Regelgemäßes Verhalten und Verantwortlichkeit: Eine Untersuchung der Retterfälle und verwandter Konstellationen [1 ed.] 9783428511266, 9783428111268

Dem Autor geht es um die Frage, welchen Einfluß die Bewertung einer Handlung als pflichtgemäß auf die Freiheit des Hande

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German Pages 314 Year 2003

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Regelgemäßes Verhalten und Verantwortlichkeit: Eine Untersuchung der Retterfälle und verwandter Konstellationen [1 ed.]
 9783428511266, 9783428111268

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GUNTHER BIEWALD

Regelgemäßes Verhalten und Verantwortlichkeit

Strafrechtliche Abhandlungen . Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (t) em. ort!. Prof. der Rechte an der Universität Hambwg

Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtsiehrem der deutschen Universitäten

Band 152

Regelgemäßes Verhalten und Verantwortlichkeit Eine Untersuchung der Retterfälle und verwandter Konstellationen

Von

Gunther Biewald

Duncker & Humblot . Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Joachim Hruschka, Erlangen Die Juristische Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D29 Alle Rechte vorbehalten

© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-11126-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

e

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2002 von der Juristischen Fakultät der Universität Erlangen-Nümberg als Dissertation angenommen. Sie ist während meiner dreijährigen Tätigkeit als Assistent am Lehrstuhl für Strafrecht und Rechtsphilosphie in Erlangen entstanden und das Ergebnis des Nachdenkens über eine Frage, auf die ich während des Studiums beim Lesen einer BGH-Entscheidung 1 gestoßen bin, nämlich die Frage, welchen Einfluß die Bewertung einer Handlung als pflichtgemäß auf die Freiheit des Handelnden hat. Diese Frage, zu der sich schon viele namhafte Juristen und Philosophen, namentlich Immanuel Kant und Christian Wolff, am Rande geäußert haben, verdient Interesse nicht nur, weil sie in der Rechtspraxis eine Rolle spielt. Sie berührt auch das theoretisch interessante Problem der Bedeutung des Sollens für die Freiheit. Meine Behandlung der Fragestellung nimmt ihren Ausgang von der praktischen Philosophie Kants und von der von Prof. Joachim Hruschka in verschiedenen Veröffentlichungen dargestellten Sicht der (juristischen) Dinge. Ihr Ziel ist gleichwohl neue Erkenntnis, nicht bloße Wiederholung des schon Gesagten. Danken möchte ich Herrn Prof. Hruschka, der mir für drei Jahre Gelegenheit zur Forschung unter idealen Bedingungen gegeben und mich seit dem ersten Semester meines Studiums gefördert hat. Die vorliegende Arbeit ist Resultat dieser Förderung. Danken möchte ich auch all denen, die das Manuskript im Ganzen oder in Teilen gelesen und mir wertvolle Hinweise gegeben haben. Mein besonderer Dank schließlich gilt der Schmitz-Nüchterlein-Stiftung Nümberg für die Verleihung Ihres mit einer großzügigen Förderung verbundenen Preises für die Dissertation. Jena, im Juli 2003

Gunther Biewald

1 BGHSt 39, 322. In der Entscheidung geht es um die Strafbarkeit eines Brandstifters wegen des Todes eines Rettungswilligen beim Versuch, seinen im brennenden Haus schlafenden Bruder aus dem Haus zu holen.

Inhaltsübersicht Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

Erster Teil

Grundbegriffe der Zurechnung von Verantwortlichkeit

31

Erstes Kapitel Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens

31

I. Rechtliche Verantwortlichkeit als Verantwortlichkeit wegen Regelverstoßes . . . . . . .

32

11. Die Struktur der Zuschreibung von Verantwortlichkeit wegen eines Regelverstoßes ............................................................................

32

Zweites Kapitel Obliegenheiten, Eigenverantwortlichkeit und die Bedeutung der Eigenverantwortlichkeit rür die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei Mitwirkung im zeitlichen Vorfeld eines Obliegenheitsverstoßes

105

I. Der Begriff der Obliegenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 11. Das Verhältnis der Obliegenheiten zu den Pflichten ............................... 108 III. Eigenverantwortlichkeit und ihre Bedeutung für die Zuschreibung von Drittverantwortlichkeit bei Mitwirkung im Vorfeld eines Obliegenheitsverstoßes ............. 114 IV. Zurechnungsdefizite beim Vordermann bei Teilhabe zweier Subjekte im Falle einer potentiell obliegenheitswidrigen Teilhabe des Vordermanns ................. 122 Drittes Kapitel Systematisch entwickelte Fälle zur Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens bei zeitlich versetzter Mitwirkung zweier Subjekte

128

I. Rechtsgutsverletzungen durch Tun ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 130 11. Rechtsgutsverletzungen durch Unterlassen ........................................ 134

8

Inhaltsübersicht

IH. Zeitlich versetztes Zusammentreffen von Tun und Unterlassen...... . ........ . .... 141 IV. Zusammenfassung................................................................ 147 Viertes Kapitel Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen regelgemäßen Verhaltens im Recht

I. Die Struktur der Zuschreibung von Verantwortlichkeit wegen Regelerfüllung

149 150

H. Die Konsequenzen der Verantwortlichkeit für ein Ereignis wegen Regelerfüllung .. 158 III. Zusammenfassung................................................................ 160 Zweiter Teil

Die Bedeutung pflichtgemäßer Teilhabe für die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens

161

Fünftes Kapitel Die Bedeutung der Pflichtgemäßheit von Verhalten im Zusammenhang mit der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei zeitlich versetzter Mitwirkung zweier Subjekte 163

I. Die Retterfälle - Eine Fallgruppe der Konstellation "Pflichtwidrig handelnder Hintermann, pflichtgemäß handelnder Vordermann" .............................. 163 H. Drei weitere Fallgruppen der Konstellation "Pflichtwidrig handelnder Hintermann, pflichtgemäß handelnder Vordermann" ........................................... 211 Sechstes Kapitel Die Bedeutung der Pflichtgemäßheit von Verhalten im Zusammenhang mit der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens zu nur einem Subjekt

226

I. Pflichtwidriges Tun, pflichtgemäßes Tun eines einzelnen Subjekts - Eine Fallgruppe der Konstellation "Pflichtwidrige Handlung, pflichtgemäße Handlung eines einzelnen Subjekts" ......................................................... 228 H. Drei weitere Fallgruppen der Konstellation "Pflichtwidrige Handlung, pflichtgemäße Handlung eines einzelnen Subjekts" ...................................... 240 III. Zusammenfassung ................................................................ 250

Inhaltsübersicht

9

Dritter Teil

Die Bedeutung obliegenheitsgemäßer Teilhabe für die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens

252

Siebtes Kapitel Die Bedeutung der Obliegenheitsgemäßheit von Verhalten im Zusammenhang mit der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei zeitlich versetzter Mitwirkung zweier Subjekte 253

I. Erste Variante der Konstellation "Pflichtwidriges Tun des Hintermanns, obliegenheitsgemäßes Tun des Vordermanns" - Notstandseingriff in Rechtsgüter eines unbeteiligten Dritten .............................................................. 254 11. Zweite Variante der Konstellation "Pflichtwidriges Tun des Hintermanns, obliegenheitsgemäßes Tun des Vordermanns" - Notstandseingriff in eigene Rechtsgüter des Vordermanns ................................................................. 265 III. Der Gang der Zurechnung von Verantwortlichkeit bei zeitlich späterer regelgemäßer Mitwirkung eines anderen Subjekts am Beispiel der Konstellation "Pflichtwidriges Tun des Hintermanns, regelgemäßes Tun des Vordermanns" ............. 267 IV. Drei weitere Fallgruppen der Konstellation "Pflichtwidrig handelnder Hintermann, obliegenheitsgemäß handelnder Vordermann" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 269 V. Zusammenfassung ................................................................ 275 Achtes Kapitel Die Bedeutung der Obliegenheitsgemäßheit von Verhalten im Zusammenhang mit der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens zu nur einem Subjekt

277

I. "Pflichtwidriges Tun, obliegenheitsgemäßes Tun eines einzelnen Subjekts"

278

11. Der Gang der Zurechnung von Verantwortlichkeit bei zeitlich versetzter pflichtwidriger und regelgemäßer Mitwirkung eines Subjekts am Beispiel der Konstellation "Pflichtwidriges Tun, regelgemäßes Tun eines einzelnen Subjekts" ........... 282 III. Drei weitere Fallgruppen der Konstellation "Pflichtwidrige Handlung, obliegenheitsgemäße Handlung eines einzelnen Subjekts" ................................. 284 IV. Zusammenfassung ....... .. ......................................... . ............. 287 Fazit ............. ....................... . ............................................. 289 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 290 Verzeichnis der zitierten Entscheidungen ........ . . .. . .. . .. .. . . . . .. . . . . .. . . .. . . .. .. .. 308 Stichwortverzeichnis ................................................................. 311

Inhaltsverzeichnis Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

Erster Teil Grundbegriffe der Zurechnung von Verantwortlichkeit

31

Erstes Kapitel Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens I. Rechtliche Verantwortlichkeit als Verantwortlichkeit wegen Regelverstoßes ..

n.

31 32

Die Struktur der Zuschreibung von Verantwortlichkeit wegen eines Regelverstoßes ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

1. Verhaltensregeln und Zurechnungsregeln ......................................

33

a) Kategorische Imperative .................................................... (1) Pflichten ............................................................... (2) Obliegenheiten .........................................................

35 35 37

b) Hypothetische Imperative. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Drei Arten derimplikation ............................................. (2) Notwendige, hinreichende oder notwendige und hinreichende Vorschriften in hypothetischen Imperativen ...................................... (3) Vier Grundformen hypothetischer Imperative ...........................

38 40

(4) Präskriptiver oder deskriptiver Charakter der hypothetischen Imperative

46

2. Die Rolle der Verhaltensregeln bei der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens ...............................................

47

a) Erste Stufe: Deutung eines Vorgangs als Handlung.......................... (1) Reflexion des intentionalen Charakters der Handlung im hypothetischen Imperativ............................................................... (2) Schluß von Vorgängen in der Welt auf den Willen des Subjekts ......... (a) Schluß von einem Vorgang in der Welt auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer Absicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Schluß von der Vornahme einer körperlichen Aktivität auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer Absicht ..................... (bb) Schluß von der Unterlassung einer körperlichen Aktivität auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer Absicht .................

42 44

47 50 53 54 57 60

12

Inhaltsverzeichnis

(3) (4) (5)

(6)

(b) Schluß vom Bestehen oder Nichtbestehen einer Absicht auf den Willen ................................................................. Handlungen durch Tun und Handlungen durch Unterlassen ............. Regreßverbot bei Deutung eines Vorgangs als Handlung durch Tun..... Regreßverbot bei Deutung eines Vorgangs als Handlung durch Unterlassen .................................................................. (a) Nichtvornahme einer Körperaktivität zeitlich vor einer Handlung durch Tun eines anderen Zurechnungssubjekts ...................... (b) Nichtvornahme einer Körperaktivität zeitlich vor einer Handlung durch Unterlassen eines anderes Zurechnungssubjekts .............. (c) Nichtvornahme einer Körperaktivität zeitlich nach einer Handlung durch Tun eines anderen Zurechnungssubjekts ...................... Handlungszuschreibung in der Prospektive und in der Retrospektive....

b) Zweite Stufe: Feststellung der Regelwidrigkeit und Deutung einer Handlung als Regelverstoß ............................................................ (I) Bewertung der Handlung und Feststellung der Regelwidrigkeit ......... (a) Nichtberücksichtigung des Unterschieds von unmittelbaren und mittelbaren Handlungen ............................................... (b) Berücksichtigung des Unterschieds von unmittelbaren und mittelbaren Handlungen .................................................. (2) Deutung der Handlung als Regelverstoß ................................ 3. Die Rolle der Zurechnungsregeln bei der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens ...............................................

