Rechtsunsicherheiten bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften: Ihre Reduktion unter Berücksichtigung des deutschen, US-amerikanischen und internationalen Vertragsrechts 9783161533617, 9783161533600

Die Globalisierung der Märkte und die Informatisierung von Transaktionen verändern die Anforderungen an die rechtlichen

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Kapitel 1: Einleitung
A. Wirtschaftspolitische Ausgangsannahme
B. Rechtspolitische Ausgangsannahmen
C. Methodik und Gang der Untersuchung
D. Einschränkungen des Untersuchungsgegenstandes
Kapitel 2: Definition internationaler elektronischer Handelsgeschäfte
A. Handelsgeschäft
B. Elektronische Handelsgeschäfte
I. Elektronischer Geschäftsverkehr
II. Arten elektronischer Handelsgeschäfte
C. Internationale elektronische Handelsgeschäfte
Kapitel 3: Ökonomische und technische Merkmale internationaler elektronischer Handelsgeschäfte
A. Globalisierung der Märkte
I. Die „erste“ Globalisierung im 19. Jahrhundert
II. Faktoren der Globalisierung
III. Ökonomische Folgen der Globalisierung der Märkte
IV. Folgen für die rechtlichen Rahmenbedingungen internationaler elektronischer Handelsgeschäfte
B. Informatisierung von Transaktionen
I. Konvergenz und Standardisierung
II. Digitalisierung
III. Cloud-Computing und Software-as-a-Service
IV. Gefahr des unberechtigten Zugriffs und der Manipulation
V. Wandel in den Organisationsformen für Transaktionen
1. Organisationsform „Markt“
2. Organisationsform „Unternehmen“
a) Skalen- und Netzeffekte
b) Virtuelle Organisationen
VI. Folgen für die rechtlichen Rahmenbedingungen internationaler elektronischer Handelsgeschäfte
Kapitel 4: Juristische Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge
A. Internationale Regelungsansätze
I. Spezifisches internationales elektronisches Vertragsrecht
1. UN-Übereinkommen über den Einsatz von elektronischer Kommunikation bei internationalen Verträgen
2. UNCITRAL-Modellvorschriften
3. ICC eTerms
4. Europäische EDI-Mustervereinbarung
5. Lex Informatica
II. Allgemeines internationales Vertragsrecht
1. CISG
2. UNIDROIT-Prinzipien für internationale Handelsverträge
3. ICC International Commercial Terms
III. Allgemeines internationales Prozessrecht
1. New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche
2. Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen
3. Europäische Mediationsrichtlinie
B. Regionale und nationale Regelungsansätze
I. Europäische Union / Deutschland
1. Gesetzliche Regelungen
2. Deutscher EDI-Rahmenvertrag
II. USA
1. Gesetzliche Regelungen
2. Principles of the Law of Software Contracts
3. Model Electronic Data Interchange Trading Partner Agreement der American Bar Association
Kapitel 5: Neue Institutionenökonomik als theoretischer Bezugsrahmen
A. Die Funktion von Informationen
B. Information und Transaktion
C. Der Inhalt der Neuen Institutionenökonomik
I. Definition „Institution“
II. Positive und normative Analyse
III. Methodologischer Individualismus, individuelle Nutzenmaximierung, begrenzte Rationalität und institutionenökonomischer Imperativ
IV. Teilgebiete der Neuen Institutionenökonomik
1. Transaktionskostentheorie
2. Theorie der Verfügungsrechte
3. Konsequenzen hoher Transaktionskosten und eines großen Maßes an externen Effekten
4. Prinzipal-Agent-Theorie / Adverse Selektion
Kapitel 6: Neue institutionenökonomische Analyse internationaler elektronischer Handelsgeschäfte
A. Internationalität als Transaktionskostenfaktor
I. Diversität des Rechts als Merkmal des internationalen Handelsverkehrs
II. Das internationale Tauschdilemma
III. Rechtsunsicherheitsebenen
B. Informationstechnologie als Transaktionskostenfaktor
Kapitel 7: Denkmodelle zur Bewältigung der Transaktionskostenproblematik
A. Das Selbstverwaltungsmodell
I. Fallbeispiele für Institutionen der Selbstverwaltung
1. Gütesiegel
a) Funktionsweise
b) Effizienz
c) Zwischenergebnis
2. Reputations- und Feedbacksysteme
a) Das eBay-Reputationssystem
aa) Funktionsweise
bb) Effizienz
b) Theoretische Geeignetheit von Reputations-/ Feedbacksysteme
aa) Das spieltheoretische Modell von Ockenfels
bb) Kritik
II. Ablehnung einer reinen Lex Informatica
1. Cyberspace als eigenständiger Rechtsraum und die Konsequenzen
2. Entstehen von Sub-Regelsystemen
3. Kollisionen von nationalem Recht und Cyberlaw
4. Verstärkung von Marktmacht und „Amerikanisierung“
5. Zwischenergebnis
B. Das Verrechtlichungs- und Nutzerschutzmodell
C. Zwischenergebnis
Kapitel 8: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln zur Reduktion von Rechtsunsicherheit
A. Die Rechtslage aus Sicht der Unternehmen
B. Rechtslage
I. Internationale Zuständigkeit
1. Rechtsquellen
2. Internationale Zuständigkeit nach der EuGVVO
a) Anwendungsbereich
b) Allgemeiner Gerichtsstand des Wohnsitzes, Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 EuGVVO
aa) Satzungsmäßiger Sitz, Hauptverwaltung und Hauptniederlassung einer am elektronischen Geschäftsverkehr beteiligten Gesellschaft oder juristischen Person
(1) Satzungsmäßiger Sitz
(2) Hauptverwaltung
(3) Hauptniederlassung
(4) Sonderfall: Virtuelle Unternehmen
bb) Grenzüberschreitender Bezug
cc) Zwischenergebnis
c) Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes, Art. 5 Nr. 1 EuGVVO
aa) Gerichtsstand am Liefer- oder Dienstleistungsort, Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO
(1) Erfüllungsort beim elektronischen Kaufvertrag über eine bewegliche Sache, Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO
(a) Elektronischer Kaufvertrag über eine bewegliche Sache
(aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut
(bb) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut
(b) Bestimmung des Lieferortes
(aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut
(bb) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut
(2) Erfüllungsort beim elektronischen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen, Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVVO
(a) Elektronischer Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen
(aa) Elektronischer Vertrag über nicht digital erbrachte Dienstleistung
(bb) Elektronischer Vertrag über digital erbrachte Dienstleistung
(b) Bestimmung des Dienstleistungsortes
(aa) Elektronischer Vertrag über nicht digital erbrachte Dienstleistung
(bb) Elektronischer Vertrag über digitale erbrachte Dienstleistung
(3) Vereinbarung über den Erfüllungsort, Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO
(4) Zwischenergebnis
bb) Auffangtatbestand des Erfüllungsortes, Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO
d) Besonderer Gerichtsstand am Niederlassungsort, Art. 5 Nr. 5 EuGVVO
e) Gerichtsstandsvereinbarung, Art. 23 EuGVVO
aa) Wirksame Einigung der Parteien
bb) Formerfordernisse
cc) Gerichtsstandsklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen
(1) Einheitsrechtliche Einbeziehungskontrolle
(2) Verwendung fremdsprachiger AGB
(3) Kollidierende Gerichtsstandsklauseln
(4) Zwischenergebnis
dd) Zwischenergebnis
3. Internationale Zuständigkeit nach LugÜ
a) Allgemeiner Gerichtsstand des Unternehmenssitzes, Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 LugÜ
b) Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes, Art. 5 Nr. 1 LugÜ
c) Gerichtsstandsvereinbarung, Art. 23 LugÜ
4. Internationale Zuständigkeit nach deutschem Verfahrensrecht
a) Allgemeiner Gerichtsstand des Unternehmenssitzes, §§ 12, 13, 17 ZPO
b) Besonderer Gerichtsstand der gewerblichen Niederlassung, § 21 ZPO
c) Besonderer Gerichtsstand des Vermögens, § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO
d) Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes, § 29 ZPO
e) Zwischenergebnis
f) Gerichtsstandvereinbarung
aa) Die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 1 ZPO bei internationalen Handelsverträgen
bb) Die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 2 ZPO bei elektronischen Verträgen
(1) Die elektronische Form des § 126a BGB bei internationalen Handelsverträgen
(2) Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. a EuGVÜ analog bei elektronischen Verträgen
(3) Zwischenergebnis
g) Schiedsvereinbarungen
aa) Rechtsquellen
(1) Deutsches Schiedsverfahrensrecht, §§ 1025 ff. ZPO
(2) New Yorker Übereinkommen
bb) Formerfordernisse
(1) Das Formerfordernis des Art. II NYÜ
(2) Das Formerfordernis des § 1031 ZPO
(a) Grundregel
(b) Schiedsvereinbarung in kaufmännischen Bestätigungsschreiben
(c) Schiedsklausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen
(3) Zwischenergebnis
cc) Lokalisierungsfragen
5. Internationale Zuständigkeit nach US-amerikanischem Recht
a) Allgemeiner Gerichtsstand bei elektronischen Handelsverträgen
aa) Gründungssitz und Hauptniederlassung eines am elektronischen Geschäftsverkehr beteiligten Unternehmens
bb) Dauerhafte und systematische Geschäftstätigkeit im Forumstaat beim elektronischen Geschäftsverkehr
cc) Zwischenergebnis
b) Besonderer Gerichtsstand bei elektronischen Handelsverträgen
aa) Der „Sliding Scale“-Test aus Zippo Mfg. Co. v. Zippo Dot Com. Inc.
bb) Kritik und Weiterentwicklung des „Sliding Scale“-Tests
cc) Die Rolle des Serverstandorts
c) Quasi-in-rem Gerichtsstand und elektronischer Geschäftsverkehr
d) Besonderheiten bei ausländischen Beklagten
e) Gerichtsstandsvereinbarungen in elektronischen Handelsverträgen
f) Forum Non Conveniens, Lis Pendens und Anti-Suit Injunctions
g) Schiedsvereinbarungen
aa) Rechtsquellen
(1) Allgemeine Vorschriften des FAA
(2) New Yorker Übereinkommen und Umsetzungsgesetz
(3) Panama Convention und Umsetzungsgesetz
bb) Formerfordernisse
cc) Lokalisierungsfragen
h) Zwischenergebnis
6. Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen
a) Grundidee, Status und Verhältnis zu anderen Rechtsakten
b) Gerichtsstandsvereinbarungen in internationalen elektronischen Handelsverträgen
c) Auswirkungen auf das europäische, deutsche und US-amerikanische Verfahrensrecht
II. Internationales Privatrecht
1. Rechtsquellen
2. Bestimmung des anwendbaren Rechts anhand des CISG
a) Anwendungsbereich
aa) Sachlicher Anwendungsbereich: Kaufvertrag über Waren
(1) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut
(2) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut
(a) Wareneigenschaft
(b) Kaufvertragscharakter des Erwerbvorgangs
bb) Persönlicher Anwendungsbereich: Niederlassung der Parteien in verschiedenen Staaten
cc) Räumlicher Anwendungsbereich: Vertragsstaatenbezug des Kaufvertrags
dd) Anwendungsausschluss bei Versteigerungen, Art. 2 lit. b CISG
b) Umfang des Vertragsstatuts und Ausschluss des CISG durch die Parteien
c) Zwischenergebnis
3. Bestimmung des anwendbaren Rechts anhand der Rom-I-VO
a) Anwendungsbereich
b) Rechtswahl
aa) Wirksamkeitsvoraussetzungen
bb) Der Kreis des wählbaren Rechts
cc) Binnenmarktklausel
c) Objektive Anknüpfung
d) Bedeutung des Herkunftslandprinzips, Art. 3 Abs. 1, 2 ECRL / § 3 TMG
e) Anknüpfung der Vertragsform, Art. 11 Abs. 2 Rom-I-VO
f) Zwischenergebnis
4. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach US-amerikanischem Kollisionsrecht
a) Rechtswahl
b) Objektive Anknüpfung
c) Zwischenergebnis
III. Sachrecht
1. Anwendung und Auslegung des CISG bei elektronischen Verträgen
a) Ungeregelte Bereiche des CISG
aa) Stellvertretung, Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen, allgemeine Geschäftsbedingungen, Fehlerbehandlung
bb) Verhältnis zum Recht des geistigen Eigentums
b) Parteiautonomie
c) Elektronischer Vertragsschluss
aa) Erfüllung eines Schriftform- und Unterschrifterfordernis durch elektronische Kommunikation
(1) Der Vorbehalt des Art. 96 CISG
(2) Gewillkürte Form und schriftliche Erklärungen durch elektronische Kommunikation
bb) Grundregeln für den Vertragsschluss bei elektronischen Verträgen
(1) Vorliegen eines Angebots
(2) Wirksamwerden von elektronischen Erklärungen
(a) Das technische Schichtenmodell einer elektronischen Kommunikation
(aa) Schichten einer internetbasierten Kommunikation
(α) Anwendungsschicht
(β) Transmission Control Protocol-Schicht
(γ) Internet Protocol-Schicht
(δ) Hardware-Schicht
(ε) Local Area Network / Internet Access Provider-Router / NSP-Backbones
(bb) Schichten einer EDI-Kommunikation
(b) Folgen für das Konzept des Zugangs elektronischer Erklärungen
(3) Ort des Vertragsschlusses
(4) Berechnung einer Annahmefrist bei elektronischer Kommunikation
(5) Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen bei elektronischen Verträgen
(6) Elektronische Agenten
d) Vertragsdurchführung bei elektronischen Verträgen
aa) Beschaffenheit der geschuldeten Leistung
(1) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut
(2) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut
(3) Elektronischer Softwarevertrag
bb) Erfüllungshandlung und Erfüllungsort
(1) Erfüllungshandlung des Verkäufers und Erfüllungsort
(a) Lieferpflicht
(aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut
(bb) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut
(cc) Elektronischer Softwarevertrag
(α) Notwendigkeit eines Testlaufs?
(β) Zurverfügungstellen (Art. 31 lit. b, c CISG) bei Download oder Onlinenutzung
(γ) Versendung (Art. 31 lit. a CISG) bei sonstiger digitaler Übermittlung
(b) Erfüllungsort
(aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut
(bb) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut
(cc) Elektronischer Vertrag über digital übermittelte Software
(c) Zwischenergebnis und Rechtsfolge
(d) Wertungsmäßige Korrektur bei Übermittlungsfehlern
(e) Möglichkeit der digitalen Übermittlung von Transaktionsdokumenten
(2) Erfüllungshandlung des Käufers und Erfüllungsort
(a) Kaufpreiszahlungspflicht
(b) Erfüllungsort
(aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut
(bb) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut
(cc) Elektronischer Vertrag über digital übermittelte Software
(dd) Zwischenergebnis
cc) Leistungsstörung
(1) Elektronische Mängelrüge
(2) Nacherfüllungsanspruch, Vertragsaufhebung und Minderung
(a) Nacherfüllungsanspruch
(aa) Ersatzlieferung
(α) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut
(β) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut
(γ) Elektronischer Softwarevertrag über digital übermittelte Software
(bb) Nachbesserung
(b) Vertragsaufhebung
(c) Minderung
(3) Schadensersatz
e) Zwischenergebnis
2. Deutsches Sachrecht für elektronische Handelsverträge
a) Informationspflichten
aa) Rechtsquellen
bb) Allgemeine Informationspflichten
cc) Vertragsbezogene Informationspflichten
dd) Informationsdarstellung
ee) Zwischenergebnis und Rechtsfolgen
b) Parteiautonomie
c) Elektronischer Vertragsschluss
aa) Erfüllung von Formerfordernissen durch elektronische Kommunikation
bb) Grundregeln für den Vertragsschluss bei elektronischen Verträgen
cc) Vorliegen von Angebot und Annahme im elektronischen Geschäftsverkehr
dd) Wirksamwerden von elektronischen Erklärungen
ee) Elektronische Agenten
ff) Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen
gg) Rechtsscheinsvollmachten im elektronischen Geschäftsverkehr
hh) Behandlung von Fehlern beim Vertragsschluss
ii) Vertragsschluss bei Auktionen
(1) Auktionsarten
(2) Spezialgesetzliche Regelungen
(a) Börsengesetz, Wertpapierhandelsgesetz und Kreditwesengesetz
(b) Vergaberecht
(3) Allgemeines Vertragsrecht
jj) Zwischenergebnis
d) Vertragsdurchführung
aa) Vertragstypologische Einordnung
(1) Elektronischer Vertrag über ein physisches oder digital übermitteltes Gut
(2) Elektronischer Vertrag über digital übermittelte Software
bb) Beschaffenheit der geschuldeten Leistung
(1) Elektronischer Vertrag über ein physisches oder digital übermitteltes Gut
(2) Elektronischer Vertrag über digital übermittelte Software
cc) Erfüllungsort und Erfüllungshandlung
dd) Untersuchungsrecht und Testlauf
ee) Besondere Leistungspflichten bei Softwareverträgen
ff) Leistungsstörungen
gg) Einstandspflichten
hh) Zwischenergebnis
e) Vertragsbeendigung
3. US-amerikanisches Sachrecht für elektronische Handelsverträge
a) Anwendungsbereiche und Terminologie
aa) UETA
bb) E-SIGN
dd) UCITA
ee) UCC
b) Informationspflichten
c) Parteiautonomie
d) Notwendigkeit der Vereinbarung der Wirksamkeit elektronischer Kommunikation
e) Elektronischer Vertragsschluss
aa) Erfüllung des Schriftform- und Unterschriftserfordernis durch elektronische Kommunikation
bb) Grundregeln für den Vertragsschluss bei elektronischen Verträgen
(1) Vorliegen eines verbindlichen Angebots
(2) Wirksamwerden elektronischer Erklärungen
(a) Grundregeln
(b) Sonderregel des § 112 UCITA
(c) Abgabe und Zugang elektronischer Erklärungen
(aa) Abgabe elektronischer Erklärungen
(bb) Zugang elektronischer Erklärungen
(d) Die Anwendung der Mailboxrule bei elektronischen Erklärungen
(e) Wirkung einer Empfangsbestätigung
(f) Ort des Vertragsschlusses
(g) Zwischenergebnis
(3) Kongruenz von Angebot und Annahme
(a) Freiheit bei der Wahl des Kommunikationsmittels für die Annahmeerklärung
(b) Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen
(4) Elektronische Agenten
(5) Rechtsscheinsvollmachten im elektronischen Geschäftsverkehr
(6) Behandlung von Fehlern beim Vertragsschluss
(7) Speicherbarkeit der elektronischen Kommunikation
cc) Vertragsschluss bei Auktionen
dd) Zwischenergebnis
f) Vertragsdurchführung
aa) Leistungspflichten
bb) Leistungsverweigerungsrechte
cc) Leistungserbringung
(1) Erfüllungsort
(2) Erfüllungshandlung
(3) Untersuchungsrecht und Annahme der Leistung
(4) Wirkung der Leistungserbringung
dd) Besondere Leistungspflichten
ee) Automatische Sicherungsmaßnahmen
ff) Rechtsbehelfe bei Vertragsbruch
(1) Ablehnung der Leistung
(2) Vertragsauflösung
(3) Angemessene Versicherung der Leistungserbringung
(4) Schadensersatz
(a) Schadensersatzumfang
(b) Art des Schadensersatzes
(c) Haftungsbegrenzungen und Schadenspauschalierung
(5) Elektronische Selbsthilfe
gg) Zwischenergebnis
g) Vertragsbeendigung
IV. Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Urteilen
1. Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Urteilen durch deutsche Gerichte
a) Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen aus Staaten der EU
b) Anerkennung und Vollstreckung von US-amerikanischen Gerichtsurteilen
aa) Anerkennungszuständigkeit
bb) Ordre Public-Vorbehalt
cc) Gegenseitigkeit
c) Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedsurteilen
aa) Anerkennungsversagungsgründe
bb) Verfahren der Vollstreckbarerklärung
d) Zwischenergebnis
2. Anerkennung und Vollstreckung von deutschen Urteilen durch US-amerikanische Gerichte
a) Anerkennung und Vollstreckung von deutschen Gerichtsurteilen
b) Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedsurteilen
c) Zwischenergebnis
3. Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen
V. Beweisrecht und elektronische Verträge
1. Deutsches Beweisrecht für elektronische Verträge
2. US-amerikanisches Beweisrecht für elektronische Verträge
VI. Ergebnis
Kapitel 9: Skizze ökonomisch effizienter rechtlicher Regelungen für internationale elektronische Handelsgeschäfte
A. Akteure der Institutionenbildung und Institutionenanpassung
I. Das Fehlen eines Super-Leviathans und die Rolle internationaler Organisationen
II. Die Rolle der Staaten
1. Der Rational-Choice-Ansatz als theoretischer Bezugsrahmen für staatliches Verhalten bei internationaler Zusammenarbeit
2. Internationale Zusammenarbeit bei der Verrechtlichung des internationalen elektronischen Handelsverkehrs
III. Zwischenergebnis
B. Art der rechtlichen Institution
I. Internationales Einheitsrecht als Institution
II. Begrenztes Einheitsrecht und hybrides System
1. Begrenztes Einheitsrecht
2. Hybrides Rechtssystem
3. Bewertung
III. Zwischenergebnis
C. Schaffung einer neuen rechtlichen Institution
I. Allgemeines
1. Lokalisierung virtueller Geschäftsbeziehungen
2. (Web-)Electronic Data Interchange
3. Vertragstypologische Einordnung elektronischer Handelsverträge
4. Zwischenergebnis
II. Internationale Zuständigkeit und internationales Privatrecht
1. Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarung als effizienteste Lösung
2. Internationale Zuständigkeit und kollisionsrechtliche Anknüpfung bei fehlender Parteivereinbarung
3. Schiedsverfahren
4. Zwischenergebnis
III. Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Urteilen
IV. Sachrecht
1. Privatautonomie und dispositives Vertragsrecht
2. Formvorschriften
3. Elektronischer Vertragsschluss
a) Wirksamwerden von Willenserklärungen
b) Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
c) Rechtsscheinsvollmachten
d) Zurechnung von Kommunikationsfehlern
4. Leistungsstandards
5. Leistungserbringung
6. Leistungsstörung
7. Zwischenergebnis
Kapitel 10: Bewertung des ECC vor dem Hintergrund der Modellüberlegungen
A. Das ECC als begrenztes Einheitsrecht
B. Nicht erfasste Regelungsbereiche
C. Parteiautonomie
D. Lokalisierungsfragen
E. Formfragen
F. Elektronischer Vertragsschluss
I. Abgrenzung zwischen verbindlichem Angebot und bloßer invitatio ad offerendum
II. Ort und Zeit der Absendung und des Zugangs elektronischer Kommunikation
III. Einsatz elektronischer Agenten
IV. Fehlerbehandlung
G. Verhältnis zu anderen Regelwerken
I. Auswirkungen auf das CISG
II. Auswirkungen auf das New Yorker Übereinkommen und das Haager Übereinkommen über Gerichtsvereinbarungen
III. Auswirkungen auf das harmonisierte EU-Recht und das deutsche Recht
IV. Auswirkungen auf das US-amerikanische Recht
H. Zwischenergebnis
Kapitel 11: Zusammenfassung
A. Veränderung der Anforderungen an rechtliche Rahmenbedingungen durch die Globalisierung der Märkte und Informatisierung von Transaktionen
B. Bestehende juristische Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge
C. Rechtliche Rahmenbedingungen und Transaktionskosten
D. Das Selbstverwaltungsmodell
E. Effizienz der bestehenden Rechtsregeln zur Reduktion von Rechtsunsicherheit
I. Internationale Gerichtszuständigkeit
II. Internationales Privatrecht
III. Sachrecht
1. Informationspflichten
2. Elektronischer Vertragsschluss
3. Leistungsstandards und Leistungserbringung
4. Leistungsstörung
IV. Anerkennung und Vollstreckung
V. Beweisrecht
F. Effiziente rechtliche Regelungen für internationale elektronische Handelsverträge
I. Internationale Zusammenarbeit bei der Verrechtlichung des internationalen Handelsverkehrs
II. Art der rechtlichen Institution
III. Inhalt effizienter rechtlicher Regelungen
G. Bewertung des ECC
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 319 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Markus Messinger

Rechtsunsicherheiten bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften Ihre Reduktion unter Berücksichtigung des deutschen, US-amerikanischen und internationalen Vertragsrechts

Mohr Siebeck

Markus Messinger, geboren 1981; Studium der Rechtswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover; Forschungsaufenthalt an der Northwestern University, Chicago; Referendariat in Hamburg; 2013 Promotion; seit 2010 Rechtsanwalt in Frankfurt am Main.

e-ISBN 978-3-16-153361-7 ISBN 978-3-16-153360-0 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2014  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­ tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­ tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Meinen Eltern

 

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Jahr 2013 von der Juristischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover als Dissertation angenommen. Die Arbeit ist auf dem Stand von Februar 2013, später veröffentlichte Literatur und Gerichtsurteile sind nur noch vereinzelt aufgenommen worden. Sie ist während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rechtsinformatik der Leibniz Universität Hannover, eines Forschungsaufenthalts an der Northwestern University, Chicago, meines Referendariats in Hamburg und meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main entstanden. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater, Prof. em. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Kilian. Er hat bereits bei der Themenfindung hilfreiche Anregungen geliefert und immer wieder meinen Blick für die ökonomischen Grundlagen und technischen Zusammenhänge von internationalen elektronischen Handelsgeschäften geschärft. Insbesondere danke ich ihm für die Möglichkeit, im Jahr 2007 in Hannover eine internationale Expertenkonferenz zur „United Nations Convention on the Use of Electronic Communications in International Contracts“ begleiten zu können, die zahlreiche Denkanstöße für meine Arbeit geliefert hat. Prof. Dr. Axel Metzger, LL.M. (Harvard) danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens und sein Interesse an meiner Arbeit. Bei Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow, LL.M (Harvard) bedanke ich mich für die Aufnahme meiner Arbeit in die Schriftenreihe „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“. Dem Deutschen Akademischen Austauschdienst schulde ich Dank für die Unterstützung meines Forschungsaufenthaltes an der Northwestern University, Chicago. Mein ganz besonderer Dank gilt meinen Eltern, Irene und Armin Messinger. Ihren Rückhalt und ihre bedingungslose Unterstützung während meiner gesamten Studien- und Promotionszeit werde ich nie vergessen. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Mit Abschluss dieser Arbeit bin ich in Gedanken auch bei meinen Großvater Gerhard Messinger. Er hat mein Studium und den Beginn meiner Promotionszeit mit großem Interesse und Stolz verfolgt, leider war es ihm nicht vergönnt, den Abschluss dieser Arbeit zu erleben.

VIII

Vorwort 

  Schließlich bedanke ich mich von Herzen bei meiner Frau Christiane Messinger für ihre liebevolle und selbstlose Unterstützung. Nur mit ihrer Rücksicht und ihrem Verzicht war es möglich, die Arbeit neben meiner Berufstätigkeit zu vollenden. Frankfurt am Main, September 2014  

Markus Messinger

Inhaltsübersicht Vorwort ...........................................................................................................VII Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XXXI

Kapitel 1: Einleitung ................................................................................... 1  A. Wirtschaftspolitische Ausgangsannahme....................................................... 4  B. Rechtspolitische Ausgangsannahmen ............................................................ 6  C. Methodik und Gang der Untersuchung ....................................................... 10  D. Einschränkungen des Untersuchungsgegenstandes .................................... 15 

Kapitel 2: Definition internationaler elektronischer Handelsgeschäfte ....................................................................................... 17  A. Handelsgeschäft ........................................................................................... 17  B. Elektronische Handelsgeschäfte .................................................................. 21  C. Internationale elektronische Handelsgeschäfte ........................................... 27

Kapitel 3: Ökonomische und technische Merkmale internationaler elektronischer Handelsgeschäfte ............................... 28 A. Globalisierung der Märkte .......................................................................... 28  B. Informatisierung von Transaktionen............................................................ 32 

Kapitel 4: Juristische Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge............................................................... 47  A. Internationale Regelungsansätze ................................................................. 48 

X

Inhaltsübersicht

B. Regionale und nationale Regelungsansätze ................................................. 63 

Kapitel 5: Neue Institutionenökonomik als theoretischer Bezugsrahmen ............................................................................................. 76  A. Die Funktion von Informationen .................................................................. 77  B. Information und Transaktion ....................................................................... 78  C. Der Inhalt der Neuen Institutionenökonomik .............................................. 79 

Kapitel 6: Neue institutionenökonomische Analyse internationaler elektronischer Handelsgeschäfte ............................. 90  A. Internationalität als Transaktionskostenfaktor ............................................ 90  B. Informationstechnologie als Transaktionskostenfaktor ............................... 95 

Kapitel 7: Denkmodelle zur Bewältigung der Transaktionskostenproblematik ............................................................ 97  A. Das Selbstverwaltungsmodell ...................................................................... 97  B. Das Verrechtlichungs- und Nutzerschutzmodell ........................................ 116  C. Zwischenergebnis ...................................................................................... 116 

Kapitel 8: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln zur Reduktion von Rechtsunsicherheit..................................................... 118  A. Die Rechtslage aus Sicht der Unternehmen ............................................... 118  B. Rechtslage .................................................................................................. 120 

Kapitel 9: Skizze ökonomisch effizienter rechtlicher Regelungen für internationale elektronische Handelsgeschäfte ..................................................................................... 410  A. Akteure der Institutionenbildung und Institutionenanpassung .................. 410  B. Art der rechtlichen Institution.................................................................... 420 

Inhaltsübersicht

XI

C. Schaffung einer neuen rechtlichen Institution ........................................... 431 

Kapitel 10: Bewertung des ECC vor dem Hintergrund der Modellüberlegungen ............................................................................... 469  A. Das ECC als begrenztes Einheitsrecht ...................................................... 469  B. Nicht erfasste Regelungsbereiche .............................................................. 472  C. Parteiautonomie ........................................................................................ 473  D. Lokalisierungsfragen ................................................................................. 474  E. Formfragen ................................................................................................ 476  F. Elektronischer Vertragsschluss ................................................................. 478  G. Verhältnis zu anderen Regelwerken .......................................................... 481  H. Zwischenergebnis ...................................................................................... 488 

Kapitel 11: Zusammenfassung ............................................................ 490  A. Veränderung der Anforderungen an rechtliche Rahmenbedingungen durch die Globalisierung der Märkte und Informatisierung von Transaktionen ............................................................................................ 490  B. Bestehende juristische Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge .................................................................. 491 C. Rechtliche Rahmenbedingungen und Transaktionskosten ......................... 491  D. Das Selbstverwaltungsmodell.................................................................... 492  E. Effizienz der bestehenden Rechtsregeln zur Reduktion von Rechtsunsicherheit ..................................................................................... 493  F. Effiziente rechtliche Regelungen für internationale elektronische Handelsverträge ........................................................................................ 503  G. Bewertung des ECC .................................................................................. 506

Literaturverzeichnis........................................................................................ 509 Sachregister .................................................................................................... 537 

Inhaltsverzeichnis Vorwort ...........................................................................................................VII Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XXXI

Kapitel 1: Einleitung ................................................................................... 1  A. Wirtschaftspolitische Ausgangsannahme....................................................... 4  B. Rechtspolitische Ausgangsannahmen ............................................................ 6  C. Methodik und Gang der Untersuchung ....................................................... 10  D. Einschränkungen des Untersuchungsgegenstandes .................................... 15 

Kapitel 2: Definition internationaler elektronischer Handelsgeschäfte ....................................................................................... 17  A. Handelsgeschäft ........................................................................................... 17  B. Elektronische Handelsgeschäfte .................................................................. 21  I. II.

Elektronischer Geschäftsverkehr ...................................................... 22  Arten elektronischer Handelsgeschäfte ............................................ 25 

C. Internationale elektronische Handelsgeschäfte ........................................... 27

Kapitel 3: Ökonomische und technische Merkmale internationaler elektronischer Handelsgeschäfte ............................... 28 A. Globalisierung der Märkte .......................................................................... 28  I.

Die „erste“ Globalisierung im 19. Jahrhundert ................................ 28 

XIV

Inhaltsverzeichnis

II. Faktoren der Globalisierung .............................................................. 29  III. Ökonomische Folgen der Globalisierung der Märkte ...................... 29  IV. Folgen für die rechtlichen Rahmenbedingungen internationaler elektronischer Handelsgeschäfte ....................................................... 30  B. Informatisierung von Transaktionen............................................................ 32  I. II. III. IV. V.

Konvergenz und Standardisierung .................................................... 32  Digitalisierung ................................................................................... 34  Cloud-Computing und Software-as-a-Service .................................. 36  Gefahr des unberechtigten Zugriffs und der Manipulation .............. 37  Wandel in den Organisationsformen für Transaktionen .................. 41  1. Organisationsform „Markt“ .......................................................... 41  2. Organisationsform „Unternehmen“ .............................................. 41  a) Skalen- und Netzeffekte ........................................................... 41  b) Virtuelle Organisationen .......................................................... 42  VI. Folgen für die rechtlichen Rahmenbedingungen internationaler elektronischer Handelsgeschäfte ....................................................... 43 

Kapitel 4: Juristische Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge............................................................... 47  A. Internationale Regelungsansätze ................................................................. 48  I.

Spezifisches internationales elektronisches Vertragsrecht ............... 48  1. UN-Übereinkommen über den Einsatz von elektronischer Kommunikation bei internationalen Verträgen ............................ 48  2. UNCITRAL-Modellvorschriften .................................................. 51  3. ICC eTerms ................................................................................... 53  4. Europäische EDI-Mustervereinbarung ......................................... 54  5. Lex Informatica ............................................................................. 55  II. Allgemeines internationales Vertragsrecht ....................................... 57  1. CISG .............................................................................................. 57  2. UNIDROIT-Prinzipien für internationale Handelsverträge ......... 58  3. ICC International Commercial Terms .......................................... 60  III. Allgemeines internationales Prozessrecht ........................................ 60  1. New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche............................... 60  2. Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen ..... 62  3. Europäische Mediationsrichtlinie ................................................. 62  B. Regionale und nationale Regelungsansätze ................................................. 63 

Inhaltsverzeichnis

I. II.

XV

Europäische Union / Deutschland ..................................................... 63  1. Gesetzliche Regelungen ................................................................ 63  2. Deutscher EDI-Rahmenvertrag..................................................... 67  USA ................................................................................................... 69  1. Gesetzliche Regelungen ................................................................ 69  2. Principles of the Law of Software Contracts................................ 73  3. Model Electronic Data Interchange Trading Partner Agreement der American Bar Association ................................... 74 

Kapitel 5: Neue Institutionenökonomik als theoretischer Bezugsrahmen ............................................................................................. 76  A. Die Funktion von Informationen .................................................................. 77  B. Information und Transaktion ....................................................................... 78  C. Der Inhalt der Neuen Institutionenökonomik .............................................. 79  I. Definition „Institution“ ..................................................................... 79  II. Positive und normative Analyse ....................................................... 81  III. Methodologischer Individualismus, individuelle Nutzenmaximierung, begrenzte Rationalität und institutionenökonomischer Imperativ ............................................... 81  IV. Teilgebiete der Neuen Institutionenökonomik ................................. 83  1. Transaktionskostentheorie ............................................................ 83  2. Theorie der Verfügungsrechte ...................................................... 85  3. Konsequenzen hoher Transaktionskosten und eines großen Maßes an externen Effekten ......................................................... 86  4. Prinzipal-Agent-Theorie / Adverse Selektion .............................. 88 

Kapitel 6: Neue institutionenökonomische Analyse internationaler elektronischer Handelsgeschäfte ............................. 90  A. Internationalität als Transaktionskostenfaktor ............................................ 90  I.

Diversität des Rechts als Merkmal des internationalen Handelsverkehrs ................................................................................ 90  II. Das internationale Tauschdilemma ................................................... 91  III. Rechtsunsicherheitsebenen ............................................................... 93  B. Informationstechnologie als Transaktionskostenfaktor ............................... 95 

XVI

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 7: Denkmodelle zur Bewältigung der Transaktionskostenproblematik ............................................................ 97  A. Das Selbstverwaltungsmodell ...................................................................... 97  I.

II.

Fallbeispiele für Institutionen der Selbstverwaltung ........................ 98  1. Gütesiegel ...................................................................................... 98  a) Funktionsweise ......................................................................... 98  b) Effizienz ................................................................................... 99  c) Zwischenergebnis ................................................................... 100  2. Reputations- und Feedbacksysteme ............................................ 100  a) Das eBay-Reputationssystem ................................................. 101  aa) Funktionsweise ............................................................... 101  bb) Effizienz .......................................................................... 102  b) Theoretische Geeignetheit von Reputations-/ Feedbacksysteme ................................................................... 105  aa) Das spieltheoretische Modell von Ockenfels ................. 105  bb) Kritik ............................................................................... 107  Ablehnung einer reinen Lex Informatica ........................................ 110  1. Cyberspace als eigenständiger Rechtsraum und die Konsequenzen ............................................................................. 111 2. Entstehen von Sub-Regelsystemen ............................................. 113  3. Kollisionen von nationalem Recht und Cyberlaw ...................... 114  4. Verstärkung von Marktmacht und „Amerikanisierung“ ............ 114  5. Zwischenergebnis ........................................................................ 115 

B. Das Verrechtlichungs- und Nutzerschutzmodell ........................................ 116  C. Zwischenergebnis ...................................................................................... 116 

Kapitel 8: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln zur Reduktion von Rechtsunsicherheit..................................................... 118  A. Die Rechtslage aus Sicht der Unternehmen ............................................... 118  B. Rechtslage .................................................................................................. 120  I.

Internationale Zuständigkeit ........................................................... 120  1. Rechtsquellen .............................................................................. 121  2. Internationale Zuständigkeit nach der EuGVVO ....................... 122  a) Anwendungsbereich ............................................................... 122 

Inhaltsverzeichnis

XVII

b) Allgemeiner Gerichtsstand des Wohnsitzes, Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 EuGVVO ........................................ 123  aa) Satzungsmäßiger Sitz, Hauptverwaltung und Hauptniederlassung einer am elektronischen Geschäftsverkehr beteiligten Gesellschaft oder juristischen Person .. 123  (1) Satzungsmäßiger Sitz ................................................ 123  (2) Hauptverwaltung ....................................................... 124  (3) Hauptniederlassung ................................................... 124  (4) Sonderfall: Virtuelle Unternehmen ........................... 126  bb) Grenzüberschreitender Bezug ........................................ 127  cc) Zwischenergebnis ........................................................... 128  c) Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes, Art. 5 Nr. 1 EuGVVO ............................................................ 128  aa) Gerichtsstand am Liefer- oder Dienstleistungsort, Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO ............................................ 129  (1) Erfüllungsort beim elektronischen Kaufvertrag über eine bewegliche Sache, Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO............. 130  (a) Elektronischer Kaufvertrag über eine bewegliche Sache ................................................ 130  (aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut ............................................. 130  (bb) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut .......................................... 130  (b) Bestimmung des Lieferortes ............................... 133  (aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut ............................................. 134  (bb) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut .......................................... 134  (2) Erfüllungsort beim elektronischen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen, Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVVO............. 135  (a) Elektronischer Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen ........................................... 135  (aa) Elektronischer Vertrag über nicht digital erbrachte Dienstleistung .............................. 135  (bb) Elektronischer Vertrag über digital erbrachte Dienstleistung .............................. 135  (b) Bestimmung des Dienstleistungsortes ................ 137  (aa) Elektronischer Vertrag über nicht digital erbrachte Dienstleistung .............................. 137  (bb) Elektronischer Vertrag über digitale erbrachte Dienstleistung .............................. 137 

XVIII

Inhaltsverzeichnis

(3) Vereinbarung über den Erfüllungsort, Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO ....................................... 139  (4) Zwischenergebnis ...................................................... 140  bb) Auffangtatbestand des Erfüllungsortes, Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO ............................................ 141 d) Besonderer Gerichtsstand am Niederlassungsort, Art. 5 Nr. 5 EuGVVO ............................................................ 141  e) Gerichtsstandsvereinbarung, Art. 23 EuGVVO .................... 142  aa) Wirksame Einigung der Parteien ................................... 143  bb) Formerfordernisse........................................................... 144  cc) Gerichtsstandsklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen .................................................... 146  (1) Einheitsrechtliche Einbeziehungskontrolle .............. 147  (2) Verwendung fremdsprachiger AGB ......................... 148  (3) Kollidierende Gerichtsstandsklauseln....................... 148  (4) Zwischenergebnis ...................................................... 149  dd) Zwischenergebnis ........................................................... 149  3. Internationale Zuständigkeit nach LugÜ .................................... 149  a) Allgemeiner Gerichtsstand des Unternehmenssitzes, Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 LugÜ ............................................... 150  b) Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes, Art. 5 Nr. 1 LugÜ ................................................................... 150  c) Gerichtsstandsvereinbarung, Art. 23 LugÜ ........................... 150  4. Internationale Zuständigkeit nach deutschem Verfahrensrecht . 150  a) Allgemeiner Gerichtsstand des Unternehmenssitzes, §§ 12, 13, 17 ZPO .................................................................. 151  b) Besonderer Gerichtsstand der gewerblichen Niederlassung, § 21 ZPO .................................................................. 151  c) Besonderer Gerichtsstand des Vermögens, § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO ............................................................... 152  d) Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes, § 29 ZPO .... 155  e) Zwischenergebnis ................................................................... 155  f) Gerichtsstandvereinbarung ..................................................... 156  aa) Die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 1 ZPO bei internationalen Handelsverträgen................................... 156  bb) Die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 2 ZPO bei elektronischen Verträgen ................................................ 157  (1) Die elektronische Form des § 126a BGB bei internationalen Handelsverträgen ............................. 157  (2) Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. a EuGVÜ analog bei elektronischen Verträgen........................................... 158  (3) Zwischenergebnis ...................................................... 159  g) Schiedsvereinbarungen .......................................................... 159 

Inhaltsverzeichnis

XIX

aa) Rechtsquellen .............................................................. 160 (1) Deutsches Schiedsverfahrensrecht, §§ 1025 ff. ZPO ......................................................... 161  (2) New Yorker Übereinkommen ................................... 161  bb) Formerfordernisse........................................................... 162  (1) Das Formerfordernis des Art. II NYÜ ...................... 162  (2) Das Formerfordernis des § 1031 ZPO ...................... 164  (a) Grundregel ........................................................... 164  (b) Schiedsvereinbarung in kaufmännischen Bestätigungsschreiben ......................................... 166  (c) Schiedsklausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen......................................... 166  (3) Zwischenergebnis ...................................................... 168  cc) Lokalisierungsfragen ...................................................... 169  5. Internationale Zuständigkeit nach US-amerikanischem Recht .. 171  a) Allgemeiner Gerichtsstand bei elektronischen Handelsverträgen .................................................................... 173  aa) Gründungssitz und Hauptniederlassung eines am elektronischen Geschäftsverkehr beteiligten Unternehmens ................................................................. 173  bb) Dauerhafte und systematische Geschäftstätigkeit im Forumstaat beim elektronischen Geschäftsverkehr ....... 174  cc) Zwischenergebnis ........................................................... 177  b) Besonderer Gerichtsstand bei elektronischen Handelsverträgen .................................................................... 177  aa) Der „Sliding Scale“-Test aus Zippo Mfg. Co. v. Zippo Dot Com. Inc. ........................ 179  bb) Kritik und Weiterentwicklung des „Sliding Scale“-Tests ..................................................... 180  cc) Die Rolle des Serverstandorts ........................................ 182  c) Quasi-in-rem Gerichtsstand und elektronischer Geschäftsverkehr .................................................................... 183  d) Besonderheiten bei ausländischen Beklagten........................ 184  e) Gerichtsstandsvereinbarungen in elektronischen Handelsverträgen .................................................................... 185  f) Forum Non Conveniens, Lis Pendens und Anti-Suit Injunctions .............................................................. 188  g) Schiedsvereinbarungen .......................................................... 190  aa) Rechtsquellen.................................................................. 190  (1) Allgemeine Vorschriften des FAA ........................... 191  (2) New Yorker Übereinkommen und Umsetzungsgesetz ......................................................................... 191  (3) Panama Convention und Umsetzungsgesetz ............ 192 

XX

II.

Inhaltsverzeichnis

bb) Formerfordernisse........................................................... 192  cc) Lokalisierungsfragen ...................................................... 195  h) Zwischenergebnis................................................................... 195  6. Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen ... 196  a) Grundidee, Status und Verhältnis zu anderen Rechtsakten... 196  b) Gerichtsstandsvereinbarungen in internationalen elektronischen Handelsverträgen ........................................... 198  c) Auswirkungen auf das europäische, deutsche und US-amerikanische Verfahrensrecht ....................................... 200  Internationales Privatrecht .............................................................. 201  1. Rechtsquellen .............................................................................. 201  2. Bestimmung des anwendbaren Rechts anhand des CISG .......... 202  a) Anwendungsbereich ............................................................... 203  aa) Sachlicher Anwendungsbereich: Kaufvertrag über Waren ................................................. 203  (1) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut ...... 203  (2) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut ....................................................... 204  (a) Wareneigenschaft ................................................ 204  (b) Kaufvertragscharakter des Erwerbvorgangs....... 207  bb) Persönlicher Anwendungsbereich: Niederlassung der Parteien in verschiedenen Staaten .................................. 210  cc) Räumlicher Anwendungsbereich: Vertragsstaatenbezug des Kaufvertrags .................................................. 212  dd) Anwendungsausschluss bei Versteigerungen, Art. 2 lit. b CISG ............................................................ 212  b) Umfang des Vertragsstatuts und Ausschluss des CISG durch die Parteien ................................................................... 213  c) Zwischenergebnis ................................................................... 214  3. Bestimmung des anwendbaren Rechts anhand der Rom-I-VO .. 214  a) Anwendungsbereich ............................................................... 214  b) Rechtswahl ............................................................................. 216  aa) Wirksamkeitsvoraussetzungen ....................................... 216  bb) Der Kreis des wählbaren Rechts .................................... 217  cc) Binnenmarktklausel ........................................................ 218  c) Objektive Anknüpfung ........................................................... 220  d) Bedeutung des Herkunftslandprinzips, Art. 3 Abs. 1, 2 ECRL / § 3 TMG ......................................... 224  e) Anknüpfung der Vertragsform, Art. 11 Abs. 2 Rom-I-VO ... 227  f) Zwischenergebnis ................................................................... 227  4. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach US-amerikanischem Kollisionsrecht .......................................... 228  a) Rechtswahl ............................................................................. 229 

Inhaltsverzeichnis

XXI

b) Objektive Anknüpfung ........................................................... 231  c) Zwischenergebnis ................................................................... 233  III. Sachrecht ......................................................................................... 234  1. Anwendung und Auslegung des CISG bei elektronischen Verträgen ..................................................................................... 234  a) Ungeregelte Bereiche des CISG ............................................ 234  aa) Stellvertretung, Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen, allgemeine Geschäftsbedingungen, Fehlerbehandlung ........................................................... 236  bb) Verhältnis zum Recht des geistigen Eigentums ............. 237  b) Parteiautonomie ..................................................................... 238  c) Elektronischer Vertragsschluss .............................................. 239  aa) Erfüllung eines Schriftform- und Unterschrifterfordernis durch elektronische Kommunikation .......... 239  (1) Der Vorbehalt des Art. 96 CISG ............................... 240  (2) Gewillkürte Form und schriftliche Erklärungen durch elektronische Kommunikation ........................ 241  bb) Grundregeln für den Vertragsschluss bei elektronischen Verträgen ................................................ 242 (1) Vorliegen eines Angebots ......................................... 242  (2) Wirksamwerden von elektronischen Erklärungen .... 243  (a) Das technische Schichtenmodell einer elektronischen Kommunikation .......................... 245  (aa) Schichten einer internetbasierten Kommunikation ........................................... 245  (α) Anwendungsschicht ............................... 246  (β) Transmission Control Protocol-Schicht. 246  (γ) Internet Protocol-Schicht ....................... 247  (δ) Hardware-Schicht ................................... 247  (ε) Local Area Network / Internet Access Provider-Router / NSP-Backbones ........ 247  (bb) Schichten einer EDI-Kommunikation ......... 248  (b) Folgen für das Konzept des Zugangs elektronischer Erklärungen ................................. 249  (3) Ort des Vertragsschlusses ......................................... 254  (4) Berechnung einer Annahmefrist bei elektronischer Kommunikation ............................................ 254  (5) Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen bei elektronischen Verträgen............... 255  (6) Elektronische Agenten .............................................. 257  d) Vertragsdurchführung bei elektronischen Verträgen ............ 258  aa) Beschaffenheit der geschuldeten Leistung..................... 261  (1) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut ...... 261 

XXII

Inhaltsverzeichnis

(2) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut ....................................................... 261  (3) Elektronischer Softwarevertrag ................................ 262  bb) Erfüllungshandlung und Erfüllungsort........................... 264  (1) Erfüllungshandlung des Verkäufers und Erfüllungsort .............................................................. 264  (a) Lieferpflicht ......................................................... 265  (aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut ............................................. 265  (bb) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut .......................................... 266  (cc) Elektronischer Softwarevertrag ................... 267  (α) Notwendigkeit eines Testlaufs? ............. 267  (β) Zurverfügungstellen (Art. 31 lit. b, c CISG) bei Download oder Onlinenutzung ................................ 268  (γ) Versendung (Art. 31 lit. a CISG) bei sonstiger digitaler Übermittlung ............ 269  (b) Erfüllungsort ....................................................... 269  (aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut ............................................. 269  (bb) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut .......................................... 270  (cc) Elektronischer Vertrag über digital übermittelte Software ................................... 270  (c) Zwischenergebnis und Rechtsfolge .................... 270  (d) Wertungsmäßige Korrektur bei Übermittlungsfehlern........................................... 271  (e) Möglichkeit der digitalen Übermittlung von Transaktionsdokumenten..................................... 272  (2) Erfüllungshandlung des Käufers und Erfüllungsort . 276  (a) Kaufpreiszahlungspflicht .................................... 276  (b) Erfüllungsort ....................................................... 277  (aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut ............................................. 277  (bb) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut .......................................... 277  (cc) Elektronischer Vertrag über digital übermittelte Software ................................... 277  (dd) Zwischenergebnis ........................................ 278  cc) Leistungsstörung............................................................. 278  (1) Elektronische Mängelrüge ........................................ 278 

Inhaltsverzeichnis

XXIII

(2) Nacherfüllungsanspruch, Vertragsaufhebung und Minderung ................................................................. 280  (a) Nacherfüllungsanspruch ...................................... 280  (aa) Ersatzlieferung ............................................. 280  (α) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut........................................ 280  (β) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut .................................... 281  (γ) Elektronischer Softwarevertrag über digital übermittelte Software.................. 281  (bb) Nachbesserung ............................................. 282  (b) Vertragsaufhebung .............................................. 282  (c) Minderung ........................................................... 283  (3) Schadensersatz........................................................... 283  e) Zwischenergebnis ................................................................... 285  2. Deutsches Sachrecht für elektronische Handelsverträge ........... 289  a) Informationspflichten ............................................................. 289  aa) Rechtsquellen.................................................................. 290  bb) Allgemeine Informationspflichten ................................. 292  cc) Vertragsbezogene Informationspflichten ....................... 294  dd) Informationsdarstellung.................................................. 295  ee) Zwischenergebnis und Rechtsfolgen.............................. 296  b) Parteiautonomie ..................................................................... 296  c) Elektronischer Vertragsschluss .............................................. 299  aa) Erfüllung von Formerfordernissen durch elektronische Kommunikation ....................................... 299  bb) Grundregeln für den Vertragsschluss bei elektronischen Verträgen ................................................ 300  cc) Vorliegen von Angebot und Annahme im elektronischen Geschäftsverkehr ................................... 300  dd) Wirksamwerden von elektronischen Erklärungen ......... 302  ee) Elektronische Agenten ................................................... 307  ff) Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen 307  gg) Rechtsscheinsvollmachten im elektronischen Geschäftsverkehr ............................................................ 310  hh) Behandlung von Fehlern beim Vertragsschluss............. 312  ii) Vertragsschluss bei Auktionen ....................................... 313  (1) Auktionsarten ............................................................ 313  (2) Spezialgesetzliche Regelungen ................................. 314  (a) Börsengesetz, Wertpapierhandelsgesetz und Kreditwesengesetz ............................................... 314  (b) Vergaberecht ....................................................... 316  (3) Allgemeines Vertragsrecht ........................................ 318 

XXIV

Inhaltsverzeichnis

jj) Zwischenergebnis ........................................................... 322  d) Vertragsdurchführung ............................................................ 323  aa) Vertragstypologische Einordnung .................................. 323  (1) Elektronischer Vertrag über ein physisches oder digital übermitteltes Gut ............................................ 324  (2) Elektronischer Vertrag über digital übermittelte Software ..................................................................... 324  bb) Beschaffenheit der geschuldeten Leistung..................... 328  (1) Elektronischer Vertrag über ein physisches oder digital übermitteltes Gut ............................................ 328  (2) Elektronischer Vertrag über digital übermittelte Software ..................................................................... 328  cc) Erfüllungsort und Erfüllungshandlung .......................... 330  dd) Untersuchungsrecht und Testlauf ................................... 332  ee) Besondere Leistungspflichten bei Softwareverträgen ... 333  ff) Leistungsstörungen ......................................................... 334  gg) Einstandspflichten .......................................................... 337  hh) Zwischenergebnis ........................................................... 338  e) Vertragsbeendigung ............................................................... 339  3. US-amerikanisches Sachrecht für elektronische Handelsverträge .......................................................................... 340  a) Anwendungsbereiche und Terminologie ............................... 341  aa) UETA .............................................................................. 341  bb) E-SIGN ........................................................................... 343  dd) UCITA ............................................................................ 344  ee) UCC ................................................................................ 346  b) Informationspflichten ............................................................. 348  c) Parteiautonomie ...................................................................... 349  d) Notwendigkeit der Vereinbarung der Wirksamkeit elektronischer Kommunikation .............................................. 351  e) Elektronischer Vertragsschluss .............................................. 351  aa) Erfüllung des Schriftform- und Unterschriftserfordernis durch elektronische Kommunikation .......... 351  bb) Grundregeln für den Vertragsschluss bei elektronischen Verträgen ................................................ 354  (1) Vorliegen eines verbindlichen Angebots .................. 355  (2) Wirksamwerden elektronischer Erklärungen ........... 356  (a) Grundregeln ......................................................... 356  (b) Sonderregel des § 112 UCITA............................ 358  (c) Abgabe und Zugang elektronischer Erklärungen ......................................................... 358  (aa) Abgabe elektronischer Erklärungen ............ 359  (bb) Zugang elektronischer Erklärungen ............ 360 

Inhaltsverzeichnis

XXV

(d) Die Anwendung der Mailboxrule bei elektronischen Erklärungen ................................. 361  (e) Wirkung einer Empfangsbestätigung .................. 363  (f) Ort des Vertragsschlusses .................................... 363  (g) Zwischenergebnis ................................................ 363  (3) Kongruenz von Angebot und Annahme ................... 363  (a) Freiheit bei der Wahl des Kommunikationsmittels für die Annahmeerklärung ...................... 364  (b) Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen......................................... 365  (4) Elektronische Agenten .............................................. 369  (5) Rechtsscheinsvollmachten im elektronischen Geschäftsverkehr ....................................................... 371  (6) Behandlung von Fehlern beim Vertragsschluss ....... 371  (7) Speicherbarkeit der elektronischen Kommunikation ......................................................... 372  cc) Vertragsschluss bei Auktionen ....................................... 372  dd) Zwischenergebnis ........................................................... 373  f) Vertragsdurchführung ............................................................. 375  aa) Leistungspflichten .......................................................... 375  bb) Leistungsverweigerungsrechte ....................................... 377  cc) Leistungserbringung ....................................................... 378  (1) Erfüllungsort .............................................................. 378  (2) Erfüllungshandlung ................................................... 378  (3) Untersuchungsrecht und Annahme der Leistung...... 378  (4) Wirkung der Leistungserbringung ............................ 379  dd) Besondere Leistungspflichten ........................................ 380  ee) Automatische Sicherungsmaßnahmen ........................... 381  ff) Rechtsbehelfe bei Vertragsbruch ................................... 381  (1) Ablehnung der Leistung ............................................ 382  (2) Vertragsauflösung ..................................................... 383  (3) Angemessene Versicherung der Leistungserbringung .................................................................. 383  (4) Schadensersatz........................................................... 383  (a) Schadensersatzumfang ........................................ 384  (b) Art des Schadensersatzes .................................... 384  (c) Haftungsbegrenzungen und Schadenspauschalierung ...................................... 385  (5) Elektronische Selbsthilfe........................................... 385  gg) Zwischenergebnis ........................................................... 386  g) Vertragsbeendigung ............................................................... 387  IV. Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Urteilen ....... 387 

XXVI

Inhaltsverzeichnis

1. Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Urteilen durch deutsche Gerichte.............................................................. 388  a) Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen aus Staaten der EU ........................................................................ 389  b) Anerkennung und Vollstreckung von US-amerikanischen Gerichtsurteilen ...................................................................... 390  aa) Anerkennungszuständigkeit ............................................ 391  bb) Ordre Public-Vorbehalt ................................................... 391  cc) Gegenseitigkeit ................................................................ 392  c) Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedsurteilen ....................................................................... 392  aa) Anerkennungsversagungsgründe..................................... 393  bb) Verfahren der Vollstreckbarerklärung ............................ 393  d) Zwischenergebnis................................................................... 395  2. Anerkennung und Vollstreckung von deutschen Urteilen durch US-amerikanische Gerichte ........................................................ 396  a) Anerkennung und Vollstreckung von deutschen Gerichtsurteilen ...................................................................... 396  b) Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedsurteilen ....................................................................... 398  c) Zwischenergebnis ................................................................... 399  3. Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen ... 399  V. Beweisrecht und elektronische Verträge ........................................ 400  1. Deutsches Beweisrecht für elektronische Verträge .................... 401  2. US-amerikanisches Beweisrecht für elektronische Verträge ..... 403  VI. Ergebnis ........................................................................................... 405 

Kapitel 9: Skizze ökonomisch effizienter rechtlicher Regelungen für internationale elektronische Handelsgeschäfte ..................................................................................... 410  A. Akteure der Institutionenbildung und Institutionenanpassung .................. 410  I.

Das Fehlen eines Super-Leviathans und die Rolle internationaler Organisationen ........................................................ 410 II. Die Rolle der Staaten....................................................................... 412  1.Der Rational-Choice-Ansatz als theoretischer Bezugsrahmen für staatliches Verhalten bei internationaler Zusammenarbeit .. 412  2. Internationale Zusammenarbeit bei der Verrechtlichung des internationalen elektronischen Handelsverkehrs ........................ 416  III. Zwischenergebnis ............................................................................ 419 

Inhaltsverzeichnis

XXVII

B. Art der rechtlichen Institution.................................................................... 420  I. II.

Internationales Einheitsrecht als Institution .................................... 421  Begrenztes Einheitsrecht und hybrides System .............................. 423  1. Begrenztes Einheitsrecht ............................................................. 424  2. Hybrides Rechtssystem ............................................................... 425  3. Bewertung ................................................................................... 428  III. Zwischenergebnis ............................................................................ 430  C. Schaffung einer neuen rechtlichen Institution ........................................... 431  I.

Allgemeines ..................................................................................... 431  1. Lokalisierung virtueller Geschäftsbeziehungen ......................... 432  2. (Web-)Electronic Data Interchange ............................................ 435  3. Vertragstypologische Einordnung elektronischer Handelsverträge .......................................................................... 436  4. Zwischenergebnis ........................................................................ 436  II. Internationale Zuständigkeit und internationales Privatrecht ......... 437  1. Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarung als effizienteste Lösung .................................................................... 438  2. Internationale Zuständigkeit und kollisionsrechtliche Anknüpfung bei fehlender Parteivereinbarung .......................... 442  3. Schiedsverfahren ......................................................................... 446  4. Zwischenergebnis ........................................................................ 448  III. Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Urteilen ....... 449  IV. Sachrecht.......................................................................................... 449  1. Privatautonomie und dispositives Vertragsrecht ........................ 449  2. Formvorschriften ......................................................................... 451  3. Elektronischer Vertragsschluss ................................................... 453  a) Wirksamwerden von Willenserklärungen ............................. 453  b) Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ....... 457  c) Rechtsscheinsvollmachten ..................................................... 459  d) Zurechnung von Kommunikationsfehlern ............................. 460  4. Leistungsstandards ...................................................................... 461  5. Leistungserbringung.................................................................... 463  6. Leistungsstörung ......................................................................... 463  7. Zwischenergebnis ........................................................................ 466 

Kapitel 10: Bewertung des ECC vor dem Hintergrund der Modellüberlegungen ............................................................................... 469  A. Das ECC als begrenztes Einheitsrecht ...................................................... 469 

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

B. Nicht erfasste Regelungsbereiche .............................................................. 472  C. Parteiautonomie ........................................................................................ 473  D. Lokalisierungsfragen ................................................................................. 474  E. Formfragen ................................................................................................ 476  F. Elektronischer Vertragsschluss ................................................................. 478  I.

Abgrenzung zwischen verbindlichem Angebot und bloßer invitatio ad offerendum ........................................................ 478  II. Ort und Zeit der Absendung und des Zugangs elektronischer Kommunikation ............................................................................... 478  III. Einsatz elektronischer Agenten ....................................................... 480  IV. Fehlerbehandlung ............................................................................ 480  G. Verhältnis zu anderen Regelwerken .......................................................... 481  I. II.

Auswirkungen auf das CISG ........................................................... 482  Auswirkungen auf das New Yorker Übereinkommen und das Haager Übereinkommen über Gerichtsvereinbarungen ........... 483  III. Auswirkungen auf das harmonisierte EU-Recht und das deutsche Recht ................................................................................. 484  IV. Auswirkungen auf das US-amerikanische Recht ............................ 487  H. Zwischenergebnis ...................................................................................... 488 

Kapitel 11: Zusammenfassung ............................................................ 490  A. Veränderung der Anforderungen an rechtliche Rahmenbedingungen durch die Globalisierung der Märkte und Informatisierung von Transaktionen ............................................................................................ 490  B. Bestehende juristische Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge .................................................................. 491 C. Rechtliche Rahmenbedingungen und Transaktionskosten ......................... 491  D. Das Selbstverwaltungsmodell .................................................................... 492  E. Effizienz der bestehenden Rechtsregeln zur Reduktion von Rechtsunsicherheit ..................................................................................... 493 

Inhaltsverzeichnis

XXIX

I. Internationale Gerichtszuständigkeit............................................... 493  II. Internationales Privatrecht............................................................... 495  III. Sachrecht.......................................................................................... 496  1. Informationspflichten .................................................................. 497  2. Elektronischer Vertragsschluss ................................................... 497  3. Leistungsstandards und Leistungserbringung ............................ 499  4. Leistungsstörung ......................................................................... 501  IV. Anerkennung und Vollstreckung .................................................... 502  V. Beweisrecht...................................................................................... 503  F. Effiziente rechtliche Regelungen für internationale elektronische Handelsverträge ........................................................................................ 503  I.

Internationale Zusammenarbeit bei der Verrechtlichung des internationalen Handelsverkehrs ..................................................... 503  II. Art der rechtlichen Institution ......................................................... 503  III. Inhalt effizienter rechtlicher Regelungen........................................ 504  G. Bewertung des ECC .................................................................................. 506 Literaturverzeichnis........................................................................................ 509 Sachregister .................................................................................................... 537 

Abkürzungsverzeichnis 2d Cir. 3d Cir. 7th Cir. A 2d. ABA ACM AcP AfP AGB Am. J. Int'l. L. Am. U. Int'l L. Rev. Am. Rev. Int'l Arb. App. ARSP Aufl. B2B B2C Bankr. ND Ill. BB Berkeley J. Int'l L. Berk. Tech. L.J. BGB BGH BSI BSIG btljonline Bus. Law. Bus. L. Int'l BVerfG California L. Rev. CC C.D. Cal. Cir.

United States Court of Appeals for the Second Circuit United States Court of Appeals for the Third Circuit United States Cout of Appeals for the Seventh Circuit Atlantic Reporter, Second Series American Bar Association Association for Computing Machinery Archiv für die civilistische Praxis Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht Allgemeine Geschäftsbedingungen The American Journal of International Law American University International Law Review American Review of International Arbitration Court of Appeals Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Auflage business-to-business business-to-consumer United States Bankruptcy Court for the Northern District of Illinois, Eastern Division Betriebsberater Berkeley Journal of International Law Berkeley Technology Law Journal Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik Berkeley Technology Law Journal online Business Lawyer International Business Lawyer Bundesverfassungsgericht California Law Review Common Criteria United States District Court for the Central District of California Circuit

XXXII CISG

Co. Computer L. R. & Tech. J. Corp. Ct. CR CRi DB D.C. D. Colo. DePaul Bus. & Comm. L. J. Diss. Dist. Div. D. Mass. D. Md. D. NH. D. N.J. D. Oregon D. Utah Dist. Ct. Suffolk Cty DNotZ DuD Duke J. Comp. & Int'l L. Duq. L. Rev. ECC

E.D. Cal. EDI E.D. Pa. EG EMRK E-SIGN EU EuGVVO

Abkürzungsverzeichnis United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods (Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf) Company Computer Law Review & Technology Journal Corporation Court Computer und Recht Computer und Recht international Der Betrieb District of Columbia Court of Appeals United States District Court for the District of Colorado DePaul Business & Commercial Law Journal Dissertation District Division United States District Court for the District of Massachusetts United States District Court for the District of Maryland United States District Court for the District of New Hampshire United States District Court for the District of New Jersey United States District Court for the District of Oregon United States District Court for the District of Utah District Court of New York, Third District, Suffolk County Deutsche Notar-Zeitschrift Datenschutz und Datensicherheit Duke Journal of Comparative & International Law Duquesne Law Review United Nations Convention on the Use of Electronic Communications in International Contracts (Übereinkommen der Vereinten Nationen über den Einsatz elektronischer Kommunikation bei internationalen Verträgen) United States District Court for the Eastern District of California Electronic Data Interchange United States District Court for the Eastern District of Pennsylvania Europäische Gemeinschaft Europäische Menschenrechtskonvention Electronic Signatures in Global and National Commerce Act Europäische Union Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

Abkürzungsverzeichnis EuGVÜ

Eur. J. Int'l L EuZW Exp Econ F.2d. F.3d. FAA FAZ Fed. Cir. Fed. R. Evid. Fla. Dist. Ct. App. FRCivP F. Supp. F. Supp. 2d GATT Geo. L.J. Geo. Wash. Int'l L. Rev. GG GRUR GRUR Int. HGB Hofstra L. Rev. Hrsg. HTML HTTP HÜG IANA ICANN ICC IHR IPR ILCS Ill. Ind. Ind. J. Global Legal Stud. InsO IPRax ITS ITRB J. Transnat'l L. & Pol'y JurPC JuS JZ Kans. K&R Ky. L.J. LG

XXXIII

Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen European Journal of International Law Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Experimental Economics Federal Reporter, Second Series Federal Reporter, Third Series Federal Arbitration Act Frankfurter Allgemeine Zeitung United States Court of Appeals for the Federal Circuit Federal Rule of Evidence District Court of Appeal of the State of Florida Federal Rule of Civil Procedure Federal Supplement Federal Supplement Second General Agreement on Tariffs and Trade Georgetown Law Journal George Washington International Law Review Grundgesetz Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht International Handelsgesetzbuch Hofstra Law Review Herausgeber Hypertext Markup Language Hypertext Transfer Protocol Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen Internet Assigned Number Authority Internet Corporation for Assigned Numbers and Names International Chamber of Commerce Internationales Handelsrecht Internationales Privatrecht Illinois Compiled Statutes Illinois Indiana Indiana Journal of Global Legal Studies Insolvenzordnung Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrecht IT-Sicherheitskriterien IT-Rechts-Berater Journal of Transnational Law & Policy Internet-Zeitschrift für Rechtsinformatik Juristische Schulung JuristenZeitung Supreme Court of Kansas Kommunikation & Recht Kentucky Law Review Landgericht

XXXIV LMK Loy. L.A. L. Rev. LugÜ

MDR Me. Mercer L. Rev. Mich. L. Rev. MLEC MLES MMR MüKo-BGB MüKo-HGB MüKo-InsO MüKo-ZPO N.D. Cal. N.D. Ill. N.J.L.R N.J. Super. App. Div. N.J. Super. NJW N.Y. App. Div. N.Y. City Civ. Ct. N.Y.S.2d NYÜ

NZBau OECD Okla. Civ. App. OSI P.3d Pac. Rim L. & Pol'y J. Q.J. Econ. RabelsZ Rev. dr. Unif. RFID R.I. R.I. Super. LEXIS RIW RNotZ

Abkürzungsverzeichnis Lindenmaier-Möhring – Kommentierte BGHRechtsprechung Loyola of Los Angeles Law Review Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 30. Oktober 2007 Monatsschrift für Deutsches Recht Supreme Judicial Court of Maine Mercer Law Review Michigan Law Review UNCITRAL Model Law on Electronic Commerce UNCITRAL Model Law on Electronic Signatures Multimediarecht Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung United States District Court for the Northern District of California United States District Court for the Northern District of Illinois National Juvenile Law Reporter New Jersey Superior Court Appellate Division New Jersey Superior Courts Reports Neue Juristische Wochenschrift Supreme Court of New York, Appellate Division Civil Court of the City of New York New York Supplement, Second Series Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards (New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche) Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Organisation for Economic Co-operation and Development Oklahoma Court of Civil Appeals Open Systems Interconnection Pacific Reporter, Third Series Pacific Rim Law & Policy Journal The Quarterly Journal of Economics Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revue de droit uniforme Radio Frequency Identification Superior Court of Rhode Island Superior Court of Rhode Island LEXIS Recht der Internationalen Wirtschaft Rheinische Notar-Zeitschrift

Abkürzungsverzeichnis Rutgers Computer & Tech. L.J. Rutgers L. Rev. SaaS SAcLJ SA Merc.L.J. SchiedsVZ S.D.N.Y. SigG So 2d SPG Int'l L. Practicum Stan. L. Rev. St. Thomas L. Rev. TCP TDG Tex. Ct. App. Tex. L. Rev. TLDB TMG UCC U. Chi. L. Rev. UCITA UETA UN UNCITRAL UNIDROIT Uni. of Toronto L.J. UrhG U.S. U.S.C. U.S. Dist. LEXIS U. Tol.L. Rev. Wake Forrest L. Rev. Wash. W.D.Pa. W.D.N.Y W.D.Wash. Wisc. WM Wn.2d Wis. 2d WiSt WTO WVK

XXXV

Rutgers Computer & Technology Law Journal Rutgers Law Review Software as a Service Singapore Academy of Law Journal South African Mercantile Law Journal Zeitschrift für Schiedsverfahren United States District Court for the Southern District of New York Gesetz zur digitalen Signatur vom 22.7.1997 Southern Reporter, Second Series Studies Program International Law Practicum Stanford Law Review St. Thomas Law Review Transmission Protocol Teledienstegesetz Court of Appeals of Texas Texas Law Review Transnational Law Digest & Bibliography Telemediengesetz Uniform Commercial Code University of Chicago Law Review Uniform Computer Information Transaction Act Uniform Electronic Transaction Act United Nations United Nations Commission on International Trade Law Institut international pour l’unification du droit privé University of Toronto Law Journal Urheberrechtsgesetz United States United States Code United States District Court LEXIS The University of Toledo Law Review Wake Forrest Law Review Supreme Court of Washington United States District Court for the Western District of Pennsylvania United States District Court for the Western District of New York United States District Court for the Western District of Washington Supreme Court of Wisconsin Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Washington Reports, Second Series Wisconsin Reporter, Second Series Wirtschaftswissenschaftliches Studium World Treaty Organization Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge

XXXVI Yale J. Int’l L. ZaöRV ZEuP ZfB ZHR ZPO ZUM ZVglRWiss ZZPInt

Abkürzungsverzeichnis Yale Journal of International Law Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess International

Kapitel 1

Einleitung Der Vertrag ist seit jeher die rechtliche Grundlage wirtschaftlicher Austauschvorgänge. Er war im Römischen Recht ebenso bekannt wie bei den Kaufleuten des Mittelalters.1 Im Laufe der Jahrhunderte musste das rechtliche Konzept des Vertrages dabei einer Reihe ökonomischer Veränderungen standhalten. Allein in den letzten zweihundert Jahren wurde aus einer Agrargesellschaft mit seinen Kaufverträgen über Vieh und Getreide eine Industriegesellschaft, in der Produkte am Fließband produziert und in Massen verkauft wurden, um schließlich durch die heutige Gesellschaft verdrängt zu werden, in der der Erbringung von Dienstleistungen sowie der Erstellung, Verarbeitung und Verteilung von Information eine überragende Bedeutung zukommt. Dabei änderte sich auch das Vertragsabschlussverfahren. Wurden zunächst Verträge auf Präsenzmärkten mündlich abgeschlossen und mit Handschlag besiegelt, kam es mit der Entwicklung des Fernhandels auch zum Abschluss schriftlicher Verträge. Später ermöglichte das Telefon auch im Fernhandel den persönlichen Kontakt ohne gleichzeitige Anwesenheit und heute werden rechtsverbindliche Erklärungen mittels elektronischer Datenübertragung abgegeben2 und vertragliche Verpflichtungen auf diesem Weg übernommen. Dabei sind die konkreten Erscheinungsformen von Verträgen, die im internationalen elektronischen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen mittels elektronischer Kommunikation geschlossen werden, sehr unterschiedlich. Der elektronischen Übermittlung von Warenbeständen in Geschäften des USEinzelhandelsriesen Wal-Mart an seine just-in-time produzierenden chinesischen Zulieferer steht der nur auf Kommunikation per Internet beruhende Entwurf von Visitenkarten durch einen rumänischen Graphikdesigner für ein kleines Softwareunternehmen aus dem kalifornischen Silicon Valley im Wert von wenigen hundert Euro gegenüber.3 Während der Flugzeughersteller Boeing verschiedene Aufträge an seine Zulieferer aus der ganzen Welt im Wege elektronischer Auktionen vergibt, bietet das IT-Unternehmen Salesforce.com seinen Kunden, zu denen sowohl Branchenriesen als auch kleine

1

Ausführlich dazu Kegel, GS Lüderitz (2000), 347, 348 ff. Vgl. zum Ganzen Kilian, in: Weiber (Hrsg.), Handbuch Electronic Business (2002), 995, 999. 3 Die Beispiele entstammen Friedman, S. 160 ff., 446. 2

2

1. Kapitel: Einleitung

und mittlere Unternehmen gehören4, die Nutzung verschiedenster webbasierter Unternehmenssoftware an, die auf den Servern von Salesforce.com laufen.5 Bereits aus diesen Beispielen lässt sich die große praktische Bedeutung internationaler elektronischer Transaktionen ableiten, deren ökonomische Relevanz immens ist. Nach Zahlen von Global Industry Analysts wurden im elektronischen Handel bereits im Jahr 2008 weltweit ca. EUR 7,4 Billionen umgesetzt, davon EUR 637 Milliarden in Deutschland.6 Der Hauptanteil von EUR 6,7 Billionen entfiel dabei auf Geschäfte zwischen Unternehmen (Business-to-Business-E-Commerce, kurz: B2B-E-Commerce).7 Der Umsatz von Transaktionen mit Verbrauchern belief sich hingegen nur auf EUR 760 Milliarden.8 Trotzdem gibt es – mit Ausnahme des Übereinkommens der Vereinten Nationen über den Einsatz von elektronischer Kommunikation bei internationalen Verträgen vom 23.11.2005 – bisher keine global verbindlichen Rechtsregeln, die speziell für internationale elektronische Handelsgeschäfte geschaffen wurden. Stattdessen werden internationale Übereinkommen angewandt, wie zum Beispiel das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG)), die für den papierbasierten Geschäftsverkehr entwickelt worden sind9, oder der Streitfall wird über die Regeln des internationalen Privatrechts in ein nationales Recht geführt10, das dann möglicherweise über eine E-Commerce-Gesetzgebung verfügt. Weitere Lösungsansätze sind, internationale elektronische Transaktio-

4

Siehe die Übersicht bei . Friedman, S. 87 ff., 227 f. 6 Vgl. Global Industry Analysts, E-Commerce – A Global Outlook, Sept. 2008, wiedergegeben in: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie/TNS Infratest, S. 230. Grundlage der Studie ist ein Verständnis von elektronischem Handel, das alle Aspekte von Online-Handel inklusive Online-Einkauf, Auktionen, klassischem B2B-E-Commerce und Online-Banking umfasst. Der zugrunde gelegte Umrechungskurs der Europäischen Zentralbank liegt bei einem Euro gleich 1,4708 US-Dollar (Durchschnittswert des Wechselkursverhältnisses für das Jahr 2008). 7 Global Industry Analysts, E-Commerce – A Global Outlook, Sept. 2008, wiedergegeben in Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie/TNS Infratest, S. 236. 8 Global Industry Analysts, E-Commerce – A Global Outlook, Sept. 2008, wiedergegeben in Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie/TNS Infratest, S. 239. 9 Grundlegend CISG-Advisory Council, Electronic Communications under CISG, . 10 Grundlegend Mankowski, AfP 1999, 138, 138 ff.; Junker, RIW 1999, 809, 809 ff.; für die USA vgl. auch Goldsmith, 65 U. Chi. L. Rev. 1998, 1199, 1212 ff. 5

A. Wirtschaftspolitische Ausgangsannahme

3

nen einem Modell der Selbstverwaltung zu unterstellen11 oder aber nationale Rechtsordnungen durch Modellvorschriften12 anzugleichen. Die veränderten wirtschaftlichen Umstände reflektierend verfolgt diese Arbeit das Ziel, die bestehenden Lösungsansätze, insbesondere den vorherrschenden Weg, Streitfälle bei grenzüberschreitenden Geschäften durch das Recht der internationalen Gerichtszuständigkeit und das internationale Privatrecht in die nationalen Rechtsordnungen zurückzuführen, im Hinblick auf Rechtsunsicherheiten zu untersuchen und darzulegen, wie diese gegebenenfalls beseitigt werden sollten. Ökonomischer Hintergrund ist, dass effiziente Transaktionen regelmäßig nur dann durchgeführt werden können, wenn hinreichend Rechtssicherheit besteht, denn das Recht ist ein wichtiger Baustein im institutionellen Kontext, der die Bedingungen für die Entfaltungsmöglichkeiten unternehmerischer Aktivität schafft.13 Der bestehende Rechtsrahmen steckt die Struktur und den ökonomischen Wert der jeweiligen Alternativen ab, wenn es bei den Verhandlungen der Transaktionspartner zu keiner vollumfänglichen vertraglichen Regelung kommen sollte.14 Die Parteien verhandeln gewissermaßen „im Schatten des Rechts“.15 Auf diese Weise kann das Recht – wenn es effizient ausgestaltet ist – als Beherrschungs- und Überwachungssystem von Transaktionen die Transaktionskosten im (internationalen) Handelsverkehr entscheidend senken.16 Effizienz kann daher als eigenständiges Rechtsprinzip sowohl die Gesetzgebung als auch die Rechtsprechung anleiten, wobei es über den Aspekt der Rechtssicherheit auch Hinweise auf materielle Rechtsinhalte geben kann.17 Da bei Geschäften zwischen Unternehmen im Gegensatz zu Geschäften mit Verbrauchern sozialstaatliche Schutzüberlegungen weniger relevant sind, bestehen keine grundlegenden Bedenken, Auslegung und Fortbildung der Normen für internationale elektronische Handelsgeschäfte teleologisch an dem ökonomischen Effizienskriterium auszurichten. Im Zweifel ist diejenige Auslegungs- beziehungsweise Fortbildungsalternative zu wählen, die zu ökonomisch effizienten Lösungen führt oder solche Lösungen ermöglicht.18 Die ökonomisch-juristische Analyse der bestehenden Lösungsansätze und die anschließend präsentierten Vorschläge für eine effizientere Regelung von 11

Grundlegend Johnson/Post, 48 Stan. L. Rev. 1995/96, 1367, 1367 ff. Grundlegend Estrella Faria, Legal Harmonization, , S. 11 ff. 13 von Hayek, Individualism and Economic Order 1976, 107, 115. 14 MüKo-Eidenmüller, Vor §§ 217 InsO, Rn. 25. 15 MüKo-Eidenmüller, Vor §§ 217 InsO, Rn. 25; zum Begriff „bargaining in the shadow of the law“ vgl. Mnookin/Kornhausen, 88 Yale L. J. 1979, 950 ff. 16 Vgl. Williamson, S. 20. 17 Eidenmüller, S. 41 ff. 18 Mi. Lehmann, S. 262 ff. 12

4

1. Kapitel: Einleitung

internationalen elektronischen Handelsgeschäften bietet darüber hinaus die Möglichkeit, das Übereinkommen der Vereinten Nationen über den Einsatz von elektronischer Kommunikation bei internationalen Verträgen vom 23.11.2005 (United Nations Convention on the Use of Electronic Communications in International Contracts (ECC))19 transparent zu bewerten. Das ECC nimmt unter allen Regelungsversuchen eine Sonderstellung ein, denn hiermit ist im Jahre 2005 erstmals der Versuch unternommen worden, auf supranationaler Ebene Rechtsunsicherheiten bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften durch ein global verbindliches Regelwerk zu reduzieren. Das ECC ist nach der Ratifikation durch die Dominikanische Republik, Honduras und Singapur am 1.3.2013 in Kraft getreten.20 Dem ECC ist Russland am 6.1.2014 und der Kongo am 28.1.2014 beigetreten, das ECC tritt in beiden Staaten am 1.8.2014 in Kraft.21 Es ist bisher von fünfzehn weiteren Staaten22 unterschrieben23, aber noch nicht ratifiziert worden. Die hier vorgenommene Bewertung mag dazu beitragen, zu entscheiden, ob ein Beitritt für die in dieser Arbeit im Mittelpunkt der Betrachtung stehenden Staaten, Deutschland und den USA, lohnenswert ist.

A. Wirtschaftspolitische Ausgangsannahme A. Wirtschaftspolitische Ausgangsannahme

Hintergrund dieser Zielsetzung ist die Hypothese, dass eine Steigerung von Rechtssicherheit bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften Transaktionskosten senkt und damit zu einer Erhöhung der Zahl dieser Geschäfte führt. Denn erst durch die Möglichkeit, vertragliche Leistungsversprechen (mit Hilfe des Rechts) zu erzwingen, kann ein den Leistungsaustausch verhinderndes Dilemma überwunden werden, das im theoretischen Spiel bei internationalen elektronischen Transaktionen besteht.24

19 Vgl. . 20 Vgl. . 21 Vgl. . 22 Zentralafrikanische Republik, China, Kolumbien, Iran, Libanon, Madagaskar, Montenegro, Panama, Paraguay, Philippinen, Südkorea, Saudi Arabien, Senegal, Sierra Leone, Sri Lanka, vgl. . 23 Nach Art. 18 a) Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge geht ein Staat durch seine Unterschrift die völkerrechtliche Verpflichtung ein, alle Handlungen zu unterlassen, die Ziel und Zweck des unterschriebenen Übereinkommens vereiteln würden. 24 Ausführlich hierzu in Kap. 6 A. II.

A. Wirtschaftspolitische Ausgangsannahme

5

Folgt man der unbestrittenen wirtschaftspolitischen Grundannahme, dass zunehmender elektronischer Handel mit wirtschaftlichen Wachstumspotentialen verbunden ist25, würde gesteigerte Rechtssicherheit somit sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene zu einem Wohlfahrtsgewinn führen. Denn eine Erhöhung des Aufkommens des elektronischen Handelsverkehrs bietet insbesondere für Entwicklungsländer26 sowie für kleinere und mittelständische Unternehmen enorme Chancen; bisher partizipierten beide weniger an der Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie als Industrienationen27 oder Großunternehmen28. Im Hinblick darauf, dass die Teilnahme am elektronischen Geschäftsverkehr den Zugang zu Wissen ebenso erleichtert wie den Zutritt zu globalen Märkten und internationalen Lieferketten, bietet die verstärkte Einbeziehung von Entwicklungsländern29 einerseits und kleineren und mittelständischen Unternehmen andererseits große Produktivitätspotentiale30. Dabei wird nicht verkannt, dass die in Verbindung mit der Förderung des Welthandels verbundenen Spezialisierungsprozesse auf nationaler Ebene 25

So Pichler, in: Pichler (Hrsg.), eBusiness versus Recht (2003), 9, 9: „Dass, wenn es bergauf geht, es dann neuerdings nur global geht und das Business mehr denn je eBusiness sein wird, …“; die Steigerung des Welthandels aus allokationstheoretischer Sicht befürwortend auch Clausen, 29 Essener Unikate 2007, 113, 117 sowie Sautter, S. 11 unter Bezugnahme auf die Arbeiten von Adam Smith und David Ricardo. 26 Dies ist eine der grundlegenden Ideen des World Summit on the Information Society und wird in der Geneva Declaration of Principles, dem Geneva Plan of Action, dem Tunis Commitment und der Tunis Agenda für die Information Society zum Ausdruck gebracht, vgl. WSIS/UN/ITU, S. 10, 17, 43, 58; vgl. auch Zerdick/Picot/Schrape/Artopé/Goldhammer/Heger/Lange/Vierkant, S. 149, die in der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie einen Antriebsfaktor für die Entwicklung von Volkswirtschaften sehen; ähnlich Nichols, 15 Am. U. Int'l L. Rev. 1999/2000, 1379, 1380. 27 Dieser Umstand wird mit dem Begriff „digital divide“ beschrieben, vgl. WSIS/UN/ ITU, S. 11. 28 Vgl. hierzu Pennoni/Tarantola/Latvala, S. 9 ff. Zu Internationalisierungsstrategien für kleine und mittlere Unternehmen, vgl. Beschorner/Stehr, BB 2007, 315, 315 ff. 29 Entwicklungsländer können auf diese Weise ihre strategischen Vorteile ausnutzen, die sie bei arbeitsintensiven Dienstleistungen aufgrund geringerer Lohnkosten haben, vgl. Stiglitz, S. 68; UNCTD, E-Commerce and Development Report 2004, S. 19. 30 Eine kanadische Studie geht für kleine und mittelständische Unternehmen von einer Ertragssteigerung von 7% und einer Kostenreduzierung für Verkaufs- und Verwaltungskosten von 7,5% bis 9,5% aus, Canadian e-Business Initiative, Net Impact Study Canada: The SME Experience – a preliminary report (November 2002), wiedergegeben in: UNCTD, E-Commerce and Development Report 2004, S. 29; nach TechConsultGmbH/IBM/Impulse, IT und E-Business im Mittelstand 2008, wiedergegeben in: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie/TNS Infratest, S. 224 gaben 86% der befragte mittelständischen Unternehmen an, durch den Einsatz von E-Business neue Wettbewerbschancen nutzen zu können. Vgl. auch Erwägungsgrund 2 EG-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (2000/31/EG), ABl. EG Nr. L 178 vom 17.7.2000, S. 1.

6

1. Kapitel: Einleitung

zwangsläufig auch Verlierer produzieren werden.31 Dennoch ändert dies nichts an der Annahme, dass eine Steigerung des Welthandels aus allokationstheoretischer Sicht sinnvoll ist32, sondern unterstreicht nur die Forderung nach einer sorgsamen Wirtschaftspolitik, die unter Erfüllung des KaldorHicks-Kriteriums33 für eine Kompensation der Verlierer des Spezialisierungsprozesses durch die Gewinner sorgen muss.34

B. Rechtspolitische Ausgangsannahmen B. Rechtspolitische Ausgangsannahmen

Rechtssicherheit hat aber nicht nur aus ökonomischer Sicht besondere Bedeutung, vielmehr ist Rechtssicherheit auch nach traditionellem Rechtsverständnis ein hohes Gut, das in Deutschland als Teil des Rechtsstaatsprinzips sogar Verfassungsrang genießt35. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Rechtssicherheit korrespondiert dabei mit dem ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Recht der Bürger auf Zugang zu effektiven und fairen Verfahren der Streitschlichtung36, das als Ausgleich zum staatlichen Gewaltmonopol dient37. Rechtssicherheit ist damit Teil eines Infrastrukturauftrages an den Staat, eine öffentliche Gerichtsbarkeit einzurichten oder – nach neuerem Staatsverständnis – zumindest die Bereitstellung geeigneter Verfahren durch private Dritte sicherzustellen.38 31

So führt beispielsweise eine Exportsteigerung der Entwicklungs- und Schwellenländer zu einem Niedergang vieler Industriezweige in den Industriestaaten, vgl. Perraton/ Goldblatt/Held/McGrew, in: Beck (Hrsg.), Politik der Globalisierung (1998), 134, 147. Auch Stiglitz, S. 16 stellt die Zielkonflikte heraus, die zwangsläufig jede Wirtschaftspolitik aufweisen müsse. 32 So können die Industriestaaten den Verlust der Konkurrenzfähigkeit bei Produkten, für deren Herstellung niedrig-qualifizierte Arbeit ausreicht, durch eine Vergrößerung der Nachfrage bei den von ihnen erzeugten Waren mit einem hohen Anteil hoch-qualifizierter Arbeit kompensieren, vgl. Perraton/Goldblatt/Held/McGrew, in: Beck (Hrsg.), Politik der Globalisierung (1998), 134, 147; auch Stiglitz, S. 16 geht davon aus, dass die Globalisierung sowohl den Entwicklungs- als auch den Industrieländern nachhaltig zum Vorteil gereichen kann. 33 Das Kaldor-Hicks-Kriterium ist erfüllt, wenn die Gewinner einer wirtschaftspolitischen Maßnahme die Verlierer vollständig für den Verlust aus dieser Maßnahme entschädigen können und ihre Wohlfahrtsposition auch nach Erbringung der Kompensationszahlung besser ist als vor Durchführung der betreffenden Maßnahme, vgl. Eidenmüller, S. 51 ff. 34 Sautter, S. 11; Stiglitz, S. 16 spricht davon, die Globalisierung „in geordnete Bahnen zu lenken“. 35 BeckOK-Huster/Rux, Art. 20 GG, Rn. 168. 36 BVerfG, NJW 1981, 39, 41; vgl. auch Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK; Art. 19 Abs. 4, 92–104 GG. 37 BVerfG, NJW 1981, 39, 41; C. Calliess, ZRP 2002, 1, 3 f. 38 G.-P. Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, S. 11, 16.

B. Rechtspolitische Ausgangsannahmen

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Die Funktion, die ein Rechtssystem für die Gesellschaft erfüllt, geht indes über die Streitschlichtung hinaus: Ein Rechtssystem erzeugt und stabilisiert mit seinen Regeln und ihrer Überwachung Verhaltenserwartung.39 Eine solche Verhaltenserwartung kann zum Beispiel sein, dass Verträge nicht gebrochen werden. In diesem Fall ermöglicht das Recht Handel zwischen Fremden, weil es Vertrauen substituiert und gesellschaftliche Komplexität reduziert.40 Demnach umfasst Rechtssicherheit die Komponenten Vorhersehbarkeit und Durchsetzbarkeit.41 Vorhersehbar ist das Recht dann, wenn die Rechtsnormen relativ einfach strukturiert, inhaltlich bestimmt und auf Dauer angelegt sind, so dass die Parteien ihre Erwartungen und ihr Verhalten am Recht ausrichten können.42 Ebenso wichtig ist es jedoch, dass das Recht im Streitfall mit – gemessen am Streitwert – verhältnismäßigen Kosten innerhalb einer angemessenen Frist geltend gemacht werden kann.43 Bei internationalen Transaktionen gestalten sich die Vorhersehbarkeit und Durchsetzbarkeit schwieriger als in rein nationalem Kontext, da die Fragen der internationalen Gerichtszuständigkeit, des anwendbaren Rechts und der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen hinzutreten.44 Im digitalen Umfeld kommen darüber hinaus die Probleme hinzu, die sich aus der Anwendung von herkömmlichen Rechtsregeln, die für den papierbasierten Geschäftsverkehr entwickelt worden sind, auf neue Kommunikationsformen ergeben. Der Versuch Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, ist bei internationalen Handelsgeschäften mehrfach unternommen worden. Das CISG, das 1988 in Kraft trat, bestimmt in 81 Vertragsstaaten ganz maßgeblich das Recht des Handelskaufes ohne elektronische Kommunikation besonders zu erwähnen.45 Das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, kurz: „New York Convention“ beziehungsweise „New Yorker Übereinkommen“ (NYÜ)), das seit 1959 in Kraft ist, regelt heute in 150 Staaten die Anerkennung von Schiedsvereinbarungen sowie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche durch staatliche Gerichte.46 Ein strukturell ähnliches Übereinkommen für 39

Luhmann, S. 125, 131 f. G.-P. Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, S. 12. 41 G.-P. Calliess a.a.O., S. 12. 42 G.-P. Calliess, a.a.O., S. 12. 43 G.-P. Calliess a.a.O., S. 12. 44 Kropholler, IPR, S. 606 f. 45 Text, Gesetzesmaterialien und eine aktuelle Liste von Mitgliedsstaaten ist abrufbar unter: . 46 Text, Gesetzesmaterialien und eine aktuelle Liste von Mitgliedsstaaten ist abrufbar unter: . 40

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1. Kapitel: Einleitung

Gerichtsstandsvereinbarungen in Handelsverträgen ist das im Jahr 2005 durch die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht verabschiedete Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HÜG), das allerdings bisher noch nicht in Kraft getreten ist.47 Außerdem existiert eine Reihe von Ansätzen, Rechtssicherheit durch autonomes transnationales Handelsrecht in Form von allgemeinen Rechtsprinzipien oder Anerkennung von Handelsbräuchen und Gewohnheiten der internationalen Kaufmannschaft zu schaffen. Hierzu zählt die Idee der Lex Mercatoria48 ebenso wie die Abfassung von Grundregeln für internationale Handelsverträge des Internationalen Instituts für die Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT)49 oder die von der Internationalen Handelskammer veröffentlichten Incoterms (International Commercial Terms)50, die eine Reihe von Handelsbedingungen definieren, die in einen internationalen Handelsvertrag übernommen werden können. Dabei unterliegt die Entscheidung über die Anwendung solcher Prinzipien und Vorschläge der privatautonomen Gestaltung. Darüber hinaus finden sich für Geschäfte, die mit elektronischen Kommunikationsmittel abgeschlossen und/oder erfüllt werden, auf europäischer Ebene mit der E-Commerce-Richtlinie51 und der Signaturrichtlinie52 Rechtsvorschriften, die durch ihre Umsetzung in nationales Recht einen einheitlichen europäischen Binnenmarkt schaffen sollen. Damit sind auch die richtlinienumsetzenden Rechtsvorschriften in den Mitgliedsstaaten an einem ökonomi47 Text, Gesetzesmaterialien und eine aktuelle Liste von Mitgliedsstaaten ist abrufbar unter: . 48 Grundlegend: Schmitthoff, RabelsZ 47 (1964) 47, 61 ff. 49 Vgl. ; . Ein ähnlicher Versuch sind die Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts der Kommission für Europäisches Vertragsrecht (vgl. ) oder der vom Center for Transnational Law der Universität zu Köln veröffentlichte Transnational Law Digest (vgl. ). Diese Ansätz zusammenfassend spricht K. P. Berger von der schleichenden Kodifizierung der Lex Mercatoria, vgl. K. P. Berger, „Schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschaftsrechts, Berlin/New York 1996. 50 Vgl.. 51 Richtlinie 2000/31 des Europäischen Parlamentes und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) vom 8.6.2000, ABl. EG Nr. L 178 vom 17.7.2000, S. 1. 52 Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13.12.1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, ABl. EG Nr. L 13 vom 19.1.2000, S. 12.

B. Rechtspolitische Ausgangsannahmen

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schen Ziel ausgerichtet53, so dass die Europäisierung ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einem globalen Recht für internationale elektronische Handelsverträge sein könnte. Wie die EG-Richtlinien zielen auch das von der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) geschaffene „UNCITRAL Model Law on Electronic Commerce (MLEC)“54 aus dem Jahr 1996 sowie das im Jahr 2001 veröffentlichte „UNCITRAL Model Law on Electronic Signatures (MLES)“55 auf ihre Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber ab. Indes besteht bei den Modellvorschriften von der UNCITRAL im Gegensatz zu den EG-Richtlinien keine staatliche Umsetzungspflicht56, so dass sie eher den Charakter einer unverbindlichen Empfehlung und Orientierungshilfe für den nationalen Gesetzgeber bei der Entwicklung von E-CommerceGesetzen haben. Trotz einer Vielzahl von Ansätzen existieren also bisher keine global verbindlichen Rechtsregeln, die sich speziell auf internationale elektronische Transaktionen beziehen. Diese Lücke will das ECC schließen.57 Ein Grund für das oftmalige Scheitern internationaler Regulierungsversuche könnte sein, dass die Schaffung von Rechtssicherheit für die Staaten immer mit Kosten verbunden ist. Kosten werden nicht nur durch die Verhandlungen im Rahmen supranationaler Organisationen verursacht, sondern vor allem auch durch die Implementierung neuer Gesetze im Kontext der bestehenden Vorschriften. Sind diese Kosten hoch, können sie prohibitiv wirken, wenn das Mehr an Rechtssicherheit gering oder nicht messbar ist. Trotzdem ist bisher kaum der Versuch unternommen worden, Rechtsunsicherheiten bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften unter Beachtung der ökonomischen Effizienz zu beseitigen.58 53

Vgl. Kirchner, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2006), Rn. 1; Baumann, RNotZ 2007, 297, 301. 54 Vgl. für Text und Materialien, 55 Vgl. für Text und Materialien, 56 Estrella Faria, Legal Harmonization, , S. 8. 57 Siehe hierzu bereits S. 3. 58 Für den Bereich des Sachrechts finden sich Ansätze bei Katz, Electronic Contracting, ; allgemein für das Sachrecht bei internationalen Handelsverträgen, indes ohne auf den Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel Bezug zu nehmen: Katz, 25 Review of Law and Economics 2006, 378 ff.; für den Bereich des internationalen Privatrechts, allerdings ebenfalls ohne elektronische Kommunikation zu berücksichtigen: Basedow/Kono, Economic Analysis of Private International Law, Tübingen 2006; Guzman, Geo. L. J. 2001–2002, 883 ff.; Ribstein/O’Hara, U. Chi.L. Rev. 2000, 1151 ff.; Rühl, Statut und Effizienz, Tübingen 2011; zur Durchsetzbarkeit von Urteilen im Ausland, indes ohne Bezug zum elektroni-

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1. Kapitel: Einleitung

C. Methodik und Gang der Untersuchung C. Methodik und Gang der Untersuchung

Ziel dieser Arbeit ist das Aufzeigen von Rechtsunsicherheiten bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften und das Unterbreiten von Vorschlägen zu ihrer Beseitigung. Den Ausgangspunkt bildet die Neue Institutionenökonomik, die als Subtheorien die Transaktionskostentheorie, die Theorie der Verfügungsrechte, die Prinzipal-Agent-Theorie und die Theorie der adversen Selektion in sich vereint (Kap. 5). Ökonomische Analysen sind als theoretische Grundlagen für wirtschaftsrechtliche Aussagen in jüngster Zeit anerkannt.59 Mit Hilfe dieser Theorieansätze soll untersucht werden, welche Funktion rechtlichen Regelungen bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften zukommt (Kap. 6), ob sie überhaupt notwendig sind (Kap. 7) und wie sie gegebenenfalls ausgestaltet sein sollten (Kap. 9). Eine institutionenökonomische Analyse der Rechtssicherheiten von internationalen elektronischen Transaktionen erscheint auf vier Ebenen relevant, die aus juristischer Sicht mit der internationalen Zuständigkeit, dem internationalen Privatrecht, dem anwendbaren Sachrecht und der Durchsetzbarkeit von Urteilen im Ausland gekennzeichnet werden können (Kap. 6 A. III.). Daher bilden diese Bereiche den Gegenstand der Untersuchung. Aus institutionenökomischer Sicht ist dieser Untersuchung allerdings zwangsläufig die Frage vorgeschaltet, ob es überhaupt rechtlicher Institutionen bedarf, um Sicherheit bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften zu schaffen, oder ob nicht marktmäßige Institutionen – wie zum Beispiel Reputations- und Feedbacksysteme – im Hinblick auf Kosten und Nutzen effizienter sind. Auch darauf wird einzugehen sein (Kap. 7 A.). Durch die anschließende Untersuchung des deutschen und US-amerikanischen Rechts im Hinblick auf die genannten vier Dimensionen möglicher Rechtsunsicherheiten wird eine Vorgehensweise vermieden, wie sie bei neuen gesetzgeberischen Vorhaben zum elektronischen Geschäftsverkehr oft zu schen Geschäftsverkehr: Kirstein/Neunzig, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 1999, 345 ff.; zur Frage, ob marktliche Institutionen bei elektronischen Geschäften effizienter sind als das Recht: Kreuzbauer, in: Pichler (Hrsg.), eBusiness versus Recht (2003), 91 ff.; Ockenfels, ZfB 2003, 295 ff.; allgemein zur ökonomischen Analyse internationaler Regelwerke: Dunoff/Trachtman, 24 J. Int’l L. J. 1999, 1 ff.; Goldsmith/Posner, Limits of International Law, Oxford 2005; Guzman, How International Law Works, New York 2008; allgemein zur Rolle des Rechts bei internationalen Geschäften aus ökonomischer Sicht: Schmidtchen/Schmidt-Trenz, WiSt 2003, 215 ff.; Schmidt-Trenz, Außenhandel und Territorialität des Rechts, Baden-Baden 1990. 59 Grundlegend: Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, Tübingen 2005; Ott/Schäfer, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, Berlin/Heidelberg 2005; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, München 2001; Posner, Economic Analysis of Law, New York 2011.

C. Methodik und Gang der Untersuchung

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finden ist. Häufig wird das Bestehen von Rechtsunsicherheit ohne nähere Untersuchung behauptet, um eine weitere Tätigkeit des Gesetzgebers zu rechtfertigen.60 Die Untersuchung erfolgt exemplarisch anhand des deutschen und USamerikanischen Rechts (Kap. 8). Eingeschlossen sind jedoch globale und regionale Regelwerke, soweit sie Teil des deutschen oder US-amerikanischen Rechts geworden sind. Hierzu zählen das CISG, das NYÜ, die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen (EuGVVO)61, das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, abgeschlossen in Lugano am 30.10.2007 (LugÜ)62, die E-Commerce-Richtlinie63, die Signaturrichtlinie64, die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I)65 oder die Inter-American Convention on International Commercial Arbitration (kurz: Panama Convention (PanC))66. Auch auf das noch nicht in Kraft getretene HÜG67 wird eingegangen. Dass sich diese Arbeit neben der deutschen Ausgangslage mit dem USamerikanischen Recht befasst, folgt daraus, dass durch die Globalisierung und die Informationstechnologie der geografische Raum als Anknüpfung für Rechtsregeln zunehmend irrelevant wird und somit ein rein nationaler Ansatz 60 Ein beispielhafter Beleg hierfür ist eine durch Ott und Schäfer vorgenommene Auswertung der Stellungnahmen der Wirtschaftsverbände zur Mitteilung der Europäischen Kommission hinsichtlich der Einführung eines europäischen Vertragsrechts, deren Fazit, dass die Betroffenen ganz überwiegend keinen Bedarf an einer Rechtsvereinheitlichung des europäischen Vertragsrechts sahen, die Bestrebungen auf rechtswissenschaftlicher Ebene kontrastierte, vgl. Ott/Schäfer, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts in transnationalen Wirtschaftsräumen (2002), S. 231. Die Confederation of British Industry bezeichnete den Vorschlag eines europäischen Vertragsrechts gar als „solution in search of a problem“, vgl. Ott/Schäfer, a.a.O., S. 224. 61 ABl. EG Nr. L 12 vom 16.1.2001, S. 1. 62 ABl. EG Nr. L 339 vom 21.12.2007, S. 3. 63 Richtlinie 2000/31 des Europäischen Parlamentes und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) vom 8.6.2000, ABl. EG Nr. L 178 vom 17.7.2000, S. 1. 64 Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13.12,1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, ABl. EG Nr. L 13 vom 19.1.2000, S. 12. 65 ABl. EG Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. 66 9 USC §§ 301 ff. (2007). 67 Text und Materialien sind abrufbar unter: .

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1. Kapitel: Einleitung

nicht ausreichend sein kann. Damit ist nicht gesagt, dass den nationalen Rechtsordnungen keine Bedeutung mehr für den internationalen Handelsverkehr zukommt, aber die rein faktische Möglichkeit, dem nationalen Recht unkompliziert und ohne große Kosten zu entfliehen, führt zu einem Bedeutungsverlust. Das US-amerikanische Recht bietet sich wegen seiner Verwurzelung im Common Law neben dem deutschen Recht als Referenzmaßstab an. Auf diese Weise werden sowohl die Rechtstradition Kontinentaleuropas68 als auch die des angloamerikanischen Common Law berücksichtigt. Dass bei einer globalen Regelung beide Rechtstraditionen berücksichtigt werden müssen, ergibt sich schon aus ihrer weiten Verbreitung. Französische Rechtstraditionen sind bis heute im Nahen Osten, in den Maghreb-Staaten und im frankophonen Afrika stark vertreten, auch in Süd- und Mittelamerika wurde der französische Code civil rezipiert; das deutsche BGB hatte starken Einfluss auf das brasilianische und japanische Zivilgesetzbuch. Das Common Law prägt das Recht von Gebieten, in denen heute fast ein Drittel der Weltbevölkerung lebt (Indien, Australien, Neuseeland, Südafrika etc.).69 Vor dem Hintergrund der starken Berücksichtigung ökonomischer Theorieansätze in dieser Arbeit dürften die unterschiedlichen philosophischen Grundlagen aber mindestens ebenso entscheidend sein. Während die kontinentaleuropäischen Rechtssysteme vor allem von einer deontologischen Ethik im Sinne Kants70 geprägt sind, richten sich die angelsächsischen Rechtsordnung eher an dem Utilitarismus aus, wie ihn Jeremy Bentham71 und John Stuart Mill72 vertreten haben.73 Utilitarismus und ökonomischer Theorie ist die Ausrichtung an einem bestimmten Ziel gemein, beispielsweise an der ökonomischen Effizienz.74 Die deontologische Ethik setzt hingegen dieser zweckorientierten Ausrichtung Grenzen, wenn es zu einem Verstoß gegen grundlegende Prinzipien kommt.75 Dass innerhalb des angelsächsischen Rechtskreises die Wahl auf das USamerikanische Recht gefallen ist, erklärt sich auch daraus, dass bei internationalen Verträgen im IT-Bereich aus deutscher Sicht der deutschamerikanische Rechtsverkehr im Vordergrund steht. Die trendbestimmenden 68

Zweigert/Kötz, S. 130 unterscheiden noch zwischen romanischem und deutschem Rechtskreis, gestehen aber ein, dass diese Differenzierung nicht zwingend sei und jedenfalls beide Rechtskreise miteinander sehr viel näher verwandt sind als mit dem Common Law. 69 Zweigert/Kötz, S. 108 ff., 147, 214 ff. 70 Kant, in: Kants Werke (1968), Bd. 4, S. 421 ff. 71 Bentham, S. 11 ff. 72 Mill, in: Rayan (Hrsg.), Utilitarianism and other essays (1986), S. 272 ff. 73 Baumann, RNotZ 2007, 297, 302. 74 Baumann, a.a.O., 303. 75 Baumann, a.a.O., 303.

C. Methodik und Gang der Untersuchung

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Unternehmen der IT-Branche haben ihren Sitz überwiegend in den USA76 und die USA sind (noch) das Land mit dem stärksten Umsätzen im elektronischen Handelsverkehr77. In diesem Zusammenhang ist eine zunehmende Amerikanisierung des Rechts des elektronischen Handels im Speziellen und des Wirtschaftsverkehrs im Allgemeinen festzustellen. Hintergrund dürften neben der wirtschaftlichen Macht US-amerikanischer Vertragspartner, die in vielen Fällen die Möglichkeit gibt, die Vertragsbedingungen oder zumindest das anwendbare Recht zu diktieren und das Heimatrecht durchzusetzen, die Expansion angloamerikanischer Anwaltskanzleien sein, die heute auch in Kontinentaleuropa zumindest den Rechtsberatungsmarkt für Großunternehmen eindeutig dominieren. Ferner ist es denkbar, dass die USA aufgrund ihrer ausgeprägten föderalen Struktur, die den Bundesstaaten die Gesetzgebungskompetenz für den elektronischen Geschäftsverkehr einräumt, als Mikrokosmos für die Entwicklung des E-Commerce-Rechts auf globaler Ebene anzusehen sind. So bestand gerade im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs in den USA zunächst eine Rechtszersplitterung mit einer Vielzahl unterschiedlicher bundesstaatlicher Ansätze.78 Später ist dann in den USA durch Modellgesetze für den innerstaatlichen Handel und durch die Bundesgesetzgebung für den zwischenstaatlichen und internationalen Handel eine Rechtsharmonisierung angestrebt worden, wobei die verschiedenen Vereinheitlichungsinstrumente sich in der Detailliertheit ihrer Regelungen und ihrem Anwendungsbereich deutlich unterschieden. Während der Uniform 76 Nach einer Studie des Magazines Forbes basierend auf Umsatz, Gewinn, Vermögen und Markt stammten im Jahre 2012 sieben der zehn führenden Unternehmen im Bereich Software & Programming aus den USA (Microsoft, Oracle, Symnantec, CA, Vmware, Adobe Systems und Intuit), im Bereich Technology Hardware & Equipment stammten immerhin vier der zehn größten Unternehmen aus den USA (Hewlett-Packard, Cisco Systems, Apple und Dell), vgl. Forbes, The World Biggest Companies, . 77 Der Gesamtumsatz des elektronischen Handelsverkehrs betrug in den USA im Jahr 2008 EUR 2,5 Billionen, in Westeuropa EUR 1,8 Billionen und in der Region Asien/Pazifik EUR 2 Billionen, vgl. Global Industry Analysts, E-Commerce – A Global Outlook, Sept. 2008, wiedergegeben in: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie/TNS Infratest, S. 235 ff. 78 Utah hatte eine umfassende technologiespezifische Gesetzgebung. Kalifornien wollte vermeiden, eine bestimmte Technologie zu bevorzugen, indem seine Gesetzgebung den Einsatz verschiedener Technologien als rechtlich wirksam anerkannte. Illinois versuchte zwar, allgemein Hindernisse für den elektronischen Geschäftsverkehr zu beseitigen, differenzierte aber darüber hinaus bei der rechtlichen Bewertung eines Technologieeinsatzes nach der Verlässlichkeit der Technologie. New Jersey wiederum verabschiedete kein eigenes E-Commerce-Gesetz, sondern prüfte alle bestehenden gesetzlichen Unterschriftsund Schriftformerfordernisse auf ihre Kompatibilität mit den Gegebenheiten des elektronischen Geschäftsverkehrs. Vgl. zum Ganzen Winn/Wright, S. 5–3.

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1. Kapitel: Einleitung

Electronic Transactions Act (UETA)79 als Modellgesetz der Umsetzung durch die einzelnen Bundesstaaten bedurfte, benötigte der für den bundesstaatenüberschreitenden und internationalen Handel geschaffene Electronic Signatures in Global and National Commerce Act (E-SIGN)80 keinen weiteren Umsetzungsakt. Im Gegensatz zum Uniform Computer Information Transactions Act (UCITA)81 zielen UETA und E-SIGN in inhaltlicher Hinsicht nicht darauf ab, bestehendes Recht zu verändern, sondern vielmehr nur eine funktionale Äquivalenz für elektronische Datensätze und Signaturen zu schaffen. Der UCITA, der wie der UETA der Umsetzung durch die Bundesstaaten bedarf, stellt hingegen erstmals eine umfassende gesetzliche Regelung für das Vertragsrecht so genannter „Computer Information Transactions“82 auf, die vom Vertragsschluss bis zur Haftung alle wesentlichen Fragen regelt. Auch bei der gerichtlichen Zuständigkeit verspricht ein Blick auf die USamerikanischen Erfahrungen besonders viel, da die Gerichte dort aufgrund der Tatsache, dass in den USA auch der interlokale Handel Zuständigkeitsfragen aufwirft, in weitaus stärkerem Umfang und früher als in Europa mit Zuständigkeitsfragen bei Streitigkeiten aus dem elektronischen Geschäftsverkehr befasst waren.83 Diese Arbeit mag daher auch dazu beitragen, in Deutschland das Verständnis des US-amerikanischen Rechts betreffend elektronische Verträge zu verbessern. Eine Untersuchung der deutschen und US-amerikanische Rechtslage bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften in den Bereichen internationale Zuständigkeit, internationales Privatrecht, Sachrecht und Durchsetzbarkeit von Urteilen im Ausland kann aufgrund der Zielsetzung dieser Arbeit nicht anstreben, durch Rechtsvergleichung ein neues Regelwerk für einen angemessenen Ausgleich zwischen beiden Rechtsordnungen herauszuarbeiten. Vielmehr sollen in jeder Rechtsordnung diejenigen Regelungen identifiziert werden, die der Funktion, „Rechtssicherheit“ zu schaffen, besonders förderlich sind oder ihr zuwiderlaufen. Dabei umfasst die Untersuchung gerade auch Vorschriften, die darauf abzielen, den Unternehmen zu ermöglichen, die Rechtssicherheit durch privatautonome Vertragsgestaltung (Gerichtsstands-, Schieds- oder Rechtswahlvereinbarung) zu steigern. 79

Der Gesetzestext ist abrufbar unter: . 80 15 U.S.C. 96. 81 Der Gesetzestext ist abrufbar unter: . 82 Eine „computer information transaction” wird in Sec. 102 (11) UCITA definiert als: „…agreement or the performance of it to create, modify, transfer, or license computer information or informational rights in computer information…The term does not include a transaction merely because the parties’ agreement provides that their communications about the transaction will be in the form of computer information.” 83 Kubis, 4 ZZPInt 1999, 337, 337.

C. Methodik und Gang der Untersuchung

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Besteht Klarheit über den gegenwärtigen Grad an Rechtssicherheit, können Vorschläge für eine Steigerung der Rechtssicherheit unterbreitet werden (Kap. 9 C.). Vorab müssen allerdings zwei wichtige Grundentscheidungen getroffen werden. Zum einen ist zu klären, unter welchen Bedingungen es überhaupt zur Zusammenarbeit der Nationalstaaten bei der Verrechtlichung von internationalen elektronischen Handelsgeschäften kommt (Kap. 9 A.). Denn man kann unterstellen, dass in naher Zukunft keine supranationale Organisation mit entsprechenden legislativen Kompetenzen ausgestattet sein wird und die Nationalstaaten Hauptakteure der Verrechtlichung bleiben werden. Zum anderen muss ein Ansatz gefunden werden, wie die anhand von Effizienzüberlegungen gefundenen Ergebnisse verwirklicht und/oder de lege lata oder auch de lege ferenda in das Rechtssystem integriert werden können (Kap. 9 B.). Der auf diese Weise gefundene Rechtsrahmen bietet dann einen transparenten Vergleichsmaßstab für das neue ECC (Kap. 10).

D. Einschränkungen des Untersuchungsgegenstandes Die Beschränkung dieser Arbeit auf internationale Handelsgeschäfte folgt aus ihrer überragenden ökonomischen Bedeutung im Vergleich zu elektronischen Geschäften mit oder zwischen Verbrauchern. So zeigt eine Studie der europäischen Kommission aus dem Jahre 2009, dass selbst in der EU nur ca. 6–7% der Verbraucher grenzüberschreitende elektronische Verträge abschließen.84 Auch das allgemeine Aufkommen von elektronischen Verbrauchergeschäften bleibt deutlich hinter dem von elektronischen Handelsgeschäften zurück. Während das Umsatzvolumen des elektronischen Handelsverkehrs in Deutschland im Jahr 2011 ca. EUR 11,7 Milliarden betrug, lag der Umsatz bei Geschäften mit Verbrauchern lediglich bei EUR 1,35 Milliarden.85 Eine weitere Beschränkung erfährt diese Arbeit dadurch, dass nicht die Frage beantwortet wird, wie Unternehmen im Rahmen der legislativen Vorgaben ihre internationalen elektronischen Handelsverträge gestalten sollten, um die Wertschöpfung ihrer Geschäftsbeziehung zu maximieren. Vielmehr wird untersucht, ob und wie das geltende Recht zu interpretieren ist oder welche Maßnahmen erforderlich sind, damit Unternehmen den ökonomischen Nutzen internationaler elektronischer Handelsgeschäfte realisieren können.

84

Commission of the European Communities, , S. 6. 85 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, S. 24.

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1. Kapitel: Einleitung

Die Arbeit klammert auch Rechtsbereiche aus, die – wie zum Beispiel das Bilanzrecht oder das Steuerrecht86 – nicht den Abschluss und die Durchsetzbarkeit des Geschäfts als solches betreffen, sondern allgemeine Rahmenbedingungen für den internationalen elektronischen Handel schaffen. Auch wird nur die Absicht verfolgt, ein Grundgerüst eines Rechtsrahmens zu schaffen, so dass weitergehenden Fragestellungen des Prozessrechts, die darauf aufbauen, dass die internationale Zuständigkeit und die Durchsetzbarkeit von Urteilen geklärt sind, außer Betracht bleiben.

86

Insbesondere auf die wichtige Frage, ob eine doppelte Buchführung durch die zusätzliche Aufbewahrung von elektronisch gespeicherten Daten in Papierform rechtlich notwendig ist, wird also nicht eingegangen.

Kapitel 2

Definition internationaler elektronischer Handelsgeschäfte Zentraler Gegenstand der Untersuchung sind internationale elektronische Handelsgeschäfte auf vertraglicher Grundlage.

A. Handelsgeschäft A. Handelsgeschäft

Den Begriff des Handelsgeschäfts definiert § 343 HGB als alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören. In den folgenden Vorschriften unterscheidet das HGB zwischen einseitigen Handelsgeschäften, die nur für einen Partner ein Handelsgeschäft sind, und mehrseitigen Handelsgeschäften, die für beide Partner ein Handelsgeschäft sind.1 Gegenstand dieser Arbeit sind allein mehrseitige Handelsgeschäfte.2 In Anbetracht der internationalen Ausrichtung der vorliegenden Untersuchung soll aber die Definition des § 343 HGB für Handelsgeschäfte nur als Ausgangspunkt für die Festlegung des Gegenstandsbereichs dienen. § 343 HGB setzt das Vorliegen einer Kaufmannseigenschaft und eines Handelsgewerbes voraus. Beides sind Rechtsbegriffe, die im deutschen Recht eine lange Tradition haben, obwohl heute die wirtschaftliche Bedeutung der Einzelkaufleute gering ist und die Tätigkeit der Gesellschaften – insbesondere der Kapitalgesellschaften – im Vordergrund steht. Das Vorliegen eines Handelsgewerbes setzt eine erkennbare Planmäßigkeit, Dauerhaftigkeit, Selbständigkeit, Gewinnerzielungsabsicht3 sowie nach Art und Umfang eine kaufmännische Einrichtung voraus, die anhand von angemessenen Kriterien wie Vielfalt von Erzeugnissen, Leistungen und Geschäftbeziehungen sowie größere Lagerhaltung, Umsatzvolumen und Zahl der Beschäftigten zu bestimmen ist4. Demgegenüber ist im US-amerikanischen Recht derjenige Kaufmann, der regelmäßig mit Waren der Art handelt, wie sie im konkreten Fall Transaktionsgegen1

Schmidt, S. 524. Zur rechtspolitischen Kritik an der Einbeziehung einseitiger Handelsgeschäfte in die Regelungen des HGB, vgl. Schmidt, S. 525. 3 Baumbach/Hopt/Merkt-Hopt, § 1 HGB, Rn. 12; Boujong/Joost/Ebenroth/StrohnKindler, § 1 HGB, Rn. 20 ff.; Koller/Roth/Morck-Roth, § 1 HGB, Rn. 4. 4 Baumbach/Hopt/Merkt-Hopt, § 1 HGB, Rn. 23. 2

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2. Kapitel: Definition internationaler elektronischer Handelsgeschäfte

stand sind, oder auf andere Weise durch seine Tätigkeit Kenntnisse oder Fähigkeiten gerade in Bezug auf die Gebräuche oder Waren der Transaktion hat (§ 2–104 (1) UCC)5. Anders als im deutschen Recht ist im USamerikanischen Recht also nicht die allgemeine Organisation der wirtschaftlichen Tätigkeit maßgeblich, sondern die Fachkenntnis bei der konkreten Transaktion6. Auch ein Blick auf das international vereinheitlichte Recht des Handelskaufs – das CISG – zeigt mit seinem sachlichen Anwendungsbereich für Kaufverträge über Waren, die nicht für den persönlichen Gebrauch oder den Gebrauch in der Familie oder im Haushalt gekauft wurden (Art. 2 lit. a CISG), dass auf internationaler Ebene handelsrechtliche Normen nicht nur ausschließlich für Personen gelten müssen, die nach deutschem Recht als Kaufmann zu qualifizieren sind. Als Handelsgeschäft kann man nach beiden Rechtsordnungen Geschäfte bezeichnen, die im Rahmen der Zweckbestimmung eines Unternehmens liegen. Für diesen international tragfähigen Ansatz muss man sich nicht allzu weit vom deutschen Kaufmannsbegriff entfernen. Ausreichend ist bereits, das maßgeblich von Karsten Schmidt geprägte Verständnis zugrunde zu legen, dass das Handelsrecht nicht wie herkömmlich verstanden das Sonderprivatrecht der Kaufleute7 ist, sondern das Außenprivatrecht der Unternehmen8. Damit wird nicht bestritten, dass das Handelsrecht Sonderprivatrecht ist, also ein Ausschnitt der Privatrechtsordnung für einen speziellen Normadressatenkreis.9 Normadressaten sind aber nicht nur die Kaufleute im Sinne der §§ 1 ff. HGB, sondern alle Unternehmensträger.10 Dementsprechend wird im elektronischen Geschäftsverkehr hinsichtlich der Informationspflichten und anderer Schutzvorschriften nicht zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten unterschieden, sondern zwischen Verbrauchern und Unternehmern.11 Gleiches gilt seit 1998 im Hinblick auf die Form von Schiedsvereinbarungen.12 5

Die Definition des § 2–104 (1) UCC schreibt auch dem Intermediär, der solche Kenntnisse oder Fähigkeiten aufweist, Kaufmannseigenschaft zu: „...or to whom such knowledge or skill may be attributed by his employment of an agent or broker or other intermediary who by his occupation holds himself out as having such knowledge or skill.” 6 Ein anschauliches Beispiel findet sich bei Hogg/Bishop/Barnhizer, S. 207: „Importantly, anyone can arguably be a non-merchant or a merchant, depending on the context and subject matter of the contract. For example, while a large coffee house such as Starbucks is clearly a merchant with respect to contracts for the purchase and sale of coffee products, it likely is not a merchant with respect to the office supplies it purchases.” 7 So Canaris, § 1, Rn. 1 ff.; Oetker, § 1, Rn. 4. 8 Vgl. Schmidt, S. 47 ff. 9 Schmidt, S. 3 f. 10 Schmidt, S. 47 f. 11 Vgl. §§ 312c–312f BGB. 12 J.-P. Lachmann, Rn. 327.

A. Handelsgeschäft

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Die Anknüpfung an das Unternehmen oder dessen Träger hat für eine rechtsvergleichende Analyse den entscheidenden Vorteil, dass es der bei Anwendung des deutschen Rechts notwendigen und potentiell schwierigen Subsumtion ausländischer Gewerbetreibender unter den deutschen Kaufmannsbegriff nicht bedarf. Dies bedeutet insbesondere für den elektronischen Geschäftsverkehr eine Erleichterung, da hier die Einschätzung der allgemeinen Organisationsstruktur des Gewerbes oft besonders schwerfällt.13 Indes darf nicht verkannt werden, dass das Verständnis des Handelsgeschäfts als Transaktion zwischen zwei Unternehmen das Definitionsproblem auf die Frage verlagert, wann ein „Unternehmen“ vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 BGB ist Unternehmer jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Das hier implizit zum Ausdruck kommende Verständnis des Unternehmensträgers als planmäßiger und dauerhafter Leistungserbringer gegen Entgelt14 korreliert mit den handelsrechtlichen Unternehmensbegriffen, die in der Fachliteratur vor Schaffung des § 14 BGB im Jahr 2000 entwickelt worden sind.15 So war nach Raisch Unternehmer, wer selbständig mittels einer auf Dauer angelegten organisierten Wirtschaftseinheit anderen Marktteilnehmern wirtschaftlich werthafte Leistungen anbietet.16 Julius v. Gierke verstand unter Unternehmen den durch Gewerbe (Betriebstätigkeit) geschaffenen Tätigkeitsbereich mit den ihm (regelmäßig) ein- und angegliederten Sachen und Rechten einschließlich der zu ihm gehörenden Schulden.17 Karsten Schmidt bildete diese beiden Definitionsversuche unter Zuhilfenahme des Gewerbebegriffs zu einem handelsrechtlichen Unternehmensbegriff fort, der die Merkmale der Selbständigkeit, der anbietenden, entgeltlichen rechtsgeschäftlichen Tätigkeit am Markt sowie der Planmäßigkeit und Ausrichtung auf Dauer aufweist.18 Diese Definition, die etwas genauer ist als § 14 BGB, aber keinen Widerspruch erkennen lässt, wird für den Fortgang der Untersuchung zugrunde gelegt.19

13

Zum Verzicht des Unternehmensbegriffs des § 14 BGB auf das Merkmal „in kaufmännischer Weise eingerichteter Gewerbebetrieb“ vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW 2005, 1438, 1438; LG Berlin, MMR 2007, 401, 401. 14 Palandt-Ellenberger, § 14 BGB, Rn. 1. 15 Ähnlich Schmidt, BB 2005, 637, 638. 16 Raisch, S. 119 ff. 17 von Gierke/Sandrock, § 13 III 1. 18 Schmidt, S. 66 f. 19 De lege ferenda bietet sich mit Schmidt, BB 2005, 637, 642 daher eine Integration des Rechts der Handelsgeschäfte ins BGB an.

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2. Kapitel: Definition internationaler elektronischer Handelsgeschäfte

Sie deckt sich auch im Wesentlichen mit dem neueren ökonomischen Verständnis von Unternehmung.20 Zwar setzte nach traditionellem Verständnis im Sinne Gutenbergs eine Unternehmung noch das Streben nach Gewinnmaximierung, das Prinzip des Privateigentums und die Selbstbestimmung des Wirtschaftsplans voraus21, jedoch definierte Kosiol die Unternehmung deutlich weiter. Nach Kosiol zeichnet sich eine Unternehmung durch Fremdbedarfsdeckung über den Markt, wirtschaftliche Selbständigkeit im Sinne finanzieller Eigenständigkeit und unternehmerischer Entscheidungsfreiheit sowie durch Übernahme eines Marktrisikos aus.22 Schmidt und Kosiol erfassen – im Gegensatz zu Gutenberg – mit ihren Definitionen auch Betriebe, die wie öffentliche Betriebe nicht im Privateigentum stehen oder die nicht nach Gewinnmaximierung streben (Non-Profit-Organisationen). Die Merkmale der wirtschaftlichen Selbständigkeit und der Tätigkeit am Markt sind ebenfalls beiden Definitionen gemein. Allein auf das Kriterium der Planmäßig- und Dauerhaftigkeit des juristischen Unternehmensbegriffs verzichtet das ökonomische Verständnis von Unternehmung. Hieraus sollte im Wege einer Angleichung des Begriffsverständisses zweier eng miteinander verbundener Wissenschaftsdisziplinen – Handelsrecht und Betriebswirtschaftslehre – eine restriktive Auslegung der normativen Rechtsbegriffe Planmäßigkeit und Dauerhaftigkeit folgen. Dementsprechend dürfte auch der Zusammenschluss mehrerer Marktteilnehmer über moderne Kommunikationsnetze, um ein Projekt oder eine Transaktion durchzuführen (virtuelle Organisation), regelmäßig dem hier vertretenen handelsrechtlichen Unternehmensbegriffs im Sinne Schmidts unterfallen. Natürlich drängt sich bei dieser Definition von Handelsgeschäften die Frage auf, warum man nicht einfach von „Unternehmensgeschäften“ oder „Unternehmensverträgen“ spricht. Darauf wird aber bewusst verzichtet, um eine

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In der Ökonomie wird zwischen Unternehmen und Unternehmung unterschieden. Unternehmen soll das Handeln des einzelnen Menschen betrachtet unter dem Einkommensaspekt betreffen; jedermann sei im Hinblick auf die Wege zum Einkommenserwerb und zur Verringerung von Einkommensunsicherheiten Unternehmer seines Wissens, seiner Arbeitskraft und seines sonstigen Vermögens. Demgegenüber sei die Unternehmung die Organisation, deren Mitglieder („Unternehmer“ im vorgenannten Sinne) sowohl in Beschaffungsmärkten als auch in Absatzmärkten tätig sind und zwischen diesen Märkten Zufuhrhandlungen ausführen, wobei die Organisationsmitglieder im Innenverhältnis untereinander Dienste, Sachen und Verfügungsrechte gegen Entgelt zur Verfügung stellen. Vgl. zum Ganzen Schneider, in: Schreyögg/v. Werder (Hrsg.), Handwörterbuch der Unternehmensführung und Organisation (2004), S. 1428 ff. 21 Gutenberg, S. 10. 22 Kosiol, S. 27.

B. Elektronische Handelsgeschäfte

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Assoziation mit dem Innenrecht23 des Unternehmens (etwa: Corporate Governance-Recht; Mitbestimmungsrecht) auszuschließen. Wenn im Folgenden vereinfachend davon gesprochen wird, dass das Unternehmen einen Vertrag geschlossen oder eine sonstige rechtsgeschäftliche Handlung vorgenommen hat, so ist dies nur als sprachliche Ungenauigkeit zu werten, die der Lesbarkeit der Arbeit dienen soll, und impliziert nicht, dass das Unternehmen als solches Träger von Rechten und Pflichten ist. Der Meinung, die eine Rechtssubjektivität des Unternehmens befürwortet24, soll hier nicht gefolgt werden. Das Unternehmen ist dem Unternehmensträger zugeordnet und nur dieser kann Träger von Rechten und Pflichten sein25. Wie bei jeder begrifflichen Abgrenzung kommt es auch bei der hier aufgestellten Definition in der praktischen Anwendung zwangsläufig zu Grenzfällen.26 Im elektronischen Geschäftsverkehr zeigen sich diese Schwierigkeiten insbesondere bei der Bestimmung der Unternehmereigenschaft der Nutzer von Auktionsplattformen wie eBay, über die sowohl Handelsgeschäfte als auch Geschäfte mit Verbrauchern abgewickelt werden. Insbesondere bei vielen „Powersellern“ ist der Status unklar.27 Das vermeiden Plattformen wie restposten.de, die ausschließlich für Handelsgeschäfte ausgelegt sind und bei denen die Nutzer einen Gewerbeschein oder einen Handelsregisterauszug vorlegen müssen. Letztlich wäre eine Lösung ohne Abgrenzungsschwierigkeiten nur dann denkbar, wenn für Verträge zwischen Unternehmen und für Verträge mit oder zwischen Verbrauchern eine einheitliche Regelung geschaffen würde. Dies erscheint vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Schutzbedürfnisses kaum möglich und dürfte überdies in Anbetracht der unterschiedlichen Verbraucherschutzpolitiken dies- und jenseits des Atlantiks kaum zu erreichen sein.

B. Elektronische Handelsgeschäfte B. Elektronische Handelsgeschäfte

Das elektronische Handelsgeschäft als informationelle Transaktion zwischen Unternehmen bildet eine Teilmenge des elektronischen Geschäftsverkehrs, der auch Transaktionen zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Business-

23

Hieraus erklärt sich der Begriff des Außenprivatrechts, der gerade nicht in Abgrenzung zum Sonderprivatrecht zu sehen ist. 24 Grundlegend: T. Raiser, S. 166 ff. 25 Schmidt, S. 81. 26 Schmidt, S. 67 weist daraufhin, dass die Abgrenzungschwierigkeiten und Unschärfen bei Anwendung dieser Definition nicht größer sind als beim Gewerbebegriff. 27 Vgl. die Rechtsprechungsübersicht zu dieser Frage bei Heckmann, Kap. 4.3 Rn. 162; zuletzt: BGH, NJW 2009, 3780, 3780 f.

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2. Kapitel: Definition internationaler elektronischer Handelsgeschäfte

to-Consumer, B2C) sowie Unternehmen und Verwaltung (Business-toAdministration, B2A) umfasst.28 Nach dem Umfang der Informatisierung der Transaktion kann man verschiedene Arten elektronischer Handelsgeschäfte unterscheiden. I. Elektronischer Geschäftsverkehr Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs des elektronischen Geschäftsverkehrs (engl.: Electronic Commerce / E-Commerce) existiert nicht. Einige Autoren bezeichnen den elektronischen Geschäftsverkehr als den entgeltlichen Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen über das Internet29, während andere auch den Vertrieb über elektronische Medien, wie Telefax und Telefon, einbeziehen30 oder jede Art von wirtschaftlicher Tätigkeit im Internet genügen lassen31. Das Wort „Elektronik“ leitet sich vom Griechischen „elektron“ (ηλεκτρόν) ab und bedeutet „Bernstein“. In der Physik ist Elektronik die Disziplin, die sich mit dem Verhalten elektrischer Ströme in Gasen, Halbleitern und im Vakuum befasst. Beim elektronischen Geschäftsverkehr geht es aber um den Transport von Informationen als Grundlage einer Transaktion. Ein geschichtlicher Rückblick zeigt, dass sich der Transport von Information grundlegend verändert hat. Das gesprochene Wort oder die auf einem körperlichen Gegenstand festgehaltene Schrift wurden von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts durch Medien wie Telefon, Rundfunk und Fernsehen ergänzt.32 Der danach einsetzende Prozess der Digitalisierung hat wiederum neue Formen der Informationübertragung hervorgebracht, die als „Neue Medien“, manchmal auch als „Multimedia“, bezeichnet werden. Der moderne Begriff „Elektronik“ bezieht sich auf diese Neuen Medien. Das populärste Medium dieser Gruppe ist heute sicherlich das Internet. Doch wäre es vorschnell, den elektronischen Geschäftsverkehr einfach mit dem Geschäftverkehr über das Internet und im Internet gleichzusetzen. Die Neuen Medien lassen sich in Offline- und netzwerkorientierte Anwendungen unterteilen.33 Hiervon interessiert für die elektronische Kommunikation vor allem der Bereich der netzwerkorientierten Anwendung, da sie – im Gegensatz zu Offline-Anwendungen, die zum Beispiel auf einer CD-ROM gespeichert sind – Interaktionsmöglichkeiten mit anderen Netzteilnehmern schafft. 28

Heinrich/Heinzl/Roithmayr, S. 220; Stahlknecht/Hasenkamp, S. 393; Borges, S. 31. Borges, S. 30 f.; in diese Richtung auch Kilian/Heussen-Wißner/Jäger, Teil 300, Stichwort: E-Commerce. 30 Störner, S. 103; Fry, 37 Idaho Law Review 2001, 237, 240. 31 Boehme-Neßler, S. 125. 32 Fallenböck, S. 8. 33 Fallenböck, S. 9. 29

B. Elektronische Handelsgeschäfte

23

Die Bezeichnung „Elektronik“ impliziert also die Nutzung eines digitalisierten Netzwerks. Netzwerke lassen sich durch die Koppelung von Datenstationen über Datenübertragungswege charakterisieren, wobei eine Datenstation aus einer Datenendstation, beispielsweise einem Rechner, und einer Datenübertragungseinrichtung besteht.34 Um funktionsfähige Kommunikation sicherzustellen, bedarf es aber nicht nur dieser physikalischen Netzinfrastruktur, sondern auch übereinstimmender logischer Regeln („Protokolle“ genannt).35 Bereits in den 1970er Jahren begannen Unternehmen, entsprechende Protokolle zu vereinbaren, damit sie über elektronische Netzwerke intensiven Datenaustausch, zum Beispiel von Angeboten, Aufträgen, Bestätigungsschreiben oder Rechnungen, betreiben konnten. So entwickelten die Fluggesellschaften United Airlines und American Airlines die Reservierungssysteme Apollo und SABRE. Dieser netzwerkbasierte Austausch von Geschäftsdaten ist dann als Electronic Data Interchange (EDI) bezeichnet worden36 und bildete den Anfang der Nutzung Neuer Medien im Geschäftsverkehr. In Deutschland wurde EDI zunächst in der Automobilindustrie eingesetzt, was die „Just-in-Time“-Produktion ermöglichte, sowie bei Reisevertriebssystemen, im Bahnverkehr, in der Bauindustrie und im Bereich der chemischen Industrie.37 Es wurden also bereits vor der Erfindung des Internets Handelsdaten auf der Grundlage eines Netzwerks und vereinbarter Protokolle ausgetauscht. Voraussetzung war allerdings, dass zuvor eine Rahmenvereinbarung über die zu verwendenden Standards getroffen wurde. Kostenintensive Verhandlungen waren zumindest zu Beginn zwangsläufig. Den effizienten Einsatz von EDI, insbesondere bei internationalen Geschäftsverbindungen, sollte dann das Regelwerk UN/EDIFACT garantieren, das Semantik und Syntax geschäftlicher Nachrichten für den elektronischen Datenaustausch bestimmt.38 Allerdings wurde die angestrebte internationale Kohärenz nur bedingt erreicht. Vielmehr entstanden branchenspezifische Standards, insbesondere in der Automobilindustrie, bi- und multilaterale Lösungen zwischen Großunternehmen und ihren Zulieferbetrieben sowie

34

Fallenböck, S. 10. Fallenböck, S. 10. 36 Stahlknecht/Hasenkamp, S. 385; zur Bedeutung des EDI für den elektronischen Geschäftsverkehrs vgl. auch Kilian/Picot/Neuburger/Niggl/Scholtes/Seiler, S. 41 ff.; Fry, 37 Idaho Law Review 2001, 237, 240. 37 Kilian/Picot/Neuburger/Niggl/Scholtes/Seiler, S. 25, 236 ff.; Stahlknecht/Hasenkamp, S. 387, 389. 38 Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 18; Fallenböck, S. 18; der UN/EDIFACTStandard wurde im Jahre 1987 auf Anregung der Europäischen Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen mit Unterstützung der Internationalen Standardisierungsorganisation (ISO) durch Veröffentlichung der Syntax (ISO 9735) und der Datenelemente (ISO 7372) propagiert, vgl. Kilian, Deutscher EDI-Rahmenvertrag, § 2, Rn. 2. 35

24

2. Kapitel: Definition internationaler elektronischer Handelsgeschäfte

länderbezogene Standards.39 In Verbindung mit den ohnehin schon hohen Kosten der Implementierung und des Betriebs eines EDI-Systems waren die Kosten insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen, die als Zulieferer von Großunternehmen regelmäßig wenig Mitsprache beim verwendeten EDI-Standard hatten, beachtlich. Zudem wurde die Abhängigkeit im Produktionsnetzwerk gesteigert. Die Einbindung des Internets in den klassischen EDI, der sogenannte Web-EDI40, eröffnete dann eine Möglichkeit zur deutlichen Kostensenkung.41 Mittlerweile werden Geschäfte zwischen Unternehmen sehr häufig auch ohne Verwendung des UN/EDIFACT-Standards über das Internet abgewickelt. Das Internet funktioniert als globales Netz von Netzwerken, bei dem die einzelnen Netzwerke mittels bestimmter Protokolle, wie des Transmission Control Protocol (TCP) und des Internet Protocol (IP), kommunizieren.42 Das Verfahren der Kommunikation ist durch ein hierarchisches Sieben-SchichtenModell standardisiert43 und ermöglicht, dass jeder Rechner des Netzes prinzipiell mit jedem anderen Rechner kommunizieren kann.44 Es handelt sich also grundsätzlich um ein offenes System45. Jedoch können Unternehmen auch beim Einsatz der Internet-Technologie mit ihren Computern geschlossene Gruppen bilden. Geschieht dies innerhalb einer Organisation ohne öffentlichen Zugriff spricht man von einem „Intranet“.46 Für den externen Unternehmensverkehr wird dies dann relevant, wenn man das Intranet um einen autorisierten Partner erweitert, insbesondere wenn entlang einer Wertschöpfungskette Vertriebspartner und Zulieferer verbunden oder wenn beim Outsourcing Unternehmensbereiche ausgegliedert werden.47

39

Fallenböck, S. 18; eine Reihe von EDI-Rahmenverträgen findet sich bei Boss/Ritter, Electronic Data Interchange Agreements, Paris 1993; vgl. auch Kilian, Deutscher EDIRahmenvertrag, Eschborn 1994. 40 Picot/Reichwald/Wigand, S. 382 f. 41 Das Internet kann hierbei als reines Transportmedium oder als hybride Form, etwa Emails als interaktiver Teil unter Anfügung eines EDI-Satzes, genutzt werden, vgl. Fallenböck, S. 19. 42 Gralla, S. 2; Kilian/Heussen-Wißner/Jäger, Teil 300, Stichwort: Internet. 43 OSI-Modell (OSI = Open Systems Interconnection), ISO 7498. 44 Boehme-Neßler, S. 10; Kilian/Heussen-Wißner/Jäger, Teil 300, Stichwort: Internet. 45 Stahlknecht/Hasenkamp, S. 392. Eine Definition von offenen Systemen liefert das Technical Committee on Open Systems des IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers): „Open System Environment: a comprehensive and consistent set of international information technology standards and functional standards that specify interfaces, services and supporting formats to accomplish interopability and portability of applications, data and people…”, wiedergegeben in: Bues, S. 22, der diese Definition als zutreffend, wenn auch für die praktische Planungsarbeit als zu allgemein einordnet. 46 Fallenböck, S. 16. 47 Fallenböck, S. 16 f.

B. Elektronische Handelsgeschäfte

25

Da also bereits vor dem Internet Handelsdaten zwischen Unternehmen mittels computerisierter Kommunikationsnetze ausgetauscht wurden, ist „elektronisch“ heute praktisch mit „computergestütztem Netzwerk“ gleichzusetzen.48 Die Einbeziehung der Kommunikationsmittel Telefon und Telefax in die elektronische Geschäftsabwicklung ist hingegen zu weit, da diese auch im digitalen Modus nicht den Neuen Medien zuzuordnen sind. Das Verständnis des Begriffsteils „Geschäftsverkehr“ kann leichter festgelegt werden. „Geschäftsverkehr“ umfasst alle Vorgänge des Austausches von Leistungen zwischen verschiedenen Wirtschaftssubjekten, so dass es aus juristischer Sicht um Rechtsgeschäfte über den Austausch von wirtschaftlichen Leistungen geht.49 Dies ermöglicht eine Abgrenzung zu dem Begriff des „Electronic Business“ (E-Business), der mit dem Einsatz von vernetzter Informations- und Kommunikationstechnologie zur Unterstützung und Abwicklung jeglicher inner- und zwischenbetrieblicher Geschäftsprozesse zu beschreiben ist50. Demzufolge ist der elektronische Geschäftsverkehr nach dem hier vertretenen Verständnis eine Teilmenge des Oberbegriffs E-Business.51 Für die folgende Untersuchung ist daher unter elektronischem Geschäftsverkehr der Austausch von Leistungen zwischen verschiedenen Wirtschaftssubjekten zu verstehen, der ganz oder teilweise über computergestützte Netzwerke erfolgt.52 Elektronischer Handelsverkehr ist somit die zwischen Unternehmen durchgeführte Transaktion über computergestützte Netzwerke. II. Arten elektronischer Handelsgeschäfte Zu unterscheiden sind Transaktionen, bei denen nur der Vertragsschluss mittels elektronischer Kommunikation erfolgt, und Transaktionen, bei denen

48

So auch TNS Infratest, S. 363, wo dieser Ansatz auf einen Beitrag des E-Commerce Center Handel des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit aus dem Jahr 2001 zurückgeführt wird; ähnlich weit in Bezug auf Elektronik auch Picot/Reichwald/Wigand, S. 337; Kilian, EWR, Rn. 987 spricht von digitalen Kommunikationsnetzen. 49 Fallenböck, S. 6. 50 OECD, S. 17; Weisbecker/Renner/Noll, in: Weisbecker/Renner/Noll (Hrsg.), Electronic Business – Innovationen, Anwendungen und Technologien (2004), 9, 9. Ein Beispiel für den innerbetrieblich Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologie ist das interne Corporate Blogging, das mittlerweile in vielen Unternehmen den Email basierten Kommunikationsprozess ersetzt hat, vgl. Brellochs/Rosenkranz, JurPC 2007, Web-Dok. 23/2007, Abs. 3 f. 51 So auch Fallenböck, S. 6; anders Picot/Reichwald/Wigand, S. 337, die E-Commerce als Oberbegriff verstehen und in der hier für den Begriff E-Business vorgeschlagenen Weise definieren. 52 Ähnlich OECD, Sacher Group Report, S. 11.

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2. Kapitel: Definition internationaler elektronischer Handelsgeschäfte

neben dem Vertragsschluss auch die vertragliche Hauptleistung über computergestützte Netzwerke erbracht wird.53 Zum Beispiel kann ein Kaufvertrag über ein Auto über das Internet abgeschlossen werden, die Auslieferung erfolgt dann aber auf herkömmlichen Weg. Ebenso kann das EDI-System eines Produzenten an den Hersteller die Nachricht übermitteln, dass der Lagerbestand an einer bestimmten Ware erschöpft ist. Auch in diesem Fall erfolgt dann die Lieferung auf klassischem Transportweg. Insofern wirft der auf den Bereich des Vertragsabschlusses beschränkte Einsatz von elektronischer Kommunikation im Hinblick auf vertragliche Leistungspflichten und Gewährleistungsrechte keine besonderen Probleme auf. Indes gibt es auch Transaktionen, bei denen die geschuldete Leistung elektronisch erbracht wird. Dies liegt insbesondere bei Dienst- und Werkleistungen nahe. So kann zum Beispiel ein Architekt oder Ingenieur seine Pläne elektronisch übermitteln. In einer Vielzahl der Fälle wird es sich hierbei um Konstellationen handeln, in denen die elektronische Übermittlung die Übergabe eines physischen Daten- oder Informationsträgers praktisch ersetzt; die Leistung könnte also auch in verkörperter Form erworben werden.54 Entspricht die digitale Leistung dem körperlichen Gut in Funktion sowie der Art und Weise der Nutzung und besteht bei ökonomischer Betrachtung ein identischer Absatzmarkt55, substituiert die elektronische Übermittlung lediglich die körperliche Übergabe.56 Insofern liegt es nahe, dass sich auch die rechtliche Behandlung als Sachkauf oder Werkvertrag nicht ändert.57 Trotzdem wirft der Einsatz von elektronischer Kommunikation einige spezielle Fragen auf. Zum Beispiel ist zweifelhaft, ob bei der elektronischen Übermittlung der Erfüllungsort der Server des Architekten ist, auf dem die Pläne gespeichert sind, oder die Hardware des Auftraggebers, wo die Pläne eingehen. Unabhängig von der Übermittlungsart kann sich die Anwendung des Vertragsrechts dann schwierig gestalten, wenn der Leistungsgegenstand sehr komplex ist, wie bei der Lieferung oder Nutzung eines Datenverarbeitungsprogrammes und der zugehörigen Daten. Bei Verträgen über Software, die mittlerweile kaum noch auf einem Datenträger geliefert, sondern regelmäßig online übermittelt wird, ergeben sich dann auch hinsichtlich der Beschaffen53

Hierauf weist G.-P. Calliess, in: Anderhein/Huster/Kiste (Hrsg.), Globalisierung als Problem von Gerechtigkeit und Steuerungsfähigkeit des Rechts (2001), 61, 70 zu Recht hin; ähnlich Nichols, 15 Am. U. Int'l L. Rev. 1999/2000, 1379, 1380; Kronke, in: BoeleWoelki/Kessedjian (Hrsg.), Internet – Which Court Decides? Which Law Applies? (1998), 65, 75; Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 38; Kilian, EWR, Rn. 987. 54 Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 39. 55 Ein so genannter „channel conflict“, also eine Konkurrenz verschiedener Vertriebskanäle, steht dem nicht entgegen, vgl. Hoeren/Sieber-Pichler, a.a.O., Rn. 39. 56 Hoeren/Sieber-Pichler, a.a.O., Rn. 39. 57 Hoeren/Sieber-Pichler, a.a.O., Rn. 39.

C. Internationale elektronische Handelsgeschäfte

27

heit des Produktes, sonstiger Leistungspflichten und der Leistungsstörung besondere Anwendungsfragen. Zum Beispiel ist zu klären, welche Beschaffenheit Software haben muss, wenn keine entsprechende Parteivereinbarung vorliegt, ob bei Verträgen über Software auch ohne ausdrückliche Parteivereinbarung besondere Leistungspflichten wie die Pflicht zur Herausgabe des Quellcodes oder zur Installation des Programms bestehen und welche Rechtsbehelfe bei Softwaremängeln in Betracht kommen. Schließlich gibt es Verträge über Daten und Informationen, bei denen die elektronische Übermittlung nicht die Übergabe einer körperlichen Sache substituiert, also kein Offline-Absatzmarkt korrespondiert (z.B. Datenbankund Zugangsverträge).58 Hier überwiegt regelmäßig das dienstleistungsrechtliche Element.59 Somit ist die notwendige und hinreichende Bedingung für das Vorliegen eines elektronischen Handelsvertrags, dass der Vertrag zwischen den Unternehmen mit elektronischen Kommunikationsmitteln abgeschlossen wurde.60 Die Leistungserbringung kann dann entweder auf traditionelle Weise durch körperliche Übergabe oder aber auf modernem Weg durch digitale Übermittlung erfolgen. Durch die digitale Übermittlung kann ein physisches Gut substituiert oder eine Leistung übermittelt werden, für die kein OfflineAbsatzmarkt besteht. Leistungsgegenstand des elektronischen Vertrags kann sowohl ein in rechtlicher Hinsicht einfach einzuordnendes und zu behandelndes Gut sein (zum Beispiel eine Zeitung) als auch ein Gut, das aufgrund seiner Komplexität rechtlich schwer „greifbar“ ist (zum Beispiel Software).

C. Internationale elektronische Handelsgeschäfte C. Internationale elektronische Handelsgeschäfte

Internationalen Charakter hat ein elektronisches Handelsgeschäft, wenn es einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist. Der naheliegendste Fall ist, dass die beteiligten Unternehmen ihren Sitz in unterschiedlichen Staaten haben oder vom Ausland aus operieren.61 Der nachfolgend primär untersuchte Fall betrifft die Konstellation, dass die Geschäftspartner aus Deutschland und aus den USA operieren. Allerdings könnte ein grenzüberschreitender Bezug zum Beispiel auch in der Form vorliegen, dass zwei inländische Geschäftspartner einen ausländischen Ort als Schiedsort oder Gerichtsstand bestimmen.

58

Hoeren/Sieber-Pichler, a.a.O., Rn. 44. Hoeren/Sieber-Pichler, a.a.O., Rn. 44 f. 60 Kidd/Daughtrey, 26 Rutgers Computer & Tech. L.J. 2000, 215, 269. 61 So auch Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 208. 59

Kapitel 3

Ökonomische und technische Merkmale internationaler elektronischer Handelsgeschäfte Internationale elektronische Handelsgeschäfte weisen bestimmte ökonomische und technische Merkmale auf, die sie vom nationalen papierbasierten Handelsverkehr grundlegend unterscheiden. Diese Merkmale lassen sich den Phänomenen „Globalisierung der Märkte“ und „Informatisierung von Transaktionen“ zuordnen.

A. Globalisierung der Märkte A. Globalisierung der Märkte

Die zunehmende Interaktion von Unternehmen über staatliche Grenzen hinweg hat zur so genannten Globalisierung der Märkte geführt. Dies ist nicht gleichzusetzen mit der Entstehung eines universellen Weltmarktes1, sondern beschreibt den erleichterten Zugang zu Güter-, Arbeits- und Informationsmärkten2, unabhängig davon, wo sich die Niederlassung des Unternehmens befindet. Statistisch belegbar ist die Globalisierung der Märkte durch einen kontinuierlich steigenden Offenheitsgrad3 der nationalen Volkswirtschaften, der beispielsweise in Deutschland von einem Wert von 32,7 Prozent im Jahr 1970 auf 65 Prozent im Jahr 2000 gestiegen ist.4 I. Die „erste“ Globalisierung im 19. Jahrhundert Die so verstandene Globalisierung der Märkte ist indes kein Prozess, der erstmalig zum Ende des 20. Jahrhunderts einsetzte, denn bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg der Welthandel mit Wachstumsraten um

1

Habermas, in: Beck (Hrsg.), Politik der Globalisierung (1998), 67, 70. Picot/Reichwald/Wigand, S. 2; Sautter, S. 5. 3 Der Offenheitsgrad ist das Verhältnis der Summe von Exporten und Importen zum Bruttoinlandsprodukt, vgl. Freytag/Meier/Weiß, in: Donges/Eechhoff (Hrsg.), Die Rolle des Staates in einer globalisierten Wirtschaft (1998), 9, 16. 4 Clausen, 29 Essener Unikate 2007, 113, 113. 2

A. Globalisierung der Märkte

29

fünf Prozent pro Jahr bis zum Ersten Weltkrieg auf ein Niveau, das erst in den 1970er Jahren wieder erreicht wurde5. Treibende Kräfte waren damals die sinkenden Transport-, Kommunikations- und Informationskosten6, die durch die Einführung des transatlantischen Telegrafen, den Beginn der planmäßigen Dampfschifffahrt zwischen Europa und Amerika und den verstärkten Eisenbahnbau ausgelöst wurden7. Darüber hinaus verfolgte die Hegemoniemacht England eine Freihandelsstrategie, der zumindest die europäischen Großmächte folgten. Außerdem ermöglichte der Goldstandard grenzüberschreitende Investitionen in großem Ausmaß.8 II. Faktoren der Globalisierung Damit waren die Faktoren der Globalisierung der Märkte die gleichen wie heute.9 Entscheidend ist die Kompression von Raum und Zeit durch eine technologisch bedingte Senkung von Kommunikations-, Transport- und Informationskosten sowie die Marginalisierung der Auswirkung staatlicher Grenzen auf den Handel mittels der Durchsetzung einer weltweiten Freihandelsstrategie im Rahmen der WTO sowie der Förderung eines freien Kapitalverkehrs.10 Die Abnahme von Kommunikations-, Transport- und Informationskosten ist seit Ende des Zweiten Weltkrieges ein kontinuierlicher Prozess, mit der Einführung des Internets sind diese Kosten in vielen Bereichen vernachlässigbar11. III. Ökonomische Folgen der Globalisierung der Märkte Eine häufige Folge der Globalisierung der Märkte ist die Intensivierung des Wettbewerbs, weil neue Marktteilnehmer auf ehemals geschlossenen Märkten erscheinen12 und für den Nachfrager die Vergleichbarkeit steigt13. In manchen Fällen wird sogar ein Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten festgestellt; 5

Maddison, S. 327. Perraton/Goldblatt/Held/McGrew, in: Beck (Hrsg.), Politik der Globalisierung (1998), 134, 142 nennen zumindest die Transportkosten. 7 Joffe, Die Zeit v. 31.5.2007, S. 3. 8 Joffe, a.a.O., S. 3. 9 Ähnlich Sautter, S. 8. 10 So wohl auch Joffe, Die Zeit v. 31.5.2007, S. 3; ähnlich Sautter, S. 9 f.; die Wichtigkeit des Rückgangs der Transportkosten und des Abbaus der Handelsbarrieren stellen auch Perraton/Goldblatt/Held/McGrew, in: Beck (Hrsg.), Politik der Globalisierung (1998), 134, 140 heraus; die Senkung von Kommunikations- und Transportkosten betonend Stiglitz, S. 22. 11 G.-P. Calliess, in: Donges/Mai (Hrsg), E-Commerce und Wirtschaftspolitik (2001), 61, 64. 12 Boehme-Neßler, S. 9; Picot/Reichwald/Wigand, S. 2. 13 Picot/Reichwald/Wigand, S. 373. 6

30

3. Kapitel: Merkmale internatiobaler elektronischer Handelsgeschäfte

es bildet sich also ein anspruchsvolles Käuferverhalten heraus, das organisatorisch bedingte Koordinationsprobleme, wie lange Lieferzeiten oder Schnittstellenprobleme, nicht akzeptiert.14 Auf solchen Märkten ändern sich die Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen besonders schnell, so dass für die Unternehmen der Zeitfaktor15 und die Flexibilität zu entscheidenden Kriterien werden16. IV. Folgen für die rechtlichen Rahmenbedingungen internationaler elektronischer Handelsgeschäfte Die Globalisierung der Märkte bedeutet für den Nationalstaat, dass seine Einflussmöglichkeiten schwinden.17 Dies ist unabhängig davon, ob man die Herausbildung eines transnationalen Wirtschaftssystems annimmt, das die nationale Ebene vollständig durchdringt und transformiert18, oder ob man die Nationalstaaten als grundlegende Einheiten eines internationalen Austauschssystems ansieht, das die Binnenökonomie im jeweiligen Staat zwar nicht unmittelbar transformiert, dieser aber Vorgaben macht, die als der nationalen politischen Entscheidungsmacht entzogene Anpassungen verstanden werden, um im Wettbewerb der Nationalökonomien bestehen zu können19. Letztlich entwickelt sich eine Wirtschaftsstruktur, die vor allem durch die Flexibilität20 multinationaler Unternehmen geprägt ist.21 Diese können sich 14

Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 18; Picot/Reichwald/Wigand, S. 3 f.; ähnlich Pichler, in: Pichler (Hrsg.), eBusiness versus Recht (2003), 11, 16. 15 Boehme-Neßler, S. 11 spricht von der Beschleunigung des Wirtschaftsprozesses. 16 Picot/Reichwald/Wigand, S. 4. 17 Stiglitz, S. 41; ähnlich Sautter, S. 53, indem er herausstellt, dass die Frage, mit der die Nationalstaaten konfrontiert sind, nicht laute, ob sie zu Souveränitätsverzichten bereit sind oder ob sie ihre uneingeschränkte Handlungsautonomie beibehalten wollen, sondern, ob sie Souveränitätsverzichte durch einen ungeordneten Globalisierungsprozess hinnehmen wollen oder ob sie im Interesse eines geordneten Prozesses zu einer Selbstbeschränkung ihrer Handlungsfreiheit bereit sind. 18 In diese Richtung Habermas, in: Beck (Hrsg.), Politik der Globalisierung (1998), 67, 71. 19 In diese Richtung Hirst/Thompson, in: Beck (Hrsg.), Politik der Globalisierung (1998), 85, 87, 97 ff. 20 Unternehmen sind beispielsweise in immer stärkerem Maße in der Lage, den Produktionsprozess in unterschiedliche Stufen zu untergliedern und diesen jeweils in dem Land mit den größten komparativen Vorteilen anzusiedeln, vgl. Perraton/Goldblatt/Held/ McGrew, in: Beck (Hrsg.), Politik der Globalisierung (1998), 134, 146. 21 Nach Stiglitz, S. 237 übertraf der Umsatz von General Motors im Jahr 2004 mit USD 191,4 Milliarden das Bruttoinlandsprodukt von 148 Ländern und Wal-Mart übertraf im Jahr 2005 mit einem Umsatz von USD 285,2 Milliarden die Summe aller Bruttoinlandsprodukte der afrikanischen Länder südlich der Sahara; die wesentliche Rolle von multinationalen Unternehmen stellen auch Hirst/Thompson, in: Beck (Hrsg.), Politik der Globalisierung (1998), 85, 99; Perraton/Goldblatt/Held/McGrew, in: Beck (Hrsg.), Politik der

A. Globalisierung der Märkte

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durch kreative Rechtsgestaltung oder Standortverlegung als nachteilhaft empfundenen nationalen Regelungen entziehen, so dass der einzelne Nationalstaat nur sehr begrenzten Einfluss auf die globalisierte Weltwirtschaft nehmen kann.22 Insbesondere kann sich die Bereitstellung von (regulierenden) Kollektivgütern wie beispielsweise einem Rechtssystem, das die Einhaltung von Verträgen gewährleistet und daraus erwachsende Konflikte beilegt, für den Nationalstaat schwierig gestalten.23 Teilweise wird sogar ein Wettbewerb der Rechtsordnungen prognostiziert, bei dem im Sinne eines „race to the bottom“ die am geringsten regulative Rechtsordnung dominiert.24 Damit ist kein Staat allein in der Lage, wirksame rechtliche Rahmenbedingungen für internationale elektronische Handelsgeschäfte zu schaffen. Eine effektive staatliche Regelung, die von den Unternehmen nicht durch kreative Vertragsgestaltung oder Standortverlegung unterlaufen werden kann, setzt eine supranationale Zusammenarbeit und international einheitliche Lösungen voraus.25 Alternativ ist ein weitgehender Verzicht auf die Bereitstellung rechtlicher Rahmenvorschriften denkbar. Die Interessenkoordination bliebe dann den Unternehmen selbst überlassen. Als Mittel stünden von der Wirtschaft entwickelte Standards und Verhaltensregeln bereit, die mit Hilfe von Gütesiegelprogrammen, Reputations- und Feedbacksystemen sowie den verschiedenen Verfahren der alternativen Streitschlichtung, wie Mediation und Schiedsverfahren, überwacht werden könnten.

Globalisierung (1998), 134, 160 ff. und Sautter, S. 5 heraus. Zu den positiven und negativen Folgen dieser Entwicklung vgl. Stiglitz, S. 238 ff. 22 Perraton/Goldblatt/Held/McGrew, in: Beck (Hrsg.), Politik der Globalisierung (1998), 134, 165; G.-P. Calliess, in: Donges/Mai (Hrsg), E-Commerce und Wirtschaftspolitik (2001), 61, 65; Christiansen, MMR 2000, 123, 123; ähnlich Habermas, in: Beck (Hrsg.), Politik der Globalisierung (1998), 67, 73, der davon spricht, dass sich eine globalisierte Wirtschaft dem Zugriff des regulatorischen Staates entzieht; ebenso Johnson/Post, 48 Stan. L. Rev. 1995/96, 1367, 1370 unter Hinweis auf die Entwicklung globaler Computernetzwerke. 23 Cerny, in: Beck (Hrsg.), Politik der Globalisierung (1998), 263, 278 ff.; Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 511; Mankowski, AfP 1999, 138, 138. 24 G.-P. Calliess, in: Donges/Mai (Hrsg), E-Commerce und Wirtschaftspolitik (2001), 61, 65. Dass aber auch im elektronischen Geschäftsverkehr mehr Standortfaktoren bekannt sind als eine möglichst liberale Rechtsordnung, zeigt das Beispiel des völkerrechtlich nicht anerkannten Mikrostaates Sealand, auf einer Plattform vor der Küste Englands. Hier sollte seit 1999 mit einer Reihe von Servern ein Datenhafen entstehen, jedoch konnte keine nennenswerte Zahl an Kunden gewonnen werden. Vgl. Goldsmith/Wu, S. 65, 84 f. 25 Ähnlich Kilian, in: Weiber (Hrsg.), Handbuch Electronic Business (2002), 995, 997.

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3. Kapitel: Merkmale internatiobaler elektronischer Handelsgeschäfte

B. Informatisierung von Transaktionen

B. Informatisierung von Transaktionen

Die Informatisierung von Transaktionen beschleunigt die Globalisierung der Handelsgeschäfte. I. Konvergenz und Standardisierung Die informationstechnische Entwicklung ist gekennzeichnet von der Konvergenz der Medien. Sie zieht einheitliche Kommunikationsinfrastrukturen und Kommunikationsdienstleistungen nach sich.26 Die Vernetzung unternehmensübergreifender Informations- und Kommunikationssysteme ermöglicht eine bessere Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette.27 Ein Beispiel hierfür ist die Radio Frequency Identification (RFID).28 Diese Technologie ermöglicht es, Daten mittels Radiowellen berührungslos und ohne Sichtkontakt zu übertragen.29 Damit, und durch den erweiterten Speicherumfang für Daten im Vergleich zum Barcode, können Geschäftsprozesse optimiert und Prozesskosten gesenkt werden.30 Beispielsweise ist es möglich, Regale in einem Warenlager mit RFID-Lesegeräten auszustatten, die erkennen, wann der Bestand zur Neige geht und bei Bedarf eine automatische Nachbestellung abschicken.31 Auch in Lieferketten wird RFID eingesetzt und ermöglicht den Austausch von Waren und Daten zwischen Vorlieferanten, Herstellern, Logistikdienstleistern und Händlern.32 Pioniere des RFIDEinsatzes sind in Europa die METRO Group und in den USA Wal-Mart.33 Letztere konnten durch den Einsatz von RFID die Zahl der ausverkauften

26 Zerdick/Picot/Schrape/Artopé/Goldhammer/Heger/Lange/Vierkant, S. 140 ff.; Kilian, EWR, Rn. 895. 27 Picot/Reichwald/Wigand, S. 73. 28 Eine RFID-Systeminfrastruktur umfasst einen Transponder, ein Sende-EmpfangsGerät sowie ein im Hintergrund wirkendes IT-System. Der Transponder, ein Computerchip mit Antenne, ist in ein Trägerobjekt integriert und enthält einen Nummerncode. Der Nummerncode verschlüsselt Informationen, die in einer Datenbank hinterlegt sind und für die Unverwechselbarkeit des Trägerobjekts sorgen. Das Sende-Empfangs-Gerät ist das Lesegerät, um den Nummerncode zu erfassen. Dazu wird ein elektromagnetisches Feld erzeugt, das von der Antenne des RFID-Transponders empfangen wird. Daraufhin sendet der Transponder den Nummerncode an das Lesegerät. Schließlich leitet das Sende-EmpfangsGerät den Nummerncode an das IT-System weiter. Dieses entschlüsselt den Code und verknüpft ihn mit Informationen, die in der Datenbank hinterlegt sind. Vgl. zum Ganzen Informationsforum RFID, , S. 2. 29 Informationsforum RFID, a.a.O., S. 2. 30 Informationsforum RFID, a.a.O., S. 7. 31 Informationsforum RFID, a.a.O., S. 7. 32 Informationsforum RFID, a.a.O., S. 6. 33 Informationsforum RFID, a.a.O., S. 11.

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Produkte um 16 Prozent reduzieren.34 Neben der Logistik und dem Bestandsmanagement wird RFID bereits in der Produktionssteuerung35 und Pharmaindustrie36 eingesetzt. Der (weltweite) Austausch von Daten mittels RFID setzt jedoch voraus, dass der RFID-Transponder generell lesbar ist. Das erfordert die Existenz und Anwendung allgemeiner Standards.37 Standards sind vereinheitlichte Maße, Typen und Verfahrensweisen.38 Für RFID-Anwendungen haben die Organisationen EPCglobal39 und die Internationale Organisation für Normung (ISO)40 erste branchenübergreifende Standards entwickelt. Ein Streben nach Standardisierung findet sich auch in anderen Bereichen der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie. Insbesondere die Technik des Internets hat mit den Netzwerkprotokollen Transmission Control Protocol (TCP), Internet Protocol (IP) und Secret Sockets Layer (SSL) sowie dem Dokumentenformat Hypertext Markup Language (HTML) wichtige Standards hervorgebracht, die eine weltweite Vernetzung erst ermöglichen. Denn jede Kommunikation zwischen zwei Partnern setzt voraus, dass die Hardware der Partner und die Datenübertragungseinrichtungen über kompatible Schnittstellen verfügen und Vereinbarungen über die Art und Weise des Informationsaustausch bestehen (Protokolle).41 Für offene Netze hat die ISO ein Sieben-Schichten-Modell, das OSIModell (OSI = Open Systems Interconnection)42 geschaffen, das nahezu allen Kommunikationsgeräten und Kommunikationsverfahren zugrunde liegt.43 Das OSI-Modell legt die grundsätzlichen Funktionen der einzelnen Ebenen und die Schnittstellen zwischen den Ebenen fest.44 Auf diese Weise ergibt sich eine universell anwendbare logische Struktur für alle Anforderungen der 34

Informationsforum RFID, , S. 11. 35 Zum Beispiel sind die Karosserieträger bei der Produktion der BMW-3er-Reihe mit einem RFID-System von Siemens versehen, vgl. Informationsforum RFID, a.a.O., S. 13. 36 Hier wird RFID genutzt, um Produkte eindeutig zu kennzeichnen, um den Missbrauch mit Plagiaten zu verhindern. Zum Beispiel versieht der Pharmaproduzent GlaxoSmithKline alle Flaschen des HIV-Medikaments Trizivir mit RFID-Transpondern, vgl. Informationsforum RFID, a.a.O., S. 13. 37 Informationsforum RFID, a.a.O., S. 4, 6. 38 Picot/Reichwald/Wigand, S. 182; Zerdick/Picot/Schrape/Artopé/Goldhammer/Heger/ Lange/Vierkant, S. 151; eine gute Einführung zum Zweck der Standardisierung, die unter anderem die staatliche Regelsetzung entlasten und die Technikkonvergenz fördern soll, findet sich bei Kilian/Heussen-Jäger, 4. Abschnitt, Rn. 1 ff. 39 Vgl. . 40 ISO 14443, ISO 15693. 41 Plate, Grundlagen Computernetze, . 42 ISO 7498. 43 Plate, Grundlagen Computernetze, . 44 Plate, a.a.O.

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3. Kapitel: Merkmale internatiobaler elektronischer Handelsgeschäfte

Datenkommunikation verschiedener Systeme, also eine Grundlage, um neue Protokolle kompatibel zu gestalten.45 Das IP ist die Implementierung der Vermittlungsschicht (engl. network layer) des OSI-Modells. Das TCP setzt auf dem IP auf und entspricht der Transportschicht (engl. transport layer) des OSI-Modells. SSL46 ist wie Hypertext Transfer Protocol (HTTP)47 oder Simple Mail Transfer Protocol (SMTP)48 ein Anwendungsprotokoll, das die Anwendungsschicht (engl. application layer) des OSI-Modells implementiert. HTML ist eine Auszeichnungssprache zur Darstellung von Inhalten wie Texten, Bildern und Hyperlinks in Dokumenten.49 Diese Standardisierungen bedeuten eine Reduzierung von verschiedenen Lösungen auf ein Minimum.50 Im Ergebnis werden auf diese Weise technische Handelsschranken abgebaut.51 II. Digitalisierung Auf der Grundlage von Standards können Prozesse dann zunehmend informations- und kommunikationstechnisch durchdrungen werden. Diese Entwicklung führt dazu, dass ehemals physische Leistungsprozesse wie die Entwicklung, die Produktion und der Transport digitalisiert, also in den virtuellen Raum verlagert oder zumindest mit virtuellen Prozessen verknüpft werden.52 Zwangsläufig werden immer mehr Bestandteile von Produkten und Leistungen digital abgebildet und vertrieben, so dass die Bedeutung von physischen Informationsträgern wie Papier abnimmt.53 Die Datenträger sind austauschbar geworden (Festplatte, CD-ROM, USB-Stick etc.) oder überhaupt entbehrlich (Online-Informationen). In Abgrenzung zu materiellen Sachgütern spricht man vom Entstehen so genannter digitaler Güter.54 Auch die Rechtswissenschaft kennt die Unterscheidung zwischen dem Erwerb von materiellen und immateriellen Gütern. So sieht der Wortlaut des § 433 BGB den Kauf einer Sache vor, die § 90 BGB als körperliche Gegenstände definiert, während mit § 453 BGB für den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen eine eigene Vorschrift existiert. Indes ist das Verständnis 45

Plate, a.a.O. Vgl. . 47 Vgl. . 48 Vgl. . 49 Vgl. . 50 Rosenbrock, MMR 2004, 10, 11. 51 Rosenbrock, a.a.O., 11. 52 Hoeren/Sieber-Picot/Neuburger, Teil 2, Rn. 12. 53 Hoeren/Sieber-Picot/Neuburger, a.a.O., Rn. 12; Picot/Reichwald/Wigand, S. 188. 54 Vgl. Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik-Stelzer, Stichwort: Digitale Güter. 46

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der „Sache“ im Rahmen des § 433 BGB über den Begriff der körperlichen Sache im Sinne des § 90 BGB hinaus auf alle verkehrsfähigen – auch unkörperlichen – Vermögensgegenstände ausgedehnt worden.55 Im juristischen Sinne können digitale Güter damit Sachen, Rechte, sonstige Gegenstände oder Dienstleistungen sein. Aus ökonomischer Sicht ist bei digitalen Gütern hingegen bedeutsam, ob sie durch den Einsatz eines externen Produktionsfaktors gekennzeichnet sind, das heißt einen Faktor, den der Leistungsnehmer in den Produktionsprozess einbringen muss und der nicht vollständig vom Produzenten kontrolliert werden kann.56 Mithin erinnert das ökonomische Kriterium des externen Produktionsfaktors an die rechtliche Differenzierung zwischen vertretbaren und nicht vertretbaren Sachen (vgl. § 91 BGB)57, wobei das Vorliegen eines externen Produktionsfaktors der juristischen Einordnung als vertretbare Sache nicht zwangsläufig entgegensteht, wie die einschlägige Kommentarliteratur zu § 651 BGB zeigt, die Mitwirkungspflichten des Bestellers bei der Herstellung und Lieferung vertretbarer Sachen diskutiert58. Liegt ein externer Produktionsfaktor vor, spricht man von Informationsdienstleistungen.59 Fehlt ein externer Produktionsfaktor, liegt ein Informationsprodukt vor.60 Anders als bei der Informationsdienstleistung ist es beim Informationsprodukt möglich, durch vom Nachfrager unabhängige Massenproduktion Skaleneffekte (economies of scale) zu erzielen.61 Deshalb muss es das Bestreben der Anbieter von Informationsdienstleistungen sein, für eine Substitution durch Informationsprodukte zu sorgen.62 So kann man beispielsweise durch Diktier- und Übersetzungssoftware die Einschaltung von Übersetzungs- und Schreibbüros und durch Lernsoftware den Unterricht reduzieren.63 55

MüKo-Westermann, § 433 BGB, Rn. 10. Vgl. Bieberbach/Hermann, in: Scheer/Nüttgens (Hrsg.), Electronic Business Engineering 1999, 68, 71 ff. 57 Vgl. auch BGH, NJW 1966, 2307, 2307 mit dem Hinweis, dass eine vertretbare Sache durch andere Sachen dieser Art ohne weiteres austauschbar sei, weil sie keine ausgeprägten Individualisierungsmerkmale aufweise. 58 MüKo-Busche, § 651 BGB, Rn. 6; BeckOK-Voit, § 651 BGB, Rn. 15. 59 Bieberbach/Hermann, in: Scheer/Nüttgens (Hrsg.), Electronic Business Engineering (1999), 68, 71. 60 Bieberbach/Hermann, in: Scheer/Nüttgens (Hrsg.), Electronic Business Engineering (1999), 68, 72. Computersoftware kann entweder ein Informationsprodukt oder eine Informationsdienstleistung sein, entscheidend ist, ob der Nachfrager in die Leistungserstellung eingebunden ist (wie bei Individualsoftware) oder ob dies nicht der Fall ist (wie bei Standardsoftware), vgl. Bieberbach/Hermann, a.a.O., 72. 61 Bieberbach/Hermann, a.a.O., 73. 62 Bieberbach/Hermann, a.a.O., 77. 63 Bieberbach/Hermann, a.a.O., 69, 78. 56

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3. Kapitel: Merkmale internatiobaler elektronischer Handelsgeschäfte

III. Cloud-Computing und Software-as-a-Service Aufbauend auf der beschriebenen Digitalisierung wurden jüngst das „CloudComputing“ und „Software-as-a-Service“ (SaaS) als neue IT-Strategien entwickelt.64 Die zukünftige Bedeutung dieser Entwicklung belegen die diesbezüglichen Aktivitäten der Branchenriesen in den Bereichen Technologie, Software und E-Commerce.65 Bereits seit 2006 bietet das E-Commerce Unternehmen Amazon unter dem Namen „Amazon Web Services“ Dienste an, die dem Cloud-Computing zuzuordnen sind.66 Der Softwareanbieter Microsoft stellte im Herbst 2008 seine Cloud-Plattform „Azure“ vor67 und auch das Technologieunternehmen IBM mit der Initiative „Blue Cloud“68 sowie der Weltmarktführer unter den Anbietern von Internet-Suchmaschinen Google Inc. mit „App Engine“69 sind ins Cloud-Computing eingestiegen. Das Unternehmen Salesforce.com70 ist mit dem Konzept des SaaS als Kerngeschäft sogar so erfolgreich, dass es 2011 einen Jahresumsatz von USD 1,66 Milliarden machte71. Cloud-Computing lässt sich definieren als Pool abstrahierter, hochskalierbarer und verwalteter IT-Infrastrukturen, die Kundenanwendungen vorhalten und bei denen nach Verbrauch abgerechnet wird.72 SaaS ist ein Vertriebsmodell, bei dem Software gegen eine regelmäßig anfallende Gebühr als gehostete Lösung angeboten wird, die Leistungen wie Inbetriebnahme oder Support umfasst.73 SaaS und Cloud-Computing unterscheiden sich also dadurch, dass sich SaaS nur auf die Anwendungen konzentriert, während beim CloudComputing eine ganze Reihe von Komponenten wie Netz-, Rechen- und Speicherressourcen samt entsprechenden Verträgen mit den Zulieferern für den Kunden gebündelt werden.74 Gemein ist SaaS und Cloud-Computing jedoch, dass sie – anders als das Application Service Providing (ASP) – 64 Kritisch zu diesem Trend Campbell-Kelly, 52 Communications of the ACM 2009, No. 5, 28, 28 ff. 65 Für das Jahr 2012 werden die weltweiten Ausgaben für Cloud-Dienste und SaaS auf USD 42 Milliarden geschätzt, was 10% der gesamten IT-Ausgaben entsprechen würde, vgl. Hermann, PC Welt v. 8.4.2009, . 66 Vgl. . 67 Vgl. . 68 Vgl. . 69 Vgl. . 70 Vgl. . 71 Vgl. . 72 Herrmann, PC-Welt v. 4.6.2008, ; Nägele/Jacobs, ZUM 2010, 281, 281; Taeger, NJW 2010, 25, 25. 73 Wyllie, Computerwoche v. 17.11.2008, . 74 Herrmann, PC-Welt v. 4.6.2008, ; Taeger, NJW 2010, 25, 25; Schulz, in: Taeger/Wiebe (Hrsg.), Inside the Cloud (2009), 403, 404.

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mehrmandantenfähig sind. Im Gegensatz zum ASP, und darin liegt die ökonomische Bedeutung, wird also nicht für jeden Kunden eine eigene Lösung auf einer dezidierten Hardware-Plattform betrieben, sondern die Lösung wird allen Kunden unter gemeinsamer Nutzung der Hardware-Plattform zur Verfügung gestellt.75 Somit bedeuten Cloud-Computing und SaaS einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise, wie IT-Dienste bereitgestellt werden. Das Ziel ist, IT zu einem Gebrauchsgut wie Wasser oder Strom zu machen.76 Zwangsläufig wird dies die Zahl elektronischer Transaktionen erhöhen, da ehemals unternehmensinterne Prozesse über einen außerhalb des Unternehmens stehenden Geschäftspartner abgewickelt werden können. Ein Beispiel hierfür ist das Zurückgreifen der New York Times auf die Dienste von Amazon, um innerhalb von 24 Stunden PDF-Dateien von rund elf Millionen Artikeln für ihr Online-Archiv zu generieren.77 Ohne die Nutzung der Amazon-CloudKapazitäten hätte die New York Times zusätzliche Hardware für das Projekt einkaufen müssen. Neben der Anzahl elektronischer Transaktionen wird sich auch die Art der Abwicklung von elektronischen Transaktionen verändern, wenn sich mit dem Hinzutreten des Cloud-Anbieters die Zahl der Transaktionsbeteiligten erhöht. Außerdem zeichnet sich schon jetzt ab, dass die meisten Cloud-Provider – im Gegensatz zum klassischen Outsourcing – auf langfristige Verträge verzichten.78 Wie beim Erwerb von Massenware üblich, können die Kunden Leistungen verbrauchsorientiert und kurzfristig in Anspruch nehmen, ohne weitere Verpflichtungen einzugehen. In diesem Fall ist dann ein effektives Vertragsrecht von besonderer Bedeutung, da ein solches Geschäftsmodell darauf ausgelegt ist, ohne ein Vertrauen auszukommen, das über langfristige Geschäftsbeziehungen aufgebaut wurde. Insofern bedarf es der vertrauensubstituierenden Wirkung des Rechts. IV. Gefahr des unberechtigten Zugriffs und der Manipulation Neben den ökonomischen Vorteilen birgt die globalisierte Datenübertragung, insbesondere das Cloud-Computing79, allerdings auch die Gefahr des unbe75

Wyllie, Computerwoche v. 17.11.2008, ; Nägele/ Jacobs, ZUM 2010, 281, 281. 76 Herrmann, PC-Welt v. 8.4.2009, . Vorteile des CloudComputing sind daher: Senkung der Kosten für die beim Dienstleister gehosteten Anwendungen durch Mengenrabatte der Anbieter beim Einkauf von Servern, Speichern, Softwarelizenzen und Support, Personaleinsparungen bei der Systemadministration sowie verbrauchsabhängige Abrechnung der IT-Dienste. 77 Herrmann, a.a.O., mit weiteren Beispielen. 78 Herrmann, a.a.O. 79 Herrmann, PC-Welt v. 4.6.2008, .

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rechtigten Zugriffs auf die übermittelten oder gespeicherten Daten und ihrer Manipulation.80 Der Grund liegt in der Netzstruktur. Jeder Knoten im Netz kann potentiell auch als Einfallstor für unberechtigten Zugriff und Manipulation angesehen werden. Die Unternehmen müssen hierauf in verstärktem Maße mit IT-Schutzstrategien reagieren, denn nur ein sicheres Netzwerk ermöglicht eine zuverlässige elektronische Geschäftsabwicklung und die damit verbundene Kostensenkung81. Welche Maßnahmen die IT-Sicherheitsstrategie eines Unternehmens umfasst, richtet sich nach den verfolgten Schutzzielen. Hilfestellung für die Beurteilung, welchen Sicherheitsstandard die jeweilige Gefährdungslage oder das jeweilige Schutzziel erfordert, bieten international vereinheitliche Sicherheitskriterien, die in Deutschland vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) veröffentlicht werden82. Hierzu zählen zum Beispiel die Common Criteria (CC)83 und die deutschen IT-Sicherheitskriterien (ITS)84. Gemeinsam ist diesen Kriterien die Festlegung verschiedener Sicherheitsstufen. Auf jeder Sicherheitsstufe ist es jedoch das grundsätzliche Ziel, durch IT-Sicherheitsstrategien die Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität des IT-Systems85 sicherzustellen.86 Diese Schutzziele sind auch in der Legaldefinition für „Sicherheit in der Informationstechnik“ in § 2 Abs. 2 BSIG genannt. 80

Nach TechConsult/IBM/Impulse: Internet- und E-Business-Einsatz im bundesdeutschen Mittelstand 2005, April 2005, wiedergegeben in: TNS Infratest, S. 402 gaben 71% der befragten deutschen mittelständischen Unternehmen an, bereits durch Viren oder Trojaner angegriffen worden zu sein, 16% wurden von Hackern attackiert und bei 19% wurden Angriffe auf Emails vorgenommen. Nur 20% sahen sich noch keines Angriffes ausgesetzt. 81 Eine Korrelation zwischen sicherem Netzwerk und Kostensenkung sieht auch OECD, Sacher Group Report, S. 56. 82 Vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BSI-Errichtungsgesetz vom 17.12.1990 (BGBl. I S. 2834), zuletzt geändert durch Artikel 15 Abs. 11 des Gesetzes vom 5.2.2009 (BGBl. I S. 160). 83 Die CC Version 3.1 wurde im September 2006 von der Staatengemeinschaft im internationalen Common Criteria Anerkennungsabkommen verabschiedet und im Bundesanzeiger vom 23.02.2007 offiziell bekannt gegeben, vgl. sowie ; die CC Version 2.3 wurde im Bundesanzeiger vom 19.05.2006 offiziell bekannt gemacht und ist unter ISO 15408 ein internationaler Standard geworden, vgl. sowie . 84 Vgl. . 85 Ein IT-System ist ein dynamisches technisches System mit der Fähigkeit zur Speicherung und Verarbeitung von Information, vgl. Eckert, S. 3. 86 Zu den Schutzzielen vgl. Schmidl, NJW 2010, 476, 477; Heckmann, MMR 2006, 280, 281. Die Schutzziele sind auch in der Legaldefinition für Sicherheit in der Informationstechnik in § 2 Abs. 2 BSIG genannt.

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Vertraulichkeit ist die Verhinderung von unautorisierter Informationsgewinnung. Sie kann unter anderem durch Informationsflussmodelle sichergestellt werden. Bei einem Informationsflussmodell wird nicht der Objektszugriff87 beschränkt, sondern die durch Objekte dargestellte Information reglementiert, indem zulässige und unzulässige Informationskanäle zwischen Subjekten88 beschrieben werden.89 Für den Schutz vor Manipulation durch unautorisierte Datenveränderung ist die Gewährleistung der Datenintegrität entscheidend.90 Mögliche Maßnahmen sind a priori eine Festlegung von Rechten für die einzelnen Systemnutzer, wie Lese- oder Schreibberechtigungen, und a posteriori Manipulationserkennungen durch kryptografisch sichere Hashfunktionen.91 Für letzteres ist die in Deutschland als höchste Sicherheitsstufe vorgesehene qualifizierte elektronische Signatur ein Beispiel. Das Konzept der qualifizierten elektronischen Signatur beruht auf asymmetrischer Verschlüsselung, bei der für die Verschlüsselung und Entschlüsselung einer Nachricht unterschiedliche Schlüssel verwendet werden.92 Der für die Verschlüsselung verwendete Schlüssel ist dabei ein geheimer Schlüssel (private key), durch dessen Einsatz die kryptografische Prüfsumme erzeugt wird. Der Empfänger kann dann mit einem öffentlichen Schlüssel (public key) überprüfen, ob die kryptografische Prüfsumme verändert wurde. Entscheidende Voraussetzung für die Prüfung der Echtheit der Signatur ist es, dass der geheime Schlüssel sicher einer be87

Objekte im Sinne der IT-Sicherheit sind die Teile eines IT-Systems, welche die Information repräsentieren. Man kann zwischen passiven Objekten (zum Beispiel Datei, Datenbankeintrag), die Informationen lediglich speichern, und aktiven Objekten (zum Beispiel Prozesse) unterscheiden, die Informationen auch verarbeiten können. Demnach kann eine Information in unterschiedlichen Objekten repräsentiert sein. So kann ein geheimes Passwort auf der Festplatte in einem Plattenblock (Objekt) gespeichert sein, nach der Eingabe durch den Benutzer im Tastureingabepuffer (Objekt) stehen oder als Nutzdaten in einem IP-Nachrichtenpaket (Objekt) enthalten sein. Vgl. Eckert, S. 4. 88 Subjekte im Sinne der IT-Sicherheit sind alle Benutzer eines Systems und alle Objekte, die im Auftrag von Benutzern im System aktiv sein können, wie zum Beispiel Prozesse und Server, vgl. Eckert, S. 3. 89 Eckert, S. 292. 90 Eckert, S. 9; zur Notwendigkeit der Sicherung der Integrität bei elektronischen Verträgen vgl. Kilian/Heussen-Kilian, Teil 2, Rn. 5. 91 Eckert, S. 9. Hashfunktionen sind mathematische Funktionen, die jeder beliebig langen Nachricht eine Zahl, die sogenannte kryptografische Prüfsumme, zuordnen. Weil die beliebig lange Nachricht auf einer sehr kurzen Prüfsumme abgebildet wird, gibt es zu jeder Prüfsumme beliebig viele Nachrichten. Somit kann zu einer gegebenen kryptografischen Prüfsumme in überschaubarer Zeit keine Nachricht gefunden werden, die bei Anwendung der Hashfunktion dieselbe Prüfsumme als Ergebnis hat. Jedes Bit der Nachricht beeinflusst jedes Bit der kryptografischen Prüfsumme, so dass bei einer Änderung eines Bit in der Nachricht die Wahrscheinlichkeit der Änderung für jedes Bit der kryptografischen Prüfsumme bei 50% liegt. Vgl. zum Ganzen, Fuhrberg/Häger/Wolf, S. 94 f. 92 Borges, S. 49; Hoeren/Sieber-Kuner/Hladjk, Teil 17, Rn. 6.

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stimmten Person zugeordnet werden kann, da nur von der Verwendung des geheimen Schlüssels auf die Urheberschaft der Nachricht geschlossen werden kann.93 Hierfür sieht das Konzept der qualifizierten elektronischen Signatur die Einschaltung einer vertrauenswürdigen, neutralen Instanz vor, welche die Identität des Inhabers zuverlässig feststellt (trusted third party).94 Diese Instanz stellt gleichzeitig die Infrastruktur der Verschlüsselung zur Verfügung, insbesondere den Signaturschlüssel.95 Die Gewährleistung der Verfügbarkeit eines Systems, die besteht, wenn authentifizierte und autorisierte Subjekte in der Wahrnehmung ihrer Berechtigung nicht beeinträchtigt werden, gelingt durch Einführung von Quoten, welche die Nutzung der Systemressourcen reglementieren.96 Die Authentizität eines Subjekts97, die schon bei den herkömmlichen geschlossenen Systemen wichtig war, kann bei informationellen Systemen durch Vergabe von Benutzerkennung oder Benutzernamen gesichert werden, die dann in Verbindung mit Passwörtern oder biometrischen Verfahren den Systemzugang ermöglichen.98 Mit dem Übergang zu offenen Systemen wird allerdings auch der Nachweis der Echtheit eines Objekts (zum Beispiel eines Web Servers)99 zunehmend erforderlich und gelingt durch den Einsatz kryptografischer100 Verfahren.101

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Für die sichere Zuordnung des Schlüssels zu einer Person können dann wieder die herkömmlichen Maßnahmen zur Sicherung der Authentizität eines Subjekts genutzt werden. 94 Borges, S. 51; Hoeren/Sieber-Kuner/Hladjk, Teil 17, Rn. 7. 95 Borges, S. 51. 96 Eckert, S. 11 f. 97 Zur Notwendigkeit der Sicherung der Authentizität bei elektronischen Verträgen vgl. Kilian/Heussen-Kilian, Teil 2, Rn. 5. 98 Eckert, S. 8. 99 Die Echtheitsprüfung beschränkt sich hierbei auf den Ursprungsnachweis, ohne eine Aussage darüber zu treffen, ob die spezifizierte Funktionalität mit der tatsächlich erbrachten übereinstimmt, vgl. Eckert, S. 7. Die Authentifikation eines Servers verhindert, dass ein Benutzer auf einen „falschen“ Server gelockt wird, den ein Angreifer kontrolliert. Dies könnte beispielsweise geschehen, wenn auf einem „falschen“ Server die Webpräsenz einer Bank nachgestellt wird und der Benutzer diesen Server zur Eingabe von PIN und TAN verwendet. Vgl. Kappes, S. 269. 100 Bei kryptografischen Verfahren wird aus einer offenen Nachricht durch einen speziellen Algorithmus unter Verwendung eines Schlüssels eine verschlüsselte Nachricht erstellt, die keine Rückschlüsse auf den Inhalt der offenen Nachricht zulässt. Anschließend wird aus der verschlüsselten Nachricht durch einen zweiten Algorithmus unter Verwendung eines Schlüssels die offene Nachricht wiedergewonnen. Vgl. zum Ganzen Fuhrberg/Häger/Wolf, S. 79. 101 Eckert, S. 8; OECD, Sacher Group Report, S. 55.

B. Informatisierung von Transaktionen

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V. Wandel in den Organisationsformen für Transaktionen Die Fortschritte der Informations- und Kommunikationstechnik können indirekt auch zu einem Wandel der Organisationsformen führen, in denen Transaktionen durchgeführt werden. Eine Transaktion kann in Form der (hierarchischen) Unternehmung oder des (ungestuften) Marktes abgewickelt werden.102 Auch Zwischenformen wie kurz- oder langfristige Kooperationen sind denkbar.103 Die Auswahl der Transaktionsform hängt aus ökonomischer Sicht davon ab, wie am besten Transaktionskosten eingespart werden können.104 1. Organisationsform „Markt“ Malone / Yates / Benjamin gehen davon aus, dass die Informationstechnologie bei sinkenden Transaktionskosten eine Tendenz zur Organisationsform Markt auslöst.105 Für die Richtigkeit dieser These spricht, dass die neuen Kommunikationsnetze, allen voran das Internet, die Markttransparenz erhöhen und die Marktzutrittsbarrieren senken. Gleichzeitig wird durch die Automatisierung von Prozessschritten die Möglichkeit des Outsourcing verbessert106, was letztlich eine Verselbständigung ehemals unternehmensinterner Vorgänge darstellt.107 2. Organisationsform „Unternehmen“ Allerdings wird auch vertreten, dass der technische Fortschritt zu einer Vermehrung von hierarchischen Transaktionen führe, da die Koordination von großen Unternehmen erleichtert werde und typische Vorteile entstünden.108 a) Skalen- und Netzeffekte Dementsprechend sollen große Unternehmen beim elektronischen Geschäftsverkehr einen Vorteil haben, weil eine Erhöhung des Informationsanteils an einem Produkt einen erhöhten Forschungsanteil verursacht.109 Der For102

Coase, 4 Economica 1937, 386, 388; Malone/Yates/Benjamin, 30 Communications of the ACM 1987, 484, 485. 103 Picot/Reichwald/Wigand, S. 29; Williamson, S. 94 nennt Franchising und Arbeitsgemeinschaften als Beispiele. 104 Coase, 4 Economica 1937, 386, 390 ff. 105 Malone/Yates/Benjamin, 30 Communications of the ACM 1987, 484, 489 f. 106 Boehme-Neßler, S. 8; Picot/Reichwald/Wigand, S. 71; als Beispiel führt Stiglitz, S. 47 den indischen IT-Konzern Infosyns an, der für amerikanische Unternehmen viele Tätigkeiten ausführt, die bisher in den USA und Europa erledigt wurden. 107 Picot/Reichwald/Wigand, S. 71 f. 108 Coase, 4 Economica 1937, 386, 397. 109 Picot/Reichwald/Wigand, S. 72 f.; nach Stiglitz, S. 85 stärken neue Technologien die Marktmacht dominanter Unternehmen wie Microsoft.

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3. Kapitel: Merkmale internatiobaler elektronischer Handelsgeschäfte

schungsanteil eines Produktes ist Bestandteil der Fixkosten. Diese verringern sich nach dem Prinzip der economies of scale, da sich die Größenvorteile auswirken110, denn die durchschnittlichen Stückkosten sinken mit steigender Ausbringungsmenge111. Die Unternehmen stehen im elektronischen Geschäftsverkehr vor der Aufgabe, Strategien zur Realisierung von Größenvorteilen zu entwickeln. Eine verbreitete Taktik ist es dabei, neue Produkte zu einem sehr niedrigen Preis auf den Markt zu bringen oder sogar zu verschenken (Penetrationsstrategie).112 Der Gewinn wird dann durch kostenpflichtige Erweiterungen beziehungsweise Aktualisierungen oder Werbung realisiert.113 Im Idealfall gelingt dem Unternehmen eine so genannte Lock-in-Situation, das heißt für den Kunden sind die Kosten eines Wechsels der Systemarchitektur größer als der durch den Wechsel entstehende Nutzen.114 Aber selbst wenn eine Lock-inSituation nicht erreicht wird, kann die Penetrationsstrategie für das Unternehmen rentabel sein, weil die Aufmerksamkeit der Kunden erreicht wird. Nach dem Konzept der Ökonomie der Aufmerksamkeit ist im Internet nicht mehr die Information, sondern die Aufmerksamkeit eine knappe Ressource, um die sich der Wettbewerb dreht und deren Besitz zwangsläufig zu Gewinnen führt.115 b) Virtuelle Organisationen Vermehrte hierarchisch organisierte Transaktionen könnten sich allerdings auch ergeben, weil die neuen Kommunikationsnetze es Marktteilnehmern ermöglichen, sich ad hoc für kurze Dauer zu einer virtuellen Organisation zusammenzuschließen, um ein Projekt oder eine Transaktion durchzuführen. Die Bildung einer virtuellen Organisation gilt als die höchste Stufe der virtuellen Arbeitsteilung116. Hierunter versteht man allgemein die Organisation der wirtschaftlichen Wertschöpfung unabhängig von bestehenden Begrenzungen in flexibler Weise unter Einbeziehung wechselnder Partner.117 Niedrigere 110

Zerdick/Picot/Schrape/Artopé/Goldhammer/Heger/Lange/Vierkant, S. 165 ff. Shapiro/Varian, S. 3; Zerdick/Picot/Schrape/Artopé/Goldhammer/Heger/Lange/ Vierkant, S. 166. 112 Picot/Reichwald/Wigand, S. 364. 113 Picot/Reichwald/Wigand, S. 365. 114 Shapiro/Varian, S. 11 ff.; Zerdick/Picot/Schrape/Artopé/Goldhammer/Heger/Lange/ Vierkant, S. 162. 115 Grundlegend Goldhaber, 2 First Monday 1997, ; Franck, Ökonomie der Aufmerksamkeit, München 2007. 116 Boehme-Neßler, S. 10 f. spricht vom Entstehen molekularer Wirtschaftsstrukturen. 117 Picot/Reichwald/Wigand, S. 164; ein Unterfall sind die von Mankowski, CR 1999, 512, 582 angesprochenen virtuellen Fabriken, bei denen Unternehmen im Bereich der Produktion körperlicher Gegenstände zeitlich begrenzt kooperieren. 111

B. Informatisierung von Transaktionen

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Stufen der virtuellen Arbeitsteilung sind die Bildung virtueller Teams oder die betriebliche Eingliederung räumlich und zeitlich ausgelagerter Mitarbeiter mittels elektronischer Kommunikation.118 VI. Folgen für die rechtlichen Rahmenbedingungen internationaler elektronischer Handelsgeschäfte Vor dem Hintergrund der Informatisierung von Transaktionen ist es fraglich, ob das herkömmliche juristische Modell für Vertragsabschluss und Vertragserfüllung noch hinreichend Rechtssicherheit bietet. Nach traditionellen juristischen Vorstellungen beruhte der Vertragsschluss auf persönlichen mündlichen oder schriftlichen Kontakten. Daraus folgt ein großes Maß an Sicherheit über die Identität der Akteure, den Ort des Vertragsabschlusses, den Gegenstand des Geschäfts und den bindenden Charakter der Vereinbarung. Im Bereich der Vertragserfüllung boten die Vorschriften zu den klassischen Vertragstypen wie Kaufvertrag, Werkvertrag, Dienstvertrag oder Mietvertrag regelmäßig genug Anhaltspunkte, um die Leistungspflichten und Gewährleistungsrechte der Transaktion zu bestimmen. Mit der Entwicklung und dem Einsatz digitalisierter unternehmensübergreifender Informations- und Kommunikationssysteme wie RFID kann schon die Verbindlichkeit einer Vereinbarung zweifelhaft sein, sofern man allein das herkömmliche, auf persönlichen mündlichen oder schriftlichen Kontakten beruhende juristische Modell zugrunde legt. Wird RFID zum Beispiel in Lieferketten derart eingesetzt, dass in einem Warenlager eines Händlers Lesegeräte erkennen, wann ein Bestand zur Neige geht, und wird dann automatisch eine Nachbestellung an den Hersteller abgeschickt, fehlt es an der nach traditionellem Verständnis für ein rechtsverbindliches Vertragsangebot notwendigen menschlichen Handlung. Das herkömmliche juristische Modell kann auch nicht ohne weiteres beantworten, wer bei unternehmensübergreifenden Kommunikationssystemen welches Fehlerrisiko trägt. Ebenfalls schwierig kann sich die Bestimmung des Vertragsabschlussortes oder eines anderen geografischen Ortes gestalten, an dem eine vertragsbezogene Handlung vorgenommen wurde, insbesondere wenn Unternehmenssitz und Standort der Hardware des Kommunikationssystems auseinanderfallen. Dies muss bei der Anknüpfung an territoriale Kriterien, wie sie das klassische internationale Zivilverfahrensrecht und das internationale Privatrecht vornehmen, zwangsläufig zu Unsicherheiten führen. Gesteigert werden diese Unsicherheiten, wenn virtuelle Organisationen an der Transaktion beteiligt sind, denn dann kann bereits der Ort des Geschäftssitzes unklar sein. Selbst die Identität der Parteien kann bei der Beteiligung von virtuellen Organisationen offen sein, wenn herkömmlichem juristischem 118

Picot/Reichwald/Wigand, S. 164.

