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German Pages 312 Year 2008
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Band 181
Die Gläubigerstellung unter dem Einfluss der EuInsVO und des deutschen internationalen Insolvenzrechts Von
Ulrich Klockenbrink
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
ULRICH KLOCKENBRINK
Die Gläubigerstellung unter dem Einfluss der EuInsVO und des deutschen internationalen Insolvenzrechts
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner Dr. Dirk Ehlers Dr. Ursula Nelles
Band 181
Die Gläubigerstellung unter dem Einfluss der EuInsVO und des deutschen internationalen Insolvenzrechts
Von
Ulrich Klockenbrink
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 978-3-428-12665-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern und Maren
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Wintersemester 2006 / 2007 von der Juristischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen worden. Sie befasst sich mit der durch das internationale deutsche und europäische Insolvenzrecht beeinflussten Rechtsposition der Gläubiger. Im Fordergrund steht dabei das Aufspüren von Rechtsgestaltungsmöglichkeiten für die Gläubiger. Es wird aufgezeigt, dass sich einzelne Gläubiger erhebliche Vorteile bei der Befriedigung ihrer Forderungen herausarbeiten können. Gläubiger können durch rechtsgestaltende Maßnahmen aber auch auf Rechtsgestaltungen des Schuldners, etwa auf eine Sitzverlegung, sowie auf Rechtsgestaltungen anderer Gläubiger reagieren und somit die daraus resultierenden Nachteile für sich begrenzen. Dieser große Gestaltungsspielraum im internationalen Insolvenzrecht ist deshalb besonders verblüffend, weil gerade der Erlass der EuInsVO darauf abzielte, ein forum shopping durch die Beteiligten in Insolvenzverfahren einzudämmen. Tatsächlich erhöht das internationale Insolvenzrecht eher die Möglichkeiten für ein forum shopping bzw. liefert einen rechtssicheren Rahmen für Rechtsgestaltung. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Ingo Saenger. Er förderte mich nicht nur bei meinem Dissertationsvorhaben, sondern bot mir auch die Möglichkeit, den akkreditierten Postgraduierten-Studiengang „Mergers & Acquisitions“ der WWU zu absolvieren. Dieser erweiterte meinen Horizont für meine berufliche Zukunft in praktischer und theoretischer Hinsicht erheblich. Schließlich unterstützte Herr Professor Dr. Ingo Saenger mich bei meiner wissenschaftlichen Tätigkeit an seinem Institut für Internationales Wirtschaftsrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Hier konnten neben der klassischen Lehrstuhltätigkeit mehrere gemeinsame Aufsatzprojekte, insbesondere zum internationalen Insolvenzrecht, verwirklicht werden. Stets herrschte dabei eine freundschaftliche und produktive Atmosphäre. Hierfür danke ich auch meinen Kollegen am Lehrstuhl, die in verschiedener Weise zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben und denen ich dauerhaft freundschaftlich verbunden bin. Herrn Professor Dr. Thomas Klicka gebührt Dank für die Erstellung des Zweitgutachtens. Frau Professorin Dr. Ursula Nelles, Herrn Professor Dr. Heinrich Dörner und Herrn Professor Dr. Dirk Ehlers danke ich für die Aufnahme dieser Arbeit in die Schriftenreihe „Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft“. Danken möchte ich auch dem Freundeskreis Rechtswissenschaft für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses.
8
Vorwort
Mein größter Dank gilt jedoch meinen Eltern Inge und Horst Klockenbrink. Sie haben mir während meiner gesamten juristischen Ausbildung wie selbstverständlich Unterstützung und Rückhalt geboten. Meiner Verlobten Maren Doese danke ich für ihre liebevolle Begleitung und ihr Verständnis. Düsseldorf, im September 2007
Ulrich Klockenbrink
Inhaltsübersicht §1
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
1. Teil
§2
§3
Grundlagen
31
Die Stellung der Gläubiger in Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
I. Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
II. Gläubigereinteilung nach der InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
III. Gläubigerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
Rechtsvergleichender Überblick über die Stellung der Gläubiger in ausgewählten nationalen Insolvenzrechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
II. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
III. England und Wales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
IV. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
V. Zusammenfassung, Vergleich und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
2. Teil
§4
Analyse des Zusammenspiels der Insolvenzrechtsordnungen
63
Anwendungsbereiche und Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
I. Anwendungsbereich der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
10
§5
§6
Inhaltsübersicht II. Anwendungsbereich des autonomen deutschen internationalen Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
III. Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
Internationale Rechtswirkungen von Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
I. Grundsatz der Universalität als Geltungsanspruch der Verfahren . . . . . . . . . . . . .
71
II. Grundsatz der Universalität als Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
III. Anwendbares Recht und internationale Eröffnungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . .
89
IV. Anwendung des ordre-public-Vorbehalts oder Verneinung der internationalen Zuständigkeit bei missbräuchlicher Sitzverlegung durch den Schuldner . . . . . .
97
Rechtsverfolgung durch Insolvenzantrag und Forderungsanmeldung . . . . . . . .
112
I. Insolvenzantrag als Einflussnahmemöglichkeit der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Geltendmachung von Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
3. Teil
§7
Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
165
Information der Gläubiger über das Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
I. Individuelle Unterrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Öffentliche Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 III. Eintragung in öffentliche Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 §8
Insolvenzanfechtung und Insolvenzbeständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170
I. Rechtsvergleichender Überblick zu den nationalen Insolvenzanfechtungs-, Nichtigkeits- und Unwirksamkeitsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 II. Auswirkungen von EuInsVO und deutschem internationalen Insolvenzrecht 179 III. Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
§9
Inhaltsübersicht
11
Forderungsaufrechnung in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196
I. Rechtsvergleichender Überblick zu den nationalen Regelungen der Aufrechnung in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 II. Auswirkungen von EuInsVO und deutschem internationalen Insolvenzrecht 201 III. Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 § 10 Behandlung dinglicher Rechte in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
I. Rechtsvergleichender Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 II. Auswirkungen von EuInsVO und deutschem internationalen Insolvenzrecht 224 III. Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 § 11 Rechtserwerb trotz Insolvenz des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
254
I. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 II. Bedeutung der Gutgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 § 12 Sonderregeln für Verträge über unbewegliche Gegenstände (sowie Schiffe und Luftfahrzeuge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 I. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 § 13 Rechtsverfolgungsmaßnahmen der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
265
I. Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren auf anhängige Rechtsstreitigkeiten nach Art. 15 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 II. Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren auf anhängige Rechtsstreitigkeiten nach § 352 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
12
Inhaltsübersicht III. Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren auf sonstige Rechtsverfolgungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 IV. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
§ 14 Herausgabepflicht des Gläubigers nach Leistung durch den Schuldner oder Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 I. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 § 15 Sonderregeln für Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
280
I. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
§ 16 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
289
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
311
Inhaltsverzeichnis §1
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
1. Teil
§2
§3
Grundlagen
31
Die Stellung der Gläubiger in Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
I. Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
II. Gläubigereinteilung nach der InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
1. Einfache Insolvenzgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
2. Nachrangige Insolvenzgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
3. Massegläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
4. Absonderungsberechtigte Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
5. Aussonderungsberechtigte Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
III. Gläubigerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
Rechtsvergleichender Überblick über die Stellung der Gläubiger in ausgewählten nationalen Insolvenzrechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
II. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
III. England und Wales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
14
Inhaltsverzeichnis IV. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
V. Zusammenfassung, Vergleich und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
2. Teil
§4
§5
Analyse des Zusammenspiels der Insolvenzrechtsordnungen
63
Anwendungsbereiche und Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
I. Anwendungsbereich der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
2. Räumlicher Anwendungsbereich und grenzüberschreitender Bezug . . . . . .
64
3. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
4. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
II. Anwendungsbereich des autonomen deutschen internationalen Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
III. Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
1. Sachverhalte innerhalb der EU mit Ausnahme Dänemarks . . . . . . . . . . . . . . .
69
2. Sachverhalte mit Drittstaatenbezug und Bezug zu Dänemark . . . . . . . . . . . . .
70
Internationale Rechtswirkungen von Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
I. Grundsatz der Universalität als Geltungsanspruch der Verfahren . . . . . . . . . . . . .
71
II. Grundsatz der Universalität als Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
1. Bezugspunkt der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
2. Relevanz des Geltungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
3. Ausländisches Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
4. Wirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
5. Gegenseitigkeit der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
Inhaltsverzeichnis
15
6. Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts – Prioritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . .
75
a) Maßgeblicher Anknüpfungspunkt der Prioritätsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
b) Prioritätsprinzip und Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
c) Prioritätsprinzip und Bestellung vorläufiger Insolvenzverwalter . . . . . . .
79
7. Gläubigerschutz durch ordre-public-Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
a) Verstoß gegen Verfahrensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
b) Verstoß gegen das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung . . . . . . . . . . . .
84
c) Verstoß gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . .
85
d) Verstoß bei Forderungskürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
e) Ergebnis, Rechtsfolge eines Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
8. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
III. Anwendbares Recht und internationale Eröffnungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . .
89
IV. Anwendung des ordre-public-Vorbehalts oder Verneinung der internationalen Zuständigkeit bei missbräuchlicher Sitzverlegung durch den Schuldner . . . . . .
97
1. Umzug nach Insolvenzantragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
2. Umzug vor Insolvenzantragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
a) Missbräuchliche Sitzverlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Versagung der Anerkennung aufgrund fehlender internationaler Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Internationale Zuständigkeit als Voraussetzung in Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Voraussetzung der internationalen Zuständigkeit im autonomen deutschen Anerkennungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Versagung der Anerkennung aufgrund des ordre-public-Vorbehalts . . . 107 d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 §6
Rechtsverfolgung durch Insolvenzantrag und Forderungsanmeldung . . . . . . . .
112
I. Insolvenzantrag als Einflussnahmemöglichkeit der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
16
Inhaltsverzeichnis b) Antragsbefugnis der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Insolvenzfähigkeit des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 d) Eröffnungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Eröffnung eines Sekundärverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Sekundärverfahren als Liquidationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Restschuldbefreiung und Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 d) Antragsbefugnis der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 e) Insolvenzfähigkeit des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 f) Anerkennung fremder Eröffnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Eröffnung eines isolierten Partikularinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Isoliertes Partikularverfahren nach Eröffnung eines Hauptverfahrens . 124 b) Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 c) Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 d) Insolvenzfähigkeit des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 e) Eröffnungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Überschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 cc) Entbehrlichkeit eines Eröffnungsgrundes nach Eröffnung eines Hauptverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 4. Gestaltungsmöglichkeiten für die Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Antrag auf Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Wettlauf um die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens – Bemühungen um eine günstige lex fori concursus . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Hauptinsolvenzverfahren über „nicht insolvenzfähige“ Schuldner
133
b) Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . 133 aa) Ermöglichung eines Verfahrens nach bekannten Regeln . . . . . . . . . . 134 bb) Schutz bei der Insolvenz von Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 134 cc) Schutz bei missbräuchlichen Sitzverlegungen durch den Schuldner 135 dd) Erfassung weiterer Vermögensgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 ee) Beschleunigung der eigenen Befriedigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 ff) Verbesserung der eigenen Rangstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Inhaltsverzeichnis
17
gg) Herbeiführung eines Liquidationsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 hh) Ausnutzung der Eröffnungsautomatik – Risikominimierung . . . . . . 138 c) Antrag auf Eröffnung eines isolierten Partikularinsolvenzverfahrens . . 139 aa) Partikularverfahren im Falle fehlender Insolvenzfähigkeit . . . . . . . . 139 bb) Das isolierte Partikularverfahren als Alternative zum Hauptverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 5. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 II. Geltendmachung von Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Forderungsanmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Recht auf Forderungsanmeldung nach Art. 39 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Streitstand zur Beschränkbarkeit der Passivmasse in Partikularverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 c) Form, Inhalt und Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 d) Mehrfachanmeldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 e) Anmeldung durch Verwalter im Namen der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . 147 f) Anrechung bei Mehrfachanmeldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Quotenkonsolidierung im Verteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb) Quotenkonsolidierung mit Nicht-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 cc) Befriedigung außerhalb eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . 152 dd) Zeitliche Grenzen der Konsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Gestaltungsmöglichkeiten für Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Anmeldung unter dem Aspekt der Größe der Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Anmeldung unter dem Aspekt der Forderungsanmeldung durch andere Insolvenzgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c) Anmeldung unter dem Aspekt des Ranges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 d) Anmeldung unter Berücksichtigung der Quotenkonsolidierung . . . . . . . 157 e) Anmeldung unter Umgehung der Quotenkonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . 158 f) Ausübung des Ablehnungs- und Rücknahmerechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 4. Sonderfall: Befriedigung der Massegläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Haftung für Masseverbindlichkeiten, die bei Parallelität der Verfahren begründet werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
18
Inhaltsverzeichnis b) Haftung für Masseverbindlichkeiten, die vor Eröffnung eines weiteren Verfahrens begründet worden sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 c) Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
3. Teil
§7
Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
165
Information der Gläubiger über das Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
I. Individuelle Unterrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Öffentliche Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 III. Eintragung in öffentliche Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 §8
Insolvenzanfechtung und Insolvenzbeständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170
I. Rechtsvergleichender Überblick zu den nationalen Insolvenzanfechtungs-, Nichtigkeits- und Unwirksamkeitsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Insolvenzbeständigkeit nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Insolvenzbeständigkeit nach französischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3. Insolvenzbeständigkeit nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 4. Insolvenzbeständigkeit nach US-amerikanischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 5. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 II. Auswirkungen von EuInsVO und deutschem internationalen Insolvenzrecht . 179 1. Geltung der lex fori concursus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Einschränkung in Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Rechtsnatur und Zweck der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 c) Anwendungsbereich von Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO . . . . . . . . . . . . 181 d) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Angreifbarkeit nach der lex fori concursus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Unangreifbarkeit nach der lex causae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
Inhaltsverzeichnis
19
cc) Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 dd) Nachweis durch Gläubiger, Verteilung der Beweislast . . . . . . . . . . . . 184 III. Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Konkrete Gestaltungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Grundsatz der freien Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Grenzen der Rechtswahlfreiheit nach Ansicht der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . 188 4. Stellungnahme: Teleologische Reduktion bei dolosen Gläubigern . . . . . . . . 189 5. Einsatz von Sekundärverfahren durch den Begünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 6. Gestaltungsmöglichkeiten für benachteiligte Insolvenzgläubiger . . . . . . . . . 193 IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
§9
Forderungsaufrechnung in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196
I. Rechtsvergleichender Überblick zu den nationalen Regelungen der Aufrechnung in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Aufrechnung nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Aufrechnung nach französischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Aufrechnung nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 4. Aufrechnung nach US-amerikanischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 5. Aufrechnung nach griechischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 6. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Auswirkungen von EuInsVO und deutschem internationalen Insolvenzrecht 201 1. Grundsätzliche Geltung der lex fori concursus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Differenzierte Regelung im deutschen internationalen Insolvenzrecht 201 b) Meinungsstreit zu Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. d EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Regelung in Art. 6 EuInsVO und § 338 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Rechtsnatur und Zweck der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
20
Inhaltsverzeichnis c) Anwendungsbereich von Art. 6 EuInsVO und § 338 InsO . . . . . . . . . . . . . 206 d) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Insolvenzrechtliche Unzulässigkeit der Aufrechnung nach der lex fori concursus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Zulässigkeit der Aufrechnung nach dem Recht, dem die Hauptforderung unterliegt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 cc) Zeitpunkt der Aufrechnungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 dd) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 e) Vorbehalt der Anfechtbarkeit, Nichtigkeit und relativen Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 III. Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Aufrechnung als Sicherungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Konkrete Gestaltungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3. Grenzen der Rechtswahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4. Einsatz von Sekundärverfahren zur Ermöglichung einer Forderungsaufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 5. Gestaltungsmöglichkeiten für die durch eine Aufrechnung benachteiligten Insolvenzgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
§ 10 Behandlung dinglicher Rechte in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
I. Rechtsvergleichender Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 II. Auswirkungen von EuInsVO und deutschem internationalen Insolvenzrecht 224 1. Dingliche Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 aa) Kollisionsrechtlicher Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 bb) Sachrechtlicher Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 cc) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 dd) Sonderfall: Sanierungspläne und ähnliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . 229 b) Zweck der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
Inhaltsverzeichnis
21
c) Anwendungsbereich von Art. 5 EuInsVO, Art. 7 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 d) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 aa) Maßgebliche dingliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (1) Dingliche Rechte i. S. d. Art. 5 Abs. 1 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . 232 (2) Verkäuferrechte aus einem Eigentumsvorbehalt i. S. d. Art. 7 Abs. 1 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (3) Dingliche Rechte i. S. d. § 351 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 bb) Auslandsbelegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 cc) Zeitpunkt der Auslandsbelegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 dd) Zeitpunkt der Entstehung des dinglichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 e) Vorbehalt der Anfechtbarkeit, Nichtigkeit und relativen Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 f) Herausgabe des Übererlöses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2. Insolvenz des Vorbehaltsverkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Einschränkung der Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 b) Insolvenzfestigkeit in Sekundärverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 aa) Anwendbarkeit des Art. 7 Abs. 2 EuInsVO in Sekundärverfahren
242
bb) Keine Anwendbarkeit des Art. 7 Abs. 2 EuInsVO in Sekundärverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 cc) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 III. Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 1. Konkrete Gestaltungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 a) Herstellung von Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 b) Umgehung von Sekundärverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 c) Verwertungsoptimales Verfahrens- und Sachrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Rechtliche Grenzen der Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 3. Einsatz von Sekundärverfahren durch andere Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 § 11 Rechtserwerb trotz Insolvenz des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
254
I. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
22
Inhaltsverzeichnis II. Bedeutung der Gutgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
§ 12 Sonderregeln für Verträge über unbewegliche Gegenstände (sowie Schiffe und Luftfahrzeuge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 I. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 § 13 Rechtsverfolgungsmaßnahmen der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
265
I. Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren auf anhängige Rechtsstreitigkeiten nach Art. 15 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 II. Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren auf anhängige Rechtsstreitigkeiten nach § 352 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 III. Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren auf sonstige Rechtsverfolgungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 IV. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 § 14 Herausgabepflicht des Gläubigers nach Leistung durch den Schuldner oder Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 I. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 § 15 Sonderregeln für Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
280
I. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
§ 16 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
289
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
311
Abkürzungsverzeichnis a.A. a. a. O. ABl a.E. a.F. AG AktG AnfG Anh. Anm. Art. BayObLG BC BegrRegE BerlinerKomm z. InsO Beschl. v. BGB BGBl. BGH BGHZ B.R.
BR-Drucks. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE DB ders. dies. Diss. DZWIR EG
anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt am Ende alte Fassung Amtsgericht / Aktiengesellschaft Aktiengesetz Anfechtungsgesetz Anhang Anmerkung Artikel Bayerisches Oberstes Landesgericht Bankruptcy Code Begründung zum Regierungsentwurf Berliner Kommentar zur Insolvenzordnung Beschluss vom Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bankruptcy Reporter, Sammlung der Entscheidungen in Bankruptcy Sachen: der Bankruptcy Courts (zit.: B.R. (Bankr. S.C.N.Y.)), der District Courts (zit.: B.R. (S.D.N.Y.)) Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Der Betrieb (Jahr, Seite) derselbe dieselbe[n] Dissertation Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht (Jahr, Seite) Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft
24 EGBGB EGInsO Einf. Einl. EU EuGH EuGH Slg. EuGVÜ
EuGVVO
EuInsÜ EuInsVO EuZW EVÜ EWiR f. FAZ ff. FLF FrankfurterKomm z. InsO FS GenG GesO GmbHG Habil. HeidelKomm z. InsO Hk-BGB Hk-ZPO Hs. I.C.C.L.R. i.d.R. i.E. IHR IJVO insb.
Abkürzungsverzeichnis Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Einführung Einleitung Europäische Union Europäischer Gerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr. 44 / 2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Europäisches Insolvenzübereinkommen Verordnung (EG) Nr. 1346 / 2000 über Insolvenzverfahren Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Römisches Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. 6. 1980 Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht und folgende[r] Seite / Randnummer / Paragraph Frankfurter Allgemeine Zeitung und folgende Seiten / Randnummern / Paragraphen Finanzierung, Leasing, Factoring (Jahr, Seite) Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung Festschrift Genossenschaftsgesetz Gesamtvollstreckungsordnung Gesetz betreffend der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Habilitation Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Handkommentar zur Zivilprozessordnung Halbsatz International Company and Commercial Law Review (Jahr, Seite) in der Regel im Ergebnis Internationales Handelsrecht, Zeitschrift für das Recht des internationalen Warenkaufs und -vertriebs, (Jahr, Seite) Jahresheft der Internationalen Juristenvereinigung Osnabrück (Jahr, Seite) insbesondere
Abkürzungsverzeichnis InsO InVo IPR IPrax i. S. d. Kap. KG KO KTS LG lit. LuftfzRG MünchKomm z. InsO NJW NJW-RR Nr. NZA NZI OLG Öst. OGH RegEInsO RGZ RIW Rn. Rpfleger S. SchiffsRG SGB sog. u. a. Urt. v. v.a. VglO VO WuB ZEuP ZfRV
25
Insolvenzordnung Insolvenz & Vollstreckung (Jahr, Seite) Internationales Privatrecht Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Jahr, Seite) im Sinne des / der Kapitel Kammergericht Konkursordnung Konkurs, Treuhand, Sanierung – Zeitschrift für Insolvenzrecht (Jahr, Seite) Landgericht Buchstabe Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung Neue Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) NJW-Rechtsprechungs-Report (Jahr, Seite) Nummer Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung (Jahr, Seite) Oberlandesgericht österreichischer Oberster Gerichtshof Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft (Jahr, Seite) Randnummer Der Rechtspfleger (Jahr, Seite) Seite(n) Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken Sozialgesetzbuch sogenannte unter anderem Urteil vom vor allem Vergleichsordnung Verordnung Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Rechtsvergleichung (Jahr, Seite)
26 ZGR ZIK ZInsO ZIP ZustG ZZP
Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Zustimmungsgesetz Zeitschrift für Zivilprozess (Jahr, Seite)
§ 1 Einführung Das internationale Insolvenzrecht regelt Sachverhalte, die sich bei Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitendem Bezug ergeben. Es ergänzt das internationale Wirtschaftsrecht. In Folge wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und technischer Verflechtungen stellt sich im Falle der Insolvenz von Unternehmen die Frage, wie das über Staatsgrenzen hinaus verstreute Vermögen sinnvoll verwaltet, verwertet und verteilt werden kann. Gegebenenfalls stellt sich auch die Frage nach einer sinnvollen Sanierung. Nicht zu vernachlässigen ist, dass die Regelungswirkung des internationalen Insolvenzrechts auch bei Privatinsolvenzen greift. Insofern führt zum einen der hohe Ausländeranteil im Inland zu einer Vermögensverteilung über nationale Grenzen. Zum anderen muss das aufgrund gewachsenen Wohlstands in Verbindung mit zunehmender Freizügigkeit erworbene Grund- und sonstige Kapitalanlagevermögen im Ausland im Insolvenzfall berücksichtigt werden. Noch im Jahre 1988 wurde das internationale Insolvenzrecht als vernachlässigbare Größe („quantité négligeable“1) angesehen. Heute ist dieses Rechtsgebiet durch umfangreiche Normierungsansätze der nationalen und europäischen Legislative gekennzeichnet. Auf europäischer Ebene wurde die VO (EG) Nr. 1346 / 2000 des Rates vom 29. 5. 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) mit Wirkung zum 31. 5. 2002 erlassen.2 Auf nationaler Ebene spielte in Deutschland Art. 102 EG InsVO a.F. eine gewisse Vorreiterrolle. Seit dem 20. 3. 2003 gilt hier das autonome deutsche internationale Insolvenzrecht, welches im elften Teil der InsO festgehalten ist.3 Damit spiegelt sich schon in der Gesetzgebungstätigkeit die Relevanz grenzüberschreitender Insolvenzsachverhalte wieder. Aber auch die Rechtsprechung hatte sich in der Vergangenheit mit einer Vielzahl einschlägiger Fälle zu beschäftigen. Als Beispiel seien hier nur die Urteile des EuGH im Fall StaubitzSchreiber4 sowie im Fall Eurofood / Parmalat5 genannt. Das internationale Insol1 Thieme, in: Kegel, Vorschläge und Gutachten zum Entwurf eines EG-Konkursübereinkommens, S. 213 (216). Selbst im Jahre 2002 wurde das internationale Insolvenzrecht von vielen Insolvenzrechtlern noch als „abseitige Materie“ abgetan, Paulus, EuInsVO, Vorwort. 2 ABlEG 2000 Nr. L 160 / 1. Die inhaltlich weitgehend identischen Regelungen eines EuInsÜ von 1995 traten aufgrund der Weigerung Großbritanniens in Folge der BSE-Krise dem Entwurf des Übereinkommens zuzustimmen nicht in Kraft. 3 Gesetz vom 14. 3. 2003 – BGBl. I, S. 345 ff. Bereits 1992 hatte die Bundesregierung dem deutschen Bundestag einen Gesetzesentwurf (BT-Drucks. 12 / 2443, S. 233 ff.) vorgelegt, der jedoch im Hinblick auf die – im Nachhinein unberechtigten – Erwartung an das Zustandekommen des EuInsÜ nicht weiter verfolgt wurde (vgl. BT-Drucks. 12 / 7302, S. 143). 4 EuGH, Urt. v. 17. 1. 2006 – C-1 / 04, ZInsO 2006, 86 ff., Vorlage des BGH, Beschl. v. 27. 11. 2003 – IX ZB 418 / 02, DZWIR 2006, 211.
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venzrecht ist mithin zu einer nicht mehr zu vernachlässigenden Größe geworden („quantité indispensable“).
I. Problemstellung Die Rechtsposition der Gläubiger wird entscheidend durch die auf das eingeleitete Insolvenzverfahren anzuwendende nationale Insolvenzrechtsordnung geprägt. Die nationalen Insolvenzstatuten schaffen ein zunächst in sich geschlossenes System des Ausgleichs zwischen den Gläubigern untereinander sowie zwischen dem Schuldner und den Gläubigern.6 Schon die Frage, welche nationale Insolvenzrechtsordnung auf ein Insolvenzverfahren Anwendung findet, ist jedoch eine Frage des internationalen Insolvenzrechts. Die nationalen Regelungsgefüge werden durch das internationale Insolvenzrecht folglich miteinander in Beziehung gebracht. Es entscheidet über den räumlichen Geltungsanspruch nationaler Insolvenzrechtsordnungen, die Anerkennung dieses Geltungsanspruchs in anderen Staaten als dem Verfahrensstaat sowie über das anzuwendende Recht. Darüber hinaus zeichnet es sich durch eine Reihe von Sachnormen aus, die das nationale Recht unmittelbar modifizieren. Durch die internationalrechtlichen Modifikationen in der EuInsVO und dem autonomen deutschen internationalen Insolvenzrecht werden die den nationalen Insolvenzrechtsordnungen zugrunde gelegten Wertungen verändert. Damit ist zwangsläufig auch eine Veränderung der Rechtsstellung der Gläubiger verbunden, die – zumindest aus deutscher Sicht – die Verfahrensbeteiligten mit den entscheidenden wirtschaftlichen Interessen sind (§ 1 S. 1 InsO). Die Veränderung der nationalen Regelungsgefüge kann für den einzelnen Gläubiger im konkreten Fall Vorteile aber auch Nachteile mit sich bringen. Sofern die internationalrechtlichen Vorschriften unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf die Befriedigungschancen der Gläubiger haben, ergeben sich die bei der Verteilung einer beschränkten Masse typischen Wechselwirkungen. Was für den einen ein Mehr an Befriedigung schafft, reduziert für einen anderen die Befriedigungsaussichten. Gleichzeitig sind die internationalrechtlichen Vorschriften nicht so ausgestaltet, dass die Schuldner und Gläubiger keinen Einfluss auf die Rechtslage nehmen könnten. Es ist ihnen vielmehr möglich, gestaltend tätig zu werden, um die eigene Rechtsstellung zu verbessern (forum shopping), was wiederum regelmäßig zulasten anderer an einem Insolvenzverfahren Beteiligter geht. Zentrale Aufgabe dieser Arbeit ist es, im Rahmen einer umfassenden Darstellung der durch die EuInsVO und das deutsche internationale Insolvenzrecht beeinflussten Rechtsstellung der Gläubiger diese Gestaltungsspielräume aufzuspüren 5 EuGH, Urt. v. 2. 5. 2006 – C-341 / 04, EuZW 2006, 337 ff., Vorlage des Supreme Court of Ireland, Beschl. v. 27. 7. 2004 – C-147 / 04, ZIP 2004, 1969 ff. 6 Vgl. Foerste, Insolvenzrecht, § 1 Rn. 15; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.03 ff.; Nerlich, in: Nerlich / Römermann, InsO, Einleitung Rn. 16 ff.
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und aufzuzeigen, wie sie optimal von einzelnen Gläubigern genutzt werden können. Gleichzeitig soll ermittelt werden, wo die Grenzen für die Gestaltungsmöglichkeiten zu ziehen sind und wie andere (benachteiligte) Gläubiger ihrerseits auf die Gestaltungen reagieren können. Es sollen mithin (1.) die Möglichkeiten für ein forum shopping, (2.) der Schutz der Gläubiger vor einem forum shopping sowie (3.) die Reaktionsmöglichkeiten der Gläubiger auf ein forum shopping mittels eines forum shoppings untersucht werden. Dabei kann die Frage nicht unbehandelt bleiben, inwiefern die Gestaltungsmöglichkeiten durch den deutschen und europäischen Gesetzgeber berechtigterweise eröffnet werden. Von besonderem Interesse ist insofern, die Unterschiede zwischen den Regelungen der EuInsVO und des deutschen internationalen Insolvenzrechts herauszuarbeiten. Der Verfasser ist sich bewusst, dass die vorgeschlagenen Rechtsgestaltungsmöglichkeiten für die Beteiligten mit Kosten verbunden sind. Die Kosten können die monetären Vorteile, die durch die Gestaltung generiert werden, im Einzelfall aufzehren. Schließlich sind auch steuerrechtliche Aspekte und Fragen eines adäquaten Gewährleitungsrechts sowie akzeptable Rechtsschutzmöglichkeiten außerhalb eines Insolvenzverfahrens für eine sinnvolle Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten von entscheidender Bedeutung. Diese Gesichtspunkte können in dieser insolvenzrechtlichen Arbeit jedoch keine Berücksichtigung finden. Sie sind vielmehr einzelfallbezogen durch die Beteiligten in Bezug auf die geplante Gestaltung zu untersuchen und zu bewerten.
II. Gang der Untersuchung Die Untersuchung gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil dient als Grundlage für die sich anschließenden Teile und beschreibt zunächst den das Insolvenzrecht entscheidend prägenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Darauf aufbauend wird die Rangordnung der Gläubiger, wie sie das deutsche Insolvenzrecht vorsieht, vorgestellt und die sich daraus ergebenden Interessen der Gläubigergruppen ermittelt. Daran schließt sich eine rechtsvergleichende Untersuchung der Zwecke der Insolvenzstatuten einer ausgewählten Anzahl von Staaten an, um daraus einen Ausblick auf die unterschiedlich starke Stellung der Gläubiger abzuleiten. Der zweite Teil befasst sich mit den Wirkungen, die sich aus dem Zusammenspiel der einzelnen insolvenzrechtlichen Regelwerke für die Gläubiger ergeben. Dazu werden zunächst die Anwendungsbereiche der EuInsVO und des deutschen internationalen Insolvenzrechts abgesteckt. Sodann wird auf die räumliche Wirkungserstreckung von Insolvenzverfahren, auf Fragen der Anerkennung ausländischer Verfahren durch andere Staaten sowie auf das in einem Verfahren anzuwendende Recht eingegangen. Von besonderer Bedeutung ist dabei, inwiefern den Gläubigern Schutz vor den sich aus der internationalen Wirkungserstreckung ergebenden Nachteilen geboten wird. Des Weiteren wird beleuchtet, inwiefern Gläubi-
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ger vor Rechtsgestaltungen der Schuldner durch Verlegung ihres Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunktes geschützt sind. Danach werden die Möglichkeiten der Gläubiger, durch Stellung eines Insolvenzantrags Einfluss auf das anzuwendende Recht zu nehmen, untersucht. Schließlich ist darauf einzugehen, wie die Gläubiger ihre Forderungen in internationalen Insolvenzverfahren interessengerecht verfolgen können. Im dritten Teil wird der Einfluss der internationalrechtlichen Einzelvorschriften (z. B. zur Aufrechnung und Insolvenzanfechtung) auf die Rechtspositionen der Gläubiger untersucht. Dazu werden zunächst die unterschiedlichen Wirkungen der entsprechenden nationalen Regelungen herausgearbeitet, sofern sie sich im Zusammenhang mit den Regelungen des internationalen Insolvenzrechts auswirken. Daran schließt sich eine Darstellung der Tatbestände und Rechtsfolgen der internationalrechtlichen Vorschriften an, wobei auf Meinungsstreitigkeiten, die sich auf die Rechtsstellung der Gläubiger auswirken, eingegangen wird. Sodann werden Gestaltungsmöglichkeiten für Gläubiger herausgearbeitet, mit denen sie ihre rechtliche Position verbessern können. Gleichzeitig werden Möglichkeiten gesucht, wie andere, durch die Gestaltung benachteiligte Gläubiger, darauf reagieren können. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Untersuchung der von Rspr. und Lehre nahezu unbehandelten Problematik der Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten für Gläubiger. Die rechtsvergleichenden Überblicke im ersten und dritten Teil dienen nicht dazu, eine abschließende Rechtsvergleichung über die unterschiedlichen Insolvenzstatuten der Staaten zu liefern. Insbesondere wird kein Anspruch auf Vollständigkeit der Darstellung der nationalen Insolvenzrechtsordnungen erhoben. Es geht vielmehr darum – bezogen auf die Stellung der Gläubiger – relevante Aspekte aufzugreifen, und daran anknüpfend die Auswirkungen des internationalen Insolvenzrechts darauf zu untersuchen. Die neben der deutschen Insolvenzordnung behandelten Insolvenzstatuten wurden im Hinblick auf die unterschiedlichen räumlichen Anwendungsbereiche der EuInsVO und des autonomen deutschen internationalen Insolvenzrechts aus EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten ausgewählt. Als nichtmitgliedstaatliches Recht wird das US-Insolvenzrecht vorgestellt. Als Repräsentant für den romanischen Rechtskreis wurde das französische Insolvenzrecht gewählt. Das englische Insolvenzrecht steht für den angelsächsischen Rechtskreis. Daneben werden teilweise noch besonders bemerkenswerte Regelungen anderer Staaten aufgegriffen.
1. Teil
Grundlagen § 2 Die Stellung der Gläubiger in Insolvenzverfahren Die Gläubiger sind die entscheidenden Personen, derentwegen ein Insolvenzverfahren durchgeführt wird. Aufgrund der Insolvenz des Gemeinschuldners können sie regelmäßig nicht mehr alle vollständig befriedigt werden. Daher sehen die nationalen Insolvenzrechtsordnungen ein ausgleichendes Verfahren – das Insolvenzverfahren – vor.
I. Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung Mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verändern sich die Beziehungen der Gläubiger untereinander. Es gilt – anders als im Einzelvollstreckungsrecht – nicht mehr das Prioritätsprinzip, nach dem sich derjenige Gläubiger, der zuerst in das Vermögen vollstreckt, das schuldnerische Vermögen gegebenenfalls vollständig zunutze machen kann, während andere Gläubiger leer ausgehen („bellum omnium contra omnes“). Stattdessen greift der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (par conditio creditorum). Danach soll den Gläubigern das Vermögen des Schuldners in gleichem Maße zugute kommen. Da das Vermögen des Schuldners in der Insolvenz i.d.R. nicht ausreicht, um alle Gläubiger befriedigen zu können, sind diese lediglich quotal zu befriedigen. In der Literatur finden sich verschiedene dogmatische Rechtfertigungsansätze für die gleichbehandlungsrechtliche Einschränkung des letztlich auf der Privatautonomie basierenden Prioritätsprinzips. Berges begründet die Notwendigkeit einer Gleichbehandlung mit einem zwischen den Gläubigern bestehenden Gemeinschaftsverhältnis in Form einer auf die Insolvenzmasse als Haftungsobjekt bezogenen „Vorratsgemeinschaft“1. Eine solche Rechtsgemeinschaft entstehe auch ohne den Willen der Gläubiger alleine dadurch, dass sie alle ein Befriedigungsrecht an den gleichen Gegenständen haben.2 Aufgrund der nicht zur Befriedigung aller 1 Berges, KTS 1957, 49 (52); ähnlich Spellenberg, der von einer „Befriedigungsgemeinschaft“ spricht, vgl. Spellenberg, Zum Gegenstand des Konkursfeststellungsverfahrens, S. 98 ff. 2 Berges, KTS 1957, 49 (52).
32
1. Teil: Grundlagen
Gläubiger ausreichenden Masse entstehe eine für Gemeinschaftsverhältnisse typische Konfliktsituation. Aus dieser folge sodann die rechtliche Beschränkung der Ausübung der Anteilsrechte.3 Jedoch kann schon die Konstruktion einer Gläubigergemeinschaft nicht überzeugen. Anders als beispielsweise bei einer Gemeinschaft i. S. d. §§ 741 ff. BGB steht den Gläubigern nicht ein Recht gemeinschaftlich zu. Vielmehr stehen den Gläubigern gleiche Rechte (Forderungen) gegenüber dem Gemeinschuldner zu. Insofern verfolgen die Gläubiger auch kein gleichgerichtetes Interesse. Ihr Verhältnis zueinander zeichnet sich vielmehr durch widerstreitende Interessen aus.4 Im Übrigen erweist sich die Argumentation mit einer wie auch immer gearteten Gläubigergemeinschaft als zirkelschlussartig: Aus der Notwendigkeit einer quotalen Befriedigung aufgrund einer lediglich beschränkt zur Verfügung stehenden Masse wird eine Gemeinschaft konstruiert, die wiederum die quotale Befriedigung wegen der nicht für eine vollständige Befriedigung aller Gläubiger ausreichenden Masse zulässt. R. Schmidt führt das Gebot der Gleichbehandlung der Gläubiger in der Insolvenz des Gemeinschuldners daher auf eine fiktive Zustimmung der Gläubiger zurück.5 Eine solche fiktive Zustimmung bestehe unabhängig davon, ob die Gläubiger die Insolvenz des Schuldners im Zeitpunkt der Begründung ihrer Forderung vorhersehen, und unabhängig von einer tatsächlichen Verbesserung der eigenen Position durch eine Verteilung nach Gleichbehandlungsgesichtspunkten. 6 Sie komme allein dadurch zustande, dass mit dem Prioritätsprinzip zum einen Verteilungsrisiken und zum anderen sog. „Verteilungskosten“ verbunden sind.7 Für alle Gläubiger zusammen würde diesen Nachteilen kein Vorteil gegenüberstehen. Daher finde eine Verteilung der knappen Mittel nach dem Gleichbehandlungsprinzip bereits vor einem konkreten Insolvenzfall die Zustimmung aller Gläubiger.8 Auch diesem ökonomischen Ansatz kann indes nicht gefolgt werden. R. Schmidt räumt selber ein, dass eine Vermeidung des Verteilungsrisikos insbesondere von risikoscheuen Gläubigern angestrebt würde. Das schließt aber nicht aus, dass risikoaffine Gläubiger nicht durchaus bereit sind, sich auf das mit dem Prioritätsprinzip verbundene Risiko, für die Chance einer vollen Befriedigung ihrer Forderungen gegebenenfalls auch leer auszugehen, einzulassen. Des Weiteren weist Füßmann zutreffend darauf hin, dass eine Befriedigung nach dem Gleichbehandlungsprinzip ausschließlich – und nicht nur in erster Linie – die Zustimmung derjenigen Gläubiger finden würde, die sich im Wettlauf um die knappen Vermögenswerte in einer schwächeren Position sehen.9 Von einer allseitigen freiwilligen fiktiven Zustimmung für eine AblöBerges, KTS 1957, 49 (52). Häsemeyer, KTS 1982, 507 (523). 5 R. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 44. 6 R. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 44. 7 R. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 44 f. 8 R. Schmidt, Ökonomische Analyse des Insolvenzrechts, S. 45. 9 Füßmann, Die Auswirkungen des reformierten Insolvenzanfechtungsrechts auf das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung, S. 41. 3 4
§ 2 Die Stellung der Gläubiger in Insolvenzverfahren
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sung des Prioritätsprinzips durch das Gleichbehandlungsprinzip in der Insolvenz des Schuldners kann folglich keine Rede sein. Einen wieder anderen Rechtfertigungsansatz wählt Häsemeyer. Er weist darauf hin, dass die Gläubiger mit der Begründung ihrer Forderungen Einfluss auf das Schuldnervermögen genommen haben.10 Dieser Einfluss werde bis zum Insolvenzfall dadurch neutralisiert, dass der Schuldner sein Vermögen und daher auch seine Haftungsbeziehungen eigenverantwortlich steuern könne.11 In der Insolvenz wird dem Schuldner die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Vermögens- und Haftungssteuerung jedoch entzogen. Daher müssen die Gläubiger das Schuldnervermögen mit seinen Aktiv- und Passivpositionen so hinnehmen wie es ist.12 Dabei könnten sich die Gläubiger wechselseitig ihren Einfluss auf die Rechts- und Haftungsverhältnisse des Gemeinschuldners vorhalten.13 Das Gleichbehandlungsprinzip stelle somit einen Ausgleich für den vorinsolvenzlichen Gläubigereinfluss auf das Schuldnervermögen dar.14 Dem schließt sich Smid ausdrücklich an, wobei er das Gleichbehandlungsprinzip nicht nur auf die Einflussnahme der Gläubiger überhaupt, sondern zusätzlich auf ein ökonomisches Übergewicht der Gläubiger gegenüber dem Schuldner stützt.15 Auch dieser Ansatz, der die Gläubigergleichbehandlung als eine Art Ausgleichshaftung der Gläubiger untereinander begreift, weist Ungereimtheiten auf. So ist beispielsweise kaum nachzuvollziehen, warum sich ein Delikts- oder Bereicherungsgläubiger einen Einfluss auf das Schuldnervermögen „vorhalten lassen“ soll, wenn er die Rechtsbeziehung zum Schuldner nicht freiwillig eingegangen ist. Es ist zwar möglich, den Begriff „Gläubigereinfluss“ streng als Kausalität für die spätere Insolvenz des Schuldners zu interpretieren. Damit erschließt sich aber nicht, warum sich einzelne Gläubiger in der Insolvenz nicht nach wie vor zulasten anderer vollständig befriedigen dürfen sollen. Durch ein (fragliches) ökonomisches Übergewicht der Gläubiger gegenüber dem Schuldner, lässt sich die Einschränkung der Gläubigerrechte jedenfalls auf der Ebene der Gläubiger untereinander nicht rechtfertigen. Häsemeyer bringt in seinen Ausführungen jedoch einen wichtigen weiteren Aspekt zur Sprache. Er stellt die Gläubigergleichbehandlung in den Kontext eines übergeordneten ausgleichenden Gerechtigkeitsprinzips.16 Hier ist in der Tat die Rechtfertigung für die Gleichbehandlung der Gläubiger in der Insolvenz des Schuldners zu finden. Es entspricht letztlich der Billigkeit, dass in Fällen, in denen das Vermögen des Schuldners nicht mehr zur vollständigen Befriedigung aller Gläubiger ausreicht, keine egoistischen Gläubigereingriffe mehr zugelassen wer10 11 12 13 14 15 16
Häsemeyer, KTS 1982, 507 (517); ders., Insolvenzrecht, Rn. 2.26. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.26. Häsemeyer, KTS 1982, 507 (517). Häsemeyer, KTS 1982, 507 (517). Häsemeyer, KTS 1982, 507 (517); ders., Insolvenzrecht, Rn. 2.27. Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, § 1 Rn. 22. Häsemeyer, KTS 1982, 507 (517).
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1. Teil: Grundlagen
den.17 In der fehlenden Möglichkeit, noch alle Gläubiger vollständig befriedigen zu können, liegt nämlich der entscheidende Unterschied zum Einzelvollstreckungsrecht, bei dem trotz der Geltung des Prioritätsprinzips zumindest die Hoffnung besteht, sämtliche Gläubiger zu befriedigen.18 Die materielle Gerechtigkeit fordert allerdings nicht, dass alle Gläubiger tatsächlich gleich behandelt werden. Sie setzt vielmehr voraus, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird.19 Das heißt für das Insolvenzrecht, dass eine materiell „gerechte“, auf sachlichen Gründen basierende Differenzierung zwischen verschiedenen Gläubigergruppen zulässig und erforderlich ist. Auf diese Weise soll das Insolvenzrecht eine Befriedigungsfunktion erfüllen.20 Was allerdings unter einer „gerechten“ Differenzierung zu verstehen ist, die einen Befriedungseffekt auslöst, wurde zu jeder Zeit kontrovers diskutiert und unterschiedlich geregelt.21 Wie in dieser Arbeit noch an verschiedenen Stellen zu zeigen sein wird, weisen auch die nationalen Insolvenzstatuten ein höchst unterschiedliches Verständnis von einer gerechten Differenzierung im Rahmen des Gleichbehandlungsprinzips auf. Das Gläubigergleichbehandlungsprinzip hat zur Folge, dass sich die Bemühungen der Gläubiger um eine vollständige Befriedigung auf die Zeit vor Verfahrenseröffnung verlagern. Des Weiteren motiviert es die Gläubiger dazu, sich bereits vor der Insolvenz des Schuldners eine bevorrechtigte Befriedigungsposition im Verteilungsverfahren zu verschaffen. Um einen „Ausverkauf der Masse“ zu verhindern, sehen die nationalen Insolvenzstatuten verschiedene (Anfechtungs-)Mechanismen vor, Befriedigungshandlungen sowie Handlungen, die darauf abzielen, im Insolvenzverfahren selbst bevorrechtigt befriedigt zu werden, im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens entgegenzuwirken. Vor dem Hintergrund der Vorverlagerung des „Wettlaufs der Gläubiger um eine vollständige Befriedigung“ werden die Anfechtungsnormen daher in ihrer Gesamtheit als ein besonderer Ausdruck des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung verstanden.22 17 De Boor, Die Kollision von Forderungsrechten, S. 22 ff.; ähnlich Prütting, in: Kübler / Prütting, InsO, § 5 Rn. 61; HeidelKomm z. InsO / Kirchhof, § 1 Rn. 4. 18 Prütting, in: Kübler / Prütting, InsO, § 5 Rn. 61. 19 MünchKomm z. InsO / Stürner, Einl. Rn. 62, 95; Baur / Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 5.37; Prütting, in: Kübler / Prütting, InsO, § 5 Rn. 65; Liersch, NZI 2002, 15 (18). 20 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.13 ff.; Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, § 1 Rn. 18 ff. mit einem Verweis auf bürgerkriegsähnliche Verhältnisse aufgrund eines fehlenden funktionierenden Insolvenzrechts in Albanien im Frühjahr 1997 nach dem Zusammenbruch mehrer Glücksspielunternehmen. 21 Ausführlich zur historischen Entwicklung vgl. Häsemeyer, KTS 1982, 507 (511 ff.); Füßmann, Die Auswirkungen des reformierten Insolvenzanfechtungsrechts auf das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung, S. 34 ff. 22 BGHZ 59, 230, 232; Breutigam / Tanz, ZIP 1998, 717; Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, § 18 Rn. 1; Füßmann, Die Auswirkungen des reformierten Insolvenzanfechtungsrechts auf das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung, S. 47; Gogger, Insolvenzrecht, S. 187; Huber, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 47 Rn. 1.
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Damit bleibt festzuhalten, dass der Grundsatz der par conditio creditorum eine gruppenspezifische Gleichbehandlung der Gläubiger im Insolvenzverfahren bewirkt.
II. Gläubigereinteilung nach der InsO Das deutsche Insolvenzrecht untergliedert die Gläubiger im zweiten Abschnitt des zweiten Teils der InsO in fünf Gruppen. Zu unterscheiden ist danach zwischen (1.) den einfachen Insolvenzgläubigern, (2.) den nachrangigen Insolvenzgläubigern, (3.) den Massegläubigern, (4.) den aussonderungsberechtigten Gläubigern und (5.) den absonderungsberechtigten Gläubigern.23 Die von der InsO vorgenommene Einteilung ist keineswegs zwingend. Andere Staaten kennen gänzlich andere Gläubigerkategorien.24 Die deutsche Einteilung ist damit lediglich einer von vielen Ansätzen, um eine „gerechte“ Befriedigung der Gläubiger zu bewirken. Die konkrete Ausgestaltung der verschiedenen deutschen Gläubigerkategorien muss zwangsläufig zu unterschiedlichen, ja sogar gegensätzlichen Interessen führen. Welche gruppenspezifischen Interessen sich aus der Einteilung der Gläubiger ergeben, soll erst nach der Darstellung der Gläubigergruppen ermittelt werden.
1. Einfache Insolvenzgläubiger (Einfache) Insolvenzgläubiger sind gemäß der Legaldefinition in § 38 InsO die persönlichen Gläubiger des Schuldners, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Insolvenzschuldner haben. Von entscheidender Bedeutung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist, dass die Vorschrift inländische und ausländische Gläubiger gleichermaßen erfasst.25 23 Von einem einheitlichen Gebrauch der Terminologie für die fünf Gläubigergruppen kann in der InsO allerdings keine Rede sein. So erfasst der Oberbegriff „Gläubiger“ in vielen Vorschriften nur die einfachen Insolvenzgläubiger und die absonderungsberechtigten Gläubiger (vgl. § 1 S. 1, § 28 Abs. 1, §§ 152 Abs. 1, 153 Abs. 2 S. 1, § 230 Abs. 2 InsO). In § 174 Abs. 1 InsO sind mit Insolvenzgläubigern nicht die nachrangigen gemeint, obwohl sie ebenso Insolvenzgläubiger sind, wie die einfachen Insolvenzgläubiger (vgl. 1. Teil § 2 II. 2., S. 37). In § 187 Abs. 2 S. 2 und § 222 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO werden die nachrangigen Insolvenzgläubiger korrekt bezeichnet, während in §§ 77 Abs. 1 S. 2, 174 Abs. 3, 177 Abs. 2 und 266 Abs. 2 InsO nur von „nachrangigen Gläubigern“ gesprochen wird. Die Kategorien des „Kleingläubigers“ (vgl. § 67 Abs. 2 S. 1 InsO) und des „Neugläubigers“ (vgl. Überschrift des § 265 InsO) sind im Rahmen dieser Arbeit nicht von Interesse. 24 Ehricke, ZIP 2005, 1104 (1105); Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (39 Nr. 12). 25 Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, § 2 Rn. 15; früher ergab sich das Gleichstellungsgebot aus § 5 Abs. 1 KO.
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Da in einem Insolvenzverfahren die Befriedigung der Insolvenzgläubiger grundsätzlich mittels Auszahlung eines Geldbetrags durch den Insolvenzverwalter im Verteilungsverfahren erfolgt, ist ein Vermögensanspruch (§ 38 InsO) nur dann zu bejahen, wenn der Anspruch des Gläubigers auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet oder gemäß § 45 InsO in einen Geldwert umrechenbar ist.26 Der Anspruchsbegriff ist der Legaldefinition in § 194 Abs. 1 BGB zu entnehmen.27 Damit scheiden Gestaltungsrechte als Insolvenzforderung aus. Lediglich ihre Ausübung kann Insolvenzforderungen begründen.28 Auch höchstpersönliche Ansprüche und Ansprüche auf unvertretbare Handlungen im Sinne von § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO können nicht durch Verteilung des Vermögens befriedigt werden, selbst wenn sie einen berechenbaren Vermögenswert haben.29 Sie richten sich nämlich gegen den Schuldner persönlich und nicht gegen sein Vermögen.30 Folglich sind sie keine Insolvenzforderungen. Gleiches gilt für Ansprüche im Sinne von § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO auf Unterlassung gegen den Schuldner. Lediglich im Falle eines Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot kann aufgrund der Verwirkung einer Vertragsstrafe oder eines Schadensersatzanspruches mittelbar eine Insolvenzforderung entstehen.31 Das Merkmal der persönlichen Gläubigerstellung (§ 38 InsO) ist erfüllt, wenn der Schuldner selbst unmittelbar Verpflichteter des Anspruchs ist. Nicht erforderlich ist, dass sich die Leistungspflicht nur gegen diesen allein richtet. Die persönliche Gläubigerstellung ist auch dann zu bejahen, wenn der Schuldner zusammen mit anderen haftet. Es kommt auch nicht darauf an, worin der Anspruch seine Grundlage hat. Er kann sich aus allgemeinem Schuldrecht, Deliktsrecht, Familienrecht, Erbrecht und grundsätzlich auch aus dem Sachenrecht ergeben. Allerdings wird eine persönliche Gläubigerstellung verneint, wenn der Schuldner zur Herausgabe eines Gegenstandes verpflichtet ist, der haftungsrechtlich nicht der Masse zuzuordnen ist, oder wenn ein Anspruch auf vorzugsweise Sonderbefriedigung aus bestimmten Haftungsgegenständen besteht.32 In diesen Fällen ist der Gläubiger Aussonderungsberechtigter (§ 47 InsO) oder Absonderungsberechtigter (§ 49 ff. InsO). Der Vermögensanspruch ist zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne des § 38 InsO begründet, wenn die Rechtsgrundlage, aus der der Anspruch 26 Foerste, Insolvenzrecht, § 7 Rn. 58; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 349; Eckhardt, Kölner Schrift, S. 743 (746); vgl. auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 16.04 ff. 27 Bäuerle, in: Braun, InsO, § 38 Rn. 5. 28 Andres, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 38 Rn. 6; Bäuerle, in: Braun, InsO, § 38 Rn. 5; MünchKomm z. InsO / Ehricke, § 38 Rn. 47. 29 MünchKomm z. InsO / Ehricke, § 38 Rn. 37, 43; Holzer, in: Kübler / Prütting, InsO, § 38 Rn. 15, 16; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 349. 30 Vgl. Holzer, in: Kübler / Prütting, InsO, § 38 Rn. 16. 31 Andres, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 38 Rn. 9; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 16.05. 32 MünchKomm z. InsO / Ehricke, § 38 Rn. 10; Holzer, in: Kübler / Prütting, InsO, § 38 Rn. 5 f.; Andres, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 38 Rn. 3; Eckhardt, Kölner Schrift, S. 743 (745 f.); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 16.03; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 350.
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resultiert, vor Verfahrenseröffnung bereits angelegt ist.33 Das ist dann zu bejahen, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand in diesem Zeitpunkt vollständig erfüllt und materiell-rechtlich abgeschlossen ist.34 Fälligkeit ist nicht erforderlich. Sie wird gemäß § 41 Abs. 1 InsO fingiert. Mit der Insolvenzeröffnung wird also ein Strich gezogen: Das Schuldnervermögen soll nur für die in diesem Zeitpunkt Berechtigten verwertet werden. Zwar kann der Schuldner auch noch nach Insolvenzverfahrenseröffnung schuldrechtliche Verbindlichkeiten eingehen, da § 81 Abs. 1 S. 1 InsO nur Verfügungen entgegensteht, nicht aber Kausalgeschäften. Die auf diese Weise begründeten Forderungen der sog. Neugläubiger berechtigen allerdings nicht mehr zur Teilnahme am Insolvenzverfahren.35 Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen (§ 87 InsO). Eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners durch Insolvenzgläubiger ist während der Dauer des Insolvenzverfahrens unzulässig (§ 89 Abs. 1 InsO). Die Insolvenzgläubiger müssen ihre Forderung daher gemäß § 174 Abs. 1 InsO zur Tabelle anmelden. Eine Rangfolge für die Befriedigung der einfachen Insolvenzgläubiger ist – anders als noch in der KO – in der InsO nicht mehr vorgesehen. Ihre Forderungen werden par conditio aus der Insolvenzmasse (§ 35 InsO) getilgt.36 Wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung nicht zur Tabelle anmeldet, verliert er seine Gläubigerstellung zwar nicht. Er kann die Forderung aber im Insolvenzverfahren nicht mehr geltend machen. Erst nach Beendigung des Verfahrens darf er seine Forderung vorbehaltlich einer Restschuldbefreiung oder eines Insolvenzplans wieder verfolgen.37 2. Nachrangige Insolvenzgläubiger § 39 InsO ordnet an, wer zu den nachrangigen Insolvenzgläubigern gehört. Gläubiger, die unter § 39 InsO fallen, erfüllen immer zugleich auch die Voraussetzungen der Legaldefinition des § 38 InsO. Auch nachrangige Insolvenzgläubiger sind somit Insolvenzgläubiger im Sinne dieser Vorschrift. § 39 InsO ergänzt den § 38 InsO durch die Festlegung der Nachrangigkeit im Verteilungsverfahren lediglich in verfahrensrechtlicher Hinsicht.38 33 BGHZ 72, 263, 264; BAG, NJW 1979, 774 (777); BerlinerKomm z. InsO / Breutigam, § 38 Rn. 15; manche sprechen auch davon, dass der „Schuldrechtsorganismus“ entstanden sein muss, Kuhn / Uhlenbruck, KO, § 3 Rn. 11; MünchKomm z. InsO / Ehricke, § 38 Rn. 16; davon sei der Fall abzugrenzen, in dem lediglich der „Rechtsboden“ besteht, HeidelKomm z. InsO / Eickmann, § 38 Rn. 10. 34 Holzer, in: Kübler / Prütting, InsO , § 38 Rn. 12; MünchKomm z. InsO / Ehricke, § 38 Rn. 16. 35 MünchKomm z. InsO / Ehricke, § 38 Rn. 16; Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 60; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 329. 36 Hess, FLF 1994, S. 203. 37 Zimmermann, Insolvenzrecht, S. 32 f. 38 Holzer, in: Kübler / Prütting, InsO, § 39 Rn. 5.
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1. Teil: Grundlagen
Nachrangig zu erfüllen sind die Forderungen auf laufende Zinsen der Insolvenzgläubiger, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, sowie die Forderungen auf Ersatz der Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch die Teilnahme am Verfahren erwachsen39 (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO). Damit ist praktisch jeder Gläubiger einer Geldforderung zugleich einfacher und nachrangiger Insolvenzgläubiger.40 Die Anordnung der Nachrangigkeit für die Forderungen i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO liegt in der Vorstellung begründet, dass Verbindlichkeiten, die nach Verfahrenseröffnung entstehen ohne Masseverbindlichkeit zu sein, eher beschränkt werden können.41 Des Weiteren wird es als nicht sinnvoll angesehen, die bestehenden Schulden während des Verfahrens noch zusätzlich zulasten der einfachen Insolvenzforderungen zu vergrößern.42 Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Zinsforderungen besonders eng mit der Hauptforderung zusammenhängen. Deshalb werden sie von den nachrangigen Forderungen zuerst berichtigt.43 Für Gläubiger von Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungs- und Zwangsgeldern sowie solcher Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten, ordnet § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO eine nachrangige Befriedigung an. Diese Forderungen zielen auf eine persönliche Bestrafung des Schuldners ab. Die dem Schuldner auferlegten Zahlungspflichten erreichen ihre pönalisiernde Wirkung aber nicht, wenn ihm wirtschaftlich etwas entzogen würde, was sonst ohnehin die Gläubiger erhielten. Es ist daher sachgerecht, die einfachen Insolvenzgläubiger nicht durch eine Verminderung der Quote zu belasten.44 Die Nachrangigkeit der Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO ist mit der Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs zu erklären.45 Wer seine Schulden nicht bezahlen kann, soll nichts zum Nachteil seiner Gläubiger verschenken.46 Diese Wertung ist für den Gläubiger der unentgeltlichen Leistung zumutbar.47 Des Weiteren werden Forderungen auf Rückgewähr von kapitalersetzenden Darlehen eines Gesellschafters sowie gleichgestellte Forderungen nachrangig befriedigt (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO i.V.m. § 32 a Abs. 1, 3 GmbHG). Derartige Forderun39 Die Kosten, die sich bei einer verspäteten Anmeldung oder einer nachträglichen Änderung der Anmeldung einer Forderung ergeben sind gemäß § 177 Abs. 1 S. 2, 3 InsO vom Gläubiger selbst zu tragen. 40 Zimmermann, Insolvenzrecht, S. 35. 41 MünchKomm z. InsO / Ehricke, § 39 Rn. 2. 42 Loritz, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 91 (95). 43 MünchKomm z. InsO / Ehricke, § 39 Rn. 12. 44 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 17.15; MünchKomm z. InsO / Ehricke, § 39 Rn. 19. 45 MünchKomm z. InsO / Ehricke, § 39 Rn. 2; Leithaus, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 39 Rn. 7; Andres, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 39 Rn. 2. 46 Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, § 41 V Anm. 4. 47 Loritz, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 91 (95).
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gen sind haftungsrechtlich wie Eigenkapital der Gesellschaft zu behandeln.48 Eine Auskehrung von Eigenkapital an die Gesellschafter kommt aber nur im Falle eines Überschusses in Betracht.49 Schließlich sind Forderungen, für die ein Rangrücktritt zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbart worden ist, nachrangig zu berichtigen.50 Dies entspricht der im Insolvenzverfahren geltenden Dispositionsmaxime, nach der es jedem Gläubiger frei steht, sich auch überhaupt nicht am Insolvenzverfahren zu beteiligen. Die Rangrücktrittsvereinbarung kann eine gänzlich nachrangige Befriedigung oder aber eine Befriedigung innerhalb oder zwischen bestimmten Rangklassen des § 39 Abs. 1 InsO vorsehen. Lediglich eine bessere Rangposition als diejenige, die dem Gläubiger eigentlich nach der InsO zukommt, kann nicht vereinbart werden.51 Eine Rangrücktrittsvereinbarung bewirkt damit niemals eine Benachteiligung der Gläubiger in den nachrangig zu befriedigenden Klassen, denn auch ohne die Vereinbarung wäre der vertragsbeteiligte Gläubiger vor den nachrangigen Insolvenzgläubigern befriedigt worden.52 Lässt sich aus der Rangrücktrittsvereinbarung kein eindeutiger Rang erkennen, greift die Auslegungsregel des § 39 Abs. 2 InsO ein. Danach darf die Befriedigung einer Forderung, für die ein Rangrücktritt vereinbart worden ist, erst dann erfolgen, wenn alle gemäß § 39 Abs. 1 InsO nachrangigen Forderungen berichtigt worden sind.53 Die Rechtsstellung der nachrangigen Gläubiger ist extrem schwach. Sie haben kein Stimmrecht in der Gläubigerversammlung (§§ 77 Abs. 1 S. 2, 78 Abs. 1 InsO) und nur eingeschränkte Stimmrechte bei der Verabschiedung eines Insolvenzplans (vgl. § 246 InsO). Ihre Forderungen gelten, wenn im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist, als erlassen (§ 225 Abs. 1 InsO). Die intensivste Schwächung geht in der Praxis aber von der in § 39 InsO angeordneten Nachrangigkeit ihrer Forderungen aus. Danach werden die nachrangigen Insolvenzgläubiger nur befriedigt, wenn nach der vollständigen Befriedigung der einfachen Insolvenzgläubiger noch verLoritz, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 91 (96). Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 17.15. 50 MünchKomm z. InsO / Ehricke, § 39 Rn. 45; Holzer, in: Kübler / Prütting, InsO, § 39 Rn. 21. Die Literatur differenziert zum Teil zwischen „konstitutiven“ und „deklaratorischen“ Rangrücktrittsvereinbarungen. Der erste Fall liegt vor, wenn eine nicht nachrangige Forderung zu einer nachrangigen umqualifiziert wird, der zweite Fall, wenn das, was de lege lata gilt, auch noch in einer Vereinbarung festgehalten wird, vgl. K. Schmidt, ZIP 1999, 1241 (1246). 51 HeidelKomm z. InsO / Eickmann, § 39 Rn. 12; Bäuerle, in: Braun, InsO, § 40 Rn. 19. 52 MünchKomm z. InsO / Ehricke, § 39 Rn. 45; Holzer, in: Kübler / Prütting, InsO, § 39 Rn. 22; Leithaus, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 39 Rn. 10. 53 Die Zinsen der Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger und die Kosten, die diesen Gläubigern durch die Teilnahme an dem Verfahren entstehen, nehmen den Rang ein, den auch die Forderungen dieser Gläubiger innehaben (§ 39 Abs. 3 InsO). Weitere (spezielle) Rangrücktrittsbestimmungen finden sich für die Durchführung eines Insolvenzplans – insb. eines Sanierungsplans – in §§ 264 – 266 InsO und für Nachlassinsolvenzverfahren in § 327 InsO. 48 49
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1. Teil: Grundlagen
teilbares Vermögen auf Seiten des Schuldners vorhanden ist (§ 39 InsO).54 Bei Abschlagsverteilungen werden sie gar nicht berücksichtigt (§ 187 Abs. 2 S. 2 InsO). Auch innerhalb der Gruppe der nachrangigen Insolvenzgläubiger gibt es noch Abstufungen. Diese ergeben sich daraus, dass die Befriedigung der Forderungen nach den Rangklassen des § 39 InsO erfolgt. Die Forderungen einer Klasse kommen mithin erst bei vollständiger Befriedigung der nächst höheren zum Zuge. Innerhalb der Rangklassen erfolgt die Befriedigung „nach dem Verhältnis der Beträge“ der Forderungen (§ 39 Abs. 1 InsO). Damit wird der Gleichbehandlungsgrundsatz ausdrücklich festgeschrieben. Aufgrund der in aller Regel unrealistischen Aussicht auf Befriedigung können nachrangige Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur dann mit einer Anmeldung zur Tabelle verfolgen, wenn das Insolvenzgericht ausnahmsweise dazu auffordert (§ 174 Abs. 3 InsO). Die gerichtliche Aufforderung kann sich auch nur auf einzelne Rangklassen beziehen.55
3. Massegläubiger Massegläubiger sind die Gläubiger, denen ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des Insolvenzverfahrens zusteht oder denen gegenüber sonstige Masseverbindlichkeiten begründet wurden (§ 53 InsO). Die Kosten des Insolvenzverfahrens setzen sich aus den Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren (§ 54 Nr. 1 InsO) sowie der Vergütung und den Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses (§ 54 Nr. 2 InsO) zusammen. Was sonstige Masseverbindlichkeiten sind, wird primär in § 55 InsO festgeschrieben.56 Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Verbindlichkeiten, die durch Insolvenzverwalterhandlungen oder in anderer Weise durch Verwaltungs-, Verwertungs- und Verteilungsmaßnahmen entstehen, Masseverbindlichkeiten. Zu den durch Insolvenzverwalterhandlungen entstehenden Verbindlichkeiten gehören in erster Linie die Verbindlichkeiten aus den nach Insolvenzverfahrenseröffnung vom Insolvenzverwalter abgeschlossenen Rechtsgeschäften.57 Erfasst werden aber auch Ansprüche, die aus unerlaubten Handlungen oder sonstigen Pflichtverletzungen Gogger, Insolvenzrecht, S. 73. Kießner, in: Braun, InsO, § 174 Rn. 33; Leithaus, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 39 Rn. 3, § 174 Rn. 7. 56 Weitere Masseverbindlichkeiten sind die Ersatzansprüche von Beauftragten (§ 115 Abs. 2 S. 3 InsO), die Verbindlichkeiten aus einem Sozialplan (§ 123 Abs. 2 S. 1 InsO), die Zinsansprüche des Absonderungsberechtigten bei schuldhaft verzögerter Verwertung des Absonderungsgutes (§ 169 S. 1 InsO), die Ausgleichung des Wertverlustes bei Verwendung des Absonderungsgutes für die Insolvenzmasse (§ 172 Abs. 1 S. 1 InsO), die Nachlassverbindlichkeiten im Falle der Nachlassinsolvenz (§ 324 Abs. 1 InsO) sowie der gemäß §§ 100, 101 Abs. 1 S. 3 InsO von der Gläubigerversammlung bewilligte Unterhalt (§ 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO). 57 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 14.08; Leithaus, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 55 Rn. 5; MünchKomm z. InsO / Hefermehl, § 55 Rn. 21 ff. 54 55
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des Insolvenzverwalters und seiner Hilfspersonen resultieren.58 Zu den „in anderer Weise“ entstandenen Verbindlichkeiten zählen insbesondere verwertungs-, verwaltungs- und verteilungsbezogene Steuern.59 Nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder soweit deren Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss, Masseverbindlichkeiten. Die Möglichkeit des Insolvenzverwalters, die Erfüllung eines nicht oder nicht vollständig erfüllten Vertrags zu verlangen, ergibt sich aus § 103 Abs. 1 InsO. Für teilbare Leistungen stellt § 105 InsO klar, dass bei Erfüllungswahl die Gegenleistung nur in Höhe des Betrags Masseverbindlichkeit wird, der der nach Verfahrenseröffnung erbrachten Leistung entspricht. Ein Fortsetzungszwang i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Fall InsO besteht bis zur Kündigung durch den Insolvenzverwalter gemäß § 108 Abs. 1 InsO bei Miet-, Pacht- und Dienstverhältnissen. Die daraus nach Verfahrenseröffnung entstehenden Ansprüche der Gläubiger sind mithin Masseverbindlichkeiten. Auf eine Inanspruchnahme der Gegenleistung durch den Insolvenzverwalter kommt es nicht an. Schließlich ordnet § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO an, dass Verbindlichkeiten aus ungerechtfertigter Bereicherung der Masse Masseverbindlichkeiten sind. Das Tatbestandsmerkmal „Bereicherung der Masse“ wird dabei eng ausgelegt. Erforderlich ist, dass die Bereicherung der Masse nach Insolvenzeröffnung zugeflossen ist. Eine ungerechtfertigte Bereicherung des Schuldners vor Verfahrenseröffnung begründet lediglich eine Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO.60 Verbindlichkeiten, die von einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, gelten gemäß § 55 Abs. 2 S. 1 InsO nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt gemäß § 55 Abs. 2 S. 2 InsO für Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen, wobei anders als bei § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO erforderlich ist, dass der vorläufige Insolvenzverwalter die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.61 Die Massegläubiger werden vor den Insolvenzgläubigern befriedigt (§ 53 InsO). Die Geltendmachung der Ansprüche und die Befriedigung erfolgt außerhalb des Verfahrens und unabhängig davon.62 Die Vorschriften der §§ 87 – 89, 94 – 96 und 58 Pape, in: Kübler / Prütting, InsO, § 55 Rn. 22 ff.; MünchKomm z. InsO / Hefermehl, § 55 Rn. 30 ff.; Leithaus, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 55 Rn. 5. 59 MünchKomm z. InsO / Hefermehl, § 55 Rn. 70 ff.; Bäuerle, in: Braun, InsO, § 55 Rn. 16 ff.; Pape, in: Kübler / Prütting, InsO, § 55 Rn. 12 ff. 60 BGH, ZIP 1989, 785 (786); MünchKomm z. InsO / Hefermehl, § 55 Rn. 206; Bäuerle, in: Braun, InsO, § 55 Rn. 42; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 55 Rn. 79; Uhlenbruck / Berscheid, in: Uhlenbruck, InsO, § 55 Rn. 74. 61 Ansprüche i. S. d. § 55 Abs. 2 InsO auf Arbeitsentgelt, die gemäß § 187 SGB III auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen, können gemäß § 55 Abs. 3 S. 1 InsO von der Bundesagentur nur als Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) geltend gemacht werden. 62 Becker, Insolvenzrecht, Rn. 275; Breuer, Insolvenzrecht, Rn. 390; HeidelKomm z. InsO / Eickmann, § 53 Rn. 5.
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1. Teil: Grundlagen
174 – 196 InsO sind auf die Massegläubiger nicht anwendbar.63 Sie haben grundsätzlich alle Rechte, die Gläubigern auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens zustehen. Daher können sie Erfüllung in Natur und Zinsen verlangen.64 Auch das Gleichbehandlungsprinzip gilt für sie grundsätzlich nicht.65 Die Massegläubiger machen ihre Forderungen zwar beim Verwalter geltend, eine Eintragung in die Tabelle erfolgt aber nicht.66 Der Insolvenzverwalter hat sie von Amts wegen zu befriedigen.67 Diese Verpflichtung wird in § 61 InsO durch die Schadensersatzpflicht des Insolvenzverwalters im Falle der Nichterfüllung abgesichert. Da die Massegläubiger außerhalb des Verfahrens stehen, können sie ihre Ansprüche auch in der Insolvenz des Schuldners noch auf dem Klageweg verfolgen und mittels Zwangsvollstreckung durchsetzen.68 Einschränkungen ergeben sich diesbezüglich jedoch aus § 90 Abs. 1 InsO. Danach ist die Zwangsvollstreckung innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Eröffnung des Verfahrens unzulässig, wenn die Masseverbindlichkeit nicht durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist. § 90 Abs. 2 InsO enthält wiederum einen Katalog von Verbindlichkeiten, die nicht unter die Wartefrist des Abs. 1 fallen. Dazu zählen Verbindlichkeiten, die aus gegenseitigen Verträgen herrühren, deren Erfüllung der Verwalter gewählt hat (§ 90 Abs. 2 Nr. 1 InsO), Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter kündigen konnte (§ 90 Abs. 2 Nr. 2 InsO), und Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen, soweit der Verwalter für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch nimmt (§ 90 Abs. 2 Nr. 3 InsO). Ein weiteres Vollstreckungsverbot enthält § 210 InsO für den Fall der Masseunzulänglichkeit. Masseunzulänglichkeit ist gegeben, wenn die Masse zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens ausreicht, nicht jedoch, um alle fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen (§ 208 Abs. 1 S. 1 InsO), oder wenn die Masse voraussichtlich nicht ausreicht, um die bestehenden sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen (§ 208 Abs. 1 S. 2 InsO).69 Kennzeichnend für den Zu63 Breuer, Insolvenzrecht, Rn. 390; HeidelKomm z. InsO / Eickmann, § 53 Rn. 5; Bäuerle, in: Braun, InsO, § 53 Rn. 7; BerlinerKomm z. InsO / Breutigam, § 53 Rn. 10. 64 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 14.24. 65 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 14.02. 66 HeidelKomm z. InsO / Eickmann, § 53 Rn. 5; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 275. 67 HeidelKomm z. InsO / Eickmann, § 53 Rn. 5; Andres, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 53 Rn. 34. 68 Breuer, Insolvenzrecht, Rn. 390; HeidelKomm z. InsO / Eickmann, § 53 Rn. 6; Andres, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 53 Rn. 13, 28. 69 Der Fall des § 208 Abs. 1 S. 2 InsO wird in der Begründung zum Regierungsentwurf als „drohende Masseunzulänglichkeit“ bezeichnet; BT-Drucks. 12 / 2443, S. 219. Die Formulierung ist somit an die „drohende Zahlungsunfähigkeit“ im Sinne des § 18 InsO angelehnt. Daraus kann geschlossen werden, dass vom Gesetzgeber auch hier eine mehr als 50%ige Wahrscheinlichkeit dafür gefordert wird, dass die Insolvenzmasse nicht zur Befriedigung aller Massegläubiger ausreicht; vgl. BT-Drucks. 12 / 2443, S. 115; Kübler, Kölner Schrift,
§ 2 Die Stellung der Gläubiger in Insolvenzverfahren
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stand der Masseunzulänglichkeit ist damit eine Vermögenslage, die zwar nicht zur Einstellung des Verfahrens mangels Masse nach § 207 InsO bzw. zur Abweisung des Insolvenzantrags nach § 26 Abs. 1 S. 1 InsO führt, aber auch nicht die Befriedigung aller Massegläubiger gewährleistet. Ab dem Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulänglichkeit hat der Insolvenzverwalter die Massegläubiger daher in der Rangfolge des § 209 Abs. 1 InsO zu befriedigen. Reicht das Vermögen nicht zur Befriedigung aller Massegläubiger eines Ranges aus, sind die Gläubiger desselben Ranges quotal nach dem Verhältnis ihrer Forderungsbeträge zu befriedigen (Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung). Das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO stellt sicher, dass die Befriedigungsrangfolge nach § 209 Abs. 1 InsO eingehalten wird. 4. Absonderungsberechtigte Gläubiger Absonderungsberechtigte Gläubiger sind Gläubiger, die aufgrund der in §§ 49 – 51 InsO beschriebenen Rechte vorrangig vor den Insolvenzgläubigern aus bestimmten Gegenständen, die zur Haftungsmasse des Schuldners gehören, zu befriedigen sind. Soweit der Schuldner ihnen auch persönlich haftet, sind die Gläubiger, die abgesonderte Befriedigung verlangen können, auch Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO (§ 52 S. 1 InsO). Zur anteilsmäßigen Befriedigung aus der Insolvenzmasse sind sie jedoch gemäß § 52 S. 2 InsO nur berechtigt, soweit sie auf eine abgesonderte Befriedigung verzichten oder bereits bei ihr ausgefallen sind. § 49 InsO regelt die abgesonderte Befriedigung an unbeweglichen Gegenständen. Zu den unbeweglichen Gegenständen sind dabei nicht nur Grundstücke, sondern auch grundstücksgleiche Rechte (z. B. Erbbaurechte), eingetragene Schiffe und Schiffsbauwerke sowie eingetragene Luftfahrzeuge zu zählen.70 Ein Recht auf Befriedigung i. S. d. § 49 InsO aus einem unbeweglichen Gegenstand kann sich dabei aus einer Grundschuld, Hypothek oder Reallast ergeben.71 Das Absonderungsrecht aufgrund einer Hypothek oder Grundschuld erstreckt sich auf das Zubehör (§ 97 BGB), die vom Grundstück getrennten Erzeugnisse und die sonstigen Bestandteile, die im Eigentum des Schuldners stehen (§§ 1120, 1192 Abs. 1 BGB). Die Verwertung des unbeweglichen Gegenstandes sowie die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger erfolgt gemäß § 49 InsO außerhalb der InsO S. 967 ff. Rn. 26 f.; Westphal, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 208 Rn. 14. Lüke fordert unter Bezugnahme auf strafrechtliche Maßstäbe zum Eingehungsbetrug, dass der Insolvenzverwalter mit Sicherheit oder zumindest mit einer hohen Wahrscheinlichkeit damit rechnet, dass es nicht zu einer Befriedigung aller Massegläubiger kommen kann; Lüke, in: Kübler / Prütting, InsO, § 61 Rn. 4. Er legt damit einen strengeren Maßstab an als der historische Gesetzgeber. 70 MünchKomm. z. InsO / Ganter, § 49 Rn. 5 ff.; Leithaus, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 49 Rn. 2; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 49 Rn. 13 ff.; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 400. 71 HeidelKomm z. InsO / Eickmann, § 48 Rn. 6; Bäuerle, in: Braun, InsO, § 49 Rn. 14; Prütting, in: Kübler / Prütting, InsO, § 49 Rn. 13; Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 369.
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1. Teil: Grundlagen
nach den Regeln des ZVG, wobei der Insolvenzverwalter gemäß § 165 InsO auch beantragen kann, die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung selbst zu betreiben. Die Befriedigung hat nach der in den §§ 10 ff. ZVG normierten Rangordnung zu erfolgen (§ 49 InsO). Die Absonderungsrechte an anderen als unbeweglichen Gegenständen bemessen sich nach den §§ 50 f. InsO. Gemäß § 50 Abs. 1 InsO sind Gläubiger, denen ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht (z. B. §§ 1204 ff. BGB, §§ 1279 ff. BGB), ein gesetzliches Pfandrecht (z. B. §§ 562, 647 BGB, § 397 HGB) oder ein Pfändungspfandrecht (§§ 804, 829 ZPO) an einem Gegenstand der Insolvenzmasse zusteht, zur abgesonderten Befriedigung aus dem Pfandgegenstand berechtigt. Lediglich das Aussonderungsrecht des Vermieters wird in § 50 Abs. 2 InsO in zeitlicher Hinsicht auf die zwölf Monate vor Verfahrenseröffnung beschränkt. Des Weiteren kann der Vermieter keine abgesonderte Befriedigung für die Entschädigung, die infolge einer Kündigung des Insolvenzverwalters zu zahlen ist, geltend machen (§ 50 Abs. 2 InsO). Nach § 51 Nr. 1 InsO können diejenigen Gläubiger abgesonderte Befriedigung verlangen, denen der Schuldner eine bewegliche Sache sicherungsübereignet oder eine Forderung als Sicherheit abgetreten hat. Da der erweiterte Eigentumsvorbehalt nach Befriedigung der ursprünglichen Kaufpreisforderung wie eine Sicherungsübereignung für die weiteren besicherten Forderungen wirkt, begründet auch der erweiterte Eigentumsvorbehalt ab Befriedigung der ursprünglichen Kaufpreisforderung ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 1. Fall InsO.72 Bei einem verlängerten Eigentumsvorbehalt ergibt sich ein Absonderungsrecht für die nach Weiterveräußerung übergehende Kaufpreisforderung des Eigentumsvorbehaltskäufers aus § 51 Nr. 1 2. Fall InsO. Schließlich begründen Zurückbehaltungsrechte wegen Verwendungen zum Nutzen einer Sache des Schuldners unter den Voraussetzungen des § 51 Nr. 2 InsO ein Absonderungsrecht. Das Gleiche gilt gemäß § 51 Nr. 3 InsO für das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht aus § 369 HGB.73 Die Verwertung einer beweglichen Sache, die sich im Besitz des Insolvenzverwalters befindet, erfolgt gemäß § 166 Abs. 1 InsO durch den Insolvenzverwalter selbst. Eine Forderung, die der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat, darf nach § 166 Abs. 2 InsO von dem Insolvenzverwalter eingezogen oder in anderer Weise verwertet werden. Der durch die Verwertung erzielte Erlös ist sodann nach Abzug der Kosten der Feststellung und Verwertung unverzüglich an die absonderungsberechtigten Gläubiger auszukehren. Sofern der Verwalter nicht zur Verwertung der beweglichen Sache oder der Forderung, an der ein Absonderungsrecht besteht, berechtigt ist (insb. beim sog. „Faustpfandrecht“), ermöglicht 72 BT-Drucks. 12 / 2443, S. 125; BerlinerKomm z. InsO / Breutigam / Kahlert, § 51 Rn. 10; HeidelKomm z. InsO / Eickmann, § 51 Rn. 3; Prütting, in: Kübler / Prütting, InsO, § 51 Rn. 14; Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 371. 73 Aus § 51 Nr. 4 InsO ergibt sich noch ein Absonderungsrecht für Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände für bestimmte öffentliche Abgaben.