61 63 65 71 73 75 77 79 79 81 83 83 88 89

a) Zwei Vermutungen zugunsten von Verantwortlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

b) Widerlegung der Vermutungen durch die Zurechnungsregeln ...............

91

4. Zurechnungsdefizite bei Teilhabe mehrerer Subjekte ...........................

93

a) Zurechnungsdefizit beim Vordermann bezüglich der Deutung eines Vorgangs als Handlung .........................................................

93

b) Zurechnungsdefizit beim Vordermann bezüglich der Deutung einer pflichtwidrigen Handlung als Pflichtverstoß .......................................

96

5. Konsequenzen der Deutung einer Handlung als Regelverstoß - Drittverantwortlichkeit und Eigenverantwortlichkeit ........................................... 101 6. Deutung einer Handlung als Regelverstoß in der Prospektive und der Retrospektive ....................................................................... 102 7. Die kategorische Regel als Ausgangspunkt der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen Regelverstoßes ..................................................... 103

Inhaltsverzeichnis

13

Zweites Kapitel

Obliegenheiten, Eigenverantwortlichkeit und die Bedeutung der Eigenverantwortlichkeit für die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei Mitwirkung im zeitlichen Vorfeld eines Obliegenheitsverstoßes

105

I. Der Begriff der Obliegenheit ......................... . ................. . . . . . . . .. 105 11. Das Verhältnis der Obliegenheiten zu den Pflichten ............................ 108 1. Vorrang der Pflichten vor den Obliegenheiten .................................. 108 2. Inhaltliche Abhängigkeit der Obliegenheiten von den die Rechtsgüter schützenden Pflichten .................................................................. 109 a) Unterlassungspflichten zum Schutz von Rechtsgütern ....................... 110 b) Handlungspflichten zum Schutz von Rechtsgütern .......................... 111 c) Unterlassungs- und Handlungsobliegenheiten des Rechtsgutsberechtigten ... 112 d) Arten der Obliegenheiten ................................................... 113 111. Eigenverantwortlichkeit und ihre Bedeutung für die Zuschreibung von Drittverantwortlichkeit bei Mitwirkung im Vorfeld eines Obliegenheitsverstoßes .. 114 1. Das "Prinzip der Eigenverantwortlichkeit" bei Mitwirkung im Vorfeld eines Obliegenheitsverstoßes ........................................................ 115 a) Der systematische Ort des "Prinzips der Eigenverantwortlichkeit" bei Mitwirkung im Vorfeld eines Obliegenheitsverstoßes ........................... (I) Vergleich mit den Fällen der Mitwirkung im Vorfeld eines Pflichtverstoßes .................................................................. (a) Grundsatz der Pflichtwidrigkeit mittelbarer Handlungen, die durch einen zeitlich späteren Pflichtverstoß vermittelt werden ............. (b) Ausnahmen vom Grundsatz der Pflichtwidrigkeit von mittelbaren Handlungen, die durch einen zeitlich späteren Pflichtverstoß vermittelt werden .........................................................

115 116 116 119

b) Der Gehalt des "Prinzips der Eigenverantwortlichkeit" bei Mitwirkung im Vorfeld eines Obliegenheitsverstoßes ....................................... 120 c) Der Gesichtspunkt der "Eigenverantwortlichen Selbstschädigung" .......... 122

IV. Zurechnungsdefizite beim Vordermann bei Teilhabe zweier Subjekte im Falle einer potentiell obliegenheitswidrigen Teilhabe des Vordermanns ............. 122 1. Zurechnungsdefizit beim Vordermann bezüglich der Deutung eines Vorgangs als Handlung .................................................................. 123 2. Zurechnungsdefizit beim Vordermann bezüglich der Deutung einer obliegenheitswidrigen Handlung als Obliegenheitsverstoß .............................. 124 3. Mitverantwortlichkeit von Hintermann und Vordermann im Falle einer potentiell obliegenheitswidrigen Teilhabe des Vordermanns .......................... 126

14

Inhaltsverzeichnis Drittes Kapitel Systematisch entwickelte Fälle zur Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens bei zeitlich versetzter Mitwirkung zweier Subjekte

128

I. Rechtsgutsverletzungen durch 'lUn ................................. . ........... 130 1. Handeln einer einzelnen Person ................................................ 130

a) Fall 1: 'lUn eines Dritten.................................................... 130 b) Fall 2: Tun des Rechtsgutsinhabers ......................................... 131 2. Handeln mehrerer Personen.................................................... 131 a) Fall 3: Zeitlich versetztes Tun Dritter ....................................... 132 b) Zeitlich versetztes Zusammentreffen von Tun des Dritten mit Tun des Rechtsgutsinhabers ......................................................... 132 (1) Fall 4: Tun des Rechtsgutsinhabers zeitlich vor Tun des Dritten.. . .. . . .. 132 (2) Fall 5: Tun des Dritten zeitlich vor 'lUn des Rechtsgutsinhabers ......... 133 11. Rechtsgutsverletzungen durch Unterlassen ..................................... 134 1. Unterlassen einer einzelnen Person. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

a) Fall 6: Unterlassen eines Dritten ............................................ 134 b) Fall 7: Unterlassen des Rechtsgutsinhabers ................................. 135 2. Unterlassen mehrerer Personen ................................................ 135 a) Fall 8: Zeitlich versetztes Unterlassen Dritter ............................... 137 b) Zeitlich versetztes Zusammentreffen von Unterlassen des Dritten mit Unterlassen des Rechtsgutsinhabers .............................................. 138 (I) Fall 9: Unterlassen des Rechtsgutsinhabers zeitlich vor Unterlassen des

Dritten ................................................................. 138

(2) Fall 10: Unterlassen des Dritten zeitlich vor Unterlassen des Rechtsgutsinhabers ................................................................ 139 c) Vorrang der Eigenverantwortlichkeit bei Unterlassen des Dritten zeitlich vor Unterlassen des Rechtsgutsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 111. Zeitlich versetztes Zusammentreffen von 'lUn und Unterlassen................ 141 1. Zeitlich versetztes Zusammentreffen von Tun und Unterlassen Dritter.......... 141

a) Fallll: Tun eines Dritten zeitlich vor Unterlassen eines anderen Dritten

141

b) Fall 12: Unterlassen eines Dritten zeitlich vor Tun eines anderen Dritten

142

2. Zeitlich versetztes Tun des Dritten und Unterlassen des Rechtsgutsinhabers

143

a) Fall 13: Tun des Dritten zeitlich vor Unterlassen des Rechtsgutsinhabers .... 143 b) Fall 14: Unterlassen des Rechtsgutsinhabers zeitlich vor Tun des Dritten.. .. 145

Inhaltsverzeichnis

15

3. Zeitlich versetztes Unterlassen des Dritten und Tun des Rechtsgutsinhabers .... 145 a) Fall 15: Tun des Rechtsgutsinhabers zeitlich vor Unterlassen des Dritten.... 145 b) Fall 16: Unterlassen des Dritten zeitlich vor Tun des Rechtsgutsinhabers .... 146

IV. Zusammenfassung ............................................................... 147 Viertes Kapitel

Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen regel gemäßen Verhaltens im Recht

149

I. Die Struktur der Zuschreibung von Verantwortlichkeit wegen Regelerfüllung 150 1. Erste Stufe: Deutung eines Vorgangs als Handlung............................. 151

2. Zweite Stufe: Feststellung der Regelgemäßheit und Deutung der Handlung als Regelerfüllung ................................................................. 151 a) Bewertung der Handlung und Feststellung der Regelgemäßheit ............. 151 b) Deutung der Handlung als Regelerfüllung .................................. 156

ß. Die Konsequenzen der Verantwortlichkeit für ein Ereignis wegen Regelerfüllung .............................................................................. 158 1. Pflichterfüllung ................................................................ 158

2. Obliegenheitserflillung......................................................... 159 ill. Zusammenfassung............................................................... 160

Zweiter Teil

Die Bedeutung pffichtgemäßer Teilhabe für die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pfficbtwidrigen Verhaltens

161

Fünftes Kapitel

Die Bedeutung der PDichtgemißheit von Verhalten im Zusammenhang mit der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pffichtwidrigen Verhaltens 163 bei zeitlich versetzter Mitwirkung zweier Subjekte I. Die Retterfälle - Eine Fallgruppe der Konstellation ,,PDicbtwidrig handelnder Hintermann, pffichtgemäß handelnder Vordermann" ..................... 163 1. Erste Variante der Retterfälle: Pflichtgemäße Vornahme einer grundsätzlich pflichtwidrigen Handlung...................................................... 164 a) Der Einfluß der Bewertung der Handlung des Vordermanns als pflichtgemäß auf die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens zum Hintermann ....................................................... 166 (1) Bewertung der Handlung des Vordermanns als pflichtwidrig ............ 167

16

Inhaltsverzeichnis (2) Bewertung der Handlung des Vordermanns als weder pflichtwidrig noch pflichtgemäß ........................................................... 167 (3) Bewertung der Handlung des Vordermanns als pflichtgemäß............ 168 (a) Verantwortlichkeit des Vordermanns wegen pflichtgemäßen Verhaltens als Täter ............................................. ,.......... 169 (b) Verantwortlichkeit des Hintermanns wegen pflichtwidrigen Verhaltens als (mittelbarer) Täter. .. . . . .. . . . . . . .. . . . ... . . .. . . . . . . . . .. . .. . .. 169 b) Ausschluß der Verantwortlichkeit des Vordermanns nach herkömmlichen Zurechnungsregeln? ........................................................ 171 (1) Kein Zurechnungsdefizit auf der ersten Stufe der Zurechnung. . . .. . . . . ..

173

(2) Kein Zurechnungsdefizit auf der zweiten Stufe der Zurechnung. . . .. .. . . 174 c) Zurechnungsausschlußgrund der Pflichtgemäßheit? ......................... 178 (1) Pflichtgemäßheit als Zurechnungsausschlußgrund auf der ersten Stufe

der Zurechnung ........................................................ 178

(2) Pflichtgemäßheit als Zurechnungsausschlußgrund auf der zweiten Stufe der Zurechnung ........................................................ 180 (3) Kein Zurechnungsausschlußgrund der Pflichtgemäßheit ................ 181 d) Ausschluß der Zurechenbarkeit der pflichtgemäßen Teilhabe des Vordermanns beschränkt auf den Kontext der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens ........................................... 184 (1) Freiheit als Funktion der Art der zuzurechnenden Verantwortlichkeit.... 185 (2) Die Korrespondenz der beiden Arten der Verantwortlichkeit und zweier verschiedener Formen der Freiheit - Der Zusammenhang von Freiheit und Norm.............................................................. 187 (3) Die Bewertung der Teilhabe an einem Vorgang als relevanter Umstand für die Deutung als Handlung in Abhängigkeit von der Art der zuzurechnenden Verantwortlichkeit .............................................. 189 (a) Regelgemäßheit und Qualität der Teilhabe als regelerfüllend-freie Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (b) Regelwidrigkeit und Qualität der Teilhabe als regelverstoßend-freie Handlung........................................................... 191 (4) Gemeinsamkeit von regelerfüllend-freien Handlungen und Naturvorgängen ................................................................. 191 (5) Die beiden Formen der Freiheit und die Bedeutung von Zwang für Verantwortlichkeit wegen pflichtgemäßen Verhaltens ...................... 192 (6) Konsequenzen für die erste Variante der Retterfälle ..................... 193 (a) Deutung der Teilhabe des Hintermanns als unmittelbare regelverstoßend-freie Handlung im Kontext der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens ....................... 194 (b) Keine Deutung der Teilhabe des Hintermanns als regelgemäß-freie Rettungshandlung im Kontext der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen regelgemäßen Verhaltens................................ 195

Inhaltsverzeichnis

17

2. Zweite Variante der Retterfalle: Pflichtgemäße Vornahme einer grundsätzlich obliegenheitswidrigen Handlung............................................... 196 a) Der Einfluß der Bewertung der Handlung des Vordermanns als pflichtgemäß auf die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens zum Hintermann ....................................................... 197 (1) Bewertung der Handlung des Vordermanns als obliegenheitswidrig .....

