übernommen im Sammelband seiner Texte, hrsg. von seinem Bruder Ludwig Neundörfer (1901 1975) und dem Journalisten Walter Dirks (1901 -1987): Zwischen Kirche und Welt. Ausgewählte Aufsätze aus dem Nachlaß, Franfurt a.M.: Verlag der Carolusdruckerei, 1927, 127 S.; dort S. 60-73. b) Über die Zeitschrift „Die Schildgenossen", vgl. P. Tommissen, art. cit. [FN 1], S. 47 FN 1. Außerdem Hanna-Barbara Gerl (geb. 1945), Romano Guardini. 1885-1968. Leben und Werk, Mainz: Matthias-Grünewald, (1985) 1987, 382 S.; dort S. 193-204: „Die Schildgenossen". 7 (PT) Gemeint ist wohl der Ausspruch von Maurras [FN 2 Punkt b)]: „Je suis catholique, mais je suis athéiste".

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Briefe A 6. Von Wilhelm Neuss (1880-1965)

Der Werdegang von Wilhelm Neuss (auch: Neuß) ist im Grunde der eines normalen Priesters und Hochschullehrers. Er studierte in Münster, München, Bonn und Freiburg, und promovierte 1911 zum Dr. theol. und habilitierte sich 1913 in Bonn. Es war auch in Bonn, daß er 1917 zum außerordentlichen, 1920 zum ordentlichen Professor ernannt und 1949 emeritiert wurde. Seine Spezialgebiete waren die Geschichte der christlichen Kunst und die Kirchengeschichte1. Großen Mut zeigte er nach 1933, vor allem im Zusammenhang mit dem 1934 erschienenen Sammelband, in dem die antichristlichen Behauptungen, die der nationalsozialistische Chefideologe Arthur Rosenberg (1893-1946) in seinem Opus „Der Mythus des XX. Jahrhunderts" 2 verbreitet hatte, von Sachverständigen entlarvt wurden 3. Rosenberg hat diese katholische Widerlegung seiner Behauptungen zu entkräften versucht 4; seine diesbezügliche Broschüre enthält jedoch neue Irrtümer! Über diese Geschichte hat Neuss nach Kriegsende Bericht erstattet5. C.S. und Neuss haben sich in Bonn kennengelernt und sich sehr oft getroffen. Neuss gehörte zu den wenigen, die von C.S. über seine erste Ehe (vgl. Schmittiana V, S. 176-182) und ihre Folgen informiert worden sind. Wiederum bewährte sich eine von Barbara Nichtweiß (geb. 1960) gemachte Feststellung: Wie seine anderen katholischen Freunde, scheint auch Neuss sich „an dieser kirchlichen Konfliktlage [sc. C.S.s] ... [nicht] gestoßen zu haben" 6 . Auf Grund der leider spärlich vorhandenen Schriftstücke kann man sich sogar des Eindrucks nicht erwehren, daß Neuss die Rolle eines Beichtvaters gespielt hat. In einem Brief, dessen erste Seite fehlt aber wohl nach der Entlassung aus Nürnberg geschrieben wurde, heißt es z. B.: „Ich bin Ihnen [sc. Neuss] von Herzen dankbar, daß ich mit Ihnen über diese Angelegenheit sprechen kann." 7 Bezeichnend sind außerdem einige Stellen im Brief der zweiten Frau Schmitt an Neuss, dem ich infra einige Abschnitte entnehme (Anlage 2). Der nachstehende Brief von Neuss an C.S. befindet sich im Universitätsarchiv Bonn (Signatur: ULB Nachlaß Neuss, unkatalog.). Ich veröffentliche ihn mit der Genehmigung des Bonner Universitätbibliothek (Brief vom 31. März 2000). Augenscheinlich ist die Bedeutung dieses Briefes gering. In Wirklichkeit spricht er für meine Mutmaßung, daß Neuss C.S. viel bedeutet hat und, umgekehrt, Neuss sich für C.S. einzusetzen bereit war (vgl. FN 10). - Die Fußnoten stammen von mir. P.T.

Prof. Wilh. Neuss

Bonn, Humboldtstr. 9 22.V.47

Lieber Herr Schmitt! Leider hat mein letzter Brief Sie nicht mehr in Berlin erreicht, den ich zugleich mit dem kleinen Weihnachtsbilde von Stephan Lochner 8 für ihre verehrte Gattin geschieht hatte. (?) von ihr erhielt ich die Nachricht über die neue Wendung Ihres Geschickes. Inzwischen war auch Ihre Tochter [vgl. Anlage 1] mit ihrer Tante 9 von Köln aus noch einmal bei mir. Lassen Sie mich Ihnen heute nur sagen, wie herzlich ich mit Ihnen und Ihren Lieben empfinde und wie sehr ich hoffe, daß die Zeit der neuen Prüfung bald vorüber sein möge. Möge Gott Ihnen die Kraft geben, diese Prüfung zu bestehen und möge Er zuletzt nur Gutes aus ihr hervorgehen lassen. Aus Ihrem Briefe und dem Ihrer Gattin weiß ich ja, in welch' christlichem Geiste Sie Leid und Prüfung auffassen. Ich bete für Sie und mit Ihnen.

Briefe n C.S.

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Wenn ich irgend etwas für Sie tun kann, so tue ich es immer gern. Vor allem kenne ich j a Ihre Gesinnungen und Überzeugungen in den Jahren nach 1922, seit Ihrer Berufung nach Bonn, jener Jahre, in der wir oft zusammen waren und uns ausgeprochen haben. Ich bin gern bereit, über diese Überzeugungen und ihren Kern Auskunft zu geben, wenn ich gefragt werden sollte 1 0 . Nehmen Sie für heute mit diesen wenigen Zeilen vorlieb. Sie sollen Ihnen nur zeigen, daß ich Sie nicht vergesse. M i t herzlichem Gruße bin ich Ihr

(s)

Anlagen 7. Eine Notiz über Anima Schmitt Unter dem Kürzel EH hat Ernst Hüsmert (geb. 1928; vgl. Schmittiana VI, S. 289-303) vor einigen Jahren biobibliographische Texte für ein leider nie erschienenes Lexikon geschrieben. Der Text über den mit C.S. befreundeten Bildhauer Heinz Holthaus (1908-1980) konnte ich bereits veröffentlichen (vgl. Schmittiana VI, S. 302-303). Und diesmal darf ich den Text über Anima, C.S.s einziges Kind, abdrucken. Für seine Großzügigkeit bin ich Herrn Hüsmert sehr erkenntlich. P.T. Schmitt de Otero, Anima. * 20. 8. 1931 in Berlin. + 17. 6. 1983 in Santiago de Compostela/Spanien. Hausfrau, Wandteppichstickerin. Frau S. de O., Tochter aus der Ehe von Carl Schmitt mit der Serbin Duschka Todorovic, wuchs bis zu ihrem 11. Lebensjahr in Berlin Dahlem auf, wo ihre Eltern ein kultiviertes und im Umgang mit Wissenschaftlern und Künstlern offenes Haus führten. Tief beeindruckten sie die Cembalistin Eta Harich-Schneider, die Schriftsteller Ernst Jünger und Ivo Andric, der Philosoph Ortega y Gasset u und vor allem die expressionistischen Maler Emil Nolde, Werner Gilles und Ernst Wilhelm Ney 12. Bezeichend für die unbefangene elterliche Erziehung ist der Umstand, daß das katholisch getaufte Mädchen aus der römisch-katholisch / griechischorthodox konfessionsverschiedenen Ehe am evangelischen Kindergottesdienst des Pfarrers Martin Niemöller 13 teilnahm 14 . Wegen der Bombenangriffe auf Berlin wurde sie Mitte des Zweiten Weltkrieges auf die Klosterschule in Cloppenburg geschickt. Ab 1947 lebte sie mit ihren Eltern in Plettenberg. Hier machte sie an er Oberschule das Abitur. A.S. studierte zunächst in Hamburg Theaterwissenschaften und Geschichte. Nach einem einjährigen Praktikum am Schauspielhaus Darmstadt studierte sie in Heidelberg Sprachen. Während dieses Studiums übersetzte sie ein für die akute Shakespeare-Vorsehung wichtiges Buch der Engländerin Lilian Winstanley (siehe Lit.). 1957 heiratete sie den spanischen Rechtsgelehrten Alfonso Otero 15 und zog nach Santiago de Compostela. Als ihre vier Kinder 16 herangewachsen waren, widmete sich A. de O. der mittelalterlichen Kunst des Stickens von Wandteppichen. Ihre Motive ensprangen vielfach der geistigen Auseinandersetzung mit spanischer Mystik und behandelten schwerpunktmäßig Figuren und Szenen der Apokalypse. Dabei übersetzte sie die religiöse Thematik in eine moderne Bildspra-

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Briefe

che. Ausstellungen ihrer ,Tapices4 in Santiago de Compostela (1978), Madrid (1980) und Bonn (1981) fanden reges Interesse. Krankheit und früher Tod machten ihrem hoffnungsvollen Schaffen ein jähes Ende. 17 Lit. : Lilian Winstanley: Hamlet Sohn der Maria Stuart, aus dem Englischen übersetzt von Anima Schmitt, Pfullingen 1952.

2. Auszüge aus einem Brief von Frau Schmitt Im Nachlaß von Neuss, von dem im Schlußabsatz meiner einführenden Notiz die Rede ist, befindet sich auch ein vierseitiges Schreiben der Frau Schmitt (Signatur: ULB Nachlaß Neuss, unkatalog.). Aus diesem Brief zitiere ich einige Stellen (ohne die mangelhafte Interpunktion zu korrigieren), die im Zusammenhang mit der vom Kollegen Helmut Quaritsch (geb. 1930) mustergültig durchgeführten Rekonstruktion der Erfahrungen C.S.s im Nürnberger Justizgefängnis 18 stehen. Da ich den Brief erst Anfang d.J. erhielt, hatte es keinen Zweck ihn Herrn Quaritsch zuzuleiten: Das Typoskript seines Buches war schon beim Verleger. P.T.

Berlin-Schlachtensee Kaiserstuhlstr. 19

20. April 47.

Sehr verehrter lieber Herr Professor Neuß! Für die schöne Ostergabe und den lieben Osterbrief an Carl Schmitt danke ich Ihnen herzlich. ... Leider kann C.S. Ihren lieben Brief nicht selbst beantworten. Er ist am 19.III. verhaftet, und war erst sechs Tage in einem Gefängnis, und von dort kam er wieder nach Wannsee, ... Am 29.III. ist er nach Nürnberg abtransportiert, wo er sich jetzt im Justizpalast in Untersuchungshaft befindet. ... In der Gruppe gegen das Propagandaministerium soll Carl Schmitt neben dem Pressechef Dr. Dietrich als Angeklagter erscheinen 19. Eine bösartige Bemerkung von Ernst Niekisch in seiner Broschüre „Deutsche Daseins Verfehlung" auf S. 82: „Carl Schmitts ,Zum Begriff des Politischen4 worin das Politische als Freund-Feind-Unterscheidung definiert wurde, entwickelte die politische Methodik des Bestialismus, die Schrift bot die Theorie die dann von der SA und noch buchstäblicher von der SS in die Praxis umgesetzt wurde", wird benutzt zu einer fantastischen Schuld-Konstruktion indem man C.S. die Philosophie der Konzentrationslager zuschiebt20. Es ist mir noch nicht bekannt wann die Anklage erhoben wird. Hoffentlich brauchen wir nicht zwei Jahre zu warten wie in manchen anderen Fällen. ... Die Frage des Verteidigers ist noch nicht entschieden. Ich habe bei Prof. Jahrreiß angefragt und bei Dr. Kranzbühler in Hamburg 21. Während C.S. noch in Berlin war hatte ich zweimal Sondersprecherlaubnis bekommen. Er hatte den Wunsch geäußert zu den Sakramenten zu gehn. Daraufhin habe ich mit Pater Odilon Braun, der als Seelsorger für das Gefängnis zuständig war gesprochen und ihm mein Versprechen gegeben. ... Ich hatte das ungewöhn-

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Briefe n C.S.

liehe Glück, von C.S. im Lager vor seiner Abreise noch Abschied zu nehmen und eine halbe Stunde mit ihm zu sprechen. Es war mir die größte Freude ihm sagen zu können daß er in N. zu den Sakramenten gehen kann, daß ich mein Versprechen gegeben habe22. ... Dieser Brief war vom 2. April und er schrieb daß er sich bei dem Geistlichen angemeldet hat. Man kann an C.S. schreiben nach N. bloß kann er nicht antworten, weil er nur beschränkt schreiben darf, und nur an mich.... Ihre Duschka Schmitt 1 (PT) Diese Einzelheiten ennehme ich Otto Wenig (geb. 1911) (Hrsg.), Verzeichnis der Professoren und Dozenten der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 1818 — 1968, Bonn: Bouvier + Röhrscheid, 1968, XXVII-376 S. 2 (PT) Arthur Rosenberg, Der Mythus des XX. Jahrhunderts. Eine Wertung der seelischgeistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit, München: Hoheneichen-Verlag, (1930) 1934, XXI712 S. Vgl. dazu Otto Gros, Erläuterungen zum ,Mythus des 20. Jahrhunderts', München: Hoheneichen-Verlag, 2. umgearbeitete Aufl. = 1939, 92 S.

3 (PT) Mir liegen zwei Editionen vor: (a) Kirchlicher Anzeiger der Erzdiözese Köln. Amtliche Beilage: Studien zum Mythus des XX. Jahrhunderts, Köln: Bachem, 1934, VIII-148 S.; (b) Kirchliches Amtsblatt für die Diözese Münster. Amtliche Beilage: Studien zum Mythus des XX. Jahrhunderts, Köln: Bachem, Oktober 1934, VII-127 S. 4 (PT) A. Rosenberg, An die Dunkelmänner unserer Zeit. Eine Antwort auf die Angriffe gegen den , My thus des 20. Jahrhunderts', München: Hoheneichen-Verlag, 1935, 104 S.

5 (PT) Wilhelm Neuss, Kampf gegen den Mythus des 20. Jahrhunderts, Köln: Bachem, 1947, 44 S., Nr. IV in der Reihe »Dokumente zur Zeitgeschichte'. Vgl. dort S. 30: „Es ist sogar gelungen, jemand ein Exemplar der Studien zu lassen, der es zur persönlichen Lektüre auf Hitlers Arbeitstisch geschmuggelt hat. Zwei Wochen soll Hitler nach dieser Lektüre ungenießbar gewesen sein. Den Plan, Alfred Rosenberg zum Reichsminister für Erziehung und Unterricht zu machen, der bestand, hat er freilich damals infolge des Erscheinens der Studien fallen lassen, wie später einmal, bei einer Vernehmung im Reichs-Sicherhauptshauptamt, der vernehmende Assessor Herrn Dr. F.C. Bachem mitgeteilt hat." 6 (PT) Barbara Nichtweiß, Erik Peterson. Neue Sicht auf Leben und Werk, Freiburg: Herder, 1992, XVII-966 S.; dort S. 728 FN 52. - Über Peterson, auch im Zusammenhang mit C.S., vgl. außerdem Schmittiana III, S. 82 FN 18 und S. 167 FN 10; Schmittiana IV, 100-

101.