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3. Kapitel: Merkmale internatiobaler elektronischer Handelsgeschäfte

Denken gefolgt wird. Die möglicherweise ad hoc gebildete und kurzfristig bestehende virtuelle Organisation müsste dann als Gesellschaft identifiziert und ihre Gesellschafter müssten bestimmt werden. Dass die Informatisierung von Transaktionen mittels hoch komplexer Informationstechnik nur aufgrund von technischer Standardisierung gelingen kann, bedeutet, dass technische Standards für die rechtlichen Rahmenbedingungen und die rechtliche Beurteilung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Insbesondere bei der juristischen Risikoverteilung und der Sicherung der Richtigkeit von elektronischer Kommunikation können technische Sicherheitsstandards eine entscheidende Rolle spielen. Schon aufgrund der Schnelligkeit, mit der sich die moderne Kommunikationstechnik verändert, können solche Standards nicht gesetzlich festgeschrieben werden. Aber auch aus ökonomischer Sicht müssen Standards, die das Recht zur Beurteilung nutzt (juristische Standards), auf de facto-Standards119 beruhen. Nur wenn juristische Standards auf de-facto-Standards beruhen, werden Zufallsgewinne und -verluste verhindert, da nur dann die Wohlstandsverteilung, die in Bezug auf den de-facto-Standard entstanden ist, nicht verändert wird. Beruht die Einführung eines juristischen Standards hingegen nicht auf einem de-facto-Standard, dann besteht, wie bei einer unerwarteten Rechtsänderung, die Gefahr von Zufallsgewinnen und -verlusten, weil die Wohlstandsverteilung in diesem Fall regelmäßig nicht in Antizipation des juristischen Standards entstanden sein wird.120 Ansätze für die Einbeziehung von technischen Standards in die rechtlichen Rahmenbedingungen bieten allgemeine ausfüllungsbedürftige Generalklauseln. So kann in Deutschland die Pflicht zur Einhaltung gängiger ITSicherheitsstandards zum Beispiel in § 91 Abs. 2 AktG, der den Vorstand zu angemessenem Risikomanagement verpflichtet und dessen Einhaltung sogar vom Abschlussprüfer zu überprüfen ist (§ 317 Abs. 4 HGB), und in § 43 Abs. 1 GmbHG, der dem Geschäftsführer die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes auferlegt, hineingelesen werden.121 Bei Zugriff von Kunden oder anderen Geschäftspartnern auf die IT-Infrastruktur eines Unternehmens kann sich eine Haftung als vertragliche oder vorvertragliche Pflichtverletzung ergeben (§§ 280 Abs. 1, (311 Abs. 2), 241 Abs. 2 BGB).122 Lücken in der eigenen IT-Sicherheit können jedoch im Sinne eines „überdeckenden Mitverschuldens“ (§ 254 Abs. 1 BGB) die Schadensersatzansprüche ausschließen. 119

De facto-Standards entstehen evolutionär in der Praxis, weil sich eine Spezifikation auf dem Markt durchsetzt, vgl. Zerdick/Picot/Schrape/Artopé/Goldhammer/Heger/Lange/ Vierkant, S. 126. 120 Zu den Gefahren von Zufallsgewinnen und –verlusten bei unerwarteten Rechtsänderungen vgl. Posner, S. 108. 121 Zur Überwachungspflicht des Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 1 AktG) im Hinblick auf Maßnahmen der IT-Sicherheit vgl. Heckmann, MMR 2006, 280, 282. 122 Heckmann, MMR 2006, 280, 282.

B. Informatisierung von Transaktionen

45

So verweigerte das OLG Hamm einem Unternehmen für den Verlust zahlreicher Geschäftsdaten, den ein Computer-Reparaturdienst verursacht hatte, Schadensersatz, weil das Unternehmen nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen hatte.123 Im Hinblick auf personenbezogene Daten sind die Datenschutzgesetze als Teil des Rechts der IT-Sicherheit zu nennen, insbesondere die im Anhang zu § 9 S. 1 BDSG genannten Sicherheitsmaßnahmen sind zu berücksichtigen.124 Die im Vergleich zu persönlichen oder schriftlichen Kontakten gesteigerte Möglichkeit, unberechtigt auf Geschäftsdaten zuzugreifen oder sie zu manipulieren, stellt das Recht vor die Aufgabe, Kriterien aufzustellen, wann der Inhalt einer Kommunikation als gesichert gelten und dem Absender verbindlich zugeordnet werden kann.125 Die Möglichkeit der Implementierung von IT-Sicherheitsmaßnahmen ist indes auch längst in der Rechtswirklichkeit angekommen.126 Dabei lässt sich die Art der Berücksichtigung der ITSicherheitsmaßnahmen durch die bestehenden Rechtsregeln nach Smedinghoff in vier Fallgruppen unterteilen. Erstens, über IT-Sicherheitsmaßnahmen wird im Regelwerk überhaupt keine Aussage getroffen. Zweitens, die Beachtung von IT-Sicherheitsmaßnahmen ist Voraussetzung für die Wirksamkeit des elektronischen Geschäfts. Drittens, die Rechtsregeln enthalten Anreize für die Implementierung von IT-Sicherheitsmaßnahmen in Form von Rechtsvermutungen oder, viertens, ihre (Nicht-)Beachtung dient als Mittel zur Risikoverteilung.127 Die Digitalisierung von Kommunikation und der damit zwangsläufig einhergehende Bedeutungsverlust des Mediums Papier verlangt außerdem die Anpassung herkömmlicher gesetzlicher Formerfordernisse128, deren Bedeutung im deutschen Recht für Handelsverträge zwar gering, aber in anderen Jurisdiktionen, zum Beispiel in den USA, auch für diese Art von Verträgen durchaus relevant ist. 123

OLG Hamm, MMR 2004, 487, 488. Schmidl, NJW 2010, 476, 478. 125 Eckert, S. 9; OECD, Sacher Group Report, S. 58; ähnlich Mayer-Schönberger, Pichler (Hrsg.), in: eBusiness versus Recht (2003), 189, 196. 126 Die erste Berücksichtigung von IT-Sicherheitsmaßnahmen erfolgte nach Smedinghoff, Legal Requirement for Electronic Transactions, , S. 21 bereits 1989 mit der Einführung von Art. 4A UCC, der beim elektronischen Zahlungsverkehr mittels Telegraf vorsah, dass die Bank, unabhängig von der tatsächlichen Bevollmächtigung durch den Kunden und einer Unterschrift von diesem, autorisiert ist eine Überweisung vorzunehmen, wenn die Authentizität und Integrität der zugrunde liegenden Anweisung einer „commercially reasonable“ ITSicherheitsmaßnahme entsprechend verifiziert ist. 127 Smedinghoff, Legal Requirement for Electronic Transactions, , S. 22. 128 Ähnlich Fry, 37 Idaho Law Review 2001, 237, 241 ff.; Roßnagel, MMR 2002, 67, 68. 124

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3. Kapitel: Merkmale internatiobaler elektronischer Handelsgeschäfte

Ferner stellt die Digitalisierung von Leistungsprozessen, also die Verschiebung von physischem betrieblichen Handeln in den virtuellen Raum, für das herkömmliche Vertragsrecht eine Herausforderung dar. Digitalisierte Leistungen müssen im Hinblick auf Leistungspflichten und Gewährleistungsrechte klassischen Vertragsarten wie Kaufvertrag, Werkvertrag, Dienstvertrag oder Mietvertrag zugeordnet werden, die am Leitbild physischer Leistungsprozesse entwickelt worden sind. Schließlich stellt sich in Anbetracht der sich abzeichnenden zunehmenden Auslagerung unternehmensinterner Prozesse durch das Cloud-Computing und SaaS die Frage nach der juristischen Verantwortlichkeit für Fehler, die auftreten, wenn solche Dienste für den Abschluss und die Abwicklung von Transaktionen genutzt werden. Insbesondere dürfte wichtig sein, die Zurechnung des Handelns des Cloud-Anbieters zu regeln.129

129

Söbbing, MMR 2008 Heft 5, XII, XIII.

Kapitel 4

Juristische Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge Die ökonomischen und technischen Eigenarten elektronischer Handelsgeschäfte stellen für die Rechtswissenschaft eine Herausforderung dar, nach angemessenen Lösungen zu suchen. Wissenschaftler, Richter, supranationale Organisationen und nationale Gesetzgeber haben verschiedene rechtliche Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge hervorgebracht, die sich in Anlehnung an Roßnagel1 wie folgt kategorisieren lassen: Ausgangspunkt ist die Frage nach der Möglichkeit oder Notwendigkeit der Regulierbarkeit von Technik im Allgemeinen und von internationalen Informationsnetzwerken im Besonderen.2 Eine daran anschließende Frage ist, ob elektronische Verträge spezifischer Vorschriften bedürfen3 oder ob die allgemeinen Regeln des Vertragsrechts ausreichen.4 Sofern ein besonderes elektronisches Vertragsrecht gefordert beziehungsweise eingeführt wird, kann man zusätzlich nach der Detailliertheit der Regelung differenzieren. Würde man das Internet als einen gänzlich regelfreien Raum betrachten, dann würde sich die Frage nach dem Regulierungsansatz gar nicht stellen. Von einem solchen anarchischen Zustand entfernen wir uns allerdings zur Zeit immer mehr.5 Das Modell der Selbstregulierung möchte weitgehend auf staatliches Recht verzichten und setzt auf Verhaltensregeln und Geschäftsbedingungen, die auf der Bereitschaft und einem Konsens der Netzwerkbetreiber, Diensteanbieter

1

Roßnagel, MMR 2002, 67, 67. Vgl. hierzu die Aussage von Nicholas Negroponte, Professor am Massachusetts Institute of Technology: „It’s not that the laws aren’t relevant, it’s that the nation-state is not relevant, the Internet cannot be regulated.”, zitiert nach: Goldsmith/Wu, S. 3. 3 Dafür: Lehmann, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007), 17, 17, Rn. 1; Nichols, 15 Am. U. Int'l L. Rev. 1999/2000, 1379, 1407; Perritt, 12 Berkeley Technology L. J. 1997, 413, 423. 4 Kilian, in: Weiber (Hrsg.), Handbuch Electronic Business (2002), 995, 999; vgl. auch Easterbrook, University of Chicago Legal Forum 1996, 207 sowie Lessig, 113 Harvard Law Review 1999/2000, 501. 5 Vgl. die Diskussion um den Schutz von Urheberrechten im Internet: Kilian/HeussenHarte-Bavendamm/Wiebe, Teil 5, Rn. 1 ff.; Süßenberger/Czychowski, GRUR 2003, 489, 489 ff. 2

48

4. Kapitel: Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge

und Nutzer beruhen.6 Selbstgeschaffenen Verhaltensregeln wird teilweise gesetzesähnliche Verbindlichkeit zugemessen, so dass sie von Schiedsgerichten anzuerkennen und anschließend mit staatlicher Hilfe durchsetzbar sein sollen.7 In diesem Fall erhält man ein Modell für die elektronische Kommunikation, das der Lex Mercatoria ähnlich ist. Nichtstaatliches Recht muss allerdings nicht zwangsläufig auf dem Konsens der Marktteilnehmer beruhen, sondern kann vielmehr auch von nichtstaatlichen Organisationen geschaffen werden. Beispiele sind die Modellgesetze8 von der UNCITRAL oder die Modellklauselwerke der ICC. Hierbei werden staatliche Souveränitätsansprüche nicht negiert, sondern gerade implizit vorausgesetzt, um den originär unverbindlichen Regelwerken durch Umsetzung in nationales Recht, durch Nutzung als Interpretationsmaßstab9 oder durch Anerkennung einer entsprechenden vertraglichen Einbeziehung Bindungswirkung zukommen zu lassen. Dieses „soft law“ hat gerade für internationale Handelsverträge besondere Bedeutung erlangt.

A. Internationale Regelungsansätze A. Internationale Regelungsansätze

I. Spezifisches internationales elektronisches Vertragsrecht 1. UN-Übereinkommen über den Einsatz von elektronischer Kommunikation bei internationalen Verträgen Einzige Rechtsquelle für spezifisches elektronisches Vertragsrecht in Form von staatlichem Recht auf internationaler Ebene ist bisher das Übereinkommen der Vereinten Nationen über den Einsatz von elektronischer Kommunikation bei internationalen Verträgen vom 23.11.2005 (United Nations Convention on the Use of Electronic Communications in International Contracts / ECC).10 Ausgearbeitet wurde das ECC von der UNCITRAL.11 Innerhalb der 6 Kilian, FS Pieper (1998), 263, 273 f.; befürwortend: Johnson/Post, 48 Stan. L. Rev. 1995/96, 1367, 1367 ff. 7 Befürwortend: Trakman, 53 Univ. of Toronto L.J. (2003), 265, 296 ff. 8 Modellgesetze sind Gesetzestexte, die den Staaten zur Umsetzung in nationales Recht vorgeschlagen werden, wobei der umsetzende Staat Änderungen vornehmen kann, vgl. Estrella Faria, SA Merc.L. J. 2004, 529, 530, Fn. 5. 9 Vgl. hierzu Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 19. 10 Für Text und Materialien vgl. ; kommentarähnlich UNCITRAL, Explanatory note; vgl. zum Inhalt und zur Entstehungsgeschichte weiter: ABA, Recommendation, ; BRAK, Stellungnahme ECC, ; Coetzee, Vindobona Journal of International Commercial Law & Arbitration 2007, 11–24; Chong/Chao Suling, SacLJ 2006, 116–

A. Internationale Regelungsansätze

49

UNCITRAL war die Arbeitsgruppe IV für die Ausarbeitung des Entwurfs zuständig. Der Entwurf wurde am 23.11.2005 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York angenommen. Ziel des ECC ist laut seiner Präambel, eine gemeinsame Lösung zu schaffen, „um rechtliche Hindernisse, die der Verwendung elektronischer Mitteilungen entgegenstehen, in einer Weise zu beseitigen, die für Staaten mit unterschiedlichen Rechts-, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen annehmbar ist“. Dass hierfür die Form eines völkerrechtlichen Übereinkommens gewählt wurde, ist der Absicht geschuldet, die Rechtssicherheit im Vergleich zu den unverbindlichen UNCITRAL-Modellgesetzen12 zu steigern.13 Außerdem sollte auf diese Weise eine individualisierte Anpassung einzelner internationaler Rechtsakte an die technologische Entwicklung entbehrlich werden (vgl. Art. 20 ECC).14 Das ECC enthält – verteilt auf 25 Artikel – neben einigen allgemeinen Bestimmungen (Anwendungsbereich: Art. 1, 2, 19; Verhältnis zu zwingendem nationalem Recht: Art. 7, 13; Verhältnis zu anderen internationalen und regionalen Regelwerken: Art. 17, 20; Übergangs- und Schlussbestimmungen: Art. 15, 16, 18, 21–25) Vorschriften zu Lokalisierungsfragen (Art. 6), zum Prinzip der Nichtdiskriminierung von elektronischer Kommunikation (Art. 8), zu Formfragen (Art. 9), zu Zeitpunkt und Ort der Absendung und des Zugangs von elektronischer Kommunikation (Art. 10), zur Abgrenzung zwischen invitatio ad offerendum und verbindlichem Angebot (Art. 11) sowie zum Einsatz von elektronischen Agenten (Art. 12).

202; Connolly/Ravindra, Computer Law & Security Report 2006, 31–38; Deutscher Richterbund, Stellungnahme ECC, ; Estrella Faria, ICLQ 2006, 689–694; Gabriel, Loy. L. & Tech. Ann. 2006–2007, 1–36; Hilberg, IHR 2007, 12–24, 56–60; Gregory, Bus Lw. 2003, 313–343; Kilian, CRi 2007, 101–106; Lafontaine, CR 2004, 229–236; Loza/Kilminster-Hadley, SEP Advocate (Idaho) 2007, 40–42; Martin, Pace Int’l L. Rev 2005, 261–300; Mazzotta, Rutgers Computer & Tech. L.J. 2007, 251–296; Raymond, SPG Int'l L. Practicum 2007, 66–70; Schulz/Timmins, Effect of the ECC on the Hague Conventions, ; grundlegend: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Convention on the Use of Electronic Communications in International Contracts, The Hague 2008. 11 Vgl. die Materialien zur 39. Sitzung der UNCITRAL Arbeitsgruppe IV (11.– 15.03.02) bis zur 44. Sitzung (11.–22.10.04) sowie von der 38. Sitzung der Kommission (4.–15.07.05), . 12 Model Law on Electronic Commerce aus dem Jahr 1996 sowie Model Law on Electronic Signatures aus dem Jahr 2001. 13 Gregory, Bus. Law. 2003, 313, 317; Martin, Pace Int’l L. Rev. 2005, 261, 263; Estrella Faria, ICLQ 2006, 689, 689; Connolly/Ravindra, Computer Law & Security Report 2006, 31, 32 f. 14 UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 288.

50

4. Kapitel: Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge

Damit lässt das ECC einige wichtige Bereiche des Vertragsrechts unberührt. Insbesondere fehlen Regeln zum Zustandekommen von Verträgen einschließlich der Einbeziehung und Wirksamkeit von AGB15, zu Rechtsscheinvollmachten bei elektronischer Kommunikation, zum Erfüllungsort und zur Erfüllungshandlung sowie zur Leistungsstörung. Insgesamt wird ein minimalistischer Ansatz verfolgt.16 Anstelle von detaillierten, technikspezifischen Regelungen werden grundlegende Prinzipien wie das Verbot der Diskriminierung elektronischer Kommunikation, das Gebot zur technischen Neutralität von Rechtsregeln17 und der Schaffung von funktionaler Äquivalenz18 zwischen Schriftform und elektronischer Form normiert. Das ECC ist nach der Ratifikation durch die Dominikanische Republik, Honduras und Singapur am 1.3.2013 in Kraft getreten (Art. 23 Abs. 1 ECC).19 Dem ECC ist Russland am 6.1.2014 und der Kongo am 28.1.2014 beigetreten, das ECC tritt in beiden Staaten am 1.8.2014 in Kraft.20 Es ist außerdem von fünfzehn weiteren Staaten21 unterschrieben22, aber noch nicht ratifiziert worden. Unter den Unterzeichnerstaaten sind Nationen wie China und Südkorea, deren Wirtschaft weltweite Bedeutung zukommt. Im Juli 2006 hatten darüber hinaus auch die USA und Spanien offiziell Interesse bekundet.23 15

Vgl. auch Art. 13 ECC sowie UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 219 ff. Estrella Faria, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Convention on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 17, 22. 17 UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 47 ff. 18 UNCITRAL, a.a.O., Abs. 50 ff. 19 Dominikanische Republik, Honduras und Singapur, vgl. . 20 Vgl. . 21 Zentralafrikanische Republik, China, Kolumbien, Iran, Libanon, Madagaskar, Montenegro, Panama, Paraguay, Philippinen, Südkorea, Russische Föderation, Saudi Arabien, Senegal, Sierra Leone, Sri Lanka, vgl. . 22 Nach Art. 18 a) Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge geht ein Staat durch seine Unterschrift die völkerrechtliche Verpflichtung ein, alle Handlungen zu unterlassen, die Ziel und Zweck des unterschriebenen Übereinkommens vereiteln würden. 23 Vgl. “Signature event to promote participation in the new UN Convention on the Use of Electronic Communications in International Contracts” am 06.07.2006 in New York, USA, . Dies gilt auch für Mexiko. Erwähnswert sind außerdem die Unterzeichnungsempfehlung durch die American Bar Association (ABA, Recomendation, ), die Stellungnahme des deutschen Richterbundes (Deutscher Richterbund, Stellungnahme, ), der gegen eine Unterzeichnung keine Bedenken hat, und die Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK, Stellungnahme ECC, ), die das Übereinkommen im Grundsatz begrüßt. 16

A. Internationale Regelungsansätze

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Thailand überarbeitet bereits seine E-Commerce-Gesetzgebung, um eine Implementierung des ECC vorzubereiten.24 2. UNCITRAL-Modellvorschriften Vor dem ECC hatte die UNCITRAL schon mehrere Regelwerke für elektronische Verträge verabschiedet. Im Unterschied zum ECC waren diese allerdings nicht darauf ausgelegt, unmittelbar Gesetzeskraft zu entfalten. Vielmehr waren sie in Form von bloßen Empfehlungen und Modellgesetzen ausgestaltet, die nationalen Gesetzgebern Orientierungshilfe bei der Entwicklung von E-Commerce-Gesetzen bieten sollten. Noch für den Bereich des EDI wurde 1985 die „Recommendation on the Legal Value of Computer Records“25 vorgestellt. Diese richtete an die nationalen Gesetzgeber und internationale Organisationen die Empfehlung, in bestehenden Rechtsvorschriften Möglichkeiten zu schaffen, dass Gerichte die Glaubwürdigkeit elektronischer Daten bewerten können (Recommendation a), dass Handelsgeschäfte oder Handelsdokumente, für die das Gesetz die Schriftform vorsieht, auch in elektronisch lesbarer Form belegt oder gesendet werden können (Recommendation b) und dass das Erfordernis der handschriftlichen Unterschrift durch elektronische Authentifikationsverfahren ersetzt werden kann (Recommendation c). Konkreter und praktisch bedeutsamer, weil mit starkem Einfluss auf die ECommerce-Gesetzgebung zahlreicher Staaten26, war dann allerdings das UNCITRAL Model Law on Electronic Commerce (MLEC)27 von 1996. Insbesondere der Einfluss des MLEC auf den US-amerikanischen Uniform Electronic Transaction Act (UETA) ist zu beachten.28 Ziel war es, mit dem MLEC ein Mustergesetz zu schaffen, an dem nationale E-Commerce-Gesetze ausgerichtet werden können.29 Das MLEC ist in zwei Abschnitte untergliedert, wobei im ersten Abschnitt Vorschriften zum elektronischen Geschäftsverkehr im Allgemeinen aufgestellt werden (Art. 1–15) und im zweiten Abschnitt der Schnittbereich von ECommerce und Warentransport behandelt wird (Art. 16, 17). Wichtige Rege24 . 25 Vgl. für Text und Materialien . 26 Vgl. die Liste der Staaten, die das Modellgesetz bei ihrer Gesetzgebung berücksichtigt haben, . 27 Vgl. für Text und Materialien, . 28 Vgl. hierzu Boss, Tulane Law Review 1998, 1931–1983; Boss, Idaho Law Review 2001, 276–351. 29 UNCITRAL, MLEC Guide to Enactment, Abs. 4 f.

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4. Kapitel: Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge

lungsinhalte des ersten Teils sind das Verbot der Diskriminierung elektronischer Kommunikation (Art. 5, 12), insbesondere beim Vertragsschluss (Art. 11), und der Grundsatz von funktionaler Äquivalenz. Funktionale Äquivalenz wird dabei normiert zwischen Schriftform und elektronischer Form (Art. 6), zwischen eigenhändiger Unterschrift und elektronischer Signatur, wenn der Absender und dessen Zustimmung zum Inhalt der Nachricht – auf den Umständen entsprechende verlässliche Weise – nachvollzogen werden kann (Art. 7), sowie zwischen einer Urschrift und einer elektronischen Erklärung, sofern die Integrität der Erklärung sichergestellt ist und die gespeicherte Information anzeigbar ist (Art. 8). Darüber hinaus werden elektronische Daten als Beweis vor Gericht (Art. 9) und als Medium zur Erfüllung von Aufbewahrungspflichten (Art. 10) für zulässig erklärt. Ort und Zeitpunkt der Absendung und des Zugangs einer elektronischen Kommunikation werden ebenfalls geregelt (Art. 15). Die Absendung soll dann erfolgt sein, wenn die elektronische Kommunikation ein Informationssystem außerhalb der Kontrolle des Erstellers erreicht (Art. 15 Abs. 1). Zugang soll vorliegen, sofern ein Informationssystem vom Empfänger zum Empfang elektronischer Kommunikation ausgewiesen ist, wenn die elektronische Kommunikation dieses Informationssystem erreicht (Art. 15 Abs. 2 (a) (i)) oder, falls die elektronische Kommunikation zu einem anderen Informationssystem gesendet wurde, wenn die elektronische Kommunikation vom Empfänger abgerufen wird (Art. 15 Abs. 2 (a) (ii)). Sofern kein Informationssystem vom Empfänger zum Empfang elektronischer Kommunikation ausgewiesen ist, soll für den Zugang von elektronischer Kommunikation das Erreichen irgendeines Informationssystems des Empfängers ausreichen (Art. 15 Abs. 2 (b)). Als Ort der Absendung wird der Unternehmenssitz des Kommunikationserstellers und als Zugangsort der Unternehmenssitz des Kommunikationsempfängers festgelegt (Art. 15 Abs. 4). Sofern ein Unternehmenssitz nicht bestimmt werden kann, soll hilfsweise auf den gewöhnlichen Aufenthalt zurückgegriffen werden (Art. 15 Abs. 4 (b)). Wichtigste Regelung in den Sonderbestimmungen zum Warentransport des zweiten Teils ist, dass besondere Dokumente bei Liefergeschäften (wie Warenbeschreibungen, Empfangsbescheinigungen, Transportbestimmungen, Liefererklärungen, Freigabeerklärungen, Verlustanzeigen, Schadensanzeigen etc., Art. 16) grundsätzlich auch in elektronischer Form erstellt werden können (Art. 17 Abs. 1). Das im Jahr 2001 veröffentlichte UNCITRAL Model Law on Electronic Signatures (MLES)30 fand hingegen kaum Eingang in die nationale Gesetzge-

30

Vgl. für Text und Materialien, .

A. Internationale Regelungsansätze

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bungen.31 Wie das MLEC stellt es den Grundsatz auf, dass eine elektronische Signatur einer eigenhändiger Unterschrift unter bestimmten Voraussetzungen gleichsteht (Art. 6), dabei wird entscheidend auf die Verlässlichkeit der elektronischen Signatur abgestellt. Es wird die Vermutung aufgestellt, dass Verlässlichkeit vorliegt, wenn, erstens, die Authentizität des Signierenden sichergestellt ist, zweitens, dieser die alleinige Kontrolle über die Signatur hatte, drittens, nach dem Signieren erfolgte Änderungen der elektronischen Signatur verfolgbar sind und, viertens, sofern die Formvorschrift die Integrität der Information erfordert, auf die sich die Unterschrift bezieht, nach dem Signieren erfolgte Änderungen dieser Information verfolgbar sind (Art. 6 (3)). Ferner werden der signierenden Partei (Art. 8), der sich auf die Signatur verlassenden Partei (Art. 10) sowie dem Zertifizierungsanbieter (Art. 10) Sorgfaltspflichten auferlegt. Schließlich werden ausländische Zertifikate und elektronische Signaturen mit inländischen gleichgestellt (Art. 12). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Modellgesetze wie ihr Nachfolger, das ECC, auch in ihrer Gesamtschau keine umfassende und abschließende Regelung des Rechts für elektronische Verträge darstellen. Sie beschränken sich darauf, grundlegende Auslegungsregeln, vor allem nach dem Prinzip der funktionalen Äquivalenz, aufzustellen und vermeiden, den Parteien Verpflichtungen aufzuerlegen.32 Die Bereiche des Einsatzes von elektronischen Agenten beim Vertragsschluss, der Verfügbarkeit beziehungsweise Abrufbarkeit von Vertragsbedingungen bei Geschäften über offene Netzwerke und des Leistungsstörungsrechts werden völlig ausgespart.33 Dem Prinzip der Parteiautonomie wird ausdrücklich Vorrang eingeräumt (Art. 4 MLEC, Art. 5 MLES). Kennzeichnend ist ferner das Prinzip der technischen Neutralität, also die Offenheit gegenüber jeder Kommunikationsform und Speicherart.34 3. ICC eTerms Neben der UNCITRAL hat auch die Internationale Handelskammer (International Chamber of Commerce / ICC) spezielle Regeln für internationale elektronische Handelsverträge aufgestellt. Mit den ICC eTerms35 sind im Jahr 2004 Standardklauseln veröffentlicht worden, die von Parteien in den Vertrag 31 Vgl. die Liste der Staaten, die das Modellgesetz bei ihrer Gesetzgebung berücksichtigt haben, . 32 Estrella Faria, SA Merc.L. J. 2004, 529, 530 ff. 33 Vgl. Estrella Faria, a.a.O.,, 534. 34 Estrella Faria, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 17, 23. 35 Vgl. .

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4. Kapitel: Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge

miteinbezogen werden sollen.36 Dabei sollen sie vor allem klarstellen, dass die Parteien von der grundsätzlichen Wirksamkeit elektronischer Kommunikation ausgehen (Art. 1.1, 1.3 ICC eTerms). Darüber hinaus werden der Zeitpunkt und der Ort der Abgabe und des Zugangs von Erklärungen festgelegt, die mit elektronischen Kommunikationsmitteln abgegeben werden (Art. 2 ICC eTerms). Der äußerst begrenzte Umfang der ICC eTerms erklärt sich daraus, dass sie nur als Ergänzung zum ECC geschaffen wurden und die ICC davon ausgeht, dass es für die Regelung elektronischer Verträge keines umfassenden neuen Gesetzeswerkes bedarf, sondern nur einige spezifische Probleme, die sich aus dem Einsatz des neuen Kommunikationsmittel ergeben, gelöst werden müssen.37 4. Europäische EDI-Mustervereinbarung Ebenfalls eine Parteivereinbarung setzt die europäische EDI-Mustervereinbarung der EU-Kommission38 von 1994 voraus. Die EDI-Mustervereinbarung sollte als Vorlage für einen Rahmenvertrag zwischen Kommunikationspartnern dienen, die EDI-Nachrichten austauschen. Dabei ging es wie bei anderen EDI-Rahmenverträgen nicht darum, mögliche Inhalte (zum Beispiel Mengen, Größen, Spezifikationen oder Lieferzeitpunkte) der ausgetauschten Nachrichten vorwegzunehmen, sondern die allgemeinen Voraussetzungen für eine reibungslose und risikoarme elektronische Kommunikation zu schaffen.39 Ziel war es, die konkreten schuldrechtlichen Verträge von der Regelung wichtiger grundlegender Fragen, wie der zu beachtenden Kommunikationsstandards, der Haftung und der Konfliktlösungsverfahren, zu entlasten.40 Auf diese Weise sollten Transaktionskosten reduziert werden, die durch Neuverhandlung ungeklärter Punkte oder zweifelhafter Formulierung hätten entstehen können.41 Außerdem war beabsichtigt, kleinen und mittleren Unternehmen die Kosten zu ersparen, die der Entwurf eines Rahmenvertrages verursacht (Erwägungsgründe Abs. 5). Mithin wurden also die Wirkungen angestrebt, die gerade für Gesetze kennzeichnend sind. 36 Ausführlich hierzu Kuner, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 415, 418 ff.; ein Vorläufer aus dem Jahr 1999 waren die Uniform Rules on Electronic Trade and Settlement, abgedruckt bei Nichols, 15 Am. U. Int'l L. Rev. 1999/2000, 1379, 1411 ff. 37 Kuner, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 415, 418. 38 94/820/EG: Empfehlung der Kommission vom 19.10.1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches, ABl. EG Nr. L 338 vom 28.12.1994, S. 0098– 0117. 39 Vgl. zum deutschen EDI-Rahmenvertrag Kilian, EDI-Rahmenvertrag, Vorwort. 40 Vgl. Kilian, a.a.O., § 1, Rn. 2. 41 Vgl. Kilian, a.a.O., § 1, Rn. 2.

A. Internationale Regelungsansätze

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Auch die europäische EDI-Mustervereinbarung sieht das Verbot der Diskriminierung von EDI-Nachrichten im Hinblick auf Gültigkeit und Zustandekommen des Vertrages (Art. 3.1) sowie der Eignung als Beweismittel (Art. 4) vor. Eine wichtige Regelung für den Vertragsschluss ist, dass ein über EDI geschlossener Vertrag zu dem Zeitpunkt und an dem Ort zustande kommt, an dem die Annahme das Computersystem des Anbieters erreicht (Art. 3.3). Auf die Verpflichtung des Empfängers, eine Empfangsbestätigung abzusenden, wird ausdrücklich verzichtet (Art. 5.2). Verpflichten sollen sich die Parteien hingegen zur Durchführung von Sicherheitsverfahren, insbesondere im Hinblick auf den Ursprung, die Integrität und die Vertraulichkeit von EDINachrichten (Art. 6), sowie zur Aufzeichnung und Speicherung der ausgetauschten Nachrichten (Art. 8). Diese Verpflichtungen werden allerdings auf Rechtsfolgenseite dahingehend eingeschränkt, dass eine Haftungsfreizeichnung der Partei für spezielle und indirekte Schäden vorgesehen ist, die sich aus einem Verstoß gegen die Verpflichtungen aus der Mustervereinbarung ergeben (Art. 11.1). Eine Zurechnung von Schäden, die ein Dritter verursacht, der mit der Übertragung, Protokollierung oder Verarbeitung von EDINachricht beauftragt wurde, ist vorgesehen (Art. 11.3). Schließlich finden sich eine Schiedsklausel (Art. 12 Alt. 1), eine Gerichtsstandsklausel (Art. 12 Alt. 2) und eine Rechtswahlklausel (Art. 13). 5. Lex Informatica Im Gegensatz zu den bisher genannten Ansätzen ist auch vorgeschlagen worden, die Schaffung von Rechtsregeln für den Bereich des Internets nicht einer der Organisationen zu überlassen, die sich mit der Ausarbeitung von Rechtsregeln befassen, wie der UNCITRAL oder der ICC, sondern in Analogie zur Lex Mercatoria der internationalen Kaufmannschaft durch privatautonome Selbstregulierung der Nutzer ein eigenständiges globales Rechtssystem, ein Cyberlaw oder eine Lex Informatica, zu entwickeln.42 Dieses soll dann entweder in völliger Unabhängigkeit vom Staat seine Wirkung entfalten43 oder aber durch staatliche Vollstreckung auf der Lex Informatica beruhender privater Schiedsurteile mittelbar in die staatliche Rechtsordnung hineinwirken44. 42

Grundlegend: Johnson/Post, 48 Stan. L. Rev. 1995/96, 1367, 1367 ff.; Reidenberg, Tex. L. Rev. 1998, 553, 554 ff.; ähnlich Mefford, 5 Ind. J. Global Legal Stud. 1997/98, 211, 211; Burnstein, in: Boele-Woelki/Kessedjian (Hrsg.), Internet – Which Court Decides? Which Law Applies? (1998), 23, 28; aus jüngerer Zeit Patrikos, 38 U. Tol. L. Rev. 2006–2007, 271, 272 ff.; Polanski, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Convention on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 423, 424 ff. 43 So Johnson/Post, 48 Stan. L. Rev. 1995/96, 1367, 1367 ff. 44 So wohl Trakman, 53 Univ. of Toronto L.J. (2003), 265, 297; in diese Richtung auch Metzger, S. 534.

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4. Kapitel: Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge

Die ursprüngliche Lex Mercatoria war das Recht der Kaufleute im 11. und 12. Jahrhundert, das vor Entstehung der Nationalstaaten die aufgrund von zersplitterten hoheitlichen Gewalten (lokale Adlige, Kaiser, Kirche etc.) bestehenden Handelshemmnisse überwand, indem es Streitfälle der Rechtsprechung eigenständigen Handelsgerichten unterwarf, die an den wichtigsten Marktplätzen, Messen und Seehäfen existierten und nach den praktischen Bedürfnissen und Bräuchen der Kaufmannschaft (ex aequo et bono) entschieden.45 Mit der Herausbildung der Nationalstaaten und der Privatrechtskodifizierung im 19. Jahrhundert wurde die mittelalterliche Lex Mercatoria dann bedeutungslos.46 In den 1960er Jahren behaupteten Goldman47 und ihm folgend seine Schüler Fouchard48 und Kahn49 allerdings, dass die Lex Mercatoria in Form von allgemeinen Rechtsprinzipien, Handelsbräuchen und Gewohnheiten, die in der internationalen Kaufmannschaft anerkannt seien, als anationales, autonomes transnationales Handelsrecht wiederauflebe.50 Der Sicht schlossen sich weitere Rechtswissenschaftler an51 und stellten einen besonders engen Zusammenhang der Lex Mercatoria zur internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit heraus, in deren Händen die Anwendung, Interpretation und Fortbildung liegen sollte52. Befürworter einer Lex Informatica ziehen nun die Parallele zwischen dem Internet als eigenständigem Raum, der durch Bildschirme und Passwörter von der übrigen Welt getrennt ist53, und der mittelalterlichen Welt ohne Nationalstaaten.54 In der Folge fordern sie eine Wiederbelebung der Lex Mercatoria, die an den elektronischen Geschäftsverkehr angepasst ist, da dieser wie der mittelalterliche Handel nur auf der Grundlage eines globalen Rechts gedeihen könne, das nicht von nationalstaatlichen Interessen beeinflusst ist und durch seine Entwicklung auf dem Markt sicherstellt, dass keine ineffizienten staatlichen Eingriffe kaufmännische Bräuche behindern.55 Beispiele für solche 45

Metzger, S. 519. K. P. Berger, The New Law Merchant, . 47 Goldman, Archives du philosophie du droit 1964, 177 ff. 48 Fouchard, S. 423 ff. 49 Kahn, S. 365 ff. 50 Ausführlich hierzu K. P. Berger, Goldman, Fourchard and Kahn, ; vgl. auch Metzger, S. 520. 51 K. P. Berger, „Schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschaftsrechts, S. 38 ff.; Drobnig, FS 75 Jahre Max-Planck-Institut (2001), 745, 745 ff.; Zumbansen, RabelsZ 67 (2003) 637, 642 ff.; sehr kritisch hierzu Herber, IHR 2003, 1, 5 f. 52 G.-P. Calliess, in: Zürn/Zangl (Hrsg.), Verrechtlichung – Baustein für Global Governance (2004), ; Mertens, in: Teubner (Hrsg.), Global law without a state (1997), 31, 32, 35 ff.; Zumbansen, RabelsZ 67 (2003) 637, 645 ff. 53 Johnson/Post, 48 Stan. L. Rev. 1995/96, 1367, 1367. 54 Trakman, 53 Univ. of Toronto L.J. (2003), 265, 269. 55 Trakman, a.a.O., 299 f. 46

A. Internationale Regelungsansätze

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kaufmännischen Bräuche seien die Verfahrensweise beim Einsatz von Passwörtern (Zurückweisung von unsicheren Passwörtern, die Name oder Geburtsdatum beinhalten; Einsatz einer starken Verschlüsselung von mindestens 128-bit; keine Anzeige des eingegebenen Passworts, sondern Nutzung der Symbole *****), Einbeziehung von AGB durch den Einsatz von Hyperlinks, Sperrung eines Nutzerkontos durch den Anbieter nach einer gewissen Anzahl von erfolgslosen Anmeldeversuchen (regelmäßig drei gescheiterte Versuche) sowie automatische Abmeldung eines Nutzers eines Onlinebankingkontos durch den Anbieter nach 5 bis 15 Minuten ohne Aktivität des Nutzers.56 Für Lizenzverträge über Open-Source-Software habe sich in der internationalen Open-Source-Gemeinschaft das Verständnis entwickelt, dass die Lizenzrechte des Lizenznehmers bei einem Verstoß gegen die Lizenz automatisch entfallen.57 II. Allgemeines internationales Vertragsrecht 1. CISG Deutlich umfangreicher als das ECC ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG)). Es regelt den Abschluss eines Handelskaufvertrages (Art. 14–24) und die aus ihm erwachsenden Rechte und Pflichten des Verkäufers und des Käufers (Art. 30–65), ohne dabei zwischen den eingesetzten Kommunikations- oder Transportmitteln zu unterscheiden. Damit ist das CISG grundsätzlich auch auf Verträge anzuwenden, die mit elektronischen Kommunikationsmitteln abgeschlossen werden.58 Schwieriger ist die Frage, ob das CISG auch für Verträge gilt, bei denen auch die vertragliche Hauptleistung über computergestützte Netzwerke erbracht wird.59 Das CISG ist das Ergebnis einer diplomatischen Konferenz im Jahre 1980, auf der ein von der UNCITRAL vorbereiteter Entwurf zur Vereinheitlichung des internationalen Handelskaufrechts verabschiedet wurde.60 Am 1.1.1988 56 Polanski, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Convention on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 423, 427, 430 ff. 57 Metzger, 3 JIPITEC 2012, 361, 365. 58 CISG-Advisory Counsil, Electronic Communications under CISG, ; Eiselen, EDI Law Review 1999, 21–46; Ferrari, The European Legal Forum 2000/01, 301, 302; Gava Verzoni, Nordic Journal of Commercial Law 2006#2, 1, 7 ff.; Wenning, JurPC Web-Dok. 16/1997, Abs. 12; Polanski, S. 52. 59 Ausführlich hierzu Dietrich, 6 The Vindobona Journal of International Commercial Law and Arbitration 2002, Supplement 55–75; Schmitt, CR 2001, 145–155; Schmitz, MMR 2000, 256–260; Sorieul, Bus. L. Int'l 2000, 280–288. 60 Eiselen, 116 South African Law Journal 1996, 323, 336; ausführlich zur Entstehungsgeschichte Nichols, 15 Am. U. Int'l L. Rev. 1999/2000, 1379, 1399 ff. Der aktuelle

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4. Kapitel: Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge

trat das Übereinkommen nach der Ratifikation durch den zehnten Staat in Kraft. Aktuell hat das CISG 81 Vertragsstaaten, darunter bis auf Großbritannien alle G8-Staaten.61 In Deutschland ist das Übereinkommen durch ein Vertragsgesetz verbindlich geworden und am 1.1.1991 in Kraft getreten. Bereits drei Jahre vorher wurde das CISG Teil des US-amerikanischen Rechts.62 2. UNIDROIT-Prinzipien für internationale Handelsverträge Als in den 1960er Jahren die Lex Mercatoria wiederentdeckt wurde, gab es in der Diskussion um ein autonomes, auf dem Konsens der Rechtsgemeinschaft basierendes Welthandelsrecht auch die Idee, die Schaffung eines universell gültigen Rechts für internationale Handelsverträge in die Hände von internationalen Organisationen und Expertengruppen zu legen.63 Insbesondere die Tätigkeit der UNCITRAL beruht auf dieser Überlegung. Ähnliche Versuche hat vor allem das Institut international pour l’unification du droit privé (UNIDROIT) unternommen. So stellte UNIDROIT im Jahr 1994 „Grundregeln für Internationale Handelsverträge“ auf.64 In den Jahren 2004 und 2010 folgten Neuauflagen.65 Bei der rechtsvergleichenden Erarbeitung ihrer Grundregeln stützte sich UNIDROIT auf die wichtigsten Repräsentanten der jeweiligen Rechtskreise sowie einige moderne Kodifikationen, insbesondere den US-amerikanischen Uniform Commercial Code (UCC), das US-amerikanische Restatement (Second) of Contracts, den algerischen Code Civil, das niederländische Nieuw Burgerlijk Wetboek, den Code Civil von Quebec sowie das deutsche Schuld-

Stand der Vertragsstaaten ist abrufbar unter: . 61 Von den Outreach-Staaten haben China und Mexiko das CISG ratifiziert, nicht jedoch Indien und Südafrika. Der brasilianische Senat hat 2012 den Beitritt Brasiliens zum CISG beschlossen. 62 Zum Vorrang des CISG vor (sonstigem) US-amerikanischen Recht vgl. Hay, Rn. 285. 63 Schmitthoff, RabelsZ 47 (1964) 47, 61 ff.; später ebenso P. S. Bermann, 32 Yale J. Int’l L. 2007, 301, 315; vgl. auch K. P. Berger, 28 Law & Policy in International Business 1997, 943, 954 f. 64 Vgl. . 65 Vgl. ; . Ein ähnlicher Versuch sind die Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts der Kommission für Europäisches Vertragsrecht (vgl. ) oder der vom Center for Transnational Law der Universität zu Köln veröffentlichte Transnational Law Digest (vgl. ).

A. Internationale Regelungsansätze

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rechtsmodernisierungsgesetz.66 Daneben hatten das einheitsrechtliche CISG und die internationalen Standardklauseln International Commercial Terms (Incoterms) Einfluss auf die UNIDROIT-Prinzipien.67 Die Prinzipien umfassen zentrale Fragen des Vertragsrechts wie die Grundsätze der Vertragsfreiheit (Art. 1.1), der Formfreiheit (Art. 1.2), von Treu und Glauben (Art. 1.7) und der Verbindlichkeit von Handelsbräuchen (Art. 1.8), den Vertragsabschluss unter Berücksichtigung der Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen (Art. 2), die Anfechtung (Art. 3.2.3, 3.2.5, 3.2.6, 3.2.1 0–3.2.16), die Auslegung (Art. 4), die Erfüllung (Art. 6) und die Leistungsstörung (Art. 7). Die Neuauflage von 2004 beinhaltet darüber hinaus auch Grundsätze zu Fragen des allgemeinen Schuldrechts (Aufrechnung (Art. 8), Abtretung (Art. 9) und Verjährung (Art. 10)).68 Die UNIDROIT-Prinzipien sind grundsätzlich auch auf elektronisch geschlossene Verträge anzuwenden, denn nach Art. 1.2 ist es nicht erforderlich, dass ein Vertrag, eine Erklärung oder irgendein anderer Akt in einer bestimmten Form vorgenommen oder nachgewiesen wird. Außerdem wird „schriftlich“ definiert als jede Art einer Übermittlung, welche die darin enthaltene Information bewahrt und in körperlicher Form wiedergeben kann (Art. 1.10 (1994) / 1.11 (2004, 2010)). Nach dieser technikneutralen Definition ist auch ein nach elektronischer Übermittlung erfolgter Ausdruck „schriftlich“.69 Beabsichtigte Funktion der UNIDROIT-Prinzipien ist es, allgemeine Regeln für internationale Handelsverträge zu liefern, die Gegenstand der parteilichen Rechtswahl sein können70 und die bei der Auslegung internationalen Einheitsrechts71 und nationalen Rechts72 sowie bei der Bestimmung der Lex Mercatoria73 herangezogen oder nationalen und internationalen Gesetzgebern als Modell dienen können (Präambel). 66 Metzger, S. 228 f.; vgl. auch K. P. Berger, 28 Law & Policy in International Business 1997, 943, 965, der darüber hinaus die Berücksichtigung folgender Rechtssysteme herausstellte: ägyptischer Civil Code mit seinem kontinentaleuropäischen Einfluss, südafrikanischer Civil Code mit seinem romanischen, niederländischen und Common Law-Einfluss, sri-lankischer Civil Code mit seiner islamischen, buddhistischen, hinduistischen, romanischen, niederländischen und Common Law-Tradition, Civil Code von Lousiana mit seinen französischen, spanischen und Common Law-Wurzeln sowie einige (ehemals) kommunistischer Rechtssysteme. 67 Metzger, S. 229. 68 Vgl. dazu Bonell, Rev. dr. Unif. 2004, 5, 19 ff. 69 So wohl auch Art. 1.10, Comment 4 (1994). 70 Vgl. dazu Gabriel, 34 Brook. J. Int’l L. 2009, 655, 669; Bonell, Rev. dr. Unif. 2004, 5, 12 f. 71 Vgl. dazu Gabriel, 34 Brook. J. Int’l L. 2009, 655, 668; Bonell, Rev. dr. Unif. 2004, 5, 13 ff. 72 Vgl. dazu Bonell, Rev. dr. Unif. 2004, 5, 15 f. 73 Vgl.dazu K. P. Berger, 28 Law & Policy in International Business 1997, 943, 977 ff.

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4. Kapitel: Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge

Initiativen, die UNIDROIT-Prinzipien in ein international verbindliches Übereinkommen umzuwandeln oder als nationales Gesetz zu erlassen, sind bisher nicht bekannt geworden.74 3. ICC International Commercial Terms Ebenfalls das Ziel der Rechtsvereinheitlichung verfolgt die ICC mit den von ihr veröffentlichten International Commercial Terms (Incoterms)75. Die Incoterms sind ein Katalog von Regeln zur Auslegung der wichtigsten in Außenhandelsverträgen enthaltenen Formeln.76 Unabhängig von nationalen Handelsbräuchen soll die Auslegung von Handelsklauseln international vereinheitlicht werden. Die Incoterms sind grundsätzlich darauf ausgelegt, von den Parteien in den Vertrag miteinbezogen zu werden.77 Erstmals wurden die Incoterms 1936 aufgestellt, es folgten sieben Revisionen; die letzte Revision wurde im Jahr 2010 vorgenommen. Die letzten drei Revisionen galten unter anderem dem elektronischen Datenaustausch. Elektronische Kommunikation ist nach der neusten Version der Kommunikation in Papierform gleichgestellt.78 Inhaltlich beziehen sich die Incoterms ausschließlich auf das Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer und regeln nur ganz bestimmte Punkte, insbesondere bestimmte Verkäufer- und Käuferpflichten, den Gefahrübergang, die Risikoverteilung und die Haftung, nicht aber zum Beispiel Gewährleistung und Haftungsausschlüsse.79 III. Allgemeines internationales Prozessrecht 1. New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche Kommt es bei internationalen Handelsverträgen zu Konflikten, bietet sich neben der Streitentscheidung durch staatliche Gerichte auch das Schiedsverfahren an. Bei internationalen Schiedsverfahren spielt das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, kurz: „New York Convention“ beziehungsweise „New Yorker Über-

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Metzger, S. 229 f. Vgl. . 76 MüKoHGB-Ferrari, Art. 9 CISG, Rn. 18. 77 Baumbach/Hopt, (6) Incoterms, Rn. 14; MüKoHGB-Ferrari, Art. 9 CISG, Rn. 18. 78 Baumbach/Hopt, (6) Incoterms, Rn. 11. 79 Baumbach/Hopt, a.a.O., Rn. 10. 75

A. Internationale Regelungsansätze

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einkommen“ (NYÜ))80 eine entscheidende Rolle.81 Das NYÜ regelt die Anerkennung von Schiedsvereinbarungen sowie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche durch staatliche Gerichte. Auf diese Weise soll den Parteien ermöglicht werden, die Institution zu bestimmen, die den Streitfall entscheiden soll, denn das NYÜ verpflichtet die Vertragsstaaten, den Weg der Parteien vor die Schiedsgerichte anzuerkennen und nicht durch staatliche Gerichtsverfahren zu stören. Mit der Verpflichtung, ausländische Schiedssprüche anzuerkennen und zu vollstrecken, ist das Schiedsurteil hinsichtlich der Durchsetzung gegenüber dem Gerichtsurteil besser gestellt, da ein wirksames globales Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile bisher nicht existiert. Das NYÜ wurde 1958 von einer diplomatischen Konferenz verabschiedet und trat ein Jahr später in Kraft.82 Heute sind 150 Länder Vertragsstaaten des NYÜ, darunter seit 1961 auch die Bundesrepublik Deutschland und seit 1970 die USA.83 Das NYÜ verlangt von den Vertragsstaaten das Anerkenntnis einer schriftlichen Vereinbarung, durch die sich die Parteien verpflichten, Streitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis einem schiedsrichterlichen Verfahren zu unterwerfen (Art. II Abs. 1). Somit ist das NYÜ auf Schiedsvereinbarungen, die in elektronisch abgeschlossenen Verträgen enthalten sind, nur dann anwendbar, wenn das Schriftformerfordernis des Art. II Abs. 1 NYÜ auch durch den Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel erfüllt werden kann. Dies wird mit unterschiedlicher Begründung, im Ergebnis aber übereinstimmend, vom überwiegenden Teil der deutschen Literatur bejaht.84 Unterstützung findet diese Auffassung in einer offiziellen Auslegungsempfehlung für

80 Text, Materialien und Umsetzungsstatus sind abrufbar unter: . 81 Das Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (EuÜ) spielt hingegen aufgrund seines begrenzten Regelungsinhalts in der Praxis nur begrenzt eine Rolle. 82 Der Entwurf des NYÜ stammt vom United Nations Economic and Social Council (ECOSOC) aus dem Jahre 1955, der sich wiederum auf einen Entwurf der International Chamber of Commerce (ICC) von 1953 gründet, vgl. Sanders, in: United Nations (Hrsg.), Enforcing Arbitration Awards under the New York Convention (1999), 3, 3. 83 Eine aktuelle Liste der Vertragsstaaten ist abrufbar unter: . Die DDR war seit 1975 Vertragsstaat des NYÜ. 84 Mit der Begündung, dass das NYÜ besonders den Distanzgeschäften Rechnung tragen wolle und an die Rechtswirklichkeit angepasst werden müsste: K. P. Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, S. 102 f.; Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 214 ff. Mittels Übertragung der Gleichstellung von Telegrammen mit Briefen: Haas, S. 167.

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4. Kapitel: Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge

Art. II Abs. 2 NYÜ.85 US-amerikanische Gericht sind bisher noch zurückhaltender.86 2. Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen Ein strukturell ähnliches Übereinkommen ist im Jahr 2005 durch die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht für Gerichtsstandsvereinbarungen in Handelsverträgen verabschiedet worden. Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HÜG) regelt die Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen sowie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile, die auf Gerichtsstandsvereinbarungen beruhen. Das HÜG versucht, durch technikneutrale Formulierungen Gerichtsstandsvereinbarung in elektronisch abgeschlossenen Verträgen in den Anwendungsbereich miteinzubeziehen.87 Das HÜG ist allerdings noch nicht in Kraft getreten; einziger Vertragsstaat ist bisher Mexiko.88 Indes haben bereits die USA und die Europäische Union das HÜG unterzeichnet.89 3. Europäische Mediationsrichtlinie Neben der staatlichen Gerichtsbarkeit und dem Schiedsverfahren ist die Mediation eine weitere Möglichkeit der Streitlösung, die sich insbesondere für grenzüberschreitende Streitfälle anbietet.90 Vor dem Hintergrund des Anstiegs solcher Konflikte durch die Ausweitung des E-Commerce ist im Jahr 2008 die „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen“91 verabschiedet

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Recommendation regarding the interpretation of article II, paragraph 2, and article VII, paragraph 1, of the Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, done in New York, 10 June 1958, adopted by the United Nations Commission on International Trade Law on 7 July 2006 at its thirty-ninth session, A/6/17/Annex II; die Auslegungsempfehlung wird durch die UN-Vollversammlung in der Resolution A/RES/61/33 (4.12.06), Punkt 2 ausdrücklich begrüßt. Vgl. zur Technik der Auslegungsempfehlung anstelle eines Änderungsprotokolls Herrmann, in: Fletcher/Mistelis/ Cremona (Hrsg.), Foundations and Perspectives of International Trade Law (2001), 28, 28, Rn. 2– 027. 86 Gegen die Öffnung für elektronische Kommunikation: Sphere Drake Insurance PLC v. Marine Towing, Inc., 16 F.3d 666, 669 (5th Cir. 1994); dafür: Kahn v. Lucas, 186 F.3d 210, 217 (2d Cir. 1999); Cloe Z Fishing Co. v. Odyssey Re (London) Ltd., 109 F. Supp. 2d 1236, 1241 (SD Cal 2000). 87 Eichel, S. 245; Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, 208, 210; Rühl, IPRax 2005, 410, 411. 88 . 89 . 90 Creutz, Handelsblatt v. 28.5.2009, Beilage Legal success, S. 4. 91 ABl. EG L 136 vom 24.5.2008, S. 3.

B. Regionale und nationale Regelungsansätze

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worden92, die für alle Mitgliedsstaaten der EU mit Ausnahme Dänemarks gilt (Art. 1 Abs. 2, 3 i.V.m. Art. 2) und bis zum 21. Mai 2011 umzusetzen war (Art. 12 Abs. 1). In Deutschland erfolgte die Umsetzung durch das Mediationsgesetz vom 21.7.2012.93 Für den elektronischen Geschäftsverkehr sind die Verfahren der alternativen Streitbeilegung (Alternative Dispute Resolution – ADR) besonders interessant, da sie grundsätzlich auch auf elektronischem Weg abgewickelt werden können. Schon die E-Commerce-Richtlinie sah vor, dass die Hindernisse für die Streitbeilegung auf elektronischem Weg zu beseitigen sind (Art. 17 Abs. 1). Mediation wird definiert als „strukturiertes Verfahren unabhängig von seiner Bezeichnung, in dem zwei oder mehr Streitparteien mit Hilfe eines Mediators auf freiwilliger Basis selbst versuchen, eine Vereinbarung über die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu erzielen“ (Art. 3 a)). Inhaltlich strebt die Mediationsrichtlinie keine umfassende Regelung der Mediation an. Zentraler Gegenstand sind die Aussetzung von Verjährungsfristen während der Mediation (Art. 8 Abs. 1), die Vollstreckbarkeit der in der Mediation zu Stande gekommenen Vereinbarungen (Art. 6 Abs. 1, 2) und die Vertraulichkeit der Mediation (Art. 7 Abs. 1).

B. Regionale und nationale Regelungsansätze B. Regionale und nationale Regelungsansätze

Das deutsche Recht beruht inzwischen oft auf europarechtlichen Vorgaben und ist insofern zugleich ein regionaler (EU-Binnenmarkt-)Regelungsansatz. Nur sofern Deutschland und die USA Vertragsstaaten internationaler Übereinkommen sind, deren Vorschriften (auch) für elektronische Handelsverträge gelten, wird der nationale Regelungsansatz von einem internationalem verdrängt. Das ist beispielsweise für das NYÜ der Fall. I. Europäische Union / Deutschland 1. Gesetzliche Regelungen Die erste gesetzliche Regelung zum elektronischen Geschäftsverkehr entstand in Deutschland 1997 in Form des deutschen Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes94, das als Rahmengesetz das Teledienstegesetz

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Eidenmüller/Prause, NJW 2008, 2737, 2737. BGBl. I S. 1577. 94 Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste vom 22.7.1997, BGBl. I S. 1870. 93

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4. Kapitel: Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge

(TDG)95, das Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG)96 sowie das Signaturgesetz (SigG 1997)97 enthielt. Durch das auf Bundesebene erlassene Teledienstegesetz wurden erstmals einige Grundfragen individueller, elektronischer Telekommunikation geregelt.98 Hierzu zählten der Grundsatz der Zulassungsfreiheit von Diensteanbietern (§ 5), die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für den Inhalt (§ 8) sowie die Pflicht des Anbieters zur Angabe von Name und Anschrift (§ 6). Aufgrund unklarer Gesetzgebungskompetenz wurden von den Ländern im Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) inhaltsgleiche Regelungen erlassen.99 Hingegen enthielt das Signaturgesetz bereits eine umfassende Regelung der elektronischen Signatur auf Basis asymmetrischer Verschlüsselung (§ 2). Regelungsinhalt des Teledienstedatenschutzgesetzes waren spezifische datenschutzrechtliche Fragen des elektronischen Geschäftsverkehrs, wie die Pflicht des Diensteanbieters, den Nutzer über Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten zu unterrichten (§ 4). Spätere gesetzliche Regelungsaktivitäten waren vor allem von europäischen Vorgaben geprägt. Ebenfalls 1997 wurde die für Handelsverträge wenig relevante Fernabsatzrichtlinie100 erlassen, die im Wesentlichen den Verbraucherschutz für Distanzgeschäfte regelt (vgl. insbesondere das Widerrufsrecht des Verbrauchers in Art. 6). Im Jahr 2000 wurde mit der E-CommerceRichtlinie ein zentrales europäisches Gesetz des elektronischen Geschäftsverkehrs101 verabschiedet, das weit reichende rechtliche Grundsätze für die Zu-

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Gesetz über die Nutzung von Telediensten vom 22.7.1997, BGBl. I S. 1870. Nach Art. 5 Satz 2 Elektronischer-Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz vom 26.2.2007, BGBl. I S. 197 ersetzt durch das Telemediengesetz vom 26.2.2007, BGBl. I S. 179, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt vom 25.12.2008, BGBl. I S. 3038. 96 Gesetz über den Datenschutz bei Telediensten vom 22.7.1997, BGBl. I S. 1871. Nach Art. 5 Satz 2 Elektronischer-Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz vom 26.2.2007, BGBl. I S. 197 ersetzt durch das Telemediengesetz vom 26.2.2007, BGBl. I S. 179, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt vom 25.12.2008, BGBl. I S. 3038. 97 Gesetz zur digitalen Signatur vom 22.7.1997, BGBl. I S. 1870, zuletzt geändert durch Art. 5 Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 16.5.2001, BGBl. I S. 876. 98 Borges, S. 116. 99 Hoeren, NJW 2007, 801, 801. 100 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz v. 20.5.1997, ABl. EG L 144 vom 4.6.1997, S. 19, zuletzt geändert durch Richtlinie 2007/64/EG v. 13.11.2007, ABl. EG L 319 vom 5.12.2007, S. 1. 101 Richtlinie 2000/31/ des Europäischen Parlamentes und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektroni-

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lassungsfreiheit von Diensten der Informationsgesellschaft (Art. 4), für die Informationspflichten der Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft (Art. 5), in Bezug auf den Abschluss von Verträgen durch elektronisch übermittelte Willenserklärungen (Art. 9–11) und hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für den Inhalt der übermittelten Information (Art. 12–15) enthält. Ebenfalls im Jahr 2000 trat die Signaturrichtlinie102 in Kraft, die Rahmenbedingungen für das elektronische Signaturverfahren beinhaltet und die rechtliche Anerkennung elektronischer Signaturen sichert (Art. 1). Enthalten sind unter anderem das Verbot eines Genehmigungsverfahrens für Anbieter von Zertifizierungsdiensten (Art. 3), Regelungen zu Zertifizierungsdiensten und Signaturen aus Drittstaaten (Art. 7) sowie Vorgaben für die rechtliche Bedeutung elektronischer Signaturen (Art. 5), bei der zwischen fortgeschrittenen (qualifizierten) und sonstigen elektronischen Signaturen unterschieden wird. Die fortgeschrittene Signatur muss ausschließlich dem Unterzeichner zugeordnet sein (Art. 2 Nr. 1 lit. a), das heißt dem Besitzer einer Signaturerstellungseinheit (Art. 2 Nr. 3), welche die Signaturerstellungsdaten beinhalten muss (Art. 2 Nr. 5), also einmalige Daten, die vom Unterzeichner zur Erstellung einer elektronischen Signatur verwendet werden (Art. 2 Nr. 4). Darüber hinaus folgen sowohl die Signaturrichtlinie (Art. 4) als auch die E-Commerce-Richtlinie (Art. 3) dem Herkunftslandprinzip, wonach die Mitgliedstaaten ihre in Umsetzung der Richtlinien erlassenen Gesetze nur auf die in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter anwenden, nicht aber die Tätigkeit von Anbietern, die in einem anderen Mitgliedsstaat niedergelassen sind, einschränken dürfen. In Deutschland sind die Vorgaben der Signaturrichtlinie vor allem in das neue Signaturgesetz (SigG)103 von 2001 eingearbeitet worden; die Regeln zur rechtlichen Bedeutung von elektronischen Signaturen und elektronischen Aufzeichnungen aus der Signatur- und E-Commerce-Richtlinie sind durch das Formanpassungsgesetz104 umgesetzt worden.105 Die Regeln der ECommerce-Richtlinie zum Vertragabschluss hat das Schuldrechtsmodernisieschen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) vom 8.6.2000, ABl. EG Nr. L 178 vom 6.7.2000, S. 1. 102 Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13.12.1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, ABl. EG Nr. L 13 vom 19.1.2007, S. 12, zuletzt geändert durch Anh. Nr. 6.1. ÄndVO (EG) 1137/2008 vom 22.10.2008, ABl. EG Nr. L 311 vom 21.11.2008, S. 1. 103 Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen vom 16.5.2001, BGBl. I S. 876, zuletzt geändert durch Art. 4 Elektronischer-GeschäftsverkehrVereinheitlichungsG vom 26.2.2007, BGBl. I S. 179. 104 Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13.7.2001, BGBl. I S. 1542. 105 Borges, S. 117.

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4. Kapitel: Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge

rungsgesetz106 berücksichtigt und für die sonstigen Regeln der Richtlinie wurde das Elektronischer-Geschäftsverkehr-Gesetz (EGG)107 erlassen.108 Das Formanpassungsgesetz führte unter anderem mit der elektronischen Form (§ 126a BGB) und der Textform (§ 126b BGB) zwei neue Formen in das BGB ein, die das bisherige Schriftformerfordernis ablösen oder ergänzen. Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz normierte mit § 312e BGB (jetzt: § 312g BGB, ab 13.6.2014: § 312i BGB) verschiedene Pflichten für den Unternehmer, der sich zum Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen eines Tele- oder Mediendienstes bedient109, die im Jahr 2009 teilweise erneut geändert wurden110. Das Elektronischer-Geschäftsverkehr-Gesetz berücksichtigte insbesondere die europäischen Vorhaben hinsichtlich des Herkunftslandprinzips (§ 3 TMG), der Zulassungsfreiheit (§ 4 TMG), der Informationspflichten (§§ 5, 6 TMG) und der Verantwortlichkeit von Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft (§ 7 TMG), indem das TDG111 entsprechend angepasst wurde. Durch das Elektronischer-Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz (ElGVG)112 aus dem Jahre 2007 sind die Regelungen des TDG und des MDStV außer Kraft getreten und im Telemediengesetz (TMG)113 zusammengefasst worden. Im gleichen Jahr wurde mit dem Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG)114 klargestellt, dass handelsrechtliche Geschäftsbriefe auch dann gewisser Pflichtangaben bedürfen, wenn sie in elektronischer Form vorliegen (§§ 37a Abs. 1, 125a Abs. 1 S. 1, 177a HGB, 35a GmbHG, 80 AktG, 25a GenG).115

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Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl. I S. 3138. Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr vom 14.12.2001, BGBl. I S. 3721. 108 Borges, S. 117. 109 Eine Konkretisierung dieser Vorschrift findet sich darüber hinaus in § 3 BGBInformationspflichtenverordnung. 110 Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberechte vom 29.7.2009, BGBl. I S. 2355. 111 Auch der Mediendienste-Staatsvertrag wurde entsprechend geändert, vgl. Hoeren, NJW 2007, 801, 801. 112 Gesetz zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste vom 26.2.2007, BGBl. I S. 179. 113 Telemediengesetz vom 26.2.2007, BGBl. I S. 179, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt vom 25.12.2008, BGBl. I S. 3038. 114 Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister vom 10.11.2006, BGBl. I S. 2553. 115 Ausführlich dazu Hoeren/Pfaff, MMR 2007, 207, 207 ff. 107

B. Regionale und nationale Regelungsansätze

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Mit dem Gesetz zur Regelung von De-Mail-Diensten116 hat der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2011 den Versuch unternommen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass neue Dienste für die Internetkommunikation angeboten werden können, deren Sicherheit geprüft und akkreditiert ist.117 Das DeMail-System besteht im Wesentlichen aus einem Postfach- und Versanddienst, mit dem Nachrichten elektronisch verschickt und empfangen werden können und die Vertraulichkeit, Integrität sowie Authentizität der Nachricht gewährleistet sind (vgl. § 5 Abs. 3 S. 1 DeMailG). Hierzu wird für den Transport der Nachrichten ein verschlüsselter gegenseitig authentisierter Kanal genutzt und die einzelne Nachricht selbst verschlüsselt (§ 5 Abs. 3 S. 2 DeMailG). Das De-Mail Gesetz hat vor allem Konsequenzen im Beweisrecht, weil für den Zugang einer De-Mail eine Zugangsbestätigung (§ 5 Abs. 8 DeMailG) erlangt werden kann. 2. Deutscher EDI-Rahmenvertrag Neben diesen staatlichen Regelungsansätzen ist noch der deutsche EDIRahmenvertrag aus dem Bereich des soft law zu beachten. Diese Mustervereinbarung für die Abwicklung von EDI-Transaktionen wurde 1994 von einer Arbeitsgruppe unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V. (AWV) mit Beteiligung des Bundesministeriums für Wirtschaft ausgearbeitet.118 In den folgenden Punkten entspricht der deutsche EDI-Rahmenvertrag im Wesentlichen der europäischen EDI-Mustervereinbarung: Verbot der Diskriminierung von EDI-Nachrichten119, Rechtswirksamkeit (§ 9 Abs. 1), Beweiswerts (§ 10 Abs. 1), Sicherheitspflichten und die Pflicht zur Fehlerprüfung der Parteien (§ 12), Zurechnung des Handelns und Unterlassens von beauftragten Mehrwertdiensten (§ 15 Abs. 1), Aufzeichnung und Speicherung sämtlicher Nachrichten (§ 16 Abs. 1) sowie Schiedsklausel und Rechtswahlklausel (§ 22 Abs. 1). Grundlegend anders als in der europäischen EDI-Mustervereinbarung ist im deutschen EDI-Rahmenvertrag die Haftung geregelt. So ist im deutschen 116

Gesetz zur Regelung von De-Mail-Diensten vom 28.4.2011, BGBl. I S. 666. Roßnagel, NJW 2011, 1473, 1473. 118 Kilian, Deutscher EDI-Rahmenvertrag, Vorwort. 119 Der deutsche EDI-Rahmenvertrag spricht von elektronischen Urkunden anstelle von EDI-Nachrichten. Eine elektronische Urkunde wird definiert als „elektronisches Dokument, dessen Inhalt durch Rahmenbedingungen (z.B. vertragliche Vereinbarungen, Authentifikations- und Verschlüsselungsverfahren) besonders verifizierbar ist. ...“ (§ 2 Abs. 9). Ein elektronisches Dokument wiederum ist eine Nachricht zur Reproduktion von Zeichen, Tönen oder Bildern (§ 2 Abs. 8). Eine Nachricht ist eine nach dem Regelwerk von UN/EDIFACT und/oder gegebenenfalls nach den zwischen den Parteien vereinbarten Subsets geordnete Folge von Zeichen im Rahmen des elektronischen Datenaustauschs (§ 2 Abs. 2). 117

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4. Kapitel: Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge

EDI-Rahmenvertrag eine Haftung nach Verantwortungssphären mit der Möglichkeit der Exkulpation vorgesehen (§ 14 Abs. 1). Diese Sphärenhaftung setzt zwar kein Verschulden voraus, ist allerdings auch nicht als Gefährdungshaftung ausgestaltet, da als Korrekturmaßstab Sicherungspflichten aufgestellt werden (§ 14 Abs. 1 S. 2), die den jeweiligen Stand der Technik widerspiegeln sollen und im Vertragsanhang aufzuführen sind (§ 12 S. 2).120 Die Festlegung von Haftungshöchstgrenzen ist vorgesehen (§ 14 Abs. 4). Als Verantwortungssphäre wird für den Sender der Zeitpunkt bis zum Eingang der Nachricht in die Kommunikationseinrichtung121 des Empfängers und der Versendung einer automatischen Empfangsbestätigung festgelegt (§ 14 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 8). Nach diesem Zeitpunkt ist der Empfänger verantwortlich (§ 14 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 8). Auch die Identifikationskosten für Fehler sollen sich grundsätzlich nach den Verantwortungsbereichen richten, hilfsweise aber von der Partei zu tragen sein, die am ehesten in der Lage war, den Fehler zu vermeiden, oder jeweils hälftig (§ 14 Abs. 3). Die Regelung zum Zugang von EDI-Nachrichten ist im deutschen EDIRahmenvertrag deutlich genauer als in der europäischen Mustervereinbarung, die lediglich implizit den Zeitpunkt des Erreichens des Computersystems des Empfängers festlegt, indem sie in diesem Zeitpunkt den Vertrag als geschlossen ansieht (Art. 3.3). Der deutsche EDI-Rahmenvertrag differenziert zwischen dem Zugang bei Nachrichtenübermittlung, bei Nachrichtenabruf und bei Einschaltung eines Mehrwertdienstes, trifft eine Regelung zum Zugang von Nachrichten außerhalb der Geschäftszeiten und macht den Zugang von einer automatischen Empfangsbestätigung abhängig (§ 8). Auf eine solche Empfangsbestätigung verzichtet die europäische Mustervereinbarung gänzlich (Art. 5.2). Unbekannt ist der europäischen Mustervereinbarung122 auch die Verpflichtung des deutschen EDI-Rahmenvertrages, bei Störungen die andere Vertragspartei sofort zu benachrichtigen (§ 13 Abs. 1). Keine Aussage trifft der deutsche EDI-Rahmenvertrag zu Zeitpunkt und Ort des Vertragsschlusses.

120

Kilian, Deutscher EDI-Rahmenvertrag, § 14, Rn. 1. Kommunikationseinrichtung ist die Gesamtheit der technischen Geräte und Mittel einer Partei, insbesondere der Hard- und Software, die der Durchführung des elektronischen Nachrichtenaustauschs auf der Basis des Rahmenvertrages dienen (§ 2 Abs. 6 Deutscher EDI-Rahmenvertrag). 122 Nur sofern die Sicherheitsverfahren zur Zurückweisung einer EDI-Nachricht oder zur Entdeckung eines Fehlers führen, ist vorgesehen, den Sender in einer vereinbarten Frist zu informieren (Art. 6.3). 121

B. Regionale und nationale Regelungsansätze

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II. USA 1. Gesetzliche Regelungen Spezielle Regelwerke für das Recht des elektronischen Geschäftsverkehrs in den USA123 sind der Uniform Electronic Transactions Act (UETA)124 und der Electronic Signatures in Global and National Commerce Act (E-SIGN)125. Inhaltlich umfangreicher, aber praktisch weniger relevant als diese ist der Uniform Computer Information Transactions Act (UCITA)126. Der UETA wurde von 1996 bis 1999 durch die National Conference of Commissioners on Uniform State Laws (NCCUSL) mit dem Ziel entwickelt, die divergierenden Regelungen des elektronischen Geschäftsverkehrs zu vereinheitlichen, die auf bundesstaatlicher Ebene aufgrund einer entsprechenden Gesetzgebungskompetenzverteilung zwischen Bund und Bundesstaaten existierten.127 Allerdings bedarf der UETA der Umsetzung durch die einzelnen Bundesstaaten.128 Inhaltlich zielt der UETA nicht darauf ab, bestehendes Recht zu verändern, sondern vielmehr nur eine funktionale Äquivalenz für elektronische Datensätze und Signaturen zu schaffen.129 Dieser Versuch, mit einem minimalistischen Ansatz für Rechtsharmonisierung zu sorgen, ist dem UNCITRAL Model Law on Electronic Commerce entlehnt.130 Teilweise ist das UNCITRAL Model Law on Electronic Commerce daher sogar als Interpretationsmaßstab für den UETA vorgeschlagen worden.131 Der UETA findet grundsätzlich auf jede transaktionsbezogene elektronische Aufzeichnung und elektronische Signatur Anwendung (§ 3 (a)). Im Wesentlichen geht es darum, den Vertragsschluss mit elektronischen Mitteln zu ermöglichen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach US-amerikanischem Kaufrecht Verträge mit einem Kaufpreis von mehr als USD 500 der Schriftform bedürfen (§ 2–201 (1) UCC). So stellt der UETA für die Schriftform und handschriftliche Unterschrift ein elektronisches Äquivalent auf. 123

Zur Problematik der Darstellung von amerikanischem Recht vgl. Hay, S. VI: „…I need to repeat a warning I have sounded throughout my writings on „American law“: there is no such thing. Instead, …virtually all areas of private law are the separate law of the fifty States, the District of Columbia, and the (U.S.-dependent) Territories. Common language, legal tradition, and culture have served to bring about a basic legal unity, but this must never obscure the fact that any problem concerning „American law“ will usually really invoke the law of an individual State.“ 124 Vgl. . 125 15 U.S.C. §§ 7001 ff. 126 Vgl. . 127 Zur Entstehungsgeschichte ausführlich Fry, 37 Idaho Law Review 2001, 237, 247. 128 Smedinghoff, Legal Requirement, S. 7. 129 Fry, 37 Idaho Law Review 2001, 237, 248. 130 Für einen Vergleich der Grundprinzipien von UETA und MLEC vgl. Boss, 37 Idaho Law Review 2001, 276, 288 ff. 131 Amissah, Nordisk årbok i rettsinformatikk 1997, 10, 27.

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4. Kapitel: Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge

Voraussetzung für die Schriftform ist, dass die elektronische Aufzeichnung entweder auf einem körperlichen Gegenstand oder einem elektronischen Medium gespeichert und in lesbarer Form abrufbar ist (§ 7 (c) i.V.m. § 2). Für die Gleichstellung mit einer Unterschrift muss ein elektronischer Ton, ein elektronisches Symbol oder ein elektronischer Prozess einer elektronischen Aufzeichnung anhängen oder mit dieser logisch verbunden sein und von einer Person mit der Absicht, die Aufzeichnung zu unterschreiben, ausgeführt oder sich zu eigen gemacht worden sein (§ 7 (d) i.V.m. § 2). Auch für höhere Formerfordernisse, wie die notarielle Beurkundung oder die eidesstattliche Versicherung, wird die Möglichkeit geschaffen, diese durch elektronische Kommunikation zu erfüllen (§ 11). Schließlich werden Voraussetzungen festgelegt, bei deren Erfüllung auch eine Urschrift in elektronischer Form vorliegen kann (§ 12). Ferner legt der UETA den Zeitpunkt der Abgabe (§ 15 (a)) und des Zugangs (§ 15 (b)) elektronischer Erklärungen fest. Das Absenden einer Empfangsbestätigung wird zwar nicht vorgeschrieben, ihr soll aber der Beweiswert zukommen, dass die übermittelte Nachricht zugegangen ist (§ 15 (f)). Außerdem wird klargestellt, dass Willenserklärungen auch von elektronischen Agenten abgegeben werden können (§ 14). Für Fehler beim Vertragsschluss modifiziert der UETA die Risikoverteilung, sofern eine Partei eine vereinbarte IT-Sicherheitsmaßnahme nicht beachtet hat (§ 10 (1)). Darüber hinaus wird ein Anfechtungsrecht für fehlerhafte Erklärungen festgelegt, die bei der Nutzung eines Informationsverarbeitungssystems ohne Korrekturmöglichkeit abgegeben worden sind (§ 10 (2)). Die Frage des Zustandekommen eines Vertrages adressiert der UETA hingegen nicht. Ebenso wenig werden den Teilnehmern des elektronischen Geschäftsverkehrs besondere Informationspflichten auferlegt. Allerdings ist der UETA nur anwendbar, sofern zumindest eine konkludente Vereinbarung über die Durchführung der Transaktion mit elektronischen Mitteln vorliegt (§ 5 (b)). Ebenfalls dem Ziel der Rechtsvereinheitlichung dient der im Jahre 2000 verabschiedete E-SIGN. Dieser ist im Gegensatz zum UETA eine Regelung auf nationaler Ebene und stützt sich auf Art. 1 § 8 Nr. 3 US-Verfassung (Commerce Clause), der dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für den Handel zwischen den einzelnen Bundesstaaten sowie mit dem Ausland verleiht. Dementsprechend bezieht sich der aufgrund von Art. 6 US-Verfassung (Supremacy Clause) dem Landesrecht vorgehende E-SIGN gemäß seines § 101 (a) auf bundesstaatenüberschreitenden und internationalen Handel. Die Regelungen des E-SIGN entsprechen im Wesentlichen den Regelungen des UETA. Dies gilt insbesondere für die Möglichkeit, die Schriftform und das Erfordernis einer handschriftlichen Unterschrift durch elektronische Kommunikation zu erfüllen (§ 101 (a) (2)), für die Anforderungen an eine elektronische Urschrift (§ 101 (d)), die Möglichkeit, eine notarielle Beurkun-

B. Regionale und nationale Regelungsansätze

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dung oder eidesstattliche Versicherung mit elektronischen Mitteln abzugeben (§ 101 (g)) und die Nutzung elektronischer Agenten (§ 101 (h)). Die Abgabe und den Zugang elektronischer Erklärung sowie die Behandlung von Fehlern beim Vertragsschluss regelt der E-SIGN allerdings nicht. Aus dem Jahre 2002 stammt der ebenfalls von der NCCUSL entwickelte UCITA. Anders als UETA und E-SIGN entspringt er nicht einem minimalistischen Ansatz, sondern stellt erstmals eine umfassende gesetzliche Regelung für das Vertragsrecht so genannter „Computer Information Transactions“132 auf, die vom Vertragsschluss bis zur Haftung alle wesentlichen Fragen regelt.133 So wird zum Beispiel für einen Vertrag über eine Summe von USD 5.000 oder mehr das Vorliegen einer authentifizierten Aufzeichnung zur Bedingung gemacht (§ 201 (a) (1)). Weitere wichtige Regelungen zum Vertragsschluss betreffen den Zugang von elektronischen Erklärungen (§ 102 (a) (53)), die freie Wahl des Kommunikationsmittels für die Annahmeerklärung (§ 203 (1)), die Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 204 (b)), den Einsatz elektronischer Agenten beim Vertragsschluss (§ 206) und die Behandlung von Fehlern beim Vertragsschluss (§ 212 (d)). Besonders bedeutsam ist, dass sich das Zustandekommen des Vertrages nicht nach dem traditionellen Common Law-Grundsatz richtet, dass Erklärungen unter Abwesenden bereits mit ihrer Absendung wirksam werden (so genannte „Mailbox-Rule“134), sondern dass die mit elektronischen Mitteln erklärte Annahme erst mit Zugang beim Empfänger wirksam wird (§§ 203 (4) (A), 214 (a)). Ferner wird der Bereich der Leistungspflichten (§§ 401 ff.) einschließlich möglicher Leistungsverweigerungsrechte (§ 601 (b)) umfassend geregelt. Gleiches gilt für die Leistungserbringung. Hier bestehen Vorschriften für den Erfüllungsort (§ 606 (a)), die Erfüllungshandlung (§ 606 (b)), das Untersuchungsrecht (§ 608 (a) (1)) und den Gefahrübergang (§ 614 (a)). Schließlich sind bei Vertragsbruch die Rechtsbehelfe der Vertragsauflösung (§§ 601 (b) (2), 704 (d), 802 (a)), der angemessenen Versicherung der Leistung (§ 708 (a)) sowie des Schadensersatzes (§ 703 (a)) vorgesehen. Weitreichende Haftungsfreizeichnungen (§ 803) und Schadenspauschalierungen (§ 804 (a)) sind zugelassen. 132 Computer information transaction wird in Sec. 102 (11) UCITA wie folgt definiert: „…agreement or the performance of it to create, modify, transfer, or license computer information or informational rights in computer information…The term does not include a transaction merely because the parties’ agreement provides that their communications about the transaction will be in the form of computer information.” 133 Eiselen, 116 South African Law Journal 1996, 323, Rn. 3. 134 Sec. 2.1. Comment 2; zur Mailbox-Rule vgl. Barneby v. Barron G. Collier, Inc., 65 F.2d 864, 868 (8th Cir. 1933); Vassar v. Camp, 11 N.Y. 441, 448 (Court of Appeals NY 1854); § 63 (a) Restatement (Second) of Contracts comment b.

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4. Kapitel: Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge

Indes bedarf der UCITA (wie der UETA) der Umsetzung durch die Bundesstaaten135, ist bisher allerdings nur in den zwei Bundesstaaten Virginia136 und Maryland137 implementiert worden.138 Seine Bedeutung liegt daher vor allem darin, dass er als gültiges staatliches Recht in Virginia und Maryland unzweifelhaft Gegenstand einer Rechtswahlvereinbarung sein kann.139 Insofern ist er den verschiedenen soft law-Ansätzen überlegen, bei denen gerade fraglich ist, ob sie Gegenstand der Rechtswahl sein können.140 Außerdem können die Gedanken des UCITA immer noch durch die USamerikanischen Rechtsprechung rezipiert werden und in Form von Case Law weitreichende Verbreitung erlangen.141 Dies gilt insbesondere für elektronische Handelsverträge, denn die begrenzte Umsetzung des UCITA wird vor allem auf einen mangelnden Verbraucherschutz zurückgeführt.142 Überdies ist im Hinblick auf zukünftige Arbeiten der bisher einmalige Ansatz des UCITA rechtstheoretisch interessant, ein umfassendes Regelwerk für Verträge aufzustellen, die sowohl elektronisch abgeschlossen als auch auf elektronischem Weg erfüllt werden. So ist der UCITA dann auch von verschiedenen Seiten nicht nur als einheitliches Recht für die Bundesstaaten der USA, sondern als Modell für ein weltweites IT-Wirtschaftsrecht angesehen worden.143

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Norwood, 4 DePaul Bus. & Comm. L. J. 2005/06, 415, 415. Vgl. . 137 Vgl. . 138 Norwood, 4 DePaul Bus. & Comm. L. J. 2005/06, 415, 416. Während Virginia bis auf die Regelung, dass beim Fehlen einer Rechtswahlvereinbarung immer das Recht Virginias anwendbar sein soll, den UCITA ohne wesentliche Änderungen in sein Landesrecht transformiert hat, wurden in Maryland einige signifikante Änderungen beziehungsweise Ergänzungen vorgenommen, die vor allem den Verbraucherschutz betreffen, vgl. Eiselen, 116 South African Law Journal 1996, 323, Rn. 24, 26. Der Bundesstaat Iowa hat dagegen ein Gesetz erlassen, dass die Anwendung des UCITA auf Bürger und Unternehmen aus Iowa verbietet (sogenannte bomb-shelter legislation), vgl. Delta/Matsuura, S. 10–62 f. 139 Rustad, S. 545. 140 Ausführlich hierzu Metzger, S. 534 ff. 141 Vgl. die Auflistung von Fällen bei Rustad, S. 546, in denen die Gerichte explizit auf das UCITA Bezug genommen und Rechtsgedanken übernommen haben. 142 Delta/Matsuura, S. 10–62; Braucher, 40 Loy. L.A. L. Rev. 2006, 261, 277 spricht von einem Ansichziehen des Gesetzgebungsverfahrens durch die Softwareindustrie. 143 Nachweise bei Braucher, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 1, 1; Lehmann, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007), 17, Rn. 2 wirft die Frage der Vorbildwirkung des UCITA für ein internationales Abkommen auf. 136

B. Regionale und nationale Regelungsansätze

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2. Principles of the Law of Software Contracts Viele Prinzipien des UCITA setzen sich in den Principles of the Law of Software Contracts des American Law Institute (ALI Principles) aus dem Jahr 2010 fort. Im Gegensatz zu den Restatements, die ebenfalls vom American Law Institute erstellt werden und die jeweils die wesentlichen Inhalte der Präzedenzfälle in einem bestimmten Rechtsbereich zusammenfassen144, stützen sich die ALI Principles nicht auf umfangreiche Rechtsprechung zum Softwarevertragsrecht, sondern sollen eine Art „Best Practice“-Empfehlung für dieses Rechtsgebiet darstellen145. Weder die Restatements noch die ALI Principles haben Gesetzesqualität.146 Doch während Restatements von USamerikanischen Gerichten oft gesetzesartig herangezogen werden147, ist dies für die ALI Principles bisher nicht feststellbar. Die ALI Principles wurden für Verträge über die Übertragung von Software gegen eine Gegenleistung aufgestellt (§ 1.06 (a) ALI Principles). Sie sollen jedoch nicht für die Übergabe einer Diskette, CD-ROM oder sonstiger körperlicher Gegenstände gelten, auf denen Software gespeichert ist (§ 1.06 (b) ALI Principles). Daraus ergibt sich, dass die ALI Principles vor allem im Hinblick auf die digitale Übermittlung von Software aufgestellt wurden. Obwohl die ALI Principles nur dann anwendbar sein sollen, wenn Software gegen eine Gegenleistung (consideration) übertragen wird, sollen sie grundsätzlich auch auf Vereinbarungen über Open-Source-Software anwendbar sein.148 Eine Gegenleistung müsse nicht monetär sein, sondern könne auch in der Akzeptanz bestimmter Lizenzbedingungen durch den Lizenznehmer bestehen, zum Beispiel darin, abgeleitete Software unter den gleichen Bedingungen wie die erhaltene Software weiterzulizenzieren oder den Quellcode offenzulegen (sogenannte „Copyleft“-Bestimmung).149 Die ALI Principles enthalten Vorschriften in den Bereichen Vertragsschluss (Kapitel 2), Vertragsdurchführung (Kapitel 3) und Leistungsstörung (Kapitel 4) und verfolgen damit einen ähnlich umfassenden Ansatz wie der UCITA.150 144

Hay, Rn. 32. Hillman/O’Rourke, 84 Tulane Law Review 2010, 1519, 1522. 146 ALI Principles, Introduction comment; Hillman/O’Rourke, 84 Tulane Law Review 2010, 1519, 1521. 147 Borges, S. 137 f. 148 § 1.06 ALI Principles, comment d; Hillman/O’Rourke, 84 Tulane Law Review 2010, 1519, 1523. 149 § 1.06 ALI Principles, comment d; Hillman/O’Rourke, 84 Tulane Law Review 2010, 1519, 1524. 150 Kritisch hierzu Mornigiello/Reynolds, Widener University School of Law Legal Studies Research Paper Series No. 10–02, 1, 7, 13 f. 145

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4. Kapitel: Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge

3. Model Electronic Data Interchange Trading Partner Agreement der American Bar Association Das Model Electronic Data Interchange Trading Partner Agreement (EDIAgreement) der American Bar Association (ABA)151 stammt aus dem Jahr 1990. Das EDI-Agreement sieht eine Gleichstellung von EDI-Nachrichten152 und Schriftstücken (Sec. 3.3.2. 1. Halbsatz) sowie von handschriftlichen Unterschriften und elektronischen Signaturen (Sec. 3.3.2. 2. Halbsatz 1. Alt.) vor. Diese Regelung geht darauf zurück, dass nach US-amerikanischem Kaufrecht Verträge mit einem Kaufpreis von mehr als USD 500 der Schriftform bedürfen (§ 2–201 (1) UCC).153 Sofern eine EDI-Nachricht, die mit einer elektronischen Signatur154 versehen ist, ausgedruckt wird, soll diese einer Urschrift gleichstehen (Sec. 3.3.2. 2. Halbsatz 1. Alt.). Ebenfalls ist das Verbot der Diskriminierung von EDI-Nachrichten in Bezug auf ihre Rechtswirksamkeit (Sec. 3.3.4. S. 1) und ihren Beweiswert (Sec. 3.3.4. S. 3) enthalten. Ausdrücklich klargestellt ist, dass ein Verhalten der Parteien entsprechend des EDI-Agreement einen Handelsbrauch konstituieren soll (Sec. 3.3.3). In Übereinstimmung mit dem deutschen EDI-Rahmenvertrag sollen sich die Parteien zur Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen verpflichten, die im Anhang des Rahmenvertrages festgelegt werden (Sec. 1.4.), und Fehler dem Vertragspartner unverzüglich mitteilen (Sec. 2.4.). Grundlegend anders als im deutschen EDI-Rahmenvertrag ist die Haftungsfrage geregelt. Ähnlich der europäischen EDI-Mustervereinbarung wird vorgeschlagen, dass die Parteien vereinbaren, dass sie nicht für Schäden einzustehen haben, die sich bei der anderen Partei aufgrund eines Fehlers oder einer Verzögerung des Datentransfers ergeben (Sec. 4.6.). Darüber hinaus ist eine Force Majeure-Klausel, also ein Haftungsausschluss für eine Pflichtverletzung infolge höherer Gewalt, vorgesehen (Sec. 4.5.). Im Vergleich zum deutschen EDIRahmenvertrag fehlt die Verpflichtung, ausgetauschte Nachrichten aufzuzeichnen und zu speichern sowie die Verpflichtung, eine Empfangsbestätigung zu senden.

151

Text und Kommentar finden sich bei Boss/Ritter, S. 143 ff. sowie in 45 Bus. Law. 1990, 1718 ff. 152 Das EDI-Agreement spricht von „documents“ und definiert diese als „transaction sets listed in the Appendix, which each party may electronically transmit to or receive from the other party, and transaction sets, which the parties by written agreement add to the Appendix” (Sec. 1.1.). 153 Sec. 3.3. Comment 4. 154 Unter Signatur wird „an electronic identification consisting of symbol(s) or code(s) which are to be affixed to or contained in each Document transmitted by such party“ verstanden (Sec. 1.5.).

B. Regionale und nationale Regelungsansätze

75

Hinsichtlich des Zugangs von EDI-Nachrichten stellt das EDI-Agreement lediglich die Regel auf, dass EDI-Nachrichten die Wirksamkeit versagt bleiben soll, solange der Empfänger auf sie keinen Zugriff hat (Sec. 2.1). Folglich soll der Mailbox-Rule keine Bedeutung zukommen. Schließlich finden sich im EDI-Agreement eine Rechtswahlklausel (Sec. 4.4.) und eine Schiedsklausel (Sec. 4.7.).

Kapitel 5

Neue Institutionenökonomik als theoretischer Bezugsrahmen Bevor geklärt werden kann, ob die dargestellten Regelungsansätze den ökonomischen und technischen Eigenarten elektronischer Handelsgeschäfte hinreichend gerecht werden, stellt sich die Frage, welche Funktion rechtlichen Regelungen bei internationalen elektronischen Handelsgeschäfte grundsätzlich zukommt und ob sie überhaupt notwendig sind. Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage könnte die Neue Institutionenökonomik sein, die als Subtheorien die Transaktionskostentheorie, die Theorie der Verfügungsrechte, die Prinzipal-Agent-Theorie und die Theorie der adversen Selektion in sich vereint.1 Die Nutzung der Neuen Institutionenökonomik als theoretischer Bezugsrahmen drängt sich bei Betrachtung von internationalen elektronischen Handelsgeschäften deshalb auf, weil die Neue Institutionenökonomik die Funktionen von Informationen und Transaktionkosten in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung stellt.2 Sie abstrahiert nicht wie die Marktgleichgewichtstheorie (Neoklassik) von bestimmten Rahmenbedingungen (wie einer komplexen Rechtslage), da sie für den Faktor „Information“ nicht vom Modell der Vollkommenheit ausgeht, das keine Probleme hinsichtlich der Verteilung und Verarbeitung marktrelevanter Informationen kennt.3 Die erleichterte Gewinnung, Verarbeitung und Übermittlung von Informationen ist gerade ein wichtiges Merkmal der Informatisierung von Transaktionen.4 Folge der Informatisierung von Transaktionen und der Globalisierung der Märkte5 ist eine Senkung der Transaktionskosten. Damit analysiert die Neue Institutionenökonomie die wichtigsten ökonomischen Merkmale internationaler elektronischer Handelsgeschäfte und könnte Hinweise für eine sachgerechte Gestaltung des juristischen Rahmens geben.

1

Baumann, RNotZ 2007, 297, 300; Schmidtchen, in: Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Entwicklung der europäischen Zivilrechtsentwicklung (2007), 1, 6; Richter/ Furubotn, S. 41 f.; Williamson, S. 17 ff. in Bezug auf die Transaktionskostentheorie. 2 Richter/Furubotn, S. 21 ff. 3 Picot/Reichwald/Wigand, S. 31. 4 Siehe Kap. 3 B. 5 Siehe Kap. 3 A.

A. Die Funktion von Informationen

77

A. Die Funktion von Informationen

A. Die Funktion von Informationen

Nach traditionellem Verständnis ist Ökonomie die Wissenschaft von der Allokation knapper Ressourcen, um Güter zu produzieren und zu verteilen. „Information“ als zweckorientiertes Wissen kann in diesem Zusammenhang dabei helfen, die Knappheit einer bestimmten Ressource zu reduzieren.6 Betrachtet man das Gut „Information“ als solches, stellt sich allerdings die Frage, ob auch Information selbst eine knappe Ressource ist. Weil die Information eines Marktteilnehmers grundsätzlich unvollkommen und darüber hinaus auf dem Markt ungleich verteilt ist, könnte man dies bejahen.7 Neuerdings wird allerdings auch vertreten, dass Informationen allgemein im Überfluss vorhanden seien und, insbesondere mit der neuen Informations- und Kommunikationstechnik, auch erlangt werden könnten.8 Dies überzeugt zwar nicht vollends, da auch mit neuer Technologie nicht jede Zielsetzung oder Strategie der Marktteilnehmer ausfindig gemacht werden kann und auch im Hinblick auf Produkte keine vollkommene Information besteht, solange Geschäftsgeheimnisse existieren oder Informationen aus anderen Gründen nicht frei zugänglich sind. Im Ergebnis ergeben sich aber ohnehin keine grundlegenden Unterschiede, denn selbst wenn nicht die Information die knappe Ressource ist, sondern die Aufmerksamkeit9 der Marktteilnehmer,10 bleibt die menschliche Aufmerksamkeitskapazität beschränkt,11 so dass der Marktteilnehmer letztlich nicht umfassend informiert ist12. Bei den Marktteilnehmern bestehen also Informationslücken. Das Bestehen, Erkennen und Ausnutzen von Informationslücken und unvollkommener Information ist analytischer Ausgangspunkt der Marktprozesstheorie.13 Vertreter der Marktprozesstheorie wie Schumpeter schreiben dem Unternehmen

6

Zerdick/Picot/Schrape/Artopé/Goldhammer/Heger/Lange/Vierkant, S. 36; Picot/ Reichwald/Wigand, S. 23. 7 So wohl Picot/Reichwald/Wigand, S. 32, 61. 8 Goldhaber, 2 First Monday 1997, ; Zerdick/Picot/Schrape/Artopé/Goldhammer/Heger/Lange/Vierkant, S. 36. 9 Aufmerksamkeit ist eine menschliche Eigenschaft, die als selektive System-UmweltRelation verstanden wird, vgl. Zerdick/Picot/Schrape/Artopé/Goldhammer/Heger/Lange/ Vierkant, S. 37. 10 Franck, S. 49 ff.; Goldhaber, 2 First Monday 1997, ; Zerdick/Picot/Schrape/Artopé/Goldhammer/Heger/Lange/Vierkant, S. 36 f. 11 Zerdick/Picot/Schrape/Artopé/Goldhammer/Heger/Lange/Vierkant, S. 37 f. 12 Überzeugend Dietl, S. 27: „Die Annahmen über knappe Ressourcen (…) beruhen auf unvollständigem Wissen. (...) Das menschliche Wissen ist unvollständig und vorläufig.“ 13 Grundlegend: von Hayek, Individualism and Economic Order 1976, 92, 95 ff.

78

5. Kapitel: Neue Institutionenökonomik als theoretischer Bezugsrahmen

deshalb eine Innovationsfunktion zu, die sich darin ausdrücken soll, dass sie Gewinn durch die Ausnutzung eines Wissensvorsprungs realisieren.14

B. Information und Transaktion B. Information und Transaktion

Die Beschaffung einer Information, die zu einem Informationsvorsprung führt oder diesen schließt, bedarf allerdings eines Kommunikationsprozesses. Dieser erfordert eine Koordination, die Kosten zur Folge hat. Diese Koordinationskosten sind Teil der Transaktionskosten.15 Als Transaktionskosten bezeichnet man die Kosten der Information und Kommunikation, die zur Vorbereitung, Durchführung und Überwachung von Arbeitsteilung, Spezialisierung, Tausch und Abstimmung erforderlich sind.16 In Anlehnung an eine Markttransaktion kann man bei den Transaktionskosten zwischen den Kosten der Anbahnung von Verträgen (Such- und Informationskosten), den Kosten des Abschlusses von Verträgen (Verhandlungs- und Entscheidungskosten), den Kosten der Überwachung und Durchsetzung vertraglicher Leistungspflichten und den Kosten der Anknüpfung und Pflege sozialer Beziehungen (Kosten des Ausbaus von Sozialkapital) differenzieren.17 Entscheidend ist, dass die Transaktionskosten von den Produktionskosten zu unterscheiden sind.18 Die Transaktionskosten, die zu einem Austausch am Markt führen, haben Wallis und North Transaktionsleistungen (transaction services) genannt19 und in einer empirischen Studie für die amerikanische Wirtschaft im Zeitraum von 1870 bis 1970 untersucht.20 Ergebnis dieser Studie war, dass der Anteil 14

Schumpeter, S. 100. Picot/Reichwald/Wigand, S. 27; Kilian/Picot/Neuburger/Niggl/Scholtes/Seiler, S. 28. 16 Das hier vertretene Verständnis von Transaktionskosten entspricht Picot/ Reichwald/Wigand, S. 27; eine ähnliche Definition findet sich bei Arrow, in: Committee Joint Economic (Hrsg.), The Analysis and Evaluation of Public Expenditure (1969), 47, 48, der Transaktionskosten als „Betriebskosten der Wirtschaft“ beschreibt. Trotzdem bleibt mit Eggertsson, S. 14 anzumerken, dass eine allgemeingültige Definition von Transaktionskosten nicht besteht. 17 Richter/Furubotn, S. 55 ff. 18 Vgl. Williamson, S. 21. 19 Wallis/North, in: Engerman/Gallman (Hrsg.), Long-Term Factors in American Economy (1986), 95, 103, die herausstellen, dass nur dieser Teil messbar sei. 20 Wallis/North, in: Engerman/Gallman (Hrsg.), Long-Term Factors in American Economy (1986), 95, 95 ff. Wallis / North ermitteln die Transaktionsleistungen in den sogenannten Transaktionsindustrien (Finanzierungs-, Versicherungs-, Immobilienaktivitäten, Großhandel, Einzelhandel) (S. 103, 111 ff.), die Transaktionsleistungen innerhalb von Unternehmen aus Nicht-Transaktionsindustrien (S. 103, 104 ff.) sowie die Ausgaben der öffentlichen Hand für Transaktionsleistungen (S. 113 ff.) und addieren diese in einer Gesamtrechnung (S. 121). 15

C. Der Inhalt der Neuen Institutionenökonomik

79

der Transaktionsleistungen am Bruttosozialprodukt im Untersuchungszeitraum kontinuierlich stieg und im Jahre 1970 bereits 54,1% des gesamten erwirtschafteten Einkommens betrug.21 Aus dem Einsatz eines großen Teils des Volkseinkommens für Transaktionskosten ergibt sich die strategische Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologie.22 Technologische Innovation kann helfen, das gemeinsame Ziel des einzelnen Marktteilnehmers und der Volkswirtschaft zu verwirklichen, die Transaktionskosten minimal zu halten.23

C. Der Inhalt der Neuen Institutionenökonomik C. Der Inhalt der Neuen Institutionenökonomik

Allerdings verursacht nicht nur die zu einem Informationsvorsprung führende und die auf die Schließung eines solchen abzielende Beschaffung von Information Kosten, vielmehr stellt die Marktprozesstheorie auch heraus, dass der aus dem Wissensvorsprung eines Unternehmens folgende Gewinn durch Organisationsprobleme, wie die Gestaltung der Lieferbeziehungen oder der Durchsetzung von Verträgen, wieder entscheidend geschmälert werden kann. Diese Organisationsprobleme verursachen Transaktionskosten, die durch arbeitsteilige Aufgabenerfüllung gelöst werden müssen,24 was wiederum kostenauslösende Koordination erfordert25. I. Definition „Institution“ Information und Kommunikation kommen also auch beim Ausnutzen eines Wissensvorsprungs entscheidende Bedeutung zu. Diese Feststellung ist eine Grundüberzeugung der Neuen Institutionenökonomik, in deren Mittelpunkt die Analyse von Institutionen steht. „Institutionen“ dienen der Rationalisie-

21 Wallis/North, in: Engerman/Gallman (Hrsg.), Long-Term Factors in American Economy (1986), 95, 121; allerdings merkt Eggertsson, S. 17 richtig an, dass nicht zwangsläufig auch die Transaktionskosten pro Transaktion gestiegen sein müssen, sondern bei steigender Produktivität gefallen sein können; Baumann, RNotZ 2007, 297, 300, schätzt die Transaktionskosten in modernen Marktwirtschaften auf 70–80% des Nettosozialproduktes. 22 Picot/Reichwald/Wigand, S. 28 f. 23 Dieses Ziel ist die Folge, wenn man wie Kilian/Picot/Neuburger/Niggl/Scholtes/Seiler, S. 28 die Suche nach transaktionskostenminimaler Form der Koordination von Teilaufgaben als Ausdruck des Koordinationsproblems beschreibt; grundlegend ist insofern die Transaktionskostentheorie, vgl. Williamson, S. 17 ff.: „Dieses Buch stellt die Behauptung auf, dass die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus hauptsächlich die Einsparung von Transaktionskosten bezwecken und bewirken.“ 24 Grundlegend Smith, S. 9 ff. 25 Picot/Reichwald/Wigand, S. 25, 75.

80

5. Kapitel: Neue Institutionenökonomik als theoretischer Bezugsrahmen

rung von Informations- und Kommunikationsprozessen.26 Der institutionelle Kontext, in der neueren rechtswissenschaftlichen Literatur oft auch als „Governance“ bezeichnet27, schafft die Bedingungen für die Entfaltungsmöglichkeiten unternehmerischer Aktivität.28 Institutionen29 sind in diesem Sinne mit sozialen Sanktionen verknüpfte Erwartungen, die sich auf die Verhaltensweisen von Individuen beziehen30, also beispielsweise Geld, Sprache, Gesetze, Normen, aber auch Verträge.31 Damit hebt der Institutionenbegriff Max Webers scharfe Unterscheidung32 zwischen Rechtsnormen, die durch organisierten staatlichen Zwang garantiert sind, und gesellschaftlichen Normen auf, die nur als Sitte oder Konvention bestehen. Folglich können sowohl Verträge als auch Rechtsnormenkomplexe zu Objekten der ökonomischen Analyse werden33, indem sie als ein Beherrschungsund Überwachungssystem von Transaktionen verstanden werden, das die Aufgabe hat, die Transaktionskosten zu senken34. Weil also rechtliche Institutionen die Produktivität ebenso beeinflussen können wie Technologien, können Aussagen darüber getroffen werden, ob eine bestimmte rechtliche Institution zu einer höheren Wertschöpfung führt als eine andere.35 Dunkoff und Trachtman behaupten hinsichtlich internationaler Rechtsprobleme sogar, dass

26

Grundlegend: Williamson, 63 The American Economic Review 1973, 316–325; Alchian/Demsetz, 62 The American Economic Review 1972, 777–795; überblicksartig: Coase, 88 The American Economic Review 1998, 72–74; Hutchison, 140 Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 1984, 20–29; Williamson, 141 Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 1985, 187–195; lehrbuchartig: Richter/Furubotn, S. 39 ff.; vgl. ebenso Kilian/Picot/Neuburger/Niggl/Scholtes/Seiler, S. 28 ff.; zur Abgrenzung von neoklassischen Wirtschaftstheorien durch die Annahme des Bestehens unvollständiger Information und Transaktionskosten vgl. Eggertsson, S. 7. 27 Vgl. Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 514. 28 Dietl, S. 181; ähnlich von Hayek, Individualism and Economic Order (1976), 107, 115 f. 29 Schmidtchen, in: Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Entwicklung der europäischen Zivilrechtsentwicklung (2007), 1, 6 spricht von formalen und informellen Regelsystemen. 30 Dietl, S. 37; ähnlich Dunoff/Trachtman, 24 Yale J. Int'l L. 1999, 1, Fußnote 6: „The essence of an institution is that it constrains future behaviour.” 31 Picot/Reichwald/Wigand, S. 39; Schmidtchen, in: Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Entwicklung der europäischen Zivilrechtsentwicklung (2007), 1, 6 bezeichnet Rechtsregeln als prominentes Beispiel für Institutionen; G.-P. Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, S. 10 definiert Recht als soziale Institution. 32 Weber, S. 187 ff. 33 Allgemein Kilian/Picot/Neuburger/Niggl/Scholtes/Seiler, S. 28 f. 34 G.-P. Calliess, in: Donges/Mai (Hrsg.), in: E-Commerce und Wirtschaftspolitik (2001), 189, 193; Williamson, S. 20. 35 Eggertsson, S. 102.

C. Der Inhalt der Neuen Institutionenökonomik

81

die Kernfrage sich hier (fast) immer um die Wahl der richtigen Institution36 drehe, wozu es eines Verständnisses der relativen institutionellen Kompetenzen und Leistungsvermögen der verschiedenen Alternativen sowie einer Beurteilung des strategischen Zusammenwirkens der verschiedenen Institutionen bedürfe.37 II. Positive und normative Analyse Die Neue Institutionenökonomik unterscheidet bei ihrem Vorgehen zwischen einer positiven Analyse, die nach einer ökonomischen Erklärung der Entwicklung von Institutionen und deren Auswirkung auf das menschliche Verhalten forscht, und einer normativen Analyse, die Handlungsempfehlungen zur effizienten Gestaltung von Institutionen bieten soll.38 Effizient bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Ressourcen nutzenmaximierend ausgewertet werden, wobei der Nutzen an der Bereitschaft gemessen wird, für die Güter oder Dienstleistungen zu zahlen.39 Um Institutionen zu analysieren, müssen Erwägungen hinsichtlich der Transaktionskosten sowie die Auswirkungen von strategischem Verhalten, also spieltheoretische Modelle, berücksichtigt werden.40 Für die rechtlichen Regelungen internationaler elektronischer Handelsverträge bedeutet dies, dass die Neue Institutionenökonomik Hinweise darauf geben kann, warum es in diesem Bereich zur Schaffung von Rechtsnormenkomplexen kommt, wie sich diese auf das Verhalten der Marktteilnehmer auswirken und wie die Effizienz der rechtlichen Regelungen sichergestellt werden kann. III. Methodologischer Individualismus, individuelle Nutzenmaximierung, begrenzte Rationalität und institutionenökonomischer Imperativ Die Neue Institutionenökonomik setzt sich im Einzelnen zwar aus verschiedenen theoretischen Ansätzen zusammen, diesen sind allerdings die Ausgangsannahmen des methodologischen Individualismus, der individuellen

36

Als Beispiele für in Betracht kommende Institutionen führen Dunoff/Trachtman, 24 Yale J. Int'l L. 1999, 1, 3 den Markt, die nationale Gesetzgebung sowie (schieds-)gerichtliche und internationale Regeln schaffende Einrichtungen an. 37 Dunoff/Trachtman, 24 Yale J. Int'l L. 1999, 1, 4; grundlegend: Coase, 3 Journal of Law and Economics 1960, 1, 43. 38 Picot/Reichwald/Wigand, S. 38; in Bezug auf den normativen Teil sagt Eggertsson, S. 10: „(it) is normative in nature and reflects a search for socially optimal structures of exchange.” Vgl. zu dieser Unterscheidung auch Posner, S. 31 f. 39 Posner, S. 15; nach Posner, S. 16 unterscheidet das Kriterium der Zahlungsbereitschaft das Konzept der Effizienz von Jeremy Benthams Utilitarismus. 40 Dunoff/Trachtman, 24 Yale J. Int'l L. 1999, 1, 7.

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5. Kapitel: Neue Institutionenökonomik als theoretischer Bezugsrahmen

Nutzenmaximierung, der begrenzten Rationalität und des institutionenökonomischen Imperativ gemein.41 Methodologischer Individualismus bedeutet, dass die Ziele und Entscheidungen der einzelnen Individuen betrachtet werden, die innerhalb sozialer Gebilde wie Unternehmen oder Staat agieren.42 Die individuelle Nutzenmaximierung ist verwandt mit dem Prinzip des Opportunismus43 und besagt, dass die Handelnden ihr Eigeninteresse verfolgen.44 Diese Annahme wird in neuester Zeit im Hinblick auf die Entwicklung der Open-Source-Software und Erscheinungen wie Wikipedia kritisch hinterfragt.45 Konkret wird unter dem Stichwort Commons-based Peer Production vorgeschlagen, die Neue Institionenökonomik durch die Einbeziehung von soziopsychologischen „Belohnungen“ zu erweitern.46 Für den Verlauf dieser Arbeit wird indes weiterhin vom traditionellen Bild des eigennützig handelnden Individuums ausgegangen. Damit soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die Beobachtungen des Ansatzes der Commons-based Peer Production gänzlich unzutreffend sind. Vielmehr ist dieses Vorgehen der Einsicht geschuldet, dass eine solche komplexe Sichtweise verhindern würde, die in dieser Arbeit angestrebten allgemeingültigen Aussagen zu treffen. Nach dem Konzept der begrenzten Rationalität können Menschen nur in Bezug auf ihren subjektiven Informationsstand rational handeln, der grundsätzlich auf unvollständigem Wissen beruht.47 Folglich sind Beherrschungsund Überwachungssysteme, die große Ansprüche an die Erkenntnisfähigkeit stellen (etwa eine unklare und komplizierte Rechtslage), ungünstig zu beurteilen.48 Die Annahmen der individuellen Nutzenmaximierung und der beschränkten Rationalität beziehen sich auf die sozioökonomische Untersuchungseinheit der einzelnen Transaktion.49 Die einzelne Transaktion zur elementaren

41

Picot/Reichwald/Wigand, S. 44, wobei diese den letzten Ausgangspunkt des institutionenökomischen Imperatives nicht ausdrücklich nennen. 42 von Hayek, Individualism and Economic Order (1976), 1, 6 ff. 43 Unter Opportunismus versteht Williamson, S. 54 die Verfolgung des Eigeninteresses unter Zuhilfenahme von List. 44 Dietl, S. 58; Eggertsson, S. 7; Picot/Reichwald/Wigand, S. 44; Baumann, RNotZ 2007, 297, 300; es geht allerdings nicht (zwangsläufig oder ausschließlich) um eine persönliche Wohlstandsmaximierung, sondern um eine Maximierung des persönlichen Nutzens, der neben Wohlstand auch andere Interessen umfassen kann, vgl. Dunoff/Trachtman, 24 Yale J. Int'l L. 1999, 1, 4. 45 Benkler, S. 91 ff. Posner, S. 110 sieht indes auch im Bereich Open-Source-Software die Verfolgung von Eigeninteresse, nämlich die der Programmierer. 46 Benkler/Nissenbaum, 14 The Journal of Political Philosophy 2006, 394, 403 ff. 47 Williamson, S. 50 ff. 48 Vgl. Williamson, S. 52. 49 Kilian/Picot/Neuburger/Niggl/Scholtes/Seiler, S. 31; Williamson, S. 1.

C. Der Inhalt der Neuen Institutionenökonomik

83

Einheit der wissenschaftlichen Untersuchung zu erheben, bezeichnet Schmidtchen als institutionenökonomischen Imperativ.50 IV. Teilgebiete der Neuen Institutionenökonomik Soeben ist bereits angedeutet worden, dass diese Ausgangsannahmen als gemeinsamer Nenner verschiedene Teilgebiete der Neuen Institutionenökonomik vereinen. Zu diesen Teilgebieten zählen insbesondere die Transaktionskostentheorie einschließlich der Theorie des unvollständigen Vertrages sowie die Theorie der Verfügungsrechte.51 Daneben stehen, sofern man sie nicht als Unterpunkte der bereits genannten Ansätze sieht, als weitere Teilgebiete die Theorien der adversen Selektion und des Prinzipal-AgentVerhältnisses.52 Alle diese theoretischen Ansätze sollen im Verlauf der Arbeit als Mittel der Analyse dienen.53 1. Transaktionskostentheorie Anknüpfend an die bereits erläuterte Feststellung, dass alle Phasen einer marktlichen Transaktion Kosten verursachen, dient die Transaktionskostentheorie der Suche nach den institutionellen Arrangements, bei denen eine Transaktion in der Summe die geringsten Kosten verursacht.54 Dabei wird davon ausgegangen, dass jede Transaktion auf der Grundlage eines Vertrages erfolgt, der die Konditionen des Austausches regelt, so dass das Prinzip des Vertrages für die Transaktionskostentheorie grundlegend ist.55 Anders als in der klassischen Rechtsgeschäftslehre dienen hier aber nicht die Willenserklärungen, sondern der effiziente Einsatz von Verfügungsrechten und die marktmäßig vermittelte Äquivalenz als Anknüpfungen für den vertraglichen Leistungsaustausch.56 Zum Maßstab für das Vertragsrecht wird also der ökonomisch zu beurteilende Nutzen des Güteraustauschs.57 Demzufolge sind 50

Schmidtchen, in: Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Entwicklung der europäischen Zivilrechtsentwicklung (2007), 1, 7. 51 Baumann, RNotZ 2007, 297, 300; Schmidtchen, in: Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Entwicklung der europäischen Zivilrechtsentwicklung (2007), 1, 6, wobei dieser die ökonomische Vertragstheorie nicht der Transaktionskostentheorie zuordnet, sondern als eigenständigen Ansatz sieht; Williamson, S. 17 ff. in Bezug auf die Transaktionskostentheorie. 52 So Baumann, RNotZ 2007, 297, 300 in Bezug auf die Prinzipal-Agent-Theorie. 53 Insofern ist die ökonomische Analyse des Rechts kein eigenes Teilgebiet der Neuen Institutionenökonomik, sondern bedient sich lediglich aller ihrer Teilgebiete, anders wohl Eggertsson, S. xii, 6. 54 Williamson, S. 17 ff. 55 Eggertsson, S. 45. 56 Kilian, FS Wassermann (1985), 715, 722. 57 Kilian, a.a.O., 722.

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5. Kapitel: Neue Institutionenökonomik als theoretischer Bezugsrahmen

Rechtsnormen nach dem Muster von Nutzenfunktionen auszulegen und zu schaffen.58 Dieser Unterschied muss indes nicht zu einem Gegensatz führen, denn gerade die Anknüpfung an den Willen, in Abgrenzung zur Anknüpfung an das Vertrauen59, kann beim Vertragsschluss zu effizienten Ergebnissen führen. Hauptvertreter der Transaktionskostentheorie sind Coase mit seinem bahnbrechenden Aufsatz The Nature of the Firm sowie Arrow und Williamson.60 Letzterer unterscheidet drei Arten von Vertragsbeziehungen: klassische Verträge, bei denen die Vertragsbedingungen vorab festgelegt sind, die Transaktion von kurzer Dauer ist und keiner der Partner mit nachträglichen Anpassungen des Vertrages rechnet, neoklassische Verträge, bei denen die Vertragspartner nicht vorweg sämtliche Bedingungen in Verträgen festlegen können und deshalb mit Anpassungsbedarf rechnen, sowie relationale beziehungsweise unvollständige Verträge, die eigentlich eine komplexe soziale Beziehung beschreiben, die von den Transaktionspartnern gemeinsame Entscheidungen und abgestimmte Anpassungen und Entwicklung verlangt.61 Im Ergebnis spiegeln diese Vertragsbeziehungsarten die Organisationsform von Transaktionen wider, mit der Abwicklung über den Markt (klassischer Vertrag) auf dem einem Ende der Skala, der Abwicklung im Unternehmen auf dem anderen Ende (relationaler Vertrag) und einer Mischform (neoklassischer Vertrag) dazwischen. An dieser Stelle sei auf die Ausführungen zum Wandel der Organisationsform von Transaktionen durch Verbesserung der Informations- und Kommunikationstechnik verwiesen.62 Weist nun eine Transaktion geringe Unsicherheiten auf und verlangt sie zugleich keine transaktionsspezifischen Investitionen, so ist sie nach der Transaktionskostentheorie am effizientesten über den Markt abzuwickeln, da keine Abhängigkeit vom Vertragspartner besteht, weshalb ein Wechsel zu einem seiner Konkurrenten schon mit geringen Kosten möglich ist und deshalb kein Anreiz zu opportunistischem Verhalten des Vertragspartners besteht.63 Steigen allerdings die Unsicherheiten der Transaktion oder die transaktionsspezifischen Investitionen, wird die unternehmensinterne Abwicklung zunehmend attraktiver. Einerseits können hierdurch Transaktionskosten bei 58

41.

59

Kilian, a.a.O., 722; grundlegend: Coase, 3 Journal of Law and Economics 1960, 1,

Vgl. hierzu Kilian, FS Wassermann (1985), 715, 717 ff. Coase, 4 Economica 1937, 386; Arrow, The Limits of Organization, New York 1974; Williamson, Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, Tübingen 1990. Eine grundlegende empirische Bestätigung der Transaktionskostentheorie findet sich bei Shelanski, 11 Journal of Law Economics and Organization 1995, 335–361. 61 Williamson, S. 73 ff. 62 Siehe Kap. 3 B. V. 63 Williamson, S. 74. 60

C. Der Inhalt der Neuen Institutionenökonomik

85

der Informationsbeschaffung, Verhandlung und Vertragsüberwachung eingespart werden, andererseits löst, da die Sanktionsmöglichkeit des Wechsel des Vertragspartners mit größeren Kosten verbunden ist, eine zunehmende Abhängigkeit den Anreiz zu opportunistischem Verhalten aus, was möglicherweise nur durch ein unternehmensinternes Steuerungs- und Kontrollsystem verhindert werden kann.64 2. Theorie der Verfügungsrechte Die Transaktion ist durch den Austausch von Handlungs- und Verfügungsrechten gekennzeichnet, die in der Terminologie der Neuen Institutionenökonomik „property rights“ genannt werden.65 Die Handlungs- und Verfügungsrechte an Gütern untersucht die Theorie der Verfügungsrechte. Auch für diese Theorie war ein Aufsatz von Coase richtungweisend66, daneben ist Demsetz67 ein weiterer Hauptvertreter. Betrachtet man die Handlungs- und Verfügungsrechte an einem Gut, so fragt man nicht nach dessen Substanz, sondern danach, was man mit dem Gut anfangen kann. Die ökonomische Bedeutung von property rights ist also ihre Anreizwirkung für den Einzelnen68, die sich aus dem Gewinnaneignungs-, dem Nutzungs-, dem Veränderungs- und dem Veräußerungsrecht des Rechteinhabers ergibt.69 Entscheidend ist, dass property rights einem Gut nicht von Natur innewohnen, sondern ihm durch Institutionen wie Rechtsnormen und Verträge verliehen werden.70 Die property rights an einem Gut müssen allerdings nicht vollständig bei einem Akteur liegen, vielmehr kann dieser auch nur Teilrechte an einem Gut innehaben, insofern spricht man dann von „verdünnten“ property rights.71 Diese erhöhen die Möglichkeit des Auftretens von externen Effekten, das heißt der Nutzen oder die Kosten einer Handlung werden nicht allein dem handelnden Individuum, sondern einer Mehrzahl von Individuen zugerechnet, ohne dass diese Effekte marktmäßig verrechnet und ausgeglichen werden.72 Demsetz hat anhand des Beispiels der Wildjagd im Amerika des 18. Jahrhunderts gezeigt, wie durch eine eindeutige Verteilung von Verfügungsrechten unerwünschte externe Effekte internalisiert werden können. Demnach kann64

Williamson, S. 75 f., 79 f. Picot/Reichwald/Wigand, S. 45. 66 Coase, 3 Journal of Law and Economics 1960, 1. 67 Demsetz, 57 The American Economic Review 1967, 347–359. 68 Picot/Reichwald/Wigand, S. 46. 69 Eggertsson, S. 34 f.; Richter/Furubotn, S. 90; ähnlich Alchian, in: Brunner (Hrsg.), Insights from the Conferences on Analysis & Ideology (1979), 233, 239. 70 Picot/Reichwald/Wigand, S. 46. 71 Picot/Reichwald/Wigand, S. 46. 72 Dietl, S. 58 f.; Kilian/Picot/Neuburger/Niggl/Scholtes/Seiler, S. 31. 65

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5. Kapitel: Neue Institutionenökonomik als theoretischer Bezugsrahmen

ten die Indianer keine Jagdbeschränkungen, so dass jeder so viel jagen konnte wie er wollte. Wegen des großen Wildbestandes und der Sinnlosigkeit, übermäßig viele Tiere zu erlegen, verursachte dies keine Probleme. Als nun die Kolonialisten als Jäger hinzukamen, begann der Tierbestand zu sinken. Der Nutzen aus dem übermäßigen Jagen kam dem einzelnen Jäger zugute, der Bestandsrückgang traf alle. Durch eine klare Zuteilung von Jagdgebieten auf die einzelnen Jäger, wurde dann ein individueller Anreiz geschaffen, auf den Tierbestand Rücksicht zu nehmen und langfristig zu planen.73 Klare Verfügungsrechte sind also Voraussetzung dafür, dass ein Unternehmen einen erlangten Innovationsvorsprung sichern und ausnutzen kann. Einen Schritt weiter gedacht lohnen sich innovationsschaffende und innovationssichernde Investitionen nur dann, wenn eine klare Verfügungsrechtsstruktur ermöglicht hieraus Nutzen zu ziehen.74 Kommt es nun dazu, dass neue, bisher unbekannte Externalitäten auftreten, beispielsweise durch technischen Fortschritt, so stellt sich die Frage, ob die bisherige Struktur der Verfügungsrechte angepasst werden muss. Dabei sind der Nutzen, den die bisherige Verfügungsrechtsstruktur aktuell noch bietet, und die Kosten der Änderung gegen den Mehr-Nutzen einer angepassten Verfügungsrechtsverteilung abzuwiegen.75 Allerdings sollen nach dem Coase-Theorem die Marktteilnehmer selbst die Probleme lösen können, die durch neue externe Effekte entstehen, wenn sie über die Allokation von Ressourcen verhandeln und diese ohne Kosten tauschen können. Allerdings setze dies vollständige Information, das Nichtbestehen von Transaktionskosten und eine eindeutige, wie auch immer geartete Verfügungsrechtsverteilung voraus.76 Sind allerdings an den Verhandlungen mehrere Marktteilnehmer beteiligt, so besteht immer die Gefahr des Trittbrettfahrerverhaltens (free riding), das den Umstand beschreibt, dass einzelne sich nicht an den Kosten der Verhandlungslösung beteiligen, aber trotzdem von der Internalisierung des externen Effekts profitieren. 3. Konsequenzen hoher Transaktionskosten und eines großen Maßes an externen Effekten Kommt man durch Anwendung der Transaktionskostentheorie und der Theorie der Verfügungsrechte zu dem Ergebnis, dass sowohl hohe Transaktionskosten als auch ein großes Maß an externen Effekten bestehen, so schließt die Neue Institutionenökonomik hieraus auf den Bedarf an neuen institutionellen Lösungen.77 Aus institutionenökonomischer Sicht ist es die Aufgabe des 73

Demsetz, 57 The American Economic Review 1967, 347, 351 ff. Richter/Furubotn, S. 136. 75 Coase, 3 Journal of Law and Economics 1960, 1, 44. 76 Coase, a.a.O., 2 ff. 77 Kilian/Picot/Neuburger/Niggl/Scholtes/Seiler, S. 32. 74

C. Der Inhalt der Neuen Institutionenökonomik

87

Rechts, durch Schaffung von Institutionen die Transaktionskosten zu senken und die Internalisierung von externen Effekten zu fördern, wenn gesamtwirtschaftlich die Transaktionskosten und negativen externen Effekte höher sind als die Kosten zur Implementierung der Institution.78 Die Begründung, die die Neue Institutionenökonomik für das Streben nach rechtlichen Regelungen in einem Bereich mit hohen Transaktionskosten und einem hohen Grad an externen Effekten dann liefert, besteht darin, dass durch rechtliche Regelungen (Institutionen) alle Beteiligten zu einem höheren Nutzenniveau gelangen als bei nicht durch Institutionen organisiertem Verhalten.79 Beispielsweise kann der Staat durch die Auferlegung von Informationspflichten mehrfach auftretende Informationskosten zentral bündeln und so für Kostenvorteile sorgen. Vor allem aber ist es die Aufgabe einer Privatrechtsordnung Besitz-80 und Transaktionssicherheit zu schaffen.81 Transaktionssicherheit ergibt sich aus der gut begründeten Erwartung, dass die beim Transfer von Nutzungsrechten abgegebenen Versprechen eingehalten werden.82 Dem Recht kommt also eine vertrauenssubstituierende Wirkung zu, weil es erlaubt den anderen zu zwingen, sein Versprechen zu erfüllen oder von ihm jedenfalls den Schaden ersetzt zu bekommen, der durch die Nichterfüllung verursacht wurde.83 Folglich müssen die Vertragspartner ihr Vertrauen im Hinblick auf den Erfolg der Transaktion nicht mehr ausschließlich aus der Position des Vertragspartners ziehen, sondern können einen Teil des Vertrauens aus der Institution des Rechts gewinnen.84

78

Kilian/Picot/Neuburger/Niggl/Scholtes/Seiler, S. 32, 84. Ähnlich Dietl, S. 78 f., indem er das sogenannte Gefangenendilemma durch die Schaffung von Sanktionspotential auflösen will, das abweichendes, nicht kooperatives Verhalten mit zusätzlichen Nachteilen belegt. Das Gefangenendilemma beschreibt die Situation, dass zwei Gefangene eines gemeinsamen Vergehens beschuldigt werden. Beide haben die Möglichkeit, ihre Tat zu gestehen oder zu leugnen. Leugnen beide ihre Schuld, erhalten sie eine Haftstrafe von jeweils einem Jahr, weil ihnen nur kleinere Vergehen nachgewiesen werden können. Sobald einer der beiden als Kronzeugen aussagt, erhält er eine Strafmilderung und kommt nach drei Monaten frei, während der Mittäter aufgrund seiner Falschaussage die Höchststrafe von zehn Jahren absitzen muss. Gestehen beide, werden sie zu acht Jahren Freiheitsentzug verurteilt. 80 Besitzsicherheit liegt vor, wenn die Nutzungsalternativen von Gütern und Ressourcen personell eindeutig zugeordnet sind und diese Zuordnung so weit rechtlich geschützt ist, dass der Nutzungsberechtigte begründete Erwartungen über nicht durch Dritte gestörte Nutzungen bilden kann, vgl. Schmidtchen/Schmidt-Trenz, WiSt 2003, 215, 217. 81 Kronman, 1 Journal of Law, Economics, & Organization 1985, 5, 6. 82 Schmidtchen/Schmidt-Trenz, WiSt 2003, 215, 217. 83 Kilian, in: Weiber (Hrsg.), Handbuch Electronic Business (2002), 995, 1012; MayerSchönberger, in: Pichler (Hrsg.), eBusiness versus Recht (2003), 189, 193. 84 Mayer-Schönberger, in: Pichler (Hrsg.), eBusiness versus Recht (2003), 189, 193 f. 79

88

5. Kapitel: Neue Institutionenökonomik als theoretischer Bezugsrahmen

4. Prinzipal-Agent-Theorie / Adverse Selektion Eng verwandt oder Ausfluss der Theorien der Transaktionskosten und der Verfügungsrechte sind die Ansätze der Prinzipal-Agent-Theorie85 und der Theorie der adversen Selektion86. Unter der Annahme (begrenzt) rational und opportunistisch handelnder Akteure werden die Probleme untersucht, die unvollständige Information in der hierarchischen Beziehung zwischen Prinzipal und Agent sowie in der marktlichen Beziehung zwischen Vertragspartnern auslöst. Nach der Prinzipal-Agent-Theorie hat der Agent gegenüber dem Prinzipal einen Informationsvorsprung in Bezug auf sein eigenes Verhalten, das er im Hinblick auf das angestrebte Ziel besser beurteilen kann. Diesen Vorsprung kann er durch entsprechendes Handeln zum Nachteil des Prinzipals zur eigenen Nutzenmaximierung einsetzen. Konkret bestehen Informationsasymmetrien, wenn der Agent dem Prinzipal vor Vertragsschluss relativ unbekannt ist (versteckte Eigenschaften), der Prinzipal die Handlungen des Agenten nur unvollständig beobachten kann (verstecktes Handeln) oder der Prinzipal die Qualität der Arbeit des Agenten, zum Beispiel aufgrund mangelnder Fachkenntnisse, nicht einschätzen kann (versteckte Information).87 Die adverse Selektion beschreibt einen Zustand, bei dem es auf einem Markt aufgrund von Informationsasymmetrien zwischen den Marktteilnehmern systematisch zu unerwünschten Ergebnissen kommt. Klassisches Beispiel ist das Lemons-Problem von Akerlof88: Auf einem Markt für Gebrauchtwagen werden sowohl gute als auch schlechte (lemons) Autos angeboten. Allerdings kann nur der Verkäufer die Qualitätsunterschiede erkennen. Deshalb wird der Käufer, der keinen Unterschied zwischen guten und schlechten Autos feststellen kann, einen Erwartungswert für die Qualität bilden, der zwischen guter und schlechter Qualität liegt. Dementsprechend wird er nur bereit sein, einen mittleren Preis zu bezahlen. Die Folge ist, dass nur noch der Verkauf schlechter Autos attraktiv ist, weil gute Autos unter Wert verkauft werden müssten. Somit werden die Anbieter guter Gebrauchtwagen systematisch vom Markt gedrängt. Zur Überwindung der Informationsasymmetrien halten Prinzipal-AgentTheorie und die Theorie der adversen Selektion die gleichen Möglichkeiten bereit, die allerdings jeweils Kosten verursachen. Erstens, muss sich der Agent beziehungsweise der Verkäufer durch eindeutige Signale von schlechteren Mitbewerben abgrenzen (signaling). Zweitens, kann der Prinzipal beziehungsweise der Käufer versuchen, durch eigene Maßnahmen sein Informationsdefizit zu beheben (screening). Drittens, können dem Agenten bezie85

Grundlegend: Jensen/Meckling, 3 Journal of Financial Economics 1976, 305–360. Grundlegend: Akerlof, 84 Quarterly Journal of Economics 1970, 488–500. 87 Richter/Furubotn, S. 174. 88 Akerlof, 84 Quarterly Journal of Economics 1970, 488, 490 ff., 495 f. 86

C. Der Inhalt der Neuen Institutionenökonomik

89

hungsweise dem Verkäufer verschiedene Vertragsinhalte angeboten werden, unter denen er wählen kann, beispielsweise einen Vertrag mit oder ohne Garantie. Aus der vom Verkäufer beziehungsweise Agenten getroffene Auswahl kann dann der Prinzipal beziehungsweise Käufer bestimmte Schlüsse ziehen (self selection); zum Beispiel könnte nur ein Verkäufer von guten Gebrauchtwagen kostengünstig eine Garantie abgeben.89

89

Akerlof, 84 Quarterly Journal of Economics 1970, 488, 499 f.

Kapitel 6

Neue institutionenökonomische Analyse internationaler elektronischer Handelsgeschäfte Fraglich ist, wie es aus Sicht der Neuen Institutionenökonomie zu bewerten ist, dass es bisher keine global verbindlichen Rechtsregeln gibt, die speziell für internationale elektronische Transaktionen geschaffen worden sind, und stattdessen internationale Übereinkommen angewandt werden, die für den papierbasierten Geschäftsverkehr entwickelt worden sind1, oder der Streitfall nach Anwendungen der Regeln des internationalen Privatrechts auf der Grundlage eines nationalen Rechts entschieden wird2, das dann möglicherweise über eine E-Commerce-Gesetzgebung verfügt.

A. Internationalität als Transaktionskostenfaktor A. Internationalität als Transaktionskostenfaktor

Aus Sicht der Neuen Institutionenökonomie ist die Internationalität einer Transaktion aufgrund der Relevanz mehrerer Rechtsordnungen ein gravierender Transaktionskostenfaktor, der ein Hinderungsgrund sein kann, die Transaktion durchzuführen. I. Diversität des Rechts als Merkmal des internationalen Handelsverkehrs Die Neue Institutionenökonomie stellt als Problem von internationalen Transaktionen die Unterschiedlichkeit der Privatrechtsordnungen heraus, indem sie den Einfluss, den die Diversität der staatlichen Rechtsordnungen auf ein internationales Handelsgeschäft hat, ins Zentrum der Analyse rückt.3 Sieht man mit der Neuen Institutionenökonomie die Aufgaben der Privatrechtsordnung in der Gewährleistung von Besitz- und Transaktionssicherheit, 1 Grundlegend CISG-Advisory Council, Opinion no 1 Electronic Communications under CISG, . 2 Grundlegend Mankowski, AfP 1999, 138, 138 ff.; Junker, RIW 1999, 809, 809 ff.; für die USA vgl. auch Goldsmith, 65 U. Chi. L. Rev. 1998, 1199, 1212 ff. 3 Namentlich Schmidtchen/Schmidt-Trenz, WiSt 2003, 215, 215 haben die Frage formuliert, welche spezifischen Probleme für die grenzüberschreitende Kooperation aus der Rechtszersplitterung und der Territorialität des Rechts entstehen. Für einen kurzen Überblick über Probleme, die sich bei internationalen Handelsverträgen ergeben können, vgl. auch Hartung, FAZ v. 28.5.2008, S. 21. Vgl. Rühl, S. 29 ff.

A. Internationalität als Transaktionskostenfaktor

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stellt man fest, dass eine nationale Rechtsordnung diese Leistungen der internationalen Transaktionen nicht erbringen kann, weil der Staat das für die Besitz- und Transaktionssicherheit notwendige Gewaltmonopol nur auf seinem Territorium innehat.4 Infolge des Fehlens eines Staates mit grenzüberschreitendem Gewaltmonopol sind die property rights im internationalen Handelsverkehr deshalb nur mangelhaft geschützt5, so dass rechtliche Freiräume entstehen, die negativ formuliert als Rechtsunsicherheit zu bezeichnen sind. Folgt man der Grundannahme der individuellen Nutzenmaximierung, dann ist von einem opportunistischen Ausnutzen dieser Freiräume auszugehen.6 Letztlich entstehen so qualitativ besondere Koordinationsprobleme, die sich in entsprechenden Transaktionskosten widerspiegeln.7 II. Das internationale Tauschdilemma Die Entstehung der Koordinationsprobleme kann mit einem strategischen Spiel8 belegt werden, das zum so genannten internationalen Tauschdilemma9 führt. 10

4

Schmidtchen/Schmidt-Trenz, WiSt 2003, 215, 217; das Gewaltmonopol des Staates über ein bestimmtes Territorium hat bereits Hobbes als grundlegend für ein zivilisatorisches Zusammenleben beschrieben; die sich hieran anschließend von der Konstitutionenökonomik um Buchanan herausgearbeitete Erkenntnis, dass dies die Voraussetzung für wohlfahrtssteigernde Interaktion ist, hat auch die neoliberale Staatskritik nicht in Frage gestellt, vgl. Sautter, S. 219. 5 Schmidtchen/Schmidt-Trenz, WiSt 2003, 215, 217. 6 Ein praktisches Beispiel hierfür liefert der berühmte Fall Yahoo!, Inc. v. La Ligue Contre Le Racisme et L’Antisemitisme, 145 F. Supp. 2d 1168 (N.D.Cal.2001): Nachdem Yahoo! vor einem französischen Gericht dazu verurteilt worden war, den Zugang zu Neonazipropaganda-Webseiten zu beschränken, erhob das Unternehmen vor einem USamerikanischen Gericht eine Gegenklage, um feststellen zu lassen, dass die französische Entscheidung unwirksam sei. Entlarvend bemerkte der Geschäftsführer von Yahoo!Frankreich Philippe Guillanton hierzu: „We hope that a US judge will confirm that a nonUS court does not have the authority to tell a US company how to operate.” Vgl. Goldsmith/Wu, S. 8. 7 Schmidtchen/ Schmidt-Trenz, WiSt 2003, 215, 218; im Ergebnis ebenso MayerSchönberger, in: Pichler (Hrsg.), eBusiness versus Recht (2003), 189, 203; G.-P. Calliess, in: Donges/Mai (Hrsg.), E-Commerce und Wirtschaftspolitik (2001), 189, 195; Basedow, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 57, 63. 8 Die Modellierung einer Situation als Spiel ist zentrales Analyseinstrument der Spieltheorie (Game Theory). 9 Das Tauschdilemma ist eine Variante des Gefangenendilemmas, vgl. Schmidtchen/ Schmidt-Trenz, WiSt 2003, 215, 219. 10 Das folgende Spiel ist eine stark vereinfachte Variante des von Schmidtchen/ Schmidt-Trenz, WiSt 2003, 215, 218 f. präsentierten Spiels.

6. Kapitel: Institutionenökonomische Analyse int. elektron. Handelsgeschäfte

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Das Unternehmen A aus Land α und das Unternehmen B aus Land β wollen eine Transaktion vornehmen, die eine Spezialisierung erfordert. A produziert in Autarkie vier Einheiten des Gutes X und zwei Einheiten des Gutes Y, weil es einen komparativen Vorteil in der X-Produktion hat, das heißt der Aufwand für die Produktion von vier X-Einheiten entspricht dem Aufwand für die Produktion von zwei Y-Einheiten. B hingegen stellt zwei Einheiten des Gutes X und vier Einheiten des Gutes Y her, da bei B die Y-Herstellung komparativ vorteilhaft ist. Gemeinsames Ziel von A und B müsste es nun sein, dass sich A auf die Herstellung von X und B auf die Produktion von Y spezialisiert, um anschließend die Güter zu tauschen. Infolge der Spezialisierung könnte A acht Einheiten X und B acht Einheiten Y produzieren, wobei beide null Einheiten des jeweils anderen Gutes hätten. Ein Tausch von jeweils vier Einheiten würde zu dem Ergebnis führen, dass nun beide vier Einheiten X und vier Einheiten Y besäßen, wodurch sie insgesamt jeweils mehr Einheiten (acht) als in der Autarkielage (sechs) innehätten. Ausgehend von der Grundannahme des Bestehens unvollständiger Information müssen allerdings beide Unternehmen ihre Spezialisierungsentscheidung in Unkenntnis darüber treffen, wie sich das andere Unternehmen verhält, so dass die Vornahme der Spezialisierung zur Vorleistung wird.11 Dies führt zum Tauschdilemma, denn wenn A durch Spezialisierung und Übergabe von vier Einheiten X vorleistet, B aber bei der ursprünglichen Produktion bleibt und auch nichts davon abgibt, dann beendet B das Spiel mit sechs Einheiten X und vier Einheiten Y, was für B im Vergleich zu Spezialisierung und Tausch vorteilhaft wäre.12 Für das Unternehmen A bedeutet dies, dass der Wert seiner Vorleistung entscheidend von B’s Verhalten abhängt. Kommt es nicht zur Transaktion, dann ist der Wert der Vorleistung nicht null, sondern negativ, der Nutzen ist niedriger als in der Autarkielage13, denn schließlich würde A das Spiel mit lediglich vier Einheiten X beenden. Damit ist das Verharren in der Autarkielage die dominante Strategie14 von A und B, so dass es nicht zum Handel kommt. Nun wird man diesem Tauschspiel entgegenhalten, dass es von Verhandlungen und Leistungsversprechen abstrahiert, die von den Unternehmen im Vorfeld der Transaktion durchgeführt worden sein werden. Allerdings können Leistungsversprechen das Spiel nur dann beeinflussen, wenn eine Abwei-

11

Schmidtchen/Schmidt-Trenz, WiSt 2003, 215, 218. Dass dieses Verhalten zu unterstellen ist, ergibt sich aus der Grundannahme der individuellen Nutzenmaximierung, vgl. Kap. 5 C. III. 13 Schmidtchen/Schmidt-Trenz, a.a.O., 218. 14 Eine Strategie ist dominant, wenn sie die Auszahlung eines Spielers maximiert, unabhängig davon, welche Strategie der andere Spieler wählt, vgl. Holler/Illing, S. 6. 12

A. Internationalität als Transaktionskostenfaktor

93

chung von den Versprechen mit Kosten verbunden ist, ansonsten stellt sie nur „cheap talk“ dar, der nicht glaubhaft ist.15 In Abwesenheit von glaubhaften Leistungsversprechen kommt es also bei internationalen Transaktionen zu ineffizienter Koordination des Verhaltens, die einen Verlust an Kooperationsrente bewirkt, der Teil der Transaktionskosten ist.16 Das Tauschspiel zeigt allerdings nicht nur das Problem auf, sondern hält auch die Lösung parat: Die Transaktionskosten können gesenkt werden, indem die Leistungsversprechen glaubhaft gemacht werden, so dass es der individuellen Nutzenmaximierung entspricht, eine kooperative Strategie zu wählen.17 Dies ist nichts anderes als die Frage nach effizienten18 Institutionen für den internationalen Handelsverkehr, die den Vertrag seine ökonomische Funktion als „planender Mechanismus zur Stabilisierung unsicherer Erwartungen und zur Verringerung von Handlungskomplexität“19 ausüben lassen. III. Rechtsunsicherheitsebenen Da die Diversität des Rechts und damit die Rechtsunsicherheit bei internationalen Transaktionen als Grundlage des Koordinationsproblems beziehungsweise erhöhter Transaktionskosten beschrieben wurde, ist hierauf näher einzugehen, indem die verschiedenen juristischen Ebenen betrachtet werden, auf denen Rechtsunsicherheit auftreten kann. Bei jeder Streitigkeit, die sich bei einem internationalen Handelsgeschäft ergibt, stellt sich zunächst die Frage, welches Gericht in welchem Land zur Entscheidung über den Rechtsstreit berufen ist. Dies ist die Frage nach der internationalen Zuständigkeit.20 Ihre Beantwortung ist für die Streitparteien aus verschiedenen Gründen von entscheidender Bedeutung. Unterscheidet sich das Forumland vom Land, in dem eine Partei ihren Sitz hat, dann kann der räumliche Unterschied Hindernisse für die Zustellungen an die Partei, für deren Verkehr mit dem Gericht sowie mit einem Anwalt am Gerichtsort, für 15

Schmidtchen/Schmidt-Trenz, a.a.O., 219. Schmidtchen/Schmidt-Trenz, WiSt 2003, 215, 219. 17 Schmidtchen/Schmidt-Trenz, a.a.O., 219; als Möglichkeiten auf Unternehmensseite nennt G.-P. Calliess, in: Zürn/Zangl (Hrsg.), Verrechtlichung – Baustein für Global Goverance (2004), das Beachten der Reputation der Handelspartner, das Nutzen von Akkreditiven und relationalen Verträgen, die Internalisierung von Marktbeziehungen in hierarchische Organisationen, das Erlangen einer marktbeherrschenden Stellung sowie das Factoring. 18 Spieltheoretisch bedeutet Effizienz, dass die Summe der Auszahlungen aller Spieler maximiert wird, vgl. Holler/Illing, S. 73. 19 So Mankowski, IPRax 2003, 127, 131; ähnlich Kirchner, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 33, 45. 20 Kropholler, IPR, S. 606. 16

6. Kapitel: Institutionenökonomische Analyse int. elektron. Handelsgeschäfte

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die Ladung und das Erscheinen von Zeugen oder für die Beschaffung sonstiger Beweismittel bereiten.21 Auch die Verschiedenheit von Gerichtssprache und Vertragssprache beziehungsweise Landessprache am Sitz des nicht aus dem Forumland stammenden Unternehmens kann Probleme bereiten.22 Diese Hindernisse sind gleichbedeutend mit zusätzlichen Kosten, die die betroffene Partei zumindest teilweise zu tragen hat. Noch wichtiger dürfte aber sein, dass die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit auch dafür maßgeblich ist, nach welchem internationalen Privatrecht (Kollisionsrecht) das auf den Sachverhalt anwendbare Recht bestimmt wird.23 Die zuständigen Gerichte wenden nämlich die Regeln des internationalen Privatrechts ihres Landes an, um das Sachrecht des Rechtsstreits festzulegen. Darüber hinaus ist die internationale Zuständigkeit auch für das den Prozess beherrschende Verfahrensrecht sowie die Reichweite der Vollstreckbarkeit des Urteils maßgeblich.24 Folglich haben etwaige Unklarheiten bei der internationalen Zuständigkeit für die beteiligten Unternehmen weit reichende Konsequenzen. Sie können sich dann nicht sicher sein, in welchem Land sie einen etwaigen Rechtsstreit austragen werden, nach welchem Recht entschieden wird, welches Verfahrensrecht einschlägig sein wird und inwiefern der Forumstaat ein Land sein wird, das die internationale Vollstreckbarkeit des Urteils bedingt. Ist die internationale Zuständigkeit eines Landes begründet worden, bleibt es trotzdem denkbar, dass Rechtsunsicherheit besteht. Das in dem Land zuständige Gericht muss nach den Regeln des internationalen Privatrechts, die in seinem Land gelten, das auf den Sachverhalt anwendbare Recht bestimmen. Bei divergierendem Kollisionsrecht wird es für die Unternehmen nur schwer prognostizierbar sein, auf der Grundlage welchen Rechts ihr Streit entschieden wird.25

21

Neuhaus, RabelsZ 20 (1955) 201, 232. Ausführlich dazu Neuhaus, RabelsZ 20 (1955) 201, 233 f. 23 Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 14; G.-P. Calliess, in: Donges/Mai (Hrsg.), E-Commerce und Wirtschaftspolitik (2001), 189, 194; Junker, RIW 1999, 809, 809. 24 Kropholler, IPR, S. 607; Schrammen, S. 3. 25 Vgl. hierzu die plastische Aussage der Ex-Yahoo!-Vizepräsidentin Heather Killen: „It is very difficult to do business if you have to wake up every day and say OK, whose laws do I follow?”, wiedergegeben in: Goldsmith/Wu, S. 2; vgl. auch die Pressemitteilung des BMJ zur neuen Rom-I Verordnung vom 7.12.2007, bei der explizit das Ziel genannt wird, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr Rechtssicherheit zu schaffen, und als Beispielsfall ein klassischer Fall eines elektronischen Handelsvertrags angeführt wurde: „Bestellt ein deutscher Unternehmer über eine interaktive Webseite im Internet bei einem portugiesischen Händler Wein, stellt sich die Frage, ob auf den Kaufvertrag deutsches oder portugiesisches Recht anzuwenden ist...“, abrufbar unter: . 22

B. Informationstechnologie als Transaktionskostenfaktor

95

Darüber hinaus wirken internationales Zuständigkeits- und Privatrecht dahingehend zusammen, dass bei einer Mehrzahl potentieller Gerichtsstände der Kläger durch geschickte Auswahl des Gerichts über das anwendbare Kollisionsrecht des Forums die zur Streitentscheidung maßgeblichen Sachnormen bestimmen kann. Man spricht in diesem Fall, dann von „forum shopping“. Letztlich ist relevant, dass ein erstrittenes Urteil auch durchsetzbar ist. Zwar kann die Durchsetzbarkeit eines Urteils im Entscheidungsstaat grundsätzlich als gesichert angesehen werden26, bei internationalen Handelsgeschäften kann allerdings gerade der Durchsetzbarkeit im Ausland entscheidende Bedeutung zukommen, insbesondere dann, wenn die unterlegene Partei kein Vermögen im Forumstaat hat. Hierfür sind die Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln für ausländische Entscheidungen des Staates maßgeblich, in dem das Urteil durchgesetzt werden soll27; Divergenzen und Unklarheiten bewirken auch an dieser Stelle ein Koordinationsproblem.

B. Informationstechnologie als Transaktionskostenfaktor B. Informationstechnologie als Transaktionskostenfaktor

Der elektronische Handelsverkehr weist Möglichkeiten auf, die Transaktionskosten für die Anbahnung und Abwicklung von geschäftlichen Leistungsbeziehungen im Vergleich zum papierbasierten Handel deutlich zu senken. Dies lässt sich exemplarisch am Beispiel des Transaktionsmusters „Kauf“ zeigen. Ein Kauf bedarf grundsätzlich mehrerer Schritte: Das Produkt muss identifiziert werden, seine Eigenschaften müssen ausgewertet werden, Preise verglichen und verhandelt werden, die Bestellung und anschließende Zahlung müssen erfolgen und letztlich muss das Produkt geliefert werden. Jeder dieser Schritte bedarf Informationen, die koordiniert werden müssen, und verursacht somit Kosten. Die Kosten nehmen zu, wenn die Faktoren Zeit und Entfernung eine Rolle spielen. Gerade dies ist beim elektronischen Geschäftsverkehr aber nicht der Fall.28 Die verschiedenen Schritte können integriert und zu jeder Zeit über ein Netzwerk abgewickelt werden.29 Allerdings können beim elektronischen Geschäftsverkehr Transaktionskosten auftreten, die bei der traditionellen Geschäftsabwicklung nicht bestanden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine unklare Rechtslage bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften rechtliche Freiräume schafft30,

26

Kropholler, IPR, S. 607. Kropholler, a.a.O., S. 607. 28 Zur Irrelevanz der Zeit- und Raumdimension bei elektronischen Verträgen vgl. Kilian/Heussen-Kilian, Teil 2, Rn. 5. 29 Vgl. OECD, Sacher Group Report, S. 28. 30 Ähnlich Kilian/Picot/Neuburger/Niggl/Scholtes/Seiler, S. 32 in Bezug auf klassischen EDI; vgl. auch Nichols, 15 Am. U. Int'l L. Rev. 1999/2000, 1379, 1380. 27

6. Kapitel: Institutionenökonomische Analyse int. elektron. Handelsgeschäfte

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die der Grundannahme der individuellen Nutzenmaximierung entsprechend opportunistisch genutzt werden. Denn hierauf muss dann mit besonderen Kontroll- und Überwachungsmechanismen wie einem erhöhten Aufwand bei der juristischen Prüfung im Vorfeld der Transaktion31 und durch Gerichtsoder Schiedsverfahren bei der Abwicklung der Leistungsbeziehung reagiert werden32. Die Folge sind hohe Transaktionskosten, wobei nicht die absolute Höhe entscheidend ist, sondern vor allem die Höhe relativ zum Transaktionswert.33 Nur wenn ein hinreichend großer relativer Unterschied von Transaktionswert und Transaktionskosten besteht, kann das Recht seiner Rolle als Vertrauensquelle nachkommen, denn nur dann lohnt sich die Rechtsdurchsetzung.34 Das bedeutet allerdings auch, dass beim elektronischen Handelsverkehr höhere Transaktionskosten akzeptabel sind als bei Geschäften zwischen Unternehmen und Verbrauchern, da bei letzteren der Transaktionswert regelmäßig geringer ist. Rechtsunsicherheit kann sich aus dem Faktor Informationstechnologie vor allem dann ergeben, wenn Rechtsregeln ursprünglich für den papierbasierten Handel entwickelt worden sind und nicht ohne weiteres auf den elektronischen Geschäftsverkehr übertragbar sind.35 Dies kann bei den Regelungen der internationalen Zuständigkeit, des internationalen Privatrechts sowie der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen der Fall sein. Darüber hinaus kann der elektronische Geschäftsverkehr allerdings auch bei der Anwendung und Auslegung des maßgeblichen Sachrechts Probleme bereiten, wenn dieses ausschließlich auf die traditionelle Geschäftsabwicklung zugeschnitten ist. Auch in diesem Fall bleibt der Ausgang eines Rechtsstreits für die beteiligten Unternehmen nur schwer kalkulierbar, so dass der Faktor Informationstechnologie die hinsichtlich des Faktors Internationalität präsentierten Rechtsunsicherheitsebenen um eine weitere ergänzt. Somit kann bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften Rechtsunsicherheit in vierfacher Hinsicht bestehen: in Bezug auf das für die Streitentscheidung zuständige Gericht, hinsichtlich der Bestimmung des auf den Sachverhalt anwendbaren Rechts, bezüglich der Durchsetzbarkeit eines Urteils sowie im Hinblick auf die Anwendung und Auslegung des anwendbaren Sachrechts einschließlich der Verbindlichkeit der elektronischen Kommunikation. 31

Nach Williamson, S. 22 f. ergeben sich hieraus ex ante-Transaktionskosten. Nach Williamson, S. 24 folgen hieraus ex post-Transaktionskosten. 33 Mayer-Schönberger, in: Pichler (Hrsg.), eBusiness versus Recht (2003), 189, 194. 34 Mayer-Schönberger, a.a.O., 194; im Ergebnis ebenso G.-P. Calliess, in: Donges/Mai (Hrsg.), E-Commerce und Wirtschaftspolitik (2001), 189, 195. 35 Kilian/Picot/Neuburger/Niggl/Scholtes/Seiler, S. 32 sprechen in Bezug auf klassischen EDI davon, dass Transaktionskosten auftreten können, wenn diese Kommunikationsform auf ein nicht an die neue Situation angepasstes institutionelles Gefüge trifft; allgemeiner Nichols, 15 Am. U. Int'l L. Rev. 1999/2000, 1379, 1403. 32

Kapitel 7

Denkmodelle zur Bewältigung der Transaktionskostenproblematik Somit stellt sich die Frage wie man die Transaktionskostenproblematik bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften überwinden kann, um das Ziel der Steigerung des internationalen elektronischen Handelsverkehrs zu erreichen. Die Antwort der Neuen Institutionenökonomie ist, dass Institutionen geschaffen werden müssen, die die wechselseitigen Leistungsversprechen der Handelspartner glaubhaft machen, so dass eine Situation entsteht, in der es dem Grundsatz der individuellen Nutzenmaximierung entspricht, sich kooperativ zu verhalten und dadurch die Transaktionskosten zu senken. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass die Institutionen rechtlicher Natur sein müssen. Es muss sich lediglich um Verhaltenserwartungen handeln, deren (soziale) Sanktionen es dem Einzelnen nutzenmaximierend erscheinen lassen, sich kooperativ zu verhalten. Kilian hat vor einiger Zeit zur Bewältigung der Rechtsprobleme des Internets mit dem Verrechtlichungs-, dem Selbstverwaltungs- und dem Nutzerschutzmodell drei Denkmodelle zur Diskussion gestellt1, die bei der Bestimmung des Charakters der für internationale elektronische Handelsgeschäfte zu schaffenden Institutionen wieder aufzugreifen sind.

A. Das Selbstverwaltungsmodell A. Das Selbstverwaltungsmodell

Das Selbstverwaltungsmodell beschreibt Kilian als Kombination von Verhaltensregeln und Geschäftsbedingungen, die die Bereitschaft und den Konsens der Netzwerkbetreiber, Diensteanbieter und Nutzer voraussetzen.2 Es geht hier also um die Lex Informatica oder das Cyberlaw, die/das in völliger Un-

1

Kilian, FS Pieper (1998), 263, 273; ähnlich Rühl, S. 45 ff., die bei den Ansätzen zur Überwindung des internationalen Transaktionsdilemmas zwischen der zentral gesteuerten öffentlicher Regulierung (public ordering) und der dezentral gesteuerten privaten Regulierung (private odering) unterscheidet. 2 Kilian, FS Pieper (1998), 263, 273 f.

7. Kapitel: Bewältigung der Transaktionskostenproblematik

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abhängigkeit vom Staat ihre/seine Wirkung entfaltet und auch nicht auf Vollstreckung durch staatliche Gerichte angewiesen ist.3 Es stellt sich also die Frage, ob auf diesem Weg Institutionen geschaffen werden, die bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften rechtliche Regelungen entbehrlich machen. I. Fallbeispiele für Institutionen der Selbstverwaltung In Zusammenhang mit einem reinen Selbstverwaltungsmodell werden immer wieder die Nützlichkeit von Gütesiegeln sowie Reputations- und Feedbacksystemen angeführt. Die Frage ist, ob diese Systeme im Vergleich zu normativen Regelungen Vorteile bieten. 1. Gütesiegel Gütesiegel sind darauf ausgerichtet, das Vertrauen zu steigern, das dem Zertifizierten bezüglich eines bestimmten Verhaltens entgegengebracht wird.4 Da diese Steigerung unabhängig von rechtlichen Regelungen erfolgen soll, sind Gütesiegel dem Modell der Selbstverwaltung zuzuordnen. Trotzdem lösen sie Erwartungen hinsichtlich eines gewissen Unternehmensgebarens aus, das bei Abweichung potentiell zu einer Sanktion wie Strafzahlung, Veröffentlichung des defektiven Verhaltens oder Siegelentzug führt5. Folglich sind Gütesiegel Institutionen, bei denen sich, sofern sie sich auf die Durchführung von Transaktionen beziehen, die Frage stellt, ob sie effizient genug sind, um – durch Verringerung von Verhaltensunsicherheiten und Transaktionskosten – zur Überwindung des internationalen Tauschdilemmas im elektronischen Geschäftsverkehr beitragen zu können. a) Funktionsweise Das Prinzip der Gütesiegel ist es, durch die Einschaltung eines vertrauenswürdigen Dritten6 in Form des Gütesiegelanbieters das Vertrauen der (vorleistungspflichtigen) Partei in ihren Geschäftspartner zu erhöhen.7 Das Güte3

Grundlegend Johnson/Post, 48 Stan. L. Rev. 1995/96, 1367, 1367 ff. Von einem Modell der begrenzten Selbstverwaltung geht Trakman, 53 Univ. of Toronto L.J. (2003), 265, 297 aus, wenn er vorschlägt, dass auf der Lex Informatica beruhende private Schiedsurteile mittels der staatlichen Rechtsordnung vollstreckbar sein sollten; in diese Richtung auch Metzger, S. 534 f. 4 Bock, S. 177. 5 Zu den Sanktionierungsmöglichkeiten vgl. Noll/Winkler, Der Markt 2004, 23, 29. 6 Dies ähnelt dem von Rühl, S. 52 f. beschriebenen herkömmlichen Ansatz, zur Stabilisierung von Verhaltenserwartungen bekannte Vermittler (Handelsmaker, Handelsvertreter etc.) in die Transaktion einzubeziehen. 7 Noll/Winkler, Der Markt 2004, 23, 26.

A. Das Selbstverwaltungsmodell

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siegel soll die ordnungsgemäße Durchführung der Transaktionsleistung glaubhaft machen, da ein Fehlverhalten den Verlust des Siegels bedeuten kann. Denn ist der hierdurch in der Zukunft entstehende Verlust größer als der gegenwärtige Gewinn aus dem betrügerischen Verhalten, wird der Zertifizierte unter Annahme individueller Nutzenmaximierung und (begrenzter) Rationalität nicht defektieren. b) Effizienz Die Vertrauenswürdigkeit des Gütesiegelanbieters setzt indes voraus, dass er oder das von ihm angebotene Gütesiegel bekannt ist, sein Verhältnis gegenüber dem Zertifizierten neutral ist, dass es keine finanziellen Interessenkonflikte gibt und dass die Voraussetzungen für die Verleihung des Gütesiegels laufend überprüft werden beziehungsweise fehlerhaftes Verhalten zum Gütesiegelentzug führt.8 Das Nichterfüllen dieser Voraussetzungen kennzeichnet allerdings die im elektronischen Geschäftsverkehr bestehenden Gütesiegel. Die Evaluation der siegelbeantragenden Unternehmen erfolgt regelmäßig durch Selbstauskünfte der Unternehmen und eine Überprüfung vor Ort ist in den seltensten Fällen vorgesehen.9 Bei der Kontrolle wird sich vor allem auf ex post eingehende Kundenbeschwerden gestützt.10 Durch dieses Vorgehen können betrügerische Unternehmen nicht ex ante erkannt werden11, wodurch das Vertrauen in das Gütesiegel erheblich reduziert wird. Als Hintergrund des Verzichts auf komplexe und kostspielige Prüf- und Kontrollverfahren kommt vor allem eine auf Eigeninteresse der Anbieter gestützte Strategie in Betracht. Durch eine rasche kostengünstige Verbreitung des Siegels soll schnell eine kritische Masse zur Wertsteigerung des Siegels erreicht werden.12 Der so beschriebene finanzielle Interessenkonflikt schmälert das Vertrauen in die Gütesiegel abermals. Die Ineffizienz von Gütesiegel im elektronischen Geschäftsverkehr wird auch durch die Vielzahl der Anbieter und eine fehlende Standardisierung gefördert.13 Die Folge ist eine Unübersichtlichkeit, die hohe Informationskosten für den Geschäftspartner auslöst, wenn er herausfinden will, wofür ein Gütesiegel steht und ob der Zertifizierer hinreichend seriös ist. Für den internationalen elektronischen Geschäftsverkehr kommt hinzu, dass es kaum Gütesiegel gibt, die länderübergreifend ausgerichtet sind.14 Als 8

Noll/Winkler, Der Markt 2004, 23, 26. Noll/Winkler, Der Markt 2004, 23, 28 ff. mit einem anschaulichen Vergleich einer Vielzahl von Gütesiegeln. 10 Noll/Winkler, a.a.O., 29. 11 Noll/Winkler, a.a.O., 30. 12 Noll/Winkler, a.a.O., 29. 13 Noll/Winkler, a.a.O., 26. 14 Noll/Winkler, a.a.O., 27. 9

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gelungenes Beispiel kann allerdings die Zertifizierungskennzeichnung „CE“ angeführt werden. Mit dieser Kennzeichnung wird bestätigt, dass Telekommunikationsgeräte bei richtiger Installierung, Wartung und Benutzung in der Europäischen Union die funktionalen Anforderungen einschließlich Konformitätsbewertung in einem besonders festgelegten Verfahren (Tests; Zertifizierung; akkreditierte Organisationen) erfüllen.15 Durch die CE-Kennzeichnung erübrigen sich Kontrollen auf der Grundlage unterschiedlicher nationaler Anforderungen und damit werden technische Handelsschranken überwunden.16 c) Zwischenergebnis Die bestehenden Gütesiegel sind nicht effizient genug, um zur Überwindung des internationalen Tauschdilemmas im elektronischen Geschäftsverkehr beitragen zu können. 2. Reputations- und Feedbacksysteme Neben den Gütesiegeln sind für das Selbstverwaltungsmodell in jüngster Zeit vor allem Systeme relevant geworden, die darauf beruhen, dass die Nutzer das Verhalten oder die Produkte anderer Nutzer bewerten. Mittels kollektiver Intelligenz soll Vertrauen hinsichtlich des Leistungsversprechens eines Nutzers geschaffen werden, indem das Reputations- beziehungsweise Feedbacksystem Informationen liefert, die in die Prognose über das zukünftige Verhalten des Geschäftspartners einfließen17. Darüber hinaus lässt das Bestehen dieser Systeme die Nutzer vertrauenswürdiger erscheinen, da die Möglichkeit der Sanktionierung von unkooperativem Verhalten mit negativen Bewertungen besteht.18 Reputations- und Feedbacksysteme haben also das Potential, ein von den Erwartungen abweichendes Verhalten mit sozialen Sanktionen, nämlich einer negativen Bewertung beziehungsweise Kritik abzustrafen, mithin sind sie Institutionen.

15

Art. 3 der Telekommunikationsendgeräterichtlinie (Richtlinie 94/46/EWG, ABl. EG Nr. L 268 vom 19.10.1994, S. 15) i.d.F. der CE-Konformitätskennzeichnungsrichtlinie (Richtlinie 93/68/EWG, ABl. EG Nr. L 220 vom 13.8.1993, S. 1); §§ 7–9 Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtigungen (FTEG) vom 31.1.2001 sowie VO (EG) Nr. 765/2008. 16 Kilian, EWR, Rn. 956. 17 Keser, 42 IBM Systems Journal 2003, 498, 499. 18 Keser, a.a.O., 500; Rühl, S. 54 f.

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a) Das eBay-Reputationssystem Das bekannteste Reputationssystem stammt wohl vom Auktionsplattformbetreiber eBay19 und soll daher analysiert werden. aa) Funktionsweise Das eBay-Reputationssystem gibt sowohl dem Käufer als auch dem Verkäufer die Möglichkeit, den Transaktionspartner zu bewerten; eine Pflicht hierzu besteht nicht. Bevor man an einer eBay-Transaktion teilnehmen kann, infolge derer die Möglichkeit der Erstellung eines Feedbacks besteht, bedarf es einer Registrierung, bei welcher der Name, die Adresse, die Telefonnummer, das Geburtsdatum und die Emailadresse angeben werden muss. Außerdem ist bei der Anmeldung ein Pseudonym in Form des eBay-Mitgliedsnamen sowie ein Passwort zu wählen20, das Pseudonym allein ist dann bei einer eBay-Transaktion für die anderen Nutzer sichtbar. Bei der Anmeldung als Unternehmen bedarf es keiner Auswahl eines Pseudonyms; in diesem Fall erscheint dann bei den Transaktionen der Unternehmensname. Wird bei der Anmeldung als Privatperson oder als gewerblicher Nutzer eine Emailadresse eines Internetdienstanbieters verwendet, dessen Zertifizierungsverfahren eBay unbekannt ist, werden bei einer Anmeldung bei eBay Deutschland (ebay.de) die Anmeldedaten von der SCHUFA geprüft, bei einer Anmeldung über ebay.com und grundsätzlich für eine Anmeldung als Verkäufer muss eine Kreditkarte angegeben werden.21 Bei der Anbahnung einer Transaktion über eBay sieht der Käufer zunächst nicht den Reputationswert des Verkäufers. Die Suchliste gibt nur die Artikelbezeichnung, den Preis, die Versandkosten, ob es sich um ein „Verkäufer mit Top-Bewertung“ handelt, die Zahl der Gebote und die Restlaufzeit der Auktion an. Erst mit Klicken auf die Artikelbezeichnung und dem Gelangen auf die 19 Die wirtschaftliche Bedeutung von eBay folgt aus einem Nettoumsatz von USD 11,672 Milliarden und Handelsvolumen von USD 68,633 Milliarden im Geschäftsjahr 2011. Die Bedeutung von eBay im B2B-Geschäft zeigt sich an einem Handelsvolumen von USD 2,951 Milliarden der eBay Kategorie Business, Office & Industry. 20 Ferner muss eine Zustimmung zu den AGB und der Datenschutzerklärung durch die Markierung von Kontrollkästen und das Klicken des „Ich akzeptiere und willige ein“Buttons erfolgen, womit laut eBay-Webseite auch eine Einwilligung der Datenübermittlung an die eBay International AG sowie an die SCHUFA verbunden sein soll. 21 Dies wird der Regelfall sein, weil eBay laut eigener Aussage vor allem kostenlose, webbasierte Email-Konten wie Yahoo! oder Hotmail (somit also auch web.de, gmx.de) meint. Nicht gemeint seien hingegen Emailadressen eines Unternehmens, einer Bildungseinrichtung oder eines kostenpflichtigen Internet-Dienstanbieters, vgl. sowie .

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Produktbeschreibungsseite sind Angaben zum Verkäufer ersichtlich, die auch die Anzahl der Bewertungspunkte (Scorewert) sowie die Prozentzahl der positiven Bewertungen22 enthalten. Der Scorewert ergibt sich aus der Summe der positiven Bewertungen subtrahiert um die Summe der negativen Bewertungen.23 Ein Klick auf den Scorewert ermöglicht es dem Käufer, ein detailliertes Bewertungsprofil des Verkäufers aufzurufen, das eine Aufschlüsselung nach der Zahl der positiven, der neutralen und der negativen Bewertungen sowie der letzte zwölf Monate enthält. Auch alle Feedbackkommentare sind durch Scrollen einsehbar. Allerdings gibt es keine Möglichkeit, über eine einfache Suche die negativen Kommentare aufzurufen. Für den Verkäufer bestehen bei der Transaktionsanbahnung ähnliche Möglichkeiten, sich über die eBay-Reputation des Käufers zu informieren. Nachdem die Transaktion durchgeführt worden ist, können beide Parteien die Gegenseite bewerten, wobei die Bewertungskategorien positiv (+1 Bewertungspunkt), neutral (0 Bewertungspunkte) und negativ (-1 Bewertungspunkt) sind. Außerdem kann ein kurzer Feedbackkommentar hinterlassen werden. bb) Effizienz Die Effizienz des eBay-Reputationssystems setzt zunächst einmal voraus, dass eine möglichst große Anzahl von Nutzern Bewertungen abgeben, denn nur so können mittels kollektiver Intelligenz aussagekräftige Bewertungsprofile entstehen. Empirische Studien haben belegt, dass die Feedback-Quote bei eBay zwischen 50% und 60% liegt.24 Dieser Wert mag zwar angesichts der Tatsache, dass es bei eBay keine direkten Anreize zur Bewertungserstellung gibt25, erstaunen, ob er allerdings geeignet ist, das Leistungsversprechen eines internationalen Transaktionspartners glaubhaft zu machen, erscheint zweifelhaft.

22 Mit dem Ausweisen der Prozentzahl der positiven Bewertungen hat eBay im Jahre 2003 begonnen, vgl. Resnick/Zeckhauser/Swanson/Lockwood, 9 Exp Econ 2006, 79, 82 Fn. 3. 23 Vgl. eBay-webseite, . 24 Vgl. Resnick/Zeckhauser, S. 8, 11, die das Feedback bezüglich 36.233 einzelner Gegenstände untersucht haben, die am 20.2.1999 bei eBay gelistet waren und verkauft wurden. 25 Ein direkter Anreiz wäre beispielsweise, dass die Nutzer für die Erstellung einer Evaluation bezahlt werden und es einen Bonus gibt, wenn die Einschätzung und das zukünftige Verhalten korrelieren, vgl. Resnick/Zeckhauser, S. 5. Indirekte Anreize existieren beispielsweise in der Form, dass man sich durch die Erstellung einer Bewertung auch eine Bewertung über sich selbst erhofft, die den eigenen Scorewert steigert.

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Für größere Zweifel an der Effizienz des eBay-Reputationssystems sorgt aber der extrem hohe Wert an positiven Bewertungen.26 Hierdurch wird ein überoptimistisches Bild gezeichnet, das nicht der Realität entspricht27, denn es ist nachgewiesen, dass es in einer Vielzahl der Fälle trotz Problemen bei der Transaktion zu positiven Bewertungen gekommen ist.28 Dies widerlegt die vereinzelt vertretene, sich auf ein theoretisches Spiel stützende Auffassung, bei eBay gebe es eine hohe Wahrscheinlichkeit einer korrekten Sanktionierung von Betrug durch negatives Feedback, weil der Käufer nur so eine Präventivwirkung erzielen könne29. Was die Gründe für dieses überpositive, die Realität nicht widerspiegelnde Bewertungsverhalten sind, ist nicht nachgewiesen. Denkbar ist aber, dass die Möglichkeit der gegenseitigen Bewertung eine entscheidende Rolle spielt, da eine hohe Korrelation zwischen guter Bewertung des Käufers und des Verkäufers besteht.30 Es ist allerdings anzunehmen, dass die große Zahl der positiven Bewertungen den Glauben an die Sicherheit des Marktplatzes eBay steigert.31 Hiervon profitiert letztlich das Unternehmen eBay, weil es an jeder Transaktion mitverdient. In diesem Zusammenhang erscheint dann das Fehlen einer Suchmöglichkeit nach den negativen Bewertungen im Bewertungsprofil

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Resnick/Zeckhauser, S. 11 haben bei ihrer Untersuchung auf Käuferseite in 99,1% der Fälle ein positives Feedback festgestellt, nur in 0,6% der Fälle war es negativ und in 0,3% neutral. 27 Ähnlich Resnick/Zeckhauser, S. 13; a.A. Kreuzbauer, in: Pichler (Hrsg.), eBusiness versus Recht (2003), 91, 100, der hierin einen Vorteil sieht, da schon eine geringe Anzahl negativer Feedbacks zu viel sein könne. 28 Resnick/Zeckhauser, S. 11 f. 29 So wohl Kreuzbauer, in: Pichler (Hrsg.), eBusiness versus Recht 2003, 91, 98 f. Auch die Grundannahme dieses Spiels, der Käufer sei an der Erzielung einer Präventivwirkung interessiert, ist bei unterstellter individueller Nutzenmaximierung allenfalls bei Käufern plausibel, die wiederholt mittels eBay Geschäfte tätigen. Dem einmaligen Nutzer von eBay kann es hierauf nicht ankommen. Ferner ist es überzeugender anzunehmen, dass dem Käufer wichtiger ist, das Risiko auf ein negatives Gegenfeedback zu minimieren als für Präventivwirkung zu sorgen, denn eine negative Bewertung beeinflusst ihn unmittelbar, während er einen Nutzen aus der Präventivwirkung nur dann ziehen kann, wenn sich die anderen Nutzer entsprechend verhalten. 30 In diese Richtung Resnick/Zeckhauser, S. 19, die errechnet haben, dass im Falle des Feedbacks dieses zu über 99% positiv ist, wenn bereits der Transaktionspartner eine positive Bewertung abgegeben hat, und nur zu 23–39% positiv, wenn die Bewertung des Transaktionspartners negativ oder neutral war. Insofern besteht für die von Kreuzbauer, in: Pichler (Hrsg.), eBusiness versus Recht 2003, 91, 100 angeführte Manipulationsstrategie, einen Transaktionspartner zur Unterlassung von negativem Feedback zu nötigen, regelmäßig gar kein Bedarf. 31 Das sehen wohl auch Resnick/Zeckhauser, S. 24, wenn sie sagen, dass verstärktes Aufzeigen von Unzufriedenheit den allgemeinen Glauben an eBay als Marktplatz zerstören könnte.

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des einzelnen Nutzers als weiteres Mittel, die positive Grundstimmung32 zu unterstützen.33 Gleiches gilt für den Rat, auch bei problembehafteten Transaktionen anstelle einer sofortigen negativen Bewertung zunächst Kontakt mit dem Verkäufer aufzunehmen34 sowie für die Berechnung und das Ausweisen der Anzahl der Bewertungspunkte in einer Gesamtsumme35. Denn bei letzterem wird ein Minuspunkt für eine negative Bewertung bereits durch eine positive Bewertung konsumiert und ist dann in der Gesamtpunktzahl nicht mehr ausmachbar. Die Gesamtpunktzahl differenziert auch nicht danach, in welcher Rolle der Nutzer die Bewertungen erhält36, so dass denkbar ist, negative Bewertungen als Verkäufer durch positive Bewertungen als Käufer auszugleichen. Maßgeblich für die Zahl der Bewertungspunkte ist also vor allem die Quantität der Transaktionen und nicht die Qualität ihrer Abwicklungen. Folge des eBay-Reputationssystem ist also, dass die Zahl der Transaktionen einen größeren Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft der Käufer hat als die Zahl der negativen Bewertungen.37 Im Hinblick auf die Möglichkeit, nach der Transaktion neben einer Bewertung auch einen kurzen Feedbackkommentar abzugeben, stellt sich nach empirischen Untersuchungen die Frage, ob dieser für die Transaktionsentscheidung überhaupt irgendeine Relevanz besitzt. Die Nutzer scheinen dies jedenfalls mehrheitlich nicht so einzuschätzen, denn die Möglichkeit, auf einen negativen Feedbackkommentar mit eigenem Kommentar zu antworten, der neben dem negativen angezeigt wird, wird nur in ca. 29% der Fälle genutzt38. Würde der Feedbackkommentar als maßgeblich eingeschätzt werden, wäre eine höhere Quote zu erwarten.

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Resnick/Zeckhauser, S. 18 sprechen von einem „High Courtesy Equilibrium”. So auch Resnick/Zeckhauser, S. 19. 34 . 35 Ebenso Resnick/Zeckhauser, S. 18 f. 36 Kritisch hierzu auch Keser, 42 IBM Systems Journal 2003, 498, 500. 37 Resnick/Zeckhauser/Swanson/Lockwood, 9 Exp Econ 2006, 79, 87 ff. haben bei einem kontrollierten Feldversuch nachgewiesen, dass die Käufer bereit sind, bei einem Kauf von einem etablierten Verkäufer mit einem Scorewert von über 2.000 und nur einer negativen Bewertung 8,1% mehr für eine Sammlerpostkarte zu zahlen als beim Kauf von einem neuen Verkäufer ohne Feedback. Darüber stellten sie beim Vergleich zwischen neuen Verkäufern mit geringem Feedback fest, dass es für die Kaufbereitschaft unerheblich war, ob die Verkäufer eine oder zwei negative Bewertungen hatten oder ausschließlich positive. Dieser Feldversuch betrachtet natürlich nur zwei Fallkonstellationen, hinsichtlich des Einflusses von positiven und negativen Bewertungen auf den Verkaufspreis gibt es aber eine Vielzahl empirischer Untersuchungen, die zu unterschiedlichen, teilweise sogar gegensätzlichen Ergebnissen kommen, vgl. für ein Überblick über die Untersuchungen Resnick/Zeckhauser/Swanson/Lockwood, 9 Exp Econ 2006, 79, 83 ff. 38 Resnick/Zeckhauser, S. 17 stellten bei den 1.580 am 1.5.1999 datierten negativen Feedbacks in 457 Fällen das Einfügen von Antwortkommentaren fest. 33

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Ferner bleibt eine gewisse Gefahr des Missbrauchs des Reputationssystems. Dass ein Nutzer sich durch einen Pseudonymwechsel im Wege der Neuanmeldung seiner bisherigen Bewertungen entledigt, ist auch durch die neueren Identifikationsmethoden (Kreditkartenangabe beziehungsweise SCHUFA-Überprüfung) nicht gänzlich zu verhindern. Dazu kommen die grundsätzlichen Identifikationsprobleme, die bei jeder Neuanmeldung entstehen. Darüber hinaus bleibt das Risiko, dass sich Nutzer über fingierte Transaktionen selbst gut bewerten beziehungsweise bewerten lassen, um eine höhere Bewertungsgesamtzahl zu erhalten. Auch ist denkbar, dass der Verkäufer durch Transaktionen mit geringwertigen Gegenständen eine gute Reputation aufbaut, um dann beim Verkauf von höherwertigen Objekten betrügen zu können. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass das eBay-Reputationssystem primär dazu geeignet ist, den Glauben an die Sicherheit des Marktplatzes eBay zu steigern.39 Die Leistungsversprechen einer internationalen Transaktion macht es hingegen nicht glaubhaft, weil auch bei abweichendem Verhalten eine negative Bewertung unwahrscheinlich ist, sie bei großer Transaktionszahl nur schwer auffindbar und von geringem Einfluss auf die Bewertungsgesamtzahl sowie auf die Zahlungsbereitschaft der Käufer ist. b) Theoretische Geeignetheit von Reputations-/Feedbacksysteme Somit ist bewiesen, dass das aktuelle Reputations-/Feedbacksystem von eBay nicht geeignet ist, die Leistungsversprechen einer internationalen Transaktion glaubhaft zu machen. Allerdings bedeutet diese Aussage nicht, dass es nicht grundsätzlich möglich wäre, ein Modell zu entwickeln, welches diese Aufgabe zu erfüllen vermag. aa) Das spieltheoretische Modell von Ockenfels Ockenfels hat ein spieltheoretisches Modell entwickelt, das zeigen soll, dass elektronische Reputationsmechanismen besser als Rechtsinstitutionen geeignet sein können, Handel zwischen Parteien auf Internetplattformen zu realisieren, die niemals zuvor eine Geschäftsbeziehung hatten.40 Ausgangspunkt dieses Modells ist eine dem internationalen Tauschdilemma ähnliche Situation41, bei dem es nicht zur Gesamtauszahlung maximieren39

Es wird also bestritten, dass das „Geheimnis“ des Erfolges von eBay sein Reputationssystem ist, so aber Mayer-Schönberger, in: Pichler (Hrsg.), eBusiness versus Recht (2003), 189, 211; auch Kreuzbauer, in: Pichler (Hrsg.), eBusiness versus Recht (2003), 91, 101 hält das eBay-Reputationssystem für erfolgreich. 40 Ockenfels, 73 ZfB 2003, 295, 296. 41 Während bei dem Spiel, das zum internationalen Tauschdilemma führt, die Spieler wie beim Spiel Gefangenendilemma simultan entscheiden müssen, treffen in Ockenfels‘ Modell die Spieler ihre Entscheidungen nacheinander (sogenanntes sequentielles Spiel).

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den Handels kommt, weil der seinen individuellen Nutzen maximierende Verkäufer bei Vorleistung durch den Käufer sein Leistungsversprechen brechen würde und der rational handelnde Käufer, der dies antizipiert, nicht vorleistet.42 Nach Ockenfels kann dieses Dilemma aber durch ein Reputationssystem überwunden werden, da dies letztlich eine Situation schaffe, die mit der wiederholten Interaktion derselben Transaktionspartner vergleichbar sei (Folk-Theorem).43 Es bestehe dann folgendes Nash-Gleichgewicht44: Der Käufer akzeptiert die Preise p und g, falls der Verkäufer bisher in keine Transaktion verwickelt war oder sich in der zuletzt durchgeführten Transaktion als vertrauenswürdig erwiesen hat, und akzeptiert kein Angebot von einem Verkäufer, der sich in der zuletzt durchgeführten Transaktion betrügerisch verhalten hat.45 Hierbei sei p die Hälfte der Summe aus Reservationspreis46 (vs) und Wert des Gutes für den Käufer (vb) (also p = (νs + vb) / 2) und g = 0. Der Verkäufer ist in allen Perioden vertrauenswürdig und fordert immer den Preis p. Denn falls der Verkäufer sich betrügerisch verhalte, so erhalte er in der Ausbeutungsperiode p + vs und danach in allen weiteren Perioden vs. Dies sei nicht profitabel, wenn der Verkäufer langfristige Interessen auf dem Markt habe. Indem die Käufer ihr Verhalten auf die Reputation des Verkäufers konditionierten, würden für die Verkäufer Anreize geschaffen, redlich zu agieren, so dass effizienter und gewinnerhöhender Handel zustande käme. Diese gelte dann Dies entspricht auch der Realität auf den meisten Internetmarktplattformen, bei denen der Käufer vorleisten muss. 42 Ockenfels, 73 ZfB 2003, 295, 299 ff. Dies ist die Auflösung des sequentiellen Spiels nach dem Prinzip der Rückwärtsinduktion, bei dem mittels der optimalen Entscheidung des „letzten Spielers“ die optimale Entscheidung des „vorletzten Spielers“ ermittelt wird, vgl. Holler/Illing, S. 21. 43 Ockenfels, 73 ZfB 2003, 295, 301 ff. Das Folk-Theorem findet bei wiederholter Interaktion derselben Transaktionspartner Anwendung und beschreibt das Gleichgewicht, das sich aus der Möglichkeit ergibt, auf frühere Aktionen der Spielpartner zu reagieren, wodurch Drohungen und Versprechungen für zukünftige Interaktion glaubwürdig werden, vgl. Ockenfels, 73 ZfB 2003, 295, 300 f.; Holler/Illing, S. 21. 44 Ein Nash-Gleichgewicht liegt vor, wenn jeder Spieler bei gegebener GleichgewichtsStrategie des anderen Spielers seine Auszahlung maximiert, so dass kein Spieler einen Anreiz zum Abweichen hat, vgl. Holler/Illing, S. 57; im Nash-Gleichgewicht spielt jeder Spieler seine beste Antwort auf die Strategie des anderen Spielers, wobei die beste Antwort die Strategie ist, die die Auszahlung maximiert, Holler/Illing, S. 56 f. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Nash-Gleichgewicht effizient sein muss, das heißt die Summe der Auszahlungen aller Spieler maximiert wird, Holler/Illing, S. 73. Beispielsweise ist das Nash-Gleichgewicht des internationalen Tauschdilemmas (Verharren in der Autarkielage) ineffizient. 45 Ockenfels, 73 ZfB 2003, 295, 302. 46 Der Reservationspreis beschreibt die Wertschätzung des Verkäufers für das Gut, so dass bei einem Preis unter vs der Verkäufer das Gut lieber selbst konsumieren möchte als es zu verkaufen, vgl. Ockenfels, 73 ZfB 2003, 295, 299.

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sowohl für den bei Internet-Marktplattformen wichtigen Fall von „one-shot“Interaktionen als auch für den klassischen Folk-Theorem-Fall „ewiger Treue“ zu demselben Verkäufer.47 An diesem Ergebnis ändert nach Ockenfels auch das Bestehen der Möglichkeit des (kostenlosen) Identitätswechsels nichts. Das beschriebene Gleichgewicht verändere sich dann allerdings dahingehend, dass es nun die im Nash-Gleichgewicht stehende Käufer-Strategie sei, an den Verkäufer, der sich in der zuletzt durchgeführten Transaktion als vertrauenswürdig erwiesen hat, den Preis p und an den Verkäufer, der bisher in keine Transaktion verwickelt war oder zuletzt betrügerisch gehandelt hat, den Preis g zu zahlen. Die Verkäufer-Strategie wäre dann, sich im Gegenzug in allen Perioden (t = 0, 1, 2 …) vertrauenswürdig zu verhalten und in der Periode t = 0 den Preis g und in allen Perioden t > 0 den Preis p zu fordern. Der scheinbare Vorteil des Identitätswechsels würde also dadurch kompensiert, dass die Käufer bei Neulingen misstrauisch sind und nur den Preis g zahlen, denn nur dadurch könnten sie sich vor Verkäufern schützen, die nach einem betrügerischen Akt ihre Identität wechseln, um dem daraus resultierenden Reputationsschaden zu entgehen. Dies mache den Betrug für die Verkäufer grundsätzlich unprofitabel, weil sie nach Betrug und Identitätswechsel wieder das Erreichen einer guten Identität anstreben müssten. Somit erhalte ein Verkäufer in der Betrugsperiode eine Auszahlung von p + vs und eine Auszahlung von Null in der Folgeperiode. Ein Verkäufer mit guter Reputation, der sich vertrauenswürdig verhalte, erhalte hingegen in den gleichen Perioden jeweils die Auszahlung p. Weil bei hinreichend großer Diskontrate48 (δ) gelte, dass p + vs < p + δp, sei der Betrug niemals profitabel.49 bb) Kritik Das Modell von Ockenfels mag zwar in sich plausibel sein, beruht aber auf der Grundannahme, dass jeder Nutzer eine Bewertung abgibt und diese die Transaktion auch zutreffend charakterisiert. Beides ist wie gesehen bei dem aktuellen Reputationssystem von eBay nicht der Fall. Indes erscheint eine signifikante Steigerung der Anzahl der bewertenden Nutzer durchaus möglich, indem bisher nicht existierende direkte Anreize, beispielsweise in Form von Mikrozahlungen von potentiellen Käufern an ehemalige Käufer50, geschaffen werden.51

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Vgl. zum Ganzen Ockenfels, 73 ZfB 2003, 295, 299 ff. Mit der Diskontrate wird der Barwert ermittelt, das heißt der Wert, den eine zukünftig anfallende Zahlungsreihe in der Gegenwart besitzt; Ockenfels, 73 ZfB 2003, 295, 301 geht von einer Verkäuferdiskontrate von δ < 1 aus. 49 Vgl. zum Ganzen Ockenfels, 73 ZfB 2003, 295, 303 ff. 50 Dies sehen auch Resnick/Zeckhauser, S. 5 als denkbaren Anreiz. 48

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Schwierig dürfte allerdings die Realisierung eines Reputationssystems sein, bei dem jede Transaktion zutreffend bewertet wird, es also beim Auftreten von Problemen zu schlechten Bewertungen kommt und nur reibungslose Transaktionen mit guten Bewertungen honoriert werden. Denn mit dem Marktplatzbetreiber wird das Reputationssystem nicht von einem neutralen Dritten geschaffen, sondern von jemanden, dem ein Primärinteresse an einer hohen Transaktionszahl zu unterstellen ist, da diese seinen individuellen Nutzen maximiert. Ob für das Bestreben nach einer großen Transaktionszahl eine durch einen extrem hohen Wert an positiven Bewertungen gespeiste positive Stimmung auf dem Marktplatz oder aber eine Situation, in der problematische Transaktionen durch negative Bewertungen aufgedeckt werden, förderlicher ist, ist nicht nachgewiesen. Zwar ist denkbar, dass durch das Aufdecken von negativen Fällen das Vertrauen in die Sicherheit des Marktplatzes schwindet52 und dadurch die Transaktionszahl reduziert wird. Allerdings müsste gerade eine Situation, in der es (fast) nur optimale Bewertungen gibt, das Vertrauen in die Marktplatzsicherheit stärken. Trotzdem erscheint es aus Sicht der Marktplatzbetreiber zweifelhaft, ob die Kosten des Auf- beziehungsweise Umbaus des Reputationssystems zu einer optimalen Struktur durch einen Mehrwert im Vergleich zur derzeit bestehenden suboptimalen, durch einen hohen Wert an positiven Bewertungen gekennzeichneten Struktur gerechtfertigt ist. Ockenfels beschreibt auch nicht den Weg zur optimalen Struktur, so dass neben den Auswirkungen der optimalen Struktur auf die Transaktionszahl auch das Erreichen dieser Struktur unsicher ist. Folglich ist nicht davon auszugehen, dass ein Marktplatzbetreiber, der seinen individuellen Nutzen maximieren will, versuchen wird, ein Reputationssystem zu errichten, bei dem jede Transaktion zutreffend bewertet wird. Ferner ist Ockenfels Modell nur bei der Annahme des Verkaufs homogener Güter stringent. Die Bedingung p + vs < p + δp stimmt nämlich dann nicht mehr, wenn in der Betrugsphase ein sehr wertvolles Gut „verkauft“ werden soll und in den darauf folgenden Phasen nur geringwertige Güter. In so einem Fall wäre dann der Betrug profitabel, wenn vs > δp.53 Anders als ein Reputationssystem können funktionierende Rechtsinstitutionen den Betrug auch in 51

Dies ist vor allem deshalb relevant, weil die Bewertung durch den damit verbundenen Zeitaufwand entgegen der Auffassung von Kreuzbauer, in: Pichler (Hrsg.), eBusiness versus Recht (2003), 91, 96 Kosten verursacht. 52 In diese Richtung auch Resnick/Zeckhauser, S. 24. 53 Beispielsweise wäre es für den Verkäufer von kleinen Gebrauchtwagen (Wert EUR 3.000), der vereinzelt auch große Neuwagen (Wert EUR 30.000) verkauft, profitabel in der Verkaufsphase des Neuwagen zu betrügen (vs = EUR 30.000) auch wenn er dadurch in der nächsten Verkaufsphase einen geringeren Preis für den Gebrauchtwagen erhält (g = 0 anstatt p = EUR 3.000); möglicherweise kann dieser Strategie durch eine Aufspaltung der Bewertungen nach Produkt vorgebeugt werden, vgl. Keser, 42 IBM Systems Journal 2003, 498, 501.

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diesem Fall unprofitabel machen, nämlich dann, wenn dem Verkäufer aufgrund eines durchsetzbaren Schadensersatzanspruchs der Wert vs nicht verbleibt. Außerdem ist der Ansatz, das Vertragsrecht durch Reputationssysteme zu ersetzen, auch in rechtstheoretischer Hinsicht zu kritisieren. Wenn man es als Errungenschaft ansieht, durch das Reputationssystem eine Situation schaffen zu können, bei der das Folk-Theorem anwendbar ist und die daher einer langfristigen Geschäftsbeziehung entspricht, dann ist dies nichts anderes als das Vertrauen in den Geschäftspartner zum ultimativem Maßstab zu erheben. Dies würde aber letztlich bedeuten, wieder zu einer Situation zurückzukehren wie sie vor dem 19. Jahrhundert bestand. Denn während im antiken Recht der Status, das heißt die soziale Einschätzung einer Person, die Möglichkeit von Vertragsabschlüssen erst eröffnete, wurde im 19. Jahrhundert im kontinentaleuropäischen Recht der subjektive Wille als Zurechnungsgesichtspunkt anerkannt und vom Merkmal des Vertrauens getrennt.54 Seither ist der Willen alleiniges Anknüpfungsmerkmal für den Vertragsschluss, während das Vertrauen vor allem im Rahmen der Haftung eine Rolle spielt.55 Soll der Handel über den Willen des Einzelnen aufrechterhalten bleiben, muss es aber auch darauf ankommen, dass man sich auf bestimmte Handlungen und Äußerungen eines Marktteilnehmers verlassen können muss. Daher wird der Wille eines Menschen im Vertrag zu dem, was der Empfänger einer Willenserklärung unter dieser verstehen durfte.56 Somit gilt eine objektive Sicht aus der Perspektive des Empfängers einer Willenerklärung (Empfängerhorizont).57 Ähnliches gilt auch im angloamerikansichen Recht, wo ein Vertrag immer voraussetzt, dass aus objektiver Sicht ein Tausch vereinbart wurde, bei dem jede Seite etwas erhält (Grundsatz der „consideration“).58 Durch die Anknüpfung an den aus objektiver Sicht festgestellten subjektiven Willen zum Vertragsschluss oder das Tauschinteresse wird die soziale Einschätzung einer Person entbehrlich. Dies mag zwar rechtssoziologisch nicht immer überzeugen59, liefert aber die Möglichkeit, den Kreis der Transaktionspartner zu erweitern. Wenn das Vertrauen in den Vertragspartner keine oder eine untergeordnete Rolle spielt, werden bei der Wahl des Transaktionspartners Gesichtspunkte wie Preis und Qualität der Ware wichtiger.60 54

Kilian, FS Wassermann (1985), 715, 715, 718; im Ergebnis ähnlich Nichols, 15 Am. U. Int'l L. Rev. 1999/2000, 1379, 1391 f. 55 Kilian, FS Wassermann (1985), 715, 718. 56 Vgl. MüKo-Busche, § 133 BGB, Rn. 9 zu der Entwicklung von der Willenstheorie, die den Willen als eine psychische Tatsache ansah, zur Erklärungstheorie, für die der bekundete Wille maßgeblich ist. 57 RGZ 67, 431, 433; BGHZ 36, 30, 33; 47, 75, 78; MüKo-Busche, § 133 BGB, Rn. 12. 58 Ausführlich hierzu Rohwer/Skrocki, S. 118 ff. 59 Vgl. hierzu Kilian, FS Wassermann (1985), 715, 718 f. 60 Nichols, 15 Am. U. Int'l L. Rev. 1999/2000, 1379, 1392.

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Folglich wird der Wettbewerb intensiviert, was unter den hier angenommenen Ausgangsprämissen eine bessere Ressourcenallokation bedeutet. Diese Überlegungen lassen sich auch am Modell von Ockenfels belegen, denn hier muss der Newcomer seine Ware zunächst unter Wert verkaufen, um eine hinreichende Reputation aufzubauen. Bei einem funktionierenden Rechtssystem kann er hingegen von Anfang an mit seinen Mitbewerbern konkurrieren, ohne auf seine Ware einen Abschlag vornehmen zu müssen. Somit sind die beschriebenen Systeme allein nicht ausreichend, um wechselseitige Leistungsversprechen der Handelspartner glaubhaft zu machen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass es auf Marktplätzen wie eBay trotzdem regen Handel gibt, denn Gegenstand der Untersuchung war eine isolierte Betrachtung eines auf der Mitwirkung von Nutzern basierten Selbstverwaltungsmodells, das in der Realität gerade nicht besteht, weil auch beim Handel über eBay das Rechtsstaatsprinzip dem Bürger den Zugang zu einem staatlichen Verfahren der Streitschlichtung garantiert und auf diese Weise Verhaltenserwartung, wie zum Beispiel Vertragstreue, stabilisiert.61 Dies gilt insbesondere für den Bereich hochpreisiger Güter, da hier anders als bei geringwertigen Produkten ein Rechtsstreit ökonomisch lohnenswert sein kann.62 II. Ablehnung einer reinen Lex Informatica Die Untersuchung hat somit gezeigt, dass die marktliche Institutionen Gütesiegel sowie Reputations- und Feedbacksysteme allein nicht geeignet sind, das Tauschdilemma bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften63 zu überwinden. Daher stellt sich die Frage, ob ein reines Selbstverwaltungsmodell, das vollkommen von rechtlichen Regelungen abstrahiert, grundsätzlich abzulehnen ist. Der Ansatz, in Analogie zur Lex Mercatoria der internationalen Kaufmannschaft durch privatautonome Selbstregulierung der Nutzer für den Bereich des Internets ein eigenständiges globales Rechtssystem, ein Cyberlaw oder eine Lex Informatica, zu entwickeln64, wird oft unter den Vorzeichen der allgemeinen Diskussion um die Existenz einer Lex Mercatoria geführt65. Mit den in diesem Zusammenhang von Befürwortern und Kritikern einer Lex Mercatoria vorgebrachten Argumenten soll sich an dieser Stelle aber nicht

61 Ähnlich Goldsmith/Wu, S. 129 ff., G.-P. Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, S. 12. 62 Goldsmith/Wu, S. 138. 63 Siehe Kap. 6 A. II. 64 Siehe Kap. 4 A. I. 5. 65 Mankowski, AfP 1999, 138, 138.

A. Das Selbstverwaltungsmodell

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auseinandergesetzt werden66, vielmehr sollen allein die spezifischen Fragestellungen eines Cyberlaw unter dem Gesichtspunkt diskutiert werden, ob es staatliche Rechtsregeln im Internet entbehrlich macht. 1. Cyberspace als eigenständiger Rechtsraum und die Konsequenzen Wesentliche Grundlage für ein Cyberlaw ist zunächst die Behauptung, der Cyberspace sei ein unabhängiger Souverän, mithin ein eigenständiger Rechtsraum.67 Diese Behauptung wird regelmäßig mit dem Argument angegriffen, dass die Aktivitäten im virtuellen Raum des Cyberspace ihre Auswirkungen nicht nur dort haben müssen, sondern auch in der realen, physischen Welt spürbar sein können.68 Dies gilt selbst dann, wenn ein Vertrag nicht nur elektronisch abgeschlossen wird und die Leistung anschließend in der physischen Welt erbracht wird, sondern auch die Leistung auf elektronischem Weg erbracht wird. So kann zum Beispiel ein Softwarefehler, der ein Produktionssystem lahm legt, für das betroffene Unternehmen ganz konkrete wirtschaftliche Folgen in der realen Welt haben.69 Dies Argument mag überzeugend sein, ergibt sich aber nicht aus der vorliegend verfolgten Analysemethode der Institutionenökonomie. Institutionenökonomisch ist vielmehr relevant, dass dann, wenn der Cyberspace ein eigener Raum ist, auch keine nationale Rechtsordnung einen Geltungsanspruch hat. Allenfalls internationalem Recht könnte in diesem Rechtsraum ohne Staatengrenzen Bedeutung zukommen. Wie bereits angedeutet, existiert in66 Vgl. hierzu K. P. Berger, „Schleichende“ Kodifizierung des transnationalen Wirtschaftsrechts, S. 29 ff.; Zumbansen, RabelsZ 67 (2003) 637, 642 ff.; Mertens, in: Teubner (Hrsg.), Global law without a state (1997), 31, 31 ff. 67 Johnson/Post, 48 Stan. L. Rev. 1995/96, 1367, 1367, 1378 ff., 1387; Mayer, NJW 1996, 1782, 1790; Bechtold, GRUR 1998, 18, 23. Diese Idee ist Kernstück des Gedankenguts einer einflussreichen US-amerikanischen Organisation, der Electronic Frontier Foundation, um John Perry Barlow, die in den 1990er Jahren von vielen Silicon Valley Firmen wie Sun Microsystems, Microsoft und Hewlett Packard unterstützt wurde. Dementsprechend wurde Barlow vor allem durch seine Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace () bekannt, in der er in markigen Worten die „Regierungen der industriellen Welt“ auffordert: „Laßt uns [die Nutzer des Cyberspace] in Ruhe!“. Letztlich fand ein Teil dieses Gedankenguts 1997 sogar Eingang in die USSupreme Court Entscheidung Reno v. Aclu, 521 U.S. 844 (1997). Vgl. zum Ganzen Goldsmith/Wu, S. 17 ff. 68 Christiansen, MMR 2000, 123, 128; Mankowski, AfP 1999, 138, 139. Zu Recht weisen Goldsmith/Wu, S. 16 daraufhin, dass die bis heute vertretene Auffassung der Cyberspace sei ein eigener Raum zu Beginn des Internetzeitalters entwickelt wurde als noch keine Geschäfte über das Internet getätigt wurden, sondern es in der Nutzergemeinschaft vor allem um Ideenaustausch, Diskussion und ähnliches ging. 69 Ein noch plastischeres Beispiel ist die Defamierung eines Unternehmens im Internet, die für das Unternehmen auch in der sonstigen Geschäftspraxis negative Folgen haben kann.