198

(2) Bewertung der Handlung des Vordermanns als weder obliegenheitswidrig noch obliegenheitsgemäß ........................................... 198 (3) Bewertung der Handlung des Vordermanns als pflichtgemäß............ 198 (a) Verantwortlichkeit des Vordermanns wegen pflichtgemäßen Verhaltens als Täter ....................................................... 198 (b) Verantwortlichkeit des Hintermanns wegen pflichtwidrigen Verhaltens als (mittelbarer) Täter .......................................... 199 3. Der Gang der Zurechnung von Verantwortlichkeit für ein Ereignis wegen pflichtwidrigen Verhaltens in beiden Varianten der Retterfalle .................. 201 4. Zusammenfassung ........................... . ................................. 208

11. Drei weitere Fallgruppen der Konstellation "Pt1ichtwidrig handelnder Hintermann, pflichtgemäß handelnder Vordermann" .............................. 211 1. Pflichtwidriges Tun des Hintermanns, pflichtgemäßes Unterlassen des Vordermanns ......................................................................... 212

2. Pflichtwidriges Unterlassen des Hintermanns, pflichtgemäßes Tun des Vordermanns ......................................................................... 217 3. Pflichtwidriges Unterlassen des Hintermanns, pflichtgemäßes Unterlassen des Vordermanns .................................................................. 221 4. Zusammenfassung .......... . . . .......................................... . ..... 225 Sechstes Kapitel

Die Bedeutung der Pt1ichtgemäßheit von Verhalten im Zusammenhang mit der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens zu nur einem Subjekt

226

I. Pt1ichtwidriges 1On, pflichtgemäßes 10n eines einzelnen Subjekts - Eine Fallgruppe der Konstellation "Pt1ichtwidrige Handlung, pflichtgemäße Handlung eines einzelnen Subjekts" . . .. . . .. . . . . .. .. . .. . . . .. . . . . . . . . .. . . . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. 228 1. Verantwortlichkeit des Subjekts wegen pflichtgemäßen Verhaltens durch eine unmittelbare Handlung aus der actio succedens ................................ 230 2. Verantwortlichkeit des Subjekts wegen pflichtwidrigen Verhaltens durch eine unmittelbare Handlung aus der actio praecedens ............................... 231 3. Die Bedeutung der Bewertung der actio succedens als pflichtgemäß für die Deutung der actio praecedens als Handlung. . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . .. . . . . . . .. 232 2 Biewald

18

Inhaltsverzeichnis 4. Der Gang der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens in Anknüpfung an die actio praecedens ................................ 233 5. Einwände gegen die vorgeschlagene Deutung.................................. 235

n.

Drei weitere Fallgruppen der Konstellation "POichtwidrige Handlung, pflichtgemäße Handlung eines einzelnen Subjekts" ............................ 240 I. Pflichtwidriges Tun, pflichtgemäßes Unterlassen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 240 2. Pflichtwidriges Unterlassen, pflichtgemäßes Tun. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 246 3. Pflichtwidriges Unterlassen, pflichtgemäßes Unterlassen....................... 248

In.

Zusammenfassung............................................................... 250 Dritter Teil

Die Bedeutung obliegenheitsgemäßer Teilhabe für die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens

252

Siebtes Kapitel

Die Bedeutung der Obliegenheitsgemäßheit von Verhalten im Zusammenhang mit der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei zeitlich versetzter Mitwirkung zweier Subjekte 253 I. Erste Variante der Konstellation "POichtwidriges Thn des Hintermanns, obliegenheitsgemäßes Thn des Vordermanns" - NotstandseingritT in Rechtsgüter eines unbeteiligten Dritten ................................................ 254 I. Der Einfluß der Bewertung der Handlung des Vordermanns als obliegenheitsgemäß auf die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens zum Hintermann ....................................................... 257 a) Die Bewertung der Teilhabe an einem Vorgang als obliegenheitsgemäß als relevanter Umstand für die Deutung als Handlung im Kontext der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens ............. 258 b) Konsequenzen für die erste Variante der Konstellation ..Pflichtwidriges Tun des Hintermanns, obliegenheitsgemäßes Tun des Vordermanns" . . . . . . . . . . . .. 259 2. Der ..Nötigungsnotstand" bei Nötigung zu einer wegen Aggressivnotstands gerechtfertigten Handlung - Ein Spezialfall der ersten Variante der Konstellation .. Pflichtwidriges Tun des Hintermanns, obliegenheitsgemäßes Tun des Vordermanns" ........................................................................ 259 a) Obliegenheitsgemäßheit der Notstandstat des Vordermanns ................. 263 b) Verantwortlichkeit als (mittelbarer) Täter wegen pflichtwidrigen Verhaltens 263 c) Unmittelbarer gegenwärtiger rechtswidriger Angriff des Hintermanns durch die Drohung ................................................................ 264

Inhaltsverzeichnis

19

11. Zweite Variante der Konstellation "Pflichtwidriges Thn des Hintennanns, obliegenheitsgemäßes Thn des Vordennanns" - Notstandseingriff in eigene Rechtsgüter des Vordermanns .................................................. 265 1. Verantwortlichkeit des Vorderrnanns wegen obliegenheitsgemäßen Verhaltens als Täter ....................................................................... 265 2. Verantwortlichkeit des Hinterrnanns wegen pflichtwidrigen Verhaltens als (mittelbarer) Täter ................................................................. 266

111. Der Gang der Zurechnung von Verantwortlichkeit bei zeitlich späterer regelgemäßer Mitwirkung eines anderen Subjekts am Beispiel der Konstellation "Pflichtwidriges Thn des Hintennanns, regel gemäßes Thn des Vordennanns" 267 IV. Drei weitere FaIlgruppen der Konstellation "Pflichtwidrig handelnder Hintermann, obliegenheitsgemäß handelnder Vordermann" .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 269 1. Pflichtwidriges Tun des Hinterrnanns, obliegenheits gemäßes Unterlassen des Vorderrnanns .................................................................. 270 2. Pflichtwidriges Unterlassen des Hinterrnanns, obliegenheitsgemäßes Tun des Vorderrnanns .................................................................. 272 3. Pflichtwidriges Unterlassen des Hinterrnanns, obliegenheitsgemäßes Unterlassen des Vorderrnanns .......................................................... 274

V. Zusammenfassung............................................................... 275 Achtes Kapitel

Die Bedeutung der Obliegenheitsgemäßheit von Verhalten im Zusammenhang mit der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens zu nur einem Subjekt I. "Pflichtwidriges Thn, obliegenheitsgemäßes Thn eines einzelnen Subjekts"

277 278

11. Der Gang der Zurechnung von Verantwortlichkeit bei zeitlich versetzter pflichtwidriger und regelgemäßer Mitwirkung eines Subjekts am Beispiel der Konstellation "Pflichtwidriges Thn, regelgemäßes Thn eines einzelnen Subjekts" ............................................................................ 282 Irr. Drei weitere Fallgruppen der Konstellation "Pflichtwidrige Handlung, obliegenheitsgemäße Handlung eines einzelnen Subjekts" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 1. Pflichtwidriges Tun, obliegenheitsgemäßes Unterlassen .......... . ............. 284 2. Pflichtwidriges Unterlassen, obliegenheitsgemäßes Tun ........................ 285 3. Pflichtwidriges Unterlassen, obliegenheitsgemäßes Unterlassen ................ 286

IV. Zusammenfassung................................................. . ............. 287 2*

20 Fazit

Inhaltsverzeichnis 289

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 290 Verzeichnis der zitierten Entscheidungen ............................................ 308 Stichwortverzeichnis ........ . ................. . ...................................... 311

Abkürzungsverzeichnis €

Euro

AA

Akademieausgabe (Kants gesammelte Schriften)

a.a.O.

am angegebenen Orte

AcP

Archiv für die civilistische Praxis (zitiert nach Band alte Folge, Jahr und Seite)

a.E.

am Ende

Alt.

Alternative

Anm.

Anmerkung( en)

ARSP

Archiv für Recht und Sozialphilosophie (zitiert nach Band, Jahr und Seite)

Auf!.

Auflage

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

Bd.

Band

Beschl.

Beschluß

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (zitiert nach Band und Seite der amtlichen Sammlung)

BGHZ

Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (zitiert nach Band und Seite der amtlichen Sammlung)

BYUL. Rev.

Brigham Young University Law Review (zitiert nach Jahr und Seite)

bzw.

beziehungsweise

D.

Digesten

ders.

derselbe

d. h.

das heißt

dies.

dieselbe(n)

f.

folgende

ff.

fortfolgende

Fn.

Fußnote(n)

GA

Archiv für Gemeines Deutsches und für Preußisches Strafrecht, begründet durch Dr. Goltdammer; ab 1953: Goltdammers' Archiv für Strafrecht (zitiert nach Band [ab 1953 ohne Bandangabe], Jahr und Seite)

GoA

Geschäftsführung ohne Auftrag

h.M.

herrschende Meinung

22

Abkürzungsverzeichnis

Hrsg.

Herausgeber

hrsg.

herausgegeben

i. S. d.

im Sinne des I der

JA

Juristische Arbeitsblätter (zitiert nach Jahr und Seite)

JR

Juristische Rundschau (zitiert nach Jahr und Seite)

JRE

Jahrbuch für Recht und Ethik (zitiert nach Band, Jahr und Seite)

JURA

Juristische Ausbildung (zitiert nach Jahr und Seite)

JuS

Juristische Schulung (zitiert nach Jahr und Seite)

JZ

Juristenzeitung (zitiert nach Jahr und Seite)

KunstUrhG

Kunsturhebergesetz

LG

Landgericht

LM

Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, herausgegeben von Lindenmaier, Möring u. a. (Loseblattsammlung, 1951 ff.; zitiert nach Vorschrift und Nummer der Entscheidung)

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht (zitiert nach Jahr und Seite)

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (zitiert nach Jahr und Seite)

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht (zitiert nach Jahr und Seite)

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (zitiert nach Jahr und Seite)

OLG

Oberlandesgericht

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

PrALR

Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten

RG

Reichsgericht

RGZ

Entscheidung des Reichsgerichts in Zivilsachen (zitiert nach Band und Seite der amtlichen Sammlung)

Rn.

Randnummer(n)

S.

Seite(n)

s.

siehe

s. a.

siehe auch

SchwZStr

Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht (zitiert nach Band, Jahr und Seite)

StGB

Strafgesetzbuch

StV

Strafverteidiger (zitiert nach Jahr und Seite)

StVO

Straßenverkehrsordnung

u. a.

und andere

usw.

und so weiter

VBlBW

Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (zitiert nach Jahr und Seite)

VersR

Versicherungsrecht (zitiert nach Jahr und Seite)

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

Abkürzungsverzeichnis

23

WStG

Wehrstrafgesetz

YALELJ.