§ 2 Die Stellung der Gläubiger in Insolvenzverfahren
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§ 173 Abs. 1 InsO dem absonderungsberechtigten Gläubiger selbst, den Sicherungsgegenstand für sich zu verwerten, wobei etwaige Übererlöse als ungerechtfertigte Bereicherung an die Insolvenzmasse abzuführen sind.74 Absonderungsrechte bewirken, dass einzelne Insolvenzgläubiger durch die Befreiung von einer Befriedigung nach den Grundsätzen der Gläubigergleichbehandlung gegenüber den Insolvenzgläubigern privilegiert werden.75 Die Sicherheiten, die sie vor Verfahrenseröffnung erlangt haben, bleiben trotz des Insolvenzverfahrens bestehen. Zwar gehört das Sicherungsgut selbst zur Insolvenzmasse, aber der in dem Sicherungsgegenstand verkörperte Wert bleibt haftungsrechtlich dem Gläubiger zugeordnet.76 Lediglich ein überschüssiger Erlös bei der Verwertung des Sicherungsgegenstandes bleibt für die quotale Befriedigung der Insolvenzgläubiger.77 5. Aussonderungsberechtigte Gläubiger Aussonderungsberechtigt ist, wer aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört (§ 47 S. 1 InsO). Ein Vermögensgegenstand gehört dann nicht zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO), wenn der Gegenstand einem anderen Vermögensträger zuzuordnen ist als dem Gemeinschuldner.78 Das ist der Fall, wenn dem Gläubiger ein dinglicher oder persönlicher Herausgabeanspruch zusteht.79 Ansprüche, die lediglich auf Verschaffung gerichtet sind, gewähren dagegen keinen Aussonderungsanspruch.80 Sie sind einfache Insolvenzforderungen, die nicht auf einen Geldbetrag gerichtet sind (§ 45 InsO). Insbesondere Gegenstände, die im Eigentum einer anderen Person als der des Gemeinschuldners stehen, sind nicht der Soll-Masse des Insolvenzverfahrens zuzurechnen.81 Hier hat der Gläubiger nämlich einen dinglichen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB. Ist der Eigentümer zugleich Erbe, so steht ihm gegebenenfalls 74 MünchKomm z. InsO / Lwowski, § 173 Rn. 21; Andres, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 173 Rn. 5. 75 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 11.02. 76 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rn. 246. 77 BGH, NJW 1959, 2251; BerlinerKomm z. InsO / Breutigam, § 49 Rn. 2; Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rn. 246. 78 Vgl. Leithaus, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 47 Rn. 1; MünchKomm z. InsO / Ganter, § 47 Rn. 3; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 11.07. 79 Leithaus, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 47 Rn. 3; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 383. 80 Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 358; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 383; vgl. auch BerlinerKomm z. InsO / Breutigam, § 47 Rn. 4; MünchKomm z. InsO / Ganter, § 47 Rn. 8; Andres, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 47 Rn. 50. 81 Vgl. Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 347; MünchKomm z. InsO / Ganter, § 47 Rn. 37 ff.; Andres, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 47 Rn. 4 ff.; Gogger, Insolvenzrecht, S. 74; Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 40 Rn. 5 ff.
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1. Teil: Grundlagen
zusätzlich ein Herausgabeanspruch nach §§ 2018 ff. BGB zu. Kein Aussonderungsanspruch besteht dagegen bei zur Sicherheit übereigneten Gegenständen oder bei einem erweiterten Eigentumsvorbehalt nach Erfüllung der ursprünglichen Kaufpreisforderung. In diesen Fällen steht die Sicherungsfunktion im Vordergrund und nicht die Zuordnung der Sachsubstanz zu dem Sicherungsnehmer.82 Daher gewähren diese Rechte lediglich ein Absonderungsrecht (§ 51 Nr. 1 1. Fall InsO).83 Sofern dingliche Rechte an Grundstücken im Grundbuch als zum Schuldnervermögen gehörig ausgewiesen sind, ohne dass dies der materiellen Rechtslage entspricht, kann der Aussonderungsanspruch auch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung nach § 894 BGB gerichtet sein.84 Forderungen können durch den Gläubiger ausgesondert werden, sofern sie beispielsweise aufgrund einer Abtretung vor Insolvenzeröffnung nicht dem Schuldner zustehen.85 Voraussetzung ist allerdings, dass es sich nicht lediglich um eine Sicherungsabtretung handelt, die nur zu einer abgesonderten Befriedigung berechtigt (§ 51 Nr. 1 2. Fall InsO). Ein persönlicher Herausgabeanspruch ist gegeben, wenn sich aus einem schuldrechtlichen Herausgabeanspruch ergibt, dass der Gegenstand gemäß § 47 S. 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse gehört.86 Das ist insbesondere bei Rückgabeansprüchen der Fall. Derartige Rückgabeansprüche hat beispielsweise der Vermieter nach § 546 Abs. 1 BGB und der Verleiher nach § 604 BGB. Sie können daher Aussonderung verlangen. Kein Aussonderungsrecht begründen dagegen Rückgewähransprüche aus dem Bereicherungsrecht. Dass der Schuldner einen Vermögensgegenstand rechtsgrundlos erlangt hat, ändert nämlich nichts an dem Übergang des Gegenstandes in sein Vermögen.87 Der Kondiktionsgläubiger kann seine Forderung daher lediglich als einfache Insolvenzforderung (§ 38 InsO) verfolgen. Da das Aussonderungsgut nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist der aussonderungsberechtigte Gläubiger kein Insolvenzgläubiger (§ 47 S. 1 InsO). Die Geltendmachung des Aussonderungsanspruchs bestimmt sich dementsprechend nach den Gesetzen, die auch außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten (§ 47 S. 2 InsO). Der aussonderungsberechtigte Gläubiger kann also eine Klage gegen den Insolvenzverwalter erheben und seinen Titel vollstrecken. Dadurch kann er nicht nur wie ein Absonderungsberechtigter eine bevorrechtigte Befriedigung aus bestimmten Gegenständen der Insolvenzmasse erlangen und sich damit den Substanzwert sichern. Ihm steht vielmehr die Substanz selbst zu. Demgemäß hat er auch die Wahl, ob er 82 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 11.09; MünchKomm z. InsO / Ganter, § 47 Rn. 53; HeidelKomm z. InsO / Eickmann, § 47 Rn. 7. 83 Vgl. 1. Teil § 2 II. 4., S. 44. 84 Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 40 Rn. 5; Andres, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 47 Rn. 14; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 387. 85 Keller, Insolvenzrecht, Rn. 388; Leithaus, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 47 Rn. 7; Andres, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 47 Rn. 30. 86 Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 40 Rn. 26; MünchKomm z. InsO / Ganter, § 47 Rn. 341; Andres, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 47 Rn. 50. 87 Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 358; Prütting, in: Kübler / Prütting, InsO, § 47 Rn. 48.
§ 2 Die Stellung der Gläubiger in Insolvenzverfahren
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den Gegenstand verwertet oder ob er ihn behält. Lediglich dann, wenn der Aussonderungsgegenstand vor Insolvenzeröffnung vom Schuldner oder nach Insolvenzeröffnung vom Insolvenzverwalter unberechtigt veräußert worden ist, kann sich der Aussonderungsberechtigte nur den Wert der Gegenleistung sichern, sofern die Gegenleistung noch aussteht oder die Gegenleistung noch unterscheidbar in der Insolvenzmasse vorhanden ist (§ 48 InsO).
III. Gläubigerinteressen Die vorausgehende Darstellung der Gläubigergruppen hat gezeigt, dass sich in der Insolvenz eines Schuldners Gläubiger mit unterschiedlicher rechtlicher Stellung um eine Befriedigung ihrer Forderungen aus einer lediglich begrenzt zur Verfügung stehenden Masse bemühen. Sie stehen mithin in Konkurrenz. Aus der unterschiedlichen Ausgestaltung der Rechtspositionen der Gläubiger ergibt sich die folgende Hierarchiepyramide:
„Ist“-Masse
Aussonderungsberechtigte Absonderungsberechtigte
„Soll“-Masse Massegläubiger (bei Masseinsuffizienz nach Rängen)
(Einfache) Insolvenzgläubiger
Nachrangige Insolvenzgläubiger (Befriedigung nach Rängen)
Hierarchiepyramide der Gläubigergruppen
In jeder von dieser Hierachiepyramide erfassten Gläubigergruppe sind spezifische Interessen vertreten, die sich aus der Ausgestaltung der Rechtsposition der Gläubiger in der jeweiligen Gruppe ergeben.
48
1. Teil: Grundlagen
Die Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) nehmen an der Verteilung des Verwertungserlöses in einem Insolvenzverfahren par conditio creditorum teil. Sie konkurrieren daher untereinander um den auf sie zu verteilenden Verwertungserlös. Da die Massegläubiger vor den Insolvenzgläubigern zu befriedigen sind (§ 53 InsO) und auch die absonderungsberechtigten Gläubiger ein privilegiertes Befriedigungsrecht aus einzelnen Massegegenständen haben, konkurrieren jedoch nicht nur die einzelnen Insolvenzgläubiger untereinander. Vielmehr steht die Gruppe der Insolvenzgläubiger hinsichtlich des Befriedigungsumfangs in einem einseitigen Konkurrenzverhältnis zu den Gruppen der Massegläubiger und der absonderungsberechtigten Gläubiger. Dementsprechend hat jeder einzelne Insolvenzgläubiger ein Interesse daran, dass die anderen Insolvenzgläubiger insgesamt nur mit einem geringen Forderungsbetrag an dem Verfahren teilnehmen, weil ein höherer Betrag die eigene Befriedigungsquote in größerem Umfang schmälert. Des Weiteren haben die Insolvenzgläubiger ein Interesse daran, bei der Anmeldung ihrer Forderungen einen möglichst hohen Betrag anzumelden, um wenigstens von diesem höheren Betrag die Quote zu erhalten. Schließlich besteht in der Gruppe der Insolvenzgläubiger ein Interesse an einer möglichst großen Masse, sodass nach Geltendmachung der Absonderungsrechte und Befriedigung der Massegläubiger ein möglichst hoher Betrag vom Verwertungserlös zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger verbleibt. Dementsprechend hat die Gruppe der Insolvenzgläubiger ein vordringliches Interesse daran, dass die Insolvenzmasse nicht zu ihren Lasten durch Rechtshandlungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens geschmälert wird. Die Befriedigung der Massegläubiger erfolgt aus der nach Aufrechnung und Geltendmachung der Absonderungsrechte verbleibenden Insolvenzmasse.88 Die Hierarchie zwischen den Massegläubigern wirkt sich nicht aus, solange keine Masseinsuffizienz nach § 208 Abs. 1 InsO angezeigt ist. Ohne Anzeige der Masseinsuffizienz ist nämlich davon auszugehen, dass die Insolvenzmasse zur Befriedigung aller Massegläubiger ausreicht. Im Falle der Masseinsuffizienz kommt es allerdings zu einer Befriedigung nach Rängen, wobei innerhalb des Ranges, der nicht mehr vollständig befriedigt werden kann, nur noch quotal befriedigt wird (vgl. § 209 InsO). Mithin konkurrieren die Massegläubiger innerhalb des quotal zu befriedigenden Ranges untereinander sowie die nachgeordneten Ränge der Massegläubiger mit den vorrangigen. Des Weiteren konkurriert die Gruppe der Massegläubiger einseitig mit der Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger. Aus der Sicht der Massegläubiger besteht dagegen kein Konkurrenzverhältnis zu den Insolvenzgläubigern, deren Forderungen erst nach vollständiger Befriedigung der Massegläubiger zu erfüllen sind (§ 53 InsO). Die Gruppe der Massegläubiger hat ein Interesse daran, dass die Masse zur Befriedigung der Masseforderungen ausreicht, wobei dieses Interesse im Falle der Masseinsuffizienz rangbezogen ausgeprägt ist. Die entscheidenden Determinanten dafür sind aus Sicht der Gruppe der 88 RGZ 53, 193; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 14.01; HeidelKomm z. InsO / Eickmann, § 53 Rn. 3.
§ 2 Die Stellung der Gläubiger in Insolvenzverfahren
49
Massegläubiger die Möglichkeiten anderer Gläubiger, mit Forderungen des Schuldners aufzurechnen, sowie der Umfang, in dem Absonderungsrechte geltend gemacht werden können. Je weniger Aufrechnungen erfolgen und je weniger Absonderungsrechte bestehen, desto mehr verbleibt für die Befriedigung der Massegläubiger. Auch die absonderungsberechtigten Gläubiger konkurrieren nicht untereinander, sofern die Absonderungsrechte an unterschiedlichen Gegenständen der Masse bestehen. Lediglich dann, wenn mehreren absonderungsberechtigten Gläubigern ein und derselbe Gegenstand zugeordnet ist, entsteht eine Konkurrenzsituation innerhalb der Gruppe. In Abhängigkeit von dem dem Absonderungsrecht zugrunde liegenden materiellen Recht kommt es dann zu einer Befriedigung nach Rängen (z. B. bei Grundpfandrechten). Gegebenenfalls fallen die Gläubiger mit nachrangigen Rechten bei der abgesonderten Befriedigung aus. Sie können – sofern sie zugleich Insolvenzgläubiger sind – noch anteilsmäßige Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen (§ 52 S. 2 2. Fall InsO). Aus der Sicht der absonderungsberechtigten Gläubiger besteht ferner keine Konkurrenz zu den Insolvenzgläubigern, da die absonderungsberechtigten Gläubiger bevorzugt vor diesen befriedigt werden. Schließlich besteht keine Konkurrenz zwischen den aussonderungsberechtigten und den absonderungsberechtigten Gläubigern. Zwar greifen beide Gläubigergruppen auf die vom Insolvenzverwalter beim Schuldner vorgefundene „Ist“-Masse zu. Jedoch sind die Gegenstände, an denen ein Aussonderungsrecht besteht, haftungsrechtlich nicht der Insolvenzmasse („Soll“-Masse), sondern dem Aussonderungsberechtigten selbst zugeordnet. Absonderungsrechte bestehen dagegen grundsätzlich nur an Massegegenständen. Die beiden Gläubigergruppen greifen daher auf unterschiedliche Gegenstände zu. Das primäre Interesse sowohl der absonderungsberechtigten als auch der aussonderungsberechtigten Gläubiger zielt darauf ab, die eigenen Rechte trotz Insolvenz des Schuldners möglichst unbeeinträchtigt verfolgen zu können und so keine Entwertung ihrer Forderungen hinnehmen zu müssen. Das gilt sowohl bei reinen Inlandssachverhalten (z. B. keine Insolvenzanfechtung) als auch bei grenzüberschreitendem Bezug (insb. keine Entwertung der Rechtsstellung durch fremdes Insolvenzstatut). Nachrangige Insolvenzgläubiger haben die schwächste Position in der Hierarchiepyramide, wobei aufgrund der in § 39 InsO vorgeschriebenen Befriedigungsrangfolge noch Abstufungen innerhalb dieser Gruppe bestehen. Sie befinden sich in einem einseitigen Konkurrenzverhältnis zu den einfachen Insolvenzgläubigern, den Massegläubigern und den absonderungsberechtigten Gläubigern. Die Befriedigung dieser Gläubigergruppen zehrt regelmäßig die gesamte Masse auf. Folglich werden die Forderungen der nachrangigen Insolvenzgläubiger nur in den seltensten Fällen getilgt.89 Zu einer Befriedigung der nachrangigen Insolvenzgläubiger kann 89 Vgl. Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 65, 490; Leithaus, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 39 Rn. 2; Andres, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 39 Rn. 3; Bork, Einführung in das
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1. Teil: Grundlagen
es sicher nämlich nur dann kommen, wenn das Vermögen des Schuldners die Schulden überwiegt. Dann hätte vormals aber regelmäßig kein Insolvenzverfahren eröffnet werden dürfen. Aufgrund der schwachen Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger und der nachrangigen Insolvenzgläubiger im Verteilungsverfahren haben die beiden Gläubigergruppen ein erhebliches Interesse daran, sich außerhalb des Verfahrens schadlos zu halten. Das entscheidende Instrument dafür ist die Aufrechnung (§ 389 BGB). Die Aufrechnung erlaubt es dem Gläubiger auch noch im Insolvenzverfahren, sich in Höhe der sich aufrechenbar gegenüberstehenden Forderungen – im Idealfall vollständig – zu befriedigen. Ein aufrechnungsberechtigter Gläubiger nimmt in der Hierarchiepyramide folglich sogar noch einen Rang vor den Massegläubigern ein. Welchen Einfluss die internationalrechtlichen Vorschriften der EuInsVO und des deutschen internationalen Insolvenzrechts auf die Hierarchie der Gläubiger haben und inwiefern dieser Einfluss dem einen oder dem anderen Gläubiger bzw. der einen oder der anderen Gruppe von Gläubigern zum Vor- oder Nachteil gereicht, wird im Rahmen dieser Arbeit aufgezeigt werden.
§ 3 Rechtsvergleichender Überblick über die Stellung der Gläubiger in ausgewählten nationalen Insolvenzrechtsordnungen Die insolvenzrechtlichen Vorschriften in den Nationalstaaten dienen unterschiedlichsten Zielen. Die verschiedenen Zielsetzungen lassen erahnen, welch unterschiedliches Gewicht den Gläubigern in den Insolvenzverfahren der verschiedenen Nationen zukommt. Dies soll im Folgenden anhand des deutschen, französischen, englischen und US-amerikanischen Insolvenzrechts verdeutlicht werden. Erst dieser Überblick ermöglicht es, den Regelungswert der EuInsVO und des autonomen deutschen internationalen Insolvenzrechts voll ermessen zu können. Die Insolvenzstatuten dieser vier Nationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie klar auszumachende – teilweise gegensätzliche – Regelungsziele verfolgen.
I. Deutschland Das deutsche Insolvenzrecht kannte bis zur Einführung des § 1 InsO am 1. 1. 1999 keine Vorschrift, die ausdrücklich Verfahrensziele benannte. Die Ziele Insolvenzrecht, Rn. 70 b; Kießner, in: Braun, InsO, § 174 Rn. 33; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 17.16; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, § 41 VI.
§ 3 Rechtsvergleichender Überblick
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waren daher im Wege einer Gesamtschau von Vergleichs-, Konkurs- und Gesamtvollstreckungsordnung zu ermitteln.90 Nunmehr wird in § 1 S. 1 InsO festgeschrieben, dass ein Insolvenzverfahren dazu dient, die Gläubiger des Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen. Zugleich soll dem Schuldner nach § 1 S. 2 InsO aber auch die Gelegenheit gegeben werden, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Eine Passage im RegE91, nach der die Interessen des Schuldners und seiner Familie sowie die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen seien, ist nachträglich gestrichen worden und hat daher im Wortlaut der Vorschrift keinen Niederschlag gefunden. Trotz der Ambivalenz der Ziele – Gläubigerbefriedigung einerseits und Entschuldung für den Gemeinschuldner andererseits – ist allgemein anerkannt, dass die Haftungsverwirklichung zugunsten der Gläubiger das übergeordnete Ziel der InsO sein muss.92 Die Begründung zum RegE sowie zahlreiche Vertreter der Lehre gehen sogar noch weiter, indem sie der InsO die Intention zuschreiben, eine „bestmögliche Gläubigerbefriedigung“ zu verfolgen.93 Innerhalb des Ziels der Gläubigerbefriedigung sind die Unterziele der Neutralität des Insolvenzverfahrens und der Gläubigergleichbehandlung zu berücksichtigen. Unter der Neutralität des Insolvenzverfahrens versteht man, dass sich das Verfahren ohne Bruch in die vorgefundene Rechts- und Wirtschaftsordnung einfügt.94 Es sollen also keine Marktgesetze außer Kraft gesetzt werden. Vielmehr sollen marktwirtschaftlich rationale Entscheidungen im Wege freier Verhandlung gefunden und durchgesetzt werden (Marktkonformität der Insolvenzabwicklung).95 Dementsprechend geht der Wille des Gesetzgebers nicht dahin, eine Sanierung eines Unternehmens stets einer Zerschlagung bzw. Liquidation vorzuziehen. Der Erhalt des schuldnerischen Unternehmens wird zwar in § 1 S. 1 a.E. InsO beispielhaft als Regelungsziel eines Insolvenzplans erwähnt. Es handelt sich aber nicht um ein eigenständiges Verfahrensziel.96 Vielmehr stehen Liquidation, Sanierung und sanierende Liquidation als gleichberechtigte Entscheidungsalternativen nebeneinanKießner, in: Braun, InsO, § 1 Rn. 1. BT-Drucks. 12 / 2443, S. 9 f., 108. 92 BGH, InVO 2001, 368 ff.; OLG Köln, ZInsO 2000, 607; Gerhardt, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 1; HeidelKomm z. InsO / Kirchhof, § 1 Rn. 3; Kießner, in: Braun, InsO, Einf. Rn. 16; § 1 Rn. 3. 93 RegEInsO, BT-Drucks. 12 / 2443, S. 108; Paulus, DStR 2005, 334 (335); MünchKomm z. InsO / Ganter, § 1 Rn. 20; Wimmer / Stenner, Lexikon des Insolvenzrechts, S. 462. 94 Balz, Kölner Schrift, S. 3 (5); Liersch, NZI 2002, 15 (18). 95 BT-Drucks. 12 / 2443, S. 77 f., 75; Braun / Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 173 f.; schon vor der Insolvenzrechtsreform: Balz, ZIP 1988, 273 (278); kritisch dazu: Smid, in: Smid, InsO, Einl. Rn. 29, der meint, dass wirtschaftliche Entscheidungen zwingend mit einer Abkehr von den gesetzlichen Regeln zur Veräußerung des Schuldnervermögens verbunden sein müssen. 96 BT-Drucks. 12 / 2443, S. 77; Balz, Kölner Schrift, S. 3 (5); HeidelKomm z. InsO / Kirchhof, § 1 Rn. 3; MünchKomm z. InsO / Ganter, § 1 Rn. 43; Wimmer / Stenner, Lexikon des Insolvenzrechts, S. 462. 90 91
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1. Teil: Grundlagen
der.97 Welcher Weg im Einzelfall beschritten wird, hat sich aufgrund des Hauptziels der (bestmöglichen) Gläubigerbefriedigung nach den Vermögensinteressen der Gläubiger zu richten.98 Sozial-, struktur- und arbeitsmarktpolitische sowie fiskalische Gesichtspunkte sind dagegen unbeachtlich.99
II. Frankreich Das französische Insolvenzgesetz von 1967100 verfolgte noch das klassische Ziel der Gläubigerbefriedigung und der Verwertung des Unternehmensvermögens.101 Ein markanter Bruch wurde mit der Reform des gesamten Insolvenzrechts im Jahre 1984 / 85102 vollzogen. Die neuen Ziele wurden später in Art. L. 620 – 1 des französischen Handelsgesetzbuchs ausdrücklich festgehalten. Danach dient das gesamte Insolvenzverfahren dem Erhalt des insolventen Unternehmens sowie der Arbeitsplätze.103 Mithin soll die Geschäftstätigkeit aufrechterhalten und der Schuldner von seinen Verbindlichkeiten befreit werden.104 Vom Ziel der Gläubigerbefriedigung ist nicht mehr die Rede. Diese Zielsetzung schlägt sich in der Organisation der Verfahren nieder. Es wird nicht mehr zwischen Sanierungsverfahren, Vergleichsverfahren (règlement judiciaire) und Konkursverfahren (liquidation des biens) unterschieden. Stattdessen BT-Drucks. 12 / 2443, S. 78. MünchKomm z. InsO / Ganter, § 1 Rn. 44; HeidelKomm z. InsO / Kirchhof, § 1 Rn. 5. 99 BayOblG, ZIP 2001, 970 (972); HeidelKomm z. InsO / Kirchhof, § 1 Rn. 3; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 1 Rn. 2, 5; MünchKomm z. InsO / Ganter, § 1 Rn. 71. 100 Gesetz vom 13. 7. 1967 über „le règlement judiciaire, la liquidition des biens, la faillite peronnelle et les banqueroutes“ mit Ausführungsdekret vom 22. 12. 1967. 101 Hübner / Constantinesco, Einführung in das französische Recht, S. 262; Klopp, KTS 1988, 267 (268). 102 Eingeleitet wurde die Reform durch loi Nr. 84 – 148 vom 1. 3. 1984 über die Prävention wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Unternehmen und den außergerichtlichen Vergleich. Das Kernstück bildeten dann die loi Nr. 85 – 98 vom 25. 1. 1985 über die Sanierung und gerichtliche Liquidation von Unternehmen. Des Weiteren sind die loi Nr. 85 – 99 vom 27. 12. 1985 über die neuen Funktionen des administrateur judiciaire, des mandataire à la liquidation des entreprises sowie des expert en diagnostic d’ enterprise dazuzuzählen. 103 „Il est institué une procédure de redressement judiciaire destinée à permettre la sauvegarde de l’entreprise, le maintien de l’activité et de l’emploi et l’apurement du passif “. Des Weiteren werden die Ziele aus dem Titel („Loi relative au redressement et à la liquidation judiciaire des entreprises“) des Reformgesetzes vom 25. 1. 1985 deutlich. Ganz bewusst wird die Erhaltung des Unternehmens an erster und die Bereinigung der Verbindlichkeiten an letzter Stelle genannt. Auffällig ist auch, dass nur von einer „Bereinigung der Verbindlichkeiten“ die Rede ist, und nicht von der Befriedigung der Gläubiger. Vgl. dagegen den Titel des Insolvenzgesetzes von 1967 unter Fn. 100. 104 Omar, I.C.C.L.R. 2005, 490; MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Augustin, Frankreich Rn. 10; Sonnenberger / Autexier, Einführung in das französische Recht, S. 213; Dammann, ZIP 1996, 300 (301). 97 98
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werden alle Verfahren, die nach dem 1. 1. 1986 eröffnet wurden, unter dem einheitlichen Begriff „Sanierungsverfahren“ durchgeführt (redressment judiciaire).105 Damit wird deutlich, dass die Interessen der Gläubiger gegenüber den soeben aufgeführten wirtschafts- und sozialpolitischen Zielen eindeutig untergeordnet sind. Entsprechend schwach wurde die Position der Gläubiger ausgestaltet. Neben der Klage auf Insolvenzeröffnung hat der einzelne Gläubiger kaum die Möglichkeit, den Verfahrensablauf zu beeinflussen.106 Antragsrechte im laufenden Insolvenzverfahren stehen in den meisten Fällen nur dem Verwalter und nur ausnahmsweise dem Gläubigervertreter zu. Letzterer handelt dann noch nicht mal im Auftrag einer Gläubigerversammlung, sondern nur zur Erfüllung bestimmter gesetzlicher Aufgaben.107 Mithin wurde die Gläubigerautonomie auf ein Minimum zurückgedrängt. Dazu kommt, dass die Geltendmachung der Gläubigerforderungen ganz bewusst schwierig gehalten ist, und gute Rechtskenntnis sowie Schnelligkeit voraussetzen.108 Zwar erlöschen nicht angemeldete Forderungen seit der letzten Insolvenzrechtsreform vom 1. 1. 2006109 nicht mehr; sie werden jedoch im Insolvenzverfahren nicht mehr berücksichtigt.110 Eine gewisse Abschwächung erfuhr die neu eingeschlagene Zielrichtung mit der Reform von 1994111, in deren Mittelpunkt wieder eine Stärkung der Gläubigerrechte für den Fall der Liquidation oder Veräußerung des Unternehmens stand.112 An der grundsätzlich schwachen Stellung der Gläubiger hat sich aber entsprechend den explizit festgehaltenen Zielen nichts geändert.113 Die Einführung zweier prä105 Vgl. Hübner / Constantinesco, Einführung in das französische Recht, S. 262; Kremer, Unternehmenssanierung in Frankreich, S. 40 f. 106 Zierau, Die Stellung der Gläubiger im französischen Sanierungsverfahren, S. 77. 107 Vgl. MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Augustin, Frankreich Rn. 10; Flessner, ZIP 1989, 749 (755). 108 Vgl. Zierau, Die Stellung der Gläubiger im französischen Sanierungsverfahren, S. 77. Zwar muss der Gläubigervertreter die ihm bekannten Gläubiger nach Verfahrenseröffnung auf den Lauf der (sehr kurzen) Anmeldefristen aufmerksam machen. Diese beginnen aber selbst dann zu laufen, wenn eine Mitteilung nicht erfolgt ist. Das Fehlen des Informationsschreibens allein reicht zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aus; Tribunal de commerce de Paris, Gaz.Pal., 2, jur., S. 780 f. 109 „Loi de sauvegarde des entreprises“ vom 26. 7. 2005. 110 Dammann, RIW 2006, 16 (22). 111 Vgl. dazu loi 94 – 475. 112 Omar, I.C.C.L.R. 2005, 490; Sonnenberger / Autexier, Einführung in das französische Recht, S. 213; vgl. im Einzelnen: Dammann, ZIP 1996, 300 (302 ff.); eine punktuelle Verbesserung wurde z. B. bei der Aufrechnung sowie bei der Geltendmachung des Eigentumsvorbehalts vorgenommen; MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Augustin, Frankreich Rn. 10. 113 Vgl. MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Augustin, Frankreich Rn. 10; Graf, Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 125 f.; Weis, in: Hess / Weis / Wienberg, InsO, Bd. 2, Art. 102 EGInsO Rn. 339 f.; teilweise wird auch von einem „gewissen innere[n] Spannungsverhältnis zwischen der Befriedigung der Gläubiger und [dem ausdrücklich] normierten Hauptzweck“ gesprochen; Sonnenberger / Autexier, Einführung in das französische Recht, S. 213.
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ventiver Verfahren, dem mandataire ad hoc und der procédure de conciliation hat vielmehr dazu geführt, dass es regelmäßig gar nicht mehr zu der Eröffnung eines regulären Insolvenzverfahrens kam. So wurde in der Vergangenheit in zwei Drittel der Fälle ein Vergleich in einem Präventivverfahren abgeschlossen – verbunden mit entsprechenden Zugeständnissen durch die Gläubiger.114 Diese Tendenz dürfte sich mit der grundlegenden Reform des französischen Insolvenzrechts, die am 1. 1. 2006 in Kraft trat, noch verstärken.115 Im Zentrum dieser Reform stand die Schaffung eines weiteren präventiven Verfahrens, der procédure de sauvegarde.116 Der Schuldner kann die Eröffnung dieses weiteren Verfahrens auch dann noch verlangen, wenn andere Verfahren zuvor gescheitert sind. Das Eröffnungsurteil für dieses Verfahren leitet eine sechsmonatige Beobachtungsphase ein, die einmal verlängert werden kann.117 Sofern das Insolvenzgericht das Verfahren nicht in ein reguläres Insolvenzverfahren umwandelt und sodann die Liquidation betreibt, werden die Gläubiger auch in dieser Zeit nicht befriedigt. Das erklärt, warum die Gläubiger in Frankreich ihr Heil eher außerhalb des regulären Insolvenzverfahrens suchen. Auch nach französischem Recht gilt der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Er ist hier durch die Existenz zahlreicher Befriedigungsvorrechte geprägt.118 So sind insbesondere die Forderungen der Arbeitnehmer anders als in Deutschland sofort und vorrangig zu befriedigen (noch vor den Forderungen auf Ersatz der Justizkosten sowie den Forderungen der dinglich gesicherten Gläubiger), egal ob sie vor oder nach Verfahrenseröffnung entstanden sind (superprivilège).119 Andererseits ist bemerkenswert, dass das französische Recht keine Forderungen als nachrangig einstuft, wie es im deutschen Insolvenzrecht durch § 39 InsO erfolgt.120 Eine wichtige Neuerung der Reform vom 1. 1. 2006 ist die Einführung eines Befriedigungsvorrechts für Gläubiger, die einen Beitrag zur Sanierung des Unternehmens leisten. Die Forderungen der Gläubiger, die im Rahmen einer procédure de conciliation einen Vergleich unterzeichnen, und dem Unternehmen auf dieser Grundlage finanzielle Mittel zuführen, um die Sanierung des Unternehmens zu sichern, werden bevorrechtigt vor den anderen Forderungen mit Ausnahme der Arbeitnehmerforderungen und der Rechtsverfolgungskosten beglichen.121 Das hat 114
Dammann, RIW 2006, 16 (18); Klein, RIW 2006, 13 (14); Omar, I.C.C.L.R. 2005, 490
(496). So auch Dammann, RIW 2006, 16 (19). Omar, I.C.C.L.R. 2005, 490 (494); Klein, RIW 2006, 13. 117 Dammann, RIW 2006, 16 (19). 118 Sonnenberger / Autexier, Einführung in das französische Recht, S. 216. 119 Vgl. Art. L. 611 – 11 i.V.m. Art. L. 622 – 17 bzw. Art. L. 641 – 13 Code de Commerce; Weber, in: Jahn / Sahm, Insolvenzen in Europa, S. 178; Sonnenberger / Autexier, Einführung in das französische Recht, S. 216; vgl. Dammann / Undritz, NZI 2005, 198 (200); D. Schmidt / Niggemann, RIW 1986, 246 (252). 120 Dammann / Undritz, NZI 2005, 198 (201). 121 Dammann, RIW 2006, 16 (19). 115 116
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zur Folge, dass die Befriedigungschancen für andere Gläubiger in einem regulären Verfahren weiter sinken.
III. England und Wales Das Insolvenzrecht in England und Wales122 kennt anders als das Insolvenzrecht in Deutschland kein Regelinsolvenzverfahren, sondern sieht verschiedene eigenständige Verfahrensarten vor. Die Wahl des Verfahrens hängt zum einen davon ab, ob der Schuldner eine natürliche Person oder eine Gesellschaft ist. Zum anderen ist entscheidend, welches Ziel mit dem Verfahren verfolgt wird (Sanierung oder Zerschlagung des schuldnerischen Unternehmens).123 Seit den sechziger Jahren hat im Bereich des Insolvenzrechts ein Bewusstseinswandel stattgefunden. Neben dem Ziel der reinen Gläubigerbefriedigung rückte mehr und mehr der Gedanke in den Fordergrund, das angeschlagene Unternehmen zu erhalten.124 Im Zentrum dieser Strömung stand das Verfahren der administrative receivership.125 Dieses Verfahren konnte allerdings nur von einer speziellen Gläubigergruppe und zwar der der Inhaber einer floating charge eingeleitet werden.126 Nach der Feststellung des Department of Trade and Industry, dass es aufgrund einer oftmals überschnellen Verfahrenseinleitung durch die Sicherungsgläubiger zu einem unnötigen Scheitern vieler Unternehmen kam, wurde eine grundlegende Reform des Insolvenzrechts im Jahre 2003 eingeleitet. 127 Der sog. Enterprise Act hat die administrative receivership bis auf einige wenige – in der Praxis irrelevante – Ausnahmen beschränkt.128 Gleichzeitig wurde
122 In Schottland findet der englische Insolvency Act 1986 (Fundstelle: http: / / www. insolvencyhelpline.co.uk / insolvency-act / ia1986.htm (11. 8. 2006)) grundsätzlich Anwendung; MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Schlegel / Taylor, England und Wales Rn. 2. Es gelten jedoch zum Teil besondere Regeln, weshalb das schottische Insolvenzrecht hier außerhalb der Betrachtung steht; vgl. auch Fletcher, in: Fletcher, Cross-Border Insolvency: Comparative Dimensinons, S. 3. 123 Stevens, in: Mc Bryde / Flessner / Kortmann, Principles of European Insolveny Law, S. 200 ff.; von Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 138; MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Schlegel / Taylor, England und Wales Rn. 1. 124 Ehricke / Köster / Müller-Seils, NZI 2003, 409; vgl. auch Israël, European Cross-Border Insolvency Regulation, S. 21. 125 Die administrative receivership ist ihrer Konzeption nach zwar kein Sanierungsverfahren. Durch die weitreichenden Befugnisse des receivers (z. B. Entscheidungsmacht über die Erfüllung von Verbindlichkeiten des Schuldners) konnten aber zahlreiche Unternehmen fortgeführt und erhalten werden; Meyer-Löwy / Poertzgen / de Vries, ZInsO 2005, 293 (294). 126 Ehricke / Köster / Müller-Seils, NZI 2003, 409 (410); MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Schlegel / Taylor, England und Wales Rn. 19. 127 Dazu wurde am 7. 11. 2002 der Enterprise Act 2002 verabschiedet (Royal Assent), der am 20. 6. 2003 in Kraft trat; Fundstelle: http: / / www.opsi.gov.uk / acts / acts2002 / 200200 40.htm (4. 1. 2007).
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das administration-Verfahren grundlegend neu geregelt und in seinem Anwendungsbereich erweitert.129 Wichtigste Änderung ist, dass die bis dato gleichrangigen Ziele130, die mit einer administration verfolgt werden konnten, nun in ein Stufenverhältnis eingeordnet sind.131 Primäres Ziel ist die Sanierung des Unternehmens und die Aufrechterhaltung des laufenden Geschäftsbetriebs. Nur wenn das nicht erreicht werden kann, darf der administrator zu abgestuft intensiven Verwertungsmaßnahmen übergehen.132 Des Weiteren wurde die administration weitestgehend entbürokratisiert133 und das Verfahren gestrafft134. Auf diese Weise sollen kostengünstige Wege gegangen werden, um leichter die Reorganisation eines Unternehmens zu betreiben. Positiv wirkt sich dabei auch ein weiteres wichtiges Element der Reform, die Abschaffung fast aller Vorrechte des Fiskus bei der Befriedigung von Steuerforderungen (crown preferences), aus.135 Obwohl bis dato von der Privilegierung des Fiskus nur die Steuerrückstände innerhalb eines begrenzten Zeitraums erfasst wurden, konnte die crown preference eine finanzielle Belastung auslösen, die eine Sanierung oftmals behinderte.136 Aus den vorgestellten Neuregelungen wird erkennbar, dass man im Vereinigten Königreich zu einer rescue culture übergegangen ist. Man möchte aber nicht bei einer bloßen Verbesserung der Chancen für eine Sanierung stehen bleiben. Vielmehr zielt die aktuelle Fassung des Insolvenzrechts darauf ab, die Wettbewerbs128 Stevens, in: Mc Bryde / Flessner / Kortmann, Principles of European Insolveny Law, S. 200; Ehricke / Köster / Müller-Seils, NZI 2003, 409 (410 f.); MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Schlegel / Taylor, England und Wales Rn. 62; Mc Knight, J.I.B.L. 2001, 213 (215); zu den Voraussetzungen an die Antragsberechtigung nach Einführung des Enterprise Acts: Meyer-Löwy / Poertzgen / de Vries, ZInsO 2005, 293 (294). 129 Ehricke / Köster / Müller-Seils, NZI 2003, 409 (412 f.); MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Schlegel / Taylor, England und Wales Rn. 62. 130 Zu unterscheiden sind (1) der Erhalt der Gesellschaft (2) der Durchführung eines Vergleichs nach den Sec. 1 – 7 Insolvency Act 1986 einerseits oder nach der Sec. 425 Companies Act 1985 andererseits sowie (3) der Verwertung des Gesellschaftsvermögens auf eine gegenüber der liquidation vorteilhaften Weise; vgl. Ehricke / Köster / Müller-Seils, NZI 2003, 409 (412). 131 Schedule 16 Enterprise Act 2002, Schedule B 1 Insolvency Act 1986, paragraph 3; Fundstelle: http: / / www.opsi.gov.uk / acts / acts2002 / 20040-an.htm#sch16 (4.1. 2007). 132 Ehricke / Köster / Müller-Seils, NZI 2003, 409 (412). 133 So ist es der Gesellschaft bzw. deren Geschäftsleitung und bestimmten Sicherungsgläubigern möglich, einen administrator zu bestellen, ohne dass es eines Gerichtsbeschlusses bedarf. 134 Die administration endet jetzt automatisch nach einem Jahr ab Verfahrensbeginn. Des Weiteren wurden an verschiedenen Stellen die Fristen verkürzt; vgl. Ehricke / Köster / MüllerSeils, NZI 2003, 409 (415). Beides zielt auf eine Beschleunigung des Verfahrens ab. 135 Vgl. MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Schlegel / Taylor, England und Wales Rn. 63; eine Ausnahme bilden bestimmte Abgaben im Bereich der Kohle- und Stahlindustrie, vgl. Sec. 251 (3) Enterprise Act. 136 Der Umfang an Einbußen für den Fiskus wird auf 60 bis 90 Mio. Pfund pro Jahr geschätzt, vgl. Ehricke / Köster / Müller-Seils, NZI 2003, 409 (412 Fn. 56).
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bedingungen für den englischen Wirtschaftsraum zu verbessern.137 Das soll dazu beitragen, die Insolvenz gesellschaftlich zu entstigmatisieren. Dadurch soll die Angst vor unternehmerischen Fehlgriffen verringert und die Bereitschaft zur Eingehung wirtschaftlicher Risiken erhöht werden.138 Letztendlich zielt das englische Insolvenzrecht damit zulasten einer optimalen Gläubigerbefriedigung auf eine Förderung des Unternehmertums ab.139 Auch das englische Recht kennt den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Dieser stand ebenso wie die Förderung des Unternehmertums im Zentrum der Reformbestrebungen des Enterprise Acts.140 Eine Zunahme an Gleichbehandlung wurde zum einen durch die Abschaffung der crown preference und zum anderen durch die faktische Abschaffung der administrative receivership erreicht. Da dieses Verfahren nicht der Befriedigung sämtlicher Gläubiger diente, sondern ausschließlich der Realisierung der Sicherheiten von Inhabern einer floating charge, war es mit einer erheblichen Benachteiligung ungesicherter Gläubiger verbunden.141 Ein neuer Ansatz der Gläubigergleichbehandlung ist in der Einführung sog. funds zu sehen. Der Enterprise Act verpflichtet zu einer Verwendung eines bestimmten Teils des schuldnerischen Vermögens (fund) zur Befriedigung der ungesicherten Gläubiger.142 Damit werden ungesicherte Gläubiger jedenfalls zumindest quotal befriedigt, auch wenn die durch eine floating charge gesicherten Gläubiger noch nicht vollständig befriedigt wurden und unter Umständen nicht vollständig befriedigt werden können.
IV. USA Das US-amerikanische Insolvenzrecht ist als Bundesrecht im Bankruptcy Code (BC)143 geregelt. Auch in den USA gibt es kein einheitliches Insolvenzverfahren. 137 Vgl. die Aussagen des Department of Trade and Industry, online http: / / www.dti. gov.uk / ccp / enterpriseact / intro.htm (28. 9. 2006). 138 Ehricke / Köster / Müller-Seils, NZI 2003, 409, 410. 139 Paulus, DStR 2005, 334 (335); Department of Trade and Industry, online: http: / / www.dti.gov.uk / ccp / enterpriseact / intro.htm (28. 9. 2006). 140 Vgl. Ehricke / Köster / Müller-Seils, NZI 2003, 409 (410). 141 Vgl. Mc Knight, J.I.B.L. 2001, 213; von Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 145; Ehricke / Köster / Müller-Seils, NZI 2003, 409 – 411; siehe aber auch Goode, Principles of corporate insolvency law, S. 16, der betont, dass der administrative receiver in der Praxis sehr wohl auch die Interessen der Gläubiger ohne floating charge berücksichtigt. 142 Vgl. Sec. 252 Enterprise Act 2002. Die Höhe des Anteils am schuldnerischen Vermögen bestimmt sich nach einer gem. Sec. 176 A (2) (a) i.V.m. (7) und (8) Insolvency Act 1986 (abgedruckt innerhalb von Sec. 252 Enterprise Act 2002) erlassenen Verordnung: 50% der Verwertungserlöse bis zu 10.000 £ und 20% der Verwertungserlöse bis zu 600.000 £. 143 Der Bankruptcy Act von 1898 wurde durch den am 6. 11. 1978 verabschiedeten und am 1. 10. 1979 in Kraft getretenen Bankruptcy Reform Act, der üblicherweise als BC bezeichnet wird, abgelöst; von Stein / Thanner, DB 1981, 2213; Jander, RIW 1993, 547. Neben
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Die drei praxiswichtigsten Verfahrensarten sind das Liquidationsverfahren (Chapter 7), das allgemeine Reorganisationsverfahren (Chapter 11) und eine Art Reorganisationsverfahren für natürliche Personen mit geregeltem Einkommen (Chapter 13). Trotz der Insolvenzrechtsreform im Oktober 2005144, in deren Mittelpunkt die Stärkung des Gläubigerschutzes stand,145 wird in allen drei Verfahren deutlich, dass der Gesetzgeber erheblichen Wert auf den Schutz des Schuldners legt. Das fängt bereits mit einer Lenkung weg von der Liquidation an. Zwar kann die Liquidation des Schuldnervermögens auch auf einen Gläubigerantrag hin erfolgen.146 Der oder die Antragsteller haben dann aber sämtliche Anwalts- und Gerichtskosten zu tragen. Darüber hinaus drohen empfindliche Schadensersatzpflichten, wenn das Gericht den Insolvenzantrag ablehnt.147 Des Weiteren hat der Schuldner gute Möglichkeiten, die Liquidation abzuwenden. Rückzahlungsforderungen aus Krediten, die nach Einleitung des Konkursverfahrens gewährt werden, haben absoluten Vorrang vor allen anderen Forderungen.148 Lediglich Verfahrenskosten haben eine höhere Priorität. Damit wird dem Schuldner Gelegenheit gegeben, sich Liquidität zu verschaffen. Daneben steht jederzeit die Möglichkeit offen, das Liquidationsverfahren auf Antrag hin in ein Reorganisationsverfahren überzuleiten.149 Falls ein Insolvenzplan nach Chapter 11 von den Gläubigern abgelehnt wird, kann sich der zuständige Bankruptcy Court über die Gläubigerentscheidung hinwegsetzen, sofern auch nur eine benachteiligte Gläubigerklasse zugestimmt hat und das Gericht den Plan für fair and equitable hält.150 Das US-Reorganisationsrecht sieht damit auch schwere Eingriffe in die Gläubigerautonomie vor. Aussagekräftig ist daneben die Fassung der Unpfändbarkeitsvorschriften (exemptions). Ein umfangreicher Katalog von exemptions151 nimmt Gegenstände aus der Insolvenzmasse aus. Dazu zählen die Rechte des Gemeinschuldners an seinem von ihm bewohnten Eigenheim bis zu einem Wert von $ 15,000152, die Rechte an einem Kfz bis zu einem Wert von $ 2,400153 und die Rechte an Schmuckstüdem BC sind die auf der Grundlage des 28 U.S.C. § 2075 vom Supreme Court erlassenen Bankruptcy Rules zu beachten. Auf einzelstaatlicher Ebene existieren unterschiedliche Regeln zur Unpfändbarkeit von Gegenständen. Fundstelle zum BC: http: / / www4.law. cornell.edu / uscode / usc_sup_01_11.html (11. 8. 2006). 144 Bankruptcy Abuse Prevention and Consumer Protection Act of 2005, Publ.L. No. 109 – 8, Stat.23 (2005) vom 17. 10. 2005. 145 Zum Hintergrund der Reformbestrebungen siehe CRS Report for Congress (RL 32741), Consumer Bankruptcy Reform in the 109th Congress: Backround and Issues, S. 1; Meyer / Duckstein, ZIP 2006, 935. 146 Vgl. § 303 BC. 147 von Stein / Thanner, DB 1981, 2213 (2214). 148 Vgl. § 507 (a) (2) BC i.V.m. § 502 (f) BC. 149 von Stein / Thanner, DB 1981, 2213 (2214). 150 Sog. „cram-down-rule“, sec. 1129 (b) (a) (10) BC. 151 Vgl. § 522 BC. 152 § 522 (b) (1) i.V.m. (d) (1) BC. 153 § 522 (b) (1) i.V.m. (d) (2) BC.
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cken bis zu einem Gesamtwert von $ 1,000154, um nur einige prominente Bespiele zu nennen. Der Schuldner, der von seinem Freibetrag für sein Eigenheim keinen vollen Gebrauch gemacht hat, kann diesen darüber hinaus bis zu einer Höhe von $ 7,500 zusätzlich zu einem festen Freibetrag von $ 800 auf einen beliebigen Gegenstand seiner Wahl verwenden.155 Dieser Ausnahmekatalog wird dadurch noch ausladender, dass dem Gemeinschuldner ein Wahlrecht zusteht, ob er sich auf den bundesrechtlichen Katalog des BC beruft, oder ob er das einzelstaatliche Recht des Konkursortes mit seinen Pfändungsfreistellungen in Anspruch nimmt.156 So nehmen z. B. Florida und Texas die Rechte am Eigenheim gänzlich aus der Masse heraus, unabhängig vom Wert des Grundstücks.157 Die exemptions schmälern damit die Masse unter Umständen erheblich. Das geht in erster Linie zulasten der ungesicherten Gläubiger, die aufgrund der Freistellungen bei der Verteilung des Verwertungserlöses leer ausgehen. Zwar wird für die einzelstaatlichen exemptions seit Oktober 2005 bundesrechtlich ein Maximalbetrag von $ 125,000 vorgegeben. Dieser greift aber nur in bestimmten Missbrauchsfällen ein.158 Es handelt sich folglich nicht um eine generelle Beschränkung der einzelstaatlichen Regelungen. Die eindrucksvollste Regelung zum Vorteil des Schuldners und zulasten der Gläubiger ist im Forderungsuntergang (discharge) als Folge der Insolvenzverfahren nach dem BC zu sehen. Nach Abschluss eines Liquidationsverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person ist das Insolvenzgericht grundsätzlich verpflichtet, sofort (ohne eine Wohlverhaltensperiode) einen order for relief für die Forderungen, die nach der Verteilung des Verwertungserlöses verbleiben, zu erklären.159 Bemerkenswert daran ist, dass sich der Verwertungserlös bei einem Verfahren nach Chapter 7 lediglich aus dem bei Verfahrenseröffnung vorhandenen verwertbaren Vermögen speist.160 Ein unbefriedigter Gläubiger hat sich daher selbst dann, wenn der Schuldner während des Verfahrens Vermögen erwirbt, mit der § 522 (b) (1) i.V.m. (d) (4) BC. § 522 (b) (1) i.V.m. (d) (5) BC. 156 § 522 (b) (1) (2) BC. In Fällen, in denen das einzelstaatliche Recht die exemptions des Bundesrechts nicht anerkennt, kommen nur die einzelstaatlichen exemptions zur Anwendung, Hay, US-Amerikanisches Recht, Rn. 622 insb. Fn. 121. 157 „Homestead-exemption“; Jander, RIW 1993, 547 (550); Kraus, RIW 1983, 553 (555); vgl. bei letzterem auch die Liste unter Fn. 22; die einzelstaatlichen exemptions sind stark an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der einzelnen Bundesstaaten ausgerichtet; vgl. Kraus, a. a. O. 158 Meyer / Duckstein, ZIP 2006, 935 (938). 159 Im Verfahren nach Chapter 7 und 11 ist seit dem Bankruptcy Abuse Prevention and Consumer Protection Act lediglich erforderlich, dass der Schuldner nachweist an einer Beratung über die Grundlagen eines persönlichen Finanzmanagements (personal financial management) teilgenommen zu haben (§ 727 (a) BC, § 1328 (g) BC). 160 Meyer / Duckstein, ZIP 2006, 935 (936, 937). Sonderregeln, die auch den Neuerwerb des Schuldners während des Verfahrens als massezugehörig erfassen, finden sich im BC seit dem Bankruptcy Abuse Prevention and Consumer Protection Act 2005 für die Verfahren nach Chapter 11, 12 und 13. 154 155
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1. Teil: Grundlagen
discharge abzufinden. Im Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 ordnet das Gesetz die discharge automatisch mit dem Zeitpunkt der Bestätigung des Reorganisationsplans durch das Insolvenzgericht an.161 Damit tauscht der Schuldner seine Vermögenseinbuße durch das Verfahren gegen eine weitgehende Schuldenfreiheit.162 Nur in dem speziell auf natürliche Personen mit geregeltem Einkommen zugeschnittenen Verfahren nach Chapter 13 erfolgt die discharge nicht bereits mit der Bestätigung des Schuldentilgungsplans. Das Insolvenzgericht erteilt den order for relief vielmehr erst nach Erfüllung des Tilgungsplans.163 Als Ausgleich fällt die discharge in diesem Verfahren noch wesentlich umfangreicher aus als nach den Regeln der anderen beiden Verfahrensarten. Zwar wird die Restschuldbefreiung seit dem Bankruptcy Abuse Prevention and Consumer Protection Act 2005 für bestimmte Forderungen eingeschränkt.164 Des Weiteren kann eine Restschuldbefreiung lediglich dann stattfinden, wenn die letzte Befreiung in Abhängigkeit vom Verfahrenstyp mindestens zwei bis acht Jahre zurückliegt.165 Aber auch diese Neuregelung dient weniger der prinzipiellen Besserstellung der Gläubiger. Sie zielt vielmehr darauf ab, den regelmäßig stattfindenden Missbrauch des Insolvenzrechts durch die Schuldner einzudämmen. Der Schuldnerschutzgedanke im US-amerikanischen Insolvenzrecht wird von folgenden Überlegungen getragen: Ist der Schuldner eine natürliche Person, soll ihr schnell ein wirtschaftlicher Neuanfang möglich sein. Auf diese Weise bleibt sie der Wirtschaft für die Zukunft als Konsument erhalten.166 Unternehmen sollen – wenn irgend möglich – weiter geführt werden. Dem liegt wiederum die Erwägung zu Grunde, dass es für die Gläubiger vorteilhafter ist, mit dem insolventen Unternehmen während der Sanierung und vor allem danach die Geschäftsbeziehungen aufrecht zu erhalten und weiter Handel mit ihm zu betreiben, als für die in der Vergangenheit begründeten Forderungen lediglich auf eine Quote verwiesen zu werden.167 Damit wird der Nutzen, den der Gesetzgeber von der wirtschaftlichen Existenz und Potenz des Gemeinschuldners in der Zukunft erwartet, über das Interesse der Gläubiger an einer Befriedigung der Insolvenzforderungen gestellt. § 1141 (d) BC. Diese wird durch eine nur sehr eingeschränkte Zulässigkeit von reaffirmations abgesichert, vgl. § 524 (c) BC. Reaffirmations sind vertragliche Abreden, in denen vereinbart wird, dass der Schuldner auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens noch für Forderungen haftet, mit denen der Gläubiger im Verfahren ausgefallen ist. 163 § 1328 (a) BC; jedoch ist unter gewissen Umständen eine discharge auch ohne vollständige Erfüllung des Plans möglich, vgl. § 1328 (b) BC. 164 Das gilt insb. für Unterhaltsforderungen von Kindern und Ehegatten sowie für in unlauterer Weise im Hinblick auf die Restschuldbefreiung eingegangene Verbindlichkeiten des Schuldners, vgl. Meyer / Duckstein, ZIP 2006, 935 (939). 165 Meyer / Duckstein, ZIP 2006, 935 (939). 166 Elsing / van Alstine, US-amerikanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 461; Kraus, RIW 1983, 553; von Stein / Thanner, DB 1981, 2213, 2214. 167 Hay, US-Amerikanisches Recht, Rn. 624; Jander, RIW 1993, 547; vgl. auch Kozyris, in: Fletcher, Cross-Border Insolvency, S. 243 (244). 161 162
§ 3 Rechtsvergleichender Überblick
61
Neben dem Schuldnerschutzgedanken verfolgt der BC das Ziel der Gläubigergleichbehandlung.168 Dies drückt sich wie auch in den anderen Nationen v.a. durch die quotale Befriedigung nach Rängen aus. Auffällig ist die ausgeprägte Abstufung der Rangfolge, in der die Gläubiger ungesicherter Forderungen zu befriedigen sind.169
V. Zusammenfassung, Vergleich und Stellungnahme Die Gesetzgebung zu den vorgestellten Insolvenzstatuten wird von den unterschiedlichsten Erwägungen getragen. Während der deutsche Gesetzgeber vornehmlich bemüht war, den geregelten Ablauf der Gläubigerbefriedigung zu gewährleisten, beabsichtigt der französische Gesetzgeber insbesondere den Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen. In England setzt man auf die Förderung des Unternehmertums, um auf diese Art und Weise die heimische Wirtschaft zu stärken. Die USA wollen den Gemeinschuldner in seiner Funktion als Glied des Wirtschaftssystems erhalten. Einzelpersonen sollen weiterhin konsumieren, Unternehmen weiterhin Handel treiben können. Eine Gemeinsamkeit der verschiedenen Regelwerke ist, dass ihnen allen der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung – immanent ist. Die Vorstellungen, was unter einer „gerechten“ Behandlung der Gläubiger zu verstehen ist, gehen dagegen weit auseinander. Dies wird eindrucksvoll an der jeweils vorgesehenen Reihenfolge der Befriedigung der Gläubiger deutlich. So sehen einige Rechtsordnungen ausgeprägte Rangabstufungen innerhalb der Gruppe der ungesicherten Gläubiger vor. In Deutschland werden die ungesicherten Gläubiger mit Ausnahme der Massegläubiger dagegen alle gleichmäßig (i.d.R. quotal) befriedigt. Angesichts der teilweise extremen Rangabstufungen muss kritisch angemerkt werden, dass die Verfahrensmaxime der Gläubigergleichbehandlung in einigen Ländern zu einer leeren Hülse degeneriert ist. Wer Gläubiger unterschiedlich behandeln möchte, richtet einfach eine weitere Rangstufe ein. Dass die Vorstellungen über eine „gerechte“ Befriedigung der Gläubiger und damit die Rangordnung der Forderungsbefriedigung nicht statisch sein müssen, zeigt sowohl die mit der Insolvenzrechtsreform in Deutschland vorgenommene weitgehende Gleichstellung der ungesicherten Gläubiger170 als auch die Abschaffung der crown preference im Vereinigten Königreich. Die unterschiedlichen Zielsetzungen (bzw. Förderungsabsichten) in den verschiedenen Ländern sind nicht einfach unterschiedliche Ansätze zu ein und dem168 Elsing / van Alstine, US-amerikanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 460; von Stein / Thanner, DB 1981, 2213; Kozyris, in: Fletcher, Cross-Border Insolvency, S. 243 (246); vgl. auch die Aussagen des Legal Information Institute, online: http: / / www.law.cornell.edu / topics / bankruptcy.html (10. 1. 2007). 169 Vgl. § 507 BC und § 726 BC. 170 Vgl. dazu bereits 1. Teil § 2 II. 1., S. 37.
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1. Teil: Grundlagen
selben Sachverhalt. Es sind vielmehr unterschiedliche Reaktionen auf unterschiedlichste standort-, industrie- und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen. Daher kann und soll an dieser Stelle auch keine Wertung in bessere und schlechtere Insolvenzstatuten vorgenommen werden. Möglich ist jedoch eine Bewertung dahingehend, ob der nationale Gesetzgeber dem Gläubiger tendenziell eine starke und sichere oder aber zugunsten des Gemeinschuldners eine schwache und unsichere Position einräumt. Die Bewertung kann deswegen nur tendenziell erfolgen, weil nicht vernachlässigt werden darf, dass auch die verschiedenen Gläubiger in ein und demselben Verfahren höchst unterschiedliche Positionen innehaben können. Den eindrucksvollsten Schuldnerschutz zulasten der Gläubiger betreiben in der oben vorgenommenen Auswahl an Ländern nach wie vor die USA. Dies ist insbesondere mit den umfangreichen exemptions und discharge-Möglichkeiten zu begründen. Die Kombination aus beidem führt dazu, dass sich die Gläubiger mit einem Ausfall ihrer Forderungen abfinden müssen, obwohl der Schuldner unter Umständen noch über erhebliche Vermögenswerte verfügt. Dementsprechend kann ein geschickter Gemeinschuldner einer Insolvenz bei Geltung des US-amerikanischen Insolvenzrechts regelmäßig gelassen entgegensehen.171 Es verwundert auch nicht, dass gleich im Jahre 1980 – d. h. schon unmittelbar nach Inkrafttreten des BC – ca. 99 Prozent der 355 000 Insolvenzverfahren auf einen Antrag des Schuldners zurückgingen172. Dieses Phänomen ufert dahingehend aus, dass die Insolvenz auf Schuldnerseite als Instrument zur Schaffung von Freiraum zur Refinanzierung verstanden wird.173 Ob die beschriebenen Nachteile für den Gläubiger durch bleibende Geschäftsbeziehungen zum Schuldner in der Zukunft ausgeglichen werden können, ist höchst unsicher und hängt vom Einzelfall (insbesondere vom wirtschaftlichen Geschick der Beteiligten) ab. Das deutsche Insolvenzrecht zielt dagegen auf eine möglichst umfangreiche Durchsetzung bereits bestehender Forderungen der Gläubiger ab. Die Gläubiger haben also eine vergleichsweise starke Position inne. Die Aussicht auf eine sicherere Befriedigung für die Vergangenheit geht jedoch zulasten der Aussicht auf Erwirtschaftung eines Gewinns in der Zukunft aus Geschäften mit dem Schuldner.
Kraus, RIW 1983, 553 (555). Vgl. von Stein / Thanner, DB 1981, 2213; nicht zuletzt ist das auch auf eine mit dieser Praxis einhergehenden gesellschaftlichen Entstigmatisierung der Insolvenz zu erklären. Seit dem Bankruptcy Abuse Prevention and Consumer Protection Act 2005 muss der Schuldner vor Insolvenzantragstellung nachweisen, dass er an einer Schuldnerberatung (credit counseling) teilgenommen hat, Meyer / Duckstein, ZIP 2006, 935 f. 173 Jander, RIW 1993, 547; ähnlich auch Hay, US-Amerikanisches Recht, Rn. 624. 171 172
2. Teil
Analyse des Zusammenspiels der Insolvenzrechtsordnungen Die verschiedenen nationalen Insolvenzrechtsordnungen räumen den Gläubigern unterschiedlich starke Positionen im Insolvenzverfahren ein.1 Wie die nationalen Insolvenzrechtsordnungen ineinander greifen, wird durch die Regelungen der EuInsVO und des deutschen internationalen Insolvenzrechts bestimmt. Welche Auswirkung das für die Gläubiger hat, soll in diesem Teil der Arbeit analysiert werden.
§ 4 Anwendungsbereiche und Verhältnis Die EuInsVO und das deutsche internationale Insolvenzrecht regeln vergleichbare Sachverhalte.2 Trotz mancher Ähnlichkeit sind die Kodifizierungen aber inhaltlich nicht identisch. Folglich stellt sich die Frage nach den Anwendungsbereichen und dem Verhältnis der beiden Regelwerke zueinander.
I. Anwendungsbereich der EuInsVO Für die Anwendbarkeit der EuInsVO sind sachliche, räumliche, persönliche und zeitliche Kriterien zu beachten. 1. Sachlicher Anwendungsbereich Sachlich anwendbar ist die EuInsVO auf Gesamtverfahren, welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen VermögensVgl. 1. Teil § 3, S. 50 ff. Dennoch werden zum Teil unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet. Das ist damit zu erklären, dass die EuInsVO auf eine Vielzahl von Rechtsordnungen zugeschnitten ist, während sich das deutsche internationale Insolvenzrecht begrifflich am deutschen Recht orientiert. Der Verfasser musste sich in Situationen, in denen beide Regelwerke zusammen besprochen werden, jeweils auf eine Begrifflichkeit festlegen. Das bedeutet aber nicht, dass die Fassung der Parallelvorschrift außer Acht gelassen worden ist. Sofern sich aus den unterschiedlichen sprachlichen Fassungen auch inhaltliche Unterschiede ergeben, wird ausdrücklich darauf hingewiesen. 1 2
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2. Teil: Analyse des Zusammenspiels der Insolvenzrechtsordnungen
beschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben (Art. 1 Abs. 1 EuInsVO).3 Die in Art. 1 Abs. 1 EuInsVO vorgenommene Definition war gesetzgebungstechnisch nicht notwendig. Welche Verfahren der EuInsVO unterliegen ergibt sich nämlich ausdrücklich und abschließend aus den Definitionen in Art. 2 lit. a und c EuInsVO i.V.m. den landesspezifischen Aufzählungen in Anhang A4 und B zur EuInsVO.5 Auf diese sei an dieser Stelle verwiesen.6 Den aufgezählten Verfahren ist gemein, dass eine individuelle Rechtsverfolgung durch die Gläubiger grundsätzlich nicht mehr möglich ist.7 Nicht entscheidend ist dagegen, dass das Hauptverfahren8 auf eine Liquidation des Schuldnervermögens abzielt, denn auch die meisten in den Mitgliedstaaten anerkannten Sanierungs- und Reorganisationsverfahren sind im Anhang aufgeführt.9 Nicht erfasst werden die rein vorinsolvenzlichen Vergleichsverfahren, wie z. B. das mandataire ad hoc und die procédure de conciliation in Frankreich10 oder das creditors voluntary winding up of company in England11.
2. Räumlicher Anwendungsbereich und grenzüberschreitender Bezug Der räumliche Anwendungsbereich wurde nicht ausdrücklich und abschließend in der EuInsVO festgeschrieben. Er ist aus dem Regelungsgehalt einzelner Vorschriften sowie aus einigen Erwägungsgründen zur EuInsVO zu entnehmen. Aus der Zuweisung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte für die Eröffnung von Insolvenzverfahren in Art. 3 Abs. 1 EuInsVO lässt sich schließen, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners in einem Mitgliedstaat der EU liegen muss.12 Diese Auslegung wird durch Erwägungsgrund 14 zur EuInsSo auch Erwägungsgrund 10 S. 3 EuInsVO. Unzutreffenderweise verweist der EU-Gesetzgeber in Anhang A auf Art. 1 lit. a. 5 Die Definition in Art. 1 Abs. 1 EuInsVO gibt vielmehr den Mitgliedstaaten der EU auf, welche Verfahren sie in Anhang A und B zur EuInsVO aufnehmen können, Leipold, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 185 (187); MünchKomm z. InsO / Reinhardt, Art. 1 EuInsVO Rn. 2; vgl. auch Erwägungsgrund 9 S. 2 zur EuInsVO. 6 Die Verfahrensarten der Beitrittsländer (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern [griechischer Teil]) wurden in Anhang A zur EuInsVO nachgetragen; Veröffentlichung im ABlEU Nr. L v. 23. 9. 2003, S. 711. 7 Vgl. Duursma-Kepplinger, NZI 2003, 87. 8 Anders dagegen die in ihren Wirkungen auf einen Nationalstaat beschränkten Sekundärverfahren. Diese müssen zwingend als Liquidationsverfahren ausgestaltet sein, Art. 3 Abs. 3 S. 2 EuInsVO. 9 Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (540); Lüke, ZZP 1998, 275 (284); vgl. auch Huber, ZZP 2001, 133 (135). 10 Dammann, RIW 2006, 16 (Fn. 2); zum règlement amiable vgl. Lüke, ZZP 1998, 275 (284); Dammann, ZIP 1996, 300 (301). 11 Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 18. 3 4
§ 4 Anwendungsbereiche und Verhältnis
65
VO, der selbiges ausdrücklich vorsieht, untermauert. Bei Sekundär- und isolierten Partikularinsolvenzverfahren ist nicht nur erforderlich, dass der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in einem Mitgliedstaat hat. Auch die Niederlassung muss sich innerhalb der EU befinden. Das lässt sich aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 EuInsVO entnehmen, der eine Niederlassung in einem „anderen Mitgliedstaat“ fordert. Der räumliche Anwendungsbereich der EuInsVO ist jedoch nicht vollständig deckungsgleich mit dem Territorium der Mitgliedstaaten der EU. Auf dänischem Territorium ist die EuInsVO nicht anwendbar.13 Für die der EU am 1. 5. 2004 neu beigetretenen Länder (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern [griechischer Teil]) gilt die EuInsVO aufgrund des Art. 47 EuInsVO automatisch seit ihrem Beitritt.14 Das gilt ebenfalls für die der EU am 1. 1. 2007 beigetretenen Länder (Rumänien, Bulgarien). Für die Anwendbarkeit der EuInsVO reicht jedoch nicht allein aus, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen innerhalb der EU mit Ausnahme Dänemarks liegt. Aus den Erwägungsgründen 2, 3 und 8 zur EuInsVO geht zweifelsfrei hervor, dass das Insolvenzverfahren einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen muss.15 Auf reine Binnensachverhalte, bei denen die Wirkungen des Verfahrens auf einen Staat beschränkt sind, ist die EuInsVO daher nicht anwendbar. Welche Kriterien für die Bejahung eines grenzüberschreitenden Bezugs zu wählen sind, wird teilweise sehr pauschaliert und beispielhaft beschrieben.16 Sinnvoll ist es, sich 12 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (38 Nr. 11, S. 48 Nr. 44 lit. a, S. 129 Nr. 300 – 302); Huber, ZZP 2001, 133, (137); Duursma-Kepplinger, in: DuursmaKepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 1 Rn. 6, 52; teilweise wird diese Argumentation noch durch die nur wenig weiterführende Heranziehung der Anerkennungsregel in Art. 16 EuInsVO untermauert. Eine Anerkennung erfolgt danach nur dann, wenn das Verfahren in einem Mitgliedstaat eröffnet wurde, und zwar gemäß der Zuständigkeitsregelung in Art. 3 EuInsVO. Damit beruht auch die Anerkennungsregelung mittelbar auf dem Erfordernis des Interessenmittelpunktes in einem Mitgliedstaat; vgl. Huber, ZZP 2001, 133 (137); Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 1 Rn. 4. 13 Duursma-Kepplinger, NZI 2003, 87; Lehr, KTS 2000, 577 (585); in Dänemark, dem Vereinigten Königreich und Irland haben Verordnungen, die auf Art. 65 EG beruhen, keine unmittelbare Wirkung. Die Vorschrift ermächtigt zu Maßnahmen auf dem Gebiet der Zusammenarbeit in Zivilsachen und des Internationalen Privatrechts, gegen die diese Länder einen Vorbehalt erklärt haben; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 1 EuInsVO Rn. 7. Das Vereinigte Königreich und Irland haben aber mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung der EuInsVO beteiligen, vgl. Erwägungsgrund 32 zur EuInsVO. Dänemark hat diese Erklärung dagegen nicht abgegeben, vgl. Erwägungsgrund 33 zur EuInsVO. Eine vollständige Vereinheitlichung der insolvenzrechtlichen Rahmenbedingungen in der EU ist damit vorerst gescheitert. 14 Vgl. Wienberg / Sommer, NZI 2005, 353 (355); Mäsch, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 1 EG-InsVO Rn. 35. 15 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 1 Rn. 2 EuInsVO; Paulus, DStR 2005, 334; von Wilmowsky, EWS 1997, 295. 16 Vgl. z. B. Duursma-Kepplinger, NZI 2003, 87.
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2. Teil: Analyse des Zusammenspiels der Insolvenzrechtsordnungen
bei der Bewertung an den Regelungen der EuInsVO selbst zu orientieren. Ist einer der Anknüpfungspunkte erfüllt, muss auch der grenzüberschreitende Bezug bejaht werden.17 Umstritten ist, ob ein grenzüberschreitender Bezug allein zu einem Nicht-EU-Mitgliedstaat ausreicht (einfacher Auslandsbezug)18 oder ob der Bezug zwingend zu einem Mitgliedstaat mit Ausnahme Dänemarks bestehen muss (qualifizierter Auslandsbezug)19. Huber begründet die erste Auffassung damit, dass der Verordnungsgeber in Kenntnis des Problems bei vielen Vorschriften der EuInsVO ausdrücklich einen Bezug zu mindestens einem Mitgliedstaat fordert (vgl. z. B. Art. 5 Abs. 1, 7 Abs. 1, 8, 9 Abs. 1, 10 EuInsVO), bei anderen dagegen nicht. Es sei daher nicht einzusehen, warum der Anwendungsbereich der Verordnung bei ausschließlichem Drittstaatenbezug weiter beschränkt werden soll, als in den Artikeln, die Mitgliedstaatsbezug verlangen, vorgesehen ist.20 Zu einer Bewertung dieser Aussage lohnt es sich mit dem Wirkungsbereich der EuInsVO auseinander zu setzen. Es entspricht der ganz herrschenden Ansicht, dass sich dieser nur auf innergemeinschaftliche Sachverhalte erstreckt.21 Würde man bei ausschließlichem Drittstaatenbezug eine Anwendbarkeit der Verordnung dennoch bejahen, käme man erstens zu dem unschlüssigen Ergebnis, dass die VO in Bezug auf den Drittstaat keine Wirkung entfalten würde. Zweitens würde es dem Ziel der EuInsVO, Probleme bei grenzüberschreitenden Insolvenzen im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander zu bewältigen,22 nicht entsprechen, wenn man der Verordnung in dieser Konstellation Rechtsfolgen in Bezug auf nicht-innergemeinschaftliche Sachverhalte entnehmen würde. Interpretationsmöglichkeiten bietet schließlich noch Art. 44 Abs. 3 lit. a und b EuInsVO. Danach ist die VO bei Überschneidungen mit bestimmten Übereinkünften und Vereinbarungen zu Drittstaaten nicht anwendbar. Daraus könnte man schließen, dass es sich bei Art. 44 Abs. 3 lit. a und b EuInsVO um eine Ausnahmevorschrift handelt, die wegen einer grundsätzlichen Anwendbarkeit der EuInsVO 17 Als Kriterium kann z. B. die Belegenheit eines Gegenstandes, an dem dingliche Rechte Dritter bestehen (Art. 5, 7 EuInsVO), oder über den ein Vertrag geschlossen wurde (Art. 8 EuInsVO), bzw. der Sitz, Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt eines Gläubigers im Ausland (Art. 39 EuInsVO) angeführt werden; vgl. Huber, ZZP 2001, 133 (136); Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 35; Reinhart schlägt eine Differenzierung bei der Anwendbarkeit auf Nicht-Mitgliedstaaten nach den einzelnen Kapiteln der EuInsVO vor; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 1 Rn. 8 – 14. 18 So Huber, ZZP 2001, 133 (137 ff., insb. 139); wohl auch Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (538 f.). 19 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 1 Rn. 2; von Wilmowsky, EWS 1997, 295. 20 Huber, ZZP 2001, 133 (138 f.); auffällig ist, dass Huber in späterer Zeit nicht mehr auf das Problem eingeht; vgl. z. B. Huber, EuZW 2002, 490 (491). 21 Vgl. Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (38 Nr. 11, S. 48 Nr. 44); Schmiedeknecht, Anwendungsbereich der EuInsVO, S. 108 ff.; selbst Huber, ZZP 2001, 133 (136). 22 Vgl. Erwägungsgrund 2, 3 und 8 zur EuInsVO.
§ 4 Anwendungsbereiche und Verhältnis
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auf Drittstaatensachverhalte notwendig ist. Dieser Schluss ist aber nicht zwingend. Die Regelung macht nämlich auch dann Sinn, wenn man eine Anwendbarkeit bei ausschließlichem Drittstaatenbezug ablehnt, denn die erfassten Übereinkünfte und Vereinbarungen können durchaus auch Regelungen im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten der EU treffen.23 Damit bleibt festzuhalten, dass der Anwendungsbereich der EuInsVO nur dann eröffnet ist, wenn der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in einem Mitgliedstaat der EU hat und kumulativ ein grenzüberschreitender Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat besteht.24 3. Persönlicher Anwendungsbereich In persönlicher Hinsicht ist die EuInsVO unabhängig davon anwendbar, ob der Schuldner natürliche oder juristische Person, Kaufmann oder Privatperson ist (vgl. Erwägungsgrund 9 S. 1 zur EuInsVO). Lediglich Insolvenzverfahren von Versicherungsunternehmen, Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, die Dienstleistungen erbringen, die die Haltung von Geldern oder Wertpapieren Dritter umfassen, sowie Insolvenzverfahren von Organismen für gemeinsame Anlagen fallen gemäß dem Negativkatalog des Art. 1 Abs. 2 EuInsVO nicht in den Anwendungsbereich. Für diese Unternehmen gelten eigene speziellere Regelungen.25 Das ist mit der besonderen Sensibilität der Geschäftsgegenstände zu erklären. Diese erfordern im Interesse der Gläubiger zum Teil sehr weitgehende Eingriffsbefugnisse der nationalen Aufsichtsbehörden.26 23 Eidenmüller, IPRax 2001, 2 (5); ebenso Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 1 Rn. 52 f. 24 Jeweils mit Ausnahme Dänemarks, vgl. S. 65. Einen noch engeren Anwendungsbereich könnte man aus der französischen Fassung der VO herauslesen. Hier ist von „procédures d’ insolvabilité transfrontalières“ die Rede, anstatt schlicht von „transfrontier“. Diese Wortwahl ließe auch eine Auslegung in dem Sinne zu, dass für die Anwendbarkeit eine gemeinsame Staatsgrenze erforderlich ist; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 1 Rn. 3. Eine solche Auslegung wäre aber mit dem Ziel der EuInsVO, effiziente grenzüberschreitende Verfahren für den gesamten europäischen Binnenmarkt zu schaffen (Erwägungsgrund 2 zur EuInsVO) nicht vereinbar. 25 Für Kreditinstitute greift die Richtlinie 2001 / 24 / EG vom 4. 4. 2001 und für Versicherungsunternehmen die Richtlinie 2000 / 17 / EG vom 19. 3. 2001. Beide Richtlinien wurden zum 1. 1. 2004 ins deutsche Recht umgesetzt (Gesetz zur Änderung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen zur Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten vom 10. 12. 2003, BGBl. 2003 I, S. 2578. Näher zu den Richtlinien: Wimmer, ZInsO 2002, 897 ff. 26 Lehr, KTS 2000, 577 (578); Schmiedeknecht, Anwendungsbereich der EuInsVO, S. 174; vgl. auch Erwägungsgrund 9 S. 3, 4 zur EuInsVO. Der Verweis auf die besondere Sensibilität der Geschäftsgegenstände führt nicht zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass die EuInsVO insgesamt auf die in Art. 1 Abs. 2 EuInsVO genannten Unternehmen nicht angewendet werden darf. Denkbar – und im Interesse einer Rechtsvereinheitlichung vielleicht besser – wäre gewesen, die Unternehmen nicht aus dem Anwendungsbereich der VO herauszunehmen, sondern nur ergänzende Spezialregelungen auf nationaler Ebene einzuführen.
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2. Teil: Analyse des Zusammenspiels der Insolvenzrechtsordnungen
4. Zeitlicher Anwendungsbereich Der zeitliche Anwendungsbereich ist in Art. 43 EuInsVO geregelt. Danach findet die EuInsVO nur auf Verfahren Anwendung die nach ihrem Inkrafttreten am 31. 5. 2002 eröffnet worden sind.27 Ein Verfahren ist gemäß Art. 2 lit. f EuInsVO in dem Zeitpunkt eröffnet, in dem die Eröffnungsentscheidung Wirkung entfaltet. Der Zeitpunkt der Antragsstellung oder der Beschlussfassung ist grundsätzlich unerheblich.28 Ohne Einfluss ist des Weiteren, dass die Eröffnung des Verfahrens vor dem 31. 5. 2002 zu Unrecht abgelehnt worden ist. Auf das später möglicherweise aufgrund eines Rechtsmittels eröffnete Verfahren findet die EuInsVO Anwendung.29 Ist bereits vor dem 31. 5. 2002 in einem Mitgliedstaat ein Insolvenzverfahren gegen den Schuldner eröffnet worden, sind die Vorschriften der EuInsVO auch nicht auf danach eröffnete Verfahren gegen diesen Schuldner anwendbar, gleichgültig, ob es sich bei letzterem um ein Haupt- oder Sekundärverfahren nach der VO handeln würde.30 Auf eine Rechtshandlung des Schuldners ist die EuInsVO nur anwendbar, wenn sie nach deren Inkrafttreten vorgenommen worden ist (Art. 43 S. 2 EuInsVO).
II. Anwendungsbereich des autonomen deutschen internationalen Insolvenzrechts Das deutsche internationale Insolvenzrecht sieht keine Beschränkungen in räumlicher Hinsicht vor. Es tritt mit dem Anspruch auf, bei Insolvenzsachverhalten anwendbar zu sein, gleichgültig, wo sie sich weltweit ereignen, sofern nur ein grenzüberschreitender Bezug zu Deutschland besteht.31 Auch der persönliche Anwendungsbereich ist nicht wie bei der EuInsVO begrenzt. Ausdrückliche Beschränkungen in zeitlicher Hinsicht sind nicht vorgenommen worden. Die Literatur behilft sich deshalb mit einer Analogie zu Art. 103 a EGInsO. Die §§ 335 – 358 InsO sind danach auf Insolvenzverfahren anwendbar, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschriften am 20. 3. 2003 eröff27 Auf davor eröffnete Insolvenzverfahren ist in Deutschland weiterhin Art. 102 EGInsO a.F. anzuwenden. Ausnahmen dazu galten lediglich im Verhältnis zu Österreich und den Niederlanden. Hier waren gesonderte Übereinkommen zu beachten; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 102 EGInsO Rn. 3. 28 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 1 Rn. 70; HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 43 EuInsVO Rn. 2. 29 BGH, NZI 2004, 139 (140), unbeanstandet vom EuGH, ZInsO 2006, 86 (89). 30 Vgl. Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (130 Nr. 304); DuursmaKepplinger Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 43 Rn. 14; Schmiedeknecht, Anwendungsbereich der EuInsVO, S. 104 f. 31 Liersch, NZI 2003, 302 (303).
§ 4 Anwendungsbereiche und Verhältnis
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net wurden.32 Für Insolvenzverfahren, die vorher eröffnet worden sind, bleibt es bei der Anwendung des Art. 102 EGInsO a.F.33 Das muss auch dann gelten, wenn in Deutschland später ein Verfahren eröffnet wird, dass die Voraussetzungen eines Sekundärverfahrens im Sinne der §§ 354, 356 Abs. 1 InsO erfüllen würde.
III. Verhältnis Die EuInsVO gehört zum sekundären Gemeinschaftsrecht i. S. d. Art. 249 Abs. 2 EG. Dementsprechend ist sie in all ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar.34 Eine Umsetzung durch nationale Rechtssetzungsinstanzen ist nicht erforderlich.35 Das deutsche internationale Insolvenzrecht ist ein autonomes Recht und damit unabhängig von gemeinschaftsrechtlicher Rechtssetzung. Beide Kodifikationen sind folglich Teil des deutschen Rechts.36
1. Sachverhalte innerhalb der EU mit Ausnahme Dänemarks Innerhalb der EU gilt das gemeinschaftsweit anerkannte Prinzip des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht.37 Dementsprechend ist die EuInsVO als Teil des sekundären Gemeinschaftsrechts auf Sachverhalte innerhalb der EU mit Ausnahme Dänemarks vorrangig vor den nationalen Regelungen des deutschen internationalen Insolvenzrechts anzuwenden.38 Sofern die EuInsVO aber zu einem bestimmten Regelungsgegenstand keine Aussage trifft und es sich dabei um eine bewusste Regelungslücke handelt, können die nationalen Vorschriften ergänzend herangezogen werden.39 Auch Vorschriften des nationalen deutschen Insolvenzrechts werden durch die EuInsVO verdrängt, wenn sie Regelungen enthalten, die mit EU-Insolvenzrecht in Widerspruch stehen.40 Das deutsche internationale Insolvenzrecht findet nach wie vor auf die Insolvenzen von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen Anwendung, die gemäß Art. 1 Abs. 2 EuInsVO aus dem Anwendungsbereich der VO fallen. Hier sind jedoch 32 Liersch, in: Braun, InsO, vor §§ 335 – 358 Rn. 16; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, vor § 335 Rn. 12; HeidelKomm z. InsO / Stephan, vor §§ 335 ff. Rn. 18. 33 Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, vor § 335 Rn. 12; HeidelKomm z. InsO / Stephan, Vor §§ 335 ff. Rn. 18; Liersch, in: Braun, InsO, vor §§ 335 – 358 Rn. 16. 34 Vgl. statt aller Oppermann, Europarecht, § 6 Rn. 540. 35 Diepenbrock, EWS 2001, 113 (114). 36 Liersch, NZI 2003, 302 (303); Liersch, in: Braun, InsO, vor §§ 335 – 358 Rn. 22. 37 Vgl. statt aller Geiger, EUV / EGV, Art. 10 Rn. 27 ff., insb. 30. 38 Diepenbrock, EWS 2001, 113 (114); Liersch, in: Braun, InsO, vor §§ 335 – 358 Rn. 24. 39 Vgl. MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 102 EGInsO Rn. 6. 40 Liersch, in: Braun, InsO, vor §§ 335 – 358 Rn. 25.