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7. Kapitel: Bewältigung der Transaktionskostenproblematik

ternationales Recht im Bereich des Vertragsrechts nur begrenzt. Folglich ist die Behauptung, der Cyberspace sei ein unabhängiger Souverän, gleichbedeutend mit der Proklamation eines rechtsfreien Raums, der erst noch mit einem neuen Cyberlaw gefüllt werden muss, das evolutionär aus der Nutzergemeinschaft hervorgeht. Was aber weitestgehende rechtliche Freiräume bei unterstelltem opportunistischem Verhalten bewirken, ist bereits im theoretischen Spiel dargestellt worden: Es kommt zu einer Situation, in der gegenseitige Leistungsversprechen nicht hinreichend glaubhaft gemacht werden können und wohlfahrtsfördernder Handel unterbleibt (Tauschdilemma).70 Gleichzeitig würde es keine klare Verteilung von Verfügungsrechten mehr geben, was sich nach der Verfügungsrechttheorie im Hinblick auf innovationsschaffende Investitionen hemmend auswirkt71. Erst wenn die Nutzergemeinschaft gewisse Regeln etabliert hat, kann dieser Zustand überwunden werden.72 Fraglich ist allerdings, ob es überhaupt jemals zu diesem evolutionären Prozess kommt, der von den Befürwortern einer Lex Informatica immer unterstellt wird. Dies ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit, wenn man davon ausgeht, dass auch die Nutzer des Cyberspace grundsätzlich bestrebt sind, ihren individuellen Nutzen zu maximieren73 und es deshalb auch hier gegenläufige Interessen gibt74. Aufgrund unterschiedlicher Interessen besteht also ein Koordinierungsbedarf75, dem die Nutzer selbständig nachkommen müssten. Ob sie allerdings wirklich befähigt sind, eine Verhandlungslösung zu finden, die auch soviel Anreiz hat, dass sich ihr eine hinreichende Zahl von Nutzern unterwirft, erscheint mit Blick auf das Coase-Theorem zweifelhaft. Das Coase-Theorem besagt, dass je unvollständiger die Information ist und je höher die Kosten für den Tausch von Ressourcen sind, desto größer sind auch die Kosten einer Verhandlungslösung.76 Im Cyberspace treffen unterschiedlichste Akteure mit unterschiedlichster Herkunft aufeinander. In dieser Gemengelage kann die Information, die die einzelne Partei über die Interessen der anderen Parteien hat, nur äußerst unvollständig sein. Hohe Kosten der Verhandlungslösung sind die Folge, auch wenn der Ressourcentausch bei geringen Kommunikations- und Transportkosten relativ kostengünstig sein dürfte. Für die Frage der Wahrscheinlichkeit einer Verhandlungslösung noch wichtiger ist allerdings die Aussage des Coa70

Siehe Kap. 6 A. II. Siehe Kap. 5 C. IV. 2. 72 Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn man wie Metzger, 3 JIPITEC 2012, 361, 366 annimmt, dass sich in Open-Source-Gemeinschaften eine Lex Mercatoria bestehend aus UNIDROIT-Prinzipien und verschiedenen regelmäßig verwandten Lizenzmodellen etabliert hat. 73 Siehe Kap. 5 C. III. 74 Kilian, FS Pieper (1998), 263, 275; Mankowski, AfP 1999, 138, 139. 75 Kilian, FS Pieper (1998), 263, 275; Mankowski, AfP 1999, 138, 139. 76 Siehe Kap. 5 C. IV. 2. 71

A. Das Selbstverwaltungsmodell

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se-Theorems, dass die Marktteilnehmer nur dann (eigenständig) Koordinationsprobleme überwinden können, wenn es eine eindeutige, wie auch immer geartete Verfügungsrechteverteilung gibt77. In dem Moment, wo kein nationales Recht mehr gilt, sind aber die Verfügungsrechte nicht mehr eindeutig verteilt.78 Daher ergibt die Anwendung des Coase-Theorems, dass die Nutzer des Cyberspace nicht befähigt sind, die Koordinierung ihrer unterschiedlichen Interessen selbständig vorzunehmen. Auch die Transaktionskostentheorie kann nicht erklären, warum innerhalb der Nutzergemeinschaft der evolutionäre Prozess der Regelbildung einsetzen sollte. Zwar wäre die Anerkennung von Rechtsprinzipien für alle Nutzer vorteilhaft, allerdings ist bei den Grundannahmen von individueller Nutzenmaximierung79 und methodologischem Individualismus80 davon auszugehen, dass rechtliche Freiräume zugunsten des eigenen, kurzfristigen Vorteils genutzt und nicht für einen langfristigen, gemeinsamen Vorteil sanktionslose Rechtsprinzipien eingehalten werden. Nach der Transaktionskostentheorie würde es im Zustand weitestgehender rechtlicher Freiräume daher vermehrt zur Oligopol-/Monopolbildung kommen, da die Unternehmen versuchen würden, den unsicheren Handel über den freien Markt durch interne Abläufe zu ersetzen.81 Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass der Cyberspace kein eigenständiger Rechtsraum ist, weil Handlungen im virtuellen Raum leicht Auswirkungen in der physischen Welt haben können, dass es im Cyberspace an einer klaren Verfügungsrechteverteilung fehlt, die nach dem CoaseTheorem Voraussetzung dafür ist, dass in der Nutzergemeinschaft Regeln entwickelt werden, die alle als verbindlich akzeptieren, und dass es nach der Transaktionskostentheorie in einem Cyberspace ohne verbindliche Rechtsregeln zur Oligopol-/Monopolbildung kommt. 2. Entstehen von Sub-Regelsystemen Bei der Lex Informatica bestünde die Möglichkeit, dass sich anstelle eines einheitlichen, allgemeinen Regelsystems, mehrere unterschiedliche Regelsysteme für einzelne Bereiche oder Gemeinschaften herausbilden.82 Dies hätte zwar den Vorteil für sich, dass so ein Einheitsansatz vermieden würde, der 77

Siehe Kap. 5 C. IV. 2. Ebenfalls in diese Richtung Kilian, FS Pieper 1998, 263, 275; Mankowski, AfP 1999, 138, 139. 79 Siehe Kap. 5 C. III. 80 Siehe Kap. 5 C. III. 81 Siehe Kap. 5 C. IV. 1. 82 Johnson/Post, 48 Stan. L. Rev. 1995/96, 1367, 1379; Mankowski, AfP 1999, 138, 139; so auch Metzger 3 JIPITEC 2012, 361, 365 f. in Bezug auf Open-SourceGemeinschaften. 78

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7. Kapitel: Bewältigung der Transaktionskostenproblematik

für Teilbereiche nicht passt, allerdings wäre im Vergleich zu dem existierenden Rechtssystem mit unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen wenig gewonnen. Unterschiedliche Sub-Regelsysteme würden in Analogie zu den Rechtsermittlungskosten bei grenzüberschreitenden Transaktionen Kosten für das Verständnis der verschiedenen Systeme verursachen. Unter Umständen bedürfte es sogar der Entwicklung eines virtuellen Kollisionsrechts für den Fall, dass ein Geschäft mehrere Subsysteme betrifft. Im Ergebnis würden die Probleme, die sich aus dem Fehlen einer zentralen Regelungsgewalt ergeben, nur auf eine andere Ebene verlagert; es wären die gleichen Probleme im anderen Gewand. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn es einen allgemein anerkannten und gültigen Kern von Grundregeln gebe, die auf alle SubRegelsysteme gleichermaßen anwendbar wären.83 3. Kollisionen von nationalem Recht und Cyberlaw Ferner würde ein vom nationalen Recht abgekoppeltes eigenständiges Cyberlaw dazu führen, dass für die virtuelle und physische Welt zwei unterschiedliche Regelsysteme bestehen, möglicherweise sogar für dieselbe Transaktion, zum Beispiel, wenn der Vertrag mit elektronischen Kommunikationsmitteln abgeschlossen wird, Vertragsgegenstand aber einer Sache ist, die physisch übergeben wird. Dies muss zwangsläufig schwierige Abgrenzungsfragen aufwerfen, wenn Sachverhalte in beiden „Welten“ Auswirkungen haben.84 Es bedürfte eines Kollisionsrechts, das zu regeln hätte, welches Recht wann anzuwenden wäre.85 Auch die hiermit verbundenen Kosten lassen ein nutzergeneriertes Cyberlaw kaum als effiziente Institution erscheinen. 4. Verstärkung von Marktmacht und „Amerikanisierung“ Letztlich sind die Auswirkungen einer Lex Informatica auf bestehende wirtschaftliche Machtstrukturen zu betrachten. Jede Selbstregulierung bevorzugt zwangsläufig denjenigen, der in keinem Abhängigkeitsverhältnis steht und seinen Geschäftspartner bei Verstoß gegen eine Regel mit Partnerwechsel sanktionieren kann. Hingegen hat derjenige, der von einem anderen abhängig ist, nur wenige Möglichkeiten, Regelbruch zu bestrafen. Insofern könnten

83 Dies nimmt Metzger, 3 JIPITEC 2012, 361, 366 an, der in den UNIDROIT-Prinzipien einen hinreichend transparenten Corpus für die Lex Mercatoria sieht. 84 Johnson/Post, 48 Stan. L. Rev. 1995/96, 1367, 1391; Christiansen, MMR 2000, 123, 128. 85 Der Vorschlag von Johnson/Post, 48 Stan. L. Rev. 1995/96, 1367, 1392 f. auf der Grundlage der Kriterien Problemnähe und Betroffenheit solche Konflikte dahingehend aufzulösen, dass das staatliche Recht gegenüber dem Cyberlaw zurücktreten solle, ist mit Christiansen, MMR 2000, 123, 128 abzulehnen, weil die Betroffenen gerade reale Personen sein können.

A. Das Selbstverwaltungsmodell

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marktmächtige Unternehmen, die eine Lock-in-Situation86 erzeugt haben, die Selbstregulierung diktieren.87 Die so geschaffenen Regeln werden nur dann allgemein effizient sein, wenn sich das Allgemeininteresse und das Unternehmensinteresse zufällig decken, ansonsten wird für sie der individuelle Nutzen des Unternehmens alleiniger Maßstab sein. Die Selbstregulierung würde also die Dominanz marktmächtiger Unternehmen verstärken.88 Dies kann im Hinblick auf den Wettbewerb und eine verstärkte Einbindung von kleinen und mittelständischen Unternehmen in den elektronischen Geschäftsverkehr nicht das gewünschte Ziel sein. Hingegen kann der Kritik, dass die Befürworter eines Cyberlaw nach Art der Lex Mercatoria dieses stark an Entscheidungen von US-amerikanischen Gerichten orientieren89, aus institutionenökonomischer Sicht nur bedingt gefolgt werden. Dabei steht außer Frage, dass diese Orientierung ein Vorteil für US-amerikanische Unternehmen wäre. Dennoch muss die Verknüpfung zwischen dem Land, das die technische Entwicklung des Internets maßgeblich bestimmt, und seiner Rechtsordnung nicht zwangsläufig ein Nachteil sein, denn zumindest bestünde so eine gewisse Vorgabe für die Verfügungsrechteverteilung, auf welche die nachfolgende Verhandlungslösung der Nutzergemeinschaft aufbauen kann. Dabei wird nicht verkannt, dass dies für die Anlehnung an jegliche Rechtsordnung gilt, da es auf die Art der Verteilung der Verfügungsrechte gerade nicht ankommt. 5. Zwischenergebnis Auch wenn somit eine Cyberlex Americana kein schwerwiegendes Problem darstellt, ist eine privatautonome Selbstregulierung der Internetnutzer in Analogie zur Lex Mercatoria abzulehnen. Handlungen im virtuellen Raum bleiben in der physischen Welt spürbar, nach dem Coase-Theorem ist die Nutzergemeinschaft nicht befähigt, selbständig verbindliche Regeln zu entwickeln, es könnte zur Entstehung von Sub-Regelsystemen und vor allem zur Stärkung marktmächtiger Unternehmen kommen. Dieses Ergebnis entspricht der Auffassung von Stiglitz, der ganz grundsätzlich davon ausgeht, dass ohne sachgerechte staatliche Regulierung und Intervention die Märkte keine ökonomisch effizienten Ergebnissen hervorbringen90, wobei zu der Liste potenzieller staatlicher Eingriffe auch die Bereitstellung rechtlicher Rahmenvorschriften gehöre91. 86

Siehe Kap. 3 B. V. 2. a). Ebenso G.-P. Calliess, in: Donges/Mai (Hrsg.), E-Commerce und Wirtschaftspolitik (2001), 189, 199 f.; Roßnagel, MMR 2002, 67, 69. 88 Ebenso, indes ohne Begründung, Mankowski, AfP 1999, 138, 140. 89 So Mankowski, AfP 1999, 138, 140. 90 Stiglitz, S. 15, 20. 91 Stiglitz, S. 75. 87

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7. Kapitel: Bewältigung der Transaktionskostenproblematik

Dennoch können Gütesiegel und Reputationssysteme bei effektiver Ausgestaltung im Wege der Ergänzung des Rechts durch Vertrauenssteigerung zwischen den Vertragsparteien einen Beitrag zur Bewältigung der Transaktionskostenproblematik bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften leisten.

B. Das Verrechtlichungs- und Nutzerschutzmodell B. Das Verrechtlichungs- und Nutzerschutzmodell

Daher bedarf die Senkung der Transaktionskosten durch Glaubhaftmachung der Leistungsversprechen und daraus resultierendem kooperativen Verhalten letztlich doch rechtlicher Institutionen. Von der Notwendigkeit solcher gehen sowohl das Verrechtlichungs- als auch das Nutzerschutzmodell aus. Der Unterschied dieser beiden Modelle ist lediglich der Grad der Verrechtlichung. Während beim Verrechtlichungsmodell von der vollen Anwendbarkeit und analogen Erstreckung des Vertrags-, Delikts- und Strafrechts ausgegangen wird und bei Rechtslücken Analogien zu bestehenden Vorschriften gezogen oder neue Vorschriften erlassen werden sollen, soll es beim Nutzerschutzmodell nur im begrenzten Umfang zu einer rechtlichen Regelung bestimmter Bereiche kommen und ansonsten die elektronische Kommunikation dem Prinzip von Angebot und Nachfrage unterstellt werden.92 Das Nutzerschutzmodell müsste nach Kilian die Monopolisierung elektronischer Teilmärkte verhindern, strafrechtlich relevante Aktivitäten unterbinden, fehlende Marktmacht ausgleichen und rechtlich anerkannte subjektive Rechte gewährleisten.93 Die Notwendigkeit der Erfüllung dieser Aufgaben durch Rechtsregeln soll an dieser Stelle nicht bestritten werden, für die Überwindung des Transaktionsproblems bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften ist aber vielmehr entscheidend, dass es – wie gezeigt – auch in diesem Bereich rechtlicher Regelungen bedarf. Wie umfassend diese rechtlichen Regelungen sein müssen und ob sie zwingenden oder dispositiven Charakter haben sollten, ist indes eine später zu klärende Frage. Eine Entscheidung zwischen Verrechtlichungs- und Nutzerschutzmodell kann also (noch) nicht gefällt werden.

C. Zwischenergebnis C. Zwischenergebnis

Die Erreichung des wirtschaftspolitischen Ziels der Steigerung des internationalen elektronischen Handelsverkehrs durch Überwindung der Transakti92 93

Kilian, FS Pieper (1998), 263, 273 f. Kilian, a.a.O., 275.

C. Zwischenergebnis

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onskostenproblematik sollte nicht allein den marktlichen Institutionen überlassen werden. Zur Überwindung der Transaktionkostenproblematik bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften bedarf es einer politischen Einwirkung in Form von rechtlichen Institutionen. Wie umfassend diese Einwirkung sein sollte, ist eine im Folgenden zu klärende Frage.

Kapitel 8

Effizienz der bestehenden Rechtsregeln zur Reduktion von Rechtsunsicherheit Dass es bereits rechtliche Institutionen für den internationalen elektronischen Handelsverkehr gibt, kann nicht bestritten werden. Diese betreffen auch alle beschriebenen Rechtsunsicherheitsebenen. Fraglich ist indes, ob die bisher bestehenden rechtlichen Institutionen effektiv genug sind, um das internationale elektronische Tauschdilemma zu überwinden, oder es gesamtwirtschaftlich sinnvoll wäre, neue Rechtsinstitutionen für internationale elektronische Handelsgeschäften zu schaffen. Daher soll im Folgenden die Rechtslage bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften analysiert werden. Neben einer rechtswissenschaftlichen dogmatischen Untersuchung enthält die Analyse auch eine kurze Betrachtung der Rechtslage aus Sicht der betroffenen Unternehmen, da die Notwendigkeit der Schaffung von rechtlichen Institutionen von Rechtswissenschaftlern auf der Grundlage einer rechtsdogmatischen Untersuchung und in Ermangelung einer empirischen Analyse oft vorschnell angenommen wird1.

A. Die Rechtslage aus Sicht der Unternehmen A. Die Rechtslage aus Sicht der Unternehmen

Die Umfrage „Global Internet Jurisdiction“2, die die American Bar Association (ABA), die ICC und das Internet Law and Policy Forum (ILPF) gemeinsam durchgeführt haben, hat ergeben, dass internationale elektronische Verträge aus Unternehmenssicht durch Rechtsunsicherheit gekennzeichnet sind, 1 Hierfür kann als beispielhafter Beleg eine durch Ott und Schäfer vorgenommene Auswertung der Stellungnahmen der Wirtschaftsverbände zur Mitteilung der Europäischen Kommission hinsichtlich der Einführung eines europäischen Vertragsrechts angeführt werden, deren Fazit, dass die Betroffenen ganz überwiegend keinen Bedarf an einer Rechtsvereinheitlichung des europäischen Vertragsrechts sahen, die Bestrebungen auf rechtswissenschaftlicher Ebene kontrastierte, vgl. Ott/Schäfer, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts in transnationalen Wirtschaftsräumen (2002), 203, 230. Die Confederation of British Industry bezeichnete den Vorschlag eines europäischen Vertragsrechts gar als „solution in search of a problem“, vgl. Ott/Schäfer, a.a.O., 224. 2 ABA/ICC/ILPF, Global Internet Jurisdiction: The ABA/ICC Survey, 2004, .

A. Die Rechtslage aus Sicht der Unternehmen

119

allerdings nur wenige Unternehmen ihre Einschätzung mit eigenen praktischen Erfahrungen belegen können. Bei der Umfrage „Global Internet Jurisdiction“ aus dem Jahr 2004, bei der 277 Unternehmen aus 45 Ländern3, von verschiedener Größe und aus verschiedenen Branchen befragt wurden4, sah beinahe jedes zweite befragte Unternehmen die Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts in Zusammenhang mit dem Internet als problematisch an.5 Allerdings führte nur ein geringerer Anteil diese Einschätzung auf reale Erfahrungen zurück (17% auf eigene Erfahrungen, 14% auf Erfahrungen eines Kontrahenten), während ein größerer Anteil (45%) seine Einschätzung allgemein auf den sich verändernden Rechtsrahmen und entsprechende globale Entwicklungen stützte.6 Es zeigte sich, dass amerikanischen Unternehmen Zuständigkeit und anwendbares Recht bei Internetgeschäften deutlich mehr Sorgen bereitete als asiatischen und europäischen Unternehmen, denn während 75% der amerikanischen Unternehmen hier einen Streitpunkt sahen, der an Bedeutung zu nimmt, schätzten nur 55% der asiatischen Unternehmen und 47% der europäischen Unternehmen die Lage entsprechend ein.7 Dass aus Unternehmenssicht im internationalen elektronischen Handelsverkehr Rechtsunsicherheit herrscht, belegen auch bestimmte Verhaltsweisen der Unternehmen. Immerhin 36% der Unternehmen gaben an, ihre Unternehmensstrategie an die in rechtlicher Hinsicht unsichere Situation angepasst zu haben.8 Gängige Ansätze waren dabei, Unternehmensaktivitäten in bestimmten Rechtsordnungen zu vermeiden (12%) oder gezielt zu versuchen, bestimmte Rechtsordnungen zur Anwendung zu bringen (12%).9 Ersteres soll durch technische Maßnahmen der Zugriffsblockierung (50%), Nutzerregistrierung (47%), Identifikationsmaßnahmen (40%) und Passwortschutz (40%) erreicht werden.10 Letzteres versuchen die Unternehmen sowohl mit Maßnahmen zur Identifikation des physischen Aufenthaltes des Nutzers11 (38%) als auch mit einem entsprechenden Online-Auftritt12 zu erreichen. 3

Zu den teilnehmenden Ländern vgl. ABA/ICC/ILPF, Appendix Two. ABA/ICC/ILPF, Executive Summary, Introduction. 5 ABA/ICC/ILPF, Survey Results iii a. 6 ABA/ICC/ILPF, Survey Results iii a. 7 ABA/ICC/ILPF, Survey Results iii a. 8 ABA/ICC/ILPF, Survey Results b. 9 ABA/ICC/ILPF, Survey Results b. 10 ABA/ICC/ILPF, Survey Results b. 11 Als meist verbreitete Techniken hierzu wurden Nutzerregistrierung und Identifikationsmaßnahmen angegeben. Daneben wurden auch Passwörter, Kreditkartenabgleich und Cookies genannt, vgl. ABA/ICC/ILPF, Survey Results b. 12 Diesbezüglich waren die meist genannten Ansätze die Benutzung einer Top-Level Domain mit Landesabkürzung (dies ist bei Großunternehmen (72%) deutlich häufiger der Fall als bei Kleinunternehmen (34%)), die Wahl der entsprechenden Landessprache, die 4

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

B. Rechtslage B. Rechtslage

Allerdings kann die Unternehmenseinschätzung allein nicht beweisen, dass bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften tatsächlich umfassende Rechtsunsicherheit besteht. Dies ergibt sich schon aus der von der Umfrage belegten Tatsache, dass nur wenige Unternehmen ihre Einschätzungen auf praktische Erfahrungen stützen konnten. Daher soll die Frage nach Rechtssicherheit bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften auch aus Sicht der Rechtswissenschaft untersucht werden. Ausgangspunkt für diese Analyse ist die Annahme, dass Rechtssicherheit dann besteht, wenn sich bei einem internationalen elektronischen Handelsgeschäft die internationale Gerichtszuständigkeit, das anwendbare Recht, die Durchsetzbarkeit von Urteilen sowie die Auslegung und Anwendung des Sachrechts aus dem Gesetzeswortlaut, einer bestehenden eindeutigen Rechtsprechung oder einer herrschenden Literaturmeinung ergibt. Zwar ist es denkbar, dass die Rechtsprechung eine Vorschrift contra legem auslegt, ihre bisherige Auslegung ändert oder zu einer Auslegung kommt, die der herrschenden Literaturmeinung widerspricht. Dies ist allerdings unwahrscheinlicher als eine gerichtliche Auslegung, die dem Gesetzeswortlaut, der bisherigen Rechtsprechung oder der herrschenden Fachmeinung entspricht. Nach dem Grundsatz der (begrenzten) Rationalität ist daher davon auszugehen, dass die beteiligten Unternehmen auf den Gesetzeswortlaut, eine bestehende eindeutige Rechtsprechung oder eine herrschende Literaturmeinung vertrauen werden. Somit bestehen in diesem Fall keine rechtlichen Freiräume, die opportunistisch genutzt werden, so dass es seitens der Unternehmen eines geringeren Aufwands an Kontroll- und Überwachungsmechanismen bedarf. Gleichzeitig werden die wechselseitigen Leistungsversprechen glaubhaft, so dass die Transaktionskosten gesenkt werden, weil es in dieser Situation dem Grundsatz der individuellen Nutzenmaximierung entspricht, sich kooperativ zu verhalten. I. Internationale Zuständigkeit Die internationale Zuständigkeit beschreibt die Frage, in welchem Land das Gericht seinen Sitz hat, das für den Rechtsstreit zuständig ist. Außerdem kommt dieser Frage große Bedeutung zu, weil sich hieraus ergibt, nach welchem internationalen Privatrecht das auf den Sachverhalt anwendbare Recht bestimmt wird. Die internationale Zuständigkeit ist ferner

Benutzung entsprechender AGB-Klauseln, der Gebrauch eines lokalen Servers und die Einfügung von landesspezifischen Inhalten, vgl. ABA/ICC/ILPF, Survey Results b.

B. Rechtslage

121

auch für das den Prozess beherrschende Verfahrensrecht sowie die Reichweite der Vollstreckbarkeit des Urteils maßgeblich.13 1. Rechtsquellen Ein wirksames globales Übereinkommen über die internationale Zuständigkeit bei traditionell oder elektronisch abgeschlossenen Handelsgeschäften existiert bisher nicht.14 Eine diesbezügliche Initiative hat 2005 zwar zum Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen geführt, dieses regelt aber allein die Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarung und nicht den Fall, dass die Parteien keine Vereinbarung über das streitentscheidende Gericht getroffen haben. Darüber hinaus ist dieses Übereinkommen bisher nicht in Kraft getreten. Auf europäischer Ebene ist hingegen eine einheitliche Regelung geschaffen worden. Diese geht in erster Linie auf die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen15 (EuGVVO) zurück. Daneben gilt noch das Brüsseler EWGÜbereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.196816 in der Fassung des 3. Beitrittsübereinkommens vom 26.5.198917 (EuGVÜ) für die überseeischen Gebiete, die aufgrund von Art. 299 EGV (jetzt: Art. 355 AEUV) von der EuGVVO ausgeschlossen sind (Art. 68 Abs. 1 EuGVVO), sowie für Altfälle (Art. 66 Abs. 1 EuGVVO). Außerdem ist das Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, abgeschlossen in Lugano am 30.10.2007 (LugÜ)18, für und im Verhältnis zur Schweiz, zu Island und Norwegen relevant.

13

Siehe Kap. 6 A. III. Auf das Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 12.10.1929, das für die USA 1934 und für Deutschland 1933 in Kraft getreten ist, und in Art. 28 einen ausschließlichen Gerichtsstand für Schadenseratzklagen im Rahmen der Beförderung im Luftverkehr enthält, soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, auch wenn Verträge über die Beförderung im internationalen Luftverkehr mittlerweile von Unternehmen elektronisch abgeschlossen werden. Ausführlich zum Ganzen Scheuermann, S. 8 f. 15 ABl. EG Nr. L 12 vom 16.1.2001, S. 1. 16 BGBl. 1972 II S. 774. 17 BGBl. 1994 II S. 519. 18 ABl. EG Nr. L 339 vom 21.12.2007, S. 3; hierdurch wurde das Übereinkommen vom 16.9.1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ersetzt, dass zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und einigen EFTA-Mitgliedstaaten geschlossen worden war. 14

122

8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Sind die einheitlichen europäischen Regelungen nicht anwendbar, muss die internationale Zuständigkeit nach den Regeln des jeweiligen nationalen Verfahrensrechts bestimmt werden. 2. Internationale Zuständigkeit nach der EuGVVO Die internationale Zuständigkeit auf europäischer Ebene bestimmt sich vor allem nach den Vorschriften der EuGVVO. Die EuGVVO findet seit dem 1.3.2002 in allen Mitgliedsstaaten der EU außer Dänemark unmittelbare Anwendung (Art. 76 i.V.m. Art. 1 Abs. 3 EuGVVO). Dänemark hat allerdings mit der Europäischen Gemeinschaft am 19.10.2005 ein Abkommen geschlossen, wonach die EuGVVO auch auf Dänemark Anwendung finden soll.19 a) Anwendungsbereich Die EuGVVO ist, wobei die Rechtsnatur des streitgegenständlichen Anspruchs maßgeblich ist20, auf Zivil- und Handelssachen anzuwenden (Art. 1 Abs. 1 EuGVVO), insofern erfasst sie auch elektronische Handelsverträge.21 Allerdings muss sich der Wohnsitz des Beklagten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats befinden (Art. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 EuGVVO). Bei Gesellschaften und juristischen Personen gilt der satzungsmäßige Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung als Wohnsitz (Art. 60 Abs. 1 EuGVVO). Ferner kann die EuGVVO auch dann anwendbar sein, wenn die beklagte Partei ihren Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat, aber eine Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt (Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 EuGVVO). Diskutiert wird, ob neben diesen Voraussetzungen auch ein grenzüberschreitender Bezug des Rechtsstreits erforderlich ist.22 Da bei internationalen

19 Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, vgl. ABl. EG Nr. L 299 vom 15.11.2005, S. 62; allerdings wurde vereinbart, dass spätere Änderungen und Abkommen, die aufgrund der EuGVVO geschlossen werden, Dänemark nicht automatisch binden, vgl. Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1. Das Abkommen ist am 1.7.2007 in Kraft getreten, vgl. Meldung vom 9.2.2007 auf der Webseite der Europäischen Kommission: . 20 EuGH, 10.2.2009, Rs. C-185/07, NJW 2009, 1655, 1655 – Allianz SpA/West Tankers Inc. 21 So auch Schrammen, S. 6 allgemein für Verträge, die im Internet abgeschlossen werden. 22 Dafür: Thomas/Putzo/Reichold/Hüßtege-Hüßtege, EuGVVO Vorbem, Rn. 11; Schrammen, S. 11; dagegen: Geimer/Schütze-Geimer, Art. 2 EuGVVO, Rn. 101 ff.

B. Rechtslage

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Verträgen aber immer ein grenzüberschreitender Bezug vorliegt, erübrigen sich weitere Ausführungen zu dieser Frage. b) Allgemeiner Gerichtsstand des Wohnsitzes, Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 EuGVVO Nach Art. 2 Abs. 1 EuGVVO sind grundsätzlich die Gerichte des Staates zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat. Bei Gesellschaften und juristischen Personen gilt der satzungsmäßige Sitz23, die Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung als Wohnsitz (Art. 60 Abs. 1 EuGVVO).24 Ob die beklagte Partei im Staat des Gerichtes einen Wohnsitz hat, bestimmt sich nach dem Recht des Forums.25 aa) Satzungsmäßiger Sitz, Hauptverwaltung und Hauptniederlassung einer am elektronischen Geschäftsverkehr beteiligten Gesellschaft oder juristischen Person Da im internationalen Handelsverkehr vor allem Gesellschaften und juristische Personen und weniger natürliche Personen agieren, ist die Vorschrift des Art. 60 Abs. 1 EuGVVO im Hinblick auf den elektronischen Geschäftsverkehr näher zu untersuchen. (1) Satzungsmäßiger Sitz Die Bestimmung des satzungsmäßigen Sitzes (Art. 60 Abs. 1 lit. a EuGVVO) dürfte bei elektronischen Geschäften zumindest dann keine Probleme bereiten, wenn ein Unternehmensregister auf nationaler oder europäischer Ebene den Gesellschaftssitz dokumentiert. Allerdings hilft auch dies im elektronischen Geschäftsverkehr nicht zwangsläufig weiter, denn zwar unterliegen Kapitalgesellschaften innerhalb der Europäischen Union aufgrund der Richtlinien 68/151/EWG und 2003/58/EG Registrierungspflichten, aber durch 23 Dies ist eine autonome Definition des Sitzes, so dass die durch die EuGHEntscheidungen Daily Mail, Centros und Überseering beeinflusste Diskussion zu Art. 53 EuGVÜ, ob zur Bestimmung des Sitzes das Recht des Gründungsortes oder das Recht am tatsächlichen Ort der Hauptverwaltung zu berücksichtigen ist, nicht zu übertragen ist, vgl. von Bar/Mankowski, § 7, Rn. 34; Thomas/Putzo/Reichold/Hüßtege-Hüßtege, Art. 60 EuGVVO, Rn. 1. 24 Liegen der satzungsmäßigen Sitz, die Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in unterschiedlichen Staaten, sind die Gerichte jedes dieser Staaten zuständig, vgl. Jayme/Kohler, IPRax 1999, 401, 406; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325, 327. Ob eine Gesellschaft oder juristische Person vorliegt, bestimmt sich nach dem anwendbaren Sachrecht, vgl. Kropholler/von Hein, Art. 60 EuGVVO, Rn. 1; Schrammen, S. 13. 25 In Deutschland sind die §§ 7–11 BGB maßgeblich, vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Art. 2 EuGVVO, Rn. 2; Thomas/Putzo/Reichold/HüßtegeHüßtege, Art. 2 EuGVVO, Rn. 5.

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virtuelle Arbeitsteilung26 können Unternehmen entstehen, die letztlich keinen geografischen Sitz haben und daher auch nicht registriert sind oder aber die ihren Sitz in Form eines Briefkastens in einem „Freihafen“ wählen.27 (2) Hauptverwaltung Schwierigkeiten kann auch die Ermittlung der Hauptverwaltung (Art. 60 Abs. 1 lit. b EuGVVO) machen, das heißt des Ortes, an dem die unternehmerischen Entscheidungen durch das Leitungsorgan (Geschäftsführung oder Vorstand) getroffen werden28. Das Vordringen von elektronischer Kommunikation kann dazu führen, dass die Geschäftsführung oder der Vorstand nicht an einem geografisch bestimmbaren Ort tagt, sondern vielmehr über Video-, Telefon- oder „Voice over IP“-Konferenzen miteinander kommuniziert, wobei sich dann die Geschäftführer beziehungsweise Vorstände an unterschiedlichen physikalischen Orten aufhalten können.29 (3) Hauptniederlassung Auch die Bestimmung der Hauptniederlassung (Art. 60 Abs. 1 lit. c EuGVVO) kann beim elektronischen Geschäftsverkehr Probleme aufwerfen. Die Hauptniederlassung ist nach klassischem Verständnis der Ort, an dem sich die wesentlichen Personal- und Sachmittel eines Unternehmens befinden, um Geschäfte im Außenverhältnis mit Dritten zu betreiben.30 Zwar kann bei einem Vertrag, der auf elektronischem Weg geschlossen, aber auf herkömmliche Weise (beispielsweise durch Versand der Ware) erfüllt wird, der Ort als Hauptniederlassung angesehen werden, an dem diese Handlung durch Personal mit Sachmitteln vorbereitet wird.31 Erfolgt allerdings im Zuge zunehmender Digitalisierung32 auch die Erfüllung elektronisch, dann stellt sich die Frage, ob auch der Server33 oder eine Webseite34 als Hauptniederlassung angesehen werden können. 26

Siehe Kap. 3 B. V. 2. b). Vgl. zum Problem der virtuellen Unternehmen auch Kilian, in: Weiber (Hrsg.), Handbuch Electronic Business (2002), 995, 1007. 28 Schwarze-Jung, Art. 54 AEUV, Rn. 15. 29 Vgl. dazu Astheimer, FAZ v. 13./14.12.2008, C4. 30 Schwarze-Jung, Art. 54 AEUV, Rn. 15. 31 Indes bedarf es auch eines direkten geschäftlichen Kontaktes mit Dritten, vgl. zum Ganzen Schrammen, S. 16 f; zu dem Erfordernis der Möglichkeit des unmittelbaren Abschlusses von Außengeschäften vgl. EuGH, 22.11.1978, Rs. 33/78, Slg. 1978, 2183, 2193 f. Rn. 12 f. – Somafer/Saar-Ferngas. 32 Siehe Kap. 3 B. II. 33 Der Begriff Server bezeichnet eine Software, eine Hardware oder eine Kombination aus beidem, welche einem mit ihm verbundenen Client Zugang zu speziellen Dienstleis27

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Dies wird überwiegend von der Literatur für den Server mit dem Hinweis abgelehnt, dass es ihm als technischem Gerät an der Geschäftstätigkeit durch reale Personen fehle und er auch nicht das Merkmal der Dauerhaftigkeit aufweise.35 Diese Argumentation ist allerdings angreifbar. Das Erfordernis von personellen Mitteln entstammt einer Definition von Niederlassung, die auf die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV (jetzt: Art. 49 AEUV) zurückgeführt wird. Löst man sich vom klassischen Verständnis, dass die wirtschaftliche Tätigkeit neben sachlichen Mitteln immer auch Personalressourcen bedarf, ist durchaus denkbar, allein das technische Gerät, also den Server, als „Niederlassung“ zu qualifizieren.36 Dass auch Technologie, sofern einmal eingerichtet, fähig ist, ohne ständige Präsenz von Personal als Außenstelle eines Unternehmens aufzutreten, zeigen autonome elektronische Agenten37. Sie sind reaktiv, proaktiv, schlussfolgerungs- sowie kommunikationsfähig und verhalten sich autonom, das heißt sie besitzen die Fähigkeit, flexibel auf neue Erkenntnisse zu reagieren und dabei die Bearbeitungsreihenfolge einzelner Teilaufgaben zu verändern.38 Autonome elektronische Agenten können also mit der Umwelt auf sinnvolle Art und Weise interagieren und ohne Rückfrage beim einsetzenden Unternehmen Verträge mit Dritten abschließen39, was letztlich auch der Maßstab für das Auftreten als Außenstelle ist40.

tungen verschafft. Da nur der Ort an dem sich die Hardware befindet geografisch bestimmbar ist, ist im Folgenden, wenn von Ort des Servers gesprochen wird, der Ort der Hardware gemeint. 34 Die Differenzierung zwischen Server und Webseite wirkt aus technischer Sicht künstlich. Denn eine Webseite benötigt zu ihrem Funktionieren einen Hostcomputer (Hardware) und eine Server-Software, die auf dem Hostcomputer ausgeführt wird, vgl. Gralla, S. 141. Somit wird mittels der Differenzierung letztlich danach gefragt, ob die Hardware eine Niederlassung ist und ob das Zusammenwirken von Hardware und Software eine Niederlassung ausmacht. 35 Junker, RIW 1999, 809, 818; Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 227 f.; Schrammen, S. 18 f.; a.A. Kobbach, BKR 2013, 233, 236. 36 In diese Richtung auch Kobbach, BKR 2013, 233, 236, der sich im Hinblick auf den grenzüberschreitenden, rein elektronischen Hochfrequenzhandel dafür ausspricht, eine ins Inland verbrachte Servereinrichtung als Zweigniederlassung i.S.d. § 53 KWG einzuordnen. 37 Für eine Definition vgl. § 2 (6) UETA: „Electronic agent means a computer program or an electronic or other automated means used independently to initiate an action or respond to electronic records or performances in whole or in part, without review or action by an individual.“ In der deutschen Literatur wird synonym auch der Begriff Computererklärung verwendet, vgl. Kilian, in: Weiber (Hrsg.), Handbuch Electronic Business (2002), 995, 1000. 38 Cornelius, MMR 2002, 353, 353; dass der Einsatz von automatisierten Programmen keine neue Entwicklung des Internetzeitalters ist, sondern bereits beim EDI Programme eingesetzt wurden, die ohne menschliche Interaktion Bestellungen abgeben und annehmen konnten, stellt Fry, 37 Idaho Law Review 2001, 237, 261 klar. 39 Cornelius, MMR 2002, 353, 354.

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Ein Server kann ferner durchaus das Merkmal der Dauerhaftigkeit aufweisen, denn hierfür kann allein maßgeblich sein, ob sich die Niederlassung im konkreten Fall für eine gewisse Zeit an einem Ort befindet, nicht aber, ob sie aufgrund ihrer Ausgestaltung potentiell leichter an einen anderen verlegt werden kann41. Auch die Unternehmenswebseite wird in der Fachliteratur nicht als Niederlassung angesehen.42 Die Lösung der Frage, ob ein Server oder eine Unternehmenswebseite als Niederlassung anzusehen sind, hat erhebliche Auswirkungen für viele Rechtsgebiete (zum Beispiel für das Vertrags-, Prozess- und Steuerrecht). Dementsprechend bedeutsam ist, dass das ECC diese Frage in Art. 6 Abs. 4 ECC ausdrücklich regelt. Nach Art. 6 Abs. 4 ECC ist ein Ort nicht schon allein deshalb eine Niederlassung, weil sich dort Ausrüstung und Technik zur Unterstützung eines Informationssystems befinden, das von einer Partei im Zusammenhang mit dem Zustandekommen eines Vertrages genutzt wird oder andere Parteien dort auf das Informationssystem zugreifen können. (4) Sonderfall: Virtuelle Unternehmen Die Bestimmung des Sitzes, der Niederlassung und der Hauptverwaltung kann also bei virtualisierten Unternehmen erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Die Rechtsordnung, die beantworten muss, ob das beklagte virtuelle Unternehmen im Staat des Gerichtes einen Wohnsitz hat, ist das Recht des Forums. Deutsche Gerichte haben also die Kollisionsnormen des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts anzuwenden, um den Sitz zu bestimmen. Bislang gab es in Deutschland hierfür keine geschriebene Regelung, Rechtsprechung und Literatur wendeten aber ganz überwiegend die Sitztheorie an, nach der eine Gesellschaft dort ihren Sitz hat, wo sich der tatsächliche Verwaltungssitz befindet.43 In jüngster Zeit ist allerdings die Europarechtskonformität der Sitztheorie durch eine Reihe von EuGH-Entscheidungen44 in Frage gestellt worden, nach denen die uneingeschränkte Anwendung gesellschaftsrechtlicher Regelungen am tatsächlichen Verwaltungssitz gegen die Niederlassungs-

40 EuGH, 22.11.1978, Rs. 33/78, Slg. 1978, 2183, 2193 f. Rn. 12 f. – Somafer/SaarFerngas. 41 So aber wohl Junker, RIW 1999, 809, 818; Schrammen, S. 19. 42 Schrammen, S. 19 ff. 43 BGHZ 25, 134, 144; 53, 181, 183; 78, 318, 334; 97, 269, 271; Palandt-Thorn, Anh zu Art. 12 EGBGB, Rn. 2. 44 EuGH, 9.3.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459 – Centros; EuGH, 5.11.2002, Rs. C-208/00, RIW 2002, 945 – Überseering; EuGH, 30.9.2003, Rs. C-167/01, RIW 2003, 957 – Inspire Art.

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freiheit aus Art. 43, 48 EGV (jetzt: Art. 49, 54 AEUV) verstoße.45 In Folge dieser Rechtsprechung hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass für alle Gesellschaften aus der EU das Recht entscheidend ist, unter dem sie gegründet wurden. Dies entspricht im Hinblick auf US-amerikanische Gesellschaften der aufgrund eines Staatsvertrages zwischen Deutschland und den USA46 existierenden Rechtslage. Damit gilt die Sitztheorie nur noch für Gesellschaften aus Drittstaaten47, sofern keine staatsvertraglichen Regelungen bestehen. Wo aber der Gründungsort eines virtuellen Unternehmens liegt wird kaum zu bestimmen sein. Jedenfalls helfen die noch auf der Sitztheorie beruhenden Überlegungen von Mankowski zur Lokalisierung von virtuellen Unternehmen nicht weiter, wonach virtuelle Unternehmen, die über eine Mindestgesellschaftsorganisation verfügen, regelmäßig ihren Sitz am Sitz des führenden Partners haben sollen.48 Ein Strohhalm könnte allerdings sein, dass für die Annahme einer Niederlassung diese nicht objektiv tatsächlich vorliegen muss, sondern ein entsprechender vom Unternehmer gesetzter Schein ausreicht49. Indes sind die Kriterien, aus denen sich ein solcher Rechtsschein ergibt, für den elektronischen Geschäftsverkehr bisher nicht konkretisiert worden. Einen ähnlichen Weg geht auch das ECC. Nach Art. 6 Abs. 1 ECC wird vermutet, dass eine Partei ihre Niederlassung an dem Ort hat, den sie angibt, es sei denn, eine andere Partei weist nach, dass die Partei, die diese Angabe macht, an dem angegebenen Ort keine Niederlassung hat. Woraus sich die (konkludente) „Angabe“ einer Niederlassung ergeben kann, ist jedoch offen. bb) Grenzüberschreitender Bezug Wie bereits angedeutet, fordert die überwiegende Literatur für die Anwendung der EuGVVO einen grenzüberschreitenden Bezug, dessen Inhalt anhand der einschlägigen Norm, vorliegend also Art. 2 Abs. 1 EuGVVO, bestimmt werden soll.50 Im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ, dessen Wortlaut mit Art. 2 Abs. 1 EuGVVO übereinstimmt, vertritt ein Großteil des Schrifttums51 die Meinung, dass ein grenzüberschreitender Bezug des Sachverhalts zu einem Drittstaat 45

So auch BGH, NJW 2005, 1648, 1649. BGHZ 153, 353, 356 zu Artikel XXV Abs. 5 S. 2 Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 29.10.1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (BGBl. 1956 II S. 487). 47 BGH, NJW-RR 2010, 1364, 1364. 48 Mankowski, CR 1999, 581, 583 ff. 49 Mankowski, a.a.O., 548. 50 Kropholler/von Hein, vor Art. 2 EuGVVO, Rn. 6. 51 Aull, IPRax 1999, 226, 227; Geimer, IPRax 1991, 31, 32; Trunk, IPRax 1996, 249, 252. 46

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genüge. Auch der EuGH hält das EuGVÜ dann für anwendbar, wenn der Beklagte in einem Vertragsstaat, der Kläger aber in einem Drittland ansässig ist.52 Insbesondere vor dem Hintergrund dieser EuGH-Rechtsprechung ist dies nunmehr auch für die EuGVVO ganz herrschende Auffassung.53 Dennoch regelt die EuGVVO das Verhältnis zu Drittstaaten nur unvollständig. Hat der Beklagte seinen Gesellschaftssitz in einem Mitgliedsstaat, so bestimmt sich die internationale Zuständigkeit stets nach Art. 2, 60 EuGVVO.54 Ist das beklagte Unternehmen allerdings nicht in der EU ansässig, muss zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit auf nationale Vorschriften zurückgegriffen werden. Möchte also zum Beispiel ein deutsches Unternehmen ein US-amerikanisches Unternehmen vor einem deutschen Gericht verklagen, sind die nationalen Zuständigskeitsvorschriften maßgeblich. Außerdem gilt der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes nur gegenüber Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedsstaat für Klagen in einem anderen Mitgliedsstaat (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO).55 Anders verhält es sich, wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt. Hier genügt es, wenn mindestens ein beteiligtes Unternehmen seinen Sitz in einem Mitgliedsstaat hat (Art. 23 EuGVVO), so dass diesbezüglich auch das Verhältnis zu Drittstaaten erfasst ist.56 cc) Zwischenergebnis Die Bestimmung des allgemeinen Gerichtsstandes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 EuGVVO) weist bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften Probleme auf, weil beim Einsatz elektronischer Kommunikationsmethoden die Bestimmung der Hauptverwaltung (Art. 60 Abs. 1 lit. b EuGVVO) schwierig sein kann und die Einordnung von Server oder Webseite als Hauptniederlassung (Art. 60 Abs. 1 lit. c EuGVVO) noch nicht geklärt ist. Relevant wird beides vor allem dann, wenn der satzungsmäßige Sitz nicht feststellbar ist. c) Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes, Art. 5 Nr. 1 EuGVVO Für internationale elektronische Verträge zwischen Unternehmen kann neben dem allgemeinen Gerichtsstand (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO) auch der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes einschlägig sein (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO). 52

EuGH, 13.7.2000, Rs. C 412/98 Slg. 2000, I-5925, I-5957, Rn. 57 ff. – Group Josi; EuGH, 1.3.2005, Rs. C 281/02 Slg. 2005, I-1383, Rn. 24 ff. – Owusu. 53 Thomas/Putzo/Reichold/Hüßtege-Hüßtege, EuGVVO Vorbem, Rn. 12; ZöllerGeimer, Art. 2 EuGVVO, Rn. 15; Musielak-Stadler, Art. 2 EuGVVO, Rn. 2; Kropholler/von Hein, vor Art. 2 EuGVVO, Rn. 8; a.A. Schrammen, S. 23 ff. 54 MüKo-Gottwald, Art. 2 EuGVVO, Rn. 3, 26. 55 MüKo-Gottwald, a.a.O., Rn. 26. 56 MüKo-Gottwald, a.a.O., Rn. 26.

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Danach kann eine Partei, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, auch in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem die vertragliche Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.57 aa) Gerichtsstand am Liefer- oder Dienstleistungsort, Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO enthält autonome58 Definitionen für den Erfüllungsort bei Kaufverträgen (Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO) und bei Dienstleistungsverträgen (Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVVO). Diese bewirken eine Konzentration aller Streitigkeiten aus einem Vertrag bei einem Gericht, da der Erfüllungsort für alle vertraglichen Ansprüche gilt, also auch für die Zahlungsverpflichtung des Käufers oder des Dienstleistungsgläubigers.59 Fraglich ist allerdings, wie Kauf- oder Dienstvertrag (Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO) einerseits und sonstige Verträge (Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO) andererseits voneinander abzugrenzen sind. Bedeutsam ist die Differenzierung deshalb, weil nur für Kauf- oder Dienstvertrag (Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO) der Erfüllungsort autonom definiert wird, so dass alle vertraglichen Streitigkeiten bei einem Gericht konzentriert werden.60 Bei allen anderen Verträgen fehlt es an einer autonomen Definition des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO). Dies hat zur Folge, dass der Erfüllungsort dann für jede streitige Verpflichtung separat nach der lex causae zu ermitteln ist.61 Im elektronischen Geschäftsverkehr ist zwischen folgenden Verträgen zu unterscheiden62: 57

Dies gilt allerdings nicht für Verbraucher, denn nach Art. 16 Abs. 2 EuGVVO dürfen Klagen gegen Verbraucher nur vor den Gerichten des Mitgliedsstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. 58 D.h. die Begriffsbestimmung hat losgelöst vom anwendbaren Sachrecht zu erfolgen, vgl. EuGH, 25.2.2010, Rs. C-381/08, NJW 2010, 1059, 1060 – Car Trim; BGH, NJW 2009, 2606, 2607; OLG Oldenburg, BeckRS 2008, 06401; OLG Celle, NJW-RR 2010, 136, 138; Metzger, IPRax 2010, 420, 421; Hau, IPRax 2000, 354, 358; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325, 328. 59 EuGH, 25.2.2010, Rs. C-381/08, NJW 2010, 1059, 1060 – Car Trim; BGH, NJW 2009, 2606, 2606; OLG Hamm, BeckRS 2012, 01173; OLG Oldenburg, BeckRS 2008, 06401; Hau, IPRax 2000, 354, 359; Jayme/Kohler, IPRax 1999, 401, 405; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325, 328. 60 EuGH, 25.2.2010, Rs. C-381/08, NJW 2010, 1059, 1060 – Car Trim; BGH, NJW 2009, 2606, 2607. 61 Begr. der Kommission zur Verordnungsvorschlag, KOM (1999) 348 vom 14.7.1999, S. 15 dort Fn. 9; Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 56 f. Vgl. zur Kritik an dieser Regelung Jayme/Kohler, IPRax 1999, 401, 405; Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325, 329. 62 Siehe Kap. 2 B. II.

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– Verträge, die nur mit elektronischen Kommunikationsmitteln abgeschlossen werden, aber den Austausch physischer Güter zum Gegenstand haben (Kauf eines Autos über das Internet, EDI-Einzelvertrag über eine körperliche Sache), – Verträge, bei denen ein Dienst oder ein Werk Vertragsgegenstand ist und die geschuldete Leistung elektronisch erbracht wird (elektronische Architektenleistungen, Individualsoftware), sowie – Verträge über verkehrsfähige, vertretbare Vermögensgegenstände, die auf elektronischem Weg übermittelt werden63 (Standardsoftware). (1) Erfüllungsort beim elektronischen Kaufvertrag über eine bewegliche Sache, Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO (a) Elektronischer Kaufvertrag über eine bewegliche Sache (aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut Elektronische Verträge sind zumindest dann als Kaufverträge im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO einzustufen, wenn es sich um eine elektronische Warenbestellung handelt, die auf herkömmlichen Weg an den Erwerber versandt wird.64 Dies gilt nach der Rechtsprechung des EuGH auch für Verträge, bei denen der Auftraggeber Vorgaben zu der Beschaffung, der Verarbeitung und der Lieferung der herzustellenden oder zu erzeugenden Ware gemacht hat und der Lieferant für die Qualität und Vertragsgemäßheit der Ware haftet.65 Entscheidend soll die vertragscharakteristische Leistung sein.66 (bb) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut Fraglich ist, ob ein Kaufvertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO auch dann vorliegen kann, wenn die vertragliche Hauptleistung elektronisch übermittelt wird. Stellt man die gleiche Frage in Bezug auf das BGB, dann muss die Antwort lauten, dass die elektronische Übermittlung eines Gutes grundsätzlich

63 Vgl. die Definition von „Sache“ im Sinne des § 433 BGB bei MüKo-Westermann, § 433 BGB, Rn. 10 sowie die Vorschrift des § 651 BGB mit dem Hinweis in BGH, NJW 1966, 2307, 2307, dass eine vertretbare Sache durch andere Sachen dieser Art ohne weiteres austauschbar sei, weil sie keine ausgeprägten Individualisierungsmerkmale aufweise. 64 Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 59; Schrammen, S. 29. 65 EuGH, 25.2.2010, Rs. C-381/08, NJW 2010, 1059, 1059 – Car Trim; so zuvor auch schon OLG Karlsruhe, NJOZ 2009, 2282, 2286; dem EuGH folgend OLG Hamm, BeckRS 2012, 01173. 66 EuGH, 25.2.2010, Rs. C-381/08, NJW 2010, 1059, 1059 – Car Trim.

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nicht gegen seine Einordnung als Gegenstand eines Kaufvertrages spricht.67 Denn es gilt nach ganz herrschender Auffassung, dass das Verständnis der „Sache“ in § 433 BGB (zumindest unter Berücksichtigung von § 453 BGB68) über den Begriff der körperlichen Sache im Sinne des § 90 BGB hinaus alle verkehrsfähigen, auch unkörperlichen Vermögensgegenstände als möglichen Gegenstand von Kaufverträgen zu umfassen hat.69 Im Hinblick auf das CISG gestaltet sich die Antwort schwieriger. Dort ist der Kauf einer „Ware“ (engl. „good“, frz. „marchandise“) vorausgesetzt (Art. 1 CISG). Teilweise wird dieser Begriff eng dahingehend ausgelegt, dass nur körperliche Sachen erfasst sein sollen.70 Demnach fehle es bei digital übermittelten Gütern zumindest dann an der Tauglichkeit zum Vertragsgegenstand, wenn sie nicht wie bei einem Architektenplan durch Ausdruck materialisiert werden können.71 Allerdings legt eine andere Auffassung den Begriff der Ware in Art. 1 Abs. 1 CISG weit aus und bezieht auch unkörperliche Gegenstände, insbesondere Standardsoftware, in den Warenbegriff mit ein.72 Nach dieser Auffassung steht es der Einordnung als Kaufvertrag nicht entgegen, wenn die vertragliche Hauptleistung elektronisch übermittelt wird. Im US-amerikanischen Recht ist grundsätzlich anerkannt, dass das Kaufrecht auf Verträge anzuwenden ist, die ein digital übermitteltes Gut als Leistungsgegenstand haben.73 Für die EuGVVO ist die Einordnung von elektronisch übermittelten Gütern bisher vor allem für den Vertrag über Software diskutiert worden, also für Verträge über die Lieferung von komplexen Datenverarbeitungsprogrammen und der zugehörigen Daten. Diese Diskussion kann im Hinblick auf den Aspekt der Unkörperlichkeit von Software auf andere digitale Güter (z.B. elektronische Zeitschriften) übertragen werden. Indes erübrigt dies nicht die Unterscheidung zwischen vertretbaren Gegenständen (Standardsoftware, 67 Vgl. BGH ZIP 1990, 1138, 1139 f. sowie MüKo-Westermann, § 433 BGB, Rn. 12 zur elektronischen Übermittlung von Standardsoftware. 68 So Jauernig-Berger, § 433 BGB, Rn. 10. 69 MüKo-Westermann, § 433 BGB, Rn. 10. 70 BeckOK-Saenger, Art. 1 CISG, Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1, Rn. 34. 71 Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1 CISG, Rn. 38; Honsell-Siehr, Art. 2 CISG, Rn. 8. 72 Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int'l L. 2003, 263, 278; Diedrich, RIW 1993, 441, 452; Endler, CR 1993, 601, 605; Schmitz, MMR 2000, 256, 258; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 311, Rn. 627; StaudingerMagnus, Art. 1 CISG, Rn. 44. 73 Step-Saver Data Systems, Inc. v. Wyse Technology, 939 F.2d 91, 105 (3d Cir. 1991); Softman Products Company, Inc., LLC, v. Adobe Systems Inc., 171 F. Supp. 2d 1075, 1085 (C.D. Cal. 2001); i.Lan Systems, Inc. v. NetScout Service Level Corp., 183 F. Supp. 2d 328, 332 (D. Mass. 2002); Wachter Management Co v. Dexter & Chaney, Inc., 144 P.3d 747, 750 (Kans 2006).

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elektronische Zeitschrift) und nicht vertretbaren Gütern (Individualsoftware, elektronische Architektenpläne). Vereinzelt wird vertreten, dass Software, die im Wege der OnlineÜbertragung übermittelt wird, als immaterielles Gut nicht „Sache“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO sei.74 Folglich liege in diesem Fall mangels tauglichem Kaufgegenstand kein Kaufvertrag vor, sondern nur dann, wenn Software erworben werde, die auf einem Datenträger verkörpert sei75, wobei es sich hierbei um endgültig und zur freien Verfügung überlassene Standardsoftware76 handeln müsse77. Diese Ansicht stützt sich vor allem78 auf die EuGH-Entscheidung Sacchi79, die in Bezug auf Art. 23 EGV (jetzt: Art. 28 AEUV) klargestellt hat, dass Fernsehsendungen ihrer Natur nach als Dienstleistungen anzusehen sind80. Allerdings ist eine Bezugnahme auf die Sacchi-Entscheidung schon deshalb nicht angezeigt, weil nicht Art. 23 EGV, sondern Art. 65 EGV (jetzt: Art. 81 AEUV) Grundlage der EuGVVO ist und es außerdem bei der SacchiEntscheidung nicht um Software, sondern um Fernsehsendungen ging. In Bezug auf Software hat der EuGH bisher lediglich entschieden, dass bei auf einem elektronischen Datenträger gespeicherter Software der Wert der Software Teil des Transaktionswerts des Datenträgers ist.81 Es ist zu bestreiten, dass der Erwerb digitaler Güter, die elektronisch übermittelt werden, kein Kaufvertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO darstellen kann. Insbesondere eine wirtschaftliche Betrachtungsweise der Möglichkeiten, digitale Güter via elektronischer Übertragung und durch Übergabe eines körperlichen Datenträgers zu erwerben, und die Berücksichtigung der 74

Schrammen, S. 33 f., 36 f. Schrammen, S. 42. 76 Standardsoftware ist eine Software, die keine vorgegebenen Anforderungen seitens des Anwenders berücksichtigt, vgl. Marly, Rn. 610. Da der Nachfrager in die Softwareerstellung nicht eingebunden ist, handelt es sich um ein Informationsprodukt, vgl. Bieberbach/Hermann, in: Scheer/Nüttgens (Hrsg.), Electronic Business Engineering 1999, 68, 72. 77 Bei der zeitlichen begrenzten und nutzungsbeschränkten Überlassung sei anhand der konkreten Vertragsinhalte im Einzelfall zu entscheiden, ob sich hierdurch an der Einordnung als Kaufvertrag nichts ändere oder eine andere Einordnung des Vertrages etwa als Lizenzvertrag angezeigt sei, vgl. Schrammen, S. 43 f.; Überlassung von Individualsoftware sei im Rahmen der EuGVVO als Erbringung einer Dienstleistung einzuordnen, vgl. Schrammen, S. 44. 78 Auch der Wortlaut wird von Schrammen, S. 33 f. untersucht, was allerdings zu keinem verwertbaren Ergebnis führt, weil die in den verschiedenen Sprachfassungen der EuGVVO verwendeten Begriffe „Sache“, „sale of goods“ und „ventes de marchandises“ im nationalen Rechtsverständnis teilweise die Körperlichkeit voraussetzen würden, teilweise dies gerade nicht täten. 79 EuGH, 30.4.1974, Rs. 155/73, Slg. 1974, 409, 428 – Sacchi. 80 EuGH, 30.4.1974, Rs. 155/73, Slg. 1974, 409, Rn. 6 – Sacchi. 81 EuGH, 18.4.1991, Rs. C-79/89, Slg. 1991, I-1853, I-1890, Rn. 21 – Brown Boveri. 75

B. Rechtslage

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Parteiinteressen sollten den EuGH zu einer gegenteiligen Rechtsprechung verleiten, denn der wirtschaftliche Wert besteht nicht im körperlichen Datenträger, sondern in der Software selbst, auf die sich das Parteiinteresse bezieht. Demgemäß wird auch vertreten, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO auch die elektronische Übermittlung von Software umfasse, weil die Übertragungsart (Datenträger oder Online) keinen Unterschied machen könne.82 Dieser Auffassung ist zuzustimmen, denn die digitale Übermittlung substituiert lediglich die körperliche „Übergabe“, ohne einen neuen Absatzmarkt zu schaffen83. Bevor eine klärende EuGH-Entscheidung vorliegt, besteht aber keine Rechtssicherheit, ob ein Kaufvertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO auch dann vorliegen kann, wenn die vertragliche Hauptleistung elektronisch übermittelt wird. (b) Bestimmung des Lieferortes Liegt ein Kaufvertrag vor, dann besteht für Rechte aus dem Vertrag an dem Ort ein besonderer Gerichtsstand, an den die Sachen geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen (Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO). In den für den internationalen Handelsverkehr nicht untypischen Fällen, in denen der Ort, an dem der Verkäufer die ihm obliegende Lieferhandlung vornimmt, und der Ort, an dem die Ware vom Käufer angenommen wird, nicht zusammenfallen, war lange ungeklärt, an welchem dieser beiden Orte ein besonderer Gerichtsstand besteht. Piltz sprach sich für den Ort der Lieferhandlung durch den Verkäufer aus.84 Eine andere Auffassung nahm den Lieferort dort an, wo der Käufer die Ware annimmt.85 Schlosser lehnte beide Auffassungen ab und wollte den Lieferort grundsätzlich durch Rückgriff auf das den Kaufvertrag beherrschende Recht bestimmen.86 Auf eine Vorlage des BGH87 hat der EuGH entschieden, dass bei Versendungskäufen der Lieferort auf der Grundlage des Vertrages zu bestimmen ist. Lasse sich der Lieferort auf dieser Grundlage nicht ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag an82

Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVVO, Rn. 41, Art. 15 EuGVVO, Rn. 17. Siehe Kap. 2 B. II. 84 Piltz, NJW 2002, 789, 793; ebenso sofern das CISG das anwendbare materielle Recht ist: Magnus, IHR 2002, 45, 49; ebenso mittels Anwendung internationaler Prinzipienwerke wie den European Principles of Contract Law und den UNIDROIT-Prinzipien: Gsell, IPRax 2002, 484, 491. 85 Hager/Bentele, IPRax 2004, 73, 74 ff.; Hau, IPRax 2000, 354, 358; Schrammen, S. 51. 86 Schlosser, Art. 5 EuGVVO, Rn. 10a; dies ablehnend Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVVO, Rn. 49. 87 BGH, NJW 2008, 3001. 83

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

wendbare materielle Recht ermitteln, soll der Lieferort dort sein, wo der Käufer durch die körperliche Übergabe der Waren am endgültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen.88 (aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut Bei der elektronischen Warenbestellung, die auf herkömmlichen Weg an den Erwerber versandt wird, ist zwar kein Unterschied zur (fern-)mündlichen oder schriftlichen Warenbestellung zu machen89, jedoch ist dies genau der Fall, bei dem der Ort der Lieferhandlung durch den Verkäufer und der Ort der Annahme der Lieferung durch den Käufer auseinander fallen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist auf den Ort abzustellen, an dem der Käufer die Ware in Empfang nimmt. (bb) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut Geht man davon aus, dass auch beim Erwerb von digital übermittelten Gütern ein Kaufvertrag vorliegen kann, so ist fraglich, was die EuGHRechtsprechung zum Lieferort für die digitale Übermittlung bedeutet. Überträgt man den Grundsatz, dass der Ort maßgeblich sein soll, an dem der Käufer die tatsächliche Verfügungsgewalt erlangt, ist nicht der Server des Verkäufers, auf dem das digitale Gut gespeichert ist und von wo es aus digital übermittelt wird, sondern die Hardware des Empfängers als Lieferort anzusehen.90 Wird also zum Beispiel Software von einem Käufer von einer Unternehmenshomepage heruntergeladen oder aber im Rahmen eines SaaSAngebots genutzt, ist der Rechnerstandort des Käufers der Lieferort. Dies birgt für den Anbieter die Gefahr, in jedem europäischen Staat gerichtspflichtig zu werden, da er nicht kontrollieren kann, wo sich die Hardware des Käufers befindet. Hiergegen kann er sich nur durch eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung schützen.

88 EuGH, 25.2.2010, Rs. C-381/08, NJW 2010, 1059, 1061 – Car Trim; vgl. auch EuGH, 9.6.2011, Rs. C-87/10, NJW 2011, 3018, 3018 – Electrosteel Europe SA/Edil Centro SpA. Zustimmend Metzger, IPRax 2010, 420, 421. 89 So auch Schrammen, S. 52. 90 Vor EuGH, 25.2.2010, Rs. C-381/08, NJW 2010, 1059, 1061 – Car Trim so auch schon F. A. Koch, S. 52 in Bezug auf den Software-Download.

B. Rechtslage

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(2) Erfüllungsort beim elektronischen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen, Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVVO (a) Elektronischer Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen Der Begriff der „Erbringung von Dienstleistungen“ wird allgemein unionsrechtlich autonom dahingehend interpretiert, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVVO alle Leistungen umfasst, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden91 und zwar insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten.92 Damit gilt diese Vorschrift nicht nur für Dienstverträge, sondern auch für Werkverträge und gemischte Verträge, bei denen die Dienstleistung im Vordergrund steht.93 (aa) Elektronischer Vertrag über nicht digital erbrachte Dienstleistung Erfolgt nur der Vertragsschluss elektronisch, wird die Leistung aber auf traditionellem Weg erbracht, dann ergeben sich bei der Anwendung dieser Definition keine besonderen Probleme. (bb) Elektronischer Vertrag über digital erbrachte Dienstleistung Fraglich ist allerdings, wie Verträge einzuordnen sind, bei denen Leistungen digital erbracht werden. Der EuGH hat in einer Vorabentscheidung aus dem Jahr 2009 festgestellt, dass ein Vertrag, mit dem ein Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums seinem Vertragspartner das Recht zu dessen Nutzung gegen Entgelt einräume, kein Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO sei.94 Mit einem solchen Vertrag verpflichte sich der Inhaber des zur Nutzung überlassenen Rechts nur, der Nutzung dieses Rechts nicht zu widersprechen, nehme aber keine Tätigkeit vor.95 Demgemäß sind Leistungen, die in der traditionellen Geschäftsabwicklung charakteristisch eine Dienst- oder Werkleistung darstellen – wie zum Beispiel Architektenpläne – auch bei digitaler Übermittlung als Dienstleistungen im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO anzusehen. Die Auswirkungen der EuGH-Entscheidung auf Softwareverträge sind weniger eindeutig. Hier wird 91

EuGH, 23.4.2009, Rs. C-533/07, GRUR 2009, 753, 755 – Falco Privatstiftung/Weller Lindhorst. 92 Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVVO, Rn. 43; ebenso Geimer/Schütze-Geimer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 90, der allerdings auch unentgeltliche Leistungen als erfasst ansieht. 93 Geimer/Schütze-Geimer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 90 f.; Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVVO, Rn. 44; Mankowski, CR 2010, 137, 138. 94 EuGH, 23.4.2009, Rs. C-533/07, GRUR 2009, 753, 755 – Falco Privatstiftung/Weller Lindhorst. 95 EuGH, 23.4.2009, Rs. C-533/07, GRUR 2009, 753, 755 – Falco Privatstiftung/Weller Lindhorst.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

es entscheidend auf die konkrete vertragliche Ausgestaltung ankommen. Softwareverträge mit starken dienstrechtlichen Elementen (z.B. Pflegeverträge96) oder werkrechtlichen Elementen (z.B. Erstellung von Individualsoftware97) setzen ein Tätigwerden des Anbieters voraus, so dass eine Dienstleistung im Sinne der EuGVVO vorliegt.98 Hingegen dürfte bei Softwareverträgen, die als Mietverträge einzuordnen sind (z.B. „Application-ServiceProviding (ASP)“-Verträge), nach den Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung kein Tätigwerden des Anbieters vorliegen, so dass von keiner Dienstleistung im Sinne der EuGVVO ausgegangen werden kann.99 Keine Auswirkung dürfte die EuGH-Entscheidung auf Softwareverträge haben, die strukturell einem Kaufvertrag vergleichbar ausgeformt sind (z.B. Überlassung von Standardsoftware nebst Quellcodes zur dauerhaften Benutzung gegen einmaliges zu zahlendes Entgelt100), denn in diesem Fall geht es um die Einordnung als „Verkauf über bewegliche Sachen“ (Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO) und nicht um die Einordnung als „Erbringung von Dienstleistungen“ (Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO).101 Insofern stellt sich dann wieder die noch ungeklärte Frage, ob Verträge über digital übermittelte Güter auch Kaufverträge im Sinne der EuGVVO sein können. Lässt sich demnach ein Vertrag weder als „Verkauf über bewegliche Sachen“ noch als „Erbringung von Dienstleistungen“ einordnen, bestimmt sich der Erfüllungsort nach der allgemeinen Regelung des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO (Art. 5 Nr. 1 lit. c EuGVVO).102 Hierzu hat der EuGH ausgeführt, dass die zu Art. 5 Nr. 1 S. 1 EuGVÜ entwickelten Grundsätze maßgeblich seien.103 Für Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ist anerkannt, dass keine autonome Definition des Erfüllungsortes besteht, die eine Konzentration aller vertraglicher Streitigkeiten bei einem Gericht bewirkt, sondern der Erfüllungsort für jede streitige Verpflichtung einzeln nach der lex causae zu ermitteln ist104. Demnach werden die Schwierigkeiten der Bestimmung des Erfüllungsortes auf die Ebene 96

Zur vertragstypologischen Einordnung vgl. BGH, K&R 2010, 343, 345. Zur vertragstypologischen Einordnung OLG München, NJW-RR 2010, 789, 790. 98 Mankowski, CR 2010, 137, 138; so auch OLG München, NJW-RR 2010, 789, 790 für Individualsoftware, indes ohne nähere Begründung. 99 Vgl. Ubertazzi, GRUR Int. 2010, 102, 112 zu IP-Lizenzverträgen, die strukturell mit Pachtverträgen vergleichbar ausgestaltet sind. 100 Zur vertragstypologischen Einordnung vgl. BGH, NJW 2000, 1415, 1415. 101 Mankowski, CR 2010, 137, 138 f.; vgl. auch Ubertazzi, GRUR Int. 2010, 102, 112 allgemein zu IP-Lizenzverträgen. 102 EuGH, 23.4.2009, Rs. C-533/07, GRUR 2009, 753, 755 – Falco Privatstiftung/Weller Lindhorst. 103 EuGH, 23.4.2009, Rs. C-533/07, GRUR 2009, 753, 755 – Falco Privatstiftung/Weller Lindhorst. 104 EuGH, 6.10.1976, Rs. C-12/76, Slg. 1976, 1473, 1486, Rn. 13 – Tessili/Dunlop; 29.6.1994, Rs. C-288/92, Slg. 1994, I-2913, I-2958, Rn. 26 – Custom Made Commercial. 97

B. Rechtslage

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des Sachrechts verlagert. Dies gilt – nach dem obigen Ergebnis – jedenfalls für Softwareverträge, die als Mietverträge einzuordnen sind. Für Softwareverträge, die vertragstypologisch Kaufverträgen entsprechen, ist eine Verweisung ins Sachrecht nur vermeidbar, wenn man der – hier auch vertretenen – Auffassung folgt, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO auch die elektronische Übermittlung von Software umfasse, weil die Übertragungsart (Datenträger oder Online) keinen Unterschied machen könne.105 (b) Bestimmung des Dienstleistungsortes Nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVVO besteht bei einer Dienstleistung an dem Ort ein Gerichtsstand, an dem die Leistung nach dem Vertrag erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen. (aa) Elektronischer Vertrag über nicht digital erbrachte Dienstleistung Beim elektronischen Abschluss eines Dienstleistungsvertrags, der auf herkömmliche Weise erfüllt wird, ist der Gerichtsstand unproblematisch am Ort der Leistungserbringung. (bb) Elektronischer Vertrag über digitale erbrachte Dienstleistung Allerdings kann die Bestimmung des Dienstleistungsortes dann Schwierigkeiten bereiten, wenn die Leistung auf digitalem Weg zu erbringen ist. Nach Mankowski beruhen diese Schwierigkeiten grundsätzlich darauf, dass, wenn eine Dienstleistung an einem Ort ausgeführt wird und dann ihr Ergebnis an einen anderen Ort kommuniziert oder transportiert wird, die Frage zu beantworten ist, ob die Dienstleistung dort wesentlich erbracht ist, wo der Dienstleistende tätig wird oder wo ihr Ergebnis dem Kunden nutzbar gemacht wird.106 Dieser Ansicht ist hinsichtlich der Lieferung nicht vertretbarer Güter uneingeschränkt zuzustimmen. Indes ist die Lage bei Dienstleistungen im engeren Sinne noch komplexer, denn hier kann bereits die Lokalisierung des Ortes schwierig sein, an dem der Dienstleistende tätig wird. Greift beispielsweise ein Unternehmen von außen auf das IT-System des Geschäftspartners zu, um in diesem eine Leistung zu erbringen, ist unklar, ob das Unternehmen an dem Ort tätig wird, von dem es zugreift, oder an dem Ort, an welchem sich das ITSystem befindet107. Verständlicherweise werden für diese Problematik in der Rechtswissenschaft verschiedene Lösungsansätze präsentiert. Mankowski will eine Vermu105

Siehe Kap. 8 B. I. 2. c) aa) (1) (a) (bb). Spindler/Wiebe-Mankowski, Kap. 12, Rn. 29. 107 Um überhaupt ein IT-System geografisch lokalisieren zu können, muss auf den Standort der Hardware abgestellt werden. 106

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

tung zugunsten des Ortes der vertragsbetreuenden Niederlassung des Dienstleistungserbringers aufstellen.108 Schrammen spricht sich bei Überlassungsverträgen von Individualsoftware für den Sitz des Anbieters und bei Standardsoftware, obwohl insofern nach besserer Auffassung ein Kaufvertrag vorliegt109 und es daher nur einen Lieferort, aber keinen Dienstleistungsort geben kann, für den Ort aus, an dem der Veräußerer die Programmierung und Erstellung der Webseite durchgeführt oder veranlasst habe, an dem er die ständige Kontrolle und Aktualisierung ihrer Inhalte vornehme und an dem er sicherstelle, dass das Herunterladen permanent einwandfrei funktioniere.110 Schließlich geht Schlosser davon aus, dass bei mangelnder anderweitiger Lokalisierbarkeit einer Dienstleistung auf die nationalen Rechtsordnungen zurückzugreifen sei, die fast immer auf den Sitz des Dienstleistungserbringers verweisen würden.111 Dieser Tendenz der Fachliteratur zugunsten des Dienstleistungsortes am Sitz des Dienstleitungserbingers hat sich das OLG München in einer jüngeren Entscheidung angeschlossen.112 Es hatte zu beurteilen, wo im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVVO die vertraglichen Leistungen erbracht werden, wenn im Rahmen eines Softwareentwicklungsvertrags ein österreichischer Anbieter für einen deutschen Kunden ein neues, internetfähiges Vertriebs- und Kundenbetreuungsmanagementsystem erstellt. Die entwickelte Software wurde per Datenfernübertragung auf einen Webserver übertragen und dort gespeichert. Die Mitarbeiter des deutschen Kunden konnten dann via Internet auf das System zugreifen. Das OLG München entschied, dass in diesem Fall die vertragscharakteristische Leistung am Sitz des Softwareentwicklers erbracht werde. Dabei stellte es maßgeblich darauf ab, dass sich der örtliche Schwerpunkt nach Zeitaufwand und Bedeutung der Tätigkeitsteile bestimme.113 Sämtliche mit der Errichtung des Werkes erforderlichen Arbeiten seien in oder von Österreich aus durchgeführt worden, selbst die Übertragung der Software an den Kunden und die Inbetriebnahme habe von Österreich aus stattgefunden. Das Gericht stellte ausdrücklich klar, dass der Ort der Speicherung der Daten kein maßgeblicher Anknüpfungspunkt sei.114 Der Standort des Servers sei mit dem Ort einer Schiedsverhandlung vergleichbar, der nach einer Entscheidung des BGH115 auch nicht maßgeblich sei, weil der Tätigkeitsschwerpunkt am Sitz der Kanzlei des Rechtsanwalts

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Spindler/Wiebe-Mankowski, Kap. 12, Rn. 32; Mankowski, CR 2010, 137, 139. Siehe Kap. 8 B. I. 2. c) aa) (1) (a) (bb). 110 Schrammen, S. 55 f. 111 Schlosser, Art. 5 EuGVVO, Rn. 10b. 112 OLG München, NJW-RR 2010, 789. 113 OLG München, NJW-RR 2010, 789, 790. 114 OLG München, NJW-RR 2010, 789, 791. 115 BGH, NJW 2006, 1806. 109

B. Rechtslage

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liege.116 Der Ort der (werkvertraglichen) Abnahme könne nicht entscheidend sein, da diese von jedem Ort mit Internetzugang hätte erfolgen können.117 Ebenso wenig könne es auf den Ort der Nutzung ankommen, denn die Außendienstmitarbeiter des Kunden würden auf das System von ihrem jeweiligen Standort aus zugreifen.118 Außerdem komme die Leistung nicht im Sinnes eines passiven Verhaltens bei ihnen an, sondern sie holten sich aktiv die Leistung.119 Schließlich sei der Gesichtspunkt der Sach- und Beweisnähe unerheblich, da eine Ortsbezogenheit der vertragstypischen Werkleistung bei digitaler Übermittlung gerade nicht gegeben sei.120 Demnach ist bei digital erbrachten Dienstleistungen im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO regelmäßig der Sitz des Dienstleistungserbingers der Ort, an dem die vertraglichen Leistungen erbracht werden. Mithin ist dort der Erfüllungsort. (3) Vereinbarung über den Erfüllungsort, Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO Die Rechtsunsicherheit, die in Zusammenhang mit der Bestimmung von Liefer- und Dienstleistungsort auftritt, kann reduziert werden, wenn die Parteien eine Vereinbarung über den Erfüllungsort treffen.121 Dass eine solche Vereinbarung zulässig ist, ergibt sich aus den in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO enthaltenen Formulierungen „sofern nichts anders vereinbart worden ist“ und „nach dem Vertrag“.122 Obwohl eine Erfüllungsortvereinbarung letztlich den gleichen Effekt haben kann wie eine Gerichtsstandsvereinbarung, nämlich die Begründung der Zuständigkeit eines an sich unzuständigen Gerichts, muss sie nicht die Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 lit. a EuGVVO erfüllen, der für die Gerichtsstandsvereinbarung die Schriftform123 oder eine elektronische Übermittlung verlangt, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglicht (Art. 23 Abs. 2 EuGVVO). Alleinige unmittelbar aus der EuGVVO ableitbare Wirksamkeitsvoraussetzung der Erfüllungsortvereinbarung ist, dass sie ernst116

OLG München, NJW-RR 2010, 789, 791. OLG München, NJW-RR 2010, 789, 791. 118 OLG München, NJW-RR 2010, 789, 791. 119 OLG München, NJW-RR 2010, 789, 791. 120 OLG München, NJW-RR 2010, 789, 791. 121 Geimer, LMK 2010, 301816. 122 EuGH, 25.2.2010, Rs. C-381/08, NJW 2010, 1059, 1060 – Car Trim; Eltzschig, IPRax 2002, 491, 494. 123 Alternativ kann die Gerichtsstandsvereinbarung auch mündlich mit schriftlicher Bestätigung in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind oder im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten, geschlossen werden (Art. 23 Abs. 1 a-c EuGVVO). 117

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haft auf die materiellrechtliche Begründung eines tatsächlichen Leistungsortes abzielt, also einen Zusammenhang mit der Vertragswirklichkeit aufweist und nicht ledig prozessual wirken soll.124 Die weiteren Wirksamkeitsvoraussetzungen richten sich dann nach der lex causae.125 Letztlich hängt es also vom anwendbaren Sachrecht ab, ob eine Erfüllungsortvereinbarung mit elektronischen Kommunikationsmitteln abgeschlossen werden kann.126 (4) Zwischenergebnis Bei Verträgen, die mit elektronischen Mitteln abgeschlossen werden und die Lieferung einer Ware auf herkömmlichen Weg zum Gegenstand haben, wird es im Anwendungsbereich der EuGVVO regelmäßig zu einer Konzentration aller Vertragsstreitigkeiten beim Gericht des Erfüllungsortes kommen. Entspricht die vertragscharakteristische Leistung der Verkäuferhandlung eines Kaufvertrages, ist der Erfüllungsort der Ort, an dem die Ware vom Käufer angenommen wird. Handelt es sich um einen Dienst- oder Werkvertrag ist der Erfüllungsort der Ort der Leistungserbringung. Wird die vertragliche Hauptleistung auf digitalem Weg erbracht, besteht Rechtsunsicherheit, ob ein Kaufvertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 1.Spiegelstrich EuGVVO vorliegen kann, da die Sachqualität von immateriellen Gütern – insbesondere Software – im Rahmen der EuGVVO bisher nicht geklärt ist. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass die digitale Übermittlungsform der Einordnung als Kaufvertrag nicht entgegensteht, liegt der Erfüllungsort am Standort der Hardware des Empfängers. Der Einordnung als Dienstvertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2.Spiegelstrich EuGVVO steht nach dem EuGH die digitale Übermittlung nicht entgegen. Voraussetzung ist indes ein starkes dienst- oder werkvertragliches Element, so dass für Softwareverträge mit überwiegend mietvertraglichen Leistungspflichten kein Erfüllungsort mit prozessrechtlicher Konzentrationswirkung besteht und dieser für jede einzelne vertragliche Verpflichtung nach der lex causae zu bestimmen ist. Für Verträge über digitale Leistungen mit Dienst- oder Werkvertragscharakter besteht hingegen ein einheitlicher Ge124

EuGH, 20.2.1997, Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, 943 f., Rn. 31 ff. – MSG; Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVVO, Rn. 35 f.; Spindler/Wiebe-Mankowski, Kap. 12, Rn. 38; Wernicke/Hoppe, MMR 2002, 643, 644. 125 EuGH, 17.1.1980, Rs. 56/79, Slg. 1980, 89, 97, Rn. 5 – Zelger/Salinitri; OLG Celle, NJW-RR 2010, 136, 138; Schlosser, Art. 5 EuGVVO, Rn. 11; a.A.: Hau, IPRax 2000, 354, 360; Geimer/Schütze-Geimer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 92 sowie Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325, 328, die die formellen Anforderungen des Art. 23 Abs. 1, 2 EuGVVO auf Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO übertragen wollen. 126 Die Feststellung von Spindler/Wiebe-Mankowski, Kap. 12, Rn. 38, dass elektronische Erfüllungsortabreden unter Formaspekten betrachtet ausreichend seien, ist daher nur bedingt richtig.

B. Rechtslage

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richtsstand für alle vertragliche Streitigkeiten am Sitz des Dienstleistungserbringers. Bestehende Unsicherheiten über den Erfüllungsort können im elektronischen Geschäftsverkehr nicht ohne weiteres durch eine Erfüllungsortvereinbarung beseitigt werden, denn die Wirksamkeit einer mittels elektronischer Kommunikationsmittel abgeschlossen Erfüllungsortsvereinbarung ergibt sich nicht aus der EuGVVO, sondern aus dem anwendbaren Sachrecht. bb) Auffangtatbestand des Erfüllungsortes, Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO Liegt weder ein Kaufvertrag noch ein Dienstvertrag vor, ist die Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO einschlägig.127 Zu der identischen Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 Halbs. 1 EuGVÜ hat der EuGH entschieden, dass sich der Erfüllungsort nach dem auf den Vertrag anzuwendenden materiellen Recht bestimme128, wobei der Erfüllungsort derjenigen Verpflichtung maßgeblich sei, die den Gegenstand der Klage bilde129. Dies muss nunmehr auch für Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO gelten.130 Die Frage nach der Rechtssicherheit im elektronischen Geschäftsverkehr wird hierdurch auf die Ebene des Sachrechts verlagert, da dieses dafür maßgeblich ist, ob sich der Erfüllungsort bei einem elektronischen Vertrag sicher bestimmen lässt. d) Besonderer Gerichtsstand am Niederlassungsort, Art. 5 Nr. 5 EuGVVO Ein Unternehmen kann auch vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem sich eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung befindet, wenn es sich um eine Streitigkeit aus dem Betrieb dieser Repräsentanz handelt (Art. 5 Nr. 5 EuGVVO i.V.m. Art. 60 Abs. 1 EuGVVO).

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Umstritten ist, ob Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO auch dann eingreift, wenn der gem. Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO ermittelte Erfüllungsort nicht in einem EU-Staat liegt. Dafür: Spindler/Wiebe-Mankowski, Kap. 12, Rn. 34; Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVVO, Rn. 28, wenn auch auf rechtspolitischer Ebene kritisch, Rn. 53; dagegen: Schrammen, S. 59 f. 128 EuGH, 6.10.1976, Rs. C-12/76, Slg. 1976, 1473, 1486, Rn. 13 – Tessili/Dunlop; 29.6.1994, Rs. C-288/92, Slg. 1994, I-2913, I-2958, Rn. 26 – Custom Made Commercial; 28.9.1999, Rs. C-440/97, Slg. 1999, I-6307, I-6348, Rn. 13 – GIE Groupe Concorde; ebenso BGH, IPRax 1997, 416, 417; MDR 1999, 670, 671; Spindler/Wiebe-Mankowski, Kap. 12, Rn. 36; Geimer/Schütze-Geimer, Art. 5 EuGVVO, Rn. 114. 129 EuGH, 6.10.1976, Rs. C-14/76, Slg. 1976, 1497, 1508, Rn. 13 f. – De Bloos/Bouyer; Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVVO, Rn. 32; Spindler/Wiebe-Mankowski, Kap. 12, Rn. 35. 130 Kropholler/von Hein, Art. 5 EuGVVO, Rn. 29; Spindler/Wiebe-Mankowski, Kap. 12, Rn. 33.

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Hier stellt sich ähnlich wie bei der Bestimmung der Hauptniederlassung im Rahmen des allgemeinen Gerichtsstands die Frage, ob ein Server oder eine Webseite eine „Niederlassung“ begründen können.131 Die Feststellung, ob sich die Streitigkeit auch aus dem Betrieb der Niederlassung ergeben hat, was beispielsweise der Fall ist, wenn die Niederlassung im Namen des Stammhauses Verbindlichkeiten eingegangen ist132, dürfte indes durch den Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel nicht entscheidend erschwert werden. Hier wird man zum Beispiel darauf abstellen können, ob die die Transaktion betreffende Kommunikation von Email-Accounts abgeschickt wurde, die über die Domain (z.B.: @bild.de), insbesondere die Second Level Domains und Subdomains (z.B.: @hamburg.bild.de, @berlin.bild.de), einer Niederlassung zugeordnet werden können. Gleiches gilt für vertragsrelevante Informationen, die sich über die Uniform Ressource Locator (URL) einer bestimmten Niederlassung zuordnen lassen (z.B.: Informationen auf im Vergleich zu Informationen auf ). Außerdem kommt es bei Art. 5 Nr. 5 EuGVVO in zeitlicher Hinsicht nicht allein auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an, sondern es können auch Informationen einbezogen werden, die erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geworden sind.133 Aus der Eingangsbestätigung der Bestellung, der Rechnungsadresse etc. wird sich dann, unabhängig von ihrer Übermittlungsform, regelmäßig der Bezug zum Betrieb der Niederlassung nachweisen lassen, sofern es einen gab. e) Gerichtsstandsvereinbarung, Art. 23 EuGVVO Um jegliche Probleme bei der Gerichtsstandsbestimmung zu vermeiden und aus strategischen Überlegungen, wie der Kostenersparnis, der Vertrautheit mit den Gerichten des Heimatstaates oder der besonderen Fachkenntnis eines Gerichts, wird bei internationalen elektronischen Handelsverträgen oft versucht, das zuständige Gericht mittels Parteivereinbarung festzulegen.134 Die Wirksamkeit einer solchen Gerichtsstandsvereinbarung richtet sich im Anwendungsbereich der EuGVVO nach Art. 23. Nach der EuGH-Rechtsprechung zum EuGVÜ und der ganz herrschenden Meinung in der Fachliteratur ist der Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO eröffnet, wenn der Sachverhalt einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist, wobei kein Aus131

Siehe Kap. 8 B. I. 2. b) aa) (3). EuGH, 22.11.1978, Rs. C-33/78, Slg. 1978, 2183, 2194, Rn. 13 – Somafer/SaarFerngas. 133 Schrammen, S. 63. 134 Beispiele für Gerichtsstandsklauseln in den allgemeinen Geschäftsbedingungen deutscher und US-amerikanischer E-Commerce Anbieter finden sich bei Alexander, S. 21 ff., 31 f. 132

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landsbezug zu einem weiteren Mitgliedsstaat notwendig ist, sondern der Bezug zu einem Drittstaat ausreicht.135 Mithin würde zum Beispiel eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen einem deutschen Käufer und einem USamerikanischen Warenanbieter in den Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO fallen. aa) Wirksame Einigung der Parteien Ist der Anwendungsbereich des Art. 23 EuGVVO eröffnet, stellt sich die Frage, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, damit eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt. Da die Gerichtsstandsvereinbarung eine vertragliche Einigung darstellt, muss zunächst geklärt werden, ob sich die Wirksamkeit der Einigung nach dem auf den Vertrag anwendbaren nationalen Recht oder nach der EuGVVO richtet. Die Frage ist umstritten. Teilweise wird die lex causae für maßgeblich gehalten136, die neuere Rechtsprechung und überwiegende Fachliteratur gehen jedoch von der Maßgeblichkeit der EuGVVO aus.137 Der Meinungsstreit hätte indes in praktischer Hinsicht durch eine einheitliche Rechtsprechung138 zu Art. 17 EuGVÜ entschärft sein können. Danach wurde angesichts des Interesses des internationalen Handelsverkehrs an Formfreiheit, Einfachheit und Schnelligkeit davon ausgegangen, dass in Art. 17 EuGVÜ die Voraussetzungen für die Willenseinigung in Form einer widerleglichen Vermutung zugunsten des Bestehens einer Einigung enthalten seien, wenn die Formvoraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. c EuGVÜ erfüllt waren.139 Eine Gerichtsstandsvereinbarung konnte also durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben mit Gerichtsstandsklausel oder durch die widerspruchslose Bezahlung von Rechnungen mit entsprechenden Gerichtsstandshinweisen geschlossen werden, wenn in dem betreffenden Geschäftszweig des internationalen Handelsverkehrs ein entsprechender Handelsbrauch bestand.140 A maiore ad minus hätte man schlussfolgern können, dass eine Willenseinigung der Vertragsparteien über eine Gerichtsstandsvereinbarung auch 135

Siehe Kap. 8 B. I. 2. b) bb). Thomas/Putzo/Reichold/Hüßtege-Hüßtege, Art. 23 EuGVVO, Rn. 4. 137 LG Mainz, BeckRS 2006, 00949; OLG Celle, NJW-RR 2010, 136, 137; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Art. 23 EuGVVO, Rn. 15; Geimer/Schütze-Geimer, Art. 23 EuGVVO, Rn. 75; Zöller-Geimer, Art. 23 EuGVVO, Rn. 21; Hoeren/SieberPichler, Teil 25, Rn. 162. 138 EuGH, 20.2.1997, Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, I-944, Rn. 19 f. – MSG; 16.3.1999, Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, I-1648, Rn. 20 – Castelletti; dem folgend: BGH, NJW-RR 1998, 755, 755. 139 EuGH, 20.2.1997, Rs. C-106/95, Slg. 1997, I-911, I-944, Rn.19 f. – MSG; 16.3.1999, Rs. C-159/97, Slg. 1999, I-1597, I-1648, Rn. 20 – Castelletti; dem folgend: BGH, NJWRR 1998, 755, 755. 140 BGH, NJW-RR 1998, 755, 755. 136

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

vermutet wird, wenn das Formerfordernis der Schriftlichkeit beziehungsweise der Halb-Schriftlichkeit des Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. a EuGVÜ oder Art. 23 Abs. 1 erfüllt ist. Diese Durchbrechung des Prinzips von Willenseinigung und Form wäre zwar in dogmatischer Hinsicht angreifbar gewesen, hätte aber für internationale elektronische Handelsverträge Rechtssicherheit geschaffen. Einige Oberlandesgerichte haben jedoch zu Art. 17 Abs. 1 S. 2 EuGVÜ beziehungsweise Art. 23 Abs. 1 S. 3 EuGVVO ausgeführt, dass die dort aufgestellten Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln eng auszulegen seien141. Die Willenseinigung zwischen den Parteien müsse klar und deutlich zum Ausdruck kommen, denn das Formerfordernis solle gewährleisten, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststehe.142 Demgemäß ist für eine Vermutung der Willenseinigung, weil die Formerfordernisse erfüllt sind, kein Raum. Für den elektronischen Handelsverkehr bedeutet dies, dass die Einigung auf eine Gerichtsstand eindeutig nachgewiesen werden muss. Insbesondere bei Gerichtsstandsklauseln in AGB muss die möglicherweise per Mausklick erfolgte Zustimmung belegt werden können. bb) Formerfordernisse Das grundsätzliche Formerfordernis der schriftlichen Vereinbarung oder der schriftlichen Bestätigung einer mündlichen Vereinbarung gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. a EuGVVO spielt beim Vertragsschluss, der ausschließlich mit elektronischen Mitteln erfolgt, keine Rolle143, denn speziell für den Einsatz moderner Kommunikationstechniken ist Art. 23 Abs. 2 EuGVVO eingeführt worden144. Daneben können allein die Regelungen des Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. b, c EuGVVO relevant werden. Nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. b EuGVVO ist eine Gerichtsstandsvereinbarung wirksam, die in Bezug auf die Form den Gepflogenheiten entspricht, die 141

OLG Düsseldorf, RIW 2001, 63, 64; OLG Oldenburg, BeckRS 2008, 06401; OLG Celle, NJW-RR 2010, 136, 137. 142 OLG Düsseldorf, RIW 2001, 63, 64; OLG Oldenburg, BeckRS 2008, 06401; OLG Celle, NJW-RR 2010, 136, 137. 143 Allenfalls wäre denkbar, Vereinbarungen, die über Chat- oder VoIP-Kommunikation abgeschlossen wurden als mündliche Vereinbarungen einzustufen, die dann aber der schriftlichen Bestätigung beziehungsweise der Bestätigung durch elektronische Übermittlung gemäß Art. 23 Abs. 2 EuGVVO bedürfen. 144 OLG Karlsruhe, NJOZ 2009, 2282, 2284; die Kommissionsbegründung, KOM (1999) 348 endg. v. 14.7.1999, S. 20 spricht davon, dass mit der Einführung von Art. 23 Abs. 2 EuGVVO „die Entwicklungen neuer Kommunikationstechniken berücksichtigt werden.“ Erfasst werden sollen Klauseln, „die zwar nicht in schriftlicher Form vereinbart worden [sind], deren Inhalt jedoch über einen Bildschirm sichtbar gemacht werden kann“, womit „in erster Linie Gerichtsstandsvereinbarungen in Verträgen, die in elektronischer Form geschlossen worden sind“ gemeint seien.

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zwischen den Parteien entstanden sind. Gepflogenheiten können dabei definiert werden als Verhaltensweisen, die im Rahmen dauerhafter Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien regelmäßig beachtet werden.145 Zwar bedarf es daher jeweils einer Einzelfallentscheidung, ob sich eine derartige Gepflogenheit entwickelt hat146, aufgrund der Notwendigkeit einer gewissen Übung wird im elektronischen Geschäftsverkehr dies aber vor allem bei EDIGeschäften in Betracht kommen. Gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. c EuGVVO ist es im internationalen Handelsverkehrs auch ausreichend, wenn eine Form gewählt wurde, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten. Die Rechtsprechung legt diese Norm dahingehend aus, dass sowohl die Vereinbarung eines Gerichtsstandes als auch die Form der Vereinbarung einem Handelsbrauch entsprechen müssen.147 Trotz der Regelmäßigkeit, mit der Gerichtsstandsvereinbarungen im elektronischen Geschäftsverkehr abgeschlossen werden148, sind die Rechtsprechung und Teile der Fachliteratur149 mit der Annahme eines entsprechenden Handelsbrauches zurückhaltend. So hat das OLG Oldenburg im rechtsgeschäftlichen Verkehr zwischen Hersteller und Zulieferer der Automobilbranche es nicht als Handelsbrauch angesehen, dass auf allgemeine Einkaufsbedingungen verwiesen wird, die auf der Unternehmenshomepage zur Verfügung gestellt werden und eine Gerichtsstandsklausel enthalten.150 Dem ist jedoch zu widersprechen, denn elektronische Kommunikation zwischen Unternehmen ist heute gängige Praxis und der Verweis auf die Unternehmenshomepage erleichtert den Informationsaustausch während der Vertragsanbahnung erheblich, ohne der anderen Partei unzumutbare Erkundigungspflichten aufzuerlegen. Zweifelhaft dürfte es allenfalls sein, von der Regelmäßigkeit einer verschlüsselten Übermittlung insbesondere unter Verwendung von elektronischen Signaturen auszugehen. Die für einen Handelsbrauch notwendige Üb-

145 OLG Karlsruhe, NJOZ 2009, 2282, 2285; Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVVO, Rn. 50; Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 157. 146 Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 157. 147 OLG Düsseldorf, RIW 2001, 63, 65; OLG Oldenburg, BeckRS 2008, 06401. 148 Alexander, S. 2 geht sogar soweit zu behaupten, dass de facto jeder im Internet tätige Anbieter allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die mindestens eine Klausel in Form einer Gerichtsstandsklausel enthalten. 149 Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 158; ähnlich Schrammen, S. 152, die allerdings die Software- und Automobilbranche als mögliche Ausnahmen zur Diskussion stellt. 150 OLG Oldenburg, BeckRS 2008, 06401; vgl. OLG Celle, NJW-RR 2010, 136, 138 zum Verweis auf AGB auf der Unternehmenswebseite in der per Fax übersandten Auftragsbestätigung.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

lichkeit einer entsprechenden Praxis ist – soweit ersichtlich – bisher empirisch nicht belegt. Bis eine klärende Rechtsprechung des EuGH zu elektronischen Gerichtsstandsvereinbarungen als Handelsbrauch ergeht, besteht diesbezüglich keine Rechtssicherheit. Die Unternehmen können allerdings trotzdem mit elektronischen Kommunikationsmitteln Gerichtsstandsvereinbarungen abschließen, die den Formerfordernissen genügen, denn nach Art. 23 Abs. 2 EuGVVO sind elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, der Schriftform gleichgestellt. Der Verzicht auf die Erwähnung einer qualifizierten elektronischen Signatur, wie sie in der Signaturrichtlinie vorgesehen ist151, zeigt, dass Art. 23 Abs. 2 EuGVVO kein § 126a BGB entsprechendes Formerfordernis aufstellt, sondern jeder beliebige Vertragsabschluss auf elektronischem Wege ausreicht, solange eine dauerhafte Aufzeichnung möglich ist152. Dies kann durch den Ausdruck der Erklärung gelingen, aber auch durch jede elektronische Speicherung, beispielsweise auf einem Datenträger (z.B. CD-ROM oder USB-Stick), der die spätere Sichtbarmachung ermöglicht. Beim Austausch von Emails ergeben sich daher keine Probleme. Schwieriger ist dagegen die Einschätzung der im elektronischen Geschäftsverkehr oft verwendeten Technik des Mausklicks auf ein „OK“- oder „Ich stimme zu“-Feld.153 Auch dann muss eine technische Ausgestaltung vorliegen, die dem Erfordernis der dauerhaften Aufzeichnung genügt, etwa dadurch, dass der Anbieter die per Mausklick oder Namenseingabe erfolgte Zustimmung des Kunden in reproduzierbarer Form aufzeichnet und anschließend dem Kunden eine Bestätigung per Email übermittelt.154 Ob diese technische Umsetzung im elektronischen Geschäftsverkehr bereits flächendeckend vorhanden ist, erscheint allerdings zweifelhaft, da wohl eine Vielzahl von Anbietern die Zustimmung des Kunden nur als technische Sperre einsetzen und nicht protokollieren. Die Anforderungen sind klar und auch ohne größere Probleme technisch umsetzbar, so dass keine rechtliche Unsicherheit besteht. cc) Gerichtsstandsklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen Die Vereinbarung einer Gerichtsstandsvereinbarung im elektronischen Geschäftsverkehr erfolgt vielfach über die Zustimmung des Kunden zu den 151

Vgl. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13.12.1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, ABl. EG Nr. L 13 vom 19.1.2000, S. 12, zuletzt geändert durch Anh. Nr. 6.1. ÄndVO (EG) 1137/2008 vom 22.10.2008, ABl. EG Nr. L 311 vom 21.11.2008, S. 1. 152 Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 160; Schlosser, Art. 23 EuGVVO, Rn. 29. 153 Ähnlich Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 160 f. 154 Ähnlich Schrammen, S. 122 ff.; Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 161.

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allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Anbieters, die eine Gerichtsstandsklausel beinhalten. (1) Einheitsrechtliche Einbeziehungskontrolle Die Einbeziehung solcher Klauseln in den Vertrag unterliegt nicht der AGBKontrolle des nationalen Rechts, da der EuGH einheitsrechtliche Grundsätze für die Einbeziehung entwickelt hat.155 Danach ist es nicht ausreichend, wenn mittelbar oder stillschweigend auf einen vorangegangenen Schriftwechsel verwiesen wird, der eine Gerichtsstandsvereinbarung enthält, vielmehr bedarf es eines ausdrücklichen Hinweises auf die AGB, welche die Gerichtsstandsvereinbarung enthalten.156 Darüber hinaus wird verlangt, dass die AGB dem Kunden derart vorliegen, dass bei normaler Sorgfalt davon Kenntnis genommen werden kann.157 Diese Grundsätze gelten auch für den elektronischen Geschäftsverkehr, da sie allgemein die Willenseinigung der Parteien betreffen. Dies stellt aber kein ernsthaftes Problem dar. Beim Vertragsschluss mittels des Austausches von Emails können die AGB im Volltext übersandt werden oder durch die Versendung eines Hyperlinks auf die Unternehmenswebseite zugänglich gemacht werden. Dann sind die AGB – wie vom EuGH gefordert – entweder äußerlich integrierter Bestandteil des Vertragsangebots oder aber es liegt ein ausdrücklicher Hinweis auf die AGB vor, da der Hyperlink neben der technischen Verknüpfung auf die Webseite in der Regel auch mit einem Text wie „Die allgemeinen Geschäftsbedingungen finden sie hier“ verbunden ist. In beiden Fällen besteht für den Kunden bei normaler Sorgfalt die Möglichkeit der Kenntnisnahme.158 Gleiches gilt im Wesentlichen bei der im E-Commerce gängigen Praxis, dass der Kunde auf der Webseite des Anbieters durch Mausklick direkt bestellt. Die AGB sind dann regelmäßig im Volltext auf der Webseite verfügbar, auf der der Kunde bestellt, oder sie sind zumindest über einen Hyperlink abrufbar, so dass sie auch hier entweder äußerlich integrierter Bestandteil des Vertragsangebots durch den Kunden sind oder ein ausdrücklicher Hinweis auf die AGB vorliegt und der Kunde bei normaler Sorgfalt die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat.159

155 Kropholler/von Hein, Art. 23 EuGVVO, Rn. 19; Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 163; so wohl auch OLG Oldenburg, BeckRS 2008, 06401; OLG Celle, NJW-RR 2010, 136, 137. 156 EuGH, 14.12.1976, Rs. C-24/76, Slg. 1976, 1831, 1842, Rn. 12 – Estasis Salotti/ Rüwa. 157 EuGH, 14.12.1976, Rs. C-24/76, Slg. 1976, 1831, 1842, Rn. 12 – Estasis Salotti/ Rüwa; OLG Celle, NJW-RR 2010, 136, 137. 158 Im Ergebnis ebenso Schrammen, S. 132 f. 159 Im Ergebnis ebenso Schrammen, S. 133.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Zu beachten ist allerdings, dass vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung eine Gerichtsstandsklausel in AGB dann nicht wirksam einbezogen ist, wenn beim Vertragsschluss auf (im Internet) abrufbare AGB verwiesen wird, diese aber nicht übermittelt worden sind. In diesem Fall stehe die Zustimmung der anderen Partei zu der von den allgemeinen Grundsätzen abweichenden Zuständigkeitsregel nicht fest, diese könne nur dann angenommen werden, wenn die AGB der anderen Partei bei Vertragsschluss tatsächlich vorgelegen hätten.160 (2) Verwendung fremdsprachiger AGB Ebenso dürfte die Sprache, in der die eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden AGB gefasst sind, bei der Frage der Einbeziehung kaum Schwierigkeiten verursachen, obwohl der EuGH diesbezüglich noch keine Klärung herbeigeführt hat161. Entspricht die Sprache, in der die AGB gefasst sind, der Sprache des Vertragsangebots oder der Vertragsverhandlungen, dann sind die AGB wirksam einbezogen, auch wenn es sich für den Kunden um eine Fremdsprache handelt, denn er hat durch sein Verhalten das Verständnis dieser Sprache signalisiert.162 Unterscheidet sich die in den AGB verwendete Sprache von der Sprache des sonstigen Vertragsangebots oder den Vertragsverhandlungen, dann ist dies im internationalen Handelsverkehrs zumindest dann unerheblich, wenn die in den AGB verwendete Sprache Englisch ist, da diese Weltsprache im internationalen Handelsverkehr als bekannt vorausgesetzt werden kann163. (3) Kollidierende Gerichtsstandsklauseln Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB werfen allerdings dann ein Problem auf, wenn die beiden Vertragsparteien unterschiedliche AGB verwenden, die sich in Bezug auf die Gerichtsstandsklausel widersprechen. Dies ist indes kein dem elektronischen Geschäftsverkehr eigentümliches Problem, vielmehr tritt es in diesem Bereich im Vergleich zur klassischen Geschäftsabwicklung weniger häufig auf. Bestellt nämlich der Kunde eine Ware oder Dienstleistung auf der Webseite des Anbieters direkt per Mausklick, dann hat er keine Möglichkeit, seine eigenen AGB einzubringen. Wird 160

OLG Oldenburg, BeckRS 2008, 06401; OLG Celle, NJW-RR 2010, 136, 137. In EuGH, 29.6.1994, Rs. C-288/92, Slg. 1994, I-2913, I-2958, Rn. 30 – Custom Made Commercial kam es auf die entsprechende Vorlagefrage, ob die AGB wirksam sind, die in einer von der Verhandlungs- und Vertragssprache abweichenden, dem Abnehmer nicht bekannten Sprache abgefasst sind, nicht an. 162 Ebenso Schrammen, S. 136; entsprechend für das deutsche AGB-Recht: Koehler, MMR 1990, 289, 293. 163 Ebenso Schrammen, S. 136; entsprechend für das deutsche AGB-Recht: OLG Koblenz, IPRax 1994, 46, 48; Heermann, K&R 1999, 6, 10. 161

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der Vertrag hingegen durch den Austausch von Emails vereinbart, dann stellt sich auch im elektronischen Geschäftsverkehr die Frage nach der Behandlung von kollidierenden Gerichtsstandsklauseln. In Ermangelung einer richtungweisenden Rechtsprechung des EuGH164 und aufgrund von divergierenden Ansätzen in der Literatur165 können sich die Unternehmen dann nicht sicher sein, ob überhaupt eine und falls ja, welche der sich widersprechende Gerichtsstandsklauseln den Anforderungen von Art. 23 EuGVVO entsprechend in den Vertrag einbezogen worden sind. (4) Zwischenergebnis Die im elektronischen Geschäftsverkehr vielfach genutzte Möglichkeit, einen Gerichtsstand über die Zustimmung des Kunden zu den AGB des Anbieters zu vereinbaren, ist also nicht mit Rechtsunsicherheit behaftet. Bei Vertragsschluss durch den Austausch von Emails besteht hinsichtlich der Einbeziehung einer in den AGB enthaltenen Gerichtsstandsklausel nur dann Rechtsunsicherheit, wenn der Vertragspartner eine widersprechende Gerichtsstandsklausel in den Vertrag einbringen will. dd) Zwischenergebnis Da aufgrund der Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte auch bei Erfüllung der Formerfordernisse des Art. 23 EuGVVO die Willenseinigung der Parteien über die Gerichtsstandsvereinbarung nicht vermutet werden kann, ist bei der Bestellung per Mausklick über eine Webseite entscheidend, dass die Zustimmung nachgewiesen werden kann. Für die Erfüllung der Formerfordernisse besteht für elektronische Vertragsabschlüsse seit Einführung von Art. 23 Abs. 2 EuGVVO weitgehende Rechtsklarheit. Dies gilt sowohl für den Vertragsschluss durch den Austausch von Emails als für das Bestellen per Mausklick auf einer Webseite mit anschließender Bestätigungsemail. Die Einbeziehung von in elektronischen AGB enthaltenen Gerichtsstandsklauseln wirft nur bei kollidierenden Gerichtsstandsklauseln Probleme auf. 3. Internationale Zuständigkeit nach LugÜ Das LugÜ gilt für und im Verhältnis zur Schweiz, zu Island und Norwegen.

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Darauf weist auch Schrammen, S. 149. Knock out rule (Art. 2.22 UNIDROIT-Prinzipien, Art. 2:209 Grundregeln des europäischen Vertragsrechts) versus Last shot rule (Art. 19 Abs. 1 CISG, der nach BGH, NJW 2000, 1651, 1651 f. auch auf kollidierende AGB Anwendung finden soll; StaudingerMagnus, Art. 19 CISG, Rn. 20; Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/Schroeder, Art. 19 CISG, Rn. 21). 165

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Wie bei der EuGVVO erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich des LugÜ auf Zivil- und Handelssachen (Art. 1 Abs. 1 LugÜ) und umfasst somit elektronische Handelsverträge. Auch der persönliche Anwendungsbereich entspricht mit dem Erfordernis des (Wohn-)sitzes des Beklagten in einem Vertragsstaat (Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 LugÜ) dem persönlichen Anwendungsbereich der EuGVVO. a) Allgemeiner Gerichtsstand des Unternehmenssitzes, Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 LugÜ Nach Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 LugÜ besteht ein allgemeiner Gerichtsstand am satzungsmäßigen Sitz, an der Hauptverwaltung oder an der Hauptniederlassung der beklagten Gesellschaft oder juristischen Person. Es stellen sich mithin die gleichen Lokalisierungsprobleme wie bei der EuGVVO.166 b) Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes, Art. 5 Nr. 1 LugÜ Ein besonderer Gerichtsstand besteht an dem Gericht des Ortes, an dem eine vertragliche Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre (Art. 5 Nr. 1 LugÜ). Die Vorschrift entspricht Art. 5 EuGVVO, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.167 c) Gerichtsstandsvereinbarung, Art. 23 LugÜ Ferner können die Parteien einen Gerichtsstand vereinbaren, sofern zumindest eine der Parteien ihren Sitz in einem Vertragsstaat hat und das gewählte Gericht sich ebenfalls in einem Vertragsstaat befindet (Art. 23 LugÜ). Auch für diese Vorschrift gibt es eine Parallele in der EuGVVO. Es gilt das dort Gesagte entsprechend.168 4. Internationale Zuständigkeit nach deutschem Verfahrensrecht Wenn weder die EuGVVO noch das EuGVÜ oder das LugÜ anwendbar sind, richtet sich die internationale Zuständigkeit nach dem nationalen internationalen Zivilprozessrecht, das in dem Land des angerufenen Gerichts gilt. Das deutsche internationale Zivilprozessrecht ist in den §§ 12 ff. ZPO enthalten, die internationale Zuständigkeit leitet sich also aus den Regeln über die örtliche Zuständigkeit ab.169 166

Siehe Kap. 8 B. 2. b) aa) (1). Siehe Kap. 8 B. 2. c). 168 Siehe Kap. 8 B. 2. e). 169 BGHZ 120, 335, 337; 119, 392, 393; 115, 90, 92; Thomas/Putzo/Reichold/HüßtegePutzo, Vorbem § 1 ZPO, Rn. 6. 167

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a) Allgemeiner Gerichtsstand des Unternehmenssitzes, §§ 12, 13, 17 ZPO Nach §§ 12, 13 ZPO ist grundsätzlich das Gericht am Wohnsitz des Beklagten zuständig. Bei juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften besteht der allgemeine Gerichtsstand am Sitz des Unternehmens (§ 17 Abs. 1 S. 1 ZPO). Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird (§ 17 Abs. 1 S. 2 ZPO). Etwas anderes mag sich bei den juristischen Personen des Privatrechts zwar regelmäßig aus der Satzung ergeben170, letztlich stellen sich aber die gleichen Lokalisierungs- und Einordnungsprobleme wie bei Art. 60 Abs. 1 EuGVVO. Die Satzung wird bei stark virtualisierten Unternehmen kaum einsehbar sein und genauso wird es schwierig sein, einen geografischen Ort zu ermitteln, an dem die unternehmerischen Entscheidungen durch das Leitungsorgan getroffen werden.171 b) Besonderer Gerichtsstand der gewerblichen Niederlassung, § 21 ZPO Ein besonderer Gerichtsstand besteht am Ort einer gewerblichen Niederlassung, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden, für alle Klagen, die zu dem Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben (§ 21 Abs. 1 ZPO). Das Begriffsverständnis von „Niederlassung“ entspricht hierbei im Wesentlichem dem zu Art. 60 Abs. 1 lit. c EuGVVO vertretenen Verständnis172. So sind auch im Rahmen von § 21 Abs. 1 ZPO die Dauerhaftigkeit und der Geschäftsabschluss mit Dritten die entscheidenden Kriterien für das Vorliegen einer Niederlassung.173 Somit ergeben sich zwangsläufig auch die gleichen Probleme bei der Anwendung dieser Vorschrift im elektronischen Geschäftsverkehr. Während bei Unternehmen, die zwar Verträge auf elektronischem Weg abschließen, aber auf herkömmliche Weise erfüllen, in jedem Fall der Ort eine Niederlassung darstellt, an dem das Unternehmenspersonal 170 BGH, GRUR 2010, 461, 462; Thomas/Putzo/Reichold/Hüßtege-Hüßtege, § 17 ZPO, Rn. 4; Zöller-Vollkommer, § 17 ZPO, Rn. 9. 171 Siehe Kap. 8 B. I. 2. b) aa). 172 Siehe Kap. 8 B. I. 2. b) aa) (3). Die Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21.12.1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsform errichtet werden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, ABl. EG Nr. L 395 vom 30.12.1989, S. 36 ff. (Zweigniederlassungsrichtlinie) enthält keine Begriffsbestimmung der (Zweig-)niederlassung. Die Kommission hatte jedoch in früheren Vorbereitungsunterlagen zur Definition des Begriffs der Zweigniederlassung auf eine EuGH-Entscheidung (RIW 1979, 56, 58) zu Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ Bezug genommen. Das Begriffsverständnis von „Niederlassung“ in Art. 5 Abs 5 EuGVÜ und Art. 60 Abs. 1 lit. c EuGVVO deckt sich. Vgl. zum Ganzen MüKo-Kindler, Intern. Handels- u. Gesellschaftsrecht, Rn. 46. 173 BGH, NJW 1987, 3081, 3082; Zöller-Vollkommer, § 21 ZPO, Rn. 6.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Geschäfte mit Dritten abschließt und Erfüllungshandlungen vornimmt, ist es ungeklärt, ob sich ein deutsches Gericht bei Unternehmen, die ihre Verträge mittels eines in Deutschland stehenden Servers oder einer auf Deutschland ausgerichteten Webseite schließen oder erfüllen, allein aufgrund dieser Tatsache zuständig erklären würde. Sollte Deutschland dem ECC beitreten, so wäre diese Streitfrage durch Art. 6 Abs. 4 ECC entschieden, wonach sich eine Niederlassung nicht schon deshalb an einem Ort befindet, weil dort Ausrüstung und Technik zur Unterstützung eines Informationssystems vorhanden sind, das von einer Partei im Zusammenhang mit dem Zustandekommen eines Vertrages genutzt wird.174 Die Betriebsbezogenheit der Klage wird durch den Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel nicht erschwert. Sofern sich die vertragliche Kommunikation oder Information einer Domain oder URL zuordnen lässt, die auf eine bestimmte Niederlassung verweisen175, wird die Ermittlung der Betriebsbezogenheit durch elektronische Kommunikationsmittel sogar erleichtert. c) Besonderer Gerichtsstand des Vermögens, § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO Bei Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche kann ein besonderer Gerichtsstand bei einem Gericht bestehen, in dessen Bezirk sich Vermögen einer Person befindet, die im Inland keinen Wohnsitz hat (§ 23 S. 1 Alt. 1 ZPO). Bei Streitigkeiten über vertragliche Vereinbarungen geht es regelmäßig um vermögensrechtliche Ansprüche, denn hierunter sind alle auf Geld oder geldwerte Gegenstände (Sachen und Rechte) gerichteten Ansprüche zu verstehen176. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Vertrag elektronisch geschlossen oder erfüllt wird. Auch die Unternehmereigenschaft der Streitparteien steht der Anwendbarkeit der Vorschrift nicht entgegen, da bei Handelsverträgen auf das Fehlen des Sitzes oder der Niederlassung im Inland abgestellt wird.177 Allerdings ist der Wortlaut der Vorschrift dahingehend zu konkretisieren, dass das beklagte Unternehmen nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten EU und EFTA keinen Sitz und keine Niederlassung haben darf. Andernfalls ist nämlich § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO nicht anwendbar (Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Anhang I 3. Spiegelstrich EuGVVO beziehungsweise Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Anhang I 4. Spiegelstrich LugÜ). Damit kann sich wieder die Lokalisierungs- beziehungsweise Einordnungsfrage von Server und Webseite stel174

Siehe Kap. 8 B. I. 2. b) aa) (3). Es gilt das zu Art. 5 Nr. 5 EuGVVO Gesagte entsprechend, siehe Kap. 8 B. I. 2. d). 176 BGHZ 14, 72, 74; Thomas/Putzo/Reichold/Hüßtege-Hüßtege, § 23 ZPO, Rn. 2. 177 BAG, NJW 1985, 2910, 2911; OLG München, NJW-RR 1993, 701, 704; Thomas/Putzo/Reichold/Hüßtege-Hüßtege, § 23 ZPO, Rn. 2. 175

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len. In jedem Fall kommt der besondere Gerichtsstand aber für außereuropäische Unternehmen in Betracht, die keinen Server in Europa nutzen und ihre Webseite auch nicht speziell auf Europa ausgerichtet haben. Diese Unternehmen müssen jedoch über Vermögen in Deutschland verfügen. Hierzu zählt grundsätzlich jeder geldwerte Gegenstand, der einen selbständigen Verkehrswert hat und gegenwärtig ist178, also beispielsweise auch ein Warenlager oder ein Server, sofern diese nicht als Niederlassung zu qualifizieren sind179. Öfter dürfte allerdings der Fall vorkommen, dass ein außereuropäisches Unternehmen zwar keine Niederlassung in Deutschland hat, aber Guthaben bei einer Bank mit Sitz in Deutschland. Auch dann besteht ein besonderer Gerichtsstand in Deutschland, nämlich am Sitz der Bank, da auch Forderungen geldwerte Gegenstände sind und nach §§ 23 S. 2, 17 ZPO bei ihnen der Sitz des Schuldners als der Ort gilt, wo sich das Vermögen befindet.180 Aber auch wenn kein Guthaben bei einer Bank mit Sitz in Deutschland vorhanden ist, kann ein besonderer Gerichtsstand nach § 23 ZPO in Deutschland deshalb bestehen, weil der Kläger selbst Schuldner einer Forderung des Beklagten ist.181 Demnach kann also ein deutsches Unternehmen bei einem Handelsvertrag seinen außereuropäischen Vertragspartner regelmäßig in Deutschland verklagen, denn dieser wird in einer Vielzahl von Fällen einen Anspruch gegen das deutsche Unternehmen haben, zum Beispiel auf Erfüllung der vertraglichen Hauptpflicht oder aufgrund von Rücktritt oder Unwirksamkeit des Vertrages auf Rückgewähr der vertraglich erbrachten Leistung. Somit kann § 23 ZPO eine weit reichende Zuständigkeit deutscher Gerichte begründen. Um aber eine exorbitante internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zu verhindern, wird ganz überwiegend verlangt, dass auch ein hinreichender Bezug des Rechtsstreits zu Deutschland besteht.182 Dieser Bezug wird angenommen, wenn der Kläger seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen

178 Allerdings darf es sich nicht um unpfändbare Vermögensstücke handeln, und der Wert der Vermögensstücke darf auch nicht unverhältnismäßig geringer sein als der Wert des Streitgegenstandes, vgl. Stein/Jonas-Roth, § 23 ZPO, Rn. 21; Zöller-Vollkommer, § 23 ZPO, Rn. 7; a.A.: Thomas/Putzo/Reichold/Hüßtege-Hüßtege, § 23 ZPO, Rn. 6. 179 Schrammen, S. 191. 180 BGH, NJW-RR 1988, 172, 173; Thomas/Putzo/Reichold/Hüßtege-Hüßtege, § 23 ZPO, Rn. 7; Zöller-Vollkommer, § 23 ZPO, Rn. 10; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, § 23 ZPO, Rn. 10. 181 OLG Saarbrücken, NJW 2000, 670, 671; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 23 ZPO, Rn. 13; Thomas/Putzo/Reichold/Hüßtege-Hüßtege, § 23 ZPO, Rn. 7. 182 BGH, NJW 1991, 3092, 3093; NJW 1999, 1395, 1396; OLG München, IPRax 1993, 237, 239; OLG Hamburg, NJW-RR 1996, 203, 203; Thomas/Putzo/Reichold/HüßtegePutzo, § 23 ZPO, Rn. 2; Zöller-Vollkommer, § 23 ZPO, Rn. 1; a.A.: R. Koch, IPRax 1997, 229, 232 f.; Stein/Jonas-Roth, § 23 ZPO, Rn. 10; Schack, JZ 1992, 51, 54 ff.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Aufenthalt in Deutschland hat183, der Sachverhalt selbst eine besondere Nähe zu Deutschland aufweist184, beispielsweise weil das Rechtsgeschäft in Deutschland abgeschlossen wurde185, der Beklagte aktiv am Geschäftsleben in Deutschland teilnimmt186 oder wenn eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts erfolgt ist187. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit diese Kriterien auf elektronische Verträgen anwendbar sind. So können bei der Feststellung, ob der Unternehmenssitz des Klägers in Deutschland liegt, die bereits mehrfach genannten Lokalisierungsschwierigkeiten auftreten. Die Nähe des Sachverhalts zu Deutschland muss für den elektronischen Geschäftsverkehr neu konkretisiert werden, da bei auf elektronischem Weg abgeschlossenen Verträgen der Ort des Vertragsschlusses auf der Grundlage des anwendbaren Sachrechts unter Umständen schwer zu bestimmen sein kann.188 Hinsichtlich der aktiven Teilnahme am Geschäftsleben in Deutschland ist fraglich, wie diese bei elektronischen Transaktionen ausgestaltet sein muss, vor allem ob schon der Einsatz einer Webseite ausreichend ist, die auch deutsche Unternehmen aufrufen oder zum Geschäftsabschluss nutzen können.189 Allein für das Kriterium der Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts dürften bei elektronischen Verträge keine besonderen Schwierigkeiten bestehen. Gelingt es den Inlandsbezug, unter Umständen durch die Aufstellung neuer Kriterien, für elektronische Verträge zu konkretisieren oder verzichtet man auf dieses ungeschriebene Erfordernis190, dann könnte durch § 23 ZPO die Problematik überwunden werden, den Unternehmenssitz, die Unternehmensverwaltung oder eine Niederlassung bei stark virtualisierten Unternehmen lokalisieren zu müssen. Es bedürfte vielmehr nur des Ausschlusses, dass Sitz, Verwaltung und Niederlassung in der EU oder EFTA vorhanden sind, was leichter gelingen dürfte. Für den Nachweis, dass das beklagte Unternehmen 183

OLG Stuttgart, RIW 1990, 829, 831; Mark, NJW 1992, 3062, 3064; Wollenschläger, IPRax 2002, 96, 97. 184 OLG München, IPRax 1993, 237, 239; Mark, NJW 1992, 3062, 3065. 185 Stein/Jonas-Schumann, 21. Aufl., § 23 ZPO, Rn. 31 f. 186 Mark, NJW 1992, 3062, 3064 f. 187 Mark, a.a.O., 3065; Stein/Jonas-Schumann, 21. Aufl., § 23 ZPO, Rn. 31 f.; Wollenschläger, IPRax 2002, 96, 97. 188 Ähnlich Schrammen, S. 193, die allerdings die Heranziehung dieses Kriteriums für jeden Vertragsschluss über das Internet ablehnt, da die Parteien nicht an einem Ort zusammentreffen würden, um den Vertrag abzuschließen. Diese Argumentation überzeugt aber schon deshalb nicht, weil die Parteien auch dann nicht zusammentreffen, wenn sie einen Vertrag durch den Austausch von Briefen schließen. 189 Schrammen, S. 194 will die aktive Teilnahme dann bejahen, wenn die Webseite gezielt auf Deutschland ausgerichtet ist. 190 So R. Koch, IPRax 1997, 229, 232 f.; Stein/Jonas-Roth, § 23 ZPO, Rn. 10; Schack, JZ 1992, 51, 54 ff.

B. Rechtslage

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Forderungen gegen Schuldner in Deutschland, vor allem gegen eine Bank oder den Kläger hat, ergeben sich dann bei elektronischen Handelsverträgen keine besondere Schwierigkeiten. Hierbei dürfte in der Praxis insbesondere das Interesse des Klägers an dem Nachweis einer Forderung gegen ihn hilfreich sein. d) Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes, § 29 ZPO Ferner kann auch beim Gericht des Ortes Klage erhoben werden, an dem die vertragliche Verpflichtung zu erfüllen ist (§ 29 Abs. 1 ZPO). Kaufleute können eine Vereinbarung über den Erfüllungsort treffen (§ 29 Abs. 2 ZPO). Wo die vertragliche Verpflichtung zu erfüllen ist, ist für jede streitige Verpflichtung einzeln nach dem Sachrecht zu bestimmen.191 Das Sachrecht ist auch für die materiellrechtliche Wirksamkeit der Erfüllungsortvereinbarung maßgeblich.192 Die prozessrechtliche Voraussetzung der Kaufmannseigenschaft ist hingegen immer nach deutschem Recht zu bestimmen.193 Ebenso ist für die Form der Vereinbarung nicht die lex causae heranzuziehen, vielmehr ist die Formfreiheit194 ein prozessrechtliches Merkmal, das sich direkt aus § 29 Abs. 2 ZPO ergibt. Die Schwierigkeiten der Bestimmung des Erfüllungsortes, die gerade bei Verträgen auftreten, die auf elektronischem Weg erfüllt werden195, werden durch die Maßgeblichkeit der lex causae auf die Ebene des Sachrechts verlagert. Erschwerend kommt hinzu, dass der Erfüllungsort für jede streitige Verpflichtung einzeln zu bestimmen ist. Der Abschluss von Erfüllungsortvereinbarungen mit elektronischen Kommunikationsmitteln ist hingegen aufgrund der für solche Vereinbarungen geltenden Formfreiheit bei Handelsverträgen, bei denen die Vertragsparteien regelmäßig Kaufleute im Sinne der §§ 1 ff. HGB sein werden, ohne weiteres möglich, so dass an dieser Stelle keine Rechtsunsicherheit besteht. e) Zwischenergebnis Die Virtualisierung von Unternehmen kann sowohl bei der Bestimmung des allgemeinen Gerichtsstandes des Unternehmenssitzes als auch beim besonderen Gerichtsstand der gewerblichen Niederlassung Schwierigkeiten bereiten. Hinsichtlich letzterem stellt sich zudem die Frage, ob bei Verträgen, die mittels eines in Deutschland stehenden Servers oder einer auf Deutschland aus191 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 29 ZPO, Rn. 17; Stein/Jonas-Roth, § 29 ZPO, Rn. 25. 192 Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 34; Rauscher, IPRax 2002, 143, 146. 193 Schack, Rn. 311. 194 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 29 ZPO, Rn. 36. 195 Siehe Kap. 8 B. I. 2. c) aa), (1), (b), (bb); Kap. 8 B. I. 2. c) aa), (2), (b), (bb).

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

gerichteten Webseite geschlossen oder erfüllt werden, eine Niederlassung in Deutschland besteht. Weitestgehend umgehen könnte man diese Probleme, wenn der für den besonderen Gerichtsstand des Vermögens geforderte Inlandsbezug für elektronische Verträge konkretisiert würde. Insbesondere ist zu klären, ob schon der Einsatz einer Webseite, die auch deutsche Unternehmen aufrufen oder zum Geschäftsabschluss nutzen können, ausreichend ist, um einen hinreichenden Inlandsbezug herzustellen. Die Schwierigkeiten der Bestimmung des Erfüllungsortes bei Verträgen, die auf elektronischem Weg erfüllt werden, verlagert die ZPO auf die Ebene des Sachrechts. Sie können aber durch Erfüllungsortvereinbarungen umgangen werden, die auch elektronisch abgeschlossen werden können. f) Gerichtsstandvereinbarung Letztlich besteht auch nach deutschem internationalen Zivilprozessrecht die Möglichkeit, einen Gerichtsstand durch Parteivereinbarung festzulegen. Die Voraussetzungen der maßgeblichen Vorschrift des § 38 ZPO sind allerdings bei Fällen mit Auslandsbezug umstritten. Ausgangspunkt der Problematik ist, dass § 38 Abs. 1 ZPO eine Prorogation ohne die Einhaltung einer besonderen Form dann zulässt, wenn beide Parteien Kaufleute sind, aber § 38 Abs. 2 ZPO die Schriftform verlangt, wenn mindestens eine der Partei keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Hierbei enthält Abs. 1 keine Aussage darüber, ob er auch für die Fälle gilt, in denen eine Partei aus dem Ausland stammt, und Abs. 2 wiederum schweigt dazu, ob er auch anwendbar ist, wenn beide Parteien Kaufleute sind. aa) Die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 1 ZPO bei internationalen Handelsverträgen Eine Auffassung in Rechtsprechung und Literatur will § 38 Abs. 1 ZPO nur auf Verträge anwenden, bei denen beide Parteien aus dem Inland stammen, und greift auf § 38 Abs. 2 ZPO zurück, sobald eine Partei aus dem Ausland stammt.196 Demgegenüber gilt für die Gegenmeinung bei internationalen Handelsverträgen die Formerleichterung des § 38 Abs. 1 ZPO.197 Der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung mit elektronischen Kommunikationsmitteln ist nach letzterer Auffassung zwar ohne weiteres möglich, da kein Formerfordernis gilt. Solange diese Lesart des § 38 ZPO aber nicht von allen Gerichten akzeptiert wird, müssen die Parteien auch die 196

OLG Nürnberg, NJW 1985, 1296, 1296; AG Berlin-Charlottenburg, NJW 1975, 502, 502; MüKo-Patzina, § 38 ZPO, Rn. 24; Zöller-Vollkommer, § 38 ZPO, Rn. 25. 197 OLG Saarbrücken, NJW 2000, 670, 671; MüKo-Patzina, § 38 ZPO, Rn. 24; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 38 ZPO, Rn. 21; Schack, Rn. 502; Pfeiffer, IPRax 1998, 17, 18; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 37, Rn. 6.

B. Rechtslage

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strengen Anforderungen des § 38 Abs. 2 ZPO erfüllen, um sicherzugehen, dass ihre Gerichtsstandsvereinbarung anerkannt wird. bb) Die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 2 ZPO bei elektronischen Verträgen § 38 Abs. 2 ZPO verlangt, dass die Gerichtsvereinbarung schriftlich abgeschlossen oder, falls sie mündlich getroffen wurde, schriftlich bestätigt worden ist. Wie diesen Voraussetzungen beim Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel Genüge getan werden kann, ist offen, da kein allgemein anerkanntes Verständnis für die Schriftform des § 38 Abs. 2 ZPO existiert198. Während eine Ansicht auf § 126 BGB verweist199, überträgt eine andere Auffassung die Auslegung von Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. a EuGVÜ200. (1) Die elektronische Form des § 126a BGB bei internationalen Handelsverträgen Für den Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel bedeutet die erste Ansicht, dass die elektronische Form der §§ 126 Abs. 3, 126a BGB zu beachten ist, wonach die Parteien ein jeweils gleichlautendes elektronisches Dokument mit einer qualifizierten Signatur im Sinne des § 2 Nr. 3 SigG versehen müssen. Dies dürfte vor allem für den außereuropäischen Vertragspartner schwierig sein, da die Anforderungen an die Signaturverfahren und die Anbieter von Zertifizierungsdiensten entscheidend durch nationale Gesetze geprägt sind, so dass nicht gesichert ist, dass eine elektronische Signatur, die den Anforderungen der nationalen Gesetze eines außereuropäischen Staates genügt, auch die des deutschen SigG erfüllt.201 Das deutsche SigG unterscheidet in seinem § 23 zwischen inländischen Signaturen, Signaturen aus anderen Staaten des EWR und Signaturen aus Drittstaaten. Die Zuordnung einer Signatur zu einem Staatsgebiet ist dabei im Gesetz nicht eindeutig geregelt. Unter Berücksichtigung der Signaturrichtlinie, die in Art. 4 das Herkunftslandsprinzip enthält und in Art. 7 die rechtliche Bedeutung von Zertifikaten regelt, die von Anbietern ausgestellt sind, die in einem Staat außerhalb der Gemeinschaft niedergelassen sind, sowie des Wortlauts des § 23 Abs. 1 S. 2 SigG, der hinsichtlich von Signaturen aus Drittstaaten von Zertifikaten eines „dortigen“ Anbieters spricht, hat die Zuordnung nach dem Ort der Niederlassung des

198

Offengelassen in BGHZ 116, 77, 80. Rüßmann, K&R 1998, 129, 131. 200 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 37, Rn. 8; Zöller-Vollkommer, § 38 ZPO, Rn. 23, 27. 201 Borges, S. 126. 199

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Zertifizierungsdiensteanbieters zu erfolgen.202 § 23 Abs. 1 S. 1 SigG verlangt nun für Signaturen, für die ein qualifiziertes Zertifikat aus einem anderen Staat des EWR ausgestellt ist, dass die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Signaturrichtlinie erfüllt sind, also die Anforderungen der qualifizierten Signatur. Für die Anerkennung ausländischer Signaturen aus Nicht-EWR-Staaten muss nach § 23 Abs. 1 S. 2 SigG das Zertifikat, auf dem die Signatur beruht, von einem Anbieter öffentlich als qualifiziertes Zertifikat ausgestellt und für eine elektronische Signatur im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Signaturrichtlinie bestimmt sein. Außerdem muss der Anbieter in einem EWR-Staat akkreditiert sein oder es muss ein in der Gemeinschaft niedergelassener Zertifizierungsanbieter für das Zertifikat einstehen oder das Zertifikat oder der Anbieter muss im Rahmen einer völkerrechtlichen Vereinbarung zwischen der EU und dem Drittstaat anerkannt sein. Somit ist eine außereuropäische Signatur nach deutschem Recht nur dann anzuerkennen, wenn sie genau den europäischen Vorgaben entspricht. Folglich bestehen für außereuropäische Unternehmen, sofern sie sich keines europäischen Anbieters bedienen, große Hürden, elektronische Dokumente mit einer elektronischen Signatur zu versehen, aufgrund derer die elektronische Form der §§ 126 Abs. 3, 126a BGB erfüllt werden kann. Dies gilt umso mehr als es nach deutschem Recht keine Möglichkeit gibt, eine allgemein verbindliche Feststellung darüber zu erreichen, ob ein ausländisches Zertifikat ganz grundsätzlich die Anforderungen des deutschen SigG erfüllt. Vielmehr geht das SigG davon aus, dass die Erfüllung der Anforderungen jeweils im konkreten Fall zu prüfen sind.203 (2) Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. a EuGVÜ analog bei elektronischen Verträgen Die Anforderungen, die aus der anderen Ansicht folgen, sind zwar weniger streng, aber gleichzeitig auch unklarer. Würde man Art. 17 Abs. 1 S. 2 EuGVÜ in seiner Gesamtheit, also mit lit. a-c, auf § 38 Abs. 2 ZPO übertragen, so würden elektronische Gerichtsstandsvereinbarungen das Formerfordernis bereits dann erfüllen, wenn eine Gepflogenheit oder ein Handelsbrauch besteht, dass Gerichtsstandsvereinbarungen auch elektronisch abgeschlossen werden können (§ 17 Abs. 1 S. 2 lit. b, c EuGVÜ). Wird allerdings zur Auslegung des § 38 Abs. 2 ZPO isoliert Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. a EuGVÜ herangezogen, hilft das Bestehen entsprechender Gepflogenheiten oder Handelsbräuche nicht weiter. Dann kommt es darauf an, ob das Schriftformerfordernis des Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. a Alt. 1 EuGVÜ oder das Erfordernis der Halbschriftlichkeit des Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. a Alt. 2 202 Vgl. zum Ganzen Borges, S. 128 mit dem Vorschlag dann von einer inländischen Signatur auszugehen, wenn die Voraussetzungen des § 2 Nr. 7 i.V.m. §§ 4 ff. SigG erfüllt sind, unabhängig davon wo sich die Niederlassung des Anbieters befindet. 203 Ausführlich hierzu Borges, S. 129 ff.

B. Rechtslage

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EuGVÜ auch beim Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel erfüllt werden kann.204 (3) Zwischenergebnis Solange divergierende Rechtsprechung zu der Frage besteht, ob bei internationalen Handelsverträgen für Gerichtsstandsvereinbarungen die Schriftform gilt, müssen die Parteien der Form des § 126a BGB genügen, um das Risiko zu vermeiden, dass ihre Gerichtsstandsvereinbarung vor einem deutschen Gericht nicht anerkannt wird. Die Form des § 126a BGB kann sich bei Verträgen mit außereuropäischen Unternehmen als hohe Hürde erweisen, da sie im Ergebnis verlangt, dass in jedem Fall die strengen europäischen Vorgaben für die qualifizierte elektronische Signatur eingehalten werden. g) Schiedsvereinbarungen Anstelle der Parteivereinbarung über das zuständige Gericht besteht allerdings auch die Möglichkeit, die Entscheidung über Streitigkeiten aus einem Handelsvertrag durch Vereinbarung einem Schiedsgericht, also einem Privatgericht, zu übertragen.205 Wie bei den Gerichtsstandsvereinbarungen können hierbei die Motive der Fachkompetenz206 sowie der Kostenersparnis eine Rolle spielen, daneben können aber auch die Möglichkeiten der Geheimhaltung des Schiedsverfahrens, der Abkürzung der Verfahrensdauer und der interkulturellen Zusammensetzung des Schiedsgerichts für die Parteien ausschlaggebend sein.207 Besonders häufig werden Schiedsvereinbarungen im internationalen Rechtsverkehr geschlossen.208 Obwohl Schiedsvereinbarungen ein Mittel der alternativen Streitbeilegung sind und gerade das Ziel verfolgen, den Weg vor die staatlichen Gerichte zu 204 Bei Gerichtsstandsvereinbarungen in einer Email befürwortend: Schrammen, S. 176 ff.; bei Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB, denen der Kunde per Mausklick zustimmt, ablehend: Schrammen, S. 182 ff. Grundsätzlich befürwortend: Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 218 f. 205 Der deutsche Gesetzgeber versteht gemäß § 1029 S. 1 ZPO unter einer Schiedsvereinbarung eine Vereinbarung der Parteien, alle oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen in bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis vertraglicher oder nichtvertraglicher Art entstanden sind oder künftig entstehen, der Entscheidung durch ein Schiedsgericht zu unterwerfen. Nach § 1029 S. 2 ZPO ist zwischen einer Schiedsvereinbarung in Form einer selbständigen Vereinbarung (Schiedsabrede) und einer Schiedsvereinbarung in Form einer Klausel in einem Vertrag (Schiedsklausel) zu unterscheiden. 206 Im Hinblick auf Streitigkeiten im IT-Recht sind insbesondere die Schlichtungsstelle der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik e.V. (DGRI) sowie die Hamburger IT-Schlichtungsstelle der Handelskammer Hamburg zu nennen. 207 Eine ausführliche Darstellung der Vor- und Nachteile des Schiedsverfahrens findet sich bei J.-P. Lachmann, Rn. 119 ff. 208 Vgl. die empirischen Nachweise bei J.-P. Lachmann, Rn. 102.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

umgehen, kann staatlichen Gerichten auch im Rahmen des Schiedsverfahrens entscheidende Bedeutung zukommen. Zum einen kann die obsiegende Partei auf sie angewiesen sein, wenn es ein erstrittenes Schiedsurteil mit Befehl und Zwang durchsetzen will209, zum anderen kann sich eine Partei trotz vertraglicher Schiedsklausel weigern, den Streit von einem Schiedsgericht entscheiden zu lassen. Dann müssen die staatlichen Gerichte klären, ob ein Schiedsgericht oder staatliches Gericht zuständig ist (vgl. Art. II (3) NYÜ).210 Nach dem EuGH kommt diese Kompetenz – trotz der Bereichsausnahme für Schiedsgerichtsbarkeit in Art. 1 Abs. 2 lit. d EuGVVO – auch einem Gericht zu, das auf der Grundlage der EuGVVO über seine Zuständigkeit entscheidet.211 Die aus Common-Law-Staaten bekannten Unterlassungsverfügungen mit dem Ziel, Verfahren in anderen Staaten zu unterbinden (sogenannte „antisuit injunction“)212, seien mit der EuGVVO unvereinbar, wenn hiermit das Gericht eines Mitgliedstaats die Einleitung eines Verfahrens vor den Gerichten eines anderen Mitgliedsstaats verbiete, weil ein solches Verfahren gegen eine Schiedsvereinbarung verstoße.213 Ansonsten werde die praktische Wirksamkeit der EuGVVO beeinträchtigt und gegen den allgemeinen Grundsatz verstoßen, dass jedes angerufene Gericht nach dem für dieses Gericht geltenden Recht bestimmt, ob es für die Entscheidung über den anhängig gemachten Rechtsstreit zuständig ist, wobei die Entscheidung über die Anwendbarkeit einer Schiedsvereinbarung eine Vorfrage zu der Entscheidung über die eigene Zuständigkeit sei.214 aa) Rechtsquellen Allerdings wird ein staatliches Gericht nur dann ein anhängiges Verfahren aussetzen und eine Partei auf die Schiedsvereinbarung verweisen, wenn es diese für wirksam hält. Wird ein deutsches Gericht angerufen, können sich die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Schiedsvereinbarung aus der ZPO oder dem NYÜ ergeben.

209

Vgl. Mertens, in: Teubner (Hrsg.), Global law without a state (1997), 31, 37. Lehmann, NJW 2009, 1645, 1647; allgemein zur Verzahnung von Schieds- und staatlicher Gerichtsbarkeit J.-P. Lachmann, Rn. 9 ff.; G. A. Bermann, S. 366. 211 EuGH, 10.2.2009, Rs. C-185/07, NJW 2009, 1655 – Allianz SpA/West Tankers Inc. 212 Der Adressat einer solchen Anordnung setzt sich, wenn er ihr nicht nachkommt, einer Verfolgung wegen Missachtung des Gerichts („contempt of court“) aus, die mit Strafen bis zu Zwangshaft oder Beschlagnahme seines Vermögens geahndet werden kann, vgl. Lehmann, NJW 2009, 1645, 1645 f. 213 EuGH, 10.2.2009, Rs. C-185/07, NJW 2009, 1655 – Allianz SpA/West Tankers Inc. 214 EuGH, 10.2.2009, Rs. C-185/07, NJW 2009, 1655, 1655 f. – Allianz SpA/West Tankers Inc. 210

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(1) Deutsches Schiedsverfahrensrecht, §§ 1025 ff. ZPO Das deutsche Schiedsverfahrensrecht ist im zehnten Buch der ZPO enthalten und übernimmt im Wesentlichen das von der UNCITRAL ausgearbeitete und von der UN-Vollversammlung empfohlene Model Law on Commercial Arbitration215 von 1985.216 Anders als das UNCITRAL Model Law on Commercial Arbitration gilt es allerdings nicht nur für internationale Handelsschiedsverfahren217, sondern grundsätzlich für alle nationalen und internationalen Schiedsverfahren.218 Voraussetzung ist allein, dass der Ort des Schiedsverfahren in Deutschland liegt (§ 1025 Abs. 1 ZPO). Bei ausländischem Schiedsort finden die §§ 1025 ff. ZPO nur Anwendung, wenn die Parteien dies vereinbart haben und sofern das entsprechende Verfahrensrecht dies gestattet.219 Völkerrechtliche Verträge, also vor allem das NYÜ, gehen dem zehnten Buch der ZPO vor.220 (2) New Yorker Übereinkommen Gemäß § 1061 Abs. 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem NYÜ. Ein ausländischer Schiedsspruch im Sinne des NYÜ liegt nicht bereits bei einem bloßen Auslandsbezug vor, sondern es muss sich um Schiedssprüche handeln, die in dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates als desjenigen ergangen sind, in dem die Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht wird, oder die in dem Staat, in dem ihre Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht wird, nicht als inländische anzusehen sind.221 Das NYÜ versäumt es zwar, neben dem Anwendungsbereich für die Anerkennung von Schiedssprüchen auch den Anwendungsbereich für die Anerkennung von Schiedsvereinbarungen festzulegen, es besteht aber weitestgehend Einigung darüber, dass § 1061 ZPO und Art. I (1) NYÜ auch für die Anerkennung von Schiedsvereinbarungen gelten, wenn diese zu einem Schiedsurteil führen würden, das Art. I (1) NYÜ unterfallen würde. Von der Gegenseitigkeitserklärung des Art. I (3) NYÜ, wonach Anwendungsvoraussetzung des NYÜ ist, dass es um einen Schiedsspruch geht, der 215

; General Assembly Resolution 40/72 (1985). 216 Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 18. 217 Art. 1 (1) UNCITRAL Model Law on Commercial Arbitration 1985. 218 J.-P. Lachmann, Rn. 190. 219 J.-P. Lachmann, Rn. 194. 220 Vgl. auch § 1061 Abs. 1 ZPO. 221 Ausführlich zu dieser Regelung, die einen Kompromiss zwischen anglo-amerikanischer und kontinentaleuropäischer Rechtstradition darstellt Karamanian, 34 Geo. Wash. Int'l L. Rev. 2002/03, 17, 32 f.

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in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates ergangen ist, hatte die Bundesrepublik Deutschland ursprünglich Gebrauch gemacht, im Jahre 1998 diese Erklärung aber wieder zurückgezogen222, so dass § 1061 Abs. 1 ZPO für jeden ausländischen Schiedsspruch und jede ausländische Schiedsvereinbarung gilt. bb) Formerfordernisse Ob der Grundsatz der Anerkennung von Schiedsvereinbarungen auch für solche Vereinbarungen gilt, die in mit elektronischen Mitteln abgeschlossenen Verträgen enthalten sind, hängt entscheidend vom Bestehen beziehungsweise Nichtbestehen eines Schriftformerfordernisses sowie von der Möglichkeit ab, dieses gegebenenfalls auch mittels elektronischer Kommunikation wirksam zu erfüllen. (1) Das Formerfordernis des Art. II NYÜ Ein solches Schriftformerfordernis enthält Art. II (1) NYÜ, indem von den Vertragsstaaten das Anerkenntnis einer schriftlichen Vereinbarung verlangt wird, durch die sich die Parteien verpflichten, Streitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis einem schiedsrichterlichen Verfahren zu unterwerfen. Somit sind Schiedsvereinbarungen, die in elektronisch abgeschlossenen Verträgen enthalten sind, nur dann grundsätzlich anzuerkennen, wenn das Schriftformerfordernis des Art. II (1) NYÜ auch durch den Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel erfüllt werden kann. Dies wird mit unterschiedlicher Begründung, im Ergebnis aber übereinstimmend, vom überwiegenden Teil der deutschen Fachliteratur bejaht.223 Unterstützung findet diese Auffassung in einer offiziellen Auslegungsempfehlung für Art. II (2) NYÜ.224

222

. 223 Mit der Begündung, dass das NYÜ besonders den Distanzgeschäften Rechnung tragen wolle und an die Rechtswirklichkeit angepasst werden müsste: K. P. Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, S. 102 f.; Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 214 ff. Mittels Übertragung der Gleichstellung von Telegrammen mit Briefen: Haas, S. 167. 224 Recommendation regarding the interpretation of article II, paragraph 2 and article VII, paragraph 1, of the Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, done in New York, 10 June 1958, adopted by the United Nations Commission on International Trade Law on 7 July 2006 at its thirty-ninth session, A/6/17/Annex II; die Auslegungsempfehlung wird durch die UN-Vollversammlung in der Resolution A/RES/61/33 (4.12.06) an Punkt 2 ausdrücklich begrüßt. Vgl. zur Technik der Auslegungsempfehlung anstelle eines Änderungsprotokolls Herrmann, in: Fletcher/Mistelis/ Cremona (Hrsg.), Foundations and Perspectives of International Trade Law (2001), 28, Rn. 2–027.

B. Rechtslage

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Art. II (2) NYÜ versucht, das Schriftformerfordernis näher zu konkretisieren, sorgt dabei aber aufgrund einer Divergenz der gleichermaßen verbindlichen englischen und französischen Sprachfassung für mehr Verwirrung als Aufklärung. Denn während nach dem englischen Text die Unterzeichnung durch beide Parteien und der Austausch von Briefen oder Telegrammen nur zwei Möglichkeiten sind, die Schriftlichkeit zu erfüllen und noch Raum für eine andere Art der Erfüllung besteht („shall include“), sind die beiden genannten Alternativen nach dem französischen Text abschließend („on entend“). Die Auslegungsempfehlung der UNCITRAL aus dem Jahr 2006 favorisiert die englische Fassung, indem sie die beschriebenen Möglichkeiten für nicht abschließend erklärt.225 Diese Rechtsauffassung vereinfacht durch ihre Offenheit die Erfüllung der Schriftform durch elektronische Kommunikation226 und bedeutet für die vor der Veröffentlichung der UNCITRALEmpfehlung im deutschen Schrifttum noch vereinzelt vertretene Auffassung, dass Art. II NYÜ eine elektronische Schiedsvereinbarung nicht gestatte227, zusätzlichen Gegenwind. Allerdings verwies auch diese Gegenmeinung bereits auf Art. VII (1) NYÜ228, der klarstellt, dass das NYÜ keiner beteiligten Partei das Recht nimmt, sich auf einen Schiedsspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts oder der Verträge des Landes zu berufen, in dem er geltend gemacht wird. Zwar ist hiermit nur die Aussage getroffen, dass sich eine Partei bei der Geltendmachung eines Schiedsspruchs auf für sie günstiges nationales Recht berufen kann, während von der Geltendmachung einer Schiedsvereinbarung nicht die Rede ist. Indes hat sich die UNCITRAL in der bereits erwähnten Auslegungsempfehlung auch dafür ausgesprochen, Art. VII (1) NYÜ ebenfalls auf die Anerkennung von Schiedsvereinbarungen anzuwenden.229 Für die auf elektronischem Weg abgeschlossenen Verträge würde eine Befolgung dieser Empfehlung bedeuten, dass in ihnen enthaltene Schiedsvereinbarungen wirksam sind, wenn die Anforderungen erfüllt sind, die in dem Land bestehen, vor deren Gerichten die Schiedsvereinbarung geltend gemacht wird. Dies gilt insbesondere auch für den Fall, dass die Schiedsvereinbarung in einem elektronischen kaufmännischen Bestätigungs225

Recommendation, A/6/17/Annex II, 1. Eine sehr offene Regelung enhält das UNCITRAL Model Law on Commercial Arbitration (verabschiedet 1985, novelliert 2006) in Art. 7 Option I. Danach erfüllt auch elektronische Kommunikation ausdrücklich das Schriftformerfordernis. Allerdings geht Art. 7 Option I noch weiter als eine extensive Auslegung von Art. II (2) NYÜ gehen würde, da es beispielsweise auch eine mündliche Schiedsvereinbarung ausreichen lässt, die sich auf schriftliche Schiedsverfahrensbedingungen bezieht. Daher ist Art. 7 Option I kaum als Auslegungsheilfe geeignet, vgl. UNCITRAL, A/CN.9/607, Abs. 8. Art. 7 Option II verzichtet sogar ganz auf das Erfordernis der Schriftform. 227 So wohl Schwab/Walter, Kap. 44, Rn. 9. 228 Schwab/Walter, Kap. 44, Rn. 13. 229 Recommendation, A/6/17/Annex II, 2. 226

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

schreiben oder in elektronischen AGB enthalten ist. Hierzu fehlt es in Bezug auf das NYÜ bisher an einer eingehenden Auseinandersetzung. Für papierbasierte Kommunikation wird die Einbeziehung über AGB aber nach ganz überwiegender Meinung bejaht230, während nach Rechtsprechung und Literatur ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben nicht den Anforderungen des Art. 2 Abs. 2 NYÜ genügen soll231. (2) Das Formerfordernis des § 1031 ZPO Wird also die Anerkennung einer elektronischen Schiedsvereinbarung vor einem deutschen Gericht geltend gemacht, genügt es, dass die Anforderungen erfüllt sind, die das sonstige232 deutsche Schiedsverfahrensrecht an solche Vereinbarungen stellt. Maßgebliche Regelung für die Zulässigkeit einer elektronisch geschlossenen Schiedsvereinbarung im Unternehmensverkehr ist § 1031 Abs. 1–4 ZPO. (a) Grundregel § 1031 Abs. 1 ZPO enthält zwei Alternativen für den formwirksamen Abschluss einer Schiedsvereinbarung. Die Schiedsvereinbarung muss entweder in einem von den Parteien unterzeichneten Dokument oder aber in zwischen ihnen gewechselten Schreiben, Fernschreiben, Telegrammen oder anderen Formen der Nachrichtenübermittlung enthalten sein, die einen Nachweis der Vereinbarung sicherstellen. Damit ist keine der im BGB vorgesehenen Formen verwendet worden,233 so dass eine nähere Konkretisierung der Formerfordernisse des § 1031 Abs. 1 ZPO nicht ohne weiteres durch Rückgriff auf die §§ 126 ff. BGB erfolgen kann.234 Allerdings ähnelt die erste Alternative der beiderseitigen Unterzeichnung der Schriftform aus § 126 Abs. 1, 2 BGB, die von den Parteien die eigenhändige Namensunterschrift verlangt. Folgert man hieraus, dass die beiden Vorschriften deckungsgleich sind, dann müssen für den Einsatz elektro230

BGH, NJW 1976, 1591, 1591; Zöller-Geimer, § 1031 ZPO, Rn. 24. Schwab/Walter, Kap. 44, Rn. 9; Haas, IPRax 1993, 382, 383. 232 Das NYÜ ist durch den Umsetzungsakt Teil des nationalen deutschen Rechts, vgl. § 1061 Abs. 1 ZPO. 233 Das BGB kennt die Schriftform (§ 126 BGB), die notarielle Beurkundung (§ 128 BGB), die öffentliche Beglaubigung (§ 129 BGB), die elektronische Form (§ 126a BGB) und die Textform (§ 126b BGB). 234 Ob die Vorschriften des BGB über Verträge auf die Schiedsvereinbarung direkt Anwendung finden, weil die Schiedsvereinbarung ein materiellrechtlicher Vertrag über prozessuale Beziehungen ist (so RGZ 144, 96, (98); BGHZ 65, 59, (63)) oder nur entsprechend anwendbar sind, da die Schiedsvereinbarung ein reiner Prozessvertrag ist (so Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 311, Rn. 605; Geimer, Rn. 3786) soll an dieser Stelle nicht geklärt werden. 231

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nischer Kommunikationsmittel die §§ 126 Abs. 3, 126a BGB gelten, wonach die schriftliche Form durch ein mit qualifizierten elektronischen Signaturen beider Parteien versehenes elektronisches Dokument ersetzt werden kann. Indes ist zu bezweifeln, ob § 1031 Abs. 1 ZPO wirklich im Sinne von § 126 Abs. 1 BGB zu verstehen ist, denn des Übereilungsschutzes der Schriftform bedarf es im unternehmerischen Geschäftsverkehr nicht. Ebenso wenig soll § 1031 Abs. 1 Alt. 1 ZPO eine Beweisfunktion erfüllen, denn mit der Einführung der Schriftform für Schiedsvereinbarungen wurde nicht das Ziel verfolgt, die Rechtssicherheit zu erhöhen. Vielmehr sollte eine Anpassung an Art. 7 Abs. 2 UNCITRAL Model Law on Commercial Arbitration vorgenommen werden235, der elektronische Kommunikation ausdrücklich als ausreichend ansieht. Darüber hinaus ist auch aus der Erwähnung von § 126a BGB bei den Formanforderungen für Schiedsvereinbarungen mit Verbrauchern (§ 1031 Abs. 5 ZPO) im Umkehrschluss zu folgern, dass im Unternehmensverkehr gerade nicht die strenge Form der §§ 126, 126a BGB bestehen sollte.236 Aber selbst wenn man für § 1031 Abs. 1 Alt. 1 ZPO die strenge Schriftform des § 126 BGB annimmt, kann eine Schiedsvereinbarung auf elektronischem Weg auch ohne Verwendung qualifizierter elektronischer Signaturen abgeschlossen werden. § 1031 Abs. 1 Alt. 2 ZPO enthält nämlich eine nur beispielhafte Aufzählung, die weitere Kommunikationsmittel nicht ausschließt, so dass verschiedene elektronische Kommunikationsmittel eingesetzt werden können, um eine Schiedsvereinbarung abzuschließen.237 Entscheidend ist allein, dass der Nachweis der Vereinbarung sichergestellt ist. Damit erinnert § 1031 Abs. 1 Alt. 2 ZPO an die Textform des § 126b BGB, die die dauerhafte Wiedergabe in Schriftzeichen verlangt. Zwar bedarf es für die Textform auch der Nennung der Person des Erklärenden und der Erkennbarmachung des Abschlusses der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder auf andere Weise, beides wird aber – obwohl von § 1031 Abs. 1 Alt. 2 ZPO nicht ausdrücklich verlangt – bei einer Kommunikation regelmäßig erfüllt sein, die den Nachweis der Vereinbarung sicherstellt, da eine Vereinbarung nur dann nachgewiesen ist, wenn auch ihr Abschluss und die Parteien feststehen. Somit ist § 1031 Abs. 1 Alt. 2 ZPO letztlich wie § 126b BGB zu verstehen.238 Für diesen ist klar, dass die Übersendung einer Email seine Anforderungen erfüllt.239 Nicht endgültig entschieden ist hingegen, ob auch die Darstellung von Informationen auf einer Webseite der Text235

BT-Drs. 13/5274, S. 36. Implizit so wohl auch J.-P. Lachmann, Rn. 352. 237 J.-P. Lachmann, Rn. 346. 238 Im Ergebnis ebenso Baldus, S. 22 f.; hingegen hält J.-P. Lachmann, Rn. 346 die Auslegung des § 1031 Abs. 1 Alt. 2 ZPO für noch nicht abschließend geklärt. 239 Vgl. statt aller Palandt-Ellenberger, § 126b BGB, Rn. 3. 236

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

form genügt.240 Nichts anderes sollte auch für § 1031 Abs. 1 Alt. 2 ZPO gelten.241 (b) Schiedsvereinbarung in kaufmännischen Bestätigungsschreiben Ferner kann eine Schiedsvereinbarung nach § 1031 Abs. 2 ZPO auch formwirksam geschlossen werden, wenn sie in einem übermittelten Dokument enthalten ist und der Inhalt des Dokuments im Falle eines nicht rechtzeitig erfolgten Widerspruchs nach der Verkehrssitte als Vertragsinhalt angesehen wird. Damit kann auch eine Schiedsvereinbarung in einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben wirksam sein.242 Ob es ausreichend ist, dass das kaufmännische Bestätigungsschreiben nur in elektronischer Form vorliegt, ist in § 1031 ZPO nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings deutet die Novellierung der Vorschrift aus dem Jahre 2005243 in diese Richtung, da das Wort „Schriftstück“ durch den mediumsneutralen Begriff „Dokument“ ersetzt wurde. Jedenfalls enthält § 1031 ZPO keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Schiedsvereinbarung in einem elektronischen kaufmännischen Bestätigungsschreiben unwirksam ist. (c) Schiedsklausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen Auch für Schiedsklauseln in elektronischen AGB ist § 1031 Abs. 3 ZPO entscheidend. Danach ist es ausreichend, wenn der Vertrag auf ein Dokument, das eine Schiedsklausel enthält, dergestalt Bezug nimmt, dass die Klausel zu einem Bestandteil des Vertrages wird. Wie diese vertragliche Bezugnahme konkret ausgestaltet sein muss, ist bisher nicht abschließend geklärt. Während vereinzelt vertreten wird, dass bei internationalen Rechtsbeziehungen die AGB anhand des UNCITRAL Model Law on Commercial Arbitration zu überprüfen seien244, unterliegen Schiedsklauseln in AGB nach überwiegender Fachmeinung dem AGB-Recht, also den §§ 305 ff. BGB245. Dabei sei neben 240 Befürwortend: OLG München, MMR 2001, 536, 538; OLG Hamburg, NJW-RR 2007, 839, 840; die Möglichkeit des Downloads voraussetzend: MüKo-Einsele, § 126b BGB, Rn. 9; den tatsächlichen Download voraussetzend: Palandt-Ellenberger, § 126b BGB, Rn. 3. 241 Zumindest die Vereinbarung per Email für zulässig haltend: Schwab/Walter, Kap. 5, Rn. 4; allgemein für Vereinbarungen per EDI und Internet: Raeschke/Berger, Rn. 225 f. 242 J.-P. Lachmann, Rn. 347; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1031 ZPO, Rn. 6; Zöller-Geimer, § 1031 ZPO, Rn. 8; MüKo-Münch, § 1031 ZPO, Rn. 35. 243 Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) vom 22.3.2005 (BGBl. I S. 837). 244 Epping, S. 144; ähnlich K. P. Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, S. 111. 245 Baldus, S. 32; Thomas/Putzo/Reichold/Hüßtege-Reichold, § 1031 ZPO, Rn. 6; Musielak-Voit, § 1031 ZPO, Rn. 6.

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der formalen Bezugnahme auf die AGB auch die materielle Angemessenheit der Schiedsklausel anhand von § 307 BGB zu prüfen.246 Legt man letztere Auffassung zugrunde, müssen für die wirksame Einbeziehung der AGB bei Handelsverträgen gemäß § 310 Abs. 1 BGB nicht die Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB, nämlich ausdrücklicher Hinweis beziehungsweise Aushang des Verwenders und Kenntnisnahmemöglichkeit der anderen Partei, erfüllt sein. Vielmehr ist durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln, ob die AGB durch rechtsgeschäftliche Einbeziehung ein Vertragsbestandteil geworden sind.247 Hierfür soll es jedenfalls genügen, dass die AGB für den Kunden deutlich sichtbar zum Download bereit gestellt werden248 oder gut sichtbar über einen Hyperlink abgerufen und ausgedruckt werden können.249 Allerdings verlangt § 312g Abs. 1 Nr. 4 BGB (ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 Nr. 4 BGB) auch für Verträge mit Unternehmen, dass die Vertragsbestimmungen einschließlich der AGB bei Vertragsschluss abrufbar und in wiedergabefähiger Form speicherbar sind. Hierbei soll es weder auf die Möglichkeit des Ausdrucks noch auf ein bestimmtes Dateiformat ankommen.250 Aufgrund dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung ist es für elektronische Handelsverträge – anders als für papierbasierte Handelsverträge – nicht ausreichend, wenn die AGB bei Vertragsschluss nicht abrufbar sind und lediglich ein Hinweis erfolgt, dass sie auf Wunsch übersandt werden251. Hingegen ergeben sich keine Bedenken bei internationalen elektronischen Handelsverträgen, Schiedsklauseln wie bei ihren papierbasierten Äquivalenten grundsätzlich nicht als überraschende Klauseln im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB anzusehen.252 Im internationalen Handelsverkehr bedeuten Schiedsklauseln grundsätzlich auch keine unangemessen Benachteiligung der anderen Vertragspartei253; insbesondere verstoßen sie nicht gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, da der Gesetzgeber in § 1031 Abs. 3 ZPO die generelle Bezugnahme auf Schiedsklauseln in AGB gestattet254. Etwas anderes gilt nach dem BGH allerdings dann, wenn der Vertrag, auf den sich die Schiedsklausel bezieht, eine Vielzahl an unangemessenen 246

Musielak-Voit, § 1031 ZPO, Rn. 6. BGHZ 117, 190, 194; Palandt-Grüneberg, § 305 BGB, Rn. 50. 248 Heinrichs, NJW 1999, 1596, 1598; Kamanabrou, CR 2001, 421, 424. 249 BGH, NJW 2006, 2976, 2977. 250 Kamanabrou, CR 2001, 421, 425. 251 Andere Auffassung: Kamanabrou, CR 2001, 421, 424. Für die Zulässigkeit dieser Praxis bei papierbasierten Handelsverträgen: BGHZ 1, 83, 86; 33, 216, 219; BGH, NJW 1976, 1886, 1889; NJW 1982, 1749, 1750; Palandt-Grüneberg, § 305 BGB, Rn. 51, 54. 252 Allgemein für den internationalen Unternehmensverkehr: J.-P. Lachmann/A. Lachmann, BB 2000, 1633, 1640. 253 Palandt-Grüneberg, § 307 BGB, Rn. 143. 254 Baldus, S. 42. 247

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Benachteiligungen enthält und die dringende Gefahr besteht, dass das Schiedsgericht von einer Inhaltskontrolle der Vertragsbestimmungen absehen wird.255 Hinsichtlich der Problematik kollidierender AGB ist anzumerken, dass eine Schiedsklausel zumindest dann unwirksam ist, wenn die andere Vertragspartei, auf ihre eigenen AGB verweist und diese eine Gerichtsstandsklausel enthalten256, da sich im deutschen AGB-Recht bei kollidierenden AGB die Auffassung durchgesetzt hat, dass nur die Bestimmungen zur Geltung gelangen, die sich nicht widersprechen257. Misst man eine in AGB enthaltene Schiedsklausel an dem UNCITRAL Model Law on Commercial Arbitration (MLCA), ergibt sich für die Einbeziehung ein anderes Ergebnis. Auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 2 S. 3 MLCA 1985 (jetzt: Art. 7 Abs. 6 MLCA), dessen Wortlaut § 1031 Abs. 3 ZPO entspricht258, soll ein spezifischer Hinweis auf die in den AGB enthaltene Schiedsklausel genügen, ohne dass die Schiedsklausel zugänglich gemacht wird.259 Noch weitergehend wird sogar gefordert, aufgrund der Tradition der Schiedsgerichtsbarkeit im internationalen Handelsverkehr und der verminderten Schutzwürdigkeit der am Wirtschaftsverkehr teilnehmenden Gegenpartei den globalen Verweis auf AGB ausreichen zulassen, ohne dass diese bei Vertragsschluss vorliegen müssten, sofern die Klauseln in den entsprechenden Handelskreisen üblich seien.260 Für die Behandlung kollidierender AGB findet sich im MLCA keine Regelung. (3) Zwischenergebnis Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Schriftformerfordernis des Art. II (2) NYÜ durch elektronische Kommunikation erfüllt werden kann. Durch die Anwendung von Art. VII (1) NYÜ auf Schiedsvereinbarungen genügt es, wenn Schiedsvereinbarungen, auf die sich vor deutschen Gerichte berufen wird, die Formerfordernisse des § 1031 ZPO erfüllen. Hierfür ist grundsätzlich die Erfüllung der Textform des § 126b BGB ausreichend. Die Schiedsvereinbarung kann in einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben in elektronischer Form enthalten sein.

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BGH, NJW 1992, 575, 576; NJW 1999, 282, 283. Baldus, S. 39. 257 Palandt-Grüneberg, § 305 BGB, Rn. 55; Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 16. 258 Art. 7 (6) MLCA lautet: „The reference in a contract to any document containing an arbitration clause constitutes an arbitration agreement in writing, provided that the reference is such as to make that clause part of the contract.” 259 K. P. Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, S. 110. 260 K. P. Berger, a.aO., S. 110 f.; ähnlich Epping, S. 148, die allerdings verlangt, dass die andere Partei die Schiedsklausel bei Vertragsschluss kannte oder kennen musste. 256

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Für die wirksame Einbeziehung einer in AGB enthaltenen Schiedsvereinbarung genügt es, wenn die AGB zum Download bereitgestellt werden oder über einen Hyperlink abrufbar sind. Darüber hinaus ist ungeklärt, ob es auch ausreicht, wenn die AGB bei Vertragsschluss nicht abrufbar sind und lediglich ein Hinweis erfolgt, dass sie auf Wunsch übersandt werden. cc) Lokalisierungsfragen Der Einsatz moderner Kommunikationsmittel kann der Geltendmachung einer Schiedsvereinbarung nicht nur aufgrund des Schriftformerfordernisses entgegenstehen. Auch das Anknüpfen an territoriale Kriterien von NYÜ und deutschem Schiedsverfahrenrecht kann erhebliche Anwendungsschwierigkeiten bereiten. Art. I (1) S. 1 NYÜ unterscheidet zwischen dem Staat, in dem ein Schiedsurteil ergangen ist und dem Staat, in dem die Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht wird. Während letzterer auch bei elektronischen Verträgen einfach bestimmt werden kann, da immer erforderlich ist, dass ein staatliches Gericht angerufen wird, das über eine physikalische Adresse verfügt, kann sich die Bestimmung des Staates, in dem das Schiedsurteil ergangen ist, schwierig gestalten. Voraussetzung ist, dass der Ort des Schiedsspruchs lokalisiert werden kann. Sofern das Schiedsgericht in herkömmlicher Weise an einem physischen Ort tagt, ist dies zwar ohne weiteres möglich, allerdings gibt es seit einigen Jahren die Entwicklung, im Schiedsverfahren verstärkt moderne Kommunikationsmittel einzusetzen, teilweise wird sogar das gesamte Schiedsverfahren vollständig durch elektronische Kommunikation abgewickelt (Online-Schiedsverfahren)261. Ziel dieser Maßnahme ist vor allem eine 261 Anbieter sind beispielsweise Cybersettle, Inc. (); Settle Today (); iCourthouse (). Herrmann, in: Fletcher/Mistelis/Cremona (Hrsg.), Foundations and Perspectives of International Trade Law (2001), 28, Rn. 2–030 sieht im Online-Schiedsverfahren eine Möglichkeit zur Überwindung der Lokalisierungsproblematik. Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 219 verwendet den Begriff „Arbitration on the net“. Ein prominenter Sonderfall sind die Schiedsordnungen, die seit 1999 von der Internet Corporation of Assigned Names and Numbers (ICANN) in Bezug auf Markenverletzungen durch Cybersquatting/Domaingrabbing eingeführt worden sind und die insbesondere von der World Intellectual Property Organization (WIPO) und dem National Arbitration Forum (NAF) als Schiedsstellen administriert werden. Hierbei handelt es sich nicht um ein Schiedsverfahren im eigentlichen Sinne, denn es ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Parteien nach Durchführung des Verfahrens umfassenden nachgeschalteten Rechtsschutz vor den ordentlichen Gerichten ersuchen können und durch das Verfahren keine Bindungswirkung für den Rechtsstreit entsteht (vgl. Nr. 4 lit. k Einheitliche Richtlinie über die Lösung von Streitigkeiten um Domainnamen). Der Ablauf des Verfahrens kann im Wesentlichen durch den Austausch von Emails erfolgen. Eine Ausnahme gilt für die verfahrensbestimmenden Schriftsätze, die

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Verfahrensverkürzung, da die Zeitspanne der Bestellung der Schiedsrichter, die im traditionellen Schiedsverfahren in der Regel mindestens zehn Wochen in Anspruch nimmt262, verkürzt und die Zusammenkunft der Schiedsrichter entbehrlich wird, die bei internationalen Verfahren möglicherweise aus verschiedenen Ländern kommen.263 Auch der europäische Gesetzgeber hat diese Entwicklung zur verstärkten Digitalisierung des Schiedsverfahren erkannt und in Art. 17 (1) E-CommerceRichtlinie die Mitgliedsstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass ihre Rechtsvorschriften die Inanspruchnahme der nach innerstaatlichem Recht verfügbaren Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung, auch auf geeignetem elektronischem Wege, nicht erschweren. Trotz dieser europarechtlichen Vorgaben bestehen beim Online-Schiedsverfahren erhebliche Anwendungsschwierigkeiten der schiedsverfahrensrechtlichen Vorschriften. So ist die Lokalisierung des Ortes, an dem das Schiedsurteil ergangen ist, sehr problematisch. In Betracht kommen mehrere Möglichkeiten, von denen aber keine vollends überzeugt. Sofern es sich um ein institutionelles Schiedsverfahren handelt, wäre es nahe liegend, auf den Sitz beziehungsweise den Gründungsort des Schiedsinstituts abzustellen.264 Allerdings ist nicht bei jedem Schiedsinstitut, das seine Dienste im Internet anbietet, eindeutig, wo es beheimatet ist.265 Denkbar wäre auch den Standort des Servers als maßgeblich zu erachten, auf dem das Schiedsinstitut seine Webseite, über die die Kommunikation mit den Schiedsparteien erfolgt, oder die Software gespeichert hat, die zur Durchführung des Schiedsverfahrens genutzt wird. Eine solche Anknüpfung wäre in praktischer Hinsicht aber wenig eindeutig, da das Schiedsinstitut verschiedene Server nutzen kann. Darüber hinaus bestünde ein Widerspruch zur deutschen Rechtsauffassung bei anderen Lokalisierungsfragen im elektronischen Geschäftsverkehr, die eine Anknüpfung rechtlicher Fragen an die Nutzung technischen Geräts ablehnt.266 Gleiches gilt für das ECC (Art. 6), dessen Regelungen auch im Rahauf dem Postweg übermittelt werden müssen. Vgl. zum Ganzen Kilian/Heussen-Koch, Teil 2, Rn. 531 ff. 262 J.-P. Lachmann, Rn. 156. 263 Baldus, S. 2; Müller/Broscheit, SchiedsVZ 2006, 197, 199. Insofern gilt nicht mehr: „Ein Schiedsgericht thront nicht über der Erde, schwebt nicht in der Luft, es muss irgendwo landen, irgendwo erden“, so Raape, S. 557. 264 Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 219 macht den vergleichbaren Vorschlag bei einem Einzelschiedsrichter das Schiedsgericht dort zu lokalisieren, wo der Schiedsrichter tätig wird. 265 Beispielsweise ist bei Settle Today völlig unklar, wer diese Webseite betreibt; ähnlich Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 219 in Bezug auf den Tätigkeitsort des Schiedsrichters. 266 Junker, RIW 1999, 809, 818; Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 227 f.; Schrammen, S. 18 f.; vgl. auch Kap. 8 B. I. 2 b) aa) (3).

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men des NYÜ Anwendungen finden sollen (Art. 20 Abs. 1 ECC). Auch die Untersuchung, ob die Webseite des Schiedsinstituts auf ein bestimmtes Land ausgerichtet ist, würde gerade im Bereich der Handelsschiedsgerichtsbarkeit aufgrund der weit verbreiteten englischen Sprachfassung kaum zu verwertbaren Ergebnissen führen. Für das Online-Schiedsverfahren sind also keine allgemeingültigen Kriterien für die Lokalisierung des Schiedsurteilortes ersichtlich. Es bleibt somit nur eine flexible Bestimmung im Einzelfall,267 die die Vorhersehbarkeit für die Schiedspartei reduziert, oder aber die Anwendung von Art. I (1) S. 2 NYÜ, der den Anwendungsbereich des NYÜ für solche Schiedssprüche eröffnet, die in dem Staat, in dem ihre Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht wird, nicht als inländische anzusehen sind. Kriterien sollen hier die Nationalität der Schiedsparteien, der Streitgegenstand, die Regeln des Schiedsverfahrens oder das anwendbare Recht sein.268 5. Internationale Zuständigkeit nach US-amerikanischem Recht Im Gegensatz zu Deutschland existiert in den USA kein einheitliches Gerichtssystem. Etwas vereinfacht gesagt, stehen der Gerichtszweig des Bundes269 und die Gerichtszweige der Einzelstaaten270 nebeneinander. Die grundsätzliche Zuständigkeit liegt dabei bei den einzelstaatlichen Gerichten.271 Für bestimmte Bereiche sind allerdings die Bundesgerichte ausschließlich beziehungsweise konkurrierend zuständig. Ausschließliche Zuständigkeit besteht bei See- und Insolvenzrechtsfällen.272 Konkurrierende Zuständigkeit liegt bei Rechtsstreitigkeiten vor, bei denen das streitentscheidende Recht Bundesrecht ist (federal question), sowie bei Verfahren, bei denen die Parteien aus verschiedenen Bundesstaaten beziehungsweise eine Partei aus dem Ausland stammt (diversity of citizenship) und der Streitwert USD 75.000 übersteigt.273 Die Herkunft eines Unternehmens wird dabei nach dem Gründungssitz (place

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Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 220 will den Parteien erlauben, den Ort des Schiedsverfahrens selbständig festzulegen. 268 Karamanian, 34 Geo. Wash. Int'l L. Rev. 2002/03, 17, 32. 269 Das Gericht der ersten Instanz nennt sich „District Court“. Jeder Staat hat mindestens ein District Court. Große Staaten sind in Regionen unterteilt, jede Region verfügt dann über einen eigenen District Court. Über dem District Court steht der „Court of Appeal“. Es gibt zwölf Courts of Appeal, von denen jeder für eine bestimmte Region zuständig ist. Diese Regionen werden „Circuits“ genannt, sind nummeriert und umfassen jeweils mehrere Bundesstaaten. Über dem Court of Appeal steht nur noch der „U.S. Supreme Court“. Vgl. zum Ganzen Hay, Rn. 106 f. 270 Die Bundesstaaten haben regelmäßig ebenfalls ein dreistufiges Gerichtssystem (trial court, intermediate appellate court, highest court), vgl. Hay, Rn. 117. 271 Hay, Rn. 119; Scheuermann, S. 140. 272 Hay, Rn. 110. 273 Hay, Rn. 111; vgl. auch 28 USC § 1331 sowie 28 USC § 1332 (a).

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of incorporation), im Bundesprozessrecht auch nach dem Ort der Hauptniederlassung (principal place of business) bestimmt.274 In „federal question“-Fällen wenden die Bundesgerichte Bundesrecht an.275 Sind allerdings für den Rechtsstreit Fragen des Landesrecht maßgeblich, muss das Bundesgericht nach der Erie-Doktrin Landesrecht anwenden.276 In „diversity“-Fällen wendet das Bundesgericht daher das Recht des Bundesstaates seines Sitzes an.277 Dies gilt auch für die gerichtliche Zuständigkeit und das internationale Privatrecht, nicht allerdings für das Verfahrensrecht.278 Bei internationalen elektronischen Handelsverträgen ist die Voraussetzung der ausländischen Herkunft einer Streitpartei grundsätzlich erfüllt. Beträgt der Streitwert also mehr als USD 75.000 liegt ein diversity-Fall vor. Unter Umständen kann sich bei internationalen elektronischen Handelsverträgen aber auch ein federal question-Fall ergeben. Zwar ist das Vertragsrecht grundsätzlich Sache der Bundesstaaten, für den internationalen und zwischenstaatlichen Handel ist jedoch der Bund zuständig279. Letztlich wird also entscheidend sein, welche Normen für den Rechtsstreit maßgeblich sind. Entstammen sie dem CISG oder dem E-SIGN, liegt ein federal question-Fall vor, gehören sie zum UETA, UCITA, UCC oder allgemeinen Vertragsrecht, kommt nur ein diversity-Fall in Betracht. Ist die Zuständigkeit der Bundesgerichte oder der Gerichte der Bundesstaaten gegeben, stellt sich die Frage, vor welchem Bundesgericht oder vor den Gerichten welches Bundesstaates Klage erhoben werden kann.280 Für Fälle, bei denen die Streitparteien aus unterschiedlichen Bundesstaaten kommen und für Fälle, bei denen eine ausländische Partei beteiligt ist, gelten dabei die gleichen Regeln.281 Ursprünglich war nur das Gericht zuständig, in dessen Bundesstaat sich der Beklagte aufhielt (principle of territoriality).282 Die persönliche Überbringung der Klageschrift und der Ladung an den Beklagten im Bundesstaat des Forums begründete die Zuständigkeit.283 Dabei war es unerheblich, ob der Beklagte im Forumstaat seinen Wohnsitz hatte oder sich hier 274

Hay, Rn. 132; vgl. auch 28 USC § 1332 (c) (1). Hay, Rn. 113. 276 Erie Railroad Co. v. Tompkins, 304 U.S. 64, 74 ff. (1938). Hierdurch soll die Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Bereich der konkurrienden Zuständigkeit sichergestellt werden, vgl. Hay, Rn. 113. 277 Hay, Rn. 113; Street/Grant, S. 3–9; vgl. auch § 4 (k) (1) (A) FRCivP. 278 Hay, Rn. 113, 116. 279 Dies verkennt Scheuermann, S. 143. 280 Im Folgenden geht es nur um die interstaatliche und internationale Zuständigkeit (personal jurisdiction), nicht aber um die örtliche Zuständigkeit (venue), die bundesgesetzlich in 28 USC § 1391 geregelt ist. 281 Scheuermann, S. 140. 282 Pennoyer v. Neff, 95 US 714, 722 (1877). 283 Hay, Rn. 130. 275

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nur vorübergehend aufhielt.284 Diese Grundgedanken haben das moderne Zuständigkeitsrecht maßgeblich beeinflusst.285 Um die verfassungsrechtliche Vorgabe eines fairen Gerichtsverfahrens (due process)286 zu erfüllen, muss eine Verbindung zwischen Forum und Beklagtem bestehen.287 Differenziert man nun danach, ob diese Verbindung rein klagebezogen ist oder ganz allgemein besteht, kann man auch im US-amerikanischen Recht zwischen einer allgemeinen Gerichtszuständigkeit (general jurisdiction) oder einer besonderen Gerichtszuständigkeit (specific jurisdiction) unterscheiden.288 Hingegen wird für die Frage der Zuständigkeit im US-amerikanischen Recht nicht zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen unterschieden.289 Aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben folgt darüber hinaus, dass bundes- und einzelstaatliches Recht hinsichtlich der Zuständigkeit im Wesentlichen inhaltsgleich sind.290 a) Allgemeiner Gerichtsstand bei elektronischen Handelsverträgen Eine Verbindung zwischen Beklagtem und Forumstaat liegt immer dann vor, wenn der Beklagte seinen Lebensmittelpunkt im Forumstaat hat (domicile).291 Für Unternehmen ist der Gründungssitz und der Ort der Hauptniederlassung maßgeblich. Darüber hinaus besteht für Unternehmen in Bundesstaaten ein allgemeiner Gerichtsstand, in denen sie dauerhaft und systematisch Geschäfte machen (doing continuous and systematic business).292 aa) Gründungssitz und Hauptniederlassung eines am elektronischen Geschäftsverkehr beteiligten Unternehmens Die Bestimmung des Gründungssitzes und vor allem des Ortes der Hauptniederlassung kann sich bei Unternehmen, die am elektronischen Geschäftsver284

§ 28 Restatement (Second) of Conflict of Laws. Hay, Rn. 131. 286 Der Grundsatz des due process ist für Streitigkeiten aus dem Recht der Einzelstaaten im 14. Verfassungszusatz (amendment) enthalten und für Streitigkeiten aus dem Bundesrecht im 5. Verfassungszusatz. 287 G. A. Bermann, S. 40; Hay, Rn. 131; § 421 (2) Restatement (Third) of Foreign Relations Law. 288 Nguyen, 19 Berkeley Tech. L.J. 2004, 519, Fn. 7. 289 Scheuermann, S. 143. 290 Hay, Rn. 125. 291 Hay, Rn. 132. Vgl. auch die Ausführungen von Scheuermann, S. 151 zum Begriff „domicile”, der mehr als der gewöhnliche Aufenthalt sein soll. 292 Perkins v. Benguet Consolidated Mining Co., 342 US 437, 438, 444 (1952); Helicopteros Nacionales de Columbia v. Hall, 466 US 408, 415 (1984); Metropolitan Life Ins. Co. v. Robertson-Ceco Corp., 84 F.3d 560, 570 ff. (2d Cir. 1996); Chaiken v. VV Publishing Corp., 119 F3d 1018, 1027 (2d Cir. 1997); LSI Industries Inc. v. Hubbell Lighting, Inc., 232 F.3d 1369, 1375 (Fed. Cir. 2000). 285

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kehr beteiligt sind, schwierig gestalten. Letztlich bestehen die gleichen Probleme wie bei Art. 60 Abs. 1 EuGVVO. Für den Fall, dass weder Gründungssitz noch der Ort der Hauptniederlassung eindeutig zu bestimmen sind, ist vorgeschlagen worden, den Gerichtsstand ersatzweise durch eine entsprechende Anwendung von § 109 (d) UCITA zu bestimmen.293 Diese Vorschrift legt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts fest, dass eine Partei dort ansässig ist, wo sie eine Niederlassung (place of business) hat. Hat sie mehrere Niederlassung, ist der Sitz der Hauptverwaltung (chief executive office) maßgeblich. Sofern es keine physische Niederlassung gibt, ist auf den Gründungssitz oder den Ort der ursprünglichen Registrierung (place of primary registration) abzustellen. Hilft auch dies nicht weiter, soll auf den Hauptaufenthaltsort (primary residence) zurückgegriffen werden, wobei sich der Hauptaufenthaltsort auf die Gesellschafter bezieht.294 Die Übertragung dieser Regelung wäre zu begrüßen, da sie das Problem der Lokalisierung von virtuellen Unternehmen zumindest ansatzweise angeht, indem sie klarstellt, dass letztlich der Aufenthaltsort der Gesellschafter genutzt werden kann, um dem virtuellen Unternehmen doch einen physischen Ort zuzuordnen. Außerdem würden für die gerichtliche Zuständigkeit und das anwendbare Recht die gleichen Anknüpfungspunkte gelten. Diese Lösung würde auch nicht im Widerspruch zu Art. 6 ECC stehen, der keine Regelung zum Vorgehen trifft, sofern keine Niederlassung festgestellt werden kann, sondern nur von einem Vorrang des angegebenen Niederlassungsort ausgeht. Durch § 109 (d) UCITA nicht explizit gelöst wird die Frage, ob auch ein Server oder eine Webseite eine Niederlassung darstellen können, allerdings soll die Norm so auszulegen sein, dass es auf den Ort des Computers, der die Information beinhaltet, nicht ankomme295. Dieser Auslegunglinie würde es entsprechen, Server und Webseite nicht als Niederlassung einzuordnen, wodurch eine Übereinstimmung mit Art. 6 Abs. 4 ECC erzielt würde. bb) Dauerhafte und systematische Geschäftstätigkeit im Forumstaat beim elektronischen Geschäftsverkehr Eine Unternehmenswebseite könnte auch dann einen allgemeinen Gerichtsstand begründen, wenn man durch ihre ununterbrochene Abrufbarkeit in einem bestimmten Staat bereits eine dauerhafte und systematische Geschäftstätigkeit begründet sieht. Mit der Begründung, dass eine solche weite Auslegung des Territorialitätsprinzips E-Commerce betreibende Unternehmen der gerichtlichen Zuständigkeit aller 50 Bundesstaaten oder sogar aller Staaten 293

Scheuermann, S. 153. So auch Scheuermann, S. 153. 295 § 109 UCITA com. 3. 294

B. Rechtslage

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weltweit unterwerfen würde, was aufgrund jeweils unterschiedlicher rechtlicher Vorschriften insbesondere kleine Unternehmen von der Teilnahme am elektronischen Geschäftsverkehr abhalten könnte, wird dies zumindest für Webseiten abgelehnt, die nur Informationen, nicht aber Bestellmöglichkeiten enthalten und die nicht speziell auf den Forumstaat ausgerichtet sind.296 Für Webseiten, die über das zur Verfügung stellen von Informationen hinaus gehen, ist die Rechtslage allerdings nicht so eindeutig. Solche Webseiten, die es dem Kunden ermöglichen, durch Diskussionsforen, Chat oder Mailinglisten mit dem Anbieter direkt in Kontakt zu treten, werden in der USamerikanischen Rechtsprechung zusammenfassend als „interaktive Webseiten“ bezeichnet.297 Das Betreiben einer interaktiven Webseite ist von der Rechtsprechung in einer Reihe von Fällen bei der Begründung eines allgemeinen Gerichtsstands angeführt worden.298 Allerdings war die Webseite nie allein ausschlaggebend für die Annahme einer allgemeinen Zuständigkeit, vielmehr existierten jeweils auch Anhaltspunkte außerhalb des Internets für eine dauerhafte und systematische Geschäftstätigkeit im Forumstaat.299 Zwar intensiviert sich durch die Interaktivität die Beziehung des Webseitenbetreibers zu den potentiellen Kunden aus dem Staat des Forums, trotzdem würde aber das Territorialitätsprinzip überdehnt, wenn sich hieraus ein allgemeiner Gerichtsstand überall dort ergeben sollte, wo die Webseite abrufbar ist. Das Risiko beim Betreiben einer interaktiven Webseite in jedem Bundesstaat gerichtspflichtig zu sein, würde exorbitante Transaktionskosten verursachen, die sogar die Teilnahme von Unternehmen am elektronischen Geschäftsverkehr verhindern könnte. Denn neben einem erhöhten Aufwand bei der juristischen Prüfung im Vorfeld der Transaktion müsste das gesteigerte Risiko eines Gerichts- oder Schiedsverfahrens bei der Abwicklung der Leistungsbeziehung in die Kosten-Nutzen-Analyse des E-Commerce-Einsatzes eingestellt werden. Sicherheit über die Allgemeingültigkeit dieser Rechtsauffassung besteht jedoch nicht. Daher kann keine eindeutige Aussage darüber 296 Millennium Entprises, Inc. v. Millenium Music, LP, 33 F.Supp. 2d 907, 923 (D. Oregon 1999); im Ergebnis ebenso: Weber v. Jolly Hotels, 977 F. Supp. 327, 333 (D. N.J. 1997); Atlantech Distribution v. Credit General Insurance, 30 F. Sup. 2d 534, 537 (D. Md. 1998). 297 Zippo Manufacturing Co. v. Zippo Dot Com., Inc., 952 F. Supp. 1119, 1124 (W.D. Pa 1997). 298 Publications International, Ltd. v. Burke/Triolo, Inc., 121 F. Supp. 2d 1178, 1182 f. (N.D. Ill. 2000); Kavo America Corp. v. J.F. Jelenko & Co., 2000 US Dist. LEXIS 7729, 1, 11 (N.D. Ill. 2000); Wise v. Lindamood, 89 F. Supp. 2d 1187, 1194 (D. Colo. 1999); Mieczkowski v. Masco Corp., 997 F. Supp. 782, 786 ff. (E.D. Texas 1998); Dagesse v. Plant Hotel N.V., 113 F. Supp. 2d 211, 221 (D.N.H. 2000). 299 In Publications International, Ltd. v. Burke/Triolo, Inc., 121 F. Supp. 2d 1178, 1183 (N.D. Ill. 2000) hatte beispielsweise das Unternehmen auf seiner Webseite für seinen Handelsvertreter in Chicago geworben.

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getroffen werden, ob eine interaktive Webseite allein einen allgemeinen Gerichtsstand in jedem Bundesstaat begründet.300 Dagegen kann mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein US-amerikanisches Gericht sich für allgemein zuständig hält, wenn über eine Webseite in großem Umfang Verträge mit Kunden aus dem Staat geschlossen werden, in dem das Gericht seinen Sitz hat.301 Zwar existiert diesbezüglich nur wenig Rechtsprechung, da es bei den in Betracht kommenden Fällen regelmäßig um vertragliche Streitigkeiten geht und die Gerichte dann aufgrund einer klagebezogenen Verbindung eine besondere Zuständigkeit annehmen, ohne Ausführungen zum allgemeinen Gerichtsstand zu machen302. Dennoch ist bei einer Vielzahl von Vertragsschlüssen mit Kunden aus dem Forumstaat das Merkmal der dauerhaften und systematischen Geschäftstätigkeit erfüllt. Die Frage, ob die Nutzung eines Servers die allgemeine Zuständigkeit der Gerichte des Bundesstaates auslöst, in dem der Server steht, scheint von der Rechtsprechung bisher nicht aufgeworfen worden zu sein. Die Gefahr, dass die Annahme eines solchen allgemeinen Gerichtsstandes exorbitanten Transaktionskosten zur Folge hat, besteht hier nicht. Auch das Argument, der Standort technischer Mittel könnte grundsätzlich nicht mit einem Handelsvertreter gleichgesetzt werden, der für das Unternehmen Geschäfte abwickelt, überzeugt nicht.303 Denn wenn Tätigkeiten, die ursprünglich durch Menschen ausgeübt wurden, zur Ausschöpfung ökonomischer Potentiale durch technische Mittel substituiert werden, darf das Recht diese Substitution nicht ignorieren.304 Es kommt also darauf an, welche Funktionen die technischen Mittel erfüllen. Ersetzen sie menschliche Tätigkeiten wie die Interaktion und den Vertragsabschluss mit Dritten, dann ist es durchaus vertretbar, bei entsprechendem Umfang der geschäftlichen Tätigkeit an ihrem Standort einen allgemeinen Gerichtsstand des sie einsetzenden Unternehmens anzunehmen. 300

Ablehnend: Hurley v. Cancun Playa Oasis International Hotels, 1999 U.S. Dist. LEXIS 13716, 1, 8 ff. (E.D. Pa. 1999); Dagesse v. Plant Hotel, 113 F. Supp. 2d 211, 221 (D. NH 2000). 301 Mieczkowski v. Masco Corp., 997 F. Supp. 782, 785 ff. (E.D. Texas 1998). Hier hatte das beklagte Unternehmen in den vergangenen sechs Jahren Waren im Wert von USD 5,7 Mio. in den Gerichtsstaat verkauft, im letzten Jahr 250.000 Transaktionen mit Einwohnern des Gerichtsstaates durchgeführt und in den letzten vier Jahren 3,2% seines Bruttoumsatzes durch Verkäufe in den Gerichtsstaat erzielt. Die Anzahl der geschlossenen Verträge wird in Dagesse v. Plant Hotel, 113 F. Supp. 2d 211, 222 f. (D. NH 2000) für maßgeblich erachtet. Grundsätzlich a.A. Kubis, 4 ZZPInt 1999, 337, 341, der davon ausgeht, dass Internet-Aktivitäten allein nicht das Risiko einer allgemeinen Gerichtspflicht in den USA bergen. 302 Der Fall EDIAS Software International v. BASIS International, 947 F. Supp. 413, 417 (D. Arizona 1996) ist hierfür ein treffendes Beispiel. 303 So aber Scheuermann, S. 160. 304 Vgl. auch die Ausführungen in Kap. 3 B. II.

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Haben die technischen Mittel nur die Aufgabe, elektronische Kommunikation durchzuleiten und sind nicht reaktiv, proaktiv oder kommunikationsfähig, dann können sie allerdings in keinem Fall eine allgemeine Gerichtspflichtigkeit begründen ohne gegen den due process-Grundsatz zu verstoßen. Daher gibt es auch gute Gründe, aus dem Serverstandort keinen allgemeinen Gerichtsstand abzuleiten. Vor dem Hintergrund, dass bisher – soweit ersichtlich – kein Gericht auf der Grundlage des Serverstandortes einen allgemeinen Gerichtsstand angenommen hat, ist von einer diesbezüglich gefestigten Rechtsmeinung auszugehen. cc) Zwischenergebnis Bei der Bestimmung des allgemeinen Gerichtsstands am Ort des Gründungssitzes oder der Hauptniederlassung können sich bei virtuellen Unternehmen die gleichen Schwierigkeiten wie in Bezug auf die europäische/deutsche Regelung ergeben. Allerdings hält § 109 (d) UCITA einen tragfähigen Ansatz zur Überwindung dieses Problems bereit, indem der Aufenthaltsort der Gesellschafter ersatzweise zum allgemeinen Gerichtsstand erklärt wird. Server und Webseite werden nicht als Niederlassung angesehen. Eine Webseite kann über das Kriterium der dauerhaften und systematischen Geschäftstätigkeit einen allgemeinen Gerichtsstand begründen, wenn über sie im großem Umfang Verträge mit Kunden aus dem Forumstaat geschlossen werden. Unklar ist die Rechtslage hinsichtlich der Frage, ob eine interaktive Webseite allein einen allgemeinen Gerichtsstand überall dort begründet, wo sie abrufbar ist. Sonstige Webseiten begründen keinen allgemeinen Gerichtsstand. Ob die Nutzung eines Servers eine dauerhafte und systematische Geschäftstätigkeit in dem Bundesstaat begründet, wo sich der Server befindet, ist von der Rechtsprechung bisher nicht entschieden worden. b) Besonderer Gerichtsstand bei elektronischen Handelsverträgen Liegt keine grundsätzliche Verbindung zwischen dem Staat, in dem das Gericht seinen Sitz hat, und dem Beklagten vor, dann kann das Gericht noch aufgrund einer klagebezogenen Verbindung zuständig sein. Der US Supreme Court hat hierzu in seiner Leitentscheidung International Shoe Co. v. Washington festgestellt, dass die Ausübung der auf die Präsenz im Gerichtsstaat gestützte Zuständigkeit noch die aus dem due process-Grundsatz folgenden verfassungsrechtlichen Schranken erfülle, wenn der Beklagte einen hinreichenden Mindestkontakt (minimum contact) zum Forumstaat aufweise.305 Wann ein solcher Mindestkontakt vorliegt, ist von den Bundesstaaten 305

International Shoe Co. v. Washington, 326 US 310, 316 (1945).

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gesetzlich konkretisiert worden (long-arm statutes).306 Während in long-arm statutes mit älterem Ursprung die Handlungen oder Transaktionen aufgezählt werden, für die der Bundesstaat Gerichtszuständigkeit besitzt307, wird in moderneren long-arm statutes hierauf zugunsten einer Generalklausel verzichtet, die noch einmal klarstellt, dass die sich aus dem due process-Grundsatz ergebenden Grenzen eingehalten werden müssen308, mithin also ein hinreichender Mindestkontakt vorliegen muss. Aus diesem Mindestkontakt muss sich dann auch die Klage ergeben.309 Dass nicht jede Verbindung mit dem Gerichtsstaat eine besondere Gerichtszuständigkeit begründet, hat der US Supreme Court in seiner Entscheidung für Hanson v. Denckla wiederholt, indem er forderte, dass der Beklagte seine Aktivitäten bewusst auf den Forumstaat ausgerichtet haben muss (purposefully avails).310 In einem weiteren Präzedenzfall entschied der US Supreme Court, dass es für den Beklagten vorhersehbar gewesen sein muss, im Gerichtsstaat verklagt zu werden.311 Die Vorhersehbarkeit sei anzunehmen, wenn der Beklagte sein Produkt in den allgemeinen Wirtschaftskreislauf (stream of commerce) einbringe und erwarte, dass es auch von Kunden aus dem Forumstaat erworben werde.312 Hingegen stelle ein Vertrag mit einem Kunden aus dem Gerichtsstaat allein zwar ein wichtiges Indiz für das Bestehen eines besonderen Gerichtsstandes dar, reiche aber nur dann aus, wenn der Gesamtzusammenhang der Parteibeziehungen dies bestätige.313 Darüber hinaus muss die Beziehung vom Beklagten zum Forum derart sein, dass es angemessen (reasonable) ist, vom Beklagten zu verlangen, sich dort zu verteidigen. Angemessenheit bedeutet dabei, dass die Belastung des Beklagten im Lichte anderer relevanter Kriterien zu betrachten ist. Hierzu 306

Die Bundesgerichte wenden ebenfalls die long-arm statutes des Bundesstaates an, in dem sie ihren Sitz haben. Dies gilt sowohl für diversity- als auch für federal-question Fälle, vgl. G. A. Bermann, S. 34 f. 307 Illinois: 735 ILCS 5/2–209 (2003); Colorado: Colorado Revised Statutes § 13–1– 124; Hawaii: Hawaii Revised Statutes § 634–35 (2002); Idaho: ID ST § 5–514 (2002); Kansas: KS ST § 60–308 (2002); Maine: ME ST T. 14 § 704-A; Missouri: MO ST § 506.500 (2003); Montana: MT ST RCP Rule 4B (2002); Nevada: NV ST § 14.065 (2003); New Mexico: N.M. ST § 38–1-16 (2003); North Dakota: N.D. R. CIV. P. 4 (2003); Florida: FL ST § 48.193 (2003); South Dakota: S.D. ST § 15–7-2 (2002); Utah UT ST § 78–2 7–24 (2003); Washington: WA ST § 4.28.185 (2003) (Text jeweils bei Doyle, Long-Arm Statutes, 2003). 308 Kalifornien: CA CIV PRO § 410.10 (2003); Pennsylvannia: PA ST 42 Pa.C.S. § 5322 (2002); Rhode Island: R.I. ST § 9–5–33 (2002); Wyoming: WY ST § 5–1–107 (2003). 309 Burger King Corp. v. Rudzewicz, 471 US 462, 472 (1985). 310 Hanson v. Denckla, 357 US 235, 253 (1958). 311 Word Wide Volkswagen v. Woodson, 444 US 286, 295 ff. (1980). 312 Word Wide Volkswagen v. Woodson, 444 US 286, 297 (1980). 313 Burger King Corp. v. Rudzewicz, 471 US 462, 479 ff. (1985).