Yale Law Journal

z.B.

zum Beispiel

ZtphilF

Zeitschrift für Philosophische Forschung (zitiert nach Band, Jahr und Seite)

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (zitiert nach Band, Jahr und Seite)

zit.

zitiert

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (zitiert nach Band, Jahr und Seite)

Einleitung Ein zentrales Problem des Rechts ist die Zurechnung von Verantwortlichkeit für ein Ereignis 2 in der Welt zu einem Zurechnungssubjekt wegen regelwidrigen Verhaltens. 3 Die Zurechnung rechtlicher Verantwortlichkeit eines Subjekts für ein Ereignis setzt voraus, daß dem Subjekt der Vorgang, zu dem das zuzurechnende Ereignis gehört, als Handlung zugeschrieben und diese Handlung als Verstoß gegen eine Rechtsregel verstanden wird. Am auffälligsten ist die Bedeutung der Zurechnung von Verantwortlichkeit für ein Ereignis wegen Verstoßes gegen eine Rechtsregel im Strafrecht. Den Tatbeständen des Besonderen Teils des StGB liegen jeweils bestimmte Unterlassungsoder Handlungspflichten bezüglich eines bestimmten Ereignisses in der Welt (etwa den Tod eines Menschen) zugrunde. Strafrechtliche Verantwortlichkeit für ein Ereignis setzt die zurechenbare Verletzung einer solchen Pflicht durch eine Handlung I In der strafrechtlichen Literatur wird statt von Ereignis oft von Erfolg als Bezugsgspunkt der Zurechnung von Verantwortlichkeit gesprochen (vgl. z. B. Honig, Frank-FS I, S. 182 ff.; zum Ereignis als Ausgangspunkt von Handlungen vgl. Münzberg, Verhalten und Erfolg als Grundlage der Rechtswidrigkeit und Haftung, S. 24; von Wright, Norm and Action, S. 27 ff.1 deutsche Übersetzung S. 24 ff.). Gemeint ist damit dasselbe. Häufig werden auch statt des Ausdrucks "Zurechnung von Verantwortlichkeit für ein Ereignis" die Formeln "Zurechnung eines Ereignisses" (etwa OUo, Spendel-FS, S. 271) und ,,zurechnung eines Erfolges" (etwa Honig, Frank-FS I, S. 184) verwendet. Alle drei Redewendungen sind gleichbedeutend. Ungenau ist es, im selben Zusammenhang von "Verantwortlichkeit für eine Handlung" zu sprechen, wie z. B. Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstyp im Strafrecht, S. 234, und Neumann, Zurechnung und "Vorverschulden", S. 13 es tun. Ein Subjekt ist wegen einer Handlung unter Umständenfiir ein Ereignis verantwortlich. Allerdings hat auch die Rede von Verantwortlichkeit für eine Handlung ihre Berechtigung. Denn häufig begründen Pflichtverstöße "Verantwortlichkeit" ohne daß sich ein Ereignis in der Welt ausmachen ließe, das mit dem Pflichtverstoß in Verbindung steht. Jemand kann z. B. "verantwortlich" sein für einen Meineid oder eine Bestechung. Vgl. dazu Hart / Honore, Causation in the Law, S. 63 f., die derartige Fälle als verbotene Gefahrerhöhung bezüglich des Eintritts bestimmter Ereignisse deuten und in Zusammenhang mit dem Versuch bringen. Derartige Fälle sollen hier außer Betracht bleiben. 2 Von Zurechnung wird im Recht nicht nur in diesem Zusammenhang, sondern auch bezüglich vielfältiger anderer Probleme gesprochen, wie exemplarisch der Titel des Buches von Wolter, Objektive und personale Zurechnung von Verhalten, Gefahr und Verletzung in einern funktionalen Straftatsystem zeigt. Im Zivilrecht ist ein weiterer wichtiger Topos die "Schadenszurechnung". Der Begriff der "Schadenszurechnung" faßt ganz unterschiedliche Rechtsproblerne zusammen, die Zurechnung von Verantwortlichkeit für ein Ereignis wegen regelwidrigen Verhaltens ist nur ein Aspekt unter vielen. Vgl. etwa Larenz, JuS 1965, 373 ff. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf das Problem der Zurechnung von Verantwortlichkeit für ein Ereignis in der Welt.

26

Einleitung

voraus. Diese Verantwortlichkeit für das Ereignis zieht die Rechtsfolge der Strafe nach sich. 4 Entsprechend hat sich im Strafrecht eine ausgefeilte Dogmatik für die Zurechnung von Verantwortlichkeit bei Pflichtverletzungen herausgebildet. Diese Dogmatik hat teilweise Eingang in den Allgemeinen Teil des StGB gefunden. Sie ist daneben aber, was ihre im Gesetz nicht angesprochenen Grundlagen betrifft, traditionell ein zentraler Gegenstand der Forschung zum Strafrecht. Auch in den anderen Rechtsgebieten spielt die Zurechnung von Verantwortlichkeit für ein Ereignis wegen pflichtwidrigen Verhaltens eine bedeutende Rolle. Im Recht der unerlaubten Handlung, im Polizei- und Sicherheitsrecht, im Staatshaftungsrecht und in anderen Rechtsbereichen knüpfen Rechtsrege1n Rechtsfolgen 5 an die Verantwortlichkeit für Ereignisse wegen Verletzung von Rechtspflichten. Für die Rechtsanwendung in allen diesen Bereichen stellt sich daher ständig die Frage, ob derjenige, dem gegenüber eine Rechtsfolge verhängt werden soll, Subjekt eines Urteils ist, das die Form hat "A ist für dieses und jenes Ereignisses verantwortlich, weil er eine Pflicht verletzt hat". Seltener stößt man im Recht (und außerhalb desselben) auf Fragen im Zusammenhang mit der Bewirkung von Ereignissen durch pflichtgemäßes Verhalten. Das liegt für das Recht daran, daß, obwohl die Pflichten im Hinblick darauf auferlegt sind, daß sie beachtet werden, bei der Rechtsanwendung durch die Gerichte fast ausschließlich "pathologische" Fälle auftauchen, in denen sich jemand nicht dem Recht gemäß verhalten hat. 6 Im Recht treten aber verschiedentlich Fälle auf, bei denen pflichtgemäßes und allgemeiner regelgemäßes Verhalten im Zusammenhang mit der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens eine Rolle spielt. Teilweise ist für diese Fallkonstellationen auch erkannt worden, daß der Bewertung einer Handlung als pflichtgemäß Bedeutung zukommt. Am stärksten ins Auge fällt die Relevanz der Bewertung der Mitwirkung einer Person als pflichtgemäß für die Zurechnung von Verantwortlichkeit für ein Ereignis in den sogenannten Retterfällen, in denen der Retter selbst oder ein Unbeteiligter im Zusammenhang mit der pflichtgemäßen Rettung eines anderen aus einer von einem Dritten geschaffenen Gefahrenlage verletzt wird. 7 3 Die Strafe ist also nicht die Verantwortlichkeit selbst, sondern Folge der Verantwortlichkeit; s. dazu unten S. 101 f. 4 Solche Rechtsfolgen sind z. B. die Pflicht zur Zahlung von Schadensersatz, Erbunwürdigkeit (§ 2339 BGB), Pflichtteilsentziehung (§ 2333 BGB), Pflicht zur Zahlung einer Geldbuße. 5 Auch die Ethik konzentriert sich, soweit es um Zurechnung von Verantwortlichkeit geht, auf die "Sünde" oder Übertretung, während der Zurechnung von Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit pflichtgemäßem Verhalten kaum Interesse entgegengebracht wird. 6 s. den vieldiskutierten Fall BGHSt 39, 322, der allerdings Besonderheiten aufweist, derentwegen der BGH in der Erörterung der Urteilsgründe nicht zum Problem der Pflichtgemäßheit vorgestoßen ist.

Einleitung

27

Die Herbeiführung eines Ereignisses durch pflichtgemäßes Verhalten spielt auch eine Rolle in den (zivilrechtlichen) Fällen, in denen es um eine Ersatzpflicht eines Flüchtigen für die Verletzungen geht, die ein Polizeibeamter oder sonst Verpflichteter im Rahmen der pflichtgemäßen Verfolgung erlitten hat. 8 Hier stellt sich die Frage, ob der Polizeibeamte selbst oder ob der Verfolgte für die Verletzungen des Verfolgers verantwortlich zu machen ist. Für diese und andere Konstellationen ist von verschiedenen Autoren und beiläufig auch von obersten deutschen Gerichten geltend gemacht worden, daß wegen der Pflichtgemäßheit der Handlung Besonderheiten für die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens bestünden. Insbesondere ist für die Lösung der Fälle, in denen der Retter selbst geschädigt wird, häufig der Gedanke geäußert worden, die Pflicht des Retters führe dazu, daß sein Handeln "unfrei" sei. Daher liege keine "eigenverantwortliche Selbstgefahrdung" vor und die Person, die die Rettungslage schuldhaft herbeigeführt hat, sei deshalb für die Schäden des Retters verantwortlich. 9 Allen bisher angestellten Überlegungen zur Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei pflichtgemäßer Teilhabe eines Subjekts ist 7 Vgl. z. B. BGHZ 57, 25; 63, 189; 132, 164; BGH NJW 1976, 568; BGH JZ 1967,639. Die geschilderte Konstellation ist nur eine von mehreren, die unter dem Begriff der "Verfolgerfälle" oder "Fluchtfälle" zusammengefaßt werden, s. Leitermeier; Die deliktsrechtliche Haftung des Verfolgten, S. 1 ff. Die im folgenden anzustellenden Überlegungen zur Bedeutung regelgemäßen Verhaltens betreffen nicht alle "Verfolgerfälle", sondern nur die Konstellation einer Verfolgung in Erfüllung einer Regel. 8 Für das Strafrecht s. BGHSt 17, 359, 360; Cramer/Stemberg-Lieben, S/S StGB, § 15 Rn. 168; Derksen, NJW 1995, 241; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolges, S. 474 f.; ders., NStZ 1992, 3; ders., Nishihara-FS, S. 80 f.; Geppert, JURA 2001,495; Günther; StV 1995, 80; Gutmann, Freiwilligkeit als Rechtsbegriff, S. 29; Herzberg, Mittelbare Täterschaft, S. 340ff.; Jakobs, ZStW LXXXIX (1977), 32; Lenckner; S/S StGB, vor § 13 Rn. 101 c; Maurach/Gössel/Zipj AT 11, § 43 III 2.) a) cc) Rn. 73=S. 125; Meindl, JA 1994, 103; Otto, Spendel-FS, S. 278; ders., Wolff-FS, S. 411; Puppe, JURA 1998, 30; dies., Die Erfolgszurechnung im Strafrecht, S. 261; dies., NK StGB, vor § 13 Rn. 169; Radtke, Die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte, S. 296; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, S. 196; Rudolphi, SK StGB, vor § 1 Rn. 81; ders., JuS 1969,557; Schroeder; LK StGB, § 16 Rn. 182; Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht und das Prinzip der Se1bstverantwortung der Anderen, S. 70 Fn. 2; Schünemann, JA 1975,721 f.; ders., GA 1999,222; Sowada, JZ 1994, 665; Wolter; Objektive und personale Zurechnung von Verhalten, Gefahr und Verletzung in einern funktionalen Straftatsystem, S. 344 f.; Zaczyk, Strafrechtliches Unrecht und die Selbstverantwortlichkeit des Verletzten, S. 57 Fn. 190. Für das Zivilrecht RGZ 29, 120, 121 f.; 50, 219, 223; 164, 125, 126; BGHZ 6, 102, 107; 70, 374, 376; 132, 164, 166; BGH NJW 1964, 1363, 1364; 1978,421,422; BGH JZ 1967, 639,640; OLG Stuttgart NJW 1965, 112; Coester-Waltjen, JURA 2001, 413, 415; Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Schadensersatz und Schmerzensgeld, Rn. 67=S. 37; ders., Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 159=S. 117, Rn. 162=S. 109f. und Rn. 172=S. 114; Forst, Grenzen deliktischer Haftung, S. 53, 58,131 ff.; Haberhausen, NJW 1973, 1309; Hart/Honore, Causation in the Law, S. 41; Lange, Schadensersatz § 3 XI 2=S. 134 und § 3 X 3=S. 145; Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl., § 27 III 5.=S. 455; Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S. 434, Schiemann, Staudinger BGB, § 249 Rn. 54; Teichmann, JZ 1996,1182.

