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German Pages 256 Year 2016
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 277
Der überschuldete Nachlass Eine Untersuchung zur Verantwortlichkeit von Nachlasspflegern und Fiskalerben bei der Verwaltung überschuldeter Nachlässe
Von
Martin Kaltwasser
Duncker & Humblot · Berlin
MARTIN KALTWASSER
Der überschuldete Nachlass
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 277
Der überschuldete Nachlass Eine Untersuchung zur Verantwortlichkeit von Nachlasspflegern und Fiskalerben bei der Verwaltung überschuldeter Nachlässe
Von
Martin Kaltwasser
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Februar 2015 von dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Peter von Wilmowsky, LL.M., für die Betreuung dieser Arbeit und seine vielfältigen Anmerkungen und Hinweise. Ebenso bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Felix Maultzsch, LL.M., für wertvolle Anregungen bei der kritischen Auseinandersetzung mit den Thesen dieser Arbeit sowie für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Auch möchte ich meinen Freunden danken, die mich durch eine nicht immer einfache Zeit begleitet haben. Ich danke Herrn Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Dr. Mario Nöll, der mich zur Behandlung dieses Themas inspiriert hat und mir als Ansprechpartner aus der Insolvenzrechtspraxis stets unterstützend und beratend zur Seite stand. Weiterhin danke ich Herrn Michael Höhne für seine unermüdliche Bereitschaft zur wissenschaftlichen Diskussion, die aufmerksame Durchsicht des Erstentwurfs und seine emotionale Unterstützung. Ich danke Herrn Rechtsanwalt Bernard Karikari, Herrn Rechtsanwalt Dr. David Weller und Herrn Richter Johannes Wolz, LL.M., für ihre Bereitschaft, sich mit meinen Thesen auseinanderzusetzen. Von Herzen danke ich meiner Frau Susann und meiner Tochter Sophie Elisabeth für ihre Lebensfreude, ihre Liebe, ihre Zuneigung und ihr Verständnis. Ebenso danke ich meinen Eltern, meinen Geschwistern und meinen Großmüttern für ihre bedingungslose Unterstützung. Diese Arbeit ist meinem Großvater Karl Heinz Kaltwasser gewidmet, der die Fertigstellung leider nicht mehr erleben konnte. Frankfurt am Main, im Juni 2015
Martin Kaltwasser
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Teil 1 Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen der Beteiligten
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A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Handlungsoptionen des Erbberechtigten: Annahme oder Ausschlagung . . . . . . . . . . . 27 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Die Annahme einer überschuldeten Erbschaft in Ansehung des Risikos der Insolvenzverschleppungshaftung aus § 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Das Insolvenzantragsrecht des Schuldners, § 13 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Die Insolvenzantragspflicht des Erben, § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . 29 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Voraussetzungen der Antragspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 aa) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses . . . . . . . . . . . 30 bb) Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis – Zusammenspiel von §§ 1980 und 1979 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 c) Anforderungen an den Insolvenzantrag des Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 d) Folgen des (Eigen-)Insolvenzantrags für den Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 e) Folgen eines Verstoßes gegen § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 38 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. Ausschlagung der Erbschaft: Aktuell zu beobachtende Verfahrensweise von Erbberechtigten überschuldeter Nachlässe aufgrund anzutreffender Beratungspraxis . 40 C. Handlungsoptionen des Nachlassgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Anordnung einer Sicherungspflegschaft gem. § 1960 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . 43 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Formelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3. Materielle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Sicherungsanlass i.S.v. § 1960 Abs. 1: Unklarheit über die Person des endgültigen Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
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Inhaltsverzeichnis b) Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Wann besteht ein Sicherungsbedürfnis i.S.v. § 1960 BGB? . . . . . . . . . . 45 bb) Konkretes Sicherungsbedürfnis erforderlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (1) Sicherungspflegschaft allein zum Zweck der Erbenermittlung? . . . . 47 (2) Konkrete Anhaltspunkte der Nachlassgefährdung erforderlich . . . . . 48 (3) Bewertung und eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 cc) Interessen der Nachlassgläubiger sind für das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses irrelevant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 dd) Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses bei überschuldetem Nachlass? . 53 (1) Beurteilung eines Sicherungsbedürfnisses anhand des Aktivvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (2) Beurteilung eines Sicherungsbedürfnisses durch eine Gesamtbetrachtung von Aktiva und Passiva – wirtschaftliche Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (3) Bewertung und eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (a) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (b) Für überschuldete Nachlässe besteht kein Sicherungsbedürfnis gem. § 1960 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 II. Anordnung einer Prozesspflegschaft gem. § 1961 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Formelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. Materielle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Vorliegen eines Sicherungsanlasses i.S.v. § 1960 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . 60 b) Gegen den Nachlass gerichteter Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 c) Rechtsschutzinteresse des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4. Folgen der Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5. Verfahrensweise in der Praxis – Auslegung des Interesses des Antragstellers unterbleibt – Gebotene Vorgehensweise: Differenzieren anhand der Vermögenssituation des Nachlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Bekannte Vermögenssituation des Nachlasses: Werthaltiger, nicht überschuldeter Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Unklare Vermögenssituation des Nachlasses – Keine Hinweise auf Überschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 c) Unklare Vermögenssituation des Nachlasses – Deutliche Hinweise auf Überschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 d) Bekannte Vermögenssituation des Nachlasses: Überschuldung des Nachlasses steht fest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 III. Anordnung einer Nachlassverwaltung gem. §§ 1975 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Formelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Inhaltsverzeichnis
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3. Materielle Voraussetzungen der Anordnung einer Nachlassverwaltung auf Antrag eines Nachlassgläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 4. Folgen der Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 IV. Handlungsoption bei erfolgloser bzw. untunlicher Erbenermittlung – Feststellung des Erbrechts des Fiskus gem. § 1964 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 V. Aktuelle Verfahrensweise der Nachlassgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 D. Handlungsoptionen der Nachlassgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Allgemeines: Zusätzlicher Gläubigerschutz ab dem Erbfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Mit dem Erbfall verbundene Risiken für die Nachlassgläubiger . . . . . . . . . . . . 71 2. Gläubigerschutzmechanismen durch die Verantwortlichkeit des Erben für die bisherige Verwaltung des Nachlasses und die Insolvenzantragspflicht des Erben setzen einen Erben voraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 II. Handlungsoptionen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Zentrales Instrument zur Rechtsverfolgung im Falle feststehender Überschuldung des Nachlasses: Antrag gem. § 317 Abs. 1 InsO auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens nach den §§ 1975 ff. BGB, 315 ff. InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Aktuelle Situation: Verwaltung überschuldeter Nachlässe durch Nachlasspfleger oder Fiskalerben – Risiken für Nachlassgläubiger? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
Teil 2 Kompensationsmöglichkeiten für Schmälerungen des Nachlassbestands bei der Verwaltung überschuldeter Nachlässe in Nachlasspflegschaft nach aktuellem Meinungsstand
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A. Ausgangspunkt der Überlegungen: Die Rechtsstellung des Nachlasspflegers . . . . . . . 77 I. Nachlasspflegschaft ist Personalpflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Entscheidender Aspekt: Wer ist die Person des Vertretenen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Nicht erfolgte Annahme: Vertreten wird derjenige, der endgültiger Erbe wird . 79 2. Sonderfall Erbprätendentenstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 III. Bedeutung der Vertretung des werdenden Erben für die Pflichtenstellung des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 IV. Stellungnahme zu BGH IV ZR 199/03 – Erbprätendentenstreit und Erbenstellung 84 B. Die Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers nach aktuellem Meinungsstand . . . . . . . 85 I. Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber Nachlassgläubigern . . . . . . . . 85 1. Keine Haftung des Nachlasspflegers wegen fehlerhafter Verwaltung des Nachlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2. Keine Verantwortlichkeit wegen verspäteter Insolvenzantragstellung . . . . . . . . 86 a) Aktueller Meinungsstand zur Insolvenzantragspflicht des Nachlasspflegers . 87 aa) Einleitung in die Thematik – Entwicklung des Streitstandes . . . . . . . . . 87
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Inhaltsverzeichnis bb) Insolvenzantragspflicht des Nachlasspflegers aus § 1980 BGB . . . . . . . 87 (1) Die Auffassungen von du Carrois, Jünemann und Poertzgen . . . . . . 87 (2) Position des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Meinung . . . 89 (3) Bewertung und eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 cc) Insolvenzantragspflicht des Nachlasspflegers gem. (oder ggf. analog) §§ 1985 Abs. 2, 1980 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (1) Position Bundesgerichtshof und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (2) Die Auffassung von Nöll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (3) Bewertung und eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 dd) Insolvenzantragspflicht aus § 317 InsO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 ee) Die Auffassung von Ziegltrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Zwischenergebnis: Keine eigenen Ansprüche der Nachlassgläubiger gegen Nachlasspfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 II. Die bestehende Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben ist bei überschuldeten Nachlässen aktuell bedeutungslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
C. Kompensation der durch den Nachlasspfleger entstandenen Schäden durch Inanspruchnahme des Erben – Haftung des Erben über Zurechnung des Fehlverhaltens des Nachlasspflegers über § 278 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. „Pflegerisches tätig werden“ als Voraussetzung einer Zurechnung . . . . . . . . . . . . 100 II. Weitere Voraussetzung: Haftung des Erben mit seinem Eigenvermögen für Handlungen des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Haftung des Erben vor Annahme der Erbschaft mit seinem Eigenvermögen für fehlerhafte Verwaltung des Nachlasses gem. §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 677 BGB bzw. §§ 1959 Abs. 1, 677 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Welche Verbindlichkeiten des Erben begründet der Nachlasspfleger im Rahmen seiner Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 III. Zwischenergebnis: Keine Haftung des Erben für Fehlverhalten des Nachlasspflegers mit dem Eigenvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 D. Zwischenergebnis: Keine Ersatzmöglichkeit von im Zeitraum der Nachlasspflegschaft entstandenen Schäden im Insolvenzverfahren – „Narrenfreiheit“ für Nachlasspfleger? 104 E. Die Einschätzung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Teil 3 Lösungsansätze
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A. Möglichkeiten zur Kompensation von im Zeitraum der Nachlasspflegschaft eingetretenen Verkürzungen des Nachlassbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 I. Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers – Schadenskompensation im Rahmen der gesetzlichen Vertretung des werdenden Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Ausgangspunkt: Der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter des werdenden Erben (also der Person des endgültigen Erben im Zeitraum dessen nur vorläufiger Erbenstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
Inhaltsverzeichnis
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2. Verletzung zentraler Pflichten gegenüber dem werdenden Erben durch den Nachlasspfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Verletzung der Pflicht zur Sicherung und Erhaltung des Nachlasses . . . . . . 110 aa) Inhalt der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 bb) Haftung trotz Genehmigung des Rechtsgeschäfts durch das Nachlassgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Gläubigerbefriedigung durch den Nachlasspfleger entgegen §§ 1978, 1979 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 aa) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 bb) Befugnis des Nachlasspflegers zur Gläubigerbefriedigung . . . . . . . . . . . 114 cc) Pflicht zur Erfüllung von Ansprüchen der Nachlassgläubiger? . . . . . . . 115 (1) Keine Pflicht zur generellen eigeninitiativen Befriedigung . . . . . . . . 115 (2) Pflicht zur Befriedigung in Einzelfällen – einzig im Interesse des Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 dd) Grenzen der Befugnis zur Gläubigerbefriedigung aus dem Rechtsverhältnis zum Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (1) Das Auszahlungsverbot des § 1979 BGB – Bedeutung für den vorläufigen Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (2) Folgen einer Gläubigerbefriedigung entgegen § 1979 BGB für den vorläufigen Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (3) Prüfungspflichten des vorläufigen Erben um den Fahrlässigkeitsvorwurf aus § 1979 BGB bei Zahlung trotz Überschuldung zu entkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (4) Anforderungen an die Prüfungspflicht des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben vor der Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten 122 ee) Zusammenfassung: Befugnis oder Verbot des Nachlasspflegers zur Gläubigerbefriedigung ist abhängig von der wirtschaftlichen Situation des Nachlasses – Zäsur durch erkennbare Überschuldung . . . . . . . . . . . 122 c) Verletzung der gegenüber dem Erben bestehenden Insolvenzantragspflicht . 123 aa) Pflicht zur Insolvenzantragstellung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (1) Pflicht zur Insolvenzantragstellung aus § 1980 BGB? . . . . . . . . . . . 124 (2) Pflicht zur Insolvenzantragstellung aus § 317 InsO? . . . . . . . . . . . . . 125 (3) Zutreffende Auffassung: Antragspflicht aus gesetzlichem Schuldverhältnis zwischen Erbe und Nachlasspfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) Inhalt der Pflicht: Antragstellung zur Vermeidung einer Verkürzung des Nachlassbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 cc) Wann droht eine Verkürzung des Nachlassbestands, die nur durch eine Insolvenzantragstellung des Nachlasspflegers zu vermeiden ist? . . . . . . 126 (1) Schmälerung des Nachlassbestands durch ein Nichteinschreiten des Nachlasspflegers gegen die Befriedigung von Nachlassgläubigern entgegen § 1979 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
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Inhaltsverzeichnis (2) Umfangreichere Pflicht zur Insolvenzantragstellung bereits ab Eintritt der Überschuldung zur Verhinderung der Überschuldungsvertiefung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. Schaden des Erben durch die Pflichtverletzung des Nachlasspflegers . . . . . . . . 130 a) Vermögensschaden des Erben bei bestehender Überschuldung des Nachlasses? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Meinungsstand: kein Schaden des Erben wegen Überschuldung des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls und der Möglichkeit des Erben, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Kritik an den dargestellten Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (1) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (2) Die Minderung des Nachlassbestands ist ein Vermögensschaden des Erben („rechnerischer Schaden“) unabhängig von bereits bestehender Überschuldung oder einer Separation der Vermögensmassen Eigenvermögen und Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (a) Überschuldung schließt einen Vermögensschaden nicht aus . . . . 134 (aa) Vermögensschaden für vermögenslose Schuldner . . . . . . . . . 134 (bb) Keine Schlechterstellung des Anspruchsgegners – Stärkung der Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (b) Auseinanderfallen von Schadenseintritt und Schadensauswirkung kein Grund einen Schaden zu verneinen . . . . . . . . . . . . . . . 137 cc) Zwischenergebnis: Die Pflichtverletzungen des Nachlasspflegers können auch bei Nachlassüberschuldung zu einem Schaden des Erben i.S.v. §§ 249 ff. BGB führen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Durch welche Pflichtverletzungen des Nachlasspflegers entsteht auch dem Erben ein Schaden i.S.v. § 249 ff. BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Verkürzungen des Nachlasses wegen wirtschaftlich nachteiliger Verwaltung des Nachlassbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Unberechtigte Befriedigung von Forderungen entgegen § 1979 BGB . . 140 (1) Vorüberlegungen: Vermögensschaden durch die Befriedigung der Verbindlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) Vermögensschaden des Erben wegen eigener Inanspruchnahme der Gläubiger gem. §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 1979, 677 BGB durch Zurechnung von fehlerhaftem Verhalten des Nachlasspflegers über § 278 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 cc) Schäden aus verzögerter oder unterlassener Insolvenzantragstellung . . . 143 4. Zugehörigkeit des Ersatzanspruchs zum Nachlass – Insolvenzbeschlag . . . . . . 144 5. Zwischenergebnis: Entgegen der aktuell vertretenen Auffassungen ist eine Schadenskompensation durch die Inanspruchnahme des Nachlasspflegers möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
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II. Problem des bestehenden Haftungsvakuums – Keine Ersatzpflicht des Nachlasspflegers für Insolvenzverschleppungsschäden, die nicht dem Erben, sondern ausschließlich den Nachlassgläubigern entstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Problemstellung: Keine Kompensationsmöglichkeit für Quotenschäden der Nachlassgläubiger im Rechtsverhältnis zwischen Erbe und Nachlasspfleger . . 147 2. Abgrenzung von Quotenschäden und Vermögensschaden des Erben . . . . . . . . . 149 a) Vermögensschaden des Erben, der einen Ersatzanspruch gegen den Nachlasspfleger auslöst, schließt Quotenschaden für Insolvenzgläubiger aus . . . . 149 b) Handlungen oder Unterlassungen des Nachlasspflegers, die keinen Vermögensschaden des Erben begründen, aber zu einer Verminderung der späteren Insolvenzmasse führen, resultieren in Quotenschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 c) Mischformen – Vermögensschaden des Erben im Zeitraum der Nachlasspflegschaft, die keine Haftung des Nachlasspflegers auslösen, resultieren teilweise in einem Quotenschaden der Nachlassgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . 152 d) Zwischenergebnis: Problemgruppe bilden die Quotenschäden der Nachlassgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Kompensation von Quotenschäden der Nachlassgläubiger über die Grundsätze der Drittschadensliquidation möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4. Lösung des Haftungsvakuums über einen Anspruch der Nachlassgläubiger gegen den Nachlasspfleger aus § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 5. Kein Erfordernis der Schadenskompensation von Insolvenzverschleppungsschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 IV. Auswirkungen auf die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B. Sonderproblem der „kalten Eigenverwaltung“: Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch Fiskalerben und Nachlasspfleger mit anschließender Abwicklung des Nachlasses außerhalb des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 I. Einleitung zur Problematik und die Darstellung bei Nöll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch Fiskalerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Fiskalerbrecht für überschuldete Nachlässe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Erbenermittlungspflicht des Nachlassgerichts bei solventem Nachlass . . . . . 164 aa) Potenziell erbberechtigte Person ist bekannt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 bb) Erbe ist unbekannt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Erbenermittlungspflicht des Nachlassgerichts auch bei Überschuldung? . . . 166 aa) Komplexe Erbensuche bei Überschuldung des Nachlasses . . . . . . . . . . . 166 bb) Erfolglose Erbensuche bei Überschuldung des Nachlasses – Uneinigkeit über den gebotenen Verfahrensgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 cc) Über das Aufforderungsverfahren gem. § 1965 BGB hinausgehende Erbenermittlungspflicht des Nachlassgerichts aus § 1964 BGB auch bei überschuldetem Nachlass? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (1) Pro Erbenermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (2) Die Position des LG Stade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
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Inhaltsverzeichnis (3) Contra Erbenermittlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (4) Landesrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (5) Bewertung und eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 dd) Zwischenergebnis: Bei Überschuldung besteht keine Erbenermittlungspflicht aus § 1964 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 c) Erforderlichkeit der Feststellung des Fiskuserbrechts auch bei Überschuldung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Entbehrlichkeit der Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Risiken einer unterlassenen Feststellung des Fiskuserbrechts . . . . . . . . . 176 cc) Verpflichtung zur Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 dd) Bewertung und eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (1) Feststellungsbeschluss ist eine gebundene Entscheidung . . . . . . . . . 178 (2) Wahrung der Stellung des Erben im Rechtsverkehr durch den Fiskus – Ordnungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (3) Zeitlicher Aspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (4) Unbekannte Erben verlieren ihre Rechte durch den Feststellungsbeschluss des § 1964 BGB nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Die Dürftigkeitseinrede des Fiskalerben – Regelungsgehalt der Vorschriften §§ 1990 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Voraussetzungen der Erhebung der Dürftigkeitseinrede . . . . . . . . . . . . . . . . 185 aa) Berufung auf die Dürftigkeit des Nachlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 bb) Tatsächliche Dürftigkeit: Die Ermittlung des Nachlassbestands bei der Prüfung der Anwendbarkeit von § 1990 BGB bei überschuldetem Nachlass erfolgt anhand der zukünftigen Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . 186 b) Beweispflicht des Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 c) Zeitpunkt für das Vorliegen der Dürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 d) Folge tatsächlicher Dürftigkeit des Nachlasses: Entfall der Insolvenzantragspflicht aus § 1980 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 aa) Bei Dürftigkeit des Nachlasses i.S.v. § 1990 BGB besteht keine Antragspflicht (h.M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 bb) Bei Dürftigkeit des Nachlasses i.S.v. § 1990 BGB besteht die Antragspflicht fort (a.A.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 cc) Bewertung und eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3. Folgen der Erhebung der Dürftigkeitseinrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 a) Haftungsbeschränkung auf den Nachlass nur bei Vorliegen aller Voraussetzungen oder gerichtlicher Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Pflicht zur Herausgabe des Nachlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
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c) Verwalterhaftung des Erben als Folge der Dürftigkeitseinrede – Gläubigerschutzmechanismen finden auch ohne Nachlassinsolvenzverfahren oder Nachlassverwaltung Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 aa) §§ 1991, 1978 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 bb) §§ 1991, 1979 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 cc) §§ 1991, 1980 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (1) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (2) Folgen der Anwendbarkeit von § 1980 BGB über § 1991 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 d) Anspruchsberechtigung des einzelnen Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 e) Folgen einer irrtümlichen oder fehlerhaften Berufung auf die Dürftigkeit des Nachlasses: Verwalterhaftung des Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 aa) Keine Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 bb) Verwalterhaftung des Erben im Insolvenzverfahren insbesondere wegen Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 cc) Für Nachlassgläubiger, die Leistungen aus dem Nachlass erhalten haben, besteht Gefahr der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4. Haftung des Fiskalerben bei fehlerhafter Berufung auf die Dürftigkeit des Nachlasses und anschließender „kalter Eigenverwaltung“ gem. §§ 1978, 1979 und 1980 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 a) Die Auffassung von Nöll zur Dürftigkeitseinrede durch Fiskalerben . . . . . . 210 b) Gebotenes Gläubigerverhalten bei Leistungsverweigerung des Erben unter Berufung auf die Dürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 III. Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch den Nachlasspfleger . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Einredeerhebung durch den Nachlasspfleger ist die Besorgung eines „erbschaftlichen Geschäfts“ i.S.v. § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB für den werdenden Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2. Berufen auf die Dürftigkeit des Nachlasses durch den Nachlasspfleger . . . . . . 216 3. Dürftigkeit wird meist nicht vom Insolvenzgericht festgestellt, sondern vom Nachlasspfleger postuliert und von den Nachlassgläubigern akzeptiert – Wegfall der Ordnungsfunktion des Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 4. Korrekte Einschätzung der Insolvenzmasse in einem Nachlassinsolvenzverfahren durch einen Nachlasspfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Erforderlich ist die Ermittlung der zukünftigen Insolvenzmasse . . . . . . . . . . 222 b) Entscheidend für die Dürftigkeit ist einzig die Frage der Deckung der Verfahrenskosten im Insolvenzverfahren nach § 54 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Ansprüche des Erben gegen den Nachlasspfleger wegen fehlerhafter Verwaltung, §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . 226 d) Zweifel an der notwendigen Kompetenz des Nachlasspflegers zur Beurteilung der Dürftigkeit des Nachlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
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Inhaltsverzeichnis 5. Folgen der berechtigten Einredeerhebung – Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Haftung für fehlerhafte Verwaltung bis zur Erhebung der Einrede . . . . . . . . 228 b) Haftung ab Erhebung der Einrede für weitere Verwaltung des dürftigen Nachlasses nach § 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB – Verwalterhaftung gegenüber den Nachlassgläubigern analog § 1985 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 aa) Folgen der Einredeerhebung für die Verantwortlichkeit gegenüber dem werdenden Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 bb) Verantwortlichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern . . . . . . . . . . . . . . 231 6. Fälschliches Berufen auf die Dürftigkeit des Nachlasses – Keine Haftungsbeschränkung für den Erben bei unterlassener Insolvenzantragstellung durch den Nachlasspfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Keine Haftungsbeschränkung für den Erben – Verwalterhaftung des Nachlasspflegers für Verminderung des Nachlassbestands aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 b) Anwendbarkeit von § 1980 BGB ab Einredeerhebung? . . . . . . . . . . . . . . . . 232 c) Folgen für die Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . 234 IV. Zwischenergebnis: Insolvenzrechtliche Gläubigerschutzvorschriften laufen nicht leer – im Gegenteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
Teil 4 Ergebnisse und Ausblick
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A. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 I. Rechtsnatur der Nachlasspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 II. Die Anordnung einer Sicherungspflegschaft bei überschuldetem Nachlass ist in Ermangelung eines Sicherungsbedürfnisses i.S.d. § 1960 Abs. 1 BGB nicht zulässig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 III. Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 IV. Dürftigkeitseinrede statt Insolvenzantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 V. Die Auffassung des Bundesgerichtshofs zur Außenhaftung des Nachlasspflegers ist korrekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 B. Gesamtergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
Abkürzungsverzeichnis a.A. abl. Abs. AcP a.E. AG AkDR a.M. Anh. Anm. AO Az. BayObLG BeckRS Begr. BFH BFHE BGB BGBL BGH BGHZ BT-Drucks. BWNotZ bzgl. bzw. ders. dies. DStR DZWIR ebd. EGInsO ErbR EWiR f. FamRZ ff. FG Fn. FS Halbs. h.M.
anderer Auffassung ablehnend Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende Amtsgericht Akademie für Deutsches Recht anderer Meinung Anhang Anmerkung Abgabenordnung Aktenzeichen Bayerisches Oberstes Landgericht Beck-Rechtsprechung Begründung Bundesfinanzhof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofes Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Drucksache des Deutschen Bundestages Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg bezüglich beziehungsweise derselbe dieselbe Deutsches Steuerrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht (ab 1999) ebenda Einführungsgesetz zur Insolvenzorndung Zeitschrift für die gesamte Erbrechtliche Praxis Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht folgende Finanzgericht Fußnote Festschrift Halbsatz herrschende Meinung
18 Hrsg. InsO i.S.d. i.S.v. i.V.m. i.w.S. KG KO krit. KTS LG LPartG m. Anm. MDR m. E. MittRhNotK m.w.N. NJ NJOZ NJW NJW-RR NZG NZI NZM o.A. o.g. OLG RegE-InsO RG Rpfleger Rz. S. u. U. VersR vgl. Vorb. Vorbem. WM ZErb ZEV ZINSO ZVI
Abkürzungsverzeichnis Herausgeber Insolvenzordnung im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne Kammergericht Konkursordnung Kritisch Zeitschrift für Insolvenzrecht Landgericht Lebenspartnerschaftsgesetz mit Anmerkung Monatsschrift für deutsches Recht meines Erachtens Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer mit weiteren Nachweisen Neue Justiz Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Mietrecht ohne Autor oben genannten Oberlandesgericht Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf einer Insolvenzordnung (InsO) Reichgericht Der deutsche Rechtspfleger Randziffer Seite unter Umständen Versicherungsrecht vergleiche Vorbemerkung(en) Vorbemerkung(en) Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht
Einleitung I. Problemaufriss Angesichts der aktuellen Insolvenzstatistiken1 fällt die Nachlassinsolvenz2 praktisch kaum ins Gewicht, sodass der Eindruck entstehen könnte, sie sei volkswirtschaftlich nahezu bedeutungslos. Mit lediglich 1.410 eröffneten Verfahren3 im Jahr 20124 (bei 2.808 Antragsverfahren) fristet sie im Vergleich zur Verbraucherinsolvenz mit 95.560 eröffneten Verfahren ein Schattendasein.5 Dies ist im Hinblick auf die aktuellen Überschuldungsstatistiken6 in Verbindung mit der Sterberate verwunderlich: Aktuell sind ca. 9,7 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland (bezogen auf die Gesamtbevölkerung immerhin noch 8,05 %) überschuldet. Im Jahr 2012 sind ca. 870.000 Menschen verstorben.7 Mit dem Todesfall verschlechtert sich die Vermögenslage weiter, da sog. Erbfallschulden (Beerdigungskosten etc.) entstehen und 1 Vgl. https:/www.creditreform.de/aktuelles/news-list/details/news-detail/schuldneratlasdeutschland-2012.html (abgerufen am 13. 08. 2014; 13:44 Uhr). 2 Genauere Werte existieren nicht, da Nachlässe in der Statistik gemeinsam mit „Gesamtgut“ aufgeführt werden, vgl. „52411 Statistik über beantragte Insolvenzverfahren“, vgl. https:/www-genesis.destatis.de/genesis/online/data; jsessionid=E733EABB0D4BCC2FCA F 03423BD7220AB.tomcat_GO_2_2?operation=ergebnistabelleInfo&levelindex=3&level id=1407931339511, (abgerufen am 13. 08. 2014; 14:06 Uhr). 3 Inklusive Insolvenzanträgen über „Gesamtgut“. 4 Die Werte für 2013 (sofern sie bisher vorliegen – Aktuell nur bis 11/2013 verfügbar) unterscheiden sich nicht signifikant, vgl. https:/www.creditreform.de/aktuelles/news-list/de tails/news/detail/News/schuldneratlas-deutschland-2013.html, (abgerufen am 17. 06. 2014; 12:08 Uhr). 5 Statistisches Bundesamt: Genesis-Online Datenbank, abrufbar unter: https:/www-genesis. destatis.de/genesis/online/data;jsessionid=E733EABB0D4BCC2FCAF03423BD7220AB.tom cat_GO_2_2?operation=abruftabelleBearbeiten&levelindex=2&levelid=1407931326497& auswahloperation=abruftabelleAuspraegungAuswaehlen&auswahlverzeichnis=ordnungsstruk tur&auswahlziel=werteabruf&selectionname=52411-0009&auswahltext=%23Z-01.01.2012& werteabruf=Werteabruf (abgerufen am 13. 08. 2014; 14:03 Uhr). 6 Creditreform Wirtschaftsforschung „Schuldneratlas Deutschland 2012“, S. 4, abrufbar unter https:/www.creditreform.de/fileadmin/user_upload/crefo/download_de/news_termine/ wirtschaftsforschung/schuldneratlas/SchuldnerAtlas_Deutschland_2012.pdf, (abgerufen am 13. 08. 2014; 13:47 Uhr). 7 Statistisches Bundesamt: Genesis-Online Datenbank, abrufbar unter: https:/www-genesis. destatis.de/genesis/online/data;jsessionid=25DDD54293DE15E4163CA96E504E433F.tomcat _GO_1_1?operation=abruftabelleBearbeiten&levelindex=2&levelid=1407930541374&aus wahloperation=abruftabelleAuspraegungAuswaehlen&auswahlverzeichnis=ordnungsstruktur &auswahlziel=werteabruf&selectionname=12613-0002&auswahltext=&werteabruf=Werteab ruf, (abgerufen am 13. 08. 2014; 13:52 Uhr).
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Einleitung
Ansprüche, die als Haupteinnahmequelle fungierten (Gehalt, Rente), entfallen, sodass die Wahrscheinlichkeit einer Überschuldung mit dem Todesfall weiter ansteigt. Daher ist davon auszugehen, dass die Zahl überschuldeter Nachlässe die Zahl der aktuell eingeleiteten Insolvenzantragsverfahren für Nachlässe in erheblichem Maße übersteigt. Bei Übertragung der Überschuldungsquote unter Lebenden von ca. 8 % auf die Sterberate in Deutschland ergibt sich ein erschütterndes Bild von ca. 70.000 überschuldeten Nachlässen, die pro Jahr entstehen. Führt man sich vor Augen, dass lediglich für maximal8 4 % aller überschuldeten Nachlässe ein Insolvenzantrag gestellt wird, ist aufgrund des Vorstehenden naheliegend, dass die überwältigende Mehrheit überschuldeter Nachlässe außerhalb des Insolvenzverfahrens abgewickelt wird. Der Gesetzgeber hat die Nachlassinsolvenz allerdings in den §§ 1975 ff. BGB und §§ 315 ff. InsO umfangreich kodifiziert, um Gläubigerinteressen zuverlässig zu schützen und die ordnungspolitische Funktion des Insolvenzverfahrens hervorzuheben und weiter zu festigen.9 Dies bestätigt die vom Gesetzgeber geregelte Insolvenzantragsverpflichtung des Erben: Trifft den Schuldner zu Lebzeiten keine Antragspflicht sondern lediglich ein Antragsrecht, ist dessen Erbe demgegenüber gem. § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB ab dem Zeitpunkt, in dem er von der Überschuldung des Nachlasses hätte Kenntnis haben müssen, zur unverzüglichen Insolvenzantragstellung verpflichtet. Andernfalls haftet er den Nachlassgläubigern neben dem Nachlass auch mit seinem Eigenvermögen für die durch die verzögerte Insolvenzantragstellung entstandenen Schäden, § 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ferner trifft den Erben ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Antragspflicht auch die verschuldensunabhängige Verwalterhaftung für fehlerhafte Verwaltung des Nachlasses gem. §§ 1978, 1979 BGB. Der Gesetzgeber hat also für überschuldete Nachlässe den Weg ins Insolvenzverfahren vorgezeichnet und diesen Wunsch durch die Antragspflicht des Erben untermauert. Gläubigerinteressen werden ab erkennbarer Überschuldung konsequent geschützt, da den Gläubigern der Nachlasswert durch die Verantwortlichkeit des Erben und der Zugriffsmöglichkeit der Gläubiger auf dessen Eigenvermögen auch nach erfolgter Haftungsbeschränkung des Erben erhalten bleibt. Dass lediglich 4 % der überschuldeten Nachlässe den Weg in das Nachlassinsolvenzverfahren finden, bedeutet freilich nicht, dass eine Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten durch den Erben, der als Gesamtrechtsnachfolger auch für die Verbindlichkeiten des Erblassers haftet (§§ 1922, 1967 BGB), erfolgte. Im Gegenteil: Regelmäßig werden Forderungen von Nachlassgläubigern nur rudimentär oder überhaupt nicht erfüllt, obwohl es nur in Ausnahmefällen zu einem Nachlassinsolvenzverfahren kommt. Eine tatsächliche Prüfung des Nachlasses in Form einer Begutachtung des Nachlassbestands durch einen Sachverständigen, der mit den Regelungen zur Nachlassinsolvenz besonders vertraut ist, findet zumeist nicht statt. Das ist insbesondere deshalb problematisch, weil zu dem Wert des Nachlasses im 8 9
Da die Verfahrenszahlen nicht vom Gesamtgut getrennt sind, vgl. Fn. 2 und 3. Vgl. Begr. RegE InsO BT-Drs. 12/2443, S. 229 f.
Einleitung
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Nachlassinsolvenzverfahren noch diejenigen Ansprüche hinzuzurechnen sind, die erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, wie beispielsweise Ansprüche aus Insolvenzanfechtung und Ansprüche gegen den Erben wegen fehlerhafter Verwaltung des Nachlasses aus §§ 1978 ff. BGB. Deshalb bleiben Vermögensverschiebungen vor dem Erbfall, die in einem Insolvenzverfahren durch den Insolvenzverwalter hinsichtlich ihrer insolvenzrechtlichen Zulässigkeit geprüft werden, meist unentdeckt und daher für die Begünstigten folgenlos. Leidtragende sind die Nachlassgläubiger von Nachlässen ohne durchgeführtes Nachlassinsolvenzverfahren. Der aufgrund nicht durchgeführter Nachlassinsolvenzverfahren den Nachlassgläubigern auf diese Weise jährlich entstehende Schaden wird mit 8 Milliarden Euro bzw. bis zu einem zweistelligen Milliardenbetrag beziffert.10 Die Insolvenzstatistiken bestätigen diese Vermutungen: In den 2.808 beantragten Insolvenzverfahren im Jahr 2012 betrug die Summe der voraussichtlichen Forderungen, die von den Amtsgerichten zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Insolvenzantrag ermittelt und zur genannten Statistik gemeldet wurden, ca. 508 Millionen Euro. Die durchschnittliche Forderungssumme in einem Nachlassinsolvenzverfahren beträgt folglich ca. 180.000 Euro. Bei Berücksichtigung dieser durchschnittlichen Forderungssumme bei den ca. 70.000 überschuldeten Nachlässen zeigt sich, dass pro Jahr Forderungen im Wert von ca. 12 Milliarden Euro gegen überschuldete Nachlässe bestehen, was das volkswirtschaftliche Ausmaß der Problematik deutlich macht: 2.808 Nachlassinsolvenzverfahren mit einem Forderungsvolumen von 500 Millionen Euro stehen 70.000 überschuldeten Nachlässen mit einer Forderungssumme im zweistelligen Milliardenbereich gegenüber, die außerhalb des Insolvenzverfahrens abgewickelt werden, ohne dass die Möglichkeiten des Insolvenzverfahrens zur Durchsetzung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes genutzt würden. Die Gründe, warum eine Insolvenzantragstellung unterbleibt, sind zahlreich. Grundsätzlich besteht für Erben eine Insolvenzantragspflicht gem. § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB. Diese kommt jedoch kaum zum Tragen. Regelmäßig schlagen die ermittelten Erben die ihnen angetragene Erbschaft aus – unter Hinweis auf die überwiegend wahrscheinliche bzw. vermutete Überschuldung des Nachlasses. Die Nachlassgerichte reagieren auf die Situation des nun unbekannten Erben entweder mit der weitreichendsten Sicherungsmaßnahme nach § 1960 Abs. 2 BGB – sie bestellen einen Nachlasspfleger oder sie stellen das Fiskuserbrecht fest. Haftungsrechtlich unterscheiden sich beide Vorgänge erheblich. Treffen den Fiskus die gleichen Verantwortlichkeiten, wie jeden anderen Erben auch (weshalb dieser – wie jeder andere Erbe auch – für den Gläubigern entstehende Schäden wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht haftet), zeichnet sich bei Nachlasspflegschaften für überschuldete Nachlässe ein völlig anderes Bild: Trotz oftmals bestehender Insolvenzantragspflicht des Nachlasspflegers gegenüber dem von ihm vertretenen Erben, unterbleibt der fällige Insolvenzantrag. Die 10
Nöll, ZInsO 2012, 814 (ebd.).
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Einleitung
Konsequenzen für die Nachlassgläubiger sind fatal. In Ermangelung ähnlich weitreichender Befugnisse, wie sie einem Nachlassinsolvenzverwalter zustehen, können bestimmte Vermögensverschiebungen durch Nachlasspfleger nicht revidiert werden. Dies bezieht sich insbesondere auf diejenigen Verschiebungen von Vermögen, die vor dem Erbfall erfolgt sind, und die in einem Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers mittels Insolvenzanfechtung zur Kompensation der dadurch den übrigen Nachlassgläubigern entstandenen Schäden eingesetzt werden könnten. Hinzu kommt, dass Nachlasspfleger nicht über eine ähnliche fachliche Kompetenz in der Aufarbeitung von in der Vergangenheit erfolgten Vermögensbewegungen verfügen wie ausgewiesenes Insolvenzrechtsfachpersonal. Die Nachlassinsolvenz gilt auch unter Insolvenzrechtlern als absolute Spezialmaterie, die aufgrund des Zusammenspiels von Insolvenz- und Erbrecht als überaus komplex gilt und daher auch den Status eines Regelinsolvenzverfahrens11 und gerade nicht den des vereinfachten Insolvenzverfahrens wie des Verbraucherinsolvenzverfahrens einnimmt. Der von Nachlasspflegern außerhalb des Insolvenzverfahrens tatsächlich realisierte und zur Befriedigung der Ansprüche der Nachlassgläubiger verwendete Betrag unterschreitet daher den in einem Nachlassinsolvenzverfahren zu verteilenden Erlös regelmäßig um ein Vielfaches. Kommt es im Zeitraum der Nachlasspflegschaft oder danach gleichwohl zu einem Insolvenzantrag, steht der vom Insolvenzgericht beauftragte Sachverständige vor zahlreichen Problemen. Die vorhandenen Nachlassaktiva sind durch die Kosten der Nachlasspflegschaft und durch Auszahlungen an einzelne oder alle Gläubiger bereits aufgebraucht, sodass liquide Masse nicht vorhanden ist. Hinzu kommt, dass Insolvenzanfechtungszeiträume, die an den Tag der Insolvenzantragstellung geknüpft sind, durch die verspätete Antragstellung verstrichen sind. Eine bei rechtzeitiger Antragstellung mögliche Insolvenzanfechtung ist dem Insolvenzverwalter nicht mehr möglich. Ebenfalls bedacht werden muss der zeitliche Aspekt. Mit wachsendem zeitlichen Abstand erschwert sich die Rekonstruktion der finanziellen Verhältnisse des Erblassers zusätzlich. Bei einer Gegenüberstellung von möglicher Befriedigungsquote für Nachlassgläubiger bei rechtzeitig eingeleitetem Insolvenzverfahren und einer Abwicklung des Nachlasses durch den Nachlasspfleger kann daher im Regelfall von erheblichen Einbußen ausgegangen werden. Verwunderlich ist vor diesem Hintergrund, dass nach fast einhelliger Meinung keine Haftung für Nachlasspfleger überschuldeter Nachlässe in einem Insolvenzverfahren bestehen soll. Die vereinzelt vertretenen Lösungsansätze können nicht überzeugen, weil sie die im Kontext zu berücksichtigenden Zusammenhänge von Pflegschaftsrecht, gesetzlicher Vertretung, Erbrecht und Insolvenzrecht nicht konsequent berücksichtigen und mitunter sogar gegen geltendes Recht verstoßen. Daher ist es nur konsequent, zu hinterfragen, welche Verantwortlichkeit den Nachlasspfleger in einem Nachlassinsolvenzverfahren trifft und ob daraus nicht eine Haftung folgt. 11
Begr. RegE InsO BT-Drs. 12/2443, S. 229.
Einleitung
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Ein weiteres Problemfeld im Kontext überschuldeter Nachlässe ist die Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch Nachlasspfleger und Fiskalerben mit anschließender Abwicklung des Nachlasses in Eigenregie außerhalb des Insolvenzverfahrens. Werden Nachlassgläubiger mit der Aussage konfrontiert, es liege ein Nachlass vor, dessen Aktiva nicht einmal ausreichten, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, ist zu beobachten, dass diese von ihrem eigenen Insolvenzantragsrecht keinen Gebrauch machen. Wie zu zeigen sein wird, erfolgen Einredeerhebungen jedoch vielfach ungerechtfertigt, mit der Folge, dass die angestrebte Haftungsbeschränkung auf den Nachlass nicht eintritt und eine Einleitung des gebotenen Insolvenzverfahrens unterbleibt. Insbesondere wäre ein Insolvenzantrag eines Nachlassgläubigers nicht – wie zuvor durch die den Nachlass verwaltenden Personen suggeriert – mangels Vorliegen einer die Verfahrenskosten deckenden Insolvenzmasse durch das Insolvenzgericht abgewiesen worden. Tatsächlich sind derartige falsche Behauptungen der Dürftigkeit des Nachlasses somit ursächlich für unterlassene Insolvenzantragstellungen durch Nachlassgläubiger, was deren Befriedigungsaussichten massiv verschlechtert. Auch hier gilt es, die Verantwortlichkeit der Beteiligten zu erörtern. Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung des Umgangs mit überschuldeten Nachlässen – im Recht, in Praxis und Wissenschaft. Im Zentrum stehen die Fragen, ob eine Kompensation der den Nachlassgläubigern im Zeitraum der Nachlasspflegschaft und Fiskalerbrecht entstandenen Schäden in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren nach aktueller Rechtslage möglich ist und inwieweit daher die entstehenden Schäden lediglich darauf beruhen, dass die Beteiligten unter Verkennung der Rechtslage die Ersatzansprüche nicht vollumfänglich realisieren.
II. Gang der Untersuchung Nach einer kurzen erbrechtlichen Einleitung (Teil 1, A.) wird der Anfall einer überschuldeten Erbschaft aus der Perspektive des Erben dargestellt und dessen Handlungsoptionen (Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft) erläutert (Teil 1, B.). Doch auch für die weiteren Verfahrensbeteiligten hat die Überschuldung des Nachlasses weitreichende Bedeutung. Daher werden die Handlungsoptionen des Nachlassgerichts (Teil 1, C.) und der Nachlassgläubiger (Teil 1, D.) ebenfalls erläutert. Meist wird für überschuldete Nachlässe Nachlasspflegschaft angeordnet. Im Folgenden geht es daher im Wesentlichen um die Frage der Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers. Zunächst erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Rechtsstellung des Nachlasspflegers (Teil 2, A.). Es entspricht der aktuellen Auffassung, dass der Nachlasspfleger gegenüber den Gläubigern nicht haftet (Teil 2, B., I.), eine Haftung des Erben für schuldhaftes
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Einleitung
Handeln des Nachlasspflegers mit seinem Eigenvermögen ausscheidet (Teil 2, B., II.) und der möglicherweise bestehende Ersatzanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger (wegen fehlerhafter Verwaltung oder verzögerter Insolvenzantragstellung) aufgrund der Überschuldung des Nachlasses wertlos sei (Teil 2, B., III.). Die Meinungen diesbezüglich werden dargestellt und die verschiedenen Lösungsansätze zur Problematik diskutiert. Wie zu zeigen sein wird, ist eine Kompensation von Schäden der Nachlassgläubiger, die durch fehlerhaftes Verhalten von Nachlasspflegern ausgelöst werden, nach dem aktuellen Meinungsspektrum nicht möglich (Teil 2, B., IV.). Auch die Auffassung des Bundesgerichtshofs zur Problematik wird angeführt (Teil 2, C.). Ob dies tatsächlich bedeutet, dass den Nachlasspfleger in einem Insolvenzverfahren keine Verantwortlichkeit trifft, wird in der Folge untersucht (Teil 3, A.). Zunächst wird die Pflichtenstellung des Nachlasspflegers gegenüber dem von ihm vertretenen werdenden Erben untersucht (Teil 3, A, I, 1). Die drei Kardinalspflichten des Nachlasspflegers werden herausgearbeitet (Teil 3, A., I., 2.) und die Folgen einer jeweiligen Pflichtverletzung unter dem Gesichtspunkt dargestellt, ob dem Erben durch die Pflichtverletzung auch ein Schaden entsteht (Teil 3, A., I., 3.). Wie zu zeigen sein wird, steht die Überschuldung des Nachlasses einem Schadenseintritt des Erben nicht entgegen und alle Vermögensschäden des Erben, die auf einer Pflichtverletzung des Nachlasspflegers beruhen, sind in einem Nachlassinsolvenzverfahren zu ersetzen, sind also Teil der Insolvenzmasse (Teil 3, A., I., 4.). Problematisiert wird weiterhin, dass bestimmte Schäden der Nachlassgläubiger eintreten können, für die der Nachlasspfleger nicht verantwortlich gemacht werden kann. Ob eine Kompensation dieser Schäden, sofern sie durch den Nachlasspfleger verursacht wurden, gleichwohl möglich und notwendig ist, wird ebenfalls dargestellt (Teil 3, A., II.). Im Anschluss daran erfolgt die Darstellung des Sonderproblems der „kalten Eigenverwaltung“12 – der Abwicklung von überschuldeten Nachlässen durch Nachlasspfleger und Fiskalerben in „Eigenregie“ außerhalb des Insolvenzverfahrens (Teil 3, B.). Untersucht wird, welche Folgen die Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch den Fiskalerben (Teil 3, B., II.) und den Nachlasspfleger (Teil 3, B., III.) hat, abhängig davon, ob sie berechtigt oder unberechtigt erhoben wird. Wie zu zeigen sein wird, bestehen für die Handelnden erhebliche Haftungsrisiken und für Nachlassgläubiger umfangreiche Möglichkeiten der Intervention gegen die vorgeschlagenen Verfahrensweisen. Im letzten Abschnitt (Teil 4) folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse und eine Einschätzung möglicher Auswirkungen dieser auf die Praxis.
12
Nöll, ZInsO 2012, 814 (ebd.) führt diesen Begriff ein.
Teil 1
Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen der Beteiligten Die im Kontext relevanten Fälle zeichnen sich dadurch aus, dass eine Überschuldung des Nachlasses vorliegt oder von einigen Verfahrensbeteiligten zumindest vermutet wird. Im Vergleich zum Umgang mit einem nicht überschuldeten Nachlass hat dies für die Beteiligten weitreichende Konsequenzen. Im Folgenden werden die einzelnen Verfahrensbeteiligten dargestellt, die sich mit einem überschuldeten Nachlass konfrontiert sehen und deren mögliche Handlungsoptionen erörtert und bewertet. Nachlassgerichte nutzen in der Praxis vermehrt Nachlasspflegschaften13 nach § 1960 Abs. 2 BGB, um die Erbenermittlung und die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses in diesem Zeitraum zu gewährleisten. Regelmäßig wird auch für überschuldete Nachlässe Sicherungspflegschaft gem. § 1960 Abs. 2 BGB angeordnet,14 obwohl andere Möglichkeiten zum Umgang mit überschuldeten Nachlässen bestehen, von denen die Beteiligten keinen Gebrauch machen.
A. Allgemeines Die zentrale Vorschrift des Erbrechts ist § 1922 Abs. 1 BGB. Anders jedoch als es die Vorschrift § 1922 Abs. 1 BGB suggeriert, wenn von dem Erben die Rede ist, setzt sich das Rechtsleben des Erblassers nicht ununterbrochen in Person des Erben fort, was durch die Vorschrift des § 1959 Abs. 1 BGB deutlich wird, wenn dort von demjenigen gesprochen wird, „welcher Erbe wird“, obwohl der Erblasser in dieser Situation bereits gestorben ist. Zwischen dem Tod des Erblassers und dem Moment, in dem feststeht, wer tatsächlich Erbe ist, kann eine erhebliche Zeitspanne bestehen. Grund dafür ist die Dauer des Erbenermittlungsprozesses. Dieser wird maßgeblich davon beeinflusst, dass ein berufener Erbe die Möglichkeit hat, die Erbschaft auszuschlagen (§ 1942 Abs. 1 BGB), mit der Folge, dass der Anfall an ihn als nicht erfolgt gilt (§ 1953
13 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 29; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 31; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1960 Rz. 6. 14 Nöll, ZInsO 2012, 814 (ebd.).
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
Abs. 1 BGB). Eine wirksame Ausschlagung der Erbschaft beseitigt den Anfall der Erbschaft von Anfang an.15 Gem. § 1953 Abs. 2 Halbsatz 1 BGB fällt die Erbschaft dann demjenigen an, der berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte. Zur Vermeidung einer herrenlosen Erbschaft zwischen Erbfall und Anfall der Erbschaft an den Nächstberufenen bedient sich das Gesetz einer Fiktion: Im Falle der Ausschlagung der Erbschaft gilt der Anfall an den Nächstberufenen als mit dem Erbfall erfolgt, § 1953 Abs. 2 Halbsatz 2 BGB. Mittels Fiktion wird somit gewährleistet, dass mit dem Tod des Erblassers, dessen Vermögen als Ganzes auf den Erben übergeht und ohne zeitliche Zäsur einen „neuen Herrn“ hat. Tatsächlich bedeutet dies jedoch, dass bis zum Zeitpunkt, in dem derjenige, welcher Erbe wird, die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses selbst besorgen kann, der Nachlass gegen nachteilige Veränderung geschützt werden muss. Denn auch der ausschlagende Erbe ist bis zum Zeitpunkt der Ausschlagung Erbe gewesen, wie sich aus § 1959 Abs. 1 BGB ergibt. Da der ausschlagende Erbe bis zum Moment der Ausschlagung rechtmäßiger Inhaber des Nachlasses gewesen ist, bestimmt sich das Rechtsverhältnis zwischen ausschlagendem Erbe, sofern dieser vor der Ausschlagung erbschaftliche Geschäfte besorgt hat, und demjenigen, welcher Erbe wird, nach den Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag und nicht nach Bereicherungs- oder Deliktsrecht, vgl. § 1959 Abs. 1 BGB.16 Als rechtmäßiger Besitzer des Nachlasses steht es dem ausschlagenden Erben frei, ob er sich um den Nachlass kümmert oder ob er untätig bleibt. Ihn trifft keine Geschäftsführungspflicht.17 Unterlässt der ausschlagende Erbe bis zur Ausschlagung die Besorgung erbschaftlicher Geschäfte, nimmt er also keinerlei Fürsorge für den Nachlass wahr, löst sein Verhalten keine Rechtsfolgen gem. § 1959 Abs. 1 BGB aus, da trotz entsprechend weiter Auslegung des Geschäftsbegriffs bloße Unterlassungen nicht umfasst sind.18 Damit ist es möglich, dass der Nachlass zwar nicht herrenlos ist, gleichwohl aber ohne tatsächliche Verwaltung sein kann, weil der ausschlagende Erbe sich nicht um den Nachlass kümmern muss. Dass in diesem Zeitraum für den Bestand des Nachlasses durch unberechtigte Einwirkungen Dritter nachteilige Veränderungen zu 15
MünchKomm-BGB/Leipold, § 1953 Rz. 2; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1953 Rz. 2; Palandt/Weidlich, § 1953 Rz. 1; NK-BGB-Erbrecht/Ivo, § 1953 Rz. 2. 16 So ausdrücklich Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 21; MünchKommBGB/Leipold, § 1959 Rz. 1 f. 17 OLG Braunschweig, Urteil vom 13. 07. 1920 – 2. ZS – OLGE 42, 204 (ebd.): „aber eine Verpflichtung zur Erfüllung aller aus dem Nachlasse ruhender Leistungen liegt ihm nicht ob“; Soergel-BGB/Stein, § 1959 Rz. 1; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1959 Rz. 4; MünchKommBGB/Leipold, § 1960 Rz. 1; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1959 Rz. 1; Erman-BGB/ Schlüter, § 1959 Rz. 1; Palandt/Weidlich § 1959 Rz. 1. 18 Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 22; so wohl auch MünchKomm-BGB/ Leipold, § 1959 Rz. 3, der von Handlungen spricht.
B. Handlungsoptionen des Erbberechtigten
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befürchten sind, liegt auf der Hand. Die Brisanz dieser Situation fasst Ziegltrum19 zutreffend zusammen, wenn er darauf hinweist, dass die Gefahr von Einwirkungen Dritter auf nicht verwaltetes Vermögen auch bei sonstigem Vermögen gegeben ist, dort jedoch den jeweiligen Vermögensinhaber selbst trifft. Im Fall der Ausschlagung einer Erbschaft treffen diese Vermögensverschlechterungen den Nächstberufenen. Dieser war bis zum Zeitpunkt der Ausschlagung des vorläufigen Erben rechtlich nicht in der Lage, selbst für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen und diesen vor Verlusten zu bewahren, obwohl der Anfall der Erbschaft an ihn als mit dem Erbfall erfolgt gilt § 1953 Abs. 2 Halbsatz 2 BGB. Die Aufgabe der Nachlasssicherung in Fällen nicht verwalteten Vermögens kommt dem Nachlassgericht unter den Voraussetzungen der §§ 1960 ff. BGB zu. Die Nachlasspflegschaft ist dabei das wichtigste Mittel des Nachlassgerichts zur Sicherung und Erhaltung eines fürsorgebedürftigen Nachlasses sowie zur Ermittlung der Erben.20 Doch auch die Gläubiger des Nachlasses können der Situation eines Nachlasses ohne tatsächlicher Verwaltung begegnen. Zur Wahrung ihrer Interessen steht ihnen frei, eine Prozesspflegschaft gem. § 1961 BGB oder eine Nachlassverwaltung § 1975 BGB bzw. eine Nachlassinsolvenz §§ 315 ff. InsO zu beantragen. Im Folgenden werden nun die Handlungsoptionen der Beteiligten, die sich mit einem überschuldeten Nachlass konfrontiert sehen, dargestellt und bewertet.
B. Handlungsoptionen des Erbberechtigten: Annahme oder Ausschlagung I. Allgemeines In § 1922 BGB ist vorgesehen, dass die Erbschaft „als Ganzes“ auf den Erben übergeht. Der Erbe tritt also vollumfänglich in die Rechtsstellung des Erblassers ein (Gesamtrechtsnachfolge bzw. Universalsukzession). Die Erbenstellung wird kraft Gesetzes erworben (sog. Vonselbsterwerb).21 Damit gehen aber auch die Verbindlichkeiten des Erblassers auf den Erben über. Grundsätzlich haftet der Erbe damit den Nachlassgläubigern gem. § 1967 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt auch mit seinem Eigenvermögen. Für den Erben ist dieser Umstand ins19
Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 22. Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 1; Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 1; Tidow, Rpfleger 1991, 400 (ebd.); Draschka, Rpfleger 1992, 281 (ebd.); Ziegltrum, Sicherungsund Prozeßpflegschaft, S. 30; Kali, Nachlasspfleger und Erbenermittler, S. 2; Mayer, ZEV 2010, 445 (447); Lange, Erbrecht, § 48 Rz. 16; Firsching/Graf/Graf, Nachlassrecht, Rz. 4.603; Kroiß, ErbR 2013, 110 (111); Fröhler, BWNotZ 2011, 2 (ebd.). 21 NK-BGB/Hoeren, § 1942 Rz. 1; MünchKomm-InsO/Leipold, § 1942 Rz. 1; StaudingerBGB/Marotzke, § 1922 Rz. 42. 20
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
besondere dann von Bedeutung, wenn der Nachlass überschuldet ist. Eine Überschuldung des Nachlasses liegt vor, wenn das Nachlassvermögen die Nachlassverbindlichkeiten nicht mehr deckt, gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO. Berücksichtigung findet dabei allein der Nachlass als Vermögensmasse unabhängig vom Eigenvermögen des Erben.22 Bis zum Zeitpunkt der Anordnung einer amtlichen Haftungsabwicklung (Nachlassverwaltung, Nachlassinsolvenzverfahren) bleibt das Eigenvermögen des Erben mit dem Nachlass vereinigt.23 Eine Separierung der Schulden findet nicht statt.24 Der Erbe haftet demnach mit seinem Gesamtvermögen – bestehend aus Eigenvermögen und dem Nachlass – für Eigen- und Nachlassverbindlichkeiten. In diesem Fall bringt die Erbschaft für den Erben aus ökonomischer Sicht keine Vorteile, da der Wert der Summe der Nachlassaktiva geringer ist als die Summe der Nachlassverbindlichkeiten. Dem Erben stehen nun verschiedene Varianten offen, auf den Anfall einer überschuldeten Erbschaft zu reagieren.
II. Die Annahme einer überschuldeten Erbschaft in Ansehung des Risikos der Insolvenzverschleppungshaftung aus § 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB Mit der Annahme der Erbschaft haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich persönlich, vgl. § 1967 BGB. Allerdings steht dem Erben die Möglichkeit offen, die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten mit seinem Eigenvermögen auszuschließen und stattdessen auf den Nachlass zu beschränken. Um seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken, kann der Erbe ein Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 1975 ff. BGB, 315 ff. InsO) oder die Nachlassverwaltung (§§ 1975 ff. BGB) beantragen oder bei nicht vorhandenen Mitteln die Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB) erheben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er sich nun in Bezug auf den Nachlass passiv verhalten dürfte. Für den Erben besteht eine Insolvenzantragspflicht, die in § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB normiert ist. Diese Pflicht ist eine besondere Ausprägung des erbrechtlichen Gläubigerschutzes im Vergleich zu einer entsprechenden Ausprägung zu Lebzeiten des Schuldners.
22 Braun-InsO/Bauch, § 320 Rz. 4; Damrau-PK-Erbrecht/Gottwald, § 1980 BGB Rz. 5; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 9; Jünemann, Zerb 2011, 59 (60); a.A. Roth, ZInsO 2009, 2265 (2266). 23 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 33.02; Herzog, ErbR 2003, 71 (73); Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rz. 490: „Eigenvermögen und Nachlass bilden ein Haftungsvermögen.“ 24 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 33.02.
B. Handlungsoptionen des Erbberechtigten
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1. Das Insolvenzantragsrecht des Schuldners, § 13 Abs. 1 InsO Für natürliche Personen besteht grundsätzlich keine Insolvenzantragspflicht.25 In § 13 Abs. 1 Satz 2 InsO ist lediglich ein Antragsrecht normiert.26 Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, eine schnelle Eröffnung des Insolvenzverfahrens sicherzustellen, sollte dabei über die Möglichkeit des Schuldners, Restschuldbefreiung zu erlangen, realisiert werden. Indem dem Schuldner eine vollständige Schuldenbereinigung in Aussicht gestellt wurde, kommt das Insolvenzverfahren auch ihm zugute.27 Dabei spielt es bei der nicht vorhandenen Antragsverpflichtung keine Rolle, ob die natürliche Person Verbraucher oder Unternehmer ist. Relevant ist dies jedoch für die Durchführung des späteren Insolvenzverfahrens. Verbraucher müssen vor dem Insolvenzantrag zunächst das Schuldenbereinigungsverfahren gem. §§ 305 ff. InsO durchführen. Wirtschaftlich Selbstständige können mit dem Insolvenzantrag auch einen Antrag auf Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO kombinieren. 2. Die Insolvenzantragspflicht des Erben, § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB Demgegenüber sieht das Gesetz für den Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Schuldners eine Insolvenzantragspflicht vor, vgl. § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB. a) Allgemeines Interessanterweise ist die Insolvenzantragspflicht des Erben nicht in der Insolvenzordnung geregelt. Dort heißt es in § 317 Abs. 1 Satz 1 InsO lediglich „Zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlaß ist jeder Erbe […] berechtigt“. Die Insolvenzantragspflicht des Erben ist in § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB normiert. In der durch Art 37 Nr. 37 EGInsO (BGBl I 2926) zum 01. 01. 1999 neugefassten Vorschrift wird die Haftung des endgültigen Erben gegenüber den Nachlassgläubigern über die Vorschrift des § 1978 BGB hinaus verschärft. Der Erbe ist gem. § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, sobald er Kenntnis von der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses erlangt oder bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, unverzüglich (also ohne schuldhaftes Zögern, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen. Andernfalls haftet er den Gläubigern für den durch die verspätete Insolvenzantragstellung entstandenen Schaden, § 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB. Vor Annahme der Erbschaft trifft den Erben die Antragspflicht des § 1980 Abs. 1 25 Nerlich/Römermann-InsO/Mönning, § 13 Rz. 66; MünchKomm-InsO/Schmahl, § 13 Rz. 74; FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rz. 15a. 26 Lediglich in Unterhaltsmangelfällen kann eine mittelbare Antragspflicht bestehen, vgl. BGH, Urteil vom 23. 02. 2005 – XII ZR 114/03 – FamRZ 2005, 508 (610), juris Rz. 19 m.w.N.; FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rz. 15a; FK-InsO/Ahrens, § 287 Rz. 13e; Uhlenbruck-InsO/Uhlenbruck, § 13 Rz. 94; siehe dazu auch Melchers, NJW 2008, 806 ff. 27 Uhlenbruck-InsO/Uhlenbruck, § 13 Rz. 63.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
Satz 1 BGB nicht.28 Die Antragspflicht des Erben besteht nicht, wenn der Erbe bereits allen Gläubigern gegenüber unbeschränkbar haftet, § 2013 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn die Dürftigkeit des Nachlasses nur auf Vermächtnissen und Auflagen beruht (§ 1980 Abs. 1 Satz 3 BGB) oder wenn die Nachlassgläubiger den Erben durch Vereinbarung von dessen Antragspflicht entbunden haben,29 wofür allerdings erforderlich ist, dass alle Gläubiger dem Entbinden zustimmen, da jeder Nachlassgläubiger nur mit Wirkung gegen sich selbst handeln kann30. Ebenfalls entfällt die Insolvenzantragspflicht, wenn kein inländischer Insolvenzgerichtsstand gegeben ist,31 also der Erblasser im Zeitpunkt des Erbfalls weder seinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hatte, noch im Inland eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat, § 315 InsO. Ob die Antragspflicht des § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB auch bei dürftigem Nachlass i.S.v. § 1990 BGB entfällt,32 wird im Schrifttum nicht einheitlich beantwortet. b) Voraussetzungen der Antragspflicht aa) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses Voraussetzung der Antragsverpflichtung des Erben ist, dass dieser Kenntnis von der Überschuldung oder von der Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses hat, § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Nachlass (genauer: der Erbe als Rechtsträger des Nachlasses bezogen auf dieses Sondervermögen) muss also zahlungsunfähig oder überschuldet sein.33 Der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit wird in § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO für jedes Insolvenzverfahren und damit auch für die Nachlassinsolvenz legaldefiniert. 28 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (285), juris Rz. 14; KG Berlin (1. ZS), Beschluss vom 07. 02. 1975 – 1 W 1218/74 – OLGZ 1975, 161 (163); Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 15; Jauernig-BGB/Stürner, § 1980 Rz. 1; MünchKommBGB/Küpper, § 1980 Rz. 1 u. Fn. 1; Erman-BGB/Schlüter, § 1980 Rz. 1; Soergel-BGB/Stein, § 1980 Rz. 5; MünchKomm-InsO/Siegmann, § 317 Rz. 7 u. Fn. 1; Nerlich/Römermann-InsO/ Riering, § 317 Rz. 4; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 317 Rz. 3; NK-BGB/Hoeren, § 1980 Rz. 6. 29 OLG München, Urteil vom 03. 12. 1996 – 5 U 2597/96 – ZEV 1998, 100 (101); DamrauPK-Erbrecht/Gottwald, § 1980 BGB Rz. 2; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 4; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 6; Palandt/Weidlich, § 1980 Rz. 1; Jünemann, Zerb 2011, 59 (ebd.). 30 Damrau-PK-Erbrecht/Gottwald, § 1980 BGB Rz. 2; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 BGB Rz. 7. 31 Erman-BGB/Schlüter, § 1980 Rz. 2; Palandt/Weidlich, § 1980 Rz. 3; MünchKommBGB/Küpper, § 1980 Rz. 3. 32 Vgl. dazu die Ausführungen Teil 3, B. II. 2. d). 33 Zutreffend ist insoweit die Anmerkung von Poertzgen, es komme tatsächlich auf die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit „des Nachlasses“ an. Auch wenn Insolvenzgründe nur in der Person eines Rechtsträgers und nicht eines selbständigen Sondervermögens vorliegen können, stelle § 1980 BGB wohl auf den Nachlass ab, um eine Verwechslung mit dem Eigenvermögen des Erben zu vermeiden, vgl. Poertzgen, ZInsO 2013, 517 (ebd.).
B. Handlungsoptionen des Erbberechtigten
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Zahlungsunfähigkeit des Erben als Träger des Nachlasses liegt danach vor, wenn der Erbe nicht mehr in der Lage ist, fällige Nachlassverbindlichkeiten mittels der im Nachlass vorhandenen liquiden Mittel34 zu erfüllen.35 Hat der Erbe seine Zahlungen eingestellt, wird die Zahlungsunfähigkeit vermutet, § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO. Allerdings hat diese Vermutungsregelung im Kontext eines eventuell zahlungsunfähigen Nachlasses lediglich Indizwirkung.36 Für eine etwaige Zahlungsstockung kann es hier zahlreiche Gründe geben, beispielsweise eine noch nicht erfolgte Erteilung eines Erbscheins oder schlichte Vorsicht des Erben, weil er unsicher ist, ob er aus Sorge vor einer möglichen Haftung aus §§ 1979, 1980 BGB die Forderung befriedigen darf und entsprechende Prüfungen zeitaufwändig sein können. Drohende Zahlungsunfähigkeit ist gem. § 320 InsO zwar Eröffnungsgrund, aber für eine Haftung des Erben nach § 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB ohne Bedeutung. Der Gesetzgeber hat dies damit begründet, dass dem Erben, wenn ein Unternehmen zum Nachlass gehört, die Möglichkeit gegeben werden soll, „eine freie Sanierung“ des Unternehmens voranzutreiben ohne eine Schadensersatzpflicht zu riskieren.37 Wenn das Nachlassvermögen die Nachlassverbindlichkeiten nicht mehr deckt, liegt gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO Überschuldung des Nachlasses vor. Berücksichtigung findet dabei allein der Nachlass als Vermögensmasse unabhängig vom Eigenvermögen des Erben.38 Entscheidend ist dabei nicht der Tag des Insolvenzantrags oder der Zeitpunkt des Erbfalls, sondern der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Eröffnung.39
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Begr. RegE InsO BT-Drs. 12/2443, S. 231; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 320 Rz. 2; HKInsO/Marotzke § 320 Rz. 5; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur InsO, Kap. 10 Rz. 100; Vallender/Fuchs/Rey, NZI 1999, 355 (ebd.); Gottwald/Döbereiner, Insolvenzrechts-Handbuch, § 113 Rz. 19. Zur Frage, wie die Zahlungsunfähigkeit festgestellt wird, und einer Präzisierung, was unter im Nachlass vorhandenen Mitteln zu verstehen ist, vgl. MünchKomm-BGB/Siegmann, § 320 Rz. 2 und Roth/Pfeuffer/Roth, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 43 – 46 sowie Roth, ZInsO 2009, 2265 (2268 ff.). 35 MünchKomm-InsO/Siegmann, § 320 Rz. 2; vgl. Nerlich/Römermann-InsO/Riering, § 320 Rz. 3 – 4; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 320 Rz. 2. 36 MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 7; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1980 Rz. 4; Roth/Pfeuffer/Roth, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 43; BraunInsO/Bußhardt, § 17 Rz. 45. 37 Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/3803, S. 79. 38 Braun-InsO/Bauch, § 320 Rz. 4; Damrau-PK-Erbrecht/Gottwald, § 1980 BGB Rz. 5; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 9; Jünemann, Zerb 2011, 59 (60); a.A. Roth, ZInsO 2009, 2265 (2266). 39 Vgl. BGH, Beschluss vom 27. 07. 2006 – IX ZB 204/04 – NJW 2006, 3553 (3554), juris Rz. 11, 12; FK-InsO/Schallenberg/Rafiqpoor, § 320 Rz. 14, Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 320 Rz. 3; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1980 Rz. 6; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1980 Rz. 2; Hess-InsO/Hess, § 320 Rz. 16; MünchKomm-InsO/Siegmann, § 320 Rz. 6; Nerlich/Römermann-InsO/Riering, § 320 Rz. 3.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
Die zur Ermittlung einer eventuell vorliegenden Überschuldung40 erforderliche Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva in Form einer Überschuldungsbilanz stellt für den Erben regelmäßig eine große Herausforderung dar. Bei der Ermittlung bestehender Aktiva41 (die mit ihrem jeweiligen Liquidationswert42 anzusetzen sind) des Nachlasses, deren Ermittlung häufig zeit- und kostenintensiv ist, sind auch Ersatzansprüche gegen den Erben aus §§ 1978 Abs. 1, 1979 Abs. 1 BGB43 sowie die nach §§ 1976, 1977 BGB wiederauflebenden Rechte zu berücksichtigen. Die Ermittlung der Passiva gestaltet sich ähnlich kompliziert: Nachlassverbindlichkeiten werden in drei Gruppen eingeteilt: Erblasserschulden, Erbfallschulden und Nachlass-Erbenschulden.44 Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen und Auflagen müssen ebenfalls in die Überschuldungsprüfung einbezogen werden.45 Die Tatsache, dass der Erbe bei einer Überschuldung des Nachlasses, die allein auf Vermächtnissen, Auflagen sowie Ansprüchen ausgeschlossener und säumiger Gläubiger beruht, gem. § 1980 Abs. 1 Satz 3 BGB von der Insolvenzantragspflicht befreit ist, ändert nichts daran, dass auch diese Verbindlichkeiten bei der Überschuldungsprüfung Berücksichtigung finden müssen46 – allerdings nur in Form einer relativen Berücksichtigung.47 bb) Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis – Zusammenspiel von §§ 1980 und 1979 BGB Die Pflicht zur Antragstellung trifft den Erben bei Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung des Nachlasses, § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB oder auf Fahrlässigkeit beruhender Unkenntnis, § 1980 Abs. 2 Satz 1 BGB. Kenntnis von 40
§ 19. 41
Einzelheiten bei FK-InsO/Schmerbach, § 19; MünchKomm-InsO/Drukarczyk/Schüler,
Siehe dazu ausführlich unten Teil 3, B. II. 2. a) bb). BayObLG, Beschluss vom 11. 01. 1999 – 1Z BR 113 – 98 – NJW-RR 1999, 590 (591), juris Rz. 17; Braun-InsO/Bauch, § 320 Rz. 4; FK-InsO/Schallenberg/Rafiqpoor, § 320 Rz. 14; Roth/Pfeuffer/Roth, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 47; gehört ein Unternehmen zum Nachlass sind bei positiver Fortführungsprognose die zum Unternehmen gehörenden Vermögensgegenstände mit deren Fortführungswert anzusetzen, Roth, ZInsO 2009, 2265 (2266). 43 Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1980 Rz. 6; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1980 Rz. 2; Klook, Die überschuldete Erbschaft, S. 181. 44 Vgl. dazu MAH-ErbR/Siegmann, § 23 Rz. 11 ff; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 325 Rz. 2 ff.; MünchKomm-InsO/Siegmann, § 325 Rz. 3 ff; Klook, Die überschuldete Erbschaft, S. 99 – 105; Herzog, ErbR 2003, 104 (107); Johannsen, WM 1972, 914 (919); Sick, Zerb 2010, 325 (326 f.). 45 Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 320 Rz. 3; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1980 Rz. 6; MünchKomm-InsO/Siegmann, § 320 Rz. 4; HK-InsO/Marotzke, § 320 Rz. 4; HambKommInsO/Böhm, § 320 Rz. 4; Graf-Schlicker/Messner, InsO, § 320 Rz. 4; MünchKomm-BGB/ Küpper, § 1980 Rz. 6; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1980 Rz. 2; a.A.: MAH-Erbrecht/Wiester, § 25 Rz. 17; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 33.27. 46 MünchKomm-InsO/Siegmann, § 320 Rz. 4. 47 So ausdrücklich FK-InsO/Schallenberg/Rafiqpoor, § 320 Rz. 16. 42
B. Handlungsoptionen des Erbberechtigten
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der Überschuldung des Nachlasses liegt bereits dann vor, wenn dem Erben Umstände bekannt sind, die zwingend darauf schließen lassen, dass die Passiva die Aktiva übersteigen.48 Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Erbe weiß, dass er nicht über die nötigen Zahlungsmittel verfügt und aufgrund dessen dauerhaft nicht in der Lage sein wird, die wesentlichen fälligen Geldverbindlichkeiten zu bedienen.49 Weit schwerwiegendere praktische Bedeutung kommt bereits aus beweisrechtlichen Gründen der auf Fahrlässigkeit beruhenden Unkenntnis zu.50 Fahrlässigkeit liegt allerdings nicht bereits vor, wenn der Erbe Zweifel an der Zulänglichkeit des Nachlasses hat.51 Erforderlich für den Fahrlässigkeitsvorwurf ist vielmehr, dass der Erbe aufgrund bestimmter Umstände sich zu weiteren Prüfungen hinsichtlich des Bestands des Nachlasses veranlasst sehen musste.52 Der Fahrlässigkeitsvorwurf ist dabei nur nachzuvollziehen, wenn die Vorschriften §§ 1979 und 1980 BGB im Zusammenhang betrachtet werden. § 1979 BGB bestimmt, wann der Erbe Nachlassmittel zur Befriedigung der Nachlassgläubiger einsetzen darf.53 Dies ist dem Erben gestattet, wenn er den Umständen nach annehmen durfte, dass der Nachlass zur Befriedigung aller Nachlassgläubiger ausreicht, § 1979 BGB. Bevor der Erbe Zahlungen aus dem Nachlass tätigen darf, ist er daher zur Überprüfung des Nachlassbestandes verpflichtet. Kommt er nach korrekt durchgeführter Überprüfung zu dem Schluss, dass der Nachlass zur Befriedigung der Nachlassgläubiger ausreicht, ist die Gläubigerbefriedigung mit Nachlassmitteln zulässig und der Erbe handelt nicht fahrlässig, da er gem. § 1979 BGB davon ausgehen konnte, dass der Nachlass entsprechend werthaltig ist. Folglich kann ihn der Fahrlässigkeitsvorwurf aus § 1980 BGB ebenfalls nicht treffen. Wenn der Erbe annehmen darf, dass der Nachlass werthaltig ist, ist ihm eine Überschuldung oder eine Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses auch nicht fahrlässig unbekannt geblieben. Schließlich ist Kern des Fahrlässigkeitsvorwurfs die Aussage, dass dem Erben bei gewissenhafter Überprüfung des Nachlassbestands die Überschuldung oder die Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses hätte gewahr werden müssen. Folglich kann festgehalten werden, dass die Anforderungen an den Fahrlässigkeitsvorwurf des § 1980 BGB mit den Voraussetzungen des § 1979 BGB identisch sind.
48 Dt. ErbRK/Jülicher, § 1980 BGB Rz. 14; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 8; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 10; Poertzgen, ZInsO 2013, 517 (520). 49 MünchKomm-InsO/Siegmann, § 320 Rz. 2; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1980 Rz. 7. 50 Soergel-BGB/Stein, § 1980 Rz. 4. 51 Zutreffend: Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1980 Rz. 8; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 8. 52 Planck-BGB/Flad, § 1980, Anm. 1 c, S. 181; RGRK-BGB/Johannsen, § 1980 Rz. 3. 53 Einzelheiten zu § 1979 BGB unter Teil 3, A. I. 2. b) dd) (1) ff.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
Der Bundesgerichtshof54 hat die Anforderungen, die § 1979 BGB an den Erben stellt, präzise festgelegt und dabei dem Erben eine umfangreiche Prüfungsverpflichtung hinsichtlich der Werthaltigkeit des Nachlasses auferlegt. In dem Urteil äußert sich der Bundesgerichtshof zu den Pflichten des Nachlassverwalters, den über die Vorschrift des § 1985 Abs. 2 Satz 2 BGB dieselben Verpflichtungen aus § 1979 BGB treffen, wie den Erben. Daher sind die für den Nachlassverwalter formulierten Anforderungen an die Prüfung des Nachlasses auf den Erben übertragbar. Dies hat der Bundesgerichtshof mit der Aussage „Ihn“ [den Nachlassverwalter] „trifft daher – ebenso wie den Erben – die Pflicht […]“ unmissverständlich klargestellt. Folglich gilt nach dem bereits Dargestellten, dass der Erbe, um nicht fahrlässig i.S.v. § 1980 BGB zu handeln, Folgendes beachten muss: Er muss sorgfältig prüfen, welche Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind und in Zukunft noch entstehen können und gleichermaßen, welche Aktiva zum Nachlass gehören und welchen Erlös er aus der Verwertung ebendieser Aktiva wird erzielen können.55 Damit der Erbe nachweisen kann, die bezeichnete Wertermittlung korrekt („Ohne ein solches Vorgehen, dessen Einzelheiten je nach den Umständen durch die Gebote des Einzelfalles bestimmt werden, darf der“ [Erbe] „nicht von der Zulänglichkeit des Nachlasses ausgehen“56) durchgeführt zu haben, werde es in aller Regel einer möglichst vollständigen Sichtung des Nachlasses, eingehender Durcharbeitung der Unterlagen des Erblassers, Rückfragen z. B. bei Angehörigen und möglichen Vertragspartnern und auch sonstiger Ermittlungen bedürfen.57 Obwohl der Bundesgerichtshof darauf hinweist, dass diese Ermittlungen zeit-, arbeits- und kostenintensiv sind, seien diese umgehend zu erledigen („die im allgemeinen sogar kaum Aufschub dulden58“). Zudem legt er diese Prüfungspflicht auch demjenigen Erben auf, der „zu dem Erblasser in engen Beziehungen stand und deshalb von vornherein mit den Verhältnissen vertraut ist“.59 Auch wenn es sich sonst um (scheinbar) klare und übersichtliche Verhältnisse handele, sei es im Allgemeinen geboten, dass der Erbe die Aktiva und Passiva des Nachlasses vollständig erfasse, bewerte und mindestens in groben Zügen aufzeichne.60 Kommt er nach den angestellten Ermittlungen zu dem Schluss, dass weitere Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sein können, sei er grundsätzlich auch verpflichtet, das Aufgebot der Nachlassgläubiger zu beantragen gem. § 1980 Abs. 2 Satz 2 BGB.
54 55 56 57 58 59 60
BGH, Urteil vom 11. 07. 1984 – IVa ZR 23/83 – NJW 1985, 140 f. BGH, Urteil vom 11. 07. 1984 – IVa ZR 23/83 – NJW 1985, 140 BGH, Urteil vom 11. 07. 1984 – IVa ZR 23/83 – NJW 1985, 140 BGH, Urteil vom 11. 07. 1984 – IVa ZR 23/83 – NJW 1985, 140 BGH, Urteil vom 11. 07. 1984 – IVa ZR 23/83 – NJW 1985, 140 BGH, Urteil vom 11. 07. 1984 – IVa ZR 23/83 – NJW 1985, 140 BGH, Urteil vom 11. 07. 1984 – IVa ZR 23/83 – NJW 1985, 140
(ebd.), (ebd.), (ebd.), (ebd.), (ebd.), (ebd.),
juris juris juris juris juris juris
Rz. 12. Rz. 14. Rz. 13. Rz. 13. Rz. 13. Rz. 13.
B. Handlungsoptionen des Erbberechtigten
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Allerdings liegt kein Verschulden des Erben vor, wenn der Erbe von der Einleitung eines Aufgebotsverfahrens absieht, weil dessen Kosten dem Bestand des Nachlasses gegenüber unverhältnismäßig groß wären, § 1980 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB. In diesem Fall soll der Erbe sich jedoch auf andere Weise einen Überblick über eine eventuell vorliegende Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses verschaffen, beispielsweise durch die Errichtung eines Inventars oder durch die Vornahme eines privaten Gläubigeraufgebots.61 Dem Fahrlässigkeitsvorwurf ist also regelmäßig der Erbe ausgesetzt, der eine wertende Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva des Nachlasses unterlässt,62 sowie derjenige Erbe, der schlicht auf einen ausreichenden Nachlass vertraut und diesen zur Gläubigerbefriedigung verwendet. Nur in absoluten Ausnahmefällen wird der Erbe daher darlegen können, dass er ohne weitere Prüfung des Nachlasses von dessen Werthaltigkeit ausgehen konnte. Von zentraler Bedeutung für den Fahrlässigkeitsvorwurf ist weiterhin, dass die unterlassene Überprüfung durch den Erben kausal für dessen Unkenntnis hinsichtlich Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit gewesen ist.63 Der Vorwurf lautet, dass der Erbe, bei Vornahme der unter den gegebenen Umständen gebotenen Ermittlungen, mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“64 Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung erlangt hätte. Die Entkräftung des Fahrlässigkeitsvorwurfs gelingt dem Erben nur, wenn er diejenigen Tatsachen darlegen und beweisen kann, die darauf schließen lassen, dass er davon ausgehen konnte, der Nachlass sei zulänglich.65 Durch eine Einigung mit allen Gläubigern des Nachlasses kann der Erbe von seiner Insolvenzantragspflicht entbunden werden.66 Dies ist allerdings nur dann eine Erfolg versprechende Lösung, wenn sämtliche Nachlassgläubiger bekannt sind und darüber hinaus auch eine entsprechende Einigung mit diesen möglich ist. c) Anforderungen an den Insolvenzantrag des Erben Dem Erben steht neben der Antragspflicht aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB auch ein Antragsrecht zu, § 317 Abs. 1 InsO. Hintergrund ist, dass gem. § 320 InsO auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund für das Nachlassinsolvenzverfahren ist. 61 Damrau-PK-Erbrecht/Gottwald, § 1980 BGB Rz. 7; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 11; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 8; Erman-BGB/Schlüter, § 1980 Rz. 4. 62 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 10; RGRK-BGB/Johannsen, § 1980 Rz. 3; Poertzgen, ZInsO 2013, 517 (520). 63 MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 8; Soergel-BGB/Stein, § 1980 Rz. 4; NK-BGBErbrecht/Krug, § 1980 Rz. 10; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1980 Rz. 7. 64 Soergel-BGB/Stein, § 1980 Rz. 4 65 Soergel-BGB/Stein, § 1980 Rz. 4. 66 MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 4; Soergel-BGB/Stein, § 1980 Rz. 5.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
Umstritten ist derzeit, ob der Erbe seine Erbenstellung gegenüber dem Insolvenzgericht durch Vorlage eines Erbscheins beweisen muss67 oder ob eine Glaubhaftmachung seiner Erbenstellung ausreicht68. Eine höchstrichterliche Entscheidung der Frage steht noch aus, zuletzt hat der Bundesgerichtshof69 die Frage ausdrücklich offen gelassen. Um sicherzustellen, dass der Antrag durch das Insolvenzgericht für zulässig erachtet wird, ist der Erbe daher aufgrund der umstrittenen Rechtslage gezwungen, seine Erbenstellung beweisen zu müssen. Folglich muss er sich die entsprechenden Mittel zum Nachweis seiner Erbenstellung vor Antragstellung beschaffen. Eine Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes bei Antragstellung durch den Alleinerben oder alle Miterben ist nicht notwendig.70 Zulässig ist der Insolvenzantrag bereits dann, wenn eine Überschuldung des Nachlasses in substantiierter, nachvollziehbarer Form dargelegt wird, ohne dass es einer Schlüssigkeit im technischen Sinn bedürfe.71 Allerdings bedarf es dann der Glaubhaftmachung (§ 4 InsO, § 294 ZPO) des Eröffnungsgrundes, wenn der Antrag bei einer Mehrzahl von Erben nicht durch alle Erben gestellt wird72, sowie wenn in den Fällen des § 318 Abs. 1 InsO die Nachlassinsolvenz nur durch einen Ehegatten beantragt wird, § 318 Abs. 2 Satz 1 InsO. d) Folgen des (Eigen-)Insolvenzantrags für den Erben Wird das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet, wird der Nachlass mitsamt den Nachlassverbindlichkeiten vom Eigenvermögen des Erblassers getrennt.73 Das Nachlassinsolvenzverfahren dient dabei einem doppelten Zweck, nämlich der Befriedigung der Nachlassgläubiger und insbesondere auch der Verwirklichung einer
67 LG Köln, Beschluss vom 24. 06. 2003 – 19 T 84/03 – NZI 2003, 501 (502); Gottwald/ Döbereiner, Insolvenzrechts-Handbuch § 113 Rz. 14; Kübler/Prütting/Bork-InsO/Holzer, § 317 Rz. 4; Nerlich/Römermann-InsO/Riering, § 317 Rz. 2; Uhlenbruck-InsO/Lüer, InsO, § 317 Rz. 2; Graf-Schlicker/Busch, InsO, § 317 Rz. 2. 68 MünchKomm-InsO/Siegmann, § 317 Rz. 2; HK-InsO/Marotzke, § 317 Rz. 3; MAHSanierung und Insolvenz/Kreplin, § 35 Rz. 15. 69 BGH, Beschluss vom 19. 05. 2011 – IX ZB 74/10 – NZI, 2011, 653 (ebd.), juris Rz. 7. 70 Gottwald/Döbereiner, Insolvenzrechts-Handbuch § 113 Rz. 14; MünchKomm-InsO/ Siegmann, § 317 Rz. 8; Nerlich/Römermann-InsO/Riering, § 317 Rz. 14. 71 So der Bundesgerichtshof zu den Antragsvoraussetzungen des ebenfalls gem. § 317 InsO antragsberechtigten Nachlasspflegers, BGH, Beschluss vom 12. 07. 2007 – IX ZB 82/04 – WM 2007, 1754 (ebd.), juris Rz. 8. 72 Gottwald/Döbereiner, Insolvenzrechts-Handbuch, § 113 Rz. 14; Nerlich/RömermannInsO/Riering, § 317 Rz. 14. 73 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 33.01; Lange, Erbrecht, S. 784 Rz. 150; Damrau-PKErbrecht/Gottwald, § 1975 BGB Rz. 5; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1975 Rz. 29; NK-BGBErbrecht/Krug, § 1975 Rz. 1; Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rz. 490; Fischinger, Die Beschränkung der Erbenhaftung in der Insolvenz, S. 10.
B. Handlungsoptionen des Erbberechtigten
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Haftungsbeschränkung des Erben.74 Das gesonderte Erbenvermögen ist in der Folge vor dem Zugriff der Nachlassgläubiger geschützt (§§ 1989, 1990, 1973 BGB).75 Zur Insolvenzmasse gem. § 35 InsO gehört nach Maßgabe der §§ 11, 315 InsO nur der Nachlass.76 Der Erbe wird jedoch so behandelt, als hätte er ab dem Zeitpunkt der Annahme der Erbschaft deren Verwaltung für die Nachlassgläubiger wie ein Beauftragter zu führen gehabt, § 1978 Abs. 1 Satz 1 BGB. Weiterhin bestehen für den Erben Auskunfts- und Rechenschaftspflichten gegenüber dem Insolvenzverwalter gem. §§ 1978 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 666 BGB. Der Erbe ist verpflichtet, alle Nachlassgegenstände, die dem Konkursbeschlag unterliegen, an den Insolvenzverwalter herauszugeben, §§ 1978 Abs. 1, 667 BGB. Weiterhin hat er dem Insolvenzverwalter nach § 260 BGB ein Nachlassverzeichnis vorzulegen und dessen Richtigkeit bei Erforderlichkeit eidesstattlich zu versichern.77 Berücksichtigt werden muss weiterhin, dass auch das Nachlassinsolvenzverfahren einen Schuldner braucht.78 Der Nachlass ist ein Sondervermögen jedoch keine Rechtspersönlichkeit, daher kommt ihm funktional nicht die Rolle des Schuldners aus §§ 17, 18 InsO zu.79 Damit dem Nachlassinsolvenzverfahren nicht das Rechtssubjekt fehlt, gegen das sich der Eröffnungsantrag richtet, ist es erforderlich, dass die Schuldnerstellung rechtlich klar definiert ist. Diese bestimmt sich allein nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften.80 Daher nimmt im Nachlassinsolvenzverfahren der Erbe (oder im Fall mehrerer bedachter Personen die Erbengemeinschaft) die auf den Nachlass beschränkte Schuldnerstellung ein,81 weil nur der Erbe Träger des 74
BGH, Beschluss vom 21. 02. 2008 – IX ZB 62/05 – BGHZ 175, 307 (311), juris Rz. 11; MünchKomm-InsO/Siegmann, Vorbem. vor § 315 bis 331. Rz. 1; Lange, Erbrecht, S. 784 Rz. 148; Braun-InsO/Bauch, Rz. 10; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 315 Rz. 3; Fischinger, Die Beschränkung der Erbenhaftung in der Insolvenz, S. 11. 75 Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 315 Rz. 3; MünchKomm-InsO/Siegmann, Anhang zu § 315 Rz. 9. 76 Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 315 Rz. 7; MünchKomm-InsO/Siegmann, Anhang zu § 315 Rz. 9; Schmidt-Kessel, WM 2003, 2086 (2086); Damrau-PK-Erbrecht/Gottwald, § 1975 BGB Rz. 8. 77 MAH-ErbR/Wiester, § 23 Rz. 118. 78 FK-InsO/Schallenberg/Raffiqpoor, vor §§ 315 Rz. 29. 79 FK-InsO/Schallenberg/Raffiqpoor, vor §§ 315 Rz. 29; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 315 Rz. 11. 80 FK-InsO/Schallenberg/Raffiqpoor, vor §§ 315 Rz. 29. 81 Absolut herrschende Meinung, vgl. BGH, Urteil vom 16. 05. 1969 – V ZR 86/68 – NJW 1969, 1349 (ebd.), juris Rz. 12; MAH-ErbR/Wiester, § 23 Rz. 110 f.; FK-InsO/Schallenberg/ Raffiqpoor, vor §§ 315 Rz. 29; MünchKomm-InsO/Siegmann, Anh. § 315 Rz. 1; Heyrath/ Jahnke/Kühn, ZInsO 2007, 1202 (1203); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 33.11; UhlenbruckInsO/Lüer, § 315 Rz. 10; Nerlich/Römermann-InsO/Riering, § 315 Rz. 11; Braun-InsO/Bauch, § 315 Rz. 3; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 2336; Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rz. 493; Hüsemann, Das Nachlaßinsolvenzverfahren, S. 26; Herzog, ErbR 2013, 71
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
Sondervermögens Nachlass und damit Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten gem. § 1967 BGB ist.82 Das bedeutet für den Erben, dass ihn im Insolvenzverfahren über den Nachlass Auskunfts- und Mitwirkungspflichten eines Schuldners im Insolvenzverfahren gem. § 97 InsO treffen. Zudem ist der Erbe über § 97 Abs. 2 InsO zur Unterstützung des Insolvenzverwalters bei dessen Aufgabenerfüllung verpflichtet. Diese Pflicht dient insbesondere der Ermittlung und Sicherstellung von dem Nachlass zugehörigen Vermögensgegenständen, umfasst aber auch die Unterstützung bei der Erstellung von Verzeichnissen, Forderungsfeststellung und die Unterstützung mit Fach- und Sachkenntnissen bei einer Betriebsfortführung im eröffneten Insolvenzverfahren.83 Verletzt der Erbe seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten, steht dem Insolvenzgericht ein umfangreicher Sanktionsapparat zur Verfügung, §§ 98 f. InsO. So kann das Gericht verlangen, dass der Erbe seine Angaben eidesstattlich versichert, § 98 Abs. 1 Satz 1 InsO, ihn zwangsweise vorführen oder ihn sogar in Haft nehmen lassen, § 98 Abs. 2 InsO. Ferner kann zur Sicherung der Verfahrenszwecke des Insolvenzverfahrens auch eine Postsperre gegen den Erben gem. § 99 InsO angeordnet werden. e) Folgen eines Verstoßes gegen § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB Verletzt der Erbe seine Insolvenzantragspflicht aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB ist er den Nachlassgläubigern zum Ersatz des durch die verzögerte Antragstellung entstandenen Schadens auch mit seinem Eigenvermögen84 verpflichtet, § 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der entstandene Schaden für die Nachlassgläubiger besteht hier in dem sogenannten Quotenschaden.85 Dieser Schaden ist nicht mit der Masseminderung gleichzusetzen, da der Schaden jeden einzelnen Gläubiger trifft, wobei dem Insolvenzverwalter die Geltendmachung der Gesamtheit dieser einzelnen
(73); Smid- InsO/Smid, § 315 Rz. 11; a.A.: Roth/Pfeuffer/Roth, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 33 – 38, der in Anlehnung an OLG Köln, Beschluss vom 14. 04. 2005 – 2 Wx 43/04 – ZInsO 2005, 825 f. zu der Auffassung gelangt, an Stelle des Schuldners solle von derjenigen Person gesprochen werden, welche die verfahrensmäßige Stellung des Schuldners einnehme; ders., ZVI 2014, 45 (46 f.). 82 MünchKomm-InsO/Siegmann, Anh. § 315 Rz. 1; FK-InsO/Schallenberg/Raffiqpoor, vor §§ 315 Rz. 29; MAH-ErbR/Wiester, § 25 Rz. 110; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 315 Rz. 11; NKBGB-Erbrecht/Krug, § 1975 Rz. 1; HK-InsO/Marotzke, vor §§ 315 ff. Rz. 7. 83 MAH-ErbR/Wiester, § 23 Rz. 119. 84 MünchKommBGB/Küpper, § 1980 Rz. 10; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1980 Rz. 6; Erman-BGB/Schlüter, § 1980 Rz. 5; Busch, ErbR 2012, 335 (336 f.). 85 Siehe dazu unten Teil 3, A. II. 1.
B. Handlungsoptionen des Erbberechtigten
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Quotenschäden obliegt.86 Eine andere Betrachtungsweise ließe die Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Befriedigung der Gläubiger außer Acht: Entscheidend ist, wie die vorhandenen Insolvenzgläubiger bei rechtzeitiger Einleitung des Insolvenzverfahrens gestanden hätten.87 Daher kommt Ersatz nur in Betracht, soweit die Insolvenzgläubiger im Verfahren weniger erhalten, als sie bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags erhalten hätten.88 Schäden für die Gläubiger können dabei jedoch nicht nur dadurch entstehen, dass sich zwischenzeitlich einzelne Gläubiger auf Kosten der anderen voll befriedigen sondern auch dadurch, dass unnötige Prozesse und Vollstreckungskosten verursacht oder zwecklose sonstige Maßnahmen getroffen werden.89 Von gewichtiger Bedeutung ist § 1980 BGB auch im Rahmen einer möglichen Verfristung von andernfalls bestehenden Insolvenzanfechtungsansprüchen aus §§ 129 ff. InsO. Für die in allen Anfechtungstatbeständen der §§ 130 – 136 InsO vorgesehenen Anfechtungsfristen ist gem. § 139 Satz 1 InsO auf den Tag abzustellen, an dem der Eröffnungsantrag bei Gericht eingegangen ist. Sollte dem Insolvenzverwalter daher die Geltendmachung eines dem Grunde nach bestehenden Insolvenzanfechtungsanspruchs wegen Verfristung nicht möglich sein, ist durch diesen zu prüfen, ob der Anspruch bei einer rechtzeitigen Antragstellung durch den Erben noch fristgerecht hätte geltend gemacht werden können. Ist dies der Fall, so ist auch die den Gläubigern durch die nun entgangene Anfechtungsmöglichkeit entstandene verringerte Befriedigungsquote vom Erben zu ersetzen. Besondere Brisanz gewinnt diese Überlegung, wenn man sich vor Augen führt, dass gerade Erben im Nachlassinsolvenzverfahren häufig Anfechtungsansprüchen ausgesetzt sind und ihre eigene Inanspruchnahme durch eine verspätete Antragstellung, die eine Verfristung der Insolvenzanfechtungsansprüche zur Folge haben kann, andernfalls zum Nachteil der Gläubiger beeinflussen könnten.