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2. Teil: Analyse des Zusammenspiels der Insolvenzrechtsordnungen
wiederum die Sonderregeln zu beachten, die aufgrund der entsprechenden Richtlinien erlassen worden sind.41
2. Sachverhalte mit Drittstaatenbezug und Bezug zu Dänemark Bei Sachverhalten mit Bezug zu Drittstaaten und Dänemark verbleibt die Regelungsautonomie für das internationale Insolvenzrecht bei den Mitgliedstaaten.42 Es gilt das jeweils einschlägige einzelstaatliche internationale Insolvenzrecht,43 d. h. für Deutschland die §§ 335 – 358 InsO. Die EuInsVO kann lediglich zur Auslegung dieser Vorschriften herangezogen werden, weil sich der deutsche Gesetzgeber bei der Ausarbeitung des deutschen internationalen Insolvenzrechts stark an den EURegelungen orientiert hat. Sofern die InsO in den §§ 335 – 358 von den anderen Vorschriften der InsO abweichende Regelungen vorsieht, gehen erstere aufgrund ihrer Spezialität vor.
§ 5 Internationale Rechtswirkungen von Insolvenzverfahren Welche Auswirkungen eine Insolvenzeröffnung auf die Position der Gläubiger hat, ist zwingend mit der Frage verbunden, welche Rechtswirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens international zukommen. Die internationalen Rechtswirkungen einer Insolvenzeröffnung werden mit den gegensätzlichen Begriffen Universalität und Territorialität beschrieben. Ausgehend vom richtigen Verständnis dieses Begriffspaares sollen die konkreten Wirkungen für die Gläubiger, die sich im Zusammenhang mit den internationalen Rechtswirkungen von Insolvenzeröffnungen ergeben, untersucht werden. Vgl. Fn. 25. Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (539); Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 1 Rn. 67; Schmiedeknecht, Anwendungsbereich der EuInsVO, S. 110 ff. 43 Damit ist noch nicht zugleich die Frage geklärt, ob den einzelnen Mitgliedstaaten die Abschlusskompetenz für vertragliche Insolvenzabkommen mit Nicht-EU-Staaten geblieben ist. Grundsätzlich führt die Ausübung der Binnenmarktkompetenz durch den Gemeinschaftsgesetzgeber bei Art. 61 lit. c, 67 EG dazu, dass die komplementäre Außenkompetenz im Sinne des Art. 300 EG auf die Gemeinschaft übergeht; EuGH Slg. 1971, S. 263 (274 ff.); Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 1 Rn. 68. Die EuInsVO entfaltet jedoch keinerlei Wirkung in Bezug auf Drittstaaten. In soweit fehlt es an einer Handlung der Gemeinschaft. Dem gemäß steht die Abschlusskompetenz noch den Mitgliedstaaten zu; Eidenmüller, IPRax 2001, 2 (10); Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 1 Rn. 68; a.A. allein Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (539). Allgemein zu Rechtsakten, die auf Art. 65 EG gestützt sind, Heß, NJW 2000, 23 (30). 41 42
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I. Grundsatz der Universalität als Geltungsanspruch der Verfahren Die Begriffe Universalität und Territorialität werden in verschiedenen Rechtsgebieten zur Beschreibung unterschiedlichster Sachverhalte gebraucht.44 Selbst im Insolvenzrecht werden den Begriffen unterschiedliche Bedeutungen beigemessen.45 Hier soll unter dem Begriff der Universalität zunächst der Anspruch verstanden werden, dass sich die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich auch auf das Ausland erstrecken. Das bedeutet, dass ein etwa in Deutschland eröffnetes Verfahren alle weltweit vorhandenen Vermögenswerte erfassen soll. Im Gegenzug sollen sämtliche Gläubiger ihre Rechte in diesem Verfahren geltend machen dürfen.46 Territorialität liegt vor, wenn das Insolvenzverfahren in seinen Wirkungen lediglich auf das Hoheitsgebiet des Eröffnungsstaats beschränkt bleiben soll. Sowohl die EuInsVO als auch der elfte Teil der InsO nehmen zu der Frage des Wirkungsanspruchs der Verfahren zunächst keine Stellung. Die Einordnung in Universalität und Territorialität wird vielmehr – quasi im Vorfeld der Regelwerke – durch den Eröffnungsstaat vorgenommen. Ob der Eröffnungsstaat dem einen oder anderen Prinzip folgt, ist oftmals nicht ausdrücklich geregelt. Gegebenenfalls sind die Vorschriften der nationalen Insolvenzrechtsordnungen auszulegen. Finden sich auch dadurch keine Anhaltspunkte muss auf Rechtsprechung und Lehre zurückgegriffen werden. § 35 InsO sieht vor, dass Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen des Schuldners erfassen. Mangels räumlicher Beschränkung wird hieraus abgeleitet, dass deutsche Insolvenzverfahren grundsätzlich weltweite Geltung beanspruchen.47 In Frankreich wird die Frage der Wirkungserstreckung vom Gesetzestext noch nicht einmal angerissen. Ausschlaggebend sind daher die Stellungnahmen in Rechtsprechung und Lehre. Diese stützen sich auf den allgemeinen Grundsatz der Einheit des Schuldnervermögens (l’unité du patrimoine du débiteur).48 Aus diesem leiten sie ab, dass ein französisches Insolvenzverfahren grundsätzlich grenzüberschreitende, extraterritoriale Wirkung beanspruchen muss, wenn es das gesamte Vermögen in Insolvenzbeschlag nehmen will.49 Das englische Insolvenzrecht kennt Vgl. nur Lüer, KTS 1979, 12, 13. Ausführlich dazu Homann, System der Anerkennung, S. 58 – 68; Prütting, in: Kübler / Prütting, InsO, § 5 Rn. 70. 46 Liersch, in: Braun, InsO, vor §§ 335 – 358 Rn. 4; Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, § 33 Rn. 34. 47 Vgl. MünchKomm z. InsO / Lwowski, § 35 Rn. 36; BerlinerKomm z. InsO / Breutigam, § 35 Rn. 116; Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, § 7 Rn. 1, § 33 Rn. 11; vgl. auch schon BGHZ 88, 147 (150); 68, 16 (17); RGZ 153, 200 (206) sowie Lüer, KTS 1979, 12 (21). 48 Vgl. Chviaux, droit international, Fasc. 568, Nr. 48; Mayer, Droit international privé, Rn. 666. 49 Heyers, Das französische Internationale Insolvenzrecht, S. 22 f.; Dostal, ZIP-Report 1998, 969 (971), der Einschränkungen für Verfahren macht, die nach Art. 14 und 15 des 44 45
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bereits seit dem 18. Jahrhundert Regeln, die Ausdruck des extraterritorialen Geltungsanspruchs sind. Dazu zählt ein Herausgabeanspruch für den Fall, dass sich ein Gläubiger durch Einzelzwangsvollstreckung im Ausland Vorteile gegenüber den anderen Gläubigern verschafft hat.50 Des Weiteren ist im englischen Insolvenzrecht eine Unterlassungsverfügung vorgesehen, die aus englischer Sicht unzulässige Einzelzwangsvollstreckungen im Ausland bereits im Vorfeld einer Insolvenz zu unterbinden sucht.51 Der weltweite Geltungsanspruch von US-Insolvenzverfahren ergibt sich aus Sec. 541 (a) BC. Die Vorschrift sieht wie § 35 InsO für den Vermögensbeschlag keine räumlichen Beschränkungen vor.52 Also folgt auch die USA insoweit dem Universalitätsprinzip.53 Ein Gegenbeispiel bietet Dänemark. Hier werden den Verfahren nur Wirkungen beschränkt auf das dänische Hoheitsgebiet zugebilligt. Denkbar sind auch Fälle, in denen nur einzelnen Wirkungen eines Eröffnungsbeschlusses ein universaler Geltungsanspruch zukommt. Der BGH hat seine Rechtsprechung daher dahingehend präzisiert, dass sich die gerichtliche Prüfung der universalen Geltung lediglich auf die jeweilige Rechtsfolge beziehen muss, die in Frage steht.54
II. Grundsatz der Universalität als Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren Mit der Feststellung des universalen Geltungsanspruchs eines Verfahrens ist aber noch nicht geklärt, ob das Verfahren auch tatsächlich Wirkungen im Ausland entfaltet. Das hängt von seiner Anerkennung ab. Die Anerkennung ist kraft Völkerrechts ausschließlich Angelegenheit des fremden Staats.55 Im autonomen deutschen internationalen Insolvenzrecht bestimmt § 343 Abs. 1 S. 1 InsO die grundsätzliche Anerkennung von ausländischen Insolvenzverfahren in Deutschland. Auf europäischer Ebene ordnet Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO dieselbe Rechtsfolge für alle Staaten an, die in den räumlichen Geltungsbereich der EuInsVO fallen. Die Legitimationskette dafür ergibt sich aus deutscher Sicht aus Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 65 EG. Code civil eröffnet wurden. Er weist aber zugleich darauf hin, dass die Anwendung der beiden Vorschriften innerhalb des Geltungsbereichs des europäischen Insolvenzrechts ausgeschlossen ist. Anders nur MünchKomm z. InsO / Augustin (Bd. 3), Frankreich Rn. 24 ohne jegliche Nachweise. 50 Vgl. zur sog.“hotchpot-rule“ Smart, Cross-Border Insolvency, S. 271 ff., 298 ff.; Florian, Das englische internationale Insolvenzrecht, S. 44 ff. 51 Vgl. Smart, Cross-Border Insolvency, S. 278 f., insb. 284 ff. 52 „. . . property, wherever located and by whomever held“. 53 Meyer-Löwy / Poertzgen / Eckhoff, ZInsO 2005, 735 (737). 54 Vgl. BGHZ 122, 373 (376); 125, 196 (203). 55 Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 671.
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1. Bezugspunkt der Anerkennung Bezugspunkt für die Anerkennung ist der hoheitliche Akt der Verfahrenseröffnung.56 Anerkannt werden die Wirkungen, die von dem Eröffnungsakt ausgehen. Der Eröffnungsakt entfaltet im anerkennenden Staat mithin dieselben Wirkungen, die er auch im Eröffnungsstaat hat. Die Anerkennungsfähigkeit wird von den inländischen Gerichten bei Rechtsstreitigkeiten, in denen es zum Prozess kommt, inzidenter als Vorfrage geprüft.57 Die Anerkennung erfolgt automatisch kraft Gesetz. Ein besonderes Anerkennungsverfahren wie z. B. eine Exquadratur ist nicht erforderlich.58
2. Relevanz des Geltungsanspruchs Anerkennungsfähig sind jedenfalls Verfahrenseröffnungsakte, die mit universalem Geltungsanspruch auftreten. Anerkannt werden aber auch Verfahren, von denen nur territoriale Wirkungen ausgehen.59 Aufgrund der Beschränkung der Wirkungen auf das Hoheitsgebiet des Eröffnungsstaats umfasst die Anerkennung jedoch nur diese territorial beschränkten Wirkungen. Ergeht beispielsweise in Dänemark eine Eröffnungsentscheidung, so tritt ein in Deutschland eröffnetes zweites Verfahren nicht mit dem Anspruch auf, einen Vermögensbeschlag von in Dänemark erfassten Gegenständen herbeizuführen.
3. Ausländisches Insolvenzverfahren Anerkennungsvoraussetzung nach Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO und § 343 Abs. 1 InsO ist, dass es sich bei dem anzuerkennenden Verfahren um ein ausländisches Insolvenzverfahren handelt. Was im Rahmen der EuInsVO unter Insolvenzverfahren zu verstehen ist, ergibt sich aus Art. 2 lit. a EuInsVO i.V.m. Anhang A zur EuInsVO. Die InsO spezifiziert den Begriff nicht weiter.60 Im deutschen interna56 BGHZ 134, 79 (87); Lüke, ZZP 1998, 275 (280 f.); Wenner, in: Mohrbutter, Handbuch der Insolvenzverwaltung, Rn. XXIII.94; vgl. auch Homann, System der Anerkennung, S. 58 und Wunderer, WM 1998, 793 (796). Zu anderen denkbaren Anerkennungsgegenständen vgl. Laut, Universalität und Sanierung, S. 47 ff. 57 HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 343 Rn. 13. 58 BegrRegE, BR-Drucks 715 / 02, S. 25; Paulus, EuInsVO, Art. 16 Rn. 2; Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 16 Rn. 3. 59 Vgl. Smart, Cross-Border Insolvency, S. 162; Liersch, in: Braun, InsO, § 343 Rn. 6; Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 16 Rn. 37; Lüke, ZZP 1998, 275 (281). Taupitz und von Wilmowsky gehen dagegen zu Unrecht davon aus, dass die EuInsVO und der elfte Teil der InsO einen universalen Geltungsanspruch voraussetzen: „Der Eröffnungsstaat darf und muss sein Insolvenzrecht grundsätzlich mit universalem Geltungsanspruch ausstatten“, von Wilmowsky, EWS 1997, 295; ähnlich Taupitz, ZZP 1998, 315 (325). Missverständlich auch Lüke, ZZP 1998, 275 (279 f.).
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tionalen Insolvenzrecht ist daher durch Auslegung zu ermitteln, ob das in Rede stehende Verfahren ein Insolvenzverfahren ist. Einzig sinnvoller Ansatzpunkt dafür ist, zu prüfen, ob dass Verfahren eine Reaktion auf die fehlende Aussicht des Schuldners ist, alle Gläubiger zu befriedigen.61 Hilfsweise kann sich bei der Bestimmung an den in Anhang A zur EuInsVO aufgezählten Verfahren orientiert werden.62 Sich darüber hinaus weiter an den Maßstäben des deutschen Rechts zu orientieren ist im Hinblick auf die in den verschiedenen Nationen höchst unterschiedlichen Zielsetzungen der Insolvenzstatuten wenig sinnvoll.63 Insbesondere darf nicht geprüft werden, ob die Rechtsstellung der Gläubiger im ausländischen Verfahren ihrer Rechtsstellung nach der InsO entspricht. Dies ist vielmehr eine Frage, die es im Rahmen des ordre-public-Vorbehalts zu klären gilt.64
4. Wirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses Die Eröffnungsentscheidung muss für eine Anerkennung wirksam sein.65 Diese Voraussetzung versteht sich von selbst. Entscheidungen, die noch nicht einmal im Eröffnungsstaat Wirkungen entfalten, können dies erst recht nicht im Ausland. Die Wirksamkeit richtet sich nach dem Recht des Staats, in dem das Verfahren eröffnet wird (lex fori concursus).66 Weitere Anforderungen wie z. B. die formelle Rechtskraft der Entscheidung sind nicht zu stellen.67
5. Gegenseitigkeit der Anerkennung Auch eine Verbürgung der Gegenseitigkeit der Anerkennung wird weder von der EuInsVO noch vom autonomen deutschen internationalen Insolvenzrecht68 ge60 Im Hinblick auf die Vielfalt ausländischer Verfahren mit ihren unterschiedlichen Zielsetzungen (vgl. 1. Teil § 3, S. 50 ff.) wäre eine nähere Begriffsbestimmung auch unmöglich, vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 12 / 2443, S. 236. 61 HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 343 Rn. 6; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 102 EGInsO Rn. 21; Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 129 ff. 62 BegrRegE, BR-Drucks 715 / 02, S. 25; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 343 Rn. 4. 63 Dies verkennend: Liersch, in: Braun, InsO, § 343 Rn. 3; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 343 Rn. 4. 64 Dazu noch ausführlich 2. Teil § 5 II. 7., S. 80 ff. 65 Vgl. Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 25 und Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 16 Rn. 15. 66 Roßmeier, Besitzlose Mobiliarsicherheiten in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren, S. 81. 67 So ausdrücklich Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO. In Bezug auf § 343 InsO: Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 343 Rn. 7; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 343 Rn. 5. 68 Der Wirtschaftsausschuss hat dem Bundesrat für die InsO empfohlen, das Gegenseitigkeitserfordernis einzuführen, vgl. Empfehlungen der Ausschüsse im Anschluss an die Begründung der Bundesregierung in BR-Drucks 715 / 02 (715 / 1 / 02). Zuvor genauso: Stellung-
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fordert. Im Rahmen der EuInsVO ergibt sich die Gegenseitigkeit jedoch automatisch dadurch, dass die EuInsVO im Verhältnis zwischen den jeweiligen Mitgliedstaaten gilt. 6. Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts – Prioritätsprinzip Dem Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO bzw. des § 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO nach erfolgt die Anerkennung nicht, wenn die Gerichte des Staats, in dem die Eröffnungsentscheidung getroffen worden ist, nicht zuständig waren.69 Gemeint ist mit Zuständigkeit nicht die örtliche und sachliche Zuständigkeit des konkreten Gerichts im Ausland. Die Vorschriften meinen vielmehr die internationale Zuständigkeit des Eröffnungsstaats. Der Begriff Gericht wird in Art. 2 lit. d EuInsVO legaldefiniert. Auch in der InsO muss der Begriff weit verstanden werden, um nicht ausländische Verfahren schon an diesem Tatbestandsmerkmal vom Anwendungsbereich der Anerkennungsvorschrift auszuschließen.70 Unter den Gerichtsbegriff ist deshalb auch hier jede Stelle zu subsumieren, die befugt ist, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen bzw. im Zuge eines Verfahrens Entscheidungen zu treffen.71 Die internationale Zuständigkeit bestimmt sich auf europäischer Ebene nach Art. 3 EuInsVO. Entscheidend ist der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen bzw. bei territorial begrenzten Verfahren die Niederlassung. Die internationale Zuständigkeit nach dem autonomen deutschen internationalen Insolvenzrecht leitet sich aus den doppelfunktionalen Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit ab.72 Hier kommt es primär auf den Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit an (§ 3 Abs. 1 S. 2 InsO). Übt der Schuldner keine solche Tätigkeit aus, ist auf den allgemeinen Gerichtsstand abzustellen (§ 3 Abs. 1 S. 1 InsO). Mithin wird an dieser Stelle „spiegelbildlich“ geprüft, ob die ausländischen Gerichte für die Verfahrenseröffnung zuständig wären, wenn dort die deutsche InsO gelten würde.73 nahme des Bundesrates zu §§ 384 – 392 RegEInsO von 1992, Nr. 41, BT-Drucks. 12 / 2443, S. 260. Die Vorschläge wurden aber nicht übernommen, da sich mit dem Gegenseitigkeitserfordernis die territoriale Abschottung einer Nation auf weitere Staaten überträgt. Damit würde das Bestreben, die Gläubigergleichbehandlung weiter zu fördern, unterlaufen. Dementsprechend möchte der deutsche Gesetzgeber lieber ein positives Beispiel in Bezug auf die Anerkennung ausländischer Verfahren abgeben, vgl. Laut, Universalität und Sanierung, S. 99. Vgl. dagegen das Gegenseitigkeitserfordernis für die Anerkennung ausländischer Urteile in § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. 69 Zum Zuständigkeitserfordernis schon vorher ausdrücklich: BGHZ 134, 79. 70 BegrRegE, BT-Drucks. 15 / 16, S. 21; Leipold, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 185, 188. 71 Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 15 / 16, S. 21; BegrRegE, BR-Drucks 715 / 02, S. 25; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 343 Rn. 7; kritisch: Leipold, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 185, 193. 72 Wienberg, in: Hess / Weis / Wienberg, InsO, § 3 Rn. 6; Leipold, FS Baumgärtel, S. 291 (296 f.); Laut, Universalität und Sanierung, S. 82 f.; vgl. auch BGHZ 134, 79 (81).
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Der Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO ist jedoch missverständlich. Im Ergebnis sei hier vorweggenommen, dass eine Zuständigkeitsprüfung im Rahmen dieser Vorschrift nicht stattfindet.74 Es erfolgt statt dessen eine Anerkennung nach dem Prioritätsprinzip in zeitlicher Hinsicht,75 wobei die frühere Eröffnung eines Hauptverfahrens spätere Hauptverfahrenseröffnungen im Anwendungsbereich der EuInsVO ausschließt.
a) Maßgeblicher Anknüpfungspunkt der Prioritätsregel Das Prioritätsprinzip ist im internationalen Insolvenzrecht nicht ausdrücklich normiert.76 Folglich muss geklärt werden, ob die Priorität am Zeitpunkt der ersten Insolvenzantragstellung, am Zeitpunkt der ersten förmlichen Eröffnungsentscheidung oder an sonstigen Entscheidungen oder Maßnahmen (z. B. Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters) festgemacht werden muss. Die Frage wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Oberhammer und Kolmann sprechen sich für den Zeitpunkt der ersten Antragstellung als maßgeblichen Zeitpunkt aus.77 Sie orientieren sich bei ihrer Aussage an Praktikabilitätsgesichtspunkten. Der Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung sei schlicht der erste klare Anknüpfungspunkt.78 Rechtstechnisch schlägt Oberhammer eine „Rechtshängigkeitssperre durch Antragstellung“ vor.79 Für diese lassen sich der EuInsVO selbst allerdings keinerlei Anhaltspunkte entnehmen. Die Gegenauffassung, die den Zeitpunkt der ersten wirksamen förmlichen Eröffnungsentscheidung, welche die internationale Zuständigkeit für sich in Anspruch nimmt, für maßgeblich hält,80 begegnet der ersten Auffassung mit dogmatischen Erwägungen. Die zeitlich zuerst ergehende Eröffnungsentscheidung löse aufgrund 73 Zum sog. Spiegelbildprinzip: BGHZ 120, 334, 337; 122, 373 (375); Leipold, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 185 (191); ders., FS Henckel, S. 533 (537); für die Anerkennung ausländischer Urteile nach § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vgl. Hk-ZPO / Dörner, § 328 Rn. 22; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 328 Rn. 9. 74 EuGH, EuZW 2006, 337, 339. Zu den Einzelheiten siehe unten im Zusammenhang 2. Teil § 5 IV. 2. b) aa), S. 105 f. 75 Oberhammer, ZInsO 2004, 761 (762 f.); Herchen, ZInsO 2004, 61 (63 f.); ders., ZInsO 2004, 825 (829); Weller, IPrax 2004, 412 (417); Ehricke / Ries, JuS 2003, 313 (314); Paulus, ZIP 2003, 1725 (1727); Becker, ZEuP 2002, 287 (304); Huber, ZZP 2001, 133 (143 f.); ders., FS Heldrich, S. 679 (681 f.). Der deutsche Gesetzgeber hatte das Prioritätsprinzip in Art. 102 §§ 3 und 4 EGInsO verankert. 76 Vgl. dagegen die ausdrückliche Regelung in Art. 27 EuGVVO bzw. Art. 21 EuGVÜ. 77 Oberhammer, ZInsO 2004, 761 (763); Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 286 f. 78 Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 287. 79 Oberhammer, ZInsO 2004, 761 (763). 80 Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (545); Lüke, ZZP 1998, 275 (290); Huber, ZZP 2001, 133 (145); Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 16 Rn. 15. Für deutsche Gerichte siehe auch Art. 102 § 3 Abs. 1 S. 1 EGInsO.
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des Universalitätsprinzips einen internationalen Vermögensbeschlag aus.81 Daher sei das Schuldnervermögen einer weiteren Verfahrenseröffnung mit universalem Geltungsanspruch entzogen.82 Insbesondere habe ein Eröffnungsbeschluss auch keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung.83 Der zweite Beschluss sei daher schwebend unwirksam und könne nur unter der Voraussetzung Wirkungen entfalten, dass der erste Beschluss aufgehoben wird.84 Der Zeitpunkt der Antragstellung ist demnach für die Anerkennung ohne Bedeutung. Beide Ansätze können so nicht überzeugen. Der Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO ordnet die Anerkennung ab dem Zeitpunkt an, ab dem die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wirksam ist. Die Eröffnungsvoraussetzungen bestimmen sich nach der lex fori concursus (Art. 4 Abs. 2 S. 1 EuInsVO). Das gilt sowohl in materiellrechtlicher als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht (vgl. Erwägungsgrund 23 S. 4 zur EuInsVO). Daher kann auch der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung nicht wie in den beiden oben dargestellten Ansichten pauschal für alle Verfahren bestimmt werden, die unter die Verordnung fallen. Vielmehr bestimmt sich dieser Zeitpunkt nach nationalem Insolvenzrecht.85 Geht aus diesem hervor, dass das Insolvenzverfahren mit der Stellung des Insolvenzantrags beginnt, ist zu prüfen, ob sich der Prioritätsgrundsatz in Art. 16 Abs. 1 S. 1 InsO daher bereits auf diesen Zeitpunkt bezieht. Derartige Rückwirkungsregeln existieren insbesondere im angelsächsischen Rechtskreis der EU.86 Man spricht in diesem Zusammenhang vom relation back-principle.
b) Prioritätsprinzip und Rückwirkung Ob die Rückwirkungsregeln bei der Anerkennung fremder Insolvenzverfahren tatsächlich berücksichtigt werden müssen, wurde bisher nicht vom EuGH geklärt. In der Entscheidung zur Vorlagefrage des Supreme Court of Ireland ließ der EuGH die Frage bedauerlicherweise unbeantwortet.87 Gegen die Übertragung des relation back-principle auf international gelagerte Sachverhalte wenden sich verschiedene Stimmen aus der Literatur. Sie befürchten, dass dadurch Konflikte und Unsicher81 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 30; Lüke, ZZP 1998, 275 (290). 82 Lüke, ZZP 1998, 275 (290). 83 Lüke, ZZP 1998, 275 (290); Poertzgen / Adam, ZInsO 2006, 505 (509). 84 Lüke, ZZP 1998, 275 (290); Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 39. 85 So auch der Generalanwalt beim EuGH Jacobs in seinem Schlussantrag vom 27. 9. 2005 in der Rechtssache C-341 / 04 (Eurofood / Parmalat), Rn. 92; Volltext bei curia. Vorlagebeschluss zum EuGH vom Supreme Court for Ireland, NZI 2004, 505 ff. 86 Vgl. etwa Sec. 220 (2) Companies Act 1963 in Irland und Sec. 129 (2) Insolvency Act 1986 in England und Wales, nach denen als Beginn der Liquidation der Zeitpunkt der Stellung des Liquidationsantrags gilt. 87 Vgl. EuGH, EuZW 2006, 337 (340).
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heiten in der Praxis vorprogrammiert sind.88 Derartige Konflikte würden nur durch Verzögerung der Eröffnungsentscheidung oder Aussetzung des Verfahrens in anderen Ländern vermieden werden können, bis beispielsweise das englische oder irische Gericht über den Insolvenzantrag entschieden hat. Beides widerspreche dem Sinn und Zweck von Insolvenzverfahren, bei denen schnelles Handeln geboten ist.89 Daher müsse im Interesse der Vorhersehbarkeit und der Effizienz grenzüberschreitender Verfahren von der Anwendung des relation back-principle abgesehen werden.90 Gleichzeitig wird versucht, die EuInsVO verordnungsautonom auszulegen. Danach ergebe sich ein einheitliches europäisches Prioritätsprinzip.91 Dieses europarechtliche Prioritätsprinzip gehe aufgrund des Anwendungsvorrangs den nationalen Regelungen vor.92 Einer solchen Auslegung ist jedoch entschieden entgegenzutreten. Aus der EuInsVO ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Existenz eines den nationalen Rechtsordnungen übergeordneten Prioritätsprinzips, welches sich zwingend auf den Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung bezieht. Auch der Erwägungsgrund 22 S. 6 1. Hs. zur EuInsVO, nach dem die „Entscheidung des zuerst eröffnenden Gerichts“ von den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden soll, kann dafür nicht herangezogen werden.93 Maßgeblich soll nach Erwägungsgrund 22 S. 6 1. Hs. der erste Eröffnungszeitpunkt sein. Rückwirkungen nach nationalem Recht werden dadurch nicht ausgeschlossen. Sie sind vom Wortlaut des Erwägungsgrundes vielmehr mit umfasst. Hätte der europäische Gesetzgeber nämlich den Zeitpunkt der ersten Eröffnungsentscheidung immer für ausschlaggebend gehalten, hätte er anders formuliert. Die Formulierung für diesen Fall hätte so lauten müssen, dass „die erste Eröffnungsentscheidung“ durch die anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden soll. Gleiches gilt für den Wortlaut von Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO. Die zeitliche Komponente „sobald“ bezieht sich lediglich auf die sofortige Anerkennung. Einer Rückwirkung steht das nicht entgegen. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass dem Verordnungsgeber das relation back-principle bekannt war und er sich mit den daraus ergebenden praktischen Schwierigkeiten abgefunden hat.94 Dies entspricht auch der dem Erwägungsgrund 11 zur EuInsVO zugrunde liegenHerchen, ZInsO 2004, 825 (829); Huber, FS Heldrich, 679 (687). Herchen, ZInsO 2004, 825 (829). 90 Haß / Herwerg, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 3 Rn. 37; Schilling / J. Schmidt, ZInsO 2006, 113 (115); Poertzgen / Adam, ZInsO 2006, 505 (509). 91 Vgl. Huber, ZZP 2001, 133 (144 f.); ders., FS Heldrich, 679 (687), zu Unrecht wird hier auf die Entscheidung des AG Mönchengladbach in NZI 2004, 383, verwiesen. In diesem Fall stellte sich die Problematik nicht in der hier relevanten Konstellation, da zum Zeitpunkt des Gerichtsbeschlusses die Eröffnungsentscheidung des englischen Gerichts noch ausstand. Wohl auch Herweg / Tschauner, EWiR Art. 3 EuInsVO 5 / 04, S. 599 (600). 92 Herchen, ZInsO 2004, 825 (829); Mäsch, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 3 EG-InsVO Rn. 40. 93 So aber Herchen, ZInsO 2004, 825 (829). 94 High Court Dublin (Eurofood / Parmalat II), ZIP 2004, 1223 (1224). 88 89
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den Wertung, dass die Verordnung gerade im Hinblick auf die großen Unterschiede in den nationalen Rechtsordnungen erlassen worden ist, ohne eine Vereinheitlichung anzustreben.95 Dass der Verordnungsgeber die angelsächsischen Regelungen übersehen hat,96 ist dagegen reine Spekulation. Des Weiteren ist zu beachten, dass die EuInsVO nationale Rückwirkungsregeln auch sonst anerkennt. Das gilt gemäß Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. m EuInsVO v.a. bei der Frage der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit von Rechtshandlungen, die die Gläubigergesamtheit benachteiligen. Auch hier treten die Wirkungen des Verfahrens rückwirkend ein.97 Es ist daher dogmatisch unumgänglich, bei der Anerkennung fremder Eröffnungsentscheidungen die Rückwirkungsregeln der nationalen Gesetzgeber zu berücksichtigen.98 Mithin ist in einschlägigen Fällen der Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung als Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens in diesem Staat anzusehen.
c) Prioritätsprinzip und Bestellung vorläufiger Insolvenzverwalter Regelt das nationale Insolvenzrecht dagegen nicht ausdrücklich, in welchem Zeitpunkt ein Verfahren als eröffnet anzusehen ist, stellt sich die Frage, ob für eine Eröffnung i. S. d. Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO erst die förmliche Eröffnungsentscheidung selbst oder schon zeitlich vorgelagerte Entscheidungen maßgeblich sein können. Als vorgelagerte Entscheidung kommt die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters in Betracht. Die Maßgeblichkeit der Verwalterbestellung war Gegenstand der Vorlagefrage des Supreme Court of Ireland an den EuGH. In seinem Urteil führt der EuGH zutreffend aus, dass die Entscheidung zur Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters der maßgebliche Anknüpfungspunkt ist, wenn der Schuldner mit der Bestellung die Befugnisse zur Verwaltung seines Vermögens verliert.99 Das hat zur Folge, dass die Eröffnung eines weiteren Hauptin95 Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH Jacobs vom 27. 9. 2005 Rn. 92, Rs. C-341 / 04 (Eurofood / Parmalat), Volltext bei curia. 96 So Haß / Herweg, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 3 Rn. 37. 97 So in diesem Zusammenhang auch Generalanwalt beim EuGH Jacobs in seinem Schlussantrag vom 27. 9. 2005 in der Rechtssache C-341 / 04 (Eurofood / Parmalat), Rn. 92; Volltext bei curia. 98 Saenger / Klockenbrink, EuZW 2006, 363 (366). 99 EuGH, EuZW 2006, 337 (340). Übertragen auf die Rechtslage in Deutschland bedeutet das, dass die Bestellung eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 21 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 1. Alt. InsO i.V.m. § 22 Abs. 1 InsO eine Verfahrenseröffnung i. S. d. Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO darstellt, Saenger / Klockenbrink, EuZW 2006, 363 (366); Herchen, NZI 2006, 435 (437); a.A. Smid, DZWIR 2006, 325 (326 f.). Die Bestellung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO) begründet dagegen mangels Verlusts der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners grundsätzlich keine Verfahrenseröffnung, Saenger / Klockenbrink, EuZW 2006, 363 (366), a.A. Herchen, NZI 2006, 435 (437). Lediglich bei gleichzeitiger Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. InsO („halbstarker“ vorläufiger Insolvenzverwalter)
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2. Teil: Analyse des Zusammenspiels der Insolvenzrechtsordnungen
solvenzverfahrens aufgrund des Prioritätsprinzips versperrt ist, wenn in einem Mitgliedstaat bereits ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt ist. Aus der Systematik der Verordnung und dem Sinn und Zweck der Anerkennung ergibt sich, dass die Anerkennung eines Verfahrens in einem möglichst frühen Stadium erfolgen soll.100 So schreibt Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO vor, dass die Eröffnung sofort anzuerkennen ist, sobald die maßgebliche Entscheidung wirksam ist. Auf die Endgültigkeit der Entscheidung kommt es dabei gemäß Art. 2 lit. f a.E. EuInsVO gerade nicht an. Dies wird durch Erwägungsgrund 2 zur EuInsVO unterstrichen, der das Ziel der Effizienz und Wirksamkeit grenzüberschreitender Insolvenzverfahren hervorhebt. Des Weiteren kann festgehalten werden, dass mit der Bestellung eines Insolvenzverwalters bei gleichzeitigem Vermögensbeschlag zulasten des Schuldners bereits die beiden charakteristischen Folgen eines Insolvenzverfahrens erfüllt sind.101 Auch Art. 38 EuInsVO i.V.m. Erwägungsgrund 16 S. 5 zur EuInsVO kann nicht als Argument gegen eine Berücksichtigung des Zeitpunktes der Verwalterbestellung herangezogen werden. Art. 38 EuInsVO räumt dem vorläufigen Insolvenzverwalter das Recht ein, in anderen Nationen die vermögenssichernden und -erhaltenden Maßnahmen zu beantragen, die nach dem Recht dieses anderen Staats in der Zeit „zwischen dem Antrag auf Eröffnung eines Liquidationsverfahrens und dessen Eröffnung“ vorgesehen sind. Der Erwägungsgrund 16 S. 5 zur EuInsVO spricht in diesem Zusammenhang von vorläufigen Insolvenzverwaltern, die „vor Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens“ bestellt worden sind. Beides könnte bedeuten, dass mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters noch keine Eröffnung i. S. d. Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO verbunden ist. Jedoch macht die Ermächtigung in Art. 38 EuInsVO nur dann einen Sinn, wenn der Schuldner seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis noch nicht verloren hat. Hat er sie bereits verloren, so bedarf es der Ermächtigung zum Erlass entsprechender Sicherungsmaßnahmen nicht mehr. In dieser Situation fehlt es aber – mangels Verlust der Verwaltungsund Verfügungsbefugnis des Schuldners – auch an einer Verfahrenseröffnung nach der Definition des EuGH.102
7. Gläubigerschutz durch ordre-public-Vorbehalt Art. 26 EuInsVO sieht eine Beschränkung der Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren für den Fall vor, dass die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit der öffentlichen Ordnung des Anerkennungsstaats, insbesondere kann von einer Verfahrenseröffnung ausgegangen werden, Saenger / Klockenbrink, EuZW 2006, 363 (366); wohl auch Knof / Mock, ZIP 2006, 911 (912). 100 Vgl. EuGH, EuZW 2006, 337 (339). 101 Vgl. EuGH, EuZW 2006, 337 (339). 102 Saenger / Klockenbrink, EuZW 2006, 363 (365).
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mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des einzelnen unvereinbar ist. Nach § 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO scheidet eine Anerkennung aus, soweit die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Ausdrücklich wird die Unvereinbarkeit mit Grundrechten genannt.103 Der Wortlaut des § 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO auf das deutsche Recht zugeschnitten. Inhaltlich sind keine Unterschiede zur EuInsVO gewollt.104 Beide Regelungen stellen auf die nationalen Wertvorstellungen des Anerkennungsstaats ab.105 Beide Vorschriften sind Generalklauseln, die einer Konkretisierung in Fallgruppen durch Rechtsprechung und Lehre bedürfen.106 Eine Ausarbeitung in Fallgruppen ist jedoch bisher nicht hinreichend vorgenommen worden.107 Die Literatur begnügt sich regelmäßig damit, festzustellen, dass die Bejahung eines Verstoßes ausgesprochen restriktiv zu handhaben sei. Dies mag unter anderem auf die Anmerkung im Erläuternden Bericht zum EuInsÜ zurückzuführen sein, nach der die ordre-public-Klausel nur in Ausnahmefällen Anwendung finden soll.108 Teilweise 103 Die Formulierung stimmt wörtlich mit der Vorgängerregelung in Art. 102 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EGInsO a.F. sowie mit Art. 6 EGBGB und nahezu mit § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO überein. In ähnlicher Weise formuliert seit langem der BGH, vgl. in unterschiedlichen Zusammenhängen: BGHZ 50, 370 (376); 54, 123 (130); 54, 132 (140); 56, 180 (191); 75, 32 (43). Siehe auch in der „Wende-Entscheidung“ zur Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren, BGHZ 95, 256 (270). 104 HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 343 Rn. 11; Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 304. 105 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (104 Nr. 205). In der Literatur finden sich zusehends auch Darstellungen eines europäischen ordre publics; vgl. etwa Siehr, Internationales Privatrecht, S 488; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 III 2; von Bar / Mankowski, Internationales Privatrecht, § 7 Rn. 271 f. Dieser kann sich aus dem geltenden EU-Recht oder aus den gemeinsamen Standards der nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ergeben. Durch die zunehmende Rechtsvereinheitlichung innerhalb der Gemeinschaft ist denkbar, dass die nationalen ordre publics mit dem europäischen ordre public inhaltlich übereinstimmen werden. Kropholler schlägt vor, auch wenn in den Anerkennungsvorschriften nur auf den nationalen ordre public abgestellt wird, international herrschende Standards als Grenze zu berücksichtigen; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 III 2 b). Diese Überlegung ist aber nur dann zielführend, wenn der europäische ordre public höhere Anforderungen aufstellen würde als die nationalen ordre publics. Mithin dürfte es sich nicht lediglich um den kleinsten gemeinsamen Nenner handeln. Denn ansonsten wäre jedenfalls im deutschen Insolvenzrecht bereits immer ein Verstoß gegen den nationalen ordre public zu bejahen. Sollten der europäische ordre public und die nationalen ordre publics dagegen eines Tages tatsächlich übereinstimmen, hätte sich die Unterscheidung ohnehin erledigt. 106 Eine Übersicht mit einer Aufgliederung in negativen und positiven, generellen und speziellen, nationalen und internationalen bzw. europäischen, internationalen und interlokalen, materiellrechtlichen und prozessualen, vollen und abgeschwächten sowie unbedingten und bedingten ordre public findet sich im MünchKomm z. BGB / Sonnenberger, Art. 6 EGBGB Rn. 17 – 23. 107 Vgl. auch Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, S. 180. 108 Vgl. Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (103 Nr. 204).
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wird der Eindruck erweckt, die Möglichkeit eines Verstoßes sei geradezu ausgeschlossen. Eine solche Darstellung erscheint bei unvoreingenommener Betrachtung der Vorschriften jedoch zunächst als zu restriktiv. Ob eine so zurückhaltende Einschätzung der Anerkennungsverweigerung wegen ordre-public-Widrigkeit tatsächlich gerechtfertigt ist, soll im Folgenden untersucht werden. Gegenstand der Unvereinbarkeitsprüfung ist nicht die abstrakte ausländische Norm der lex fori concursus bzw. ihre bloße Anwendung. Genauso wenig kommt es auf ihre abstrakte Funktion an. Entscheidend ist jeweils die konkrete Wirkung, die von der Anwendung der Insolvenzrechtsordnung des fremden Eröffnungsstaats ausgeht.109 Dabei darf nicht nur die Einzelwirkung einer Norm einer Prüfung unterzogen werden. Entscheidend ist das Gesamtergebnis der Anwendung ausländischen Rechts, denn möglicherweise schafft dieses selbst einen Ausgleich, der einen Verstoß gegen den ordre public entfallen lässt.110 Andererseits erfolgt aber auch keine pauschale Überprüfung des gesamten Verfahrens, sondern nur eine Überprüfung der sich in Bezug auf den konkreten Sachverhalt ergebenden Wirkungen der anzuerkennenden Entscheidung.111 Die Maßstäbe für das Vorliegen eines ordre-public-Verstoßes geben die beiden Vorschriften selber vor. In objektiver Hinsicht sind dies die wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts (§ 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO). Mit dem Begriff der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats in Art. 26 EuInsVO ist aus deutscher Sicht nichts anderes gemeint.112 Die wesentlichen Grundsätze lassen sich aus dem „Zweck des deutschen Gesetzes“ sowie den wandlungsfähigen Vorstellungen, die mit dem Begriff der „guten Sitten“ verbunden sind, ableiten.113 In subjektiver Hinsicht kann sich ein Verstoß insbesondere aus einer Unvereinbarkeit mit Grundrechten ergeben (§ 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO). Das gilt auch bei Art. 26 EuInsVO („verfassungsmäßig garantierte Rechte“). Dabei sind sowohl die Grundrechte des Schuldners als auch die Grundrechte des Gläubigers relevant. Im Rahmen dieser Arbeit sollen lediglich Verstöße gegen Rechte der Gläubiger näher untersucht werden.
BGHZ 134, 79 (91); BGH, ZIP 1993, 1094, 1097. Vgl. MünchKomm z. BGB / Sonnenberger, Art. 6 EGBGB Rn. 44, 47. 111 Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 303; Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (103 Nr. 204). 112 Vgl. zu diesem Auslegungsergebnis die Wortwahl des BGH in NZI 2001, 646 (648): „Die deutsche öffentliche Ordnung ist nur verletzt, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelung und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint.“ 113 Vgl. MünchKomm z. BGB / Sonnenberger, Art. 6 EGBGB Rn. 49, 57 – 66; anderes gilt nur in Portugal, wo bereits die Beeinträchtigung bestimmter örtlicher Interessen zu einer Bejahung des Verstoßes ausreicht, Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (105 Nr. 210). 109 110
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a) Verstoß gegen Verfahrensrechte Ein ordre-public-Verstoß kann sich zunächst aus der Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ergeben. Dabei stehen grundlegende Verletzungen von Anhörungs- und Mitwirkungsrechten im Vordergrund.114 Dementsprechend muss die Frage beantwortet werden, ob der ordre-public-Vorbehalt eine Anerkennung von Insolvenzentscheidungen verhindern kann, bei denen aufgrund staatlicher Wertentscheidung die Gläubigermitbestimmung eingeschränkt ist.115 Entsprechende Einschränkungen könnten gegen die Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG), gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 GG) sowie gegen das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen. Es steht jedoch fest, dass kürzere Fristen für die Ausübung von Gläubigermitwirkungsrechten, fehlende Anhörungen in Zwischenphasen der Verfahren und eine stärkere Betonung der Befugnisse von Verwaltern allein noch nicht mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar sind.116 Des Weiteren ist anerkannt, dass selbst das französische redressement jurdiciaire, in dem die Mitwirkungsrechte der Gläubiger deutlich schwächer ausgeprägt sind als in deutschen Verfahren, nicht offensichtlich unvereinbar mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts ist.117 Ein Verstoß ist also insoweit schwerlich vorstellbar.118 Im Ergebnis zu weitgehend sind daher die Bedenken von Habscheid.119 Dieser bemängelt, dass sich deutsche Gläubiger im Falle einer Insolvenzeröffnung in den USA an die dort ausschließlich zuständigen Bankruptcy Courts zu wenden haben – auch wenn es nur um die einfache Feststellung einer Forderung geht. Darin sei ein unzulässiger „Ausverkauf von Justizgrundrechten“ zu sehen. In ähnlicher Weise 114 Vgl. BegrRegE, BR-Drucks 1 / 92, S. 241; Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 305; Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (104 Nr. 206). 115 Bedenken gegen die Einschränkung der Gläubigerautonomie in ausländischen Sanierungsverfahren äußern Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, S. 181 f.; 231 ff. und Pielorz, ZIP 1980, 239 (243). 116 Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 305; Paulus, EuInsVO, Art. 26 Rn. 13 ff.; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 343 Rn. 11, Art. 26 EuInsVO Rn. 5; zur Gläubigeranhörung: Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 26 Rn. 9; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 26 Rn. 9; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 102 EGInsO Rn. 310; zu § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO: BGHZ 48, 327 (330 ff.). 117 Vgl. Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 305 f., jedoch mit unzutreffender Argumentation dahingehend, dass die Gläubigerautonomie nicht zu den international zwingenden Vorschriften zählt. Auf internationale Maßstäbe kommt es gerade nicht an. 118 So auch Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, S. 180 f. Reinhart argumentiert hier jedoch unzulässigerweise damit, dass ein ordre-public-Verstoß deswegen ausscheide, weil eine Beschränkung der Gläubigermitbestimmung in industriepolitisch motivierten Sanierungsverfahren zwingend erforderlich sei. Die Motive für die Einschränkung sind irrelevant. 119 Habscheid, NZI 2003, 238 (239 f.).
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argumentiert Schollmeyer, der eine unzulässige Diskriminierung ausländischer Gläubiger im amerikanischen Insolvenzverfahren darin sieht, dass sie ihre Forderungen unter Umständen nicht direkt anmelden können, sondern zuvor ein rechtskräftiges Urteil erwirken müssen.120 Beide verkennen dabei, dass das internationale Insolvenzrecht gerade die Geltendmachung von Forderungen im Ausland in Kauf nimmt, um so die Effizienz der Verfahren zu steigern. Damit geht zwangsläufig einher, dass sich die Gläubiger auch auf eine Rechtsverfolgung im Ausland einlassen müssen.121 Wenn dazu eine vorherige gerichtliche Feststellung der Forderung erforderlich ist, haben sie das hinzunehmen. Eine Grenze ist allenfalls unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die Gläubigergleichbehandlung zu ziehen, wenn die ausländischen Gläubiger durch das Anmeldeverfahren unbillig gegenüber den Gläubigern im Staat der Verfahrenseröffnung benachteiligt werden. b) Verstoß gegen das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung Wesentlich für Gesamtvollstreckungsverfahren ist das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung. Ausländische Verfahren, die einzelne Gläubiger diskriminieren, verstoßen gegen den ordre public. Das gilt umso mehr, wenn ausländische Gläubiger gegenüber den Gläubigern im Eröffnungsstaat benachteiligt werden.122 Allein die Eigenschaft, als Gläubiger nicht aus dem Staat zu stammen, in dem das Insolvenzverfahren durchgeführt wird, ist kein sachlich gebotener Rechtfertigungsgrund für eine Differenzierung im Rahmen des Grundsatzes der par conditio creditorum.123 Jedoch ist festzuhalten, dass die in dieser Arbeit vorgestellten Nationen124 ausländischen Gläubigern dieselben Befriedigungschancen bieten wie inländischen Gläubigern. Dies gilt verallgemeinert für alle in der Rechtsvergleichung ausführlich behandelten Verfahren.125 Sofern eine andere Befriedigungsrangfolge angeordnet wird, liegt darin lediglich eine andere Ausprägung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes.126 Ein Verstoß gegen wesentliche Grundprinzipien des deutschen Rechts ist damit zunächst nicht verbunden. Gleiches gilt, wenn im ausSchollmeyer, ZZP 1995, 525 (535 f.). Siehe zum Begriff der „Zuständigkeitsgerechtigkeit“ auch die Erwägungen von Flessner, ZIP 1989, 749 (753); ders., IPRax 1991, 162 ff. 122 Hanisch, FS Jahr, S. 455 (474); Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 132 Rn. 27; Pielorz, ZIP 1980, 239 (243); HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 343 Rn. 11, Art. 26 EuInsVO Rn. 6; zur Benachteiligung bei Vergleichen oder Insolvenzplänen: BegrRegE, BR-Drucks. 1 / 92, S. 241. 123 HeidelKomm z. InsO / Kirchhof, § 1 Rn. 4; Smid, in: Smid, InsO, § 1 Rn. 56; Vgl. zu der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit, verschiedenen Gläubigergruppen unterschiedliche Befriedigungschancen einzuräumen, 1. Teil § 2. I., S. 34 f. 124 Vgl. 1. Teil § 3, S. 50 ff. 125 Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 306. Einen ordrepublic-Verstoß auch in Bezug auf Ausländerdiskriminierung bei Insolvenzverfahren in Lateinamerika ablehnend: Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, S. 207 f. 126 Vgl. 1. Teil § 2. I., S. 34 f. 120 121
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ländischen Insolvenzverfahren geringere Quoten zur Befriedigung der Gläubiger bereitgestellt werden.127 Es ist jedoch bereits oben kritisch angemerkt worden, dass der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz in einigen Nationen durch eine Vielzahl von Rangabstufungen verwässert wird.128 Daher muss überlegt werden, inwiefern darin eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Gläubiger im ausländischen Verfahren liegen kann. Zwar verstößt nicht jede andere Wertentscheidung, die die fremde Rechtsordnung bei der Rangeinteilung trifft gegen das deutsche Gleichbehandlungsgebot. Krass willkürliche Ungleichbehandlungen der Gläubiger untereinander stehen aber durchaus in Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 GG. In einem solchen Fall kann der ordre-public-Vorbehalt herangezogen werden.
c) Verstoß gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG Eine wichtige Anerkennungsgrenze ergibt sich ferner aus der Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 1 GG.129 Jedoch ist nicht jede Rechtsanwendung, die bei reinen Inlandsfällen grundrechtswidrig wäre, mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar. Das BVerfG führt dazu aus, dass vielmehr durch Auslegung zu ermitteln ist, ob das Grundrecht „nach Wortlaut, Sinn und Zweck für jede denkbare Anwendung hoheitlicher Gewalt innerhalb der Bundesrepublik gelten will oder ob [es] bei Sachverhalten mit mehr oder weniger intensiver Auslandsbeziehung eine Differenzierung zulässt oder verlangt“130. Im Gegensatz zu den unveräußerlichen Rechtspositionen wie der Unversehrtheit an Leib und Leben eines Menschen (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) sowie der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) unterliegt die Eigentumsgarantie, wie sie im deutschen Recht ihren Niederschlag gefunden hat, einem erheblichen Abwägungsbedürfnis im Verhältnis zu fremden (Insolvenz-)Rechtsordnungen.131 Dieses Bedürfnis lässt sich aus den zutiefst unterschiedlichen nationalen Vorstellungen darüber, was unter Eigentum zu 127 Vgl. BGHZ 134, 79 (92) in Bezug auf eine geringere Quote im norwegischen Zwangsvergleich als nach der deutschen Vergleichsordnung. 128 Vgl. 1. Teil § 3. V., S. 61. 129 BegrRegE, BR-Drucks. 1 / 92, S. 241; Geimer, ZfRV 1992, 401 (408); Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 343 Rn. 18; Hanisch, FS Jahr, S. 455 (473). An dieser Stelle sei auf die kontrovers diskutierte Behandlung von ausländischen Verfahren hingewiesen, die „konfiskatorische“ bzw. „enteignende“ Wirkung gegenüber dem Schuldner haben. Ein Teil der Lit. will ihnen die Anerkennung wegen eines Verstoßes gegen den deutschen ordre public (Art. 14 Abs. 1 GG) verweigern; Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 132 Rn. 28; Merz, ZIP 1983, 136 (140); Hanisch, FS Jahr, S. 455 (473); Wenner, in: Mohrbutter, Handbuch der Insolvenzverwaltung, Rn. XXIII.124; FrankfurterKomm z. InsO / Wimmer, Art. 102 EGInsO Rn. 285. Andere qualifizieren diese Verfahren nicht als Insolvenzverfahren, so dass sich die Frage der Anerkennung nach internationalem Insolvenzrecht nicht stellt; Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 306. 130 BVerfGE 31, 58 (77) (sog. Spanierentscheidung). 131 Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 307.
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fassen ist, begründen. So weist etwa Kropholler (etwas flapsig) darauf hin, dass die „Väter des Grundgesetzes [ . . . ] bei der Gewährleistung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) nur an Deutschland und nicht an irgendwelche islamischen oder exotischen Länder gedacht haben“.132 Des Weiteren darf nicht vernachlässigt werden, dass es selbst in Deutschland verfassungsrechtlich keinesfalls als geklärt angesehen werden kann, wie weit Eingriffe in Vermögenswerte der Gläubiger durch Insolvenzverfahren zulässig sind. So hat z. B. die Insolvenzrechtskommission in ihrem ersten Bericht vorgeschlagen, den Mobiliarsicherungsgläubigern lediglich eine Quote von 50% des Wertes des Sicherungsgutes zu garantieren, ohne diesbezüglich Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 14 Abs. 1 GG zu äußern.133 Das BVerfG untermauert seine Ausführungen folgendermaßen: Zum einen unterscheiden die Grundrechte teilweise selbst zwischen Deutschen und Nichtdeutschen. Des Weiteren haben die Grundrechte immer auch einen gewissen Bezug zur Lebensordnung innerhalb des Geltungsbereichs des GG, so dass eine Durchsetzung bei gänzlich oder überwiegend auslandsbezogenen Sachverhalten mit dem Sinn des Grundrechtsschutzes nicht zu vereinbaren ist.134 Dem gemäß ist zu berücksichtigen, dass der Prüfungsmaßstab beim ordre public von der Intensität des Inlandsbezugs abhängt. Je geringer die Berührungspunkte des Verfahrens zum Inland sind, desto eher kann von den nationalen Standards abgewichen werden.135 Diese Erwägungen scheinen sich bei vordergründiger Betrachtung für die Gläubiger besonders bei der Behandlung von Sicherungsrechten in der Insolvenz des Sicherungsgebers niederzuschlagen. Graf etwa äußert Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem deutschen ordre-public, wenn in einem ausländischen Insolvenzverfahren auf ein in Deutschland belegenes Sicherungsgut zugegriffen wird und der gesicherte Gläubiger im ausländischen Verfahren leer ausginge.136 Hanisch führt aus, dass ein ordre-public-Verstoß eine Inlandsbelegenheit des Schuldnervermögens während des ausländischen Verfahrens voraussetze.137 Dabei vernachlässigen die beiden jedoch auf europäischer Ebene den Art. 5 Abs. 1 EuInsVO und im autonomen deutschen internationalen Insolvenzrecht den § 351 Abs. 1 InsO. Beide ordnen an, dass dingliche Sicherungsrechte an Sachen und Forderungen, die zur Zeit der Insolvenzeröffnung im Inland belegen sind, vom ausländischen Insolvenzverfahren unberührt bleiben. Das hat zur Folge, dass die Sicherungsrechte von den Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens vollstänVgl. auch Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 IV 1. Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, S. 183. 134 BVerfGE 31, 58 (77). Sich dem anschließend: Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 IV 1, mit weiteren Argumenten; von Bar / Mankowski, Internationales Privatrecht, § 7 Rn. 260 ff. Zivilrechtlich niedergeschlagen hat sich die verfassungsgerichtliche Rspr. in BGHZ 60, 68 (79); 120, 29 (34). 135 Vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 II 1; Laut, Universalität und Sanierung, S. 93. 136 Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 307. 137 Hanisch, FS Jahr, S. 455 (473). 132 133
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dig abgeschirmt werden.138 Der gesicherte Gläubiger hat das alleinige Verwertungsrecht.139 Es besteht lediglich die Möglichkeit, den Sicherungsgegenstand mittels eines Parallelverfahrens für die Gläubigergesamtheit zu verwerten. Bei einem Parallelverfahren handelt es sich aber um ein inländisches Verfahren, so dass sich das Problem der Anerkennung bzw. der Nichtanerkennung nicht stellt. Mithin kommt in Bezug auf dingliche Sicherungsrechte ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG und damit gegen den deutschen ordre public nicht in Betracht.
d) Verstoß bei Forderungskürzungen Schließlich müssen sich die Kürzungen von Gläubigerforderungen, die von ausländischen Insolvenzverfahren ausgehen, am ordre-public-Vorbehalt messen lassen. Die Streitigkeiten, die sich früher um die Anerkennung ausländischer Restschuldbefreiungen in Deutschland rankten,140 können mittlerweile als erledigt angesehen werden. Heute sieht die Insolvenzordnung selbst in den §§ 286 ff. InsO die Möglichkeit der Restschuldbefreiung vor.141 Aber auch schon vorher hat die Rechtsprechung die restschuldbefreiende Wirkung in ausländischen Verfahren in dem Bewusstsein, dass die Restschuldbefreiung alsbald auch im deutschen Recht verankert sein würde, anerkannt.142 Für die Regelungen in §§ 286 ff. InsO hat insbesondere das im internationalen Vergleich stark gläubigerfeindliche Insolvenzrecht der USA als Vorbild gedient. Was einerseits Vorbild ist kann andererseits aber nicht als offensichtlich unvereinbar mit deutschem Recht eingestuft werden. In gleicher Weise muss hinsichtlich sonstiger Forderungsbeschränkungen argumentiert werden. In Bezug auf Forderungskürzungen nehmen das redressement judiciaire in Frankreich sowie das US-amerikanische Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 BC extreme Positionen ein. Doch auch diese Verfahren wurden als Vorbild für die Sanierung mit Hilfe eines Insolvenzplans herangezogen und von der Idee her übernommen. So lässt auch das deutsche Insolvenzrecht sog. „Null-Pläne“ für die Gläubiger zu.143 Eine Mindestquote wird gerade nicht voAusführlich dazu 3. Teil § 10 II. 1. a), S. 225 ff. In Bezug auf die EuInsVO: Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 5 Rn. 45; in Bezug auf die InsO: Liersch, in: Braun, InsO, § 351 Rn. 11. 140 Umstritten war, ob eine Entscheidung, die eine Restschuldbefreiung zur Folge hat, überhaupt nicht anerkannt werden darf, oder ob eine grundsätzliche Anerkennung abzüglich der restschuldbefreienden Wirkung zu erfolgen hat; Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 307 f. 141 In den neuen Bundesländern galt mit § 18 Abs. 2 S. 3 GesO bereits eine vergleichbare Regelung. 142 BGHZ 122, 373, 379 f. 143 BGH, ZIP 2002, 365 (367) mit Verweis auf BayObLG, ZIP 1999, 1926 (1928 f.); OLG Köln, ZIP 1999, 1929 (1930 ff.). 138 139
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rausgesetzt.144 Mithin stehen die beiden Verfahren nicht in krassem Widerspruch zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts.145 Allgemein ist auf europäischer Ebene noch wie folgt zu argumentieren: Ein Verstoß gegen den ordre public darf nicht mit den Wirkungen begründet werden, die die EuInsVO gerade beabsichtigt. Daher ist es unzulässig, eine Verweigerung der Anerkennung eines Sanierungsverfahrens, welches in Anhang A der EuInsVO aufgeführt ist, damit zu begründen, dass die Gläubiger schlechter stehen als in einer Liquidation.146 Ein Verstoß gegen den ordre public kommt daher insoweit lediglich dann in Betracht, wenn ein Verfahren nur noch der Schuldbefreiung dient und daneben in keiner Weise auf eine Haftungsverwirklichung abzielt.147
e) Ergebnis, Rechtsfolge eines Verstoßes Ein Verstoß gegen den inländischen ordre-public-Vorbehalt ist tatsächlich nur äußerst selten zu bejahen. Nichts desto trotz kann ein Verstoß auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden, wenn es um den Schutz inländischer Gläubiger geht. Erschwerend wirkt sich für die Gläubiger die Beweislastverteilung aus. Derjenige, der sich auf einen Verstoß gegen den ordre public beruft, hat das Vorliegen des Verstoßes zu beweisen.148 Dementsprechend trifft regelmäßig den Gläubiger die Beweislast. Falls ein Verstoß gegen den ordre public vorliegt, ist der ausländischen Eröffnungsentscheidung die Wirkung im Inland zu versagen. Die Versagung der Wirkungserstreckung darf aber immer nur ultima ratio sein. Soweit es möglich ist, erfolgt primär eine Wirkungsbeschränkung und kein pauschaler Anerkennungsausschluss. Dementsprechend kann eine Eröffnungsentscheidung, sofern der in Rede stehende Mangel isolierbar ist, auch in Teilen zurückgewiesen werden.149 Das er144 Vgl. dagegen zu den §§ 290 I Nr. 1, 298 I Nr. 2 des überkommenen Gesetzesentwurfs zur Insolvenzordnung: Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, S. 183. Von der Einführung einer Garantie des Liquidationswertes ist nachträglich wieder abgerückt worden; Reinhart, ZIP 1997, 1734 (1738 f.). An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass das sonst so gläubigerfeindliche US-Insolvenzrecht in der Reorganisation nach Chapter 11 BC eine Liquidationswertgarantie für die Gläubiger vorsieht (sec. 1129 (a) (7) (ii) BC). 145 Im Ergebnis genauso BGHZ 134, 79 (92) in Bezug auf eine geringere Quote im norwegischen Zwangsvergleich als nach der deutschen Vergleichsordnung. 146 Huber, ZZP 2001, 133 (146); Balz, ZIP 1996, 948 (953). 147 Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, S. 308; Hanisch, FS Jahr, S. 455 (472 f.). 148 Vgl. BGHZ 134, 79 (91 f.); BGH, NJW 2002, 960 (962); NJW-RR 2002, 1151; HkZPO / Dörner, § 328 Rn. 52; Geimer, in: Zöller, ZPO, § 328 Rn. 182; Mäsch, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 26 EG-InsVO Rn. 16. 149 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (105 Nr. 209); DuursmaKepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 26 Rn. 10; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 3521; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 343
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gibt sich aus der Formulierung der Vorbehalte, die die Anerkennung nur „soweit“ versagen, wie der Verstoß reicht. Daran schließt sich zwangsläufig die Frage an, was an die Stelle der verweigerten Wirkung des ausländischen Verfahrens tritt. Die Eröffnung eines weiteren Hauptverfahrens zur Befriedigung der Gläubiger aus dem weltweit vorhandenen Schuldnervermögen scheidet im Falle einer teilweisen Nichtanerkennung schon aufgrund des Prioritätsprinzips150 aus. Folglich ist die Lücke dadurch zu schließen, dass die ausländische lex fori concursus nach inländischen Minimalstandards zu modifizieren ist oder dass die Gläubiger sogar so behandelt werden, wie es im entsprechenden inländischen Verfahren der Fall gewesen wäre.151
8. Zusammenfassung Die Regelungen in Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO und § 343 Abs. 1 S. 1 InsO sind Ausfluss des Universalitätsprinzips. Anders als unter I. versteht man darunter in diesem Zusammenhang jedoch nicht den Geltungsanspruch, den der Eröffnungsstaat dem Verfahren beilegt, sondern aus entgegengesetzter Sicht die Anerkennung des Anspruchs. Das bedeutet für die Gläubiger, dass sie sich mit den Wirkungen der Insolvenzverfahrenseröffnung in einem Staat auch in anderen – das Verfahren anerkennenden – Staaten abfinden müssen. Schon an dieser Stelle sei aber darauf hingewiesen, dass sowohl die EuInsVO als auch das deutsche internationale Insolvenzrecht zahlreiche Ausnahmen vom Universalitätsprinzip (in der Anerkennungsdimension) kennen.
III. Anwendbares Recht und internationale Eröffnungszuständigkeit Mit der Beantwortung der Frage nach dem Geltungsanspruch eines Verfahrens sowie seiner Anerkennung ist noch nicht geklärt, auf welches Recht sich die Gläubiger als in dem Insolvenzverfahren anzuwendendes Recht einstellen müssen. Zwischen der Frage der universalen Geltung eines Insolvenzverfahrens und dem anzuwendenden Recht muss differenziert werden, da von der Bereitschaft, die Existenz eines Rechtsaktes anzuerkennen, noch nicht zwingend darauf geschlossen werden Rn. 17; Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 132 Rn. 29; Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 290; Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 26 Rn. 6. Lediglich Reinhart will auch in diesem Fall das Verfahren insgesamt anerkennen. Dessen Wirkungen, die sich erst aus der Kollisionsnorm ergäben, seien dann über eine Nichtanwendung der Norm gemäß dem kollisionsrechtlichen ordre-public-Vorbehalt in Art. 6 EGBGB einzuschränken, MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 102 EGInsO Rn. 309. 150 Vgl. 2. Teil § 5 II. 6., S. 75 ff. 151 Vgl. auch Hanisch, FS Jahr, S. 455 (473).
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kann, dass sich die Rechtsfolgen nach den gleichen Rechtsregeln beurteilen sollen.152 Aussagen zum anwendbaren Recht treffen Art. 4 EuInsVO und § 335 InsO. Nach beiden Vorschriften gilt dem Grundsatz nach das Recht des Staats, in dem das Verfahren eröffnet worden ist (lex fori concursus). Damit treffen die Normen nicht nur eine Aussage in Bezug auf den anerkennenden Staat, sie legen auch für den eröffnenden Staat fest, nach welchem Recht zu verfahren ist. Mithin handelt es sich um allseitige Kollisionsnormen. Sie gelten für Hauptverfahren gleichermaßen wie für Partikularverfahren.153 Lediglich für Sekundärverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO enthält Art. 28 EuInsVO eine Wiederholung des Verweises auf die lex fori concursus secundariae. Es handelt sich dabei aber nur um eine reine Klarstellung.154 Die Vorschriften sind spezielle Kollisionsnormen für das Insolvenzrecht. Sie ersetzen insoweit die allgemeinen Vorschriften des internationalen Privatrechts der beteiligten Nationen.155 Aus der Formulierung in Art. 4 Abs. 1 EuInsVO, der ausdrücklich das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaats zur Anwendung bringt, geht eindeutig hervor, dass es sich nicht um eine Gesamtverweisung handelt, sondern um eine Sachnormverweisung.156 Der Wortlaut des Art. 28 EuInsVO ist dagegen we152 Liersch, in: Braun, InsO, Vorbem. §§ 335 – 358, Rn. 3 ff., 7 ff.; Lüke, ZZP 1998, 275 (281); Roßmeier, Besitzlose Mobiliarsicherheiten in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren, S. 79 ff.; Gottwald differenziert zwischen Verfahrens- und Kollisionsrecht, Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 18 ff. und 31 ff. 153 Zur EuInsVO vgl. Erwägungsgrund 23 S. 3 zur EuInsVO. 154 BerlinKomm z. InsO / Pannen, Art. 4 EuInsVO Rn. 3; Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (110 Nr. 225). 155 Vgl. für die EuInsVO Erwägungsgrund 23 S. 1 zu der VO sowie Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (66 Nr. 87); Balz, ZIP 1996, 948 (950); DuursmaKepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 4 Rn. 1; anders dagegen noch Hanisch, in: FS Walder, S. 483 (493), der meint, dass lediglich in Bezug auf Verfahrensregeln der Rückgriff auf sonstige Kollisionsregeln ausgeschlossen sei, nicht hingegen für materiellrechtliche Regelungen. Dabei vernachlässigt er jedoch, dass beide Vorschriften bestimmen, dass das Recht des Eröffnungsstaats sowohl für die prozess- als auch für die materiellrechtlichen Wirkungen der Insolvenzverfahren maßgeblich sein soll. Auf diese Weise wird die bis heute bestehende Streitfrage der Unterscheidung zwischen verfahrensrechtlichen und materiellen Wirkungen umgangen, da es auf eine Unterscheidung nicht ankommt; vgl. Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (550); Duursma-Kepplinger, in: DuursmaKepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 4 Rn. 9. Vgl. auch Erwägungsgrund 23 S. 4 zu EuInsVO: „Die lex concursus regelt alle verfahrensrechtlichen wie materiellen Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die davon betroffenen Personen und Rechtsverhältnisse; . . .“. 156 MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 4 EuInsVO Rn. 1; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 4 Rn. 2; Huber, ZZP 2001, 133 (151); Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (549); Fletcher, Insolvency in Private International Law, Rn. 7.80; es sei aber darauf hingewiesen, dass die Fassungen in anderen Sprachen dies zum Teil erheblich weniger deutlich machen, da sie nicht den Begriff „Insolvenzrecht“ selbst verwenden, vgl. dazu Guber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 6 Rn. 6 Fn. 8.
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niger eindeutig. Art. 28 EuInsVO spricht allgemein von den „Rechtsvorschriften“ des Eröffnungsstaats, die in einem Sekundärverfahren anzuwenden sind. Der eingeschränkte Verweisungsumfang ergibt sich jedoch daraus, dass die Vorschrift lediglich wiederholenden Charakter hat.157 Auch aus dem Wortlaut des § 335 InsO, der ebenfalls allgemein auf das Recht des Eröffnungsstaats abstellt, ergibt sich der Sachnormverweisungscharakter nicht ausdrücklich. Er erschließt sich aber bei teleologischer Auslegung der Vorschrift. § 335 InsO will eine Anordnung für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen treffen (Universalität). Das bedeutet, dass das nationale Insolvenzrecht durch das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaats ersetzt werden soll. Ein Bedürfnis, die gesamte Rechtsordnung des Verfahrensstaats anzuwenden, ist damit nicht verbunden. Folglich enthält auch diese Vorschrift lediglich eine Sachnormverweisung.158 Daran schließt sich die Frage an, welche Regeln als insolvenzrechtlich zu qualifizieren sind, denn nicht jede Norm, die in einem Insolvenzverfahren angewendet wird, ist insolvenzrechtlicher Natur. Entscheidend ist, ob die Norm lediglich auch in der Insolvenz gilt oder ob sie eine speziell für die Insolvenz vorgesehene Regelung darstellt.159 Art. 4 Abs. 2 EuInsVO enthält einen umfassenden Beispielskatalog, in dem einzelne Rechtsfragen ausdrücklich der lex fori concursus unterstellt werden. Der Katalog ist nicht abschließend.160 Er erleichtert lediglich die Bewältigung der soeben aufgeworfenen Frage. Verweisungstechnisch notwendig ist er nicht. Für die Vorschriften, bei denen die Zugehörigkeit zum Insolvenzrecht verneint wird, gilt wiederum das allgemeine Kollisionsrecht.161 Art. 4 Abs. 1 EuInsVO und § 335 InsO liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Rechtsordnung zur Anwendung kommen soll, die die größte Nähe zum Schuldner 157 Chalupsky, in: Baudenbacher, Aktuelle Probleme des europäischen und internationalen Wirtschaftsrechts, S. 297 (346); Duursma-Kepplinger Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 28 Rn. 5 f.; Fritz / Bähr, DZWIR 2001, 221 (226); Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (549 Fn. 117). 158 Liersch, NZI 2003, 302 (304); Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 335 Rn. 7 f.; Liersch, in: Braun, InsO, § 335 Rn. 7. 159 Eine genauere Behandlung dieser Frage würde an dieser Stelle zu weit führen. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass es insolvenzrechtliche Vorschriften auch außerhalb der InsO gibt. Besondere Beachtung fand in der Vergangenheit die Frage, ob die Insolvenzantragspflicht und die Haftung für Verstöße nach § 64 GmbHG (§ 92 Abs. 2 AktG, § 99 Abs. 1 GenG) als insolvenzrechtlich zu qualifizieren sind. Die Einordnung ist nach wie vor streitig. Für eine Bejahung des insolvenzrechtlichen Charakters siehe Haas, NZI 2001, 1 (5 ff., insb. 9); Paulus, ZIP 2002, 729 (734); Kuntz, NZI 2005, 424 (428); a.A. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, §§ 32 a, b Rn. 15. Vgl. auch Mäsch, in: Rauscher, Europisches Zivilprozeßrecht, Art. 4 EG-InsVO Rn. 7 ff.; Wienberg / Sommer, NZI 2005, 353 ff.; Hirte / Mock, ZIP 2005, 474 ff. m. w. N. 160 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 4 Rn. 12. 161 Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Art. 102 EGInsO Rn. 69 ff.; Liersch, in: Braun, InsO, § 335 Rn. 7.
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sowie den mit ihm in Zusammenhang stehenden Rechtsfragen aufweist.162 Das lässt sich damit begründen, dass die Insolvenz ein konkretes Risiko darstellt, welches für die potentiellen Gläubiger abschätzbar bleiben muss. Es muss für sie erkennbar sein, welche Rechtsordnung im Insolvenzfall anzuwenden ist. Daher soll sich die Eröffnung eines Hauptverfahrens danach richten, zu welchem Staat der Schuldner in engster Verbindung steht.163 Das ist nach der Vorstellung der Gesetzgeber der Staat, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen (Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO: centre of main interests = COMI) bzw. den Mittelpunkt seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit hat (§ 3 Abs. 1 S. 2 InsO). Dementsprechend sollen nur die Gerichte des Staats, in dem dieser Mittelpunkt zu finden ist, zur Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens international zuständig sein. Die Regelung dient noch aus weiteren Gründen dem Interesse der Gläubiger: Es ist davon auszugehen, dass sich an diesem Ort regelmäßig der größte Teil des schuldnerischen Vermögens befindet, welches hier mit geringerem Aufwand als bei Auslandsbelegenheit zugunsten der Gläubiger verwertet werden kann. Aufgrund des geringeren Aufwands können diese wiederum mit einer höheren Quote rechnen. Des Weiteren werden sich an diesem Ort regelmäßig auch die meisten Gläubiger befinden. Sie können daher einfacher an dem Insolvenzverfahren teilnehmen als bei einem Verfahren im Ausland. Schließlich findet das Verfahren nicht nur in einer vertrauten Sprache statt, auch das Insolvenzrecht dieses Staats dürfte den meisten Gläubigern regelmäßig geläufiger sein als die Insolvenzregeln eines fremden Staats. Die Zuständigkeitsvorschrift in § 3 Abs. 1 S. 2 InsO setzt eine auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit des Schuldners in nicht abhängiger Stellung voraus.164 Ob wirklich Gewinn erzielt wird, ist irrelevant.165 Für die Bestimmung des wirtschaftlichen Mittelpunktes ist entscheidend, wo die Geschäftstätigkeit nach außen ausgeübt wird.166 Übt der Schuldner keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit aus, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit nach dem allgemeinen Gerichtsstand (§ 3 Abs. 1 S. 1 InsO), d. h. nach den §§ 13 ff. ZPO (§ 4 InsO). Das gilt auch dann, wenn der Geschäftsbetrieb vollständig eingestellt worden ist.167 Bei nicht selbständig tätigen natürlichen Personen bestimmt sich die internationale 162
Kemper, ZIP 2001, 1609 (1615); Johnson, Internationl Insolvency Review 1996, 80
(94). 163 Liersch, in: Braun, InsO, § 335 Rn. 2; Kemper, ZIP 2001, 1609 (1615); Johnson, International Insolvency Review 1996, 80 (94). Grundsätzlich dazu Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 31; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 25. 164 OLG Hamm, ZInsO 1999, 533 (534); OLG Düsseldorf, NZI 2000, 601; Andres, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 3 Rn. 4. 165 OLG Hamm, ZInsO 1999, 533 (534); Liersch, in: Braun, InsO, § 3 Rn. 4. 166 OLG Braunschweig, NZI 2000, 266; AG Münster, ZInsO 2000, 49; Andres, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 3 Rn. 5; BerlinerKomm z. InsO / Goetsch, § 3 Rn. 4; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 3 Rn. 10. 167 BayOblG NZI 2003, 98; Andres, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 3 Rn. 5; Kießner, in: Braun, InsO, § 3 Rn. 6.
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Eröffnungszuständigkeit vornehmlich nach dem Wohnsitz (§ 13 ZPO i.V.m. §§ 7 – 11 BGB, §§ 4, 3 Abs. 1 S. 1 InsO) des Schuldners. Eine vergleichbare Differenzierung in selbständig wirtschaftlich tätige und sonstige Schuldner trifft die EuInsVO nicht. Der Begriff „Interessen“ in Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO macht deutlich, dass nicht nur berufliche oder sogar nur gewerbliche Tätigkeit erfasst werden soll, sondern allgemein wirtschaftliche Verwaltung, so dass auch Handlungen von Privatpersonen unter den Begriff fallen.168 Der entsprechende Mittelpunkt ist bei natürlichen Personen, die selbständig wirtschaftlich tätig sind, der Ort, an dem sie dieser Tätigkeit nachgehen. Für nicht selbständig tätige natürliche Personen gilt regelmäßig der Wohnsitz als Ort des Interessenmittelpunktes.169 Das ist damit zu erklären, dass auch bei abhängig Beschäftigten die privaten Rechtshandlungen als maßgeblich angesehen werden.170 Bei juristischen Personen und sonstigen Gesellschaften gilt gemäß Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO die widerlegliche Vermutung, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen mit dem Ort des satzungsmäßigen Sitzes übereinstimmt. Der Erläuternde Bericht führt dazu weiter aus, dass dieser Ort gewöhnlich der Hauptsitz des Schuldners ist.171 Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere in Fällen, in denen der satzungsgemäße Sitz eines Tochterunternehmens in einem anderen Staat belegen ist als der maßgebliche Mittelpunkt des Mutterunternehmens und das Mutterunternehmen die wirtschaftlichen Entscheidungen der Tochter kontrolliert oder die maßgeblichen Entscheidungen sogar für die Tochter trifft. Zu klären ist hier die 168 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (60 Nr. 75); Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 22; Fritz / Bähr, DZWIR 2001, 221 (224); vgl. auch Huber, ZZP 2001, 133 (139 ff.) sowie Erwägungsgrund 13 zur EuInsVO. An dieser Stelle sei noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass die EuInsVO auf wirtschaftliche Interessen abstellt, und nicht, wie etwa die Doppelbesteuerungsabkommen, auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen. 169 Balz, ZIP 1996, 948 (949); Taupitz, ZZP 1998, 315 (327); Saenger / Klockenbrink, DZWIR 2006, 183 (184); Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 3 EuInsVO Rn. 15. Dieser Grundsatz wird allerdings durchbrochen, wenn der tatsächliche Interessenmittelpunkt in einem anderen Staat liegt. Das ist insbesondere der Fall, wenn der gewöhnliche Aufenthalt des Schuldners vom Wohnsitz abweicht, Huber, ZZP 2001, 133 (140); Paulus, EuInsVO, Art. 3 Rn. 24. Denkbar wäre auch, gleich an den gewöhnlichen Aufenthaltsort anzuknüpfen, und nicht an den Wohnsitz; so z. B. das österreichische Insolvenzrecht mit § 63 KO oder die genau wie die EuInsVO auf Art. 61 lit. c, 67 Abs. 1 EGV gestützte Verordnung (EG) Nr. 1347 / 2000 des Rates vom 29. 5. 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten, ABlEG 2000 Nr. L 160 / 19. Für letzteren Weg sprechen sich Leible und Staudinger in KTS 2000, 533 (543) aus. Der Erläuternde Bericht ist insoweit unklar formuliert. Hier wird von einem „gewöhnliche[n] Wohnsitz“ gesprochen; Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 60 Nr. 75. Mithin enthält er ein Element des Begriffs „gewöhnlicher Aufenthalt“ als auch den Begriff „Wohnsitz“. 170 Duursma-Kepplinger Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 19; vgl. auch Vogler, ZIK 2001, 189 (191). 171 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (60 Nr. 75).
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Frage, ob der Umstand, dass die tatsächliche Willensbildung in einem anderen Staat stattfindet als in dem Staat, in dem der Satzungssitz der Tochter belegen ist, zu einer Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO ausreicht und ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Tochter daher am COMI der Mutter zu eröffnen ist.172 Mit dieser Frage hatte sich der EuGH im Fall Eurofood / Parmalat zu beschäftigen. Hier hat der EuGH im Hinblick auf den Erwägungsgrund 13 zur EuInsVO entschieden, dass die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO nur widerlegt werden könne, wenn objektive und für Dritte feststellbare Elemente belegen, dass der COMI in Wirklichkeit nicht am satzungsmäßigen Sitz der Tochter, sondern bei der Mutter belegen ist.173 Der EuGH stellt mithin kumulativ ein objektives und ein subjektives Kriterium für die Prüfung der internationalen Eröffnungszuständigkeit auf. Wer bei dem subjektiven Kriterium der Erkennbarkeit die maßgeblichen Dritten sein sollen, erwähnt der EuGH nicht ausdrücklich. Da die Belegenheit des Interessenmittelpunktes jedoch von entscheidender Wichtigkeit für die Gläubiger ist, kommt es maßgeblich auf die Erkennbarkeit für die Gläubiger an. Hiervon geht auch der EuGH in seiner Entscheidung aus. Der objektive Umstand allein, dass die wirtschaftlichen Entscheidungen der Tochter von einer Muttergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat kontrolliert werden oder kontrolliert werden können, reicht nicht aus, um dem Staat, in dem der Sitz der Muttergesellschaft belegen ist, die internationale Eröffnungszuständigkeit für ein Hauptverfahren zuzuweisen.174 Den Gläubigern, die sich bei Eingehung der Vertragsbeziehung zu dem Tochterunternehmen für den Fall der Insolvenz der Gesellschaft auf die Geltung eines bestimmten Insolvenzstatuts einstellen können sollen, wäre eine zutreffende Einschätzung der Rechtslage nämlich nicht möglich, wenn die Kontrollausübung der Mutter nicht nach außen erkennbar ist.175 Würde man in Fällen, in denen die Entscheidungsabhängigkeit nicht nach außen in Erscheinung tritt, dennoch den Ort, an dem die wirtschaftlichen Entscheidungen tatsächlich getroffen werden, als maßgeblich für die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens ansehen, könnte das anzuwendende Insolvenzrecht mittelbar 172 Zur großen Bereitschaft englischer Gerichte in der Vergangenheit, die eigene internationale Eröffnungszuständigkeit ungeprüft zu bejahen, vgl. etwa High Court of Justice Leeds, ZIP 2003, 1362; 2004, 963. Dazu Bähr / Riedemann, ZIP 2004, S. 1066; Sabel, NZI 2004, 126 f.; Leithaus, NZI 2004, 194 f.; Herchen, ZInsO 2004, 61 (62); sowie Mankowski, EWiR 2003, 1239, der von „aggressiv-eigennütziger Auslegung“ spricht. Zurückhaltender inzwischen der High Court of Justice London, der eine Insolvenzeröffnung magels COMI in England ablehnte, vgl. FAZ vom 27. 12. 2006, S. 11. 173 EuGH, EuZW 2006, 337, 338. 174 EuGH, EuZW 2006, 337; zuvor bereits AG Mönchengladbach, NZI 2004, 383 (384); AG Hamburg, NZI 2006, 120; Weller, IPrax 2004, 412 (415 f.); Pannen / Riedemann, NZI 2004, 646 (651); dagegen noch auf die head office functions, d. h. auf den ggf. nicht nach außen erkennbaren Entscheidungsmittelpunkt abstellend: High Court of Justice Leeds, ZIP 2003, 813; NZI 2004, 219; LG Innsbruck, ZIP 2004, 1721; AG München, ZIP 2004, 962; Moss / Fletcher / Isaacs, The EC Regulation on Insolvency Proceedings, Rn. 8.39. 175 Saenger / Klockenbrink, EuZW 2006, 363 (364); in Bezug auf die Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH: Schilling / Schmidt, ZInsO 2006, 113 (116).