28

Einleitung

gemeinsam, daß sie sich auf die Erörterung von Einzelfragen beschränkt und den die verschiedenen einzelnen Probleme übersteigenden Zusammenhängen keine Beachtung geschenkt haben. Auch ist bei der Erörterung von Konstellationen, für die die Bedeutung des pflichtgemäßen Verhaltens für die Zurechnung von Verantwortlichkeit zutreffend erkannt wurde, der Zusammenhang von Pflichtgemäßheit und Freiheit nicht genau genug erfaßt worden. Dieser Zusammenhang stellt indessen den Schlüssel für das Verständnis der Fälle dar, in denen regelgemäßes Verhalten eine Rolle bei der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens spielt. Zudem sind die neben den Pflichten für die Zurechnung von Verantwortlichkeit relevanten Obliegenheiten nicht in die Überlegungen einbezogen worden. In dieser Arbeit soll versucht werden, eine systematische Darstellung der maßgeblichen Gesichtspunkte für die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens in den Fällen zu geben, in denen speziell pflichtgemäßes und allgemein regelgemäßes Verhalten eine Rolle spielt. Dabei soll auch das Verhältnis von Regelgemäßheit und Freiheit genauer untersucht werden. Gegründet auf die Überzeugung, daß, ebenso wie es für die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens der FalList, auch die Rolle regelgemäßen Verhaltens in allen Rechtsgebieten den gleichen Grundsätzen folgt, ist die Idee der Arbeit, die der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei regelgemäßer Mitwirkung zugrundeliegende Systematik aus einer Betrachtung der Einzelprobleme aus verschiedenen Rechtsgebieten zu gewinnen. Damit verbindet sich die Hoffnung, daß die gefundene Struktur die Lösung von Einzelproblemen in den verschiedenen Rechtsgebieten erklären, oder, in Fällen, in denen die bislang gefundene Lösung nicht im Einklang mit dem System steht, überzeugende Gründe für die systemgerechte Lösung geben kann. Eine Arbeit, die es unternimmt, ein System für das Recht herauszuarbeiten, ist der Frage ausgesetzt, ob nicht Recht einer Systematisierung grundsätzlich unzugänglich sei. 1O Die mit dieser Frage verbundenen Probleme können hier nicht ausführlich erörtert werden. Natürlich liegt aber dem Versuch einer systematischen Darstellung die Annahme zugrunde, daß wenigstens in einigen Bereichen des Rechts ein dem Recht zugrundeliegendes System erkannt werden kann. 11 Die Vorstellung des Verfassers, die das Vorgehen bei der vorliegenden Arbeit leitet, geht dahin, daß der Zurechnung von Verantwortlichkeit, ähnlich wie der Sprache, Regeln zugrunde liegen. Die "Grammatik" der Zurechnung kann man, wiederum So etwa Viehweg, Topik und Jurisprudenz, S. 79 und passim. s. zum Systemgedanken im Recht Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz; Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, S. 94 ff.; Fikentscher, Methoden des Rechts Bd. IV, S. 84 ff.; Hruschka, JZ 1985, 1 ff.; Schild, Von Wert und Nutzen eines systematischen Rechtsdenkens, S. 180 ff. 9

IO

Einleitung

29

wie bei der Sprache, nur verstehen und darstellen, wenn man die Praxis des zurechnenden Urteilens untersucht und aus ihrer Analyse die zugrunde liegenden Regeln gewinnt. Richtig ist das System dann, wenn es durch eine sachgerechte Analyse der Praxis gewonnen wurde. Die durch Analyse der Praxis gewonnenen Grundsätze haben normativen Charakter. Sie leiten die Praxis zurechnenden Urteilens an und sind der Maßstab für die Beurteilung, ob ein zurechnendes Urteil korrekt ist. Auch insoweit liegt eine Parallele zur Sprache vor. Die Sätze der Grammatik sind ebenfalls Normen des richtigen Gebrauchs der Sprache und Grundlage bezüglich der Beurteilung, ob ein sprachlicher Ausdruck grammatikalisch richtig ist. Diese Sicht der Dinge kann leicht in den Verdacht geraten, in unzulässiger Weise zirkulär zu sein. Doch zunächst ist nicht ausgemacht, daß das Verfahren tatsächlich zirkelschlüssig ist. Möglicherweise ist Quelle der Regeln der Zurechnung nicht die Praxis selbst (obwohl man durch ihre Analyse die Regeln erkennen kann), sondern eine hinter der Praxis liegende und in ihr zutage tretende "Kompetenz", die der von Chomski angenommenen Kompetenz einer "generativen Transformationsgrammatik" ähnelt. Gäbe es eine solche Kompetenz, wäre sie eine unabhängige, außerhalb eines Zirkels stehende Instanz. Wenn man diese Idee nicht akzeptiert, kann das dann zirkelschlüssige Verfahren mit dem Argument verteidigt werden, daß Erkenntnis generell zirkulär gewonnen wird und es nur darauf ankomme, in rechter Weise in den Zirkel hineinzukommen. Dann wäre kein circulus vitiosus, sondern ein "Hermeneutischer Zirkel" am Werk. Im ersten Teil der Untersuchung sollen die Grundbegriffe der Zurechnung von Verantwortlichkeit dargestellt werden. Dabei befassen sich die ersten drei Kapitel mit der Zurechnung der beiden Formen der Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens, nämlich Dritt- oder Fremdverantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens und Eigenverantwortlichkeit wegen obliegenheitswidrigen Verhaltens. Das vierte Kapitel hat die Verantwortlichkeit wegen regelgemäßen Verhaltens zum Gegenstand. Im zweiten Teil der Arbeit wird auf der Grundlage der im ersten Teil vorgestellten Begriffe die Klärung der Frage in Angriff genommen, welche Bedeutung pflichtgemäßem Verhalten für die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens in den Fällen zeitlich versetzter Mitwirkung an der Hervorbringung eines Ereignisses zukommt. Dabei wird zunächst die Bedeutung der Pflichtgemäßheit für die Zurechnung von rechtlicher Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens in den Retterflillen und parallelen Fallgruppen besprochen. In diesem Zusammenhang wird auch das Verhältnis von Regelgemäßheit und Freiheit zur Sprache kommen. Anschließend wird die Bedeutung der Pflichtgemäßheit in Fällen untersucht, die im herkömmlichen Sprachgebrauch als Fälle der actio illicita in causa bezeichnet werden. Im dritten Teil schließlich wird untersucht werden, wie sich die Obliegenheitsgemäßheit der Mitwirkung an einer Rechtsgutsbeeinträchtigung auf die Zurechnung von Verantwortlichkeit für diese Rechtsgutsbeeinträchtigung auswirkt. Dabei

30

Einleitung

werden die Fälle des "gerechtfertigten Nötigungsnotstandes" und weitere actio illicita in causa-Fälle angesprochen werden. In der Arbeit wird das praktisch wichtige Problem der Verantwortlichkeit eines Subjekts für ein Ereignis wegen pflichtwidrigenjahrlässigen Verhaltens nicht erörtert werden. Es wird vielmehr in der Darstellung, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt wird, davon ausgegangen, daß die Subjekte, um deren Verantwortlichkeit es geht, alle maßgeblichen Umstände kennen, also "vorsätzlich" handeln. Ebenfalls nicht Gegenstand der Arbeit ist die Zurechnung von Verantwortlichkeit außerhalb des Rechts, insbesondere in der Moral. Obwohl Recht und Moral bezüglich der Zurechnung von Verantwortlichkeit eine gewisse Übereinstimmung aufweisen, und beide Bereiche möglicherweise gerade bei Fällen der Mitwirkung gemäß moralischer Regeln ineinandergreifen, beschränken sich die Ausführungen auf Handeln entgegen und gemäß rechtlichen Regeln. Es wird also nur um Verhalten gemäß Rechtsregeln, insbesondere Rechtspflichten gehen. Insbesondere wird nicht das häufig im Zusammenhang mit den hier zu behandelnden Fragen angesprochene 12 Problem erörtert, welche Bedeutung Handeln gemäß moralischen Pflichten, die weiter gehen als Rechtspflichten, für die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen Verstoßes gegen eine Rechtspflicht zukommt.

11 Vgl. etwa von Bar, Gesetz und Schuld im Strafrecht Bd. II, S. 228; Coester-Waltjen, JURA 2001, 414; Kuckuk, Erman BGB, § 254 Rn. 24; Forst, Grenzen deliktischer Haftung, S. 57, 131 ff.; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolges, S. 484; ders., NStZ 1992,3; Geppert, JURA 2001, 495; Hart/Honore, Causation in the Law, S. 41, 142; Krug, Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 65 f.; Schünemann, GA 1999,222. Nach Ansicht dieser Autoren gelten für rechtliche und ethische Pflichten im Zusammenhang mit der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens die selben Grundsätze. Eine Parallele von rechtlicher und sittlicher Pflicht erwähnen auch RGZ 29, 120, 121 f.; 50, 219, 223 und BGHSt 17, 359, 360.

Erster Teil

Grundbegriffe der Zurechnung von Verantwortlichkeit Erstes Kapitel

Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens Die Zurechnung von Verantwortlichkeit für ein Ereignis wegen Hervorbringens des Ereignisses durch mißbilligtes Verhalten ist seit der Antike Gegenstand intensiven wissenschaftlichen Interesses. Autoren wie Aristoteles, Thomas von Aquin, Pufendorf, Kant, Hegel) und viele andere haben sich mit dem Problem befaßt und Einsichten gewonnen, die in die Ausarbeitung des heute bekannten und verschiedentlich dargestellten Systems der Zurechnung von Verantwortlichkeit im Recht eingeflossen sind. Auch wenn diesbezüglich noch nicht alle Fragen untersucht und alle gefundenen Antworten unbestritten sind, ist für diese Art der Zurechnung von Verantwortlichkeit ein hoher Grad an analytischer Durchdringung erreicht worden. Die für die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens gefundenen Grundbegriffe und Regeln sollen hier zu Beginn, soweit sie den Bereich des Rechts betreffen, zunächst nachgezeichnet2 und in einigen Punkten präzisiert werden. Denn erst das genaue Verständnis der Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens erlaubt es, die Bedeutung regelgemäßen Verhaltens bei der Zurechnung von Verantwortlichkeit allgemein und für die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen pflichtwidrigen Verhaltens im Besonderen zu verstehen. Diese Darstellung soll so knapp wie möglich und auch nur bezüglich der für die vorliegende Untersuchung relevanten Punkte geschehen. Damit wird ) Beispielsweise in Aristoteles, Eudemische Ethik, Buch II; ders., Nikomachische Ethik, Buch ill; Thomas von Aquin, Quaestiones disputate de veritate I-lI, q. 16; Pufendorf, De officio hominis et civis; Kapitel I; Kant, Metaphysik der Sitten, Vorbegriffe zur Metaphysik der Sitten; Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 115 bis 132. Vgl. zur Entwicklung der Zurechnung von Verantwortlichkeit im abendländischen Denken Bayertz, Herkunft der Verantwortung. 2 Die Darstellung folgt im wesentlichen der Analyse von Hruschka, Strukturen der Zurechnung; ders., BYU L. Rev. 1986, 669 ff.=Imputation, S. 122 ff.; ders., JRE 11 (1994), 177 ff.; ders., Rechtstheorie Bd. XXII (1991), S. 449 ff.; ders., JRE II (1994), 177 ff.; ders., ZStW CX (1998), 582 ff. s. auch Joerden, Strukturen des strafrechtlichen Verantwortlichkeitsbegriffs, S. 31 ff.; ders., JRE 11 (1994), 307 ff.