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zählen das Interesse des Gerichtsstaates, den Rechtsstreit zu entscheiden, die Interessen des Klägers an praktischer und effektiver Abhilfe, die Prozessökonomie und das gemeinsame Interesse der Bundesstaaten, bestimmte grundlegende sozialpolitische Anliegen voranzutreiben.314 Im Falle eines ausländischen Beklagten sind dabei die Belastung, die sich durch einen Prozess im Ausland ergeben, besonders zu berücksichtigen und können nicht schon durch ein geringes Interesse des Klägers oder des Forumstaates ausgeglichen werden.315 aa) Der „Sliding Scale“-Test aus Zippo Mfg. Co. v. Zippo Dot Com. Inc. Für die Bestimmung des hinreichenden Mindestkontakts im elektronischen Geschäftsverkehr ist die Entscheidung Zippo Mfg. Co. v. Zippo Dot Com, Inc.316 zum entscheidenden Maßstab geworden. Zwar hat diesen Fall nicht der US Supreme Court entschieden, sondern der US District Court for the Western District of Pennsylvania, so dass keine Bindungswirkung für Landesgerichte oder für die Bundesgerichte anderer Distrikte besteht. Trotzdem haben eine Vielzahl von Gerichten den in der Entscheidung aufgestellten Sliding Scale-Test übernommen, wenn es zu beantworten galt, ob eine Tätigkeit im elektronischen Geschäftsverkehr einen besonderen Gerichtsstand begründet.317 Teilweise ist sogar von einer gesetzesähnlichen Bedeutung des Sliding Scale-Tests gesprochen worden.318 Der Sliding Scale-Test basiert auf der Annahme, dass das Bestehen eines besonderen Gerichtsstands direkt proportional zur Intensität der elektronischen Geschäftstätigkeit ist.319 Auf dem einen Ende der Skala stehen Fälle, bei den elektronische Verträge mit Einwohnern des Forumstaates geschlossen

314

Word Wide Volkswagen v. Woodson, 444 US 286, 292 (1980). Asahi Metal Industry Co. v. Superior Court of California, 480 US 114 f. (1987). 316 Zippo Manufacturing Co. v. Zippo Dot Com., Inc., 952 F. Supp. 1119 (W.D. Pa 1997). 317 Beispiele sind: Mink v. AAAA Dev. LLC, 190 F.3d 333, 336 (5th Cir. 1999); ALS Scan, Inc. v. Digital Serv. Consultants, 293 F. 3d 707, 713 f. (4th Cir. 2002); Rainy Day Books, Inc. v. Rainy Day Books & Café, LLC, 186 F. Supp. 2d 1158, 1163 f. (D.Kan. 2002); Sublett v. Wallin, 94 P3d 845, 852 f. (N.M. Ct. App. 2004); Snowney v. Harrah’s Entertainment, 112 P.3d 28, 39 (Cal. 2005); Edelson v. Ch’ien, 352 F. Supp. 2d 861, 869 (N.D. Ill. 2005). In BGH, NJW 2009, 298, 298 wurde in Bezug auf Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO ein ähnlicher Maßstab gewählt. 318 So in Toys 'R' Us, Inc. v. Step Two, S.A., 318 F.3d 446, 452 (3d Cir. 2003) und Daughdrill, 52 Mercer L. Rev. 2001, 1217, 1222 f.; Winn/Wright, S. 3–6 zählen beinahe 400 Gerichtsentscheidungen, in denen der Zippo-Fall zitiert wird. 319 Zippo Manufacturing Co. v. Zippo Dot Com., Inc., 952 F. Supp. 1119, 1124 (W.D. Pa 1997). 315

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

werden.320 Hier bestehe immer ein hinreichender Mindestkontakt.321 Auf dem anderen Ende der Skala befinden sich Situationen, in denen die Einwohner des Forumstaates nur Informationen über eine Webseite abrufen, nicht aber in direkten Kontakt mit dem Unternehmen treten können (passive Webseite).322 Dies reiche für die Begründung einer besonderen Gerichtspflichtigkeit im Forumstaat nicht aus.323 Zwischen diesen beiden Polen sind die Fälle angesiedelt, in denen der Beklagte eine interaktive Webseite betreibt.324 Bei diesen Fällen muss der hinreichende Mindestkontakt im Einzelfall bestimmt werden, wobei der Grad der Interaktivität und die geschäftliche Natur des Informationsaustausches entscheidend seien.325 bb) Kritik und Weiterentwicklung des „Sliding Scale“-Tests Die Anwendung des Sliding Scale-Tests durch einen großen Teil der Rechtsprechung ist allerdings immer wieder kritisiert worden. Die Vorgabe des US Supreme Court, dass die geschäftlichen Aktivitäten bewusst auf den Forumstaat ausgerichtet sein müssen, wird beim Sliding Scale-Test nicht beachtet, denn eine Korrelation zwischen Interaktivität einer Webseite oder intensiver elektronischer Geschäftstätigkeit besteht nicht.326 Schließt ein Unternehmen beispielsweise eine Vielzahl von elektronischen Verträgen über seine Webseite ab, stammen die Vertragspartner hierbei aber nur in ganz seltenen Fällen aus dem Forumstaat, dann hat das Unternehmen zwar eine sehr interaktive Webseite und ist intensiv im elektronischen Geschäftsverkehr tätig, trotzdem kann dann aber nicht davon gesprochen werden, dass es seine geschäftliche Tätigkeit auf den Forumstaat ausgerichtet hat. Infolge der Missachtung des Kriteriums des bewussten Ausrichtens überdehnt der Sliding Scale-Test die verfassungsrechtlichen Grenzen des due processGrundsatzes. Das Ziel, den Beklagten davor zu schützen, in jedem Staat verklagt werden zu können, wird nicht mehr gewährleistet, wenn man berück320

Zippo Manufacturing Co. v. Zippo Dot Com., Inc., 952 F. Supp. 1119, 1124 (W.D. Pa 1997) mit dem Verweis auf Compuserve, Inc. v. Patterson, 89 F.3d 1257 (6th Cir. 1996). 321 Zippo Manufacturing Co. v. Zippo Dot Com., Inc., 952 F. Supp. 1119, 1124 (W.D. Pa 1997). 322 Zippo Manufacturing Co. v. Zippo Dot Com., Inc., 952 F. Supp. 1119, 1124 (W.D. Pa 1997) mit dem Verweis auf Bensusan Restaurant Corp. v. King, 937 F. Supp. 295 (S.D.N.Y. 1996). 323 Zippo Manufacturing Co. v. Zippo Dot Com., Inc., 952 F. Supp. 1119, 1124 (W.D. Pa 1997). 324 Zippo Manufacturing Co. v. Zippo Dot Com., Inc., 952 F. Supp. 1119, 1124 (W.D. Pa 1997) mit dem Verweis auf Maritz, Inc. v. Cybergold, Inc., 947 F. Supp. 1328 (E.D. Mo. 1996). 325 Zippo Manufacturing Co. v. Zippo Dot Com., Inc., 952 F. Supp. 1119, 1124 (W.D. Pa 1997). 326 Nguyen, 19 Berkeley Tech. L.J. 2004, 519, 541; Rubi, CRi 2000, 33, 35.

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sichtigt, dass heute die hohe Interaktivität einer Webseite nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel ist. In strenger Anwendung des Sliding ScaleTests bestünde damit für (beinahe) jedes am elektronischen Geschäftsverkehr beteiligte Unternehmen ein besonderer Gerichtsstand in jedem Bundesstaat der USA.327 Da die Schwäche des Sliding Scale-Tests teilweise auch in der Rechtsprechung erkannt worden ist, haben einige Gerichte ihrer Entscheidung einen modifizierten Sliding Scale-Test zugrunde gelegt, indem sie eine interaktive Webseite nicht ausreichen lassen, sondern nach weiteren Anhaltspunkten für Kontakte zum Forumstaat suchen.328 Im Ergebnis verabschieden sich die Gerichte damit wieder von der technologiespezifischen Auslegung des due process-Grundsatzes im Rahmen des Sliding Scale-Tests und kehren zu den technologieneutralen allgemeinen Grundregeln zurück.329 Die Abkehr vom Sliding Scale-Test zeigt, wie schnell eine technologiespezifische Auslegung überholt sein kann. War bei der Zippo-Entscheidung im Jahr 1997 eine interaktive Webseite noch eine Ausnahme, stellt sie heute vielmehr die Regel dar.330 Der Status quo ist damit ein Nebeneinander von Sliding Scale-Test und alten Regeln. Besonders anschaulich wird dies in einer Entscheidung des Oklahoma Court of Civil Appeals. Hier lehnte das Mehrheitsvotum den Maßstab der Zippo-Entscheidung ab und hielt für maßgeblich, ob das Unternehmen seine Tätigkeit auf den Staat Oklahoma ausgerichtet hat, wobei der Umfang der Kontakte und Bestellungen von Personen aus Oklahoma berücksichtigt werden sollten.331 Das Minderheitsvotum hingegen fand, dass es bereits ausreichen würde, wenn auf einer Webseite Produkte ohne geografische Begrenzung zum Verkauf angeboten würden, so dass überall dort ein Gerichts-

327

So wohl auch Nguyen, 19 Berkeley Tech. L.J. 2004, 519, 539. Panavision Int'l, L.P. v. Toeppen, 141 F.3d 1316, 1322 (9th Cir. 1998); Millennium Enters., Inc. v. Millennium Music, LP, 33 F. Supp. 2d 907, 921 (D. Or. 1999); Hy Cite Corp. v. badbusinessbureau.com LLC, 297 F. Supp. 2d. 1154, 1160 (W.D. Wisc. 2004); Kimball d/b/a Cradservice of Raleigh v. Countrywide Merchant Servs. & Burke, 2005 US Dist. LEXIS 1817, 1, 11 f. (E.D. Pa. 2005). 329 Nguyen, 19 Berkeley Tech. L.J. 2004, 519, 530 f.; Street/Grant, S. 3–5. Dies ausdrücklich vorschlagend Hy Cite Corp. v. badbusinessbureau.com LLC, 297 F. Supp. 2d. 1154, 1160 (W.D. Wisc. 2004). 330 Nguyen, 19 Berkeley Tech. L.J. 2004, 519, 537. Die Gefahr der Nutzung eines technologiespezifischen Ansatzes zur Bestimmung der Gerichtszuständigkeit stellt Geist, 16 Berk. Tech. L.J. 2001, 1345, 1369 heraus. 331 Lively v. Ijam, Inc., 114 P3d 487, 497 (Okla. Civ. App. 2005). 328

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stand entstehen solle, wo die Seite abrufbar sei.332 Letztlich hat die ZippoEntscheidung wenig Rechtssicherheit gebracht.333 cc) Die Rolle des Serverstandorts Anders als bei der allgemeinen Gerichtszuständigkeit haben US-Gerichte im Rahmen der Festlegung eines besonderen Gerichtsstandes durchaus den Serverstandort als Anknüpfung geprüft. In Pres-Kap. v. System One hielt es das Gericht für nicht ausreichend, dass die Beklagte eine Datenbank nutzte, die auf einem Server in Florida gespeichert war, um die Zuständigkeit der Gerichte in Florida zu begründen.334 In Compuserve Inc. v. Patterson hingegen wurde die besondere Zuständigkeit Ohios in einem Verfahren gegen den in Texas wohnhaften Beklagten bejaht, der seine Shareware über den Server der Klägerin im Gerichtsstaat Ohio verbreitete.335 Aus diesen beiden widersprüchlichen Entscheidungen ergibt sich zwar kein eindeutiger Rechtssatz für die Bedeutung des Serverstandorts, dennoch ist es aber nahe liegend, aus dem Serverstandort allein keine besondere Gerichtszuständigkeit abzuleiten.336 In Compuserve Inc. v. Patterson stand nämlich nicht nur der Server im Forumstaat, sondern die Klägerin, mit der der Beklagte einen Vertrag geschlossen hat, hatte hier auch ihren Unternehmenssitz. Gleiches gilt zwar auch für den Fall Pres-Kap. v. System One, doch wurden dort die Vertragsverhandlungen, der Vertragsabschluss und die Vertragsdurchführung in einem anderen Bundesstaat als dem Forumstaat durchgeführt. Mit diesen faktischen Unterschieden lässt sich die Widersprüchlichkeit der beiden Entscheidungen gut begründen.337 Damit ist aber auch gesagt, dass der Ort der Vertragsverhandlungen, des Vertragsabschlusses und der Vertragsdurchführung tendenziell wichtiger sind als der Serverstandort.

332 Dissent by Rapp in Lively v. Ijam, Inc., 114 P3d 487, 498 f. (Okla. Civ. App. 2005), der hier gezogene Vergleich, dass eine Webseite mit Kinderpornografie überall dort ein Verbrechen sei, wo sie geöffnet und gesehen werden kann, mutet merkwürdig an. 333 Winn/Wright, S. 3–6. 334 Pres-Kap v. System One, 636 So. 2d 1351, 1353 (Fla. App. 1994); den Standort eines Servers im Forum ohne weitere Kontakte zum Forum für nicht ausreichend erachtend auch: Amberson Holdings LLC v. Westside Story Newspaper, 110 F. Supp. 2d, 332, 337 (D. N.J. 2000). 335 Compuserve v. Patterson, 89 F. 3d 1257, 1264 (6th Cir. 1996). 336 In diese Richtung auch Rubi, CRi 2000, 33, 35. 337 Scheuermann, S. 171 sieht den Unterschied zwischen den Sachverhalten hingegen darin, dass die Beklagte in Pres-Kap v. System One die Datenbank lediglich als Kundin zum Abruf von Informationen nutzte und der Beklagte in Compuserve v. Patterson selbst Geschäfte über den Server betrieb.

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Dies dürfte der in Art. 6 Abs. 4 ECC gewählten Lösung entsprechen, wonach der Serverstandort allein keine Niederlassung begründet, aber durchaus bei der Bestimmung des Niederlassungsortes herangezogen werden kann.338 c) Quasi-in-rem Gerichtsstand und elektronischer Geschäftsverkehr Ferner kann ein US-amerikanisches Gericht auch aufgrund von Eigentum eines Beklagten, das sich im Forumstaat befindet, zuständig sein, obwohl dieser dort sonst keinen allgemeinen oder besonderen Gerichtsstand hat. Die Zuständigkeit wird als „quasi-in-rem“ bezeichnet339 und steht nach dem Supreme Court ebenfalls unter der verfassungsrechtlichen Vorgabe eines fairen Gerichtsverfahrens (due process)340. Offen gelassen hat der Supreme Court dabei allerdings die Frage, ob Eigentum im Gerichtsstaat allein die Zuständigkeit der dortigen Gerichte begründen kann oder ob es immer weiterer Kontakte zum Gerichtsstaat bedarf.341 Die unterinstanzlichen Gerichte haben die Belegenheit von Eigentum zumindest dann ausreichen lassen, wenn der Beklagte andernfalls nicht in den USA gerichtspflichtig wäre.342 Geklärt ist, dass es eines Bezugs des Eigentums zum Klagegrund nicht zwangsläufig bedarf343 und der geltend gemachte Anspruch den Wert des Eigentums nicht übersteigen darf344. Der quasi-in-rem Gerichtsstand ähnelt sehr dem aus dem deutschen Recht bekannten Gerichtsstand des Vermögens nach § 23 ZPO. Fordert man wie bei diesem angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben einen hinreichenden Bezug zum Forumstaat, was wie gesagt bisher nicht abschließend geklärt ist, dann stellt sich die Frage, welche Anhaltspunkte für einen hinreichenden Bezug vorliegen müssen, wenn der Beklagte Kontakte zum Forumstaat nur auf elektronischem Weg unterhält. Letztlich bedarf es der Diskussion, die bereits im Rahmen des allgemeinen und besonderen Gerichtsstands (Lokalisierung der Hauptniederlassung, Vorliegen einer geschäftlichen Tätigkeit im Forumstaat beim elektronischen Geschäftsverkehr) geführt worden ist, nur dass jetzt der Maßstab weniger streng ist, da aufgrund des Eigentums bereits gewisse Kontakte mit dem Forumstaat bestehen. Anzumerken ist allerdings, dass das zu § 23 ZPO genannte Kriterium des Klägerwohnsitzes im Inland

338

UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 117. G. A. Bermann, S. 51. 340 Shaffer v. Heitner, 433 U.S. 186, 207 (1978). 341 Shaffer v. Heitner, 433 U.S. 186, Fn. 37 (1978). 342 Louring v. Kuwait Boulder Shipping Co., 455 F. Supp. 630, 633 (D.Conn. 1977); Amoco Overseas Oil Co. v. Compagnie Nationale Algerienne de Navigation, 605 F.2d 648, 655 (2d Cir. 1979). 343 Feder v. Turkish Airlines, 441 F. Supp. 1273, 1277 ff. (S.D.N.Y. 1977). 344 G. A. Bermann, S. 51. 339

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nicht ausschlaggebend sein kann, da teilweise bundesstaatliches Recht ausdrücklich auch Ausländern Klagemöglichkeiten eröffnet345. Verzichtet man neben dem Eigentum auf einen weiteren Bezug zum Gerichtsstaat, dann könnte die quasi-in-rem begründete Zuständigkeit viele Probleme überwinden, die das internationale Zivilprozessrecht mit elektronischen Verträgen hat. Die Lokalisierung der Hauptniederlassung wäre entbehrlich und eine geschäftliche Tätigkeit im Forumstaat müsste beim ausschließlichen Einsatz elektronischer Mittel nicht begründet werden. Indes würde dann eine exorbitante internationale Zuständigkeit US-amerikanischer Gerichte drohen. d) Besonderheiten bei ausländischen Beklagten Hat der Beklagte keinen Wohnsitz in den USA, gelten für die Begründung der Gerichtspflichtigkeit einige Besonderheiten. Dies gilt umso mehr, wenn ein ausländisches Unternehmen in den USA verklagt werden soll. Zum einen ist dann nicht mehr für jeden Bundesstaat einzelnen zu fragen, ob ein hinreichender Kontakt zum Beklagten vorliegt, sondern die Kontakte zu den einzelnen Staaten können summiert werden, so dass letztlich zu fragen ist, ob der Beklagten einen hinreichenden Kontakt zu den USA als Gesamtstaat aufweist.346 Indes erlaubt § 4 (k) (2) FRCivP die Summierung nur dann, wenn ein Bundesgericht über die Annahme einer auf Bundesrecht beruhenden Klage zu entscheiden hat. Zum anderen kann auch die Tätigkeit eines Tochterunternehmens mit Niederlassung in den USA die Gerichtspflichtigkeit des ausländischen Mutterunternehmens begründen.347 Hierzu muss das Tochterunternehmen so eng mit dem Mutterunternehmen verbunden sein, dass es als deren „alter ego“ anzusehen ist und selbst hinreichende Kontakte zum Forumstaat aufweisen.348 Eine „alter ego“-Beziehung setzt nach der Rechtsprechung des Supreme Court die völlige Dominanz des Mutterunternehmens voraus, so dass das Tochterunternehmen in funktionaler Hinsicht letztlich mit einer Niederlassung des Mutterunternehmens gleichzustellen ist.349 Die hieraus resultierende Gerichtspflichtigkeit soll aber keine allgemeine, sondern nur eine besondere sein, so dass die Klage auf die Tätigkeit des Tochterunter-

345

Vgl. § 5–1402 New York General Obligations Law. Pinker v. Roche Holdings Ltd., 292 F.3d 361, 369 (3d Cir. 2002); Base Metal Trading, Ltd. v. OJSC Novokuznetsky Alum. Factory, 283 F.3d 208, 215 (4th Cir. 2002); G. A. Bermann, S. 54 ff. 347 Fallenböck, S. 73 spricht von der Auflösung der formalen Trennung von Mutter- und Tochtergesellschaften. 348 G. A. Bermann, S. 61. 349 Cannon Mfg. Co. v. Cudahy Packing Co., 267 U.S. 333, 336 (1925); ähnlich: Roorda v. Volkswagenwerk AG, 481 F. Supp. 868, 880 (DSC 1979). 346

B. Rechtslage

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nehmens bezogen sein muss.350 Darüber hinaus kann ein ausländisches Unternehmen auch dann vor einem US-amerikanischen Gericht verklagt werden, wenn es sich eines lokalen Unternehmens als Vertreter bedient.351 Für elektronische Verträge, bei denen wie gesehen die Begründung einer hinreichenden geschäftlichen Tätigkeit schwierig sein kann, kann die Möglichkeit der Summierung von Kontakten zu einzelnen Bundesstaaten entscheidend sein, um die gerichtliche Zuständigkeit zu begründen. Zum Beispiel wird ein deutsches E-Commerce Unternehmen eher selten eine Vielzahl von Verträgen mit Kunden aus einem US-amerikanischen Staat schließen, aber durchaus häufiger eine Vielzahl von Kunden aus den USA haben. Zu beachten ist allerdings, dass eine Summierung nicht möglich ist, wenn die streitentscheidenden Normen solche des UETA, UCC oder UCITA sind, sondern nur dann, wenn sie zum CISG oder E-SIGN gehören, da es sich nur bei diesen um Bundesrecht handelt. Im elektronischen Geschäftsverkehr ist wie bei der traditionellen Geschäftsabwicklung möglich, dass Tochterunternehmen völlig von Mutterunternehmen dominiert werden. Dies gilt insbesondere für Missbrauchsfälle im Bereich der Mehrwertdienste. Die auf einem Vertretungsrecht beruhende Zuständigkeit kann ebenso in Betracht kommen, möglicherweise sogar im verstärkten Maße. So wurde in der Leitentscheidung Frummer v. Hilton Hotels International die britische Hilton Hotels International Ltd. für die regelmäßige Nutzung der New Yorker Hilton Reservation Service, die Reservierungen für Hilton Hotels annahm, auf der Grundlage einer Vertreter-Vertretenen-Beziehung für gerichtspflichtig erklärt.352 Intermediären wie die Hilton Reservation Service werden im elektronischen Geschäftsverkehr deutlich häufiger als in der traditionellen Geschäftsabwicklung eingesetzt.353 e) Gerichtsstandsvereinbarungen in elektronischen Handelsverträgen Seit der Supreme Court-Entscheidung M/S Bremen v. Zapata Off-Shore Co. besteht auch nach US-amerikanischem Recht die grundsätzliche Möglichkeit, das streitentscheidende Gericht durch Parteivereinbarung festzulegen.354 Voraussetzung ist allerdings, dass der Gerichtsstand zwischen wirtschaftlich gleichgestellten Partner vereinbart wurde, dass die Gerichtsstandklausel in einer Individualvereinbarung und nicht in AGB enthalten ist und dass sie 350

Vermeulen v. Renault, USA, Inc., 985 F.2d 1534, 1546 (11th Cir.1993). Frummer v. Hilton Hotels International, 19 N.Y.2d 533, 538 (Court of Appeals NY 1967); Delagi v. Volkswagenwerk AG, 29 N.Y.2d 426, 432 (Court of Appeals NY 1972). 352 Frummer v. Hilton Hotels International, 19 N.Y.2d 533, 537 f. (Court of Appeals NY 1967). 353 Vgl. Bieberbach/Hermann, in: Scheer/Nüttgens (Hrsg.), Electronic Business Engineering (1999), 68, 76; Picot/Reichwald/Wigand, S. 344 ff. 354 M/S Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 US 1, 10 (1972). 351

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

nicht unbillig (unreasonable and unjust) ist.355 Diese strengen Voraussetzungen hat der Supreme Court aber in einer späteren Entscheidung dahingehend korrigiert, dass auch eine in AGB enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung zwischen wirtschaftlich nicht gleichgestellten Partnern wirksam sein kann.356 Damit bleibt also die Voraussetzung der Billigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung als entscheidendes Kriterium. Hierbei kann sich eine Unbilligkeit sowohl aus der Wahl des Forums ergeben als auch daraus, wie die Gerichtsstandsvereinbarung der anderen Partei mitgeteilt wird. Das versteckte Einbringen von Vertragsklauseln ist allerdings kein besonderes Problem von Gerichtsstandsklauseln, sondern besteht ganz grundsätzlich, vor allem bei der Verwendung von AGB. Die Unbilligkeit der Wahl eines bestimmten Forums wird hingegen gerade bei Fällen mit Auslandsbezug immer wieder diskutiert. Konkrete Fragen sind dann beispielsweise, ob der Kläger im Ausland ein faires Verfahren erhalten würde, oder, ob das ausländische Forum aufgrund seiner Entfernung vom Wohnsitz des Klägers angemessen ist.357 Aufgrund der dargestellten Entscheidungen des Supreme Court besteht im US-amerikanischen Recht weitgehende, aber keine absolute Rechtssicherheit über die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen.358 Einige wenige Bundesstaaten verweigern ihnen weiterhin die Anerkennung.359 Möglich ist dies, weil die Entscheidung M/S Bremen v. Zapata Off-Shore Co. Bundesrecht betraf, so dass das Bestehen abweichender Rechtsregeln im Landesrecht durchaus möglich ist.360 Allerdings ist dies äußerst fern liegend, da der Supreme Court, allerdings ohne Bindungswirkung, die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Allgemeinen angedeutet hat361 und dies mittlerweile auch in § 80 Restatement (Second) of Conflict of Laws Eingang gefunden hat.362 Darüber hinaus ist im US-amerikanischen Recht nicht abschließend geklärt, ob eine Gerichtsstandvereinbarung zu einer ausschließlichen oder nur 355

M/S Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 US 1, 12 (1972). Carnival Cruise Lines v. Shute, 499 US 585, 593 f. (1991). 357 Effron v. Sun Lines Cruises, Inc., 67 F.3d 7, 9 ff. (2d Cir. 1996); Golden Valley Grape Juice and Wine, LLC v. Centrisys Corporation, Urteil v. 21.1.2010 (E.D. Cal.), . 358 § 110 UCITA com. 2. Zu weitgehend aber Lejeune/Büllesbach, S. 1 die aus den auslegungsbedürftigen und relativ offenen Kriterien bei der Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen folgern, dass der ausländische Kläger auf die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nach geltendem US-Zivilprozessrecht nicht vertrauen kann. 359 Für Iowa: Davenport Machine & Foundry Co. v. Adolph Coors Co., 314 NW2d 432, 436 (Iowa 1982); für Idaho: Cerami-Kote Inc. v. Energywave Corp., 773 P2d 1143, 1146 (Idaho 1989); für Montana: State ex rel. Polaris Indus., Inc. v. District Court, 695 P2d 471, 472 (Montana 1985). 360 G. A. Bermann, S. 32. 361 M/S Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 US 1, 11 (1972). 362 Im Ergebnis ebenso G. A. Bermann, S. 33. 356

B. Rechtslage

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zu einer konkurrienden Zuständigkeit des ausgewählten Gerichts führt, auch wenn wohl eine Tendenz besteht, die ausschließliche Zuständigkeit anzunehmen.363 Bei elektronischen Handelsverträgen gelten also im Hinblick auf Gerichtsstandsvereinbarungen die allgemeinen Regeln. So geht die Rechtsprechung ganz überwiegend von ihrer Zulässigkeit aus und stellt die Angemessenheit des gewählten Gerichtsortes nicht in Frage.364 Zwar kann beim Einsatz von elektronischer Kommunikation die Frage, ob die Gerichtsstandsvereinbarung der anderen Vertragspartei in angemessener Weise mitgeteilt worden ist, besonders schwer zu beantworten sein. Da dies allerdings auch für die Mitteilung der anderen vertraglichen Bedingungen gilt, soll die Problematik erst an späterer Stelle insgesamt dargestellt werden.365 Für Verträge über Computerinformation366 stellt § 110 (a) UCITA die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen ausdrücklich klar.367 Einziger Maßstab ist auch hier die Billigkeit der Vereinbarung368, die in Übereinstimmung mit der ökonomischen Orientierung des US-amerikanischen Vertragsrechts zumindest dann gegeben sein soll, wenn es einen nachvollziehbaren kommerziellen Grund für die Prorogation gibt, etwa die Senkung der Transaktionskosten bei massenhaft abgeschlossenen Verträgen.369 Darüber hinaus wird in § 110 (b) UCITA die der herrschenden Meinung widersprechende Auslegungsregel aufgestellt, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung im Zweifel nur eine konkurriende und keine ausschließliche Zuständigkeit begründet. Im Gegegnsatz dazu geht § 1.14 ALI Principles für Softwareverträge davon aus, dass die Parteien grundsätzlich ausschließlich Gerichtsstandsvereinbarungen schließen. 363

Hartford Fire Ins. Co. v. Novocargo USA, Inc., 156 F.Supp. 2d 372, 375 (SDNY 2001); Citro Florida, Inc. v. Citrovale, SA, 760 F.2d 1231, 1231 f. (11th Cir. 1985); Hay, Rn. 127; a.A.: G. A. Bermann, S. 15. 364 Forrest v. Verizon Communications, Inc., 805 A.2d 1007, 1008 ff. (D.C. 2002); DeJohn v. The .TV Corporation International, 245 F. Supp.2d 913, 921 (N.D. Ill. 2003); Novak v. Overture, Services, Inc., 309 F. Supp. 2d 446, 452 (EDNY 2004); Feldman v. Google, Inc., 513 F. Supp. 2d 229, 236 (EDPa 2007); Diedrich, in: Lejeune (Hrsg.), Der ECommerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 57, Rn. 18 spricht von einer faktischen Vermutung zugunsten der Vernünftigkeit des gewählten Gerichts. 365 Kap. 8 B. III. 3. e) bb) (3) (b). 366 Verträge über Compurterinformation werden in Sec. 102 (11) UCITA definiert: „…agreement or the performance of it to create, modify, transfer, or license computer information or informational rights in computer information…The term does not include a transaction merely because the parties’ agreement provides that their communications about the transaction will be in the form of computer information.” 367 Zur besonderen Bedeutung der §§ 109, 110 UCITA im Gesetzgebungsverfahren vgl. Boss, 32.4 The International Lawyer 1998, 1067, 1091 ff. 368 So auch § 1.14 ALI Principles. 369 § 110 UCITA com. 3.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

f) Forum Non Conveniens, Lis Pendens und Anti-Suit Injunctions Die gerade bei internationalen Geschäftsbeziehungen bestehende Gefahr, dass es zu parallelen Gerichtsverfahren über denselben Sachverhalt kommt, die womöglich sogar zu entgegengesetzten Ergebnissen führen, können USamerikanische Gerichte auf dreierlei Weise begegnen. Die am meisten genutzte Möglichkeit ist eine Ablehnung der eigenen Zuständigkeit, obwohl diese nach einem der dargestellten Grundsätze eigentlich gegeben ist, und Verweisung der Streitigkeit an ein geeigneteres (more convenient) Gericht. Dies ist die Lehre vom „forum non conveniens“, die den Rechtsordnungen Kontinentaleuropas unbekannt ist.370 Für internationale Streitigkeiten ist die Lehre vom forum non conveniens, anders als für den inländischen Bereich371, nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, sondern beruht auf Richterrecht.372 Als Bundesverfahrensrecht ist sie auch in diversity-Fällen anwendbar.373 Voraussetzung für die Ablehnung der eigenen Zuständigkeit ist, dass bei einer umfassenden Abwägung aller Umstände ein anderes Gericht für die Entscheidung des Rechtsstreits deutlich geeigneter erscheint.374 Zu beachtende Kriterien sind beispielsweise die Unparteilichkeit375, ein Mindestmaß an Funktionsfähigkeit376 des ausländischen Gerichts, die Angemessenheit der im Ausland zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe377, Zugang zu Beweisen378 und Schwierigkeiten bei der Anwendung ausländischen Rechts379. Liegt eine Gerichtsstandsvereinbarung vor, schließt auch diese die Anwendung der forum non conveniens-Lehre nicht grundsätzlich aus.380 Wird in ihr allerdings auf das Gericht verwiesen, das den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweisen will, wird die Abwägung nur in den seltensten Fällen zu dem Ergebnis füh370

G. A. Bermann, S. 87. Vgl. 28 USC § 1404 (a). 372 Howe v. Goldcorp Investments, Ltd., 946 F.2d 944, 945 (1st Cir.1991); G. A. Bermann, S. 91. 373 G. A. Bermann, S. 9. 374 G. A. Bermann, S. 95, 97. 375 G. A. Bermann, S. 94. 376 Bhatnagar v. Surrendra Overseas, Ltd., 52 F.3d 1220, 1227 f. (3d Cir. 1995). 377 Die Rechtsbehelfe dürfen nicht eindeutig so unangemessen sein, dass sie praktisch überhaupt keine Rechtsbehelfe sind, vgl. Piper Aircraft Co. v. Reyno, 454 US 235, 254 (1981), sie brauchen aber nicht gleichermaßen umfangreich sein, vgl. G. A. Bermann, S. 95. 378 Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 US 501, 508 (1947). 379 Piper Aircraft Co. v. Reyno, 454 US 235, 251 (1981). 380 Vgl. § 2 I (b) Model Choice of Forum Act von 1968. Anders nach dem Recht des Staates New York: hier schließt § 5–1402 New York General Obligations Law eine Verweisung auf der Grundlage von forum non conveniens aus, wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten New Yorker Gerichte vorliegt, die Klage aus einer vertraglichen Verpflichtung resultiert, der Streitgegenstand USD 1 Mio. überschreitet und New Yorker Recht auf den Vertrag anwendbar ist. 371

B. Rechtslage

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ren, dass das andere Gericht deutlich geeigneter ist, da der Gerichtsstandsvereinbarung besonderes Gewicht zu kommt.381 Die forum non conveniensLehre birgt die Gefahr in sich, aufgrund ihres weiten Ermessensspielraums zu unvorhersehbaren Ergebnissen zu führen.382 Die Lis Pendens-Lehre, die die EuGVVO und ZPO zur Verhinderung von Parallelverfahren verfolgen, wird hingegen von US-amerikanischen Gerichten kaum genutzt, ist aber nicht völlig unbekannt.383 So sind USamerikanische Gerichte äußerst zurückhaltend, wenn es darum geht, die eigene Zuständigkeit eines bereits begonnenen Verfahrens aufgrund der früheren Rechtshängigkeit einer Streitsache bei einem ausländischen Gericht abzulehnen und führen in diesem Fall eher ein Parallelverfahren durch.384 Die Anwendung des Lis Pendens-Grundsatzes soll dabei völlig im Ermessen der Gerichte stehen, so dass es nicht verwundert, dass kein einheitlicher Maßstab für die Anwendung existiert.385 Die weitgehenste Möglichkeit, die einem US-amerikanischen Gericht offensteht, ist die Verfügung einer anti-suit injunction, die es den Parteien verbietet, vor irgendeinem anderen Gericht ebenfalls zu klagen.386 Indes besteht auch hier kein einheitlicher Anwendungsmaßstab, so dass einige Gerichte die Gefährdung der eigenen Kompetenz durch eine ausländische anti-suit injunction oder eine Umgehung der öffentlichen Ordnung fordern387, während andere die Verhinderung eines Parallelverfahrens oder das Risiko von unterschiedlichen Urteilen ausreichen lassen388. Aufgrund der damit einhergehenden Tangierung der Souveränität ausländischer Gericht wird diese Maßnahme aber nur sehr selten und mit großer Zurückhaltung eingesetzt.389

381

G. A. Bermann, S. 93; für das besondere Gewicht einer Gerichtsstandsvereinbarung, vgl. Mercier v. Sheraton Int’l, Inc., 981 F.2d 1345, 1349 (1st Cir.1992); Royal Bed & Spring v. Famossul Industria, 906 F.2d 45, 49 (1st Cir.1990). 382 G. A. Bermann, S. 97. 383 G. A. Bermann, S. 88. 384 Laker Airways, Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 926 (D.C.Cir. 1984); G. A. Bermann, S.106; dies gilt sogar für inländische Streitigkeiten, vgl. Colorado River Water Conservation District v. United States, 424 US 800, 817 (1976). 385 G. A. Bermann, S. 107. Immerhin berücksichtigen wohl die überwiegende Zahl der Gerichte, wie weit das ausländische Verfahren fortgeschritten ist, vgl. Turner Entertainment Co. v. Degeto Film GmbH, 25 F.3d 1512, 1522 (11th Cir. 1994); Evergreen Marine Corp. v. Welgrow Int’l, Inc., 954 F.Supp. 101, 103 (S.D.N.Y. 1997). 386 G. A. Bermann, S. 89. 387 Gau Shan Co. Ltd. v. Bankers Trust Co., 956 F.2d 1349, 1354 (6th Cir. 1992); China Trade & Dev. Corp. v. M.V. Choong Yong, 837 F.2d 33, 35 (2d. Cir. 1987). 388 Cargill, Inc. v. Hartford Accident & Indemnity Co., 531 F.Suppp. 710, 715 (D.Minn.1982). 389 G. A. Bermann, S. 110 ff.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

g) Schiedsvereinbarungen Für die Anerkennung von Schiedsvereinbarungen in internationalen Verträgen durch US-amerikanische Gerichte ist die Entscheidung des Supreme Court Scherk v. Albert-Culver Co.390 aus dem Jahre 1974 grundlegend. Der Supreme Court erklärte, dass die Nichtanerkennung von Schiedsvereinbarungen dem internationalen Handel schaden und die Bereitschaft der Unternehmen gefährden würde, internationale Handelsvereinbarungen einzugehen.391 Später bestätigte das Gericht seine Auffassung.392 Trotzdem messen auch US-amerikanische Gerichte Schiedsvereinbarungen an bestimmten Wirksamkeitsvoraussetzungen. aa) Rechtsquellen Auch Schiedsvereinbarungen stehen in den USA im Spannungsfeld zwischen Landes- und Bundesrecht, denn einerseits geht es um eine vertragliche Vereinbarung, für die grundsätzlich Landesrecht gilt, andererseits hat der Bundesgesetzgeber eine Gesetzgebungskompetenz für den zwischenstaatlichen und internationalen Handel. Auf der Grundlage dieser und der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers für das Seerecht ist 1925 der Federal Arbitration Act (FAA)393 erlassen worden394, dessen Regelungen nach der Supremacy Clause dem Landesrecht vorgehen.395 Der FAA gliedert sich in drei Kapitel. Im ersten Kapitel finden sich allgemeine Vorschriften (general provisions)396, im zweiten das Umsetzungsgesetz des NYÜ397 und im dritten das Umsetzungsgesetz zur Inter-American Convention on International Commercial Arbitration (kurz: Panama Convention (PanC))398. Darüber hinaus stellt § 110 (a) UCITA für Verträge über „Computerinformationen“ klar, dass die Möglichkeit einer Schiedsabrede besteht. Indes soll diese Vorschrift keine Auswirkungen auf den FAA haben und zu diesem im Zweifelfall subsidiär sein.399

390

Scherk v. Alberto-Culver Co., 417 US 506 (1974). Scherk v. Alberto-Culver Co., 417 US 506, 516 (1974). 392 Mitsubishi Motors Corp. v. Soler Chrysler-Plymouth, Inc., 473 US 614, 631 (1985). 393 Der FAA findet sich in 9 USC § 1 ff. (2007). 394 Karamanian, 34 Geo. Wash. Int'l L. Rev. 2002/03, 17, 25; Zhou, 15 Pac. Rim L. & Pol'y J. 2006, 403, 415. 395 Southland Corp v. Keating, 465 US 1, 16 (1984); Zhou, 15 Pac. Rim L. & Pol'y J. 2006, 403, 415; für das NYÜ: G. A. Bermann, S. 7. 396 9 USC §§ 1 ff. (2007). 397 9 USC §§ 201 ff. (2007). 398 9 USC §§ 301 ff. (2007). 399 § 110 UCITA comm. 6. 391

B. Rechtslage

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(1) Allgemeine Vorschriften des FAA Die allgemeinen Vorschriften des FAA gelten für jedes Schiedsverfahren in Seerechtsangelegenheiten und im zwischenstaatlichen oder internationalen Handel (§§ 2, 1 FAA). Im Verhältnis zum NYÜ und zur PanC finden die allgemeinen Vorschriften aber nur insofern Anwendung als sie deren Regelungen nicht zuwiderlaufen (§§ 208, 307 FAA). Die allgemeinen Vorschriften des FAA ändern nichts an der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundesgerichten und den Gerichten der Einzelstaaten.400 Historisches Ziel des FAA war es, für ein Ende der Nichtanerkennung von Schiedsvereinbarung durch US-amerikanische Gerichte zu sorgen.401 (2) New Yorker Übereinkommen und Umsetzungsgesetz Das gleiche Ziel verfolgt das NYÜ auf internationaler Ebene, zu deren Vertragsstaaten die USA seit 1970 zählen402. Dementsprechend ergibt sich aus § 201 FAA, dass das Umsetzungsgesetz zum NYÜ nicht wie die allgemeinen Vorschriften auch für inländische Schiedsverfahren gilt, sondern ein Bezug zum Ausland vorliegen muss. Darüber hinaus besteht auch in der USamerikanischen Lehre und Rechtsprechung weitestgehend Einigung darüber, dass das NYÜ auf die Anerkennung von Schiedsvereinbarungen anzuwenden ist, wenn diese zu einem Schiedsurteil führen würden, das Art. I (1) NYÜ unterfallen würde.403 Zu beachten ist, dass die USA von der Gegenseitigkeitserklärung (declaration of reciprocity) aus Art. I (3) NYÜ Gebrauch gemacht hat, wonach Anwendungsvorausetzung des NYÜ und damit von §§ 201 ff. FAA ist, dass es um einen Schiedsspruch geht, der in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates ergangen ist.404 Für Schiedsabreden bedeutet dies wiederum, dass 400

Obwohl der FAA Bundesrecht schafft, kann das erste Kapitel nicht zur Begründung der Zuständigkeit von Bundesgerichten herangezogen werden, diese kann sich nur aus der Anwendbarkeit von anderem Bundesrecht, federal question-Fälle, oder aus dem Vorliegen eines diversity-Falles ergeben, vgl. Moses H. Cone Mem’l Hosp. v. Mercury Constr. Copr., 460 US 1, 25 Fn. 32 (1983); Karamanian, 34 Geo. Wash. Int'l L. Rev. 2002/03, 17, 29; Rau, 7 Am. Rev. Int'l Arb. 1996, 213, 215. 401 Allied-Bruce Terminix Cos. v. Dobson, 513 US 265, 270 f. (1995); Karamanian, 34 Geo. Wash. Int'l L. Rev. 2002/03, 17, 25 f. 402 . 403 Sedco, Inc. v. Petroleos Mexicanos Mexican Nat’l Oil Co., 767 F.2d 1140, 1144 f.; Rau, 7 Am. Rev. Int'l Arb. 1996, 213, 233 f.; ablehnend wohl nur: Lander Co. v. MMP Investments, 927 F. Supp. 1078, 1081. 404 ; ausführlich hierzu Rau, 7 Am. Rev. Int'l Arb. 1996, 213, 225 ff.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

nur solche Schiedsvereinbarungen anerkannt werden müssen, bei denen das ihnen folgende Schiedsurteil in einem Vertragsstaat ergehen würde (Art. II (1) NYÜ / §§ 201 ff. FAA).405 Darüber hinaus muss es sich um einen Rechtsstreit in Handelssachen handeln (§ 202 FAA). Für das Umsetzungsgesetz zum NYÜ sind die Bundesgerichte originär zuständig (§ 203 FAA). (3) Panama Convention und Umsetzungsgesetz Der PanC sind die USA 1990 beigetreten.406 Dieses regionale Übereinkommen versuchte, den Missstand zu beheben, dass lateinamerikanische Gerichte bei internationalen Transaktionen Schiedsvereinbarungen regelmäßig nicht anerkannten.407 Die PanC wurde 1975 verabschiedet408, trat ein Jahr später in Kraft und hat heute 19 Vertragsstaaten409. Mit dem Verweis von § 301 FAA auf § 202 FAA setzt auch die Anwendbarkeit des Umsetzungsgesetzes zur PanC einen Auslandsbezug voraus. Allerdings haben die USA auch beim Beitritt zur PanC eine Gegenseitigkeitserklärung abgegeben.410 Kommt es zu der Situation, dass der Schiedsspruch in einem Land ergangen ist, das sowohl Vertragsstaat des NYÜ als auch der PanC ist, beispielsweise Brasilien, dann geht gemäß § 305 FAA das NYÜ grundsätzlich vor, es sei denn, eine Mehrheit der Schiedsparteien kommt aus Ländern, die Vertragsstaaten der PanC sind.411 Für das Umsetzungsgesetz zur PanC sind die Bundesgerichte originär zuständig (§§ 302, 203 FAA). bb) Formerfordernisse Wie deutsche Gerichte haben auch US-amerikanische Gerichte bei Schiedsvereinbarungen, die mit elektronischen Kommunikationsmitteln abgeschlossen wurden, zu klären, ob bestehende Formerfordernisse erfüllt sind.

405 Sedco, Inc. v. Petroleos Mexicanos Mexican Nat’l Oil Co., 767 F.2d 1140, 1144 f.; Rau, 7 Am. Rev. Int'l Arb. 1996, 213, Fn. 81. 406 . 407 Ausführlich hierzu Bowman, 11 Am. Rev. Int'l Arb. 2000, 1, 8 ff. 408 Die Panama Convention war das Ergebnis der „First Specialized Inter-American Conference on Private International Law”, die unter der Leitung der „Organization of American States” (OAS) durchgeführt wurde, vgl. Bowman, 11 Am. Rev. Int'l Arb. 2000, 1, 1. 409 . Die Vertragsstaaten sind: Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Dominikanische Republik, Equador, El Salvador, Guatemala, Honduras, Mexiko, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru, USA, Uruguay, Venezuela. 410 . 411 Vgl. auch Art. VII (1) NYÜ.

B. Rechtslage

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Während § 2 FAA für die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung ihre Schriftlichkeit voraussetzt, scheint das Umsetzungsgesetz zum NYÜ in § 202 FAA, auf den auch § 302 FAA verweist, hierauf zu verzichten, da das Erfordernis der Schriftlichkeit nicht erwähnt ist. Allerdings verlangt das NYÜ in Art. II (1) die Schriftlichkeit. Die hieraus resultierende Frage, ob Schiedsvereinbarungen in internationalen Verträgen schriftlich sein müssen, haben die US-amerikanischen Gerichte bejaht, da das NYÜ den §§ 201 ff. FAA im Zweifel vorgehe.412 Bei der für elektronische Schiedsvereinbarungen bedeutenden Frage, ob Art. II (2) NYÜ dem englischen Text entsprechend auszulegen ist, wonach die Unterzeichnung durch beide Parteien und der Austausch von Briefen oder Telegrammen nur zwei beispielhafte Möglichkeiten sind, die Schriftlichkeit zu erfüllen, daneben aber noch Raum für eine andere Art der Erfüllung besteht, oder, ob der französische Text maßgeblich ist, nach dem die beiden genannten Alternativen abschließend sind, gingen die US-amerikanischen Gerichte überraschenderweise bisher nicht zwangsläufig von der Richtigkeit der englischen Fassung aus.413 Allerdings könnte auch hier die Auslegungsempfehlung der UNCITRAL den Ausschlag zugunsten der Rechtsauffassung geben, die die Beispiele in Art. II (2) NYÜ als nicht abschließend betrachtet, so dass Raum für die Einbeziehung von elektronischen Kommunikationsmitteln bleibt.414 Darüber hinaus ist es bei der Geltendmachung einer elektronischen Schiedsvereinbarung vor US-amerikanischen Gerichten möglich, sich auf das (andere415) nationale Recht zu berufen, wenn man Art. VII (1) NYÜ nicht nur bei der Anerkennung von Schiedssprüchen, sondern auch bei der Anerkennung von Schiedsvereinbarungen anwendet.416 Nach US-amerikanischem Recht gilt dann, dass auf der Grundlage der Umsetzung des Prinzips der funktionalen Äquivalenz eine schriftliche Vereinbarung auch mit elektronischen Kommunikationsmitteln geschlossen werden kann.417 Voraussetzung ist allein, dass die elektronische Kommunikation speicherbar und in lesbarer Form abrufbar ist.418 Wird sich vor einem US-amerikanischen Gericht auf eine 412 Sen Mar, Inc. v. Tiger Petroleum Corp., 774 F. Supp. 879, 882 (SDNY 1991); Cloe Z Fishing Co. v. Odyssey Re (London) Ltd., 109 F. Supp. 2d 1236, 1241 (SD Cal 2000). 413 Dagegen: Sphere Drake Insurance PLC v. Marine Towing, Inc., 16 F.3d 666, 669 (5th Cir. 1994); dafür: Kahn v. Lucas, 186 F.3d 210, 217 (2d Cir. 1999); Cloe Z Fishing Co. v. Odyssey Re (London) Ltd., 109 F. Supp. 2d 1236, 1241 (SD Cal 2000). 414 Siehe Kap. 8 B. I. 4. g) bb) (1). 415 Das NYÜ ist durch den Umsetzungsakt ein Teil des nationalen Rechts der USA, vgl. § 201 FAA. 416 Siehe Kap. 8 B. I. 4. g) bb) (1). 417 Zur Erfüllung von Formerfordernissen durch elektronische Kommunikation siehe Kap. 8 B. III. 3. e) aa). 418 Siehe Kap. 8 B. III. 3. e) aa).

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Schiedsvereinbarung in einem elektronischen Vertrag berufen, müsste sie demgemäß nach Art. VII (1) NYÜ / § 2 FAA anerkannt werden, wenn sie speicherbar und in lesbarer Form abrufbar ist. Folglich dürfte das Schriftformerfordernis aus Art. II NYÜ bei Beachtung der Auslegungsempfehlung der UNCITRAL für US-amerikanische Gerichte auch bei elektronischen Verträgen kein Rechtsunsicherheit schaffendes Problem mehr darstellen. Die Auslegungsempfehlung zu Art. II, VII NYÜ könnte auch bei der Behandlung von Schiedsvereinbarungen in Standardverträgen, die gerade im elektronischen Geschäftsverkehr oft genutzt werden, zu mehr Rechtssicherheit führen. Bisher bestand hier auf der Grundlage der Annahme eines strengen Schriftformerfordernisses in Art. II NYÜ eine sich teils widersprechende Kasuistik ohne klare Leitlinien.419 Die weite Interpretation von Art. VII NYÜ eröffnet nun die Möglichkeit, die Grundsätze des US-amerikanischen Rechts zur Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen zu übertragen. Auch Art. 1 PanC enthält ein Formerfordernis, in dem er verlangt, dass eine Schiedsvereinbarung von beiden Parteien unterschrieben ist oder auf dem Austausch von Briefen, Telegrammen oder auf Kommunikation mittels Telex beruht. Dieses Formerfordernis ist zwar weniger streng als die englische Fassung von Art. II NYÜ, da es neben Briefen und Telegrammen auch Kommunikation per Telex erwähnt, allerdings ist es abschließend formuliert. Soweit ersichtlich ist die Frage, ob Art. 1 PanC auch durch elektronische Kommunikation erfüllt werden kann, in der US-amerikanischen Rechtsprechung und Literatur bisher nicht behandelt worden. Dies überrascht deshalb nicht, weil die Rechtsprechung trotz des unterschiedlichen Wortlauts von Art. II NYÜ und Art. 1 PanC davon ausgeht, dass die beiden Übereinkommen sich in Bezug auf das Formerfordernis der Schiedsvereinbarung nicht unterscheiden.420 Denkbarer Hintergrund dieser Einschätzung ist die im Gesetzgebungsprozess deutlich gewordene Absicht, unter beiden Übereinkommen zu einheitlichen Ergebnissen zu gelangen.421 Es ist also davon auszugehen, dass die Anerkennung von elektronischen Schiedsvereinbarungen unter der NYÜ, zu der deutlich mehr Entscheidungen ergehen als zu der PanC, in der Rechtspraxis dazu führt, elektronische Schiedsvereinbarungen auch unter der PanC anzuerkennen.

419

Vgl. die Darstellung der Rechtsprechung bei Karamanian, 34 Geo. Wash. Int'l L. Rev. 2002/03, 17, 70 ff. 420 Progressive Casualty Insurance v. C.A. Reaseguradora Nacional de Venezuela, 802 F. Supp. 1069, 1074 f. (S.D.N.Y. 1992). 421 Bowman, 11 Am. Rev. Int'l Arb. 2000, 1, Fn. 132.

B. Rechtslage

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cc) Lokalisierungsfragen Die Probleme, die sich aus dem Anknüpfen des NYÜ an territoriale Kriterien ergeben, sind bereits beschrieben worden.422 Ergänzend ist nur anzumerken, dass es der US-amerikanischen Rechtsauffassung bei anderen Lokalisierungsfragen im elektronischen Geschäftsverkehr widersprechen würde, beim Online-Schiedsverfahren aus dem Serverstandort oder der Ausrichtung der Webseite den Ort des Schiedsverfahrens abzuleiten.423 Der Anwendungsbereich der PanC ist weniger klar geregelt als im NYÜ. Eine Art. I NYÜ entsprechende Vorschrift existiert nicht und auch die Rechtsprechung hat bisher keine allgemeingültigen Anwendungsvoraussetzungen aufgestellt. Daher ergeben sich für den Anwendungsbereich mehrere Möglichkeiten. Erstens könnte man Art. I NYÜ sowie die dazugehörige Rechtsprechung übertragen.424 Zweitens könnte man auf die Nationalität der Schiedsparteien abstellen und die PanC für anwendbar erklären, wenn die Schiedsparteien aus Vertragsstaaten kommen.425 Drittens könnte man auf jegliche Einschränkung verzichten und die PanC immer anwenden.426 Nur im letzten Fall bestünde kein Lokalisierungsproblem. Dem Zweck der PanC würde aber eine unbeschränkte Anwendung nicht gerecht, denn sie setzt an einer Vielzahl von Stellen einen internationalen Bezug voraus.427 Im Ergebnis bestehen also bei der PanC die gleichen Lokalisierungsprobleme wie beim NYÜ. h) Zwischenergebnis Mit dem Sliding Scale-Test hat das US-amerikanische Zuständigkeitsrecht einen technologiespezifischen Ansatz entwickelt, der im Ergebnis wenig Rechtssicherheit gebracht hat. Die Kriterien des Sliding Scale-Tests führen aufgrund der Entwicklung im Bereich der Webseitengestaltung dazu, dass beinahe jeder Anbieter im elektronischen Geschäftsverkehr in den USA gerichtspflichtig ist. Die herkömmlichen Regeln sind restriktiver, ihre parallele Anwendung vergrößert aber die Unklarheit bei der Prognose, wann die gerichtliche Zuständigkeit US-amerikanischer Gerichte bei internationalen elektronischen Handelsverträgen anzunehmen ist. Demgegenüber bleibt die Bestimmung des Gerichtsstands am Ort des Gründungssitzes oder der Hauptniederlassung bei virtuellen Unternehmen ein 422

Siehe Kap. 8 B. I. 4. g) cc). Siehe Kap. 8 B. I. 5. a) aa). 424 So Progressive Cas. Ins. v. C.A. Reaseguradora Nacional de Venezuela, 802 F. Supp. 1069, 1073 (S.D.N.Y. 1992). 425 So American Life Ins. v. Parra, 25 F. Supp.2d 467, 471 (D. Del. 1998). 426 So Menocal, 11 St. Thomas L. Rev. 1999, 317, 322. 427 Bowman, 11 Am. Rev. Int'l Arb. 2000, 1, 37 f. mit Verweis auf den Titel, die Präambel, die Erwähnung der IACAC-Regeln, Art. 2, Art. 4, Art. 5 sowie Artt. 7–9. 423

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

kleineres Problem. Im US-amerikanischen Recht ist ein tragfähiger Ansatz zur Überwindung dieses Problems vorgeschlagen worden, indem der Aufenthaltsort der Gesellschafter ersatzweise zum allgemeinen Gerichtsstand werden soll. Die Parteien können die mit dem Sliding Scale-Test verbundene Rechtsunsicherheit weitgehend durch die Aufnahme einer Gerichtsstandsvereinbarung in ihren elektronischen Vertrag umgehen. Trotzdem bleibt auch in diesem Fall aufgrund der Lehre vom forum non conveniens eine gewisse Restunsicherheit, die nur durch eine (elektronische) Schiedsvereinbarung umgangen werden kann. 6. Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen Das HÜG stellt einen Versuch dar, die Voraussetzung für die Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen in internationalen Handelsverträgen zu vereinheitlichen. a) Grundidee, Status und Verhältnis zu anderen Rechtsakten Das HÜG ist das Ergebnis eines erneuten Anlaufs der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, die gerichtliche Zuständigkeit international zu vereinheitlichen, nachdem in der Vergangenheit mehrere ähnlich gelagerte Versuche gescheitert waren428. Als Minimalkonsens eines ursprünglich deutlich ehrgeizigeren Projekts429 beschränkt sich das HÜG auf die Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen in Handelsverträgen und verzichtet darauf, einheitliche Regeln über den allgemeinen oder besonderen Gerichtsstand aufzustellen. Ferner beabsichtigt das HÜG, durch entsprechende Vorschriften die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Gerichtsurteilen sicherzustellen, die auf Gerichtsstandsvereinbarungen beruhen. Es ähnelt damit in struktureller Hinsicht dem NYÜ.430 Ziel des HÜG ist es, den klassischen 428 Bereits 1925 gab es einen Entwurf für ein Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, über den aber keine Einigung erzielt werden konnte. Das Übereinkommen über die Zuständigkeit des vertraglich vereinbarten Gerichts bei internationalen Käufen von 1958 wurde zwar von Österreich, Belgien, Deutschland und Griechenland unterzeichnet, trat aber nie in Kraft. Das Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Zivil- und Handelssachen von 1976 wurde nur von den Niederlanden, Portugal, Zypern, Kuwait und Albanien umgesetzt. Vgl. zum Ganzen Rühl, IPRax 2005, 410, 410. 429 Ursprüngliche Zielsetzung des Judgements Project war ein generelles Übereinkommen über die internationale gerichtliche Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in zivil- und handelsrechtlichen Streitigkeiten, vgl. Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, 208, 209. 430 Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, 208, 209; Rühl, IPRax 2005, 410, 411; Winn/Wright, S. 3–55.

B. Rechtslage

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Nachteil, den Gerichtsstandsvereinbarungen im Vergleich zu Schiedsvereinbarungen aufweisen, nämlich das Fehlen eines weit reichenden internationalen Rechtsrahmens für die Durchsetzung der Vereinbarung431 und der späteren Urteile im Ausland, zu beseitigen und so die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten der Parteien zu vergrößern432. Insbesondere dem „mittelständischen“ Kläger sollte damit geholfen werden, da für ihn eine Auseinandersetzung um das Forum und um die Anerkennung des Urteils oder auch ein Schiedsverfahren unter Umständen nicht rentabel ist.433 Seit seiner Verabschiedung am 30.6.2005 ist dem HÜG allerdings nur Mexiko beigetreten.434 Die USA und die Europäische Union haben das HÜG unterschrieben und sich dadurch gemäß Art. 18 a) Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVK)435 völkerrechtlich verpflichtet, alle Handlungen zu unterlassen, die das Ziel und den Zweck des HÜG vereiteln würden. Beigetreten sind sie bisher nicht. Die Prognosen eines Großteils der Literatur über die Erfolgsaussichten des HÜG sind zwar positiv436, zu bedenken ist aber, dass sich das HÜG in seiner gesamten Struktur sehr stark an den europäischen Vorgaben orientiert437, weshalb die Umsetzung für außereuropäische Staaten, beispielsweise die USA, höhere Kosten verursachen wird als für europäische Staaten.438 Das HÜG ist in einer Vielzahl von Fällen im Verhältnis zu anderen Rechtsakten nachrangig zu behandeln. Dies gilt vor allem dann, wenn alle Parteien ihren Aufenthalt in Staaten haben, die Vertragsstaat eines anderes Staatsvertrags sind (Art. 26 (2) HÜG).439 Hieraus folgt beispielsweise ein Vorrang des LugÜ, sofern alle Parteien ihren Aufenthalt in der EU oder der EFTA haben. Gleiches gilt für die EuGVVO, wobei sich der grundsätzliche Vorrang des EU-Rechts ohnehin aus Art. 26 (6) HÜG ergibt (disconnection clause440). Hat eine Partei ihren Sitz in einem Drittstaat und die andere Partei in der EU, so gilt das HÜG.441

431

Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, 208, 209. Nach Schulz, Abs. 45 ist es das Hauptziel, die Parteiautonomie zu schützen und zu fördern. 433 Eichel, S. 233. 434 . 435 Auch Wiener Vertragsrechtskonvention genannt (engl. Vienna Convention on the Law of Treaties). 436 Eichel, S. 237 spricht von regem Interesse in den USA; Rühl, IPRax 2005, 410, 415 sieht auch in Europa überwiegend positive Reaktionen. 437 Rühl, IPRax 2005, 410, 415. 438 Daher viel zu weitgehend Matz/Berchem/Busacker, S. 2, die kritisieren, dass sich das HÜG nicht an der Systematik der EuGVVO orientiert. 439 Vgl. darüber hinaus die anderen Fälle, in denen das HÜG zurücktritt: Art. 26 (3)-(5) HÜG. 440 Schulz/Muriá/Villanueva Meza, Abs. 1. 441 Eichel, S. 271. 432

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

b) Gerichtsstandsvereinbarungen in internationalen elektronischen Handelsverträgen Sollte das HÜG in Kraft treten, dann verpflichtet es die Gerichte eines Vertragsstaates, ihre Zuständigkeit nicht abzulehnen, sofern es in der Gerichtstandsvereinbarung eines internationalen Handelsvertrags als zuständiges Gericht genannt und die Vereinbarung nach dem Recht des Vertragsstaates nicht unwirksam ist (Art. 5 (1) HÜG). Gleichzeitig sind die Gerichte aller anderen Vertragsstaaten verpflichtet, ihre Zuständigkeit abzulehnen (Art. 6 HÜG). Die Gerichtsstandsvereinbarung muss allerdings eine ausschließliche sein.442 „Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung“ definiert Art. 3 a), c) HÜG als Vereinbarung, die schriftlich oder durch jedes andere Kommunikationsmittel, das es ermöglicht, auf die Information später wieder zuzugreifen, geschlossen oder dokumentiert ist und in der die Gerichte eines Vertragsstaats oder ein oder mehrere bestimmte Gerichte eines Vertragsstaats unter Ausschluss der Zuständigkeit aller anderen Gerichte benannt werden. Die Formulierung „jedes andere Kommunikationsmittel, das es ermöglicht, auf die Information später wieder zuzugreifen“, ist Art. 6 (1) MLEC entlehnt und zeigt das Bemühen der Verfasser des HÜG, auch Gerichtsstandsvereinbarungen in elektronischen Verträgen in den Anwendungsbereich miteinzubeziehen.443 Daher bereitet die Anwendung des HÜG auf Gerichtsstandsvereinbarungen, die mit elektronischen Kommunikationsmitteln geschlossen wurden, keine besonderen Schwierigkeiten, sofern diese Kommunikationsmittel die Speicherung oder den Ausdruck der Vereinbarungstextes zu lassen. Im Gegensatz zu Art. 23 Abs. 2 EuGVVO444 liefert in Art. 3 c) HÜG der Wortlaut keine Anhaltspunkte für Probleme bei der Zustimmung zu der Gerichtsstandsvereinbarung per Mausklick. Da nicht verlangt wird, dass später auf die Vereinbarung selbst zurückgegriffen werden kann, sondern nur auf die Information hierüber, ist eine Aufzeichnung des Mausklicks nicht gefordert. Hierdurch dürfte jedoch kaum die Tatsache der erfolgten Zustimmungen nachgewiesen werden können. Anders als im Rahmen des Art. 23 EuGVVO kann aber von der Erfüllung der formalen Anforderungen nicht auf das Bestehen einer wirksamen Einigung zwischen den Parteien geschlossen werden, da Art. 5 (1) a.E. HÜG einer autonomen Auslegung eine ausdrückliche Absage erteilt und für die Wirksamkeit der Vereinbarung das Recht des vereinbarten Gerichts für maßgeblich erklärt.445 Somit haben die Parteien bei der Wahl des Forums die 442

Vgl. auch die Vermutung in Art. 3 b) HÜG. Eichel, S. 245; Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, 208, 210; Rühl, IPRax 2005, 410, 411. 444 Siehe Kap. 8 B. I. 2. e) cc). 445 Ähnlich Rühl, IPRax 2005, 410, 413. Ebenso mit ausführlicher Begründung Eichel, S. 255 ff. Nach Hartley/Dogauchi, Abs. 125 soll das Recht des vereinbarten Gerichts auch 443

B. Rechtslage

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inhaltlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen für Gerichtsstandsvereinbarungen des Forumstaates zu antizipieren. Insbesondere kommt eine Inhaltskontrolle bei einer Gerichtsstandsklausel in AGB, beispielsweise nach § 307 BGB, in Betracht. Zumindest im deutschen und US-amerikanischen Recht bestehen aber keine inhaltlichen Bedenken gegen Gerichtsstandsklauseln in AGB. Problematisch kann nur die Form der Einbeziehung sein, und dies vor allem bei elektronischen Verträgen, dies ist aber ein Aspekt, für den das autonome Recht des HÜG gilt und ein Rückgriff auf das Recht des Forumstaates unzulässig ist. Art. 3 c) ii) HÜG umfasst grundsätzlich auch Gerichtsstandsvereinbarungen in elektronischen AGB446, sofern diese speicher- oder ausdruckbar sind447. Allerdings kommt eine Einbeziehungskontrolle anhand von Art. 6 c) HÜG in Betracht, der es Gerichten erlaubt, eine Zuständigkeit trotz anders lautender Parteivereinbarung anzunehmen, wenn andernfalls eine offensichtliche Ungerechtfertigkeit hinsichtlich der Umstände vorläge, unter denen die Parteivereinbarung eingegangen wurde.448 Für elektronische Verträge, die gerade im Softwarebereich oft Fragen des geistigen Eigentums betreffen, ist positiv anzumerken, dass vertragliche Streitigkeiten über Urheberrechte nicht vom Anwendungsbereich ausgenommen sind (Art. 2 (2) n) HÜG) und auch hinsichtlich von Patentrechten das vereinbarte Gericht eine inzidente Prüfung inter partes vornehmen kann (Art. 2 (3) HÜG).449 Hieraus kann für den elektronischen Geschäftsverkehr ein entscheidender Vorteil von Gerichtsstandsvereinbarungen im Vergleich zu Schiedsvereinbarungen erwachsen, da Schiedsabreden in Lizenzverträgen in der Vergangenheit wegen der Problematik einer möglicherweise zu treffenden Entscheidung über Rechte des geistigen Eigentums gelegentlich nicht durchgesetzt wurden.450 Daneben ist Art. 2 (2) o) HÜG so auszulegen, dass bei Verfahren, die zugleich auf vertragliche und nicht-vertragliche Ansprüche

das internationale Privatrecht umfassen, so dass das angerufene Gericht nach den Kollisionsregeln zunächst bestimmen muss, welches Recht auf die Vereinbarung anwendbar ist. Kritisch zu dieser Regelung Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, 208, 214. Ob im Fall der USA dabei das Recht der Einzelstaaten oder aber Bundesrecht anwendbar ist, lässt Art. 25 (1) HGÜ weitestgehend offen, vgl. Luginbühl/Wollgast, a.a.O., 218. 446 Allgemein zum Erfassen des HÜG von Gerichtsstandsklauseln in AGB Eichel, S. 253, nach dem sich hierin der Geist des HÜG widerspiegelt, weil auf diese Weise das HÜG auch ein Instrument für den Mittelstand werde, der meist nicht individuell ausgehandelte Transaktionen durchführe, sondern auf der Grundlage von AGB operiere. 447 Zur Kontroverse über diese Regelung in der US-amerikanischen Softwarebranche vgl. Eichel, S. 253. 448 Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, 208, 210. 449 Lejeune/Büllesbach, S. 2; kritisch und de lege ferenda für eine Einbeziehung von allen nichtregistrierungspflichten Rechten Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, 208, 211 f. 450 Lejeune/Büllesbach, S. 2.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

gestützt werden451, die Zuständigkeit nicht durch Herausnahme der nichtvertraglichen Ansprüche aus dem Anwendungsbereich des HÜG aufgespalten werden soll.452 c) Auswirkungen auf das europäische, deutsche und US-amerikanische Verfahrensrecht Von verschiedenen Seiten wird die Einschränkung der forum non conveniensLehre, durch Art. 5 (1) HÜG als großer Gewinn gefeiert, da diese in den USA für starke Rechtsunsicherheit bei der Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen sorge.453 Diese Feststellung ist allerdings zu relativieren. Voraussetzung für die Ablehnung der eigenen Zuständigkeit auf der Grundlage der forum non conveniens-Lehre ist nämlich, dass bei einer umfassenden Abwägung aller Umstände ein anderes Gericht für die Entscheidung des Rechtsstreits deutlich geeigneter erscheint.454 Da bei dieser Abwägung einer Gerichtsstandsvereinbarung besonderes Gewicht zukommt, wird der Rechtsstreit nur in den seltensten Fällen an ein anderes Gericht verwiesen werden, so dass von starker Rechtsunsicherheit nicht die Rede sein kann, sofern eine Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt. Etwas anderes gilt, wenn keine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen wurde. In diesem Fall hilft allerdings auch das HÜG nicht weiter. Ferner könnten die USA einer Einschränkung der forum non conveniens-Lehre auch weitgehend dadurch entgehen, dass sie einen Vorbehalt nach Art. 19 HÜG erklären, der es dann US-amerikanischen Gerichten trotz einer entsprechenden Gerichtsstandsvereinbarung ermöglichen würde, die Zuständigkeit abzulehnen, wenn keine andere Verbindung zu den USA besteht.455 Auch die Einschätzung, die Prorogation USamerikanischer Gerichte gewinne an Rechtssicherheit, da das HÜG das einzelstaatliche Recht mitsamt seiner diversity-Zuständigkeit verdränge456, überzeugt angesichts der Rückführbarkeit aller „long-arm statutes“ auf den due process-Grundsatz nicht.457 Größere Bedeutung hätte Art. 5 (1) HÜG hingegen für die Lis PendensLehre, da ein prorogiertes Gericht die frühere Rechtshängigkeit nicht zu beachten hätte. Dies widerspricht den Regelungen in Art. 27 EuGVVO und 451

Zum Beispiel wenn ein Lizenzgeber ein Verfahren wegen behaupteter Lizenzüberschreitung einleitet und sowohl eine Verletzung des Lizenzvertrages als auch eine Verletzung des Rechts des geistigen Eigentums geltend macht. 452 Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, 208, 212. 453 Rühl, IPRax 2005, 410, 412; Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, 208, 209; ähnlich Lejeune/Büllesbach, S. 1 f. 454 Siehe Kap. 8 B. I. 5. f). 455 Ähnlich BRAK, Stellungnahme HÜG, S. 2. 456 So Eichel, S. 276. 457 Siehe Kap. 8 B. I. 5.

B. Rechtslage

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Art. 27 LugÜ, die so auszulegen sind, dass auch ein prorogiertes Gericht sich erst dann für zuständig erklären kann, wenn keine anderweitige Rechtshängigkeit mehr besteht. Zwar kann eine abredewidrige Klage nach der Regelung des Art. 5 (1) HÜG nicht die Klage vor dem prorogierten Forum blockieren, so dass kein Wettlauf zum Gerichtssaal provoziert wird458, insbesondere werden Verzögerungstaktiken durch Anrufung von Gerichten in Staaten mit langer Verfahrensdauer (so genannter italienischer Torpedo459) verhindert. Im Gegenzug drohen aber Parallelverfahren, die EuGVVO und LugÜ zu verhindern beabsichtigen.460 Abhilfe würde allerdings bei einer mit dem NYÜ vergleichbaren Zahl von Beitritten durch Art. 6 HÜG geschaffen. Für die Rechtspraxis in den USA dürfte vor allem die Auslegungsregel des Art. 3 b) HÜG wichtig sein, die eine widerlegliche Vermutung vorsieht, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung als ausschließliche anzusehen ist. Hierdurch wäre bei einem Beitritt der USA die Streitfrage entschieden, ob Gerichtsstandsvereinbarungen im Zweifel eine ausschließliche oder konkurriende Zuständigkeit begründen. II. Internationales Privatrecht Ist ein zuständiges Gericht bestimmt, muss dieses nach den Regeln des internationalen Privatrechts, die an seinem Sitz gelten, das auf den Sachverhalt anwendbare Recht bestimmen.461 Stehen mehrere potentielle Gerichtsstände nebeneinander, kann die Möglichkeit des forum shopping bestehen, in diesem Fall bestimmt der Kläger durch geschickte Auswahl des Gerichts über das anwendbare Kollisionsrecht des Forums die zur Streitentscheidung maßgeblichen Sachnormen. 1. Rechtsquellen Anders als für die internationale Zuständigkeit existiert für das anwendbare Recht bei Handelsgeschäften mit dem CISG ein wirksames globales Übereinkommen.462 Darüber hinaus ist das Kollisionsrecht auch auf europäischer Ebene weitgehend vereinheitlicht. Für den Bereich des Vertragsrechts gilt seit Dezember 2009 die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das

458

Eichel, S. 277. Lehmann, NJW 2009, 1645, 1646. 460 Neben der Lis Pendens-Lehre kann es auch bei Gerichtsstandsvereinbarungen in Versicherungsverträgen zu Widersprüchen zwischen EuGVVO und HÜG kommen, vgl. dazu ausführlich Hartley/Dogauchi, Abs. 302 ff. 461 Siehe hierzu bereits Kap. 6 A. III. 462 Art. 1 Abs. 1 CISG ist als Anwendungsnorm eines internationalen Einheitsrechts eine Kollisionsnorm, vgl. Mankowski, CR 1999, 581, 586. 459

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I)463, die am 6.6.2008 vom Rat der Justizminister der EU verabschiedet wurde, nachdem das Europäische Parlament dem Rechtsakt bereits im November 2007 zugestimmt hatte. Die Verordnung gilt in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar mit Ausnahme von Dänemark und Großbritannien.464 Sie löst das Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980 (EVÜ)465 ab. 2. Bestimmung des anwendbaren Rechts anhand des CISG Das CISG hat als vereinheitlichtes Recht vor jeder konkurrienden Kollisionsnorm und jedem internationalen Privatrecht Vorrang.466 Dementsprechend ist das CISG im Verhältnis zur Rom-I-VO vorrangig; diese lässt die Anwendung internationaler Abkommen unberührt, die Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse enthalten (Art. 25 Abs. 1 Rom-I-VO). Die Auslegung des CISG obliegt den nationalen Gerichten, da es an einer supranationalen Rechtsprechungsinstanz fehlt, an der sich nationale Gerichte zu orientieren hätten.467 Demzufolge ist kein nationales Gericht bei der Prüfung einer Sachfrage an die Entscheidung eines anderen Gerichts gebunden.468 Zwangsläufig kann es zu divergierenden Entscheidungen kommen, obwohl sich aus Art. 7 Abs. 1 CISG ergibt, dass ein Gericht eines Vertragsstaates Entscheidungen anderer Vertragsstaaten zu berücksichtigen hat, um eine einheitliche Auslegung zu fördern469. In der Praxis ist allerdings nur schwer prüfbar, inwieweit Gerichte bei der Anwendung des CISG nationalen Einflüssen ausgesetzt sind470. Die moderne Kommunikationstechnologie, insbesondere das Internet, hilft jedoch dabei, Hürden beim Zugriff auf die Entscheidungen anderer Vertragsstaaten abzubauen und fördert so die einheitliche Auslegung.471 Mit den CLOUT-Datenbanken der UNCITRAL (), der Unilex-Datenbank des „Center for Comparative and Foreign Law Studies“ (), der Datenbank der Pace University, USA (), der Datenbank der Uni463

Vgl. Art. 24 Abs. 1 Rom-I-VO, ABl. EG Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. Erwägungsgründe 45, 46 Rom-I-VO. 465 ABl. EG Nr. L 266 vom 9.10.1980, S. 1; ABl. EG Nr. C 27 vom 26.1.1998, S. 34. 466 LG Krefeld, Urteil v. 20.9.2006, 11 O 151/05, CISG-online 1459; Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, vor Artt. 1–6, Rn. 34; Staudinger-Magnus, Einl zum CISG, Rn. 42. 467 BeckOK-Saenger, Art. 7 CISG, Rn. 2. 468 Tribunale di Vigevano, Urteil v. 12.7.2000, CISG-online 493; BeckOK-Saenger, Art. 7 CISG, Rn. 2; Staudinger-Magnus, Art. 7 CISG, Rn. 21. 469 BeckOK-Saenger, Art. 7 CISG, Rn. 2. 470 BeckOK-Saenger, Art. 7 CISG, Rn. 2. 471 BeckOK-Saenger, Art. 7 CISG, Rn. 3. 464

B. Rechtslage

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versität Basel () und der Datenbank der Universität Madrid mit vorwiegend spanischsprachigen Entscheidungen () existieren verschiedene Informationssysteme, die nationale Entscheidungen zum CISG erfassen und zum Abruf bereitstellen. a) Anwendungsbereich Das CISG ist anwendbar auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, wenn diese Staaten Vertragsstaaten sind oder wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaats führen (Art. 1 Abs. 1 CISG). Für die Anwendbarkeit des CISG müssen also drei Voraussetzungen zusammentreffen: In sachlicher Hinsicht muss es um einen Kaufvertrag über Waren gehen, in persönlicher Hinsicht müssen die Parteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben und in räumlicher Hinsicht müssen diese Staaten Vertragsstaaten sein oder aber die Regeln des internationalen Privatrecht müssen zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaats führen. aa) Sachlicher Anwendungsbereich: Kaufvertrag über Waren Hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs ist – wie schon im Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit hinsichtlich des Erfüllungsorts – zwischen Verträgen zu unterscheiden, die nur mit elektronischen Kommunikationsmitteln abgeschlossen werden, aber den Austausch physischer Güter zum Gegenstand haben, Verträgen, bei denen ein Dienst oder ein Werk Vertragsgegenstand ist und die geschuldete Leistung elektronisch erbracht wird und Verträgen über verkehrsfähige, vertretbare Vermögensgegenstände, die auf elektronischem Weg übermittelt werden.472 Ein Unterfall der letzteren beiden Vertragsarten können Softwareverträge sein. (1) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut Der Abschluss eines Warenkaufvertrages, den Art. 1 Abs. 1 CISG voraussetzt, bedarf keiner bestimmten Form. Damit ist das CISG grundsätzlich auch auf Verträge anzuwenden, die mit elektronischen Kommunikationsmitteln abgeschlossen werden.473

472

Siehe bereits Kap. 8 B. I. c) aa). CISG-Advisory Council, Electronic Communications under CISG, ; Eiselen, EDI Law Review 1999, 21–46; Ferrari, The European Legal Forum 2000/01, 301, 302; Gava Verzoni, Nordic Journal of Commercial Law 2006#2, 1, 7 ff.; Wenning, JurPC Web-Dok. 16/1997, Abs. 12. 473

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Als Leistungsgegenstand kommen vor allem körperliche Gegenstände in Betracht, die zum Zeitpunkt der Lieferung beweglich sind.474 Dies gilt unzweifelhaft auch für Standardsoftware, die dauerhaft auf einem Datenträger gespeichert ist475, denn diese Situation entspricht dem herkömmlichen Kaufvertrag: Ein körperlicher Gegenstand wird auf traditionellem Weg geliefert. (2) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut Fraglich ist allerdings, ob bei elektronischen Verträgen über den Erwerb von digital übermittelten Gütern (z.B. Software oder elektronische Architektenleistung) ein Warenkaufvertrag im Sinne des Art. 1 Abs. 1 CISG vorliegt. Dazu muss die Wareneigenschaft des Art. 1 Abs. 1 CISG erfüllt sein und der Erwerbsvorgang einen Kaufvertrag im Sinne des Art. 1 Abs. 1 CISG darstellen. (a) Wareneigenschaft Bei digitaler Übermittlung des Leistungsgegenstandes wird die Wareneigenschaft kontrovers diskutiert. Während ein Teil der Literatur vertritt, dass das CISG nicht anwendbar sei476, erklärt ein anderer Teil das CISG für anwendbar und geht somit von einem Warenkaufvertrag aus477. Hintergrund dieser Kontroverse ist, dass der Warenbegriff im CISG nicht legal definiert ist, der Begriff jedoch autonom, das heißt ohne Rückgriff auf das nationale Recht, zu bestimmen ist478. Für den Warenbegriff bestehen zwei Auslegungsmöglichkeiten. Versteht man „Waren“ in einem engen Sinne, dann sind nur bewegliche körperliche Gegenstände erfasst.479 Legt man den Begriff hingegen weit aus, so sind sämtliche Gegenstände eingeschlossen, die

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OLG Köln, RIW 1994, 970, 971; BeckOK-Saenger, Art. 1 CISG, Rn. 6; Achilles, Art. 1 CISG, Rn. 4; Herber/Czerwenka, Art. 1 CISG, Rn. 7; Rudolph, Art. 1 CISG, Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1 CISG, Rn. 34; Piltz, Rn. 2–48. 475 OLG Köln, RIW 1994, 970, 971; Dietrich, RIW 1993, 441, 451; Endler/Daub, CR 1993, 601, 604; Hoeren, CR 1988, 908, 917; Honsell-Siehr, Art. 2 CISG, Rn. 8; Mankowski, CR 1999, 581, 586; Staudinger-Magnus, Art. 1 CISG, Rn. 44; Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1 CISG, Rn. 38; Czerwenka, S. 147 f. 476 Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1 CISG, Rn. 34; Honsell-Siehr, Art. 2, Rn. 8; Kilian/Heussen-Moritz, Teil 3, Rn. 291; Leupold/Glossner-Stögmüller, Teil 5, Rn. 430. 477 Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int'l L. 2003, 263, 278; Diedrich, RIW 1993, 441, 452; Endler/Daub, CR 1993, 601, 605; Schmitz, MMR 2000, 256, 258; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 311, Rn. 627; StaudingerMagnus, Art. 1 CISG, Rn. 44; BeckOK-Saenger, Art. 1 CISG, Rn. 7; Piltz, Rn. 2–48. 478 BeckOK-Saenger, Art. 1 CISG, Rn. 2; Staudinger-Magnus, Art. 1 CISG, Rn. 4. 479 OLG Köln, NJW-RR 1995, 245, 246 f.; Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1 CISG, Rn. 34.

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beweglich und hinreichend als individuelle Vertragsgegenstände bestimmbar sind und an denen Eigentum übertragen werden kann.480 Während die enge Auslegung digital übermittelte Güter mangels Körperlichkeit nicht als Waren ansehen kann481, können digitale Güter nach der weiten Auslegung durchaus Waren im Sinne des Art. 1 Abs. 1 CISG sein482. Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage, welches Verständnis vorzugswürdig ist, muss der Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 CISG sein.483 Für die grammatikalische Auslegung kann der deutsche Text allerdings nicht herangezogen werden, denn anders als der englische, französische, spanische, arabische, russische und chinesische Text ist die deutsche Fassung nicht verbindlich.484 Der englische Text spricht von „goods“, in der französischen Version ist der Begriff „marchandises“ gewählt.485 „Goods“ sind im allgemeinen Sprachgebrauch „possessions“, „movable property“ oder „saleable commodities“.486 Unter „marchandise“ versteht man „objet destiné à la vente“.487 Beide Definitionen legen nahe, dass es auf die Körperlichkeit nicht ankommt und sprechen daher für eine weite Auslegung.488 Eine Vertiefung des Verständnisses von „goods“ und „marchandise“ anhand des angloamerikanischen und französischen Rechts ist jedoch nicht angezeigt, da auf diese Weise das Erfordernis einer autonomen Auslegung umgangen würde.489 Die Tendenz zugunsten einer weiten Auslegung des Warenbegriffs, die sich bei der Auslegung anhand des Wortlauts gezeigt hat, wird durch die Entstehungsgeschichte des Art. 1 Abs. 1 CISG bestätigt.490 Der Vorgänger

480 OLG Koblenz, RIW 1993, 934, 936; Czerwenka, S. 147 f.; Soergel-Lüderitz/Fenge, Art. 1 CISG, Rn. 21; Schmitt, CR 2001, 145, 151. 481 Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1 CISG, Rn. 38; Kilian/Heussen-Moritz, Teil 3, Rn. 291; Leupold/Glossner-Stögmüller, Teil 5, Rn. 430. 482 Soergel-Lüderitz/Fenge, Art. 1 CISG, Rn. 21; Staudinger-Magnus, Art. 1 CISG, Rn. 44; Piltz, Rn. 2–48. 483 Zur Bedeutung der grammatikalischen Auslegung im Rahmen des CISG, vgl. BeckOK-Saenger, Art. 7 CISG, Rn. 2. 484 Soergel-Lüderitz/Fenge, Art. 7 CISG, Rn. 2; Staudinger-Magnus, Art. 7 CISG, Rn. 16, 18; BeckOK-Saenger, Art. 7 CISG, Rn. 2; Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 7 CISG, Rn. 31. 485 Zur besonderen Bedeutung der englischen und franzözischen Fassung im Rahmen der Auslegung vgl. Schweizerisches Bundesgericht, IHR 2004, 215, 217. 486 The New Shorter Oxford English Dictionary, „Goods“. 487 Le Petit Micro, „marchandise“. 488 So auch Schrammen, S. 223 f. 489 Allgemein zu dieser Gefahr BeckOK-Saenger, Art. 7 CISG, Rn. 2; a.A. wohl Schrammen, S. 224; Kilian/Heussen-Moritz, Teil 3, Rn. 284. 490 Zur historischen Auslegung im Rahmen des CISG vgl. Schlechtriem/SchwenzerFerrari, Art. 7 CISG, Rn. 36.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

des CISG, das Haager Einheitskaufrecht von 1964491, verwendete den Begriff „objets corporels mobiliers“.492 Mithin stellten unter dem Haager Einheitskaufrecht nur körperliche Gegenstände einen tauglichen Kaufgegenstand dar.493 Mit dem Wechsel der Begrifflichkeit von „objets corporels mobiliers“ zu „marchandises“ ist das Merkmal der Körperlichkeit nicht mehr ersichtlich. Dennoch wird teilweise vertreten, dass mit diesem Austausch der Begriffe eine Änderung der Bedeutung nicht beabsichtigt gewesen sei.494 In systematischer Hinsicht495 fällt auf, dass in Art. 2 lit. f CISG mit elektrischer Energie ausdrücklich ein unkörperlicher Gegenstand aus dem Anwendungsbereich ausgenommen wurde. Dieser Ausnahme bedurfte es jedoch nur, wenn unkörperliche Gegenstände nicht schon grundsätzlich keine Waren sein können.496 Schließlich ist der Sinn und Zweck des CISG zu berücksichtigen497, die rechtlichen Hindernisse im internationalen Handel zu beseitigen und seine Entwicklung zu fördern (Präambel CISG). Diesem Telos würde eine enge Auslegung des sachlichen Anwendungsbereichs widersprechen.498 Je mehr Vertragsgegenstände dem CISG unterfallen, desto größer ist die Anzahl von Transaktionen, bei denen (zumindest teilweise) rechtliche Hindernisse in Form von unterschiedlichen Rechtsordnungen499 durch die Geltung von Einheitskaufrecht beseitigt werden. Demnach ist es vorzugswürdig, den Anwendungsbereich des CISG möglichst weit zu fassen und digital übermittelte Güter als Waren im Sinne des Art. 1 Abs. 1 CISG anzusehen. Die genannten Beispiele Software und elektronische Architektenleistungen sollten folglich die Wareneigenschaft des Art. 1 Abs. 1 CISG erfüllen. Die Rechtsprechung in Deutschland und Österreich ist bisher grundsätzlich von einem weiten Warenbegriff in Art. 1 Abs. 1 CISG ausgegangen. In mehreren Entscheidungen ist Software ausdrücklich dem Anwendungsbereich des 491

Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG) vom 1.7.1964, BGBl. 1973 II, S. 886. 492 Vgl. Convention portant loi uniforme sur la vente internationale des objets mobiliers corporels, La Haye, 1er juillet 1964, abrufbar unter: . 493 Schrammen, S. 224. 494 Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1 CISG, Rn. 34; Staudinger-Magnus, Art. 1 CISG, Rn. 43; Schmitt, CR 2001, 145, 149; in diese Richtung auch Kilian/Heussen-Moritz, Teil 3, Rn. 288. 495 Zur systematischen Auslegung im Rahmen des CISG vgl. Schlechtriem/SchwenzerFerrari, Art. 7 CISG, Rn. 37 ff. 496 Schmitz, MMR 2000, 256, 259. 497 Zur teleologischen Auslegung im Rahmen des CISG vgl. Staudinger-Magnus, Art. 7 CISG, Rn. 36. 498 Schrammen, S. 226. 499 Siehe Kap. 6 A. I.

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CISG unterstellt worden.500 Indes lag den Entscheidungen jeweils die Übermittlung von Software auf einem körperlichen Gegenstand zugrunde. Für die elektronisch übermittelte Software bleibt daher eine Restunsicherheit. (b) Kaufvertragscharakter des Erwerbvorgangs Neben der Wareneigenschaft wird in der Literatur problematisiert, ob bei der elektronischen Übermittlung des Leistungsgegenstandes der Erwerbsvorgang noch Kaufvertragscharakter (Art. 1 Abs. 1) oder Werkliefererungscharakter (Art. 3 Abs. 1) hat, wie es das CISG voraussetzt. Ob ein Kaufvertrag vorliegt, ergibt sich aus den Rechten und Pflichten beider Parteien, die in Art. 30 CISG und Art. 53 CISG festgelegt sind.501 Danach ist der Kauf ein Austauschvertrag, bei dem der Verkäufer zur Lieferung und Übereignung der Ware und eventueller Dokumente, der Käufer zur Zahlung des Preises und zur Abnahme der Ware verpflichtet ist.502 Demnach muss auf den Kauf von Standardsoftware das CISG anwendbar sein, sofern es um eine dauerhafte Überlassung gegen einmalige Entgeltzahlung geht, denn dann ergeben sich gegen die Einordnung als Kaufvertrag keine Bedenken.503 Die digitale Übermittlung kann hieran nichts ändern, weil hierdurch nicht die kaufvertragscharakteristischen Hauptleistungspflichten verändert werden. Allenfalls kann – wie gezeigt – bei Software die Sachqua500

Österreichischer OGH, IHR 2005, 195, 196 f.; OLG Koblenz, RIW 1993, 934, 936; LG München I, Urteil v. 8.2.1995, 8 HKO 24667/93, CISG-online 203; in BGH, NJW-RR 1997, 690, 691 wurde die Lieferung eines Drucksystems bestehend aus Drucker, Monitor, Rechner und Softwarepaket auch bezüglich der vermeintlich nicht hinreichenden Dokumentation der Software dem CISG unterstellt. 501 BeckOK-Saenger, Art. 1 CISG, Rn. 3. 502 BeckOK-Saenger, Art. 1 CISG, Rn. 3; damit sind alle im deutschen Recht bekannten Gestaltungsmöglichkeiten und Unterformen des Kaufvertrages erfasst, insbesondere der Versendungskauf (Herber/Czerwenka, Art. 1 CISG, Rn. 4; Schlechtriem/SchwenzerFerrari, Art. 1 CISG, Rn. 18), der Sukzessivlieferungsvertrag (Achilles, Art. 1 CISG, Rn. 2; Herber/Czerwenka, Art. 1 CISG, Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1 CISG, Rn. 15; Staudinger-Magnus, Art. 1 CISG, Rn. 15), der Spezifikationskauf (Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1 CISG, Rn. 17; Staudinger-Magnus, Art. 1 CISG, Rn. 16), der Kauf auf Probe (Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1 CISG, Rn. 23; StaudingerMagnus, Art. 1 CISG, Rn. 21), der Kauf nach Muster (Staudinger-Magnus, Art. 1 CISG, Rn. 17), das Streckengeschäft (Achilles, Art. 1 CISG, Rn. 2; Herber/Czerwenka, Art. 1 CISG, Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1 CISG, Rn. 18) sowie die Vereinbarung von Vorkaufsrechten, Rückkaufsrechten und Wiederkaufoptionen (Achilles, Art. 1 CISG, Rn. 2; Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1 CISG, Rn. 21; Staudinger-Magnus, Art. 1 CISG, Rn. 22). 503 Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int'l L. 2003, 263, 278; Diedrich, RIW 1993, 441, 452; Schmitz, MMR 2000, 256, 258; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 311, Rn. 627; Staudinger-Magnus, Art. 1 CISG, Rn. 44; BeckOKSaenger, Art. 1 CISG, Rn. 7; Leupold/Glossner-Stögmüller, Teil 5, Rn. 431.

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lität problematisch sein. An der kaufvertragstypischen Kaufpreiszahlung fehlt es, wenn Software – zum Beispiel als Freeware oder zu Testzwecken – kostenfrei überlassen wird, so dass das CISG in diesem Fall nicht anwendbar ist.504 Kein Kaufvertrag liegt dann vor, wenn der überwiegende Teil der Pflichten jener Partei, welche die Ware liefert, in der Ausübung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen besteht (Art. 3 Abs. 2 CISG). Hierbei ist auf den Wert der zu liefernden Waren einerseits und den Wert der vom Lieferanten vertraglich geschuldeten Arbeiten und Dienste andererseits abzustellen.505 Kaufverträgen gleichgestellt sind Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Waren, sofern nicht der Besteller einen wesentlichen Teil der für die Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung zu stellen hat (Art. 3 Abs. 1 CISG).506 Die Bestimmung des wesentlichen Teils wird durch Ermittlung der Wertverhältnisse der Materialien vorgenommen, die vom Käufer einerseits und vom Verkäufer andererseits beizusteuern sind.507 Werklieferungsverträge unterfallen also dem CISG, ohne dass es auf eine Unterscheidung zwischen vertretbaren und nicht vertretbaren Sachen ankommt.508 Eine Architektenleistung sieht auch bei elektronischer Übermittlung zwar die Lieferung eines Werkes (zum Beispiel eine Zeichnung) vor, wertmäßig entscheidend ist aber in der Regel die Erstellung der Zeichnung, also eines Werkes. Gleichzeitig stellt der Kunde dem Architekten mit den Informationen über das Gebäude einen wesentlichen Teil des „Stoffes“ zur Verfügung, denn als Kriterium für die Wesentlichkeit des Stoffes ist auf die Funktion der zur Verfügung zu stellenden Stoffe für die Ware abzustellen509. Demnach unterliegt ein Vertrag über eine elektronische Architektenleistung nicht dem CISG.510 Eine andere Frage ist es, wie der Erwerb von Individualsoftware511 vertragstypologisch einzuordnen ist. Hier ist der konkrete Vertrag im Einzelfall 504

Leupold/Glossner-Stögmüller, Teil 5, Rn. 433. BeckOK-Saenger, Art. 3 CISG, Rn. 6; Achilles, Art. 3 CISG, Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 3 CISG, Rn. 13; Staudinger-Magnus, Art. 3 CISG, Rn. 21. 506 Vgl. OLG Saarbrücken, IHR 2001, 64, 64. 507 BeckOK-Saenger, Art. 3 CISG, Rn. 3; Achilles, Art. 3 CISG, Rn. 3; HonsellBrunner, Art. 3 CISG, Rn. 3; Rudolph, Art. 3 CISG, Rn. 3; Staudinger-Magnus, Art. 3 CISG, Rn. 14. 508 BeckOK-Saenger, Art. 3 CISG, Rn. 2. 509 So OLG München, IHR 2001, 25, 26. 510 So BeckOK-Saenger, Art. 1 CISG, Rn. 7 in Bezug auf Gutachten, die im Auftrag des Käufers erstellt werden, vgl. auch OLG Köln, NJW-RR 1995, 245, 246 f. 511 Individualsoftware ist eine Software, die für einen speziellen Verwendungs- und Aufgabenzweck eines konkreten Anwenders erstellt wird, vgl. Marly, Rn. 610. Da der Nachfrager in die Leistungserstellung eingebunden ist, handelt es sich um ein Informati505

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entscheidend. Fest steht allein, dass leicht Art. 3 Abs. 2 CISG einschlägig sein kann512, denn wird die Software individuell für einen speziellen Verwendungszweck eines konkreten Anwenders erstellt, wird der überwiegende Teil der Pflichten oft in der Ausübung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen bestehen. Abzulehnen ist jedoch die Auffassung513, bei Individualsoftware sei grundsätzlich das CISG anzuwenden. Dies würde Art. 3 CISG widersprechen, wonach das CISG jedenfalls dann nicht anzuwenden ist, wenn der Besteller einen wesentlichen Teil der für die Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung zu stellen hat (Art. 3 Abs. 1) oder der überwiegende Teil der Pflichten jener Partei, welche die Ware liefert, in der Ausübung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen besteht (Art. 3 Abs. 2). Ersteres könnte bei Individualsoftware im Hinblick auf die vom Besteller über sein System gelieferten Informationen der Fall sein, sofern man als Kriterium für die Wesentlichkeit des Stoffes auf die Funktion der zur Verfügung zu stellenden Stoffe für die Ware abstellt514 oder die Einbringung von Know-how oder Planungsleistung seitens des Käufers wertmäßig hinzurechnet515. Jedenfalls wird aber regelmäßig Art. 3 Abs. 2 CISG greifen, wenn die Software individuell für einen speziellen Verwendungszweck eines konkreten Anwenders erstellt wird. Auch bei Verträgen im Bereich Cloud-Computing und SaaS516 stellt sich die Frage, ob das CISG anwendbar ist. Entscheidend ist auch hier der konkrete Vertrag im Einzelfall. Anders als bei ASP-Verträgen dürfte jedoch regelmäßig keine Ähnlichkeit zum Mietvertrag bestehen517, da es nicht um eine Gebrauchsüberlassung auf Zeit einer bestimmten beweglichen oder unbeweglichen Sache geht. Vielmehr soll eine Anwendung oder eine IT-Infrastruktur einer Vielzahl von Kunden kurzfristig unter gemeinsamer Nutzung der Hardware-Plattform zur Verfügung gestellt werden. Für den Kunden ist vor allem wichtig, dass die IT-Infrastruktur oder die Anwendung abrufbar ist, wie dem Anbieter dies gelingt ist sekundär, so dass nicht etwa die Überlassung von onsdienstleistungsprodukt, vgl. Bieberbach/Hermann, in: Scheer/Nüttgens (Hrsg.), Electronic Business Engineering (1999), 68, 72. 512 Diedrich, 6 The Vindobona Journal of International Commercial Law and Arbitration 2002, Supplement 55, 65 f.; Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1 CISG, Rn. 38; Schrammen, S. 231; Endler/Daub, CR 1993, 601, 606; Leupold/Glossner-Stögmüller, Teil 5, Rn. 431; so wohl auch Kilian/Heussen-Moritz, Teil 3, Rn. 285. 513 Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int'l L. 2003, 263, 278; Diedrich, RIW 1993, 441, 452. 514 So OLG München, IHR 2001, 25, 26; MüKo-Westermann, Art. 3 CISG, Rn. 4. 515 So Karollus, S. 23; a.A. BeckOK-Saenger, Art. 3 CISG, Rn. 3; Achilles, Art. 3 CISG, Rn. 3. 516 Siehe Kap. 3 B. III. 517 Für die Qualifikation eines ASP-Vertrages als Mietvertrag vgl. BGH, K&R 2010, 343, 345; MMR 2007, 243, 244.

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Speicherplatz, sondern vielmehr der Erfolg der Abrufbarkeit geschuldet ist.518 Dementsprechend ist es für Verträge im Bereich Cloud-Computing und SaaS – im Gegensatz zu ASP-Verträgen519 – unerheblich, dass Mietverträge nicht als Kaufverträge im Sinne des CISG zu qualifizieren sind, da die Hauptleistungspflichten nicht mit den in Art. 30 CISG und Art. 53 CISG normierten Pflichten übereinstimmen520. Vielmehr liegt es nahe, bei Verträgen im Bereich Cloud-Computing und SaaS in der Nutzung einer Anwendung oder einer IT-Infrastruktur eine Lieferungsleistung im Sinne des Art. 30 CISG zu sehen. Beide Geschäftsmodelle sind mehrmandantenfähig und Zielen darauf ab, IT zum Gebrauchsgut wie Wasser oder Strom zu machen521. Verträge über die Lieferung von Wasser und Strom sind zumindest im deutschen Recht Kaufverträge.522 Rechtsprechung und Fachliteratur haben sich allerdings – soweit ersichtlich – zu dieser Frage bisher nicht geäußert, so dass Rechtsunsicherheit besteht. Unzweifelhaft ist hingegen, dass bei reinen IT-Pflegeverträgen die Dienstleistung überwiegt und das CISG daher gemäß Art. 3 Abs. 2 CISG nicht anwendbar ist.523 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Auseinandersetzung, ob bei der elektronischen Übermittlung des Leistungsgegenstandes der Erwerbsvorgang noch Kaufvertrags- (Art. 1 Abs. 1) oder Werkliefererungscharakter (Art. 3 Abs. 1) hat, ein „Scheingefecht“ ist. Die elektronische Übermittlung ändert grundsätzlich nicht den vertragstypologischen Charakter des Geschäfts524, der allerdings bei neuen Vertragsarten unter Umständen schwer zu bestimmen sein kann. bb) Persönlicher Anwendungsbereich: Niederlassung der Parteien in verschiedenen Staaten Die Schwierigkeiten, die sich bei elektronischen Verträgen im Zusammenhang mit der Anknüpfung an das territoriale Kriterium der Niederlassung ergeben, sind bereits im Abschnitt über die internationale Zuständigkeit ana-

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Ähnlich Söbbing, MMR 2008, XII, XIV. Nach Kilian/Heussen-Moritz, Teil 3, Rn. 295 ist das CISG auf ASP-Verträge nicht anwendbar; ebenso Leupold/Glossner-Stögmüller, Teil 5, Rn. 432 allgemein für die Softwareüberlassung auf Zeit. 520 BeckOK-Saenger, Art. 1 CISG, Rn. 4; Kilian/Heussen-Moritz, Teil 3, Rn. 285. 521 Siehe Kap. 3 B. III. 522 Für den Stromlieferungsvertrag: Palandt-Weidenkaff, § 433 BGB, Rn. 8. Für den Wasserlieferungsvertrag: BGHZ 59, 303, 305 f. 523 Rudolph, Art. 3 CISG, Rn. 6; BeckOK-Saenger, Art. 3 CISG, Rn. 8 allgemein für reine Wartungsverträge und Kundendienstverträge. 524 Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 39 f.; BeckOK-Saenger, Art. 1 CISG, Rn. 7; siehe Kap. 2 B. II. 519

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lysiert worden.525 Wie im Rahmen der EuGVVO wird für eine Niederlassung eine gewisse Dauer und Stabilität der Einrichtung sowie eine selbständige Handlungskompetenz der Organisationseinheit vorausgesetzt.526 Inwiefern der Ort des Servers oder die Webseite Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Ortes der Niederlassung bieten können, wird auch hier im Schrifttum diskutiert.527 Ein bedeutender Unterschied ist aber, dass gemäß Art. 1 Abs. 2 CISG die Tatsache, dass die Parteien ihre Niederlassungen in verschiedenen Staaten haben, nicht berücksichtigt wird, wenn sich dies nicht aus dem Vertrag, aus früheren Geschäftsbeziehungen oder aus Verhandlungen oder Auskünften ergibt, die vor oder bei Vertragsabschluss zwischen den Parteien geführt oder von ihnen erteilt worden sind. Bei elektronischen Verträgen muss also – sofern kein anderer Kontakt besteht – aus den Informationen der Webseite oder aus den Angaben in den Emails der Vertragspartner hervorgehen, wo sie ihre Niederlassung haben. Somit stellt sich die Frage nach der Bedeutung der Toplevel-Domain, dies gilt auch für den Vertragsschluss via Email. Ferrari hat vorgeschlagen, dass das Benutzen von Toplevel-Domains wie „.com“ oder „.net“ immer die Internationalität eines Vertragsschlusses bewirken solle.528 Das ECC geht auf diesen Ansatz ein, erteilt ihm aber eine Absage. Nach Art. 6 Abs. 5 ECC kann die Tatsache, dass eine Partei einen DomainNamen oder eine Adresse der elektronischen Post benutzt, die einem bestimmten Land zugeordnet ist, allein nicht die Vermutung begründen, dass sich ihre Niederlassung in diesem Land befindet. Dies überzeugt, denn die Toplevel-Domains „.com“ und „.net“ bedeuten „commercial“ beziehungsweise „network“ und sagen damit über die geografische Herkunft nichts aus. Die Vergabe von Länderdomains wie „.de“ oder „.uk“ ist nicht in jedem Staat gleichermaßen transparent und erfordert nicht zwangsläufig den Nachweis, dass eine Unternehmensniederlassung in dem betroffenen Staat existiert.529 Wie unbillig eine solche Zuordnung ist, zeigen folgende Beispiele: Die MTV Networks Germany GmbH, die Inhaberin der Webseite viva.tv ist, hat ihren Unternehmenssitz unzweifelhaft nicht im Inselstaat Tuvali, dem die ToplevelDomain „.tv“ zugeordnet ist, die Skyline Medien GmbH, Inhaberin von jam.fm, sitzt nicht in der Föderation Mikronesien („.fm“), die Bayern Tou525

Siehe Kap. 2 B. I. 2. b) aa) (3). OLG Stuttgart, IHR 2001, 65, 66; Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 1 CISG, Rn. 46; Staudinger-Magnus, Art.1 CISG, Rn. 63; Lejeune, in: Ulrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 311, Rn. 631. 527 Ausführliche Darstellung bei Wulf, S. 58 ff.; dagegen in Bezug auf den Server: MüKo-Martiny, Art. 1 CISG, Rn. 21; Heussen/Kilian-Moritz, Teil 3, Rn. 277; dafür in Bezug auf die Ausrichtung der Webseite: Polanski, S. 52. 528 Ferrari, The European Legal Forum 2000/01, 301, 302; ähnlich Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 231 f. in Bezug auf den gewerblichen Verwendungszweck. 529 UNCITRAL, Explanatory note, Rn. 119. 526

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rismus Marketing GmbH, Inhaberin von bayern.by, sitzt nicht in Weißrussland („.by“) und die Stadt Rosenheim, Inhaberin von rosenheim.ro, liegt nicht in Rumänien („.ro“). Beim Emailverkehr dürfte sich vor allem aus den bei geschäftlichen Kontakten üblicherweise angegebenen Informationen unterhalb des Namens ergeben, ob sich die Niederlassung des Geschäftspartners im Ausland befindet.530 Sofern deutsches oder europäisches Recht anwendbar ist, ergibt sich für Unternehmen im Rahmen der Pflichtangaben ohnehin die Verpflichtung, den Ort ihrer Hauptniederlassung auf ihren Geschäftsbriefen anzugeben, zu denen auch Emails zählen, sofern sie den externen Geschäftsverkehr betreffen.531 Ähnliche Informationspflichten bestehen nach vereinheitlichtem europäischen Recht auch für Webseiten bei Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft. So verpflichtet Art. 5 Abs. 1 lit. a, b E-Commerce-Richtlinie einen Diensteanbieter dazu, seinen Namen und die geografische Anschrift, unter der er niedergelassen ist, ständig verfügbar zu machen.532 Außerdem ergeben sich Informationspflichten aus Art. 22 Dienstleistungsrichtlinie533. cc) Räumlicher Anwendungsbereich: Vertragsstaatenbezug des Kaufvertrags Ist der Ort der Niederlassung einmal bestimmt, bereitet die Feststellung, ob sich die Niederlassung in einem Vertragsstaat befindet, auch bei elektronischen Verträgen keine besondere Schwierigkeit. Probleme kann es allerdings bei der Alternative Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG geben, wenn die Regeln des internationalen Privatrechts des Gerichtsstaates auf den Ort des Vertragsschlusses als Anknüpfungspunkt verweisen.534 Dieser kann bei Verträgen, die mit elektronischen Kommunikationsmitteln abgeschlossen werden, kaum bestimmt werden. dd) Anwendungsausschluss bei Versteigerungen, Art. 2 lit. b CISG Von den in Art. 2 CISG aufgeführten Ausschlusstatbeständen kommt bei elektronischen Handelsverträgen vor allem die Variante lit. b in Betracht535, 530

Schrammen, S. 237. Vgl. §§ 37a, 125a, 177a HGB, 35a GmbHG, 80 AktG; Artt. 2, 12 Zweigniederlassungsrichtlinie (ABl. EG Nr. L 395 vom 30. 12. 1989, S. 36 ff.). 532 Vgl. § 312e BGB i.V.m. Art. 246 § 3 EGBGB, § 5 TMG. Die vergleichbare Informationspflicht des Art. 4 Fernabsatz-Richtlinie gilt nur für Verträge mit Verbrauchern und bleibt daher hier außer Betracht. 533 Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. EG Nr. L 276 vom 27.12.2006, S. 36. Vgl. § 2 Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung vom 12.3.2010, BGBl. I S. 267. 534 Ferrari, The European Legal Forum 2000/01, 301, 302 f. 535 Auf den Kauf von Wertpapiern, Zahlungsmitteln, Schiffen, Flugzeugen und elektrischer Energie (Art. 2 lit. d-f CISG) soll hier nicht eingegangen werden. 531

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die das CISG auf Kaufverträge für unanwendbar erklärt, die im Wege der Versteigerung geschlossen werden. Als Versteigerung im Sinne des CISG wird der öffentliche, publik gemachte Verkauf durch Zuschlag an den Meistbietenden verstanden.536 Vom Ausschlusstatbestand erfasst sind somit Käufe auf privaten Auktionen.537 Eine Beschränkung des Ausschlusses auf Versteigerungen im Rahmen der Zwangsvollstreckung würde der Systematik des Übereinkommens nicht gerecht, da in Art. 2 lit. c CISG Käufe auf Grund von Zwangsversteigerungsmaßnahmen gesondert ausgeschlossen werden.538 Nach der überwiegenden Literatur soll das CISG auch nicht auf InternetAuktionen anwendbar sein, da auch dann ein Verkauf vorliege, der ein Überbieten möglich mache.539 Dies ist indes zumindest für diejenigen Online-Auktionen wenig überzeugend, bei denen die elektronische Auktionsplattform – wie zum Beispiel bei eBay – nicht im Sinne eines Auktionators den Zuschlag erteilt. Es fehlt dann an dem für die Versteigerung charakteristischen Zuschlag durch den Auktionator, so dass nichts anderes als ein bloßer Verkauf gegen Höchstgebot vorliegt, der in den Anwendungsbereich des CISG fällt.540 Rechtsprechung zur Einordnung von Internet-Auktionen existiert in Bezug auf CISG bisher nicht. Der BGH hat lediglich für das unvereinheitlichte, nationale Kaufrecht entschieden, dass auf der Plattform eBay Kaufverträge nicht in der Form einer Versteigerung im Sinne des § 156 BGB geschlossen werden.541 b) Umfang des Vertragsstatuts und Ausschluss des CISG durch die Parteien Das CISG regelt ausschließlich den Abschluss des Kaufvertrages und die aus ihm erwachsenden Rechte und Pflichten des Verkäufers und des Käufers (Art. 4 CISG). Insbesondere die materielle Gültigkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen und die sachrechtlichen Folgen des Vertrages sind vom Vertragsstatut nicht umfasst. Nach Art. 6 CISG können die Parteien die Anwendung des Übereinkommens ausschließen. Zu beachten ist aber, dass kein wirksamer Ausschluss vorliegt, wenn durch Rechtswahl das Recht eines Staates vereinbart wird, bei 536

Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 2, Rn. 28. BGH, NJW-RR 2003, 192, 193; MüKo-Martiny, Art. 2 CISG, Rn. 48. 538 MüKo-Martiny, Art. 2 CISG, Rn. 48. 539 Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Art. 2, Rn. 28; Schmitt, CR 2001, 145, 146; Scherer/Butt, DB 2000, 1009, 1010. 540 MüKo-Martiny, Art. 2 CISG, Rn. 49; Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 104; Leupold/Glossner-Stögmüller, Teil 5, Rn. 429; Polanski, S. 57; im Ergebnis ähnlich Schroeter, ZEuP 2004, 20, 31 f. 541 BGH, NJW 2005, 53, 54. 537

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dem das CISG – wie in Deutschland – Teil des nationalen Rechts geworden ist.542 c) Zwischenergebnis Die Untersuchung hat ein Grundproblem des CISG deutlich gezeigt, das es mit jedem anderen globalen Privatsrechtsübereinkommen teilt und das es von den rechtsvereinheitlichenden Regelwerken auf europäischer Ebene unterscheidet: Es fehlt ein oberstes Rechtsprechungsorgans mit der Befugnis, divergierende Rechtsauffassungen verschiedener Gerichte zu harmonisieren. Dies wirkt sich in Bezug auf den Grad der Rechtssicherheit zwangsläufig gerade in solchen Bereichen negativ aus, bei denen verschiedene Auslegungen denkbar sind. Ein Bereich ist die Wareneigenschaft von digitalen Gütern, insbesondere elektronisch übermittelter Software, weitere sind der Kaufvertragscharakter von modernen Vertragstypen wie auf dem Gebiet des CloudComputing und SaaS, die Bestimmung des Niederlassungsortes im elektronischen Geschäftsverkehr und die Einordnung von Internet-Auktionen im Hinblick auf Art. 2 lit. b CISG. 3. Bestimmung des anwendbaren Rechts anhand der Rom-I-VO Ist das internationale Einheitsrecht CISG nicht anwendbar, kommt das nationale Kollisionsrecht zur Anwendung, um zu bestimmen, welches Sachrecht für den Vertrag maßgeblich ist. In Deutschland und allen anderen EUMitgliedsstaaten beruhte das nationale Kollisionsrecht bis zum Inkrafttreten der Rom-I-VO543 im Dezember 2009 auf der Umsetzung des EVÜ544 in nationales Recht. Nun gilt die Rom-I-VO als EG-Verordnung in den Mitgliedsstaaten unmittelbar. a) Anwendungsbereich Die Rom-I-VO gilt für vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen (Art. 1 Abs. 1 Rom-I-VO).

542 Soll das nationale Kaufrecht anwendbar sein, bedarf es in diesem Fall eines ausdrücklichen Ausschlusses des CISG. Vgl. OLG Düsseldorf, IPRax 1993, 412, 413; Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int'l L. 2003, 263, 271 f.; Staudinger-Magnus, Art. 1 CISG, Rn. 104. 543 Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EG Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. 544 Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980, ABl. EG Nr. L 266 vom 9.10.1980, S. 1; ABl. EG Nr. C 27 vom 26.1.1998, S. 34.

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Damit ist sie auch auf internationale elektronische Handelsverträge anwendbar. Allerdings ist die elektronische Leistungserbringung kollisionsrechtlich eine Erfüllungsmodalität, für die Art. 32 Abs. 1 EGBGB auf das Vertragsstatut verweist. In Art. 1 Abs. 2 Rom-I-VO sind verschiedene Bereiche aufgeführt, die vom Anwendungsbereich ausdrücklich ausgenommen sind. Für internationale elektronische Handelsverträge von Bedeutung sind vor allem die Bereichungsausnahmen Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen (Art. 1 Abs. 2 lit. e Rom-I-VO) sowie Schuldverhältnisse aus Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrages545 (Art. 1 Abs. 2 lit. i Rom-I-VO). Damit wird ein Konflikt mit dem NYÜ und HÜG vermieden. Außerdem ist anzumerken, dass die Rom-I-VO auch dann nicht anwendbar ist, sofern es um gesellschaftsrechtliche Fragen geht (Art. 1 Abs. 2 lit. f RomI-VO). Das internationale Gesellschaftsrecht bleibt also unberührt.546 Daher macht die Rom-I-VO den nationalen Gerichten bei der Ermittlung des Sitzes und der Niederlassung eines Unternehmens keine Vorgaben. Mit der Verwendung des Begriffs „vertraglich“ in Art. 1 Abs. 1 Rom-I-VO wird die Abgrenzung zur Rom-II-VO547 betrieben, die auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden ist.548 Folglich muss das Gericht bei Sekundäransprüchen genau differenzieren, ob diese eine vertragliche oder deliktische Grundlage haben. Schwierig kann dies deshalb werden, weil es in den EU-Mitgliedsstaaten kein einheitliches Konzept des Vertrages gibt und sich bisher kein allgemeingültiger unionsrechtlicher Vertragsbegriff herausgebildet hat.549 Der EuGH, dem für die Rom-I-VO die Auslegungskompetenz zusteht (Art. 19 Abs. 1 EU), ist daher berufen, diesbezüglich für Klarheit zu sorgen. Im Gegensatz zum CISG enthält die Rom-I-VO keine sachrechtlichen Regelungen. Gleichzeitig sind die kollisionsrechtlichen Regelungen nicht – wie beim CISG – auf bestimmte Bereiche des vertraglichen Schuldverhältnisses beschränkt550, sondern gelten für dieses in seiner Gesamtheit (vgl. Art. 12 Abs. 1 Rom-I-VO).

545

Für vorvertragliche Schuldverhältnisse gilt die Rom-II-VO vgl. Erwägungsgrund 12 Rom-I-VO. 546 Lehmann, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, 17, 32. 547 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. EG Nr. L 119 vom 31.7.2007, S. 40 ff. 548 Lehmann, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007), 17, 19. 549 Lehmann, a.a.O., 20 ff. 550 Siehe B. II. 2. b).

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b) Rechtswahl Wie das EVÜ wird auch die Rom-I-VO vom Grundsatz der Parteiautonomie beherrscht.551 Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht (Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO). Um die Möglichkeit der Rechtswahl auch praktisch nutzbar zu machen, stellt sich für den internationalen elektronischen Geschäftsverkehr vor allem die Frage nach den Wirksamkeitsvoraussetzungen einer solchen Rechtswahl, insbesondere nach etwaigen Formanforderungen. Daneben ist für den Vertragsgestalter aber ebenso entscheidend, welches Recht überhaupt wählbar ist, vor allem, ob nur eine Rechtswahl zugunsten staatlichen Rechts in Betracht kommt oder ob auch nichtstaatliches Recht in Form von soft law gewählt werden kann. Außerdem ist auf den Fall einzugehen, dass trotz starken unionsrechtlichen Bezugs des Sachverhalts nicht das Recht eines EU-Staates, sondern das Recht eines Drittstaates gewählt wird. Hier stellt sich dann insbesondere die Frage nach dem Verhältnis von Unionsrecht und drittstaatlichem Recht. aa) Wirksamkeitsvoraussetzungen Die Rechtswahlvereinbarung ist ein eigenständiger Vertrag, der vom Hauptvertrag zu unterscheiden ist.552 Ob überhaupt eine Rechtswahlvereinbarung vorliegt, bestimmt sich durch Auslegung. Die Rechtswahl muss sich, wenn sie ausdrücklich erklärt worden ist, eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben (Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO). Allerdings wird eine mit dem Internetzugangsanbieter getroffene Rechtswahl nicht als Indiz dafür angesehen, dass Kunden dieses Anbieters bei Geschäften untereinander ebenfalls eine entsprechende Rechtswahl getroffen haben.553 Eine Indizwirkung kommt hingegen Gerichtsstandsvereinbarungen zu554, so dass es in der deutschen Rechtsprechung Praxis ist, bei gewillkürtem Gerichtsstand anzunehmen, dass die Parteien zugleich das am Gerichtsort geltende Recht gewählt haben555. Bei internationalen elektronischen Handelsverträgen ist also selbst dann von einer Rechtswahl auszugehen, wenn der Vertrag nur das streitentscheidende Gericht festlegt. 551

Vgl. auch Erwägungsgrund 11 Rom-I-VO. Nach Leible, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007), 41, 41 ist die Privatautonomie im internationalen Vertragsrecht zu einem gemeineuropäischen Rechtsprinzip geworden. 552 Leible, a.a.O., 42. 553 Fallenböck, S. 99; Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 212 f. 554 Vgl. Erwägungsgrund 12 Rom-I-VO sowie Leible, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007), 41, 44, der eine Verknüpfung von Gerichtsstand und anwendbarem Recht in den Erwägungsgründen für ausreichend hält und sich gegen eine Aufnahme in den Gesetzestext selbst (so noch im Entwurf) wendet. 555 BGH, NJW-RR 1990, 185, 183 f.; NJW 1996, 2569, 2569 f.

B. Rechtslage

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Als eigenständiger Vertrag muss das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung gesondert geprüft werden. Maßgeblich ist dabei – wie schon bisher nach der EVÜ556 – die potentielle lex causae und nicht etwa die lex fori (Art. 3 Abs. 5, 10 Abs. 1 Rom-I-VO). Die Formgültigkeit der Rechtswahlvereinbarung ist ebenfalls gesondert zu bestimmen. So sind Vereinbarungen zwischen Personen, die sich in verschiedenen Staaten befinden, wirksam, wenn die Formerfordernisse der lex causae erfüllt sind oder aber die Formerfordernisse des Rechts eines der Staaten, in denen sich eine der Vertragsparteien oder ihr Vertreter zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses befindet oder eine der Vertragsparteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 3 Abs. 5, 11 Abs. 2 Rom-I-VO). Bei einer Rechtswahlvereinbarung determiniert also das gewählte Recht die Wirksamkeit dieser Vereinbarung. Wird beim Abschluss des Vertrages elektronische Kommunikation eingesetzt, so empfiehlt sich die Wahl eines Rechts, bei dem hierdurch keine Unsicherheit über die Wirksamkeit und den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausgelöst wird. Ist dies nicht der Fall, kann die Wirksamkeit zwar auch über das am gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien geltende Recht erreicht werden. Bei Unternehmen ist dann aber wieder die Hauptverwaltung oder Niederlassung zu ermitteln (Art. 19 Rom-I-VO).557 Dabei können sich die bereits aufgezeigten Lokalisierungprobleme von virtuellen Unternehmen genauso ergeben wie sich die Frage stellen kann, ob Webseiten und Servern die Eigenschaft zukommt, funktional eine Niederlassung zu bilden.558 bb) Der Kreis des wählbaren Rechts Hinsichtlich des wählbaren Rechts bringt die Rom-I-VO eine entscheidende Neuerung, die für internationale elektronische Handelsverträge von großer Bedeutung sein kann. Ließ nach herrschender – wenn auch nicht unumstrittener559 – Meinung das EVÜ nur die Wahl staatlichen Recht zu560, so ist mit der Rom-I-VO der Kreis des wählbaren Rechts erweitert worden. In Erwägungsgrund 13 der Rom-I-VO heißt es wörtlich: „Diese Verordnung hindert die Parteien nicht daran, in ihrem Vertrag auf ein nichtstaatliches Regelwerk oder ein internationales Übereinkommen Bezug zu nehmen“. Dieses „Mehr an 556

Vgl. Art. 3 Abs. 4 EVÜ, Art. 31 Abs. 1 EGBGB. Es sind hier bewusst nicht die drei Möglichkeiten des Art. 60 Abs. 1 EuGVO Unternehmenssitz, Hauptverwaltung und Niederlassung übernommen worden, da dies für Parteien die Vorhersehrbarkeit, welches Recht auf ihren Fall anwendbar sein wird, hätte beeinträchtigen können, vgl. Erwägungsgrund 39 Rom-I-VO. 558 Siehe Kap. 8 B. I. 2. b) aa). 559 Für die Wahl der Lex Mercatoria als zulässige Rechtswahl: Kappus, IPRax 1993, 137, 139 f. 560 von Bar/Mankowski, § 2 Rn. 86; Kropholler, IPR, S. 464 f. 557

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

kollisionsrechtlicher Freiheit“561 zieht allerdings sofort die Frage nach sich, was genau unter einem „nichtstaatlichem Regelwerk“ zu verstehen ist. Die Konkretisierung des unter der Rom-I-VO wählbaren Rechts durch die Literatur und die Rechtsprechung bleibt abzuwarten. Die Tendenz geht aber wohl dahin, die Lex Mercatoria und damit auch eine Lex Informatica562 auszuschließen, aber eine Wahl von Regelwerken wie den „Principles of European Contract Law“ oder die UNIDROIT-Prinzipien zuzulassen563. Auch wenn somit bisher noch keine endgültige Klarheit und Vorhersehbarkeit bei der Vertragsgestaltung besteht, muss bei internationalen elektronischen Handelsverträgen zumindest die Wahl des UNCITRAL Model Law on Electronic Commerce und des UNCITRAL Model Law on Electronic Signatures als nichtstaatliches Regelwerk sowie des ECC als internationales Übereinkommen zulässig sein. Ein nichtstaatliches Regelwerk ist außerdem der UCITA in nicht umgesetzter Form, so dass sich dessen praktisches Anwendungsfeld möglicherweise in Zukunft doch noch erweitert. cc) Binnenmarktklausel Soll hingegen das Recht eines Drittstaates Anwendung finden, weil eine der Parteien aus einem Drittstaat kommt oder weil ein neutrales564 Recht gewählt werden soll, damit keine Partei einen „Heimvorteil“ hat, stellt sich die Frage, inwieweit das Unionsrecht neben dem gewählten Recht anwendbar bleibt. Dies gilt vor allem dann, wenn der Sachverhalt stärkere Bezüge zur EU aufweist als zum Drittstaat, zum Beispiel beide Vertragsparteien aus der EU

561

So Leible, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007), 41, 47, der die Erweiterung begrüßt. 562 Siehe Kap. 4 A. I. 5; für die Möglichkeit, die Lex Mercatoria zum Gegenstand staatlicher Rechtswahl zu machen, jedoch Metzger, S. 541 ff. 563 So KOM (2005) 650 endg., S. 5 f. 564 Klassisches neutrales Recht im internationalen Handelsverkehr sind das Recht der Schweiz und des US-amerikanischen Bundesstaates New York. Beim elektronischen Geschäftsverkehr ist auch an die Wahl des Rechts Singapurs, Australiens und Neuseelands zu denken, die jeweils einen „Electronic Transactions Act“ verabschiedet haben, vgl. Schrammen, S. 308; außerdem kommt die Wahl des Rechts der US-amerikanischen Bundesstaaten Virginia und Maryland in Betracht, die den UCITA umgesetzt haben.

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stammen565 oder aber die den Vertrag betreffende Tätigkeit in der EU ausgeübt wird566. Erklärt man Unionsrecht aufgrund des Binnenmarktbezuges der Transaktion für anwendbar, obwohl die Parteien das Recht eines Drittstaates gewählt haben, bedeutet dies immer eine Einschränkung der Privatautonomie. Im Unternehmensverkehr sind für eine solche Einschränkung besondere Gründe zu fordern, denn anders als bei Geschäften mit Verbrauchern ist nicht eine Vertragspartei grundsätzlich schutzbedürftig. Allenfalls dann wenn, wie bei der Pauschalreise-Richtlinie567, die nicht nur Verbrauchern, sondern auch Unternehmen als Vertragspartnern von Reiseveranstaltern zur Verfügung steht568, und deren Hintergrund ist, dass kundenschützende Mindeststandards als zwingende Voraussetzung einer Marktöffnung angesehen wurden, ein Zweck verfolgt wird, der im Ergebnis über den privaten Interessenausgleich hinausgeht, überzeugt es, die Rechtswahlfreiheit durch das Unionsrecht einzuschränken. Außerdem ist zum Schutz der Privatautonomie zu fordern, dass das Unionsrecht eine anders lautende Rechtswahl nur dann verdrängen darf, wenn bei einem rein binnenmarktinternen Sachverhalt ein drittstaatliches Recht gewählt wird.569 Andernfalls fänden auch bei Sachverhalten mit substantieller Drittstaatenverknüpfung und einer Rechtswahl nationale Umsetzungen zwingenden Unionsrechts Anwendung, wenn bei objektiver Anknüpfung das Recht eines Mitgliedstaates maßgeblich wäre.570 Die Privatautonomie hinsichtlich des anwendbaren Rechts bestünde dann nicht mehr, weil sich auch bei substantieller Drittstaatenverknüpfung stets die Normen des Unionsrechts durchsetzen würden.571 Dementsprechend enthält Art. 3 Abs. 4 Rom-I-VO auch nur eine Binnenmarktklausel für die Extremfälle, in denen zwar ein drittstaatliches Recht 565

Leicht abgewandeltes Beispiel von Leible, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007), 41, 52: Ein deutsches Unternehmen bucht bei einem französischen Reiseveranstalter über das Internet eine Incentive-Reise für seine Trainees. Der Vertrag untersteht ausweichlich der AGB des Reiseveranstalters dem Recht der Fidschi-Inseln, das Kundenrechte, wie sie die Pauschalreise-Richtlinie vorsieht (gelten für Verbraucher und Unternehmer), nicht kennt. 566 So der Fall, der EuGH, 9.11.2000, C-381/98, Slg 2000, I-9305 – Ingmar zugrunde lag: In einem Vertrag zwischen einem kalifornischen Unternehmen und seinem in England ansässigen Handelsvertreter, der Ingmar Limited, war die Geltung kalifornischen Rechts vereinbart, das – im Gegensatz zur Handelsvertreter-Richtlinie – einen Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nicht kennt. 567 Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13.6.1990 über Pauschalreisen, ABl. EG Nr. L 158 vom 23.6.1990, S. 59. 568 MüKo-Tonner, § 651a BGB, Rn. 11. 569 Leible, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007), 41, 53. 570 Leible, a.a.O., 53. 571 Leible, a.a.O., 53.

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gewählt worden ist, aber alle anderen Elemente des Sachverhalts in der EU belegen sind. In diesem Fall gelten trotz der anders lautenden Rechtswahl die zwingenden Vorschriften des Unionsrechts. Aus der Systematik der Rom-IVO ergibt sich, dass hiermit auch Normen gemeint sind, die nicht der Wahrung der politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation (ordre public), sondern einem privaten Interessenausgleich dienen. Denn Art. 9 Abs. 1 Rom-I-VO stellt gerade klar, dass die ordre public-Vorschriften immer gelten, also auch dann, wenn eine substantielle Drittstaatenverknüpfung vorliegt. Damit kann aber der Binnenmarktklausel des Art. 3 Abs. 4 Rom-I-VO im Handelsverkehr kaum Bedeutung zukommen, da in diesem Bereich eine Einschränkung der Privatautonomie eines Zweckes bedarf, der über den privaten Interessenausgleich hinausgeht. Als zwingende Normen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Rom-I-VO kommen bei internationalen elektronischen Handelsverträgen vor allem Vorschriften aus den Bereichen Kartell-, Außenwirtschafts-, Datenschutz- und Steuerrecht in Betracht.572 c) Objektive Anknüpfung Haben die Parteien keine (wirksame) Rechtswahl getroffen, dann muss das anwendbare Recht subsidiär (vgl. Art. 4 Abs. 1 Rom-I-VO) im Wege der objektiven Anknüpfung ermittelt werden. Für die objektiven Kriterien der Anknüpfung differenziert die Rom-I-VO nach der Vertragsart. So sind für Kauf-, Dienstleistungs-, Franchise-, Vertriebs-, Beförderungs- und Versicherungsverträge unterschiedliche Anknüpfungspunkte festgelegt.573 Bei allen nicht genannten Vertragsarten und gemischten Verträgen unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistungen zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4 Abs. 2 Rom-I-VO). Als Korrektiv574 gilt aber der Grundsatz, dass, wenn der Vertrag nach der Gesamtheit der Umstände eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat als dem nach den Kriterien für die Vertragsart bestimmten Staat aufweist, das Recht dieses anderen Staates an572

Hoeren, CR 1993, 129, 132 zu Art. 34 EGBGB. Daneben werden noch für Verträge über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen, Pacht- und Mietverträge von Immobilien, Verbraucherverträge und Individualarbeitsverträge spezielle Anknüpfungskriterien genannt. Diese Vertragsarten sind jedoch für den Bereich elektronischer Handelsverträge nicht relevant. Auch die Kollisionsregelung des Art. 4 Abs. 1 lit. h Rom-I-VO für Verträge, die innerhalb eines multilateralen Systems geschlossen werden, das Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 17 der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (2004/39/EG) nach nicht diskretionären Regeln und nach Maßgabe eines einzigen Rechts zusammenführt oder das Zusammenführen fördert, bleibt außer Betracht. 574 Nicht bloß subsidiär wie noch im Entwurf (kritisch dazu Ferrari, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007), 57, 61 ff.). 573

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zuwenden ist (Art. 4 Abs. 3, 5 Abs. 3 Rom-I-VO). Das Kriterium der engsten Verbindung ist darüber hinaus subsidiär auch für alle Fälle maßgeblich, deren Vertragsart nicht in Abs. 1 genannt ist und deren charakteristische Leistung nicht bestimmt werden kann (Art. 4 Abs. 4 Rom-I-VO). Ein Kaufvertrag über eine bewegliche Sache soll dem Recht des Staates unterliegen, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom-I-VO); bei einem Unternehmen ist als Verkäufer die Hauptverwaltung oder eine Niederlassung als gewöhnlicher Aufenthalt zu verstehen (Art. 19 Rom-I-VO). Bei elektronischen Verträgen werden damit die Probleme kumuliert, die bereits beim allgemeinen Gerichtsstand am Ort der Hauptverwaltung oder -niederlassung (Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 EuGVVO) und beim besonderen Gerichtsstand am kaufvertraglichen Lieferort (Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO) aufgezeigt worden sind.575 Die Hauptverwaltung kann dann kaum bestimmt werden, wenn die unternehmerischen Entscheidungen bei unterschiedlichen physikalischen Aufenthaltsorten des Leitungsorgans und unter ausschließlicher Nutzung elektronischer Kommunikation getroffen werden. Für das bisher geltende deutsche internationale Privatrecht ist in diesem Fall vorgeschlagen worden, dann auch für Unternehmer auf den gewöhnlichen Aufenthalt abzustellen.576 Es stellt sich auch wieder die Frage, ob ein Server oder eine Webseite als eine Niederlassung angesehen werden können.577 Sofern das ECC von EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert wird, wäre an dieser Stelle die Auslegungsregel zu beachten, dass nicht allein die Nutzung eines Informationssystems am Technikstandort des Informationssystems eine Niederlassung begründet (Art. 6 Abs. 4 ECC). Schließlich wirft die Formulierung „Kaufvertrag über eine bewegliche Sache“ in Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom-I-VO die bereits zu Art. 1 CISG diskutierte Problematik im Hinblick auf Verträge auf, die auf elektronischem Weg erfüllt werden.578 Wiederum ist fraglich, ob bei der elektronischen Übermittlung ein tauglicher Kaufgegenstand vorliegt und ob dieser Erwerbsvorgang einen Kaufvertrag im Sinne der Vorschrift darstellt. Will man das praktisch und wirtschaftlich unbefriedigende Ergebnis vermeiden, dass die Übertragungsart eines Gutes über seine Qualität als Sache entscheidet, so darf es auch bei Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom-I-VO nicht auf die Körperlichkeit des Gegenstandes ankommen.579 Anderenfalls hätte Software je nachdem, ob sie auf einem körperlichen Datenträger (CD, DVD, USB-Stick) gespeichert ist oder nicht, 575

Siehe Kap. 8 B. I. 2. b) aa) sowie Kap. 8 B. I. 2 c) aa) (1); die Begriffe „Erbringung von Dienstleistungen“ und „Verkauf beweglicher Sachen“ sind so auszulegen wie im Rahmen der EuGVVO, vgl. Erwägungsgrund 17 Rom-I-VO. 576 Martiny, ZEuP 1999, 246, 259. 577 Dagegen in Bezug auf Art. 4 EVÜ Fallenböck, S. 104. 578 Siehe Kap. 8 II. 2. a) aa) (2) (b). 579 Im Ergebnis ebenso Fallenböck, S. 111 in Bezug auf Art. 5 Abs. 1 EVÜ.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Sachqualität oder eben nicht. Gleiches gilt für andere digitale Güter wie zum Beispiel elektronische Architektenleistungen, bei denen die Sachqualität von der Möglichkeit eines Ausdrucks abhinge. Auch der Vergleich mit der EuGVVO und dem CISG legt es nahe, im Rahmen der Rom-I-VO jegliche digitale Güter als Sache einzuordnen.580 Die Einordnung des Erwerbsvorgangs als Kaufvertrag ist dann wieder allenfalls bei einem Vertrag über Individualsoftware problematisch und hat grundsätzlich nichts mit der elektronischen Übermittlungsart zu tun.581 Letztlich dürfte aber die Frage nach der Sachqualität digitaler Güter und der Einordnung ihres Erwerbsvorgangs als Kaufvertrag im Rahmen der Rom-I-VO wenig praktische Relevanz haben. Denn selbst wenn man das Vorliegen eines Kaufvertrages ablehnt, wird regelmäßig ein Dienstleistungsvertrag vorliegen, der dem Recht des Staates unterliegt, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom-I-VO). Steht der Hauptverwaltungs- oder Niederlassungsort fest, ist es beim Erwerb digitaler Güter daher im Ergebnis unerheblich, ob es sich um einen Kauf- oder Dienstleistungsvertrag handelt, es ist jedenfalls das Recht des Anbieters anwendbar.582 Es kommt also nicht – wie beim besonderen Gerichtsstand583 – auf die bei der elektronischen Erfüllung schwierige Frage an, wo die Dienstleistung erbracht wird. Eine engere Verbindung zu einem anderen Staat als zum Recht des Anbieters ist unter der EVÜ vor allem bei Warenbörsen und Versteigerungen angenommen worden. Regelmäßig ist dann das Recht am Börsenplatz beziehungsweise Versteigerungsort angewandt worden.584 Dies wäre zwar unter Art. 4 Abs. 3 Rom-I-VO angesichts der Parallelvorschrift des Art. 4 Abs. 5 S. 2 EVÜ beizubehalten. Allerdings ist diese Regel für den Kauf beweglicher Sachen durch Versteigerung in Art. 4 Abs. 1 lit. g Rom-I-VO selbständig kodifiziert worden. Bei Warenbörsen und Versteigerungen, die an einem physikalischen Ort stattfinden, aber elektronisch abgewickelt werden, ergeben sich keine besonderen Probleme. Schwieriger ist aber zu entscheiden, ob Art. 4 Abs. 1 lit. g, Abs. 3 Rom-I-VO auch dort eingreifen kann oder soll, wo es sich um rein virtuelle Auktions- und Börsensysteme handelt, zum Beispiel eBay.585 Hierzu müsste zunächst der Sitz des Betreibers des Auktions- oder Börsensystems 580

Siehe Kap. 8 B. I. 2. c), aa), (1), (a), (bb) sowie Kap. 8 B. II. 2. a) aa) (2) (a). Siehe Kap. 8 B. I. 2. c), aa), (1), (a), (bb) sowie Kap. 8 B. II. 2. a) aa) (2) (b). 582 So auch Busse, CR 1996, 389, 392 für Art. 28 EGBGB mit dem Zur-VerfügungStellen der Software als vertragscharakteristische Leistung. 583 Siehe Kap. 8 B. I. 2. c), aa), (2), (b). 584 Ferrari, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007), 57, 80. 585 Vgl. zu diesem Problem in Bezug auf Art. 9 des Haager Kaufrechtsübereinkommens von 1986 Kronke, in: Boelke-Woelki/Kessedjian (Hrsg.), Internet – Which Court Decides? Which Law Applies? (1998), 65, 77. 581

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festgestellt werden. Dies ist teilweise schon durch einen Blick auf die Webseite möglich.586 Ob in den Fällen, in denen dies nicht gelingt, der Sitz des Betreibers über die Ausrichtung der Webseite oder über die Toplevel-Domain bestimmt werden kann, ist zweifelhaft. Die Vergabe von Länderdomains ist nicht in jedem Staat gleichermaßen transparent und erfordert nicht zwangsläufig den Nachweis, dass eine Unternehmensniederlassung in dem betroffenen Staat existiert.587 Dementsprechend soll nach Art. 6 Abs. 5 ECC ein Domain-Name oder eine Emailadresse nicht die Vermutung begründen, dass sich eine Niederlassung in diesem Land befindet. Darüber hinaus wird für den Fall des Art. 4 Abs. 3 Rom-I-VO, selbst wenn der Sitz des Systembetreibers klar sein sollte, kaum anzunehmen sein, dass sich hieraus ohne weitere Anhaltspunkte eine offensichtlich engere Verbindung des Vertrages zum Staat des Betreibers ergibt als zum Staat des Anbieters.588 Etwas anderes könnte aber dann gelten, wenn weitere Gesichtspunkte hinzu kommen, die auf einen starken Bezug zum Staat des Betreibers hindeuten, wie eine entsprechende Vertragssprache und Währung.589 Die Kriterien „Währung“ und „Vertragssprache“ sind vereinzelt auch dazu herangezogen worden, um im Zusammenspiel mit der Nutzung eines inländischen Servers und einer inländischen Toplevel-Domain eine engere Verbindung zum Staat des Kunden als zum Staat des Anbieters anzunehmen.590 Als eine in Art. 4 Abs. 1 Rom-I-VO nicht genannte Vertragsart kommen im elektronischen Geschäftsverkehr vor allem Lizenzverträge (etwa über Software) in Betracht. Jedoch können Softwarelizenzverträge bekanntlich je nach Ausgestaltung des Vertrages im Einzelnen schuldrechtlich als Kaufverträge oder als Mietverträge ausgestaltet sein.591 Bei elektronischen Lizenzverträgen ist grundsätzlich der Lizenzgeber als Erbringer der charakteristischen Leistung einzuordnen.592 Ein Ausnahme ist allenfalls dann zu machen, wenn dem Lizenznehmer Ausübungs- und Verwertungspflichten treffen, er also als Zwischenhändler agiert.593 Im Bereich des Cloud-Computing erbringt der Cloud-Computing-Anbieter die vertragscharakteristische Leistung, so dass in der Regel das Recht am Ort 586 Zum Beispiel ist Vertragspartner der eBay-Mitglieder in der EU: eBay Europe S.à r.l. 22–24, Boulevard Royal, 2449 Luxembourg, vgl. . 587 UNCITRAL, Explanatory note, Rn. 119; siehe Kap. 8 B. I. 2. d). 588 So auch Mankowski, CR 1999, 512, 513 in Bezug auf Art. 28 EGBGB 589 Vgl. zu diesen Kriterien LG Kassel, Urteil v. 22.9.1995, CISG-online 370. 590 So Pfeiffer, IPRax 1998, 17, 24 in Bezug auf Art. 4 Abs. 5 S. 2 EVÜ; krit. dazu Fallenböck, S. 107. 591 Lejeune, ITRB 2010, 66, 68. 592 Lejeune, a.a.O., 68; ebenso Fallenböck, S. 102 f. in Bezug auf Art. 4 EVÜ; ähnlich Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 221 in Bezug auf Art. 28 Abs. 2 EGBGB. 593 Lejeune, ITRB 2010, 66, 68.

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seiner Hauptverwaltung zur Anwendung gelangt (Art. 4 Abs. 2 Rom-IVO).594 Außerdem kann Art. 4 Abs. 2 Rom-I-VO dann Bedeutung zukommen, wenn sich bei virtuellen Unternehmen eine Niederlassung nicht ermitteln lässt. Dann könnte man im Wege einer Untervermutung die Hauptniederlassung am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Unternehmensinhabers oder bei Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthalt am Ort des schlichten Aufenthalts zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sehen.595 d) Bedeutung des Herkunftslandprinzips, Art. 3 Abs. 1, 2 ECRL / § 3 TMG Die gefundenen Ergebnisse zur Bestimmung des anwendbaren Rechts anhand der Rom-I-VO könnten aber aufgrund des Herkunftslandprinzips der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ganz grundsätzlich zu korrigieren sein. Nach dem Herkunftslandprinzip dürfen nationale Umsetzungen der E-Commerce Richtlinie596 nur die in dem Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaates niedergelassenen Diensteanbieter betreffen, nicht jedoch die Tätigkeit von Anbietern einschränken, die in einem anderen Mitgliedsstaat niedergelassen sind und in Übereinstimmung mit dem Recht des Niederlassungsortes ihre Leistung erbringen (Art. 3 Abs. 1, 2 Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr). In Deutschland ist das Herkunftslandsprinzip in § 3 TMG umgesetzt. Das TMG gilt für alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TKG, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 TKG oder Rundfunk nach § 2 RStV sind (Telemedien), und für alle Anbieter unabhängig davon, ob für die Nutzung ein Entgelt erhoben wird (§ 1 Abs. 1 TMG). Für elektronische Handelsverträge gilt daher das Herkunftslandprinzip, sofern sie unter den Begriff der „Telemedien“ fallen. Der Begriff der „Telemedien“ beziehungsweise „Telemediendienste“ fasst die vor der Einführung des Telemediengesetzes zu unterscheidende Begriffe der „Teledienste“ und „Mediendienste“ zusammen.597 Teledienste waren vor allem Waren- und Dienstleistungsangebote mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit, die im Internet abgerufen werden konnten (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 TDG). Mediendienste zeichneten 594

Nordmeier, MMR 2010, 151, 152. So Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 229 für Art. 28 EGBGB. 596 Richtlinie 2000/31/ des Europäischen Parlamentes und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) vom 8.6.2000, ABl. EG Nr. L 178 vom 17.7.2000, S. 1. 597 Hoeren, NJW 2007, 801, 802. 595

B. Rechtslage

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sich durch eine Meinungsrelevanz aus, insbesondere redaktionell gestaltete Online-Angebote von Nachrichtenmagazinen und Zeitungen598. Somit erstreckt das TMG seinen Regelungsbereich grundsätzlich auf alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste.599 Damit sind solche elektronische Handelsgeschäfte „Telemediendienste“, die auf dem Onlineangebot von Waren und Dienstleistungen mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit beruhen.600 Ein weiteres Beispiel sind Verträge über Datendienste wie Börsendaten.601 Kein Telemediendienst liegt hingegen vor, wenn zwei Unternehmen über den Austausch von Emails einen individuellen Vertrag schließen. Damit kommt es nicht darauf an, ob Vertragsgegenstand ein physisches Gut (zum Beispiel ein Auto) oder ein digitales Gut (zum Beispiel Software) ist. Entscheidend ist allein die Art und Weise des Angebots über elektronisch abrufbare Datenbanken mit interaktivem Zugriff und unmittelbarer Bestellmöglichkeit.602 Hierfür dürften insbesondere stark individualisierte Güter wie Individualsoftware oder elektronische Architektenleistungen regelmäßig nicht geeignet sein. Damit stellt sich die Frage nach dem kollisionsrechtlichen Gehalt des Herkunftslandprinzips. Hier trifft die Aussage des Art. 1 Abs. 4 E-Commerce Richtlinie / § 1 Abs. 5 TMG, dass die Richtlinie oder das TMG keine Regelung im Bereich des internationalen Privatrecht treffen, auf den Wortlaut von § 3 Abs. 1 TMG, wonach in Deutschland niedergelassene Diensteanbieter und ihre Telemedien den Anforderungen des deutschen Rechts auch dann unterliegen, wenn die Telemedien in einem anderen EU-Staat geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden. Die Folge ist eine bisher ungeklärte Rechtslage.603 Der EuGH hat lediglich klargestellt, dass die E-Commerce Richtlinie keine Umsetzung des Herkunftslandprinzips in Form einer speziellen Kollisionsregel fordert604, schließt eine derartige Umsetzung jedoch nicht aus605. Damit ist die dogmatische Einordnung von § 3 Abs. 1 TMG weiter offen. Für den Fortgang der Untersuchung ist aber nicht die Richtigkeit der verschiedenen Auffassungen entscheidend, sondern ihre Auswirkungen auf das anwendbare Recht bei internationalen elektronischen Handelsverträgen. Verneint man einen kollisionsrechtlichen Gehalt des Herkunftlandsprinzips und nimmt stattdessen ein sachrechtliches Korrektiv an, dann soll das nach dem Kollisionsrecht bestimmte anwendbare Sachrecht, sofern es sich nicht 598

Hoeren, NJW 2007, 801, 802. Heckmann, Kap. 1, Rn. 32. 600 BT-Drs. 13/7385, S. 18 f.; Heckmann, Kap. 1, Rn. 61. 601 BT-Drs. 13/7385, S. 18 f. 602 Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5 TDG. 603 Ausführliche Darstellung bei Schrammen, S. 378 ff. 604 EuGH, 25.10.2011, Rs. C-509/09, C-161/10, GRUR 2012, 300 – eDate Advertising u. Martinez. 605 Leible, LMK 2012, 329468. 599

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um das Recht im Herkunftsstaat des Dienstanbieters handelt, auf den Regelungsinhalt des Herkunftslandsrecht reduziert werden.606 Bejaht man den kollisionsrechtlichen Gehalt, wird das anzuwendende Recht allein durch das Herkunftslandprinzip bestimmt607, es sei denn, man hielte das internationale Schuldvertragsrecht als vom Herkunftslandprinzip unbeeinflusst, da es nur das Wettbewerbsrecht betreffe.608 Auswirkungen auf das anwendbare Recht sind also je nach vertretener Auffassung durchaus denkbar.609 Allerdings dürften diese bei internationalen elektronischen Handelsverträgen nicht sonderlich bedeutend sein610, da Art. 4 Abs. 1 lit. a, b Rom-I-VO bei Kauf- und Dienstleistungsverträgen auf den Ort des Anbieters abstellt, so dass ein sachrechtliches Korrektiv nicht in Betracht kommt und das Herkunftslandprinzip zu keinem anderen Ergebnis führt. Auch bei Anknüpfen an die für den Vertrag charakteristische Leistung wird in der Regel das Anbieterrecht maßgeblich sein, da die Leistung des Anbieters bei Verträgen gegen Entgelt die charakteristische ist. Lediglich bei Fällen, in denen im Rahmen der Rom-I-VO korrigierend oder subsidiär die engste Verbindung maßgeblich ist, kann das Herkunftslandprinzip zu abweichenden Ergebnissen führen. Darüber hinaus werden Herkunftslandprinzip und internationales Privatrecht immer dann zu unterschiedlichen Entscheidungen über das anwendbare Recht kommen, wenn es um elektronische geschlossene Franchise- und Vertriebsverträge geht, die an das Recht des Franchisenehmers beziehungsweise Vertriebshändlers anknüpfen, sowie bei elektronisch geschlossenen Kaufverträgen über bewegliche Sachen im Rahmen einer Versteigerung, sofern auf diese Art. 4 Abs. 1 lit. g Rom-I-VO angewendet wird.611 Nach § 3 Abs. 3 Nr. 3 TMG berührt aber das Herkunftslandprinzip in jedem Fall nicht die Freiheit der Rechtswahl. Die Unternehmen können ihre Privatautonomie in diesem Bereich also ungestört ausüben.

606

So Fezer/Koos, IPRax 2000, 349, 353 f. So Mankowski, CR 2001, 630, 632; Tettenborn/Bender/Lübben/Karenfort, BB 2001, 1, 61. Fraglich ist dann, ob eine Gesamtverweisung auf das Herkunftslandrecht anzunehmen ist, die das nationale Kollisionsrecht einschließt, so Hoeren, MMR 1999, 192, 195, oder, ob es sich um eine reine Sachnormverweisung handelt, so Mankowski, ZVglRWiss 100 (2001) 137, 152; Spindler, IPRax 2001, 400, 401. 608 So Mankowski, IPRax 2002, 257, 264. 609 Gleiches gilt für die Auffassung von Spindler, NJW 2002, 921, 926, der von einer hybriden Konstruktion zwischen Kollisionsrecht und sachrechtlichem Korrektiv ausgeht. 610 So Mankowski, ZVglRWiss 100 (2001) 137, 154 in Bezug auf Art. 28 EGBGB. 611 Bei elektronisch geschlossenen Beförderungs- und Versicherungsverträgen kann es ebenfalls zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, dies ist aber nicht zwingend. 607

B. Rechtslage

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e) Anknüpfung der Vertragsform, Art. 11 Abs. 2 Rom-I-VO Für die Frage, welche Form die zum Vertrag führenden Willenserklärungen erfüllen müssen, sieht Art. 11 Abs. 2 Rom-I-VO vor, dass diese den Formerfordernissen der lex causae oder des Rechts eines der Staaten entsprechen muss, in denen sich die Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befinden. Für elektronische Verträge ist damit klargestellt, dass das Recht bloßer Durchleitungsorte oder Internetknoten, über welche die elektronische Willenserklärung vermittelt wird, keine Bedeutung hat.612 Fraglich ist allerdings, wie es zu werten ist, wenn sich der Server des Erklärenden in einem anderen Staat befindet als der Erklärende selbst und die Willenserklärung mittels eines elektronischen Agenten abgegeben wird, denn Art. 11 Abs. 2 Rom-I-VO stellt bei der Willenserklärung über einen Vertreter nicht auf den Ort des Vertretenen, sondern des Vertreters ab. Auch wenn man elektronische Agenten nicht als Vertreter im juristischen Sinne einordnet, ist es zweifelhaft, warum beim Einsatz eines Internet Call Centers dessen Tätigkeitsort und beim Einsatz eines elektronischen Agenten der Ort des Vertretenen maßgeblich sein soll.613 Für den deutsch-amerikanischen elektronischen Geschäftverkehr bedeutet die Vorschrift indes eine wesentliche Erleichterung, da die strengeren USamerikanischen Formvorschriften des § 2–201 (1) UCC, der für Verträge mit einem Kaufpreis von mehr als USD 500 die Schriftform verlangt, nicht erfüllt werden müssen. f) Zwischenergebnis Bei internationalen elektronischen Handelsverträgen ist von einer Rechtswahl auszugehen, auch wenn der Vertrag nur das streitentscheidende Gericht festlegen sollte. Ob die Rechtswahlvereinbarung auch auf elektronischem Weg wirksam geschlossen werden kann, bestimmt sich nach dem gewählten Recht. Die Rom-I-VO ermöglicht, internationale elektronische Handelsverträge nichtstaatlichen Regeln zu unterwerfen: Hiermit sind allerdings nicht die Lex Mercatoria oder die Lex Informatica gemeint, sondern die von internationalen Organisationen aufgestellten Regelwerke. Insbesondere kommen das MLEC, das MLES sowie der UCITA in Betracht. Bei der Wahl eines neutralen Rechts wie dem „Electronic Transaction Act“ Singapurs, Australiens oder Neuseelands muss das deutsche Gericht in jedem Fall zwingende nationale Vorschriften aus den Bereichen Kartell-, Außenwirtschafts-, Datenschutz- und Steuerrecht beachten, weil diese der Wahrung der öffentlichen Ordnung (des ordre public) dienen.

612 613

Mankowski, CR 1999, 581, 586 zu Art. 11 Abs. 2 EGBGB. Mankowski, a.a.O., 587 hält dies im Ergebnis für die richtige Lösung.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Bei der objektiven Anknüpfung können sich in Bezug auf virtuelle Unternehmen die gleichen Probleme ergeben wie bei der Bestimmung des allgemeinen Gerichtsstandes am Ort der Hauptverwaltung oder Niederlassung. Die bei elektronischen Verträgen möglicherweise schwierige Unterscheidung zwischen Kauf- und Dienstverträgen ist im Bereich der objektiven Anknüpfung deshalb entschärft, weil es in beiden Fällen nicht auf den Ort der Leistungshandlung, sondern auf den Sitz des Anbieters ankommt. Auch auf Verträge im Bereich des Cloud-Computing findet das Recht am Anbietersitz Anwendung. Bei Verträgen, die mit Hilfe virtueller Auktions- und Börsensystemen geschlossen werden, wird regelmäßig der Sitz des Anbieters das Sachrecht determinieren, da der Sitz des Betreibers der Auktions- oder Börsensysteme oft schwer zu bestimmen sein wird und ohne weitere Anhaltspunkte keine offensichtlich engere Verbindung zum Vertrag aufweist als sie der Staat des Anbieters begründet. Offene Fragen sind, ob die Kriterien wie Währung und Vertragssprache im Zusammenspiel mit der Nutzung eines inländischen Servers und einer inländischen Toplevel-Domain eine engere Verbindung zum Staat des Kunden als zum Staat des Anbieters begründen können und welche Partei bei elektronischen Lizenzverträgen die charakteristische Leistung erbringt. Das Herkunftslandprinzip führt im Bereich internationaler elektronischer Handelsverträge nur bei elektronisch geschlossenen Franchise- und Vertriebsverträgen zu anderen Ergebnissen als die Rom-I-VO. 4. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach US-amerikanischem Kollisionsrecht Das Kollisionsrecht (conflict of laws) hat in den USA eine deutliche größere Bedeutung als in den europäischen Rechtssystemen. Grund hierfür ist das föderale System614, das anders als in Deutschland auch für große Teile des allgemeinen Zivilrechts die Gesetzgebungskompetenz bei den Bundesstaaten belässt. In den USA muss daher schon bei inländischen Streitigkeiten, die mehrere Bundesstaaten betreffen, aber keinen Auslandsbezug haben, mit Hilfe des Kollisionsrechts das anwendbare Sachrecht bestimmt werden. Das Kollisionsrecht ist dabei wiederum eine Materie, die im Zuständigkeitsbereich der Bundesstaaten liegt615, so dass die Bundesgerichte nicht etwa spezielles Bundeskollisionsrecht anwenden, sondern vielmehr das Kollisionsrecht

614

G. A. Bermann, S. 211. Diedrich, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 57, Rn. 1; differenzierter G. A. Bermann, S. 224 f., der für federal question-Fälle von bundesrechtlichem Kollisionsrecht spricht, das sich am Restatement (Second) of Conflict of Laws orientiert. 615

B. Rechtslage

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des Bundesstaates, in dem das Bundesgericht sitzt616. Dies gilt letztlich auch für Fälle, bei denen ein Auslandsbezug gegeben ist.617 Es gibt also einheitliche Regelungen für internationale und interlokale Streitigkeiten.618 Die kollisionsrechtlichen Regelungen entspringen dabei überwiegend ungeschriebenem Richterrecht619, das zwischen den einzelnen Bundesstaaten nicht grundlegend divergiert.620 Eine Vereinheitlichung bewirken vor allem das Restatement (Second) of Conflicts of Laws621 und § 1–301 UCC für die Rechtswahl. Bei internationalen Fällen ist allerdings das CISG vorrangig.622 Hinsichtlich des CISG kann auf obige Ausführungen verwiesen werden.623 Anzumerken ist aber, dass die USA vom Vorbehalt des Art. 95 CISG Gebrauch gemacht haben, wonach Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG keine Anwendung findet. Kommt also eine Vertragspartei aus den USA, reicht es für die Anwendbarkeit des CISG nicht aus, dass die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendbarkeit amerikanischen Rechts führen; vielmehr ist das CISG nur dann anwendbar, wenn auch die andere Partei aus einem Vertragsstaat stammt, also der Fall des Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG vorliegt. a) Rechtswahl Die Möglichkeit, das anwendbare Recht durch Parteivereinbarung zu bestimmen, ist auch im US-amerikanischen Recht grundsätzlich anerkannt.624 Zwischen Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarungen wird hier ebenfalls unterschieden, die Vermutung einer Rechtswahl bei Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung besteht nicht zwangsläufig.625

616

Klaxon Co. v. Stentor Elec. Mfg. Co., 313 U.S. 487, 496 (1941); Day & Zimmermann, Inc. v. Challoner, 423 U.S. 3, 4 (1975). 617 Day & Zimmermann, Inc. v. Challoner, 423 U.S. 3, 4 (1975); G. A. Bermann, S. 225. 618 Fallenböck, S. 39. 619 Nur im Bundesstaat Louisiana gibt es ein kodifiziertes Kollisionsrecht. Hintergrund ist der starke französische Einfluss auf diesen Bundesstaat in der Vergangenheit. Vgl. Hay, Rn. 14. 620 G. A. Bermann, S. 212. 621 Diedrich, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 57, Rn. 1 spricht von präziser Kompilation der einzelstaatlichen Regelungen. 622 Calzaturificio Claudia s.n.c. v. Olivieri Footwear, 1998 U.S. Dist. LEXIS 4586, 1, 12 (SDNY 1998); G. A. Bermann, S. 231. 623 Siehe Kap. 8. B. II. 2. 624 § 187 Restatement (Second) of Conflict of Laws; anders noch die ältere Rechtsprechung: Haag v. Barnes, 9 N.Y.2d 554, 559 (NY 1961) Rechtswahl nur als ein Faktor bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts; in diese Richtung auch Winn/Wright, S. 3–37. 625 Maljack Productions, Inc. v. Survival Anglia Ltd., 1999 U.S. Dist. LEXIS 4094, 1, 6 ff. (D. ND Ill.1999).

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Die Wirksamkeit einer Rechtswahlvereinbarung wird regelmäßig nach dem Recht des Forums bestimmt.626 Dabei gelten die allgemeinen Regeln über das Zustandekommen von Verträgen, denn die Rechtswahl wird nicht als besonderer Vertrag angesehen.627 Somit ist auch eine Rechtswahlklausel in AGB möglich, die zwar einer allgemeinen AGB-Kontrolle unterfallen würde, aber nicht deshalb unwirksam ist, weil das Recht eines Staates gewählt wird, zu dem der Klauselverwender einen besseren Zugang hat628. Ein strenger Maßstab würde nicht dem US-amerikanischen AGB-Recht entsprechen. Allerdings sind die Parteien in ihrer Wahl des anwendbaren Rechts nicht völlig frei, wobei die genauen Grenzen jedoch unklar sind. Richterrechtlich wird – vor dem Hintergrund von § 1–105 (1) UCC a.F. – überwiegend eine vernünftige Verbindung zu den Parteien oder zur Transaktion gefordert629. Auch die Sonderregel in § 1.13 (a) ALI Principles für Rechtswahlklauseln in AGB von Softwareverträgen verlangt eine angemessene Beziehung der Transaktion zum gewählten Recht. Danach kann jedenfalls kein neutrales Recht gewählt werden.630 Ob internationale Regelwerke oder eine transnationale Lex Mercatoria oder Lex Informatica zulässiger Gegenstand einer Rechtswahl sein können, insbesondere wenn eine vernünftige Beziehung zu einer internationalen elektronischen Transaktion vorliegt, ist bisher – soweit ersichtlich – nicht entschieden. Liberaler sind die neueren § 1–301 (c) UCC sowie § 187 (1) Restatement (Second) of Conflicts of Laws, die zumindest für die Bereiche, die durch Parteivereinbarung geregelt werden können, auf das Erfordernis der angemessenen Verbindung verzichten. Für Verträge über Computerinformationen enthält § 109 (a) UCITA eine eigene Vorschrift zur Rechtswahl. Diese erlaubt bei Handelsverträgen, das Recht durch Parteivereinbarung zu bestimmen, und verzichtet dabei darauf, die Freiheit der Wahl durch das Erfordernis einer angemessenen Verbindung zu begrenzen. Nach dem Restatement und dem UCITA ist damit zumindest von der Zulässigkeit der Wahl eines neutralen Rechts auszugehen. Ob darüber hinaus auch nichtstaatliches Recht in seinen verschiedenen Ausprägungen gewählt werden kann, ist bisher wohl noch nicht geklärt.631

626

G. A. Bermann, S. 218 mit kritischen Anmerkungen. Diedrich, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 57, Rn. 7. 628 A.A. Diedrich, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 57, Rn. 8. 629 G. A. Bermann, S. 220. 630 Boss, 32 The International Lawyer 1998, 1067, 1074. 631 Ablehnend Fallenböck, S. 76. 627

B. Rechtslage

231

b) Objektive Anknüpfung Liegt keine Rechtswahlvereinbarung vor, ist es schwierig, eine allgemeine Aussage für alle bundesstaatlichen Kollisionsrechte über die dann notwendige objektive Anknüpfung zu treffen. Grundsätzlich gibt es für das Vertragsrecht zwei Ansätze, die in den Bundesstaaten praktiziert werden. Nach dem traditionellen Ansatz wird an den Ort des Vertragsschlusses oder aber an den Ort der Leistungserbringung angeknüpft; der Ansatz ist also territorial geprägt.632 Der modernere Ansatz schaut hingegen auf das Interesse der Staaten am Ausgang des Streits.633 In diese Richtung bewegt sich § 6 Restatement (Second) Conflict of Laws, der die relevanten Staatsinteressen näher definiert: „Bedürfnisse zwischenstaatlicher und internationaler Systeme“ (a), „relevante Grundsätze des Forums“ (b), „relevante Grundsätze anderer interessierter Staaten und das relative Interesse dieser Staaten an der Entscheidung der konkreten Frage“ (c), „Schutz begründeter Erwartungen“ (d), „grundlegende Richtlinien des betroffenen Rechtsgebiets“ (e), „Sicherheit, Vorhersehbarkeit und Einheitlichkeit der Ergebnisse“ (f) und „Leichtigkeit bei der Bestimmung und Anwendung des gewählten Rechts“ (g). Auf diese Grundprinzipien nimmt auch der für das Vertragsrecht relevante § 188 Restatement (Second) of Conflict of Laws Bezug. Danach ist das Recht des Staates anzuwenden, der zur Transaktion und den Parteien die bedeutendste Verbindung (most significant relationship) aufweist. Als Kriterien zur Bestimmung dieser Verbindung nennt § 188 (2) Restatement (Second) of Conflict of Laws den Ort des Vertragsschlusses, den Ort der Vertragsverhandlungen, den Ort der Vertragserfüllung, den Belegenheitsort des hauptsächlichen Vertragsgegenstandes sowie den Wohnsitz, den Aufenthaltsort, die Staatsangehörigkeit, den Registrierungssitz und den Geschäftssitz der Vertragsparteien. § 1–105 (2) UCC a.F. sprach hingegen nur von einer „angemessenen Verbindung“ (appropriate relationship) zwischen Transaktion und Staat des anwendbaren Rechts. Das Anknüpfungskriterium der bedeutendsten Verbindung übernimmt § 109 (b) (3) UCITA für Verträge über Computerinformation. Zur Bestimmung sollen auch hier die Kriterien des § 188 (2) Restatement (Second) of Conflict of Laws herangezogen werden.634 Darüber hinaus sollen aber auch die in § 6 Restatement (Second) of Conflict of Laws genannten Grundprinzipien „Bedürfnisse staatsübergreifender und internationaler Systeme“, „relative Interessen des Forumstaates oder anderer interessierter Staaten an einer Entscheidung der speziellen Streitfrage“, „Schutz berechtigter Erwartungen

632

G. A. Bermann, S. 226. G. A. Bermann, S. 226 f.; Winn/Wright, S. 3–36 f. 634 § 109 UCITA comm. 4. 633

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

der Vertragsparteien“ und „Förderung von Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und einheitlicher Ergebnisse“ beachtet werden.635 Im Vergleich zu den territorialen Kriterien des § 188 (2) Restatement (Second) of Conflict of Laws dürften die Grundprinzipien des § 6 Restatement (Second) of Conflict of Laws für elektronische Verträge hilfreicher sein.636 Ob ihr allgemeiner Charakter aber zu einem Heimwertstrend zugunsten der lex fori führt637, muss die Praxis zeigen. Der Grundregel des § 109 (b) (3) UCITA gehen zwei spezielle Anknüpfungsregeln für Zugangsverträge (access contract)638 einerseits und Verträge über die elektronische Lieferung einer Kopie (contracts providing for electronic delivery of a copy) andererseits vor, die in § 109 (b) (1) UCITA enthalten sind. In beiden Fällen findet das am Ort der Niederlassung des Anbieters geltende Recht Anwendung.639 Der Ort der Niederlassung bestimmt sich dabei nach § 109 (d) UCITA, der beim Fehlen einer physischen Niederlassung oder Hauptverwaltung hilfsweise auf den Gründungssitz640 oder den Aufenthaltsort der Gesellschafter zurückgreift. Für internationale Verträge werden jedoch sowohl die allgemeinen als auch die besonderen Anknüpfungsregeln eingeschränkt. Gemäß § 109 (c) UCITA kann ein Recht außerhalb der USA nur dann zur Anwendung kommen, wenn es im Allgemeinen mit dem UCITA vergleichbare Schutzvorschriften und Rechte (substantially similar protections and rights) für die Partei bereithält, die nicht dort ansässig ist, wo dieses Recht gilt. Ist dies nicht der Fall, gilt das Recht des US-amerikanischen Bundesstaates, der die bedeutendste Verbindung zu der Transaktion hat. Diese Einschränkung der Anknüpfungsregeln für internationale Verträge wirft eine Reihe von Fragen auf. Erstens ist bereits unklar, welche Regeln des UCITA den Vergleichsmaßstab definieren. Während als „Rechte“ im Sinne des § 109 (c) UCITA die Vorschriften zu den Leistungsstandards der §§ 401 ff. UCITA und die Rechtsbehelfe für vertragsbrüchiges Verhalten der 635 § 109 UCITA comm. 4. Es handelt es sich hierbei also nicht, wie Diedrich, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 57, Rn. 9 ausführt, um gänzlich neue Anknüpfungspunkte, die für Rechtsunsicherheit sorgen würden. 636 So auch Diedrich, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 57, Rn. 10. 637 So die Prognose von Diedrich, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 57, Rn. 10. 638 Bei einem Zugangsvertrag besteht die alleinige Leistungspflicht darin, der anderen Partei mit elektronischen Mitteln Zugang zu einem Informationsverarbeitungssystem zu verschaffen, vgl. § 102 (a) (1) UCITA. 639 So auch § 1.13 (b) (2) ALI Principles für Softwareverträge, die im Wesentlichen auf AGB beruhen. 640 So auch § 1.13 (b) (4) ALI Principles für Softwareverträge, die im Wesentlichen auf AGB beruhen.

B. Rechtslage

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§§ 801 ff. UCITA in Betracht kommen, sind Schutzvorschriften nicht ohne weiteres ersichtlich.641 Zweitens führt § 109 (c) UCITA in seiner praktischen Anwendung im Ergebnis dazu, dass eine rechtsvergleichende Analyse des anzuwendenden Vertragsrechts des ausländischen Staates vorgenommen werden muss.642 Das UCITA legt sich also selbst als Standard fest, an dem sich jede ausländische Rechtsordnung zu messen hat. Dies ist letztlich eine eindeutige Benachteiligung ausländischer Vertragsparteien sowie ein Anreiz zum Heimwärtsstreben US-amerikanischer Gerichte zugunsten der lex fori643. c) Zwischenergebnis Anders als nach der Rom-I-VO bestimmt sich die Wirksamkeit einer Rechtswahlvereinbarung nach US-amerikanischem Kollisionsrecht nach der lex fori. Damit ist das US-amerikanische Recht zum elektronischen Vertragsschluss maßgeblich für die Wirksamkeit von Rechtswahlvereinbarungen in elektronischen Verträgen; mithin ist ihr wirksamer Abschluss möglich, auch durch Einbeziehung von AGB. Die Grenzen der Rechtswahl sind im US-amerikanischen Kollisionsrecht bisher nicht abschließend geklärt, insbesondere ist weitestgehend ungeklärt, ob die Wahl internationaler, nichtstaatlicher Regelwerke oder der Lex Mercatoria oder der Lex Informatica möglich sind. Ob ein neutrales staatliches Recht wählbar sein soll, wird unterschiedlich beantwortet. Hintergrund für diese Einschränkung der Privatautonomie dürfte sein, dass US-amerikanische Gerichte traditionell mit der Anerkennung von Rechtswahlvereinbarungen zurückhaltend sind.644 Auch für die objektive Anknüpfung stehen sich verschiedene Ansätze gegenüber, die eine eindeutige Prognose darüber verhindern, welches Recht ein US-amerikanisches Gericht unter welchen Umständen auf einen internationalen elektronischen Handelsvertrag anwenden wird. Das UCITA als spezielles Recht für Verträge über Computerinformation enthält darüber hinaus für internationale Verträge eine kollisionsrechtliche Regelung, die ausländische Vertragsparteien eindeutig benachteiligt und einen Anreiz zum Heimwärtsstreben US-amerikanischer Gerichte setzt. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass es um einen Vertrag zwischen einem USamerikanischen Anbieter und einem ausländischen Abnehmer geht, da dann das UCITA für (Datenbank-)Zugangsverträge und Verträge, die auf elektronischem Weg erfüllt werden, das Recht am Niederlassungsort des Anbieters

641

Diedrich, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 57, Rn. 14. 642 Diedrich, a.a.O., Rn. 14. 643 Diedrich, a.a.O., Rn. 14. 644 Boss, 32 The International Lawyer 1998, 1067, 1073.

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ohnehin für anwendbar erklärt, ohne – wie die Rom-I-VO – ein Korrektiv in Form des Kriteriums der engsten Verbindung zu enthalten. III. Sachrecht Ist das zuständige Gericht und über das internationale Privatrecht das auf den Vertrag anwendbare Sachrecht bestimmt, so hat das Gericht dieses anzuwenden und auszulegen. Die Globalität des Vertrages ist auf dieser Ebene kein Rechtsunsicherheitsfaktor mehr, da das Sachrecht in Deutschland und den USA nicht zwischen ausländischen und nationalen Vertragsparteien unterscheidet. Hingegen kann die Digitalisierung des Geschäftsverkehrs auch bei der Anwendung und Auslegung des Sachrechts Rechtsunsicherheit bedingen, wenn das Sachrecht ausschließlich auf die traditionelle Geschäftsabwicklung zugeschnitten und nur begrenzt auf elektronische Geschäfte übertragbar ist. 1. Anwendung und Auslegung des CISG bei elektronischen Verträgen Das CISG enthält neben seiner kollisionsrechtlichen Komponente vor allem auch sachrechtliche Vorschriften. a) Ungeregelte Bereiche des CISG Wie bereits bei der Darstellung des Kollisionsrecht angeführt645, regelt das CISG nur den Abschluss eines Kaufvertrages und die aus ihm erwachsenden Rechte und Pflichten des Verkäufers und des Käufers (Art. 4 S. 1 CISG). Das CISG betrifft insbesondere nicht die Gültigkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen oder die Gültigkeit von Gebräuchen sowie die Wirkungen, die der Vertrag auf das Eigentum an der verkauften Ware haben kann (Art. 4 S. 2 CISG). Diese Grundsätze sind allerdings weniger eindeutig als sie auf den ersten Blick scheinen mögen. So gibt es einige Bereiche des Vertragsrechts, bei denen die Einordnung unter die Oberbegriffe „Abschluss des Kaufvertrages“, „Rechte und Pflichten des Verkäufers und des Käufers“ und „Gültigkeit des Vertrages“ Schwierigkeiten bereitet. Hintergrund ist, dass für diese Termini keine klare Definition existiert und sie darüber hinaus an sich ungenau sind. Wie wenig erfolgreich bisherige Definitionsversuche waren, zeigt exemplarisch die US-amerikanischen Entscheidung Geneva Pharmaceuticals Tech. v. Barr Lab. Hier führte das Gericht aus, dass unter „Gültigkeit des Vertrages“ jeder Gesichtspunkt zu verstehen sei, der nach nationalem Recht den

645

Siehe B. II. 2. b).

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Vertrag unwirksam, aufhebbar oder erzwingbar mache.646 Demnach würde also über das nationale Recht der Regelungsbereich des CISG bestimmt.647 Dies kann im Hinblick auf divergierende nationale Rechte nicht zur Rechtssicherheit beitragen und würde auch dem Grundsatz der autonomen Auslegung des CISG (Art. 7 Abs. 1 CISG) widersprechen. Die Schwierigkeiten, eine praktikable Definition zu finden, dürfte in der Ungenauigkeit begründet sein, mit welcher der Wortlaut des CISG seinen Regelungsbereich beschreibt. So fallen die Grundsätze zur Auslegung von Erklärungen und sonstigem Parteiverhalten, die eindeutig in Art. 8 CISG geregelt sind, weder unter den „Abschluss von Kaufverträgen“ noch unter „Rechte und Pflichte des Käufers und Verkäufers“; gleiches gilt für die Vertragsänderung und Vertragsaufhebung nach Art. 29 CISG.648 Diese Schwierigkeiten haben für den Rechtsanwender die praktische Konsequenz, dass er bei unklarer Rechtslage entscheiden muss, ob die Streitfrage einen im CISG geregelten Gegenstand betrifft. Ist dies nicht der Fall, kann er in einem nächsten Schritt sofort auf das anwendbare nationale Recht zurückgreifen, das nach internationalem Privatrecht zu bestimmen ist.649 Betrifft aber die Streitfrage einem im CISG geregelten Gegenstand, obwohl das CISG keine Vorschrift enthält, die die Streitfrage ausdrücklich entscheidet, dann muss in einem Zwischenschritt zunächst versucht werden, den Streit nach den allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden, die dem CISG zugrunde liegen (Art. 7 Abs. 2 CISG). Erst wenn auch dies nicht möglich ist, kann auf nationales Recht zurückgegriffen werden. Im Ergebnis geht es also um eine zentrale Weichenstellung für das anwendbare Recht und die damit verbundenen Kosten für die Vertragsparteien. Art. 4 CISG und Art. 7 Abs. 2 CISG werfen also bei der Bestimmung des sachrechtlichen Gehaltes des CISG Fragen auf, die für elektronische Handelsverträge insbesondere dann relevant sind, wenn die aus ihnen erwachsende Streitigkeit aus den Bereichen der Stellvertretung, der Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen, der AGB sowie der Fehlerbehandlung entstammt. Darüber hinaus kann sich bei elektronischen Handelsverträgen vor allem, wenn digitale Güter Vertragsgegenstand sind, auf der Sachrechtsebene die Frage stellen, ob der Streit auf der Grundlage des Vertrags- oder des Urheberrechts zu entscheiden ist. Das CISG trifft als Vertragsrechtskonvention – mit Ausnahme von Art. 42 CISG – keine Aussagen zum Recht des geistigen Eigentums, so dass es bei internationalen elektronischen Handelsverträgen zu 646

Geneva Pharmaceutical Technology Corp. v. Barr Laboratories, Inc. 201 F. Supp. 2d. 236, 282 (SDNY 2002). 647 Kröll, 25 J.L. & Com. 2005/06, 39, 40. 648 Kröll, a.a.O., 39, 41. 649 Kröll, a.a.O., 39, 39.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Abgrenzungsproblemen zwischen CISG und nationalem Urheberrecht kommen kann. aa) Stellvertretung, Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen, allgemeine Geschäftsbedingungen, Fehlerbehandlung Die Rechtsprechung ist sich grundsätzlich darüber einig, dass sich das CISG nicht auf den Bereich der Stellvertretung erstreckt.650 In einer USamerikanischen Entscheidung lehnte das Gericht die Stellvertretung eines kanadischen Verkäufers durch einen US-amerikanischen Händler ab, weil die nationalen Stellvertretungsvoraussetzungen nicht erfüllt waren.651 Geht man vom deutschen Konzept der §§ 164 ff. BGB aus, dann ist das Vorliegen der Vertretungsmacht nach nationalem Recht zu bestimmen, während das Handeln in fremden Namen dem CISG untersteht, weil insofern die Grundsätze über die Auslegung von Erklärungen und Parteiverhaltens Anwendung finden652, die in Art. 8 CISG geregelt sind. Für den Einsatz elektronischer Agenten ist daraus zu schließen, dass sich die Bewertung ihres Einsatzes nach dem CISG und nicht nach nationalem Recht richtet.653 Denn auf elektronische Agenten ist Stellvertretungsrecht nicht anzuwenden, sondern es geht um die Bestimmung des Erklärungswerts eines bestimmten Verhaltens eines elektronischen Agenten.654 Hingegen unterfällt die Frage von Rechtsscheinsvollmachten im elektronischen Geschäftsverkehr nicht dem CISG.655 Anerkannt ist grundsätzlich, dass das CISG nicht Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit betrifft. Da aber Schieds- oder Gerichtsstandsvereinbarungen oft in einem Vertrag enthalten sind, auf den das CISG anwendbar ist, wäre es denkbar, auch die Frage der Wirksamkeit der Schieds- oder Gerichtsstandsvereinbarungen dem CISG zu unterstellen. Diesen Weg haben dann auch insbesondere US-amerikanische Gerichte gewählt.656 Die deutsche Rechtsprechung und Literatur haben hingegen die Anwendbarkeit des CISG auf Schieds- oder Gerichtsstandsvereinbarungen

650 KG, 2 U 7418/92, Urteil v. 24.1.1994, CLOUT Nr. 80; Obergericht Thurgau (Schweiz), Urteil v. 19.12.1995, CLOUT Nr. 334; OLG Schleswig, IHR 2009, 243, 244. 651 Asante Technologies, Inc. v. PMC-Sierra, Inc., C 01–20230 JW, Urteil v. 27.7.2001 (N.D. Cal. 2001), . 652 Oberster Gerichtshof (Österreich), 1 Ob 49/01i, Urteil v. 22.10.2001, . 653 Offen gelassen in Sorieul, Bus. L. Int'l 2000, 380, 383. 654 Ferrari, The European Legal Forum 2000/01, 301, 302. 655 OLG Schleswig, IHR 2009, 243, 244 f. in Bezug auf Bestellungen per Email ohne klarstellenden Rechtsformzusatz. 656 Chateau Des Charmes Wines LTD. v. Sabate USA Inc., 328 F.3d 528, 530 (9th Cir. 2003).

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verneint.657 Hintergrund dieser unterschiedlichen Behandlung dürfte die divergierende Charakterisierung solcher Vereinbarungen sein. Während das deutsche Recht in Schieds- oder Gerichtsstandsvereinbarungen einen eigenständigen Vertrag sieht, sind sie nach US-amerikanischem Recht nur Teil des Hauptvertrages. In der Praxis wird es also letztlich darauf ankommen, vor welchem Gericht eine Schieds- oder Gerichtsstandsvereinbarung geltend gemacht wird. Trotz der Tatsache, dass das CISG für AGB keine speziellen Regelungen enthält, ist in der deutschen und US-amerikanischen Rechtsprechung anerkannt, dass das CISG für die Frage der Einbeziehung von AGB maßgeblich ist.658 Hingegen richtet sich die Inhaltskontrolle nach allgemeiner Auffassung nach nationalem Recht.659 Allerdings soll das CISG dahingehend in das nationale Recht hineinwirken, dass das nationale Recht keine Vertragsklausel zulassen darf, die von den Grundprinzipien des CISG abweicht.660 Die schwierige Frage der wirksamen Einbeziehung von elektronisch gestellten AGB richtet sich also nach dem CISG, während der Bereich der Inhaltskontrolle, bei dem sich zwischen papierbasierter und elektronischer Geschäftsabwicklung keine wesentlichen Unterschiede ergeben, nach nationalem Recht zu entscheiden ist. Nach ganz überwiegender Meinung erstreckt sich das CISG auch auf Irrtümer, die einer Partei in Bezug auf die Eigenschaften der Ware unterlaufen.661 Im Umkehrschluss bedeutet dies aber, dass sich sonstige Irrtümer nach nationalem Recht richten. Dies gilt auch für Tippfehler oder die unbeabsichtige Abgabe von Erklärungen, für deren Auftreten bei elektronischen Vertragsabschlüssen eine größere Wahrscheinlichkeit besteht. bb) Verhältnis zum Recht des geistigen Eigentums Es ist bereits erwähnt worden, dass das CISG den Bereich des Urheberrechts grundsätzlich ausspart. Deshalb stellt sich aber die Frage, wie das Verhältnis 657

LG Duisburg, RIW 1996, 774, 775; Kröll, 25 J.L. & Com. 2005/06, 39, 44 f. BGH, IHR 2002, 14, 15; MCC-Marble Ceramic Center, Inc. v. Ceramica Nuova D'Agostino, S.p.A., C 01–20230 JW, Urteil v. 29.6.1998, CLOUT Nr. 222 (11th Cir. 1998); Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/Schroeder, Art. 14 CISG, Rn. 33; StaudingerMagnus, Art. 14 CISG, Rn. 40. 659 AG Nordhorn, 3 C 75/94, Urteil v. 14.6.1994, ; Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int'l L. 2003, 263, 281; Schmitz, MMR 2000, 256, 260; Staudinger-Magnus, Art. 14 CISG, Rn. 42; a.A. Lejeune, in: Ulrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 311, Rn. 639. 660 Oberster Gerichtshof (Österreich), 8 Ob 22/00v, Urteil v. 7.9.2000, ; zustimmend: Kröll, 25 J.L. & Com. 2005/06, 39, 55. 661 Oberster Gerichtshof (Österreich), 2 Ob 100/00w, Urteil v. 13.4.2000, CLOUT Nr. 426; Staudinger-Magnus, Art. 4 CISG, Rn. 48. 658

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von Vertragsrecht in Form des CISG und Urheberrecht in Form von nationalem Recht aufzulösen ist, wenn mittels vertraglicher Vereinbarungen versucht wird, urheberrechtliche Positionen im digitalen Umfeld zu schützen. Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage ist Art. 42 Abs. 1 CISG. Hiernach ist der Verkäufer verpflichtet, die Ware frei von Rechten oder Ansprüchen Dritter zu liefern, die auf gewerblichem oder anderem geistigen Eigentum beruhen. Allerdings besteht diese Verpflichtung nicht in Fällen, in denen der Käufer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das Recht oder den Anspruch kannte oder darüber nicht in Unkenntnis sein konnte (Art. 42 Abs. 2 lit. a CISG).662 Aus letzterem folgt, dass der Käufer einen urheberrechtlichen Anspruch eines Dritten gegen sich gelten lassen muss, der ihm vom Verkäufer beim Vertragsschluss mitgeteilt worden ist. Somit bleibt das CISG grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn urheberrechtliche Positionen im digitalen Umfeld durch vertragliche Vereinbarungen geschützt werden.663 Indes spricht Art. 42 Abs. 2 lit. a CISG nur von Rechten Dritter, so dass die Vorschrift nicht einschlägig ist, wenn der Verkäufer selbst alle Urheberrechte innehat, aber sie nicht vollständig übertragen möchte.664 In diesem Fall wäre er grundsätzlich dazu verpflichtet, alle Rechte an der Ware an den Käufer zu übertragen (Art. 30 CISG). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das CISG vom Grundsatz der Parteiautonomie geprägt ist und es den Parteien offensteht, Bestimmungen des Übereinkommens durch Vereinbarung zu ändern (Art. 6 CISG). Der Verkäufer kann daher auf vertraglichem Weg Rechte oder Nutzungen von der Übertragung auf den Käufer ausschließen. b) Parteiautonomie Der Grundsatz der Parteiautonomie ist ein wesentliches Charakteristikum des CISG. Besonders deutlich wird dies in Art. 6 CISG. Nach dieser Vorschrift können die Parteien nicht nur die Anwendung des CISG in seiner Gesamtheit ausschließen, sondern auch vom CISG abweichende Regelungen treffen. Im Zusammenhang mit elektronischen Verträgen wird diese Möglichkeit insbesondere beim EDI in Anspruch genommen, wenn in Rahmenverträgen neben dem Ablauf der Datenkommunikation beispielsweise auch Haftungsfragen geregelt werden.665 Denkbar ist, dass Rahmenverträge einer bestimm-

662

Für eine ausführliche Darstellung der Tatbestandsvoraussetzungen im Hinblick auf Urheberrechtsverletzung vgl. Metzger, RabelsZ 73 (2009) 842, 850 ff. 663 Diedrich, 6 The Vindobona Journal of International Commercial Law and Arbitration 2002, Supplement 55, 70. 664 Diedrich, 6 The Vindobona Journal of International Commercial Law and Arbitration 2002, Supplement 55, 70. 665 Wulf, S. 132; ein gutes Beispiel findet sich in § 14 deutscher EDI-Rahmenvertrag, vgl. dazu Kilian, EDI-Rahmenvertrag, § 14, Rn. 1 ff.

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ten Branche zum Handelsbrauch werden, der die Parteien dann gemäß Art. 9 Abs. 1 CISG bindet.666 Im Rahmen von IT-Outsourcing-Verträgen wird ebenfalls umfassend von der Möglichkeit der Privatautonomie Gebrauch gemacht.667 In langen Vertragswerken werden insbesondere die geschuldeten Leistungsstandards genau festgelegt, die gesetzlichen Regelungen für den Fall der Schlecht- oder Nichtleistung ausgeschlossen und durch ein eigenes Sanktionsregime ersetzt.668 Die Vertragspraxis entspricht im Wesentlichen dem international üblichen Vorgehen bei Unternehmenskaufverträgen (merger & acquisition) und entstammt ursprünglich dem angloamerikanischen Rechtskreis. c) Elektronischer Vertragsschluss Der Vertragsschluss mit elektronischen Mitteln wirft im Anwendungsbereich des CISG Fragen hinsichtlich der Schriftform, des Vorliegens eines Angebots, des Wirksamwerdens von elektronischen Erklärungen, des Ortes des Vertragsschlusses sowie des Vertragsschlusses bei Versteigerungen auf. aa) Erfüllung eines Schriftform- und Unterschrifterfordernis durch elektronische Kommunikation Gegen den Einsatz von elektronischer Kommunikation beim Vertragsschluss ergeben sich grundsätzlich immer dann Bedenken, wenn unklar ist, ob und gegebenenfalls wie ein Schriftform- oder Unterschriftserfordernis erfüllt werden kann. Solche Formerfordernisse können sowohl gesetzlicher als auch vertraglicher Natur sein. Ist das CISG anwendbar, kommt jedoch allenfalls letzteres in Betracht, da für Vertragsabschlüsse unter dem CISG der Grundsatz der Formfreiheit gilt (Art. 11 CISG). Haben die Parteien in ihrem Vertrag nicht die Schriftform vereinbart, ist ein elektronisch geschlossener Vertrag nach dem CISG grundsätzlich also nicht schon allein aufgrund seiner Form unwirksam.669 Einzige Ausnahme ist der Fall, dass eine Partei ihre Niederlassung in einem Vertragsstaat hat, der die Nichtgeltung von Art. 11 CISG erklärt hat (Art. 96 CISG).

666

Eiselen, 6 EDI Law Review 1999, 21, 37. Bartsch, in: Hofmann-Becking/Rawert (Hrsg.), Beck’sches Formularhandbuch (2010), Teil III G Nr. 7. 668 Schumacher, MMR 2006, 12, 12 ff. 669 CISG-Advisory Council, Electronic Communications under CISG, com. 11.1, ; Sorieul, Bus. L. Int'l 2000, 380, 383; vgl. auch OLG Schleswig, IHR 2009, 243, 244 sowie Gericht von Banska Bystrica (Slowakei), Urteil v. 22.2.2008, , für einen per Email abgeschlossenen Vertrag, wobei das Gericht jeweils von der Wirksamkeit des Vertrages ausging, ohne auf Formfragen einzugehen. 667

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Für US-amerikanische Vertragsparteien kann diese Formfreiheit ungewohnt sein, denn in ihrem nationalen Vertragsrecht sind ab einem gewissen Gegenstandswert (Kaufverträge über USD 500 (§ 2–201(1) UCC), Zessionen über USD 5.000 (§ 1–206 UCC), Verträge über Computerinformationen über USD 5.000 (§ 201 (a) (1) UCITA)) Formerfordernisse (Schriftform (§ 2– 201(1) UCC, § 1–206 UCC), authentifizierte Aufzeichnung (§ 201 (a) (1) UCITA)) vorgesehen. Der Grundsatz der Formfreiheit ist auch in Art. 9 Abs. 1 ECC normiert. Sollten die Parteien einen schriftlichen Vertrag geschlossen haben, der für spätere Vertragsänderung oder Vertragsaufhebung ein gewillkürtes Formerfordernis vorsieht, stellt sich die Frage, ob das Formerfordernis auch durch elektronische Kommunikation erfüllt werden kann. Eine ähnlich gelagerte Frage ist, ob elektronische Kommunikation auch in den Fällen wirksam eingesetzt werden kann, für die das CISG eine schriftliche Erklärung verlangt. (1) Der Vorbehalt des Art. 96 CISG Ein Vertragsstaat, nach dessen Rechtsvorschriften Kaufverträge schriftlich zu schließen oder nachzuweisen sind, kann eine Erklärung abgeben, dass Art. 11 CISG (und Art. 29 CISG) nicht gelten soll, wenn eine Partei ihre Niederlassung in diesem Staat hat (Art. 96 CISG).670 Ob dieser Ausschluss allerdings bewirkt, dass die Formvorschrift des nationalen Rechts zur Anwendung kommt, wenn die Regeln des internationalen Privatrechts auf das Recht des Vorbehaltstaates verweisen671, ist umstritten.672 Art. 96 CISG verweist nämlich nur auf Art. 11 CISG, nicht aber auf Art. 13 CISG. Letzterer erklärt, dass für das CISG der Ausdruck „schriftlich“ auch Mitteilungen durch Telegramm oder Fernschreiben umfasst, insofern also ein Formverständnis gilt, das unter Umständen weniger streng ist als das nationale Recht. Wäre Art. 13 CISG dann trotz eines Vorbehalts nach Art. 96 CISG weiterhin anwendbar, könnte bereits eine Erklärung den Formanforderungen genügen, die zwar den Maßstab des Art. 13 CISG, nicht aber den strengeren Maßstab des nationalen Rechts erfüllt.673 670

Hiervon haben Argentinien, Armenien, Weissrussland, Chile, Ungarn, Paraguay, Russland und die Ukraine Gebrauch gemacht, vgl. . 671 Dafür: Eiselen, 6 EDI Law Review 1999, 21, 35; Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 13 CISG, Rn. 1. 672 In der Rechtsprechung wird diese Frage – soweit ersichtlich – bisher nicht adressiert. In China International Economic & Trade Arbitration Commission, Entscheidung v. 15.12.1997, CLOUT Nr. 715 ist hinsichtlich Art. 96 CISG lediglich klargestellt, dass in einem Verladevorgang keine „schriftliche“ Annahme zu sehen ist. 673 Dafür: Schlechtriem/Schwenzer-Schmidt-Kessel, Art. 13 CISG, Rn. 4; Herber/Czerwenka, Art. 13 CISG, Rn. 2; Staudinger-Magnus, Art. 13 CISG, Rn. 8.

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Daher besteht in diesem Punkt Rechtsunsicherheit, die überwunden werden kann, wenn ein Staat das ECC ratifiziert, der einen Vorbehalt nach Art. 96 CISG erklärt hat. Maßgeblich wäre dann allein Art. 9 Abs. 2 ECC, wonach eine elektronische Mitteilung der Schriftform genügt, wenn die in der Mitteilung enthaltene Information zur späteren Einsichtnahme zugänglich ist. (2) Gewillkürte Form und schriftliche Erklärungen durch elektronische Kommunikation Haben die Parteien einen schriftlichen Vertrag geschlossen, der für spätere Vertragsänderung oder Vertragsaufhebung die Schriftform vorsieht, so darf er nicht auf andere Weise geändert oder aufgehoben werden (Art. 29 Abs. 2 CISG). Auch in einigen anderen Vorschriften fordert das CISG die schriftliche Abfassung von Erklärungen (vgl. Art. 21 Abs. 2 S. 2 CISG). Allerdings ist bereits angedeutet worden, dass im Rahmen des CISG Schriftlichkeit nicht im strengstmöglichen Sinn verstanden wird und auch Erklärungen mittels Telegramm und Fernschreiben schriftliche Erklärungen sind (Art. 13 CISG).674 Daher ist zu untersuchen, ob auch mit elektronischen Kommunikationsmitteln abgegebene Erklärungen die Form der Schriftlichkeit aufweisen können. Vereinzelt wird dies in der Literatur abgelehnt.675 Ganz überwiegend wird es aber für möglich gehalten.676 Voraussetzung soll sein, dass die elektronische Nachricht speicherbar ist, denn dann könne – wie bei einer Erklärung auf Papier – später auf sie zurückgegriffen werden.677 Einer Unterschrift oder elektronischen Signatur soll es gerade nicht bedürfen, so dass eine Form verlangt wird, die der deutschen Textform in § 126b BGB und nicht der elektronischen Form in § 126a BGB entspricht. Auch das US-amerikanische Recht verlangt für die Schriftlichkeit nur, dass die elektronische Nachricht speicherbar und in lesbarer Form abrufbar sein muss (§§ 2, 7 (c) UETA), einer elektronischen Signatur bedarf es nicht. Nach dem ECC soll eine elektronische Mitteilung ebenfalls der Schriftform genügen, wenn die in der Mitteilung enthaltenen Informationen zur späteren Einsichtnahme zugänglich sind (Art. 9 Abs. 2 ECC). Soweit ersichtlich, ist bisher lediglich in einer Entscheidung des obersten Gerichtshofs von Ägypten festgestellt worden, dass elektronische Kommuni674

Für die Relevanz von Art. 13 CISG im Rahmen von Art. 29 Abs. 2 CISG vgl. Oberlandesgericht Innsbruck, 1 R 273/07t, Urteil v. 18.12.2007, . 675 Witz/Salger/Lorenz-Witz, Art. 13 CISG, Rn. 2. 676 Eine ausführliche Begründung findet sich bei Sorieul, Bus. L. Int'l 2000, 380, 383 ff. 677 Staudinger-Magnus, Art. 13 CISG, Rn. 5; ähnlich CISG-Advisory Council, Electronic Communications under CISG, com. 13.1, .

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

kation der Schriftlichkeit im Sinne des CISG genügen kann.678 In der Entscheidung heißt es, dass die Definition von Schriftlichkeit im CISG flexibel genug sei, um Email und andere Formen elektronischer Kommunikation zu umfassen. Das Gericht versäumte es jedoch, auf die Voraussetzungen einzugehen, die eine elektronische Mitteilung erfüllen muss, um als schriftliche angesehen zu werden. bb) Grundregeln für den Vertragsschluss bei elektronischen Verträgen Der Vertragsschluss ist in Art. 14 ff. CISG geregelt und erfolgt durch Angebot und Annahme.679 (1) Vorliegen eines Angebots Nach dem CISG liegt ein Angebot vor, wenn an eine oder mehrere bestimmte Personen ein Vorschlag zum Abschluss eines Vertrages gerichtet wird, der bestimmt genug ist und den Willen des Anbietenden zum Ausdruck bringt, im Falle der Annahme gebunden zu sein (Art. 14 Abs. 1 S. 1 CISG). Bestimmt genug wiederum ist der Vorschlag, wenn er die Ware bezeichnet und ausdrücklich oder stillschweigend die Menge und den Preis festsetzt oder deren Festsetzung ermöglicht (Art. 14 Abs. 1 S. 2 CISG). Ein bloßer Vorschlag, der nicht an eine oder mehrere bestimmte Personen gerichtet ist, gilt hingegen nur als Aufforderung, ein Angebot abzugeben, wenn nicht die Person, die den Vorschlag macht, das Gegenteil deutlich zum Ausdruck bringt (Art. 14 Abs. 2 CISG). Anhand von Art. 14 CISG erfolgt also die Abgrenzung zwischen verbindlichem Angebot und bloßer invitatio ad offerendum.680 Auf diese Unterscheidung kommt es beim elektronischen Geschäftsverkehr vor allem immer dann an, wenn Waren und Leistungen auf einer Webseite angeboten werden. Die ganz herrschende Literaturmeinung sieht allein in der Präsentation auf einer Webseite noch kein verbindliches Angebot.681 Da allerdings die Grundlage für diese starre Auslegungsregel kaum deutlich wird und CISGRechtsprechung zu dieser Frage – soweit ersichtlich – bisher nicht verfügbar ist, erscheint es im Hinblick auf den Meinungsstand zu den Parallelregelungen im nationalen deutschen682 und US-amerikanischen683 Recht durchaus 678 Oberster Gerichtshof Ägypten, Entscheidung 979 aus Gerichtsjahr 73, Urteil v. 11.4.2006, . 679 Vgl. OLG Graz, Urteil v. 24.2.1994, 4 R 224798p, . 680 Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/Schroeter, Art. 14 CISG, Rn. 23. 681 Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/Schroeter, Art. 14 CISG, Rn. 28; StaudingerMagnus, Art. 14 CISG, Rn. 37. 682 BGH, JurPC Web-Dok. 26/2005, Abs. 12; Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 15; Heckmann, Kap. 4.1, Rn. 34 f.; von Wallenberg, MMR 2005, 661, 665.