7 (PT) Dieser Brief enthält einige interessante Details, aus denen hervorgeht, wie sehr C.S. im Geiste mit seiner Ehe-Affäre beschäftigt war. 8

(PT) Frau Schmitt hatte von Neuss eine Reproduktion des Weihnachtsbilds von Stephan Lochner (1405-1451) geschenkt bekommen. Sie ging bei der Ausbombung im August 1943 verloren. Am 20. Dezember 1946 bat C.S. um eine neue Reproduktion jenes Bildes. 9 (PT) Gemeint ist Klara Hamaekers (1895-1966), die Gattin von C.S.s einzigem Bruder (vgl. Brief Nr. A 8). 10 (PT) Neuss hatte bereits - entweder einer Bitte der Frau Schmitt entsprechend oder (wie ich glaube) unaufgefordert - ein 2. Mai 1947 datiertes Gutachten zur Verfügung gestellt, das ich in extenso veröffentlicht habe. Vgl. P. Tommissen, „Bausteine zu einer wissenschaftlichen Biographie (Periode: 1888-1933)", S. 71-100 (Text) und 101-106 (Diskussion) in Helmut Quaritsch (geb. 1930) (Hrsg.), Complexio Oppositorum. Über Carl Schmitt, Berlin: Duncker & Humblot, 1988, 610 S., Nr. 102 in der ,Schriftenreihe der Hochschule Speyer'; dort S. 92.

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Briefe

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(PT) a) Eta Harich-Schneider (1897-1986), Charaktere und Katastrophen. Augenzeugenberichte einer reisenden Musikerin, Berlin/Frankfurt a.M./Wien: Ullstein, 1978, 484 S. Dieser Memoirenband enthält Einzelheiten über C.S. und einige seiner Freunde bzw. Schüler. b) Über das Verhältnis C.S./Ernst Jünger (1895-1998), vgl. Schmittiana I, S; 108-118, aber vor allem Helmut Kiesel (geb. 1947) (Hrsg.), Ernst Jünger - Carl Schmitt. Briefe 19301983, Stuttgart: Klett-Cotta, 1999, 893 S. (vgl. in diesem Band das Personenregister zu dieser Briefedition: S. 165 - 193). c) Für Einzelheiten über C.S. und den jugoslavischen Diplomaten und Romancier Ivo Andric (1892-1975), vgl. Schmittiana II, S. 66 FN 39, Schmittiana III, S. 175 ZI 10-18 v.u., Schmittiana VI, S. 338 ZI 12-19. d) José Ortega y Gasset (1883 -1955): vgl. Schmittiana VI, S. 249 FN 193. 12 Wie ich bereits in Schmittiana II, S. 66 FN 40 erwähnte, haben C.S. und vor allem seine Frau, diese Maler - Emil Nolde (eig. Emil Hansen; 1867-1956), Werner Gilles (18941961; vgl. Schmittiana II, S. 104 FN 16) und Emst Wilhem Nay (1902-1968) - gefördert. Außerdem Werner Heidt (1904-1954). Es handelt sich im Grunde um ein noch unerforschtes Thema.

13 (PT) Martin Niemöller (1892-1984) war im Ersten Weltkrieg U-Boot-Kommandant, studierte dann evangelische Theologie und bewährte sich nach 1933 als anti-nazistischer Pfarrer. Vgl. sein Erinnerungsbuch: Vom U-Boot zur Kanzel, Berlin: Martin Warneck Verlag, 1934, 212 S. Nach Kriegsende war Niemöller öfters umstritten; in diesem Zusammenhang sei hingewiesen auf eine Bemerkung von C.S. im Glossarium, S. 105: Eintragung vom 24. Februar 1948. - Vgl. Karlheinz Weißmann (geb. 1959), Alles was recht(s) ist. Ideen, Köpfe und Perspektiven der politischen Rechten, Graz/ Stuttgart: Stocker, 2000, 284 S.; dort S. 55 69: „Martin Niemöller". 14 (PT) Vgl. jedoch Anlage 2 und die FN 22. 15 (PT) C.S.s letzter Text findet sich in spanischer Sprache in der 1981 erschienenen Festschrift für seinen Schwiegersohn Alfonso Otero Varela (geb. 1925). Es gibt eine von Günter Maschke (geb. 1943) gefertigte und von ihm annotierte Übersetzung: „Brief an Alfonso Otero", in: Etappe (Bonn), Nr. 7, Oktober 1991, S. 119-123. 16 (PT)) Wie ich in Schmittiana IV, S. 72 FN 97 mitteilte, hatte C.S. vier Enkelkinder: die Enkelin Dusanka (geb. 1958) und die Enkel Carlos (geb. 1960), Jorge (geb. 1963) und Alvaro (geb. 1968).

17 (PT) Dem ist noch hinzuzügen, daß Anima Schmitt mehrere Schriften ihres Vaters ins Spanische übersetzt hat. is (PT) H. Quaritsch, op. cit. [Brief Nr. A 4 FN 5]. 19

(PT) a) Entweder war Frau Schmitt falsch informiert oder es ist von dieser Möglichkeit ernsthaft die Rede gewesen. b) Der Kaufmannssohn Otto Dietrich (1897-1952) war ab August 1931 Reichspressechef der NSDAP, 1937-45 gleichzeitig Pressechef der Reichsregierung und Staatssekretär im Propagandaministerium. 2 0 (PT) Ernst Niekisch (1889-1967), Deutsche Daseinsverfehlung, Berlin: Aufbau-Verlag, 1946, 87 S., in der »Aktuellen Kulturreihe'; dort S. 82. Die Richtigkeit der von Frau Schmitt aufgestellten Behauptung ist fraglich. Demgegenüber trifft zu, daß Niekisch nicht aufgehört hat, Märchen über C.S. zu verbreiten; H. Quaritsch erwähnt ein Beispiel (Schmittiana III, S. 142, und: op. cit. [FN 18], S. 15 FN 17) und Armin Möhler (geb. 1920) hat sogar eine Richtigstellung erwirkt (op. cit. [Brief Nr. A 1 FN 3], S. 164-165, 169, 254). - In „Widerstand", der Zeitschrift von Niekisch, sind einige Schriften von C.S. rezensiert worden: „Legalität und Legitimität" sowie „Der Begriff des Politischen" (anonym in: 7. Jahrg. Nr 10, 1932, S. 318-319), nochmals „Der Begriff des Politischen" (E. Niekisch: „Zum Begriff des Politischen", in: 8. Jahrg. Nr. 12, 1933, S. 369-375) und „Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens" (anonym in: 9. Jahrg. Nr. 6, S. 205-206).

Briefe n C.S.

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21 (PT) Vgl. H. Quaritsch, op. cit. [FN 18], S. 11 FN 2. C.S. hat die Hilfe dieser Rechtsanwälte - Hermann Jahrreiß (1894-1992; vgl. Schmittiana III, S. 126) und Otto Kranzbühler (geb. 1907) - jedoch nicht nötig gehabt. 22

(PT) Was ist gemeint? Da C.S. sich ohne Erfolg um die Nichtigerklärung seiner ersten Ehe bemüht hatte, war er aus der Sakramentsgemeinschaft der katholischen Kirche ausgeschlossen (vgl. Schmittiana V, S. 180). Die griechisch-orthodoxe Frau Schmitt (vgl. Brief Nr. A 10) soll versprochen haben, ihr(e) Kind(er) katholisch zu erziehen. Somit konnte C.S. von neuem die Sakramente empfangen; das hat er in Nürnberg getan. - Die Deutung des Begriffs »Versprechen' verdanke ich Pater D. Butaye S.J. (Brief vom. 13. April 2000).

A 7. Von Eugen Rosenstock-Huessy (1888-1973) Der Bankierssohn Eugen Moritz Friedrich Rosenstock (künftig: E.R.), der 1925 seinen Namen um den seiner Schweizer Gattin Margaretha (Margrit) Huessy (1893 -1959),erweiterte 4, war von Haus aus Jurist. Bis zum 1. Weltkrieg forschte und lehrte er höchst innovativ Verfassungsgeschichte des Mittelalters, aber auch modernes Staatsrecht. Nach 1918 verlagerte er seine Akzente auf Geschichte und Recht der Kirche, auf ein neues Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht übergreifendes ,Industrierecht'. Seit seiner 1933 erfolgten Emigration in die U.S.A. verschob er seine Aufmerksamkeit auf eine ,Metanomik* der Gesellschaft. Aus diesem Grunde ist eine Bezeichnung wie Gesellschaftsreformer zutreffender für sein ganzes Leben. In E.R.s Leben als Jurist, Soziologe und Gesellschaftsreformer ragen einige Aktivitäten heraus, die sich einer ungewöhnlichen Einsatzbereitschaft verdanken. Tatsächlich hat sich der konsequente Aktivist, Publizist und tiefbohrende Gelehrte große Verdienste erworben in der Erwachsenenbildung, im Kampf um die Arbeitslager 1, als Hochschullehrer, als Redner2, als Soziologe, als Verfasser von Büchern und Artikel, nicht zuletzt als religiöser Mensch3. Seine Schwerpunkte waren die Stärkung der Verfassung der Gesellschaftsmitglieder, die Notwendigkeit von »Dienst auf dem Planeten' (heute: NGOs) und vor allem die Beachtung von Sprache als Organ, Frieden zu stiften, ein zugleich abgründiges und immenses Thema4. Es ist daher an dieser Stelle völlig ausgeschlossen, über sein Schaffen Näheres mitzuteilen; als erster Einstieg sei auf einen von den Kennern Harold Stahmer (geb. 1929) und Michael Gormann-Thelen (geb. 1946) abgefaßten Lexikonartikel hingewiesen5. Wie der Kontakt zu C.S. zustande gekommen ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber es unterliegt keinem Zweifel, daß er sich zu einer Freundschaft entwickelt hat, wie aus den nachstehenden handschriftlichen Briefen hervorgeht, die E.R. an C.S. gerichtet hat. Man kann nur bedauern, daß eine verheißungsvolle Freundschaft 1933 jäh in die Brüche ging 6 : C.S. setzte seine Hoffnungen auf den Nationalsozialismus, E.R. emigrierte. Übrigens hat m.W. C.S. seinen Gesprächspartner in seinen Schriften nie erwähnt, während E.R. sich zu C.S.s „Begriff des Politischen" geäußert hat (vgl Anlage 2) 7 . Noch zu seinen Lebzeiten, im Juli 1963, kam es zur Gründung einer ,Eugen RosenstockHuessy Gesellschaft e.V.', die sofort mit einem »Mitteilungsblatt' startete, welches von seinem Betheler Freund, dem Studiendirektor Georg Müller (1893-1978), einem Historiker und Theologen, herausgegeben wurde (ab 1992 von Gormann-Thelen weitergeführt unter dem Titel,Mitteilungsblätter'). Seit 1987 wird in bislang 5 Folgen ebenfalls ein Jahrbuch der Eugen Rosenstock-Huessy-Gesellschaft unter dem Titel „stimmstein" veröffentlicht, worin Inédita und Nachdrucke, sowie Forschungsberichte und Artikel von europäischen und amerikanischen Autoren erscheinen8. Die Literatur über E.R., einen evangelischen Christen, der

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Briefe

seine jüdische Abstammung nie verleugnet hat, sich auch nicht scheute, lukrative Angebote abzulehnen bzw. interessante Ämter niederzulegen, wächst ständig an. Es liegen wertvolle autobiographische Skizzen9 und brauchbare Studien vor. Auch eine fast lückenlose chronologisch angeordnete Bibliographie steht dem Forscher zur Verfüguung 10. Über das Grab hinaus bleibe ich dem Sohn E.R.s, Hans Rosenstock-Huessy (1921 -1997), sehr erkenntlich für die Abdruckgenehmigung der besagten Briefe (Brief vom 25. Januar 1993). Seiner ausdrücklichen Bedingung entsprechend, teile ich einen der zwei Briefe mit, die ich von E.R. bekommen habe (Anlage 1). Gerne bedanke ich mich bei Herrn M. Gormann-Thelen für seine damalige Intervention und erst recht für die kritische Lektüre dieser Notiz und der Fußnoten. E.R. hatte eine schwer lesbare Handschrift, sodaß ich für die Entzifferung von drei oder vier Wörtern Herrn Gormann-Thelen - mit Erfolg - zu Rate ziehen mußte. - Andererseits habe ich mir erlaubt, überall ss durch ß zu ersetzen. RT.

1. Brief Breslau, 24/Π. [1931] Wardeinstr. 3 Lieber Herr College, Haben Sie Dank für den Jünger n. Ich bewundere wieder die Kraft, zu den Dingen vorzudringen. Inzwischen hat ja in der Zeitung gestanden, daß Sie nach Wien gehen12. Muß ich Sie immer gerade besuchen, wenn Sie im Aufbruch sind? So war es in Bonn, so wäre es also auch diesmal? An sich ist Wien ein Raum, wo man atmen kann. Deutschland lebt aus der Mehrzahl seiner Staatlichkeit. Vielleicht ist das der wichtigste Satz seines Staatsrechts! Ein Wort dazu steht in dem Aufsatz über die „Deutsche Universität" 13 . Die „Revolution" und die „Kirchensoziologie" 1 4 rechen auch auf Ihre freundliche Lektüre. Mit drei, vier echten Lesern muß man heut schon höchlich zufrieden sein. Wäre Ihr Lehrstuhl nicht offiziell Staatsrecht und hätte ich meine alte Leipziger Venia für Staatsrecht15 nicht verfallen lassen, so hätte ich mit Ihnen gern mich beraten, ob ich nicht auch an die Handelshochschule gehen soll. Ich muß mich zu einigen großen Arbeiten in die günstige Lage bringen, nicht so von Menschen vergessen zu werden wie hier. Nun muß ich das hier zu realisieren suchen, was wie Sie wissen, stets schwieriger ist. Seien Sie herzlich gegrüßt. Auch meine Frau gedenkt gern unserer Begegnung. Ihr

(s)

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2. Brief Breslau 16 22.5.31. Wardeinstr. 3 Lieber Herr Schmitt, Hier erhalten Sie die ersten Bogen der „Revolutionen". Der Untertitel heißt „Volkscharaktere und Staatenbildung". Da das Inhaltsverzeichnis noch fehlt, so muß wohl bemerkt werden, daß ein Teil von 103 Seiten die Übersicht („Begriffe") gibt, dann folgt die Erzählung. Ein Schlußkapitel fügt noch einmal das Erzählte zusammen. Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie das opus bei sich einlassen wollen 16 . Ich habe es 1915-17 entworfen 17, in Abschüttelung des Historismus; der Anfang enthielt gleich den Satz: „Im Frieden schlafen die politischen Gedanken der Völker." 18 Es geht daher nun bei dem immer und immer wieder bearbeiteten Plan um eine Identitätserfassung aller Zeiten, um die Formen, die das Ursprüngliche in jeder Zeit einnimmt, ur-springen zu können. Die Seiten 107-158 möchte ich besonders gern von Ihnen beurteilt haben19. Das Modenbuch Ihrer beiden Schüler zeigt ja die selbe Art, das Ewige im Wechselndsten zu entdecken. Wir haben es gerne gelesen. Ihr Schüler Sappok, der Donoso Cortés bearbeiten will (von der „Germania"), besuchte mich gestern auch 20 . Sie sprachen vom Versagen Wiens. Bitte nehmen Sie es mir nicht als Beleidigung, wenn ich Sie wegen der Vollprofessur ausdrücklich anfrage, ob Sie unter keinen Umstand den kandidieren. Die Idee ist zwar absurd, aber zwischen Ihnen und mir ist ja das Absurde nicht geächtet. Also ein Wort! Um Juni erwarten wir also Ihre verehrte Frau.