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über das Tatbestandsmerkmal COMI durch Kontrollverlagerung beeinflusst werden, ohne dass die Gläubiger das bei ihren Entscheidungen über den Vertragsschluss berücksichtigen können. Sie würden bei Verfahrenseröffnung durch die Widerlegung der Vermutung in Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO überrumpelt. Die Gläubiger sind dagegen nicht schutzwürdig, wenn für sie erkennbar ist, dass der satzungsmäßige Sitz nicht mit dem Ort übereinstimmt, an dem die tatsächlichen wirtschaftlichen Entscheidungen für die Gesellschaft getroffen werden. Beispielhaft erwähnt der EuGH hier Briefkastenfirmen, an deren Satzungssitz gar keine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet wird.176 Unklar bleibt in der Entscheidung des Gerichts allerdings, wie der Fall zu behandeln ist, dass die Tochter an ihrem satzungsmäßigen Sitz wirtschaftliche Tätigkeit nach außen entfaltet, die wirtschaftlichen Entscheidungen aber in für Gläubiger erkennbarer Weise durch die Muttergesellschaft getroffen werden. Deutlich wird aus der Entscheidung lediglich, dass der EuGH die Widerlegung der Vermutungsregel in Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO eher restriktiv zulassen will.177 Daher sollten die Kontroll- und Weisungsstrukturen auch in diesem Fall nicht zu einer Widerlegung der Vermutungsregelung ausreichen können. Übt eine Tochtergesellschaft eine werbende Tätigkeit aus, so ist es regelmäßig nicht allen Gläubigern möglich, die wirklichen Entscheidungsstrukturen zu erkennen. Es müsste mithin eine Gewichtung vorgenommen werden, auf welche Gläubiger es für die Erkennbarkeit der Entscheidungsstrukturen ankommt. So haben bereits der High Court Leeds und der High Court Dublin eine Gewichtung nach der Forderungshöhe der Gläubiger vorgenommen.178 Eine solche Differenzierung nach Groß- und Kleingläubigern, wobei es auf die Erkennbarkeit der Entscheidungsstrukturen für die Kleingläubiger nicht ankommen soll, kann jedoch nicht überzeugen. Der EuInsVO ist eine Differenzierung nach der Forderungshöhe fremd. Die Art. 20, 32, 35 und 39 EuInsVO sowie Erwägungsgrund 22 zur EuInsVO verdeutlichen vielmehr, dass die Verordnung sämtliche Gläubiger gleich behandeln will.179 Vor diesem Hintergrund muss für die internationale Eröffnungszuständigkeit auf den satzungsmäßigen Sitz des Schuldners abgestellt werden, um Kleingläubiger, denen eine Einsichtnahme in die Konzernstruktur regelmäßig verwehrt ist, nicht zu benachteiligen. Auch dem deutschen internationalen Insolvenzrecht ist eine Verfahrenskonzentration bei Konzerninsolvenzen in dem Staat, der international für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Muttergesellschaft zuständig ist, fremd.180 Daher bestimmt sich die internationale Eröffnungszuständigkeit für InEuGH, EuZW 2006, 337 (338). Saenger / Klockenbrink, EuZW 2006, 363 (364); in Bezug auf die Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH: Schilling / Schmidt, ZInsO 2006, 113 (115). 178 High Court Leeds, ZIP 2004, 963 (965); High Court Dublin, ZIP 2004, 1223 (1225). 179 Schilling / Schmidt, ZInsO 2006, 113 (117). 180 MünchKomm z. InsO / Ganter, § 3 Rn. 14; HeidelKomm z. InsO / Kirchhof, § 3 Rn. 12; Ehricke, EWS 2002, 101 (104). 176 177
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solvenzverfahren über das Vermögen der Tochtergesellschaften eigenständig nach den Verhältnissen bei der jeweiligenTochtergesellschaft. Die Erwägungen des EuGH können insoweit übertragen werden. Auch im Anwendungsbereich des autonomen deutschen internationalen Insolvenzrechts muss folglich die Erkennbarkeit von Entscheidungsstrukturen beim Schuldner für die Gläubiger berücksichtigt werden. Zwar stellte die h. M. in Deutschland bei der Frage der örtlichen Zuständigkeit auf nationaler Ebene in der Vergangenheit auf die Konzernleitungsmacht ab.181 Dies ist allerdings nicht auf die internationale Eröffnungszuständigkeit übertragbar, weil sich hier das Problem der Beeinflussung des anzuwendenden Insolvenzrechts (lex fori concursus) nicht stellt. Der Aspekt der Schutzbedürftigkeit der Gläubiger steht bei Fragen der örtlichen Zuständigkeit mithin deutlich weniger im Vordergrund als bei grenzüberschreitenden Insolvenzsachverhalten. Mit der aktuellen Fassung der Regelungen zur internationalen Zuständigkeit gehen jedoch nicht nur Probleme auslegungstechnischer Art einher. Probleme resultieren auch daraus, dass die Vorschriften Konstellationen unberücksichtigt lassen, die in der Realität durchaus vorzufinden sind. So gehen beide Regelwerke fälschlicherweise davon aus, dass mehrere gleichwertige Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunkte logisch ausgeschlossen sind.182 Ein Gegenbeispiel bietet jedoch schon die DaimlerChrysler AG, die über zwei gleichwertige Verwaltungszentralen verfügt. Die eine befindet sich in den USA (Auburn Hills), die andere in Deutschland (Stuttgart / Möhringen). Zugleich wird deutlich, von welch fundamentaler Bedeutung die aktuelle Entscheidung der Gesetzgeber für die lex fori concursus i.V.m. mit der Anknüpfung an die entsprechenden Mittelpunkte für die Beteiligten und damit auch für die Gläubiger ist. Würde das Insolvenzverfahren bei einem solchen Konzern in Deutschland eröffnet, käme eine vergleichsweise gläubigerfreundliche lex fori concursus zur Anwendung. Würde dagegen ein Verfahren in den USA eröffnet, müssten sich die Gläubiger mit einer erheblich schwächeren Position abfinden. Eine eindeutige Vorgabe hinsichtlich der Eröffnungszuständigkeit des einen oder des anderen Staats besteht nicht. Damit bleibt Raum für ein forum shopping durch frühzeitige Insolvenzantragstellung (Wettlauf der Insolvenzantragsteller).183
181 LG Dessau, ZIP 1998, 1007 f.; Prütting, in: Kübler / Prütting, InsO, § 3 Rn. 7; MünchKomm z. InsO / Ganter, § 3 Rn. 14; HeidelKomm z. InsO / Kirchhof, § 3 Rn. 12; FrankfurterKomm z. InsO / Schmerbach, § 3 Rn. 6; Kübler, ZGR 1984, 560, 571, 587 f.; Schmahl, EWiR 1998, 557. 182 Vgl. Balz, ZIP 1996, 948 (949); Herchen, ZInsO 2004, 61 (62). Dagegen zu Recht Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 284. 183 Vgl. dazu ausführlich 2. Teil § 6 I. 4. a) aa), S. 131 ff.
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IV. Anwendung des ordre-public-Vorbehalts oder Verneinung der internationalen Zuständigkeit bei missbräuchlicher Sitzverlegung durch den Schuldner Sowohl im autonomen deutschen internationalen Insolvenzrecht als auch in der EuInsVO bestimmt sich das anzuwendende Recht grundsätzlich nach der lex fori concursus. Mithin ist das für die Beteiligten in einem Insolvenzverfahren geltende Recht davon abhängig, in welchem Staat das Verfahren eröffnet wird. In welchem Staat ein Verfahren eröffnet wird bemisst sich grundsätzlich nach der internationalen Zuständigkeit der Gerichte des Eröffnungsstaats. Dies wiederum bestimmt sich nach dem Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO) bzw. nach dem Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit (§ 3 InsO) des Schuldners. Damit kann die internationale Zuständigkeit durch den Schuldner rein faktisch durch Verlagerung des Interessen- oder des Tätigkeitsmittelpunktes beeinflusst werden.184 Das hat zur Folge, dass der Schuldner für sich ein möglichst günstiges (schuldnerfreundliches) Insolvenzrecht zur Anwendung bringen kann. Das wiederum geht regelmäßig zulasten der Gläubiger. Inwiefern die Gläubiger dem forum shopping des Schuldners durch Umzüge schutzlos ausgesetzt sind, soll im Folgenden geklärt werden. 1. Umzug nach Insolvenzantragstellung Maßgeblicher Zeitpunkt für die Festlegung der internationalen Zuständigkeit gemäß § 3 Abs. 1 InsO ist der Eingang des Eröffnungsantrags bei Gericht.185 Danach greift eine perpetuatio fori (§ 4 InsO i.V.m. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Das eröffnende Gericht verliert seine Zuständigkeit nicht mehr, auch wenn der Schuldner seinen Tätigkeitsmittelpunkt verlegt.186 Aufgrund der Doppelfunktionalität der deutschen Zuständigkeitsvorschriften greift die perpetuatio fori nicht nur bei Fragen der örtlichen Eröffnungszuständigkeit, sondern auch hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.187 Mithin 184 Das Problem der missbräuchlichen Sitzverlegung im Zusammenhang mit internationalen Insolvenzverfahren erkennen auch Gottwald, Johnson, Duursma-Kepplinger und Morscher; vgl. Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 20 f.; Johnson, International Insolvency Review 1996, 80 (93); Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 17; Morscher, EuInsVO, S. 21. Im Ansatz auch gesehen bei Wessels, online: http: / / www.ilf-frankfurt.de / publications / ILF_WP_017.pdf (3. 1. 2007), S. 15, 28. 185 OLG Hamm, NZI 2000, 220 (221); OLG Frankfurt a.M., ZIP 2002, 1956, 1957; HeidelKomm z. InsO / Kirchhof, § 3 Rn. 5; MünchKomm z. InsO / Ganter, § 3 Rn. 5. 186 Saenger / Klockenbrink, DZWIR 2006, 183 (184); vgl. dazu allgemein Hk-ZPO / Saenger, § 261 Rn. 23 f. 187 Vgl. Trunk, Internationales Insolvenzrecht, S. 100 f.; Saenger / Klockenbrink, WuB VI A. § 4 InsO 1.06, S. 411 (412); Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 142; Liersch, in: Braun, InsO, § 335 Rn. 20.
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scheidet im autonomen deutschen internationalen Insolvenzrecht ab dem Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung ein forum shopping durch Verlagerung des Zuständigkeitsanknüpfungspunktes zulasten der Gläubiger aus. Die EuInsVO verfügt nicht über eine ausdrückliche Regelung der Frage, ob ein Staat international für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zuständig bleibt, wenn der Schuldner seinen Interessenmittelpunkt nach Insolvenzantragstellung in einen anderen Staat verlegt. Der EuGH hat jedoch entschieden, dass für Art. 3 Abs. 1 EuInsVO der Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung maßgeblich für die Bestimmung der internationalen Eröffnungszuständigkeit ist.188 Eine Verlagerung des Interessenmittelpunktes nach Insolvenzantragstellung führt mithin nicht zu einer Veränderung der internationalen Eröffnungszuständigkeiten. Das gilt nach zutreffender Ansicht des BGH auch dann, wenn ein Gläubiger einen Insolvenzantrag stellt, der Schuldner danach umzieht und das befasste Gericht das Insolvenzverfahren aufgrund eines weiteren Insolvenzantrags, der zwar nach dem Umzug aber vor Erledigung des ersten Antrags gestellt wurde, eröffnet wird.189 Im Zeitpunkt der zweiten Insolvenzantragstellung bestand aufgrund der von dem ersten Antrag ausgelösten perpetuatio fori nämlich noch die internationale Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts.190 Der EuGH begründet seine Auslegung des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO mit drei zentralen teleologischen Argumenten: Zum einen habe der Gemeinschaftsgesetzgeber in Erwägungsgrund 4 zur EuInsVO seine Absicht zum Ausdruck gebracht, ein forum shopping zu verhindern. Das würde nicht erreicht, wenn der Schuldner noch nach Insolvenzantragstellung durch Verlagerung des COMI Einfluss auf die internationale Eröffnungszuständigkeit und damit auf das anzuwendende Insolvenzrecht nehmen könnte.191 Des Weiteren würde es dem in den Erwägungsgründen 2 und 8 zur EuInsVO zum Ausdruck gebrachten Ziel der Steigerung der Effizienz und Wirksamkeit internationaler Insolvenzverfahren nicht entsprechen, wenn die Gläubiger ihre Forderungen aufgrund einer Verlagerung des Interessenmittelpunktes durch den Schuldner immer wieder an einem anderen Ort mittels Insolvenzantrag und Forderungsanmeldung verfolgen müssten.192 Letztlich könnte ein Schuldner die Befriedigung der Gläubiger sonst durch Umzüge beliebig lange hinauszögern. Schließlich begründet der EuGH seine Entscheidung damit, dass die Gläubiger sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bei der Bewertung ihrer Ausfallrisiken an dem Insolvenzrecht des Staats orientiert haben, in dem der Mittel188 EuGH, DZWIR 2006, 196, 197; danach: BGH, DZWIR 2006, 211; DZWIR 2006, 254 ff. (mit Anm. Flitsch / Hinkel). Zuvor auch schon Duursma-Kepplinger, in: DuursmaKepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 46. Dagegen erst auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung selbst abstellend: Leipold, FS Henckel, S. 533 (537). Sich dem anschließend: Wimmer im FrankfurterKomm z. InsO, Art. 102 EGInsO Rn. 280. 189 BGH, DZWIR 2006, 254, 255. 190 BGH, DZWIR 2006, 254 (255). 191 EuGH, DZWIR 2006, 196 (197). 192 EuGH, DZWIR 2006, 196 (197 f.).
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punkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners belegen ist.193 Daher gewährleiste das Bestehenbleiben der internationalen Zuständigkeit ab Stellung des Insolvenzantrags eine höhere Rechtssicherheit für die Gläubiger.194 2. Umzug vor Insolvenzantragstellung Für Umzugsfälle vor Insolvenzantragstellung sieht weder die EuInsVO noch das deutsche internationale Insolvenzrecht spezielle Regelungen vor. Dies verwundert vor dem Hintergrund, dass der Anreiz zu einem Umzug in gläubigerschädigender Absicht vor der Insolvenzantragstellung ebenso gegeben ist wie danach. Des Weiteren greifen die Argumente, die der EuGH für die Behandlung von Umzugsfällen nach Insolvenzantragstellung anführt, gleichermaßen schon vor der Stellung eines Insolvenzantrags. Im Gegensatz zum geltenden internationalen Insolvenzrecht enthielt der Entwurf des Konkursübereinkommens der EG-Staaten von 1980195 noch Vorschriften, die sich mit der Sitzverlegung vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beschäftigten. Nach dessen Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 Abs. 2 sollten bei einer Verlegung des Geschäftszentrums innerhalb einer Frist von sechs Monaten vor Befassung196 des Gerichts sowohl das Gericht des alten Gerichtsstands als auch das Gericht des neuen Gerichtsstands gleichrangig für die Eröffnung des Verfahrens zuständig sein. Welcher Staat das Verfahren letztlich durchführt, sollte sich nach dem Prioritätsprinzip richten.197 Auch diese Vorschriften hätten letztlich nur bedingt zur Verhinderung eines forum shopping auf Schuldnerseite beigetragen. Das Prioritätsprinzip hätte immer noch einen schnelleren Antrag des Schuldners in dem Staat mit dem für ihn günstigeren Insolvenzrecht zugelassen. Striktere Regeln werden im französischen internationalen Insolvenzrecht aufgestellt.198 Dort bestimmt Art. 12 Abs. 2 des Dekretes Nr. 89 – 339 vom 29. 5. 1989, EuGH, DZWIR 2006, 196 (198). EuGH, DZWIR 2006, 196 (198). 195 Abgedruckt in ZIP 1980, S. 582 – 593. 196 Der Begriff „Befassung“ sollte auch die Verfahrenseröffnung von Amts wegen beinhalten; Stummel, Konkurs und Integration, S. 70 Fn. 73. 197 Stummel, Konkurs und Integration, S. 70. 198 Dabei sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die französischen Regelungen zur internationalen Zuständigkeit im Anwendungsbereich der EuInsVO aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts keine Wirkung entfalten. Missverständlich insoweit DuursmaKepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 17, wenn sie schreibt, dass die EuInsVO die Frage der Sitzverlegung in der Krise „offensichtlich dem nationalen Recht“ überlässt. Zwar ist es möglich, dass die EuInsVO die Anwendung nationaler Vorschriften zulässt, soweit die EuInsVO keine abschließende Regelung trifft. Würde man die französischen Regeln aber durchgreifen lassen, würde im Falle einer Sitzverlegung aus Frankreich heraus ein positiver Kompetenzkonflikt entstehen; im Falle der Verlegung nach Frankreich dagegen ein negativer. Das kann vor dem Hintergrund der ausdifferenzierten (und damit in Bezug auf die internationale Zuständigkeit abschließenden) Zuständigkeitsvorschrift des Art. 3 EuInsVO nicht gewollt sein. 193 194
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dass Sitzwechsel innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten vor Stellung des Insolvenzantrags nicht berücksichtigt werden. Das Gericht des vorherigen Sitzes bleibt ausschließlich zuständig.199 Solange im EU-Insolvenzrecht und im autonomen deutschen Insolvenzrecht keine so klaren Regeln eingeführt werden, gilt es zu prüfen, ob missbräuchlichen Verlegungen des Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunktes mit den zur Verfügung stehenden Mitteln begegnet werden kann. Dazu bieten sich grundsätzlich zwei Wege an: Zum einen kann die Anerkennung der Verfahrenseröffnung mangels Eröffnungszuständigkeit des neuen Staats versagt werden. Zum anderen kann der ordrepublic-Vorbehalt herangezogen werden. a) Missbräuchliche Sitzverlegung Zunächst muss jedoch geklärt werden, in welchen Fällen überhaupt von einer missbräuchlichen Verlegung des maßgeblichen Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunktes ausgegangen werden kann. Wird die Verlegung nur vorgetäuscht (insb. durch Briefkastenadressen), liegt keine Verlegung vor.200 International zuständig bleiben nach wie vor die Gerichte in dem Staat, in dem der tatsächliche Interessenoder Tätigkeitsmittelpunkt des Schuldners belegen ist. Erforderlich ist daher eine tatsächliche Verlegung des maßgeblichen Mittelpunktes durch den Schuldner. Die Gesetzgeber haben mit dem Interessen- bzw. Tätigkeitsmittelpunkt für die Eröffnungszuständigkeit wissentlich einen Anknüpfungspunkt gewählt, der vom Schuldner beeinflusst werden kann. Wegen der Wahl dieses instabilen Anknüpfungspunktes muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber eine Verlegung des Mittelpunktes grundsätzlich zulassen will. Des Weiteren ist zu beachten, dass für eine Verlegung des Mittelpunktes viele (wirtschaftliche, juristische oder persönliche) Gründe ursächlich sein können. Jedoch darf auch nicht verkannt werden, dass der Rechtsmissbrauchsgedanke (exeptio doli praeteriti) die gesamte Rechtsordnung und damit auch das internationale Insolvenzrecht durchzieht. Dementsprechend kann bei international gelagerten Fällen die Schaffung des Anknüpfungspunktes verwerflich sein, wenn damit in anstößiger Art und Weise von der Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch gemacht wird.201 Die Anstößigkeit kann sich dabei nicht aus der Tatsache ergeben, dass der Schuldner den Sitz verlegt hat – diese Möglichkeit haben die Gesetzgeber gerade zugelassen. Die Anstößigkeit kann aber daraus hergeleitet werden, dass sich der Schuldner arglistig und rücksichtslos über die Interessen seiner Gläubiger hinwegsetzt. Damit läuft die Frage, 199 Dostal, ZIP-Report 1998, 969 (970). Daran hat sich auch durch die Insolvenzrechtsreform nichts geändert. 200 MünchKomm z. BGB / Sonnenberger, Bd. 10, Einl. IPR Rn. 760; J. Schmidt, ZInsO 2006, 88 (89); Duursma-Kepplinger, DZWIR 2006, 177 (180 f.). 201 MünchKomm z. BGB / Sonnenberger, Bd. 10, Einl. IPR Rn. 767, 773; Schurig, FS Ferid, S. 375 (401 ff.); Ferid, Internationales Privatrecht, Rn. 3 – 176; Raape / Sturm, Internationales Privatrecht, S. 328.
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ob ein Missbrauchsfall vorliegt, auf eine Bewertung der Motive des Schuldners hinaus. Es kommt mithin darauf an, inwiefern der Schuldner die Gläubiger oder zumindest einzelne Gläubigergruppen durch seinen Umzug benachteiligen will. Das Vorliegen entsprechender Missbrauchsmotive lässt sich in der Praxis anhand von Indizien ermitteln. Diese Indizien lassen sich von nationalen Umzugsfällen durchaus auf international gelagerte Fälle übertragen. Als eines – aber nicht als einziges – Kriterium für einen Missbrauch kann der Umstand herangezogen werden, dass die Schuldnergesellschaft einer Person übertragen wurde, der bereits mehrere Gesellschaften übertragen worden sind, für die allesamt Insolvenzverfahren aufgrund eines von ihr gestellten Eröffnungsantrags durchgeführt wurden oder werden („professionelle Firmenbestatter“).202 Dem steht auch nicht die Entscheidung des BGH vom 20. März 1996 entgegen. Diese besagt nämlich nur, dass „allein“ von einem solchen Sachverhalt nicht schon auf einen Missbrauch geschlossen werden kann.203 Die Verwendung dieses Kriteriums als eines von mehreren Indizien untersagt sie nicht. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, ob der Schuldner am alten Gerichtsstand Geschäftsräume weiterhin unterhält, während er am neuen keine effektiv werbende Tätigkeit mehr aufgenommen hat.204 Besonders gut zu handhaben sind konkrete Fristen. Daher besteht in Bezug auf rein nationale Sachverhalte in Deutschland Einigkeit zwischen Rechtsprechung und Literatur, dass bei einer Insolvenzantragstellung innerhalb der drei-WochenFrist des § 64 Abs. 1 GmbHG205 nach Verlagerung des Sitzes die Vermutung greift, dass die Gesellschaft schon im Zeitpunkt der Sitzverlegung zahlungsunfähig war. Daraus wird der Schluss gezogen, dass eine Erschleichung des Gerichtsstands vorliegen müsse.206 Diese Erwägungen sind nach richtiger Ansicht von Ganter und 202 Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 3 Rn. 12; MünchKomm z. InsO / Ganter, § 3 Rn. 40; vgl. auch Graeber, DZWIR 2006, 205 f. 203 Vgl. BGHZ 132, 195. 204 LG Göttingen, ZIP 1997, 988, 989; vgl. auch AG Düsseldorf, NZI 2000, 555; HeidelKomm z. InsO / Kirchhof, § 3 Rn. 19; MünchKomm z. InsO / Ganter, § 3 Rn. 42; FrankfurterKomm z. InsO / Schmerbach, § 3 Rn. 21 f. Allerdings weisen Kirchhof und Ganter zu recht darauf hin, dass bei dem Umgang mit diesem Indiz Vorsicht geboten ist. Die Gründe für die Nichtauflösung der alten Geschäftsräume und die Nichtaufnahme der werbenden Tätigkeit können vielgestaltig sein. Dessen ungeachtet will Schmerbach auch bei Vorliegen eines solchen Sachverhalts eine Zuständigkeitserschleichung vermuten, FrankfurterKomm z. InsO / Schmerbach, § 3 Rn. 21. Zu in Bezug auf die Festsstellung der internationalen Zuständigkeit irrelevanten Kriterien vgl. BGH, ZIP 2002, 365 (366). 205 Dasselbe sollte in Bezug auf Aktiengesellschaften gelten, für die § 92 Abs. 2 S. 1 AktG ebenfalls eine Maximalfrist von drei Wochen zur Antragsstellung vorsieht. 206 BGHZ 132, 195 (197); LG Magdeburg, ZIP 1997, 2027; FrankfurterKomm z. InsO / Schmerbach, § 3 Rn. 20; MünchKomm z. InsO / Ganter, § 3 Rn. 41; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 3 Rn. 12; Hess / Binz / Wienberg, GesO, § 1 Rn. 227 a; Pape, EWiR § 1 GesO 1 / 97, S. 32; unkonkreter: HeidelKomm z. InsO / Kirchhof, § 3 Rn. 19. Die Zuständigkeitserschleichungen auf nationaler Ebene sind regelmäßig dadurch motiviert, der Aufmerksamkeit der Gläubiger und einem Haftungszugriff durch sie zu entgehen. Des Weiteren soll dem Insolvenzverwalter die Aufklärung von Anfechtungsansprüchen erschwert werden, Wienberg,
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Schmerbach auch auf nicht antragspflichtige Gesellschaften sowie auf natürliche Personen zu übertragen.207 Das ist damit zu begründen, dass es hinsichtlich der Motivation für die Verlegung des Interessenmittelpunktes in dieser Zeit nicht darauf ankommt, ob eine Insolvenzantragspflicht besteht oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, dass bei einem Umzug innerhalb dieser kurzen Frist vor Insolvenzantragstellung viel dafür spricht, dass sich der Schuldner in gläubigerschädigender Absicht entziehen will. Zwar ist auch denkbar, dass eine plötzliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage nach erfolgtem Umzug zur Stellung des Insolvenzantrags führt. In diesem Fall dürfte es für den Schuldner aber ohne weiteres möglich sein, die Ursachen zu plausibilisieren und damit die Vermutung für das Vorliegen unlauterer Motive zu widerlegen.208 Aufgrund der besonderen Praktikabilität bietet es sich an, die Vermutung innerhalb der Frist, in der der Insolvenzantragspflicht nachzukommen ist, auch auf international gelagerte Fälle zu übertragen. Bedenken gegen eine Übertragung ergeben sich auch nicht etwa daraus, dass verschiedene andere Nationen eine konkrete Insolvenzantragspflicht wie im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht nicht kennen.209 Insofern gilt wie bei rein innerdeutschen Sachverhalten, dass Missbrauchsmotive unabhängig von der eigenen Pflicht zur Insolvenzantragstellung innerhalb dieser Frist, in der das Vorliegen von Insolvenzgründen regelmäßig absehbar ist, tatsächlich sehr nahe liegen. Schwieriger zu beurteilen ist der wohl häufigere Fall, in dem eine Verlegung des Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunktes bereits vor Beginn dieser Frist erfolgt ist. Der zehnte Senat des BGH hat in Bezug auf eine Sitzverlegung in den Bereich der GesO vertreten, dass ein Missbrauchsfall ausscheide, wenn der Umzug außerhalb der Frist des § 64 Abs. 1 GmbHG erfolgt.210 Diese Entscheidung – des ansonsten für Insolvenzsachen nicht zuständigen Senats – hat jedoch in der Literatur scharfe Kritik erfahren.211 Sie lade zu Zuständigkeitserschleichungen unter Abwarten einer in: Hess / Weis / Wienberg, InsO, § 3 Rn. 30; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 3 Rn. 12. Zur Zeit der Geltung der GesO war das Bestreben der Schuldner groß, von den Vorteilen des Regelwerkes zu profitieren, so dass ein „Restschuldtourismus“ in Richtung der neuen Bundesländer zu beobachten war, vgl. dazu MünchKomm z. InsO / Ganter, § 3 Rn. 39 sowie LG Magdeburg, ZIP 1996, 2027 (2028); LG Göttingen, ZIP 1997, 988 f. Lediglich Wenzel schlägt für einen solchen Fall die Bejahung der Zuständigkeit des jeweiligen Gerichts i.V.m. eine teleologische Reduktion der Restschuldbefreiungsvorschriften vor, vgl. Wenzel, MDR 1992, 1023 (1025). 207 MünchKomm z. InsO / Ganter, § 3 Rn. 43; FrankfurterKomm z. InsO / Schmerbach, § 3 Rn. 22. 208 Pape, EWiR § 1 GesO 1 / 97, S. 31 (32); FrankfurterKomm z. InsO / Schmerbach, § 3 Rn. 20. Eine entsprechende Abwägung der Motive nimmt der High Court of Justice Leeds im Fall der Verlagerung des Geschäftssitzes der Ci4net vor, um ein unzulässiges forum shopping von einer beachtlichen Verlegung des Mittelpunktes abzugrenzen, vgl. High Court of Justice Leeds, ZIP 2004, 1769 ff. 209 So zwingt z. B. in England lediglich die Geschäftsführerhaftung aus einem fraudulent oder wrongfull trading bei Fortsetzung der Geschäfte in betrügerischer Absicht mittelbar zu einem Insolvenzantrag, vgl. Sec. 212 ff. Insolvency Act 1986. 210 BGHZ 132, 195.
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„Schamfrist“ von drei Wochen ein.212 Deshalb ist davon auszugehen, dass der BGH in Zukunft nicht an dieser Rechtsprechung festhalten wird.213 Es ist vielmehr sachgerecht, die Motivation für eine Verlegung des maßgeblichen Mittelpunktes genauer zu prüfen, wenn der Insolvenzantrag durch den Schuldner innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach einer Verlagerung des Mittelpunktes ins Ausland gestellt wurde.214 Dass eine so lange Frist angemessen ist, ergibt sich bereits aus der Wertung der französischen Regelung sowie des Entwurfs eines Konkursübereinkommens von 1980.215 Gibt es in diesem Zeitraum erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die Verlegung des Mittelpunktes lediglich das Ziel verfolgt, eine fremde, schuldnerfreundlichere Insolvenzrechtsordnung zur Anwendung zu bringen, so handelt es sich um gläubigerschädigendes Verhalten. Eine solche Verlegung ist rechtsmissbräuchlich.216 Zwar muss ein Gläubiger grundsätzlich einen Umzug des Schuldners hinnehmen, denn darauf hat er sich mit Begründung der Forderung eingelassen. Nicht eingelassen hat sich der Gläubiger aber auf Handlungen, die bewusst seiner Schädigung dienen. Bei der Ermittlung der Motive des Schuldners kann insbesondere der Umstand berücksichtigt werden, inwiefern der Schuldner konkret besser gestellt und der Gläubiger daran gehindert wird, seine Forderungen durchzusetzen. Es hat also ein Vergleich der Rechtswirkungen des Insolvenzverfahrens in dem Staat, in den der Schuldner seinen Interessen- bzw. Tätigkeitsmittelpunkt verlegt hat, mit den Rechtswirkungen eines Verfahrens in dem Staat der ursprünglichen Mittelpunktsbelegenheit zu erfolgen.217 Von besonderer Wichtigkeit ist dabei insbesondere ein Vergleich der Restschuldbefreiungsmöglichkeiten zulasten der Gläubiger. Der Umstand allein, dass die Gläubiger ihre Forderungen jetzt im Ausland geltend machen müssen, kann aber beispielsweise nicht ausreichen, da Forderungsanmeldlungen im Ausland vom internationalen Insolvenzrecht grundsätzlich hingenommen werden. 211 FrankfurterKomm z. InsO / Schmerbach, § 3 Rn. 21 ff.; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 3 Rn. 12; Liersch, in: Braun, InsO, § 3 Rn. 23; Paulus, EWiR § 1 GesO 2 / 96, S. 741 (742). 212 FrankfurterKomm z. InsO / Schmerbach, § 3 Rn. 21. 213 So auch Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 3 Rn. 12. 214 In diesem Sinne auch Johnson, International Insolvency Review 1996, S. 80 (93): „This kind of forum shopping might be discouraged by including in the Convention’s Explanitory Report a statement that such conduct should be disregarded for puroses of overcoming the presumption, especially if it occurs within a relatively close time-frame with the insolvency (i.e., 180 days), and courts should balance the business justifications for relocation of management or headquarters with the other factors.“ Der High Court of Justice Leeds spricht im Fall Ci4net von willkürlichen Verlegungen einige Wochen oder Monate vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch, vgl. High Court of Justice Leeds, ZIP 2004, 1769. 215 Vgl. 2. Teil § 5 IV. 2., S. 99 f. 216 Ebenso zum Verhältnis GesO und KO / VglO: Haarmeyer / Wutzke / Förster, GesO, § 1 Rn. 258. 217 Ähnlich Duursma-Kepplinger, die eine wesentliche Verschlechterung für die inländischen Gläubiger aufgrund der zur Anwendung gebrachten lex fori concursus verlangt, Duursma-Kepplinger, DZWIR 2006, 177 (180).
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b) Versagung der Anerkennung aufgrund fehlender internationaler Zuständigkeit Im Hinblick auf nationale Sachverhalte wird in Deutschland vorgeschlagen, dass sich das Gericht, an dem der Insolvenzantrag gestellt wird, im Falle missbräuchlicher Inanspruchnahme der Zuständigkeit für unzuständig erklärt. Die frühere Zuständigkeit soll unverändert bestehen bleiben.218 Dieses Ergebnis lässt sich mit dem allgemeinen Rechtsmissbrauchstatbestand des § 242 BGB begründen.219 Teilweise wird auch § 117 Abs. 1 BGB entsprechend herangezogen, wenn es erkennbar an der Absicht fehlt, einen neuen, effektiven Firmensitz zu begründen.220 Überträgt man diesen Ansatz auf das internationale Insolvenzrecht,221 muss man die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Staats, in den der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen bzw. der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit missbräuchlicherweise verlegt wurde, verneinen. Konsequenterweise sollte sich also das Gericht, bei dem der Insolvenzantrag gestellt wird, für unzuständig erklären und den Schuldner auf ein Verfahren in dem Staat verweisen, in dem der maßgebliche Mittelpunkt zuvor belegen war. Wessels untermauert dieses Ergebnis mit einer Heranziehung europäischer Gemeinschaftsprinzipien. Danach verpflichte das Gebot der Gleichbehandlung der Schuldner sowie die Rechtssicherheit für die Gläubiger zu einem solchen Vorgehen der Gerichte.222 Jedoch kann auch noch allgemeiner in Bezug auf die EU und darüber hinaus mit den im IPR anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen223 argumentiert werden. Das sind die Rechtsgrundsätze, die in allen oder zumindest den meisten innerstaatlichen Rechtsordnungen angewendet werden.224 Der Rechtsmissbrauchstatbestand, nach dem sich ein arglistig Handelnder nicht auf eine formale Rechtsposition berufen kann, ist in allen relevanten Rechtsordnungen anerkannt.225 Dementsprechend lässt sich die deutsche Bezugnahme auf den Rechtsmissbrauchstatbestand auf international gelagerte Fälle übertragen. 218 Vgl. LG Magdeburg, ZIP 1996, 2027 (2028); LG Göttingen, ZIP 1997, 988 f.; a.A. nur Skrotzki, KTS 1960, 71 unter Berufung auf die Freizügigkeit des Schuldners. 219 HeidelKomm z. InsO / Kirchhof, § 3 Rn. 19. 220 AG Düsseldorf, NZI 2000, 555; LG Göttingen, ZIP 1997, 988 f.; LG Magdeburg, ZIP 1996, 2027 f.; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 3 Rn. 12; Andres, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 3 Rn. 10. 221 So wohl auch MünchKomm z. InsO / Ganter, § 3 Rn. 45. 222 Wessels, online: http: / / www.ilf-frankfurt.de / publications / ILF_WP_017.pdf (3. 1. 2007), S. 15. Dies verkennen Haß und Herweg, die Verlegungen des maßgeblichen Mittelpunktes vor Insolvenzantragstellung zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten immer als beachtlich ansehen wollen, Haß / Herweg, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 3 Rn. 17. 223 Vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht, § 12 I 3, mit Bezugnahme auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze als anerkannte Rechtsquelle des Völkerrechts. 224 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 10 III 2 d. 225 Vgl. Hk-BGB / Schulze, § 242 Rn. 10; für Deutschland: Palandt / Heinrichs, § 242 Rn. 40 ff.
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Probleme ergeben sich erst dann, wenn das ausländische Gericht, bei dem nach erfolgtem Umzug ein Eröffnungsantrag eingereicht wurde, ungeachtet des soeben Dargestellten ein Insolvenzverfahren eröffnet. Dem Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO bzw. des § 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO nach, könnte die Eröffnungsentscheidung mangels internationaler Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts nicht anerkannt werden. Demnach ergäben sich durch die missbräuchlich zur Anwendung gebrachte lex fori concursus keine (oder zumindest geringere) Nachteile für die Gläubiger. aa) Internationale Zuständigkeit als Voraussetzung in Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO? Zwar wurde in der Literatur früher oftmals einschränkungslos vom Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO ausgegangen.226 Das ist damit zu begründen, dass teleologische Gesichtspunkte sowie der Erwägungsgrund 22 zur EuInsVO nicht in die Überlegungen mit einbezogen worden sind. Jedenfalls ist das Ergebnis heute zumindest auf europäischer Ebene so einschränkungslos und ohne Begründung nicht mehr vertretbar.227 Erwägungsgrund 22 erklärt in S. 3, dass die Anerkennung von Entscheidungen der Gerichte der Mitgliedstaaten am Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens auszurichten ist („community trust“). Die Gründe für die Nichtanerkennung sind daher auf das unbedingt zwingende Maß zu beschränken. Das ergibt sich zum einen ausdrücklich aus S. 4 des Erwägungsgrundes und zum anderen aus dem Ziel der VO, internationale Insolvenzsachverhalte möglichst effizient – d. h. mit nur einem Hauptinsolvenzverfahren – zu bewältigen.228 Die internationale Zuständigkeit ist nicht wie etwa der ordre public ein zwingend notwendiger „Puffer“ zwischen den Rechtsordnungen. Folglich ist nicht entscheidend, ob der Eröffnungsstaat die internationalen Zuständigkeitsregeln tatsächlich eingehalten hat. Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass das verfahrenseröffnende Gericht die internationale Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO für sich in Anspruch genommen haben muss.229 Eine über diese Inanspruchnahme hinausgehende Überprüfung der Zuständigkeit durch ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats soll nicht stattfinden.230 Dieser Ansicht hat sich der 226 Vgl. Laut, Universalität und Sanierung, S. 87; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, S. 361; wohl auch Homann, System der Anerkennung, S. 89. 227 Anders nur noch Mankowski, RIW 2004, 587 (598). 228 Vgl. Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 16 Rn. 14. 229 OLG Wien, NZI 2005, 56 (57); Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 282 f.; Leipold, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 185 (192); Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (103 Nr. 202); Huber, ZZP 2001, 133 (146). 230 Israël, European Cross-Border Insolvency Regulation, S. 123; Smid, Deutsches und europäisches internationales Insolvenzrecht, Art. 16 EuInsVO Rn. 5; Morscher, EuInsVO, S. 22. Damit kommt man mittels Auslegung der EuInsVO zum selben Ergebnis, wie in der
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EuGH in seiner Entscheidung der Vorlagefrage des Supreme Court of Ireland im Fall Eurofood / Parmalat angeschlossen.231 Die tatsächliche Einhaltung der Zuständigkeit ist folglich nicht als Tatbestandsmerkmal des Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO zu prüfen.232 Mithin können die von einer missbräuchlichen Sitzverlegung betroffenen Gläubiger – selbst bei grob fehlerhafter Inanspruchnahme der Zuständigkeit durch das eröffnende Gericht – nicht durch eine Verweigerung der Anerkennung wegen mangelnder internationaler Zuständigkeit vor den Folgen einer für sie ungünstigen lex fori concursus geschützt werden. bb) Voraussetzung der internationalen Zuständigkeit im autonomen deutschen Anerkennungsrecht Die Interessen im autonomen deutschen internationalen Insolvenzrecht sind anders gelagert. Die Vorschriften fußen nicht wie die EuInsVO auf dem Grundsatz eines gegenseitigen Vertrauens. Ein derartiges Vertrauen in fremde Rechtssysteme, wie es sich innerhalb der EU herausgebildet hat, ist weltweit schlicht nicht vorhanden. Aus diesem Grund ist die Einhaltung der internationalen Eröffnungszuständigkeit bei § 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO anders als bei Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO eine echte Anerkennungsvoraussetzung.233 Das findet seine Bestätigung in der Rechtsprechung des BGH in Fällen mit grenzüberschreitendem Bezug zu NichtEU-Staaten vor Erlass des § 343 InsO. Hier wurde die internationale Zuständigkeit in Abweichung von den Fällen, die der EuInsVO unterfallen, jeweils ausdrücklich geprüft, um willkürlichen Verfahrenseröffnungen keine Inlandswirkung zu geben.234 Schließlich besteht auch bei der Parallelvorschrift zur Anerkennung ausländischer Urteile in § 328 Abs. 1 ZPO Einigkeit darüber, dass die Missachtung der internationalen Zuständigkeit durch das urteilende Gericht (§ 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) der Anerkennung des Urteils im Inland entgegensteht.235 Demnach könnte einem Insolvenzverfahren, das in einem Staat eröffnet worden ist, der nicht dem Anwendungsbereich der EuInsVO unterfällt, im Falle einer missEuGVVO, nur das die Überprüfung der internationalen Zuständigkeit hier ausdrücklich durch Art. 35 Abs. 3 S. 1 EuGVVO untersagt wird. 231 EuGH, EuZW 2006, 337 (338 f.); Vorlagebeschluss: Supreme Court of Ireland, NZI 2004, 505 – 510. In diesem Sinne führte der BGH schon vor Inkrafttreten der EuInsVO zu einem deutsch-französischen Sachverhalt aus, dass ein deutsches Gericht nicht prüfen darf, ob die französische Zuständigkeit auf einer rechtsmissbräuchlichen Wohnsitzverlagerung beruht, BGH, ZIP 2002, 365 (366 f.). 232 Saenger / Klockenbrink, EuZW 2006, 363 (364 f.); Poertzgen / Adam, ZInsO 2006, 505 (508). 233 Ebenso differenzierend Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 137, 282 f. 234 BGHZ 122, 373 (375) in Bezug auf die Anerkennung einer schweizerischen Insolvenzentscheidung sowie BGHZ 134, 79 (80 f.) in Bezug auf die Anerkennung einer norwegischen Insolvenzentscheidung. 235 Vgl. dazu Hk-ZPO / Dörner, § 328 Rn. 21 ff.; Musielak, in: Musielak, ZPO, § 328 Rn. 9 ff.; Geimer, in: Zöller, ZPO, § 328 Rn. 96 ff.
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bräuchlichen Verlegung des Mittelpunktes der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners die Anerkennung zu versagen sein.236 Auf diese Weise wären die Gläubiger den Beeinträchtigungen durch die missbräuchlich zur Anwendung gebrachte lex fori concursus nicht ausgesetzt.
c) Versagung der Anerkennung aufgrund des ordre-public-Vorbehalts Duursma-Kepplinger schlägt für den Fall einer missbräuchlichen Verlegung des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen die Heranziehung des ordre-publicVorbehalts vor.237 Dieser könne gegebenenfalls zu einer Versagung der Anerkennung eines einschlägigen Verfahrens führen.238 Ähnliche ist der BGH in einer Entscheidung aus der Zeit vor Inkrafttreten der EuInsVO zu verstehen, in der er ausführt, dass eine Wohnsitzverlegung (innerhalb der EU) zu rechtsmissbräuchlichen Zwecken allenfalls im Rahmen der deutschen öffentlichen Ordnung zu berücksichtigen sei.239 Auch Leipold240 und Kolmann241 meinen, dass im Falle einer groben Missachtung der internationalen Zuständigkeit über eine Anerkennungsverweigerung wegen eines ordre-public-Verstoßes nachgedacht werden könne.
d) Stellungnahme Damit bleibt festzuhalten, dass sich grundsätzlich zwei Ansätze gegenüber stehen, mit deren Hilfe die Gläubiger vor missbräuchlich zur Anwendung gebrachten Insolvenzstatuten geschützt werden können: Einerseits kommt eine Anerkennungsverweigerung wegen eines Verstoßes gegen den ordre public in Betracht. Andererseits kann die Anerkennung wegen fehlender internationaler Zuständigkeit verweigert werden. Eine Anerkennungsverweigerung wegen fehlender internationaler Zuständigkeit scheidet jedoch aus, wenn der Schuldner seinen Interessenmittelpunkt innerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs der EuInsVO verlegt. In diesem Fall könnte allenfalls auf den ordre-public-Vorbehalt zurückgegriffen werden. 236 Anders als im deutschen Recht kann die Rechtskraft nach ausländischem Recht auch nicht zu einer Heilung des Zuständigkeitsmangels führen; vgl. dagegen für innerdeutsche Sachverhalte FrankfurterKomm z. InsO / Schmerbach, § 3 Rn. 33. Das ist damit zu erklären, dass die internationale Zuständigkeit ja gerade ausdrücklich normierte Anerkennungsvoraussetzung ist, unabhängig davon, ob gegen die ausländische Eröffnungsentscheidung mit Rechtsmitteln vorgegangen wurde bzw. überhaupt vorgegangen werden konnte. 237 Duursma-Kepplinger, DZWIR 2006, 177 (180); Duursma-Kepplinger, in: DuursmaKepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 17 mit Verweis auf Morscher, EuInsVO, S. 21. 238 Duursma-Kepplinger, DZWIR 2006, 177 (180); Duursma-Kepplinger, in: DuursmaKepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 17. 239 BGH, ZIP 2002, 365, 367 f. 240 Leipold, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 185 (192). 241 Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 289.
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Das setzt jedoch voraus, dass der ordre-public-Vorbehalt tatsächlich auf Zuständigkeitserschleichungen durch Umzug des Schuldners anwendbar ist. Der ordrepublic-Vorbehalt ist „eine Art Überdruckventil“242. Er dient der Vermeidung von Spannungen, die durch die Ausführung fremden Rechts innerhalb der eigenen Rechtsordnung entstehen.243 Mithin wird der Rechtsanwendungsprozess einer Residualkontrolle unterzogen, die verfassungsrechtlich mittelbar auf der Souveränität der Staaten fußt.244 Zum Rechtsanwendungsprozess gehört auch die Einhaltung der internationalen Zuständigkeit. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem Staat, in den der Schuldner seinen Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunkt rechtsmissbräuchlich verlegt hat, verstößt gegen die internationale Zuständigkeitsordnung. Demnach käme eine Anwendung des ordre-pubic-Vorbehalts durchaus in Betracht. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass der ordre-public-Vorbehalt in Art. 26 EuInsVO und § 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO grundsätzlich einem anderen Zweck dient: Der ordre-public-Vorbehalt soll Wirkungen, die nach der lex fori concursus rechtmäßigerweise eintreten aber mit den Grundsätzen des Rechts des anerkennenden Staats unvereinbar sind, abwehren. Jedenfalls innerhalb der EU ist gemäß dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (Erwägungsgrund 22 S. 3 zur EuInsVO) nämlich davon auszugehen, dass das nationale Recht im Verfahrensstaat rechtmäßig angewendet wird. Des Weiteren zwingt der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zu der Annahme, dass im Verfahrensstaat ausreichende Rechtsbehelfe gegen etwaige Rechtsverstöße offen stehen,245 so dass es keiner Rechtmäßigkeitskontrolle im Anerkennungsstaat bedarf. Mithin ist eine Überprüfung der Eröffnungsentscheidung auf ihre Vereinbarkeit mit der lex fori concursus (révision au fond) im Rahmen des ordre-public-Vorbehalts nicht zulässig.246 Folglich kann die rechtswidrige Inanspruchnahme der internationalen Zuständigkeit aufgrund von gläubigerschädigender Zuständigkeitserschleichung durch den Schuldner nicht zu einer Versagung wegen ordre-public-Widrigkeit führen. Des Weiteren ist in Bezug auf die EuInsVO zu berücksichtigen, dass sich Rechtsprechung und Literatur mit erheblichem Argumentationsaufwand über den Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO hinwegsetzen, in dem die internationale Zuständigkeit des verfahrenseröffnenden Gerichts ausdrücklich gefordert wird.247 Würde man die fehlende internationale Zuständigkeit wegen missbräuchlicher Vervon Bar / Mankowski, Internationales Privatrecht, § 7 Rn. 258. von Bar / Mankowski, Internationales Privatrecht, § 7 Rn. 258. 244 Schemmer, Der ordre public-Vorbehalt unter dem Grundgesetz, S. 105 – 107. 245 OLG Wien, NZI 2005, 57 (59); vgl. auch EuGH, NJW 2000, 2185 (2186). 246 Öst. OGH, NZI 2005, 465 (466); Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (102 Nr. 202); Israël, European Cross-Border Insolvency Regulation, S. 123; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 26 EuInsVO Rn. 2; Morscher, EuInsVO, S. 26; Knof / Mock, ZIP 2006, 189 (190). Vgl. auch die ausdrücklichen Regelungen der révision au fond in Art. 29 EuGVÜ und Art. 36 EuGVVO. 247 Vgl. 2. Teil § 5 IV. 2. b) aa), S. 105 f. 242 243
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legung des Interessenmittelpunktes durch den Schuldner nun im Rahmen des ordre-public-Vorbehaltes berücksichtigen, hieße das, die Erwägungen von Rechtsprechung und Literatur außer Acht zulassen. Eine Berücksichtigung würde nämlich wieder auf eine Prüfung der internationalen Zuständigkeit durch die Hintertür des ordre-public-Vorbehalts hinauslaufen. Denkbar wäre mithin allenfalls noch, für die ordre-public-Prüfung einen anderen Anknüpfungspunkt als die fehlende internationale Zuständigkeit zu wählen. Beispielsweise könnte ganz abstrakt – unabhängig von der Frage der Zuständigkeit – auf die missbräuchlich herbeigeführten Wirkungen der die Gläubigerinteressen beeinträchtigenden lex fori concursus abgestellt werden.248 Ein solches Vorgehen läuft jedoch auf eine normale Prüfung der Voraussetzungen eines ordre-public-Verstoßes hinaus.249 Ein Verstoß würde mithin nur dann bejaht werden, wenn die Anerkennung ohnehin – unabhängig von der missbräuchlichen Verlegung des Interessenmittelpunktes – zu versagen ist. Der missbräuchliche Umzug des Schuldners käme bei der Prüfung damit nicht zur Geltung. Auch dafür, dass die Voraussetzungen an einen ordre-public-Verstoß bei missbräuchlichen Verschiebungen des Interessenmittelpunktes herabzusetzen sind, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Folglich führt auch die Wahl eines anderen Anknüpfungspunktes als die fehlende internationale Zuständigkeit bei der ordre-public-Prüfung nicht zu einem erhöhten Schutz der Gläubiger vor einem forum shopping des Schuldners bei der lex fori concursus. Im deutschen internationalen Insolvenzrecht spricht ein systematisches Argument gegen die Heranziehung des ordre-public-Vorbehalts. Die fehlende internationale Zuständigkeit führt hier bereits nach § 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO zu einer Versagung der Anerkennung der Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens.250 Für eine Lösung des Problems der missbräuchlichen Verlagerung des Tätigkeitsmittelpunktes über § 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO könnte lediglich sprechen, dass der ordre-public-Vorbehalt das mildere Mittel wäre. Während § 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO nämlich immer eine vollständige Versagung der Anerkennung des ausländischen Verfahrens nach sich zieht, kann eine ordre-public-Verletzung auch zu einer zurückhaltenderen Teilversagung der Anerkennung von beeinträchtigenden Wirkungen führen.251 Es besteht jedoch im Verhältnis zum verfahrenseröffnenden Staat kein Anlass, das mildere Mittel einzusetzen. Insbesondere lässt der Wortlaut des § 343 Abs. 1 S. 2 InsO keinen Raum für eine solche Wertung. Insolvenzeröffnungen durch ein Gericht, welches sich trotz einer Zuständigkeitserschleichung für international zuständig erklärt hat, kann bei Anwendung des deutschen internationalen Insolvenzrechts folglich nur mit einer Anerkennungsversagung nach § 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO begegnet werden. Die EuInsVO stellt die 248 249 250 251
So wohl im Ansatz BGH, ZIP 2002, 365, 367 f. Vgl. 2. Teil § 5 II. 7., S. 80 ff. Vgl. 2. Teil § 5 IV. 2. b) bb), S. 106 f. Vgl. 2. Teil § 5 II. 7. e), S. 88 f.
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2. Teil: Analyse des Zusammenspiels der Insolvenzrechtsordnungen
Gläubiger gänzlich schutzlos, da eine Verweigerung der Anerkennung der Verfahrenseröffnung weder wegen fehlender internationaler Zuständigkeit, noch wegen eines ordre-public-Verstoßes zulässig ist.252 Den Gläubigern bleibt mithin nur eine Überprüfung der Eröffnungsentscheidung durch die Gerichte des Staats, in dem das Verfahren eröffnet wurde.253 3. Zusammenfassende Würdigung Die Beeinflussbarkeit der internationalen Zuständigkeit der Gerichte für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (forum shopping) führt zu einer erheblichen Schwächung der Position der Gläubiger. Sie ermöglicht nicht nur sog. blockierende Torpedos und Verschleppungstaktiken zu ihren Lasten. Ein Schuldner kann durch eine Verlagerung des Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunktes aufgrund der Abhändigkeit der lex fori concursus von der Eröffnungszuständigkeit (vgl. Art. 4 EuInsVO und § 335 InsO) sogar Einfluss auf das in einem Insolvenzverfahren anzuwendende Recht nehmen. Gegen ein solches forum shopping des Schuldners können sich die Gläubiger nicht durch etwaige Gerichtsstandsvereinbarungen schützen. Die Zuständigkeitsbestimmungen für die Eröffnung von Insolvenzverfahren sind nämlich ausschließliche254 und somit nicht disponibel (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 4 InsO). Die entscheidende Einflussnahmemöglichkeit für die Gläubiger auf das anzuwendende Insolvenzrecht ist die frühzeitige Stellung eines Insolvenzantrags über das Vermögen des Schuldners („Vorsichtsantrag“). Nach der Insolvenzantragstellung greift sowohl nach europäischem als auch nach deutschem internationalen Insolvenzrecht eine perpetuati fori. Mithin verliert das Gericht, bei dem der Insolvenzantrag gestellt wurde seine internationale Zuständigkeit nicht mehr, auch wenn der Schuldner seinen Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunkt in einen anderen Staat verlegt. Erfolgt der Umzug dagegen vor Insolvenzantragstellung, hängt die Bejahung der internationalen Zuständigkeit für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens davon ab, ob ein Missbrauchsfall vorliegt oder nicht. Erfolgte der Umzug missbräuchlich, so bleiben die Gerichte des Staats, in dem der Schuldner ursprünglich seinen Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunkt hatte, international zuständig. Diese ausdifferenzierte Regelung der Eröffnungszuständigkeit findet seine Grenzen in der Anerkennungskomponente. Da die Anerkennung ausländischer In252 Folglich stellt sich auch die Frage, inwieweit eine Versagung der Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens nach einer Sitzverlegung (mittelbar) mit der Niederlassungsfreiheit aus Art. 43, 46, 48 EG kollidiert, nicht. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass eine Berufung auf die Niederlassungsfreiheit ausscheidet, wenn im konkreten Fall ein Missbrauch nachgewiesen wird, vgl. schon EuGH, NJW 2003, 3331 (3335). 253 Saenger / Klockenbrink, EuZW 2006, 363 (365); Knof / Mock, ZIP 2006, 189 (190). 254 HeidelKomm z. InsO / Kirchhof, § 3 Rn. 4; Andres, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 3 Rn. 3; Becker, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 3 Rn. 20; für Art. 3 EuInsVO: BGH, DZWIR 2006, 254 (255).
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solvenzeröffnungsentscheidungen nach dem Prioritätsprinzip erfolgt, setzt sich die lex fori concursus des Staats durch, in dem ein Gericht zuerst ein Insolvenzverfahren mit universalem Geltungsanspruch eröffnet255 – auch wenn die Eröffnung auf einen erst später gestellten Schuldnerantrag zurückgeht. Eine solch „überholende“ Verfahrenseröffnung kann schon deshalb vorkommen, weil dem schneller eröffnenden Gericht die Stellung des Gläubigerantrags im Ausland nicht bekannt sein kann. Lediglich im Fall der Geltung des relation-back-principle setzt sich der frühere Insolvenzantrag durch, wenn später auch auf diesen Antrag hin ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.256 Da das Rückwirkungsprinzip aber insbesondere in den weniger gläubigerfreundlichen angelsächsischen Rechtsordnungen verankert ist, dürfte dies den Gläubigern nur selten nützen. Lediglich das autonome deutsche internationale Insolvenzrecht sieht mit der Anerkennungsvoraussetzung der Einhaltung der internationalen Eröffnungszuständigkeit in § 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO ein Korrektiv zur unrechtmäßigen Inanspruchnahme der internationalen Zuständigkeit vor. Die EuInsVO verfügt nicht über einen entsprechenden Kontrollmechanismus. Ironisierend lässt sich dieser Umstand daher so beschreiben, dass das, was bei der Festlegung der Kriterien für die internationale Zuständigkeit (Kriterien des COMI, Geltung der perpetuatio fori, fehlende internationale Zuständigkeit in Missbrachsfällen) mühsam mit der rechten Hand aufgebaut wurde, in der Anerkennungskomponente von der linken Hand unter Hinweis auf ein abstraktes gegenseitiges Vertrauen innerhalb der EU wieder eingerissen wird. Auch die Möglichkeit, sich gegebenenfalls vor den Gerichten des Eröffnungsstaats gegen die unrechtmäßige Inanspruchnahme der internationalen Zuständigkeit zu wehren, bietet den Gläubigern nur eingeschränkten Schutz. Da insbesondere die Gerichte im angelsächsischen Rechtskreis ihre internationale Zuständigkeit in der Vergangenheit sehr bereitwillig bejahten,257 hatten Rechtsmittel gegen die Eröffnungsentscheidung nur wenig Aussicht auf Erfolg. Erfreulich ist insoweit, dass der EuGH mit seinen Entscheidungen in den Fällen Eurofood / Parmalat258 und Staubitz-Schreiber259 wenigstens einige Anhaltpunkte für eine europaweit einheitliche Auslegung der Zuständigkeitsbestimmungen der EuInsVO gegeben hat.260 Daraus folgt wenigstens ein gewisser Schutz für die Gläubiger. 255 Zum Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vgl. 2. Teil § 5 II. 6. a) – c), S. 76 ff. 256 Vgl. 2. Teil § 5 II. 6. b), S. 79. 257 Vgl. dazu Bähr / Riedemann, ZIP 2004, S. 1066; Sabel, NZI 2004, 126 f.; Leithaus, NZI 2004, 194 f.; Herchen, ZInsO 2004, 61 (62); Schilling / Schmidt, ZInsO 2006, 113 (116); Poertzgen / Adam, ZInsO 2006, 505 (506); Kammel, NZI 2006, 334 (335) sowie Mankowski, EWiR 2003, 1239, der von „aggressiv-eigennütziger Auslegung“ spricht. 258 EuGH, EuZW 2006, 337 ff. 259 EuGH, DZWIR 2006, 196 ff. 260 Der High Court of Justice London hat unter Bezugnahme auf den EuGH bereits in einem Fall die Eröffnung eines Insolvenzverfahren ins England mangels eigener internationaler Zuständigkeit abgelehnt, vgl. FAZ vom 27. 12. 2006, S. 11.
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2. Teil: Analyse des Zusammenspiels der Insolvenzrechtsordnungen
Die frühzeitige Stellung eines „Vorsichtsantrags“ ist schließlich noch aus einem weiteren Grund kein akzeptables und ausreichendes Schutzinstrument für die Gläubiger. Ein verfrühter Antrag wird nämlich gegebenenfalls als unbegründet zurückgewiesen.261 Nach Abweisung des Antrags greift die perpetuatio fori nicht mehr. Folglich kann der Schuldner umziehen und damit eine neue internationale Eröffnungszuständigkeit begründen, so dass das Gericht, bei dem der verfrühte Antrag gestellt worden ist, grundsätzlich nicht mehr international zuständig ist. Die Gläubiger sind mithin darauf angewiesen, dass die befassten Gerichte bei der Klärung ihrer Zuständigkeit den Umzug gegebenenfalls als missbräuchlich einstufen und unberücksichtigt lassen.
§ 6 Rechtsverfolgung durch Insolvenzantrag und Forderungsanmeldung Das primäre Interesse der Gläubiger in der materiellen Insolvenz des Schuldners ist die optimale Befriedigung der eigenen Forderungen. Da der Einzelvollstreckung in dieser Situation verschiedene nationale Vorschriften (Rückschlagsperren, Insolvenzanfechtungsregeln) entgegenstehen, sind die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger eingeschränkt. Die entscheidenden Gestaltungsinstrumente, die den Gläubigern in der materiellen Insolvenz des Schuldners verbleiben, sind die Stellung eines Insolvenzantrags (I.) und die Anmeldung ihrer Forderungen zur Tabelle (II.).
I. Insolvenzantrag als Einflussnahmemöglichkeit der Gläubiger Die Rechtswirkungen eines Insolvenzverfahrens richten sich gemäß Art. 4 EuInsVO bzw. § 335 InsO nach der lex fori concursus, d. h. nach dem Insolvenzstatut des verfahrenseröffnenden Staats.262 Art. 28 EuInsVO bestätigt diesen Grundsatz noch einmal für Sekundärinsolvenzverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO. In welchem Staat ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, hängt von der Stellung eines Insolvenzantrags ab. Unter welchen Voraussetzungen ein Insolvenzantrag zulässig ist, ist wiederum abhängig von der lex fori concursus (Art. 4 Abs. 2 S. 1 EuInsVO bzw. § 335 InsO) sowie von einzelnen Bestimmungen des internationalen Insolvenzrechts. Will ein Gläubiger ein ihm günstiges Insolvenzrecht zur Anwendung bringen hat er anhand der angesprochenen Regelungen zu prüfen, ob sein Antrag zulässig und begründet wäre. 261 Zu den daraus resultierenden Kostenfolgen für die Gläubiger vgl. 2. Teil § 6 I. 5., S. 141. 262 Vgl. dazu schon 2. Teil § 5 III., S. 89 ff.
§ 6 Rechtsverfolgung durch Insolvenzantrag
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1. Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens Zentrale Prüfungspunkte bei der Stellung eines Insolvenzantrags auf Eröffnung eines Hauptverfahrens sind die internationalen Eröffnungszuständigkeit des Staats, in dem der Antrag gestellt werden soll, die eigene Antragsbefugnis, die Insolvenzfähigkeit des Schuldners sowie die Erfüllung eines Eröffnungsgrundes. a) Internationale Zuständigkeit Die internationale Zuständigkeit bestimmt sich bei grenzüberschreitenden Sachverhalten innerhalb der EU nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO und bei Sachverhalten mit Bezug zu Drittstaaten nach der doppelfunktionalen Regelung des § 3 InsO.263 b) Antragsbefugnis der Gläubiger Vorschriften, die speziell die Antragsbefugnis der Gläubiger bezüglich eines Hauptverfahrens regeln, finden sich weder in der EuInsVO noch im deutschen internationalen Insolvenzrecht. Maßgeblich für die Antragsbefugnis der Gläubiger ist daher das Insolvenzstatut des Staats, in dem das Hauptverfahren eröffnet werden soll (Art. 4 Abs. 2 S. 1 EuInsVO bzw. § 335 InsO). c) Insolvenzfähigkeit des Schuldners Vor Stellung eines Insolvenzantrags muss der Gläubiger prüfen, ob der Schuldner insolvenzfähig ist. Die Insolvenzfähigkeit des Schuldners richtet sich nach der lex fori concursus (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. a EuInsVO). Das autonome deutsche internationale Insolvenzrecht ordnet das zwar nicht ausdrücklich an. Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich allerdings aus der Generalnorm des § 335 InsO. Hinsichtlich der Bejahung der Insolvenzfähigkeit eines Schuldners bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen. Nach vielen Insolvenzstatuten sind beispielsweise natürliche Personen, die keine Kaufmannseigenschaft besitzen, nicht insolvenzfähig.264 Gleiches gilt im Übrigen auch für öffentlichrechtliche Körperschaften.265 Vgl. dazu bereits 2. Teil § 5 II. 6., S. 75 ff. Das gilt z. B. für das belgische, griechische, luxemburgische, portugiesische und spanische Insolvenzrecht; Moss / Fletcher / Isaacs, The EC regulation on insolvency Proceedings, Rn. 3.19 Fn. 14, Rn. 4.07 Fn. 10; Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 4 Rn. 22 (insb. Fn. 43); Paulus, EWS 2002, 497 (501), der den romanischen Rechtskreis benennt. In Italien sind selbst Kleinkaufleute gem. Art. 2083 Codice Civile (piccoli imprenditori) nicht insolvenzfähig; vgl. Moss / Fletcher / Isaacs, The EC regulation on insolvency Proceedings, Rn. 4.07 Fn. 10. Seit der Insolvenzrechtsreform vom 1. 1. 2006 sind in Frankreich auch Freiberufler insolvenzfähig; Omar, I.C.C.L.R. 2005, 490 (492). 265 MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 4 EuInsVO Rn. 3. 263 264
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2. Teil: Analyse des Zusammenspiels der Insolvenzrechtsordnungen
d) Eröffnungsgrund Des Weiteren bestimmt sich das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes nach dem nationalen Insolvenzrecht des Eröffnungsstaats (Art. 4 Abs. 2 S. 1 Fall 1 EuInsVO bzw. § 335 InsO).266 Besondere Aufmerksamkeit verdient hier die Prüfung, ob die Eröffnungsgründe der lex fori concursus auch für den Fall gelten, dass ein Gläubiger den Insolvenzantrag stellt. Beispielhaft sei hier nur die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) erwähnt, auf die sich ein Gläubigerantrag nicht stützen kann. 2. Eröffnung eines Sekundärverfahrens Sekundärinsolvenzverfahren sind solche Verfahren, die nach der Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens eröffnet werden (vgl. Art. 3 Abs. 3 S. 1 EuInsVO und § 356 Abs. 1 S. 1 InsO). Diese Verfahren treten gemäß Art. 27 S. 3 EuInsVO bzw. § 354 Abs. 1 a.E. InsO nur mit territorialem Wirkungsanspruch auf. Mithin handelt es sich um Partikularverfahren. Sekundärverfahren beschränken die von dem universalen Hauptinsolvenzverfahren ausgehenden Wirkungen insoweit, als dass für das Staatsgebiet, in dem das Sekundärverfahren durchgeführt wird, lediglich die Verfahrenswirkungen nach dem Insolvenzstatut dieses Staats maßgeblich sind (lex fori concursus secundariae).267 Im Zeitpunkt der Eröffnung eines Sekundärverfahrens findet damit in dessen Wirkungsbereich ex nunc ein Statutenwechsel statt.268 Ein kleiner organisatorischer Ausgleich für die Rechts- und Verwaltungsdiversifikation wird durch die Kooperationspflichten (Art. 31 EuInsVO und §§ 357 f. InsO) zwischen den beteiligten Insolvenzverwaltern erreicht. Dennoch stellt die Zulassung von Partikularverfahren die bedeutendste Durchbrechung der grundsätzlich von der EuInsVO und dem deutschen internationalen Insolvenzrecht angestrebten Universalität der Insolvenzverfahren dar.269
a) Sekundärverfahren als Liquidationsverfahren Eine Besonderheit auf europäischer Ebene ist die Regelung in Art. 3 Abs. 3 S. 2 i.V.m. Art. 2 lit. c, Art. 27 S. 2 EuInsVO i.V.m. Anhang B. Danach sind Sekundär266 Im französischem Insolvenzrecht gibt es beispielsweise den Eröffnungsgrund der Überschuldung, wie er in § 19 InsO normiert ist, nicht; Ulrich / Poertzgen / Pröm, ZInsO 2006, 64 (65, 69); Dammann, RIW 2006, 16. 267 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 27 Rn. 53 ff.; Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 31.029; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, § 356 Rn. 1. 268 Zum Begriff des Statutenwechsels vgl. Siehr, Internationales Privatrecht, S. 444 ff. sowie Schollmeyer, Gegenseitige Verträge, S. 3, 125, 170, 175. 269 Heiderhoff, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 27 Rn. 1; Liersch, in: Braun, InsO, § 354 Rn. 1.
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verfahren als Liquidationsverfahren durchzuführen. Die Regelung beruht auf der Vorstellung, dass Niederlassungen nicht einzeln saniert werden können, und dass eine Sanierung in Kooperation zwischen Haupt- und Sekundärverfahren zu kompliziert ist.270 Verfahren, die nicht mit einer Liquidation enden können, scheiden damit als Sekundärverfahren aus. Ein Vergleichsverfahren nach der VglO hätte folglich kein Sekundärverfahren im Sinne der EuInsVO sein können.271 Gleiches gilt für die eigenständige Verfahrensart der Sanierung in England oder das Ausgleichsverfahren in Österreich.272 Schwieriger ist die Rechtslage in Bezug auf Staaten zu beurteilen, die lediglich ein Einheitsinsolvenzverfahren kennen. So spricht Anhang B zur EuInsVO beispielsweise für Deutschland allgemein von Insolvenzverfahren. Dazu zählt auch das Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff. InsO). Für eine Einbeziehung dieser Verfahren spricht, dass Art. 34 EuInsVO Sanierungspläne, Vergleiche oder sonstige Maßnahmen in Sekundärverfahren auf Vorschlag des Verwalters des Hauptverfahrens vorsieht. Damit wird deutlich, dass Sekundärverfahren nach der EuInsVO nicht gänzlich insolvenzplanfeindlich ausgestaltet sind. Dementsprechend geht die Lehre geschlossen davon aus, dass der Verweis auf die in Anhang B aufgezählten Verfahren nicht durch die Anordnung der Durchführung eines Sekundärverfahrens als Liquidationsverfahren in Art. 3 Abs. 3 S. 2 EuInsVO überlagert wird.273 Folglich können in Sekundärverfahren, sofern die lex fori concursus secundariae nur ein Einheitsverfahren kennt, auch Insolvenzpläne und Vergleiche zulässig sein. Im deutschen internationalen Insolvenzrecht werden lediglich inländische Sekundärverfahren behandelt. Da das deutsche Insolvenzrecht nur noch Einheitsverfahren kennt, hat der deutsche Gesetzgeber eine Regelung, wie sie die EuInsVO trifft, nicht übernommen.
b) Restschuldbefreiung und Insolvenzplan Die Restschuldbefreiung und der Insolvenzplan sind zwei Institute, durch die die Forderungen der Gläubiger ganz oder zum Teil beschnitten werden. Gemäß § 355 Abs. 1 InsO sind die Vorschriften über die Restschuldbefreiung (§§ 286 – 303 InsO) in Partikularverfahren nicht anwendbar. Die Insolvenzgläubiger können ihre 270 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (108 Nr. 221); MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 27 EuInsVO Rn. 2. 271 Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 331. 272 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 27 Rn. 74 f. 273 MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 27 EuInsVO Rn. 2; Heiderhoff, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 27 Rn. 12; Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 27 EuInsVO Rn. 6; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 27 Rn. 74 f.; Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren, S. 254; Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 331; Lüke, ZZP 1998, 275 (307); Ehricke / Ries, JuS 2003, 313 (319).
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Forderungen daher nach Aufhebung des Sekundärverfahrens gemäß § 201 InsO unbeschränkt gegen den Schuldner geltend machen und (vorbehaltlich etwaiger Restriktionen der ausländischen lex fori concursus) in anderen Verfahren anmelden. § 355 Abs. 1 InsO dient dem Gläubigerschutz. Nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers ist der mit einer Restschuldbefreiung verbundene Eingriff den Gläubigern nämlich nur dann zumutbar, wenn das gesamte in- und ausländische Vermögen des Schuldners verwertet worden ist.274 Andernfalls kann man von dem Schuldner verlangen, dass die Gläubiger noch durch das im Ausland belegene Schuldnervermögen befriedigt werden. Da eine internationale Verwertung des schuldnerischen Vermögens in territorial wirkenden Sekundärverfahren nicht erfolgt, soll eine Restschuldbefreiung daher lediglich im Hauptverfahren stattfinden können. Eine andere Wertung liegt auf europäischer Ebene der Regelung in Art. 17 Abs. 2 S. 2 EuInsVO zugrunde. Danach wirken jegliche Beschränkungen der Gläubigerrechte, insbesondere eine Schuldbefreiung infolge des Insolvenzverfahrens, hinsichtlich des im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats belegenen Vermögens nur für die Gläubiger, die ihre Zustimmung hierzu erteilt haben. Art. 17 Abs. 2 S. 2 EuInsVO bezieht sich anders als der sogleich zu behandelnde Art. 34 Abs. 2 EuInsVO nicht auf Insolvenzpläne. Die Vorschrift erfasst damit gesetzliche Restschuldbefreiungen. Nicht ganz klar ist, was Art. 17 Abs. 2 S. 2 EuInsVO mit dem Tatbestandsmerkmal „hinsichtlich des im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats belegenen Vermögens“ meint. Kemper versteht hierunter zwei Fallgruppen: erstens sollen mit der Vorschrift Sachverhalte erfasst werden, „in denen der Verwalter mit dem Ziel der umfassenden Insolvenzabwicklung auch außerhalb des Gebiets des Eröffnungsstaats belegenes Vermögen mit einbeziehen möchte“275. Insofern dürfte es sich wohl ausschließlich um Situationen handeln, in denen wie bei Art. 34 Abs. 2 EuInsVO ein Insolvenzplan beschlossen wird. Zweitens greife die Vorschrift, wenn nach Eröffnung des Partikularverfahrens Vermögensgegenstände des Schuldners in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats verbracht werden.276 Damit wird deutlich, dass Art. 17 Abs. 2 S. 2 EuInsVO kein generelles Zustimmungserfordernis für Restschuldbefreiungen aufstellt. Die Vorschrift ist insofern als misslungen anzusehen.277 Es ist nicht nachvollziehbar, warum lediglich in den aufgezeigten Fällen eine Zustimmung der Gläubiger erforderlich sein soll. Des Weiteren ist unklar, wie sich eine Restschuldbefreiung nur hinsichtlich des im Ausland belegenen Vermögens auswirken kann. Eine Restschuldbefreiung ohne vor274 BT-Drucks. 15 / 16, S. 25; BT-Drucks. 12 / 2443, S. 245; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzrechts, S. 238; Liersch, in: Braun, InsO, § 355 Rn. 1; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 355 Rn. 1. 275 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 17 EuInsVO Rn. 11. 276 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 17 EuInsVO Rn. 11. 277 Vgl. auch Paulus, EuInsVO, Art. 17 Rn. 9: „nur eingeschränkt nachvollziehbar“.
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herige Verwertung des weltweit vorhandenen Vermögens ist sowohl mit als auch ohne Auslandsbezug ein schwerer Eingriff in die Rechte der Gläubiger. Ludwig fordert daher auf europäischer Ebene für eine gesetzliche Restschuldbefreiung zumindest eine Zustimmung aller Gläubiger.278 Allerdings bleibt offen, worauf sich ein solches Zustimmungserfordernis stützen soll. Der europäische Gesetzgeber wollte das Problem der gesetzlichen Restschuldbefreiung offensichtlich in Art. 17 Abs. 2 S. 2 EuInsVO nur für einige spezielle Fälle regeln. Mangels anderer einschlägiger Vorschriften ist daher davon auszugehen, dass die Restschuldbefreiung in Partikularverfahren auf europäischer Ebene, zumindest wenn nach Verfahrenseröffnung kein Vermögen aus dem Verfahrensstaat über die Grenze geschafft wird, ohne Gläubigerzustimmung möglich ist. Die europäische Regelung zur Restschuldbefreiung in Partikularverfahren ist für die betroffenen Gläubiger somit ungünstiger als die Regelung im deutschen internationalen Insolvenzrecht. Darauf, dass auch in Sekundärverfahren ein Insolvenzplan zustande kommen kann, wurde bereits hingewiesen.279 Wenn ein solcher Plan eine Stundung, einen Erlass oder sonstige Einschränkungen der Rechte der Gläubiger vorsieht, ist im deutschen internationalen Insolvenzrecht § 355 Abs. 2 InsO zu beachten. Danach kann der Insolvenzplan nur bestätigt werden, wenn alle betroffenen Gläubiger dem Plan zugestimmt haben. Erforderlich ist eine ausdrückliche Zustimmung. Das Zustandekommen von Mehrheiten reicht nicht aus. Des Weiteren kann die Zustimmung nicht gemäß dem Obstruktionsverbot in § 245 InsO ersetzt werden.280 Fehlt auch nur die Zustimmung eines Gläubigers kommt der Plan mangels Bestätigung nach § 248 InsO nicht zustande. Auch mit § 355 Abs. 2 InsO wollte der Gesetzgeber die Gläubiger im Partikularverfahren schützen. Das Zustimmungserfordernis hat in der Praxis jedoch zur Folge, dass die Chancen für das Zustandekommen eines Insolvenzplans im Partikularverfahren sehr gering sind.281 Die gläuberschützende Vorschrift des § 355 Abs. 2 InsO führt damit de facto zu einer Einschränkung der Gläubigerautonomie. Auf europäischer Ebene regelt Art. 34 Abs. 2 EuInsVO das Zustimmungserfordernis zu Insolvenzplänen, die zu einer Beschränkung von Gläubigerrechten führen. Als Beschränkung werden in der Vorschrift beispielhaft die Stundung und die Schuldbefreiung genannt. Nach Art. 34 Abs. 2 EuInsVO kann eine Beschränkung nur dann Auswirkungen auf das nicht von dem Sekundärverfahren betroffene Schuldnervermögen haben, wenn alle betroffenen Gläubiger zustimmen. Auswirkungen auf das Auslandsvermögen können bei einem Insolvenzplan in einem TerLudwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzrechts, S. 239. Vgl. 2. Teil § 6 I. 2. a), S. 114. 280 Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 355 Rn. 18; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 355 Rn. 5; Liersch, in: Braun, InsO, § 355 Rn. 1. 281 Zweifelnd auch Liersch, NZI 2003, 302 (309); Trunk, KTS 1994, 33 (45); Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 355 Rn. 6; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 355 Rn. 5; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 355 Rn. 18. 278 279
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ritorialverfahren dadurch zustande kommen, dass im Insolvenzplan solch extraterritoriale Wirkungen vorgesehen werden. Nur für diesen Fall fordert Art. 34 Abs. 2 EuInsVO die Zustimmung der betroffenen Gläubiger. Die Zustimmung entscheidet also nicht über die Bestätigung des Insolvenzplans an sich, sondern nur über die Wirkungen des Plans auf das Vermögen des Schuldners im Ausland. Damit bleibt die effektive Ausübung der Gläubigerautonomie durch Insolvenzpläne – jedenfalls bei fehlender Auslandswirkung282 – gewahrt. Freilich erfolgt das zu dem Preis, dass sich Gläubiger, die in der Abstimmung über den Insolvenzplan unterliegen, gegebenenfalls mit Schuldbefreiungen abfinden müssen, obwohl das Schuldnervermögen im Ausland möglicherweise noch nicht vollständig verwertet worden ist.
c) Internationale Zuständigkeit Die EuInsVO setzt für die Eröffnung eines Sekundärverfahrens voraus, dass der Schuldner eine Niederlassung auf dem Gebiet des Staats hat, in dem das Verfahren eröffnet werden soll (Art. 3 Abs. 2 S. 1 EuInsVO). Was unter einer Niederlassung zu verstehen ist, ergibt sich aus der Legaldefinition in Art. 2 lit. h EuInsVO. Erforderlich ist danach, dass der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht bloß vorübergehender Art nachgeht. Erforderlich ist des Weiteren eine Kumulation aus Einsatz von Personal und Vermögenswerten. Bei der Frage, ob eine Niederlassung vorliegt, kommt es nicht darauf an, welches Ziel der Schuldner verfolgt. Insbesondere ist keine Gewinnerzielungsabsicht erforderlich.283 Entscheidend ist das äußere Erscheinungsbild aus der Sicht der Gläubiger.284 Für diese muss eine Entfaltung wirtschaftlicher Aktivität zum Markt hin und ein Mindestmaß an Organisation erkennbar sein.285 Wird an einem Ort nur gelegentlich einer entsprechenden Tätigkeit nachgegangen, begründet dies keine Niederlassung.286 Auch selbständige Tochtergesellschaften sind nach ganz h. M. keine Niederlassungen der Muttergesellschaft.287 Es finden sich in der Literatur jedoch vereinzelt 282 Eidenmüller schlägt eine teleologische Reduktion des Art. 34 Abs. 2 EuInsVO i. S. d. Art. 17 Abs. 2 S. 2 EuInsVO vor. Danach sei keine einstimmige Zustimmung für die Auslandswirkung nötig. Die Verweigerung der Zustimmung führe lediglich dazu, dass der Insolvenzplan für den verweigernden Gläubiger keine entsprechende Wirkung entfaltet, Eidenmüller, IPRax 2001, 2 (9). 283 Lüke, ZZP 1998, 275 (299); Huber, ZZP 2001, 133 (142). 284 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (59 Nr. 71); Fletcher, Insolvency in Private International Law, Rn. 7.44. 285 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (59 Nr. 71); Huber, ZZP 2001, 133 (142); Ehricke / Ries, JuS 2003, 313 (319). 286 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (59 Nr. 71). 287 Haubold, in: Gebauer / Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 30 Rn. 44; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 121; Haß / Herweg, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 3 Rn. 42, 62; Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 21 f.; Eidenmüller, NJW 2004, 3455
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Stimmen, die im Interesse einer koordinierten ganzheitlichen Konzerninsolvenz wenigstens andenken, Tochtergesellschaften unter den Niederlassungsbegriff in Art. 2 lit. h EuInsVO zu subsumieren.288 Paulus weist insofern auf Fälle hin, in denen die juristische Selbständigkeit der Tochter „wie eine Flucht in die juristische Eigenständigkeit erscheint“.289 Dabei hat er insbesondere Konstellationen wie den qualifiziert faktischen Konzern vor Augen. Gleichzeitig bietet ihm der Wortlaut des Art. 2 lit. h EuInsVO Raum, weil dieser keine Stellung zur Frage des Grades der Selbständigkeit der Niederlassung nimmt. Gegen eine Subsumtion von Tochtergesellschaften unter den Niederlassungsbegriff im Falle eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Mutter sprechen jedoch zwingende Argumente: Die EuInsVO ist darauf ausgelegt, nur Verfahren über eine Person zu behandeln. Die Regelung von Konzerninsolvenzen war gerade nicht beabsichtigt.290 Das wird vor allem an zwei Vorschriften deutlich. Art. 32 Abs. 1 EuInsVO sieht vor, dass die Gläubiger ihre Forderungen sowohl im Hauptverfahren als auch im Sekundärverfahren anmelden können. Würde man eine Tochtergesellschaft als Niederlassung der Muttergesellschaft behandeln, hätte das zur Folge, dass die Gläubiger ihre Forderungen auch in einem Verfahren über eine juristische Person anmelden könnten, zu der sie keinerlei schuldrechtliche Verbindung haben. Eine Einbeziehung von Personen, die gar nicht Schuldner sind, d. h. eine Mehrung der Anspruchsgegner, kann aber nicht gewollt sein.291 Des Weiteren macht die Regelung des Art. 27 S. 1 Hs. 2 EuInsVO, nach der die Eröffnungsgründe im Sekundärverfahren nicht erneut geprüft werden, nur dann Sinn, wenn es sich um die Insolvenz eines Vermögensträgers handelt.292 Von dem soeben behandelten Problem ist die Frage zu unterscheiden, ob über das Vermögen der Tochtergesellschaft ein Sekundärverfahren eröffnet werden kann, nachdem über das Vermögen dieser Gesellschaft in einem anderen Staat – typischerweise am Sitz der Muttergesellschaft293 – ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. In diesem Fall handelt es sich um zwei Verfahren über das Vermögen ein und desselben Rechtsträgers. Eine Mehrung der Anspruchsgegner ist damit nicht verbunden. Der Bejahung der Niederlassungseigenschaft steht folglich nichts entgegen.294 (3458); Ehricke, EWS 2002, 101 (105); Huber, ZZP 2001, 133 (142 f.); Vogler, ZIK 2001, 189 (192). Vgl. auch EuGH, EuZW 2006, 337 (338). 288 Paulus, EWS 2002, 497 (500 f.); Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 2 Rn. 9, hier jedoch ohne Begründung. 289 Paulus, EWS 2002, 497 (501). 290 Vgl. Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (61 Nr. 76). 291 Ehricke, EWS 2002, 101 (105); Haß / Herweg, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 3 Rn. 42. 292 Ehricke, EWS 2002, 101 (105). 293 Siehe dazu bereits 2. Teil § 5 III., S. 93 ff. 294 So auch Eidenmüller, NJW 2004, 3455 (3458); Herchen, ZInsO 2004, 825 (829); Mankowski, RIW 2004, 596 (597); Duursma / Duursma-Kepplinger, DZWIR 2003, 447 (451);
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Das deutsche internationale Insolvenzrecht verlangt für die Eröffnung eines Sekundärverfahrens in Deutschland nicht zwingend eine Niederlassung. Es reicht bereits aus, wenn sonstiges Vermögen des Schuldners im Inland belegen ist (§ 354 Abs. 1 InsO). Der Niederlassungsbegriff in § 354 Abs. 1 InsO wird in der InsO nicht definiert. Jedoch liegt das Begriffsverständnis aus Art. 2 lit. h EuInsVO auch dem Niederlassungsbegriff des § 354 Abs. 1 InsO zugrunde.295 Unter den Begriff des Vermögens in § 354 Abs. 1 InsO fallen alle Gegenstände des Schuldners, die einen wirtschaftlichen Wert haben.296 Wertmindestgrenzen werden nicht vorgegeben. Sie ergeben sich lediglich faktisch daraus, dass der Eröffnungsantrag nach § 26 InsO mangels Masse abgewiesen wird, wenn das verwertbare Vermögen die Verfahrenskosten nicht deckt. Die Belegenheit eines Gegenstandes richtet sich nach dem Lageortrecht.297 Der Umstand, dass bereits die Belegenheit von Vermögen in Deutschland die internationale Zuständigkeit für ein Sekundärverfahren eröffnet, führt nicht dazu, dass in der Insolvenz der Mutter ohne weiteres ein Sekundärverfahren über das Vermögen einer Tochtergesellschaft in Deutschland ausgelöst werden kann. Es fehlt wie im Falle der Anwendung der EuInsVO an einer Niederlassung. Zwar stellt die Beteiligung der Mutter an der Tochter Vermögen i. S. d. § 354 Abs. 1 InsO dar. Dies Vermögen ist auch im Inland belegen.298 Das hat jedoch allenfalls zur Folge, dass die Beteiligung selbst in einem Sekundärverfahren in Deutschland verwertet werden kann. Eine Verwertung des Vermögens der Tochtergesellschaft als eigenständigem Rechtsträger ist damit nicht verbunden. Sowohl die EuInsVO als auch das deutsche internationale Insolvenzrecht gehen grundsätzlich von einer Exklusivität von Haupt- und Partikularverfahren aus. Mithin kann in einem Staat entweder nur ein Partikularverfahren oder aber nur ein Hauptverfahren durchgeführt werden.299 Dass in einem Staat zwischen der Eröffnung eines Haupt- oder aber eines Partikularverfahrens gewählt werden kann, scheidet nach der Konzeption der Regelwerke grundsätzlich aus. Dies entspricht dem Ziel, Territorialverfahren zugunsten des Grundsatzes der Universalität möglichst zurückzudrängen.300 Die EuInsVO und das deutsche internationale InsolSabel, NZI 2004, 126 (128); Haß / Herweg, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 3 Rn. 43, 62; Huber, FS Heldrich, S. 679 (691); LG Innsbruck, ZIP 2004, 1721 (1722); AG Köln, NZI 2004, 151, 152. 295 BegrRegE, BT-Drucks. 15 / 16, S. 25; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 354 Rn. 12; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, § 354 InsO Rn. 3; Hanisch, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 202 (208). Liersch vertritt zwar die Ansicht, dass der Niederlassungsbegriff nach deutschem Recht zu bestimmen sei, Liersch, in: Braun, InsO, § 354 Rn. 5. Das schließt aber eine inhaltliche Übereinstimmung zur EuInsVO nicht aus. 296 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 354 Rn. 9. 297 Vgl. dazu noch im Einzelnen 3. Teil § 10 II. 1. d) bb), S. 236. 298 Vgl. Paulus, EWS 2002, 497 (500 f.); Gottwald, Internationale Insolvenzen, S. 21. 299 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 71. 300 Vgl. für die EuInsVO Erwägungsgrund 17.