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denkbar, dass in Zukunft nach der konkreten Webseitengestaltung im Einzelfall differenziert wird.684 Unter Berücksichtigung des Wortlauts von Art. 14 Abs. 2 CISG dürfte dabei das entscheidende Kriterium sein, ob der Vorschlag an bestimmte Personen oder aber an die Allgemeinheit gerichtet ist. Diese Unterscheidung kann jedoch im Einzelfall insbesondere dann schwierig sein, wenn zur Nutzung der Webseite zwar die Einrichtung eines Accounts verbunden mit einem Login notwendig ist, dieser aber ohne Überprüfung der Bonität, der Angabe einer Kreditkarte oder sonstigen Angaben, von denen der Anbietende die Abgabe eines verbindlichen Angebots abhängig machen könnte, erlangt werden kann. Dementsprechend wird bei jeder sofortigen elektronischen Erfüllung durch Download und Bezahlung per Kreditkarte ein verbindliches Angebot angenommen, da durch dieses Verfahren implizit „das Gegenteil“ im Sinne des Art. 14 Abs. 2 CISG zum Ausdruck gebracht wird, es sei denn, auf der Webseite findet sich der Hinweis, dass die aufgeführten Webinhalte noch kein rechtsverbindliches Angebot darstellen sollen.685 Im ECC ist die herrschende Literaturmeinung zu Art. 14 CISG aufgegriffen worden.686 Es wird die Vermutung normiert, dass eine bloße invitatio und kein verbindliches Angebot vorliegt, wenn „der Vorschlag zum Abschluss eines Vertrages nicht an eine oder mehrere bestimmte Parteien gerichtet, sondern für die Parteien, die Informationssysteme nutzen, allgemein zugänglich ist“ (Art. 11 ECC). Die Nutzung einer interaktiven Anwendung soll unerheblich sein (Art. 11 ECC). Damit löst das ECC jedoch nicht die Frage, ob bei Webseiten mit Account und Login ein spezifisches, an den eingeloggten Nutzer gerichtetes Angebot vorliegt. In dem Fall, in dem die Möglichkeit der sofortigen elektronischen Erfüllung besteht (zum Beispiel durch Onlineübertragung von Standardsoftware), ist auch unter Berücksichtigung des ECC von einem verbindlichen Angebot auszugehen. Die sofortige digitale Erfüllung ist mehr als die bloße Nutzung einer interaktiven Anwendung, die nach Art. 11 ECC nicht für die Annahme eines verbindlichen Angebots genügt. (2) Wirksamwerden von elektronischen Erklärungen Angebot und Annahme werden jeweils mit ihrem Zugang beim Empfänger wirksam (Art. 15 Abs. 1, 18 Abs. 2 S. 1 CISG). Eine Ausnahme besteht dann, wenn dem Angebotsempfänger ein Widerruf zugeht, bevor dieser eine An683

Trell v. American Association for the Advancement of Science, 2007 U.S. Dist LEXIS 36942, 1, 18 f. (W.D.N.Y. 2007); Thot, S. 8; Moringiello/Reynolds, Legal Studies Research Papers University of Maryland School of Law 2007–2, 21; Wildemann, CRi 2000, 109, 110; Borges, S. 166 f. 684 Dies schlägt auch Polanski, S. 53 vor. 685 Wulf, S. 92, 95; weitergehend Polanski, S. 53, der bereits aus dem Vorhandensein eines „Agree“-Button die Verbindlichkeit des Angebots schließen will. 686 UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 197 ff.

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nahmeerklärung abgesandt hat (Art. 16 Abs. 1 CISG). Das Konzept des Zugangs verlangt, dass die Willenserklärung ihrem Empfänger mündlich gemacht wird oder ihm auf anderem Weg persönlich, an seine Niederlassung oder Postanschrift oder, wenn diese fehlen, an seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort zugestellt wird. Vorausgesetzt wird also, dass die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt (Art. 24 CISG). Umstritten ist hingegen, ob daneben auch die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme zu fordern ist.687 Einigkeit besteht hingegen darüber, dass bei arglistiger Zugangsvereitelung durch den Empfänger eine Zugangsfiktion anzunehmen ist.688 Das Konzept des CISG zum Vertragsschluss entspricht im Wesentlichen der deutschen Dogmatik zum Vertragsschluss durch Willenserklärungen unter Abwesenden (vgl. § 130 Abs. 1 BGB). Nach US-amerikanischem Recht kommt es für den Vertragsschluss ebenfalls auf das Vorliegen zweier kongruenter Willenserklärungen an (§§ 17 (1), 18 Restatement (Second) of Contracts). Wie im deutschen BGB und CISG, wird das Angebot mit Zugang beim Empfänger wirksam689. Ein entscheidender Unterschied ist jedoch, dass nach der traditionellen Mailbox-Rule bei der Annahmeerklärung der Anbietende und nicht der Annehmende das Übermittlungsrisiko trägt.690 Indes gibt es mit dem UCITA ein neueres Gesetzwerk, das die Mailbox-Rule ablehnt und stattdessen die mit elektronischen Mitteln erklärte Annahme erst mit Zugang beim Empfänger für wirksam erklärt (§§ 203 (4) (A), 214 (a) UCITA). Eine Übertragung der allgemeinen Grundsätze des CISG zum Wirksamwerden von Willenserklärungen auf elektronische Erklärungen setzt voraus, dass auch das Wirksamwerden solcher Erklärungen in den Anwendungsbereich des CISG fällt und sich nicht nach dem sonstigen anwendbaren Recht richtet. Da die Bezugnahme auf die mündliche Mitteilung und die Zustellung an die Niederlassung, die Postanschrift, den gewöhnlichen Aufenthalt oder in persönlicher Form in Art. 24 CISG nicht unmittelbar auf die elektronische Kommunikationsform passt, weist das CISG hinsichtlich des Wirksamwerdens elektronischer Kommunikation eine Lücke auf.691 Das Bestehen einer Lücke sagt allerdings noch nichts über die analoge Anwendbarkeit des CISG aus. Berücksichtigt man, dass das CISG grundsätzlich den Abschluss des Kaufvertrages zu regeln beabsichtigt und keine bestimmte Formen der Kommunikation für den Abschluss ausschließen wollte, ist das Wirksamwerden 687

Zum Meinungsstand vgl. Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/Schroeder, Art. 24 CISG, Rn. 18. 688 Herber/Czerwenka, Art. 24 CISG, Rn. 5. 689 Rohwer/Skrocki, S. 41. 690 Barneby v. Barron G. Collier, Inc., 65 F.2d 864, 868 (8th Cir. 1933); Vassar v. Camp, 11 N.Y. 441, 448 (Court of Appeals NY 1854); § 63 (a) Restatement (Second) of Contracts comment b; Hay, Rn. 297; Rohwer/Skrocki, S. 106. 691 Eiselen, 6 EDI Law Review 1999, 21, 28.

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elektronischer Erklärungen vom Anwendungsbereich des CISG umfasst und somit mit den allgemeinen Grundregeln des Übereinkommens zu lösen (Art. 7 Abs. 2 CISG).692 Eine Übertragung der Grundsätze zu Abgabe und Zugang auf elektronische Erklärungen ist also grundsätzlich möglich. Es wird jedoch deutlich, dass es beim Einsatz elektronischer Kommunikation schwieriger ist, den Zeitpunkt des Zugangs und der Abgabe eindeutig zu bestimmen. Dies kann bei Fixgeschäften erheblich sein und bedarf deshalb ergänzender Regelungen. (a) Das technische Schichtenmodell einer elektronischen Kommunikation Die elektronische Kommunikation durchläuft in technischer Hinsicht mehrere Schichten.693 (aa) Schichten einer internetbasierten Kommunikation Bei der internetbasierten Kommunikation geht es allgemein gesprochen darum, dass eine Mitteilung vom Gerät des Senders mittels des Internets zum Gerät des Empfängers übertragen wird. Typische Beispiele für diese Form der Kommunikation sind Emails, Chat- sowie VoIP-Mitteilungen, Eingaben in Online-Bestellformulare oder auch einfache Mausklicks auf einen „Ich stimme zu“-Button. Die technische Basis sind die genormten Netzwerkprotokolle TCP/IP.694 Diese implementieren das von der ISO geschaffene OSIModell (OSI = Open Systems Interconnection, ISO 7498), das nahezu allen Kommunikationsgeräten und Kommunikationsverfahren zugrunde liegt und die grundsätzliche Funktionen der einzelnen Ebenen und Schnittstellen zwischen den Ebenen festlegt.695 Allen elektronischen Kommunikationsformen ist gemein, dass zunächst der Sender durch einen Handlungsakt an seinem Gerät ein (in der Regel alphabetisches) Signal erstellt. Dies geschieht in der Anwendungsschicht (application layer), die die erste Schicht (layer) des mehrschichtigen so genannten protocol stack darstellt, der regelmäßig dem Betriebssystem des Geräts zugrunde liegt und über den die Internet-Kommunikation abläuft. Anschließend durchläuft das Signal die Transmission Control Protocol (TCP)-Schicht, die Internet Protocol (IP)-Schicht und Hardware-Schicht, um schließlich als elektronisches Signal in kleinen Paketen über den Port-Server beziehungsweise das Local Area Network (LAN) an den Internet Access Provider (IAP)Router gesendet zu werden. Von dort gelangt das Signal über Network Ser692

Ähnlich Eiselen, 6 EDI Law Review 1999, 21, 28; allgemein zur Lückenfüllung im CISG: Diedrich, RIW 1995, 353, 353. 693 Hoeren/Sieber-Sieber, Teil 1, Rn. 42 ff. 694 Siehe Kap. 3 B. I. 695 Siehe Kap. 3 B. I.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

vice Provider (NSP)-Backbones und Network Access Points (NAP) wieder an einen IAP-Router. Dieser ist mit einem Port-Server beziehungsweise einem LAN verbunden, von wo aus das Signal an das Empfangsgerät übermittelt wird. Dort durchläuft es wieder die gleichen Schichten, allerdings diesmal in umgekehrter Reihenfolge, so dass aus den in kleinen Paketen gesendeten elektronischen Signalen wieder ein (alphabetisches) Gesamtsignal wird, das auf dem Bildschirm des Empfangsgeräts erscheint. (α) Anwendungsschicht Auf der Anwendungsebene existieren in Zusammenhang mit dem Internet bestimmte Dienste, die auf Protokollen696 basieren. Ein solcher Dienst ist beispielsweise das World Wide Web (WWW), der auf dem Hypertext Transfer Protocol (HTTP) beruht und der es Web Browsern und Webservern ermöglicht, miteinander zu kommunizieren. Der Dienst für elektronische Post (Email) basiert hingegen auf dem Simple Mail Transfer Protocol (SMTP). (β) Transmission Control Protocol-Schicht Wenn eine Nachricht mit Hilfe einer bestimmten Anwendung erstellt worden ist, muss sichergestellt werden, dass sie auch zu der entsprechenden Anwendung des Empfangsgeräts geleitet wird. Hierfür ist das TCP zuständig, indem es jede von der Anwendungsschicht ankommende Nachricht in bearbeitbare Pakete zerlegt und ihnen eine Port-Nummer zuteilt.697 Port-Nummern sind als Kanäle eines Computers beschreibbar. So könnte beispielsweise der Web Browser ein Kanal sein und der Mail-Client ein anderer, was dazu führt, dass beide gleichzeitig genutzt werden können. Erreichen die Pakete die TCPSchicht des Empfangsgeräts, dann werden sie dort wieder zu einer Nachricht zusammengesetzt und können anhand der Port-Nummer zur richtigen Anwendung weitergeleitet werden.698 Zur Durchführung dieses Verfahrens bedarf es einer Verbindung zwischen den beiden Anwendungen, die TCP benutzen. Dadurch kann dann auch die Verlässlichkeit von TCP garantiert werden, da für jedes eingehende Paket eine Bestätigung an den Sender geschickt wird. Ferner fügt TCP den Paketen eine mathematische Checksumme (Hashwert) zur Fehlerüberprüfung bei.699

696

Siehe zum Begriff Kap. 3 B. I. Hoeren/Sieber-Sieber, Teil 1, Rn. 45 f. 698 Hoeren/Sieber-Sieber, a.a.O., Rn. 45 f. 699 Hoeren/Sieber-Sieber, a.a.O., Rn. 45. 697

B. Rechtslage

247

(γ) Internet Protocol-Schicht Während es also die Aufgabe von TCP ist, die Daten zur richtigen Anwendung zu leiten, dient die Ebene des IP dazu, die Daten zum richtigen Empfangsgerät zu leiten. In der IP-Schicht erhalten die bereits mit einer PortNummer versehenen Pakete die Destinationsadresse (IP-Adresse).700 Jedes Empfangsgerät, das mit dem Internet verbunden ist, hat eine eindeutige Adresse in der Form nnn.nnn.nnn.nnn, wobei nnn für eine Nummer von 0–255 steht.701 Die IP-Adresse kann sowohl bei jeder Einwahl temporär erteilt werden oder aber (etwa bei einem LAN) auch dauerhaft sein.702 Im Gegensatz zum TCP bedarf das IP keiner Verbindung. Es wird also nicht überprüft, ob die Pakete am Ziel angekommen sind. Die IP-Adresse des Empfangsgeräts ist über eine Datenbank, den Domain Name Service (DNS), erhältlich. Die Server des DNS, die als Host dienen, enthalten jeweils einen Teil dieser Datenbank. Wenn sie eine Anfrage bezüglich eines Domain Name erhalten, über den sie nicht verfügen, leiten sie diese an einen anderen Server weiter. Mit der Eingabe der Uniform Resource Locator (URL) in den Web Browser sendet dieser also eine Anfrage an den DNSServer und erhält von diesem die mit der URL korrespondiere IP-Adresse.703 (δ) Hardware-Schicht In der Hardware-Schicht werden die Paketdaten in Netzwerksignale konvertiert und umgekehrt. (ε) Local Area Network / Internet Access Provider-Router / NSP-Backbones Die Netzwerksignale werden zu einem Internet Access Provider (IAP)-Router geleitet. Dies gelingt bei Einwahlkunden über einen Port-Server, der den Datenfluss von einem für die Einwahlkunden bereitgehaltenen Modempool zu dem IAP-Router steuert. Bei Nutzern eines LAN ist dieses direkt mit dem IAP-Router verbunden. Vom IAP-Router gelangen die Signale zu einem Backbone und von dort über weitere Router und Netzwerke zu ihrem Ziel. Ein Backbone besteht aus mehreren großen Netzwerken, die miteinander verbunden sind und als NSP bezeichnet werden. Jedes NSP ist mit drei NAP

700

Hoeren/Sieber-Sieber, Teil 1, Rn. 52 ff. Hoeren/Sieber-Sieber, a.a.O., Rn. 53. 702 Hoeren/Sieber-Sieber, a.a.O., Rn. 55. 703 Wird zum Beispiel die URL www.example.org in den Web Browser eingegeben, sendet der DNS-Server nach entsprechender Anfrage die dazugehörende IP-Adresse 208.77.188.166; vgl. zum Ganzen Hoeren/Sieber-Sieber, Teil 1, Rn. 59. 701

248

8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

verbunden, an denen die Pakete von einem NSP zum anderen wechseln können.704 (bb) Schichten einer EDI-Kommunikation Bei der EDI-Kommunikation ist zwischen dem klassischen EDI und dem Web-EDI zu unterscheiden.705 Dabei soll zunächst vom klassischen EDI als Grundfall ausgegangen werden. Wie bei der internetbasierten Kommunikation müssen auch beim EDI die Daten von den speziellen Anwendungsformaten in ein standardisiertes Nachrichtenformat konvertiert werden, um dann anschließend an den Empfänger übertragen zu werden. Beim Empfänger erfolgt dann wieder eine Umwandlung in umgekehrte Richtung, um einen Datenimport in die interne Anwendung zu ermöglichen.706 Maßgeblicher Standard ist UN/EDIFACT.707 Der Übertragungsprozess, der über die Telekommunikationsnetze erfolgt, kann im Wege einer direkten Verbindung (point-to-point) oder unter Zuhilfenahme eines Mehrwertdienstes (value added network)708 erfolgen.709 Die Übertragung mittels Direktverbindung setzt einen gewissen Aufwand voraus, weil der Konvertierungsprozess in die interne Anwendung integriert werden muss.710 Diese Übertragungsart beschleunigt dann aber den Kommunikationsprozess, weshalb sie, beispielsweise bei Just-in-Time-Lieferungen in der Automobilindustrie eingesetzt wird.711 Die Einschaltung eines Providers eignet sich hingegen nicht für zeitkritische Daten, da keine permanente Verbindung besteht, sondern die Nachrichten an ein Mailboxsystem gesendet werden.712 Für das Web-EDI kann kein allgemeines Modell einer Kommunikation aufgestellt werden, da so nur die grundsätzliche Verzahnung von EDI- und Internet-Technologie bezeichnet wird. Eine Vielzahl konkreter Ausgestaltungen sind denkbar. Ein Beispiel ist das Senden einer EDI-Nachricht per Email. Auf dieses Beispiel soll exemplarisch eingegangen werden, denn es zeigt, wie insbesondere Klein- und Mittelunternehmen am EDI-System eines Großun-

704 SMU Cox School of Business, Internet Facts, . 705 Siehe Kap. 2 B. I. 706 Fallenböck, S. 18. 707 Siehe Kap. 2 B. I. 708 Nach Kilian, Deutscher EDI-Rahmenvertrag, § 15, Rn. 1 sind Mehrwertdienste (value added networks) Unternehmen, die Serviceleistung im Zusammenhang mit elektronischer Nachrichtenübermittlung erbringen. 709 Fallenböck, S. 18. 710 Fallenböck, S. 18. 711 Nagel/Riess/Theis, S. 51 ff. 712 Fallenböck, S. 18.

B. Rechtslage

249

ternehmens teilnehmen können, ohne große Ausgangsinvestitionen tätigen zu müssen. Voraussetzung ist die Vornahme eines Konvertierungsprozesses auf einem zentralen Server.713 An diesen Server sendet das Großunternehmen eine Bestellung in Form einer EDI-Nachricht. Auf dem Server angekommen, wird die Nachricht ins TCP/IP-Format umgewandelt und an die Emailadresse des Klein- oder Mittelunternehmens versandt.714 Von der Mailbox kann die Nachricht dann wie jede andere Email abgerufen werden. Eine Antwort, zum Beispiel eine Rechnung, kann dann genau auf umgekehrtem Weg ins EDISystem des Großunternehmens gelangen. (b) Folgen für das Konzept des Zugangs elektronischer Erklärungen Das technische Schichtenmodell einer elektronischen Kommunikation zeigt, dass eine elektronische Nachricht sich mit dem Eintritt in die TCP-Ebene beziehungsweise beim EDI in den Konvertierungsprozess (jeweils die Transportschicht/transport layer des OSI-Modells715) der unmittelbaren Kontrolle durch den Erklärenden entzieht. Der Empfänger erlangt über eine elektronische Nachricht erst unmittelbare Kontrolle, wenn die Nachricht im Empfangsgerät die Anwendungsschicht (application layer) des OSI-Modells erreicht. Tritt bei der Übermittlung der elektronischen Erklärung ein Fehler716 auf, nachdem die Erklärung auf Seiten des Erklärenden die Anwendungsschicht verlassen hat, aber bevor sie die Anwendungsschicht auf Seiten des Empfängers erreicht, ist fraglich, welche Partei die Folgen des Fehlers zu tragen hat. Die Risikoverteilung hinsichtlich der Fehlerfolgen ergibt sich aus dem Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung, der Wirksamkeitsvoraussetzung von Angebot und Annahme ist (Art. 15 Abs. 1, 18 Abs. 1 CISG). Würde eine elektronische Erklärung bereits in dem Moment zugehen, an dem sie in die Transportschicht eintritt, trüge der Empfänger das gesamte Risiko einer fehlerhaften Übermittlung. Ginge die Erklärung hingegen erst mit Erreichen der Anwendungsschicht auf Seiten des Empfängers zu, läge das Übermittlungsrisiko vollständig beim Erklärenden. Beides kann nicht überzeugen.

713

Fallenböck, S. 19. Fallenböck, S. 20; hierdurch entfällt die bei herkömmlichem EDI oft durch kleinere und mittlere Unternehmen vorgenommene Einschaltung eines Mehrwertdienstes, der die Konvertierung in das UN/EDIFACT-Format übernimmt, vgl. dazu Kilian, Deutscher EDIRahmenvertrag, § 5, Rn. 4, § 15, Rn.1. 715 Siehe Kap. 3 B. I. 716 Nach Kilian, Deutscher EDI-Rahmenvertrag, § 14, Rn. 2 sind Fehler Verhaltensweisen, die den ordnungsgemäßen Nachrichtenaustausch verhindern, erschweren oder verfälschen. 714

250

8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Das technische Schichtenmodell zeigt, dass sowohl beim Erklärenden als auch beim Empfänger ein Bereich existiert, auf dessen Organisation die Parteien Einfluss haben und der über die Anwendungsschicht hinausreicht. Auf Seiten des Erklärenden reicht dieser Bereich über die TCP-Schicht, die IPSchicht, die Hardware-Schicht bis zum Erreichen des IAP-Routers. Empfängerseitig beginnt der Bereich ab Erreichen des IAP-Routers und schließt ebenfalls die Schichten des protocol stack ein. Aufgrund der Organisationshoheit ist es sachgerecht, dass die Parteien für diese Bereiche jeweils die Verantwortung der störungsfreien Funktionsfähigkeit tragen, und zwar unabhängig von einem Verschulden. Damit ist allerdings noch zu entscheiden, wer bei der Internet-Kommunikation das Risiko einer Störung trägt, die im Bereich der NSPBackbones oder der NAPs auftritt, also nachdem die Nachrichtenpakete den IAP-Router auf Seiten des Erklärenden verlassen, aber bevor sie den IAPRouter auf Seiten des Erklärenden erreicht haben. Mithin ist dies ein Bereich, der weder in der Organisationsgewalt des Erklärenden noch des Empfängers liegt. Die Verantwortung für die einzelnen Kommunikationsphasen muss jedoch ausschließlich den Parteien der Kommunikation zugeordnet werden, denn anderenfalls ist eine Entscheidung über die Frage der Wirksamkeit der Erklärung nicht möglich. Es muss also zumindest ein fiktiver Übergabepunkt definiert werden. Bei der herkömmlichen Kommunikation ist dies im Rahmen des CISG das Erreichen des Machtbereichs des Empfängers.717 Überträgt man diesen Grundsatz auf die elektronische Kommunikation kommt es darauf an, dass die Erklärung den IAP-Router auf Seiten des Empfängers erreicht, denn ab diesem Zeitpunkt hat der Empfänger die Organisationsgewalt. Eine Störung im Bereich der NSP-Backbones oder der NAPs geht daher zu Lasten des Erklärenden. Das Risiko der fehlerhaften Übermittlung ist somit nach zurechenbaren Sphären zu verteilen. Die Sphäre des Erklärenden erstreckt sich bis zum IAPRouter auf Seiten des Empfängers, die Sphäre des Empfängers beginnt mit dem IAP-Router. Für einen Fehler innerhalb ihrer Sphäre hat die jeweilige Partei einzustehen, ohne dass es auf ein Verschulden ankäme.718 Dies entspricht im Ergebnis einer Risikoverteilung nach dem „cheapest cost avoider“Prinzip719, wonach derjenige das Transportrisiko zu tragen hat, für den es leichter beherrschbar ist720. Werden bei der elektronischen Kommunikation neben dem Internet Access Provider weitere Mehrwertdienste eingeschaltet, wie ein Internet Service 717

Siehe Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2). Vgl. auch Kilian, Deutscher EDI-Rahmenvertrag, § 14, Rn. 3. 719 Grundlegend: Calabresi, S. 136 ff. 720 Marburger, AcP 173 (1973) 137, 142; Kilian, Deutscher EDI-Rahmenvertrag, § 14, Rn. 8. 718

B. Rechtslage

251

Provider, der das Webhosting721 oder Mail-Hosting722 übernimmt723, müssen diese wie der Internet Access Provider entweder dem Erklärenden oder dem Empfänger zugerechnet werden.724 Keine Partei darf sich durch Auslagerung der Kommunikationsorganisation ihrer Verantwortung entziehen können. Je nach Aufgabe wird es sich bei dem Dritten um Empfangsvertreter (nach obigem Ergebnis der Internet Access Provider mit seinem Router) oder Erfüllungsgehilfen (z.B. Konvertieren von Informationen in standardisierte Nachrichtentypen725) handeln. Falls der Dritte als Empfangsvertreter einzuordnen ist, stellt sich die Frage, ob sich der Zugangszeitpunkt auch in diesem Fall nach dem CISG bestimmt, denn für das Vertretungsrecht ist das nicht vereinheitlichte nationale Recht maßgeblich.726 Richtigerweise wird aber auch in diesem Fall das CISG anzuwenden sein, da es in erster Linie um den Zugang geht, also einen Aspekt, der im Regelungsbereich des CISG liegt. Die Haftung für Hilfspersonen ist im CISG ohnehin ausdrücklich geregelt (Art. 79 Abs. 1, 2 CISG). Die Rechtsprechung zum CISG hat sich – soweit ersichtlich – bisher noch nicht zum Zugangszeitpunkt von elektronischen Erklärungen geäußert. Im Schrifttum existieren im Wesentlichen zwei Auffassungen. Eine Auffassung macht den Zugang der Erklärung davon abhängig, dass der Empfänger die Nachricht abrufen kann, unabhängig davon, wo sie gespeichert wird.727 Nach dem technischen Schichtenmodell entspricht die Abrufbarkeit dem Gelangen in die Anwendungsschicht. Damit berücksichtigt diese Auffassung nicht, dass die Nachricht bereits mit Erreichen des IAPRouters in einen Bereich eingetreten ist, für den die Organisationsgewalt beim Empfänger liegt. Mithin überträgt diese Auffassung das Übertragungsrisiko vollständig auf den Erklärenden und ist daher nicht sachgerecht. Nach der Gegenmeinung ist eine elektronische Erklärung zugegangen, wenn die Erklärung die Schnittstelle auf Seiten des Empfängers passiert.728 721

Unter Webhosting versteht man die Unterbringung von Webseiten auf einem Webserver eines Internet Service Providers. 722 Unter Mail-Hosting versteht man das Zur-Verfügung-Stellen von Email-Diensten, insbesondere eines Mailservers, auf dem vom Internet Service Provider vorgehaltenen Betriebssystem. 723 Beispiele aus dem EDI-Bereich sind das Konvertieren von Informationen in standardisierte Nachrichtentypen, die Gebührenabrechnung, die Aufstellung von Statistiken oder die elektronische Dokumentation, vgl. Kilian, Deutscher EDI-Rahmenvertrag, § 15, Rn. 1. 724 Vgl. auch Kilian, a.a.O., Rn. 3. 725 Kilian, a.a.O., Rn. 2. 726 Siehe Kap. 8 B. III. 1 a) aa). 727 Staudinger-Magnus, Art. 24 CISG, Rn. 16; BeckOK-Saenger, Art. 24 CISG, Rn. 4. 728 Wulf, S. 115 f., auf S. 129 hierzu aber widersprüchlich, indem der Empfänger das Verlust- und Verzögerungsrisiko erst mit Eintritt in seinen elektronischen Briefkasten tragen soll.

252

8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Diese Auffassung ist dahingehend ergänzungsbedürftig, dass mit Schnittstelle der Zeitpunkt gemeint ist, in dem die Erklärung den IAP-Router auf Seiten des Empfängers erreicht. Auf das Gelangen auf den Server des Empfängers abzustellen729, ist daher zu ungenau. Im Hinblick auf die Speicherung der übermittelten Nachrichten durch einen Dritten wird die Auffassung dahingehend konkretisiert, dass es darauf ankommen soll, ob die Adresse der externen Mailbox dem Absender im geschäftlichen Verkehr bekannt gemacht worden ist, in diesem Fall sei die Mailbox auf dem Server des Providers dem Machtbereich des Empfängers zuzuordnen.730 Fehle es hingegen an einer entsprechenden Bekanntmachung, komme es darauf an, wann die Erklärung abrufbereit in einem Speicher des Providers bereitgestellt werde.731 Dies ist überzeugend, denn wenn keine Bekanntmachung im geschäftlichen Verkehr erfolgt ist, kann sich der Absender auch nicht darauf berufen, dass der Empfänger eine mangelhafte Funktionsfähigkeit der Kommunikationseinrichtung zu vertreten hat. Die praktischen Auswirkungen der verschiedenen Auffassungen lassen sich exemplarisch an dem Szenario eines Spamangriffs zeigen, der die Speicherkapazität einer vom Empfänger oder vom Internet Service Provider für den Empfänger bereitgehaltenen Mailbox ausfüllt. Nach dem Sphärengedanken ist in dieser Situation eine Nachricht – unabhängig von ihrer Abrufbarkeit – zugegangen, wenn sie den IAP-Router auf Seiten des Empfängers erreicht hat. Verlangt man mit der anderen Auffassung hingegen die Abrufbarkeit, wäre kein Zugang gegeben. In Betracht käme dann allenfalls eine fahrlässige Zugangsvereitelung, wenn der Empfänger keinen ausreichenden Schutz gegen den Spamangriff implementiert hat, der mit angemessenen Aufwand und Kosten erreichbar gewesen wäre. Anders als bei der arglistigen Zugangsvereitelung, kann dann aber nicht zwangsläufig eine Zugangsfiktion angenommen werden, sondern dem Empfänger nur ein Pflichtwidrigkeitsvorwurf gemacht werden.732 Kann der Empfänger die Nachricht nicht lesen, weil inkompatible Programme verwendet wurden, kommt es vor allem darauf an, ob der Empfänger signalisiert hat, dass er Nachrichten des gesendeten Formats lesen kann oder

729

So CISG-Advisory Council, Electronic Communications under CISG, com. 15.3, . 730 Wulf, S. 117; ähnlich Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/Schroeder, Art. 24, Rn. 26. Grundsätzlich eine Zustimmung – wohl auch durch Angabe einer Emailadresse – zum Empfang elektronischer Kommunikation fordernd CISG-Advisory Council, Electronic Communications under CISG, com. 15.4, . 731 Wulf, S. 118. 732 Allgemein zur Überfüllung der Mailbox aufgrund von Fahrlässigkeit Wulf, S. 128; für das deutsche Recht: Ultsch, NJW 1997, 3007, 3008.

B. Rechtslage

253

ein entsprechender Handelsbrauch oder eine Gepflogenheit bestand.733 Insofern ergibt sich eine Vergleichbarkeit mit der Situation, dass die Erklärung dem Empfänger unverständlich ist, weil er die verwendete Sprache nicht versteht und sich auch nicht bei den Vertragsverhandlungen hierauf eingelassen hat734. In das ECC hat indes die Auffassung Eingang gefunden, die den Zugang einer Erklärung davon abhängig macht, dass der Empfänger die Nachricht abrufen kann (Art. 10 Abs. 2 ECC). Voraussetzung soll jedoch sein, dass die Mitteilung an die vom Empfänger bestimmte elektronische Adresse gesendet wurde (Art. 10 Abs. 2 S. 1 ECC). Anderenfalls müsse neben der Abrufbarkeit auch die Kenntnis des Empfängers von der Versendung der elektronischen Mitteilung an die hierzu nicht bestimmte Adresse vorliegen (Art. 10 Abs. 2 S. 2 ECC). Letzteres ist weitgehender als den Empfänger lediglich von der mangelhaften Funktionsfähigkeit einer nicht bekannt gemachten Kommunikationseinrichtung zu entlasten. Warum jedoch ein Unternehmen nicht wie bei herkömmlicher Kommunikation verpflichtet sein soll, die von ihm grundsätzlich bereitgehaltenen Empfangsvorrichtungen im Hinblick auf eingehende Mitteilungen zu kontrollieren, ist unklar.735 Für die Einschaltung von Dritten enthält das ECC keine Regelung. Im Gegensatz zum ECC kommt es im US-amerikanischen Recht für den Zugang von elektronischen Erklärungen nicht auf die Abrufbarkeit der konkreten Mitteilung an, sondern auf das Gelangen in ein Datenverarbeitungssystem, das grundsätzlich dem Zugriff des Empfängers offensteht (§§ 15 (b) (1) UETA, 102 (a) (53 (B) UCITA). Dies entspricht der im deutschen Recht (wohl) vorherrschenden Auffassung, den Zugang einer elektronischen Erklärung bereits anzunehmen, wenn sie den Übertragungsweg verlassen hat und über eine Schnittstelle hinweg in die Empfangseinrichtung des Empfängers gelangt ist736, und nicht erst, wenn die Erklärung für den Empfänger auch abrufbar ist737.

733

CISG-Advisory Council, Electronic Communications under CISG, com. 15.6, . 734 Vgl. dazu BeckOK-Saenger, Art. 24 CISG, Rn. 4; Schlechtriem/SchwenzerSchlechtriem/Schroeter, Art. 24 CISG, Rn. 35; Staudinger-Magnus, Art. 24 CISG, Rn. 20. 735 Kilian, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 162, 166. 736 LG Nürnberg-Fürth, JurPC Web.-Dok. 158/2003, Leitsatz 2; Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 15; Müglich/Simon, K&R 2000, 282, 284; Scherer/Butt, DB 2000, 1009, 1012. 737 Herwig, MMR 2001, 145, 146.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

(3) Ort des Vertragsschlusses Für die Bestimmung des Orts des Vertragsschlusses, der für das neben dem CISG anwendbare Sachrecht entscheidende Bedeutung haben kann, stellt das CISG keine speziellen Regeln auf. Teilweise wird daher gefordert, den Ort des Vertragsschlusses ausschließlich über das international-privatrechtlich zur Anwendung berufene Recht zu bestimmen.738 Zutreffender erscheint es jedoch, unter Berücksichtigung der Art. 15 Abs. 1, 18 Abs. 2 S. 1, 24 CISG den Vertrag als dort geschlossen anzusehen, wo die Annahmeerklärung zugeht.739 Nur so kann verhindert werden, dass der Ort des Vertragsschlusses je nach anwendbarem Sachrecht divergiert. Das Abstellen auf den Zugangsort der Annahmeerklärung kann indes beim Einsatz elektronischer Kommunikation zu willkürlichen Ergebnissen führen, wenn man beim Zugang auf das Erreichen des Servers eines Dritten abstellt, auf dem Nachrichten für den Empfänger gespeichert und zum Abruf bereitgehalten werden.740 Dieser Server kann sich an einem beliebigen Ort auf der Welt befinden, da für seine Funktionsfähigkeit allein die Zugriffsmöglichkeit über ein computergestütztes Netzwerk entscheidend ist. Ebenso willkürlich wäre es, wenn man den Ort als maßgeblich erachten würde, von welchem der Empfänger zugreift, denn auch dieser Ort kann in einem globalen Netzwerk beliebig gewählt werden.741 Daher bringt das ECC eine hilfreiche Klarstellung, indem es für den Zugangsort die Niederlassung des Empfängers festlegt (Art. 10 Abs. 3 ECC). (4) Berechnung einer Annahmefrist bei elektronischer Kommunikation Der elektronische Vertragsschluss wirft auch dann Anwendungsschwierigkeiten auf, wenn umstritten ist, ob eine vom Anbietenden für sein Angebot gesetzte Annahmefrist eingehalten wurde. Maßgebliche Norm ist in diesem Fall Art. 20 Abs. 1 CISG, der allerdings die Berechnung der Annahmefrist von der gewählten Form der Übermittlung abhängig macht. Während bei einer Annahmefrist, die durch Telegramm oder Brief gesetzt wurde, der Fristbeginn das Aufgabedatum beziehungsweise der Poststempel ist (Art. 20 Abs. 1 S. 1 CISG), beginnt die Annahmefrist bei einer sofortigen Übermittlungsart

738 Honsell-Dornis, Art. 23 CISG, Rn. 5; MüKo-Gruber, Art. 23 CISG, Rn. 6; MüKoHGB-Ferrari, Art. 23 CISG, Rn. 3. 739 Roder Zelt- und Hallenkonstruktion GmbH v. Rosedown Park Pty. Ltd., Federal Court of Australia (Adelaide), Urteil v. 28.4.1995, CISG-Online Nr. 218; Sorieul, Bus. L. Int'l 2000, 380, 387; Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/Schroeter, Art. 23 CISG, Rn. 7. 740 Eiselen, 6 EDI Law Review 1999, 21, 30. 741 Dies verkennt Eiselen, 6 EDI Law Review 1999, 21, 30, der genau diese Lösung vorschlägt.

B. Rechtslage

255

wie Telefon und Fernschreiben zu laufen, sobald sie dem Empfänger zugeht (Art. 20 Abs. 1 S. 2 CISG). Da elektronische Kommunikationsmittel in Art. 20 Abs. 1 CISG nicht erwähnt sind, ist zu entscheiden, ob sie im Anwendungsbereich dieser Vorschrift mit Brief und Telegramm oder aber mit Telefon und Fernschreiben gleichzustellen sind. Gerichtliche Entscheidungen sind – soweit ersichtlich – zu dieser Frage bisher nicht ergangen. Ein Teil der Literatur ordnet Email, EDI und andere elektronische Kommunikation als sofortige Übermittlungsart ein, so dass eine auf diese Weise gesetzte Annahmefrist mit Zugang beim Empfänger beginnt.742 Hingegen zieht eine andere Auffassung zumindest bei der Email Parallelen zum Brief und legt dementsprechend den Fristbeginn bereits auf den Zeitpunkt der Absendung.743 Neben diesem Meinungsstreit bleiben die Schwierigkeiten bei der Bestimmung des genauen Zugangs- beziehungsweise Absendezeitpunkts, die bereits beim Wirksamwerden von Angebot und Annahme angesprochen worden sind. (5) Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen bei elektronischen Verträgen Für einen wirksamen Vertragsschluss müssen Angebot und Annahme aber nicht nur wirksam geworden sein, sondern auch inhaltlich übereinstimmen (Art. 19 Abs. 1 CISG). Bedenken gegen die Kongruenz können sich vor allem immer dann ergeben, wenn sich der Inhalt einer Erklärung (teilweise) aus AGB ergeben soll. Das CISG regelt nur die Einbeziehung von AGB, nicht aber die Inhaltskontrolle. Für die Einbeziehungskontrolle nach dem CISG gelten die allgemeinen Regeln zum Vertragsschluss, wobei die Auslegung der Erklärungen der Parteien entscheidend ist (Art. 8 CISG).744 Konkret soll es darauf ankommen, dass die andere Partei hinreichend Möglichkeit hatte, die AGB zur Kenntnis zu nehmen.745 Der BGH hat allerdings in einer von der Literatur kritisierten746 742

Eiselen, 6 EDI Law Review 1999, 21, 29; Hill, 2 Northwestern Journal of Technology and Intellectual Property 2003, 1, 24; Sorieul, Bus. L. Int'l 2000, 380, 383; Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtreim/Schroeder, Art. 20 CISG, Rn. 3a in Bezug auf ChatNachrichten. 743 CISG-Advisory Council, Electronic Communications under CISG, com. 20.4, ; Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/ Schroeder, Art. 20 CISG, Rn. 3a. 744 BGH, NJW 2002, 370, 371; OLG Celle, NJW-RR 2010, 136, 138; Schmidt-Kessel, NJW 2002, 3444, 3445. 745 BGH, NJW 2002, 370, 371; LG Memmingen, Urteil v. 13.9.2000, 2H O 382/99, ; Staudinger-Magnus, Art. 14 CISG, Rn. 41.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Entscheidung weitergehend gefordert, dass nicht nur die hinreichende Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht, sondern dass der AGB-Text dem Erklärungsgegner übersendet oder anderweitig zugänglich gemacht worden ist, weil es zwischen den einzelnen nationalen Klauselwerken erhebliche Unterschiede gebe und das CISG nicht zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten differenziere.747 Verschiedene Oberlandesgerichte haben diese Rechtsprechung bestätigt.748 US-amerikanische Gerichte haben sich – soweit ersichtlich – bisher nicht zu der Frage geäußert, ob die Übersendung der AGB notwendig ist. In einer belgischen Entscheidung wurde jedoch der bloße Hinweis auf Standardbedingungen der Swiss Machine Industry Association als ausreichend erachtet.749 Nahe liegend ist, dass der BGH mit der Variante des „anderweitig Zugänglichmachen“ auch für elektronische Verträge eine einfache Möglichkeit für die Einbeziehung von AGB schaffen wollte. Daher dürfte es als ausreichend zu erachten sein, wenn die AGB der anderen Partei – zum Beispiel per Email – elektronisch übermittelt werden.750 Indes ist unsicher, ob es für die wirksame Einbeziehung genügt, dass die AGB auf der Homepage des Unternehmens zum Abruf bereit gehalten werden. Das OLG Celle hat den Verweis in einem Faxschreiben auf die im Internet verfügbaren AGB nicht ausreichen lassen, denn im Rahmen des CISG könne – anders im deutschen unvereinheitlichen Recht im Verkehr zwischen Unternehmen – der anderen Partei keine Erkundigungspflicht hinsichtlich nicht übersandter Klauselwerke auferlegt werden.751 Der bloße Hinweis auf die AGB und die Möglichkeit ihres Abrufs auf einer Webseite soll also nicht genügen. Dies überzeugt kaum, denn in der heutigen Geschäftwelt hat praktisch jeder Unternehmer Zugang zum Internet, so dass eine Einsichtnahme der AGB keine Verzögerung des Geschäfts darstellt und dem Empfänger keine übermäßige Erkundigungsobliegenheit aufgebürdet wird. Im Übrigen versäumt das OLG Celle in seiner Entscheidung, die vom BGH angesprochene Alternative des „anderweitig Zugänglichmachen“ genauer zu untersuchen, obwohl eine Einbeziehung auf diesem Weg nahe lag. Für im Internet bereit gehaltene AGB sollte, wenn auf sie per Hyperlink, Fax, Brief oder auf sonsti746

Für eine ausführliche Kritik vgl. Schmidt-Kessel, NJW 2002, 3444, 3445; zustimmend aber: Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/Schroeder, Art. 14 CISG, Rn. 40; Staudinger-Magnus, Art. 14 CISG, Rn. 41a. 747 BGH, NJW 2002, 370, 371. 748 OLG Oldenburg, BeckRS 2008, 06401; OLG Celle, NJW-RR 2010, 136, 138; OLG Jena, BeckRS 2011, 03846. 749 Tribunal Commercial de Nivelles (Belgien), Urteil v. 19.9.1995, R.G. 1707/93, . 750 Magnus, FS Kritzer (2008), 303, 322. 751 OLG Celle, NJW-RR 2010, 136, 138; in diese Richtung auch Magnus, FS Kritzer (2008), 303, 323.

B. Rechtslage

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ge Weise verwiesen wird, eine wirksame Einbeziehung im Sinne eines „anderweitigen Zugänglichmachen“ angenommen werden. Keine Aussage trifft das OLG Celle zu der Frage, ob beim elektronischen Vertragsschluss ein Verweis auf die AGB zur wirksamen Einbeziehung führt, wenn mittels eines Hyperlinks auf eine andere Webseite verwiesen wird, die dann die AGB enthalten.752 Dies wäre wünschenswert, denn nur in diesem Fall könnte auch im internationalen Handelsverkehr die effektive Vertragsschlusstechnik eingesetzt werden, bei der Verträge über eine interaktive Webseite mittels Zustimmung per Mausklick geschlossen werden. Für den Fall kollidierender AGB enthält das CISG keine besondere Vorschrift, so dass auf die allgemeine Regelung des Art. 19 CISG zurückzugreifen ist, der die Annahme eines Angebots zum Gegenstand hat.753 Nach Art. 19 Abs. 1 CISG ist eine Antwort auf ein Angebot, die eine Annahme darstellen soll, aber Ergänzungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen enthält, eine Ablehnung des Angebots und stellt ein Gegenangebot dar. Sofern die Antwort aber nur Ergänzungen oder Abweichungen enthält, welche die Bedingungen des Angebots nicht wesentlich ändern, liegt dann eine Annahme vor, wenn der Anbietende das Fehlen der Übereinstimmung nicht unverzüglich mündlich beanstandet oder eine entsprechende Mitteilung absendet (Art. 19 Abs. 2 CISG). Es kommt also darauf an, ob die kollidierenden AGB sich wesentlich oder nur unwesentlich unterscheiden. Im ersteren Fall ist dann umstritten, ob Art. 19 Abs. 1 CISG den Vertrag wirksam werden lässt754 und lediglich die sich widersprechenden Klauseln durch entsprechende gesetzliche Regelungen des auf den Vertrag anwendbaren Rechts ersetzt werden755. Das Konzept von Art. 19 CISG ist im US-amerikanischen Recht als „mirror image“-Rule bekannt756 und findet sich in abgeschwächter Form in § 2–207 (1) UCC. (6) Elektronische Agenten Die Nutzung elektronischer Hilfsprogramme für den Vertragsschluss (elektronische Agenten) ist im CISG nicht geregelt. Trotzdem ist der Einsatz elektronischer Agenten beim Vertragsschluss nach dem CISG zu beurteilen, denn 752

Dafür wohl Staudinger-Magnus, Art. 14 CISG, Rn. 41a. BGH, NJW 2000, 1651, 1651 f.; Staudinger-Magnus, Art. 19 CISG, Rn. 20; Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/Schroeder, Art. 19 CISG, Rn. 21. 754 Dagegen: Herber/Czerwenka, Art. 19 CISG, Rn. 18. 755 So BGH, NJW 2002, 1651, 1653; Belcher-Robinson, LLC v. Linamar Corporation, Urteil v. 31.3.2010 (M.D.Ala.), ; Staudinger-Magnus, Art. 19 CISG, Rn. 24; Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/ Schroeder, Art. 19 CISG, Rn. 25 ff. 756 Miami Valley Paper, LLC v. Lebbing Engineering & Consulting GmbH, Urteil v. 26.3.2009 (S.D. Ohio), . 753

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

hierbei geht es um die Frage, ob einer Nachricht, die mittels eines elektronischen Agenten abgegeben worden ist, ein Erklärungswert zu kommt.757 Insofern geht es also um die Grundsätze über die Auslegung von Erklärungen und Parteiverhalten, die in Art. 8 CISG geregelt sind. Mithin fällt die Frage in den Regelungsbereich des CISG. Beim Einsatz elektronischer Agenten könnte es den auf diese Weise abgegebenen Erklärungen an dem erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlen, da das Computersystem in diesem Fall die Erklärung automatisch abgibt, ohne dass es einer menschlichen Handlung bedarf. Allerdings ist zu recht anerkannt, dass auch Erklärungen, die mit Hilfe eines elektronischen Agenten abgegeben werden, regelmäßig ein Bindungswille zukommt, da bei der Ermittlung des Bindungswillens allein auf die objektive Erklärungsbedeutung abzustellen ist (Art. 14 Abs. 1 S. 1 CISG).758 Der Empfänger einer elektronischen Erklärung muss davon ausgehen, dass der Erklärende die Rahmenbedingungen einschließlich des Computersystemeinsatzes gesetzt und die Computeranlage zur Umsetzung der Rahmenbedingungen in konkrete Erklärungen betrieben hat.759 Insofern kommt dem Verhalten des Erklärenden nach normativer Auslegung der Erklärungswert zu, dass er sich durch die automatisch erzeugten Erklärungen des Agenten binden will.760 Vereinzelt wird in dem Einsatz elektronischer Agenten sogar eine Gepflogenheit oder ein Handelsbrauch gesehen, so dass sich dann die Wirksamkeit der automatisierten Erklärung aus Art. 9 CISG ergeben soll.761 Im Gegensatz zum CISG adressiert das ECC den Einsatz elektronischer Agenten ausdrücklich. Es wird jedoch lediglich klargestellt, dass der Einsatz elektronischer Agenten einem wirksamen Vertragsschluss nicht entgegensteht (Art. 12 ECC). Eine Aussage über den Erklärungswert des Einsatzes elektronischer Agenten ist nicht beabsichtigt.762 d) Vertragsdurchführung bei elektronischen Verträgen Hinsichtlich der Vertragsdurchführung ist zunächst klarzustellen, dass der Einsatz elektronischer Kommunikation beim Vertragsschluss keine besonderen Probleme für den Bereich der Vertragsdurchführung aufwirft. Auf elektronische Verträge über physische Güter sind die Regeln des CISG zur Qualität der geschuldeten Leistung (Art. 35 CISG), der Art und Weise wie sie zu

757

Ferrari, The European Legal Forum 2000/01, 301, 302. Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/Schroeder, Art. 14 CISG, Rn. 24; Ferrari, The European Legal Forum 2000/01, 301, 302. 759 Wiebe, S. 211. 760 Wiebe, S. 212. 761 UNCITRAL, A/CN.9/WG.IV/WP.95, Rn. 72. 762 UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 214. 758

B. Rechtslage

259

erbringen ist (Art. 30, 31, 53 CISG) sowie zur Leistungsstörung (Art. 45–52, 74–77 CISG) daher ohne weiteres anwendbar. Fraglich ist allerdings, wie es sich auswirkt, dass die CISG-Vorschriften zur Vertragsdurchführung bereits zu einem Zeitpunkt entwickelt wurden763, als die Art und Weise des heutigen elektronischen Geschäftsverkehrs, insbesondere über das Internet, noch nicht absehbar waren. Nach obigem Ergebnis steht fest, dass der Anwendungsbereich des CISG auch eröffnet sein kann, wenn die Erfüllung eines internationalen Kaufvertrages – zum Beispiel beim Download von Standardsoftware – elektronisch erfolgt.764 Zu der Frage, ob sich in diesem Fall auch die Vertragsdurchführung nach dem CISG richtet, existiert – soweit ersichtlich – keine Rechtsprechung, und in der Fachliteratur hat sich bisher allein Wulf765 hiermit ausführlich auseinander gesetzt. Es existieren lediglich Entscheidungen, in denen das Gericht die CISG-Vorschriften zur Vertragsdurchführung auf Güter, namentlich Software, angewendet hat, in denen zwar ein körperlicher Gegenstand übergeben wurde, die Leistung aber genauso auf digitalem Weg hätte übermittelt werden können.766 Da der wirtschaftliche Wert von Software regelmä763

Zur Entstehungsgeschichte des CISG vgl. MüKo-Westermann, Vor CISG, Rn. 8 ff. Siehe Kap. 8 B. II. 2. a) aa) (2). 765 Wulf, S. 159 ff. geht bei seinen Ausführungen von der grundsätzlichen Anwendbarkeit aus. In einschlägigen Kommentaren wie Schlechtriem/Schwenzer (im Sachregister finden sich unter den Stichworten Software, EDI, Electronic Data Interchange, elektronische Erklärung, elektronische Kommunikationsmittel und Email jeweils nur Verweise auf Vorschriften, die den Vertragsschluss betreffen) fehlt es einer Auseinandersetzung. Bei Kilian/Heussen-Moritz, Teil 3, Rn. 285 ff. findet sich lediglich eine Darstellung der einschlägigen CISG-Vorschriften, ohne dass genauer ausgeführt wird, wie diese bei einem digitalen Gut (insbesondere Software) als Leistungsgegenstand auszulegen sind. Allerdings geht Moritz wohl von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Vorschriften aus, sofern der Anwendungsbereich des CISG eröffnet ist. 766 Die Datenbank der Pace University () ermittelt unter dem Stichwort „Software“ 12 Verfahren (unter dem Stichwort „digital goods“ ergeben sich keine Treffer). In fünf dieser Verfahren ging es um den Sachmangel eines Computerprogramms und die Gerichte wandten die CISG-Vorschriften zur Vertragsdurchführung an, insbesondere Artt. 25, 35, 39, 47, 49, 51 CISG (District Court Arnhem (Niederlande), Urteil v. 28.6.2006, ; Handelsgericht Zürich, Urteil v. 17.2.2000, ; Oberster Gerichtshof (Österreich), IHR 2005, 195; LG München I, Urteil v. 8.2.1995, 8 HKO 24667/93, ; BGH, NJW-RR 1997, 690). In einer Entscheidung war die Kaufpreiszahlungspflicht Streitgegenstand, die das Gericht auf Art. 53 CISG stützte (OLG Koblenz, RIW 1993, 934, 936). In einer anderen Entscheidung ging es um den Zahlungsort, den das Gericht über Art. 57 CISG ermittelte (BGH, NJW 2007, 3501). In vier Verfahren ging es lediglich um die Anwendbarkeit des CISG allgemein (Artt. 1, 3 CISG) (Appellate Court Ghent (Belgien), Urteil v. 24.11.2004, ; OLG Köln, NJW-RR 1995, 245; Evolution Online Sys. v. Koninkijke Nederland, Urteil v. 27.5.1998 (2d cir. 1998), 764

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

ßig nicht im Speichermedium liegt, rechtfertigt die elektronische Übermittlung es nicht, anstelle des CISG das unvereinheitlichte nationale Recht anzuwenden. Überdies verbietet sich die Anwendbarkeit nationaler Vorschriften auch deshalb, weil die Vertragsdurchführung im CISG geregelt ist und daher eine etwaige Lücke in diesem Bereich für digital übermittelte Güter durch die allgemeinen Grundsätze geschlossen werden muss, die dem CISG zugrunde liegen (Art. 7 Abs. 2 CISG). Bei einer digital übermittelten Leistung ist zu berücksichtigen, dass bei Verträgen, bei denen ein Dienst oder die Erstellung eines individuellen Werkes Vertragsgegenstand ist (zum Beispiel eine elektronische Architektenleistung), regelmäßig der Anwendungsbereich des CISG nicht eröffnet sein wird (vgl. Art. 3 Abs. 2 CISG). Für diese Verträge gilt dann auch im Bereich der Vertragsdurchführung das über das internationale Privatrecht zu ermittelnde nationale Recht. Die Vorschriften des CISG zur Vertragsdurchführung gelten hingegen für digital übermittelte vertretbare Vermögensgegenstände (elektronische Zeitschriften, elektronische Börsendaten etc.). Eine Sonderrolle nimmt der Vertragsgegenstand Software ein. Bei einem Vertrag über Individualsoftware ist der Vertragsgegenstand die Erstellung eines individuellen Werkes; insofern liegt wieder Art. 3 Abs. 2 CISG nahe.767 Hingegen ist bei einem Vertrag über Standardsoftware der Anwendungsbereich des CISG eröffnet.768 Folglich müssen auch die CISG-Vorschriften zur Vertragsdurchführung Anwendung finden. Bei Verträgen im Bereich Cloud-Computing und SaaS liegt ebenfalls die Anwendung des CISG nahe769, so dass auch hier die CISG-Vorschriften zur Vertragsdurchführung maßgeblich sind. Somit ist fraglich, ob und welche Probleme die Substitution der körperlichen Übergabe des Leistungsgegenstandes durch digitale Übermittlung für die CISG-Vorschriften zur Vertragsdurchführung aufwirft, die am Leitbild der Lieferung eines physischen Vertragsgegenstandes entwickelt worden sind.

; American Mint LLC v. GOSoftware, Inc., Urteil v. 16.8.2005 (D. Penn. 2005), ). In einem Fall ging es um die Anwendbarkeit des CISG in zeitlicher Hinsicht in der Schweiz (Tribunal cantonal du Valais, Urteil v. 21.10.1994, ). 767 Siehe Kap. 8 B. II. 2. a) aa) (2) (b). 768 Siehe Kap. 8 B. II. 2. a) aa) (2) (b). 769 Siehe Kap. 8 B. II. 2. a) aa) (2) (b).

B. Rechtslage

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aa) Beschaffenheit der geschuldeten Leistung (1) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut Die für die Vertragsdurchführung maßgebliche Beschaffenheit der Ware, die vom Verkäufer zu liefern ist, legt Art. 35 CISG fest.770 Die Vorschrift geht dabei davon aus, dass die zu liefernde Ware hinsichtlich der Kriterien Menge, Qualität, Art und Verpackung bestimmten Anforderungen entsprechen muss. Die Ermittlung dieser Anforderungen erfolgt dabei vorrangig anhand der vertraglichen Vereinbarung (Art. 35 Abs. 1 CISG).771 Nur wenn diese fehlt, kommt es darauf an, ob sich die Ware für die Zwecke eignet, für die Ware der gleichen Art gewöhnlich gebraucht wird (Art. 35 Abs. 2 lit. a CISG), für einen bestimmten Zweck eignet, der dem Verkäufer bei Vertragsabschluß ausdrücklich oder auf andere Weise zur Kenntnis gebracht wurde (Art. 35 Abs. 2 lit. b CISG) oder die Ware einer Probe oder einem Muster entspricht, das der Verkäufer dem Käufer vorgelegt hat (Art. 35 Abs. 2 lit. c CISG).772 Dass die Grundsätze dieser Vorschriften auch bei einem elektronischen Vertrag über ein physisches Gut gelten, ist unzweifelhaft. (2) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut Wendet man Art. 35 CISG auf einen Vertrag über ein Gut an, das herkömmlich in Form eines körperlichen Gegenstandes (z.B. eine Zeitung) geliefert wurde, nun aber auf elektronischem Weg übermittelt wird (z.B. elektronische Zeitung), bleiben die qualitativen Anforderungen hinsichtlich des Gutes im Wesentlichen gleich.773 Allenfalls sind hinsichtlich bestimmter Nebenaspekte, die sich gerade aus der elektronischen Übermittlung ergeben, einige zusätzliche Beschaffenheitsmerkmale festzulegen. Hierzu zählt insbesondere, dass

770 Auf Käuferseite musste der Leistungsstandard gesetzlich nicht festgelegt werden, da es dort immer nur um eine Geldzahlung gehen kann. 771 Tribunale di Forli (Italien), Urteil v. 16.2.2009, ; LG Berlin, IHR 2008, 168, 169; Kantonsgericht Schaffhausen (Schweiz), Urteil v. 27.1.2004, ; insofern geht Art. 35 Abs. 1 CISG von einem subjektiven Fehlerbegriff aus, vgl. Schlechtriem/Schwenzer-Schwenzer, Art. 35 CISG, Rn. 6. 772 Miami Valley Paper, LLC v. Lebbing Engineering & Consulting GmbH, Urteil v. 26.3.2009 (S.D. Ohio), ; Tribunale di Forli (Italien), Urteil v. 16.2.2009, ; LG Coburg, IHR 2007, 117, 120; Kantonsgericht Schaffhausen (Schweiz), Urteil v. 27.1.2004, ; BeckOK-Saenger, Art. 35 CISG, Rn. 4. 773 Siehe dazu bereits Kap. 2 B. II.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

die gelieferte Leistung für den Empfänger lesbar ist.774 Sofern die Parteien nicht vereinbart haben, welches Dateiformat die übermittelte Leistung haben soll, ist es zumindest bei Internetkommunikation sachgerecht zu verlangen, dass die geschuldete Leistung in einem Dateiformat775 übermittelt wird, das allgemein üblich ist (z.B. doc, pdf, txt, ppt, xls, MP3, bmp oder jpg) oder zumindest kostenfrei und einfach erlangt werden kann. Vor dem Hintergrund, dass das CISG auch für Kleinbetriebe gilt776, die nicht immer über eine aktuelle und gut gepflegte IT-Infrastruktur verfügen, dürfen keine überzogenen Anforderungen an das IT-System des Empfängers gestellt werden. (3) Elektronischer Softwarevertrag Bei Softwareverträgen ist die geschuldete Beschaffenheit aufgrund der komplexen Struktur von Computerprogrammen regelmäßig schwierig zu bestimmen.777 Eine umfangreiche Rechtsprechung zu den „berechtigten Erwartungen“ des Softwarekäufers, wie sie zum BGB zu finden ist778, existiert im Hinblick auf das CISG nicht. Daher ist es im Anwendungsbereich des CISG vor allem die Aufgabe der Parteien, bei Softwareverträgen die Beschaffenheit der geschuldeten Leistung genau festzulegen. Nur so können sie für ihre Transaktion Rechtssicherheit schaffen. Den Vorrang der Parteivereinbarung erkennt Art. 35 CISG auch ausdrücklich an.779 Fehlt es an einer Vereinbarung, ist zu prüfen, ob der Verkäufer dem Käufer zunächst eine Testversion der Software überlassen hatte. Die gelieferte Ware muss nämlich die Eigenschaft besitzen, die der Verkäufer dem Käufer als Probe oder Muster vorgelegt hat (Art. 35 Abs. 2 lit. c CISG). Da aber regelmäßig die Testversion einer Software weniger Funktionen aufweisen wird als die Vollversion, kann aus der Überlassung einer Testversion nicht der Schluss gezogen werden, dass die geschuldete Beschaffenheit allein nach der Testversion zu bestimmen ist. Vielmehr ergibt sich hieraus nur, dass die Vollversion mindestens die gleiche Funktion haben muss wie die Testversion. Somit steht das Gericht beim Fehlen einer Beschaffenheitsvereinbarung vor der schwierigen Aufgabe, die Anforderungen über den gewöhnlichen 774

Vgl. dazu CISG-Advisory Council, Electronic Communications under CISG, com. 15.6, für die Parallelproblematik, dass der Empänger eine elektronische Nachricht nicht lesen kann. 775 Ein Dateiformat definiert die Syntax und Semantik von Daten innerhalb einer Datei. 776 Vorbehaltlich des Ausschlusses des sogenannten Verbraucherkaufs (Art. 2 lit. a CISG) erfasst das CISG auch Kaufverträge von Nichtkaufleuten und Freiberuflern, vgl. Art. 1 Abs. 3 CISG sowie BeckOK-Saenger, Art. 1 CISG, Rn. 25. 777 OLG Köln, CR 1987, 234, 236. 778 Vgl. dazu die Übersicht bei Kilian/Heussen-Moritz, Teil 3, Rn. 123 ff. 779 Schlechtriem/Schwenzer-Schwenzer, Art. 35 CISG, Rn. 6.

B. Rechtslage

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Zweck oder einen beim Vertragsschluss zum Ausdruck gebrachten Verwendungszweck zu bestimmen (Art. 35 Abs. 2 lit. b, c CISG), welche die zu liefernde Software aufzuweisen hat. Kommt es entscheidend auf den Verwendungszweck an, muss die Software vor allem funktionsfähig sein.780 Allerdings kann auch die Funktionsfähigkeit in der Praxis schwierig zu bestimmen sein, denn es besteht immer die Möglichkeit, dass die Software beim Käufer deshalb nicht funktioniert, weil sein IT-System eine falsche Einstellung aufweist. In diesem Fall kann die Software auf einem anderen IT-System durchaus voll funktionsfähig sein. Daher können technische Standards – die auch für Software existieren – dem Gericht eine entscheidende Hilfestellung bei der Bestimmung der Funktionsfähigkeit geben. Zur Bestimmung der „Gesamtheit der Merkmale und Merkmalswerte eines Softwareprodukts, die sich auf dessen Eignung beziehen, festgelegte oder vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen“781 (Softwarequalität), bestehen Standards in Form von Qualitätsmodellen.782 Qualitätsmodelle (factor-criterion-metrics-Modelle) weisen regelmäßig eine Baumstruktur auf. In einem solchen Baum legen dann die ersten Kindknoten die Qualitätsmerkmale (factor) fest, hierarchisch untergeordnet folgen dann die Qualitätsteilmerkmale (criterion) und die Qualitätsindikatoren (metrics), bei denen es sich dann um beobachtbare oder messbare Sachverhalte handelt.783 Wichtige Qualitätsmodelle sind ISO/IEC 9126784 und ISO/IEC 2500.785 Im ISO/IEC 9126 werden zum Beispiel Funktionalität786, Zuverlässigkeit787, Benutzbarkeit788, Effizienz789, Wartbarkeit790 und Portabilität791 als Qualitätsmerkmale aufgeführt.

780 A.A. Wulf, S. 172, wenn ein Virenbefall die Software unbrauchbar mache, aber nicht die Beschaffenheit der Software verändere. 781 ISO/IEC 9126. 782 Balzert, S. 461 f. sowie Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik-Herzwurm, Stichwort „Qualitätsmerkmale von Software“. 783 Balzert, S. 461 f. 784 Ausführlich hierzu Balzert, S. 463 ff. sowie Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik-Herzwurm, Stichwort „Qualitätsmerkmale von Software“. 785 Masing/Pfeifer/Schmitt, S. 823; weitere in Betracht kommende Standards finden sich bei Kilian/Heussen-Jäger, 4. Abschnitt, Rn. 36. 786 Qualitätsindikatoren der Funktionalität sind Genauigkeit, Angemessenheit (Eignung von Funktionen für spezifizierte Aufgaben), Interoperabilität (Fähigkeit, mit vorgegebenen Systemen zusammenzuwirken), Sicherheit (Fähigkeit, unberechtigen Zugriff auf Programme und Daten zu verhindern) und Konformität der Funktionalität (Grad, in dem die Software Normen oder Vereinbarungen zur Funktionalität erfüllt). 787 Qualitätsindikatoren der Zuverlässigkeit sind Reife (geringe Versagenshäufigkeit durch Fehlerzustände), Fehlertoleranz (Fähigkeit, ein spezifiziertes Leistungsniveau bei Softwarefehlern oder Nichteinhaltung ihrer spezifizierten Schnittstellen zu bewahren), Wiederherstellbarkeit (Fähigkeit, bei einem Versagen das Leistungsniveau wiederherzustellen und die direkt betroffenen Daten wiederzugewinnen) und Konformität der Zuver-

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

bb) Erfüllungshandlung und Erfüllungsort (1) Erfüllungshandlung des Verkäufers und Erfüllungsort Der Verkäufer ist verpflichtet, die Ware nach Maßgabe des Kaufvertrages und des CISG zu liefern, die sie betreffenden Dokumente zu übergeben und das Eigentum an der Ware zu übertragen (Art. 30 CISG). Mit der Formulierung „nach Maßgabe des Vertrages“ kommt der Vorrang der vertraglichen Vereinbarung vor den dispositiven Regeln des CISG deutlich zum Ausdruck.792 Fehlt es aber an einer vertraglichen Vereinbarung über die Erfüllungshandlung, so sind die Anforderungen an diese nach dem CISG zu bestimmen.

lässigkeit (Grad, in dem die Software Normen oder Vereinbarungen zur Zuverlässigkeit erfüllt). 788 Qualitätsindikatoren der Benutzbarkeit sind Verständlichkeit (Aufwand für den Benutzer, das Konzept und die Anwendung zu verstehen), Erlernbarkeit (Aufwand für den Benutzer, die Anwendung zu erlernen), Bedienbarkeit (Aufwand für den Benutzer, die Anwendung zu bedienen), Attraktivität (Anziehungskraft der Anwendung gegenüber dem Benutzer) und Konformität der Benutzbarkeit (Grad, in dem die Software Normen oder Vereinbarungen zur Benutzbarkeit erfüllt). 789 Qualitätsindikatoren der Effizienz sind Zeitverhalten (Antwort- und Verarbeitungszeiten sowie Durchsatz bei der Funktionsausführung), Verbrauchsverhalten (Anzahl und Dauer der benötigten Betriebsmittel bei der Erfüllung der Funktionen; Ressourcenverbrauch, wie CPU-Zeit, Festplattenzugriffe etc.) und Konformität der Effizienz (Konformität ist der Grad, in dem die Software Normen oder Vereinbarungen zur Effizienz erfüllt). 790 Qualitätsindikatoren der Wartbarkeit sind Analysierbarkeit (Aufwand, um Mängel oder Ursachen von Versagen zu diagnostizieren oder um änderungsbedürftige Teile zu bestimmen), Änderbarkeit (Aufwand zur Ausführung von Verbesserungen, zur Fehlerbeseitigung oder Anpassung an Umgebungsänderungen), Stabilität (Wahrscheinlichkeit des Auftretens unerwarteter Wirkungen von Änderungen), Testbarkeit (Aufwand, der zur Prüfung der geänderten Software notwendig ist) und Konformität der Wartbarkeit (Grad, in dem die Software Normen oder Vereinbarungen zur Wartbarkeit erfüllt). 791 Qualitätsindikatoren der Portabiltität sind Anpassbarkeit (Fähigkeit der Software, diese an verschiedene Umgebungen anzupassen), Installierbarkeit (Aufwand, der zum Installieren der Software in einer festgelegten Umgebung notwendig ist), Koexistenz (Fähigkeit der Software, neben einer anderen mit ähnlichen oder gleichen Funktionen zu arbeiten), Austauschbarkeit (Möglichkeit, diese Software anstelle einer spezifizierten anderen in der Umgebung jener Software zu verwenden sowie der dafür notwendige Aufwand) und Konformität der Portabilität (Grad, in dem die Software Normen oder Vereinbarungen zur Wartbarkeit erfüllt). 792 BeckOK-Saenger, Art. 30 CISG, Rn. 1 sowie Art. 31 CISG, Rn. 2 in Bezug auf den Ort und Inhalt der Lieferpflicht.

B. Rechtslage

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(a) Lieferpflicht (aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut Die Lieferpflicht des Verkäufers ist hinsichtlich ihres Inhalts sowie des Ortes, an dem die Lieferhandlung zu erfolgen hat, in Art. 31 CISG näher ausgestaltet.793 Art und Weise der Lieferung und Lieferort sind insofern eng miteinander verknüpft, als erstere davon abhängt, an welchem Ort der Verkäufer die Lieferhandlung vorzunehmen hat.794 Unter Lieferung versteht das CISG die Besitzverschaffung.795 Fehlt eine vertragliche Vereinbarung, erfolgt die Lieferung entweder durch Versendung der Ware an der Käufer oder dadurch, dass der Verkäufer dem Käufer die Ware zur Verfügung stellt (Art. 31 CISG). Eine Bringschuld ist im CISG nicht geregelt und bedarf einer entsprechenden Vereinbarung durch die Parteien.796 Ob beim Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung eine Versendungspflicht anzunehmen ist (Art. 31 lit. a CISG) oder ein Zurverfügungstellen ausreicht (Art. 31 lit. b, c CISG), muss im Einzelfall anhand des konkreten Vertrages bestimmt werden. Welche Alternative im Zweifelsfall Vorrang hat, ist umstritten.797 Überzeugend ist jedoch bei einem Distanzgeschäft, wie es bei Anwendbarkeit des CISG aufgrund des internationalen Charakters798 oft vorliegt, von einem Versendungskauf auszugehen.799 Bei einem Versendungskauf im Sinne des Art. 31 lit. a CISG besteht die Erfüllungshandlung des Verkäufers in der Übergabe der Ware an den ersten Beförderer zum Zwecke der Übermittlung an den Käufer.800 Ort der Leis793 Obergericht des Kantons Zürich, Beschluss v. 6.2.2009, ; BeckOK-Saenger, Art. 31 CISG, Rn. 1. 794 BeckOK-Saenger, Art. 31 CISG, Rn. 1. 795 BeckOK-Saenger, Art. 30 CISG, Rn. 2; Schlechtriem/Schwenzer-Widmer, Art. 30 CISG, Rn. 2. 796 Handelsgericht des Kantons Zürich, Urteil v. 10.2.1999, ; BeckOK-Saenger, Art. 31 CISG, Rn. 19; umstritten ist, ob die Verwendung der Klausel „frei Haus“ ausreicht (dafür: Kantonsgericht des Kantons Zug, IHR 2005, 119, 121; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, 1316, 1317; Schlechtriem/Schwenzer-Widmer, Art. 31 CISG, Rn. 76; dagegen: OLG Köln, IHR 2002, 66, 67 f.); nicht ausreichend ist „frei Bestimmungsort“ (Österreichischer Oberster Gerichtshof, Urteil v. 10.9.1998, ). 797 Für Art. 31 lit. a CISG als Regelfall: Piltz, NJW 2003, 2056, 2061; für Art. 31 lit. c als Regelfall: OLG Wien, Urteil v. 1.6.2004, ; LG Aachen, RIW 1993, 760, 761; OLG Köln, IHR 2002, 66, 67; StaudingerMagnus, Art. 31 CISG, Rn. 8. 798 Siehe Kap. 8 B. II. 2. a) cc). 799 Corte Suprema di Cassazione (Italien), Urteil v. 3.2.2007, ; BeckOK-Saenger, Art. 31 CISG, Rn. 1; Schlechtriem/Schwenzer-Widmer, Art. 30 CISG, Rn. 18. 800 LG Freiburg, IPRspr 2005, Nr. 108, 268; Audiencia Provincial de Murcia (Spanien), Urteil v. 18.6.2001, ; Oberster Gerichtshof Dänemark, Urteil v. 15.2.2001, ; BeckOK-Saenger, Art. 31 CISG, Rn. 1, 9. 801 Vgl. Palandt-Heinrichs, § 269 BGB, Rn. 1. 802 OLG Karlsruhe, RIW 2003, 544, 545; BeckOK-Saenger, Art. 31 CISG, Rn. 1. 803 OLG Hamm, RIW 1999, 785, 787; OLG Karlsruhe, RIW 2003, 544, 545; BeckOKSaenger, Art. 31 CISG, Rn. 13. 804 Siehe Kap. 8 B. II. 2. a) cc).

B. Rechtslage

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(cc) Elektronischer Softwarevertrag (α) Notwendigkeit eines Testlaufs? Die Notwendigkeit eines Testlaufs könnte aber bei Softwareverträgen bestehen. Im Rahmen des CISG hat sich jedoch die Rechtsprechung mit dieser Frage bisher nicht beschäftigt. Im Hinblick auf das deutsche BGB hat der BGH entschieden, dass beim Softwarekauf – wie bei anderen Kaufverträgen – die Kaufsache abgeliefert sei, wenn sie in einer ihre Untersuchung ermöglichenden Weise in den Machtbereich des Käufers gelangt ist.805 Damit wandte sich der BGH gegen die von der instanzgerichtlichen Rechtsprechung vertretene Auffassung, dass die verkaufte Software nicht bereits mit ihrer Verbringung in den Machtbereich des Käufers, sondern erst dann abgeliefert sei, wenn der Käufer einen im Wesentlichen ungestörten Probelauf durchgeführt habe806. Das OLG Düsseldorf hatte sogar verlangt, dass die Software im Betrieb des Käufers in einer ausführlichen Erprobungsphase letztlich fehlerfrei gelaufen sei.807 Im US-amerikanischen Recht ist – sofern keine besondere vertragliche Vereinbarung besteht – grundsätzlich das Zurverfügungstellen der Software ausreichend (§ 606 (b) UCITA). Sofern die Versendung der Software geschuldet ist, sieht der UCITA ausdrücklich vor, dass ein in Gang setzen der elektronischen Übermittlung ausreichend ist (§ 606 (b) (2) UCITA). Dies entspricht dem herkömmlichen Prinzip des US-amerikanischen Kaufrechts (vgl. §§ 2–503, 2–504 UCC). Insofern wird man nach US-amerikanischem Recht nicht fordern können, dass die Lieferung durch den Verkäufer erst erfolgt sei, wenn der Käufer einen Testlauf durchgeführt habe, denn hätte der Gesetzgeber ein solches Verständnis gewünscht, wäre es ein Leichtes gewesen, bei der Schaffung des UCITA im Jahre 1999 eine entsprechende gesetzliche Regelung zu normieren. Allerdings kann weder das deutsche noch das US-amerikanische Recht herangezogen werden, um eine Lösung für das CISG zu finden, weil anderenfalls der Grundsatz der autonomen Auslegung des CISG (Art. 7 CISG) umgangen würde808. Ist das CISG anwendbar, steht es den Parteien grundsätzlich frei, einen Testlauf als Voraussetzung der Erfüllungshandlung zu vereinbaren. Die Erfüllungshandlung des Verkäufers erst nach einem Testlauf durch den Käufer als abgeschlossen anzusehen, könnte sich jedoch bereits aus dem Charakter eines Softwarevertrages ableiten. Dagegen spricht allerdings, dass ein Schutz 805

BGH, NJW 2000, 1415, 1416. OLG Köln, NJW 1991, 2156, 2157; OLG Hamm, CR 1992, 335, 336; OLG Stuttgart, CR 1998, 463, 463. 807 OLG Düsseldorf, CR 1989, 689, 690; CR 1991, 538, 539. 808 Siehe bereits Kap. 8 B. II. 2. a) aa) (2) (a). 806

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

des Käufers vor der Lieferung fehlerhafter Produkte grundsätzlich über die Gewährleistungsrechte (Art. 35 CISG i.V.m. Art. 45 ff. CISG) erreicht wird. Die strenge Unterscheidung des CISG zwischen der Lieferung der Ware und ihrer Mängelfreiheit809 würde aufgehoben, wenn eine Lieferung der Ware nur bei Mängelfreiheit oder einer umfassenden Prüfung auf Mängel (Testlauf) vorliegen würde. Konsequenterweise könnte man einen Testlauf – sofern man ihn fordert – nicht nur beim Softwarekauf voraussetzen, sondern müsste ihn auch beim Kauf anderer komplizierter technischer Anlagen verlangen.810 Im Ergebnis würde man dann eine Abnahme voraussetzen, wie sie für das Werkvertragsrecht typisch ist811, aber nicht dem Charakter des CISG als Einheitskaufrecht entspricht.812 Der Komplexität eines Produktes kann daher allein durch eine großzügige Bemessung der Untersuchungsfrist des Art. 38 CISG Rechnung getragen werden.813 Schließlich ist es auch zweifelhaft, ob es dem Interesse des Handelsverkehrs an Schnelligkeit und Klarheit entsprechen würde, den Lieferzeitpunkt hinauszuschieben.814 Somit ist es nicht sachgerecht, bei Softwareverträgen eine Lieferung im Sinne der Art. 30, 31 CISG erst dann anzunehmen, wenn ein erfolgreicher Testlauf durchgeführt wurde.815 Zu beachten ist jedoch, dass, sofern die Kaufvertragsparteien zusätzlich die Installation der gekauften Software auf dem IT-System des Käufers oder die Einweisung des Personals des Käufers durch den Verkäufer vereinbart haben, die Lieferung erst dann erfolgt ist, wenn auch diese Zusatzleistungen erbrachten wurden. Grundlage hierfür ist der Vorrang der Parteivereinbarung. (β) Zurverfügungstellen (Art. 31 lit. b, c CISG) bei Download oder Onlinenutzung Mit der Ablehnung eines Testlaufs als Vorraussetzung für die Ablieferung ist allerdings noch nicht entschieden, ob bei einem Softwarevertrag, der mittels digitaler Übermittlung erfüllt wird, die Versendung (Schickschuld, Art. 31 lit. a CISG) oder das bloße Zurverfügungstellen (Holschuld, Art. 31 lit. b, c CISG) geschuldet ist. An dieser Stelle ist ebenfalls eine differenzierte Betrachtung angezeigt. Soll die Software per Download durch den Käufer er809

BeckOK-Saenger, Art. 30 CISG, Rn. 2. So in Bezug auf das deutsche Recht: BGH, NJW 2000, 1415, 1416. 811 Vgl. § 640 BGB. 812 Vgl. in Bezug auf das deutsche Kaufrecht: BGH, NJW 2000, 1415, 1416. 813 So in Bezug auf § 377 HGB: BGH, NJW 2000, 1415, 1416; für eine großzügige Untersuchungsfrist bei komplexen Produkten vgl. auch BeckOK-Saenger, Art. 38 CISG, Rn. 5; Witz/Salger/Lorenz-Salger, Art. 38 CISG, Rn. 7; gegen eine Verlängerung der Untersuchungsfrist bei Software wohl Bierekoven, ITRB 2008, 19, 20. 814 So in Bezug auf das deutsche Recht: BGH, NJW 2000, 1415, 1416. 815 Im Ergebnis wohl ebenso Wulf, S. 160. 810

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langt oder direkt online genutzt werden (z.B. SaaS816), so wird man die Erfüllungshandlung des Verkäufers im Bereithalten der Software zum Abruf sehen müssen817, denn dann wird der Übertragungsvorgang letztlich durch den Käufer ausgelöst. Das Bereithalten zum Abruf ist mit einem Zuverfügungstellen im Sinne des Art. 31 lit. b, c CISG gleichzusetzen. (γ) Versendung (Art. 31 lit. a CISG) bei sonstiger digitaler Übermittlung Ist jedoch bei Vertragsschluss nicht klar, dass die Software per Download durch den Käufer erlangt oder von diesem online genutzt werden soll, wird man von einem Versendungskauf818 im Sinne des Art. 31 lit. a CISG ausgehen müssen. Dann ist die Erfüllungshandlung des Verkäufers erfolgt, wenn dieser die digitale Übermittlung der Software in Gang gesetzt hat. (b) Erfüllungsort (aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut Den Ort, an dem der Verkäufer die Leistungshandlung zu erbringen hat (Erfüllungsort), legt Art. 31 lit. a CISG nicht fest, so dass der Verkäufer in den Grenzen von Treu und Glauben die Ware von jedem Ort versenden kann.819 Um aber für den Erfüllungsort zufällige Ergebnisse zu vermeiden, ist bei Versendungskäufen nach herrschender Auffassung generell auf die Verkäuferniederlassung abzustellen.820 Folglich fallen Erfüllungsort und der Ort, an dem die Leistung eintritt, auseinander (Erfolgsort).821 Im Falle einer Holschuld ist der Erfüllungsort entweder ein bestimmter Abholort (Art. 31 lit. b CISG) oder aber die Niederlassung des Verkäufers (Art. 31 lit. c CISG). Hat der Vertrag Speziesschulden, Vorratsschulden oder herzustellende oder zu erzeugende Ware zum Gegenstand, ist Erfüllungsort der Ort, an dem sich die Sache bereits befindet oder an dem sie zu produzieren ist, sofern die Vertragsparteien bei Vertragsschluss wissen, dass sich die Ware an jenem Ort befindet oder befinden wird (Art. 31 lit. b CISG). Anderenfalls hat der Verkäufer die Ware an seiner Niederlassung zur Verfügung zu stellen (Art. 31 lit. c CISG). 816

Siehe Kap. 3 B. III. So auch Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 41 (wohl in Bezug auf das deutsche Recht). 818 So auch Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 41 (wohl in Bezug auf das deutsche Recht). 819 Schlechtriem/Schwenzer-Widmer, Art. 31 CISG, Rn. 31; BeckOK-Saenger, Art. 31 CISG, Rn. 10. 820 BeckOK-Saenger, Art. 31 CISG, Rn. 21; Schlechtriem/Schwenzer-Widmer, Art. 31 CISG, Rn. 90 zum LugÜ; a.A. Staudinger-Magnus, Art. 31 CISG, Rn. 24. 821 Vgl. auch Palandt-Heinrichs, § 269 BGB, Rn. 1. 817

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Die Anwendung dieser Regeln auf einen elektronischen Vertrag über ein physisches Gut bereitet keine Schwierigkeiten. (bb) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut Da bei Verträgen über digital übermittelte Güter im Anwendungsbereich des CISG regelmäßig eine Schicksschuld vorliegt822, ist bei diesen Verträgen der Erfüllungsort die Niederlassung des Verkäufers und zwar auch dann, wenn der Verkäufer die digitale Übermittlung an einem anderen Ort in Gang setzt. (cc) Elektronischer Vertrag über digital übermittelte Software Dementsprechend ist bei einem Softwarevertrag, bei dem die Software nicht per Download übermittelt oder online genutzt wird, die Niederlassung des Verkäufers der Erfüllungsort. Erfolgt die Softwareübermittlung per Download oder wird die Software online genutzt, besteht also eine Holschuld823, so ist die Software auf einem Server des Verkäufers oder einem von ihm eingeschalteten Dritten gespeichert. Da es sich bei Standardsoftware auch regelmäßig um eine Gattungsschuld handeln wird, kommt der Serverstandort als Erfüllungsort in Betracht, sofern dem Käufer der Serverstandort bekannt ist (vgl. Art. 31 lit. b CISG). Dies wird jedoch regelmäßig nicht der Fall sein, weil es für den Käufer wirtschaftlich ohne Bedeutung ist, von welchem Server er die Software erlangt. Im Übrigen wird auch in anderen Lokalisierungsfragen eine Anknüpfung an den Serverstandort abgelehnt (vgl. Art. 6 Abs. 4 ECC).824 Daher wird auch bei der Softwareübermittlung per Download oder der Onlinenutzung regelmäßig der Erfüllungsort an der Niederlassung des Verkäufers sein (vgl. Art. 31 lit. c CISG). (c) Zwischenergebnis und Rechtsfolge Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nach dem CISG der Verkäufer alles seinerseits Erforderliche getan hat, wenn er – im Falle der Downloadmöglichkeit oder Onlinenutzung – die Software zum Abruf bereit gestellt hat oder aber – in den sonstigen Fällen des Erwerbs von Software und digitalen Gütern – den digitalen Übermittlungsvorgang in Gang gesetzt hat. Fraglich ist 822

Siehe Kap. 8 B. III. 1. d) bb) (1) (a) (bb). Siehe Kap. 8 B. III. 1. d) bb) (1) (a) (cc) (β). 824 Zur Ablehung des Serverstandorts als Niederlassungsort: Kap. 8 B. I. 2. b) aa) (3) sowie Kap. 8 B. I. 5. a) aa); zur Ablehnung des Serverstandorts als Erfüllungsort: Kap. 8 B. I. 2. c) aa) (2) (b) (bb); zur Ablehnung des Serverstandorts als Schiedsort: Kap. 8 B. I. 4. g) cc); vgl. zur Rolle des Serverstandorts als Anknüpfungspunkt für einen besonderen Gerichtsstand im US-amerikanischen Recht: Kap. 8 B. I. 5. b) cc); zur Ablehnung des Serverstandortes als Ort des Vertragsschlusses: Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (3). 823

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allerdings, welche Rechtsfolge sich hieraus im Hinblick auf die digitale Übermittlung ergibt. Rechtsfolge der Durchführung der Erfüllungshandlung ist, dass der Verkäufer für den Transport keine Haftung mehr zu tragen hat.825 Zum Gefahrübergang treffen Art. 30 und Art. 31 CISG zwar keine Aussage826, dieser liegt jedoch ebenfalls dann vor, wenn die Ware dem ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer übergeben wird (Art. 67 Abs. 1 S. 1 CISG) oder sie dem Käufer in individualisierter Weise zur Verfügung gestellt wird (Art. 69 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 3 CISG).827 Ist daher die Versendung geschuldet, liegt der Gefahrübergang mit in Gang setzen der digitalen Übermittlung vor. In technischer Hinsicht ist die Übermittlung von Daten und Informationen, die ein digitales Gut ausmachen, mit der Übermittlung von Daten gleichzusetzen, die eine elektronische Kommunikation darstellen. Insofern ist mit Blick auf das technische Schichtenmodell828 ein in Gang setzen der Übermittlung dann erfolgt, wenn der IAP-Router auf Seiten des Verkäufers erreicht ist. Der Zeitpunkt des Verlassens des IAP-Router ist mit der Übergabe an den ersten unabhängigen Beförderer des herkömmlichen Transports gleichzusetzen, für dessen Verhalten der Verkäufer nicht haftet829. Daher würden – anders als bei elektronischen Erklärungen – Störungen im Bereich der NSPBackbones, der NAPs oder bereits beim IAP-Router zu Lasten des Empfängers des digitalen Gutes gehen. Gleiches würde auch gelten, wenn Software per Download erlangt oder digital genutzt wird, denn mit Beginn des Downloadvorgangs oder des Online-Zugriffs durch den Käufer läge eine hinreichende Individualisierung vor. (d) Wertungsmäßige Korrektur bei Übermittlungsfehlern Dieses Ergebnis überzeugt allerdings nicht, denn es ignoriert, dass der Verkäufer der cheapest cost avoider ist830. So kann der Verkäufer bei Verlust das digitale Gut ohne große Kosten erneut versenden.831 Eine wertungsmäßige Korrektur drängt sich dementsprechend auf.

825 Handelsgericht des Kantons Zürich, IHR 2001, 44, 45; BeckOK-Saenger, Art. 31 CISG, Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer-Widmer, Art. 31 CISG, Rn. 32. 826 Vgl. BeckOK-Saenger, Art. 31 CISG, Rn. 11. 827 Audiencia Provincial de Cordoba (Spanien), Urteil v. 31.10.1997, ; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, 1316, 1317; Corte Costituzionale (Italien), Urteil v. 19.11.1992, . 828 Siehe Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2) (a). 829 Handelsgericht des Kantons Zürich, IHR 2001, 44, 45; BeckOK-Saenger, Art. 31 CISG, Rn. 11. 830 Siehe Kap. 8. B. III. 1. c) bb) (2) (b). 831 Braucher, 40 Loy. L.A. L. Rev. 2006, 261, 278.

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Die Korrektur könnte darin bestehen, dass man bei Softwareverträgen und Verträgen über andere digitale Güter, sofern eine digitale Übermittlung erfolgt, aus dem Charakter des Vertrages eine Bringschuld ableitet. Allerdings wäre dies eine sehr weitgehende Korrektur, denn sie würde den Verkäufer nicht nur verpflichten, das Gut bei Verlust erneut zu versenden, sondern würde dem Verkäufer auch die Beweislast dafür auferlegen, dass das Gut in den Machtbereich des Käufers gelangt ist. Außerdem würde der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art. 5 EuGVVO, § 29 ZPO)832 dann am Ort der Niederlassung des Käufers liegen.833 Dies birgt für den Verkäufer die Gefahr, in jedem europäischen Staat gerichtspflichtig zu werden.834 Sachgerechter ist es daher die Korrektur in der Form vorzunehmen, dass bei einem Verlust während der digitalen Übermittlung oder dem Download der Verkäufer nach Treu und Glauben verpflichtet ist, die Software oder ein sonstiges digitales Gut dem Käufer erneut zu schicken oder zur Verfügung zu stellen. Diese Lösung hat den Vorteil für sich, dass der Erfüllungsort am Sitz des Verkäufers verbleibt und somit nicht ein Gerichtsstand an der Niederlassung des Käufers geschaffen wird. (e) Möglichkeit der digitalen Übermittlung von Transaktionsdokumenten Die genaue Ausgestaltung der Pflicht zur Übergabe der Dokumente richtet sich nach dem individuellen Vertrag unter Beachtung der maßgeblichen Gebräuche (Art. 9 CISG) und dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 7 Abs. 1 CISG).835 Ob die Übermittlung der Dokumente auch elektronisch erfolgen kann, ergibt sich im Rahmen des CISG daher aus der vertraglichen Vereinbarung. Weitere Formerfordernisse legt das CISG den Parteien nicht auf. Dies bedeutet allerdings nicht, dass sich diese nicht aus anderen internationalen Übereinkommen oder dem nationalen Recht ergeben können. Daher ist – sofern für die Transaktion der Anwendungsbereich des CISG eröffnet ist – fraglich, ob der Schriftformbegriff des Art. 13 CISG, der nach herrschender Meinung auch elektronische Kommunikation umfasst, sofern diese speicherbar ist836, auf Dokumente anzuwenden ist, für die andere internationale Übereinkommen die Schriftlichkeit vorsehen. Insofern geht es um die systematische Verbindung des CISG zu anderen internationalen Übereinkommen, insbesondere um die Zulässigkeit der Berücksichtigung von Bestimmungen des CISG bei der Auslegung anderer internationaler Überein832

Siehe Kap. 8 B. I. 2. c), 4. d). Zur Bedeutung des materiellrechtlichen Lieferortes im Sinne des Art. 31 CISG für den prozessualen Erfüllungsort vgl. Bundesgerichtshof (Schweiz), Urteil v. 26.6.2009, . 834 Siehe Kap. 8 B. I. 2. c) aa) (1) (b) (bb). 835 Schlechtriem/Schwenzer-Widmer, Art. 30 CISG, Rn. 6. 836 Siehe Kap. 8. B. III. 1. c) aa) (2). 833

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kommen. Die Zulässigkeit eines solchen systematischen Vergleichs kann sich dabei nicht bereits aus dem gemeinsamen internationalen Charakter und der begrifflichen Identität ergeben, denn internationale Übereinkommen werden aus unterschiedlichen Perspektiven, von verschiedenen Beteiligten und mit andersartigen Zielsetzungen initiiert.837 Die systematische Verknüpfung von Übereinkommen mit gleichen Begrifflichkeiten kann aufgrund unterschiedlicher Zielvorgaben die Gefahr bürgen, widersprüchliche Auslegungsergebnisse hervorzurufen und damit Fehlentwicklungen zu begründen.838 Aufgrund des fragmentarischen Nebeneinanders von internationalen Übereinkommen und der fehlenden Institutionalisierung der internationalen Regelungsebene839 lässt sich ein systematischer Vergleich auch nicht damit begründen, dass das jeweilige Übereinkommen ein Teil eines Gesamtregelungswerkes sei.840 Eine Auffassung verlangt daher, dass die zu vergleichenden Übereinkommen von derselben internationalen Organisation ausgearbeitet und denselben Staaten verabschiedet wurden und dass die intendierten Ziele übereinstimmen.841 Eine andere Auffassung lehnt das formale Kriterium der Identität der initiierenden Organisation und der Vertragsstaaten ab und erachtet allein die Übereinstimmung der zugrunde liegenden Zielsetzung für maßgeblich.842 Schließlich kommt es nach einer dritten Auffassung lediglich auf eine historische Verbindung zwischen den Übereinkommen an.843 Das formale Kriterium der Identität der internationalen Organisation, welche die Übereinkommen entwickelt hat, kann kaum zur inneren Kohärenz eines systematischen Vergleichs beitragen. Aufgrund unterschiedlicher Sachfragen und unterschiedlicher Beratungszeiträume können in denselben Gremien identische Begriffe mit divergierenden Intentionen verbunden sein.844 Die formale Voraussetzung der Vertragsstaatenidentität kann sogar eine systematische Verknüpfung gänzlich verhindern, denn die Vertragsstaaten von internationalen Übereinkommen unterscheiden sich in der Regel.845 Eine systematische Verknüpfung ist jedoch schon zu verlangen, um den fragmentarischen Charakter des Einheitsrechts und eine dynamische Weiterentwicklung internationaler Übereinkommen zu ermöglichen, die unter einer grundsätzlichen Revisionsschwierigkeit leiden, weil jeweils eine Einigung mit allen Vertragsstaaten erzielt werden muss. Das Merkmal der historischen Verbindung kann allerdings nicht Grundlage für einen systematischen Vergleich und 837

Hilberg, IHR 2007, 12, 20. Hilberg, IHR 2007, 12, 21. 839 Siehe Kap. 4 A. 840 Hilberg, IHR 2007, 12, 20. 841 Diedrich, S. 69. 842 Hilberg, IHR 2007, 12, 20 f. 843 Kropholler, Einheitsrecht, S. 273. 844 Hilberg, IHR 2007, 12, 20 f. 845 Hilberg, a.a.O., 21. 838

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damit für die dynamische Weiterentwicklung sein. Auch bei einer historischen Verbindung zwischen zwei Übereinkommen können diese auf unterschiedlichen Zielsetzungen beruhen, so dass bei systematischer Auslegung die Gefahr von Wertungswidersprüchen besteht. Außerdem kann sich die Zielsetzung eines Übereinkommens im Laufe der Zeit wandeln, dann ergibt sich aus der historischen Verbindung nicht, dass ein ursprünglich mit Blick auf ein bestimmtes Regelungsziel verwendeter Begriff immer noch mit derselben Intention zu gebrauchen ist.846 Somit muss es entscheidend auf das materielle Kriterium der Übereinstimmung der den Übereinkommen zugrunde liegenden Zielsetzungen ankommen.847 Allerdings kann der Zweck der Vereinheitlichung allein noch keine systematische Verknüpfung rechtfertigen, denn der Vereinheitlichungszweck liegt jedem internationalen Einheitsrecht zugrunde.848 Vielmehr bedarf es der Überprüfung, ob die Ziele übereinstimmen, die von den Übereinkommen neben der Vereinheitlichung verfolgt werden. Indizien für eine vergleichbare Zielsetzung können der Umfang an grammatikalischen und strukturellen Gemeinsamkeiten von Regelwerken sein.849 Falls für die Transaktion der Anwendungsbereich des CISG eröffnet ist, kann der Schriftformbegriff des Art. 13 CISG also auf Dokumente angewendet werden, für die andere internationale Übereinkommen die Schriftlichkeit vorsehen, sofern die über den Vereinheitlichungszweck hinausgehenden Zielvorgaben dieser Übereinkommen mit den Zielvorgaben des CISG übereinstimmen.850 Ziel des CISG ist es, einen Beitrag zu einer Weltwirtschaftsordnung zu leisten, die einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessen älterer Industriestaaten und aufstrebenden Volkswirtschaften darstellt (CISG Präambel Abs. 1), internationalen Handel ohne Diskriminierung zu fördern und Protektionismus zu verhindern (CISG Präambel Abs. 2).851 Bei den Distanzgeschäften, die das CISG voraussetzt, betrifft die Pflicht zur Übergabe der Warendokumente vor allem Transportdokumente und Lagerpapiere.852 Internationale Übereinkommen im Bereich des Transportrechts adressieren die Frage einer elektronischen Übermittlung von Transportdokumenten überwiegend nicht.853 Insofern könnte man grundsätzlich daran den846

Hilberg, IHR 2007, 12, 21. Hilberg, a.a.O., 21. 848 Hilberg, a.a.O., 21. 849 Hilberg, a.a.O., 21. 850 Anders wohl Gehrke, S. 143, wenn er im Zusammenhang mit Transportdokumenten auf den Vorrang des CISG verweist. 851 Honsell-Siehr, Präambel CISG, Rn. 10 ff. 852 BeckOK-Saenger, Art. 30 CISG, Rn. 3. 853 Hierzu zählen unter anderem das „Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr vom 19.5.1956“ (BGBl. II 1961 S. 1120), das „War847

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ken, das Schriftformverständnis aus Art. 13 CISG heranzuziehen, denn – wie das CISG – sind internationale Transportrechtsübereinkommen darauf ausgerichtet, internationalen Handel zu fördern. Demnach wäre eine elektronische Übermittlung von Transportdokumenten möglich. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass einige neuere Transportrechtsübereinkommen eigene Regelungen für elektronische Transportdokumente enthalten. Das „Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr in der Fassung vom 3.6.1999 (COTIF)“ einschließlich der „Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (CIM)“854 enthält eine Regelung, wonach der Frachtbrief auch in elektronischen Datenaufzeichnungen bestehen kann, die in lesbare Schriftzeichen umwandelbar sind, sofern die zur Aufzeichnung und Verarbeitung der Daten verwendeten Verfahren, insbesondere hinsichtlich der Beweiskraft des verkörperten Frachtbriefes, funktional gleichwertig sind (Art. 6 § 9 CIM). Nach dem „Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI) vom 22.6.2001“855 kann die Unterzeichnung der Originalausfertigung der Frachturkunde mittels elektronischer Mittel erfolgen (Art. 11 Abs. 2 CMNI). Das „Übereinkommen über die Beförderung von Gütern auf See vom 31.3.1978 (Hamburg-Regeln)“856 sieht die Möglichkeit der Unterzeichung eines Konnossements mit elektronischen Mitteln vor (Art. 14 Abs. 3 Hamburg-Regeln). Die „Einheitlichen Regeln für elektronische Konnossement“857 aus dem Jahr 1990 setzen für den Einsatz elektronischer Konnossemente den Einsatz einer symmetrischen Verschlüsselung in Form eines privaten Schlüssels voraus, der vom „carrier“ an den „shipper“ übermittelt wird (Nr. 8). Das „Übereinkommen über Verträge über die internationale Beförderung von Gütern ganz oder teilweise auf See vom 11.12.2008 (Rotterdam-Regeln)“858 verlangt, dass die Vertragsparteien eine Vereinbarung über die Nutzung elektronischer Kommunikation getroffen haben (Art. 3 Rotterdam-Regeln). schauer Abkommen über die Beförderung im internationalen Luftverkehr in der Fassung vom 28.9.1999“ (BGBl. 1958 II, S. 291), das „Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montreal Übereinkommen) vom 28.5.1999“ (ABl. EG Nr. L 194 vom 18.7.2001, S. 39) sowie das „Internationale Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über das Konnossement in der Fassung vom 23.2.1968“ (Haag-Visby-Regeln) (ursprüngliche Fassung: RGBl. 1939 II S. 1049). 854 BGBl. 2002 II S. 2140. 855 BGBl. 2007 II S. 298. 856 . 857 . 858 .

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Diese speziellen Regelungen bringen den besonderen Charakter von Transport- und Wertpapieren zum Ausdruck, der nicht durch eine Übertragung der Schriftform aus Art. 13 CISG unterlaufen werden sollte. Die Sonderstellung von Wertpapieren und Transportdokumenten wird auch im Rahmen von Art. 20 Abs. 1 ECC deutlich. Hier wurde bewusst darauf verzichtet, internationale Übereinkommen im Bereich des Transportsrechts in die Liste der Übereinkommen aufzunehmen, auf die das ECC anwendbar sein soll.859 (2) Erfüllungshandlung des Käufers und Erfüllungsort (a) Kaufpreiszahlungspflicht Auf Seiten des Käufers ergeben sich bei elektronischen Verträgen hinsichtlich der Pflicht, den Kaufpreis zu zahlen und die Ware abzunehmen (Art. 53 CISG), keine wesentlichen Besonderheiten im Vergleich zur traditionellen Geschäftsabwicklung. Zwar wird es bei elektronischen Verträgen im stärkeren Maße darauf ankommen, die Leistung unter Nutzung des elektronischen Zahlungsverkehrs erbringen zu können. Welche Form der Zahlung der Verkäufer aber zu akzeptieren hat, wird sich regelmäßig aus dem konkreten Vertrag ergeben, der als Ausdruck des Parteiwillens Vorrang hat (Art. 6, 53 CISG). Auch das Bestehen eines entsprechenden Handelsbrauchs in bestimmten Kreisen oder einer Gepflogenheit ist denkbar (Art. 9 Abs. 1 CISG). Zugunsten des Käufers ist zu berücksichtigen, dass er – sofern nichts anderes vereinbart ist – nicht verpflichtet ist, den Kaufpreis zu zahlen, bevor er Gelegenheit gehabt hat, die Ware zu untersuchen (Art. 58 Abs. 3 CISG).860 Dies gibt dem Käufer bei Softwareverträgen die Möglichkeit, zunächst einen Testlauf durchzuführen, bevor er den Kaufpreis bezahlt. Das Recht, den Kaufpreis erst nach einer längeren Erprobungsphase zu zahlen, ergibt sich hieraus hingegen nicht. Dies gilt auch für sehr komplexe Softwareprodukte, denn anders als bei der mit der Rügepflicht (Art. 39 CISG) in Zusammenhang stehenden Untersuchung (Art. 38 CISG) soll nur eine kurze erste Inaugenscheinnahme der Ware durch den Käufer ermöglicht werden861.

859

UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 295. OGH Österreich, Urteil v. 8.11.2005, 4 Ob179/05k, . 861 Schlechtriem/Schwenzer-Hager/Maultzsch, Art. 58 CISG, Rn. 11; Herber/ Czerwenka, Art. 58 CISG, Rn. 8; MüKoHGB-Benicke, Art. 58 CISG, Rn. 11; MüKoHuber, Art. 58 CISG, Rn. 5; BeckOK-Saenger, Art. 58 CISG, Rn. 7. 860

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(b) Erfüllungsort (aa) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut Der Erfüllungsort der Kaufpreiszahlungspflicht richtet sich in erster Linie nach der Parteivereinbarung (Art. 6, 57 Abs. 1 CISG). Haben die Parteien keine Vereinbarung über den Zahlungsort getroffen, ist dieser die Niederlassung des Verkäufers (Art. 57 Abs. 1 lit. a CISG) oder aber bei einer Zug-umZug-Leistung der Übergabeort (Art. 57 Abs. 1 lit. b CISG). Zwar sieht das CISG in der Zug-um-Zug-Leistung den Regelfall, sofern keine abweichende Vereinbarung vorliegt (Art. 58 Abs. 1 CISG), sie setzt jedoch voraus, dass sich die Parteien an einem Ort treffen, um ihre Leistungen auszutauschen.862 Dies kann bei elektronischen Verträgen über ein physisches Gut durchaus der Fall sein, anderenfalls ist der Erfüllungsort an der Niederlassung des Verkäufers. (bb) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut Zu einem physischen Treffen der Parteien kommt es nicht, wenn Güter digital übermittelt werden. Ist diese Übermittlungsart vertraglich vorgesehen, wird das Geschäft regelmäßig als Versendungskauf einzuordnen sein.863 In diesem Fall ist ein Treffen der Parteien auch nicht zu fingieren, denn das Wesen des Versendungskaufes ist es, dass sich die Parteien nicht zur Zug-um-ZugLeistung treffen864. Insofern ist der Zahlungsort nach Art. 57 Abs. 1 lit. a CISG die Niederlassung des Verkäufers. (cc) Elektronischer Vertrag über digital übermittelte Software Ein Softwarevertrag stellt eine Holschuld dar, wenn die Software per Download übermittelt wird oder – wie beim Cloud-Computing oder SaaS – online genutzt wird.865 Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Parteien bei nicht digitaler Geschäftsabwicklung im Falle einer Holschuld am Lieferort zusammenkommen. Dementsprechend ist bei digitaler Leistungserbringung ein Treffen der Parteien am Lieferort zu fingieren, falls eine Holschuld besteht. Hier befindet sich dann der Zahlungsort (Art. 57 Abs. 1 lit. b CISG). Wie gesehen, ist beim Download oder der Onlinenutzung von Software der Lieferort grundsätzlich die Niederlassung des Verkäufers866, so dass auch dort der Zahlungsort liegt. 862

BeckOK-Saenger, Art. 57 CISG, Rn. 3; MüKo-Huber, Art. 57 CISG, Rn. 6. Siehe Kap. 8 B. III. 1. d) bb) (1) (a) (aa). 864 Zur Unanwendbarkeit des Art. 57 Abs. 1 lit b CISG bei Versendungskauf vgl. BeckOK-Saenger, Art. 57 CISG, Rn. 3. 865 Siehe Kap. 8 B. III. 1. d) bb) (1) (a) (bb) (1) (a) (β). 866 Siehe Kap. 8 B. III. 1. d) bb) (1) (b) (cc). 863

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Wird die Software nicht durch Download übermittelt und nicht online genutzt, so gelten bei sonstiger digitaler Übermittlung (z.B. per Email) die soeben dargestellten Grundsätze für andere digital übermittelte Güter.867 (dd) Zwischenergebnis Bei digitaler Übermittlung des Leistungsgegenstandes wird somit regelmäßig für die Verkäuferpflichten und die Kaufpreiszahlungspflicht ein einheitlicher Leistungsort an der Niederlassung des Verkäufers bestehen.868 cc) Leistungsstörung Im Falle der Nichterfüllung durch den Verkäufer stehen dem Käufer der Erfüllungsanspruch oder Nacherfüllungsanspruch (Art. 46 CISG), das Recht zur Vertragsaufhebung (Art. 49 CISG) und zur Minderung (Art. 50 CISG) sowie ein Schadensersatzanspruch (Art. 74–77 CISG) zu (Art. 45 Abs. 1 CISG). Die in Art. 45 Abs. 1 CISG genannten Rechtsbehelfe sind zwar disponibel (Art. 6 CISG)869, aber abschließend, so dass Ansprüche nach Bestimmungen des nationalen Leistungsstörungsrechts ausgeschlossen sind870. Mit dem Nebeneinander von Nacherfüllung und Schadensersatz folgt das CISG dem kontinentaleuropäischen Ansatz und unterscheidet sich vom anglo-amerikanischen Recht, das die Nacherfüllung (specific performance) als alternativen, subsidiären Rechtsbehelf zum Schadensersatz einordnet.871 Die Geltendmachung von Rechtsbehelfen durch den Käufer setzt eine Vertragsverletzung des Verkäufers oder eine Verletzung seiner Pflichten aus dem CISG voraus.872 Vor allem eine Verletzung der Pflicht zur Lieferung vertragsgemäßer Ware (Art. 30, 35 CISG) kommt in Betracht. (1) Elektronische Mängelrüge Die Geltendmachung von Rechtsbehelfen, die auf einer Vertragswidrigkeit der Ware beruhen, setzt eine Mängelrüge durch den Käufer voraus, die innerhalb einer angemessenen Frist nach Feststellung der Vertragswidrigkeit, spä867

Siehe Kap. 8 B. III. 1. d) (bb) (2) (b) (bb). Ebenso ganz allgemein für das CISG: BGH, NJW 1992, 2428, 2430; PalandtHeinrichs, § 269 BGB, Rn. 15. 869 LG Darmstadt, IHR 2001, 27, 28; BeckOK-Saenger, Art. 45 CISG, Rn. 1; Schlechtriem/Schwenzer-Müller-Chen, Art. 45 CISG, Rn. 36; Staudinger-Magnus, Art. 45 CISG, Rn. 45. 870 MüKoHGB-Benicke, Art. 45 CISG, Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer-Müller-Chen, Art. 45 CISG, Rn. 32; BeckOK-Saenger, Art. 45 CISG, Rn. 1. 871 ICC Schiedsgerichtsurteil, Nr. 12177 aus 2004, . 872 BeckOK-Saenger, Art. 45 CISG, Rn. 2. 868

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testens aber zwei Jahren nach Übergabe der Ware erfolgen muss (Art. 39 CISG).873 Für die Mängelanzeige gegenüber dem Verkäufer schreibt das CISG keine bestimmte Form vor.874 Daher bestehen gegen die Geltendmachung in elektronischer Form keine Bedenken.875 Zu beachten ist allerdings, dass für die Mängelanzeige eine andere Risikoverteilung besteht als für Angebot und Annahme (vgl. Art. 27 CISG), denn das Transportrisiko trägt bei der Mängelanzeige der Empfänger.876 Zum Transportrisiko zählen insbesondere das Risiko der Verzögerung, des Verlusts oder eines Übermittlungsfehlers. Gesetzgeberischer Hintergrund dieser Risikoverteilung ist, dass die von Art. 27 CISG erfassten Erklärungen regelmäßig durch Vertragsverletzungen der anderen Partei veranlasst sind, die daher auch das Übermittlungsrisiko tragen soll.877 Überträgt man diese Wertung auf elektronische Kommunikation, können nicht mehr die Verantwortungssphären gelten, die im Hinblick auf das Übermittlungsrisiko für Angebot und Annahme aufgestellt wurden878. Zwar bleibt es dabei, dass der Erklärende die Verantwortung trägt bis die Nachricht den IAP-Router auf seiner Seite erreicht hat, denn dieser Bereich unterliegt seiner Organisationsgewalt. Aus der Risikoverteilung des Art. 27 CISG ergibt sich allerdings, dass ab Verlassen des IAP-Routers auf Seiten des Erklärenden der Empfänger das Transportrisiko zu tragen hat. Eine Störung im Bereich der NSP-Backbones oder der NAPs, also in dem Bereich, über den weder Erklärender noch Empfänger Organisationsgewalt haben, geht daher zu Lasten des Empfängers. Selbstverständlich ist er auch für einen Übermittlungsfehler verantwortlich, der eintritt nachdem die Nachricht den IAP-Router auf seiner Seite erreicht hat. Dieses Ergebnis begegnet jedoch Bedenken, denn bei elektronischer Kommunikation wird der Erklärende regelmäßig eher als der Empfänger eine Störung bei der Übermittlung bemerken. So erhält zum Beispiel der Versender einer Email eine Fehlermeldung, wenn diese nicht zugestellt werden kann. Insofern ist bei elektronischer Kommunikation an eine teleologische Reduktion zu denken.879 Allerdings wird eine teleologische Reduktion des

873

LG Oldenburg, NJW-RR 1995, 438, 438. BeckOK-Saenger, Art. 39 CISG, Rn. 6. 875 Wulf, S. 168. 876 Österreichischer OGH, Urteil v. 15.10.1998, ; Staudinger-Magnus, Art. 27 CISG, Rn. 1; BeckOK-Saenger, Art. 27 CISG, Rn. 1. 877 Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/Schroeter, Art. 27 CISG, Rn. 1; StaudingerMagnus, Art. 27 CISG, Rn. 3; BeckOK-Saenger, Art. 27 CISG, Rn. 1. 878 Siehe Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2) (b). 879 Eine teleologische Reduktion allgemein für Fälle befürwortend, für welche die Ratio des Art. 27 nicht passe MüKo-Gruber, Art. 27 CISG, Rn. 5; Noussias, S. 126 ff. 874

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Art. 27 CISG von der herrschenden Meinung in der Fachliteratur im Interesse der Rechtssicherheit abgelehnt.880 Somit ist es Aufgabe der Parteien, durch intelligente Vertragsgestaltung die Dispositivität des Art. 27 CISG881 auszunutzen und bei elektronischen Verträgen Art. 27 CISG durch eine Regelung zu ersetzen, die das Transportrisiko für jegliche elektronische Nachricht auf den Erklärenden überträgt. (2) Nacherfüllungsanspruch, Vertragsaufhebung und Minderung (a) Nacherfüllungsanspruch Der Nacherfüllungsanspruch umfasst den Anspruch auf Ersatzlieferung (Art. 46 Abs. 2 CISG) und Nachbesserung (Art. 46 Abs. 3 CISG). (aa) Ersatzlieferung (α) Elektronischer Vertrag über ein physisches Gut Der Anspruch auf Ersatzlieferung steht unter der Voraussetzung, dass es sich um einen Gattungskauf handelt882, die Lieferung der vertragswidrigen Ware eine wesentliche Vertragsverletzung (Art. 25 CISG) darstellt, die Ersatzlieferung innerhalb einer angemessenen Frist nach der Mängelanzeige verlangt wird (Art. 46 Abs. 2 CISG) und der Käufer zur Rückgabe der gelieferten vertragswidrigen Sache in der Lage ist (Art. 82 Abs. 1 CISG). Eine wesentliche Vertragsverletzung liegt nach der Rechtsprechung bei mangelhafter Ware nur vor, sofern dem Käufer eine anderweitige Verarbeitung oder der Absatz der Ware im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ohne unverhältnismäßigen Aufwand nicht möglich und zumutbar ist.883 Außerdem ist anerkannt, dass eine wesentliche Vertragsverletzung dann nicht vorliegt, wenn sich die Vertragswidrigkeit der Ware in zumutbarer Weise durch Nachbesserung beheben lässt und der Verkäufer hierzu bereit ist.884 Diese Regeln gelten auch für elektronische Verträge über physische Güter.

880

MüKoHGB-Benicke, Art. 27 CISG, Rn. 2; Herber/Czerwenka, Art. 27 CISG, Rn. 2; Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/Schroeter, Art. 27 CISG, Rn. 2. 881 BeckOK-Saenger, Art. 27 CISG, Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer-Schlechtriem/ Schroeter, Art. 27 CISG, Rn. 6; Staudinger-Magnus, Art. 27 CISG, Rn. 9. 882 MüKo-Huber, Art. 46 CISG, Rn. 38; MüKoHGB-Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 13; Staudinger-Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 33 f.; BeckOK-Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 1. 883 BGH, NJW 1996, 2364, 2366; OLG Frankfurt, NJW 1994, 1013, 1014; Schlechtriem/Schwenzer-Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 24. 884 MüKo-Huber, Art. 46 CISG, Rn. 33; Schlechtriem/Schwenzer-Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 26; BeckOK-Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 6.

B. Rechtslage

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(β) Elektronischer Vertrag über ein digital übermitteltes Gut Bei einem Vertrag über ein digital übermitteltes Gut stellt sich im Hinblick auf den Rechtsbehelf der Ersatzlieferung vor allem die Frage, wie die Voraussetzung der Rückgabe der gelieferten vertragswidrigen Ware durch den Käufer (Art. 82 Abs. 1 CISG) erfüllt werden kann. Grundsätzlich kann der Käufer natürlich das erhaltene Gut digital an den Verkäufer zurückübermitteln. Darauf kann es jedoch nicht ankommen, da der Käufer auch beim Zurückschicken regelmäßig weiterhin eine Kopie des Gutes auf seinem IT-System haben kann. Außerdem wird auf Seiten des Verkäufers kaum ein Interesse an einer Rückübertragung bestehen, sofern er immer noch im Besitz eines Exemplars des übermittelten Gutes ist, wie es bei vertretbaren885, digital übermittelten Gütern regelmäßig der Fall sein wird. Nach überzeugender Auffassung wird die Vorschrift in diesem Fall deshalb dahingehend auszulegen sein, dass der Käufer zur Löschung des übermittelten Gutes verpflichtet ist.886 Damit wäre dem Telos der Norm Genüge getan, dass dem Käufer keine Vorteile aus dem Geschäft verbleiben sollen. Ob der Verkäufer bei Fehlern während der digitalen Übermittlung eine Ersatzlieferung vorzunehmen hat, ergibt sich nicht aus Art. 46 Abs. 2 CISG, sondern richtet sich danach, welche Partei das Transportrisiko zu tragen hat.887 Liegt eine Bringschuld vor, trägt der Verkäufer das Risiko einer fehlerhaften Übermittlung, so dass eine Ersatzlieferung – sofern der Fehler wesentlich ist – oder eine Nachbesserung zu erfolgen hat. Bei einer Schickschuld oder Holschuld trägt grundsätzlich der Käufer das Transportrisiko, jedoch ist bei digitaler Übermittlung nach der hier vertretenen Auffassung eine wertungsmäßige Korrektur vorzunehmen.888 Folglich kommt auch in diesen Fällen eine Ersatzlieferung in Betracht. Weitere Schwierigkeiten für den Rechtsbehelf der Ersatzlieferung sind bei Verträgen über digital übermittelte Güter nicht ersichtlich. (γ) Elektronischer Softwarevertrag über digital übermittelte Software Für den Vertragsgegenstand Software gelten die obigen Ausführungen zu den Aspekten der Löschung des Gutes anstelle der Rückübertragung und der Verantwortlichkeit für Übermittlungsfehler entsprechend. Im Hinblick auf die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung, die der Rechtsbehelf der Nachlieferung voraussetzt (Art. 25, 46 Abs. 2 CISG), verbieten sich für Softwareverträge allgemeine Aussagen. Vielmehr ist die Bedeutung des Softwaremangels 885

Bei nicht vertretbaren Gütern ist das CISG regelmäßig nicht anwendbar (Art. 3 Abs. 2 CISG), siehe Kap. 8 B. II. 2. a) aa) (2) (b). 886 Wulf, S. 171. 887 Siehe Kap. 8 B. III. 1. d) bb) (1) (c). 888 Siehe Kap. 8 B. III. 1. d) bb) (1) (d).

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

im konkreten Einzelfall für den jeweiligen Vertrag zu bestimmen. Entscheidende Hilfestellung können hierbei technische Softwarestandards bieten.889 Weitere Anwendungsprobleme sind beim Rechtsbehelf der Nachlieferung für Softwareverträge nicht ersichtlich. (bb) Nachbesserung Auf das Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung kommt es für den Rechtsbehelf der Nachbesserung nicht an. Vielmehr ist es ausreichend, dass die gelieferte Ware nicht vertragsgemäß ist, der Käufer rechtzeitig die Nachbesserung verlangt und die Nachbesserung dem Verkäufer zumutbar ist (Art. 46 Abs. 3 CISG). Unzumutbar soll die Nachbesserung nach der Fachliteratur sein, soweit sie mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sei, insbesondere wenn die Kosten der Nachbesserung die Kosten der Ersatzbeschaffung übersteigen.890 Ist allerdings die Ersatzbeschaffung nicht ohne weiteres möglich, habe der Verkäufer für die Nachbesserung auch hohe Kosten zu tragen.891 Der Rechtsbehelf der Nachbesserung gilt für elektronische Verträge über physische Güter und digitale übermittelte Güter gleichermaßen. Besondere Anwendungsprobleme ergeben sich hierbei nicht. Dies gilt auch für Softwareverträge. Weist bei einer Software die gesamte Version (Gattung) einen Fehler auf und ist eine Ersatzlieferung daher nicht möglich, hat der Verkäufer einen Patch892 zu übermitteln, der die Fehlfunktion beseitigt. Hierbei hat der Verkäufer unter Umständen auch hohe Entwicklungskosten zu tragen, denn es gilt dann der Grundsatz, dass bei Unmöglichkeit der Ersatzlieferung die Schwelle für die Unzumutbarkeit der Nachbesserung sehr hoch liegt.893 (b) Vertragsaufhebung Der Rechtsbehelf der Vertragsaufhebung setzt eine wesentliche Vertragsverletzung (Art. 25, 49 Abs. 1 lit. a CISG) oder den fruchtlosen Ablauf einer Nachfrist (Art. 49 Abs. 1 lit. a CISG) voraus. Ferner muss der Käufer zur Rückgabe der gelieferten vertragswidrigen Sache in der Lage sein (Art. 82 Abs. 1 CISG).

889

Siehe Kap. 8 B. III. 1. d) aa) (3). Schlechtriem/Schwenzer-Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 40; Staudinger-Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 61. 891 BeckOK-Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 12. 892 Ein Patch (von engl. Flicken) ist eine Korrekturauslieferung für Software, um zum Beispiel Sicherheitslücken zu schließen, Fehler zu beheben oder bislang nicht vorhandene Funktionalität nachzurüsten. 893 Ähnliche Überlegungen finden sich bei Kilian/Heussen-Moritz, Teil 3, Rn. 67 in Bezug auf § 275 Abs. 2 BGB. 890

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Insofern kann auf die obigen Ausführungen zum Rechtsbehelf der Ersatzlieferung verwiesen werden.894 (c) Minderung Bei Lieferung einer vertragswidrigen Ware kann der Käufer den Kaufpreis mindern (Art. 50 CISG). Allerdings ist die praktische Bedeutung dieses Rechtsbehelfs gering, da das CISG –wie das angloamerikanische Recht – eine verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung gewährt, die den Minderwert regelmäßig mitumfasst.895 Nur sofern sich der Käufer aufgrund des Vorliegens eines nicht beherrschbaren Hinderungsgrundes entlasten kann (Art. 79 CISG) oder sich ein konkreter Schaden nicht nachweisen lässt, kommt dem Rechtsbehelf der Minderung eigenständige Bedeutung zu.896 Besondere Anwendungsprobleme für elektronische Vertrag jeglicher Art ergeben sich jedoch auch dann nicht. (3) Schadensersatz Für die Erfüllung seiner Vertragspflichten trifft den Verkäufer nach dem CISG eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung.897 Die bloße Nichterfüllung einer vertraglichen Pflicht ist haftungsbegründend (Art. 45 Abs. 1 lit. b CISG). Hiervon ausgenommen sind nicht beherrschbare Hinderungsgründe (Art. 79 Abs. 1 CISG) und zwar auch dann, wenn sich der Schuldner zur Erfüllung seiner Vertragspflichten Dritter bedient (Art. 79 Abs. 2 CISG). Nach ganz herrschender Meinung gilt Art. 79 CISG auch für die Lieferung vertragswidriger Ware.898

894

Siehe Kap. 8 B. III. 1. d) cc) (2) (c). BeckOK-Saenger, Art. 50 CISG, Rn. 1. 896 MüKo-Huber, Art. 50 CISG, Rn. 31; Schlechtriem/Schwenzer-Müller-Chen, Art. 50 CISG, Rn. 18. 897 BGH, NJW 1999, 2440, 2441; Schlechtriem/Schwenzer-Müller-Chen, Art. 45 CISG, Rn. 23; Staudinger-Magnus, Art. 45 CISG, Rn. 18; BeckOK-Saenger, Art. 45 CISG, Rn. 8; Bierekoven, ITRB 2008, 19, 20. 898 LG Köln, Urteil v. 16. 11. 1995, 5 O 189/94, ; OLG Zweibrücken, Urteil v. 31.3.1998, 8 O 1995/95, ; Herber/Czerwenka, Art. 79 CISG, Rn. 8; Honsell-Magnus, Art. 79 CISG, Rn. 4; MüKo-Huber, Art. 79 CISG, Rn. 3; MüKoHGBMankowski, Art. 79 CISG, Rn. 19; Schlechtriem/Schwenzer-Schwenzer, Art. 79 CISG, Rn. 6; Soergel-Lüderitz/Dettmeier, Vor Art. 79 CISG, Rn. 3; Staudinger-Magnus, Art. 79 CISG, Rn. 12; BeckOK-Saenger, Art. 79 CISG, Rn. 2; a.A. Bianca/Bonell-Tallon, Art. 79 CISG, Anm. 2.6.2; Honnold, Rn. 427; Lautenbach, S. 33; offen gelassen von BGH, NJW 1999, 2440, 2441. 895

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Ein „nicht beherrschbarer Hindergrund“ liegt vor, wenn die Nichterfüllung auf Umständen beruht, die außerhalb des Einflussbereichs des Schuldners liegen und gegen deren Eintritt er auch keine Vorkehrungen treffen kann.899 Die Vorschrift des Art. 79 CISG ist dispositiv, so dass die Parteien zum Beispiel Force-Majeure-Klauseln oder Hardship-Klauseln vereinbaren können.900 Die Wirksamkeit dieser Klauseln richtet sich dann nach dem anwendbaren nationalen Recht (Art. 4 S. 2 lit. a CISG). Eine weitere Begrenzung der Garantiehaftung besteht darin, dass eine Partei, welche die Nichterfüllung der anderen Partei verursacht hat, hieraus keine Rechte herleiten kann (Art. 80 CISG). Der Umfang des Schadensersatzes berechnet sich nach Art. 74 ff. CISG. Ersatzfähig sind grundsätzlich neben dem Mangelschaden auch Mangelfolgeschäden (Totalreparation des konkreten Schadens, Art. 74 S. 1 CISG).901 Die Ersatzfähigkeit ist jedoch auf den Schaden beschränkt, den der Schuldner zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses voraussehen konnte (Art. 74 S. 2 CISG).902 Auf elektronische Verträge über physische Güter sind die CISG-Vorschriften zum Schadensersatz ohne weiteres anwendbar. Dies gilt grundsätzlich auch für Verträge über digital übermittelte Güter. Zwar ist das Schadensersatzsystem des CISG in Bezug auf Verträge, welche die bloße Übermittlung von Daten zum Gegenstand haben (z.B. bestimmte Datenbankverträge) als unangemessen eingestuft worden, da in diesem Fall die gelieferte Information Grundlage für eine unüberschaubare Zahl an Dispositionen und Entscheidungen sein könnte und so durch unrichtige oder unvollständige Information ein erhebliches Haftungsrisiko ausgelöst würde, das durch das Kriterium der Vorhersehbarkeit des Schadens (Art. 74 S. 2 CISG) nicht wirksam begrenzt würde.903 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass im Rahmen des CISG eine Haftungsbegrenzung durch Parteivereinbarung jederzeit möglich ist. Außerdem hat es auch im papierbasierten Geschäftsverkehr bereits Verträge gegeben, die die Übermittlung von Daten zum Gegenstand hatten (z.B. Verträge über die Übermittlung von Unternehmensdaten). Insofern hat die Digitalisierung nicht zwangsläufig für eine Erhöhung des Haftungsrisikos gesorgt. Im Hinblick auf Übermittlungsfehler ist zu beachten, dass das CISG keine uneingeschränkte Sphärenhaftung – wie sie zum Beispiel im deutschen EDI899

BeckOK-Saenger, Art. 79 CISG, Rn. 3. MüKo-Huber, Art. 79 CISG, Rn. 33; MüKoHGB-Mankowski, Art. 79 CISG, Rn. 64; Schlechtriem/Schwenzer-Schwenzer, Art. 79 CISG, Rn. 57; BeckOK-Saenger, Art. 79 CISG, Rn. 1. 901 BGH NJW 1999, 1259, 1261; BeckOK-Saenger, Art. 74 CISG, Rn. 1. 902 Vgl. Oberster Gerichtshof Österreich, IHR 2002, 76, 80; Handelsgericht St. Gallen, IHR 2003, 181, 185. 903 Schmitz, MMR 2000, 256, 260. 900

B. Rechtslage

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Rahmenvertrag (§ 14) geregelt ist – vorsieht, da sich der Schuldner für nicht beherrschbare Hinderungsgründe entlasten kann, auch wenn sie in seiner Sphäre auftreten. Demnach können aus Übermittlungsfehlern, die im Bereich der NSP-Backbones oder der NAPs auftreten904, keine Schadensersatzansprüche hergeleitet werden, denn gegen den Eintritt solcher Störungen kann der Schuldner keine Vorkehrungen treffen. Für Softwareverträge ist das Haftungsregime des CISG besonders geeignet, weil es grundsätzlich vom bei technischen Vorgängen schwierigen Verschuldensnachweis entbindet. e) Zwischenergebnis Es besteht Rechtsunsicherheit über den genauen Umfang des sachrechtlichen Regelungsbereichs des CISG. Dies ist für elektronische Handelsverträge insbesondere dann relevant, wenn es um Streitigkeiten aus den Bereichen der Stellvertretung, der Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen, der AGB oder der Fehlerbehandlung geht. Zwar ist sich die Rechtsprechung grundsätzlich darüber einig, dass sich das CISG nicht auf den Bereich der Stellvertretung erstreckt, jedoch existieren keine Urteil zu der Frage, ob der Einsatz von elektronischen Agenten nach dem CISG oder nach nationalem Recht zu beurteilen ist. Da in vertragsrechtlicher Hinsicht das Problemhafte an elektronischen Agenten deren Erklärungswert ist und ihre Behandlung nicht dem Stellvertretungsrecht unterliegt, bestimmt sich der Einsatz von elektronischen Agenten richtigerweise nach dem CISG. Zwischen US-amerikanischen und deutschen Gerichten besteht keine Einigung darüber, ob sich die Wirksamkeit von Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen, die in einem elektronischen Vertrag enthalten sind, der dem CISG unterfällt, auch nach dem CISG (so die US-amerikanischen Gerichte) oder aber nach nationalem Recht (so die deutschen Gerichten) richtet. Unzweifelhaft ist hingegen, dass die wirksame Einbeziehung von elektronisch gestellten AGB am CISG zu messen ist. Ebenfalls unumstritten ist, dass sich die Behandlung von Tippfehlern oder sonstigen unabsichtlich abgegebenen Erklärungen – mit der Ausnahme von Erklärungen, die auf Irrtümern über die Eigenschaft einer Ware beruhen – nach nationalem Recht richtet. Das CISG verhindert nicht die Geltendmachung urheberrechtlicher Ansprüche, die bei Vertragsschluss mitgeteilt oder vereinbart worden sind. Darüber hinaus können die Vorschriften des CISG durch anders lautende oder genauere Regelungen in EDI-Rahmenverträgen oder IT-OutsourcingVerträgen ersetzt werden (Grundsatz der Parteiautonomie, Art. 6 CISG). EDI-

904

Siehe Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2) (a) (aa) (ε).

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Rahmenverträge einer bestimmten Branche können sogar zum Handelsbrauch werden, der dann über Art. 9 Abs. 1 CISG verbindlich würde. Der Vertragsschluss mit elektronischen Mitteln wirft im Anwendungsbereich des CISG Fragen hinsichtlich der Schriftform, des Vorliegens eines Angebots, des Wirksamwerdens von elektronischen Erklärungen, des Ortes des Vertragsschlusses sowie des Vertragsschlusses bei Versteigerungen auf. Mit der Ausnahme des nur von einigen Vertragsstaaten erklärten Vorbehalts aus Art. 96 CISG gilt für Vertragsschlüsse unter dem CISG der Grundsatz der Formfreiheit, so dass auch ein elektronisch geschlossener Vertrag nicht schon deshalb unwirksam ist. Ob der Vorbehalt des Art. 96 CISG dazu führt, dass die Formvorschriften des nationalen Rechts zur Anwendung kommen oder ob dann der Maßstab Art. 13 CISG gilt, ist umstritten. Die konkreten Anforderungen, die aus Art. 13 CISG für elektronische Kommunikation abzuleiten sind, hat die Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärt. Nach der ganz überwiegenden Fachliteratur wird jedoch zu recht davon ausgegangen, dass elektronische Mitteilungen dann als schriftlich im Sinne des CISG anzusehen sind, wenn die elektronische Nachricht speicherbar ist. Verlässliche Auslegungskriterien zur Abgrenzung von verbindlichem Angebot und bloßer invitatio ad offerendum hat die Rechtsprechung für das CISG bisher ebenfalls nicht aufgestellt. Die ganz herrschende Fachliteraturmeinung sieht allein in der Präsentation auf einer Webseite noch kein verbindliches Angebot. Richtigerweise dürfte es auf die konkrete Webseitengestaltung ankommen, wobei unter Berücksichtigung des in Art. 14 Abs. 2 CISG enthaltenen Kriteriums (Vorschlag an eine bestimmte Person oder an die Allgemeinheit) bei sofortiger elektronischer Erfüllung durch Download und Bezahlung per Kreditkarte ein verbindliches Angebot anzunehmen ist. Das Konzept des CISG zum Vertragsschluss entspricht im Wesentlichen der deutschen Dogmatik zum Vertragsschluss durch Willenserklärungen unter Abwesenden (vgl. § 130 Abs. 1 BGB). Anders als nach traditionellem angloamerikanischen Vertragsrecht (Mailbox-Rule) trägt bei der Annahmeerklärung der Annehmende und nicht der Anbietende das Übermittlungsrisiko. Für die genaue Verteilung des Fehlerrisikos zwischen Absender und Empfänger bei elektronischen Erklärungen hat sich die Rechtsprechung zum CISG – soweit ersichtlich – bisher noch nicht geäußert. Die teilweise in der Fachliteratur vertretene Auffassung, für den Zugang einer elektronischen Erklärung käme es darauf an, dass der Empfänger die Nachricht abrufen kann, ist abzulehnen, weil die Nachricht bereits vor ihrer Abrufbarkeit in einen Bereich eintritt, der auf der Grundlage des technischen Schichtenmodells einer elektronischen Kommunikation der Organisationsgewalt des Empfängers zuzuordnen ist. Überzeugender ist von einem Zugang einer elektronischen Erklärung auszugehen, wenn die Schnittstelle (IAP-Router) auf Seiten des Empfängers passiert wurde.

B. Rechtslage

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Die bisherigen Vorschläge zur Bestimmung des Vertragsschlussortes auf der Grundlage des CISG führen bei elektronischen Verträgen zu willkürlichen Ergebnissen, da das Erreichen des Empfängerservers maßgeblich wäre, dessen physikalischer Standort in keinerlei Verbindung mit dem Aufenthaltsort der Vertragsparteien stehen muss. Sachgerecht wäre es, den Zugangsort immer an der Niederlassung des Empfängers zu sehen (vgl. Art. 10 Abs. 3 ECC). Hinsichtlich der Einbeziehung von AGB dürfte die deutsche Rechtsprechung dahingehend zu interpretieren sein, dass AGB bei elektronischen Verträgen durch das Anhängen an eine Email, durch Bereitstellen eines entsprechenden Hyperlinks oder durch sonstiges Zugänglichmachen wirksam einbezogen werden können. Der bloße Verweis auf ein Standardklauselwerk oder die Unternehmenshomepage soll nach deutscher Rechtsprechung allerdings nicht ausreichen, wobei dies ausländische Gerichte teilweise anders beurteilt haben. Im Bereich der Leistungserbringung sind die Rechtsunsicherheiten geringer als beim Vertragsschluss. Die Regeln des CISG zur Qualität der geschuldeten Leistung (Art. 35 CISG), der Art und Weise, wie sie zu erbringen ist (Art. 30, 31, 53 CISG), sowie zur Leistungsstörung (Art. 45–52, 74–77 CISG) sind auf elektronische Verträge über physische Güter anwendbar. Die Vorschriften des CISG zur Vertragsdurchführung gelten überdies für digital übermittelte, vertretbare Vermögensgegenstände, insbesondere Standardsoftware. Gleiches gilt für Verträge im Bereich Cloud-Computing und SaaS. Hingegen ist bei Verträgen, bei denen ein (digitaler) Dienst oder die Erstellung eines individuellen Werkes Vertragsgegenstand ist (zum Beispiel eine elektronische Architektenleistung oder Individualsoftware), regelmäßig der Anwendungsbereich des CISG nicht eröffnet. Somit ist fraglich, ob und welche Probleme die Substitution der körperlichen Übergabe des Leistungsgegenstandes durch digitale Übermittlung für die CISG-Vorschriften zur Vertragsdurchführung aufwirft, die am Leitbild der Lieferung eines physischen Vertragsgegenstandes entwickelt worden sind. Bei elektronischen Verträgen über physische Güter ergeben sich hinsichtlich der Beschaffenheit der geschuldeten Leistung keine Besonderheiten. Maßgeblich ist die vertragliche Vereinbarung, der Verwendungszweck oder eine Probe oder ein Muster des Gutes. Die qualitativen Anforderungen an die geschuldete Leistung ändern sich grundsätzlich nicht dadurch, dass die vertragliche Leistung digital übermittelt wird. Voraussetzung ist jedoch, dass die Leistung in einem allgemein üblichen Dateiformat übermittelt wird. Bei Softwareverträgen ist die geschuldete Beschaffenheit aufgrund der komplexen Struktur von Computerprogrammen regelmäßig schwierig zu bestimmen. Daher kommt einer genauen Spezifizierung durch die Parteien bei Vertrags-

288

8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

schluss entscheidende Bedeutung zu. Haben es die Parteien eines Softwarevertrages versäumt, die Beschaffenheit genau festzulegen, ist die geschuldete Beschaffenheit gegebenenfalls anhand einer Testversion der Software, des Verwendungszwecks (Funktionsfähigkeit) sowie von Standards in Form von Qualitätsmodellen zu ermitteln. Nach dem CISG hat der Verkäufer alles seinerseits Erforderliche getan, wenn er – im Falle der Downloadmöglichkeit oder Onlinenutzung – die Software zum Abruf bereit gestellt hat oder aber – in den sonstigen Fällen des Erwerbs von Software und digitalen Gütern – den digitalen Übermittlungsvorgang in Gang gesetzt hat. Nach den allgemeinen Regeln geht mit in Gang setzen der digitalen Übermittlung – dies ist bei Verlassen des IAP-Routers auf Seiten des Verkäufers der Fall – die Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Käufer über. Hierbei bliebe jedoch unberücksichtigt, dass der Verkäufer bei Verlust das digitale Gut ohne große Kosten erneut versenden kann. Daher ist eine wertungsmäßige Korrektur dahingehend angezeigt, dass bei einem Verlust während der digitalen Übermittlung oder dem Download der Verkäufer nach Treu und Glauben verpflichtet ist, die Software oder ein sonstiges digitales Gut dem Käufer erneut zu schicken oder zur Verfügung zu stellen. Für die Frage, ob Warendokumente elektronisch übermittelt werden können, ist nicht das CISG maßgeblich, sondern dies richtet sich nach internationalen Transportrechtsübereinkommen. Um die spezielleren Regelungen für elektronische Transportdokumente in neueren Transportrechtsübereinkommen nicht zu unterlaufen, ist nicht auf das Schriftformverständnis in Art. 13 CISG zurückzugreifen. Auf Seiten des Käufers ergeben sich bei elektronischen Verträgen hinsichtlich der Pflicht, den Kaufpreis zu zahlen und die Ware abzunehmen, keine wesentlichen Besonderheiten im Vergleich zur traditionellen Geschäftsabwicklung. Bei Softwareverträgen hat der Käufer das Recht, einen Testlauf durchzuführen, bevor er den Kaufpreis bezahlt. Bei digitaler Übermittlung des Leistungsgegenstandes besteht für die Verkäuferpflichten und die Kaufpreiszahlungspflicht ein einheitlicher Leistungsort an der Niederlassung des Verkäufers. Gegen die Mängelanzeige in elektronischer Form bestehen keine Bedenken. Da bei der Mängelanzeige der Empfänger das Transportrisiko trägt, gehen jedoch Übermittlungsfehler, die nach Verlassen des IAP-Routers auf Seiten des Erklärenden auftreten, – anders als bei Angebot und Annahme – zu Lasten des Empfängers. Die Anwendung der CISG-Regeln zur Nacherfüllung, zum Rücktritt und zur Minderung bereitet bei elektronischen Verträgen über physische Güter keine Schwierigkeiten. Betrifft der Vertrag ein digital übermitteltes Gut, ist der Käufer bei der Ersatzlieferung und beim Rücktritt zur Löschung des übermittelten Gutes verpflichtet. Dies gilt insbesondere für Softwareverträge.

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Die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung ist vor allem bei Softwareverträgen unter Berücksichtigung von technischen Standards zu bestimmen. Weist bei einer Software die gesamte Version (Gattung) einen Fehler auf und ist eine Ersatzlieferung daher nicht möglich, hat der Verkäufer – unter Umständen unter Aufwendung hoher Entwicklungskosten – einen Patch zu übermitteln, der die Fehlfunktion beseitigt. Auf elektronische Verträge über physische Güter sind die CISG-Vorschriften zum Schadensersatz ohne weiteres anwendbar. Dies gilt grundsätzlich auch für Verträge über digital übermittelte Güter. Für Softwareverträge ist das Haftungsregime des CISG besonders geeignet, weil es grundsätzlich vom bei technischen Vorgängen schwierigen Verschuldensnachweis entbindet. Es besteht jedoch keine uneingeschränkte Sphärenhaftung, sondern der Schuldner kann sich in Bezug auf nicht beherrschbare Hinderungsgründe entlasten, auch wenn sie in seiner Sphäre auftreten. 2. Deutsches Sachrecht für elektronische Handelsverträge Mit dem TMG, den SigG, den BGB-Vorschriften zur Umsetzung der ECommerce Richtlinie sowie den handelsrechtlichen Vorschriften zu elektronischen Geschäftsbriefen sind die wichtigsten Rechtsquellen des deutschen Sachrechts für elektronische Handelsverträge bereits genannt worden.905 Daneben bestehen eine Reihe allgemeiner Vertragsrechtsvorschriften, die auf elektronische Verträge übertragbar sind, soweit deutsches Recht anzuwenden ist. a) Informationspflichten Nach deutschem Recht, das insoweit weitgehend auf harmonisierten europäischem Recht beruht906, hat der unternehmerische Anbieter im elektronischen Geschäftsverkehr eine Vielzahl von Informationspflichten zu erfüllen. Dies gilt auch dann, wenn er ausschließlich Unternehmen als Kunden hat. Richtet

905

Siehe Kap. 4 B. I. 1. Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz v. 20.5.1997, ABl. EG Nr. L 144 vom 4.6.1997, S. 19, zuletzt geändert durch Richtlinie 2007/64/EG v. 13.11.2007, ABl. EG Nr. L 319 vom 5.12.2007, S. 1; Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13.12.1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, ABl. EG Nr. L 13 vom 19.1.2000, S. 12, zuletzt geändert durch Anh. Nr. 6.1. ÄndVO (EG) 1137/2008 vom 22.10.2008, ABl. EG Nr. L 311 vom 21.1.2008, S. 1; Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) vom 8.6.2000, ABl. EG Nr. L 178 vom 16.7.2000, S. 1. 906

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sich sein Angebot an Verbraucher, kommen weitere Informationspflichten hinzu. Die Informationspflichten lassen sich in allgemeine Pflichten unterteilen, die ständig erfüllt werden müssen, ohne dass es darauf ankommt, ob sich ein konkreter Vertrag anbahnt, und Pflichten, die nur bei Vorliegen eines auf einen Vertragsschluss zielenden Handelns erfüllt werden müssen.907 aa) Rechtsquellen Wichtigste Rechtsquellen von Informationspflichten im elektronischen Handelsverkehr sind § 312g Abs. 1 BGB (ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 BGB) in Verbindung mit Art. 246 § 3 EGBGB (ab 13.6.2014: Art. 246c EGBGB), § 5 TMG sowie die Vorschriften zu elektronischen Geschäftsbriefen (§§ 37a Abs. 1, 125a Abs. 1 S. 1, 177a HGB, 35a GmbHG, 80 AktG, 25a GenG). § 312g Abs. 1 BGB (ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 BGB) differenziert bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr nicht danach, ob der Vertragspartner Unternehmen oder Verbraucher ist. Vielmehr wird mit der Verwendung des Begriffs „Kunde“ klargestellt, dass die Informationspflichten des § 312g BGB (ab 13.6.2014: § 312i BGB) in Verbindung mit Art. 246 § 3 EGBGB (ab 13.6.2014: Art. 246c EGBGB) gegenüber jeder natürlichen oder juristischen Person oder rechtsfähigen Personenvereinigung zu erfüllen sind und es auch nicht auf den Zweck ankommt, zu welchem der Vertrag geschlossen wird.908 Allerdings sind die Informationspflichten des § 312g Abs. 1 BGB (ab 13.6.2014: § 312i BGB) bei Handelsverträgen abdingbar und finden keine Anwendung, wenn der Vertrag ausschließlich auf individueller Kommunikation beruht (§ 312g Abs. 5 BGB, ab 13.6.2014: § 312i Abs. 2 BGB). Auch § 5 TMG unterscheidet nicht zwischen dem angesprochenen Kundenkreis und gilt für alle geschäftsmäßigen, in der Regel gegen Entgelt angebotenen Telemedien. Dass Unternehmen Diensteanbieter von Telemedien sind, wenn ihr Onlineangebot von Waren und Dienstleistungen eine unmittelbare Bestellmöglichkeit enthält, ist bereits erörtert worden.909 Die Pflichtangaben auf elektronischen Geschäftsbriefen betreffen nicht jedes Unternehmen, das am elektronischen Geschäftsverkehr teilnimmt. Unternehmen mit der Rechtsform GbR und nicht ins Handelsregister eingetragene Einzelkaufleute sind ausgenommen. Haben die Unternehmen allerdings eine Rechtsform, für die bestimmte Pflichtangaben auf elektronischen Geschäftsbriefen verlangt werden, so müssen diese nicht nur anbieterseitig erfüllt werden, sondern auch von Unternehmen, die auf Kundenseite auftreten. Bei aus907

Ähnlich Heckmann, Kap. 4.2, Rn. 19 ff. Palandt-Grüneberg, § 312e BGB, Rn. 3. 909 Siehe Kap. 8 B. II. 3. d). 908

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ländischen Unternehmen ist allerdings zu berücksichtigten, dass die Pflichtangaben auf Geschäftsbriefen Teil des materiellen Gesellschaftsrechts (Gesellschaftsstatut) sind. Daher muss der Rechtsanwender bei ausländischen Gesellschaften zunächst nach den Regeln des internationalen Gesellschaftsrechts das Gesellschaftsstatut bestimmen. In Gefolge der EuGHEntscheidungen Centros910, Überseering911 und Inspire Art912 hat sich für das deutsche internationale Gesellschaftsrecht die Auffassung durchgesetzt, dass für alle Gesellschaften aus der EU das Recht maßgeblich ist, unter dem die Gesellschaft gegründet wurde (Gründungstheorie).913 Für Gesellschaften aus Drittstaaten gilt hingegen das Recht des Landes, in dem sich der tatsächliche Verwaltungssitz befindet (Sitztheorie).914 Mit einigen Drittstaaten – auch mit den USA915 – bestehen jedoch staatsvertragliche Regelungen, nach denen die Gründungstheorie anzuwenden ist. Daher ist beispielsweise ein USamerikanisches Unternehmen in Form einer Limited bei Kontakten mit Kunden aus Deutschland nicht verpflichtet, die Pflichtangaben auf elektronischen Geschäftsbriefen einzuhalten. Grundsätzlich können sich Informationspflichten außerdem auch aus der Preisangabenverordnung (PAngV) ergeben, da diese beim Anbieten von Waren und Leistungen gegenüber Letztverbrauchern gilt (§ 1 Abs. 1 PAngV), wobei der Begriff des Letztverbrauchers nicht dem Verbraucher im Sinne des § 13 BGB entspricht, sondern vielmehr jede natürliche oder juristische Person bezeichnet, die die Ware für sich verwendet und nicht weiter umsetzt.916 In diesem beschränkten Sinn können zwar auch Unternehmen Letztverbraucher sein, trotzdem soll auf die Informationspflichten der PAngV nicht näher eingegangen werden, da diese nicht anzuwenden sind, wenn die Letztverbraucher die Ware oder Leistung in ihrer gewerblichen oder dienstlichen Tätigkeit verwenden (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV). Ferner haben Anbieter von Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr die Informationspflichten der Dienstleistungs-InformationspflichtenVerordnung (DL-InfoV) zu beachten. Anknüpfungspunkt der DL-InfoV ist allein das Erbringen einer Dienstleistung im Sinne der Dienstleistungsrichtlinie (RL 2006/123/EG) (§ 1 Abs. 1 DL-InfoV). Ob und in welcher Weise ein Vertrag hierüber geschlossen wird, ist für ihre Anwendbarkeit irrelevant.917 910

EuGH, 9.3.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459 – Centros. EuGH, 5.11.2002, Rs. C-208/00, RIW 2002, 945 – Überseering. 912 EuGH, 30.9.2003, Rs. C-167/01, RIW 2003, 957 – Inspire Art. 913 BeckOK-Mäsch, Art. 12 EGBGB, Rn. 45. 914 BeckOK-Mäsch, a.a.O., Rn. 45. 915 BGHZ 153, 353, 356 zu Artikel XXV Abs. 5 S. 2 Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 29.10.1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (BGBl. 1956 II S. 487). 916 Heckmann, Kap. 4.2, Rn. 85. 917 Heckmann, a.a.O., Rn. 58. 911

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Ebenfalls unerheblich ist, ob die Dienstleistung persönlich oder etwa über das Internet erbracht wird.918 Viele in der DL-InfoV enthaltenen Informationspflichten finden sich jedoch bereits in § 5 TMG oder Art. 246 EGBGB. Datenschutzrechtliche Informationspflichten (§ 13 Abs. 1 TMG) spielen im Handelsverkehr nur eine untergeordnete Rolle, da Adressat nur eine natürliche Person sein kann (§ 11 Abs. 2 TMG). bb) Allgemeine Informationspflichten Unternehmen, die über das Internet Waren oder Dienstleistungen mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit anbieten, haben die in § 5 TMG enthaltenen Informationspflichten zu erfüllen, die unabhängig von einer konkreten Vertragsanbahnung bestehen. Das anbietende Unternehmen hat seine Firma, die Niederlassungsanschrift und bei juristischen Personen zusätzlich die Rechtsform und den Vertretungsberechtigten anzugeben (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG). Sofern das deutsche Gesellschaftsrecht anwendbar ist, sind diese Informationen gleichzeitig Pflichtangaben, die auf jedem Geschäftsbrief anzugeben sind (§§ 37a Abs. 1, 125a Abs. 1, 177a HGB, 35a Abs. 1 GmbHG, 80 Abs. 1 AktG, 25a GenG). Da ein Geschäftsbrief jedes Schreiben über geschäftliche Angelegenheit ist, das an einen bestimmten Empfänger gerichtet ist, müssen die genannten Pflichtangaben auch in Emails genannt werden, weil es nicht darauf ankommt, in welcher Form der Geschäftsbrief verfasst ist.919 Auch die Kommunikation über Push-Dienste (z.B. Blackberry) und durch Chatsysteme können Geschäftsbriefe sein, wobei hier in praktischer Hinsicht unklar ist, wie die Pflichtangaben erfüllt werden können.920 Außerdem müssen ständig Angaben verfügbar gehalten werden, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit dem Anbieter ermöglichen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG). Es muss also eine Emailadresse angegeben werden, unter welcher der Unternehmer erreichbar ist.921 Außerdem ist mindestens eine weitere Kontaktmöglichkeit anzugeben, nicht jedoch zwingend die Telefonnummer922 (z.B. kann der Anbieter ein Online-Formular zur Verfügung stellen, mit dem um Rückruf gebeten werden kann923).924 Für Anbieter von Dienstleistungen ist hingegen die Angabe einer Telefonnummer obligatorisch (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 DL-InfoV).

918

Heckmann, a.a.O., Rn. 59. Baumbach/Hopt-Hopt, § 37a HGB, Rn. 4; ausführlich Hoeren/Pfaff, MMR 2007, 207, 207 ff. 920 Schweinoch/Böhlke/Richter, CR 2007, 167, 171. 921 BT-Drs. 14/6098, S. 21. 922 A.A. noch OLG Oldenburg, NJW-RR 2007, 189, 190. 923 Dies schlägt Heckmann, Kap. 4.2, Rn. 238 f. vor. 919

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Ist das Unternehmen in das Handelsregister, das Vereinsregister, das Partnerschaftsregister oder das Genossenschaftsregister eingetragen, so muss die Eintragung mit entsprechender Registernummer angegeben werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 TMG; § 2 Abs. 1 Nr. 3 DL-InfoV; §§ 37a Abs. 1, 125a Abs. 1, 177a HGB, 35a Abs. 1 GmbHG, 80 Abs. 1 AktG, 25a GenG). Dies gilt auch für im Ausland registrierte Unternehmen hinsichtlich des ausländischen Registers und der Registernummer.925 Übt der Anbieter eine Tätigkeit aus, die der behördlichen Zulassung bedarf, sind auch Angaben zur zuständigen Aufsichtbehörde zu machen (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG; § 2 Abs. 1 Nr. 4 DL-InfoV). Außerdem ist bei reglementierten Berufen, worunter Berufe verstanden werden, deren Ausübung von bestimmten fachlichen Voraussetzung abhängt926, die Kammer anzugeben, der der Anbieter angehört, die gesetzliche Berufsbezeichnung und der Staat zu nennen, in dem die Berufsbezeichnung verliehen worden ist sowie die Bezeichnung der berufsrechtlichen Regelungen anzuführen und aufzuzeigen, wie diese zugänglich sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 TMG; § 2 Abs. 1 Nr. 6 DL-InfoV).927 Auch eine Umsatzsteueridentifikationsnummer (§ 27a UstG) oder eine Wirtschafts-Identifikationsnummer (§ 139c AO) ist – soweit vorhanden – anzugeben (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 TMG). Hat sich der Unternehmer bestimmter Verhaltenskodizes unterworfen, hat er hierüber unter Angabe einer elektronischen Zugangsmöglichkeit zu diesen Regelwerken zu informieren (§ 312g Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 5 EGBGB; ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246c Nr. 5 EGBGB). Unter Verhaltenskodizes werden allgemein Verhaltensregelwerke verstanden, denen sich ein Unternehmer unabhängig vom Vertragsschluss mit dem einzelnen Kunden freiwillig unterwirft, um eine besondere Unternehmens- oder Produktqualität dokumentieren zu können.928 924

EuGH, 16.10.2008, C-298/07, NJW 2008, 3553, 3555 – Verbraucherzentrale Bundesverband/Deutsche Internetversicherung. 925 LG Frankfurt/M., MMR 2003, 597, 598. 926 BT-Drs. 14/6098, S. 21; Art. 3 a) Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.9.2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikatioenen, ABl. EG Nr. L 255 vom 30.9.2005, S. 22. 927 Ausführlich hierzu Heckmann, Kap. 4.2, Rn. 266 ff., mit dem aus der Gesetzbegründung übernommenen (BT-Drs. 14/6098, S. 21) anschaulichen Beispiel, dass ein in Deutschland zugelassener Rechtsanwalt, bei seinem Webauftritt folgendes anzugeben hat: die Rechtsanwaltskammer, in deren Bezirk er zugelassen ist, die gesetzliche Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“, Deutschland als Staat, in dem diese verliehen wurde sowie die Berufsrechtsanwaltsordnung, das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und die Berufsordnung für Rechtsanwälte, mit den entsprechenden Fundstellen. 928 Palandt-Grüneberg, § 3 BGB-InfoV, Rn. 6; MüKo-Wendehorst, § 312g BGB, Rn. 89.

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Als Beispiele werden der Electronic Industry Code of Conduct929 und der Common Code for the Coffee Community930 genannt.931 Ein anderes Beispiel ist der Code of Conduct der Daimler Benz AG für den Datenschutz.932 Ferner müssen Angaben zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens, wie über das Stamm- oder Grundkapital und, wenn nicht alle in Geld zu leistenden Einlagen eingezahlt sind, über den Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen gemacht werden (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG; § 35a Abs. 1 S. 2 GmbHG). Bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die sich in Abwicklung oder Liquidation befinden, müssen diese Tatsachen offen gelegt werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 TMG). cc) Vertragsbezogene Informationspflichten Als vertragsbezogene Informationspflicht muss der Unternehmer den „Kunden“ – also nicht nur den Verbraucher933 – über die einzelnen technischen Schritte informieren, die zu einem Vertragsschluss führen (§ 312g Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 1 EGBGB; ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246c Nr. 1 EGBGB). Hierbei geht es darum, dem Kunden deutlich zu machen, mit welchem Mausklick er eine verbindliche Bestellung abgibt, ob im Anschluss eine Bestätigungsmail versandt wird, die noch keine Annahmeerklärung ist, und durch welchen Vorgang (beispielsweise eine weitere Email) die Annahme erfolgt. Ferner muss eine Belehrung darüber erfolgen, wie der Kunde Eingabefehler vor Abgabe der Bestellung erkennen und berichtigen kann (§ 312g Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 3 EGBGB; ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246c Nr. 3 EGBGB). Ebenfalls muss angegeben werden, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss vom Unternehmen gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist (§ 312g Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB; ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246c Nr. 2 EGBGB). Schließlich ist der Kunde über die für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprachen aufzuklären (§ 312g Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 4 EGBGB ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246c Nr. 4 EGBGB), woraus indes keine Verpflichtung folgt, mehrere Sprachen anzubieten.

929

. . 931 Heckmann, Kap. 4.2, Rn. 222. 932 Vgl. Scheja, S. 262. 933 Zur Anwendbarkeit im Unternehmensverkehr vgl. Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 86. 930

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Die Informationspflichten des § 312g BGB (ab 13.6.2014: § 312i BGB) sind allerdings bei Handelsverträgen – trotz der Regelung in § 312i BGB (ab 13.6.2014: § 312k BGB) – abdingbar und finden keine Anwendung, wenn der Vertrag ausschließlich auf individueller Kommunikation beruht (§ 312g Abs. 5 BGB; ab 13.6.2014: § 312i Abs. 2 BGB). dd) Informationsdarstellung § 5 Abs. 1 TMG verlangt, dass die Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar sein müssen. Dass diese Anforderungen erfüllt werden können, indem die Informationen auf einer mit „Kontakt“ oder „Impressum“ überschriebenen Unterseite einer Webseite bereitgehalten werden, ist mittlerweile in Rechtsprechung und Literatur anerkannt.934 Dabei soll es genügen, wenn die Informationen durch zwei Mausklicks erreichbar sind.935 Allerdings muss die Verlinkung auf die Unterseite und die Informationen selbst in gleicher Weise wie der Rest der Webseite wahrnehmbar sein, das heißt, sie dürfen nicht gegenüber anderen Menüpunkten oder Texten optisch abfallen.936 Es soll auch nicht ausreichen, wenn die nach § 5 TMG erforderlichen Informationen ausschließlich in den AGB bereitgehalten werden.937 Dies gilt gleichermaßen für die Erläuterung der technischen Schritte, die zum Vertragsschluss führen (§ 312g Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 1 EGBGB; ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246c Nr. 1 EGBGB).938 Darüber hinaus wird gefordert, dass die Informationen ohne Zusatzprogramme (etwa einem PDF-Reader) oder Plug-Ins (etwa wie bei einem FlashPlayer) abrufbar und in einer anerkannten Seitenbeschreibungssprache (wie HTML) dargestellt sein müssen.939 Auch Pflichtangaben, die in geschäftlichen Emails zu machen sind, müssen lesbar sein, ohne dass die Installation zusätzlicher Software notwendig ist. Die Pflichtangaben müssen daher im Email-Text enthalten sein und dürfen nicht bloß als V-Card angehängt werden.940

934

BGH, NJW 2006, 3633, 3634 f.; OLG Hamburg, MMR 2003, 105, 105; a.A. von Wallenberg, MMR 2005, 661, 663. 935 BGH, NJW 2006, 3633, 3634 f.; bei einem Verkauf über eBay soll es ausreichen, wenn die Informationen auf der „Mich”-Seite dargestellt werden, vgl. LG Hamburg, MMR 2007, 130, 131; AG Traunstein, MMR 2005, 781, 781. 936 Heckmann, Kap. 4.2, Rn. 116 f.; von Wallenberg, MMR 2005, 661, 663. 937 LG Berlin, CR 2003, 139, 139 f.; Heckmann, Kap. 4.2, Rn. 118; von Wallenberg, MMR 2005, 661, 663; a.A. Beckmann, CR 2003, 140, 140. 938 Heckmann, Kap. 4.2, Rn. 113. 939 Heckmann, a.a.O., Rn. 120. 940 Hoeren/Pfaff, MMR 2007, 207, 208 f.

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ee) Zwischenergebnis und Rechtsfolgen Damit müssen im Ergebnis bei einem elektronischen Handelsvertrag nach deutschem Recht mindestens fünfzehn bis zwanzig informatorische Angaben gemacht werden. Die fehlerhafte Erfüllung von Informationspflichten macht einen Vertragsschluss zwar nicht unwirksam, kann aber dazu führen, dass dem Vertragspartner ein Anfechtungsrecht aus § 119 Abs. 2 BGB wegen Irrtums über wesentliche Eigenschaften des anbietenden Unternehmens zusteht. Ebenso kommt eine Haftung aus culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB) in Betracht.941 Neben diesen vertragsrechtlichen Folgen drohen Zwangsgelder (§ 14 S. 2 HGB; § 16 Abs. 2, 3 TMG) und vor allem wettbewerbsrechtliche Abmahnungen942. b) Parteiautonomie Das deutsche bürgerliche Recht geht vom Grundsatz der Privatautonomie aus.943 Die Privatautonomie ist Teil des allgemeinen Prinzips der Selbstbestimmung des Menschen und ergibt sich aus dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).944 Sie ist Grundlage jedes Vertrages und beinhaltet die Vertragsfreiheit in Form der Abschlußfreiheit und Gestaltungsfreiheit. Die Privatautonomie birgt aber auch die Gefahr des Missbrauchs in sich. Derartigem Missbrauch zu begegnen, ist in der sozialstaatlichen Ordnung Deutschlands Aufgabe von Gesetzgebung und Rechtsprechung.945 Sozialem und wirtschaftlichem Ungleichgewicht muss entgegengewirkt werden, damit Selbstbestimmung für den anderen Teil nicht zur schrankenlosen Fremdbestimmung wird.946 Anerkannt ist, dass in bestimmten Fällen die Abschlussfreiheit durch das Institut des Abschlusszwangs beschränkt wird. Teilweise sind diese Fälle spezialgesetzlich geregelt (§ 17 EnWG, § 22 PBefG, §§ 48, 49 BRAO, § 21 Abs. 2 S. 3 LuftVG). Im Übrigen unterliegen marktbeherrschende und marktstarke Unternehmen einem Abschlusszwang, soweit die Ablehnung des Vertragsschlusses gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 3 GWB ver-

941 Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 346; Kilian, EWR, Rn. 1022. 942 Zur Möglichkeit der Abmahnung wegen fehlender Pflichtangaben auf Geschäftsbriefen vgl. Hoeren/Pfaff, MMR 2007, 207, 209 f.; vgl. auch OLG Hamm, MMR 2009, 552, 552 f. 943 Palandt-Ellenberger, Überl v § 104 BGB, Rn. 1. 944 BVerfG, NJW 1986, 243, 243. 945 Palandt-Ellenberger, Überl v § 104 BGB, Rn. 1. 946 BVerfG, NJW 1990, 1469, 1470.

B. Rechtslage

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stößt.947 Im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs wird vor allem ein Kontrahierungszwang der DENIC eG für die Vergabe von Domain-Namen angenommen.948 Darüber hinaus sind aber auch marktbeherrschende Unternehmen (§ 19 Abs. 3 GWB), wie zum Beispiel Google im Bereich der kontextbezogenen Onlinewerbung bei Suchmaschinen und in Bezug auf die Aufnahme einer Webseite in den Index einer Suchmaschine949, zum Vertragsschluss verpflichtet, sofern nicht wichtige Ablehnungsgründe vorliegen. Die Freiheit inhaltlicher Vertragsgestaltung unterliegt ebenfalls Schranken. Indes ist eine allgemeine Billigkeitskontrolle des Vertragsinhaltes mit der Vertragsfreiheit unvereinbar.950 Dies gilt insbesondere für Verträge zwischen Unternehmen, da bei diesen die wirtschaftliche Unterlegenheit eines Teils – anders als bei Verträgen mit Verbrauchern – nicht a priori angenommen werden kann. Im Handelsverkehr findet eine schuldrechtliche Beschränkung951 der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit daher nur statt, um den Verstoß gegen gesetzliche Verbote, die nicht zur Disposition der Parteien bestehen (§ 134 BGB), und Widersprüche zu den Grundprinzipien der Rechts- und Sittenordnung (§ 138 BGB) zu verhindern. Handelt es sich jedoch nicht um einen Individualvertrag, sondern hat eine Vertragspartei ihre AGB in den Vertrag eingeführt, kann der Vertrag einer strengeren Inhaltskontrolle (§ 307 BGB) unterzogen werden. Eine vertragliche Abweichung vom dispositiven Recht birgt dann das Risiko der Unwirksamkeit der entsprechenden Klausel, weil den „wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen“ auch im Verkehr zwischen Unternehmen „Leitbildfunktion“ zukommt.952 Außerdem entfalten die Verbotskataloge der §§ 308, 309 BGB, die nur für Verbraucherverträge gelten (§ 310 Abs. 1 S. 2 BGB), nach der Rechtsprechung für den unternehmerischen Verkehr „Indiz947

BGH, NJW 1968, 400, 402. OLG Frankfurt, WRP 1999, 366; Palandt-Ellenberger, Einf v § 145 BGB, Rn. 9; Nordemann/Czychowski/Grüter, NJW 1997, 1887, 1900. 949 Für die Aufnahme einer Webseite in den Index einer Suchmaschine besteht ein eigener Markt, weil die Nichtaufnahme erhebliche ökonomische Folgen haben kann, die das Kartellrecht gerade bei Machtmissbrauch durch ein marktbeherrschendes Unternehmen zu verhindern beabsichtigt. Für kontextbezogene Onlinewerbung bei Suchmaschinen besteht ein eigener Markt, weil diese – im Gegensatz zur nicht kontextbezogenen Werbung – zielgruppenorientiert ist und Suchmaschinen – im Gegensatz zu anderen ContentAnbietern – eine viel größere Reichweite haben. Dass Google auf beiden Märkten einen Marktanteil von mehr als einem Drittel hat und damit eine Marktbeherrschung zu vermuten ist (§ 19 Abs. 3 GWB), dürfte unzweifelhaft sein. Vgl. zum Ganzen Ott, MMR 2006, 195, 196 ff. 950 Palandt-Ellenberger, Einf v § 145 BGB, Rn. 7. 951 Darüber hinaus findet eine Begrenzung durch den Typenzwang des Erbs- und Sachenrechts statt. 952 Palandt-Grüneberg, § 307 BGB, Rn. 39; Graf v. Westphalen, NJW 2009, 2977, 2979. 948

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

wirkung“ (sogenannte „Gleichschritt“-Rechtsprechung).953 Beispiele aus der Rechtsprechung sind die Beachtung der Klauselverbote zu Aufrechnungsverboten (§ 309 Nr. 3 BGB)954, zur Nachfristsetzung (§ 309 Nr. 4 BGB)955, zu Pauschalisierungsabreden (§ 309 Nr. 5a BGB)956 und zur Beweislastverteilung (§ 309 Nr. 12a BGB)957 im unternehmerischen Verkehr. Teile der Fachliteratur kritisieren die „Gleichschritt“-Rechtsprechung als für den Unternehmensverkehr zu streng.958 Entgegen der ständigen Rechtsprechung solle von den §§ 308, 309 BGB keine „Indizwirkung“ ausgehen und eine Vermutung dafür sprechen, dass die im unternehmerischen Verkehr verwendeten Klauseln angemessen sind. Nur wenn dem Verwender Monopolstellung zukomme, es sich um einen Vertrag mit einem Letztverteiler handele, der die strikten Regeln der §§ 308, 309 BGB ohnehin zu beachten habe, oder wenn der Kunde des Verwenders dessen Leistungen „wie ein Verbraucher“ in Anspruche nehme, sei eine strenge Inhaltskontrolle angezeigt.959 Die Rechtsprechung hat jedoch – trotz dieser Kritik – an ihrer Linie festgehalten und auch Unterstützung in der Fachliteratur960 erfahren. Dies mag – de lege lata – überzeugend sein, weil § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB das dispositive Recht sowohl für Verbraucherverträge als auch für Handelsverträge zur maßgebenden Richtschnur der Inhaltskontrolle macht und §§ 308, 309 BGB lediglich eine Konkretisierung dieses Grundsatzes sind.961 Dennoch stellt sich – de lege ferenda – die Frage, ob die Vertragsgestaltungsfreiheit im Unternehmensverkehrs wirklich eines so starken Schutzes bedarf und eine Liberalisierung des AGB-Rechts für den Handelsverkehr nicht die Möglichkeit effizienterer Vertragsgestaltung schaffen würde. Vertragsbezogene Informationspflichten (§ 312g Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4, 5, 7, 8 EGBGB; ab 13.6.2014: § 312j Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 1, 12 EGBGB) und Widerrufsrechte (§§ 312b, 312d BGB; ab 13.6.2014: § 312g BGB) bestehen vor allem bei Verbraucherverträgen und beschränken bei Handelsverträgen die inhaltliche Gestaltung nicht.

953

BGH, NJW 2007, 3774, 3775. BGH, NJW 2007, 3421, 3422. 955 BGH, NJW 1986, 842, 843. 956 BGH, NJW 1994, 1060, 1068. 957 BGH, NJW 2006, 47, 49. 958 Lenkaitis/Löwisch, ZIP 2009, 441, 442 f.; Kessel/Jüttner, BB 2008, 1350, 1351 ff.; Berger/Kleine, BB 2007, 2137, 2140; Lischek/Mahnken, ZIP 2007, 158, 160 ff. 959 Lenkaitis/Löwisch, ZIP 2009, 441, 446 f. 960 Graf v. Westphalen, NJW 2009, 2977, 2981. 961 Graf v. Westphalen, NJW 2009, 2977, 2978 f. 954

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c) Elektronischer Vertragsschluss Es ist mittlerweile in der deutschen Vertragsrechtsdogmatik allgemein anerkannt, dass überall dort, wo keine besonderen Formerfordernisse bestehen, Willenserklärungen durch den Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel abgegeben werden können.962 Der Computer oder andere technische Hilfsmittel dienen dann lediglich als Werkzeug für die Übermittlung einer privatautonomen Willensäußerung, die unstreitig als gewöhnliche Willenserklärung anzusehen ist.963 Hintergrund ist, dass der deutsche Gesetzgeber kein spezielles IT-Vertragsrecht geschaffen hat, sondern das bestehende Vertragsrecht im Wesentlichen auf den elektronischen Geschäftsverkehr übertragen hat und bei Formvorschriften funktionale Äquivalente für elektronische Datensätze und Signaturen eingeführt hat. Hat jedoch ein Vertragsschluss im herkömmlichen Geschäftsverkehr keine besondere Form aufzuweisen, so kann dies auch für den elektronischen Vertragsabschluss nicht verlangt werden. Das bedeutet, dass ein Vertrag unter Nutzung eines Internetchats oder eines Voice-over-IP-Systems, durch den Austausch von Emails oder aber, wenn sich aus dem Kontext ein entsprechender Erklärungswert ergibt, durch bloßen Mausklick geschlossen werden kann, ohne dass weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen. aa) Erfüllung von Formerfordernissen durch elektronische Kommunikation Das deutsche Vertragsrecht verlangt für den Vertragsschluss grundsätzlich keine bestimmte Form. Elektronische Erklärungen in jeglicher Form sind damit ausreichend, solange ihnen ein entsprechender Erklärungswert zukommt. In Ausnahme zum Grundsatz der Formfreiheit sind allerdings für bestimmte Vertragsarten gesetzliche Formerfordernisse normiert. § 350 HGB hebt einige dieser Formerfordernisse für Handelsgeschäfte auf.964 Als Formerfordernisse bleiben für den Unternehmensverkehr die notarielle Beurkundung bei Grundstückskaufverträgen (§ 311b Abs. 1 BGB), die sich auch auf Maklerverträge erstrecken kann965, die Schriftlichkeit der hypothekarisch gesicherten Forderung (§ 1154 Abs. 1 BGB) und das schriftlichen Empfangsbekenntnis (Quittung) (§ 368 BGB) relevant.

962

LG Münster, CR 2000, 313, 314; Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839, 839; Deutsch, MMR 2004, 586, 586. 963 Spindler/Schuster-Spindler/Anton, Vorbemerkung zu §§ 116 ff. BGB, Rn. 2. 964 Bei Handelsgeschäften finden die Formvorschriften für die Bürgschaft (§ 766 BGB), das Schuldversprechen (§ 780 BGB) und das Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) keine Anwendung, vgl. § 350 HGB. 965 Ausführlich hierzu Medicus/Petersen, Rn. 179.

300

8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Eine notarielle Beurkundung kann bisher nicht durch elektronische Mittel erfolgen.966 Die gesetzliche Schriftform kann hingegen auch beim Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel erfüllt werden (§ 126a Abs. 1 BGB), allerdings muss der Erklärungsaussteller dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. Hieraus ist allerdings nicht zu folgern, dass jedes Mal, wenn die Parteien in ihrem Vertrag für Änderungen oder andere Erklärungen die Schriftform vereinbart haben, es einer qualifizierten elektronischen Signatur bedarf. Außerdem ist § 127 Abs. 2, 3 BGB zu beachten, wonach regelmäßig zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form die telekommunikative Übermittlung genügt und zur Wahrung der rechtsgeschäftlich vereinbarten elektronischen Form es keiner qualifizierten elektronischen Signatur bedarf. Somit dürfte selbst in dem Fall, dass unter Kaufleuten speziell für den Aufhebungsvertrag die Schriftform vereinbart ist, ein Austausch von Emails genügen.967 bb) Grundregeln für den Vertragsschluss bei elektronischen Verträgen Es ist allgemein anerkannt, dass auch beim Vertragsschluss durch elektronische Kommunikation die klassischen Grundsätze des deutschen Rechts über den Vertragsschluss durch Angebot und Annahme anzuwenden sind.968 Lediglich das Verfahren für die jeweiligen Erklärungen divergiert von der traditionellen Vertragsschlusstechnik. cc) Vorliegen von Angebot und Annahme im elektronischen Geschäftsverkehr Wie bereits im Rahmen des CISG angesprochen, kann es beim elektronischen Geschäftsverkehr, wenn Waren und Leistungen auf einer Webseite angeboten werden, darauf ankommen, zwischen einem verbindlichen Angebot und einer bloßer invitatio ad offerendum zu unterscheiden. Ein ähnliches Problem stellt sich hinsichtlich der rechtlichen Qualifizierung von Emails, mit denen die Bestellung eines Kunden bestätigt wird. Hier ist ebenso die Frage zu entscheiden, ob eine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung abgegeben wurde oder ob eine bloße informatorische Erklärung über den Zugang einer Offerte vorliegt. Anders als das CISG hält das deutsche Vertragsrecht für diese Abgrenzung von invitatio und Angebot keine eigenständige Norm bereit. Allgemein anerkannt ist aber, dass das Vorliegen einer auf einen Vertragsschluss gerichteten 966

Hartmann, S. 96. So wohl auch Palandt-Ellenberger, § 127 BGB, Rn. 2. 968 OLG Köln, MMR 2006, 321, 322; Kilian/Heussen-Hoeren, Teil 14, Rn. 9; Heckmann, Kap. 4.1, Rn. 20; Steckler, S. 289. 967

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Willenserklärung voraussetzt, dass sich das Verhalten des Erklärenden für einen objektiven Beobachter als Ausdruck des Willens darstellt, eine vertragliche Bindung einzugehen.969 Die Abgrenzung ist also auch im deutschen Recht eine Auslegungsfrage. Bei der Auslegung ist vor allem zu ermitteln, ob der Anbieter ohne weiteres grundsätzlich mit jedem Kunden einen Vertrag schließen möchte, der an seiner Ware interessiert ist, oder ob er ein Interesse daran hat, vor Vertragsschluss zunächst die Zahlungsfähigkeit des Kunden auf irgendeine Art einzuschätzen und seine eigene Liefermöglichkeit zu überprüfen, um sich nicht Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung auszusetzen970. Diese Interessen entfallen nicht bei elektronischen Verträgen. Daher werden Auffassungen, die in dem Anpreisen von Waren und Dienstleistungen auf einer Webseite regelmäßig ein verbindliches Angebot sehen971, von der herrschenden Meinung972 zu recht abgelehnt. Daran ändert auch die Einbindung einer durch Mausklick zu betätigenden Schaltfläche „Kaufen“ in die Webseite nichts.973 Ein verbindliches Angebot kann allenfalls dann angenommen werden, wenn ein digitales Gut Vertragsgegenstand ist, das der Käufer direkt herunterladen kann.974 In diesem Fall besteht nicht die Gefahr, dass der Verkäufer durch Vorratserschöpfung in Lieferschwierigkeiten gerät oder sich schadensersatzpflichtig macht.975 Unter ähnlichen Bedingungen kann auch ein virtueller Warenkorb oder eine Bestellübersicht im Einzelfall ein verbindliches Angebot darstellen, wenn ein automatisierter Abgleich mit dem Warenlager erfolgt.976 Dies zeigt, dass es im elektronischen Geschäftsverkehr für die Unterscheidung zwischen bloßer invitatio und verbindlichem Angebot keiner neuen Grundsätze bedarf und die juristische Differenzierung vor allem von der technischen Ausgestaltung der Warenpräsentation abhängt. 969

Palandt-Ellenberger, § 145 BGB, Rn. 2. OLG Nürnberg, MMR 2010, 31, 31; Bartl, DB 1982, 1097, 1100. 971 So Mehrings, MMR 1998, 30, 32. 972 BGH, NJW 2012, 2268, 2269; NJW 2005, 976, 977; OLG Nürnberg, MMR 2010, 31, 31; Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 15; von Wallenberg, MMR 2005, 661, 665. 973 AG Butzbach, CR 2002, 765, 765; LG Essen, NJW-RR 2003, 1207, 1207; AG Hamburg-Barmbek, NJW-RR 2004, 1284, 1284 f. 974 Schlechtriem, in: Leipold (Hrsg.), Rechtsfragen des Internet und der Informationsgesellschaft (2002), 127, 137; Kaiser/Voigt, K&R 1999, 445, 446; Busse, CR 1996, 389, 390; in diese Richtung auch Kilian, in: Weiber (Hrsg.), Handbuch Electronic Business (2002), 995, 1002 für Online-Abrufe aus einer Datenbank sowie Polanski, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Convention on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 423, 429. 975 Bedenkenswert ist aber das Argument von Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839, 840, dass auch in diesem Fall ein Interesse des Anbieters daran bestehen kann, sich die Möglichkeit zum Vertragsschluss offenzuhalten, weil er sich möglicherweise Schadensersatzansprüchen aussetzen würde, wenn technische Probleme eine Übertragung verhindern. 976 Zu weitgehend ist die Meinung des LG Essen, NJW-RR 2003, 1207, 1207, das in einer Bestellübersicht immer eine bloße invitatio sehen will. 970

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Der Händler ist verpflichtet, dem Kunden den Zugang einer Bestellung zu bestätigen (§ 312g Abs. 1 Nr. 3 BGB; ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 Nr. BGB). Für die Bestätigung werden oft Autoreply-Systeme eingesetzt. Es ist umstritten, ob es sich dabei um eine Willenserklärung (Annahme) handelt oder lediglich um eine Wissenserklärung, dass die Bestellung in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist. Es hat sich in der Rechtsprechung eine umfangreiche Kasuistik in diesem Bereich entwickelt, die keine einheitliche Linie erkennen lässt977, weil Empfangsbestätigung und Angebotsannahme auch gemeinsam erklärt werden können und daher bei jeder Bestellbestätigung durch Auslegung ermittelt werden muss, ob neben der reinen Wissenserklärung auch ein Annahmewille zum Ausdruck gebracht werden soll978. Folge dieser Unwägbarkeiten der Rechtsprechung ist es in der Praxis, dass die Unternehmen ihrer Bestätigungsmail oft eine besondere Formulierung beifügen, durch die sie sich den Vertragsschluss noch vorbehalten.979 dd) Wirksamwerden von elektronischen Erklärungen Für den Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer mit elektronischen Kommunikationsmitteln abgegebenen Willenserklärung sieht das deutsche Recht keine besonderen Vorschriften vor. Für das Wirksamwerden von Willenserklärungen unterscheidet das deutsche Recht allgemein zwischen Willenserklärungen unter Abwesenden und unter Anwesenden. Eine Willenserklärung, die an einen Abwesenden gerichtet ist, wird mit ihrem Zugang wirksam (§ 130 Abs. 1 BGB). Für Willenserklärungen an einen Anwesenden fehlt hingegen eine gesetzliche Regelung. Hier ist zwischen verkörperten und nichtverkörperten Erklärungen zu unterscheiden. Während für erstere § 130 Abs. 1 BGB entsprechend gilt980, soll es bei nichtverkörperten Erklärungen darauf ankommen, dass der Empfänger diese akustisch richtig verstanden hat981 beziehungsweise der Erklärende nach

977

Für eine Annahmeerklärung: AG Fürth, BeckRS 2009, 24146; AG Westerburg, MMR 2003, 609, 609; für eine reine Wissenserklärung: OLG Nürnberg, MMR 2010, 31, 31; LG Hamburg, NJW-RR 2004, 1568, 1568; eine umfangreiche Rechtsprechungsübersicht findet sich bei Heckmann, Kap. 4.1, Rn. 42 f. 978 Heckmann, Kap. 4.1, Rn. 41; von Wallenberg, MMR 2005, 661, 665. 979 Vgl. Heckmann, Kap. 4.1, Rn. 44 f. mit dem Verweis auf die Formulierung von amazon.de: „Bitte beachten Sie: Diese E-Mail dient nur der Bestätigung des Eingangs Ihrer Bestellung und stellt noch keine Annahme Ihres Angebots auf Abschluss eines Kaufvertrags dar. Der Kaufvertrag für den bestellten Artikel kommt erst dann zu Stande, wenn wir Ihre Bestellung annehmen, indem wir Ihnen eine E-Mail mit der Benachrichtigung senden, dass der Artikel an Sie abgeschickt wurde.“ 980 RGZ 61, 414, 415; Medicus/Petersen, Rn. 47 f. 981 Strenge Vernehmungstheorie, so Medicus/Petersen, Rn. 48.

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den ihm erkennbaren Umständen annehmen durfte, dass der Empfänger sie richtig vernommen hat982. Es ist naheliegend, Willenserklärungen, die mittels elektronischer Kommunikation abgegeben werden, als Erklärungen unter Abwesenden zu werten, denn in geografischer Hinsicht befinden sich die Parteien hier nicht am gleichen Ort.983 Dass es aber nicht allein auf den geografischen Aufenthaltsort der Parteien ankommt, zeigt § 147 Abs. 1 S. 2 BGB, der ein telefonisches Angebot einem Angebot unter Anwesenden gleichstellt. Im Jahre 2001 ist die Vorschrift sogar dahingehend modernisiert worden, dass auch ein Angebot, das mittels einer sonstigen technischen Einrichtung von Person zu Person gemacht wird, wie ein Angebot unter Anwesenden zu behandeln ist.984 Entscheidend ist somit nicht, wo sich Erklärender und Empfänger befinden, sondern ob sie unmittelbar miteinander kommunizieren können. Mit anderen Worten muss die Möglichkeit bestehen, sofort auf die Äußerung der anderen Person reagieren und gegebenenfalls Nachfragen stellen zu können.985 Damit hängt die rechtliche Bewertung von der konkreten technischen Ausgestaltung ab. Unabhängig vom rechtlichen Konzept des Zugangs von Willenserklärungen gelangt eine Email, die eine Willenserklärung übermittelt, faktisch einige Sekunden nach ihrer Absendung in die Mailbox des Empfängers. Dieser hat dann die Möglichkeit, die Email zu öffnen und die Willenserklärung zur Kenntnis zu nehmen. Es kann jedoch auch sein, dass er die Email erst später zur Kenntnis nimmt, weil er gerade nicht mit seiner Mailbox verbunden ist. Außerdem kann er anders als bei einem Telefongespräch nicht unmittelbar auf den Inhalt der Email mit einer Nachfrage reagieren (asynchroner Kommunikationsvorgang). Er muss – wie beim traditionellen Brief – erst eine Antwort verfassen und absenden. Folglich sind Emails als Erklärungen unter Abwesenden einzuordnen.986 Gleiches gilt für elektronische Warenbestellungen, die mittels Mausklicks erfolgen.987 Auch hier ist die unmittelbare Kenntnisnahme und Reaktionsmöglichkeit nicht gewährleistet. Im Gegensatz dazu wird bei vielen Online-Chatsystemen die Chatnachricht nur dann übermittelt, wenn der Empfänger gerade im Chat angemeldet ist, und die Parteien tauschen ihre Nachrichten unmittelbar wechselseitig aus. Insofern werden Chatnachrichten teilweise als Erklärungen unter Anwesenden

982

Modifizierte Vernehmungstheorie, so Palandt-Ellenberger, § 130 BGB, Rn. 14. Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839, 841. 984 Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13.7.2001, BGBl. I S. 1542. 985 Schlechtriem, in: Leipold (Hrsg.), Rechtsfragen des Internet und der Informationsgesellschaft (2002), 127, 129. 986 Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 14; Heckmann, Kap. 4.1, Rn. 23; Heidrich/Forgó/Feldman-Tschoepe, C.III, Rn. 20; Thalmaier, NJW 2011, 14, 14. 987 Heckmann, Kap. 4.1, Rn. 48. 983

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eingeordnet.988 Indes gibt es auch Chatsysteme, bei denen ein Nutzer für die anderen Nutzer sichtbar einstellen kann, dass er gerade abwesend ist, trotzdem kann er im Chat angemeldet bleiben und Nachrichten empfangen. Dies zeigt, dass die Unterscheidung „unter Anwesenden“ und „unter Abwesenden“ für elektronische Erklärungen ungenügend ist. Überzeugender ist es, beim Wirksamwerden von elektronisch übermittelten Willenserklärungen immer vom rechtlichen Konzept des Zugangs im Sinne von § 130 Abs. 1 BGB auszugehen. Dies erlaubt eine vom ungenauen Kriterium der Reaktionsmöglichkeit unabhängige Risikoverteilung zwischen Absender und Empfänger. Selbst wenn man jedoch elektronisch übermittelte Erklärungen – zumindest teilweise – als Erklärung unter Anwesenden einordnet989, ist für ihr Wirksamwerden im Ergebnis der Zugang im Sinne von § 130 BGB entscheidend. Denn die elektronische Übermittlung stellt in jedem Fall eine Verkörperung der Willenserklärung dar, weil eine elektronische Erklärung regelmäßig990 – wie eine Erklärung auf Papier – aus Schriftzeichen besteht und eine Perpetuierung durch einen Ausdruck auf Papier erreicht werden kann. Auf verkörperte Willenserklärung unter Anwesenden ist § 130 BGB unzweifelhaft analog anwendbar.991 Demnach werden elektronische Erklärungen also regelmäßig mit ihrem Zugang beim Empfänger wirksam. Nach herkömmlichem Verständnis erfordert Zugang nicht die tatsächliche Kenntnis des Empfängers, sondern nur, dass die Erklärung in seinen Machtbereich gelangt ist und nach der Verkehrsauffassung die Kenntnisnahme erwartet werden kann.992 Die gilt auch für elektronische Erklärungen993, obwohl die Sonderregel des § 312g Abs. 1 S. 2 BGB (ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 S. 2 BGB) für elektronische Bestellungen zu berücksichtigen ist, wonach eine Erklärung als zugegangen gilt, wenn die Partei, für die sie bestimmt ist, sie unter gewöhnlichen Umständen abrufen kann994. Hierfür wird an technische Aspekte angeknüpft. Eine Auffassung verlangt, dass die Erklärung den Übertragungsweg verlassen hat und über eine Schnittstelle hinweg in die Empfangseinrichtung des

988

Palandt-Ellenberger, § 147 BGB, Rn. 5. So Palandt-Ellenberger, § 147 BGB, Rn. 5 für Chatnachrichten. 990 Ausnahme sind Erklärungen über Voice-over-IP, die der telefonischen Erklärung ähneln. 991 RGZ 61, 414, 415; Medicus/Petersen, Rn. 47. 992 Medicus/Petersen, Rn. 46. 993 Heckmann, Kap. 4.1, Rn. 55; Mankowski, NJW 2004, 1901, 1902; Thalmair, NJW 2011, 14, 15. 994 Zum Charakter des § 312g Abs. 1 S. 2 BGB als rein deklaratorische Norm, die den allgemeinen Zugangsbegriff nur auf elektronische Willenserklärungen überträgt vgl. Hassemer, MMR 2001, 635, 637; Schneider, K&R 2001, 344, 347. 989

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Empfängers gelangt ist.995 Weitergehend verlangen andere darüber hinaus, dass die Erklärung für den Empfänger auch abrufbar996 oder auf Seiten des Empfängers gespeichert ist997. Damit legen alle Auffassungen wie bei der papierbasierten Kommunikation dem Erklärenden das Verlustrisiko während der Übertragung auf. Dies ist sachgerecht. Das technische Schichtenmodell zeigt, dass sich eine elektronische Nachricht mit dem Eintritt in die TCP-Ebene beziehungsweise beim EDI in den Konvertierungsprozess (jeweils die Transportschicht/transport layer des OSI-Modells998) der unmittelbaren Kontrolle durch den Erklärenden entzieht, aber die Organisationsgewalt des Erklärenden über die TCP-Schicht, die IP-Schicht, die Hardware-Schicht bis zum Erreichen des IAP-Routers reicht.999 Für diesen Bereich ergibt sich eine Verantwortlichkeit des Erklärenden aus seiner Organisationshoheit. Hat die elektronische Nachricht den IAPRouter auf Seiten des Erklärenden verlassen, passiert sie bis zum Erreichen des IAP-Routers auf Seiten des Empfängers mit den NSP-Backbones oder NAPs einen Bereich, für den keine der Parteien die Organisationsgewalt hat. Die Wertung des Konzepts des Zugangs im Sinne von § 130 BGB ist es jedoch, dem Erklärenden auch für diesen Bereich das Übermittlungsrisiko zu übertragen, denn zu einem „Gelangen in den Machtbereich“ des Empfängers ist es zu diesem Zeitpunkt noch nicht gekommen. Sofern neben dem Passieren der Schnittstelle zusätzlich die Abrufbarkeit oder Speicherung der Erklärung verlangt wird, soll der Erklärende auch dann noch das Verlustrisiko tragen, wenn sich die Erklärung bereits in der Sphäre des Empfängers befindet, dieser aber noch keine Kontrollmöglichkeit hat.1000 Dies kann nicht überzeugen, denn das technische Schichtenmodell zeigt, dass der Empfänger Organisationshoheit über den IAP-Router und die Schichten des protocol stack auf seiner Seite hat.1001 Gelangt die Nachricht in diesen Bereich, ist es daher aufgrund der Organisationshoheit sachgerecht, dass der Empfänger für diesen Bereich die Verantwortung der störungsfreien Funktionsfähigkeit trägt.

995

LG Nürnberg-Fürth, JurPC Web.-Dok. 158/2003, Leitsatz 2; Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 15; Müglich/Simon, K&R 2000, 282, 284; Scherer/Butt, DB 2000, 1009 1012; Hoeren/Sieber-Kitz, Teil 13.1, Rn. 44; für eine per Email übermittelte Abmahnung ebenso LG Hamburg, MMR 2010, 654, 654. 996 Herwig, MMR 2001, 145, 146. 997 AG Frankfurt/M., BeckRS 2009, 05792; Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839, 841; Heidrich/Forgó/Feldman-Tschoepe, C.III, Rn. 23. 998 Siehe Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2) (a) (aa) (β). 999 Siehe Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2) (a). 1000 Herwig, MMR 2001, 145, 146; Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839, 841. 1001 Siehe Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2) (a) (aa).

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Richtigerweise ist daher die Entscheidung des Landgerichts Hamburg zum Zugang einer per Email übermittelten Abmahnung1002 auf Willenserklärungen übertragbar. Das Gericht hatte einen Zugang der Abmahnung angenommen, obwohl die Email von der Firewall des Empfängers aufgehalten wurde.1003 Zwar trägt bei der Abmahnung – anders als bei der Willenserklärung – der Empfänger das Übermittlungsrisiko, jedoch stellt das Gericht in den Entscheidungsgründen vor allem auf das – auch bei Willenserklärung maßgebliche – Kriterium der „Möglichkeit der Kenntnisnahme“ ab und sah diese auch als gegeben an, wenn die Email von der „Firewall“ blockiert werde. Andere praktische Anwendungsfälle sind bereits zum CISG angesprochen worden, beispielsweise die Frage des Zugangs bei einem die Speicherkapazität der Mailbox ausfüllenden Spamangriff.1004 Ist in diesem Fall das Verlustrisiko dem Absender auferlegt, kann sich die Risikoverteilung allerdings immer noch dadurch ändern, dass eine fahrlässige Zugangsvereitelung vorliegt.1005 Hinsichtlich des genauen Zugangszeitpunkts ist immer zu beachten, ob nach der Verkehrsauffassung mit der Kenntnisnahme des Empfängers gerechnet werden konnte. Hieraus ergeben sich allerdings im Handelsverkehr kaum Einschränkungen, denn solange eine Erklärung das Unternehmen während der Geschäftszeiten erreicht, ist damit zurechnen, dass noch am gleichen Tag von ihr Kenntnis genommen wird.1006 Bei elektronischen Erklärungen im Rahmen von EDI-Geschäften, insbesondere bei der Just-in-Time-Produktion, ist sogar von einer unmittelbaren Kenntnisnahme auszugehen. Ein sofortiger Zugang ist auch zu unterstellen, wenn ein Onlinehändler ein vollautomatisiertes System zur Bearbeitung der Bestellung einsetzt. In beiden Fällen kann angenommen werden, dass Geschäftszeiten gerade keine Rolle spielen und der Eingang von Nachrichten fortlaufend „kontrolliert“ wird.1007 Vereinzelt wird verlangt, dass ein Unternehmer seinen Email-Account durch Angabe in der Werbung, in Telefonbüchern oder auf dem Briefkopf als Empfangsvorrichtung gewidmet hat.1008 Ansonsten bestehe keine Möglichkeit der Kenntnisnahme und es käme auf den tatsächlichen Abruf an. Diese Einschränkung überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist sie unnötig, denn die An1002

LG Hamburg, MMR 2010, 654. LG Hamburg, MMR 2010, 654, 654 f. 1004 Siehe Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2) (b). 1005 Ausführlich hierzu Heckmann, Kap. 4.1, Rn. 69 ff.; zu der Frage, wann ein Spamangriff eine fahrlässige Zugangsvereitelung bewirkt vgl. Köhler/Arndt/Fetzer, Rn. 184. 1006 LG Nürnber-Fürth, NJW-RR 2002, 1721, 1722; Krüger/Bütter, WM 2001, 221, 228; Heidrich/Forgó/Feldman-Tschoepe, C.III, Rn. 24; Hoeren/Sieber-Kitz, Teil 13.1, Rn. 50. 1007 Scherer/Butt, DB 2000, 1009, 1012; ähnlich Kilian, in: Weiber (Hrsg.), Handbuch Electronic Business (2002), 995, 1004 sowie Hoeren/Sieber-Kitz, Teil 13.1, Rn. 50. 1008 Hoeren/Sieber-Kitz, Teil 13.1, Rn. 43; Heckmann, Kap. 4.1, Rn. 58 ff.; vgl. zur Parallelproblematik bei Verbraucherverträgen: OLG Düsseldorf, BeckRS 2009, 24422. 1003

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gabe einer Emailadresse ist für deutsche Unternehmen im E-Commmerce Pflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG). Zum anderen sind Emails mittlerweile als Standardkommunikation anzusehen, so dass ein spezieller Widmungsakt nicht notwendig sein kein. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es für das Wirksamwerden von elektronischen Erklärungen immer auf den Zugang beim Empfänger ankommt. Hierzu muss die Erklärung jedenfalls auf Seiten des Empfängers den IAP-Router erreicht haben. Was darüber hinaus zu fordern ist, ist nach deutschem Recht nicht endgültig entschieden. ee) Elektronische Agenten Wie das CISG enthält auch das deutsche Vertragsrecht keine spezielle Vorschrift für den Einsatz von elektronischen Agenten, die im Prozess der elektronischen Kommunikation eingeschaltet werden. Maßgeblich sind daher auch hier die allgemeinen Regeln. Diese verlangen für das Vorliegen einer Willenserklärung eine Handlung, die aus Sicht eines objektiven Dritten den Willen zur Herbeiführung einer Rechtsfolge erkennen lässt, und den Willen des Erklärenden, eine (rechtserhebliche) Erklärung vorzunehmen.1009 Vorausgesetzt wird also eine menschliche Handlung, die beim Einsatz eines elektronischen Agenten zwar nicht unmittelbar bei jeder einzelnen abgeschickten Nachricht vorliegt, aber zumindest mittelbar durch die vorherige Programmierung des Systems. Dies soll nach allgemeiner Meinung ausreichen, um auch beim Einsatz elektronischer Agenten von wirksamen Willenserklärungen des Einsetzenden ausgehen zu können1010, wobei es sich nicht um einen Fall der Stellvertretung handelt1011. ff) Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen In Bezug auf AGB gelten grundsätzlich die gleichen Regeln (§§ 305–310 BGB) wie im traditionellen Geschäftsverkehr.1012 Es ist also zwischen einer Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle zu unterscheiden. Bei Handelsverträgen kommt es für die Wirksamkeit der Einbeziehung nicht darauf an, dass ein ausdrücklicher Hinweis auf die AGB erfolgt ist und durch die Verwendung eines Hyperlink eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme geschaffen wurde (§ 310 Abs. 1 BGB).1013 Allerdings muss 1009

MüKo-Armbrüster, Vor § 116 BGB, Rn. 3. OLG Hamm, MMR 2004, 761, 762; LG Köln, MMR 2003, 481, 481 f.; Cornelius, MMR 2002, 353, 354 f.; Mehrings, MMR 1998, 30, 31; Hoeren/Sieber-Kitz, Teil 13.1, Rn. 14. 1011 Cornelius, MMR 2002, 353, 354 f.; Hoeren/Sieber-Kitz, Teil 13.1, Rn. 15. 1012 Heckmann, Kap. 4.2, Rn. 166. 1013 So aber bei Verbraucherverträgen (§ 305 Abs. 2 BGB); vgl. hierzu BGH, MMR 2006, 737, 738. 1010

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auch bei elektronischem Unternehmensverkehr der Wille zur Einbeziehung bestimmter AGB als Vertragsinhalt erkennbar zum Ausdruck kommen, die Kenntnisnahme dem Partner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses möglich und zumutbar sein und dieser sich mit der Einbeziehung – auch stillschweigend – einverstanden erklären.1014 Die medienspezifische Anforderung eines angemessenen Umfangs der AGB, wie sie für Verbraucherverträge vertreten wird1015, kann keinesfalls im Handelsverkehr gelten.1016 Allerdings muss der Anbieter auch bei Handelsgeschäften, dem Kunden die Möglichkeit verschaffen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der AGB bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern (§ 312g Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BGB; ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BGB). Eine vertragliche Abbedingung dieser Verpflichtung ist nicht möglich (§§ 312g Abs. 5 S. 2 BGB; ab 13.6.2014: § 312i Abs. 5 S. 2 BGB). Hieraus ergeben sich bei elektronischen Verträgen besondere Probleme, wenn sogenannte „Click-Wrap“-Vereinbarungen1017 und „Browse-Wrap“Vereinbarungen1018 genutzt werden. Die Einbeziehung von AGB über ClickWrap- oder Browse-Wrap-Vereinbarungen ist eine Fortentwicklung der zunächst beim klassischen Erwerb von Software auf einer Diskette oder CDROM verwendeten sogenannten „Shrink-Wrap“1019 Vereinbarungen (Schutzhüllenverträge), die durch US-amerikanische Anbieter auf den europäischen

1014

OLG Hamburg, MMR 2002, 677, 678. So Köhler/Arndt/Fetzer, Rn. 246 durch Verallgemeinerung der Rechtsprechung zur Länge von BTX-AGB (LG Aachen, NJW 1991, 2159, 2160); in diese Richtung auch Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 211. 1016 Aufgrund der Speicherbarkeit von AGB im Internet allgemein ablehnend LG Münster, CR 2000, 313, 315; MüKo-Basedow, § 305 BGB, Rn. 69; Heckmann, Kap. 4.2, Rn. 175. 1017 Bei einer Click-Wrap-Vereinbarung formuliert der Veräußerer bestimmte Bedingungen vor, zu denen der Erwerber durch Mausklick Zustimmung signalisieren soll. Dabei ist das Klicken auf den Akzeptanzbutton zwingende Voraussetzung, um die Ware zu erlangen oder zu nutzen, vgl. Winters, 169 N.J.L.R. 2002, 686, 688. In diesem Fall muss der Kunde also einmal Klicken, um den AGB zuzustimmen, und einmal, um eine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung abzugeben. Insofern kann man von einem Zwei-Klick-Standard sprechen, Uhlmann, S. 137. 1018 Bei einer Browse-Wrap-Vereinbarung ist der zustimmende Mausklick keine zwingende Voraussetzung zum Erlangen oder Nutzen der Ware. Vielmehr erscheint lediglich ein Hinweis auf die AGB auf der Webseite des Verkäufers, über den der Volltext der AGB durch eine Verlinkung erlangt werden kann, vgl. Winters, 169 N.J.L.R. 2002, 686, 688. 1019 Bei Shrink-Wrap (Plastikfolie) Vereinbarungen sind die AGB des Verkäufers oder auch des Herstellers auf der Warenverpackung aufgedruckt, teilweise allerdings in der Form, dass sie erst nach Öffnen der Verpackung lesbar sind. Fraglich ist, ob der Käufer mit dem Aufreißen der Verpackungsfolie seine Zustimmung zu den AGB signalisiert, vgl. Winters, 169 N.J.L.R. 2002, 686, 687. 1015

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Markt kamen1020. Nach deutschem Recht sind Schutzhüllenverträge auch im Handelsverkehr unwirksam, wenn keine Möglichkeit der vorherigen Kenntnisnahme besteht.1021 Ein Handelsbrauch, wonach ein Vertragsschluss durch „Aufreißen“ zustande kommt, besteht ebenfalls nicht.1022 Es bedarf also eines gesonderten Einverständnisses des Kunden zu den AGB. Dieses liegt bei Click-Wrap-Vereinbarungen vor1023, nicht aber bei Browse-Wrap-Vereinbarungen. Widersprechen sich die AGB, weil beide Vertragspartner ihre jeweiligen Bedingungen zur Anwendung bringen wollen, und enthalten die jeweils eingesetzten Bedingungen „Abwehrklauseln“, wonach widersprechende Bedingungen des Geschäftspartners nicht gelten sollen, kommen neben dem dispositiven Recht nur die AGB-Bestandteile zur Geltung, die sich nicht widersprechen.1024 Sind AGB Bestandteil des Handelsvertrages geworden, unterliegen sie einer beschränkten Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 BGB, wonach Klauseln unwirksam sind, die den Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Auf die insofern maßgebliche Leitbildfunktion des dispositiven Rechts ist bereits verwiesen worden.1025 Daneben tritt noch das Transparenzgebot.1026 Bei Verträgen mit einem elektronischen Gut als Vertragsgegenstand betrifft die Inhaltskontrolle regelmäßig Klauseln, die urheberrechtliche Positionen zum Gegenstand haben. Abdingungen des Rechts der Anfertigung einer Sicherungskopie (§ 69d Abs. 2 UrhG) und von vertraglichen Bestimmungen, die die Schaffung interoperabler Programme gefährden, den abredefesten Kern des § 69d Abs. 1 UrhG betreffen oder die Vervielfältigung, die Verbreitung oder die öffentliche Wiedergabe von unwesentlichen Teilen einer Datenbank durch den zum Gebrauch Berechtigten nicht zulassen, sind unwirksam.1027 Gleiches gilt für Weitergabeverbote wegen Verstoßes gegen den Erschöpfungsgrundsatz (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 69c Nr. 3 S. 2

1020

Lejeune, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 321, Rn. 15; Marly, Rn. 973. 1021 Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 338; Schuhmacher, CR 2000, 641, 647 f. 1022 Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 338; Marly, Rn. 989. 1023 LG Essen, MMR 2004, 49, 49; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 340. 1024 Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 16. 1025 Siehe Kap. 8 B. III. 2. b). 1026 BGH, NJW-RR 2005, 1496, 1498; Berger/Kleine, NJW 2007, 3526, 3526 ff. 1027 BGH, GRUR 1986, 736, 737; Dreier/Senftleben, in: Lejeune (Hrsg.), Der ECommerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 81, Rn. 37.