3. Brief ARBEITSKREIS SCHLESIEN 21

BRESLAU 16,... Wardeinstr. 3 Sonntag Trinitatis 193122

Lieber Herr Schmitt, Sie können mir nicht verübeln, hoffe ich, daß ich Ihre Antwort nicht rein negativ bewertet habe. Ob es Erfolg hat, steht dahin. Aber wenn wir, Sie und ich, einige Jahre jetzt zusammen am selben Ort wirkten, so müßte das, meine ich, eine überlokale Schule bilden können und eine Nachblüte. Kann schließlich und gerade wie heut die Welt gelagert ist, im rauhen Osten aufbrechen. Unter diesem Aspekt egoistischer und doch amtlicher Art wollen Sie meine Absicht beurteilen. Wir stehen beide in einem Alter, wo wir doch gerade die Öffentlichkeit auf uns aufmerksam gemacht haben, und wo nun aus der „Stratosphäre" einige Gestaltung werden soll. Dabei sind unsere Kurven sicher ganz verschieden verlaufen und werden es weiter

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tun. Ich rechne auf keine besonderen Anerkennungen. Nur das bewegt mich weiterhin als einen Probestein, Schüler auf einige Lehrer nur um der Lehre willen hinzulenken. Das unwahrscheinliche der Hoffnung ist mir klar. Indessen: In meinem Vorwort schreibe ich: Solange der Weltkrieg die Lehre der Volker nicht erneuert hat, solange dürfen die Gelehrten nicht demobil machen23. Wegen Spanien. Mein fertiges Spanien-Kapitel blieb auf dringendes Verlangen des Verlegers weg 24 . Insofern teile ich selber ganz Ihre Bedenken. Die Jesuiten rücken noch einmal auf im Frankreichkapitel 25. Im Ganzen also ist die Lücke bewußte Absicht wegen der sonst fast unübersteiglichen Schwierigkeit, die englische Figur geistigen Daseins richtig dem Deutschen nahe zu bringen. Ich bin auf Ihr Urteil gespannt, ob mir dies gelungen ist. Denn wenn Sie dies überzeugt, dann ordnet sich die Ideengeschichte. Aus dem evolutionistischen »allmählich4, unter dem das 19. Jahrhundert die Quellen aufgegraben und historisch ,ediert4 hat, wird nun auch das voluntaristische Hin-und-zurückschieben der »passenden4, an sich ja ewigmöglichen Ideen. Die Magna Charta Fälschung des Mr. Coke 26 ist nur ein Beispiel, wieviel man geduldig an Scheinkontinuitäten gerade in den liberalen Staatsrechtsintroduktionen geglaubt und erzeugt hat. ,Ancien Régime4 ist eine deutsche Fälschung wie Magna Charta oder wie ,die Bibel4 bei Luther. Im Ganzen unterhalten Sie ein viel innigeres Verhältnis zu Spanien. Und so protestieren Sie da mit persönlich gesteigertem Recht. Aber bedenken Sie freundlich meine Lage, als Individualität einem ungeheueren Ganzen gegenüberzutreten und die üblichen Verklausulierungen der Gelehrten nicht anwenden zu können. Denn Geschichte forscht man in Arbeitsteilung am gleichen Thema und kann also sein »vielleicht4, ,möchte4, »wohl4, »wahrscheinlich4, »non liquet4 vorbringen. Ich aber muß neue Kategorien durchsetzen. Dazu gehört eine gewisse Unbedingtheit, ohne die alles verloren ist. Die Mäßigung, die alles Individuelle braucht, um nicht zu entarten, scheint mir da in dem freiwilligen Lückenlassen zu bestehen, damit der Leser seine Gedankenmassen gerade da hineingeben und so den Autor kontrollieren und objektivieren kann. Amerika kommt in ,Weltmobilmachung4. »Revolution4 vor 1776 s. meine Rev. als politischer Begriff 27 . Überall sind Lücken. Ich habe gerade vieles Bekannte (Trennung der Gewalten!) weggelassen, um nicht 3000 Seiten zu füllen, was leichter gewesen wäre! Aber wo blieb dann das lesbare Ganze? Wenn nur der Leser seine zahllosen eigenen Geschichtsdaten sich nur bei ihm neu ordnen, dann ist das vielleicht noch fruchtbarer, als wenn ich mein Bild ohne Rücksicht auf die Aufnahmefähigkeit der Leser in Absicht auf Vollständigkeit gestaltet hätte. Ich hoffe, daß S. 427 und 513 auch bei Ihrer Gattin bestehen können. Es waltet aber auch hier eine erhebliche Vereinfachung ob, indem nämlich mein Buch die Stämme (Bayern, Serben, Friesen, Basken usw.) als die den Großmächten des dialektischen Prozesses zur Verfügung gestellte Substanz behandeln muß, um nicht ins Unendliche mich zu verlieren. Doch beginnt heut die Stunde der Stämme zu schlagen. An die Stelle einer Renaissance der klassischen Antike tritt die Wiederkehr einer Urwelt. Dadurch rük-

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ken die Stämme in eine neue Funktion ein. Wenn man nun das höhere Menschentum ,des' Preußen, des Franzosen in Werden und Vergehen will, so bedarf es der Erinnerung, daß unterhalb dieser höchst bewegten Kernbildung sich unten breite Schichten fast rührender Natur erhalten können. Erfreuen Sie mich auch weiter durch Ihre Notizen. Ihr

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Anlagen 7. Brief von E.R. an Piet Tommissen (handschriftlich) Four Wells Norwich, Vermont 28

9. 3. 1951

Sehr geehrter Herr, Ihrer Bitte, die Europ. Revolutionen zu leihen, will ich versuchen zu entsprechen. Ich habe Herrn Müller-Gangloff 9 in Berlin gebeten, Ihnen sein Exemplar leihweise zu senden. Es ist wenn er sich dazu bereit findet, natürlich ein Wagnis, das ich ihm zumute. Und ich vertraue mich damit Ihnen noch mehr an als wenn es sich um mein eigenes Buch handelte. Bitte lassen Sie mich also diese Zumutungen Dr. Müller nicht bereuen, sondern senden Sie ihm den Band zurück 30 . Hier, über den augenblicklichen Schmitt ein Wort eines Juristen. Er ist der Talleyrand des Hitlerismus. Lesen Sie Michauds großartigen „Talleyrand", Biographie universelle Supplément 83 (1855) und Sie kennen Schmitt 31 . In Amerika habe ich ein 800 Seiten starkes Werk mit genug neuem Material 1938 veröffentlicht. Lesen Sie Englisch? Wollen Sie es haben32. 1950 erschien in Göttingen mein Vortrag „Das Geheimnis der Universität" 33 , das deren revolutionären Hintergrund behandelt. Ihr ergebener

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2. E.R. über den „Begriff des Politischen " Wie in der einführenden Notiz gesagt, hat E.R. sich einmal mit einer Schrift C.S.s befaßt. Da es sich m.W. um in der bisherigen C.S.-Literatur übersehene kurze aber gehaltvolle kritische Hinweise handelt, habe ich mich, im Einvernehmen mit Herrn M. Gormann-Thelen, zum Nachdruck entschlossen. PT Quelle: E.R., „Kriegsheer und Rechtsgemeinschaft" (1932), nachgedruckt in: Tumult [FN 8 Punkt b)],S. 55-77 22 Schmittiana VII

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[73] 2 0 Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, 1931, will nur den Einzelstaat auf sein Kriegsrecht untersuchen. Der Krieg gegen die Ungläubigen und der Bürgerkrieg erscheinen daher bei ihm (S. 37 Anm. 13 a und S. 34) nur als Grenzfälle. Dadurch droht seiner Feind-Freund-Lehre ein gefährlicher Mißbrauch. Denn da ein Krieg eines einzelnen Staates nach den technischen Maßen des Weltkrieges kaum denkbar ist, so stoßen Schmitts Leser, statt gegen den unerreichbaren Gegner jenseits der Grenzen in einem Kriege, zum Ersatz gegen den Gegner des Krieges im eignen Staat vor. Damit aber wächst die Bürgerkriegsideologie und es welkt der Nationalkrieg, so wie Kreuzzug, Religionskrieg, Erbfolgekrieg alle ihre Zeit gehabt haben, jedoch nicht konserviert werden konnten. Schmitt belegt selber den Modecharakter der Kriegsgründe mit Pufendorfs Lehre, die Indianer seien von Natur wegen geächtet als Menschenfresser (S. 43 A 16). Jedoch darf man diese Frage nicht etwa aus den Kolonialinteressen des Pufendorfschen Zeitalters erklären. Vielmehr hat diese Frage eine bedeutende Geschichte. Ich fand zunächst die Glosse Quod super von Innozenz IV zu Dekretalen III, 35 de statu monachorum. Dann hat der Spanier Covarruvias ausdrücklich die Kannibalen in Schutz genommen. Ihm folgt Bocer I, 6, 21: „justa belli gerendi causa non est violatio legis naturae". Man kann darin eine interessante Formulierung des Freiheitsraums der Völker und der Non-intervention finden. [74] Im Ganzen ähnelt Schmitts Bemühen um den Staat der Kirchenlehre des Kreises um Pius II. (1458-1464). Dessen Retractationes und vor allem seine berühmte Bulle Execrabilis sind heut aktuell. Denn sie haben den ordo der Kirche immerhin von 1460- 1521 gegen jeden Rückfall in die Ausschreitungen des Konziliarismus (= Parlamentarismus) und der Hussiten geschützt. Deren unreife und verfrühte Kirchenreform zwang die Kirche zu brutaler Abwehr, ohne freilich das Reformproblem selber zu lösen. Die Sozialrevolution (Kommunismus) ist eine Verfrühung gewaltsamster Art, lange vor der „Reife" der Gesellschaft. Das macht eine ähnliche Atempause mitsamt „brutaler" Restauration der staatlichen Räson und Niederschlagung des Parteiismus notwendig.

3. Eine Rezension In Punkt a) der FN 20 findet der geneigte Leser die bibliographischen Einzelheiten über ein von von E.R. in seinem dritten Brief erwähnten Buch von zwei Schülern C.S.s. Diese Publikation ist noch nicht von den C.S.-Exegeten rezipiert worden, so daß der Nachdruck einer informativen Rezension angemessen erscheint. Übrigens findet sich im RevolutionenBuch von E.R. ein Zitat, das die These des rezensierten Buches illustriert: op. cit. [FN 14 Punkt a)], S. 364. PT. Quelle: „Die Tat44 (Jena), 23. Jahrg. Nr. 3, Juni 1931, S. 242-243

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[242] Deutsche Mode? In dem Buche „Deutsche Mode?" von R. Dillenz und J. Pfister wird Carl Schmitts Begriff des Politischen als der Freund-Feind Beziehung für die Betrachtung der Funktion der Mode in der Geschichte fruchtbar gemacht. „Die heutige Kleidermode ist ein Ausdruck der politischen Machtverteilung in Europa. Die Herrenkleidung ist englisch, die Damenkleidung französisch; beide halten sich die Waage und sind somit ein kleines Nachbild des europäischen Gleichgewichts. Der Formzusammenhang von Staat, Kultur und Mode wird auch daraus ersichtlich, daß in der Demokratie keine repräsentative Standeskleidung mehr möglich ist. Die vorhandenen Klassenunterschiede ändern nicht die Form, sondern nur die Qualität der Kleidung. Das politische Einheitskleid des Einheitsbürgers ist allgemein verbindlich." Die Geschichte der Mode seit dem 17. Jahrhundert zeigt, daß sie ein wichtiges Kampfmittel des Bürgertums gegen den absolutistisch monarchisch-feudalen Staat war in einer Zeit, in der ihm andere politische Wirkungsmöglichkeiten nicht gegeben waren. Erst im 19. Jahrhundert, nachdem sich das Bürgertum in der „Gesellschaft" eine eigene, vom Staate freie Lebenssphäre geschaffen hatte, kommt auch eine einheitliche „Gesellschaftsmode" auf, in der sich die Bürgerkleidung der Adelskleidung angleicht. Im Wandel der Mode läßt sich ihr Wesen erfassen als wichtigstes Vorstadium der Kultur, die von ihr bereichert, gefestigt und gereinigt wird. Ihr eigentliches Forum ist die Öffentlichkeit. Die Verfasser leiten aus einer zur Kulturtheorie erweiterten Bedeutungslehre der menschlichen Gestalt den Symbolgehalt der Kleidung mit historischen Beispielen ab. Dabei ist vor allem wertvoll der Hinweis auf den Unterschied zwischen Repräsentation- und Arbeitskleid. Ein Blick auf die gegenwärtige Kleidermode zeigt, daß heute jeder Sinn für Repräsentation verlorengegangen ist. „Das pseudorepräsentative Gesellschaftskleid des Mannes ist der Frack. Er ist schon deshalb nicht mehr in echter Weise repräsentativ, weil ihn jeder tragen kann. Seine politische Bedeutung besteht darin, daß er die Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit aller Staatsbürger ausdrückt. Er unifomisiert sie zur geschlossenen Einheit, die als Zivil den staatlichen Uniformen des Militärs und der Beamtenschaft gegenübertreten [243] kann." Auch die Frauenkleidung hat keinen repräsentativen Sinn mehr. Sie entspricht nur den Geboten einer Schönheit die sich von jedem Willen zur Repräsentation realer Mächte und Ordnungen emanzipiert hat. Es drängt sich nun die Frage auf: Wie sieht die neue deutsche Mode aus? Das Buch antwortet mit Recht: „Die Mode könnte an die Gestaltung einer neuen Repräsentationsform erst dann herangehen, wenn es einen Staat gäbe, der nach vielgestaltiger und dauernder Repräsentation seiner Substanz und Ordnung verlangte." Diese These der Verfasser wird heute durch die Erfahrung bestätigt, daß die Wirtschaft bei allen öffentlichen Tagungen und Veranstaltungen auf Repräsentation be2

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dacht ist, d. h. praktisch den sog. Abendanzug verlangt, obwohl ihr gerade die Berechtigung zu einer echten Repräsentation abgesprochen werden muß. Dagegen gehen große Städte „ i n anbetracht der ernsten Wirtschaftslage" (!) dazu über, auf ihren Einladungen zu repräsentativen Veranstaltungen bei Tagungen von Verbänden sich mit dem sog. Reiseanzug zufriedenzugeben, obwohl gerade bei ihnen ein absoluter Zwang zur Repräsentation gegeben wäre, wenn sie Sinn hätten für die Notwendigkeit einer Darstellung der Einheit alles dessen, was Staat, Gemeinschaftsordnung ist. Das vorliegende Buch hat das große Verdienst, fast vollkommen verschüttete Zusammenhänge wieder klargelegt zu haben, und es ist ein wertvoller Beitrag zur Lehre vom „totalen" Staat. H.G. 3 4 1 (PT) C.S. besaß in seiner Bibliothek von E.R., Arbeitsdienst - Heeresdienst?, Jena: Diederichs, 1932, 80 S.