86 OLG Köln, Urteil vom 23. 11. 2011 – 2 U 92/11, I-2 U 92/11 – NZI 2012, 1030 (1032), juris Rz. 61; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1980 Rz. 12; Damrau-PK-Erbrecht/Gottwald, § 1980 BGB Rz. 9. 87 OLG Köln, Urteil vom 23. 11. 2011 – 2 U 92/11, I-2 U 92/11 – NZI 2012, 1030 (1032), juris Rz. 61; MünchKommBGB/Küpper, § 1980 Rz. 10; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1980 Rz. 6. 88 OLG Köln, Urteil vom 23. 11. 2011 – 2 U 92/11, I-2 U 92/11 – NZI 2012, 1030 (1032), juris Rz. 61; MünchKommBGB/Küpper, § 1980 Rz. 10; Poertzgen, ZInsO 2013, 517 (521); StaudingerBGB/Marotzke, § 1980 Rz. 16; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1980 Rz. 6; NK-BGBErbrecht/Krug, § 1980 Rz. 12; Damrau-PK-Erbrecht/Gottwald, § 1980 BGB Rz. 9; ErmanBGB/Schlüter, § 1980 Rz. 5. 89 So Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 16; MünchKommBGB/Küpper, § 1980 Rz. 10.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
f) Zwischenergebnis Will der Erbe eine eigene Haftung wegen verzögerter Insolvenzantragstellung ausschließen, ist er gezwungen, umfangreiche Ermittlungen hinsichtlich des Nachlassbestandes durchzuführen. Bereits dann, wenn er aufgrund seiner Ermittlungen eine Überschuldung nicht gänzlich ausschließen kann, wird er einen Insolvenzantrag über das Vermögen des Nachlasses stellen, um sich nicht dem Fahrlässigkeitsvorwurf ausgesetzt zu sehen. Damit er nicht riskiert, dass der Antrag als unzulässig zurückgewiesen wird, muss der Erbe das Vorliegen eines Insolvenzgrundes in nachvollziehbarer Form darlegen, was umfangreiche Ermittlungsarbeiten des Erben voraussetzt. Auch eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens entlässt den Erben nicht vollständig aus der Abwicklung des Verfahrens – nimmt er doch als Schuldner90 am Nachlassinsolvenzverfahren teil; insbesondere treffen ihn Auskunfts- und Mitwirkungspflichten, § 97 InsO. Sieht sich ein vorläufiger Erbe mit einem voraussichtlich überschuldeten Nachlass konfrontiert, dürfte seine Motivation, die Erbschaft anzunehmen, daher nur in Ausnahmefällen91 bestehen.
III. Ausschlagung der Erbschaft: Aktuell zu beobachtende Verfahrensweise von Erbberechtigten überschuldeter Nachlässe aufgrund anzutreffender Beratungspraxis In Ansehung der Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten, der Haftungsgefahren wegen verzögerter Insolvenzantragstellung und den Folgen eines Insolvenzverfahrens für den Erben als Verfahrensschuldner im Insolvenzverfahren gibt es gute Gründe, die gegen die Annahme einer überschuldeten Erbschaft sprechen. Daher ist vorgesehen, dass der Anfall einer Erbschaft auch wieder beseitigt werden kann. Das Gesetz nötigt dem Erben die Erbschaft nicht gegen seinen Willen auf.92 Jedem Erbe steht grundsätzlich das Recht zu, die Erbschaft auszuschlagen, § 1942 Abs. 1 BGB. Macht der Erbe von seinem Ausschlagungsrecht Gebrauch, hat dies zur Folge, dass der kraft Gesetz mit dem Erbfall verbundene Eintritt in die Rechte- und Pflichtenstellung des Erblassers unterbleibt. Der Anfall der Erbschaft an den Ausschlagenden gilt gem. § 1953 Abs. 1 BGB als nicht erfolgt. Der Ausschlagende wird behandelt, als habe er die Erbschaft nie erhalten.93 Die Erbschaft fällt dann gem. 90
Absolut herrschende Meinung, vgl. die Nachweise in Fn. 81. Denkbar ist beispielsweise, dass der Erbe sich moralisch verpflichtet fühlt, die Verbindlichkeiten des Erblassers zu begleichen, um dessen Reputation zu erhalten oder zu verbessern. Festzuhalten ist jedoch, dass die Entscheidungshoheit der Annahme stets allein dem Erben obliegt. Dessen Motive können schlicht nicht eingeschätzt werden, vgl. zum Sicherungsinteresse des Erben bei Überschuldung umfassend unten Teil 1, C. I. 3. b) dd). 92 Zutreffend: MAH-ErbR/Malitz, § 22 Rz. 1. 93 Lange, Erbrecht, § 38 Rz. 37; MAH-ErbR/Malitz, § 22 Rz. 17. 91
B. Handlungsoptionen des Erbberechtigten
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§ 1953 Abs. 2 BGB rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erbfalls demjenigen an, der berufen sein würde, wenn der Ausschlagende im Zeitpunkt des Erbfalls nicht gelebt hätte. Bei einem überschuldeten Nachlass hat die Ausschlagung für den Erben zahlreiche Vorteile: Die zeit- und kostenintensive exakte Ermittlung des Nachlasswertes kann unterbleiben, schließlich trifft den Erben keine Verpflichtung, sich vor der Annahme der Erbschaft um den Nachlass zu kümmern.94 Geht er davon aus, der Nachlass sei überschuldet, ist die Ausschlagung der einfachste Weg, weitere Belastungen wegen der ihm angefallenen Erbschaft zu vermeiden. Sein vorrangiges Interesse ist also auf einen Überblick über die Nachlassverhältnisse gerichtet, die eine verlässliche Aussage über das potenzielle Haftungsrisiko des Erben ermöglicht. Ihn treffen durch die Ausschlagung auch im Nachlassinsolvenzverfahren keinerlei Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (sofern er nicht aktiv in den Nachlassbestand eingegriffen hat). Zur Auskunft und Mitwirkung im Insolvenzverfahren wäre der Erbe im Nachlassinsolvenzverfahren hingegen verpflichtet95 – daher ergibt eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass über ein Nachlassinsolvenzverfahren, in welchem dem Erben die Schuldnerstellung zukommt96 aus Sicht des Erben bei ökonomischer Betrachtung wenig Sinn.97 Die Ausschlagung hat freilich nicht zur Folge, dass den ausschlagenden Erben keine Verantwortlichkeit für die bisherige Verwaltung des Nachlasses trifft. Wer eine ihm angefallene Erbschaft ausgeschlagen hat, haftet nicht den Nachlassgläubigern nach § 1978 BGB, sondern dem endgültigen Erben nach § 1959 BGB.98 Der Ausschlagende hat folglich (sofern er in irgendeiner Form für den Nachlass aktiv wird) die Interessen des Erben als Geschäftsherrn zu wahren und dessen mutmaßlichen Willen zu berücksichtigen, § 677 BGB. Das Risiko ist allerdings überschaubar, wenn der ausschlagende Erbe vor der Ausschlagung nichts unternommen hat (wozu er als vorläufiger Erbe berechtigt ist), außer sich über den Nachlassbestand zu informieren.
94 OLG Braunschweig, Urteil vom 13. 07. 1920 – 2. ZS – OLGE 42, 204 (ebd.): „aber eine Verpflichtung zur Erfüllung aller aus dem Nachlasse ruhender Leistungen liegt ihm nicht ob“; Nöll, Der Tod des Schuldners in der Insolvenz, S. 78 Rz. 204; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1959 Rz. 4; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1959 Rz. 1; Muscheler, Erbrecht, Rz. 1080; Lange, Erbrecht, § 42 Rz. 1; MAH-Erbrecht/Siegmann, § 23 Rz. 28. 95 Ausnahmsweise könnte dem Erben an einer derartigen Mitwirkung jedoch gelegen sein, beispielsweise, wenn er die Sanierung eines Familienunternehmens unterstützend begleiten will und durch Fachwissen zu einer erfolgreichen Sanierung beitragen kann. 96 Absolut herrschende Meinung, vgl. die Nachweise in Fn. 81. 97 MAH-ErbR/Malitz, § 22 Rz. 2. 98 OLG Celle, Urteil vom 09. 06. 1970 – 10 U 196/69 – MDR 1970, 1012 (ebd.); Staudinger-BGB/Marotzke, § 1978 Rz. 4; RGRK-BGB/Johannsen; § 1978 Rz. 1 f.; BeckOK-BGB/ Lohmann, § 1978 Rz. 2; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1978 Rz. 9.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
Erst mit Tätigwerden im Wirkungskreis des Nachlasses kann eine Verantwortlichkeit begründet werden.99 Wenn der Erbe davon überzeugt ist, dass der Nachlass überschuldet ist, wird er regelmäßig von seinem Ausschlagungsrecht Gebrauch machen und das Erbe ausschlagen,100 es sei denn, dass die wirtschaftlichen Erwägungen ausnahmsweise durch die persönliche Verbundenheit zum Erblasser überlagert werden.101 Aufgrund der ihm bei Annahme der Erbschaft trotz Möglichkeit der Haftungsbeschränkung drohenden umfangreichen Haftungsrisiken hat der Erbe an einem überschuldeten Nachlass regelmäßig kein ökonomisches Interesse. Daher ist die Überschuldung des Nachlasses auch der Hauptgrund für Erbschaftsausschlagungen.102 Die Ausschlagung der Erbschaft ist die sicherste Möglichkeit, das Eigenvermögen vor einem Zugriff der Nachlassgläubiger zu schützen.103
C. Handlungsoptionen des Nachlassgerichts Im Gegensatz zu werthaltigen Nachlässen besteht bei überschuldeten Nachlässen die Besonderheit, dass alle bekannten Erben regelmäßig die Erbschaft unter Bezugnahme auf die Überschuldung oder wegen vermuteter Überschuldung ausschlagen, mit der Folge, dass die Erbensuche an anderer Stelle fortgeführt werden muss, um einen Erben ermitteln zu können.104 Es fehlt also bei überschuldeten Nachlässen zumeist an einer (dem Nachlassgericht) bekannten erbberechtigten bzw. erbfähigen Person. Hinzu kommt, dass die Gefahr der tatsächlichen Verwaltungslosigkeit des Nachlasses droht.
99 Da der Erbe vor der Annahme der Erbschaft sich nicht um den Nachlass kümmern muss, kann ihm durch bloße Passivität insoweit kein Nachteil erwachsen. Wird er tätig, ist seine Entscheidung über die Annahme darüber entscheidend, ob er den Nachlassgläubigern gem. § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Geschäftsführung vor Annahme oder dem endgültigen Erben nach § 1959 Abs. 1 BGB für die Geschäftsführung vor Ausschlagung verantwortlich ist. 100 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rz. 2: „Bei überschuldeten oder wertlosen Nachlässen wird der u. U. mühsam erforschte Erbe die Erbschaft regelmäßig ausschlagen und somit die Fortführung der Erbensuche veranlassen.“. 101 MAH-ErbR/Malitz, § 22 Rz. 2. 102 MAH-ErbR/Malitz, § 22 Rz. 17; Siebert, ZEV 2010, 454 (ebd.); Gothe, MittRhNotK 1998, 194 (ebd.). 103 Joachim, ZEV 2005, 99 (ebd.); MAH-ErbR/Malitz, § 22 Rz. 2; Gothe, MittRhNotK 1998, 194 (ebd.). 104 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rz. 2; vgl. auch Nöll, ZInsO 2012, 814 (815).
C. Handlungsoptionen des Nachlassgerichts
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I. Anordnung einer Sicherungspflegschaft gem. § 1960 Abs. 2 BGB 1. Allgemeines Liegen die Voraussetzungen des § 1960 Abs. 1 BGB vor, ist das Nachlassgericht verpflichtet, für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen. Zur Sicherung des Nachlassbestands stehen dem Nachlassgericht zahlreiche Varianten offen, welches insbesondere zur Anlegung von Siegeln, der Hinterlegung von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten sowie der Anordnung der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses berechtigt ist und für denjenigen, welcher Erbe wird, einen Pfleger (Nachlasspfleger) bestellen kann, vgl. § 1960 Abs. 2 BGB. Die Sicherungspflegschaft ist dabei das populärste nachlassgerichtliche Sicherungsinstrument, weil die Erbenermittlung regelmäßig längere Zeit andauert und sachliche Sicherungsmittel nicht in gleicher Weise geeignet sind,105 den Nachlass zu sichern und zu erhalten. Die Sicherungspflegschaft wird also von Amts wegen angeordnet. Dazu kann das Gericht gem. § 1960 Abs. 2 BGB „für denjenigen, welcher Erbe wird“ einen Nachlasspfleger bestellen. Ziel der Sicherungspflegschaft ist es, den Nachlass vor unberechtigter Verkürzung durch Dritte zu schützen.106 Das Vermögen des Erblassers soll dergestalt erhalten werden, dass der Erbe es so vorfindet, wie es sich beim Tod des Erblassers befunden hat.107 Weiterhin hat der Nachlasspfleger die Vermögensinteressen des zukünftigen Erben wahrzunehmen.108 Um eine ordnungsgemäße Erfüllung dieser Aufgaben zu gewährleisten, muss sich der Nachlasspfleger, bevor er den Nachlass an sich nimmt, zuvor einen allgemeinen Überblick über die näheren Lebens- und Einkommensverhältnisse des Erblassers verschaffen.109 Diese Erkenntnisse ermöglichen es dem Nachlasspfleger, den Nachlass in seiner Gesamtheit zu erfassen. Daher ist der Nachlasspfleger – ebenso wie der Schuldner – regelmäßig in der Lage, die Vermögensverhältnisse des Erblassers in substantiierter, verständlicher Weise darzulegen.110
105 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 29; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 31; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1960 Rz. 6. 106 Mugdan, Band V, S 852; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 1; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 31; Damrau-PK-Erbrecht/Boecken, § 1960 BGB Rz. 1. 107 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 1; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 31; jurisPK-BGB/Wildemann, § 1960 Rz. 1. 108 BGH, Beschluss vom 12. 07. 2007 – IX ZB 82/04 – WM 2007, 1754 (ebd.), juris Rz. 11. 109 BGH, Beschluss vom 12. 07. 2007 – IX ZB 82/04 – WM 2007, 1754 (ebd.), juris Rz. 11. 110 BGH, Beschluss vom 12. 07. 2007 – IX ZB 82/04 – WM 2007, 1754 (ebd.), juris Rz. 11.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
2. Formelle Voraussetzungen Besondere formelle Voraussetzungen bestehen nicht. Die Nachlasspflegschaft des § 1960 Abs. 2 BGB wird von Amts wegen angeordnet, wenn die materiellen Voraussetzungen des § 1960 BGB vorliegen. 3. Materielle Voraussetzungen a) Sicherungsanlass i.S.v. § 1960 Abs. 1: Unklarheit über die Person des endgültigen Erben Voraussetzung der gerichtlichen Nachlassfürsorge ist zunächst das Vorliegen eines Sicherungsanlasses, vgl. § 1960 Abs. 1 BGB. Dieser ist die Unklarheit des Nachlassgerichts über den endgültigen Erben.111 So nennt die Vorschrift die denkbaren Konstellationen, in denen Unklarheit über die Person des Erben besteht: Unklarheit besteht daher bis zur Annahme der Erbschaft (vor der Annahme der Erbschaft ist derjenige, der die Erbschaft angenommen hat, lediglich werdender Erbe), bei ungewisser Annahme (wenn die Handlungen des vorläufigen Erben nicht erkennen lassen, ob es sich um Nachlassfürsorge oder eine Annahme der Erbschaft handelt) oder bei unbekanntem Erben (wenn über die Person des Erben Unklarheit herrscht).112 Die Annahme der Erbschaft gem. § 1943 Abs. 1 BGB beendet den Schwebezustand (der Erbe ist berechtigt, den Anfall der Erbschaft durch Ausschlagung mit Rückwirkung auf den Erbfall zu beseitigen) und ändert die Rechtsstellung des vorläufigen Erben hin zum endgültigen Erben. Zur Annahme einer Erbschaft hat der Erbe drei Möglichkeiten. Da das Gesetz die Wirksamkeit der Erklärung nicht von der Einhaltung einer bestimmte Form abhängig macht, kann die Annahme entweder ausdrücklich schriftlich oder mündlich sowie durch schlüssiges Verhalten (sog. pro herede gestio113) erklärt werden. Letztlich gilt die Erbschaft nach der Fiktion des § 1943 Halbsatz 2 BGB auch dann als angenommen, wenn der Erbe die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB verstreichen lässt. Dieses Tatbestandsmerkmal bereitet im Umgang mit überschuldeten Nachlässen meist keine Schwierigkeiten, da alle bekannten Erbberechtigten unter Hinweis auf die mögliche oder bekannte Überschuldung ausschlagen.114 Bei überschuldeten
111 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 8 – 17; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1960, vor Rz. 1; MAH-ErbR/Benninghoven, § 53 Rz. 6; Damrau-PK-Erbrecht/Boecken, § 1960 BGB Rz. 2; JurisPK-BGB/Wildemann, § 1960 Rz. 1. 112 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 8 – 10; Damrau-PK-Erbrecht/Boecken, § 1960 BGB Rz. 2 – 8. 113 Vgl. dazu die Ausführungen bei Muscheler, Rz. 2913 ff.; Staudinger-BGB/Otte, § 1943 Rz. 7 f. 114 Siehe zum Problem der Kettenausschlagungen oben Teil 1, B. III.
C. Handlungsoptionen des Nachlassgerichts
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Nachlässen liegt daher regelmäßig Unklarheit über die Person des Erben und damit ein Sicherungsanlass gem. § 1960 Abs. 1 BGB vor. b) Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses Neben der Unklarheit über die Person des Erben als Sicherungsanlass ist kumulative Voraussetzung für die Einleitung der Sicherungspflegschaft gem. § 1960 Abs. 2 BGB, dass ein Bedürfnis für die Sicherung des Nachlasses besteht.115 Das Vorliegen von Umständen, die einen Sicherungsanlass bedeuten, ist für das Ergreifen nachlassgerichtlicher Sicherungsmaßnahmen allein daher nicht ausreichend.116 Bevor eine Stellungnahme zur Frage einer möglichen Sicherungsbedürftigkeit i.S.v. § 1960 BGB bezüglich eines überschuldeten Nachlasses diskutiert wird, erfolgt zunächst eine Erläuterung dieses sehr komplexen Tatbestandsmerkmals. Zuvorderst ist das Fürsorgebedürfnis (neben der Unklarheit über die Person des Erben) eine Voraussetzung, welche den Nachlass sichernde Maßnahmen durch das Nachlassgericht gleichermaßen ermöglicht und bestimmt. Dabei indiziert das Sicherungsbedürfnis die vom Nachlassgericht anzuordnende Sicherungsmaßnahmen, die in § 1960 Abs. 2 BGB genannt sind.117 Damit einhergehend ist der Umfang der gerichtlichen Nachlassfürsorge aber auch durch das Sicherungsbedürfnis begrenzt, da diese dem Nachlassgericht nur in dem Umfang aufgetragen ist „soweit ein Bedürfnis besteht“, § 1960 Abs. 1 BGB. Die Sicherungsmaßnahmen des Nachlassgerichts dürfen folglich nicht weitergehen, als es das Sicherungsbedürfnis verlangt.118 Dem Sicherungs- oder Fürsorgebedürfnis des § 1960 BGB kommt daher eine Doppelfunktion zu:119 aa) Wann besteht ein Sicherungsbedürfnis i.S.v. § 1960 BGB? Ein Sicherungsbedürfnis bezeichnet die Notwendigkeit, den Nachlass mit Hilfe des Nachlassgerichts zu schützen, was immer dann der Fall ist, wenn aus der Per115 KG Berlin, Urteil vom 03. 08. 1998 – 12 U 2379/97 – NJWE-FER 1999, 184 (ebd.), juris Rz. 32; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03. 12. 1997 – 3 Wx 278/97 – NJWE-FER 1998, 85 (ebd.), juris Rz. 15. Hausmann/Hohloch/Löhnig, Handbuch des Erbrechts, Kapitel 18 Rz. 13; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1960 Rz. 13; Burandt/Rojahn-BGB/Trimborn von Landenberg, § 1960 Rz. 10; Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 2; Lange, Erbrecht, § 47 Rz. 5; Damrau-PKErbrecht/Boecken, § 1960 BGB Rz. 12; Roth, ZInsO 2013, 1567 (1568). 116 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07. 09. 2012 – I-3 Wx 141/12, 3 Wx 141/12 – FGPrax 2012, 260 (ebd.), juris Rz. 27; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03. 12. 1997 – 3 Wx 278/ 97 – NJWE-FER 1998, 85 (ebd.), juris Rz. 15. 117 Zutreffend: Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 62. 118 Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 2; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 62; Lange, Erbrecht, § 47 Rz. 4 f.; Damrau-PK-Erbrecht/Boecken, § 1960 BGB Rz. 12. 119 Vgl. zum Ganzen die umfassenden Ausführungen von Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 61 ff.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
spektive und im Zeitpunkt der Entscheidung des Nachlassgerichts dem Nachlass Gefahren aufgrund seiner faktischen Herrenlosigkeit (ausgelöst durch die Ungewissheit über die Erbfolge) drohen und keine Person vorhanden ist, die diesen Gefahren in vertrauenswürdiger Art und Weise120 begegnet.121 Bezugspunkt für das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses ist eine Gefährdung für den Bestand des Nachlasses122, wenn ein Eingreifen des Nachlassgerichts unterbliebe.123 Denkbar ist dies immer dann, wenn aufgrund der Ungewissheit über die Erbfolge faktisch niemand für den Erhalt des Nachlassbestands Sorge trägt. Eine Gefahr für den Nachlassbestand droht in diesen Fällen einerseits durch den unberechtigten Zugriff auf Nachlassgegenstände durch Dritte (naheliegendes Gefährdungspotenzial ist hier sicherlich das „Beiseiteschaffen“124 von Vermögenswerten aus dem Nachlass), wodurch dessen Bestand geschmälert wird, oft mit dem Ergebnis, dass im Zeitpunkt, in dem der Erbe die Nachlassfürsorge übernimmt, von den Aktiva des Nachlasses nichts mehr übrig ist. Allerdings muss auch der Schaden für den Nachlass bei einer unterbliebenen Geltendmachung von zum Nachlass gehörenden Ansprüchen in die Prüfung eines bestehenden Sicherungsbedürfnisses einbezogen werden. Die Werthaltigkeit dieser Ansprüche im Zeitpunkt des Erbfalls ist als Ausgangspunkt für eine etwaige Gefährdung des Nachlassbestandes zu nennen. Verfügten beispielsweise der Erblasser und seine Lebensgefährtin über ein gemeinsames Konto mit entsprechendem Guthabensaldo, ist die Sicherung des Anspruchs des Erblassers gegen das Kreditinstitut auf Auszahlung des ihm zustehenden Betrages Teil der Nachlasssicherung. Ein ungerechtfertigter Zugriff der Lebensgefährtin auf den Teil des Guthabens, der dem Erblasser zustand, muss verhindert werden. Bei einer Verwaltung des Nachlasses durch eine vertrauenswürdige und dazu befähigte Person (wie z. B. den vorläufigen Erben, Ehegatten, Miterben oder andere Verwandte des Erblassers) besteht daher kein Bedürfnis zur Anordnung einer Nachlasspflegschaft.125 120 OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. 08. 2004 – 14 Wx 21/04 – FamRZ 2005, 836 (837); Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 5; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 14. 121 Derart zutreffend und konkret statt aller: Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 63. 122 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. 10. 1994 – 3 Wx 232/93 – FamRZ 1995, 895 (896), juris Rz. 27; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. 08. 2004 – 14 Wx 21/04 – FamRZ 2005, 836 (837); OLG Karlsruhe, Beschluss vom 02. 05. 2003 – 14 Wx 3/03 – FamRZ 2004, 222 (223), juris Rz. 35; Palandt/Weidlich, § 1960 Rz. 1; Mayer, ZEV 2010, 445 (448); Damrau-PKErbrecht/Boecken, § 1960 BGB Rz. 13; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1960 Rz. 35; JurisPKBGB/Wildemann, § 1960 Rz. 12. 123 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07. 09. 2012 – I-3 Wx 141/12, 3 Wx 141/12 – FGPrax 2012, 260 (ebd.), juris Rz. 29; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09. 02. 2001 – 3 Wx 350/00, 3 Wx 366/00 – ZEV 2001, 366 (368), juris Rz. 32; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. 10. 1994 – 3 Wx 232/93 – FamRZ 1995, 895 (896), juris Rz. 27; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03. 12. 1997 – 3 Wx 278/97 – NJWE-FER 1998, 85 (ebd.), juris Rz. 15. 124 Vgl. Mugdan, Band V, S. 852. 125 OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. 08. 2004 – 14 Wx 21/04 – FamRZ 2005, 836 (837); Düsseldorf, Beschluss vom 21. 10. 1994 – 3 Wx 232/93 – FamRZ 1995, 895 (896), juris Rz. 34;
C. Handlungsoptionen des Nachlassgerichts
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Ob ein Sicherungsbedürfnis vorliegt, wird vom Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilt,126 wobei sich dieses an den Interessen des endgültigen Erben an Sicherung und Erhaltung des Nachlasses zu orientieren hat.127 bb) Konkretes Sicherungsbedürfnis erforderlich? Streitig ist, ob es eines konkreten Sicherungsbedürfnisses zur Anordnung einer Nachlasspflegschaft bedarf oder ob dies auch allein zum Zweck der Erbenermittlung geschehen kann. (1) Sicherungspflegschaft allein zum Zweck der Erbenermittlung? Vertreten wird, dass die Anordnung einer Nachlasspflegschaft auch allein zum Zwecke der Erbenermittlung möglich sei, ohne dass ein sicherungsbedürftiger Nachlass vorliegen müsse.128 Stein stellt das Interesse des Erben an der Nachlasssicherung in den Vordergrund, welches auch ohne eine konkrete Gefährdung des Nachlasswertes bestehe, namentlich bereits dann, wenn der Erbe keine Kenntnis vom Anfall der Erbschaft habe und daher nicht in der Lage sei, auf das Vermögen zuzugreifen.129 Bei Lange130 findet sich das folgende Beispiel, um diese Auffassung zu bekräftigen: Erblasserin E stirbt. Ihre Alleinerbin ist ihre Cousine C. Diese betreibt eine Krankenstation in einem sehr entlegenen Gebiet des brasilianischen Urwalds. Allerdings ist ihr genauer Aufenthaltsort unbekannt. Auch telefonisch kann sie nicht erreicht werden. MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 19; Lange, Erbrecht, § 47 Rz. 8; Staudinger-BGB/ Marotzke, § 1960 Rz. 14; einschränkend für Erbprätendenten und Verwandte: Soergel-BGB/ Stein, § 1960 Rz. 10; Zimmermann, ZEV 1995, 112 f. 126 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07. 09. 2012 – I-3 Wx 141/12, 3 Wx 141/12 – FGPrax 2012, 260 (ebd.), juris Rz. 27; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03. 12. 1997 – 3 Wx 278/ 97 – NJWE-FER 1998, 85 (ebd.), juris Rz. 29; OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. 11. 2004 – 20 W 91/04 – BeckRS 2005, 00332, juris Rz. 23; Firsching/Graf/Graf, Nachlassrecht, Rz. 4.554; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 18; Tidow, Rpfleger 1991, 400 (404). 127 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07. 09. 2012 – I-3 Wx 141/12, 3 Wx 141/12 – FGPrax 2012, 260 (ebd.), juris Rz. 30, 33; OLG Düsseldorf Beschluss vom 03. 12. 1997 – 3 Wx 278/ 97 – FamRZ 1998, 583 (584), juris Rz. 15; wohl auch OLG Köln v. 04. 01. 1989 – 2 Wx 39/ 88 – NJW-RR 1989, 454 (455), juris Rz. 21; KG Berlin, Beschluss vom 13. 11. 1970 – 1 W 7814/70 – OLGZ 71, 210 = NJW 1971, 565 (565); Palandt/Weidlich, § 1960 Rz. 5; StaudingerBGB/Marotzke, § 1960 Rz. 13; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 18; Soergel-BGB/ Stein, § 1960 Rz. 10; Palandt/Weidlich, § 1960 Rz. 2; Burandt/Rojahn-BGB/Trimborn von Landenberg, § 1960 Rz. 10; Lange, Erbrecht, § 47 Rz. 7; Haas, ZEV 2009, 270 (273). 128 KG Berlin, Beschluss vom 13. 11. 1970 – 1 W 7814/70 – OLGZ 71, 210 = NJW 1971, 565 (565); Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, S. 30 Rz. 49; Soergel-BGB/Stein, § 1960 Rz. 10; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 18; Tidow, Rpfleger 1991, 400 (404). 129 Zustimmend zu KG Berlin, Beschluss vom 13. 11. 1970 – 1 W 7814/70 – OLGZ 71, 210 = NJW 1971, 565 (566): Soergel-BGB/Stein, § 1960 Rz. 10. 130 Lange, Erbrecht, § 47 Rz. 7.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
Da C vom Anfall der Erbschaft keine Kenntnis habe und den Nachlass folglich für eine gewisse Zeit nicht in Besitz nehmen könnte, bejaht Lange131 hier ein Sicherungsbedürfnis auch ohne „konkretisierte Gefährdung“ für den Bestand des Nachlasses. (2) Konkrete Anhaltspunkte der Nachlassgefährdung erforderlich Die Gegenauffassung lehnt die Anordnung einer Nachlasspflegschaft allein zum Zwecke der Erbenermittlung ab. Für die Gefährdung des Nachlasses müssten konkrete Anhaltspunkte132 vorliegen, die über die bloße Unsicherheit, wer Erbe geworden ist, hinausgehen.133 Zu denken ist hier beispielsweise an einen Nachlass, der nach Art und Umfang eine als ungewöhnlich schwierig und bedeutsam einzustufende Verwaltung erfordert, die nur durch einen Nachlasspfleger sichergestellt werden kann, weil das Nachlassgericht den für die Verwaltung des Nachlasses potenziell infrage kommenden Personen eine Verwaltung des Nachlasses im Interesse des unbekannten Erben nicht zutraut.134 Auch objektivierte Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der den Nachlass verwaltenden Person begründen ein Sicherungsbedürfnis für den Nachlass.135 Zimmermann136 wendet gegen diese Auffassung ein, sie habe zur Folge, dass in den Fällen unbekannter Erben ohne sicherungsbedürftigen Nachlass eine Pflegschaft für unbekannte Beteiligte durch das Betreuungsgericht zu bestellen sei gem. § 1913 BGB. Dies sei sach- und systemfremd, da die Erbensuche zum Aufgabenbereich von Nachlassgericht und Nachlasspfleger gehöre. (3) Bewertung und eigene Auffassung Bei detaillierter Betrachtung fällt auf, dass die zuerst dargestellte Auffassung, Anordnung von Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Erbenermittlung, sei auch ohne Gefährdung des Nachlassbestands möglich, Ungereimtheiten aufweist. Die im Beispiel von Lange beschriebene Situation137 lässt keine Zweifel am Vorliegen eines
131
Lange, Erbrecht, § 47 Rz. 7. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03. 12. 1997 – 3 Wx 278/97 – NJWE-FER 1998, 85 (ebd.), juris Rz. 15; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. 08. 2004 – 14 Wx 21/04 – FamRZ 2005, 836 (837); Mayer, ZEV 2010, 445 (448); Kroiß, ErbR 2013, 110 (112). 133 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03. 12. 1997 – 3 Wx 278/97 – NJWE-FER 1998, 85 (ebd.), juris Rz. 15; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. 08. 2004 – 14 Wx 21/04 – FamRZ 2005, 836 (837). 134 Vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 02. 05. 2003 – 14 Wx 3/03 – FamRZ 2004, 222 (223), juris Rz. 39. 135 Zum Fall eines vertrauensunwürdigen Erben: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03. 12. 1997 – 3 Wx 278/97 – NJWE-FER 1998, 85 (ebd.), juris Rz. 15. 136 Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, S. 30 Rz. 49. 137 Siehe dazu bereits oben Teil 1, C. I. 3. b) bb) (1). 132
C. Handlungsoptionen des Nachlassgerichts
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Fürsorgeanlasses, da mangels Kenntnis der Alleinerbin vom Anfall der Erbschaft unstreitig ist, dass sie die Erbschaft noch nicht angenommen hat. Ebenfalls nicht von der Hand zu weisen ist ein grundsätzlich bestehendes Interesse der Erbin an ihrer Ermittlung zwecks Mitteilung des Erbschaftsanfalls. Ob dafür allerdings aus Sicht der Erbin auch die Anordnung einer Nachlasspflegschaft von Nöten ist, muss bezweifelt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn man sich vor Augen führt, dass nach einhelliger Meinung, der sich auch Lange138 anschließt, kein Sicherungsbedürfnis besteht, wenn der Nachlass von einer vertrauenswürdigen Person zuverlässig verwaltet wird. Hierbei soll es auf eine Inbesitznahme des Nachlasses durch den Erben nicht ankommen. Tatsächlich ist es vollkommen irrelevant, wo sich der Erbe aufhält – entscheidend ist die Tatsache, dass er vom Anfall der Erbschaft keine Kenntnis hat. Dieser Fall stellt jedoch ohne Weiteres einen Sicherungsanlass i.S.v. § 1960 Abs. 1 BGB dar. Die Tatsache, dass der Erbe keine Kenntnis vom Anfall der Erbschaft hat, bedeutet noch nicht, dass der Nachlass (und sei es auch nur abstrakt) gefährdet ist. Ob eine Nachlasspflegschaft erforderlich ist, hängt jedoch von etwas anderem ab. Zentraler Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses aus Sicht des Erben als Grundlage einer Nachlasspflegschaft muss die Frage der Sicherung und Erhaltung des Nachlassbestands sein. Zutreffend rückt Zimmermann139 dazu den Vermögensbestand des Nachlasses in den Vordergrund und fragt, ob Fürsorge für dieses Vermögen übernommen wird. Entscheidend ist daher, ob aus Sicht des Erben der Nachlass fürsorgebedürftig ist oder ob diese Fürsorge im Interesse des Erben im Zeitpunkt der Entscheidung des Nachlassgerichts zuverlässig und vertrauenswürdig erfolgt. Auch das Abstellen auf die Ermittlung des Erben als zentrale Aufgabe des Nachlasspflegers kann nicht dazu verhelfen, das Fürsorgebedürfnis als Tatbestandsvoraussetzung entbehrlich zu machen, wie man anhand von Ausführungen des KG Berlin annehmen könnte: „Das LG verkennt dabei, daß das Gesetz die Fürsorge des Nachlaßgerichts im Interesse der künftigen Erben eintreten läßt und daß es sich deshalb bei der Nachlaßpflegschaft nicht um eine Vermögens-, sondern um eine Personenpflegschaft handelt“ […] „Die Sicherung und Erhaltung des Nachlaßvermögens ist daher nicht Selbstzweck. Dieses Vermögen soll nicht um seiner selbst willen, sondern für diejenigen Personen, die sich als Erben herausstellen, gesichert und erhalten werden. Das erfordert jedoch auch, daß die Erben, wenn sie unbekannt sind, ermittelt werden und eine Verbindung zwischen ihnen und dem Nachlaß hergestellt wird, weil dieser für sie verlorenginge, falls sie von seinem Vorhandensein und von ihrer Erbenstellung keine Kenntnis erlangen. Die Erbenermittlung ist daher eine Maßnahme der Nachlaßsicherung, so daß ein (Sicherungs-)Bedürfnis zur Einleitung einer Nachlaßpflegschaft allein auf Grund der Notwendigkeit gegeben sein kann, unbekannte Erben zu ermitteln, auch wenn das Nachlaßvermögen in seinem Bestand selbst nicht gefährdet ist. 138 139
Lange, Erbrecht, § 47 Rz. 8. Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, S. 29 Rz. 48.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen Deshalb gehört die Ermittlung der unbekannten Erben zu den wesentlichen Aufgaben des Nachlaßpflegers. […]“140
So zutreffend die Aussagen des Gerichts im Übrigen auch sind, die Aussage, ein (Sicherungs-)Bedürfnis zur Einleitung einer Nachlasspflegschaft könne allein auf Grund der Notwendigkeit gegeben sein, unbekannte Erben zu ermitteln, auch wenn das Nachlassvermögen in seinem Bestand selbst nicht gefährdet sei, ist nicht haltbar, wie die folgenden Überlegungen zeigen: Im Mittelpunkt der Tätigkeit der den Nachlass verwaltenden Vertrauensperson steht ihre Motivation, altruistisch tätig zu werden141 – was durch das Nachlassgericht zu bewerten ist. Wenn das Nachlassgericht die den Nachlass aktuell verwaltende Person für vertrauenswürdig erachtet im Hinblick darauf, den Nachlass im Interesse des Erben zu sichern und zu verwalten, impliziert dies selbstverständlich auch, dass das Gericht davon ausgeht, dass diese Person die Ermittlung des Erben selbst betreiben wird – gegebenenfalls unter Hinzuziehung gewerblicher Erbenermittler, ohne dass es des Einsatzes staatlicher Fürsorge bedarf. Wie soll aber eine Verwaltung im Interesse des Erben zu rechtfertigen sein, wenn der Vermögensverwalter keine entsprechenden Bemühungen unternimmt, den Berechtigten ausfindig zu machen? In anderen Fällen dürfte das Gericht wohl kaum von einer Vertrauenswürdigkeit der Person ausgehen. Lehnt man ein derartiges Vertrauen in eine den Nachlass verwaltende Person generell ab,142 führt dies zu einem pauschalen Misstrauensvotum zulasten jeder redlichen und altruistischen Person, mit der Folge, bereits beim Vorliegen eines Sicherungsanlasses Nachlasspflegschaft anordnen zu können. Dies widerspricht aber eindeutig der gesetzlichen Regelung, die dem Sicherungsbedürfnis eine Doppelfunktion einräumt, Voraussetzung und Beschränkung des Umfangs für nachlassgerichtliche Sicherungsmaßnahmen143 zu sein. Zutreffenderweise liegt die Einschätzung, ob die den Nachlass verwaltende Person aus Sicht des Erben eine Gefahr für den Nachlassbestand darstellt oder dessen Sicherung und Erhaltung gewährleistet, im Ermessen des Nachlassgerichts, eine Beschneidung dieses Ermessensspielraums ist nicht notwendig. Fehlt es generell an einer entsprechend geeigneten, zuverlässigen und insbesondere vertrauenswürdigen Vermögensbetreuung, die den Nachlass in seinem Bestand altruistisch ausschließlich im Interesse des Erben schützt und erhält, liegt ein nicht verwaltetes Vermögen vor, welches zwangsläufig sicherungsbedürftig ist, weil ein Vermögen, wie Zimmermann144 zutreffend festgestellt hat, immer der Fürsorge 140
KG Berlin, Beschluss vom 13. 11. 1970 – 1 W 7814/70 – OLGZ 71, 210 = NJW 1971, 565 (566). 141 Zutreffend: Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 69. 142 In diesem Sinne wohl Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, S. 32 Rz. 55. 143 Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 2; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 62. 144 Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, S. 30 Rz. 49.
C. Handlungsoptionen des Nachlassgerichts
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bedarf. Diese Fürsorge ist dann durch den Staat als neutrale Instanz in Form der Nachlasspflegschaft zu gewährleisten. Zudem führt die Auffassung von Zimmermann dazu, dass die Funktion des Sicherungsbedürfnisses als Korrektiv der Gefahr von Auswüchsen der staatlichen Fürsorge145 faktisch bedeutungslos wird. Ist ein Nachlasspfleger bestellt, gehört zu seinen Aufgaben auch die Ermittlung des unbekannten Erben. Grund dafür ist aber nicht eine originäre Erbensuche im Auftrag des Nachlassgerichts, sondern ausschließlich der Umstand, dass ein bestellter Nachlasspfleger den Nachlassbestand nur dann glaubwürdig im Interesse des Erben sichern und erhalten kann, wenn er auch Anstrengungen in Form der Erbenermittlung unternimmt, mit dem Ziel, Nachlass und Erbe zusammenzuführen. Die Nachlasssicherung im Interesse des Erben ist mit der Ermittlung des Erben verbunden. Die Nachlasspflegschaft allein zum Zweck der Erbenermittlung anzuordnen ist daher nicht mit dem Regelungsgehalt des § 1960 BGB zu vereinbaren. Die Ungewissheit in Bezug auf die Person des Erben stellt lediglich den Sicherungsanlass dar, kann jedoch für sich genommen nicht zugleich das gesetzliche Zusatzerfordernis des Sicherungsbedürfnisses begründen – dazu sind über den Sicherungsanlass hinausgehende konkrete Anhaltspunkte für eine weitergehende Gefährdung des Nachlasswertes erforderlich.146 cc) Interessen der Nachlassgläubiger sind für das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses irrelevant Bislang wurde das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses stets aus der Sicht des endgültigen Erben beurteilt. Diskutiert wird jedoch ebenfalls, ob für das Bestehen eines Sicherungsbedürfnisses nicht auch Interessen von Nachlassgläubigern an einer Sicherung und Erhaltung des Nachlassbestandes zu berücksichtigen sind. Weit überwiegend wird vertreten, die Interessen von Nachlassgläubigern an einer Nachlassfürsorge blieben unberücksichtigt, da diese nicht über § 1960 BGB geschützt seien, einzig von Bedeutung sei das Fürsorgebedürfnis des Erben.147 Dagegen wendet sich Zimmermann,148 der auch Gläubigerinteressen über die Nachlasspflegschaft geschützt sehen will. Er kritisiert die Rechtsfolgen, welche bei konsequenter Anwendung der herrschenden Meinung bestünden: Wenn sich das Sicherungsbedürfnis allein am oben dargestellten Interesse ausrichte, dürfe bei 145 Vgl. Tidow, Rpfleger 1991, 400 (403); Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 2; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 62. 146 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03. 12. 1997 – 3 Wx 278/97 – NJWE-FER 1998, 85 (ebd.), juris Rz. 15. 147 OLG Dresden, Beschluss vom 08. 06. 2010 – 17 W 510/10, 17 W 0510/10 – ZEV 2010, 582 (583), juris Rz. 7; Dt.ErbRK/Quart, § 1960 BGB Rz. 8; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 13; Firsching/Graf/Graf, Nachlassrecht, Rz. 4.554; MAH-ErbR/Benninghoven, § 53 Rz. 9; Damrau-PK-Erbrecht/Boecken, § 1960 BGB Rz. 12; wohl auch Palandt/Weidlich, § 1960 Rz. 5, der wohl irrtümlich von „Sicherungsanlass“ spricht. 148 Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, S. 31 Rz. 51.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
einem zweifelsfrei überschuldeten Nachlass keine Nachlasspflegschaft mehr angeordnet werden (da der Erbe an einem überschuldeten Nachlass kein Interesse habe), obwohl sich das vorhandene Aktivvermögen (Bargeld, Schmuck und andere Wertgegenstände) durch unberechtigte Zugriffe Dritter weiter verringern könne.149 Die den Nachlassgläubigern zwecks Interessenverfolgung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (Antrag auf Nachlassverwaltung, § 1981 Abs. 2 BGB, Insolvenzantrag, § 317 InsO mit der Möglichkeit der einstweiligen Sicherung des Nachlasses durch das Insolvenzgericht) blieben hinter einer Nachlasssicherung durch einen Nachlasspfleger zurück. In der Praxis seien entsprechende Vermögenswerte bereits beiseite geschafft, bevor die Nachlassgläubiger vom Tod des Schuldners Kenntnis erlangten. Diese Sichtweise kann jedoch nicht überzeugen. Zunächst steht der Wortlaut von § 1960 Abs. 2 BGB offenkundig im Widerspruch zu einer möglichen Berücksichtigung von Gläubigerinteressen, da es dort heißt: „für denjenigen, welcher Erbe wird, einen Pfleger (Nachlasspfleger) bestellen“. Damit hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, in wessen Interesse die Pflegschaft angeordnet werden soll und folglich auch, wessen Interessen bei einer Prüfung der Voraussetzungen zur Einleitung einer Nachlasspflegschaft zu berücksichtigen sind.150 Ob durch eine angeordnete Nachlasspflegschaft ein unberechtigter Zugriff auf die beschriebenen Vermögenswerte tatsächlich effektiv verhindert werden kann, darf ebenfalls bezweifelt werden. Regelmäßig dürfte ein solcher Zugriff denjenigen Personen möglich sein, die in persönlichem Kontakt zum Erblasser gestanden haben und daher im Zeitraum unmittelbar nach dem Erbfall vornehmlich im häuslichen Bestand befindliches Vermögen unbemerkt entwenden können. Zudem spricht gegen eine Berücksichtigung von Gläubigerinteressen, dass den Nachlasspfleger gegenüber den Nachlassgläubigern im Allgemeinen151, keine Verantwortlichkeit trifft, sondern nur den Nachlassverwalter, vgl. § 1985 Abs. 2 BGB. Da die Nachlassverwaltung als Sonderfall der Nachlasspflegschaft die Befriedigung der Nachlassgläubiger zum Ziel hat,152 § 1975 BGB, ist hier eine Verantwortlichkeit des Nachlassverwalters gegenüber den Gläubigern gegeben, §§ 1985 Abs. 2, 1978 Abs. 2, 1979, 1980 BGB. Schwer nachvollziehbar ist daher, dass Zimmermann153 bei der Frage einer Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber den Gläubigern in Form einer Insolvenzantragspflicht diese mit der herrschenden Meinung verneint, obwohl sich die Vertreter der herrschenden Auffassung stets auf die fehlende Berücksichtigung 149
Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, S. 31 Rz. 51. Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 70 f. u. 125 f. 151 Zu den Ausnahmen siehe unten kalte Eigenverwaltung Teil 3, B. III. 5. und 6. 152 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 19; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1975 Rz. 2. 153 Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 603. 150
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von Gläubigerinteressen bei der Nachlasspflegschaft berufen, womit er seine eigene Aussage, auch Gläubigerinteressen seien über die Nachlasspflegschaft geschützt, konterkariert. Dieser Widerspruch zeigt einmal mehr die Komplexität der zu lösenden Rechtsfragen. Fakt ist, dass eine Einbeziehung von Gläubigerinteressen in die Frage der Bestellung eines Nachlasspflegers auch eine Verantwortlichkeit desselben gegenüber den Nachlassgläubigern begründete, weshalb die herrschende Meinung eine solche ja gerade unter Hinweis auf die Nachlassverwaltung verneint. Hier bringt Zimmermann keine weiteren Argumente hervor, welche die Annahme rechtfertigen könnten, die herrschende Meinung sei nicht zutreffend. Daher bleiben Interessen der Nachlassgläubiger bei der Prüfung eines potenziell vorliegenden Sicherungsbedürfnisses unberücksichtigt – entscheidend ist allein das Bedürfnis des Erben an der Sicherung und Erhaltung des Nachlassbestandes.154 Zu kritisieren ist daher, wenn Rechte und Pflichten des Erben im Insolvenzverfahren gemeinsam angeführt werden, um eine Notwendigkeit von dessen Vertretung durch einen Nachlasspfleger zu begründen. So sind die Hinweise des OLG Stuttgart155 auf die Notwendigkeit der Nachlasspflegschaft insoweit zutreffend, wenn sie sich auf das insolvenzfreie Vermögen und die Wahrnehmung der Interessen des Erben im Insolvenzverfahren beschränken. Wenn aber die Notwendigkeit der Nachlasspflegschaft auch mit der Wahrnehmung der Pflichten des Erben im Insolvenzverfahren begründet wird,156 liegt eine unzulässige Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 1960 BGB vor. Der Erbe muss sich vor Annahme der Erbschaft nicht um den Nachlass kümmern; daher treffen ihn vor der Annahme der Erbschaft auch keinerlei Verpflichtungen in einem Insolvenzverfahren, die mit der Schuldnerstellung aufgrund seiner Erbenstellung verknüpft sind.157 Ob der Nachlasspfleger selbst im Insolvenzverfahren zur Auskunft verpflichtet ist158, bedarf hier keiner Erläuterung, weil das Gericht ausdrücklich auf die Pflicht des Erben abstellt, die jedoch noch nicht existiert. Auch hier werden die Zeiträume vor Annahme und nach Annahme der Erbschaft unzulässigerweise vermischt. dd) Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses bei überschuldetem Nachlass? Zu erläutern ist nun, ob ein Sicherungsbedürfnis bei Überschuldung des Nachlasses bestehen kann und somit die Anordnung einer Nachlasspflegschaft auch bei überschuldeten Nachlässen zulässig ist. 154 Zur Frage ob bei einem zweifelsfrei überschuldeten Nachlass keine Nachlasspflegschaft angeordnet werden darf, sogleich. Teil 1, C. I. 3. b) dd). 155 OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. 04. 2012 – 8 W 136/12 – ZIP 2012, 2222 (ebd.), juris Rz. 10. 156 OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. 04. 2012 – 8 W 136/12 – ZIP 2012, 2222(ebd.), juris Rz. 10. 157 Unzutreffend daher: Heyrath/Jahnke/Kühn, ZInsO 2007, 1202 (1203). 158 Siehe dazu MünchKomm-InsO/Siegmann, Anhang zu § 315 Rz. 1.
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Dabei sind folgende Varianten hinsichtlich eines sicherungsbedürftigen Nachlasses denkbar: Möglich ist einerseits, allein den Bestand der Nachlassaktiva zur Bewertung eines sicherungsbedürftigen Vermögens heranzuziehen. Demgegenüber ist es auch möglich, anhand einer Gesamtbetrachtung – durch eine Saldierung von Aktiva und Passiva des Nachlasses – von einem sicherungsbedürftigen Nachlass nur dann auszugehen, wenn die Aktiva die Passiva übersteigen, der Nachlass also nicht überschuldet ist. (1) Beurteilung eines Sicherungsbedürfnisses anhand des Aktivvermögens Lange/Kuchinke159 benennen die Sicherung und Sammlung der Nachlassgegenstände, deren „Verschleppung“ verhindert werden müsse, als Zweck der gerichtlichen Nachlasssicherung. Damit beschränken sie den für die Sicherung des Nachlasses relevanten Nachlassbestand allein auf die Aktiva des Nachlasses. Jochum/Pohl160 geben zu dieser Streitfrage zwar keine konkrete Stellungnahme ab, doch lässt sich aus dem Kontext ihrer Ausführungen zum Umgang mit massearmen Nachlässen eine eindeutige Position herleiten: Unter Bezugnahme auf § 26 InsO weisen sie darauf hin, dass es bei einem (Aktiv-)Nachlass, der voraussichtlich nicht reichen werde, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, die Antragstellung durch den Nachlasspfleger unterbleiben könne. Eine Einschränkung für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft ist aus den Aussagen selbst bei einem derartigen Missverhältnis von Aktiva und Passiva des Nachlasses nicht zu erkennen. Erst wenn „die vorhandenen Nachlassmittel“ verbraucht seien, entfalle das Sicherungsbedürfnis und eine angeordnete Nachlasspflegschaft sei aufzuheben.161 Jochum/Pohl stellen für die Frage nach dem Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses folglich ebenfalls allein auf das im Nachlassbestand befindliche Aktivvermögen ab. Ähnlich äußert sich Zimmermann162, der konstatiert, dass ein Vermögen immer der Fürsorge bedürfe, schon deswegen, weil man selbst bei einem Nachlass, der nach Zahlung der Bestattungskosten vollständig verbraucht sei, nicht ausschließen könne, dass Wertgegenstände oder größere Guthaben vorhanden seien. Bei einer derartigen Bewertung stehen der Anordnung einer Nachlasspflegschaft freilich keine erheblichen Hürden mehr im Wege. Bei einer isolierten Betrachtung des Aktivvermögens wird sich ein sicherungsbedürftiger Nachlass unproblematisch feststellen lassen. So kommt Zimmermann163 zwangsläufig auch zu dem Schluss, das Fürsorgebedürfnis sollte nicht kleinlich verstanden werden.
159 160 161 162 163
Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Auflage, § 38 IV 2. Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 1060. Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 1060. Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, S. 29 Rz. 48. Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, S. 36 Rz. 62.
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Mayer164 hält die Einleitung einer Nachlasspflegschaft bei Unbekanntheit von Erben, wenn der Nachlass überschuldet ist, für zulässig, solange Aktiva vorhanden sind, da der Nachlasspfleger den Insolvenzantrag stellen werde. (2) Beurteilung eines Sicherungsbedürfnisses durch eine Gesamtbetrachtung von Aktiva und Passiva – wirtschaftliche Betrachtungsweise Deutlich gegen eine Beschränkung auf die Nachlassaktiva für die Beurteilung sicherungsbedürftigen Vermögens i.S.v. § 1960 BGB sind Ziegltrums165 Aussagen zu werten, die nur im Sinne einer Gesamtbetrachtung des Nachlassbestands ausgelegt werden können. Bei einem überwiegend aus Schulden bestehenden Nachlass bestehe kein Sicherungsbedürfnis, da die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen voraussetze, dass ein entsprechendes Vermögen vorhanden sei. Es gebe nichts, das vor Verschleuderung geschützt werden müsse, weshalb sich eine Nachlasssicherung erübrige. Die Befriedigung der Nachlassgläubiger müsse im Nachlasskonkursverfahren oder im Rahmen der Nachlassverwaltung erfolgen. Eine derart eindeutige Positionierung findet sich – soweit ersichtlich – im übrigen Schrifttum nicht. Allerdings lassen Ausführungen anderer Autoren entsprechende Rückschlüsse zu, die die Aussage Ziegltrums unterstützen. So fordert Tidow166 die wirtschaftliche Betrachtung – begründet mit dem Sinn und Zweck der Nachlasspflegschaft „Sicherung und Erhaltung des Nachlasses für den zukünftigen Erben“ – bei der Frage, ob Nachlasspflegschaft anzuordnen sei, primär zu berücksichtigen. Sie führt aus, dass ein ungesicherter Nachlass, der oftmals lediglich aus einem Mietverhältnis, einem Bankkonto und unwesentlichen Nachlassgegenständen (Hausrat etc.) bestünde, dringend der Fürsorge bedürfe, um zu vermeiden, dass die bestehenden Nachlassverbindlichkeiten stetig ansteigen.167 Fehle es an einer Vertrauensperson, bestünde die Gefahr, dass ein ohnehin geringes Nachlassvermögen durch die Begleichung von Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen aufgezehrt werde. Durch die Anordnung einer Nachlasspflegschaft werde in größtem Maße eine Sicherung des Nachlassvermögens erreicht.168 Die Ausführungen von Tidow stellen einmal mehr das wirtschaftliche Interesse des Erben am Nachlass in den Vordergrund. Dies hätte für überschuldete Nachlässe folgende Konsequenz169 : Wenn der Erbe an einem aufgezehrten Nachlass kein In164
Mayer, ZEV 2010, 445 (449). Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 63. 166 Tidow, Rpfleger 1991, 400 (405); dem zustimmend Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 13. 167 Tidow, Rpfleger 1991, 400 (405). 168 Tidow, Rpfleger 1991, 400 (405). 169 Auch bei Zimmermann finden sich Ausführungen zur Konsequenz der Berücksichtigung ausschließlich wirtschaftlicher Interessen des Erben bei der Frage, ob ein Sicherungsbedürfnis vorliegt. Die Zusammenfassung von Zimmermann in Bezug auf die herrschende Meinung sind jedoch unpräzise. Er spricht nur vom Interesse des Erben – bezieht allerdings lediglich wirt165
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teresse mehr hat, dann muss dies für einen überschuldeten Nachlass in gleichem Maße gelten: Wenn wirtschaftliche Interessen des Erben bei der Nachlasssicherung im Vordergrund stehen, kann ein solches Interesse des Erben an einem überschuldetem Nachlass faktisch nicht bestehen. Nöll170 präzisiert dies weiter: Er weist darauf hin, dass dem Erben wirtschaftlich betrachtet nichts von den Nachlassaktiva zusteht, sobald der Nachlass überschuldet ist, unabhängig davon, wie werthaltig der Aktivbestand des Nachlasses ist. Die Antragspflicht des Erben aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt, sobald die Überschuldung für den Erben erkennbar ist. In der Folge werden die Aktiva des Nachlasses lediglich dazu verwendet, Ansprüche der Nachlassgläubiger zu befriedigen. Nach seiner Auffassung könne „dem Erben“ das Schicksal der Nachlassaktiva „schlicht egal sein“171. Bei wirtschaftlicher Betrachtung der Frage, ob ein sicherungsbedürftiger Nachlass im Interesse des endgültigen Erben vorliegt, ist daher zu konstatieren, dass ein solches an einem überschuldeten Nachlass gerade nicht besteht – sondern das Interesse des Erben an einem überschuldeten Nachlass allenfalls ideeller Natur ist. Gleichermaßen dürften auch die Äußerungen des OLG Dresden172 zu verstehen sein, wonach ein Sicherungsbedürfnis „stets […] im vermögensrechtlichen Interesse des endgültigen Erben“ bestehen müsse. (3) Bewertung und eigene Auffassung (a) Vorüberlegungen Für die Bewertung der Streitfrage ist entscheidend, dass der Nachlasspfleger gesetzlicher Vertreter des endgültigen Erben im Zeitraum vor dessen (wirksamer) Annahme ist, also desjenigen Erben, der die Erbschaft später annehmen wird.173 Dies hat für die Bewertung der Frage, ob aus Sicht dieses Erben ein sicherungsbedürftiger Nachlass vorliegt, zentrale Bedeutung. Im Zeitraum der Entscheidung über die Anordnung einer Nachlasspflegschaft muss die Annahme des Erben noch nicht erfolgt sein, damit ein Sicherungsanlass gem. § 1960 Abs. 1 BGB und damit Unklarheit über den Erben besteht. Die Erbenstellung desjenigen, für den der Nachlass gesichert werden soll, ist also noch vorläufig. Allerdings muss beachtet werden, dass dieser (im Zeitraum der Nachlasssicherung noch vorläufige) Erbe sich später dazu entschließen wird, die Erbschaft anzunehmen, da die Sicherung gem. § 1960 Abs. 2 BGB für denjenigen erfolgt, „welcher Erbe wird“. Folglich muss sich die Sicherung daher an den Interessen des endgültigen Erben ausrichten. schaftliche Interessen ein. Dies ist bei der h.M. jedoch nicht ausschließlich der Fall, Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, S. 31 Rz. 51. 170 Nöll, ZInsO 2012, 814 (816). 171 Nöll, ZInsO 2012, 814 (816). 172 OLG Dresden, Beschluss vom 08. 06. 2010 – 17 W 510/10, 17 W 0510/10 – ZEV 2010, 582 (583), juris Rz. 7. 173 Siehe zur Rechtsstellung des Nachlasspflegers ausführlich unten Teil 2, A.
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Dem zukünftigen Erben ist jedoch auch die Annahme eines völlig überschuldeten Nachlasses gänzlich ohne Aktivvermögen gestattet. Denkbar ist beispielsweise, dass der Erbe sich moralisch verpflichtet fühlt, die Verbindlichkeiten des Erblassers zu begleichen, um dessen Reputation zu erhalten oder zu verbessern. Unabhängig davon, wie konstruiert diese Möglichkeit auch erscheinen mag, ist nicht zu bestreiten, dass sie möglich ist, da die Entscheidungshoheit der Annahme allein dem Erben obliegt. Dessen Motive können schlicht nicht eingeschätzt werden: Die Entscheidung über die Annahme obliegt allein dem zu diesem Zeitpunkt noch vorläufigen Erben, der im Fall des § 1960 BGB sich dazu entschließen wird, die Erbschaft anzunehmen und deshalb endgültiger Erbe wird. Die Nachlasssicherung erfolgt daher stets im Interesse des endgültigen Erben, unabhängig von dessen Motivation die Erbschaft anzunehmen, da die Annahme als später eintretendes Ereignis schlicht vorausgesetzt wird, so dass die Sicherung für denjenigen erfolgt, der „Erbe wird“. Damit ist die Frage nach dem Vorliegen eines sicherungsbedürftigen Nachlasses aus Sicht des endgültigen Erben aber noch nicht beantwortet. Ein Bedürfnis besteht in Bezug auf die Vermögenssituation des Nachlasses aus Sicht desjenigen, der Erbe wird, immer dann, wenn sich der Nachlassbestand ohne Fürsorge negativ verändert.174 Dies kann zunächst sowohl durch eine Verminderung der Aktiva ohne äquivalenten Ausgleich oder bei einer kompensationslosen (vermeidbaren) Erhöhung der Passiva der Fall sein. Entscheidend ist also das Erfordernis der Fürsorge aufgrund faktischer Verwaltungslosigkeit des Nachlasses, die zu einer Schmälerung des Nachlassbestandes führt, welcher durch die nachlassgerichtliche Sicherungsmaßnahme begegnet werden muss. Entscheidend ist daher, ob durch nachlassgerichtliche Sicherungsmaßnahmen – insbesondere durch Nachlasspflegschaft – bei überschuldetem Nachlass eine negative Veränderung des Nachlassbestands wegen dessen Verwaltungslosigkeit verhindert werden kann, denn nur in diesem Fall könnte ein Bedürfnis für derartige Sicherungsmaßnahmen gem. § 1960 BGB bejaht werden. (b) Für überschuldete Nachlässe besteht kein Sicherungsbedürfnis gem. § 1960 Abs. 1 BGB Zunächst ist der Zugriff unberechtigter Dritter auf Nachlassaktiva als Gefahr für eine Nachlassschmälerung zu nennen. Dies ist für den Erben nur insoweit bedeutsam, als es sich um werthaltige, das heißt nicht mit Rechten Dritter belastete Vermögenswerte handelt. Diese werden bei überschuldeten Nachlässen regelmäßig nur in geringem Umfang vorhanden sein. Meist sind Vermögenswerte des Nachlasses bereits umfangreich mit Sicherungsrechten Dritter belastet, sodass die Sicherung dieser Vermögenswerte vor dem Zugriff Unberechtigter nicht zur Sicherung eines Vermögenswerts des Erben sondern im Interesse des gesicherten Gläubigers erfolgt, welches jedoch für das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses irrelevant ist.175 Vor 174 175
Vgl. oben Teil 1, C. I. 3. b) aa). Vgl. oben Teil 1, C. I. 3. b) cc).
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der Annahme (die hier ja gerade noch nicht vorliegt, weil ein Sicherungsanlass nach § 1960 Abs. 1 BGB besteht) trifft den (mangels Annahme noch vorläufigen) Erben keine Verwaltungspflicht für den Nachlass,176 sodass ihm keine Nachteile dadurch drohen, wenn mit Sicherungsrechten belastete Nachlassgegenstände nicht vor dem Zugriff Dritter geschützt werden. Damit wird das zu sichernde Nachlassvermögen aus Sicht des Erben auf die unbelasteten Nachlassaktiva begrenzt. Diese werden durch die Anordnung einer Nachlasspflegschaft jedoch gerade dem Zugriff der Nachlassgläubiger ausgesetzt. Können die Nachlassgläubiger gegen den noch vorläufigen Erben gem. § 1958 BGB nicht gerichtlich vorgehen, wird ihnen dies gegen einen Nachlasspfleger als Vertreter des werdenden Erben gerade ermöglicht, § 1960 Abs. 3 BGB. Hinzu kommt, dass eine Befriedigung von Nachlassgläubigern bei Überschuldung des Nachlasses gem. § 1979 BGB in den meisten Fällen unzulässig ist und einen Schadensersatzanspruch der Nachlassgläubiger gegen den Erben gem. §§ 1978, 1979 BGB auslöst, der zu einer weiteren Schmälerung des Nachlassbestands führt. Eine Sicherung der Nachlassaktiva für den Erben vor dem Zugriff der Nachlassgläubiger ist bei Überschuldung des Nachlasses durch den Nachlasspfleger damit gerade nicht möglich. Dies ist eine reellere Gefahr für den Nachlassbestand als ein zu befürchtender Zugriff unbeteiligter Dritter auf Nachlassgegenstände, weshalb letzterer für die Annahme eines Sicherungsbedürfnisses allein nicht ausreicht. Ebenso wenig ist der Nachlasspfleger in der Lage, die Vertiefung der Überschuldung durch den Anstieg der Nachlassverbindlichkeiten zu verhindern, die aufgrund von Zinsen und Säumniszuschlägen für bestehende Verbindlichkeiten bestehen (Tidow177 hatte entsprechend argumentiert, wenn durch den Nachlasspfleger verhindert werden soll, dass Verbindlichkeiten stetig ansteigen). Eine Gläubigerbefriedigung bei Überschuldung des Nachlasses ist regelmäßig unzulässig gem. § 1979 BGB, weshalb Zinsen und Säumniszuschläge für nicht erfüllte Verbindlichkeiten weiter anfallen, was der Nachlasspfleger selbst durch Stellung eines Insolvenzantrages nicht verhindern kann. Zinsen und Säumniszuschläge für bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Insolvenzforderungen fallen unabhängig von der Verfahrenseröffnung weiter an.178 Hinzu kommt, dass auch durch die Nachlasspflegschaft Kosten entstehen, die zu einem weiteren Anstieg der Nachlassverbindlichkeiten und damit zu einer weiteren Schmälerung des Nachlassbestands führen. 176
OLG Braunschweig, Urteil vom 13. 07. 1920 – 2. ZS – OLGE 42, 204 (ebd.): „aber eine Verpflichtung zur Erfüllung aller aus dem Nachlasse ruhender Leistungen liegt ihm nicht ob“; Nöll, Der Tod des Schuldners in der Insolvenz, S. 78 Rz. 204; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1959 Rz. 4; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1959 Rz. 1; Muscheler, Erbrecht, Rz. 1080; Lange, Erbrecht, § 42 Rz. 1; MAH-Erbrecht/Siegmann, § 23 Rz. 28; NK-BGB-Erbrecht/Ivo, § 1959 Rz. 1; Soergel-BGB/Stein, § 1959 Rz. 1; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1959 Rz. 1; Erman-BGB/Schlüter, § 1959 Rz. 1; Palandt/Weidlich, § 1959 Rz. 1. 177 Tidow, Rpfleger 1991, 400 (405). 178 Sie stellen im Insolvenzverfahren jedoch nachrangige Insolvenzforderungen dar, § 39 Abs. 1 Ziffer 1 InsO, vgl. dazu ausführlich unter Teil 3, A. I. 2. c) cc) (2).
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Damit kann der Nachlassbestand bei Überschuldung nicht dadurch vor einer weiteren Verringerung geschützt werden, dass dieser unter die Verwaltung eines Nachlasspflegers gestellt wird, weshalb bei überschuldetem Nachlass kein Sicherungsbedürfnis i.S.v. § 1960 BGB besteht. Die Schlussfolgerung von Zimmermann179 bei einem zweifelsfrei überschuldetem Nachlass könne keine Nachlasspflegschaft mehr angeordnet werden, obgleich sich das vorhandene Aktivvermögen des Nachlasses durch den unberechtigten Zugriff Dritter auch verringern könne, ist daher zutreffend und hinzunehmen. 4. Zwischenergebnis Die Anordnung einer Sicherungspflegschaft nach § 1960 Abs. 2 BGB ist daher bei der Überschuldung des Nachlasses grundsätzlich nicht zulässig180. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass nur in Ausnahmefällen vor Anordnung der Pflegschaft Klarheit über die Vermögensverhältnisse des Nachlasses besteht. Erst wenn die Überschuldung tatsächlich feststeht, kann von nachlassgerichtlichen Sicherungsmaßnahmen abgesehen werden, weil das Vorliegen von Vermögenswerten grundsätzlich indiziert, dass sicherungsbedürftiger Nachlass vorhanden ist. Daher ist die Anordnung einer Nachlasspflegschaft in der Regel sogar erforderlich, wenn aufgrund vermuteter aber noch nicht feststehender Überschuldung alle bekannten Erben ausschlagen und der Nachlassbestand – im Zeitraum von dessen vollständiger Ermittlung durch das Nachlassgericht zur Entscheidung über die weitere Vorgehensweise – vor negativen Veränderungen nach Möglichkeit geschützt werden muss, bis die Überschuldung auch tatsächlich feststeht. Von erheblicher Bedeutung ist jedoch, dass eine Nachlasspflegschaft, die angeordnet wurde, ohne dass die zur Anordnung erforderlichen materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 1960 BGB vorlagen, als wirksam behandelt wird,181 was aus Gründen der Rechtssicherheit, insbesondere des Schutzes Dritter, die mit dem Pfleger Rechtsgeschäfte abschließen, erforderlich ist.182 Die Folge ist, dass die Pflegschaft bis zu ihrer Aufhebung wirksam bleibt.183
179
Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, S. 31 Rz. 51. A.A. Roth, ZInsO 2013, 1567 (1568). 181 BGH, Urteil vom 06. 10. 1960 – VII ZR 136/59 – NJW 1961, 22 (24); BGH, Urteil vom 26. 10. 1967 – VII ZR 86/65 – BGHZ 49, 1 (3), juris Rz. 11; Palandt/Weidlich, § 1960 Rz. 4; Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 16; Johannsen, WM 1972, 914 (918). 182 BGH, Urteil vom 26. 10. 1967 – VII ZR 86/65 – BGHZ 49, 1 (3), juris Rz. 11. 183 OLG Köln, Beschluss vom 15. 10. 2010 – I-2 Wx 156/10, 2 Wx 156/10 – RNotZ 2011, 43 (45), juris Rz. 17; Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 16; Palandt/Weidlich, § 1960 Rz. 4; MünchKommBGB/Leipold, § 1960 Rz. 39; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1960 Rz. 36. 180
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Fraglich ist daher, ob die Interessen der Nachlassgläubiger, die erst ab der Annahme der Erbschaft vollständig berücksichtigt werden, in diesem Zeitraum hinreichend geschützt sind.184
II. Anordnung einer Prozesspflegschaft gem. § 1961 BGB 1. Allgemeines Im bereits angesprochenen Schwebezustand zwischen Erbfall und wirksamer Annahme der Erbschaft ist es den Nachlassgläubigern nicht möglich, ihre Ansprüche aus Nachlassverbindlichkeiten gerichtlich geltend zu machen, § 1958 BGB. Daher können die Nachlassgläubiger zur gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche eine Prozesspflegschaft beim Nachlassgericht beantragen gem. § 1961 BGB. Die Prozesspflegschaft führt zur Beseitigung der Sperre des § 1958 BGB, da die Vorschrift für einen Pfleger gem. § 1960 Abs. 3 BGB nicht gilt. Damit ist eine Klage gegen einen vorläufigen Erben möglich, für den ein Nachlasspfleger als Vertreter bestellt wird. 2. Formelle Voraussetzungen Die Prozesspflegschaft gem. § 1961 BGB setzt in formeller Hinsicht einen Antrag eines Gläubigers voraus, der zum Gegenstand hat, dass zur gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs dieses Gläubigers, der sich gegen den Nachlass richtet, die Bestellung eines Nachlasspflegers beantragt wird. 3. Materielle Voraussetzungen a) Vorliegen eines Sicherungsanlasses i.S.v. § 1960 Abs. 1 BGB Zunächst setzt § 1961 BGB wie auch § 1960 Abs. 1 BGB das Vorliegen eines Sicherungsanlasses also Unklarheit über die Person des endgültigen Erben voraus.185 Dabei muss das Gericht jedoch die Situation des Gläubigers berücksichtigen186, dem nicht zugemutet werden soll, umfangreiche Nachforschungen über den Erben an-
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Zu dieser Frage vgl. die Ausführungen zur Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers nach aktuellem Meinungsstand unter Teil 2, B. sowie die Ausführungen zu einem eigenen Lösungsansatz der Problematik unter Teil 3, A. sowie Teil 3, B. III. 185 Vgl. dazu die Ausführungen unter Teil 1, C. I. 3. a). 186 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1961 Rz. 4.
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zustellen und daher ermöglicht werden soll, unmittelbar seine Rechte gegen den Erben zu verfolgen.187 b) Gegen den Nachlass gerichteter Anspruch Ziel des Gläubigers muss die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs gegen den Nachlass sein. Umfasst sind insbesondere Nachlassverbindlichkeiten aus Erblasserschulden, Vermächtnissen, Pflichtteilsrechten.188 c) Rechtsschutzinteresse des Gläubigers Zentraler Unterschied der Anordnungsvoraussetzungen der Pflegschaften nach § 1960 Abs. 2 BGB und § 1961 BGB ist, dass § 1961 BGB kein Sicherungsbedürfnis des Nachlasses aus Sicht des Erben voraussetzt.189 Einschränkende Anordnungsvoraussetzung ist ein Rechtsschutzbedürfnis des antragstellenden Gläubigers.190 4. Folgen der Anordnung Wird nach § 1961 BGB ein Nachlasspfleger bestellt, hat dieser die gleiche Rechtsstellung191 und die gleichen Befugnisse192, wie ein nach § 1960 Abs. 2 BGB bestellter Nachlasspfleger, solange das Nachlassgericht den Aufgabenbereich nicht entsprechend einschränkt.193 Dies hat folgenden Grund: Ob der Nachlasspfleger den Anspruch des Nachlassgläubigers auch erfüllen darf oder ob dies wegen Überschuldung des Nachlasses einen Verstoß gegen § 1979 BGB darstellt, der eine Ersatzpflicht für den vertretenen werdenden Erben gem. §§ 1978 Abs. 2, 1979 BGB auslöst und dem Pfleger daher verboten ist194, bedarf einer umfangreichen Prüfung 187 KG, Beschluss vom 24. 02. 1998 – 1 W 364 u. 365/98 – NJW RR 1999, 157 (159), juris Rz. 18; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 11. 01. 1984 – 1 Z 51/ 83 – Rpfleger 1984, 102 (ebd.); MünchKomm-BGB/Leipold, § 1961 Rz. 4. 188 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1961 Rz. 5, mit weiteren Einzelheiten. 189 LG Köln, Beschluss vom 03. 07. 2008 – 11 T 160/08 – NJW-RR 2009, 375 (ebd.), juris Rz. 8; Palandt/Weidlich, § 1961 Rz. 2; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1961 Rz. 2. 190 Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 23. 07. 2002 – 1Z BR 39/ 01 – FamRZ 2003, 562 (563), juris Rz. 22; Bayerisches Oberstes Landesgericht (1. ZS), Beschluss vom 18. 10. 1960 – BReg. 1 Z 38/60 – BayObLGZ 1960, 405 (406); Palandt/Weidlich, § 1961 Rz. 2; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1961 Rz. 8. 191 Vgl. zur Rechtsstellung des Nachlasspflegers ausführlich unter Teil 2, A. 192 Vgl. zu den Pflichten des Nachlasspflegers ausführlich unter Teil 3, A. I. 2. 193 BayObLG (2. ZS), Beschluss vom 01. 03. 1960 – BReg. 2 Z 216/59 – BayObLGZ 1960, 93 (95 f.); Staudinger-BGB/Marotzke, § 1961 Rz. 12; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1961 Rz. 10; Haas, ZEV 2009, 270 (271). 194 Die Gläubigerbefriedigung entgegen § 1979 BGB stellt daher eine Pflichtverletzung des Nachlasspflegers gegenüber dem vertretenen werdenden Erben dar, die einen Ersatzanspruch dessen gegen den Nachlasspfleger begründet vgl. dazu ausführlich unter Teil 3, A. I. 2. b) dd).
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
des Nachlassbestands, die durch den Nachlasspfleger vorzunehmen ist. Damit – in diesem Zeitraum der Prüfung – der Nachlassbestand gesichert und erhalten werden kann, muss dies auch zum Aufgabenbereich des gem. § 1961 BGB bestellten Nachlasspflegers gehören.195 Sollte der Nachlassbestand zur Befriedigung dieses Gläubigers nicht ausreichen, muss der Nachlasspfleger durch Stellung eines Insolvenzantrages dessen Befriedigung verhindern.196 Zutreffend sind daher die Ausführungen des historischen Gesetzgebers197 zur Erforderlichkeit einer Gleichbehandlung von Nachlasspfleger und Prozesspfleger. Bei einer Prozesspflegschaft sei „Eine vollständige Nachlaßpflegschaft […] allein am Platze, weil der zu bestellende Pfleger zu prüfen hat, ob er den Konkurs zu beantragen […] veranlaßt ist.“198 Dazu ist aber eine vollständige Sichtung und Erfassung des Nachlassbestands von Nöten und während dieses Zeitraums die Sicherung der Vermögenswerte angezeigt, was die Gleichbehandlung erforderlich macht. 5. Verfahrensweise in der Praxis – Auslegung des Interesses des Antragstellers unterbleibt – Gebotene Vorgehensweise: Differenzieren anhand der Vermögenssituation des Nachlasses Die Kontaktaufnahme von Nachlassgläubigern mit Nachlassgerichten ist in der Praxis häufig zu beobachten, wenn Erbausschlagungen erfolgt sind und ein Sicherungspfleger nach § 1960 Abs. 1 BGB noch nicht bestellt wurde. In den meisten Fällen wird dann die Prozesspflegschaft gem. § 1961 BGB auch angeordnet. Fraglich ist jedoch, ob dies dem Interesse des Antragstellenden tatsächlich gerecht wird. Für die Befriedigungsaussichten des Gläubigers ist die wirtschaftliche Situation des Nachlasses von zentraler Bedeutung. Liegt eine Überschuldung des Nachlasses vor, wäre einem Nachlasspfleger die vollumfängliche Befriedigung des Gläubigers wegen § 1979 BGB verboten. Sollte gleichwohl eine Befriedigung erfolgen, droht die Gefahr der Insolvenzanfechtung der erhaltenen Zahlung in einem Insolvenzverfahren über den Nachlass, da der Gläubiger aufgrund der Erbausschlagungen von Angehörigen hinreichende Anzeichen für eine Überschuldung des Nachlasses hatte. Die durch die Anordnung der Prozesspflegschaft anfallenden Kosten schmälern den Nachlassbestand und damit die Befriedigungsaussichten des antragstellenden Gläubigers weiter. Die Prozesspflegschaft macht daher für den Gläubiger dann Sinn, wenn eine Überschuldung des Nachlasses – aus Sicht des Gläubigers und des Nachlassgerichts – gerade nicht naheliegend ist.
195
So schon der historische Gesetzgeber, vgl. Mugdan, Band V, S. 292. Siehe für Einzelheiten zur Gläubigerbefriedigung durch den Nachlasspfleger insbesondere bei Überschuldung des Nachlasses unter Teil 3, A. I. 2. b). 197 Mugdan, Band V, S. 292. 198 Mugdan, Band V, S. 292. 196
C. Handlungsoptionen des Nachlassgerichts
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Um dem Interesse199 des Antrag stellenden Gläubigers hinreichend gerecht zu werden, muss innerhalb folgender Vermögenssituationen des Nachlasses, für den gem. § 1960 Abs. 1 BGB ein Sicherungsanlass – also Unklarheit über die Person des Erben – besteht, unterschieden werden: a) Bekannte Vermögenssituation des Nachlasses: Werthaltiger, nicht überschuldeter Nachlass Liegt ein werthaltiger, nicht überschuldeter Nachlass vor und hat das Gericht davon Kenntnis, muss dem Antrag des Gläubigers, sofern dieser korrekt gestellt wurde, entsprochen werden. Die Möglichkeit, im Wege der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs gegen einen Nachlasspfleger gem. § 1961 BGB als Vertreter des unbekannten Erben Befriedigung zu erlangen, besteht und wird dem Interesse des Anspruchsstellers auch gerecht. b) Unklare Vermögenssituation des Nachlasses – Keine Hinweise auf Überschuldung Ist die Vermögenssituation des Nachlasses unklar, ohne dass es Hinweise auf eine Überschuldung des Nachlasses gibt, kann in gleicher Weise verfahren werden. Solange keine Hinweise auf eine Überschuldung bestehen, haben weder der Nachlassgläubiger noch das Nachlassgericht Grund zu der Annahme, dass die Befriedigung des Nachlassgläubigers im Wege der Prozesspflegschaft gem. § 1961 BGB keinen Erfolg verspricht. c) Unklare Vermögenssituation des Nachlasses – Deutliche Hinweise auf Überschuldung Anders ist jedoch der Fall zu beurteilen, wenn dem Nachlassgericht Umstände bekannt sind, die auf eine Überschuldung des Nachlasses hindeuten, ohne dass das Gericht die Überschuldung festgestellt hat. Dies ist immer dann der Fall, wenn nahe Angehörige des Erblassers wegen vermuteter Überschuldung die Erbschaft ausschlagen oder unter Hinweis auf eine behauptete Überschuldung von ihrem Ausschlagungsrecht Gebrauch machen und das Nachlassgericht über den tatsächlichen Nachlassbestand in Ermangelung eigener Ermittlung noch keine umfassenden Kenntnisse hat. Auch hier kann grundsätzlich eine Nachlasspflegschaft angeordnet werden.200 Fraglich ist jedoch, ob dies auch dem Interesse des Antrag stellenden Gläubigers entspricht. Denn im Gegensatz zur einfachen Sicherungspflegschaft gem. 199 Vgl. zu den Interessen der Beteiligten an Haftungsbeschränkenden Maßnahmen, Fischinger, Die Beschränkung der Erbenhaftung in der Insolvenz, S. 15 ff, insbes. die Übersicht auf S. 20 f., der jedoch das Bekannt sein der Vermögenssituation des Nachlasses voraussetzt. 200 Nur die feststehende Überschuldung des Nachlasses steht der Anordnung einer Nachlasspflegschaft grundsätzlich entgegen, vgl. oben Teil 1, C. I. 3. b) dd).
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
§ 1960 Abs. 2 wird die Prozesspflegschaft des § 1961 BGB nur auf Antrag eines Nachlassgläubigers angeordnet, weshalb dessen Interessen ebenfalls Berücksichtigung finden müssen. Das Interesse des Gläubigers ist stets auf dessen bestmögliche Befriedigung gerichtet. Daher hat er an der Anordnung einer Pflegschaft mit dem Ziel einer vollständigen Befriedigung seines Anspruchs nur dann Interesse, wenn diese auch gelingen kann bzw. die Befriedigung insolvenzanfechtungsfest ist. Ein bestellter Nachlasspfleger ist den Gläubigern weder insolvenzantragspflichtig, noch haftet er diesen wegen fehlerhafter Verwaltung des Nachlasses – seine Verantwortlichkeit für fehlerhafte Verwaltung des Nachlasses und unterlassene Insolvenzantragstellung besteht nur gegenüber dem Erben.201 Eine besagte Verantwortlichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern trifft lediglich den Nachlassverwalter wie gem. § 1985 Abs. 2 BGB ausdrücklich angeordnet. Ist die Überschuldung des Nachlasses nur noch eine Beweisfrage und aufgrund von Erbausschlagungen naher Angehöriger des Erblassers unter Bezugnahme auf die Überschuldung überwiegend wahrscheinlich, wird einzig die Nachlassverwaltung gem. § 1975 BGB dem Interesse des Nachlassgläubigers gerecht, weil der Nachlassverwalter gegenüber den Nachlassgläubigern für die Verwaltung des Nachlasses verantwortlich und insbesondere insolvenzantragspflichtig ist. Bei der Insolvenzantragspflicht des Nachlassverwalters gegenüber Nachlassgläubigern gem. §§ 1985 Abs. 2, 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB ist zu beachten, dass diese bereits mit der Möglichkeit der Kenntnis von der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses besteht und sich daher auch inhaltlich erheblich von der Antragspflicht, die für den einfachen Nachlasspfleger gegenüber dem werdenden Erben zur Abwendung von diesem eintretenden Schäden202 besteht, unterscheidet. d) Bekannte Vermögenssituation des Nachlasses: Überschuldung des Nachlasses steht fest Steht die Überschuldung des Nachlasses hingegen fest, sollte das Nachlassgericht den Antrag auf Prozesspflegschaft mangels Erfolgsaussicht abweisen und den Gläubiger stattdessen auf dessen Möglichkeit der Insolvenzantragstellung aus § 317 Abs. 1 InsO beim zuständigen Insolvenzgericht hinweisen.
201
Vgl. zur fehlenden Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber Nachlassgläubigern unter Teil 2, B. I. und zur Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber dem werdenden Erben insbesondere bei Überschuldung des Nachlasses ausführlich unter Teil 3, A. 202 Die Antragspflicht des einfachen Nachlasspflegers nach § 1960 Abs. 2 BGB und § 1961 BGB ist gerade nicht ausschließlich an die Überschuldung des Nachlasses geknüpft, weil der allein durch weitere Zinsen und Säumniszuschläge für bestehende Verbindlichkeiten eintretende Vermögensschaden des Erben durch die Stellung eines Insolvenzantrags gerade nicht verhindert werden kann (Argument § 39 Abs. 1 Ziffer 1 InsO), vgl. dazu umfassend unter Teil 3, A. I. 2. c) cc) (2).
C. Handlungsoptionen des Nachlassgerichts
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Ein entsprechendes Verfahren der Nachlassgerichte ist jedoch aktuell nur in Ausnahmefällen zu beobachten. Meist wird schlicht eine Nachlasspflegschaft angeordnet.
III. Anordnung einer Nachlassverwaltung gem. §§ 1975 ff. BGB 1. Allgemeines Nach der Legaldefinition des § 1975 BGB ist die Nachlassverwaltung eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger. Die Nachlassverwaltung ist eine Unterart der Nachlasspflegschaft.203 Sie unterscheidet sich allerdings grundlegend von den Pflegschaften der §§ 1960, 1961 BGB, ist ihr Zweck doch die Befriedigung der Nachlassgläubiger. Daher gelten für die Nachlassverwaltung insoweit nicht die Regelungen der Pflegschaft der §§ 1915 ff. BGB, sondern die speziellen Vorschriften der §§ 1975 ff. BGB. Zentraler Unterschied zu den Pflegschaften der §§ 1960, 1961 BGB ist die persönliche Haftung des Nachlassverwalters gegenüber den Nachlassgläubigern aus § 1985 Abs. 2 BGB für Schäden wegen fehlerhafter Verwaltung des Nachlasses, § 1978 BGB, unberechtigter Gläubigerbefriedigungen aufgrund Überschuldung des Nachlasses, § 1979 BGB, und verzögerter Insolvenzantragstellung, § 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB. 2. Formelle Voraussetzungen Die Nachlassverwaltung setzt entweder einen Antrag des Erben oder eines Nachlassgläubigers voraus. Der Antrag des Erben ist bei den hier interessierenden Fällen nicht von Belang, schlägt dieser doch regelmäßig wegen (vermuteter) Überschuldung aus. Der Antrag eines Nachlassgläubigers muss innerhalb von zwei Jahren204 seit der Erbschaftsannahme gestellt werden.
203 BayObLG, Beschluss vom 28. 6. 1976 – BReg. 1 Z 27/76 – BayObLGZ 1976, 167 (171), juris Rz. 26; OLG München, Beschluss vom 08. 03. 2006 – 33 Wx 131/33 Wx 132/ 05 – NJOZ 2006, 1848 (1848), juris Rz. 10; Herzog, ErbR 2003, 71 (75) Fn. 28; Fröhler, BWNotZ 2011, 2 (3). 204 Marotzke begründet die Zweijahresfrist mit dem Umstand, dass sich eine Trennung von Eigenvermögen des Erben und Nachlass weiter verkompliziert, je mehr Zeit seit der Annahme der Erbschaft vergeht, vgl. Staudinger-BGB/Marotzke, § 1975 Rz. 20, zustimmend, BeckOKBGB/Lohmann, § 1981 Rz. 5.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
3. Materielle Voraussetzungen der Anordnung einer Nachlassverwaltung auf Antrag eines Nachlassgläubigers In materieller Hinsicht ist der Antrag eines Nachlassgläubigers nur zulässig, falls Grund zur Annahme besteht, dass die Befriedigung der Nachlassgläubiger aus dem Nachlass durch das Verhalten oder die Vermögenslage des Erben gefährdet wird, § 1981 Abs. 2 BGB. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Verhalten des Erben auf die leichtfertige Verschleuderung des Nachlasses, Gleichgültigkeit bzw. die voreilige Befriedigung einzelner Nachlassgläubiger schließen lässt.205 Von einer schlechten Vermögenslage des Erben ist auszugehen, wenn wegen geringen eigenen Vermögens die Gefahr besteht, dass eigene Gläubiger des Erben Befriedigung aus dem Nachlass suchen.206 Voraussetzung der Anordnung der Nachlassverwaltung ist ferner, dass der Nachlass weder überschuldet noch zahlungsunfähig ist.207 In diesem Falle müsste ein Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens gem. §§ 1975 ff. BGB, §§ 315 ff. InsO gestellt werden. 4. Folgen der Anordnung Folge der angeordneten Nachlassverwaltung ist eine „Trennung des Nachlasses vom sonstigen Vermögen des Erben unter amtlicher Aufsicht208. Der Erbe verliert die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in Bezug auf den Nachlass, § 1984 Abs. 1 Satz 1 BGB. Diese geht auf den Nachlassverwalter über209, der die bestmögliche Befriedigung der Nachlassgläubiger sicherstellen muss. Der Erbe wird behandelt, als habe er zwischen Anfall der Erbschaft und Haftungsseparation fremdes Vermögen verwaltet und ist für diese Verwaltung den Nachlassgläubigern gem. §§ 1978 ff. BGB verantwortlich. Aufgrund der Insolvenzantragspflicht (der Nachlassverwalter ist unter denselben Voraussetzungen wie der Erbe den Nachlassgläubigern gegenüber antragspflichtig, §§ 1980 Abs. 1, 1985 Abs. 2 BGB) und der verschärften Haftung des Nachlassverwalters (§ 1985 Abs. 2 BGB) ist diese Form der Pflegschaft durch umfangreiche Gläubigerschutzmechanismen gekennzeichnet, in der Praxis nur ausgesprochen selten anzutreffen und daher für die vorliegende Ausarbeitung nicht 205
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. 03. 2012 ¢ 3 Wx 24/12 – NJW RR 2012, 843 (ebd.), juris Rz. 14; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1981 Rz. 6; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1975 Rz. 12; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1981 Rz. 6. 206 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. 03. 2012 ¢ 3 Wx 24/12 – NJW RR 2012, 843 (ebd.), juris Rz. 14; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1981 Rz. 6; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1981 Rz. 6. 207 BeckOK-BGB/Lohmann, § 1975 Rz. 2; vgl. Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rz. 490. 208 BeckOK-BGB/Lohmann, § 1975 Rz. 2; ähnlich: NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1975 Rz. 8. 209 BeckOK-BGB/Lohmann, § 1975 Rz. 2; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1975 Rz. 15; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1975 Rz. 19.
C. Handlungsoptionen des Nachlassgerichts
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von Bedeutung. Zur Vermeidung einer eigenen Haftung wird durch einen bestellten Nachlassverwalter bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes umgehend eine Insolvenzantragstellung erfolgen, weshalb aufgrund fehlerhafter Nachlassverwaltung nur in Ausnahmefällen Schäden für die Nachlassgläubiger zu erwarten sein dürften. Sollte ein solch unwahrscheinlicher Fall dennoch eintreten, wird die regelmäßig vorhandene Berufshaftpflichtversicherung des Nachlassverwalters210 den Nachlassgläubigern gegenüber für den entstandenen Schaden aufkommen.
IV. Handlungsoption bei erfolgloser bzw. untunlicher Erbenermittlung – Feststellung des Erbrechts des Fiskus gem. § 1964 BGB Die Ermittlung des (endgültigen) Erben durch das Nachlassgericht im Kontext überschuldeter Nachlässe gestaltet sich oft schwierig. Regelmäßig schlagen ermittelte Erben wegen vermuteter oder feststehender Überschuldung des Nachlasses die Erbschaft aus, mit der Konsequenz, dass der Erbschaftsanfall als nicht erfolgt gilt und dem in der Hierarchie Folgenden die Erbschaft anfällt, §§ 1942 ff.; § 1953 BGB. Dies kann dazu führen, dass die Erbenermittlung einen gewissen Zeitraum in Anspruch nimmt. Möglich ist bei überschuldeten Nachlässen insbesondere die Konstellation, in der kein wahrer Erbe in Erscheinung tritt, weil es aufgrund der Ausschlagungen an einem gewillkürten Erben oder einem erbberechtigten Verwandten oder Ehegatten fehlt. Damit der Grundsatz, kein Nachlass ohne Erbe211 dennoch aufrecht erhalten werden kann, muss es einen „nachrangigen Erben“212 geben. Diese Rolle wird durch den Staat wahrgenommen. Der Fiskus ist als Zwangserbe oder Noterbe der letzte in der gesetzlichen Erbfolge.213 Aufgrund dieses Umstandes sind ihm verschiedene Belastungen auferlegt: Ihm ist nicht möglich, die Erbschaft auszuschlagen, § 1942 Abs. 2 BGB, ebenso wenig kann er einen Erbverzicht erklären, § 2346 BGB. Schließlich kann der Staat auch nicht enterbt werden, ohne dass ein anderer Erbe eingesetzt wird, § 1938 BGB. Das Erbrecht des Fiskus214 ist in § 1936 BGB normiert:
210 Dazu Prölss/Lücke, Versicherungsvertragsgesetz, AVB Vermögen/P (AVB) § 4 Ausschlüsse Rz. 26. 211 Dies ist die Konsequenz aus dem Vonselbsterwerb der Erbschaft, welcher in persönlicher Hinsicht stets voraussetzt, dass es einen Erben gibt, vgl. Lange, Erbrecht, § 25 Rz. 108, sowie die Ausführungen von Muscheler, Erbrecht, Rz. 1030 f. 212 Zu diesem Begriff Holl, Rpfleger 2008, 285 (ebd.). 213 Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 1048; Holl, Rpfleger 2008, 285 (286); Staudinger-BGB/Werner, § 1936 Rz. 1; BeckOK-BGB/Müller/Christmann, § 1936 Rz. 5; Muscheler, Erbrecht, Rz. 1639; Lange, Erbrecht, § 25 Rz. 108. 214 Siehe zu den Voraussetzungen der Feststellung des Fiskalerbrechts die Ausführungen im Rahmen der Problematik „kalte Eigenverwaltung“ unten Teil 3, B. II.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen „Ist zur Zeit des Erbfalls kein Verwandter, Ehegatte oder Lebenspartner des Erblassers vorhanden, erbt das Land, in dem der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen letzten Wohnsitz oder, wenn ein solcher nicht feststellbar ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Im Übrigen erbt der Bund.“
Aufgrund der im BGB vorgesehenen unbegrenzten Verwandtenerbfolge ist es zwar grundsätzlich nur schwer vorstellbar, dass es einen Nachlass ohne Erben gibt – lebende erbberechtigte Verwandte des Erblassers gibt es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in jedem Fall.215 Selbst die entferntesten Verwandten gehen dem Staat in der Erbfolge vor.216 Allerdings lassen sich diese häufig nicht ermitteln, denkbar beispielsweise bei im Ausland lebenden Verwandten, zu denen die auffindbaren Verwandten keinen Kontakt haben. Allerdings ist die Formulierung in § 1936 Satz 1 BGB nicht präzise genug. Wie bereits erwähnt, sind lebende erbberechtigte Verwandte des Erblassers in jedem Fall vorhanden – Probleme bereitet lediglich deren Ermittlung. Bei exakter Berücksichtigung des Wortlauts wäre daher ein Erbrecht des Staates ausgeschlossen. Der Begriff des „Vorhandenseins“ wird erst verständlich, wenn die Vorschrift des § 1964 BGB in den Kontext einbezogen wird. Dort ist vorgesehen, dass das Erbrecht des Staates festzustellen ist, wenn der Erbe innerhalb einer „den Umständen angemessenen Frist“ nicht ermittelt wird – das tatsächliche Nichtvorhandensein i.S.v. tatsächlicher Existenz von Erben spielt also für das Fiskuserbrecht keine Rolle. Nicht vorhanden i.S.v. § 1936 BGB ist ein gesetzlicher Erbe daher auch dann, wenn ein gesetzlicher Erbe im Zeitpunkt des Erbfalls lebt, aber wegen Erbverzichts, Enterbung oder Ausschlagung, Erbunwürdigkeitserklärung oder vorzeitigen Erbausgleichs nicht gesetzlicher Erbe wird.217 Vielmehr verlangt Vorhandensein Erbfähigkeit und Erbberechtigung.218 Die Erbschaft geht auf den Fiskus im Wege des Von-Selbst-Erwerbs mit dem Erbfall über. Das Erbrecht kann jedoch erst geltend gemacht werden, wenn das Nachlassgericht feststellt, dass weitere Erben als der Staat nicht vorhanden sind. Damit sich der Staat jedoch nicht auf Kosten der wahren Erben bereichern kann, ist vorgesehen, dass die Feststellung des Fiskuserbrechts durch das Nachlassgericht gem. § 1964 Abs. 2 BGB lediglich eine Vermutung des Erbrechts des Staates begründet. Diese Vermutung ist widerlegbar aufgrund des Umstands, dass die wahren Erben jederzeit bekannt werden können. 215
Mayer, ZEV 2010, 445 (449): „bei entsprechend intensiver Suche“; zustimmend: Lange, Erbrecht, § 50 Rz. 48; Fn. 110; ebenso Holl, Rpfleger 2008, 285 (ebd.): „in jedem Erbfall leben jedoch erbberechtigte Verwandte“. 216 BeckOK-BGB/Müller/Christmann, § 1936 Rz. 3; MünchKommBGB/Leipold, § 1936 Rz. 3. 217 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1936 Rz. 3; BeckOK-BGB/Müller/Christmann, § 1936 Rz. 3; Soergel-BGB/Stein, § 1936 Rz. 3 mit Verweis auf die Ausführungen bei § 1930 Rz. 3. 218 OLG München, Beschluss vom 05. 05. 2011 – 31 Wx 164/11 – NJW-RR 2011, 1379 (1380), juris Rz. 12; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1936 Rz. 3.