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UrhG).1028 Nicht anerkannt werden das Verbot der Dekompilierung und des Reverse Engineering (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 69g Abs. 2 UrhG) und CPU-Klauseln (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG).1029 Die schuldrechtliche Einordnung von OEM-Klauseln, durch die der Vertrieb von Software an Endkunden an den Erwerb eines PC-Systems gebunden wird, ist hingegen noch offen.1030 Neben urheberrechtlichen AGB-Varianten hat die Rechtsprechung auch die in Handelsverträgen oft verwendeten salvatorische Klauseln in Form sogenannter „Ersetzungsklauseln“1031 und Schriftformklauseln für Nebenabreden1032 für unwirksam erklärt. Besonders wichtig für den internationalen elektronischen Handelsverkehr ist, dass Haftungsausschlüsse und Haftungsbegrenzungen nach deutschem Recht nur in engen Grenzen zulässig sind. Eine Freizeichnung für Körperschäden und grobes Verschulden ist auch im Unternehmensverkehr verboten (§ 309 Nr. 7 BGB; § 307 BGB).1033 Ein Haftungsausschluss oder eine Haftungsbegrenzung für leichte Fahrlässigkeit ist grundsätzlich zulässig, sofern es sich nicht um Kardinalpflichten handelt und der Schadensersatzbetrag die voraussehbaren Schäden abdeckt.1034 gg) Rechtsscheinsvollmachten im elektronischen Geschäftsverkehr Im elektronischen Handelsverkehr können Rechtsscheinsvollmachten vorliegen, wenn Dritte im Rahmen eines elektronischen Handelssystems unter der Kennung eines registrierten Teilnehmers Willenserklärungen abgeben oder wenn ein Unternehmensmitarbeiter von seinem geschäftlichen EmailAccount für das Unternehmen eine Willenserklärung abgibt, obwohl er hierzu nicht bevollmächtigt ist. Erfolgt im Rahmen elektronischer Handelssysteme unberechtigterweise die Nutzung der Kennung eines anderen, liegt ein Handeln unter fremdem Namen vor.1035 Für das Handeln unter fremdem Namen unterscheidet das Vertretungsrecht der §§ 164 ff. BGB hinsichtlich der Rechtsfolge zwischen einer bloßen Namenstäuschung und der Identitätstäuschung. Während bei der Namenstäuschung die wahre Identität für den Vertragspartner keine Rolle spielt 1028

LG Hamburg, MMR 2006, 175, 177; Schuhmacher, CR 2000, 641, 648; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 374. 1029 Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 381, 387. 1030 Zum Streitstand vgl. Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 396. 1031 BGH, NJW-RR 1996, 783, 789. 1032 BGH, NJW 1985, 320, 322. 1033 BGH, NJW 2007, 3774, 3775. 1034 BGH, NJW-RR 2006, 267, 269. 1035 Heckmann, Kap. 4.3, Rn. 63.

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und ein Eigengeschäft des tatsächlich Handelnden vorliegt, ist bei der Identitätstäuschung die wahre Identität maßgeblich für ein bestimmtes Verhalten des Vertragspartners.1036 Im Fall der Identitätstäuschung sind dann die Regelungen der §§ 164 ff. BGB anwendbar, wonach der wahre Namensträger das Geschäft durch Genehmigung an sich ziehen kann (§ 177 BGB) oder aber der Handelnde bei Verweigerung der Genehmigung nachhaftet (§ 179 BGB).1037 Da bei elektronischen Handelssystemen, die eine Registrierung erfordern, mit der Kennungsvergabe eine gewisse Missbrauchskontrolle erfolgt und bei Einsatz von Reputationssystemen die Kennung ein besonders Vertrauen der anderen Vertragspartei begründen kann, führt die Abgabe einer Willenserklärung unter der Kennung eines anderen zu einer Identitätstäuschung mit der Rechtsfolge der §§ 177 ff. BGB.1038 Eine Rechtsscheinhaftung des Kennungsinhabers lehnt die Rechtsprechung unter Verweis auf unzureichende Datensicherheit bei vielen Handelssystemen zu Recht ab.1039 Demgegenüber kann die Rechtsscheinhaftung bei einem Missbrauch des geschäftlichen Email-Account durch einen Mitarbeiter nicht so leicht abgelehnt werden, obwohl dieser Fall in der Praxis näher liegen dürfte als der unautorisierte Kennungsmissbrauch. Hintergrund ist, dass Geschäftsbriefe in Papierform überlicherweise nur in eng begrenztem Rahmen von dazu bevollmächtigten Mitarbeitern genutzt werden können und teilweise nach unternehmensinternen Regeln sogar von zwei Vertretungsberechtigten unterzeichnet werden müssen.1040 Hingegen können oft eine Vielzahl von Mitarbeitern über geschäftliche Email-Accounts Erklärungen für das Unternehmen abgeben. Den Unternehmen ist es auch nicht möglich, sich der Rechtsscheinhaftung dadurch zu entziehen, dass sie ihre nicht vertretungsberechtigten Mitarbeiter anweisen, die Pflichtangaben in Emails wegzulassen. Denn teilweise wird in der Fachliteratur vertreten, dass sich schon allein aus der Verwendung einer Emailadressse mit einem auf das Unternehmen bezogenen Domain-Part ein kaufmännischer Bezug ergebe, der nach Auslegungsregel des § 344 Abs. 1 HGB vermuten lasse, dass es sich bei der Email um eine zum Betrieb des Handelsgewerbes gehörende Email handele.1041 Für den Fall, dass der Vertreter einer Gesellschaft – nach dem Verkauf der Gesellschaft – persönlich in Anspruch genommen wird, weil er bei Bestellungen für das Unternehmen per Email den Rechtsformzusatz nicht verwendet hat, lehnte das OLG Schleswig eine persönliche Haftung aufgrund der 1036

Palandt-Heinrichs, § 164 BGB, Rn. 11 f. Palandt-Heinrichs, § 164 BGB, Rn. 10. 1038 BGH, NJW 2011, 2421, 2422; OLG München, NJW 2004, 1328, 1328; Hoeren/ Sieber-Kitz, Teil 13.1, Rn. 75a. 1039 BGH, NJW 2011, 2421, 2422; OLG Köln, NJW 2006, 1676, 1677; LG Bonn, MMR 2004, 179, 180; im Ergebnis ebenso Klees, MDR 2007, 185, 187. 1040 Schweinoch/Böhlke/Richter, CR 2007, 167, 169. 1041 Schweinoch/Böhlke/Richter, a.a.O., 170. 1037

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Besonderheiten der Kommunikation per Email ab.1042 Zwar hafte der für eine Kapitalgesellschaft Auftretende wegen Verstoßes gegen das Publizitätserfordernis aus dem Gesichtspunkt einer Rechtsscheinhaftung analog § 179 BGB dann, wenn er durch sein Zeichnen für die Firma ohne Formzusatz das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen habe, jedoch könne der digitale EmailVerkehr dem normalen Schriftverkehr nicht vollständig gleichgesetzt werden.1043 Wie beim mündlichen Geschäftsverkehr, insbesondere bei telefonischen Bestellungen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass im EmailVerkehr nur die besonders einprägsamen Teile einer Firma schlagwortartig benutzt würden.1044 Dies müsse der Emailempfänger berücksichtigen, so dass sein Vertrauen auf die unbeschränkte Haftung des Emailabsenders nicht in dem Maße schützenswert sei, wie es bei schriftlicher Kommunikation gewesen wäre oder wenn auf Frage nach der persönlichen Haftung eine Antwort erteilt worden wäre.1045 hh) Behandlung von Fehlern beim Vertragsschluss Für den Fall, dass einer Partei beim Vertragsschluss ein Fehler unterläuft und sie den Vertragsschluss rückgängig machen will, gelten die allgemeinen Anfechtungsregeln (§§ 119 ff. BGB).1046 Daneben verpflichtet § 312g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB (ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 S. 1 BGB) beim elektronischen Vertragsabschluss den Anbieter, eine Korrekturhilfe für Eingabefehler bereit zu stellen. Dieser Verpflichtung soll durch das Bereithalten einer Bestellübersicht genügt werden, in welcher der Kunde vor dem endgültigen Absenden seines Angebots noch einmal überprüfen kann, ob ihm Irrtümer unterlaufen sind.1047 Anders als bei elektronischen Verbraucherverträgen (§§ 355, 312d BGB; ab 13.6.2014: §§ 355, 312g) besteht bei elektronischen Handelsverträgen kein Widerrufsrecht, da die Schutzbedürftigkeit fehlt (§ 312g Abs. 2 S. 2 BGB; ab 13.6.2014: § 312i Abs. 2 S. 2 BGB). Ein Vertippen1048 oder Verrutschen des Cursor der Maustaste1049 kann allerdings zur Anfechtung nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB wegen eines Erklä1042

OLG Schleswig, IHR 2009, 243, 245. OLG Schleswig, IHR 2009, 243, 245. 1044 OLG Schleswig, IHR 2009, 243, 245 f. 1045 OLG Schleswig, IHR 2009, 243, 246. 1046 BGH, NJW 2005, 976, 976 f.; OLG Frankfurt, MMR 2003, 405, 406; Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 15. 1047 Heckmann, Kap. 4.2, Rn. 186; von Wallenberg, MMR 2005, 661, 664. 1048 OLG Oldenburg, NJW 2004, 168, 168; AG Westerberg, MMR 2003, 609, 609; Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 15; Hoeren/Sieber-Kitz, Teil 13.1, Rn. 137. 1049 Köhler/Arndt/Fetzer, Rn. 199. 1043

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rungsirrtums führen. Wird das richtig eingegebene Datenmaterial fehlerhaft übermittelt, soll ebenfalls ein Erklärungsirrtum vorliegen.1050 Nicht zur Anfechtung berechtigen hingegen Fehler, die infolge eines falschen Berechungsmodus in der verwendeten Software entstehen1051 oder durch Verwendung fehlerhaften Datenmaterials im Bereich der Willensbildung liegen1052. ii) Vertragsschluss bei Auktionen Eine Besonderheit des elektronischen Unternehmensverkehrs besteht darin, dass über technische Plattformen elektronische Märkte entstanden sind, die grundsätzlich weder geografisch noch zeitlich oder nach der Zahl der Teilnehmer begrenzt sind.1053 Elektronische Märkte sind wirtschaftliche Orte des Austausches, an denen sich mit Hilfe von computerbasierter Informationsund Kommunikationstechnik Angebot und Nachfrage treffen.1054 Technische Plattformen für elektronische Märkte lassen sich nach der Anzahl der sich gegenüberstehenden Anbieter und Nachfrager in elektronische Stores, Auktionssysteme, elektronische Ausschreibungen und elektronische Börsen unterscheiden.1055 Sie können von Anbietern, Nachfragern oder Dritten betrieben werden.1056 (1) Auktionsarten Beim elektronischen Store begegnen sich ein Anbieter und ein Nachfrager.1057 Bei einem Auktionssystem konkurrieren mehrere Nachfrager um die Leistung eines Anbieters.1058 Bekanntestes Beispiel von elektronischen Auktionssystemen ist eBay. Hierbei handelt es sich um eine „klassische“ InternetAuktion, bei der vom Betreiber des Auktionshauses eine Handelsplattform im Internet bereitgestellt wird, auf der Waren oder Dienstleistungen von Dritten angeboten werden können.1059 Das Verfahren bei klassischen Internet1050

BGH, NJW 2005, 976, 976 f. BGHZ 139, 177, 181. 1052 LG Frankfurt/M., NJW-RR 1997, 1273, 1273; Graf von Bernstorff, RIW 2000, 14, 15; Schlechtriem, in: Leipold (Hrsg.), Rechtsfragen des Internet und der Informationsgesellschaft (2002), 127, 134; Hoeren/Sieber-Kitz, Teil 13.1, Rn. 132. 1053 Bieberbach/Hermann, in: Scheer/Nüttgens (Hrsg.), Electronic Business Engineering (1999), 68, 76; Picot/Reichwald/Wigand, S. 344 ff. 1054 Bieberbach/Hermann, in: Scheer/Nüttgens (Hrsg.), Electronic Business Engineering (1999), 68, 75; Picot/Reichwald/Wigand, S. 338. 1055 Bieberbach/Hermann, in: Scheer/Nüttgens (Hrsg.), Electronic Business Engineering (1999), 68, 76; Picot/Reichwald/Wigand, S. 344. 1056 Picot/Reichwald/Wigand, S. 344. 1057 Bieberbach/Hermann, in: Scheer/Nüttgens (Hrsg.), Electronic Business Engineering (1999), 68, 76. 1058 Bieberbach/Hermann, a.a.O., 76; Picot/Reichwald/Wigand, S. 345. 1059 Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 2. 1051

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Auktionen entspricht regelmäßig der sogenannten Englischen Auktion, bei der sich die Nachfrager – ausgehend von einem Mindestgebot – immer wieder gegenseitig überbieten, bis die Auktion nach einer bestimmten Zeit oder nach einer bestimmten Zeit ohne neue Angebote geschlossen wird.1060 Ein anderes Auktionsverfahren ist die sogenannte Holländische Auktion (Reverse Auction), bei der die Versteigerung mit einem hohen Preis beginnt und dieser schrittweise absenkt wird, bis sich ein Kunde meldet, der dann den die Auktion beendenden Zuschlag erhält.1061 Außerdem gibt es das Verfahren der First Price Sealed Bid Auction und das hiermit verwandte Verfahren der Second Price Sealed Bid Auction (Vickrey Auction). Bei beiden Verfahren gibt jeder Nachfrager nur ein einziges verdecktes Gebot ab und derjenige mit dem höchsten Gebot erhält den Zuschlag. Bei der First Price Sealed Bid Auction gilt der Preis des höchsten Gebotes, bei der Second Price Sealed Bid Auction muss nur der Preis des zweithöchsten Gebots gezahlt werden.1062 Bei Ausschreibungen fordert ein Kunde zur Abgabe von Angeboten durch Anbieter einer Leistung auf, so dass sich diese gegenseitig preislich unterbieten können.1063 Die verschiedenen Auktionsverfahren können bei elektronischen Ausschreibungen spiegelbildlich eingesetzt werden.1064 Außerdem gibt es elektronische Börsen, bei denen eine Vielzahl von Anbietern auf eine Vielzahl von Nachfragern trifft, über definierte Mechanismen ein gemeinsamer, den allgemeinen Umsatz maximierender Preis festgelegt wird und der Vertragsschluss durch automatisierte Zusammenführung von Kauf- und Verkaufsangeboten erfolgt.1065 (2) Spezialgesetzliche Regelungen Für elektronische Auktionen, Ausschreibungen und Börsen gibt es eine Reihe spezialgesetzlicher Regelungen. (a) Börsengesetz, Wertpapierhandelsgesetz und Kreditwesengesetz Der Börsenhandel auf den Finanz- und Kapitalmärkten, das heißt, Angebot, Kauf und Verkauf von Wertpapieren aller Art, wird zunehmend über elektronische Handelsplattformen und nicht mehr allein über traditionelle Präsenz1060

Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, a.a.O., Rn. 2; zur Englischen Auktion vgl. Beam,

S. 53.

1061

Beam, S. 53; Picot/Reichwald/Wigand, S. 346; Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 3. 1062 Beam, S. 53; Picot/Reichwald/Wigand, S. 346 f. 1063 Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 3. 1064 Bieberbach/Hermann, in: Scheer/Nüttgens (Hrsg.), Electronic Business Engineering (1999), 68, 76; Picot/Reichwald/Wigand, S. 347. 1065 Bieberbach/Hermann, in: Scheer/Nüttgens (Hrsg.), Electronic Business Engineering (1999), 68, 76; Picot/Reichwald/Wigand, S. 348 f.

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börsen abgewickelt.1066 Diese elektronischen Handelsplattformen werden vielfach nicht von den etablierten Börsen, sondern von anderen Anbietern betrieben.1067 Jedoch haben auch traditionelle Börsen eigene elektronische Plattformen entwickelt, die die herkömmlichen Präsenzbörsen unterstützen, erweitern oder ergänzen.1068 Börsen sind im deutschen Recht durch das Börsengesetz spezialgesetzlich geregelt. Das Börsengesetz enthält unter anderem Regelungen zur Genehmigungsbedürftigkeit (§ 4 BörsG), Börsenaufsicht (§ 3 BörsG), Börsenordnung (§ 16 BörsG), Preisermittlung (§ 24 BörsG) und Zulassung von Wertpapieren (§ 32 BörsG). Ob auch die neuartigen elektronischen Handelsplattformen dem Börsengesetz unterfallen, war lange Zeit wegen des Fehlens einer gesetzlichen Definition des Begriffs „Börse“ unklar. Eine generelle Einordnung der elektronischen Handelsplattformen als Börsen hätte aufgrund der dann stets erforderlichen börsenaufsichtsrechtlichen Genehmigung hohe Marktzutrittsschranken für Wettbewerber der etablierten Börsen bedeutet. Indes bestand eine Regulierungsbedürfnis, weil die elektronischen Handelsplattformen Liquidität (Umsatzvolumen der gehandelten Wertpapiere) von den herkömmlichen Märkten abzogen, bei einer unzureichenden Überwachung Preismanipulationen zu befürchten war und der Anlegerschutz sichergestellt werden musste.1069 Im Jahr 2007 wurden durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz1070 Regelungen geschaffen, die dieses Regelungsdefizit beheben sollten (§§ 58 ff. BörsG a.F.).1071 Der Gesetzgeber unterschied zwischen Börsen, börsenähnlichen Einrichtungen und schlichten elektronischen Handelssystemen. Die wesentlichsten Erscheinungsformen der virtuellen Börsen wollte der Gesetzgeber mit börsenähnlichen Einrichtungen (§ 59 BörsG a.F.) erfassen und bestimmten Pflichten und einer Aufsicht durch die Börsenaufsichtsbehörden unterwerfen.1072 Nach § 59 BörsG a.F. handelte es sich bei einer börsenähnlichen Einrichtung um ein elektronisches Handelssystem, „in dem Angebot und Nachfrage in börsenmäßig handelbaren Wirtschaftsgütern oder Rechten mit dem Ziel zusammengeführt werden, Vertragsabschlüsse unter mehreren Marktteilnehmern innerhalb des Systems zu ermöglichen“, wenn dieses elektronische Handelssystem von einem Kreditinstitut, einem Finanzdienstleistungsinstitut oder einem nach §§ 53 Abs. 1 S. 1, 53b Abs. 1 S. 1 1066

Hoeren/Sieber-Pfüller, Teil 13.7, Rn. 114. Hoeren/Sieber-Pfüller, a.a.O., Rn. 114. 1068 Über das elektronische Handelssystem XETRA der Deutsche Börse AG wird ein echtes elektronisches Matching durchgeführt. 1069 Hoeren/Sieber-Pfüller, Teil 13.7, Rn. 115. 1070 BGBl. I 2007, 1330. 1071 Hoeren/Sieber-Pfüller, Teil 13.7, Rn. 117. 1072 Hoeren/Sieber-Pfüller, a.a.O., Rn. 117. 1067

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KWG tätigen Unternehmen betrieben wird. Wird dagegen das elektronische Handelssystem nicht von einem Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut oder einem Unternehmen nach §§ 53 Abs. 1 S. 1, 53b Abs. 1 S. 1 KWG betrieben, so sollte darin regelmäßig das Betreiben einer genehmigungspflichtigen Börse (§ 1 Abs. 1 BörsG a.F.) zu sehen sein.1073 Allerdings ist durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz eine Definition für Börsen eingeführt worden. Nach § 2 Abs. 1 BörsG regeln und überwachen Börsen multilaterale Systeme, „welche die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Wirtschaftsgütern und Rechten innerhalb des Systems nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringen oder das Zusammenbringen fördern, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Handelsobjekte führt“. Demnach sind elektronische Handelssysteme nur dann Börsen im Sinne des Börsengesetzes, wenn die Geschäfte – wie zum Beispiel bei XETRA – direkt im System abgeschlossen werden; nicht ausreichend sind hingegen reine Informations- und Kommunikationssysteme, wenn sie die Geschäfte nur vorbereiten und im System selbst keine Umsatzgeschäfte in Waren, Wertpapieren oder Devisen getätigt werden.1074 Mithin tritt bei Computerbörsen die Systemgebundenheit und der Abschluss der Verträge innerhalb des Systems an die Stelle der Ortsgebundenheit der Marktteilnehmer.1075 Außerdem können für elektronische Handelssysteme auch die Vorschriften des KWG und des WpHG gelten.1076 Sofern der Betreiber des elektronischen Handelssystems aufgrund des Handels mit Wertpapieren als Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut anzusehen ist, unterliegt er den Regelungen des KWG (Genehmigungsbedürftigkeit, § 32 KWG). Ferner ist sowohl das Matching von Angebot und Nachfrage in Wertpapieren als auch ein aktives Inseratssystem als Wertpapierdienstleistung (§ 2 Abs. 3 Nr. 4 WpHG) einzustufen, so dass der Betreiber auch den Regelungen des WpHG unterliegt (Missstandsaufsicht durch BaFin, § 4 WpHG; Meldepflichten, § 9 WpHG; Veröffentlichungspflichten, § 15 WpHG; Mitteilungspflichten, §§ 21 ff. WpHG; Preisermittlung, § 31f Abs. 1 Nr. 4 WpHG; Erlaubnispflicht für Finanzinstrumente mit Sitz im Ausland, § 37i WpHG). (b) Vergaberecht Ein weiterer Bereich mit spezialgesetzlichen Regelungen für elektronische Auktionsverfahren ist das Vergaberecht. Das öffentliche Auftragswesen wurde in Deutschland seit Mitte der 1990er Jahre für die in der Privatwirtschaft

1073

Groß, Vorbemerkungen BörsG, Rn. 22. Groß, § 2 BörsG, Rn. 7. 1075 Groß, a.a.O., Rn. 8. 1076 Hoeren/Sieber-Pfüller, Teil 13.7, Rn. 117. 1074

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entwickelten Methoden des elektronischen Geschäftsverkehrs geöffnet.1077 Die Beschaffung von Liefer-, Bau- und Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber unter Nutzung elektronischer Medien wird „elektronische Vergabe“ (eVergabe, public electronic tendering, public eprocurement) genannt.1078 Wesentliche gesetzliche Regelungen des europäischen Vergaberechts sind eine Reihe von EG-Richtlinien (Vergabekoordinierungsrichtlinie1079, Sektorenrichtlinie1080, Richtlinie zur Verbesserung der Nachprüfungsverfahren1081) für Aufträge ab den EU-Schwellenwerten sowie die Vorschriften (Warenverkehrsfreiheit, Art. 28 ff. AEUV; Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 ff. AEUV) und Prinzipien (Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, Transparenz) des EU-Primärrechts für binnenmarktrelevante Aufträge unterhalb der EUSchwellenwerte. Im deutschen Vergaberecht sind im GWB (§§ 97–129b) grundlegende Prinzipien für Aufträge ab den EU-Schwellenwerten normiert. Die im GWB enthaltene Verordnungsermächtigung (§ 127 GWB) wird durch die Vergabeverordnung (VgV) und die Sektorenverordnung (SektVO)1082 ausgefüllt. Die VgV nimmt Bezug auf die vergaberechtlichen Regelungen der Vergabe- und Vertrags- beziehungsweise Verdingungsordnungen für Bauleistungen, freiberufliche und sonstige Leistungen (VOB/A, VOF, VOL/A) (§§ 4 ff. VgV). Diese enthalten die vergabeverfahrensrechtlichen Detailregelungen und dienen insoweit auch der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben.1083 Für den Bereich unterhalb der EU-Schwellenwerte gelten die nationalen Teile der Verdingungsordnungen (VOL/A, und VOB/A, jeweils Abschnitt 1).1084 In den EG-Richtlinien ist für das Vergabewesen die elektronische Kommunikation ausdrücklich rechtlich zugelassen (Art. 3 Nr. 5 RL 97/52/EG; Art. 1 Abs. 13, 42 Abs. 1 RL 2004/18/EG; Art. 48 Abs. 1 RL 2004/17/EG) und wurde entsprechend vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt (§ 15 VgV 1077

Kilian/Heussen-Schäfer, Teil 19, Rn. 3. Kilian/Heussen-Schäfer, a.a.O., Rn. 1. 1079 Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.3.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, ABl. EG Nr. L 134 vom 30.4.2004, S. 114. 1080 Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.3.2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, ABl. EG Nr. L 134 vom 30.4.2004, S. 1. 1081 Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2007 zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge, ABl. EG L 335 vom 20.12.2007, S. 31. 1082 BGBl. I 2009 S. 3110. 1083 Knauff, NZBau 2010, 657, 658. 1084 Kilian/Heussen-Schäfer, Teil 19, Rn. 50. 1078

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a.F.; § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2009, § 13 Abs. 1 S. 2 VOL/A 2009). Die EGRichtlinien enthalten auch Regelungen zur Integrität und Vertraulichkeit der übermittelten Daten (Art. 42 Abs. 3 RL 2004/18/EG, Art. 48 Abs. 3 RL 2004/17/EG). Ob die elektronisch übermittelten Angebote mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur (Art. 5 Abs. 1 RL 1999/93/EG) zu versehen sind, ist Entscheidung der Mitgliedstaaten. Die deutschen Regelungen sehen insoweit vor, dass der Auftraggeber die Wahl hat, ob er elektronisch übermittelte Angebote mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur (§ 2 Nr. 2 SigG) oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (§ 2 Nr. 3 SigG) versehen haben will (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2009, § 13 Abs. 1 S. 2 VOL/A 2009). Die EG-Richtlinien sehen auch die Vergabe aufgrund von elektronischen Auktionen vor – ihre Einführung ist zur Disposition der Mitgliedsstaaten gestellt (Art. 54 Abs. 1 RL 2004/18/EG; Art. 56 Abs. 1 RL 2004/17/EG) – und definieren diese als ein sich wiederholendes („iteratives“) Verfahren, bei dem nach einer ersten vollständigen Bewertung der Angebote fortlaufend neue, nach unten korrigierte Preise und/oder neue, auf bestimmte Komponenten der Angebote abstellende Werte vorgelegt werden (Art. 1 Abs. 7 RL 2004/18/EG; Art. 1 Abs. 6 RL 2004/17/EG). Die elektronische Auktion hat als Legaldefinition auch Eingang in das deutsche Recht gefunden (§ 101 Abs. 6 GWB). Zu beachten ist jedoch, dass die elektronische Vergabe nur Geschäftsprozesse zwischen der öffentlichen Verwaltung oder rechtlich gleichgestellten Auftraggebern und Unternehmen der anbietenden Wirtschaft betrifft („business-to-goverment“ oder „business-to-administration“).1085 Internationale elektronische Handelsverträge unterliegen daher regelmäßig nicht den Vorschriften des europäischen oder deutschen Vergaberechts. (3) Allgemeines Vertragsrecht Der Vertragsschluss bei der „klassischen“ Internetauktion richtet sich nach den Regeln des allgemeinen Vertragsrechts. Dabei ist zwischen dem Vertragsverhältnis zwischen Betreiber und Nutzer der Auktionsplattform (Benutzungsverhältnis) und dem Verhältnis zwischen den einzelnen Nutzern (Marktverhältnis) zu unterscheiden.1086 Der Nutzungsvertrag zwischen Auktionshaus und Nutzer ist ein typengemischter Vertrag.1087 Die vertragliche Hauptpflicht des Auktionshauses besteht in der Bereitstellung der Auktionsplattform.1088 Insofern handelt es sich um eine maklervertragliche Leistung (§§ 93 ff. HGB; §§ 652 ff. BGB), da die vermittelnde Tätigkeit darin besteht, die Voraussetzungen für den Vertrags1085

Kilian/Heussen-Schäfer, Teil 19, Rn. 3. Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 5 ff. 1087 Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, a.a.O., Rn. 12. 1088 Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, a.a.O., Rn. 8. 1086

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schluss zwischen den Nutzern der Plattform zu schaffen.1089 Indes ist in Abweichung zum klassischen Maklervertrag eine Pflicht zum Tätigwerden geschuldet.1090 Sofern der Nutzer auf Bieterseite aktiv wird, fallen für ihn in der Regel keine Gebühren an, so dass der Nutzungsvertrag dann Auftragscharakter hat.1091 Außerdem enthält der Nutzungsvertrag Elemente anderer Vertragstypen. Das Abspeichern der Nutzerdaten ist mit einem Hosting-Vertrag vergleichbar, der als Mietvertrag1092 (§ 535 BGB), Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter (§§ 611, 675 BGB) oder Werkvertrag (§ 631 BGB) einzuordnen ist.1093 Bei der reinen Erfassung und Übermittlung von Daten ist der Erfolg geschuldet, so dass diesbezüglich eine Werkleistung vorliegt.1094 Der Vertrag über den Auktionsgegenstand erfolgt dann zwischen den Nutzern der Auktionsplattform. Der Vertragsschlussmechanismus weicht hierbei von der klassischen Versteigerung ab. Bei der klassischen Versteigerung stellt nach dem Modell des (dispositiven) § 156 BGB die Präsentation des Versteigerungsgegenstandes lediglich eine invitatio ad offerendum dar, das Gebot des Bieters, das Angebot, das mit dem höheren Gebot eines anderen erlischt, wird durch den Versteigerer als Vertreter des Einlieferers mit dem Zuschlag angenommen.1095 Davon abweichend hat der BGH in seiner Entscheidung zum Widerrufsrecht bei Internet-Auktionen klargestellt, dass der Vertragsschluss hier nicht gemäß § 156 BGB erfolgt.1096 Bei InternetAuktionen fehle es an einem – von § 156 BGB vorausgesetzten – Auktionator, der die Ware in Augenschein nehme oder als außenstehender Dritter einen Zuschlag erteile, vielmehr ende eine Online-Auktion stets nach Zeitablauf mit einem Vertragsschluss mit dem Höchstbietenden.1097 Nach der Rechtsprechung erfolgt der Vertragsschluss daher nach der Regelung der §§ 145 ff. BGB.1098 Berücksichtigt man dabei die in den AGB vieler Auktionshäuser enthaltenen Abschlussklauseln, so ist regelmäßig bereits das Einstellen und das Freischalten einer Ware auf einer Auktionsplattform ein an den Meistbietenden gerichtetes verbindliches Angebot, das dieser durch Abgabe des Höchstangebots annimmt.1099 Wirksam wird das Angebot mit dem Zugang gegenüber der Auktionsplattform (§ 130 Abs. 1 BGB), die als Emp-

1089

Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, a.a.O., Rn. 8. Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, a.a.O., Rn. 9. 1091 Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, a.a.O., Rn. 11. 1092 Heidrich/Forgó/Feldman-Bertermann, A.II, Rn. 90. 1093 Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, a.a.O., Rn. 10. 1094 Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, a.a.O., Rn. 10. 1095 Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 15. 1096 BGH, NJW 2005, 53, 54. 1097 BGH, NJW 2005, 53, 54; Spindler/Schuster-Spindler/Anton, § 156 BGB, Rn. 4. 1098 BGH, NJW 2005, 53, 54. 1099 BGHZ 149, 129, 133 ff.; NJW 2005, 53, 54; Deutsch, MMR 2004, 586, 586. 1090

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

fangsvertreterin (§ 164 Abs. 3 BGB) für die anderen Nutzer fungiert.1100 Ein geheimer Vorbehalt des Verkäufers, die Ware erst bei Erreichen eines bestimmten Preises zu veräußern, ist unbeachtlich (§ 116 BGB).1101 Beim Vertragsschluss zwischen den Nutzern ist jedoch zu berücksichtigen, dass die AGB der Auktionshäuser oft auch Klauseln enthalten, die eigentlich das Marktverhältnis betreffen. Dazu gehört die Regelung des Abschlussmechanismus ebenso wie Frage von Erfüllung und Gewährleistung. Insoweit ist fraglich, ob diese AGB-Regelungen Bestandteil des Marktvertrages werden. In der Fachliteratur wird teilweise vertreten, dass der Nutzungsvertrag zwischen Auktionshaus und jeweiligem Teilnehmer ein Vertrag zugunsten Dritter sei und die AGB des Auktionshauses deshalb auch im Marktverhältnis Geltung entfalten würden.1102 Diese Auffassung ist jedoch schon deshalb abzulehnen, weil – selbst bei Zustimmung des Dritten – ein grundsätzlich unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter vorliegen würde, wenn – wie regelmäßig der Fall – die AGB auch belastende Regelungen für die zukünftigen Vertragspartner des Teilnehmers enthalten.1103 Überzeugender ist die Auffassung der Fachliteratur, die von einem Rahmenvertrag zwischen den Teilnehmern ausgeht, der gleichzeitig mit Vertragsschluss mit dem Auktionshaus – etwa bei der Registrierung – geschlossen wird.1104 Danach gebe ein Teilnehmer mit der Registrierung beim Auktionshaus ein Angebot zu Gunsten eines noch unbestimmten Vertragspartners – des Bieters – ab.1105 Die Annahmeerklärung liege dann ebenso, zum Teil als aktuell wirksame, zum Teil als antizipierte Erklärungen im Einverständnis mit den AGB bei der Registrierung.1106 Der Zugang der Erklärungen erfolge über das Auktionshaus als Stellvertreter unter Befreiung von § 181 BGB, die mit dem Abschluss des Teilnahmevertrages erteilt werde.1107 Allerdings ist die Rechtsprechung dieser durchaus überzeugenden Lösung bisher nicht gefolgt. Vielmehr geht sie davon aus, dass eine Einbeziehung der AGB des Auktionshauses in den Marktvertrag nicht möglich sei.1108 Allenfalls eine Berücksichtigung der AGB bei Auslegung der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) der Nutzer im

1100

BGH, NJW 2002, 363, 364; Deutsch, MMR 2004, 586, 588. LG Coburg, CR 2005, 228, 230. 1102 Koch, CR 2005, 502, 505; Wiebe, MMR 2000, 323, 325. 1103 Vgl. Palandt-Grüneberg, Einf v § 328 BGB, Rn. 10. 1104 Sester, CR 2001, 98, 107; Spindler, ZIP 2001, 809, 812; Hoeren/Sieber-Wiebe/ Neubauer, Teil 15, Rn. 30. 1105 Sester, CR 2001, 98, 107; Spindler, ZIP 2001, 809, 812; Hoeren/Sieber-Wiebe/ Neubauer, Teil 15, Rn. 30. 1106 Spindler, ZIP 2001, 809, 812; Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 30. 1107 Spindler, ZIP 2001, 809, 812Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 30. 1108 AG Bad Hersfeld, MMR 2004, 500, 501; AG Moers, MMR 2004, 563, 563. 1101

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Marktverhältnis sei denkbar.1109 Ein Beispiel ist § 9 der eBay-AGB, wonach im Einstellen eines Artikels auf der eBay-Webseite ein verbindliches und auf die Laufzeit der Auktion befristetes Angebot zum Vertragsschluss liegt. Voraussetzung einer Berücksichtigung der Auktionshaus-AGB bei der Ermittlung des Erklärungswertes der relevanten Handlung ist jedoch die Erkennbarkeit für die Nutzer.1110 Eine Inhaltskontrolle bezüglich der AGB des Aktionshauses im Marktverhältnis ist weder nach der Lösung der Rechtsprechung noch nach der Lösung der Fachliteratur möglich, denn der Anbieter der zu versteigernden Leistung ist nicht Verwender im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB.1111 Sofern die AGB von einem Dritten vorgeschlagen werden, kann eine Vertragspartei nur dann Verwender sein, wenn der Dritte mit einer der Parteien eng verbunden ist und die Interessen dieser Partei im Rahmen der Vertragsbedingungen einseitig fördert.1112 Dies ist bei Internet-Auktionen aber regelmäßig nicht der Fall, da es um eine Vermittlung zwischen den teilnehmenden Nutzern in deren beiderseitigem Interesse geht.1113 Daher bleibt für die Inhaltskontrolle der AGB des Auktionshauses im Marktverhältnis nur die Prüfung anhand des Grundgedanken des § 242 BGB.1114 Eine Berücksichtigung der §§ 307–309 BGB kann jedoch angezeigt sein.1115 Unproblematisch ist hingegen die AGB-Kontrolle im Benutzungsverhältnis. Bei den Teilnahme-, Nutzungs- oder allgemeinen Versteigerungsbedingungen handelt es sich um AGB im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB, da es für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen sind. Sie unterliegen damit – wirksame Einbeziehung vorausgesetzt – bei Handelsgeschäften der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.1116 Der Abbruch einer Auktion durch den Verkäufer ist kein wirksamer Widerruf (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB), da dieser nach Einstellen der Ware nicht mehr möglich ist1117, sondern eine konkludente Anfechtungserklärung1118, die nur dann zur wirksamen Anfechtung führt, wenn der tatsächliche Grund für den Abbruch angegeben wird1119 und dieser rechtlich als Anfechtungsgrund (§§ 119 ff. BGB) zu bewerten ist.1120 1109

AG Bad Hersfeld, MMR 2004, 500, 501; AG Moers, MMR 2004, 563, 563. Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 34. 1111 BGH, NJW 2002, 363, 364. 1112 Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 37. 1113 AG Moers, MMR 2004, 563, 563; Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 37. 1114 Spindler, ZIP 2001, 809, 816. 1115 Spindler, a.a.O., 816. 1116 Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 42. 1117 AG Menden, NJW 2004, 1329, 1329. 1118 LG Berlin, NJW 2004, 2831, 2832. 1119 LG Berlin, NJW 2004, 2831, 2832; OLG Oldenburg, NJW-RR 2007, 268, 269. 1120 Eine Rücknahme des Angebots auf der Grundlage der „eBay-Grundsätze“ ist nicht möglich, vgl. Backhaus, JurPC 2006, Web. Dok. 88/2006, Abs. 2. 1110

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

jj) Zwischenergebnis Gesetzliche Formerfordernisse stehen einem elektronischen Vertragsschluss mit der Ausnahme von Verträgen über Immobilien grundsätzlich nicht entgegen. Eine gewillkürte Schriftformklausel kann durch den beiderseitigen Einsatz elektronischer Kommunikation konkludent aufgehoben oder erfüllt werden. Sofern bei den Parteien ein besonderes Interesse an der Einhaltung der Schriftform erkennbar ist, bedarf es einer qualifizierten elektronischen Signatur, um der Schriftform zu genügen. Für die Unterscheidung zwischen bloßer invitatio und verbindlichem Angebot gelten die allgemeinen Regeln, so dass im Hinblick auf das Interesse des Empfängers, sich nicht zu binden, wenn eine Erfüllung unmöglich ist, die juristische Differenzierung vor allem eine Frage der technischen Ausgestaltung der Warenpräsentation und Leistungserbringung ist. Die Abgrenzung von bloßer Empfangsbestätigung und verbindlicher Annahme bereitet Schwierigkeiten. Auch über den genauen Zeitpunkt des Wirksamswerdens elektronischer Erklärungen besteht im Detail Unsicherheit. Überzeugend ist es, vom Wirksamwerden einer elektronischen Erklärung auszugehen, wenn die Schnittstelle (IAP-Router) auf Seiten des Empfängers passiert wurde und nach der Verkehrsauffassung mit der Kenntnisnahme zu rechnen war. Bei EDI im Rahmen der Just-in-Time-Produktion, bei Onlinehändlern und während der Geschäftszeiten ist von unmittelbarer Kenntnisnahme auszugehen, ansonsten ist im Unternehmensverkehr eine Kenntnisnahme am nächsten Geschäftstag zu erwarten. Der Einsatz elektronischer Agenten steht einem wirksamen Vertragsschluss nicht entgegen. Während die Einbeziehung von AGB über Click-Wrap-Vereinbarungen nach deutschem Recht wirksam ist, werden Bedingungen aus Browse-WrapVereinbarungen nicht Vertragsinhalt. Bei Handelsverträgen spielt der Umfang der AGB keine Rolle. Einige urheberrechtliche Positionen können auch in elektronischen Handelsverträgen nicht durch AGB abbedungen werden. Umfassende Haftungsausschlüsse sind unwirksam. Die Nutzung einer fremden Kennung bei elektronischen Handelssystemen ist ein Handeln unter fremden Namen. Regelmäßig liegt eine Identitätstäuschung mit den Rechtsfolgen der §§ 177 ff. BGB vor. Hingegen wird ein Unternehmen im Außenverhältnis regelmäßig gebunden, wenn ein nicht bevollmächtigter Mitarbeiter von einem geschäftlichen Email-Account Erklärungen im Namen des Unternehmens abgibt. Auch im Handelsverkehr muss ein Anbieter eine Korrekturhilfe für Eingabefehler bereithalten, wenn er diese Verpflichtung nicht vertraglich abbedungen hat. Eingabefehler berechtigen aber auch dann zur Anfechtung. Gleiches gilt für fehlerhaft übermittelte Daten, nicht aber für fehlerhaft verwendete

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Daten oder falsche Erklärungen aufgrund von fehlerhaft programmierter Software. Elektronische Handelssysteme, in denen Vertragsschlüsse zwischen Unternehmen erfolgen, können in den Anwendungsbereich des KWG, des WpHG und – sofern es sich um Börsen handelt – das BörsG fallen. Im Rahmen von elektronischen Ausschreibungen durch öffentliche Auftraggeber sind die Vorschriften des Vergaberechts zu beachten. Bei klassischen Interauktionen ist zwischen dem Benutzungs- und Marktverhältnis zu unterscheiden. Der Vertragsschluss im Marktverhältnis bei elektronischen Auktionen erfolgt nicht wie bei herkömmlichen Versteigerungen durch Angebot und Zuschlag, sondern durch Angebot und Annahme. Dabei ist das Einstellen und Freischalten einer Ware auf einer Auktionsplattform ein an den Meistbietenden gerichtetes verbindliches Angebot, das dieser durch Abgabe des Höchstangebots annimmt. Die AGB der Auktionshäuser werden regelmäßig nicht Teil des im Marktverhältnis geschlossenen Vertrages. d) Vertragsdurchführung Im deutschen Vertragsrecht wirft der Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel beim Vertragsschluss für den Bereich der Vertragsdurchführung keine besonderen Probleme auf. Auf elektronische Verträge über physische Güter sind die Regeln zur Qualität der geschuldeten Leistung, der Art und Weise wie sie zu erbringen ist sowie zur Leistungsstörung daher ohne weiteres anwendbar. Problematisch kann die Anwendung dieser Vorschriften jedoch bei digitaler Leistungserbringung sein, denn die Regelungen zur Vertragsdurchführung sind am Leitbild der Lieferung eines physischen Vertragsgegenstandes entwickelt worden sind. aa) Vertragstypologische Einordnung Die vertragsrechtlichen Rechte und Pflichten der Parteien hängen im deutschen Vertragsrecht vom gewählten Vertragstyp ab.1121 So bestehen insbesondere für den Anbieter bei einem Kaufvertrag andere Pflichten als bei Dienst-, Werk- oder Mietvertrag. Die vertragstypologische Erfassung ist außerdem für die Bestimmungen des anzuwendenden Haftungsrechts und hinsichtlich der Klauselkontrolle (§§ 305 ff. BGB) von erheblicher Bedeutung.1122

1121

Kilian/Heussen-Moritz, Teil 3, Rn. 8. Nägele/Jacobs, ZUM 2010, 281, 284; Schulz, in: Taeger/Wiebe (Hrsg.), Inside the Cloud (2009), 403, 406. 1122

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

(1) Elektronischer Vertrag über ein physisches oder digital übermitteltes Gut Der Vertragstypus wird durch einen elektronischen Vertragsschluss nicht verändert. Wird zum Beispiel per Internet ein Vertrag über die Lieferung eines Autos abgeschlossen und erfolgt die Auslieferung dann auf herkömmlichem Weg oder übermittelt das EDI-System eines Produzenten an den Hersteller die Nachricht, dass der Lagerbestand an einer bestimmten Ware erschöpft ist und erfolgt dann die Lieferung auf klassischem Transportweg1123, ist die vertragstypologische Einordnung als Kaufvertrag unzweifelhaft. Wird bei einem Geschäft die Übergabe eines physischen Daten- oder Informationsträgers durch eine elektronische Übermittlung ersetzt (z.B. elektronische Übermittlung von Architektenplänen), so wird hierdurch der Vertragstyp ebenfalls nicht verändert, denn dann entspricht die digitale Leistung dem körperlichen Gut in Funktion sowie der Art und Weise der Nutzung und es besteht bei ökonomischer Betrachtung ein identischer Absatzmarkt.1124 Allerdings kann der Einsatz von elektronischer Kommunikation in diesen Fällen einige spezielle Fragen aufwerfen (z.B. bei der Bestimmung des Leistungsortes). (2) Elektronischer Vertrag über digital übermittelte Software Eine Vielzahl von Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr zeichnen sich jedoch nicht nur durch eine Veränderung der Übermittlungsart aus. Teilweise existiert gar kein Offline-Absatzmarkt (z.B. Datenbank- und Zugangsverträge). In diesem Fall gestaltet sich die vertragstypologische Einordnung und damit die Anwendung des Vertragsrechts schwierig.1125 Dies gilt regelmäßig auch dann, wenn der Leistungsgegenstand sehr komplex ist, insbesondere bei der Lieferung oder Nutzung eines Datenverarbeitungsprogrammes und der zugehörigen Daten.1126 Bei Verträgen über Software, die mittlerweile kaum noch auf einem Datenträger geliefert, sondern regelmäßig digital übermittelt wird1127, ergeben sich auch hinsichtlich der Beschaffenheit des Produktes, sonstiger Leistungspflichten und der Leistungsstörung besondere Anwendungsfragen. Für Verträge über dauerhafte Überlassung von Standardsoftware hat sich bisher keine einheitliche vertragstypologische Einschätzung herausgebildet.1128 Das Hauptproblem liegt dabei in der Streitfrage der Sachqualität von

1123

Siehe Kap. 2 B. II. Siehe Kap. 2 B. II. 1125 Siehe Kap. 2 B. II. 1126 Siehe Kap. 2 B. II. 1127 Hoeren/Spittka, MMR 2009, 583, 588. 1128 Marly, Rn. 671 ff. 1124

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digitalen Gütern, insbesondere Software.1129 Allerdings werden in Deutschland die Vorschriften des Kaufrechts (§§ 433 ff., 453 BGB) ganz überwiegend entsprechend auch dann angewendet, wenn die Software nicht auf einem körperlichen Gegenstand gespeichert ist, sondern elektronisch übertragen wird.1130 Der BGH verlangt zwar die Verkörperung auf einem Datenträger, hat diesbezüglich aber ein sehr weites Verständnis. So müsse Software, um überhaupt nutzbar zu sein, in verkörperter Form vorhanden sein, sei es auf einem Wechselspeichermedium (Diskette, CD, USB-Stick), einer Festplatte oder einem flüchtigen Speichermedium.1131 Überlassungsverträge, bei denen das Nutzungsrecht zeitlich befristet ist und die Gegenleistung in fortlaufenden, regelmäßigen Zahlungen erfolgt, werden grundsätzlich nach mietvertraglichen Vorschriften behandelt.1132 Abweichungen können sich nach den allgemeinen Regeln bei Softwareleasingverträgen ergeben. Mietrecht soll selbst dann Anwendung finden, wenn der Kunde – wie beim Outsourcing öfter der Fall – keine Softwarekopie erhält, sondern lediglich ein Zugriffsrecht auf die beim Anbieter befindliche Software (Application-Service-Providing-Vertrag).1133 Fraglich ist die vertragstypologische Einordnung von Verträgen im Bereich Cloud-Computing und SaaS1134. Entscheidend ist zwar auch hier der konkrete Vertrag im Einzelfall, jedoch dürfte regelmäßig keine Ähnlichkeit zum Mietvertrag bestehen1135, da es nicht um eine Gebrauchsüberlassung auf Zeit einer bestimmten beweglichen oder unbeweglichen Sache geht.1136 Vielmehr soll eine Anwendung oder eine IT-Infrastruktur einer Vielzahl von Kunden kurzfristig, unter gemeinsamer Nutzung der Hardware-Plattform zur Verfügung gestellt werden. Auch ein Dienstvertrag kommt nicht Betracht, da für den Kunden vor allem wichtig ist, dass die IT-Infrastruktur oder die Anwendung abrufbar ist.1137 Wie dem Anbieter dies gelingt, ist sekundär, so dass nicht etwa die Überlassung von Speicherplatz, sondern vielmehr der Erfolg 1129

Zum Streitstand vgl. Heussen, CR 2004, 1, 7 sowie Müller-Hengstenberg, CR 2004, 161, 164. 1130 BGH, CR 2000, 207, 208; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 280; Heussen, CR 2004, 1, 7; Stichtenoth, K&R 2003, 105, 106; Hilty, MMR 2003, 3, 5 ff.; Kilian, in: Gorny/Kilian (Hrsg.), Computer-Software und Sachmängelhaftung (1985), 19, 22 ff. 1131 BGH, MMR 2007, 243, 244. 1132 BGH, MMR 2007, 243, 244; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 288; Marly, Rn. 717. 1133 BGH, K&R 2010, 343, 345; MMR 2007, 243, 244; Marly, Rn. 1088. 1134 Siehe Kap. 8 B. II. 2. a) aa) (2) (b). 1135 A.A. Krager/Sarre, in: Taeger/Wiebe (Hrsg.), Inside the Cloud (2009), 427, 432. 1136 Nägele/Jacobs, ZUM 2010, 281, 281 sehen im Zur-Verfügung-Stellen von Speicherkapizität ein mietvertragliches Element. 1137 Nägele/Jacobs, ZUM 2010, 281, 281 sehen im Bereitsstellen einer bestimmten Rechenleistung ein dienstvertragliches Element.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

der Abrufbarkeit geschuldet ist.1138 Einem Werkvertrag steht entgegen1139, dass beide Geschäftsmodelle mehrmandantenfähig sind und darauf abzielen, IT zum Gebrauchsgut wie Wasser oder Strom zu machen1140, deren Lieferung auf der Grundlage von Kaufverträgen erfolgt1141. Demnach dürften Verträge im Bereich Cloud-Computing und SaaS als Kaufverträge einzuordnen seien. Rechtsprechung ist hierzu nicht ersichtlich. Die Frage, ob für Verträge über die Erstellung und Entwicklung von Individualsoftware mit anschließender dauerhafter Überlassung Kaufrecht oder Werkvertragrecht gilt, ist noch offen.1142 Hintergrund ist die Änderung des § 651 BGB durch das SchuldrechtsmodernisierungsG im Jahr 2002.1143 § 651 BGB nimmt die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen aus dem Werkvertragsrecht heraus und unterstellt sie dem Kaufrecht; gleichzeitig werden aber bei der Lieferung unvertretbarer Sachen doch wieder einige werkvertragliche Vorschriften für anwendbar erklärt. Vor der Schuldrechtsreform war darüber hinaus entscheidend, ob der Hersteller die Sache unter Verwendung von ihm zu beschaffenden Stoffen herstellte (dann Werkvertragsrecht) oder nicht (dann Werklieferungsvertrag mit Kaufrecht).1144 Hieraus folgt ein Streitstand, bei dem, sowohl hinsichtlich der alten Rechtslage als auch in Bezug auf die neue Regelung des § 651 BGB, ein Vertrag über die Erstellung und Entwicklung von Individualsoftware mit anschließender dauerhafter Überlassung als Kaufvertrag1145, Werkvertrag1146 oder Werklieferungsvertrag1147 eingeordnet wird. Neuen Anstoß für die Diskussion gibt ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2009, in dem der BGH klarstellt, dass auf sämtliche Verträge – auch zwischen Unternehmen – mit einer Verpflichtung zur Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen Kaufrecht

1138

Ähnlich Söbbing, MMR 2008, XII, XIV. Nägele/Jacobs, ZUM 2010, 281, 281 sehen in der Installation, Implementierung und Anpassungsleistung der Applikationssoftware ein werkvertragliches Element. 1140 Siehe Kap. 3 B. III. 1141 Für den Stromlieferungsvertrag: Palandt-Weidenkaff, § 433 BGB, Rn. 8; für den Wasserlieferungsvertrag: BGHZ 59, 303, 305 f. 1142 Hoeren/Spittka, MMR 2009, 583, 584. 1143 Ausführlich hierzu Metzger, AcP 204 (2004) 231, 231 ff. 1144 Müller-Hengstenberg, CR 2004, 161, 161. 1145 Thewalt, CR 2002, 1, 4. 1146 BGH, NJW 1996, 1745, 1746; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 345, 346; LG Bonn, CR 2008, 767, 768; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 29; Ernst, MMR 2001, 208, 210; Kilian, in: Gorny/Kilian (Hrsg.), Computer-Software und Sachmängelhaftung (1985), 19, 23; Stichtenoth, K&R 2003, 105, 108 f.; Schmidl, MMR 2004, 590, 592 f.; Spindler, CR 2003, 81, 83 f.; Heussen, CR 2004, 1, 7; Müller-Hengstenberg, CR 2004, 161, 163; Metzger, AcP 204 (2004) 231, 248. 1147 BGH, CR 2002, 93, 94 f.; Software als nicht vertretbare Sache i.S.d. § 651 Abs. 3 BGB einordnend: Thewalt, CR 2002, 1, 4; Schneider, K&R 2001, 344, 6. 1139

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anzuwenden ist1148. Die Übertragung dieses sich auf Bau- und Anlagenteile beziehende Urteil auf Individualsoftware ist von Teilen der Fachliteratur gefordert worden.1149 Die Anwendung des Kaufrechts (über die Weiche des § 651 BGB) auf Softwareverträge hat für den Kunden gravierende Nachteile. Das Erfordernis der Abnahme entfällt, die Gewährleistungsfrist wird verkürzt, die Vergütung wird bereits bei Vertragsschluss fällig, der Kunde hat kein Recht zur Selbstvornahme, kann nicht jederzeit kündigen, ihn trifft die handelsrechtliche Rügeobligenheit und Mängelrechte entfallen bereits bei grob fahrlässiger Unkenntnis.1150 Softwarepflegeverträge enthalten regelmäßig verschiedene Leistungspakete, die vertragstypologisch unterschiedlich einzuordnen sind. Während die Beseitigung von Fehlern und die Anpassung an neue Schnittstellen werkvertragliche Leistungen sind1151, kann die Übermittlung von Updates oder neuen Versionen nach dem Kaufrecht zu beurteilen sein1152. Der Betrieb eines Supportcenters ist dienstvertraglicher Natur1153. Pflegeverträge sind daher überwiegend geschmischte Verträge.1154 Bei Verträgen über Open-Source-Software wird die Software auf der Grundlage feststehender Lizenzmodelle1155 unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Das Vervielfältigen, Verbreiten und Ändern der Software wird den Nutzern kostenfrei ermöglicht, so dass nach wohl überwiegender Meinung im deutschen Recht ein Schenkungsvertrag vorliegt.1156 Werden die dargestellten Vertragsinhalte kombiniert, dann liegt – wie bereits bei den Ausführungen zum Softwarepflegevertrag festgestellt – ein gemischter Vertrag vor.1157 Für die Behandlung von gemischten Verträgen gibt es im deutschen Vertragsrecht drei Ansätze. Nach der Kombinationstheorie sind die für den jeweiligen Vertragsbestandteil maßgebenden Rechtsnormen anzuwenden und eventuell auftretende Gegensätzlichkeit nach dem mutmaß1148

BGH, NJW 2009, 2877, 2878. Taeger, NJW 2010, 25, 29. 1150 Hoeren/Spittka, MMR 2009, 583, 584; Metzger, AcP 204 (2004) 231, 234 ff. 1151 BGH, K&R 2010, 343, 345; LG Berlin, CR 2001, 743, 744; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 298. 1152 Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 298; Müller-Hengstenberg, CR 2004, 161, 163 stellt die Einordnung als Werklieferungsvertrag in den Raum. 1153 Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 298. 1154 Lejeune, a.a.O., Rn. 298; Marly, Rn. 1021 ff. 1155 Zum Beispiel die für Linux geltende GNU General Public License (GNU GPL), . Ausführlich dazu Jaeger/Metzger, GRUR 2008, 130. 1156 Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 318; als Vertrag sui generis F. A. Koch, CR 2000, 333, 335. 1157 Ein weiteres klassisches Beispiel ist der Systemvertrag, vgl. hierzu Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 310. 1149

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

lichen Parteiwillen zu lösen. Im praktischen Ergebnis ähnlich sollen nach der Theorie der analogen Rechtsanwendung die jeweils passenden Normen des Schuldrechts entsprechend angewendet werden. Zu anderen Ergebnissen führt hingegen die Absorptionstheorie, die das Recht für anwendbar hält, in dem der Schwerpunkt des Vertrages liegt1158. bb) Beschaffenheit der geschuldeten Leistung Die für die Vertragsdurchführung maßgeblichen Vertragspflichten ergeben sich sowohl aus dem Vertrag als auch aus dem Gesetz. Auf der Seite des Kunden steht regelmäßig eine Geldzahlungspflicht, die Leistung des Anbieters wird oft in einer umfangreichen vertraglichen Vereinbarung konkretisiert (Service Level Agreements1159). Für die Beschaffenheit der geschuldeten Leistung ist also in erster Linie der Vertrag maßgebend. Die dispositiven gesetzlichen Regelungen greifen nur hilfsweise ein. (1) Elektronischer Vertrag über ein physisches oder digital übermitteltes Gut Sofern vertragliche Regelungen fehlen, ist bei einem elektronischen Vertrag über ein physisches Gut unzweifelhaft, dass die Regelungen zur Beschaffenheit der Ware (§§ 434, 633 BGB) Anwendung finden. Wendet man diese Vorschriften auf einen Vertrag über ein Gut an, das herkömmlich in Form eines körperlichen Gegenstandes (z.B. eine Zeitung) geliefert wurde, nun aber auf elektronischem Weg übermittelt wird (z.B. elektronische Zeitung), bleiben die qualitativen Anforderungen hinsichtlich des Gutes im Wesentlichen gleich.1160 Allenfalls sind hinsichtlich bestimmter Nebenaspekte, die sich gerade aus der elektronischen Übermittlung ergeben, einige zusätzliche Beschaffenheitsmerkmale festzulegen. Hierzu zählt insbesondere, dass die gelieferte Leistung in einem für den Empfänger lesbaren oder allgemein üblichen Dateiformat übermittelt wird.1161 (2) Elektronischer Vertrag über digital übermittelte Software Bei elektronischen Verträgen über digital übermittelte Software wird bereits in der Angabe von technischen Spezifikationen, Produkt- und Leistungsbeschreibungen eine Vereinbarung über die Beschaffenheit gesehen.1162 Weist die Software die vereinbarte Beschaffenheit auf, ist sie rechtlich sachmangelfrei, ohne dass es darauf ankommt, ob sie in tatsächlicher Hinsicht kleine 1158

Lejeune, a.a.O., Rn. 309. Schreibauer/Taraschka, CR 2003, 557, 558 ff.; Schumacher, MMR 2006, 12, 12. 1160 Siehe dazu bereits Kap. 2 B. II. 1161 Siehe hierzu in Bezug auf das CISG: Kap. 8 B. III. 1. d) aa) (2). 1162 AG Essen-Steele, ITRB 2004, 268, 268; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 476. 1159

B. Rechtslage

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Fehler aufweist. Die Tatsache, dass Software praktisch nie vollkommen fehlerfrei ist1163, bereitet daher im Kauf- und Werkvertragsrecht keine Schwierigkeiten, weil sich der Grad der Fehlerfreiheit im Preis niederschlägt.1164 Haben es die Parteien versäumt, eine genaue Beschaffenheitsvereinbarung zu treffen, ist die geschuldete Beschaffenheit aufgrund der komplexen Struktur von Computerprogrammen regelmäßig schwierig zu bestimmen.1165 Indes existiert eine umfangreiche Rechtsprechung zu den „berechtigten Erwartungen“ des Softwarekäufers.1166 Auch technische Standards (z.B. ISO/IEC 9126, ISO/IEC 2500) können bei der Bestimmung der geschuldeten Beschaffenheit herangezogen werden.1167 Als Sachmängel kommen bei Software grundsätzlich Beeinträchtigungen der Funktion1168 (durch Computerviren1169 oder häufige „Abstürze“1170), der Bedienung (in Form von langsamen Zugriffszeiten1171 oder Fehlen von Benutzerhilfen1172), der Kompatibilität1173, der Kapazität1174 und der Verwendung (durch Programmsperren)1175 in Betracht. Ein Sachmangel liegt auch dann vor, wenn bei einer zur Montage bestimmten Sache die Montageanleitung mangelhaft ist (§ 434 Abs. 2 S. 2 BGB). Unter Montage kann man bei Software ihre Installation verstehen.1176 Demzufolge ist der Anbieter, auch ohne besondere vertragliche Vereinbarung, verpflichtet, eine fehlerfreie Installationsanleitung zur Verfügung zu stellen.1177 Allerdings ist für die Installationsanleitung keine bestimmte Form 1163 Anschaulich Heussen, CR 2004, 1, 1 ff. zum technischen Hintergrund mit spektakulären Beispielen. 1164 Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 476. 1165 OLG Köln, CR 1987, 234, 236. 1166 Vgl. dazu die Übersicht bei Kilian/Heussen-Moritz, Teil 3, Rn. 123 ff. 1167 Siehe Kap. 8 B. III. 1. d) aa) (3). 1168 Marly, Rn. 1398. 1169 Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 500; a.A.: Cichon, S. 260. 1170 OLG Köln, CR 1989, 391, 392; LG Bonn, CR 2008, 767, 768. 1171 Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 501; Marly, Rn. 1458. 1172 LG Heilbronn, CR 1989, 603, 604; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 501; Marly, Rn. 1485. 1173 AG Stuttgart, CR 1997, 482, 482; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 502; Marly, Rn. 1442; vgl. auch LG Freiburg, BeckRS 2007, 14105. 1174 OLG Düsseldorf, CR 1996, 89, 89; Marly, Rn. 1452. 1175 OLG Celle, CR 1994, 217, 218; OLG München, CR 2001, 11, 12; Faust, K&R 2002, 583, 584 ff.; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 504; Marly, Rn. 1477. 1176 Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 479; Marly, Rn. 1493 ff. 1177 BGH, CR 2000, 207, 208; CR 2001, 367, 367.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

vorgeschrieben, so dass bei Handelsgeschäften ausreichend ist, wenn die Installationsanleitung online abrufbar ist.1178 Bei der Überlassung von Software auf Zeit sowie beim ApplicationService-Providing muss der Anbieter die Software während der gesamten Vertragslaufzeit – gegebenenfalls durch Updates – funktionsfähig halten (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Bei der Open-Source-Software besteht hingegen keine Verpflichtung zur Überlassung im funktionsfähigen Zustand, da in diesem Fall eine Schenkung vorliegt, bei der die Haftung des Schenkers auf bekannte beziehungsweise arglistig verschwiegene oder grob fahrlässig unerkannte Sach- und Rechtsfehler beschränkt ist (§§ 523 Abs. 1, 524 Abs. 1 und 521 BGB). Im elektronischen Handelsverkehr sind die Zahlungsmodalitäten regelmäßig im Vertrag genau geregelt. Insbesondere bei dauerhaften Geschäftsbeziehungen meldet der Händler nach einem bestimmten Zeitraum die Anzahl der vertriebenen Softwarekopien dem Hersteller und dieser erstellt dann eine dementsprechende Rechung, die der Händler in einer festgelegten Zahlungsfrist zu begleichen hat.1179 Zur Kontrolle werden zusätzlich Auditklauseln vereinbart, die den Händler verpflichten, regelmäßige Überprüfungen seiner für die Abrechnungen erforderlichen Unterlagen durch den Hersteller zuzulassen.1180 Darüber hinaus kann durch vertragliche Vereinbarung die Freischaltung des Kunden von der vollständigen Zahlung abhängig gemacht werden oder bei der Vereinbarung ausschließlicher Nutzungsrechte bis zur vollständigen Bezahlung zunächst nur ein einfaches Nutzungsrecht gewährt werden.1181 cc) Erfüllungsort und Erfüllungshandlung Der Erfüllungsort wird bei internationalen Handelsverträgen regelmäßig ausdrücklich im Vertrag geregelt. Aufgrund des Fehlens spezieller Regelungen bestimmen sich Erfüllungsort und Erfüllungshandlung bei elektronischen Verträgen – in Abwesenheit vertraglicher Regelungen – nach den allgemeinen Regeln. Daher gilt auch für elektronische Verträge grundsätzlich der gesetzliche Regelfall der Holschuld (§ 269 Abs. 1 BGB). Allerdings liegt bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften immer ein Distanzgeschäft vor, d.h. die Ware wird entweder 1178

Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 410; in diese Richtung auch OLG Karlsruhe, CR 2004, 493, 493; Ulmer, ITRB 2001, 64, 65 f. 1179 Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 462. 1180 Lejeune, a.a.O., Rn. 464. 1181 Redeker, ITRB 2005, 70, 70 f.; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 463.

B. Rechtslage

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physisch zum Kunden geliefert oder dorthin elektronisch übermittelt. Die Erfüllungshandlung des Anbieters besteht also – bei elektronischen Verträgen über ein physisches Gut – in der Übergabe der Ware an den Beförderer oder – bei elektronischen Verträgen über ein digital übermitteltes Gut einschließlich Software – in der Auslösung des Vorgangs der digitalen Übermittlung, denn das In-Gang-Setzen der elektronischen Übermittlung ist das Äquivalent zur Übergabe einer körperlichen Sache an die Transportperson. Daher ist regelmäßig nicht von einer Holschuld, sondern von einer Schickschuld auszugehen1182, bei der der Ort der Leistungshandlung (Erfüllungsort) und der Ort, an dem der Leistungserfolg eintritt (Erfolgsort), auseinander fallen1183. Dies entspricht auch der Linie der Rechtsprechung, bei Warenschulden im Handelsverkehr1184 und Geschäften im Versandhandel1185 in der Regel von Schickschulden auszugehen. Der Erfüllungsort ist dann der Ort der Niederlassung des Verkäufers. Für den Gefahrübergang gilt die Vorschrift des § 447 BGB.1186 Etwas anderes könnte jedoch dann gelten, wenn Software per Download durch den Käufer erlangt oder direkt online genutzt wird (z.B. SaaS1187). In diesem Fall wird man die Erfüllungshandlung des Verkäufers im Bereithalten der Software zum Abruf sehen müssen1188, denn dann wird der Übertragungsvorgang letztlich durch den Käufer ausgelöst. Somit liegt dann doch eine Holschuld vor. Der Erfüllungsort ist auch in diesem Fall der Ort der Niederlassung des Verkäufers. Zwar ist Software, die per Download übermittelt oder online genutzt wird, auf einem Server gespeichert, der nicht am Niederlassungsort stehen muss, jedoch wäre es unbillig, den Serverstandort als Erfüllungsort anzusehen. Die Vertragsparteien messen dem Serverstandort – anders als dem Sitz des Anbieters – keine Bedeutung zu. Im Übrigen wird in neueren internationalen Gesetzeswerken bei Lokalisierungsfragen eine Anknüpfung an den Serverstandort abgelehnt (vgl. Art. 6 Abs. 4 ECC).1189 Mit Vornahme der Erfüllungshandlung, die sowohl bei der Schickschuld als auch bei der Holschuld am Niederlassungssitz des Anbieters vorgenommen wird, geht die Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Gläubiger über (§§ 300 Abs. 2, 446, 447, 644 BGB). Daher liegt das Transportrisiko bei Lieferung eines physischen Gutes und das Übertragungsrisiko bei der digitalen Übermittlung von Datenpaketen beim Gläubiger. 1182 Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 41; Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 61. 1183 Palandt-Heinrichs, § 269 BGB, Rn. 1. 1184 BGH, NJW 1991, 915, 916. 1185 BGH, NJW 2003, 3341, 3341 f. 1186 Hoeren/Sieber-Wiebe/Neubauer, Teil 15, Rn. 61. 1187 Siehe Kap. 3 B. III. 1188 Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 41. 1189 Siehe Kap. 8 B. I. 2. b) aa) (3).

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und technischen Umstände bei Handel mit digitalen Gütern und Software ist jedoch fraglich, ob dieses Ergebnis nicht wertungsmäßig zu korrigieren ist. In technischer Hinsicht ist die Übermittlung von Datenpaketen und Informationen, die ein digitales Gut oder Software ausmachen, mit der Übermittlung von Datenpaketen gleichzusetzen, aus denen sich eine elektronische Nachricht ergibt. Insofern ist mit Blick auf das technische Schichtenmodell1190 ein in Gang setzen der Übermittlung dann erfolgt, wenn der IAP-Router auf Seiten des Verkäufers erreicht ist. Der Zeitpunkt des Verlassens des IAP-Router ist mit der Übergabe an den ersten unabhängigen Beförderer des herkömmlichen Transports gleichzusetzen, für dessen Verhalten der Verkäufer nicht haftet1191. Daher würden – anders als bei elektronischen Erklärungen – Störungen im Bereich der NSP-Backbone, der NAPs oder bereits beim IAP-Router zu Lasten des Empfängers des digitalen Gutes gehen. Gleiches würde auch gelten, wenn Software per Download erlangt oder digital genutzt wird, denn mit Beginn des Downloadvorgangs oder des Online-Zugriffs durch den Käufer läge eine hinreichende Individualisierung vor. Dieses Ergebnis überzeugt nicht, denn es ignoriert, dass der Verkäufer der cheapest cost avoider ist1192. So kann der Verkäufer bei Verlust das digitale Gut ohne große Kosten erneut versenden. Eine wertungsmäßige Korrektur drängt sich daher auf. Diese kann jedoch nicht darin bestehen, bei der digitalen Übermittlung von Software oder anderen digitalen Gütern von einer Bringschuld auszugehen. Denn dann wäre der Verkäufer nicht nur verpflichtet, das Gut bei Verlust erneut zu versenden, sondern der Verkäufer würde auch die Beweislast dafür tragen, dass das Gut in den Machtbereich des Käufers gelangt ist, und der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art. 5 EuGVVO, § 29 ZPO)1193 würde an dem Ort liegen, an dem der Käufer seine Niederlassung hat, was zu einer europaweiten Gerichtspflichtigkeit des Verkäufers führen könnte. Sachgerecht ist es daher, den Verkäufer nach Treu und Glauben bei einem Verlust während der digitalen Übermittlung oder dem Download zu verpflichten, die Software oder ein sonstiges digitales Gut dem Käufer erneut zu schicken oder zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise verbleibt der Erfüllungsort am Sitz des Verkäufers und es wird kein Gerichtsstand an der Niederlassung des Käufers geschaffen. dd) Untersuchungsrecht und Testlauf In Handelsverkehr folgt aus der Rügeobliegenheit (§ 377 Abs. 1 HGB) ein Untersuchungsrecht des Käufers. Auch im Werkvertragsrecht ist mit der Abnahmepflicht (§ 640 BGB) ein Untersuchungsrecht verbunden. Die Ablie1190

Siehe Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2) (a). Kap. 8 B. III. 1. d) bb) (1) (a) (bb). 1192 Siehe Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2) (b). 1193 Siehe Kap. 8 B. I. 2. c), 4. d). 1191

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ferung von Software bei einem Softwarekaufvertrag setzt jedoch nach der Rechtsprechung des BGH nicht die Durchführung eines erfolgreichen Probelaufs voraus.1194 Dies bedeutet für Softwareverträge, dass bei der dauerhaften Überlassung von Standardsoftware (Kaufvertrag) die Software abgeliefert ist, wenn sie in einer ihre Untersuchung ermöglichenden Weise in den Machtbereich des Käufers gelangt ist.1195 Der Probelauf ist dann eine Obliegenheit des Käufers und dient dazu, seine Gewährleistungsrechte zu wahren (§ 377 Abs. 1 HGB). Gleiches gilt für die Überlassung von Individualsoftware, sofern es sich hierbei um einen Werklieferungsvertrag handelt (§§ 377 Abs. 1, 381 Abs. 2 HGB). Stellt sich die Herstellung von Individualsoftware jedoch als Werkvertrag dar, ist ein erfolgreicher Probelauf Teil der Abnahme (§ 640 BGB), der – wie bei der Übergabe im Kaufrecht – Erfüllungswirkung (§ 362 BGB) zukommt.1196 ee) Besondere Leistungspflichten bei Softwareverträgen Das Gesetz normiert für Softwareverträge keine besonderen Regelungen. Allerdings hat die Rechtsprechung in einigen Urteilen das Bestehen von Parteipflichten auch dann angenommen, wenn sie nicht ausdrücklich vereinbart worden sind. So soll eine Pflicht zur Herausgabe des Quellcodes – auch ohne entsprechende ausdrückliche Vereinbarung – bei Individualsoftware und dann bestehen, wenn ein Programm zur Vermarktung durch den Besteller erstellt wird, dieser zur Pflege und Fortentwicklung auf den Quellcode angewiesen ist und der vereinbarte Werklohn entsprechend hoch ist.1197 Hingegen wird bei der Überlassung von Standardsoftware das Interesse des Herstellers an Geheimhaltung des Quellcodes anerkannt.1198 Eine Differenzierung zwischen Standard- und Individualsoftware nimmt die Rechtsprechung auch bei der Frage vor, ob dem Anbieter grundsätzlich eine nicht ausdrücklich vereinbarte Einweisungspflicht obliegt. Während dies beim Kauf von Standardsoftware allgemein verneint wird1199, soll beim werkvertraglichen Erwerb von Individualsoftware vom Anbieter zumindest eine gewisse Mindesteinweisung verlangt werden können1200. Auch eine Installati1194

BGH, NJW 2000, 1415, 1416. BGH, NJW 2000, 1415, 1416. 1196 Vgl. BGH, BeckRS 2014, 13723 zur Anbindung einer Software für ein elektronisches Warenwirtschaftssystem an einen Online-Shop. 1197 BGH, CR 2004, 490, 491 f.; vgl. auch die Besprechung bei Hoeren, CR 2004, 721, 723 f. 1198 OLG München, CR 1992, 208, 209. 1199 BGH, CR 2000, 207, 209. 1200 OLG Stuttgart, NJW-RR 1986, 1245, 1246. 1195

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onspflicht kommt, solange sie nicht ausdrücklich vereinbart ist, allenfalls bei einer werkvertraglichen Ausgestaltung in Betracht.1201 Bei vereinbartem Zugriff auf das System des Kunden werden dem Anbieter von der Rechtsprechung weit reichende Prüfungspflichten auferlegt.1202 Auf Seiten des Kunden bestehen (mit Ausnahme des § 642 BGB) schon nach den gesetzlichen Regelungen des BGB grundsätzlich keine Mitwirkungspflichten. Solange kein Werkvertrag geschlossen wird, müssen Mitwirkungsleistungen des Kunden ausdrücklich vereinbart werden. Soll aber der Anbieter nach Kundenwunsch Erstellungs- und Anpassungsarbeiten vornehmen, so ist der Kunde für die Erstellung des Pflichtenhefts verantwortlich.1203 Als Besonderheit im Bereich der vertraglichen Vereinbarung sind noch Geheimhaltungspflichten zu nennen, die in internationale elektronische Handelsverträgen regelmäßig aufgenommen werden. Der Umfang der Geheimhaltungspflichten, der Personenkreis, an den die Informationen weitergegeben werden dürfen, die Verhinderung von Parallentwicklungen und Abwerbungen, die Sanktionen bei Vertragsverletzungen sowie die Weitergeltung nach Vertragsbeendigung werden dabei vertraglich geregelt.1204 ff) Leistungsstörungen Mit der Schuldrechtsreform ist das deutsche Leistungsstörungsrecht an das Regelungsmodell des CISG angeglichen worden.1205 Beide knüpfen nun die Geltendmachung von Rechtsbehelfen an die Nichterfüllung (CISG) oder die Pflichtverletzung (BGB) und gewähren dem Käufer einen Nacherfüllungsanspruch. Bei Handelskaufverträgen bestehen Rechtsbehelfe immer nur dann, wenn der Käufer seiner Rüge- und Untersuchungspflicht (§ 377 HGB) nachgekommen ist. Dies gilt auch, wenn digitale Güter übermittelt werden.1206 Im Hinblick auf komplexe Softwareprogramme ist anerkannt, dass die Funktionsprüfung Tage oder Wochen dauern kann.1207

1201

Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 426 ff. 1202 BGH, CR 1996, 663, 663 f.; OLG Oldenburg, CR 2004, 175, 175. 1203 BGH, CR 1989, 102, 104; CR 1992, 543, 544; CR 1995, 265, 266. 1204 Ausführlich zum Ganzen Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 520 ff. 1205 Dies verkennt Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 491, wenn er daran zweifelt, ob die internationale Akzeptanz des deutschen Rechts durch die Schuldrechtsreform erhöht wurde, da sich die Unterschiede zur Rechtslage in Ländern wie den USA, die der Vertragsfreiheit größere und dem Schutz von Käufern und Bestellern geringere Bedeutung zumessen, noch vergrößert hätten. 1206 BGH, CR 2000, 207, 208. 1207 BGH, NJW 2000, 1415, 1416.

B. Rechtslage

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Hinsichtlich der in Betracht kommenden Rechtsbehelfe gilt im Wesentlichen das im Rahmen des CISG Gesagte in entsprechender Weise.1208 Bei Kaufverträgen oder Werkverträgen hat der Käufer/Besteller einen Nacherfüllungsanspruch, sofern das gelieferte Gut mangelbehaftet ist (§ 439 Abs. 1 BGB/§ 635 Abs. 1 BGB). Dies gilt unabhängig davon, ob das Gut physisch oder digital geliefert wurde. Die Nacherfüllung kann aus einer Nachbesserung (§ 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB/§ 635 Abs. 1 Alt. 1 BGB) oder einer Nachlieferung (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB/§ 635 Abs. 1 Alt. 2 BGB) bestehen. Die Nachbesserung kann auch bei digitalen Gütern oder Software erfolgen.1209 Besonders wichtig ist die Nachbesserung, wenn bei Software die gesamte Version (Gattung) einen Fehler aufweist. Dann ist eine Nacherfüllung in Form der Nachlieferung gar nicht möglich und die Nacherfüllung hat in jedem Fall durch eine Nachbesserung zu erfolgen. Hierzu kann ein Patch1210 übermittelte werden, der die Fehlfunktion beseitigt.1211 Unter Umständen hat der Verkäufer/Unternehmer dann hohe Entwicklungskosten zu tragen, denn bei Unmöglichkeit der Ersatzlieferung (§ 275 Abs. 2 BGB) liegt die Schwelle für die Unzumutbarkeit der Nachbesserung sehr hoch.1212 Soll die Nacherfüllung in Form der Nachlieferung – zum Beispiel durch Lieferung einer neuen Vollversion mit höherer, fehlerbereinigter Versionsnummer1213 – erfolgen, stellt sich bei einem digital übermittelten Gut oder digital übermittelter Software die Frage, wie die Voraussetzung der Rückgabe der gelieferten vertragswidrigen Ware durch den Käufer/Besteller erfüllt werden kann. Grundsätzlich kann der Käufer/Besteller natürlich das erhaltene Gut oder die Software digital an den Verkäufer/Unternehmer zurückübermitteln. Darauf kann es jedoch nicht ankommen, da der Käufer auch beim Zurückschicken regelmäßig weiterhin eine Kopie des Gutes auf seinem IT-System haben wird, die vollfunktionsfähig ist. Außerdem wird auf Seiten des Verkäufers/Unter-nehmens kaum Interesse an einer Rückübertragung bestehen, sofern er immer noch im Besitz eines Exemplars des übermittelten Gutes oder – bei Software – des Quellcodes ist. Daher dürfte es ausreichen, wenn der Käufer/Besteller das übermittelte Gut

1208

Siehe Kap. 8 B. III. 2. d) cc). Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 480. 1210 Ein Patch (von engl. Flicken) ist eine Korrekturauslieferung für Software, um zum Beispiel Sicherheitslücken zu schließen, Fehler zu beheben oder bislang nicht vorhandene Funktionalität nachzurüsten. 1211 Hoeren/Spittka, MMR 2009, 583, 588 sprechen in diesem Fall von einer sogenannten kombinierten Nacherfüllung, die sich aus der Nachlieferung, Lieferung eines neuen Programms aus der Serie und der Nachbesserung in Form der Mängelbeseitigung an dem neuen Programm zusammensetze. 1212 Kilian/Heussen-Moritz, Teil 3, Rn. 67. 1213 Hoeren/Spittka, MMR 2009, 583, 588. 1209

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oder die Software löscht.1214 Allerdings ist unklar, ob im Handelsverkehr der Verkäufer bei einem Austausch von mangelhafter Software vom Käufer Herausgabe der gezogenen Nutzungen oder Wertersatz für die Nutzung der zurückgegebenen mangelhaften Sache verlangen kann.1215 § 474 BGB schließt die Herausgabe von Gebrauchsvorteilen nur für Verbraucherverträge aus. Die Überlegungen zur Nachlieferung gelten gleichermaßen für den Rechtsbehelf des Rücktritts (§§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB/§§ 634 Nr. 2, 636, 323 BGB). Die Rückabwicklung des Vertrages (§ 346 Abs. 1 BGB) erfolgt durch Rückgewährung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Löschung des digitalen Gutes oder der Software. Außerdem kann der Käufer/Besteller ein Minderungsrecht (§§ 437 Nr. 2, 441 BGB/§§ 634 Nr. 2, 638 BGB) geltend machen und ihm können Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche (§§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281, 283, 311a, 284 BGB/§§ 634 Nr. 3, 636, 280, 281, 283, 311a, 284 BGB) zustehen. Bei Schadensersatzansprüchen wegen der Lieferung mangelhafter Software ist ein BGH-Urteil zu beachten, in dem ein Schadensersatz- oder Aufwendungsersatzanspruch (§§ 280 ff. BGB) für Vermögensschäden und Aufwendungen abgelehnt wurde, die nach dem Einbau einer mangelhaften Sache bei der Nacherfüllung durch die erneut notwendige Installation der nacherfüllten mangelfreien Ware (Parkettstäbe) entstanden waren1216. Dies bedeutet, dass bei der Geltendmachung eines Nacherfüllungsanspruchs, der zur Lieferung mangelfreier Software führt, kein Schadensersatz für die unter Umständen hohen Kosten einer Neuinstallation zu leisten ist, wenn den Verkäufer bei der zunächst mangelhaften Leistung kein Verschulden trifft; zum Beispiel weil er lediglich Zwischenhändler ist und er daher die gelieferten Software nicht hergestellt hat und auch nicht verpflichtet war, diese zu untersuchen.1217 Bei Schadensersatzansprüchen ist zu beachten, dass eine unregelmäßig und ungenügende Datensicherung durch ein Unternehmen zur Anspruchsminderung (§ 254 BGB)1218 und im Extremfall zum Anspruchausschluss führen kann1219. Tritt bei der Software, die zur Miete überlassen wurde, ein Fehler auf, so mindert sich die Vergütung kraft Gesetzes entsprechend (§ 536 Abs. 1 BGB), und der Mieter kann Schadensersatz verlangen (§ 536a Abs. 1 BGB). Lag der Mangel schon bei Überlassung vor, dann besteht der Schadensersatzanspruch auch dann, wenn der Anbieter den Fehler nicht zu vertreten hat. Die Selbst1214

Cichon, S. 249. Gabel, in: Taeger/Wiebe (Hrsg.), Inside the Cloud (2009), 193, 197; vgl. auch BGH, NJW 2009, 427, 429. 1216 BGH, NJW 2008, 2837, 2838. 1217 Redeker, CR 2008, 620, 621. 1218 Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 452. 1219 OLG Hamm, MMR 2004, 487, 488. 1215

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vornahme wäre zwar zulässig (§ 536a Abs. 2 BGB), setzt jedoch die Kenntnis des Quellcodes voraus. Der Anbieter von Open-Source-Software haftet schon nach der gesetzlichen Regelung nur auf bekannte, arglistig verschwiegene oder grob fahrlässig unerkannte Sach- und Rechtsfehler (§§ 523 Abs. 1, 524 Abs. 1 und 521 BGB).1220 Der weitergehende Gewährleistungs- und Haftungsausschluss der Nr. 15, 16 GNU GPL hält deutscher AGB-Inhaltskontrolle nicht stand1221, weil ein umfassender Haftungsausschluss in AGB unwirksam ist (§ 309 Nr. 7 BGB; § 307 BGB)1222. gg) Einstandspflichten Das deutsche Gewährleistungsrecht geht grundsätzlich von einer verschuldensabhängigen Haftung aus. Allerdings kann ein Anbieter auch ausdrückliche Zusicherungen abzugeben, für deren Bestehen verschuldensunabhängig gehaftet wird (§§ 276 Abs. 1, 443 BGB). Solche Zusicherungen finden sich bei Handelsgeschäften in der Softwarebranche vor allem in Form von Performancegarantien, die bei komplexen Systemen eine nahezu hundertprozentige Verfügbarkeit gewähren sollen.1223 Die bloße Beschreibung bestimmter Eigenschaften der Software ist aber keine Garantie1224, sondern allenfalls Teil einer Beschaffenheitsvereinbarung. Hinsichtlich der Begrenzung von Garantien sollen §§ 444, 639 BGB klar stellen, dass eine zunächst übernommene Garantie nicht nachträglich in überraschender oder intransparenter Weise ausgeschlossen oder beschränkt werden darf.1225 Es soll also widersprüchliches Verhalten verhindert werden, nicht jedoch die Praxis, den Inhalt und den Umfang der Garantie von vornherein einzuschränken.1226 Nach deutschem Recht müssen Haftungsbeschränkungen daher unmittelbar in der Garantieklausel enthalten sein.1227 Bei der Auslegung von internationalen Verträgen, die möglicherweise nicht in deutscher Sprache abgefasst sind, dürfte die Abgrenzung zwischen Beschaffenheitsvereinbarungen, die nur eine verschuldensabhängige Haftung nach sich ziehen, und Garantien, für die verschuldensunabhängig gehaftet 1220

Zur Einordnung der Überlassung von Open-Source-Software als Schenkungsvertrag siehe Kap. 8 B. III. 2. d) bb) (2). 1221 Jaeger/Metzger, GRUR 2008, 130, 136. 1222 Siehe Kap. 8 B. I. 2. c) ff). 1223 Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 496. 1224 Heussen, CR 2004, 1, 6. 1225 BT-Drs. 15/3483, S. 50. 1226 BT-Drs. 15/3483, S. 50. 1227 Stadler, ITRB 2004, 233, 235; Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 496; Lapp, ITRB 2003, 42, 44.

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wird, regelmäßig Schwierigkeiten bereiten. Ebenso können in internationalen Softwareverträgen oft vorkommende Haftungsfreistellungsklauseln, die den Anbieter verpflichten, den Lizenznehmer bei einer Verletzung von Immaterialgüterrechten Dritter gegen derartige Ansprüche zu verteidigen, leicht als Garantie ausgelegt werden.1228 hh) Zwischenergebnis Die vertragstypologische Einordnung von Verträgen über digitale Güter, insbesondere Software, bereitet vor allem im Hinblick auf die Klassifikation als „Sache“ Schwierigkeiten. Dennoch wird im deutschen Recht zumindest die analoge Anwendbarkeit der besonderen Vertragstypen des BGB bejaht. Die vertragstypologische Einordnung determiniert im gewissen Umfang die Leistungsspflichten und das Leistungsstörungsrecht. Aus der digitalen Übermittlung und für Software ergeben sich jedoch eine Reihe von Besonderheiten. Kleine Softwarefehler führen nicht zu einem Sachmangel, sofern die Software die vereinbarte Beschaffenheit aufweist oder funktionsfähig ist und technischen Softwarestandards entspricht. Bei Individualsoftware ist eine Pflicht zur Herausgabe des Quellcodes und zur Mindesteinweisung üblich. Bei internationalen elektronischen Handelsverträgen besteht – ohne anders lautende vertragliche Vereinbarung – eine Schickschuld oder eine Holschuld, sofern Software oder ein anderes digitales Gut per Download übermittelt oder direkt online genutzt wird. Der Erfüllungsort ist auch in diesem Fall der Ort der Niederlassung des Verkäufers. Die Erfüllungshandlung besteht im InGang-Setzen des digitalen Übermittlungsvorgangs oder im Bereithalten der Software zum Abruf. Es ist jedoch sachgerecht bei der digitalen Übermittlung, das Transportrisiko – entgegen §§ 300 Abs 2, 446, 447, 644 BGB – dem Verkäufer aufzuerlegen. Bei der Lieferung von Software ist ein erfolgreicher Probelauf nur bei einem Werkvertrag Erfüllungsvoraussetzung. Beim Kaufvertrag oder Werklieferungsvertrag kommt der Käufer mit einem Testlauf nur seiner Untersuchungsobliegenheit nach und kann sich hierdurch sein Gewährleistungsrecht sichern. Bei der Nachlieferung und beim Rücktritt kommt es nicht auf die Rückgabe des Gutes, sondern nur auf dessen Löschung im System des Kunden an. Die Kosten für eine im Zuge der Nachlieferung notwendige neue Softwareimplementation hat der Käufer selbst zu tragen, sofern die Einrichtung der Software nicht vertraglich geschuldet war. Ungenügende Datensicherung kann bei Schadensersatzansprüchen anspruchmindernd wirken.

1228

Lejeune, in: Ullrich/Lejeune (Hrsg.), Internationaler Softwarevertrag (2006), 203, Rn. 470 f.

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In der Praxis kann bei internationalen Softwareverträgen eine Unterscheidung zwischen bloßer Beschaffenheitsvereinbarung und Garantie schwierig sein. e) Vertragsbeendigung Der elektronische Vertrag über ein elektronisches Gut oder Software kann durch Zeitablauf, Kündigung oder Rücktritt beendet werden. Bei werkvertraglicher Ausgestaltung ist das ordentliche Kündigungsrecht des Bestellers (§ 649 BGB) zu berücksichtigen1229, beim Mietvertrag kann ein kurzfristiges Kündigungsrecht zum nächsten Tag bestehen (§ 580a BGB)1230. Bei Dauerschuldverhältnissen kann ein außerordentliches Kündigungsrecht eingreifen, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (§ 314 BGB).1231 Wird der Lizenznehmer von einem anderen Unternehmen übernommen, ist die Übertragung des Nutzungsrechts ohne Zustimmung des Urhebers grundsätzlich wirksam (§ 34 Abs. 3 UrhG).1232 Ein Kündigungsrecht des Urhebers besteht aber dann, wenn ihm die Ausübung des Nutzungsrechts durch das übernehmende Unternehmen nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist. Eine Abbedingung dieses Kündigungsrechts ist in AGB nicht möglich, da dies voraussetzt, dass das übernehmende Unternehmen in die Position des AGB-Verwenders eintreten kann, was § 309 Nr. 10 BGB, dessen Wertung auch bei Handelsverträgen gilt1233, verbietet. Unklar ist die Rechtslage hinsichtlich verschiedener Kündigungsklauseln, die in internationalen Handelsverträgen oft enthalten sind. So ist umstritten, ob ein vertragliches Kündigungsrecht bei der Insolvenzgefahr der anderen Vertragspartei im Hinblick auf § 119 InsO nach deutschem Recht wirksam ist.1234 Gleiches gilt für Klauseln, die bei Subunternehmerverträgen den Auftraggeber zur Kündigung berechtigen, wenn der Hauptvertrag, den der Auf-

1229

Marly, Rn. 1044 sieht dies bei Softwarepflegeverträgen, die als Dauerwerkverträge ausgestaltet sind, als nicht sachgemäß an und unterstellt einen stillschweigenden vertraglichen Ausschluss. 1230 Die Vorschrift ist vertraglich abdingbar, vgl. Palandt-Weidenkaff, § 580a BGB, Rn. 3. 1231 Die Parallelnorm im Mietrecht ist § 543 BGB. 1232 Royla, CR 2005, 154, 155; Joppich, K&R 2003, 211, 212 f. 1233 Palandt-Grüneberg, § 309 BGB, Rn. 93. 1234 Vgl. Paulus, CR 2003, 237, 241; zur Unwirksamkeit insolvenzabhängiger Lösungklauseln vgl. BGH, NJW 2013, 1159, 1160 f.

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traggeber des Subunternehmers mit einer dritten Partei geschlossen hatte, endet oder gekündigt wird.1235 3. US-amerikanisches Sachrecht für elektronische Handelsverträge Spezielle gesetzliche Regelwerke für das Recht des elektronischen Geschäftsverkehrs in den USA sind der UETA, der E-SIGN und der UCITA.1236 Daneben bleibt für elektronische Verträge grundsätzlich auch das allgemeine Vertragsrechts anwendbar. Rechtsquelle für das US-amerikanische Vertragsrecht ist vor allem das Common Law1237, das englische Wurzeln hat und als „Case Law“-System auf Richterrecht beruht. Daneben existieren allerdings auch vertragsrechtliche Kodifizierungen (statutory law), deren wichtigste der für das Kaufrecht geltende Art. 2 UCC ist. Bezüglich letzterem ist allerdings anzumerken, dass nach der generellen Konzeption des US-amerikanischen Rechts nicht der Gesetzestext, sondern stärker als im kontinentaleuropäischen Recht die gerichtliche Interpretation des Gesetzes maßgeblich ist.1238 Denn anders als in den Rechtssystemen Kontinentaleuropas ergibt sich das anwendbare Recht für den nächsten Fall mit gleichem Sachverhalt aus der vorherigen Gerichtsentscheidung.1239 Diesen Zusammenhang beschreibt die „stare decisis“-Doktrin, nach der unterinstanzliche Gerichte an die Präzedenzfälle (precedents) gebunden1240 sind, die von höherinstanzlichen Gerichten entschieden worden sind.1241 Freilich bleibt stets die Frage, ob und in wieweit ein ähnlicher Sachverhalt (precedent) vorliegt. Aufgrund der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern entfaltet eine landesrechtliche Entscheidung allerdings nur auf Landesebene Bindungswirkung, und zwar auch dann, wenn das Landesrecht auf einen Einheitsgesetzesvorschlag der NCCUSL zurückgeht.1242 1235

Vgl. BGH, MMR 2004, 750, 751. Siehe Kap. 4 B. II. 1. 1237 Der Begriff des Common Law wird hier vereinfachend in Abgrenzung zum statutory law als das gesamte Richterrecht verstanden. Auf eine Unterscheidung zwischen Common Law als Richterrrecht der Common Law courts einerseits und Equity als korrigierende königliche Entscheidungen der equity courts andererseits wird verzichtet. Ebensowenig wird der Begriff des Common Law als Gegenstück zum Civil Law und somit zur Unterscheidung des anglo-amerikanischen vom kontinentaleuropäischen Rechtssystem benutzt. Vgl. zum Ganzen Hay, Rn. 1 ff. 1238 Hay, Rn. 24; bei Hogg/Bishop/Barnhizer, S. 19. 1239 Hogg/Bishop/Barnhizer, S. 19. 1240 Die Bindungswirkung bezieht sich allerdings nur auf die ratio decidendi (holding), nicht auf das obiter dicta, vgl. Hay, Rn. 22. 1241 Hay, Rn. 20. Die Aufgabe, durch Verwerfen eines Präzedenzfalles (overruling) neues Recht zu schaffen, obliegt also den höchstrangigen zuständigen Gericht, vgl. Hay, Rn. 21. 1242 Ausführlich zum Verhältnis von Bund und Ländern Hay, Rn. 18. 1236

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Die Grundsätze des Common Law eines bestimmtes Bereichs werden in den Restatements of the Law wiedergegeben. Die Restatements, die vom American Law Institute in einer einem Zivilgesetzbuch ähnlichen Art veröffentlicht werden und die wesentlichen Inhalte (holdings) bestehender Präzedenzfälle zusammenfassen1243, haben zwar keine Gesetzesqualität, werden von US-amerikanischen Gerichten aber oft gesetzesartig herangezogen1244. Für das Vertragsrecht sind das Restatement First of Contracts von 1932 und das Restatement Second of Contracts von 1979 maßgeblich.1245 Darüber hinaus hat das American Law Institute für Softwarevertrage mit den ALI Principles eine Art „Best Practice“-Empfehlung aufgestellt1246, die darauf ausgelegt sind, durch entsprechende Anwendung seitens der Gerichte zu Richterrecht zu werden1247. a) Anwendungsbereiche und Terminologie Die Anwendungsbereiche der speziellen Regelwerke für das Recht des elektronischen Geschäftsverkehrs sind nicht deckungsgleich. Auch die verwendete Terminologie ist uneinheitlich und im Abstraktionsniveau verschieden. Für das US-amerikanische Recht typisch enthält der jeweilige Gesetzestext zu Beginn eine Vielzahl konkreter, für das jeweilige Gesetz geltender Begriffsdefinitionen. aa) UETA Der UETA findet grundsätzlich auf jede transaktionsbezogene (relating to a transaction) elektronische Aufzeichnung (electronic record) und elektronische Signatur (electronic signature) Anwendung (§ 3 (a) UETA). Einige Ausnahmen, beispielsweise für Testamente, finden sich in § 3 (b) UETA. Damit ist für den UETA ein weiter Anwendungsbereich gewählt worden, da er für eine Vielzahl von Transaktionsarten gilt. Durch den Transaktionsbezug ist die Anwendung des UETA allerdings im Gegensatz zum MLEC, das seinen Bezugspunkt in jeder geschäftlichen Tätigkeit hat (commercial activity), auf vertragliche Angelegenheiten beschränkt.1248 Anzumerken ist, dass den Bundesstaaten aufgrund von § 3 (d) UETA, der den Modellgesetzcharakter des UETA reflektiert, die Möglichkeit offensteht, bestimmte Transaktionsarten – wie zum Beispiel Verbrauchergeschäfte – vom weiten Anwendungsbereich auszunehmen. 1243

Hay, Rn. 32. Borges, S. 137 f. 1245 Hogg/Bishop/Barnhizer, S. 20. 1246 Siehe Kap. 4 B. II. 2. 1247 Hillman/O’Rourke, 84 Tulane Law Review 2010, 1519, 1519. 1248 Boss, 37 Idaho Law Review 2001, 276, 298. 1244

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Zentrale Begriffe des UETA sind die Transaktion (transaction), die elektronische Aufzeichnung (electronic record) und die elektronischen Signatur (electronic signature). Eine Transaktion ist eine Handlung (action) oder ein Satz von Handlungen zwischen zwei oder mehreren Personen bezogen auf geschäftliche, gewerbsmäßige oder verwaltungsbezogene Angelegenheiten (§ 2 (16) UETA). Die Transaktionspartner können sowohl natürliche als auch juristische Personen oder sogar irgendeine andere Art von rechtlicher oder gewerbsmäßiger Einheit sein (§ 2 (12) UETA). Der UETA gilt im B2B-, B2C-, B2A- und C2ABereich (§ 2 (12), (16) UETA). Eine elektronische Aufzeichnung ist eine Aufzeichnung, die mit elektronischen Mitteln geschaffen (created), generiert (generated), geschickt (sent), übertragen (communicated), empfangen (received) oder gespeichert (stored) worden ist (§ 2 (7) UETA). Eine Aufzeichnung ist eine Information, die auf einem körperlichen Gegenstand (tangible medium) gespeichert ist oder auf einem elektronischen oder anderen Medium gespeichert und in lesbarer Form abrufbar (retrievable in perceivable form) ist (§ 2 (13) UETA). Information wiederum bezeichnet Daten, Text, Bilder, Töne, Codes, Computerprogramme1249, Software, Datenbanken und ähnliches (§ 2 (10) UETA). Das Attribut „elektronisch“ erfüllt jede elektrische, digitale, magnetische, kabellose, optische, elektromagnetische oder ähnliche Technologie (§ 2 (5) UETA). Eine elektronische Signatur ist jeder elektronische Ton, jedes elektronische Symbol oder jeder elektronische Prozess, der/das einer Aufzeichnung anhängt oder mit dieser logisch verbunden ist und von einer Person im Sinne des § 2 (16) UETA mit der Absicht, die Aufzeichnung zu unterschreiben, ausgeführt oder sich zu eigen gemacht wird (§ 2 (8) UETA). Mit diesen beiden Definitionen ist im UETA ein technologieneutraler Ansatz1250 gewählt worden, da weder für die elektronische Aufzeichnung noch für die elektronische Signatur die Implementierung oder Anwendung einer bestimmten Technologie vorausgesetzt wird. Nach dem UETA kann also eine elektronische Aufzeichnung oder eine elektronische Signatur nicht bloß beim Einsatz von asymmetrischer Verschlüsselungen vorliegen, sondern auch beim Tippen des Namens unter eine Email, beim Anhängen eines Bildes der handschriftlichen Unterschrift an ein Dokument, bei Eingabe eines Passworts beziehungsweise PIN, beim Einsat-

1249 Computer Programme sind ein Satz von Aussagen oder Anweisungen, die in einem Informationsverarbeitungssystem (information processing system) direkt oder indirekt benutzt werden, um ein bestimmtes Ergebnis hervorzubringen (§ 2 (3) UETA). 1250 Ausführlich hierzu Borges, S. 72 f.

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zes eines biometrischen Mittels wie Fingerabdruck oder Irisscan sowie bei einem Mausklick auf den „Ich stimme zu“-Button.1251 bb) E-SIGN Der E-SIGN verwendet grundsätzlich die gleiche Terminologie wie der UETA.1252 Ein unterschiedlicher Wortlaut findet sich allein für den Begriff der „Transaktion“, denn § 106 (13) UETA nennt neben geschäfts-und gewerbsbezogenen Handlungen ausdrücklich auch verbraucherbezogene Handlungen und führt darüber hinaus beispielhaft bestimmte Transaktionsarten (the sale, lease, exchange, licensing, or other disposition of personal property, including goods and intangibles, and service; the sale, lease, exchange, or other disposition of any interest in real property) auf. Im Ergebnis könnte sich hieraus ein Unterschied dahingehend ergeben, dass der E-SIGN neben B2Bund B2C-Beziehungen auch im C2C-Bereich anwendbar ist, dies kann für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand aber außer Betracht bleiben. Die im UETA genannten Transaktionsarten sind hingegen jedenfalls auch vom E-SIGN umfasst. Auch der E-SIGN verfolgt einen technologieneutralen Ansatz. Dies gilt insbesondere für die Anerkennung ausländischer elektronischer Signaturen, da für diese ebenfalls keine inhaltlichen Anforderungen aufgestellt werden. Vielmehr stellt § 301 (a) (1) E-SIGN den Grundsatz auf, dass die Akzeptanz und der Gebrauch von elektronischen Signaturen auch bei internationalen Geschäften zu fördern ist. Dies soll vor allem durch die Beseitigung von papierbasierten Hindernissen für elektronische Geschäfte, durch die Anerkennung und die Durchsetzung der von den Parteien ausgewählten Authentifikationstechnologien, durch Gewährleistung der Möglichkeit, im Prozess zu beweisen, dass die ausgewählten Authentifikationstechnologien wirksam sind und durch die Verfolgung eines nicht-diskriminierenden Ansatzes gegenüber elektronischen Signaturen und Authentifikationsmethoden aus anderen Ländern erfolgen (§ 301 (a) (2) E-SIGN).

1251

Vgl. Smedinghoff, Legal Requirement, S. 11; Fry, 37 Idaho Law Review 2001, 237,

257.

1252

„Elektronisch“ ist in § 106 (2) E-SIGN definiert wie in § 2 (5) UETA; „elektronische Aufzeichnung“ ist in § 106 (4) definiert wie in § 2 (7) UETA, erwähnt aber explizit den Vertrag als besondere Form der Aufzeichnung; die Defintion von „elektronischer Signatur“ in § 106 (5) E-SIGN entspricht der in § 2 (8) UETA; die von „Information“ in § 106 (7) E-SIGN der in § 2 (10) UETA; das Verständnis von „Person“ in § 106 (8) E-SIGN ist identisch mit dem in § 2 (12) UETA; die „Aufzeichnung“ wird in § 106 (9) E-SIGN definiert wie in § 2 (13) UETA.

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Das Verhältnis von E-SIGN und UETA ist nicht einfach zu bestimmen.1253 Grundsätzlich gilt, dass der E-SIGN in Bezug auf bundesstaatenüberschreitenden sowie internationalen Handel dem landesrechtlichen UETA vorgeht, also auch bei internationalen Handelsverträgen. Allerdings ist diese Aussage in zweierlei Hinsicht zu relativieren. Erstens, ist der UETA von seinem Regelungsinhalt umfangreicher als der E-SIGN und hat daher schon für die im E-SIGN nicht geregelten Bereiche eine Ergänzungsfunktion. Hintergrund ist, dass auch bei internationalen Verträgen nicht allein Bundesrecht Anwendung finden kann, weil ein umfassendes Vertragsrecht nur auf Länderebene nicht existiert. Zweitens, eröffnet § 102 (a) (1) E-SIGN den Bundesstaaten die Möglichkeit, § 101 E-SIGN und damit wesentliche Teile des E-SIGN durch eine unveränderte Umsetzung des UETA zu verändern. Diese Vorschrift ist dahingehend zu verstehen, dass letztlich doch der UETA dem E-SIGN vorgeht, wenn auf den Fall Landesrecht anwendbar ist und der UETA vom entsprechenden Staat in unveränderter Form übernommen wurde.1254 dd) UCITA Der UCITA findet bei Geschäften über Computerinformation (computer information transactions) Anwendung (§ 103 (a) UCITA). Ein Computerinformationsgeschäft ist eine Vereinbarung, Computerinformationen oder informationelle Rechte an Computerinformationen zu erzeugen, zu verändern, zu überlassen oder zu lizenzieren1255 (§ 102 (a) (11) UCITA). Der Begriff der Computerinformation umfasst Informationen in elektronischer Form, die von einem Computer oder durch den Gebrauch eines Computers erlangt werden können oder die von einem Computer verarbeitet werden können (§ 102 (a) (10) UCITA). Auch eine Kopie (copy)1256 der Information fällt explizit in den

1253

Vgl. auch Smedinghoff, Legal Requirement, S. 7: „The relationship between ESIGN and UETA has been the source of some confusion.” 1254 Wittie/Winn, 56 Bus. Law 2000/01, 293, 325. Diese komplizierte Regelung ist wohl der Tatsache geschuldet, dass die Bundesstaaten nicht verpflichtet sind, das UETA umzusetzen, so dass dem E-SIGN vor allem dann Bedeutung zukommt, wenn das Recht eines Bundesstaates anwendbar ist, das den UETA nicht umgesetzt hat. 1255 Die Lizenzdefinition des UCITA unterscheidet sich vom üblichen Begriffsverständnis. So wird zwar ein Vertrag verlangt, der den Zugang oder Gebrauch von Informationen oder informationellen Rechten ausdrücklich beschränkt, so dass eine Vollrechtsübertragung von Immaterialgütern keine Lizenz darstellt. Allerdings müssen anders als nach üblichem Verständnis keine immaterialgüterrechtlich fundierten Nutzungsbefugnisse eingeräumt werden, sofern eine vertragliche Beschränkung vorliegt. Vgl. § 102 (a) (41) UCITA sowie Moufang, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 31, Rn. 22. 1256 Nach § 102 (20) UCITA ist eine Kopie das Medium, auf dem die Information vorübergehend oder dauerhaft gespeichert ist und von dem es direkt oder mit der Hilfe einer

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Anwendungsbereich. Unter den Begriff der informationellen Rechte fallen alle Rechte an Informationen, die vertragsunabhängig durch ein Gesetz entstehen und dem Inhaber Kontroll- und Ausschließungsbefugnisse hinsichtlich des Informationsgebrauchs oder Informationszugangs gegenüber anderen zuweisen (§ 102 (a) (38) UCITA).1257 Aus § 102 (a) (65) (B) UCITA ergibt sich, dass die dritte Tatbestandsalternative des Überlassens (transfer) sehr weit auszulegen ist und unterschiedliche rechtsdogmatische Kategorien umfasst.1258 So stellt sowohl der Kauf, die Lizenzierung oder die Vermietung einer Kopie der Computerinformation als auch die Lizenzierung und Übertragung der informationellen Rechte an Computerinformation eine Überlassung dar. Beispiele für Geschäfte über Computerinformation sind also etwa Verträge über die Erstellung oder Nutzung von Datenbanken, Software und ähnliche Geschäfte1259 über digitale Güter in dem hier verstandenen Sinne1260. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um den vollen Rechtsübergang am Immaterialgut Computerinformation oder aber um die Überlassung einzelner Kopien der Computerinformation ohne Übertragung unter Beibehaltung gewisser Immaterialgüterrechte handelt.1261 Im Gegensatz zum UETA und E-SIGN ist also der Leistungsgegenstand und nicht die Art der Kommunikation maßgeblich. Daher kommt es zur Überschneidung, wenn bei einem Vertrag über Computerinfomation elektronische Kommunikation genutzt wird. Allerdings ist dann der E-SIGN vorrangig, was sich schon aus seinem bundesrechtlichen Charakter sowie aus § 105 (c) UCITA ergibt.1262 Zu einer Überschneidung mit dem allgemeinen Vertragsrecht sowie dem im UCC kodifizierten Kaufrecht, beides Ländersache, kommt es bei gemischMaschine oder eines Gerätes abgerufen, reproduziert, gebraucht oder kommuniziert werden kann. 1257 Nach § 102 (a) (38) UCITA gilt: “Informational rights” include all rights in information created under laws governing patents, copyrights, mask works, trade secrets, trademarks, publicity rights, or any other law that gives a person, independently of contract, a right to control or preclude another person’s use of or access to the information on the basis of the rights holder’s interest in the information.” 1258 Moufang, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 31, Rn. 20. § 102 (a) (65) (B) lautet: „Transfer with respect to computer information, includes a sale, license or lease of a computer information and a license or assignment of informational rights in computer information.“ 1259 Borges, S. 155; Moufang, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 31, Rn. 18; Winn/Wright, S. 5–52. 1260 Siehe Kap. 3 B. II. 1261 Moufang, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 31, Rn. 20. 1262 Vgl. auch Braucher, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 1, Rn. 19.

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ten Verträgen, bei denen der Leistungsgegenstand zwar auch Computerinformationen erfasst, sich aber hierin nicht erschöpft, so beispielsweise bei Verträgen über die Lieferung von Hard- und Software, die häufig mit weiteren Leistungspflichten wie Wartung, Pflege und Support verknüpft sind. Da insofern kein Bundesrecht existiert, das schon aus verfassungsrechtlichen Gründen vorgeht, ist die Regelung des § 103 (b) UCITA maßgeblich. Demnach ist der UCITA auf den gesamten Vertrag anzuwenden, wenn der Teil des Vertrages, der die Computerinformation betrifft, den vorrangigen Vertragsgegenstand bildet. Ist dies nicht der Fall, gilt allerdings das allgemeine Vertragsrecht oder der UCC nicht für den gesamten Vertrag, sondern nur für den Teil, der nicht die Computerinformation betrifft. Für den die Computerinformation betreffenden Teil bleibt es bei der Anwendung des UCITA. Als Ausnahme zu der erstgenannten Regel soll letztere Regel aber auch dann gelten, wenn der gemischte Vertrag sich aus dem Erwerb einer Ware und einer Computerinformation zusammensetzt, wobei das Trägermedium der Information nicht als selbständige Ware anzusehen ist. Die Ausnahme zu dieser Ausnahme ist, dass die Software in die Ware eingebettet ist. Dann findet das UCITA gar keine Anwendung, es sei denn, bei der Ware handelt es sich um einen Computer oder die Computerinformation ist ein wesentlicher Zweck des Erwerbs von Gütern dieser Art. Mit dem UCITA steht also auch ein Rechtsrahmen für Verträge zur Verfügung, die nicht nur elektronisch abgeschlossen, sondern auch elektronisch erfüllt werden, deren Leistungsgegenstand also unkörperlicher Natur ist. ee) UCC Im Gegensatz zum UCITA1263 ist der UCC bis auf Louisiana in allen Bundesstaaten umgesetzt worden. Der UCC regelt in Art. 2 (transactions in goods) umfassend den Kaufvertrag über Waren.1264 Art. 2 UCC enthält nicht nur Grundsätze zum Vertragsabschluss, sondern regelt auch die Pflichten der Vertragspartner und die Rechtsfolgen ihrer Verletzung. Auf Warenkaufverträge, die elektronisch abgeschlossen werden, ist der UCC ohne weiteres anwendbar.1265 Die Anwendbarkeit auf den elektronischen Vertragsabschluss wird dadurch erleichtert, dass bei Revisionen des UCC die Begriffe „writing“ und „signature“ durch die mediums-neutralen Begriffe „Aufzeichnung“ und „Authentifizierung“ ersetzt wurden.1266 Ob der UCC allerdings auch dann anwendbar ist, wenn neben dem Abschluss ebenfalls die Erfüllung elektronisch erfolgen soll, ist unklar. Insofern stellt sich also die Frage, inwiefern 1263

Siehe Kap. 4 B. II. 1. Stone, S. 1. 1265 Alliance Laundry Systems, LLC v. Thyssenkrupp Materials, NA, 570 F. Supp. 2d 1061, 1066 f. (E.D. Wis. 2008). 1266 Winn/Wright, S. 5–3. 1264

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der Erwerb digitaler Güter, insbesondere Software, noch dem Kaufrecht unterfällt. Für elektronische Verträge, die keine Kaufverträge sind, muss auf das Common Law zurückgegriffen werden. Gleiches gilt auch für Kaufverträge, wenn der UCC keine in Betracht kommende Vorschrift aufweist (§ 1–103 UCC) . Dies wird in der US-amerikanischen Rechtsprechung und Literatur vor allem in Verbindung mit dem Erwerb von Software diskutiert. Im Ergebnis wendet die ganz überwiegende Rechtsprechung Art. 2 UCC auch auf Verträge über Software an.1267 Grundlage hierfür sind historische, ökonomische und vor allem funktionale Überlegungen. So sei ursprünglicher Grund für die Deklarierung der Übertragung von Software als Lizenzvertrag durch die Softwarehersteller der Versuch gewesen, die sogenannte Erst-Verkaufs-Doktrin (first sale doctrine) zu umgehen, denn diese sah vor, dass nach dem Erwerb einer Software der Verleih zulässig war.1268 Professionelle Verleiher konnten daher einmal erworbene Software an den Endkunden verleihen, der diese dann kopierte, ohne dass die Softwarehersteller den Verleih unterbinden konnten.1269 Mit der Erteilung einer personalisierten, nicht übertragbaren Lizenz sollte die Anwendbarkeit der Erst-Verkaufs-Doktrin ausgeschlossen werden.1270 Ein entsprechendes Bedürfnis bestehe allerdings heute nicht mehr, da nach einer Änderung des Copyright Act nur noch gemeinnützige Bibliotheken und Ausbildungseinrichtungen Software verleihen dürfen.1271 Darüber hinaus erinnerten die ökonomischen Umstände bei Übertragung von Software mehr an einen Kauf- als an einen Lizenzvertrag, wenn eine Kopie gegen einmalige Zahlung erworben, direkt mit Abschluss des Vertrages bezahlt und die Rechte an der Software ohne zeitliche Beschränkung übertragen werden. Auch die Business-toBusiness Situation, in der der Zwischenhändler das wirtschaftliche Risiko des Nichtweiterverkaufs trägt und der Weiterverkauf ohne weitere Zustimmung zulässig ist, entspricht den kaufvertraglichen Wertungen.1272 Da die historischen und ökonomischen Überlegungen zwar in der Abgrenzung von Kaufund Lizenzvertrag für die Annahme eines Kaufvertrages sprechen, nicht aber 1267

Step-Saver Data Systems, Inc. v. Wyse Technology, 939 F.2d 91, 105 (3d Cir. 1991); Softman Products Company, Inc., LLC, v. Adobe Systems Inc., 171 F. Supp. 2d 1075, 1085 (C.D. Cal. 2001); i.Lan Systems, Inc. v. NetScout Service Level Corp., 183 F. Supp. 2d 328, 332 (D. Mass. 2002); Wachter Management Co v. Dexter & Chaney, Inc., 144 P.3d 747, 750 (Kans 2006); zustimmend: Hoeren/Sieber-Pichler, Teil 25, Rn. 40. 1268 Step-Saver Data Systems, Inc. v. Wyse Technology, 939 F.2d 91, 96 (3d Cir. 1991). 1269 Step-Saver Data Systems, Inc. v. Wyse Technology, 939 F.2d 91, 96 (3d Cir. 1991). 1270 Step-Saver Data Systems, Inc. v. Wyse Technology, 939 F.2d 91, 96 (3d Cir. 1991). 1271 Step-Saver Data Systems, Inc. v. Wyse Technology, 939 F.2d 91, 96 (3d Cir. 1991). 1272 Softman Products Company, Inc., LLC, v. Adobe Systems Inc., 171 F. Supp. 2d 1075, 1085 (C.D. Cal. 2001).

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das dogmatische Gegenargument beseitigen können, dass der Warenbegriff aus § 2–105 (1) UCC, der unter Waren (goods) alle beweglichen Sachen (all things moveable) versteht, nicht auf Software passt, ist vor allem ein funktionaler Ansatz notwendig, um die Anwendbarkeit des UCC auch bei unkörperlichen Gegenständen annehmen zu können. Dieser funktionale Ansatz findet sich in den Aussagen der Gerichte wieder, dass die kaufrechtlichen Regelungen zwar streng genommen eigentlich nicht auf den Softwarekauf anwendbar seien, aber trotzdem vom Gegenteil ausgegangen werde, da sie auch bei Softwareverträgen zu angemessenen Ergebnissen führten.1273 Dieses pragmatische Vorgehen bewahre die Gerichte davor, eigene Rechtssätze, beispielsweise für den Bereich Leistungsstörung, entwickeln zu müssen1274 und schaffe letztlich Rechtssicherheit für die Geschäftsteilnehmer1275. Auch die Unterscheidung zwischen Standard- und Individualsoftware spielt keine große Rolle, denn das US-amerikanische Kaufrecht (Art. 2 UCC) gilt auch für Verträge, die im deutschen Recht als Werkverträge einzuordnen wären1276, und so wird das Kaufrecht von der Rechtsprechung auf Letztere ebenfalls angewandt1277. Naturgemäß finden sich in der Literatur neben Befürwortern1278 dieses pragmatischen Ansatzes auch kritische Stimmen1279. Trotzdem gilt im Ergebnis, dass das in Art. 2 UCC geregelte Kaufrecht auch auf den Erwerb von Software Anwendung findet. Gründe dafür, dass für andere unkörperliche Gegenstände etwas anderes gelten sollte, sind nicht ersichtlich. b) Informationspflichten Der UETA, der E-SIGN und der UCITA legen den Teilnehmern des elektronischen Geschäftsverkehrs keine besondere Informationspflichten auf. Allerdings lassen sie Informationspflichten unberüht, die sich aus anderen Rechtsquellen ergeben. Für den E-SIGN stellt § 101 (b) explizit klar, dass der E-SIGN keinen Einfluss auf Verpflichtungen aus anderen Rechtsquellen hat, die nicht die

1273

i.Lan Systems, Inc. v. NetScout Service Level Corp., 183 F. Supp. 2d 328, 332 (D. Mass. 2002). 1274 Braucher, 40 Loy. L.A. L. Rev. 2006, 261, 275 ff. 1275 i.Lan Systems, Inc. v. NetScout Service Level Corp., 183 F. Supp. 2d 328, 332 (D. Mass. 2002). 1276 Vgl. Propulsion Tech., Inc. v. Attwood Corp., 369 F. 3d 896 (5th Cir. 2004). 1277 Colonial Life Ins. Co. v. Electronic Data Systems Corp., 817 F. Supp. 235, 238 f. (D. NH. 1993); Micro Data Base Systems, Inc. v. Dharma Systems, Inc., 148 F.3d 649, 654 (7th Cir. 1998). 1278 Braucher, 40 Loy. L.A. L. Rev. 2006, 261, 279. 1279 Brennan, 38 Duq. L. Rev. 2000, 459, 464 ff.

B. Rechtslage

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Schriftform, das Unterschrifterfordernis oder sonstige nicht elektronische Formerfordernisse betreffen. Eine entsprechende Vorschrift findet sich im UETA zwar nicht, § 8 (a) UETA eröffnet aber die Möglichkeit, eine in Schriftform zu erfüllende Informationspflicht auch durch eine elektronische Aufzeichnung zu erfüllen. Diese Regelung setzt also logisch voraus, dass auch bei Anwendbarkeit des UETA die Informationspflichten aus anderen Gesetzen grundsätzlich bestehen bleiben. Soll eine Pflicht zur schriftlichen Information durch elektronische Aufzeichnung erfüllt werden, dann ist es aufgrund des Wortlauts nicht genügend, dass die Information zum Abruf bereit gestellt wird1280, beispielsweise auf einer Webseite. Vielmehr implizieren die Verben „provided“, „sent“ und „delivered“, dass die Information in einen Bereich außerhalb der Kontrolle des Informationslieferanten gelangen muss.1281 Letztlich verlangt § 8 (a) UETA, dass die Aufzeichnung zur Aufbewahrung geeignet ist, was ausdrücklich dann nicht der Fall ist, wenn das Herunterladen oder der Ausdruck nicht möglich ist. Auch das allgemeine US-amerikanische Vertragsrecht legt den Parteien bei Fehlen einer besonderen Vertrauensbeziehung keine Informationspflichten auf.1282 c) Parteiautonomie Als Ergänzung zum ohnehin schon minimalistischen Ansatz von UETA und E-SIGN sind beide in besonders starkem Maße vom Grundsatz der Parteiautonomie geprägt. Für beide gilt, dass die Parteivereinbarung grundsätzlich Vorrang vor den gesetzlichen Vorschriften hat. Dieses Rangverhältnis legt § 5 (d) UETA ausdrücklich fest. Entsprechendes findet sich im E-SIGN zwar nicht, doch mittels Rückgriff auf den Grundsatz, dass in Abwesenheit von zwingenden gesetzlichen Vorschriften die Parteivereinbarung wirksam ist1283, gelangt man zum gleichen Ergebnis, da der E-SIGN wie der UETA nur in sehr begrenztem Umfang zwingendes Recht enthält. Zu den zwingenden Vorschriften zählt beispielsweise § 5 (c) UETA, wonach eine Partei einer elektronischen Transaktion das Recht hat, den weiteren Einsatz von elektronischer Kommunikation bei weiteren Transaktionen zu untersagen.1284 Weder der UETA noch der E-SIGN verpflichten also eine Partei, elektronische Auf-

1280

Boss, 37 Idaho Law Review 2001, 276, 340 f. Boss, a.a.O., 340. 1282 Rohwer/Skrocki, S. 291. 1283 Vgl. hierzu mit Rechtsprechungsnachweisen Smedinghoff, Legal Requirement, S. 29 f. 1284 Weitere zwingende Vorschriften sind §§ 5 (d), 8 (d), 10 (4), 15 (g) UETA. 1281

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

zeichnungen oder Unterschriften zu akzeptieren.1285 Für Verträge über Computerinformationen ist dies in § 107 (c) UCITA ausdrücklich klargestellt. Auch sonst gilt für den UCITA trotz seines umfassenden Charakters ebenfalls der Grundsatz der Privatautonomie (§ 115 (a) UCITA)1286, allerdings findet sich in § 115 (b) UCITA eine deutlich größere Zahl von Vorschriften mit zwingendem Charakter. Für den Handelsverkehr gilt darüber hinaus, dass nicht nur ausdrückliche Vereinbarungen Vorrang vor dem dispositivem Recht haben, sondern auch vertragsbezogene Verhaltensregeln (course of performance)1287, Gepflogenheiten (course of dealing)1288 und Handelsbräuche (trade usage)1289 (§ 1–201 (3), 2–208 UCC). Begrenzt wird das Prinzip der Parteiautonomie für alle Regelwerke durch Vorschriften zur Sicherstellung der öffentlichen Ordnung (public policy)1290. Für Computerprogramme enthält § 118 (b) UCITA diesbezüglich eine Sonderregelung. Danach ist eine vertragliche Vereinbarung unwirksam, die das Reverse Engineering1291 zum Zwecke der Erreichung von Interoperabilität eines unabhängig entwickelten Programms mit anderen Programmen verbietet, wenn die Programmelemente vorher nicht leicht verfügbar waren. Auf eine entsprechende Beschränkung der Privatautonomie im Hinblick auf das Reverse Engineering wurde bei den ALI Principles bewusst verzichtet.1292

1285

DWP Pain Free Med. P.C. v. Progressive Northeastern Ins. Co., 831 N.Y.S. 2d 849, 852 (Dist. Ct. Suffolk Cty 2006). 1286 Vgl. auch Braucher, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 1, Rn. 11. 1287 Nach § 1–303 (a) UCC gilt: „A “course of performance” is a sequence of conduct between the parties to a particular transaction that exists if: (1) the agreement of the parties with respect to the transaction involves repeated occasions for performance by a party; and (2) the other party, with knowledge of the nature of the performance and opportunity for objection to it, accepts the performance or acquiesces in it without objection.” 1288 Nach § 1–303 (b) UCC gilt: „A “course of dealing” is a sequence of conduct concerning previous transactions between the parties to a particular transaction that is fairly to be regarded as establishing a common basis of understanding for interpreting their expressions and other conduct.” 1289 Nach § 1–303 (c) UCC gilt: „A “usage of trade” is any practice or method of dealing having such regularity of observance in a place, vocation, or trade as to justify an expectation that it will be observed with respect to the transaction in question. The existence and scope of such a usage must be proved as facts. If it is established that such a usage is embodied in a trade code or similar record, the interpretation of the record is a question of law.” 1290 Vgl. auch § 115 (b) (2) UCITA; § 1.10 ALI Principles. 1291 Reverse Engineering bezeichnet den Vorgang, aus einem Produkt durch genaue Untersuchung technologische oder andere Informationen zu extrahieren, vgl. § 118 UCITA comm. 2. 1292 Hillmann/O’Rourke, 84 Tulane Law Review 2010, 1519, 1528.

B. Rechtslage

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d) Notwendigkeit der Vereinbarung der Wirksamkeit elektronischer Kommunikation Eine Ausnahme vom Prinzip, den Teilnehmern des elektronischen Geschäftsverkehrs keine Verpflichtungen aufzuerlegen, die nicht auch bei der traditionellen Geschäftsabwicklung bestehen, stellt § 5 (b) UETA dar. Dort wird eine Parteivereinbarung über die Durchführung der Transaktion mit elektronischen Mitteln zur Anwendungsvoraussetzung des UETA erklärt. Das Fehlen einer entsprechenden Vereinbarung macht zwar den elektronischen Vertrag nicht a priori unwirksam1293, entzieht den Parteien aber die Möglichkeit, sich auf § 7 UETA zu berufen, der eine Nichtanerkennung allein aufgrund der elektronischen Form verbietet. Durch das Erfordernis einer Vereinbarung der Wirksamkeit elektronischer Kommunikation soll verhindert werden, dass eine Partei einseitig mit elektronischer Kommunikation beginnt und den Empfänger bindet.1294 Die Bedeutung von § 5 (b) UETA ist eher theoretischer als praktischer Natur, denn die notwendige Vereinbarung kann auch konkludent erfolgen (§ 5 (b) S. 2 UETA). Beim Errichten einer Webseite mit elektronischer Bestellungmöglichkeit, beim Nutzen einer solchen Webseite oder bei Teilnahme am EDI-Handel lässt sich also aus dem Verhalten auf eine konkludente Zustimmung zur Nutzung elektronischer Kommunikation schließen.1295 Darüber hinaus wird auch vorgeschlagen, dass dies schon beim Ausgeben einer Visitenkarte mit Email-Adresse der Fall sei.1296 e) Elektronischer Vertragsschluss Auch im US-amerikanischen Recht könnten Rechtsunsicherheiten im Hinblick auf den Vertragsschluss mit elektronischen Kommunikationsmitteln bestehen. aa) Erfüllung des Schriftform- und Unterschriftserfordernis durch elektronische Kommunikation Die Frage, ob und gegebenenfalls wie die gesetzlich vorgesehene Schriftform oder Unterschrift durch elektronische Kommunikation erfüllt werden kann, ist seit der Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs ein zentrales Problem für das US-amerikanische Vertragsrecht.1297 Denn anders als bei1293

Boss, 37 Idaho Law Review 2001, 276, 303. Boss, a.a.O., 301 f. 1295 Boss, 37 Idaho Law Review 2001, 276, 302 1296 Fry, 37 Idaho Law Review 2001, 237, 253. 1297 Eine jüngere Entscheidung zu diesem Problem ist Naldi v. Grunberg, 80 A.D.3d 1 (N.Y. 2010). Hier ging es um ein Vorkaufsrecht für ein Grundstück in Manhattan mit einem Wert von USD 52 Millionen, das in einem per Email übermittelten Angebot des Verkäufers enthalten war. Das Gericht stellte klar, dass das Vorkaufsrecht nicht bereits 1294

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

spielsweise im deutschen Recht gilt hier der Grundsatz der Formfreiheit des Vertragsabschlusses nur bedingt. Das traditionelle Konzept der Statute of Frauds1298 sieht für Transaktionen mit einem gewissen Wert die Schriftform vor.1299 Eine Ausprägung dieses Konzepts ist beispielsweise § 2–201(1) UCC1300, der bei einem Kaufpreis von USD 500 oder mehr die Schriftform verlangt. Die Zession eines Rechts im Wert von mehr als USD 5.000 bedarf ebenfalls der Schriftform (§ 1–206 UCC). Ein weiteres Beispiel findet sich in § 201 (a) (1) UCITA, der bei einem Vertrag über eine Summe von USD 5.000 oder mehr verlangt, dass eine authentifizierte Aufzeichnung1301 vorliegt, die hinreichend deutlich macht, dass ein Vertrag geschlossen wurde und die den Vertragsgegenstand angemessen identifiziert. Ferner sieht das US-Recht bei einer Vielzahl anderer Vorschriften die Schriftform und die Unterschrift vor1302, so unter anderem in 17 USC § 204 (a) für die Übertragung von Urheberrechten. Ebenfalls in diesem Zusammenhang zu nennen sind die auf den Handelskauf anwendbaren Vorschriften des § 2–201 (2) UCC und § 201 (d) UCITA, die in einer dem aus dem deutschen Recht bekannten kaufmännischen Bestätigungsschreiben ähnlichen Weise den Inhalt einer schriftlichen Bestätigung beziehungsweise einer bestätigenden Aufzeichnung eines mündlich geschlossenen Vertrages schon dann für maßgeblich erklären, wenn der Empfänger der Bestätigung nicht widerspricht. Wie im deutschen Recht sind die gesetzlichen Schriftformerfordernisse regelmäßig von zwingendem Charakter und können daher nicht von den Parteien durch Vereinbarung abbedungen werden.1303 Allerdings ist das Konzept der Statute of Frauds schon traditionell flexibler als das deutsche Schriftformerfordernis. Es wird nicht vorausgesetzt, dass ein deshalb unwirksam sei, weil es in einer Email enthalten gewesen sei, denn die für Immobilientransaktionen notwendige Schriftform könne durch eine Email erfüllt werden. 1298 Ausführlich hierzu Rohwer/Skrocki, S. 181 ff. 1299 Indes ist zu beachten, dass das US-amerikanische Recht eine weniger strenge Rechtsfolge für die Nichtbeachtung der Schriftform vorsieht als das deutsche Recht. Die Nichtbeachtung führt nämlich nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, sondern hindert nur die Durchsetzbarkeit der vertraglichen Ansprüche, vgl. Rohwer/Skrocki, S. 181 f. Ein an einem Formmangel leidender Vertrag bleibt also als Rechtsgrund bestehen. Soweit die vertraglich geschuldete Leistung erbracht und von der Gegenseite angenommen wurde, soll der synallagmatische vertragliche Anspruch sogar durchsetzbar sein, vgl. § 2–201 (3) (c) UCC. 1300 Winn/Wright, S. 5–4. 1301 Der Begriff der Aufzeichnung ist in § 102 (a) (55) UCITA definiert und entspricht dem im UETA verwendeten Begriff. 1302 Vgl. Smedinghoff, The Legal Requirement, S. 3, der davon spricht, dass allein die Bundesstaaten Georgia und Ohio über 5.500 beziehungsweise über 8.000 solcher Vorschriften aufweisen. 1303 Rohwer/Skrocki, S. 338.

B. Rechtslage

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Papierdokument von beiden Parteien unterzeichnet ist, vielmehr reicht es, dass der Beklagte irgendein körperliches Medium unterschrieben hat, das die Existenz eines Vertrages beweist.1304 Eine Unterschrift ist dabei jedes von einer Partei mit dem Willen, den Inhalt des Schriftstücks zu bestätigen, erstellte oder zu eigen gemachtes Zeichen oder Symbol (§ 1–201 (39) UCC). Trotz dieser Flexibilität haben nun sowohl UETA als auch E-SIGN ausdrücklich klargestellt, dass mittels elektronischer Kommunikation eine Schriftformerfordernis erfüllt und eine Unterschrift geleistet werden kann. Dabei stellen beide nur geringe Anforderungen an die technische Ausgestaltung der Kommunikation. Eine elektronische Aufzeichnung erfüllt ein Schriftformerfordernis (§ 7 (c) UETA) und eine elektronische Signatur wird einem Unterschrifterfordernis gerecht (§ 7 (d) UETA). Beide Vorschriften müssen allerdings unter Einbeziehung der Definitionen in § 2 UETA gelesen werden. Danach muss die Aufzeichnung entweder auf einem körperlichen Gegenstand oder auf einem elektronischen Medium gespeichert und in lesbarer Form abrufbar sein. Eine elektronische Signatur liegt nur vor, wenn der elektronische Ton, das elektronische Symbol oder der elektronische Prozess einer Aufzeichnung anhängt oder mit dieser logisch verbunden ist und von einer Person mit der Absicht, die Aufzeichnung zu unterschreiben, ausgeführt oder sich zu eigen gemacht worden ist. Die Speicherbarkeit und Abrufbarkeit der Information in lesbarer Form sind also die einzigen Bedingungen für die Erfüllung der Schriftform. Das Vorliegen dieser Bedingungen vorausgesetzt, bedarf es für eine Unterschrift dann eines Tones, Symbols oder Prozesses, der/das der Information anhängt beziehungsweise mit ihr logisch verbunden ist und mit Unterschriftsabsicht benutzt wird. Der E-SIGN ist zwar weniger explizit als der UETA, indem in § 101 (a) (2) E-SIGN lediglich klarstellt wird, dass ein Vertrag nicht allein deshalb unwirksam oder nicht durchsetzbar ist, weil bei seinem Abschluss eine elektronische Signatur oder eine elektronische Aufzeichnung benutzt wurde. Im Ergebnis ergibt sich aber kein Unterschied zum UETA, denn wenn die genannten Voraussetzungen für das Vorliegen einer elektronische Signatur oder einer elektronischen Aufzeichnung erfüllt sind, dann weist der keinen Formmangel auf. Folglich kann eine schriftliche Erklärung mit Unterschrift nach UETA und E-SIGN schon beim Tippen des Namens unter eine Email, beim Anhängen eines Bildes der handschriftlichen Unterschrift an ein Dokument, bei Eingabe eines Passworts beziehungsweise PIN, beim Einsatzes eines biometrischen Mittels wie Fingerabdruck oder Irisscan, bei einem Mausklick auf den „Ich

1304

Hay, Rn. 306; vgl. auch § 1–201 (46) UCC.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

stimme zu“-Button oder beim Einsatz von asymmetrischer Verschlüsselung vorliegen.1305 Auch höhere Formerfordernisse, wie die notarielle Beurkundung oder die eidesstattliche Versicherung, können durch elektronische Kommunikation erfüllt werden, indem die elektronische Signatur der Person, die zur Vornahme des formellen Aktes berechtigt ist, an die Information1306, für die das Formerfordernis gilt, angefügt oder mit dieser logisch verbunden wird (§ 11 UETA, § 101 (g) E-SIGN). Soll also eine Unterschrift notariell beurkundet werden, kann dies auf elektronischem Weg dadurch geschehen, dass an eine elektronische Signatur des Unterschreibenden die elektronische Signatur des Notars angehängt wird. Ein Original liegt in elektronischer Form vor, wenn es die Information der Ursprungsaufzeichnung fehlerfrei (accurately1307) wiedergibt und für spätere Einsichtnahme erreichbar bleibt (§ 12 (d), (a) UETA/§ 101 (d) (3), (1) E-SIGN). Aus letzterem Erfordernis folgt, dass im Laufe der Zeit in technischer Hinsicht Updates oder die Übertragung der Information auf ein anderes System notwendig werden, wenn anderenfalls die Information aufgrund technologischer Überalterung des Systems, in dem sie gespeichert ist, nicht mehr erreichbar wäre. bb) Grundregeln für den Vertragsschluss bei elektronischen Verträgen Die Möglichkeit der Erfüllung eines Schriftformerfordernis durch elektronische Kommunikation sagt allerdings noch nichts darüber aus, wie ein elektronischer Vertrag zustande kommt. Während E-SIGN und UETA hierfür keine Regelungen enthalten, ist für Verträge über Computerinformationen der Vertragschluss in den §§ 112, 202 ff. UCITA geregelt. Allgemeines Vertragsrecht und der UCITA stehen in diesem Bereich also nebeneinander. Dem deutschen Vertragsrecht ähnlich erfolgt auch nach US-amerikanischem Recht der Vertragsschluss grundsätzlich durch den übereinstimmend erklärten Willen der Parteien.1308 Die ausgetauschten Willenserklärungen werden ebenfalls als Angebot (offer) und Annahme (acceptance) bezeichnet.1309

1305

Vgl. Smedinghoff, The Legal Requirement, S. 11; Fry, 37 Idaho Law Review 2001, 237, 257. 1306 Information ist in § 2 (10) UETA definiert und bezeichnet Daten, Text, Bilder, Töne, Codes, Computerprogramme, Software, Datenbanken und ähnliches. 1307 Der Begriff stammt aus den Federal Rules of Evidence / Uniform Rules of Evidence und bedeutet im Ergebnis nichts anderes als der in Art. 8 MLEC verwandte Begriff „integrity“, vgl. Boss, 37 Idaho Law Review 2001, 276, 318. 1308 § 202 (a) UCITA; § 2.01 (a) ALI Principles; §§ 17 (1), 18 Restatement (Second) of Contracts; Hay, Rn. 287. 1309 § 202 (a) UCITA; § 2.01 (a) ALI Principles; Hay, Rn. 287; Winn/Wright, S. 5–4.

B. Rechtslage

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Anders als im deutschen Recht liegt ein wirksamer Vertrag allerdings nur dann vor, wenn die Parteien einen Austausch vereinbart haben, bei dem jede Seite etwas erhält.1310 Es muss sich also um einen Handel und nicht bloß um eine einseitige Leistung1311 handeln.1312 Indes bereitet dieser als „consideration“ bezeichnete Grundsatz1313, der die ökonomische Orientierung des USamerikanischen Vertragsrechts reflektiert1314, beim Regelfall des elektronischen Handelsvertrages keine Probleme, weil sich eine Sach- beziehungsweise Dienstleistung und eine Geldleistung gegenüber stehen. (1) Vorliegen eines verbindlichen Angebots Ein Angebot ist die verbindliche Erklärung, im Falle der Annahme an einen Vertrag mit einem bestimmten Inhalt gebunden zu sein.1315 Im Gegensatz dazu liegt kein Angebot vor, wenn der Empfänger der Erklärung wusste oder hätte wissen müssen, dass der Erklärende nicht beabsichtigt einen Vertrag zu schließen.1316 Auf der Grundlage dieser Definition erfolgt wie im deutschen Recht die Abgrenzung zwischen Angebot und invitatio ad offerendum, die auch im Rahmen des elektronischen Geschäftsverkehrs, beispielsweise beim Anbieten von Waren und Leistungen auf einer Webseite, von Bedeutung ist. Eine bloße invitatio soll auch im US-amerikanischen Recht dann vorliegen, wenn dem Empfänger bewusst war, dass der Erklärende nicht daran interessiert sein konnte, einen Vertrag mit jedem Erklärungsempfänger zu schließen, weil er die versprochene Leistung nicht mehreren Personen gegenüber erbringen kann.1317 Für die Frage, ob das Anbieten von Waren und Leistungen auf einer Webseite ein verbindliches Angebot oder aber eine bloße invitatio ad offerendum darstellt, ist dieser Grundsatz im US-amerikanischen Recht zwar als ent-

1310

Delta/Matsuura, S. 10–9. Zu unterscheiden ist dies vom einseitigen Vertrag (unilateral contact), der zustande kommt, wenn der Annehmende seinerseits die geforderte Leistung erbringt, vgl. Cheeseman, S. 149; Hay, Rn. 286. 1312 Rohwer/Skrocki, S. 119. Eine Ausnahme ist § 207 UCITA, wonach es für Verträge über (Haftungs-)freistellung auf das Vorliegen von „consideration“ verzichtet werden kann (releases). Vgl. Winn/Wright, S. 5–58, der das Beispiel der Nutzung eines Chatrooms gegen Haftungsfreistellung des Betreibers anführt. 1313 Ausführlich hierzu Rohwer/Skrocki, S. 118 ff. 1314 Hay, Rn. 283. 1315 § 24 Restatement (Second) of Contracts. 1316 § 26 Restatement (Second) of Contracts. 1317 Rhen Marshall v. Purolater Filter Div., 318 NW2d 284, 285 (Neb.1982); Borges, S. 165; Rohwer/Skrocki, S. 21. 1311

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

scheidender Maßstab allgemein anerkannt1318, dennoch wird die Frage letztlich unterschiedlich beantwortet. Während teilweise vertreten wird, dass beim Anbieten von Waren und Leistungen auf einer Webseite immer eine bloße invitatio ad offerendum vorliege1319, wird teilweise auch grundsätzlich von einem verbindlichen Angebot ausgegangen1320. Andere formulieren eine Auslegungsregel zugunsten einer bloßen invitatio1321 oder aber zugunsten eines verbindlichen Angebots1322. Letztlich gilt die bereits zum deutschen Recht gemachte Feststellung, dass es im elektronischen Geschäftsverkehr für die Unterscheidung zwischen bloßer invitatio und verbindlichem Angebot zwar keiner neuen Grundsätze bedarf, hier aber die juristische Differenzierung vor allem von der technischen Ausgestaltung der Warenpräsentation abhängt. (2) Wirksamwerden elektronischer Erklärungen Mit der Ausnahme von § 112 UCITA sieht das US-amerikanische Recht wie das deutsche Recht für das Wirksamwerden eines elektronischen Kommunikationsmittels keine besonderen Vorschriften vor. Somit müssen auch hier die allgemeinen Regeln übertragen werden. (a) Grundregeln Ein Angebot wird erst mit dem Zugang (receipt) beim Empfänger wirksam, da erst zu diesem Zeitpunkt schutzwürdige Interessen auf Seiten des Empfängers entstehen.1323 Nach § 68 Restatement (Second) of Contracts liegt Zugang vor, wenn das Angebot in den Machtbereich (possession)1324 des Empfängers gelangt ist oder bei einer Person oder an einem Ort eintrifft, der vom Empfänger für den Empfang derartiger Nachrichten bestimmt ist. Anders als im deutschen Recht erfolgt der Zugang also unmittelbar mit dem Gelangen in den Machtbereich, ohne dass es darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt die Kenntnisnahme des Angebots zu erwarten gewesen wäre.1325

1318

Trell v. American Association for the Advancement of Science, 2007 U.S. Dist LEXIS 36942, 1, 18 f. (W.D.N.Y. 2007). 1319 Thot, S. 8 1320 Perritt, 30 Wake Frorest L. Rev. 1995, 51, 73. 1321 Moringiello/Reynolds, Legal Studies Research Papers University of Maryland School of Law 2007–2, 21; Wildemann, CRi 2000, 109, 110. 1322 So Borges, S. 166 f. mit der wenig überzeugenden Schlussfolgerung, dass viele Webseiten durch die Speicherung der Daten des Nutzers insbesondere über Cookies auf den entsprechenden Nutzer persönlich zugeschnitten seien und daher ein individuelle Ansprache vorliege, die ein persönliches Angebot darstelle. 1323 Rohwer/Skrocki, S. 41. 1324 Vgl. zu dieser Übersetzung Borges, S. 141. 1325 Borges, S. 141; vgl. auch § 214 (a) UCITA.

B. Rechtslage

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Unwirksam wird das Angebot durch Widerruf, Tod oder Verlust der Geschäftsfähigkeit des Anbietenden, Ablehnung durch den Empfänger, auch konkludent in Form eines Gegenangebots, durch den Tod einer Person oder die Zerstörung einer Sache, die für die angebotene Leistung essentiell waren, sowie durch Zeitablauf.1326 Letzteres liegt vor, wenn eine im Angebot enthaltene Annahmefrist abgelaufen ist, oder, falls diese fehlt, wenn eine angemessene Zeitspanne (reasonable time) verstrichen ist.1327 Angebote, die im Rahmen einer Kommunikation unter Anwesenden (face-to-face, telephone communications) gemacht werden, können beim Fehlen gegenteiliger Angaben nur während der Dauer der Kommunikation angenommen werden.1328 Dies muss auch bei VoIP- oder Chat-Gesprächen gelten. Für die Widerrufbarkeit des Angebots ist der die wirtschaftliche Prägung des US-amerikanischen Vertragsrechts reflektierende Grundsatz maßgeblich, dass keiner Partei die Möglichkeit eingeräumt werden soll, auf Kosten der anderen zu spekulieren. Hieraus folgt, dass Angebot und Annahme solange frei widerruflich sind, bis beide Parteien gebunden sind. Da dieser Zustand aber erst mit Zustandekommen des Vertrages eintritt, kann das Angebot grundsätzlich widerrufen werden.1329 Wann der Widerruf selbst wirksam wird, kann nicht einheitlich beantwortet werden. Zwar gilt grundsätzlich, dass die Widerrufserklärung des Zugangs bedarf, allerdings wird in einigen Bundesstaaten der Widerruf wie die Annahme behandelt.1330 Für die Wirksamkeit der Annahme bedarf es nämlich nicht zwangsläufig des Zugangs. Zwar wird beim „bilateral contract“, bei dem die Annahme durch Erklärung erfolgt1331, eine gegenüber einem Anwesenden abgegebene Annahmeerklärung erst mit Zugang beim Empfänger wirksam (§ 64 Restatement (Second) of Contracts). Wird die Annahme allerdings gegenüber einem Abwesenden erklärt, dann gilt die sogenannte Mailbox-Rule. Danach ist zum Schutz des Annehmenden der Widerruf des Angebots ausgeschlossen, sobald er die Annahmeerklärung abgeschickt hat.1332 Absendung (dispatch) liegt vor, wenn der Absender die Erklärung so auf den Weg zum Empfänger gebracht, dass sie seinen Machtbereich (possession) in Richtung auf den Empfänger verlassen hat.1333 Um aber zu verhindern, dass der Annehmende auf Kosten 1326

Rohwer/Skrocki, S. 45 ff. Rohwer/Skrocki, S. 45 f. 1328 Rohwer/Skrocki, S. 46. 1329 Borges, S. 146; Rohwer/Skrocki, S. 51. 1330 Rohwer/Skrocki, S. 53, der die Staaten Kalifornien, Montana, North Dakota und South Dakota nennt. Dies übersieht Borges, S. 146. 1331 Cheeseman, S. 149; Rohwer/Skrocki, S. 60, 65 f. 1332 § 63 Restatement (Second) of Contracts; Hogg/Bishop/Barnhizer, S. 159; Winn/ Wright, S. 5–22. 1333 § 63 (a) Restatement (Second) of Contracts; Pribil v. Ruther, 262 N.W2d 460, 462 (Neb. 1978); Borges, S. 148. 1327

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

des gebundenen Anbietenden spekuliert, ist auch er mit Absendung an die Annahme gebunden1334; dies gilt selbst dann, wenn er versucht, die Annahme vor Zugang beim Empfänger zu widerrufen.1335 Somit ist die Annahme grundsätzlich schon mit ihrer Absendung wirksam erklärt. Für die Verteilung des Fehler- und Verlustrisikos bedeutet die MailboxRule, dass der Anbietende das Übertragungsrisiko der Annahmeerklärung trägt.1336 (b) Sonderregel des § 112 UCITA Für die Wirksamkeit einer Zustimmung enthält der UCITA in § 112 (a) eine eigene Regelung, die aber zu keinem anderen Ergebnis führt als die allgemeinen Regeln, denn der Möglichkeit der Kenntnisnahme des Angebots und einer zustimmenden Willenserklärung bedarf es auch hier. Unter Verzicht auf das subjektive Willenselement gelten diese Voraussetzungen auch für elektronische Agenten (§ 112 (b) UCITA). Wichtiger ist daher § 112 (d) S. 1 UCITA, der das Ziel des UCITA unterstützt, eine Speicherung der Zustimmung zu Beweiszwecken entbehrlich zu machen, indem bereits der Beweis genügen soll, dass die Informationserlangung ein Verfahren voraussetzt, das ein zustimmendes Verhalten enthält. Darüber hinaus enthält § 112 (d) S. 2 UCITA eine fragwürdige Auslegungsregel für die konkludente Zustimmung, wonach diese jedenfalls immer dann vorliegen soll, wenn zweimal hintereinander zustimmendes Verhalten vorliegt. Diese Regelung ist unlogisch, denn es liegt bereits eine Zustimmung vor, wenn ein zustimmendes Verhalten gegeben ist. Die Regelung soll wohl das im elektronischen Geschäftsverkehr gängige Interface für den Vertragsschluss abbilden, bei dem der Kunde per Mausklick zweimal seine Zustimmung erklären muss, um Nachhaltigkeit zu bezeugen und Fehler zu verringern.1337 (c) Abgabe und Zugang elektronischer Erklärungen Da somit dem Zeitpunkt der Abgabe und des Zugangs auch nach USamerikanischem Recht für den Vertragsschluss entscheidende Bedeutung zu kommt, stellt sich die Frage, wann elektronische Erklärungen als abgegeben und zugegangen gelten. 1334

Borges, S. 148 f. Hogg/Bishop/Barnhizer, S. 159 f. 1336 Barneby v. Barron G. Collier, Inc., 65 F.2d 864, 868 (8th Cir. 1933); Vassar v. Camp, 11 N.Y. 441, 448 (Court of Appeals NY 1854); § 63 (a) Restatement (Second) of Contracts comment b; Hay, Rn. 297; Rohwer/Skrocki, S. 106. 1337 Wiebe, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 138, Rn. 18; Winn/Wright, S. 5–55. 1335

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(aa) Abgabe elektronischer Erklärungen Der ursprüngliche Ansatz des US-amerikanischen Vertragsrechts war es, die Abgabe einer elektronischen Erklärung anzunehmen, wenn sie an den PortServer gesandt wurde oder, falls der Erklärende über einen eigenen Server verfügt, wenn sie an den Router des Internet Service Providers gesendet wurde.1338 In § 15 (a) UETA ist nun ein anderer Grundsatz festgelegt. Danach setzt die Abgabe einer elektronischen Aufzeichnung (electronic record) voraus, dass sie ordnungsgemäß an das Datenverarbeitungssystem (information processing system) adressiert oder gerichtet ist, das der Empfänger zum Empfang elektronischer Aufzeichnungen bestimmt hat oder hierzu nutzt und von dem aus er die Aufzeichnung abrufen (retrieve) kann (§ 15 (a) (1) UETA). Dabei muss die Aufzeichnung in einem Dateiformat versandt werden, das vom Datenverarbeitungssystem des Empfängers gelesen werden kann (§ 15 (a) (2) UETA). Schließlich muss die Aufzeichnung ein Datenverarbeitssystem oder einen Bereich eines Datenverarbeitungssystem erreicht haben, der außerhalb der Kontrolle des Absenders liegt (§ 15 (a) (3) UETA). Da der Begriff „Datenverarbeitungssystems“ sehr weit zu verstehen ist, weil er jedes elektronische System zur Schaffung, Generierung, Versendung, Speicherung, Darstellung und Verarbeitung von Daten umfasst (§ 2 (11) UETA), können sowohl die einzelnen Ebenen des protocol stacks als auch Port-Server oder IAP-Router als Datenverarbeitungssystem verstanden werden. Aus diesem weiten Begriffsverständnis ergibt sich die Frage, ob die Nachricht bereits mit dem Eintritt in die TCP-Ebene als abgegeben gilt, da sie sich bereits zu diesem Zeitpunkt der unmittelbaren Kontrolle durch den Erklärenden entzieht, auch wenn sie sich noch in seiner Sphäre befindet1339, oder aber, ob die Abgabe erst vorliegt, wenn die Nachricht den Port-Server erreicht. Eine Antwort bietet der Kommentar zum UETA, wonach solange keine Absendung anzunehmen sei, wie sich die Nachricht innerhalb des Datennetzes des Absenders befinde und die Nachricht erst mit Erreichen eines Servers eines unabhängigen Providers abgegeben sei.1340 Diese Lösung ist wenig überzeugend, da die ihr zugrunde liegende Wertung unklar bleibt. Maßgeblich ist nicht allein die tatsächliche Kontrollmöglichkeit durch den Absender, denn auf die einzelne Nachricht kann der durchschnittliche Nutzer nur auf der Anwendungsebene Einfluss nehmen und schon dann nicht mehr, wenn sich die Nachricht noch in seinem Datennetz befindet. Insofern könnte man also daran denken, dass der Sphärengedanke 1338

Fasciano, 25 Hofstra L. Rev. 1997, 971, 996. Diese Frage stellt sich nicht, wenn man den Begriff „outside the control“ nicht streng wörtlich mit „außerhalb der Kontrolle“, sondern wie Borges, S. 169 mit „Machtbereich“ übersetzt. 1340 § 15 UETA comm. 2. 1339

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für die Kommentarlösung maßgeblich gewesen ist. Allerdings bedarf ein tragfähiger Sphärenansatz bei zweiseitiger Kommunikation gerade einer Aufteilung in zwei Sphären. Dritte müssen also jeweils einer Sphäre zugeordnet werden. Stellt man aber auf das Erreichen eines Servers ab, der von einem unabhängigen Dritten betrieben wird, ist das nur dann der Fall, wenn zwischen Eingang und Ausgang einer Nachricht in den dritten Server differenziert wird. Dass die Einteilung in zwei Sphären sinnvoll ist, zeigt sich dann vor allem bei einem Vergleich zwischen einem Unternehmen, das einen eigenen Server betreibt, und einen Unternehmen, das einen Server eines Providers benutzt. Bei Anwendung der Kommentarlösung würde in erstem Fall die Nachricht erst mit Erreichen des IAP-Routers abgegeben sein, während sie in zweiterem Fall schon mit Erreichen des Servers des Providers abgegeben ist. Gründe für diese unterschiedliche Behandlung sind indes nicht ersichtlich. (bb) Zugang elektronischer Erklärungen Zunächst wurde unter Übertragung allgemeiner vertragsrechtlicher Grundsätze angenommen, dass eine elektronische Erklärung zugeht, wenn sie in der Empfangsvorrichtung des Empfängers gespeichert ist.1341 Scheitert die Speicherung, sollte, sofern die Empfangsvorrichtung nicht fehlerhaft funktioniert, kein Zugang vorliegen.1342 In § 15 (b) (1) UETA ist nun festgehalten, dass eine elektronische Aufzeichnung als zugegangen gilt, wenn sie ein Datenverarbeitungssystem erreicht, das der Empfänger zum Empfang elektronischer Aufzeichnungen der gesendeten Art1343 bestimmt hat oder hierzu nutzt und von dem aus er die Aufzeichnung abrufen kann. Dabei muss auch hier die Aufzeichnung in einem Dateiformat vorliegen, das vom Datenverarbeitungssystem des Empfängers gelesen werden kann (§ 15 (b) (2) UETA). Eine elektronische Erklärung geht also zu, wenn sie den Server erreicht, von dem der Empfänger die an ihn gerichtete Nachrichten abruft. Aus § 15 (b) (1) UETA ergibt sich, dass es nicht darauf ankommt, ob der Empfänger den Server selbständig betreibt oder ob er den Server eines eigenständigen Providers nutzt.1344 Es ist nämlich nicht vom Datenverarbeitungssystem des Empfängers die Rede, sondern von einem Datenverarbeitungssystem, das der Empfänger nutzt. Anders als bei der Abgabe von elektronischen Erklärungen 1341

Fasciano, 25 Hofstra L. Rev. 1997, 971, 997. Fasciano, 25 Hofstra L. Rev. 1997, 971, 998. 1343 Hierdurch soll sichergestellt werden, dass ein Empfänger, der über mehrere Emailadressen verfügt, eine oder mehrere Emailadressen für bestimmte Arten von Emails auswählen kann und dann beispielsweise nicht damit rechnen muss, dass auch geschäftliche Nachrichten, die an seine Privatadresse gesandt werden, ohne weiteres als zugegangen gelten, vgl. Boss, 37 Idaho Law Review 2001, 276, 329 f. 1344 So wohl auch Borges, S. 171. 1342

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macht es also beim Zugang von elektronischen Erklärungen nach dem UETA keinen Unterschied, ob ein Unternehmen über einen eigenen Server verfügt oder den Server eines unabhängigen Providers benutzt. Fraglich bleibt indes, ob Zugang vorliegt, wenn die Erklärung nicht gespeichert werden kann, und ob es hinsichtlich der Lesbarkeit des Dateiformats darauf ankommt, dass die Erklärung in dem Format überlicherweise verarbeitet werden kann, oder ob der Empfänger dazu in der Lage sein muss.1345 Der UCITA regelt in § 102 (a) (53) UCITA den Zugang von elektronischer Kommunikation. Dabei wird zwischen einer elektronischen Kommunikation, die eine elektronische Erfüllung darstellt, und einer elektronischen Erklärung differenziert. Die Regelung für den Zugang von elektronischen Erklärungen in § 102 (a) (53) (B) UCITA entspricht weitestgehend der Regelung in § 15 (b) UETA. Für die elektronische Erfüllung kommt es hingegen darauf an, dass der Besitz oder die Kontrolle über die Information wechselt (§ 102 (a) (53) (A) UCITA). Die Unterschiedlichkeit der Regelungen für die elektronische Erfüllung einerseits und die elektronische Erklärung andererseits macht indes nur vor dem Hintergrund der rechtsdogmatischen Unterscheidung zwischen Erfüllung und Zugang Sinn, denn in tatsächlicher Hinsicht wird in beiden Fällen das technische Schichtenmodell durchlaufen. (d) Die Anwendung der Mailbox-Rule bei elektronischen Erklärungen Somit ist zwar zumindest im Rahmen des UETA geklärt, wann elektronische Erklärungen als abgegeben beziehungsweise zugegangen gelten, aber noch nicht, ob der Vertragsschluss zum Zeitpunkt der Abgabe oder zum Zeitpunkt des Zugangs der Annahmeerklärung erfolgt.1346 Da weder UETA noch ESIGN hierzu eine Aussage treffen1347, ist entscheidend, ob die für den traditionellen Postweg entwickelte Mailbox-Rule auch auf elektronische Erklärungen Anwendung findet. Wäre dies der Fall, käme ein Vertrag schon dann zustande, wenn die Erklärung den Port-Server auf Seiten des Annehmenden erreicht beziehungsweise, wenn er diesen selbst betreibt, wenn die Erklärung den IAP-Router auf Seiten des Annehmenden erreicht. Ist aber die MailboxRule nicht anwendbar, wäre ein Vertrag erst geschlossen, wenn die Annahmeerklärung zum IAP-Router auf Seiten des Empfängers gelangt. Aufgrund der hohen Übertragungsgeschwindigkeit wird sich hieraus in einer Vielzahl 1345

Borges, S. 171. Dies verkennt Uhlmann, S. 95, wenn er davon ausgeht, dass mit der Schaffung von §§ 15 (b), (e) UETA die Mailbox-Rule bei elektronischer Kommunikation nicht mehr anzuwenden ist. 1347 Der Entwurf des UETA enthielt zunächst eine Vorschrift, dass eine elektronische Aufzeichnung erst mit ihrem Zugang beim Empfänger wirksam sein sollte, allerdings wurde diese Vorschrift später aus dem Entwurf gestrichen, vgl. Boss, 37 Idaho Law Review 2001, 276, 335. 1346

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von Fällen zwar kein praktischer Unterschied ergeben. Für die Frage, wer das Risiko für Übertragungsprobleme trägt, ist eine theoretische Klärung wichtig. Nach allgemeiner Meinung gilt die Mailbox-Rule nur bei Erklärungen gegenüber Abwesenden; bei fernmündlicher oder anderer beidseitiger Kommunikation ohne nennenswerte Zeitverzögerung (substantial instantaneous two-way communication) findet sie hingegen keine Anwendung.1348 Über die Schlussfolgerung, die hieraus für die Anwendbarkeit der Mailbox-Rule auf elektronische Kommunikation zu ziehen ist, gehen die Literaturmeinungen in Ermangelung einschlägiger Gerichtsentscheidungen1349 auseinander. Während ein Teil der Literatur die Mailbox-Rule auch bei Emails1350 und EDI-Nachrichten1351 grundsätzlich nicht anwenden will, weil es aufgrund der kurzen Übertragungszeit, des Schutzes des Annehmenden vor Widerruf des Angebots und des Anbietenden vor Spekulation des Annehmenden nicht bedürfe1352, werden auch Auffassungen vertreten, die nicht auf die Übertragungszeit abstellen. So wird vereinzelt vorgeschlagen, die Mailbox-Rule nur bei Verträgen anzuwenden, die auf Märkten mit kurzfristigen Preisschwankungen abgeschlossen werden.1353 Ein anderer Teil der Literatur will die Mailbox-Rule bei Emails1354 und allen elektronisch abgeschlossenen Verträgen anwenden, bei denen die Parteien nicht sofort unmittelbar aufeinander reagieren können, weil keine zweiseitigen Kommunikationsverbindung mit Rückfragemöglichkeit besteht.1355 Es besteht im US-amerikanischen Recht beim Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel mithin keine Rechtssicherheit über den Vertragsschlusszeitpunkt. Indes weist Boss auf die Wichtigkeit dieser Frage hin und belegt ihre Aussage damit, dass viele EDI-Rahmenverträge eine entsprechende Vereinbarung enthalten.1356 Im Gegensatz zu E-SIGN und UETA ist in den §§ 203 (4) (A), 214 (a) UCITA durch den Gesetzgeber entschieden worden, dass die Mailbox-Rule bei Verträgen über Computerinformationen nicht anwendbar ist, sondern die mit elektronischen Mitteln erklärte Annahme erst mit Zugang beim Empfänger wirksam wird. Erfolgt die Annahme durch Leistung, so ist der Vertrag mit Erhalt der Leistung geschlossen (§ 203 (4) (B) UCITA).

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§ 64 Restatement (Second) of Contracts; Delta/Matsuura, S. 10–12; Hogg/ Bishop/Barnhizer, S. 159; Winn/Wright, S. 5–23. 1349 Das Fehlen von einschlägigen Gerichtsentscheidungen stellt Borges, S. 177 heraus. 1350 Cordes, S. 175. 1351 Eiseler, 79 Ky. L.J. 1991, 557, 583; Fasciano, 25 Hofstra L. Rev. 1997, 971, 986. 1352 Eiseler, 79 Ky. L.J. 1991, 557, 583; in diese Richtung auch Winn/Wright, S. 5–23. 1353 Delta/Matsuura, S. 177. 1354 Fasciano, 25 Hofstra L. Rev. 1997, 971, 1003. 1355 Borges, S. 182 ff. 1356 Boss, 37 Idaho Law Review 2001, 276, 336.

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(e) Wirkung einer Empfangsbestätigung Im elektronischen Geschäftsverkehr ist es üblich, eine Benachrichtigung über den Erhalt einer elektronischen Nachricht zu übermitteln. Diese Benachrichtigung beweist den Zugang der übermittelten Nachricht (§ 15 (f) UETA/§ 214 (b) UCITA), nicht aber, dass der Inhalt der übermittelten und der empfangenen Nachricht identisch sind. (f) Ort des Vertragsschlusses Da die Anwendbarkeit der Mailbox-Rule bei Verträgen unklar ist, die mittels elektronischer Kommunikation geschlossen werden, ist auch der Ort des Vertragsschlusses, nämlich der Ort der Abgabe der Erklärung oder der Ort des Zugangs der Erklärung, nicht eindeutig zu bestimmen.1357 Immerhin legt § 15 (d) UETA fest, dass der Ort der Abgabe einer Erklärung der Unternehmenssitz des Absenders und der Ort des Zugangs der Unternehmenssitz des Empfängers ist, so dass es nicht auf den Standort eines Datenverarbeitungssystems ankommt. Unerheblich ist damit auch, wo sich der Absender oder Empfänger gerade befindet.1358 Er kann also beispielsweise seine Emails irgendwo in der Welt abrufen; als zugegangen gelten sie am Unternehmenssitz. (g) Zwischenergebnis Unterhält ein Unternehmen einen eigenen Server, so ist die Erklärung mit Erreichen des IAP-Routers abgegeben. Bedient sich das Unternehmen des Servers eines Providers, ist die Erklärung bereits mit Erreichen dieses Servers abgegeben. Zugegangen ist eine elektronische Erklärung, wenn sie den Server erreicht, von dem der Empfänger die an ihn gerichteten Nachrichten abruft. Es ist im US-amerikanischen Recht ungeklärt, ob der Vertragsschluss zum Zeitpunkt der Abgabe oder zum Zeitpunkt des Zugangs der Annahmeerklärung erfolgt, da die Anwendbarkeit der Mailbox-Rule sehr umstritten ist. Daher bestehen Unsicherheiten hinsichtlich des Ortes des Vertragsschlusses. (3) Kongruenz von Angebot und Annahme Für einen wirksamen Vertragsschluss müssen Angebot und Annahme inhaltlich kongruent sein.1359 Für dieses als „mirror image“-Rule bezeichnete Erfordernis galt ursprünglich ein äußerst strenger Maßstab.1360 Auch geringe Abweichungen von den Vorgaben des Angebots wurden wegen fehlender 1357

Auf dieses Problem weisen auch Delta/Matsuura, S. 10–13 hin. Fry, 37 Idaho Law Review 2001, 237, 268. 1359 § 58 Restatement (Second) of Contracts; Borges, S. 141. 1360 Vgl. mit Beispiel Delta/Matsuura, S. 10–4. 1358

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Übereinstimmung als Gegenangebot gewertet. Beispielsweise konnte bereits der Einsatz eines im Angebot nicht vorgesehenen Kommunikationsmittels zur Übermittlung des Angebots dazu führen, dass mangels Übereinstimmung zwischen Angebot und Annahme kein Vertrag zustande kam. Die strenge „mirror image“-Rule führte auch dazu, dass bei Verwendung widersprechender AGB („battle of the forms“) kein Vertragsschluss anzunehmen war.1361 Vielmehr lag ein Gegenangebot vor, das vom ursprünglich Anbietenden als angenommen galt sofern er nicht widersprach und mit der Leistungsausführung begann. Es galten also diejenigen AGB, die zuletzt gesendet wurden und ohne Widerspruch geblieben waren („last shot rule“).1362 (a) Freiheit bei der Wahl des Kommunikationsmittels für die Annahmeerklärung Die für den Geschäftsverkehr äußerst unpraktische „mirror image“-Rule ist allerdings wesentlich abgeschwächt worden.1363 Namentlich § 2–206 (1) UCC und § 203 (1) UCITA schreiben nun vor, dass die Annahme auf jede Weise und mit jedem angemessenen (reasonable) Mittel erklärt werden kann, solange nicht im Angebot eindeutig etwas anderes bestimmt ist. Kriterien für die Angemessenheit des Kommunikationsmittels sind das Kommunikationsmittel, das der Anbietende selbst genutzt hat, und die Üblichkeit des Einsatzes eines Mediums in ähnlichen Geschäften.1364 Für die elektronische Übermittlung einer Annahmeerklärung bedeutete dies, dass sie möglicherweise unangemessen ist, wenn das Angebot nicht elektronisch übermittelt worden ist und der Einsatz elektronischer Kommunikation bei Geschäften dieser Art unüblich ist.1365 Die Konsequenzen der Nutzung eines im Angebot nicht vorgesehenen und unangemessenen Kommunikationsmittels sind indes unklar. Während nach einem strengen Ansatz dann kein Vertrag zustande kommen soll, wird auch vertreten, dass zwar ein Vertrag geschlossen wird, der Vertragsschlusszeitpunkt allerdings nicht wie gewöhnlich das Absenden der Annahmeerklärung sei, sondern erst ihr Zugang beim Anbietenden1366. In § 67 Restatement (Second) of Contracts wird hingegen vorgeschlagen, auch eine Annahme mit einem nicht vorgesehenen und unangemessenen Kommunikati1361

Rohwer/Skrocki, S. 77 f. Hogg/Bishop/Barnhizer, S. 199; vgl. auch die Darstellung in Step-Saver Data Systems, Inc. v. Wyse Technology and The Software Link, Inc., 939 F.2d 91, 99 (3d Cir. 1991). 1363 Delta/Matsuura, S. 10–4. 1364 Borges, S. 143. 1365 Daran ändern auch UETA und E-SIGN nichts, denn die Unwirksamkeit der Erklärung ergibt sich hier dann nicht aus ihrer elektronischen Natur, wie es § 7 (a) UETA und § 101 (a) (2) E-SIGN verbieten, sondern aus der Unangemessenheit in Bezug auf das Angebot. 1366 So Rohwer/Skrocki, S. 61. 1362

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onsmittel mit der Absendung der Annahmeerklärung als wirksam anzusehen, sofern es dem Empfänger in der gleicher Zeit zugeht, die ein vorgesehenes oder angemessenes Kommunikationsmittel benötigt hätte. Allerdings dürfte im Handelsverkehr die Nutzung gängiger elektronischer Kommunikation wie Email auch dann als angemessen anzusehen sein, wenn die Nutzung der Email zur Übermittlung von rechtsgeschäftlichen Erklärungen zwischen den Parteien zuvor nicht üblich war und das Angebot mit anderen Medien übermittelt wurde.1367 (b) Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen Ein weitere Abschwächung der „mirror image“-Rule ist für Kaufverträge in § 2–207 (1) UCC und für Verträge über Computerinformation in § 204 (b) UCITA enthalten, wonach ein Vertrag auch dann zustande kommt, wenn die Annahme zusätzliche oder vom Angebot abweichende Bedingungen enthält.1368 Entscheidend ist allein, dass der Wille zum Ausdruck kommt, ohne weitere Zustimmung (assent) seitens der anderen Partei gebunden zu sein. Der Vertragsschluss scheitert daher nicht zwangsläufig, wenn die Parteien bei Angebot und Annahme auf sich widersprechende AGB verweisen. Neben dem Problem sich widersprechender AGB ist, insbesondere beim Erwerb von Software, die wirksame Einbeziehung der AGB oft auch dann schon fraglich, wenn nur AGB auf Seiten des Verkäufers gestellt werden. Hierbei sind rechtlich zwei Problembereiche zu unterscheiden, denn einerseits kann die Wirksamkeit der Art des Stellens umstritten sein (procedural unconscionableness), andererseits kann eine AGB-Klausel in inhaltlicher Hinsicht eine unangemessene Benachteiligung der anderen Vertragspartei darstellen (substantial unconscionableness).1369 Während aber der Einsatz 1367 Anders wohl Borges, S. 176, der zwar keine gesonderte Aussage zum Handelsverkehr trifft, aber selbst aus dem Umstand, dass eine Person auf ihrer Visitenkarte ihre Emailadresse angibt, nicht ohne weiteres auf das Einverständnis zur Übermittlung geschäftlicher Erklärungen an die Mailbox schließen will. 1368 Der Vertrag kommt dann mit dem Inhalt des Angebots zustande. Die zusätzlichen und abweichenden Bedingungen sind allein als Angebot zur Vertragsmodifikation anzusehen (§ 2–207 (2) UCC, § 204 (d) UCITA). Sind allerdings beide Parteien Kaufleute, dann wird der Vertrag auch bei Schweigen der Gegenseite unter Umständen modifiziert. Ergibt sich hingegen aus den ausgetauschten Schriftstücken der Parteien kein Vertragsschluss, ist aber ihr Verhalten ausreichend, um auf das Bestehen eines Vertrages zu schließen, dann sind nur die Bedingungen Vertragsbestandteil, die sich nicht widersprechen, während ansonsten auf das dispositive Recht zurückgegriffen wird (§ 2–207 (3) UCC, § 210 (a) UCITA). Ausführlich zum Ganzen Rohwer/Skrocki, S. 82 ff. 1369 Lejeune, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 161, Rn. 11; Uhlmann, S. 137 spricht von formeller und materieller Sittenwidrigkeit. In § 211 (3) Restatement (Second) of Contracts von 1981 ist angedeutet, dass überraschende Klauseln nicht Vertragsinhalt werden: „Where the other party has reason to

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elektronischer Kommunikation bei Vertragsabschluss und/oder Vertragsabwicklung hinsichtlich der unangemessenen Benachteiligung nicht zu neuen Problemen führt1370, ist die Art des Stellens aufgrund der Nutzung von ClickWrap- und Browse-Wrap-Vereinbarungen bei elektronischen Verträgen besonders problematisch. Zu diesen Einbeziehungsmethoden und zu der beim klassischen Erwerb von Software auf einer Diskette oder CD-ROM verwendeten „Shrink-Wrap“ Vereinbarung hat sich in den USA eine umfangreiche Judikatur herausgebildet. Diese dreht sich letztlich um den zentralen Punkt, ob der Erwerber den AGB auf irgendeine Art und Weise zugestimmt hat.1371 Insbesondere steht die Zustimmung durch bloßes Schweigen beziehungsweise Nichtstun in der Diskussion. Hinsichtlich der Wirksamkeit der Einbeziehung von AGB Shrink-Wrap Vereinbarungen gibt es keine einheitliche Rechtsprechung.1372 So hielt beispielsweise das Third US Circuit Court of Appeals in der Entscheidung StepSaver Data Systems, Inc. v. Wyse Technology eine Haftungsbeschränkung für nicht wirksam einbezogen, da es sich um einen wesentlichen Punkt handele, bei dem es einer ausdrücklichen Zustimmung bedürfe (§ 2–207 (2) UCC).1373 Dagegen nahm der Seventh US Circuit Court of Appeals in ProCD, Inc. v. Zeidenberg eine Zustimmung des Erwerbers zu einer Lizenzvereinbarungen an, deren Bedingungen innerhalb einer Softwareverpackung aufgedruckt waren und bei der die Möglichkeit bestand, die Bedingungen zu lesen und sie durch Rückgabe des Produkts abzulehnen.1374 Die bei letzterer Entscheidung believe that the party manifesting such assent would not do so if he knew that the writing contained a particular term, the term is not part of the agreement.” 1370 Der völlige Haftungsausschluss wird (mit Ausnahme von Personenschäden) allgemein als zulässig angesehen, so dass die Unwirksamkeit aufgrund einer unangemessenen Benachteiligung nur in Ausnahmefällen, die im Bereich der Sittenwidrigkeit liegen müssen, in Betracht kommt. Ferner ist die geltungserhaltende Reduktion im US-Recht zulässig. Vgl. zum Ganzen Lejeune, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 161, Rn. 11. 1371 Vgl. Winters, 169 N.J.L.R. 2002, 686, 689. 1372 Insofern fehlerhaft Lejeune, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 161, Rn. 3, der von einer Wende zugunsten der Anerkennung von Shrink-Wrap Vereinbarungen spricht. 1373 Step-Saver Data Systems, Inc. v. Wyse Technology, 939 F.2d 91, 105 (3d Cir. 1991); ähnlich Softman Products Company, Inc., LLC, v. Adobe Systems Inc., 171 F. Supp. 2d 1075, 1087 f. (C.D. Cal. 2001); Wachter Management Co v. Dexter & Chaney, Inc., 144 P.3d 747, 752 (Kans 2006). Zu der Frage, ob § 2–207 UCC auch auf Verbraucherverträge anwendbar ist, vgl. Hogg/Bishop/Barnhizer, S. 296. 1374 ProCD, Inc. v. Zeidenberg, 86 F.3d 1447, 1450 f. (7th Cir. 1996); ähnlich Hill v. Gateway 2000, Inc., 105 F.3d 1147, 1149 (7th Cir. 1997); Brower v. Gateway 2000, Inc., 676 N.Y.S.2d 569, 572 f. (N.Y. App. Div. 1998); M.A. Mortenson Company, Inc., v. Timberline Software Corporation, 140 Wn.2d 568, 583 (Wash. 2000); ähnlich auch § 2.02 (c) (3) ALI Principles.

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vertretene Ansicht, dass Verträge auch nach der Maßgabe „money now, terms later“ geschlossen werden können, wird teilweise als neues Paradigma des Vertragsrechts bezeichnet.1375 Der Uneinheitlichkeit bei Shrink-Wrap Vereinbarungen steht eine im Wesentlichen homogene Rechtsprechung zu Click-Wrap-Vereinbarungen gegenüber. Die Mehrheit der Gerichte sehen, wie in i.Lan Systems, Inc. v. NetScout Service Level Corp., in dem Mausklick auf das Kästchen „I agree“ eine ausdrückliche Zustimmung zu den AGB.1376 Liegt eine solche Zustimmung vor, ist der Umfang der AGB dann unerheblich.1377 Die Zustimmung darf aber nicht so ausgestaltet sein, dass sie von jedem Besucher losgelöst vom konkreten Vertrag bereits beim ersten Besuch der Webseite abgegeben werden muss.1378 Da es bei den Browse-Wrap-Vereinbarungen eines zustimmenden Mausklicks seitens des Erwerbers nicht bedarf, ist die Rechtslage hier unklar. Ähnlich wie bei den Shrink-Wrap Vereinbarungen existiert unterschiedliche Rechtsprechung.1379 In Rechtsprechung und Literatur wird die Differenzierung zwischen ClickWrap und Browse-Wrap vereinzelt kritisiert und gefordert, entscheidend auf die angemessene Kenntnis der fraglichen Bedingungen (adequate notice of the terms in question) abzustellen.1380 Allerdings führt auch diese Ansicht nicht zu anderen Ergebnissen. Denn während bei einem Mausklick auf das Kästchen „I agree“ eine Kenntnisnahme der Bedingungen anzunehmen ist und damit AGB auch beim Abstellen auf die angemessene Kenntnis in der für 1375

Hogg/Bishop/Barnhizer, S. 295; kritisch Eiselen, 116 South African Law Journal 1996, 323, Rn. 14. 1376 i.Lan Systems, Inc. v. NetScout Service Level Corp., 183 F. Supp. 2d 328, 337 (D. Mass. 2002); ähnlich Caspi v. The Mircosoft Network, L.L.C., 323 N.J. Super. 118, 122 (N.J.Super. App. Div. 1999); Hotmail Corp. v. Van Money Pie, Inc., 1998 U.S. Dist. LEXIS 10729, 1, 17 (N.D. Cal. 1998); Feldman v. Google, Inc. 513 F. Supp. 2d 229, 237 (E.D. Pa. 2007); Riensche v Cingular Wireless, L.L.C., 2006 US Dist. LEXIS 93747, 1, 5 (W.D. Wash. 2006). 1377 In Scarella v. America Online, 798 N.Y.S. 2d 348, 348 (N.Y. City Civ. Ct. 2004) nahm beispielsweise das Gericht eine wirksame Einbeziehung der AGB an, obwohl die AGB aus Text im Umfang von 91 Computerbildschirmen bestanden. Ähnlich Forrest v. Verizon Communications, Inc., 805 A.2d 1007, 1009 (D.C. 2002), wo die Vereinbarung aus dreizehn Computerbildschirmen Text bestand. 1378 Ticketmaster Corp. v. Tickets.com, 2000 U.S. Dist. LEXIS 4553, 1, 7 ff. (C.D. Cal. 2000). 1379 Für die wirksame Einbeziehung: Register.com v. Verio, Inc., 126 F. Supp. 2d 238, 247 (S.D.N.Y. 2000); Stenzel v. Dell, Inc., 870 A.2d 133, 140 (Me. 2005); dagegen: Specht v. Netscape Communications Corp., 150 F. Supp. 2d 585, 595 f. (S.D.N.Y. 2001); Defontes v. Dell Computers Corporation, 2004 R.I. Super. LEXIS 32, 1, 17 (R.I. 2004); offen gelassen: Pollstar v. Gigmania Ltd., 170 F. Supp. 2d 974, 982 (E.D. Cal. 2000). 1380 Hotels.com, L.P. v. Canales, 195 S.W3d 147, 155 f. (Tex. Ct. App. 2006).

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Click-Wrap-Vereinbarungen typischen Situation regelmäßig wirksam einbezogen sind1381, ist die Kenntnisnahme der Bedingungen bei Browse-WrapVereinbarungen gerade fraglich. Daher bringt auch die Gegenansicht für den Fall, dass kein zustimmender Mausklick verlangt wird, keine höhere Rechtssicherheit. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Einbeziehung von AGB haben im Wesentlichen in den UCITA und die ALI Principles Eingang gefunden und darüber hinaus eine gewisse Klarstellung erfahren. Nach den §§ 208, 209 UCITA/§ 2.02 (b), (c) ALI Principles muss nämlich die andere Vertragspartei den Bedingungen zugestimmt haben.1382 Dies kann sowohl vor als auch nach der ursprünglichen Einigung erfolgen, setzt aber in jedem Fall voraus, dass eine Möglichkeit zur Kenntnisnahme bestand (§§ 208 (2), 209 (b) UCITA/§ 2.02 (c) (1) ALI Principles).1383 Damit bleibt es möglich, Verträge nach der Maßgabe „money now, terms later“ zu schließen.1384 Jedoch entbindet dieses Vorgehen nicht von der Notwendigkeit der Zustimmung. Bloßes Schweigen oder Nichtstun reicht also für einen Vertragsschluss nicht aus und zwar auch dann nicht, wenn eine angemessene Möglichkeit zur Kenntnisnahme bestand. Um den §§ 208, 209 UCITA zu entsprechen, müssen also die Möglichkeit der Kenntnisnahme und Zustimmung kumulativ vorliegen. Demgemäß sind Click-Wrap-Vereinbarungen regelmäßig wirksam, Browse-Wrap-Vereinbarungen allerdings nur dann, wenn seitens des Erwerbers ein Zustimmungsakt vorliegt.1385 Eine Weiterentwicklung des Prinzips „money now, terms later“ ist im Handelsverkehr zu beobachten. Hier wird im Vertrag, manchmal auch in der 1381

A.A. Moringiello, Rutgers L. Rev. 2004/05, 1307, 1330. Allerdings ist fraglich, ob §§ 208, 209 UCITA auch bei Handelsverträgen anwendbar sind, denn § 209 UCITA spricht von Bedingungen bei Massenmarktlizenzen (massmarket license). Hierunter sind gemäß § 102 (a) (44), (45) UCITA Standardverträge zu verstehen, die bei Verbrauchergeschäften oder bei Einzelhandelsgeschäften verwendet werden, bei denen ein End User License Agreement (EULA) vorliegt, die an einen unbestimmten Adressatenkreis gerichtet sind und bei denen keine Individualsoftware Vertragsgegenstand ist (§ 102 (a) (44), (45) UCITA). Sofern der Endkunde aber ein Unternehmen ist und das Geschäft aus gewerblichen Zwecken abschließt, ist die Vorschrift wohl auch bei Handelsverträgen anzuwenden. Lehnt man dies, wie Lejeune, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 161, Rn. 6, ab, bleibt es bei den Grundsätzen der Rechtsprechung. 1383 Vgl. § 209 UCITA comm. 5. 1384 In diesem Fall sind dann allerdings nicht die Safe Harbor-Voraussetzungen aus § 2.02 (c) ALI Principles erfüllt, bei deren immer ein Vertragsschluss unterstellt wird. Ein Vertrag kann gemäß § 2.02 (b) ALI Principles dennoch vorliegen, bedarf aber der wertenden Einzelfallbetrachtung. 1385 Click-Wrap-Vereinbarungen erfüllen regelmäßig die Safe Harbor-Voraussetzungen § 2.02 (c) ALI Principles, für Browse-Wrap-Vereinbarungen gilt § 2.02 (b) ALI Principles, vgl. Hillman/O’Rourke, 84 Tulane Law Review 2010, 1519, 1532. 1382

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Rechnung, auf ein anderes Dokument verwiesen, das auf der Unternehmenswebseite abrufbar sei und weitere Vertragsbedingungen enthalte. Dieses Vorgehen hält die aktuelle Rechtsprechung ganz überwiegend für wirksam, sofern das Dokument, auf das verwiesen wird, eindeutig beschrieben und leicht erlangbar ist.1386 In dem ähnlichen Fall, dass eine Vertragsklausel es einer Partei erlaubt, ohne Zustimmung der anderen Partei, die Vertragsbedingungen zu ändern, erklärt § 304 (b) UCITA das Vorgehen für wirksam, sofern die andere Partei angemessen über die Veränderung unterrichtet und ihr bei einer Verwendung von AGB im Änderungsfall ein Kündigungsrecht zugestanden wird. Da die Art der Unterrichtung zwischen den Parteien vereinbart werden kann (§ 304 (c) UCITA), soll es sogar ausreichend sein, wenn die Vertragsänderung auf der Unternehmenswebseite veröffentlicht wird.1387 In einer Entscheidung ist sogar eine wirksame Vertragsänderung angenommen worden, als bei einem elektronischen Handelsvertrag eine Partei in ihre AGB nachträglich eine Schiedsklausel einfügte und dies auf ihrer Webseite veröffentlichte, die andere Vertragspartei hierüber aber nicht informierte.1388 (4) Elektronische Agenten Einigkeit besteht in den USA darüber, dass Angebot und Annahme oder andere Willenserklärungen auch von elektronischen Agenten abgegeben werden können.1389 Dies reflektieren dann auch § 14 UETA, § 101 (h) E-SIGN und § 206 UCITA, wonach Verträge sowohl durch das Zusammenwirken von elektronischen Agenten und natürlichen Personen als auch durch den Austausch von Erklärungen durch elektronische Agenten untereinander geschlossen werden können. Eine Definition des Begriffs „elektronische Agenten“ findet sich in § 2 (6) UETA. Danach sind elektronische Agenten Computerprogramme oder elektronische oder andere automatisierte Mittel, die unabhängig genutzt werden, um ohne zwischengeschaltete menschliche Nachprü1386

Hugger-Mugger, LLC v. NetSuite, Inc., 2005 US Dist. LEXIS 33003, 1, 14 (D. Utah 2005); Affinity Internet, Inc. v. Consolidated Credit Counseling Services, Inc., 920 So.2d 1286, 1288 (Fla. Dist. Ct. App. 2006); International star registry of Illinois v. Omnipoint Marketing LLC, 2006 US Dist LEXIS 68420, 1, 9 ff. (ND Ill 2006); fraglich ist allerdings, ob eine Gerichtsstandvereinbarung wirksam ist, auf die erst in der Rechung verwiesen wird, ablehnend: Lively v. Ijam, Inc., 114 P3d 487, 493 (Okla. Civ. App. 2005). Auch das Offenlassen bestimmter Punkte steht einem wirksamen Vertragsschluss nicht entgegen (§ 202 (c) UCITA), vgl. hierzu auch Wiebe, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 121, Rn. 13 ff., der diesbezüglich vom „layered contract“ spricht. 1387 Braucher, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 1, Rn. 18. 1388 Margae, Inc. v. Clear Link Technologies, LLC, 2008 WL 2465450 (D. Utah 2008). 1389 Für eine Besprechung der Leitentscheidung Corinthian Pharmaceutical Systems v. Lederle Laboratories, 724 F.Supp. 605 (S.D. Ind. 1989) vgl. Borges, S. 164.

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fung oder Handlung eine Aktion auszulösen oder auf elektronische Aufzeichnungen oder Leistungen zu antworten.1390 Die Vorschriften § 14 UETA und § 101 (h) E-SIGN mögen zwar Unsicherheiten über die rechtliche Gleichstellung von rein menschlichem Handeln und Handeln durch einen elektronischen Agenten beim Vertragsschluss beseitigen, sie können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass beim Einsatz von elektronischen Agenten Probleme auftreten können, die bei der traditionellen Geschäftsabwicklung nicht oder in nur geringerem Maße bestehen. Insbesondere das faktische Problem der Feststellung eines Rechtsbindungswillen scheint in verstärktem Maße aufzutreten. So wurde beispielsweise im Fall Internet Archive v. Shell ein elektronischer Agent eingesetzt, der Informationen von anderen Webseiten kopierte, um sie in einem virtuellen „Archiv“ für zukünftige Generationen zu speichern.1391 Dabei wurden auch von einer Webseite Informationen kopiert, die einen Hinweis enthielten, dass bei jeder Kopie ein Vertrag über eine Vergütung in Höhe von USD 5.000 pro kopierter Seite geschlossen würde. Somit stellte sich die Frage, ob ein Vertrag zustande gekommen war, obwohl das kopierende Unternehmen den elektronischen Agenten gar nicht einsetzte, um Verträge abzuschließen. Wie § 14 UETA und § 101 (h) E-SIGN liefert auch der weitergehende § 206 UCITA diesbezüglich keine Auslegungshilfe. Nach § 206 (a) UCITA kann das Gericht zwar bei Betrug oder Willensmängeln angemessenen Rechtschutz bieten (grant appropriate relief), was im Umkehrschluss bedeutet, dass der Vertrag trotz Betrug oder Willensmängel zunächst als wirksam geschlossen gilt. Allerdings befreit dies nicht vom Vorliegen eines Rechtsbindungswillen, für dessen Feststellung nicht danach zu fragen ist, ob er anzunehmen wäre, wenn an Stelle des elektronischen Agenten eine natürliche Person gehandelt hätte, sondern ob die Parteien die Agenten zum Abschluss von Verträgen eingesetzt haben1392. Ist dies zu bejahen und kommt es trotzdem zu einer unerwarteten Interaktionen zwischen zwei Agenten, bleibt es bei der Anwendung der Regel über Willensmängel1393. Im Fall Internet Archive v. Shell musste das Gericht die Frage, ob ein Vertrag geschlossen worden war, aus prozessualen Gründen nicht entscheiden. Es deutete jedoch an, dass es möglicherweise an einem wirksamen Vertragsschluss fehlte. Dieses Ergebnis überzeugt, denn der elektronische Agent wurde hier nicht dazu eingesetzt, um Verträge abzuschließen, sondern um „kostenlos“ Informationen zu speichern.

1390

Die Defintion in § 102 (a) (27) UCITA ist identisch. Zu den Eigenschaften von elektronischen Agenten vgl. ferner Cornelius, MMR 2002, 353, 353. 1391 Internet Archive v. Shell, 505 F. Supp. 2d 755, 760 ff. (D. Colo. 2007). 1392 Ähnlich § 206 UCITA comm. 2. 1393 So wohl auch § 206 UCITA comm. 3.

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Darüber hinaus stellt § 206 (b) UCITA eine Sonderregel für den Vertragsschlusses beim Zusammenwirken von elektronischen Agenten und natürlichen Personen auf. Demgemäß ist der Vertrag geschlossen, wenn die natürliche Person eine freiwillige Handlung vornimmt oder Aussage trifft, von der sie wissen muss, dass sie den elektronischen Agenten zur vertraglichen Leistungserbringung veranlasst, oder die unabhängig von anderem Verhalten, von dem die Person weiß, dass der elektronische Agent hierauf nicht reagieren kann, Zustimmung aufzeigt. (5) Rechtsscheinsvollmachten im elektronischen Geschäftsverkehr Die Frage, wann ein Unternehmen durch einen Angestellten wirksam vertreten wird, ist nicht erst mit dem Einsatz von elektronischer Kommunikation aufgetreten. Neu ist aber die Diskussion, ob gerade der Einsatz bestimmter elektronischer Kommunikationsmittel einen Rechtsschein einer bestehenden Vertretungsmacht erzeugt, auf den der Geschäftsverkehr vertrauen darf. Der Bereich der Rechtsscheinsvollmachten ist im US-amerikanischen elektronischen Vertragsrecht bisher nicht gesetzlich geregelt. Die Rechtsprechung hat sich vor allem im Handelsverkehr der Problematik angenährt, ohne dass allerdings von einer gefestigten Meinung gesprochen werden kann. Während in CSX Transp., Inc. v. Recovery Express, Inc. das Gericht nicht davon überzeugt war, dass ein Arbeitnehmer, der eine Emailadresse aus dem EmailAccount des Unternehmens nutzen darf, zwangsläufig auch Vertretungsmacht für das Unternehmen hat1394, wurde in Hugger-Mugger, LLC v. NetSuite, Inc. angenommen, dass zumindest dann eine Rechtsscheinsvollmacht vorliegt, auf die vertraut werden darf, wenn ein Angestellter den Großteil der Verhandlungen für den Softwareerwerb durchgeführt hat, für die Implementierung zuständig war und autorisiert war, ein Passwort und Zugang zum IT-System der anderen Vertragspartei zu erlangen.1395 (6) Behandlung von Fehlern beim Vertragsschluss Mit dem Abstellen auf die objektive Empfängersicht zur Bestimmung von Vorliegen und Inhalt eines Angebots1396 werden Irrtümer grundsätzlich dem Erklärenden als sein Risiko zugewiesen.1397 Die Risikoverteilung wird allerdings bei der Nichtbeachtung von IT-Sicherheitsmaßnahmen modifiziert. Nach § 10 (1) UETA sowie § 212 (d) UCITA muss bei einer vereinbarten IT1394

CSX Transp., Inc. v. Recovery Express, Inc., 415 F. Supp. 2d 6, 11 (D. Mass. 2006). Hugger-Mugger, LLC v. NetSuite, Inc., 2005 US Dist. LEXIS 33003, 1, 19 f. (D. Utah 2005). 1396 Eine Ausnahme ist die falsa demonstratio non nocet, die auch im USamerikanischen Vertragsrecht gilt, vgl. Rohwer/Skrocki, S. 24, 214. 1397 Borges, S. 140. 1395

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Sicherheitsmaßnahme1398 diejenige Partei, die die entsprechende Maßnahme durchgeführt hat, die Auswirkungen des veränderten oder fehlerhaften Datensatzes nicht gegen sich gelten lassen, wenn die andere Partei die Maßnahme nicht durchgeführt hat und anderenfalls die Veränderung oder der Fehler entdeckt worden wäre. Darüber hinaus besteht ein weitergehendes Anfechtungsrecht für fehlerhafte Erklärungen, die bei der Nutzung eines Informationsverarbeitungssystems ohne Korrekturmöglichkeit abgegeben werden (§ 10 (2) UETA). Einschränkende Voraussetzung ist allerdings, dass aus der erhaltenen Leistung keine Vorteile oder Nutzen gezogen wurden (§ 10 (2) (C) UETA). Zur Ausübung des Anfechtungsrechts bedarf es einer entsprechenden Erklärung und der Rückgewähr oder nach entsprechender Anweisung Zerstörung der erhaltenen Leistung (§ 10 (2) (B), (C) UETA). Dieses besondere Anfechtungsrecht kann auch nicht vertraglich abbedungen werden (§ 10 (4) UETA). Daneben bestehen die allgemeinen Anfechtungsmöglichkeiten (force/ duress, undue influence, misrepresentation, mistake of fact).1399 (7) Speicherbarkeit der elektronischen Kommunikation Eine zwingende Anforderung an die technische Beschaffenheit der elektronischen Kommunikation, die den Vertragsschluss herbeiführt, aber auch an jede andere elektronische Mitteilung, stellt § 8 (c), (d) UETA auf. Demgemäß ist eine elektronische Aufzeichnung nur wirksam, wenn der Absender die Speicherung und den Ausdruck durch den Empfänger nicht verhindert. Fraglich ist insofern, wie Speicher- und Druckbarkeit in technischer Hinsicht sichergestellt werden kann. Unschädlich muss sein, dass der Empfänger ein Endgerät benutzt, das kein Drucken oder Speichern ermöglicht.1400 Ob allerdings vom Empfänger verlangt werden kann, dass er die Aufzeichnung mittels der Funktionen „Kopieren“ und „Einfügen“ in ein Textverarbeitungsprogramm überträgt, um sie dort speichern und ausdrucken zu können, erscheint zweifelhaft. cc) Vertragsschluss bei Auktionen UETA, E-SIGN, UCITA und UCC enthalten für Vertragsschlüsse über elektronische Auktionen keine speziellen Regeln. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass Verträge, die bei elektronischen Auktionen geschlossen werden, 1398

§ 212 (d) UCITA spricht von „attribution procedure“, das in § 102 (a) (5) UCITA definiert ist: „”Attribution procedure” means a procedure to verify that an electronic authentication, display, message, record, or performance is that of a particular person or to detect changes or errors in information. The term includes a procedure that requires the use of algorithms or other codes, identifying words or numbers, encryption, or callback or other acknowledgment.” 1399 Ausführlich hierzu Hay, S. 310 f. 1400 So auch Smedinghoff, Legal Requirement, S. 14.

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wirksam sind1401, und die Regelungen von UETA, E-SIGN, UCITA und UCC für den Vertragsschluss maßgeblich sind1402. Dies zeigt auch § 202 (a) UCITA, der den Vertragsschluss durch Angebot und Annahme nur als eine von mehreren Möglichkeiten der Vertragsschlusstechnik nennt. Daher ist es auch möglich, dass eine dritte Partei, beispielsweise der Betreiber einer elektronischen Auktionsplattform, einen Vertrag vorschlägt, zu dem beide Parteien zeitgleich ihre Zustimmung erklären.1403 Anders als in Deutschland fehlt es in der US-amerikanischen Rechtsprechung und Literatur an einer genauen Auseinandersetzung mit dem Vertragsschlussmechanismus bei elektronischen Auktionen. So wird regelmäßig von der Wirksamkeit des Vertrages im Marktverhältnis ausgegangen, ohne dass diskutiert wird, ob bereits im „Einstellen“ der Ware ein Angebot zu sehen ist oder wann das Angebot wirksam wird. Die Gerichtsurteile zu elektronischen Auktionen betreffen im Vertragsrecht vor allem die Wirksamkeit der AGB des Plattformbetreibers, insbesondere eBay. So wird eine Wirkung von AGB-Klauseln des Auktionshauses (hier: Schiedsklausel) im Marktverhältnis abgelehnt.1404 Die teilweise in der Fachliteratur vertretene Auffassung, dass der Nutzungsvertrag zwischen Auktionshaus und jeweiligem Teilnehmer ein Vertrag zugunsten Dritter sei und die AGB des Auktionshauses deshalb auch im Marktverhältnis Geltung entfalten würden1405, ist in einer US-amerikanischen Entscheidung in Zusammenhang mit der Mitgliedschaft in einem Online-Anzeigenmarkt (Craigslist) diskutiert, aber abgelehnt worden1406. Im Nutzungsverhältnis zwischen Auktionshaus und jeweiligem Teilnehmer sei jedoch grundsätzlich von einer wirksamen Einbeziehung der AGB auszugehen.1407 Eine durch das Auktionshaus eingeführte umfassende Haftungsfreizeichnung1408 und Gerichtsstandsvereinbarung1409 sei wirksam. dd) Zwischenergebnis Das gesetzliche Schriftformerfordernis für Verträge mit einer Zahlungspflicht von mehr als USD 500 und andere Schriftformerfordernisse können durch 1401

MacNeil v. Trambert, 2010 WL 2222805 (Ill App. Ct. 2010); Foley v. Yacht Management Group, Inc., 2009 WL 2020776 (ND Ill 2009). 1402 Berman, 151 University of Pennsylvania Law Review 2002, 311, 316. 1403 Wiebe, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 121, Rn. 10. 1404 Evans v. Matlock, 2002 Tenn. App. LEXIS 906 (Tenn. Ct. App. 2002). 1405 Koch, CR 2005, 502, 505; Wiebe, MMR 2000, 323, 325. 1406 Jackson v. American Plaza Corp., 2009 WL 1158829 (S.D.N.Y. 2009). 1407 Durick v. eBay, 2006 WL 2672795 (Ohio Ct. App. 2006). 1408 Grace v. eBay, 120 Cal. App. 4th 984 (Cal. App. Ct. 2004). 1409 Nazaruk v. eBay, 2006 WL 2666429 (D. Utah 2006).