2 (PT) C.S. hat von E.R., Politische Reden. Vierklang aus Volk, Gesellschaft, Staat und Kirche, Berlin: Lambert Schneider, 1929, 55 S., erhalten; als handschriftliche Widmung hatte E.R. einen Gedanken von Blaise Pascal (1623-1662) gewählt: „La multitude qui ne se réduit pas ä l'unité, est confusion. L'unité qui n'est pas multitude, est tyrannie." 3 (PT) In diesem Zusammenhang sei u. a. hingewiesen auf das in Zusammenarbeit mit dem exkommunizierten, 1945 vom Papst persönlich rekonzilierten, katholischen Priester, Kirchengeschichtler und Volksschriftsteller Joseph Wittig (1879-1949) zustande gekommene Werk: Das Alter der Kirche. Kapitel und Akten, Berlin: Lambert Schneider, 1927-28, die 2 ersten Bde = 977 S., Bd 3 (lediglich dem Fall Wittig gewidmet) = 273 S. Von diesem Werk haben Fritz Herrenbrück und M. Gormann-Thelen eine durchkorrigierte, annotierte und um Dokumente, Notizen, sowie Essays von M. Gormann-Thelen und Joachim Köhler, ein Nachwort von Wolfgang Ulimann und ein Register vermehrte Neuausgabe herausgebracht (Münster: agenda Verlag, 1998, 572 + 411+461 S.). 4 (PT) Das Thema ist fast unerschöpflich. Ich begnüge mich mit der Erwähnung des grundlegenden Werkes von E.R., Die Sprache des Menschengeschlechts. Eine leibhaftige Grammatik in vier Teilen, Heidelberg: Lambert Schneider, 1963-64,2 Bde = 810 bzw. 904XXVI S. Zum Thema, vgl. u. a. Wilfrid Rohrbach, „Die sozialgrammatische Begründung der Theologie als Sozialwissenschaft im Sprachdenken Eugen Rosenstock-Huessys", S. 186214 in Gert Hummel (geb. 1933) (Hrsg.), Synopse. Beiträge zum Gespräch der Theologie mit ihren Nachbarwissenschaften. Festschrift für Ulrich Mann zum 11. August 1975, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1975, VIII-271 S. (dieser Band enthält S. 164- 185 den bislang von der C.S.-Forschung übersehenen Aufsatz von Gerhard Nebel [1903-1974], J o hann Georg Hamann und Friedrich der Große").

5 (PT) a) H. Stahmer und M. Gormann-Thelen, „Rosenstock, Eugen (1888-1973)", in: Theologische Realenzyklopädie (Berlin: Walter de Gruyter), Bd 29 Lieferung 3 - 4 , 1998, S. 413-418. b) Nützlich ist außerdem eine von Lise van der Molen (geb. 1937) und Gottfried Hofmann (geb. 1938) zusammengestellte Chronik der wichtigsten Geschehnisse im Leben E.R.s (mit einigen Bildern), abgedruckt S. 136-141 im E.R.-Heft der Zeitschrift „Tumult" (Wien), Nr. 20, 1995, 142 S. Seit Januar 2000 liegt eine erweiterte Fassung vor (ohne die Bilder und nicht im Handel: 6 maschinenschriftliche S.). 6 (PT) Herr Gormann-Thelen wies mich jedoch auf eine Tagebuchnotiz von C.S. hin, abgedruckt in Paul Noack (geb. 1925), Carl Schmitt. Eine Biographie, Berlin: Propyläen Verlag,

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1993, 360 S.; dort S. 156: „Montag, 23. 1. 33. Bis elf im Bett. Scheußlicher Zustand. Viele riefen an: Prof. Rosenstock (ich kann seiner Einladung nicht folgen);..." 7 (PT) Außerdem erwähnt E.R. C.S.s Schrift „Polische Theologie" bejahend in seinem Aufsatz „Die Kirche und die Völker. Abriß und Überblick", S. 285-295 in: Credo Ecclesiam. Festgabe zum 70. Geburtstage D. Wilhelm Zoellners, Gütersloh: Bertelsmann, 1930, XVI450 S. - C.S. besaß diesen Aufsatz; die Unterstreichungen und Randbemerkungen weisen auf eine intensive Lektüre hin. - Wilhelm Zoellner (1860-1937) war evangelischer Theologe und Generalsuperintendent. 8

(PT) Die Gesellschaft hat auch Zweigstellen, u. a. in den U.S.A. und in Holland.

9

(PT) E.R., Ja und Nein. Autobiographische Fragmente (hrsg. von Georg Müller), Heidelberg: Lambert Schneider, 1968, 180 S. 10 (PT) Lise van der Molen [FN 5 Punkt b)], A Guide tot the Works of Eugen RosenstockHuessy. Chronological Bibliography (With a Key to the Collected Works on Microfilm), Essex: Argo Books, (1989) 1997, 202 S. 11

(PT) Welche Veröffentlichung von Ernst Jünger (1895-1997) gemeint ist, weiß ich

nicht. 12 (PT) Über diese Angelegenheit, vgl. P. Tommissen, „Bausteine zu einer wissenschaftlichen Biographie (Periode: 1888-1933)", S. 71-100 (Text) und 101-106 (Aussprache) im Tagungsband, hrsg. von Helmut Quaritsch (geb. 1930), Complexio Oppositorum. Über Carl Schmitt, Berlin: Duncker & Humblot, 1988, 610 S., Nr. 102 in der Schriftenreihe der Hochschule Speyer'; dort S. 84-85 (Punkt 4.b), sowie den ergänzenden Hinweis in Schmittiana II, S. 150 (Punkt i).

(PT) E.R., „Deutsche Nation und deutsche Universität. Zur intensiven Seite der Hochschulreform", in: Deutsche Rundschau (Berlin), 225. Jahrg., Oktober-Dezember 1930, S. 215-225. - Es ist zu beachten, daß E.R. nie vom Thema Universität losgekommen ist: vgl. stimmstein (Mössingen), 5. Bd., 2000, sowie infra FN 33. 14 (PT) a) E.R., Die europäischen Revolutionen. Volkscharaktere und Staatenbildung, Jena: Diederichs, 1931, IV-554 S. (Neuauflagen 1951 [Stuttgart/Köln: Kohlhammer, XX584 S.], 1961, 1987; Neudruck in Vorbereitung, Münster: agenda Verlag, 2001) Ich erwähne nur zwei katholische Besprechungen: (a) Joachim Sindermann, „Die revolutionäre Kirche. Zu Eugen Rosenstocks »Europäische Revolutionen'", in: Die Schildgenossen (Augsburg), 7. Jahrg. Nr. 12, Dezember 1932, S. 283-302; (b) Heinrich Getzeny (1894-1970), „Das zweite Jahrtausend des Abendlandes als Revolutionsepoche", in: Hochland (München), 30. Jahrg. Nr. 6, März 1933, S. 547-558. Der Band fand sogar im Ausland (durchaus wohlwollende) Beachtung; vgl. Alexandre Marc (eig. Alexandre Marc Lipiansky (1904 - 2000), „Prise de conscience révolutionnaire", in: Plans (Paris), Nr. 13, 1932, S. 59-65. - Wichtig ist auch eine Besprechung der Neuauflage 1951: Hans [Wilhelm] Thieme (geb. 1906), „Die Epochen des Rechts", in: Juristenzeitung (Tübingen), 8. Jahrg. Nr. 13, 1953, S. 418-419. b) Die Einsichten des Revolutionen-Buches von E.R. werden übrigens z.Zt. weitergeführt von dem Bürgerrechtler, Kirchengeschichtler und (bis 1999) Bündnis 90/Die Grünen-Europa-Abgeordneten Wolfgang Ulimann (geb. 1919), vor allem in seinen Schriften: (a) Zukunft. Aufklärung. Eine Bestandsaufnahme nach dem Ende der Utopien, Berlin: KonText, 1995, 408 S.; (b) Geduld, liebe Demut! Brüsseler Briefe, Leipzig: Forum, 1998, 214 S. Diese Auskunft verdanke ich Herrn Gormann-Thelen (Fax vom 1. Juni 2000). c) E.R., „Die Epochen des Kirchenrechts", in: Hochland (München), 16. Jahrg. Nr. 2, April 1919, S. 64-78; auch in E.R/J. Wittig, op. cit. [FN 3 - Neudruck 1998], Bd 2, S. 33-58, sowie die Hinweise dazu S. 398-400. - Ich mutmaße, daß dieser Aufsatz gemeint ist.

(PT) E.R. hatte Ostern 1912 die venia legendi für Staatsrecht bekommen. Auch seine Abschiedsvorlesung vor seiner Leipziger Juristischen Fakultät hielt er am 21. Februar 1919 zu einem staatsrechtlichen Thema, welches einen interessanten Kontrapunkt zu den Auffassungen von C.S. bildet: „Deutschlands Staatswesen und der Volkerbund" (erschienen in der

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wichtigen, aber kaum bekannt gewordenen Schrift von E.R., Die Hochzeit des Krieges und der Revolution, Würzburg: Patmos Verlag, 1920, 307 S.; dort S. 85 -105). 16

(PT) C.S. hat diese Bogen gründlich studiert: Er hat sieben Seiten handschriftliche Notizen hinterlassen, die leider in der Gabelsberger Kurzschrift abgefaßt und infolgedessen unleserlich sind. π (px) Vgl. e.R.s ergänzende Aussage in op. cit. [FN 2], S. 75: „Ich konzipierte die Revolutionssymphonie am 1. Februar 1917 als genauer Zeitgenosse der russischen Revolution. Deshalb hat mir ein bolschewistischer Russe 1948 aus Rußland bestätigt, daß jedes Wort des Buches (es erschien 1931) noch heut und erst heut wahr ist " *8 (PT) An dieser Stelle hat E.R. eine Fußnote (1) vorgesehen, die auf S. 115-116 seines Buches hinweist. 19 (PT) Es handelt sich um die Kapitel VII, VIII und IX des Buches, d. h. über die ,Papstrevolution \ E.R.s einziger juristischer Schüler, der amerikanische Rechtshistoriker Harold Berman (geb. 1917), machte diese Kapitel zum Ausgang für seine klassisch gewordene Untersuchung: Recht und Revolution. Die Bildung der westlichen Rechtstradition (übersetzt von Hermann Vetter ), Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1991, 902 S. (die amerikanische Originalfassungerschien 1983). 20 (PT) a) R. Dillenz und J. Pfister, Deutsche Mode?, Berlin: Transmare Verlag, 1931, 74 S. Vgl. dazu die Rezension, die ich als Anlage 3 nachdrucke. b) Gerhard Sappok, „Donoso Cortés. Politische Prophezeiungen und Einsichten vor 80 Jahren", in: Rhein-Mainische Volkszeitung (Frankfurt a.M.), 27. Oktober 1933. Es ist also zweifelhaft, daß er Mitarbeiter der „Germania", der Zeitung des Zentrums, gewesen ist. 21 (PT) E.R. war Vorsitzender des 1928 gegründeten, 1960 aufgelösten Vereins Arbeitskreis Schlesien; dieser Verein sammelte Interessenten aus Universität, Verwaltung und Wirtschaf. Es ist daher nicht verwunderlich, daß seine Anschrift im Briefkopf vorkommt. 22 (PT) Trinitatis heißt bekanntlich der erste Sonntag nach Pfingsten. 23 (PT) E.R., op. cit. [FN 14 Punkt a)], S. III. Der Satz ist kursiv gedruckt worden! 24

(PT) Über Spanien werden nur vereinzelte Fakten mitgeteilt, z. B. S. 253. 25 (PT) E.R., op. cit. [FN 14 Punkt a)], S. 324-325. - Auch zu den Jesuiten hat E.R. sich öfter geäußert; vgl. u. a. „Symblysma oder Überschwang der Jesuiten", in: Frankfurter Hefte (Frankfurt a.M.), 3. Jahrg. Nr. 11, November 1948, S. 1023-1032. Ein erweiterter Nachdruck dieses Textes in E.R., Der Atem des Geistes, Frankfurt a.M.: Verlag der Frankfurter Hefte, 1951,294 S.; dort S. 277-293. 26 (PT) E.R., op. cit. [FN 14 Punkt a)], S. 258-261. - Die Positionen und Begriffe von Edward Coke (1552-1634) und seiner Freunde, alle »common law'-Vertreter, haben tatsächlich einen entscheidenden Einfluß ausgeübt. 27 (PT) a) E.R., op. cit. [FN 14 Punkt a)], S. 524. b) Vgl. E.R., Revolution als politischer Begriff in der Neuzeit, Breslau: Marcus, 1931, 43 S. (gleichzeitig in: Festgabe der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultäft in Breslau für Paul Heilborn [1861 -1932], Breslau: Marcus, 1931, 202 S.). Diese Broschüre - ein Abriß der Geschichte des Begriffs »Revolution4 - verdient unsere Aufmerksamkeit, denn C.S. erhielt am 25. Februar 1931 ein Exemplar und hat es gründlich studiert (dafür sind die vielen Striche und Randbemerkungen, sowie einige Frage- und Ausrufungszeichen, ein beredtes Zeugnis). 28 (PT) E.R. wohnte von 1939 bis zu seinem Tod in einem „Four Wells" getauften Haus in Norwich (Vermont, U.S.A.). 29 (PT) Erich Müller (1907-1980), promovierte 1931 und schrieb die - dixit Armin Möhler (geb. 1920) - „propagandistisch geschickt gemachte Broschüre": Nationalbolschewismus, Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt, 1933, 45 S. 1951 gründete er die Evangelische Akademie Berlin, die er bis 1969 leitete. Ab 1945 nannte er sich Müller-Gangloff und veröffent-