C. Handlungsoptionen des Nachlassgerichts
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Die Tätigkeit des Staates ist mit der eines Treuhänders zu vergleichen – er handelt für den wahren Erben – er nimmt die Verwaltung und die Abwicklung zur Vermeidung eines ansonsten herrenlosen Nachlasses wahr.219 Dabei ist das Staatserbrecht ein wirkliches privates Erbrecht – also eine Gesamtrechtsnachfolge, wie bei jeder Privatperson als Erben auch – und kein hoheitliches Aneignungsrecht.220 Das Fiskuserbrecht hat in erster Linie eine Ordnungsfunktion.221 Dies bedeutet insbesondere herrenlose Nachlässe zu verhindern und eine ordnungsgemäße Abwicklung des Nachlasses sicherzustellen.222 Den Nachlassgläubigern steht der Staat als Erbe in gleicher Rechtsposition zur Verfügung, wie der wahre Erbe. Die den Erben treffenden gläubigerschützenden Pflichten gelten auch für den Fiskus.223 Weiterhin können die Gläubiger darauf vertrauen, dass der Bestand des Nachlasses als Ganzes erhalten bleibt und nicht auseinandergerissen wird, was die Befriedigung ihrer Forderung massiv erschweren würde. Zur Kompensation der mit der Rolle als Zwangserbe verbundenen Nachteile sind für den Fiskus aber auch verschiedene Privilegien224 zur Haftungsbeschränkung und weitere erbrechtliche Erleichterungen vorgesehen worden. Damit wird eine Belastung der Staatskasse durch die ordnungspolitisch gebotene Stellung als Zwangserbe vermieden. Für gewöhnlich endet die nachlassgerichtliche Erbensuche für überschuldete Nachlässe – ohne dass die Ermittlung einer natürlichen Person als Erbe erfolgreich war – mit der Feststellung des Fiskuserbrechts gem. § 1964 Abs. 1 BGB.225 Ab der Feststellung sind die Rechte der Nachlassgläubiger gewahrt, da den Fiskalerben die gleichen Pflichten226 treffen, wie jeden anderen Erben auch. Problematisch ist zunächst der Zeitraum bis zur Feststellung eines Erben, dem für gewöhnlich eine 219 BGH, Beschluss vom 23. 11. 2011 ¢ IV ZB 15/11 – NJW 2012, 543 (454), juris Rz. 7; Mayer, ZEV 2010, 445 (447); Holl, Rpfleger 2008, 285 (286); BeckOK-BGB/Müller/ Christmann, § 1936 Rz. 1; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1936 Rz. 2. 220 Mayer, ZEV 2010, 445 (447); Soergel-BGB/Stein, § 1936 Rz. 1; MünchKomm-BGB/ Leipold, § 1936 Rz. 21; BeckOK-BGB/Müller/Christmann, § 1936 Rz. 8; Lange, Erbrecht § 25 Rz. 109; Muscheler, Erbrecht, Rz. 1645; Erman-BGB/Schlüter, § 1936 Rz. 1; StaudingerBGB/Werner, § 1936 Rz. 2. 221 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1936 Rz. 2; Holl, Rpfleger 2008, 285 (286); BeckOKBGB/Müller/Christmann, § 1936 Rz. 1. 222 BGH, Beschluss vom 23. 11. 2011 – IV ZB 15/11- NJW 2012, 453 (454), juris Rz. 7; OLG München, Beschluss vom 05. 05. 2011 – 31 Wx 164/11 – NJW-RR 2011, 1379 (1380), juris Rz. 12; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1936 Rz. 2; Soergel-BGB/Stein, § 1936 Rz. 1; Burandt/Rojahn-BGB/Große-Boymann, § 1936 Rz. 1; BeckOK-BGB/Müller-Christmann, § 1936 Rz. 1; Muscheler, Erbrecht, Rz. 292. 223 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1936 Rz. 24; Muscheler, Erbrecht, Rz. 1639. 224 Siehe dazu unten unter: Teil 3, B. II. 2. 225 Dies liegt daran, dass alle Erbberechtigten aufeinanderfolgend die Erbschaft ausschlagen. Zu sog. „Kettenausschlagungen“ siehe dazu oben Teil 1, B. III. 226 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1936 Rz. 21; BeckOK-BGB/Müller-Christmann, § 1936 Rz. 8; Staudinger-BGB/Werner, § 1936 Rz. 10.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
Nachlasspflegschaft für den überschuldeten Nachlass vorausgeht. Zur Feststellung des Fiskuserbrechts gem. § 1964 BGB sind Ermittlungen des Nachlassgerichts erforderlich, die Nachlassgerichte häufig Nachlasspflegern übertragen. Das Fiskalerbrecht im Kontext überschuldeter Nachlässe ist in einem anderen Zusammenhang problematisch, was an anderer Stelle dieser Ausarbeitung umfangreich thematisiert wird.227 Bei der Abwicklung überschuldeter Nachlässe berufen sich Fiskalerben häufig auf die Dürftigkeit des Nachlasses, obwohl diese nicht vorliegt, in der Annahme, dadurch die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass herbeiführen zu können. Tatsächlich birgt die Dürftigkeitseinrede gem. § 1990 BGB umfangreiche Haftungsgefahren,228 wenn der Nachlass nicht dürftig ist und daher ausreicht, um die Kosten eines Insolvenzverfahrens gem. § 54 InsO zu decken: Auch der Fiskus haftet für den Nachlassgläubigern entstehende Schäden wegen fehlerhafter Verwaltung und unterlassener Insolvenzantragstellung.
V. Aktuelle Verfahrensweise der Nachlassgerichte Aktuell ist zu beobachten, dass Nachlassgerichte regelmäßig Nachlasspflegschaft anordnen, wenn sie mit einem überschuldeten Nachlass konfrontiert werden, obwohl an der Zulässigkeit einer derartigen Anordnung im Fall der (wahrscheinlich bestehenden) Überschuldung des Nachlasses mitunter durchaus nachvollziehbare Zweifel bestehen können229. Dies steht der Wirksamkeit dieser Pflegschaften jedoch nicht entgegen. Selbst wenn im Zeitpunkt der Anordnung der Nachlasspflegschaft die erforderlichen materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 1960 BGB nicht vorlagen, wir diese als wirksam behandelt230. Dies dient insbesondere dem Schutz Dritter, die mit dem Pfleger Rechtsgeschäfte abschließen.231 Die Pflegschaft bleibt daher bis zu ihrer Aufhebung wirksam.232
227 Zum Sonderproblem des Erhebens der Dürftigkeitseinrede durch den Fiskalerben, vgl. Teil 3, B. II. 228 Vgl. dazu Teil 3, B. II. 3. e). 229 Vgl. dazu insbesondere Teil 1, C. I. 3. b) dd) zur Anordnung einer Sicherungspflegschaft gem. § 1960 Abs. 2 BGB bei überschuldetem Nachlass sowie unter Teil 1, C. II. 5. c) und d) zur Anordnung einer Prozesspflegschaft gem. § 1961 BGB im Falle wahrscheinlicher bzw. feststehender Nachlassüberschuldung. 230 Vgl. die Nachweise in Fn. 181. 231 BGH, Urteil vom 26. 10. 1967 – VII ZR 86/65 – BGHZ 49, 1 (3), juris Rz. 11. 232 Vgl. die Nachweise in Fn. 183.
D. Handlungsoptionen der Nachlassgläubiger
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D. Handlungsoptionen der Nachlassgläubiger I. Allgemeines: Zusätzlicher Gläubigerschutz ab dem Erbfall 1. Mit dem Erbfall verbundene Risiken für die Nachlassgläubiger Bedingt durch den Erbfall stehen die Gläubiger des Erblassers vor zwei wesentlichen Kernproblemen. Der Gesetzgeber hat grundsätzlich vorgesehen, dass durch Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) und Vonselbsterwerb des § 1922 BGB (und die zahlreichen Ergänzungsvorschriften, welche – teilweise mittels Fiktion – den Vermögensübergang ab dem Todeszeitpunkt auf den tatsächlichen Erben sicherstellen) das gesamte Vermögen (Aktiva und Passiva) des Erblassers mit dem Erbfall ohne weiteren Zwischenakt auf den Erben übergeht.233 Damit wird den Gläubigern des Nachlasses in Person des Erben ein neuer Anspruchsgegner zugewiesen.234 Ist ein solcher Erbe kurzfristig nach dem Erbfall gefunden, sind die Interessen der Nachlassgläubiger aufgrund der Verschmelzung der Vermögensmassen – Eigenvermögen des Erben und Nachlass – infolge der Universalsukzession des § 1922 BGB erheblich gefährdet.235 War Ihnen die Vermögenssituation ihres Schuldners (zu Lebzeiten des Erblassers) womöglich noch gegenwärtig, stehen sie mit dessen Tod vor dem Problem, über das Gesamtvermögen des Erben in der Regel über keine weiteren Informationen zu verfügen, als die Tatsache, dass das Gesamtvermögen des Erblassers nun in das Vermögen des Erben übergegangen ist. Daher kann die Wertigkeit des zur Befriedigung ihrer Ansprüche existierenden Haftungssubstrats deutlich schlechter überblickt werden. Weit schwerer jedoch wiegt das Risiko, welches durch den sterbebedingten Verlust ihres Schuldners besteht, weil die für dessen Vermögensmasse als Haftungssubstrat der Gläubiger fürsorgende Person faktisch nicht mehr vorhanden ist, da zwischen dem Zeitpunkt des Erbfalls und der Feststellung der Person des Erben mitunter beträchtliche Zeiträume liegen können, innerhalb derer Unklarheit darüber besteht, wer für den Erhalt des Bestands des Nachlasses als Haftungssubstrat der Gläubiger verantwortlich ist.
233 Muscheler, Erbrecht, Rz. 1031 f. zum Vonselbsterwerb sowie Rz. 939 ff. zur Universalsukzession. 234 Vgl. Muscheler, Erbrecht, Rz. 941. 235 NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1980 Rz. 1.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
2. Gläubigerschutzmechanismen durch die Verantwortlichkeit des Erben für die bisherige Verwaltung des Nachlasses und die Insolvenzantragspflicht des Erben setzen einen Erben voraus In Bezug auf die Verwaltung des Nachlasses nimmt der Gesetzgeber über § 1978 BGB den Erben in die Pflicht. Im Fall der Nachlassverwaltung oder der Nachlassinsolvenz trifft diesen dann die Verantwortlichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern, als hätte er die Verwaltung des Nachlasses wie ein Beauftragter zu führen gehabt, § 1978 Abs. 1 Satz 1 BGB. Im Zeitraum vor der Annahme haftet er wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag, § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Haftung trifft den Erben persönlich, er muss also mit seinem Privatvermögen für den entstandenen Schaden einstehen.236 Mit der flankierenden Vorschrift des § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB verfolgt der Gesetzgeber einmal mehr den Zweck, den ungeschmälerten Bestand des Nachlasses als Haftungssubstrat zugunsten der Nachlassgläubiger zu erhalten.237 Im Gegensatz zum verstorbenen Erblasser, den zu Lebzeiten keine Pflicht zur Antragstellung traf, ist dessen Gesamtrechtsnachfolger nun bei Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses respektive schuldhafter Unkenntnis der Tatbestandsmerkmale zur Insolvenzantragstellung verpflichtet. Ab dem Zeitpunkt des Erbfalls hat der Gesetzgeber also einen zusätzlichen Schutzmechanismus zugunsten der Gläubiger des Schuldners installiert. Erhebliche Probleme bereitet in diesem Zusammenhang jedoch die Tatsache, dass die Schutzmechanismen, die eine Verantwortlichkeit des Erben vorsehen und die der Gesetzgeber zugunsten der Nachlassgläubiger installiert hat, in den meisten Fällen erst ab Annahme der Erbschaft greifen, also wenn feststeht, wer tatsächlich Erbe geworden ist. Bis zur Klärung der Gesamtrechtsnachfolge und der damit verbundenen Verantwortlichkeit gegenüber den Gläubigern für den Nachlass besteht aus Sicht der Nachlassgläubiger die Gefahr, dass die vorhandenen Nachlassaktiva „beiseite geschafft238“ werden, weil der Nachlass vor dem Zugriff Unberechtigter nicht in ihrem Interesse geschützt wird.
236 RG, Urteil vom 13. 02. 1917 – II 464/16 – RGZ 89, 403 (408); BGH, Urteil vom 02. 07. 1992 – IX ZR 256/91 – NJW 1992, 2694 (2695), juris Rz. 21; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1978 Rz. 2; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1978 Rz. 35; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1978 Rz. 6; RGRK-BGB/Johannsen; § 1978 Rz. 11. 237 BeckOK-BGB/Lohmann, § 1980 Rz. 1; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 1; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1980 Rz. 1; Damrau-PK-Erbrecht/Gottwald, § 1980 BGB Rz. 1; Erman-BGB/Schlüter, § 1980 Rz. 1. 238 Vgl. Mugdan, Band V, S. 852; die Zugehörigkeit dieser Vermögenswerte zum Nachlass ändert sich dadurch freilich nicht. Allerdings ist den nachlassverwaltenden Personen ein Zugriff auf die Vermögenswerte nicht mehr möglich bzw. mangels Kenntnis vom unberechtigten Zugriff auf den Nachlassgegenstand wird dessen Zugehörigkeit zum Nachlass nicht erkannt.
D. Handlungsoptionen der Nachlassgläubiger
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II. Handlungsoptionen im Einzelnen Gläubiger können zum Schutz ihrer Interessen einen Antrag auf Prozesspflegschaft gem. § 1961 BGB239 stellen und bei bereits angeordneter Nachlasspflegschaft Auskunft über den Nachlassbestand vom Nachlasspfleger verlangen, § 2012 Abs. 1 Satz 2 BGB, um das weitere Vorgehen an der finanziellen Situation des Nachlasses auszurichten. Ferner können sie einen Antrag auf Nachlassverwaltung240 gem. § 1981 Abs. 2 BGB stellen oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen, § 317 InsO. Wurde das Erbrecht des Fiskus bereits festgestellt, können Gläubiger ihre Ansprüche gegen den Fiskus als Erben geltend machen.241
III. Zentrales Instrument zur Rechtsverfolgung im Falle feststehender Überschuldung des Nachlasses: Antrag gem. § 317 Abs. 1 InsO auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens nach den §§ 1975 ff. BGB, 315 ff. InsO 1. Allgemeines Auch über einen Nachlass kann gem. § 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO ein Insolvenzverfahren eröffnet und nach Maßgabe der ineinandergreifenden insolvenzrechtlichen Vorschriften der §§ 315 – 334 InsO und der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften der §§ 1975 ff. BGB durchgeführt werden. Das Nachlassinsolvenzverfahren dient dabei einem doppelten Zweck, nämlich der Befriedigung der Nachlassgläubiger und insbesondere auch der Verwirklichung einer Haftungsbeschränkung des Erben.242 Der Nachlass mitsamt den Nachlassverbindlichkeiten wird im Nachlassinsolvenzverfahren vom Eigenvermögen des Erblassers getrennt.243 Dabei kann das gesonderte Erbenvermögen in keinem Fall zur Befriedigung der Nachlassgläubiger herange-
239 Vgl. zum Interesse des Nachlassgläubigers an der Anordnung einer Prozesspflegschaft bereits oben Teil 1, C. II. 5. 240 Zur Nachlassverwaltung vgl. bereits oben unter Teil 1, C. III. und zu entsprechenden Vorteilen der Nachlassgläubiger der Anordnung der Nachlassverwaltung bei vermuteter aber noch nicht bewiesener Überschuldung des Nachlasses vgl. oben unter Teil 1, C. II. 5. c). 241 Siehe dazu, insbesondere bei der Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch den Fiskalerben, Teil 3, B. II. 242 BGH, Beschluss vom 21. 02. 2008 – IX ZB 62/05 – BGHZ 175, 307 (311), juris Rz. 11; MünchKomm-InsO/Siegmann, Vorbem. vor § 315 bis 331. Rz. 1; Lange, Erbrecht, S. 784 Rz. 148; Braun-InsO/Bauch, Rz. 10; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 315 Rz. 3. 243 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 33.01; Lange, Erbrecht, S. 784 Rz. 150; Damrau-PKErbrecht/Gottwald, § 1975 BGB Rz. 5; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1975 Rz. 29; NK-BGBErbrecht/Krug, § 1975 Rz. 1; Fischinger, Die Beschränkung der Erbenhaftung in der Insolvenz, S. 10.
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Teil 1: Anfall einer überschuldeten Erbschaft – Handlungsoptionen
zogen werden (§§ 1989, 1990, 1973 BGB).244 Zur Insolvenzmasse gem. § 35 InsO gehört nach Maßgabe der §§ 11, 315 InsO nur der Nachlass, nicht das Eigenvermögen des Erben.245 Verwaltungs- und verfügungsbefugt ist (nur) der Nachlassinsolvenzverwalter, §§ 1975 BGB, 315 InsO, 80 Abs. 1 InsO. 2. Aktuelle Situation: Verwaltung überschuldeter Nachlässe durch Nachlasspfleger oder Fiskalerben – Risiken für Nachlassgläubiger? Meist sind Nachlassgläubiger überschuldeter Nachlässe mit einer Verwaltung des überschuldeten Nachlasses durch einen Nachlasspfleger oder einen Fiskalerben konfrontiert und stehen vor der Frage einer bestmöglichen Realisierung ihrer Befriedigungsabsichten. Dabei kommt es nur selten zu einer Insolvenzantragstellung durch einen Nachlassgläubiger. Mehrheitlich werden überschuldete Nachlässe außerhalb des Insolvenzverfahrens abgewickelt.246 Dies ist insbesondere deshalb verwunderlich, weil der Anteil von Nachlassinsolvenzverfahren mit einer ungewöhnlich hohen Befriedigungsquote (bis zu 100 % auf Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO) im Vergleich mit anderen Insolvenzverfahrensarten als hoch eingeschätzt wird.247 Insbesondere könnten durch die Nachlassinsolvenz verdeckte Erbauseinandersetzungen aufgedeckt und behandelt werden.248 Die Antragspflicht des Erben aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB und die Verantwortlichkeit für die bisherige Verwaltung des Nachlasses gem. §§ 1978 ff. BGB trifft diesen erst mit der Annahme der Erbschaft, sodass sich die Frage aufdrängt, welche Schutzmechanismen zur effektiven Protektion der Rechtsposition der Nachlassgläubiger zwischen Erbfall und Annahme der Erbschaft bestehen, insbesondere in dem Zeitraum in dem Nachlasspflegschaft angeordnet ist. Doch auch wenn das Fiskuserbrecht festgestellt wurde, ist die Situation für die Nachlassgläubiger oft schwer zu durchblicken und mit erheblichen Risiken behaftet. Von ihrem eigenen Antragsrecht aus § 317 Abs. 1 InsO machen Nachlassgläubiger überwiegend deshalb keinen Gebrauch, weil ihnen durch die den Nachlass verwaltenden Personen die Dürftigkeit des Nachlasses suggeriert wird und die Nachlassinsolvenz als Befriedigungsinstrument daher keinen Erfolg zu versprechen scheint. Welche Folgen eine 244
Rz. 9.
Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 315 Rz. 3; MünchKomm-InsO/Siegmann, Anhang zu § 315
245 Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 315 Rz. 7; MünchKomm-InsO/Siegmann, Anhang zu § 315 Rz. 9; Schmidt-Kessel, WM 2003, 2086 (2086); Damrau-PK-Erbrecht/Gottwald, § 1975 BGB Rz. 8. 246 Jährlich ist mit ca. 70.000 überschuldeten Nachlässen zu rechnen, wobei für lediglich ca. 2.800 Nachlässe Insolvenzantrag gestellt wird, siehe dazu die statistischen Ausführungen oben unter A. Problemaufriss. 247 Braun-InsO/Bauch, § 320 Rz. 10; Nöll, ZInsO 2012, 814 (817). 248 Braun-InsO/Bauch, § 320 Rz. 10.
D. Handlungsoptionen der Nachlassgläubiger
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derartige Abwicklung außerhalb der Insolvenz für die Beteiligten hat und welches Verhalten Nachlassgläubigern in dieser Situation zu empfehlen ist, insbesondere wenn der Nachlass nicht dürftig war, wird noch zu untersuchen sein.249 Die Einleitung eines Nachlassinsolvenzverfahrens bei überschuldeten Nachlässen findet aktuell, sofern sie überhaupt angestrengt wird, nur mit erheblicher Verzögerung statt.250 Wird in der Folge ein Insolvenzverfahren über den Nachlass durchgeführt, steht der zuständige Insolvenzverwalter meist vor dem Problem, dass erhebliche Vermögenswerte aus dem Nachlass nicht mehr zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehen:251 Dem Nachlass wurden dessen liquide Mittel bereits entzogen oder an einzelne Gläubiger verteilt, dem Nachlass zugehörige Ansprüche sind häufig verjährt oder tatsächlich nicht mehr durchsetzbar, unzureichende Sicherungsmaßnahmen führten zum Untergang oder der Verschlechterung von Sachwerten. Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Risiko birgt die Tatsache, dass Insolvenzanfechtungszeiträume oft verstrichen sind und dieses Instrument zur Realisierung der Gläubigergleichbehandlung dem Insolvenzverwalter nun nicht mehr vollumfänglich zur Verfügung steht. War zuvor Nachlasspflegschaft angeordnet, stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang eine Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers besteht. Im Folgenden sollen einige wichtige Fragen einer Antwort zugeführt werden: Wie können Verkürzungen des Nachlassbestands kompensiert werden? Welche Rechtsstellung nimmt der Nachlasspfleger im Kontext ein und welche Verantwortlichkeit trifft ihn insbesondere bei einem überschuldeten Nachlass? Ist eine Abwicklung von insolventen Nachlässen durch Fiskalerben und Nachlasspflegern außerhalb der Insolvenz zulässig und falls ja, in welchem Umfang?
249 250 251
Siehe dazu Teil 3, B. Vgl. zum Problemfeld die Darstellung von Nöll, ZInsO 2012, 814 ff. Nöll, ZInsO 2012, 814 (815).
Teil 2
Kompensationsmöglichkeiten für Schmälerungen des Nachlassbestands bei der Verwaltung überschuldeter Nachlässe in Nachlasspflegschaft nach aktuellem Meinungsstand Für überschuldete Nachlässe wird aktuell regelmäßig Nachlasspflegschaft angeordnet. Unabhängig davon, ob die Anordnung durch das Nachlassgericht zulässig war oder nicht, wird die Pflegschaft bis zu ihrer Aufhebung als wirksam behandelt.252 Im Zeitraum der Nachlasspflegschaft kann es durch Handlungen oder Unterlassungen des Nachlasspflegers dazu kommen, dass Interessen des werdenden Erben und der Nachlassgläubiger tangiert werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der Wert des Nachlasses im Zeitraum der Nachlasspflegschaft negativ verändert. Eine derartige negative Veränderung steht zu dem Interesse des Erben, dass der Nachlass bis zu seiner Entscheidung über die Annahme erhalten wird, erkennbar in Widerspruch. Die tangierten Gläubigerinteressen bedürfen demgegenüber einer kurzen Erläuterung. Kommt es zur Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens führen die Schmälerungen des Nachlasswertes auch zu einer Verminderung der Befriedigungsaussichten der Nachlassgläubiger im Insolvenzverfahren über den Nachlass, weil sie durch die eingetretene Vermögensseparation nicht mehr auf das Eigenvermögen des Erben zugreifen können. Denkbar ist, dass der Nachlasspfleger eine im Nachlass befindliche Forderung nicht geltend macht, mit der Folge, dass diese im Zeitraum der Pflegschaft verjährt. Auch die Befriedigung einzelner Gläubiger steht zu dem Interesse der Gläubigergesamtheit in Widerspruch. Schließlich soll ab dem Zeitpunkt, in dem die Überschuldung feststeht und den Beteiligten bekannt sein musste, der Grundsatz der par conditio creditorum berücksichtigt und eine vollumfängliche Befriedigung einzelner Gläubiger ausgeschlossen werden. Weiterhin droht den Gläubigern dadurch Ungemach, dass die Insolvenzantragstellung verspätet stattfindet. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Möglichkeit der Anfechtung aus §§ 129 ff. InsO an Zeiträume geknüpft ist, deren Bezugspunkt der Tag der Antragstellung ist. Daher kann eine verzögerte Antragstellung dazu führen, dass eine Rechtshandlung, deren Rechtsfolgen mittels Insolvenzanfechtung zugunsten der Gläubigergesamtheit vom Insolvenzverwalter hätten
252 BGH, Urteil vom 06. 10. 1960 – VII ZR 136/59 – NJW 1961, 22 (24); BGH, Urteil vom 26. 10. 1967 – VII ZR 86/65 – BGHZ 49, 1 (3), juris Rz. 11; Palandt/Weidlich, § 1960 Rz. 4; Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 16; Johannsen, WM 1972, 914 (918).
A. Die Rechtsstellung des Nachlasspflegers
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kompensiert werden können, nun durch Verstreichen des Anfechtungszeitraums folgenlos bleibt. Für den vorläufigen und den endgültigen Erben hat der Gesetzgeber die angesprochenen Handlungen in den §§ 1978, 1979 BGB und mitunter § 1980 BGB sanktioniert. Die Vorschriften regeln die Verantwortlichkeit des Erben für die bisherige Verwaltung des Nachlasses, § 1978 BGB, die Berechtigung zur Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten, § 1979 BGB, und die Haftung für Schäden der Nachlassgläubiger wegen verspäteter Insolvenzantragstellung, § 1980 BGB. Von zentraler Bedeutung ist daher, ob eine Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers ähnlich der des Erben im Sinne der genannten Vorschriften besteht, mittels derer die entstandenen Minderungen der späteren Insolvenzmasse im Insolvenzverfahren ersetzt verlangt werden können und ob nicht anderweitige Möglichkeiten der Schadenskompensation bestehen.
A. Ausgangspunkt der Überlegungen: Die Rechtsstellung des Nachlasspflegers I. Nachlasspflegschaft ist Personalpflegschaft Die Rechtsnatur der Nachlasspflegschaft war lange Zeit umstritten. Vertreten wurde im Kontext, dass es sich bei der Nachlasspflegschaft um eine Vermögenspflegschaft253 handele, bei der der Nachlasspfleger die Vertretung des selbständigen Sondervermögens Nachlass übernehme. Gegen diese Annahme spricht, dass der Nachlass selbst keine Rechtspersönlichkeit besitzt.254 Zudem ist diese Auffassung vor dem Hintergrund, dass das deutsche Recht keine ruhende Erbschaft (hereditas iacens) kennt, sondern dem Nachlass mit dem Erbfall aufgrund des Vonselbsterwerbs einen Herrn gibt (vgl. § 1922 BGB), nicht haltbar.255 Weiterhin anzutreffen war die Auffassung, wonach der Nachlasspfleger ebenso wie der Testamentsvollstrecker und der Nachlassverwalter als Partei kraft Amtes256 angesehen wurde. Argumente für diese Auffassung wurden im Wesentlichen mit prozessualen Schwierigkeiten, zu der die herrschende Meinung257 führt, begründet. 253
Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 73; ders., Lehrbuch Zivilprozeßrecht, S. 299 ebenso: Siber, FS Wach 1918, S. 71 ff.; ders., Jherings Jahrbücher, 67 [1917] 81 (209 f.); ders., Haftung für Nachlassschulden, S. 47 f. 254 Muscheler, Erbrecht, Rz. 3103. 255 Zimmermann, ZEV 2011, 631 (ebd.); Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 23; Koeßler, Jherings Jahrbücher 64 (1914), 412 (422); Staudinger-BGB/Otte § 1942 Rz. 8; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 30. 256 von Lübtow, Erbrecht, S. 755; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 122 ff., S. 134 (dazu kritisch Stein, Rpfleger 1987, 345 (ebd.); Draschka, Rpfleger 1992, 281 (282). 257 Dazu sofort die Einzelheiten.
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Teil 2: Schadenskompensation nach aktuellem Meinungsstand
Allerdings lassen sich die im Wesentlichen von Ziegltrum258 vorgebrachten prozessualen Probleme auf prozessualem Wege lösen und können folglich die materiellrechtlichen Argumente für die Annahme einer gesetzlichen Vertretung des Erben durch den Nachlasspfleger entkräften.259 Mittlerweile hat sich die Auffassung durchgesetzt, wonach der Nachlasspfleger gesetzlicher Vertreter des Erben ist.260 Diese Einschätzung stützt sich im Wesentlichen auf folgende Argumente: Zunächst legt der Wortlaut von § 1960 Abs. 2 BGB eine gesetzliche Vertretung nahe, wenn von einem Pfleger gesprochen wird, „für denjenigen, welcher Erbe wird“. Auch der historische Gesetzgeber des BGB ging von gesetzlicher Vertretung aus.261 Hinzu kommen systematische Erwägungen: Auf die Nachlasspflegschaft findet allgemeines Pflegschaftsrecht und über dieses gem. § 1915 Abs. 1 BGB Vormundschaftsrecht Anwendung,262 wobei Pfleger (Ausnahme § 1914 BGB) und Vormund ebenfalls gesetzliche Vertreter natürlicher Personen sind. In Anbetracht der Tatsache, dass die letzten Gegenstimmen wider die Theorie der gesetzlichen Vertretung des Erben durch den Nachlasspfleger im Jahr 1992 geäußert wurden,263 soll die Debatte hier nicht erneut aufgegriffen, sondern an dieser Stelle festgehalten werden, dass über die Rechtsnatur der Nachlasspflegschaft nun Klarheit herrscht und diese Diskussion als abgeschlossen angesehen werden kann. Die Nachlasspflegschaft ist folglich im Einklang mit der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur eine Personalpflegschaft.
258
Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 122 ff. Vgl. zum Ganzen die schlüssige Zusammenfassung des Streitstands von Muscheler, Erbrecht, Rz. 3103 f. 260 RG, Beschluss vom 30. 03. 1936 – IV B 7/36 – RGZ 151, 57 (62); RG, Beschluss vom 12. 03. 1907 – VII 30/07 – RGZ 65, 287 (289); BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/ 03 – BGHZ 161, 281 (286), juris Rz. 17 m.w.N.; BGH, Urteil vom 14. 05. 1985 – IX ZR 142/ 84 – BGHZ 94, 312 (314), juris Rz. 10; BGH, Urteil vom 22. 01. 1981 – IVa ZR 97/80 – NJW 1981, 2299 (2300), juris Rz. 9; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 30 m.w.N. (vgl. Fn. 89); Kipp/Coing, Erbrecht, § 125 III 1, S. 682; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Auflage, § 38 IV 4 b; Lange, Erbrecht, § 48 Rz. 19; Staudinger BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 23; Muscheler, Erbrecht, Rz. 3102 ff; Lange, Erbrecht, § 48 Rz. 16; Fröhler, BWNotZ 2011, 2 (ebd.); Palandt/ Weidlich, § 1960 Rz. 9; Soergel-BGB/Stein, § 1960 Rz. 25; Firsching/Graf/Graf, Nachlassrecht, Rz. 4.632; Damrau-PK-Erbrecht/Boecken, § 1960 BGB Rz. 33; Behr, Ermessensfragen und Probleme bei der Einleitung und Führung von Nachlaßpflegschaften, S. 5; Burandt/Rojahn-BGB/Trimborn von Landenberg, § 1960 Rz. 29; Zimmermann, ZEV 2011, 631 (ebd.); Johannsen, WM 1972, 914 (919); Mayer, ZEV 2010, 445 (447). 261 Mugdan, Band V, S. 292 ff. 262 BGH, Urteil vom 26. 10. 1967 – VII ZR 86/65 – BGHZ 49, 1 (4 f.), juris Rz. 21; Muscheler, Erbrecht, Rz. 3104; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 36; Firsching/Graf/Graf, Nachlassrecht, Rz. 4.650. 263 Draschka, Rpfleger 1992, 281 (282). 259
A. Die Rechtsstellung des Nachlasspflegers
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II. Entscheidender Aspekt: Wer ist die Person des Vertretenen? Zentraler Punkt der Untersuchung ist die Frage nach der Person des Vertretenen. Die „Standardantwort“ in Literatur und Rechtsprechung kann dabei nämlich nicht gänzlich überzeugen. Die Aussage, dass der Nachlasspfleger gesetzlicher Vertreter des endgültigen Erben sei,264 ist unpräzise. Sie ist nicht gänzlich unzutreffend, führt aber zu zahlreichen Missverständnissen in der Bewertung des Aufgabenkreises des Nachlasspflegers. Zutreffend beschreibt Muscheler265 die Nachlasspflegschaft als „ein Instrument zur […] Sicherung des Nachlasses während der Zeit der noch nicht definitiv geklärten Erbfolge“. Der Aussage, der Nachlasspfleger sei Vertreter des endgültigen Erben, fehlt daher ein elementarer Teil. Als endgültiger Erbe wird derjenige bezeichnet, der die Erbschaft auch tatsächlich angenommen hat.266 Genau dies ist aber bei der Nachlasspflegschaft für gewöhnlich noch nicht der Fall, da alle Sicherungsmaßnahmen aus § 1960 BGB sowie die Prozesspflegschaft gem. § 1961 BGB voraussetzen, dass über die Person des Erben Unklarheit herrscht, was den Sicherungsanlass begründet. Denkbar sind zwei Konstellationen: Entweder liegt die Annahme durch die Person des endgültigen Erben im Zeitraum der Pflegschaft noch nicht vor oder die Annahme wird im Rahmen eines Erbprätendentenstreits bis zur Klärung der tatsächlichen Erbenstellung nicht als wirksam behandelt: 1. Nicht erfolgte Annahme: Vertreten wird derjenige, der endgültiger Erbe wird Ohne vorliegende Annahme der Erbschaft erfolgt die Bestellung eines Nachlasspflegers für denjenigen, welcher Erbe wird, vgl. § 1960 Abs. 2 BGB, „also für den noch unbekannten Erben, bei dem die Annahme naturgemäß noch ausstehen muß.“267 Mit Annahme der Erbschaft treffen den Erben umfangreiche Pflichten, insbesondere die Insolvenzantragspflicht aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB, gegenüber den Nachlassgläubigern. Ein gesetzlicher Vertreter dieses endgültigen Erben müsste folglich auch diejenigen Pflichten wahrnehmen, die diesen nach Annahme der 264 Für dieses Verständnis wohl die h.M. Mit ausdrücklicher Bezeichnung nur: BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (285), juris Rz. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 25. 05. 2010 – I-15 W 28/10, 15 W 28/10 – NJW-RR 2010, 1595 (1596), juris Rz. 6; JurisPK-BGB/Wildemann, § 1960 Rz. 18; MünchKommBGB/Leipold, § 1960 Rz. 30; Kipp/Coing, Erbrecht, § 125 III 1, S. 682. 265 Muscheler, Erbrecht, Rz. 3096. 266 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (285), juris Rz. 15; KG Berlin, Beschluss vom 07. 02. 1975 – 1 W 1218/74 – OLGZ 161 (163); Erman-BGB/Schlüter, § 1943 Rz. 1; NK-BGB-Erbrecht/Ivo, § 1943 Rz. 14; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1943 Rz. 9; Staudinger-BGB/Otte, § 1943 Rz. 1. 267 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (285), juris Rz. 16 unter Bezugnahme auf die Ausführungen des KG Berlin, Beschluss vom 07. 02. 1975 – 1 W 1218/74 – OLGZ 1975, 161 (163).
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Teil 2: Schadenskompensation nach aktuellem Meinungsstand
Erbschaft treffen – insbesondere gegenüber den Nachlassgläubigern – und daher bei fehlerhaftem Verhalten auch verantwortlich sein, bzw. das Verhalten des Nachlasspflegers gegenüber den Gläubigern könnte aufgrund von Verschuldenszurechnung gem. § 278 BGB zu einem Ersatzanspruch der Gläubiger gegen den Erben nach §§ 1978 und 1980 BGB führen. Da die Annahme nicht erfolgt ist, treffen den vorläufigen Erben keine Pflichten, die aus der Annahme der Erbschaft resultieren.268 Die Entscheidung, ob die Annahme der Erbschaft erfolgt, obliegt allein dem (noch vorläufigen) Erben269, der darüber frei entscheiden kann.270 Die Entscheidung obliegt also dem zum Erben Berufenen. Die Sicherung erfolgt zwar für denjenigen Erben, der sich für die Annahme entscheidet, weil diesem der Nachlasswert zufließt – die Annahme jedoch erfolgt in zeitlicher Hinsicht nach der Nachlasssicherung, da die Annahme der Erbschaft das Erfordernis einer gerichtlichen Nachlasssicherung beendet. Der Bundesgerichtshof hat diesen Widerspruch – wenngleich wohl ungewollt – aufgezeigt. Im viel beachteten Urteil hatte er zuerst zutreffend die Antragspflicht aus § 1980 BGB271 mit der Begründung ablehnt, die Pflicht trete mangels Annahme nicht ein, weil bis zu dieser nur eine vorläufige Erbenstellung vorliege,272 dann wiederum aber den Nachlasspfleger als Vertreter des „endgültigen Erben“ bezeichnet273. Den endgültigen Erben gibt es im Zeitraum der Nachlasspflegschaft für gewöhnlich gerade nicht. Solange über die Person des Erben Unklarheit herrscht, i.S.v. § 1960 Abs. 1 BGB also ein Sicherungsanlass besteht, ist die Annahme der Erbschaft durch den vom Nachlasspfleger Vertretenen noch nicht wirksam erfolgt.274 Die Person des endgültigen Erben ist freilich schon existent275, verfügt aber noch über das Recht, die Erbschaft auszuschlagen und ist daher nur vorläufiger Erbe. Zu schlussfolgern, vom Nachlasspfleger vertreten werde daher der vorläufige Erbe, wäre aber unzutreffend, da der vorläufige Erbe mangels Annahme der Erbschaft noch über Annahme und Ausschlagung selbiger entscheiden kann. Die Ausschlagung 268
Vgl. BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (285), juris Rz. 16. 269 BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1942 Rz. 13; NK-BGB/Ivo, § 1943 Rz. 3. 270 Palandt/Weidlich, § 1945 Rz. 2; Lange, Erbrecht, § 38 Rz. 16; Burandt/Rojahn-BGB/ Trimborn von Landenberg, § 1942 Rz. 11; Dt.ErbRK/Quart, § 1942 BGB Rz. 12; SoergelBGB/Stein, § 1942 Rz. 7. 271 Vgl. dazu umfassend unter Teil 2, B. I. 2. a) bb). 272 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (285), juris Rz. 15. 273 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (285), juris Rz. 15. 274 In diesem Sinne auch der BFH, wenn im Nachlasspfleger der Vertreter der noch unbekannten oder ungewissen Erben gesehen wird, vgl. BFH, Urteil vom 30. 03. 1982 – VIII R 227/80 –, BFHE 135, 406 = BStBl II 1982, 687, juris Rz. 15; so auch Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 10, der die Nachlasspflegschaft zutreffend in den Zeitraum vor Annahme der Erbschaft verortet. 275 Zum Sonderproblem der Erbfähigkeit des Nasciturus im Kontext der Nachlasspflegschaft vgl. Staudinger-BGB/Otte, § 1923 Rz. 18 f.
A. Die Rechtsstellung des Nachlasspflegers
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beseitigt aber den Anfall der Erbschaft von Anfang an, weshalb der Ausschlagende nie Erbe gewesen ist und damit auch nie von einem Vertreter des Erben vertreten worden sein kann.276 Mit der Annahme der Erbschaft hingegen wird die Pflicht des Nachlassgerichts beendet, für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen277 und damit auch die Bestellung eines Nachlasspflegers gem. § 1960 Abs. 2 BGB unmöglich. Die Vertretung erfolgt daher ausschließlich für denjenigen (noch) vorläufigen Erben, der später die Annahme der Erbschaft erklären und damit zum endgültigen Erben werden wird. Der Vertretene im Fall der Nachlasspflegschaft ist daher der werdende Erbe. Ursächlich dafür ist der Umstand, dass die Vertretung zwar für die Person des endgültigen Erben erfolgt, in zeitlicher Hinsicht jedoch auf den Zeitraum vor dessen Annahme der Erbschaft bezogen ist. Korrekterweise muss daher die Vertreterstellung des Nachlasspflegers wie folgt bezeichnet werden: Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter desjenigen, der endgültiger Erbe wird.278 2. Sonderfall Erbprätendentenstreit Komplizierter ist der Fall, bei dem die Annahmeerklärung des Erben schon erfolgt ist, er von seiner Erbenstellung aber noch nicht vollends Gebrauch machen kann. Dies ist immer dann der Fall, wenn ein Erbprätendentenstreit besteht. Naheliegend ist der Fall, bei dem mehrere Erbprätendenten um die Erbenstellung streiten und jeder der Beteiligten die Annahme der Erbschaft erklärt. Wirksam ist sie freilich nur beim wahren Erben. Dieser wird durch die Annahme der Erbschaft zum endgültigen Erben. Zutreffend führt der Bundesgerichtshof279 aus, dass „erfahrungsgemäß“ die Interessen der wahren Erben in besonderem Maße durch die mit ihnen um die Erbenstellung konkurrierenden übrigen Erbprätendenten gefährdet werden. Daher richtet sich die dem Nachlassgericht bei ungewisser Erbfolge (§ 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB) obliegende Fürsorge für den Nachlass ihrer Tendenz nach (vorläufig) gegen alle Erbprätendenten (inklusive der wahren Erben) – bis zur Feststellung der wahren Erben.280 Daraus wird die Stellung des Nachlasspflegers erkennbar: Er ist berechtigt und verpflichtet, den Nachlass zunächst einmal vor sämtlichen Prätendenten „in Schutz“ zu nehmen.281 Konsequenterweise kann sich der Erbprätendent daher gegen 276 In diesem Sinne sind die Hinweise des historischen Gesetzgebers zu verstehen, der klarstellt, dass derjenige vertreten werde, „welcher Erbe sein wird, nicht derjenige[n], welcher als Erbe noch ausschlagen oder annehmen kann.“, Mugdan, Band V, S. 294. 277 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1943 Rz. 8; NK-BGB-Erbrecht/Ivo, § 1943 Rz. 14. 278 Zutreffend insoweit: BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (285), juris Rz. 16. 279 BGH, Urteil vom 06. 10. 1982 – IVa ZR 166/81 – NJW 1983, 226 (227), juris Rz. 10; BGH, Urteil vom 22. 01. 1981 – IVa ZR 97/80 – NJW 1981, 2299 ff., juris Rz. 10. 280 BGH, Urteil vom 22. 01. 1981 – IVa ZR 97/80 – NJW 1981, 2299 (2300), juris Rz. 10; BGH, Urteil vom 06. 10. 1982 – IVa ZR 166/81 – NJW 1983, 226 (227), juris Rz. 10. 281 BGH, Urteil vom 22. 01. 1981 – IVa ZR 97/80 – NJW 1981, 2299 (2300), juris Rz. 10; BGH, Urteil vom 06. 10. 1982 – IVa ZR 166/81 – NJW 1983, 226 (227), juris Rz. 10.
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Teil 2: Schadenskompensation nach aktuellem Meinungsstand
den Nachlasspfleger grundsätzlich nicht auf sein Erbrecht berufen.282 Bis zur Klärung seines Erbrechts muss dieses Erbrecht hinter das Fürsorgeinteresse vorläufig zurücktreten.283 Zu klären, wer von den mehreren Erbanwärtern der wirkliche Erbe ist (oder wird), ist nicht Aufgabe des Nachlasspflegers, und zwar selbst dann nicht, wenn ihm die Ermittlung der Erben ausdrücklich übertragen worden ist.284 Wer im Verhältnis mehrerer Erbprätendenten Erbe geworden ist, müssen die in Betracht kommenden Erbanwärter „unter sich ausmachen“285.286 Wird ein Nachlasspfleger mit der Sicherung des Nachlasses beauftragt, weil der Erbe dem Gericht unbekannt ist und es bis zur Klarheit über die Person des Erben die Sicherung des Nachlasses betreiben will und muss, ist der Nachlasspfleger Vertreter des endgültigen Erben, der in Person auch schon bekannt ist und durch die Annahme auch schon Erbe ist – mit einer Einschränkung: die Wirkung der Annahme ist zunächst gehemmt. Der Nachlasspfleger sichert daher auch hier den Nachlass für alle Erbprätendenten, die Annahme des wahren Erben wird behandelt, als habe sie keine Wirkung, weil unklar ist, wer der wahre Erbe ist. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Annahme des Erben wirksam ist, woran Zweifel der übrigen Beteiligten an dessen Erbenstellung nichts ändern.287 Damit eine Nachlasspflegschaft gleichwohl wirksam durchgeführt werden kann, wird der endgültige Erbe daher wie ein vorläufiger behandelt, dessen Annahme also noch nicht erfolgt ist. Auch wenn es den wahren Erben schon gibt, erfolgt die Vertretung daher auch hier für den (noch) vorläufigen Erben. Der Prozess der Erbschaftsannahme ist letztlich erst dann vollwirksam abgeschlossen, wenn feststeht, dass der Erklärende auch tatsächlich Erbe ist und damit auch das Erfordernis der Sicherungsmaßnahmen durch das Nachlassgericht für die Erbprätendenten obsolet macht. Bis zu diesem Zeitpunkt wird seine Erbenstellung jedenfalls als nur vorläufige behandelt. Der Nachlasspfleger vertritt ihn daher auch hier im Zeitraum bevor die Wirkungen der Annahme eintreten also in seiner Rechtsstellung als nur vorläufigen Erben (obgleich er tatsächlich aber bereits „endgültiger“ Erbe ist). Die Vertreterstellung ist daher auf den Zeitraum vor der Annahme beschränkt, da das Erbrecht bis zur Klärung der Erbenstellung hinter dem Fürsorgeinteresse vorläufig zurücktreten muss und daher keine Wirkung entfaltet: der Bundesgerichtshof288 bezeichnet die Situation als eine Art (materiellrechtlichen) „vorläufigen Rechtsschutz“.
282 BGH, Urteil vom 22. 01. 1981 – IVa ZR 97/80 – NJW 1981, 2299 (2300), juris Rz. 10; BGH, Urteil vom 06. 10. 1982 – IVa ZR 166/81 – NJW 1983, 226 (227), juris Rz. 10 283 BGH, Urteil vom 22. 01. 1981 – IVa ZR 97/80 – NJW 1981, 2299 (2300), juris Rz. 10; BGH, Urteil vom 06. 10. 1982 – IVa ZR 166/81 – NJW 1983, 226 (227), juris Rz. 10. 284 BGH, Urteil vom 06. 10. 1982 – IVa ZR 166/81 – NJW 1983, 226 (227), juris Rz. 11. 285 So ausdrücklich RG, Urteil vom 27. 11. 1922 – IV 750/21 – RGZ 106, 46 (47). 286 BGH, Urteil vom 06. 10. 1982 – IVa ZR 166/81 – NJW 1983, 226 (227), juris Rz. 11. 287 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (285), juris Rz. 15. 288 BGH, Urteil vom 22. 01. 1981 – IVa ZR 97/80 – NJW 1981, 2299 (2300), juris Rz. 10.
A. Die Rechtsstellung des Nachlasspflegers
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Bei den hier interessierenden Fällen, wo die Überschuldung des Nachlasses im Raume steht oder gar bereits bekannt ist, dürfte der Fall des Erbprätendentenstreits jedoch zu vernachlässigen sein, da sich meist nicht einmal ein Erbwilliger findet, weshalb ein Streit über die Erbenstellung eines überschuldeten Nachlasses abwegig erscheint. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass auch diese Konstellation möglich ist und die Vertretungsmacht des Nachlasspflegers sich an den Rechten des Vertretenen orientiert. Die Annahme der Erbschaft ist in dem hier skizzierten Fall gehemmt, mit der Folge, dass der wahre Erbe wie ein vorläufiger behandelt wird. Vertreten wird daher auch hier der nur vorläufige Erbe, der später jedoch als endgültiger Erbe anerkannt wird, wenn seine Erbenstellung gegenüber dem Nachlassgericht bewiesen wird. Treffend ist in diesem Kontext die Formulierung des KG Berlin, das von der Vertretung der Person spricht, „die sich als Erbe herausstellt“289. Daher kann auch in dieser Konstellation vom werdenden Erben gesprochen werden, da der Prozess der Erbschaftsannahme noch nicht abgeschlossen, sondern im Zeitraum der nachlassgerichtlichen Sicherungsmaßnahmen unterbrochen ist.
III. Bedeutung der Vertretung des werdenden Erben für die Pflichtenstellung des Nachlasspflegers Will man das System Nachlasspflegschaft begreifen und insbesondere verstehen, welche Aufgaben den Nachlasspfleger treffen, ist stets zu beachten, dass der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter agiert. Er vertritt die Person des endgültigen Erben im Zeitraum vor dessen (wirksamer) Annahme, also denjenigen Erben, der die Erbschaft später annehmen wird, aktuell aber noch nicht über seine Annahme der Erbschaft entschieden hat (bzw. im Fall des Erbprätendentenstreit, dessen schon erklärte Annahme hinter das Sicherungsinteresse zurücktritt und bis zur Klärung des Streits gehemmt ist), und tritt damit in dessen Stellung als lediglich vorläufiger Erbe. Gegenüber den Nachlassgläubigern nimmt der Nachlasspfleger daher die Pflichten wahr, die für den vorläufigen Erben gegenüber den Nachlassgläubigern gelten. Im Folgenden wird daher die Person des Vertretenen stets als werdender Erbe bezeichnet, weil seine Erbenstellung entweder tatsächlich die eines werdenden Erben ist oder aber als solche behandelt wird.
289 KG Berlin, Beschluss vom 13. 11. 1970 – 1 W 7814/70 – OLGZ 71, 210 = NJW 1971, 565 (566).
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Teil 2: Schadenskompensation nach aktuellem Meinungsstand
IV. Stellungnahme zu BGH IV ZR 199/03 – Erbprätendentenstreit und Erbenstellung Der Bundesgerichtshof hatte im viel beachteten und im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung noch thematisierten Urteil vom 08. 12. 2004 zu AZ.: IV ZR 199/03 darüber zu befinden, welche Auswirkungen ein schwelender Erbprätendentenstreit auf eine bereits erfolgte Erbschaftsannahme hatte. Der Bundesgerichtshof290 führte aus, dass eine Annahme der Erbschaft nicht dadurch wieder beseitigt werde, dass die einmal festgestellte Erbenstellung des wahren Erben von weiteren Erbprätendenten wieder in Zweifel gezogen würde. Daher ändere sich seine Erbenstellung nicht nachträglich mit der Folge, dass die durch die Annahme begründete Pflichtenstellung auch nicht wieder beseitigt werden könne. Fehlt es an einem Einschreiten des Nachlassgerichts und bleibt es bei einem Streit unter Erbprätendenten, ist diese Rechtsauffassung nachvollziehbar und nicht weiter zu beanstanden. Die Beteiligten haben den Erbprätendentenstreit unter sich „auszumachen“291. Nicht nachvollziehbar ist hingegen, warum der Bundesgerichtshof zu der Auffassung gelangt, dass Zweifel an der Erbenstellung, die das Nachlassgericht zu Sicherungsmaßnahmen nach § 1960 BGB veranlassen, nicht dazu führen sollen, die Erbenstellung erneut als vorläufige zu behandeln. Eine wirksame Annahme der Erbschaft macht schließlich eine nachlassgerichtliche Sicherung unmöglich, weil der Sicherungsanlass fehlt. Im streitgegenständlichen Fall kam das Nachlassgericht zu der Entscheidung, dass der Erbe unbekannt sei (trotz vorheriger Annahme der Erbschaft und bereits ausgestelltem Erbschein). Daher bestellte es für den unbekannten Erben einen Nachlasspfleger. Die Wirkungen einer derartigen Bestellung wurden bereits erörtert. Die Erbenstellung gilt als materiell-rechtlich gehemmt – es soll sich um eine Art materiellen vorläufigen Rechtsschutz handeln, der gegenüber allen Erbprätendenten wirkt. Aus Sicht des Nachlassgerichts war der wahre Erbe im Fall jedoch offensichtlich lediglich Erbprätendent,292 andernfalls wäre die Anordnung der Nachlasspflegschaft für den unbekannten Erben nicht möglich gewesen. Gegenüber diesem Nachlasspfleger ist das Erbrecht des wahren Erben jedoch zum Schutze aller Erbprätendenten gehemmt. Wenn der Erbe eine derartige Einschränkung seines Erbrechts hinnehmen muss, ist zwingend erforderlich, die mit der Erbenstellung verbundenen Pflichten ebenfalls bis zum Ende der nachlassgerichtlichen Sicherung ruhen zu lassen. Warum das Erbrecht zugunsten der Erbprätendenten eingeschränkt werden und zugleich zugunsten der Nachlassgläubiger trotz unbekanntem Erben erhalten bleiben soll, ist nicht nachvollziehbar. Die Einschätzung Marotzkes293, dass
290 291 292 293
BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (285), juris Rz. 15. So ausdrücklich RG, Urteil vom 27. 11. 1922 – IV 750/21 – RGZ 106, 46 (47). So zu Recht Marotzke, ZEV 2005, 111 (ebd.). Marotzke, ZEV 2005, 111 (112).
B. Meinungsstand zur Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers
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der Bundesgerichtshof hier „den ersten seiner drei Leitsätze294 vielleicht doch etwas zu weit gefasst haben könnte“ ist daher zutreffend.
B. Die Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers nach aktuellem Meinungsstand Wichtig ist bei der Aufarbeitung der Problematik, dass präzise differenziert wird, innerhalb welcher Rechtsbeziehung eine Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers bestehen kann, und welche Auswirkungen die Überschuldung des Nachlasses auf die eventuell bestehenden Ersatzansprüche hat. Da dies in der bisherigen Diskussion leider nicht konsequent geschieht, ist der Zugang zur Materie erheblich erschwert. Sachverhalte und Rechtsbeziehungen, die rechtlich nicht in Zusammenhang stehen, werden vermengt. Weiterhin fällt auf, dass notwendige Überlegungen hinsichtlich der Stringenz einzelner angeführter Argumente unterbleiben. In Extremfällen werden schlicht Behauptungen aufgestellt und das Anführen von Argumenten unterbleibt völlig. Dies wird der volkswirtschaftlichen und rechtlichen Relevanz dieser Thematik, welche zu Beginn bereits dargelegt wurde, nicht gerecht. Notwendig ist, dass alle Möglichkeiten konsequent dargestellt und vor dem Hintergrund der bestehenden Überschuldung des Nachlasses durchdacht werden. Nur so kann festgestellt werden, ob die Lösung der Problematik durch den Gesetzgeber gelungen ist oder de lege ferenda weitere Maßnahmen erforderlich sind. Im Folgenden wird daher stets konsequent innerhalb der einzelnen Rechtsbeziehungen differenziert.
I. Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber Nachlassgläubigern Naheliegend im Kontext überschuldeter Nachlässe ist, eine eigene Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber den Nachlassgläubigern zu diskutieren. Der Gesetzeswortlaut lässt zunächst keine Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers erkennen, da die einschlägigen Vorschriften sich stets auf den Erben bzw. den vorläufigen Erben beziehen. Lediglich in § 1985 Abs. 2 BGB heißt es: „Der Nachlassverwalter ist für die Verwaltung des Nachlasses auch den Nachlassgläubigern verantwortlich. Die Vorschriften des § 1978 Abs. 2 und der §§ 1979, 1980 finden
294 „Nach Annahme der Erbschaft ist der Erbe trotz eines schwebenden Erbprätendentenstreits und deswegen angeordneter Nachlasspflegschaft aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, Insolvenzantrag zu stellen.“ BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (ebd.).
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Teil 2: Schadenskompensation nach aktuellem Meinungsstand
entsprechende Anwendung.“ Die Nachlassverwaltung ist jedoch ein Sonderfall der Nachlasspflegschaft295, die an abweichende Voraussetzungen geknüpft ist. Fraglich ist daher, ob der nach § 1960 bzw. § 1961 BGB bestellte Nachlasspfleger den Nachlassgläubigern unmittelbar respektive über den Verweis in § 1985 Abs. 2 BGB verantwortlich ist. 1. Keine Haftung des Nachlasspflegers wegen fehlerhafter Verwaltung des Nachlasses Eine direkte Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber Nachlassgläubigern wegen fehlerhafter Verwaltung des Nachlasses gem. §§ 1978, 1979 BGB wird heute überwiegend verneint.296 Eine Außenhaftung des Nachlasspflegers wird dabei mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, dass es an einer Pflichtenstellung des Nachlasspflegers gegenüber den Nachlassgläubigern fehlt und daher kein Raum für eine Haftung ist. Hintergrund ist, dass der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter des Erben angesehen wird, weshalb er auch nur diesem gegenüber verantwortlich sein soll. Nur der Nachlassverwalter haftet gem. § 1985 Abs. 2 BGB auch den Nachlassgläubigern, weil die Nachlassverwaltung als Sonderfall der Nachlasspflegschaft auch dem Schutz von Gläubigerinteressen dient.297 2. Keine Verantwortlichkeit wegen verspäteter Insolvenzantragstellung Weitaus umfangreicher diskutiert wurde in der Vergangenheit die Frage, ob der Nachlasspfleger wegen verspäteter Insolvenzantragstellung verantwortlich ist. Exemplarisch ist erneut der Fall zu nennen, bei dem durch die verspätete Antragstellung eine Insolvenzanfechtung nicht möglich ist, weil die anfechtbaren Rechtsfolgen außerhalb des Zeitraums liegen, in dem eine Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO möglich wäre. Kann also der den Nachlassgläubigern in der Folge entstehende Schaden in einem Nachlassinsolvenzverfahren vom Nachlasspfleger erstattet verlangt werden? 295 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 19; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1975 Rz. 2 f.; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 54; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1987 Rz. 2. 296 RG, Beschluss vom 30. 03. 1936 – IV B 7/36 – RGZ 151, 57 (63 f.); RG, Beschluss vom 12. 03. 1907 – VII 30/07 – RGZ 65, 287 (289); BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/ 03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 19: „Eine Pflichtenstellung im Verhältnis zu den Nachlaßgläubigern wird darüber hingegen weder originär noch derivativ begründet.“; NK-BGBErbrecht/Krug, § 1978 Rz. 12; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 63; Staudinger-BGB/ Marotzke, § 1960 Rz. 54; Möhring/Beisswingert/Klingelhöffer, Vermögensverwaltung, S. 128 f.; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 204 f.; Kipp/Coing, Erbrecht, § 125 III 5, S. 684; Erman-BGB/Schlüter, § 1975 Rz. 2; Palandt/Weidlich § 1960 Rz. 18; RGRKBGB/Johannsen, § 1960 Rz. 34. 297 RG, Beschluss vom 30. 03. 1936 – IV B 7/36 – RGZ 151, 57 (63 f.); RG, Beschluss vom 12. 03. 1907 – VII 30/07 – RGZ 65, 287 (289); Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 54.
B. Meinungsstand zur Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers
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a) Aktueller Meinungsstand zur Insolvenzantragspflicht des Nachlasspflegers aa) Einleitung in die Thematik – Entwicklung des Streitstandes In der Vergangenheit wurde eine Antragsverpflichtung des Nachlasspflegers kontrovers diskutiert, hauptsächlich über eine analoge Anwendung von § 1985 Abs. 2 BGB. Ein Blick in ältere Auflagen namhafter Kommentierungen zum BGB zeigt, dass durchaus eine Antragspflicht des Nachlasspflegers gegenüber den Nachlassgläubigern vertreten wurde, wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen.298 Von zentraler Bedeutung für den aktuellen Streitstand ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08. 12. 2004 zu Aktenzeichen IV ZR 199/03. In dieser Entscheidung hat sich der Bundesgerichtshof299 zur Frage der Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers eindeutig positioniert und dies insbesondere durch allgemeine Ausführungen zur Rechtsfigur des Nachlasspflegers begründet. Im Folgenden werden nun die unterschiedlichen Möglichkeiten, wie eine Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber Nachlassgläubigern denkbar ist, mit der entsprechenden Position des Bundesgerichtshofs dargestellt. bb) Insolvenzantragspflicht des Nachlasspflegers aus § 1980 BGB Nahe liegender Ansatz einer Haftung des Nachlasspflegers gegenüber den Nachlassgläubigern wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht ist eine (analoge) Anwendung von § 1980 BGB. Schließlich ist in der Vorschrift die Insolvenzantragspflicht des Erben geregelt, weshalb eine Anwendung auf dessen gesetzlichen Vertreter denkbar wäre. (1) Die Auffassungen von du Carrois, Jünemann und Poertzgen Vertreten wird eine direkte Anwendung von § 1980 BGB auf den Nachlasspfleger von du Carrois.300 Allerdings sucht man eine Begründung für die Anwendung von § 1980 BGB auf den Nachlasspfleger vergebens. Begründen ließe sich diese Auffassung mit der Aussage, dass der Nachlasspfleger im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern in einem ähnlichen Verantwortungskonstrukt stehe wie der Erbe. Nachteilige Handlungen oder Unterlassungen des Nachlasspflegers fielen den Gläubigern in gleicher Weise zur Last wie entsprechendes Verhalten des Erben. Vor dem Hintergrund des umfangreichen Meinungsspektrums und der Komplexität der sich im Kontext ergebenden Fragestellungen helfen derartige Vorgehensweisen nicht weiter. Die Positionen gegen eine Anwendung von § 1980 BGB auf den Nachlasspfleger sind bekannt und weitreichend verbreitet. Daher hätte zumindest eine 298 299 300
Vgl. nur: Lange/Kuchinke, Erbrecht, 4. Auflage, § 38 IV 4 c, Fn. 162 m.w.N. BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 – 289. Du Carrois, Rpfleger 2009, 197 (198).
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Erklärung erfolgen müssen, die die Anwendbarkeit der Vorschrift auf Nachlasspfleger nachvollziehbar darlegt. Die Auffassung vermag in Ermangelung einer Begründung daher gänzlich nicht zu überzeugen. Auch Jünemann301 spricht sich im Kontext von § 1980 BGB – einen anderen Anhaltspunkt nennt er zumindest nicht – für eine Antragspflicht des Nachlasspflegers aus – leider ohne tragfähige Begründung. Zum Nachweis seiner Auffassung verweist er lediglich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs302, dem diese Auffassung de facto nicht zu entnehmen ist. In dem Urteil bleibt der gesamte Kontext der Insolvenzantragspflicht gänzlich unerwähnt. Thematisiert werden lediglich das Antragsrecht des Nachlasspflegers und die Anforderungen an dessen Antrag.303 Weitaus problematischer ist jedoch, dass Jünemann die Auffassung des Bundesgerichtshofs hier unzutreffend darstellt, da sich dieser in einer vorangegangenen304 und im Kontext sogleich thematisierten Entscheidung305 ausdrücklich gegen eine Antragspflicht des Nachlasspflegers gegenüber den Nachlassgläubigern ausgesprochen hat. Umfangreicher argumentiert Poertzgen306 : Er begründet die (analoge) Anwendung von § 1980 BGB damit, dass auch der Erbe gem. § 1980 BGB verpflichtet sei, den Antrag zu stellen, weshalb der ihn vertretende Nachlasspfleger in gleicher Weise verpflichtet sei. Der Nachlasspfleger sei berufen, den Erben zu vertreten, bis dieser ermittelt sei und die eigenverantwortliche Verwaltung des Nachlasses übernehmen könne.307 Unklar sind im Kontext Aussagen, die eine Ersatzpflicht des Nachlasspflegers aus § 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB für möglich halten, wenn dieser den gebotenen Insolvenzantrag nicht stellt, aber gleichzeitig festgestellt wird, dass den Nachlasspfleger im Vergleich zum Nachlassverwalter keine Verantwortlichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern trifft. Wie eine Verantwortlichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern möglich sein soll, wenn keine Antragspflicht gegenüber den Gläubigern bestehen soll, die zu verletzen möglich wäre, bleibt unbeantwortet.308
301
Jünemann, Zerb 2011, 59 (61). BGH, Beschluss vom 12. 07. 2007 – IX ZB 82/04 – WM 2007, 1754. 303 BGH, Beschluss vom 12. 07. 2007 – IX ZB 82/04 – WM 2007, 1754 f., juris Rz. 7 ff. 304 Die besagte Entscheidung BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 ff. wurde im Kontext bereits aufgegriffen, vgl. dazu die an die Ausführungen zur Rechtsstellung des Nachlasspflegers folgende Stellungnahme unter Teil 2, A. IV. 305 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 ff. 306 Poertzgen, Organhaftung wegen Insolvenzverschleppung, S. 139 – 141. 307 Poertzgen, Organhaftung wegen Insolvenzverschleppung, S. 140. 308 Intransparent insoweit Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 501. 302
B. Meinungsstand zur Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers
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(2) Position des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Meinung Unter ausdrücklicher Zustimmung schließt sich der Bundesgerichtshof309 der allgemeinen Auffassung310 an, wonach aus der Aufgabenstellung des Nachlasspflegers, den Nachlass zu sichern und zu verwalten, nicht folge, dass er den Gläubigern auch aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet sei; diese Verpflichtung treffe allein den Erben persönlich.311 Unter Erbe i.S.v. § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB sei – wie allgemein im Erbrecht – jeder endgültige Erbe zu verstehen. Bis zur Annahme der Erbschaft gem. § 1943 BGB liege eine vorläufige Erbenstellung vor. Bis zur Annahme stehe noch nicht fest, dass der so Berufene auch endgültig Erbe werde. „Die Bestellung eines Nachlaßpflegers , für denjenigen, der Erbe wird,‘ erfolgt gerade auch für den aus tatsächlichen Gründen noch unbekannten Erben, bei dem die Annahme naturgemäß noch ausstehen muß.“312 Im Zeitraum vor der Annahme der Erbschaft brauche sich der „werdende Erbe“ grundsätzlich nicht um den Nachlass zu kümmern.313 Für den „werdenden Erben“ könne auch die Insolvenzantragspflicht nicht gelten, weil es einen Erben im Sinne von § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB (noch) nicht gebe.314 Erst die Annahme der Erbschaft beende diesen Schwebezustand mit 309
BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (285), juris Rz. 16. RG, Beschluss vom 30. 03. 1936 – IV B 7/36 – RGZ 151, 57 (62); RG, Beschluss vom 12. 03. 1907 – VII 30/07 – RGZ 65, 287 (289); KG Berlin, Beschluss vom 07. 02. 1975 – 1 W 1218/74 – OLGZ 1975, 161 (163); BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1960 Rz. 10; MünchKomm-InsO/Siegmann § 317 Rz. 7; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 12; Fröhler, BWNotZ 2011, 2 (ebd.); Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 20; Erman-BGB/Schlüter, § 1980 Rz. 5; Palandt/Weidlich, § 1980 Rz. 3; Kilger/Schmidt-Insolvenzgesetze, § 217 KO (ebd. unter 2.); Jaeger-KO/Weber, §§ 217 bis 220 Rz. 24: a.A: Kuhn/Uhlenbruck-KO § 217 Rz. 4 f. 311 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 19; vgl. KG Berlin, Beschluss vom 07. 02. 1975 – 1 W 1218/74 – OLGZ 1975, 161 (163); SoergelBGB/Stein, § 1960 Rz. 34 und § 1980 Rz. 9; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 20; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 53; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Auflage, § 49 IV 3; FK-InsO/Schallenberg/Rafiqpoor, § 317 Rz. 19; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 317 Rz. 7; Nerlich/ Römermann-InsO/Riering, § 317 InsO Rz. 7. 312 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (285), juris Rz. 16 unter Bezugnahme auf die Ausführungen des KG Berlin, Beschluss vom 07. 02. 1975 – 1 W 1218/74 – OLGZ 1975, 161 (163). 313 OLG Braunschweig, Urteil vom 13. 07. 1920 – 2. ZS – OLGE 42, 204 (ebd.): „aber eine Verpflichtung zur Erfüllung aller aus dem Nachlasse ruhender Leistungen liegt ihm nicht ob“; Nöll, Der Tod des Schuldners in der Insolvenz, S. 78 Rz. 204; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1959 Rz. 4; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1959 Rz. 1; Muscheler, Erbrecht, Rz. 1080; Lange, Erbrecht, § 42 Rz. 1; MAH-Erbrecht/Siegmann, § 23 Rz. 28; NK-BGB-Erbrecht/Ivo, § 1959 Rz. 1; Soergel-BGB/Stein, § 1959 Rz. 1; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1959 Rz. 1; Erman-BGB/Schlüter, § 1959 Rz. 1; Palandt/Weidlich, § 1959 Rz. 1. 314 So auch die h.M., die eine Anwendung von § 1980 BGB nur für den endgültigen Erben vorsieht, vgl. KG Berlin (1. ZS), Beschluss vom 07. 02. 1975 – 1 W 1218/74 – OLGZ 1975, 161 (163); Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 15; Jauernig-BGB/Stürner, § 1980 Rz. 1; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 1 Fn. 1; Erman-BGB/Schlüter, § 1980 Rz. 1; SoergelBGB/Stein, § 1980 Rz. 5; MünchKomm-InsO/Siegmann, § 317 Rz. 7, Fn. 1; Nerlich/Römermann-InsO/Riering, § 317 Rz. 4; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 317 Rz. 3; NK-BGB/Hoeren, 310
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der Folge, dass der „werdende Erbe“ zum endgültigen Erbe werde. Ab diesem Zeitpunkt sei auch die Pflichtenstellung einschließlich der Insolvenzantragspflicht aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB durch die Eigenschaft als endgültiger Erbe begründet. Einer Anwendung von § 1980 BGB auf den Nachlasspfleger erteilt der Bundesgerichtshof eine klare Absage: Gut zu verstehen ist der Fall, bei dem es den Erben i.S.v. § 1980 BGB mangels Annahme der Erbschaft noch nicht gibt, weshalb die Pflicht des Erben aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB Insolvenzantrag zu stellen auch noch nicht bestehen kann. Den Fall des Erbprätendentenstreits, bei dem der wahre Erbe die Annahme bereits erklärt hat, entscheidet der Bundesgerichtshof mit einem „Kunstgriff“, um sich nicht in Widersprüche zu verwickeln. Indem er die Antragspflicht als persönliche Verpflichtung des Erben benennt, ist für eine Wahrnehmung dieser Pflicht durch einen Vertreter kein Raum mehr. (3) Bewertung und eigene Auffassung Die Auffassung des Bundesgerichtshofs verdient im Ergebnis Zustimmung. Das Gesetz liefert keine Hinweise auf eine direkte oder analoge Anwendung von § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Nachlasspfleger. Treffend ist insbesondere die Argumentation des Bundesgerichtshofs zur Differenzierung zwischen dem „werdenden Erben“ und endgültigen Erben. Für die Behandlung weiterer Fragestellungen im Kontext der Nachlasspflegschaft sind diese Differenzierung und die daraus folgenden Konsequenzen für die Pflichtenstellung des Nachlasspflegers von gravierender Bedeutung. Entgegen der Auffassung von Poertzgen erfolgt die Bestellung und damit auch eine Vertretung des Erben durch den Nachlasspfleger nicht für den endgültigen Erben (der zur Stellung des Insolvenzantrags gem. § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet ist), sondern für den noch vorläufigen Erben, der gerade nicht aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet ist, weil er die Erbschaft noch nicht angenommen hat. Anderenfalls wäre die Bestellung eines Nachlasspflegers in Ermangelung der Unklarheit über die Person des Erben (vgl. § 1960 Abs. 1 BGB) nicht möglich. Indem Poertzgen sich auf die Pflichten des endgültigen Erben bezieht, vermischt er Sachverhalte, die nicht zusammengehören. Die Nachlasspflegschaft wird nicht für den endgültigen Erben nach Annahme der Erbschaft, sondern für den „werdenden Erben“ oder die sich als Erbe herausstellende Person im Zeitraum nur vorläufiger Erbenstellung angeordnet, weshalb sich die Pflichtenstellung des Nachlasspflegers nur an den Pflichten des vorläufigen Erben orientieren kann. Aber auch in systematischer Hinsicht kann ein Rückgriff auf § 1980 BGB für Nachlasspfleger im Zeitraum der Nachlasspflegschaft nicht überzeugen. Soll die Vorschrift auf andere Personen als den Erben Anwendung finden, hat der Gesetzgeber eine entsprechende Anwendung andernorts ausdrücklich angeordnet. So findet § 1980 Rz. 6; Marotzke, ZInsO 2011, 2105 (2107); Kuhn/Uhlenbruck-KO § 217 Rz. 2; HessInsO/Hess, § 317 Rz. 6.
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sich für den Nachlassverwalter als Sonderform des Nachlasspflegers der Verweis für eine entsprechende Anwendung des § 1980 BGB in § 1985 Abs. 2 BGB. Diese vom Gesetzgeber erkennbare getroffene Differenzierung darf nicht dadurch ausgehebelt werden, dass eine Anwendung von § 1980 BGB auf eine gewöhnliche Nachlasspflegschaft ermöglicht wird. Dass vor diesem Hintergrund gleichwohl eine planwidrige Regelungslücke als Ausgangspunkt einer Analogieprüfung angenommen wird, kann nicht überzeugen. cc) Insolvenzantragspflicht des Nachlasspflegers gem. (oder ggf. analog) §§ 1985 Abs. 2, 1980 BGB Denkbar wäre jedoch, die Wirkungskreise von Nachlasspfleger und Nachlassverwalter dergestalt zu verstehen, dass eine (analoge) Anwendung des § 1985 Abs. 2 BGB auf den Nachlasspfleger möglich wäre und diesen dann in der Folge doch eine Verantwortlichkeit gegenüber den Gläubigern des Nachlasses aus § 1980 BGB trifft. (1) Position Bundesgerichtshof und Schrifttum Auch einer Anwendung von § 1980 Abs. 1 BGB aufgrund des Verweises in § 1985 Abs. 2 BGB erteilt der Bundesgerichtshof eine Absage, da dieser nur für den Nachlassverwalter gelte. Die Nachlassverwaltung unterscheide sich als Sonderfall der Nachlasspflegschaft von dieser dadurch, dass der Nachlassverwalter im Gegensatz zum Nachlasspfleger die Pflicht habe, Nachlassgläubiger zu befriedigen – was eine unterschiedliche Pflichtenstellung von Nachlasspfleger und Nachlassverwalter im Außenverhältnis zu den Gläubigern rechtfertige.315 Damit schloss sich der Bundesgerichtshof der bis dato herrschenden Auffassung an, wonach eine Anwendbarkeit von § 1985 Abs. 2 BGB auf den Nachlasspfleger nicht in Frage kommt.316 Fand eine analoge Anwendung von § 1985 Abs. 2 BGB auf den Nachlasspfleger früher noch Anhänger,317 wurde dies soweit ersichtlich in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr vertreten.318
315
BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 19. RG, Beschluss vom 30. 03. 1936 – IV B 7/36 – RGZ 151, 57 (63); RG, Beschluss vom 12. 03. 1907 – VII 30/07 – RGZ 65, 287 (289); MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 20; Poertzgen, ZInsO 2013, 517 (ebd.); Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 24; MünchKomm-BGB/ Leipold, § 1960 Rz. 53; jurisPK-BGB/Wildemann, § 1960 Rz. 37; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 54; Möhring/Beisswingert/Klingelhöffer, Vermögensverwaltung, S. 128; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 204 f.; Kipp/Coing, Erbrecht, § 125 III 5, S. 684; Palandt/Weidlich, § 1960 Rz. 18; RGRK-BGB/Johannsen, § 1960 Rz. 34; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1960 Rz. 16. 317 von Lübtow, Erbrecht, S. 759 m.w.N.; evtl. Poertzgen, Organhaftung wegen Insolvenzverschleppung, S. 136; 141 ff. 318 Zu diesem abschließenden Ergebnis bereits im Jahr 1992 Möhring/Beisswingert/Klingelhöffer, Vermögensverwaltung, S. 128. 316
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Teil 2: Schadenskompensation nach aktuellem Meinungsstand
(2) Die Auffassung von Nöll Allerdings wird die Diskussion, ob nicht eine erneute Prüfung einer analogen Anwendung von § 1985 Abs. 2 BGB und damit auch einer Insolvenzantragspflicht und Haftung für Nachlasspfleger über § 1980 BGB angezeigt ist, erneut entfacht. Nöll319 hat unlängst den Umgang von Nachlassgerichten mit überschuldeten Nachlässen scharf kritisiert und sich in diesem Zusammenhang für eine Antragspflicht und Haftung des Nachlasspflegers gegenüber Nachlassgläubigern ausgesprochen. Nöll320 führt dazu Folgendes aus. Werde Nachlasspflegschaft für offensichtlich überschuldete Nachlässe angeordnet, könne von einer Anordnung im Interesse „irgendwelcher unbekannten Erben“ keine Rede mehr sein. Die Annahme der Erbschaft bei einem überschuldeten Nachlass begründe für den Erben schließlich ausnahmslos Pflichten und Haftungsgefahren, ohne dass ihm wirtschaftlich etwas aus dem Nachlassbestand zufließe. Bei Überschuldung hätten einzig die Nachlassgläubiger ein Interesse an nachlassgerichtlichen Sicherungsmaßnahmen in Bezug auf den Nachlassbestand, da die Mittel des Nachlasses als Haftungssubstrat zur Befriedigung ihrer Ansprüche dienten und folglich jedwede Sicherung einer Verminderung des Nachlasses entgegenwirke. Werde also in dieser Situation eine Nachlasspflegschaft angeordnet, könne diese nicht den Interessen der unbekannten Erben dienen, sondern nur den Interessen der Nachlassgläubiger, weshalb faktisch keine Nachlasspflegschaft sondern Nachlassverwaltung vorliege. Nöll321 spricht sich daher grundsätzlich für eine analoge Anwendung von § 1985 Abs. 2 BGB auf den Nachlasspfleger aus, wenn die Nachlasspflegschaft trotz überwiegend wahrscheinlicher Überschuldung des Nachlasses angerordnet wurde. Dem stehe die Auffassung des Bundesgerichtshofs322 nicht entgegen, da dessen Ausführungen nur auf den Streitgegenstand bezogen gewesen seien.323 Fraglich ist daher, ob in einer derartigen Konstellation die analoge Anwendung der Vorschriften über die Haftung des Nachlassverwalters gem. § 1985 Abs. 2 BGB möglich ist, weil „faktisch“ eine Nachlassverwaltung vorliegt.
319
Nöll, ZInsO 2012, 814 ff. Zu alledem Nöll, ZInsO 2012, 814 (816). 321 Nöll spricht sich in Einzelfällen sogar für eine direkte Anwendung von § 1985 Abs. 2 BGB aus, falsche Bezeichnung schade nicht in: ZInsO 2012, 814 (816). Ein mit genereller Abwicklungskompetenz ausgestatteter Nachlasspfleger sei eine „unzulässige Mischform“, wenn dieser nicht Nachlassverwalter (mit entsprechender Pflichtenstellung gegenüber den Gläubigern) sei. 322 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 ff. 323 Nöll, ZInsO 2012, 814 (815). 320
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(3) Bewertung und eigene Auffassung Zunächst ist zu begrüßen, dass Nöll die Problematik zum Umgang mit überschuldeten Nachlässen aufwirft und damit einer neuerlichen Diskussion zugänglich macht. Auch dass Nöll die Abwicklung von überschuldeten Nachlässen außerhalb des Insolvenzverfahrens („kalte Eigenverwaltung“324) kritisiert und nach einer Lösung der Problematik sucht, ist ausdrücklich positiv hervorzuheben. Ob allerdings eine „Renaissance“ der analogen Anwendung von § 1985 Abs. 2 BGB für Nachlasspfleger der korrekte Lösungsansatz ist, scheint zweifelhaft. Nöll ist zuzugestehen, dass bei feststehender Überschuldung des Nachlasses (an der es in der Praxis meist im Zeitpunkt der Anordnung einer Nachlasspflegschaft fehlt) in der Tat kein Sicherungsbedürfnis i.S.v. § 1960 BGB325 vorliegt. Nach der Anordnung erfolgt die Sicherung des Nachlassbestands durch den Nachlasspfleger mit dem Zweck, den Nachlassbestand für den endgültigen Erben bestmöglich zu sichern und zu erhalten. Eine derartige Sicherung, insbesondere wenn sie aufgrund der Überschuldung des Nachlasses nicht angezeigt ist, kann erhebliche Probleme verursachen. Dass eine Beeinträchtigung von Nachlassgläubigerinteressen denkbar ist, wenn Nachlasspflegschaften zum Schutz von Interessen des Erben am Nachlass (wirksam) angeordnet werden (obwohl aus dessen Sicht eine Sicherung und Erhaltung des Nachlassbestands bei Überschuldung durch das Gericht nicht angezeigt ist326), liegt auf der Hand, weil nicht davon auszugehen ist, dass die Interessen von noch unbekannten Erben – in deren Interesse der Nachlasspfleger ja laut Gerichtsbeschluss tätig ist – und Nachlassgläubigern zwangsläufig deckungsgleich sind. Der Erbe will beispielsweise ermittelt werden, woran den Nachlassgläubigern grundsätzlich wenig gelegen ist, sofern dadurch für sie keine Vorteile hinsichtlich der Befriedigungsaussichten entstehen. Dazu führt der Bundesgerichtshof327 aus: „Durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens würde die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des tatsächlichen Erben über den Nachlass entzogen (§ 81 Abs. 1 InsO) und der Nachlass mit den Kosten des Insolvenzverfahrens belastet (§ 53 InsO). Selbst wenn ein Insolvenzeröffnungsgrund (§ 320 InsO) vorliegt, kann die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens den Interessen des tatsächlichen Erben zuwider laufen. Ist der Nachlass zwar zahlungsunfähig, aber nicht überschuldet, kann es für den Erben wirtschaftlich sinnvoll sein, die fälligen Nachlassverbindlichkeiten aus seinem sonstigen Vermögen zu befriedigen, um das vorhandene Vermögen des Nachlasses zu erhalten oder es außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu verwerten. Aber auch bei Überschuldung des Nachlasses mag der Erbe – etwa aufgrund familiärer Verantwortung für die Verbindlichkeiten des Erblassers – bereit sein, von der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach § 1975 BGB keinen Gebrauch zu machen und die Nachlassverbindlichkeiten aus seinem sonstigen Vermögen zu bedienen.“
324 325 326 327
Nöll, ZInsO 2012, 814 (ebd.). Vgl. dazu oben Teil 1, C. II. 3. b) dd) (3). Vgl. dazu oben Teil 1, C. II. 3. b) dd) (3). BGH, Beschluss vom 19. 05. 2011 – IX ZB 74/10 – ZEV 2011, 544 (546), juris Rz. 16 f.
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Daraus ergibt sich aber noch keine Erklärung für eine Anwendung von § 1985 Abs. 2 BGB auf den Nachlasspfleger. Denn entgegen der Aussage von Nöll entspricht es allgemeiner Auffassung, dass den Nachlasspfleger außerhalb einer deliktischen Haftung gerade keine Verantwortlichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern trifft.328 Gegenteiliges ist auch den Ausführungen des Bundesgerichtshofs im von Nöll angesprochenen Urteil nicht zu entnehmen. In dem Urteil setzt sich der Bundesgerichtshof mit allen zu diesem Zeitpunkt relevanten Auffassungen zu einer möglichen Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber den Nachlassgläubigern auseinander und gibt zu jeder Auffassung eine Stellungnahme ab. Die Ausführungen sind dabei vielerorts erkennbar abstrakt gehalten und somit gerade zur Verallgemeinerung gedacht. Unabhängig davon, ob man die Auffassung des Bundesgerichtshofs teilt oder nicht, liegt eine lediglich auf den Einzelfall bezogene Entscheidung – wie von Nöll behauptet – hier definitiv nicht vor. Nöll begründet eine Haftung des Nachlasspflegers unter anderem mit der Aussage, dass mit einer Erweiterung des Wirkungskreises des Nachlasspflegers um die Ermächtigung Nachlassverbindlichkeiten zu befriedigen und den Nachlass abzuwickeln dazu führe, dass die angeordnete Nachlasspflegschaft „zumindest nach dem Wortlaut des § 1975 BGB automatisch zu einer Nachlassverwaltung“ werde.329 Mit dieser Annahme setzt er sich jedoch über geltendes Recht hinweg: Ist eine Nachlasspflegschaft angeordnet, ohne dass die erforderlichen materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 1960 BGB zur Anordnung vorlagen, wird die Pflegschaft in diesem Fall als wirksam behandelt330, was aus Gründen der Rechtssicherheit, insbesondere des Schutzes Dritter, die mit dem Nachlasspfleger Rechtsgeschäfte abschließen, erforderlich ist.331 Die Folge ist, dass die Nachlasspflegschaft bis zu ihrer Aufhebung wirksam bleibt.332 Auch Gründe der Rechtssicherheit bestätigen die bisherigen Ausführungen gegen die Auffassung von Nöll: Ob eine Nachlasspflegschaft oder eine Nachlassverwaltung 328 RG, Beschluss vom 30. 03. 1936 – IV B 7/36 – RGZ 151, 57 (63 f.); RG, Beschluss vom 12. 03. 1907 – VII 30/07 – RGZ 65, 287 (289); BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/ 03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 19; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 20; Poertzgen, ZInsO 2013, 517 (ebd.); Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 24; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 53; jurisPK-BGB/Wildemann, § 1960 Rz. 37; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 54; Möhring/Beisswingert/Klingelhöffer, Vermögensverwaltung, S. 128; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 204 f.; Kipp/Coing, Erbrecht, § 125 III 5, S. 684; Palandt/Weidlich, § 1960 Rz. 18; RGRK-BGB/Johannsen, § 1960 Rz. 34; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1960 Rz. 16; Weißler, Das Nachlassverfahren, Band I, S 132. 329 Nöll, ZInsO 2012, 814 (ebd., Fn. 1). 330 BGH, Urteil vom 06. 10. 1960 – VII ZR 136/59 – NJW 1961, 22 (24); BGH, Urteil vom 26. 10. 1967 – VII ZR 86/65 – BGHZ 49, 1 (3), juris Rz. 11; Palandt/Weidlich, § 1960 Rz. 4; Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 16; Johannsen, WM 1972, 914 (918). 331 BGH, Urteil vom 26. 10. 1967 – VII ZR 86/65 – BGHZ 49, 1 (3), juris Rz. 11. 332 OLG Köln, Beschluss vom 15. 10. 2010 – I-2 Wx 156/10, 2 Wx 156/10 – RNotZ 2011, 43 (45), juris Rz. 17; Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 16; Palandt/Weidlich, § 1960 Rz. 4; MünchKommBGB/Leipold, § 1960 Rz. 39; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1960 Rz. 36.
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vorliegt, wäre andernfalls nicht mehr anhand der Bezeichnung „Nachlasspflegschaft“ im Gerichtsbeschluss, sondern lediglich anhand der tatsächlichen Sachlage zu ersehen. Dies setzte aber voraus, dass alle Beteiligten über die Sachlage informiert sind und diese korrekt zu beurteilen wissen – also einschätzen können, ob es sich vorliegend um „eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger (Nachlassverwaltung)“ gem. § 1975 BGB handelt oder nicht. Gerade dies ist jedoch für Dritte nicht möglich. Weiterhin wären die Grenzen zwischen Nachlasspflegschaft und Nachlassverwaltung andernfalls fließend und würden die Wertung des Gesetzgebers, der die Nachlassverwaltung als Sonderfall behandelt, konterkarieren. Weiterhin dient die Nachlassverwaltung gerade nicht der Abwicklung überschuldeter Nachlässe, da der Gesetzgeber den Nachlassverwalter schließlich unter eine Insolvenzantragspflicht gestellt hat vgl. § 1985 Abs. 2 BGB, um überschuldete Nachlässe im Nachlassinsolvenzverfahren abwickeln zu können. Ferner ist die Anordnung einer Nachlassverwaltung von Amts wegen unzulässig. Sie setzt immer einen Antrag voraus, § 1981 BGB. Aus Gründen der Rechtssicherheit333 kann daher die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gem. § 1960 Abs. 2 BGB, zu der das Nachlassgericht von Amts wegen berechtigt und verpflichtet ist, nicht dazu führen, dass eine Sonderform der Nachlasspflegschaft „entsteht“ die das Gericht in Ermangelung der Anordnungsberechtigung ohne erforderlichen Antrag des Erben oder eines Nachlassgläubigers nicht selbst anordnen könnte. Das OLG Köln führt dazu aus: „Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, dass eine auf öffentlicher Gewalt beruhende Maßnahme wirksam ist, solange sie Bestand hat, und dass die Bestandskontrolle ausschließlich den nach dem jeweiligen Verfahrensrecht berufenen Stellen obliegt […]. Dies gilt auch für rechtsgestaltende Entscheidungen der FamFG-Gerichte, die von diesen im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlassen werden, so zum Beispiel für die Bestellung eines Nachlasspflegers […].“334
Aus Gründen der Rechtssicherheit müssen für alle Beteiligten folglich die für die Nachlasspflegschaft geltenden Vorschriften Anwendung finden. Dies muss dann aber auch für Nachlasspfleger selbst gelten. Die Bestellung durch das Gericht gilt als ordnungsgemäß erfolgt und solange als wirksam, bis das Nachlassgericht sie aufhebt. Nachlasspfleger haben daher die Pflegschaft unter Berücksichtigung der geltenden Rechtslage durchzuführen. Dazu gehört auch, dass der Nachlasspfleger gegenüber den Nachlassgläubigern nicht aus § 1985 Abs. 2 BGB verpflichtet ist. Alle Verfahrensbeteiligten – auch die Nachlassgläubiger – können aus der Pflegschaftsanordnung ersehen, dass – zumindest bezogen auf den Nachlasspfleger und den von
333
So ausdrücklich NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1960 Rz. 36. OLG Köln, Beschluss vom 15. 10. 2010 – I-2 Wx 156/10, 2 Wx 156/10 – RNotZ 2011, 43 (45), juris Rz. 17. 334
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ihm vertretenen noch unbekannten Erben – aktuell keine antragspflichtige Person vorhanden ist.335 Unterschiedliche Behandlungen von Nachlasspflegschaften würden zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen und das Haftungsrisiko für Nachlasspfleger in unzulässigerweise ausufern lassen – insbesondere wenn man sich vor Augen führt, dass nicht der Nachlasspfleger, sondern das Nachlassgericht zur Überprüfung der Anordnungsvoraussetzungen nach § 1960 BGB verpflichtet ist. Worin die für eine Analogie erforderliche planwidrige Gesetzeslücke in diesem Kontext liegen soll, erschließt sich daher nicht. Nachlasspflegschaft und Nachlassverwaltung unterscheiden sich grundlegend, weshalb der Gesetzgeber für die Nachlassverwaltung als Sonderform der Nachlasspflegschaft (vgl. §§ 1975 BGB, 780 Abs. 2 ZPO, 317 Abs. 1 InsO) spezielle Vorschriften geschaffen hat. Der Nachlassverwalter ist im Gegensatz zum Nachlasspfleger nicht gesetzlicher Vertreter des Erben, sondern ein amtlich bestelltes Organ zur Verwaltung einer fremden Vermögensmasse mit eigener Parteistellung.336 Obwohl Nachlassverwalter und Nachlasspfleger der Aufsicht des Nachlassgerichts unterstehen, hat der Nachlassverwalter im Gegensatz zu dem nach § 1960 oder § 1961 bestellten Nachlasspfleger die primäre Aufgabe, für die Befriedigung der Nachlassgläubiger zu sorgen, § 1975 BGB. Zudem verliert der Erbe gem. § 1984 Abs. 1 BGB die Rechtsmacht, über den Nachlass zu verfügen, an den Nachlassverwalter. Marotzke337 fasst daher zutreffend zusammen, dass die Rechtsstellung des Nachlassverwalters, eher mit derjenigen des Nachlassinsolvenzverwalters zu vergleichen ist als mit der eines Nachlasspflegers nach § 1960 oder § 1961 BGB. Die fehlende Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers im Vergleich zu der des Nachlassverwalters aus § 1985 Abs. 2 BGB gegenüber den Nachlassgläubigern für die Verwaltung des Nachlasses ist daher nur konsequent338 und nicht planwidrig. Der Nachlasspfleger ist nicht wie der Nachlassverwalter auch im Interesse der Gläubiger, sondern ausschließlich im Interesse des Erben pflegerisch tätig,339 daher soll er auch nur diesem verantwortlich sein. Ob die eigenmächtige Abwicklung von überschuldeten Nachlässen von Nachlasspflegern insbesondere nach unberechtigter Erhebung der Einrede nach § 1990 335 Möglich ist lediglich eine antragspflichtige Person, wenn andere Erben die Erbschaft bereits angenommen haben, vgl. BGH im bekannten Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/ 03 – BGHZ 161, 281 ff. 336 So bereits die Bewertung des Reichsgerichts, vgl. RG, Urteil vom 04. 01. 1932 – IV 353/ 31 – RGZ 135, 305 (307); ebenso: KG Berlin, Beschluss vom 29. 11. 2005 – 1 W 180/ 03 – FGPrax 2006, 76 (ebd.), juris Rz. 6; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1975 Rz. 4; NK-BGBErbrecht/Krug, § 1975 Rz. 17; Fröhler, BWNotZ 2011, 2 (3); MünchKomm-BGB/Küpper, § 1985 Rz. 2; Soergel-BGB/Stein, § 1985 Rz. 1 337 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1985 Rz. 19. 338 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1985 Rz. 1. 339 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (288), juris Rz. 20.