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venzrecht verlangen daher eine Negativprüfung dahingehend, dass für die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung eines Partikularverfahrens in diesem Staat keine Zuständigkeit für die Eröffnung eines Hauptverfahren gegen sein darf. § 354 Abs. 1 InsO ordnet dies ausdrücklich an. Bei Art. 3 Abs. 2 S. 1 EuInsVO ergibt sich dasselbe aus der Formulierung, dass die Niederlassung in einem „anderen Mitgliedstaat“ belegen sein muss als in dem Staat, in welchem sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet. Die starre Anwendung dieses Grundsatzes würde jedoch insbesondere im Geltungsbereich der EuInsVO zu dem unbilligen Ergebnis führen, dass obwohl das Hauptverfahren in einem anderen Staat unter Missachtung der internationalen Zuständigkeit eröffnet worden ist, in dem Staat, in dem der tatsächliche Interessenoder Tätigkeitsmittelpunkt belegen ist, noch nicht einmal ein Sekundärverfahren zum Schutz der Gläubiger eröffnet werden könnte. Relevant wird die Problematik insbesondere im Zusammenhang mit der Eröffnung von Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen einer Tochtergesellschaft am Sitz der Mutter. Literatur und Rechtsprechung nehmen zu dieser Problematik keine Stellung. Vor dem Hintergrund, dass Sekundärverfahren aber gerade dem Zweck dienen, das Vertrauen der Gläubiger in die Anwendung der Insolvenzrechtsordnung, die für sie erkennbar für die eigene Gläubiger-Schuldner-Beziehung gelten wird, zu schützen, ist die aufgezeigte Folge untragbar. Die Gläubiger müssen die Möglichkeit haben, über ein Sekundärverfahren das entsprechende Insolvenzrecht zumindest mit territorial beschränkter Wirkung Geltung zu verschaffen. Dementsprechend müssen die Negativvoraussetzungen in diesem Fall teleologisch dahingehend reduziert werden, dass die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung eines Sekundärverfahrens bejaht werden kann. d) Antragsbefugnis der Gläubiger Für Sekundärinsolvenzverfahren innerhalb der EU ordnet Art. 29 lit. b EuInsVO an, dass alle Personen, denen ein Antragsrecht nach dem Recht des Mitgliedstaats zusteht, in dessen Gebiet das Verfahren stattfinden soll, einen Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens stellen können. Insofern trifft Art. 29 EuInsVO keine von Art. 4 EuInsVO abweichende Regelung. In Abhängigkeit von der lex fori concursus secundariae ist damit auch ein Sekundärverfahren auf der Grundlage eines Gläubigerantrags möglich. Ein besonderes Interesse des antragstellenden Gläubigers an der Durchführung des in Abweichung vom Universalitätsgrundsatz territorial beschränkten Verfahrens fordert die EuInsVO nicht.301 Das Insolvenzantragsrecht bezüglich eines Sekundärverfahrens steht damit allen Gläubigern vorbehaltlich der lex fori concursus secundariae unterschiedslos zu. 301 Heiderhoff, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 29 Rn. 5; Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (110 Nr. 227); vgl. dagegen noch Art. 22 Abs. 2 des Vorentwurfs vom 3. April 1992, abgedruckt in ZIP 1992, 1197 ff.
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Die Antragsbefugnis für Sekundärverfahren in Deutschland nach autonomem internationalen Insolvenzrecht regelt § 354 Abs. 1 InsO. Mangels territorialer Einschränkungen kann danach jeder in- und ausländische Gläubiger die Eröffnung eines Partikularverfahrens beantragen. Hierbei sind die Antragsvoraussetzungen des § 14 Abs. 1 InsO einzuhalten. Danach muss der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Verfahrenseröffnung haben. Diese Voraussetzung ist als allgemeines Rechtsschutzbedürfnis zu verstehen.302 Dies liegt grundsätzlich vor, wenn der Antragsteller Gläubiger ist und die sonstigen Antragsvoraussetzungen erfüllt sind.303 Lediglich in Ausnahmefällen wird das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers zu verneinen sein. Ein solcher Fall ist etwa gegeben, wenn mit dem Antrag insolvenzfremde Zwecke wie etwa die Auflösung eines Vertragsverhältnisses304 oder die Ausschaltung eines Wettbewerbers305 angestrebt wird. Gleiches gilt, wenn der Insolvenzantrag als bloßes Druckmittel missbraucht werden soll oder wenn der Gläubiger seine Interessen auf schnellere, einfachere und billigere Art – insbesondere bei ausreichender Besicherung – verfolgen kann.306 Befindet sich keine Niederlassung in Deutschland, sondern nur sonstiges Vermögen des Schuldners, ist der Gläubigerantrag lediglich dann zulässig, wenn der Gläubiger ein über § 14 Abs. 1 InsO hinausgehendes Interesse an der Eröffnung des Sekundärverfahrens glaubhaft machen kann (§ 354 Abs. 2 InsO). Dies besondere Interesse soll insbesondere dann vorliegen, wenn der Gläubiger im ausländischen Verfahren voraussichtlich erheblich schlechter stehen würde als in einem inländischen Verfahren (§ 354 Abs. 2 S. 1 InsO). Die explizite Forderung eines besonderen Interesses macht deutlich, dass wirtschaftliche Beeinträchtigungen, die typischerweise mit einem Hauptinsolvenzverfahren im Ausland verbunden sind, nicht ausreichen. Dazu zählen etwa zusätzliche Kosten für einen ausländischen Anwalt, Übersetzungs- oder Reisekosten usw.307 Auch typische Abweichungen, die sich aus der Geltung eines anderen Insolvenzrechts ergeben, wie z. B. andere Rangeinteilungen, begründen nicht ohne Weiteres ein besonderes Interesse i. S. d. Vorschrift.308 Ein solches liegt daher bei Anträgen auf Eröffnung 302 MünchKomm z. InsO / Schmahl, § 14 Rn. 41 f.; Mönning, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 14 Rn. 12; Pape, in: Kübler / Prütting, InsO, § 14 Rn. 4. 303 Kind, in: Braun, InsO, § 14 Rn. 9; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 14 Rn. 5; Breuer, Insolvenzrecht, Rn. 124; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 680; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.07. 304 OLG Oldenburg, MDR 1955, 175; AG Duisburg, NZI 2002, 211. 305 OLG Frankfurt, ZIP 1984, 195; Gogger, Insolvenzrecht, S. 15. 306 Hk-ZPO / Saenger, Vor § 253 Rn. 27 ff.; Breuer, Insolvenzrecht, S. 42; Gogger, Insolvenzrecht, S. 15; sowie allgemein Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 131; Greger, in: Zöller, ZPO, Vor § 253 Rn. 18 ff. 307 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 354 Rn. 12; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 354 Rn. 9. 308 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 354 Rn. 12; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 354 Rn. 14; Liersch, in: Braun, InsO, § 354 Rn. 8; ders., NZI 2003, 302 (309).
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eines Sekundärverfahrens nur in den seltenen Fällen vor, in denen die Gläubigerbehandlung im ausländischen Verfahren in evidentem Widerspruch zu den Grundsätzen des deutschen Insolvenzrechts steht. Beispiele dafür sind, dass der antragstellende Gläubiger aufgrund seiner Nationalität schlechter gestellt wird als andere Gläubiger,309 oder dass bestehende Aus- und Absonderungsrechte im ausländischen Verfahren keinerlei Beachtung finden310. Es kommen also nur Fälle in Betracht, die am Rande der Anerkennungsverweigerung wegen ordre public-Widrigkeit stehen. e) Insolvenzfähigkeit des Schuldners Auch im Sekundärverfahren hat der Gläubiger vor Antragstellung das nationale Insolvenzrecht daraufhin zu überprüfen, ob es dem Schuldner die Insolvenzfähigkeit zuerkennt.311 Aufgrund der Maßgeblichkeit der lex fori concursus secundariae im Sekundärverfahren ist die Insolvenzfähigkeit im Hauptverfahren insoweit ohne Einfluss (vgl. Art. 28 EuInsVO bzw. § 335 InsO). f) Anerkennung fremder Eröffnungsgründe Eine Besonderheit der Sekundärverfahren ist, dass bei ihrer Eröffnung die Insolvenz des Schuldners, d. h. das Vorliegen eines eigenständigen, materiellen Eröffnungsgrundes, nicht geprüft wird (Art. 27 S. 1 a.E. EuInsVO bzw. § 356 Abs. 3 InsO). Die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens in einem anderen Staat ist vielmehr allein ausreichender Grund für die Eröffnung des Verfahrens. Das gilt selbst dann, wenn das Hauptverfahren auf die Sanierung des Vermögens gerichtet ist, und das Sekundärverfahren auf die Liquidation des Schuldnervermögens abzielt.312 Unerheblich ist ebenfalls, dass der Eröffnungsgrund für das Hauptverfahren nach den Maßstäben des Staats, in dem das Sekundärverfahren stattfinden soll, nicht erfüllt wäre oder gar nicht als Eröffnungsgrund anerkannt wird.313 Die Anerkennung des Hauptverfahrens ersetzt insoweit also die Prüfung der lex fori concursus secundariae.314 Teilweise wird in der Literatur auch davon gesprochen, dass wegen der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens das Vorliegen eines InsolvenzLiersch, in: Braun, InsO, § 354 Rn. 8. Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 354 Rn. 13; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 354 Rn. 9. 311 Vgl. dazu schon 2. Teil § 6 I. 1. c), S. 113. 312 Lüke, ZZP 1998, 275 (303); Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 27 EuInsVO Rn. 5; Heiderhoff, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 27 Rn. 6. 313 Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 27 EuInsVO Rn. 3; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 27 EuInsVO Rn. 1; Liersch, NZI 2003, 302 (309); Wimmer, ZIP 1998, 982 (986). 314 Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren, S. 256; Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 337. 309 310
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grundes im Inland unwiderleglich vermutet wird.315 Art. 27 S. 1 EuInsVO bzw. § 356 Abs. 3 InsO werden hier also als Beweisregeln verstanden. Diese Lösung ist aber vor dem Hintergrund, dass der Eröffnungsgrund aus dem Hauptverfahren im Insolvenzstatut des Staats, in dem das Sekundärverfahren eröffnet wird, noch nicht einmal anerkannt sein muss, wenig überzeugend.316 Jedenfalls kann mit Kolmann in Bezug auf die Entbehrlichkeit der Prüfung von Eröffnungsgründen in Sekundärverfahren von einer „Eröffnungsautomatik“ gesprochen werden.317
3. Eröffnung eines isolierten Partikularinsolvenzverfahrens Isolierte Partikularinsolvenzverfahren sind Verfahren, deren Wirkungen territorial auf das Gebiet eines Staats beschränkt sind, ohne dass zeitgleich ein Hauptverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet ist. Das ergibt sich für die EuInsVO aus Art. 3 Abs. 4 EuInsVO und für das deutsche internationale Insolvenzrecht aus einem Umkehrschluss zu § 356 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 354 Abs. 1 InsO.
a) Isoliertes Partikularverfahren nach Eröffnung eines Hauptverfahrens Wird nach Eröffnung eines isolierten Partikularverfahrens in einem anderen Staat ein Hauptverfahren eröffnet, so wird aus dem isolierten Partikularverfahren ein Sekundärverfahren.318 Es beschränkt die Wirkungen des Hauptverfahrens in dem Staat, in dem das Territorialverfahren eröffnet worden ist. Handelt es sich bei dem zuvor eröffneten isolierten Partikularverfahren nicht um ein Liquidationsverfahren, kann der Verwalter des Hauptverfahrens im Geltungsbereich der EuInsVO nachträglich eine Umwandlung in eines der Verfahren nach Anhang B zur EuInsVO verlangen (vgl. Art. 37 EuInsVO319).
b) Internationale Zuständigkeit Bei der Prüfung, ob ein Staat für die Eröffnung eines isolierten Partikularverfahrens zuständig ist, ergeben sich keine Unterschiede zu der Prüfung bei Sekundärverfahren.320 Im Anwendungsbereich der EuInsVO ist eine Niederlassung erforVgl. etwa MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 27 EuInsVO Rn. 1. Wimmer, ZIP 1998, 982 (986). 317 Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 337. 318 Liersch, in: Braun, InsO, § 354 Rn. 20. 319 Bei Art. 37 EuInsVO, der von Anhang A spricht, liegt offensichtlich ein Redaktionsversehen vor, denn die in Anhang A genannten Verfahren sind Liquidationsverfahren. Sinnvoller wäre es daher gewesen, wenn direkt auf Anhang B zur EuInsVO verwiesen worden wäre, Ehricke / Ries, JuS 2003, 313 (319). 320 Vgl. dazu 2. Teil § 6 I. 2. c), S. 118 ff. 315 316
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derlich (Art. 3 Abs. 2, 4 EuInsVO). Im deutschen internationalen Insolvenzrecht reicht bereits die Belegenheit von Vermögen im Inland (§ 354 Abs. 1 InsO).
c) Antragsbefugnis Art. 3 Abs. 4 EuInsVO regelt die Antragsbefugnis für isolierte Partikularverfahren abweichend von Art. 29 EuInsVO. Ist in dem Staat, in dem der Schuldner seinen Interessenmittelpunkt hat, die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens aufgrund der der lex fori concursus nicht möglich, ist jeder Gläubiger vorbehaltlich des Insolvenzstatuts des Staats, in dem sich eine Niederlassung des Schuldners befindet, zur Stellung eines Insolvenzantrags auf Eröffnung eines Partikularverfahrens berechtigt (Art. 3 Abs. 4 lit. a EuInsVO). Unter Unmöglichkeit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist dabei nicht schon das (noch) Nicht-Erfüllt-Sein von Insolvenzgründen zu verstehen. Erwägungsgrund 17 S. 2 zur EuInsVO macht deutlich, dass die Zulassung von Partikularverfahren auf das „unumgängliche Maß beschränkt“ werden soll, um auf diese Weise dem Grundsatz der Universalität von Insolvenzverfahren Geltung zu verschaffen. Erforderlich ist daher, dass aus Rechtsgründen ein Verfahren gegen den Schuldner dauerhaft und grundsätzlich ausgeschlossen ist. Das ist v.a. bei fehlender Insolvenzfähigkeit des Schuldners der Fall.321 Ist dagegen auch die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens möglich, ordnet Art. 3 Abs. 4 lit. b EuInsVO an, dass der das isolierte Partikularinsolvenzverfahren beantragende Gläubiger seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im betreffenden Niederlassungsstaat haben muss. Alternativ reicht es aus, dass die Forderung des Gläubigers auf einer sich aus dem Betrieb dieser Niederlassung ergebenden Verbindlichkeit beruht (Niederlassungsgläubiger). Wann letzteres der Fall ist, wird von der EuInsVO nicht näher konkretisiert. Es bietet sich jedoch an, für die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzung die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ heranzuziehen.322 Danach beruht eine Forderung auf einer sich aus dem Betrieb der Niederlassung ergebenden Verbindlichkeit, wenn es sich um vertragliche oder außervertragliche Rechte und Pflichten in Bezug auf die eigentliche Führung der Niederlassung selbst handelt.323 Des Weiteren begründen außervertragliche Verpflichtungen aus der Tätigkeit der Niederlassung und Verbindlichkeiten, welche im Namen des Stammhauses eingegangen wurden, eine Niederlassungsforderung.324 Der Erfüllungsort ist für die Qualifikation als Niederlassungsforderung dagegen irrelevant.325 Zusammenfassend bleibt damit festzuhalVgl. dazu 2. Teil § 6 I. 1. c), S. 113. MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 3 EuInsVO Rn. 10; Haubold, in: Gebauer / Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 30 Art. 3 Rn. 63; Haß / Herweg, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 3 Rn. 51. 323 EuGH, Slg. 1978, 2183. 324 EuGH, Slg. 1978, 2183. 321 322
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ten, dass Art. 3 Abs. 4 lit. b EuInsVO das Antragsrecht auf Gläubiger beschränkt, die einen gewissen Inlandsbezug haben. Thieme verlangt darüber hinaus noch ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers.326 Ein solches sei lediglich bei Niederlassungsgläubigern indiziert.327 Anhaltspunkte für das Erfordernis eines über das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis hinausgehenden Rechtsschutzbedürfnisses lassen sich aus der Verordnung jedoch nicht ableiten. Vielmehr enthält Art. 3 Abs. 4 lit. b EuInsVO schon konkrete Anforderungen, die höher sind als die Antragsvoraussetzungen für andere Verfahren. Mithin kann dem Ansatz von Thieme nicht gefolgt werden. Das autonome deutsch internationale Insolvenzrecht differenziert hinsichtlich der Antragsberechtigung der Gläubiger nicht nach isolierten Partikularverfahren und Sekundärverfahren. Dementsprechend ist bei einem Antrag auf Eröffnung eines isolierten Partikularverfahrens nur dann ein besonderes Gläubigerinteresse nachzuweisen, wenn es dem Schuldner an einer Niederlassung im Eröffnungsstaat fehlt (§ 354 Abs. 2 InsO). Fraglich ist, wann im Falle der bloßen Vermögensbelegenheit in Deutschland das besondere Interesse i. S. d. § 354 Abs. 2 InsO bejaht werden kann. Nach dem Wortlaut der Vorschrift liegt ein solches Interesse insbesondere dann vor, wenn der Gläubiger in einem ausländischen Verfahren voraussichtlich erheblich schlechter stehen wird als in einem inländischen Verfahren. Die Vorschrift geht somit nicht ausdrücklich auf den Fall ein, dass ein Hauptverfahren im Ausland z. B. aufgrund fehlender Insolvenzfähigkeit des Schuldners nach dem Insolvenzstatut des Staats, an dem sich der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit befindet, gar nicht möglich ist. Scheidet die Möglichkeit der Eröffnung eines Hauptverfahrens aus, ist jedoch nur die Eröffnung eines Partikularverfahrens möglich. Dementsprechend kann einem Gläubiger das besondere Interesse i. S. d. § 354 Abs. 2 InsO nicht abgesprochen werden. Diese Auslegung ist auch mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar, da diese das besondere Interesse lediglich „insbesondere“ in Benachteiligungsfällen anerkennt. Weitere Fälle werden damit nicht ausgeschlossen. Des Weiteren widerspricht die Auslegung nicht der ratio legis, den Verfahren mit universaler Geltung den Vorrang vor territorial begrenzten Verfahren einzuräumen, denn die Eröffnung eines Hauptverfahrens ist ja gerade nicht möglich. Kann dagegen auch ein Hauptverfahren eröffnet werden, wird man das besondere Interesse nur unter den Voraussetzungen bejahen können, die auch in Bezug auf die Eröffnung eines Sekundärverfahrens bei bloßer Belegenheit von Vermögen in Deutschland gelten.328 325 MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 3 EuInsVO Rn. 10; Haß / Herweg, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 3 Rn. 52; vgl. auch EuGH Slg. 1995, 947 (961). 326 Thieme, IJVO 1995 / 1996, 44 (89). 327 Thieme, IJVO 1995 / 1996, 44 (89). 328 Vgl. 2. Teil § 6 I. 2. d), S. 122 f.
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Weitere Voraussetzungen, wie sie Art. 3 Abs. 4 EuInsVO aufstellt, müssen nach deutschem internationalen Insolvenzrecht nicht erfüllt sein. d) Insolvenzfähigkeit des Schuldners Auch bei Partikularverfahren bestehen hinsichtlich der Beurteilung der Insolvenzfähigkeit des Schuldners keine Unterschiede zum Hauptverfahren.329 Die Insolvenzfähigkeit richtet sich nach dem Verfahrensstatut. e) Eröffnungsgrund Ein wesentlicher Unterschied zwischen Sekundärverfahren und isolierten Partikularverfahren ist, dass bei letzteren ein Eröffnungsgrund festgestellt werden muss. Vorschriften, die wie bei Sekundärverfahren die Prüfung von Eröffnungsgründen entbehrlich machen, existieren hier nicht. Dies ist sachgerecht, weil es bei isolierten Partikularverfahren an einem parallel stattfinden Hauptverfahren fehlt, so dass es im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung auch noch nicht in einer anderen Nation zur Feststellung von Insolvenzgründen gekommen ist. Die Insolvenzgründe, auf die sich ein Gläubigerantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stützen kann, sind insbesondere die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung.330 Hier sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für diese Eröffnungsgründe im Einzelnen wegen unterschiedlicher nationaler Fassungen divergieren können. Aufgrund der territorial beschränkten Wirkung von Partikularverfahren stellt sich jedoch generell die Frage, ob die Eröffnungsgründe lediglich auf der Grundlage einer territorial beschränkten Betrachtung oder aber unter Einbeziehung des globalen Verhaltens und der globalen Vermögenslage des Schuldners geprüft werden müssen. aa) Zahlungsunfähigkeit Für eine rein niederlassungsbezogene Betrachtung der Zahlungsunfähigkeit sprechen sich Hanisch, Duursma-Kepplinger und Kemper aus.331 Geimer fordert dagegen eine weltweite Zahlungsunfähigkeit (Globalprinzip).332 Beide Alternativen können so nicht überzeugen. Dem ersten Ansatz stehen dogmatische Argumente entgegen: Erstens haben Niederlassungen regelmäßig keine eigene Rechtspersönlichkeit. Dementsprechend Vgl. 2. Teil § 6 I. 1. c), S. 113. Diese Eröffnungsgründe sind in Deutschland in §§ 17, 19 InsO geregelt. Der Eröffnungsgrund der Überschuldung ist aber z. B. im französischen Recht unbekannt. 331 Hanisch, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 202 (212); Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 109; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 354 Rn. 21. 332 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 3393a. 329 330
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können aus anderen Zweigniederlassungen jederzeit Mittel an der Niederlassung, an der das Verfahren eröffnet werden soll, zusammengezogen werden.333 Ein Schuldner, der im Inland illiquide erscheint und im Ausland noch über ausreichend Zahlungsmittel verfügt, kann daher schwerlich als zahlungsunfähig eingestuft werden.334 Zweitens bestehen die Forderungen der Gläubiger trotz der territorial beschränkten Wirkung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Schuldner an sich und nicht nur gegenüber der Niederlassung. Folglich können die Forderungen auch an Niederlassungen des Schuldners im Ausland, an denen noch Liquidität besteht, weiter verfolgt und gegebenenfalls vollstreckt werden.335 Einem Insolvenzantrag eines Gläubigers würde mithin zunächst das Rechtsschutzinteresse fehlen, da seine Forderung auf leichtere, schnellere und billigere Art und Weise befriedigt werden könnte. In Anbetracht dieser Umstände ist der rein niederlassungsbezogene Begriff der Zahlungsunfähigkeit abzulehnen. Allerdings dürfen teleologische Aspekte und Praktikabilitätsgesichtspunkte nicht außer Acht gelassen werden. Würde man von einem Gläubiger verlangen, für die Eröffnung eines Partikularverfahrens glaubhaft zu machen oder sogar nachzuweisen, dass der Schuldner weltweit nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen, würde der Zweck des Insolvenzverfahrens, die Interessen einzelner Gläubiger zu schützen, regelmäßig nicht erreicht werden können.336 Insbesondere bei Unternehmen, die weltweit mit unselbständigen Zweigniederlassungen agieren, wäre der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit schlechterdings unmöglich. Jedenfalls sind langfristige Ermittlungen nötig, so dass das Partikularverfahren wenn überhaupt nur sehr verzögert eröffnet werden könnte.337 Dies wäre mit dem Sinn des Verfahrens regelmäßig unvereinbar. Dementsprechend hat der BGH in einem ähnlich gelagerten Fall richtigerweise entschieden, dass es für die Zahlungsunfähigkeit bei Partikularverfahren zwar auf das Zahlungsverhalten im In- und Ausland ankommt.338 Im Hinblick auf die praktische Durchführbarkeit führt er aber weiter aus, dass hinsichtlich des Nachweises lediglich auf das Zahlungsverhalten der in Rede stehenden Niederlassung sowie der Hauptniederlassung und gegebenenfalls noch den Niederlassungen in anderen europäischen Staaten abzustellen ist.339 Eidenmüller spricht in diesem Zusammen333 Wimmer, ZIP 1998, 982 (986); ders., in: FrankfurterKomm z. InsO, Art. 102 EGInsO Rn. 133; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 100; Mankowski, ZIP 1995, 1650 (1659). 334 Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Art. 102 EGInsO Rn. 205. 335 Wimmer, ZIP 1998, 982 (986); ders., in: FrankfurterKomm z. InsO, Art. 102 EGInsO Rn. 133; Mankowski, ZIP 1995, 1650 (1659). 336 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 354 Rn. 21; Wimmer, ZIP 1998, 982 (986); ders., in: FrankfurterKomm z. InsO, Art. 102 EGInsO Rn. 133. 337 Hanisch, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 202 (212); FrankfurterKomm z. InsO / Wimmer, Art. 102 EGInsO Rn. 133. 338 BGH, ZIP 1991, 1014. 339 BGH, ZIP 1991, 1014 (1015).
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hang von einer Vermutung der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungseinstellung.340 Demnach ist es möglich, dass aus anderen unbedeutenden Niederlassungen im Ausland theoretisch noch Zahlungsmittel zur Verfügung gestellt werden könnten. Wenn dies aber in einer überschaubaren Zeit nicht passiert ist, so liegt keine Zahlungsstockung mehr vor, sondern eine Einstellung der Zahlungen. Dieser pragmatischen verfahrensrechtlichen Sichtweise schließt sich auch der überwiegende Teil des Schrifttums an.341 Verallgemeinernd kann daher gesagt werden, dass das mit der Verfahrenseröffnung betraute Gericht um so geringere Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit zu stellen hat, je entfernter die fremden Niederlassungen liegen und je unzugänglicher sich ihre Liquiditätsstrukturen darstellen. Auf diese Weise lässt sich eine für Gläubiger akzeptable Lösung erzielen. bb) Überschuldung Für die Feststellung des Tatbestands der Überschuldung arbeiten Wimmer und Mankowski drei denkbare Ansätze heraus.342 Möglich ist erstens, die weltweiten Verbindlichkeiten den inländischen Aktiva gegenüberzustellen („echte Niederlassungsinsolvenz“). Zweitens könnten lediglich die in der Niederlassung begründeten Verbindlichkeiten dem im Niederlassungsstaat belegenen Vermögen gegenübergestellt werden („punktuelle Niederlassungsinsolvenz“).343 Drittens könnte ein Vergleich der weltweit vorhanden Aktiva mit den weltweit begründeten Verbindlichkeiten erfolgen („Globalprinzip“). Der erste Ansatz muss jedoch schon deshalb versagen, weil eine Gegenüberstellung der weltweiten Verbindlichkeiten mit dem Vermögen des Schuldners in dem Staat, in dem der Eröffnungsantrag gestellt wird, ganz regelmäßig zur Annahme der Überschuldung führen würde.344 Ein solcher Überschuldungsmechanismus ist mit dem Umstand, dass Partikularverfahren nur die Ausnahme sein sollen, unvereinbar. Mit einer solch selektiven Betrachtung würde den Gläubigern die ungerechtfertigte Möglichkeit eingeräumt, vorbehaltlich der weiteren Eröffnungsvoraussetzungen jederzeit durch Drohung mit einem Insolvenzantrag Druck auf die Niederlassung aus340 Eidenmüller, IPrax 2001, 2 (12); aufgegriffen bei Duursma-Kepplinger, in: DuursmaKepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 109. 341 HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 354 Rn. 19; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 3 EuInsVO Rn. 11; Wimmer, ZIP 1998, 982 (986); ders., in: FrankfurterKomm z. InsO, Art. 102 EGInsO Rn. 133; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Art. 102 EGInsO Rn. 206; wohl auch Liersch, in: Braun, InsO, § 354 Rn. 18. 342 Wimmer, ZIP 1998, 982 (986 f.); ders., in: FrankfurterKomm z. InsO, Art. 102 EGInsO Rn. 134; Mankowski, ZIP 1995, 1650 (1654). 343 Für eine auf inländisches Vermögen beschränkte Betrachtung spricht sich lediglich Hanisch aus, vgl. Hanisch, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 202 (212). 344 Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Art. 102 EGInsO Rn. 204; ders., Kölner Schrift, S. 297 (315); Wimmer, ZIP 1998, 982 (986); Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, S. 278.
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zuüben.345 Unter Beachtung der bereits bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit dargestellten dogmatischen Bedenken346 fehlt es daher an der Rechtfertigung für die Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens überhaupt. Ebenso wenig überzeugt die zweite Gegenüberstellungsmöglichkeit, die sowohl die Aktiv- als auch die Passivseite einer beschränkten Betrachtung unterziehen will, weil auch im Insolvenzverfahren selbst keine Beschränkungsmöglichkeit auf Niederlassungsforderungen besteht. Vielmehr können auch im Partikularverfahren die weltweit gegen den Schuldner begründeten Forderungen geltend gemacht werden.347 Dass die Insolvenzantragsbefugnis in Art. 3 Abs. 4 lit. b EuInsVO auf Niederlassungs- und Wohnsitzgläubiger beschränkt ist, ist insoweit irrelevant. Hiermit soll lediglich das Insolvenzantragsrecht auf die Gläubiger begrenzt werden, die nach der Vorstellung der Verordnungsgeber eines besonderen Schutzes bedürfen. Rückschlüsse auf den Feststellungsmaßstab für die Überschuldung können daraus nicht gezogen werden. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Partikularverfahren dazu dienen, ein Hauptverfahren, das aus Rechtsgründen nicht eröffnet werden kann, zu ersetzen.348 In einem Hauptverfahren ist für die Feststellung der Überschuldung ganz selbstverständlich eine globale Betrachtung der Vermögenslage des Schuldners vorzunehmen. Für die Anwendung unterschiedlicher Überschuldungsmaßstäbe beim zu ersetzenden Verfahren einerseits und beim Ersatz andererseits ist keine Rechtfertigung ersichtlich.349 Bei der Prüfung der Überschuldung muss folglich aus zwingend auf die hinter der Niederlassung stehende Person abgestellt werden. In einer Weltbilanz sind sämtliche Aktiva und Passiva des Schuldners gegenüberzustellen.350 Daraus resultieren erhebliche praktische Schwierigkeiten. Das Eröffnungsgericht muss die Überschuldung prüfen, obwohl der Schuldner seinen Sitz in einem anderen Staat hat. Die damit verbundenen Nachweisschwierigkeiten werden es den Gläubigern in der Praxis in aller Regel faktisch unmöglich machen, sich bei der Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines isolierten Partikularverfahrens auf den Eröffnungsgrund der Überschuldung zu berufen.
Wimmer, ZIP 1998, 982 (986). Vgl. 2. Teil § 6 I. 3. e) aa), S. 127 f. 347 Vgl. dazu im Einzelnen noch 2. Teil § 6 II. 1. b), S. 143 ff. 348 Mankowski, ZIP 1995, 1650 (1659). 349 Mankowski, ZIP 1995, 1650 (1659). 350 So auch Wimmer, in: FrankfurterKomm z. InsO, Art. 102 EGInsO Rn. 134; ders., ZIP 1998, 982 (986 f.); MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 3 EuInsVO Rn. 11; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 354 Rn. 22; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 354 Rn. 19; Lüer, Kölner Schrift, S. 297 (315); ders., in: Uhlenbruck, InsO, Art. 102 EGInsO Rn. 204; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 3393a; Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 335; Mankowski, ZIP 1995, 1650 (1658 f.). 345 346
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cc) Entbehrlichkeit eines Eröffnungsgrundes nach Eröffnung eines Hauptverfahrens Wird nach Anhängigkeit eines Antrags auf Eröffnung eines isolierten Partikularverfahrens aber vor der Eröffnung des Verfahrens, in einem anderen Staat ein Hauptverfahren eröffnet, so wird die Glaubhaftmachung von Insolvenzgründen für die Gläubiger entbehrlich.351 Das ergibt sich daraus, dass das Partikularantragsverfahren nur noch auf die Eröffnung eines Sekundärverfahrens gerichtet sein kann. Daher greifen wiederum Art. 27 S. 1 a.E. EuInsVO und § 356 Abs. 3 InsO.352 4. Gestaltungsmöglichkeiten für die Gläubiger Nachdem die Voraussetzungen, unter denen Gläubiger ein Insolvenzverfahren einleiten können, herausgearbeitet worden sind, gilt es an dieser Stelle konkrete Handlungsstrategien für die Gläubiger aufzuzeigen.353 a) Antrag auf Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens Das Hauptverfahren mit seiner universalen Geltung ist die Grundform eines Insolvenzverfahrens mit internationalen Bezügen. Dementsprechend bildet es immer den Ausgangspunkt bei den Überlegungen zur Einleitung eines Insolvenzverfahrens. Gleichzeitig dient das Hauptverfahren als Referenz bei der Entscheidung, ob es nicht vorteilhafter ist, ein Partikularverfahren einzuleiten. aa) Wettlauf um die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens – Bemühungen um eine günstige lex fori concursus Neben den Gläubigern, die an der Anwendung eines gläubigerfreundlichen Insolvenzstatus interessiert sind, haben noch andere Beteiligte die Möglichkeit einen Insolvenzantrag zu stellen. Damit ist insbesondere der Schuldner selbst angesprochen. Der Schuldner hat grundsätzlich ein Interesse daran, ein möglichst schuldnerfreundliches Insolvenzrecht zur Anwendung zu bringen. Er wird daher versuchen, seinen Antrag an einem Ort zu stellen, an dem er ein ihm günstiges Insolvenzrecht vorfindet. Nach der Konzeption der EuInsVO und des deutschen internationalen Insolvenzrechts ist mit dem aufgezeigten Interessengegensatz in Bezug auf HauptinsolLiersch, in: Braun, InsO, § 354 Rn. 21. Vgl. zu diesen Regelungen 2. Teil § 6 I. 2. f), S. 123. 353 Eine wichtige Strategie der Gläubiger sind Anträge, mit denen sie beabsichtigen, Druck auf den Schuldner auszuüben, um noch Zahlungen von dem Schuldner zu erhalten („Druckanträge“). Da es sich dabei aber nicht um ein spezifisch internationalrechtliches Instrument handelt, sollen sie im Rahmen dieser Arbeit nicht näher behandelt werden. Zur Zulässigkeit sog. Druckanträge vgl. A. Schmidt, in: Bork / Koschmieder, Fachanwaltshandbuch Insolvenzrecht, Rn. 3.34 ff. 351 352
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venzverfahren keine Möglichkeit zu einem forum shopping auf Schuldner- oder Gläubigerseite verbunden. Beide Regelwerke ordnen an, dass ein Hauptinsolvenzverfahren nur am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO) bzw. am Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners (§ 3 Abs. 1 S. 2 InsO) zulässig ist. Gleichzeitig gehen sie davon aus, dass nur ein solcher Ort pro Schuldner existiert und dieser Ort eindeutig bestimmbar ist.354 In dieser Arbeit ist jedoch bereits aufgezeigt worden, dass auch mehrere dieser Orte bestehen können.355 Des Weiteren ist darauf hingewiesen worden, dass die eigene internationale Zuständigkeit der Gerichte in der Vergangenheit unterschiedlich bereitwillig bejaht wurde. Beides hat zur Folge, dass den Verfahrensbeteiligten durchaus mehrere Nationen zur Auswahl stehen können, deren Insolvenzstatuten alternativ durch die Stellung eines Insolvenzantrags zur Anwendung gebracht werden können. Als rechtsmissbräuchlich könnte eine entsprechende Ortswahl für den Insolvenzantrag jedenfalls bei mehreren tatsächlichen Verwaltungszentren nicht gewertet werden, da die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ja tatsächlich gegeben ist. Ausnahmen können sich nur bei Verlagerungen des Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunktes im Hinblick auf das anzuwendende Insolvenzrecht ergeben.356 Das Prioritätsprinzip entscheidet darüber, ob aufgrund des Antrags noch die Eröffnung eines Hauptverfahrens möglich ist. Wurde bereits ein Hauptverfahren eröffnet, das auch in dem Staat, in dem nun der Antrag gestellt wird, automatisch anerkennt worden ist (Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO oder § 343 Abs. 1 S. 1 InsO), scheidet die Eröffnung eines weiteren Hauptverfahrens aus. Damit kommt dem Zeitpunkt der Antragstellung entscheidende Bedeutung zu. Zwar ist für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Hauptverfahren – vorbehaltlich der Regelung in der lex fori concursus – nicht die Antragstellung maßgeblich, sondern der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnungsentscheidung.357 Die Arbeitsgeschwindigkeit des Gerichts liegt jedoch nicht im Machtbereich des Antragstellers. Damit kann er lediglich über eine frühzeitige Insolvenzantragstellung Einfluss auf die nach dem Prioritätsprinzip ausschlaggebende Entscheidung nehmen. Das bedeutet, dass sich in dem Bestreben, ein für ihn günstiges Insolvenzrecht zur Anwendung zu bringen, derjenige durchsetzen wird, dessen Insolvenzantrag zuerst die für die Verfahrenseröffnung maßgebliche Entscheidung über ein Hauptinsolvenzverfahren auslöst. Eine Besonderheit kommt bei Sachverhalten mit Bezug zum angelsächsischen Rechtskreis hinzu. Hier birgt das relation back-principle358 besondere Gefahren für die Gläubiger, die wegen des eher schuldnerfreundlichen Insolvenzrechts in 354 Balz, ZIP 1996, 948 (949); Herchen, ZInsO 2004, 61 (62); Kolmann, Kooperationsmodelle, S.284. 355 Vgl. 2. Teil § 5 III., S. 96. 356 Vgl. 2. Teil § 5 IV. 2. a), S. 100 ff. 357 Vgl. 2. Teil § 5 II. 6. a) – c), S. 76 ff. 358 Vgl. dazu 2. Teil § 5 II. 6. b), S. 77 ff.
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diesen Staaten ein Hauptverfahren nach den dortigen Insolvenzstatuten gerade vermeiden möchten. Wegen der Rückwirkung der Verfahrenseröffnung auf den Zeitpunkt der Antragstellung kann ein Schuldner seinen Antrag stellen, nachdem ein Gläubiger schon einen Insolvenzantrag in einem anderen Staat gestellt hat. Ab dem Zeitpunkt der Antragstellung ist der Schuldner von der Entscheidungsgeschwindigkeit der Gerichte unabhängig. Auch wenn die Eröffnungsentscheidung in England später ergeht als in dem Land, in dem der Gläubiger seinen Antrag gestellt hat, setzt sich das englische Hauptverfahren aufgrund der relation back rules durch. Der Gläubiger nimmt in seinem Bestreben, ein für ihn günstiges Insolvenzrecht zur Anwendung zu bringen, bei Sachverhalten der aufgezeigten Art somit eine erheblich schwächere Position ein als der Schuldner. Insofern kann von einem ungleichen Wettlauf der Insolvenzantragsteller um die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens gesprochen werden. Dabei sei darauf hingewiesen, dass der Wettlauf nicht nur in der Schuldner-Gläubigerbeziehung auftreten kann. Genauso hat der Gläubiger, der an einem bestimmten Insolvenzstatut interessiert ist, auch darauf zu achten, dass keine sonstigen Auslöser – etwa Gläubigeranträge oder staatlich Initiativmaßnahmen – in anderen Staaten, zu einer wirksamen früheren Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führen. bb) Hauptinsolvenzverfahren über „nicht insolvenzfähige“ Schuldner Die Insolvenzfähigkeit des Schuldners bestimmt sich nach der lex fori concursus.359 Das hat zur Folge, dass Gläubiger in Staaten, die die Insolenzfähigkeit des Schuldners ablehnen, kein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners auslösen können. Verfügt der Schuldner jedoch über zwei gleichwertige Verwaltungssitze in unterschiedlichen Staaten, besteht für die Gläubiger die Möglichkeit, in einem anderen Staat einen Insolvenzantrag zu stellen. Auf diese Weise kann ein Gläubiger ein Verfahren herbeiführen, in dem das weltweit vorhandene Vermögen (auch in dem Staat, in dem der Schuldner nicht insolvenzfähig ist) erfasst wird. Jedoch ist auch zu berücksichtigen, dass mit der Eröffnung des Verfahrens regelmäßig ein Vollstreckungsverbot verbunden ist. Vor- und Nachteile einer Insolvenzantragstellung sind daher im Einzelfall abzuwägen. b) Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens Auch Sekundärverfahren können von Gläubigern gezielt eingesetzt werden. Bei der Systematisierung der Motive der Gläubiger für die Stellung eines Insolvenzantrags auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens kann sich an den Funktionen von Sekundärverfahren orientiert werden. Darüber hinaus lassen sich noch weitere Gestaltungsmotive für die Gläubiger zur Einleitung eines Sekundärverfahrens ausmachen. 359
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aa) Ermöglichung eines Verfahrens nach bekannten Regeln Die erste zentrale Funktion von Sekundärverfahren ist der Schutz der Interessen von Gläubigern, die lediglich auf nationaler Ebene in Geschäftskontakt zum Gemeinschuldner stehen.360 Auf das Sekundärverfahren ist das Recht des Eröffnungsstaats anzuwenden und nicht das Recht des Hauptverfahrens (Art. 28 EuInsVO bzw. § 335 InsO). Folglich können diese Gläubiger durch Beantragung der Eröffnung eines Sekundärverfahrens verhindern, sich auf ausländische Insolvenzverfahren in fremder Sprache und nach fremden Insolvenzstatuten einlassen zu müssen. bb) Schutz bei der Insolvenz von Tochtergesellschaften Von besonderer Wichtigkeit ist die Schutzfunktion auch in der Situation, in der über das Vermögen einer Tochtergesellschaft entgegen der Vermutungsregel in Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO am Sitz der Konzernmutter ein Hauptverfahren eröffnet worden ist. Das ist möglich, wenn die Mutter die Verwaltungsaufgaben der Tochter tatsächliche in für Dritte nach außen erkennbarer Weise wahrnimmt.361 Das ist nach Auffassung des EuGH insbesondere in der Insolvenz von reinen Briefkastenfirmen der Fall.362 Des Weiteren ist innerhalb der EU auch möglich, dass ein Hauptverfahren unter Missachtung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit eröffnet wird, und die Eröffnungsentscheidung wegen des Prioritätsprinzips i.V.m. dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens gemäß Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO anerkannt werden muss.363 Dies kann für die Gläubiger zur Geltung eines für sie ungünstigen Insolvenzstatuts führen. Wollen oder können die Gläubiger in einer solchen Situation nicht vor den Gerichten des Staats, in dem das Verfahren unter Missachtung der internationalen Zuständigkeitsregeln eröffnet wurde, Rechtsmittel einlegen, besteht die Möglichkeit, sich mit der Einleitung eines Sekundärverfahrens zu behelfen: Durch Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Sekundärverfahrens am Ort der Niederlassung können die Gläubiger ein für sie möglicherweise günstigeres Insolvenzrecht zur Anwendung bringen. Insbesondere können die Gläubiger den Insolvenzvorschriften Geltung verschaffen, auf deren Geltung sie sich bei Begründung ihrer Forderung gegen den Schuldner verlassen haben. Die von Art. 3 Abs. 2 S. 1 EuInsVO und § 354 Abs. 1 InsO geforderte Negativprüfung, wonach der Staat, in dem das Sekundärverfahren stattfinden soll, nicht für die Eröffnung von Hauptverfahren zuständig sein darf, steht dem nicht entgegen. Die Vorschriften sind nämlich gegebenenfalls teleologisch zugunsten der Gläubiger zur reduzieren.364 360 Heiderhoff, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 27 Rn. 4; Paulus, NZI 2005, 95. 361 Vgl. 2. Teil § 5 III., S. 93 ff. 362 EuGH, EuZW 2006, 337 (338). 363 Vgl. 2. Teil § 5 IV. 2. b) aa), S. 105 ff. 364 Vgl. 2. Teil § 6 I. 2. c), S. 121.
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Durch die Auslösung eines Sekundärverfahrens können die Gläubiger einen größeren Schaden für sich schon deshalb abwenden, weil sich dass verwertbare Vermögen der Tochter regelmäßig an deren Sitz befinden wird. Nur in der Situation, in der ein wesentlicher Teil des Vermögens der Tochter nicht in dem Staat belegen ist, in dem auch der satzungsmäßige Sitz der Tochter angesiedelt ist, kann ein Sekundärverfahren aufgrund des lediglich territorialen Wirkungsanspruchs wenig Abhilfe schaffen. cc) Schutz bei missbräuchlichen Sitzverlegungen durch den Schuldner Schließlich können sich Gläubiger mittels eines Antrags auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens auch gegen die Verlegung des für die Eröffnung eines Hauptverfahrens maßgeblichen Mittelpunktes durch den Schuldner schützen. Sofern auf der Grundlage des verlegten Mittelpunktes ein Verfahren mit universalem Geltungsanspruch eröffnet worden ist, und der Eröffnungsbeschluss anerkannt wird, können sie an den Orten, an denen der Schuldner nach wie vor über eine Niederlassung verfügt, das dort geltende Insolvenzrecht zur Anwendung bringen. Für den Fall, dass dieses Verfahren außerhalb des territorialen Anwendungsbereichs der EuInsVO eröffnet worden ist, reicht sogar schon die Belegenheit sonstigen Vermögens in Deutschland für die Begründung der deutschen Eröffnungszuständigkeit nach § 354 Abs. 1 InsO. Das besondere Interesse an der Eröffnung eines Sekundärverfahrens (§ 354 Abs. 2 InsO) wird man in einem solchen Fall bejahen müssen. Gleichwohl wird die Eröffnung eines Sekundärverfahrens regelmäßig nur ein Behelf sein. Das ist damit zu erklären, dass Schuldner, die schon den für die Hauptverfahrenseröffnung maßgeblichen Mittelpunkt verlegen, auch darauf bedacht sein werden, das Vermögen entsprechend international zu verlagern. Auf diese Weise entziehen sie ihr Vermögen dem lediglich territorial wirkenden Sekundärverfahren. Nichts desto trotz ist der hier aufgezeigte Weg insbesondere innerhalb des Geltungsbereichs der EuInsVO von immenser Wichtigkeit. Bereits oben wurde dargestellt, dass Gläubigern insbesondere innerhalb der EU nur sehr begrenzte Möglichkeiten offen stehen, sich gegen ein forum shopping des Schuldners durch Verlagerungen des Interessenmittelpunktes zu schützen.365 Von den Rechtsschutzmöglichkeiten in dem Staat, in dem das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, abgesehen, kann sich der Gläubiger nur durch die Einleitung eines Sekundärverfahrens zur Wehr setzen. dd) Erfassung weiterer Vermögensgegenstände Eine weitere Funktion von Sekundärverfahren ist die sog. Vorzugsfunktion. Sie liegt in der Erfassung von Vermögensgegenständen, die aus kollisionsrechtlichen 365
Vgl. 2. Teil § 5 IV. 2. d), 3., S. 109 f., 110 ff.
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2. Teil: Analyse des Zusammenspiels der Insolvenzrechtsordnungen
Gründen nicht vom Hauptinsolvenzverfahren erfasst werden.366 Auch hier können Gläubiger gezielt Insolvenzanträge stellen, um weitere Einzelvollstreckungsmaßnahmen in derartige Vermögensgegenstände zu unterbinden, und sie einer Verwertung in der Gesamtvollstreckung zuzuführen.367 ee) Beschleunigung der eigenen Befriedigung Partikularverfahren in den einzelnen Staaten dürften in aller Regel schneller abgewickelt werden als ein universales Hauptverfahren, bei dem die Vermögensgegenstände auf verschiedene Nationen verteilt sind.368 In vielen Rechtsordnungen findet sich sogar ausdrücklich die Regelung, dass der Insolvenzverwalter das Schuldnervermögen im Liquidationsverfahren auf schnellstem Wege zu veräußern hat.369 Dementsprechend bietet es sich für einen Gläubiger an, ein Sekundärverfahren einzuleiten, wenn die Gegenstände, an deren Verwertung der Gläubiger besonders interessiert ist, im Wesentlichen in einem Staat belegen sind. Auf diese Weise kann er die Zeitspanne, in der er auf seine (quotale) Befriedigung warten muss, erheblich verkürzen. ff) Verbesserung der eigenen Rangstelle Von besonderer Wichtigkeit für die Gläubiger ist die Möglichkeit, Sekundärverfahren einzuleiten, auch in Bezug auf die Verbesserung der eigenen Rangstelle.370 Wurde über das Vermögen des Schuldners bereits ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet, und erkennt der Gläubiger, dass er nach dem Insolvenzstatut eines anderen Staats einen besseren Rang innehaben würde als im Hauptverfahren, bietet es sich für ihn an, in diesem Staat einen Insolvenzantrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens zu stellen. Die Geltung der lex fori concursus secundariae sichert ihm den besseren Rang. Ist in dem Staat des Sekundärverfahrens verwertbares Schuldnervermögen in nennenswertem Umfang vorhanden, kann er seine Befriedigungschancen damit deutlich erhöhen.371
366 Deutscher Rat für IPR, in: Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S. 265 (267); Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 27 Rn. 9 f. 367 Vgl. dazu noch ausführlich 3. Teil § 10 III. 3., S. 251 f. 368 So auch Liersch, in: Braun, InsO, § 354 Rn. 29. 369 So beispielsweise im englischen Liquidationsverfahren, in dem selbst die nur temporäre Fortführung des Unternehmens unzulässig ist, vgl. MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 27 EuInsVO Rn. 2. 370 Vgl. zur Bedeutung der Befriedigung nach Rängen gemäß der InsO 1. Teil § 2 II. 1., 2., III., S. 37, 40, 47 ff. 371 Beachte in diesem Zusammenhang die Auswirkungen der Befriedigungsanrechnung nach Art. 20 Abs. 2 EuInsVO und § 342 Abs. 2 S. 2 InsO, 2. Teil § 6 II. 1. f), S. 150 ff.
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gg) Herbeiführung eines Liquidationsverfahrens Die Besonderheit, dass nach der EuInsVO Sekundärverfahren in Ländern, die kein Einheitsinsolvenzverfahren kennen, nur als Liquidationsverfahren durchgeführt werden können,372 ist für Gläubiger insbesondere dann von Interesse, wenn das Hauptverfahren auf die Sanierung des Schuldners ausgerichtet ist und ein Gläubiger kein Interesse an der Sanierung hat. Die Gründe dafür können vielschichtig sein. Denkbar ist etwa, dass der Gläubiger nicht an das Gelingen der Sanierung glaubt oder dass er durch die Sanierung eine größere Vermögenseinbuße befürchtet als durch die Liquidation des in einem Staat belegenen Schuldnervermögens. Aber auch in Staaten, die nicht nach Liquidationsverfahren und sonstigen Verfahren unterscheiden, kann eine Sanierung im Hauptverfahren unterlaufen werden. Denn auch im Sekundärverfahren ist erforderlich, dass die Voraussetzungen etwa für die Verabschiedung eines Insolvenzplans vorliegen. Mithin ist eine positive Abstimmung der Gläubiger erforderlich.373 Diese wird in Sekundärverfahren aber regelmäßig deshalb scheitern, weil die Gläubiger aufgrund der Koordinationsschwierigkeiten nicht an eine erfolgreiche Sanierung glauben werden. In Fällen, in denen das deutsche internationale Insolvenzrecht Anwendung findet, ist das Zustandekommen eines Insolvenzplans sogar nahezu ausgeschlossen. Das Zustimmungserfordernis in § 355 Abs. 2 InsO für alle Gläubiger, die von den Einschränkungen ihrer Rechte durch den Insolvenzplan betroffen sind, dürfte in der Praxis wohl so gut wie nie erfüllt werden können.374 Etwas anderes kann allenfalls im Anwendungsbereich der EuInsVO gelten, die ein solches Zustimmungserfordernis für das Zustandekommen eines Insolvenzplans in Sekundärverfahren nicht kennt.375 Das Ziel eines Gläubigers, eine Liquidation herbeizuführen, kann nach der EuInsVO noch durch den Insolvenzverwalter des Hauptverfahrens konterkariert werden. Diesem steht gemäß Art. 33 Abs. 1 EuInsVO die Möglichkeit offen, bei dem Gericht, welches das Sekundärverfahren eröffnet hat, einen Antrag auf vollständige oder teilweise Aussetzung der Verwertung zu stellen. Der Antrag kann durch das Gericht nur unter der Voraussetzung abgelehnt werden, dass die Aussetzung für die Gläubiger des Hauptverfahrens offensichtlich nicht von Interesse ist (Art. 33 Abs. 1 S. 2 EuInsVO). Auf die Interessen der Gläubiger des Sekundärverfahrens kommt es hier nicht an.376 Sofern Personenidentität bei den Gläubigern Vgl. 2. Teil § 6 I. 2. a), S. 114 f. Reinhart geht sogar davon aus, dass in Abweichung von § 244 InsO die Zustimmung aller Gläubiger erforderlich ist, Reinhart, in: MünchKomm z. InsO, Art. 27 EuInsVO Rn. 2. 374 Vgl. 2. Teil § 6 I. 2. b), S. 117. 375 Vgl. 2. Teil § 6 I. 2. b), S. 117 f. 376 Vgl. Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (115 Nr. 242); DuursmaKepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 33 Rn. 6, 7; Lüke, ZZP 1998, 275 (303 f.). Zu kompensierenden Sicherungsmaßnahmen vgl. Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 33 Rn. 9 ff. 372 373
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des Haupt- und des Sekundärverfahrens besteht, sind lediglich die Interessen des Gläubigers als Gläubiger des Hauptverfahrens heranzuziehen. Zwar darf die Verwertung lediglich zeitlich befristet ausgesetzt werden, die Aussetzung kann aber immer wieder verlängert oder erneuert werden (Art. 33 Abs. 1 S. 3 und 4 EuInsVO). Gegen die Aussetzung kann sich der Gläubiger mittels eines Aufhebungsantrags zur Wehr setzen. Dieser wird aber nur dann positiv beschieden, wenn sich herausstellt, dass die Aussetzung der Verwertung mit den Interessen der Gläubiger des Haupt- oder Sekundärverfahrens nicht zu rechtfertigen ist (Art. 33 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich EuInsVO). Hier sind also erstmals auch die Interessen der Gläubiger des Sekundärverfahrens von Bedeutung. Besteht das Interesse dieser Gläubiger aber lediglich darin, die Sanierungsbemühungen im Hauptverfahren durch eine Liquidation des Vermögens im Sekundärverfahren zu torpedieren, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Interesse die Aussetzung der Verwertung nicht mehr rechtfertigt. hh) Ausnutzung der Eröffnungsautomatik – Risikominimierung Besonders vorteilhaft ist für Gläubiger bei der Einleitung eines Sekundärinsolvenzverfahrens der Umstand, dass das Vorliegen von Eröffnungsgründen bei der Eröffnung des Sekundärverfahrens nicht noch einmal gesondert festgestellt werden muss. Der Antragsteller kann daher sicher davon ausgehen, dass der Eröffnungsantrag nicht wegen fehlender Erfüllung in Eröffnungsgründen zurückgewiesen wird. Folglich trifft den Gläubiger nicht das Risiko, neben der zu erwartenden Vermögenseinbuße durch die Insolvenz des Schuldners auch noch die Verfahrenskosten bei Unbegründetheit des Insolvenzantrags tragen zu müssen.377 Da es nicht darauf ankommt, dass der Eröffnungsgrund des Hauptverfahrens auch nach der lex fori concursus secundariae anerkannt ist, ermöglicht die „Eröffnungsautomatik“ den Gläubigern darüber hinaus, den Schuldner mit einem Insolvenzverfahren zu überziehen, für das in dem Eröffnungsstaat gegebenenfalls kein einschlägiger Eröffnungsgrund existiert. Die Eröffnungsautomatik geht jedoch nicht so weit, dass Gläubiger mittels eines Antrags auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens auch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen von Tochtergesellschaften auslösen können, wenn das Hauptverfahren über das Vermögen der Muttergesellschaft eröffnet worden ist. Auch die Vorschriften des internationalen Insolvenzrechts gehen davon aus, dass sich ein Insolvenzverfahren immer nur auf einen Rechtsträger beziehen kann.378 Eine Erstreckung der Insolvenzverfahren auf zusätzliche Personen (Konzerninsolvenzverfahren) ist damit nicht möglich. Die Eröffnungsautomatik kann damit nicht zur Anspruchsgegnermehrung genutzt werden.
377 378
In Deutschland würde sich dieser Anspruch aus § 4 InsO i.V.m. § 91 ZPO ergeben. Vgl. 2. Teil § 6 I. 2. c), S. 119 f.
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c) Antrag auf Eröffnung eines isolierten Partikularinsolvenzverfahrens Auch das isolierte Partikularverfahren ist ins Kalkül der Gläubiger mit einzubeziehen. Dabei kann dies Verfahren einerseits Ausgleich dafür sein, dass ein Hauptinsolvenzverfahren nicht möglich ist. Es kann aber auch als echte Alternative zu einem Hauptverfahren eingesetzt werden. aa) Partikularverfahren im Falle fehlender Insolvenzfähigkeit Ist ein Schuldner in dem Staat, der international für die Eröffnung eines Hauptverfahrens über sein Vermögen zuständig ist (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO bzw. § 3 InsO), nicht insolvenzfähig, ist die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens nicht möglich. Hat der Schuldner jedoch in einem anderen Staat, nach dessen Rechtsmaßstäben der Schuldner insolvenzfähig ist, eine Niederlassung, können die Gläubiger durch Stellung eines Insolvenzantrags die Eröffnung eines isolierten Partikularverfahrens auslösen (Art. 3 Abs. 4 lit. a EuInsVO bzw. § 354 Abs. 1 Var. 1 InsO). Nach dem autonomen deutschen internationalen Insolvenzrecht ist sogar schon die Belegenheit sonstigen Vermögens für einen Antrag ausreichend, wenn der Gläubiger ein besonderes Interesse an der Verfahreneröffnung hat (§ 354 Abs. 1 Var. 2 und Abs. 2 InsO). Ein solches Interesse ist in Fällen, in denen die Eröffnung eines Hauptverfahrens nicht möglich ist, grundsätzlich zu bejahen.379 Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO stellt klar, dass im Anwendungsbereich der EuInsVO auch die Staaten, die die Insolvenzfähigkeit des Schuldners verneinen würden, das isolierte Partikularverfahren anerkennen. In Drittstaaten ist die Anerkennung vom internationalen Insolvenzrecht der Einzelstaaten abhängig. bb) Das isolierte Partikularverfahren als Alternative zum Hauptverfahren Auch bei isolierten Partikularverfahren kann wieder der Gedanke aufgegriffen werden, dass Territorialverfahren in der Regel schneller abgewickelt werden können als Verfahren mit universaler Geltung.380 Ein Gläubiger, der vor der Alternative steht, in dem einen Staat ein Hauptverfahren oder in einem anderen Staat ein isoliertes Partikularverfahren einzuleiten, kann mithin einen Antrag auf Eröffnung eines isoliertes Partikularverfahrens stellen, um eine schnellere Befriedigung zu erreichen als in einem Hauptverfahren. Des Weiteren können isolierte Partikularverfahren auch dann eingeleitet werden, wenn der Gläubiger ein Interesse daran hat, das Insolvenzrecht eines Niederlassungsstaats zur Anwendung zu bringen und nicht das Recht des Staats, der international für die Eröffnung von Partikularverfahren zuständig ist. 379 380
Vgl. 2. Teil § 6 I. 3. c), S. 126. Vgl. 2. Teil § 6 I. 4. b) ee), S. 136.
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Diese strategischen Überlegungen sind freilich an die Möglichkeiten gebunden, die den Gläubiger durch die Eröffnungsvoraussetzungen der EuInsVO und des deutschen internationalen Insolvenzrechts vorgegeben werden. Aufgrund der Negativvoraussetzung, dass der Staat, in dem das Partikularverfahren eröffnet werden soll, nicht für die Eröffnung eines Hauptverfahrens zuständig sein darf (vgl. § 354 Abs. 1 InsO, Art. 3 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 EuInsVO)381, kann sich die alternative Antragstellung grundsätzlich nur auf zwei unterschiedliche Staaten beziehen. Ein Gläubiger kann mithin nicht wählen, ob er in ein und demselben Staat entweder die Eröffnung eines isolierten Partikularverfahrens oder aber die Eröffnung eines Hauptverfahrens beantragt. Vor der Alternative, die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens oder eines isolierten Partikularverfahrens zu beantragen, stehen im Anwendungsbereich der EuInsVO auch nur die Niederlassungsgläubiger und die Gläubiger mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz in dem Mitgliedstaat, in dem das Partikularverfahren eröffnet werden soll (Art. 3 Abs. 4 lit. b EuInsVO). Nach deutschem internationalen Insolvenzrecht besteht die Alternative eines Gläubigerantrags auf Eröffnung eines isolierten Partikularverfahrens immer dann, wenn eine Niederlassung des Schuldners in Deutschland belegen ist. Fehlt es dagegen an einer Niederlassung, befindet sich aber sonstiges Vermögen in Deutschland, kann ein isoliertes Partikularverfahren wegen des Erfordernisses eines besonderen Interesses nach § 354 Abs. 2 InsO regelmäßig nur dann eröffnet werden, wenn ein Hauptverfahren nicht eröffnet werden kann. Andernfalls liegt ein besonderes Interesse i. S. d. der Vorschrift nämlich nur in den seltenen Fällen vor, in denen die Verweigerung der Anerkennung eines Verfahrens nach den Maßstäben des Hauptinsolvenzstatuts nahe liegen würde.382 Im Falle der bloßen Vermögensbelegenheit in Deutschland stellt sich die Wahl zwischen der Einleitung eines Hauptverfahrens oder eines isolierten Partikularverfahrens damit grundsätzlich nicht. 5. Zusammenfassende Würdigung Die Gläubiger sind in der Lage, Insolvenzverfahren mit ganz unterschiedlichen Wirkungen über das Vermögen des Schuldners einzuleiten. Die Entscheidung, welches Verfahren ein Gläubiger wo einleitet und ob er überhaupt einen Insolvenzantrag stellt, ist immer eine Frage des Einzelfalls. Es lassen sich aber verschiedene Strategien und Handlungsmuster herausarbeiten. Diese sind abhängig von verschiedenen Faktoren rechtlicher und tatsächlicher Art, mit denen der Gläubiger in der Situation der Insolvenz des Schuldners konfrontiert wird. Dazu zählen schuldnerabhängige Gesichtspunkte wie die Belegenheit des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen bzw. des Mittelpunktes der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit und der Niederlassungen. Von entscheidender Bedeutung 381 382
Vgl. 2. Teil § 6 I. 2. c), S. 120 f. Siehe dazu 2. Teil § 6 I. 2. d), S. 122.
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ist des Weiteren die Frage, wo sich die Vermögensgegenstände des Schuldners befinden. Gleichzeitig ist die Reihenfolge der Verfahrenseröffnungen ausschlaggebend dafür, mit welchem geographischen Geltungsanspruch welche Insolvenzrechtsordnung auftritt. Folglich ist der Zeitpunkt der Antragstellung von großer Wichtigkeit für die Durchsetzung der Gläubigerinteressen. Damit sind die Ziele der Gläubiger angesprochen. Auch sie sind ausschlaggebend für die Entscheidung, wie sich ein Gläubiger verhalten wird. Er muss sich fragen, ob er bereit ist, eine anstehende Sanierung des Schuldners mit zu tragen oder ob eine Befriedigung durch Liquidation eher seinen Interessen entspricht. Des Weiteren ist entscheidend, ob er an einer schnellen – dafür aber vielleicht zunächst nicht so umfangreichen – Befriedigung in einem Territorialverfahren interessiert ist oder ob ihm die Befriedigungsmöglichkeiten im Hauptverfahren ausreichen. Schließlich muss er überprüfen, wie er befriedigungshierarchisch in einem einzuleitenden Verfahren stehen würde. Von besonderer Brisanz ist die Erkenntnis, dass Gläubiger mittels eines gezielten Einsatzes von Partikularverfahren in der Lage sind, Rechtsnachteile, die durch ein forum shopping des Schuldners für sie entstehen, zumindest in gewissem Maße abwehren können. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Versagung der Anerkennung der Wirkungen eines Verfahrens wegen ordre-public-Widrigkeit regelmäßig ausscheidet, von erheblicher Wichtigkeit. Die Gläubiger können also den Mangel, dass die EuInsVO und das deutsche internationale Insolvenzrecht Raum für eine forum shopping des Schuldners zulasten der Gläubiger lassen, durch Eigeninitiative ausgleichen. Nicht vernachlässigt werden darf bei der Entscheidung des Gläubigers, dass mit der Stellung eines Insolvenzantrags ein nicht unerhebliches Kostenrisiko verbunden ist. Wird der Insolvenzantrag abgewiesen, hat der Gläubiger regelmäßig die Verfahrenskosten zu tragen.383 Dazu kommen weitere länderspezifische Risiken, die der Gläubiger zu berücksichtigen hat. Als Beispiel sei hier nur die Schadensersatzpflicht bei Ablehnung des Insolvenzantrags, wie sie in den USA existiert,384 genannt.
II. Geltendmachung von Forderungen Das Anmeldeverfahren tritt für die Gläubiger an die Stelle der Möglichkeit, ihre Ansprüche klageweise und im Wege der Einzelvollstreckung durchzusetzen. Mithin ist die Forderungsanmeldung der zentrale Handlungsschritt, den die Insolvenzgläubiger vornehmen müssen, um ihre Forderungen im Insolvenzverfahren weiter zu verfolgen. Auch insoweit gilt es, die Gestaltungsmöglichkeiten für die Gläubiger herauszuarbeiten. 383 384
In Deutschland ergibt sich der Anspruch aus § 4 InsO i.V.m. § 91 ZPO. Vgl. 1. Teil § 3 IV., S. 58.
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1. Forderungsanmeldung Dazu müssen zunächst die Modalitäten für die Forderungsanmeldung untersucht werden. Forderungsanmeldungen sind von den nationalen Insolvenzstatuten in aller Regel als Prozesshandlungen ausgestaltet, da sie regelmäßig auf Herbeiführung von Wirkungen in einem gerichtlichen Prüfungsverfahren abzielen.385 Mithin müssen die entsprechenden nationalen Voraussetzungen z. B. die Prozessfähigkeit des Antragstellers bzw. die Legitimation des Vertreters (in Deutschland §§ 56, 88 f. ZPO i.V.m. § 4 InsO) beachtet werden.386
a) Recht auf Forderungsanmeldung nach Art. 39 EuInsVO Nach Art. 39 EuInsVO hat jeder Gläubiger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der Verfahrenseröffnung hat, ein Recht darauf, seine Forderungen im Insolvenzverfahren anzumelden. Die Vorschrift beinhaltet eine einheitliche materiellrechtliche Regelung für den Anwendungsbereich der EuInsVO.387 Sie stellt sicher, dass Gläubiger mit einem entsprechenden Bezug zur EU bei der Forderungsanmeldung nicht mit dem Argument abgewiesen werden können, nicht aus dem Verfahrensstaat zu stammen. Eine Aussage für Gläubiger aus Drittstaaten und dem Eröffnungsstaat selbst trifft die Vorschrift nicht. Daher könnte an dieser Stelle an die Kritik von Paulus angeknüpft werden, dass die EuInsVO eine Abschottung gegen Drittstaaten betreibt.388 Die Kritik geht hier jedoch deswegen ins Leere, weil sich keine Insolvenzrechtsordnung innerhalb der EU finden lassen wird, die Forderungsanmeldungen von Gläubigern aus Drittstaaten nicht zulässt. Etwas anderes kann allenfalls in Bezug auf Steuerbehörden und Sozialversicherungsträger gelten, denen gemäß Art. 39 EuInsVO ausdrücklich das Recht zur Anmeldung eingeräumt wird. Die InsO geht grundsätzlich von einem Antragsrecht fremder Gläubiger aus.389 Daher ist eine dem Art. 39 EuInsVO entsprechende Norm im autonomen deutschen internationalen Insolvenzrecht nicht erforderlich. Eine Verpflichtung für Drittstaaten, die Forderungsanmeldung von deutschen Gläubigern im Insolvenz385 A. Schmidt / Riedel, in: Bork / Koschmieder, Fachanwaltshandbuch Insolvenzrecht, Rn. 10.34; Eckhardt, Kölner Schrift, S. 743 (750 Rn. 13); MünchKomm z. InsO / Nowak, § 174 Rn. 2. 386 Eckhardt, Kölner Schrift, S. 743 (750 Rn. 13); Eickmann, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 63 Rn. 3 ff. 387 Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 31.047; Duursma, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 39 Rn. 1; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 39 EuInsVO Rn. 1. 388 Paulus, EWS 2002, 497 (504). 389 BegrRegE, BT-Drucks. 15 / 16, S. 20; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 35.19; Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 128 Rn. 60; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 341 Rn. 4.
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verfahren zu ermöglichen, kann die InsO schon aufgrund der Souveränität dieser Staaten nicht gewährleisten. Will man dem § 341 Abs. 1 InsO einen über die Regelung von Mehrfachanmeldungen hinausgehenden Anwendungsbereich zuschreiben, käme der Norm daher allenfalls noch klarstellende Funktion für deutsche Verfahren zu. Einer Nichtzulassung von Forderungsanmeldungen in ausländischen Verfahren kann lediglich mit dem ordre-public-Vorbehalt begegnet werden. Der Begriff „Anmeldung“ in Art. 39 EuInsVO ist untechnisch zu verstehen. So können z. B. ausländische Gläubiger ihre Masseforderungen oder ihre Aussonderungsrechte in Deutschland nicht zur Tabelle anmelden (vgl. § 174 Abs. 1 S. 1 InsO). Die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Forderungsanmeldung bleiben gemäß Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. h EuInsVO vielmehr weiterhin Angelegenheit des Staats, in dem das Insolvenzverfahren durchgeführt wird.390
b) Streitstand zur Beschränkbarkeit der Passivmasse in Partikularverfahren Trotz der oben dargestellten Wirkung des Art. 39 EuInsVO findet sich in der Literatur eine Ansicht, die in Bezug auf territorial begrenzte Verfahren nach der EuInsVO eine Beschränkung der Passivmasse durch einzelstaatliches Recht zulassen will. Unter dem Begriff „Passivmasse“ ist dabei die zur Teilnahme am Verfahren berechtigte Menge an Forderungen der Gläubiger zu verstehen.391 Thieme geht – rechtspolitisch motiviert – von der Möglichkeit aus, die Berechtigung zur Forderungsanmeldung in Partikularverfahren nur Niederlassungsgläubigern und eventuell Inlandsgläubigern zu gewähren.392 Ein unbeschränktes Teilnahmerecht führe zu einer Übervorteilung von Großgläubigern („Raptokreditoren“).393 Diese verfügen aufgrund ihrer Omnipräsenz, besserer Informationen und größerer Finanzkraft regelmäßig über bessere Rechtsverfolgungsmöglichkeiten.394 Sie können anders als kleinere Gläubiger durch Forderungsanmeldungen in vielen Verfahren ihre Chancen steigern, wenigstens in einem Verfahren eine größere Quote zu erhalten.395 Dogmatisch macht Thieme seinen Standpunkt an Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. g und h EuInsVO fest.396 Danach obliegt es dem Recht des Staats der VerVirgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (122 Nr. 267). Duursma-Kepplinger Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 27 Rn. 44. 392 Thieme, IJVO 1995 / 1996, 44 (85); ders. auch, in: Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S. 212 (225). 393 Thieme, IJVO 1995 / 1996, 44 (55, 85). Vermutlich denkt Thieme hier insbesondere an sog. Vulture-Investoren, die notleidende Kredite (non performing loans) preisgünstig aufkaufen und versuchen, einen möglichst großen Teil der Forderungen zu realisieren. 394 Lüke, ZZP 1998, 275 (301); Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 343. 395 Lüke, ZZP 1998, 275 (301); Thieme, IJVO 1995 / 1996, 44 (55). 396 Thieme, IJVO 1995 / 1996, 44 (86). 390 391
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fahrenseröffnung, wie er die Anmeldung regelt und welche Forderungen als Insolvenzforderungen anzumelden sind. Folglich könne die lex fori concursus auch Teilnahmebeschränkungen vorsehen.397 Im Übrigen seien derartige Beschränkungen in Partikularverfahren auch sonst im europäischen Insolvenzrecht zu finden. So verlange z. B. Art. 3 Abs. 4 lit. b EuInsVO für das Insolvenzantragsrecht der Gläubiger einen gewissen Inlandsbezug. Dies indiziere die Zulässigkeit entsprechender Passivmassebeschränkungen.398 Das letzte Argument kann jedoch schon deshalb nicht überzeugen, weil die EuInsVO strikt zwischen Insolvenzantragsrecht einerseits und Berechtigung zur Forderungsanmeldung andererseits differenziert. Beides zu vermischen hieße, diese Trennung zu verkennen. Dementsprechend geht die herrschende Ansicht zutreffend davon aus, dass Beschränkungen der Passivmasse auch in Partikularverfahren nicht durch die nationalen Gesetzgeber eingeführt werden können.399 Art. 32 Abs. 1 EuInsVO sieht gerade die Möglichkeit der Mehrfachanmeldung vor. Durch die Quotenanrechnung im Verteilungsverfahren gemäß Art. 20 Abs. 2 EuInsVO werden unbillige Ergebnisse bei der Befriedigung der Gläubiger – zumindest nach der Konzeption des Gesetzes – vermieden.400 Insoweit verdrängen also Art. 32 Abs. 1 EuInsVO und Art. 39 EuInsVO die Grundregel des Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. g und h EuInsVO.401 Hinsichtlich des Art. 32 EuInsVO, der die Überschrift „Ausübung von Gläubigerrechten“ trägt, ließe sich zwar noch erwägen, dass die Norm lediglich die Ausübung solcher Rechte regelt, nicht hingegen die vorgelagerte Frage nach der Möglichkeit der Teilnahme an einem Verfahren.402 Dieser Ansatz versagt jedoch schon in Bezug auf Art. 39 EuInsVO. Jedenfalls diese Vorschrift sichert ausdrücklich das Recht auf Forderungsanmeldung. Des Weiteren liegt ein in dieser Weise differenzierendes Verständnis hinsichtlich des Regelungsgehalts der Vorschrift in keiner Weise nahe.403 Duursma-Kepplinger und Chalupsky versuchen den Standpunkt der herrschenden Ansicht noch mit dem Argument zu untermauern, dass eine Passivmassebeschränkung mit dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung sowie dem gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot (Art. 12 EGV) unvereinbar wäThieme, IJVO 1995 / 1996, 44 (86). Thieme, IJVO 1995 / 1996, 44 (91 Fn. 301). 399 MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 32 EuInsVO Rn. 1; Liersch, in: Braun, InsO, § 341 Rn. 3; Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO Art. 32 EuInsVO Rn. 1; Balz, ZIP 1996, 948 (953); Wimmer, ZIP 1998, 982 (987); Lüke, ZZP 1998, 275 (301 f.). 400 Siehe dazu im Einzelnen unter 2. Teil § 6 II. 1. f), S. 150 ff. 401 Vgl. Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 32 EuInsVO Rn. 2, 1; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 32 EuInsVO Rn. 1, Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (112 Nr. 235). 402 So ein Ansatz von Lüke, ZZP 1998, 275 (302). 403 So auch Lüke, ZZP 1998, 275 (302); diesem zustimmend: Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 32 Rn. 5. 397 398
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re.404 Auch wenn vor dem Hintergrund einer unter Umständen gerechtfertigten Ungleichbehandlung wegen des fehlenden Bezugs zur Niederlassung im Verfahrensstaat an der Stichhaltigkeit ihrer Aussage gezweifelt werden kann, ändert dies nichts an der richtigen Einschätzung, dass eine Passivmassebeschränkung durch nationale Vorschriften aufgrund der oben dargestellten Argumente nicht möglich ist. Damit bleibt festzuhalten, dass das Recht zur Forderungsanmeldung, welches durch Art. 39 EuInsVO vermittelt wird, uneingeschränkt für Haupt-, Sekundärund unabhängige Partikularverfahren gilt.
c) Form, Inhalt und Sprache Art. 39 EuInsVO ordnet neben der Anmeldeberechtigung der Gläubiger an, dass die Forderungen schriftlich angemeldet werden können. Das „Schriftformerfordernis“ wird allgemein dahingehend ausgelegt, dass es sich um einen Höchststandard handelt.405 Dementsprechend kann beispielsweise ein deutscher Gläubiger in Österreich, wo § 104 Abs. 3 KO für eine Forderungsanmeldung eine doppelte Ausfertigung des Anschreibens voraussetzt, lediglich ein Exemplar einreichen. Aufgrund der Ausgestaltung als Höchststandard können die Mitgliedstaaten zugunsten der Gläubiger auch geringere Anforderungen aufstellen. Sie können z. B. die Anmeldung per Telefax oder E-Mail zulassen. Auch die Ausgestaltung des Anmeldeverfahrens im Übrigen bleibt den nationalen Gesetzgebern vorbehalten.406 Das gilt für die einzuhaltenden Fristen, die Bestimmung des richtigen Adressaten bei der Anmeldung, die Kosten usw. In Bezug auf den Inhalt der Anmeldung haben die Gläubiger die Anforderungen des Art. 41 EuInsVO zu erfüllen. Danach hat der Gläubiger eine Kopie der gegebenenfalls vorhandenen Belege zu übersenden und Angaben zur Entstehung und Höhe der Forderung zu machen. Gegebenfalls ist auch anzugeben, ob Vorrechte, dingliche Sicherheiten oder Eigentumsvorbehalte beansprucht werden und welche Vermögenswerte Gegenstand der Sicherheit sind. Zwar ist Art. 41 EuInsVO dem Wortlaut nach nicht auf die Gläubiger aus anderen Mitgliedstaaten begrenzt, so dass auch die Gläubiger aus dem Verfahrensstaat und aus Drittstaaten darunter fallen könnten. Jedoch ist aufgrund der Einbettung der Vorschrift in die Art. 39 ff. EuInsVO davon auszugehen, dass nur erstere angesprochen werden sollen.407 Für
404 Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 32 Rn. 5. 405 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (122 Nr. 270); Pannen / Riedemann / Kühnle, NZI 2002, 303 (304); Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 39 EuInsVO Rn. 5. 406 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (122 Nr. 267); Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 31.047. 407 Vgl. Duursma, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 41 Rn. 1.