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elektronische Kommunikation erfüllt werden, sofern die übermittelte Information gespeichert werden kann, in lesbarer Form abrufbar sowie mit einem in Unterschriftsabsicht benutzten Ton, Symbol oder Prozess logisch verbunden ist. Für die Unterscheidung zwischen bloßer invitatio ad offerendum und verbindlichem Angebot gilt auch im Hinblick auf das US-amerikanische Recht die zum deutschen Recht gemachte Feststellung, dass es im elektronischen Geschäftsverkehr die juristische Differenzierung vor allem eine Frage der technischen Ausgestaltung der Warenpräsentation und Art der Leistungserbringung ist. Sofern der UCITA nicht anwendbar ist, bleibt auch im US-amerikanischen Recht der Zeitpunkt des elektronischen Vertragsschlusses unklar. Hintergrund sind allerdings nicht Unsicherheiten beim Zeitpunkt des Zugangs der Annahme, sondern bei der Frage, ob ein elektronischer Vertrag bereits mit der Abgabe oder erst mit dem Zugang der Annahme wirksam wird. AGB können durch Click-Wrap-Vereinbarungen wirksam einbezogen werden. Ob dies auch für Browse-Wrap-Vereinbarungen gilt, ist grundsätzlich offen, wird allerdings vom UCITA verneint. In jedem Fall soll es allerdings möglich sein, Verträge nach der Maßgabe „money now, terms later“ zu schließen und zwar selbst dann, wenn der Vertragsinhalt in einem Dokument enthalten ist, das dem Vertragspartner nicht übermittelt wird, sondern nur auf der Unternehmenswebseite abrufbar ist. Einigkeit besteht in den USA darüber, dass Angebot und Annahme oder andere Willenserklärungen auch von elektronischen Agenten abgegeben werden können. Hinsichtlich der Nutzung von geschäftlichen Email-Accounts lassen USamerikanische Gerichte bisher nicht die Tendenz erkennen, eine entsprechende Vertretungsmacht für das Unternehmen zu unterstellen. Das US-amerikanische Recht legt dem Anbieter zwar keine Pflicht auf, eine Korrekturmöglichkeit für Eingabefehler zu schaffen, sieht aber beim Fehlen einer solchen ein Anfechtungsrecht vor. Auch bei der Missachtung von vereinbarten IT-Sicherheitsmaßnahmen besteht bei Manipulation ein Anfechtungsrecht. Zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit elektronischer Kommunikation ist in jedem Fall ihre Speicherbarkeit. Der Vertragsschlusses über elektronische Auktionssysteme ist nach USamerikanischem Recht ohne weiteres möglich. Die AGB des Auktionshauses gelten jedoch nicht für Verträge im Marktverhältnis und das Auktionshaus kann sich wirksam von jeglicher Haftung freizeichnen.

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f) Vertragsdurchführung Ihrem minimalistischen Ansatz folgend, enthalten weder UETA noch E-SIGN Vorschriften zur Vertragsdurchführung. Im Gegensatz dazu finden sich für diesen Bereich sowohl im UCC als auch im UCITA umfassende Regelungen. aa) Leistungspflichten Welche Qualität die zu erbringende Leistung aufzuweisen hat, ergibt sich neben der vertraglichen Vereinbarung aus den verschiedenen Zusicherungen (warranties)1410, die der UCITA und der UCC annehmen, solange keine gegenteilige vertragliche Regelung besteht1411. Hierzu zählt bei einem kaufmännischen Veräußerer1412 zunächst die Zusicherung, dass der Vertragsgegenstand rechtsmangelfrei ist (warranty of noninfringement) (§ 401 (a) UCITA / § 2–312 (1), (3) UCC / § 3.01 (a) ALI Principles). Freigestellt sind allerdings Service Provider; sie müssen nicht für die Rechtsbeständigkeit der weitergeleiteten Informationen einstehen, da sie nicht als Lieferanten der Information im Sinne der Vorschrift anzusehen sind.1413 Für internationale Verträge gilt die Zusicherung allerdings nur bedingt, denn sie betrifft nur Rechte Dritter, die nach US-Recht entstanden sind (§ 401 (c) (2) UCITA). Darüber hinaus muss sich der Vertragsgegenstand für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignen, wenn eine solche besteht (§ 405 (a) (1) UCITA / § 2–315 UCC / § 3.04 (a) ALI Principles), oder zumindest für die gewöhnliche Verwendung eignen (§ 403 (a) (1) UCITA / § 2–314 (2) (c) UCC). Letztere Zusicherung ist ein Teilelement der sogenannten warranty of merchantability, deren Maßstab im Rahmen des UCC strenger ist als im U1410

Kath, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 185, Rn. 3 übersetzt den Begriff „warranty“ mit Einstandspflicht. Außerdem weist er darauf hin, dass der US-amerikanischen Rechtsordnung ein besonderes Schuldrecht fehlt und der Begriff „warranty“ daher nicht mit einer bestimmten Vertragsart in Verbindung zu bringen ist, sondern ein vertragsübergreifendes Rechtsprinzip darstellt. 1411 Zum Ausschluss und der Veränderungen von Zusicherungen vgl. §§ 401 (d), 406 UCITA/§ 2–316 UCC. 1412 Der UCITA spricht an dieser Stelle zwar von Lizenzgeber (licensor), allerdings geht aus § 102 (a), (42), (43) hervor, dass der UCITA unter den Begriffen Lizenzgeber und Lizenznehmer (licensee) die Parteien eines jeden Computerinformationsgeschäfts versteht, so dass eine Parallelität zur Definition des Begriffs Lizenz nicht besteht, vgl. Eiselen, 116 South African Law Journal 1996, 323, Rn. 9; Moufang, in: Lejeune (Hrsg.), Der ECommerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 31, Rn. 24. Um Verwechselung mit dem deutschen Verständnis der Begriffe von Lizenzgeber und -nehmer zu vermeiden, wird im Folgenden allgemein von den Vertragsparteien oder von Veräußerer und Erwerber gesprochen. 1413 § 401 UCITA com. 2 e; Kath, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 185, Rn. 10.

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CITA. Neben der Eignung für die gewöhnliche Verwendung muss der Vertragsgegenstand auch dem objektiven Maßstab der relevanten Branche entsprechen (§ 2–314 (2) UCC). Hingegen wird auf das Erfordernis des Entsprechens mit dem Branchenstandard in § 403 UCITA, der für Computerprogramme gilt, verzichtet. Hinsichtlich des UCITA wird allein herausgestellt, dass nur solche Unterschiede zwischen dem erlangten Gut und Mustern, Modellen oder Demonstrationen beachtlich seien, die ein vernünftiger Betrachter nicht erwarten konnte.1414 Als Anwendungsbeispiel werden Betaversionen von Software genannt.1415 Gleiches muss wohl auch für Fehlfunktionen (bugs) gelten, mit denen nach allgemeiner Erfahrung gerechnet werden darf.1416 Noch geringer ist die Leistungspflicht gegenüber einem Händler (distributor). Hier ist die Leistungspflicht bei Computerprogrammen bereits dann erfüllt, wenn die Software adäquat verpackt und beschriftet sowie, wenn mehrere Kopien geliefert werden, diese von gleicher Qualität sind (§ 403 (a) (2) UCITA). Die Funktionsfähigkeit eines aus Hardware- und Softwarekomponenten bestehenden Computersystems garantiert die Sonderregel des § 405 (c) UCITA/§ 3.04 (b) ALI Principles. In Abgrenzung zur Qualität eines Vertragsgegenstands, insbesondere eines Computerprogramms, darf der gesammelte, verarbeitete, zusammengestellte oder übermittelte Informationsgehalt (informational content)1417 gemäß § 404 (a) UCITA nicht fehlerhaft sein. Die Zusicherungen gelten nach § 409 (a) UCITA beziehungsweise der Theorie der „third party beneficiary“1418, die dem deutschen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ähnelt1419, auch für diejenigen, zu deren Vorteil (benefit) die Information geliefert wird.1420 Diese auf den ersten Blick großzügige Erweiterung des Verantwortungsbereichs wird allerdings dadurch beschränkt, dass die Intention des Informationslieferanten die begünstigten Dritten bestimmt.1421 1414

§ 402 UCITA com. 5. Kath, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 185, Rn. 16. 1416 Kath, Rn. 22. 1417 Nach § 102 (a) (37) gilt: „“Informational content” means information that is intended to be communicated to or perceived by an individual in the ordinary use of the information, or the equivalent of that information.” Es geht also um die Informationen, die bei der Nutzung eines Programms dem Nutzer zugänglich gemacht werden, zum Beispiel Inhalte von Datenbanken, vgl. Kath, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 185, Rn. 21. 1418 Hogg/Bishop/Barnhizer, S. 1020. 1419 Kath, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 185, Rn. 46. 1420 Ähnlich auch § 3.07 ALI Principles. 1421 Kath, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 185, Rn. 47. 1415

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Über den Kreis der begünstigten Dritten hinaus können Zusicherungen aber durch Parteivereinbarung beschränkt oder sogar abbedungen werden.1422 Während sich die allgemeine Regelung hierfür in § 406 UCITA findet, enthält § 401 (d) UCITA für die Zusicherung der Rechtsmangelfreiheit eine spezielle Regelung der vertraglichen Ausschlussmöglichkeit. Danach bedarf es grundsätzlich besonderer Sprache oder Umstände (specific language or circumstances), aus denen die Haftbegrenzung nach objektiven Maßstäben für den Empfänger (reason to know) ersichtlich wird. Für elektronische Vertragsabschlüsse wird eine noch genauere Regel aufgestellt, die besagt, dass für den Haftungsausschluss deutlich sichtbare Schrift (conspicuous language) verwendet werden muss (§ 406 (b) (1) (A), (2), (3) UCITA). Welcher Text diese deutliche Sichtbarkeit erfüllt, wird ebenfalls mitgeteilt.1423 Der zu verwendende Wortlaut ist auch in der allgemeinen Regelung des § 406 UCITA vorgegeben.1424 bb) Leistungsverweigerungsrechte Werden die Leistungspflichten nicht erfüllt, kann die andere Partei unter Umständen die Gegenleistung verweigern. Voraussetzung ist allerdings, dass eine erhebliche Verletzung (material breach) der Leistungspflicht vorliegt (§ 601 (b) UCITA). Das Konzept der erheblichen Vertragsverletzung ist für das US-amerikanische Vertragsrecht grundlegend. Es besagt, dass geringe Abweichungen von den vorgegebenen Leistungsstandards nur zu Schadensersatzansprüchen berechtigen, nicht aber zur Verweigerung der Gegenleistung oder Aufhebung des Vertrages.1425 1422

Vgl. § 406 UCITA com. 1. „There is no warranty against interference with your enjoyment of the information or against infringement”, vgl. § 401 (d) (1) UCITA; vgl. auch § 2–316 (2) UCC „There are no warranties which extend beyond the description on the face hereof”. 1424 Vgl. § 406 (b) (1) (A) UCITA: „To disclaim or modify the implied warranty arising under Section 403, language must mention “merchantability” or “quality” or use words of similar import.”; vgl. § 406 (b) (1) (B) UCITA: „To disclaim or modify the implied warranty arising under Section 404, language in a record must mention “accuracy” or use words of similar import.”; vgl. § 406 (b) (3) UCITA: „Language in a record is sufficient to disclaim all implied warranties if it individually disclaims each implied warranty or, except for the warranty in Section 401, if it is conspicuous and states “Except for express warranties stated in this contract, if any, this ‘information’ ‘computer program’ is provided with all faults, and the entire risk as to satisfactory quality, performance, accuracy, and effort is with the user”; vgl. § 406 (c) UCITA: „Unless the circumstances indicate otherwise, all implied warranties, but not the warranty under Section 401, are disclaimed by expressions like “as is” or “with all faults” or other language that in common understanding calls the licensee’s attention to the disclaimer of warranties and makes plain that there are no implied warranties.” 1425 § 601 UCITA comm. 3; Rohwer/Skrocki, S. 364. 1423

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cc) Leistungserbringung Bei der Leistungserbringung können im Streitfall neben ihrer Wirkung der Erfüllungsort, die vorzunehmende Erfüllungshandlung sowie die Rechte und Pflichten des Leistungsgläubigers bei Leistungserhalt entscheidend sein. (1) Erfüllungsort Beim Erfüllungsort unterscheidet § 606 (a) UCITA hinsichtlich der Erfüllung mit elektronischen Mitteln und der Lieferung der Computerinformation auf einem körperlichen Gegenstand. In Ermangelung einer vertraglichen Vereinbarung gilt das Informationsverarbeitungssystem (information processing system) beziehungsweise der Unternehmenssitz (place of business) der liefernden Partei als Erfüllungsort. Für den Fall, dass der Vertragsgegenstand nicht die Übermittlung eines Softwareexemplars, sondern beispielsweise das zur Verfügungstellen eines Zugangs zu einer Datenbank ist, enthält der UCITA hingegen keine entsprechende Regelung.1426 Bei einem Kaufvertrag ist der Erfüllungsort grundsätzlich der Unternehmenssitz des Verkäufers (§ 2–308 (a) UCC). (2) Erfüllungshandlung Ist nichts weiteres vereinbart, reicht es zur Erfüllung aus, dass die Information so zur Verfügung gestellt wird, dass die andere Partei diese nach entsprechender Mitteilung erlangen kann (§ 606 (b) UCITA). Ist hingegen die Versendung der Information vereinbart, dann hat die zur Verfügung stellende Partei ihrerseits alles Erforderliche getan, wenn die Information auf einem Gegenstand verkörpert ist und dieser an eine Transportperson übergeben ist oder aber die elektronische Übermittlung in Gang gesetzt hat (§ 606 (b) (2) UCITA). Der UCITA unterscheidet also zwischen Verträgen, bei denen die Versendung geschuldet sind, und Verträgen, bei denen dies nicht der Fall ist. Übernommen ist dieses Konzept aus dem UCC, der bei einem Vertrag, bei dem der Verkäufer eine Sache zu versenden hat, ebenfalls die Übergabe an die Transportperson als Erfüllungshandlung ausreichen lässt (§ 2–504 UCC) und anderenfalls ein zur Verfügungstellen der Sache verlangt (§ 2–503 UCC). (3) Untersuchungsrecht und Annahme der Leistung Bevor eine Partei verpflichtet ist, eine an sie erbrachte vertragliche Leistung anzunehmen, steht ihr ein Untersuchungsrecht zu (§ 608 (a) (1) UCITA/§ 2– 513 (1) UCC). Problematisch ist dies dann, wenn wie bei manchen Verträgen 1426

§ 807 UCITA comm. 6 schlägt vor, in diesem Fall auf die Vorschrift zur Rechtswahl, § 109 (b) UCITA, zurückzugreifen.

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über Computerinformationen der Wert der Leistung schon durch bloßes Betrachten oder Lesen erlangt werden kann und so dem Empfänger mit Lieferung unmittelbar und ohne Rückgabemöglichkeit zugute kommt. In diesem Fall darf der Empfänger zwar Verpackung oder Beschriftung untersuchen, nicht aber die Information selbst betrachten (§ 604 (3) UCITA). Für die Leistungserbringung durch digitale Übermittlung von Computerinformationen bedeutet dies, dass ein Untersuchungsrecht praktisch nicht in Betracht kommt.1427 Es besteht jedoch nicht nur das Recht zur Untersuchung, sondern auch eine Rügeobliegenheit, da § 702 (c) UCITA einen Verzicht auf die auf einer Vertragsverletzung beruhenden Rechte unterstellt, sofern in angemessener Zeit kein Hinweis auf einen Vertragsbruch erfolgt. Eine beachtenswerte Sonderregel stellt § 703 (b) UCITA für die Übermittlung eines digitalen Gutes außerhalb von Massenmarkttransaktionen auf, also insbesondere bei Individualsoftware. So ist der Kunde nicht berechtigt, das Gut zurückzuweisen1428, sofern keine erhebliche Vertragsverletzung vorliegt. Vielmehr steht ihm in diesem Fall nur das Recht zu, die Nachbesserung zu verlangen. Wie schon bei § 403 UCITA wird hier die Grundannahme deutlich, dass Software nie ganz fehlerfrei sei und kleinere Mängel die Vertragsabwicklung nicht behindern sollen. Wird die Annahme rechtmäßig verweigert oder widerrufen1429, sind beide Vertragsparteien zunächst weiterhin an alle vertraglichen Verpflichtungen gebunden (§ 706 (a) (2) UCITA). Die widerrufende Vertragspartei hat kein Recht, das übermittelte Gut zu nutzen und muss gegebenenfalls Wertersatz leisten (§ 706 (b) (1) UCITA). Darüber hinaus besteht eine Rückgabepflicht, wobei die fehlerhaft anbietende Partei die Kosten für die Rücksendung zu tragen hat (§ 706 (b) (2) UCITA). (4) Wirkung der Leistungserbringung Akzeptiert eine Partei die an sie erbrachte Leistung, so ist sie zur Erbringung der Gegenleistung verpflichtet (§§ 603 (c) (3) S. 1, 610 (a) S. 1 UCITA/§ 2– 607 (1) UCC). 1427

Vgl. § 604 UCITA comm. 3. Vgl. auch § 704 (a) UCITA. 1429 § 707 (a) UCITA regelt das Widerrufsrecht: „A party that accepts a nonconforming tender of a copy may revoke acceptance only if the nonconformity is a material breach of contract and the party accepted it: (1) on the reasonable assumption that the nonconformity would be cured, and the nonconformity was not seasonably cured; (2) during a continuing effort by the party in breach at adjustment and cure, and the breach was not seasonably cured; or (3) without discovery of the nonconformity, if acceptance was reasonably induced either by the other party’s assurances or by the difficulty of discovery before acceptance.” Vgl. auch § 2–608 UCC. 1428

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Besteht die Leistungspflicht in der Lieferung eines digitalen Gutes, dann geht sowohl bei elektronischer als auch postalischer Übermittlung die Gefahr des zufälligen Untergangs spätestens mit Empfang (receipt) des Gutes über (§ 614 (a) UCITA).1430 Damit liegt das Übertragungsrisiko, insbesondere bei der elektronischen Übermittlung, beim Versender. Hintergrund der Regelung ist, dass der Versender jederzeit ohne großen finanziellen Aufwand ein neues Exemplar versenden kann.1431 Dies überzeugt zumindest in Bezug auf Standardsoftware. Ob jedoch auch bei Individualsoftware eine erneute Übermittlung ohne weiteres möglich ist, bleibt zweifelhaft, denn regelmäßig wird in diesem Fall der Quellcode mitgeliefert. Auch beim klassischen Kaufvertrag hat der Verkäufer gemäß § 2–509 (3) UCC das Übertragungsrisiko zu tragen, wenn er Kaufmann ist. Der Gefahrübergang erfolgt auch hier erst mit Empfang der Ware durch den Käufer. dd) Besondere Leistungspflichten Der UCITA geht davon aus, dass bei Verträgen über Computerinformationen regelmäßig Leistungspflichten vereinbart werden, die bei anderen Verträgen kaum auftreten, und normiert deshalb entsprechende Pflichten. Besteht die alleinige Leistungspflicht beispielsweise nicht darin, etwas zu liefern, sondern der anderen Partei mit elektronischen Mitteln Zugang zu einem Informationsverarbeitungssystem zu verschaffen (access contract, § 102 (a) (1) UCITA), dann ist die Leistung erbracht, wenn das notwendige Zugangsmaterial (z.B. Passwörter) zur Verfügung gestellt worden ist (§ 602 (b) (4) UCITA). Hingegen soll es nicht darauf ankommen, ob die Partei über die allgemeinen Anforderungen für den Zugang, wie eine bestimmte Browserversion, verfügt.1432 Ebenso stellt die Nichtverfügbarkeit des Zugangs (unavailability of access) in verschiedenen Situationen keinen Vertragsbruch dar (§ 611 (b) UCITA). Hierzu zählt, dass die Nichtverfügbarkeit den gewöhnlichen Standards des Geschäftszweigs entspricht, dass sie Folge von terminierten Downtimes, angemessenen Wartungsbedürfnissen oder angemessenen Fehlerperioden der Hardware, des Computerprogramms oder der Kommunikation ist, oder aber, dass sie aufgrund eines Ereignisses außerhalb

1430 Bei der postalischen Übermittlung kann unter Umständen eine andere Regel gelten. Ist hier nämlich der Versand vereinbart, muss zwischen Shipment- und DestinationVerträgen unterscheiden werden. Beim Shipment-Vertrag geht, wie bei der Schickschuld aus dem deutschen Recht, die Gefahr schon mit Übergabe der Kopie an die Transportperson über (§ 614 (b) (1) UCITA), demgegenüber muss das Gut beim Destination-Vertrag, wie bei der deutschen Bringschuld, dem Empfänger an einem bestimmten Ort angeboten werden (§ 614 (b) (2) UCITA). 1431 § 614 UCITA comm. 3. 1432 § 602 UCITA comm. 4.

B. Rechtslage

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der Kontrolle der Partei liegt und diese angemessene Anstrengungen unternommen hat. ee) Automatische Sicherungsmaßnahmen Eine weitere Besonderheit für Verträge über Computerinformationen enthält der § 605 UCITA. Dieser regelt den Einsatz einer elektronischen oder physikalischen Sicherung zur Verhinderung einer vertrags- oder rechtswidrigen Nutzung der Information (automatic restraint), zum Beispiel also eine Sicherung, die nach Vertragsende den Zugang zur Information verhindert1433. Eine entsprechende Sicherung kann zum Schutz des Vertrages ohne besondere vertragliche Vereinbarung eingesetzt werden (§ 605 (b) (2)-(4) UCITA).1434 Für Verluste, die sich aus der Verhinderung der vertrags- beziehungsweise rechtswidrigen Nutzung ergeben, besteht auch keine Haftung (§ 605 (d) UCITA). Allerdings darf die Sicherungsmaßnahme nicht zur Durchsetzung von Sekundärrechten eingesetzt werden (§ 605 (f) UCITA). ff) Rechtsbehelfe bei Vertragsbruch Im US-amerikanischen Recht werden Leistungsstörungen allgemein unter dem Begriff des Vertragsbruchs (breach of contract) zusammengefasst.1435 Darüber hinaus wird beim UCITA keine vertragstypologische Unterscheidung zwischen Kauf-, Lizenz- oder sonstigem Nutzungsvertrag vorgenommen.1436 Das Vorliegen einer Vertragsverletzung löst eine Reihe von Rechtsbehelfen aus.1437 Welche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, die grundsätzlich kumulativ angewendet werden können (§ 801 (a) UCITA), hängt dabei von der Schwere der Vertragsverletzung ab.1438 Hingegen kommt es wie im sonstigen US-amerikanischen Vertragsrecht auch auf ein individuelles Verschulden nicht an, so dass eine Garantiehaftung besteht.1439

1433

§ 605 UCITA comm. 2. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 605 (b) (1) UCITA. 1435 Böhner, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 237, Rn. 1. 1436 Böhner, a.a.O., Rn. 4. 1437 Vgl. § 701 (b) UCITA. 1438 § 701 UCITA comm. 2. 1439 Kath, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 185, Rn. 1; Böhner, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 237, Rn. 1 weist darauf hin, dass in der Vertragspraxis deshalb häufig sogenannte „Force Majeure“-Klauseln aufgenommen werden, die für den Fall von Vertragsverletzungen, die von keiner Partei zu vertreten sind und auf höherer Gewalt beruhen, eine Haftung der davon jeweils betroffenen Partei ausdrücklich ausschließen. 1434

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Wann eine erhebliche Vertragsverletzung vorliegt, bestimmt § 701 (c) UCITA. Demgemäß ergibt sich die Erheblichkeit des Vertragsbruchs aus einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung, aus einer substantiellen Nichterbringung eines wesentlichen Vertragsteils, aus einem schwerwiegenden Schaden oder der Vorenthaltung eines bedeutenden Vorteils1440. Ferner können mehrere geringfügige Vertragsbrüche gemeinsam eine erhebliche Vertragsverletzung darstellen (§ 701 (d) UCITA). Im Ergebnis sind damit die Auslegungsmaßstäbe übernommen worden, die § 214 Restatement (Second) of Contracts für die Bestimmung einer erheblichen Vertragsverletzung vorsieht.1441 Allerdings liegt keine Vertragsverletzung vor, wenn die Leistungserbringung unmöglich ist (§ 615 UCITA/§ 2–615 (a) UCC).1442 (1) Ablehnung der Leistung Der Gläubiger kann beim Vorliegen einer erheblichen Vertragsverletzung die angebotene Leistung ablehnen und so verhindern, dass die Wirkungen der Leistungserbringung eintreten (§ 601 (b) (1) Alt. 1 UCITA). Für Massenmarkttransaktionen besteht allerdings eine Ausnahme vom Grundsatz der Notwendigkeit einer erheblichen Vertragsverletzung (§§ 601 (b) (1) Alt. 2, 704 (b) UCITA). Im Rahmen des Kaufrechts bedarf es ebenfalls keiner erheblichen Vertragsverletzung, so kann die Leistung bei jeglicher Abweichung vom vertraglichen Leistungsstandard abgelehnt werden (perfect tender rule) (§ 2–601 UCC).

1440

Der schwerwiegende Schaden und der entgangene bedeutende Vorteil ist hierbei im Verhältnis zum Wert der vertraglichen Vereinbarung zu sehen, vgl. § 701 UCITA comm. 4. 1441 § 241 Restatement (Second) of Contracts lautet: „In determining whether a failure to render or to offer performance is material, the following circumstances are significant: (a) the extent to which the injured party will be deprived of the benefit which he reasonably expected; (b) the extent to which the injured party can be adequately compensated for the part of that benefit of which he will be deprived; (c) the extent to which the party failing to perform or to offer to perform will suffer forfeiture; (d) the likelihood that the party failing to perform or to offer to perform will cure his failure, taking account of all the circumstances including any reasonable assurances; (e) the extent to which the behavior of the party failing to perform or to offer to perform comports with standards of good faith and fair dealing.” 1442 Ausführlich zum Konzept der Unmöglichkeit im US-amerikanischen Vertragsrecht Hay, Rn. 332 ff.

B. Rechtslage

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(2) Vertragsauflösung Das Vorliegen einer erheblichen Vertragsverletzung berechtigt darüber hinaus zur Vertragsauflösung (§§ 601 (b) (2), 704 (d), 802 (a) UCITA/§ 4.04 ALI Principles). Dies gilt allerdings nicht, wenn der Vertrag die Gewährung eines Lizenzrechts zum Gegenstand hat, das unabhängig vom übermittelten Exemplar ist und die Vertragsverletzung nur dieses Exemplar betrifft, ohne dass dadurch eine erhebliche Vertragsverletzung des gesamten Vertrags vorliegt (§ 705 (3) UCITA).1443 Die grundsätzlich notwendige Erklärung über die Vertragsauflösung unterliegt keiner bestimmten Form, sie muss nur nach den Umständen angemessen sein (§ 802 (b) UCITA), so dass elektronische Erklärungen grundsätzlich ausreichend sind.1444 Das Recht zur Vertragsauflösung kann abbedungen werden (§ 802 (d) UCITA). (3) Angemessene Versicherung der Leistungserbringung Keine erhebliche Vertragsverletzung setzt der Rechtsbehelf der angemessenen Versicherung der Leistungserbringung (adequate assurance of performance) voraus. Sofern hinreichend Anhaltspunkte für Unsicherheiten hinsichtlich ihrer Leistungserbringung bestehen, kann von einer Partei in einer Aufzeichnung die angemessene Versicherung der Leistungserbringung verlangt werden (§ 708 (a) UCITA/§ 2–609 (1) UCC). Bis zum Erhalt der Versicherung kann die andere Partei ihre eigene Leistung aussetzen. (4) Schadensersatz Die kleinste Abweichung von der vertraglich geschuldeten Leistung berechtigt den Gläubiger zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Eine Nachfristsetzung ist grundsätzlich nicht erforderlich. Allerdings besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Heilung eines Vertragsverstoßes. Ist die nach dem Vertrag für die Leistung vorgesehene Zeit noch nicht abgelaufen, hat der Schuldner die Möglichkeit, die Leistung erneut anzudienen, wenn die vertragsbrüchige Partei die andere Partei rechtzeitig von der Absicht der Heilung informiert und die zu heilenden Vertragserfüllungshandlungen während der Vertragserfüllungsfrist ausführt (§ 703 (a) (1) UCITA/§ 2–508 (1) UCC). Eine Computerinformation kann nach rechtzeitiger Ankündigung auch nach Ablauf dieser Zeit ein zweites Mal angedient werden, wenn der Gläubi1443 Einen Beispielfall nennt § 705 UCITA com. 3: IBM gewährt ein Lizenzrecht zum Vertrieb von 20.000 Kopien seiner Software in den USA im Laufe eines Jahres. Einige Wochen später liefert IBM eine Master-Disc der Software an den Lizenznehmer, die einen Fabrikationsfehler enthält. 1444 Helfrich, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 261, Rn. 14.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

ger sich noch nicht vom Vertrag gelöst hat (§ 703 (a) (3) UCITA). Gleiches gilt, wenn die vertragsbrüchige Partei die berechtigte Erwartung haben durfte, dass die Vertragserfüllung noch angenommen werden würde und nach entsprechender Ankündigung die Erfüllungshandlung innerhalb einer angemessenen Frist erbracht wird (§ 703 (a) (2) UCITA). (a) Schadensersatzumfang Die Vertragsparteien können grundsätzlich den Schaden in Geld ersetzt verlangen, den sie durch den Vertragsbruch erlitten haben (§§ 808 (b), 809 (a) UCITA/§§ 2–703, 2–711 UCC). Dies umfasst sowohl den Minderwert der vertraglichen Leistung selbst (§§ 808 (b) (1), 809 (a) (1) UCITA/§ 2–713 (1) UCITA)1445 als auch etwaige Begleit- und Folgeschäden (§§ 808 (b) (2), 809 (b) (2) UCITA/§§ 2–706, 2–708 (1), 2–710, 2–712 (1), 2–715 UCC/§ 4.05 ALI Principles)1446. Der verletzten Partei obliegt allerdings eine Schadensminderungspflicht (§ 807 (a) UCITA). Kommt es aufgrund des Vertragsbruchs zu einem Ersatzgeschäft (substitute transaction), ist der Wert dieses in Ansatz zu bringen (§§ 808 (b) (1) (B), 809 (a) (1) (B) (iii) UCITA). Für Geschäfte über Computerinformationen ist dabei zu beachten, dass Schwerpunkt der Betrachtung nicht der individualisierte Datenträger ist, sondern die darin verkörperte Information.1447 Es wird also regelmäßig darauf ankommen, ob ein Markt für das Ersatzgeschäft besteht (schwierig bei Individualsoftware) und ein Kausalzusammenhang zwischen Vertragsbruch und Ersatzgeschäft vorliegt.1448 Auch der entgangene Gewinn kann geltend gemacht werden (§ 808 (b) (1) (C) UCITA/§ 2–708 (2) UCC). (b) Art des Schadensersatzes Grundsätzlich wird Schadensersatz durch eine Geldzahlung geleistet. Nur unter den engen Voraussetzungen von § 811 UCITA/§ 2–716 UCC1449 kann auch ein anderes Tun oder Unterlassen verlangt werden. Hintergrund dieses Regel-Ausnahme Verhältnisses ist die ökonomische Orientierung des US-

1445

Erfüllungsinteresse (expectancy damages). Vertrauensschaden (reliance damages). 1447 Helfrich, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 261, Rn. 56. 1448 Helfrich, a.a.O., Rn. 58 f. 1449 Für Leistungspflichten, die sich nicht in einer Geldzahlung erschöpfen, kann eine andere Art des Schadensersatzes vereinbart werden. Ansonsten ist eine andere Schadensersatzart nur dann möglich, wenn die vertraglich geschuldete Leistung nicht durch eine bestimmte Person zu erbringen (contract for personal services) und einzigartig ist, oder andere angemessene Umstände vorliegen. 1446

B. Rechtslage

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amerikanischen Vertragsrechts: Die geldwerte Kompensation hat Vorrang vor der Durchsetzung des Vertrages.1450 (c) Haftungsbegrenzungen und Schadenspauschalierung Haftungsbegrenzungen sind zulässig, sofern sie nicht die andere Partei unangemessen benachteiligen (§ 803 UCITA/§ 2–719 UCC/§ 4.02 (a) ALI Principles). Dies soll erst dann der Fall sein, wenn vertragliche Klauseln im Bereich der Sittenwidrigkeit liegen.1451 Aus § 803 (d) UCITA lässt sich ableiten, dass bei Handelsverträgen die Haftungsbegrenzung beziehungsweise der Haftungsausschluss für Folgeschäden und beiläufig entstandene Schäden grundsätzlich nicht sittenwidrig ist und zwar auch dann, wenn es um Personenschäden geht. Angemessene Schadenspauschalierungen sind ebenfalls zulässig (§ 804 (a) UCITA/§ 2–718 (1) UCC). Eine verfassungsrechtlich motivierte1452 gesetzliche Haftungsfreistellung findet sich in § 807 (b) (1) UCITA für Schäden, die durch die Nutzung von Informationen entstehen, die an einen großen Personenkreis gerichtet sind und diesem in gleicher Form zugänglich gemacht werden (published informational content1453). (5) Elektronische Selbsthilfe Ursprünglich sah der UCITA mit der sogenannten elektronischen Selbsthilfe (electronic self-help) einen äußerst umstrittenen Rechtsbehelf vor. Dieser sollte es einer Partei erlauben, die von ihr zur Verfügung gestellte Software oder elektronische Informationen nach Rücktritt vom Vertrag mit elektronischen Mitteln zu deaktivieren, solange dadurch keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, kein vorhersehbares Risiko für Leib oder Leben und kein die Software betreffender schwerwiegender Schaden entsteht (§§ 816 (a), 815 (b), (a) UCITA a.F.). In der novellierten Fassung vom 15.10.2002 ist dann allerdings auf diesen Rechtsbehelf ausdrücklich verzichtet worden: § 816 (b) UCITA verbietet die elektronische Selbsthilfe. Für Verträge über den Zugang zu einem Informati1450

Hay, Rn. 283. § 806 UCITA comm. 6. 1452 § 807 UCITA comm. 3; mit dieser Priviligierung soll die Verarbeitung von Informationen im Internet gefördert werden, vgl. Helfrich, in: Lejeune (Hrsg.), Der ECommerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 261, Rn. 47. 1453 Eine Definition findet sich in § 102 (a) (52) UCITA: „Published informational content means informational content prepared for or made available to recipients generally, or to a class of recipients, in substantially the same form. The term does not include informational content that is: (A) customized for a particular recipient by one or more individuals acting as or on behalf of the licensor, using judgment or expertise; or (B) provided in a special relationship of reliance between the provider and the recipient.” 1451

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

onsverarbeitungssystem oder bei entsprechender Vereinbarung kann jedoch bei einer erheblichen Vertragsverletzung die vertragliche Leistung eingestellt werden (§ 814 UCITA). Einer vorausgehenden Ankündigung bedarf es dazu nicht.1454 Die ALI Principles gestatten den Einsatz elektronischer Selbsthilfe, verlangen aber, das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung, die den Einsatz erlaubt (§ 4.03 (d) ALI Principles). gg) Zwischenergebnis Bei Berücksichtigung des UCITA ist die Vertragsdurchführung für Verträge über digitale Güter und Software genau und umfassend geregelt. Dabei lehnt sich der UCITA zwar grundsätzlich an die Struktur des Kaufrechts an, es werden allerdings auch einige Sonderregeln normiert.1455 So wird die Zusicherung der Rechtsmängelfreiheit auf Rechte Dritter beschränkt, die nach dem US-Recht entstanden sind. Auf die Festlegung eines objektiven Branchenstandards als Maßstab für die Sollbeschaffenheit wird bei Computerprogrammen verzichtet. Deutlich abgesenkt werden die Leistungspflichten der Softwarehändler. Hingegen unterfällt der Inhalt von Datenbanken einem strengen Maßstab. In bestimmten Konstellationen stellt jedoch die Nichtverfügbarkeit des Zugangs keinen Vertragsbruch dar. Bei der Lieferung eines Computersystems aus Hard- und Softwarekomponenten muss die Funktionsfähigkeit gewährleistet sein. Der zu verwendende Text für Haftungsausschlüsse ist im UCITA vorformuliert. Erfüllungsort ist stets der Sitz des Anbieters. Ausreichend ist das zur Verfügungstellen des digitalen Gutes, so dass der Kunde es erlangen kann. Allerdings liegt das Übertragungsrisiko anders als beim deutschen Recht beim Versender. Besteht der Wert des Vertrages allein im Betrachten der übermittelten Information, so darf der Kunde sein Untersuchungsrecht nicht durch Betrachtung der Information ausüben. Ausdrücklich wird neben den allgemeinen Rechtsbehelfen erlaubt, auch auf automatische Sicherungsmaßnahmen zurückzugreifen. Bis auf das Verbot der elektronischen Selbsthilfe entsprechen die Vorschriften des elektronischen Vertragsrechts zu den Rechtsbehelfen bei Vertragsbruch den allgemeinen kaufrechtlichen Regelungen. Anders als im deutschen Recht beruht die Haftung primär nicht auf dem Verschuldensprinzip, sondern besteht in einer Garantiehaftung mit weit reichender Möglichkeit zur Haftungsfreizeichnung.

1454

§ 814 UCITA comm. 3. Böhner, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 237, Rn. 41; Eiselen, 116 South African Law Journal 1996, 323, Rn. 4. 1455

B. Rechtslage

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g) Vertragsbeendigung Ist die Leistungserbringung einer Partei unmöglich, kann die andere Partei den Vertrag beenden, so dass ausstehende Leistungen nicht mehr zu erbringen sind (§§ 615 (d) (1), 616 (a) UCITA/§§ 2–615, 2–616, 2–106 (3) UCC). Alternativ hat sie das Recht, den Vertrag zu modifizieren (§ 615 (d) (2) UCITA). Nimmt sie dieses Recht nicht wahr, erlischt der Vertrag spätestens nach Ablauf von 30 Tagen (§ 615 (e) UCITA). Darüber hinaus berechtigt das Vorliegen einer erheblichen Vertragsverletzung zur Vertragsauflösung (§§ 601 (b) (2), 704 (d), 802 (a) UCITA). Mit der Vertragsbeendigung besteht ein Recht auf Rückgewähr gelieferter Exemplare oder auf Verhinderung der fortgesetzten Nutzung übermittelter Informationsrechte (§ 815 (a) UCITA). Für die Zeit nach der Rückgabe stellt § 616 (b) UCITA klar, dass trotz Vertragsbeendigung vertragliche Vertraulichkeitsvereinbarungen, Wettbewerbsverbote, Haftungsbegrenzungen, Gerichtsstands- sowie Rechtswahlvereinbarungen wirksam bleiben. Gleiches gilt für die vertragliche Verpflichtung, Informationen oder Exemplare zurückzugeben oder zu zerstören. IV. Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Urteilen Für Unternehmen ist entscheidend, dass ein erstrittenes Urteil in dem Staat durchgesetzt werden kann, in dem es ergangen ist1456 oder bei internationalen Handelsgeschäften in einem anderen Staat als dem Forumstaat anerkannt wird und vollstreckbar ist. Besonders relevant werden Verfahrensfragen immer dann, wenn die unterlegene Partei in dem Staat, in dem das Urteil ergangen ist, über kein Vermögen verfügt. Die Frage der Durchsetzbarkeit im Ausland stellt sich grundsätzlich auch bei privaten Schiedsurteilen. Maßgeblich sind jeweils die Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln des Staates, in dem das Urteil durchgesetzt werden soll.1457 Bisher existiert kein Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile, dem globale Bedeutung zukommt.1458 Eine Anerkennungspflicht besteht auch nicht kraft allgemeinen Völkerrechts.1459 Allerdings könnte für die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in Handelssachen, die auf einer Gerichtsstandsvereinbarung beruhen,

1456

Kropholler, IPR, S. 607. Kropholler, a.a.O., S. 607. 1458 Das Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Zivil- und Handelssachen von 1976 wurde nur von den Niederlanden, Portugal, Zypern, Kuwait und Albanien umgesetzt, vgl. . 1459 Schack, Rn. 865. 1457

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

durch das HÜG1460 in naher Zukunft ein internationaler, vereinheitlichter Rechtsrahmen bestehen. Das HÜG ist noch nicht in Kraft getreten, wurde jedoch bereits von den USA und der Europäischen Union unterzeichnet und von Mexiko ratifiziert. Die Durchsetzung von ausländischen Schiedsurteilen regelt das von vielen Staaten unterzeichnete NYÜ1461. 1. Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Urteilen durch deutsche Gerichte Die Durchsetzbarkeit eines ausländischen Urteils in Deutschland setzt die Anerkennung und Vollstreckung des Urteils voraus.1462 Das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren (Exequatur) ist dabei für Titel, die in einem Staat der EU ergangen sind, im Vergleich zu Titeln, die aus einem Drittstaat stammen, deutlich erleichtert. Vereinheitlichte Regelung für die Anerkennung und Vollstreckung finden sich in der EuGVVO1463, dem EuGVÜ1464, dem LuGÜ1465, der EuVTO1466 sowie der Mediationsrichtlinie1467. Teilweise ergeben sich Verfahrenserleichterungen auch aus bilateralen Staatsverträgen.1468 Zwischen Deutschland und den USA besteht kein bilateraler Staatsvertrag in diesem Bereich. Für die sich an das Anerkennungs- und

1460

Text, Gesetzesmaterialien und eine aktuelle Liste von Mitgliedsstaaten ist abrufbar unter: . Siehe Kap. 4. A. III 2. 1461 Siehe Kap. 4. A. III 1. 1462 MüKo-Gottwald, § 328 ZPO, Rn. 2. 1463 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), ABl. EG Nr. L 12 vom 16.1.2001, S. 1. 1464 Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 in der Fassung des 3. Beitrittsübereinkommens vom 26.5.1989, BGBl. 1972 II S. 774, BGBl. 1994 II S. 519. 1465 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, abgeschlossen in Lugano am 30.10.2007, ABl. EG Nr. L 339 vom 21.12.2007, S. 3. 1466 Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, ABl. EG Nr. L 143 vom 20.4.2004, S. 15. 1467 Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG Nr. L 136 vom 24.5.2008, S. 3. 1468 Für einen Überblick über die derzeit in Deutschland geltenden bilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen vgl. Schack, Rn. 894.

B. Rechtslage

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Vollstreckbarerklärungsverfahren anschließende Zwangsvollstreckung existieren keine europarechtlichen Regelungen.1469 a) Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen aus Staaten der EU Eine in einem EU-Mitgliedsstaat ergangene Entscheidung muss grundsätzlich ohne besonderes Verfahren in jedem anderen EU-Mitgliedsstaat anerkannt werden (Art. 33 Abs. 1 EuGVVO). Insbesondere darf die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Urteilsstaates nicht überprüft werden (Art. 35 Abs. 3 EuGVVO).1470 Gegen die Anerkennung des ausländischen Urteils sind nur die Einwände aus Art. 34 EuGVVO möglich. Dies sind der ordre publicVorbehalt (Art. 34 Nr. 1 EuGVVO), Aspekte, die einen Verstoß gegen die Gewährung des rechtlichen Gehörs bewirken (Art. 34 Nr. 2 EuGVVO) sowie das Vorliegen unvereinbarer Entscheidungen (Art. 34 Nr. 3, 4 EuGVVO). Für internationale elektronische Handelsverträge sind keine wesentlichen Besonderheiten erkennbar. Bedenkenswert ist aber der Fall, dass ein deutsches Unternehmen von einem ausländischen Gericht zur Schadensersatzzahlung wegen Nichterfüllung des Vertrages verurteilt wird, obwohl das Leistungshindernis im deutschen öffentlichen Recht (etwa im Außenwirtschafts-, Datenschutz- und Steuerrecht) begründet war. In diesem Fall könnte das deutsche Gericht dem ausländischen Urteil ausnahmsweise die Anerkennung versagen, weil der ordre public-Vorbehalt gilt.1471 Ebenso wie die Anerkennung ist auch die Vollstreckbarkeitserklärung im Rahmen der EuGVVO nicht mit größeren Schwierigkeiten verbunden. Auf Antrag des Gläubigers überprüft der Vorsitzende einer Kammer des Landgerichts am Wohnsitz des Schuldners oder am Ort der Zwangsvollstreckung nur das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels1472 (Art. 39, 41 EuGVVO) und entscheidet durch Beschluss, gegen den sich der Schuldner binnen eines Mo1469

Schack, Rn. 1061. Art. 35 Abs. 1 EuGVVO nennt als Ausnahme eine Verletzung der Vorschriften der Abschnitte 3, 4 und 6 des Kapitels II sowie das Vorliegen eines Falls des Art. 72. Die Abschnitte 3, 4 und 6 betreffen mit Zuständigkeitsregelungen für Versicherungs- und Verbrauchersachen sowie für Immobiliarklagen, Klagen hinsichtlich der Wirksamkeit von Gesellschaftsorganbeschlüssen etc. Bereiche, die nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind. Art. 72 EuGVVO betrifft die besondere Fallkonstellation, dass sich die Gerichte des Urteilsstaates aufgrund einer exorbitanten Zuständigkeitsanknüpfung des Art. 3 Abs. 2 EuGVVO zuständig erklärt haben, der Anerkennungsstaat aber sich in einem vor dem 1.3.2002 geschlossenen völkerrechtlichen Vertrag gegenüber einem Drittstaat verpflichtet hat, solche Urteile nicht anzuerkennen, Geimer/Schütze-Geimer, Art. 72 EuGVVO, Rn. 3 f. 1471 Geimer/Schütze-Geimer, Art. 34 EuGVVO, Rn. 45 f. 1472 Nach Art. 41 EuGVVO wird nur die Einhaltung der in Art. 53 EuGVVO genannten Förmlichkeiten überprüft, ohne dass etwaige Einwände gegen das Urteil aus Art. 34, 35 EuGVVO berücksichtigt werden, auch der Schuldner wird nicht gehört. 1470

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

nats mit dem Rechtsbehelf der Beschwerde wehren kann (Art. 43 Abs. 5 EuGVVO). Ein regelmäßig noch schnellerer und einfacherer Weg als das Vollstreckbarkeitserklärungsverfahren der EuGVVO ist die Bestätigung des Urteils als Europäischer Vollstreckungstitel.1473 Mit der Verordnung über den europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen vom 22.1.2005 (EuVTVO)1474 ist für Anerkenntnisurteile, Prozessvergleiche, öffentliche Urkunden und Versäumnisurteile die Möglichkeit geschaffen worden, sie ohne Exequaturverfahren und damit auch ohne ordre public-Kontrolle1475 wie einen inländischen Titel zu vollstrecken (§ 1082 ZPO). Voraussetzung ist allein die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel vom Ursprungsmitgliedsstaat (§ 1082 ZPO). Außerdem sind innerhalb einer Mediation zu Stande gekommene Vereinbarungen auf Antrag vollstreckbar zu machen (Art. 6 Abs. 1, 2 Mediationsrichtlinie). b) Anerkennung und Vollstreckung von US-amerikanischen Gerichtsurteilen Für ein US-amerikanisches Urteil, dem ein Streit aus einem elektronischen Handelsvertrag zugrunde liegt und das in Deutschland durchgesetzt werden soll, richten sich die Möglichkeiten der Anerkennung und Vollstreckung in Deutschland nach §§ 328, 722 f. ZPO.1476 Die Voraussetzungen für die Anerkennung sind im deutschen Recht nicht positiv formuliert, vielmehr kommt nach dem Grundsatz der automatischen Anerkennung einer ausländischen Entscheidung dieser immer dann Inlandswirkung zu, wenn keines der in § 328 ZPO normierten Anerkennungshindernisse vorliegt.1477 Von den Anerkennungshindernissen wirft die Verletzung rechtlichen Gehörs in der Variante des § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, wie schon zur Parallelvorschrift des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO festgestellt, für den Bereich elektronischer Handelsverträge keine besonderen Probleme auf. Gleiches gilt für das Anerkennungshindernis des § 328 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, namentlich dem Vorliegen eines anderen unvereinbaren Urteils oder Verfahrens.

1473

Wagner, IPRax 2005, 189, 190 f. Vgl. auch EG-Vollstreckungstitel-DurchführungsG vom 18.8.2005, BGBl. I 2477. 1475 Dies für verfassungswidrig haltend Stadler, IPRax 2004, 2, 8 f. 1476 Als Ausdruck einer allgemein großzügigen Anerkennungstendenz US-amerikanischer Entscheidungen in Deutschland kann BGHZ 118, 312 gelten. 1477 MüKo-Gottwald, § 328 ZPO, Rn. 7. 1474

B. Rechtslage

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aa) Anerkennungszuständigkeit Die Anerkennung eines ausländischen Urteils ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht angehört, nach den deutschen Gesetzen nicht zuständig sind (§ 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Hiermit ist der Bereich der Anerkennungszuständigkeit angesprochen, bei der es um die Frage geht, ob aus Sicht des Anerkennungsstaates der Urteilsstaat zur Streitentscheidung berufen gewesen ist.1478 In § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kommt zum Ausdruck, dass in Deutschland über die Anerkennungszuständigkeit nach dem „Spiegelbildprinzip“ entschieden wird, das heißt die deutschen Regeln über die Entscheidungszuständigkeit werden auf den Urteilsstaat übertragen, so dass dieser anerkennungszuständig ist, wenn er bei hypothetischer Geltung deutschen Zuständigkeitsrechts für die Entscheidung international zuständig gewesen wäre.1479 Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Zuständigkeitsgründe deckungsgleich waren. Vielmehr genügt es, wenn das ausländische Gericht nach deutschem Recht aus irgendeinem Grund zuständig gewesen wäre.1480 Daher dürfte die Anerkennungszuständigkeit auch dann gegeben sein, wenn US-amerikanische Gerichte ihre Zuständigkeit auf der Grundlage des Zippo Sliding Scale-Tests1481 beim Vorliegen einer interaktiven Webseite eines deutschen Anbieters angenommen haben, da nach deutschem Recht auch in diesem Fall zumindest der besondere Gerichtsstand des Vermögens aus § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO regelmäßig einen Gerichtsstand in den USA begründen können wird. bb) Ordre Public-Vorbehalt Die Anerkennung eines US-amerikanischen Urteils ist trotz Anerkennungszuständigkeit des Urteilstaats ausgeschlossen, wenn die Anerkennung des Urteils zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (§ 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Dieser ordre public-Vorbehalt ist enger gefasst und betrifft nicht das gesamte innerstaatlich zwingende Recht. Bei elektronischen Handelsverträgen wird er regelmäßig nur bei einem Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Kartell-, Außenwirtschafts-, Datenschutz- oder Steuerrechts relevant werden. Im Hinblick auf US-amerikanische Gerichtsurteile wird aber außerdem die Vollstreckung von Urteilen abgelehnt, die Strafschadensersatz (punitive da-

1478

Schack, Rn. 920. Wurmnest, 23 Berkeley J. Int'l L. 2005, 175, 189; Schack, Rn. 921 f. mit dem Hinweis auf andere Regelungstechniken für die Anerkennungszuständigkeit. 1480 MüKo-Gottwald, § 328 ZPO, Rn. 9. 1481 Siehe Kap. 8 B. I. 5. b) aa). 1479

392

8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

mages) zusprechen.1482 Die US-amerikanischen Regeln zur „discovery“ im Zivilprozess begründen nach dem BGH hingegen keinen Verstoß gegen den ordre public-Vorbehalt.1483 Dies muss wohl auch für das Verfahren der „elektronischen discovery“ gelten. cc) Gegenseitigkeit Letztlich ist die Anerkennung eines Urteils ausgeschlossen, wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist (§ 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO).1484 Verbürgung der Gegenseitigkeit bedeutet, dass deutsche Urteile grundsätzlich im Urteilsstaat anerkannt und vollstreckt werden können. Maßgeblich ist dabei die Anerkennungspraxis1485 und in Ermangelung einer solchen die aus dem Anerkennungsrecht zu schließende Anerkennungsbereitschaft1486. Anders als bei der Prüfung der Anerkennungszuständigkeit nach dem „Spiegelbildprinzip“ ist bei Mehrrechtsstaaten wie den USA die Verbürgung der Gegenseitigkeit für jeden einzelnen Bundesstaat gesondert festzustellen.1487 Für die Bundesstaaten der USA ist die Gegenseitigkeit für Zahlungsurteile grundsätzlich verbürgt.1488 Auch die Tatsache, dass bei Titeln unter USD 100.000 die Kosten der Vollstreckbarerklärung nicht erstattet werden können, wodurch eine Vollstreckbarerklärung in den USA für Gläubiger kleiner Forderungen wirtschaftlich unsinnig wird1489, hat die deutsche Rechtsprechung bisher nicht dazu veranlasst, ihre großzügige Beurteilung der Gegenseitigkeit in Bezug auf die USA zu überdenken. c) Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedsurteilen Schiedsurteile können mit Hilfe der staatlichen Gerichte zwangsweise durchgesetzt werden. Darin zeigt sich die Bedeutung staatlicher Gerichte im Rahmen des privaten Schiedsverfahrens. Die zwangsweise Durchsetzung von Schiedssprüchen setzt allerdings wie bei Urteilen voraus, dass sie vom durchsetzenden Staat anerkannt und für vollstreckbar erklärt worden sind (§§ 1060 Abs. 1, 1061 Abs. 1 ZPO, Art. III S. 1 NYÜ). Anders als im Bereich der Schiedsurteile besteht aber mit dem NYÜ ein globales, in vielen Staaten 1482

BGHZ 118, 312, 334; Wurmnest, 23 Berkeley J. Int'l L. 2005, 175, 196. BGHZ 118, 312, 325; gleiches gilt für die US-amerikanische Prozessregel, dass jede Partei ihre Prozesskosten tragen muss, vgl. BGHZ 118, 312, 326. 1484 Das Erfordernis der Gegenseitigkeit de lege ferenda ablehnend Schack, Rn. 964 ff. 1485 MüKo-Gottwald, § 328 ZPO, Rn. 117. 1486 BGHZ 49, 50; MüKo-Gottwald, § 328 ZPO, Rn. 117. 1487 BGHZ 141, 286, 299; Wurmnest, 23 Berkeley J. Int'l L. 2005, 175, 188. 1488 Schütze, ZVglRWiss 98 (1999), 131, 133; Wurmnest, 23 Berkeley J. Int'l L. 2005, 175, 188. 1489 Vgl. Schütze, ZVglRWiss 98 (1999), 131, 138, der daraus folgert, dass für solche Titel die Gegenseitigkeit nicht verbürgt sei. 1483

B. Rechtslage

393

(auch in Deutschland) gültiges Übereinkommen, das die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche regelt. Deutsche Gerichte müssen sich bei der Entscheidung über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche grundsätzlich nach dem NYÜ richten (§ 1061 Abs. 1 ZPO). Für die Bestimmung der Auslandseigenschaft eines Schiedsspruchs durch Ermittlung des Schiedsorts und die damit für das Online-Schiedsverfahren verbundenen Probleme kann auf die obigen Ausführungen zur Schiedsvereinbarung verwiesen werden.1490 Art. III S. 2 NYÜ stellt den Grundsatz auf, dass die Anerkennung oder Vollstreckung von Schiedssprüchen, auf die das NYÜ anzuwenden ist, nicht wesentlich strengeren Verfahrensvorschriften noch wesentlich höheren Kosten unterliegen darf als die Anerkennung oder Vollstreckung inländischer Schiedssprüche. Diese Norm setzt voraus, dass das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nicht im Übereinkommen selbst geregelt ist, sondern in den nationalen Prozessvorschriften. aa) Anerkennungsversagungsgründe Nach deutschem Prozessrecht hat ein Schiedsspruch grundsätzlich die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils, das heißt die Wirkungen des ausländischen Schiedsspruchs werden automatisch und formlos auf das Inland erstreckt (§ 1055 ZPO).1491 Allerdings sind in § 1059 ZPO und Art. V NYÜ nahezu identische Aufhebungs- beziehungsweise Anerkennungsversagungsgründe aufgeführt. Hinsichtlich des Versagungsgrunds einer ungültigen Schiedsvereinbarung (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO, Art. V Abs. 1 lit. a NYÜ) wird auf die bereits diskutierten Wirksamkeitsprobleme von Schiedsvereinbarungen in internationalen elektronischen Handelsverträgen verwiesen.1492 Für die Versagungsgründe, die Umstände beschreiben, aus denen die Unzulässigkeit des Verfahrens folgt (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. b-d ZPO, Art. V Abs. 1 lit. b-d NYÜ), ergeben sich im Hinblick auf elektronische Verträge ebenso keine besonderen Schwierigkeiten. Bei dem ordre public-Vorbehalt (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, Art. V Abs. 2 NYÜ) ist zu prüfen, ob ein Verstoß gegen wesentliche Rechtsprinzipien des deutschen Außenwirtschafts-, Datenschutz- oder Steuerrechts vorliegt. bb) Verfahren der Vollstreckbarerklärung Hindert einer dieser Gründe die Anerkennung, so steht er der Vollstreckbarerklärung entgegen. Liegt hingegen kein Versagungsgrund vor, so ist der 1490

Siehe Kap. 8 B. I. 4.g) cc). Zöller-Geimer, § 1061 ZPO, Rn. 16. 1492 Siehe Kap. 8 B. I. 4. g) bb). 1491

394

8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

ausländische Schiedsspruch beim Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen für vollstreckbar zu erklären. Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung richtet sich auch bei ausländischen Schiedssprüchen grundsätzlich nach den für inländische Schiedsurteile geltenden Vorschriften der §§ 1062 ff. ZPO (§ 1025 Abs. 4 ZPO). Anders als bei der Anerkennung sieht das deutsche Recht für die Vollstreckbarerklärung aber ein gerichtliches Verfahren vor. Die Einbeziehung von § 1061 ZPO in den Verweis des § 1025 Abs. 4 ZPO macht deutlich, dass dabei die Regelungen des NYÜ berücksichtigt werden müssen. Tatsächlich enthält das NYÜ mit Art. IV eine Vorschrift für das Verfahren der Vollstreckbarerklärung. Danach ist erforderlich, dass die Partei, welche die Anerkennung und Vollstreckung nachsucht, zugleich mit ihrem Antrag die gehörig legalisierte (beglaubigte) Urschrift des Schiedsspruchs oder eine Abschrift, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsgemäß beglaubigt ist, sowie die Urschrift der Schiedsvereinbarung oder eine Abschrift, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsgemäß beglaubigt ist, vorlegt. Zur Legalisation ist der deutsche Konsul im betreffenden Land zuständig (§ 13 KonsularG); die Beglaubigung kann ebenfalls durch den Konsul (§ 10 KonsularG) oder in Deutschland durch den Notar erfolgen (§ 42 BeurkG). Dies bedeutet für das Online-Schiedsverfahren und den Abschluss von Schiedsvereinbarungen mit elektronischen Mitteln, dass ein Ausdruck des Schiedsspruchs und der Schiedsvereinbarung notariell beglaubigt werden muss (§ 39 BeurkG). Alternativ ist es auch möglich, über das Schiedsurteil und die Schiedsvereinbarung eine elektronische Notarurkunde zu errichten (§ 39a BeurkG). Hierzu muss ein elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden, durch die die Notareigenschaft nachgewiesen wird (§ 39a S. 1, 2, 4 BeurkG).1493 Außerdem könnte von einer elektronischen Schiedsvereinbarung und einem elektronischen Schiedsurteil eine Urschrift existieren und übermittelt werden. Bei papierbasierten Schiedsurteilen und Schiedsvereinbarungen meint die Vorlage der Urschrift den Vorgang des unmittelbaren Besitzübergangs des Mediums, auf dem das Urteil beziehungsweise die Vereinbarung ursprünglich festgehalten wurde, von der Schiedspartei an das Gericht. Die Urschrift bleibt nicht mehr im unmittelbaren Besitz der Schiedspartei. Diesen Vorgang beim Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel funktional äquivalent abzubilden, ist nicht ohne weiteres möglich, da hier der Empfänger regelmäßig nur eine Kopie der übersendeten Datei erhält.1494 Sofern es aber gar nicht primär auf den Besitzübergang ankommt, sondern dieser nur Nebenfolge der Gewährleistung der Echtheit der Urschrift ist und jede einfache 1493 1494

Ausführlich zur elektronischen Notarurkunde Gassen, RNotZ 2007, 142, 143 ff. Roßnagel, MMR 2002, 67, 68.

B. Rechtslage

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Abschrift die Gefahr der Verfälschung mit sich bringt, können besondere kyptografische Verfahren eingesetzt werden, die äquivalent zur Urschrift die Echtheit der Originaldatei gewährleisten1495. Zu beachten ist also, dass die Sicherstellung der Übermittlung der unveränderten Ursprungsdatei mit besonderen technischen Mitteln durchaus gewährleistet werden kann und nicht grundsätzlich unmöglich ist.1496 Allerdings ist Art. IV NYÜ für deutsche Gerichte ohnehin nur bedingt maßgeblich, da § 1064 Abs. 1 ZPO die Möglichkeit eines vereinfachten Vollstreckbarerklärungsverfahrens gewährt. Danach reicht es aus, dass mit Antrag auf Vollstreckbarerklärung der Schiedsspruch oder eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs vorgelegt wird, wobei die Beglaubigung auch vom für das gerichtliche Verfahren bevollmächtigten Rechtsanwalt vorgenommen werden kann. Diese Erleichterung ist letztlich gegenüber Art. IV NYÜ vorrangig, da auch für das Vollstreckbarkeitsverfahren das Günstigkeitsprinzip gilt, wonach jeweils das anerkennungsfreundlichere Regelwerk maßgebend ist (§ 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO, Art. VII NYÜ).1497 Damit steht es der Vollstreckbarerklärung eines US-amerikanischen Schiedsspruchs in Deutschland nicht im Wege, dass die Schiedsvereinbarung mit elektronischen Mitteln abgeschlossen worden ist. Wenn es allein der Vorlage des Schiedsspruchs bedarf, kann es auf die Entstehung der Schiedsvereinbarung nicht ankommen. Für den Bereich der Online-Schiedsverfahren bleibt es allerdings dabei, dass die Echtheit der übermittelten Originaldatei sichergestellt sein muss. d) Zwischenergebnis Ein US-Urteil, das gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Kartell-, Außenwirtschafts-, Datenschutz- oder Steuerrechts verstößt, kann in Deutschland nicht anerkannt und vollstreckt werden. Ansonsten können Urteile aus dem Bereich elektronischer Handelsverträge, die in einem Staat der EU oder der USA ergangen sind, in Deutschland anerkannt und vollstreckt werden. Der Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsurteils in Deutschland steht es nicht entgegen, dass das Schiedsurteil auf einer elektronischen Schiedsvereinbarung beruht. Für die Anerkennung und Vollstreckung eines elektronischen Schiedsurteils bedarf es einer notariellen beziehungsweise anwaltlichen Beglaubigung eines Ausdrucks, der Errichtung einer elektronischen Notarurkunde oder der Übermittlung des Urteils in einer Form, bei der die Echtheit der Originaldatei sichergestellt ist.

1495

Siehe Kap. 3 B. II. So aber UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 166. 1497 Schwab/Walter, Kap. 30 Rn. 2. 1496

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

2. Anerkennung und Vollstreckung von deutschen Urteilen durch USamerikanische Gerichte Auch bei der Anerkennung und Vollstreckung von deutschen Urteilen in den USA soll zwischen Gerichts- und Schiedsurteilen unterschieden werden. a) Anerkennung und Vollstreckung von deutschen Gerichtsurteilen Wie die gerichtliche Zuständigkeit und das Kollisionsrecht tritt in den USA auch die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in einer interlokalen und in einer internationalen Variante auf. Nur die interlokale Anerkennung und Vollstreckung ist von der „Full Faith and Credit Clause“ (Art. IV § 1 USVerfassung) gedeckt, wonach gerichtliche Entscheidungen, die in einem Bundesstaat ergangen sind, in jedem anderen Staat in vollem Umfang wirksam sind.1498 Spezialvorschriften für die Anerkennung und Vollstreckung, die auf elektronischen Handelsverträgen beruhen, existieren nicht. Damit ist die Durchsetzbarkeit ausländischer Entscheidung nicht verfassungsrechtlich garantiert.1499 Die Gesetzgebungskompetenz für diesen Bereich liegt zwar beim Kongress, dieser hat allerdings davon bisher keinen Gebrauch gemacht.1500 Auch die Bundesgerichte könnten diesen Bereich durch entsprechendes Richterrecht verbindlich regeln, nach der Supremacy Clause auch für die Einzelstaaten.1501 Da dies aber bisher ebenfalls nicht geschehen ist, wenden die einzelstaatlichen Gerichte zwangsläufig bundesstaatliches Recht an.1502 Gleiches gilt aber auch für die Bundesgerichte, die nach der Erie-Doktrin in diversity-Fällen1503 das Recht des Bundesstaates anwenden, in dem sie ihren Sitz haben.1504 Rechtsquelle des bundesstaatlichen Rechts für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile ist je nach Staat das Richterrecht oder ein kodifiziertes Gesetz.1505 Diese stehen aber nicht strikt getrennt nebeneinander, sondern haben sich vielmehr wechselseitig beeinflusst. Ausgangspunkt ist immer die grundlegende Sup-

1498

G. A. Bermann, S. 329; Silberman, PLI International Business Litigation & Arbitration 2006, 403, 405. 1499 G. A. Bermann, S. 332. 1500 G. A. Bermann, a.a.O., S. 332. 1501 G. A. Bermann, a.a.O., S. 335. 1502 Silberman, PLI International Business Litigation & Arbitration 2006, 403, 406, die darauf hinweist, dass die Anerkunngspraxis in allen Bundesstaaten weitestgehend identisch ist. 1503 Siehe Kap. 8 B. 5. 1504 Southwest Livestock & Trucking Co., Inc. v. Ramon, 169 F.3d 317, 320 (5th Cir.1999); G. A. Bermann, S. 332 f.; U.S. Department of State, PLI International Business Litigation & Arbitration 2006, 1157, 1160. 1505 G. A. Bermann, S. 333.

B. Rechtslage

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reme Court Entscheidung Hilton v. Guyot aus dem Jahr 1895.1506 Damals wurde entschieden, dass ein Gerichtsurteil anzuerkennen und vollstreckbar sei, wenn ihm ein faires Verfahren zugrunde liegt, das erlassende Gericht zuständig war und die Gegenseitigkeit der Anerkennung verbürgt ist.1507 Während die Kriterien des fairen Verfahrens und der Zuständigkeit vom nachfolgenden Richterrecht und den Kodifizierungen übernommen wurden, wird auf die Verbürgung der Gegenseitigkeit heute weitgehend verzichtet.1508 Die meisten einzelstaatlichen Kodifizierungen basieren auf dem Uniform Foreign Country Money Judgments Recognition Act (UFCMJRA), der als Modellgesetz der Umsetzung durch die Bundesstaaten bedarf. Zentrale Norm des UFCMJRA ist § 4 (a), wonach eine ausländische Entscheidung grundsätzlich gleichsam einer Entscheidung aus einem anderen Bundesstaat anzuerkennen und zu vollstrecken ist, sofern kein Versagungsgrund vorliegt. In jedem Fall einer Anerkennung und Vollstreckung entgegen stehen ein unfaires Verfahren1509 und fehlende Zuständigkeit (§ 4 (b) UFCMJRA). Darüber hinaus sollen auch Verfahrensfehler, ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung1510, Bestehen von unvereinbaren Entscheidungen1511, eine entgegenstehende ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung sowie eine große Entfernung des Gerichtsortes für den Beklagten nach Ermessen des anerkennenden oder vollstreckenden Gerichts zur Versagung führen können (§ 4 (c) UFCMJRA). Zumindest im Bereich des Datenschutzes dürften deutsche Gerichtsurteile regelmäßig nicht gegen die öffentliche Ordnung in den USA verstoßen, da das deutsche Datenschutzrecht deutlich strenger ist als sein USamerikanisches Pendant. Für die sonstigen bei elektronischen Handelsverträgen in Zusammenhang mit dem ordre public-Vorbehalt zu nennenden Bereiche des Steuer-, Außenwirtschafts- oder Kartellrechts wird jeweils im Einzelfall genau zu prüfen sein, ob ein Verstoß vorliegt. Die übrigen Versagungsgründe werfen mit Ausnahme der Frage der Zuständigkeit für elektronische Handelsverträge keine besonderen Schwierigkeiten auf.

1506

G. A. Bermann, S. 333. Hilton v. Guyot, 159 U.S. 113, 201 f. (1894). 1508 Vgl. § 98 comm. e Restatement (Second) of Conflict of Laws; Silberman, PLI International Business Litigation & Arbitration 2006, 403, 409. 1509 Auf dieser Grundlage die Anerkennung einer libanesischen Entscheidung ablehnend Bridgeway Corp. v. Citibank, 201 F. 3d 134 (2d Cir. 2000). 1510 Ein Beispiel ist der Fall Yahoo!, Inc. v. La Ligue Contre Le Racisme et L’Antisemitism, 169 F. Supp. 2d 1181 (N.D.Cal. 2001), in dem die französische Entscheidung, dass Yahoo den Zugang zu Neonazipropagandawebseiten beschränken sollte, als Verstoß gegen das First Amendment gewertet und als nicht durchsetzbar erklärt wurde. 1511 Auf dieser Grundlage die Anerkennung verneinend Brosseau v. Ranzau, 81 S.W.3d 381 (Tex. App. 2002). 1507

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

Die Zuständigkeit der Gerichte des Urteilsstaates ist anhand von § 5 UFCMJRA zu bestimmen, der zum einen Katalog an Zuständigkeiten beinhaltet, zum anderen in § 5 (b) es den Gerichten mit einer allgemeine Öffnungsklausel ermöglicht, jede Art internationaler Zuständigkeit des Urteilsstaates genügen zu lassen.1512 Damit wird auch im US-amerikanischen Recht die Anerkennungszuständigkeit anhand einer spiegelbildlichen Anwendung der Regeln zur internationalen Zuständigkeit ermittelt.1513 Nimmt ein deutsches Gericht bei einem Streit aus einem elektronischen Handelsvertrag seine Zuständigkeit an, so werden auch regelmäßig geschäftliche Kontakte nach Deutschland vorliegen, die nach dem Zippo Sliding Scale-Test1514 eine Zuständigkeit deutscher Gerichte begründen würden. Somit ergeben sich für die Anerkennungszuständigkeit keine Schwierigkeiten. b) Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedsurteilen Für die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedsurteilen durch US-amerikanische Gerichte sind die gleichen Rechtsquellen maßgeblich wie für die Bestimmung der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen1515. Die Anerkennung eines Schiedsurteils setzt zunächst voraus, dass die Voraussetzungen von § 202 FAA / Art. I (1) NYÜ erfüllt sind (§ 207 FAA). Bei Online-Schiedsverfahren und/oder elektronischen Verträgen ergeben sich hier die bereits zur Anerkennung von Schiedsvereinbarungen beschriebenen Probleme.1516 Gleiches muss nach den Teilen der Rechtsprechung, die einen Gleichlauf von NYÜ und PanC fordern1517, auch für eine Anerkennung nach §§ 302, 207 FAA gelten. Hinsichtlich der Verfahrensvorschrift des Art. IV Abs. 1 NYÜ, die in § 207 FAA hineinzulesen ist1518 und die für die Anerkennung und Vollstreckung verlangt, dass die legalisierte (authenticated) Urschrift (original) des Schiedsspruches oder eine Abschrift vorgelegt wird, deren Übereinstimmung mit der Urschrift ordnungsgemäß beglaubigt ist (certified), und dass die Urschrift der Schiedsvereinbarung oder eine Abschrift beigebracht wird, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsgemäß beglaubigt ist, gelten wie im deutschen Recht verschiedene Erleichterungen, die aufgrund 1512

Ähnlich § 92 Restatement (Second) of Conflict of Laws. Scheuermann, S. 262; Silberman, PLI International Business Litigation & Arbitration 2006, 403, 426. Auf dieser Grundlage die Durchsetzbarkeit verneinend Koster v. Automark Indus., Inc., 640 F.2d 77 (7th Cir. 1981). 1514 Siehe Kap. 8 B. I. 5 b) aa). 1515 Siehe Kap. 8 B. I. 5. g) aa). 1516 Siehe Kap. 8 B. I. 5. g) bb). 1517 Siehe Kap. 8 B. I. 5. g) bb). 1518 Aufgrund von § 201 FAA ist diese Lesart angezeigt, vgl. auch die Parallelproblematik von § 202 FAA und Art. I NYÜ. 1513

B. Rechtslage

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des Günstigkeitsprinzips vorrangig sind. So genügt nach der Rechtsprechung die Beglaubigung durch den im Schiedsverfahren Prozessbevollmächtigten, wenn die Schiedsvereinbarung nicht bestritten wird.1519 Für den Bereich elektronischer Verträge ist aber noch wichtiger, dass nach USamerikanischem Recht ein Original auch in elektronischer Form vorgelegt werden kann, wenn es die Information der Ursprungsaufzeichnung fehlerfrei wiedergibt und für spätere Einsichtnahme erreichbar bleibt.1520 Außerdem kann die notarielle Beglaubigung ebenfalls durch elektronische Kommunikation erfüllt werden, indem die elektronische Signatur des Beglaubigenden, also des Prozessbevollmächtigten beziehungsweise des Notars, an das Schiedsurteil oder die Schiedsvereinbarung angefügt oder mit dieser logisch verbunden wird.1521 Die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedssprüchen durch US-amerikanische Gerichte ist also auch dann möglich, wenn die Schiedsvereinbarung elektronisch erfolgt ist und auch das Schiedsurteil nur in elektronischer Form vorliegt. Die sonstigen Versagungsgründe wie Betrugsfälle (§ 10 (a) (1), (2) FAA), wesentliche Verfahrensverstöße (§ 10 (a) (3), (4) FAA; Art. V Abs. 1 lit. b-d NYÜ), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung (Art. V Abs. 2 NYÜ), Unwirksamkeit der Schiedsabrede (Art. V Abs. 1 lit. a NYÜ) und die offensichtliche Missachtung von geltendem Recht1522, werfen für das OnlineSchiedsverfahren und elektronische Verträge keine besonderen Schwierigkeiten auf. c) Zwischenergebnis Gerichtsurteile, die in Deutschland im Hinblick auf elektronische Handelsverträge ergehen, sind auch in den USA durchsetzbar. Ausländische Schiedsurteile sind in den USA selbst dann durchsetzbar, wenn sie im Rahmen eines Online-Schiedsverfahrens ergangen sind. 3. Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen Nach Umsetzung des HÜG könnte die Durchsetzung ausländischer Gerichtsurteile zumindest für Urteile sichergestellt werden, die von einem Gericht stammen, dessen Zuständigkeit durch eine Gerichtsstandsvereinbarung in einem internationalen Handelsvertrag begründet wurde. Nach Art. 8 Abs. 1 1519

USDC New York (S.D.) YCA XXIII (1998), 1096, 1102. Siehe Kap. 8 B. III. 4. e) aa). 1521 Siehe Kap. 8 B. III. 4. e) aa). 1522 Dieser Annulierungsgrund ist nicht kodifiziert und ergibt sich aus der „manifest disregard of the law“-Doktrin, vgl. Hughes Traning, Inc. v. Cook, 254 F. 3d 588, 592 f. (5th Cir. 2001). 1520

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

HÜG ist nämlich die Entscheidung eines in einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung benannten Gerichts eines Vertragsstaates in anderen Vertragsstaaten grundsätzlich anzuerkennen und zu vollstrecken. Eine sachliche Nachprüfung des Ursprungsgerichts ist dabei ausgeschlossen.1523 Die Anerkennung und Vollstreckung darf nur aus den im Übereinkommen genannten Gründen verweigert werden. Zu den Versagungsgründen zählen die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung, bestimmte wesentliche Verfahrensfehler (Art. 9 lit. b-d HÜG), ein ordre public-Vorbehalt (Art. 9 lit. e HÜG), das Bestehen unvereinbarer Entscheidungen (Art. 9 lit. f, g HÜG) sowie Nichtanerkennung oder –vollstreckbarkeit im Urteilsstaat (Art. 8 Abs. 3 HÜG). Für die vor allem im Geschäftsverkehr zwischen den USA und Kontinentaleuropa auftretende Problematik, inwiefern ein von US-amerikanischen Gerichten verhängter Strafschadensersatz in Europa durchsetzbar ist, stellt Art. 11 Abs. 1 HGÜ die Regel auf, dass die Anerkennung und Vollstreckung nur soweit erfolgen muss wie Schadensersatz zugesprochen wird, der für einen tatsächlich erlittenen Schaden oder Nachteil entschädigt. Für den reinen Strafschadensersatz kommt es also zu einer Durchbrechung der Rechtskraft eines Urteils.1524 Die Versagungsgründe bereiten für elektronische Handelsverträge keine besonderen Schwierigkeiten. Dies gilt insbesondere für den Versagungsgrund der Unwirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, da die Anwendung des HÜG auf Gerichtsstandsvereinbarungen, die mit elektronischen Kommunikationsmitteln geschlossen wurden, ohne weiteres möglich ist.1525 Vorteilhaft ist auch, dass keine weitere Legalisation notwendig sein soll (Art. 8 Abs. 3 HÜG).1526 Ansonsten kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden, da sich das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nach dem nationalen Recht des Staates richtet, in dem das Urteil durchgesetzt werden soll (Art. 14 HÜG). V. Beweisrecht und elektronische Verträge Rechtsunsicherheiten können sich auch dadurch ergeben, dass der Bestand von elektronischen Verträgen im Streitfall unsicher ist, weil Gerichte ihnen nicht gleiche Beweiskraft zumessen wie schriftlichen Verträgen.

1523

Luginbühl/Wollgast, GRUR Int. 2006, 208, 214. Rühl, IPRax 2005, 410, 415 begrüßt dies; Lejeune/Büllesbach, S. 3 sprechen von einem angemessenen Kompromiss. 1525 Siehe Kap. 8 B. I. 6. b). 1526 Ebenfalls befürwortend BRAK, Stellungnahme HÜG, S. 2. 1524

B. Rechtslage

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1. Deutsches Beweisrecht für elektronische Verträge Das deutsche Beweisrecht für elektronische Verträge beruht auf europarechtlichen Vorgaben. Der Beweiswert elektronisch signierter Dokumente innerhalb der Europäischen Union wurde mit In-Kraft-Treten der Signaturrichtlinie1527 anerkannt.1528 Allerdings trifft die Signaturrichtlinie keine Aussage zum Maß der Beweiskraft, die elektronischen Dokumenten zukommen soll.1529 Die E-Commerce-Richtlinie1530 verlangt von den EU-Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass ihre für den Vertragsabschluss geltenden Rechtsvorschriften weder Hindernisse für die Verwendung elektronischer Verträge bilden noch dazu führen, dass diese Verträge aufgrund des Umstandes, dass sie auf elektronischem Wege zustande gekommen sind, keine rechtliche Wirksamkeit oder Gültigkeit haben (Art. 9 Abs. 1 S. 2 der E-CommerceRichtlinie). Hieraus ergibt sich, dass elektronische Verträge dieselbe Beweiskraft haben müssen wie herkömmliche Verträge.1531 Die europäischen Vorgaben hatte der deutsche Gesetzgeber zunächst durch das Formanpassungsgesetz1532 vom 13.7.2001 umgesetzt. Elektronische Dokumente wurden als Augenscheinsbeweis eingeordnet (§ 371 Abs. 1 S. 2 ZPO) und es wurde ein Anscheinsbeweis dafür begründet, dass eine Willenserklärung in elektronischer Form, das heißt ein elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, vom Inhaber der Signatur stammt (§ 292a ZPO a.F. i.V.m. § 126a Abs. 1 BGB).1533 Durch das Justizkommunikationsgesetz1534 vom 22.3.2005 wurde die Beschränkung auf elektronische Willenserklärungen aufgegeben und in § 371a ZPO eine Generalvorschrift für die Beweiskraft elektronischer Dokumente geschaffen.1535 Für private elektronische Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, verweist § 371a Abs. 1 S. 1 ZPO auf die Beweiskraft privater Urkunden (§ 416 ZPO). Somit erbringt ein 1527

Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen vom 13.12.1999, ABl. EG Nr. L 13 vom 19.1.2000, S. 12. 1528 Kilian, BB 2000, 733, 734. 1529 Vgl. Art. 5 der Signaturrichtlinie. 1530 Richtlinie 2000/31/ des Europäischen Parlamentes und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) vom 8.6.2000, ABl. EG Nr. L 178 vom 17.7.2000, S. 1. 1531 Klein, JurPC Web-Dok. 198/2007, Abs. 25. 1532 Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13.7.2001, BGBl. I, 1542. 1533 Klein, JurPC Web-Dok. 198/2007, Abs. 30 ff. 1534 Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz vom 22.3.2005, BGBl. I, S. 837. 1535 BT-Drucks. 15/4067, S. 32.

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8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur den vollen Beweis dafür, dass die in ihm enthaltenen Erklärungen vom Inhaber des Signaturschlüssels abgegeben worden sind, sofern das Dokument als echt anzusehen ist.1536 Für die Echtheit von elektronischen Erklärungen, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen sind, normiert § 371a Abs. 1 S. 2 ZPO einen Anscheinsbeweis.1537 Vom eindeutigen Wortlaut des § 371a Abs. 1 ZPO sind private elektronische Dokumente nicht erfasst, die nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind.1538 Daher finden auf sie die Vorschriften über die Beweiskraft privater Urkunden (§ 416 ZPO) keine Anwendung, sofern nicht eine analoge Anwendung von § 371a Abs. 1 ZPO geboten ist. Allerdings fehlt es an der für eine analoge Anwendung notwendigen planwidrigen Regelungslücke, denn in § 371a Abs. 2 S. 1 ZPO hat der Gesetzgeber für öffentliche elektronische Dokumente eine Regelung getroffen, die keine qualifizierte elektronische Signatur voraussetzt. Der Gesetzgeber hat also Fälle durchaus bedacht, in denen keine qualifizierte elektronische Signatur vorliegt.1539 Außerdem fehlt es an einer vergleichbaren Interessenlage, weil die qualifizierte elektronische Signatur in Bezug auf die Integrität und Authentizität eines elektronischen Dokuments einen höheren Schutz bietet als ein unsigniertes Dokument.1540 Somit könnte sich für private, nicht qualifizierte signierte elektronische Dokumente eine Beweiserleichterung allenfalls im Wege des Anscheinsbeweises ergeben. Ein solcher Anscheinsbeweis wird zwar teilweise in der Fachliteratur vertreten1541, ist jedoch in der Rechtsprechung bisher nicht anerkannt. Die ablehnende Haltung der Rechtsprechung1542 ist auch überzeugend, denn die Manipulation von Emails – zum Beispiel in Form von Phishing – ist weit verbreitet. Folglich spricht die Lebenswahrscheinlichkeit nicht dafür, dass eine Email tatsächlich vom vermeintlichen Absender stammt.1543 Daher sind nicht qualifiziert signierte elektronische Dokumente als Augenscheinsobjekt in den Prozess einzuführen (§ 371 Abs. 1 S. 2 ZPO) und unterliegen als solche dem Grundsatz freier Beweiswürdigung. Dies ist für internationale, elektronische Handelsgeschäfte ungünstig, denn für ausländische Vertragspartner kann die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur, die dem deutschen Signaturgesetz entspricht, große Schwierigkeiten

1536

BT-Drucks. 15/4067, S. 34. Klein, JurPC Web-Dok. 198/2007, Abs. 47; vgl. Kilian, EWR, Rn. 1040. 1538 Klein, JurPC Web-Dok. 198/2007, Abs. 56. 1539 Klein, JurPC Web-Dok. 198/2007, Abs. 57. 1540 Klein, a.a.O., Abs. 57. 1541 Mankowski, NJW 2002, 2822, 2824. 1542 LG Magdeburg, CR 2005, 466, 467. 1543 Hoeren, S. 303 f.; Klein, JurPC Web-Dok. 198/2007, Abs. 59. 1537

B. Rechtslage

403

bereiten.1544 Keine Alternative ist es, durch Parteivereinbarung zu regeln, dass nicht qualifiziert signierten elektronischen Dokumenten der gleiche Beweiswert zukommen soll wie einer Privaturkunde oder einem Dokument mit qualifizierter elektronischer Signatur, denn eine solche Vereinbarung hätte vor einem staatlichen Gericht, das an das zwingende Verfahrensrecht gebunden ist, keine Bindungswirkung für die richterliche Beweiswürdigung.1545 Nur für ein Schiedsgericht wäre eine entsprechende Absprache bindend.1546 Im Falle der De-Mail kann eine Bestätigung des Zugangs der De-Mail erlangt werden (§ 5 Abs. 8 DeMailG). Hierbei handelt es sich um ein mit Richtigkeitsbestätigung versehenes technisches Protokoll, dass dem Absender als qualifiziert elektronisch signiertes Dokument bereitgestellt wird. Er kann es dann als Augenscheinsbeweis in den Prozess einbringen und den Zugang im Postfach des Empfängers beweisen.1547 Die Vorschrift des § 371a Abs. 1 ZPO ist nicht anwendbar, weil private qualifiziert signierte Dokumente nur den vollen Beweis dafür erbringen, dass die in ihnen enthaltene Erklärung vom Aussteller abgegeben wurde, nicht jedoch, dass der erklärte Vorgang auch tatsächlich so stattgefunden hat.1548 Insofern handelt es sich bei der Zugangsbestätigung bloß um ein Indiz, das als Hilfstatsache auf die Haupttatsache in Gestalt der tatsächlichen Ablage der Nachricht im Postfach des Empfängers schließen lässt.1549 Durch die Integritätssicherung kann außerdem der Nachweis gelingen, dass der Empfänger eine Nachricht mit einem bestimmten Inhalt erhalten hat.1550 2. US-amerikanisches Beweisrecht für elektronische Verträge Das US-amerikanische Beweisrecht ist für Verfahren vor den Bundesgerichten in den bundesrechtlichen Federal Rules of Evidence geregelt. Für Verfahren vor den einzelstaatlichen Gerichten sind die Rules of Evidence des jeweiligen Bundesstaates maßgeblich.1551 Anders als die deutsche ZPO trifft das US-amerikanische Beweisrecht keine strenge Einteilung der Beweismittel. Allenfalls kann zwischen „witness“, wobei dieser Begriff alle Formen des Beweises mit Bekundungen durch natürliche Personen umfasst (Zeugen, Parteien, Sachverständige), und „real evidence / demonstrative evidence“, wodurch Augenscheinsbeweis und Urkundenbeweis im Sinne des deutschen Rechts umschrieben sind, unterschie1544

Siehe Kap. 8 B. I. 4. f) bb) (1). Hoeren, S. 304. 1546 Kilian, in: Weiber (Hrsg.), Handbuch Electronic Business (2002), 996, 1010. 1547 Bisges, MMR-Aktuell 2010, 307088. 1548 Bisges, MMR-Aktuell 2010, 307088. 1549 Bisges, a.a.O., 307088. 1550 Bisges, a.a.O., 307088; Roßnagel, NJW 2011, 1473, 1476. 1551 Borges, S. 360. 1545

404

8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

den werden.1552 Das US-amerikanische Recht kennt auch keine festen Beweisregeln, so dass ein Äquivalent zu § 416 ZPO nicht existiert.1553 Daher kommt elektronischen Dokumenten vor US-amerikanischen Gerichten der gleiche Beweiswert zu, der schriftlichen Urkunden beigemessen wird (§ 1001 (1) Federal Rules of Evidence).1554 Die Beweisführung im US-amerikanischen Zivilprozess unterscheidet sich wesentlich vom Vorgehen im deutschen Zivilprozessrecht. So hängt der Erfolg einer Beweisführung vor allem davon ab, dass das Beweismittel durch den Richter zugelassen wird (§§ 103 (c), 104 (a)-(c) Federal Rules of Evidence) und die Jury anschließend über die Überzeugungskraft des Beweismittels entscheidet.1555 Dies gilt auch für Urkunden und elektronische Dokumente. Für elektronische Dokumente folgt hieraus, dass für ihre Zulassung zum Verfahren durch den Richter ein gewisser Nachweis der Echtheit erforderlich ist.1556 Die endgültige Entscheidung über die Echtheit des elektronischen Dokuments ist dann eine Tatsachenfrage (§ 1008 Federal Rules of Evidence), die von der Jury zu entscheiden ist.1557 Hierfür ist die volle Überzeugung der Jury über die Echtheit des Dokuments erforderlich.1558 Der Nachweis der Echtheit kann mit allen Beweismitteln geführt werden, insbesondere durch die Vernehmung eines Zeugen – vor allem des Unterzeichners – über die Urheberschaft der Urkunde.1559 In Zusammenhang mit elektronischen Verträgen ist außerdem die sogenannte „best evidence rule“ zu berücksichtigen, wonach als Beweis grundsätzlich das Originaldokument vorgelegt werden muss (§ 1002 Federal Rules of Evidence) und ein sekundärer Beweis für den Inhalt nur zulässig ist, wenn das Original nicht mehr zur Verfügung steht (§ 1004 (1) Federal Rules of Evidence).1560 Die Anwendung dieser Regel bereitet für elektronische Verträge jedoch deshalb keine Schwierigkeiten, weil das US-amerikanische Vertragsrecht Vorschriften dafür vorsieht, wann elektronische Dokumente ein Original darstellen (§ 12 (d), (a) UETA / § 101 (d) (3), (1) E-SIGN).1561 Somit bestehen im US-amerikanischen Beweisrecht für internationale, elektronische Handelsverträge keine besonderen Rechtsunsicherheiten.

1552

Borges, S. 364 ff. Borges, S. 365. 1554 Borges, S. 365; Geis/Klas, AWV-Informationen 3/2009, 7, 7. 1555 Borges, S. 375 f. 1556 Winn/Wright, S. 20–10. 1557 Winn/Wright, S. 20–9. 1558 Borges, S. 376. 1559 Borges, S. 378. 1560 Uhlmann, S. 199. 1561 Siehe Kap. 8 B. III. e) aa). 1553

B. Rechtslage

405

VI. Ergebnis Die Untersuchung hat gewisse Rechtsunsicherheiten auf allen untersuchten Ebenen internationaler elektronischer Handelsgeschäfte gezeigt, die Transaktionskosten verursachen und einen effektiven globalen elektronischen Handel behindern. Die Virtualisierung von Unternehmen und der zunehmende Einsatz von elektronischen Kommunikationsmittel führt dazu, dass der Unternehmenssitz, der Ort der Hauptverwaltung oder ein Niederlassungsort unter Umständen nur schwer bestimmt werden kann. Dies bereitet Probleme bei der Festlegung eines allgemeinen Gerichtsstandes und bei der Anwendung von internationalen Übereinkommen, die an diese territorialen Kriterien anknüpfen. Einen tragfähigen Lösungsansatz hält bisher nur das US-amerikanische Recht bereit, indem es den Aufenthaltsort der Gesellschafter ersatzweise zum allgemeinen Gerichtsstand erklärt. Bei elektronischen Handelsverträgen taucht außerdem immer die Frage auf, inwiefern die Nutzung eines bestimmten Servers oder die Webseitengestaltung Einfluss auf die gerichtliche Zuständigkeit oder das anwendbare Recht hat. Diesbezüglich hat der technologiespezifische Sliding Scale-Test des US-amerikanischen Zivilprozessrechts, dessen Maßstab für die gerichtliche Zuständigkeit die Art der Webseitengestaltung ist, wenig Rechtssicherheit gebracht. Vielmehr hat die Entwicklung im Bereich der Webseitengestaltung dazu geführt, dass nach den Kriterien des Sliding Scale-Tests beinahe jeder Anbieter im elektronischen Geschäftsverkehr in den USA gerichtspflichtig ist. Lokalisierungsprobleme kann auch der Einsatz von elektronischen Kommunikationsmittel im Schiedsverfahren bereiten, insbesondere wenn das gesamte Schiedsverfahren online abgewickelt wird. Die Anwendung internationaler und nationaler schiedsverfahrensrechtlicher Vorschriften begegnet in diesem Fall großen Schwierigkeiten, weil dies die Feststellung eines Ortes voraussetzt, an dem das Schiedsurteil ergangen ist. Die Digitalisierung bestimmter Leistungen und deren elektronische Übermittlung werfen die Frage nach der Sachqualität von digitalen Gütern, insbesondere Software, und der vertragstypologischen Einordnung von Verträgen auf, die eine digitale Leistungserbringung zum Gegenstand haben. Hieraus ergeben sich Rechtsunsicherheiten bei der Bestimmung des Gerichtsstands des Erfüllungsortes, sofern dieser an die Vertragsart anknüpft, der Anwendung von internationalen Übereinkommen, die nur auf bestimmte Vertragsarten anwendbar sind sowie – im gewissen Umfang – bei der Bestimmung der Leistungspflichten und des Leistungsstörungsrechts. Praktisch weniger bedeutsam sind die Probleme der vertragstypologischen Einordnung bei der objektiven Anknüpfung zur Bestimmung im Rahmen der Rom-I-VO, da sowohl bei Kauf- als auch Werkverträgen das Recht am Sitz

406

8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

des Anbieters Anwendung findet. Im Gegensatz dazu existieren im USamerikanischen Recht für die objektive Anknüpfung verschiedene Ansätze, die eine eindeutige Prognose darüber verhindern, welches Recht ein USamerikanisches Gericht unter welchen Umständen auf einen internationalen elektronischen Handelsvertrag anwenden wird. Eine Benachteiligung ausländischer Vertragsparteien und ein Heimwärtsstreben US-amerikanischer Gerichte ist erkennbar. Erhebliche Unsicherheiten bestehen für elektronische Handelsverträge noch im Anwendungsbereich des CISG. Für den Vertragsschluss mit elektronischen Mitteln bestehen Probleme hinsichtlich der Schriftform, des Vorliegens eines Angebots (Abgrenzung von verbindlichem Angebot und bloßer invitatio ad offerendum), des Wirksamwerdens von elektronischen Erklärungen (genaue Verteilung des Fehlerrisikos zwischen Absender und Empfänger), des Einsatzes elektronischer Agenten (Anwendbarkeit des CISG), des Ortes des Vertragsschlusses, des Vertragsschlusses bei Versteigerungen sowie der Einbeziehung von AGB bei bloßem Verweis auf die Unternehmenshomepage ohne Versendung der Bedingungen. Die Überwindung dieser Unsicherheiten wird durch das Fehlen eines obersten Rechtsprechungsorgans erschwert, das über die Befugnis verfügt, divergierende Rechtsauffassungen verschiedener Gerichte zu harmonisieren. Allerdings gewährleisten die internationalen, die deutschen und die USamerikanischen privatrechtlichen Basisinstitutionen ein Gerüst an rechtstaatlichen Prinzipien und Regelungen. Die gerichtliche Zuständigkeit kann durch elektronische Gerichtsstandsvereinbarungen, elektronische Schiedsvereinbarungen oder elektronische Erfüllungsortvereinbarungen geregelt werden. Teilweise müssen jedoch gewisse technische Anforderungen beachtet werden. Im US-amerikanischen Recht bleibt aufgrund der Lehre vom forum non conveniens bei Gerichtsstandsvereinbarungen eine gewisse Restunsicherheit, die durch eine (elektronische) Schiedsvereinbarung umgangen werden kann. Das anwendbare Recht kann vor US-amerikanischen Gerichten durch eine elektronische Rechtswahlvereinbarung bestimmt werden. In Deutschland ist eine elektronische Rechtswahlvereinbarung wirksam, sofern das gewählte Recht den elektronischen Vertragsschluss zulässt. Im Anwendungsbereich der Rom-I-VO können internationale elektronische Handelsverträge auch einem neutralen Recht oder Regelwerken von internationalen Organisationen unterworfen werden, die nicht unmittelbar geltendes Recht sind. Im USamerikanischen Recht ist dies nicht abschließend geklärt. In keinem Fall ist eine Wahl der Lex Mercatoria oder Lex Informatica möglich. Grundsätzlich können bei internationalen elektronischen Handelsverträgen die einzelnen Regelungen durch die Parteien festgelegt werden. Dies gilt insbesondere im Rahmen von EDI-Rahmenverträgen oder IT-OutsourcingVerträgen. Nach deutschem Recht haben jedoch Unternehmen – auch im

B. Rechtslage

407

Handelsverkehr – deutlich mehr Informationspflichten zu erfüllen als nach US-amerikanischem Recht. Über den elektronischen Vertragsschluss besteht im deutschen und im USamerikanischen Recht weitgehend Rechtssicherheit: Verträge können mit elektronischen Mitteln abgeschlossen werden. In Deutschland gilt der Grundsatz der Formfreiheit. In den USA muss bei einer vertraglichen Zahlungspflicht von mehr als USD 500 die übermittelte Information speicherbar und in lesbarer Form abrufbar sein sowie mit einem in Unterschriftsabsicht benutzten Ton, Symbol oder Prozess logisch verbunden werden. Der Einsatz elektronischer Agenten steht einem wirksamen Vertragsschluss nicht entgegen. Die Unterscheidung zwischen bloßer invitatio ad offerendum und verbindlichem Angebot ist im elektronischen Geschäftsverkehr vor allem eine Frage der technischen Ausgestaltung der Warenpräsentation und der Art der Leistungserbringung. Die Einbeziehung von AGB über Click-Wrap-Vereinbarungen ist wirksam. Bedingungen aus Browse-Wrap-Vereinbarungen werden hingegen nicht Vertragsinhalt. Ein Vertragsschlusses ist auch über elektronische Auktionssysteme ohne weiteres möglich. Die AGB des Auktionshauses gelten jedoch nicht für Verträge im Marktverhältnis. Nach deutschem Recht muss auch im Handelsverkehr ein Anbieter eine Korrekturhilfe für Eingabefehler bereithalten, wenn er diese Verpflichtung nicht vertraglich abbedungen hat. Das US-amerikanische Recht verlangt zwar nicht, dass eine Korrekturmöglichkeit für Eingabefehler besteht, sieht aber beim Fehlen einer solchen ein Anfechtungsrecht vor. Ein Anfechtungsrecht bei Eingabefehlern besteht auch nach deutschem Recht. Darüber hinaus sieht das USamerikanische Recht ein Anfechtungsrecht bei der Missachtung von vereinbarten IT-Sicherheitsmaßnahmen vor. Die Nutzung eines geschäftlichen Email-Account kann sowohl im US-amerikanischen Recht als auch im deutschen Recht eine Rechtsscheinsvollmacht zur Folge haben. In einigen Detailfragen des elektronischen Vertragsschlusses besteht jedoch noch Klärungsbedarf, insbesondere wird der Zeitpunkt des Wirksamwerdens elektronischer Erklärungen im internationalen, US-amerikanischen und deutschen Vertragsrecht regelmäßig nicht genau genug bestimmt. Dies gilt vor allem für das US-amerikanische Recht, wo – sofern der UCITA nicht anwendbar ist – unklar ist, ob ein elektronischer Vertrag bereits mit der Abgabe oder erst mit dem Zugang der Annahme wirksam wird. Für die Durchführung von Verträgen über digital übermittelte Güter bieten die herkömmlichen Vorschriften, die am Leitbild der Lieferung eines physischen Vertragsgegenstandes entwickelt worden sind, grundsätzlich genügend Rechtssicherheit. Die qualitativen Anforderungen an die geschuldete Leistung ändern sich nicht bereits dadurch, dass die vertragliche Leistung digital übermittelt wird. Allerdings kann die geschuldete Beschaffenheit bei digital übermittelten Gütern, insbesondere bei Software, aufgrund ihrer komplexen Struktur schwer zu bestimmen sein. In diesem Zusammenhang können dann

408

8. Kapitel: Effizienz der bestehenden Rechtsregeln

technische Standards – z.B. in Form von Qualitätsmodellen – eine wichtige Rolle spielen. Bei Softwareverträgen besteht die Erfüllungshandlung des Anbieters – im Falle der Download-Möglichkeit oder der Onlinenutzung – im Bereitstellen der Software zum Abruf oder im In-Gang-Setzen des digitalen Übermittlungsvorgangs. Im Hinblick auf die Gefahrtragung überzeugt der USamerikanische Ansatz, wonach bei digital übermittelten Gütern das Übertragungsrisiko beim Anbieter liegt. Für den Bereich des CISG und des deutschen BGB ist eine entsprechende wertungsmäßige Korrektur angezeigt, denn der Anbieter kann bei Verlust das digitale Gut ohne große Kosten erneut versenden. Die Feststellung von gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzansprüchen fällt bei Softwareverträgen prinzipiell leichter, wenn sich der Softwarevertrag nach CISG oder US-amerikanischem Recht richtet. Denn das CISG geht von einer Sphärenhaftung aus, während das US-amerikanische Recht eine Garantiehaftung vorsieht. In beiden Fällen bedarf es nicht eines Verschuldensnachweises, wie er im deutschen Recht vorgesehen und bei technischen Vorgängen grundsätzlich schwer zu führen ist. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nach US-amerikanischem Recht die Möglichkeit einer umfassenden Haftungsfreizeichnung besteht, die nach deutschem Recht – zumindest in AGB – nicht zulässig ist. Bei der Rückabwicklung von Verträgen über digital übermittelte Güter – z.B. aufgrund von Rücktritt – kommt es nicht auf die Rückgabe des Gutes, sondern nur die Löschung des Gutes im System des Kunden an. US-amerikanische Urteile aus dem Bereich elektronischer Handelsverträge sind in Deutschland anerkennungsfähig und vollstreckbar, sofern sie nicht gegen das Kartell-, Außenwirtschafts-, Datenschutz- oder Steuerrecht verstoßen. Gleichermaßen sind Gerichtsurteile, die in Deutschland im Hinblick auf elektronische Handelsverträge ergehen, in den USA durchsetzbar. Der Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsurteils steht es nicht entgegen, wenn das Schiedsverfahren auf einer elektronischen Schiedsvereinbarung beruht. Ergeht das Schiedsurteil – im Rahmen eines Online-Schiedsverfahrens – in elektronischer Form, bedarf die Anerkennung und Vollstreckung in Deutschland der notariellen Beglaubigung eines Ausdrucks, der Errichtung einer elektronischen Notarurkunde oder der Übermittlung des Urteils in einer Form, bei der die Echtheit der Originaldatei sichergestellt ist. Nach USamerikanischem Recht genügt für die Vollstreckbarkeit eines elektronischen Schiedsurteils, dass der Inhalt der Originaldatei fehlerfrei und in speicherbarer Form übermittelt wurde, oder dass der Prozessbevollmächtigte die Datei elektronisch signiert hat, die das Schiedsurteil enthält. Elektronische Dokumente haben vor deutschen Gerichten nur dann die gleiche Beweiskraft wie herkömmliche Privaturkunden, wenn sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind. Dies ist für internationa-

B. Rechtslage

409

le, elektronische Handelsgeschäfte ungünstig, denn für ausländische Vertragspartner kann die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur, die dem deutschen Signaturgesetz entspricht, große Schwierigkeiten bereiten. Im US-amerikanischen Beweisrecht bestehen für elektronische Dokumente keine besonderen Schwierigkeiten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass gewisse Rechtsunsicherheiten zwar auf allen untersuchten Ebenen internationaler elektronischer Handelsgeschäfte bestehen, jedoch das internationale, das deutsche und das USamerikanische Vertragsrecht ein Grundgerüst an Regelungen für internationale elektronische Handelsverträge bereithält, wodurch ein Tauschdilemma1562 vermieden wird, das jeglichen wohlfahrtsfördernden Handel verhindert.

1562

Siehe Kap. 6 A. II.

Kapitel 9

Skizze ökonomisch effizienter rechtlicher Regelungen für internationale elektronische Handelsgeschäfte Die Rechtsunsicherheiten, die das internationale, deutsche und US-amerikanische Vertragsrecht bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften aufweist, und die hiermit einhergehenden Effizienzverluste werfen die Frage auf, wie eine effizientere institutionelle Ordnung in Deutschland, den USA oder auf internationaler Ebene aussehen könnte. Dass Grundlage dieser Ordnung rechtliche Institutionen sein müssen, ergibt sich aus der bereits ausführlich dargestellten Ineffizienz eines reinen Selbstverwaltungsmodells in Form einer Lex Informatica.1 Nach den Regeln der ökonomischen Analyse des Rechts wird eine rechtliche Institution modellhaft durch verantwortliche Akteure sowie durch Art und Inhalt der Institutionen gekennzeichnet.

A. Akteure der Institutionenbildung und Institutionenanpassung A. Akteure der Institutionenbildung und Institutionenanpassung

Als Akteure für eine Institutionenbildung und Institutionenanpassung kommen sowohl Staaten als auch internationale Organisationen in Betracht. I. Das Fehlen eines Super-Leviathans und die Rolle internationaler Organisationen Bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften kommt es zu Rechtsunsicherheiten, weil der einzelne Staat nur für sein Territorium die Geltung und Durchsetzung der Privatrechtsordnung ordnen und garantieren kann. Aus institutionenökonomischer Sicht wäre es daher erstrebenswert, auf internationaler Ebene einen staatsähnlichen Akteur mit Ordnungsmacht zu schaffen, der auch bei grenzüberschreitenden Geschäften für Besitz- und Transaktionssicherheit sorgt. Nach Überlegungen von Hobbes2 würde es sich um einen Super-Leviathan handeln, der mit globaler Legislative, Exekutive und Judikative über den Staaten steht.3 1

Siehe Kap. 7 A. II. Hobbes, Leviathan, London 1651 (Hamburg 1996). 3 Vgl. Schmidt-Trenz, S. 170. 2

A. Akteure der Institutionenbildung und Institutionenanpassung

411

Ein solcher Super-Leviathan existiert bisher nicht. Bei der Zusammenarbeit von Staaten in internationalen Organisationen, wie den Vereinten Nationen oder der WTO, sind weiterhin die Staaten die entscheidenden Akteure. Der Verzicht auf nationale Souveränitätsansprüche, der notwendig mit der Schaffung einer ordnenden Instanz über den Nationalstaaten einhergeht, bleibt beschränkt. Dies gilt (bisher) auch noch für das Gebiet der EU. Auch das Medium des Internets bildet keine Ausnahme. Zwar ist von verschiedenen Seiten die Domain verwaltende „Internet Corporation for Assigned Names and Numbers“ (ICANN) als vielversprechender Akteur für die „Regierung“ des Internets gepriesen worden, doch bei genauerem Hinsehen wird dieser Optimismus durch die historisch bedingte, überaus enge Verbindung zwischen der ICANN und den USA widerlegt. So ist die ICANN eine Non-Profit-Organisation, die ihrem Sitz entsprechend kalifornischem Recht unterliegt.4 Darüber hinaus ergibt sich ein starker Einfluss der USA auf die ICANN aus zwei Verträgen5 zwischen der ICANN und dem USamerikanischen Handelsministerium, die diesem die Aufsicht über die Steuerung der DNS-Rootname-Server und die Verteilung der IP-Adressen einräumen.6 Diese Verträge sind trotz Proteste der Europäer und des Vorschlags, die Aufsicht einer zwischenstaatlichen Gruppe unter UN-Leitung zu übertragen, bereits mehrmals verlängert worden.7 Im Übrigen ist die ICANN für die Verwaltung des Domain Name System (DNS), der IP-Adressen sowie der Port-Number verantwortlich.8 Hier liegen jedoch nicht die rechtsunsicherheitsbedingten Probleme für internationale elektronische Handelsgeschäfte. Damit bestehen kaum Chancen für das Medium Internet, einen SuperLeviathan zu schaffen. Auch wenn weiterhin den Staaten die Aufgabe zukommt, für die Bereitstellung einer effektiven Privatrechtsordnung zu sorgen, so können internationale Organisationen (wie z.B. die Vereinten Nationen oder die WTO) für die Vereinbarung internationaler elektronischer Handelsverträge eine wichtige Koordinierungsfunktion zwischen den nationalstaatlichen Interessen wahrnehmen. Das in Unterorganisationen und Arbeitsgruppen vorhandene wichtige Expertenwissen kann die Ausarbeitungskosten eines Regelungskonzeptes reduzieren. Kombiniert man die Koordinationsfunktion und das Expertenwissen bei einer neutralen Instanz, kann das zur Verfügungstellen eines Regelungskonzeptes durch eine internationale Organisation ökonomisch sinnvoll 4

Hofmann, Global Information Society Watch 2007, 39, 39. IANA contract () sowie Memorandum of Understanding between the Department of Commerce and ICANN (). 6 Goldsmith/Wu, S. 169; Hofmann, Global Information Society Watch 2007, 39, 39. 7 Goldsmith/Wu, S. 170. 8 Hofmann, Global Information Society Watch 2007, 39, 39. 5

412

9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

sein, da den Staaten so eine bestimmte Interessenverteilung als Verhandlungsgrundlage zur Verfügung gestellt wird. Zieht man die Analogie zwischen Interessenverteilung und Verfügungsrechtsverteilung (in beiden Fällen geht es um die Darstellung von Ansprüchen, die sich aus (rechtlichen) Institutionen, wie Rechtsnormen oder (völkerrechtlichen) Verträgen ergeben), könnte dies eine Voraussetzung für das Gelingen einer Verhandlungslösung sein.9 Denn ohne eine eindeutige Zuordnung von rechtlich begründeten Interessen (beziehungsweise Verfügungsrechten) ist eine Verhandlung über die Allokation von Interessen (beziehungsweise Verfügungsrechten) nicht möglich.10 II. Die Rolle der Staaten 1. Der Rational-Choice-Ansatz als theoretischer Bezugsrahmen für staatliches Verhalten bei internationaler Zusammenarbeit Für staatliches Verhalten gibt es im Hinblick auf internationale Zusammenarbeit und völkerrechtliche Verpflichtungen eine Reihe wissenschaftstheoretischer Grundannahmen. Die Schule des Managerialism11 nach Chayes / Chayes geht davon aus, dass Staaten grundsätzlich versuchen, völkerrechtliche Verpflichtungen einzuhalten.12 Staaten würden ihren Verpflichtungen vor allem deshalb entsprechen, weil sie eine grundsätzliche Neigung haben, das Fundamentalprinzip „pacta sunt servanda“ zu akzeptieren.13

9

Siehe Kap. 5 C. IV. 2. Siehe Kap. 5 C. IV. 2. 11 Der Begriff ergibt sich wohl aus folgenden Grundaussagen von A. Chayes/ A. H. Chayes, 47 International Organization 1993, 175: „…compliance problems and enforcement issues are likely to be manageable.“ und 204: „…sources of non-compliance can be managed by routine international political progress.” Vgl. auch die Überschrift des zweiten Teils von A. Chayes/A. H. Chayes, S. 109 „Toward a Strategy for Managing Compliance“. 12 A. Chayes/A. H. Chayes, 47 International Organization 1993, 175, 178; A. Chayes/A. H. Chayes, S. 3. 13 A. Chayes/A. H. Chayes, 47 International Organization 1993, 175, 185; A. Chayes/A. H. Chayes, S. 8. Zum Völkerrechtsbruch kommt es also nach der Schule des Managerialism nicht, da die Staaten einen solchen beabsichtigen, sondern vielmehr aufgrund von zweideutigen oder unbestimmten Regeln, praktischer Unmöglichkeit, der Verpflichtung nachzukommen und der mangelnden Anpassung von regulatorischen Übereinkommen an die sich verändernde Umgebung, vgl. A. Chayes/A. H. Chayes, 47 International Organization 1993, 175, 188; A. Chayes/A. H. Chayes, S. 10. 10

A. Akteure der Institutionenbildung und Institutionenanpassung

413

Ähnlich sieht dies Franck, der aus der Rechtmäßigkeit/Legitimität14 einer Verpflichtung auf die Präferenz der Staaten schließt, diese Verpflichtung zu achten.15 Während diese beiden Ansätze also von einer bestimmten Ausgangspräferenz seitens des Staates ausgehen, verneinen der Konstruktivismus und der Public-Choice-Ansatz das Bestehen einer Ausgangspräferenz.16 Nach Auffassung der Vertreter des Konstruktivismus sind die Vorlieben eines Staates endogen und instabil, so dass sie in jedem Zusammenhang individualisiert bestimmt werden müssen.17 Der Public-Choice-Ansatz18 erklärt die Endogenität und Instabilität damit, dass der Staat nicht eine primäre Einheit und kein einheitlicher Akteur ist, sondern vielmehr aus verschiedenen Interessengruppen besteht.19 Die innerstaatliche Situation bestimme folglich die staatlichen Präferenzen. Die Flexibilität des Konstruktivismus und des Public-Choice-Ansatzes lassen grundsätzlich eine deutlich genauere Beschreibung des staatlichen Verhaltens zu als jeder Ansatz leisten kann, der exogene und stabile Staatspräferenzen annimmt. Allerdings hat diese Flexibilität auch zur Folge, dass über staatliches Verhalten keine Prognose getroffen werden kann. Die Variationsmöglichkeit der (sich aus der innerstaatlichen Situation ergebenden) indogenen instabilen staatlichen Vorlieben ist zu groß, um eine Generalisierung zuzulassen, die Voraussetzung für jede Prognose ist.20 Will man eine Theorie über die Voraussetzungen einer internationalen Zusammenarbeit von Natio14 Franck, 82 Am. J. Int'l. L. 1988, 705, 706 verwendet den Begriff „Legitimacy“ und definiert ihn wie folgt: „Legitimacy is used here to mean that quality of a rule which derives from a perception on the part of those to whom it is addressed that it has come into being in accordance with the right process. Right process includes the notion of valid sources but also encompasses literary, socio-anthropological and philosophical insights.” 15 Franck, a.a.O., 706. 16 In Bezug auf den Einzelnen geht der Public-Choice-Ansatz indes sehr wohl von einer fixen Ausgangsvermutung aus, nämlich der Anstrebung von Nutzenmaximierung auf rationalem Weg, wobei diese Vermutung auch dann zugrunde gelegt wird, wenn die Person keine Entscheidungen auf dem privaten Markt, sondern kollektive Entscheidungen in ihrer politischen Rolle zu treffen hat, vgl. Buchanan, S. 9. 17 Wendt, 46 International Organization 1992, 391, 394; Finnemore, 52 International Organization 1998, 887, 888 ff.; Zehfuss, S. 4; Onuf, S. 16. 18 Der Public-Choice-Ansatz wird auch Neue Politische Ökonomie genannt. Für eine Einführung siehe Buchanan, 1 ff.; verwandt hiermit ist das Prinzip des Liberalismus wie es von Slaughter, 6 Eur. J. Int'l L. 1995, 503, 504, 508 vertreten wird, die zwischen den verschiedenen Staaten nach ihrer innenpolitischen Struktur unterscheidet und die in der transnationalen Zivilgesellschaft handelnde Einzelne und Gruppen als primäre Akteure des internationalen Systems ansieht; so auch Moravcsik, 51 International Organization 1997, 513, 516 ff.; vgl. auch Slaughter, S. 1 ff. 19 Buchanan, S. 4 ff. 20 So auch Abott, 14 Yale J. Int'l. L. 1989, 335, 349; Guzman, S. 15.

414

9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

nalstaaten zur Verrechtlichung des internationalen elektronischen Handelsverkehrs aufstellen, sind Konstruktivismus und Public-Choice-Ansatz also von limitierter Nützlichkeit.21 Somit ist ein theoretischer Bezugsrahmen zu wählen, der von gegebenen und fixen Präferenzen ausgeht. Neben dem schon erwähnten Managerialism und dem hiermit verwandten Ansatz von Franck trifft dies auch auf die Schule des Politischen Realismus22 und den Rational-Choice-Ansatz23 zu. Nach Mearsheimer basiert der Politische Realismus auf fünf Grundannahmen: Erstens, Anarchie des internationalen Systems, zweitens, inhärentes militärisches Offensivpotential der Staaten, drittens, grundsätzliche Unsicherheit über die Absichten anderer Staaten, viertens, Überleben als wichtigster staatlicher Beweggrund, und, fünftens, Staaten verhalten sich, wenn auch aufgrund von Informationsdefiziten beschränkt, rational.24 Inhaltlich widersprechen sich daher die Grundannahmen von Managerialism einerseits und Politischem Realismus sowie Rational-Choice-Ansatz andererseits. Denn sowohl der Politische Realismus als auch der Rational-Choice-Ansatz sehen den Staat als rationalen, individuellen Nutzen maximierenden Akteur.25 Daraus folgt zwangsläufig, dass es nach diesen Theorien nur dann zu internationaler Zusammenarbeit kommt und völkerrechtliche Verpflichtungen eingehalten werden, wenn dies für den betroffenen Staat vorteilhaft ist. Die den Managerialismus prägende Annahme einer Präferenz, das Völkerrecht zu wahren, besteht daher gerade nicht. Dieser Einschätzung soll auch für die nachfolgende Untersuchung gefolgt werden, obwohl anzuerkennen ist, dass es weder für die Richtigkeit der Grundannahmen des Managerialismus noch für die des Politischen Realismus oder des Rational-Choice-Ansatzes überzeugende empirische Belege gibt. Dennoch entspricht es einer verbreiteten Auffassung, in Staaten rational handelnde, an individueller Nutzenmaximierung interessierte Subjekte zu sehen26 und ihnen keine angeborene Vorliebe für das Völkerrecht zuzuschreiben. Außerdem eignet sich gerade diese Ausgangsannahme, um die Auswirkungen

21

Sie können allenfalls dazu benutzt werden, die staatlichen Ausgangspräferenzen zu bestimmen, vgl. Guzman, S. 16. 22 Grundlegend: Morgenthau/Thompson, S. 3. ff. 23 Der Rational-Choice Ansatz wird auch Theorie der rationalen Entscheidung genannt. Vertreter sind: Axelrod, S. 6 ff.; Abott, 14 Yale J. Int'l. L. 1989, 335, 345; Dunoff/ Trachtman, 24 Yale J. Int'l L. 1999, 1, 1 ff.; Guzman, S. 11 ff.; Goldsmith/Posner, S. 3 ff. 24 Mearsheimer, 19 International Security 1994/95, 5, 10. 25 Für den Realismus: Mearsheimer, 19 International Security 1994/95, 5, 11; für den Rational-Choice Ansatz: Abott, 14 Yale J. Int'l. L. 1989, 335, 348 ff.; Guzman, S. 13. 26 So auch Rühl, S. 127 unter Hinweis auf die Deregulierung des Gesellschaftsrecht im US-Bundesstaat Delaware.

A. Akteure der Institutionenbildung und Institutionenanpassung

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von externen strukturellen Anreizen auf staatliches Verhalten analysieren zu können.27 Politischer Realismus und Rational-Choice-Ansatz unterscheiden sich im Gegenstandsbereich deutlich. Während der Politische Realismus mit einem Fokus auf Sicherheitsfragen vor allem den relativen Nutzengewinn herausstellt28, ist für den Rational-Choice-Ansatz der absolute Gewinn entscheidend.29 Würden also alle Staaten von einer Zusammenarbeit profitieren, dann käme es den Vertretern des politischen Realismus zufolge nur dann zur Kooperation, wenn der Gewinn auch jeweils gleich groß wäre. Nach dem Rational-Choice-Ansatz hingegen würde auch eine unterschiedliche Gewinnverteilung der Kooperation nicht entgegenstehen. Letzteres überzeugt auch für den hier relevanten Bereich des internationalen elektronischen Handelsverkehrs, denn es ist weniger wahrscheinlich, dass sich ein Staat einer internationalen Zusammenarbeit in diesem Bereich nur deshalb verweigern würde, weil ein anderer Staat hiervon stärker profitiert als er selbst. Somit dient der RationalChoice-Ansatz für die nachfolgende Analyse als theoretischer Bezugsrahmen für staatliches Verhalten bei internationaler Zusammenarbeit. Aufgrund der Übereinstimmung der Grundannahmen von Neuer Institutionenökonomik und Rational-Choice-Ansatz können die im Rahmen eines Selbstverwaltungsmodells für den elektronischen Geschäftsverkehrs diskutierten Reputationsgedanken auf die internationalen Staatenbeziehungen übertragen werden.30 Mit dem Reputationsgedanken31 versucht vor allem Guzman zu zeigen, dass auch bei der Verfolgung eines Rational-Choice-Ansatzes völkerrechtlichen Vereinbarungen eine entscheidende Bedeutung zukommen kann32, was Posner und Goldsmith gerade auf der Grundlage des RationalChoice-Ansatzes bestreiten, weil Staaten durch das Völkerrecht nicht zu einem Verhalten gebracht werden könnten, das ihren Interessen zuwiderliefe33. Die Auffassung von Posner und Goldsmith, dass das Völkerrecht das staatliche Verhalten nicht maßgeblich beeinflusse, ist jedoch abzulehnen. Vor dem 27

Abott, 14 Yale J. Int'l. L. 1989, 335, 349. Mearsheimer, 19 International Security 1994/95, 5, 11 f. 29 Abott, 14 Yale J. Int'l. L. 1989, 335, 345. 30 Vgl. Guzman, S. 12 ff. 31 Daneben nennt Guzman, S. 26 f. die Gegenseitigkeit und die Vergeltung als zur Völkerrechtswahrung beitragende Faktoren. Allerdings seien diese letztlich beide auf den Reputationsgedanken rückführbar. Der die Gegenseitigkeit beschreibende Rückzug von einer völkerrechtlichen Vereinbarung in Folge eines Völkerrechtsbruchs beruhe entweder auf einer Neuberechnung der Reputation des vertragsbrüchigen Staates oder aber der sich zurückziehende Staat wolle seine eigene Reputation für die Intoleranz von Völkerrechtsbrüchen aufbauen, vgl. Guzman, S. 35; letzteres treffe auch auf die Durchführung von Vergeltungsmaßnahmen zu, vgl. Guzman, S. 37 f. 32 Guzman, S. 26 ff. 33 Goldsmith/Posner, S. 13. 28

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

Hintergrund des Reputationsgedankens ist es für rational handelnde Staaten, die an eigener Nutzenmaximierung interessiert sind, richtig, am Völkerrechtssystem teilzunehmen und sich grundsätzlich kooperativ zu verhalten.34 Nur so kann der Staat zukünftig Gewinn aus internationaler Zusammenarbeit realisieren, denn in Anbetracht grundsätzlich bestehender unvollkommener Information über die langfristigen Absichten eines Staates (d.h. über das Ausmaß, bis zu welchem er aktuell realisierbare Gewinne für zukünftige Gewinne zurückstellt) und über den Wert einer Zusammenarbeit in einem bestimmten Bereich muss eine Entscheidung über die Glaubwürdigkeit eines Staates bei internationaler Zusammenarbeit auf der Grundlage seiner Reputation für die Wahrung völkerrechtlicher Verpflichtungen getroffen werden.35 Hat nun ein Staat eine gute Reputation, kann er leichter und günstiger transnationale Vereinbarungen in einem für ihn besonders relevanten Bereich erreichen als ein Staat mit einer schlechten Reputation.36 Folglich haben Staaten ein Interesse, als kooperativ angesehen zu werden, was dazu führen kann, dass sie sich entgegen ihren ursprünglichen Interessen völkerrechtskonform verhalten. Somit hat das Völkerrecht – entgegen den Einschätzungen von Posner und Goldsmith – eine disziplinierende Wirkung, die aus seiner Bedeutung für die staatliche Reputation folgt. 2. Internationale Zusammenarbeit bei der Verrechtlichung des internationalen elektronischen Handelsverkehrs Wählt man also den Rational-Choice-Ansatz als theoretischen Bezugsrahmen für das Verhalten bei internationaler Zusammenarbeit, dann lässt sich für die Schaffung eines Rechtsrahmens für internationale elektronische Handelsverträge auf supranationaler Ebene eine triviale Aussage treffen: Hinreichende und notwendige Bedingung ist, dass hieraus ein Gewinn auf nationaler Ebene erzielt wird.37 Einen Gewinn erzielt der einzelne Staat dann, wenn der Nutzen nach Abzug der Kosten größer als null ist38, wobei Reputationsgewinne zum Nutzen und Reputationsverluste zu den Kosten addiert werden müssen. Durch eine internationale Regelung, welche die Rechtsunsicherheiten reduziert, würden die Transaktionskosten gesenkt, die sich beim internationalen elektronischen Handel aus dem Tauschdilemma39 ergeben. Die hieraus fol34

Guzman, S. 9. Guzman, S. 26. 36 Guzman, S. 26. 37 Allgemein Dunoff/Trachtman, 24 Yale J. Int'l L. 1999, 1, 14: „States enter the market of international relations in order to obtain gains from exchange“; ähnlich Kozuka, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 73, 74. 38 Ähnlich Sykes, 3.C.i. 39 Siehe Kap. 6 A. II. 35

A. Akteure der Institutionenbildung und Institutionenanpassung

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gende Verstärkung der globalen Interaktion auf den elektronischen Märkten für private Güter und Dienstleistungen würde einen auf der Nutzenseite stehenden Wohlfahrtsgewinn für den einzelnen Staat bedeuten40 und außerdem Reputationsgewinne für die mitwirkenden Staaten. Die Höhe des Reputationsgewinns wäre neben der bereits bestehenden Reputationsgröße41 abhängig vom Grad des Mitwirkens. So würde eine aktive Teilnahme an den Verhandlungen kooperativer wirken als eine rein passive Haltung, eine Unterschrift kooperativer als das bloße Verhandeln und eine Ratifizierung oder ein Beitritt kooperativer als die Unterschrift.42 Auf der Kostenseite stehen grundsätzlich alle Faktoren, die die politische Akzeptanz einer Vereinbarung beeinflussen, also nicht nur, aber insbesondere auch monetäre Kosten.43 Kosten ergeben sich zunächst aus der Teilnahme an den Verhandlungen selbst.44 Die Komplexität des Regelungsgegenstandes sowie die Notwendigkeit, eine möglichst große Zahl von Staaten zur Ratifizierung oder zum Beitritt zu bewegen und sie daher bereits auch in die Verhandlungen einzubinden, erhöhen die Kosten.45 Teurer als die Verhandlungen selbst dürfte indes die Implementierung einer supranationalen Regelung sein, da möglicherweise bestehende nationale Gesetze geändert werden müssen. Staaten ohne bestehende Rechtsregeln für den elektronischen Handelsverkehr haben geringere Kosten zu tragen als Staaten, die bereits eine entsprechende Regelung besitzen.46 Geringe Umsetzungskosten bestehen auch dann, wenn die supranationale Regelung der existierenden nationalen Regelung gleicht oder ähnelt. Das dürfte zum Beispiel bei einer Implementierung des ECC durch solche Staaten der Fall sein, deren E-Commerce-Gesetzgebung bisher auf dem MLEC47 beruht, denn das ECC baut auf dem MLEC auf.48 Letztlich ist entscheidend, was mit welcher Intensität geregelt wird, denn die Genauigkeit steigert die Kosten, ohne dass eine Korrelation zur Nutzensteigerung 40

Siehe Kap. 1 A. Ausführlich hierzu Guzman, S. 67. 42 Natürlich ist der Reputationsgewinn nicht für jeden Staat gleich groß, die Höhe ergibt sich vielmehr aus der individuellen Situation des Staates, denn letztlich gilt, dass der Reputationsgewinn den Unterschied zwischen erwartetem und tatsächlichem Verhalten des Staates ist. Somit kann er auch null sein, wenn von den anderen Staaten erwartetet worden ist, dass ein bestimmter Staat an Verhandlungen teilnimmt, allerdings würde dann das Nichtverhandeln zu einem Reputationsverlust führen. Vgl. zum Ganzen Guzman, S. 60 f. 43 Sykes, 3.C.i. 44 Sykes, 3.C. 45 Allgemein zur Komplexität und Zahl der teilnehmenden Staaten als Transaktionskostenfaktoren Sykes, 3.C.i. 46 Sykes, 3.D. geht davon aus, dass die Implementierungskosten einen Fixkostenanteil aufweisen, so dass sie für Staaten mit schwacher Wirtschaft verhältnismäßig größer sind als für Staaten mit starker Wirtschaft. 47 Siehe Kap. 4 A. I. 2. 48 Martin, Pace Int’l. L. Rev. 2005, 261, 278. 41

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

bestehen muss. Zu kostenverursachenden Reputationsverlusten kann es dann kommen, wenn ein Staat nicht aktiv verhandelt, unterschreibt oder ratifiziert. Ohne die Variablen „Kosten“ und „Nutzen“ mit realen Zahlen füllen zu können, lässt sich doch annehmen, dass der Nutzen die Kosten überschreitet, wenn die Zahl der ratifizierenden oder beitretenden Staaten hinreichend groß ist. Ist dies nicht der Fall, überwiegen die Kosten. Die Frage ist also, ob eine große Zahl von Staaten eine supranationale Regelung für internationale elektronische Handelsverträge ratifizieren und dann implementieren würde. Bei der Schaffung einer Regelung für internationale elektronische Handelsverträge stehen die Staaten vor einem Koordinationsspiel, genauer gesagt, vor einem sogenannten „Battle-of-the-Sexes“-Spiel49. Dieses Spiel beschreibt einen Verteilungskonflikt, bei dem die Parteien zwar eine Koordination gegenüber der Nichtkoordination bevorzugen, allerdings zu unterschiedlichen Gleichgewichten. Nachdem aber eine Lösung gewählt worden ist, haben die Parteien keinen Anreiz mehr, von dieser Lösung abzuweichen.50 Eine Förderung des internationalen elektronischen Handels durch Reduzierung der rechtsunsicherheitsbedingten Transaktionskosten führt zu einem Wohlfahrtsgewinn auf nationaler Ebene. Daher muss jeder Staat an der Entstehung einer internationalen Regelung interessiert sein. Allerdings unterscheidet sich das Interesse der Staaten an dem Inhalt dieser Regelung, denn jeder Staat wird an der Schaffung einer Regelung interessiert sein, die möglichst weitgehend seinen bereits bestehenden nationalen Gesetzen entspricht, da sich so die Kosten bei der Implementierung verringern. Ist eine Regelung einmal implementiert worden, besteht kein Anreiz mehr, hiervon abzuweichen, da dies für den Staat keinen Nutzen bringen würde; es würde nur die Transaktionskosten für Handel mit Unternehmen aus diesem Staat erhöhen und dadurch wohlfahrtsmindernd wirken. Nach dem hier vertretenen Rational-Choice-Ansatz ist eine Einigung dennoch ohne den Ausgleich durch flan-

49 Battle-of-the-Sexes beschreibt die Situation eines Ehepaares, das einen gemeinsamen Abend verbringen will, aber unterschiedliche Präferenzen für die Abendgestaltung hat. Der Mann möchte zum Boxkampf gehen, die Frau zum Konzert. In jedem Fall bevorzugen beide, den Abend gemeinsam zu verbringen anstatt allein. Das strategische Problem besteht nun darin, dass beide Partner getrennt in die Stadt gehen und getrennt voneinander und ohne miteinander kommunizieren zu können, die Möglichkeit haben, bei einem Kartenhändler genau eine Karte für eine Veranstaltung zu kaufen. In diesem Fall gibt es keine dominanten Strategien. Wenn die beiden Spieler gleichzeitig ihre Lieblingsalternative wählen, kommt es zu keinem Treffen, was für beide nicht optimal ist. Sie würden in diesem Fall doch lieber an den Ort gehen, den der jeweils andere bevorzugt. Wenn aber beide so denken und dem anderen entgegenkommen möchten, treffen sie sich wieder nicht. Vgl. zum Ganzen Berninghaus/Ehrhardt/Güth, S. 22 f. 50 Guzman, S. 21; Kozuka, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 73, 75.

A. Akteure der Institutionenbildung und Institutionenanpassung

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kierende monetäre Zahlungen51 möglich, da es den Staaten nicht auf einen relativen Wohlfahrtsgewinn ankommt, sondern sie sich vielmehr mit einem absoluten Zuwachs begnügen, das heißt, es steht einer inhaltlichen Einigung nicht entgegen, wenn der eine Staat hiervon stärker profitiert als der andere. Problematisch ist allerdings, dass die Staaten sowohl mit Eintritt in die Verhandlungen als auch mit einer auf die Ratifizierung folgenden Implementierung einen kostenverursachenden Aufwand tätigen müssen, der nicht durch einen Nutzenzuwachs ausgeglichen wird, wenn nicht hinreichend viele andere Staaten verhandeln und implementieren. In Unsicherheit über die langfristigen Absichten der anderen Staaten und über das Ausmaß, bis zu welchem aktuell auftretende Verluste in der Aussicht auf zukünftige Gewinne eingegangen werden sowie über den Nutzenzuwachs, der sich für die anderen Staaten aus internationaler Zusammenarbeit im Bereich elektronischer Handelsverträge ergibt, kommt dem Reputationsgesichtspunkt entscheidende Bedeutung zu. Denn der Reputationsgewinn, der aus Mitwirken in den Verhandlungen, der Unterschrift, der Ratifikation und der Implementierung folgt, kann die Kosten dieser Schritte bereits ausgleichen, so dass es unabhängig vom Verhalten der anderen Staaten die beste Strategie für den einzelnen Staat ist, zu verhandeln, zu unterschreiben, zu ratifizieren oder zu implementieren. Internationale Zusammenarbeit bei der Verrechtlichung des internationalen elektronischen Handelsverkehrs ist also jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Verhandlungs- und die Implementierungskosten so gering sind, dass sie durch den Reputationsgewinn ausgeglichen werden können. Verändert wird diese Bedingung, wenn auch andere Staaten die neue Regelung implementieren. Dann nämlich wird durch die eigene Implementierung ein weiterer Nutzen erzielt, der sich auf den Transaktionskosten senkenden vermehrten Handel mit diesen Staaten gründet. Dies gilt umso mehr, wenn es zu einer Mitwirkung wirtschaftlich potenter Staaten kommt. Da diese ihre Handelspartner freier wählen können, kann ihre Mitwirkung sogar indirekten Druck auf andere Staaten ausüben, die neue Regelung zu implementieren. Mithin entstehen positive Netzwerkeffekte.52 III. Zwischenergebnis Aufgrund des Fehlens eines staatsähnlichen Akteurs auf internationaler Ebene, der bei grenzüberschreitenden Geschäften für Besitz- und Transaktionssicherheit sorgt, haben weiterhin die Nationalstaaten die Aufgabe, für die Bereitstellung einer effektiven Privatrechtsordnung zu sorgen. Internationale Institutionen (wie z.B. die Vereinten Nationen, die WTO oder die EU) kön51

Vgl. hierzu Sykes, 3.C.i. Vgl. Kozuka, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 73, 82. 52

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

nen zwar eine wichtige Koordinierungsfunktion zwischen den nationalstaatlichen Interessen wahrnehmen, allerdings bleibt bisher bei der Zusammenarbeit von Staaten in internationalen Organisationen der Verzicht auf nationale Souveränitätsansprüche beschränkt, der zwangsläufig für die Schaffung einer ordnenden Instanz über den Nationalstaaten notwendig wäre. Internationale Großunternehmen können durch die Schaffung und Beachtung von soft law (zum Beispiel Modellklauseln, Code of Conducts etc.) erst dann zur Rechtssicherheit bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften beitragen, wenn ein Grundgerüst an Besitz- und Transaktionssicherheit von staatlicher Seite gewährleistet wird, denn das hierfür notwendige Gewaltmonopol hat nur der Staat inne. Nach dem hier vertretenen Rational-Choice-Ansatz kommt es bei der Verrechtlichung des internationalen elektronischen Handelsverkehrs zu internationaler Zusammenarbeit, wenn der Nutzen der Zusammenarbeit die hierdurch verursachten Kosten überschreitet. Der Nutzenumfang richtet sich nach der Zahl und der Wirtschaftsmacht der an der Zusammenarbeit teilnehmenden Staaten. Spieltheoretisch ergibt sich ein „Battle-of-the-Sexes“-Spiel. Die internationale Zusammenarbeit bei der Verrechtlichung des internationalen elektronischen Handelsverkehrs ist jedenfalls dann wahrscheinlich, wenn die Verhandlungs- und die Implementierungskosten so gering sind, dass sie durch den Reputationsgewinn ausgeglichen werden können.

B. Art der rechtlichen Institution B. Art der rechtlichen Institution

Sofern man in einer Lex Informatica, die zwar durch privatautonome Gestaltung der Nutzer entsteht, aber durch staatliche Garantien für die Anerkennung auf ihr beruhender Schiedsurteile mittelbar in die staatliche Rechtsordnung hineinwirkt, eine rechtliche Institution sieht53, ist diese mit den im Wesentlichen gleichen Argumenten abzulehnen wie sie gegen ein reines Selbstverwaltungsmodell vorgebracht wurden, das seine Wirkung in völliger Unabhängigkeit vom Staat entfaltet54. Nichtstaatliches Recht kann allenfalls dann als Institution dienen, wenn es über die Schiedsgerichtsbarkeit hinaus in einem hybriden System mit der staatlichen Rechtsordnung zusammenwirkt. Zum Beispiel könnten Industriestandards, wie ISO/IEC 9126 und 2500, bei der Bestimmung der Sachmangelfreiheit der gelieferten Software herangezogen werden (Art. 35 Abs. 2 CISG, § 434 Abs. 1 S. 2 BGB), sofern eine genaue vertragliche Regelung zur Qualität der geschuldeten Software fehlt, Regelungen der UNCITRAL53 54

Siehe Kap. 4 A. I. 5. Siehe Kap. 7 A. II.

B. Art der rechtlichen Institution

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Modellgesetze zur elektronischen Kommunikation bei der Auslegung nationaler Vorschriften berücksichtigt werden, die noch im Hinblick auf papierbasierten Geschäftsverkehr entstanden sind, oder ein Handelsbrauch (Art. 9 Abs. 2 CISG, § 346 HGB) dahingehend angenommen werden, dass der Anbieter eines elektronischen Dienstes ein Nutzerkonto nach drei erfolglosen Anmeldeversuchen zu sperren hat55. I. Internationales Einheitsrecht als Institution Statt einer „Cyber-Lex Mercatoria“ könnte Rechtsunsicherheit durch Rechtsvereinheitlichung im Wege eines staatlich implementierten internationalen Einheitsrechts reduziert werden.56 Eine solche internationale Lex E-Commerce kann auf verschiedenen Stufen ansetzen. Eine Begrenzung der einheitlichen Regelung auf die internationale Gerichtszuständigkeit hätte den Vorteil, dass jegliche Unsicherheit über das zur Streitentscheidung berufene Gericht beseitigt wird. Eine solche Begrenzung des Regelungsbereichs dürfte grundsätzlich auch zu geringen Verhandlungs- und Implementierungskosten führen. Allerdings bestehen gerade zwischen dem europarechtlichen und deutschen Zuständigkeitsrecht einerseits, und dem US-amerikanischen Zuständigkeitsrecht andererseits, einige grundlegende konzeptionelle Unterschiede, die in Verhandlungen überwunden werden müssten. So gilt in den USA die Lehre vom forum non conveniens, während die EuGVVO von der Lis Pendes-Lehre ausgeht. 57 Für elektronische Verträge gibt es in den USA mit dem Zippo Sliding Scale-Test einen technologiespezifischen Ansatz, demgegenüber sind im Rahmen der EuGVVO und der ZPO auf elektronische Verträge die allgemeinen Regeln anzuwenden.58 Ein vielversprechender Weg für die Harmonisierung der gerichtlichen Zuständigkeit ist das HÜG, in dem bereits ein erster Kompromiss zwischen den europäischen und US-amerikanischen Konzepten gefunden worden ist.59 Allerdings beschränkt sich das HÜG lediglich auf Streitfälle, die aus Verträgen mit Gerichtsstandsvereinbarungen resultieren. Großer Nachteil einer Beschränkung des Einheitsrechts auf die Stufe der gerichtlichen Zuständigkeit wäre, dass hierdurch ein Rückgriff auf das (unter55 Polanski, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Convention on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 423, 431. 56 Befürwortend: Herrmann, in: Fletcher/Mistelis/Cremona (Hrsg.), Foundations and Perspectives of International Trade Law (2001), 28, Rn. 2–034; ebenso wohl Roßnagel, MMR 2002, 67, 70. 57 Siehe Kap. 8 B. I. 5. f). 58 Siehe für die USA: Kap. 8 B. I. 5. b) aa); siehe für die EuGVVO: Kap. 8 B. I. 2.; siehe für die ZPO: Kap. 8 B. I. 4. 59 Siehe Kap. 8 B. I. 6 c).

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

schiedliche) nationale Recht für elektronische Verträge nicht entbehrlich würde. Zwar ist bei Kenntnis des zuständigen Gerichts eindeutig, dass dieses Gericht die Regeln des internationalen Privatrechts anwendet, die an seinem Sitz gelten, um das für die Streitentscheidung relevante Sachrecht zu bestimmen.60 Allerdings bedarf es bei unvereinheitlichtem Kollisionsrecht zwangsläufig immer einer – möglicherweise kostenintensiven – Beratung im ausländischen Recht. Außerdem ist insbesondere das US-amerikanische Kollisionsrecht für elektronische Verträge wenig eindeutig, so dass eine Prognose über das anwendbare Sachrecht regelmäßig schwer fallen dürfte.61 Im Übrigen würde nur eine Vereinheitlichung der Sachrechtsebene dazu führen, dass schwierige Rechtsanwendungsfragen überwunden werden können, die sich bei der Anwendung von herkömmlichen Regeln auf elektronische Verträge ergeben. Der Königsweg wäre, ein eigenes Gericht für die Streitfälle zu schaffen, die sich in Zusammenhang mit dem Einheitsrecht ergeben. So würde sich nicht nur die Frage der internationalen Zuständigkeit erübrigen, sondern das Problem divergierender Rechtsprechung, wie es sich insbesondere bei der Anwendung des CISG immer wieder zeigt, könnte umgangen werden.62 Die Schaffung von Einheitsrecht auf internationaler Ebene mit einem so umfangreichen Regelungsbereich wäre – aber auch ohne Schaffung eines eigenständigen Gerichts – ein Novum im internationalen Recht.63 Kein internationales Einheitsrecht weist bisher einen so großen Regelungsgegenstand auf, der einem Recht für internationale elektronische Verträge entspräche und kollisionsrechtliche Entscheidungen zwischen potentiell anwendbaren nationalen Rechtsordnungen überflüssig machen würde. Sollte dies überhaupt gelingen, würde es allerdings die bestehenden Rechtsunsicherheiten beenden, da die Transaktionskosten im grenzüberschreitenden elektronischen Handelsverkehr dann denen im nationalstaatlichen Binnenhandel entsprächen.64 Dies würde jedoch voraussetzen, dass ein das Einheitsrecht enthaltenes Übereinkommen weitgehend global umgesetzt würde, denn Einheitsrecht gilt immer nur in denjenigen Staaten, die es adaptiert haben und völkerrechtlich daran gebunden sind. Aus Sicht des Rational-Choice-Ansatzes stellt sich daher die Frage, ob die Verhandlungs- und Implementierungskosten eines umfassenden globalen Übereinkommens geringer sind als der Reputationsgewinn aus Teilnahme an 60

Siehe Kap. 6 A. III. Siehe Kap. 8 B. II. 4. 62 Rühl, S. 62 weist zu Recht darauf hin, dass außerhalb der EU keine internationale oberste Rechtsprechungsinstanz existiert. 63 Ähnlich Rühl, S. 60, die auf die letztlich erfolglosen Harmonisierungsversuche der letzten 100 Jahre verweist. 64 G.-P. Calliess, in: Donges/Mai (Hrsg.), E-Commerce und Wirtschaftspolitik (2001), 189, 197. 61

B. Art der rechtlichen Institution

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Verhandlungen und Ratifikation65, oder ob zu erwarten ist, dass eine Vielzahl von Staaten ein solches Übereinkommen implementieren wird, weil sie davon ausgehen, dass der Nutzen, der sich aus dem vermehrten Handel mit den Staaten, die das Übereinkommen ebenfalls implementieren, die Verhandlungskosten übersteigt. Letztere Frage kann auch im institutionenökonomische Sinne dahingehend formuliert werden, ob die Kosten zur Schaffung und zur Implementierung des Übereinkommens geringer sind als der MehrNutzen, den die neue Rechtslage im Vergleich zu bisherigen Rechtsstruktur aufweist.66 Für beide Fragen gilt, dass der umfangreiche Regelungsbereich eines solchen Übereinkommens hohe Verhandlungskosten67 und noch höhere Implementierungskosten zur Folge hätte. Dies gilt insbesondere für die Bereich, in dem sich verschiedene nationale Rechtssysteme grundlegend unterscheiden. Da auf der Grundlage der zur Zeit bestehenden Rechtsregeln ein gewisses Maß an Rechtssicherheit besteht, ist es nicht selbstverständlich, dass die hohen Verhandlungs- und Implementierungskosten durch eine entsprechende Rechtssicherheitssteigerung und dadurch bedingte Transaktionskostensenkung gerechtfertigt wären. Außerdem würde ein umfassendes Einheitsrecht rechtliche Erkenntnis- und Lernprozesse beeinträchtigen, da abweichende Regelungen, die als Vergleichsmaßstab dienen können, beseitigt würden.68 Unterschiedliche Lösungen können auch angezeigt sein, weil Vorlieben und Bedürfnisse der Transaktionsparteien divergieren.69 Folglich ist die Rechtsvereinheitlichung im Wege eines staatlich implementierten, umfassenden internationalen Einheitsrechts nach den dieser Arbeit zugrunde liegenden theoretischen Konzepten abzulehnen. II. Begrenztes Einheitsrecht und hybrides System Somit stellt sich die Frage, wie die aufgezeigten Probleme dennoch gelöst werden können. Hierfür bieten sich zwei Lösungen an, die jeweils voraussetzen, dass das bestehende nationale Recht für elektronische Verträge im Grundsatz anwendbar bleibt. Dies ist eine realistische Annahme, weil die Staaten kaum bereit sind, ihr nationales Recht vollständig aufzugeben. Zum einen könnte ein internationales Einheitsrecht geschaffen werden, das das Recht elektronischer Verträge nicht umfassend regelt, sondern nur diejenigen 65

Vgl. dazu auch Coase, 3 Journal of Law and Economics 1960, 1, 41. Ähnlich Rühl, S. 64. 67 Allein die Verhandlungskosten für das CISG, das keinen umfassenden Vertragsrechtskodex darstellt, werden auf USD 6.000.000 geschätzt, vgl. Herrmann, in: Fletcher/Mistelis/Cremona (Hrsg.), Foundations and Perspectives of International Trade Law (2001), 28, Rn. 2–023. 68 Rühl, S. 65 f. 69 Rühl, S. 63. 66

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

Bereiche erfasst, bei denen die Anwendung der bestehenden Regeln zu Unsicherheiten führt. Zum anderen könnte die bestehende Rechtsunsicherheit in diesen Bereichen durch die Berücksichtigung privatautonomen Rechts mit der Folge der Entstehung eines hybrides Rechtssystems aus staatlichem und nichtstaatlichem Recht überwunden werden. Beide Ansätze zielen darauf ab, was Zumbansen unter dem Schlagwort „Bringing the State back in“ zutreffend wie folgt beschrieben hat: „Bringing the State back in, so heißt schon lange die Beschreibungsformel für die Abbildung der dialektischen Bewegung, in der sich der Wohlfahrtsstaat auf das Setzen von Rahmenbedingungen zurückzieht, um Kontextautonomie zunächst zu ermöglichen und zu fördern, um aber andererseits durch detaillierte Nachkontrolle nachzusteuern.“70 1. Begrenztes Einheitsrecht Ein in seinem Regelungsumfang begrenztes Einheitsrecht hätte im Vergleich zu einem umfassenden Kodex den Vorteil geringerer Verhandlungs- und Implementierungskosten. Insofern könnten die Chancen steigen, dass ein entsprechendes Übereinkommen weit reichend umgesetzt wird. Geht jedoch mit Begrenzung des Regelungsumfangs eine Reduzierung des Nutzens einher, so relativiert dies wieder die Umsetzungschancen. Letztlich wird viel von der konkreten Ausgestaltung des Übereinkommens abhängen, insbesondere von seiner Ähnlichkeit mit bereits bestehenden nationalen Rechtssystemen, da jede Ähnlichkeit die Implementierungskosten senkt. Vereinzelt ist vorgeschlagen worden, dass ein elektronisches Vertragsrecht durch die WTO geschaffen werden sollte.71 Die Schaffung eines internationalen elektronischen Vertragsrechts würde auch den Zielen der WTO, dem Abbau von Handelshemmnissen und der Liberalisierung des internationalen Handels72 entsprechen. Allerdings sind die bisherigen Übereinkommen der WTO darauf ausgelegt, die Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten zu koordinieren. Eine unmittelbare Wirkung zwischen Privatrechtssubjekten, wie sie ein internationales elektronisches Vertragsrecht haben würde, kommt den WTO-Übereinkommen nicht zu.73 Anders ist dies bei den Regelungswerken, die bisher von der UNCITRAL ausgearbeitet worden sind, die – zum Beispiel wie das CISG – darauf abzielen, die Rechtsverhältnisse zwischen Unternehmen unmittelbar zu regeln. Vorteilhaft an einer Regelung durch die WTO wäre, dass sie über einen Streitbeilegungsmechanismus (Dispute Settlement

70

Zumbansen, RabelsZ 67 (2003) 637, 674. Nichols, 15 Am. U. Int'l L. Rev. 1999/2000, 1379, 1415 ff. 72 Vgl. Principles of the WTO-Trading System, . 73 Vgl. EuGH, 1.3.2005, C 377/02, Slg. 2005, I-1465 – Van Parys. 71

B. Art der rechtlichen Institution

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Body)74 verfügt, durch den sie gewissen Druck auf die Mitgliedsstaaten ausüben könnte, ein internationales elektronisches Vertragsrecht umzusetzen. Gegen ein Tätigwerden der WTO im Bereich elektronischer Verträge spricht jedoch, dass die UNCITRAL über große Erfahrung in der Formulierung von Regeln für den internationalen elektronischen Geschäftsverkehr verfügt75. Außerdem ist die UNCITRAL Organisator des CISG und damit diejenige Organisation, die am meisten Sachnähe zu diesem Übereinkommen aufweist. Dies ist deshalb bedeutsam, weil dem CISG bei der Schaffung eines nur begrenzten Einheitsrechts für internationale elektronische Handelsverträge weiterhin hohe Bedeutung zukommen wird, so dass keine Divergenz zwischen dem CISG und einem begrenzten Einheitsrecht aufträte. Daher sollte die Federführung für die Schaffung eines begrenzten Einheitsrechts für elektronische Verträge bei der UNCITRAL und nicht bei der WTO liegen. Denkbar ist jedoch ein Kooperationsverhältnis zwischen diesen beiden Organisationen, wie es auch im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes zwischen der WTO und der WIPO besteht. 2. Hybrides Rechtssystem Versteht man nichtstaatliches Recht als Recht, das nicht auf eine Grundnorm zurückgreift, also nicht von einer der drei Staatsgewalten geschaffen worden ist, aber als Recht anerkannt wird, so kann nichtstaatliches Recht entweder in Form von Verhaltensregeln und Geschäftsbedingungen existieren, die auf der Bereitschaft und dem Konsens der Netzwerkbetreiber, der Diensteanbieter und der Nutzer beruhen, oder als unverbindliche Regelwerke nichtstaatlicher und internationaler Organisationen. Die erstere Form ähnelt dabei in inhaltlicher Hinsicht einer Lex Informatica, negiert allerdings nicht den Geltungsanspruch staatlichen Rechts im elektronischen Geschäftsverkehr und vermeidet so einen Zustand weitgehender rechtlicher Freiräume und unklarer Verfügungsrechtsverteilung. Mit der zweiten Quelle nichtstaatlichen Rechts, den unverbindlichen Regelwerken, sind beispielsweise die Modellgesetze der UNCITRAL oder Modellklauselwerke der ICC angesprochen; allerdings haben sie in diesem Zusammenhang weniger Modellcharakter für die nationale Gesetzgebung, sondern dienen vor allem als Interpretationsmaßstab oder Objekt vertraglicher Rechtswahl.76 In einem hybriden Modell würden die Rechtsunsicherheiten des verbindlichen staatlichen Rechts durch die Berücksichtigung von soft law ausgeglichen.77 74

Epping, S. 611 ff. Siehe Kap. 4 A. I. 2. 76 Estrella Faria, Legal Harmonization, 1, 16. 77 Im Grundsatz ebenfalls für ein hybrides Modell, allerdings in Bezug auf andere Fragen der Internetregulierung, mit abweichender rechtstheoretischer Begründung sowie 75

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

Wenn hier allerdings ein vom staatlichen Recht völlig losgelöstes Cyberlaw abgelehnt78 und die Berücksichtigung von nichtstaatlichem Recht in einem hybriden System vorgeschlagen wird, stellt sich die Frage, auf welche Art und Weise die Integration des nichtstaatlichen Rechts ins staatliche Recht vorgenommen wird. Mit Blick auf die klassische Rechtsquellenlehre, die als „Recht“ nur das von einer der drei Staatsgewalten gesetzte Recht anerkennt79 und jede andere Institution im Sinne der Institutionenökonomik als „NichtRecht“ einordnet80, führte Ludwig Raiser im Hinblick auf AGB bereits vor einigen Jahrzehnten aus, dass der Versuch, in ihnen eine Rechtsquelle zu sehen von vornherein aussichtslos sei81. Dennoch akzeptierte er auf der Grundlage eines soziologischen Rechtsbegriffs, dass der Staat nicht alles Recht selbst schaffen müsse, sondern immer auch die Option habe, partikularen Sonderordnungen durch deren Anerkennung und Durchsetzung Rechtsgeltung zu verschaffen.82 Damit stimmte er mit Eugen Ehrlich überein, der bereits 1913 die Vorstellung von der Geschlossenheit des Rechtssystems angriff.83 Folgt man den von Ehrlich und Raiser vorgezeichneten Weg für das hier vorgeschlagene hybride Modell, so wäre ein postmoderner Rechtspluralismus84 die Folge, da der soziologische Rechtsbegriff kein eindeutiges Abgrenzungskriterium zwischen Rechtsnorm und gesellschaftlicher Norm liefert85. Normativität ist ebenso wenig wie Erwartungssicherung oder Verhaltenskoordinierung eine exklusive Eigenschaft des Rechts86, wie bereits die Ausführungen zum Institutionenbegriff87 gezeigt haben. Allerdings hat das staatliche Recht eine Ausschließlichkeitsstellung im Hinblick auf die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzbarkeit. Köndgen hat aufgezeigt, dass die Rechtsnormerzeugung durch Private ins staatliche Recht integriert werden kann, wenn die Dichotomien von Staat (Recht) und Gesellschaft sowie Rechtsgeltung und Faktizität, unter deren Vorzeichen privatisierte Regelbildung als marktliche oder gesellschaftliche divergierender Akzentuierung im Detail: G.-P. Calliess, in: Anderheiden/Huster/Kirste (Hrsg.), Globalisierung als Problem von Gerechtigkeit und Steuerungsfähigkeit des Rechts (2001), 61, 70 ff. 78 Siehe Kap. 7 A. II. 79 Kelsen, S. 196 f. 80 Vgl. auch G.-P. Calliess, in: Anderheiden/Huster/Kirste (Hrsg.), Globalisierung als Problem von Gerechtigkeit und Steuerungsfähigkeit des Rechts (2001), 61, 61. 81 L. Raiser, S. 62. 82 L. Raiser, S. 62. 83 Ehrlich, S. 28 f. 84 Vgl. Teubner, Liber Amicorum Josef Esser, 191, 198 ff. 85 Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 517 f. 86 So auch Köndgen, a.a.O., 518. 87 Siehe Kap. 5 C. I.

B. Art der rechtlichen Institution

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Selbststeuerung gesehen wird88, zugunsten des Konzepts der Inklusion aufgegeben werden.89 Nach diesem Konzept sind privatrechtliche Generalklauseln, wie §§ 242, 276 BGB, 346 HGB, Öffnungsklauseln für gesellschaftliche Regelbildung.90 Die Inklusion privater Normen ins staatliche Recht über Generalklauseln macht dann auch einen Rechtspluralismus entbehrlich.91 Damit bleibt dieser Ansatz grundsätzlich bei der klassischen Idee, internationale Privatrechtskonflikte über das internationale Privatrecht in eine nationale Rechtsordnung zurückzuführen92 und ist damit der Gegenentwurf zu einem transnationalen Wirtschaftsrecht, das staatliche Grenzen überschreitende Wirtschaftssachverhalte regeln will.93 Bereits das heutige Handelsrecht integriert in erheblichem Umfang Gewohnheitsrecht und erkennt dieses als Rechtsquelle neben dem Gesetzesrecht an.94 Im Unterschied zu Ansätzen, die nichtstaatlichem Recht allein im Rahmen der privatautonomen Vertragsgestaltung Bedeutung zumessen95, ist beim Konzept der Inklusion der Vertrag weder notwendige noch hinreichende Bedingung für die Geltung und Legitimation nichtstaatlichen Rechts, sondern es bedarf vielmehr zusätzlich immer der breiten Akzeptanz dieser nichtstaatlichen Regeln.96 Diese Akzeptanz kann sich in international praktizierten Vertragsgestaltungen ausdrücken, dessen Inhalte sich in Schiedssprüchen, Modellverträgen und Regelwerken ablagern.97 Darüber hinaus bleiben bei einem hybriden Regelungssystem marktmächtige Unternehmen hinsichtlich ihrer Regelsysteme einer staatlichen Anerken-

88

So beispielsweise Mankowski, AfP 1999, 138, 139. Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 518, 521 in Anerkenntnis des Umstandes, dass das Rechtssystem weitgehend frei ist, seine Außengrenzen gegenüber bloßer gesellschaftlicher Praxis zu bestimmen und gegebenenfalls zu erweitern. 90 Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 519 f. in Bezug auf § 276 BGB mit Verweis auf einen sozialbereichsspezifischen Verhaltensstandard im Internet; Teuber, 63 ZaoeRV 2003, 1, 20 spricht von Selbsterzeugungsregeln des Rechts. Weniger überzeugend ist der Vorschlag von Herrmann, in: Fletcher/Mistelis/Cremona (Hrsg.), Foundations and Perspectives of International Trade Law (2001), 28, Rn. 2–035, das nichtstaatliche Recht über einen Annex zum staatlichen Gesetzestext einzubeziehen. 91 Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 521. 92 Vgl. hierzu Rühl, S. 77. 93 Zu dieser Unterscheidung siehe Zumbansen, RabelsZ 67 (2003) 637, 672. 94 Vgl. hierzu Schmidt, S. 20 f. 95 So Reimann, S. 47. 96 Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 520. 97 So Zumbansen, RabelsZ 67 (2003) 637, 675 f., allerdings zur Begründung eines transnationalen Rechts; ähnlich auch Schmidt, S. 21 sowie G.-P. Calliess, in: Zürn/Zangl (Hrsg.), Verrechtlichung – Baustein für Global Goverance (2004), . 89

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

nung und Kontrolle unterworfen98. Diese potentielle Kontrollfunktion kann auch auf der Ebene der privatautonomen Gestaltung disziplinierend wirken, weil es den Schöpfer des nichtstaatlichen Rechts dazu zwingt, die Gestaltung hinreichend zu legitimieren, da anderenfalls die Nichtbeachtung droht.99 Die verfassungsrechtlichen Vorgaben einer Gesetzgebung kann nichtstaatliches Recht weder in formeller noch materieller Hinsicht erfüllen.100 Schon das Demokratieprinzip mit seinen charakteristischen Mehrheitsentscheidungen ist funktional betrachtet unanwendbar.101 Privatautonome Gestaltung ist alternatives Recht im Rahmen der staatlichen Ordnung. Für diese privatautonome Gestaltung sollte die ausgewogene Einbeziehung aller betroffenen Interessen in die Aushandlungsprozesse gefordert werden, in denen die Gestaltung erfolgt.102 Außerdem sollte der Aushandlungsprozess transparent verlaufen103 und einer staatlichen Kontrolle unterliegen, die durch die Einrichtung periodischer Evaluationsverfahren institutionalisiert werden könnte.104 3. Bewertung Für die Entscheidung zwischen einem begrenzten Einheitsrecht und einem hybriden Rechtssystems liefert die Institutionenökonomik keine eindeutige Antwort. Auf den ersten Blick spricht vieles für ein begrenztes Einheitsrecht in Form eines Übereinkommens, weil es größere Verbindlichkeit für sich in Anspruch nehmen kann und die gesteigerte Rechtssicherheit geringere Transaktionskosten verursacht. Allerdings vertritt die Neue Institutionenökonomik auch, dass die im Laufe evolutionärer Entwicklungen entstandenen Wahlmöglichkeiten in einem wirtschaftlichen Bereich auf die Vorteilhaftigkeit einer diesbezüglichen Handlungsfreiheit hindeuten und daher nicht durch allgemeinverbindliche Institutionen eingeschränkt oder geschlossen werden sollten.105 Dementsprechend wäre die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen soft law-Lösungen, die das hybride Modell bieten würde, zu begrüßen. 98

Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 519, 523; Teuber, 63 ZaoeRV 2003, 1, 21 f.; G.-P. Calliess, in: Anderheiden/Huster/Kirste (Hrsg.), Globalisierung als Problem von Gerechtigkeit und Steuerungsfähigkeit des Rechts (2001), 61, 78, der nicht vom Konzept der Inklusion ausgeht, sieht hingegen die Kontrollmöglichkeit des Staates vor allem in den Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen. 99 Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 523 spricht von „shadow of the law“. 100 Köndgen, a.a.O., 522. 101 Kritisch Mankowski, AfP 1999, 138, 140. 102 Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 522; zweifelnd, dass Interessenrepräsentativität bei nichtstaatlichen Regelungen vorhanden ist Roßnagel, MMR 2002, 67, 69. 103 Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 523. 104 Köndgen, a.a.O., 523. 105 Dietl, S. 92 f.

B. Art der rechtlichen Institution

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Die Einheitsrechtslösung könnte diese Handlungsfreiheit allerdings unter Aufrechterhaltung ihres grundsätzlichen Geltungsanspruchs im Hinblick auf Rechtswahlvereinbarungen der Parteien anerkennen. Der Transaktionskostensenkung infolge größerer Verbindlichkeit stehen möglicherweise Effizienzvorteile privater Vertragsgestaltungen gegenüber, da diese eher und im größeren Umfang als die staatliche Gesetzgebung die Möglichkeit zur „experimentellen Gesetzgebung“ nach der trial-and-error Methode haben106 und so einen Wettbewerb der Institutionen schaffen können, in dem sich dann letztlich die effizientere Institution durchsetzt107. Mit einem verbindlichen Einheitsrecht ist eine Reduzierung der Flexibilität und Anpassungsgeschwindigkeit bei Veränderung der Rahmenbedingungen verbunden.108 Dies gilt insbesondere bei weitreichender Umsetzung des Einheitsrechts, denn der dafür erforderliche Zeitaufwand verursacht einen negativen Netzwerkeffekt.109 Die Rechtsauffindungskosten einer zur Streitentscheidung berufenen Person sind auf der Grundlage eines internationalen Übereinkommens geringer als bei konkurrienden soft laws, über deren Konturen und genauen regulativen Inhalt Unsicherheit herrschen kann.110 Sich inhaltlich überschneidende soft laws sind das Ergebnis schlechter Koordination zwischen den verschiedenen Rechtsregeln formulierenden Organisationen, das im Wesentlichen auf einem Prinzipal-Agent-Problem beruht: die Organisationen als Agenten rechtfertigen ihre Existenz gegenüber dem Prinzipal, der sie finanziert, durch das Aufstellen eigener Regelwerke, deren Notwendigkeit dieser nicht ohne weiteres feststellen kann.111 Somit stellen sich die bereits zum Einheitsrecht aufgeworfenen Fragen in leicht veränderter Form. Entscheidend ist, ob die Summe der Kosten zur Schaffung und zur Implementierung eines Übereinkommens und der Effizienznachteile sowie der verringerten Flexibilität und Anpassungsgeschwindigkeit geringer ist als der Nutzen, der sich aus größerer Verbindlichkeit und geringeren Rechtsauffindungskosten ergibt.

106 So Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 512 nicht in Bezug auf die Effizienz privater Rechtserzeugung, sondern im Hinblick auf komparative Kostenvorteile. 107 Vgl. hierzu Dietl, S. 94. 108 Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 512; Rühl, S. 66. 109 Kozuka, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 73, 82. 110 Zumbansen, RabelsZ 67 (2003) 637, 650 ff.; zur Nützlichkeit von Datenbanken in diesem Bereich vgl. G.-P. Calliess, in: Zürn/Zangl (Hrsg.), Verrechtlichung – Baustein für Global Goverance (2004), 111 In diese Richtung auch Herrmann, in: Fletcher/Mistelis/Cremona (Hrsg.), Foundations and Perspectives of International Trade Law (2001), 28, Rn. 2–025.

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

Da eine abstrakte Beantwortung dieser Frage nicht möglich ist, soll auf eine Entscheidung über die Vorzugswürdigkeit eines begrenzten Einheitsrechts oder eines hybriden Regelungssystems an dieser Stelle verzichtet werden. Letztlich entscheidet die konkrete inhaltliche Ausgestaltung über die Kosten und den Nutzen. III. Zwischenergebnis Ein umfassendes Einheitsrecht würde die bestehenden Rechtsunsicherheiten reduzieren, da die Transaktionskosten im grenzüberschreitenden elektronischen Handelsverkehr den Transaktionskosten im Binnenhandel entsprechen würden. Aus Sicht des Rational-Choice-Ansatzes ist aber zu bezweifeln, dass die Verhandlungs- und Implementierungskosten eines umfassenden globalen Übereinkommens geringer sind als der Reputationsgewinn aus der Teilnahme an den Verhandlungen und der Ratifikation. Als effiziente Institutionen im Sinne der Institutionenökonomie kommen sowohl ein begrenztes Einheitsrecht als auch ein hybrides, aus staatlichem und nichtstaatlichem Recht bestehendes Rechtssystem in Betracht. Die Integration des nichtstaatlichen Rechts in das staatliche Recht kann durch das Konzept der Inklusion erfolgen. Eine Entscheidung zwischen diesen beiden Institutionen muss an der Frage ausgerichtet sein, ob die Summe aus den Kosten zur Schaffung und zur Implementierung des Übereinkommens und dem Wert der Effizienznachteile sowie der verringerten Flexibilität und Anpassungsgeschwindigkeit geringer ist als der Nutzen, der sich aus der größeren Verbindlichkeit und den geringeren Rechtsauffindungskosten ergibt. Aus der Ablehnung eines umfassenden Einheitsrechts und einer transnationalen Lex Informatica folgt, dass die Ebenen des internationalen Privatrechts und des Sachrechts nicht verschmelzen, sondern weiterhin zunächst das Kollisionsrecht angewandt werden muss, um dann auf der sachrechtlichen Ebene eine Entscheidung herbeiführen zu können. Geht man wie vorliegend auch nicht davon aus, dass ein eigenes internationales Gericht für die Streitfälle geschaffen werden muss, die sich im Zusammenhang mit internationalen elektronischen Handelsverträgen ergeben, bleibt auch die internationale Zuständigkeit eine Frage, die Transaktionskosten aufwerfen kann. Gleiches gilt für die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen.

C. Schaffung einer neuen rechtlichen Institution

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C. Schaffung einer neuen rechtlichen Institution C. Schaffung einer neuen rechtlichen Institution

I. Allgemeines Mit Ablehnung einer rein marktmäßigen Regulierung steht zunächst einmal fest, dass ein Gerüst an privatrechtlichen Basisinstitutionen gewährleistet sein muss.112 Neben dem Zugang zu einem Konfliktschlichtungsverfahren zählt hierzu vor allem die Durchsetzung der Ergebnisse mittels Rechtszwang, denn nur so kann es zur Vertragstreue kommen. Zu fragen ist, ob die für die traditionellen, meist papiergebundenen Handelsgeschäfte geschaffenen rechtlichen Institutionen ihre Funktion auch für elektronische Handelsgeschäfte erfüllen können. Technologiespezifische Regelungen hätten den Vorteil, dass die Prüfung der Analogiefähigkeit existierender Regelungen für den elektronischen Geschäftsverkehr entfiele und dadurch die Rechtsunsicherheit und die Transaktionskosten gesenkt werden könnten. Das Beispiel des US-amerikanischen Sliding Scale-Tests zur Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit hat allerdings gezeigt, wie schnell ein technologiespezifischer Ansatz durch eine Fortentwicklung der Technik oder der Geschäftspraktiken nutzlos werden kann.113 War vor zehn Jahren mit der Unterscheidung zwischen passiven und interaktiven Webseiten noch eine effektive Regulierung der gerichtlichen Zuständigkeit anknüpfbar, führt sie heute im Ergebnis zu einer Gerichtspflichtigkeit aller E-Commerce-Anbieter in den USA. Ein anderes Beispiel liefern die Regelungen für die qualifizierte elektronische Signatur in Deutschland. Sie sehen die Verwendung abgestufter ITSicherheitsmaßnahmen vor und schaffen Anreize für ihre Verwendung, indem sie bestimmte rechtliche Vermutungswirkungen daran anknüpfen. Ein solches Vorgehen birgt die Gefahr, dass man innovativen Fortschritt im Bereich der IT-Sicherheit behindert, denn schreibt man eine bestimmte Technik fest, liegt es nahe, dass diese von den Akteuren verwendet wird und die Nachfrage für andere Techniken sinkt. Darüber hinaus entstehen den Parteien aus einer IT-Sicherheitsmaßnahme Transaktionkosten. Setzt man diese mit dem Wert der Transaktion ins Verhältnis, können sie bei geringwertigen Transaktionen überproportional hoch und die Transaktion damit ineffektiv sein. Ist umgekehrt der gesetzlich verlangte Sicherheitsstandard bei wertvollen Transaktionen zu gering, dann besteht das Risiko, dass sich die Parteien auf die gesetzlichen Vorgaben verlassen und keine weiteren Sicherheitsmaß-

112 113

Ähnlich Köndgen, AcP 206 (2006) 477, 511. Siehe Kap. 8 B. I. 5. b) bb).

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

nahmen implementieren. Die Folge wäre eine Untersicherung der Transaktion.114 Es spricht also einiges gegen die Schaffung technologiespezifischer rechtlicher Lösungen auf Gesetzesebene. Soll kurzfristig Rechtsunsicherheit reduziert werden, muss sichergestellt sein, dass eine technische Lösung schnell angepasst werden kann und genügend Raum für privatautonome Regelungen besteht. Für die schnelle Anpassung ist die Institution eines (begrenzten) Einheitsrechts kaum geeignet, denn hierzu müssten jeweils alle ratifizierenden Staaten auch einem Änderungsprotokoll zustimmen. Eine technische Anpassung ist leichter innerhalb eines Rechtssystems mit dynamischen Verweisen auf Standardisierungsverfahren möglich. Somit ist für technologiespezifische Lösungen die Institution eines hybriden Rechtssystems zu bevorzugen. In jedem Fall sollte eine zu detaillierte Regelung vermieden werden, um Normenhäufungen und Normenkollisionen zu vermeiden115 und eine nach dem Coase-Theorem mögliche Verhandlungslösung zwischen den Parteien statt kostenintensive Rechtsberatung zu fördern. 1. Lokalisierung virtueller Geschäftsbeziehungen Die Problematik von territorialer Anknüpfung und Lokalisierung von virtualisierten Unternehmen ist im Laufe der Untersuchung auf allen Rechtsebenen aufgetreten. Teilweise wird hieraus gefolgert, dass eine territoriale Anknüpfung nicht möglich sei.116 Eine alternative Anknüpfung für rechtliche Vorschriften besteht aber nicht, solange es keinen Super-Leviathan gibt und ein Rechtszwang nur von Staaten ausgeht, deren Macht territorial begrenzt ist.117 Durch eine Kombination von Gesetzgebungsmaßnahmen, privatautonomer Vertragsgestaltung und technischen Mitteln könnte allerdings die Lokalisierung von virtuellen Geschäftsbeziehungen verbessert werden. Jegliche Unsicherheit kann vermieden werden, wenn bereits in den Vertrag mit dem virtuellen Unternehmen eine ausdrückliche Regelung aufgenommen wird, wo sich dessen Hauptsitz, Hauptverwaltung oder Niederlassung physisch befinden soll. Fehlt es allerdings an einer entsprechenden vertraglichen Regelung, können verschiedene Gesetzgebungsmaßnahmen helfen, die Lokalisierung von virtuellen Unternehmen zu erleichtern. Hierzu zählt die Übernahme der Rege114

Vgl. auch Fry, 37 Idaho Law Review 2001, 237, 258 ff. Moufang, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 31, Rn. 1 f. 116 Hoeren, NJW 1998, 2849, 2849: „Im Internet laufen alle Normen ins Nichts, die auf den Raum, das Territorium oder den Sitz Bezug nehmen.“; ähnlich Johnson/Post, 48 Stan. L. Rev. 1995/96, 1367, 1378. 117 Siehe Kap. 9 A. I. 115

C. Schaffung einer neuen rechtlichen Institution

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lung des § 109 (d) UCITA mit ihrem Abstellen auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Gesellschafters. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass mittlerweile Lokalisierungstechniken existieren, die den geografischen Aufenthalt eines Internetnutzers mit relativer Sicherheit bestimmen können (Geotargeting)118. Zwar können IP-Adressen aufgrund ihrer dynamischen Vergabe oder des Einsatzes von Proxyservern nicht eindeutig einem Internetnutzer zugewiesen werden, jedoch ist es regelmäßig möglich, sie dem Verwalter ganzer Adressräume, wie einem Internetprovider, einem Unternehmen oder einer Universität zuzuordnen.119 Käme es bei der territorialen Anknüpfung jetzt allein darauf an, das Land zu bestimmen, in dem sich der Gesellschafter aufhält, wäre die Lokalisierungsproblematik von virtuellen Unternehmen um einiges entschärft. Darüber hinaus könnte eine territoriale Anknüpfung an den Server oder eine Webseite, die die Gefahr zufälliger Ergebnisse birgt, verhindert werden, indem – der herrschenden Meinung in der deutschen Fachliteratur entsprechend120 – klarstellend geregelt wird, dass der Server oder die Webseite nicht als Niederlassung eines Unternehmens anzusehen sind und keine Bedeutung für die Bestimmung des Erfüllungsortes haben. Außerdem stellt sich die Frage, ob Informationspflichten Unsicherheiten bei der Lokalisierung reduzieren können. Im deutschen Recht bestehen für Unternehmen einige Informationspflichten, die sich auf die Offenlegung der Herkunft des Unternehmens beziehen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 4 TMG, 37a Abs. 1, 125a Abs. 1, 177a HGB, 35a Abs. 1 GmbHG, 80 Abs. 1 AktG, 25a GenG) und damit grundsätzlich dazu geeignet sind, Lokalisierungsprobleme zu verringern. Verfolgen diese Informationspflichten das Ziel, Informationsasymmetrien zwischen Unternehmen und Verbrauchern abzubauen (§ 5 TMG, der auf Art. 5 E-Commerce-RL zurückgeht), bedarf es dieser Informationspflichten im Handelsverkehr nicht, weil hier grundsätzlich von gleicher Verhandlungsmacht ausgegangen wird.121 Etwas anderes könnte jedoch in Bezug auf die Informationspflichten gelten, deren Zweck die Sicherheit des Geschäftsverkehrs ist, der allgemeine Grundinformationen über das Unternehmen erhalten soll (37a Abs. 1, 125a Abs. 1, 177a HGB, 35a Abs. 1 GmbHG, 80 Abs. 1 AktG, 25a GenG).122 Informationspflichten können jedoch Transaktionen im internationalen Handelsverkehr unnötig verteuern. Handelt es sich zum Beispiel um einen Markt, bei dem der Käufer unter einer Vielzahl von Anbietern auswählen kann und 118 Mittels Geotargeting können IP-Adressen ihrer geografischen Herkunft zugeordnet werden. 119 Ausführlich hierzu Goldsmith/Wu, S. 58 ff. 120 Siehe Kap. 8 B. I. 2. b) aa) (3). 121 Fleischer, S. 203 ff. 122 Baumbach/Hopt-Hopt, § 37a HGB, Rn. 1.

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

keinen Anbieter auswählen muss, bei dem gewisse Unsicherheit über die Herkunft besteht, entspricht es dem Marktprinzip, dem Käufer die Wahl zu überlassen, ob er bei einem Anbieter kaufen möchte, dessen Niederlassung bekannt ist, oder einen Anbieter wählt, bei dessen Lokalisierung Unsicherheiten bestehen, der aber möglicherweise zu einem geringeren Kaufpreis anbietet. Im Handelsverkehr erscheint eine genaue Abgrenzung zwischen Märkten, auf denen eine Vertragspartei keine Wahlmöglichkeit hat und daher allgemeine Informationspflichten in Bezug auf die Unternehmensherkunft ökonomisch sinnvoll wären, und Märkten, auf denen Unsicherheiten über die Lokalisierung lediglich Ausdruck des Marktprinzips sind, praktisch nicht möglich. Überdies können sich Märkte schnell wandeln, ohne dass eine sofortige gesetzgeberische Anpassung möglich wäre. Im Übrigen müsste die Einhaltung von internationalen Informationspflichten von nationalen Stellen überwacht werden und eine Angleichung der nationalen und internationalen Informationspflichten könnte hohe Verhandlungs- und Implementierungskosten verursachen. Daher sollte darauf verzichtet werden, Unternehmen, über die Informationspflichten des nationalen Rechts hinaus, für den internationalen elektronischen Handelsverkehr weitere Informationspflichten aufzuerlegen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Reduzierung von Unsicherheiten bei der Lokalisierung von virtuellen Geschäftsbeziehungen (Aufnahme der physischen Adresse von Sitz oder Niederlassung in den Vertrag, Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Gesellschafters einschließlich Geotargeting und klarstellende Regelungen bezüglich Server und Webseite) könnten in einem hybriden System aus staatlichem Recht und privatautonomen Ergänzungen enthalten sein. Auf diese Weise bestünde die Möglichkeit, dass sich aus internationaler Vertragsgestaltung, Schiedssprüchen, Modellverträgen und Regelwerken eine allgemein anerkannte Behandlung von virtuellen Unternehmen ergibt, die dann auch von staatlichen Gerichten übernommen wird. Teil dieses hybriden Systems könnte ein Einheitsrecht für elektronische Verträge sein, das von einer internationalen Organisation geschaffen wurde, dem es aber an weit reichender Ratifikation durch die Staatengemeinschaft fehlt. Abzulehnen ist der Vorschlag, Probleme der Lokalisierung durch die Schaffung eines Einheitsrechts für internationale elektronische Handelsverträge zu verhindern, das in seinem Anwendungsbereich sämtliche über das Internet geschlossenen Verträge als international qualifiziert, soweit die Parteien nicht ausdrücklich durch Angabe ihrer inländischen Niederlassung die Vermutung einer Internationalität widerlegen.123 Diese Regelung würde eine Beweislastumkehr im Vergleich zur jetzigen Rechtslage nach dem CISG bedeuten124 und widerspräche dem Grundsatz, dass internationale Überein123

So UNCITRAL, A/CN.9/484, Rn. 101; Herrmann, in: Fletcher/Mistelis/Cremona (Hrsg.), Foundations and Perspectives of International Trade Law (2001), 28, Rn. 2–029. 124 Wulf, S. 71 f.

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kommen grundsätzlich nur dann zur Anwendung kommen können, wenn das Recht eines Staates anwendbar ist, der das Übereinkommen ratifiziert hat oder dessen internationales Privatrecht darauf verweist. Auch der Vorschlag, auf die Vermutung der Internationalität zu verzichten, den Parteien aber die Möglichkeit einzuräumen, den zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrag als international zu bezeichnen und auf diese Weise einem internationalen Übereinkommen für elektronische Handelsverträge zu unterstellen125, überzeugt nur dann, wenn dieses Übereinkommen – notfalls auch ohne Ratifikation – allgemein als Gegenstand privatautonomer Rechtswahl anerkannt wird. Durch die Bezeichnung des Vertrages als „international“ würden die Parteien den Vertrag dem Übereinkommen unterstellen. Ob diese privatautonome Entscheidung im Streitfall vor Gericht bestand hat, kann nicht von einer internationalen Organisation festgelegt werden, sondern folgt aus dem anwendbaren nationalen Recht. 2. (Web-)Electronic Data Interchange Fraglich ist, ob eine neue rechtliche Institution besondere Vorschriften für EDI-Kommunikation vorsehen müsste. EDI setzt Ausgangsinvestitionen für die Implementierung dauerhafter Geschäftsbeziehung voraus und in der Regel werden Rahmenverträge126 über das Kommunikationsverfahren abgeschlossen. Dies unterscheidet die EDIKommunikation von Kommunikation im Rahmen von Einmal-Transaktionen. EDI ist aufgrund der hohen Ausgangsinvestitionen und der damit verbundenen Verluste beim Wechsel des Vertragspartners aus institutionenökomischer Sicht ein relationaler Vertrag, bei dem die Transaktionspartner gemeinsame Entscheidungen treffen müssen und abgestimmte Anpassungen und Entwicklungen vornehmen können.127 Es gilt das spieltheoretische FolkTheorem128: Verhält sich einer der Transaktionspartner opportunistisch, muss er damit rechnen, dafür in zukünftigen Transaktionen vom anderen Transaktionspartner bestraft zu werden, an den er weiterhin gebunden ist.129 Anders als bei der Einmal-Transaktion besteht daher kein Tauschdilemma. Das gegenseitige Vertrauen muss nur sehr begrenzt durch das Recht substituiert werden. So reicht es aus, wenn die Möglichkeit besteht, etwaige Rahmenvereinbarungen durch Schiedsgerichte durchzusetzen. Eine neue rechtliche Institution für elektronische Verträge bedarf also keiner besonderen Vorschriften für die EDI-Kommunikation, sofern privatautonomes Handeln in großem Umfang gewährleistet wird. 125

So UNCITRAL, A/CN.9/484, Rn. 102. Siehe Kap. 4 B. I. 2., II. 2. 127 Siehe Kap. 5 C. IV. 1. 128 Siehe Kap. 7 A. I. 2. b). 129 Im Ergebnis ebenso Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 224 f. 126

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

3. Vertragstypologische Einordnung elektronischer Handelsverträge Eine neue rechtliche Institution für elektronische Verträge könnte den Versuch unternehmen, Rechtsunsicherheiten zu reduzieren, die sich aus der Digitalisierung bestimmter Leistungen und den damit im Zusammenhang stehenden Fragen nach der Sachqualität von digitalen Gütern, insbesondere von Software, und der vertragstypologischen Einordnung von Verträgen ergeben, die eine digitale Leistungserbringung zum Gegenstand haben.130 Die fortschreitende technische Entwicklung im elektronischen Geschäftsverkehr stellt den Rechtsanwender immer wieder vor die Aufgabe, neuartige Formen der Geschäftsbeziehungen nach herkömmlichen Vertragsarten zu charakterisieren. Jüngstes Beispiel sind Verträge im Bereich des CloudComputing.131 Eine klarstellende Charakterisierung in einem internationalen Übereinkommen hätte allerdings den Nachteil, dass eine gesetzgeberische Regelung nicht mit der schnellen technischen Entwicklung Schritt halten könnte und sich daher wahrscheinlich schon während des Gesetzgebungsprozesses neue Geschäftsformen entwickeln würden, die vom neuen Übereinkommen nicht abgedeckt wären. Somit wäre es vorteilhafter, die vertragstypologische Einordnung nicht gesetzlich zu regeln, sondern aus der internationalen Vertragsgestaltungspraxis abzuleiten. Ergänzend könnte jedoch ein internationales Übereinkommen für elektronische Verträge durch eine klarstellende Regelung die herrschende Meinung in der Fachliteratur132 bestärken, dass die Digitalisierung von Leistungen keinen Einfluss auf die Sachqualität von Gütern hat. Aus ökonomischer Sicht besteht die zu vergütende Leistung bei Gütern, die der Digitalisierung fähig sind, regelmäßig in der gelieferten Information und nicht in ihrer ursprünglichen materiellen Verkörperung. 4. Zwischenergebnis Technologiespezifische Lösungen sollten nur dann gewählt werden, wenn sichergestellt ist, dass sie schnell angepasst werden können und genügend Raum für privatautonome Regelungen besteht. Für technologiespezifische Lösungen ist die Institution des hybriden Rechtssystems zu bevorzugen. Über die Generalklauseln des allgemeinen Zivilrechts und des Handelsrechts kann 130 Rechtsunsicherheiten ergeben sich bei der Bestimmung des Gerichtsstands des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO) (Kap. 8 B. I. 2. c) aa) (2)), bei der Anwendung von internationalen Übereinkommen für Kaufverträge (Art. 1 Abs. 1 CISG) (Kap. 8 B. II. 2. a) aa)) sowie bei der Bestimmung der Leistungspflichten und des Leistungsstörungsrechts (Kap. 8 B. III. 2. d) aa), ff)). 131 Siehe Kap. 3 B. III. 132 Für das deutsche Recht siehe: Kap. 8 B. I. 2. c) aa) (1) (a) (bb); für das CISG siehe: Kap. 8 B. II. 2. a) aa) (2) (a); für das US-amerikanische Recht siehe: Kap. 8. B. III. 3. a) ee).

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dynamisch auf Sekundärsysteme (technische Standardisierungen, Modellverträge etc.) verwiesen werden. Eine übergenaue Regelung kann die nach dem Coase-Theorem mögliche Verhandlungslösung verhindern. Für die im Hinblick auf die Lokalisierung von virtuellen Unternehmen problematische territoriale Anknüpfung ist bisher kein Ersatzkonzept entwickelt worden. Ein solches begegnet vor allem der Schwierigkeit, dass es keinen Super-Leviathan gibt und Rechtszwang nur von Staaten ausgeht. Allenfalls in einem hybriden Rechtssystem könnten virtuelle Unternehmen einem internationalen Rechtssystem unterworfen werden. Für die Klarstellung, dass Server und Webseite nicht als Niederlassung eines Unternehmens einzuordnen sind und auch für die Bestimmung des Erfüllungsortes unbedeutend sind, ist ein begrenztes Einheitsrecht die zu bevorzugende Institution. Unsicherheiten bei der Lokalisierung virtueller Unternehmen sollten durch ein Zusammenspiel von Informationspflichten, subsidiärer Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Gesellschafters und Lokalisierungstechniken reduziert werden. Allerdings sollte darauf verzichtet werden, Unternehmen, über die Informationspflichten des nationalen Rechts hinaus, für den internationalen elektronischen Handelsverkehr weitere Informationspflichten aufzuerlegen, da dies Transaktionen im internationalen Handelsverkehr unnötig verteuern kann, internationale Stellen zur Überwachung von internationalen Informationspflichten eingerichtet werden müssten und die Angleichung von nationalen und internationalen Informationspflichten hohe Kosten verursachen könnte. Sofern privatautonomes Handeln von Unternehmen in großem Umfang gewährleistet wird, ist ein Vertragsrecht ausreichend, das allein auf EinmalTransaktionen zugeschnitten ist und keine speziellen Regelungen für EDIKommunikation enthält. Die Situation in EDI-Beziehungen ist aus institutionenökonomischer Sicht ein relationaler Vertrag, bei dem das spieltheoretische Folk-Theorem gilt, so dass es ausreicht, wenn die Möglichkeit der schiedsgerichtlichen Durchsetzung von Rahmenvereinbarungen besteht. Die vertragstypologische Einordnung moderner Vertragstypen sollte aus der internationalen Vertragsgestaltungspraxis abgeleitet werden, da diese – anders als eine gesetzgeberische Regelung – der schnellen technischen Entwicklung gerecht werden kann. Die Unbeachtlichkeit der Digitalisierung von Leistungen auf die Sachqualität von Gütern könnte ein internationales Übereinkommen für elektronische Verträge klarstellen. II. Internationale Zuständigkeit und internationales Privatrecht Internationale Zuständigkeit und internationales Privatrecht sind bisher getrennt betrachtet worden, da sich ihre Fragestellungen unterscheiden. Wäh-

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rend es bei der internationalen Zuständigkeit um die Frage geht, welches Gericht für einen Konflikt Entscheidungsbefugnis hat, steht beim internationalen Privatrecht im Vordergrund, welches Recht auf den zu entscheidenden Sachverhalt anzuwenden ist.133 Im Rahmen einer auf der ökonomischen Analyse beruhenden Argumentation gelten für die internationale Zuständigkeit und das internationale Privatrecht allerdings im Wesentlichen die gleichen Argumentationslinien: (i) die Parteien suchen nach dem optimalen rechtlichen Rahmen für ihre Transaktion, (ii) sowohl bei der internationalen Zuständigkeit als auch beim internationalen Privatrecht geht es jeweils um eine ex ante-Festlegung zur Verhinderung von kooperativem ex post-Verhalten und (iii) die Gewährung weitreichender Privatautonomie kann einen Wettbewerb der Rechtsordnungen beziehungsweise der Gerichte erzeugen.134 Außerdem können durch eine Verknüpfung von Gerichtsstand und anwendbarem Recht die Rechtsermittlungskosten reduziert werden und die Parteien können eine Entscheidung von höherer Qualität erwarten, da die Gerichte von der fehlerträchtigen Anwendung fremden Rechts verschont bleiben.135 Der Gleichlauf von Gerichtsstand und anwendbarem Recht kann durch das Anerkenntnis einer Indizwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen für eine entsprechende Rechtswahl oder durch eine Parallelität von Zuständigkeitsregeln und Kollisionsvorschriften erreicht werden. 1. Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarung als effizienteste Lösung In internationalen Handelsverträgen sind regelmäßig Gerichtsstands- und/ oder Rechtswahlvereinbarungen enthalten. Diese Vereinbarungen stellen also das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses dar. Im Rahmen ihres Verhandlungsprozesses verfügen die Parteien über genauere Informationen über die Transaktion als externe Dritte (z.B. ein Gericht). Sie können auch Informationen über die Transaktion mit geringeren Kosten erlangen und sind dadurch am besten in der Lage, Recht und Forum zu bestimmen, die für die konkrete Transaktion die geringsten Kosten verursachen.136 Gesteht man den Parteien diese Wahlmöglichkeit zu, können sie vom Wettbewerb der Rechtssysteme

133

Lehmann, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007), 17, 25. 134 Ähnlich das Vorgehen bei Kirchner, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 33, 33 ff. 135 Leible, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007), 41, 44. 136 Für Rechtswahlvereinbarungen ebenso Kagami, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 15, 26.

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profitieren, indem sie das qualitativ überzeugendste auswählen.137 Welches für die Parteien das effizienteste Rechtssystem ist, wird für die Parteien zwar nicht sofort offensichtlich sein, doch können die Teilnehmer des internationalen Handelsverkehrs im Rahmen eines Lernprozesses beobachten, welche Rechtssysteme für welche Verträge welche Ergebnisse hervorbringen.138 Aufgrund dieses Lernprozesses kann dann ihre Wahl zugunsten eines Rechtssystems getroffen werden. Regelmäßig wird insbesondere die Vorhersehbarkeit der Streitentscheidung für die Wahl des Rechtssystems maßgeblich sein. Dies wird vor allem von eindeutigen, transparenten und beständigen Rechtssystemen gewährleistet139, die nationalen oder internationalen Charakter haben können. Allerdings setzt das Coase-Theorem für eine effiziente Verhandlungslösung (möglichst) vollständige Information voraus. Besteht gar keine Verhandlungsmöglichkeit oder ist die Information unvollständig und asymmetrisch verteilt, dann kann dies effiziente Ergebnisse verhindern.140 Dies kann insbesondere bei Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarungen in AGB der Fall sein. In der Praxis erklärt die die AGB stellende Partei regelmäßig die Gerichte ihres Heimatstaates für zuständig und bringt ihr Heimatrecht zur Anwendung.141 Bestehen bei elektronischen Geschäften per Mausklick im Internet für den Vertragspartner an den gestellten AGB keine Änderungsmöglichkeiten, kann dies ein strategischer Nachteil für den Vertragspartner darstellen, der nicht internalisiert wird. Der Vorteil der Anwendbarkeit des Heimatrechts und der Zuständigkeit der Heimatgerichte wird nicht durch eine Reduzierung des vom Vertragspartner zu zahlenden Preises ausgeglichen.142 Hieraus ist allerdings nicht zu folgern, dass Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarungen nicht zulässig sein sollten, denn gerade hierdurch kann ein Unternehmen alle Streitigkeiten bei einem Gericht konzentrieren und so Kos137 Basedow, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 57, 67; Schäfer/Lantermann, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 87, 95 f.; Kirchner, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 33, 51. 138 Kirchner, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 33, 46, 50. 139 Kirchner, a.a.O., 46; ähnlich § 110 UCITA com. 3; hieraus folgt auch, dass ein „race to the bottom” im Systemwettbewerb unwahrscheinlich ist, vgl. Kirchner, a.a.O., 49; Kieninger, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie (1999), 372, 377 nennt das anwendbare Verfahrensrecht, die Unterschiede im Anwaltsrecht sowie die durchschnittliche Verfahrensdauer als entscheidende Kriterien. 140 Kagami, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 15, 26. 141 Max-Planck-Institut, RabelsZ 68 (2004) 1, 6 ff.; Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 210. 142 Schäfer/Lantermann, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 87, 94.

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

tenvorteile durch economies of scale erzielen.143 Bei einem fairen Interessenaustausch werden diese Kostenvorteile (zumindest teilweise) an den Geschäftspartner weitergegeben. Während bei Verbraucherverträgen staatliche Institutionen die Weitergabe des Kostenvorteils überwachen müssen, ist im Bereich des Handelsverkehrs grundsätzlich davon auszugehen, dass der Vertragspartner nicht strukturell unterlegen ist und daher durch Verweigerung des Vertragsschlusses und durch Rückgriff auf einen anderen Anbieter die Internalisierung der Kostensituation erzwingen kann.144 Etwas anderes gilt nur dann, wenn es sich um marktstarke Anbieter handelt. Dann können zwischen kleineren Unternehmen und marktstarken Anbietern ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse entstehen, die den marktstarken Unternehmen die Möglichkeiten geben, eine Gerichtsstandsvereinbarung und eine Rechtswahlvereinbarung in den AGB zu „diktieren“, ohne dass sie eine Ablehnung dieser Klauseln durch den Vertragspartner befürchten müssen. Dennoch sollte aus ökonomischer Sicht darauf verzichtet werden, bei funktionierendem Wettbewerb im Hinblick auf die Beteiligung von Klein- und Mittelbetrieben Vereinbarungen über den Gerichtsstand und das anwendbare Recht zu verbieten145, denn ein solches Verbot würde verhindern, dass Klein- und Mittelbetriebe die ökonomischen Potentiale solcher Vereinbarungen ausschöpfen können. Vielmehr sollte eine Begrenzung der Marktmacht von Unternehmen dem Kartellrecht überlassen werden. Zu Recht weist Rühl daraufhin, dass in der Praxis privatautonome Lösungen scheitern können, weil sich die Parteien strategisch verhalten (die Verhandlungen scheitern, weil die Parteien versuchen, das Optimale für sich herauszuholen) oder eine Status Quo Bias haben (die Parteien halten aus nicht rationalen Gründen an den bestehenden Besitzverhältnissen fest).146 Dennoch sieht auch Rühl die privatautonome Lösung als das geringere von zwei Übeln an, da die Alternative ein Eingriff des Gesetzgebers wäre, der die Transaktion weniger kennt als die Parteien.147 Die Gewährleistung einer weitreichenden Parteiautonomie stellt somit für die Bereiche der internationalen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts die effizienteste Lösung dar. Auf diese Weise wird den Parteien ermöglicht, ein Recht und ein Forum auszuwählen, die die Transaktionskosten bestmöglich senken.148

143

Vgl. Effron v. Sun Line Cruises, Inc., 67 F. 3d 7, 10 (2d Cir. 1996). Ähnlich der Ansatz von § 109 (a) UCITA, vgl. dazu Fallenböck, S. 55. 145 A.A. wohl Fallenböck, S. 56. 146 Rühl, S. 200 ff. 147 Rühl, S. 207. 148 Für Rechtswahlvereinbarungen ebenso Guzmann, 90 Geo. L.J. 2001/02, 883, 894; Basedow, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 57, 63, 66; Rühl, S. 437. 144

C. Schaffung einer neuen rechtlichen Institution

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Fraglich ist jedoch, ob neben der Wahl des Rechts des Sitzstaates einer der Vertragsparteien auch die Wahl eines neutralen Rechts, eines internationalen Übereinkommens oder nichtstaatlicher Regelwerke zugelassen werden sollte. Die Wahl eines neutralen Rechts zuzulassen, ist ökonomisch sinnvoll, wenn es die Verhandlungskosten stärker senkt als es die Rechtsauffindungskosten erhöht.149 Gleiches gilt für die Übernahme nichtstaatlicher Regelwerke150 und internationaler Übereinkommen. Hingegen folgt aus den bereits dargestellten Überlegungen gegen eine Harmonisierung des internationalen elektronischen Handelsvertragsrechts durch eine Lex Informatica151, dass diese als solche nicht Gegenstand einer Rechtswahlvereinbarung sein kann.152 Dies entspricht dem hierzu in Bezug auf die Rom-I-VO vertretenen Standpunkt.153 Die Kosten, die bei der Anwendung des fremden Rechts entstehen, würden sich aufgrund der Unbestimmtheit der Lex Informatica und der damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Rechtsermittlung erhöhen. Hierdurch würden die Kosten erhöht, die bei der Anwendung fremden Rechts durch ein Gericht den Staaten Kontinentaleuropas entstehen, denn während im angloamerikanischen Rechtsraum der Inhalt fremden Rechts als Tatsache angesehen wird, das von den Parteien regelmäßig dargelegt und bewiesen werden muss, ordnen die Rechtssysteme Kontinentaleuropas den Inhalt überwiegend als Rechtsfrage ein, die das Gericht von Amts wegen zu entscheiden hat.154 Wenn die Gerichtskosten in Fällen, die nach ausländischem Recht entschieden werden, und Inlandsfällen identisch sind, werden nicht alle Kosten, die durch die Anwendung des ausländischen Rechts entstehen, durch die Parteien getragen, sondern die institutionellen Kosten auf den Steuerzahler abgewälzt. Es bedarf somit eines Rechtsrahmens, der den Parteien die Privatautonomie in den Bereichen internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht garantiert und ihnen die Wahl eines neutralen Rechts, nichtstaatlicher Regelwerke sowie internationaler Übereinkommen ermöglicht. Die Möglichkeit des forum shopping einer Partei kann durch Ablehnung der Zuständigkeit seitens des angerufenen Gerichts verhindert werden, soweit eine anders lautende Gerichtsstandsvereinbarung getroffen wurde.155 Gleichermaßen muss 149 Implizit wohl ebenso Basedow, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 57, 67. 150 Ähnlich Leible, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa (2007), 41, 47. 151 Siehe Kap. 7 A. II. 152 A.A. wohl Metzger, 3 JIPITEC 2012, 361, 365, allerdings unter der Annahme, dass die UNIDROIT-Prinzipien Teil der Lex Mercatoria bzw. der Lex Informatica seien und dadurch ein hinreichend transparenter Corpus an allgemeinen Grundsätzen bestehe. 153 Siehe Kap. 8 II. 3. b) bb). 154 Kilian, BB 2000, 733, 733. 155 Kirchner, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 33, 50.

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

ex post Opportunismus im Bereich des anwendbaren Rechts verhindert werden, indem kein anderes als das gewählte Recht zur Anwendung gebracht wird. Ob dies durch eine entsprechende Ausgestaltung der nationalen Rechte erfolgt oder aber durch ein Einheitsrecht ist zweitrangig. Die deutsche ZPO, die EuGVVO und die Rom-I-VO gewährleisten für internationale elektronische Handelsverträge einen solchen Rechtsrahmen.156 Jedoch erschwert im deutschen Zuständigkeitsrecht die für den Abschluss einer elektronischen Gerichtsstandsvereinbarung geforderte qualifizierte elektronische Signatur157 den Parteien den Zugang zu effektiven Lösungen unnötig. Wenn die Lehre vom forum non conveniens158 restriktiv gehandhabt wird, besteht auch in den USA der anzustrebende Rechtsrahmen. Das HÜG ist der Versuch, der anzustrebenden institutionellen Lösung zumindest für den Bereich der Gerichtszuständigkeit zu globaler Gültigkeit zu verhelfen, seine weitreichende Ratifikation ist zu befürworten. 2. Internationale Zuständigkeit und kollisionsrechtliche Anknüpfung bei fehlender Parteivereinbarung Fehlt es an einer Gerichtsstands- und/oder Rechtswahlvereinbarung, stellt sich die Frage nach den Anknüpfungspunkten für die internationale Zuständigkeit und das internationale Privatrecht. Fehlt es an einer Parteivereinbarung in internationalen elektronischen Handelsverträgen, bestehen sowohl im deutschen/europäischen Recht als auch im US-amerikanischen Recht Rechtsunsicherheitsfaktoren.159 Hieraus ergibt sich die Gefahr, dass Gerichte ihre Zuständigkeit exorbitant ausdehnen und gleichzeitig versuchen, ihr Heimatrecht anzuwenden, da sie mit diesem am besten vertraut sind. Auch für nationale Gesetzgeber besteht ein Anreiz, die Zuständigkeit der eigenen Gerichte möglichst weit zu fassen und das Heimatrecht möglichst oft zur Anwendung zu bringen, denn hierdurch würden die inländischen Parteien bevorteilt, wodurch ein nationaler Wohlfahrtgewinn entstehen kann.160 Damit hätten Unternehmen aus Staaten, in denen die Gerichte ihre Zuständigkeit exorbitant ausdehnen, einen strategischen Vorteil. Die ökonomische Analyse sieht hierin eine Ausprägung einer besonderen Variante des Prinzipal-Agent-Problems, die „common agency“ 156 Für die ZPO siehe Kap. 8 B. I. 4.; für die EuGVVO siehe Kap. 8 B. I. 2.; für die Rom-I-VO siehe Kap. 8 B. II. 3. 157 Siehe Kap. 8 B. I. 4. f) bb) (1). 158 Siehe Kap. 8 B. I. 5. f). 159 Siehe Kap. 8 B. IV. 160 Kagami, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 15, 22; mit empirischen Belegen: Borchers, 49 Washington and Lee Law Review 1992, 357; ablehnend: Kieninger, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie (1999), 372, 376.