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BGB zu werthaltigen Haftungsansprüchen führt, ist damit jedoch noch nicht entschieden, sondern noch zu untersuchen – keinesfalls taugen fehlerhafte Bestellungen zur Begründung einer Analogie. Vielmehr gilt es aus Gründen der Rechtssicherheit den Beschluss möglichst unmissverständlich auszulegen, was in diesem Fall nur anhand der Bezeichnung möglich ist. Der Vorwurf Nölls, dass kein Interesse des Erben an einer Sicherung bestehe und daher keine Nachlasspflegschaft in seinem Interesse anzuordnen sei, müsste zudem – wenn überhaupt – an das Nachlassgericht adressiert werden. Eine Antragspflicht oder eine Haftung von Nachlasspflegern über § 1985 Abs. 2 BGB direkt oder analog würde das in diesem Fall fehlerhafte Verhalten zahlreicher Nachlassgerichte nur unzureichend berücksichtigen und letztlich den Nachlasspfleger zum „Bauernopfer“ degradieren. Er würde einem nicht zu kalkulierenden Haftungsrisiko ausgesetzt, wenn sich abhängig von seinem Wirkungskreis, den das Nachlassgericht festlegt, entscheiden würde, ob er Nachlasspfleger oder Nachlassverwalter ist. Daher kann im Einklang mit der herrschenden Meinung einer generellen Anwendung von § 1985 Abs. 2 BGB auf Nachlasspfleger überschuldeter Nachlässe nicht gefolgt werden. Klarstellend sei angemerkt: Das bedeutet noch nicht, dass der Nachlasspfleger nicht letztlich doch für fehlerhafte Verwaltung des Nachlasses oder unterlassene Insolvenzantragstellung haftet. In jedem Fall kann eine Verantwortlichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern nicht pauschal über eine analoge Anwendung von § 1985 Abs. 2 BGB konstruiert werden. dd) Insolvenzantragspflicht aus § 317 InsO? Anzudenken wäre auch die Möglichkeit einer Antragsverpflichtung des Nachlasspflegers gegenüber den Nachlassgläubigern aus § 317 InsO. Der Bundesgerichtshof340 konstruiert aus dem Insolvenzantragsrecht des Nachlasspflegers aus § 317 Abs. 1 InsO lediglich im Innenverhältnis zum Erben eine Verpflichtung zur Antragstellung, und auch nur unter der Einschränkung, dass „eine Verkürzung des Nachlasses und damit ein[en] Schaden des Erben abzuwenden“ sei, deren Nichtbeachtung eine Schadensersatzpflicht nach sich ziehen könne. Aus dieser Rechtsbeziehung entstehe jedoch weder originär noch derivativ eine Pflichtenstellung gegenüber den Nachlassgläubigern.341 Diese Auffassung verdient Zustimmung. Der Vorschrift ist – unabhängig von der Frage, ob eine Antragspflicht gegenüber dem Erben besteht – eine besondere Pflichtenstellung des Nachlasspflegers gegenüber 340 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 19; in diesem Sinne auch: KG Berlin (1. ZS), Beschluss vom 07. 02. 1975 – 1 W 1218/74 – OLGZ 1975, 161 (163); MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 53; MünchKomm-InsO/Siegmann, § 317 Rz. 7; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 20; FK-InsO/Schallenberg/Rafiqpoor, § 317 Rz. 20; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 12; NK-BGB/Krug, § 1960 Rz. 125; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 317 Rz. 7; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 2369. 341 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 19.
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Teil 2: Schadenskompensation nach aktuellem Meinungsstand
den Nachlassgläubigern, aus der eine Insolvenzantragspflicht resultieren könnte, nicht zu entnehmen. Eine Antragspflicht des Nachlasspflegers gegenüber den Nachlassgläubigern aus § 317 InsO kommt folglich nicht in Betracht. ee) Die Auffassung von Ziegltrum Einen anderen Ansatz hatte Ziegltrum342 verfolgt. Er sieht die Nachlassgläubiger im Nachlassinsolvenzverfahren als Schicksalsgemeinschaft an. Für diese habe das Gesetz eine „als gerecht angesehene Ordnung aufgestellt“. Wenn sich aus der Aufgabenstellung des Nachlasspflegers eine Erforderlichkeit ergebe, Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen, dann dürfe er sich nicht über die im Konkurs geltenden Grundsätze hinwegsetzen. Der Nachlasspfleger habe seine Aufgabe im Rahmen der Gesamtrechtsordnung wahrzunehmen und führt den Vorrang des Gesetzes ins Feld, der sich aus der Rechtsstaatlichkeit ergebe. Die Auffassung von Ziegltrum vermag nicht zu überzeugen. Die Komplexität der in Rede stehenden Sachverhalte fordert eine Regelung durch den Gesetzgeber, andernfalls entstünde erhebliche Rechtsunsicherheit. Daher hat der Gesetzgeber sowohl für den Erben als auch für den Nachlassverwalter eine entsprechende Haftung explizit geregelt. Ziegltrums Argumentation fußt im Wesentlichen auf der Tatsache, dass die Berechtigung (oder gar die Verpflichtung) des Nachlasspflegers, Nachlassgläubiger zu befriedigen, aus der Gesamtrechtsordnung gefolgert wird.343 Dies ist nicht korrekt. Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter des „werdenden Erben“344 und im Rahmen dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses bestimmen sich dessen Rechte und Pflichten gegenüber den Beteiligten. Wie zu zeigen sein wird, hat die Verpflichtung zur Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten durch den Nachlasspfleger weitreichende Konsequenzen.345 Zu diesen Erkenntnissen kann Ziegltrum nicht gelangen, da er die gesetzliche Vertretung als Rechtsstellung des Nachlasspflegers ablehnt und den Nachlasspfleger als Partei kraft Amtes begreift.346 Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die von Ziegltrum angeführten Punkte im Grundsatz Zustimmung verdienen. Eine fehlende Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers für seine Amtsführung während der Nachlasspflegschaft führt zu zahlreichen Problemen, insbesondere aber zu Nachteilen der Nachlassgläubiger. Bevor allerdings die Gesamtrechtsordnung zur Konstruktion einer Haftung herangezogen wird, sollten zunächst alle zur Verfügung stehenden gesetzlichen Regelungen im Kontext genau untersucht werden. Eventuell besteht die Möglichkeit, mit 342 Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 163; zustimmend: Kali, Nachlasspfleger und Erbenermittler, S. 63 – 65. 343 Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 158 und S. 163. 344 Vgl. Oben Rechtsstellung des Nachlasspflegers, Teil 2, A. 345 Vgl. dazu unten: Teil 3, A. I. 2. b) und Teil 3, A. II. 3. b) bb). 346 Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 122 ff., S. 134.
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Hilfe der bisherigen gesetzlichen Regelungen im Kontext der Nachlassinsolvenz zahlreiche Probleme zu lösen. b) Zwischenergebnis: Keine eigenen Ansprüche der Nachlassgläubiger gegen Nachlasspfleger Zusammenfassend gilt festzuhalten, dass den Nachlassgläubigern (mit Ausnahme deliktischer Schadensersatzansprüche und einer Verletzung des Auskunftsanspruchs aus § 2012 Abs. 1 Satz 2 BGB) grundsätzlich keine eigenen Ansprüche gegen den Nachlasspfleger für dessen Handlungen oder Unterlassungen in Bezug auf den Umgang mit dem Nachlass zustehen. Damit ist die Frage, ob die den Nachlassgläubigern entstehenden Schäden kompensierbar sind, und ob der Nachlasspfleger letztlich für Nachlassverkürzungen haftet, jedoch noch nicht beantwortet. Aus dem Umstand, dass der Nachlasspfleger gesetzlicher Vertreter des noch vorläufigen Erben ist, ergeben sich weitere Ansatzpunkte.
II. Die bestehende Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben ist bei überschuldeten Nachlässen aktuell bedeutungslos Aus dem zwischen Nachlasspfleger und Erben bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis ist der Nachlasspfleger dem Erben nach den §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB wie ein Vormund dem Mündel verantwortlich.347 Allerdings ist dieser Erstattungsanspruch bei überschuldeten Nachlässen derzeit faktisch bedeutungslos, da überwiegend angenommen wird, dieser sei nicht werthaltig. Es wird davon ausgegangen, der Anspruch scheitere am fehlenden Schaden des Erben, was entweder mit der bereits im Zeitpunkt des Erbfalls bestandenen Überschuldung des Nachlasses und/oder mit der Möglichkeit des Erben zur Haftungsbeschränkung auf den Nachlass begründet wird.348 Nur vereinzelt wird die fehlende Haftung des Nachlasspflegers kritisiert und eine Lösung der Problematik 347 Heute Allgemeine Meinung; vgl. BGH, Urteil vom 26. 10. 1967 – VII ZR 86/ 65 – BGHZ 49, 1 (4), juris Rz. 19; BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 19; KG Berlin (1. ZS), Beschluss vom 07. 02. 1975 – 1 W 1218/74 – OLGZ 1975, 161 (163); OLG Hamm, Urteil vom 14. 10. 1994 – 29 U 231/93 – NJW-RR 1995, 1159 (1160), juris Rz. 33; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 63; NK-BGB/Hoeren, § 1960 Rz. 12; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 52; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1960 Rz. 83; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1960 Rz. 16; Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 24. 348 Muscheler, Erbrecht, Rz. 3125; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 20; am Beispiel des Testamentsvollstreckers auch Muscheler, Die Haftungsordnung der Testamentsvollstreckung, S. 226; Poertzgen, Organhaftung wegen Insolvenzverschleppung, S. 137 f.; Roth, ZInsO 2013, 1567 (1570); Roth/Pfeuffer/Pfeuffer, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 310.
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Teil 2: Schadenskompensation nach aktuellem Meinungsstand
über die Drittschadensliquidation349 bzw. einer deliktischen Haftung350 des Nachlasspflegers gegenüber den Nachlassgläubigern diskutiert. Im weiteren Verlauf der Ausarbeitung wird auf diese Vorschläge noch Bezug genommen.351 Gegenstand der Rechtsprechung war diese Frage bisher noch nicht. Festzuhalten bleibt daher, dass aktuell auch eine Haftung des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben für die fehlerhafte Verwaltung eines überschuldeten Nachlasses mehrheitlich verneint wird.
C. Kompensation der durch den Nachlasspfleger entstandenen Schäden durch Inanspruchnahme des Erben – Haftung des Erben über Zurechnung des Fehlverhaltens des Nachlasspflegers über § 278 BGB Weiterhin denkbar wäre, aufgrund des Umstands der gesetzlichen Vertretung des Erben durch den Nachlasspfleger, eine Haftung des Erben in Erwägung zu ziehen. Schließlich muss sich jeder Vertretene pflichtwidriges Verhalten seines Vertreters wie eigenes Verschulden zurechnen lassen, § 278 BGB. Daher wäre es nur konsequent, wenn der Erbe für pflichtwidriges Verhalten seines Vertreters haftete.
I. „Pflegerisches tätig werden“ als Voraussetzung einer Zurechnung Voraussetzung einer Zurechnung über § 278 BGB ist das „pflegerische tätig werden“352 des Nachlasspflegers für den vertretenen Erben. Der Nachlasspfleger muss also im Rahmen seiner Aufgaben, die sich inhaltlich aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis mit dem von ihm vertretenen werdenden Erben ergeben, tätig werden und in diesem Kontext mit den Gläubigern des Nachlasses in Kontakt treten.353 An dieser Stelle soll noch keine detaillierte Auseinandersetzung mit den einzelnen Pflichten des Nachlasspflegers, die gegenüber dem Erben bestehen, erfolgen, sondern schlicht vorausgesetzt werden, dass der Nachlasspfleger gegen eine der bestehenden Pflichten verstößt, um den Fokus auf die Problematik zu lenken, 349
Muscheler, Erbrecht, Rz. 3125; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 20. Roth/Pfeuffer/Pfeuffer, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 311; Roth, ZInsO 2013, 1567 (1570). 351 Vgl. zum Lösungsvorschlag mittels Drittschadensliquidation unten Teil 3, A. II. 3. bzw. zum Ansatz über § 826 BGB unten Teil 3, A. II. 4. 352 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (287 f.), juris Rz. 20. 353 Zutreffend BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 20. 350
C. Keine persönliche Haftung des Erben für Verhalten des Pflegers
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welche aus der Möglichkeit des Erben resultiert, seine Haftung für alle Nachlassverbindlichkeiten gem. § 1967 BGB auf den Nachlass zu beschränken, § 1975 BGB. Der Grund ist naheliegend: In den Fällen, in denen nach einer Haftung des Nachlasspflegers gefragt wird, hat eine Haftungsseparation bereits stattgefunden – die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten ist folglich auf den Nachlass beschränkt in der Situation, in der Nachlassinsolvenzverwalter oder Nachlassverwalter auf der Suche nach Erstattungsmöglichkeiten sind.
II. Weitere Voraussetzung: Haftung des Erben mit seinem Eigenvermögen für Handlungen des Nachlasspflegers Die im Kontext der Verschuldenszurechnung tatsächlich interessierende Problematik ist die Frage nach der Haftung des Erben mit seinem Eigenvermögen für Fehlverhalten des Nachlasspflegers. Nur wenn die Zurechnung des Fehlverhaltens gem. § 278 BGB einen Zugriff auf das Eigenvermögen des Erben ermöglicht, könnte der durch die Zurechnung begründete Anspruch gegen den Erben in einem Nachlassinsolvenzverfahren auch von Nutzen sein. Andernfalls bestünde lediglich eine weitere Nachlassverbindlichkeit, bei welcher der Erbe aufgrund der erfolgten Haftungsseparation nicht mit seinem Eigenvermögen sondern nur mit dem Nachlass haftete. 1. Haftung des Erben vor Annahme der Erbschaft mit seinem Eigenvermögen für fehlerhafte Verwaltung des Nachlasses gem. §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 677 BGB bzw. §§ 1959 Abs. 1, 677 BGB Der Erbe kann seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass beschränken, also Nachlassgläubiger vom Zugriff auf sein Eigenvermögen ausschließen. Diese Möglichkeit besteht jedoch für bestimmte Verbindlichkeiten nicht. Der Erbe haftet für deren Erfüllung mit seinem Eigenvermögen, muss diese Verbindlichkeiten folglich auch in einem Insolvenzverfahren über den Nachlass aus seinem Eigenvermögen begleichen, obwohl sich seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass beschränkt. Ohne an dieser Stelle detailliert in die Problematik der einzelnen Verbindlichkeiten354, mit denen sich ein Erbe eines überschuldeten Nachlasses konfrontiert sieht, eingehen zu wollen, ist zum Verständnis der Problematik Folgendes bedeutsam: Vor Annahme der Erbschaft haftet der Erbe nicht mit seinem Eigenvermögen, wenn er sich um den Nachlass nicht kümmert, also gänzlich passiv bleibt, bis er über die Annahme der Erbschaft entschieden hat. Etwas anderes gilt, wenn er die Verwaltung des Nachlasses übernimmt, 354 Vergleiche die detaillierten Ausführungen zu den einzelnen Verbindlichkeiten: Sick, Zerb 2010, 325 (326 ff.); beachtenswert ebenso Schuhmann, ErbR 2011, 105 (106 f.).
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Teil 2: Schadenskompensation nach aktuellem Meinungsstand
obwohl er dazu nicht verpflichtet ist, und dabei nicht die zu berücksichtigten Interessen wahrt. Er haftet im Falle der Annahme der Erbschaft den Nachlassgläubigern nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB, und im Fall der Ausschlagung der Erbschaft dem endgültigen Erben, § 1959 Abs. 1 BGB, für die vor der Annahme besorgten erbschaftlichen Geschäfte. Die auf diese Weise begründete Verbindlichkeit ist eine sogenannte Nachlasseigenschuld, bzw. Nachlass-Erbenschuld.355 Sie bezeichnet eine Mischform zwischen Nachlassverbindlichkeiten und Eigenschulden des Erben.356 Im Gegensatz zur Nachlassverbindlichkeit kann der Erbe die Haftung bei Nachlasseigen- bzw. Nachlass-Erbenschulden nicht auf den Nachlass beschränken. Festzuhalten bleibt daher, dass der Erbe, der die Haftung gegenüber den Gläubigern des Nachlasses aufgrund fehlerhafter Verwaltung des Nachlasses eigenverantwortlich begründet hat („für die Verletzung der gleichen Pflicht“357) trotz der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung für Nachlassverbindlichkeiten gleichwohl mit seinem Eigenvermögen für die Begleichung von auf diesem Wege entstandenen Schäden aufkommen muss. 2. Welche Verbindlichkeiten des Erben begründet der Nachlasspfleger im Rahmen seiner Tätigkeit Im Gegensatz zum Erben, der sich bis zur Annahme der Erbschaft nicht um den Nachlass kümmern muss, ist dem Nachlasspfleger eine derartige Passivität freilich nicht möglich. Inhalt des gesetzlichen Schuldverhältnisses mit dem von ihm vertretenen, unbekannten Erben ist gerade die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses. Der Nachlasspfleger vertritt also denjenigen Erben, der die Erbschaft aktuell noch nicht angenommen hat, dies aber später tun wird, und sich bereits im Zeitraum vor der Annahme um den Nachlass kümmert (also den Nachlass betreffende Geschäfte besorgt). Zu klären ist daher, ob auch durch schuldhaftes Handeln des Nachlasspflegers eine persönliche Haftung des Erben mit seinem Eigenvermögen begründet werden kann. Dies wird nach aktuellem Meinungsstand abgelehnt und somit wird die Haftung des Erben für schuldhaftes Handeln des Nachlasspflegers auf den Nachlass 355 RG, Urteil vom 22. 03. 1918 – II 515/17 – RGZ 92, 341 (343); Erman-BGB/Schlüter, § 1967 Rz. 9; Boehmer, Erbfolge und Erbenhaftung, S. 121; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1967 Rz. 16; Marotzke, ZEV 2000, 153 (155). 356 BGH, Urteil vom 30. 03. 1978 – VII ZR 244/76 – BGHZ 71, 180 (187), juris Rz. 25; BGH, Urteil vom 24. 01. 1973 – IV ZR 140/71 – WM 1973, 361 (362), juris Rz. 7; BGH, Urteil vom 23. 01. 2013 – VIII ZR 68/12 – NJW 2013, 933 (934), juris Rz. 16; BGH, Urteil vom 31. 01. 1990 – IV ZR 326/88 – BGHZ 110, 176 (179), juris Rz. 12; Siegmann, NZM 2000, 995 (996); Kuleisa, ZVI 2013, 173 (174); RGRK-BGB/Johannsen, § 1967 Rz. 12; StaudingerBGB/Marotzke, § 1967 Rz. 42; Soergel-BGB/Stein, § 1967 Rz. 8; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1967 Rz. 5; MAH-Erbrecht/Siegmann, § 23 Rz. 22; Erman-BGB/Schlüter, § 1967 Rz. 9; Marotzke, ZEV 2000, 153 (155). 357 Erman-BGB/Schlüter, § 1967 Rz. 9; in diesem Sinne auch schon das Reichsgericht, RG, Urteil vom 22. 03. 1918 – II 515/17 – RGZ 92, 341 (343).
C. Keine persönliche Haftung des Erben für Verhalten des Pflegers
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beschränkt.358 Der Anspruch, der durch das schuldhafte Verhalten des Nachlasspflegers begründet wird, ist damit reine Nachlassschuld.359 Für Nachlassschulden steht dem Erben jedoch die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass zu, was eine Haftung mit dem Eigenvermögen ausschließt, vgl. §§ 1967, 1975 BGB. Dies mag auf den ersten Blick verwundern, insbesondere wenn man bedenkt, dass der Erbe persönlich haftete, wenn er an Stelle des Nachlasspflegers gehandelt hätte. Gleichwohl ist genau dies der Grund für die korrekte Einordnung der durch den Nachlasspfleger begründeten Verbindlichkeit als Nachlassschuld, für die der Erbe seine Haftung auf den Nachlass beschränken kann und gerade nicht mit seinem Eigenvermögen haftet. Der vorläufige Erbe hat gerade nicht selbst gehandelt. Die Nachlasspflegschaft wird entweder von Amts wegen, § 1960 BGB, oder auf Antrag eines Gläubigers, § 1961 BGB, angeordnet, also ohne eigenes Zutun des noch unbekannten Erben. Die durch den Nachlasspfleger begründeten Verbindlichkeiten gehören daher zu den sog. Erbfallschulden, die den Erben „als solchen“ (vgl. § 1967 Abs. 2 BGB) treffen, weil sie aus dem Erbfall herrühren, ihren Rechtsgrund also entweder im letzten Willen des Erblassers oder unmittelbar aus dem Gesetz haben.360 Der Nachlasspfleger vertritt den Erben nur „als solchen“ also nur in Bezug auf den Nachlass. Im Rahmen der Vertretung durch den Nachlasspfleger wird daher im Gegensatz zu einem eigenen Handeln des Erben nicht dessen Eigenvermögen einer Haftung ausgesetzt, weil die Vertretungsmacht des Nachlasspflegers auf den Nachlass beschränkt ist.361
III. Zwischenergebnis: Keine Haftung des Erben für Fehlverhalten des Nachlasspflegers mit dem Eigenvermögen Zusammenfassend gilt festzuhalten, dass in einem Nachlassinsolvenzverfahren eine Inanspruchnahme des Erben mit dessen Eigenvermögen für von einem Nach358
Palandt/Weidlich, § 1978 Rz. 3; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1978 Rz. 11; ErmanBGB/Schlüter, § 1978 Rz. 4; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim § 1978 Rz. 10; Staudinger-BGB/ Marotzke, § 1978 Rz. 13; Joachim, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, Rz. 137; Klook, Die überschuldete Erbschaft, S. 193; Mugdan, Band V, S. 323; Boehmer, Erbfolge und Erbenhaftung, S. 121. 359 Erman-BGB/Schlüter, § 1967 Rz. 9; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1967 Rz. 18; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 37; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 56; NK-BGBErbrecht/Krug, § 1960 Rz. 38; Johannsen, WM 1972, 914 (919); Sick, Zerb 2010, 325 (326). 360 BeckOK-BGB/Lohmann, § 1967 Rz. 16; Johannsen, WM 1972, 914 (919); Kuleisa, ZVI 2013, 173 (174); Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 325 Rz. 9; Sick, Zerb 2010, 325 (326); MünchKomm-InsO/Siegmann, § 325 Rz. 6; MAH-Erbrecht/Siegmann, § 23 Rz. 20: „Erbfallschulden i.w.S.“. 361 MünchKomm-BGB/Küpper, § 1967 Rz. 18; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1967 Rz. 55; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Auflage, § 47 IV 2 a und b; Mugdan, Band V, S. 323; vgl. auch Muscheler, Die Haftungsordnung der Testamentsvollstreckung S. 437, für die Abgrenzung der jeweiligen Schuld anhand des Zutuns des Erben.
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Teil 2: Schadenskompensation nach aktuellem Meinungsstand
lasspfleger verursachte Verbindlichkeiten nicht möglich ist, da der Erbe nur mit dem Nachlass und nicht mit seinem Eigenvermögen haftet. Er kann für diese Verbindlichkeiten die Haftung auf den Nachlass beschränken und die Nachlassgläubiger vom Zugriff auf sein Eigenvermögen ausschließen.
D. Zwischenergebnis: Keine Ersatzmöglichkeit von im Zeitraum der Nachlasspflegschaft entstandenen Schäden im Insolvenzverfahren – „Narrenfreiheit“ für Nachlasspfleger? Nach einer Betrachtung der aktuell vertretenen Rechtsauffassung ist es denkbar, dass im Zeitraum der Nachlasspflegschaft Minderungen am Nachlassbestand eintreten, der den Nachlassgläubigern im Insolvenzverfahren als Haftungssubstrat zur Befriedigung ihrer Ansprüche dient. Schmälerungen des Nachlassbestandes, die durch eine fehlerhafte Verwaltung des Nachlasspflegers entstanden sind, können und werden nach aktueller Auffassung nicht oder nur unzureichend kompensiert. Eine Inanspruchnahme des Nachlasspflegers findet aktuell nahezu nicht statt. Aus der Perspektive der Nachlassgläubiger ist der Zustand vollkommen unverständlich. Bei einem eigenverantwortlichen Handeln des Erben besteht zur Kompensation der Minderung des Nachlasses die Möglichkeit des Zugriffs auf das Eigenvermögen des Erben – wird die identische Verkürzung durch den Nachlasspfleger vorgenommen, haftet der Erbe demgegenüber nur mit dem Nachlass. Eine direkte Inanspruchnahme des Nachlasspflegers scheidet in Ermangelung eigener Ansprüche aus. Eine Schadenskompensation mittels Zugriffs auf den Erstattungsanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger wäre die letzte Möglichkeit, welche in Ermangelung eines Schadens des Erben nach der h.M. jedoch keinen Erfolg verspricht.362 Auch die nach allgemeiner Auffassung bestehende Insolvenzantragspflicht des Nachlasspflegers, die gegenüber dem Erben besteht, ist faktisch bedeutungslos, obwohl der Bundesgerichtshof363 explizit eine Ersatzpflicht des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben wegen einer unterlassenen Insolvenzantragstellung benennt. Eine solche kann erst mit Vorliegen eines Insolvenzgrundes bestehen. Ab diesem Zeitpunkt hat der Erbe allerdings nach der aktuell vorherrschenden Auffassung keinen Schaden, da dieser aufgrund der Überschuldung oder wegen dessen Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung auf den Nachlass ausgeschlossen sein soll. 362 Ob die Grundsätze der Drittschadensliquidation hier zur Schadenskompensation herangezogen werden können, wird noch zu klären sein, vgl. dazu Teil 3, A. II. insbes. unter 3. Jedenfalls kann in Ermangelung bisheriger Stellungnahmen der Rechtsprechung und der restriktiven Anwendung der Drittschadensliquidation durch die Rechtsprechung ein erhebliches Prozessrisiko für die Nachlassgläubiger bei einer derartigen Rechtsverfolgung konstatiert werden. 363 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 19; BGH, Beschluss vom 19. 05. 2011 – IX ZB 74/10 – ZEV 2011, 544 (546), juris Rz. 14.
E. Die Einschätzung des Bundesgerichtshofs
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Die Befriedigungsaussichten von Nachlassgläubigern sind dementsprechend schlecht. Oft geben sich die Beteiligten mit dem Hinweis zufrieden, der Nachlassbestand sei zu gering und reiche nicht zur Deckung der Verfahrenskosten aus. Eine Insolvenzantragstellung findet nicht statt. Nachvollziehbar ist daher, dass praktizierende Nachlassinsolvenzverwalter diese Situation beklagen.364 Vergegenwärtigt man sich, dass jährlich lediglich ca. 3.000 Insolvenzanträge für Nachlässe gestellt werden, wobei die Zahl überschuldeter Nachlässe konservativ betrachtet bei ca. 70.000 p.A. liegen dürfte, lässt dies die volkswirtschaftlichen Ausmaße erahnen, wenn die Nachlassinsolvenz als vorgesehenes Instrument der Gläubigerbefriedigung nicht in gebotenem Umfang stattfindet.
E. Die Einschätzung des Bundesgerichtshofs Eine umfangreiche Stellungnahme des Bundesgerichtshofs zur Problematik der Kompensation von Schäden der Nachlassgläubiger im Zusammenhang mit vorangegangener Nachlasspflegschaft sucht man vergebens. Lediglich zur Frage der Außenhaftung des Nachlasspflegers hat sich der Bundesgerichtshof explizit geäußert.365 Zuletzt führt der Bundesgerichtshof366 in seinem Urteil aus, dass die Entscheidung keine schutzwürdigen Belange von Nachlassgläubigern tangiere. Da es an einem entsprechenden Auftrag des Nachlasspflegers fehle, könnten die Nachlassgläubiger auch nicht darauf vertrauen, dass der Nachlasspfleger in ihrem Interesse tätig werde.367 Der Bundesgerichtshof bestärkt seine Darstellung mit der Aussage, dass eine sofortige Einleitung des Insolvenzverfahrens den Vermögensinteressen des Erben zu diesem Zeitpunkt widersprechen könne, beispielsweise bei einer nur kurzfristig bestehenden Zahlungsunfähigkeit, die das Risiko beinhalte, dass Vermögensgegenstände des Nachlasses zu ungünstigen finanziellen Konditionen verwertet würden.368 Aus der Tatsache allein, dass Nachlasspflegschaft angeordnet ist, könnten Nachlassgläubiger entnehmen, dass die Erfüllung der Insolvenzantragspflicht aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB, für den Zeitraum der Nachlasspflegschaft „nicht unbedingt gewährleistet ist“. Zur Begegnung der aus diesem Umstand für die Gläubiger erwachsenden Gefahren empfiehlt der Bundesgerichtshof369 den Nachlassgläubigern eine Geltendmachung ihres Auskunftsanspruchs aus § 2012 Abs. 1 364 Vgl. dazu insbesondere die Ausführungen von Nöll, ZInsO 2012, 814 ff. und Roth, ZInsO 2013, 1567 ff. 365 Vgl. dazu bereits die Ausführungen zu BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/ 03 – BGHZ 161, 281 ff. unter Teil 2, B. I. 2. 366 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (288), juris Rz. 21. 367 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (288 f.), juris Rz. 22. 368 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (289); juris Rz. 22. 369 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (289), juris Rz. 24.
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Teil 2: Schadenskompensation nach aktuellem Meinungsstand
Satz 2 BGB gegen den Nachlasspfleger oder das Stellen eines eigenen Insolvenzantrags gem. § 317 Abs. 1 InsO. Im Zeitraum, in dem Nachlasspflegschaft angeordnet ist, sei die Insolvenzantragstellung durch den Erben massiv erschwert. Dieser könne aus der Perspektive des Insolvenzgerichts lediglich als Erbprätendent erscheinen, dem das Insolvenzantragsrecht aus § 317 Abs. 1 InsO nicht zustehe. Aufgrund der Tatsache, dass die Klärung der Erbenstellung nicht in den Aufgabenbereich des Insolvenzgerichts falle, sei die Einleitung eines Nachlassinsolvenzverfahrens durch den Erben in dieser Situation kaum möglich370. In dieser Situation könnte der Erbe somit seiner Verpflichtung aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht nachkommen, da das Insolvenzgericht einen entsprechenden Antrag in Ermangelung einer erwiesenen Erbenstellung nicht akzeptieren würde.371 In der Folge wäre er insoweit haftungsfrei. Nur durch die angeordnete Nachlasspflegschaft wäre eine Insolvenzantragstellung in dieser Situation möglich. Rechnete man ihm nun in dieser Situation das Fehlverhalten des Nachlasspflegers zu, führe dies zu einer unzulässigen Haftungsverschärfung für den Erben. Sinn und Zweck der Nachlasspflegschaft sei schließlich nicht der Schutz von Vermögensinteressen Dritter, sondern einzig und allein der Schutz der Vermögensinteressen des Erben.372 Zu klären ist, ob die Auffassung des Bundesgerichtshofs zutreffend ist und eine Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen durch die Nachlasspflegschaft tatsächlich nicht besteht. Ist eine Kompensation von Schäden, die im Zeitraum der Nachlasspflegschaft auftreten, möglich? Kommt eine Ersatzpflicht des Nachlasspflegers außerhalb von § 1980 BGB trotz Überschuldung des Nachlasses in Betracht, obwohl das Urteil meist dergestalt verstanden wird, als treffe den Nachlasspfleger außerhalb der Verantwortung gegenüber dem Erben keine Haftung? Kann sich der Nachlasspfleger unbeschadet zu Unrecht auf die Dürftigkeit des Nachlasses berufen? Diese Punkte sind zu klären, um zu erörtern, ob die Aussage des Bundesgerichtshofs, Gläubigerinteressen würden durch die fehlende Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber den Nachlassgläubigern nicht tangiert, zutreffend ist.
370 371 372
BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (289), juris Rz. 23. BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (289), juris Rz. 23. BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (289), juris Rz. 23.
Teil 3
Lösungsansätze Zu klären ist, ob eine Verantwortlichkeit für Nachlasspfleger überschuldeter Nachlässe – wie aktuell angenommen – tatsächlich nicht (oder nur mit erheblichem Prozessrisiko) besteht oder ob die aktuell vertretenen Rechtsauffassungen unzutreffend sind. Sollte das Verhalten des Nachlasspflegers eines überschuldeten Nachlasses entgegen des bisherigen Meinungsspektrums tatsächlich werthaltige Ersatzansprüche begründen, ist zu hinterfragen, ob eine Kompensation sämtlicher Schäden, die im Zeitraum der Nachlasspflegschaft entstanden sind, im Insolvenzverfahren möglich ist. Eine Haftung für Nachlasspfleger wegen fehlerhafter Verwaltung überschuldeter Nachlässe hätte drastische Auswirkungen für den aktuell praktizierten Umgang mit überschuldeten Nachlässen. Nachlassgläubiger und Fiskalerben, die derzeit Haftungsfragen des Nachlasspflegers wenig Beachtung schenken, hätten nachvollziehbare monetäre Anreize, die Tätigkeit des Nachlasspflegers in Bezug auf die Entwicklung des Nachlassbestands unter dessen Verantwortung zu untersuchen. In Ansehung des Risikos einer möglichen persönlichen Haftung dürfte sich die Zahl der von Nachlasspflegern in Eigenregie abgewickelten überschuldeten Nachlässe (sog. „kalten Eigenverwaltungen“373) erheblich verringern und mit einem signifikanten Anstieg der von Nachlasspflegern gestellten Insolvenzanträge einhergehen. Ferner soll auch die aktuell praktizierte „kalte Eigenverwaltung“ durch Fiskalerben und Nachlasspfleger genauer untersucht werden. Hierbei geht es insbesondere darum, die von Nöll374 geäußerte Befürchtung zu überprüfen, dass durch die Abwicklung überschuldeter Nachlässe in Eigenregie außerhalb der Insolvenz spezielle insolvenzrechtliche Schutzvorschriften unterlaufen würden.
A. Möglichkeiten zur Kompensation von im Zeitraum der Nachlasspflegschaft eingetretenen Verkürzungen des Nachlassbestands Besondere Relevanz hat die Frage der Haftung von Nachlasspflegern überschuldeter Nachlässe insbesondere dann, wenn ein Insolvenzverfahren über einen 373 374
Nöll, ZInsO 2012, 814 (ebd.). Nöll, ZInsO 2012, 814 (818).
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Teil 3: Lösungsansätze
Nachlass zur Disposition steht. Im Rahmen dieses Nachlassinsolvenzverfahrens prüft der Nachlassinsolvenzverwalter neben allen im Regelinsolvenzverfahren in Frage kommenden Haftungsansprüchen auch die besonderen Haftungsfragen aus dem Kontext der Nachlassinsolvenz also des Erbrechts und im Falle einer vorangegangenen Nachlasspflegschaft des Pflegschaftsrechts. Zur Antragstellung berechtigte Nachlassgläubiger haben folglich erhebliches Interesse an der Klärung der Frage der Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers in einem Nachlassinsolvenzverfahren. Eigene Ansprüche der Nachlassgläubiger gegen den Nachlasspfleger können (abgesehen vom Auskunftsanspruch nach § 2012 Abs. 1 BGB) außerhalb des Deliktsrechts nicht bestehen.375 Ebenso wenig kommt eine Haftung des Erben mit dessen Eigenvermögen in Betracht, selbst wenn eine Zurechnung von Verschulden des Nachlasspflegers möglich ist376. Anknüpfungspunkt weiterer Überlegungen ist daher die Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben und der Umgang mit in diesem Rechtsverhältnis begründeten Ersatzansprüchen, die aktuell377 keine hinreichende Beachtung erfährt.
I. Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers – Schadenskompensation im Rahmen der gesetzlichen Vertretung des werdenden Erben 1. Ausgangspunkt: Der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter des werdenden Erben (also der Person des endgültigen Erben im Zeitraum dessen nur vorläufiger Erbenstellung) Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter desjenigen, der endgültiger Erbe wird respektive sich als Erbe herausstellt, also des werdenden Erben. Die Vertretung erfolgt daher in einem Zeitraum, in dem die Erbenstellung lediglich vorläufig ist oder als vorläufig behandelt wird.378 Zwischen Nachlasspfleger und dem von ihm vertretenen werdenden Erben besteht somit ein gesetzliches Schuldverhältnis.379 Die Vertretungsmacht des Nachlasspflegers reicht dabei nur soweit, wie die Rechte und Pflichten des vertretenen, werdenden Erben.380 Nur im Rahmen dieser Vertretung wird der Nachlasspfleger auch „pflegerisch“ tätig. Haftungsrechtlich ist dies ins375
Siehe dazu bereits oben Teil 2, B. I. Siehe dazu bereits oben Teil 2, B. II. 377 Siehe dazu bereits oben Teil 2, B. III. 378 Vgl. zur Rechtsnatur der Nachlasspflegschaft und zur Frage der Person des Vertretenen: Teil 2, A. 379 Firsching/Graf/Graf, Nachlassrecht, Rz. 4.650; Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 24; Zimmermann, ZEV 2011, 631 (634); ders., Die Nachlasspflegschaft, Rz. 685; NK-BGBErbrecht/Krug, § 1960 Rz. 83. 380 Vgl. OLG Köln, Beschluss vom 15. 10. 2010 – I-2 Wx 156/10, 2 Wx 156/10 – RNotZ 2011, 43 (45), juris Rz. 16; Muscheler, Erbrecht, Rz. 3107; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 41. 376
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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besondere unter folgenden Gesichtspunkten bedeutsam: Zum einen können Verletzungen von Pflichten aus dem Schuldverhältnis durch den Nachlasspfleger Erstattungsansprüche des Erben gegen diesen begründen, §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ferner ist es möglich, dass schuldhaftes Verhalten des Nachlasspflegers über § 278 BGB dem Erben zugerechnet wird. 2. Verletzung zentraler Pflichten gegenüber dem werdenden Erben durch den Nachlasspfleger Von der Möglichkeit, den Aufgabenbereich des Nachlasspflegers auf die Wahrnehmung einzelner konkreter Aufgaben zu beschränken,381 machen die Nachlassgerichte nur vereinzelt Gebrauch.382 Nachlasspfleger werden vom Nachlassgericht üblicherweise mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet, welche vorsehen, den Nachlass im Interesse des Erben zu sichern und zu verwalten sowie den unbekannten Erben ausfindig zu machen und diesen vom Erbfall in Kenntnis zu setzen.383 Üblicherweise umfasst die Tätigkeit des Nachlasspflegers die Inbesitznahme des Nachlasses, die Verwaltung des Nachlasses, die Prozessführungsbefugnis und die Verpflichtung zur Rechnungslegung gegenüber dem ihn beaufsichtigenden Nachlassgericht (§§ 1915 Abs. 1, 1840 ff., 1962 BGB).384 Wie die Umsetzung der einzelnen Punkte erfolgen soll, bleibt oft ungeklärt. Daher soll an dieser Stelle eine haftungsbezogene Präzisierung dieses Aufgabenbereichs erfolgen. Bedeutsam für die Frage einer möglichen Haftung des Nachlasspflegers sind insbesondere Sicherung und Verwaltung des Nachlasses, welche von drei Problemfeldern geprägt wird: Die ordnungsgemäße Sicherung des Nachlasses im Interesse des Erben, die Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten durch den Nachlasspfleger sowie die Frage einer Insolvenzantragspflicht des Nachlasspflegers. Auf die Nachlasspflegschaft findet Pflegschaftsrecht und damit gem. § 1915 Abs. 1 BGB die für die Vormundschaft geltenden Vorschriften Anwendung.385 Der Nachlasspfleger ist dem Erben nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB verantwortlich.386 Die Verantwortlichkeit für dem Erben entstehende Schäden trifft 381 BayObLG (2. ZS), Beschluss vom 01. 03. 1960 – BReg. 2 Z 216/59 – BayObLGZ 1960, 93 (96); KG Berlin, Beschluss vom 13. 05. 1965 – 1 W 1104/65 – NJW 1965, 1719 (ebd.); Kipp/ Coing, Erbrecht, § 125 II 2, S. 682; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Auflage, § 38 IV 5 a; von Lübtow, Erbrecht, S. 756; weitere Beispiele bei Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 154; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 28. 382 Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 26; Lange, Erbrecht, § 48 Rz. 22. 383 Lange, Erbrecht, § 48 Rz. 22. 384 Lange, Erbrecht, § 48 Rz. 22; vgl. zum Ganzen MünchKommBGB/Leipold, § 1960 Rz. 46 – 62; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1960 Rz. 10 – 14; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 39 – 46; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 135 – 186. 385 Vgl. dazu oben Rechtsstellung des Nachlasspflegers Teil 2, A. 386 BGH, Urteil vom 26. 10. 1967 – VII ZR 86/65 – BGHZ 49, 1 (4 f.), juris Rz. 21; OLG Hamm, Urteil vom 14. 10. 1994 – 29 U 231/93 – NJW-RR 1995, 1159 (1160), juris Rz. 33;
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Teil 3: Lösungsansätze
den Nachlasspfleger bei schuldhafter387 Pflichtverletzung.388 Eine Pflichtverletzung liegt dabei in jeglichem Verstoß gegen das Gebot treuer und gewissenhafter Amtsführung.389 Die Pflichtverletzung kann dabei in einem Tun oder Unterlassen liegen, in der Abgabe oder Unterlassung einer Willenserklärung, in der Vornahme oder Nichtvornahme beliebiger Rechtshandlungen oder Realakte.390 Der Nachlasspfleger haftet für eine Verletzung der Pflichten gegenüber dem Erben aus §§ 1960, §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Nachlasspfleger muss seine Handlungen und Unterlassungen daher stets vor dem Hintergrund hinterfragen, ob der von ihm vertretene, werdende Erbe in der aktuellen Situation ebenso agieren bzw. passiv bleiben würde. Handelt der Nachlasspfleger schuldhaft entgegen diesen Grundsätzen, ist die Pflicht zur ordnungsgemäßen Führung der Nachlasspflegschaft gegenüber dem Erben verletzt und dieser dem Grunde nach dem Erben schadensersatzpflichtig. a) Verletzung der Pflicht zur Sicherung und Erhaltung des Nachlasses aa) Inhalt der Pflicht Der Nachlasspfleger ist aufgrund des bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses Verwalter fremden Vermögens und gegenüber dem Erben als Inhaber dieses Vermögens zur ordnungsgemäßen Verwaltung verpflichtet.391 Die Rechte und Pflichten sollen sich aus dem Zweck ergeben, dem die Pflegschaft dient.392 Der Nachlass soll dem Erben nach Möglichkeit ohne Wertverlust übergeben werden; das Vermögen des Erblassers nach Möglichkeit also vollständig auf den Erben übergehen, weshalb Zweck der Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB die Sicherung des Nachlasses ist.393
MünchKommBGB/Leipold, § 1960 Rz. 63; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 52; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1960 Rz. 16; Jauernig-BGB/Stürner, § 1960 Rz. 10; Firsching/Graf/Graf, Nachlassrecht, Rz. 4.650. 387 OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06. 12. 1996 – 1 U 91/96 – NJWE-FER 1997, 105 (ebd.); Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 94; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 685; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1960 Rz. 83. 388 BGH, Urteil vom 26. 10. 1967 – VII ZR 86/65 – BGHZ 49, 1 (4), juris Rz. 19. 389 Für den Vormund: MünchKomm-BGB/Wagenitz, § 1833 Rz. 3; BeckOK-BGB/Bettin, § 1833 Rz. 4. 390 Vgl. NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1960 Rz. 84; für den Vormund: MünchKomm-BGB/ Wagenitz, § 1833 Rz. 3. 391 BGH, Urteil vom 24. 06. 1957 – VII ZR 310/56 – BGHZ 24, 293 (295), juris Rz. 8; Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 23; NK-BGB/Krug, § 1960 Rz. 83; juris-PK-BGB/Wildemann, § 1960 Rz. 37. 392 Mugdan, Band V, S. 293. 393 Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 136.
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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Ist der Nachlasspfleger vom Nachlassgericht ohne Einschränkungen mit der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses betraut, muss er sich zeitnah einen Überblick über die Vermögenssituation des Erben verschaffen, indem er den Nachlassbestand bestehend aus Nachlassaktiva und Nachlassverbindlichkeiten möglichst vollständig ermittelt.394 Aufgabe des Nachlasspflegers ist in der Folge die Ermittlung und Sicherung der vorhandenen Nachlassaktiva, die zum Zeitpunkt des Erbfalls zum Nachlassbestand gehörten. Zumeist dürfte es zur Sicherung erforderlich sein, dass der Nachlasspfleger die betreffenden Vermögensgegenstände in Besitz nimmt, um diese vor dem unberechtigten Zugriff Dritter auszuschließen. Die Ermittlungstätigkeit des Nachlasspflegers ist dabei außerordentlich komplex und umfangreich. Sie erstreckt sich auf alle Angelegenheiten des Erblassers, aus denen Vermögenswerte für den Nachlass entstanden sein können. Zum Aufgabenbereich395 gehört daher Kontenermittlung, Stellung eines Postnachsendeauftrags, Korrespondenz mit Vermietern, Versicherungsgesellschaften (hier insbesondere wegen Lebensversicherungen), Rententrägern, etc. Schließlich gilt es alle Vermögenswerte des Nachlasses zu ermitteln. Häufig gehören Ersatzansprüche gegen Dritte zum Nachlass, deren Ermittlung und Geltendmachung ebenfalls Aufgabe des Nachlasspflegers ist. Eine Pflichtverletzung bei schuldhaftem Verhalten des Nachlasspflegers liegt in diesem Zusammenhang vor, wenn er einen Vermögensgegenstand der zum Nachlass gehört, nicht ordnungsgemäß sichert; was der Fall ist, wenn dieser entweder nicht dem Nachlassbestand unter seiner Vermögensverwaltung zugeführt wird oder der Nachlasspfleger es unterlässt, mit dem besitzenden Dritten eine entsprechende Vereinbarung zu treffen, welche die Zugehörigkeit des Gegenstands zum Nachlassbestand eindeutig festlegt. Gleiches gilt, wenn ein zum Nachlass gehörender Erstattungsanspruch nicht ermittelt wird. Ferner umfasst die Pflicht zur Erhaltung des Nachlasswertes auch die Befreiung des Erben von Dauerschuldverhältnissen, die den Nachlassbestand lediglich belasten, ohne für die Sicherung des Nachlasswertes geeignet zu sein. So kann beispielsweise die Kündigung eines bestehenden Mietvertrags über Wohnraum den Nachlass vor einer weiteren Schmälerung bewahren, weshalb eine Kündigung inklusive der entstehenden Kosten für Räumung und Einlagerung der in der Wohnung befindlichen Gegenstände zu erwägen ist. Der Nachlasspfleger ist in diesen Fällen auch befugt, Verbindlichkeiten einzugehen.396 Unterlässt der Nachlasspfleger die Suche nach weniger kostenintensiven Möglichkeiten zur 394 Burandt/Rojahn-BGB/Trimborn von Landenberg, § 1960 Rz. 31; juris-PK-BGB/Wildemann, § 1960 Rz. 29. 395 Vgl. dazu die detaillierten Ausführungen von Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 124 ff; sowie Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft/Schulz, S. 285 ff. „Die sieben Todsünden des Nachlasspflegers“; Zimmermann, ZEV 2014, 76 (79 f.). 396 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 41; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 56; Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 23; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1960 Rz. 12.
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Teil 3: Lösungsansätze
Verwahrung des Nachlasses bzw. führt er die Suche nicht mit der gebotenen Gewissenhaftigkeit durch, ist auch darin eine Pflichtverletzung zu sehen. Verkauft der Nachlasspfleger beispielsweise Nachlassgegenständen unter Wert397 liegt darin ebenfalls eine Pflichtverletzung. Weitere Beispiele398 für Pflichtverletzungen des Nachlasspflegers sind: Nichteinholen der Genehmigung des Nachlassgerichts mit Schadensfolge, Durchführung einer haltlosen Klage, verjähren lassen von Forderungen, verspätete Geltendmachung von Leistungen, unterlassener Abschluss einer Gebäudehaftpflichtversicherung; unterlassenes Rechtsmittel gegen unrichtige Entscheidung, Übersehen von § 1831 BGB mit der Folge, dass die Verzögerung durch die gebotene erneute Vornahme des einseitigen Rechtsgeschäfts mit erforderlicher Genehmigung des Nachlassgerichts Kosten für den Nachlass verursacht, unterlassene Errichtung eines Anderkontos für die Erfüllung von Erstattungsansprüchen, die in der Folge auf das debitorische Nachlasskonto gezahlt werden, an dem Sicherungsrechte des Kreditinstituts bestehen. Bei überschuldeten Nachlässen ist häufig nur ein geringer Aktivnachlass in Form von körperlichen Gegenständen vorhanden. Die besondere Herausforderung besteht in diesen Fällen insbesondere in der Ermittlung von Ersatzansprüchen und deren Realisierung in Form der Separierung der auf diese Weise erzielten Erlöse von den Nachlassverbindlichkeiten. Keinesfalls kann ohne eine entsprechende Prüfung unter bloßer Bezugnahme auf das offensichtlich vorhandene Aktivvermögen auf den tatsächlichen Nachlasswert geschlossen werden. Sind in der Vergangenheit Zahlungen aus dem Vermögen des Erblassers bzw. nach dessen Tod aus dem Nachlass erbracht worden, sind diese auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Hier gilt es alle bestehenden Rechtsverhältnisse des Erblassers aufzuarbeiten aus denen dem Nachlass Erstattungsansprüche zustehen könnten. bb) Haftung trotz Genehmigung des Rechtsgeschäfts durch das Nachlassgericht Eine Haftung des Nachlasspflegers wegen fehlerhafter Verwaltung ist dabei nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil das betreffende Rechtsgeschäft vom Nachlassgericht genehmigt wurde. Die Genehmigung des Nachlassgerichts ist für die gegenüber dem Erben bestehende Verpflichtung zur gewissenhaften Prüfung und der Abwägung von Vor- und Nachteilen des vom Nachlasspfleger abgeschlossenen Rechtsgeschäfts ohne Belang.399 Hintergrund ist die gesetzliche Regelung zur Erteilung vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen (die gem. § 1915 BGB auf die Nachlasspflegschaft angewendet werden). Die Erklärung der Genehmigung des 397
Zimmermann, ZEV 2011, 631 (634). Vgl. Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 689 f. 399 BGH, Urteil vom 18. 09. 2003 – XII ZR 13/01 – NJW 2004, 220 (221), juris Rz. 13; BGH, Urteil vom 05. 05. 1983 – III ZR 57/82 – FamRZ 1983, 1220 (ebd.), juris Rz. 15. 398
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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Nachlassgerichts kann nur gegenüber dem Nachlasspfleger erfolgen, §§ 1962, 1828 BGB. Wird das Rechtsgeschäft vom Nachlasspfleger ohne die erforderliche Genehmigung des Nachlassgerichts abgeschlossen, ist dessen Wirksamkeit von der nachträglichen Genehmigung des Nachlassgerichts abhängig, §§ 1962, 1829 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts tritt erst dann ein, wenn der Nachlasspfleger die Genehmigung des Nachlassgerichts dem anderen Teil mitteilt, §§ 1962, 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB. Krug400 weist daher zutreffend darauf hin, dass der Nachlasspfleger „die letzte Verantwortung für das Wirksamwerden des Rechtsgeschäfts trägt“, weil er die Wirksamkeit des Vertrages verhindern könnte, wenn er die Genehmigung nicht weiterleitete. b) Gläubigerbefriedigung durch den Nachlasspfleger entgegen §§ 1978, 1979 BGB aa) Problemstellung Im Kontext überschuldeter Nachlässe in Nachlasspflegschaft treten häufig Probleme auf, wenn Nachlasspfleger Nachlassgläubiger befriedigen, weil dazu in aller Regel Nachlassmittel verwendet werden. Im Verlauf eines anschließenden Insolvenzverfahrens ist zu klären, ob die vorangegangene Befriedigung einzelner Nachlassgläubiger, die zu einer geringeren Befriedigungsquote der übrigen Gläubiger führt, über Ersatzansprüche gegen den Nachlasspfleger oder den Erben kompensierbar ist. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen respektive mit welchen Konsequenzen der Nachlasspfleger Ansprüche der Nachlassgläubiger befriedigen darf, wurde bisher nur unzureichend erörtert. Vielerorts ist zu lesen, der Nachlasspfleger habe keine Pflicht aber das Recht die Gläubiger zu befriedigen, wenn dies dem Interesse des Erben diene, um eine Verkürzung des Nachlasses durch unnötige Prozesskosten zu verhindern,401 ohne dass die Überschuldung des Nachlasses Berücksichtigung findet. Die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten durch den Nachlasspfleger bei überschuldetem Nachlass ist außerordentlich komplex. Sie bezieht die Rechtsbeziehung zwischen Erbe und Nachlasspfleger aber auch zwischen Erbe und Nachlassgläubiger sowie Nachlasspfleger und Nachlassgläubiger mit ein. Zusätzlich sind zwei Formen der Nachlasspflegschaft zu berücksichtigen – die Sicherungspflegschaft nach § 1960 BGB (die bereits umfangreich erläutert wurde) und die Pro400
NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1960 Rz. 121. BGH, Urteil vom 04. 10. 1965 – III ZR 227/63 – (nicht veröffentlicht) abrufbar unter: https:/www.jurion.de/Urteile/BGH/1965 – 10 – 04/III-ZR-227_63; OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08. 01. 1998 – 5 U 195/96 – OLGR Schleswig 1998, 358 (359), juris Rz. 8; OLG München, Beschluss vom 07. 01. 2010 – 31 Wx 154/09 – FamRZ 2010, 838 (ebd.), juris Rz. 11; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 44; Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 400; Damrau-PK-Erbrecht/Boecken, § 1960 BGB Rz. 66; Fröhler, BWNotZ 2011, 2 (7); Haas, ZEV 2009, 270 (273); Johannsen, WM 1972, 914 (919); Soergel-BGB/Stein, § 1960 Rz. 32; Palandt/ Weidlich § 1960 Rz. 15. 401
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Teil 3: Lösungsansätze
zesspflegschaft nach § 1961 BGB. Der Zugang zur Problematik ist daher entsprechend anspruchsvoll. Verwunderlich ist, dass im Kontext möglicher Ersatzansprüche die Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers, welche nach allgemeiner Auffassung ausschließlich gegenüber dem Erben bestehen soll, innerhalb dieses Rechtsverhältnisses kaum thematisiert wird, sondern ausschließlich die Rechtsbeziehung von Erbe bzw. Nachlasspfleger gegenüber den Gläubigern des Nachlasses, wodurch eine Liquidation von überschuldeten Nachlässen außerhalb des Insolvenzverfahrens ermöglicht wird. Eine umfassende und alle Faktoren berücksichtigende Darstellung sucht man vergebens. Im Folgenden erfolgt daher eine Untersuchung der Problematik. bb) Befugnis des Nachlasspflegers zur Gläubigerbefriedigung Da sich die Befugnisse des Nachlasspflegers an den Befugnissen des Vertretenen orientieren, ist für die Möglichkeit der Gläubigerbefriedigung entscheidend, ob dem vorläufigen Erben die Befriedigung von Nachlassgläubigern gestattet ist. Dabei ist stets auf denjenigen vorläufigen Erben abzustellen, der später die Erbschaft angenommen hat, weil der Nachlasspfleger den werdenden Erben vertritt. Der vorläufige Erbe hat bis zur Annahme der Erbschaft gegenüber dem Nachlass keinerlei Verpflichtung zur Verwaltung des Nachlasses – er braucht sich nicht um den Nachlass zu kümmern.402 Er ist jedoch zur Durchführung von Fürsorgemaßnahmen für den Nachlass berechtigt. Die Berechtigung der Durchführung der Geschäfte ergibt sich aus § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB, wo die Verantwortlichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern normiert ist, und nicht aus § 1959 BGB, wo die Verantwortlichkeit des vorläufigen Erben, der die Erbschaft später ausschlägt, gegenüber dem endgültigen Erben geregelt ist. Die Besorgung erbschaftlicher Geschäfte (alle Handlungen, die sich auf den Nachlass beziehen403) steht dem werdenden Erben grundsätzlich frei, da er durch die spätere Annahme der Erbschaft von Anfang an eigene Geschäfte getätigt hat, weshalb er auch berechtigt war, den Nachlass nach eigenem Belieben zu verwalten. Grenzen seiner Verwaltungsfreiheit bestehen lediglich durch die Pflicht der ordnungsgemäßen Befriedigung der Nachlassgläubiger, §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 1979, 1990, 1991 Abs. 1, 1992 BGB. Daher ist der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter der Person, die später die Erbschaft annehmen wird, im Rahmen der Verwaltung des Nachlasses grundsätzlich
402
OLG Braunschweig, Urteil vom 13. 07. 1920 – 2. ZS – OLGE 42, 204 (ebd.): „aber eine Verpflichtung zur Erfüllung aller aus dem Nachlasse ruhender Leistungen liegt ihm nicht ob“; Nöll, Der Tod des Schuldners in der Insolvenz, S. 78 Rz. 204; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1959 Rz. 4; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1959 Rz. 1; Muscheler, Erbrecht, Rz. 1080; Lange, Erbrecht, § 42 Rz. 1; MAH-Erbrecht/Siegmann, § 23 Rz. 28. 403 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1959 Rz. 3.
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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nach den gleichen Grundsätzen wie der vorläufige Erbe befugt, Nachlassgläubiger zu befriedigen.404 cc) Pflicht zur Erfüllung von Ansprüchen der Nachlassgläubiger? Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass es vorliegend um die Klärung der Frage geht, ob der Nachlasspfleger gegenüber dem Vertretenen also dem werdenden Erben zur Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten verpflichtet ist. (1) Keine Pflicht zur generellen eigeninitiativen Befriedigung Eine Verpflichtung des noch vorläufigen Erben (der bekanntlich durch den Nachlasspfleger vertreten wird) zur eigeninitiativen Befriedigung von Nachlassgläubigern besteht nicht. Vor Annahme der Erbschaft muss der vorläufige Erbe sich nicht um den Nachlass kümmern. Eine Pflicht des Nachlasspflegers zur generellen Befriedigung von Nachlassgläubigern kann daher nicht mit der Begründung erfolgen, der Nachlasspfleger könne von Nachlassgläubigern verklagt werden, § 1960 Abs. 3 BGB, und eine Prozesspflegschaft gem. § 1961 BGB zu diesem Zwecke angeordnet werden: Sowohl für Sicherungs- als auch für Prozesspflegschaft ist Voraussetzung, dass ein Fall von § 1960 Abs. 1 BGB vorliegt, also über die Person des endgültigen Erben Unklarheit herrscht. Voraussetzung ist folglich eine noch vorläufige Erbenstellung. Der vorläufige Erbe kann wegen Nachlassverbindlichkeiten nicht verklagt werden gem. § 1958 BGB, weshalb eine Verpflichtung des vorläufigen Erben zur Befriedigung von Nachlassgläubigern ausgeschlossen ist. Daher kann auch keine Pflicht des Nachlasspflegers gegenüber dem vorläufigen Erben bestehen, diese Aufgabe der eigeninitiativen Gläubigerbefriedigung als sein gesetzlicher Vertreter wahrzunehmen. Folglich kann aus § 1960 Abs. 3 bzw. 1961 BGB keine Pflicht zur Gläubigerbefriedigung gegenüber dem vorläufigen Erben hergeleitet werden, obwohl der Nachlasspfleger im Gegensatz zum Erben verklagt werden kann, Nachlassverbindlichkeiten zu befriedigen. Im Gegenteil – da dies zu weiteren Kosten für den Erben führte, die den Nachlass belasteten, schon durch die weitere Tätigkeit des Nachlasspflegers, die Vergütungsansprüche begründen, stünde die eigeninitiative Gläubigerbefriedigung im Widerspruch zum Interesse des Erben an der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses. Die Schutzvorschrift des § 1958 BGB würde durch die Annahme einer gegenteiligen Verpflichtung des Nachlasspflegers konterkariert und der Erbe zudem noch mit den Kosten dieser Geschäftsbesorgung durch den Nachlasspfleger belastet. Von einer generellen Pflicht des Nachlasspflegers zur Befriedigung von Nachlassgläubigern kann also nicht ausgegangen werden.
404 Palandt/Weidlich BGB § 1960 Rz 15 und 17; Klein-AO/Brockmeyer, § 265 AO Rz. 6 f.; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 46; Fröhler, BWNotZ 2011, 2 (7); vgl. auch Weißler, Das Nachlassverfahren, Band I, S 132.
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Teil 3: Lösungsansätze
Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Verpflichtung zur Gläubigerbefriedigung in Einzelfällen bestehen kann. (2) Pflicht zur Befriedigung in Einzelfällen – einzig im Interesse des Erben Die Möglichkeit in Bezug auf generelle Nachlassangelegenheiten passiv zu bleiben, sich also nicht um den Nachlass zu kümmern, existiert für den Nachlasspfleger nicht. Bei der Sicherungspflegschaft nach § 1960 BGB ist er zum Handeln in Form der Sicherung und Erhaltung des Nachlassbestands im Interesse des Vertretenen verpflichtet, im Fall der Prozesspflegschaft zur Vertretung des Erben als Passivbevollmächtigter. In beiden Fällen ist den Nachlassgläubigern möglich, Ansprüche gegen den Nachlasspfleger gerichtlich geltend zu machen, § 1960 Abs. 3 BGB. Die Sicherungspflegschaft gem. § 1960 Abs. 2 BGB wird angeordnet, wenn Unklarheit über die Person des endgültigen Erben besteht und ein Sicherungsbedürfnis aus Sicht des Erben vorliegt. Für die Anordnung entscheidend ist allein die Perspektive des aktuell unbekannten endgültigen Erben. Im Gegensatz dazu dient die Anordnung einer Prozesspflegschaft gem. § 1961 BGB auch den Interessen der Nachlassgläubiger. Diesen ist es vor Annahme der Erbschaft durch den endgültigen Erben grundsätzlich nicht möglich, Ansprüche gegen den Nachlass gerichtlich geltend zu machen, § 1958 BGB. Diese Vorschrift soll den Erben in dem Zeitraum schützen, in dem er über Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft entscheiden kann, und eine unnötige Befassung mit rechtlichten Streitigkeiten verhindern. Verweigert also der vorläufige Erbe die geforderte Befriedigung, stünden dem Nachlassgläubiger keine Möglichkeiten zur Durchsetzung des Anspruchs zur Verfügung. Ein Nachlasspfleger, den der Gläubiger verklagen könnte, weil für diesen gem. § 1960 Abs. 3 BGB die Vorschrift des § 1958 BGB nicht gilt, kann seitens des Gerichts nur bestellt werden, wenn neben dem Sicherungsanlass aus § 1960 Abs. 1 BGB (Unklarheit über den Erben) auch ein Sicherungsbedürfnis besteht. Fehlt ein solches ist eine Anordnung der Nachlasspflegschaft von Amts wegen ausgeschlossen. Um dieser zu Recht als unbillig empfundenen Konstellation zu begegnen, kann jeder Nachlassgläubiger beim Nachlassgericht Prozesspflegschaft gem. § 1961 BGB beantragen. Somit ist der Gläubiger nicht gezwungen, mit der Durchsetzung seines Anspruchs auf die Ermittlung des Erben und dessen Annahme der Erbschaft zu warten. Folglich kann jeder Nachlassgläubiger gegenüber dem Nachlasspfleger (unabhängig davon ob eine Sicherungs-oder Prozesspflegschaft vorliegt) gem. § 1960 Abs. 3 Erfüllung seines Anspruchs verlangen und diesen Anspruch auch gerichtlich geltend machen. Die Nachlasspflegschaft wird zur Sicherung und Erhaltung des Nachlasses für den endgültigen Erben angeordnet. Zu dessen Interesse an der Sicherung und Erhaltung steht grundsätzlich das Befriedigungsverlangen von Gläubigern nicht in Widerspruch, solange Gläubiger des Nachlasses Erfüllung verlangen, die Forderungen unstreitig gegen den Nachlass bestehen, fällig sind und im Falle der Nichterfüllung
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Kosten eines Rechtsstreits oder der Zwangsvollstreckung entstehen, die den Nachlass zusätzlich schmälerten.405 Das genügt jedoch nicht, um eine Pflicht des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben zu konstruieren, die eine Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten zum Gegenstand hat. Dies zeigt nur, dass der Nachlasspfleger gegenüber dem Gläubiger zur Zahlung verpflichtet ist, dieser also Erfüllung verlangen kann, ohne dass der Nachlasspfleger inhaltliche Einwände gegen die Zahlungspflicht vorbringen könnte, die im Zusammenhang mit der Forderung bestehen. Ein weiteres anschauliches Beispiel für bestehende Nachlassverbindlichkeiten, deren Gläubiger Erfüllung verlangen können, sind Steuerpflichten. Zur Erfüllung von Steuerverbindlichkeiten ist der Nachlasspfleger gem. §§ 34, 69 AO verpflichtet. Es besteht also eine Zahlungspflicht gegenüber dem Gläubiger. Daher kann ein Steuerbescheid gegen den Nachlasspfleger ergehen oder ein Leistungsbescheid erlassen werden, der auch für den Fall der Nichtzahlung auf Duldung der Vollstreckung in das Nachlassvermögen gerichtet ist.406 Aus dem Umstand, dass die gerichtliche Geltendmachung gem. § 1960 Abs. 3 BGB möglich ist, folgt noch nicht, dass die geltend gemachte Forderung auch erfüllt werden muss, die Nachlassgläubiger also auch tatsächlich zu befriedigen sind und insbesondere nicht, dass eine entsprechende Verpflichtung des Nachlasspflegers gegenüber dem vorläufigen Erben besteht, als dessen gesetzlicher Vertreter er ja agiert. Zutreffend führt Marotzke407 an, dass die rechtskräftige Verurteilung zur Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit im allgemeinen (jedoch Ausnahmen gem. §§ 1973 Abs. 2 Satz 3, 1974, 1989, 1991 Abs. 3, 1992 BGB) kein Grund ist, die Nachlassverbindlichkeit auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1979 zu tilgen.408 Andernfalls bestünde durch Gestattung der Verurteilung und Vollstreckung die Gefahr der Begünstigung bestimmter Gläubiger. Wer hier eine Pflicht des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben konstruieren will, stellt einzig auf die Rechtsbeziehung zwischen Nachlasspfleger und Gläubiger ab und ignoriert diejenige zwischen Nachlasspfleger und Erben. Damit wird das Zusammenspiel von Erfüllungserfordernis, welche sich aus einer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Gläubiger ergibt und Erfüllungsberechtigung als kumulative Voraussetzung für eine Zahlungspflicht des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben verkannt. Damit gegenüber dem Erben eine Pflicht bestehen kann, eine konkrete Verbindlichkeit zu befriedigen, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Neben der Berechtigung des Erfüllungsverlangens durch den Gläubiger, die eine Befriedigung der Forderung durch den Nachlasspfleger erst als „wirtschaftlich vorteilhaft“ für den 405
Vgl. auch Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 158. KleinAO/Brockmeyer, § 265 AO Rz. 6 u. 7. 407 Staudinger BGB/Marotzke, § 1979 Rz. 8. 408 Staudinger BGB/Marotzke, § 1979 Rz. 8 für den Erben. So auch Erman-BGB/Schlüter, § 1979 Rz. 3; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1979 Rz. 3; Soergel-BGB/Stein, § 1979 Rz. 2; a.A.: Klook, Die überschuldete Erbschaft, S. 206. 406
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Teil 3: Lösungsansätze
Nachlassbestand legitimiert,409 müsste auch die Befugnis410 des vorläufigen Erben zu einer entsprechenden Befriedigung vorliegen, die eine Berechtigung des Nachlasspflegers zur Befriedigung erst ermöglicht.411 An einer solchen kann es insbesondere bei Überschuldung des Nachlasses fehlen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass eine Befriedigung von Nachlassgläubigern dem Nachlasspfleger nicht gestattet ist, wenn dies mit seinen Pflichten gegenüber dem werdenden Erben kollidiert. Der Nachlasspfleger muss daher insbesondere die Pflichten des vorläufigen Erben beachten, die für diesen bei eigenem Auftreten in der Situation gelten würden, da er als dessen gesetzlicher Vertreter an dessen Pflichtenkreis und Befugnisse gebunden ist. Unter Umständen löst eine Gläubigerbefriedigung des vorläufigen Erben eine Ersatzpflicht dessen gegenüber den Nachlassgläubigern aus, die zum Nachlass gehört, §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 1979, 1978 Abs. 2 BGB.412 Daher wäre eine Gläubigerbefriedigung in vergleichbarer Situation auch eine Pflichtverletzung des Nachlasspflegers gegenüber dem von ihm vertretenen werdenden Erben. Erst wenn beide Faktoren erfüllt sind, die Befriedigung also der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses dient und diese nicht im Widerspruch zu den weiteren Pflichten des Erben steht, besteht für den Nachlasspfleger eine Pflicht gegenüber dem Erben, eine Nachlassverbindlichkeit zu befriedigen. Denn nur dann sind negative Konsequenzen für den Erben ausgeschlossen. Als gesetzlicher Vertreter des Erben ist der Nachlasspfleger nur diesem verantwortlich, solange er sich in dessen Pflichten- und Interessenkreis bewegt. Unabhängig von der Anordnung und den der Anordnung zugrunde liegenden Motiven haben beide Nachlasspfleger (bei Sicherungs- und Prozesspflegschaft) die gleichen
409 Weil unnötige Zins-, Mahnungs- und Prozesskosten und damit Schmälerungen des Nachlassbestands vermieden werden, vgl. dazu: BGH, nicht veröffentlichtes Urteil vom 22. 11. 1965 – III ZR 227/63 – zusammengefasst bei Johannsen WM 1972, 914 (919); BayObLG München, Beschluss vom 28. 08. 1996 – 1Z BR 166/96 – FamRZ 1997, 314 (315 f.), juris Rz 15; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 44; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 57a; Haas, ZEV 2009, 270 (273 f.) (gilt auch für Pflichtteilsansprüche); Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft/Schulz, S. 48 Rz. 71; Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 400; Zimmermann, ZEV 2014, 76 (79). 410 In diesem Sinne ist wohl Palandt/Weidlich, § 1960 Rz. 15 zu verstehen, wenn der Nachlasspfleger nur„ unter Berücksichtigung der beschränkten Erbenhaftung“ als berechtigt angesehen wird, Nachlassgläubiger zu befriedigen. 411 Vgl. auch Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 158, der die Verpflichtung zur Gläubigerbefriedigung zutreffend als „Annex“ zur Sicherungsaufgabe beschreibt, zustimmend: Haas, ZEV 2009, 270 (273); ähnlich: Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 46, Befriedigung von Nachlassgläubigern nur nach Kräften des Nachlasses unter Berücksichtigung der Grundsätze der beschränkten Erbenhaftung der §§ 1979, 1980 BGB unter Hinweis auf die Motive des Gesetzgebers in E I § 2065 (Mugdan, Band V, S. 295). 412 Dazu sogleich unten Teil 3, A. I. 2. b) dd).
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Rechte und Pflichten, weil sich nichts anderes aus dem Gesetz ergibt.413 Da es sich in beiden Fällen um Personalpflegschaften handelt, orientiert sich deren Aufgabenbereich an den Rechten und Pflichten des Vertretenen also des vorläufigen Erben. Folglich sind für die Frage, ob der Nachlasspfleger gegenüber dem vorläufigen Erben zur Erfüllung der Nachlassverbindlichkeit verpflichtet ist, nur diejenigen Pflichten zu berücksichtigen, die den vorläufigen Erben in der konkreten Situation treffen. Zu klären ist daher, wann der vorläufige Erbe selbst zu Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten berechtigt ist, die er für berechtigt hält, also deren Inhalt und Fälligkeit er nicht bestreitet. dd) Grenzen der Befugnis zur Gläubigerbefriedigung aus dem Rechtsverhältnis zum Erben (1) Das Auszahlungsverbot des § 1979 BGB – Bedeutung für den vorläufigen Erben Die Grenzen der Befugnis des vorläufigen Erben zur Gläubigerbefriedigung bilden die Vorschriften der §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 1979, 1990, 1991 Abs. 1, 1992 BGB.414 Für die vor der Annahme der Erbschaft (im Zeitraum nur vorläufiger Erbenstellung) besorgten Geschäfte ist der Erbe nach den entsprechend anwendbaren Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag den Nachlassgläubigern verantwortlich, § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB. Entscheidend für eine Befugnis des Nachlasspflegers zur Gläubigerbefriedigung ist daher, ob dies dem vorläufigen Erben in der Situation gestattet wäre, was sich gem. § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB nach den entsprechend Anwendung findenden Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag richtet. Das bedeutet, dass der Erbe nicht gehalten ist, auf den tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen einzelner Gläubiger des Nachlasses abzustellen, sondern dass er bei der Führung der erbrechtlichen Geschäfte das objektive Interesse der Nachlassgläubiger zu wahren hat.415 Die vollständige Befriedigung einzelner Nachlassgläubiger bei überschuldetem, also zur Befriedigung aller Nachlassverbindlichkeiten nicht ausreichendem, Nachlass steht zu dem objektiven Interesse der Gläubigergesamtheit an einer bestmöglichen Befriedigung aller Nachlassverbindlichkeiten stets in Widerspruch, da diese durch die Befriedigung eines einzelnen Gläubigers gestört wird: Reicht der Nachlass nicht aus, um alle Verbindlichkeiten zu befriedigen, wird nur eine anteilige Befriedigung gleichberechtigter Gläubiger dem objektiven Interesse der Nachlassgläubiger gerecht. Der Gesetzgeber hat jedoch Gläubigerbefriedigung des Erben nur in den Fällen sank413 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1961 Rz. 12; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1961 Rz. 10; Haas, ZEV 2009, 270 (271); Firsching/Graf/Graf, Nachlassrecht, Rz. 4.692; RGRK-BGB/ Johannsen, § 1961 Rz. 7. 414 Zu den §§ 1990 ff. BGB, vgl. unten Teil 3, B. 415 MünchKomm-BGB/Küpper, § 1978 Rz. 3; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1978 Rz. 3; Erman-BGB/Schlüter, § 1978 Rz. 2; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1978 Rz. 5; RGRK-BGB/ Johannsen, § 1978 Rz. 9; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1978 Rz. 11.
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tioniert, in denen der Erbe wusste oder hätte erkennen können, dass der vorhandene Nachlass nicht zur Befriedigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreicht, § 1979 BGB: Konnte der Erbe von einem nicht überschuldeten Nachlass ausgehen, müssen die Nachlassgläubiger die Zahlung als für Rechnung des Nachlasses erfolgt gelten lassen. (2) Folgen einer Gläubigerbefriedigung entgegen § 1979 BGB für den vorläufigen Erben Der vorläufige Erbe haftet den Gläubigern für den Schaden, den diese dadurch erleiden, dass er die von ihm vor der Annahme der Erbschaft geführten Geschäfte nicht ihrem Interesse entsprechend geführt hat, §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 677 BGB. Es ist ausreichend, dass der Erbe bei der Führung erbschaftlicher Geschäfte das objektive Interesse der Gesamtheit der Nachlassgläubiger wahrt. Um die Befriedigung von Nachlassgläubigern vor diesem Hintergrund zu erleichtern und dem Erben nicht für jeden Einzelfall eine Prüfpflicht aufzuerlegen, ob die Gläubigerbefriedigung im Interesse der übrigen Nachlassgläubiger erfolgt, regelt § 1979 BGB, dass die Befriedigung eines einzelnen Nachlassgläubigers objektiv im Interesse der Gläubigergesamtheit liegt, wenn der Erbe den Umständen nach annehmen durfte, dass der Nachlass zur Befriedigung aller Gläubiger ausreiche, mithin also nicht überschuldet ist.416 Die Vorschrift des § 1979 BGB manifestiert das Interesse der Gläubiger, den Nachlass ab Überschuldung zusammenzuhalten, damit die Gläubiger bestmöglich gemeinschaftlich befriedigt werden können – in Nachlassverwaltung oder Insolvenz. Verkennt der Erbe ohne hinreichende Prüfung, dass die Voraussetzungen von § 1979 BGB nicht vorliegen, ist er zum Ausgleich der den übrigen Gläubigern entstehenden Schäden verpflichtet.417 Durch § 1979 BGB ist objektiv erkennbar, dass Zahlungen an einzelne Gläubiger mit Eintritt der Überschuldung des Nachlasses nicht im Interesse der Nachlassgläubigergesamtheit erfolgen. Durch die Befriedigung eines Nachlassgläubigers mit Nachlassmitteln entgegen § 1979 BGB erlischt dessen Forderung durch Erfüllung, § 362 BGB. Die Zahlung muss nicht als für Rechnung des Nachlasses erfolgt gelten, vgl. § 1979 BGB. Dies hat zur Konsequenz, dass die Nachlassgläubiger vom vorläufigen Erben verlangen können, dass er den ihnen durch die Zahlung entstandenen Schaden kompensiert, indem er Mittel seines Eigenvermögens aufbringt. Diese Pflicht, folgt aus §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 678 BGB.418 Der Schaden besteht dahingehend, dass ein Gläubiger volle Befriedigung erhalten hat, dem aufgrund der Überschuldung des Nachlasses nur anteilige Befriedigung zugestanden hätte, § 1979 BGB. Umstritten ist lediglich der Umfang der Ersatzpflicht. Vertreten wird, dass der Erbe vollen Ersatz leisten muss und gem. § 362 Abs. 2 InsO dafür die Stellung des von ihm mit Nachlassmitteln 416
MünchKomm-BGB/Küpper, § 1978 Rz. 1; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1979 Rz. 2. Herzog, ErbR 2013, 70 (76); Schuhmann, ErbR 2011, 105 (ebd. f.); BeckOK-BGB/ Lohmann, § 1979 Rz. 5; MünchKommBGB/Küpper, § 1979 Rz. 5. 418 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1979 Rz. 16. 417
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befriedigten Insolvenzgläubigers einnimmt.419 Dagegen wird eingewandt, der Erbe hafte den Gläubigern lediglich für den erlittenen „Quotenschaden“, also für denjenigen Betrag, um den sich die Insolvenzquote aufgrund der Zahlung verringert hat.420 Die Klärung dieser Frage ist für die weitere Bearbeitung ohne Belang und kann daher dahinstehen. Eine Haftung des vorläufigen Erben aus §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 1979 BGB besteht jedoch nur in den Fällen, in denen er von der Überschuldung des Nachlasses zumindest fahrlässig keine Kenntnis hatte. (3) Prüfungspflichten des vorläufigen Erben um den Fahrlässigkeitsvorwurf aus § 1979 BGB bei Zahlung trotz Überschuldung zu entkräften Ist eine Zahlung an einen Gläubiger, trotz Überschuldung des Nachlasses erfolgt, stellt sich die Frage, ob der Erbe dies wusste, oder hätte wissen müssen. Zu vertreten hat er Vorsatz und Fahrlässigkeit.421 Der Bundesgerichtshof422 hat den gebotenen Sorgfaltsmaßstab präzise definiert:423 Dies wurde bereits in Bezug auf § 1980 BGB dargelegt.424 Folgend soll die zutreffende Begründung des Bundesgerichtshofs im Kontext von § 1979 BGB wiedergegeben werden: Zahlungen an Nachlassgläubiger dürfen nach § 1979 BGB nur erfolgen, wenn der Erbe den Umständen nach annehmen darf, dass der Nachlass zur Berichtigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreicht. Dies ist nach zutreffender Auffassung des Bundesgerichtshofs nur dann der Fall, wenn der Erbe vor einer Zahlung an einen Nachlassgläubiger den Nachlassbestand sorgfältig erfasst und bewertet hat. Dies umfasst eine Prüfung der bereits vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten zusätzlich derer, die zukünftig noch entstehen können sowie eine Ermittlung aller Nachlassaktiva sowie ihres Verwertungserlöses, wozu umfangreiche Ermittlungen notwendig sind. Notwendig ist stets eine vollständige Erfassung und Bewertung des Nachlassbestands – selbst dann, wenn eine persönliche Bindung zum Erblasser bestand und der Erbe mit den Verhältnissen vertraut ist. Besteht Grund zu der Annahme, dass weitere Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind, obwohl alle angestellten Klärungsversuche erschöpft sind, muss der Erbe das Aufgebot der 419 Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 326 Rz. 4; Jaeger-KO/Weber, § 225 Rz. 9; Kilger/SchmidtInsolvenzgesetze, § 225 KO Rz. 2; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1979 Rz. 5. 420 OLG Düsseldorf, Urteil vom 05. 03. 1999 – 7 U 149/98 – ZEV 2000, 236 (237 f.) m zust. Anm. Küpper ZEV 2000, 238 f.; so auch: MünchKommBGB/Küpper, § 1979 Rz. 5; NK-BGBErbrecht/Krug, § 1960 Rz. 124; nur restriktiv zustimmend: Staudinger-BGB/Marotzke, § 1979 Rz. 16. 421 MünchKomm-BGB/Siegmann, § 1979 Rz. 3; Soergel-BGB/Stein, § 1979 Rz. 2. 422 BGH, Urteil vom 11. 07. 1984 – IVa ZR 23/83 – NJW 1985, 140 (ebd.), juris Rz. 12, für den Nachlassverwalter, dessen Pflicht jedoch mit der des Erben identisch ist, wie der Bundesgerichtshof selbst betont, Rz. 13 mit umfangreichen Nachweisen. 423 Am Beispiel des Nachlassverwalters, für den gem. § 1985 Abs. 2 BGB die Vorschrift des § 1979 BGB Anwendung findet. 424 Vgl. dazu bereits oben zu § 1980 BGB Teil 3, A. I. 2. b) dd) (3).
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Teil 3: Lösungsansätze
Nachlassgläubiger nach §§ 1970 ff. BGB beantragen. Dies soll dem Erben die Kenntnis möglichst aller Nachlassverbindlichkeiten verschaffen und die Grundlage der Entscheidung bilden, ob er Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beantragen oder sonst zu den allgemeinen Mitteln der Haftungsbeschränkung greifen soll.425 Explizit setzt der Bundesgerichtshof ein derartiges Vorgehen (dessen Einzelheiten je nach den Umständen durch die Gebote des Einzelfalles bestimmt werden) voraus, um von der Zulänglichkeit des Nachlasses ausgehen zu können und damit den Fahrlässigkeitsvorwurf des § 1979 BGB bei der Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten zu entkräften. Andernfalls verstoße die Befriedigung gegen § 1979 BGB. (4) Anforderungen an die Prüfungspflicht des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben vor der Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten Der Nachlasspfleger muss daher vor der Befriedigung einer Nachlassforderung neben der Prüfung wirtschaftlicher Belange, die bei einer unstreitig bestehenden, fälligen Forderung zur Vermeidung von Prozesskosten stets für deren Erfüllung sprechen, die Folgen der Befriedigung für den Erben zu berücksichtigen, die sich aus den speziellen Vorschriften der §§ 1978, 1979 BGB ergeben. Würde die Zahlung bei einer eigenen Vornahme durch den vorläufigen Erben zu einer Haftung dessen gegenüber den Nachlassgläubigern führen, ist dem Nachlasspfleger die Erfüllung dieser Verbindlichkeit verboten. Erfüllt er entgegen § 1979 BGB Nachlassverbindlichkeiten begeht er folglich eine Pflichtverletzung gegenüber dem vertretenen werdenden Erben, weil er erbschaftliche Geschäfte nicht im Interesse des Vertretenen vorgenommen hat. ee) Zusammenfassung: Befugnis oder Verbot des Nachlasspflegers zur Gläubigerbefriedigung ist abhängig von der wirtschaftlichen Situation des Nachlasses – Zäsur durch erkennbare Überschuldung Zusammenfassend gilt: Der Nachlasspfleger ist berechtigt, Nachlassgläubiger zu befriedigen, wenn es der vorläufige Erbe in der gleichen Situation auch wäre. Für eine Pflicht zur Befriedigung ist das Rechtsverhältnis zum Erben und nicht zu den Nachlassgläubigern entscheidend. Die Erfüllung der jeweiligen Nachlassverbind425
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. 01. 2012 – I-3 Wx 301/11, 3 Wx 301/11 – NJW-RR 2012, 841 (ebd.), juris Rz. 15; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1970 Rz. 1; Mugdan, Band V, S. 345; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Auflage, § 48 IV 1; Erman-BGB/Schlüter Rz. 1 f.; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1970 Rz. 1; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1970 Rz. 1; Die wichtigste Rechtsfolge der Durchführung eines Aufgebotsverfahrens ist jedoch, dass diejenigen Gläubiger, die sich nicht melden, nur insoweit Befriedigung verlangen können, als nach Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger noch ein Überschuss verbleibt, BeckOKBGB/Lohmann, § 1970 Rz. 1.
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lichkeit muss dazu mit dem Interesse des Erben an der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses korrespondieren. Dazu bedarf es eines Erfüllungserfordernisses, welches sich aus der Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Gläubiger ergibt – die bei Nichterfüllung Kosten verursacht – und der Erfüllungsberechtigung als kumulative Voraussetzung für eine Zahlungspflicht des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben. Fehlt die Erfüllungsberechtigung, steht die Befriedigung eines Nachlassgläubigers im Widerspruch zu § 1979 BGB – die Erkennbarkeit der Überschuldung stellt hier die Zäsur dar –, stellt die Befriedigung des Gläubigers durch den Nachlasspfleger eine Pflichtverletzung aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis gegenüber dem Erben dar, die dem Grunde nach wie jede Pflichtverletzung aus diesem Schuldverhältnis einen Schadensersatzanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger begründet, §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB. c) Verletzung der gegenüber dem Erben bestehenden Insolvenzantragspflicht Von zentraler Bedeutung im Kontext überschuldeter Nachlässe ist die Frage, ob der Nachlasspfleger insolvenzantragspflichtig ist und vor allem innerhalb welchen Rechtsverhältnisses diese Pflicht besteht. Wie bereits dargelegt, kann eine Insolvenzantragspflicht – wenn überhaupt – nur gegenüber dem werdenden Erben bestehen, da eine Verantwortlichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern ausscheidet.426 Der Gedanke, dass den Nachlasspfleger gegenüber dem vertretenen Erben eine Insolvenzantragspflicht treffen könnte, ist nach dem Gesagten naheliegend, wenn für den Nachlasspfleger trotz bestehender und fälliger Zahlungsverpflichtung im Außenverhältnis eine Befriedigung von Nachlassgläubigern wegen § 1979 BGB verboten ist. Zudem sind ohne Weiteres Fälle denkbar, in denen eine interessengerechte Vertretung des Erben einzig in der Stellung eines Insolvenzantrages liegen kann (beispielsweise wenn für einen vermögenslosen Nachlass eine Nachlasspflegschaft angeordnet wird, die ausschließlich aus Schulden besteht). Zu klären ist nun, ob und in welchem Umfang eine solche Insolvenzantragspflicht tatsächlich besteht. aa) Pflicht zur Insolvenzantragstellung? Den Nachlasspfleger trifft nach einhelliger Auffassung eine Insolvenzantragspflicht gegenüber dem von ihm vertretenen Erben, wenn durch die Stellung eines Insolvenzantrages eine Verkürzung des Nachlasses und damit ein Schaden des Erben abgewendet werden kann.427 Weder wird eine Begründung zur Bestätigung dieser These geliefert, noch die Konsequenzen dieser Antragspflicht diskutiert. Nicht 426
Vgl. dazu oben Teil 2, B. I. BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (287); juris Rz. 19; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 53; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1960 Rz. 54; FKInsO/Schallenberg/Rafiqpoor, § 317 Rz. 20; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 162 f; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1960 Rz. 125; Fröhler, BWNotZ 2011, 2 (ebd.); Roth, ZInsO 2013, 1567 (1570). 427
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Teil 3: Lösungsansätze
einheitlich beantwortet wird bereits, woher diese Verpflichtung gegenüber dem Erben kommen soll. (1) Pflicht zur Insolvenzantragstellung aus § 1980 BGB? Als möglicher Anknüpfungspunkt einer Insolvenzantragspflicht für den Nachlasspfleger gegenüber dem Erben kommt § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht in Frage. Danach trifft den Erben ab Kenntnis oder auf Fahrlässigkeit beruhender Unkenntnis von der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses die Pflicht gegenüber den Nachlassgläubigern, ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) Insolvenzantrag zu stellen. Die Vorschrift kann im Rahmen der Rechtsbeziehung zwischen Nachlasspfleger und dem Vertretenen keine Anwendung finden. Durch den Nachlasspfleger vertreten wird der werdende Erbe428, also die Person, die später einmal Erbe wird oder sich als Erbe herausstellt, im Zeitraum ihrer nur vorläufigen Erbenstellung. Vor Annahme der Erbschaft trifft den Vertretenen selbst jedoch keinerlei Verpflichtung, sich um den Nachlass zu kümmern,429 woraus zutreffend gefolgert wird, dass eine Insolvenzantragspflicht erst ab Annahme der Erbschaft bestehen kann. Den endgültigen Erben i.S.v. § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB gibt es noch nicht, wenn Nachlasspflegschaft für den unbekannten Erben angeordnet ist. Solange ein Sicherungsanlass nach § 1960 Abs. 1 BGB also Unklarheit über die Erbfolge besteht, ist die Erbenstellung lediglich vorläufig, weil die Annahme noch nicht erfolgt ist oder als vorläufig behandelt wird, bis geklärt ist, wer der endgültige Erbe ist. Den vorläufigen430 Erben trifft daher keine Antragspflicht.431 Die Pflicht des Erben aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB wird damit gerade nicht durch den Nachlasspfleger wahrgenommen, da die Wahrnehmung von Pflichten, die nur den endgültigen Erben, nicht aber den vorläufigen Erben treffen, nicht in den Aufgabenbereich des Nachlasspflegers fallen kann. Wie bereits dargelegt,432 ist für die Frage, ob der Nachlasspfleger gegenüber dem Erben verpflichtet ist, bestimmte Aufgaben im Außenverhältnis wahrzunehmen, entscheidend, dass den vorläufigen Erben in der vergleichbaren Situation die gleichen Pflichten treffen, die dann durch den Nachlasspfleger wahrgenommen werden. Allerdings muss sich der vorläufige Erbe vor der Annahme der Erbschaft nicht um den Nachlass kümmern. Die Vorschrift des § 1980 Abs. 1 BGB, die eine aktive 428
Vgl. dazu oben Teil 2, A. II. OLG Braunschweig, Urteil vom 13. 07. 1920 – 2. ZS – OLGE 42, 204 (ebd.): „aber eine Verpflichtung zur Erfüllung aller aus dem Nachlasse ruhender Leistungen liegt ihm nicht ob“; Nöll, Der Tod des Schuldners in der Insolvenz, S. 78 Rz. 204; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1959 Rz. 4; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1959 Rz. 1; Muscheler, Erbrecht, Rz. 1080; Lange, Erbrecht, § 42 Rz. 1; MAH-Erbrecht/Siegmann, § 23 Rz. 28. 430 Von einer vorläufigen materiell-rechtlich begründeten Erbenstellung spricht man – unabhängig davon, ob sie durch gesetzliche Erbfolge oder aufgrund testamentarischer Einsetzung erfolgte – bis zur Annahme der Erbschaft gem. § 1943 BGB. 431 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (284), juris Rz. 14. 432 Vgl. oben Teil 3, A. I. 2. a) und b). 429
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Insolvenzantragstellung als Pflicht des Erben gegenüber den Nachlassgläubigern vorsieht und ein fahrlässiges Unterlassen der Antragstellung mit einer Ersatzpflicht sanktioniert, kann den vorläufigen Erben daher auch nicht treffen.433 Deshalb kann die Erfüllung dieser Pflicht nicht in den Aufgabenbereich des Nachlasspflegers gegenüber dem werdenden Erben fallen, weil es für diesen die Pflicht aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht gibt. Die Vorschrift kann daher nicht zur Begründung einer Insolvenzantragspflicht des Nachlasspflegers gegenüber dem werdenden Erben herangezogen werden.434 (2) Pflicht zur Insolvenzantragstellung aus § 317 InsO? Auch aus § 317 InsO lässt sich eine Insolvenzantragspflicht nicht ableiten. In § 317 Abs. 1 InsO aufgeführt sind lediglich die Antragsberechtigten, wo es heißt: „Zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Nachlaß ist jeder Erbe, der Nachlaßverwalter sowie ein anderer Nachlaßpfleger, ein Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung des Nachlasses zusteht, und jeder Nachlaßgläubiger berechtigt.“ Insoweit geht es lediglich um Rechte der Genannten, nicht um deren Pflichten. (3) Zutreffende Auffassung: Antragspflicht aus gesetzlichem Schuldverhältnis zwischen Erbe und Nachlasspfleger Richtig ist, dass sich die Insolvenzantragspflicht aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis mit dem Vertretenen ergibt. Aus der Berechtigung des Nachlasspflegers gem. § 317 Abs. 1 InsO die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, folgt die Pflicht im Innenverhältnis von diesem Antragsrecht notwendigenfalls Gebrauch zu machen.435 Die Antragsverpflichtung fußt folglich in dem Rechtsverhältnis, welches für die gesamte Nachlasspflegschaft prägend ist – dem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Nachlasspfleger und werdendem Erben. Das Außen433 Absolut herrschende Meinung: BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/ 03 – BGHZ 161, 281 (285), juris Rz. 14; KG Berlin (1. ZS), Beschluss vom 07. 02. 1975 – 1 W 1218/74 – OLGZ 1975, 161 (163); Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 15; Jauernig-BGB/ Stürner, § 1980 Rz. 1; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 1 Fn. 1; Erman-BGB/Schlüter, § 1980 Rz. 1; Soergel-BGB/Stein, § 1980 Rz. 5; MünchKomm-InsO/Siegmann, § 317 Rz. 7, Fn. 1; Nerlich/Römermann-InsO/Riering, § 317 Rz. 4; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 317 Rz. 3; NK-BGB/Hoeren, § 1980 Rz. 6; Marotzke, ZInsO 2011, 2105 (2107); a.A. einzig SoergelBGB/Stein, § 1980 Rz. 5 für den Fall, dass der Erbe bereits Nachlassverbindlichkeiten beglichen oder andere auf den Nachlass bezogene Aktivitäten entfaltet hatte. 434 Sie kann auch nicht dazu verwandt werden, die Insolvenzantragspflicht inhaltlich zu begründen; unzutreffend insoweit: NK-BGB/Krug, § 1960 Rz. 125. 435 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 19; KG Berlin (1. ZS), Beschluss vom 07. 02. 1975 – 1 W 1218/74 – OLGZ 1975, 161 (163); MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 53; MünchKomm-InsO/Siegmann, § 317 Rz. 7; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 20; FK-InsO/Schallenberg/Rafiqpoor, § 317 Rz. 20; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 12; NK-BGB/Krug, § 1960 Rz. 125; UhlenbruckInsO/Lüer, § 317 Rz. 7; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 2369.
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Teil 3: Lösungsansätze
verhältnis zu den Nachlassgläubigern kann keine Rolle spielen, da die Berücksichtigung von Gläubigerinteressen nicht zum Pflichtenkreis des vorläufigen Erben und damit auch nicht zu dem des Nachlasspflegers gehört, solange keine erbschaftlichen Geschäfte vorgenommen werden. Zur Begründung von Pflichten für den Nachlasspfleger kann allein das Interesse des Vertretenen entscheidend sein (dieses ist mitunter mit dem der Nachlassgläubiger deckungsgleich vgl. § 1979 und 1978 BGB). In Frage kommt daher erneut lediglich das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Nachlasspfleger und werdendem Erben und die den Nachlasspfleger aus diesem treffende Verpflichtung, den Nachlassbestand zu sichern und zu erhalten, was konsequenterweise die Abwendung von Schäden für den Nachlass umfasst. Nur wenn die Insolvenzantragstellung die einzige Möglichkeit des Nachlasspflegers zur Abwendung der Nachlassschmälerung ist, kann eine Verpflichtung bestehen, da eine anderweitige Abwendung der Nachlassverkürzung im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses durch den Nachlasspfleger keine Pflichtverletzung sein kann. bb) Inhalt der Pflicht: Antragstellung zur Vermeidung einer Verkürzung des Nachlassbestands Inhaltlich lässt sich die Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung klar umreißen: Der Nachlasspfleger ist dann zur Antragstellung verpflichtet, wenn (nur) dadurch eine Schmälerung des Nachlassbestands und damit ein Schaden vom Erben abgewendet werden kann.436 cc) Wann droht eine Verkürzung des Nachlassbestands, die nur durch eine Insolvenzantragstellung des Nachlasspflegers zu vermeiden ist? Zu klären ist daher, wann eine Verkürzung des Nachlassbestandes droht, die der Nachlasspfleger lediglich durch die Stellung eines Insolvenzantrages abwenden kann. (1) Schmälerung des Nachlassbestands durch ein Nichteinschreiten des Nachlasspflegers gegen die Befriedigung von Nachlassgläubigern entgegen § 1979 BGB Wie bereits dargestellt, darf der Nachlasspfleger Nachlassverbindlichkeiten nicht befriedigen, wenn dies mit den Vorschriften der §§ 1978, 1979 BGB in Widerspruch steht (da er insoweit im Pflichtenkreis des vertretenen, werdenden Erben agiert). Eine 436 BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 19; MünchKomm-BGB/Leipold § 1960 Rz. 53; MünchKomm-InsO/Siegmann, § 317 Rz. 7; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 12; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 20; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 162 f.; FK-InsO/Schallenberg/Rafiqpoor, § 317 Rz. 20; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1960 Rz. 124; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1960 Rz. 14.