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die Gläubiger aus anderen Mitgliedstaaten gilt auch Art. 42 Abs. 2 EuInsVO, der ihnen erlaubt, die Anmeldung in der Amtssprache des Staats abzufassen, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz haben. Gegebenenfalls kann der Verwalter gemäß Art. 42 Abs. 2 S. 3 EuInsVO eine Übersetzung verlangen. Genügt die Anmeldung den Anforderungen des Art. 42 Abs. 2 S. 1 und 2 EuInsVO, kann er die Anmeldung auf jeden Fall nicht wegen der verwendeten Sprache zurückweisen. Ein deutscher Insolvenzverwalter kann mithin nicht von seinem Zurückweisungsrecht bei Forderungsanmeldungen in fremden Sprachen Gebrauch machen, welches ihm von der h. M. sonst gemäß § 184 GVG analog zugesprochen wird.408 Die Beschränkung der Wirkung des Art. 42 Abs. 2 EuInsVO auf Gläubiger in anderen Mitgliedstaaten führt zu einer brisanten Unbleichbehandlung: Während die Anmeldungen von Gläubiger aus Mitgliedstaaten der EU nicht zurückgewiesen werden können, ist eine Zurückweisung gegenüber Gläubigern aus dem Verfahrensstaat selbst oder einem Nicht-Mitgliedstaat sehr wohl möglich, wenn die Anmeldung in einer fremden Sprache erfolgt. Das gilt sogar dann, wenn es sich bei der verwendeten Sprache um eine Amtssprache eines Mitgliedstaats der EU handelt. Ob der Standpunkt der h. M.409 zur Zurückweisung von Forderungsanmeldungen in fremder Sprache heute noch zeitgemäß ist, muss bezweifelt werden. Er ermöglicht nämlich, dass auch Anmeldungen in einer fremden Sprache zurückgewiesen werden können, die ohne besondere Sprachkenntnisse als Forderungsanmeldung erkennbar sind.410 Zumindest in Fällen, in denen das Schreiben sogar die Überschrift „Anmeldung einer Forderung“ in der Amtssprache des Eröffnungsstaats trägt (vgl. dazu Art. 42 Abs. 2 S. 2 EuInsVO), gibt es keinen vernünftigen Grund, einem Insolvenzverwalter den geringen Aufwand zu ersparen, sich die Frage zu stellen, ob es sich wirklich um eine Forderungsanmeldung handelt oder nicht. Ein Insolvenzverwalter darf gegenüber Gläubigern aus anderen Mitgliedstaaten der EU nämlich grundsätzlich keinen anderen Sorgfaltsmaßstab anwenden als gegenüber Gläubigern aus dem Verfahrenstaat oder aus Drittstaaten. Natürlich muss von dem Gläubiger eine Übersetzung in angemessener Frist verlangt werden können (so auch Art. 42 Abs. 2 S. 3 EuInsVO). Sofern der Gläubiger dieser Pflicht nicht nachkommt, kann die Forderung immer noch ohne Kostenrisiko bestritten 408 BerlinerKomm z. InsO / Breutigam / Erckens, § 174 Rn. 12; MünchKomm z. InsO / Nowak, § 174 Rn. 8; Pape, in: Kübler / Prütting, InsO, § 174 Rn. 25; Kießner, in: Braun, InsO, § 174 Rn. 17. 409 MünchKomm z. InsO / Nowak, § 174 Rn. 8; HeidelKomm z. InsO / Irschlinger, § 174 Rn. 2; BerlinerKomm z. InsO / Breutigam / Erckens, § 174 Rn. 12; Pape, in: Kübler / Prütting, InsO, § 174 Rn. 25; Kießner, in: Braun, InsO, § 174 Rn. 17. 410 So ausdrücklich Irschlinger, in: HeidelKomm z. InsO, § 174 Rn. 2. A.A. dagegen Eckhardt, der in einem solchen Fall das Zurückweisungsrecht ablehnt, vgl. Eckhardt, Kölner Schrift, S. 743 (750 Rn. 13); zweifelnd auch A. Schmidt / Riedel, in: Bork / Koschmieder, Fachanwaltshandbuch Insolvenzrecht, Rn. 10.35.
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werden.411 Jedenfalls wird dem Gläubiger so die Chance gegeben, auch mit einem Schriftsatz in einer fremden Sprache die Frist für die Forderungsanmeldung zu wahren. Ansonsten haben sich die Gläubiger aus Drittstaaten und aus Deutschland in einem deutschen Verfahren an die Anforderungen der InsO zu halten. Die lex fori concursus bestimmt die Anmeldemodalitäten. Erleichterungen wie in der EuInsVO sieht das deutsche internationale Insolvenzrecht nicht vor. d) Mehrfachanmeldungen Art. 32 Abs. 1 EuInsVO und § 341 Abs. 1 InsO räumen den Gläubigern speziell das Recht ein, ihre Forderungen parallel in Haupt- und Sekundärverfahren anzumelden. Die Anmeldung kann dabei jeweils in voller Höhe der Forderung erfolgen.412 Der Wortlaut der beiden Vorschriften ist deckungsgleich. Ein unterschiedlicher Regelungsgehalt ergibt sich aber wiederum aus den unterschiedlichen Anwendungsbereichen von EuInsVO und deutschem internationalen Insolvenzrecht. Auch wenn Art. 32 Abs. 1 EuInsVO von „jede[m] Gläubiger“ spricht, sind damit lediglich die Gläubiger aus dem räumlichen Anwendungsbereich der EuInsVO gemeint.413 Des Weiteren ist die Vorschrift nur in Verfahren zu beachten, die innerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs der EuInsVO durchgeführt werden. Alles was über den Anwendungsbereich der EuInsVO hinausgeht wird von § 341 Abs. 1 EuInsVO erfasst. Isolierte Partikularverfahren werden in Art. 32 Abs. 1 EuInsVO und § 341 Abs. 1 InsO nicht erwähnt. Für sie treffen die Vorschriften anders als Art. 39 EuInsVO, der keine Beschränkung auf Haupt- und Sekundärverfahren enthält, keine Aussage. Das ist damit zu begründen, dass sich das Problem der Mehrfachanmeldung mangels anderer Verfahren bei isolierten Partikularverfahren zunächst nicht stellt. Werden später weitere Verfahren eröffnet, ergibt sich das Recht zur Forderungsanmeldung innerhalb der EU aus Art. 39 EuInsVO und das Recht zu weiteren Anmeldungen aus Art. 36 EuInsVO i.V.m. Art. 32 Abs. 1 EuInsVO bzw. aus § 341 Abs. 1 InsO. e) Anmeldung durch Verwalter im Namen der Gläubiger In Art. 32 Abs. 2 EuInsVO und § 341 Abs. 2 S. 1 InsO ist ein eigenständiges Anmelderecht des Verwalters für die Forderungen normiert, die in dem von ihm Eckhardt, Kölner Schrift, S. 743 (750 Rn. 13). Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 342 Rn. 16; Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 20 Rn. 6 EuInsVO; Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 20 Rn. 34. 413 Vgl. dazu 2. Teil § 4 I. 2., S. 64 f. 411 412
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durchzuführenden Verfahren angemeldet worden sind. Beide Vorschriften wurden aus Gläubigerschutzgesichtspunkten eingeführt. Sie legen die Forderungsanmeldung in weiteren Verfahren in die Hand eines Fachmanns. Durch die koordinierte Anmeldung sollen die Befriedigungschancen der Gläubiger erhöht werden.414 Der Insolvenzverwalter hat zu ermitteln, ob eine Anmeldung der in seinem Verfahren angemeldeten Forderungen in weiteren Verfahren zweckmäßig ist. Dabei haben sich seine Erwägungen an den Interessen der Gläubiger zu orientieren. Maßgebliche Kriterien, die für eine Anmeldung sprechen, sind die Verschaffung einer besseren Rangstelle oder auch die Geltung eines für die Forderung günstigen Insolvenzrechts, d. h. insgesamt die Verbesserung der Befriedigungsaussichten.415 Dagegen sprechen insbesondere die Kosten einer weiteren Anmeldung. Kostenschuldner wird nämlich – auch wenn der Verwalter die Forderung anmeldet – der Gläubiger.416 Entscheidend ist daher, in welchem Verhältnis diese Kosten zu den besseren Befriedigungschancen stehen. Das Verhältnis wird regelmäßig in Bezug auf die verschiedenen Gläubigergruppen divergieren. Dies kann zu einer differenzierten Anmeldung der Forderungen lediglich einzelner Gruppen führen (z. B. der Forderungen der Arbeitnehmer). Eine Einzelprüfung jeder Forderung muss der Insolvenzverwalter nicht vornehmen.417 Das ergibt sich schon daraus, dass eine solche Prüfung erhebliche zusätzliche Kosten und Verzögerungen mit sich bringen würde, was von den Gesetzgebern gerade nicht gewollt war. Art. 32 Abs. 2 EuInsVO statuiert für den Verwalter ausdrücklich eine Pflicht zur Anmeldung, soweit er bei seinen Erwägungen zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine Anmeldung zweckmäßig ist. § 341 Abs. 2 S. 1 EuInsVO spricht unschärfer von einer Anmeldeberechtigung. Teilweise wird auch darin eine Anmeldepflicht gesehen, wenn die Zweckmäßigkeitsprüfung positiv ausgefallen ist.418 Andere gehen dagegen von einem Wahlrecht aus.419 Argumente werden für beide Ansichten nicht vorgetragen. Es kann jedoch nicht als zulässig angesehen werden, aus dem Wortlaut, der von einer Berechtigung zur Anmeldung spricht, eine Pflicht abzuleiten. Das wäre allenfalls dann möglich, wenn es für den Verwalter zu einer Ermessensreduzierung auf Null zugunsten einer Anmeldung kommen könnte. Ein solcher Fall ist jedoch kaum vorstellbar. Grundsätzlich ist daher davon auszugehen, dass den Interessen der Gläubiger bereits gedient ist, wenn der Verwalter sie auf die Zweckmäßigkeit einer eigenen Forderungsanmeldung 414 Kemper, ZIP 2001, 1609 (1620); vgl. auch Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 32 Rn. 8. 415 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (114 Nr. 239); Kemper, ZIP 2001, 1609 (1620); vgl. auch BegrRegE, BT-Drucks. 15 / 16, S. 20. 416 Pannen / Kühnle / Riedemann, NZI 2003, 72 (76); Liersch, in: Braun, InsO, § 341 Rn. 5. 417 Pannen / Kühnle / Riedemann, NZI 2003, 72 (76). 418 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 341 Rn. 10. 419 HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 341 Rn. 5; Liersch, in: Braun, InsO § 341 Rn. 4; Liersch, NZI 2003, 302 (309).
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aufmerksam macht.420 Ob es allerdings ausreicht, dass der Insolvenzverwalter dem Verwalter eines anderen Verfahrens die Gläubigerliste (§ 152 InsO) übergibt (dazu ist er gemäß § 357 InsO berechtigt), damit dieser die Gläubiger unterrichtet, ist wegen der Unsicherheit, dass die Gläubiger später tatsächlich informiert werden, dagegen eher zweifelhaft.421 Dem Anmelderecht des Insolvenzverwalters geht die Entscheidungsbefugnis jedes einzelnen Gläubigers über die ihm zustehenden Forderungen vor. Die Gläubiger können auf der Grundlage der Dispositionsmaxime also nicht nur von einer eigenen Anmeldung absehen, sie können auch die Anmeldung ihrer Ansprüche durch den Verwalter mittels Ablehnung gemäß Art. 32 Abs. 2 a.E. EuInsVO oder § 341 Abs. 2 S. 2 1. Alt. InsO verhindern. Das gilt selbst dann, wenn die Anmeldung nach Einschätzung des Verwalters zweckmäßig ist. Da keine Rechtspflicht des Verwalters besteht, die Gläubiger vor einer Anmeldung zu konsultieren, bleibt den Gläubigern nach erfolgter Anmeldung noch die Möglichkeit, die Anmeldung zurückzunehmen (vgl. Art. 32 Abs. 2 a.E. EuInsVO bzw. § 341 Abs. 2 S. 2 2. Alt. InsO). Diese Möglichkeit steht aber unter dem Vorbehalt, dass die jeweilige lex fori concursus eine Rücknahme zulässt (so ausdrücklich Art. 32 Abs. 2 EuInsVO).422 Entsteht den Gläubigern durch eine pflichtwidrige Anmeldung ihrer Forderungen in einem anderen Verfahren ein Schaden, so steht ihnen ein Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter zu.423 Gleiches gilt im Anwendungsbereich der EuInsVO für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Forderungsanmeldung durch den Insolvenzverwalter. Bei Sachverhalten, die dem deutschen internationalen Insolvenzrecht unterfallen, besteht ein solcher Schadensersatzanspruch mangels Rechtspflicht zur Anmeldung nicht.424 Gegebenenfalls ist zu erwägen, ob ein Ersatzanspruch aus der pflichtwidrig unterlassenen Gläubigerinformation über die Zweckmäßigkeit der Anmeldung abgeleitet werden kann. In der Praxis führt die Schadensersatzpflicht dazu, dass die Verwalter die Gläubiger regelmäßig vor einer Anmeldung befragen. Um einem Schadensersatzanspruch wegen einer unterlassenen Anmeldung zu entgehen, bietet es sich für sie an, die Gläubiger auf der Gläubigerversammlung über Vermögen bzw. Niederlassungen im Ausland sowie über ausländische Verfahren zu informieren. Kommt es dennoch zu einer Doppelanmeldung einer Forderung in ein und demselben Verfahren durch den Insolvenzverwalter einerseits und durch den Gläubiger 420 Vgl. dazu HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 341 Rn. 6; Liersch, in: Braun, InsO, § 341 Rn. 4; Liersch, NZI 2003, 302 (309). 421 Anders dagegen Liersch, in: NZI 2003, 302 (309); ders., in: Braun, InsO, § 341 Rn. 9. 422 In Bezug auf die InsO: Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 341 Rn. 14. 423 Pannen / Kühnle / Riedemann, NZI 2003, 72 (77); Kemper, ZIP 2001, 1609 (1620). 424 A.A. ausdrücklich Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 341 Rn. 10, die von einer Anmeldepflicht ausgeht.
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andererseits, so wird die Forderung nicht doppelt berücksichtigt. Stattdessen wird die zweite Forderungsanmeldung als unzulässig zurückgewiesen.425 f) Anrechung bei Mehrfachanmeldungen Gesamtvollstreckungsverfahren führen dazu, dass die Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht mehr wie in der Einzelvollstreckung dem Prioritätsprinzip folgt. Gesamtvollstreckungsverfahren zielen vielmehr auf eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung ab.426 Daher muss die Befriedigung eines Gläubigers in einem Verfahren in anderen Verfahren berücksichtigt werden. Regelungen dazu finden sich in Art. 20 Abs. 2 EuInsVO und § 342 Abs. 2 S. 2 InsO. aa) Quotenkonsolidierung im Verteilungsverfahren Weder die EuInsVO noch das autonome deutsche internationale Insolvenzrecht schränken das Recht zur Forderungsanmeldung im Falle der Anmeldung in mehreren Verfahren der Höhe nach ein. Gleiches gilt bei der Feststellung der Forderung. Beide Regelwerke gehen davon aus, dass Forderungen, auch wenn sie in einem anderen Verfahren bereits teilweise befriedigt worden sind, immer zu 100% angemeldet werden.427 Das teilweise Erlöschen der Forderung steht nicht entgegen. Dies entspricht dem Interesse der Insolvenzgläubiger, eine möglichst hohe Forderung zur Tabelle anzumelden und davon die Quote ausgezahlt zu bekommen, um auf diese Weise einen möglichst hohen Betrag zu erhalten.428 Wie sich aus Art. 20 Abs. 2 EuInsVO und § 342 Abs. 2 S. 2 InsO ergibt, wird die in einem anderen Verfahren erfolgte Befriedigung jedoch im Rahmen des Verteilungsverfahrens berücksichtigt. Die Vorschriften gelten dabei für Partikular-, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren.429 Art. 20 Abs. 2 EuInsVO ordnet an, dass Gläubiger, die in einem Insolvenzverfahren eine Quote erhalten haben, an der Verteilung im Rahmen eines anderen Verfahrens erst dann teilnehmen, wenn alle Gläubiger des gleichen Ranges oder gleicher Gruppenzugehörigkeit in diesem zweiten Verfahren die gleiche Quote erlangt haben. Dabei nimmt die Vorschrift in zweierlei Hinsicht Rücksicht auf die Besonderheiten der verschiedenen Insolvenzrechtsordnungen in Europa. Zum einen spricht sie allgemein von Gläubigern und nicht etwa nur von Insolvenzgläubigern, zum anderen differenziert sie in Bezug auf die quotale Befriedi425 Liersch, in: Braun, InsO, § 341 Rn. 28. Liersch deutet gleichzeitig eine Gegenansicht an. Diese findet in der angegebenen Fundstelle (Paulus, ZIP 2002, 729) aber keine Stütze. 426 Vgl. dazu 1. Teil § 2 I., S. 31 ff. 427 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 342 Rn. 16; Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 20 EuInsVO Rn. 6; Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 20 Rn. 34. 428 Vgl. 1. Teil § 2 III., S. 48. 429 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 342 Rn. 12; Liersch, in: Braun, InsO, § 342 Rn. 12.
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gung zwischen verschiedenen Gläubigerrängen und Gruppen. Der Rang oder die Gruppe bestimmt sich dabei jeweils nach dem Statut des Verfahrens, in dem die Verteilung stattfinden soll. Die Einteilung erfolgt also unabhängig davon, welchen Rang oder welche Gruppenzugehörigkeit der Gläubiger in dem Verfahren hatte, in dem er bereits (quotal) befriedigt worden ist. Ein Gläubiger kann daher in einem Verfahren als bevorrechtigter Gläubiger berücksichtigt werden, während er seine bereits erhaltene Quote in einem weiteren Verfahren mit der Quote einer nicht bevorrechtigten Vergleichsgruppe messen lassen muss.430 Demgegenüber trifft die Komplementärvorschrift des deutschen internationalen Insolvenzrechts vor dem Hintergrund der Gläubigereinteilung der InsO lediglich eine Aussage in Bezug auf Insolvenzgläubiger. Des Weiteren differenziert sie nicht hinsichtlich der Befriedigung nach verschiedenen Rängen. Die Vorschrift setzt für eine Berücksichtigung bei der Verteilung ihrem Wortlaut nach stattdessen voraus, dass die übrigen Gläubiger gleichgestellt worden sind (vgl. § 342 Abs. 2 S. 2 InsO). Bei strenger Wortlautauslegung würde das dazu führen, dass einfache Insolvenzgläubiger, die in einem anderen Verfahren bereits eine Quote erlangt haben, in einem deutschen Verteilungsverfahren erst berücksichtigt werden könnten, wenn auch die nachrangigen Gläubiger dieselbe Quote in Deutschland erhalten hätten. Gleiches würde auch in Bezug auf die einzelnen Gruppen der nachrangigen Gläubiger gelten. Hinsichtlich der Vergleichsgruppe ist daher eine einschränkende Auslegung des § 342 Abs. 2 S. 2 InsO dahingehend geboten, dass nicht alle Gläubiger des Insolvenzverfahrens quotal gleichgestellt werden müssen. § 342 Abs. 2 S. 2 InsO zielt lediglich darauf ab, dass nicht einzelne Gläubiger durch Mehrfachanmeldungen auf Kosten der anderen beteiligten Gläubiger insgesamt mehr erhalten. Nicht bezweckt sind hingegen Auswirkungen auf die Hierarchie der Gläubigerbefriedigung, die sich aus der Gläubigergruppeneinteilung der ausländischen lex fori concursus bzw. der InsO ergibt. Daher verlangt auch das deutsche internationale Insolvenzrecht lediglich eine quotale Gleichstellung der Gläubiger, die insolvenzrechtlich die gleiche Stellung haben wie der Gläubiger, der bereits in einem anderen Verfahren eine Quote erlangt hat.431 Diese Auslegung entspricht der Begründung des Gesetzesentwurfs, in dem von rechtlich gleichgestellten Gläubigern als Vergleichsgruppe die Rede ist.432 bb) Quotenkonsolidierung mit Nicht-Mitgliedstaaten Die offene Fassung des Art. 20 Abs. 2 EuInsVO, dessen Wortlaut keine Einschränkung dahingehend vornimmt, ob die Quote innerhalb der EU oder aber in einem Drittstaat erlangt worden ist, hat in der Literatur zu ausufernden AuslegunVirgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (94 Nr. 175). HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 342 Rn. 11; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 342 Rn. 17. 432 Vgl. BT-Drucks. 15 / 16, S. 21. 430 431
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gen geführt. So sind etwa Reinhart und Haubold der Ansicht, dass auch Quoten aus Nicht-Mitgliedstaaten nach dieser Vorschrift bei der Verteilung zugunsten der anderen beteiligten Gläubiger berücksichtigt werden müssen.433 Eine solche Auslegung ist jedoch mit dem Anwendungsbereich der EuInsVO nicht vereinbar. Die EuInsVO will für Verfahren außerhalb ihres Anwendungsbereichs keine Aussagen treffen.434 Die Rechtsprobleme, die sich bei Drittstaatenbezug stellen, überlässt sie den nationalen Gesetzgebern. Dementsprechend ist im erläuternden Bericht bei den Ausführungen zu Art. 20 EuInsÜ nur von einer europaweit konsolidierten Quotenberechnung die Rede.435 Folglich werden gemäß Art. 20 Abs. 2 EuInsVO nur Quoten berücksichtigt, die in Verfahren eines Mitgliedstaats mit Ausnahme Dänemarks erlangt worden sind.436 In Deutschland hat der Gesetzgeber mit § 342 Abs. 2 S. 2 InsO seinen Regelungsfreiraum genutzt. cc) Befriedigung außerhalb eines Insolvenzverfahrens Keine Regelung treffen die Vorschriften hinsichtlich der Behandlung von Sicherungsgläubigern, die nicht vollständig befriedigt worden sind, sowie für aufrechnungsberechtigte Gläubiger, die ihre Forderung durch die Aufrechnung nicht vollständig zum Erlöschen bringen konnten.437 Mit dem durch die Sicherung oder mittels Aufrechnung befriedigten Teil der Forderung hat der Gläubiger nämlich nicht am Insolvenzverfahren teilgenommen. Die Regelung dieser Fragen bleibt den nationalen Gesetzgebern vorbehalten.438 Für Deutschland bedeutet dies, dass nach einer Aufrechnung der verbleibende Teil der Forderung als Insolvenzforderung angemeldet werden kann.439 Gleiches gilt für die absonderungsberechtigten Gläubiger, deren Forderungen zugleich Insolvenzforderung sind, soweit sie bei der abgesonderten Befriedigung im ausländischen Verfahren ausgefallen sind (§ 52 S. 2 2. Alt. InsO). Eine Anmeldung der Forderungen zu 100% ist damit nicht möglich.
433 MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 20 EuInsVO Rn. 6; Haubold, in: Gebauer / Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 30 Rn. 181. 434 Siehe schon 2. Teil § 4 I. 2., S. 66 f. 435 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (92 Nr. 171). 436 So auch ohne Begründung: Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 20 EuInsVO Rn. 6; Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 20 Rn. 31; Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Art. 20 EuInsVO Rn. 1. Die Frage letztlich offen lassend: Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 20 Rn. 11. 437 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (93 Nr. 175); Pannen / Riedemann / Kühnle, NZI 2002, 303 (304 Fn. 16). 438 Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 20 Rn. 11 Fn. 16; Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 20 EuInsVO Rn. 6. 439 Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 45 Rn. 34; HeidelKomm z. InsO / Eickmann, § 95 Rn. 24; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1134 f.; Eckhart, ZIP 1995, 257 (262).
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dd) Zeitliche Grenzen der Konsolidierung Neben den persönlichen, sachlichen und räumlichen Grenzen sind für die Quotenkonsolidierung zeitliche Grenzen zu beachten. So kann die Auszahlung einer Quote in einem ausländischen Verfahren nicht mehr rückwirkend konsolidiert werden, wenn die Verteilung im Inland bereits durchgeführt worden ist.440 Des Weiteren greifen Art. 20 Abs. 2 EuInsVO und § 342 Abs. 2 S. 2 InsO nur bei sich zeitlich überschneidenden Verfahren.441 Die beiden Vorschriften dienen der Verhinderung einer ungleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger, die sich bei einer parallelen Anmeldung von Forderungen in mehreren Verfahren (vgl. Art. 32 Abs. 1 EuInsVO und § 341 Abs. 1 InsO) über das Vermögen eines Schuldners ergeben kann. Wird daher ein Verfahren über das Vermögen eines Schuldners eröffnet und kommt es in diesem Verfahren zu einer quotalen Befriedigung einiger Gläubiger, so wird diese Quote in einem anderen Verfahren, welches nach Abschluss des ersten eröffnet wird, nicht berücksichtigt.442 Dementsprechend kann ein Gläubiger eine Quote im ersten Verfahren einstreichen und die Forderung vorbehaltlich etwaiger Restschuldbefreiungen in Höhe des unbefriedigten Teils in einem später eröffneten Verfahren anmelden. Hier steht ihm erneut die ungeschmälerte Quote zu.443 Wie sich diese zeitliche Grenze auswirkt, wenn die beiden Verfahren zwar nacheinander stattfinden, aber durch ein weiteres Verfahren zeitlich verklammert werden, wurde in Literatur und Rechtsprechung bisher nicht behandelt. Denkbar ist beispielsweise folgende Konstellation: Einem Gläubiger wird in einem isolierten Partikularverfahren (1. Verfahren) eine Quote ausgezahlt. Noch vor Abschluss des ersten Verfahrens wird dann in einem anderen Staat ein Hauptinsolvenzverfahren (2. Verfahren) eröffnet. Nach Abschluss des ersten Verfahrens aber vor Abschluss des zweiten Verfahrens wird sodann noch ein Sekundärverfahren in einem weiteren Staat eröffnet (3. Verfahren). Wird im ersten Verfahren eine Quote von 10% ausgezahlt und im zweiten Verfahren eine Quote von 15%, erhält ein Gläubiger, der schon im ersten Verfahren die Quote eingestrichen hat, im zweiten Verfahren gemäß Art. 20 Abs. 2 EuInsVO oder § 342 Abs. 2 S. 2 InsO noch eine konsolidierte Quote von 5%. Fraglich ist, wie er im dritten Verfahren zu behandeln ist, wenn dort eine Quote von 20% zur Verfügung steht. Denkbar wäre zum einen, das erste Verfahren außer Acht zu lassen und den Gläubiger mit einer Quote von 15% zu berücksichtigen, da er im zweiten Verfahren nur eine Quote von 5% erhalten hat. Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 130 Rn. 86. Liersch, in: Braun, InsO, § 342 Rn. 12; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 342 Rn. 13. 442 Liersch, in: Braun, InsO, § 342 Rn. 12; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 342 Rn. 13. 443 Vereinfachtes Beispiel: Einem Gläubiger werden in einem ersten Verfahren auf eine Forderung von 100 Einheiten 10%, d. h. 10 Einheiten, ausgezahlt. Auf die Restforderung (90 Einheiten) werden in einem zweiten Verfahren 20%, das heißt 18 Einheiten, ausgezahlt. Der Gläubiger erhält mithin insgesamt 28 Einheiten. 440 441
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Denkbar wäre aber auch, lediglich eine Quote von 5% an ihn auszuzahlen.444 Dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 EuInsVO und des § 342 Abs. 2 S. 2 InsO sind insoweit keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Für den zweiten Ansatz spricht jedoch der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung: Da sich das erste und zweite Verfahren sowie das zweite und dritte Verfahren jeweils überschnitten haben, konnte der Gläubiger seine Forderung immer wieder zu 100% anmelden.445 Dies wäre ihm bei einer zeitlichen Zäsur zwischen zwei Verfahren (ohne ein verklammerndes Verfahren) nicht möglich gewesen. Des Weiteren wurde der Gläubiger im zweiten Verfahren auch tatsächlich mit einer Quote von 15% angesetzt, wobei die Quote lediglich mit der Quote des ersten Verfahrens konsolidiert worden ist. Ließe man diesen Aspekt bei der Auslegung des Art. 20 Abs. 2 EuInsVO und des § 342 Abs. 2 S. 2 InsO unberücksichtigt, käme es zu einer ungerechtfertigten Kumulation von Quotenanteilen. Der begünstigte Gläubiger würde nämlich nicht nur gegenüber den Gläubigern übervorteilt, die ihre Forderung nur im dritten Verfahren angemeldet haben. Er würde auch einen Vorteil erlangen, der selbst den Gläubigern im dritten Verfahren nicht zusteht, die im zweiten Verfahren die volle Quote von 15% erhalten haben. Übersteigt die Quote im zweiten Verfahren also die Quote im ersten Verfahren ist die Quote des Gläubigers im dritten Verfahren folglich mit der nicht konsolidierten Quote des zweiten Verfahrens zu konsolidieren. Wird im zweiten Verfahren für die Gläubiger dagegen lediglich eine Quote von 8% festgesetzt, geht der Gläubiger, der im ersten Verfahren bereits eine Quote von 10% erhalten hat, gemäß Art. 20 Abs. 2 EuInsVO bzw. § 342 Abs. 2 S. 2 InsO im zweiten Verfahren leer aus. Stehen im dritten Verfahren wieder 20% zur Verfügung sind für diesen Gläubiger drei verschiedene Auszahlungsquoten denkbar: Zum einen könnte er mit den vollen 20% bei der Auszahlung zu berücksichtigen sein, da im zweiten Verfahren nichts an ihn ausgezahlt wurde und zum ersten Verfahren keine zeitlichen Überschneidungen bestehen. Denkbar ist des Weiteren, dass eine 12%ige Quote an ihn ausgezahlt wird, da seine Vergleichsgläubigergruppe im zweiten Verfahren 8% erhalten hat, auch wenn an ihn nichts ausgezahlt worden ist. Schließlich könnte er noch mit einer Quote von lediglich 10% bei der Auszahlung zu berücksichtigen sein, da er im ersten Verfahren bereits 10% erhalten hat und die Anmeldung im zweiten Verfahren eine zeitliche Verklammerung der Verfahren bewirkt. Letztere Lösung kann nur dann überzeugen, wenn eine zeitliche Verklammerung des ersten und des letzten Verfahrens durch ein weiteres Verfahren als ausreichend für eine Quotenkonsolidierung nach Art. 20 Abs. 2 EuInsVO oder § 342 Abs. 2 S. 2 InsO angesehen werden könnte. Für eine derartige Klammerwirkung zwischen zwei zu keinem Zeitpunkt parallel ablaufenden Insolvenzverfahren gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Weder der Wortlaut der Vorschrift, noch Systematik oder 444 Bei einer Forderung von 100 Einheiten würde der Gläubiger mithin in den drei Verfahren zusammen eine Quote von insgesamt 20%, d. h. 20 Einheiten, erhalten. 445 Vgl. 2. Teil § 6 II. 1. d), S. 147.
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Sinn und Zweck der Vorschrift deuten darauf hin. Schließlich ist der Gläubiger im zweiten Verfahren auch nicht mit einer Quote von 10% (aus dem ersten Verfahren) angesetzt worden, sondern nur mit 8%. Mithin kommt der 10%igen Befriedigung aus dem ersten Verfahren auch insofern keine Relevanz mehr im dritten Verfahren zu. Der erste Ansatz, der dem Gläubiger eine Quote von 20% zubilligt, ist deshalb abzulehnen, weil der Gläubiger im zweiten Verfahren tatsächlich mit einer Quote von 8% angesetzt worden ist. Es kam lediglich aufgrund der Konsolidierung (Art. 20 Abs. 2 EuInsVO bzw. § 342 Abs. 2 S. 2 InsO) zu keiner Auszahlung. Daher hat eine entsprechende Konsolidierung der Quoten des zweiten und dritten Verfahrens zu erfolgen. Mithin steht dem Gläubiger in der Konstellation der 8%-Quote im zweiten Verfahren die Auszahlung einer konsolidierten Quote von 12% im dritten Verfahren zu.446 Unbillige Ergebnisse aufgrund dieser zeitlichen Grenzen zu vermeiden ist in der Praxis Koordinationsaufgabe der beteiligten Verwalter (Art. 31 EuInsVO, § 357 InsO).447 Sie können ihre Auszahlungszeitpunkte aufeinander abstimmen und Erkundigungen beim Schuldner und den Gläubigern einholen. Die InsO unterstützt die Verwalter dabei durch eine Auskunftspflicht der Gläubiger über das Erlangte gegenüber dem Insolvenzverwalter (§ 342 Abs. 3 InsO). Eine vergleichbare Regelung existiert in der EuInsVO nicht. Mangels entgegenstehender anderer Vorschriften kann auf § 342 Abs. 3 InsO daher ausnahmsweise auch innerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO zurückgegriffen werden.448
2. Gestaltungsmöglichkeiten für Gläubiger Die Gläubiger haben die Möglichkeit zu wählen, ob und in welchem Verfahren sie ihre Forderungen durch eine Anmeldung verfolgen. Dabei haben sie unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten abzuwägen, ob eine Anmeldung sinnvoll ist oder nicht. An welchen Kriterien sie ihre Entscheidung dabei ausrichten können, widmet sich dieser Abschnitt.
a) Anmeldung unter dem Aspekt der Größe der Masse Die Forderungsanmeldung durch die Insolvenzgläubiger ist von dem Wunsch getragen, möglichst umfangreich aus dem Schuldnervermögen befriedigt zu wer446 Bei einer Forderung von 100 Einheiten würde der Gläubiger mithin in den drei Verfahren zusammen eine Quote von insgesamt 22%, d. h. 22 Einheiten, erhalten. 447 Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 31.031; Gottwald, in: Gottwald, InsolvenzrechtsHandbuch, § 130 Rn. 86; Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 20 Rn. 14 f.; Liersch, in: Braun, InsO, § 342 Rn. 23. 448 Liersch, in: Braun, InsO, § 342 Rn. 22.
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den. Bei der Anmeldung ihrer Forderung haben sich die Insolvenzgläubiger daher an der Größe der erzielbaren Quote zu orientieren. Von wesentlicher Bedeutung für die Größe der Quote ist die Größe der Masse.449 Die Größe des den Insolvenzgläubigern zur Verfügung stehenden Masseanteils ist wiederum abhängig davon, inwieweit aussonderungsberechtigte und absonderungsberechtigte Gläubiger auf das Vermögen zugreifen können und inwieweit Massegläubiger vorweg zu befriedigen sind (§ 53 InsO). Mithin ist der Nachrang der Insolvenzgläubiger gegenüber den übergeordneten Gläubigergruppen zu berücksichtigen.450 Befindet sich der Großteil der Ist-Masse in einem Staat, in dem ein Sekundärinsolvenzverfahren durchgeführt wird, bietet sich eine Forderungsanmeldung in diesem Verfahren an, sofern nicht zu erwarten ist, dass aus- und absonderungsberechtigte Gläubiger sowie Massegläubiger die Ist-Masse aufzehren.451 Erfasst dann auch noch das Hauptverfahren lediglich einen kleineren Teil des Vermögens, kann im Hauptverfahren von einer Anmeldung abgesehen werden.
b) Anmeldung unter dem Aspekt der Forderungsanmeldung durch andere Insolvenzgläubiger Ausschlaggebend für die Größe der Quote ist neben der Größe der Masse auch die Frage, auf wie viele Insolvenzforderungen in welcher Höhe die Masse zu verteilen ist.452 Dies hängt vom Anmeldeverhalten anderer Insolvenzgläubiger ab. Auf das Anmeldeverhalten anderer Insolvenzgläubiger hat ein Gläubiger selbst regelmäßig keinen Einfluss. Die Summe der Forderungen, die in dem Verfahren bereits angemeldet wurden oder absehbar noch angemeldet werden, können aber Grund dafür sein, von einer eigenen Forderungsanmeldung abzusehen. Lohnend ist eine Anmeldung in einem Verfahren vor allem dann, wenn eine umfangreiche Masse im Verhältnis zur Summe der angemeldeten Gläubigerforderungen vermutet wird. c) Anmeldung unter dem Aspekt des Ranges Von entscheidender Bedeutung für den Umfang der Befriedigung ist des Weiteren, an welcher Rangstelle die Forderung im Erlösverteilungsverfahren berücksichtigt wird.453 International üblich ist, dass die Gläubiger einer nachgeordneten Zum Interesse der Insolvenzgläubiger an einer großen Masse vgl. 1. Teil § 2 III., S. 48. Vgl. dazu bereits 1. Teil § 2 III., S. 48. 451 Hier wird auf die Soll-Masse abgestellt, da diese für die Gläubiger von außen eher erkennbar ist, als die Ist-Masse, deren Bestimmung die Kenntnis der Rechtsbeziehungen des Schuldners zu Aussonderungsberechtigten voraussetzt. 452 Zum entsprechenden Interesse der Insolvenzgläubiger vgl. 1. Teil § 2 III., S. 48. 453 Zur Befriedigung nach Rängen in der InsO vgl. 1. Teil § 2 II. 1., 2., III., S. 37, 40, 47 ff. 449 450
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Kategorie erst dann (quotal) befriedigt werden, wenn die Gläubiger der nächsthöheren Kategorie vollständig befriedigt worden sind.454 Daher hat sich die konkrete Zweckmäßigkeitsprüfung für eine Anmeldung daran zu orientieren, welchen Rang die Forderung nach der lex fori concursus einnimmt. Je besser der Rang, desto besser die Befriedigungsaussichten. Eine taktisch selektive Anmeldung kommt etwa für Lohnforderungen deutscher Arbeitnehmer in Betracht. Diese haben mit der Einführung des § 38 InsO ihren früheren Vorrang in Deutschland eingebüßt. Da sich der Rang einer Forderung aber nach dem Insolvenzstatut des Verfahrensstaats richtet (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. i EuInsVO / Art. 28 EuInsVO bzw. § 335 InsO), nehmen die Arbeitnehmer bei einer Forderungsanmeldung in anderen Nationen nach wie vor eine privilegierte Stellung ein. So bietet sich etwa für deutsche Arbeitnehmer aufgrund des französischen Superprivilegs für Arbeitnehmerforderungen eine Forderungsanmeldung in Frankreich an.455
d) Anmeldung unter Berücksichtigung der Quotenkonsolidierung Bei der Wahl, in welchem Verfahren die Gläubiger ihre Forderung anmelden, muss auch die Wirkung von Art. 20 Abs. 2 EuInsVO und § 342 Abs. 2 S. 2 InsO berücksichtigt werden.456 Die Vorschriften sorgen dafür, dass sich nicht einzelne findige Gläubiger in den verschiedenen Verfahren jeweils eine Quote sichern und auf diese Weise in der Summe eine größere Quote erhalten als die anderen Gläubiger in einem Verfahren. Diesbezüglich sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Regelung nicht bewirkt, dass am Ende alle Gläubiger nach Abschluss aller Verfahren eine identische Quote erhalten haben. Die Vorschriften verhindern lediglich eine Übervorteilung zuvor bereits in einem anderen Verfahren befriedigter Gläubiger gegenüber den Gläubigern in ein und demselben Verfahren.457 Da sich die Berücksichtigung bei der Verteilung nach der quotalen Befriedigung der Gläubiger desselben Ranges bestimmt, muss in jedem Einzelfall geprüft werden, wie sich die eigene quotale Befriedigung in einem Verfahren auf die Befriedigungschancen in einem weiteren Verfahren auswirkt. Insbesondere hat eine Überprüfung hinsichtlich etwaiger Rangvor- oder nachteile stattzufinden.458 Steht in dem weiteren Verfahren eine Quote in Aussicht, die größer ist als die bereits erhaltene, bietet sich eine Forderungsanmeldung an. In dieser Situation besteht nämlich die Chance, einen Betrag, der sich aus der Differenz zwischen der Quote 454 Durchbrechungen dieses Grundsatzes, wie sie etwa bei der Bildung von funds im englischen Insolvenzrecht gemacht werden (vgl. 1. Teil § 3 III., S. 57), sind dagegen die Ausnahme. 455 Vgl. zum superprivilège 1. Teil § 3 II., S. 54. 456 Vgl. dazu schon im Einzelnen 2. Teil § 6 II. 1. f), S. 150 ff. 457 Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 20 EuInsVO Rn. 7 EuInsVO; Paulus, EuInsVO, Art. 20 Rn. 2; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 342 Rn. 3. 458 Zur unabhängigen Bestimmung der Ränge und Gruppenzugehörigkeit in den einzelnen Verfahren nach dem jeweiligen Verfahrensstatut siehe 2. Teil § 6 II. 1. f) aa), S. 151.
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aus dem neuen Verfahren und der bereits erhaltenen Quote aus dem alten Verfahren ergibt, ausgezahlt zu bekommen. Im umgekehrten Fall, in dem die zu erwartende Quote kleiner ist als die bereits in einem anderen Verfahren erhaltene, sollte von einer Anmeldung abgesehen werden. Tendenziell kann festgehalten werden, dass die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Auszahlung mit der Höhe der bereits erhaltenen Quote aus einem anderen Verfahren abnimmt. Zwar muss der Gläubiger den Unterschiedsbetrag zwischen der erhaltenen Quote und der geringeren auszuzahlenden Quote gemäß § 342 Abs. 2 S. 1 InsO nicht zurückzahlen. Gleiches gilt für die EuInsVO gemäß einer systematischen Auslegung des Art. 20 Abs. 2 EuInsVO i.V.m. Erwägungsgrund 21 S. 4 zur EuInsVO.459 Jedoch entstehen dem Gläubiger durch die Anmeldung Kosten, denen kein Ertrag aus dem Verfahren gegenübersteht. Umso eingehender hat daher die Prüfung der weiteren Befriedigungsaussichten nach vorhergehender Befriedigung in einem anderen Verfahren zu erfolgen. Die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Forderungsanmeldung unter dem Gesichtspunkt der Regelung in Art. 20 Abs. 2 EuInsVO und § 342 Abs. 2 S. 2 InsO stoßen an ihre Grenzen, wenn die Anmeldefristen in einem Verfahren auslaufen, bevor sich in einem anderen Verfahren eine konkrete Befriedigungsquote abzeichnet – mithin, wenn die Verfahren sich zu stark überschneiden oder gar vollkommen zeitgleich ablaufen. In einer solchen Situation bleibt nur die Möglichkeit, sich für die Forderungsanmeldung an den einzunehmenden Rangstellen, sowie an der Größe der zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger verbleibenden Masse zu orientieren.
e) Anmeldung unter Umgehung der Quotenkonsolidierung Die zeitlichen Grenzen von Art. 20 Abs. 2 EuInsVO und § 342 Abs. 2 S. 2 InsO sind im Rahmen der taktischen Erwägungen besonders berücksichtigenswert. Da beide Vorschriften lediglich bei sich zeitlich überschneidenden Verfahren zu einer Quotenkonsolidierung führen, sollten Gläubiger darauf bedacht sein, ihre Forderungen wenn möglich in nacheinander stattfindenden Verfahren anzumelden. Das sichert ihnen jeweils die volle Quote in beiden Verfahren.460 Dabei kann es sich auch anbieten, auf eine Anmeldung in einem zwischen zwei Verfahren liegenden Verfahren, das sich zeitlich mit den beiden Verfahren überschneidet, zu verzichten. Dadurch wird verhindert, dass die Quote des ersten Verfahrens mit der Quote des zweiten Verfahrens und die Quote des zweiten Verfahrens mit der Quote des dritten Verfahrens konsolidiert wird. Der Gläubiger kann sich damit die volle Quote im ersten und dritten Verfahren sichern, was mangels Quotenkonsolidierung in der Regel zu einer höheren Gesamtbefriedigung führt als bei einer Anmeldung in allen drei Verfahren.461 459 Vgl. Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (92 Nr. 174); Pannen / Riedemann / Kühnle, NZI 2002, 303 (304). 460 Vgl. 2. Teil § 6 II. 1. f) dd), S. 153 f.
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Steht der Gläubiger vor der Frage, selbst einen Insolvenzantrag über das Vermögen des Schuldners zu stellen, so kann es sinnvoll sein, mit der Antragstellung noch zu warten, um auf diese Weise zeitlichen Überschneidungen der Verfahren und damit eine Quotenkonsolidierung nach § 20 Abs. 2 EuInsVO oder § 342 Abs. 2 S. 2 InsO zu vermeiden.
f) Ausübung des Ablehnungs- und Rücknahmerechts Bei einer Anmeldung der Gläubigerforderungen durch den Insolvenzverwalter in anderen Verfahren gemäß Art. 32 Abs. 2 EuInsVO oder § 341 Abs. 2 S. 1 InsO findet keine Prüfung der Zweckmäßigkeit der Anmeldung in Bezug auf jede einzelne Forderung statt.462 Dies wäre für den Verwalter auch nur schwerlich möglich, wenn man bedenkt, dass bereits in einem mittelgroßen Insolvenzverfahren 80 bis 100 Forderungsanmeldungen der Regelfall sind.463 Jedenfalls würde eine Einzelprüfung durch den Verwalter zu erheblichen Kostensteigerungen und Verfahrensverzögerungen führen. Anders stellt sich die Situation für die Gläubiger dar. Diese brauchen lediglich eine Zweckmäßigkeitsprüfung hinsichtlich der Anmeldung ihrer eigenen Forderung vorzunehmen. Die Prüfung hat dabei anhand der soeben aufgeführten Kriterien zu erfolgen. Da der Gläubiger auch im Falle der Forderungsanmeldung durch den Verwalter Schuldner der durch die Anmeldung entstehenden Kosten ist,464 empfiehlt es sich für ihn, die Entscheidung des Verwalters zur Anmeldung kritisch zu überprüfen. Diese Überprüfung ist möglich, da die Verwalter die Gläubiger in der Praxis vor einer Kollektivanmeldung regelmäßig befragen.465 Kommt ein Gläubiger bei seiner Zweckmäßigkeitskontrolle zu dem Ergebnis, dass die Anmeldung für ihn eher mit Kosten verbunden ist als mit einer Aussicht auf Befriedigung aus der Masse, sollte er von seinem Ablehnungsrecht (Art. 32 Abs. 2 EuInsVO bzw. § 341 Abs. 2 S. 2 InsO) Gebrauch machen.
3. Zusammenfassende Würdigung Eine flächendeckende Forderungsanmeldung in der Hoffnung, wenigstens in irgendeinem Verfahren eine quotale Befriedigung zu erlangen, ist unter Kosten-Nutzengesichtspunkten nicht der optimale Weg für die Gläubiger, sich in der Insolvenz 461 Vgl. die Beispielsrechungen in Fn. 443, 444 und 446: Hier konnte ein Gläubiger auf eine Forderung von 100 Einheiten in zwei sich nicht überschneidenden Verfahren 28 Einheiten erlangen, wohingegen er bei einer Anmeldung in drei sich überschneidenden Verfahren nur 20 oder 22 Einheiten erhielt. 462 Vgl. 2. Teil § 6 II. 1. e), S. 148. 463 Zur Einschätzung der Anmeldungszahlen vgl. Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 32 Rn. 11. 464 Vgl. 2. Teil § 6 II. 1. e), S. 148. 465 Vgl. 2. Teil § 6 II. 1. e), S. 149.
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des Schuldners möglichst schadlos zu halten. Erfolgversprechender ist vielmehr eine Zweckmäßigkeitsprüfung hinsichtlich der Anmeldung jeder einzelnen Forderung. Die Prüfung hat dabei unter Beachtung der oben dargestellten Gesichtspunkte zu erfolgen. Dadurch, dass jeder Gläubiger seine Forderungen in jedem Verfahren anmelden kann, können die Gläubiger anhand der Ergebnisse der Zweckmäßigkeitsprüfung ein gezieltes forum shopping betreiben. Der Umstand, dass die Forderungsanmeldung nicht wie die Insolvenzantragstellung in Partikularverfahren von speziellen Gläubigereigenschaften abhängt (vgl. dagegen Art. 3 Abs. 4 lit. b EuInsVO und § 354 Abs. 2 InsO), bietet jedoch nicht für alle Gläubiger nur Vorteile. Aufgrund des fehlenden Gleichlaufs zwischen Insolvenzantragsbefugnis und Forderungsanmeldeberechtigung können Gläubiger am Verfahren teilnehmen, die das Verfahren selbst nicht einleiten könnten. Mit ihrer Forderungsanmeldung schmälern sie die Quote der Gläubiger, denen auch die Antragsbefugnis zusteht. Besonders misslich ist die Lage, wenn die nicht antragsbefugten Gläubiger in anderen ausländischen Verfahren später noch bevorrechtigt zu befriedigen sind, während sie im Staat des Partikularverfahrens mit den antragsbefugten Gläubigern auf einer Stufe stehen. Die Schutzwürdigkeit der antragsbefugten Gläubiger ergibt sich nämlich regelmäßig gerade daraus, dass sie im ausländischen Hauptverfahren einen schlechteren Rang einnehmen.466 Mithin können sie die Schmälerung der Quote nicht durch Teilnahme an anderen Verfahren ausgleichen. Hat im Hauptverfahren noch keine Verteilung des Erlöses stattgefunden, bleibt den antragsbefugten Gläubigern noch nicht einmal der Schutz der Quotenanrechnung. Die mit der Normierung von Partikularverfahren beabsichtigte Schutzfunktion für die antragsbefugten Gläubiger wird damit in monetärer Hinsicht im Verteilungsverfahren unterlaufen. 4. Sonderfall: Befriedigung der Massegläubiger Die Befriedigung der Massegläubiger vollzieht sich anders als die Befriedigung der Insolvenzgläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens. Sie können ihre Ansprüche auch während des Verfahrens gegen den Insolvenzverwalter einklagen.467 Träger der Masseschuld ist jedoch der Gemeinschuldner,468 da die Masse selbst keine eigene Rechtspersönlichkeit hat.469 Schwierigkeiten ergeben sich, wenn für Masseverbindlichkeiten gehaftet werden soll, die in unterschiedlichen Verfahren begründet worden sind. Würde man aufgrund der Identität des Schuldners in den verschiedenen Verfahren stets dessen gesamtes Vermögen für sämtliche von den verschiedenen Verwaltern begründeten Neumasseverbindlichkeiten haften lassen, Vgl. Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 232. Vgl. 1. Teil § 2 II. 3., S. 42. 468 BGHZ 49, 11 (13); RGZ 52, 330; HeidelKomm z. InsO / Eickmann, § 53 Rn. 8; Pape, in: Kübler / Prütting, InsO, § 53 Rn. 32; Gogger, Insolvenzrecht, S. 85. 469 Vgl. schon RGZ 53, 350 (352); 52, 330 (332); 29, 29; 1, 386 (389). 466 467
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könnten sich die Verwalter mangels eines entsprechenden Überblicks bei Begründung der Verbindlichkeiten nicht sicher sein, ob das Gesamtvermögen noch ausreicht, die Massegläubiger zu befriedigen.470 Auch die in Art. 31 EuInsVO und § 357 InsO normierte Unterrichtungs- und Kooperationspflicht kann über diese Schwierigkeit kaum hinweghelfen. Eine effiziente Insolvenzabwicklung wäre damit nicht möglich.
a) Haftung für Masseverbindlichkeiten, die bei Parallelität der Verfahren begründet werden Mangels eigener Rechtspersönlichkeit der Masse wird auch in einem inländischen Sekundärverfahren der ausländische Gemeinschuldner in Bezug auf die im Sekundärverfahren eingegangenen Masseverbindlichkeiten verpflichtet. Nichts desto trotz entstehen ab Eröffnung eines Sekundärverfahrens im Hinblick auf die Masseverbindlichkeiten trotz der einheitlichen juristischen Trägerschaft des Vermögens zwei Haftungsmassen.471 Dabei haftet für die in einem Verfahren neu begründeten Verbindlichkeiten nur die jeweilige Teilmasse. Erlangt ein Gläubiger beispielsweise in einem Sekundärverfahren eine Masseforderung, so kann er sie nicht klageweise gegen den Verwalter im Hauptverfahren durchsetzen. Das gilt auch, wenn die Masse in dem Sekundärverfahren nicht ausreicht, die Masseverbindlichkeiten zu tilgen. Dies ist sachgerecht. Die Eröffnung einer beliebigen Zahl von Sekundärverfahren ohne eine Aussicht auf eine Befriedigung der daraus entstehenden Masseverbindlichkeiten in den Verfahren selbst muss nämlich verhindert werden. Aus deutscher Sicht wäre ein Insolvenzantrag daher gegebenenfalls schon im Vorfeld mangels Masse abzuweisen (§ 26 InsO). Stellt sich erst nach Verfahrenseröffnung heraus, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, müsste das Verfahren gemäß § 207 InsO eingestellt werden. Können die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht befriedigt werden, käme es zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 InsO mit den in §§ 209 ff. InsO geregelten Folgen. Damit besteht ein fundamentaler Unterschied zur Geltendmachung von einfachen Insolvenzforderungen, die gemäß Art. 32 Abs. 1 EuInsVO bzw. § 341 Abs. 1 InsO wahlweise in jedem Verfahren verfolgt werden können.
470 Lüke, ZZP 1998, 275 (306); Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 27 Rn. 57. 471 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 27 Rn. 57; Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 51; Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, S. 295 f.; Lüke, ZZP 1998, 275 (306).
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b) Haftung für Masseverbindlichkeiten, die vor Eröffnung eines weiteren Verfahrens begründet worden sind Komplexer wird die Haftungsaufteilung, wenn eine Masseverbindlichkeit in einem Verfahren begründet und erst zeitlich danach noch ein weiteres Verfahren eröffnet wird. Keine Besonderheiten ergeben sich, wenn es sich bei dem ersten Verfahren um ein Partikularverfahren handelt. Für die im Partikularverfahren eingegangen Masseverbindlichkeiten haftet nur die Masse dieses Verfahrens, auch wenn danach noch ein Hauptverfahren eröffnet wird. Nicht abschließend geklärt ist die Haftungsaufteilung dagegen in der Konstellation, dass in einem Hauptverfahren Masseverbindlichkeiten begründet werden und erst danach ein Sekundärverfahren eröffnet wird. Einigkeit besteht insoweit, als dass es zu einer weiteren Untergliederung in Teilmassen kommt.472 Dabei sind die Forderungen, die vor Eröffnung des Sekundärverfahrens begründet worden sind, aus einer gesonderten Teilmasse zu befriedigen, während die danach begründeten Masseverbindlichkeiten wie oben beschrieben jeweils aus der Masse des Sekundärverfahrens und aus der verbleibenden Masse des Hauptverfahrens (Masse des Hauptverfahrens abzüglich der Masse des Sekundärverfahrens) befriedigt werden müssen. Es sind im Hinblick auf die Masseverbindlichkeiten also drei Teilmassen zu unterscheiden.473 Unklar ist, wie die Haftung in Bezug auf die zuerst erwähnte Teilmasse konkret ausgestaltet ist, und wie sich die Teilmasse nach Eröffnung des Sekundärverfahrens zusammensetzt. Die Haftung könnte zum einen solidarisch ausgestaltet sein, so dass sich die Frage, wer letztendlich für die Masseverbindlichkeit aufzukommen hat, erst auf der Ebene des Regresses zwischen den Insolvenzverwaltern stellt. Denkbar ist aber auch eine anteilige Haftung im Außenverhältnis, so dass die Massegläubiger ihre Forderung anteilig bei den Verwaltern beider Verfahren geltend machen müssen.474 Für die Frage, wie die (endgültige) Aufteilung der Kosten zu erfolgen hat, schlägt Duursma-Kepplinger zwei Lösungsansätze vor: Einerseits sei denkbar, sich am Verhältnis der Massen von Haupt- und Sekundärverfahren zu orientieren. Andererseits könne die Kostenverteilung auch vom Nutzen der Masseverbindlichkeit für das eine oder das andere Verfahren abhängig gemacht werden.475 Kommt die Masseverbindlichkeit eher der Niederlassung zugute, muss die Verbindlichkeit danach vornehmlich zulasten des Sekundärverfahrens gehen. Andernfalls müssen die Kosten vornehmlich im Hauptverfahren getragen werden. 472 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 27 Rn. 58; Lüke, ZZP 1998, 275 (306). 473 Lüke, ZZP 1998, 275 (306). 474 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 27 Rn. 58. 475 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 27 Rn. 58.
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Damit bestehen verschiedene Möglichkeiten, wie die Haftung für Masseverbindlichkeiten, die in einem Hauptverfahren vor dem Zeitpunkt der Eröffnung eines Sekundärverfahrens begründet worden sind, ausgestaltet sein könnte. Der Ansatz, wonach sich der Massegläubiger anteilig sowohl an den Verwalter im Hauptverfahren als auch an den Verwalter im Sekundärverfahren halten muss, ist mit Gläubigerschutzgesichtspunkten nur schwer vereinbar. So müsste der Gläubiger gegebenenfalls nicht nur zwei Klagen erheben. Es wäre für den Gläubiger auch kaum möglich, die Klagen der Höhe nach genau zu bestimmen. Ihm fehlt nämlich jedenfalls das Wissen darüber, wie sich die Massen anteilsmäßig zueinander verhalten. Doch auch die Frage, ob seine Leistung vornehmlich der Niederlassung zugute kommt oder nicht, kann im Einzelfall für ihn nicht erkennbar sein. Diesem Ansatz kann daher nicht gefolgt werden. Zu prüfen ist daher, ob eine solidarische Haftung, bei der sich der Massegläubiger nur an den Verwalter des Hauptverfahrens halten kann, zu akzeptablen Ergebnissen führt. Für einen solchen Ansatz spricht, dass die Masseverbindlichkeit letztendlich in diesem Verfahren begründet worden ist. Jedoch hat eine Festlegung auf das Hauptverfahren zur Folge, dass die Befriedigung der Massegläubiger in Fällen, in denen der Großteil des Schuldnervermögens bei einer Niederlassung belegen ist, ohne weiteres durch die Eröffnung eines Sekundärverfahrens konterkariert werden könnte. Dadurch, dass das Vermögen in den Beschlag des Sekundärverfahrens fällt, könnte es nämlich nicht mehr zur Befriedigung der Massegläubiger eingesetzt werden. In Deutschland käme es daher zu einer Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 InsO oder sogar zur Einstellung mangels Masse nach § 207 InsO. Ein solches Ergebnis könnte allenfalls durch einen Freistellungsanspruch des Insolvenzverwalters des Hauptverfahrens gegen den Insolvenzverwalter des Sekundärverfahrens verhindert werden. Ein solcher Freistellungsanspruch ist dogmatisch aber kaum zu konstruieren. Aus der allgemeinen Kooperationspflicht zwischen den Verwaltern aus Art. 31 Abs. 2 EuInsVO und § 357 InsO ergibt sich ein solcher Anspruch jedenfalls nicht. Zwar wissen Massegläubiger bevor sie eine entsprechende Verpflichtung mit dem Insolvenzverwalter eingehen, dass es zur Eröffnung von Sekundärverfahren kommen kann. Mit Vertrauensgesichtspunkten kann daher nicht argumentiert werden. Würde man aber zulassen, dass die Befriedigung der Massegläubiger mit derartigen Unsicherheiten verbunden ist, würde die Bereitschaft dieser Gläubiger, Leistungen zu erbringen, deutlich sinken. Damit wäre aussichtsreichen Sanierungsversuchen regelmäßig der Boden entzogen. Auch dieser Ansatz kann daher nicht überzeugen. Sinnvoll ist ausschließlich, dass der Massegläubiger seine Forderung alternativ gegenüber dem Haupt- oder dem Sekundärinsolvenzverwalter in voller Höhe verfolgen kann. Dafür spricht schon der Umstand, dass vor der Eröffnung eines Sekundärverfahrens lediglich eine einheitliche Masse vorhanden war. Erst die spätere Eröffnung des weiteren Verfahrens führt zu einer Aufspaltung in Teilmassen. Folglich ist es billig, die Teilmassen als von Anfang an mit der solidarischen Haftung für die Masseverbindlichkeit belastet anzusehen. Offen bleibt damit lediglich die
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2. Teil: Analyse des Zusammenspiels der Insolvenzrechtsordnungen
Frage, wie der Regress zwischen den Verfahren zu erfolgen hat. Dieses Problem betrifft allerdings nicht primär die Massegläubiger, so dass die Ausgestaltung des Regresses in dieser Arbeit offen gelassen werden kann.
c) Ergebnisse Massegläubiger können die Befriedigung ihrer Forderungen grundsätzlich nicht wie einfache Insolvenzgläubiger in jedem Verfahren verfolgen. Sie müssen aus der Masse des Verfahrens befriedigt werden, in dem die Masseverbindlichkeit begründet worden ist. Eine Ausnahme gilt für Masseverbindlichkeiten, die in einem Hauptverfahren begründet worden sind, bevor ein weiteres Verfahren eröffnet wurde. Die Gläubiger dieser Forderungen können Befriedigung alternativ aus der Masse des Haupt- oder Sekundärverfahrens verlangen. Die endgültige Verteilung der Last erfolgt im Wege des Regresses zwischen den Verfahren.
3. Teil
Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften Die Rechtsposition der Gläubiger in einem Insolvenzverfahren bestimmt sich grundsätzlich nach der lex fori concursus. Dieser Grundsatz wird jedoch sowohl in der EuInsVO als auch im deutschen internationalen Insolvenzrecht durch eine Vielzahl von Einzelvorschriften kollisionsrechtlich oder sachrechtlich durchbrochen. Die Wirkungen dieser Einzelvorschriften auf die Position der Gläubiger soll im Folgenden untersucht werden.
§ 7 Information der Gläubiger über das Insolvenzverfahren Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hat erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Schuldner und den Gläubigern. Der Schuldner verliert in allen behandelten Insolvenzrechtsordnungen die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen. Mithin kann er die Gläubigerforderungen nicht mehr ohne weiteres befriedigen. Leistungen haben nicht mehr an ihn, sondern an den Insolvenzverwalter zu erfolgen. Die Gläubiger können – abhängig von der Anerkennung des Verfahrens im Ausland – ihre Rechte weitestgehend nicht mehr im Wege der Einzelvollstreckung durchsetzen, sondern nur noch im Rahmen der Gesamtvollstreckung. Dazu haben sie ihre Ansprüche anzumelden.1 Gleichzeitig sind die Gläubiger der Gefahr ausgesetzt, dass ein gutgläubiger Erwerb durch Dritte die Masse schmälert.2 Des Weiteren darf nicht vernachlässigt werden, dass die Eingehung von Vertragsbeziehungen mit dem Schuldner für potentielle Vertragspartner mit erheblichen wirtschaftlichen Risiken verbunden ist.3 All das macht eine Publizität des Insolvenzverfahrens im In- und Ausland erforderlich. Die Publizität kann auf verschiedenen Wegen herbeigeführt werden. Die EuInsVO und die InsO kennen die individuelle Benachrichtigung, die öffentliche Bekanntmachung und die Eintragung in öffentliche Register.
1 2 3
Vgl. 2. Teil § 6 II., S. 141 ff. Vgl. dazu noch 3. Teil § 11, S. 259 ff. Vgl. dazu Erwägungsgrund 29 S. 1 zur EuInsVO („Interesse des Geschäftsverkehrs“).
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
I. Individuelle Unterrichtung Die Gläubiger stehen in einem besonders engen Kontakt zum Schuldner. Dieser drückt sich in einer konkreten Forderungsbeziehung aus. Daher wird ihnen oder gegebenenfalls einem berechtigten Vertreter bei einer Insolvenzeröffnung in Deutschland der Eröffnungsbeschluss gemäß § 30 Abs. 2 InsO i.V.m. § 8 InsO zugestellt. Das gilt unabhängig davon, ob die Gläubiger ihren gewöhnlichen Aufenthalt, ihren Wohnsitz oder Sitz im Inland oder im Ausland haben. Es macht auch keinen Unterschied, ob das eröffnete Verfahren ein Haupt- oder Partikularverfahren ist. Aus dem Eröffnungsbeschluss geht für die Gläubiger ersichtlich hervor, für wann der Berichtstermin und der Prüfungstermin angesetzt sind (vgl. § 29 InsO). Des Weiteren enthält der Beschluss konkrete Anweisungen für das weitere Verhalten der Gläubiger: Es wird ihnen mitgeteilt, dass sie ihre Forderungen innerhalb einer festzusetzenden Frist zur Tabelle anzumelden haben (§§ 28 Abs. 1, 174 InsO). Des Weiteren werden sie aufgefordert, sich zu etwaigen Sicherungsrechten an den beweglichen Sachen und Rechten des Schuldners zu äußern, sofern sie derartige Sicherungsrechte für sich in Anspruch nehmen (§ 28 Abs. 2 InsO). Nicht zuletzt werden sie angehalten, nicht mehr an den Insolvenzschuldner zu leisten, sondern nur noch an den Verwalter (§ 28 Abs. 3 InsO). Bei Insolvenzverfahren innerhalb der EU greift Art. 40 EuInsVO. Die Vorschrift ist eine materielle Rechtsnorm, die bei Haupt- und Territorialverfahren durch eine eigenständige Verpflichtung zur unverzüglichen Gläubigerinformation einen europäischen Mindeststandard setzen soll.4 Dementsprechend sind die Mitgliedstaaten nicht gehindert, im Interesse der Gläubiger weitergehende Angaben vorzuschreiben.5 Die Unterrichtung hat mittels eines Formblattes nach Maßgabe des Art. 42 Abs. 1 EuInsVO zu erfolgen. Darauf ist in allen Amtssprachen der EU vermerkt, dass es sich um eine Aufforderung zur Anmeldung von Forderungen handelt. Inhaltliche Anforderungen ergeben sich aus Art. 40 Abs. 2 EuInsVO. Danach ist in der Unterrichtung anzugeben, welche Fristen einzuhalten sind, welches die Versäumnisfolgen sind, welche Stelle für die Entgegennahme der Anmeldung zuständig ist und ob bevorrechtigte oder dinglich gesicherte Gläubiger ihre Forderungen anmelden müssen.6 Nicht aufgeführt wird beispielsweise, dass keine Leistungen mehr an den Schuldner erfolgen dürfen, oder wann die Gläubigerversammlung zusammentritt. Wird das Verfahren in Deutschland eröffnet, ergäbe sich die Verpflichtung zur Information darüber aus §§ 28 Abs. 3, 29 InsO. 4 Duursma, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 40 Rn. 1; vgl. auch Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (123 Nr. 271 f.); Pannen / Kühnle / Riedemann, NZI 2003, 72 (73). 5 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (123 Nr. 272). 6 Bei deutschen Insolvenzverfahren sind die Gläubiger noch über die Folgen einer nachträglichen Forderungsanmeldung nach § 177 InsO zu belehren (Art. 102 § 11 EGInsO). Das mittlerweile vorliegende Formblatt des BMJ enthält diesen Hinweis.
§ 7 Information der Gläubiger über das Insolvenzverfahren
167
Art. 40 EuInsVO statuiert eine insoweit begrenzte Informationspflicht, als dass der Insolvenzvermerk lediglich den bekannten Gläubigern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz innerhalb eines Mitgliedstaats haben, zugesendet werden muss. Eine Verpflichtung gegenüber Gläubigern in Drittstaaten besteht damit nicht. Gleiches gilt aufgrund des Ziels der Verbesserung der Lage der Gemeingläubiger außerhalb des Staats der Verfahrenseröffnung auch für die Information der Gläubiger innerhalb des eröffnenden Staats.7 Dafür, dass die EuInsVO die Gläubiger verschiedener Staaten unterschiedlich behandelt, gibt es keine sachliche Rechtfertigung. Paulus spricht insoweit von einer Abschottung der EU gegenüber Nicht-Mitgliedstaaten. Das einfache nationale Insolvenzrecht sei oftmals internationaler ausgelegt als die EuInsVO.8 Die Kritik muss aber noch weiter ergehen: Es ist nicht einzusehen, warum die EuInsVO nicht vorschreibt, auch die Gläubiger im Staat der Verfahrenseröffnung zu informieren, anstatt die Frage der lex fori concursus zu überlassen. Die Regelung hat zur Folge, dass die Gläubiger selbst innerhalb der EU unterschiedlich informiert sein können. Im Sinne einer einheitlichen Behandlung der Gläubiger hätte zumindest auf das Tatbestandsmerkmal „anderer“ Mitgliedstaaten verzichtet werden sollen. Für Insolvenzverfahren, die außerhalb der EU bzw. in Dänemark eröffnet werden, sieht das deutsche internationale Insolvenzrecht keine Regelung vor. Aufgrund der Souveränität dieser Staaten, bestimmen sich die Informationspflichten nach der ausländischen lex fori concursus. Dabei ist denkbar, dass eine individuelle Unterrichtung lediglich im Eröffnungsstaat zu erfolgen hat und Gläubiger in Deutschland uninformiert bleiben. In einem solchen Fall ist damit zu rechnen, dass Fristen für die Forderungsanmeldung verpasst werden.
II. Öffentliche Bekanntmachung Auch außerhalb der Gruppe der Gläubiger des Schuldners – bei potentiellen Gläubigern – besteht ein erhebliches Interesse daran, von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen eine Person Kenntnis zu erhalten.9 Sie müssen davor geschützt werden, Verbindlichkeiten gegenüber dem Gemeinschuldner einzugehen, ohne dass noch Aussicht darauf besteht, die Gegenleistung (vollständig) zu erlangen. Vornehmlich zur Unterrichtung dieser Personen dient die öffentliche Bekanntmachung. In Deutschland ergibt sich die Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung aus § 30 Abs. 1 i.V.m. § 9 InsO. Danach hat eine Veröffentlichung der Eröffnungsentscheidung im Bundesanzeiger sowie in dem für den Gerichtsbezirk für amtliche Bekanntmachungen vorgesehenen Blatt oder einer dafür eingerichteten Inter7 8 9
Vgl. Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (123 Nr. 271). Paulus, EWS 2002, 497 (504). Vgl. Erwägungsgrund 29 S. 1 zur EuInsVO: „Interesse des Geschäftsverkehrs“.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
netplattform zu erfolgen. Wie in Deutschland sehen auch andere Rechtsordnungen eine Bekanntmachung lediglich im Staat der Verfahrenseröffnung vor.10 Erst das internationale Insolvenzrecht behandelt die Bekanntmachung auch in anderen Staaten. Bei einer Verfahrenseröffnung innerhalb der EU hat eine Bekanntmachung der Eröffnungsentscheidung in den anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich nur dann zu erfolgen, wenn der Verwalter dies in den anderen Staaten beantragt (Art. 21 Abs. 1 S. 1 EuInsVO).11 Die Veröffentlichung erfolgt dann nach den nationalen Bestimmungen des jeweiligen Mitgliedstaats (Art. 21 Abs. 1 S. 1 a.E. EuInsVO). Auch bei Verfahrenseröffnungen in einem Drittstaat bzw. in Dänemark hat eine Veröffentlichung in Deutschland nur dann zu erfolgen, wenn der ausländische Verwalter dies beantragt (vgl. § 345 Abs. 1 InsO). Anders lautet die Regelung dagegen für den Fall, dass der Schuldner eine Niederlassung in Deutschland hat. Nach § 345 Abs. 2 S. 1 InsO hat die Bekanntmachung der ausländischen Eröffnungsentscheidung in Deutschland dann von Amts wegen zu erfolgen. Art. 21 Abs. 2 S. 1 EuInsVO überlässt es den Mitgliedstaaten, ob sie die Bekanntmachung bei Belegenheit einer Niederlassung im Inland obligatorisch vorsehen oder nicht. In Deutschland hat man sich für eine Bekanntmachung von Amts wegen entschieden (vgl. Art. 102 § 5 Abs. 2 S. 1 EGInsO). Die Abstufung zwischen den Absätzen 1 und 2 in § 345 InsO und Art. 21 EuInsVO ist mit einer Kosten- Nutzenabwägung der Gesetzgeber zu erklären. Der Insolvenzverwalter soll entscheiden, ob eine Bekanntmachung, die massemindernde Kosten verursacht, im Ausland erforderlich ist.12 Die Entscheidung darüber liegt in seinem Ermessen. Sobald jedoch eine Niederlassung vorhanden ist, geht der deutsche Gesetzgeber davon aus, dass der Schuldner intensivere Kontakte zu Geschäftspartnern in Deutschland pflegt. Mithin ist jedenfalls in dieser Konstellation ein Informationsinteresse im Inland gegeben, welches eine obligatorische Bekanntmachung rechtfertigt.13
III. Eintragung in öffentliche Register Eintragungen in öffentliche Register dienen der Publikation eines Sachverhalts. Darüber hinaus geht von ihnen ein gewisser Rechtsschein aus (im Folgenden: PuLiersch, in: Braun, InsO, § 345 Rn. 1. Zum Antragsverfahren vgl. Art. 102 § 5 Abs. 1 EGInsO. 12 Liersch, in: Braun, InsO, § 345 Rn. 12 zum deutschen internationalen Insolvenzrecht. 13 FrankfurterKomm z. InsO / Wimmer, Art. 102 EGInsO Rn. 106; Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 21 Rn. 13; Trunk empfahl dagegen für die EGInsO lediglich eine obligatorische Bekanntmachung für inländisch Handelsniederlassungen i. S. d. §§ 29, 13 ff. HGB; vgl. Trunk, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 232 (241). 10 11
§ 7 Information der Gläubiger über das Insolvenzverfahren
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blizität14). Das Vertrauen Dritter in die positive oder negative Publizität öffentlicher Register wird jedenfalls in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der EU – wenn auch in unterschiedlicher Weise – geschützt.15 Die InsO sieht eine Eintragung der Eröffnung von Insolvenzverfahren in das Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- oder Vereinsregister (§ 31 InsO) sowie in das Grundbuch (§ 32 InsO) und gegebenenfalls in Register für Schiffe und Luftfahrzeuge (§ 33 InsO) vor. Die EuInsVO ordnet in regelungssystematischer Anlehnung an Art. 21 Abs. 1 S. 1 EuInsVO in Art. 22 Abs. 1 EuInsVO eine Eintragung in anderen Staaten als dem Eröffnungsstaat an, wenn der Insolvenzverwalter einen entsprechenden Antrag stellt. Der Antrag auf Eintragung kann sich dabei auf alle öffentlichen Register beziehen (Art. 22 Abs. 1 EuInsVO). § 346 InsO sieht dagegen nur einen Antrag des ausländischen Insolvenzverwalters auf Eintragung in das Grundbuch (Abs. 1) bzw. in Register für Schiffe und Luftfahrzeuge (Abs. 3) in Deutschland vor. Das deutsche internationale Insolvenzrecht lässt damit Eintragungen nicht in dem Umfang zu, wie sie bei einer Insolvenz in Deutschland oder innerhalb der EU stattfinden. Das kann allenfalls damit begründet werden, dass der Insolvenzvermerk in Deutschland z. B. im Handelsregister ohnehin nicht an dessen Publizität nach § 15 HGB teilnimmt (§ 32 Abs. 2 S. 2 HGB). Nichts desto trotz geht damit Publikationswirkung verloren. Die Eintragungsmöglichkeiten ins Grundbuch unterliegen gemäß dem Wortlaut des § 346 Abs. 1 Nr. 2 InsO der weiteren Einschränkung, dass ein Eröffnungsvermerk bei Rechten des Schuldners an einem Grundstück oder an eingetragenen Rechten im Grundbuch nur dann zulässig ist, wenn nach der Art des Rechts und den Umständen zu befürchten ist, dass die Insolvenzgläubiger ohne die Eintragung benachteiligt würden. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, prüft das inländische Insolvenzgericht, bei dem der ausländische Verwalter den Eintragungsantrag stellt.16 Das Erfordernis der Gefahr einer Benachteiligung von Gläubigerinteressen entspricht der Regelung in § 32 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Beide Vorschriften suggerieren, dass die Eintragung die Ausnahme ist. Es wird jedoch empfohlen, dass vor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer zeitnahen Entscheidung und dem Umstand, dass die Folgen der Nichteintragung oft nicht schnell genug abgeschätzt werden können, grundsätzlich eine Eintragung vorgenommen werden sollte.17 Dies kann auf die Auslegung des § 346 Abs. 1 Nr. 2 InsO übertragen werden. 14 Zu den unterschiedlichen Begriffsverständnissen von „Publizität“ siehe K. Schmidt, Handelsrecht, § 11 I. 1. 15 Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 22 Rn. 1. 16 Zur Klarstellung, dass mit dem Insolvenzgericht in § 346 Abs. 1 InsO ein inländisches Insolvenzgericht gemeint ist, vgl. BT-Drucks. 15 / 16, S. 22; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 346 Rn. 1. Zur Zuständigkeit des Insolvenzgerichts vgl. § 348 InsO. 17 MünchKomm z. InsO / Schmal, § 32 Rn. 18; Holzer, in: Kübler / Prütting, InsO, § 32 Rn. 3. Vgl. auch Goetsch, nach dessen Einschätzung lediglich bei verbrieften Rechten, bei
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
Art. 22 Abs. 2 EuInsVO eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Eintragung in ihre Register obligatorisch auch ohne Antrag vorzusehen. Deutschland hat von diesem Angebot bisher keinen Gebrauch gemacht. Eine dafür erforderliche Regelung in der EGInsO fehlt.
§ 8 Insolvenzanfechtung und Insolvenzbeständigkeit Erfahrungen haben gezeigt, dass schon lange vor Insolvenzantragstellung einzelne Gläubiger, die über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners besonders gut informiert sind, die enge Beziehungen zum Schuldner unterhalten oder die ihre Interessen besonders hart durchzusetzen pflegen, im Vorfeld des Insolvenzverfahrens eine noch volle oder zumindest erhebliche Befriedigung ihrer Forderungen erzielen können, während die meisten anderen Gläubiger im sich anschließenden Insolvenzverfahren weitgehend leer ausgehen.18 Um diesem Bestreben Einzelner entgegenzuwirken, wurde das Insolvenzanfechtungsrecht in allen bekannten Insolvenzstatuten als zentraler Bestandteil verankert.19 Gleichzeitig lassen sich erhebliche Unterschiede in der konkreten Ausgestaltung der nationalen Anfechtungsregelungen feststellen.20 Die einzelnen Regelungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu orchestrieren ist Aufgabe des internationalen Insolvenzrechts. Angestrebt wird dabei einerseits die Durchsetzung der Gläubigergleichbehandlung.21 Sie soll bereits im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens abgesichert werden. Andererseits zielt das internationale Insolvenzrecht aber auch auf die Gewährleistung eines gewissen Vertrauensschutzes zugunsten der von der Anfechtung betroffenen Gläubiger ab.22 Aus diesem Gegensatz lassen sich für findige Gläubiger erneut Spielräume zur optimalen Durchsetzung ihrer Interessen herausarbeiten. denen der Brief im Besitz des Verwalters ist, von einem Vermerk abgesehen werden kann, BerlinerKomm z. InsO / Goetsch, § 32 Rn. 16. 18 MünchKomm z. InsO / Kirchhof, vor §§ 129 – 147 Rn. 2; Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, § 1 Rn. 18. 19 Zur internationalen Zuständigkeit von Gerichten für Anfechtungsklagen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten vgl. Saenger / Klockenbrink, IHR 2007, 60 ff. Die internationale Zuständigkeit ist maßgeblich dafür, wo sich die Gläubiger auf Anfechtungsklagen des Verwalters einzulassen haben. 20 Entsprechend groß war der Streit bei der Festlegung dieses Regelungskomplexes im EuInsÜ; vgl. nur Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 38; Balz, ZIP 1996, 948 (951); zum Streitstand in Deutschland vor der Normierung der internationalrechtlichen Vorschriften vgl. die Darstellung in BGHZ 134, 116 (121). 21 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (80 f. Nr. 135); BT-Drucks. 15 / 16, S. 19. Vgl. zum Anfechtungsrecht als besonderem Ausdruck des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung, 1. Teil § 2 I., S. 34. 22 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (81 Nr. 138); Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 339 Rn. 1; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 3555; BTDrucks. 15 / 16, S. 19 mit kritischer Stellungnahme.
§ 8 Insolvenzanfechtung und Insolvenzbeständigkeit
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I. Rechtsvergleichender Überblick zu den nationalen Insolvenzanfechtungs-, Nichtigkeitsund Unwirksamkeitsregeln Die nationalen Insolvenzrechtsordnungen sehen nicht nur Anfechtungsansprüche wie sie in Deutschland kodifiziert sind vor. Teilweise wird auch unmittelbar die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit bestimmter Rechtshandlungen angeordnet. Besonders signifikant sind die höchst unterschiedlichen Zeitspannen für die Vornahme der Rechtshandlungen, denen die Rechtsbeständigkeit im Insolvenzverfahren versagt wird. Aber auch die Regelungssystematiken weichen stark voneinander ab. Während einige Länder die Anfechtungstatbestände detailliert ausgestalten, arbeiten andere mit generalklauselartigen Tatbeständen, von denen wiederum zulässige Handlungen ausgenommen werden.