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1. Teil: Grundbegriffe der Zurechnung von Verantwortlichkeit

zugleich geklärt, welches Verständnis den verwendeten Begriffen zugrunde liegt. Über die Grundbegriffe hinausgehende Einzelheiten der Zurechnung regelwidrigen Verhaltens werden dann bei der Darstellung des jeweiligen Problems im Zusammenhang mit der Untersuchung des regelgemäßen Handeins angesprochen.

I. Rechtliche Verantwortlichkeit als Verantwortlichkeit wegen Regelverstoßes

Wie in der Einleitung schon herausgestellt, ist den Standardfällen der Zurechnung von Verantwortlichkeit für ein Ereignis im Recht gemeinsam, daß sie mit Pflichten im Zusammenhang stehen. Ein Urteil, das einem Subjekt rechtliche Verantwortlichkeit für ein Ereignis im herkömmlichen Sinn3 zuschreibt, setzt die Feststellung voraus, daß ein Verhalten eines Zurechnungssubjekts, das mit dem Ereignis in Zusammenhang steht, eine Rechtspflicht verletzt hat. Im Strafrecht setzt strafrechtliche Verantwortlichkeit voraus, daß gegen ein strafrechtliches Gebot oder Verbot verstoßen wurde. Im privatrechtlichen Haftungsrecht ist Voraussetzung sowohl vertraglicher als auch außervertraglicher Haftung auf Schadensersatz grundsätzlich die Verletzung einer zivilrechtlichen Pflicht. 4 Daneben spielt, wie zu zeigen sein wird, im Recht auch die Verantwortlichkeit wegen Verstoßes gegen rechtliche Obliegenheiten eine Rolle. Obwohl von Verantwortlichkeit für ein Ereignis nicht allein im Zusammenhang mit einem Regelverstoß gesprochen werden kann (wie weiter unten auszuführen sein wird, gibt es auch Verantwortlichkeit wegen Regelerfüllung) ist also für das Recht primär die Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen Verstoßes gegen eine Rechtsregel bedeutsam.

11. Die Struktur der Zuschreibung von Verantwortlichkeit wegen eines Regelverstoßes

Die Zuschreibung von Verantwortlichkeit für ein Ereignis in der Welt wegen regelwidrigen Verhaltens zu einem Subjekt ist die Deutung eines Vorgangs in der Welt, zu dem das zuzurechnende Ereignis gehört, in zweifacher Hinsicht: Das Ereignis wird erstens gedeutet als ein Phänomen, das seine Wurzel, seinen Ursprung im freien Willen eines in der Zuschreibung vorausgesetzten Zurechnungssubjekts hat. Das Zurechnungssubjekt wird als causa libera für das Ereignis angesehen. 5 3 Die Verantwortlichkeit wegen obliegenbeitswidrigen Verhaltens und die Verantwortlichkeit wegen regelgemäßen Verhaltens, von denen im folgenden noch die Rede sein wird, liegen jenseits der "klassischen Verantwortlichkeit" des Rechts. 4 Allerdings ist Haftung nicht ausnahmslos an eine Pflichtverletzung geknüpft, wie etwa § 904 S. 2 BGB zeigt.

1. Kap.: Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens

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Zweitens wird der Vorgang als Regelverstoß des Zurechnungssubjekts verstanden. Kern der Zurechnung ist damit eine zweifache Verbindung zwischen dem freien Willen des Subjekts und einem Ereignis in der Welt. Die Zuschreibung von Verantwortlichkeit wegen Regelverstoßes geschieht daher auf zwei Deutungsebenen oder -stufen. Auf der ersten Stufe geschieht die Deutung eines Vorgangs in der Welt, in den ein Subjekt involviert ist, als Handlung des Subjekts bezüglich des zuzurechnenden Ereignisses. Diese Deutung enthält die Annahme, ein zu dem Vorgang gehörendes Ereignis sei dem freien Willen des Subjekts entsprungen. 6 Auf der zweiten Stufe wird gefragt, ob das Zurechnungssubjekt durch die Handlung eine Regel verletzt hat und diese Regelverletzung ebenfalls auf den Willen des Zurechnungssubjekts zurückgeht. Demgemäß vollzieht sich der Vorgang des zurechnenden Urteilens in drei Schritten. In einem ersten Schritt wird ein Vorgang in der Welt als Handlung einer Person, des Zurechnungssubjekts, gedeutet. In einem zweiten Schritt wird die Handlung an einer Regel gemessen, die für das Zurechnungssubjekt als gültig angenommen wird. Dabei ergibt sich (gegebenenfalls), daß die Handlung als regelwidrig zu bewerten ist. Schließlich wird festgestellt, ob die Regelwidrigkeit der Handlung auf dem freien Willen des Zurechnungssubjekts beruht. Kann der Vorgang zugleich als eine Handlung und eine willentliche Regelverletzung verstanden werden, ist das Subjekt für das aus der regelverletzenden Handlung resultierende Ereignis wegen regelwidrigen Verhaltens verantwortlich. Das zur Verantwortlichkeit zugerechnete Ereignis wird dann verstanden nicht als "Werk des Zufalls", sondern als "Werk des eigenen Willens,,7 des Zurechnungssubjekts. Für den Vollzug des zurechnenden Urteilens sind verschiedene Arten von Regeln maßgeblich. Der zentrale Bezugspunkt des zurechnenden Urteilens ist dabei die Regel, wegen deren Verletzung eine Verantwortlichkeit in Betracht kommt. 1. Verhaltensregeln und Zurechnungsregeln

Die Zurechnung von Verantwortlichkeit für Vorgänge in der Welt wegen Regelverstoßes ist immer angewiesen auf zwei Arten von Regeln: auf "Verhaltensregeln" und auf ,,zurechnungsregeln,,.8 Die Verhaltensregeln sind kategorische 5 Bei Kant, AA Bd. XIX S. 157 Zeile 20, Reflexion 6775 heißt es: "wir rechnen [etwas] zu, wenn es simpliciter zugeeignet, d.i. als aus freyheit entsprungen vorgestellt wird". In der Strafrechtswissenschaft wird der selbe Gedanke in der Formel von Honig ausgedrückt, wonach "Zurechenbar ... detjenige Erfolg [ist], welcher als zweckhaft gesetzt gedacht werden kann". (Honig, Frank-FS I, S. 184) 6 Mayer; Strafrecht AT, S. 102 ff.; Larenz NJW 1955, 1011; ders., Dölle-FS I, S. 178. 7 Larenz, Hegels Zurechnungslehre, S. 61; ähnlich Deutsch, Honig-FS, S. 35. 8 Die Begriffe gehen zurück auf Hruschlw, Rechtstheorie Bd. XXII (1991), S. 449 ff.; s. a. ders., Strafrecht, S. 364 f.

3 Biewald

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I. Teil: Grundbegriffe der Zurechnung von Verantwortlichkeit

und hypothetische Imperative, die für das Zurechnungssubjekt Geltung haben. Die Verhaltensregeln geben dem Regelunterworfenen vor, was er zu tun und zu lassen hat, entweder um eine bestimmte Absicht zu verwirklichen (als hypothetische Imperative) oder unbedingt (als kategorische Imperative). Sie haben insoweit eine "Gestaltungsfunktion", da sie die Praxis bestimmen und gestalten. Daneben haben die Verhaltensregeln eine "Maßstabsfunktion".9 In dieser Funktion sind sie Maßstab für das Zurechnungs urteil. Die Zurechnungsregeln dagegen bestimmen den Prozeß des Urteilens darüber, ob das Zurechnungssubjekt für einen bestimmten Vorgang in der Welt wegen einer Regelverletzung verantwortlich gemacht wird oder nicht. Diese Teilung in zwei distinkte Regelsysteme reflektiert eine andere Zweiteilung, die für die Zurechnung von Verantwortlichkeit zentral ist: Die Unterscheidung von Zurechnungssubjekt und zurechnendem Subjekt. Zurechnendes Urteilen setzt immer diese Unterscheidung voraus. Natürlich kann jemand bezüglich eigener Handlungen Zurechnungsurteile fallen. 1O Man kann sich selbst etwa fragen, ob man für einen Fleck auf dem Hemd selbst durch Unachtsamkeit verantwortlich ist, oder ob man einen Verkehrsunfall selbst "verschuldet" hat. Aber auch eine solche ,,zurechnung in eigener Sache" lebt von der Zweiteilung zwischen Zurechnungs subjekt und zurechnendem Subjekt. Denn auch wer bezüglich der eigenen Person zurechnet, tut dies gerade in Reflexion auf ein (eigenes) vergangenes oder zukünftiges Verhalten. Reflexion setzt aber immer einen Standpunkt außerhalb dessen voraus, auf das reflektiert wird. Als zurechnendes Subjekt, gleichsam als Richter, muß ich mich als verschieden von mir als dem Zurechnungssubjekt (in dem Bild: als "Angeklagter") denken. 11 Verhaltensregeln betreffen primär das Zurechnungssubjekt. Sie formulieren Vorgaben für das Verhalten, sei es als unbedingte oder kategorische Gebote oder Verbote ("Du sollst nicht töten!"), sei es als hypothetische Imperative ("Wenn du eine Erkältung vermeiden willst, dann setze beim Radfahren im Winter eine Mütze auf!"). 9 Zu den Begriffen "Gestaltungsfunktion" und "Maßstabsfunktion" s. Hruschka, Rechtstheorie Bd. XXII (1991), S. 450. In der Sache differenziert schon Kelsen, Hauptproblerne der Staatsrechtslehre, S. 15. 10 Und muß dies auch, s. Joerden, JRE 11 (1994), 309. 11 Zu dieser Frage heißt es bei Kant, MdS, AA Bd. VI S. 439 Zeile 22 (Fn.): "Die zwiefache Persönlichkeit, in welcher der Mensch, der sich im Gewissen anklagt und richtet, sich selbst denken muß: dieses doppelte Selbst, einerseits vor den Schranken eines Gerichtshofes, der doch ihm selbst anvertraut ist, zitternd stehen zu müssen, anderseits aber das Richteramt aus angeborener Autorität selbst in Händen zu haben, bedarf einer Erläuterung, damit nicht die Vernunft mit sich selbst gar in Widerspruch gerathe. -Ich, der Kläger und doch auch Angeklagter, bin eben der selbe Mensch (numero idem), aber als Subjekt der moralischen, von den Begriffen der Freiheit ausgehenden Gesetzgebung, wo der Mensch einem Gesetz unterthan ist, das er sich selbst giebt, (homo noumenon), ist er als ein Anderer als der mit Vernunft begabte Sinnenmensch (specie diversus), aber nur in praktischer Hinsicht zu betrachten denn über das Causal-Verhältniß des Intellegiblen zum Sensiblen giebt es keine Theorie, und diese specifische Verschiedenheit ist die der Facultäten des Menschen (der oberen und unteren) die ihn charakterisiren".