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten im Widerspruch zu § 1979 BGB führt zu einer Schmälerung des Nachlassbestands, weil zwar eine Schuld getilgt wird, aber ein Ersatzanspruch der Nachlassgläubiger gegen den werdenden Erben entsteht gem. §§ 1979, 278 BGB.437 Bei diesem Ersatzanspruch handelt es sich um eine Nachlassverbindlichkeit438 folglich verletzt der Nachlasspfleger bei entsprechendem Vorgehen die Pflicht gegenüber dem werdenden Erben, den Nachlass in dessen Interesse ordnungsgemäß zu sichern und zu verwalten, weil eine weitere Nachlassverbindlichkeit den Nachlassbestand schmälert. Damit ist jedoch noch nicht sichergestellt, dass eine Befriedigung von Nachlassgläubigern entgegen § 1979 BGB auch tatsächlich nicht stattfindet. Im Gegensatz zum vorläufigen Erben, der von den Nachlassgläubigern gem. § 1958 BGB vollkommen unbehelligt bleibt, kann der Nachlasspfleger im Außenverhältnis zur Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten verpflichtet sein. Lehnt der Nachlasspfleger im Einklang mit einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung die Befriedigung von Nachlassgläubigern ab, sind die Nachlassgläubiger jedoch nicht an einer zwangsweisen Durchsetzung ihrer Forderungen im Zeitraum der Nachlasspflegschaft gehindert, vgl. §§ 1960 Abs. 3 BGB, 1958 BGB. Aufgrund des Umstands, dass die Zahlungspflicht gegenüber den Nachlassgläubigern im Außenverhältnis bestehen kann, ist eine entsprechende Nichterfüllung durch den Nachlasspfleger in der Lage, weitere Kosten durch den Erfüllung verlangenden Gläubiger hervorzurufen (Mahnung, Beitreibungsversuche, Vollstreckungskosten). Von einer Belastung des Nachlasses mit zusätzlichen Kosten kann deswegen gesprochen werden, wenn die besagte Verbindlichkeit im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung eines nicht überschuldeten Nachlasses erfüllt werden müsste, dies aufgrund der Überschuldung gem. § 1979 BGB jedoch dem Nachlasspfleger untersagt ist. Verlangt ein Nachlassgläubiger eines überschuldeten Nachlasses Erfüllung durch den Nachlasspfleger, reicht es im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung nicht aus, diese Erfüllung zu verweigern, weil die bloße Verweigerung einer weiteren Schmälerung des Nachlassvermögens durch Vollstreckungskosten wegen Nichterfüllung von bestehenden Zahlungspflichten resultierte. Dieser Anstieg der Nachlassverbindlichkeiten würde gleichermaßen eine Pflichtverletzung des Nachlasspflegers gegenüber dem Vertretenen darstellen. Schließlich soll der Nachlassbestand durch den Nachlasspfleger gesichert und erhalten werden. Die bloße Erfüllungsablehnung durch den Nachlasspfleger hilft daher nicht weiter. Der Nachlasspfleger muss vielmehr eine Befriedigung des vollstreckenden Nachlassgläubigers entgegen § 1979 BGB verhindern und gegen dessen Befriedigungsersuchen in den Nachlass einschreiten, indem er von seinem Antragsrecht aus § 317 InsO Gebrauch macht und selbst ein Nachlassinsolvenzverfahren in Gang setzt, was ihm gem. § 320 InsO bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit des 437 438
Vgl. zum Ganzen oben Teil 3, A. I. 2. b). Vgl. Teil 2, B. II. 2. b).
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Teil 3: Lösungsansätze
Nachlasses gestattet ist.439 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt, dass Zwangsvollstreckungen in den Nachlass unzulässig sind, § 89 InsO, und einer schon erfolgten Vollstreckungsmaßregel die Absonderungskraft versagt wird, §§ 88, 321 InsO. Gegenüber dem werdenden Erben ist der Nachlasspfleger daher auch zur Insolvenzantragstellung verpflichtet, um zu verhindern, dass dem Nachlass durch die Vollstreckungsaktivitäten des Nachlassgläubigers weitere finanzielle Nachteile entstehen. Die Insolvenzantragspflicht korrespondiert folglich mit dem in § 1979 BGB enthaltenen Auszahlungsverbot bei Überschuldung. Verlangt ein Nachlassgläubiger bei Überschuldung Erfüllung, ist der Nachlasspfleger verpflichtet, die Vollstreckung in den Nachlass und alle damit verbundenen vermeidbaren Kosten vom Nachlass nach Möglichkeit abzuwenden bzw. zu verhindern, was nur durch die Stellung eines Insolvenzantrags möglich ist. (2) Umfangreichere Pflicht zur Insolvenzantragstellung bereits ab Eintritt der Überschuldung zur Verhinderung der Überschuldungsvertiefung? Vergegenwärtigt man sich, dass durch die im Falle einer Überschuldung zweifellos bestehenden Verbindlichkeiten, weitere Verbindlichkeiten in Form von Zinsbelastungen hinzukommen und bzw. Mahnkosten bei Nichterfüllung ausgelöst werden können, führt ein bloßes Nichtstun regelmäßig zu einer Schmälerung des Nachlassbestands. Entscheidend ist daher, ob diese Vertiefung der Überschuldung vom Nachlasspfleger im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung verhindert werden könnte. Eine Abwendung dieser Schmälerung wäre nur möglich, wenn der Nachlasspfleger in der Lage wäre, einen Anstieg der Verbindlichkeiten zu vermeiden, indem er die betreffenden Gläubiger befriedigt oder durch Vergleich eine Einigung erzielt. Die Befriedigung von Gläubigern bei erkennbarer Überschuldung des Nachlasses ist dem Nachlasspfleger jedoch verboten.440 Auch der Abschluss eines Vergleichs wird nicht ohne weitere Kosten möglich sein, die ihrerseits wiederum zu einer Schmälerung des Nachlassbestands führen. Fraglich ist daher, ob die Antragsverpflichtung des Nachlasspflegers gegenüber dem werdenden Erben an die Überschuldung des Nachlasses geknüpft werden kann. Im Vergleich zu einer Antragstellung im Falle drohender Schäden wäre die Überschuldung leichter zu ermitteln und ein entsprechend besser handhabbares Kriteri439 Auf diese Pflicht hatte bereits der historische Gesetzgeber hingewiesen. In den Motiven zum BGB heißt es: „Wird dann, wenn der Nachlaß zur vollständigen Befriedigung aller Nachlaßgläubiger unzureichend ist, ein Nachlaßgläubiger vollständig befriedigt, obschon er dies nicht beanspruchen konnte, so trägt nach den Vorschriften über das Inventarrecht der Erbe den Schaden. Um dieses Ergebnis zu verhüten, darf der Nachlaßpfleger in einem solchen Falle den Gläubiger nicht vollständig befriedigen.“ Den Nachlaßpfleger treffe daher die Verpflichtung „dafür zu sorgen, daß sich der Gläubiger nicht im Wege der Zwangsvollstreckung vollständige Befriedigung verschaffe. Das letztere kann der Nachlasspfleger dadurch verhindern, daß er […] den Konkurs beantragt […]“, Mugdan, Band V, S. 295. 440 Siehe dazu ausführlich Teil 3, A. I. 2. b).
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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um. Zudem führt ein bloßes Nichtstun im Falle bestehender Überschuldung stets zu deren Vertiefung, weil die Verbindlichkeiten durch bestehende Zinsbelastungen weiter ansteigen. Möglicher Anhaltspunkt kann nicht § 1980 BGB sein, da die Antragspflicht aus § 1980 BGB nicht den vorläufigen Erben trifft und damit auch nicht vom Nachlasspfleger als dessen Vertreter ausgeübt werden kann. Möglich wäre aber, die Antragsverpflichtung im erweiterten Sinne an § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB festzumachen. Die Besorgung erbschaftlicher Geschäfte vor Annahme der Erbschaft muss sich an den Interessen der Nachlassgläubiger orientieren, § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB. Folglich muss bei der Wahrnehmung dieser Geschäfte durch den Nachlasspfleger auch eine Berücksichtigung von Gläubigerinteressen stattfinden. Zu beachten ist allerdings, dass aus § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB keine Handlungspflicht ersichtlich ist, die den vorläufigen Erben und damit auch dessen Vertreter zur Wahrnehmung von Gläubigerinteressen zwingt. Es gilt das Gebot, dass den vorläufigen Erben vor der Annahme der Erbschaft keine Verpflichtung trifft, sich um den Nachlass zu kümmern. Nur im Falle eines Handelns muss eine entsprechende Berücksichtigung von Nachlassgläubigerinteressen erfolgen. Welche Geschäfte der Nachlasspfleger dabei tätigt, richtet sich primär an den Interessen des Vertretenen und muss darüber hinaus mit den Interessen der Gläubiger im Einklang stehen. Eine Handlungspflicht im Interesse der Gläubiger enthält lediglich § 1980 BGB, der im Rahmen der Nachlasspflegschaft jedoch keine Berücksichtigung findet. Die Verpflichtung aus § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB beschränkt lediglich die Möglichkeiten des Nachlasspflegers im Auftrag des werdenden Erben tätig zu werden, weil er die Belange der Nachlassgläubiger ebenfalls berücksichtigen muss. Konsequenzen drohen jedoch nur bei einer Verkürzung des Nachlassbestands, die dem Nachlasspfleger auch vorzuwerfen ist. Dies ist bei einer Vertiefung der Überschuldung durch den bloßen Anstieg bereits bestehender Verbindlichkeiten durch von diesen verursachte Zinsbelastungen jedoch gerade nicht der Fall. Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfallenden Zinsen und Säumniszuschläge für Insolvenzforderungen sind lediglich nachrangige Verbindlichkeiten gem. § 39 Abs. 1 Ziffer 1 InsO, begründen daher nur für das Verhältnis der Gläubiger eine unterschiedliche Behandlung. Damit ist jedoch „klargestellt441“, dass durch das Insolvenzverfahren gerade nicht verhindert wird, dass diese Verbindlichkeiten weiter ansteigen, indem geregelt ist, dass für die Hauptforderung während des Insolvenzverfahrens noch Zinsen442 anfallen können443. 441
Zutreffend ausdrücklich MünchKomm-InsO/Ehricke, § 39 Rz. 12. Neben allen vertraglichen sind auch die gesetzlichen Zinsen, einschließlich der Verzugszinsen von § 39 Abs. 1 Ziffer 1 InsO umfasst, vgl. dazu umfassend MünchKomm-InsO/ Ehricke, § 39 Rz. 13 m.w.N. 443 OLG Düsseldorf, Urteil vom 08. 10. 1968 – 19 U 33/68 – KTS 1969, 108 (109); MünchKomm-InsO/Ehricke, § 39 Rz. 12; Braun-InsO/Bäuerle, § 39 Rz. 5; Smid-InsO/Smid, § 39 Rz. 6. 442
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Teil 3: Lösungsansätze
Für den Erben als Rechtsträger des Nachlasses hat die Verfahrenseröffnung damit keine Auswirkungen auf den Anstieg der – durch die Insolvenzeröffnung – aus dem nun separierten Vermögen Nachlass zu befriedigenden Verbindlichkeiten durch Zinsen und Säumniszuschläge und die dadurch eintretende Schmälerung des Nachlassbestands. Die Vermeidbarkeit des Schadenseintritts beim Erben durch eine ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasspflegers ist also zentraler Anknüpfungspunkt. Dem Nachlasspfleger ist hier gerade nicht möglich, den beschriebenen Anstieg der Verbindlichkeiten aus Sicht des Erben abzuwenden, da auch eine Insolvenzantragstellung für diesen nicht zur Folge hätte, dass die Vertiefung der Überschuldung endet. Das heißt, dass der reine Anstieg der bei Überschuldung bereits bestehenden Verbindlichkeiten, die zu einer Vertiefung der Überschuldung führen, durch die Insolvenzantragstellung gerade nicht verhindert werden kann. Damit ist die Überschuldung allein kein taugliches Kriterium, eine Insolvenzantragspflicht des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben mit der Argumentation zu begründen, dies diene der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses. Die Antragspflicht an die Überschuldung und nicht an die Vermögenserhaltung des Nachlassbestands zu knüpfen ist daher nicht möglich. dd) Zwischenergebnis Die Insolvenzantragspflicht für Nachlasspfleger an der Abwendung einer vermeidbaren Schmälerung des Nachlasses festzumachen, ist zutreffend. Die Antragspflicht ergibt sich nicht aus § 317 InsO oder § 1980 BGB sondern unmittelbar aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen werdendem Erben und Nachlasspfleger mit dem Inhalt der ordnungsgemäßen Sicherung und Verwaltung des Nachlasses für den werdenden Erben. Die Antragspflicht besteht für den Nachlasspfleger, wenn durch den Insolvenzantrag eine Verkürzung des Nachlassbestands verhindert werden kann. 3. Schaden des Erben durch die Pflichtverletzung des Nachlasspflegers Nachdem geklärt ist, welches Verhalten des Nachlasspflegers eine Pflichtverletzung gegenüber dem vertretenen werdenden Erben darstellt, ist zu klären, wann und unter welchen Voraussetzungen dem Vertretenen durch diese Pflichtverletzung auch ein Schaden entsteht. Andernfalls wäre eine Inanspruchnahme des Nachlasspflegers durch den Insolvenzverwalter wegen einer Pflichtverletzung aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis in Ermangelung eines Vermögensschadens des Erben nicht möglich. Eine Schadenskompensation könnte dann – wenn überhaupt – nur nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation oder im Rahmen einer deliktischen Haftung erfolgen.
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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Der Nachlasspfleger haftet dem von ihm vertretenen endgültigen Erben wie ein Vormund dem Mündel, §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB. Er hat dem Erben alle Vermögensschäden, die diesem durch eine schuldhafte Pflichtverletzung eingetreten sind, zu ersetzen.444 Art und Umfang des Schadensersatzes richten sich dabei nach §§ 249 ff. BGB.445 Das Vorliegen eines Schadens des Erben ist im Kontext überschuldeter Nachlässe von besonderer Bedeutung, ohne dass ihrer Beantwortung die gebotene Aufmerksamkeit zuteil wird. Zimmermann446 weist unter Bezugnahme auf Weißler447 lediglich knapp darauf hin, dass der Nachlasspfleger dem Erben für die Erfüllung der sich aus §§ 1978 ff. BGB ergebenden Pflichten bei der Gläubigerbefriedigung hafte. Auch in der Kommentarliteratur wird eine Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers meist ohne weitere Beachtung der Überschuldung des Nachlasses und der daher bestehenden Möglichkeit des Erben zur Haftungsbeschränkung bejaht.448 a) Vermögensschaden des Erben bei bestehender Überschuldung des Nachlasses? aa) Meinungsstand: kein Schaden des Erben wegen Überschuldung des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls und der Möglichkeit des Erben, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken Sofern eine Auseinandersetzung mit der Problematik stattfindet, wird das Vorliegen eines Schadens des Erben abgelehnt, wenn der Nachlass im Zeitraum der Nachlasspflegschaft überschuldet war und während des Zeitraums der Pflegschaft sich der Wert des Nachlasses verschlechtert. Dabei werden folgende Thesen vertreten: Muscheler449 lehnt in diesem Kontext einen Schaden des Erben ab. Er führt ein Beispiel an, welches hier verkürzt wiedergegeben werden soll: Der Nachlasspfleger verkennt, dass der Nachlass überschuldet ist und macht von seinem Recht zur Insolvenzantragstellung aus § 317 Abs. 1 InsO keinen Gebrauch. Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind Nachlassschulden i.H.v. 100.000 E hinzugekommen. Dies wäre bei rechtzeitiger Antragstellung nicht möglich gewesen. Muscheler verneint 444
Staudinger-BGB/Veit, § 1833 Rz. 18; Jürgens-BtR/von Crailsheim, § 1833 Rz. 23. OLG Saarbrücken, Urteil vom 13. 12. 2011 ¢ 4 U 456/10 – NJOZ 2012, 1289 (1294), juris Rz. 125; Palandt/Götz, § 1833 Rz. 7. 446 Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 690. 447 Weißler, Das Nachlassverfahren, Band I, S. 132: „Der Nachlaß=Pfleger haftet dem Erben wie ein Vormund dem Mündel, insbesondere auch für die Erfüllung der aus §§ 1978 ff. sich ergebenden Pflichten bezüglich der Gläubiger=Befriedigung“. 448 Vgl. beispielsweise BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1960 Rz. 16; MünchKommBGB/Leipold, § 1960 Rz. 63; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1960 Rz. 120 ff. 449 Muscheler, Erbrecht, Rz. 3125. 445
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Teil 3: Lösungsansätze
einen Schaden des Erben mit der Begründung, der Nachlass sei „ja von Anfang an überschuldet“450 gewesen. Unter Zustimmung der angeführten Auffassung ergänzt Marotzke451, die beschränkte Erbenhaftung führe dazu, dass derartige Schäden sich nicht bei diesem sondern bei den Nachlassgläubigern realisierten. Poertzgen452 äußert sich vergleichbar: Der Schaden wegen verspäteter Antragstellung durch den Nachlasspfleger verwirkliche sich nur dann beim Erben, „wenn diesem bei einer rechtzeitigen Antragsstellung noch zumindest ein Teil des Nachlasses übrig geblieben wäre.“ An einem Schaden des Erben fehle es demgegenüber, „wenn der Nachlass in einem solchen Maße unzureichend gewesen ist, daß auch bei unverzüglicher Beantragung eines Insolvenzverfahrens die Nachlassmasse nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausgereicht hätte.“ Pfeuffer453 verneint ebenfalls einen Vermögensschaden des Erben. Ähnliche Ausführungen finden sich auch bei Roth454: Durch eine weitere Erhöhung der Nachlassverbindlichkeiten entstehe dem Erben kein Schaden, wenn der Nachlass bereits überschuldet sei. Für die Vermögenslage des Erben sei es irrelevant, wie hoch der Nachlass überschuldet sei, da diesem die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass zustehe. Daher sei die Vertiefung der Überschuldung für ihn kein Nachteil. bb) Kritik an den dargestellten Auffassungen (1) Vorüberlegungen Ausgangspunkt der angeführten Meinungen ist stets, dass die Haftungsseparation stattfindet, der Erbe seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass beschränkt und im Rahmen eines Nachlassinsolvenzverfahrens eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung angestrebt wird. Nachvollziehbar ist daher, wenn argumentiert wird, dass letztlich die Nachlassgläubiger geschädigt sind, wenn ihnen durch die vorangegangene Verkürzung des Nachlasses nun ein geringeres Haftungssubstrat zur Befriedigung ihrer Insolvenzforderungen zur Verfügung steht, was zwangsläufig auch die Befriedigungsmöglichkeiten der Nachlassgläubiger verschlechtert. Dies beantwortet jedoch nicht die Frage, ob aus der Pflichtverletzung des Nachlasspflegers dem Erben ein Schaden erwachsen ist. Wäre dies der Fall, stünde den Gläubigern keine verminderte Haftungsmasse zur Verfügung, weil der Nachlasspfleger in einem Insolvenzverfahren für Verkürzungen des Nachlasses haftete. 450
Muscheler, Erbrecht, Rz. 3125. Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 20; am Beispiel des Testamentsvollstreckers auch Muscheler, Die Haftungsordnung der Testamentsvollstreckung, S. 226. 452 Poertzgen, Organhaftung wegen Insolvenzverschleppung, S. 137 f. 453 Roth/Pfeuffer/Pfeuffer, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 310. 454 Roth, ZInsO 2013, 1567 (1570). 451
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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(2) Die Minderung des Nachlassbestands ist ein Vermögensschaden des Erben („rechnerischer Schaden“) unabhängig von bereits bestehender Überschuldung oder einer Separation der Vermögensmassen Eigenvermögen und Nachlass Die Auffassungen, wonach der Erbe eines überschuldeten Nachlasses keinen Vermögensschaden erleide, wenn der Nachlasspfleger im Rahmen einer Pflichtverletzung für eine Schmälerung des Nachlassbestands verantwortlich ist, überzeugen nicht. Voraussetzung eines Vermögensschadens des Erben ist eine in Geld messbare und durch eine Geldleistung auszugleichende Einbuße am Vermögen.455 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs456 und der herrschenden Auffassung im Schrifttum457 erfolgt die Ermittlung eines Vermögensschadens, nach der so genannten Differenzhypothese, also grundsätzlich durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte. Dass die Überschuldung des Nachlasses und die damit verbundene Möglichkeit des Erben, die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken, dazu führen soll, dass bei entsprechender Anwendung der Differenzhypothese keine Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten sein soll, verwundert. Man stelle sich eine Übertragung dieses Ansatzes auf die Teilnahme von überschuldeten haftungsbeschränkten Gesellschaften am Geschäftsverkehr vor. Gilt mit Eintritt der Überschuldung „Narrenfreiheit“ für sämtliche Schädiger, unabhängig von der Art der Schädigung, weil der Eintritt eines Vermögensschadens nicht möglich wäre? Beachtlich ist insbesondere, dass der Ansatz, einen Schaden aufgrund der Überschuldung abzulehnen, nicht neu ist, sondern bereits Gegenstand der Rechtsprechung war, ohne dass dies im hier zu diskutierenden Kontext bisher die gebotene Berücksichtigung gefunden hätte. Einzig Siegmann458 führt zutreffend (unter Hinweis auf eine wichtige Entscheidung des Bundesgerichtshofs459, die sogleich noch 455
Erman-BGB/Ebert, § 249 BGB Rz. 46. BGH, Urteil v. 18. 01. 2011 ¢ VI ZR 325/09 – BGHZ 78 (81), juris Rz. 8; BGH, Urteil vom 03. 07. 1984 – VI ZR 264/82 – VersR, 1984, 943 (ebd.), juris Rz. 13; BGH, Beschluss vom 09. 07. 1986 – GSZ 1/86 – BGHZ 98, 212 (217), juris Rz. 24; BGH, Urteil vom 15. 12. 1982 – VIII ZR 315/80 – BGHZ 86, 122 (130 f.), juris Rz. 12; BGH, Urteil vom 10. 12. 1986 – VIII ZR 349/85 – BGHZ 99, 182 (195), juris Rz. 42; BGH, Urteil vom 30. 05. 2000 – IX ZR 121/99- VersR 2001, 1235 (nicht abgedruckt in BGHZ 144, 343 ff), juris Rz. 15; BGH, Urteil vom 26. 09. 1997 – V ZR 29/96 – NJW 1998, 302 (304), juris Rz. 25. 457 RGRK-BGB/Alff, Vor § 249 Rz. 2; RGRK-BGB/Steffen § 823 Rz. 433; StaudingerBGB/Schiemann, § 249 Rz. 4 ff.; Palandt/Grüneberg Vor § 249 Rz. 10, 14; Lange/Schiemann/ Lange, § 1 III 4, S. 43 f. 458 MünchKomm-InsO/Siegmann, § 317 Rz. 7 bezogen auf den eintretenden Schaden wegen verzögerter Antragstellung. 459 BGH, Urteil vom 10. 10. 1985 – IX ZR 153/84 – NJW 1986, 581 ff. 456
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Teil 3: Lösungsansätze
erläutert wird) an, dass es für den Schaden des Erben auf dessen Schädigung als Träger des Nachlasses ankommt und daher eine höhere Belastung des Nachlasses stets einen Schaden darstellt. (a) Überschuldung schließt einen Vermögensschaden nicht aus (aa) Vermögensschaden für vermögenslose Schuldner So hatte sich bereits das Reichsgericht460 mit der Frage auseinandergesetzt, ob zusätzliche Verbindlichkeiten bei bestehender Überschuldung zu einem Vermögensschaden führen. Das Reichsgericht hatte in ständiger Rechtsprechung vertreten, dass die Ersatzpflicht des Schädigers nicht weiter reiche, als tatsächlich für den mit der Verbindlichkeit Belasteten ein Schaden entstanden sei; dieser Vermögensschaden sei regelmäßig nicht höher zu schätzen als derjenige Betrag, den der Geschädigte aus seinen Mitteln zur Tilgung der Schuld, mit der er belastet worden sei, aufwenden könne. Nach dieser Auffassung kann bei bestehender Überschuldung durch die Belastung mit einer weiteren Verbindlichkeit kein Vermögensschaden vorliegen, da das vorhandene Vermögen aufgrund der Überschuldung nicht einmal zur Befriedigung der bestehenden Verbindlichkeiten ausreicht. In diesem Sinne müssen auch die Ausführungen von Muscheler zu verstehen sein, wenn er darauf abstellt, dass der Nachlass „ja von Anfang an überschuldet“461 gewesen sei. Allerdings verschweigen Muscheler und die ihm folgende Literatur, dass der Bundesgerichtshof sich ausdrücklich von der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts distanziert hat. Im entscheidenden Urteil zur Belastung eines vermögenslosen Vereins mit einer Schadensersatzverpflichtung führte der Bundesgerichtshof aus:462 „Die Ansicht, es liege kein „Schaden im Rechtssinne” vor, wenn eine zusätzliche Verbindlichkeit einen vermögenslosen Schuldner treffe, kann nur auf die rein begriffliche Vorstellung zurückgeführt werden, in seinem Vermögen werde gar nicht weiter geschädigt, wer bereits vorher hoffnungslos überschuldet und vermögenslos gewesen sei; unter solchen Umständen „beschwere” ihn die hinzutretende Schuld nicht, er habe vorher nichts besessen, und weniger als „nichts” könne niemand haben. Diese Betrachtungsweise wird der Bedeutung der Schadensersatzpflicht nicht gerecht. Jede neue Verbindlichkeit erhöht die Summe der Passiven des Schuldners und führt zu einer Differenz zwischen der früheren und der späteren Vermögenslage. Dieser rechnerische Schaden „beschwert” den Schuldner auch dann, wenn für ihn keine Aussicht besteht, daß er jemals den Gläubiger aus eigener Kraft befriedigen kann. Denn gemessen an den Maßstäben des redlichen Geschäftsverkehrs kann auch dem Vermögenslosen das berechtigte Interesse nicht abgesprochen werden, von dritter 460
Zuletzt RG, Urteil vom 02. 04. 1935 – III 259/34 – RGZ 147, 248 (251) m.w.N.; zusammengefasst bei BGH, Urteil vom 29. 06. 1972 – II ZR 123/71 – BGHZ 59, 148 (149), juris Rz. 6. 461 Muscheler, Erbrecht, Rz. 3125. 462 BGH, Urteil vom 29. 06. 1972 – II ZR 123/71 – BGHZ 59, 148 (149 f.), juris Rz. 7.
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Seite nicht erneut belastet zu werden und nicht noch einem weiteren Gläubiger etwas zu schulden. Jede zusätzliche Passivschuld ist deshalb auch bei ihm ein nach § 249 BGB zu ersetzender Schaden; und ebenso wie der vermögende Schuldner muß auch er in der Lage sein, zur Erfüllung dieser Schuld von einem in Betracht kommenden Befreiungsanspruch Gebrauch zu machen.“
Übertragen auf mögliche Vermögensschäden des Erben, die auf Pflichtverletzungen des Nachlasspflegers zurückzuführen sind, hat das Urteil folgende Bedeutung: Der Bundesgerichtshof erteilt Berechnungsmodellen, die an der „Nullbarriere“ enden, eine klare und eindeutige Absage. Im Schadensrecht ist der Vermögensbegriff daher nicht in dem Sinne zu verstehen, dass über Vermögen nur derjenige verfügt, dessen Bilanz positiv ausfällt. Vielmehr stellt der Bundesgerichtshof klar, dass der Vermögensbegriff die Gesamtheit aller Aktiva und Passiva umfasst und damit auch neutrale oder negative Vermögen für die Berechnung von Vermögensschäden relevant sind, was er mit dem Begriff des rechnerischen Schadens umschreibt. Kommen bei Überschuldung des Nachlasses neue Nachlassverbindlichkeiten hinzu, erhöht sich die Summe der Passiva und bei einem Vergleich der Vermögenslagen ist der Gesamtwert des Nachlasses um den Wert der neu hinzugekommenen Verbindlichkeiten gemindert.463 Zu beachten ist jedoch, dass eventuell aufgrund der Verbindlichkeiten ebenfalls zum Nachlass zugehörige Aktiva ebenfalls Berücksichtigung finden müssen. Daher ist stets der gesamte Nachlassbestand beim Vergleich der Vermögenssituation des Nachlasses zu berücksichtigen. Weiterhin muss ein Schadenseintritt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann nicht nur bei einer nicht durch einen entsprechenden Aktivpostenzufluss kompensierten, zusätzlichen Nachlassverbindlichkeit bejaht werden. Auch bei einem Abfluss von Aktiva aus dem Nachlass ist, wenn dadurch nicht gleichzeitig Verbindlichkeiten im Einklang mit § 1979 BGB in gleichem Wert befriedigt werden, ein Schaden des Erben zu bejahen, weist doch bei einem Vergleich des Nachlassbestands dieser nach der Pflichtverletzung einen geringeren Wert auf als zuvor. Der Bundesgerichtshof ist von dieser Rechtsauffassung bisher nicht abgewichen, was sich auch aus dem bereits angesprochenen Urteil464 zu einer möglichen Insolvenzantragspflicht für Nachlasspfleger ergibt. Der Bundesgerichtshof führt dort aus, die Insolvenzantragspflicht des Nachlasspflegers (gegenüber dem Erben) diene dazu, im Innenverhältnis Erbe-Nachlasspfleger „eine Verkürzung des Nachlasses und damit einen Schaden des Erben abzuwenden“. Von einer abwendbaren Verkürzung kann sowohl bei einer Mehrung der Passiva (die bei korrektem Handeln des Nachlasspflegers vermeidbar gewesen wäre) als auch bei einem Abfluss von Aktiva gesprochen werden, sofern nicht ein bilanzielles Korrektiv zum Nachlass fließt. Von einer Antragspflicht kann logischerweise nur dann gesprochen werden, wenn der 463 464
Zutreffend statt Aller daher MünchKomm-InsO/Siegmann, § 317 Rz. 7. BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 ff.
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Antrag des Nachlasspflegers auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens auch Aussicht auf Erfolg hätte, wozu ein Insolvenzgrund i.S.v. § 320 InsO vorliegen muss. Wenn der Bundesgerichtshof von seiner Auffassung hätte abweichen wollen, hätten hier Ausführungen erfolgen müssen, die sich einzig auf die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgrund beziehen und gerade nicht auf die Situation der Überschuldung. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Der Bundesgerichtshof sieht folglich in einem überschuldeten Nachlass keinen Hinderungsgrund für einen Vermögensschaden des Erben. Die Auffassung des Bundesgerichtshofs ist sachgerecht. Die Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers kann nicht unterschiedlich behandelt werden, abhängig davon ob Nachlass vermögend oder überschuldet ist. Die Pflicht zur bestmöglichen Verwaltung des Nachlasses trifft den Nachlasspfleger in beiden Fällen. Indem der Bundesgerichtshof auf den „rechnerischen Schaden“ abstellt, stellt er klar, dass bilanziell betrachtet, jede Schmälerung des schuldnerischen Vermögens messbar ist, sei es durch einen Abfluss von Aktiva oder der Mehrung der Passiva. Infolgedessen liegt nach der Differenzhypothese beim Vergleich der Vermögenslagen nach dem schädigenden Ereignis ein geringerer Nachlasswert vor als zuvor. Die Differenz zu obigem Beispiel von Muscheler fällt demnach wie folgt aus: Wert des Nachlasses im Zeitpunkt der bestehenden Insolvenzantragspflicht: -50.000 E zuzüglich weiterer Schulden i.H.v. 100.000 E resultiert in einem Nachlasswert i.H.v. -150.000 E. Der Vermögensschaden des Erben liegt vor i.H.v. 100.000 E. Dies ist eine deutlich überzeugendere Lösung als ein Schaden i.H.v. 0 E.465 (bb) Keine Schlechterstellung des Anspruchsgegners – Stärkung der Rechtssicherheit Hinzu kommt, dass die Auffassung des Bundesgerichtshofs zu keiner Schlechterstellung des Anspruchsgegners führt. Dazu führt der Bundesgerichtshof466 aus: „Schließlich gibt es keinen Grund, den für den Schaden letzten Endes verantwortlichen Dritten je nach der Vermögenslage des Schuldners unterschiedlich zu behandeln. Hat der Dritte für den Schaden einzustehen, wenn der Schuldner Vermögen hat, dann ist nicht einzusehen, warum er bei gleichem pflichtwidrigem Handeln aus der Vermögenslosigkeit des Schuldners Nutzen ziehen und in diesem Falle haftungsfrei sein soll. Auf die jeweilige Vermögenslage des Schuldners kommt es nach alledem für die Frage nicht an, ob dieser durch die Belastung mit einer Verbindlichkeit einen Schaden erlitten und gegen einen Dritten einen – von seinem Gläubiger pfändbaren – Anspruch auf Befreiung hiervon erworben hat.“
Das Konzept des rechnerischen Schadens hat der Bundesgerichtshof467 in der Folge bekräftigt und auf den Fall eines überschuldeten und konkursreifen Schuldners 465 Zu diesem Ergebnis käme man aber nach den aktuell vertretenen Auffassungen vgl. unter Teil 2, B. III. und unter Teil 3, A. I. 3. a) aa) sowie der Auffassung des Reichsgerichts. 466 BGH, Urteil vom 29. 06. 1972 – II ZR 123/71 – BGHZ 59, 148 (150 f.), juris Rz. 8. 467 BGH, Urteil vom 10. 10. 1985 – IX ZR 153/84 – NJW 1986, 581 (583), juris Rz. 20 ff.
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übertragen. Die Vermögenslage des Schuldners sei für die Frage unerheblich, ob dem Schuldner ein Schaden entstanden sei. „Ein Schaden liegt auch dann vor, wenn eine zusätzliche Verbindlichkeit einen vermögenslosen Schuldner trifft. Denn jede weitere Verbindlichkeit erhöht die Summe der Passiven und führt zu einer (negativen) Differenz zwischen den Vermögenslagen ohne oder mit dieser Belastung. Dieser rechnerische Schaden beschwert den Schuldner auch dann, wenn er keine Aussicht hat, aus eigener Kraft den Gläubiger zu befriedigen. Dem redlichen Schuldner kann nicht das Interesse abgesprochen werden, nicht noch einem weiteren Gläubiger etwas zu schulden. Ebenso wie der vermögende muß auch der vermögenslose Schuldner zur Erfüllung dieser Schuld von seinem Befreiungsanspruch Gebrauch machen können.“468
Es sei unverständlich, wenn der Beklagte als Schuldner des Befreiungsanspruchs nur in dem Fall hafte, wenn die GmbH nicht überschuldet wäre, aber frei ausginge, wenn die Gesellschaft kein Vermögen mehr habe.469 Die Auffassung des Bundesgerichtshofs ist in der Literatur auf Zustimmung gestoßen.470 Vollkommen unverständlich ist, warum diese Rechtsprechung bisher nicht Gegenstand der Diskussion im Kontext überschuldeter Nachlässe gewesen ist. (cc) Zwischenergebnis Die Auffassung, wegen Überschuldung des Nachlasses erleide der Erbe keinen Schaden, kann nicht überzeugen. Zur Ermittlung des Schadens ist die Differenzhypothese in bekannter Form anzuwenden, ohne dass die Überschreitung der „Nullbarriere“ darauf irgendwelche Auswirkungen hätte. Daher kann selbstverständlich von einem Vermögensschaden i.S.d. § § 249 ff. BGB des Erben gesprochen werden, wenn der Nachlassbestand nach dem schädigenden Ereignis einen höheren negativen Gesamtwert ausweist als zuvor. Um diesen Betrag – die Vertiefung der Überschuldung – ist der Bestand des Nachlasses und damit auch das Vermögen des Erben gemindert und dem Erben ein entsprechender Vermögensschaden i.S.v. § 249 ff. BGB entstanden. (b) Auseinanderfallen von Schadenseintritt und Schadensauswirkung kein Grund einen Schaden zu verneinen Fraglich ist indes, ob dieses Ergebnis aus dem Umstand zu hinterfragen ist, dass sich der Schaden nicht beim Erben, sondern bei den Nachlassgläubigern realisiert, wie Marotzke und Poertzgen anführen, weil der Erbe befugt ist, seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken. Ist allein aufgrund der
468
BGH, Urteil vom 10. 10. 1985 – IX ZR 153/84 – NJW 1986, 581 (583), juris Rz. 20 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil v. 29. 06. 1972 – II ZR 123/71, NJW 1972, 1856. 469 BGH, Urteil vom 10. 10. 1985 – IX ZR 153/84 – NJW 1986, 581 (583), juris Rz. 21. 470 Erman-BGB/Ebert, § 249 BGB Rz. 57; Zugehör, NZI 2008, 552 (656); Gehrlein, NZG 2013, 961 (965); und eben auch MünchKomm-InsO/Siegmann, § 317 Rz. 7.
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Möglichkeit der Haftungsbeschränkung des Erben ein Schadenseintritt bei diesem zu verneinen? Auch zur Beantwortung dieser Frage sei das bereits angeführte Beispiel erneut vor Augen geführt: Der Nachlasspfleger verkennt, dass der Nachlass überschuldet ist und macht von seinem Recht zur Insolvenzantragstellung aus § 317 Abs. 1 InsO keinen Gebrauch. Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind Nachlassschulden i.H.v. 100.000 E hinzugekommen. Dies wäre bei rechtzeitiger Antragstellung nicht möglich gewesen. Zur Beantwortung der Frage ist entscheidend, dass die Zeitpunkte der jeweiligen Schadensereignisse und der Wirkung der Separation der Vermögensmassen präzise differenziert werden. So ist für die Separation der Vermögensmassen bei überschuldeten Nachlässen allein die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens maßgeblich. Erst im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Haftungsbeschränkung des Erben auf den Nachlass wirksam eingetreten. Wenn eine Pflichtverletzung durch den Nachlasspfleger gegenüber dem Erben vorgelegen haben soll, dann kann dies zumindest wegen einer verspäteten Insolvenzantragstellung logischerweise nur vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sein, da ab Eröffnung die den Erben schützende Separation der Vermögensmassen Eigenvermögen und Nachlass eingetreten ist. Die oben als rechnerischer Schaden beschriebene Schmälerung des Nachlasswertes und damit der Schaden des Erben tritt jedoch sofort mit der bilanziellen Messbarkeit der Vermögensschmälerung ein und gerade nicht im Zeitpunkt der Separation der Vermögensmassen sondern davor. Schadenseintritt und Schadensauswirkung sind folglich für die Frage, ob überhaupt ein Schaden eingetreten ist, nicht deckungsgleich. Ob der Erbe für die Verbindlichkeiten aus dem Nachlass auch mit seinem Eigenvermögen haftet und der Schaden sich daher „auch bei ihm auswirkt“ oder ob die letztlich Geschädigten die Nachlassgläubiger sind, da zur Befriedigung der Nachlassverbindlichkeiten lediglich der Nachlass als Haftungssubtrat herangezogen werden kann, ist im vorliegenden Zusammenhang irrelevant. Daher kann die Frage, bei wem sich der Schaden letztlich auswirkt, nicht entscheidend sein für die Beantwortung der Frage, ob dem Erben durch die Pflichtverletzung im Zeitpunkt ihrer Begehung ein Schaden entstanden ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Erbe im Falle der Nachlassinsolvenz als Träger des Nachlasses gleichwohl ebenfalls geschädigt ist.471 Der Erbe ist dann Rechtsträger seines Eigenvermögens und eines verkürzten Nachlassbestands und kann vom Schädiger die Beseitigung dieses Schadens am Nachlassbestand verlangen. 471 Vgl. MünchKomm-InsO/Siegmann, § 317 Rz. 7; die Argumentation, der Schaden wirke sich beim Erben nicht aus, ist daher keinesfalls haltbar.
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Auch dieses Ergebnis wird indirekt durch den Bundesgerichtshof472 bestätigt. Wenn die Insolvenzantragspflicht des Nachlasspflegers (gegenüber dem Erben) dazu dienen soll, im Innenverhältnis zwischen Erbe und Nachlasspfleger „eine Verkürzung des Nachlasses und damit einen Schaden des Erben abzuwenden“, geht der Bundesgerichtshof offensichtlich davon aus, dass dem Erben ein Schaden entstehen kann, auch wenn es später zu einer Insolvenzeröffnung und damit einer Separation der Haftungsmassen Eigenvermögen und Nachlass kommt. Die Insolvenzeröffnung steht folglich für den Bundesgerichtshof nicht in Widerspruch zu einem vorangegangenen Schadenseintritt des Erben. cc) Zwischenergebnis: Die Pflichtverletzungen des Nachlasspflegers können auch bei Nachlassüberschuldung zu einem Schaden des Erben i.S.v. §§ 249 ff. BGB führen Daher ist festzuhalten, dass Ersatzansprüche des Erben gem. § 1915 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1833 Abs. 1 BGB gegen den Nachlasspfleger eines überschuldeten Nachlasses, entgegen der bisherigen Auffassung sehr wohl werthaltig sind, sofern dem Erben durch die Pflichtverletzung ein „rechnerischer Schaden“ entstanden ist, der Nachlassbestand durch die Pflichtverletzung also einen geringeren Wert aufweist als vor der Pflichtverletzung, der gem. §§ 249 ff. BGB als Vermögensschaden zu ersetzen ist. In einem folgenden Nachlassinsolvenzverfahren sind daher Ersatzansprüche des Erben gegen den Nachlasspfleger wegen fehlerhafter Ausführung der Pflegeschaft in jedem Fall vollumfänglich zu prüfen. b) Durch welche Pflichtverletzungen des Nachlasspflegers entsteht auch dem Erben ein Schaden i.S.v. § 249 ff. BGB? Nachdem geklärt ist, dass auch dem Erben eines überschuldeten Nachlasses ein Vermögensschaden entstehen kann, ist zu ermitteln, welche der vorbezeichneten Pflichtverletzungen des Nachlasspflegers zu Schäden i.S.v. § 249 ff. BGB für den Erben führen können und damit eine Haftung des Nachlasspflegers auslösen. Damit ein Vermögensschaden des Erben nach der Differenzhypothese nachgewiesen werden kann, ist zwangsläufig Voraussetzung, dass es zu einer Verkürzung des Nachlassbestands gekommen ist. Bei bilanzieller Betrachtung muss folglich der Gesamtbestand des Nachlasses geringer sein als vor der Pflichtverletzung des Nachlasspflegers, um einen Schaden des Erben zu begründen.
472
BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 19.
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aa) Verkürzungen des Nachlasses wegen wirtschaftlich nachteiliger Verwaltung des Nachlassbestands Die einfachsten Fälle bilden im Kontext schlichte Verkürzungen des Nachlassbestands, weil Aktiva des Nachlassbestands untergehen oder Verbindlichkeiten durch Untätigkeit des Nachlasspflegers weiter ansteigen.473 Die sich aus dem Vergleich des Nachlasswerts vor und nach der Pflichtverletzung des Nachlasspflegers ergebende Differenz stellt den Vermögensschaden des Erben dar. bb) Unberechtigte Befriedigung von Forderungen entgegen § 1979 BGB Liegt die Pflichtverletzung des Nachlasspflegers gegenüber dem vertretenen, unbekannten Erben in der Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten entgegen § 1979 BGB ist die Ermittlung eines Vermögensschadens des Erben komplizierter. (1) Vorüberlegungen: Vermögensschaden durch die Befriedigung der Verbindlichkeit? Rechtsfolge der Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten durch den Nachlasspfleger ist zunächst, dass die Nachlassverbindlichkeit durch Erfüllung erlischt, § 362 Abs. 1 BGB. Bei Betrachtung des Nachlassbestands hat sich dessen Wert nicht nachteilig verändert, solange es sich um eine kongruente Befriedigung handelte, der Nachlassgläubiger die erhaltene Befriedigung also in der Art und zu der Zeit zu beanspruchen hatte (vgl. insoweit auch § 130 InsO). War die Forderung inkongruent, ist deren vollständige Befriedigung freilich eine Pflichtverletzung des Nachlasspflegers wegen fehlerhafter Verwaltung, die im Umfang der Inkongruenz auch zu einem Schaden des Erben führt. Daher kann es im Rahmen von § 1979 BGB nur um die Erfüllung von „kongruenten“ Verbindlichkeiten gehen, also diejenigen Verbindlichkeiten, welche der befriedigte Gläubiger in der Art und zu der Zeit zu beanspruchen hatte, und die der Nachlasspfleger auch bei einem Erfüllungsverlangen des Gläubigers hätte erfüllen müssen, wenn der Nachlass nicht überschuldet gewesen wäre. Wenn aber die Erfüllung der nach Art und Umfang fälligen Verbindlichkeit an sich keinen Vermögensschaden des Erben begründet, kann dieser nur durch die in § 1979 BGB angeordneten Rechtsfolgen ausgelöst werden.
473 Vgl. die Ausführungen zum Verstoß gegen die ordnungsgemäße Sicherung und Erhaltung des Nachlassbestands unter Teil 3, A. I. 2. a) aa).
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(2) Vermögensschaden des Erben wegen eigener Inanspruchnahme der Gläubiger gem. §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 1979, 677 BGB durch Zurechnung von fehlerhaftem Verhalten des Nachlasspflegers über § 278 Satz 1 BGB Anhaltspunkt für einen Vermögensschaden des Erben durch die Gläubigerbefriedigung des Nachlasspflegers474 ist die Begründung einer Verantwortlichkeit des Erben gem. §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 1979, 677, 278 Satz 1 BGB gegenüber den Nachlassgläubigern, weil Verschulden des gesetzlichen Vertreters dem Vertretenen wie eigenes Verschulden zugerechet wird, vgl. § 278 Satz 1 BGB. Das für die Zurechnung erforderliche Auftreten des Nachlasspflegers im Pflichtenkreis des werdenden Erben liegt vor: Den vorläufigen Erben trifft gegenüber den Nachlassgläubigern die Pflicht, nur dann Nachlassverbindlichkeiten zu befriedigen, wenn dies nicht im Widerspruch zu § 1979 BGB geschieht. Der Nachlasspfleger, der entgegen § 1979 BGB Nachlassverbindlichkeiten befriedigt, verstößt folglich gegen eine Pflicht des Erben gegenüber den Nachlassgläubigern. Diese trifft den Erben bereits vor Annahme der Erbschaft (vgl. § 1978 Abs. 1 Satz 2), weil die Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten mit Nachlassmitteln eine Besorgung erbschaftlicher Geschäfte darstellt. Das Verschulden des Nachlasspflegers wird dem Erben gem. § 278 Satz 1 BGB zugerechnet, daher entstehen auch Ansprüche der Nachlassgläubiger aus §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 1979, 677, 278 BGB gegen den Erben selbst. Fraglich ist demnach, ob dies zu einem Schaden des Erben gem. §§ 249 ff. BGB führt. Hat der Erbe durch die Pflichtverletzung einen Schaden erlitten, weil er wegen des Fehlverhaltens des Nachlasspflegers zukünftig aus §§ 1978, 1979 BGB in Anspruch genommen werden kann? Ein Schaden des Erben – in Form der Inanspruchnahme durch die Gläubiger bzw. den Nachlass- oder Nachlassinsolvenzverwalter – tritt jedenfalls nicht unmittelbar ein, ist also nicht sofort im Zeitpunkt der Pflichtverletzung vorhanden, sondern zeitlich nach dem schuldbegründenden Verhalten des Nachlasspflegers. Ein solches zeitliches Auseinanderfallen von schadensbegründendem Verhalten und späterem Schadenseintritt wird grundsätzlich als mittelbarer Schaden bezeichnet.475 Dabei ist jedoch zu beachten, dass ein Auseinanderfallen von schädigender Handlung und Schadenseintritt noch keinen Grund darstellt, eine Ersatzpflicht auszuschließen.476
474
Vgl. dazu oben Teil 3, A. I. 2. b). MünchKomm-BGB/Oetker, § 249 Rz. 102; Larenz, NJW 1950, 487 (491); abl. dazu Staudinger-BGB/Schiemann, Vor § 249 Rz. 43. 476 OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18. 10. 1949 – 2 U 114/49 – NJW 1950, 388 (ebd.). 475
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Teil 3: Lösungsansätze
Grund dafür ist, dass es auf eine tatsächliche Inanspruchnahme für das Vorliegen eines Vermögensschadens nicht ankommt. Der Schaden des Erben, der vom Nachlasspfleger ausgelöst wird, liegt in der Belastung mit einer Verbindlichkeit. Dies ist ein anerkannter Vermögensschaden i.S.v. § § 249 ff. BGB,477 der gerade auch dann Berücksichtigung finden muss, wenn der Belastete überschuldet ist: „Wird zugrunde gelegt, daß die Belastung mit Ansprüchen grundsätzlich einen Schaden bildet, so kann es nicht darauf ankommen, ob der Schuldner zur Zeit nicht in der Lage ist, die Verbindlichkeiten aus seinem Vermögen zu tilgen. Auch bei Vermögenslosigkeit bleibt es dabei, daß sein Vermögen mit der Schuld belastet ist. Im übrigen läßt sich schwerlich ein Fall denken, in dem es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist, daß ein vermögensloser Schuldner nicht wieder zu Geldmitteln gelangen könnte.“478
Der Schaden besteht in der durch die Pflichtverletzung des Nachlasspflegers ausgelösten Verwalterhaftung des Erben für alle den Nachlassgläubigern dadurch entstehenden Schäden. Dass diese der Höhe nach noch nicht zu beziffern sind im Zeitpunkt, in dem der Nachlasspfleger die Pflichtverletzung begeht, ist unbeachtlich. Nur für die Höhe des Schadens ist der Zeitpunkt entscheidend, in welchem der Geschädigte das wirtschaftliche Äquivalent für das beschädigte Recht erhält, d. h. der Zeitpunkt der Erfüllung der Schadensersatzpflicht.479 Entscheidend ist also der Zeitpunkt in dem der Nachlasspfleger den Schaden des Erben begleicht. Der Schaden des Erben ist dessen Haftung aus §§ 1978, 1978 BGB wegen zugerechnetem Fehlverhalten des Nachlasspflegers gem. § 278 BGB, also die Belastung mit einer Verbindlichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern. Besteht der Schaden in der Belastung mit einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten, ist der Anspruch auf Schadensersatz nach § 249 Abs. 1 BGB auf Schuldbefreiung gerichtet.480 Ein Zahlungsanspruch des Gläubigers gegen den Schuldner besteht jedoch grundsätzlich nicht. „Vielmehr steht es dem Schuldner frei, wie er den Befreiungsanspruch erfüllt. Entscheidend ist nur, dass das Ergebnis – Befreiung von der Verbindlichkeit – eintritt; ob zum Beispiel 477
BGH, Urteil vom 29. 06. 1972 – II ZR 123/71 – BGHZ 59, 148 (149 f.), juris Rz. 7; BGH, Urteil vom 22. 09. 1971 – VIII ZR 38/70 – BGHZ, 57, 78 (81), juris Rz. 11; Erman-BGB/ Westermann, § 249 Rz. 13; juris-PK-BGB/Rüßmann, § 249 Rz. 85. 478 BGH, Urteil vom 22. 09. 1971 – VIII ZR 38/70 – BGHZ 57, 78 (83), juris Rz. 15, mit zust. Anm. Berg, JR 1973, 63 f. 479 BGH, Urteil vom 23. 01. 1981 – V ZR 200/79 – BGHZ 79, 249 (257 f.), juris Rz. 27; BGH, Urteil vom 17. 10. 2006 – VI ZR 249/05 – BGHZ 169, 263 (268), juris Rz. 16; MünchKomm-BGB/Oetker, § 249 Rz. 314; Lange/Schiemann/Lange, § 1 IV 2 b aa, S. 46; Staudinger-BGB/Schiemann, Vor § 249 Rz. 81; Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rz. 127; BeckOK-BGB/Schubert, § 249 Rz. 166. 480 BGH, Urteil vom 17. 02. 2011 – III ZR 144/10 – WM 2011, 505 (508), juris Rz. 21. BGH, Urteil vom 29. 06. 1972 – II ZR 123/71 – BGHZ 59, 148 (149 f.), juris Rz. 7 f.; BGH, Urteil vom 11. 06. 1986 – VIII ZR 153/85 – NJW-RR 1987, 43 (44), juris Rz. 28; BGH, Urteil vom 26. 10. 1988 – VIII ZR 230/87, NJW-RR 1989, 211 (213), juris Rz. 27; BGH, Urteil vom 14. 06. 1989 – VIII ZR 132/88 – NJW-RR 1989, 1043 (1044), juris Rz. 11; BGH, Urteil vom 22. 09. 1971 – VIII ZR 38/70 – BGHZ, 57, 78 (81), juris Rz. 11.
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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durch Erfüllung, befreiende Schuldübernahme nach §§ 414, 415 BGB oder auf andere Weise, ist dem Schuldner überlassen“481.
Der Nachlasspfleger ist daher dem Erben gegenüber verpflichtet, ihn von einer Inanspruchnahme der Nachlassgläubiger aus §§ 1978, 1979, 278 BGB freizustellen. Dass die herrschende Meinung diese Verpflichtung bezüglich eines Schadens des Erben verneint, weil dieser schließlich die Möglichkeit habe, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken, führte im Ergebnis dazu, dass der Nachlasspfleger von seiner Haftung gegen den Erben befreit würde und eine Inanspruchnahme des Nachlasspflegers im Insolvenzverfahren durch Geltendmachung des Befreiungsanspruchs nicht möglich ist, weil dieser mangels Schaden nicht bestehe. Die Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers wäre ausgeschlossen, weil der Nachlass überschuldet ist und der Erbe verständlicherweise eine Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten mit seinem Eigenvermögen durch die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass verhindert. Der Schutzzweck des § 1979 BGB, welcher bereits für den vorläufigen Erben gilt und für diesen eine Haftung mit seinem Eigenvermögen begründen kann, würde ad absurdum geführt, ohne dass dies problematisiert würde. Die finanzielle Situation des Nachlasses wäre entscheidend für die Frage, ob der Nachlasspfleger hafte oder nicht. Dies hatte der Bundesgerichtshof482 mit Recht jedoch bereits ausdrücklich abgelehnt. Eine Privilegierung des Schädigers zu Lasten des Inhabers des Regressanspruchs (der gegen den nun Vermögenslosen gerichtet und daher wertlos ist) muss ausgeschlossen sein. cc) Schäden aus verzögerter oder unterlassener Insolvenzantragstellung Der Nachlasspfleger hat gegenüber dem Erben im Rahmen des Schadensersatzanspruchs aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB nur für diejenigen Schäden einzustehen, die durch Pflichtverletzungen aus diesem Schuldverhältnis entstanden sind. Vermögensschäden des Erben wegen verspäteter Insolvenzantragstellung durch den Nachlasspfleger entstehen meist, weil Nachlassgläubiger nicht an der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Ansprüche gehindert werden. Schreitet der Nachlasspfleger gegen Befriedigungsversuche von Nachlassgläubigern nicht mit der Stellung eines Insolvenzantrags ein, entsteht eine Verwalterhaftung des Erben aus §§ 1978 Abs. 1 S. 2, 1979, 677, 278 Satz 1 BGB.483 481 BGH, Urteil vom 17. 02. 2011 – III ZR 144/10 – WM 2011, 505 (508), juris Rz. 21 unter Verweisung auf Staudinger-BGB/Bittner § 257 Rz. 7; MünchKomm-BGB/Krüger, § 257 Rz. 4, jeweils m. w. Nachw. 482 BGH, Urteil vom 29. 06. 1972 – II ZR 123/71 – BGHZ 59, 148 (150 f.), juris Rz. 8. 483 Der Schaden, der aus der Pflichtverletzung entstanden ist, liegt in der Belastung mit einer Verbindlichkeit, weil eine Verantwortlichkeit des Erben gegenüber den Gläubigern entsteht, da dieser durch die Vertretung über § 278 den Gläubigern haftete und somit einen Freistellungsanspruch gegen den Nachlasspfleger hat, vgl. oben Teil 3, A. I. 3. b) bb).
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Teil 3: Lösungsansätze
Ebenso sind die entstehenden Prozess- oder Vollstreckungskosten wegen Nichterfüllung von bestehenden Zahlungspflichten ein Schaden des Erben. Klarstellend sei hier erneut darauf hingewiesen, dass der Anstieg der Verbindlichkeiten, der ausschließlich aus Zinsen und Säumnisgebühren für bereits bestehende Verbindlichkeiten resultiert, zwar eine Schmälerung des Nachlassbestands und damit für sich genommen auch einen Schaden des Erben darstellt. Es fehlt jedoch mangels Möglichkeit des Nachlasspflegers, den Nachlassbestand vor derartigen Schmälerungen zu schützen484 an einer entsprechenden Pflicht des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben, diesen vor derartigen Schäden zu schützen – ein Insolvenzantrag könnte diese Schmälerung des Nachlassbestandes nicht abwenden. Damit können derartige Vertiefungen der Überschuldung aufgrund von Zinsen und Säumnisgebühren für Insolvenzforderungen keine Haftung des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB auslösen – es liegt kein Kausalzusammenhang zwischen der unterlassenen Antragstellung und der Vertiefung der Überschuldung durch den Anstieg von Zinsen und Säumniszuschlägen vor. Ein ersatzfähiger Schaden des Erben wegen unterlassener Insolvenzantragstellung durch den Nachlasspfleger liegt daher vor, wenn die unterlassene Antragstellung sich negativ auf den Nachlassbestand aus Sicht des Erben auswirkt, ein Insolvenzantrag also die Vertiefung der Überschuldung abgewendet hätte. Ist die Unterlassung kausal für die Schmälerung des Nachlassbestands, liegt ein aus der Pflichtverletzung des Nachlasspflegers resultierender Schaden des Erben vor. 4. Zugehörigkeit des Ersatzanspruchs zum Nachlass – Insolvenzbeschlag Zu klären ist letztlich, ob die genannten Ersatzansprüche auch zum Nachlass gehören oder ob eine vorherige Pfändung durch den Nachlassinsolvenzverwalter notwendig ist, damit die Ansprüche im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können, wie vereinzelt vertreten wird485. Jedenfalls für eine Gläubigerbefriedigung durch den Nachlasspfleger entgegen § 1979 BGB, die einen Freistellungsanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger begründet, ist die Zugehörigkeit des Ersatzanspruchs zum Nachlass und damit zur
484
Zinsen und Säumniszuschläge für bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Insolvenzforderungen fallen unabhängig von der Verfahrenseröffnung weiter an, stellen im Insolvenzverfahren jedoch nachrangige Insolvenzforderungen dar, § 39 Abs. 1 Ziffer 1 InsO, vgl. dazu oben unter Teil 3, A. I. 2. c) cc) (2). 485 In diesem Sinne: MünchKommBGB/Leipold, § 1960 Rz. 64; Erman-BGB/Schlüter, § 1960 Rz. 24; FK-InsO/Schallenberg/Rafiqpoor, § 317 Rz. 20.
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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Insolvenzmasse nach Eröffnung unstreitig. Der Bundesgerichtshof486 hatte dazu bereits ausgeführt: „Bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Befreiungsgläubigers wandelt sich dessen Befreiungsanspruch in einen – in die Masse fallenden – Zahlungsanspruch in voller Höhe der zu tilgenden Schuld um.“ […] „Das Konkursverfahren ist auf eine zügige Abwicklung angelegt. Zu diesem Zweck werden auch Rechte von Schuldnern des Gemeinschuldners umgestaltet oder eingeschränkt (§§ 17 ff, 54 f KO). Ferner dient die Umwandlung von Konkursforderungen, die nicht auf Geld lauten, in Zahlungsansprüche (§ 69 KO) dem Ziel der Verfahrensvereinfachung. Die Umwandlung des Befreiungsanspruchs im Konkurse ist erforderlich, weil die Masse nur so gemäß den Grundsätzen der §§ 60 f KO abgewickelt werden kann. Andernfalls könnte der Drittgläubiger durch Zurückstellung seines Anspruchs bis nach Beendigung des Konkurses die Verwertung des Befreiungsanspruchs zugunsten der Masse vereiteln und sich auf diese Weise mittelbar ein Absonderungsrecht daran verschaffen. Das steht ihm aber, vom Fall des § 157 VVG abgesehen, kraft Gesetzes gerade nicht zu. Die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Befreiungsgläubigers stellt danach nicht nur eine einseitige, unerhebliche Zweckstörung auf seiner Seite dar. Vielmehr gebietet es der Konkurszweck im Interesse der Gleichbehandlung aller Gläubiger, daß die Wahlmöglichkeit des Befreiungsschuldners entfällt.“487
Ist der Nachlass überschuldet und wird das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet, wandelt sich der Erstattungsanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger (der nach aktuellem Meinungsstand wertlos sein soll, weil der Erbe ja keinen Schaden habe, da er die Haftung auf den Nachlass beschränken kann) entgegen aller bisherigen Auffassungen in einen Zahlungsanspruch um, der in die Nachlassinsolvenzmasse fällt und in voller Höhe der zu tilgenden Schuld valutiert. Der Nachlasspfleger ist im Ergebnis voll ersatzpflichtig für die am Nachlassbestand eintretenden Schäden, ohne dass die Möglichkeit des Erben, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken, daran etwas ändert. Da die Erstattungspflicht aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis Nachlasspflegschaft resultiert, besteht kein Grund bei den übrigen durch den Nachlasspfleger verursachten Verkürzungen des Nachlasses und deshalb zugunsten des Erben bestehenden Ersatzansprüchen mit gleichem Ursprung nicht von einer Zugehörigkeit dieser Ansprüche zum Nachlass auszugehen. Bis zur Annahme der Erbschaft bestehen zahlreiche Schutzvorschriften488 für den vorläufigen Erben, weshalb der Nachlass bis zu diesem Zeitpunkt Sondervermögen ist.489 Dazu hat bereits das Reichsgericht490 zutreffend ausgeführt: 486 BGH, Urteil vom 16. 09. 1993 – IX ZR 255/92 – NJW 1994, 49 (50), juris Rz. 13 sowie 16 – 18. Bestätigung von BGH, Urteil vom 22. 09. 1971 – VIII ZR 38/70 – BGHZ, 57, 78 ff. dem zustimmend Oechsler, NZG 2007, 252 (253). 487 BGH, Urteil vom 16. 09. 1993 – IX ZR 255/92 – NJW 1994, 49 (50), juris Rz. 16 – 18. 488 Siehe §§ 211, 1958, 1995 Abs. 2 BGB; §§ 239 Abs. 5, 778 ZPO. 489 Erman-BGB/Schlüter, § 1942 Rz. 3; NK-BGB-Erbrecht/Ivo, § 1942 Rz. 6. 490 RG, Urteil vom 03. 11. 1932 – IV 295, 32 – RGZ 138, 132 (134) am Beispiel der Testamentsvollstreckung.
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Teil 3: Lösungsansätze
„Die Vorschrift des § 2041 BGB enthält einen Anwendungsfall des Grundsatzes der sog. dingl. Surrogation, der für die verschiedenen familienrechtlichen Sondervermögen sowie für den Nachlaß anerkannt ist, soweit es seiner Sonderung vom Eigenvermögen des Erben oder des Erbschaftsbesitzers bedarf. Dieser Grundsatz besagt, daß Sondervermögen alles das wird, was aufgrund eines zum Sondervermögen gehörenden Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zum Sondervermögen gehörenden Gegenstands oder durch ein Rechtsgeschäft erworben wird, auf das sich das Sondervermögen bezieht […], oder auch das, was mit Mitteln des Sondervermögens erworben wird.“
Einer vorherigen Pfändung bedarf es daher nicht.491 Der Ersatzanspruch aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB gehört vielmehr als Surrogat i.S.v. § 2041 BGB zum Nachlass.492 Der Ersatzanspruch steht zunächst dem Erben zu. Dieser ist Träger der beiden Haftungsmassen Nachlass und Eigenvermögen. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt die Separation der Haftungsmassen mit dem Ergebnis einer konsequenten Trennung der Vermögensmassen Eigenvermögen und Nachlass. Der Nachlasspfleger war gegenüber dem Erben mit der Verwaltung und Sicherung des Nachlasses betraut, sodass etwaige Pflichtverletzungen aus der Betreuung dieser Vermögensmasse auch zur Kompensation des bei dieser Vermögensmasse eingetretenen Schadens herangezogen werden und daher auch dieser Vermögensmasse zugerechnet werden müssen. Folge der Separation der Vermögensmassen ist also, dass der Anspruch des Erben zum Nachlass und nicht zum Eigenvermögen des Erben gehört, weil der Erbe Rechtsträger dieses Anspruchs mit dem Nachlass ist und aus dessen Schädigung die Ersatzansprüche erwachsen sind.493 Andernfalls wäre der Erbe durch die Haftungsseparation vor einer Inanspruchnahme der Nachlassgläubiger geschützt, könnte aber wegen einer Verkürzung der nun separierten Haftungsmasse Ersatz verlangen. 491 Zutreffend: MünchKommInsO-Siegmann, § 317 Rz. 7; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 33.29; juris-PK-BGB/Wildemann, § 1960 Rz. 36; MünchKommBGB/Küpper, § 1978 Rz. 11; so bereits Jaeger-KO/Weber § 214 Rz. 25: „Insoweit ergreift sie“ [die Masse des Nachlasskonkurses] „auch nach dem Erbfall ohne Zutun des Erben erwachsende Mehrungen und Ersatzansprüche z. B.“ […] „die in der Person des Erben als solchen entstandenen Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung, Zerstörung oder Entziehung eines Nachlaßgegenstandes durch Dritte.“ Der Anspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger aus § 1960, 1915 Abs. 1, 1833 BGB gehöre daher zum Nachlass. 492 RG, Urteil vom 03. 11. 1932 – IV 295, 32 – RGZ 138, 132 (134 f.); KG Berlin (1. ZS), Beschluss vom 07. 02. 1975 – 1 W 1218/74 – OLGZ 1975, 161 (163): „daß zum Nachlaß, mit dem die unbekannten Erben gemäß § 278 BGB für Maßnahmen des Pflegers haften, auch etwaige Schadensersatzansprüche der Erben gegen den Pfleger gehören“; am Beispiel der Testamentsvollstreckung; OLG Dresden, Urteil vom 13. 01. 1999 – 13 U 2283/98 – ZEV 2000, 402 – 405, welches § 2041 BGB „wohl stillschweigend anwendet“, wie Damrau in der Urteilsanmerkung anführt. Vgl. Damrau, ZEV 2000, 405 (406); juris-PK-BGB/Wildemann, § 1960 Rz. 36; Soergel-BGB/Stein, § 1960 Rz. 40; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1960 Rz. 119; Lange, Erbrecht, § 48 Rz. 34; Staudinger-BGB/Werner, § 2041 Rz. 12 „als Ersatzsurrogat“; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 33.29; vgl. zu den Sorgfaltspflichten des Nachlasspflegers und dessen Pflichten OLG Hamm, Urteil vom 14. 10. 1994 – 29 U 231/93 – NJW-RR 1995, 1159 – 1161. 493 Zutreffend: Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 33.29.
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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5. Zwischenergebnis: Entgegen der aktuell vertretenen Auffassungen ist eine Schadenskompensation durch die Inanspruchnahme des Nachlasspflegers möglich Festzuhalten ist, dass Schmälerungen des Nachlassbestandes, die aus zumindest fahrlässig verursachten Pflichtverletzungen des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben resultieren, zu einer Haftung des Nachlasspflegers führen. Der grundsätzlich dem Erben zustehende Ersatzanspruch wird durch die Überschuldung des Nachlasses inhaltlich nicht beeinträchtigt, insbesondere haben weder die Überschuldung des Nachlasses noch die Möglichkeit des Erben die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken, eine Bedeutung für die Höhe des Ersatzanspruchs. In einem Insolvenzverfahren über den Nachlass gehört der Ersatzanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Nachlass und damit zur Insolvenzmasse. Damit ist ein Großteil der Probleme im Rahmen der Verwaltung überschuldeter Nachlässe durch Nachlasspfleger gelöst, weil das behauptete Haftungsvakuum nicht in angegebenem Umfang besteht, sondern nahezu alle (bei korrektem Verhalten des Nachlasspflegers vermeidbaren) Verkürzungen des Nachlassbestands durch die Haftung des Nachlasspflegers kompensierbar sind. Jedoch sind damit noch nicht alle denkbaren Schäden der Beteiligten abgedeckt.
II. Problem des bestehenden Haftungsvakuums – Keine Ersatzpflicht des Nachlasspflegers für Insolvenzverschleppungsschäden, die nicht dem Erben, sondern ausschließlich den Nachlassgläubigern entstehen Auch wenn eine Inanspruchnahme des Nachlasspflegers über §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB möglich ist, sind damit nicht alle Schäden, die im Rahmen einer Nachlasspflegschaft auftreten, kompensierbar. Bestimmte Schäden, die bei den Nachlassgläubigern entstehen, lassen sich daher nicht über den Ersatzanspruch, der dem Erben gegen den Nachlasspfleger zusteht, ersetzen. 1. Problemstellung: Keine Kompensationsmöglichkeit für Quotenschäden der Nachlassgläubiger im Rechtsverhältnis zwischen Erbe und Nachlasspfleger Aus der Perspektive der Nachlassgläubiger ist im Insolvenzverfahren entscheidend, dass eine bestmögliche Befriedigung ihrer Ansprüche erfolgt. Dazu wird der Nachlass verwertet und der Erlös nach Abzug der Verfahrenskosten auf die Nachlassgläubiger verteilt. Zum Nachlass im Nachlassinsolvenzverfahren gehören dabei
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Teil 3: Lösungsansätze
Ersatzansprüche des Erben gegen den Nachlasspfleger494 und im Unterschied zum Nachlassbestand im Zeitraum der Nachlasspflegschaft auch insolvenzspezifische Vermögenswerte beispielsweise aus der Insolvenzanfechtung gem. §§ 129 ff. InsO. Problematisch ist, dass die Schäden der Nachlassgläubiger, die im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über den Nachlass kompensiert werden sollen, zumeist nicht deckungsgleich mit den vor Eröffnung eingetretenen Vermögensschäden des Erben sind. Die Schäden der Nachlassgläubiger, die im Rahmen von Ersatzansprüchen im Insolvenzverfahren in Rede stehen, sind die sog. Quotenschäden495: Eine treffende Beschreibung von Quotenschäden hat das OLG Köln496 verfasst: „Der den Gläubigern entstehende Schaden ist nicht mit der Masseminderung gleichzusetzen, denn geschädigt ist jeweils der einzelne Gläubiger, wobei dem Insolvenzverwalter die Geltendmachung der Gesamtheit dieser Einzelschäden obliegt, die jeweils in dem Quotenschaden liegen.“ […] „Eine andere Betrachtungsweise ließe die Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Befriedigung der Gläubiger außer Acht; maßgeblich ist, wie die vorhandenen Insolvenzgläubiger bei rechtzeitiger Einleitung des Insolvenzverfahrens gestanden hätten. […] Ersatz kommt nur in Betracht, soweit die Insolvenzgläubiger im Verfahren weniger erhalten, als sie erlangt haben würden, wenn der Nachlassinsolvenzantrag rechtzeitig gestellt und die Zahlungen der Beklagten unterblieben wären. Damit ist ein Vergleich vorzunehmen zwischen der Quote, welche die vorhandenen Insolvenzgläubiger derzeit erhalten und der fiktiven Quote, welche die vorhandenen Gläubiger erhalten würden, wenn die weiteren Gläubiger nicht befriedigt worden wären; als Berechnungsposten sind damit auch die befriedigten Gläubiger einzubeziehen. Denn wenn die Zahlungen an diese unterblieben wären, würden auch sie am Insolvenzverfahren teilnehmen, wodurch die Quote beeinflusst würde. […] Daran zeigt sich, dass der Schaden der anderen Gläubiger nicht in der vollen Summe der Abflüsse aus der Masse bestehen kann.“
Daher handelt es sich bei den Schäden der Nachlassgläubiger um sog. Quotenschäden – die Befriedigungsquote der Gläubiger im Insolvenzverfahren hätte sich ohne das schädigende Ereignis günstiger gestaltet. Zu den genannten Quotenschäden führen Vermögensschmälerungen des Nachlasses im Zeitraum der Nachlasspflegschaft für die entweder keine Pflicht respektive kein Verschulden des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben besteht sowie der Untergang von Vermögenswerten, die erst im Insolvenzverfahren von Belang sind. In Ermangelung einer Haftung des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben (entweder mangels Pflichtverletzung, aufgrund fehlenden Verschuldens oder aufgrund fehlenden Schadenseintritts beim Erben) ist die Kompensation der auf diese Weise eintretenden Schäden nicht im gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Erbe und Nachlasspfleger möglich. Eine Haftung gegenüber Nachlassgläubigern besteht 494 Vgl. zum Inhalt des Anspruch des Erben wegen fehlerhafter Verwaltung aus §§ 1833 Abs. 1 Satz 1, 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB, Teil 3, A. I. 495 Vgl. dazu BeckOK-BGB/Lohmann, § 1980 Rz. 6 sowie Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 10. 496 OLG Köln, Urteil vom 23. 11. 2011 – 2 U 92/11, I-2 U 92/11 – NZI 2012, 1030 (1032), juris Rz. 60.
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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jedoch ebenfalls nicht.497 Zu klären ist daher, ob eine Kompensation dieser Schäden gleichwohl möglich und geboten ist. 2. Abgrenzung von Quotenschäden und Vermögensschaden des Erben Zunächst muss eine Abgrenzung vorgenommen werden, damit die hier relevante Problematik klar herausgearbeitet werden kann. Die Abgrenzung zwischen Quotenschäden der Nachlassgläubiger und Vermögensschaden des Erben ist wie folgt vorzunehmen: a) Vermögensschaden des Erben, der einen Ersatzanspruch gegen den Nachlasspfleger auslöst, schließt Quotenschaden für Insolvenzgläubiger aus Liegt ein Vermögensschaden des Erben vor, der durch einen Ersatzanspruch gegen den Nachlasspfleger kompensiert wird, kann dies keinen Quotenschaden der Nachlassgläubiger auslösen. Die Untersuchung hat gezeigt, dass Nachlasspfleger dem Erben für schuldhafte Schmälerungen des Nachlassbestands aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB verantwortlich ist. Dieser Ersatzanspruch des Erben gehört zum Nachlass.498 Da der Ersatzanspruch in gleicher Höhe valutiert wie die Nachlassschmälerung, wird diese durch den Ersatzanspruch kompensiert. Folglich ist im Nachlassinsolvenzverfahren der Nachlass nicht durch das Verhalten des Nachlasspflegers gemindert, weil der Ersatzanspruch wegen der verursachten Schmälerung des Nachlasses als Surrogat i.S.v. § 2041 BGB zum Nachlass gehört. Ein Vermögensschaden des Erben, der auf schuldhaftem Verhalten des Nachlasspflegers beruht, kann folglich nicht zu einer Verkürzung der Insolvenzmasse führen und daher auch keine insolvenzspezifischen Ansprüche begründen. Beispielsfall 1 Beim bereits erwähnten Fall von Muscheler499 waren im Zeitraum der Nachlasspflegschaft für einen überschuldeten Nachlass weitere 100.000 E Nachlassschulden hinzugekommen, was bei rechtzeitiger Antragstellung hätte vermieden werden können. Der Nachlasspfleger unterlässt schuldhaft die gebotene Antragstellung. Lösung Entgegen des Lösungsansatzes von Muscheler liegt in diesem Fall die Verletzung einer Pflicht des Nachlasspflegers aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis mit dem Erben vor, die zu einem Schaden des Erben in Höhe der Minderung des Nachlasswerts führt und damit auch einen werthaltigen Ersatzanspruch des Erben i.H.v. 100.000 E gegen den Nachlasspfleger gem. §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB begründet, der in einem 497 498 499
Vgl. oben unter Teil 2, B. I. Vgl. Teil 3, A. I. 4. Siehe zum Beispiel von Muscheler, Erbrecht, Rz. 3125 oben unter Teil 3, A. I. 3. a) aa).
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Teil 3: Lösungsansätze
Nachlassinsolvenzverfahren zum Nachlass gehört und vom Nachlassinsolvenzverwalter geltend gemacht werden kann. Eine Schmälerung des Haftungssubstrats der Nachlassgläubiger in einem Insolvenzverfahren liegt damit nicht vor, weil die eingetretene Vermögensminderung am Nachlass durch den Ersatzanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger kompensiert wird, der als Surrogat i.S.v. § 2041 BGB zum Nachlass gehört. Damit kann in einer Schmälerung des Nachlassbestands durch eine schuldhafte500 Pflichtverletzung des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben kein Schaden der Nachlassgläubiger liegen, da stets eine Kompensation über den Erstattungsanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger erfolgt und durch die Haftung des Nachlasspflegers sichergestellt ist, dass der Nachlass in seiner ursprünglichen Form erhalten bleibt und damit im Insolvenzverfahren zur Befriedigung der Nachlassgläubiger herangezogen werden kann.
b) Handlungen oder Unterlassungen des Nachlasspflegers, die keinen Vermögensschaden des Erben begründen, aber zu einer Verminderung der späteren Insolvenzmasse führen, resultieren in Quotenschäden Eindeutig nicht umfasst vom Ersatzanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger sind Verkürzungen der späteren Insolvenzmasse, die keinen Vermögensschaden des Erben darstellen. Zu nennen sind hier Insolvenzverschleppungsschäden, die beispielsweise entstehen, weil der Insolvenzantrag zu spät gestellt wird und es aufgrund dessen zu einer Verfristung der Möglichkeit der Insolvenzanfechtung und damit zu einer verschlechterten Befriedigungsquote der Nachlassgläubiger kommt. Konnte eine anfechtbare Rechtshandlung bei rechtzeitiger Antragstellung noch zur Befriedigung der Gläubiger rückabgewickelt werden, ist dies nun nicht mehr möglich. Aus der Perspektive des Erben führt dies zu keinem Vermögensschaden: Bei Beachtung des bereits Dargestellten tritt keine Nachlassschmälerung ein, weil Ansprüche aus Insolvenzanfechtung erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen und daher deren Untergang vor Eröffnung des Verfahrens auch nicht vermögensmindernd sein kann. Die praktische Bedeutung dieser Schäden ist jedoch überschaubar und aufgrund der obigen Ausführungen klar abzugrenzen. Der Nachlasspfleger ist daher auch nicht dem Erben für derartige Verschleppungsschäden verantwortlich – diese sind nur von § 1980 BGB umfasst, welcher nicht auf den vorläufigen Erben und daher konsequenterweise auch nicht auf den Nachlasspfleger als dessen gesetzlichen Vertreter anwendbar ist, da der Nachlasspfleger den endgültigen Erben vor Annahme der Erbschaft vertritt, also im Stadium in dem er noch vorläufiger Erbe ist. Nicht ersetzbar sind demnach solche Schäden, die keine vermindernde Auswirkung auf den Nachlassbestand haben. Daher existieren bestimmte Quotenschäden, die den Erben nicht treffen können. Dabei handelt 500 Zu einer Verminderung des Nachlassbestands, die in einen Vermögensschaden des Erben mündet, aber keinen Ersatzanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger begründet vgl. sogleich unter Teil 3, A. II. 2. c).
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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es sich jedoch gerade um diejenigen Schäden der Nachlassgläubiger, denen der Gesetzgeber mit der Insolvenzantragspflicht des § 1980 BGB für den endgültigen Erben begegnen wollte. Im Zeitraum der Nachlasspflegschaft läuft diese Pflicht jedoch in Ermangelung eines Verpflichteten leer, weshalb der Schutzmechanismus der Antragspflicht aus § 1980 BGB in der Nachlasspflegschaft keine Anwendung findet. Folglich kann der Erbe reine Quotenschäden nicht für sich reklamieren, da diese keinen Vermögensschaden am Nachlassbestand darstellen, der in seinem Interesse – namentlich vor Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens und damit vor der Separation der Vermögensmassen Nachlass und Eigenvermögen des Erben – verwaltet wird, sondern zu einer Verschlechterung der Befriedigungsmöglichkeit der Gläubiger im Nachlassinsolvenzverfahren führen. Derartige Insolvenzverschleppungsschäden sind daher in Ermangelung einer vermögensmindernden Auswirkung zulasten des Erben nicht vom Ersatzanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger wegen fehlerhafter Verwaltung umfasst und können nicht auf diese Weise vom Nachlasspfleger durch den Insolvenzverwalter eingefordert werden. Beispielsfall 2 Der Nachlasspfleger stellt schuldhaft den fälligen Insolvenzantrag erst mit erheblicher Verspätung. Bei rechtzeitiger Antragstellung durch den Nachlasspfleger wäre unter anderem eine Schenkung des Erblassers an einen Dritten i.H.v. 100.000 E von § 134 InsO erfasst gewesen und hätte damit durch den Insolvenzverwalter angefochten werden können. Durch die verspätete Antragstellung liegt die anfechtbare Rechtshandlung außerhalb des Anfechtungszeitraums. Lösung In der in diesem Beispiel ausnahmsweise vorausgesetzten schuldhaft verspäteten Stellung des Insolvenzantrags liegt eine Pflichtverletzung des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben, die allerdings bezogen auf den Insolvenzanfechtungsanspruch nicht zu einem Vermögensschaden des Erben führt und damit eine Ersatzpflicht des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben ausschließt. Folge einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung ist, dass der Gläubiger das aus dem Schuldnervermögen anfechtbar Erlangte zur Insolvenzmasse zurückgewähren muss, § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO – die gläubigerbenachteiligende Wirkung der Rechtshandlung wird beseitigt. Bei der Anfechtung eines Erfüllungsgeschäfts hat dies zur Folge, dass die Forderung des Gläubigers wieder auflebt, § 144 Abs. 1 InsO. Die unterbliebene Insolvenzanfechtung wäre daher – aus der Sicht des Erben betrachtet – bilanziell neutral, weil sich der Wert des Nachlasses nicht verändert: Mit der Schenkung hat der Erbe eine Verbindlichkeit getilgt, den Anspruch des Beschenkten auf Erfüllung des Schenkungsversprechens. Wird dieser Betrag nun zurückgefordert lebt die Forderung des Beschenkten auf Erfüllung des Schenkungsversprechens wieder auf.
Aus der Perspektive der übrigen Nachlassgläubiger stellt sich die Sachlage freilich anders dar. Die Revidierung der gegen den pro-rata Grundsatz verstoßenen Rechtshandlung mittels Insolvenzanfechtung ist aufgrund des Verhaltens des Nachlasspflegers nicht mehr möglich. Statt zur gemeinschaftlichen Befriedigung
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Teil 3: Lösungsansätze
aller Gläubiger wurde ein Vermögenswert (100.000 E) zur Befriedigung eines einzelnen Nachlassgläubigers verwendet. Der Schaden der übrigen Insolvenzgläubiger ist daher derjenige Betrag um den sich ihre Befriedigungsquote im Insolvenzverfahren aufgrund der anfechtbaren Rechtshandlung verringert hat, weil ein einzelner Nachlassgläubiger vollständig befriedigt wurde. Hier besteht zudem die Besonderheit, dass es sich um eine unentgeltliche Leistung handelte und der Gläubiger daher bei rechtzeitiger Verfahrenseröffnung gem. § 39 Abs. 1 Ziffer 4 InsO nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger am Verfahren hätte teilnehmen können. Eigene Ansprüche der Nachlassgläubiger gegen den Nachlasspfleger bestehen nicht.501 Auch eine Haftung des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben scheidet aus, da diesem kein Vermögensschaden entstanden ist. Folglich besteht nach dem bisher Angeführten keine Möglichkeit, den eingetretenen Quotenschaden der Nachlassgläubiger zu kompensieren. c) Mischformen – Vermögensschaden des Erben im Zeitraum der Nachlasspflegschaft, die keine Haftung des Nachlasspflegers auslösen, resultieren teilweise in einem Quotenschaden der Nachlassgläubiger Vermögensschäden des Erben entstehen diesem immer dann, wenn der Nachlassbestand sich negativ verändert, worauf weder die Überschuldung des Nachlasses noch die Möglichkeit des Erben zur Haftungsbeschränkung Einfluss haben.502 Treten diese Vermögensschäden des Erben aufgrund einer schuldhaften Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Sicherung und Verwaltung des Nachlasses durch den Nachlasspfleger ein, steht dem Erben gegen den Nachlasspfleger ein Ersatzanspruch aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, der den eingetretenen Schaden vollumfänglich kompensiert.503 Denkbar ist allerdings, dass eine Schmälerung des Nachlassbestands und damit ein Vermögensschaden des Erben eintritt und eine Kompensation durch eine Inanspruchnahme des Nachlasspflegers nicht möglich ist. Zum einen kann es an einer Pflicht des Nachlasspflegers fehlen, den dem Erben eintretenden Vermögensschaden zu verhindern, wie dies beispielsweise bei der Vertiefung der Überschuldung durch anwachsende Zinsen und Säumniszuschläge der Fall ist, die der Nachlasspfleger schlicht nicht verhindern kann.504 Weiterhin ist denkbar, dass es an einem Verschulden des Nachlasspflegers für den Schadenseintritt fehlt, wenn die eingetretene Schmälerung des Nachlasses zwar auf einer Pflichtverletzung des Nachlasspflegers beruht, dieser jedoch weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat. Aufgrund der fehlenden Kompensationsmöglichkeit mündet der Vermögensschaden des Erben durch die Haftungsseparation bei Eröffnung des Insolvenzver501 502 503 504
Vgl. oben unter Teil 2, B. I. Vgl. ausführlich zu diesem Problemfeld oben unter Teil 3, A. I. 3. a). Vgl. oben unter Teil 3, A. I. Vgl. oben unter Teil 3, A. I. 2. c) cc) (2).
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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fahrens in einen Quotenschaden der Nachlassgläubiger, weil sich die auf sie entfallende Befriedigungsquote durch das verminderte Haftungssubstrat Nachlass nun verringert: Exemplarisch ist der Anstiegs der Passiva bzw. die Vertiefung der Überschuldung bei verzögerter Insolvenztragstellung durch den Nachlasspfleger zu nennen. Zwischen Eintritt der Überschuldung und dem Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung treten weitere Schmälerungen des Nachlassbestands – durch den Zuwachs von Zinsen und Säumniszuschlägen für die jeweiligen Hauptforderungen – auf. Diese Minderung des Nachlassbestands (die einen Vermögensschaden des Erben darstellt) hat auch für die Nachlassgläubiger als weitere Ausprägung eines Insolvenzverschleppungsschadens Konsequenzen: Wäre der Antrag rechtzeitig gestellt worden, wären Zinsen und Säumniszuschläge für am Insolvenzverfahren teilnehmende Hauptforderungen lediglich nachrangige Insolvenzforderungen nach § 39 Abs. 1 Ziffer 1 InsO und keine Insolvenzforderungen nach § 38 InsO. Sie hätten folglich auf die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO keine Auswirkungen. Durch die verspätete Antragstellung und die dadurch verzögerte Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird also das Verteilungsverhältnis innerhalb der Insolvenzgläubiger beeinflusst, weil in der Insolvenz nachrangige Forderungen diese Stellung nicht einnehmen und so Insolvenzforderungen nach § 38 InsO darstellen. Die Höhe des Betrags derjenigen Forderungen, die anstelle nachrangiger Insolvenzforderungen gem. § 39 Abs. 1 Ziffer 1 InsO nun Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO darstellen, entspricht dem Vermögensschaden, der beim Erben eintritt. Der den Nachlassgläubigern entstehende Quotenschaden jedoch ist damit nicht deckungsgleich. Er ist zu ermitteln durch Vergleich der Befriedigungsaussichten der Nachlassgläubiger bei rechtzeitiger und verspäteter Antragstellung. Folglich müssen Berechnungen dergestalt erfolgen, welche Auswirkungen die Behandlung der Zinsen und Säumniszuschläge als nachrangige Insolvenzforderungen auf die Befriedigungsaussichten der Gläubiger gehabt hätte. Nur in dieser Höhe besteht der Quotenschaden. Beispielsfall 1a505 Beim bereits erwähnten Fall von Muscheler506 waren im Zeitraum der Nachlasspflegschaft für einen überschuldeten Nachlass weitere 100.000 E Nachlassschulden (durch Zinsen und Säumniszuschläge für bestehende Hauptforderungen) hinzugekommen, was bei rechtzeitiger Antragstellung nicht hätte vermieden werden können. Der Nachlasspfleger unterlässt die Antragstellung nicht schuldhaft. Lösung Es liegt in diesem Fall keine Verletzung einer Pflicht des Nachlasspflegers aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis mit dem Erben vor, da den Nachlasspfleger – in Ermangelung 505
Zum besseren Verständnis wird der Fall lediglich dahingehend modifiziert, dass der Eintritt der zusätzlichen Verbindlichkeiten durch den Pfleger nicht verhindert werden konnte, dieser also nicht schuldhaft gehandelt hat. 506 Siehe zum Beispiel von Muscheler, Erbrecht, Rz. 3125 oben unter Teil 3, A. I. 3. a) aa).
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Teil 3: Lösungsansätze
der Verhinderungsmöglichkeit des Anstiegs bestimmter Verbindlichkeiten (insbesondere Zinsen und Säumniszuschläge für bestehende Hauptforderungen Arg. § 39 Abs. 1 Ziffer 1 InsO) aus Sicht des Erben – gerade keine Pflicht zur Insolvenzantragstellung aufgrund der Überschuldung des Nachlasses trifft.507
Dennoch tritt durch die Schmälerung des Nachlassbestands ein Vermögensschaden des Erben in Höhe von 100.000 E ein, den dieser nicht vom Nachlasspfleger ersetzt verlangen kann, weil keine Pflichtverletzung des Nachlasspflegers vorliegt. Dieser Vermögensschaden des Erben resultiert letztlich auch in einem Quotenschaden der Gläubiger. Zinsen und Säumniszuschläge für bestehende Hauptforderungen i.H.v. 100.000 E werden durch die verzögerte Antragstellung nun nicht als nachrangige Insolvenzforderungen nach § 39 Abs. 1 Ziffer 1 InsO sondern als Insolvenzforderungen nach § 38 InsO befriedigt. Der den Gläubigern entstehende Quotenschaden ist durch Vergleich der Ergebnisse des Insolvenzverfahrens zu ermitteln, bei dem die Zinsen und Säumniszuschläge i.H.v. 100.000 E als nachrangige Insolvenzforderungen gem. § 39 Abs. 1 Ziffer 1 InsO (wie im Falle rechtzeitiger Antragstellung) und einmal als Insolvenzforderung gem. § 38 InsO (aufgrund der verspäteten Antragstellung) behandelt werden. d) Zwischenergebnis: Problemgruppe bilden die Quotenschäden der Nachlassgläubiger Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass die pauschale Ablehnung eines Schadens des Erben durch Pflichtverletzungen des Nachlasspflegers nicht korrekt ist. Ein Schaden des Erben und damit ersetzbar ist der „rechnerische Schaden“, also die Schmälerung des Nachlassbestands, sofern dieser auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Nachlasspflegers beruht. Lösungsschwierigkeiten bereitet im Kontext daher lediglich die Ersatzfähigkeit von Quotenschäden der Nachlassgläubiger. In Ermangelung eigener Ersatzansprüche dieser gegen den Nachlasspfleger sind Quotenschäden nicht kompensierbar. Eine Kompensation innerhalb des gesetzlichen Schuldverhältnisses Erbe Nachlasspfleger ist unmöglich. Wäre die Vermögensminderung im Rahmen des Ersatzanspruchs des Erben gegen den Nachlasspfleger ersetzbar, bestünde gerade kein Quotenschaden, da im Ergebnis keine Nachlassschmälerung eintritt, die in einem Quotenschaden der Gläubiger resultiert, wenn der Nachlasspfleger für diese haftet. 3. Kompensation von Quotenschäden der Nachlassgläubiger über die Grundsätze der Drittschadensliquidation möglich? Fraglich ist, ob eine Schadenskompensation nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation möglich ist, wie vereinzelt508 vertreten wird. Bevor dies unter507 508
Vgl. oben unter Teil 3, A. I. 2. c) cc) (2). Muscheler, Erbrecht, Rz. 3125; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 20.
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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sucht werden kann, muss allerdings klargestellt werden, dass der mögliche Anwendungsbereich der Drittschadensliquidation im Kontext nicht in dem Umfang bestehen kann, wie suggeriert wird. Da der Nachlasspfleger dem Erben haftet – allerdings nur für dessen Vermögensschäden, die auch auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Nachlasspflegers beruhen, muss die Frage lauten, ob Quotenschäden der Nachlassgläubiger, die aus Handlungen oder Unterlassungen des Nachlasspflegers resultieren, nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation zu kompensieren sind. Muscheler509 will dem Erben die Möglichkeit geben, mittels Anwendung der Drittschadensliquidation „zu Lasten der Nachlassgläubiger bestehende Schutzlücken“ zu schließen. Die gelieferten Begründungen für eine Anwendbarkeit der Drittschadensliquidation können jedoch nicht überzeugen: Muscheler510 begründet die Schutzbedürftigkeit der Nachlassgläubiger, die zu einer Anwendbarkeit der Drittschadensliquidation führen soll, damit, dass der Ersatzanspruch im Innenverhältnis zwischen Erbe und Nachlasspfleger nicht existent sei, da der Erbe aufgrund der Überschuldung des Nachlasses keinen Schaden habe. Diese Auffassung ist nicht korrekt, da die Überschuldung des Nachlasses einen Vermögensschaden des Erben gerade nicht ausschließt.511 Ebenso unklar ist, warum die Nachlasspflegschaft dazu genutzt werden soll, die bestehende „Schutzlücke“ für die Nachlassgläubiger zu schließen. Der Nachlasspfleger ist als gesetzlicher Vertreter des werdenden Erben ausschließlich diesem verantwortlich und in der Folge verpflichtet, die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses im Interesse des Erben durchzuführen. Die Interessen der Nachlassgläubiger sind in der Nachlasspflegschaft nur dann von Bedeutung, wenn der Nachlasspfleger bei der Erfüllung seiner Aufgaben zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen verpflichtet ist, weil es der vorläufige Erbe in der vergleichbaren Situation ebenfalls wäre. So liegt der Fall bei § 1978 BGB und § 1979 BGB. Vor der Annahme der Erbschaft trifft den vorläufigen Erben jedoch keine Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, da § 1980 BGB für den vorläufigen Erben nicht gilt. Daher kann eine Antragstellung durch dessen Vertreter auch nicht im Interesse der Gläubiger des Nachlasses geboten sein, sondern – wenn überhaupt – nur im Interesse des werdenden Erben. Allerdings fehlt es an einer Insolvenzantragspflicht für Nachlasspfleger gegenüber dem Erben, die die Verhinderung einer Vertiefung der Überschuldung zum Ziel hat, weil hier die Insolvenzantragstellung nicht geeignet ist, die Vertiefung der Überschuldung durch den Anstieg von Zinsen und Säumniszuschlägen für bei Insolvenzeröffnung bestehende Verbindlichkeiten aus Sicht des Erben zu verhindern.512 Damit ist die Stellung eines Insolvenzantrags einzig aufgrund der Überschuldung nicht im Interesse des werdenden Erben.513 509 510 511 512
Muscheler, Erbrecht, Rz. 3125. Muscheler, Erbrecht, Rz. 3125. Siehe dazu die obigen Ausführungen unter Teil 3, A. I. 3. a) bb). Vgl. dazu bereits oben Teil 3, A. I. 2. c) cc) (2).