1. Insolvenzbeständigkeit nach deutschem Recht Das deutsche Insolvenzanfechtungsrecht setzt eine Rechtshandlung voraus, die zu einer Gläubigerbenachteiligung führt (§ 129 InsO). Darüber hinaus müssen bestimmte Anfechtungsgründe erfüllt sein. Gemäß dem Insolvenzanfechtungsgrund in § 130 Abs. 1 InsO kann eine Rechtshandlung angefochten werden, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, sofern die Rechtshandlung innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder danach vorgenommen worden ist und der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bzw. die Antragstellung kannte (Kongruente Deckung).23 Des Weiteren kann gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine Rechtshandlung angefochten werden, die nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit beansprucht werden konnte, wenn die Handlung weniger als einen Monat vor Insolvenzantragstellung vorgenommen wurde (Inkongruente Deckung). Die Zeitspanne beträgt drei Monate, wenn der Schuldner zur Zeit der Rechtshandlung bereits zahlungsunfähig war oder wenn dem Gläubiger bekannt war, dass die Handlung die Insolvenzgläubiger benachteiligt (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO). Führt die Rechtshandlung zu einer unmittelbaren Benachteiligung der Insolvenzgläubiger, ist sie gemäß § 132 Abs. 1 InsO unter denselben Voraussetzungen anfechtbar wie die Sicherungs- oder Befriedigungshandlung bei der kongruenten Deckung (Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen). Geht der Vorsatz des Schuldners dahin, dass er mit der Rechtshandlung die Gläubiger benachteiligen will, und ist dem anderen Teil der Benachteiligungsvorsatz bekannt, so kann die Rechtshandlung gemäß § 133 Abs. 1 InsO sogar noch angefochten werden, wenn sie innerhalb von zehn Jahren vor Insolvenzantragstellung vorgenommen worden ist (Vorsätzliche Benachteiligung). Unentgeltliche Leistungen können angefochten werden, sofern sie weniger als vier 23 Die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, reicht aus, § 130 Abs. 2 InsO.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
Jahre vor Antragstellung zurückliegen (§ 134 Abs. 1 InsO). Schließlich ist auch eine Anfechtung von Rückzahlungen und Besicherungen bei kapitalersetzenden Darlehen (§ 135 InsO) sowie eine Anfechtung der Einlagenrückgewähr und des Erlasses der Haftung für Verlustanteile bei stillen Gesellschaften (§ 136 InsO) möglich. Leistungen, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt, sind nur dann anfechtbar, wenn die Voraussetzungen einer vorsätzlichen Benachteiligung nach § 133 Abs. 1 InsO vorliegen. Für dem Schuldner nahe stehende Personen24 sieht das deutsche Anfechtungsrecht an verschiedenen Stellen (insbesondere beweisrechtliche) Modifikationen vor.25 § 133 Abs. 2 InsO enthält sogar einen speziellen Anfechtungstatbestand. Auf die Länge der Zeitspanne, in der Rechtshandlungen mit einem Anfechtungsrisiko verbunden sind, hat diese Eigenschaft in Deutschland allerdings keine Auswirkungen. Das Anfechtungsrecht steht grundsätzlich nur dem Insolvenzverwalter zu (§ 129 Abs. 1 InsO). Im vereinfachten Insolvenzverfahren müssen jedoch die Insolvenzgläubiger die Anfechtungsansprüche selbst geltend machen (§ 313 Abs. 2 InsO). Alternativ kann ein Treuhänder von der Gläubigerversammlung mit der Anfechtung beauftragt werden (§ 313 Abs. 2 S. 3 InsO). In der Eigenverwaltung obliegt das Anfechtungsrecht dem Sachwalter (§ 280 InsO). Einer Insolvenzanfechtung bedarf es nicht, wenn ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Verfahrenseröffnung bzw. nach dem Antrag durch Zwangsvollstreckung eine Sicherung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen erlangt hat. In diesem Fall ist die Sicherung gemäß der sog. Rückschlagsperre in § 88 InsO unwirksam.26 2. Insolvenzbeständigkeit nach französischem Recht In Frankreich ordnen die Art. L. 632 – 1 f. Code de Commerce zum Teil eine zwingende und zum Teil eine ermessensabhängige Nichtigkeitserklärung von bestimmten Rechtsgeschäften an, die zwischen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und Verfahrenseröffnung (période suspecte) getätigt werden. Die Nichtigkeitserklärung erfolgt auf Antrag des Gläubigervertreters, des Insolvenzverwalters, des Liquidators oder des für die Durchführung des Sanierungsplans zuständigen Kommissars. Nach Art. L. 632 – 1 Code de Commerce muss das Gericht die dort aufVgl. die Legaldefinition in § 138 InsO. Vgl. z. B. §§ 130 Abs. 3, 131 Abs. 2 InsO. 26 Im Falle eines Eigenantrags auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens verlängert sich die Frist auf drei Monate vor Antragstellung, § 312 Abs. 1 S. 3 InsO. Für eine relative Unwirksamkeit nur gegenüber den Insolvenzgläubigern: Lüke, in: Kübler / Prütting, InsO, § 88 Rn. 24; die h. M. geht dagegen von einer absoluten Unwirksamkeit gegenüber jedermann aus, vgl. MünchKomm z. InsO / Breuer, § 88 Rn. 23; HeidelKomm z. InsO / Eickmann, § 88 Rn. 23. 24 25
§ 8 Insolvenzanfechtung und Insolvenzbeständigkeit
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gezählten Rechtsgeschäfte für nichtig erklären. Dazu zählen kostenlose Übertragungen von Mobiliar- und Immobilieneigentum, Austauschverträge, bei denen die Verpflichtung des späteren Gesamtschuldners diejenigen des Vertragspartners erheblich übersteigt, und die Erfüllung noch nicht fälliger Forderungen. Werden fällige Forderungen nicht mit handelsüblichen Zahlungsmitteln wie Barzahlung, Überweisung oder Forderungsabtretung etc. beglichen, sind auch diese Erfüllungshandlungen für nichtig zu erklären. Dasselbe gilt für die Bestellung von Hypotheken und vorläufigen Sicherungsmaßnahmen, sofern die Eintragung bzw. die Pfändung nicht vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vorgenommen worden ist.27 Unentgeltliche Verfügungen sind auch dann zwingend für nichtig zu erklären, wenn sie innerhalb einer Frist von sechs Monaten vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vorgenommen worden sind.28 Leistungen in der période suspecte auf fällige Forderungen können für nichtig erklärt werden, wenn der Forderungsinhaber Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatte.29 Gleiches gilt für die Ausstellung von Wechseln, Solawechseln und Schecks. Eine Besonderheit des französischen Rechts ist, dass der Insolvenzrichter den Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit (Beginn der période suspecte) in seiner Eröffnungsentscheidung bestimmt und auf bis zu 18 Monate vor seine Entscheidung vorverlegen kann.30 Damit nimmt er mittelbar Einfluss darauf, welche Rechtshandlungen bestand haben können und welche nicht.
3. Insolvenzbeständigkeit nach englischem Recht Die Anfechtungsmöglichkeiten in England richten sich nach dem beschrittenen Verfahren. In der administration und liquidation von Gesellschaften sind die Verfügung unter Wert31, die Gläubigerbevorzugung32 und die Bestellung von floating charges unter gewissen Voraussetzungen33 anfechtbar.34 Eine Verfügung unter Wert ist zu bejahen, wenn der Schuldner eine Schenkung vornimmt, oder wenn bei einem Rechtsgeschäft der Wert der Gegenleistung den der Leistung des Schuldners signifikant unterschreitet. Eine Anfechtung ist jedoch ausgeschlossen, wenn das Rechtsgeschäft in gutem Glauben getätigt wurde, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten, und vernünftige Anhaltspunkte dafür bestanden, dass das RechtsMünchKomm InsO, Bd. 3 / Augustin, Frankreich Rn. 20. Art. L. 632 – 1 Abs. 2 Code de Commerce. 29 Art. L. 632 – 2 Code de Commerce. 30 Art. L. 631 – 8 Abs. 1 Code de Commerce; vgl. auch Niggemann / Blenske, NZI 2003, 471 (478). 31 Sec. 238 Insolvency Act 1986 (Transactions at an undervalue). 32 Sec. 239 Insolvency Act 1986 (Preferences). 33 Sec. 245 Insolvency Act 1986 (Avoidance of certain floating charges). 34 Zur Anfechtung in einem Verfahren über das Vermögen von natürlichen Personen siehe Kranemann, Insolvenzanfechtung, S. 238 ff. 27 28
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
geschäft der Gesellschaft nützt.35 Eine Gläubigerbevorzugung liegt vor, wenn der Schuldner Rechtshandlungen vornimmt, durch die ein Gläubiger oder Sicherungsgeber im Falle einer Liquidation in der Insolvenz besser gestellt ist als ohne die anfechtbare Handlung. Erforderlich ist des Weiteren, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass der Entschluss der Gesellschaft, die Rechtshandlung vorzunehmen, von dem Wunsch getragen wurde, eine entsprechende Besserstellung der Person zu bewirken.36 Die Anfechtung kann bei einer Gläubigerbegünstigung nur erfolgen, wenn die Rechtshandlung weniger als sechs Monate vor Verfahrenseröffnung vorgenommen worden ist.37 Für eine Anfechtung wegen einer Verfügung unter Wert muss bereits ein Insolvenzantrag gestellt worden sein.38 Bei beiden Anfechtungsgründen verlängert sich die Zeitspanne, in der die Rechtshandlungen vorgenommen worden sein können, auf zwei Jahre vor Verfahrenseröffnung, wenn Personen, die in einem besonderen Näheverhältnis zum Unternehmen stehen, durch die Rechtshandlung begünstigt worden sind.39 Die Anfechtungsmöglichkeiten im englischen Recht werden ganz wesentlich dadurch eingeschränkt, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts bereits zahlungsunfähig gewesen oder die Zahlungsunfähigkeit durch die in Rede stehende Rechtshandlung ausgelöst worden sein muss.40 Werden all diese Voraussetzungen erfüllt, kann das zuständige Gericht die Anordnung treffen, dass der Rechtszustand besteht, der ohne die anfechtbare Rechtshandlung gelten würde.41 Bestellen Gesellschaften einem Gläubiger eine floating charge, ist die Bestellung unwirksam, wenn der zunächst ungesicherte Gläubiger dadurch im Falle eines Insolvenzverfahrens gesichert würde.42 Werden Personen mit einer besonderen Nähebeziehung zum Unternehmen besichert, beträgt die Sperrfrist zwei Jahre vor Eintritt der Insolvenz, ansonsten zwölf Monate.43 Schließlich können unabhängig vom Verfahrenstyp Rechtshandlungen angefochten werden, die darauf abzielen, Personen, die bereits einen Anspruch gegen den Schuldner haben oder in Zukunft haben werden, den Zugriff auf die Vermögensgegenstände des Schuldners zu entziehen.44 Auch in diesem Fall kann das Sec. 238 (4) (5) Insolvency Act 1986. Sec. 239 (4) (5) Insolvency Act 1986. 37 Sec. 240 (1) (b) Insolvency Act 1986. 38 Sec. 240 (1) (c) Insolvency Act 1986. 39 Sec. 240 (1) (a) Insolvency Act 1986; zu diesen Personen zählen der Geschäftsführer, der Ehepartner, Verwandte und Verschwägerte, Angestellte sowie sonstige Personen, die ein enges Verhältnis zum Unternehmen oder einem der Angestellten aufweisen (Sec. 249 i.V.m. Sec 435 Insolvency Act 1986). Sofern zwei Gesellschaften beteiligt sind, muss eine Kontrollbeziehung zwischen ihnen bestehen. 40 Sec. 240 (2) Insolvency Act 1986. 41 Meyer-Löwy / Poertzgen / de Vries, ZInsO 2005, 293 (297). 42 Sec. 245 Insolvency Act 1986. 43 Sec. 245 (3) Insolvency Act 1986. 44 Sec. 423 Insolvency Act 1986 (Transactions defrauding creditors). 35 36
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Gericht die Rechtslage herstellen, die bestehen würde, wenn die schädigende Handlung nicht vorgenommen worden wäre.45
4. Insolvenzbeständigkeit nach US-amerikanischem Recht Im Zentrum des US-amerikanischen Anfechtungsrechts stehen die Gläubigerbegünstigung46 und die betrügerische Verfügung47. Der Tatbestand der Gläubigerbegünstigung sieht zunächst eine sehr weit gefasste Anfechtungsmöglichkeit vor. Erfasst werden alle Handlungen, die zu einer Vermögensverschiebung zugunsten eines Gläubigers führen, auf ein bereits bestehendes Schuldverhältnis einwirken während der Schuldner bereits insolvent war und den Gläubiger in gewisser Weise besser stellen.48 Eine derartige Besserstellung liegt vor, wenn der Gläubiger mehr erhält als er ohne die Verfügung haben würde als ihm ein Liquidationsverfahren nach Chapter 7 einbringen würde oder als ihm sonst nach einem Verfahren des Bankruptcy Codes zustehen würde.49 Auf die Kenntnis des Gläubigers oder auf etwaige Absichten oder Beweggründe des Schuldners kommt es nicht an. Der zeitliche Rahmen für die Anfechtbarkeit der Handlung erstreckt sich auf die 90 Tage vor Stellung des Insolvenzantrags. Sofern es sich um ein Geschäft mit sog. Insidern handelt, verlängert sich der Zeitraum auf bis zu ein Jahr.50 Die weit gefassten Anfechtungsmöglichkeiten werden jedoch durch umfangreiche Ausnahmetatbestände wieder stark eingeschränkt. Zu diesen unanfechtbaren Ausnahmegeschäften gehören Zug-um-Zug-Geschäfte, wenn sie zu einem Zufluss in das Vermögen des Schuldners führen, Geschäfte im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsgangs, bestimmte Unterhaltszahlungen, unwesentliche Zahlungen bei Verbraucherinsolvenzen, sowie verschiedene Fälle der Bestellung von Sicherheiten.51 Sicherheiten können insbesondere dann unanfechtbar bestellt werden, wenn sie dazu dienen, dass der Gläubiger dem Schuldner Vermögen zur Verfügung stellt, damit dieser im Ergebnis ein Insolvenzverfahren abwenden kann.52 Unter den Tatbestand der betrügerischen Verfügung fallen Verfügungen des Schuldners, die in der Absicht getätigt wurden, Vermögensgegenstände dem ZuSec. 423 (2) Insolvency Act 1986. Sec. 547 BC (Preferences). 47 Sec. 548 BC (Fraudulent transfers and obligations). Zu §§ 544 und 545 BC, die die Nachfolge des Trustee in gewisse Sicherungsrechte betreffen, und die Sicherung so für den Gläubiger leer laufen lassen, vgl. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht, S. 167 ff. 48 Sec. 547 (b) BC. 49 Sec. 547 (b) (5) (B) BC. 50 Sec. 547 (b) (4) BC. Zum Begriff Insider vgl. die umfangreiche Legaldefinition in § 101 (31) BC. 51 Vgl. Sec. 547 (c) BC. 52 Vgl. Sec. 547 (c) (3) – (5) BC. 45 46
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
griff der Gläubiger zu entziehen.53 Des Weiteren gehören auch Leistungen zu den betrügerischen Verfügungen, denen keine angemessene Gegenleistung gegenübersteht.54 Die Handlungen sind allerdings nur dann anfechtbar, wenn sie weniger als ein Jahr vor Einreichung des Insolvenzantrags vorgenommen worden sind und der Schuldner zu diesem Zeitpunkt schon insolvent war oder durch die Handlung insolvent geworden ist.55 Das Anfechtungsrecht wird in den USA grundsätzlich vom trustee ausgeübt.56 Sofern in einem Verfahren nach Chapter 11 dem debtor in possession auch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen eingeräumt wurde, steht ihm die Anfechtungsbefugnis zu.57 Ein wesentlicher Unterschied der US-amerikanischen Insolvenzanfechtungstatbestände zum Anfechtungsrecht anderer Nationen besteht darin, dass sie trotz des grundsätzlich universalen Geltungsanspruchs amerikanischer Insolvenzverfahren lediglich mit territorialem Wirkungsanspruch auftreten. In einem US-amerikanischen Hauptverfahren kann der trustee daher Rechtshandlungen, die nicht innerhalb der Grenzen der USA getätigt wurden, nicht nach US-amerikanischem Anfechtungsrecht anfechten. Das ergibt sich aus der Rechtsprechung im Fall Maxwell Communication Corporation.58 Danach kommt US-amerikanischem Recht nur dann extraterritoriale Wirkung zu, wenn dem Gesetz ein solcher Geltungsanspruch ausdrücklich entnommen werden kann. Das sei bei den Insolvenzanfechtungstatbeständen nicht der Fall.59 Auch könne nicht von der universalen Konkursmasse60 auf eine universale Geltung der Anfechtungstatbestände geschlossen werden. Bei anfechtbaren Rechthandlungen falle das übertragene Vermögen nämlich erst mit der Anfechtung wieder in die Insolvenzmasse.61 Von dieser Rechtsprechung ist der US-Gesetzgeber mit der Reform von Oktober 2005 nicht abgerückt. Zwar wurde das internationale Insolvenzrecht der USA grundSec. 548 (a) (1) (A) BC. Sec. 548 (a) (1) (B) BC. 55 Sec. 548 (a) BC. 56 Meyer-Löwy / Poertzgen / Eckhoff, ZInsO 2005, 735 (740); Jander, RIW 1993, 547 (550). 57 Sec. 1107 (a) BC. 58 In re Maxwell Communication Corp. PLC, 170 B.R. 800 (Bankr. S.D.N.Y 1994), bestätigt durch den District Court, 186 B.R. 807 (S.D.N.Y 1995); dargestellt bei Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht, S. 288 ff. und bei Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, S. 270 ff. (der sich allerdings stärker auf Sanierungsaspekte bezieht). 59 District Court, 186 B.R. 807 [819] (S.D.N.Y 1995); Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht, S. 290. 60 Vgl. § 541 (a) BC: „property, wherever located and by whomever held“ und 2. Teil § 5 I., S. 72. 61 District Court, 186 B.R. 807 [820] (S.D.N.Y 1995); Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht, S. 290. 53 54
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legend neu geordnet.62 Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen die neuen Vorschriften aber keine Aussage darüber treffen, welchem Recht Anfechtungsansprüche unterliegen.63 Die Anfechtungsmöglichkeiten richten sich in einem in den USA durchgeführten Insolvenzverfahren daher gemäß der allgemein im USamerikanischen Recht geltenden Comity-Doktrin weiterhin grundsätzlich nach dem Recht des Staats, in dem die anzufechtende Rechtshandlung vorgenommen wird.64 Folglich bleibt festzuhalten, dass die lediglich territoriale Geltung der USAnfechtungstatbestände nicht dazu führt, dass Rechtshandlungen außerhalb der USA in einem US-Insolvenzverfahren unanfechtbar sind.
5. Ergebnisse Die nationalen Rechtsordnungen weisen im Umgang mit anfechtbaren Rechtshandlungen erhebliche Unterschiede auf. Die Unterschiede sind nicht nur technischer Art (Anfechtungszuständigkeit, Anfechtungsverfahren). Auch was die aus Gläubigersicht wesentliche Frage der Möglichkeiten der Anfechtung bestimmter Rechtshandlungen angeht bestehen erhebliche Divergenzen. So können beispielsweise Leistungen unter Wert in England grundsätzlich nur dann angefochten werden, wenn vor der Verfügung bereits ein Insolvenzantrag gestellt worden ist.65 Das US-Insolvenzrecht setzt voraus, dass die Handlung innerhalb eines Jahres vor Insolvenzantragstellung vorgenommen worden ist und der Schuldner zu diesem Zeitpunkt schon insolvent war oder durch die Handlung insolvent geworden ist.66 In Frankreich ist eine Verfügung unter Wert im Fall einer 18 monatigen période suspecte zuzüglich der speziellen Fristverlängerung von weiteren sechs Monaten anfechtbar, wenn sie innerhalb von 24 Monaten vor Verfahrenseröffnung vorgenommen wurde.67 Erfolgte die Leistung gänzlich unentgeltlich, kann sie in Deutschland sogar dann angefochten werden, wenn sie bis zu vier Jahre zurückliegt (§ 134 Abs. 1 InsO). Eine Verfügung des Schuldners in der Absicht, Gläubigern die Vermögensgegenstände zu entziehen, kann nach US-Recht nur angefochten werden, wenn die Verfügung weniger als ein Jahr zurückliegt und der Schuldner in diesem Zeitpunkt schon insolvent war.68 In Deutschland ist dagegen auch noch nach bis zu zehn 62 Vgl. das neue Chapter 15 des BC; dazu Paulus, NZI 2005, 439 ff.; Rüfner, ZIP 2005, 1859 ff. 63 Rüfner, ZIP 2005, 1859 (1865); House Rep. No. 109 – 31, S. 116, zugänglich über http: / / thomas.loc.gov (14. 8. 2006); der Bericht des Committee on the Judiciary hat eine ähnliche Funktion wie die Begründung eines deutschen Regierungsentwurfs. 64 Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht, S. 291 f., 293 f. 65 Sec. 238 i.V.m. 240 (1) (c) Insolvency Act 1986. 66 Sec. 548 (a) BC. 67 Art. L. 632 – 1 Code de Commerce. 68 Sec. 548 (a) (1) (A) BC.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
Jahren eine Anfechtung möglich, wenn der begünstigte Teil Kenntnis von dem Vorsatz des Schuldners hatte (§ 133 Abs. 1 InsO). Wurde eine Zahlung vor Fälligkeit geleistet, kann die Leistung nach deutschem Recht nur angefochten werden, wenn sie lediglich einen Monat vor Insolvenzantragstellung erfolgte (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Wurde die Leistung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag bewirkt, kann sie nur dann angefochten werden, wenn der Schuldner bereits zahlungsunfähig war oder dem Gläubiger die insolvenzgläubigerbenachteiligende Wirkung bekannt war (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO). In Frankreich wird eine Leistung vor Fälligkeit zwingend für nichtig erklärt, wenn sie innerhalb der période suspecte vorgenommen worden ist.69 Die Unsicherheit erstreckt sich für den Begünstigten damit sogar auf eine Frist von bis zu 18 Monaten vor Verfahrenseröffnung. Unterschiede ergeben sich des Weiteren bei der Frage, ob mit handelsüblichen Zahlungsmitteln geleistet wurde, oder ob eine Zug-um-Zug-Leistung vorliegt. In Frankreich sind Leistungen, die in der période suspecte mit anderen als handelsüblichen Zahlungsmitteln geleistet wurden, per se anfechtbar.70 In den USA werden Zug-um-Zug-Leistungen unter gewissen Voraussetzungen wieder als Ausnahme aus dem Anfechtungstatbestand der Gläubigerbegünstigung ausgenommen.71 Schließlich hat die Stellung als nahestehende Person (oder auch „Insider“) höchst unterschiedliche Wirkungen. Während eine solche Stellung im deutschen Recht Einfluss auf die Beweislastverteilung hat, bewirkt sie im US-amerikanischen und englischen Recht eine Verlängerung der Frist vor Verfahrenseröffnung bzw. vor Stellung des Insolvenzantrags, in der die anzufechtende Handlung vorgenommen worden sein kann. Die verschiedenen Fassungen der Anfechtungstatbestände machen deutlich, wie unterschiedlich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung von den nationalen Insolvenzstatuten im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens abgesichert wird.72 Besonders auffällig ist, dass das US-amerikanische Anfechtungsrecht den Eintritt der materiellen Insolvenz des Schuldners im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung fordert. Das gilt auch für das französische Anfechtungsrecht, das grundsätzlich nur Handlungen in der période suspecte, d. h. nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, zur Disposition stellt. Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung wird mithin erst ab Eintritt der materiellen Insolvenz abgesichert. Das deutsche Anfechtungsrecht sichert die Gleichbehandlung der Gläubiger dagegen in den §§ 133 f. InsO nicht nur im Vorfeld des Insolvenzverfahrens, sondern bereits im Vorfeld des Eintritts der materiellen Insolvenz des Schuldners ab. Art. L. 632 – 1 Code de Commerce. Art. L. 632 – 1 Code de Commerce. 71 Vgl. Sec. 547 (c) BC. 72 Vgl. zur Absicherung der Gläubigergleichbehandlung im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens bereits 1. Teil § 2 I., S. 34. 69 70
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Die Abweichungen in den Anfechtungstatbeständen der behandelten Nationen verdeutlichen des Weiteren, dass nicht pauschal festgehalten werden kann, welche Rechtsordnung am anfechtungsfreundlichsten ist, und welche die Anfechtung am restriktivsten handhabt. Die Frage, welche Rechtshandlung unter welchen Umständen nach welcher Rechtsordnung angefochten werden kann, ist vielmehr im Einzelfall zu klären. Es sei lediglich vorsichtig bemerkt, dass das englische und USamerikanische Anfechtungsrecht die Anfechtungsmöglichkeiten wegen der recht umfangreichen Ausschlusstatbestände tendenziell eher restriktiv fast.
II. Auswirkungen von EuInsVO und deutschem internationalen Insolvenzrecht Das internationale Insolvenzrecht begegnet den unterschiedlichen nationalen Anfechtungsregelungen mit einem abgestuften System aus Geltung der lex fori concursus und einer Einredemöglichkeit der Gläubiger unter Bezugnahme auf das Wirkungsstatut (lex causae). 1. Geltung der lex fori concursus Nach Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. m EuInsVO ist die lex fori concursus maßgeblich dafür, welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen. Der Wortlaut der Vorschrift ist dabei zu eng. Die lex fori concursus behandelt nämlich nicht nur die Voraussetzungen der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder Unwirksamkeit. Nach ihr richten sich auch die Rechtswirkungen (z. B. Umfang der Rückgewähr, dingliche und / oder schuldrechtliche Wirkung) sowie das einzuhaltende Verfahren.73 In einem Sekundärverfahren bestimmen sich diese Voraussetzungen nach der lex fori concursus secundariae (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. m EuInsVO i.V.m. Art. 28 EuInsVO), sofern durch die in Rede stehende Rechtshandlung das von diesem Verfahren erfasste Vermögen geschmälert worden ist.74 Das deutsche internationale Insolvenzrecht ordnet in § 339 InsO an, dass Rechtshandlungen angefochten werden können, wenn die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nach dem Recht des Verfahrensstaats erfüllt sind. Die Vorschrift ist sowohl in Haupt- als auch in Partikularverfahren anwendbar. Sie erfasst wie die europäische Vorschrift das materielle Insolvenzanfechtungsrecht ebenso wie seine 73 Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 4 Rn. 46; HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 13 EuInsVO Rn. 2; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 13 Rn. 12; Fritz / Bähr, DZWIR 2001, 221 (229); Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (549 f.); Balz, ZIP 1996, 948 (951). 74 Hanisch, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 202 (217); Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 13 Rn. 5.
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verfahrensrechtliche Handhabung.75 Auslegungsbedürftig ist an dieser Stelle der Begriff Anfechtungsrecht des Eröffnungsstaats. Die Vorschrift dient dazu, Minderungen des Vermögens des Schuldners in der Krise im Interesse der Gläubigergesamtheit zu verhindern. Vor diesem Hintergrund kann es keinen Unterschied machen, wie die nationalen Insolvenzrechtsordnungen mit diesem Problem umgehen, d. h. ob sie per Gesetz die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung anordnen und ob sie ein In-Aktion-Treten einer beteiligten Person verlangen oder nicht. Folglich ist die Vorschrift parallel zu ihrer Schwestervorschrift auszulegen, die ausdrücklich auch die Nichtigkeit und relative Unwirksamkeit von Rechthandlungen anspricht. Des Weiteren macht es keinen Unterschied, ob das Anfechtungsrecht durch den Verwalter, durch Gläubiger oder sogar durch den Schuldner geltend zu machen ist. Entscheidend ist allein, dass es sich um eine entsprechende insolvenzrechtliche Vorschrift handelt.76 Mithin wird auch die deutsche Rückschlagsperre (§ 88 InsO) von der Vorschrift erfasst.77
2. Einschränkung in Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO Die Anfechtungsmöglichkeiten sowie die Vorschriften zur Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit bestimmter Rechtshandlungen nach der lex fori concursus werden durch Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO eingeschränkt. Erforderlich für den Eintritt der begrenzenden Wirkung ist ein Tätigwerden des Anfechtungsgegners bzw. des sonst durch die insolvenzrechtlichen Masseschutzvorschriften Benachteiligten. a) Rechtsfolge Art. 13 EuInsVO ordnet an, dass Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. m EuInsVO unter den Voraussetzungen des Art. 13 EuInsVO keine Anwendung findet. § 339 InsO verweist auf die Geltung der lex fori concursus, es sei denn, die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift sind erfüllt. Mithin ordnen beide Vorschriften mittelbar bzw. unmittelbar eine Beschränkung der Anwendung der lex fori concursus an. Beide Vorschriften bringen dabei nicht das Recht, dem das angefochtene Rechtsgeschäft unterliegt, zur Anwendung. Die Insolvenzanfechtung richtet sich also anders als die Rechtswirkungen bei den in Art. 8, 9, 10 EuInsVO bzw. §§ 336, 337, 340 InsO geregelten Sachverhalten ausschließlich nach der lex fori concursus. Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO ordnen der lex causae lediglich eine Sperrfunktion gegenüber der lex fori concursus zu.78 75 HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 339 Rn. 3; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, § 339 InsO Rn. 5; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 339 Rn. 3. 76 Liersch, in: Braun, InsO, § 339 Rn. 4; nicht erfasst wird also z. B. eine Anfechtung nach dem AnfG. 77 Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 339 Rn. 2; Liersch, in: Braun, InsO, § 339 Rn. 4; Kranemann, Insolvenzanfechtung, S. 150 ff.
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b) Rechtsnatur und Zweck der Regelungen Mit der Verweisung auf die lex fori concursus enthält § 339 InsO eine kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung für das Anfechtungsrecht.79 Ansonsten beinhalten Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO eine Art Einrede.80 Die Vorschriften entfalten ihre gläubigerbevorzugende Wirkung nämlich ausschließlich dann, wenn sich der betroffene Gläubiger auf sie beruft. Insofern handelt es sich bei beiden Vorschriften um eigenständige, allseitige Sachnormen.81 Erklärtes Ziel des europäischen Gesetzgebers war es, das Vertrauen der Gläubiger in die Geltung der Rechtsordnung zu schützen, die auf die Rechtshandlung nach dem „normalerweise geltenden nationalen Recht“ Anwendung findet.82 Der deutsche Gesetzgeber stand diesem Regelungszweck bereits skeptisch gegenüber. Er erließ die Vorschrift eher vor dem Hintergrund, sich nicht in Wertungswiderspruch zum europäischen Insolvenzrecht zu stellen.83 Dennoch finden sich in der Literatur Stimmen, die auch dem § 339 InsO nachsagen, das Vertrauen der Gläubiger in die Unangreifbarkeit einer Rechtshandlung schützen zu wollen.84 c) Anwendungsbereich von Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO Der räumliche Anwendungsbereich des Art. 13 EuInsVO erstreckt sich auf die Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme Dänemarks.85 Erforderlich ist also, dass ein Verfahren innerhalb einer dieser Staaten eröffnet worden ist. Des Weiteren muss es sich bei der lex causae ebenfalls um eine Rechtsordnung eines dieser Staaten handeln (Art. 13 erster Spiegelstrich EuInsVO). Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, greift das autonome internationale Insolvenzrecht des jeweiligen Mitgliedstaats oder eines Drittstaats. In Bezug auf Deutschland findet § 339 InsO Anwendung. Auf beide Vorschriften kann sich sowohl in Haupt- als auch in Partikularverfahren berufen werden.86 78 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 13 Rn. 2, 12; Liersch, NZI 2003, 302 (305); Fritz / Bähr, DZWIR 2001, 221 (229); Huber, ZZP 2001, 133 (165). 79 HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 339 Rn. 2; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 339 Rn. 1. 80 Vgl. Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (81 Nr. 136), die von „Veto“ sprechen; Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (556 Fn. 175); Chalupsky, in: Baudenbacher, Aktuelle Probleme des europäischen und internationalen Wirtschaftsrechts, S. 297 (361); HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 339 Rn. 4. 81 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 339 Rn. 2. 82 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (81 Nr. 138). 83 BT-Drucks. 15 / 16, S. 19. 84 Vgl. etwa HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 339 Rn. 2; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 339 Rn. 1; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 3555. 85 Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 13 EuInsVO Rn. 5. Zum räumlichen Anwendungsbereich der EuInsVO vgl. 2. Teil § 4 I. 2., S. 64 ff.
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d) Voraussetzungen Die Voraussetzungen, unter denen sich der Betroffene gegen die Insolvenzanfechtung oder die Geltendmachung der Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit einer Rechtshandlung wehren kann, ergeben sich teilweise unmittelbar aus dem Gesetz, teilweise sind sie aber auch durch teleologische Auslegung zu ermitteln. aa) Angreifbarkeit nach der lex fori concursus Zunächst ist erforderlich, dass die Rechtshandlung nach den Regeln der lex fori concursus angreifbar ist. Die Prüfung des Verfahrensstatuts hat dabei umfänglich in objektiver und subjektiver Hinsicht zu erfolgen. Darüber hinaus ist im Einzelfall zu prüfen, ob dem Anfechtungsanspruch nicht berechtigterweise der Einwand der Verjährung entgegengehalten wird.87 Ist die Rechtshandlung insoweit schon unangreifbar, so ist die lex causae nach Art. 13 EuInsVO bzw. § 339 InsO nicht mehr zu prüfen. bb) Unangreifbarkeit nach der lex causae Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO setzen voraus, dass für die Rechtshandlung das Recht eines anderen (Mitglied-)Staats als das des Eröffnungsstaats maßgeblich ist. Die Bestimmung der lex causae erfolgt anhand der allgemeinen Kollisionsregeln.88 Aus der Sicht deutscher Gerichte gelten demnach die Art. 27 ff. EGBGB für vertragliche Schuldverhältnisse und die Art. 43 ff. EGBGB für dingliche Rechtsgeschäfte. Nach der lex causae darf die Rechtshandlung in keiner Weise angreifbar sein (Art. 13 EuInsVO bzw. § 339 InsO). Vielfach ist in der Literatur in diesem Zusammenhang noch von einer Kumulation der Anfechtungsprüfung die Rede.89 Eine solche Formulierung ist jedoch missverständlich. Sie geht auf eine vor Erlass der Rechtsvorschriften zu Art. 102 Abs. 2 EGInsO a.F. vertretene Kumulationstheorie zurück. Diese fand sich auch noch in § 382 RegEInsO.90 Danach wurde die Anfechtung durch einen ausländischen Insolvenzverwalter nur anerkannt, wenn 86 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (82 Nr. 139); Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 13 Rn. 4; Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 13 Rn. 15. 87 Vgl. Liersch, in: Braun, InsO, § 339 Rn. 7; Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 13 Rn. 1. 88 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 13 Rn. 16; Huber, ZZP 2001, 133 (165). 89 Vgl. Liersch, in: Braun, InsO, § 339 Rn. 11 ff.; ders., NZI 2003, 302 (305); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 3556; noch: HeidelKomm z. InsO (3. Aufl.) / Stephan, § 339 Rn. 5; Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch (2. Aufl.), § 129 Rn. 63; korrigiert bei Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 131 Rn. 72: „Die früheren Formulierungen, wonach lex fori concursus und Wirkungsstatut kumulativ anzuwenden sind, sind rechtstechnisch ungenau“. 90 BT-Drucks. 12 / 2443, S. 240.
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kumulativ die lex fori concursus und die lex causae die Anfechtung zuließen. Darauf, dass die lex causae der Anfechtung entgegensteht, musste sich der Anfechtungsgegner nicht berufen. Die kumulative Prüfung beider Rechtsordnungen erfolgte von Amts wegen. Die Gesetzgeber haben sich ausweislich des Wortlauts von Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO für eine andere Regelung entschieden. Danach darf die lex causae nur dann privilegierend berücksichtigt werden, wenn sich die durch das Anfechtungsrecht des Verfahrensstatuts benachteiligte Person zur Wehr setzt. Eine (automatische) Kumulation der Anfechtungsprüfung erfolgt mithin nicht mehr.91 Sowohl Art. 13 EuInsVO als auch § 339 InsO setzen voraus, dass die fragliche Rechtshandlung „in keiner Weise angreifbar“ ist. Damit wird klargestellt, dass es nicht nur auf die Unanfechtbarkeit der Rechtshandlung nach den Regeln der lex causae ankommt. Es sind vielmehr auch die allgemeinen Vorschriften wie z. B. die Regeln zur Wirksamkeit bei Willensmängeln und zur Sittenwidrigkeit zu berücksichtigen.92 Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Einordnung der Verjährung von Anfechtungsansprüchen. Würde man den Verjährungsregeln der lex causae über Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO Geltung einräumen, hätte der Gläubiger im Falle einer Verjährung nach der lex causae eine sichere Rechtsposition inne. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich das Anfechtungsverfahren ausschließlich nach der lex fori concursus richtet. Die Verjährung eines Anfechtungsanspruchs gewährt dem Anfechtungsgegner eine prozessuale Einrede. Als Verfahrensregelung bestimmt sich die Verjährung daher abschließend nach dem Insolvenzstatut.93 Eine Verjährung nach der lex causae schützt den Gläubiger folglich nicht. Auf die Frage, ob nach der lex causae ein Insolvenzverfahren möglicherweise gar nicht hätte eröffnet werden können, kommt es bei der Prüfung der Unangreifbarkeit der Rechtshandlung nach Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO dagegen nicht an.94 Insofern regeln Art. 16 Abs. 1 S. 1 EuInsVO und § 343 InsO die Anerkennung der ausländischen Eröffnungsentscheidungen abschließend. cc) Zeitliche Grenzen Aus dem Wortlaut des Art. 13 EuInsVO und des § 339 InsO ergeben sich keine zeitlichen Grenzen für die Nutzbarmachung der privilegierenden Wirkung. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Vorschriften mit Blick auf das Vertrauen der 91 Stephan vermeidet diese sprachliche Ungenauigkeit nun damit, dass er den Begriff „Kumulation“ in der 4. Aufl. des HeidelKomm z. InsO bei § 339 anders als noch in der Vorauflage nicht mehr erwähnt. 92 Liersch, NZI 2003, 302 (305); Pannen / Kühnle / Riedemann, NZI 2003, 72 (75); Huber, ZZP 2001, 133 (165 f.); Balz, ZIP 1996, 948 (951); Habscheid, ZZP 2001, 167 (176); Fritz / Bähr, DZWIR 2001, 221 (229); Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (556 f.); a.A. scheinbar Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 172 f. 93 Liersch, NZI 2003, 302 (305); Balz, ZIP 1996, 948 (951 Fn. 25). 94 Liersch, NZI 2003, 302 (305).
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Gläubiger in die Wirksamkeit ihrer Rechtsgeschäfte erlassen worden sind.95 Nach Eröffnung eines Verfahrens ist ein entsprechendes Vertrauen jedenfalls nicht mehr gerechtfertigt.96 Das ergibt sich schon daraus, dass alle nicht genehmigten Verfügungen des Schuldners aufgrund entzogener Verfügungsgewalt grundsätzlich unwirksam sind.97 Mithin greifen beide Vorschriften nicht bei Rechtshandlungen, die nach Verfahrenseröffnung getätigt wurden. Deren Rechtsbeständigkeit richtet sich nach der lex fori concursus.98 dd) Nachweis durch Gläubiger, Verteilung der Beweislast Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO sind nicht von Amts wegen zu berücksichtigen. Sie müssen durch den durch sie Begünstigten einredeweise geltend gemacht werden.99 Im Streitfall hat der Begünstigte das Vorliegen der Voraussetzungen zu beweisen. Er trägt mithin die Darlegungs- und Beweislast.100 Erforderlich ist ein doppelter Nachweis. Der begünstigte Gläubiger muss nämlich beweisen, dass 1. für die betreffende Rechtshandlung das Recht eines anderen Staats maßgeblich ist und 2. die Rechtshandlung nach dem insoweit maßgeblichen Wirkungsstatut in keiner Weise angreifbar ist. Daraus folgt, dass der Begünstigte großen Wert insbesondere auf die Beweislage in Bezug auf das anzuwendende Recht legen sollte. Er sollte bei einer Rechtswahl folglich nicht nur auf eine ausdrückliche Vereinbarung bestehen (vgl. dazu Art. 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB), sondern sich auch um einen schriftlichen Nachweis bemühen.
III. Gestaltungsmöglichkeiten Die Gläubiger haben im Rahmen des allgemeinen Kollisionsrechts die Möglichkeit, durch Rechtswahl die lex causae zu bestimmen. Sofern es sich um dingliche Vgl. 3. Teil § 8 II. 2. b), S. 181 f. Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (81 Nr. 138); Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, § 13 Rn. 10; Moss / Fletcher / Isaacs, The EC regulation on insolvency proceedings, Rn. 8.126. 97 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (82 Nr. 138). 98 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, § 13 Rn. 10; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 339 Rn. 5; Pannen / Kühnle / Riedemann, NZI 2003, 72 (75); Huber, ZZP 2001, 133 (166); Moss / Fletcher / Isaacs, The EC regulation on insolvency proceedings, Rn. 8.126. Vgl. zum Rechtserwerb trotz Eröffnung eines Insolvenzverfahrens 3. Teil § 11, S. 259 ff. 99 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 13 Rn. 14; Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (556 Fn. 175). 100 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 13 Rn. 14; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 13 EuInsVO Rn. 7, § 339 InsO Rn. 6; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 339 Rn. 9; Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (557). 95 96
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Rechtsgeschäfte handelt, kann durch eine entsprechende Ortswahl für das Rechtsgeschäft Einfluss auf das Wirkungsstatut genommen werden. In der Literatur findet sich in diesem Zusammenhang verbreitet die Aussage, dass der Gläubiger im Hinblick auf eine Krise des Schuldners darauf drängen wird, ein „möglichst schwaches Insolvenzanfechtungsrecht“ über die lex causae zur Anwendung zu bringen.101 Dieser Aussage kann in dieser allgemeinen Form nur bedingt zugestimmt werden. Der Ländervergleich hat gezeigt, dass eine pauschale Bewertung der nationalen Anfechtungsregeln in „anfechtungsfeindlich“ und „anfechtungsfreundlich“ kaum möglich ist.102 Folglich muss der Gläubiger im Einzelfall überlegen, welche Rechtsordnung ihm im Hinblick auf die vorzunehmende Rechtshandlung den optimalen Schutz gewährt.
1. Konkrete Gestaltungsansätze In Bezug auf die oben behandelten Rechtsordnungen führt die Einzelbetrachtung beispielsweise dazu, dass sich für unentgeltliche Leistungen oder Leistungen unter Wert die Vereinbarung englischen Rechts anbietet. Danach ist die Rechtshandlung nur anfechtbar, wenn vorher bereits ein Insolvenzantrag gestellt worden ist.103 Nach US-amerikanischem Insolvenzrecht ist eine solche Handlung dagegen auch dann anfechtbar, wenn sie innerhalb eines Jahres vor Insolvenzantragstellung vorgenommen worden ist, und der Schuldner bereits insolvent war oder durch die Rechtshandlung insolvent geworden ist.104 Am ungünstigsten ist bei einer Auswahl aus den vier vorgestellten Insolvenzstatuten die Vereinbarung deutschen Rechts, nach dem derartige Rechtshandlungen gemäß § 134 Abs. 1 InsO noch angegriffen werden können, wenn sie bis zu vier Jahre vor Insolvenzantragstellung zurückliegen. Dagegen bietet das deutsche Recht bei einer vorzeitigen Zahlung auf noch nicht fällige Forderungen einen größeren Schutz als das französische Recht. Nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO kann die Zahlung nur angefochten werden, wenn sie im letzten Monat vor Stellung des Insolvenzantrags vorgenommen worden ist. Die unsichere Periode verlängert sich lediglich bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder Kenntnis des Begünstigten von der die Insolvenzgläubiger benachteiligenden Wirkung auf drei Monate vor Antragstellung (§ 131 Abs. 1 Nr. 2, 3 InsO). In Frankreich erstreckt sich die Unsicherheit dagegen auf die gesamte période suspecte, mithin auf einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten. 101 Siehe etwa Liersch, in: Braun, InsO, § 339 Rn. 21; Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 40; Leipold, FS Henckel, S. 533 (543); Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (557); noch im Zusammenhang mit der Kumulationslösung Hanisch, FS Jahr, S. 455 (471). 102 Vgl. dazu 3. Teil § 8 I. 5., S. 177 ff. 103 Sec. 240 (1) (c) Insolvency Act 1986. 104 § 548 (a) BC. Beachte jedoch die spezifischen Probleme, die sich bei Vereinbarung von US-amerikanischem Recht als lex causae ergeben, S. 186 f.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
Besonders ungünstig ist die Vereinbarung der Geltung deutschen Rechts bei Handlungen, die in der Absicht der Schädigung der Gläubiger vorgenommen worden sind. War dem Begünstigten der Vorsatz des Schuldners bekannt, können die Rechtshandlungen, die innerhalb von zehn Jahren vor Insolvenzantragstellung getätigt wurden, rückgängig gemacht werden (§ 133 Abs. 1 InsO). Nach US-Recht ist eine Rückgängigmachung dagegen wie bei Leistungen unter Wert nur möglich, wenn die Handlung innerhalb eines Jahres vorgenommen worden ist, und der Schuldner bereits insolvent war bzw. durch die Handlung insolvent geworden ist.105 Im Übrigen hat der Gläubiger bei seinen Rechtswahlüberlegungen zu berücksichtigen, inwieweit mit handelsüblichen Zahlungsmitteln gezahlt wird,106 die Leistung Zug um Zug erfolgt107 und ob sie dazu dient, den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten108. Die Länge der nationalen Verjährungsfristen für Anfechtungsansprüche kann der Gläubiger dagegen außer Acht lassen. Da es sich bei der Verjährungseinrede um ein prozessuales Institut handelt, richtet sich die Verjährung ausschließlich nach der lex fori concursus.109 Mithin kann sich der Begünstigte kürzere Verjährungsfristen in anderen Ländern als dem Verfahrensstaat nicht durch Rechtswahl zu Nutze machen. Besondere Schwierigkeiten bringt die Vereinbarung des US-amerikanischen Rechts für eine Rechtshandlung mit sich. Der lediglich territoriale Wirkungsanspruch der US-Anfechtungstatbestände hat zur Folge, dass eine Rechtshandlung außerhalb der USA nach diesen Vorschriften tatsächlich nicht angefochten werden kann.110 Es wird bei § 339 InsO auch nicht abstrakt geprüft, ob die Rechtshandlung, würde sie in den USA vorgenommen, nach US-Anfechtungsrecht anfechtbar wäre. Das bedeutet aber nicht, dass die Vereinbarung des US-Rechts als lex causae eine Art „Freifahrtschein“ für ansonsten anfechtbare Rechtshandlungen ist. Für die Bejahung der Unangreifbarkeit gemäß § 339 InsO kommt es nämlich nicht lediglich auf die Insolvenzregeln der lex causae, d. h. auf die US-Anfechtungstatbestände, an. Es ist vielmehr umfassend zu prüfen, ob die Rechtshandlung nach den Regeln der lex causae unangreifbar ist. Daher ist auch das allgemeine Kollisionsrecht des Staats mit zu berücksichtigen, dessen Rechtsordnung als lex causae auf die Rechtshandlung anzuwenden ist. Mithin ist bei Vereinbarung von US-Recht als lex causae das Recht des Staats zu prüfen, in dem die Rechtshandlung vorgenommen wird.111 Wird beispielsweise für eine in Deutschland vorzunehmende Rechtshand105 § 548 (a) BC. Beachte jedoch die spezifischen Probleme, die sich bei Vereinbarung von US-amerikanischem Recht als lex causae ergeben, S. 186 f. 106 Vgl. 3. Teil § 8 I. 2., S. 173. 107 Vgl. 3. Teil § 8 I. 4., S. 175. 108 Vgl. 3. Teil § 8 I. 3., S. 173. 109 Vgl. 3. Teil § 8 II. 2. d) bb), S. 183. 110 Vgl. 3. Teil § 8 I. 4., S. 176 f. 111 Vgl. 3. Teil § 8 I. 4., S. 177.
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lung, die in dem in Deutschland stattfindenden Insolvenzverfahren etwa nach § 133 Abs. 1 InsO wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung angefochten werden kann, das Recht der USA als lex causae vereinbart, so steht § 339 InsO einer Anfechtung nicht entgegen. Der entsprechende Anfechtungstatbestand der betrügerischen Verfügung ist nach US-Recht zwar deutlich enger als § 133 Abs. 1 InsO.112 Aufgrund der lediglich territorialen Anwendbarkeit der US-Anfechtungsregelung kommt es darauf aber nicht an. Vielmehr ist für die Frage der Anfechtbarkeit auch nach US-Recht grundsätzlich das Anfechtungsrecht des Staats zuprüfen, in dem die Rechtshandlung vorgenommen wird. Daher ist die in Deutschland vorgenommene Rechtshandlung wegen § 133 Abs. 1 InsO nicht unangreifbar i. S. d. § 339 InsO. Das bedeutet aber nicht, dass es für die Parteien nicht möglich ist, in den „Schutz“ des US-amerikanischen Anfechtungsrechts zu flüchten. Voraussetzung ist lediglich, dass die konkrete Rechtshandlung in den USA vorgenommen werden muss.
2. Grundsatz der freien Rechtswahl Die Rechtswahl durch die Beteiligten kann grundsätzlich frei ausgeübt werden. Weder Art. 13 EuInsVO noch § 339 InsO sehen insoweit ausdrückliche Schranken vor. Die freie Rechtswahl entspricht der Privatautonomie von Schuldner und Gläubiger.113 Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Rechtswahl, die eine Insolvenzanfechtung unmöglich macht, zulasten anderer am Insolvenzverfahren beteiligter Personen geht. Deren Anspruch kann aufgrund der Verkleinerung der Masse nicht in dem Umfang erfüllt werden, wie wenn die Anfechtung Erfolg hätte. Damit führen die Vorschriften auch zu einer Durchbrechung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung. Die Rechte Dritter werden im internationalen Privatrecht als Schranke der Privatautonomie angesehen.114 Es kann jedoch nicht jede Handlung, von der eine Benachteiligung Dritter ausgeht, als unzulässig qualifiziert werden. Das folgt aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber, wenn er Anknüpfungspunkte für eine Norm wählt, die von den Beteiligten beeinflusst werden können, daraufhin erfolgende Beeinflussungen grundsätzlich hinnimmt.115
Vgl. 3. Teil § 8 III. 1., S. 186. Kropholler, Internationales Privatrecht, § 40 I; Siehr, Internationales Privatrecht, S. 118; Nagel / Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 16 Rn. 64. 114 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 40 IV 2. 115 von Bar / Mankowski, Internationales Privatrecht, § 7 Rn. 133; Ferid, Internationales Privatrecht, Rn. 3 – 176; MünchKomm z. BGB / Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 766; Erman / Hohloch, Einl. Art. 3 EGBGB Rn. 45; Palandt / Heldrich, Einl. vor Art. 3 EGBGB Rn. 26. 112 113
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
3. Grenzen der Rechtswahlfreiheit nach Ansicht der Literatur Zu der Frage, wo die Grenze der Rechtswahlfreiheit bei Insolvenzanfechtungstatbeständen genau zu ziehen ist, wurde bislang nirgends eindeutig Stellung bezogen. Die Ausführungen in der Literatur sind vielmehr sehr allgemein und zum Teil kontrovers. Liersch will unter ausdrücklicher Abgrenzung zu Duursma-Kepplinger eine Rechtswahl im Rahmen eines forum shopping großzügig zulassen.116 Duursma-Kepplinger und Keppelmüller wollen einem forum shopping dagegen bei fraudulöser Rechtswahl entgegentreten.117 Gleiches gilt für Niggemann und Blenske.118 Gruber will einschreiten, wenn Schuldner und Gläubiger in der Absicht handeln, andere Gläubiger zu benachteiligen. 119 König und Burgstaller ziehen die Grenze unscharf bei „grundloser Rechtswahl“.120 Auch die Ausführungen dazu, wie dem forum shopping begegnet werden soll, gehen auseinander. Während Niggemann und Blenske keinerlei Vorschläge machen,121 wollen Duursma-Kepplinger und Keppelmüller auf „die Vorschriften der lex fori concursus zurückgreifen, die die Rechtswahl für unzulässig erklären“.122 Gruber will die lex causae für die Zwecke des Art. 13 EuInsVO mittels einer objektiven Anknüpfung der Hauptforderung bestimmen.123 Burgstaller meint, dass die Rechtswahl „unbeachtlich bleiben muss“.124 Bei diesen Ausführungen kann sich die Literatur nicht auf einschlägige Rechtsprechung stützen. Lediglich aus einer Entscheidung des BGH125 aus der Zeit vor Erlass der EuInsVO und des § 339 InsO lässt sich andeutungsweise entnehmen, dass die durch Rechtswahl bestimmte lex causae nicht zwingend für die Insolvenzanfechtbarkeit maßgeblich sein muss. Dies ergibt sich aus der Ausschlussüberlegung des BGH, dass im zu entscheidenden Fall keine übergeordneten Gründe – etwa eine besondere Nähe der Beklagten zu einer anderen Rechtsordnung – dafür sprechen, der lex causae keine entscheidende Bedeutung beizumessen.126 Eine genauere Behandlung erfolgt nicht. Klar ist damit nur, dass sich der BGH die Behandlung gewisser Sonder- oder Missbrauchsfälle offen halten wollte. Liersch, in: Braun, InsO, § 339 Rn. 21. Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 13 Rn. 16; Keppelmüller, Österreichisches Internationales Konkursrecht, Rn. 408 Fn. 323. 118 Niggemann / Blenske, NZI 2003, 471 (478). 119 Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 13 Rn. 7. 120 König, Die Anfechtung, Rn. 468; Burgstaller, FS Jelinek, S. 31 (36). 121 Vgl. Niggemann / Blenske, NZI 2003, 471 (478). 122 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 13 Rn. 16; Keppelmüller, Österreichisches Internationales Konkursrecht, Rn. 408 Fn. 323. Näher zu dieser undurchsichtigen Formulierung siehe 3. Teil § 8 III. 4., S. 190. 123 Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 13 Rn. 7. 124 Burgstaller, FS Jelinek, S. 31 (36). 125 BGHZ 134, 116 ff. 126 Vgl. BGHZ 134, 116 (126). 116 117
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4. Stellungnahme: Teleologische Reduktion bei dolosen Gläubigern Die Ansätze in der Literatur können so nicht überzeugen. Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO sind (ob sinnvoll oder nicht) im Hinblick auf den Vertrauensschutz des durch die Rechtshandlung Begünstigten erlassen worden.127 Der Erläuternde Bericht spricht in diesem Zusammenhang von „berechtigtem Vertrauen“.128 Dementsprechend ist eine Berufung auf die Vorschriften entgegen der Ansicht von Liersch dann nicht gerechtfertigt, wenn eine solches Vertrauen nicht besteht. Wann das der Fall ist, ist letztlich eine Wertungsfrage, bei der auch die Tatsache, dass ein Motivbündel129 bei der Wahl einer bestimmten Rechtsordnung maßgeblich sein kann, berücksichtigt werden muss. Die Frage lässt sich aber dennoch eindeutig beantworten: Eine Rechtwahl durch die Beteiligten ist grundsätzlich zulässig. Auch nicht jede Rechtswahl mit Blick auf eine möglicherweise später eintretende Insolvenz ist unzulässig. Das ist damit zu erklären, dass Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO in Kenntnis der Rechtswahlmöglichkeiten erlassen worden sind. Erst wenn die Rechtswahl vorwiegend im Hinblick auf eine Handlung in der Absicht, andere Gläubiger zu schädigen, erfolgt, kann nicht mehr von einem berechtigten Vertrauen des Begünstigten in die Unangreifbarkeit der Handlung gesprochen werden.130 Den Interessen der geschädigten Gläubiger ist Vorrang vor den Interessen des Anfechtungsgegners einzuräumen. Grundsätzlich wirkt sich eine entsprechende Absicht bereits bei den nationalen Anfechtungs-, Nichtigkeits- und Unwirksamkeitstatbeständen aus. Sie führt regelmäßig dazu, dass Rechtshandlungen, die vor diesem Hintergrund vorgenommen worden sind, in der Insolvenz keinen Bestand haben können.131 In diesen Fällen bieten Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO aufgrund der Anfechtbarkeit auch nach der lex causae keinen Schutz für den Begünstigten. Andererseits ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine Rechtsordnung eine entsprechende Rechtshandlung im Einzelfall nicht suspendiert. Jedenfalls kann der Zeitraum, auf den sich die nationalen Anfechtungsgründe beziehen, verkürzt werden. Damit wird deutlich, dass die gläubigerschädigende Absicht auch auf der Ebene des internationalen Insolvenzrechts Berücksichtigung finden muss. Vgl. 3. Teil § 8 II. 2. b), S. 181 f. Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (81 Nr. 138). 129 Für eine Rechtswahl kann zum Beispiel die Anwendung eines besseren Gewährleistungs- oder Verzugsrechts, das Vertrauen in eine Rechtsordnung oder die Vertrautheit mit der Rechtsordnung sprechen. 130 Vgl. zu diesem Maßstab auch die Entscheidung des BGH zum AnfG (vor Erlass des § 19 AnfG) in einem international gelagerten Fall, in dem der Erwerbsvorgang zum Zwecke der Umgehung inländischer Anfechtungsvorschriften ins Ausland verlegt worden ist, BGH, NJW 1991, 522 (524). Zustimmend Großfeld: „Ein fraudulös mitwirkender Empfänger verdient keinen Schutz“, IPRax 1981, 116. Vgl. auch MünchKomm z. BGB / Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 779. 131 Vgl. 3. Teil § 8 I., S. 171 ff. 127 128
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Es macht jedoch wenig Sinn, im Falle einer missbräuchlichen Rechtswahl für Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO eine objektive Bestimmung der lex causae vorzunehmen.132 Auf die Geltung der Anfechtungsregeln der dann einschlägigen Rechtsordnung hat der Begünstigte nämlich gerade nicht vertraut. Eine Berufung darauf würde bei einer anfechtungsfreundlichen lex causae vielmehr zu einer ungerechtfertigten Privilegierung des Begünstigten führen. Anders ist der Fall allenfalls dann zu beurteilen, wenn die Rechtsordnung, die in der Absicht, andere Gläubiger zu schädigen, „gewählt“ wurde, ausnahmsweise mit der Rechtsordnung übereinstimmt, die auch nach objektiven Kriterien für die Rechtshandlung maßgeblich gewesen wäre. Des Weiteren ist es nicht sinnvoll, auf die Regelungen der lex fori concursus „zurückzugreifen“, die die Rechtswahl für unzulässig erklären.133 Derartige Vorschriften sind in den meisten Rechtsordnungen schlicht nicht vorhanden.134 Der vorgeschlagene Lösungsansatz stellt sich somit in aller Regel als wirkungslos dar. Sofern Duursma-Kepplinger und Keppelmüller mit diesen Vorschriften auch die Anfechtungsregeln der lex fori concursus gemeint haben, mit denen die Rechtswahl selbst angefochten werden kann, wäre ein dogmatisch nicht nachvollziehbarer Doppelschritt nötig. Erstens müsste die lex fori concursus für maßgeblich dafür erklärt werden, ob die lex causae Berücksichtigung finden kann. Zweitens müsste die Rechtswahl dann noch anhand der Anfechtungsregeln des Insolvenzstatuts des Eröffnungsstaats überprüft werden, wobei gemäß Art. 13 EuInsVO oder § 339 InsO erneut auch die lex causae herangezogen werden müsste. Für eine solche Vorgehensweise besteht keine Notwendigkeit. Konstruktiv ist vielmehr, sich auf die klassischen Instrumente zur Begegnung einer Gesetzesumgehung im internationalen Privatrecht zu besinnen. Zu diesen zählt die teleologische Reduktion.135 Danach können Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO dahingehend ausgelegt werden, dass sich auf die Sperrwirkung der Vorschriften nicht berufen kann, wer die Rechtswahl der lex causae mit dem oben beschriebenen Vorsatz getroffen hat. Eine derartige Vorgehensweise fügt sich unmittelbar in den Umgang mit Rechtshandlungen, die nach Verfahrenseröffnung vorgenommen werden, ein. Auch hier kann sich der Begünstigte mangels eines schutzwürdigen Vertrauens in die Geltung der lex causae nicht auf die Sperrwirkung von Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO berufen.136 Des Weiteren können die 132 So aber Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 13 Rn. 7, vgl. 3. Teil § 8 III. 3., S. 188. 133 So aber Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 13 Rn. 16 und Keppelmüller, Österreichisches Internationales Konkursrecht, Rn. 408 Fn. 323, vgl. 3. Teil § 8 III. 3., S. 188. 134 Zum Fehlen gesetzlicher Rechtsumgehungstatbestände im deutschen und ausländischen Kollisionsrecht vgl. MünchKomm z. BGB / Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 765. 135 Kroppholler, Internationales Privatrecht, § 23 II 3; MünchKomm z. BGB / Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 762, allerdings mit unzutreffenden Verweisen. 136 Vgl. 3. Teil § 8 II. 2. d) cc), S. 183.
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allgemeinen Überlegungen von Gottwald herangezogen werden. Dieser sprach sich vor Erlass der beiden Vorschriften dafür aus, dass in Bezug auf die Insolvenzanfechtungsmöglichkeiten generell auf das Recht des Staats, in dem das Verfahren eröffnet wird, abgestellt wird.137 Schon dies gewährleiste einen ausreichenden Schutz eines redlichen Empfängers vor dem Verlust seiner Rechtsposition.138 Ein darüber hinausgehender Schutz vor weit reichenden ausländischen Anfechtungstatbeständen sei jenseits der Schranken des ordre publics nicht erforderlich.139 Diese Ausführungen machen deutlich, dass auch eine Regelung, die ausschließlich auf die lex fori concursus abstellt, denkbar gewesen wäre. Folglich kann in der Versagung für einen dolosen Gläubiger, sich auf die Sperrwirkung der lex causae zu berufen, keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung gesehen werden. Die Lösung für die Behandlung einer fraudulösen Rechtswahl ist mithin in einer teleologischen Reduktion des Art. 13 EuInsVO und des § 339 InsO zu sehen. Es bleibt also in Fällen, in denen die Rechtswahl in der Absicht erfolgte, andere Gläubiger zu schädigen, bei einer abschließenden Maßgeblichkeit der lex fori concursus für die Rechtsbeständigkeit der in Frage stehenden Rechtshandlung. 5. Einsatz von Sekundärverfahren durch den Begünstigten Die Rechtsbeständigkeit einer Handlung kann durch den begünstigten Gläubiger auch durch einen Antrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens beeinflusst werden. Unterfällt die fragliche Rechtshandlung der lex fori concursus secundariae, weil sie das vom Sekundärverfahren erfasste Vermögen geschmälert hat, ist die Rechtsbeständigkeit ab Verfahrenseröffnung nach dieser Rechtsordnung zu bestimmen (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. m EuInsVO i.V.m. Art. 28 EuInsVO bzw. § 339 InsO). Die lex fori concursus secundariae kann engere Anfechtungsvoraussetzungen vorsehen als das Insolvenzstatut des Hauptverfahrens. Die Eröffnung eines Sekundärverfahrens kann also im Einzelfall zu einer Unangreifbarkeit der Rechtshandlung führen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dieser Weg für den Gläubiger deutlich umständlicher ist als bereits im Vorfeld eine anfechtungssichere lex causae zu vereinbaren. Des Weiteren ist der Erfolg eines solchen Vorgehens von Voraussetzungen abhängig, die der Begünstigte nicht ohne weiteres beeinflussen kann (insbesondere das Erfordernis einer Niederlassung des Schuldners). Nichts desto trotz kommt ein Antrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens dann in Betracht, wenn eine Anfechtung im Hauptverfahren möglich wäre, und eine Berufung auf Art. 13 EuInsVO bzw. § 339 InsO ausscheidet (etwa weil die Rechtshandlung auch nach der lex causae angreifbar ist oder der Begünstigte die nach den Vorschriften erforderlichen Beweise nicht erbringen kann). In der Regel setzt das voraus, dass die 137 138 139
Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 41. Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 41. Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 41.
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lex fori concursus secundariae und die lex causae auseinander fallen, da sich der Begünstigte sonst schon unmittelbar auf Art. 13 EuInsVO oder § 339 InsO berufen könnte. Eine Ausnahme liegt jedoch dann vor, wenn der Begünstigte Beweisprobleme dahingehend hat, dass das Recht des Staats, in dem das Sekundärverfahren stattfinden soll, auch das Wirkungsstatut für die Rechtshandlung ist. Gleiches gilt, wenn im Staat des Hauptverfahrens verkannt wird, dass die Rechtshandlung nach dem Wirkungsstatut unangreifbar ist. Es ist jedoch zu klären, ob einem solchen Antrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens nicht das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden muss. Eine Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses kommt deshalb in Betracht, weil es dem Gläubiger weniger darum geht, seine Befriedigungschancen durch das Sekundärverfahren zu verbessern. Er will vielmehr seine Rechtsposition hinsichtlich der im Vorfeld der Insolvenz getätigten Handlung verteidigen. Es ist für einen Antrag auf Verfahrenseröffnung jedoch nicht erforderlich, dass sich die Befriedigungschancen speziell durch das Sekundärverfahren verbessern.140 Sofern der Gläubiger also noch eine Forderung gegen den Gemeinschuldner offen hat, kann das Rechtsschutzbedürfnis nicht mit dem Argument abgelehnt werden, dass der Gläubiger die Forderung auch im Hauptverfahren verfolgen kann. Vielmehr hat der Gläubiger insoweit ein Wahlrecht. Nur wenn dem Begünstigten keine unbeglichene Forderung mehr zusteht und es dementsprechend nur noch um die Abwehr des Verlustes seiner Rechtsposition geht, kann die Versagung des Rechtsschutzbedürfnisses angedacht werden. In einem solchen Fall fehlt aber regelmäßig bereits die Antragsbefugnis mangels Gläubigerstellung. Jedenfalls kann das Bestreben des Antragstellers, Anfechtungsansprüche abzuwehren, nicht als insolvenzfremder Zweck141 eingestuft werden. Ein derartiges Bestreben ist vielmehr insolvenzspezifisch. Ist im Hauptverfahren durch den Insolvenzverwalter bereits eine Anfechtungsklage erhoben worden, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zur Anfechtungssituation im später eingeleiteten Sekundärverfahren. Das Verhältnis zweier Anfechtungsklagen – vom Haupt- und Sekundärinsolvenzverwalter – gehört zu den ungelösten Problemen des internationalen Insolvenzrechts.142 Von der Frage der Zulässigkeit dieser Klagen zu unterscheiden ist jedoch die Frage nach der Begründetheit der zuerst im Hauptverfahren erhobenen Anfechtungsklage. Bezieht sich die Klage auf einen Gegenstand, der zur Masse des Sekundärverfahrens gehört, bemisst sich die Anfechtbarkeit nach Verfahrenseröffnung ausschließlich nach der lex fori concursus secundariae. Auf diese kann sich der ausländische VerVgl. 2. Teil § 6 I. 2. d), S. 121 f. Vgl. insoweit 2. Teil § 6 I. 2. d), S. 122. 142 Für die Anwendung des Prioritätsprinzips wohl Herchen, ZInsO 2004, 61 (64); für eine Beurteilung nach nationalem Prozessrecht Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 13 EuInsVO Rn. 16. Die Zulässigkeit zweier Anfechtungsklagen nebeneinander andenkend Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 13 Rn. 16. 140 141
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walter mit seiner Anfechtungsklage nicht stützen.143 Das hat zur Folge, dass die Klage jedenfalls unbegründet wird. Mithin kann sich ein Gläubiger auch noch nach Erhebung der Anfechtungsklage im Hauptverfahren durch Einleitung eines Sekundärverfahrens vor einem Verlust seiner Rechtsposition schützen.
6. Gestaltungsmöglichkeiten für benachteiligte Insolvenzgläubiger Die Gläubiger, die durch die Rechtshandlung benachteiligt werden, haben selbst nur sehr begrenzte Möglichkeiten, die Rechtslage zu ihrem Vorteil zu gestalten. Zentraler Anknüpfungspunkt für sie ist ebenfalls die Einleitung eines Sekundärverfahrens, mit dem sie die lex fori concursus secundariae zur Anwendung bringen können.144 Voraussetzung für eine Beeinflussung des Anfechtungsrechts ist, dass die maßgebliche Rechtshandlung dieser Rechtsordnung unterfällt, weil sie die Masse des Sekundärverfahrens schmälert. Ist die Rechtshandlung bereits nach dem Recht des Hauptverfahrens sowie nach der lex causae angreifbar, bringt die Einleitung eines Sekundärverfahrens keinen Vorteil mehr, da einer Anfechtung nichts mehr im Wege steht. Ist die Rechtshandlung dagegen nach der lex causae unangreifbar, führt auch ein Sekundärverfahren nicht zum Erfolg, da sich der durch die Rechtshandlung Begünstigte sowohl im Haupt- als auch im Sekundärverfahren auf die Einredewirkung in Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO berufen kann. Lediglich in einer Situation, in der die Rechtshandlung ausschließlich im Hauptverfahren nicht angreifbar ist, kann die Einleitung eines Sekundärverfahrens einen Vorteil bringen, wenn die Rechtshandlung nach der lex fori concursus secundariae angreifbar ist und die Rechtshandlung diesem Verfahrensstatut unterfällt. Dabei kann die lex fori concursus secundariae auch mit der lex causae übereinstimmen. Die Anfechtungsbefugnis des Verwalters im Sekundärverfahren wurde für den Bereich der EuInsVO in Art. 18 Abs. 2 S. 2 EuInsVO ausdrücklich normiert.
IV. Zusammenfassende Würdigung Die geltenden Regelungen zur Anfechtung im internationalen Insolvenzrecht beinhalten de facto eine Kumulationslösung. Sowohl das Insolvenzstatut als auch das Wirkungsstatut sind bei der Frage der Rechtsbeständigkeit einer Handlung von den Beteiligten zu berücksichtigen.145 Da sich die in Bezug auf den konkreten Fall 143 Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 40; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 13 Rn. 7. 144 Zu den Voraussetzungen zur Eröffnung eines Sekundärverfahrens siehe 2. Teil § 6 I. 2., S. 114 ff. 145 Dementsprechend kann den Ausführungen von Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 339 Rn. 9, dass die Regelung zu einer erheblichen Erleichterung der Arbeit des Insolvenz-
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anfechtungsfeindlichere Rechtsordnung zugunsten des durch die Rechtshandlung Begünstigten durchsetzt, kann eine Rechtshandlung nur angefochten werden, wenn sich eine tatbestandliche Schnittmenge aus lex fori concursus und lex causae bilden lässt. Damit verbunden (wenngleich auch nicht vom Gesetzgeber beabsichtigt) ist ein gewisser Schutz des Begünstigten gegen grenzüberschreitende Verschiebungen des für die Eröffnung eines Verfahrens maßgeblichen Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunktes durch den Schuldner (forum shopping) nach Vornahme der Rechtshandlung. Ist die Rechtshandlung nach der lex causae nicht angreifbar, kann sich der Begünstigte trotz einer wegen der Verschiebung des für die Eröffnung eines Hauptverfahrens maßgeblichen Mittelpunktes nun anzuwendenden anfechtungsfreundlicheren lex fori concursus gegen die Anfechtung wehren. Gleichzeitig werden erhebliche Gestaltungsspielräume für die Beteiligten eröffnet, das anzuwendende Recht im eigenen Interesse zu wählen. Negativ gesprochen eröffnen Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO Manipulationsmöglichkeiten. Auch eine teleologische Reduktion der Vorschriften in Fällen, in denen die Rechtswahl in Schädigungsabsicht erfolgte, kann insofern nur leidlichen Schutz bieten. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es den Beteiligten regelmäßig gelingen wird, noch andere gewichtige Gründe, die für ihre Rechtswahl sprechen, vorzubringen. Die Manipulationsmöglichkeiten resultieren aus der Berücksichtigung eines vermeintlichen Zielkonflikts: Auf der einen Seite dienen Insolvenzverfahren der optimalen Verwertung des Schuldnervermögens zugunsten der Gläubiger, der Sanierung des schuldnerischen Unternehmens, dem Erhalt von Arbeitsplätzen usw.146 Auf der anderen Seite soll aber auch das Vertrauen eines durch eine Rechtshandlung Begünstigten berücksichtigt werden. Diesem Aspekt werden die aktuellen Regelungen der EuInsVO und des deutschen internationalen Insolvenzrechts jedoch nicht gerecht. Das hat seinen Grund darin, dass sie zur Berücksichtigung des Vertrauens einen falschen Anknüpfungspunkt wählen. Ein Vertrauen in die Geltung der insolvenzrechtlichen Bestimmungen der lex causae ist nach der allgemeinen Konzeption des internationalen Insolvenzrechts grundsätzlich nicht schützenswert. Die Gläubiger müssen sich insoweit vielmehr auf die Geltung der lex fori concursus einstellen.147 Die Gläubiger sollen sich schon bei Eingehung der Forderungsbeziehung zum Schuldner zur Abschätzung der Insolvenzrisiken auf die Insolvenzrechtsordnung einstellen, an der der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO) bzw. den Mittelpunkt seiner wirtschaftliverwalters führt, nur teilweise zugestimmt werden. Der Verwalter hat vor Erhebung einer Anfechtungsklage immer noch beide Rechtsordnungen auf die Rechtsbeständigkeit der Handlung hin zu überprüfen. 146 Vgl. 1. Teil § 3 V., S. 61 f. 147 Besonders deutlich wird der Unterschied, wenn in dem Staat, dessen Recht als Wirkungsstatut auf die Rechtshandlung anzuwenden ist, mangels Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunkt gar kein Hauptverfahren und mangels Niederlassung auch kein Partikularverfahren stattfinden kann.
§ 8 Insolvenzanfechtung und Insolvenzbeständigkeit
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chen Tätigkeit (§ 3 InsO) hat. Die lex causae ist also gerade nicht das in Bezug auf die Anfechtungsrisiken „normalerweise anwendbare nationale Recht“.148 Unter Zugrundelegung der allgemeinen Grundsätze ist ein Vertrauen in die Geltung der restriktiveren Anfechtungsregeln einer von der lex fori concursus abweichenden lex causae somit nie gerechtfertigt. Insofern hat insbesondere der europäische Gesetzgeber die Interessenlage verkannt.149 Die Heranziehung der lex causae erfolgt damit willkürlich. Die aktuelle Fassung des Art. 13 EuInsVO und des § 339 InsO schützt das Vertrauen in die Anfechtungslage nach der lex causae zirkelschlussartig: Der durch die Rechtshandlung Begünstigte kann in die von den Vorschriften selbst eingeräumte Sperrwirkung vertrauen. Letztlich bleibt damit offen, warum die Gesetzgeber überhaupt die Anfechtungsvorschriften der lex causae berücksichtigen wollten. Provokanterweise kann in den Vorschriften allenfalls ein Eingeständnis gesehen werden, dass der für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens maßgebliche Mittelpunkt des Schuldners entgegen der Vorstellung der Gesetzgeber doch nicht immer ohne Weiteres eindeutig für außen stehende Dritte erkennbar ist und dass diesen daher wenigstens eine Orientierung an der lex causae möglich sein soll. Ungewöhnlich an der aktuellen Fassung des Art. 13 EuInsVO und des § 339 InsO ist des Weiteren, dass mit ihr mittelbar auch eine Umkehr der Beweislast in Bezug auf allgemeine materiellrechtliche Streitigkeiten zulasten des begünstigten Gläubigers verbunden ist. Wird beispielsweise auch über einen Willensmangel oder die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts gestritten, muss er nachweisen, dass das Rechtsgeschäft insoweit unangreifbar ist.150 Schließlich ist kritisch anzumerken, dass Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO eine schwere Durchbrechung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung bewirken.151 Ein Forderungsinhaber, der in einem Insolvenzverfahren lediglich als Insolvenzgläubiger befriedigt worden wäre, wird gegenüber anderen Insolvenzgläubigern erheblich privilegiert, wenn die nach der lex fori concursus anfechtbare Rechtshandlung, die vor Insolvenzverfahrenseröffnung zur Befriedigung des Forderungsinhabers geführt hat, durch Art. 13 EuInsVO oder § 339 InsO unanfechtbar gestellt wird. Mithin widersprechen die Regelungen dem Interesse der Insolvenzgläubiger, dass die Masse nicht durch quoteschmälernde Rechtshandlungen im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens geschmälert wird.152
So aber Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (81 Nr. 138). Zu den Zweifeln des deutschen Gesetzgebers vgl. 3. Teil § 8 II. 2. b), S. 181 f. 150 Kritisch insoweit auch Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 172 f. und Morscher, EuInsVO, S. 44, der sich für eine Beweislastumkehr lediglich in Bezug auf insolvenzrechtliche Anfechtungstatbestände ausspricht. 151 Vgl. zur Insolvenzanfechtung als Ausprägung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung 1. Teil § 2 I., S. 34. 152 Vgl. dazu 1. Teil § 2 III., S. 48. 148 149
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
§ 9 Forderungsaufrechnung in der Insolvenz Die Aufrechnung ist neben der Aussonderung die wirksamste Maßnahme für Gläubiger, Verluste durch die Insolvenz des Anspruchsgegners zu vermeiden. In der Höhe des Betrags, mit dem die Gläubiger aufrechnen können, müssen sie nicht am Insolvenzverfahren teilnehmen. Mithin müssen sie sich nicht mit einer in der Regel nur quotalen Befriedigung zufrieden geben. Gleichzeitig werden sie selbst von der eigenen Leistungspflicht gegenüber dem Schuldner befreit. Die Regelungen zur Aufrechnung in der Insolvenz variieren von Land zu Land erheblich.153 Teilweise wird die Aufrechnung großzügig zugelassen, teilweise wird sie gänzlich oder bis auf wenige Ausnahmen ausgeschlossen. Letztlich handelt es sich um individuelle Versuche, den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung und das Vertrauen Einzelner in eine einmal eingetretene Aufrechnungslage in Ausgleich zu bringen. Welche Regelungen das internationale Insolvenzrecht in diesem Zusammenhang vorsieht, wird nachfolgend dargestellt und aus der Position der Gläubiger heraus bewertet.
I. Rechtsvergleichender Überblick zu den nationalen Regelungen der Aufrechnung in der Insolvenz Bei den im Folgenden dargestellten nationalen Vorschriften fällt auf, dass die Aufrechnungstatbestände mit zeitlichen Bezugspunkten arbeiten. Es werden aber auch darüber hinausgehende inhaltliche Voraussetzungen aufgestellt. In einigen Rechtsordnungen richtet sich die Insolvenzaufrechnung einheitlich nach insolvenzrechtlichen Bestimmungen, in anderen sind daneben noch die allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen.
1. Aufrechnung nach deutschem Recht Das deutsche Insolvenzrecht lässt die Aufrechnung nach Maßgabe der §§ 94 – 96 InsO154 zu. Gleichzeitig ist erforderlich, dass die Aufrechnung nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln zulässig ist.155 § 95 Abs. 1 S. 3 InsO setzt voraus, dass bei bedingten oder noch nicht fälligen Forderungen die Forderung des aufrechnen153 Einen umfangreichen Überblick zur prinzipiellen Zulässigkeit der Insolvenzaufrechnung in verschiedenen nationalen Insolvenzstatuten liefert Wood in Pinciples of International Insolvency, Rn. 1.21 – 1.26. 154 Sondervorschriften für Mieter, Pächter und Dienstverpflichtete finden sich noch in § 110 Abs. 3 und § 114 Abs. 2 InsO. 155 Gogger, Insolvenzrecht, S. 183; Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 45 Rn. 1, 6 ff.; Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 196.