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lichte unter diesem Doppelnamen mehrere Broschüren und Bücher, u. a.: Vorläufer des Antichrist, Berlin: Wedding Verlag, 1948, 343 S., in der »Buchreihe der Berliner Hefte', und: Horizonte der nachmodernen Welt. Mächte und Ideen im 20. Jahrhundert, Stuttgart: Kreuz-Verlag, 1962, 239 S., Nr. 6 in der,Handbücherei der Christen in der Welt'. 30 (PT) Ich habe das Buch damals nicht bekommen, aber kurz nachher ein Exemplar antiquarisch erstehen können. 31 (PT) a) Der nach seiner Exkommunikation als Diplomat und Politiker tätige Charles Maurice de Talleyrand-Périgord (1754- 1838) hat wiederholt seine Positionen, jedoch nicht seine Gesinnung geändert. Jedenfalls galt und gilt er als ein wetterwendischer Mensch, und so gesehen - das ist jedenfalls die Meinung von E.R. - war C.S. ihm wesensgleich. - Bei dem von E.R empfohlenen Buch handelt es sich um Michauds 200seitige Monographie in: Biographie universelle ancienne et moderne. Supplément, Paris: Beck, 1855, 83. Band. b) In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, daß Franz Blei (1871 -1942) seinem damaligen Freund C.S. sein Talleyrand-Buch widmete: Talleyrand oder der Zynismus, München: Matthes & Seitz, (1932) 1984, 379 S., Nr. 5 in der ,Liebhaber-Bibliothek'; dort S. 4. Vgl. dazu Helmut Lethen (geb. 1939), Verhaltenslehren der Kälte. Lebensversuche zwischen den Kriegen, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1994, 300 S., Nr. 1884 in der Reihe ,Edition Suhrkamp'; dort S. 145-149 („Talleyrand oder der Zynismus"). 32 (PT) E.R., Out of Revolution. Autobiography of Western Man, New York: William Morrow and Co., 1938, XII-795 S. Es gibt einen textidentischen Neudruck, mit S. XIII-XVIII ein Vorwort von H. Berman [FN 19]), Boston/London: Berg, 1991 Ich habe von E.R. ein Freiexemplar der Erstausgabe bekomen. - Es handelt sich übrigens nicht um eine einfache Übersetzung von op. cit. [FN 13 Punt a)]! 33 (PT) E.R., „Das Geheimnis der Universität. Eine Rede vor der Universität Göttingen am 5. Juli 1950", in: Die Sammlung (Göttingen), 5. Jahrg. Nr. 9, 1950, S. 523-539, wiederabgedruckt S. 17-34 in E.R., Das Geheimnis der Universität. Wider den Verfall von Zeitsinn und Sprachkraft. Aufsätze und Reden aus den Jahren 1950 bis 1957 (hrsg. und eingeleitet vonn Georg Müller), Stuttgart: Kohlhammer, 1958, 320 S. - Vgl. FN 13. 34 (PT) H.G. = Horst Grueninger (1900 - ?), der stark von C.S. geprägt (sie korrespondierten sogar) und ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift „Die Tat" war, fing zunächst als Handelsleiter an und wurde später Lehrbeauftragter für Wirtschaftspädogik an der Universität Göttingen.

A 8. Von Joseph Schmitt (1893 -1970) In seinem Brief vom 18. November 1937 berichtete der Berliner Kirchenhistoriker evangelischer Observanz Erich Seeberg (1888-1945), der in den dreißiger Jahren an der Ausgabe der Werke Martin Luthers (1483 -1546) und der Texte des Mystikers Ekkehard (1260-1327) führend beteiligt war (vgl. Schmittiana V, S. 69-70 FN 160), seinem ehemaligen Kollegen Erik Peterson (1890-1960) 1 Folgendes: „ . . . Karl Schmitt ist über seine Ausschaltung sehr unglücklich, dafür ist jetzt unser Freund Emge zu ungeahnten Höhen emporgestiegen ...". Während ich die Aussage über Carl August Emge (1886-1970) 2 hier auf sich beruhen lassen möchte, erhebt sich die Frage, inwieweit die Auskunft über die Gemütsbeschaffenheit C.S.s nach seinen Erfahrungen des letzten Quartals des Jahres 19363 den Tatsachen entspricht. Zwar maße ich mir in dieser Angelegenheit kein Urteil an, doch erlaube ich mir - ohne Kommentar - ein Dokument mitzuteilen, aus welchem zumindest die Möglichkeit abgeleitet werden kann, daß Seeberg ungenau informiert war. Es handelt sich um ein Schreiben, welches Joseph [genannt: Jupp] Schmitt, Arzt in der Arbeitersiedlung Humboldt (Lahnstraße 5), die zum Stadtteil Köln-Kalk gehörte, und erklärter Gegner des Nazi-Regimes4, seinem Bruder

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C.S. zugehen ließ. Ich füge ein zweites Schreiben hinzu, eines interessanten Hinweises wegen. Für die Abdruckgenehmigung der beiden handschriftlichen Missiven bin ich dem Kollegen Klaus Kröger (geb. 1929) und seiner Gattin Claire-Louise (geb. Schmitt ), sehr erkennt-

1

Kalk, 16.XII.36 Lieber Carl! Von den unangenehmen Dingen, die Du in den letzten Wochen durchmachen mußst, erfuhr ich erst durch Claire 5. Ich bin stolz auf Dein tapferes Verhalten und froh, daß jetzt die drückende Schwüle durch offenen Kampf ersetzt ist. Sei Du froh, daß Du aus einer solchen Gesellschaft herauskommst. Wir sehen uns hoffentlich bald. Für die Gastfreundschaft an Claire Luischen6 vielen Dank. Viele Grüße! Stets Dein Bruder

(s) 2 Köln-Humboldt, den 22.XI.42 Lieber Carl! Herzlichen Dank für die liebe Übersendung Deines Reclambuches „Land u. Meer" 7 . Es ist sehr gut, und habe ich es mit Spannung in einer langen Sitzung gelesen. Es ist Dir wohl auch bekannt, daß auch das erste Unterseeboot von dem Holländer Cornelius Drebbel erbaut und 1624 durch Jakob /. u. 10 Mann Besatzung unter der Themse von Westminster nach Greenwich fuhr 8? Ich bin gespannt, wie man auf Deine Ausführungen reagiert. An Duschka9 nochmals vielen Dank für den vorzüglichen Slibowitz, der mich den ganzen Mittwoch noch über der Linie gehalten hat. Ich hoffe, daß Deine Reise damals nicht zu anstrengend ausgefallen ist 10 . An Duschka Anima 11 u. Dich viele herzliche Grüße

(s) ι (PT) Über ihn, vgl. Barbara Nichtweiß (geb. 1960), Erik Peterson. Neue Sicht auf Leben und Werk, Freiburg: Herder, 1992, XVII-966 S. Es handelt sich um die Buchausgabe einer Freiburger Dissertation (1992; Doktorvater: Bischof Prof Karl Lehmann [geb. 1936]).

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2 (PT) In diesem Zusammenhang sind Emges Erinnerungen aufschlußreich: „ E r i n n e r u n g e n eines Rechtsphilosophen an die Umwege, die sich schließlich doch als Zugänge nach Berlin erwiesen, an die dortige Rechtsphilosophische Situation und Ausblicke auf Utopia", S. 3 7 108 in: Studium Berolinense. Aufsätze und Beiträge zu Problemen der Wissenschaft und zur Geschichte der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Berlin: Walter de Gruyter, 1960, XII-930 S

3 (PT) Bekanntlich wurde C.S 1936 das Opfer einer SS-Intrige, die zur Folge hatte, daß er seine Ämter verlor, jedoch weiterhin als Universitätsprofessor tätig sein durfte. 4 (PT) Einige Einzelheiten aus der Jugendzeit von C.S.s Bruder finden sich in Ernst Hüsmert (geb. 1928) (Hrsg.), Carl Schmitt: Jugendbriefe an seine Schwester Auguste 1905 bis 1913, Berlin: Akademie Verlag, 2000,213 S. 5 (PT) Gemeint ist seine Gattin Klara (geb. Hamaekers; 1895-1966) oder seine Tochter Claire-Louise. 6 (PT) Laut Auskunft des Kollegen Klaus Kröger wurde die Gastfreundschaft seiner Frau Claire-Louise, der Tochter Joseph Schmitts, gewährt; sie war mit ihrer Cousine, der Tochter C.S.s [FN 11], befreundet (Brief vom 23. Mai 2000). 7 (PT) C.S., Land und Meer. Eine weltgeschichthche Betrachtung, Leipzig: Reclam, 1942, 76 S., Nr. 7536 in der Reihe ,Reclams Universalbibliothek'. 8 (pT) Tatsächlich hat der Holländer Cornelius Drebbel 1624 den Prototyp eines U-Boots gebaut, das vom englischen König Jakob I. (1566-1625) ausprobiert wurde. 9 (PT) Gemeint ist C.S.s zweite Gattin Duschka (geb. Todorovic; 1903 -1950). w (PT) a) Slibowitz (richtig: Sliwowitz) ist ein serbischer Pflaumenbrantwein. b) Bei der erwähnten Reise handelt es sich um C.S.s Vortragsreise nach Frankreich (Lille) und nach Brüssel (vgl. Schmittiana VI, S. 200-202). n (PT) Gemeint ist C.S.s einziges Kind, seine Tochter Anima Louise (1931 -1983). Vgl. supra S. 329-330.

A 9. Von Juri N. Semjonow (1894-1977) Im vorigen Schmittiana-Band hat der in Geopolitik interessierte Schwede Theo Hartmann 1940) bio- und bibliographische Einzelheiten über den exilierten russischen Forscher Semjonow mitgeteilt und auch seine Kontakte zu C.S. gestreift (Schmittiana VI, S. 275-277). In einer Fußnote bezeichnet er den Brief, den Semjonow C.S. am 27. Januar 1943 zuleitete, als „a very interesting document", weil er sich mit „Land und Meer" 1 befaßt (S. 277 FN 21 Punkt b). Ich teile jedoch ein späteres Schreiben mit; es befindet sich im C.S.-Nachlaß im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (Sign.: RW 265-15104). - Ich bedauere indes außerstande zu sein, die Abdruckgenehmigung einzuholen, die mir sicherlich problemlos gewährt worden wäre. P.T.

Uppsala, d. 14. Sept. 1950 Stabby alié 24 2 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, es ist bestimmt tadelnswert, daß ich mich erst heute für „Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft" 3 bedanke, aber ich möchte lieber ungezogen als unehrlich erscheinen: wie konnte ich Ihnen über Ihre Schrift schreiben, bevor ich

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sie gelesen und innerlich verarbeitet habe? Und dies vermochte ich erst vor kurzem, weil ich im Sommer viel arbeiten mußte, und zwar an einem statistischwirtschaftlichen Stoff, der mich weit fern von den großen Fragen der Jurisprudenz führte. Wie immer war die Lektüre - oder richtiger das Studium - Ihrer Arbeit ein Genuß für mich. Ich bewunderte zunächst Ihre Kunst, nur das zu sagen, was Sie im gegebenen Fall für nötig halten, nicht mehr und nicht weniger. Der Leser fühlt, wie groß der Vorrat von nichtausgesprochenen Gedanken ist. Das ist die wahre Kunst, die Meisterschaft; selbst die kleinste Arbeit von Ihnen hat, wie eine schöne Frau, ihr „Geheimnis"4 - und dies, verbunden mit dem kristallklaren Aufbau, mit den mathematisch exakten Formulierungen, verschafft jenen ästhetischen Reiz. Ihre Deutung des großen Savigny 5 ist so schön und überzeugend, - aber darüber hinaus ist das Thema mehr als aktuell: die Problemstellung trifft den Kern aller Kerne. Mir als Russe liegt dies besonders nahe, denn schließlich hat die ganze Krise in Rußland ihren letzten Ausdruck gefunden, dort wurden die letzten Konsequenzen sichtbar. Gewiß ist die Rechtswissenschaft das letzte Asyl. Aber sie setzt das Rechtsbewußtsein voraus. Wie steht es aber damit? Darüber möchte ich so brennend gern Sie sprechen hören. Vor allem frage ich mich, wo heute in meiner Heimat die Rechtsquellen sind, aus welchen das Rechtsbewußtsein gespeist werden kann. Alles was „organisch", „raumgebunden" und „historisch" ist, wurde in Rußland systematisch vernichtet mit Ausnahme eines Überbleibsels der kirchlichen Tradition vielleicht, die aber kein rechtsbildender Faktor heute sein kann. Alles übrige ist der Staat, der nicht einmal „legalistisch" ist: er verletzt selbst die eigenen Gesetze, ohne sich Mühe zu geben, sie vorher aufzuheben. Dementsprechend sind auch die Juristen gestellt: sie glossieren nicht einmal, sie registrieren nur. In Ihrem und Savigny'schen Sinne gibt es dort keine Rechtswissenschaft mehr. Trotzdem glaube ich nicht, daß damit die Geschichte abgeschlossen ist, es scheint mir vieklmehr, daß Lenin recht hatte und dies alles nur ein „Übergangsstadium" ist 6 . Wenn ich die neuen russischen Emigranten nach den rechtsbildenden Kräften im heutigen Rußland frage, antworten sie übereinstimmend: Gewerkschaften, Genossenschaften. Das entspricht merkwürdigerweise dem syndikalistischen Gedanken von Duguit 7 - und der korporativen Idee im Naz.-Sozialismus und Faschismus - erinnern Sie sich noch an den „Vorläufigen Wirtschaftsat"? Es scheint, daß aus diesen Quellen sich mit der Zeit tatsächlich ein neues Rechtsbewußtsein herausbilden kann. Aber welche große Rechtsidee könnte all diese Teilquellen verbinden und als integrierendes „soziales Gesetz" - la loi sociale - dienen? Was Gut und Böse, was Recht und Unrecht ist, weiß man auch in Rußland immer noch. Wird nicht daraus eine Art neues Naturrecht entstehen, ein „Sozialrecht" oder etwas ähnliches? Es ist interessant, daß eine Tendenz zur Bildung eines eigenen „jus gentium" bei den Bolschewisten immer deutlicher wird. So scheint der sowjet-chinesische Vertrag vom Februar dieses Jahres8 auf dem Prinzip der tatsächlichen

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Gleichberechtigung aufgebaut zu sein, - und zugleich ist der Vertrag sehr raumgebunden und „existenziell" . . . Es sind alles nur die Gedanken eines Einsamen. Ich habe hier keine Gelegenheit mit jemandem darüber zu sprechen, und das ist das größte Übel. Ich denke immer an Deutschland zurück und fühle mich hier immer noch als Gast. Über meine hiesige Lebensweise w i l l ich noch extra an Duschka Wasiliewna schreiben, deswegen schließe ich diese lange Abhandlung mit einem nochmaligen Dank und einer Bitte - auch weiterhin mich nicht zu vergessen und alles mir zukommen zu lassen, was von Ihnen erscheint. Und wenn irgendwelche äußeren Veränderungen in Ihrem Leben stattfinden sollten, lassen Sie mich, lieber Herr Professor, nicht in Unkenntnis. Ihr in alter Ergebenheit

(s) 1

(PT) C.S., Land und Meer. Eine weltgeschichtliche Betrachtung, Stuttgart: Klett-Cotta, (1942) 1954, 63 S. 2

(PT) Im März 1953 zog Semjonow um und wohnte seitdem in Uppsala, Arstagaten 12 b.