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Teil 3: Lösungsansätze
Dass Unklarheit über die Person des endgültigen Erben besteht, ist erkennbar an der Anordnung der Nachlasspflegschaft. Damit ist ebenfalls offenkundig, dass die Insolvenzantragspflicht des Erben derzeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wirkungslos ist. Warum in dieser Situation ein Schutz für Gläubiger bestehen soll, ist nicht ersichtlich.514 Von einer Schutzlücke kann somit nicht gesprochen werden, da der Gläubigerschutz zwar mit dem Erbfall angelegt ist, seine Wirksamkeit jedoch erst mit Annahme der Erbschaft entfaltet. Im Gegenteil: Ließe man die Drittschadensliquidation in diesem Falle zu, führte dies zu einer Vorverlagerung der Haftung auf einen Zeitraum, in dem der werdende Erbe selbst keiner Haftung ausgesetzt ist. Der gesetzliche Vertreter wäre bei der Wahrnehmung seiner Pflichten einer strengeren Haftung ausgesetzt, als wenn der Vertretene selbst handelte – dies ist nicht hinnehmbar. Hinzu kommt, dass andernfalls die gesetzgeberische Wertung zur Unterscheidung zwischen Nachlasspflegschaft und Nachlassverwaltung, die in § 1985 Abs. 2 BGB manifestiert ist, konterkariert würde. Der Nachlasspfleger ist den Gläubigern nicht verantwortlich515, sondern nur dem werdenden Erben. Daher kann er auch nur zur Begleichung von dessen Schäden herangezogen werden. Voraussetzung ist jedoch stets, dass die Schäden aus einer Pflichtverletzung aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis resultieren. Bei den „Mischformen“ eintretender Schäden, bestehend aus Vermögensschaden des Erben, der in einem Quotenschaden der Nachlassgläubiger mündet, weil es an einem Erstattungsanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger fehlt, trifft den Nachlasspfleger entweder kein Verschulden für die eingetretene Schmälerung des Nachlasses aufgrund der Pflichtverletzung oder aber es fehlt an einer Pflicht des Nachlasspflegers, den Schadenseintritt beim Erben zu verhindern. Letzteres ist bei Verminderungen des Nachlassbestands durch die Vertiefung der Überschuldung durch den Zuwachs von Zinsen und Säumniszuschlägen bestehender Verbindlichkeiten jedoch der Fall. Es existiert keine entsprechende Pflicht des Nachlasspflegers gegenüber dem von ihm vertretenen werdenden Erben, weil der Nachlasspfleger durch den Insolvenzantrag diesen Schadenseintritt nicht verhindern kann.516 Den Nachlassgläubigern haftet der Nachlasspfleger demgegenüber gerade nicht sondern nur der Nachlassverwalter.517 Infolgedessen wäre es offenkundig mit dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar, eine Haftung für Nachlasspfleger gegenüber Nachlassgläubigern für eintretende Schmälerungen des Nachlassbestandes einzuführen, die nicht einmal gegenüber dem Erben zu einer Ersatzpflicht 513
Siehe hierzu weitere Ausführungen unter Teil 3, A. I. 2. c) cc) (2). Zutreffend insoweit BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (289), juris Rz. 24. 515 Vgl. zur nicht bestehenden Haftung des Nachlasspflegers gegenüber Nachlassgläubigern oben Teil 2, B. I. 516 Durch § 39 Abs. 1 Ziffer 1 InsO hat der Gesetzgeber klargestellt, dass Zinsen und Säumniszuschläge für am Insolvenzverfahren teilnehmende Hauptforderungen weiter anfallen, vgl. oben unter Teil 3, A. I. 3. c) cc) (2). 517 Vgl. oben Teil 2, B. I. 2. a) cc). 514
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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führen. Eine Pflicht zur Antragstellung bei Überschuldung fehlt, weshalb eine Haftung für allein aus diesem Grunde eintretende Nachlassschmälerungen ausgeschlossen sein muss. Diese Wertung darf nicht dadurch „ausgehebelt“ werden, dass mittels Drittschadensliquidation eine Haftung des Nachlasspflegers „durch die Hintertür“ eingeführt wird. Dies gilt in besonderem Maße für diejenigen Fälle, wo den Nachlasspfleger gegenüber dem Erben keine Verantwortlichkeit trifft, weil es an einer entsprechenden Pflicht des Nachlasspflegers aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis mit dem Erben fehlt. Doch auch „reine Quotenschäden518“ der Gläubiger können nicht nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation ersetzt verlangt werden, da sie gerade nicht aus Vermögensschäden des Erben resultieren.519 Damit wird auch der Anhaltspunkt, den Marotzke für eine Anwendbarkeit der Drittschadensliquidation wählt, entkräftet. Er stellt darauf ab, dass der Schaden sich aufgrund der Haftungsbeschränkung nicht beim Erben, sondern bei den Nachlassgläubigern realisiert. So ist unverständlich, wie im vorliegenden Fall von einer nicht erkennbaren Schadensverlagerung aus Sicht des Schädigers auf einen Dritten gesprochen werden soll, welche dem Rechtsgedanken der Drittschadensliquidation immanent ist.520 Bei einem überschuldeten Nachlass wirkt sich der eintretende Insolvenzverschleppungsschaden für „reine Quotenschäden“ zwangsläufig bei den Nachlassgläubigern aus, weil es an einem Vermögensschaden des Erben fehlt. Grund dafür ist die Tatsache, dass deren Schaden typischerweise in einem Quotenschaden und der des Erben in einem Vermögensschaden besteht. Wenn der Schaden des Erben bilanziell messbar sein muss, können vermögensbeeinflussende Auswirkungen jedweder Art, solange sie bilanziell betrachtet neutral sind, niemals zu einem Schaden des Erben führen. Aus der Perspektive des schädigenden Nachlasspflegers ist es daher keinesfalls zufällig, ob sich der Schaden beim Erben oder den Nachlassgläubigern realisiert. Eine solche zufällige Schadensverlagerung – das Auseinanderfallen von Anspruch und Schaden – ist jedoch elementare Voraussetzung der Drittschadensliquidation.521 Diese soll die ungerechtfertigte Entlastung des Schädigers durch eine zufällige Schadensverlagerung verhindern.522 Da es an einer solchen zufälligen Schadensverlagerung fehlt, kann die Drittschadensliquidation hier nicht zur Anwendung gelangen.
518 Zum Zustandekommen von „reinen Quotenschäden“ der Nachlassgläubiger im Zeitraum der Pflegeschaft siehe unter Teil 3, A. II. 2. b). 519 Vgl. zu den „Mischformen“, bei denen aufgrund einer fehlenden Haftung des Nachlasspflegers der Vermögensschaden des Erben auch zu in einem Quotenschaden der Gläubiger des Nachlasses führt, oben unter Teil 3, A. II. 2. c). 520 MünchKomm-BGB/Oetker, § 249 Rz. 289; NK-BGB-Schuldrecht/Magnus, Vorb. zu §§ 249 – 255 Rz. 50. 521 Staudinger-BGB/Vieweg, Schadensersatzrecht, Rz. 74. 522 BGH, Urteil vom 07. 05. 2009 – III ZR 277/08 – BGHZ 181, 12 (27), juris Rz. 45.
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Teil 3: Lösungsansätze
Eine Kompensation von Quotenschäden der Nachlassgläubiger (sowohl in Form originärer Quotenschäden durch beispielsweise verfristete Anfechtungszeiträume als auch in Form von Mischformen, bei der die Quotenschäden aus Vermögensschäden des Erben resultieren, die keinen Ersatzanspruch begründen) mittels Drittschadensliquidation ist daher ausgeschlossen. 4. Lösung des Haftungsvakuums über einen Anspruch der Nachlassgläubiger gegen den Nachlasspfleger aus § 826 BGB Einzig verbleibende Möglichkeit, den Schaden der Nachlassgläubiger durch den Nachlasspfleger ersetzt zu verlangen, wäre eine deliktische Haftung des Nachlasspflegers, wie unlängst von Roth523 und Pfeuffer524 vertreten. Pfeuffer525 nimmt für den Nachlasspfleger eine deliktische Haftung aus § 826 BGB an, wenn dieser in Kenntnis der Überschuldung des Nachlasses Nachlassverbindlichkeiten begründe oder befriedige. Die Haftung trete sogar dann ein, wenn der Nachlasspfleger Nachlassverbindlichkeiten begründe oder befriedige, ohne sich über den Bestand des Nachlasses vor allem aber über die Nachlassverbindlichkeiten zu informieren, da für eine Haftung nach § 826 BGB bedingter Vorsatz ausreiche. Ähnlich äußert sich Roth526 : Den Nachlasspfleger treffe bei unklarer Vermögenslage des Nachlasses die Pflicht, das vorhandene Nachlassvermögen „zusammenzuhalten“, ein Aufgebotsverfahren durchzuführen und bis zu dessen Abschluss keine Nachlassverbindlichkeiten zu befriedigen. Befriedige er trotzdem Nachlassgläubiger in dem Wissen, dass sich dadurch die Befriedigungsquote der übrigen Nachlassgläubiger relativ verschlechtern oder verschlechtern könnten, so handle er jedenfalls mit bedingtem Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der übrigen Gläubiger. Unabhängig davon, ob man eine deliktische Haftung für Nachlasspfleger bejaht oder nicht, scheitern die von Roth und Pfeuffer genannten Fälle am Vorliegen eines Quotenschadens der Nachlassgläubiger. Die Begründung oder Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten durch den Nachlasspfleger führt bei den hier relevanten Fällen überschuldeter Nachlässe regelmäßig zu einer Haftung des Erben gegenüber den Nachlassgläubigern über § 278 BGB und damit zu einer Schmälerung des Nachlassbestands, die einen Ersatzanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger nach sich zieht und damit auch zu einer Schadenskompensation im Rahmen dieses Ersatzanspruchs führt, weshalb den Nachlassgläubigern kein Schaden entstehen kann.
523 524 525 526
Roth, ZInsO 2013, 1567 ff. Roth/Pfeuffer/Pfeuffer, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 311. Roth/Pfeuffer/Pfeuffer, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 311. Roth, ZInsO 2013, 1567 (1570).
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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Wenn überhaupt könnte man diskutieren, die deliktische Haftung für die Fälle heranzuziehen, bei denen Quotenschäden der Gläubiger tatsächlich entstehen. Doch auch dies überzeugt nicht: Es wirkt widersprüchlich, wenn zunächst eine Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers aus § 1980 BGB abgelehnt wird, in der Folge jedoch diese Vorschrift herangezogen wird, um eine Inanspruchnahme des Nachlasspflegers zu begründen. Die Verpflichtung aus § 1980 BGB trifft den endgültigen Erben und eben nicht den Nachlasspfleger. Die von Pfeuffer angeführten Vorschriften lassen keine Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber Nachlassgläubigern erkennen. Vielmehr lassen sie darauf schließen, dass in Ermangelung einer derartigen Verpflichtung eine solche Haftung gerade nicht besteht. Ein gesetzlich nicht sanktioniertes Verhalten als sittenwidrige Verfehlung auszulegen, ist folglich nicht nachzuvollziehen. Hinzu kommt, dass der Nachlasspfleger bei überschuldeten Nachlässen häufig gerichtsseitig zur Liquidation des Nachlasses angehalten wird und ausdrücklich ermächtigt wird, Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen. Der Vorwurf eines Sittenverstoßes des Nachlasspflegers, der im Einklang mit einem wirksamen Gerichtsbeschluss agiert, ist nicht haltbar.
5. Kein Erfordernis der Schadenskompensation von Insolvenzverschleppungsschäden Tatsächlich fehlt es an einer Notwendigkeit, Insolvenzverschleppungsschäden vom Nachlasspfleger ersetzt zu verlangen. Dieser ist gegenüber dem Erben umfangreich verantwortlich – jedoch nur bezogen auf den Nachlass, zu dessen Sicherung und Erhaltung er als gesetzlicher Vertreter des Erben bestellt ist. Er vertritt den Erben allerdings in einem Zeitpunkt, in dem eine Insolvenzantragspflicht für diesen gerade noch nicht besteht, weil seine Erbenstellung lediglich vorläufig ist. Entweder hat er die Erbschaft noch nicht angenommen oder die Erbenstellung wird als vorläufig behandelt, wenn die Annahme zwar erklärt wurde, das Nachlassgericht aber nicht von der Erbenstellung überzeugt ist und bis zur Klärung des Erbprätendentenstreits die Sicherung des Nachlasses gegen alle Erbprätendenten betreibt. Gerichtliche Nachlasssicherungsmaßnahmen dienen der Sicherung des Nachlasses für den wahren Erben, in einem Zeitraum, in dem dieser noch nicht endgültiger Erbe ist oder nicht als solcher behandelt wird. Dieser Zeitraum ist der Schwebezustand bis zur Feststellung des wahren Erben durch Annahme oder Klärung des Erbprätendentenstreits. Diese wiederum beenden den Schwebezustand und nachlassgerichtliche Sicherungsmaßnahmen werden obsolet: Über die Person des Erben besteht Klarheit und diesen allein trifft die Verantwortlichkeit für die Verwaltung des Nachlasses und damit auch die Insolvenzantragspflicht. Bevor die Erbenstellung endgültig ist, gibt es kraft Gesetzes eine eigeninitiative Antragspflicht für Privatpersonen nicht. Den Nachlassgläubigern ist dies bekannt.
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Teil 3: Lösungsansätze
Diejenige Person, die sich auch um Gläubigerinteressen kümmern müsste (hier: der Erbe), nimmt noch nicht am Rechtsverkehr teil. Daher sind sie angehalten, selbst für die bestmögliche Verfolgung der eigenen Interessen – die über eine Sicherung des Nachlassbestands hinausgehen – aufzukommen. Dazu stehen ihnen mit der Möglichkeit gerichtlich gegen den Nachlasspfleger vorzugehen, § 1960 Abs. 3 BGB, dem Recht der Insolvenzantragstellung, § 317 Abs. 1 InsO, dem Recht Nachlassverwaltung zu beantragen, § 1981 Abs. 2 BGB und dem Auskunftsanspruch gegen den Nachlasspfleger aus § 2012 Abs. 1 Satz 2 BGB ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung. Für eine Berücksichtigung von reinen Gläubigerinteressen (welche die Ursache für jede Insolvenzverschleppungshaftung darstellen) ist die Rechtsfigur des Nachlasspflegers nicht vorgesehen, ohne dass eine Schutzbedürftigkeit für die Nachlassgläubiger zu erkennen wäre. Andernfalls würde durch die Nachlasspflegschaft, die einzig den Interessen des vertretenen Erben dient, Gläubigerinteressen berücksichtigt, die eine wirksame Annahme der Erbschaft voraussetzen, obwohl die Person des endgültigen Erbe noch nicht feststeht. Wie der Fall zu beurteilen ist, wenn der Nachlasspfleger die Nachlassgläubiger bei der Wahrnehmung der vorbezeichneten Rechte beeinflusst, indem er die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses erhebt, ist damit noch nicht geklärt und wird im weiteren Verlauf der Ausarbeitung umfangreich untersucht.
III. Zwischenergebnis Entgegen der weit verbreiteten Auffassung begründen schuldhafte Verletzungen der Pflicht zur Sicherung und Erhaltung des Nachlasses des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben werthaltige Ersatzansprüche des Erben. Diese gehören in einem Insolvenzverfahren zum Nachlass und stellen damit eine reelle Haftungsgefahr für den Nachlasspfleger dar. Jede bilanziell messbare Schmälerung des Nachlasswerts ist ein Vermögensschaden des Erben und eine Kompensation kann – nach erfolgter Separation der Vermögensmassen – in einem Insolvenzverfahren vom Nachlassinsolvenzverwalter eingefordert werden, sofern den Nachlasspfleger zumindest der Fahrlässigkeitsvorwurf trifft. Allerdings sind im Rechtsverhältnis Erben und Nachlasspfleger nicht alle Schäden ersetzbar, die durch die Amtsführung des Nachlasspflegers entstehen, weil die Kompensation ausschließlich für Vermögensschäden des Erben möglich ist, die auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Nachlasspflegers beruhen. So können insbesondere die Quotenschäden der Nachlassgläubiger nicht im Rechtsverhältnis des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben kompensiert werden. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass über die zur Berücksichtigung dieser Interessen verpflichtete Person des endgültigen Erben zu diesem Zeitpunkt noch Unklarheit herrscht.
A. Haftung des Nachlasspflegers aus §§ 1915, 1833 BGB
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IV. Auswirkungen auf die Praxis Welche Bedeutung haben die gefundenen Ergebnisse für die Haftung des Nachlasspflegers im Innenverhältnis zum Erben für die Praxis? Bei einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses hat der Nachlasspfleger Ersatzansprüche des Erben nicht zu fürchten. Lediglich bei einer schuldhaften Verschlechterung der Vermögenslage des Nachlasses bei bilanzieller Betrachtung trifft ihn der Ersatzanspruch. Daher birgt auch die Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben Haftungsrisiken für den Nachlasspfleger, da der Ersatzanspruch des Erben als Surrogat gem. § 2041 BGB Teil des Nachlasses und in einem Nachlassinsolvenzverfahren folglich auch Teil der Insolvenzmasse ist. Damit sind bilanzielle Verschlechterungen des vom Nachlasspfleger verwalteten Nachlasses von erheblicher Relevanz. Der Ersatzanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger gem. §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den der Bundesgerichtshof und die herrschende Meinung zutreffender Weise verweisen527, ist damit wirksames Instrument, um eine unsachgemäße Verwaltung überschuldeter Nachlässe durch Nachlasspfleger zu verhindern, auch wenn die tatsächlichen Insolvenzverschleppungsschäden darüber nicht zu kompensieren sind. Für Nachlasspfleger überschuldeter Nachlässe besteht daher ein erhebliches Haftungsrisiko. Die Verwaltung des Nachlasses ist ihnen faktisch nicht mehr möglich, ohne eine Ersatzpflicht auszulösen. Jede schuldhafte Schmälerung des Nachlasswerts führt zu einer persönlichen Haftung. Dies gilt insbesondere für die Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten, welche dem Nachlasspfleger als Vertreter des werdenden Erben gem. §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 1979 BGB aufgrund der Überschuldung des Nachlasses verboten ist und bei Missachtung ebenfalls eine persönliche Haftung des Nachlasspfleger wegen fehlerhafter Verwaltung des Nachlasses auslöst. Zudem schmälern die Kosten der Nachlasspflegschaft den Nachlassbestand ebenfalls weiter. Nachlasspfleger überschuldeter Nachlässe sollten sich dieses Haftungsrisikos bewusst sein und dieses durch zeitnahe Insolvenzantragstellung eindämmen. Indem nun klargestellt ist, dass die Überschuldung des Nachlasses gerade keinen Freibrief für eine Abwicklung von Nachlässen außerhalb der Insolvenz gewährt, dürfte mit einem Anstieg der durch Nachlasspfleger gestellten Insolvenzanträgen zu rechnen sein. Auch sollten Sachverständige im Insolvenzantragsverfahren und Insolvenzverwalter im Nachlassinsolvenzverfahren dezidiert darlegen, ob nicht ein Vermö527 Am Beispiel der Insolvenzantragspflicht: BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/ 03 – BGHZ 161, 281 (287), juris Rz. 19; KG Berlin (1. ZS), Beschluss vom 07. 02. 1975 – 1 W 1218/74 – OLGZ 1975, 161 (163); MünchKomm-BGB/Leipold, § 1960 Rz. 53; MünchKommInsO/Siegmann, § 317 Rz. 7; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 20; FK-InsO/Schallenberg/Rafiqpoor, § 317 Rz. 20; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 12; NK-BGB/Krug, § 1960 Rz. 125; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 317 Rz. 7; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 2369.
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Teil 3: Lösungsansätze
gensschaden des Erben nach den bereits dargestellten Grundsätzen des rechnerischen Schadens entstanden ist, und den deshalb oftmals werthaltigen und vom Insolvenzbeschlag umfassten Ersatzanspruch des Erben im Insolvenzverfahren auch benennen bzw. geltend machen. Andernfalls wird man an eine Haftung des Insolvenzverwalters wegen fehlerhafter Verwaltung denken müssen, §§ 60, 61 InsO. Daher sollte bei der Prüfung von Insolvenzgutachten, Zwischenberichten und Schlussrechnungen die dargestellte Insolvenzmasse stets daraufhin untersucht werden, ob ein möglicher Ersatzanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger geprüft wurde und insbesondere mit welcher Begründung ein solcher Anspruch abgelehnt wird. Erfasst sind alle Fälle, bei denen sich aufgrund von Handlungen und Unterlassungen des Nachlasspflegers der Vermögensbestand des Nachlasses bilanziell verschlechtert, wobei dem Nachlasspfleger zumindest ein Fahrlässigkeitsvorwurf zur Last gelegt werden muss. Doch auch für die Nachlassgläubiger ist das gefundene Ergebnis interessant, weil es zusätzliche Handlungsoptionen eröffnet. Bei begründetem Verdacht auf nachlassmindernde Aktivitäten des Nachlasspflegers können Nachlassgläubiger selbst von ihrem Antragsrecht aus § 317 InsO Gebrauch machen und explizit auf die vermuteten Verfehlungen des Nachlasspflegers hinweisen. Der Auskunftsanspruch der Nachlassgläubiger aus § 2012 BGB kann dabei vorab wichtige Erkenntnisse über die Entwicklung des Nachlassbestands liefern. Auf diese Weise würde ein Fehlverhalten des Nachlasspflegers sanktioniert und zudem der Gefahr der Verfristung von Anfechtungszeiträumen wirksam begegnet.
B. Sonderproblem der „kalten Eigenverwaltung“: Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch Fiskalerben und Nachlasspfleger mit anschließender Abwicklung des Nachlasses außerhalb des Insolvenzverfahrens I. Einleitung zur Problematik und die Darstellung bei Nöll Nöll528 hat in der jüngeren Vergangenheit zutreffend auf den Missstand hingewiesen, dass überschuldete Nachlässe mehrheitlich außerhalb des Insolvenzverfahrens behandelt werden.529 Diese Einschätzung wird durch statistische Erhebungen zu überschuldeten lebenden natürlichen Personen, zur Sterberate in Deutschland und 528
Nöll, ZInsO 2012, 814 ff. Kritisch äußert sich auch Holl, Rpfleger 2008, 285 (287) für den Umgang mit nicht überschuldeten Nachlässen: Pflegschaften würden zu Dauertestamentsvollstreckungen und die Sicherung des Nachlasses unzulässigerweise zur Nachlassabwicklung ausgeweitet. Die dadurch entstehende Kostenbelastung des Nachlasses sei unzulässig und löse Ersatzansprüche der Erben aus. 529
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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zu Insolvenzanträgen über die Eröffnung von Nachlassinsolvenzverfahren bestärkt.530 Die Annahme der Erbschaft eines überschuldeten Nachlasses durch eine Privatperson stelle die Ausnahme dar, daher werde dessen Verwaltung durch Nachlasspfleger und Fiskalerben wahrgenommen. Entweder werde wegen erfolgloser Erbenermittlung das Fiskalerbrecht festgestellt und/oder ein Nachlasspfleger bestellt, wobei bei beiden Varianten zu beobachten sei, dass der Nachlass unter Hinweis auf dessen Dürftigkeit abgewickelt werde, sofern die im Zeitraum der aktuell vorhandenen liquiden Mittel des Nachlasses nicht zur Verfahrenskostendeckung ausreichten.531 Problematisch ist dies insbesondere dann, wenn der Nachlass tatsächlich nicht dürftig, sondern entgegen der Einschätzung der Beteiligten eine die Kosten des Insolvenzverfahrens deckende Insolvenzmasse vorhanden ist. Für die Nachlassgläubiger besteht die latente Gefahr, dass mangels Insolvenzverfahrens eine insolvenzrechtliche Aufarbeitung des Sachverhalts und damit eine Revidierung des unberechtigten „Abflusses532“ von Nachlassaktiva zwecks Verteilung an die Gläubiger nicht stattfindet. Deren Schaden aufgrund nicht durchgeführter Insolvenzverfahren vermutet Nöll in Milliardenhöhe.533 Ob es sich hierbei um ein rechtliches oder ein lediglich praktisches Problem handelt, ist damit jedoch noch nicht beantwortet. Entscheidend dafür ist, ob die Folge einer Abwicklung außerhalb des Insolvenzverfahrens tatsächlich bedeutet, dass das „ausgeklügelte Normensystem“ des Gesetzgebers zum Nachlassinsolvenzrecht leer läuft, wie von Nöll behauptet.534 Die bisherigen Untersuchungen legen nahe, dass es sich lediglich um ein Praxisproblem und damit nicht um Versäumnisse des Gesetzgebers, sondern lediglich um fehlerhafte Rechtsanwendung durch die Beteiligten handeln könnte. Wie bereits gezeigt, agiert der Nachlasspfleger – entgegen der Auffassung von Nöll – grundsätzlich nicht sanktionslos, ohne dass es der von Nöll geforderten analogen Anwendung von § 1985 Abs. 2 BGB auf den Nachlasspfleger bedürfte. Der Nachlasspfleger haftet dem endgültigen Erben für Schäden aus Pflichtverletzungen aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis gem. §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dieser Ersatzanspruch ist entgegen der allgemeinen Auffassung in der insolvenzrechtlichen und erbrechtlichen Literatur nicht wertlos (nicht wegen bestehender Überschuldung des Nachlasses und auch nicht wegen der Möglichkeit des Erben zur Haftungsbeschränkung). Er ist im Nachlassinsolvenzverfahren Bestandteil des Nachlasses, weshalb eine Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers im Insolvenzverfahren Beachtung finden muss.535 Auch der Fiskalerbe haftet im Insol530 Vgl. zum Ganzen die Ausführungen zu Beginn dieser Ausarbeitung unter „A. Problemaufriss“. 531 Nöll, ZInsO 2012, 814 (ebd.) und (816). 532 Nöll, ZInsO 2012, 814 (816). 533 Nöll, ZInsO 2012, 814 (ebd.). 534 Nöll, ZInsO 2012, 814 (818). 535 Vgl. dazu Teil 3, A. I.
164
Teil 3: Lösungsansätze
venzverfahren für die vorherige Verwaltung des Nachlasses – im Vergleich zum Nachlasspfleger allerdings den Gläubigern unmittelbar nach §§ 1978 ff. BGB. Somit unterschieden sich die Rechtsfolgen bei einer (unberechtigten) Erhebung der Dürftigkeitseinrede gem. § 1990 BGB durch den Nachlasspfleger oder durch einen Fiskalerben erheblich: Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter des werdenden Erben, der Fiskalerbe hingegen hat die gleichen Rechte und Pflichten wie der endgültige Erbe. Haftungsrechtlich sind daher diese Sachverhalte präzise zu differenzieren, da in einem Fall die Erbschaft noch nicht angenommen wurde und im anderen Fall die gläubigerschützenden Vorschriften des Erbrechts vollumfänglich zur Anwendung gelangen. Welche Folgen die (unberechtigte) Berufung auf die Dürftigkeit des Nachlasses vor dem Hintergrund der Haftung der Beteiligten hat, ist daher zu ermitteln. Begründe entsprechendes Verhalten werthaltige Ersatzansprüche, liefe die Haftung des „ausgeklügelten Normensystems“ nicht leer und das von Nöll beschriebene Problem der „kalten Eigenverwaltung“ wäre durch eine zutreffende rechtliche Beratung der Beteiligten zu beheben. Bei entsprechend sanktioniertem Fehlverhalten von Nachlasspflegern und Fiskalerben könnte die „kalte Eigenverwaltung“ Ersatzansprüche begründen, welche die aufgrund der Umgehung des Insolvenzverfahrens unzureichende Befriedigung der Nachlassgläubiger kompensierten.
II. Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch Fiskalerben 1. Fiskalerbrecht für überschuldete Nachlässe? Die allgemeine Bedeutung des Fiskalerbrechts wurde bereits angeführt.536 Zu klären ist nun, welche Funktion dem Fiskuserbrecht im Fall überschuldeter Nachlässe zukommt und ob eine Überschuldung des Nachlasses eventuell die Feststellung des Fiskuserbrechts ausschließt. a) Erbenermittlungspflicht des Nachlassgerichts bei solventem Nachlass aa) Potenziell erbberechtigte Person ist bekannt Sofern ein Erbscheinsantrag gestellt wird, muss das Nachlassgericht von Amts wegen ermitteln, ob der Antragsteller das behauptete Erbrecht hat, § 2358 BGB, § 26 FamFG. In anderen Fällen soll keine Erbenermittlungspflicht des Nachlassgerichts bestehen.537 Ausnahmen bestehen in den Bundesländern Bayern (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 AGGVG Ba538) und Baden-Württemberg (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LFGG539), wo in 536 537 538 539
Vgl. dazu oben Teil 1, C. IV. Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 113; Soergel-BGB/Stein, § 1960 Rz. 3. „Das Nachlaßgericht hat die Erben von Amts wegen zu ermitteln.“. „Das Nachlaßgericht hat Erben von Amts wegen zu ermitteln.“.
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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landesrechtlichen Vorschriften eine solche Pflicht vorgesehen ist. Für den hier interessierenden Kontext ist eine Beantwortung der Frage nach einer generellen Erbenermittlungspflicht des Nachlassgerichts nicht von Bedeutung. Daher erlaube ich mir an dieser Stelle auf die einschlägige Fachliteratur zu verweisen.540 bb) Erbe ist unbekannt Ist eine potenziell erbberechtigte oder erbfähige Person (Ehegatte, ein eingetragener Lebenspartner [gesetzliches Erbrecht nach § 10 LPartG] oder ein Verwandter) nicht bekannt, kommt das Fiskuserbrecht gem. § 1936 BGB in Betracht. Durch die Feststellung des Fiskuserbrechts wird die Erbensuche durch das Nachlassgericht formell abgeschlossen. Das Nachlassgericht hat gem. § 1964 Abs. 1 BGB festzustellen, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, wenn der Erbe nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden angemessenen Frist ermittelt wird. Die Feststellung des Fiskuserbrechts scheidet daher aus, wenn erbberechtigte Personen ermittelt werden, die die Erbschaft noch nicht ausgeschlagen haben oder nicht ausgeschlossen sind.541 Nach nahezu einhelliger Auffassung ergibt sich bei einem Nachlass ohne bekannten Erben daher aus § 1964 BGB die Pflicht des Nachlassgerichts von Amts wegen die Erbensuche durchzuführen.542 Dies folgt auch aus § 26 FamFG, wonach das Gericht die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen hat. Das Aufforderungsverfahren des § 1965 BGB ist dazu allein jedoch nicht ausreichend.543 Die anzustellenden Ermittlungen beziehen sich daher auch auf die sonstigen, vorrangigen gesetzlichen oder gewillkürten Erben.544 Das Nachlassgericht beurteilt Art, Umfang und zeitliche Begrenzung der Erbenermittlung dabei nach eigenem Ermessen.545 Die Erbenermittlung kann das Nachlassgericht auch einem Nachlasspfleger auferlegen.546 Der Umfang 540
Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 113; Soergel-BGB/Stein, § 1960 Rz. 3; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozeßpflegschaft, S. 173 f. 541 Vgl. Soergel-BGB/Stein, § 1964 Rz. 2. 542 OLG München, Beschluss vom 05. 05. 2011 – 31 Wx 164/11 – NJW-RR 2011, 1379 (1380), juris Rz. 13; Holl, Rpfleger 2008, 285 (286); Mayer, ZEV 2010, 445 (449); Palandt/ Weidlich, § 1964 Rz. 1; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rz. 3; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1964 Rz. 2; Soergel-BGB/Stein, § 1964 Rz. 2; Erman-BGB/Schlüter, § 1964 Rz. 2; a.A: Frohn, Rpfleger 1986, 37 (38); ebenso: Brand/Kleeff, Die Nachlaßsachen in der gerichtlichen Praxis, § 138, S. 483. 543 Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz 116; Soergel-BGB/Stein, § 1964 Rz. 2; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rz. 3. 544 Mayer, ZEV 2010, 445 (449). 545 Holl, Rpfleger 2008, 285 (286); Mugdan, Band V, S. 201. 546 Palandt/Weidlich, § 1964 Rz. 1; Holl, Rpfleger 2008, 285 (286); Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 116; Mayer, ZEV 2010, 445 (449) der zudem korrekterweise auf die Notwendigkeit eines Sicherungsbedürfnisses i.S.v. § 1960 BGB für die Bestellung eines Nachlasspflegers verweist.
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Teil 3: Lösungsansätze
der Ermittlungstätigkeit soll dabei am Nachlass und dessen Werthaltigkeit ausgerichtet werden, da Sinn und Zweck der Erbensuche nicht darin liegen dürfe, den gesamten Nachlass aufzubrauchen.547 Dies führt zwangsläufig zu der Frage, wie die Ermittlungstätigkeit nach unbekannten Erben bei überschuldetem Nachlass ausfallen soll. b) Erbenermittlungspflicht des Nachlassgerichts auch bei Überschuldung? aa) Komplexe Erbensuche bei Überschuldung des Nachlasses In vielen Fällen hilft die Ermittlung einer erbberechtigten Person eines überschuldeten Nachlasses nicht weiter, da eine Annahme des Erbberechtigten in aller Regel nicht erfolgt. Mit der vermuteten oder bewiesenen Überschuldung des Nachlasses konfrontiert, ist regelmäßig zu beobachten, dass die Erbschaft ausgeschlagen wird.548 bb) Erfolglose Erbensuche bei Überschuldung des Nachlasses – Uneinigkeit über den gebotenen Verfahrensgang Im Gegensatz zu werthaltigen Nachlässen besteht bei überschuldeten Nachlässen die Besonderheit, dass alle bekannten Erben regelmäßig die Erbschaft unter Bezugnahme auf die Überschuldung oder wegen vermuteter Überschuldung ausschlagen mit der Folge, dass die Erbensuche an anderer Stelle fortgeführt werden muss, um einen Erben ermitteln zu können.549 Es fehlt also bei überschuldeten Nachlässen zumeist an einer (dem Nachlassgericht) bekannten erbberechtigten bzw. erbfähigen Person. Zudem ist nicht anzunehmen, dass sich überhaupt unter den potenziell Erbberechtigten und Erbfähigen eine Person finden lässt, die – mit ihrer Erbenstellung betreffend den überschuldeten Nachlass konfrontiert – eine andere Reaktion zeigen wird, als es den zuvor Ermittelten gleichzutun und die Erbschaft auszuschlagen. Wenn ein potenzieller Erbe nicht bekannt ist, kommt das bereits erwähnte Fiskuserbrecht gem. § 1936 BGB zum Tragen. Doch bevor das Nachlassgericht einen Feststellungsbeschluss gem. § 1964 BGB erlassen kann, mit dem Inhalt, dass ein anderer Erbe als der Staat nicht vorhanden ist, müssen gem. § 26 547
So ausdrücklich Holl, Rpfleger 2008, 285 (286) unter Berufung auf Mugdan, Band V, S. 201, 555. 548 Vgl. BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1942 Rz. 10b; Soergel-BGB/Stein, § 1942 Rz. 1; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rz. 2 BGB, der das Verfahren der Feststellung des Fiskalerbrechts als umständlich und aufwändig kritisiert. Der ermittelte Erbe werde aufgrund der Überschuldung regelmäßig ausschlagen. Unter Bezugnahme auf die Denkschrift des Erbrechtsausschusses der AkDR (1940) empfiehlt er daher, die Ermittlungen einzustellen, wenn Ausschlagungen bevorrechtigter Erben den Schluss nahelegen, dass auch Nachberechtigte die Erbschaft ausschlagen, vgl. auch die Ausführungen in Teil 1, B. 549 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rz. 2; vgl. auch Nöll, ZInsO 2012, 814 (815).
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FamFG Ermittlungen des Nachlassgerichts vorausgehen, wie bereits dargestellt wurde.550 Umstritten ist, wie diese Ermittlungen des Nachlassgerichts im Kontext von §§ 1936, 1964 BGB auszusehen haben, wenn ein überschuldeter Nachlass vorliegt. Irreführend ist in diesem Zusammenhang, dass zwei kontrovers diskutierte Themenfelder in Literatur und Rechtsprechung gemeinsam behandelt werden. Dies hat unter anderem zur Folge, dass Auffassungen zu Streitfragen angeführt werden, zu denen sie nicht abgegeben worden sind, und somit das Ergebnis verzerrt wird. Weiterhin wird eine Erschließung des Streitstandes dadurch erheblich verkompliziert. Im Wesentlichen stehen zwei Fragestellungen/Rechtsfragen im Raum, die – zum besseren Verständnis – aber auch, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, inhaltlich unabhängig voneinander und daher gesondert zu beantworten sind:551 Zum einen geht es um die Frage der generellen Ermittlungstätigkeit des Nachlassgerichts im Rahmen von § 1936 BGB i.V.m. §§ 1964, 1965 BGB hinsichtlich des Bestandes des Nachlasses und der Erbfolge bei überschuldetem Nachlass. Daran anschließend besteht zudem Uneinigkeit, wie das Nachlassgericht verfahren soll, wenn es von der Nichtermittelbarkeit der Erben überzeugt ist und deshalb die Erbenermittlungstätigkeit einstellt, respektive nicht mehr aktiv betreibt oder unter Berufung auf die Überschuldung des Nachlasses (nach Auffassung des Gerichts als Folge eigener Ermittlungen) die Erbensuche wegen Unverhältnismäßigkeit überhaupt nicht anstellt. Soll das Gericht dann trotz Überschuldung verpflichtet sein, das Fiskuserbrecht im Feststellungsverfahren gem. §§ 1964, 1965 BGB festzustellen? cc) Über das Aufforderungsverfahren gem. § 1965 BGB hinausgehende Erbenermittlungspflicht des Nachlassgerichts aus § 1964 BGB auch bei überschuldetem Nachlass? Folglich gilt es zunächst herauszuarbeiten, ob das Nachlassgericht bei in Frage kommendem Fiskuserbrecht und überschuldetem Nachlass eine eigene Erbenermittlungspflicht hat, die über das Aufforderungsverfahren in § 1965 BGB hinausgeht. (1) Pro Erbenermittlung Die Auffassung, Überschuldung oder geringwertiger Nachlass entbinden das Nachlassgericht nicht von dessen Erbenermittlungspflicht aus § 1964 BGB, weshalb 550
Vgl. dazu oben unter Teil 3, B. II. 1. a). Für eine derartige Differenzierung auch statt aller OLG München, Beschluss vom 05. 05. 2011 – 31 Wx 164/11 – NJW-RR 2011, 1379 (1380 f.), juris Rz. 15. 551
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Teil 3: Lösungsansätze
die Erbermittlung auch hier durchzuführen sei, hat zahlreiche Anhänger.552 Umfangreiche Begründungen für diese Auffassung sucht man vergebens. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass vielerorts mitunter drastische Einschränkungen getroffen werden, die die Zielrichtung der Auffassung relativieren.553 So wird der Umfang der Ermittlungen häufig in das Ermessen des Nachlassgerichts gestellt.554 (2) Die Position des LG Stade Häufig wird ein Beschluss des LG Stade angeführt, welchem mitunter eine Befürwortung einer Erbenermittlungspflicht für das Nachlassgericht entnommen wird.555 Bevor diese Aussage untersucht wird, zunächst die entscheidende Passage im Wortlaut: „Hierbei kann dahinstehen, inwieweit es im Ermessen des Nachlassgerichts steht, in welchem Umfange und wie lange Nachforschungen zu erfolgen haben. Denn hier hat das Nachlassgericht sein Ermessen zumindest fehlerhaft ausgeübt, wenn es nur auf die vermutete Überschuldung des Nachlasses abgestellt hat, wobei Feststellungen oder Ermittlungen zur Überschuldung nicht getroffen worden sind. Ermittlungen dürfen nicht deswegen unterbleiben, weil kein Bedürfnis besteht oder der Nachlass überschuldet oder keine Masse vorhanden sei oder der Fiskus keinen Wert auf die Erbschaft legt.“556
Bei der inhaltlichen Wiedergabe des Urteils wird übersehen, dass das Gericht die Voraussetzungen für eine Ermessensausübung beschreibt. In der Tat steht dem Nachlassgericht nach Auffassung des LG Stade ein Ermessensspielraum hinsichtlich der genannten Kriterien zu. Voraussetzung ist jedoch für eine korrekte Ermessensentscheidung, dass die getroffene Entscheidung des Gerichts auf dessen Ermittlungen beruht. Das Abstellen auf eine nur behauptete Überschuldung stellt eine Ermessensfehlentscheidung dar, weil eigene „Feststellungen oder Ermittlungen zur Überschuldung [durch das Nachlassgericht] nicht getroffen worden sind.“ Die Ermittlungen, die zur Begründung der Ermessensausübung dienen, sind demnach zwingend anzustellen, damit die gerichtliche Entscheidung nicht auf Vermutungen beruht. 552 KG, Beschluss vom 02. 08. 1904 – 1. Ferien CS – OLGE 9, 384 (ebd.); LG Düsseldorf, Beschluss vom 14. 04. 1981 – 25 T 199/81 – Rpfleger 1981, 358 (ebd.), juris Rz. 6, für den Fall das ein Nachlassgläubiger die Feststellung des Fiskuserbrechts beantragt; Erman-BGB/ Schlüter, § 1964 Rz. 2; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1964 Rz. 3; Soergel-BGB/Stein, § 1964 Rz. 2; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rz. 3; Palandt/Weidlich, § 1964 Rz. 1; restriktiv: Mayer, ZEV 2010, 445 (449). 553 Einschränkend bei unverhältnismäßigen Kosten: Staudinger-BGB/Marotzke, § 1964 Rz. 3; einschränkend bei überschuldetem Nachlass, der den Umfang der gebotenen Ermittlungen begrenzen könne, MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rz. 3. 554 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rz. 3; Palandt/Weidlich, § 1964 Rz. 1; Burandt/ Rojahn-BGB/Trimborn von Landenberg, § 1965 Rz. 3; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1964 Rz. 3; Mayer, ZEV 2010, 445 (449); Dt.ErbRK/Quart, § 1964 BGB Rz. 4. 555 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Fn. 6. 556 LG Stade, Beschluss vom 05. 02. 2002 – 9 T 290/01 – Rpfleger 2004, 568 (ebd.).
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Diese Auffassung stützt das Gericht auf Literaturmeinungen,557 die eine Ermittlungspflicht des Gerichts vorsehen. Allerdings verweist das Gericht im Gegensatz zu den angeführten Meinungen nicht auf eine generelle Erbenermittlungspflicht, sondern legt den Fokus auf die Ermittlungstätigkeit des Gerichts, auf die eine Ermessensentscheidung zwingend zu stützen ist: „Ermittlungen dürfen nicht deswegen unterbleiben, weil …“. Das LG Stade schließt sich also nicht der Literaturmeinung an, sondern zieht lediglich die Parallele, um die erforderlichen Ermittlungen des Gerichts zu betonen. Auch im Schrifttum ist ein Hinweis darauf zu finden, dass ungenügende Ermittlungen des Nachlassgerichts zu einer fehlerhaften Entscheidung führen.558 Diese feine Differenzierung wird jedoch in der Literatur übersehen, mit der Konsequenz, dass behauptet wird, das LG Stade habe sich für eine generelle Erbenermittlungspflicht bei überschuldeten Nachlässen ausgesprochen – dies führt zu einer unzutreffenden Instrumentalisierung der Aussagen des Gerichts, bei denen es um die Anforderungen an eine korrekte Ermessensausübung durch das Gericht ging – und nicht um eine Pflicht zur Erbenermittlung, wie das Gericht evident betont hat: „[…] kann dahinstehen, inwieweit es im Ermessen des Nachlassgerichts steht, in welchem Umfange und wie lange Nachforschungen zu erfolgen haben.“. Auch im nachfolgend angeführten Beschluss559 zur gleichen Sache spricht sich das Gericht nicht zugunsten einer generellen Verpflichtung zur Erbenermittlung des Nachlassgerichts unabhängig von der Vermögenssituation des Nachlasses aus. Angesprochen wird lediglich die „Amtsermittlungspflicht des Nachlassgerichts im Verfahren gem. § 1964 BGB auf Feststellung des Erbrechts des Fiskus“. Trotz ungenauer Formulierung bei der Darstellung des Streitstands560 lässt das LG Stade die Frage, ob die angeführte Amtsermittlungspflicht auch bei überschuldeten oder masselosen Nachlässen besteht, ausdrücklich offen „hat die Kammer derzeit nicht zu entscheiden“, da nicht feststehe, ob der Nachlass überschuldet sei. Daher kann der Entscheidung (sofern sie vollständig gelesen wird …) nicht entnommen werden, dass das LG Stade sich der Rechtsauffassung des LG Düsseldorf anschließt. Gegenteilige Hinweise auf den Inhalt der Entscheidung sind nicht nachvollziehbar.561 (3) Contra Erbenermittlungspflicht Demgegenüber steht die Auffassung im Schrifttum, wonach die Erbenermittlung im Falle einer angeordneten Nachlasspflegschaft in einem angemessenen Verhältnis 557
Palandt/Weidlich, § 1964 Rz. 1; Soergel-BGB/Stein, § 1964 Rz. 2. Palandt/Weidlich, § 1964 Rz. 1; Soergel-BGB/Stein, § 1964 Rz. 2. 559 LG Stade, Beschluss vom 17. 12. 2003 – 9 T 53/02 – Rpfleger 2004, 568 (ebd.). 560 Obwohl nur die Rechtsauffassung des LG Düsseldorf, Beschluss vom 14. 04. 1981 – 25 T 199/81 – Rpfleger 1981, 358 wiedergegeben werden sollte, entsteht der Eindruck, das LG Stade teile dessen Rechtsauffassung. 561 Beispielsweise: OLG München, Beschluss vom 05. 05. 2011 – 31 Wx 164/11 – NJWRR 2011, 1379 (1380), juris Rz. 14; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rz. 3, Fn. 2; Burandt/ Rojahn-BGB/Trimborn von Landenberg, § 1965 Rz. 3. 558
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Teil 3: Lösungsansätze
zur Nachlassmasse zu stehen habe.562 Der Nachlass soll nicht schon durch die Ermittlungen der Erben aufgezehrt werden.563 Auch sollten sich die ohnehin überlasteten Nachlassgerichte nicht mit wertlosen Nachlässen abgeben müssen.564 Die Ausführungen einiger Autoren gehen sogar noch weiter – eine Erbenermittlungspflicht im Falle überschuldeter Nachlässe aus § 1964 BGB wird abgelehnt: Frohn565 sowie Brand/Kleeff566 sehen das Vorhandensein einer Nachlassmasse als selbstverständliche Voraussetzung für die Durchführung der Ermittlungstätigkeiten des Nachlassgerichts an. Lohnenswert seien Ermittlungen nur, wenn der Nachlass derart werthaltig sei, dass nach Abzug der zu erwartenden Ermittlungskosten den Erben noch etwas übrig bleibe.567 Frohn568 führt dazu weiter aus: Weder der Staat noch der vorrangige gesetzliche Erbe hätten ein vernünftiges Interesse daran, dass ihre Erbenstellung in Bezug auf einen dürftigen oder einwandfrei weit überschuldeten Nachlass geklärt werde. Tatsächlich hätten allein die Gläubiger ein Interesse an einer Ermittlung des Erben: Sofern ein gesetzlicher Erbe ermittelt werden könne, entstünden diesem durch Konfrontation mit seiner Erbberechtigung lediglich Aufwand und Kosten einer erforderlichen Ausschlagungserklärung. Der Fiskus, der gem. § 1942 Abs. 2 BGB nicht ausschlagen kann, wird mit der Abwicklung des Nachlasses belastet, was gegen ein Interesse spreche, die Erbberechtigung zu klären.569 Die Interessen der Gläubiger seien aber hier nicht zu berücksichtigen. Holl570 ist der Auffassung, dass in diesem Fall die Erbensuche auf ein Minimum zu beschränken sei, da die Erfolgsaussichten zum Aufwand unverhältnismäßig seien. Offen bleibt leider, was unter dem genannten Minimum zu verstehen sein soll. Konsequenter ist daher, wenn, wie bei Holl auch angeführt, vertreten wird, dass die Erbenermittlung im Fall überschuldeter Nachlässe gänzlich unterbleiben könne, da mit einer Erbausschlagung wegen der Überschuldung zu rechnen sei.571
562 Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 705; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1964 Rz. 3; Kali, Nachlasspfleger und Erbenermittler, S. 77; Frohn, Rpfleger 1986, 37 (38). 563 Holl, Rpfleger 2008, 285 (286); dem folgend: Palandt/Weidlich, § 1964 Rz. 1. 564 Burandt/Rojahn-BGB/Trimborn von Landenberg, § 1965 Rz. 3. 565 Frohn, Rpfleger 1986, 37 (38); ders., Die Tätigkeit des Nachlasspflegers – Beratung und Kontrolle durch das Nachlassgericht, S. 58. 566 Brand/Kleeff, Die Nachlaßsachen in der gerichtlichen Praxis, § 136, S. 469 f. 567 Frohn, Die Tätigkeit des Nachlasspflegers – Beratung und Kontrolle durch das Nachlassgericht, S. 58; Brand/Kleeff, Die Nachlaßsachen in der gerichtlichen Praxis, § 136, S. 469. 568 Frohn, Die Tätigkeit des Nachlasspflegers – Beratung und Kontrolle durch das Nachlassgericht, S. 58. 569 M.E. ist dieses Argument wohl vor dem Hintergrund der zu erwartenden Kosten zu verstehen – der Fiskus wird zunächst auf Nachlassmittel zurückgreifen wollen, bevor er eigene Nachlassmittel zur Abwicklung bereitstellt. 570 Holl, Rpfleger 2008, 285 (286). 571 Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 705; Schmidt, Die Geschäftsführung des Nachlasspflegers und Nachlassverwalters, S. 30; Frohn, Die Tätigkeit des Nachlasspfle-
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So sprechen sich Jochum/Pohl572 gegen eine gezielte Erbenermittlungstätigkeit aus, wenn deutlich wird, dass für die Erben ein „reiner Nachlass“ wegen Dürftigkeit oder Überschuldung nicht verbleibe. In diesen Fällen sei es nicht Aufgabe des Nachlasspflegers, den Schuldner der Nachlassgläubiger zu ermitteln und bekannt zu geben, also im Interesse der Nachlassgläubiger tätig zu werden. Die Ermittlung eines Erben hätte nach ihrer Auffassung ohnehin nur dessen Ausschlagung der Erbschaft zur Folge. Auch Zimmermann573 sieht bei überschuldetem Nachlass keine Notwendigkeit der Erbenermittlung, da die Erbschaft vermutlich niemand annehmen werde. Somit wäre eine zeitaufwändige Suche nach Erben zweiter oder dritter Ordnung nicht veranlasst und auch (für den mit der Erbenermittlung betrauten Nachlasspfleger) nicht vergütungsfähig. Das Einstellen der Tätigkeit des Nachlasspflegers solle jedoch erst mit sicherer Kenntnis der Überschuldung und bei Fehlen jeglichen Aktivnachlasses erfolgen. Kali574 spricht sich generell gegen eine Erbenermittlung bei Überschuldung des Nachlasses aus, weil aufgrund dieser mit einer Erbausschlagung zu rechnen sei. Er weist in diesem Kontext darauf hin, dass eine unnötige Belastung des Nachlasses mit übermäßigen Kosten durch die Erbenermittlung eine Schadensersatzpflicht gegenüber den Erben auslösen könne.575 Folglich kann nach Kali eine Ermittlungspflicht des Nachlassgerichts bei überschuldetem Nachlass nicht bestehen. (4) Landesrechtliche Besonderheiten Auch in den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg, in denen eine Amtsermittlungspflicht hinsichtlich der Erben vorgesehen ist576, sind Sonderregelungen in Bezug auf die Werthaltigkeit des Nachlasses vorgesehen. Für überschuldete Nachlässe besteht hier keine Amtsermittlungspflicht. In Bayern entfällt die Amtsermittlungspflicht, wenn zum Nachlass kein Grundstück oder grundstücksgleiches Recht gehört und nach den Umständen des Falls anzunehmen ist, dass ein die Beerdigungskosten übersteigender Nachlass nicht vorhanden ist, Art. 37 Abs. 1 Satz 2 AGGVG. Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift des Bayerischen Landesgesetzgebers erschließt sich nicht direkt. Unter einem die gers – Beratung und Kontrolle durch das Nachlassgericht S. 57; Kali, Nachlasspfleger und Erbenermittler, S. 77. 572 Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 661. 573 Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 755. 574 In Bezug auf die Erbenermittlungstätigkeiten des Nachlasspflegers, Kali, Nachlasspfleger und Erbenermittler, S. 77; so auch Schmidt, Die Geschäftsführung des Nachlasspflegers und Nachlassverwalters, S. 30. 575 Für den Fall, dass die Ermittlungskosten aus dem Nachlass nicht gedeckt werden können: Kali, Nachlasspfleger und Erbenermittler, S. 77. 576 BaWü § 41 Abs. 1 S. 1 LFGG; Ba Art 37 Abs. 1 Satz 1 AGGVG, vgl. dazu schon oben unter Teil 3, B. II. 1. a) aa).
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Teil 3: Lösungsansätze
Beerdigungskosten übersteigenden Nachlass sind sowohl Nachlässe mit geringem Aktivnachlass als auch überschuldete Nachlässe zusammengefasst, bei denen die bestehenden Verbindlichkeiten das Aktivvermögen ohnehin übersteigen. Die Ausnahmeregelung in Baden-Württemberg ist ebenfalls auf die beiden Sachverhalte „geringfügiger Nachlass“ und „überschuldeter Nachlass“ anwendbar. So ist in § 41 Abs. 1 Satz 2 LFGG vorgesehen, dass von der Erbenermittlung im Falle eines unverhältnismäßigen Aufwands oder bei geringfügigem Nachlass abgesehen werden kann. Die Amtsermittlungspflicht wird also durch einen Ermessensspielraum des Nachlassgerichts ersetzt. Somit ist festzuhalten, dass auch in Bundesländern, in denen im Falle vermögender Nachlässe eine Erbenermittlungspflicht besteht, bei überschuldeten oder Nachlässen mit geringem Aktivvermögen explizit von dieser Regelung abgewichen wird. Dem Nachlassgericht wird hier ein Ermessen eingeräumt, wie umfangreich es die Ermittlung der Erben betreibt. (5) Bewertung und eigene Auffassung Dass eine Überschuldung des Nachlasses das Gericht nicht von dessen Verpflichtung zur Erbensuche entbindet, sondern lediglich Maßstab für den Umfang der gebotenen Ermittlungen sein soll, ist deshalb verwunderlich, weil bezüglich des Umfangs der gebotenen Ermittlungen dem Nachlassgericht ein Ermessen eingeräumt werden soll. Das Nachlassgericht soll also nicht darüber entscheiden dürfen, ob es Erbenermittlungen überhaupt anstellt, sondern lediglich im Umfang seiner Ermittlungstätigkeit – bis auf die gänzliche Unterlassung der Erbenermittlung – einen Ermessensspielraum haben. Dieser Ermessensspielraum ist nicht hinreichend präzisiert. Welche Ermittlungen muss das Nachlassgericht aufnehmen und wie weit muss der Umfang der Ermittlungen reichen? Wie ernsthaft muss die Erbensuche vorangetrieben werden, um die angebliche Erbenermittlungspflicht zu erfüllen? Zudem würde die Staatskasse mit den Kosten der Erbenermittlung belastet, die über den Wert des Nachlasses hinausgehen. Bei werthaltigen Nachlässen, soll sich die Erbenermittlung ebenfalls am Wert des Nachlasses ausrichten. Kali577 weist in diesem Kontext darauf hin, dass eine unnötige Belastung des Nachlasses mit übermäßigen Kosten durch die Erbenermittlung eine Schadensersatzpflicht gegenüber den Erben auslösen könne. Ein umfangreicher Ermessensspielraum des Nachlassgerichts ist wichtig, denn denkbar ist beispielsweise, dass der Nachlass überschuldet ist und der Erbe die Erbschaft anzunehmen gedenkt, weshalb weitere Ermittlungen nach dem Erben angebracht sind. Allerdings muss es dem Nachlassgericht auch möglich sein, auf die Erbenermittlung zu verzichten, wenn die Kosten im Verhältnis zum Nachlassbestand
577 Für den Fall, dass die Ermittlungskosten aus dem Nachlass nicht gedeckt werden können: Kali, Nachlasspfleger und Erbenermittler, S. 77.
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völlig unverhältnismäßig sind, beispielsweise, wenn der Nachlass ausschließlich aus Verbindlichkeiten und wertlosem Hausrat besteht. Der Vorschrift des § 1964 BGB ist einzig zu entnehmen, dass dem Beschluss des Nachlassgerichts Ermittlungen vorauszugehen haben, auf denen die Ermessensentscheidung des Gerichts beruht – nicht, wie diese Ermittlungen auszusehen haben. Denkbar ist, dass die Ermittlungen des Nachlassgerichts ergeben, ein sicherungsbedürftiger Nachlass i.S.v. § 1960 Abs. 1 BGB bestehe nicht, da der Nachlass überschuldet ist (was durch Erbausschlagungen aller erbberechtigten Verwandten bestätigt wurde) und das Nachlassgericht deshalb von der kostenintensiven Suche nach weiteren unbekannten Erben absehen möchte – In diesem Fall müssen die Ermittlungen des Nachlassgerichts dann die Überschuldungsprüfung umfassen. Eine Verpflichtung zur Erbensuche ist in diesem Fall vollkommen nutzlos. Die Beschneidung des gerichtlichen Ermessensspielraums ist nicht hinnehmbar und muss daher auch eine Beschränkung auf die Frage gestatten, ob die Ermittlung eines Erben unter Berücksichtigung des Nachlasswertes geboten ist. Hat der Erbe an einer Ermittlungstätigkeit des Nachlassgerichts hinsichtlich seiner Erbenstellung aber kein berechtigtes Interesse (nach Auffassung des Nachlassgerichts), dann kann die Ermittlung unterbleiben – eine Feststellung des Erben im Interesse der Gläubiger auf Kosten des Nachlasses bzw. der Staatskasse ist nicht angebracht. Der Schutzzweck von § 1964 BGB ist die Unterbindung einer übereilten Feststellung des Fiskuserbrechts578 ohne vorangegangene Erbenermittlungen. Ergeben die Ermittlungen des Gerichts aber, dass ein Interesse der Erben am Nachlass nicht besteht, so fehlt es auch an einer Schutzbedürftigkeit der Erben, der durch eine Erbenermittlungspflicht des Nachlassgerichts von Amts wegen Rechnung getragen werden müsste. Zudem hat sich der Gesetzgeber bei nicht werthaltigem Nachlass ebenfalls gegen eine Erbenermittlungspflicht ausgesprochen, wie die Vorschrift des § 1965 Abs. 1 Satz 2 BGB beweist: Grundsätzlich ist vor dem Feststellungsbeschluss gem. § 1964 BGB, der die Vermutung begründet, dass der Staat gesetzlicher Erbe ist, von Amts wegen ein Aufforderungsverfahren nach § 1965 Abs. 1 Satz 1 BGB durchzuführen. Bei diesem Verfahren, das allein der Erbenermittlung dient,579 ist durch öffentliche Bekanntmachung zur Anmeldung der Erbrechte aufzufordern. Dabei bestimmen sich gem. § 1965 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BGB die Art der Bekanntmachung sowie die Dauer der Anmeldungsfrist nach den für das Aufgebotsverfahren geltenden Vorschriften (§§ 435 Abs. 1, 437 FamFG).
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Frohn, Rpfleger 1986, 37 (38); MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rz. 1; Burandt/ Rojahn/Trimborn von Landenberg, § 1964 Rz. 1; Lange, Erbrecht § 25 Rz. 108. 579 Muscheler, Erbrecht, Rz. 1640; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1965 Rz. 1; SoergelBGB/Stein, § 1965 Rz. 1; Erman-BGB/Schlüter, § 1965 Rz. 1.
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Teil 3: Lösungsansätze
Nach § 1965 Abs. 1 Satz 2 BGB darf das Nachlassgericht davon absehen, das ansonsten zwingend durchzuführende Aufforderungsverfahren zur Ermittlung von unbekannten Erben durchzuführen, wenn die Kosten dem Bestand des Nachlasses gegenüber unverhältnismäßig groß sind. Das ist der Fall, wenn die Kosten des Aufgebotsverfahrens über dem Wert des Nachlasses liegen.580 Das Aufforderungsverfahren stellt den Abschluss der staatlichen Erbenermittlung dar. Weiterhin ist es Nachweis darüber, dass eine Erbenermittlung durch das Nachlassgericht überhaupt stattgefunden hat, wenn bis dato kein Erbe ermittelt wurde. Der Gesetzgeber hat demnach keine Schwierigkeiten, im Hinblick auf den geringen Wert des Nachlasses, das staatliche Erbenermittlungsverfahren, welches für gewöhnlich in Form des Aufforderungsverfahrens vorgeschrieben und bei werthaltigem Nachlass zwingend durchzuführen ist, nicht durchzuführen. Es ist nicht ersichtlich, warum dann für eventuell vor diesem Verfahren zu tätigende Ermittlungen des Gerichts etwas anderes gelten sollte. Richtigerweise muss es dem Gericht daher ebenfalls gestattet sein, bei überschuldetem Nachlass als Ergebnis eigener Ermittlungen festzustellen, dass die Erbensuche erfolglos gewesen ist, weil die dafür zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausgereicht haben und mit dieser Begründung eine Erbensuche zu unterlassen. In § 1964 BGB heißt es: „Wird der Erbe nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist ermittelt“. Daher setzt die Vorschrift nicht voraus, dass die Ermittlung von Erben angestellt wird.581 Korrespondierend mit der gesetzgeberischen Wertung in § 1965 Abs. 1 Satz 2 BGB darf das Gericht in die entscheidungserheblichen Umstände den Vermögenswert des Nachlasses mit einbeziehen und eine Erbensuche daher auch unterlassen. Andernfalls würde die gesetzgeberische Wertung, die bei werthaltigem Nachlass die Durchführung der Erbenermittlung in Form des Aufforderungsverfahrens zwingend vorschreibt, bei einem die Kosten des Verfahrens nicht deckenden Nachlasswert die Durchführung jedoch in das Ermessen des Gerichts stellt, untergraben. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich das Nachlassgericht bei seiner Entscheidung auf Aussagen Dritter verlassen darf – beispielsweise auf Aussagen von Angehörigen, die die Erbschaft wegen vermuteter Überschuldung ausschlagen. Selbstverständlich muss das Nachlassgericht in diesem Fall eigene Ermittlungen zum Wert des Nachlasses anstellen, welche als Grundlage der Entscheidung dienen.582
580 So ausdrücklich OLG München, Beschluss vom 05. 05. 2011 – 31 Wx 164/11 – NJWRR 2011, 1379 (1381), juris Rz. 16. 581 Ebenso Holl, Rpfleger 2008, 285 (288). 582 So wohl auch die im Ergebnis zutreffende, aber oft missverstandene Auffassung des LG Stade, Beschluss vom 17. 12. 2003 – 9 T 53/02 – Rpfleger 2004, 568 (ebd.); LG Stade, Beschluss vom 05. 02. 2002 – 9 T 290/01 – Rpfleger 2004, 568 (ebd.).
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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dd) Zwischenergebnis: Bei Überschuldung besteht keine Erbenermittlungspflicht aus § 1964 BGB Bei überschuldetem oder einem die Kosten des Aufforderungsverfahrens des § 1965 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht übersteigenden Nachlass besteht demnach – in Übereinstimmung mit der gesetzgeberischen Wertung aus § 1965 Abs. 1 S. 2 BGB – keine Erbenermittlungspflicht des Nachlassgerichts. c) Erforderlichkeit der Feststellung des Fiskuserbrechts auch bei Überschuldung? Zu klären ist im Anschluss die Frage, wie das Nachlassgericht verfahren soll, wenn es von der Nichtermittelbarkeit der Erben überzeugt ist und deshalb die Erbenermittlungstätigkeit einstellt, respektive nicht mehr aktiv betreibt oder unter Berufung auf die Überschuldung des Nachlasses (nach Auffassung des Gerichts als Folge eigener Ermittlungen) die Erbensuche wegen Unverhältnismäßigkeit überhaupt nicht anstellt. Soll das Gericht dann trotz Überschuldung verpflichtet sein, das Fiskuserbrecht festzustellen? aa) Entbehrlichkeit der Feststellung Jochum/Pohl583 lehnen bei erschöpften oder unzulänglichen Nachlässen die Erforderlichkeit eines Feststellungsbeschlusses gem. § 1964 BGB ab. Der Fiskus hafte schließlich nur mit dem Nachlass, daher sei die Feststellung des Fiskuserbrechts bei überschuldeten Nachlässen untunlich. Sie empfehlen eine Liquidation des Nachlasses durch den Nachlasspfleger und eine quotale Verteilung des Erlöses an die Nachlassgläubiger. Nur wenn der Nachlasspfleger auf Widerstand einzelner Gläubiger stoße, die sich mit dessen vorgeschlagenem Ablauf nicht einverstanden erklären oder „trotz Erschöpfung des Nachlasses glauben, ihre Ansprüche weiterverfolgen zu sollen584“ könne ein solcher Beschluss ausnahmsweise sinnvoll sein. Auch Zimmermann585 sieht die Feststellung des Fiskuserbrechts in dieser Konstellation als sinnlos an und fordert daher, dass diese unterbleiben solle. Ähnlich argumentieren auch Firsching/Graf586 : Bei überschuldetem Nachlass sei die Feststellung des Fiskuserbrechts überflüssig. Wenn Aktiva überhaupt vorhanden seien, müsse ein Nachlasspfleger bestellt werden, der dann Insolvenzantrag stellen werde. 583
Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 1053. Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 1053. 585 Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 927. 586 Firsching/Graf/Graf, Nachlassrecht, Rz. 4.521; dem zustimmend: Mayer, ZEV 2010, 445 (449). 584
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Teil 3: Lösungsansätze
Frohn587 lehnt eine Feststellung des Staatserbrechts beim Fehlen einer Nachlassmasse, die den Aufwand lohne, ebenfalls ab. Der Fiskus habe in diesen Fällen kein vernünftiges Interesse daran, dass er als Erbberechtigter festgestellt werde, da er mit der Abwicklung des Nachlasses belastet werde, aufgrund des Umstands, dass ihm die Ausschlagungsmöglichkeit gem. § 1942 Abs. 2 BGB nicht zustehe. Marotzke588 und diesem folgend Trimborn von Landenberg589 sprechen sich ebenfalls gegen eine Feststellung des Fiskuserbrechts aus – auch wenn diese von einem Nachlassgläubiger beantragt werde. Der Gläubiger sei auf das für den Nachlass weniger belastende Verfahren der Prozesspflegschaft gem. § 1961 BGB zu verweisen. bb) Risiken einer unterlassenen Feststellung des Fiskuserbrechts Der Umgang mit überschuldeten Nachlässen ohne eine Feststellung des Fiskuserbrechts birgt jedoch zahlreiche Risiken. Jochum/Pohl590 schlagen beispielsweise eine Abwicklung des Nachlasses in gleicher Weise vor, als hätte das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Ermangelung einer die Verfahrenskosten deckenden Masse gem. §§ 26, 54 InsO abgelehnt oder als wären Kosten des Insolvenzverfahrens „offensichtlich nicht gedeckt“.591 Vielmehr könne der Nachlasspfleger sogleich mit „der Aufteilung des vorhandenen Nachlasses“ auf die einzelnen Gläubiger beginnen.592 Nur wenn sich einzelne Gläubiger mit dem vom Nachlasspfleger vorgeschlagenen Verfahren nicht einverstanden erklärten, könne die Feststellung des Fiskuserbrechts sinnvoll sein. Aus § 1936 BGB in Verbindung mit § 2011 BGB ergebe sich, dass der Staat nach Feststellung des Fiskalerbrechts „in jedem Fall nur mit dem Nachlass hafte“ und weitergehende Ansprüche von Nachlassgläubigern nicht realisierbar seien.593 Diese Auffassung entspricht der in der Praxis weit verbreiteten Verfahrensweise, worauf Nöll594 besorgt hinweist. cc) Verpflichtung zur Feststellung Demgegenüber wird vertreten, dass eine Verpflichtung des Nachlassgerichts zur Feststellung des Fiskuserbrechts bestehe – unabhängig vom Bestand des Nachlasses. 587 588 589 590 591 592 593 594
Frohn, Rpfleger 1986, 37 (38). Staudinger-BGB/Marotzke, § 1964 Rz. 3. Burandt/Rojahn-BGB/Trimborn von Landenberg, § 1964 Rz. 3. Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 1053, mit Verweis auf Rz. 518 ff. Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 518. Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 518. Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 1053. Nöll, ZInsO 2012, 814 (820).
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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Muscheler595 hält die Feststellung des Fiskuserbrechts auch bei überschuldetem oder fehlendem Nachlass für zwingend notwendig, und zwar auch dann, wenn dies nicht von einem Nachlassgläubiger beantragt wurde. Dies gebiete die Ordnungsfunktion des Staatserbrechts. Zudem weist er darauf hin, dass das Gesetz im Falle unzulänglichen Nachlassvermögens lediglich den Aufwand des Verfahrens begrenze, § 1965 Abs. 1 Satz 2 BGB. Holl596 kritisiert, dass bei einer unterlassenen Feststellung aufgrund der Geringwertigkeit des Nachlasses ein beim Tatbestandsmerkmal eingeräumtes Ermessen eine gebundene Entscheidung aushebelt. Denn die Vorschrift des § 1964 BGB setze lediglich voraus, dass, das Fiskuserbrecht festzustellen sei, wenn der Erbe innerhalb einer den Umständen nach angemessenen Frist nicht ermittelt werde. Daher bestehe insoweit hinsichtlich der Erforderlichkeit der Feststellung kein Ermessen. Auch das LG Düsseldorf597 hat sich für eine Verpflichtung des Gerichts zur Feststellung des Fiskuserbrechts ausgesprochen. Beantrage ein Gläubiger Feststellung des Fiskuserbrechts im Falle eines überschuldeten oder fehlenden Nachlasses, dann müsse dies durch das Nachlassgericht geschehen.598 Das Verfahren sei nicht überflüssig, vielmehr bestehe ein Bedürfnis an der Feststellung. Durch die Feststellung des Fiskuserbrechts werde es dem Nachlassgläubiger ermöglicht, seine Ansprüche gegen den Fiskus als Erben geltend zu machen. Unabhängig von möglichen Erfolgsaussichten seiner Ansprüche dürfe ihm die Möglichkeit der Rechtsverfolgung nicht dadurch genommen werden, dass das Nachlassgericht die Feststellung des Fiskuserbrechts unterlasse. Die Ausnahme des Gesetzgebers in § 1965 Abs. 1 Satz 2 BGB bringe dessen Willen zum Ausdruck, dass auch bei geringen oder überschuldeten Nachlässen ein Feststellungsverfahren durchzuführen sei. Das OLG München599 führt zudem noch die Ordnungsfunktion des Fiskuserbrechts – das Bestreben herrenlose Nachlässe zu vermeiden sowie eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung sicherzustellen600 – an, die unabhängig von der Werthaltigkeit des Nachlasses bestehe. Der Staat erfülle bei der Abwicklung des Nachlasses tatsächlich auch polizeiliche Aufgaben.601 Die Realisierung der Abwicklung des Nachlasses ohne materiell-rechtlich Berechtigten durch Nachlasspflegschaft, Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenzverfahren sei „aus Gründen 595
Muscheler, Erbrecht, Rz. 1646. Holl, Rpfleger 2008, 285 (288). 597 LG Düsseldorf, Beschluss vom 14. 04. 1981 – 25 T 199/81 – Rpfleger 1981, 358 (ebd.), juris Rz. 6. 598 LG Düsseldorf, Beschluss vom 14. 04. 1981 – 25 T 199/81 – Rpfleger 1981, 358 (ebd.), juris Rz. 6. 599 OLG München, Beschluss vom 05. 05. 2011 – 31 Wx 164/11 – NJW-RR 2011, 1379 (1380), juris Rz. 12 unter Bezugnahme auf Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Auflage, § 13 I 2. 600 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1936 Rz. 2; Soergel-BGB/Stein, § 1936 Rz. 1; Burandt/ Rojahn-BGB/Große-Boymann, § 1936 Rz. 1; Lange, Erbrecht § 25 Rz. 108. 601 Unter Hinweis auf Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 13 I 2. 596
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Teil 3: Lösungsansätze
der Ordnungsfunktion […] nicht ausreichend“602. Die öffentlich-rechtliche Durchführung der Nachlassabwicklung sei gerechtfertigt, da der Staat über einen entsprechenden Verwertungsapparat verfüge. Ferner führt das OLG München603 zur Begründung seiner Auffassung die Ausnahme des § 1965 Abs. 1 Satz 2 BGB an, wonach die Einleitung des Feststellungsverfahrens in § 1964 BGB gerade nicht von der Vermögenssituation des Nachlasses abhänge, sondern in diesen Fällen auch durchzuführen sei – lediglich ohne das in anderen Fällen zwingend vorgeschriebene Aufforderungsverfahren. Daher habe die Vermögenssituation des Nachlasses keinerlei Einfluss auf die Erforderlichkeit der Durchführung eines Feststellungsverfahrens nach § 1964 BGB, sondern diene lediglich als Ermessensmaßstab für die vorherigen Ermittlungen hinsichtlich möglicherweise zugunsten Dritter bestehender Erbrechte. Auch Schlüter604 spricht sich für eine Verpflichtung zur Feststellung aus. Zweck von § 1964 BGB sei schließlich auch die Schaffung der Voraussetzungen zur Aufhebung der Nachlasspflegschaft und die Vermeidung einer unnützen Forschung nach entfernten Verwandten.605 dd) Bewertung und eigene Auffassung Zunächst haben die vorausgegangenen Ausführungen verdeutlicht, dass die vom OLG München vorgeschlagene Trennung von Erbenermittlungspflicht aus § 1964 und der Erforderlichkeit eines Feststellungsbeschlusses gem. § 1964 BGB zu begrüßen ist. Nur durch die Differenzierung lassen sich die auftretenden Fallkonstellationen angemessen und sachgerecht bewerten. (1) Feststellungsbeschluss ist eine gebundene Entscheidung So ist in § 1964 BGB eine gebundene Entscheidung vorgesehen, die inhaltlich unabhängig von der Ermessensentscheidung hinsichtlich des Umfangs und der zeitlichen Ausgestaltung der Erbensuche zu treffen ist. Das Ermessen des Nachlassgerichts bezieht sich einzig auf Art und Umfang der Erbenermittlung, wie durch § 1965 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommt. Zur Vermeidung unverhältnismäßiger Kosten ist dort eine Verschlankung des Verfahrens vorgesehen, allerdings kommt dadurch der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass die Feststellung des Fiskuserbrechts unabhängig vom Bestand des Nachlasses ergehen muss. Das Nachlassgericht darf daher nicht unter Berufung auf die Geringwertigkeit des Nachlasses oder dessen Überschuldung von der Feststellung des Fiskuserbrechts 602
OLG München, Beschluss vom 05. 05. 2011 – 31 Wx 164/11 – NJW-RR 2011, 1379 (1380), juris Rz. 12. 603 OLG München, Beschluss vom 05. 05. 2011 – 31 Wx 164/11 – NJW-RR 2011, 1379 (1381), juris Rz. 16. 604 Erman-BGB/Schlüter, § 1964 Rz. 2. 605 Erman-BGB/Schlüter, § 1964 Rz. 1.
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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absehen.606 Ein Ermessen des Nachlassgerichts hinsichtlich der Feststellung des Fiskuserbrechts besteht daher nicht.607 (2) Wahrung der Stellung des Erben im Rechtsverkehr durch den Fiskus – Ordnungsfunktion Für das Erfordernis einer Feststellung spricht zudem, dass den Staat die gleichen Pflichten treffen wie jeden anderen Erben auch. Die Feststellung dient daher auch der Sicherheit im Rechtsverkehr, wenn dadurch sichergestellt wird, dass zentrale Pflichten des Erben wahrgenommen werden. Hier ist insbesondere an die Wahrung der Insolvenzantragspflicht aus § 1980 BGB zu denken. Bemerkenswert ist, dass bis zur Feststellung des Fiskuserbrechts in dieser Konstellation keine gegenüber Nachlassgläubigern insolvenzantragspflichtige Person existiert – sofern man diesbezüglich zutreffend eine Insolvenzantragspflicht für Nachlasspfleger verneint.608 Die Ordnungsfunktion des Staatserbrechts spricht ebenfalls für eine erforderliche Feststellung auch bei Überschuldung. Denn es bestehen zahlreiche Abwicklungsaufgaben im Zusammenhang mit dem Nachlass, die beispielsweise durch einen Insolvenzverwalter nicht vorgenommen werden können, da dessen Wirkungskreis durch § 1 InsO eindeutig auf die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger begrenzt ist. So muss beispielsweise auch die Vollbeendigung einer Gesellschaft hinter die vorrangig zu beachtenden Gläubigerinteressen zurücktreten609 – warum sollte dann für den Nachlass etwas anderes gelten. Dies verdeutlicht, dass die Argumentation des OLG München zutrifft und eine ordnungsgemäße Abwicklung des Nachlasses ohne materiell-rechtlich Berechtigten (und Verpflichteten) nicht möglich ist. Verzichtete man darauf, führte dies dazu, dass tatsächlich ein herrenloser Nachlass existierte. Bei Berücksichtigung des Grundsatzes des Vonselbsterwerbs („kein Nachlass ohne Erbe“) und der Stellung des Fiskus als gesetzlichem Noterben wird deutlich, dass ein Interesse des Fiskus an der Erbenstellung gerade nicht an materiellen Gesichtspunkten ausgerichtet werden kann. Diese Aspekte spielen für den Fiskus gerade keine Rolle, ist er doch nicht zur Ausschlagung berechtigt. Andernfalls liefe die gesetzgeberische Wertung, die durch die Noterbenstellung des Fiskus zum Ausdruck kommt, leer.
606
So auch LG Düsseldorf, Beschluss vom 14. 04. 1981 – 25 T 199/81 – Rpfleger 1981, 358 (ebd.), juris Rz. 6 jedenfalls für den Fall, wenn ein Nachlassgläubiger die Feststellung des Fiskuserbrechts beantragt. 607 Unzutreffend für ein Ermessen aber BayObLG, Beschluss vom 12. 12. 1957 – BReg. 1 Z 24/57 – BayObLGZ 1957, 360 (365). 608 Siehe dazu die Ausführungen unter Teil 2, B. I. 2. 609 BGH, Teilurteil vom 24. 09. 2009 – IX ZR 234/07 – WM 2009, 2181 (2184), juris Rz. 27; BGH, Urteil vom 21. 04. 2005 – IX ZR 281/03 – BGHZ 163, 32 (35), juris Rz. 8; BGH, Urteil vom 05. 07. 2001 – IX ZR 327/99 – BGHZ 148, 252 (258 f.); juris Rz. 20.
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Teil 3: Lösungsansätze
(3) Zeitlicher Aspekt Hinzu kommt eine zeitliche Komponente: Bis zur Feststellung des Fiskuserbrechts werden die Verpflichtungen des Erben nicht erfüllt, die ihn im Rechtsverkehr treffen und sich originär aus seiner Erbenstellung ergeben. In diesem zwischen Erbfall und Feststellung der Erbenstellung liegenden Zeitraum laufen erbrechtliche Schutzvorschriften in Ermangelung eines materiell-rechtlich Verpflichteten leer. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die mit der Erbenstellung verbundenen Verpflichtungen eine Annahme der Erbschaft oder in Bezug auf den Fiskus einen Feststellungsbeschluss mit dem Inhalt, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, voraussetzt. Der Gesetzgeber hat durch die Möglichkeit der Verschlankung des Feststellungsverfahrens in zeitlicher und finanzieller Hinsicht die Möglichkeit geschaffen, zum Schutz des Rechtsverkehrs die Erbenstellung des Staates zeitnah nach dem Erbfall herbeizuführen, ohne dass beträchtliche Ermittlungen nach unbekannten Erben anzustellen wären. Unter konsequenter Berücksichtigung der Ordnungsfunktion des Fiskuserbrechts ist daher eine Feststellung ohne nachvollziehbare zeitliche Verzögerung unzulässig. Vielmehr muss sichergestellt werden, dass der Zustand der unklaren Gesamtrechtsnachfolge für den Nachlass schnellstmöglich beendet wird, wenn die Überschuldung des Nachlasses feststeht. Mit der Feststellung ist die Erbensuche abgeschlossen sowie der Eintritt des Staates in die Erbenstellung und die damit verbundene Übernahme der Rechte und Pflichten des Erben im Rechtsverkehr sichergestellt. (4) Unbekannte Erben verlieren ihre Rechte durch den Feststellungsbeschluss des § 1964 BGB nicht Darüber hinaus führt der Feststellungsbeschluss für sich genommen zu keiner Verschlechterung der Rechtslage des Erben.610 Der Feststellungsbeschluss gem. § 1964 Abs. 1 BGB begründet bekanntlich die Vermutung, dass der Staat gesetzlicher Erbe ist, § 1964 Abs. 2 BGB. Hintergrund der Vermutungswirkung ist das Verwandtenerbrecht des § 1929 BGB, welches das Nichtvorhandensein eines Erben nach einer entfernteren Ordnung nahezu ausschließt.611 Der Feststellungsbeschluss hat weder zur Folge, dass das Staatserbrecht konstitutiv begründet wird, noch dass andere Erben konstitutiv von der Erbschaft ausgeschlossen werden.612 „Es wird nur ein provisorischer Zustand geschaffen, welcher rückgängig gemacht werden kann.“613 Die Vermutung des Fiskuserbrechts ist widerlegbar.614 Der Beweis des Gegenteils ist zulässig, § 292 ZPO. 610 BGH, Beschluss vom 23. 11. 2011 ¢ IV ZB 15/11 – NJW 2012, 543 (454), juris Rz. 8; So auch Holl, Rpfleger 2008, 285 (286); Soergel-BGB/Stein, § 1964 Rz. 1; BeckOK-BGB/ Siegmann/Höger, § 1964 Rz. 2; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rz. 9; Staudinger-BGB/ Marotzke § 1964 Rz. 13. 611 Damrau-PK-Erbrecht/Boecken, § 1964 BGB Rz. 10; Soergel-BGB/Stein, § 1964 Rz. 6. 612 Muscheler, Erbrecht, Rz. 1647; Damrau-PK-Erbrecht/Boecken, § 1964 BGB Rz. 10. 613 Mugdan, Band V, S. 297.
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Unermittelte vorrangige Erben haben daher weiterhin die Gelegenheit, ihr Erbrecht nachzuweisen und die Vermutung zu widerlegen. Dazu steht ihnen neben der Erbrechtsfeststellungsklage auf dem Prozessweg auch das Erbscheinsverfahren615 zur Verfügung. Die Durchsetzung des Erbschaftsanspruchs (§ 2018 BGB) gegen den Fiskus ist noch dreißig Jahre ab dem Zeitpunkt des Erbfalls möglich, §§ 197 Abs. 1 Nr. 1, 200 BGB. Durch die Feststellung des Fiskuserbrechts werden etwa vorhandene vorrangige Erben also nicht in ihrer Erbberechtigung eingeschränkt oder an der Geltendmachung ihres Erbrechts gehindert. Daher steht die Feststellung des Fiskuserbrechts im Fall überschuldeter Nachlässe dem Interesse eines unermittelten Erben nicht entgegen. (5) Zwischenergebnis Dem Staat kommt also als Zwangserbe eine Doppelfunktion zu: Bei werthaltigem Nachlass verwaltet und sichert er diesen; bei geringwertigem Nachlass oder Überschuldung rückt die Ordnungsfunktion stärker in den Mittelpunkt, um herrenlose Nachlässe zu vermeiden und den Grundsatz des Vonselbsterwerbs konsequent umzusetzen. In jedem Fall hat der Wert des Nachlasses keinen Einfluss auf die Erforderlichkeit der Feststellung des Fiskalerbrechts, sondern nur auf den Umfang des dazu erforderlichen Verfahrens. Der Grundsatz „kein Nachlass ohne Erbe“ muss auch für einen zuverlässig funktionierenden Rechtsverkehr durch den Staat sichergestellt werden. d) Zusammenfassung Bei Überschuldung besteht keine Ermittlungspflicht des Gerichts hinsichtlich unbekannter Erben. Das Fiskuserbrecht ist unabhängig von der finanziellen Situation des Nachlasses festzustellen. Weiterhin folgt aus der Feststellung, dass der Erbe jetzt bekannt ist (§ 1960 Abs. 1 BGB), weshalb eine gegebenenfalls bestehende Nachlasspflegschaft aufzuheben ist, §§ 1960 Abs. 1, 1942 Abs. 2 BGB. Ab der Feststellung kann vom Fiskus als gesetzlichem Erben und gegen den Fiskus als gesetzlichen Erben ein Recht geltend gemacht werden, § 1966 BGB. Der Fiskus übernimmt alle Rechte und Pflichten, die aus der Erbschaft folgen.616 614 BGH, Beschluss vom 23. 11. 2011 ¢ IV ZB 15/11 – NJW 2012, 543 (454), juris Rz. 8; OLG Rostock, Urteil vom 24. 10. 1996 – 7 U 137/96 – BeckRS 1996, 13395, juris Rz. 32; so auch Holl, Rpfleger 2008, 285 (286); Soergel-BGB/Stein, § 1964 Rz. 1; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1964 Rz. 2; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rz. 9; Staudinger-BGB/Marotzke § 1964 Rz. 13. 615 BayObLG (1. ZS), Beschluss vom 22. 07. 1983 – BReg. 1 Z 49/83 – BayObLGZ 1983, 204 (ebd.); Burandt/Rojahn/Trimborn von Landenberg, § 1964 Rz. 4; BeckOK-BGB/Siegmann/Höger, § 1964 Rz. 5; Mayer, ZEV 2010, 445 (452); MünchKomm-BGB/Leipold, § 1964 Rz. 9; Staudinger-BGB/Marotzke § 1964 Rz. 19; Erman-BGB/Schlüter, § 1964 Rz. 3. 616 Mayer, ZEV 2010, 445 (446); Soergel-BGB/Stein, § 1936 Rz. 1; MünchKomm-BGB/ Leipold, § 1936 Rz. 21; BeckOK-BGB/Müller/Christmann, § 1936 Rz. 8; Lange, Erbrecht § 25 Rz. 109; Muscheler, Erbrecht, Rz. 1645; Erman-BGB/Schlüter, § 1936 Rz. 1.
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Teil 3: Lösungsansätze
2. Die Dürftigkeitseinrede des Fiskalerben – Regelungsgehalt der Vorschriften §§ 1990 ff. BGB Der Erbe haftet gem. §§ 1922, 1967 BGB für Nachlassverbindlichkeiten auch mit seinem Eigenvermögen. Will der Erbe seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass beschränken, kann er die Nachlassverwaltung oder im Falle der Überschuldung des Nachlasses Nachlassinsolvenz beantragen. Die Durchführung derartiger Verfahren setzt aber eine die Verfahrenskosten deckende Masse voraus, vgl. §§ 1982, 1988 Abs. 2 BGB und 26, 207 InsO, sofern die Kosten nicht durch den Erben oder einen Nachlassgläubiger entrichtet werden.617 Wird der Erbe von einem Nachlassgläubiger zur Zahlung aufgefordert, kann er durch Erhebung der Einrede des § 1990 BGB die Befriedigung dieses Nachlassgläubigers verweigern, soweit der Nachlass dazu nicht ausreicht und es an einem die Kosten eines Insolvenzverfahrens deckenden Nachlass fehlt – er kann seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten damit auch auf diesem Wege auf den Nachlass beschränken und damit einen Zugriff der Nachlassgläubiger in sein Eigenvermögen abwehren. Die Einredeerhebung zur Haftungsbeschränkung ist auch bei Steuerverbindlichkeiten618 oder bei einer Inanspruchnahme als Sanierungsverantwortlicher nach dem Bundesbodenschutzgesetz619 möglich. Dabei muss der Nachlass nicht überschuldet sein,620 gleichwohl ist im Regelfall bei dürftigen Nachlässen anzunehmen, dass diese auch überschuldet sind.621 Dürftigkeit liegt beispielsweise auch dann vor, wenn der einzige vorhandene Nachlassgegenstand nicht oder nicht sinnvoll verwertet werden kann.622 Diese Regelung ist notwendig, da der Erbe zur Haftungsbeschränkung andernfalls gezwungen wäre, Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse zu beantragen und den zur Durchführung der Kosten des Verfahrens erforderlichen Geldbetrag „vorzuschießen“, § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO.623 Alternativ bliebe dem Erben die Möglichkeit der vertraglichen Haftungsvereinbarung mit den Gläubigern des Nachlasses, bei der er sich jedoch in einer denkbar schlechten Verhandlungsposition befände.624 Der Erbe wird in dieser Konstellation daher als besonders schutzwürdig625 angesehen. 617
Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 1; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 1. Vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. 05. 2006 – 3 K 153/05 – DStRE 2007, 500 (ebd.), juris Rz. 43; VG Köln, Urteil vom 24. 08. 2010 – 14 K 1654/09 – ZEV 2011, 93 (ebd.), juris Rz. 12; App, DStR 1985, 31 f.; Hartmann, ZEV 2009, 324 ff. 619 Joachim/Lange, ZEV 2011, 53 (58 f.). 620 MünchKomm-BGB/Küpper, 1990 Rz. 2; RGRK-BGB/Johannsen, § 1990 Rz. 4; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 2; Palandt/Weidlich, § 1990 Rz. 2; Erman-BGB/Schlüter, § 1990 Rz. 1; a.A.: Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 3; da vorliegend nur der Fall überschuldeter Nachlässe interessiert, ist der Streit nicht von Belang. 621 MünchKomm-BGB/Küpper, 1990 Rz. 2; Erman-BGB/Schlüter, § 1990 Rz. 1. 622 BGH, Urteil vom 10. 11. 1982 – IVa ZR 29/81 – BGHZ 85, 274 (280), juris Rz. 20. 623 Vgl. MünchKomm-BGB/Küpper, 1990 Rz. 1; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 1; Dt.ErbRK/Jülicher, § 1990 BGB Rz. 1; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 1. 624 Zutreffend insoweit Muscheler, Erbrecht, Rz. 3657. 618
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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Im Gegensatz zur Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz findet keine absolute Separation der Vermögensmassen Nachlass und Eigenvermögen des Erben statt, da der Erbe die Verfügungsbefugnis über den Nachlass behält. Die Trennung der Vermögensmassen findet lediglich rechnerisch statt,626 auch wenn sie im Ergebnis zu einer Trennung von Eigenvermögen des Erben und Nachlass führt. Nachlassgläubiger können zur Befriedigung ihrer Ansprüche in der Folge ausschließlich auf den Nachlass zurückgreifen. Der Erbe lehnt mit der Erhebung der Dürftigkeitseinrede lediglich die Befriedigung des Nachlassgläubigers in der Höhe ab, in der er Eigenmittel aufbringen müsste, weil der Nachlass nicht ausreicht. Der Erbe bestreitet also weder das Bestehen einer Forderung, noch deren Höhe. Er lehnt lediglich eine Haftung mit seinem Eigenvermögen ab. Daher macht er mit der Erhebung der Einrede deutlich, dass er den Nachlass vollständig zur Befriedigung des Nachlassgläubigers zur Verfügung stellt. Für den Fiskus als Erben gilt nichts anderes. Grundsätzlich gehen Nachlassverbindlichkeiten ebenfalls auf den Staat als gesetzlichen Erben über, §§ 1922, 1967 BGB.627 Da ihm jedoch die Möglichkeit der Ausschlagung der Erbschaft gem. § 1942 Abs. 2 BGB verwehrt ist, sieht das Gesetz einen zusätzlichen Schutz vor, um ihn vor einer Haftungsausuferung für den Erbanfall überschuldeter Nachlässe zu schützen, indem es die Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung für den Fiskalerben erleichtert. So kann sich der Fiskus als Erbe auf die Haftungsbeschränkung auch dann berufen, wenn diese ihm im Urteil nicht vorbehalten ist, § 780 Abs. 2 ZPO. Auch kann für den gesetzlichen628 Fiskalerben gem. § 2011 Satz 1 BGB keine Inventarfrist bestimmt werden (eine gleichwohl gesetzte Frist ist unwirksam), wodurch sichergestellt ist, dass er seine Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nicht durch Versäumung selbiger gem. § 1994 BGB verlieren kann. Nicht gänzlich zutreffend ist jedoch die Aussage, dass der Fiskalerbe wegen § 2011 BGB „in jedem Fall nur mit dem Nachlass haftete und weitergehende Ansprüche von Nachlassgläubigern nicht realisierbar seien“, wie von Jochum/Pohl629 oder Graf630 behauptet. Auch der Fiskus als Erbe muss zur Haftungsbeschränkung auf den Nachlass ein Insolvenzverfahren oder die Nachlassverwaltung beantragen oder
625
Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 1; Hausmann/Hohloch/Joachim, Handbuch des Erbrechts, S. 1467 Rz. 30. 626 Erman-BGB/Schlüter, § 1991 Rz. 1; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 2; Hartmann, ZEV 2009, 324 (326); Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 1; Herzog, ErbR 2003, 71 (74). 627 MünchKomm-BGB/Leipold, § 1936 Rz. 24; Lange, Erbrecht, § 25 Rz. 109; BeckOKBGB/Müller-Christmann, § 1936 Rz. 8; Dt.ErbRK/Zecher, § 1936 BGB Rz. 9; Burandt/Rojahn-BGB/Große-Boymann, § 1936 Rz. 9. 628 Die Vorschrift gilt für den gewillkürten Fiskalerben nicht; MünchKomm-BGB/Küpper, § 2011 Rz. 1. 629 Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 1053. 630 Firsching/Graf/Graf, Nachlassrecht, Rz. 4.516.
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Teil 3: Lösungsansätze
bei nicht vorhandenen Mitteln die Dürftigkeitseinrede erheben.631 Da auch dem Fiskus nicht zugemutet werden kann, zur Haftungsbeschränkung die Verfahrenskosten für Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz „vorzuschießen“, ist er insoweit in gleichem Maße schutzbedürftig wie jeder andere Erbe auch, weshalb die Dürftigkeitseinrede für ihn gleichermaßen Anwendung findet. In § 1990 BGB sind die Voraussetzungen für die Erhebung der Dürftigkeitseinrede geregelt, § 1991 BGB weist die Rechtsfolgen der Erhebung aus. In § 1992 BGB wird der Sonderfall des durch Vermächtnisse und Auflagen überschuldeten Nachlass geregelt, der für die hier angestellte Untersuchung jedoch nicht von Bedeutung ist. Die Einreden nach § 1990 BGB werden unterteilt in die Dürftigkeitseinrede (bei Dürftigkeit des Nachlasses), die Unzulänglichkeitseinrede (wenn der Nachlass neben der Dürftigkeit noch überschuldet ist) und die Erschöpfungseinrede (kann erhoben werden, wenn es gänzlich an Nachlassaktiva fehlt).632 Weitergehenden Inhalt, als die Befriedigungsaussichten der Gläubiger, haben die Differenzierungen indes nicht:633 Bei Erhebung der Dürftigkeitseinrede können aus dem Nachlass alle Gläubiger befriedigt werden, die Einrede soll lediglich die Vollstreckung in das Eigenvermögen des Erben verhindern.634 Mittels Unzulänglichkeitseinrede weist der Erbe auf die Überschuldung des Nachlasses hin und stellt klar, dass lediglich der „Nachlassrest“ zur Befriedigung des Nachlassgläubigers herangezogen werden kann. Die Erschöpfungseinrede offenbart, dass keinerlei Befriedigung erfolgen kann, weil schlichtweg keinerlei Nachlassaktiva vorhanden sind.635 Für die hier angestellten Überlegungen liegt der Fokus auf der Dürftigkeit des Nachlasses, welcher für alle Varianten der Einreden Voraussetzung ist und zudem nur die Dürftigkeit des Nachlasses die Insolvenzantragspflicht des Erben entfallen lässt.636
631 Staudinger-BGB/Marotzke, § 2011 Rz. 4; NK-BGB/Erbrecht/Odersky, § 2011 Rz. 1; BeckOK-BGB/Müller-Christmann, § 1936 Rz. 8; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1936 Rz. 24; MünchKomm-BGB/Küpper, § 2011 Rz. 2; Muscheler, Erbrecht, Rz. 1639; Tetzlaff, NJ 2004, 485 (ebd.). 632 Lange, Erbrecht, § 73 Rz. 189; MünchKomm-BGB/Küpper, 1990 Rz. 11; Joachim ZEV 2005, 99 (100); Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 2 – 4; Palandt/Weidlich, § 1990 Rz. 1; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 2; Erman-BGB/Schlüter, § 1990 Rz. 2 f. sowie Rz. 5; Dt.ErbRK/Jülicher,§ 1990 BGB Rz. 2; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 1. 633 Zutreffend Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 2; Palandt/Weidlich, § 1990 Rz. 1; MünchKomm-BGB/Küpper, 1990 Rz. 11. 634 MünchKomm-BGB/Küpper, 1990 Rz. 11; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 2; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 3; Erman-BGB/Schlüter, § 1990 Rz. 2. 635 Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 2; Erman-BGB/Schlüter, § 1990 Rz. 5; StaudingerBGB/Marotzke, § 1990 Rz. 22; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 1. 636 Vgl. dazu die Ausführungen unter Teil 3, B. II. 2. d).