C. Schaffung einer neuen rechtlichen Institution

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genannt wird.161 Hiermit wird der Umstand beschrieben, dass zwei oder mehr „Prinzipale“ (Staaten) denselben „Agenten“ (Parteien eines internationalen Handelsvertrags) kontrollieren wollen und ihr Handeln jeweils externe Effekte für die anderen hat.162 Regelt nun ein Staat einen Vertrag zwischen einem inländischen und einem ausländischen Unternehmen zugunsten des inländischen Unternehmens, beispielsweise weil er dem ausländischen Unternehmen die Zahlung einer großen Schadensersatzsumme auferlegt, fordert er den anderen Staat heraus, unter Aufwendung von Kosten dieser Art der Regulierung entgegenzusteuern163, indem er ebenfalls versucht, eine Zuständigkeit seiner Gerichte für den Vertrag zu schaffen und den Vertrag seinem nationalen Recht zu unterwerfen. Im Ergebnis besteht dann kein institutioneller Rahmen, der die Transaktionskosten optimal senkt, da die Unternehmen damit rechnen müssen, in beiden Staaten mit ihren divergierenden Rechtsordnungen gerichtspflichtig zu sein. Aber auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Ein Staat reguliert den Rechtsstreit, ohne die nationale Partei zu bevorzugen. Dann entstehen zusätzliche Kosten, insbesondere, wenn der internationale Streitfall teurer ist als der rein nationale. Im Gegenzug legt der andere Staat ein Trittbrettfahrerverhalten (free-riding) an den Tag, indem er sich aus der Regulierung zurückzieht.164 Dies ist zwar für die Parteien kurzfristig nicht schädlich, weil keine Gefahr der Anwendbarkeit von multiplen Rechtsordnungen besteht. Langfristig könnte sich allerdings auch der regulierende Staat zurückziehen, so dass dann wieder das Tauschdilemma165 besteht. Zur Überwindung des common agency-Problems und der bestehenden Rechtsunsicherheiten bietet sich an, für elektronische Handelsverträge auf internationaler Ebene eine subsidiäre Sonderzuständigkeit und kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung einzuführen. Im Sinne der Rechtsklarheit und der Verhinderung des opportunistischen Verhaltens, dass nationale Gerichte flexible Zuständigkeits- und Kollisionsrechtsregelungen zum Vorteil inländischer Parteien ausnutzen, ist insoweit das Einheitsrecht gegenüber einer hybriden Lösung vorzuziehen. Für die Bestimmung des Inhalts einer solchen Sonderregelung bieten sich zwei grundlegend verschiedene Ansätze an. Zum einen kann man allein auf den Vertrauensschutz abstellen; dann sind für die Zuständigkeit oder das anwendbare Recht ein oder mehrere Kriterien maßgeblich, die den Parteien

161

Grundlegend: Bernheim/Whinston, 54 Econometrica 1986, 932. Kagami, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 15, 22. 163 Kagami, a.a.O., 22. 164 Kagami, a.a.O., 22. 165 Siehe Kap. 6 A. II. 162

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

ex ante bekannt sind166, während jegliches ex post-Wissen nicht berücksichtigt wird. Zum anderen kann man die Zuständigkeitsinteressen (interest approach) in den Mittelpunkt rücken und die Frage nach dem rechtspolitisch richtigen Recht stellen167; dann müssen verschiedene Faktoren in die Abwägung einbezogen werden und auch allgemeines ex post-Wissen spielt eine Rolle. In Anlehnung an die Feststellung, dass die effizienteste Lösung Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarungen sind, wird teilweise in Konkretisierung der Zuständigkeitsinteressen danach gefragt, was die Erwartungen der Parteien beim Vertragsschluss im Hinblick auf das anwendbare Recht waren, um dann zu behaupten, die Parteien wollten das Recht zur Anwendung bringen, das im Vergleich die meisten Regelungsvorteile aufweise.168 Aus institutionenökonomischer Sicht ist ein solcher Ansatz allerdings abzulehnen. Er stützt sich auf Leerformeln169, die den Parteien hohe Prognosekosten auferlegen und wieder das Risiko bergen, dass die Gerichte ihre Zuständigkeit exorbitant ausdehnen170. Hingegen senkt der Ansatz, die Sonderzuständigkeit und Sonderanknüpfung an Kriterien zu knüpfen, die den Parteien ex ante bekannt sind, die Transaktionskosten, da die Vorhersehbarkeit für die Transaktionspartner steigt.171 Sollte das auf diesem Weg gefundene Ergebnis den Parteien missfallen, bleibt ihnen immer noch die Möglichkeit, ex post eine Verhandlungslösung zu erzielen. Im Hinblick auf die Transaktionskosten bleibt festzuhalten, dass sie umso geringer ausfallen, je weniger die Prognose über das im Streitfall zuständige Gericht und das anwendbare Recht mit Unsicherheiten behaftet ist. Folglich sollte die Zahl der Kriterien, nach denen sie die Zuständigkeit und das anwendbare Recht bemisst, möglichst klein sein.172 Optimal wäre ein alleiniges Kriterium, das für elektronische Handelsverträge nur eine Rechtsordnung zur Anwendung bringt. Die Zuständigkeit und das Recht des Marktortes scheidet als Kriterium aufgrund der weltweiten Abrufbarkeit von elektronischen Erklärungen über 166

Kropholler, IPR, S. 150. Schröder, S. 100 ff.; ähnlich: § 6 Restatement (Second) of Conflict of Laws. 168 Ribstein/O'Hara, 67 U. Chi. L. Rev. 2000, 1151, 1186. 169 Basedow, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 57, 69. 170 Guzmann, 90 Geo. L.J. 2001/02, 883, 893 f. 171 Ähnlich Rühl, S. 526 f. die davon spricht, dass Kollisionsnormen grundsätzlich als strenge Regeln formuliert werden und flexible Standards aus Kostengründen und Gründen der Rechtssicherheit eine Ausnahme darstellen sollten. 172 Ähnlich Kubis, 4 ZZPInt 1999, 337, 360; Schäfer/Lantermann, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 87, 88 f.; Kronke, in: Boele-Woelki/Kessedjian (Hrsg.), Internet – Which Court Decides? Which Law Applies? (1998), 65, 85. 167

C. Schaffung einer neuen rechtlichen Institution

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das Internet von vornherein aus.173 Ebenso wenig lässt sich der Ort des Vertragsschlusses lokalisieren, so dass ein Abstellen auf den Abschlussort nicht sinnvoll ist.174 Damit bleiben vor allem der Sitz des Anbieters und der Sitz des Nachfragers als maßgebliche Kriterien. Auf der Grundlage der ökonomischen Analyse ist zu bevorzugen, die gerichtliche Zuständigkeit und das anwendbare Recht nach dem Sitz des Anbieters auszurichten. Die Beziehung zwischen Anbietern und Nachfragern ist im elektronischen Handelsverkehr regelmäßig standardisiert. Die Vertragsanbahnung, der Vertragsschluss und die Leistungserbringung unterscheiden sich bei einem Anbieter digitaler Güter, die überwiegend standardisiert sind, im Hinblick auf die verschiedenen Nachfrager nur sehr begrenzt. In der Vertragsgestaltung findet diese Standardisierung darin ihren Ausdruck, dass Verträge regelmäßig auf der Grundlage von AGB zustande kommen, die zwangsläufig auf der Basis eines bestimmten nationalen Rechts erstellt werden.175 Daher hilft eine Zuständigkeits- und Kollisionsrechtsregelung, die dieses Recht zur Anwendung bringt, das ökonomische Potential der Standardisierung zu realisieren.176 Die auf diese Weise erzielten Kostenvorteile könnten dann teilweise an die andere Partei weitergereicht werden.177 Entscheidend ist allerdings, welche Seite den Standardisierungsprozess lenkt, ob es sich also um einen Upstream-Markt178 oder einen Downstream-Markt179 handelt. Regelmäßig wird der Anbieter gegenüber den Nachfragern die Standardisierung betreiben (Downstream-Markt). Daher ist es auf der Grundlage der ökonomischen Analyse zu bevorzugen, die gerichtliche Zuständigkeit und das anwendbare Recht nach dem Sitz des Anbieters auszurichten. Allerdings zeigt das Beispiel der von Boeing betriebenen Reverse Auction180, dass für den 173

Ähnlich Fallenböck, S. 67 mit dem Hinweis, dass über die Versendung von elektronischer Information nur mit erheblichem Aufwand Kontrolle ausgeübt werden kann. 174 Rühl, S. 529. 175 Basedow, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 57, 70. 176 Basedow, a.a.O., 70; Rühl, S. 535 f. 177 Ausführlich hierzu Schäfer/Lantermann, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 87, 98 f. 178 Die Produktion von Dienstleistungen und Produkten erfordert eine Reihe von Aktivitäten (Rohstoffbeschaffung, Fertigungstufen, Verkauf des Endproduktes), die in einer vertikalen Kette dargestellt werden können. Die vertikale Kette lässt sich in UpstreamMarkt und Downstream-Markt unterteilen. Der Upstream-Markt enthält alle Fertigungsschritte bis zur Beschaffung der Rohmaterialien. 179 Der Downstream-Markt beinhaltet den Vertrieb, das Marketing und das Personalwesen bis zum Verkauf des Endproduktes an den Kunden. 180 Siehe Kap. 1; zur Definition von Reverse Auction vgl. Art. 56 Abs. 7 der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste v. 31.3.2004, ABl. EG Nr. L 134 vom 30.4.2004, S. 1.

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

elektronischen Handelsverkehr auch ein Upstream-Markt nicht untypisch ist. Dies könnte in einem Ausnahmetatbestand beachtet werden. Diesem Ergebnis widerspricht das EuGH-Urteil zum Erfüllungsort (Lieferort) im Rahmen der EuGVVO, wonach der Erfüllungsort – beim Fehlen von vertraglichen Bestimmungen über den Erfüllungsort – dort sein soll, wo der Käufer durch die körperliche Übergabe der Waren am endgültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen.181 Hierdurch gewinnt der Käufer einen zusätzlichen Gerichtsstand im Inland für Klagen gegen den Verkäufer.182 Im Hinblick auf das internationale Privatrecht spricht gegen den Erfüllungsort als Anknüpfungspunkt außerdem, dass dieser von den Parteien eher zufällig gewählt sein kann (z.B. Übergabe am Hafen), Leistung und Gegenleistung einen unterschiedlichen Erfüllungsort haben können und zur Bestimmung des Erfüllungsorts ein Rückgriff auf das anwendbare Sachrecht notwendig ist.183 Für das Kollisionsrecht entspricht Art. 4 Rom-I-VO im Wesentlichen der hier vorgeschlagenen Lösung, da nicht auf den Abschlussort oder Erfüllungsort abgestellt wird, sondern auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Partei, die die charakteristische Leistung erbringt; dies ist regelmäßig der Anbieter. Im Hinblick auf virtuelle Unternehmen sollte der Sitz des Anbieters nur dann maßgeblich sein, wenn dieser ihn offen gelegt hat. Dem Anbieter ist also eine indirekte Informationspflicht aufzuerlegen, wenn er den strategischen Vorteil der Zuständigkeit seiner Heimatgerichte und seines Heimatrechts nutzen will.184 Hierdurch wird ein Anreiz geschaffen, dass der Anbieter die Informationskosten trägt, und das Lokalisierungsproblem entfällt. 3. Schiedsverfahren Das deutsche und US-amerikanische Schiedsverfahrensrecht ermöglichen den Parteien, Rechtsunsicherheiten bei internationalen elektronischen Handelsverträgen zu reduzieren. Zum Beispiel können in der privatautonomen Schiedsvereinbarung Beweisregeln vereinbart werden, die vor staatlichen Gerichten nicht als verbindlich anerkannt werden müssen.185 Auf diese Weise

181

EuGH, 25.2.2010, Rs. C-381/08, NJW 2010, 1059, 1061 – Car Trim; siehe bereits Kap. 8 B. I. 2. c) aa) (1) (b) (aa). 182 Piltz, NJW 2010, 1061, 1062, der davon ausgeht, dass das Klima für rechtliche Auseinandersetzungen bei Exportverträgen rauer werden dürfte. 183 Rühl, S. 532. 184 In diese Richtung auch Kagami, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 15, 31. 185 Kilian, in: Weiber (Hrsg.), Handbuch Electronic Business (2002), 996, 1010.

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können Unternehmen sicherstellen, dass internationale elektronische Handelsverträge im Streitfall Bestand haben.186 Darüber hinaus haben Schiedsverfahren den Vorteil, dass sie regelmäßig schneller abgeschlossen sind als Verfahren vor staatlichen Gerichten. Unter Umständen sind Schiedsverfahren auch kostengünstiger.187 Die Praktikabilität von Schiedsverfahren kann noch gesteigert werden, wenn elektronische Kommunikationsmittel eingesetzt werden. Zum Beispiel können die Schriftsätze per Email ausgetauscht werden oder die Schiedsrichter und die Parteien verhandeln per Videokonferenz. Wird allerdings das gesamte Schiedsverfahren online abgewickelt (Online-Schiedsverfahren), können sich Lokalisierungsprobleme ergeben, die bei der Anwendung internationaler und nationaler schiedsverfahrensrechtlicher Vorschriften Schwierigkeiten bereiten. Sowohl das NYÜ als auch das deutsche und USamerikanische Schiedsverfahrensrecht setzen die Feststellung eines Ortes voraus, an dem das Schiedsurteil ergangen ist (Art. I (1) S. 1 NYÜ; § 1025 Abs. 1 ZPO; §§ 201 ff. FAA). Dieser kann bei Online-Schiedsverfahren nicht lokalisiert werden. Daher müssen die Parteien bei Online-Schiedsverfahren in der Schiedsvereinbarung einen physischen Schiedsort festlegen.188 Sofern es sich um ein institutionelles Schiedsverfahren handelt, könnte beim Fehlen einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung der Schiedsort dort angenommen werden, wo das Schiedsinstitut seinen Sitz hat. Bei einem Einzelschiedsrichter könnte das Schiedsgericht auch dort lokalisiert werden, wo der Schiedsrichter tätig wird.189 Allerdings ist nicht bei jedem Schiedsinstitut, das seine Dienste im Internet anbietet, eindeutig, wo es beheimatet ist.190 Kein tragfähiger Ansatz ist es, den Standort des Servers als maßgeblich zu erachten, auf dem das Schiedsinstitut seine Webseite hat, über die die Kommunikation mit den Schiedsparteien erfolgt oder auf dem die Software gespeichert ist, die zur Durchführung des Schiedsverfahrens genutzt wird.191 Ebenso wenig würde die Untersuchung, ob die Webseite des Schiedsinstituts auf ein bestimmtes Land ausgerichtet ist, im Bereich der Handelsschiedsgerichtsbarkeit aufgrund der weit verbreiteten englischen Sprachfassung zu verwertbaren Ergebnissen führen.

186

Zum Beweiswert von elektronischen Verträgen vor staatlichen Gerichten siehe Kap. 8 B. V. 187 Siehe Kap. 8 B. I. 4. g). 188 Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 220. 189 Mankowski, a.a.O., 219. 190 Ähnlich Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 219 in Bezug auf den Tätigkeitsort des Schiedsrichters. 191 Siehe Kap. 8 B. I. 4. g) cc).

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

Jedenfalls kann das Online-Schiedsverfahren in Form einer unverbindlichen Mediation genutzt werden192, um einen Ausgangspunkt für eine Verhandlungslösung zwischen den Parteien zu schaffen. Dass der Wettbewerb zwischen staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit durchaus förderlich sein kann, zeigt das HÜG, das dem NYÜ nachgebildet ist und den Wettbewerbsnachteil der staatlichen Gerichtsbarkeit gegenüber dem Schiedsverfahren bei internationalen Handelsverträgen ausgleichen soll, der darin besteht, dass mit dem NYÜ – anders als für Urteile staatlicher Gerichte – eine international einheitliche Regelung für die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedsurteilen besteht. 4. Zwischenergebnis Die Gewährleistung einer weitreichenden Parteiautonomie stellt für die Bereiche der internationalen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts die effizienteste Lösung dar, denn dann können die Parteien ein Recht und ein Forum auswählen, welche die Transaktionskosten bestmöglich senken. Die deutsche ZPO, die EuGVVO und die Rom-I-VO gewährleisten für internationale elektronische Handelsverträge umfassende Parteiautonomie. Jedoch erschwert im deutschen Zuständigkeitsrecht die für den Abschluss einer elektronischen Gerichtsstandsvereinbarung geforderte qualifizierte elektronische Signatur den Parteien den Zugang zu effektiven Lösungen unnötig. Wenn die Lehre vom forum non conveniens restriktiv gehandhabt wird, besteht auch in den USA der anzustrebende Rechtsrahmen. Das HÜG ist der Versuch, der anzustrebenden institutionellen Lösung für den Bereich der Gerichtsstandsvereinbarungen zu globaler Gültigkeit zu verhelfen, seine weitreichende Ratifikation ist zu befürworten. Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarungen in AGB ermöglichen aufgrund der economies of scale Kostenvorteile, die an den Kunden weitergegeben werden können. Klein- und Mittelbetriebe bedürfen keines besonderen Schutzes. Die Wahl eines neutralen Rechts, nichtstaatlicher Regelwerke und internationaler Übereinkommen sollte den Parteien offenstehen. Zur Überwindung des common agency-Problems und der bestehenden Rechtsunsicherheiten bietet sich an, durch ein Einheitsrecht für elektronische Handelsverträge, die keine Gerichtsstandsvereinbarung und/oder Rechtswahlvereinbarung enthalten, eine subsidiäre gerichtliche Sonderzuständigkeit und kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung am Sitz des Anbieters einzuführen. Für Upstream-Märkte ist eine Ausnahme zu machen.

192

Dies entspricht der United Dispute Resolution Policy der ICANN, vgl. Winn/ Wright, S. 3–49.

C. Schaffung einer neuen rechtlichen Institution

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Durch Schiedsverfahren können Rechtsunsicherheiten im Beweisrecht reduziert werden, weil dort privatautonome Beweisregeln für elektronische Dokumente getroffen werden können. Wird ein Schiedsverfahren komplett online abgewickelt, ergeben sich Lokalisierungsprobleme, die bei der Anwendung internationaler und nationaler schiedsverfahrensrechtlicher Vorschriften Schwierigkeiten bereiten, weil der Schiedsort dann nicht ermittelt werden kann, das NYÜ sowie das deutsche und US-amerikanische Schiedsverfahrensrecht jedoch die Feststellung eines Ortes voraussetzen, an dem das Schiedsurteil ergangen ist. Daher müssen die Parteien bei Online-Schiedsverfahren in der Schiedsvereinbarung einen physischen Schiedsort festlegen. III. Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Urteilen Urteile aus dem Bereich elektronischer Handelsverträge, die in einem Staat der EU ergangen sind, werden in Deutschland ohne weiteres anerkannt und vollstreckt.193 Auch im Rechtsverkehr zwischen Deutschland und den USA ist die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen, die aufgrund von Streitigkeiten über elektronische Handelsverträgen ergehen, grundsätzlich gewährleistet.194 Daher besteht ein effektiver Rechtsrahmen, der Transaktionskosten senkt. Eine weitreichende Umsetzung des HÜG würde das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen auch für sonstige internationale Beziehungen festschreiben, sofern eine Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt. Jedenfalls sollte vermieden werden, der Durchsetzbarkeit direkte oder indirekte Hindernisse entgegenzustellen, beispielsweise in Form einer umfassenden Überprüfung des Urteils im Vollstreckungsstaat, denn dann bestünde die Gefahr, dass es trotz aller Bemühungen beim internationalen Tauschdilemma195 bleibt.196 IV. Sachrecht 1. Privatautonomie und dispositives Vertragsrecht Die Vertragsparteien besitzen genauere Informationen über die konkrete Transaktion, für die sie den Vertrag schließen, und können eine nach dem Coase-Theorem anzustrebende Verhandlungslösung erreichen.197 Wie bei der 193

Siehe Kap. 8 B. IV. 1. a). Siehe Kap. 8 B. IV. 1 b), 2. a). 195 Siehe Kap. 6 A. II. 196 Vgl. auch Kirstein/Neunzig, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie (1999), 345, 365. 197 Siehe Kap. 5 C. IV. 3. 194

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

internationalen Zuständigkeit und dem internationalen Privatrecht sollten auch auf der Ebene des Sachrechts alle Regelungen auf die Gewährleistung privatautonomen Handels der Unternehmen bei elektronischer Kommunikation abzielen.198 Alle untersuchten Vertragsrechtssysteme gehen vom Grundsatz der Privatautonomie aus.199 Allerdings können die Parteien in der Regel schon aus Kostengründen nicht alle Details eines elektronischen Handelsgeschäfts festlegen, so dass oft das dispositive Vertragsrechts die Vertragslücken schließt. Dispositives Vertragsrecht hat dabei einen Verteilungseffekt im Hinblick auf die Kosten, die jede Partei aufbringen muss, um eine nicht gewollte Regelung abzubedingen.200 Auch dies kann ein Kriterium bei der Rechtswahl sein. Aus der Vorzugswürdigkeit der Parteivereinbarung gegenüber dem Gesetzesrecht folgt für die Gestaltung des dispositiven Vertragsrechts, dass dieses nicht zwangsläufig besonders innovativ sein muss. Vielmehr sollte es eindeutig, transparent und beständig sein.201 Bildet es darüber hinaus die sozialen und ökonomischen Umstände des Vertrages ab und sieht es eine faire Risikoverteilung vor, müssen für die Vertragsgestaltung weniger Kosten aufgewendet werden.202 Ist dies nicht Fall, sind aber die Regelungen klar und verständlich, sind die Verfügungsrechte eindeutig verteilt und den Parteien steht unter Aufwendung von Kosten die Verhandlungslösung offen. Hingegen haben die Parteien diese Möglichkeit kaum, wenn die dispositiven Regeln zwar innovativ, aber nicht eindeutig oder intransparent sind. Damit ist ein transparentes – innovatives Vertragsrecht die beste Lösung, was nicht überrascht. Die zweitbeste Lösung ist aber nicht ein intransparentes – innovatives, sondern ein transparentes – nicht innovatives Vertragsrechts. Bei der Vertragsgestaltung hilfreich und kosteneffizient kann die Nutzung von Modellverträgen oder Standardvertragsklauseln sein. Dies gilt insbesondere, wenn man sich vom Zustand des second best (transparentes – nicht innovatives Vertragsrecht) durch Parteivereinbarung lösen will. Mit der Bekanntheit und Üblichkeit einer Regelung steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Gerichte oder der Vertragspartner sie akzeptieren werden.203 Im Hinblick auf

198

Kilian, in: Weiber (Hrsg.), Handbuch Electronic Business (2002), 995, 1022. Siehe für das CISG: Kap. 8 B. III. 1. b); siehe für das deutsche Recht: Kap. 8 B. III. 2. b); siehe für das US-amerikanische Recht: Kap. 8 B. III. 3. c). 200 Katz, Electronic Contracting, S. 4, . 201 Kirchner, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 33, 46. 202 Katz, Electronic Contracting, S. 10, . 203 Katz, a.a.O., S. 6 f. 199

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elektronische Verträge kommen als Referenzwerke vor allem die ICC eTerms204 und branchenspezifische EDI-Rahmenverträge in Betracht. Indes besteht bei weitreichender Gewähr der Privatautonomie immer die Gefahr, dass marktstarke Unternehmen ihre Position auf Kosten von kleinen und mittelständischen Unternehmen ausnutzen. Dies ist auch im elektronischen Handelsverkehr hinzunehmen und kann durch Wettbewerbsrecht sowie durch die allgemeinen Prinzipien von Sittenwidrigkeit, Treu und Glauben sowie Arglist kontrolliert werden. 2. Formvorschriften Formvorschriften sind ein zentrales Element im Vertragsrecht. Sie spielen im US-amerikanischen Vertragsrecht eine größere Rolle als im deutschen Vertragsrecht.205 Für den Bereich elektronischer Verträge ist dies eine wichtige Feststellung, da sich bei diesen immer die Frage stellt, wie Formerfordernisse bei elektronischer Kommunikation erfüllt werden können. Aus ökonomischer Sicht sind Formerfordernisse zunächst ein Faktor, der die Transaktionskosten erhöht.206 Im elektronischen Geschäftsverkehr hängt der Umfang dieser Erhöhung davon ab, wie streng die Anforderungen sind, die an das funktionale Äquivalent des Formerfordernisses gestellt werden. So ist der Einsatz einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem SigG teurer als die Verwendung der Textform des § 126b BGB. Rechtfertigung dieser Transaktionskostenerhöhung ist der Schutz der Vertragsparteien vor übereilten Entscheidungen oder vor Manipulationen beim Einsatz elektronischer Kommunikation. Es kann von Unternehmen erwartet werden, dass sie beim Vertragsschluss sowohl in Bezug auf den Vertragsinhalt als auch bei den eingesetzten Kommunikationsmitteln das Maß an Sorgfalt walten lassen, das sie für die konkrete Transaktion für angemessen halten. Es spricht daher vieles für den Ansatz des deutschen Rechts, für Handelsverträge grundsätzlich keine Formerfordernisse vorzusehen. Das US-amerikanische Recht nimmt die gegensätzliche Position ein. Maßstab für den Grad der Sicherheit der elektronischen Kommunikation muss sein, was die Parteien für die konkrete Transaktion für angemessen erachten. Grundsätzlich Maßnahmen zu verlangen, die wie die qualifizierte elektronische Signatur einen hohen Sicherheitsstandard garantieren, kann in vielen Fällen eine Überregulierung bedeuten. Besteht beispielsweise zwischen den Parteien eine dauerhafte Geschäftsbeziehung, die Manipulation auf

204

Siehe Kap. 4 A. I. 3. Siehe Kap. 8 B. III. 3. e) aa). 206 Ähnlich Katz, Electronic Contracting, S. 12, 205

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

der Grundlage des Folk-Theorems unwahrscheinlich macht207, führt die Verpflichtung, eine qualifizierte elektronische Signatur einzusetzen, zu einer Verschwendung von Ressourcen. Außerdem würde hierdurch eine bestimmte Technologie als de jure-Standard festgeschrieben, was sich zwangsläufig negativ auf den Wettbewerb im Bereich der IT-Sicherheit auswirken muss. In begrenztem Umfang gilt dies auch für die Ansätze, an die Implementierung einer bestimmten IT-Sicherheitsmaßnahme beweisrechtliche Vermutungen zu knüpfen oder sie als Mittel der Risikoverteilung zu nutzen. Allerdings bleibt hier den Parteien noch die Möglichkeit, unter Einplanung zusätzlicher Verhandlungskosten von diesem Standard abzuweichen, wenn er für die konkrete Transaktion überflüssig ist oder die beteiligten Unternehmen eine überdurchschnittliche Risikoneigung aufweisen. In jedem Fall sollten nur solche IT-Sicherheitsmaßnahmen gesetzliche Berücksichtigung finden, die sich bereits als de facto-Standards etabliert haben, weil Zufallsgewinne und Zufallsverluste drohen.208 Soll gesetzlich überhaupt keine Aussage über IT-Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden, so empfiehlt es sich, die Schriftform dann als erfüllt anzusehen, wenn die elektronische Kommunikation speicher- und in lesbarer Form abrufbar ist. Dies entspricht den Regelungen von UETA und E-SIGN209 sowie der Textform des deutschen Rechts (§ 126b BGB). Ob man nun an den Einsatz von IT-Sicherheitsmaßnahmen Rechtsvermutung knüpfen will oder aber IT-Sicherheitsmaßnahmen gesetzlich nicht berücksichtigt, ist eine rechtspolitische Frage, die davon abhängt, ob man die Manipulationsgefahr im elektronischen Umfeld größer einschätzt als bei papierbasierten Verträgen und daher Anreize zur Nutzung von IT-Sicherheitsmaßnahmen setzen will.210 Der Ansatz des deutschen Beweisrechts, nur elektronischen Dokumenten, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, die erhöhte Beweiskraft zuzumessen, die für private Urkunden gilt (§§ 371a Abs. 1 S. 1, 416 ZPO), bereitet für internationale elektronische Handelsgeschäfte Schwierigkeiten, weil nur solche qualifizierten Signaturen anerkannt werden, die die strengen europäischen Vorgaben erfüllen und es keine Möglichkeit gibt, eine allgemein verbindliche Feststellung darüber zu erreichen, ob ein ausländisches Zertifikat ganz grundsätzlich die Anforderungen des deutschen SigG erfüllt.211 Daher können die Vertragsparteien – sofern das deutsche Beweisrecht anwendbar ist – die Gefahr, dass der von ihnen ohne qualifizierte elekt207

Siehe Kap. 7 A. I. 2. b) aa). Siehe Kap. 3 B. I. 209 Siehe Kap. 8 B. III. 2. c) aa). 210 Im anderen Zusammenhang wirft auch Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 217 die Frage auf, ob wirklich eine erhöhte Manipulationsgefahr besteht. 211 Siehe Kap. 8 B. I. 4. f) bb) (1). 208

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ronische Signatur geschlossene elektronische Vertrag im Rahmen der freien Beweiswürdigung durch das staatliche Gericht nicht anerkannt wird, nur durch eine Schiedsvereinbarung umgehen, in die sie eine privatautonome Beweisregel für elektronische Dokumente aufnehmen. 3. Elektronischer Vertragsschluss Regeln über den Vertragsschluss haben aus ökonomischer Sicht die Funktion, die Verhandlungen der Parteien zu erleichtern, indem sie sicherstellen, dass beide Parteien dem objektiven Erklärungsinhalt die gleiche Bedeutung zu messen.212 a) Wirksamwerden von Willenserklärungen Der objektive Erklärungsinhalt einer Warenpräsentation im Internet ist bisher nicht sichergestellt. Insbesondere fehlt es an einer klaren Trennung zwischen bloßer invitatio ad offerendum und einem verbindlichen Vertragsangebot.213 Aus ökonomischer Sicht sollte es für die Unterscheidung darauf ankommen, ob der Anbieter ein gesteigertes Interesse daran hat, sich seinen Vertragspartner genau auszusuchen, und ob die Gefahr einer Erschöpfung der angebotenen Ware besteht. Handelt es sich um eine Einmal-Transaktion und zahlt der Nachfrager mit einer Kreditkarte, deren Gültigkeit der Anbieter vor Zahlung elektronisch überprüfen kann, ist es für den Anbieter unerheblich, wer sein Vertragspartner wird, denn in diesem Fall ist die Erfüllung seiner Zahlungsforderung sichergestellt, so dass kein Ausfallrisiko besteht. Besteht die Leistung des Anbieters in der Übermittlung eines digitalen Gutes, das beliebig oft reproduziert werden kann – zum Beispiel Software –, besteht keine Gefahr, dass sich Anbieter schadensersatzpflichtig macht, weil er trotz Erschöpfung der Ware einen Vertrag über diese abschließt. Somit sollte bei einer Webseitengestaltung, die eine sofortige elektronische Übermittlung des Vertragsgegenstandes durch Download und Bezahlung per Kreditkarte vorsieht, ein verbindliches Angebot angenommen werden. Eine entsprechende Regelung könnte in einem Einheitsrecht enthalten sein. Dies ist jedoch entbehrlich, wenn die Rechtsprechung das bestehende nationale und internationale Vertragsrecht entsprechend auslegt. Fraglich ist, wie mit den Unsicherheiten hinsichtlich des Zeitpunkts des elektronischen Vertragsschlusses umgegangen werden sollte. Die traditionellen Grundsätze im deutschen Recht, dass ein Vertragsschluss durch den übereinstimmend erklärten Parteiwille zustande kommt, sowie das Vorliegen eines verbindlichen Versprechens im US-amerikanischen Recht können aus 212

Katz, 89 Mich. L. Rev. 1990/91, 215, 216 ff. Siehe für das CISG: Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (1); siehe für das deutsche Recht: Kap. 8 B. III. 2. c) cc); siehe für das US-amerkanische Recht: Kap. 8 B. III. 3. e) bb) (1). 213

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ökonomischer Sicht unangetastet bleiben. Die Zustimmung zu einem Angebot oder die Vorbereitung eines Versprechens verursachen ebenso Kosten wie der aus dem deutschen Handelsrecht bekannte Grundsatz, dass zwischen Unternehmen ein Vertragsschluss durch Schweigen auf ein wirksames Angebot zustande kommen kann (§ 362 Abs. 1 HGB), die Ablehnungskosten erhöht.214 Es ist jedoch zu entscheiden, ob die traditionelle Mailbox-Rule des USamerikanischen Rechts (Wirksamkeit einer Erklärung mit Absendung)215 oder der Ansatz des deutschen Rechts216 und jüngerer US-amerikanischer Gesetzeswerke217 (Wirksamkeit einer Erklärung mit Zugang) im Hinblick auf elektronische Verträge ökonomisch sinnvoller sind. Auch bei elektronischer Kommunikation besteht das Risiko, dass eine Erklärung verloren geht. Wer dieses Verlustrisiko zu tragen hat, richtet sich danach, wann der Vertrag wirksam geschlossen ist.218 Ist dies bereits bei Absendung der Annahme der Fall, trägt es der Empfänger/Anbietende; erfolgt der Vertragsschluss erst mit dem Zugang der Annahme, obliegt dem Absender/Annehmenden das Übermittlungsrisiko. Die Wirksamkeit einer elektronischen Annahme bereits mit ihrer Absendung anzunehmen, hätte den ökonomischen Vorteil zur Folge, dass hierdurch die Vertragsverhandlungen beschleunigt würden, weil der Vertrag zu einem früheren Zeitpunkt zustande käme.219 Maßstab für eine ökonomisch überzeugende Risikoverteilung muss allerdings die Beherrschbarkeit des Transportrisikos sein. Danach hat nach dem Prinzip des cheapest cost avoider220 derjenige das Transportrisiko zu tragen, für den es leichter beherrschbar ist.221 Dies ist bei elektronischer Kommunikation regelmäßig der Absender222, zumal er bei der Versendung einer Nachricht an eine falsche Adresse oder an einen Account, dessen Speicherkapazität ausgeschöpft ist, eine Benachrichtigung der Nichtzustellung erhält. Folglich ist dem Absender der Annahme das Übermittlungsrisiko aufzuerlegen, da er leichter als der Empfänger das Scheitern der Übermittlung feststellen und dann einen neuen Zustellungsversuch unternehmen kann. Maßgeblich für die Wirksamkeit einer elektronischen Annahme sollte somit der Zeitpunkt des Zugangs sein.223 Daher ist die US214 Katz, Electronic Contracting, S. 12, . 215 Siehe Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2) (b). 216 Siehe Kap. 8 B. III. 2. c) dd). 217 Siehe Kap. 8. B. III. 3. e) bb) (2). 218 Eiselen, 6 EDI Law Review 1999, 21, 23. 219 Katz, Electronic Contracting, S. 24, . 220 Grundlegend: Calabresi, S. 136 ff. 221 Marburger, AcP 173 (1973) 137, 142. 222 Rohwer/Skrocki, S. 64. 223 Ebenso Eiselen, 6 EDI Law Review 1999, 21, 23 f.

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amerikanische Mailbox-Rule für elektronische Verträge ökonomisch nicht sinnvoll. Die Gerichte sollten stattdessen das in §§ 203 (4) (A), 214 (a) UCITA zum Ausdruck kommende Prinzip anwenden, wonach die mit elektronischen Mitteln erklärte Annahme erst mit Zugang beim Empfänger wirksam wird. Auf der Grundlage des technischen Schichtenmodells224 der elektronischen Kommunikation sind die traditionellen Konzepte zum Zugangszeitpunkt von Willenserklärung auf elektronische Erklärungen nur bedingt übertragbar, da anders als bei der papierbasierten Kommunikation das Gelangen der Erklärung in den Machtbereich des Empfängers nicht mit dessen Kontrollmöglichkeit zusammenfällt.225 Eine elektronische Nachricht entzieht sich bereits mit dem Eintritt in die TCP-Ebene oder beim EDI in den Konvertierungsprozess (jeweils die Transportschicht / transport layer des OSI-Modells226) der unmittelbaren Kontrolle durch den Erklärenden. Der Empfänger erlangt über eine elektronische Nachricht erst unmittelbare Kontrolle, wenn die Nachricht im Empfangsgerät die Anwendungsschicht (application layer) des OSI-Modells erreicht, wie bei der Email-Kommunikation zum Beispiel das Simple Mail Transfer Protokoll (SMTP). Tritt bei der Übermittlung der elektronischen Erklärung ein Fehler227 auf, nachdem die Erklärung auf Seiten des Erklärenden die Anwendungsschicht verlassen hat, aber bevor sie die Anwendungsschicht auf Seiten des Empfängers erreicht, ist fraglich, welche Partei die Folgen des Fehlers zu tragen hat. Sowohl beim Erklärenden als auch beim Empfänger existiert ein Bereich, auf dessen Organisation die Parteien Einfluss haben und der über die Anwendungsschicht hinausreicht. Auf Seiten des Erklärenden erstreckt sich dieser Bereich über die TCP-Schicht, die IP-Schicht, die Hardware-Schicht bis zum Erreichen des IAP-Router. Empfängerseitig beginnt der Bereich ab Erreichen des IAP-Router und schließt ebenfalls die Schichten des protocol stack ein. Aufgrund der Organisationshoheit ist es sachgerecht, dass die Parteien für diese Bereiche jeweils die Verantwortung der störungsfreien Funktionsfähigkeit tragen, und zwar unabhängig von einem Verschulden. Damit ist allerdings noch zu entscheiden, wer bei der InternetKommunikation das Risiko einer Störung trägt, die im Bereich der NSPBackbones oder der NAPs auftritt, also nachdem die Nachrichtenpakete den IAP-Router auf Seiten des Erklärenden verlassen, aber bevor sie den IAPRouter auf Seiten des Erklärenden erreicht haben. Dies ist ein Bereich, der 224

Siehe Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2) (a). Siehe Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2) (b). 226 Siehe Kap. 3 B. I. 227 Nach Kilian, Deutscher EDI-Rahmenvertrag, § 14, Rn. 2 sind Fehler Verhaltensweisen, die den ordnungsgemäßen Nachrichtenaustausch verhindern, erschweren oder verfälschen. 225

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weder in der Organisationsgewalt des Erklärenden noch des Empfängers liegt. Die Verantwortung für die einzelnen Kommunikationsphasen muss jedoch ausschließlich den Parteien der Kommunikation zugeordnet werden, denn anderenfalls ist eine Entscheidung über die Frage der Wirksamkeit der Erklärung nicht möglich. Es muss also zumindest ein fiktiver Übergabepunkt definiert werden. Bei der herkömmlichen Kommunikation ist dies das Erreichen des Machtbereiches des Empfängers.228 Überträgt man diesen Grundsatz auf die elektronische Kommunikation, kommt es darauf an, dass die Erklärung den IAP-Router auf Seiten des Empfängers erreicht, denn ab diesem Zeitpunkt hat der Empfänger die Organisationsgewalt. Eine Störung sollte im Bereich der NSP-Backbones oder der NAPs daher zu Lasten des Erklärenden gehen. Das Risiko der fehlerhaften Übermittlung ist somit nach zurechenbaren Sphären zu verteilen. Die Sphäre des Erklärenden erstreckt sich bis zum IAPRouter auf Seiten des Empfängers, die Sphäre des Empfängers beginnt mit dem IAP-Router. Für einen Fehler innerhalb ihrer Sphäre sollte die jeweilige Partei einzustehen haben, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt.229 Sowohl im CISG als auch im deutschen und US-amerikanischen Vertragsrecht könnte der Zugangszeitpunkt bei elektronischen Erklärungen entsprechend dem hier vertretenen Ansatz festgelegt werden. Hierzu bedürfte es keiner Gesetzesänderung, sondern allein einer entsprechenden Auslegung durch die Gerichte. Außerdem könnten entsprechende Regelungen in internationalen elektronischen Handelsverträgen dazu beitragen, dass hinsichtlich elektronischer Erklärungen eine verschuldensunabhängige Risikoverteilung nach Sphären Teil eines hybriden Rechtssystems wird. Die Überlegungen auf der Grundlage des technischen Schichtenmodells zeigen, dass eine Differenzierung zwischen der Übersendung von Emails und der Übersendung von Erklärungen über das Web, wie sie beispielsweise Borges230 vornimmt, unnötig ist, da die Unterschiedlichkeit der InternetAnwendungsebene sich nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs auswirkt. Überzeugend ist, dass im deutschen231 und im US-amerikanischen232 Recht der Einsatz von elektronischen Agenten einem wirksamen Vertragsschluss nicht entgegensteht, denn nur dann können die mit elektronischen Agenten

228

Siehe für das CISG: Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2); für das deutsche Recht: Kap. 8 B. III. 2 c) dd); für das US-amerikanische Recht: Kap. 8 B. III. 3. c) bbb) (2). 229 Vgl. auch Kilian, Deutscher EDI-Rahmenvertrag, § 14, Rn. 3. 230 Borges, S. 168; ebenso Wildemann, CRi 2000, 109, 111; Schlechtriem/SchwenzerSchlechtriem/Schroeder, Art. 24 CISG, Rn. 26 ff. 231 Siehe Kap. 8 B. III. 2. c) ee). 232 Siehe Kap. 8 B. III. 3. e) bb) (4).

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verbundenen ökonomischen Potentiale, insbesondere eine Senkung der Transaktionskosten, realisiert werden.233 Zweifelhaft ist, ob – wie im deutschen Recht (§ 312g Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB; ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB) – die Verpflichtung bestehen sollte, eine automatische Empfangsbestätigung einer elektronischen Bestellung zu versenden. Der Brauch, eine Empfangsbestätigung zu senden, stammt ursprünglich aus dem klassischen EDI.234 Im Gegensatz zum elektronischen Geschäftsverkehr über das Internet bestand dort aber ein Standardsatz von Nachrichten (zum Beispiel EDIFACT), der keine Interpretationsspielräume ließ.235 Es war also eindeutig bestimmbar, wann eine Nachricht eine bloße Empfangsbestätigung darstellen sollte. Da dies bei der internetbasierten Kommunikation nicht mehr der Fall ist und daher Vertragsannahme sowie Empfangsbestätigung oft nur schwer unterscheidbar sind, könnte ein Verzicht auf die Versendung einer Empfangsbestätigung im Unternehmensverkehr helfen, Unsicherheit zu reduzieren. Unternehmen, die sich nicht schon binden wollen, brauchten dann nicht die Kosten einer missdeutungsfähigen Empfangsbestätigung auf sich nehmen und wären nicht gezwungen, klarzustellen, dass nur der Eingang einer Bestellung bestätigt wird, aber damit keine Willenserklärung verbunden ist. b) Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Regelungen des Vertragsinhalts im Rahmen von AGB sind vor dem Hintergrund der Standardisierung der Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager im elektronischen Handelsverkehr ökonomisch sinnvoll. Click-WrapVereinbarungen sind daher nach dem CISG sowie dem deutschen und dem US-amerikanischen Vertragsrecht wirksam, wenn die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht.236 Würden Browse-Wrap-Vereinbarungen ebenfalls anerkannt, könnte dies zwischen den Vertragsparteien Rechtstreitigkeiten über die Frage auslösen, ob die AGB Vertragsinhalt werden sollten. Der fehlende zustimmende Mausklick zu den AGB würde einem Schweigen im herkömmlichen Geschäftsverkehr entsprechen. Zwar sieht § 362 Abs. 1 HGB des deutschen Handelsrechts die Möglichkeit vor, dass Schweigen Zustimmung zum Vertragsschluss darstellen kann. Die Vorschrift setzt jedoch eine bestehende Geschäftsbeziehung oder ein individualisiertes Angebot zwischen den Vertragsparteien voraus. Browse-Wrap-Vereinbarungen sind im elektronischen Geschäftsverkehr jedoch regelmäßig auf Einmal-Transaktion angelegt und 233 Ähnlich Wiebe, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 121, Rn. 42. 234 Boss, 37 Idaho Law Review 2001, 276, 337. 235 Boss, a.a.O., 337. 236 Siehe für das CISG: Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (5); für deutsche Recht: Kap. 8 B. III. 2. c) ff); für das US-amerikanische Recht: Kap. 8 B. III. 3. e) bb) (3) (b).

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richten sich an einen prinzipiell unbeschränkten Adressatenkreis, so dass ihnen weder eine bestehende Geschäftsbeziehung noch ein individualisiertes Angebot vorausgeht. Daher ist die Anerkennung von Browse-Wrap abzulehnen. Fraglich ist, wie das US-amerikanische Prinzip „money now, terms later“237 ökonomisch zu bewerten ist. Die erhebliche Begünstigung des Anbieters auf Kosten des Nachfragers ist offensichtlich: Der Anbieter kann nach Vertragsschluss für ihn günstige Vertragsbedingungen einfügen, ohne dass der Nachfrager hierauf mit einer angemessenen Reduzierung des Preises reagieren kann. Dies gilt insbesondere bei der im US-amerikanischen Handelsverkehr zu beobachtenden Praxis, dass in der Rechnung auf ein anderes Dokument verwiesen wird, das auf der Unternehmenswebseite abrufbar sei und weitere Vertragsbedingungen enthalte.238 Spieltheoretisch droht hierdurch das Tauschdilemma, denn wenn der Nachfrager ein entsprechendes Verhalten des Anbieters antizipiert, wird er den Vertrag nicht eingehen, wenn die Gefahr besteht, dass die nachträglichen Vertragsbedingungen seinen Gewinn schmälern. Außerdem muss der Anbieter im elektronischen Geschäftsverkehr keine große Kosten aufwenden, um seine AGB dauerhaft abrufbereit zu halten. So kann er die aktuellen AGB stets auf seiner Homepage zum Abruf bereithalten.239 Die Möglichkeit, im elektronischen Geschäftsverkehr AGB dauerhaft kostengünstig abrufbar bereitzuhalten, sollte die Gerichte dazu veranlassen, das Zugänglichmachen von AGB durch Einstellen auf die Homepage oder Verweisung per Hyperlink ausreichen zu lassen. Auf diese Weise könnte das vom BGH für das CISG angesprochene „anderweitige Zugänglichmachen“240 von AGB für den elektronischen Geschäftsverkehr konkretisiert werden. Neben diesen Aspekten zur wirksamen Einbeziehung von AGB stellt sich die Frage, ob eine Missbrauchskontrolle für internationale elektronische Handelsverträge sinnvoll erscheint. Sofern kein umfassendes Einheitsrecht geschaffen wird, müssen AGB auch weiterhin dem nationalen Recht entsprechen, so dass die Missbrauchskontrolle nur dieses nationale Recht als Referenzmaßstab haben kann. Sollten sich im elektronischen Geschäftsverkehr einige grundlegende Missbrauchstatbestände herausbilden, ist die deutsche Rechtsprechung beispielsweise nicht daran gehindert, diese über Generalklauseln der Inhaltskontrolle wie § 307 BGB aufzugreifen. Missbräuchliche

237

Siehe Kap. 8 B. III. 3. e) bb) (3) (b). Siehe Kap. 8 B. III. 3. e) bb) (3) (b). 239 Braucher, 40 Loy. L.A. L. Rev. 2006, 261, 277. 240 Vgl. BGH, NJW 2002, 370, 371. 238

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AGB-Klauseln lassen sich auch nicht elektronisch auffinden241, weil der semantische Gehalt einer Formulierung bisher nicht entdeckt werden kann. Vielmehr verstecken sich missbräuchliche Vertragsbedingungen oft im Kleingedruckten, weil die AGB-entwerfenden Anwälte eher für das Weglassen einer bestimmten AGB-Klausel belangt werden, als für das Aufstellen einer Vielzahl überflüssiger Bedingungen.242 Die andere Partei unterstellt, manchmal ohne die AGB genau zu lesen, dass missbräuchliche Klauseln existieren und versucht den Preis zu reduzieren, den sie bereit zu zahlen ist. Beides spricht für die Durchführung einer AGB-Kontrolle auch bei Unternehmen, um einen fairen Ausgleich der Interessen herbeizuführen. c) Rechtsscheinsvollmachten Fraglich ist, wann im elektronischen Geschäftsverkehr der Rechtsschein einer wirksamen Vertretung eines Unternehmens vorliegt. Aus juristischer und ökonomischer Sicht ist der Schutz von Transaktionen Grundlage des Vertrauens im Geschäftsverkehr. Daher besteht auch im elektronischen Geschäftsverkehr ein Bedürfnis, aus bestimmten Merkmalen die Vertretungsmacht der handelnden Person abzuleiten. Nur wenn diese Merkmale klar und eindeutig sind, können sich Unternehmen darauf verlassen, dass die Wirksamkeit eines Vertrags nicht nachträglich aufgrund fehlender Vertretungsmacht der auf Seite des Vertragspartners handelnden Person angezweifelt wird. Die bloße Nutzung eines Email-Accounts des Unternehmens dürfte als Kriterium für das Bestehen einer Rechtsscheinsvollmacht kaum ausreichen, weil in vielen Unternehmen beinahe jedem Beschäftigten eine personalisierte Emailadresse zugeteilt wird, ohne dass hiermit eine Aussage über die Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis getroffen werden soll. Emails können jedoch leicht elektronisch signiert werden. Eine einfache elektronische Signatur kann dabei Angaben zur Position des Signierenden erhalten, aus der sich dann möglicherweise eine Rechtsscheinsvollmacht ableiten lässt. Aufgrund dieser Signaturmöglichkeiten sollten unsignierte Emails – sofern nicht weitere Umstände hinzutreten – keinen Rechtsschein entfalten. Dann dürfte jedoch nicht – wie in der Fachliteratur teilweise gefordert243 – schon allein aus der Verwendung einer Emailadressse mit einem auf das Unternehmen bezogenen Domain-Part ein kaufmännischer Bezug hergestellt werden, der nach Auslegungsregel des § 344 Abs. 1 HGB vermuten lässt, dass es sich bei der Email um eine zum Betrieb des Handelsgewerbes 241 A.A. wohl Katz, Electronic Contracting, S. 16, . 242 Katz, Electronic Contracting, S. 27 f., . 243 Ferrari, The European Legal Forum 2000/01, 301, 302; Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 231 f.

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gehörende Email handelt. Insofern kann der digitale Email-Verkehr nicht mit der Nutzung von Unternehmensbriefpapier verglichen werden244, für den regelmäßig strengere unternehmensinterne Regeln bestehen. d) Zurechnung von Kommunikationsfehlern Sowohl das deutsche als auch das US-amerikanische Recht haben die Gefahr erkannt, dass bei elektronischer Kommunikation leicht ein Eingabefehler unterlaufen kann. Sie schreiben daher die Bereitstellung einer Korrekturhilfe vor (§ 312g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB; ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB) oder gewähren bei ihrem Fehlen ein Anfechtungsrecht (§ 10 (2) UETA). Hierdurch werden aufwendige Kontrollen und ein besonders behutsames Vorgehen durch den Nachfrager entbehrlich. Folglich sinken die Transaktionskosten auf der Nachfragerseite. Anbieterseitig werden sie allerdings erhöht, weil Kosten für die Implementierung der Korrekturhilfe aufgewendet werden müssen. Die Regelung hat somit einen Risikoverteilungseffekt, der in den USA deshalb stärker ist, weil dort im Gegensatz zum deutschen Recht (§ 312g Abs. 2 S. 2 BGB; ab 13.6.2014: § 312i Abs. 2 S. 2 BGB) nicht vorgesehen ist, dass die Korrekturmöglichkeit vertraglich abbedungen werden kann (§ 10 (4) UETA). Dies überzeugt deshalb, weil die Möglichkeit einer vertraglichen Abbedingung dem Ziel zuwiderlaufen würde, ein besonders vorsichtiges Vorgehen des Nachfragers entbehrlich zu machen. Denn dieser müsste dann in jedem Fall die Vertragsbedingungen im Hinblick auf einen solchen Ausschluss genau studieren, um den Sorgfaltsgrad beim Vertragsschluss entsprechend anzupassen. Die Kosten für die Vertragsanbahnung würden dadurch erhöht und der Vertragsschluss vielleicht hinausgezögert. Dies wäre letztlich auch für den Anbieter kein sinnvolles Ergebnis. Dieser wird, wenn er Produkte über eine Webseite vertreibt, regelmäßig darauf ausgerichtet und daran interessiert sein, möglichst schnell eine Vielzahl von Verträgen zu schließen. Die einmaligen Kosten für die Implementierung einer Korrekturhilfe kann er unter Berücksichtung der economy of scale leicht auf jeden Vertrag umlegen. Im Übrigen überzeugt der übereinstimmende Ansatz des deutschen und des US-amerikanischen Rechts, bei Kommunikationsfehlern auf der Grundlage der allgemeinen Auslegungs- und Anfechtungsregeln für einen Risikoausgleich zwischen den Parteien zu sorgen.245 Mit dem Abstellen auf die objektive Empfängersicht zur Bestimmung von Vorliegen und Inhalt eines Angebots werden Irrtümer grundsätzlich dem Erklärenden als sein Risiko zugewiesen, jedoch kann dieser im Wege der Anfechtung in bestimmten Fällen – z. B. 244

In diese Richtung auch OLG Schleswig, IHR 2009, 243, 245. Siehe für das deutsche Recht: Kap. 8 B. III. 2. c) hh); siehe für das USamerikanische Recht: Kap. 8 B. III. 3. e) bb) (6). 245

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beim Vertippen oder Verrutschen des Cursor der Maustaste – die Erklärung rückgängig machen.246 Außerdem sollte – wie im US-amerikanischen Recht – bei Vereinbarung einer IT-Sicherheitsmaßnahme diejenige Partei, die die entsprechende Maßnahme durchgeführt hat, die Auswirkungen des veränderten oder fehlerhaften Datensatzes nicht gegen sich gelten lassen müssen, wenn die andere Partei die Maßnahme nicht durchgeführt hat und anderenfalls die Veränderung oder der Fehler entdeckt worden wäre.247 4. Leistungsstandards Aufgrund der Wechselwirkung von Preis und Qualität und der unterschiedlichen Wohlstandsniveaus der Staaten ergeben sich – im Gegensatz zum rein nationalen Recht – Schwierigkeiten, einheitliche Qualitätsmaßstäbe auf internationaler Ebene festzulegen. Ermittelt die Rechtsprechung oder der Gesetzgeber einen objektiven Branchenstandard, den ein Anbieter zu erfüllen hat, dann wird dieser auf diese Vorgabe durch eine Anpassung des Produktpreises reagieren.248 Haben seine Kunden nun heterogene Präferenzen im Hinblick auf Qualität und Preis, so kann eine staatliche Vorgabe nicht allen gerecht werden. Ein hoher Qualitätsanspruch geht mit einem höheren Preis einher und entspricht den Vorlieben von Kunden aus Industrienationen, die aufgrund eines höheren Wohlstandsniveaus in der Lage sind, mehr für Qualität und Sicherheit zu zahlen.249 Hingegen werden Kunden aus Ländern mit geringem Wohlstandsniveau mehr Interesse an Gütern haben, die günstiger, aber auch von minderer Qualität sind.250 Daher ist der Parteivereinbarung über die Qualität digitaler Güter bei internationalen Handelsverträgen Vorrang zu gewähren. Dies gilt insbesondere auch für digitale Güter, bei denen anerkanntermaßen völlige Fehlerfreiheit nicht erreicht und auch ein objektiver Branchenstandard oft nur mit großen Schwierigkeiten bestimmt werden kann.251 Dieser Ansatz findet sich auch im deutschen Recht, das für die Feststellung von Beschaffenheitsmängel zu246

Siehe für das deutsche Recht: Kap. 8 B. III. 2. c) hh); siehe für das USamerikanische Recht: Kap. 8 B. III. 3. e) bb) (6). 247 Siehe Kap. 8 B. III. 3. e) bb) (6). 248 Zum Zusammenspiel von Qualität und Preis vgl. Katz, Electronic Contracting, S. 11, sowie Schäfer/Lantermann, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 87, 106. 249 Ähnlich Katz, Electronic Contracting, S. 1, sowie Schäfer/Lantermann, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 87, 107. 250 Ähnlich Katz, Electronic Contracting, S. 12, . 251 Delta/Matsuura, S. 10–69.

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

nächst nach dem Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung fragt und nur subsidiär auf die objektive Beschaffenheit abstellt (vgl. §§ 434 Abs. 1 S. 1, 2, 633 Abs. 2 S. 1, 2 BGB). Die Priorität der vertraglichen Vereinbarung kennt auch das US-amerikanische Recht, daneben greifen dort allerdings auch verschiedene gesetzliche Zusicherungen wie zum Beispiel die „warranty of merchantability“ (§ 403 (a) (1) UCITA/§ 2–314 (2) (c) UCC).252 Wenn sich die geschuldete Beschaffenheit der Sache nicht aus den Vertragsumständen ergibt, ist bei einem internationalen Handelsvertrag fraglich, ob sich der Qualitätsstandard nach den Präferenzen im Land des Anbieters oder im Land des Nachfragers richten sollte. Nach der Rom-I-VO ist regelmäßig das Recht im Land des Anbieters entscheidend.253 Dies gilt nach der Rechtsprechung auch für das CISG.254 Im US-amerikanischen Kollisionsrecht fehlt es diesbezüglich an einer klaren Regelung.255 Schäfer und Lantermann vertreten für klassische Handelsverträge, dass es sowohl im Delikts- als auch im Vertragsrecht vorzugswürdig sei, auf die Vorgaben am Verkaufsort abzustellen.256 Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht. Entscheidender Nachteil einer solchen Lösung wäre, dass der Anbieter für jedes Land, in das er verkauft, eine Qualitäts- und Preisdifferenzierung vornehmen müsste. Dies würde die Transaktionskosten ganz wesentlich erhöhen. Auch die AGB wären nur noch von begrenzter Nützlichkeit, denn ihre Regelungen werden regelmäßig nur vor dem Hintergrund der Qualitätsstandards im Land des Anbieters Sinn machen. Damit könnten dann auch nicht die mit den AGB verbundenen ökonomischen Vorteile der Standardisierung realisiert werden. Beides vermeidet man, wenn man auf die Präferenzen im Land des Anbieters abstellt. Zwar ist vorgebracht worden, dass dies bei einem Anbieter mit niedrigem Wohlstandsniveau, der seine Produkte in ein Land mit hohem Wohlstandsniveau exportiert, zur adversen Selektion257 führen kann.258 Eine adverse Selektion kann allerdings durch hinreichende Signaling- und ScreeningMaßnahmen überwunden werden. Gerade der elektronische Geschäftsverkehr bietet mit den beschriebenen Reputationsmechanismen259 viel versprechende Instrumente zur Senkung der Kosten asymmetrischer Informationsvertei-

252

Siehe Kap. 8 B. III. 3. d) aa). Siehe Kap. 8 B. II. 3 c). 254 OLG Hamm, BeckRS 2011, 05896. 255 Siehe Kap. 8 B. II. 4 c). 256 Schäfer/Lantermann, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 87, 110 ff.. 257 Siehe Kap. 5 C. IV. 4. 258 Schäfer/Lantermann, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 87, 109. 259 Siehe Kap. 7 A. I. 2. 253

C. Schaffung einer neuen rechtlichen Institution

463

lung.260 Im Ergebnis sorgt die Möglichkeit des Anbieters, den Qualitätsmaßstab seines Heimatlandes zugrunde zu legen, für den Abbau von Handelshindernissen und ist nach dem Herkunftslandprinzip im europäischen Raum spätestens seit der Brasserie du Pecheur-Entscheidung261 des EuGH geltendes Recht. Der Qualitätsmaßstab des nationalen Rechts kann dann anhand einer Kosten-Nutzenanalyse in Form der „Learned Hand“-Formel ausgerichtet werden, wonach der Anbieter diejenigen Kosten für Schadensvermeidungen aufwenden sollte, die geringer sind als das Produkt aus durchschnittlicher Schadenshöhe und Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts.262 5. Leistungserbringung Wie beim Transportrisiko von elektronischen Erklärungen ist der Versender eines digitalen Gutes – insbesondere einer Software – oder zum Download Bereitstellende der cheapest cost avoider. Er kann bei Verlust das digitale Gut ohne große Kosten erneut versenden.263 Auch in technischer Hinsicht handelt es sich jeweils um eine Übertragung von Datenpaketen. 6. Leistungsstörung Im Bereich der Leistungsstörung für elektronische Verträge fordern einige in der Fachliteratur spezifische Regelungen.264 Technologiespezifische Lösungen sind aber nicht empfehlenswert, weil sie durch die technologische Weiterentwicklung schnell überholt sein können und hohe Kosten verursachen. Darüber hinaus ist bei der Einführung eines speziellen Leistungsstörungsrechts zu berücksichtigen, welchen Verteilungseffekt es mit sich bringt. Beispielsweise begünstigte der im Gesetzgebungsprozess zum UCITA diskutierte besondere Rechtsbehelf der elektronischen Selbsthilfe265 den Softwarelieferanten zulasten des Softwarenutzers. Vor dem Hintergrund des Drohpotentials, die Software zu deaktivieren, hätte der Lieferant dem Softwarenutzer im Konfliktfall ungünstige Bedingungen aufzwingen können266, wenn nicht si-

260 Ähnlich wohl Katz, Electronic Contracting, S. 33, . 261 EuGH, 5.3.1996, Rs. C-46/93, C-48/93, Slg. 1996, I-1029. 262 Heussen, CR 2004, 1, 9. 263 Ebenso Braucher, 40 Loy. L.A. L. Rev. 2006, 261, 278. 264 So beispielsweise Kath, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 185, Rn. 55. 265 Siehe Kap. 8 B. III. 3. f) ff) (5). 266 Ähnlich Delta/Matsuura, S. 10–70.

464

9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

cher gewesen wäre, dass sich dieser durch vorläufigen Rechtsschutz267 erfolgreich hätte wehren können. Damit stellt sich die Frage, welcher Ansatz für internationale elektronische Handelsverträge zu bevorzugen ist. Im Wesentlichen geht es um eine Entscheidung zwischen Nacherfüllung oder Schadensersatz268 sowie zwischen verschuldensabhängiger oder verschuldensunabhängiger Ausgestaltung der Haftung269. Die ökonomische Analyse des Vertragsrechts spricht sich mit ihrem Konzept des „efficient breach“270 traditionell gegen einen Vorrang der Nacherfüllung aus; die vertragsbrüchige Partei soll den angerichteten Schaden ausgleichen, aber nicht zum Festhalten am Vertrag gezwungen werden.271 Allerdings kann die Nacherfüllung ökonomisch sinnvoll sein, wenn die Kosten eines Deckungsgeschäfts besonders hoch sind, weil es sich um Spezialanfertigungen oder Einzelstücke handelt. Entscheidend sind folglich die relativen Kosten, die aufgewendet werden müssen, um nach dem Vertragsbruch auf dem Markt Ersatz zu erhalten.272 Sind Substitutionsgüter vorhanden und leicht zu erlangen, ist der Vorrang der Nacherfüllung nicht gerechtfertigt. Wenn sie fehlen oder nur mit großen Kosten erlangbar sind, ist die Nacherfüllung der einzige Weg, die Gewinnerwartung der geschädigten Partei zu schützen.273 Vor diesem Hintergrund ist für Transaktionen auf elektronischen Märkten ein Vorrang des Schadensersatzanspruches gegenüber einem Vorrang der Nacherfüllung zu bevorzugen, weil Substitutionsprodukte hier regelmäßig leicht und schnell besorgt werden können.274 Auch der Trend, Informationsdienstleistungen durch Informationsprodukte zu ersetzen275, fördert die Erhältlichkeit von Substitionsprodukten. Etwas anderes gilt allerdings für EDI-Beziehungen, bei denen ein Deckungsgeschäft aufgrund der großen Ausgangsinvestitionen kaum möglich ist, so dass hier die Nacherfüllung aus Kostengründen Vorrang haben muss.

267 Zur Möglichkeit des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die elektronische Selbsthilfe vgl. § 816 (g) UCITA a.F. 268 Das deutsche Recht und das CISG favorisieren die Nacherfüllung, während das USamerikanische Recht den Schadensersatz als Standardrechtsbehelf vorsieht. 269 Im Gegensatz zur Verschuldenshaftung des deutschen Rechts gehen CISG und USamerikanisches Recht von einer Sphären- beziehungsweise Garantiehaftung aus. 270 Grundlegend Goetz/Scott, 44 Columbia Law Review 1977, 554. 271 Hay, Rn. 339. 272 Katz, Electronic Contracting, S. 34, . 273 Katz, a.a.O., S. 34. 274 Katz, a.a.O., S. 34; Katz, 25 International Review of Law and Economics 2006, 378, 394. 275 Siehe Kap. 3 B. II.

C. Schaffung einer neuen rechtlichen Institution

465

Anschließend stellt sich die Frage, welche subjektiven Voraussetzungen für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vorliegen müssen. Hier spricht vieles dafür, diese nicht wie im deutschen Recht von einem Verschulden abhängig zu machen, denn dieser Vorwurf kann bei technischen Vorgängen, die individuell nicht immer voll beherrschbar sind, kaum gemacht werden.276 Darüber hinaus verlangt eine verschuldensabhängige Haftung vom Gericht die Festlegung konkreter Sorgfaltsmaßstäbe, was mit Informationskosten verbunden ist. Besser geeignet sind daher die Ansätze des CISG und des US-amerikanischen Vertragsrechts, die im Sinne einer Sphären- beziehungsweise Garantiehaftung kein Verschulden der vertragsbrüchigen Partei erfordern. Bei Handelsverträgen ist die verschuldensunabhängige Einstandspflicht auch für den unverschuldet in Leistungsschwierigkeiten Geratenen keine unangemessene Lösung.277 Zum einen besteht die Möglichkeit, die Haftung auf vorhersehbare Schäden (so das CISG) oder auf schwerwiegende Vertragsbrüche (so der UCITA und UCC) zu beschränken, zum anderen kann die Möglichkeit zur weitreichenden Haftungsfreizeichnung genutzt werden. Die Grenzlinie zwischen Haftung und Nichthaftung sollte sich bei elektronischen Handelsverträgen vorrangig aus dem Vertrag selbst und nicht aus dem Gesetz ergeben. Den Parteien sollte umfangreiche Vertragsfreiheit gewährt werden, weil sie für die konkrete Transaktion angemessenere Lösungen erarbeiten können als der Gesetzgeber.278 Haftungsregeln sind ebenso wie der Preis oder die Qualität des Gutes Vertragsbedingungen, die aufgrund ihrer Anreizwirkung und ihres Verteilungseffektes im Rahmen der Vertragsverhandlungen gegen andere Vertragsbedingungen „getauscht“ werden können.279 Dies gilt insbesondere für internationale Geschäfte, bei denen aufgrund unterschiedlicher nationaler Rechte verschiedene Haftungsregime in Betracht kommen.280 Dem entsprechen das CISG, das US-amerikanische sowie das deutsche Vertragsrecht. Das deutsche Recht und das CISG gewähren nach Ablauf einer Nachfrist ein Rücktritts- und Minderungsrecht, ohne – wie das US-amerikanische Recht – das Vorliegen einer erheblichen Vertragsverletzung vorauszusetzen. Diese Rechtsbehelfe können bei elektronischen Handelsverträgen besonders wertvoll sein, da sie – sofern eine (teilweise) Rückabwicklung des Leistungsaustausches entbehrlich ist – ohne ein kosten- und zeitintensives Gerichts- oder 276

Vgl. auch Kilian, in: Weiber (Hrsg.), Handbuch Electronic Business (2002), 995,

1022.

277

Ebenso Kath, in: Lejeune (Hrsg.), Der E-Commerce-Vertrag nach amerikanischem Recht (2001), 185, 210. 278 Katz, 25 International Review of Law and Economics 2006, 378, 382. 279 Shavell, 99 Q.J. Econ. 1984, 121, 122. 280 Ähnlich Katz, 25 International Review of Law and Economics 2006, 378, 382.

466

9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

Schiedsverfahren ausgeübt werden können und nur ex post einer gerichtlichen Nachprüfung ausgesetzt sind.281 Im Gegensatz dazu setzt die Ausübung eines Schadensersatzanspruchs – sofern der Vertragspartner eine Schadensersatzzahlung ablehnt – voraus, dass bereits ein (schieds-)gerichtliches Verfahren durchgeführt worden ist, das sich im internationalen Kontext besonders schwierig gestalten kann. Für den Anbieter besteht ein Anreiz, weniger als die geschuldete Leistung zu erbringen, sofern der Minderwert nicht so groß ist, dass sich für den Kunden die mit einem Prozessrisiko verbundene Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs auf dem Klageweg lohnt.282 Die Rechtsbehelfe des Rücktritts und der Minderung wirken diesem Anreiz entgegen. Allerdings kann der Rechtsbehelf des Rücktritts auch vom Kunden opportunistisch eingesetzt werden, indem er Druck auf den Anbieter aufgebaut, wenn ein Substitutionsgeschäft für den Kunden auf elektronischen Märkten leicht möglich ist.283 Dieser strategische Vorteil für den Kunden wird noch dadurch unterstützt, dass der Anbieter von digitalen Gütern nur mit großen Schwierigkeiten überprüfen kann, ob der Kunde das übermittelte Gut tatsächlich dennoch nutzt.284 Die Minderung verlangt nur nach einem kalkulatorischen Wertausgleich für die eingeschränkte Nutzung. Folglich ist die Minderung der effektivste Rechtsbehelf bei Leistungsstörungen bei internationalen elektronischen Handelsverträgen. Der Rechtsbehelf des Rücktritts bevorzugt den Kunden, während der Rechtsbehelf des Schadensersatzes für den Anbieter günstig ist. Bei gleichstarker Verhandlungsmacht ist zu unterstellen, dass die Parteien im Rahmen der Vertragshandlungen auf dieser Grundlage einen angemessenen Ausgleich finden. 7. Zwischenergebnis (1) Auf der Ebene des Sachrechts muss Ziel aller Regelungen die Gewährleistung privatautonomen Handels der Unternehmen bei elektronischer Kommunikation sein. (2) Die Gültigkeit von elektronischen Handelsverträgen sollte nicht wie im US-amerikanischen Recht von der Erfüllung bestimmter Formerfordernisse abhängig gemacht werden, weil sie die Transaktionskosten deutlich erhöhen. (3) Das Sicherheitsniveau für elektronische Transaktionen sollte von den Parteien unter Rückgriff auf internationale verfügbare Standardisierung von Normierungsgremien festgelegt werden. (4) Für ein tragfähiges Modell der elektronischen Transaktion durch Handelsgeschäfte sollten verlässliche Auslegungskriterien zur Abgrenzung 281

Katz, a.a.O., 390. Ähnlich Katz, 25 International Review of Law and Economics 2006, 378, 391. 283 Katz, a.a.O., 391. 284 Katz, a.a.O., 393. 282

C. Schaffung einer neuen rechtlichen Institution

(5) (6)

(7) (8)

(9) (10)

467

von verbindlichem Angebot und bloßer invitatio ad offerendum entwickelt werden, damit sich der Zeitpunkt des Vertragsschlusses fixieren lässt. Hierbei ist der ökonomisch überzeugende Maßstab die Beherrschbarkeit des Transportrisikos. Sachgerecht ist es, dass Erklärender und Empfänger jeweils verschuldensunabhängig für die Bereiche die Verantwortung der störungsfreien Funktionsfähigkeit tragen, die in ihrer Organisationshoheit liegen. Besteht darüber hinaus ein Bereich, für den keine Partei Organisationsgewalt hat, muss ein fiktiver Übergabezeitpunkt festgelegt werden, so dass das Risiko der fehlerhaften Übermittlung vollständig nach zurechenbaren Sphären verteilt ist. Daher sollte der Absender das Verlustrisiko tragen, bis die Nachricht zum IAPRouter auf Seiten des Empfängers gelangt ist. Wie im deutschen und im US-amerikanischen Recht sollte der Einsatz von elektronischen Agenten einem wirksamen Vertragsschluss nicht entgegenstehen. Aus aus ökonomischer Sicht ist die Zulässigkeit von Click-Wrap-Vereinbarungen zu befürworten, die Zulässigkeit von Browse-Wrap-Vereinbarungen hingegen abzulehnen. Die Anwendung des USamerikanischen Prinzips „money now, terms later“ führt zu einem Tauschdilemma. Sofern kein umfassendes Einheitsrecht geschaffen wird, ist von der Festlegung einer einheitlichen Missbrauchskontrolle abzuraten. Aus der Nutzung des Email-Accounts eines Unternehmens kann ein Rechtsschein für das Bestehen der Vertretungsmacht nur dann abgeleitet werden, wenn dessen Nutzung als funktional äquivalent zur Verwendung von Unternehmensbriefpapier angesehen werden kann. Regelungen, die auf die Implementierung einer Korrekturhilfe hinwirken, sind in einem Einheitsrecht vorzusehen. Volle Effizienz entwickeln sie aber nur dann, wenn sie als zwingende Normen ausgestaltet werden. Die vertraglich geschuldete Qualität sollte sich bei internationalen elektronischen Handelsverträgen nach der Parteivereinbarung bestimmen, denn einheitliche Qualitätsmaßstäbe können auf internationaler Ebene aufgrund der Wechselwirkung von Preis und Qualität und dem unterschiedlichen Wohlstandsniveau der Staaten nur schwer festgelegt werden. Dies entspricht dem deutschen (§§ 434 Abs. 1 S. 1, 2, 633 Abs. 2 S. 1, 2 BGB) und dem US-amerikanischen Recht (§ 403 (a) (1) UCITA/§ 2–314 (2) (c) UCC). Ergibt sich die geschuldete Beschaffenheit der Sache nicht aus den Vertragsumständen, sollte diese nach den Bestimmungen des Rechts im Land des Anbieters festgelegt werden, denn anderenfalls würden die Transaktionskosten ganz wesentlich erhöht, weil der Anbieter für jedes Land, in das er seine Produkte verkauft, eine Qualitäts- und Preisdifferenzierung vornehmen müsste.

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9. Kapitel: Skizze effizienter Regelungen für Handelsgeschäfte

(11) Nach dem Prinzip des cheapest cost avoider sollte bei digitalen Gütern der Versender das Transportrisiko tragen, denn er kann das digitale Gut ohne große Kosten erneut versenden. (12) Für Transaktionen auf elektronischen Märkten ist ein Vorrang des Schadensersatzanspruches gegenüber einem Vorrang der Nacherfüllung zu bevorzugen, weil Substitutionsprodukte hier regelmäßig leicht und schnell besorgt werden können. Etwas anderes gilt allerdings für EDIBeziehungen, bei denen ein Deckungsgeschäft aufgrund der großen Ausgangsinvestitionen kaum möglich ist, so dass hier die Nacherfüllung aus Kostengründen Vorrang haben muss. (13) Das Schadensersatzrecht sollte als Sphären- beziehungsweise Garantiehaftung ausgestaltet werden, da ein Verschuldensvorwurf bei technischen Vorgängen, die individuell nicht immer voll beherrschbar sind, oftmals nur schwer gemacht werden kann. Rücktritt und Minderung sollten auch ohne erhebliche Vertragsverletzung ausgeübt werden können, weil diese – sofern eine Rückabwicklung des Leistungsaustausches entbehrlich ist – unmittelbar ihre Wirkung entfalten, ohne dass es eines im internationalen Kontext schwierigen (schieds-)gerichtlichen Verfahrens bedarf.

Kapitel 10

Bewertung des ECC vor dem Hintergrund der Modellüberlegungen Das ECC vom 23.11.2005 ist der bisher einzige Versuch auf internationaler Ebene, Rechtsunsicherheiten bei der grenzüberschreitenden, elektronischen Kommunikation zwischen Unternehmen durch eine internationale Konvention zu reduzieren.1 Zwar hatte die UNCITRAL als vorbereitende Organisation schon vor dem ECC Modellvorschriften für elektronische Verträge verabschiedet2, im Unterschied zum ECC waren diese als Empfehlungen angedacht, die nationalen Gesetzgebern im Hinblick auf die Entwicklung von E-Commerce-Gesetzen helfen sollten. Grundlage für die Schaffung einer internationalen Konvention war dagegen die Annahme, dass nur ein verbindliches Regelwerk die rechtlichen Hindernisse überwinden könne, denen der internationale E-Commerce begegnet.3 Einem hybriden Regelungssystem als Mischung von Einheitsrecht und nationalem Recht wurde somit eine klare Absage erteilt. Es stellt sich die Frage, ob nationale Gesetzgeber eine Ratifikation anstreben sollten.

A. Das ECC als begrenztes Einheitsrecht A. Das ECC als begrenztes

Das ECC besteht aus 25 Artikeln, wovon die Artikel 1, 2, 19 den Anwendungsbereich bestimmen, die Artikel 7, 13 lediglich klarstellen, dass Anforderungen aus nationalem Recht durch das ECC nicht beschnitten werden, und die Artikel 15, 16, 18, 21–25 allgemeine Übergangs- und Schlussbestimmungen enthalten. Damit bleiben als inhaltlich bedeutsame Regelung lediglich Art. 6, der Lokalisierungsfragen betrifft, Art. 8, der das Prinzip der Nichtdiskriminierung von elektronischer Kommunikation allgemein festschreibt, Art. 9 mit Regelungen zu Formfragen, Art. 10 zum Zeitpunkt und Ort der Absendung und des Zugangs von elektronischer Kommunikation, Art. 11 mit einer Auslegungshilfe zur Abgrenzung von invitatio ad offerendum und verbindlichem Angebot sowie Art. 12, der den Einsatz von elektronischen Agen1

Zur Entstehungsgeschichte und zum Ratifikationsstand siehe Kap. 4 A. I. 1. Siehe hierzu bereits Kap. 4 A. I. 2. 3 UNCITRAL, A/CN.9/WG.IV/WP.93, Abs. 3. 2

470

10. Kapitel: Bewertung des ECC

ten anerkennt. Art. 20, und in begrenztem Maße Art. 17, regeln das Verhältnis zu anderen internationalen und regionalen Regelwerken. Somit wird deutlich, dass das ECC kein umfassendes Einheitsrecht ist, sondern lediglich in begrenztem Umfang einige spezielle Fragen zu internationalen elektronischen Handelsverträgen regelt. Daher kann das ECC zwar für sich den Vorteil in Anspruch nehmen, dass seine Ratifikation nur geringe Implementierungskosten verursacht, allerdings besteht mit Begrenzung des Regelungsumfangs auch die Gefahr, dass der Nutzen des Regelwerks im Hinblick auf die Harmonisierung und die Rechtssicherheit reduziert ist. Im Gegensatz zu seinem begrenzten Regelungsbereich ist der Anwendungsbereich des ECC sehr weit. Nach Art. 1 Abs. 1 ECC gilt es für jede Verwendung elektronischer Mitteilungen im Zusammenhang mit dem Zustandekommen oder der Erfüllung eines Vertrages zwischen Parteien, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben. Damit wird die beim CISG für Rechtsunsicherheit sorgende Frage bejaht, ob das Übereinkommen auch beim Erwerb digitaler Güter Anwendung findet. Das ECC greift in sachlicher Hinsicht bei jedem Handelsvertrag ein, bei dem elektronische Kommunikation eingesetzt wird. Die Beschränkung auf Handelsverträge ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 lit. a ECC, der das ECC auf Verträge für unanwendbar erklärt, die für persönliche Zwecke oder für Zwecke der Familie oder des Haushalts geschlossen werden. Hierbei handelt es sich um einen absoluten Ausschluss und es kommt anders als bei Art. 2 lit. a CISG nicht auf die Kenntnis des Anbieters von diesem Umstand an.4 Ob diese Vorschrift allerdings der tatsächlichen Anwendbarkeit im elektronischen Handelsverkehr dient, ist zu bezweifeln. Im Gegensatz zum CISG werden beim ECC die Erwartungen des Anbieters, dass ein Handelsgeschäft vorliegt, nicht geschützt. Gerade bei Geschäften über das Internet kann sich aber die Erkennbarkeit des Vertragspartners als Unternehmer oder Verbraucher schwierig gestalten. Hintergrund dieser Regelung ist der Versuch, die Ratifikation des ECC zu erleichtern, weil so eine Kollision mit nationalem Verbraucherschutzrecht in jedem Fall vermieden wird. Sofern ein elektronischer Handelsvertrag vorliegt, gilt das ECC in allen Vertragsphasen: Von der Anbahnung des Vertrags über den Abschluss bis hin zur Durchführung des Vertrags.5 Im Hinblick auf die Rechtssicherheit ist zu begrüßen, dass, anders als in der Rom-I-VO, keine Unterscheidung zwischen vorvertraglichem und vertraglichem Bereich vorgenommen wird. Allerdings kann ein Vertragsstaat festlegen, dass das ECC auf bestimmte Bereiche und Arten von Rechtsgeschäften nicht anzuwenden ist (Art. 19 Abs. 2 ECC). Hiervon hat Russland im Hinblick auf Rechtsgeschäfte, die nach russischem Recht der notariellen Form unterliegen oder der staatlichen Re4 5

UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 75. UNCITRAL, a.a.O., Abs. 55.

A. Das ECC als begrenztes Einheitsrecht

471

gistrierung bedürfen, sowie Kaufverträge über Waren, für die zollrechtliche Beschränkungen bestehen, Gebrauch gemacht.6 Der persönlich – räumliche Anwendungsbereich unterscheidet sich im Wortlaut leicht von dem des CISG.7 Im ECC wird nicht ausdrücklich verlangt, dass die Parteien ihre Niederlassung in Vertragsstaaten haben oder dass die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des ECC führen. Vielmehr reicht es nach dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 ECC aus, dass sich die Niederlassungen in unterschiedlichen Staaten befinden. Aus ökonomischer Sicht ist diese weite Formulierung von Vorteil, weil sie den Weg für eine autonome Anwendung8 des ECC eröffnet und nicht auf das unsichere Ergebnis bei Anwendung des internationalen Privatrechts des NichtVertragsstaates verweist. Autonome Anwendung bedeutet, dass dann, wenn in einem Vertragsstaat Klage erhoben wird und dieser auch international zuständig ist, das ECC unabhängig von der lex causae angewendet werden kann.9 Als dogmatische Begründung dient der auch im Völkerrecht anerkannte Grundsatz „pacta sunt servanda“ (Art. 26 WVK) sowie Art. 27 WVK, nach dem sich ein Staat seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht durch nationales (Kollisions-)Recht entziehen darf. Denkbar wäre auch die Annahme einer impliziten Kollisionsregel dahingehend, dass dem ECC in jedem Fall Vorrang zu gewähren ist.10 Eine gewisse Einschränkung des Prinzips der autonomen Auslegung beinhaltet jedoch Art. 19 Abs. 1 lit. a ECC, der den Vertragsstaaten die Möglichkeit eröffnet, das ECC nur für den Fall anwendbar zu erklären, dass beide Parteien ihre Niederlassungen in Vertragsstaaten haben.11 Außerdem kann sich ein Vertragsstaat vorbehalten, das ECC nur

6

Vgl. . 7 UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 61. 8 UNCITRAL, A/CN.9/578/Add.6, Abs. 3; eine ausführliche Diskussion zur Möglichkeit der autonomen Auslegung von Art. 1 Abs. 1 ECC findet sich bei Boss, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 45, 50 f. 9 UNCITRAL, A/CN.9/578/Add.6, Abs. 3. 10 Boss, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 45, 57. 11 Hieraus allerdings wie Eiselen, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 333, 336 zu folgern, dass der persönlich – räumliche Anwendungsbereich von ECC und CISG praktisch deckungsgleich sei, ist zu weitgehend. Vor dem Hintergrund eines (wenn auch geringfügigen) Reputationsverlustes durch Abgabe einer Erklärung im Sinne des Art. 19 ECC ist nach der Rational-Choice-Theorie zu unterstellen, dass nicht alle Vertragsstaaten eine solche Erklärung abgeben werden. So haben Singapur, Honduras und die Domikanische Republik keine entsprechende Erklärung abgegeben. Folglich gibt es schon jetzt Fälle, bei denen sich Anwendungsbereich von ECC und CISG unterscheiden.

472

10. Kapitel: Bewertung des ECC

anzuwenden, wenn die Parteien eine entsprechende explizite12 Rechtswahl in Bezug auf das ECC vorgenommen haben (Art. 19 Abs. 1 lit. b ECC). Von diesem Vorbehalt hat Russland Gebrauch gemacht.13 Letztlich verlangt Art. 1 Abs. 1 ECC wie Art. 1 Abs. 1 CISG von den Parteien das Wissen um eine internationale Transaktion. Ziel dieser Vorschrift ist dann der Schutz der Erwartung, dass die Regelungen des ECC Anwendung finden. Idealerweise wird dieser Schutz durch eine ausdrückliche Anpassung der nationalen Vorschriften an das ECC entbehrlich, denn ohne einheitliches Regime muss ein Unternehmen, das sich über den Geschäftssitz (place of business) seiner Vertragspartner nicht sicher ist, seine grenzüberschreitenden Verträge an zwei Rechtsordnungen ausrichten, was erhöhte Vertragsgestaltungskosten zur Folge hat14.

B. Nicht erfasste Regelungsbereiche B. Nicht erfasste Regelungsbereiche

Für die internationale Zuständigkeit und das internationale Privatrecht enthält das ECC keine speziellen Regelungen. Allerdings war bei seiner Schaffung die Auffassung vorherrschend, dass sein Anwendungsbereich weit auszulegen sei und unter „Vertrag“ im Sinne des Art. 1 Abs. 1 ECC auch Schiedsvereinbarungen zu verstehen seien.15 Dementsprechend müssen auch Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarungen erfasst sein. Unter Berücksichtigung von Art. 20 ECC, der das ECC gegenüber anderen völkerrechtlichen Übereinkommen, die ein Vertragsstaat ratifiziert hat, für vorrangig erklärt, folgt daraus, dass eine elektronische Gerichtsstands-, Schieds- oder Rechtswahlvereinbarung immer dann den Formanforderungen genügt, wenn die Voraussetzungen von Art. 9 ECC erfüllt sind. Bei Rechtswahlvereinbarungen würde der von der Rom-I-VO vorausgesetzte Rückgriff auf das nationale Recht zur Bestimmung der Formwirksamkeit16 entbehrlich. Hingegen harmonisiert das ECC nicht die internationale Zuständigkeit und die kollisionsrechtliche Anknüpfung. Damit besteht weiterhin die Gefahr von Unwägbarkeiten bei der Bestimmung des Gerichtsstandes und des „Heimwärtsstrebens“ bei Schaffung und Anwendung des internationalen Privatrechts mit der schwerwiegenden Folge, dass den am elektronischen Handelsverkehr beteiligten Unternehmen eine weltweite Gerichtspflichtigkeit droht. Ebenso bestimmt sich die Wirksamkeit einer Rechtswahl zugunsten des ECC 12

UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 280. Vgl. . 14 Chong, 18 SAcLJ 2006, 116, 134. 15 UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 57. 16 Siehe Kap. 8 B. II. 3. b). 13

C. Parteiautonomie

473

nicht nach harmonisiertem, sondern nach nationalem Recht; Art. 19 Abs. 1 lit. b ECC zeigt aber zumindest, dass das ECC einer solchen Rechtswahl nicht entgegensteht. Keine Aussage macht das ECC zu seinem Verhältnis zum Urheberrecht. Aus den Materialien ergibt sich allerdings, dass zunächst daran gedacht wurde, Verträge über digitale Güter aus dem Anwendungsbereich des ECC herauszunehmen.17 Vernünftigerweise erfolgte dies auf Empfehlung der World Intellectual Property Organization nicht18, denn unterschiedliche Regelwerke für elektronisch abgeschlossene Verträge über körperliche Gegenstände und über digitale Güter hätten kaum zur Rechtssicherheit beigetragen. Auch auf sachrechtlicher Ebene spart das ECC eine Vielzahl von Bereichen des Vertragsrechts aus. So enthält es weder Regeln zum Zustandekommen von Verträgen, insbesondere nicht über die Einbeziehung und Wirksamkeit von AGB19, noch zu der Frage von Rechtsscheinvollmachten bei elektronischer Kommunikation oder zu Aspekten der Vertragsdurchführung und Vertragsbeendigung wie Leistungsstandards, Leistungsverweigerungsrechte, Erfüllungsort oder Erfüllungshandlung und Leistungsstörung. Außerdem fehlt eine Regelung zur vertragstypologischen Einordnung von Verträgen über digitale Güter. Somit bleibt es bei den sich hieraus ergebenden Rechtsunsicherheiten, die sowohl die Ebene der internationalen Zuständigkeit als auch das internationale Privatrecht und das Sachrecht betreffen. Wie beim CISG ist auch beim ECC die Interpretation des Übereinkommens den nationalen Gerichten überlassen. Die fehlende Bindung bei der Prüfung einer Sachfrage an die Entscheidung eines anderen Gerichts kann zu divergierenden Entscheidungen führen, die Rechtsunsicherheit auslösen.20 Werden die Kosten für die Schaffung eines internationalen Gerichts von den Vertragsstaaten nicht aufgebracht, kann die moderne Kommunikationstechnologie, insbesondere das Internet, zumindest teilweise dazu beitragen, divergierende Entscheidungen zu vermeiden. Durch elektronische Datenbanken kann der Zugriff auf Entscheidungen anderer Vertragsstaaten erleichtert und eine einheitliche Auslegung gefördert werden.21

C. Parteiautonomie C. Parteiautonomie

Entsprechend der ökonomischen Bedeutung der Parteiautonomie als wichtiges Instrument effizienter Transaktionsregeln sieht das ECC in Art. 3 vor, 17

UNCITRAL, A/CN.9/527 Abs. 90 f. UNCITRAL, A/CN.9/548 Abs. 107. 19 Vgl. auch Art. 13 ECC sowie UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 219 ff. 20 Martin, Pace Int’l L. Rev. 2005, 261, 298; siehe auch Kap. 8 B. II. 2. 21 Siehe Kap. 8 B. II. 2. 18

474

10. Kapitel: Bewertung des ECC

dass die Parteien die Anwendung des ECC ausschließen, von seinen Bestimmungen abweichen oder deren Wirkung ändern können. Fraglich ist allerdings, ob sich die Wirksamkeit und das Bestehen einer abweichenden Vereinbarung nach dem ECC22 oder nach dem nationalen Recht richtet. Beides bringt keine befriedigende Ergebnisse: Ist das nationale Recht maßgeblich, bedarf es wieder der potentiell schwierigen kollisionsrechtlichen Bestimmung der lex causae und es drohen divergierende Voraussetzungen je nach dem anwendbaren Recht. Soll sich die abweichende Vereinbarung nach dem ECC bestimmen, stellt sich die Frage, welche Wirksamkeitsvoraussetzungen gelten, denn man wäre dann im Bereich des virtuellen Konsenses, den das ECC gerade nicht regelt. Das ECC enthält keine Vorschrift, deren Abbedingung ausdrücklich verboten ist. Aus den Zielen und den Prinzipien der Nichtdiskriminierung durch elektronische Kommunikation, der technologischen Neutralität und der funktionalen Äquivalenz ergibt sich jedoch in Kombination mit den Verweisen auf das nationale Recht in den Artikeln 7, 13 ECC ein Mindeststandard, der durch Parteivereinbarung nicht unterschritten werden darf.23 Eine besondere Form der Parteiautonomie gewährt Art. 8 Abs. 2 ECC. Er stellt klar, dass keine Partei elektronische Kommunikation verwenden oder akzeptieren muss. Da aber aus dem Verhalten einer Partei darauf geschlossen werden kann (Art. 8 Abs. 2 a.E. ECC), dass sie mit dem Einsatz elektronischer Kommunikation einverstanden ist, dürfte die praktische Bedeutung dieser mit § 5 (b) UETA vergleichbaren Norm gering sein.

D. Lokalisierungsfragen D. Lokalisierungsfragen

Im Rahmen der Verhandlungen zum ECC sind die zunehmende Virtualisierung von Unternehmen und die daraus folgenden Probleme für die Bestimmung physischer Orte wie den Niederlassungsort (place of business) erkannt worden.24 Dennoch ist im ECC nicht versucht worden, eine virtuelle Niederlassung zu definieren, sondern es war beabsichtigt, die Bestimmung der physischen Niederlassung zu erleichtern.25 Im Hinblick auf die bestehenden internationalen Regelwerke, die ausnahmslos von einer physischen Niederlassung ausgehen, ist dieser Ansatz auch überzeugend. Anders als beispielsweise

22

So wohl UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 89; ebenso Boss, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 83, 91 f. unter Bezugnahme auf Art. 5 ECC. 23 Ähnlich Boss, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 83, 92. 24 UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 109. 25 UNCITRAL, a.a.O., Abs. 108 f.

D. Lokalisierungsfragen

475

das harmonisierte EU-Recht strebt das ECC allerdings nicht an, die Lokalisierung durch die Schaffung von Informationspflichten zu erleichtern.26 Vielmehr soll Rechtssicherheit durch Festlegung der zur Bestimmung einer Niederlassung heranzuziehenden Faktoren27 und durch Aufstellung einer widerlegbaren Vermutung im Hinblick auf den Ort der Niederlassung geschaffen werden. Nach Art. 6 Abs. 4 ECC folgt aus dem Ort, wo sich die Ausrüstung und Technik zur Unterstützung eines Informationssystems befindet, oder dem Ort, von dem aus der Zugriff auf das Informationssystem erfolgt, noch kein Niederlassungsstandort. Gemäß Art. 6 Abs. 5 ECC begründet die Tatsache, dass eine Partei einen Domainnamen oder eine Emailadresse benutzt, die einem bestimmten Land zugeordnet ist, allein nicht die Vermutung, dass sich die Niederlassung in diesem Land befindet. Damit stellt das ECC die Auslegungsregel auf, dass Server, Webseite und Domainname nicht die Niederlassung eines Unternehmens begründen. Dies schafft Rechtssicherheit im Hinblick auf die Artikel 5 Nr. 5, 60 Abs. 1 EuGVVO, § 21 ZPO, den besonderen Gerichtsstand nach US-amerikanischem Verfahrensrecht sowie Art. 1 CISG28, die alle an die Niederlassung anknüpfen. Darüber hinaus kann auch eine Toplevel-Domain nicht als Anknüpfung für den Ort der Niederlassung genommen werden (Art. 1 Abs. 2 CISG). Eine Übertragung dieses Rechtsgedankens auf die Bestimmung des Erfüllungsortes liegt nahe. Nach Art. 6 Abs. 1 ECC wird ferner widerleglich vermutet, dass eine Partei ihre Niederlassung an dem Ort hat, den sie angibt. Hilfsweise soll es nach Art. 6 Abs. 2 ECC auf die Niederlassung mit der engsten Beziehung zum Vertrag oder nach Art. 6 Abs. 3 ECC bei einer natürlichen Person auf ihren gewöhnlichen Aufenthalt ankommen. Diese hilfsweisen Anknüpfungen vermögen kaum zu überzeugen, denn wenn bei virtualisierten Unternehmen schon die Bestimmung irgendeiner Niederlassung schwierig ist, bringt die Regel, auf die Niederlassung mit der engsten Verbindung zum Vertrag abzustellen, ebenso wenig einen Gewinn wie die Gleichstellung von Niederlassung und gewöhnlichem Aufenthalt bei natürlichen Personen. Vorzugswürdiger wäre vielmehr eine subsidiäre Anknüpfungsregel gewesen, wonach der Niederlassungsort mit dem gewöhnlichen Aufenthalt der Gesellschafter gleichgesetzt wird, der dann unter Einsatz von modernen Lokalisierungstechniken bestimmt werden kann. Liegt der gewöhnliche Auf26

Vgl. Art. 7 ECC sowie Estrella Faria, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 17, 25 und UNCITRAL, A/CN.9/546, Abs. 90 ff. zur diesbezüglichen Diskussionen im Rahmen der Verhandlungen. 27 UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 117 ff. 28 In diese Richtung auch Boss, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 45, 61.

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10. Kapitel: Bewertung des ECC

enthalt der Gesellschafter in unterschiedlichen Staaten, sollte der Staat des geschäftsführenden Gesellschafters maßgeblich sein, da der geschäftsführende Gesellschafter die Geschäftstätigkeit des Unternehmens von hieraus, wie von einer Niederlassung, prägt.

E. Formfragen E. Formfragen

Art. 9 ECC beruht auf dem Gebot zur technischen Neutralität von Rechtsregeln und verfolgt das Ziel, für die elektronische Kommunikation ein funktionales Äquivalent zu klassischen Formvorschriften zu schaffen.29 Dabei verhindert das Prinzip der technischen Neutralität den negativen Einfluss auf den Wettbewerb im Bereich der IT-Sicherheit, weil keine Technologie zum de jure-Standard erhoben wird. Das Prinzip der funktionalen Äquivalenz macht die ökonomischen Potentiale des elektronischen Geschäftsverkehrs auch formbedürftigen Rechtsgeschäften zugänglich. Als Anforderung an das funktionale Äquivalent zur gesetzlichen Schriftform sieht Art. 9 Abs. 2 ECC lediglich vor, dass die in der elektronische Kommunikation enthaltenen Informationen zur späteren Einsichtnahme zugänglich sein müssen. Zu beachten ist jedoch, dass Art. 9 Abs. 3 ECC weitere Anforderungen stellt, wenn nach nationalem Recht eine handschriftliche Unterschrift gefordert wird. Dann muss eine Methode angewandt werden, die geeignet ist, den Unterschreibenden zu identifizieren und zuverlässig seine Zustimmung zu der in der elektronischen Kommunikation enthaltenen Information anzuzeigen (Art. 9 Abs. 3 lit. a ECC). Zuverlässig ist eine Methode dann, wenn sie dem Zweck entspricht, zu dem die elektronische Kommunikation erzeugt oder übermittelt wurde, sowie erwiesenermaßen für sich genommen oder zusammen mit weiteren Nachweisen die Authentifikation des Unterschreibenden ermöglicht und die Absicht in Bezug auf die enthaltenen Informationen anzeigt (Art. 9 Abs. 3 lit. b ECC). Damit ist ein sehr offener und flexibler Maßstab gewählt worden, der es im Wesentlichen den Unternehmen überlässt, zu bestimmen, welchen Grad an IT-Sicherheit sie für den Abschluss des Vertrages für angemessen erachten. Insbesondere wird darauf verzichtet, den Einsatz bestimmter krypthografischer Verfahren für jede Transaktion festzuschreiben. Folglich muss auch nicht die elektronische Signatur als solche die Identifikation und die Authentifikation ermöglichen, sondern es reicht aus, wenn sich dies aus dem Prozess

29

UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 13; Smedinghoff, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 136, 137 ff.

E. Formfragen

477

ergibt, in den die Signatur eingebettet ist.30 Denkbar ist sogar, dass Umstände berücksichtigt werden, die von der elektronischen Kommunikation unabhängig sind, sofern sie der Authentifikation dienen oder den Willensausdruck deutlich machen.31 Im Ergebnis verhindert die Regelung, dass ein funktionales Äquivalent festgeschrieben wird, dessen Anforderungen das Sicherheitsbedürfnis einzelner Transaktionen übersteigt und so den Parteien unnötige Transaktionskosten aufbürdet.32 Der Gefahr, dass mit der Flexibilität für die Parteien die Vorhersehbarkeit verloren geht, wann die getroffenen Maßnahmen verlässlich genug sind33, wird dadurch begegnet, dass die Parteien eine Methode mit hohem IT-Sicherheitsstandard wählen können, beispielsweise eine elektronische Signatur unter Verwendung eines Public Key, die dann im Sinne des Art. 9 Abs. 3 lit. b ii) Alt. 1 ECC als erwiesenermaßen hinreichend verlässlich einzustufen ist. Fraglich ist, welche Bedeutung Art. 9 ECC der gewillkürten Schriftform zumisst. Eine direkte Anwendung der Norm scheidet aus, da Art. 9 ECC von „gesetzlicher“ Schriftform und „gesetzlichem“ Unterschrifterfordernis spricht. Außerdem ist bei der gewillkürten Schriftform das Parteiinteresse hinsichtlich des Grades an Beweisinteresse zu erforschen, aus dem sich dann der einzusetzende IT-Sicherheitsmaßstab ergibt.34 Ist dem Gericht allerdings nicht möglich, das diesbezügliche Parteiinteresse zu ermitteln, so dürfte Art. 9 ECC in Zukunft gerade bei internationalen Verträgen ein wertvoller Interpretationsmaßstab sein. Auch für das Original entwickelt das ECC ein funktionales Äquivalent. Hierbei wird die Tatsache anerkannt, dass ein Original im elektronischen Umfeld nicht existiert und der Empfänger immer nur ein Duplikat erhält.35 Daher stellt Art. 9 Abs. 4 ECC entscheidend auf die Integrität und die Anzeigbarkeit der in der elektronischen Kommunikation enthaltenen Information ab. Den Begriff der „Integrität“ definiert Art. 9 Abs. 5 lit. a ECC als „Vollständigkeit und Unverändertheit der Informationen“.

30 Smedinghoff, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 136, 150. 31 UNCITRAL, A/60/17, Abs. 66. 32 Ebenfalls befürwortend: Smedinghoff, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 439, 444. 33 Vgl. hierzu UNCITRAL, A/60/17, Abs. 65. 34 Siehe § 127 Abs. 2, 3 BGB; ähnlich wohl Wulf, S. 152. 35 Smedinghoff, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 136, 157; Gao, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 385, 396.

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10. Kapitel: Bewertung des ECC

F. Elektronischer Vertragsschluss F. Elektronischer Vertragsschluss

Das ECC macht keine Aussagen zum Wirksamwerden von Willenserklärungen bei elektronischer Kommunikation, denn der virtuelle Konsens wird nicht geregelt. Allerdings enthält das ECC einige Vorschriften, die im Bereich des elektronischen Vertragsschlusses anzusiedeln sind. I. Abgrenzung zwischen verbindlichem Angebot und bloßer invitatio ad offerendum Art. 11 ECC stellt für die Abgrenzung zwischen verbindlichem Angebot und bloßer invitatio ad offerendum die Auslegungsregel auf, dass bei einem durch elektronische Kommunikation unterbreiteten Vorschlag zum Abschluss eines Vertrages, der nicht an eine oder mehrere bestimmte Personen, sondern an Parteien gerichtet ist, die allgemein zugängliche Informationssysteme nutzen, dieser als Aufforderung zur Angebotsabgabe anzusehen ist, es sei denn, ein Rechtsbindungswille träte eindeutig hervor. Hierdurch soll die (angebliche) Praxis abgebildet werden, dass bei interaktiven Webseiten der Anbietende regelmäßig ausdrücklich klarstellt, im Falle einer Bestellung noch nicht vertraglich gebunden sein zu wollen.36 Der Versuch, durch eine Auslegungsregel für die Abgrenzung zwischen verbindlichem Angebot und bloßer invitatio ad offerendum Rechtssicherheit zu schaffen, ist aufgrund der aufgezeigten Unklarheiten in diesem Bereich zu begrüßen. Der Wortlaut des Art. 11 ECC erscheint jedoch unnötig kompliziert und entfernt sich überdies vom traditionellen Auslegungsmaßstab, nach dem es darauf ankommt, ob die Gefahr besteht, dass der Anbietende in Lieferschwierigkeiten gerät. Bei digitalen Gütern, die elektronisch übermittelt werden, ist dies nicht der Fall.37 II. Ort und Zeit der Absendung und des Zugangs elektronischer Kommunikation Art. 10 ECC beabsichtigt, den Ort und die Zeit der Abgabe und des Zugangs einer elektronischen Willenserklärung festzulegen, jedoch wird hierdurch keine Entscheidung darüber getroffen, ob der Vertrag zustande kommt.38 Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Divergenzen zwischen dem deutschen Recht und dem CISG einerseits und dem US-amerikanischen Recht andererseits schafft das ECC nur bedingt Rechtssicherheit. Nach Art. 10 Abs. 2 ECC ist der Zeitpunkt des Empfangs einer elektronischen Kommunikation der Zeitpunkt, in dem diese vom Empfänger unter der 36

UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 204. Siehe Kap. 8 B. III. 1. bb) (1). 38 Vgl. auch UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 175. 37

F. Elektronischer Vertragsschluss

479

von ihm bestimmten elektronischen Adresse abgerufen werden kann. Wurde die elektronische Kommunikation an eine nicht vom Empfänger festgelegte Adresse geschickt, soll sie dem Empfänger zugehen, wenn sie vom Empfänger abgerufen werden kann und ihm bekannt wird, dass sie an die nicht bestimmte Adresse versandt worden ist. Idee dieser Vorschrift war es, eine Risikoverteilung anhand von Kontrollbereichen vorzunehmen.39 Dieser Ansatz ist richtig, bedarf aber aufgrund der technischen und wirtschaftlichen Vorgaben gewisser Modifikationen.40 Dass der Versender das Verzögerungs- und Verlustrisiko trägt, ist rechtlich sinnvoll, weil es dem ökonomischen Prinzip des cheapest cost avoider entspricht.41 Der Zeitpunkt der Abrufbarkeit wird regelmäßig dem Augenblick entsprechen, in dem die elektronische Kommunikation auf Seiten des Empfängers auf die Anwendungsebene des technischen Schichtenmodells gelangt. Dies ist nicht sachgerecht, da die Nachricht bereits mit Erreichen des IAPRouters auf Seiten des Empfängers in einen Bereich gelangt, für den die Organisationsgewalt beim Empfänger liegt.42 Versäumt worden ist, eine ausdrückliche Regelung für die Einschaltung Dritter auf der Empfängerseite zu treffen. Insofern ist die Norm dahingehend auszulegen, dass es nicht darauf ankommt, ob das Informationssystem, von dem die Nachricht abrufen wird, vom Empfänger selbst oder einem Dritten betrieben wird.43 Ebenfalls keine Sonderregel ist für den Fall vorgesehen, dass die Abrufbarkeit einer Nachricht aufgrund bestimmter IT-Sicherheitsmaßnahmen, die der Empfänger implementiert hat, nicht möglich ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift wäre die Erklärung – je nach Art der Firewall – möglicherweise dann nicht zugegangen, was nicht angemessen wäre, da der Empfänger seine Sicherheitsmaßnahmen selbst in der Hand hat44 und somit cheapest cost avoider ist. Außerdem würde ein Anreiz geschaffen, durch den Einsatz von ITSicherheits maßnahmen den Zugang von unerwünschten Nachrichten zu verhindern. Auch die Unterscheidung zwischen bestimmten und nicht bestimmten Adressen ist zu kritisieren. Zunächst ist schon unklar, aus welchen Umständen sich ergibt, dass ein Unternehmen manche Adressen zum Empfang elektroni-

39

Zur Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift vgl. Kilian, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 162, 163 ff. 40 Siehe Kap. 8 B. III. 1. c) bb) (2) (a). 41 Befürwortend auch Kilian, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 162, 172. 42 Siehe Kap. 9 C. IV. 3. 43 Ähnlich Kilian, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 162, 172. 44 Kilian, a.a.O., 173.

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10. Kapitel: Bewertung des ECC

scher Kommunikation bestimmt hat und andere nicht.45 Darüber hinaus wird hierdurch ein weiteres Kriterium eingeführt, über das im Streitfall Beweis zu erheben ist und so die Transaktionskosten erhöht. Es ist nicht ersichtlich, warum ein Unternehmen nicht wie bei herkömmlicher Kommunikation verpflichtet sein soll, die von ihm zur Verfügung gestellten Empfangsvorrichtungen zu kontrollieren.46 Die Klarstellung in Art. 10 Abs. 3 ECC, dass die Absendung und der Zugang an dem Ort unterstellt wird, wo sich die Niederlassung befindet, ist hingegen zu begrüßen. Die Vermutung trägt zur Rechtssicherheit bei, auch wenn sie nicht von der schwierigen Lokalisierung virtualisierter Unternehmen entbindet. III. Einsatz elektronischer Agenten Die im CISG sowie im deutschen und im US-amerikanischen Vertragsrecht herrschende Auffassung, dass der Einsatz elektronischer Agenten einem wirksamen Vertragsschluss nicht entgegensteht, stellt Art. 12 ECC noch einmal ausdrücklich heraus. Die Vorschrift hat damit eine bloße Bestätigungsfunktion. Die faktischen Schwierigkeiten bei der Feststellung eines Rechtsbindungswillens löst sie nicht. IV. Fehlerbehandlung Das ECC überlässt die Regelung der Folgen von Fehlern beim Vertragsschluss grundsätzlich dem nationalen Recht (Art. 14 Abs. 2 ECC). Art. 14 Abs. 1 ECC sieht aber für Eingabefehler ein besonderes Anfechtungsrecht vor, das § 10 (2) UETA beziehungsweise § 312g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB (ab 13.6.2014: § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB) ähnelt. Danach soll der Teil der elektronischen Kommunikation, in dem der Eingabefehler aufgetreten ist, zurückgezogen werden können, wenn das automatisierte Nachrichtensystem der anderen Partei keine Gelegenheit eröffnet, den Fehler zu korrigieren. Diese Regelung ist auch für das Recht der Handelsverträge zu begrüßen, da die für das Unternehmen handelnden Personen genau wie Verbraucher im elektronischen Geschäftsverkehr der erhöhten Gefahr von Tipp- und anderen Eingabefehlern ausgesetzt sind.47

45

Kilian, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 162, 166 mit dem Hinweis, dass die Bestimmung einer Adresse allenfalls bei ihrer Nennung in einem EDIRahmenvertrag völlig eindeutig ist. 46 Kilian, a.a.O., 166. 47 Gregory/Remsu, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 198, 210.; a.A. Wulf, S. 107 sowie UNCITRAL, A/CN.9/548, Abs. 15 f.

G. Verhältnis zu anderen Regelwerken

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Wünschenswert wäre allerdings eine zwingende Ausgestaltung der Vorschrift gewesen, denn durch die vertragliche Abbedingbarkeit muss der Besteller nun doch die Vertragsbedingungen im Hinblick auf einen Ausschluss studieren, um seinen Sorgfaltsmaßstab bei den technischen Eingaben entsprechend anzupassen. Problematisch kann sich die Ausübung des Rechts aus Art. 14 Abs. 1 ECC gestalten, wenn es um digitale Güter geht und der Besteller das Gut schon erhalten hat, denn dann ist für den Veräußerer kaum überprüfbar, ob der Besteller nach Anfechtung (withdrawal) seiner Willenserklärung nicht noch eine Kopie des Gutes gespeichert hat und somit weiterhin Vorteile aus der elektronischen Kommunikation ziehen kann. Die Verfasser des ECC haben auf dieses Problem dahingehend reagiert, dass das Anfechtungsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. b ECC an die Bedingung geknüpft wurde, dass von empfangenen Waren oder Dienstleistungen nicht bereits Gebrauch gemacht oder aus ihnen kein wesentlicher Nutzen oder Wert gewonnen worden ist. Dies überzeugt nicht, weil es das Anfechtungsrecht für Verträge über die Überlassung von digitalen Gütern48 und über den Zugang zu Datenbanken faktisch ausschließt, denn hier trifft der Vorteil der Kenntnisnahme oder der Nutzung faktisch bereits mit der Übermittlung der Bestelldaten ein. Die kurze Ausschlussfrist („so bald wie möglich“) des Art. 14 Abs. 1 lit. a ECC dient der Rechtssicherheit und entspricht ähnlichen handelsrechtlichen Regelungen (etwa § 377 HGB).

G. Verhältnis zu anderen Regelwerken G. Verhältnis zu anderen Regelwerken

Die wichtigste Zielsetzung des ECC ist es, die Probleme zu beheben, welche die Anwendung der Vorschriften über das Zustandekommen und die Abwicklung von Verträgen in anderen internationalen Übereinkommen für den elektronischen Handelsverkehr bereiten.49 Art. 20 ECC bestimmt die direkte Anwendbarkeit und den Vorrang des ECC im Verhältnis zu sechs ausdrücklich genannten (Art. 20 Abs. 1 ECC) sowie weiteren unbenannten (Art. 20 Abs. 2 ECC) internationalen Übereinkommen, die auf einen Vertrag anzuwenden sind, der dem ECC unterfällt. Damit soll eine Änderung anderer internationaler Übereinkommen entbehrlich werden50, was ein zeit- und kostenintensives Verfahren wäre, weil 48 Gregory/Remsu, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 198, 208 f. 49 ECC Präambel Abs. 6; Eiselen, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 333, 334; UNCITRAL, Explanatory note, Abs. 288 f. 50 UNCITRAL, a.a.O., Abs. 289.

482

10. Kapitel: Bewertung des ECC

jede Änderung von jedem Vertragsstaat ratifiziert werden müsste. Je verbreiteter ein Übereinkommen ist, desto schwieriger ist seine Novellierung mit anschließender Ratifikation durch alle Vertragsstaaten. Das ECC versucht, diesen negativen Netzwerkeffekt51 zu vermeiden. Die Zulässigkeit einer systematischen Verbindung des ECC zu anderen internationalen Übereinkommen ergibt sich aus der Übereinstimmung der den Übereinkommen zugrunde liegenden Zielsetzungen.52 Dies zeigt sich besonders deutlich in Bezug auf das CISG: Sowohl in der Präambel des CISG als auch in der Präambel des ECC wird herausgestellt, dass sie der Förderung des internationalen Handels ohne Diskriminierung zu dienen bestimmt sind. Die Effektivität der mit Art. 20 ECC gewählten Lösung hängt indes von einer weit reichenden Ratifikation des ECC durch die Vertragsstaaten der anderen internationalen Übereinkommen ab. Gelingt dies nicht, bleibt die Möglichkeit, die Regelungen und Wertungen des ECC in das nationale Recht zu inkludieren. Das ECC würde dann Teil eines hybriden Systems für internationale elektronische Handelsverträge. I. Auswirkungen auf das CISG Insbesondere Verträge, die sich nach dem CISG richten, könnten von der gleichzeitigen Anwendbarkeit von ECC und CISG profitieren53, denn hierdurch könnten gewisse Schwierigkeiten im Rahmen des CISG überwunden werden, die daraus resultieren, dass dieses – schon aufgrund des Zeitpunkts seiner Entstehung – nicht auf den elektronischen Geschäftsverkehr ausgerichtet ist. Bei der Bestimmung, ob ein Vertrag dem persönlichen Anwendungsbereich des CISG unterfällt, also bei der Untersuchung, ob die vertragsschließenden Unternehmen ihre Niederlassung in (unterschiedlichen) Vertragsstaaten haben, erteilt das ECC der in Fachliteratur vertretenen Auffassung54 eine Absage (vgl. Art. 6 Abs. 5 ECC), dass das Benutzen von Toplevel-Domains wie „.com“ oder „.net“ immer die Internationalität eines Vertragsschlusses bewirken soll. Die Anwendung des ECC auf elektronische Kommunikation, für die das CISG maßgeblich ist, beseitigt außerdem Unsicherheiten im Bereich der

51

Vgl. Kozuka, in: Basedow/Kono (Hrsg.), An Economic Analysis of Private International Law (2006), 73, 83. 52 Siehe Kap. 8 B. III. 1. d) bb) (e) zu diesem Kriterium in Bezug auf CISG. 53 Eiselen, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 333, 334. 54 Ferrari, The European Legal Forum 2000/01, 301, 302; ähnlich Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203, 231 f. in Bezug auf den gewerblichen Verwendungszweck.

G. Verhältnis zu anderen Regelwerken

483

Form.55 So ist im ECC normiert, dass eine elektronische Mitteilung der Schriftform genügen soll, wenn die in der Mitteilung enthaltenen Informationen der späteren Einsichtnahme zugänglich sind (Art. 9 Abs 2 ECC). Dies entspricht den Anforderungen, die die in der Fachliteratur herrschende Meinung im Rahmen des CISG zur Schriftlichkeit aufgestellt hat.56 Sofern das ECC von einem Staat ratifiziert wird, der einen Vorbehalt nach Art. 96 CISG erklärt hat, erledigt sich der Streit, ob in diesem Fall für Formfragen der Maßstab des Art. 13 CISG oder nationales Recht gilt57. Maßgeblich wäre dann allein Art. 9 ECC. Im ECC ist ferner die herrschende Literaturmeinung zu Art. 14 CISG aufgegriffen worden (vgl. Art. 11 ECC), wonach die Interaktivität einer Anwendung allein nicht genügt, um – in Abgrenzung zu einer invitatio ad offerendum – von einem verbindlichen Angebot auszugehen.58 Durch das ECC würde auch der Zugangszeitpunkt von elektronischen Erklärungen präzisiert, der nach den Regelungen des CISG und den hierzu vertretenen Meinungen in der Fachliteratur ungewiss ist.59 Eine elektronische Erklärung geht demnach zu, wenn der Empfänger die Nachricht abrufen kann (Art. 10 Abs. 2 ECC). Eine hilfreiche Klarstellung leistet auch die ECC-Regelung, wonach der Zugangsort am Ort der Niederlassung des Empfängers liegen soll (Art. 10 Abs. 3 ECC).60 Hiermit werden willkürliche Ergebnisse vermieden, die drohen würden, wenn man für elektronische Erklärungen den Zugangsort nicht näher regelt. Es bestünde die Gefahr, dass dann auf den Serverstandort oder den Ort des Zugriffs abgestellt würde.61 Durch das ECC werden auch Zweifel beseitigt, dass der Einsatz elektronischer Agenten beim Vertragsschluss nach dem CISG nicht wirksam sein könnte (Art. 12 ECC).62 II. Auswirkungen auf das New Yorker Übereinkommen und das Haager Übereinkommen über Gerichtsvereinbarungen Die Anwendbarkeit des ECC auf das NYÜ ist in Art. 20 Abs. 1 ECC ausdrücklich festgehalten. Für elektronische Schiedsvereinbarungen bedeutet 55

Eiselen, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 333, 343 f. 56 Siehe Kap. 8 B. III. 1 c) aa) (2). 57 Siehe Kap. 8 B. III. 1 c) aa) (1). 58 Siehe Kap. 8 B. III. 1 c) bb) (1). 59 Siehe Kap. 8 B. III. 1 c) bb) (2). 60 Ähnlich Eiselen, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 333, 347. 61 Siehe Kap. 8 B. III. 1 c) bb) (3). 62 Siehe Kap. 8 B. III. 1 c) bb) (6).

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10. Kapitel: Bewertung des ECC

dies, dass sie in einer Form abgefasst sein müssen, die der späteren Einsichtnahme zugänglich ist (Art. 9 Abs. 2 ECC). Dies entspricht den nationalen Umsetzungen des NYÜ in Deutschland und in den USA (§ 1031 Abs. 1 Alt. 2 ZPO; § 202 FAA i.V.m. § 7 (c) UETA). Das HÜG ist in Art. 20 Abs. 1 ECC nicht ausdrücklich genannt. Dennoch könnte das ECC auf Verträge anwendbar sein, die dem HÜG unterfallen, wenn für diesen Vertrag gleichermaßen der Anwendungsbereich des ECC eröffnet ist. Die Aufzählung in Art. 20 Abs. 1 ECC drückt lediglich aus, dass das ECC auf Verträge, die dem ECC und den dort benannten Übereinkommen unterfallen, in jedem Fall Anwendung findet. Hierdurch wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Vertragsstaaten das ECC auch auf Übereinkommen anwenden, die sie ebenfalls ratifiziert haben. Inhaltlich würde das ECC allerdings zu keiner Modifikation des HÜG führen. Elektronische Gerichtsstandsvereinbarungen sind nach dem HÜG mit schriftlichen Vereinbarungen gleichgestellt, wenn ein Rückgriff auf die in der Vereinbarung enthaltene Information zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist. Dies deckt sich mit Art. 9 Abs. 2 ECC. III. Auswirkungen auf das harmonisierte EU-Recht und das deutsche Recht Für das Verhältnis zum EU-Recht ist Art. 20 ECC nicht maßgeblich, vielmehr greift in diesem Fall Art. 17 Abs. 4 ECC ein. Dieser ermöglicht in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 ECC einer von souveränen Staaten gebildeten Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, mithin der EU63, „Vertragsstaat“ des ECC zu werden und eine Erklärung im Sinne des Art. 21 ECC abzugeben, dass das ECC keinen Vorrang vor entgegenstehenden eigenen Vorschriften hat, die auf Parteien anwendbar sind, deren Niederlassung sich in Mitgliedstaaten dieser Organisation befindet. Unverständlicherweise war diese Regelung der Europäischen Kommission nicht ausreichend.64 Vielmehr verlangte die Europäische Kommission die Aufnahme einer sogenannten „disconnection clause“, die das EU-Recht in jedem Fall für vorrangig erklären sollte.65 Dies hätte aber die absurde Konsequenz, dass ein internationales Übereinkommen eine Vorschrift des europäischen Kollisionsrechts beinhalten würde.66

63 Kilian, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 407, 407 f. 64 Ähnlich Kilian, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 407, 411. 65 UNCITRAL, A/CN.9/578/Add.5, Abs. 1. 66 UNCITRAL, A/60/17, Abs. 120.

G. Verhältnis zu anderen Regelwerken

485

Unterstellt man, dass die EU67 und/oder Deutschland dem Übereinkommen beitreten würden, ohne eine Erklärung nach Art. 21 ECC abzugeben, könnte dies die europäischen und deutschen Regelungen für elektronische Kommunikation verändern. Erhebliche Auswirkungen für die Frage, ob Server oder Unternehmenswebseiten als Niederlassungen anzusehen sind, die sich im internationalen Prozessrecht68 (Art. 60 EuGVVO, § 21 ZPO) und im internationalen Privatrecht69 (Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom-I-VO) stellt, hätte die ausdrückliche Regelung in Art. 6 Abs 4 ECC, wonach ein Ort nicht schon allein deshalb eine Niederlassung ist, weil sich dort Ausrüstung und Technik zur Unterstützung eines Informationssystems befinden, das von einer Partei im Zusammenhang mit dem Zustandekommen eines Vertrages genutzt wird, oder weil andere Parteien dort auf das Informationssystem zugreifen können. Für schriftlich abzuschließende Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO bringt das ECC keine Veränderung, da Art. 23 Abs. 2 EuGVVO als funktionales Äquivalent keine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne der EG-Signaturrichtlinie fordert, sondern nur verlangt, dass eine dauerhafte Aufzeichnung der elektronischen Kommunikation möglich ist.70 Dies entspricht im wesentlich den Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 ECC. In Bezug auf § 38 Abs. 2 ZPO würde das ECC allerdings einen rechtsunsicherheitsbegründenden Meinungsstreit beenden.71 Es wäre entschieden, dass es nicht zwangsläufig einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem SigG bedarf, sondern nur dann, wenn die Umstände des Geschäfts diesen Grad an Verlässlichkeit erfordern (vgl. Art. 9 Abs. 3 ECC). Der Versuch, durch eine Auslegungsregel für die Abgrenzung zwischen verbindlichem Angebot und bloßer invitatio ad offerendum Rechtssicherheit zu schaffen, ist aufgrund der aufgezeigten72 Unklarheiten in diesem Bereich zu begrüßen. Die Auslegungsregel des Art. 11 ECC stellt allerdings nicht wie der traditionelle Auslegungsmaßstab des deutschen Rechts darauf ab, ob die Gefahr besteht, dass der Anbietende in Lieferschwierigkeiten gerät. Dementsprechend müsste der Auslegungsmaßstab im deutschen Recht verändert werden. Im Hinblick auf den Zugang von elektronischen Erklärungen würde die Regelung in Art. 10 Abs. 2 ECC bedeuten, dass es maßgeblich auf die Abrufbarkeit der Erklärung ankäme und nicht, wie von der (wohl) herrschenden 67

Zur Frage, ob die EG die entsprechende Kompetenz hat, das ECC zu unterschreiben vgl. Kilian, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 407, 414. 68 Siehe Kap. 8 B. I. 2. b), 4., c). 69 Siehe Kap. 8 B. II. 3. c). 70 Siehe Kap. 8 B. I. 2. e) bb). 71 Siehe Kap. 8 B. I. 4. f) bb). 72 Siehe Kap. 8 B. III. 2. c) cc).

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10. Kapitel: Bewertung des ECC

deutschen Fachliteratur vertreten73, auf das Verlassen des Übertragungswegs, Passieren einer Schnittstelle und Erreichen einer Empfangsvorrichtung auf Seiten des Empfängers. Im Bereich der Durchsetzung von Urteilen wäre durch Art. 9 Abs. 4, 5 ECC sichergestellt, unter welchen Voraussetzungen die Originaldatei eines im Online-Schiedsverfahren ergangenen Urteils vorliegt. Es muss hinreichend verlässlich feststehen, dass die Integrität der in der elektronischen Kommunikation enthaltenen Information in finaler Form seit ihrer ersten Erzeugung gewahrt ist und die Information der späteren Einsichtnahme zugänglich ist (Art. 9 Abs. 4 ECC). Hierbei soll es auf die Vollständigkeit und die Nichtveränderung der Information seit ihrer Erzeugung ankommen (Art. 9 Abs. 5 (a) ECC). Der Maßstab für die hinreichende Verlässlichkeit steht nicht allgemein fest, sondern soll sich nach den Umständen des Einzelfalls bestimmen (Art. 9 Abs. 5 lit. b ECC). Damit würde das Verfahren der Vollstreckbarerklärung74 vor deutschen Gerichten vereinfacht. Grundsätzlich stehen die Vorschriften des ECC nicht im Widerspruch zum harmonisierten EU-Recht.75 Insbesondere das Prinzip der Nichtdiskriminierung von elektronischer Kommunikation in Art. 9 der E-CommerceRichtlinie76 findet eine Entsprechung in Art. 8 ECC. Außerdem steht das ECC mit der Signaturrichtlinie77 im Einklang.78 Zwar ist im ECC vorgesehen, dass eine Methode angewandt werden muss, die geeignet ist, den Unterschreibenden zu identifizieren und zuverlässig seine Zustimmung zu der in der elektronischen Kommunikation enthaltenen Information anzuzeigen (Art. 9 Abs. 3 lit. a ECC), und die Signaturrichtlinie nimmt auf die Zustimmung des Unterschreibenden zur elektronischen Kommunikation keinen Bezug. Allerdings ist in Art. 9 Abs. 3 (a) ECC nicht vorgesehen, dass aus der Verwendung der entsprechenden elektronischen Signaturmethode tatsächlich auch eine Zustimmung zum Inhalt der elektronischen Kommunikation folgt, und die Signaturrichtlinie akzeptiert jede Authentifizierungsmethode, unabhängig davon, ob der Signierende dem Inhalt der elektronischen Nachricht zustimmt oder 73

Siehe Kap. 8 B. III. 2. c) dd). Siehe Kap. 8 B. IV. 1 c) bb). 75 Kilian, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 407, 411. 76 Richtlinie 2000/31 des Europäischen Parlamentes und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) vom 8.6.2000, ABl. EG Nr. L 178 vom 17.7.2000, S. 1. 77 Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13.12.1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, ABl. EG Nr. L 13 vom 19.1.2000, S. 12. 78 Kilian, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 407, 412 f. 74

G. Verhältnis zu anderen Regelwerken

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nicht.79 Dass kein Widerspruch zwischen EU-Recht und dem ECC besteht, zeigt sich auch daran, dass einige EU-Staaten bei ihrer E-CommerceGesetzgebung die Prinzipien des MLEC berücksichtigt haben, auf denen das ECC beruht, und die Europäische Kommission hiergegen nicht eingeschritten ist.80 IV. Auswirkungen auf das US-amerikanische Recht Das ECC könnte auch Auswirkungen auf das US-amerikanische Recht für internationale Verträge haben, denn es wäre nach Ratifizierung durch die USA bei internationalen Handelsverträgen vorrangig gegenüber den bisher bestehenden Gesetzeswerken, insbesondere gegenüber E-SIGN und UETA81. Server und Webseite nicht als Niederlassung einzuordnen (Art. 6 Abs. 4 ECC), würde den diesbezüglichen Ansätzen im US-amerikanischen Prozessrecht82 entsprechen. Der Grundsatz der Formfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 ECC würde für elektronische Handelsgeschäfte, die US-amerikanischem Recht unterliegen, in gewissen Fällen überlagert. So sind ab einem gewissen Gegenstandswert (Kaufverträge über USD 500 (§ 2–201 (1) UCC), Zessionen über USD 5.000 (§ 1– 206 UCC), Verträge über Computerinformationen über USD 5.000 (§ 201 (a) (1) UCITA)) Formerfordernisse (Schriftform (§ 2–201(1) UCC, § 1–206 UCC) oder die authentifizierte Aufzeichnung (§ 201 (a) (1) UCITA)) vorgesehen. Für die Erfüllung dieser Formerfordernisse im elektronischen Geschäftsverkehr würde das ECC Veränderungen bringen. Der insofern maßgebliche § 7 (c) UETA entspricht zwar im Hinblick auf die Anforderungen bezüglich der Speicherbarkeit und Abrufbarkeit der Information in lesbarer Form dem Art. 9 Abs. 2 ECC, allerdings verlangt § 7 (d) UETA für das funktionale Äquivalent zur handschriftlichen Unterschrift nicht, dass die eingesetzte Methode geeignet ist, den Unterschreibenden zu identifizieren, und dass sie einen gewissen Grad an Verlässlichkeit aufweist.83 Die Anforderungen, die Art. 9 Abs. 4, 5 ECC für ein funktionales Äquivalent zu einem Original aufstellt, decken sich mit denen, die das USamerikanische Recht an ein elektronisches Original stellt84, wonach die In-

79

Kilian, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 407, 413. 80 Kilian, a.a.O., 413. 81 Martin, Pace Int’l L. Rev. 2005, 261, 284. 82 Siehe Kap. 8 B. I. 5. a)-c). 83 Boss, in: Boss/Kilian (Hrsg.), The United Nations Conventions on the Use of Electronic Communications in International Contracts (2008), 263, 277 f. 84 Boss, a.a.O., 278.

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10. Kapitel: Bewertung des ECC

formation der Ursprungsaufzeichnung fehlerfrei wiedergegeben und für eine spätere Einsichtnahme erreichbar bleiben muss.85 Leichte Veränderungen würde das ECC im Hinblick auf den Zugang von elektronischen Erklärungen bringen, denn im US-amerikanischen Recht kommt es für den Zugang bisher nicht auf die Abrufbarkeit der konkreten Mitteilung an (so aber die Regelung in Art. 10 Abs. 2 ECC), sondern auf das Gelangen in ein Datenverarbeitungssystem, das grundsätzlich dem Zugriff des Empfängers offensteht (§§ 15 (b) (1) UETA, 102 (a) (53 (B) UCITA).

H. Zwischenergebnis H. Zwischenergebnis

Das ECC kann aufgrund seines minimalistischen Ansatzes und seiner Ähnlichkeit mit bereits bestehenden nationalen Rechtssystemen für sich in Anspruch nehmen, dass seine Ratifikation nur geringe Implementierungskosten verursachen würde. Das ECC ist in sachlicher Hinsicht auf jeden Handelsvertrag anwendbar, bei dem elektronische Kommunikation eingesetzt wird, einschließlich Verträgen über den Erwerb von digitalen Gütern. Es gilt in allen Vertragsphasen, das heißt von der Anbahnung des Vertrages über den Abschluss bis hin zur Durchführung des Vertrages. In persönlich – räumlicher Hinsicht ist das ECC autonom anzuwenden. Wird daher in einem Vertragsstaat Klage erhoben, der auch international zuständig ist, ist das ECC unabhängig von der lex causae anzuwenden. Allerdings ist der Regelungsbereich des ECC sehr begrenzt. Das ECC harmonisiert weder die internationale Zuständigkeit noch die kollisionsrechtliche Anknüpfung. Auf sachrechtlicher Ebene fehlt es an Regeln zum Zustandekommen von Verträgen, insbesondere zur Einbeziehung und Wirksamkeit von AGB, zu Rechtsscheinvollmachten bei elektronischer Kommunikation sowie zu Aspekten der Vertragsdurchführung und der Vertragsbeendigung wie Leistungsstandards, Leistungsverweigerungsrechten, Erfüllungsort oder Erfüllungshandlung und Leistungsstörung. Daher werden durch das ECC nicht alle aufgezeigten Rechtsunsicherheitsfaktoren beseitigt und Teile anderer internationaler Übereinkommen (insbesondere das CISG) bleiben anwendbar. Durch das ECC werden allerdings auch einige Rechtsunsicherheiten beseitigt, die nach bisherigem internationalen, deutschen und US-amerikanischen Zivilprozess-, Kollisions- und Vertragsrecht bestanden. So vereinheitlicht das ECC für den internationalen elektronischen Geschäftsverkehr verschiedene Formanforderungen. Dies ist vor allem für elektronische Gerichsstands-, Schieds- oder Rechtswahlvereinbarungen sowie für elektronische Handels85

Siehe Kap. 8 B. III. 3. e) aa).

H. Zwischenergebnis

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verträge nach US-amerikanischem Recht mit einem Gegenstandswert von mehr als USD 500 relevant, die demnach formwirksam sind, wenn sie die Voraussetzungen von Art. 9 ECC erfüllen (Abs. 2 Schriftlichkeit: die in der Mitteilung enthaltene Information muss zur späteren Einsichtnahme zugänglich sein; Abs. 3 Unterschrift: Methode, die geeignet ist, den Unterschreibenden zu identifizieren und zuverlässig seine Zustimmung zu der in der elektronischen Kommunikation enthaltenen Information anzeigt; Abs. 4, 5 Original: verlässliche Versicherung der Wahrung der Integrität der in der elektronischen Kommunikation enthaltenen Information seit ihrer Erzeugung und Möglichkeit der späteren Einsichtnahme). Die Vorschriften des CISG, des NYÜ, des deutschen und des US-amerikanischen Rechts zur Ausgestaltung bestimmter Formanforderungen werden somit überlagert. Ein Rückgriff auf das nationale Recht, wie ihn die Rom-I-VO für Rechtswahlvereinbarungen vorsieht, wird entbehrlich. Insgesamt ist der im ECC enthaltene Maßstab sehr offen und flexibel. Der Einsatz bestimmter krypthografischer Verfahren wird nicht festgeschrieben. Vielmehr wird es den Vertragsparteien überlassen, zu bestimmen, welchen Grad an IT-Sicherheit sie für den Abschluss des Vertrages als angemessen erachten. Außerdem bestimmt das ECC verschiedene Kriterien, um Lokalisierungsfragen im virtuellen Raum zu lösen. Der territorialen Anknüpfung an Hardware (Art. 6 Abs. 4 ECC), Ort des Abrufes von elektronischer Kommunikation (Art. 6 Abs. 4 ECC), Domain-Namen oder Emailadresse (Art. 6 Abs. 5 ECC) wird eine Absage erteilt und es wird eine Vermutung aufgestellt, dass die Partei ihre Niederlassung am angegebenen Ort hat (Art. 6 Abs. 1 ECC). Dies ist ein hilfreicher Ansatz für die Bestimmung des Niederlassungsorts, der nach deutschem und US-amerikanischem Recht als Gerichtsstand oder für die Anwendbarkeit internationaler Übereinkommen, wie dem CISG, maßgeblich ist. Ferner dürften diese Kriterien auch bei der Bestimmung des Erfüllungsortes heranzuziehen sein. Verschiedene auch für das CISG, das deutsche und das US-amerikanische Vertragsrecht bestehende Ansätze zu Rechtsfragen des elektronischen Geschäftsverkehrs werden bestätigt oder präzisiert (Abgrenzung zwischen verbindlichem Angebot und bloßer invitatio ad offerendum, Art. 11 ECC; Ort und Zeit der Absendung und des Zugangs elektronischer Kommunikation, Art. 10 ECC; Einsatz elektronischer Agenten, Art. 12 ECC; Anfechtungsrecht bei Eingabefehlern, Art. 14 ECC).

Kapitel 11

Zusammenfassung A. Veränderung der Anforderungen an rechtliche Rahmenbedingungen durch die Globalisierung der Märkte und Informatisierung von Transaktionen A. Veränderung der Anforderungen an rechtliche

Die Globalisierung der Märkte und vor allem die Informatisierung von Transaktionen stellen neue Anforderungen an die rechtlichen Rahmenbedingungen für internationale elektronische Handelsgeschäfte (grenzüberschreitende Geschäfte über computergestützte Netzwerke im Rahmen der Zweckbestimmung von Unternehmen). Der Vertragsabschluss und die Leistungserbringung über digitale, unternehmensübergreifende Informations- und Kommunikationssysteme werfen für das herkömmliche juristische Modell, das auf persönlichen mündlichen oder schriftlichen Kontakten beruht, Fragen in Bezug auf die Verbindlichkeit der Transaktion, die Zuordnung des Fehlerrisikos, die Bestimmung des Vertragsabschlussortes oder die sonstige Anknüpfung an territoriale Kriterien auf, wie sie das klassische internationale Zivilverfahrensrecht und das internationale Privatrecht vornehmen. Die Digitalisierung von Kommunikation verlangt außerdem die Anpassung herkömmlicher gesetzlicher Formerfordernisse. Wird die Leistungserbringung digitalisiert, können, sofern eine umfassende vertragliche Regelung fehlt, Schwierigkeiten dadurch entstehen, dass im Hinblick auf Leistungspflichten und Gewährleistungsrechte klassische Vertragsarten wie der Kaufvertrag, Werkvertrag, Dienstvertrag oder Mietvertrag herangezogen werden müssen, die am Leitbild physischer Leistungsprozesse entwickelt worden sind. Technische Standards gewinnen für rechtliche Rahmenbedingungen und die rechtliche Beurteilung zunehmend an Bedeutung. Dies gilt insbesondere bei der juristischen Risikoverteilung und der Sicherung der Richtigkeit von elektronischer Kommunikation.

B. Bestehende jur. Regelungsansätze f. int. elektr. Handelsverträge

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B. Bestehende juristische Regelungsansätze für internationale elektronische Handelsverträge B. Bestehende jur. Regelungsansätze f. int. elektr. Handelsverträge

Mittels spezifischem elektronischen Vertragsrecht mit verbindlichem Charakter wird diesen Herausforderungen auf internationaler Ebene bisher nur durch das ECC begegnet, das am 1.3.2013 in Kraft tritt. Die übrigen internationalen Regelwerke, die speziell für internationale elektronische Handelsgeschäfte geschaffen wurden, haben nur den Charakter von unverbindlichen Modellvorschriften und Empfehlungen (UNCITRAL-Modellgesetze, ICC eTerms, europäische EDI-Mustervereinbarung). Im Gegensatz zu diesen Ansätzen, die von Rechtsregeln formulierenden Organisationen ausgehen, ist auch vorgeschlagen worden, die Rechtsregeln für den Bereich des Internets durch privatautonome Selbstregulierung der Nutzer zu entwickeln (Lex Informatica). Der Rechtsrahmen, den das deutsche und US-amerikanische Recht für internationale elektronische Handelsverträge vorsieht, ist teilweise speziell für den elektronischen Geschäftsverkehr geschaffen worden (Deutschland: ECommerce-Richtlinie, Signaturrichtlinie, Elektronischer-GeschäftsverkehrGesetz, Formanpassungsgesetz, Telemediengesetz, Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie Unternehmensregister; USA: UETA, E-SIGN, UCITA). Außerdem bildet das nationale und internationale Vertragsrecht (insbesondere das CISG), das nicht speziell für elektronische Handelsverträge entwickelt wurde, aber auf diese anwendbar ist, Teil des bestehenden Rechtsrahmens für internationale elektronische Handelsgeschäfte. Im Bereich des internationalen Prozessrechts spielt das NYÜ für internationale elektronische Handelsgeschäfte eine bedeutende Rolle.

C. Rechtliche Rahmenbedingungen und Transaktionskosten C. Rechtliche Rahmenngungen und Transaktionskosten

Die Informatisierung von Transaktionen und die Globalisierung der Märkte führen zu einer Senkung von Transaktionskosten. (Juristische) Organisationsprobleme – wie die Durchsetzung von Verträgen – können Kosten verursachen, die diese Transaktionskostenvorteile schmälern. Dem kann durch die Schaffung von effektiven Institutionen entgegengewirkt werden. Im Sinne der Institutionenökonomik sind Verträge und Rechtsnormenkomplexe Institutionen, die als Beherrschungs- und Überwachungssysteme für Transaktionen die Aufgabe haben, die Transaktionskosten zu senken. Dem Recht kommt eine vertrauenssubstituierende Wirkung zu, weil es erlaubt, den Geschäftspartner zu zwingen, sein Versprechen zu erfüllen oder von ihm jedenfalls den Schaden ersetzt zu bekommen, der durch die Nichterfüllung verursacht wurde. Die Diversität des Rechts und die damit verbundene Unsicherheit führt jedoch beim internationalen elektronischen Handelsverkehr zu besonderen

492

11. Kapitel: Zusammenfassung

Koordinationsproblemen, die sich in entsprechenden Transaktionskosten widerspiegeln. Spieltheoretisch droht ein Tauschdilemma. Bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften kann Rechtsunsicherheit in vierfacher Hinsicht bestehen: in Bezug auf das für die Streitentscheidung zuständige Gericht, hinsichtlich der Bestimmung des auf den Sachverhalt anwendbaren Rechts, bezüglich der Durchsetzbarkeit eines Urteils sowie im Hinblick auf die Anwendung und Auslegung des anwendbaren Sachrechts.

D. Das Selbstverwaltungsmodell D. Das Selbstverwaltungsmodell

Ein Selbstverwaltungsmodell (Stabilisierung von Verhaltenserwartungen durch Gütesiegel sowie Reputations- und Feedbacksysteme) ist allein nicht ausreichend, um die rechtsunsicherheitsbedingten Transaktionskosten hinreichend zu senken. Insbesondere die Wirkung von Reputations- und Feedbacksysteme wird oft überschätzt. Für einen Marktplatzbetreiber kann ein Marktplatz mit einem extrem hohen Wert an positiven Bewertungen interessanter sein als ein Marktplatz, bei dem alle problembehafteten Transaktionen aufgedeckt werden. Außerdem unterscheiden Reputations- und Feedbacksysteme meist nicht zwischen der Wertigkeit der angebotenen Güter, so dass es nicht hinreichend reflektiert wird, wenn sich ein Verkäufer bei hochwertigen Gütern betrügerisch verhält und bei geringwertigen Gütern die Transaktion ordnungsgemäß abwickelt. Ein effektives Rechtssystem hat im Vergleich zu Reputations- und Feedbacksystemen den Vorteil, dass das Vertrauen in den Vertragspartner eine weniger wichtiger Rolle spielt, wodurch sich der Kreis der möglichen Transaktionspartner erweitert und Gesichtspunkte wie Preis und Qualität der Ware wichtiger werden. Dennoch können Gütesiegel und Reputationssysteme bei effektiver Ausgestaltung im Wege der Ergänzung des Rechts durch Vertrauenssteigerung zwischen den Vertragsparteien einen Beitrag zur Bewältigung der Transaktionskostenproblematik bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften leisten. Auch eine ausschließlich privatautonome Selbstregulierung der Internetnutzer in Analogie zur Lex Mercatoria ist abzulehnen. Handlungen im virtuellen Raum bleiben in der physischen Welt spürbar und nach dem CoaseTheorem ist die Nutzergemeinschaft nicht befähigt, selbständig verbindliche Regeln zu entwickeln. Außerdem könnte es zur Entstehung von SubRegelsystemen und vor allem zur Stärkung marktmächtiger Unternehmen kommen.

E. Effizienz der bestehenden Rechtsregeln zur Reduktion von Rechtsunsicherheit 493

E. Effizienz der bestehenden Rechtsregeln zur Reduktion von Rechtsunsicherheit E. Effizienz der bestehenden Rechtsregeln zur Reduktion von Rechtsunsicherheit

Die bestehenden Rechtsregeln schaffen ein gewisses Mindestmaß an Rechtssicherheit für internationale elektronische Handelsgeschäfte. Dennoch bestehen bei der gerichtlichen Zuständigkeit, der Bestimmung des anwendbaren Rechts, der Durchsetzbarkeit eines Urteils sowie der Anwendung und Auslegung des anwendbaren Sachrechts Rechtsunsicherheiten, die Transaktionskosten verursachen. I. Internationale Gerichtszuständigkeit Die Bestimmung des zuständigen Gerichts kann bei Streitfällen aus internationalen elektronischen Handelsverträgen diverse Schwierigkeiten aufwerfen. Aufgrund elektronischer Kommunikationsmethoden kann die Bestimmung des Sitzes, der Hauptverwaltung oder der Niederlassung problematisch sein. Für das US-amerikanische Recht hält § 109 (d) UCITA einen tragfähigen Ansatz zur Überwindung dieses Problems bereit, indem der Aufenthaltsort der Gesellschafter ersatzweise zum allgemeinen Gerichtsstand erklärt wird. Die Einordnung eines Servers oder einer Webseite als Niederlassung ist weder im deutschen noch im US-amerikanischen Recht abschließend geklärt. Nach US-amerikanischem Recht kann eine Webseite über das Kriterium der dauerhaften und systematischen Geschäftstätigkeit jedoch dann einen allgemeinen Gerichtsstand begründen, wenn über sie im großem Umfang Verträge mit Kunden aus dem Forumstaat geschlossen werden. Für die Bestimmung der Gerichtszuständigkeit im elektronischen Geschäftsverkehr ist im US-amerikanischen Recht mit dem Sliding Scale-Test ein technologiespezifischer Ansatz entwickelt worden. Dieser hat jedoch zu keiner Reduktion von Rechtsunsicherheiten geführt. Bei Anwendung des Sliding Scale-Tests ist vor dem Hintergrund der Entwicklung im Bereich der Webseitengestaltung beinah jeder Anbieter im elektronischen Geschäftsverkehr in den USA gerichtspflichtig. Die EuGVVO beziehungsweise das LugÜ verfolgen keinen technologiespezifischen Ansatz. Für internationale elektronische Handelsgeschäfte bestehen auch hier Rechtsunsicherheiten. Sofern auf Verträge, die mit elektronischen Mitteln abgeschlossen werden und die Lieferung einer Ware auf herkömmlichem Weg zum Gegenstand haben, die EuGVVO oder das LugÜ anwendbar ist, wird es regelmäßig zu einer Konzentration aller Vertragsstreitigkeiten beim Gericht des Erfüllungsortes kommen. Entspricht die vertragscharakteristische Leistung der Verkäuferhandlung eines Kaufvertrages, ist der Erfüllungsort der Ort, an dem die Ware vom Käufer angenommen wird. Handelt es sich um einen Dienst- oder Werkvertrag ist der Erfüllungsort der Ort der Leistungserbringung.

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11. Kapitel: Zusammenfassung

Bei Erbringung der vertraglichen Hauptleistung auf digitalem Weg ist unklar, ob ein Kaufvertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 1. Spiegelstrich EuGVVO/LugÜ vorliegen kann. Hintergrund ist, dass die Sachqualität von immateriellen Gütern – insbesondere Software – im Rahmen der EuGVVO bisher nicht geklärt ist. Nach der hier vertretenen Auffassung steht die digitale Übermittlungsform einer Einordnung als Kaufvertrag nicht entgegen, so dass der Erfüllungsort am Standort der Hardware des Empfängers liegt. Die digitale Übermittlung steht nach dem EuGH einer Einordnung als Dienstvertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich EuGVVO/LugÜ nicht entgegen. Eine solche Einordnung setzt allerdings ein starkes dienstoder werkvertragliches Element voraus. Daher besteht für Softwareverträge mit überwiegend mietvertraglichen Leistungspflichten kein Erfüllungsort mit prozessrechtlicher Konzentrationswirkung. Vielmehr muss der Erfüllungsort bei solchen Verträgen für jede einzelne vertragliche Verpflichtung nach der lex causae bestimmt werden. Für Verträge über digitale Leistungen mit Dienst- oder Werkvertragscharakter ist hingegen ein einheitlicher Gerichtsstand für alle vertraglichen Streitigkeiten am Sitz des Dienstleistungserbringers gegeben. Rechtsunsicherheiten bei der Bestimmung des Erfüllungsortes können die Parteien eines elektronischen Handelsvertrages nicht ohne weiteres durch eine Erfüllungsortvereinbarung beseitigen. Die Wirksamkeit von Erfüllungsortvereinbarungen, die mittels elektronischer Kommunikationsmittel abgeschlossen werden, richtet sich nicht nach der EuGVVO oder dem LugÜ, sondern nach dem anwendbaren Sachrecht. Nach der ZPO ist eine elektronisch abgeschlossene Erfüllungsortvereinbarung wirksam. Wird jedoch der Vertrag auf elektronischem Weg erfüllt, verlagert die ZPO die Bestimmung des Erfüllungsortes auf die Ebene des Sachrechts. Die Vertragsparteien können Unsicherheiten bei der gerichtlichen Zuständigkeit durch Gerichtsstandsvereinbarungen reduzieren. Für den wirksamen Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung ist bei der Bestellung per Mausklick über eine Webseite entscheidend, dass die Zustimmung nachgewiesen werden kann, da aufgrund der Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte auch bei Erfüllung der Formerfordernisse des Art. 23 EuGVVO die Willenseinigung der Parteien über die Gerichtsstandsvereinbarung nicht vermutet werden kann. Sowohl für den Vertragsschluss durch Austausch von Emails als auch für das Bestellen per Mausklick auf einer Webseite mit anschließender Bestätigungsemail besteht seit Einführung von Art. 23 Abs. 2 EuGVVO/LugÜ weitgehende Rechtsklarheit in Bezug auf die Erfüllung von Formerfordernissen. Bei Anwendbarkeit des deutschen Verfahrensrechts müssen die Parteien bei elektronischen Handelsverträgen der Form des § 126a BGB genügen, um das Risiko zu vermeiden, dass ihre Gerichtsstandsvereinbarung vor einem deutschen Gericht nicht anerkannt wird. Die Form des § 126a BGB kann sich

E. Effizienz der bestehenden Rechtsregeln zur Reduktion von Rechtsunsicherheit 495

bei Verträgen mit außereuropäischen Unternehmen als hohe Hürde erweisen, da sie im Ergebnis verlangt, dass in jedem Fall die strengen europäischen Vorgaben für die qualifizierte elektronische Signatur eingehalten werden. Bei elektronisch abgeschlossenen Verträgen nach US-amerikanischem Recht können Gerichtsstandsvereinbarungen grundsätzlich wirksam vereinbart werden, allerdings bleibt aufgrund der Lehre vom forum non conveniens eine gewisse Restunsicherheit. Anstelle einer Gerichtsstandsvereinbarung kann zur Risikoreduktion auch eine Schiedsvereinbarung verwendet werden. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Schriftformerfordernis des Art. II (2) NYÜ auch durch elektronische Kommunikation erfüllt werden kann. Die Anwendung von Art. VII (1) NYÜ auf Schiedsvereinbarungen führt dazu, dass vor deutschen Gerichten Schiedsvereinbarungen die Formerfordernisse des § 1031 ZPO erfüllen müssen. Dies kann durch die Verwendung der Textform des § 126b BGB erfolgen. Ausreichend ist außerdem, wenn die Schiedsvereinbarung in einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben in elektronischer Form enthalten ist. Für die wirksame Einbeziehung einer in AGB enthaltenen Schiedsvereinbarung genügt es, wenn die AGB zum Download bereitgestellt werden oder über einen Hyperlink abrufbar sind. Voraussetzung nach US-amerikanischem Recht ist, dass die elektronische Kommunikation, mit der die Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen wurde, speicherbar und in lesbarer Form abrufbar ist. Zwischen US-amerikanischen und deutschen Gerichten besteht keine Einigung darüber, ob sich die Wirksamkeit von Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen, die in einem elektronischen Vertrag enthalten sind, der dem CISG unterfällt, auch nach dem CISG (so die US-amerikanischen Gerichte) oder aber nach nationalem Recht (so die deutschen Gerichten) richtet. Für das Online-Schiedsverfahren bestehen erhebliche Anwendungsschwierigkeiten der schiedsverfahrensrechtlichen Vorschriften, die an das territoriale Kriterium des Schiedsortes anknüpfen, weil der Ort des Schiedsgerichts kaum lokalisiert werden kann, wenn das gesamte Schiedsverfahren durch elektronische Kommunikation abgewickelt wird. II. Internationales Privatrecht Ein Grundproblem des CISG, das – sofern anwendbar – die Anwendung (weiterer) nationaler kollisionsrechtlicher Vorschriften entbehrlich macht und so die Rechtsunsicherheit reduziert, ist das Fehlen eines obersten Rechtsprechungsorgans mit der Befugnis, divergierende Rechtsauffassungen verschiedener Gerichte zu harmonisieren. Dies wirkt sich in Bezug auf den Grad der Rechtssicherheit zwangsläufig gerade in solchen Bereichen negativ aus, bei denen verschiedene Auslegungen denkbar sind. Ein Bereich ist die Wareneigenschaft von digitalen Gütern, insbesondere elektronisch übermittelter

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11. Kapitel: Zusammenfassung

Software, weitere sind der Kaufvertragscharakter von modernen Vertragstypen wie auf dem Gebiet des Cloud-Computing und SaaS, die Bestimmung des Niederlassungsortes im elektronischen Geschäftsverkehr und die Einordnung von Internet-Auktionen im Hinblick auf Art. 2 lit. b CISG. Die Vertragsparteien können Rechtsunsicherheit über das anwendbare Recht vor allem durch Rechtswahlvereinbarungen verringern. Ob eine Rechtswahlvereinbarung auch auf elektronischem Weg wirksam geschlossen werden kann, bestimmt sich im Rahmen der Rom-I-VO nach dem gewählten Recht. Die Rom-I-VO ermöglicht, internationale elektronische Handelsverträge nichtstaatlichen Regeln zu unterwerfen: Hiermit sind allerdings nicht die Lex Mercatoria oder die Lex Informatica gemeint, sondern von internationalen Organisationen und Gruppen aufgestellte Regelwerke. Insbesondere kommen das MLEC, das MLES sowie der UCITA in nicht umgesetzter Form in Betracht. Bei der objektiven Anknüpfung wirft die Behandlung virtualisierter Unternehmen die gleichen Probleme auf wie bei der Bestimmung des allgemeinen Gerichtstandes. Der Ort der Hauptverwaltung oder der Hauptniederlassung können nur schwer lokalisiert werden. Die Unterscheidung zwischen Kaufund Dienstvertrag, die bei elektronischen Verträgen unter Umständen schwierig sein kann, ist im Bereich der objektiven Anknüpfung weniger relevant, da es in beiden Fällen nicht auf den Ort der Leistungshandlung, sondern auf den Sitz des Anbieters ankommt. Der Sitz des Anbieters wird auch bei Verträgen, die mit Hilfe virtueller Auktions- und Börsensystemen geschlossen werden, regelmäßig das Sachrecht determinieren; der Sitz des Auktions- oder Börsenbetreibers ist nicht maßgeblich. Anders als nach der Rom-I-VO bestimmt sich die Wirksamkeit einer Rechtswahlvereinbarung nach US-amerikanischem Kollisionsrecht nach der lex fori. Vor US-amerikanischen Gerichten ist daher für die Wirksamkeit von Rechtswahlvereinbarungen in elektronischen Verträgen das US-amerikanische Recht maßgeblich. Folglich ist ihr wirksamer Abschluss, auch durch Einbeziehung von AGB, möglich. Indes ist bisher nicht abschließend geklärt, ob internationale, nichtstaatliche Regelwerke oder ein neutrales staatliches Recht wirksam wählbar sind. Auch für die objektive Anknüpfung stehen sich verschiedene Ansätze gegenüber, die eine eindeutige Prognose darüber verhindern, welches Recht ein US-amerikanisches Gericht auf einen internationalen elektronischen Handelsvertrag anwenden wird. III. Sachrecht Die bestehenden Rechtsregeln weisen bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften auch auf der Ebene des Sachrechts Rechtsunsicherheiten auf.

E. Effizienz der bestehenden Rechtsregeln zur Reduktion von Rechtsunsicherheit 497

1. Informationspflichten Zum Zeitpunkt des Abschlusses eines elektronischen Handelsvertrages müssen nach dem deutschen Sachrecht eine Vielzahl von Informationspflichten erfüllt sein. Die fehlerhafte Erfüllung dieser Informationspflichten macht den Vertragsschluss zwar nicht unwirksam, kann aber zu einem Anfechtungsrecht oder einer Haftung aus culpa in contrahendo führen. Hingegen legen die für das US-amerikanische Sachrecht für elektronische Handelsverträge maßgeblichen Regelwerke UETA, E-SIGN und UCITA und das allgemeine US-amerikanische Vertragsrecht den Teilnehmern des elektronischem Geschäftsverkehrs keine besonderen Informationspflichten auf. 2. Elektronischer Vertragsschluss Der Vertragsschluss mit elektronischen Mitteln wirft unter anderem Fragen hinsichtlich der Schriftform, des Vorliegens eines Angebots, des Wirksamwerdens von elektronischen Erklärungen sowie des Vertragsschlusses bei Versteigerungen auf. Für Vertragsabschlüsse unter dem CISG gilt der Grundsatz der Formfreiheit (Ausnahme Vertragsstaatenvorbehalt aus Art. 96 CISG). Die konkreten Anforderungen, die aus Art. 13 CISG für elektronische Kommunikation abzuleiten sind, hat die Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärt. Nach der ganz überwiegenden Fachliteratur wird jedoch zu recht davon ausgegangen, dass elektronische Mitteilungen dann als schriftlich im Sinne des CISG anzusehen sind, wenn die elektronische Nachricht speicherbar ist. Das deutsche Sachrecht enthält mit der Ausnahme von Verträgen über Immobilien grundsätzlich keine gesetzlichen Formerfordernisse, die einem elektronischen Vertragsschluss entgegenstehen. Eine gewillkürte Schriftformklausel kann durch den beiderseitigen Einsatz elektronischer Kommunikation konkludent aufgehoben oder erfüllt werden. Sofern bei den Parteien ein besonderes Interesse an der Einhaltung der Schriftform erkennbar ist, bedarf es einer qualifizierten elektronischen Signatur, um der Schriftform zu genügen. Im US-amerikanischen Recht besteht unter anderem ein gesetzliches Schriftformerfordernis für Verträge mit einer Zahlungspflicht von mehr als USD 500. Gesetzliche Schriftformerfordernisse des US-amerikanischen Rechts können durch elektronische Kommunikation erfüllt werden, sofern die übermittelte Information gespeichert werden kann, in lesbarer Form abrufbar sowie mit einem in Unterschriftsabsicht benutzten Ton, Symbol oder Prozess logisch verbunden ist. Zur Abgrenzung von verbindlichem Angebot und bloßer invitatio ad offerendum sind für das CISG von der Rechtsprechung bisher keine verlässlichen Auslegungskriterien aufgestellt worden. Nach der ganz herrschenden Fachliteraturmeinung stellt die Präsentation auf einer Webseite allein noch kein

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11. Kapitel: Zusammenfassung

verbindliches Angebot dar. Überzeugend ist es auf die konkrete Webseitengestaltung abzustellen, wobei bei sofortiger elektronischer Erfüllung durch Download und Bezahlung per Kreditkarte ein verbindliches Angebot anzunehmen ist. Für die Unterscheidung zwischen bloßer invitatio und verbindlichem Angebot kommt es sowohl im deutschen als auch im USamerikanischen Recht auf das Interesse des Empfängers an, sich nicht zu binden, wenn eine Erfüllung unmöglich ist. Somit ist die juristische Differenzierung vor allem eine Frage der technischen Ausgestaltung der Warenpräsentation und Leistungserbringung. Das Konzept des CISG zum Vertragsschluss sieht vor, dass bei der Annahmeerklärung der Annehmende und nicht der Anbietende das Übermittlungsrisiko trägt. Zu der genauen Verteilung des Fehlerrisikos zwischen Absender und Empfänger bei elektronischen Erklärungen hat sich die Rechtsprechung zum CISG bisher noch nicht geäußert. Überzeugend wäre es, von einem Zugang einer elektronischen Erklärung auszugehen, wenn die Schnittstelle (IAP-Router) auf Seiten des Empfängers passiert wurde. Anders als im deutschen Recht ist im US-amerikanischen Recht der Zeitpunkt eines elektronischen Vertragsschlusses grundsätzlich unklar (Ausnahme bei Anwendbarkeit des UCITA). Dies folgt daraus, dass bei elektronischen Verträgen nicht abschließend entschieden ist, ob diese bereits mit der Abgabe oder erst mit dem Zugang der Annahme wirksam werden. Nach der deutschen Rechtsprechung zum CISG können AGB bei elektronischen Verträgen durch das Anhängen an eine Email, durch Bereitstellen eines entsprechenden Hyperlinks oder durch sonstiges Zugänglichmachen wirksam einbezogen werden. Nicht genügen soll allerdings der Verweis auf ein Standardklauselwerk oder die Unternehmenshomepage. Dies beurteilen ausländische Gerichte teilweise anders. Die Einbeziehung von AGB über Click-Wrap-Vereinbarungen ist sowohl nach deutschem als auch US-amerikanischem Recht wirksam. Bedingungen aus Browse-Wrap-Vereinbarungen werden nach deutschem Recht nicht Vertragsinhalt. In den USA ist die Wirksamkeit der Einbeziehung durch BrowseWrap-Vereinbarungen grundsätzlich nicht abschließend geklärt, nach UCITA soll dies jedoch nicht möglich sein. Verträge können nach US-amerikanischem Recht nach dem Prinzip „money now, term later“ geschlossen werden. Dies ermöglicht es, dass der Vertragsinhalt in einem Dokument enthalten ist, das dem Vertragspartner nicht übermittelt wird, sondern nur auf der Unternehmenswebseite abrufbar ist. Dies ist nach deutschem Recht ebenso wenig möglich, wie die nach USamerikanischem Recht wirksamen umfassenden Haftungsausschlüsse in AGB. Der Einsatz elektronischer Agenten steht weder nach dem CISG noch im deutschen oder US-amerikanischen Recht einem wirksamen Vertragsschluss entgegen.

E. Effizienz der bestehenden Rechtsregeln zur Reduktion von Rechtsunsicherheit 499

Wird bei einem elektronischen Handelssystem eine fremde Kennung genutzt, liegt nach deutschem Zivilrecht ein Handeln unter fremdem Namen vor, das regelmäßig als Identitätstäuschung die Rechtsfolgen der §§ 177 ff. BGB auslöst. Hingegen wird ein Unternehmen im Außenverhältnis regelmäßig gebunden, wenn ein nicht bevollmächtigter Mitarbeiter von einem geschäftlichen Email-Account Erklärungen im Namen des Unternehmens abgibt. In der US-amerikanischen Rechtsprechung ist ebenfalls eine entsprechende Tendenz erkennbar. Nach deutschem Zivilrecht muss ein Anbieter auch im Handelsverkehr eine Korrekturhilfe für Eingabefehler bereithalten, wenn er diese Verpflichtung nicht vertraglich abbedungen hat. Eingabefehler berechtigen aber auch dann zur Anfechtung. Das US-amerikanische Recht legt dem Anbieter zwar keine Pflicht auf, eine Korrekturmöglichkeit für Eingabefehler zu schaffen, sieht aber beim Fehlen einer solchen ein Anfechtungsrecht vor. Für elektronische B2B-Handelssysteme finden sich teilweise spezialgesetzliche Regelungen im KWG, WpHG und BörsG. Bei elektronischen Ausschreibungen durch öffentliche Auftraggeber müssen die Vorschriften des Vergaberechts beachtet werden. Bei „klassischen“ Internetauktionen ist zwischen dem Benutzungs- und dem Marktverhältnis zu unterscheiden. Der Vertragsschluss im Marktverhältnis erfolgt durch Angebot (Einstellen einer Ware auf der Auktionsplattform) und Annahme (Abgabe des Höchstgebots). Sowohl nach deutschem als auch nach US-amerikanischem Recht werden die AGB der Auktionsplattformbetreiber nicht Teil des im Marktverhältnis geschlossenen Vertrages, sondern regeln nur das Benutzungsverhältnis zwischen Plattformbetreiber und Plattformnutzer. 3. Leistungsstandards und Leistungserbringung Auch im Bereich der Leistungserbringung bestehen gewisse Rechtsunsicherheiten. Die Regeln des CISG zur Qualität der geschuldeten Leistung (Art. 35 CISG), der Art und Weise, wie sie zu erbringen ist (Art. 30, 31, 53 CISG), sowie zur Leistungsstörung (Art. 45–52, 74–77 CISG) sind auf elektronische Verträge über physische Güter anwendbar. Die Vorschriften des CISG zur Vertragsdurchführung gelten überdies für digital übermittelte, vertretbare Vermögensgegenstände, insbesondere Standardsoftware. Gleiches gilt für Verträge im Bereich Cloud-Computing und SaaS. Hingegen ist bei Verträgen, bei denen ein (digitaler) Dienst oder die Erstellung eines individuellen Werkes Vertragsgegenstand ist (zum Beispiel eine elektronische Architektenleistung oder Individualsoftware), regelmäßig der Anwendungsbereich des CISG nicht eröffnet.

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11. Kapitel: Zusammenfassung

Im Bereich der Vertragsdurchführung bestehen erhebliche Unterschiede zwischen deutschem und US-amerikanischem Recht. Im deutschen Recht determiniert die vertragstypologische Einordnung in gewissem Umfang die Leistungspflichten und das Leistungsstörungsrecht. Dies ist im US-amerikanischen Recht anders. Hier gelten die Vorschriften des Kaufrechts beispielsweise auch für Verträge, die nach deutschem Recht dem Werkvertragsrecht zuzuordnen wären. Im Bereich der Vertragsdurchführung werden die Anpassungen der allgemeinen Regeln an die Besonderheiten von elektronischen Verträgen nicht wie deutschen Recht allein der Rechtsprechung und den Parteien überlassen, sondern sind für Verträge mit dem Gegenstand Computerinformation im UCITA kodifiziert. Bei der vertragstypologischen Einordnung von Verträgen, deren Gegenstand ein digitales Gut, insbesondere Software, ist, stellt sich regelmäßig die Frage, ob eine „Sache“ im juristischen Sinne Vertragsgegenstand ist. Dennoch wird im deutschen Recht zumindest die analoge Anwendbarkeit der besonderen Vertragstypen des BGB bejaht und im US-amerikanischen Recht das Kaufrecht angewendet. Der elektronische Vertragsabschluss über die Lieferung eines physisches Guts löst nach deutschem und US-amerikanischem Recht im Hinblick auf die Beschaffenheit der geschuldeten Leistung grundsätzlich keine Besonderheiten aus. Aus der digitalen Übermittlung der vertraglichen Leistung und für Software (aufgrund der komplexen Struktur) ergibt sich jedoch ein Präzisierungsbedarf der qualitativen Anforderungen an die geschuldete Leistung, obwohl diese sich durch die digitale Übermittlung im Prinzip nicht ändert. Eine genaue Spezifizierung der geschuldeten Leistung kann vor allem durch die Parteien bei Vertragsschluss erfolgen. Geschieht dies nicht, ist die geschuldete Beschaffenheit gegebenenfalls anhand von Testversionen der Software, des Verwendungszwecks (Funktionsfähigkeit) sowie von Standards in Form von Qualitätsmodellen zu ermitteln. Minimale Softwarefehler führen nach deutschem Recht nicht zu einem Sachmangel, sofern die Software die vereinbarte Beschaffenheit aufweist oder funktionsfähig ist und technischen Softwarestandards entspricht. Das US-amerikanische Recht ist in diesem Punkt ähnlich. So sind nach dem UCITA nur solche Unterschiede zwischen der gelieferten Software und der Demoversion beachtlich, die vernünftigerweise nicht erwartet werden konnten. Im Hinblick auf die Erfüllungshandlung des Verkäufers ist nach dem CISG notwendig und hinreichend, dass er – im Falle der Download-Möglichkeit oder Onlinenutzung – die Software zum Abruf bereitgestellt hat oder aber – in den sonstigen Fällen des Erwerbs von Software und digitalen Gütern – den digitalen Übermittlungsvorgang in Gang gesetzt hat. Für den Übergang der Leistungsgefahr ist bei der digitalen Leistungserbringung eine wertungsmäßige Korrektur der CISG-Vorschriften angezeigt. Würde die Gefahr des zufälligen Untergangs mit In-Gang-Setzen der digitalen Übermittlung (Verlassen

E. Effizienz der bestehenden Rechtsregeln zur Reduktion von Rechtsunsicherheit 501

des IAP-Routers auf Seiten des Verkäufers) auf den Käufer übergehen, würde nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Verkäufer bei Verlust das digitalen Gut ohne große Kosten erneut versenden kann. Es ist sachgerecht, dass der Verkäufer bei Verlust während der digitalen Übermittlung oder dem Download nach Treu und Glauben verpflichtet ist, die Software oder ein sonstiges digitales Gut dem Käufer erneut zu schicken oder zur Verfügung zu stellen. Nach deutschem Recht besteht – ohne abweichende vertragliche Vereinbarung – bei der Übermittlung per Download oder Onlinenutzung von Software oder anderen digitalen Gütern eine Schickschuld oder Holschuld. Demgemäß besteht die Erfüllungshandlung des Verkäufers auch nach deutschem Recht im In-Gang-Setzen des digitalen Übermittlungsvorgangs oder im Bereithalten der Software zum Abruf. Dies gilt auch für das US-amerikanische Recht. Wie beim CISG, ist es auch für das deutsche Recht sachgerecht, bei der digitalen Übermittlung das Transportrisiko (entgegen §§ 300 Abs. 2, 446, 447, 644 BGB) dem Verkäufer aufzuerlegen. Dies sieht der UCITA explizit vor. Die Frage, ob Warendokumente elektronisch übermittelt werden können, richtet sich nicht nach dem CISG, sondern nach internationalen Transportrechtsübereinkommen, denn andernfalls bestünde die Gefahr, dass neuere und speziellere Regelungen für elektronische Transportdokumente unterlaufen würden. 4. Leistungsstörung Die Anwendung der Regeln des CISG oder des deutschen Rechts zur Nacherfüllung, zum Rücktritt und zur Minderung bereitet bei elektronischen Verträgen über physische Güter keine Schwierigkeiten. Betrifft der Vertrag ein digital übermitteltes Gut, kommt es bei der Nachlieferung/Ersatzlieferung und beim Rücktritt nicht auf die Rückgabe des Gutes, sondern nur auf dessen Löschung im System des Kunden an. Weist bei einer Software die gesamte Version (Gattung) einen Fehler auf und ist eine Nachlieferung/Ersatzlieferung daher nicht möglich, hat der Verkäufer – unter Umständen unter Aufwendung hoher Entwicklungskosten – einen Patch zu übermitteln, der die Fehlfunktion beseitigt. Auf elektronische Verträge über physische Güter sind die CISGVorschriften zum Schadensersatz ohne weiteres anwendbar. Dies gilt grundsätzlich auch für Verträge über digital übermittelte Güter. Für Softwareverträge sind die Haftungsregime des CISG und des US-amerikanischen Rechts besonders geeignet, weil diese – anders als das deutsche Recht – grundsätzlich vom bei technischen Vorgängen schwierigen Verschuldensnachweis entbinden. Das CISG enthält jedoch keine uneingeschränkte Sphärenhaftung, sondern der Schuldner kann sich in Bezug auf nicht beherrschbare Hinderungsgründe entlasten, auch wenn sie in seiner Sphäre auftreten. Die Haftung im US-amerikanischen Recht besteht – anders als im deutschen Recht – in

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11. Kapitel: Zusammenfassung

einer Garantiehaftung mit weit reichender Möglichkeit zur Haftungsfreizeichnung. Bei der Lieferung von Software ist nach deutschem Recht ein erfolgreicher Probelauf nur bei einem Werkvertrag Erfüllungsvoraussetzung. Beim Kaufvertrag oder Werklieferungsvertrag kommt der Käufer mit einem Testlauf nur seiner Untersuchungsobliegenheit nach und kann sich hierdurch sein Gewährleistungsrecht sichern. Nach dem UCITA darf der Kunde sein Untersuchungsrecht durch Betrachtung der Information dann nicht ausüben, wenn der Wert des Vertrages allein im Betrachten der übermittelten Information besteht. Über die allgemeinen Vorschriften zum Leistungsstörungsrecht hinausgehend, enthält der UCITA eine Reihe von Spezialregelungen: die Zusicherung der Rechtsmängelfreiheit wird auf Rechte Dritter beschränkt, die nach USRecht entstanden sind (demnach ist ein ausländischer Kunde in seinem Heimatstaat nicht gegen die Verletzung von Rechten Dritter geschützt), in bestimmten Konstellationen stellt die Nichtverfügbarkeit des Zugangs keinen Vertragsbruch von Zugangsverträgen dar, der zu verwendende Text für Haftungsausschlüsse ist im UCITA vorformuliert, es wird das Recht gewährt, auf automatische Sicherungsmaßnahmen zurückzugreifen, und es ist das Verbot der elektronischen Selbsthilfe normiert. IV. Anerkennung und Vollstreckung Urteile aus Streitigkeiten in Zusammenhang mit elektronischen Handelsverträgen, die in einem Staat der EU oder der USA ergangen sind, können in Deutschland grundsätzlich anerkannt und vollstreckt werden. Durchsetzungsprobleme treten in der Regel nur dann auf, wenn ein US-Urteil gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Kartell-, Außenwirtschafts-, Datenschutzoder Steuerrechts verstößt. Die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsurteils in Deutschland ist auch dann möglich, wenn das Schiedsverfahren auf der Grundlage einer elektronischen Schiedsvereinbarung eingeleitet wurde. Ergeht ein Schiedsurteil im Rahmen eines Online-Schiedsverfahrens in elektronischer Form, ist für seine Anerkennung und Vollstreckung ein notariell beglaubigter Ausdruck des Schiedsspruchs, die Errichtung einer elektronischen Notarurkunde oder die Übermittlung des Urteils in einer Form notwendig, bei der die Echtheit der Originaldatei sichergestellt ist. Gerichtsurteile, die in Deutschland in Zusammenhang mit elektronischen Handelsverträgen ergehen, sind auch in den USA vollstreckbar. Ausländische Schiedsurteile sind in den USA selbst dann durchsetzbar, wenn sie im Rahmen eines Online-Schiedsverfahrens ergangen sind.

F. Effiziente rechtliche Regelungen für int. elektronische Handelsverträge

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V. Beweisrecht Beweisrechtlich haben elektronische Handelsverträge vor deutschen Gerichten nur dann die gleiche Beweiskraft wie herkömmlichen Privaturkunden, wenn sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind. Fehlt eine qualifizierte elektronische Signatur, kann ein elektronisches Dokument nur als Augenscheinsobjekt in den Prozess eingeführt werden. Es unterliegt dann der freien Beweiswürdigung, weil auch ein Anscheinsbeweis in diesem Zusammenhang nicht anerkannt ist. Für das US-amerikanische Beweisrecht bedeuten elektronische Handelsverträge keine besonderen Schwierigkeit. Vor US-amerikanischen Gerichten muss die Echtheit eines Vertrages ohnehin nachgewiesen werden. Dies kann zum Beispiel durch Zeugenvernehmung des Absenders erfolgen. Das Prinzip der Vorlage des Originaldokuments (sogenannte „best evidence rule“) ist bei elektronischen Verträgen gewahrt, wenn die präsentierte Information die Ursprungsaufzeichnung fehlerfrei wiedergibt und der späteren Einsichtnahme zugänglich ist.

F. Effiziente rechtliche Regelungen für internationale elektronische Handelsverträge F. Effiziente rechtliche Regelungen für int. elektronische Handelsverträge

I. Internationale Zusammenarbeit bei der Verrechtlichung des internationalen Handelsverkehrs Effiziente privatrechtliche Rahmenbedingungen, die für grenzüberschreitende Geschäfte Besitz- und Transaktionssicherheit garantieren, müssen primär durch Nationalstaaten im Wege internationaler Zusammenarbeit geschaffen werden, weil supranationale Organisationen in diesem Bereich bisher nicht hinreichend tätig sind. Nach dem Rational-Choice-Ansatz kommt es dann zur notwendigen internationalen Zusammenarbeit, wenn der Nutzen der Zusammenarbeit (jedenfalls ein Reputationsgewinn durch Mitwirken an den Verhandlungen und der Ratifikation) die hierdurch verursachten Kosten (insbesondere Verhandlungs- und Implementierungskosten) überschreitet. II. Art der rechtlichen Institution Die Schaffung eines umfassenden Einheitsrechts würde zwar rechtsunsicherheitsbedingte Transaktionskosten reduzieren, allerdings könnten die hiermit verbundenen hohen Verhandlungs- und Implementierungskosten viele Staaten abschrecken. Daher kommen als effiziente Institution sowohl ein begrenztes Einheitsrecht als auch ein hybrides Rechtssystem aus staatlichem und nichtstaatlichem Recht in Betracht. Auch eine Kombination aus diesen beiden Institutio-

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11. Kapitel: Zusammenfassung

nen ist denkbar. Während das Einheitsrecht höhere Kosten bei der Schaffung und Implementierung verursacht, aber größere Verbindlichkeit und geringere Rechtsauffindungskosten bewirkt, ist das hybride Rechtssystem in der Entwicklung günstiger und insgesamt flexibler (insbesondere die Anpassungsgeschwindigkeit). Welche Institution für welche rechtliche Problemstellung zu befürworten ist, muss im Einzelfall abgewogen und entschieden werden. Aufgrund der höheren Anpassungsgeschwindigkeit bietet sich für technologiespezifische Lösungen vor allem die Institution eines hybriden Rechtssystems an. Zum Beispiel können Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe unter Berücksichtigung von Sekundärsystemen (technische Standardisierungen, Modellverträge etc.) ausgelegt werden. Außerdem müssen Verhandlungslösungen durch privatautonome Gestaltung möglich bleiben und dürfen nicht durch übergenaue Regelungen behindert werden. III. Inhalt effizienter rechtlicher Regelungen Die Unterstützung einer Verhandlungslösung durch weitreichende Parteiautonomie ist für die Bereiche der internationalen Zuständigkeit und des internationalen Privatrechts die effizienteste Lösung. Durch Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarungen können die Parteien ein Forum und ein Recht auswählen, welche die Transaktionskosten bestmöglich senken. Sind solche Gerichtsstands- und Rechtswahlklauseln in AGB zulässig, wird die Möglichkeit zur Kostenreduzierung durch economies of scale eröffnet. Die Wählbarkeit eines neutralen Rechts, nichtstaatlicher Regelwerke und internationaler Übereinkommen erweitert die Varianten der Vertragsgestaltung und sollte den Parteien daher offenstehen. Für Fällen, in denen es an einer privatautonomen Lösung für Forum und anwendbares Recht fehlt, bietet es sich zur Überwindung des common agency-Problems und der bestehenden Rechtsunsicherheit an, in einem begrenzten Einheitsrecht eine subsidiäre gerichtliche Sonderzuständigkeit und kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung am Sitz des Anbieters einzuführen. Nur bei Up-Stream-Märkten sollte hiervon eine Ausnahme gemacht und an den Sitz der Kunden angeknüpft werden. Um Lokalisierungsprobleme im elektronischen Geschäftsverkehr zu reduzieren und die territoriale Anknüpfung herkömmlicher Rechtsregeln zu erleichtern, sollte in einem begrenzten Einheitsrecht klargestellt werden, dass Server und Webseite nicht als Niederlassung eines Unternehmens einzuordnen und auch für die Bestimmung des Erfüllungsortes unbedeutend sind. Außerdem können die subsidiäre Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Gesellschafters und Lokalisierungstechniken Unsicherheiten bei der Lokalisierung virtueller Unternehmen weiter reduzieren. Auch Informationspflichten können im elektronischen Geschäftsverkehr der Reduzierung von

F. Effiziente rechtliche Regelungen für int. elektronische Handelsverträge

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Unsicherheiten dienen. Insbesondere im internationalen Handelsverkehr können sie jedoch Geschäfte auch unnötig verteuern. Daher sollte ihnen bei internationaler Rechtsvereinheitlichung eher mit Zurückhaltung begegnet werden. Auch auf der Ebene des Sachrechts gilt, dass die Unterstützung der Verhandlungslösung durch Gewährleistung privatautonomen Handelns anzustreben ist. Die weitreichende Gewährleistung von Privatautonomie macht spezielle vertragsrechtliche Regelungen für EDI-Kommunikation entbehrlich. Bei EDIBeziehungen gilt das spieltheoretische Folk-Theorem, so dass die Möglichkeit der schiedsgerichtlichen Durchsetzung von Rahmenbedingungen ausreichend ist. Das elektronische Handelsvertragsrecht kann also auf EinmalTrans-aktionen zugeschnitten sein. Die gesetzliche Festlegung von Formerfordernissen oder eines bestimmten Sicherheitsniveaus (z.B. konkret zu verwendender Verschlüsselungsverfahren) erhöht die Transaktionskosten für eine Vielzahl von elektronischen Handelsgeschäften möglicherweise unnötig. Beides ist den Vertragsparteien zu überlassen. Auch die Qualität der vertraglich geschuldeten Leistung können die Parteien am besten bestimmen. International einheitliche Qualitätsmaßstäbe können aufgrund der Wechselwirkung von Preis und Qualität und des unterschiedlichen Wohlstandsniveaus der Staaten nur schwer festgelegt werden. Ergibt sich die Beschaffenheit der vertraglichen Leistung nicht aus den Vertragsumständen, sollte diese nach den Bestimmungen des Rechts im Land des Anbieters festgelegt werden. Der Rechtsrahmen, in dem sich die privatautonome Gestaltung entfaltet, sollte verlässliche Auslegungskriterien zur Abgrenzung von verbindlichem Angebot und bloßer invitatio ad offerendum enthalten, den Zeitpunkt des elektronischen Vertragsschlusses fixieren und klarstellen, dass der Einsatz von elektronischen Agenten einem wirksamen Vertragsschluss nicht entgegensteht. Außerdem können auch Regelungen, die auf die Implementierung einer Korrekturhilfe bei der Willenserklärungsabgabe hinwirken, enthalten sein, die allerdings nur dann hinreichend Wirkung entfalten können, wenn sie als zwingende Normen ausgestaltet sind. Ökonomisch überzeugender Maßstab für den Zeitpunkt des elektronischen Vertragsschlusses ist die Beherrschbarkeit des Transportrisikos der Annahmeerklärung. Aus dem technischen Schichtenmodell für die elektronische Kommunikation ergibt sich, dass das Gelangen einer Erklärung in den Machtbereich des Empfängers nicht notwendig mit dessen Kontrollmöglichkeit zusammenfällt. Daher muss der Annehmende das Verlustrisiko seiner Nachricht tragen, bis diese auf die Anwendungsebene des Anbietenden gelangt. Erst zu diesem Zeitpunkt erfolgt der elektronische Vertragsschluss.

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11. Kapitel: Zusammenfassung

Aus ökonomischer Sicht ist die Zulässigkeit von Click-Wrap-Vereinbarungen zu befürworten, die Zulässigkeit von Browse-Wrap-Vereinbarungen hingegen ist ebenso abzulehnen wie die Festlegung einer international einheitlichen AGB-Missbrauchskontrolle. Die Anwendung des US-amerikanischen Prinzips „money now, terms later“ führt zu einem Tauschdilemma. Sofern die vertragstypologische Einordnung von modernen Vertragstypen notwendig ist, sollte man sich hierbei an der internationalen Vertragsgestaltungspraxis orientieren. Diese kann der technischen Entwicklung schneller gerecht werden als gesetzgeberische Änderungen. Ein begrenztes internationales Einheitsrecht könnte die vertragstypologischen Einordnung durch die Klarstellung erleichtern, dass die Digitalisierung von Leistungen für die Sachqualität von Gütern unbeachtlich ist. Das Transportrisiko sollte bei digitalen Gütern der Versender tragen, denn bei Verlust auf dem Transportweg kann er ohne große Kosten eine erneute Versendung veranlassen (Prinzip des cheapest cost avoider). Im Hinblick auf Leistungsstörungsrechte zeichnen sich elektronische Einmal-Transaktionen dadurch aus, dass Substitutionsgüter auf elektronischen Märkten regelmäßig leicht erlangt werden können, weshalb ein Aufrechterhalten des Vertrages durch Nacherfüllung nicht notwendig ist. Schadensersatz sollte ohne vorherige Nacherfüllungsversuche verlangt werden können. Bei EDI-Beziehungen ist hingegen ein Deckungsgeschäft aufgrund der hohen Ausgangsinvestitionen kaum möglich, so dass hier die Nacherfüllung Vorrang haben muss. Das Schadensersatzrecht sollte bei internationalen elektronischen Handelsgeschäften als Sphären- beziehungsweise Garantiehaftung ausgestaltet werden. Ein Verschuldensvorwurf, der bei technischen Vorgängen, die individuell nicht immer voll beherrschbar sind, oftmals nur schwer gemacht werden kann, würde so entbehrlich. Rücktritt und Minderung sollten auch ohne erhebliche Vertragsverletzung ausgeübt werden können. Diese entfalten – sofern eine Rückabwicklung des Leistungsaustausches entbehrlich ist (bei elektronischen Gütern genügt oft die Löschung und eine Rückübertragung ist nicht notwendig) – unmittelbar ihre Wirkung, ohne dass es eines im internationalen Kontext schwierigen (schieds-)gerichtlichen Verfahrens bedarf.

G. Bewertung des ECC G. Bewertung des ECC

Das ECC verfolgt einen minimalistischen Ansatz (begrenzter Regelungsbereich) und weist in vielerlei Hinsicht Ähnlichkeit mit bereits bestehenden nationalen Rechtssystem auf. Daher wird seine Ratifikation regelmäßig nur geringe Implementierungskosten verursachen.

G. Bewertung des ECC

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Der begrenzte Regelungsbereich führt jedoch dazu, dass weder die internationale Zuständigkeit noch die kollisionsrechtliche Anknüpfung harmonisiert werden. Ebenso fehlt es auf sachrechtlicher Ebene an Regeln zum Zustandekommen von Verträgen, insbesondere zur Einbeziehung und Wirksamkeit von AGB, zu Rechtsscheinvollmachten bei elektronischer Kommunikation sowie zu Aspekten der Vertragsdurchführung und Vertragsbeendigung wie Leistungsstandards, Leistungsverweigerungsrechte, Erfüllungsort oder Erfüllungshandlung und Leistungsstörung. Das ECC beseitigt daher nicht alle bestehenden Rechtsunsicherheiten bei internationalen elektronischen Handelsverträgen. Andere internationale Übereinkommen (insbesondere das CISG) bleiben anwendbar und relevant. Das ECC beseitigt allerdings einige Rechtsunsicherheiten, die nach bisherigem internationalen, deutschen und US-amerikanischen Zivilprozess-, Kollisions- und Vertragsrecht bestanden. Die Vorschriften des CISG, des NYÜ, des deutschen und US-amerikanischen Rechts zur Ausgestaltung bestimmter Formanforderungen werden durch das ECC überlagert. Ein Rückgriff auf das nationale Recht wird entbehrlich. Außerdem bestimmt das ECC verschiedene Kriterien, um Lokalisierungsfragen im virtuellen Raum zu lösen. Hingegen wird eine territoriale Anknüpfung an Hardware, den Abrufort von elektronischer Kommunikation, Domain-Namen oder Emailadressen im ECC eine Absage erteilt. Zusätzlich wird die Vermutung aufgestellt, dass die Parteien ihre Niederlassung am angegebenen Ort haben. Im Übrigen bestätigt oder präzisiert das ECC verschiedene bestehende Ansätze zu Rechtsfragen des elektronischen Handelsverkehrs. Hierzu zählen die Abgrenzung zwischen verbindlichem Angebot und bloßer invitatio ad offerendum, der Ort und die Zeit der Absendung und des Zugangs elektronischer Kommunikation, die Behandlung elektronischer Agenten sowie das Anfechtungsrecht bei Eingabefehlern. Das ECC ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Reduktion von Rechtsunsicherheiten bei internationalen elektronischen Handelsverträgen.

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Click-Wrap 308 f., 366 ff., 374, 457, 506 Cloud-Computing 36, 46, 209 f., 223, 260, 325 f., 436, 499 Coase-Theorem 86, 112 f., 439, 449, 492 Common agency-Problem 443, 504 Common Criteria 38 Commons-based Peer Production 82 Computerinformation 187, 231, 344 ff., 350, 378 f., 383 Compuserve v. Patterson 182 Consideration 73, 355 Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards 60 ff. Datenintegrität 39 Datenverarbeitungssystem 359 f., 363 De-Mail 67, 403 Dienstleistungsort 137 ff. Digitale Güter 34 f., 131 f., 205, 222, 235, 334, 461, 473 Digitalisierung 22, 34, 45 f., 124, 170, 436 Disconnection Clause 197, 484 Diskontrate 107 Diversity-Fälle 172, 188, 396 Due Process-Grundsatz 173, 177 ff., 200 eBay 21, 101 ff., 213, 320 E-Commerce-Richtlinie 63 ff., 401 Effizienz 3, 81, 429 Einheitsrecht 273 f., 421 ff., 428 ff., 503 f. Electronic Business 25 Electronic Data Interchange (EDI) 23 f., 51, 54 ff., 67 ff.., 74, 145, 238, 248 f., 305 f., 435, 457, 505 – Deutscher EDI-Rahmenvertrag 67 ff.

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Sachregister

  – Europäische EDI-Mustervereinbarung 54 ff. Electronic Signatures in Global and National Commerce Act 14, 69 ff., 343 f. Elektronische Agenten 12, 227, 236, 257 f., 307, 369 ff., 480 Elektronische Aufzeichnung 69 f., 342, 349, 353, 372 Elektronischer Geschäftsverkehr 22 ff. Elektronische Kommunikation 243 f., 249 ff., 302 ff., 356 f., 357 ff., 360 ff., 403, 454, 474,478 ff., 486 – Absendung 357 ff., 454, 478 ff. – Prinzip der Nichtdiskriminierung von elektronischer Kommunikation 474, 486 – Zugang 243 f., 249 ff., 302 ff., 356 f., 360 ff., 403, 454 Elektronische Signatur 39, 65, 157, 342, 353 f., 402, 431 Elektronischer Handel 17 ff. Empfangsvertreter 251 Erfüllung 128 ff., 139 ff., 264 ff., 276 f., 330 ff., 378, 446 – Erfüllungshandlung 264 ff., 276, 330 f., 378 – Erfüllungsort 128 ff., 264 ff., 276 f., 330 ff., 378, 446 – Erfüllungsortvereinbarung 139 ff. Ersatzlieferung 280 ff. Erst-Verkaufs-Doktrin 347 EuGH, 30.4.1974, Rs. 155/73 – Sacchi 132 Exequatur 388 Federal question-Fälle 171 ff. Folktheorem 106 ff., 437 Force-Majeure-Klausel 284 Formfreiheit 155, 239 f., 487 Forum Non Conveniens 188, 200, 442 Forum Shopping 95, 201, 441 Funktionale Äquivalenz 52, 69 Garantiehaftung 283 f., 381, 408, 465 Gefahrübergang 271, 331, 380 Gegenseitigkeit 161, 191 f., 392 – Erklärung 161, 191 f.

Gerichtsstandsvereinbarung 62, 121, 142 ff., 150, 158, 185 ff., 196 ff., 236, 399 f., 438 ff., 448 Geschäftsbriefe 212, 290 ff. Gesellschaftsstatut 291 Gewaltmonopol 91 Gleichschritt-Rechtsprechung 298 Globalisierung 28 ff. Gründungstheorie 291 Günstigkeitsprinzip 395, 399 Gütesiegel 98 ff. Haager Konferenz für Internationales Privatrecht 62, 196 Haftungsfreizeichnung 55, 71, 373, 386 Handelsbrauch 145, 253, 276, 421 Handelsgeschäft 17 ff., 28 ff. Handelssysteme 310 f., 315 f. Hauptniederlassung 122 ff., 150, 172 ff., 183 f., 224 Hauptverwaltung 123 f., 150, 174, 217, 221 Herkunftslandprinzip 65, 224 ff. Holschuld 266, 269 f., 277, 330 f. ICANN 411 ICC eTerms 53 f. Identitätstäuschung 310 f. i.Lan Systems, Inc. v. NetScout Service Level Corp. 348, 367, Incoterms 60 Individuelle Nutzenmaximierung 82 Informatisierung 32 ff. Informationspflichten 212, 289 ff., 348 f., 433 f., 497 Institutionen 79 ff. Institutionenökonomischer Imperativ 82 f. Inter-American Convention on International Commercial Arbitration 190 Internationale Handelskammer (ICC) 53 International Shoe Co. v. Washington, 326 US 310 (1945) 177 Internet Access Provider (IAP)-Router 245 ff., 271, 305, 332, 455 Invitatio ad offerendum 242 f., 300 f., 355 f., 478 IT-Sicherheit 38, 44 f., 371, 431, 452, 477

Sachregister Just-in-Time-Produktion 23, 248, 306 Kaldor-Hicks-Kriterium 6 Kaufmann 17 ff., 56 Kaufmännisches Bestätigungsschreiben 163 f., 166 Kaufpreis 69, 74, 276 Kündigung 339 Leistungsstandard 232, 377, 382, 461 ff., 499 ff. Leistungsstörung 278, 334 ff., 463 ff. Leistungsverweigerungsrecht 377 Lex Informatica 55 ff., 110 ff., 218, 227, 230, 441 Lex Mercatoria 56, 110, 218, 227, 230 Lieferort 133 f., 227, 446 Lieferpflicht 265 f. Lis Pendens 188 f. Long-arm statutes 178, 200 Mailbox-Rule 71, 75, 244, 357, 361 ff., 454 f. Managerialism 412 ff. Mängelrüge 278 Marktprozesstheorie 77 Marktverhältnis 318 ff., 373 Mediationsrichtlinie 62 f. Methodologischer Individualismus 81 f. Minderung 283, 336, 384, 466 Mirror image-Rule 257, 363ff. M/S Bremen v. Zapata Off-Shore Co. 185 f. Nachbesserung 282, 335 Nacherfüllung 280 ff., 335, 464 Nachlieferung 281, 335 Namenstäuschung 310 Nash-Gleichgewicht 106 f. Neue Institutionenökonomik 76 ff. Netzwerkeffekt 419, 429, 482 Niederlassungsfreiheit 125 f. Niederlassungsort 141 f., 183, 331, 474 ff. Nutzerschutzmodell 116 Objektive Anknüpfung 220 ff., 231 ff., 496 Ökonomie der Aufmerksamkeit 42

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OLG München, Urteil v. 23.12.2009, 20 U 3515/09, 136 ff. OLG Schleswig, Urteil v. 24.10.2008, 14 U 4/08, 312 Online-Schiedsverfahren 169 ff., 393 ff., 398 f., 447 f., 502 Ordre public 220, 227, 389 ff. Original 354, 389 f., 404, 477, 487 OSI-Modell – Anwendungsschicht 34, 246, 249 ff., 455 – Internet Protocol (IP) 245, 247 – Transmission Control Protocol (TCP) 34, 245 f., 305, 455 – Transportschicht 34, 249, 305, 455 Penetrationsstrategie 42 Politischer Realismus 415 Preisangabenverordnung 291 Pres-Kap v. System One 182 Principles of the Law of Software Contracts (ALI Principles) 73 Prinzipal-Agent-Theorie 10, 76, 83, 88 f. Privatautonomie 219 f, 296 ff., 449 ff. Probelauf 333 Public-Choice 413 f. Qualitätsmodelle 263 Quasi-in-rem 183 f. Radio Frequency Identification (RFID) 32 f., 43 Rational-Choice 412 ff. Rechtsscheinvollmacht 310 ff., 371, 459 Rechtsstaatsprinzip 6 Rechtswahl 72, 154, 216 ff., 229 ff., 438 ff., 472 Recommendation on the Legal Value of Computer Records 51 Reputations- und Feedbacksysteme 100 ff., 492 Reverse Engineering 310, 350 Rücktritt 288, 336, 339, 466 Sachmangel 329, 338, 420 Schadensersatz 283 ff., 336, 383 ff., 466 Schadenspauschalierung 385 Scherk v. Alberto-Culver Co. 190

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Sachregister

  Schiedsvereinbarung 61, 159 ff., 190 ff., 393 ff., 398 f., 446 f. Schiedsspruch 161 ff., 191 f., 393 ff. Schickschuld 331 Schriftform 61, 66, 69, 156, 162 ff., 194, 239 f., 351 ff., 477 Selbstverwaltungsmodell 97 ff. Selbsthilfe 385 f., 463 Server 124 ff., 138, 153, 174, 182, 221, 249, 270, 331 Shrink-Wrap 308, 366 f. Signaturrichtlinie 65, 146, 158, 401, 486 Sitztheorie 126 f., 291 Skaleneffekte (Economies of Scale) 35, 440, 448 Sliding Scale-Test 179 ff. Soft law 48, 216, 420, 425, 428 Software 57, 73, 130 ff., 136, 138, 204, 208 f., 222, 259 f., 260, 324, 326 f., 333, 337, 379 f. – Fehler 338 – Individualsoftware 130, 136, 208 f., 222, 260, 326 f., 333, 379 f. – Open-Source-Software 57, 73, 327, 330, 337 – Standardsoftware 130 ff., 138, 204, 259 f., 324, 333, 380 Software-as-a-Service 36 f., 209 f., 326 Sphärenhaftung 68, 284 Spieltheorie 91 Standards 23 f., 33, 44, 263, 329, 461 f. Stare decisis-Doktrin 340 Statute of Frauds 352 Stellvertretung 236, 285 Step-Saver Data Systems, Inc. v. Wyse Technology 347, 366 Sub-Regelsysteme 113 f. Super-Leviathan 410 f. Tauschdilemma 91 ff., 112, 416, 443, 449 Teledienstegesetz 63 f. Teledienstedatenschutzgesetz 64 Telemedien 224 f., 290 Telemediengesetz 66, 224 Testlauf 267 f., 332 f. Textform 165, 168, 241 Theorie der adversen Selektion 76, 83, 88, 462

Theorie des unvollständigen Vertrages 83 Theorie der Verfügungsrechte 76, 83, 85 f. Toplevel-Domain 211, 223, 482 Transaktionskosten 41, 83 f., 113, 78 ff., 86 f. Transaktionskostentheorie 83 f., 113, 90 ff. Transportrecht 274 f., 288 Transportrisiko 250, 279 ff., 331, 338, 454 Trittbrettfahrerverhalten 86, 443 Übereinkommen der Vereinten Nationen über den Einsatz von elektronischer Kommunikation bei internationalen Verträgen (ECC) 4, 48 ff., 469 ff. Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) 57 ff. Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, abgeschlossen in Lugano am 30. Oktober 2007 (LugÜ) 149 ff. UNCITRAL Model Law on Electronic Commerce 51, 69, 218 UNCITRAL Model Law on Electronic Signatures 52, 218 UNIDROIT-Prinzipien 58 ff. UN/EDIFACT 23 f., 248 Uniform Computer Information Transactions Act (UCITA) 14, 69, 72, 344 ff. Uniform Electronic Transactions Act (UETA) 69 ff., 341 f. United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) 9, 51, 469 Unternehmung 20 Unternehmensregister 123 Unternehmenssitz 52, 150 f., 154, 363, 378 Untersuchungsrecht 332, 378 f. Utilitarismus 12 Urheberrecht 235 ff., 473 Vergaberecht 316 ff.

Sachregister Verkörperung 304, 325 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) 202, 214 ff. Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) 121 ff. Verrechtlichungsmodell 116 Versendungskauf 265 f., 269, 277 Versteigerung 212 f., 222, 286, 314, 319 Vertrag 26, 84, 129 ff., 140, 203 f., 207, 209, 221 f., 232, 299 ff., 319, 325 f., 327, 333 f., 339, 346 f., 351 ff., 435, 437, 453 ff. – Abschluss 239 ff., 299 ff., 351 ff., 453 ff. – Aufhebung 339 – ASP-Vertrag 209

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– Dienstvertrag 129, 325 – Kaufvertrag 26, 130 ff., 203 f., 207, 221 f., 333, 346 f. – Lizenzvertrag 347 – Mietvertrag 140, 209, 319, 325 – Neoklassischer Vertrag 84 – Pflegevertrag 327 – Relationaler Vertrag 84, 435, 437 – Werklieferungsvertrag 326, 333 – Werkvertrag 140, 326, 333 f. – Zugangsvertrag 232 Vertraulichkeit 38 f., 67, 318 Virtuelle Unternehmen 126 f., 446 Vollstreckung 387 ff., 449 Wertpapierhandelsgesetz 316 Widerruf 243, 298, 312, 319, 357 f., 379 Willenserklärung 109, 227, 244, 299 ff., 354, 369, 453 ff. World Trade Organization (WTO) 29, 411, 424 f. Zippo Manufacturing Co. v. Zippo Dot Com. 179 ff.