1. Kap.: Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens

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Die Zurechnungsregeln richten sich an das zurechnende Subjekt (und sind die Verhaltensregeln für korrektes Zurechnen). Sie leiten das Urteil darüber an, ob das Zurechnungssubjekt, gemessen am Maßstab der jeweils relevanten Verhaltensregel, für ein Ereignis verantwortlich ist. a) Kategorische Imperative Kategorische Imperative machen eine der beiden Gruppen von Verhaltensregeln aus, die bei der Zurechnung von Verantwortlichkeit relevant sind. Sie geben unbedingtes Sollen vor. Der Begriff des kategorischen Imperativs stammt von Kant. 12 Kategorische Imperative stellen nach seiner Definition eine Handlung "als für sich selbst, ohne Beziehung auf einen anderen Zweck, objektiv-nothwendig,,13 vor. Sie sind Imperative, die "ohne irgend eine andere durch ein gewisses Verhalten zu erreichende Absicht als Bedingung zum Grunde zu legen, dieses Verhalten unmittelbar gebieten". 14 Die kategorischen Imperative, deren Mißachtung durch eine Handlung im Rahmen des Rechts zur Zurechnung von Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens führen können, unterteilen sich in zwei Gruppen: die (Rechts-)Pflichten und die Obliegenheiten. Wahrend die Verletzung von Pflichten zu einer Verantwortlichkeit gegenüber Dritten führt, begründen Obliegenheitsverletzungen Eigenverantwortlichkeit. (1) Pflichten

Rechtspflichten sind kategorische Gebote und Verbote, die Subjekten im Hinblick auf Dritte auferlegt sind. 15 Verbindendes Merkmal aller Pflichten ist, daß ein 12 Die Terminologie Kants ist nicht einheitlich. Während er in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten davon spricht, daß "der kategorische Imperativ ... nur ein einziger" sei (GMdS, AA Bd. IV S. 412 Zeile 6), geht er an anderen Stellen davon aus, daß alle praktischen Gesetze, da sie unbedingt gebieten, kategorische Imperative sind. (KpV, A 37, AA Bd. V S. 20 Zeile 19; MdS, AA Bd. VI S. 222 Zeile 20) Häufig wird durch die Groß- und Kleinschreibung von "kategorisch" unterschieden zwischen dem Kategorischem Imperativ als dem syntltetisch-praktischen Satz, der in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten formuliert wird, und dem Begriff des kategorischen Imperativs als Bezeichnung für ein unbedingtes Gebot oder Verbot. 13 Kant, GMdS, AA Bd. IV S. 414 Zeile 16. 14 Kant, GMdS, AA Bd. IV S. 416 Zeile 7. In der MdS, AA Bd. VI S. 222 Zeile 15 heißt es: "Der kategorische (unbedingte) Imperativ ist derjenige, welcher nicht etwa mittelbar, durch Vorstellung eines Zwecks, der durch die Handlung erreicht werden könne, sondern der sie durch die bloße Vorstellung dieser Handlung selbst (ihrer Form), also unmittelbar, als objektiv-notltwendig denkt und notltwendig macht; ... ". 15 Neben den Pflichten, die allein Dritte betreffen, ist bisweilen auch von Pflichten gegen sich selbst die Rede. Derartige Pflichten sind in der Naturrechtslehre allgemein angenom-

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1. Teil: Grundbegriffe der Zurechnung von Verantwortlichkeit

zurechenbarer Verstoß gegen sie zu Tadel führt. Pflichten sind charakteristisch für das Recht. Im Recht werden Pflichtgebote wie "Verträge müssen gehalten werden!" oder Pflichtverbote wie "Du sollst nicht töten!" aufgestellt, deren Adressaten die Rechtsgenossen sind. Diese Gebote oder Verbote gelten, ohne daß es auf bestimmte Bedingungen ankäme. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Bestimmungen der Gesetze häufig nicht absolute und in präskriptiver Sprache verfaßte Verhaltensregeln, sondern konditionale und in beschreibender Sprache gehaltene Sanktionsnormen sind, die nicht sagen, was der Adressat tun soll, sondern regeln, welche Sanktionen die Rechtsordnung verhängt, wenn ein Rechtssubjekt etwas bestimmtes getan hat. 16 So steht in § 212 I des deutschen StGB nicht die Verhaltensregel "Du sollst nicht töten!" sondern die Sanktionsnorm "Wer einen Menschen tötet ... wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft". Diese Vorschrift hat die Form "Wenn x, dann y" oder "Wenn ein Mensch einen anderen tötet, dann wird er bestraft". Da das StGB nicht nur tatsächliche Umstände beschreibt, sondern Grundlage der richterlichen Entscheidung ist, muß man diesen Satz interpretieren als "Wenn jemand einen Menschen getötet hat, dann soll er bestraft werden!". Die konditionale Form bleibt aber auch in dieser Interpretation erhalten. Gleichwohl ist es so, daß die Vorschrift des Gesetzes, soweit sie sich nicht an den Richter, sondern an jedermann wendet, das Verbot der Tötung ausspricht. 17 Und dieses Verbot steht nicht unter einer Bedingung. Insbemen worden. (s. z. B. Wolf!, lus naturae methodo scientifica pertractatum, Pars prima, Cap. II § 173; ders. Institutiones iuris naturae et gentium, I. Abschnitt § 57=S. 30 I deutsche Übersetzung S. 36; Pufendoif, Officio hominis et civis, Kapitel V.) Auch Kant kennt Pflichten gegen sich selbst sowohl als Verbote, bestimmte Veränderungen zu bewirken (Verbot der Selbsttötung) als auch Gebote, bestimmte Veränderungen hervorzubringen (Pflicht zu Streben nach eigener Vollkommenheit). (s. GMdS, AA Bd. IV S 421 ff.; MdS, AA Bd. VI, S. 385 ff.) Diese Pflichten gegen sich selbst interessieren hier nicht, da sie als Tugendpflichten keine Bedeutung im Zusammenhang mit der Zurechnung von Verantwortlichkeit im Recht haben. Sie können aber selbstverständlich Bezugspunkt für Zurechnung von Verantwortlichkeit im ethischen Kontext sein. 16 Im StGB finden sich keine expliziten Verbote und Gebote als Verhaltensregeln, im Bürgerlichen Recht wird ebenfalls nicht ausdrücklich gesagt, daß Verträge gehalten werden sollen, sondern es wird geregelt, daß ein Verstoß gegen vertragliche Pflichten zur Schadensersatzpflicht führt. In einzelnen Fällen unterscheidet das Gesetz aber ausdrücklich zwischen Verhaltens- und Sanktionsregeln. Die StVO stellt in ihren "Allgemeinen Verkehrsregeln" (§§ 1- 35 StVO) Verhaltensregeln auf und faßt die diesbezüglichen Sanktionsnormen in § 49 zusammen. Ähnlich liegen die Dinge im KunstUrhG, in dem § 22 KunstUrhG eine Verhaltensregel enthält und § 33 KunstUrhG die entsprechende Strafvorschrift. 17 Den Gedanken, daß den Sanktionsnormen des Gesetzes ungeschriebene, an die Rechtsgenossen gerichtete Verhaltensnormen zugrundeliegen, hat für den deutschen Sprachraum zuerst Binding, Die Normen und ihre Übertretung Bd. I, S. 45, geäußert. Heute ist das, für Strafrecht und privatrechtliches Haftungsrecht, fast allgemein anerkannt, s. Baumann/Weber/ Mitsch, Strafrecht AT, § 8 Rn. 8=S. 99; Bierling, Juristische Prinzipienlehre Bd. I, S. 135; Dömer, JuS 1987, 525; Frisch, Vorsatz und Risiko. S. 59 ff., 74 ff., 502 ff.; Heck, Grundriß des Schuldrechts, S. 436 ff.; Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 42; Jescheck/ Weigend, Strafrecht AT, § 24 II=S. 236; Maurach/Zipf, Strafrecht AT I, § 19 Rn. 23 ff.= S. 262 ff.; Münzberg, Verhalten und Erfolg als Grundlagen der Rechtswidrigkeit und Haftung,

1. Kap.: Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens

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sondere gilt nicht etwa "Wenn du eine Bestrafung mit Freiheitsstrafe vermeiden willst, so unterlasse es, einen Menschen zu töten!" sondern "Du sollst (unbedingt) nicht töten!".18 Die Pflichten liegen den Sanktionsnormen zugrunde. Die Rechtspflichten können und müssen deshalb aus den Sanktionsnormen abgeleitet werden. Aus § 212 I des deutschen StGB kann die Verhaltensregel abgeleitet werden "Du sollst nicht töten!". Die Sanktionsnorm des § 212 StGB statuiert damit ein Verbot einer bestimmten Handlung durch Tun. Sie formuliert, in Verbindung mit § 13 des deutschen StGB, weiter für Garanten das Gebot "Du sollst Menschen in Lebensgefahr retten, soweit es zumutbar ist!".

(2) Obliegenheiten Die zweite Art kategorischer Imperative des Rechts sind die Obliegenheiten. 19 Obliegenheiten sind von den Pflichten unterschiedene unbedingte Gebote und Verbote eigener Art. Sie bestehen nicht (wie die Pflichten) im Hinblick auf Dritte, sondern im eigenen Interesse der Adressaten der Obliegenheit. Ihre zurechenbare Verletzung ist nicht Anlaß zu Tadel durch Dritte, sie führt statt dessen zur Annahme von Eigenverantwortlichkeit des Zurechnungssubjekts. Obliegenheiten stehen in engem Zusammenhang mit Pflichten. Sie ergänzen die Pflichten, die Dritte gegenüber dem Obliegenheitsadressaten haben, in der Weise, daß ihre Verletzung die Eigenverantwortlichkeit des Zurechnungssubjekts begründet und eine Verantwortlichkeit Dritter wegen Pflichtverletzung ausschließt oder reduziert. (s. dazu KapitelZ) Die Obliegenheiten sind, entgegen anderslautenden Stimmen20 , kategorische Imperative, weil sie Grundlage für die (jedenfalls mittelbar) rechtlich relevante S. 67 ff.; Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 93=S. 268; von Thur, BGB AT I, S. 21 ff.; Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 50. Anderer Ansicht sind Kelsen Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 205 f., 234; ders. Reine Rechtslehre, S. 34 f., 124; Mayer, Rechtsnorm und Kultumorm, S. 4 f., 13,35,41 und Schmidhäuser, Strafrecht AT Studienbuch, Kapitel 3 Rn. 10 ff.; ders., Form und Gehalt der Strafgesetze passim und ders., JZ 1989,419 ff., die annehmen, die Strafgesetze richteten sich primär an den "Rechtsstab". Gegen Schmidhäuser wendet sich Hoerster, JZ 1989, 10 ff.; ders. JZ 1989, 425 ff. Den Unterschied zwischen beiden Arten von Normen hat zuvor schon Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, Concluding Note Nr. 6=S. 302 erkannt. 18 s. dazu Binding, Die Normen und ihre Übertretung Bd. II, S. 14; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 31. Daß rechtliche Re,geln kategorisch gebieten, ist heute fast allgemeine Ansicht. Als nur hypothetische Imperative werden die Rechtsnormen dagegen gedeutet bei Eltzbacher, Über Rechtsbegriffe, S. 28; Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen, S. 15 ff. 19 Der hier verwendete Begriff der Obliegenheit ist nicht identisch mit dem Begriff der Obliegenheit, der bei der außerordentlichen Zurechnung relevant ist. Siehe dazu Hruschka, Strafrecht, S. 415 ff.; ders., Rechtstheorie XXII (1991), S. 449 ff. und hier S. 106 Fn. 4. 20 In der zivilrechtlichen Literatur wird teilweise behauptet, Obliegenheiten seien hypothetische Imperative. (Larenz, BGB AT, § 12 11 d=S. 205 f.; Larenz/Wolf, BGB AT, § 13

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1. Teil: Grundbegriffe der Zurechnung von Verantwortlichkeit