3 (PT) a) C.S., „Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft (1943/44)", S. 386-426 (Nachdruck der Broschüre vom Jahre 1950) und 426-429 (Glossen) in C.S., Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924-1954. Materialien zu einer Verfassungslehre, Berlin: Duncker & Humblot, (1958) 1985, 517 S. b) Zur Drucklegung der Schrift (sowie weitere Einzelheiten), vgl. Schmittiana V, S. 182 — 190. Außerdem die portugiesische ,Fassung* in Schmittiana VI, S. 260-270. 4

(PT) Diese Äußerung mutet fast wie eine Paraphrase einer Aussage C.S.s an. Vgl. C.S., Ex captivitate salus. Erfahrungen der Zeit 1945/47, Berlin: Duncker & Humblot (1950) ab 1991, 95 S.; dort S. 75: „Jede Situation hat ihr Geheimnis, und jede Wissenschaft trägt ihr Arcanum in sich." 5 (PT) Friedrich Karl von Savigny (1779-1861), Begründer einer historischen Rechtsschule, wird zu den bedeutendsten deutschen Rechtsgelehrten gerechnet. Vgl. C.S., op. cit. [FN 3 Punkt a)], S. 428 (Anfang der 3. Glosse): „Das große Thema des tieferen Verhältnisses von Savigny und Hegel hätte ich nur mit einer eingehenden, weit über den Streit der Fakultäten hinausgehenden, umfangreichen Arbeit beantworten können. Daß ich eine solche Arbeit nicht vorlegen kann, gehört zu den großen Versäumnissen meines Lebens "

6 (PT) a) Lenin (eig. Wladimir Iljitsch Ulianow; 1870-1924) betrachtete die Sowjet-Union als eine Übergangsphase auf dem Weg zum kommunistischen Paradies. b) Ich kann nicht umhin daraufhinzuweisen, daß C.S. und Lenin neulich nebeneinander präsentiert worden sind. Vgl. Andreas Wirsching (geb. 1959), Vom Weltkrieg zum Bürgerkrieg? Politischer Extremismus in Deutschland und Frankreich 1918-1933/39. Berlin und Paris im Vergleich, München: Oldenbourg, 1999, X-702 S., Nr. 40 in der Reihe »Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte'; dort S. 25-37: „1. Lenins Tatphilosophie des Bürgerkriegs und Carl Schmitts ,Begriff des Politischen4." - Vgl. auch Willy Haas (1891-1973), „Eine neue politische Lehre", in: Die literarische Welt (Berlin), 8. Jahrg. Nr. 21, 20. Mai 1932, S. 1 - 2 . 7 (PT) Léon Duguit (1859-1928), einer der größten französischen Juristen, lehrte in Bordeaux. In seiner Sicht war das Recht keine höhere Entität und der Staat nicht mehr die Inkarnation der Souveränität, sondern eine das Netzwerk der gemeinnützigen Einrichtungen verwaltende »nationale Kooperative'. Für eine gute Zusammenfassung seiner Theorien, vgl. u. a. Alberto Brimo, Les grands courants de la philosophie du Droit et de l'Etat, Paris: Pedone,

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1968, 436 S., in der Reihe ,Philosophie comparée du Droit et de l'Etat'; dort S. 193-208: „Léon Duguit et sa doctrine sociologique du Droit et de l'Etat". Auch Georges Fernere, „Droit et politique chez Léon Duguit: la critique et la notion de souveraineté", S. 489-518 im Tagungsband: Pensée politique et droit, Aix-en-Rovence: Presses Universitaires d'AixMarseille, 1998, 526 S., Nr. 12 in der »Collection d'histoire des idées'. 8

(PT) Gemeint ist die am 14. Februar 1950 zwischen der damaligen Sowjet-Union und der chinesischen Volksrepublik vertragsmäßig geschlossene Allianz (Dauer: 30 Jahre).

A 10. Von Jean Shahowskoy (1902-1989) C.S.s zweite Gattin Duschka Wassiljewna (geb. Todorovic; 1903-1950) 1 war griechischorthodoxer Observanz und besuchte in Berlin regelmäßig die Kirche des Hl Fürsten Wladimir in der Nachodstraße 10, genau so wie das Ehepaar Semjonow [vgl. Brief A 9] und die zweite Ehefrau des Nationalökonomen und Soziologen Werner Sombart (1863-1941), Corinna (geb. Leon; 1892-1971). Die zwei Grundpfeiler dieser religiösen Gemeinde waren Fürst Shahovsky (genannt Pére Jean), ein Priester-Mönch vom Berg Athos, und Frau Scharasoff. Beide fanden nach Kriegsende eine neue Betätigung im Ausland: Frau Scharasoff wurde seßhaft in Australien, Archimandrit Shahovskoy Erzbischof in San Francisko. Über Shakowskoy hat Nicolaus Sombart (geb. 1923; vgl. Schmittiana VI, S. 64-74) in einem Erinnerungsbuch berichtet 2. Während seiner Berliner Amtszeit unterhielt der Archimandrit übrigens auch mit C.S. Kontakte, wie der nachstehende Brief bezeugt. Es handelt sich um ein interessantes Dokument, denn im Mittelpunkt steht der französische neo-thomistische Philosoph Jacques Maritain (1882-1973), mit dem C.S. verkehrt hat (vgl. Schmittiana V, S. 210-213, und die Ergänzungen in Schmittiana VI, S. 345-346 und 350)3. Ich habe mir erlaubt einige (nicht alle!) Fehler zu berichtigen; die oft und meistens ohne Grund vorkommenden drei Punkte stammen von Pére Jean. P.T.

Villa Vogl. Mattighofen Ob./Don. 2 / Π Ι 1944 Cher Monsieur Schmitt, j'espere qu'on Vous a remis le livre, que Vous m'avez preté. Je Vous remercie de m'avoir donné la possibilité de relire cet ouvrage de J. Maritain: „Les trois Réformateurs" 4 . J'ai goüté davantage la sagesse et le goüt spirituel parfait de Mr. Maritain; surtout dans la matiére du „rousseauisme" 5 . Sa pensée sobre, un peu séche et alourdie par des périodes de phrases ä l'allemande, mais concentrée, donne une satisfaction ä l'esprit et ä la conscience. Certes, son probléme luthérien peut étre bien élargi . . . Quoique, voulant jouer avec et dans un „grand orchestra", Maritain est un grand soliste! Ce qu'on pourrait lui reprocher, peut-étre, - c'est la . . . facilité avec laquelle i l a vaincu la „filiation facile" et le ciel facile de Luther. I I a trop facilement reprouvé cette facilité . . . Cette „facilité" luthérienne est vraiment assez dangereuse, mais le probléme reste inabordable pour le thomisme . . . Ce probléme présuppose et invoque un certain

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sacré délire que tous les saints ont eu et que tous les grands pécheurs ont imité vainement dans l'histoire (-jusqu'á nos j o u r s ! ) . . . Contre ce gros rationalisme voluntariste de Luther, Maritain η ' a eu eu que les „trop infaillibles distinctions" avec lesquelles i l voyage non seulement sur la terre, mais aussi dans le ciel. Contre ce ,,bon sens bourgeois", mis sur le sol de la religion par L u t h e r . . . , i l aurait fallu avoir encore quelques autres arguments . . . Mais si on ne cherche pas la „vérité 100%" - on peut bien se contenter de cette critique tres fine et sage de J. Maritain. Encore peut-étre une remarque: j'aimerai mieux prendre comme épigraphe ä la vie de Luther non Math. IV, 6 (comme Ta fait Maritain), mais I Korr. Π Ι, 1 2 - 1 5 , - en comprenant cela non historiquement, mais métaphysiquement. Je Vous prie bien, eher Monsieur Schmitt, d'agréer les sentiments de tout mon respect. Archimandrit Jean 1 (PT) Einzelheiten über die zweite Frau Schmitt findet der geneigte Leser in meinem Buch: In Sachen Carl Schmitt, Wien/Leipzig: Karolinger Verlag, 1997, 155 S.; dort S. 103 die lange FN 34. 2 (PT) N. Sombart, Jugend in Berlin. 1933 -1943. Ein Bericht, Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag, (1984) 1986, 290 S., Nr. 1280 in der Reihe ,Fischer Taschenbuch'; dort S. 111-112. 3 (PT) Dem ist hinzuzufügen, daß zwei Zeitschriften unter der Schirmherrschaft Maritains entstanden sind: „Esprit" und „Economie et Humanisme"; vgl. Schmittiana VI, S. 73 FN 13 und 14. Im Fall,Esprit" wurde Maritain von der von ihm nicht geliebten Gruppe ,Ordre Nouveau* überspielt; vgl. die Buchausgabe der Trierer Dissertation (Doktorvater: Professor Wolfram Siemann [geb. 1946]) von Hans-Wilhelm Eckert, Konservative Revolution in Frankreich? Die Nonkonformisten der Jeune Droite und des Ordre Nouveau in der Krise der 30er Jahre, München: Oldenbourg, 2000, VII-267 S., Nr. 58 in der Reihe ,Studien zur Zeitgeschichte'; dort S. 77-78 - Maritain fehlt in keinem der vorangehenden 6 Schmittiana-Bände; vgl. jedoch vor allem Schmittiana V, S. 210-213. 4

(PT) J. Maritain, Trois Réformateurs. Luther, Descartes, Rousseau, Paris: Plon-Nourrit, (1925), 1937, 332 S., Nr. 1 in der Reihe ,Roseau d'or. CEuvres et chroniques'. Das Buch hat C.S. lebhaft interessiert. 5 (PT) Maritain gehörte zu denen, die sich damals mit dem sog. Rousseauismus befaßt haben. Allerdings war er keineswegs einverstanden mit den Übertreibungen und Einseitigkeiten des Barons Ernest Seiliiere (1866-1955) (vgl. meine Abhandlung „Der antiromantische Kreuzzug des Barons Seiliiere", in: Etappe [Bonn], Nr. 14, März 1999, S. 59-77) und seiner Schüler; vgl. u. a. J. Maritain, „Une philosophie de l'histoire moderne", in: La Revue Universelle (Paris), 5. Jahrg. Nr. 4, 15. Mai 1921, S. 432-443. - Da im Brief von Martin Luther (1483-1546) die Rede ist, sei hingewiesen auf Guy Doneux, Luther et Rousseau, Brüssel: Houyoux, 1966, 281 S.

A 11. Von Adrien T\irel (1890-1957) Aus Baden-Baden schrieb C.S. Armin Möhler (geb. 1920) unter dem 24. April 1954 u. a. Folgendes: „Ich habe hier Mme Amédée Ponceau getroffen; bei dieser hat sich Herr Adrien

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Turel vorgestellt, aus Zürich, Leiter eines »Instituts'; wissen Sie etwas von ihm." 1 Die Frage gibt ein Rätsel auf, denn es ist möglich, daß C.S. sich nicht mehr an Turel erinnerte, aber es ist auch möglich, daß sein Gedächtnis ihn nicht im Stich ließ und er gerne Näheres über den Werdegang Turéis erfahren hätte. Ich war geraume Zeit der ersten Meinung, habe sie jedoch revidiert und neige jetzt zu der zweiten Möglichkeit. Denn Turel hat sich 1931 an C.S. gewandt und sein nachstehender (maschinenschriftlicher) Brief setzt m.E. eine Begegnung voraus. Außerdem ist einem Schreiben C.S.s an Dr. med. Franz Schranz (1894-1961) zu entnehmen, daß ihm die in diesem Brief erwähnte Schrift Turéis gefesselt und sogar angeregt hat (Schmittiana III, S. 75). Wer war Adrien Turel? Möhlers Charakteristik - „schweizerischer Ableger in den Berliner Expressionismus, wo er seine skurrilen Gedanken über die ,Querwelten4 und die Vierdimensionalität entwickelte"2 - ist jedenfalls einseitig, d. h. sie wird weder dem Mann noch seinem Schaffen gerecht, obschon der nachstehende Brief für sie spricht. Platzmangels wegen kann ich lediglich versuchen, mittels einiger bio- und bibliographischen Einzelheiten, den richtigen Turel vorzustellen 3. Der Vater, André-Jérémie Turel, ein welsch-schweizerischer Gymnasiallehrer, der kurzzeitig in Rußland - wo sein Sohn Adrien geboren wurde - unterrichtet hat, zog 1900 nach Berlin und dort hat Adrien 1912 das Abitur gemacht. Während er an der Universität Geschichte, Germanistik und Romanistik studierte, veröffentlichte der junge Turel seine ersten Gedichte. Im August 1917 führten Magnus Hirschfeld (1868-1935; vgl. Schmittiana II, S. 103 FN 10; Schmittiana III, S. 176 ZI 17-21; Schmittiana IV, S. 304 ZI 8 - 1 0 ) und Heinrich Körber ihn in die Psychoanalyse ein, die er übrigens 1929-31 im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis in Berlin praktiziert hat4. 1919 war er beteiligt gewesen an den gescheiterten Revolutionen in Berlin (Spartakus-Aufstand) und München (Räterepublik) und hatte die Bekanntschaft von Schriftstellern - u. a. Theodor Däubler (1876- 1934; vgl. Schmittiana I, S. 22-39; auch Brief Nr. Β 3), Mynona (eig. Salomo Friedländer; 1871 -1946), Oskar Loerke (1884-1940) - und Aktivisten wie Kurt Hiller (18851972) gemacht5. Er gab Essay- und Gedichtbände und ein Drama heraus und konzipierte außerdem eine Gesellschaftslehre. 1931 geriet er in den Kielsog der Gruppe um die Zeitschrift „Der Gegner", ein Kapitel für sich (vgl. Schmittiana II, FN 111). Nach der Machtergreifung sperrte die SS ihn ein, sodaß er sich, aus der Haft entlassen, kurzerhand über Paris in seine Heimat zurückzog. Hier konnte er bis 1943 einige Bücher veröffentlichen; danach nur noch einige Schriften auf eigene Rechnung herausgeben. Turel hinterließ einen umfangreichen Nachlaß, aus dem seine zweite Gattin, Lucie (geb. Welti; 1895-1988), und treue Freunde einige Bücher edierten. Es ist leider unmöglich Turéis Sozialphysik, die im Grunde auf eine Neufassung des von Ernst Haeckel (1834- 1919) aufgestellten biogenetischen Grundgesetzes hinausläuft 6, zu resümieren, zumal die Erläuterung der vielen Neologismen zu weit führen würde 7. Freilich sind die Unzulänglichkeiten dieser Theorie mit Recht kritisiert worden 8, aber dennoch kann nicht geleugnet werden, daß der Außenseiter Turel frühzeitig gegen Fehlentwicklungen (z. B. in Sachen Energieverbrauch) und ihre Folgen gewarnt hat. Turel war nicht der Karl Marx (1818- 1883) des XX. Jahrhunderts, wie er heimlich gedacht und gehofft hat, aber die Tatsache, daß er von bekannten Zeitgenossen au sérieux genommen wurde, weist immerhin auf eine gewisse Bedeutung hin 9 . Ich bedanke mich bei der Stiftung Turel für die bereits vor längerer Zeit erteilte Abdruckerlaubnis des nachstehenden Briefes. Außerdem bei Herrn Tobias Wimbauer für einige erfolgreiche Sucharbeiten. In einer Anlage kopiere ich eine Rezension des im Brief genannten Buches.