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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a) Voraussetzungen der Erhebung der Dürftigkeitseinrede aa) Berufung auf die Dürftigkeit des Nachlasses Mit Erhebung der Einrede nach § 1990 Abs. 1 BGB verweist der Erbe auf die Dürftigkeit des Nachlasses, also dass die vorhandenen Nachlassaktiva nicht ausreichen, um die Kosten der Nachlassverwaltung oder eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu decken,637 und aus diesem Grund die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht tunlich ist (§ 1982 BGB, § 26 Abs. 1 InsO) oder dass aus diesem Grund die Nachlassverwaltung aufgehoben (§ 1988 Abs. 2 BGB) oder das Nachlassinsolvenzverfahren eingestellt worden ist (§ 207 Abs. 1 InsO).638 Zur wirksamen639 Erhebung der Dürftigkeitseinrede muss der Nachlass dürftig – also derart geringwertig – sein, dass die Kosten eines Insolvenzverfahrens aus ihm nicht beglichen werden können. Die Einrede muss nicht prozessual erhoben werden.640 Die Dürftigkeitseinrede kann außerprozessual und prozessual641 geltend gemacht werden.642 Die außerprozessuale Geltendmachung ist der Hauptanwendungsfall im Kontext überschuldeter Nachlässe in Fiskalerbschaft. Zu einem Prozess kommt es nur selten. Dies könnte darin begründet sein, dass schon die außergerichtliche Geltendmachung der Einrede nach § 1990 BGB die Herausgabeverpflichtung des Erben und damit dessen Verpflichtung zur Auskunft einschließlich Rechnungslegung und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. §§ 259, 260 BGB auslöst, worauf Küpper643 berechtigterweise hinweist. Um die Dürftigkeitseinrede zu erheben, muss der Erbe weder die korrekte Variante aus § 1990 BGB bezeichnen noch explizit auf die Vorschrift hinweisen. Ausreichend ist, wenn aufgrund seines Vorbringens eindeutig erkennbar ist, dass er eine Haftungsbeschränkung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass anstrebt.644 Fordert ein Nachlassgläubiger den Erben zur Zahlung auf und entgegnet der Erbe dieser Aufforderung, dass er die vollständige Erfüllung des Anspruchs aufgrund der Dürftigkeit des Nachlasses ablehne, liegt ebenfalls ein Berufen auf die Dürf637
BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 1; MünchKomm-BGB/Küpper, 1990 Rz. 1; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 5. 638 MünchKomm-BGB/Küpper, 1990 Rz. 2; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 3. 639 Zum Fall dass bei Erhebung der Einrede der Nachlass nicht dürftig ist, der Erbe dies lediglich behauptet, vgl. unten Teil 3, B. II. 3. e). 640 Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 07. 06. 1999 – 3 W 32/99 – OLGR Schleswig 1999, 369 (370), juris Rz. 20. 641 Vgl. dazu die Ausführungen insbes. bei Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 11 – 16 und 20 – 23. 642 Bonefeld/Kroiß/Tanck-Erbprozess/Krug, S. 604; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 15; Erman-BGB/Schlüter Rz. 8; App, DStR 1985, 31 (ebd.). 643 MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 15. 644 KG Berlin, Urteil vom 21. 11. 2002 – 12 U 32/02 – WM 2003, 1996 (1997), juris Rz. 7.
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Teil 3: Lösungsansätze
tigkeit und somit ein Gebrauch machen von dem ihm in § 1990 BGB eingeräumten Recht vor.645 bb) Tatsächliche Dürftigkeit: Die Ermittlung des Nachlassbestands bei der Prüfung der Anwendbarkeit von § 1990 BGB bei überschuldetem Nachlass erfolgt anhand der zukünftigen Insolvenzmasse Damit eine wirksame Einredeerhebung gem. § 1990 BGB möglich ist, muss ein dürftiger Nachlass vorliegen. Bei Überschuldung des Nachlasses bedeutet dies für den Erben, dass der Nachlass dürftig ist, wenn dieser nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO. Zur Klärung der Frage, ob die Kosten eines Nachlassinsolvenzverfahrens aus dem Nachlass gedeckt werden können, muss logischerweise dessen Bestand ermittelt werden. Wie diese Berechnung erfolgen muss, wird aus der Literatur nicht hinreichend deutlich. Die erbrechtliche Literatur vermischt vielerorts Fragen der Ermittlung der tatsächlichen Dürftigkeit des Nachlasses mit der Frage, wie sich der Bestand eines dürftigen Nachlasses zusammensetzt. Für die Ermittlung eines dürftigen Nachlasses allein entscheidend ist die Frage der Verfahrenskostendeckung durch eine hinreichende Insolvenzmasse im eröffneten Insolvenzverfahren. Nur wenn diese Berechnung zum Ergebnis gelangt, dass ein dürftiger Nachlass vorliegt, kann die Dürftigkeitseinrede wirksam erhoben werden und die in § 1991 BGB angeordneten Rechtsfolgen für die Berechnung des Nachlassbestands zur Anwendung gelangen. Die Berechnung kann dabei freilich nur dann ergebnisoffen sein, wenn die Frage der Dürftigkeit des Nachlasses geklärt und nicht vorausgesetzt wird: Ob ein dürftiger Nachlass vorliegt, ist eine insolvenzrechtliche Frage, weil für die Berechnung die spätere Insolvenzmasse zugrunde gelegt werden muss. Die Berechnungsgrundlage zur Ermittlung des Nachlassbestands bei dessen Untersuchung auf Dürftigkeit unterscheidet sich daher gravierend von der Berechnung des Nachlasses, wenn dessen Dürftigkeit feststeht. Für Verwirrung sorgen hierbei insbesondere die Ansprüche wegen Verwalterhaftung des Erben aus §§ 1978, 1979 und 1980 BGB, die im eröffneten Insolvenzverfahren gem. § 1978 Abs. 2 BGB als zum Nachlass gehörend gelten und daher auch zur Insolvenzmasse zählen. Diese sind im Fall des dürftigen Nachlasses ebenso zu berücksichtigen, weil § 1991 Abs. 1 BGB dies anordnet. Damit ist sichergestellt, dass sich der Erbe seiner Haftung wegen fehlerhafter Verwaltung nicht entziehen kann, auch wenn er nur einen dürftigen Nachlass verwaltet hat. Irreführend ist die Aussage, dass durch Hinzurechnung von Ansprüchen nach § 1991 gegen den Erben
645 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 21 und 33; vgl. Raape, Jherings Jahrbücher 72 (1922) 293 (329 f.); Planck-BGB/Flad, § 1991, Anm. 2 c, S. 211; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 15.
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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die Dürftigkeit des Nachlasses nachträglich entfallen kann.646 Der Erbe verwaltet den Nachlass und haftet im Insolvenzverfahren gem. §§ 1978 ff. BGB für dessen Schmälerungen. Eine Verantwortlichkeit des Erben, nach den §§ 1978 ff. BGB fließt daher bereits in die Berechnung der Insolvenzmasse im Rahmen der Entscheidung von § 26 InsO ein. Wenn durch Vorliegen dieser Ansprüche die Dürftigkeit ausscheidet, weil sie bei deren Berechnung bereits Berücksichtigung gefunden haben müssen, scheidet aber auch § 1991 BGB aus. Nur wenn sich der Nachlassbestand verändert, kann eine eingetretene Dürftigkeit beseitigt werden, nicht aber durch Hinzurechnung von Ansprüchen, die bei der Berechnung der Dürftigkeit relevant sind. Die Vorschrift des § 1991 BGB regelt die Rechtsfolge der erfolgreichen Erhebung der Dürftigkeitseinrede und damit den Umfang des Nachlassbestands, der den Gläubigern im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben ist647, wenn der Nachlass tatsächlich dürftig ist. Die Vorschrift bleibt also bei der Frage, ob (!) überhaupt ein dürftiger Nachlass vorliegt, unberücksichtigt. Zunächst gilt es, das zur Verfahrenskostendeckung gem. § 26 InsO erforderliche Vermögen zu ermitteln. Vermögen des Schuldners i.S.v. § 26 Abs. 1 InsO ist die Zusammenfassung aller gegenwärtigen und zukünftigen liquidierbaren Vermögenswerte, beschränkt auf die pfändbaren Gegenstände, aus denen die Insolvenzmasse gebildet wird.648 Geht der (Fiskal-)Erbe von der Überschuldung des Nachlasses aus, und will er zur Haftungsbeschränkung die Dürftigkeitseinrede erheben, muss er dazu die hypothetische Insolvenzmasse in einem Nachlassinsolvenzverfahren ermitteln und darlegen, dass diese zur Verfahrenskostendeckung eines Insolvenzverfahrens nicht ausreicht. Das Nachlassinsolvenzverfahren ist ein spezielles Insolvenzverfahren, das gem. § 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO über das abgegrenzte Sondervermögen Nachlass eröffnet und nach den Regeln der §§ 315 ff. InsO durchgeführt wird.649 Die Beurteilung der Insolvenzmasse in einem Insolvenzverfahren über den Nachlass650 ist ausgesprochen komplex und kann aufgrund der Schwerpunktsetzung in dieser Ausarbeitung nicht umfänglich dargestellt werden. Daher soll an dieser Stelle lediglich Bezug auf die unstreitig zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände genommen werden, um zu verdeutlichen, wie umfangreich die Ermittlungen sein müssen, um 646 So beispielsweise MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 4; Lange, Erbrecht, § 73 Rz. 192. 647 Zutreffend: BeckOK-BGB/Lohmann, § 1991, Überschrift vor Rz. 5: „Berechnung des herauszugebenden Nachlasses“. 648 MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 20; Jaeger-InsO/Schilken, § 26 Rz. 12. 649 Roth, ZInsO 2010, 118 (ebd.); HambKomm-InsO/Böhm, Vorbem. zu §§ 315 ff. Rz. 1. 650 Vgl. dazu Schmidt-Kessel, WM 2003, 2086 ff., zur Frage: „Was ist Nachlass ?“; Roth/ Pfeuffer/Roth, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 25 – 33; Roth, ZInsO 2010, 118 ff.; FK-InsO/Schallenberg/Rafiqpoor, Vor §§ 315 ff. Rz. 18 – 28; zu knapp daher Fischinger, Die Beschränkung der Erbenhaftung in der Insolvenz, S. 10: „Masse des Nachlassinsolvenzverfahrens ist der Nachlass“.
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Teil 3: Lösungsansätze
eine Verfahrenskostendeckung aufgrund eines dürftigen Nachlasses zuverlässig verneinen zu können. Für die Beurteilung des Umfangs der Insolvenzmasse maßgeblicher Zeitpunkt ist der Tag der Verfahrenseröffnung.651 Zur Insolvenzmasse gehört das gesamte Vermögen, welches zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung zum Nachlass652 gehört,653 daher insbesondere folgende Vermögenswerte654: – Die vom Erblasser hinterlassenen Vermögensgegenstände, die zur Zeit der Eröffnung noch unterscheidbar im Vermögen des Erben vorhanden sind. – Insolvenzanfechtungsansprüche gem. §§ 129 ff. InsO. – Surrogate für aus dem Nachlass veräußerte Gegenstände bei Erbengemeinschaft, Vor- und Nacherbschaft und Testamentsvollstreckung. – Ansprüche aus den §§ 1978 ff. BGB, die gem. § 1978 Abs. 2 BGB als zum Nachlass gehörig gelten, namentlich wegen fehlerhafter Verwaltung, § 1978 BGB, ungerechtfertigter Gläubigerbefriedigung, § 1979 BGB, oder verzögerter Insolvenzantragstellung, § 1980 BGB. – Herausgabe- und Zinsansprüche gem. §§ 1978 Abs. 1, 667 bzw. 668 BGB. In den Kontext der insolvenzrechtlichen Prüfung gehört auch der Fall, in dem der Nachlass erst durch die Verwaltung des Erben „dürftig geworden“ ist und durch Hinzurechnung der Ansprüche gem. § 1978 Abs. 2 BGB diese Dürftigkeit des Nachlasses beseitigt werden kann,655 was eine wirksame Erhebung der Dürftigkeitseinrede ausschließt und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ermöglicht. Ebenfalls berücksichtigt werden müssen bei der Frage nach dem Vorliegen der Dürftigkeit des Nachlasses diejenigen Vermögenswerte, die erst mit Eröffnung des 651 Roth, ZInsO 2010, 118 (119); Roth/Pfeuffer/Roth, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 43; Smid-InsO/Smid, § 315 Rz. 9; Braun/Bauch, InsO § 315 Rz. 5; Nerlich/ Römermann-InsO/Riering, InsO § 315 Rz. 23; Smid, Grundzüge des neuen Insolvenzrechts, § 28 Rz. 6; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rz. 2393; MünchKomm-InsO/Siegmann, Anhang zu § 315 Rz. 29; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 315 Rz. 7; Bartsch, Zerb 2010, 345 (347); HambKomm-InsO/Böhm, Vorbem. zu §§ 315 ff. Rz. 1; Busch, Die Haftung des Erben, S. 64; Jünemann, Zerb 2011, 59 (63). 652 Und daher gerade nicht das „gesamte Vermögen“ des Erben und auch nicht das „Vermögen, das der Schuldner während des Verfahrens erlangt“, zutreffend: MünchKomm-InsO/ Siegmann, Anhang zu § 315 Rz. 9. 653 Roth, ZInsO 2010, 118 (119); Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 315 Rz. 7; Schmidt-Kessel, WM 2003, 2086 (ebd. Fn. 3); MünchKomm-InsO/Siegmann, Anhang zu § 315 Rz. 9. 654 Vgl. die umfangreiche Darstellung bei Roth/Pfeuffer/Roth, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 33. 655 Tatsächlich liegt daher kein dürftiger Nachlass vor, vgl. BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1226 (1227), juris Rz. 28, zu § 1978 BGB; BGH, Urteil vom 02. 07. 1992 – IX ZR 256/91 – NJW 1992, 2694 (2695), juris Rz. 20; Staudinger-BGB/ Marotzke, § 1990 Rz. 7; Lange, Erbrecht, § 73 Rz. 193; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 4.
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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Insolvenzverfahrens entstehen. Ansprüche aus Insolvenzanfechtung entstehen erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.656 Damit sind die Vorschriften der §§ 129 ff. InsO erst ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anwendbar.657 Hier sind insbesondere Rechte zur Insolvenzanfechtung zu nennen. Beachtenswert ist dabei vor allem, dass anfechtungsrechtlich relevante Zeiträume, vgl. §§ 130 ff. InsO, bis zu zehn Jahre zurückliegen können und die rechtlich korrekte Ermittlung der jeweiligen Sachverhalte überaus kompliziert sein kann und daher den durchschnittlichen Erben regelmäßig überfordern dürfte. In der Nachlassinsolvenz sei hier explizit auf die Bedeutung des § 134 InsO hingewiesen, wenn aufgrund eingeräumter Drittbezugsrechte für Prämienzahlungen aus Lebensversicherungen, entweder aufgrund der Prämienzahlung der Lebensversicherung oder aufgrund der aus Sicht des Erblassers unentgeltlichen Zahlung der Versicherungsbeiträge durch den Erblasser für den Bezugsberechtigten, Zahlungen erfolgt sind. Allerdings variiert der für die Insolvenzanfechtung relevante Sachverhalt abhängig vom Inhalt des Versicherungsvertrags. War die Bezugsberechtigung, die der Schuldner für eine von ihm abgeschlossene Lebensversicherung einem Dritten eingeräumt hat, widerruflich, ist Gegenstand der Anfechtung die Auszahlung der Versicherungssumme658, sofern der Versicherungsfall (der Tod des Erblassers) innerhalb der Frist von § 134 InsO erfolgte. Für die in § 134 InsO normierte Vierjahresfrist gilt die Rechtshandlung erst dann als vorgenommen, wenn der Versicherungsfall und damit der Tod des Erblassers eingetreten ist, weil der Dritte den Anspruch auf Auszahlung erst mit Eintritt des Versicherungsfalles erwirbt659 und bis zu diesem Moment vom Versicherungsnehmer beseitigt werden kann.660 War die Bezugsberechtigung aber unwiderruflich eingeräumt worden, hat der Bezugsberechtigte die gesicherte Rechtsstellung bereits im Zeitpunkt der Einräu-
656 Ständige Rechtsprechung, vgl. RG, Urteil vom 05. 01. 1893 – Rep. VI 228/92 – RGZ 30, 71 (74); BGH, Urteil vom 03. 12. 1954 – V ZR 96/53 – BGHZ 15, 333 (337), juris Rz. 14; BGH, Urteil vom 09. 07. 1987 – IX ZR 167/86 – BGHZ 101, 286 (289), juris Rz. 33; BGH, Beschluss vom 29. 04. 2004 – IX ZB 225/03 – WM 2004, 1390 (ebd.), juris Rz. 8; BGH, Beschluss vom 23. 9. 2010 – IX ZB 204/09 – NZI 2011, 73 (ebd. ), juris Rz. 11; BGH, Urteil vom 15. 03. 2012 – IX ZR 249/09 – WM 2012, 713 (716), juris Rz. 25. 657 Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 156. 658 BGH, Urteil vom 26. 01. 2012 – IX ZR 99/11 – WM 2012, 517 (518), juris Rz. 8; BGH, Urteil vom 23. 10. 2003 – IX ZR 252/01 – BGHZ 156, 350 (355), juris Rz. 18; MünchKommInsO/Kirchhof, § 134 Rz. 14, 14a und 14b; FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rz. 24 f; Heilmann, VersR 1972, 997 (1001); Müller-Feldhammer, NZI 2001, 343 (348 f); Thiel, ZIP 2002, 1232 (1236); Bredemeyer, ZEV 2014, 287 (292); Hasse, VersR 2005, 15 (24); Lind/Stegmann, ZInsO 2004, 413 (418); HK-InsO/Thole § 134 Rz. 19; Jünemann, Zerb 2011, 59 (65). 659 BGH, Urteil vom 23. 10. 2003 – IX ZR 252/01 – BGHZ 156, 350 (356), juris Rz. 19. 660 BGH, Urteil vom 23. 10. 2003 – IX ZR 252/01 – BGHZ 156, 350 (357), juris Rz. 22; zutreffend: MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 134 Rz. 16b; Müller-Feldhammer, NZI 2001, 343 (348 f.); a.A. Thiel, ZIP 2002, 1232 (1235): abzustellen sei auf den Zeitpunkt der Benennung.
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Teil 3: Lösungsansätze
mung erlangt,661 sodass dieser Zeitpunkt auch für die Insolvenzanfechtung maßgeblich ist.662 Damit die gesamte Versicherungssumme angefochten werden kann, muss die Einräumung des Bezugsrechts folglich maximal vier Jahre vor dem Insolvenzantrag erfolgt sein. Ist dies nicht der Fall, können einzig die Prämienzahlungen durch den Erblasser innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Antrag angefochten werden, wobei Bereicherungsgegenstand die durch die Prämienzahlung erlangte Wertsteigerung der Bezugsberechtigung ist.663 Riering664 spricht dem Erben gar die Kompetenz ab, die Dürftigkeit zutreffend einschätzen zu können, da es einzig in der Kompetenz des Insolvenzgerichts liege, die Massekostendeckung zu beurteilen. Die schwierigen Fragen, ob Vermögen vorhanden sei oder Anfechtungsansprüche bestünden, bedürfe der Prüfung des unabhängigen Insolvenzgerichts. Bei der Berechnung der Dürftigkeit des Nachlasses irrelevant ist der Aufwendungsersatzanspruch des Erben gem. §§ 1978 Abs. 3, 1979 BGB – unabhängig von dessen Höhe. Ob die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sind, bestimmt sich nach §§ 26, 54 InsO. Die Berechnung der Verfahrenskostendeckung erfolgt „durch einen Vergleich zwischen dem verwertbaren, d. h. dem in angemessener Zeit in Geld umwandelbaren Vermögen des Schuldners und den voraussichtlichen Kosten für das gesamte Insolvenzverfahren“665. Was die Kosten des Insolvenzverfahrens i.S.v. § 26 InsO sind, bestimmt dabei allein § 54 InsO.666 Der Ersatzanspruch des Erben ist im Insolvenzverfahren Masseverbindlichkeit gem. § 324 Abs. 1 Ziff. 1 InsO und gehört wie auch die sonstigen Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gem. § 54 InsO. Liegt eine Dürftigkeit des Nachlasses nach dieser Berechnung nicht vor, kann der Erbe mit einer Berufung auf § 1990 BGB keine Haftungsbeschränkung erreichen. Ihm stehen zur Haftungsbeschränkung die Beantragung von Nachlassverwaltung 661 BGH, Urteil vom 18. 06. 2003 – IV ZR 59/02 – NJW 2003, 2679 (2680), juris Rz. 9; BGH, Urteil vom 17. 02. 1966 – II ZR 286/63 – BGHZ 45, 162 (165), juris Rz. 12. 662 BGH, Urteil vom 27. 09. 2012 – IX ZR 15/12 – ZEV 2013, 272 (273), juris Rz. 8; Uhlenbruck-InsO/Hirte, § 134 Rz. 15. 663 Uhlenbruck-InsO/Hirte, § 134 Rz. 15; Schulz, S. 261 Rz. 46; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481 (500 f.); Hasse, VersR 2005, 15 (24); Lind/Stegmann, ZInsO 2004, 413 (418 f.); Jünemann, Zerb 2011, 59 (65). 664 Nerlich/Römermann-InsO/Riering, § 317 Rz. 6. 665 BGH, Beschluss vom 17. 06. 2003 – IX ZB 476/02 – ZInsO 2003, 706 (ebd.), juris Rz. 7. 666 Ganz h.M. vgl.: Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 118; BGH, Beschluss vom 14. 02. 2010 – IX ZB 224/08 – WM 2010, 2233 (2234), juris Rz. 9, 12; BGH, Beschluss vom 17. 06. 2003 – IX ZB 476/02 – ZInsO 2003, 706 (ebd.), juris Rz. 6; Pape, ZInsO 1999, 597 (ebd.); Hess-InsO/Hess, § 26 Rz. 16 f.; HK-InsO/Kirchhof § 26 Rz. 11 – 16; Kübler/Prütting/ Bork-InsO/Pape § 26 Rz. 5; Kölner Schrift/Kübler, Kapitel 18 Rz. 4 f.; FK-InsO/Schmerbach § 26 Rz. 10; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 7.29; Uhlenbruck-InsO/Uhlenbruck, § 26 Rz. 10; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 15; Jaeger-InsO/Schilken, § 26 Rz. 19 ff.; Pannen, NZI 2000, 575 (576); Kirchhof, ZInsO 2001, 1 (5); Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (104); Pape/ Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, S. 296.
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
191
bzw. Nachlassinsolvenz zur Verfügung. Die in § 1991 BGB normierten Rechtsfolgen kommen daher in der Tat nur zum Tragen, wenn der Nachlass tatsächlich dürftig ist oder eine entsprechende Entscheidung des Nachlass- oder Insolvenzgerichts vorliegt, die für das Prozessgericht bindend ist. b) Beweispflicht des Erben Den Erben trifft die Pflicht zu beweisen, dass der Nachlass tatsächlich dürftig ist.667 Dazu kann auf alle zulässigen Beweismittel zurückgegriffen werden.668 Damit ist der Erbe gerade nicht gezwungen, die Ablehnung eines Antrags auf Eröffnung der Nachlassverwaltung oder eines Nachlassinsolvenzverfahrens nach § 1982 BGB bzw. § 26 Abs. 1 InsO herbeizuführen.669 Den Erben trifft gem. §§ 1990 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 260 BGB die Pflicht, Nachlassgläubigern ein Verzeichnis über den Bestand des Nachlasses vorzulegen. Zur Unterstützung des Nachweises der Dürftigkeit kann der Erbe rechtzeitig ein Inventar errichten, da durch die Vermutungswirkung des § 2009 BGB, dass über das Inventar hinausgehende Nachlassgegenstände nicht vorhanden sind, die Beweisführung im Rahmen der Erhebung der Einrede massiv erleichtert wird. Allerdings reicht die Inventarerrichtung zum Nachweis der Dürftigkeit allein noch nicht aus, da bei der Berechnung der Dürftigkeit auch Nachlassgegenstände zu berücksichtigen sind, die erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen und somit zum Zeitpunkt der Inventarerrichtung noch nicht existent sind. Explizit sei in diesem Zusammenhang erneut auf Haftungsansprüche gegen den Erben oder Ansprüche wegen Insolvenzanfechtung hingewiesen, die zwar nicht in ein Nachlassverzeichnis gem. § 1993 BGB aufzunehmen sind,670 aber zum Nachweis der Dürftigkeit zwingend geprüft werden müssen. Die Inventarerrichtung 667
OLG Koblenz, Urteil vom 31. 05. 2005 – 3 U 1313/04 – NJW-RR 2006, 377 (378), juris Rz. 28 (für den Nachweis der Überschwerung); KG Berlin, Urteil vom 21. 11. 2002 – 12 U 32/ 02 – WM 2003, 1996 (1997), juris Rz. 9; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 03. 09. 2009 – 14 T 6459/09 WEG – FamRZ 2010, 70 (71), juris Rz. 11; OLG Oldenburg, Urteil vom 28. 02. 2000 – 11 U 67/99 – NJWE-FER 2001, 155 (156), juris Rz. 44; Lange, Erbrecht, § 73 Rz. 193; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 3; Palandt/Weidlich, § 1990 Rz. 2; Erman-BGB/ Schlüter, § 1990 Rz. 1; Joachim, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, Rz. 349; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 6; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 4; Burandt/ Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 3; Dt.ErbRK/Jülicher,§ 1990 BGB Rz. 2; BeckOK-BGB/ Lohmann, § 1991 Rz. 4; Baumgärtel/Schmitz,§ 1990 BGB, Rz. 1; Lange, Erbrecht, § 73 Rz. 193. 668 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 6; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 3. 669 Zutreffend daher: RG, Urteil vom 26. 10. 1910 – III 213/10 – RGZ 74, 375 (377); OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. 11. 1999 – 3 Wx 371/99 – NJWE-FER 2000, 95 (ebd.), juris Rz. 9; KG Berlin, Urteil vom 21. 11. 2002 – 12 U 32/02 – WM 2003, 1996 (1997), juris Rz. 8; LG Neuruppin, Beschluss vom 03. 08. 2004 – 5 T 219/04 – ZInsO 2004, 1090 (ebd.), juris Rz. 7; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 6 Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 4; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 3; Erman-BGB/Schlüter, § 1990 Rz. 1; Bonefeld/Kroiß/ Tanck-Erbprozess/Krug, S. 604; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 3; BeckOK-BGB/ Lohmann, § 1990 Rz. 4. 670 Vgl. MünchKomm-BGB/Küpper, § 2001 Rz. 2.
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Teil 3: Lösungsansätze
allein hilft dem Erben nur dann weiter, wenn aus diesem ersichtlich ist, dass ein dürftiger Nachlass vorliegt, also Ansprüche der Nachlassgläubiger in der Nachlassinsolvenz aus Anfechtung oder wegen fehlerhafter Verwaltung oder verzögerter Insolvenzantragstellung gegen den Erben nicht bestehen. Der Beweis, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls weitere Nachlassgegenstände existierten, die nicht inventarisiert wurden, muss durch den Nachlassgläubiger erbracht werden.671 Sollte ein Nachlassgläubiger gar beweisen können, dass dem Erben eine Inventaruntreue gem. § 2005 Abs. 1 Satz 1 BGB vorzuwerfen ist, entfällt freilich die Vermutungswirkung.672 Weiterhin ist der Erbe über die §§ 1991 Abs. 1, 1978 Abs. 1, 681 Satz 2, 666, 259, 260 BGB verpflichtet, über seine Verwaltung des Nachlasses Rechenschaft abzulegen, indem er über Bestand und Verbleib des Nachlasses Rechnung legt,673 beispielsweise durch Aushändigen einer Rechnung, welche eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen bzw. Ausgaben enthält und der die zu deren Überprüfung erforderlichen Belege beigefügt sind.674 Auch steht dem Erbe die Möglichkeit offen, Auskünfte über den ursprünglichen Nachlassbestand und zum Verbleib der Nachlassgegenstände, also einer Begründung der Nachlassminderung zu erteilen675 und diese Angaben eidesstattlich zu versichern.676 Wurde die Dürftigkeit des Nachlasses bereits durch das Nachlassgericht oder das Insolvenzgericht festgestellt, genügt zum Beweis die Vorlage der entsprechenden Entscheidungen des Insolvenz- oder Nachlassgerichts, da diese für das Prozessgericht, das über die Einrede des § 1990 BGB zu entscheiden hat, bindend ist.677 Fehlt es an einer entsprechenden Entscheidung des Insolvenz- oder Nachlassgerichts, sind konkrete Ausführungen des Erben entscheidend – eine nur allgemein auf Mutmaßungen gestützte Befürchtung, der Nachlass werde vielleicht in Zukunft durch das Auftreten weiterer Gläubiger dürftig werden, genügt dieser Anforderung nicht.678 671
BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 4. Dazu ausführlich: Joachim, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, Rz. 439, 472 ff. 673 BGH, Urteil vom 02. 07. 1992 – IX ZR 256/91 – NJW 1992, 2694 (2695), juris Rz. 20; zustimmend: MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 3; MAH-ErbR/Siegmann § 60 Rz. 20. 674 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 33. zustimmend: MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 3; MAH-ErbR/Siegmann § 60 Rz. 20. 675 Lange, Erbrecht, § 73 Rz. 193. 676 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 7. 677 BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1226 (1227), juris Rz. 23; OLG Rostock, Urteil vom 25. 06. 2008 – 1 U 53/08 – BeckRS 2008, 24033, juris Rz. 40: Palandt/Weidlich, § 1990 Rz. 2; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 4; Erman-BGB/ Schlüter, § 1990 Rz. 1; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 3; MünchKomm-BGB/ Küpper, § 1990 Rz. 3; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 6; Lange, Erbrecht, § 73 Rz. 193. 678 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 6. 672
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
193
c) Zeitpunkt für das Vorliegen der Dürftigkeit Entscheidender Zeitpunkt für die Dürftigkeit des Nachlasses ist nach in der Literatur überwiegend vertretener und von der Rechtsprechung bestätigter Ansicht, der Zeitpunkt der Entscheidung über die Einrede und damit der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz.679 Diese Auffassung ist selbstverständlich nur in den Fällen zutreffend, in denen die Einrede auch prozessual geltend gemacht wird. Bei einer außerprozessualen Einredeerhebung ist der Gedanke entsprechend anzuwenden und auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Gläubiger die Möglichkeit hat, über die Einrede des Erben zu entscheiden, namentlich der Zeitpunkt, in dem der Erbe die Einrede erhebt.680 Zutreffend begründet Marotzke681 dies mit dem Umstand, dass die mit der Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens oder einer Nachlassverwaltung hinsichtlich der haftungsbeschränkenden Wirkung funktional vergleichbare Rechtshandlung die gegen den Anspruch erfolgte Berufung auf § 1990 BGB ist. d) Folge tatsächlicher Dürftigkeit des Nachlasses: Entfall der Insolvenzantragspflicht aus § 1980 BGB aa) Bei Dürftigkeit des Nachlasses i.S.v. § 1990 BGB besteht keine Antragspflicht (h.M.) Überwiegend wird vertreten, dass den Erben bei Dürftigkeit des Nachlasses gem. § 1990 BGB keine Insolvenzantragspflicht treffe.682 Zur Begründung wird angeführt, dass der Erbe schließlich bei Berufung auf die Dürftigkeit des Nachlasses gem. § 1990 BGB wegen § 1991 BGB dazu berechtigt sei, die Gläubiger des Nachlasses ohne Insolvenzverfahren aus dem Nachlass zu befriedigen, was eine Insolvenzantragspflicht in der Situation ausschließe.683 Lägen die Voraussetzungen des § 1990 BGB entgegen der Angabe des Erben nicht vor, sei der Erbe selbstverständlich schadensersatzpflichtig, wenn er schuldhaft (i.S.v. § 1980 BGB) verkannt habe, dass der Nachlass nicht dürftig sei. 679 BGH, Urteil vom 10. 11. 1982 – IVa ZR 29/81 – BGHZ 85, 274 (280), juris Rz. 21; Erman-BGB/Schlüter, § 1990 Rz. 1; Lange, Erbrecht, § 73 Rz. 192; Palandt/Weidlich, § 1990 Rz. 2; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 5; a.A.: Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 5 m.w.N., der auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs abstellt; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 7 m.w.N., der den Zeitpunkt der Erhebung der Einrede als maßgeblich erachtet. 680 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 7; OLG Colmar, Urteil vom 02. 03. 1904 – 2. CS – OLGE 8, 271 (ebd.); von Lübtow, Erbrecht, S. 1166; Planck-BGB/Flad, § 1990, Anm. a b, S. 205. 681 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 7. 682 MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 13; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1980 Rz. 19; Damrau-PK-Erbrecht/Gottwald, §1980 BGB Rz. 2; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1991 Rz. 9; Herzog, ErbR 2013, 71 (82). 683 MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 13.
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Teil 3: Lösungsansätze
bb) Bei Dürftigkeit des Nachlasses i.S.v. § 1990 BGB besteht die Antragspflicht fort (a.A.) Dagegen wendet sich Klinck684. Er nimmt Bezug auf die Äußerungen von Nöll685 und führt an, dass die Feststellung, ob eine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden sei, gegebenenfalls eine Prüfung komplexer Rechtsfragen erforderlich mache, etwa im Rahmen der §§ 1978 f. BGB, die sich noch dazu gegen den Erben selbst richten, aber etwa auch des Insolvenzanfechtungsrechts nach den §§ 129 ff. InsO, zu der die Erben regelmäßig aufgrund mangelnder Kompetenz nicht in der Lage seien.686 Daher sei eine Überprüfung der Vermögenslage durch einen neutralen und sachkundigen Dritten auch dann geboten, wenn der Erbe sich darauf berufe, dass keine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden sei. Eine Insolvenzantragspflicht bestehe daher auch bei einem dürftigen Nachlass i.S.v. § 1990 BGB.687 Ferner stützt er seine Auffassung auf einen Beschluss des OLG Stuttgart688, welches für den Nachlassverwalter eine Berufung auf § 1990 BGB zutreffender Weise für unzulässig erklärt. cc) Bewertung und eigene Auffassung Zustimmung verdient Klinck insoweit, als er in Übereinstimmung mit Nöll feststellt, dass der Nachlassbestand nur durch einen Insolvenzfachmann zutreffend ermittelt werden kann und der Erbe mit dieser Prüfung regelmäßig überfordert sein dürfte. Den Äußerungen von Nöll lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass er eine Insolvenzantragspflicht des Erben in Fällen ablehnte, in denen dieser sich auf § 1990 BGB beruft. Daher ist davon auszugehen, dass Nöll einen Entfall der Antragspflicht vom Vorliegen der in § 1990 BGB genannten Voraussetzungen abhängig macht – also einem tatsächlich dürftigen Nachlass. Seine Äußerungen sind folglich dahingehend zu verstehen, dass die Vorgehensweise in der Praxis (eigenständige Abwicklung von Nachlässen bei nur behaupteter, tatsächlich aber nicht vorliegender Dürftigkeit des Nachlasses) kritisiert wird. Der entscheidende Punkt ist folgender: Liegt ein dürftiger Nachlass vor, ergibt die Durchführung eines Insolvenzverfahrens keinen Sinn, weshalb der Gesetzgeber vorgesehen hat, dass der Erbe die Gläubiger – entgegen den Wertungen der gläubigerschützenden §§ 1978, 1979, 1980 BGB bei nicht dürftigem Nachlass – aus dem Nachlass befriedigen darf, vgl. §§ 1990 Abs. 1 Satz 2, 1991 BGB. In diesen Fällen ergibt eine Antragspflicht ganz gleich für welchen Beteiligten daher auch wenig Sinn. Daran ändert das von Klinck und Nöll
684 685 686 687 688
Siehe jurisPK-BGB/Klinck, § 1980 Rz. 3. Nöll, ZInsO 2012, 814 (816 f.). jurisPK-BGB/Klinck, § 1980 Rz. 3. jurisPK-BGB/Klinck, § 1980 Rz. 3. OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. 05. 1984 – 8 W 165/84 – OLGZ 1984, 304 ff.
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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beschriebene Risiko einer Fehleinschätzung der möglichen Nachlassinsolvenzmasse durch den Erben nichts, da dieses allein zu Lasten des Erben geht. Denn geht der Erbe irrig davon aus, der Nachlass sei dürftig, und unterlässt die Antragstellung, ist dies in der Tat sein eigenes Risiko, weil die gesetzlichen Gläubigerschutzvorschriften der §§ 1978, 1979 und 1980 BGB vollständig zur Anwendung gelangen. Damit sich der Erbe mit Erfolg auf die Dürftigkeit des Nachlasses berufen kann, muss der Nachlass auch tatsächlich dürftig sein.689 Liegt bei Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis von der Überschuldung ein die Kosten des Insolvenzverfahrens deckender Nachlass vor, ist der Erbe schadensersatzpflichtig aus § 1980 Abs. 2 BGB, wenn dieser die Insolvenzantragstellung schuldhaft unterlässt. Selbstverständlich umfasst der Fahrlässigkeitsvorwurf auch die irrige Annahme einer nicht vorhandenen Verfahrenskostendeckung durch den Nachlass, da der Erbe in diesen Fällen die Entscheidung ohne eigenes Risiko dem Insolvenzgericht überlassen kann. Das Risiko einer Fehleinschätzung einer die Verfahrenskosten deckenden Masse im Nachlassinsolvenzverfahren trägt daher allein der Erbe. Den Gläubigern steht es frei, die Dürftigkeit des Nachlasses vom Erben beweisen zu lassen oder bei Zweifeln an den Ausführungen des Erblassers, ihrerseits von ihrem Insolvenzantragsrecht aus § 317 Abs. 1 InsO Gebrauch zu machen. Insofern besteht nach geltender Rechtslage kein Diskussionsbedarf, da die von Klinck kritisierte Situation durch das Haftungssystem der §§ 1978, 1979 und 1980 BGB sowie 1990 ff. BGB bereits abgedeckt ist und der Erbe für etwaige schuldhafte Fehleinschätzungen den Nachlassgläubigern haftet.690 3. Folgen der Erhebung der Dürftigkeitseinrede Die Folgen der erfolgreichen Erhebung der Dürftigkeitseinrede sind in § 1991 BGB geregelt und gelten für alle Varianten (Dürftigkeit, Unzulänglichkeit und Erschöpfung). a) Haftungsbeschränkung auf den Nachlass nur bei Vorliegen aller Voraussetzungen oder gerichtlicher Feststellung Ob die Haftungsbeschränkung des Erben auf den Nachlass in Form einer rechnerischen Trennung von Nachlass und Eigenvermögen des Erben durch Erhebung der Einrede auch tatsächlich eintritt, ist nicht einheitlich zu beurteilen, sondern abhängig davon, ob der Nachlass tatsächlich dürftig und überschuldet ist und ob die Einrede prozessual oder außerprozessual erhoben wird. 689
Frieser-KK-Erbrecht/Löhning, § 1990 BGB Rz. 3; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 2; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 9; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 11; StaudingerBGB/Marotzke, § 1990 Rz. 7 und 19. 690 Zur Einredeerhebung durch den Nachlasspfleger vgl. dazu unten Teil 3, B. III.
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Teil 3: Lösungsansätze
Zunächst ist die Konstellation eines tatsächlich dürftigen Nachlasses zu nennen. Erfüllt die inhaltlich vollständige Beweisführung des Erben außerprozessual wie prozessual alle notwendigen Anforderungen, tritt die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass ein. Wenn der Erbe die Einrede der Dürftigkeit in der erforderlichen Weise erhebt, beschränkt sich seine Haftung auf den Nachlass, § 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB.691 Der Erbe haftet lediglich im Rahmen von § 1991 BGB für die Verwaltung des Nachlasses. Denkbar ist allerdings, dass entgegen der Angaben des Erben der Nachlass nicht dürftig war, die vom Erben erbrachten Beweise folglich nicht den in einem Insolvenzverfahren tatsächlich relevanten Nachlasswert hinsichtlich der Verfahrenskostendeckung abbilden. Sollte das Gericht im Prozess in Unkenntnis der tatsächlichen Vermögenssituation des Nachlasses gleichwohl zu der Auffassung gelangen, dass der Nachlass dürftig sei, kann der Erbe sich auf diese Einschätzung berufen und seine Haftung auf den Nachlass beschränken, obwohl dieser tatsächlich nicht dürftig ist. Wurde die Dürftigkeit des Nachlasses bereits durch das Nachlassgericht oder das Insolvenzgericht festgestellt, genügt zum Beweis die Vorlage der entsprechenden Entscheidungen des Insolvenz- oder Nachlassgerichts, da diese für das Prozessgericht, das über die Einrede des § 1990 BGB zu entschieden hat, bindend ist.692 Diese Konstellation wirkt jedoch sehr theoretisch und dürfte die Ausnahme darstellen. Weitaus häufiger sollte der Fall anzutreffen sein, in dem der Erbe außerprozessual die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses erhebt und dies mittels „Beweisen“ darlegt, welche den Nachlassgläubiger „überzeugen“, was hauptsächlich auf dessen Unkenntnis des Rechtslage zurückzuführen sein dürfte, da eine insolvenzrechtliche Prüfung des Sachverhalts hinsichtlich der Verfahrenskostendeckung von einem gewöhnlichen Nachlassgläubiger nicht zu erwarten sein dürfte. Hinzu kommt, dass bei der Erhebung der Einrede durch den Fiskalerben der Umstand gegen den Staat selbst vorgehen zu müssen, ein zusätzliches Hindernis darstellen dürfte. Neben der ohnehin drohende Kostentragungspflicht im Prozess, wenn die Klage aufgrund der Dürftigkeit des Nachlasses abgewiesen wird, dürfte dies eine zusätzliche Hemmschwelle bilden, den Anspruch weiter zu verfolgen. Dies hat aber nicht zur Folge, dass die Haftung des Erben gegenüber diesem Gläubiger beschränkt würde, nur weil dieser seinen Anspruch nicht weiter verfolgt. Geht der Gläubiger – „überzeugt“ von der Beweisführung des Erben – irrig von der Dürftigkeit des Nachlasses aus und bucht deshalb die Forderungen wegen vermuteten 691
Frieser-KK-Erbrecht/Löhning, § 1990 BGB Rz. 3; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 2; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 9; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 11; StaudingerBGB/Marotzke, § 1990 Rz. 7. 692 BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1226 (1227), juris Rz. 23; OLG Rostock, Urteil vom 25. 06. 2008 – 1 U 53/08 – BeckRS 2008, 24033, juris Rz. 40: Palandt/Weidlich, § 1990 Rz. 2; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 4; Erman-BGB/ Schlüter, § 1990 Rz. 1; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 3; MünchKomm-BGB/ Küpper, § 1990 Rz. 3; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 6; Lange, Erbrecht, § 73 Rz. 193.
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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Fehlens einer Befriedigungsaussicht aus693, entfällt die Haftung des Erben damit nicht. Tatsächlich besteht die Haftung mit dem Eigenvermögen für Nachlassverbindlichkeiten im Falle eines zur Verfahrenskostendeckung ausreichenden Nachlasses fort, da der Erbe die Dürftigkeitseinrede nicht in der erforderlichen Weise – also bei tatsächlich dürftigem Nachlass – erhoben hat. Für den Erben und damit auch den Fiskalerben bedeutet dies, dass die Erhebung der Dürftigkeitseinrede nur dann in Betracht kommen sollte, wenn das Vorhandensein einer die Verfahrenskosten deckenden Masse tatsächlich verneint wird und dies auch bewiesen werden kann. Andernfalls ist die Haftungsbeschränkung auf anderem Wege herbeizuführen, durch Insolvenzantrag oder Antrag auf Nachlassverwaltung. b) Pflicht zur Herausgabe des Nachlasses Erhebt der Erbe die Einrede des § 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB, muss er gem. § 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB den Nachlass „zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herausgeben“. Die herrschende Auffassung versteht die Vorschrift dergestalt, dass der Erbe lediglich verpflichtet ist, die Zwangsvollstreckung in den Nachlass zu dulden.694 Um das „aktive Element“ des Herausgebens nicht gänzlich bedeutungslos zu machen fordert Marotzke695 und ihm folgend Muscheler696, dass der Erbe zumindest die Zwangsvollstreckung ermöglichen müsse. Dazu gehöre beispielsweise, dass der Erbe die Zwangsvollstreckung dadurch erleichtert, dass er dem Gläubiger ein Verzeichnis über Nachlassgegenstände vorlegt und dessen Richtigkeit ggf. eidesstattlich versichert.697 Was unter dem herauszugebenden Nachlass698 zu verstehen ist und in welchem Umfang der Erbe für die Erfüllung der Herausgabeverpflichtung haftet, regeln §§ 1991 Abs. 1, 1978 – 1980 BGB. Bei Dürftigkeit des Nachlasses, bestimmt § 1991 693
Nöll, ZInsO 2012, 814 (815). RG, Urteil vom 20. 06. 1932 – VI 67/32 – RGZ 137, 50 (53): „Diese Herausgabe bedeutet das Geschehenlassen der Zwangsvollstreckung“; OLG Rostock, Urteil vom 25. 06. 2008 – 1 U 53/08 – BeckRS 2008, 24033, juris Rz. 41; RGRK-BGB/Johannsen, § 1990 Rz. 16; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 29; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 13; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 11. 695 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 29. 696 Muscheler, Erbrecht, Rz. 3666. 697 Muscheler, Erbrecht, Rz. 3666. 698 Ob auch gem. § 811 ZPO unpfändbare Gegenstände herausgegeben werden müssen, ist strittig, die herrschende Auffassung bejaht dies: MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 13; Dt.ErbRK/Jülicher,§ 1990 BGB Rz. 11; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 9; Palandt/Weidlich, § 1990 Rz. 3; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 11; a.A. (Herausgabepflicht umfasse nur pfändbare Gegenstände) Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 32, Muscheler, WM 1998, 2271 (2286); Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 17. 694
198
Teil 3: Lösungsansätze
BGB die Berechnung des Nachlassbestands,699 weshalb sich dessen Umfang durch Hinzurechnung der Ersatzansprüche gegen den Erben über das tatsächlich Vorhandene hinaus erweitern kann.700 Daher wird eine Anwendbarkeit von § 1991 BGB für die Berechnung des Nachlassbestands fingiert, wenn der Erbe die Einrede erhebt, um die Frage der Dürftigkeit des Nachlasses zu beantworten. Im Ergebnis werden die Ansprüche wegen Verwalterhaftung des Erben aus §§ 1991 Abs. 1, 1978 Abs. 2 BGB dem Nachlass hinzugerechnet,701 da sie als zum Nachlass gehörend gelten.702 Zudem gelten die mit dem Erbfall eingetretenen Konfusions- und/oder Konsolidationswirkungen rückwirkend als nicht erfolgt – jedoch nur im Verhältnis zu dem Gläubiger gegen dessen Anspruch die Dürftigkeitseinrede erhoben wird, § 1991 Abs. 2 BGB. Neben der Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung in den Nachlass zu ermöglichen, besteht für den Erben die Möglichkeit, den Nachlass schlicht herauszugeben.703 Dies ist insbesondere bei Geldbeträgen sinnvoll, da der Gläubiger nicht auf die Befriedigung durch Zwangsvollstreckung angewiesen ist.704 Daher wäre eine Pfändung und Ablieferung durch den Gerichtsvollzieher überflüssig.705 Bei anderen Nachlassgegenständen ist dies schwieriger. Gibt es weitere Nachlassgläubiger, droht dem Erben der Vorwurf, er habe den Gegenstand unter Wert herausgegeben, was eine Haftung des Erben wegen fehlerhafter Verwaltung des Nachlasses nach sich ziehen könnte. Daher wird dem Erben geraten, er solle mit dem Gläubiger, an den er den Nachlass freiwillig herausgeben möchte, vereinbaren, dass dieser den Nachlass im Wege der öffentlichen Versteigerung verwerten und einen etwaigen Übererlös zurückgewähren muss.706
699 Vgl. Palandt/Weidlich, § 1991 Rz. 2; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1991 Rz. 1; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1991 Rz. 1. 700 Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 1; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 4. 701 Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 1; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 9. 702 BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1224 (1228), juris Rz. 35; Palandt/Weidlich, § 1991 Rz. 2; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 5; jurisPK-BGB/ Klinck, § 1991 Rz. 21. 703 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 30; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 16; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 12; Hausmann/Hohloch/Joachim, Handbuch des Erbrechts, S. 1469 Rz. 34; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 9; Erman-BGB/Schlüter, § 1990 Rz. 4; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 15. 704 Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 15; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 30. 705 Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 15; RGRK-BGB/Johannsen, § 1973 Rz. 19; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 30. 706 Palandt/Weidlich, § 1990 Rz. 7; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 7 und 30; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 16; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 15.
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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c) Verwalterhaftung des Erben als Folge der Dürftigkeitseinrede – Gläubigerschutzmechanismen finden auch ohne Nachlassinsolvenzverfahren oder Nachlassverwaltung Anwendung Durch die Haftungsbeschränkung des Erben mittels Berufung auf § 1990 BGB, finden gem. § 1991 BGB Vorschriften über die Verantwortlichkeit des Erben Anwendung, die sonst die Eröffnung der Nachlassinsolvenz oder der Nachlassverwaltung voraussetzen. Der Erbe begründet durch die Erhebung der Einrede nachträglich eine Verantwortung gegenüber den Nachlassgläubigern für die bisherige Verwaltung des Nachlasses, als hätte er die Verwaltung des Nachlasses ab Annahme der Erbschaft wie ein Beauftragter zu führen gehabt. Den Erben treffen im Verhältnis zu demjenigen Gläubiger, gegen dessen Zahlungsanspruch er die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses erhebt, die gleichen Haftungsfolgen, als hätte eine tatsächliche Separation der Vermögensmassen Eigenvermögen und Nachlass wie im Falle von Nachlassinsolvenz und Nachlassverwaltung stattgefunden – den Erben trifft die verschuldensunabhängige707 Verwalterhaftung. Der Erbe muss sich daher so behandeln lassen, als sei er ab Annahme der Erbschaft verpflichtet gewesen, den Nachlass im Interesse der Nachlassgläubiger zu erhalten.708 „Um dem Gläubiger eine Kontrolle zu ermöglichen, ist der Erbe zur Auskunft und Rechenschaftslegung und damit nach Maßgabe der §§ 259, 260 BGB zur Verzeichnisvorlage, Rechnungsstellung und Leistung der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet.“709 Der Erbe haftet mit seinem Eigenvermögen zur Erfüllung der Ansprüche der Gläubiger aus §§ 1978, 1979 (und 1980) BGB, weil diese Ansprüche zum Nachlass gehören und der Erbe diesen an die Gläubiger zwecks zumindest anteiliger Befriedigung ihrer Ansprüche herauszugeben hat.710 Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Nachlass bis zur Herausgabe an den Gläubiger in seiner Hand bleibt und keine tatsächliche Separation der Vermögensmassen Nachlass und Eigenvermögen des Erben erfolgt.711 Die Verantwortlichkeit des Erben für den Nachlass dauert bis zu dessen vollständiger Herausgabe an, § 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB.712 707 BGH, Urteil vom 02. 07. 1992 – IX ZR 256/91 – NJW 1992, 2694 (2695), juris Rz. 23; BGH, Beschluss vom 13. 03. 2008 – IX ZR 13/05 – ZEV 2008, 237 (ebd.), juris Rz. 3. 708 BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1226 (1227), juris Rz. 28; OLG Frankfurt, Urteil vom 03. 05. 2002 – 25 U 114/01 – OLGR Frankfurt 2003, 154 (156), juris Rz. 50. 709 BGH, Urteil vom 02. 07. 1992 – IX ZR 256/91 – NJW 1992, 2694 (2695), juris Rz. 20. 710 Vgl. BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1226 (1227 f.), juris Rz. 32; Erman-BGB/Schlüter, § 1990 Rz. 4. 711 Palandt/Weidlich, § 1991 Rz. 1; Erman-BGB/Schlüter, § 1991 Rz. 1. 712 Mit zutreffender Begründung: Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 3; dem folgend: BeckOK-BGB/Lohmann, § 1991 Rz. 1; RGRK-BGB/Johannsen, § 1991 Rz. 1: „also grundsätzlich solange, als noch Nachlaßgegenstände vorhanden sind“; Lange, Erbrecht, § 73 Rz. 200.
200
Teil 3: Lösungsansätze
Die Verantwortlichkeit aus den §§ 1978 – 1980 BGB trifft auch den Fiskalerben.713 Durch den Verweis in § 1991 BGB ist sichergestellt, dass sich der Erbe seiner Verantwortlichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern aus eigenem Fehlverhalten, welches im Falle der Nachlassinsolvenz oder der Nachlassverwaltung eine Haftung aus §§ 1978, 1979, 1980 BGB mit seinem Eigenvermögen begründete, auch im Falle eines dürftigen Nachlasses nicht entziehen kann. Auch wenn es wegen der Dürftigkeit des Nachlasses nicht zu einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt und zudem die Befriedigung von Nachlassgläubigern aufgrund der Möglichkeit des Erben gegen eine Forderung des Gläubigers, die Einrede des § 1990 BGB zu erheben, nur eingeschränkt möglich ist, entfalten die Gläubigerschutzmechanismen, die ab Annahme der Erbschaft bestehen, ihre volle Wirkung. Der Erbe ist den Gläubigern daher auch bei Berufung auf die Dürftigkeit des Nachlasses nach den §§ 1978, 1979 (und 1980) BGB verantwortlich. Die Auseinandersetzung über den Umfang der Verwalterhaftung erfolgt zwischen Erben und jedem Gläubiger gegenüber dem der Erbe die Dürftigkeitseinrede erhebt.714 Die Beweispflicht, ob und in welchem Umfange der Erbe persönlich haftet, trifft den Gläubiger.715 aa) §§ 1991, 1978 BGB Die Verwalterhaftung des Erben bedeutet konkret, dass er haftet, als hätte er die Verwaltung des Nachlasses ab Annahme der Erbschaft wie ein Beauftragter der Nachlassgläubiger zu führen gehabt, §§ 1978 Abs. 1 Satz 1, 662 ff. BGB. Bis zur Annahme der Erbschaft haftet er wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag, § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB. Wichtig ist im Kontext von § 1991 BGB, dass der Erbe auch für die zukünftige Verwaltung des Nachlasses – bis zu dessen vollständiger Herausgabe an die Nachlassgläubiger (vgl. § 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB) – verantwortlich ist, anders als es der Wortlaut von § 1978 Abs. 1 S. 1 BGB „bisherige Verwaltung“ vermuten lässt. Verschlechtert sich der Bestand des dürftigen Nachlasses in der Hand des Erben durch dessen fehlerhafte Verwaltung weiter, trifft den Erben daher ebenfalls die Verwalterhaftung der §§ 1991, 1978 BGB.716 Exemplarisch ist der Fall zu nennen, in dem der Erbe einen ererbten Ersatzanspruch gegen ein Familienmitglied schuldhaft 713
Zutreffend in aller Deutlichkeit statt Aller: Staudinger-BGB/Marotzke, § 2011 Rz. 4. BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1226 (1228), juris Rz. 37; Palandt/Weidlich, § 1991 Rz. 2. 715 Vgl. nur BeckOK-BGB/Lohmann, § 1991 Rz. 4. 716 BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1224 (1227), juris Rz. 28; OLG Frankfurt, Urteil vom 03. 05. 2002 – 25 U 114/01 – OLGR Frankfurt 2003, 154 (156), juris Rz. 50; Palandt/Weidlich, § 1990 Rz. 1; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 3; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 12; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 5; Erman-BGB/ Schlüter, § 1991 Rz. 1. 714
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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nicht geltend gemacht hat.717 Denkbar ist auch, dass ein Nachlassgegenstand unter Wert herausgegeben wird. Zu persönlichen Zwecken aus dem Nachlass entnommene Gelder muss er gem. § 667 BGB ohne Rücksicht auf Verschulden herausgeben.718 Die in § 1991 BGB vorgesehenen Haftungsfolgen sind folglich für die vergangene und zukünftige Verwaltung des Nachlasses von Bedeutung. bb) §§ 1991, 1979 BGB Mit der Verweisung auf § 1979 BGB ist in Bezug auf die Verwalterhaftung des Erben geregelt, in welchem Umfang diesem die Befriedigung von Nachlassgläubigern mit Nachlassmitteln gestattet ist, respektive in welchem Umfang der Gläubiger, gegen dessen Anspruch der Erbe die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses erhebt, eine vorherige Begleichung anderer Nachlassverbindlichkeiten „als für Rechnung des Nachlasses erfolgt gelten lassen“ muss. Im Falle eines Nachlassinsolvenzverfahrens oder der Nachlassverwaltung regelt § 1979 BGB unter anderem, dass der Erbe, der Nachlassgläubiger befriedigt hat, gegenüber den Nachlassgläubigern ersatzpflichtig ist, wenn er erkannt hat oder hätte erkennen können, dass der Nachlass nicht zur Befriedigung aller Nachlassgläubiger ausreicht.719 Der Ersatzanspruch der Nachlassgläubiger gegen den Erben aus §§ 1979, 1978 Abs. 1, Abs. 2 BGB gehört ebenfalls zum Nachlass und ist bereits bei der Frage nach dessen Dürftigkeit zu berücksichtigen. Diese Ersatzpflicht besteht für den Erben aufgrund des Verweises in § 1991 Abs. 1 BGB auch im Falle der Erhebung der Dürftigkeitseinrede, für den Zeitraum, in dem der Nachlass noch nicht dürftig war.720 Ist erkennbar, dass der Nachlass unzulänglich, also zusätzlich zur Dürftigkeit noch überschuldet ist, muss er die Reihenfolge des § 1991 Abs. 3 und 4 BGB beachten. Allerdings gilt auch hier, dass die Verantwortlichkeit aus §§ 1991, 1979 BGB nicht auf die Vergangenheit beschränkt ist, sondern auch im Rahmen der zukünftigen Verwaltung des Nachlasses bis zur Herausgabe an die Gläubiger zur Anwendung gelangt. Das bedeutet, dass der Erbe, sofern er eine bestimmte Reihenfolge bei der Gläubigerbefriedigung hätte beachten müssen, für eine entsprechende Nichtbeach-
717 Vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 03. 05. 2002 – 25 U 114/01 – OLGR Frankfurt 2003, 154 (156), juris Rz. 53. 718 BGH, Beschluss vom 13. 03. 2008 – IX ZR 13/05 – ZEV 2005, 237 (ebd.), juris Rz. 3: (Aufgabe: BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – WM 1989, 1736 (1739), juris Rz. 31); Palandt/Weidlich, § 1991 Rz. 2; MünchKommBGB/Küpper, § 1991 Rz. 2; NK-BGBErbrecht/Krug, § 1991 Rz. 10; Busch, ErbR 2012, 335 (338). 719 Palandt/Weidlich, § 1991 Rz. 2; Herzog, ErbR 2013, 70 (76); Schuhmann, ErbR 2011, 105 (106); BeckOK-BGB/Lohmann, § 1979 Rz. 5; MünchKommBGB/Küpper, § 1979 Rz. 5; Erman-BGB/Schlüter, § 1979 Rz. 4. 720 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 5; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1991 Rz. 8.
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Teil 3: Lösungsansätze
tung gem. §§ 1991, 1979 BGB haftet.721 Bei einer Befriedigung entgegen der vorgeschriebenen Rangfolge ist der Erbe dem vorrangig zu befriedigenden Gläubiger nur dann nicht gem. §§ 1978, 1979 BGB persönlich ersatzpflichtig, wenn er den Umständen nach annehmen durfte, dass der Nachlass zur Befriedigung des höherrangigen Gläubigers auch noch ausreichen werde, nachdem der rangniedere Gläubiger befriedigt wurde.722 War der Nachlass nicht dürftig und hat der Erbe gleichwohl nach der Erhebung der Einrede Gläubiger befriedigt, hat der Erbe die übrigen Gläubiger gem. §§ 1991 Abs. 1, 1979 BGB so zu stellen, wie sie stünden, wenn die unberechtigten Auszahlungen unterblieben wären.723 cc) §§ 1991, 1980 BGB (1) Anwendbarkeit Auch ohne ausdrückliche Nennung von § 1980 BGB in § 1991 Abs. 1 BGB, wird die Anwendbarkeit der Vorschrift heute allgemein bejaht724, weil man zutreffend davon ausgeht, dass die Vorschrift irrtümlich725 „gestrichen“ wurde. Dass eine Anwendbarkeit von § 1980 BGB erforderlich ist, ergibt sich aus der Überlegung, dass den Erben bei einem dürftigen Nachlass keine Pflicht aus § 1980 BGB treffen kann, ein Insolvenzverfahren zu beantragen, da dieses in Ermangelung einer die Verfahrenskosten deckenden Masse nicht zur Eröffnung käme.726 Denkbar ist aber, dass der Nachlass zunächst nicht dürftig war. Um sicherzustellen, dass Schäden der Nachlassgläubiger, verursacht durch unterlassene Insolvenzantragstellung des Erben, durch diesen ersetzt werden, auch wenn es wegen einer später eingetretenen Dürftigkeit des Nachlasses nicht zu einem Insolvenzverfahren kommt, regelt § 1991 BGB
721 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 6; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1991 Rz. 3; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1991 Rz. 3; jurisPK-BGB/Klinck, § 1991 Rz. 6. 722 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 6; Soergel-BGB/Stein, § 1991 Rz. 4; vgl. MünchKomm-BGB/Küpper, § 1991 Rz. 8. 723 Nicht zutreffend insoweit Palandt/Weidlich, § 1991 Rz. 1, der hier auf eine Haftung nach § 1980 BGB verweist. Die Vorschrift des § 1979 BGB ist insoweit lex specialis. 724 BGH, Urteil vom 02. 07. 1992 – IX ZR 256/91 – NJW 1992, 2694 (2695), juris Rz. 20; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 8; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1991 Rz. 4; Burandt/ Rojahn-BGB/Joachim, § 1991 Rz. 3; RGRK-BGB/Johannsen, § 1991 Rz. 2; MünchKommBGB/Küpper, § 1991 Rz. 4; Palandt/Weidlich, § 1991 Rz. 1; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1991 Rz. 1; Lange, Erbrecht, § 73 Rz. 193; von Lübtow, Erbrecht, S. 1168; jurisPK-BGB/Klinck, § 1980 Rz. 2; Erman-BGB/Schlüter, § 1991 Rz. 1. 725 BGH, Urteil vom 02. 07. 1992 – IX ZR 256/91 – NJW 1992, 2694 (2695), juris Rz. 20; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 8; Palandt/Weidlich, § 1991 Rz. 1; Soergel-BGB/Stein, § 1991 Rz. 2; Damrau-PK-Erbrecht/Gottwald, § 1991 BGB Rz. 2; Erman-BGB/Schlüter, § 1991 Rz. 1; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1991 Rz. 1 spricht von einem „Redaktionsversehen“. 726 Vgl. dazu bereits oben Teil 3, B. II. 2. d).
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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auch die entsprechende Anwendung von § 1980 BGB.727 Marotzke728 weist zudem für die Notwendigkeit einer Anwendung von § 1980 BGB über § 1991 BGB mit Recht auf die Möglichkeit hin, dass ein Insolvenzverfahren nach § 207 InsO eingestellt worden ist, weil der Ersatzanspruch nach § 1980 BGB entweder nicht bekannt oder wegen Vermögenslosigkeit des Erben nicht durchsetzbar war. Der Einstellungsbeschluss des Insolvenzgerichts ist im Rahmen von § 1990 BGB bindend729, weshalb es auch dem grundsätzlich nach § 1980 BGB haftenden Erben möglich wäre, sich auf § 1990 BGB zu berufen und damit einer Haftung zu entgehen, obwohl der Nachlass in Wahrheit nicht dürftig ist. Dieses Argument wird bestärkt durch den Umstand, dass auch der vorläufige Erbe die Dürftigkeitseinrede erheben kann, für den aber § 1980 BGB nicht gilt, da die Vorschrift erst ab Annahme der Erbschaft Anwendung findet. Für eine Verantwortlichkeit für die bisherige Verwaltung ist § 1980 BGB hier bedeutungslos. Allerdings ist der Erbe bis zur vollständigen Herausgabe des Nachlasses an die Nachlassgläubiger zur Verwaltung in deren Interesse verpflichtet. Deshalb muss hier auch die Insolvenzantragspflicht zur Anwendung gelangen, wenn der Nachlass nicht dürftig ist oder die Dürftigkeit beseitigt wird.730 (2) Folgen der Anwendbarkeit von § 1980 BGB über § 1991 Abs. 1 BGB Der Erbe haftet den Nachlassgläubigern auch im Falle der Dürftigkeit des Nachlasses für alle Schäden, die diesen wegen verzögerter oder unterbliebener Insolvenzantragstellung entstanden sind, gem. § 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB. Tritt die Dürftigkeit des Nachlasses also erst später ein, trifft den Erben der Ersatzanspruch aus §§ 1991, 1980 BGB wegen verzögerter Antragstellung zum Zeitpunkt, in dem der Nachlass noch nicht dürftig war und in dem die Antragspflicht noch bestand. Ersatzansprüche der Nachlassgläubiger, die vor der Dürftigkeit des Nachlasses eingetreten sind, werden nur wegen des ungeschriebenen Verweises in § 1991 BGB dem Nachlass hinzugerechnet. Sie setzen sonst ein eröffnetes Insolvenzverfahren voraus. Zur Klarstellung sei angemerkt, dass die Antragspflicht des § 1980 BGB und die daraus resultierende persönliche Haftung des Erben bei Nichtbeachtung nur im Fall 727 MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 13; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1991 Rz. 6; Marotzke wendet dagegen berechtigterweise ein, dass der Anspruch aus § 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB bereits analog §1978 Abs. 2 BGB als zum Nachlass gehörig anzusehen sei, weshalb er als Aktivposten bei der Berechnung des Nachlassbestands zu berücksichtigen sei vgl. Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 8. Zur Klarstellung ist es dennoch dienlich § 1980 BGB über den Verweis des § 1991 BGB anzuwenden. 728 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 8. 729 BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1224 (1227), juris Rz. 23; OLG Rostock, Urteil vom 25. 06. 2008 – 1 U 53/08 – BeckRS 2008, 24033, juris Rz. 40: Palandt/Weidlich, § 1990 Rz. 2; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 4; BeckOK-BGB/ Lohmann, § 1990 Rz. 4. 730 Vgl. dazu bereits oben Teil 3, B. II. 3. b).
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Teil 3: Lösungsansätze
der tatsächlichen Dürftigkeit entfällt. Andernfalls trifft den Erben die Pflicht zur unverzüglichen Antragstellung und eine entsprechende Verantwortlichkeit für die den Nachlassgläubigern durch die Verzögerung eingetretenen Schäden,731 sei es in der Nachlassverwaltung respektive Nachlassinsolvenz oder im Fall der Dürftigkeit des Nachlasses gegenüber dem einzelnen Gläubiger. Der ungeschriebene Verweis in § 1991 auf § 1980 BGB ist im Falle einer nur behaupteten Dürftigkeit des Nachlasses durch den Erben nicht notwendig.732 Ist der Nachlass überschuldet oder zahlungsunfähig und zur Deckung der Kosten eines Nachlassinsolvenzverfahrens gleichwohl ausreichend, ist der Erbe aus § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Antragstellung verpflichtet, wenn er die Überschuldung oder die Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses kannte oder hätte erkennen können, da nur die tatsächliche Dürftigkeit des Nachlasses die Antragspflicht des Erben und die Haftung wegen Insolvenzverschleppung entfallen lässt.733 Der Erbe, der den Insolvenzantrag – in der irrigen Annahme der Dürftigkeit und daher nicht bestehender Antragspflicht – unterlässt, sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, fahrlässig von der Dürftigkeit des Nachlasses ausgegangen zu sein. Der Fahrlässigkeitsvorwurf aus § 1980 Abs. 2 BGB erstreckt sich daher auch auf die irrige Annahme, der Nachlass sei dürftig, wenn dem Erben bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt möglich war, einen die Verfahrenskosten deckenden Nachlass zu erkennen. Der Hinweis, die Vorschrift des § 1980 BGB sei im Rahmen des § 1991 BGB „entsprechend“ anzuwenden, wenn der Erbe die Dürftigkeitseinrede zu Unrecht erhebt, weil der Nachlass nicht dürftig ist,734 geht daher fehl. § 1980 BGB findet unmittelbar Anwendung.735 Kein zuverlässiges Instrument, der bestehenden Antragspflicht im Falle der ungerechtfertigten Berufung auf die Dürftigkeit zu begegnen, ist eine absichernde Übereinkunft mit allen bekannten Gläubigern, welche den Erben von dessen Insolvenzantragspflicht entbindet. Problematisch ist im Kontext der Umstand, dass es weitere unbekannte Gläubiger geben kann, auf deren Ansprüche die Verzichtserklärung anderer Nachlassgläubiger keine Auswirkungen hat.736 Gegenüber unbekannten Gläubigern besteht die Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung und – bei entsprechender Zuwiderhandlung – die Haftung aus § 1980 BGB freilich fort. Insbesondere sollte daher nicht auf die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens gem. §§ 1970 ff. BGB verzichtet werden.
731 Zutreffend Palandt/Weidlich, § 1991 Rz. 1; Soergel-BGB/Stein, § 1991 Rz. 4; Burandt/ Rojahn-BGB/Joachim, § 1991 Rz. 6; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1980 Rz. 3. 732 Vgl. aber zum Problem der Einredeerhebung des Nachlasspflegers als Vertreter des werdenden und damit noch vorläufigen Erben unten Teil 3, B. III. 6. b). 733 Vgl. dazu bereits oben Teil 3, B. II. 2. d). 734 So aber Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1991 Rz. 3. 735 MünchKomm-BGB/Küpper, § 1991 Rz. 4; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1980 Rz. 13. 736 Zutreffend: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. 05. 2006 – 3 K 153/05 – DStRE 2007, 500 (501), juris Rz. 47; Nöll, ZInsO 2012, 814 (817).
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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d) Anspruchsberechtigung des einzelnen Gläubigers Bei dürftigem Nachlass kann der Nachlassgläubiger die Verwalterhaftung des Erben aus §§ 1991 Abs. 1, 1978 Abs. 1 BGB aus eigenem Recht geltend machen.737 Er ist nicht darauf angewiesen, die Ansprüche, die sich gegen das Eigenvermögen des Erben richten, erst pfänden und sich überweisen lassen zu müssen.738 Ohne ein Gesamtvollstreckungsverfahren wie Nachlass- oder Nachlassinsolvenzverwaltung besteht kein Grund, den Nachlassgläubigern durch die Fiktion des § 1978 Abs. 2 die Ausübung der materiell ihnen zustehenden Rechte aus §§ 1978 Abs. 1, 1979, 1980 Abs. 1 S. 2 BGB zu erschweren.739 Der Bundesgerichtshof740 führt dazu treffend Folgendes aus: „Die rechtliche Tragweite der Fiktion ist nach ihrem Zweck für den Anwendungsbereich des § 1990 BGB dahin einzuschränken, daß jeder Nachlaßgläubiger, dem der Erbe die Dürftigkeitseinrede entgegenhält, verlangen kann, daß ihm der Erbe das aufgrund der Verwalterhaftung aus dem Eigenvermögen Geschuldete als zum Nachlaß gehörig zwecks Befriedigung zur Verfügung stelle.“
Der Nachlassgläubiger kann daher die Ansprüche aus der Verwalterhaftung gegen den Erben selbstständig einklagen oder im Wege des allgemeinen Arglisteinwandes gegen eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 785 ZPO) geltend machen, mit der der Erbe die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass aufgrund der Dürftigkeitseinrede begehrt.741 e) Folgen einer irrtümlichen oder fehlerhaften Berufung auf die Dürftigkeit des Nachlasses: Verwalterhaftung des Erben aa) Keine Haftungsbeschränkung Beruft sich der Erbe zu Unrecht auf die Dürftigkeit des Nachlasses (liegt also eine die Kosten der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens deckende 737 BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1226 (1228), juris Rz. 37; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 10, mit weiteren Erläuterungen zur Problematik; Erman-BGB/Schlüter, § 1991 Rz. 3; Soergel-BGB/Stein, § 1991 Rz. 2; jurisPK-BGB/ Klinck, § 1991 Rz. 21; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1991 Rz. 2; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1991 Rz. 7; von Lübtow, Erbrecht, S. 1169; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Auflage, § 49 VIII 6, Fn 206. 738 So aber zu unrecht: Lange, 3. Denkschrift, S. 8 f.; Siber, Haftung für Nachlassschulden, S. 77; Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 241 Fn 21: „Nicht aber kann der Gläubiger ihn ohne weiteres aus der Ersatzforderung belangen“.; RGRK-BGB/Johannsen § 1978 Rz. 11; Kipp/Coing, Erbrecht, § 101 VI, S. 568; HambKomm-InsO/Böhm, § 317. Rz. 7. 739 BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1226 (1228), juris Rz. 37; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 10. 740 BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1226 (1228), juris Rz. 37. 741 BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1226 (1228), juris Rz. 37.
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Teil 3: Lösungsansätze
Masse vor), tritt keine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass ein.742 Explizit weist darauf Marotzke743 hin: Wenn durch die Hinzurechnung bestimmter Ansprüche zum Nachlass gem. § 1978 Abs. 2 BGB dessen Dürftigkeit beseitigt werde, könne dies die Dürftigkeitseinrede ganz oder teilweise zu Fall bringen. Ist der Nachlass erst durch die Verwaltung des Erben „dürftig“ geworden (also tatsächlich wegen der Ansprüche nach §§ 1978 ff. BGB nicht dürftig), scheidet durch Hinzurechnung der Ansprüche gem. § 1978 Abs. 2 BGB eine wirksame Erhebung der Dürftigkeitseinrede aus.744 Dem Erben stehen zur Haftungsbeschränkung daher nur diejenigen Verfahren zur Verfügung, die eine entsprechende Nachlassmasse voraussetzen. Er muss zur Beschränkung seiner Haftung daher Insolvenzantrag oder Antrag auf Eröffnung der Nachlassverwaltung stellen. bb) Verwalterhaftung des Erben im Insolvenzverfahren insbesondere wegen Insolvenzverschleppungshaftung Der Erbe erhebt die Einrede der Dürftigkeit, wenn er glaubt, den Anspruch eines Nachlassgläubigers mit Nachlassmitteln nicht vollständig befriedigen zu können und die Beantragung eines Nachlassinsolvenzverfahrens oder der Nachlassverwaltung wegen der aus seiner Sicht bestehenden Dürftigkeit nicht tunlich ist. Ziel des Erben ist, die über §§ 1922, 1967 BGB angeordnete Haftung mit dem Eigenvermögen für Verbindlichkeiten des Nachlasses mittels Dürftigkeitseinrede zu verhindern und die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken. Eine ungerechtfertigte Berufung auf die Dürftigkeit bedeutet jedoch gerade keine Haftungsbeschränkung sondern eher ein zusätzliches Haftungsrisiko: Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die Insolvenzantragspflicht den Erben freilich nur dann nicht trifft und folglich keine Haftung auslöst, wenn der Nachlass im entscheidenden Zeitpunkt auch tatsächlich dürftig ist, also eine die Kosten eines Insolvenzverfahrens deckende Nachlassmasse nicht vorhanden ist.745 Der für die Frage der Dürftigkeit des Nachlassbestands relevante Nachlass kann sich von dem 742 Frieser-KK-Erbrecht/Löhning, § 1990 BGB Rz. 3; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 2; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 9; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 11; StaudingerBGB/Marotzke, § 1990 Rz. 7 und 19. 743 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 19 und § 1991 Rz. 9. 744 Vgl. BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1226 (1227), juris Rz. 28, zu § 1978 BGB; BGH, Urteil vom 02. 07. 1992 – IX ZR 256/91 – NJW 1992, 2694 (2695), juris Rz. 20; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 7; Lange, Erbrecht, § 73 Rz. 193; nicht zutreffend aber: MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 4, der bei einer durch schuldhaftes Verhalten des Erben eingetretenen „Dürftigkeit“ die Berufung auf § 1990 BGB zulassen will. Der Nachlass ist jedoch gerade nicht dürftig, weil die die Ersatzansprüche gegen den Erben gem. § 1978 Abs. 2 BGB zum Nachlass und damit zur Insolvenzmasse gehören, weshalb eine Umgehung des Insolvenzverfahrens gerade nicht gestattet ist. Der Erbe muss gem. § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB Insolvenzantrag stellen. 745 Zutreffend: BeckOK-BGB/Lohmann, § 1991 Rz. 4, vgl. dazu auch oben unter Teil 3, B. II. 2. d).
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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durch den Erben vermuteten Aktivnachlass daher erheblich unterscheiden und eine Dürftigkeit des Nachlasses entgegen der Einschätzung des Erben ausschließen. Schwierigkeiten bereitet bei der Bewertung der Nachlassaktiva insbesondere, dass Ansprüche gegen den Erben wegen fehlerhafter Verwaltung des Nachlasses oder unterlassener respektive verspäteter Insolvenzantragstellung ebenfalls zu berücksichtigen sind. Hinzu kommen sämtliche insolvenzrechtlichen und erbrechtlichen Ansprüche, die dem Grunde nach bestehen, aber noch nicht ermittelt sind. Auch diese gehören zum Nachlass.746 Die Ermittlung dieser Ansprüche ist jedoch überaus komplex und wird den gemeinen Erben daher regelmäßig überfordern. Stellt sich heraus, dass der Nachlass entgegen der Behauptung des Erben nicht dürftig ist und der Erbe dies hätte erkennen können, war er im Fall der Überschuldung des Nachlasses verpflichtet, Insolvenzantrag zu stellen und ihm waren Auszahlungen aus dem Nachlass an die Nachlassgläubiger verboten, vgl. §§ 1979, 1980 BGB. Für den Erben besteht die Gefahr, dass er sich den Ansprüchen der §§ 1978, 1979, 1980 BGB in einer Nachlassverwaltung oder einem Nachlassinsolvenzverfahren ausgesetzt sieht, die bei fehlender Dürftigkeit des Nachlasses uneingeschränkt zur Anwendung kommen.747 Eine Haftung wird er nur abwenden können, wenn die tatsächlich fehlende Dürftigkeit für den Erben auch bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt nicht erkennbar war. Der Verschuldensmaßstab wird durch die jeweiligen Vorschriften geregelt. Daher haftet der Erbe auch für die Schäden, die den Nachlassgläubigern wegen verspäteter Antragstellung entstehen, wenn er die Dürftigkeitseinrede erhoben hat, statt den erforderlichen Insolvenzantrag zu stellen. War die fehlende Dürftigkeit des Nachlasses hingegen für den Erben auch unter Einhaltung der gebotenen Sorgfalt nicht erkennbar, ist er spätestens ab der Erkennbarkeit der eigenen Fehleinschätzung zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet und den Nachlassgläubigern für die Verwaltung des Nachlasses ab diesem Zeitpunkt gem. §§ 1978, 1979 und 1980 BGB verantwortlich. Der Erbe signalisiert durch Erhebung der Einrede, dass er eine Haftung über den Nachlassbestand hinaus ablehnt. Gleichzeitig erklärt er sich jedoch einverstanden, dass die Befriedigung des Gläubigers bis zum Umfang des Nachlasses erfolgen soll und er zu dessen Befriedigung den Nachlass zur Verfügung stellt. Bei einer ungerechtfertigten Berufung auf die Dürftigkeit und folgendem Insolvenzverfahren trifft ihn die auf den gesamten Nachlass beschränkte Haftung mit voller Konsequenz, weil er etwaige Nachlassschmälerungen, sofern ihn diesbezüglich der Fahrlässigkeitsvorwurf748 trifft, mit seinem Eigenvermögen ausgleichen muss. Ersatzansprüche der Nachlassgläubiger gehören zum Nachlass, der zur Befriedigung der Nachlassgläubiger herangezogen wird. Ersetzt werden muss den Gläubigern der sog. Quotenschaden, also die Differenz zwischen dem tatsächlich erhaltenen Betrag und dem 746 Bezüglich des Nachlasses im Kontext von § 26 InsO, vgl. dazu auch oben unter Teil 3, B. II. 2. a) bb). 747 BeckOK-BGB/Lohmann, § 1991 Rz. 8; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 5. 748 Bei tatsächlicher Dürftigkeit trifft ihn die verschuldensunabhängige Verwalterhaftung.
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Teil 3: Lösungsansätze
Betrag, den sie bei einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses und einer rechtzeitigen Insolvenzantragstellung durch den Erben erhalten hätten.749 Im Extremfall kann es daher sogar vorkommen, dass der Erbe den gesamten Nachlasswert, der in einem Insolvenzverfahren Berücksichtigung gefunden hätte, aus seinem Eigenvermögen ersetzen muss, weil die Vermögenswerte aufgrund der verspäteten Antragstellung nun nicht mehr in die Insolvenzmasse fallen. Die Geltendmachung der o.g. Ersatzansprüche ist bei nicht dürftigem Nachlass durch einzelne Gläubiger nicht möglich, sondern nur durch den Verfahrensbevollmächtigten, folglich Nachlass- oder Nachlassinsolvenzverwalter. Anspruchsvoraussetzung ist also eine Eröffnung des jeweiligen Verfahrens. Die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens muss wiederum durch die Nachlassgläubiger erfolgen. Gefahr wird nicht von demjenigen drohen, der den Aussagen des Erben glaubt und womöglich auch noch Zahlungen aus dem Nachlass erhält. Ein solcher Gläubiger hat sich dazu entschieden, die Einrede als berechtigt zu akzeptieren und von einer Erstreckung seines Befriedigungsverlangens auf das Eigenvermögen des Erben über den Nachlassbestand (inklusive der Ersatzansprüche gegen den Erben wegen fehlerhafter Verwaltung) hinaus abzusehen. Er gewährt dem Erben damit faktisch die Haftungsbeschränkung, auch wenn dieser dazu nicht berechtigt ist. Gefahr droht entweder von Gläubigern, die sich mit der vom Erben gewählten Variante der Haftungsbeschränkung nicht einverstanden erklären, oder solchen Gläubigern, die erst später bekannt werden und sich „wundern“, warum der Nachlass nun „erschöpft“ sein soll, obwohl die Zahlungen an die übrigen Nachlassgläubiger (aufgrund der tatsächlich nicht bestehenden Dürftigkeit) im Widerspruch zu § 1979 BGB vorgenommen wurden. Der Erbe muss dann seine fehlende Verantwortlichkeit (die entweder gem. §§ 1978, 1979 BGB, wenn der Nachlass nicht dürftig war, oder gem. §§ 1991, 1979 BGB bei dürftigem Nachlass bestehen kann) beweisen. Er muss nachweisen, dass er das Nachlassvermögen ausschließlich für die Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten verwendet hat und er dazu auch berechtigt war.750 cc) Für Nachlassgläubiger, die Leistungen aus dem Nachlass erhalten haben, besteht Gefahr der Anfechtung Zudem wäre in diesem Fall aufgrund der höchstwahrscheinlich bestehenden Überschuldung des Nachlasses die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens gem. § 1980 für den Erben in den meisten Fällen Pflicht, sodass eine vollständige oder anteilige Befriedigung des Nachlassgläubigers im Zeitpunkt, in dem eine Antragspflicht besteht, kaum sinnvoll wäre. Der Gläubiger erhielte eine Leistung in Kenntnis der bestehenden Insolvenzantragsverpflichtung des Erben, weshalb er mit einer Insolvenzanfechtung durch den Verwalter rechnen müsste. Die Regelung ergibt daher gerade in den Fällen Sinn, in denen die Dürftigkeit behauptet und gerade noch 749 750
Vgl. zum Quotenschaden Teil 3, A. II. 1. Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 19.
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nicht bewiesen ist. Der Beweis der Dürftigkeit obliegt dem Erben und kann daher nicht zu Lasten des Nachlassgläubigers, der Befriedigung begehrt, geführt werden. dd) Zwischenergebnis In der Konsequenz führt ein Berufen des Erben auf die Dürftigkeit des Nachlasses entgegen dem ursprünglichen Begehr nur in Ausnahmefällen eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass herbei. Meist wird ein dürftiger Nachlass nicht vorliegen. Für die fehlerhafte Verwaltung des Nachlasses, unterlassene oder verzögerte Insolvenzantragstellung und unberechtigte Auszahlung von Nachlassmitteln haftet er den Nachlassgläubigern mit seinem Eigenvermögen. Eine Aushöhlung des Schutzes der Gläubiger ist nicht zu erkennen – den Gläubigern des Nachlasses steht schließlich frei, ob sie die eingewendete Haftungsbeschränkung des Erben „akzeptieren“ oder dessen Beweisführung im Rahmen des eigenen Befriedigungsersuchens hinterfragen und/oder selbst Insolvenzantrag stellen. 4. Haftung des Fiskalerben bei fehlerhafter Berufung auf die Dürftigkeit des Nachlasses und anschließender „kalter Eigenverwaltung“ gem. §§ 1978, 1979 und 1980 BGB Nöll751 führt an, dass Fiskalerben häufig die Dürftigkeitseinrede erheben und damit von dem Stellen eines Insolvenzantrages absähen. Als Gründe nennt Nöll aufgrund seiner praktischen Erfahrung als Insolvenzverwalter mit Schwerpunkt Nachlassinsolvenz752 fehlerhafte Rechtsauffassungen der verwaltenden Staatsbetriebe. Er werde in seiner Verwalterpraxis mit Auffassungen konfrontiert, wonach der Fiskalerbe lediglich mit dem Nachlass hafte. Vertreten werde, dass eine Belastung der Staatskasse mit Gutachterkosten verhindert werden müsse, da diese aus den Nachlässen häufig nicht gedeckt wären. Weiterhin werde angenommen, dass die Durchführung von Nachlassinsolvenzverfahren nicht im Interesse der Nachlassgläubiger sei, da nach Abzug der Verfahrenskosten, insbesondere der Vergütung des Insolvenzverwalters kaum etwas übrig bliebe. Offenkundig ist nach den vorangegangenen Untersuchungen, dass diese Auffassungen (insoweit in Übereinstimmung mit Nöll) allesamt unzutreffend sind. Zu klären bleibt, welche Folgen die fehlerhafte Berufung des Fiskalerben auf die Dürftigkeit des Nachlasses hat.
751
Nöll, ZInsO 2012, 814 (815). Rechtsanwalt Dr. Mario Nöll ist bei der Kanzlei „Wellensiek Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft“ in Heidelberg tätig und dort Leiter des Referats Nachlassinsolvenzverwaltung. 752
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Teil 3: Lösungsansätze
a) Die Auffassung von Nöll zur Dürftigkeitseinrede durch Fiskalerben Nöll753 weist darauf hin, dass die bloße Erhebung der Dürftigkeitseinrede, denjenigen, der sich auf sie beruft, nicht von dessen Insolvenzantragspflicht entbinde. Dies ist zutreffend, da die bloße Berufung auf die Dürftigkeit noch keine Folge für die Insolvenzantragspflicht hat. Entscheidend für die Entbindung von der Antragspflicht ist, ob der Nachlass tatsächlich dürftig ist oder nicht.754 Das Vorliegen eines solchen dürftigen Nachlasses muss derjenige beweisen, der sich auf die Dürftigkeit beruft. Kann er dies nicht, besteht folglich auch die Insolvenzantragspflicht fort. Das Risiko der Haftung trägt also bei einem ungerechtfertigten Berufen auf die Dürftigkeit der Erbe. Die Einschätzung, ob die Beurteilung des Erben zutreffend ist oder nicht, muss derjenige Gläubiger treffen, gegen dessen Befriedigungsverlangen die Einrede erhoben wird. Kommt dieser zu dem Schluss, dass die Ermittlungen des Erben hinsichtlich des Nachlassbestands unzureichend waren oder die Ermittlungsergebnisse gar falsch sind, steht es dem Gläubiger frei, selbst Insolvenzantrag zu stellen und bei der Glaubhaftmachung auf entsprechend verfehlte Ermittlungen des Erben hinzuweisen. Nicht nachvollziehbar ist daher, warum Nöll755 fordert, die Dürftigkeitseinrede müsse mit einer parallelen Insolvenzantragstellung einhergehen obgleich er im Kontext anführt, dass die tatsächliche Dürftigkeit des Nachlasses ohnehin nur durch eine Entscheidung des Insolvenzgerichts nachgewiesen werden könne. Dies würde bedeuten, dass eine Erhebung der Dürftigkeitseinrede ohne vorangegangenen Insolvenzantrag, der mangels Masse abgewiesen worden ist, nicht möglich wäre. Dies steht jedoch nicht nur in klarem Widerspruch zum Wortlaut von § 1990 Abs. 1 BGB, der den untunlichen und deshalb unterlassenen Antrag explizit benennt, sondern auch zu der durchaus denkbaren Situation, dass tatsächlich ein dürftiger Nachlass vorliegt, und dies von demjenigen, der die Einrede erhebt, auch bewiesen werden kann. Dazu kann auf alle zulässigen Beweismittel zurückgegriffen werden.756 Damit ist der Erbe gerade nicht gezwungen, die Ablehnung eines Antrags auf Eröffnung der Nachlassverwaltung oder eines Nachlassinsolvenzverfahrens, nach § 1982 BGB bzw. § 26 Abs. 1 InsO herbeizuführen.757 Unzutreffend ist daher in diesem Kontext auch die
753
Nöll, ZInsO 2012, 814 (816). Vgl. unter Teil 3, B. II. 2. d). 755 Nöll, ZInsO 2012, 814 (816). 756 Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 6; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 3. 757 Zutreffend daher: RG, Urteil vom 26. 10. 1910 – III 213/10 – RGZ 74, 375, 377; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. 11. 1999 – 3 Wx 371/99 – NJWE-FER 2000, 95 (ebd.), juris Rz. 9; KG Berlin, Urteil vom 21. 11. 2002 – 12 U 32/02 – WM 2003, 1996 (1997), juris Rz. 8; LG Neuruppin, Beschluss vom 03. 08. 2004 – 5 T 219/04 – ZInsO 2004, 1090 (ebd.), juris Rz. 7; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 6; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 4; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 3; Erman-BGB/Schlüter, § 1990 Rz. 1; Bonefeld/Kroiß/ Tanck-Erbprozess/Krug, S. 604; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 3; BeckOK-BGB/ Lohmann, § 1990 Rz. 4; Lange, Erbrecht, § 73 Rz. 193. 754
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Rechtsauffassung des LG Göttingen758, der Erbe könne die Untunlichkeit der Antragstellung nur darlegen, wenn eine entsprechende Feststellung im Insolvenzverfahren getroffen worden sei. Gleichermaßen unzutreffend ist die Auffassung von Westphal, wonach Grundlage der Dürftigkeitseinrede die förmliche Ablehnung der Nachlassverwaltung mangels Masse durch das Nachlassgericht sein soll.759 Eine besondere Schutzbedürftigkeit des Erben wäre andernfalls nicht begründbar. Zudem darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Erbe grundsätzlich besser als jeder Außenstehende (und damit auch das Insolvenzgericht) über den Nachlassbestand informiert ist, weshalb diesem auch die Möglichkeit gegeben werden muss, die Dürftigkeit selbst zu beweisen.760 Zutreffend ist der Hinweis von Nöll761, dass die Beurteilung der Dürftigkeit eines Nachlasses ausgesprochen kompliziert ist und im Regelfall nur durch einen „Insolvenzfachmann“ vorgenommen werden kann, weil grundsätzlich nur dieser in der Lage ist, Anfechtungstatbestände und erbrechtliche Sonderaktiva zu ermitteln und deren Wert zuverlässig zu bestimmen.762 Wenn Nöll moniert, dass die Nachweise, die Nachlasspfleger und Fiskalerben zum Nachweis der Dürftigkeit erbringen, nicht ausreichend sind, bedeutet dies allerdings nicht, dass die Einrede durch das Stellen eines Insolvenzantrags „abgesichert“ werden müsste. Eine Parallelität von Dürftigkeit und einer die Verfahrenskosten deckenden Insolvenzmasse ist ausgeschlossen, da sich die beiden Varianten gegenseitig ausschließen. Daher ist bei einem dürftigen Nachlass die Antragstellung untunlich, vgl. § 1990 Abs. 1 BGB. Korrekt ist daher, dass durch die gleiche Person entweder die Dürftigkeitseinrede erhoben oder der Insolvenzantrag gestellt werden kann, da der Handelnde andernfalls mit der Widersprüchlichkeit seines Handelns seine eigene Glaubwürdigkeit bezüglich der jeweils anderen Variante konterkarierte. Bezogen auf das Haftungsrisiko ist im Zweifel den Handelnden immer zu empfehlen, den Insolvenzantrag zu stellen und diesen mit dem Hinweis zu versehen, dass das Vorliegen von insolvenzrechtlichen Sonderaktiva nicht zutreffend geprüft werden kann. Damit wird die Prüfung des Vorhandenseins einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse dem Insolvenzgericht überlassen. Geht der die Einrede Erhebende aber das Risiko ein, dass das Berufen auf die Dürftigkeit des Nachlasses erfolglos bleibt, muss er die Folgen – der Insolvenzverschleppungshaftung aus § 1980 BGB – akzeptieren. Die Erhebung der Dürftigkeitseinrede 758
LG Göttingen, Beschluss. v. 10. 10. 2000 – 10 T 128/00 – ZInsO 2000, 619 (ebd.); interessanterweise lag in dem Verfahren bereits das Gutachten des vom Insolvenzgericht bestellten Sachverständigen vor, dessen Ermittlungsergebnisse das Fehlen einer die Verfahrenskosten deckende Insolvenzmasse belegten; vgl. auch die Kritik von Siegmann, Rpfleger 2001, 260 (261). 759 Westphal, Rpfleger 1997, 199 (201). 760 Siegmann, Rpfleger 2001, 260 (261); vgl. Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 6; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 3. 761 Nöll, ZInsO 2012, 814 (816). 762 Nöll, ZInsO 2012, 814 (817).
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Teil 3: Lösungsansätze
kommt als Handlungsoption daher nur dann in Betracht, wenn das Fehlen einer die Verfahrenskosten deckenden Insolvenzmasse evident ist – was freilich nur in absoluten Ausnahmefällen von einem „Nicht-Insolvenzfachmann“ beurteilt werden kann, aber möglich und vor allem auch vom Gesetzgeber in § 1990 Abs. 1 BGB vorgesehen ist. b) Gebotenes Gläubigerverhalten bei Leistungsverweigerung des Erben unter Berufung auf die Dürftigkeit Der Gläubiger, gegen dessen Befriedigungsverlangen die Dürftigkeit des Nachlasses eingewandt wird, hat zahlreiche Handlungsoptionen. Er kann von dem die Einrede Erhebenden verlangen, dass die Dürftigkeit des Nachlasses bewiesen wird. Zweifelt er an der behaupteten Überschuldung, kann er die Zwangsvollstreckung in den Nachlass und das Eigenvermögen des Erben betreiben und diesen zu einem Beweis der Dürftigkeit vor Gericht zwingen. Ist die Überschuldung des Nachlasses indes gegeben, kann der Gläubiger die Ausführungen des die Einrede erhebenden dahingehend prüfen, ob die Ermittlungen nur in Bezug auf den Aktivnachlass oder auch in Bezug auf die spätere, zukünftige Insolvenzmasse vorgenommen wurden und insolvenzrechtliche Sonderaktiva insbesondere Haftungsansprüche gegen den Fiskalerben und den Nachlasspfleger oder aus Insolvenzanfechtung bei der Ermittlung des Nachlasswertes Berücksichtigung fanden. Sollte dies nicht der Fall sein, indiziert dies weitere Maßnahmen des Gläubigers. So kann der Gläubiger selbst Insolvenzantrag stellen und in dem Antrag explizit auf die Verfehlungen bei der Erhebung der Dürftigkeitseinrede verweisen. Besonders interessant und in der Praxis bisher nahezu bedeutungslos ist jedoch die Möglichkeit für Nachlassgläubiger bei tatsächlich dürftigem Nachlass, die Ansprüche aus §§ 1991 Abs. 1, 1978 Abs. 1, 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen den Erben geltend zu machen und den Vollstreckungszugriff diesbezüglich auf das Eigenvermögen des Erben auszuweiten. Vorteilhaft ist, dass der Gläubiger nicht darauf angewiesen ist, die Ansprüche, die sich gegen das Eigenvermögen des Erben richten, erst pfänden und sich überweisen lassen zu müssen,763 sondern die Ansprüche selbst geltend machen kann.764 Deckt der Gläubiger die Haftungsansprüche des Erben selbst auf, besteht hier großes Potenzial zur Befriedigung des eigenen Anspruchs. Eine Befreiung des Erben von dessen Insolvenzantragspflicht, wenn dieser Zweifel 763 So aber zu unrecht: Lange, 3. Denkschrift, S. 8 f.; Siber, Haftung für Nachlassschulden, S. 77; Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 241 Fn 21: „Nicht aber kann der Gläubiger ihn ohne weiteres aus der Ersatzforderung belangen“.; RGRK-BGB/Johannsen, § 1978 Rz 11; Kipp/Coing, Erbrecht, § 101 VI, S. 568; HambKomm-InsO/Böhm, § 317 Rz. 7. 764 BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1226 (1228); juris Rz. 37; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 10, mit weiteren Erläuterungen zur Problematik; Erman-BGB/Schlüter, § 1991 Rz. 3; Soergel-BGB/Stein, § 1991 Rz. 2; jurisPK-BGB/ Klinck, § 1991 Rz. 21; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1991 Rz. 2; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1991 Rz. 7; von Lübtow, Erbrecht, S. 1169; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Auflage, § 49 VIII 6, Fn. 206.