Zurechnung zur Eigenverantwortlichkeit sind. 21 Das Recht kennt aber nur kategorische Imperative, es empfiehlt niemals nur, sondern gebietet unbedingt. 22 Darüber hinaus sprechen der noch genauer zu erörternde enge Zusammenhang von Pflichten und Obliegenheiten und die strukturelle Parallelität ihrer Stellung im Rahmen der Zurechnung von Verantwortlichkeit dafür, daß auch die Obliegenheiten kategorische Imperative sind. b) Hypothetische Imperative Die zweite Gruppe der Verhaltensregeln, die bei der Zurechnung von Verantwortlichkeit eine Rolle spielen, sind die sogenannten hypothetischen Imperative. Der Begriff geht ebenfalls auf Kant zurück und ist eine Parallelbildung zum Begriff des hypothetischen Urteils (dem in Kants Terminologie das kategorische Urteil gegenüber steht)?3 Der hypothetische Imperativ ist ein Imperativ, der den Willen "nur in Ansehung einer begehrten Wirkung bestimmt,,24 und damit zu einer Rn. 48=S. 264 f.; Laun, Recht und Sittlichkeit, S. 5 f.) Zur Begründung wird angeführt, daß eine Verletzung einer Obliegenheit keine rechtliche Mißbilligung nach sich zieht und der Adressat die Verhaltensanforderung nur dann befolgen müsse, wenn er den mit ihr verbundenen rechtlichen Nachteil vermeiden wolle. Jedenfalls richtig ist, daß die zurechenbare Verletzung einer Obliegenheit keinen Tadel nach sich zieht. Daraus ergibt sich aber nur, daß Obliegenheiten nicht die gleiche Funktion haben wie Pflichten. Zur Frage, ob die Obliegenheiten kategorische oder hypothetische Imperative sind, ist damit nichts gesagt. Das zweite Argument ist eine petitio principii. Es entspricht dem Begriff des hypothetischen Imperativs, daß das Gebot oder Verbot in seinem consequens nur im Hinblick auf den Zweck im antecedens besteht. Daher sind Obliegenheiten dann hypothetische Imperative, wenn es so ist, daß das durch die Obliegenheit aufgestellte Gebot oder Verbot nur im Hinblick auf die Vermeidung eines rechtlichen Nachteils gelten. Ob das aber der Fall ist, läßt sich mit diesem Argument nicht begründen. Für die Annahme, die Obliegenheiten seien hypothetische Imperative, könnte man anführen, daß sie sich in die Form bringen lassen: "Wenn du einen bestimmten Rechtsnachteil (sprich Zurechnung zur Eigenverantwortlichkeit mit der Folge fehlender Drittverantwortlichkeit) vermeiden willst, so tue dies und jenes (nicht)!". Wie aber schon oben S. 35 angesprochen, lassen sich auch (Rechts-)Pflichten ohne weiteres in eine ganz ähnliche konditionale Form bringen. So kann man auch Pflichten folgendermaßen formulieren: "Wenn Du einen bestimmten Rechtsnachteil (sprich Verantwortlichkeit mit der Folge von Strafe, Haftung auf Schadensersatz usw.) vermeiden willst, so tue dies und jenes nicht. Gleichwohl ist so gut wie allgemein anerkannt, daß Pflichten kategorische Imperative sind. (s. oben S. 37 Fn. 18.) 21 s. dazu sogleich näher in Kapitel 2. 22 s. Radbruch, Rechtsphilosophie, § 25=S. 277. Der Gedanke, daß die Obliegenheiten wegen ihrer Bedeutung für das Recht kategorische Imperative sein müssen, findet sich bei Looscheiders, Mitverantwortlichkeit, S. 211. 23 Kant, KdrV, B 95 ff./ A 70 ff., AA Bd. III S. 86 ff./Bd. IV S. 59 ff.; Logik, AA Bd. IX S.105. 24 Kant, KpV, A 37, AA Bd. V S. 20 Zeile 22.

1. Kap.: Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens

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"Handlung als Mittel zu etwas anderem, was man Will".25 Anders als bei einem kategorischen Imperativ, der unbedingt gebietet, wird durch einen hypothetischen Imperativ eine Handlung "nicht schlechthin, sondern nur als Mittel zu einer anderen Absicht geboten".z6 Kant selbst gibt das Beispiel, daß man "in der Jugend arbeiten und sparen müsse, um im Alter nicht zu darben".27 Der in diesem Exempel vorausgesetzte Zweck ist, im Alter nicht zu darben. Die Mittel, die zur Erreichung dieses Zwecks angeraten werden, sind Arbeit und Sparen in der Jugend. Eine praktische Notwendigkeit zum Arbeiten und Sparen in der Jugend besteht aber nicht als solche, sondern ergibt sich nur unter der Bedingung, daß man im Alter nicht darben Will. 28 Die hypothetischen Imperative sind "technisch und insgesamt bedingt,,29, "bloße Vorschriften der Geschicklichkeit,,30 und bloße "Anrathungen (consilia) ... der Vernunft,,3). Die Vorschriften der hypothetischen Imperative sind unabhängig von den kategorischen Imperativen und gelten losgelöst von der Frage, ob die im hypothetischen Imperativ gebotene Handlung nach einem kategorischen Imperativ verboten oder umgekehrt, eine durch einen hypothetischen Imperativ verbotene Handlung kategorisch geboten ist. Kant schreibt: "Ob der Zweck vernünftig und gut sei, davon ist hier gar nicht die Frage, sondern nur was man thun müsse, um ihn zu erreichen. Die Vorschriften für den Arzt, um seinen Mann auf gründliche Art gesund zu machen, und für den Giftmischer, um ihn sicher zu tödten, sind in so fern von gleichem Werth, als eine jede dazu dient, ihre Absicht vollkommen zu bewirken,,?2 Nachdem hypothetische Imperative immer einen Zweck als Bedingung voraussetzen, müssen sie, anders als die kategorischen Imperative, zwei Teile haben: den Zweck, für den sie gelten (als einen Konditionalteil, der selbst kein Imperativ ist), Kant, GMdS, AA Bd. IV S. 414 Zeile 14. Kant, GMdS, AA Bd. IV S. 416 Zeile 5. 27 Kant, KpV, A 37, AA Bd. V S. 20 Zeile 29. 28 Die hypothetischen Imperative sind nicht identisch mit den bedingten Imperativen. Hypothetische Imperative sind vielmehr ein Sonderfall der bedingten Imperative, bei denen die Geltungsbedingung für den Imperativ ein Zweck beziehungsweise ein Interesse des Normadressaten ist. Alle anderen bedingten Imperative (bei denen die Bedingung nicht ein Zweck des Normadressaten ist) sind nicht hypothetisch, sondern kategorisch. Patzig, KantStudien Bd. LVI (1965), S. 242=Ethik ohne Metaphysik, S. 110 nennt als Beispiel für einen solchen bedingten kategorischen Imperativ: "Wenn Dir jemand Geld geliehen hat, so zahle es zurück!". Wenn also, insbesondere in der Literatur zur Logik der Normen, von Bedingungsnormen die Rede ist, beziehen sich die dort getroffenen Aussagen nicht speziell auf hypothetische Imperative. Auch der Ausdruck hypothetical norms, den von Wright, Norm and Action, Kap. IX, verwendet, bzw. die deutsche Übersetzung "hypothetische Normen", bezeichnen nicht hypothetische Imperative, sondern bedingte Normen. 29 Kant, MdS, AA Bd. VI S. 222 Zeile 23. 30 Kant, KpV, A 37, AA Bd. V S. 20 Zeile 18. 31 Kant, GMdS, AA Bd. IV S. 418 Zeile 31. 32 Kant, GMdS, AA Bd. IV S. 415 Zeile 14 ff. 25

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1. Teil: Grundbegriffe der Zurechnung von Verantwortlichkeit

und dem eigentlichen Imperativ zur Erreichung dieses Zwecks. Die logische Form von hypothetischen Imperativen ist daher: Wenn du a willst, so tue B, oder, wenn"a wollen" durch A ausgedrückt wird, formalisiert: A impliziert, es solle B sein. A:J ! B33 . Dabei wird der erste Teil, der den Zweck als Bedingung formuliert, als antecedens, der zweite Teil, der den Imperativ aufstellt, als consequens bezeichnet. 34 (1) Drei Arten der Implikation

Die logische Form der hypothetischen Imperative ist eine Implikationsbeziehung zwischen dem Konditionalteil im antecedens und dem Imperativ im consequens. Der Begriff der Implikation wird dabei in einem weiteren Sinne verstanden, als es in der modernen Logik üblich ist, und zwar als Begriff, der drei verschiedene und scharf auseinanderzuhaltende Implikationsarten umfaßt. Diese weite Implikation wird durch :J symbolisiert Nach dem heute gängigen engeren Verständnis ist Implikation nur die sogenannte extensive Implikation oder Subjunktion35 mit dem Wahrheitswerteschema:

x

y

=?

1. Fall

W

W

W

2. Fall

W

F

F

3. Fall

F

W

W

4. Fall

F

F

W

33 Diese Darstellung geht zurück auf Mally, Grundgesetze des Sollens, S. 12. Gegen diese Form der Darstellung haben sich ausgesprochen von Wright, An Essay on Deontic Logic and the General Theory of Action, S. 77; Weinberger, Normlogik und logische Bereiche, S. 196 und Rescher, The Logic of Commands, S. 38. Für die Darstellungsweise von Kutschera, Einführung in die Logik der Normen, Werte und Entscheidungen, S. 24 ff., der sich auch mit den Gegenargumenten auseinandersetzt. 34 Kant, KdrV, B 100/ A 75, AA Bd. III S. 90 Zeile 1/ Bd. IV S. 63 Zeile 1. Einer anderen Terminologie bedienen sich eramer, Hypothetische Imperative, S. 159 ff. und Patzig, KantStudien, Bd. LVI (1965), S. 239=Ethik ohne Metaphysik, S. 104, die den Vordersatz Protasis, den zweiten Satz Apodosis nennen. 35 Lorenzen, Formale Logik, S. 48.

1. Kap.: Verantwortlichkeit wegen regelwidrigen Verhaltens

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Ein Standardbeispiel für ein deskriptives Urteil, das eine extensive Implikation beinhaltet, ist "Wenn es regnet, so ist die Straße naß". Die extensive Implikation ist die formale Struktur der hinreichenden Bedingung. 36 Das Implikationsvorderglied (Implikans) ist hinreichende Bedingung für das Implikationshinterglied (Implikat). Das Implikationshinterglied ist dann notwendige Bedingung des Vordergliedes. Das Naß-Sein der Straße ist also notwendige Bedingung für das Vorhandensein von Regen, nicht aber hinreichende Bedingung. Die Straße kann auch naß sein, weil jemand sein Auto gewaschen hat. Die extensive Implikation wird durch :::} symbolisiert. Die extensive Implikation kann sprachlich genauer mit "stets dann wenn - so" erfaßt werden. Die umgangssprachliche "wenn-so"-Verknüpfung, die dem weiten Begriff der Implikation entspricht, ist mehrdeutig. Sie umfaßt neben der extensiven Implikation noch zwei andere logische Junktoren, nämlich die intensive oder einschränkende Implikation und die gegenseitige Implikation. 37 Die intensive Implikation, auch Replikation 38 oder konverse Subjunktion39 genannt, entspricht dem sprachlichen Ausdruck "nur dann, wenn - so". Sie hat folgendes Wahrheitswerteschema:

x

y

~

1. Fall

W

W

W

2. Fall

W

F

W

3. Fall

F

W

F

4. Fall

F

F

W

Ein Beispielsurteil ist: "Wer die Hochschulreife erlangt hat, kann Jura studieren". Die intensive Implikation beschreibt die formale Struktur der notwendigen Bedingung.4o Das Vorderglied ist notwendige Bedingung für das Hinterglied. Symmetrisch zur extensiven Implikation ist das Hinterglied hinreichende Bedingung des Vordergliedes. Das Symbol der intensiven Implikation ist ~. Die dritte Form der Implikation, die sogenannte gegenseitige Implikation oder Äquivalenz oder Bisubjunktion41 entspricht der sprachlichen Form "stets dann und nur dann wenn - so". Das Wahrheitswerteschema ist: 36 37 38

39 40 41

Menne, Einführung in die Logik, S. 36. Klug, Juristische Logik, S. 27; Menne, Einführung in die Logik, S. 36 ff. Menne, Einführung in die Logik, S. 37. Lorenzen, Formale Logik, S. 48. Menne, Einführung in die Logik, S. 37. Lorenzen, Formale Logik, S. 48.

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1. Teil: Grundbegriffe der Zurechnung von Verantwortlichkeit

x

y