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Adrien Turel Berlin-Charlottenburg Berlinerstraße 57

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den 27.4.31

Sehr verehrter Herr Professor Schmitt! Wenn Sie die Güte haben, die beiliegenden 4 „Gedichte" und den Aufsatz „Der Mensch in der Zange" durchzusehen10, so werden Sie sehen, daß Ihnen nicht zugemutet wird, ästhetische Leistungen zur Kenntnis zu nehmen, welche ganz einfach „schön" beschreiben, was schon da ist. Vielmehr liegt mein einziger Ehrgeiz darin, eine Renaissance der Kunst herbeizuführen, indem ich sie zu einem entscheidenden heuristisch-erobernden Prinzip neu entwickle, indem ich den Menschen selbst als die vor allen anderen „RohstoffQuellen" - bevorzugte Rohstoffquelle für IDEEN, d. h. für neue Gruppierungen der Weltsubstanz betrachte ... An einer Stelle seiner „COMEDIA", die mir zitatenmäßig nicht gegenwärtig ist, sagt Dante, daß Gott als Gestaltsraum „in sich" alles gleichzeitig habe, was den Menschen-Generationen-Staffeln als historische Zeitstaffeln erscheint. Damit hat er offenbar die Belange der Relativitätstheorie aus der Scholastik und religiöskünstlerisch bereits vorweggenommen... Wenn man ganz einfach diese Gesichtspunkte auf unsere heutige Zeit anwendet, so ergibt sich eine prinzipielle Zweispaltung der Kunst: 1. in einen „photographierenden" Ast, welcher das „beschreibt", was schon da ist... 2. in einen schöpferischen Ast, welcher immer von neuem die Möglichkeit der Technik und der Mathematik schon hat, bevor diese Wissenschaften da sind. Weit hinaus über mein Buch „Die Eroberung des Jenseits"11 sind hier Möglichkeiten vorhanden. Die hierzu erforderlichen Arbeiten liegen in der „Diagonale" zwischen Kunst und technischem Kalkül, daher ist es zunächst beiden Gebieten möglich, sie zu sabotieren und zu verleugnen. Wir müssen daher überall versuchen Halt zu bekommen, wo Verständnis ist, für die Aufgabe, für die Möglichkeit und für die großen praktischen Konsequenzen. Mit vorzüglicher Hochachtung

(s)

Anlage Quelle: A. Tritsch, »Adrien Turel: Die Eroberung des Jenseits", in: Vossische Zeitung (Berlin), 15. März 1931

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Briefe

Glänzende, weltbespiegelnde Stilisten, so heißt es allgemein, findet man anderwärts leichter als in Deutschland - dafür entsteht dann das wirklich Neue, Tiefe, Weltumdeutende fast immer zuerst bei uns. Aber das bedingt einen Übelstand: bei uns glaubt sich jeder vorweg im Recht, wenn er für das, was er sagen will, ganz neue Namen, Worte, Zeichen braucht. Und es fällt gar nicht leicht, unter den alljährlich unzähligen Findern neuer Terminologien jene zu erkennen, die uns mit dieser Terminologie etwas Wesentliches, anders gar nicht Sagbares erklären wollen. Adrien Turel ist einer von diesen Wenigen. Sein Gedankengang, den er in einem bei Rowohlt erschienenen Buch „Die Eroberung des Jenseits" entwickelt, ist ebenso neu wie bedeutend und zeitgemäß, und es lohnt durchaus, sich durch seine manchmal doch recht eigenwillige Namengebung hindurchzuarbeiten. „Das Jenseits" oder „der Embryonalzustand" bedeutet für ihn einfach die schöpferische Sphäre der Unfertigkeit, biologisch gesprochen, der Mutation. Der Mensch durchlebt seine Mutationsperiode im Mutterleib als Embryo: einmal geboren, ändern sich zwar seine Fähigkeiten und Schicksale, aber nicht mehr auch seine Anlagen; er hat eine gegebene Konstitution. Die Gesellschaftsformen, in denen wir leben, Gemeinschaft, Staat, Volk - die befinden sich heute durchaus noch in ihrer Mutationsperiode: sie sind in noch immer ihrem Embryonalzustand, sie sind „noch ungeboren". Daß der stationäre, in seiner Konstitution statisch gewordene Mensch mit seinen eigenen noch im Fluß befindlichen noch schöpferisch bewegten Sozialgebilden sich auseinandersetzen, das heißt aber von seinem „geborenen" Standpunkt, mit ihnen fertig werden muß, bedingt eine ganze Anzahl von inneren Widersprüchen, Antinomien, Krisenursachen, nach deren Bilde man sehr schön die vergangene Weltgeschichte und die Not der Gegenwart kulturphilosophisch deuten kann. Aber nicht solche neuen Deutungen sind für Adrien Turel das Wichtigste: er will in das entscheidende Geschehen aktiv eingreifen und uns aktiv eingreifen lehren. Um den für uns zureichenden Staat zu bilden, genügt es nicht, zu organisieren wir müssen in unsere eigene Embryonalsphäre willentlich neugestaltend eindringen lernen! Wie dies geschehen könnte und welche Sinn Verwandlungen des Lebens damit wahrscheinlich erreichbar wären, das bei Turel nachzulesen, ist eine anregende, kluge und vor allem wirklich aufschlußreiche Arbeit, die uns die Mühe des Eindringens tausendfach vergilt. Ja, man gleitet oft ganz unvermerkt, ohne Hindernis und voller Spannung bis in die schwersten Probleme. Turel knüpft an die (nicht neue, nicht ihm allein eigene) Erkenntnis an, daß alle heutige Wissenschaft immer nur Abbau, immer nur Trägheiten und Abläufe nach den Gesetzen des geringsten Widerstandes erkennen könne: die Verhaltungsweisen von allem bereits Geborenen, die Entropien. Für Aufbaugeschehen und Gestaltungsereignisse, für Mutationen der Embryonalsphäre, für die Ektropie (ein Wort von Auerbach) fehlt uns heute die Denkform der Fragenstellung, geschweige, daß wir eine Antwort hätten. Und Turel beweist uns, daß wir z. B. in der Technik noch nicht weiter als Räuber-, Jäger- und Nomadenvölker wären, weil wir erst jetzt daran zu denken beginnen, daß man die nützliche oder wünschenswerte oder schöpfe-

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rische Energie nicht aus der fertigen Natur abzubauen braucht, weil man sie viel besser und wirksamer in der unfertigen selbst erzeugen kann. ι (PT) A. Möhler (Hersg.), op. cit. [Brief Nr. 1 FN 3], S. 152. 2 (PT) A. Möhler, op. cit. [FN 1], S. 152 FN 172. 3 (PT) Es liegt noch immer keine Turel-Biographie vor. Ich benutze (a) A. Turel, Bilanz eines erfolglosen Lebens. Autobiographie, Zürich: Edition Moderne + Hamburg: Edition Nautilus, (1956) 1998, 287 S. (vgl. die Besprechung von Frangois Bondy [geb. 1915]; „Aus sich selber auswandern", in: Süddeutsche Zeitung [München], Nr. 82, 7.-8. April 1990, S. XX); (b) „Turel, Adrien", S. 317-318 in Fritz Hofer und Sonja Hägeli, Zürcher Personenlexikon. 800 biographische Porträts aus zwei Jahrtausenden, Zürich/München: Artemis, 1986, 398 S.; (c) Hugo Eberhardt (geb. 1952) und Wolfgang Bortlik (Hrsg.), Adrien Turel zum 100. Geburtstag, Aarau (Schweiz): Stiftung Turel, 1990, 64 S.; (d) Waither Killy (1917-1995), „Turel", S. 118 in: Deutsche Biographische Enzyklopädie, München: Säur, Bd 10 = 1999, 711 S. 4 (PT) a) Über Körber, vgl. A. Turel, op. cit. [FN 3, Titel (a)], S. 180-182. b) Bezeichnenderweise sind die in Lexikonartikeln [FN 3, Titel (b) und (d)] mitgeteilten biographischen Fakten zu beanstanden. Killy z. B. schreibt, daß Turel sich ab 1917 „als Analytiker und Propagandist [der Psychoanalyse] widmete" [FN 3, Titel (d)], aber Turel war 1927-29 Bürovorsteher bei einem befreundeten Arzt! Demgegenüber wird im Zürcher-Lexikon [FN 3, Titel (b)] Turéis Tätigkeit als Psychoanalytiker nicht mal erwähnt, obzwar er sie hervorgehoben hat: „ . . . habe ich im Laufe der Jahre Dutzenden von Menschen psychoanalytisch geholfen und vermutlich mehreren das Leben gerettet." [FN 3, Titel (a), S. 183]. 5 (PT) Über diese Bekanntschaften teilt Turel Einzelheiten mit: op. cit. [FN 3, Titel (a)], S. 50 (Loerke), 103 (Däubler; Mynona ), 107-108 (Hiller). 6

(PT) E. Haeckel, Die Lebenswunder. Gemeinverständliche Studien über biologische Philosophie, Leipzig: Kröner, (1904) 1923 (?), 375 S., Nr. 22 in der Reihe ,Kröners Taschenausgabe'; dort S. 287: „Die Ontogenesis ist die kurze und schnelle Rekapitulation der Phylogenesius,..." Turéis »Erweiterung 4 dieses Gesetzes lautet: „Die Entwicklung der Persönlichkeit von der Zeugung bis zum Tode entspricht in einer Art von Querweltein der Entwicklung der Menschheit von der Altsteinzeit bis zum Zeitalter der vollentwickelten Astronautik 44 (op. cit. [FN 3, Titel (a)], S. 276-277. 7 (PT) Als erster Einstieg in diese komplexe Materie sind die ersten Kapitel die Zürcher Dissertation (Doktorvater: Professor Peter von Matt [geb. 1937]) von Hugo Eberhardt [FN 3, Titel (c)] geeignet: Experiment Übermensch. Adrien Turéis Ästethik und deren literarische Verwirklichung, Aarau: Edition Moderne, 1984, 143 S. 8 (PT) Vgl. die Kritik des Zukunftsforschers Robert Jungk (1913-1994) in: op. cit. [FN 3, Titel (c)], S. 11 - 1 8 : „Im Gespräch mit Robert Jungk44. 9 (PT) Sogar Gottfried Benn (1886-1956; vgl. Brief Nr. Β 4 FN 6) hat sich für ihn interessiert, wie sich aus seinem Brief vom 26. Oktober 1949 an die 1935 emigrierte Zeichnerin und Schriftstellerin Erna Pinner (1896-1987) ergibt. Vgl. G. Benn, Ausgewählte Briefe, Wiesbaden: Limes Verlag, 1957, 400 S.; dort S. 179: „Den von Dir erwähnten Turel verfolge ich mit großem Interesse seit langem.44 10

(PT) Dieser Artikel konnte nicht im Nachlaß Turéis gefunden werden (Brief der Zentralbibliothek Zürich vom 27. September 1999). n (PT) a) A. Turel, Die Eroberung des Jenseits, Berlin: Rowohlt, 1931, 200 S. b) C.S. hat das Buch 1931 von seinem Bruder Josef [Brief Nr. A 8] bekommen und sich darüber mit dem Physiologen Johann Daniel Achelis (1898-1963) unterhalten; vgl. Schmittiana III, S. 75. 23 Schmittiana VII

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Briefe

A 12. Von Eric[h] Voegelin (1901-1985) Der italienische Forscher Sandro Chignola hat 1991 die in der ,Hoover Institution4 (Stanford, Kalifornien) aufbewahrte Korrespondenz C.S.-Eric [früher: Erich] Voegelin ediert 1. Es handelt sich jedoch nur um einen Teil des Briefwechsels, denn im C.S.-Nachlaß (Hauptstaatsarchiv Düsseldorf; Signatur: RW 265) befinden sich noch 4 Briefe Voegelins an C.S. aus der Periode 1950-55. Ich bin in der Lage anbei ein Brieflein von Voegelin an C.S. abzudrucken. An sich ist es ein unwichtiges Brieflein. Aber es bietet mir die Gelegenheit auf das Dreieck Hans Kelsen (1881 - 1973)2 - Voegelin - C.S. hinzuweisen. Der Herausgeber der Neuauflage des 1936 erschienenen Voegelin-Buches „Der autoritäre Staat"3, der Wiener Staatsrechtler Günther Winkler (geb. 1929), zeigt in seinem kenntnisreichen „Geleitwort", daß das Opus „eine differenzierte kritische Auseinandersetzung mit den methodologischen und erkenntnistheoretischen Grundpositionen der reinen Rechtslehre Kelsens" enthält4 und eine Phase darstellt in der langjährigen Beschäftigung Voegelins mit seinem akademischen Meister 5. Auf Grund einer Empfehlung Kelsens durfte Voegelin 1930 am »Institut Universitaire des Hautes Etudes internationales4 in Genf Vorlesungen halten, die merkwürdigerweise einen Gesinnungswandel seines Förderers zur Folge hatten. Vielleicht war der Duktus dieser Vorlesungen nur ein Vorwand, denn Professor Winkler schreibt, daß „Aller Wahrscheinlichkeit nach ... Voegelins Aufsatz über Die Verfassungslehre von Carl Schmitt das auslösende Moment war" 6 . Erst nach Kriegsende sah es zunächst so aus, daß die zwei Gelehrten sich versöhnt hatten, aber 1954 „beendete [Kelsen] die Kontakte44 und verzichtete er sogar auf die Drucklegung einer Streitschrift gegen Voegelins Werk „A New Science of Politics4'7. Ohne eine unmittelbare oder mittelbare Intervention, nur mittels seiner wissenschaftlichen Lehrmeinungen, hat C.S. also dazu beigetragen, daß die Beziehungen zwischen Kelsen und Voegelin in die Brüche gegangen sind. Infolgedessen darf eine Untersuchung über den Einfluß von C.S. auf Voegelin als ein Desiderat betrachtet werden; Bausteinchen für eine solche Recherche finden sich indes in dem von Armin Möhler (geb. 1920) herausgegebenen Briefband8. Rτ

Dr. Erich Voegelin Privatdozent III. Pfarrhofgasse 13

Wien, 3. Juni 1933

Herrn Professor Dr. Carl Schmitt Universität Köln Sehr geehrter Herr Professor: Soeben ist mein Buch über „Rasse und Staat" erschienen9 und ich habe mir erlaubt, Ihnen durch den Verleger ein Exemplar zuschicken zu lassen. Ich glaube, daß die Abhandlung Sie interessieren wird, da ein Versuch, das Rasseproblem im

Briefe n C.S.