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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an der Dürftigkeit des Nachlasses äußert, sollte vor diesem Hintergrund kein Gläubiger erwägen. Rechtlich stellt die unberechtigte Erhebung der Dürftigkeitseinrede daher kein Problem dar und von einer Umgehung der Haftungsnormen kann nicht gesprochen werden, da diese ungehindert Anwendung finden, sofern sich ein Gläubiger in Kenntnis der Rechtslage darauf beruft. Fiskalerben sollten folglich im Zweifel immer Insolvenzantrag stellen.
III. Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch den Nachlasspfleger Fraglich ist, ob dies auch für eine Einredeerhebung durch den Nachlasspfleger gilt, die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede also nicht zu einer Umgehung der insolvenzrechtlichen Schutzvorschriften führt. Die Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch den Nachlasspfleger erfreut sich in der Praxis großer Beliebtheit.765 Meist dient sie diesen als Instrument, die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass herbeizuführen und weitere Ermittlungen hinsichtlich der Durchführung eines Insolvenzverfahrens über den Nachlass für Nachlassgläubiger mangels Erfolgsaussichten obsolet erscheinen zu lassen. In der Folge wird der Nachlass durch den Nachlasspfleger abgewickelt, was für diesen zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit und damit einhergehend zum Erwerb weiterer Vergütungsansprüche für seine Tätigkeit führt. Zunächst ist festzuhalten, dass die Erhebung der Dürftigkeitseinrede korrekt ist und der Nachlasspfleger insbesondere dazu auch verpflichtet sein kann, wenn dies die einzige Möglichkeit ist, die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass herbeizuführen, um eine Vollstreckung in den Nachlass durch einen Nachlassgläubiger und damit eine weitere Schmälerung des Nachlasses, die zu einer Ersatzpflicht des Erben führt, zu verhindern. Wie bereits erläutert, können Nachlassgläubiger gem. § 1960 Abs. 3 BGB vom Nachlasspfleger Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten verlangen.766 Dieser muss im Rahmen seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses entscheiden, ob die Befriedigung des Gläubigers mit Nachlassmitteln dem Interesse des werdenden Erben entspricht. Das ist dann der Fall, wenn die Forderung berechtigt und der Nachlass zur Befriedigung aller Nachlassgläubiger ausreichend ist. Sollte das Erfüllungsverlangen des Nachlassgläubigers berechtigt sein, die Erfüllung der Forderung allerdings aufgrund der Überschuldung des Nachlasses zu einer Haftung des Erben gem. §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 1979, 677 BGB führen, umfasst die Pflicht des Nachlasspflegers nicht nur das Unterlassen der Befriedigung, sondern auch ein Einschreiten gegen eine gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs durch den Gläubiger, da dieser weitere Kosten verursacht, die den 765 766
Vgl. dazu Nöll, ZInsO 2012, 814 ff. und Roth, ZInsO 2013, 1567 ff. Siehe dazu oben unter Teil 3, A. I. 2. b) cc) (1).
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Teil 3: Lösungsansätze
Nachlass belasten. Ist das Stellen eines in diesem Fall gebotenen Insolvenzantrags mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse untunlich, muss der Nachlasspfleger die Haftungsbeschränkung durch die Erhebung der Dürftigkeitseinrede herbeiführen, um eine Verantwortlichkeit des Erben wegen ungerechtfertigter Befriedigung von Nachlassgläubigern entgegen § 1979 bzw. § 1991 Abs. 3 und 4 BGB zu verhindern. Die Dürftigkeitseinrede des Erben aus § 1990 BGB dient dazu, dessen Haftung gegenüber Nachlassgläubigern auf den Nachlass zu beschränken, ohne ein Insolvenzverfahren oder eine Nachlassverwaltung beantragen zu müssen, wenn der Nachlass nicht ausreicht, um die Kosten einer Nachlassverwaltung oder eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu decken. Folgerichtig entspricht es daher allgemeiner Auffassung, dass der Nachlasspfleger berechtigt ist, sich auf § 1990 BGB zu berufen, also die Dürftigkeitseinrede zu erheben.767 Die Konsequenzen eines derartigen Berufens wurden bisher noch nicht hinreichend erörtert. Zu untersuchen ist insbesondere, ob die fälschliche Postulierung der Dürftigkeit des Nachlasses durch den Nachlasspflegers dazu führt, dass der werdende Erbe vor Annahme der Erbschaft für Insolvenzverschleppungsschäden aus § 1980 BGB haftet, wenn sich herausstellt, dass der Nachlass zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens über den Nachlass ausreichend gewesen wäre. 1. Einredeerhebung durch den Nachlasspfleger ist die Besorgung eines „erbschaftlichen Geschäfts“ i.S.v. § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB für den werdenden Erben Zentraler Unterschied zur Einredeerhebung durch den Erben ist, dass der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter des werdenden und damit nur vorläufigen Erben am Rechtsverkehr teilnimmt.768 Daher muss untersucht werden, welche Auswirkungen die Erhebung der Einrede vor der Annahme der Erbschaft hat. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass der Nachlasspfleger berechtigt ist, die Dürftigkeitseinrede gem. § 1990 BGB zu erheben.769 Auch wenn das OLG Mün767 Erman-BGB/Schlüter, § 1990 Rz. 6; Joachim, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, Rz. 351; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 7; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 5; Palandt/Weidlich, § 1990 Rz. 3; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 11; NKBGB-Erbrecht/Krug, § 1990 Rz. 20; NK-BGB/Hoeren, § 1990 Rz. 6; Frieser-KK-Erbrecht/ Löhnig, § 1990 BGB Rz. 1; Hausmann/Hohloch/Joachim, Handbuch des Erbrechts, S. 1467 Rz. 31; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 590; Dt.ErbRK/Jülicher, § 1990 BGB Rz. 7; Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft/Schulz, S. 260 Rz. 41; MünchKomm-BGB/ Küpper, § 1990 Rz. 10. 768 Vgl. Teil 2, A. 769 Möhring/Beisswingert/Klingelhöffer, Vermögensverwaltung, S. 119; Erman-BGB/ Schlüter, § 1990 Rz. 6; Joachim, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, Rz. 351; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 7; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 5; Palandt/Weidlich, § 1990 Rz. 3; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 11; NK-BGB-Erbrecht/ Krug, § 1990 Rz. 20; NK-BGB/Hoeren, § 1990 Rz. 6; Frieser-KK-Erbrecht/Löhnig, § 1990
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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chen770 einschränkend anmerkt, die Abwicklung des Nachlasses gehöre für gewöhnlich nicht zum Aufgabenkreis des Nachlasspflegers, allerdings sei es möglich, dessen Wirkungskreis derart zu erweitern, dass auch der Nachlasspfleger die Dürftigkeitseinrede der §§ 1990, 1991 BGB erheben könne,771 wird mehrheitlich vertreten, dass der Nachlasspfleger auch ohne gerichtliche Aufgabenzuweisung die Dürftigkeitseinrede erheben kann.772 Dem ist auch nach hier vertretener Sichtweise zuzustimmen. In seiner Funktion als gesetzlicher Vertreter des werdenden Erben nimmt der Nachlasspfleger die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses im Interesse des werdenden Erben wahr. Sein Aufgabenbereich umfasst daher die Besorgung sämtlicher Angelegenheiten, die sich auf den Nachlass beziehen, sofern es sich nicht um durch den Erben höchstpersönlich wahrzunehmende Angelegenheiten handelt. Das Erheben der Dürftigkeitseinrede gehört nur dann nicht in diesen Aufgabenbereich, wenn dem vorläufigen Erben eine Erhebung der Einrede nicht möglich wäre. Ausführungen dazu finden sich im Schrifttum nicht. Eine Begründung dafür liefert ein Blick auf den Inhalt der Ausführungen, die sich fast ausschließlich auf prozessuale Fragen der Einrede und deren Erhebung bei Zwangsvollstreckung beziehen.773 Eine gerichtliche Geltendmachung von Nachlassforderungen gegen den vorläufigen Erben ist jedoch ausgeschlossen, vgl. § 1958 BGB, weshalb der vorläufige Erbe im Kontext prozessualer Fragen nicht thematisiert wird. Allerdings kann die Einrede nach zutreffender Auffassung auch außerprozessual erhoben werden.774 Naheliegend ist schließlich, dass zunächst eine Aufforderung zur Erfüllung der Verbindlichkeit erfolgt, bevor eine gerichtliche Geltendmachung eingeleitet wird. Entsprechende Verhandlungen zwischen Erben und Nachlassgläubigern sind freilich bereits vor Annahme der Erbschaft denkbar, weil § 1958 BGB Nachlassgläubiger
BGB Rz. 1; Hausmann/Hohloch/Joachim, Handbuch des Erbrechts, S. 1467 Rz. 31; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 590; Dt.ErbRK/Jülicher,§ 1990 BGB Rz. 7; Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft/Schulz, S. 260 Rz. 41; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 10. 770 OLG München, Beschluss vom 20. 03. 2012 – 31 Wx 81/12 – NJW-RR 2012, 842 (843), juris Rz. 12. 771 OLG München, Beschluss vom 20. 03. 2012 – 31 Wx 81/12 – NJW-RR 2012, 842 (843), juris Rz. 12. 772 Erman-BGB/Schlüter, § 1990 Rz. 6; Joachim, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, Rz. 351; Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 7; Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 5; Palandt/Weidlich, § 1990 Rz. 3; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1990 Rz. 11; NKBGB-Erbrecht/Krug, § 1990 Rz. 20; NK-BGB/Hoeren, § 1990 Rz. 6. 773 Vgl. Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 10 f.; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1990 Rz. 11 – 16, 24 – 27. 774 Bonefeld/Kroiß/Tanck-Erbprozess/Krug, S. 604; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1990 Rz. 15; NK-BGB-Erbrecht/Krug, § 1990 Rz. 1.
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Teil 3: Lösungsansätze
nicht daran hindert, den Erben bereits vor Annahme zur Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten aufzufordern.775 Hinzu kommt, dass der vorläufige Erbe bereits vor Annahme der Erbschaft berechtigt ist, Insolvenzantrag zu stellen,776 weshalb dies dem Nachlasspfleger als gesetzlichem Vertreter ebenfalls möglich ist, vgl. § 317 Abs. 1 InsO. Die Erhebung der Dürftigkeitseinrede ermöglicht dem Erben die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass gerade auch in den Fällen, bei denen der Nachlass nur von geringem Wert ist. Sie gewährt dem Erben folglich einen besonderen Schutz seines Eigenvermögens vor zusätzlichen finanziellen Belastungen durch das haftungsbeschränkende Verfahren. Daher muss sie ebenfalls bereits vom vorläufigen Erben erhoben werden dürfen. Damit stellt auch das Erheben der Einrede gem. § 1990 durch den Nachlasspfleger die Besorgung eines erbschaftlichen Geschäfts für den Erben dar, da die Einrede gegen eine Nachlassverbindlichkeit erhoben wird und sich somit auf den Nachlass bezieht. Zudem ist der Nachlasspfleger gegenüber dem Erben mitunter zum Erheben der Einrede verpflichtet, um eine Befriedigung eines Nachlassgläubigers777 entgegen § 1979 BGB zu verhindern, womit noch bestehende Zweifel an der Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich endgültig ausgeräumt sein sollten. Damit ist die Einredeerhebung Teil der gesetzlichen Stellvertretung des werdenden Erben durch den Nachlasspfleger, sodass diese auch zu dessen Aufgabenbereich zählt. 2. Berufen auf die Dürftigkeit des Nachlasses durch den Nachlasspfleger Im Rahmen der Nachlasspflegschaft ist das ausdrückliche Erheben der Dürftigkeitseinrede gegenüber einem einzelnen Gläubiger im Prozess oder als Antwort auf dessen Befriedigungsverlangen die Ausnahme, was einen gravierenden Unterschied im Vergleich zur Einredeerhebung des Erben darstellt. Vielmehr wird die Einrede durch Nachlasspfleger gegenüber allen bekannten Gläubigern regelmäßig eigeninitiativ erhoben. Zunächst erbitten Nachlasspfleger Zeit für ihre Ermittlungen des Nachlassbestands und ersuchen, die Nachlassgläubiger alle Befriedigungsbestrebungen auszusetzen, meist noch bevor diese eine Befriedigung ihrer Forderungen durch den Nachlasspfleger angestrengt haben. Nach Abschluss der Ermittlungen ist regelmäßig zu beobachten, dass Nachlasspfleger alle ihnen bekannten Gläubiger 775 NK-BGB-Erbrecht/Ivo, § 1958 Rz. 9; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1958 Rz. 17; Palandt/Weidlich, § 1958 Rz. 4; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1958 Rz. 6; Busch, ErbR 2012, 335 (336); Haas, ZEV 2009, 270 (271). 776 MünchKomm-InsO/Siegmann, § 317 Rz. 2; Braun-InsO/Bauch, § 317 Rz. 3; MAHSanierung und Insolvenz/Kreplin, § 35 Rz. 13; Nerlich-Römermann-InsO/Riering, § 317 Rz. 2; Uhlenbruck-InsO/Lüer, § 317 Rz. 2. 777 Dieser ist an der gerichtlichen Durchsetzung bei angeordneter Nachlasspflegschaft nicht gehindert, weil § 1958 BGB wegen § 1960 Abs. 3 BGB keine Anwendung findet.
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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über das Vorliegen eines dürftigen Nachlasses mittels informellem „Rundschreiben“ in Kenntnis setzen.778 Sie teilen mit, dass das vorhandene Aktivvermögen des Nachlasses nicht zur vollständigen Befriedigung aller Gläubiger ausreicht und das Insolvenzgericht daher einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Ermangelung einer die Verfahrenskosten deckenden Masse abweisen werde. Sie verweigern folglich die vollständige Befriedigung der Nachlassverbindlichkeiten mit der Begründung, dass der Nachlass dürftig sei. Sie erheben damit gegenüber allen bekannten Gläubigern die Dürftigkeitseinrede. Dem Schreiben wird eine Übersicht über den Nachlassbestand bestehend aus Nachlassaktiva und Nachlassverbindlichkeiten beigefügt. Weiterhin informiert der Nachlasspfleger darüber, dass er das verbleibende Aktivvermögen des Nachlasses aufteilen werde. Mit Ausnahme von § 1991 Abs. 3 und 4 BGB gibt es bei der Verteilung eines dürftigen Nachlasses keine Reihenfolge, nach der eine Gläubigerbefriedigung zu erfolgen hätte. Weder muss eine Befriedigung in Anlehnung an die in der Nachlassinsolvenz vorgesehene Reihenfolge erfolgen, noch ist der Nachlasspfleger verpflichtet, den Aktivnachlass gleichmäßig zu verteilen.779 Vorgeschlagen wird in der Literatur eine quotale gleichmäßige Befriedigung im Verhältnis von Masse zur Forderung, da sich diese in der Praxis bewährt habe und „insbesondere für den Nachlasspfleger mit geringerem Arbeitsaufwand verbunden“ sei „als eine analoge Anwendung der Vorschriften der Insolvenzordnung“.780 Angeregt wird folgendes Befriedigungsschema:781 – Gerichtskosten der Nachlasspflegschaft, – Vergütung und Auslagen des Nachlasspflegers, – Bestattungskosten des Erblassers, – dinglich gesicherte Gläubiger, – Gläubiger mit Titeln, § 1991 Abs. 3 BGB, – sonstige Nachlassgläubiger,
778 Siehe dazu das „Muster“ bei Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 519, dabei wird irrig jedoch von der Erschöpfung des Nachlasses gesprochen, was nicht korrekt ist. Die Erschöpfung des Nachlasses meint das Fehlen sämtlicher Nachlassmittel. Bei dem genannten Muster wird jedoch ein Betrag an den Gläubiger ausgezahlt. Folglich handelt es sich um die Erhebung der Unzulänglichkeitseinrede, bei der der Nachlass überschuldet ist, die Kosten des Insolvenzverfahrens jedoch nicht deckt. 779 Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 521; Palandt/Weidlich, § 1991 Rz. 3; MünchKomm-BGB/Küpper, § 1991 Rz. 7. 780 Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 521. 781 Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 521; Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft/ Schulz, S. 263 Rz. 58; ähnlich Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 597 – unklar ist dabei, wieso die Befriedigung titulierte Forderungen im Schema anders gehandhabt wird, als von § 1991 Abs. 3 BGB vorgesehen, was der Autor auch selbst benennt.
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Teil 3: Lösungsansätze
– Pflichtteilsansprüche, Pflichtteilsergänzungsansprüche, Vermächtnisse, Auflagen, § 1991 Abs. 4 BGB. Meist enthalten die Ausführungen eine detaillierte Ausführung zur Berechnungsgrundlage, aus der sich der auf den betreffenden Gläubiger entfallende und damit auszuschüttende Betrag ergibt. Ein weiterer Nachweis durch den Nachlasspfleger wird von den Gläubigern des Nachlasses meist nicht verlangt. Vielmehr wird angenommen, dass die Ausführungen des Nachlasspflegers zum Nachlassbestand und die damit verbundene Einschätzung, wonach eine die Kosten des Insolvenzverfahrens deckende Masse fehlt, korrekt sind.782 Allerdings bestehen erhebliche Zweifel daran, ob der gewöhnliche Nachlasspfleger zur Ermittlung des in einem Nachlassinsolvenzverfahren relevanten Nachlassbestands in der Lage ist, wenn nicht die fehlende Aktivmasse des Nachlasses vollkommen offensichtlich und ohne vertiefte erbrechtliche und insolvenzrechtliche Kenntnisse zu ermitteln ist. 3. Dürftigkeit wird meist nicht vom Insolvenzgericht festgestellt, sondern vom Nachlasspfleger postuliert und von den Nachlassgläubigern akzeptiert – Wegfall der Ordnungsfunktion des Insolvenzrechts Bedenken bereitet insbesondere der Umstand, dass die Dürftigkeit nicht durch ein Gericht festgestellt wurde, weil ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Verfahrenskosten deckender Masse abgelehnt wurde, §§ 26, 54 InsO oder die Nachlassverwaltung aus diesem Grunde aufgehoben oder ein Nachlassinsolvenzverfahren aus diesem Grunde eingestellt worden wäre. Die Realität von ca. 2.800 Insolvenzanträgen für Nachlässe in 2012 bestätigt dieses Bild. Die Einschätzung der Dürftigkeit von insolventen Nachlässen wird in der Praxis von Nachlasspflegern vorgenommen. Beachtlich dabei ist, dass Nachlasspfleger nach den bisherigen Ausführungen den Nachlassgläubigern wegen verzögerter oder unterlassener Insolvenzantragstellung nicht verantwortlich sind783 und darüber hinaus auch für diesen entstandene Quotenschäden nicht haften.784 Die durch das Insolvenzgericht sichergestellte Ordnungsfunktion des Insolvenzrechts wird damit unterlaufen: Wird Insolvenzantrag gestellt, gehört die Prüfung des Vorliegens einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse zu den Amtspflichten des Insolvenzgerichts (vgl. § 5 Abs. 1 InsO).785 Die Feststellung der 782
Vgl. dazu Nöll, ZInsO 2012, 814 ff. Vgl. Teil 2, B. I. 784 Auch der Ersatzanspruch gegen den Erben bleibt folgenlos, weil diesem aufgrund fehlender bilanzieller Auswirkungen für den Nachlassbestand in diesem Fall tatsächlich kein Schaden entsteht, vgl. Teil 3, A. II. 5. 785 BGH, Urteil vom 15. 01. 2009 – IX ZR 56/08 – ZInsO 2009, 433 (434), juris Rz. 14; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 14; Vallender, ZInsO 2010, 1457 (ebd.); Kübler/ Prütting/Bork-InsO/Pape § 26 Rz. 3: „Kardinalpflichten“; Kilger/Schmidt-Insolvenzgesetze, 783
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Massekostendeckung gilt dabei als eines der schwierigsten Probleme, die im Insolvenzverfahren auftreten.786 Dazu kann das Gericht sich eines Sachverständigen bedienen, da die Regelung aus § 5 Abs. 1 Satz 2 InsO einen Sachverständigen zu vernehmen, auch die Befugnis beinhaltet, gem. § 4 InsO i.V.m. §§ 385 ff., 402 ff. ZPO einen Sachverständigen mit Ermittlungsaufgaben zu beauftragen.787 Als Sachverständiger wird im Regelfall diejenige natürliche Person bestellt, die auch später zum Insolvenzverwalter ernannt wird, eine Abweichung erfolgt nur in Ausnahmefällen.788 Daher sollen für die Auswahl des Sachverständigen die gleichen Kriterien gelten, wie für die Auswahl des vorläufigen bzw. endgültigen Insolvenzverwalters.789 Stets ist Voraussetzung, dass das Gericht davon überzeugt ist, die bestellte Person verfüge über die notwendige insolvenzrechtliche Sachkunde.790 Auch wenn das Gericht sich bei der Ermittlung der zur Entscheidung erforderlichen Feststellungen durch einen Sachverständigen und/oder vorläufigen Insolvenzverwalter unterstützen lässt, trifft es die Entscheidung über den Antrag eigenständig, wobei eine Missachtung dieser Pflicht zur eigenständigen Prüfung des Sachverständigengutachtens in gebotenem Umfang haftungsrechtliche Konsequenzen haben kann.791 Zulässig ist lediglich, sich an den Ermittlungsergebnissen der genannten Personen zu orientieren, vorausgesetzt, sie sind stringent und überprüfbar belegt.792 Für die Entscheidung maßgeblicher Zeitpunkt ist nicht die Abgabe des Gutachtens des vom Gericht bestellten Sachverständigen, sondern das Datum der Entscheidung über den Insolvenzantrag.793 Eine voraussichtliche Verfahrenskostendeckung (erforderlich ist also eine Prognose, keine Feststellung im engeren Sinne) ist immer dann zu bejahen, wenn diese überwiegend wahrscheinlich ist.794 Eine Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse kommt daher bei behebbaren Zweifeln
§ 107 KO Rz. 2, in diesem Falle Amtspflicht der Ablehnung der Verfahrenseröffnung; BraunInsO/Herzig, § 26 Rz. 20. 786 Uhlenbruck-InsO/Uhlenbruck, § 26 Rz. 6. 787 Vallender, ZInsO 2010, 1457 (ebd.); Pape/Graeber, Handbuch der Insolvenzverwalterhaftung, Rz. 1. 788 Vallender, ZInsO 2010, 1457 (ebd.); Uhlenbruck, FS Greiner, S. 317 (320). 789 Vallender, ZInsO 2010, 1457 (ebd.); Uhlenbruck, FS Greiner, S. 317 (320); MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 22 Rz. 142. 790 Vallender, ZInsO 2010, 1457 (ebd.); MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 22 Rz. 142. 791 MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 14. 792 BGH, Urteil vom 15. 01. 2009– IX ZR 56/08 – ZInsO 2009, 433 (434), juris Rz. 14; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 14; Braun-InsO/Herzig, § 26 Rz. 20. 793 BGH, Beschluss vom 02. 12. 2010 – IX ZB 121/10 – BGH ZInsO 2011, 92 (93), juris Rz. 3. 794 OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. 11. 2001 – 11 W 142/01 – OLGR Karlsruhe 2002, 113 (ebd.) juris Rz. 7; OLG Köln, Beschluss vom 06. 10. 2000 – 2 W 172/00 – ZInsO 2000, 606 (ebd.), juris Rz. 25.
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Teil 3: Lösungsansätze
am Vorliegen einer kostendeckenden Masse nicht in Betracht.795 Die „kritische Prüfung der Darlegungen des bestellten Sachverständigen zur Frage der Verfahrenskostendeckung“ durch das Insolvenzgericht ist dabei insbesondere dann angezeigt, wenn eine Abweisung mangels Masse empfohlen wird.796 Im Hinblick auf die Ordnungs- und Befriedigungsfunktion des Insolvenzrechts sichert die umfassende Prüfung durch das Insolvenzgericht, dass die Insolvenzmasse zu dem aktuellen Verfahrensstadium bestmöglich eingeschätzt wurde und alle notwendigen Anstrengungen797 hinsichtlich der Ermittlung von im Rahmen von § 26 InsO relevantem Vermögen erfolgt sind. Dies beinhaltet insbesondere die Prüfung etwaiger Haftungsansprüche oder der Möglichkeit der Insolvenzanfechtung zur Beseitigung von Verstößen gegen das Gebot der Gläubigergleichbehandlung. Zuzustimmen ist den Ausführungen von Haarmeyer798 dahingehend, dass nur die Feststellung aller für die Entscheidung über den Eröffnungsantrag erheblichen Umstände dazu beitragen kann, „dem betroffenen Gläubiger die Gewissheit zu gewähren, dass auch das Insolvenzverfahren von einem fairen Interessenausgleich geprägt ist und dass in einem staatlich kontrollierten Verfahren relevantes Fehlverhalten aufgedeckt und ggf. auch verfolgt wird.“ Befriedigung und Ordnung sei nur dann zu erreichen, wenn der Staat sich in der Insolvenz als Garantiegeber bewähre, der dafür Sorge trage, dass die vollständige Erfassung aller relevanten Umstände Maßstab der Eröffnungsentscheidung werde und darüber hinaus jeden Gläubiger in die Lage versetze, den Eintritt der Insolvenz nachzuvollziehen und seine rechtliche und tatsächliche „Betroffenheit“ eigenständig beurteilen zu können. Von einer derartigen Prüfung kann aktuell keine Rede sein, was ein Blick auf die Insolvenzstatistik eindrucksvoll beweist: So wurden im Jahr 2012 lediglich 2.808 Insolvenzanträge für Nachlässe gestellt.799 Eine Prüfung nach den beschriebenen Kriterien kann somit für die überwiegende Mehrheit überschuldeter Nachlässe gerade nicht angenommen werden. Meist wird die Einschätzung des Nachlasspflegers nicht einmal im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung geprüft, sondern dessen Ausführungen zur Dürftigkeit des Nachlasses als zutreffend angenommen. Die Verletzung bestimmter gesetzlicher Pflichten bleibt damit weitestgehend sanktionslos und damit ein für die Nachlasspfleger leicht zu kalkulierendes Risiko. So weist Schulz800 in seinem „Handbuch Nachlasspflegschaft“ im Kontext der Abwicklung (scheinbar) dürftiger Nachlässe explizit auf das geringe Haftungsrisiko für
795 BGH, Beschluss vom 13. 04. 2006 – IX ZB 118/04 – NZI 2006, 405 (406), juris Rz. 11; OLG Köln, Beschluss vom 06. 10. 2000 – 2 W 172/00 – ZInsO 2000, 606 (ebd.), juris Rz. 19. 796 AG Hamburg: Beschluss vom 20. 12. 2005 – 67c IN 387/05 – ZInsO 2006, 51 (52), juris Rz. 5. 797 Vgl. dazu MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 14a. 798 MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 14b. 799 Statistisches Bundesamt (Fn. 1). 800 Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft/Schulz, S. 262 f.
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Nachlasspfleger hin. Zimmermann801 benennt immerhin zutreffend, dass wegen fehlerhafter Verwaltung des Nachlasses durch den Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter des Erben ein Ersatzanspruch aus § 1833 BGB entsteht, der in den Nachlass fällt, wenn Pflichten des Erben gegenüber den Nachlassgläubigern verletzt werden – eine darüber hinausgehende Einschätzung des Haftungsrisikos fehlt. Nicht zutreffend ist, dass er eine Inanspruchnahme des Nachlasspflegers durch die Nachlassgläubiger im Kontext der Dürftigkeitseinrede nicht thematisiert,802 da der Ersatzanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger, wie Zimmermann zutreffend ausführt, in den Nachlass fällt und daher zu klären ist, ob dieser auch von den Nachlassgläubigern geltend gemacht werden kann, gegen die der Nachlasspfleger die Einrede der Dürftigkeit erhebt. Die Beurteilung der Situation aus insolvenzrechtlicher Perspektive ist freilich eine andere: Nöll803 bezeichnet die aktuelle Praxis als „staatlich organisierte Insolvenzverschleppung“. Roth804 denkt sogar über eine Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gem. § 826 BGB nach. Für das Rechtsempfinden der betroffenen Gläubiger ist die aktuelle Praxis fatal, weil der Eindruck erweckt wird, dass Forderungen gegen überschuldete Nachlässe wertlos seien, obwohl der Gesetzgeber sich mit der Einführung der Nachlassinsolvenz und deren Behandlung als Regelinsolvenzverfahren eindeutig gegenteilig positioniert hat. Besondere Brisanz hat die Thematik, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Sachverständige, der im Auftrag des Insolvenzgerichts tätig wird, sein Amt grundsätzlich unparteiisch und unabhängig vom Schuldner oder von den Gläubigern auszuüben hat,805 aber Nachlasspfleger der Meinung sind, sie könnten sich bevorrechtigt aus dem Nachlass befriedigen.806 Zudem hat der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter des werdenden Erben ausschließlich dessen Interessen zu berücksichtigen, die mitunter parallel zu denen der Gläubiger sein können, doch nicht deckungsgleich sind. Ein Vergleich mit der Neutralität und Objektivität des Sachverständigen ist daher nicht zutreffend, da der Nachlasspfleger gerade nicht unabhängig tätig wird. Bevor eine Positionierung zur Streitfrage erfolgen kann, muss geklärt werden, welche Folgen die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede für den Nachlasspfleger hat. 801
Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 600. Vgl. Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 600, der nur auf eine Möglichkeit des Nachfolger-Nachlasspflegers, des Insolvenzverwalters und des Nachlassverwalters hinweist. 803 Nöll, ZInsO 2012, 814 (ebd.). 804 Roth, ZInsO 2013, 1567 ff. 805 Arbeitshinweise des AG Duisburg für Insolvenzsachverständige im Eröffnungsverfahren, NZI 1999, 308 (ebd.); Vallender, ZInsO 2010, 1457 (ebd.). 806 Dazu sogleich unter Teil 3, B. III. 4. b). 802
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Teil 3: Lösungsansätze
4. Korrekte Einschätzung der Insolvenzmasse in einem Nachlassinsolvenzverfahren durch einen Nachlasspfleger Ist der Nachlasspfleger grundsätzlich in der Lage, die Insolvenzmasse zu bestimmen? Probleme bereitet im Kontext nicht die Ermittlung von vorhandenen Nachlassaktiva wie Kontoguthaben oder Wertgegenstände. Diese aufzuspüren erfordert lediglich eine gewissenhafte Sichtung des Nachlasses und eine entsprechend zuverlässige Sicherung. a) Erforderlich ist die Ermittlung der zukünftigen Insolvenzmasse Diffiziler ist die Ermittlung derjenigen Vermögensgegenstände, die für die Berechnung der die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse erst ermittelt werden müssen, weil das „Vermögen“ i.S.v. § 26 InsO, welches zur Befriedigung der Nachlassgläubiger in einem Insolvenzverfahren über den Nachlass dient, erheblich von dem Vermögen, welches der Nachlasspfleger im Interesse des werdenden Erben sichern und erhalten muss, differiert: Die Ermittlung und Erfassung der Vermögensgegenstände, ebenso wie die Ermittlung der Gründe der Insolvenz, ist für die Ordnungsfunktion des Insolvenzrechts von erheblicher Bedeutung, da nur im Rahmen dieser Feststellungen bestimmt werden kann, ob das zur Kostendeckung des Insolvenzerfahrens notwendige Vermögen schon im Eröffnungsverfahren vorhanden ist oder im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens noch realisiert werden kann.807 Unter „Vermögen“ i.S.d. § 26 InsO ist daher die „künftige Insolvenzmasse“808 zu verstehen. Auch diejenigen Vermögensgegenstände sind zu berücksichtigen, die erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen. Von besonderer Bedeutung in der Nachlassinsolvenz sind hier Haftungsansprüche und die Rechtsfolgen einer wirksamen Insolvenzanfechtung. Neben der Bewertung des Anlage- und Umlaufvermögens müsste der Nachlasspfleger auch über detaillierte insolvenzrechtliche Kenntnisse verfügen, um die Frage nach dem Vorliegen von ausreichendem Vermögen i.S.v. § 26 InsO zu beurteilen. Für zahlreiche insolvenzspezifische Haftungsansprüche ist die genaue Bestimmung des Eintritts der materiellen Insolvenz Tatbestandsmerkmal809 und daher – paradoxerweise – auch von demjenigen zu prüfen, der mit der Dürftigkeitseinrede behauptet, eine hinreichende Masse sei nicht vorhanden. Ferner ist auch die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung umfänglich zu prüfen, da sich aus der Insolvenzanfechtung ergebende Ansprüche, gegen zu Unrecht
807 808 809
MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 14a. Vgl. Teil 3, B. II. 2. a) bb). So zutreffend und mit Beispielen MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 14a.
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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befriedigte Gläubiger, ebenfalls zur Insolvenzmasse810 und damit auch zum „Vermögen“ i.S.v. § 26 InsO gehören, wie Ansprüche wegen gesellschaftsrechtlichen Fehlverhaltens.811 Besondere Bedeutung hat im Kontext die Prüfung von § 134 InsO im Rahmen von Drittbezugsrechten aus Lebensversicherungen, die im Regelfall keine Aktiva des Nachlassverzeichnisses sind, da der Erwerb außerhalb des Nachlasses erfolgt.812 Haarmeyer813 weist zutreffend darauf hin, dass nur die Gesamtheit dieser anzustellenden Feststellungen eine zutreffende Einschätzung ermöglicht, ob eine die Verfahrenskosten deckende Insolvenzmasse vorhanden ist, weil nur so das tatsächliche „Ist-Vermögen des insolventen Schuldners“ abgebildet werden kann. Vor diesem Hintergrund unzutreffend und besorgniserregend ist, dass Zimmermann814, für die Frage einer kostendeckenden Insolvenzmasse auf die „Aktivmasse“ abstellt, was eine Berücksichtigung der nur aktuell im Nachlass vorhandenen Mittel bedeutete. Eindrucksvoll ist dabei die Diskrepanz bezüglich der Einschätzung der kostendeckenden Masse in der insolvenzrechtlichen und der nachlasspflegschaftlich orientierten Auffassung, wenn man die getroffenen Aussagen zum für die Verfahrenseröffnung erforderlichen Nachlassbestand vergleicht. In der Literatur für Nachlasspfleger wird ein freier Nachlass i.H.v. 3.000 – 8.000 E815 zur Kostendeckung voraussetzt. Nöll816 führt dagegen an, dass es nicht unüblich sei, ein Insolvenzverfahren ausschließlich im Hinblick auf insolvenzrechtliche Sonderaktiva zu eröffnen, wenn im Vermögen des Schuldners darüber hinaus keinerlei Liquidität oder verwertbares Vermögen vorhanden sei. Diese Auffassung teilt das AG Hamburg: Die Tatsache, dass sich nach der gerichtlichen Prognose im Eröffnungszeitpunkt ergibt, dass eine etwas mehr als verfahrenskostendeckende Masse erst in frühestens zwei Jahren zu realisieren ist, stehe einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht entgegen.817 Hinreichende Voraussetzung für eine Verfahrenseröffnung ist bereits, dass eine begründete Erwartung für die massegenerierende Durchsetzung von Ansprüchen besteht, die schon im Eröffnungsverfahren festgestellt werden konnten.818 810 OLG Hamm, Beschluss vom 02. 11. 2004 – 27 W 44/04 – OLGR Hamm 2005, 57 (58), juris Rz. 9; FK-InsO/Schmerbach, § 26 Rz. 19; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 14a; Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft/Schulz, S. 261 Rz. 45. 811 MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 14a. 812 Zutreffend: Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft/Schulz, S. 261 Rz. 45. 813 MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 14a. 814 Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 589. 815 Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft/Schulz, S. 260 Rz. 42: 4.000 Euro; Jochum/ Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 515: 3.000 – 8.000 E; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 589: 3.000 – 6.000 E. 816 Nöll, ZInsO 2012, 814 (816). 817 AG Hamburg, Beschluss vom 02. 02. 2000 – 67c IN 157/99 – NZI 2000, 140 (ebd.). 818 AG Hamburg: Beschluss vom 20. 12. 2005 – 67c IN 387/05 – ZInsO 2006, 51 (53), juris Rz. 13.
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Teil 3: Lösungsansätze
Dabei ist es kein Hindernis für die Verfahrenseröffnung, wenn das Verfahren nur auf Grund prognostisch innerhalb von mehr als einem Jahr durchsetz- und vollstreckbarer Ansprüche eröffnet werden kann.819 Auch das OLG Köln820 äußert sich entsprechend: Besteht das berücksichtigungsfähige Vermögen des Schuldners ausschließlich aus erst in der Zukunft zu erwartendem Erwerb, so bedeutet das nicht, dass es an einer Insolvenzmasse, sondern zunächst nur an einer Anfangsliquidität fehlt. b) Entscheidend für die Dürftigkeit ist einzig die Frage der Deckung der Verfahrenskosten im Insolvenzverfahren nach § 54 InsO Weitere Zweifel an einer zutreffenden Einschätzung der zukünftigen Masse im Insolvenzverfahren liefert die nachlassrechtlich ausgerichtete Literatur. Dort wird ein freier Nachlass i.H.v. 3.000 – 8.000 E821 zur Verfahrenskostendeckung und damit zum Beweis eines nicht dürftigen Nachlasses vorausgesetzt. Besorgniserregend ist jedoch, dass bei der jeweils angestellten Berechnung der Kosten des Insolvenzverfahrens für die Frage der Massekostendeckung die Kosten der Nachlasspflegschaft Berücksichtigung finden, obwohl diese gem. § 324 Abs. 1 Ziff. 4, 5 und 6 InsO zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten gehören. Jochum/Pohl geben an, dass der zur erforderlichen Verfahrenskostendeckung genannte Betrag um die Kosten der Pflegschaft erhöht werden müsse und verweisen dabei explizit noch auf § 324 InsO.822 Zimmermann823 zieht die Nachlasspflegervergütung inklusive Auslagen des Nachlasspflegers ebenfalls vom Aktivnachlass ab, bevor über die verfahrenskostendeckende Masse zu entscheiden sei. Bei Schulz824 zeigt sich das gleiche Bild: Zunächst führt er zutreffend an, was die Kosten des Insolvenzverfahrens sind, indem er auf § 54 InsO verweist, bevor er die Ausführungen mit der Aussage ad absurdum führt, dass die Kosten der Nachlasspflegschaft vorab in Abzug zu bringen seien. Du Carrois825 äußert sich in gleicher Weise: Zu den in § 54 InsO genannten Verbindlichkeiten kämen in der Nachlassinsolvenz weitere gem. § 324 InsO hinzu, sodass zu prüfen sei, ob die Insolvenzantragstellung zweckmäßig sei. Der Gedanke der Zweckmäßigkeit ist indes nicht neu. Auch das AG Charlottenburg vertrat die Auffassung, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu unterbleiben habe, wenn die vorhandene Insolvenzmasse nicht ausreiche, um die im Verfahren entstehenden notwendigen Masseverbindlichkeiten zu begleichen, und 819
Rz. 5.
AG Hamburg: Beschluss vom 20. 12. 2005 – 67c IN 387/05 – ZInsO 2006, 51 (52), juris
820 OLG Köln, Beschluss vom 06. 10. 2000 – 2 W 172/00 – ZInsO 2000, 606 (ebd.), juris Rz. 24. 821 Vgl. die Nachweise in Fn. 815. 822 Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 515. 823 Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rz. 589. 824 Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft/Schulz, S. 260 Rz. 42. 825 Du Carrois, Rpfleger 2009, 197 (198 f.).
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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deshalb die alsbaldige Verfahrenseinstellung als unausweichlich erscheine.826 Auch in der insolvenzrechtlichen Literatur wurde vereinzelt eine Berücksichtigung von Masseverbindlichkeiten über § 54 InsO hinaus befürwortet.827 Diese Auffassung ist unzutreffend. Das LG Berlin828 hat das Urteil des AG Charlottenburg daher konsequenterweise aufgehoben und dies damit begründet, dass eine Auslegung des § 26 InsO entgegen seines Wortlauts dahingehend, dass auch die im Verfahren entstehenden notwendigen Masseverbindlichkeiten zu berücksichtigen seien, im Hinblick auf die eindeutigen Gesetzesmaterialien nicht möglich ist. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden hat, eine Verfahrenseröffnung auch dann zuzulassen, wenn eine über die Kosten des § 54 InsO hinausgehende Insolvenzmasse nicht vorhanden ist, die Masse also zur Deckung der sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht ausreicht.829 Was die Kosten des Insolvenzverfahrens i.S.v. § 26 InsO sind, bestimmt nach Auffassung des Gesetzgebers830 und nahezu einhelliger Meinung in der insolvenzrechtlichen Rechtsprechung und Literatur allein § 54 InsO.831 Zutreffend verweist Haarmeyer832 darauf, dass in die Berechnung zur Deckung der Eröffnung erforderlichen Kosten des Verfahrens ausschließlich die in § 54 InsO aufgeführten Positionen einzubeziehen sind. Es spiele keine Rolle, dass daneben nicht einmal die existentiell notwendigen Ausgaben zur Abwicklung und Verwertung bestritten werden könnten, weshalb dies auch nicht mehr zur Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse führe. Masseverbindlichkeiten nach § 324 InsO sind sonstige Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 InsO und daher bei der Frage der Verfahrenskostendeckung irrelevant.833 826 AG Charlottenburg, Beschluss vom 26. 04. 1999 – 103 IN 502/99 – DZWir 1999, 304 (ebd.); Abl. Anm. Pannen, EWiR 2000, 241 f; abl. Anm. Pape, ZInsO 1999, 597 (ebd.). 827 Rattunde/Röder, DZWIR 1999, 309 ff. 828 LG Berlin, Beschluss vom 08. 03. 2000 – 86 T 536/99 – ZInsO 2000, 224 (226); vgl. auch die zust. Anm. von Pape, ZInsO 2000, 227. 829 LG Berlin, Beschluss vom 08. 03. 2000 – 86 T 536/99 – ZInsO 2000, 224 (226) unter Verweis auf Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 118. 830 Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 118. 831 Ganz h.M.; BGH, Beschluss vom 14. 02. 2010 – IX ZB 224/08 – WM 2010, 2233 (2234), juris Rz. 9, 12; BGH, Beschluss vom 17. 06. 2003 – IX ZB 476/02 – ZInsO 2003, 706 (ebd.), juris Rz. 6; Pape, ZInsO 1999, 597 (ebd.); Hess-InsO/Hess, § 26 Rz. 16 f.; HK-InsO/ Kirchhof § 26 Rz. 11 – 16; Kübler/Prütting/Bork-InsO/Pape § 26 Rz. 5; Kölner Schrift/Kübler, Kapitel 18 Rz. 4 f.; FK-InsO/Schmerbach § 26 Rz. 10; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 7.29; Uhlenbruck-InsO/Uhlenbruck, § 26 Rz. 10; Jaeger-InsO/Schilken, § 26 Rz. 22; Pannen, NZI 2000, 575 (576); Kirchhof, ZInsO 2001, 1 (5); Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (104); HK-InsO/ Kirchhof § 26 Rz. 14 – 16; Roth/Pfeuffer/Roth, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 88; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 15. 832 MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 15; so auch Dinstühler, ZIP 1998, 1697 (1698), sonstigen Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 1 InsO wird nur noch im Rahmen der Finanzierung des zu eröffnenden und durchzuführenden Verfahrens Bedeutung beigemessen. 833 Vgl. Begr. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 118; Roth/Pfeuffer/Roth, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 88.
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Teil 3: Lösungsansätze
Klarstellend sei an dieser Stelle angeführt, dass hier nicht thematisiert wird, ob der Nachlasspfleger im Falle eines tatsächlich dürftigen Nachlasses den Betrag für seine Vergütung und Auslagen aus dem Nachlass entnehmen kann. Die Darstellung konzentriert sich auf Fälle, bei denen Nachlasspfleger fehlerhaft von der Dürftigkeit des Nachlasses ausgehen, weil sie ihre Auslagen und Vergütungsansprüche bei der Frage der Verfahrenskostendeckung in Abzug bringen, was unzulässig ist. c) Ansprüche des Erben gegen den Nachlasspfleger wegen fehlerhafter Verwaltung, §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB Von besonderer Brisanz ist weiterhin, dass auch die Haftungsansprüche, die sich gegen den Nachlasspfleger selbst richten, zum Nachlass gehören834 und bei der Frage, ob eine die Kosten des Insolvenzverfahrens deckende Masse vorliegt, Berücksichtigung finden müssen.835 Dabei geht es vor allem um die Ansprüche des Erben gegen den Nachlasspfleger aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen fehlerhafter Verwaltung des Nachlasses. Bei der Besorgung erbschaftlicher Geschäfte vor Annahme der Erbschaft hat der vorläufige Erbe Interessen der Nachlassgläubiger zu berücksichtigen und ist diesen wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag verantwortlich.836 Wenn diese durch den Nachlasspfleger wahrgenommen werden, handelt es sich jedoch nicht um Eigenschulden des Erben, sondern wie bereits dargestellt, lediglich um Nachlassverbindlichkeiten.837 Allerdings führt die durch den Anstieg der Nachlassverbindlichkeiten verursachte Minderung des Nachlassbestands zu einem Vermögensschaden des Erben, für den der Nachlasspfleger ersatzpflichtig ist gem. §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB.838 Der Nachlasspfleger muss daher bei der Berechnung des Nachlassbestands im Rahmen der Dürftigkeitseinrede seine eigene Verantwortlichkeit gegenüber dem Erben prüfen und zutreffend einschätzen. Ob dies ähnlich objektiv geschieht, wie bei einer entsprechenden Prüfung durch einen vom Insolvenzgericht bestellten Sachverständigen, darf bezweifelt werden.
834
Vgl. dazu bereits Teil 3, A. I. 4. Vgl. OLG Köln, Beschluss vom 06. 10. 2000 – 2 W 172/00 – ZInsO 2000, 606 (ebd.) 1. Leitsatz: „Bei der Beurteilung, ob eine ausreichende Deckung der Verfahrenskosten durch die Insolvenzmasse gewährleistet ist, können grundsätzlich auch künftige Zuwächse der Insolvenzmasse berücksichtigt werden. Dazu gehören insbesondere auch die Forderungsrechte des Schuldners“. 836 Vgl. Teil 3, A. I. 1. 837 Vgl. Teil 2, B. II. 2. b). 838 Vgl. Teil 3, A. I. 3. a) cc). 835
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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d) Zweifel an der notwendigen Kompetenz des Nachlasspflegers zur Beurteilung der Dürftigkeit des Nachlasses Ist eine korrekte Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch den Nachlasspfleger nach alledem überhaupt möglich? Auch für Insolvenzgerichte und die zu deren Unterstützung bestellten Sachverständigen erweist sich eine zuverlässige Einschätzung als Herausforderung. Aktuell besteht hinsichtlich der Eröffnungsquote erhebliches Verbesserungspotenzial, wobei insbesondere die nicht konsequente Aufarbeitung von Haftungsansprüchen und Anfechtungsfragen kritisiert wird: Die Verantwortlichkeit soll dabei gleichermaßen Insolvenzgerichte und Insolvenzsachverständige treffen.839 Auch Vallender weist darauf hin, dass Ansprüche gegen Dritte oder Gesellschafter oder aus Insolvenzanfechtung häufig nur unzureichend geprüft würden.840 Wenn demnach die Beurteilung von derartigen Sachverhalten selbst für Sachverständige als ausgewiesene Insolvenzrechtsexperten eine Herausforderung darstellt, die regelmäßig zu Fehlern führt, darf eine entsprechende Kompetenz von Nachlasspflegern, die im Regelfall nicht über eine entsprechende insolvenzrechtliche Ausbildung bzw. entsprechendes Fachwissen verfügen, angezweifelt werden. Möglich ist durchaus, dass Nachlasspfleger den Nachlassbestand korrekt ermitteln und die Einrede nach § 1990 BGB berechtigterweise erheben, weil die Prüfung des Nachlassbestands in gebotenem Umfang erfolgt ist oder der Nachlass tatsächlich dürftig ist. In Anbetracht der Komplexität der anzustellenden Ermittlungen und unter Berücksichtigung der Vielzahl von möglichen Ansprüchen, die Beachtung finden müssen, ist jedoch als Regelfall anzunehmen, dass der Nachlassbestand nicht korrekt ermittelt wird, was den Verdacht von Nöll bestätigt, mehrheitlich werde Dürftigkeit angenommen, obwohl ein zur Durchführung des Insolvenzverfahrens vorhandenes Vermögen (namentlich eine die Kosten des Insolvenzverfahrens gem. § 54 InsO deckende Masse) vorhanden ist. 5. Folgen der berechtigten Einredeerhebung – Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers Nach berechtigter Erhebung der Einrede durch den Nachlasspfleger muss der werdende Erbe gem. § 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB den Nachlass „zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herausgeben“841. Die Erfüllung dieser Pflicht ist nun Aufgabe des Nachlasspflegers. Die Pflicht zur Herausgabe des Nachlasses umfasst aber auch die Offenlegung der Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber dem Erben für die bisherige Verwaltung des Nachlasses. Hinzu kommt, dass der Nachlasspfleger für die weitere Verwaltung des
839 840 841
MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rz. 14d. Vallender, ZInsO 2010, 1457 (1465). Vgl. dazu Teil 3, B. II. 3. b).
228
Teil 3: Lösungsansätze
dürftigen Nachlasses ab Einredeerhebung nun selbst auch den Gläubigern verantwortlich ist: a) Haftung für fehlerhafte Verwaltung bis zur Erhebung der Einrede Ansprüche von Nachlassgläubigern wegen fehlerhafter Verwaltung des Nachlasses bestehen zunächst gegen den werdenden Erben. Dieser wurde bei der Besorgung erbschaftlicher Geschäfte durch den Nachlasspfleger wirksam vertreten, sodass die Verantwortlichkeit gem. §§ 1991, 1978, 1979 besteht. Dabei handelt es sich allerdings um Nachlassverbindlichkeiten, für die der Erbe aufgrund der erfolgreichen Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch den Nachlasspfleger nur mit dem Nachlass haftet. Eine Geltendmachung dieses Anspruchs ist für den einzelnen Gläubiger aufgrund der tatsächlichen Dürftigkeit des Nachlasses folglich belanglos. Erfolgversprechender ist eine Geltendmachung des Anspruchs des Erben gegen den Nachlasspfleger aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB, der zum Nachlass gehört und für dessen Erfüllung der Nachlasspfleger mit seinem Eigenvermögen haftet. Mit der Erhebung der Dürftigkeitseinrede kann der jeweilige Nachlassgläubiger den Anspruch aus fehlerhafter Verwaltung nun selbst geltend machen, da dieser gem. § 1991 BGB zum Nachlass gehört, und ist nicht auf eine Geltendmachung durch den Nachlassverwalter oder den Nachlassinsolvenzverwalter angewiesen. Den Rechtsgedanken zur Einschränkung der Fiktion des § 1978 Abs. 2 BGB842 wird man hier ebenfalls anwenden müssen, weil der Anspruch unmittelbar zum Nachlass gehört.843 Mit der Erhebung der Dürftigkeitseinrede ermöglicht der Nachlasspfleger dem Gläubiger, die Ersatzansprüche, die dem Erben gegen den Nachlasspfleger zustehen, selbst geltend zu machen. Folglich muss der Nachlasspfleger bei der Herausgabe des Nachlasses darlegen, den Nachlass im Interesse des Erben ordnungsgemäß verwaltet zu haben und für verschuldete Verkürzungen des Nachlassbestands entsprechend Ausgleich leisten. Bei der Ermittlung des Nachlassbestandes ist der Nachlasspfleger also verpflichtet, seine eigene Verantwortlichkeit zu prüfen und für eine Realisierung seiner Haftung dergestalt zu sorgen, dass er die daraus resultierende Verbindlichkeit begleicht, damit der Nachlass vollständig an die Gläubiger herausgegeben werden kann.
842 BGH, Urteil vom 13. 07. 1989 – IX ZR 227/87 – NJW-RR 1989, 1226 (1228), juris Rz. 36. 843 Vgl. dazu bereits Teil 3, A. I. 4.
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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b) Haftung ab Erhebung der Einrede für weitere Verwaltung des dürftigen Nachlasses nach § 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB – Verwalterhaftung gegenüber den Nachlassgläubigern analog § 1985 Abs. 2 BGB Der gravierendste Einschnitt in die Systematik der Nachlasspflegschaft wird jedoch durch die Pflicht zur Herausgabe des Nachlasses an die Nachlassgläubiger als Folge der Dürftigkeitseinrede ausgelöst. Differenziert werden muss zwischen der Rechtsbeziehung zwischen werdendem Erben und Nachlasspfleger sowie zwischen Nachlasspfleger und Nachlassgläubiger: aa) Folgen der Einredeerhebung für die Verantwortlichkeit gegenüber dem werdenden Erben Dass die Streichung des Verweises auf § 1980 in § 1991 BGB ein Irrtum und der Verweis nicht unbedeutend war,844 zeigt sich nun erneut. Der Nachlasspfleger erhebt die Einrede stellvertretend für den werdenden und damit vorläufigen Erben, um dessen Haftung auf den Nachlass zu beschränken. Für den werdenden Erben gilt aber § 1980 BGB im Allgemeinen nicht, da die Pflicht zur Insolvenzantragstellung den Erben erst mit Annahme der Erbschaft trifft, weil der Erbe nach zutreffender und herrschender Auffassung erst ab Annahme der Erbschaft verpflichtet ist, sich um den Nachlass zu kümmern. Dies kann jedoch ab Erhebung der Dürftigkeitseinrede nicht mehr gelten. Die Erhebung der Dürftigkeitseinrede ist die Besorgung eines erbschaftlichen Geschäfts, bei dessen Vornahme der vorläufige Erbe und damit auch der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter des werdenden Erben, die Belange der Nachlassgläubiger zu berücksichtigen hat, vgl. § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB. Bei der Erhebung der Dürftigkeitseinrede regelt § 1991 Abs. 1 BGB, dass der Erbe nicht nur für die „bisherige Verwaltung“ i.S.v. § 1978 BGB, also für die zeitlich zurückliegende Verwaltung des Nachlasses haftet, sondern auch, dass er für die zukünftige Verwaltung des Nachlasses den Nachlassgläubigern verantwortlich ist, bis er den Nachlass vollständig an diese herausgegeben hat.845 Mit Erhebung der Einrede regelt demnach § 1991 BGB, dass die Verwaltung des Nachlasses einzig zum Zweck der Befriedigung der Nachlassgläubiger zu erfolgen hat, was folglich auch dem Interesse des Erben in der Situation entspricht, da nur eine vollständige Verteilung des Nachlasses an die Gläubiger seine Haftungsbeschränkung zuverlässig herbeiführt und ihn vor einer Haftung mit seinem Eigenvermögen gegenüber den Nachlassgläubigern bewahrt. Der Nachlass bleibt „in seiner Hand“, bis dieser vollständig an die Nachlassgläubiger herausgegeben wurde. Damit ist der vorläufige Erbe durch die 844
Siehe dazu bereits Teil 3, B. II. 3. c) cc). Staudinger-BGB/Marotzke, § 1991 Rz. 3; RGRK-BGB/Johannsen, § 1991 Rz. 1; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1991 Rz. 1; Lange, Erbrecht, § 73 Rz. 200. 845
230
Teil 3: Lösungsansätze
Einredeerhebung Verwalter fremden Vermögens.846 Eine Sicherung und Erhaltung des Nachlasswerts im Interesse der Nachlassgläubiger kennt das Gesetz außerhalb der Insolvenz aber nur in der Nachlassverwaltung, vgl. § 1975 BGB („eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger“). Nach der Dürftigkeitseinrede verwaltet der Erbe selbst,847 er wird daher in § 1991 BGB auch wie ein Selbstverwalter behandelt.848 Bei der Abwicklung eines dürftigen Nachlasses handelt es sich folglich um einen Fall „privater Nachlassverwaltung“849 bei dem § 1980 BGB gleichermaßen Anwendung finden muss: Erhebt der vorläufige Erbe die Einrede der Dürftigkeit, behauptet er damit, den Nachlassbestand umfänglich zu kennen und beurteilen zu können. Ferner gibt er an, sich mit diesem entsprechend umfangreich auseinandergesetzt zu haben. Eine Verantwortlichkeit des vorläufigen Erben für den Wahrheitsgehalt seiner Aussage kann nur über § 1980 BGB erfolgen, dessen Anwendung mit Erhebung der Einrede verknüpft ist. Andernfalls wäre der vorläufige Erbe nicht in der Lage, den Beweis der Dürftigkeit zu erbringen, weil ihm die Kompetenz für die entsprechende Bewertung des Nachlassvermögens abgesprochen werden müsste. Damit muss § 1980 BGB auch auf den vorläufigen Erben Anwendung finden, wenn dieser im Rechtsverkehr zu erkennen gibt, sich um den Nachlass dergestalt gekümmert zu haben, dass er dessen Wert in einem Nachlassinsolvenzverfahren einzuschätzen in der Lage ist. Eine Schutzbedürftigkeit, die für den passiven vorläufigen Erben, der sich nicht um den Nachlass zu kümmern braucht, zutreffend angenommen wird, kann bei offensichtlich gegenteiligem Verhalten des vorläufigen Erben gerade nicht bestehen. Die Schutzbedürftigkeit verlagert sich zugunsten der Nachlassgläubiger und die Grundsätze der Verwalterhaftung finden Anwendung, als habe der Erbe die Erbschaft angenommen. Die Schutzbedürftigkeit der Nachlassgläubiger, die in § 1980 BGB zum Ausdruck kommt, muss folgerichtig ab Erhebung der Einrede durch den vorläufigen Erben gelten. Damit fällt die Erfüllung der Pflicht aus §§ 1991 Abs. 1, 1980 BGB nun auch in den Aufgabenbereich des Nachlasspflegers. Folglich ist er gegenüber dem Erben verantwortlich, im Falle des Wegfalls der Dürftigkeit unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen, um den werdenden Erben vor einer Verantwortlichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern zu bewahren.
846 Vgl. für den endgültigen Erben: BeckOK-BGB/Lohmann, § 1991 Rz. 1: Wenn sich der Erbe auf die Dürftigkeit beruft, muss er den Nachlass wie Fremdvermögen verwalten. 847 Bonefeld/Kroiß/Tanck-Erbprozess/Krug, S. 605 848 Soergel-BGB/Stein, § 1990 Rz. 9; vgl. Burandt/Rojahn-BGB/Joachim, § 1990 Rz. 12; Dt.ErbRK/Jülicher,§ 1990 BGB Rz. 11. 849 Hausmann/Hohloch/Joachim, Handbuch des Erbrechts, S. 1467 Rz. 30; Herzog, ErbR 2003, 71 (74).
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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bb) Verantwortlichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern Bei einer Verwaltung des Nachlasses nach Erhebung der Einrede durch den Nachlasspfleger wird das System der Verwaltung des Nachlasses ausschließlich im Interesse des werdenden Erben durchbrochen. Der Nachlass wird bis zu seiner vollständigen Herausgabe an die Nachlassgläubiger durch den Nachlasspfleger weiter verwaltet, nun aber nicht mehr zur Sicherung und Erhaltung im Interesse des Erben, sondern zur vollständigen Herausgabe an die Nachlassgläubiger zum Zwecke deren Befriedigung. Die Verwaltungspflicht nach der Einredeerhebung ist daher eine Nachlassverwaltung für einen dürftigen Nachlass, vgl. §§ 1975 und 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB. Für die Nachlassverwaltung regelt § 1985 Abs. 2 BGB explizit die Haftung des agierenden Nachlassverwalters gegenüber den Nachlassgläubigern aus §§ 1978, 1979 und 1980 BGB. In der Konsequenz bedeutet dies, dass den Nachlasspfleger für die korrekte Verwaltung des dürftigen Nachlasses erstmals eine unmittelbare Verantwortung gegenüber den Nachlassgläubigern trifft, analog § 1985 Abs. 2 BGB, weil die Haftung des Erben nun auf den Nachlass beschränkt ist. Sowohl der zeitliche Rahmen der Verantwortlichkeit als auch der Umfang ist klar abgegrenzt. Ab Erhebung der Einrede bis zur vollständigen Herausgabe haftet der Nachlasspfleger für die Herausgabe des Nachlasses, der im Zeitpunkt der Erhebung der Einrede vorhanden war. Er ist verpflichtet, diesen Bestand an die Gläubiger herauszugeben und eine Schmälerung dieses Nachlasses zu verhindern, allerdings nicht mehr nur gegenüber dem Erben sondern auch gegenüber den Gläubigern, da die Folge der Dürftigkeitseinrede eine Verwalterhaftung für den Erben ist. Der Nachlasspfleger muss daher den Nachlass vollständig und unvermindert herausgeben bzw. die Zwangsvollstreckung in diesen Nachlass ermöglichen. Bis auf die Vorschrift des § 1991 Abs. 3 und 4 BGB bei Überschuldung des Nachlasses muss er bei der Befriedigung der Nachlassgläubiger keine Reihenfolge beachten. Nach Erhebung der Dürftigkeitseinrede ist der Nachlasspfleger primär Nachlassverwalter und daher analog § 1985 Abs. 2 BGB den Nachlassgläubigern unmittelbar verantwortlich. 6. Fälschliches Berufen auf die Dürftigkeit des Nachlasses – Keine Haftungsbeschränkung für den Erben bei unterlassener Insolvenzantragstellung durch den Nachlasspfleger Komplizierter ist das fälschliche Berufen auf die Dürftigkeit durch den Nachlasspfleger. Zu klären ist, welche Verantwortlichkeit besteht und welche Folgen die fälschliche Einredeerhebung für die Befriedigungsaussichten der Nachlassgläubiger hat.
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Teil 3: Lösungsansätze
a) Keine Haftungsbeschränkung für den Erben – Verwalterhaftung des Nachlasspflegers für Verminderung des Nachlassbestands aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB Folge einer Einredeerhebung bei tatsächlich nicht dürftigem Nachlass ist, dass keine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass eintritt. Problematisch ist dies für den Nachlasspfleger insbesondere dann, wenn er die Abwicklung des Nachlasses vornimmt, als sei der Nachlass dürftig. Verkürzungen des Nachlassbestands aufgrund von Ersatzansprüchen der Nachlassgläubiger850 hat der Nachlasspfleger gegenüber dem Erben gem. §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB, 278 BGB zu verantworten, wenn ihm hinsichtlich der Einschätzung der Dürftigkeit des Nachlasses zumindest fahrlässiges Handeln vorzuwerfen ist. b) Anwendbarkeit von § 1980 BGB ab Einredeerhebung? Aufgrund der Komplexität der Ermittlung des Nachlassbestands zur Prüfung des Vorliegens der Dürftigkeit des Nachlasses kann davon ausgegangen werden, dass die Behauptung von Nachlasspflegern, es liege ein dürftiger Nachlass vor, in einer Vielzahl von Fällen nicht zutreffend ist und das korrekte Mittel der Haftungsbeschränkung der Insolvenzantrag gewesen wäre.851 Fraglich ist, ob und in welchem Umfang auch § 1980 BGB zur Anwendung gelangt, wenn die Einrede der Dürftigkeit unberechtigterweise erhoben wird, obwohl der Nachlasspfleger die Einrede als Vertreter des werdenden Erben erhebt, für den grundsätzlich § 1980 BGB nicht gilt. Im Vergleich zur Einredeerhebung durch den Erben selbst stellt sich folgendes Problem: Beruft sich der endgültige Erbe nach Annahme der Erbschaft auf die Dürftigkeit des Nachlasses, ohne dass diese vorliegt, haftet er den Gläubigern gem. § 1980 BGB für deren verminderte Befriedigung, die aufgrund der verzögerten Insolvenzantragstellung eingetreten ist. Der Erbe trägt also das Ersatzpflichtrisiko, wenn er statt Stellung des gebotenen Insolvenzantrags die Dürftigkeitseinrede erhebt. Die Anwendung von § 1980 BGB ist eindeutig, da eine ungerechtfertigte Berufung auf die Dürftigkeit des Nachlasses eine Antragspflicht nicht beseitigen kann. Für den vorläufigen Erben gilt § 1980 BGB nicht, eine verzögerte Antragstellung vor Erhebung der Dürftigkeitseinrede kann daher auch keine Ersatzpflicht auslösen. Den vorläufigen Erben trifft § 1980 BGB nicht, weil er vor der Annahme nicht verpflichtet ist, sich um den Nachlass zu kümmern. Allerdings ist eine vollständige Erfassung des Nachlassbestands unabdingbar, damit die Einrede überhaupt glaubhaft erhoben werden kann und damit ein „um den Nachlass Kümmern“ elementare Voraussetzung für ein Berufen auf § 1990 BGB. 850 Bei der Vornahme von erbschaftlichen Geschäften für den Erben muss der vorläufige Erbe und damit der Nachlasspfleger als dessen Vertreter die §§ 1978 und 1979 BGB beachten. 851 Vgl. Teil 3, B. III. 4.
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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Damit kann aber eine Verpflichtung zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen nicht mehr mit dem Argument verneint werden, der Nachlasspfleger handle nur im Interesse des werdenden Erben und dieser habe sich vor der Annahme nicht um den Nachlass zu kümmern.852 Auch die Folgen der Dürftigkeitseinrede lassen Gegenteiliges nicht zu. Den werdenden Erben trifft ab Erhebung der Einrede die Pflicht zur privaten Nachlassverwaltung. Er ist daher aus § 1991 BGB den Nachlassgläubigern bis zur vollständigen Herausgabe des Nachlasses verantwortlich, sodass ihn konsequenterweise auch die Pflicht aus § 1980 BGB trifft, wenn die Dürftigkeit des Nachlasses nachträglich entfällt.853 Wenn die Verantwortung aber bereits den vorläufigen Erben trifft, der sich berechtigterweise auf die Dürftigkeit des Nachlasses beruft,854 kann für den zu Unrecht die Einrede Erhebenden nichts anderes gelten. Das Recht, die Einrede der Dürftigkeit zu erheben, korrespondiert folglich mit der Insolvenzantragspflicht. Diese bestand vor Erhebung der Einrede für den vorläufigen Erben nicht, weil dies eine Haftungsausuferung bedeutete, die der Haftungssystematik des Erbrechts widerspräche. Mit Erhebung der Einrede jedoch besteht die Antragspflicht, wenn die Dürftigkeit später entfällt oder der Nachlass entgegen der Aussage des die Einrede Erhebenden nicht dürftig ist, weil die Haftung für die Fehlerhaftigkeit der Aussage geboten ist, um Gläubigerinteressen hinreichend zu schützen. Gestützt wird diese These von der Haftungssystematik des BGB für den vorläufigen Erben, die maßgeblich in § 1978 BGB und 1959 BGB zum Ausdruck kommt. Der Erbe ist vor der Annahme zur völligen Passivität berechtigt – er braucht sich nicht im den Nachlass zu kümmern, unabhängig davon, ob er die Erbschaft annehmen oder ausschlagen wird. Nimmt er jedoch Verwaltungsmaßnahmen vor, hat er im Fall der späteren Annahme der Erbschaft die Interessen der Nachlassgläubiger respektive im Fall späterer Ausschlagung der Erbschaft die des endgültigen Erben zu wahren und daher für entstehende Schäden aus der jeweiligen Verwaltungshandlung aufzukommen, vgl. § 1978 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. § 1959 Abs. 1 BGB. Bezieht sich die Verwaltungshandlung aber erkennbar auf den ganzen Nachlass – wie der vorläufige Erbe durch die Erhebung der Dürftigkeitseinrede zu erkennen gibt, wenn er behauptet der gesamte Nachlass reiche zur Verfahrenskostendeckung eines Insolvenzverfahrens nicht aus – muss sich die Verantwortlichkeit für diese Handlung auch 852 So aber die (ohne Berücksichtigung der Erhebung der Dürftigkeitseinrede zutreffende) Argumentation der h.M. gegen eine Verantwortlichkeit des vorläufigen Erben und damit des Nachlasspflegers gegenüber Nachlassgläubigern: BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/ 03 – BGHZ 161, 281 (285), juris Rz. 16; Nöll, Der Tod des Schuldners in der Insolvenz, S. 78 Rz. 204; Staudinger-BGB/Marotzke, § 1959 Rz. 4; MünchKomm-BGB/Leipold, § 1959 Rz. 1; Muscheler, Erbrecht, Rz. 1080; Lange, Erbrecht, § 42 Rz. 1; MAH-Erbrecht/Siegmann, § 23 Rz. 28; NK-BGB-Erbrecht/Ivo, § 1959 Rz. 1; Soergel-BGB/Stein, § 1959 Rz. 1; BeckOKBGB/Siegmann/Höger, § 1959 Rz. 1; Erman-BGB/Schlüter, § 1959 Rz. 1; Palandt/Weidlich, § 1959 Rz. 1. 853 Vgl. Teil 3, B. III. 5. b). 854 Vgl. Teil 3, B. III. 5. b).
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Teil 3: Lösungsansätze
auf den gesamten Nachlass beziehen. Dies gewährleistet einzig die Verantwortlichkeit aus § 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB. Diejenigen Schäden sind den Nachlassgläubigern zu ersetzen, die darauf beruhen, dass der Erbe vor Annahme der Erbschaft den Rechtsschein setzt, der Nachlass sei dürftig weshalb die Stellung eines Insolvenzantrages für die Nachlassgläubiger keinen Sinn mache. Folgerichtig trifft ihn die Verantwortlichkeit für den Wahrheitsgehalt seiner Aussage. In dieser Konstellation findet daher § 1980 BGB bereits vor der Annahme der Erbschaft Anwendung. Der vorläufige Erbe hat diese Verantwortlichkeit selbst begründet. Die Nachlassgläubiger sind mit Erheben der Einrede durch den Nachlasspfleger in besonderem Maße schutzwürdig. Ihnen wird mit Erheben der Einrede suggeriert, dass eine vollständige Befriedigung ihrer Forderung aus dem Nachlass nicht erfolgen wird. Wollen sie Gegenteiliges beweisen, tragen sie das Prozessrisiko. Der Nachlasspfleger, als vom Nachlassgericht bestellter und überwachter gesetzlicher Vertreter des Erben, gibt an, den Nachlass vollständig ermittelt und begutachtet zu haben. Seine Aussage ist für die Nachlassgläubiger folglich von gewichtigerer Bedeutung als eine Einredeerhebung durch den Erben oder gar den vorläufigen Erben. Will der Nachlassgläubiger die Dürftigkeit bestreiten, kann er entweder auf eigenes Kostenrisiko den Nachlasspfleger zum Beweis der Dürftigkeit im Prozess auffordern und seinen Anspruch weiter verfolgen oder selbst kostenpflichtig Insolvenzantrag stellen, damit das Insolvenzgericht die Dürftigkeit von Amts wegen überprüft. Eine entsprechende Motivation des Gläubigers wird daher in aller Regel nicht anzutreffen sein. Folgerichtig muss die Einredeerhebung dazu führen, dass ab dem Moment der Erhebung die Insolvenzantragspflicht aus § 1980 für denjenigen zur Anwendung gelangt, der die Einrede erhebt, sofern der Nachlass nicht dürftig ist. Die Erhebung der Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB hat also mit der Begründung der Insolvenzantragspflicht bei fehlender Dürftigkeit bei überschuldetem Nachlass auch eine materiell-rechtliche Folge. Die Haftung tritt für die Schäden ein, die den Nachlassgläubigern gegen deren Forderung die Dürftigkeitseinrede erhoben wird, dadurch entstehen, dass die Dürftigkeit des Nachlasses behauptet wird, was deren Motivation zur Insolvenzantragstellung nachhaltig hindert. Zu ermitteln ist also diejenige Quote, die die Gläubiger bei Insolvenzantragstellung statt Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch den Erben erhalten hätten. c) Folgen für die Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers Die Auffassung von Schulz855, dass der Nachlasspfleger bei der Erhebung der Dürftigkeitseinrede nur ein geringes Haftungsrisiko trage, ist nicht zutreffend, weil nicht berücksichtigt wird, welche Folgen die fehlerhafte Berufung auf die Dürftigkeit für den Nachlasspfleger hat. Die Erhebung der Einrede ist ein erbschaftliches Geschäft, welches der Nachlasspfleger im Pflichtenkreis des Erben bereits vor der 855
Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft/Schulz, S. 262.
B. Die (unberechtigte) Erhebung der Dürftigkeitseinrede
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Annahme der Erbschaft für diesen besorgt. Damit wird der Nachlasspfleger aber auch gegenüber den Gläubigern „pflegerisch tätig“856. Wie bereits bei §§ 1978 und 1979 BGB dargestellt857, bewirkt damit auch die ungerechtfertigte Erhebung der Einrede nach § 1990 BGB durch den Nachlasspfleger eine Haftung des Erben gegenüber den Nachlassgläubigern – diesmal jedoch wegen unterlassener Insolvenzantragstellung gem. §§ 1980, 278 BGB. Die damit ausgelöste Ersatzpflicht des Erben ist auch hier Nachlassverbindlichkeit. Die Entstehung einer solchen bewirkt eine Schmälerung des Nachlassbestands, für die der Nachlasspfleger dem Erben gem. §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB schadensersatzpflichtig ist. Lediglich bei sehr geringwertigen Nachlässen hat das fehlerhafte Berufen auf die Dürftigkeit des Nachlasses keine Haftungsfolgen für den Nachlasspfleger. Ist der Nachlassbestand durch die Nachlasspflegervergütung vollständig oder nahezu aufgebraucht, kommt eine spätere Verfahrenseröffnung im Hinblick auf den etwaigen Anfechtungsanspruch (der dann den einzigen Vermögenswert im Insolvenzverfahren darstellt) gegen den Nachlasspfleger nicht in Betracht, da es an einer Schädigung von Nachlassgläubigern fehlt, weil der Nachlasspfleger Massegläubiger gem. § 324 Ziff. 4 – 6 InsO ist.858 Nicht haltbar ist bei Berücksichtigung der gefundenen Ergebnisse die Darstellung bei Jochum/Pohl859, die die Abwicklung von überschuldeten und scheinbar dürftigen Nachlässen in Eigenregie des Nachlasspflegers als „Entgegenkommen“ bezeichnen. Den Interessen der Nachlassgläubiger wird eine derartige Abwicklung in Ermangelung der korrekten Ermittlung des im Insolvenzverfahren relevanten Nachlassbestands durch den Nachlasspfleger nicht gerecht. Die Ordnungsfunktion des Insolvenzrechts und die Prüfungspflicht der Insolvenzgerichte werden unterlaufen. Eine Haftung für Nachlasspfleger für derartiges Fehlverhalten ist daher nur konsequent.
IV. Zwischenergebnis: Insolvenzrechtliche Gläubigerschutzvorschriften laufen nicht leer – im Gegenteil Die Auffassung von Nöll, wonach durch eine postulierte Dürftigkeit des Nachlasses durch Nachlasspfleger und Fiskalerben mit anschließender Abwicklung des Nachlasses in Eigenregie insolvenzrechtliche Schutzvorschriften leer liefen,860 ist 856 Der BGH hatte dies aber für den Nachlasspfleger ausgeschlossen, der insoweit nur für den Erben pflegerisch tätig werde, vgl. BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/ 03 – BGHZ 161, 281 (288), juris Rz. 20. 857 Vgl. oben unter Teil 3, A. I. 2. 858 Vgl. AG Göttingen, Beschluss vom 30. 11. 2012 – 74 IN 153/12 – ZInsO 2013, 84 (85), juris Rz. 6. 859 Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rz. 517. 860 Nöll, ZInsO 2012, 814 (818).
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Teil 3: Lösungsansätze
nicht zutreffend. Vielmehr finden diese gerade auch außerhalb des Insolvenzverfahrens Anwendung. Die Entscheidung, wie verfahren werden soll, obliegt dem jeweiligen Nachlassgläubiger. Der Fiskalerbe haftet bei unberechtigter Erhebung der Dürftigkeitseinrede aus den §§ 1978, 1979 BGB und insbesondere § 1980 BGB für Quotenschäden der Nachlassgläubiger. Auch der Nachlasspfleger haftet im Rahmen der Erhebung der Dürftigkeitseinrede. Für die Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers für den Zeitraum ab Einredeerhebung muss zwischen der berechtigten und der unberechtigten Erhebung differenziert werden. Bei berechtigter Erhebung tritt die Haftungsbeschränkung für den Erben auf den Nachlass ein. Der Nachlasspfleger verwaltet den Nachlass nun für den Erben zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger, weshalb er ab Einredeerhebung diesen analog § 1985 Abs. 2 BGB für die ordnungsgemäße Herausgabe des Nachlasses verantwortlich ist. Gegenüber dem Erben muss er die ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses gem. §§ 1991, 1978, 1979 und 1980 BGB verantworten, also den Nachlass vollständig an die Nachlassgläubiger herausgeben. Zentraler Punkt im Kontext des unberechtigten Erhebens der Dürftigkeitseinrede ist, dass sie mit der Verantwortlichkeit aus § 1980 BGB korrespondiert. Beruft sich der Nachlasspfleger zu Unrecht auf die Dürftigkeit, löst er damit eine Verantwortlichkeit des noch vorläufigen Erben gegenüber den Nachlassgläubigern gem. § 1980 BGB aus, da er die Befugnis, diesen und dem Nachlass gegenüber passiv zu bleiben, durch die Einredeerhebung verloren hat. Damit begründet er eine Haftung für Schäden der Nachlassgläubiger, die den vorläufigen Erben vor Annahme der Erbschaft für gewöhnlich nicht trifft. Die Haftung aus § 1980 BGB führt dazu, dass der Anspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB nun auch diejenigen Schäden der Nachlassgläubiger umfasst, die wegen verzögerter Insolvenzantragstellung entstehen, weil stattdessen die Dürftigkeit des Nachlasses behauptet wurde. Durch die Anwendbarkeit von § 1980 BGB bei unberechtigter Erhebung der Dürftigkeitseinrede lässt sich in den von Nöll geschilderten Fällen unberechtigter kalten Eigenverwaltung volle Kompensation von den Gläubigern entstandenen Schäden erzielen. In einem durchzuführenden Insolvenzverfahren, können Ersatzansprüche der Nachlassgläubiger wegen Verschleppungsschäden durch die unberechtigte Erhebung der Dürftigkeitseinrede ersetzt werden. Dazu muss lediglich ein Nachlassgläubiger Insolvenzantrag stellen.
Teil 4
Ergebnisse und Ausblick A. Ergebnisse I. Rechtsnatur der Nachlasspflegschaft Die Nachlasspflegschaft der §§ 1960 Abs. 2 und 1961 BGB ist Personalpflegschaft. Voraussetzung der Anordnung einer Nachlasspflegschaft nach §§ 1960 und 1961 BGB ist stets ein Sicherungsanlass in Form der Unklarheit über die Erbfolge und damit eine noch vorläufige Erbenstellung. Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter des endgültigen Erben im Zeitraum dessen nur vorläufiger Erbenstellung. Die Erbenstellung ist vorläufig, wenn der Erbe noch nicht über die Annahme der Erbschaft entschieden hat, bzw. wird als vorläufig behandelt, wenn die Annahme im Rahmen eines Erbprätendentenstreits bis zu dessen Klärung gehemmt ist. Daher orientieren sich der Aufgabenbereich und die Vertretungsbefugnis des Nachlasspflegers an den Rechten und Pflichten, die für den vorläufigen Erben gelten. Empfehlenswert ist, die Person des Vertretenen als werdenden Erben zu bezeichnen, weil seine Erbenstellung entweder tatsächlich die eines werdenden Erben ist oder aber als solche behandelt wird.
II. Die Anordnung einer Sicherungspflegschaft bei überschuldetem Nachlass ist in Ermangelung eines Sicherungsbedürfnisses i.S.d. § 1960 Abs. 1 BGB nicht zulässig Der Anordnung einer Sicherungspflegschaft steht die feststehende Überschuldung des Nachlasses entgegen. Neben dem Sicherungsanlass ist ein Bedürfnis für die Nachlasssicherung erforderlich, welches über die Erbenermittlung hinausgeht. Die Sicherung des Nachlasses erfolgt im Interesse desjenigen, der einmal Erbe wird und deshalb von seinem Ausschlagungsrecht keinen Gebrauch machen wird. Die Nachlasssicherung des § 1960 BGB setzt also eine Annahmeentscheidung desjenigen voraus, für den der Nachlass gesichert wird. Daher muss die Sicherung im Interesse desjenigen erfolgen, der Erbe wird. Dessen Interesse an einer Sicherung des Nachlassbestands kann aber bei Überschuldung des Nachlasses gerade nicht durch eine Sicherungspflegschaft hinreichend berücksichtigt werden, weil dem Nach-
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Teil 4: Ergebnisse und Ausblick
lasspfleger eine Nachlasssicherung im Sinne der Erhaltung des Nachlassbestands gerade nicht möglich ist, weil er eine negative Veränderung des Nachlassbestandes nicht zuverlässig verhindern kann. Wenn überhaupt, kann der Nachlasspfleger das Nachlassinsolvenzverfahren einleiten, welches jedoch nicht der Sicherung von Vermögen im Interesse des Erben sondern ausschließlich zur Verwertung von Vermögen zur Befriedigung der Nachlassgläubiger dient. Interessen der Nachlassgläubiger sind für ein Sicherungsbedürfnis i.S.d. § 1960 BGB jedoch belanglos. Die durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eintretende Haftungsbeschränkung für das Eigenvermögen des Erben kann jedenfalls nicht mit der Erforderlichkeit einer Nachlasssicherung aus Sicht des Erben begründet werden, da diese in der Nachlassinsolvenz gerade nicht stattfindet.
III. Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers Nachlasspfleger sind für die Verwaltung überschuldeter Nachlässe verantwortlich. Neben der deliktischen Verantwortlichkeit und der Verletzung des Auskunftsanspruchs aus § 2012 Abs. 1 BGB besteht keine Verantwortlichkeit gegenüber Nachlassgläubigern, da der Nachlasspfleger einzig im Interesse des werdenden Erben tätig wird und sich seine Verantwortlichkeit daher auch im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses bewegt. Für eine Haftung des Nachlasspflegers wegen fehlerhafter Verwaltung des Nachlasses ist daher die Verantwortlichkeit gegenüber dem vertretenen werdenden Erben aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB entscheidend, da dieser Anspruch als Surrogat i.S.v. § 2041 BGB in den Nachlass fällt, wenn es zu einer Haftungsbeschränkung auf den Nachlass kommt. Daher kann und muss dieser im Rahmen eines Nachlassinsolvenzverfahrens Berücksichtigung finden. Zur Sicherung und Erhaltung des Nachlasses muss der Nachlasspfleger die Nachlassgegenstände ihrem Wert nach erhalten, Nachlassverbindlichkeiten bedienen, wenn dies zur Vermeidung weiterer Kosten geboten und mit § 1979 BGB zu vereinbaren ist und die Schmälerung des Nachlassbestands durch die Stellung eines Insolvenzantrags verhindern. Im Rahmen der Verantwortlichkeit gegenüber dem Erben hat der Nachlasspfleger alle Verkürzungen des Nachlasses zu ersetzen, die auf einer schuldhaften Pflichtverletzung beruhen. Die Überschuldung des Nachlasses ändert daran nichts. Weist der Nachlassbestand vor der Pflichtverletzung einen höheren Wert auf als danach, liegt ein Vermögensschaden des werdenden Erben vor, woran auch die Möglichkeit des Erben zur Haftungsbeschränkung auf den Nachlass nichts ändert. Verkürzungen können dabei entweder dadurch eintreten, dass eine ordnungsgemäße Sicherung und Erhaltung des Nachlasses nicht erfolgt oder der Nachlasspfleger durch sein Handeln im Rahmen der Vertretung des werdenden Erben gegenüber den Nachlassgläubigern Ersatzansprüche nach §§ 1978 Abs. 1 Satz 2, 1979 BGB auslöst,
A. Ergebnisse
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die Nachlassverbindlichkeiten darstellen und daher den Nachlassbestand weiter schmälern. Da der Ersatzanspruch des Erben einen bei diesem eintretenden Vermögensschaden voraussetzt, sind bestimmte Schäden, die einzig den Nachlassgläubigern entstehen, nicht ersetzbar. Reine Quotenschäden durch verzögerte Insolvenzantragstellung können gegenüber dem Nachlasspfleger nicht mittels Drittschadensliquidation oder § 826 BGB kompensiert werden, da dies zu einer Umgehung der erbrechtlichen Haftungssystematik führen würde, die für die Berücksichtigung von Nachlassgläubigerinteressen eine wirksame Erbschaftsannahme voraussetzt, die es im Falle der Nachlasspflegschaft gerade noch nicht gibt, weil andernfalls nachlassgerichtliche Sicherungsmaßnahmen mangels Sicherungsanlass nicht möglich wären. Dies ist den Nachlassgläubigern zuzumuten und eine unangemessene Benachteiligung ist nicht ersichtlich. Sie können während der Nachlasspflegschaft ihre Ansprüche gerichtlich geltend machen, § 1960 Abs. 3 BGB, von ihrem Auskunftsanspruch Gebrauch machen, § 2012 Abs. 1 BGB, oder selbst Insolvenzantrag stellen, § 317 InsO.
IV. Dürftigkeitseinrede statt Insolvenzantrag Die Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch Fiskalerben und Nachlasspfleger erfolgt mehrheitlich für Nachlässe, die tatsächlich nicht dürftig sind. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass für die Beurteilung der Dürftigkeit des Nachlasses allein die Insolvenzmasse im Zeitpunkt der Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens von Bedeutung ist, die regelmäßig nur durch Insolvenzrechtsexperten zutreffend beurteilt werden kann. Bei der Dürftigkeitseinrede, die durch Fiskalerben erhoben wird, besteht insoweit kein Problem, da nur die tatsächliche Dürftigkeit des Nachlasses die Haftung wegen Insolvenzverschleppung tatsächlich entfallen lässt, weshalb den Gläubigern des Nachlasses bei einer ungerechtfertigten Berufung auf die Dürftigkeit keine Nachteile drohen. Das Fiskalerbrecht muss gerade auch dann festgestellt werden, wenn der Nachlass überschuldet ist, um eine ordnungsgemäße Abwicklung des Verfahrens sicherzustellen. Doch auch für Nachlasspfleger ist eine unzutreffende Erhebung der Dürftigkeitseinrede von weitrechender Relevanz. Die ungerechtfertigte Erhebung der Einrede löst eine Ersatzpflicht des vorläufigen Erben gegenüber den Nachlassgläubigern aus §§ 1980, 278 BGB aus, da sie eine Insolvenzantragspflicht des noch vorläufigen Erben gegenüber den Nachlassgläubigern begründet. Durch die Einrede suggeriert der die Einrede Erhebende, er könne den Nachlassbestand zuverlässig und korrekt einschätzen, und haftet in der Folge auch für die Konsequenzen, welche aus dieser Behauptung resultieren. Daher stellt eine unberechtigte Erhebung der Dürf-
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Teil 4: Ergebnisse und Ausblick
tigkeitseinrede eine Pflichtverletzung des Nachlasspflegers gegenüber dem werdenden Erben dar, für die dieser gem. §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB verantwortlich ist. Erhebt der Nachlasspfleger die Dürftigkeitseinrede zu Recht, ist er ab Erhebung neben dem Erben auch den Nachlassgläubigern für die Verwaltung des dürftigen Nachlasses bis zu dessen Herausgabe verantwortlich analog § 1985 Abs. 2 BGB.
V. Die Auffassung des Bundesgerichtshofs zur Außenhaftung des Nachlasspflegers ist korrekt Resümierend ist festzuhalten, dass die Einschätzung des Bundesgerichtshofs861 zur grundsätzlich nicht bestehenden Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber den Nachlassgläubigern korrekt ist und schutzwürdige Belange von Nachlassgläubigern dadurch nicht berührt werden. Einer eigenen Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers gegenüber den Nachlassgläubigern bedarf es außerhalb des Auskunftsanspruchs und einer deliktischen Haftung nicht. Nachlassgläubiger sind auch deshalb geschützt, weil durch den Nachlasspfleger bei ordnungsgemäßer Verwaltung vermeidbare Verkürzungen des Nachlassbestands im Zeitraum der Nachlasspflegschaft über den Ersatzanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB sanktioniert sind und dieser Anspruch im Insolvenzverfahren in den Nachlass fällt. Der Ersatzanspruch umfasst auch den Fall, in dem die Einrede der Dürftigkeit zu Unrecht erhoben wird. Die Pflicht zur Antragstellung trifft dann auch den werdenden Erben und wird somit auch vom Nachlasspfleger ausgeübt, weshalb eine Zuwiderhandlung zu einem Ersatzanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger führt. Damit entstehen aus dieser Pflichtverletzung den Gläubigern keine Schäden, da der Ersatzanspruch gegen den Nachlasspfleger die Verkürzung ausgleicht. Schutzwürdige Belange von Nachlassgläubigern, die einen eigenen Anspruch gegen den Nachlasspfleger begründeten, werden tatsächlich nicht tangiert, sofern der Nachlasspfleger nicht auch im Interesse der Nachlassgläubiger tätig wird. Dies ist jedoch im Falle der korrekten Berufung auf die Dürftigkeit des Nachlasses der Fall. Hier fungiert der Nachlasspfleger als privater Nachlassverwalter für den vertretenen werdenden Erben und wird daher auch im Interesse der Nachlassgläubiger tätig, was eine Haftung analog § 1985 Abs. 2 BGB begründet. Folglich sind die Interessen von Erben, Nachlassgläubigern und Nachlasspflegern de lege lata hinreichend berücksichtigt, sofern die Beteiligten konsequent die Rechtsnatur der Nachlasspflegschaft als gesetzliche Vertretung des werdenden Erben berücksichtigen.
861
BGH, Urteil vom 08. 12. 2004 – IV ZR 199/03 – BGHZ 161, 281 (28), juris Rz. 21.
B. Gesamtergebnis und Ausblick
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B. Gesamtergebnis und Ausblick Der aktuelle Umgang mit überschuldeten Nachlässen ist unzureichend. Nachlassgerichte sollten bei Gläubigeranträgen gem. § 1961 BGB darauf hinwirken, dass die gestellten Anträge auch zur Verfolgung des begehrten Ziels des Gläubigers geeignet sind. Bei möglicher Überschuldung des Nachlasses sollte daher seitens des Nachlassgerichts entsprechend auf die Möglichkeit hingewiesen werden, Nachlassverwaltung zu beantragen. Nur diese trägt dem bestmöglichen Befriedigungsverlangen des Gläubigers insbesondere durch die eigene Verantwortlichkeit des Nachlassverwalters auch gegenüber Gläubigern des Nachlasses hinreichend Rechnung. Bei feststehender Überschuldung kann bei einem Gläubigerantrag ein Nachlasspfleger bestellt werden, da die Bestellung nach § 1961 BGB kein Sicherungsbedürfnis voraussetzt. Dann ist jedoch der Wirkungskreis des Nachlasspflegers auf die Stellung eines Insolvenzantrags und die bestmögliche Sicherung des Nachlasses bis zu dessen Eingang beim zuständigen Insolvenzgericht zu beschränken. Fehlt es an einem Antrag eines Nachlassgläubigers, steht die Überschuldung des Nachlasses häufig noch nicht fest, weshalb die Bestellung eines Nachlasspflegers gem. § 1960 Abs. 2 BGB meist geboten ist. Aufgabe des Nachlasspflegers ist jedoch stets auch die Ermittlung der Vermögensverhältnisse des Nachlasses und damit auch einer bestehenden Überschuldung. Nachlasspfleger überschuldeter Nachlässe müssen im Zuge der Verwaltung strenge Anforderungen beachten, um keine persönliche Haftung gegenüber dem werdenden Erben zu begründen. Für Schäden des Erben, die aufgrund dessen Verantwortlichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern entstehen, muss der Nachlasspfleger aufkommen. Da nahezu jede Vermögensminderung des Nachlassbestands im Zuge der Nachlasspflegschaft eine Ersatzpflicht des Nachlasspflegers auslöst, bedeutet die Verwaltung überschuldeter Nachlässe für Nachlasspfleger ein kaum einzuschätzendes Haftungsrisiko. Dieses ist in seiner Verpflichtung, den Nachlassbestand für den Erben bestmöglich zu sichern und zu erhalten, begründet, weil dies dem Nachlasspfleger bei Überschuldung des Nachlasses gerade nicht möglich ist. Eine Gläubigerbefriedigung ist bei erkennbarer Überschuldung unzulässig und führt zu Ersatzansprüchen gegen den Nachlasspfleger. Ferner ist der Nachlasspfleger verpflichtet, das Nachlassvermögen vor dem Zugriff der Nachlassgläubiger auszuschließen, wenn eine Befriedigung gem. § 1979 BGB unzulässig wäre. Den Zugriff von Nachlassgläubigern kann er gem. § 1958 Abs. 3 BGB jedoch nur durch Stellung eines Insolvenzantrags verhindern. Außer der Stellung eines Insolvenzantrages bleiben ihm daher nahezu keine Handlungsvarianten, die keine Verantwortlichkeit gegenüber dem Erben begründen, wenn er nicht beim Nachlassgericht die Aufhebung der Nachlasspflegschaft wegen nicht vorliegendem Sicherungsbedürfnis anregen will.
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Teil 4: Ergebnisse und Ausblick
Aufgrund der Tatsache, dass der Erstattungsanspruch des Erben gegen den Nachlasspfleger wegen Verkürzung des Nachlasses aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB Teil der Insolvenzmasse in einem Nachlassinsolvenzverfahren ist, sollte die Verwaltung überschuldeter Nachlässe durch Nachlasspfleger verstärkt in den Fokus von Insolvenzverwaltern und Nachlassgläubigern rücken. Die aktuell überwiegend anzutreffende kalte Eigenverwaltung von überschuldeten Nachlässen ist meist auf eine unzutreffende Annahme der Dürftigkeit des Nachlasses zurückzuführen und bedeutet für die den Nachlass verwaltenden Verantwortlichen ein erhebliches Haftungsrisiko. Gläubiger, die insbesondere außerprozessual mit der Dürftigkeitseinrede konfrontiert werden, sollten an die Beweisführung des Nachlasspflegers oder des Fiskalerben hohe Anforderungen richten, im Zweifel Insolvenzantrag stellen und in diesem auf eine mögliche Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers wegen fehlerhafter Verwaltung hinweisen. Insolvenzverwalter müssen die Verantwortlichkeit des Nachlasspflegers aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB konsequent berücksichtigen. Für den Umgang mit überschuldeten Nachlässen hat die Ausarbeitung weitreichende Bedeutung. Um einer eigenen Haftung zu entgehen, müssen Nachlasspfleger und Fiskalerben überschuldeter Nachlässe die kalte Eigenverwaltung unterlassen und selbst von ihrem Antragsrecht aus § 317 InsO Gebrauch machen. In absehbarer Zeit sollte die Zahl der Nachlassinsolvenzverfahren eine mit Verbraucherinsolvenzverfahren vergleichbare Größe erreichen und die Befriedigungsaussichten für Nachlassgläubiger nachhaltig verbessern.
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