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Rahmen eines Systems der Staatslehre zu behandeln, bisher meines Wissens noch nicht gemacht wurde. Mit den besten Empfehlungen bin ich Ihr immer verehrungsvoll ergebener

(s) ι (PT) S. Chignola, „E. Voegelin - C. Schmitt. Un carteggio inédito (lettere 1931 - 1955)", in: Filosofía política (Bologna), 5. Jahrg. Nr. 1, Juni 1991, S; 141 - 151. In seinem Brief vom 16. Juli 1950 erklärt C.S. seine Freilassung durch die Russen; vgl. Schmittiana IV, S. 294. 2 (PT) Die Literatur über Kelsen und die von ihm erfolgreich begründete reine Rechtslehre ist fast unübersichtlich geworden. 3 (PT) a) E. Voegelin, Der autoritäre Staat. Ein Versuch über das österreichische Staatsproblem (hrsg. von Günther Winkler), Wien/New York: Springer, (1936) 1997, XXXV-292 S., Nr. 119 in der Reihe »Forschungen aus Staat und Recht*. Winklers »Geleitwort4 dort S. VXXXII. Der Band enthält S. 292-293 eine Liste der wichtigsten Lebens- und Berufsdaten Voegelins. b) C.S. scheint nicht mit allen Thesen dieses Buches einverstanden gewesen zu sein. Vgl. seinen Aufsatz „Der Staat als Mechanismus bei Hobbes und Descartes in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (Berlin), 30. Jahrg. Nr. 4 (Themaheft: René Descartes [15961650]), August 1937, S. 622-632; dort S. 631: „ . . . Das scheint mir richtiger als der Versuch von E. Voegelin, alle Totalitätsvorstellungen auf eine averroistische Substanzidentität von Glied und Ganzem zurückzuführen. .. .4< 4 (PT) E. Voegelin, op. cit. [FN 3], S. VII. 5 (PT) Kelsen war der zweite Gutachter der Dissertation und der Habilitationsschrift von Voegelin, der übrigens sogar Assistent von Kelsen gewesen ist und einen Beitrag für dessen Festschrift eingereicht hat. 6 (PT) a) E. Voegelin, op. cit. [FN 3], S. XXIII. b) E. Voegelin, „Die Verfassungslehre von Carl Schmitt. Versuch einer konstruktiven Analyse ihrer staatstheoretischen Prinzipien 44, in: Zeitschrift für öffentliches Recht (Wien/Berlin), 11. Jahrg. Nr. 1, 1931, S. 89-109. 7 (PT) a) E. Voegelin, op. cit. [FN 3], S. XXIV-XXV. b) E. Voegelin, The New Science of Politics. An Introduction, Chicago: University of Chicago Press, 1952, XIII-193 S. Es gibt eine, um ein Vorwort vermehrte deutsche Übersetzung: Die neue Wissenschaft von der Politik. Eine Einführung, München: Pustet, 1959, 264 S. c) Rudolf Aladár Metall (? - 1970), Hans Kelsen. Leben und Werk, Wien/Franz Deuticke, 1969, 220 S.; dort S. 91: „ . . . , arbeitete er [sc. Kelsen] weiter an einem Manuskript, das er leider, obwohl es bereits gesetzt und sogar schon umbrochen war, im letzten Moment und nur nicht unbeträchtlichen geldlichen Opfern von der Veröffentlichung zurückgezogen hat. Es ... hätte ursprünglich, als es noch im wesentlichen eine Polemik mit Erich Voegelins Gnostiklehre war, den Titel,Defense of Modern Times4 tragen sollen, der dann nach Erweiterung des Manuskriptes in »Religion without God4 umgeändert worden war... ,44 8 (PT) A. Möhler, op. cit. [Brief Nr. A 1 FN 3], vor allem S. 257: Brief Nr. 213 vom 11. November 1958 ( 44 Eric Voegelins Der autoritäre Staat (Wien 1936 ist tatsächlich stark von meinen Gedanken beeindruckt. 44); S. 310: Brief Nr. 265 vom 21. September 1961 (von Möhler an C.S.); S. 318: Brief Nr. 276 vom 15. Juli 1962. - Möhler hat die Möglichkeit sich bei Voegelin zu habilitieren, nicht genutzt und ist später nach Innsbruck gegangen (vgl. Brief Nr. Β 5 FN 15). 9 (PT) E. Voegelin, Rasse und Staat, Tübingen: Mohr, 1933, V-227 S. (vgl. unter demselben Titel in Otto Klemm [Hrsg.], Psychologie des Gemeinschaftslebens, Jena: Fischer, S. 91 2 *

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Briefe

104). - Fast gleichzeitig hat Voegelin ein Ergänzungsbuch veröffentlicht: Die Rassenidee in der Geistesgeschichte von Ray bis Carus , Berlin: Junker und Dünnhaupt, 1933, VIII-160 S. In Amerika hat er sich abermals zu dem Thema geäußert: „The Growth of the Race Idea", in: The Review of Politics (Notre Dame, Indiana), 2. Jahrg. Nr. 3, 1940, S. 283-317.

B. Briefe von C.S. Β 1. An Alfred Andersch (1914-1980) Das Wichtigste über die Kontakte, die zwischen C.S. und dem Schriftsteller Alfred Andersch bestanden, habe ich bereits an anderer Stelle mitgeteilt1. Erst später erfuhr ich, daß die von C.S. an Andersch gerichteten Schreiben (sechs Briefe und zwei Postkarten) sich im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar befinden (Signatur: 78.5709/1-8) Auf Anregung des damaligen Nachlaßverwalters Prof. Josef H. Kaiser (1921 -1998) beantragte und bekam ich diese Dokumente. Es stellte sich heraus, daß zwei Briefe mit meiner Dokumentation über das Macht-Gespräch (vgl. Schmittiana V, S. 169-176) im Zusammenhang stehen. Dehalb drucke ich sie hier ab, bedauere allerdings, daß Herr Kaiser diese Ergänzung nicht mehr erlebt, denn er hätte sich bestimmt darüber gefreut. P.T.

1. Brief ( maschinenschriftlich ) Prof. Dr. Carl Schmitt

Plettenberg II (Westf.) Brockhauserweg 10 2. 12. 1954

Lieber Herr Andersch, aus dem Programm des Frankfurter Abendstudio entnehme ich, daß Sie im April 1955 dort über den renouveau catholique und Rai'ssa Maritain 2 sprechen werden. Darauf bin ich ganz besonders gespannt. Ich war früher einmal mit den Maritains sehr befreundet. Das hat aber schon lange aufgehört 3. Heute beschäftigt mich weit mehr der junge Michel Mourre 4. Ich schicke Ihnen hier ein Exemplar meines Gespräches über die Macht und den Zugang zum Machthaber, das der Frankfurter Sender im Sommer gebracht hat5. Wie Sie aus dem „Rückblick auf den Verlauf des Gesprächs", der auf der letzten Seite abgedruckt ist, entnehmen können, habe ich mir viele Gedanken über die Art der Durchführung eines solchen Rundfunkgespräches gemacht. Ihnen, lieber Herr Andersch, der Sie so große Erfahrungen und Erfolge auf diesem Gebiete gehabt haben, wird Manches ungeschickt vorkommen. Aber das spezifische Problem einer rein gedanklichen Rundfunk-Sendung hat mich bei dieser Gelegenheit erfaßt, und so möchte ich Ihnen diesen Versuch nicht vorenthalten.

Briefe von C.S.

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Es tut mir leid, daß ich solange nichts von Ihnen gehört habe. Ihre Adresse hat mir unser gemeinsamer Freund Walter Warnach 6 gegeben. Ich hoffe, daß es Ihnen gut geht und wünsche Ihrer Arbeit den besten Erfolg. Stets Ihr

(s)

2. Brief (handschriftlich) 17/XII 54. Was Sie zu der Widmung des Macht-Gespräches sagen, lieber Herr Andersch, treibt mich noch zu diesen Zeilen. Ich habe nämlich eine ganze Reihe von Widmungen für Sie überlegt und schließlich den Satz von Walter Warnach genommen. Hören Sie nur einmal noch einige andere7: 1) Sieht man den Ehrgeiz der Menschen und ihren Willen zur Macht, so befällt einen die Angst; sieht man dann, womit sie sich schließlich zufrieden geben, so befällt einen das Mitleid. ^ . ^ Benjamin Constant (schien mir zu psychologisch und für einen jungen Menschen zu resigniert) 2) Ernst Jünger meint: die Robespierre treten in die Macht wie in einen Käfig ein; ich frage: wieso nur die Robespierre? Alle, bös und gut, treten in die Macht wie in einen Käfig ein (schien mir zu dozierend) 3) Wen der Teufel schänden will, dem hängt er einen schönen Mantel um. Martin Luther (schien mir zu gehässig) 4) L'initié tue l'initiateur (das habe ich Nicolaus Sombart als Widmung geschrieben) 5) Wer keine Macht hat, braucht viele Süssigkeiten (von Nettlau, einem Bakunin-Jünger) schien mir der heutigen Jugend nicht mehr verständlich 6) Die uns allhier regieren, die, Herr, regiere Du, sie sollen sich nur blamieren, uns aber schenke Ruh schien mir zu unsäglich „ohne mich" etc. etc.

„ t T. (Herrenhuter Lied)

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Briefe

Mit herzlicher Erwiderung Ihrer Weihnachsgrüße und -Wünsche diesseits und jenseits von Macht und Ohnmacht immer Ihr alter

(s) 1 (PT) P. Tommissen , In Sachen Carl Schmitt, Wien / Leipzig: Karolinger Verlag, 1997, 155 S.; dort S. 3 9 - 4 0 (Text) und S. 178-179 (FN 162 bis 165). - Über Andersch und seine ersten Nachkriegsaktivitäten werden Einzelheiten mitgeteilt in Nicolaus Sombart (geb. 1923; vgl. Schmittiana IV, S. 94 FN 5, und Schmittiana VI, S. 64), Rendezvous mit dem Weltgeist. Heidelberger Reminiszenzen 1945-1951, Frankfurt a. Μ.: Fischer, 2000, 316 S.; dort vor allem S. 126-133. 2 (PT) a) Unter 'Renouveau [oder: réveil] catholique' versteht man das unmittelbar von einflußreichen Schriftstellern - Léon Bloy (1846-1917), Charles Péguy (1873-1914) und Paul Claudel (1868 -1955) - und mittelbar von den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs in die Wege geleitete geistige Erwachen in katholischen Kreisen Frankreichs. Diese Entwicklung vollzog sich zunächst im literarischen, dann auch im philosophischen Bereich. In diesem Renouveau haben Konvertiten eine große Rolle gespielt, u. a. Henri Ghéon (eig. Vangeon; 1875-1944), Ernest Psichari (1854- 1929), Jacques Riviere (1886- 1925), und nicht zuletzt J. Maritain [diese FN Punkt b)]. b) Ra'issa Maritain (geb. Oumangoff; 1883- 1960) war die jüdische Frau des französischen neo-thomistischen Philosophen Jacques Maritain (1882-1973; vgl. Brief Nr. A 10).

3 (PT) Über die hier gemeinte Freundschaft, vgl. Schmittiana V, S. 210-213. 4

(PT) a) Über den Werdegang des ausgetretenen Dominikaners und der,Action Fransaise' beigetretenen Michel Mourre (1928-1977) gibt es interessante Einzelheiten in seiner Autobiographie: Malgré le blaspheme, Paris: Julliard, 1951 (vgl. die anonyme Rezension in: La Gazette des Lettres [Paris], 15. März 1951, S. 29). Vgl. S. 414 ZI. 13-21. b) Die Neugierde die Mourre C.S. einflößte, geht aus mehreren Briefen hervor, die er an Armin Möhler (geb. 1920) gerichtet hat. Vgl. A. Möhler (Hrsg.), op. cit. [Brief Nr. A 1 FN 3]: dem Personenregister ist zu entnehmen, daß der Name Mourre 23 Mal auftaucht! 5 (PT) Vgl. Schmittiana V, S. 173 Punkt IV.5. (Sendung) und S. 169 FN 63 (Buch). 6 (PT) Über W Warnach, vgl. Schmittiana III S. 88 FN 62. 7 (PT) a) Es ist mir nicht gelungen die Fundstellen der Zitate von Benjamin Constant (1767-1830), Martin Luther (1483-1546) und Max Nettlau (1865-1944) ausfindig zu machen. Diese des Zitats von Ernst Jünger (1895 - 1998) hat Herr Tobias Wimbauer (geb. 1976) gesucht und gefunden: Blätter und Steine, Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt, 1934, 226 S.; dort S. 223 (das Epigramm ist nur in dieser Ausgabe des Bandes enthalten). - Nettlau hat sich zeitlebens für die Verbreitung der Ideen des Anarchistenführer Michael Bakunin (1814-1876) eingesetzt; vgl. das aus seinen diesbezüglichen Schriften zusammengestellte Auswahlbändchen: M. Bakunin, o.O.: Schwarze Presse, (1926) 1972,1-57 S. b) Über Nicolaus Sombart, (geb. 1923), vgl. Schmittiana VI, S. 64.

Β 2. An Norberto Bobbio (geb. 1909) Nach der Veröffentlichung des zwischen C.S. und seinem italienischen Kollegen Norberto Bobbio geführten Briefwechsels 1 hat der serbische C.S.-Kenner Petar Bojanic (geb. 1964) in einer m.W. nicht gedruckten Studie behauptet, Bobbio habe Schreiben C.S.s sozusagen unterschlagen2. Aus meiner Sicht lag kein Grund vor, mir diese Ansicht zu eigen zu machen. Übri-

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Briefe von C.S.

gens erhielt ich später vom Kollegen Bobbio ein handschriftliches Schreiben von C.S., das er in einem Buch gefunden hatte. Nicht nur seinem Wunsch entsprechend, sondern auch auf Grund der Überlegung, daß das kleine Dokument zum besagten Briefwechsel gehört, teile ich es jetzt mit. P.T.

Sehr verehrter Herr Bobbio, ich bin in den letzten Jahren durch einen Briefwechsel mit Frau Dorothea Krook (Cambridge, England, Newham College) immer wieder auf Hobbes 3 gestoßen und habe im Laufe einer Hobbes-Diskussion neulich für einige junge Philosophen den beiliegenden 'Hobbes-Kristall' gezeichnet, den ich Ihnen als Zeichen meines fortwährenden Dankes für Ihre Hobbes-Ausgabe und zugleich als Gruß zum Neuen Jahr übersenden möchte. Ihr aufrichtig ergebener 21/1/61

(s)

Die große Frage: ist 1 - 5 (that Jesus is the Christ) auswechselbar oder nicht? Bei Spinoza ist es selbstverständlich auswechselbar; auch bei Hobbes?

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