§ 9 Forderungsaufrechnung in der Insolvenz
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den Gläubigers unbedingt oder fällig wird, bevor die Forderung des Schuldners unbedingt oder fällig wird. Ist das nicht der Fall, scheidet die Insolvenzaufrechnung aus.156 Die Fälligkeits- und Unbedingtheitsfiktion aus § 41 Abs. 1 bzw. § 42 InsO greift dabei nicht ein. Des Weiteren kann nicht aufgerechnet werden, wenn der Gläubiger erst nach Eröffnung des Verfahrens etwas zur Masse schuldig wird (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO) oder wenn der Gläubiger seine Forderung erst zu dieser Zeit von einem anderen Gläubiger erwirbt (§ 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Schließlich gilt für die Aufrechnung die Einschränkung aus § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO, wonach die Aufrechnungslage nicht durch eine anfechtbare Rechtshandlung herbeigeführt worden sein darf. Eine Geltendmachung der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter ist nicht erforderlich.157
2. Aufrechnung nach französischem Recht In Frankreich können in der Insolvenz nur konnexe Forderungen aufgerechnet werden.158 Konnex sind nach französischem Verständnis Forderungen, die auf ein und demselben Vertrag beruhen oder durch eine Rahmenvereinbarung verbunden sind.159 Haupt- und Gegenforderung, die nicht auf einem Vertrag beruhen, sind aber auch dann konnex, wenn die maßgeblichen Verträge nach dem gemeinsamen Parteiwillen einer einheitlichen wirtschaftlichen Operation dienen.160 Fehlt es an diesem inneren Zusammenhang zwischen den Verträgen, kann die Konnexität nicht durch Parteivereinbarung herbeigeführt werden. Aufrechnungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der période suspecte vorgenommen werden, sind nach französischer Rechtsprechung grundsätzlich weder nichtig noch anfechtbar.161
3. Aufrechnung nach englischem Recht Das englische Insolvenzrecht kennt seit dem Enterprise Act nicht nur die Aufrechnung im Liquidationsverfahren162, sondern auch in der administration163. An156 Bork, in: Bork / Koschmieder, Fachanwaltshandbuch Insolvenzrecht, Rn. 1.41; Breuer, Insolvenzrecht, Rn. 382. 157 Wittkowski, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 96 Rn. 18; Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, § 21 Rn. 11. 158 Art. L. 621 – 7 Code de Commerce; Wood, Principles of International Insolvency, Rn. 1.26 (b); MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Augustin, Frankreich Rn. 19; Dammann, RIW 2006, 16 (23); ders., ZIP 1996, 300 (303). 159 MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Augustin, Frankreich Rn. 19. 160 MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Augustin, Frankreich Rn. 19; Paris 29. 4. 1994, Droit des Sociétés 1994, Nr. 173. 161 MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Augustin, Frankreich Rn. 19; Paris 28. 3. 1989, Dalloz 1995, Sommaires, S. 31. 162 Rule 4.90 Insolvency (Amendment) Rules 2005.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
ders als im deutschen Insolvenzrecht greift unter gewissen Voraussetzungen sogar eine Fälligkeitsfiktion für die zur Aufrechnung stehenden Forderungen.164 Allerdings sieht das englische Recht einen umfangreichen Katalog von Aufrechnungsverboten vor.165 Dieser Katalog ist für beide Verfahrensarten inhaltsgleich.166 Danach ist eine Aufrechnung ausgeschlossen, wenn die Gegenforderung begründet wird nachdem das Verfahren eröffnet worden ist oder nachdem der Gläubiger Kenntnis von der Stellung eines Antrags auf Verfahrenseröffnung oder der Absicht einer Person, einen Antrag auf Bestellung eines administrators einzureichen, erhalten hat.167 Gleiches gilt, wenn die Gegenforderung während eines anderen vorausgehenden Verfahrens oder in einer Zeit, in der der Gläubiger Kenntnis von der Einberufung einer Gläubigerversammlung hatte, entstanden ist.168 Die gleichen Aufrechnungsausschlüsse greifen, wenn der Gläubiger die Gegenforderung unter den oben genannten Voraussetzungen durch Abtretung oder auf andere Weise erlangt hat.169 Die Insolvenzaufrechnung ist im englischen Recht als eigenständiges Rechtsinstitut ausgestaltet.170 Mithin kann nicht zwischen materiellen Aufrechnungsvoraussetzungen und insolvenzrechtlichen Einschränkungen differenziert werden.171 4. Aufrechnung nach US-amerikanischem Recht Der automatic stay im US-amerikanischen Recht verhindert zunächst auch die Forderungsaufrechnung (offset) durch Gläubiger.172 Diese Einschränkung kann durch eine Entscheidung des Bankruptcy Court überwunden werden. Dazu haben die Gläubiger die Aufrechnung entsprechend zu beantragen. Der Bankruptcy Court lehnt das Begehren jedoch ab, wenn die Forderung des Gläubigers im Insolvenzverfahren nicht zugelassen wird.173 Dies versteht sich von selbst, da es eigentlich schon an einer entsprechenden Aufrechnungslage fehlt. Der Bankruptcy Court lässt die Aufrechnung des Weiteren nicht zu, wenn dem Gläubiger die Forderung innerRule 2.85 Insolvency (Amendment) Rules 2005. Rule 2.85 (4) und Rule 4.90 (4) Insolvency (Amendment) Rules 2005. 165 Vgl. Rule 2.85 (2) und Rule 4.90 (2) Insolvency (Amendment) Rules 2005. 166 Unterschiede ergeben sich nur in der numerischen Anordnung der einzelnen Verbote in den anzuwendenden Vorschriften. 167 Rule 2.85 (2) (a) (b) (c) (ii) a.E. (d) und Rule 4.90 (2) (a) (ii) (b) (ii) Insolvency (Amendment) Rules 2005. 168 Rule 2.85 (2) (c) (d) und Rule 4.90 (2) (a) (i) (b) (i) (c) Insolvency (Amendment) Rules 2005. 169 Rule 2.85 (2) (e) und Rule 4.90 (2) (d) Insolvency (Amendment) Rules 2005. 170 Die Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus Rule 2.85 (3) und Rule 4.90 (3) Insolvency (Amendment) Rules 2005. 171 Florian, Das englische internationale Insolvenzrecht, S. 87; Bork, ZIP 2002, 690 (693). 172 § 362 (a) (7) BC. 173 § 553 (a) (1) BC. 163 164
§ 9 Forderungsaufrechnung in der Insolvenz
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halb von 90 Tagen vor Antragstellung bzw. erst danach übertragen worden ist, und der Gesamtschuldner zu dieser Zeit schon „insolvent“ war.174 Schließlich ist die Aufrechnung auch dann nicht möglich, wenn der Gläubiger erst innerhalb dieser Zeit eine Verbindlichkeit gegenüber dem (späteren) Gesamtschuldner eingegangen ist und wenn er dabei in der Absicht handelte, sich ein Recht zur Aufrechnung zu verschaffen.175 Sofern der Verwalter Erfüllung der Forderung des Gesamtschuldners vom Gläubiger verlangt, kann der Gläubiger die Erfüllung auch ohne gerichtlichen Antrag unter den vorgestellten Voraussetzungen in Höhe des aufrechenbaren Betrags verweigern.176 Das US-amerikanische Aufrechnungsrecht ist für den Fall der Insolvenz abschließend im BC geregelt.177 Die allgemeinen schuldrechtlichen Aufrechnungsbestimmungen werden vollständig verdrängt. Eine Aufrechnung vor Verfahrenseinleitung, die im Falle der Insolvenz nicht gegen die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsausschlussbestimmungen verstoßen hätte, kann nach US-Recht nach Verfahrenseröffnung auch nicht nachträglich angefochten werden.178
5. Aufrechnung nach griechischem Recht In Griechenland kann ab dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung gar nicht mehr aufgerechnet werden. Die Aufrechnung ist unwirksam, egal ob sie durch Vertrag oder durch einseitige Erklärung erfolgen soll.179
6. Ergebnisse Die nationalen Regelungen weisen nicht nur wesentliche Unterschiede in Bezug auf die Aufrechnungsmöglichkeiten, sondern auch in Bezug auf die Regelungssystematik auf. Während die Aufrechnung in der Insolvenz nach englischem und USamerikanischem Recht abschließend in den insolvenzrechtlichen Bestimmungen erfasst ist, sind die insolvenzrechtlichen Regelungen in anderen Nationen nur ergänzend zu den allgemeinen materiellen Aufrechnungsvorschriften zu prüfen. Einige Insolvenzstatuten regeln Sachverhalte, die in Deutschland unter Heranziehung § 553 (a) (2) BC. § 553 (a) (3) BC; zur Anfechtung von Versuchen des Gläubigers, seine Aufrechnungslage innerhalb der 90 Tage vor Antragstellung zu verbessern, vgl. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht, S. 154. 176 § 542 (b) BC. 177 Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht, S. 149, 151. 178 Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht, S. 151. 179 MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Zerey, Griechenland Rn. 29; Pannen / Riedemann / Kühnle, NZI 2002, 303 (305). 174 175
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
des Anfechtungsrechts gelöst werden (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO), unmittelbar und speziell in den Aufrechungstatbeständen. In diesen Fällen darf nicht auf das Insolvenzanfechtungsrecht zurückgegriffen werden. Insbesondere die USA heben sich in der Art, wie die Aufrechung in der Insolvenz durchgeführt wird, von den anderen Nationen ab. Die Aufrechnung kann hier nur nach einem Antrag beim Bankruptcy Court erfolgen. Ansonsten gewähren die Aufrechnungsregeln lediglich eine Art Einrede gegen das Leistungsbegehren des Verwalters gegen den Gläubiger.180 In Deutschland kommt es für die Aufrechenbarkeit der Forderungen in der Insolvenz darauf an, dass der Gläubiger seine Verbindlichkeit nicht erst nach Eröffnung des Verfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, und dass er seine Forderung nicht erst danach erworben hat (§ 96 Abs. 1 Nr. 1, 2 InsO). Das gilt im Wesentlichen auch für die anderen Rechtsordnungen. Interessant ist daher besonders der Zeitraum vor Verfahrenseröffnung. Wurde das gegenseitige Forderungsverhältnis vor Verfahrenseröffnung begründet, hängt die Aufrechenbarkeit nach deutschem Recht davon ab, ob die Möglichkeit zu Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt wurde, bzw. ob die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner eher fällig und unbedingt wurde als die Forderung des Schuldners gegen den Gläubiger (§§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 95 Abs. 1 InsO). In England ist die Aufrechnung dagegen ausgeschlossen, wenn der Gläubiger die Forderung gegen den Schuldner zu einem Zeitpunkt erworben hat, an dem er bereits Kenntnis von der Absicht einer Insolvenzantragstellung bzw. von der Antragstellung selbst oder von der Einberufung einer Gläubigerversammlung hatte.181 Der BC enthält eine 90-Tage-Frist. Die Aufrechnung ist nicht möglich, wenn die Forderung erst innerhalb dieser Zeit auf den Gläubiger übertragen worden ist, und der Schuldner schon „insolvent“ war.182 Wurde innerhalb dieser Zeit dagegen eine Verbindlichkeit gegenüber dem (späteren) Gesamtschuldner begründet, muss für ein Aufrechnungsverbot noch der subjektive Wille des Gläubigers hinzutreten, durch die Begründung der Verbindlichkeit die Aufrechnung zu ermöglichen.183 Das französische Recht setzt die Konnexität der aufzurechnenden Forderungen voraus. In Griechenland scheidet die Aufrechnung in der Insolvenz aus. Damit kann in Bezug auf die Aufrechnungsmöglichkeiten genauso wenig wie bei den Anfechtungsmöglichkeiten allgemein bestimmt werden, welche Rechtsordnung für den Gläubiger besonders günstig ist und welche nicht. Lediglich einige Nationen stechen wie die griechische mit ihren besonders restriktiven Regelungen heraus. Ansonsten ist immer eine Einzelfallbeurteilung nötig.
180 181 182 183
§ 542 (b) BC. Rule 2.85 (2) (b) (c) und Rule 4.90 (2) (a) (b) Insolvency (Amendment) Rules 2005. § 533 (a) (2) BC. § 533 (a) (3) BC.
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II. Auswirkungen von EuInsVO und deutschem internationalen Insolvenzrecht Die höchst unterschiedlichen nationalen Regelungen zur Aufrechnung in der Insolvenz des Schuldners machen eine interessengerechte Koordination durch das internationale Insolvenzrecht erforderlich. Sowohl das EU-Insolvenzrecht als auch die deutschen internationalrechtlichen Vorschriften begründen ein abgestuftes Regelungssystem aus lex fori concursus und Hauptforderungsstatut.
1. Grundsätzliche Geltung der lex fori concursus Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und § 338 InsO, die ausdrücklich die Überschrift Aufrechnung tragen, enthalten keine kollisionsrechtlichen Spezialregelungen.184 Daher bleibt es sowohl nach der EuInsVO als auch nach deutschem internationalen Insolvenzrecht zunächst bei dem Grundsatz, dass sich die Zulässigkeit der Aufrechnung im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren nach der lex fori concursus bestimmt (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. d EuInsVO bzw. § 335 InsO). Schwierigkeiten ergeben sich jedoch auf europäischer Ebene bei der Bestimmung des Verweisungsumfangs auf das Recht des Eröffnungsstaats.
a) Differenzierte Regelung im deutschen internationalen Insolvenzrecht Im autonomen deutschen internationalen Insolvenzrecht wird strikt zwischen den allgemeinen materiellrechtlichen Aufrechungsvorschriften und der insolvenzrechtlichen Zulässigkeit der Aufrechnung unterschieden.185 Mit anderen Worten wird zwischen dem „Wie“ der Aufrechnung, für das das entsprechende Schuldstatut ausschlaggebend ist, und dem „Ob“, welches sich nach dem Insolvenzstatut richtet, differenziert.186 Der Sachnormverweis in § 335 InsO enthält insoweit nach deutscher Vorstellung lediglich einen Verweis auf die insolvenzrechtliche Regelungsebene. Hinsichtlich der materiellen Aufrechnungsbefugnis äußert sich die Vorschrift nicht. Die Voraussetzungen, die Wirkungen und die Zulässigkeit der Aufrechnung in materieller Hinsicht richten sich vielmehr nach dem Schuldstatut der Hauptforderung, gegen die aufgerechnet wird. Sofern für die Haupt- und die Gegenforderung dasselbe schuldrechtliche Statut gilt, kann dies Ergebnis auf die 184 Vgl. Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 338 Rn. 2; Haubold, in: Gebauer / Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 30 Rn. 124. 185 BGHZ 95, 256 (273); Liersch, in: Braun, InsO, § 338 Rn. 2 f.; BerlinerKomm z. InsO / Pannen, § 338 Rn. 7; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 338 Rn. 5; Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, S. 285 ff. 186 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 6 Rn. 4. Von Wilmowsky unterscheidet begrifflich zwischen Begründungsstatut und Interventionsstatut, vgl. von Wilmowsky, KTS 1998, 343 (346, 349).
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
Regelung des Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB gestützt werden. Doch auch wenn zwei unterschiedliche Schuldstatuten zur Anwendung kommen, entspricht dieser Ansatz – unabhängig von Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB – der Rechtsprechung187 und der ganz herrschenden Literaturmeinung188. Das hat zur Folge, dass sich die insolvenzrechtliche Zulässigkeit der Aufrechnung nach dem Recht eines anderen Staats bemessen kann als die materielle Wirksamkeit der Aufrechnung.
b) Meinungsstreit zu Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. d EuInsVO Bei der Verweisung in Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. d EuInsVO ist der Umfang der Verweisung umstritten. Eine Ansicht (die für sich in Anspruch nimmt die herrschende zu sein) geht davon aus, dass sich der Verweis auf die Aufrechnungsvorschriften im Eröffnungsstaat insgesamt bezieht.189 Wird ein Insolvenzverfahren eröffnet, beurteilt sich die Zulässigkeit der Aufrechnung danach anders als im deutschen internationalen Insolvenzrecht einheitlich – d. h. in materiellrechtlicher und in insolvenzrechtlicher Hinsicht – nach dem Recht des Staats, in dem das Verfahren durchgeführt wird. Bei einem Insolvenzverfahren in Deutschland würden also nicht nur die §§ 94 – 96 InsO, sondern auch die §§ 387 – 396 BGB zur Anwendung kommen, unabhängig davon, welchem Aufrechnungsrecht die Haupt- und die Gegenforderung vor der Insolvenz unterlagen. Dementsprechend kann es nach dieser Ansicht bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu einem Statutenwechsel bezüglich des allgemeinen materiellen Aufrechnungsrechts kommen. Die Gegenansicht sieht in Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. d EuInsVO dagegen lediglich einen Verweis auf die Vorschriften zur insolvenzrechtlichen Zulässigkeit der Aufrechnung im Staat der Verfahrenseröffnung.190 Nach dieser Ansicht ergeben sich keine Unterschiede zum deutschen internationalen Insolvenzrecht. BGHZ 38, 254; BGH, NJW 1994, 1413 (1416); OLG München, RIW 1998, 560. MünchKomm z. BGB / Spellenberg, Art. 32 EGBGB Rn. 65, 67; Hk-BGB / Staudinger, Art. 32 EGBGB Rn. 7; Palandt / Heldrich, Art. 32 EGBGB Rn. 6; Siehr, Internationales Privatrecht, S. 223; Martiniy, in: Reithmann / Martiniy, Internationales Vertragsrecht, Rn. 310; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 52 VIII 5. Vertreten werden aber auch eine Kumulationslehre, nach der eine Aufrechnung nur möglich ist, wenn sowohl das Recht der Hauptforderung als auch das Recht der Gegenforderung die Aufrechnung zulassen, sowie eine alternative Lösung, nach der eine Aufrechnung schon zulässig sein soll, wenn das Schuldstatut auch nur einer Forderung die Aufrechnung erlaubt; vgl. dazu MünchKomm z. BGB / Spellenberg, Art. 32 EGBGB Rn. 66. 189 BerlinerKomm z. InsO / Pannen, Art. 6 EuInsVO Rn. 1; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 6 Rn. 6 ff.; Taupitz, ZZP 1998, 315 (343 f.); Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (555); Eidenmüller, IPrax 2001, 2 (6 Fn. 33); Huber, ZZP 2001, 133 (161); wohl auch Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 36; Balz, ZIP 1996, 948 (950). 190 Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 4 EuInsVO Rn. 12; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 4 EuInsVO Rn. 8; Liersch, in: Braun, InsO, § 338 Rn. 8; Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 6 Rn. 6 ff.; Haubold, in: Gebauer / Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 30 Rn. 125; von Wilmowsky, KTS 1998, 187 188
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Die erste Ansicht argumentiert dahingehend, dass der Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. d EuInsVO allgemein auf die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Aufrechnung in der Insolvenz verweist. Mangels sprachlicher Eingrenzungen sei keine Differenzierung nach allgemein-materiellrechtlichen Voraussetzungen einerseits und insolvenzrechtlichen Voraussetzungen andererseits zulässig.191 Des Weiteren wird die Praktikabilität als Argument angeführt: mit einem einheitlichen Verweisungsverständnis können schwierige Abgrenzungsprobleme vermieden werden, die aus einer nach insolvenzrechtlicher Zulässigkeit der Aufrechnung und materiellen Aufrechnungsvoraussetzungen differenzierenden Verweisung resultieren.192 Schließlich wird noch auf Erwägungsgrund 23 zur EuInsVO Bezug genommen. Dessen S. 1 ziele darauf ab, dass die EuInsVO einheitliche Kollisionsnormen enthalte, die die nationalen Vorschriften des internationalen Privatrechts ersetzen. Daraus könne der Schluss gezogen werden, dass die allgemeinen Kollisionsregeln ab Verfahrenseröffnung insoweit keine Wirkung mehr entfalten.193 Diese Argumente sind jedoch nicht schlüssig. Eine isolierte Betrachtung des ohnehin nicht sehr aussagekräftigen Wortlauts194 von Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. d EuInsVO vernachlässigt den Zusammenhang, in dem die Vorschrift steht.195 Art. 4 Abs. 2 EuInsVO ist lediglich eine Konkretisierung des Art. 4 Abs. 1 EuInsVO. Diese Vorschrift enthält wiederum unstreitig lediglich einen Sachnormverweis auf das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaats und keine Gesamtrechtsverweisung.196 Das Verhältnis von Abs. 1 zu Abs. 2 zwingt dazu, auch den Reglungsgehalt des Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. d EuInsVO in diesem Sinne zu verstehen. Im Übrigen entspricht dies dem sachlichen Anwendungsbereich der EuInsVO. Dieser erfasst lediglich insolvenzrechtliche Fragen, nicht dagegen allgemein materiellrecht343 (359 f.); Bork, ZIP 2002, 690 (694); Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 135; Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 310 f.; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, S. 360; wohl auch Smid, Deutsches und europäisches internationales Insolvenzrecht, Art. 4 EuInsVO Rn. 13. 191 BerlinerKomm z. InsO / Pannen, Art. 6 EuInsVO Rn. 1; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 6 Rn. 7; Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (555). 192 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 6 Rn. 7. 193 Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (555); in diesem Sinne auch Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 6 Rn. 7 ohne den Erwägungsgrund 23 selbst zu nennen. 194 Es bestehen erhebliche Formulierungsunterschiede in den verschiedenen nationalen Fassungen; vgl. Haubold, in: Gebauer / Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 30 Rn. 125. 195 Bork, ZIP 2002, 690 (694); von Wilmowsky, KTS 1998, 343 (358 f.); Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 135. 196 Vgl. statt aller Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 4 Rn. 2.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
liche.197 Auch S. 1 des Erwägungsgrundes 23 zur EuInsVO kann nicht als Argument für eine einheitliche Verweisung herangezogen werden. S. 3 und 4 des Erwägungsgrundes ordnen an, dass die Kollisionsnormen der lex fori concursus die verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Wirkungen des Insolvenzverfahrens regeln. Das macht deutlich, dass die Kollisionsregeln der EuInsVO nur hinsichtlich des Insolvenzrechts Vereinheitlichungen schaffen sollen, nicht dagegen für das Zivilrecht im Allgemeinen und die dafür maßgeblichen Kollisionsvorschriften. Im Übrigen sprechen auch die Aussagen im Erläuternden Bericht eher für ein differenziertes Verweisungsverständnis. Dort wird von der „Ableitung eines Rechts auf Aufrechnung“ gemäß den „üblicherweise geltenden Rechtskollisionsnormen“ gesprochen.198 Unter der „Ableitung“ des Aufrechnungsrechts kann dabei die Begründung der Aufrechnungslage verstanden werden.199 Die „üblicherweise geltenden Rechtskollisionsnormen“ sind die Kollisionsnormen, die außerhalb der Insolvenz gelten. Dies findet seine Bestätigung in dem sich anschließenden Satz des Berichts, nach dem die Vorschriften des internationalen Privatrechts Anwendung finden sollen.200 Im Folgenden führt der Bericht weiter aus, dass das „Recht auf Aufrechnung“ von dem Recht abhängt, dass auf die Forderung des Schuldners anzuwenden ist.201 In Abgrenzung dazu ist im Erläuternden Bericht von „generellen Beschränkungen“ der Aufrechnung bei Insolvenzverfahren die Rede, die sich gemäß Art. 4 EuInsVO nach dem Recht des Verfahrensstaats richten.202 Aus dieser differenzierten Darstellung kann der Schluss gezogen werden, dass sich lediglich die insolvenzrechtliche Zulässigkeit der Aufrechnung nach der lex fori concursus richten soll.203 Die Argumentation mit dem Wortlaut des Erläuternden Berichts ist jedoch angreifbar. Auch der Bericht differenziert nämlich nicht ausdrücklich zwischen zivilrechtlichen Bestimmungen und dem Insolvenzrecht des Eröffnungsstaats. Vielmehr bedarf er wiederum einer gewissen Auslegung. Würde man jedoch das Aufrechnungsrecht des Eröffnungsstaats vollständig zur Anwendung bringen, hätte das zur Folge, dass eine Aufrechnung, die ohne das Insolvenzverfahren aus Gründen, die sich aus dem allgemeinen für die Hauptforderung maßgeblichen materiellen Recht ergeben, nicht zulässig war, durch einen Statutenwechsel noch nachträglich zulässig werden kann.204 Diese Folge wird von Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 6 Rn. 6. Vgl. Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (73 Nr. 107). 199 von Wilmowsky, KTS 1998, 343 (358). 200 Vgl. Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (73 Nr. 108). 201 Vgl. Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (73 Nr. 108); der Erläuternde Bericht weicht von der in Deutschland gebräuchlichen Verwendung der Begriffe Haupt- und Gegenforderung ab, indem er die Forderung des Schuldners als Gegenforderung und die Forderung des Gläubigers als Hauptforderung bezeichnet. 202 Vgl. Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (73 Nr. 109). 203 von Wilmowsky, KTS 1998, 343 (358); Bork, ZIP 2002, 690 (693); Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 311. 197 198
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den Vertretern der Ansicht, die von einer umfassenden Verweisung ausgeht, durchaus gesehen.205 Duursma-Kepplinger versucht diese Wertungsungerechtigkeit mit einem Hinweis darauf zu entkräften, dass Art. 4 EuInsVO gerade nicht dem Schutz bestimmter Gläubiger diene, sondern eine möglichst weitgehende Verwirklichung der par conditio creditorum zum Ziel hat.206 Dabei übersieht sie jedoch, dass gerade der Ansatz, der von einem vollständigen Verweis auf das Aufrechnungsrecht des Eröffnungsstaats ausgeht, einzelne Gläubiger, denen eine Aufrechnung durch das Insolvenzverfahren erst ermöglicht wird, zulasten der anderen beteiligten Gläubiger besonders privilegiert werden, ohne dass dafür eine Rechtfertigung ersichtlich ist. Gleichzeitig würde mit der Bejahung eines Statutenwechsels ein Anreiz geschaffen, Insolvenzanträge lediglich zur Verbesserung der eigenen allgemeinschuldrechtlichen Position zu stellen. Auch die Verselbständigung der materiellen und insolvenzrechtlichen Aufrechnungsvoraussetzungen zu einer eigenständigen einheitlichen Regelung in manchen Rechtsordnungen207 liefert kein Argument gegen ein differenziertes Verweisungsverständnis nach „Ob“ und „Wie“ der Aufrechnung in der Insolvenz. In einschlägigen Fällen sind die Aufrechnungsregeln daraufhin zu untersuchen, welche Änderungen sich daraus ergeben, dass die Aufrechnung erst während des Insolvenzverfahrens erfolgt. Nur an die veränderten Voraussetzungen ist im Rahmen des Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. d EuInsVO anzuknüpfen. Lediglich wenn das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaats die Aufrechnungsvoraussetzungen (wie im englischen und USamerikanischen Recht) abschließend eigenständig regelt, wird das allgemeine Kollisionsrecht vollständig verdrängt.208 Nur hier greift ausschließlich die lex fori concursus, so dass sich in dieser Konstellation keine Unterschiede zur anderen Ansicht ergeben. Zusammenfassend bleibt damit festzuhalten, dass die besseren Gründe für ein differenzierentes Verständnis des Verweises in Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. d EuInsVO sprechen. Nach richtiger Ansicht ergeben sich also keine Unterschiede zum autonomen deutschen internationalen Insolvenzrecht.
204 Z. B. weil die Rechtsordnung das Verbot der Aufrechnung gegen eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung wie in § 393 BGB oder die anderen Aufrechnungsverbote in §§ 390 ff. BGB nicht kennt. 205 Vgl. Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 6 Rn. 7; vgl. auch Huber, ZZP 2001, 133 (161). 206 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 6 Rn. 7. 207 Vgl. etwa zur Insolvenzaufrechnung nach englischem Recht: Bork, ZIP 2002, 690 (693); Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 6 Rn. 8 m.w.N; zur einheitlich prozessrechtlichen Aufrechnungsregelung in den USA: Kropholler, Internationales Privatrecht, § 52 VIII 5. 208 Haubold, in: Gebauer / Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 30 Rn. 125; Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 6 Rn. 8.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
2. Regelung in Art. 6 EuInsVO und § 338 InsO Der Grundsatz, nach dem für die insolvenzrechtliche Zulässigkeit der Aufrechnung die lex fori concursus maßgeblich ist, wird durch die Regelungen in Art. 6 EuInsVO und § 338 InsO durchbrochen.
a) Rechtsfolge Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und § 338 InsO ordnen an, dass das Recht der Gläubiger zur Aufrechnung in Abhängigkeit von den Aufrechnungsmöglichkeiten nach dem Recht, das auf die Forderung des Gesamtschuldners gegen den aufrechnenden Gläubiger Anwendung findet, von der Insolvenz des Schuldners nicht berührt wird. Mithin ordnen die Vorschriften eine Wirkungsbeschränkung der lex fori concursus an.209 Der Gläubiger soll also unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und des § 338 InsO nach wie vor aufrechnen können.
b) Rechtsnatur und Zweck der Regelungen Art. 6 EuInsVO und § 338 InsO bringen nicht kollisionsrechtlich eine andere Rechtsordnung zur Anwendung. Sie erklären die Aufrechnung in der Insolvenz vielmehr selbst unter gewissen Voraussetzungen für zulässig. Die Vorschriften enthalten folglich eigenständige Sachregelungen.210 Mit der Anordnung der Zulässigkeit der Aufrechnung für die Gläubiger beabsichtigen der Verordnungsgeber sowie der deutsche Gesetzgeber, das Vertrauen der Gläubiger in ein einmal nach den Regeln des Hauptforderungsstatuts begründetes Aufrechnungsrecht zu schützen.211
c) Anwendungsbereich von Art. 6 EuInsVO und § 338 InsO Bei Art. 6 EuInsVO ist umstritten, ob die Vorschrift auch auf Forderungen des Schuldners Anwendung findet, die nicht dem Recht eines Staats unterstehen, auf den sich der räumliche Anwendungsbereich der EuInsVO erstreckt. Teilweise wird mangels entsprechender Differenzierung im Wortlaut davon ausgegangen, dass es Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 6 EuInsVO Rn. 5. HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 338 Rn. 3; Liersch, NZI 2003, 302 (305). DuursmaKepplinger spricht vor dem Hintergrund der von ihr oben vertretenen Ansicht (vgl. 3. Teil § 9 II 1. b), S. 202 ff.) von sachrechtsintegrierender Norm, vgl. Duursma-Kepplinger Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 6 Rn. 12. 211 MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 6 EuInsVO Rn. 1; Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, 32 (74 Nr. 109); Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 6 Rn. 2; vgl. auch Erwägungsgrund 26 S. 2 zur EuInsVO; Liersch, in: Braun, InsO, § 338 Rn. 1; BT-Drucks. 15 / 16, S. 18. 209 210
§ 9 Forderungsaufrechnung in der Insolvenz
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auf die rechtliche Zugehörigkeit der Forderungen nicht ankomme.212 Mit der h. M. ist jedoch davon auszugehen, dass der gesamte Anwendungsbereich der EuInsVO auf Sachverhalte innerhalb der Europäischen Union beschränkt ist.213 Dementsprechend ist der Ansicht zuzustimmen, die verlangt, dass die Hauptforderung einer Rechtsordnung innerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO unterfällt.214 Dies findet seine Bestätigung in einer systematischen Gesamtschau mit ähnlichen Regelungen in Art. 5, 7 – 11, 13 EuInsVO.215 Auch von ihnen gehen ausschließlich innergemeinschaftliche Wirkungen aus. In Fällen, in denen Art. 6 EuInsVO aufgrund des beschränkten räumlichen Anwendungsbereichs keine Anwendung findet, muss auf die Regelungen des nationalen internationalen Insolvenzrechts zurückgegriffen werden.216 In Deutschland ist damit der Anwendungsbereich des § 338 InsO eröffnet. Die Vorschrift findet also auch im Verhältnis zu EU-Mitgliedstaaten Anwendung, wenn das Recht der Hauptforderung einem Nicht-Mitgliedstaat unterliegt. Des Weiteren ist § 338 InsO anzuwenden, soweit er der Umsetzung des Art. 23 der Richtlinie 2001 / 24 / EG über die Insolvenz von Kreditinstituten und des Art. 22 der Richtlinie 2001 / 17 / EG über die Insolvenz von Versicherungsunternehmen dient.217 Partikularverfahren erfassen nur das im Eröffnungsstaat belegene Vermögen. Dementsprechend finden Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. d EuInsVO, Art. 6 EuInsVO und § 338 InsO in Partikularverfahren nur dann Anwendung, wenn die Hauptforderung in das im Eröffnungsstaat belegene Vermögen fällt.218 Die Belegenheit einer Forderung ist freilich nur durch rechtliche Anordnung festzustellen. Nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 2 lit. g 3. Spiegelstrich EuInsVO befindet sich eine Forderung in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der zur Leistung Verpflichtete den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Mithin kommt es für die Belegenheit einer Forderung im Rahmen der EuInsVO auf den Interessenmittelpunkt des Insolvenzgläubigers, der zur Leistung gegenüber dem Schuldner verpflichtet ist, an.219 Das deutsche autonome Recht differenziert bei der Frage nach MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 6 EuInsVO Rn. 2. Vgl. schon oben 2. Teil § 4 I. 2., S. 66 f. 214 Fletcher, The Law of insolvency, Rn. 31.038; Huber, ZZP 2001, 133 (162); Leible / Staudinger, KTS 2000, 531 (554, insb. Fn. 162); Taupitz, ZZP 1998, 315 (343); Balz, ZIP 1996, 948 (950 Fn. 18, 19); Mäsch, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 6 EGInsVO Rn. 6; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 6 Rn. 22. 215 Huber, ZZP 2001, 133 (162). 216 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (69 Nr. 93); Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsO, Art. 6 Rn. 12. 217 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 338 Rn. 2. 218 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 6 EuInsVO Rn. 2. 219 Der Begriff des Interessenmittelpunktes ist dabei genauso auszulegen, wie bei dem Gemeinschuldner in Bezug auf die internationale Eröffnungszuständigkeit der Gerichte, Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (58 Nr. 69). Vgl. zum Interessenmittelpunkt 2. Teil § 5 III., S. 92 ff. 212 213
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der Belegenheit einer Forderung danach, ob es sich um eine verbriefte oder unverbriefte Forderung handelt. Bei verbrieften Forderungen kommt es auf den Belegenheitsort des Papiers an. Dies wird aus §§ 821, 831 ZPO abgeleitet. 220 Bei unverbrieften Forderungen ist dagegen nach § 23 S. 2 ZPO grundsätzlich an den Sitz oder Wohnsitz des Schuldners anzuknüpfen.221 Mithin macht das autonome deutsche Recht die Belegenheit von unverbrieften Forderungen ebenso wie die EuInsVO vom Insolvenzgläubiger abhängig.
d) Voraussetzungen Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und § 338 InsO stellen Anforderungen an die Aufrechnungssituation sowohl in Bezug auf die lex fori concursus als auch in Bezug auf das Hauptforderungsstatut. aa) Insolvenzrechtliche Unzulässigkeit der Aufrechnung nach der lex fori concursus Erste Voraussetzung des Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und des § 338 InsO ist, dass das Recht des Verfahrensstaats die Aufrechnung in der Insolvenz im konkreten Fall nicht zulässt. Nach der Ansicht, die bei Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. d EuInsVO davon ausgeht, dass sowohl die materiellrechtlichen als auch die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsvorschriften des Staats, in dem das Verfahren eröffnet wurde, anzuwenden sind, kann sich die Unzulässigkeit sowohl aus dem Schuldstatut als auch aus den insolvenzrechtlichen Vorschriften ergeben. In dieser Arbeit wird jedoch davon ausgegangen, dass lediglich die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsvorschriften des Eröffnungsstaats zur Anwendung berufen sind,222 so dass sich die Unzulässigkeit der Aufrechnung im Eröffnungsstaat ausschließlich aus diesen Vorschriften ergeben kann. bb) Zulässigkeit der Aufrechnung nach dem Recht, dem die Hauptforderung unterliegt Für eine erfolgreiche Aufrechnung unter Anwendung des Art. 6 Abs. 1 EuInsVO oder des § 338 InsO ist des Weiteren notwendig, dass die Aufrechnung nach dem Recht, dem die Hauptforderung unterliegt, zulässig ist. Zu Art. 6 Abs. 1 EuInsVO finden sich in der Literatur verschiedene Ansichten, was unter „dem für die Forderung des insolventen Schuldners maßgeblichen Recht“ zu verstehen ist. Teilweise 220 Smid, in: Musielak, ZPO, § 23 Rn. 9; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 2 EuInsVO Rn. 4 insb. Fn. 7 zurückgehend auf RGZ 58, 8 (10); 107, 44 (46 f.). 221 Nagel / Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 17 Rn. 56; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 23 Rn. 10. 222 Vgl. oben 3. Teil § 9 II. 1. b), S. 202 ff.
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wird angenommen, dass es sich dabei lediglich um die schuldrechtlichen Normen des Hauptforderungsstatuts handelt, so dass es auf insolvenzrechtliche Modifikationen der Aufrechnungszulässigkeit nicht ankommt.223 Andere gehen dagegen davon aus, dass über Art. 6 Abs. 1 EuInsVO die schuldrechtlichen Normen des Hauptforderungsstatus mitsamt den insolvenzrechtlichen Modifikationen zu berücksichtigen sind.224 Beide Ansichten sind von der Vorstellung geprägt, dass sich die materiellen Voraussetzungen der Aufrechnung grundsätzlich nach der Rechtsordnung des Verfahrensstaats richten. Beide wollen dementsprechend über Art. 6 Abs. 1 EuInsVO wieder auf das Schuldstatut der Hauptforderung zurückgreifen. Nach der hier vertretenen Ansicht bestimmen sich die materiellen Fragen der Aufrechnung jedoch immer nach dem Recht der Forderung des Gesamtschuldners.225 Dementsprechend kann Art. 6 Abs. 1 EuInsVO nicht zu einem Rückgriff darauf führen. Gegen die zuerst dargestellte Ansicht spricht daher, dass Art. 6 Abs. 1 EuInsVO nach dem hier vertretenen Verständnis des Verweises in Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. d EuInsVO der Anwendungsbereich genommen würde. Der zweiten Ansicht, die von einem Rückgriff sowohl auf die materiellrechtlichen als auch auf die insolvenzrechtlichen Voraussetzungen ausgeht, kann deshalb nicht in Gänze gefolgt werden, weil es eines Rückgriffs auf die materiellen Voraussetzungen des Hauptforderungsstatuts nach der hier vertretenen Ansicht nicht bedarf. Richtig ist daher, dass sowohl Art. 6 Abs. 1 EuInsVO als auch § 338 InsO lediglich die insolvenzrechtliche Unzulässigkeit der Aufrechnung nach der lex fori concursus überwinden. Für den Erfolg einer Aufrechnung ist damit in jedem Falle erforderlich, dass das materielle Recht, dem die Hauptforderung unterfällt, die Aufrechnung zulässt. Stehen der Aufrechnung Vorschriften der lex fori concursus entgegen, ermöglichen Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und § 338 InsO die Aufrechnung, wenn die Aufrechnung nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften des Hauptforderungsstatuts zulässig ist. Auf die Frage, ob nach dieser Rechtsordnung überhaupt ein Insolvenzverfahren hätte eröffnet werden können, kommt es dabei nicht an.226 cc) Zeitpunkt der Aufrechnungslage Sowohl § 338 InsO als auch Art. 6 Abs. 1 EuInsVO greifen nur in Fällen, in denen die Haupt- und die Gegenforderung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Bei § 338 InsO ergibt sich das eindeutig aus dem Wortlaut 223 Sonderkommission „Internationales Insolvenzrecht“, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 251 (254); Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 135 f., Flessner, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 219 (223); wohl auch Taupitz, ZZP 1998, 315 (343). 224 Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 679; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 6 Rn. 16 ff.; Ehricke / Ries, JuS 2003, 313 (316); Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (555 f.). 225 Vgl. oben 3. Teil § 9 II. 1. b), S. 202 ff. 226 Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 6 Rn. 10.
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der Vorschrift, der verlangt, dass der Gläubiger zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens zur Aufrechnung berechtigt gewesen sein muss. Art. 6 Abs. 1 InsO stellt keine ausdrücklichen Grenzen auf. Nichts desto trotz wird die Vorschrift einhellig in dem oben genannten Sinne ausgelegt.227 Das Ergebnis folgt zwangsläufig daraus, dass die Vorschrift das Vertrauen der Gläubiger in die Aufrechenbarkeit ihrer Forderung auch für den Fall der Insolvenz des Schuldners schützen soll.228 Wird die Forderung erst nach Eröffnung des Verfahrens begründet, kann ein entsprechendes Vertrauen nicht entstehen. Die Aufrechenbarkeit der Forderungen, die erst nach Eröffnung des Verfahrens entstanden sind, richtet sich gemäß Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. d EuInsVO oder § 335 InsO ausschließlich nach der lex fori concursus. Der Zeitpunkt der Entstehung der Forderung bemisst sich nach dem Vertragsstatut der Forderung.229 dd) Beweislast Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und § 338 InsO treffen anders als Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO keine Aussage zur Beweislastverteilung. Folglich greifen die allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätze. Danach trägt jede Partei die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm.230 Mithin muss der Aufrechnungsgegner beweisen, dass die Voraussetzungen eines Aufrechnungsverbots erfüllt sind.231 Gelingt dem Insolvenzverwalter dieser Nachweis für die lex fori concursus und kann der aufrechnende Gläubiger beweisen, dass für die Hauptforderung eine andere Rechtsordnung maßgeblich ist als das Verfahrensstatut, muss der Verwalter daher auch für das Hauptforderungsstatut die Voraussetzungen der Erfüllung eines Aufrechnungsverbots beweisen. e) Vorbehalt der Anfechtbarkeit, Nichtigkeit und relativen Unwirksamkeit Die Wirkungsbeschränkung der Aufrechnungsregeln der lex fori concursus durch die Aufrechnungsregeln des Hauptforderungsstatuts steht gemäß Art. 6 Abs. 2 EuInsVO unter dem Vorbehalt, dass keine der aufzurechnenden Forderungen nichtig oder relativ unwirksam ist bzw. aus einer anfechtbaren Rechtshandlung resultiert.232 Die Nichtigkeit, relative Unwirksamkeit und Anfechtbarkeit bestimmt sich dabei nach der lex fori concursus.233 Vgl. statt aller Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (74 Nr. 110). Vgl. oben 3. Teil § 9 II. 2. b), S. 206 f. 229 MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 6 EuInsVO Rn. 3. 230 Hk-ZPO / Saenger, § 286 Rn. 58; Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 476; Goebel, Zivilprozessrecht, § 10 Rn. 10, 14. 231 Insoweit zum deutschen Recht Erman / Wagner, § 387 Rn. 44. 232 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 6 EuInsVO Rn. 6; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 6 EuInsVO Rn. 4. 227 228
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Zur Verdeutlichung sei darauf hingewiesen, dass Art. 6 Abs. 2 EuInsVO die Anfechtungsregeln nicht für anwendbar erklärt, wenn die Aufrechnung schon nach der lex fori concursus zulässig ist. In diesem Fall bleibt es bei dem Verhältnis von Insolvenzanfechtungsrecht und Insolvenzaufrechnungsrecht, wie es im Verfahrensstatut vorgesehen ist. Dort können die Aufrechnungsverbote abschließend geregelt sein, so dass die Anfechtungsregeln der lex fori concursus nicht mehr zu berücksichtigen sind. Denkbar ist aber auch, dass die Aufrechnung wie in Deutschland nur vorbehaltlich der fehlenden Anfechtbarkeit möglich ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Ist die Aufrechnung jedoch gemäß der lex fori concursus ausgeschlossen, während das Hauptforderungsstatut die Aufrechnung zulässt, und regelt das Hauptforderungsstatut die Aufrechnung in der Insolvenz in einem solchen Fall abschließend, soll sich der Gläubiger gemäß Art. 6 Abs. 2 EuInsVO dennoch nicht auf die Privilegierung des Art. 6 Abs. 1 EuInsVO berufen können, wenn die Aufrechnungslage in angreifbarer Weise entstanden ist. Mithin verändert sich das Verhältnis von Aufrechnungsrecht und Anfechtungsrecht nach dem Hauptforderungsstatut gemäß der lex fori concursus zulasten der Gläubiger. Der Wortlaut, der lediglich von Anfechtbarkeit spricht, macht deutlich, dass es für die Aufrechenbarkeit gemäß dem Hauptforderungsstatut nicht darauf ankommt, dass die Anfechtung auch erfolgen muss. Es reicht vielmehr schon die bloße Anfechtbarkeit aus. Auf diese Weise schränkt Art. 6 Abs. 2 EuInsVO die privilegierende Wirkung des Abs. 1 wieder ein. Die Verschärfung durch Art. 6 Abs. 2 EuInsVO wird jedoch dadurch abgemildert, dass sich der durch die Rechtshandlung Begünstigte bei der Prüfung der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit und relativen Unwirksamkeit wiederum auf die Sperrwirkung des Art. 13 EuInsVO berufen kann.234 In § 338 InsO ist der Vorbehalt der Anfechtbarkeit nicht ausdrücklich normiert. Die Frage nach dem Verhältnis von Anfechtungs- und Aufrechnungsrecht ist vielmehr durch Auslegung zu ermitteln. Das Anfechtungsrecht dient dazu, die Gläubigergleichbehandlung auch schon in Bezug auf Rechtshandlungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu gewährleisten.235 Folglich muss es gleichgültig sein, ob Vermögensgegenstände in der Krise verschoben werden oder ob in derselben Situation Aufrechnungslagen in anfechtbarerer Weise herbeigeführt werden. Dementsprechend muss derjenige, der sich auf die privilegierende Wirkung des § 338 InsO berufen will, sich auch die Anfechtbarkeit gemäß den Maßstäben des § 339 InsO entgegenhalten lassen. Insofern ergeben sich also keine Unterschiede zur europarechtlichen Regelung.
233 Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 6 Rn. 16; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 6 EuInsVO Rn. 6. 234 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 6 Rn. 28; Gruber, in: Hass / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 6 Rn. 17. 235 Graf / Wunsch, in: Runkel, Insolvenzrecht, § 9 Rn. 1; König, Die Anfechtung, Rn. 1 f.; Obermüller / Hess, InsO, Rn. 233.
212
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III. Gestaltungsmöglichkeiten Die Möglichkeit eines Gläubigers zur Aufrechnung ist nur beschränkt von den Regeln der lex fori concursus abhängig. Die Aufrechnung in der Insolvenz des Schuldners ist nämlich jedenfalls dann erfolgreich, wenn das Hauptforderungsstatut die Aufrechnung zulässt. Ein Gläubiger ist daher daran interessiert, eine Rechtsordnung auf die Hauptforderung zur Anwendung zu bringen, die die Aufrechnung sowohl nach den allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften als auch nach den insolvenzrechtlichen Bestimmungen zulässt. Auf das Recht, welches auf die Gegenforderung anzuwenden ist, kommt es dagegen für die privilegierende Wirkung des Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und des § 338 InsO nicht an. Insoweit hat der Gläubiger also zunächst kein Interesse an einer bestimmten Rechtswahl. Es reicht allerdings nicht, allein die Aufrechnungsregeln des Hauptforderungsstatuts bei der Rechtswahl zu berücksichtigen, weil Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und § 338 InsO ihre privilegierende Wirkung nicht entfalten, wenn der Vorbehalt der Anfechtbarkeit greift. Der Umstand, dass sich die Gläubiger insoweit auf die Sperrwirkung von Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO berufen können, führt dazu, dass auch die Anfechtungsregeln der nationalen Insolvenzrechtsordnungen nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Hier gilt es, eine lex causae zur Anwendung zu bringen, die den vorzunehmenden Rechtshandlungen im konkreten Fall nicht die Rechtsbeständigkeit versagt.236 Insoweit sind sowohl die lex causae der Hauptforderung als auch die lex causae der Gegenforderung in die Gestaltungserwägungen des Gläubigers mit einzubeziehen.
1. Aufrechnung als Sicherungsmittel Die Aufrechnung kann von Gläubigern gezielt als Sicherungsmittel für den Fall der Insolvenz eingesetzt werden. Erforderlich dazu ist, dass der Gläubiger dem Schuldner selbst eine gleichartige Leistung schuldet. Zu diesem Zweck werden in der Praxis Verbindlichkeiten gegenüber dem Schuldner eingegangen und über lange Zeit nicht erfüllt. Zwar ist dieses Phänomen nicht typischerweise internationalrechtlicher Natur. Auch bei rein nationalen Sachverhalten wird auf dieselbe Weise verfahren. Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und § 338 InsO erweitern jedoch die Sicherungsmöglichkeiten, indem die Aufrechnung auch unabhängig von der lex fori concursus für zulässig erklärt wird. Dabei kann das anzuwendende Hauptforderungsstatut gezielt mittels Rechtswahl durch die Beteiligten eingesetzt werden.
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Zu den insoweit bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten vgl. 3. Teil § 8 III., S. 184 ff.
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2. Konkrete Gestaltungsansätze Für die oben vorgestellten Rechtsordnungen bedeutet das, dass die Anwendung griechischen Rechts auf die Hauptforderung tunlichst zu vermeiden ist, es sei denn, es ist absehbar, dass bereits die lex fori concursus die Aufrechnung in der Insolvenz zulässt. Im französischen Recht erschwert das Konnexitätserfordernis – auch wenn dieses im Einzelfall weiter verstanden wird als im deutschen Recht – die Möglichkeit der Aufrechnung.237 Es soll verhindern, dass gleichartige Forderungen, die wirtschaftlich nicht verknüpft sind, masseschmälernd gegeneinander aufgerechnet werden. Erfüllt der Gläubiger eine Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner nicht, während immer neue Forderungen gegen den Schuldner begründet werden (die möglicherweise auch noch regelmäßig wieder getilgt werden), so fehlt es an der Konnexität der Forderungen. Die Konnexität kann auch nicht beliebig durch Parteivereinbarung künstlich herbeigeführt werden. Daher scheidet die Aufrechnung als Sicherungsinstrument nach französischem Recht regelmäßig aus. Bei der Wahl einer bestimmten Rechtsordnung haben sich die Beteiligten maßgeblich daran zu orientieren, zu welchem Zeitpunkt der Gläubiger die Verbindlichkeit (Hauptforderung) zum Zwecke der Aufrechnung gegenüber dem Schuldner eingeht. Nach US-amerikanischem Insolvenzrecht ist die Aufrechnung schon dann ausgeschlossen, wenn die Verbindlichkeit innerhalb von 90 Tagen vor Antragstellung eingegangen worden ist, der Schuldner insolvent war und die Begründung in der Absicht erfolgte, sich die Möglichkeit der Aufrechnung zu verschaffen.238 Das deutsche Recht verbietet in § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Aufrechnung dagegen erst bei Verbindlichkeiten, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingegangen worden sind. Allerdings ist hier noch die Anfechtbarkeit gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu berücksichtigen. Unter der Prämisse, dass die Rechtshandlung keinen Anfechtungstatbestand erfüllt, kann damit unter Vereinbarung deutschen Rechts noch erheblich später eine Verbindlichkeit eingegangen werden, ohne dass dies zu einem Aufrechnungsverbot führt. Auch die Vereinbarung englischen Rechts bietet besondere Vorteile. Die Aufrechnung scheidet nach englischem Insolvenzrecht nämlich erst dann aus, wenn der Gläubiger bei Erwerb der Forderung Kenntnis davon hatte, dass jemand einen Eröffnungsantrag zu stellen beabsichtigt, dass der Insolvenzantrag gestellt worden ist oder dass eine Gläubigerversammlung einberufen worden ist.239
237 238 239
2005.
Vgl. 3. Teil § 9 I. 2., S. 197. § 533 (a) (3) BC. Rule 2.85 (2) (b) (c) (ii) und Rule 4.90 (2) (a) (b) (ii) Insolvency (Amendment) Rules
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
3. Grenzen der Rechtswahlfreiheit Wo und wie die Grenzen der Rechtswahlfreiheit bei der Gestaltung von Aufrechnungssachverhalten zu ziehen sind, ist bisher vollkommen ungeklärt. Lediglich Gruber erwähnt beiläufig, dass die Grundsätze der fraus legis angewendet werden sollen.240 Im Falle der Unbeachtlichkeit der Rechtswahl sei sodann eine objektive Bestimmung der Rechtsordnung, die auf die Hauptforderung anzuwenden ist, vorzunehmen.241 Eine Anknüpfung an die objektiv bestimmbare Rechtsordnung überzeugt an dieser Stelle aber genauso wenig wie im Anfechtungsrecht.242 Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und § 338 InsO sollen das Vertrauen in die Aufrechenbarkeit nach den Regeln des Hauptforderungsstatuts schützen. Ist durch Rechtswahl aber eine andere Rechtsordnung als diejenige für anwendbar erklärt worden, die bei objektiver Bestimmung der Rechtsordnung maßgeblich gewesen wäre, besteht definitiv kein Vertrauen in die Aufrechnung nach den Regeln des objektiv bestimmbaren Statuts. Eine objektive Bestimmung würde daher lediglich zu einer unverdienten Begünstigung des Gläubigers führen, falls die objektiv maßgebliche Rechtsordnung die Aufrechnung zulässt. Daher muss zunächst geprüft werden, ob nicht schon der Vorbehalt der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit bzw. relativen Unwirksamkeit in Art. 6 Abs. 2 EuInsVO ausreichenden Schutz gegen fraudulöse Rechtswahl bietet. Dabei könnte sich der betroffene Gläubiger wiederum auf die schützende Wirkung des Art. 13 EuInsVO berufen, es sei denn, eine Berufung auf die Vorschrift scheidet nach Maßgabe der oben herausgearbeiteten teleologischen Reduktion in Missbrauchsfällen aus.243 Nach deutschem Recht setzt eine Insolvenzanfechtung eine Rechtshandlung voraus (§ 129 Abs. 1 InsO). Der Begriff der Rechtshandlung ist weit auszulegen.244 Erfasst wird jedes Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst.245 Mithin fallen auch Rechtswahlvereinbarungen unter diese Definition. Des Weiteren ist eine unmittelbare oder mittelbare Gläubigerbenachteiligung sowie ein Anfechtungsgrund erforderlich (§ 129 Abs. 1 InsO). Unmittelbar ist eine Benachteiligung dann, wenn ein Vergleich der Vor- und Nachteile der Rechtshandlung im Zeitpunkt ihrer Vornahme einen negativen Saldo im Vermögen des Schuldners ergibt.246 Das ist bei Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 6 Rn. 15. Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 6 Rn. 15 unter insoweit unberechtigtem Verweis auf die Ausführungen von Duursma-Kepplinger zum Anfechtungsrecht, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 13 Rn. 16. 242 Vgl. zum Anfechtungsrecht 3. Teil § 8 III. 4., S. 190 f. 243 Zur teleologischen Reduktion des Art. 13 EuInsVO bei fraudulöser Rechtswahl siehe 3. Teil § 8 III. 4., S. 190 f. 244 BGH, ZIP 2004, 918; ZIP 2004, 621; OLG Stuttgart, ZIP 2002, 1900; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 62. 245 BGH, ZIP 2004, 918; 2004, 621; MünchKomm z. InsO / Kirchhof, § 129 Rn. 7; ders., FS Uhlenbruck, S. 275; Ulmer, ZIP 1984, 1163 (1169). 240 241
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Rechtswahlvereinbarungen nicht der Fall. Damit scheiden § 132 Abs. 1 InsO und § 133 Abs. 2 InsO, die eine unmittelbare Benachteiligung fordern, bereits als Anfechtungsgründe aus. Noch weniger Anfechtungsmöglichkeiten bestehen mitunter nach anderen Insolvenzstatuten. Eine Heranziehung der nationalen Anfechtungsregeln auf die Frage der Zulässigkeit der Rechtswahl in Bezug auf den Erhalt der Aufrechnungsmöglichkeit in der Insolvenz ist somit nicht konstruktiv. Im Übrigen zielt die Regelung in Art. 6 Abs. 2 EuInsVO darauf ab, bei Aufrechnungslagen, denen die lex fori concursus die Anerkennung versagt, eine Aufrechnung nach anderen Statuten zu verhindern. Bei der Rechtswahl in Bezug auf ein günstigeres Insolvenzaufrechnungsrecht geht es jedoch nicht um die Frage der Anerkennung der Aufrechnungslage an sich (Bestehen von Haupt- und Gegenforderung), sondern um die Abwehr insolvenzrechtlicher Aufrechnungsverbote. Mithin muss nach anderen Wegen zur Abwehr unbilliger Rechtswahlwirkungen gesucht werden. Hier bietet sich erneut der Rückgriff auf das Instrument der teleologischen Reduktion an.247 Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und § 338 InsO sollen das Vertrauen in die Geltung der insolvenzrechtlichen Regelungen des Hauptforderungsstatuts schützen. Wo ein solches Vertrauen nicht gegeben ist, ist auch die Privilegierung gegenüber anderen Insolvenzgläubigern nicht gerechtfertigt. Vielmehr sollte i. S. d. Gläubigergleichbehandlung einheitlich auf die insolvenzrechtlichen Regeln des Verfahrensstatuts abgestellt werden. Jedoch kann auch hier ein entsprechendes Vertrauen der Gläubiger nur in Ausnahmefällen abzulehnen sein. Es ist davon auszugehen, dass sich die Gesetzgeber bei Erlass der beiden Vorschriften des Umstands bewusst waren, dass in der Praxis umfangreich von Rechtswahlgestaltungen Gebrauch gemacht wird. Daher kann das Vertrauen nicht schon bei jedem durch Rechtswahl zur Anwendung gebrachten Hauptforderungsstatut verneint werden. Auch die gezielte Produktion von Aufrechnungslagen kann nicht als Anknüpfungspunkt für die Unbeachtlichkeit der Rechtswahlvereinbarung herangezogen werden. Die Schaffung von Aufrechnungslagen zu Sicherungszwecken findet gleichfalls bei rein nationalen Sachverhalten statt. Dementsprechend ist es nicht Aufgabe des internationalen Insolvenzrechts hier gegenzusteuern. Vielmehr wird aus dem Normzweck von Art. 6 EuInsVO und § 338 InsO sowie aus der systematischen Stellung der Vorschriften deutlich, dass der Gesetzgeber aufrechenbare Forderungen als legitimes Sicherungsmittel ansieht.248 Eine Abwägung der Interessen des aufrechnungswilligen Gläubigers mit den Interessen der übrigen Insolvenzgläubiger unter Berücksichtigung der dem Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und dem § 338 InsO zugrunde liegenden Wertung lässt eine teleologische Reduktion aber dann zu, wenn die Rechtswahl in erster Linie von der 246 BGH, ZIP 2003, 856; 1996, 1516; NJW 1997, 1063 (1065); MünchKomm z. InsO / Kirchhof, § 129 Rn. 112 f.; HeidelKomm z. InsO / Kreft, § 129 Rn. 39. 247 Vgl. zur teleologischen Reduktion bei Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO: 3. Teil § 8 III. 4., S. 190 f. 248 Haubold, in: Gebauer / Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 30 Rn. 124; Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 313.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
Absicht getragen wird, die anderen Insolvenzgläubiger zu schädigen. In der Praxis wird eine solche Absicht noch deutlich seltener zu bejahen sein als bei Anfechtungsfällen. Das erklärt sich damit, dass es dem Gläubiger bei der Vereinbarung eines aufrechnungsfreundlichen Hauptforderungsstatuts regelmäßig auch ganz entscheidend um seine eigene Befriedigung geht. Die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen ist aber vor dem Hintergrund der dem Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und dem § 338 InsO zugrunde liegenden Wertung zu billigen. Mithin eröffnen die beiden Vorschriften für findige Gläubiger umfangreiche Möglichkeiten für ein forum shopping. 4. Einsatz von Sekundärverfahren zur Ermöglichung einer Forderungsaufrechnung Neben der Möglichkeit der Rechtswahl im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens kann sich ein Gläubiger den Einsatz von Sekundärverfahren zu Nutze machen, um insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverboten zu entgehen. Stehen sowohl das Hauptverfahrensstatut als auch das Hauptforderungsstatut der Aufrechnung entgegen, bietet es sich für ihn an, die Eröffnung eines Sekundärverfahrens zu beantragen. Auf diese Weise kann er eine lex fori concursus secundariae zur Anwendung bringen, die der Aufrechnung nicht entgegensteht. Unerheblich ist dabei, welchem Recht die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner (Gegenforderung) unterfällt. Ein Gläubiger kann seine Forderungen nach seiner Wahl in jedem Verfahren anmelden (Art. 32 Abs. 1 EuInsVO und § 341 Abs. 1 InsO).249 Dementsprechend können auch für die Aufrechnung mit den Forderungen keine Restriktionen gelten. Anders sieht es dagegen für die Forderung des Schuldners gegen den Gläubiger (Hauptforderung) aus. Der Gläubiger bringt die Forderung durch seine Aufrechnung masseschmälernd zum Erlöschen. Dementsprechend bemisst sich die Aufrechnung nur dann nach der lex fori concursus secundariae, wenn die Hauptforderung in die Masse des Sekundärverfahrens fällt.250 Mithin macht der Antrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens in aufrechnungsrechtlicher Hinsicht nur dann Sinn, wenn die Hauptforderung zur Masse des Sekundärverfahrens gehört, die Aufrechnung nach der lex fori concursus secundariae zulässig und noch nicht bereits nach dem Hauptverfahrens- oder Hauptforderungsstatut möglich ist. Dem Gläubiger kann bei einem entsprechenden Eröffnungsantrag das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden. Zwar will der Gläubiger nicht in erster Linie seine Forderung im Sekundärverfahren anmelden. Dennoch verfolgt er mit dem Antrag die Befriedigung seiner Forderung gemäß den einschlägigen nationalen insolvenzrechtlichen Aufrechnungsvorschriften. Mithin handelt er nicht zu insolvenzfremden Zwecken.251 249 250
Vgl. insbesondere zu Mehrfachanmeldungen 2. Teil § 6 II. 1. d), S. 147 f. Zur Belegenheit von Forderungen siehe 3. Teil § 9 II. 2. c), S. 207.
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Gläubiger, denen die Aufrechnung aufgrund entgegenstehender allgemein-materiellrechtlicher Bestimmungen nicht möglich ist, können eine Aufrechnung dagegen nicht mittels eines Antrags auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens ermöglichen. Die allgemein-materiellrechtlichen Voraussetzungen der Aufrechnung richten sich nämlich unabhängig vom Verfahrensstatut immer nach dem Hauptforderungsstatut.252 Dementsprechend ist es auch nicht möglich, durch gezielte Insolvenzantragstellung einen Statutenwechsel auszulösen, der unabhängig von den Bestimmungen des Hauptforderungsstatuts zu einer Aufrechenbarkeit der Forderungen führt. 5. Gestaltungsmöglichkeiten für die durch eine Aufrechnung benachteiligten Insolvenzgläubiger Diejenigen Insolvenzgläubiger, zu deren Lasten andere Gläubiger masseschmälernd aufrechnen können, haben de facto keine Chance, sich gegen die Aufrechnung zu wehren. Zwar können auch sie ein Sekundärverfahren beantragen und so eine lex fori concursus secundariae zur Anwendung bringen, die die Aufrechnung nicht zulässt. Ein solches Vorgehen könnte jedoch allenfalls dann sinnvoll sein, wenn lediglich die lex fori concursus die Aufrechnung im Hauptverfahren zulässt und das Hauptforderungsstatut einer Aufrechnung entgegensteht. Andernfalls könnte sich der aufrechnende Gläubiger auch im Sekundärverfahren auf die privilegierende Wirkung des Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und des § 338 InsO berufen. Ein solcher Antrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens setzt zunächst voraus, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen (insbesondere das Niederlassungserfordernis) erfüllt sind. Des Weiteren muss die Forderung des Schuldners gegen den Gläubiger (Hauptforderung) in die Masse des Sekundärverfahrens fallen. Andernfalls wäre die lex fori concursus secundariae nicht auf den Aufrechnungssachverhalt anwendbar. Auf all diese Voraussetzungen haben die Insolvenzgläubiger, deren Befriedigungschancen sich durch eine Aufrechnung schmälern würden, selbst keinen Einfluss. Das Vorliegen der Bedingungen stellt sich für sie vielmehr als zufällig gegeben dar. Selbst bei Vorliegen der aufgezeigten Voraussetzungen kann die Verhinderung der Aufrechnung durch Einleitung eines Sekundärverfahrens jedoch konterkariert werden. Der zur Aufrechnung berechtigte Gläubiger kann die Aufrechnung nämlich noch vor Eröffnung des Sekundärverfahrens unter Geltung der Regeln des Hauptverfahrens erklären. Lediglich bei einem Hauptverfahren in den USA ist denkbar, dass der Bankruptcy Court seine Entscheidung über die Zulassung der Aufrechnung solange hinauszögert, bis das Sekundärverfahren eröffnet ist.253 251 Vgl. zum Rechtsschutzbedürfnis bei Anträgen auf Eröffnung von Sekundärverfahren 2. Teil § 6 I. 2. d), S. 122. 252 Siehe 3. Teil § 9 II. 1., S. 201 ff. 253 Vgl. zur Aufhebung des automatic stay durch Entscheidung des Bankruptcy Court 3. Teil § 9 I. 4., S. 198.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
IV. Zusammenfassende Würdigung Der Aufrechnung kommt für die Gläubiger, die selbst auch gegenüber dem Schuldner verpflichtet sind, eine Garantie- oder Sicherungsfunktion zu. Diese Garantiefunktion wird von Erwägungsgrund 26 S. 2 zur EuInsVO ausdrücklich anerkannt. Dem wird in Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und § 338 InsO durch eine Meistbegünstigungsregelung bei internationalen Sachverhalten Rechnung getragen.254 Danach können Gläubiger aufrechnen, wenn entweder die lex fori concursus oder aber das Hauptforderungsstatut die Aufrechnung in insolvenzrechtlicher Hinsicht zulässt und die Aufrechnungsvoraussetzungen des allgemeinen materiellen Rechts, welches sich nach dem Hauptforderungsstatut bemisst, erfüllt sind. Die Regelung zugunsten des aufrechnungsfreundlicheren Insolvenzstatuts ist in der Literatur auf ein geteiltes Echo gestoßen. Sofern den Verfassern an einer Stärkung des Masseschutzes gelegen ist, lehnen sie die Regelung ab.255 Wird dagegen der Sicherungscharakter betont, findet die rechtliche Ausgestaltung des internationalen Aufrechnungsrechts Zustimmung.256 Beide Standpunkte rekurrieren auf allgemein rechtspolitische Erwägungen. Sie lassen außer Acht, dass bei den internationalen Aufrechnungsregeln ebenso wie bei den Anfechtungsregeln der falsche Ansatzpunkt für den Schutz der Gläubiger gewählt wurde. Auch bezüglich der Aufrechnungsbefugnis soll nach Vorstellung der Gesetzgeber und der Literatur ein Schutz des Vertrauens in die Insolvenzregeln des Hauptforderungsstatuts erforderlich sein.257 Ein solches Vertrauen kann unter Zugrundelegung der allgemeinen insolvenzkollisionsrechtlichen Regelungen jedoch nicht entstehen. Danach hat sich der Gläubiger schon bei Begründung des Schuldverhältnisses auf die lex fori concursus einzustellen.258 Ein entsprechendes Vertrauen in die Aufrechnungsbefugnis nach den Regeln des Hauptforderungsstatuts kann sich daher erst zirkelschlussartig auf der „vertrauensschützenden“ Wirkung von Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und § 338 InsO selbst gründen. Vor diesem Hintergrund tragen die beiden Vorschriften nicht zu einem angemessenen Ausgleich im vermeintlichen Spannungsverhältnis zwischen Gläubigergleichbehandlung auf der einen Seite und gerechtfertigtem Vertrauen der Gläubiger in ihre Aufrechnungsbefugnis auf der anderen Seite bei. Sie führen vielmehr zu einer ungerechtfertigten Privilegierung der aufrechnungsberechtigten Gläubiger, die sich anders als die anderen Gläubiger ihres Ranges durch die Aufrechnung schadlos halten können. Die Vorschriften führen aber nicht nur zu einer Durchbre254 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 6 Rn. 12, 14. 255 Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 36; Kemper, ZIP 2001, 1609 (1617); von Wilmowsky, KTS 1998, 343 (363 f.). 256 Flessner, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 219 (223); Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 313; Taupitz, ZZP 1998, 315 (343). 257 Bork, ZIP 2002, 690 (695); Liersch, in: Braun, InsO, § 338 Rn. 5; in diesem Sinne ist auch Erwägungsgrund 26 S. 2 zur EuInsVO zu verstehen. 258 Vgl. bereits zum Anfechtungsrecht 3. Teil § 8 IV., S. 194 f.
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chung des (rangbezogenen) Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung. Sie bewirken auch eine Verschiebung der Befriedigungshierarchie 259 über Gläubigergruppen hinweg. Es haben nämlich sogar vorrangig zu befriedigende Massegläubiger das Nachsehen, wenn einfache oder nachrangige Insolvenzgläubiger aufgrund der privilegierenden Wirkung von Art. 6 Abs. 1 EuInsVO oder § 338 InsO aufrechnen können und die Masse nicht mehr zur Befriedigung aller Masseforderungen ausreicht. Gleichzeitig schaffen die Vorschriften Gestaltungsraum für Schuldner und Gläubiger, die privilegierende Wirkung noch durch geschickte Rechtswahl für sich zu optimieren. Dabei wird auch der Schuldner in der Praxis nicht abgeneigt sein, an einer sicherungstechnisch optimalen Rechtswahl in Bezug auf seine Forderungen gegen den Gläubiger mitzuwirken. Das ist damit zu erklären, dass er auf diese Weise eine Sicherung der Gläubigerforderung ohne eine weitere Belastung seines Vermögens gewähren kann. Vor diesem Hintergrund ist die Aussage von Liersch, dass bei den Gestaltungsmöglichkeiten zur Erhaltung der Aufrechnungsbefugnis im Gegensatz zu den Möglichkeiten zur Verhinderung der Insolvenzanfechtung nur wenig Spielraum bestehe, nicht nachzuvollziehen.260 Art. 6 Abs. 1 EuInsVO und § 338 InsO eröffnen umfangreiche Chancen für ein forum shopping einzelner Gläubiger zulasten der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger und der Massegläubiger. Dieser Gestaltungsspielraum kann in der Praxis mittels einer teleologischen Reduktion nur in seltenen Ausnahmefällen eingeschränkt werden. Besonders günstig für den aufrechnenden Gläubiger wirkt sich der Umstand aus, dass weder Art. 6 Abs. 1 EuInsVO noch § 338 InsO (im Gegensatz zu Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO) eine Beweislastumkehr zulasten des durch die Vorschriften privilegierten Gläubigers vorsieht. Dementsprechend hat der Insolvenzverwalter gegebenenfalls die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des Aufrechnungsverbots eines möglicherweise exotischen Insolvenzstatuts zu beweisen. Zweifel hinsichtlich der Erfüllung der Voraussetzungen gehen zulasten derjenigen Gläubiger, die sich nicht durch Aufrechnung schadlos halten können.
§ 10 Behandlung dinglicher Rechte in der Insolvenz Die Behandlung dinglicher Rechte in der Insolvenz mit grenzüberschreitenden Bezügen bringt besondere Probleme mit sich. Nicht nur die nationalen Insolvenzstatuten sind insofern sehr unterschiedlich ausgestaltet. Auch das Sachenrecht der Nationalstaaten weist erhebliche Divergenzen auf.261 Zwar könnte das internatioVgl. 1. Teil § 2 III., insb. S. 49, 50. Liersch, in: Braun, InsO, § 338 Rn. 9. 261 Zu den nur wenig erfolgreichen Bemühungen, das Sachenrecht auf universaler oder europäischer Ebene zu vereinheitlichen, vgl. Siehr, Internationales Privatrecht, S. 269; Stoll, in: Staudinger, BGB, IntSachenR Rn. 104 ff. 259 260
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
nale Insolvenzrecht die Unterschiede in den Insolvenzstatuten noch durch einheitliche Regelungen überwinden oder die lex fori concursus für anwendbar erklären. Die sachenrechtlichen Regelungen lassen sich jedoch nicht ohne weiteres vereinheitlichen, so dass die insolvenzrechtlichen Regelungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten regelmäßig nicht zu den sachenrechtlichen Bestimmungen der Nationalstaaten passen.
I. Rechtsvergleichender Überblick Ein umfassender rechtsvergleichender Überblick erfordert eine Darstellung der nationalen sachenrechtlichen Regelungen sowie der nationalen insolvenzrechtlichen Bestimmungen zur Behandlung der dinglichen Sicherheiten in der Insolvenz. Da das internationale Insolvenzrecht die dinglichen Sicherungsrechte jedoch im Ergebnis den Wirkungen nationaler Insolvenzstatuten entzieht, soll hier auf eine umfassende Darstellung verzichtet werden. Hinzuweisen ist aber auf einige nationale Besonderheiten, die im Zusammenhang mit den internationalrechtlichen Vorschriften für die Gläubiger relevant werden. Das deutsche Insolvenzrecht unterscheidet bei der Verwertung dinglicher Sicherheiten zwischen Aussonderung (§ 47 InsO) und Absonderung (§§ 49 ff. InsO). Ein aussonderungsberechtigter Gläubiger macht die Nichtzugehörigkeit eines vom Insolvenzverwalter für die Masse in Anspruch genommenen Gegenstands geltend.262 Er hat seine Ansprüche daher gemäß § 47 InsO nach den Vorschriften durchzusetzen, die auch außerhalb der Insolvenz greifen. Der absonderungsberechtigte Gläubiger strebt dagegen eine bevorzugte Befriedigung aus einem Massegegenstand an.263 Die Absonderung an unbeweglichen Gegenständen erfolgt gemäß § 49 InsO nach den Regeln des ZVG. Die Absonderung an beweglichen Gegenständen vollzieht sich gemäß § 50 Abs. 1 InsO nach §§ 166 – 173 InsO. Die absonderungsberechtigten Gläubiger haben gemäß §§ 170 f. InsO einen Kostenbeitrag zu leisten. Der wichtigste Fall eines Aussonderungsrechts ist das Eigentum des Eigentumsvorbehaltsverkäufers an der Kaufsache. Nach deutschem Recht werden auch sog. erweiterte und verlängerte Eigentumsvorbehalte anerkannt. Jedoch steht dem Verkäufer an der im Voraus abgetretenen Forderung im Falle eines verlängerten Eigentumsvorbehalts gemäß § 51 Nr. 1 2. Fall InsO lediglich ein Absonderungsrecht zu. Auch bei einem erweiterten Eigentumsvorbehalt hat der Verkäufer nach Befriedigung der ursprünglichen Kaufpreisforderungen nur noch ein Absonderungsrecht an dem verkauften Gegenstand (§ 51 Nr. 1 1. Fall InsO).264 In der Insolvenz des 262 Keller, Insolvenzrecht, Rn. 382; Obermüller / Hess, InsO, Rn. 304; Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 40 Rn. 2; Andres, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 47 Rn. 1. 263 Siehe oben 1. Teil § 2 II. 4., S. 43. 264 Siehe oben 1. Teil § 2 II. 4., S. 44.
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Verkäufers, der seine Ware unter Eigentumsvorbehalt verkauft hat, hat der Insolvenzverwalter gemäß § 107 InsO kein Wahlrecht über die Erfüllung des Vertrags gegenüber dem Käufer. Das Anwartschaftsrecht des Eigentumsvorbehaltskäufers ist damit „insolvenzfest“. Gleiches gilt gemäß § 106 InsO für einen durch Vormerkung gesicherten Anspruch eines Gläubigers gegen den Gemeinschuldner. Das englische Kreditsicherungsrecht differenziert zwischen fixed charge und floating charge. Die fixed charge ist im Gegensatz zur floating charge eine Sicherheit an bestimmten Gegenständen. Sie erfasst insbesondere den Grundbesitz des Schuldners.265 Die floating charge ist eine Besonderheit des Rechts des Vereinigten Königreichs (und Irlands).266 Sie kann an dem gesamten gegenwärtigen und zukünftigen Vermögen des Schuldners in seinem wechselnden Bestand eingeräumt werden.267 Sie kann aber auch auf einen bestimmten Teil des Vermögens, beispielsweise auf die zukünftigen Gewinne, die gesamten Lagerbestände oder das gegenwärtige Vermögen beschränkt werden.268 Insofern genießen die Beteiligten bei der Ausgestaltung ihrer Sicherungsabrede die größtmögliche Freiheit. Einer solchen Freiheit steht im deutschen Recht der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz entgegen. Die floating charge ist ein Sicherungsinstrument des Unternehmensinsolvenzrechts. Die Bestellung kann nur durch sog. incorporated companies erfolgen. Natürliche Personen und Personengesellschaften können ihre Verbindlichkeiten nicht mittels einer floating charge absichern.269 Das Recht über die von der floating charge erfassten Gegenstände zu verfügen bleibt bis zum Sicherungsfall bei der Gesellschaft. Die Vertragsparteien können frei bestimmen, wann der Sicherungsfall, die sog. crystallisation, eintritt, wie die Realisierung der floating charge erfolgt und welche Rechte und Pflichten die Beteiligten vor und nach Eintritt des Sicherungsfalls haben sollen.270 Voraussetzung für die Bestellung einer floating charge ist das Bestehen einer Forderung des Sicherungsnehmers. Geht die Forderung unter, so erlischt auch die floating charge.271 Die floating charge ist im HanMezzetti, in: Jahn / Sahm, Insolvenzen in Europa, S. 98. Moss / Fletcher / Isaacs, The EC regulation on insolvency proceedings, Rn. 4.19; Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 31.036. 267 Tolmie, Introduction to corporate and personal insolvency law, S. 325; Stevens, in: Mc Bryde / Flessner / Kortmann, Principles of European Insolvency Law, S. 217; Bailey / Groves / Smith, Corporate insolvency, Rn. 5.18.; Schulz-Trieglaff, Grundschuld und flaoting charge zur Absicherung von Unternehmenskrediten, S. 33 ff. 268 Vgl. Calnan, in: Bridge / Stevens, Cross-Border Security and Insolvency, S. 23; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 5 EuInsVO Rn. 17. 269 Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 5 EuInsVO Rn. 16. 270 Stevens, in: Mc Bryde / Flessner / Kortmann, Principles of European Insolvency Law, S. 217; Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 24.015; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 5 EuInsVO Rn. 17. 271 Bridge / Stevens, Cross-Border Security and Insolvency, S. 23. 265 266
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
delsregister einzutragen.272 Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kann sich der Sicherungsnehmer nicht mehr außerhalb des Verfahrens aus seiner Sicherheit befriedigen. Die Einräumung einer fixed und einer floating charge wirkt sich für die Sicherungsnehmer stattdessen positiv auf die Rangordnung bei der Verteilung der Verwertungserlöse aus. Die Sicherungsnehmer mit einer fixed charge werden vor den Gläubigern mit einer floating charge befriedigt.273 Zugunsten der einfachen, ungesicherten Gläubiger werden nach englischem Recht sog. funds gebildet, aus denen diese Gläubiger zumindest teilweise befriedigt werden, auch wenn die Inhaber einer floating charge noch nicht vollständig befriedigt worden sind.274 Dieser Unterschied im Verteilungsverfahren ist ein weiterer wesentlicher Unterschied zum Kreditsicherungsrecht in Deutschland. Die durch eine floating charge gesicherten Gläubiger stehen aufgrund der funds schlechter als Gläubiger mit dinglicher Sicherheit nach deutschem Insolvenzrecht. Gleichzeitig werden die einfachen Insolvenzgläubiger durch das Bestehen dinglicher Sicherheiten aufgrund der funds nicht in dem Umfang beeinträchtigt, wie nach deutschem Recht. Dem französischen Recht ist wegen des Gutglaubensschutzes „la possession vaut titre“ das Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz grundsätzlich unbekannt. Im Regelfall geht daher mit Abschluss des Kaufvertrags das Eigentum an der Kaufsache auf den Käufer über. Erst seit 1980 kann auch nach französischem Recht ein Eigentumsvorbehalt vereinbart werden.275 Um einen Streit über die Wirksamkeit des Eigentumsvorbehalts zu vermeiden ist es möglich, eine Registrierung der Eigentumsvorbehaltsklausel vornehmen zu lassen. Auch der verlängerte Eigentumsvorbehalt ist vom französischen Recht mittlerweile anerkannt. Der Eigentumsvorbehalt kann in der Insolvenz des Käufers allerdings nur dann geltend gemacht werden, wenn die Kaufsache noch unverändert im Vermögen des Käufers vorhanden ist.276 Der Verkäufer kann die Sache dann unabhängig vom Verbot der Einzelrechtsverfolgung herausverlangen. Im Fall der Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts ist die Kaufsache aber nach deren Weiterveräußerung nicht mehr unverändert im Vermögen des Vorbehaltskäufers vorhanden.277 Gleiches gilt bei einer Verarbeitung der unter Eigentumsvorbehalt verkauften Sache. Der verlängerte Eigentumsvorbehalt erlischt daher mit Eröffnung des Insolvenz272 Tolmie, Introduction to corporate and personal insolvency law, S. 326; Calnan, in: Bridge / Stevens, Cross-Border Security and Insolvency, S. 23; MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Schlegel / Taylor, England und Wales Rn. 12. 273 Mokal, Corporate Insolvency Law, S. 188 f.; MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Schlegel / Taylor, England und Wales Rn. 11, 21; Mezzetti, in: Jahn / Sahm, Insolvenzen in Europa, S. 97; Bailey / Groves / Smith, Corporate insolvency, Rn. 5.16. 274 Vgl. 1. Teil § 3 III., S. 57. 275 Weber, in: Jahn / Sahm, Insolvenzen in Europa, S. 180; Lehr, RIW 2000, 747 (750). 276 MünchKomm z. InsO, Bd. 3 / Augustin, Frankreich Rn. 15; Dammann, ZIP 1996, 300 (304); Weber, in: Jahn / Sahm, Insolvenzen in Europa, S. 180. 277 Auch das englische Recht setzt voraus, dass die Sache separat gelagert wird und nicht mit anderen vermengt oder vermischt wird, Lehr, RIW 2000, 747 (749).
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verfahrens.278 Verarbeitungsklauseln und erweiterte Eigentumsvorbehalte werden vom französischen Recht selbst außerhalb der Insolvenz nicht anerkannt. Der Verkäufer, der eine Sache unter Vereinbarung eines einfachen Eigentumsvorbehalts verkauft hat, ist unter der Voraussetzung, dass die Sache noch unverändert im Vermögen des Käufers vorhanden ist, aufgrund des Herausgabeanspruchs damit nach französischem Recht genauso gestellt wie nach deutschem Recht. Dagegen ist ein Verkäufer, der einen verlängerten oder erweiterten Eigentumsvorbehalt (gegebenenfalls noch mit einer Verarbeitungsklausel) vereinbart, nach deutschem Recht besser gestellt als nach französischem Recht. Eine weitere Besonderheit des französischen Insolvenzrechts ist, dass die Forderungen der Arbeitnehmer aufgrund des sog. Superprivilegs im Verteilungsverfahren sogar noch vor den Forderungen der dinglich gesicherten Gläubiger befriedigt werden.279 In den USA unterliegen auch die Gegenstände, die mit einem Sicherungsrecht belastet sind, dem automatic stay.280 Die gesicherten Gläubiger dürfen daher ab Verfahrenseröffnung nicht mehr in den Sicherungsgegenstand vollstrecken. Zugunsten der gesicherten Gläubiger kann das Gericht jedoch bestimmte Maßnahmen anordnen, die vor einem Verfall der Sicherheit während der Dauer der Aussetzung der Verwertungsmöglichkeit schützen.281 Zu diesen Maßnahmen gehört die Anordnung von Zahlungen in Höhe des monatlichen Wertverlustes oder die Verpflichtung zur Einräumung von Sicherheiten an anderen Vermögensgegenständen.282 Auf Antrag des gesicherten Gläubigers kann das Gericht den automatic stay aber auch befristen, bedingen, modifizieren oder ganz aufheben.283 Das setzt jedoch voraus, dass die soeben angesprochenen Sicherungsmaßnahmen nicht ausreichen, um den zu erwartenden Wertverlust auszugleichen. Des Weiteren kann die Befristung, Bedingung oder Aufhebung dann gefordert werden, wenn nach Abzug der gesicherten Forderung kein Wert mehr für die Insolvenzmasse verbleibt und der Gegenstand, an dem die Sicherheit besteht, für eine Sanierung nicht notwendig ist.284 Die Beweislast für die Erfüllung der Befreiungstatbestände trägt der Gläubiger, der den relief from stay beantragt.285 Eine Besonderheit des US-amerikanischen Insolvenzrechts, die wiederum die schwache Position der Gläubiger unterstreicht, ist die Ermächtigung des Schuldners, einen gesicherten Gläubiger unter bestimmten Umständen seiner wirksam beWeber, in: Jahn / Sahm, Insolvenzen in Europa, S. 181; Lehr, RIW 2000, 747 (750). Vgl. 1.Teil § 3 II., S. 54. 280 § 362 (a) BC. 281 § 361 BC (lack of adequate protection), vgl. dazu Elsing / Van Alstine, US-amerikanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 472; Meyer-Löwy / Poertzgen / Eckhoff, ZInsO 2005, 735 (737); zur einschlägigen Rechtsprechung vgl. Kraus, RIW 1983, 553 (554). 282 § 361 (1) BC und § 361 (2) BC. 283 § 362 (d) BC (relief from stay), vgl. dazu Elsing / Van Alstine, US-amerikanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 473; Kraus, RIW 1983, 553 (554). 284 § 362 (d) (1) bzw. (2) BC. 285 § 362 (g) BC. 278 279
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stellten Sicherungsrechte zu entheben und ihn damit auf die Stufe der ungesicherten Gläubiger zu stellen.286 Voraussetzung ist zunächst, dass die Sicherheit an einem Gegenstand bestellt wurde, der nach Bundesrecht oder einzelstaatlichem Recht einer exemption unterfällt.287 Des Weiteren muss die Sicherheit entweder im Wege der Zwangsvollstreckung erwirkt oder aber an bestimmten Gegenständen (insbesondere des täglichen Bedarfs) eingeräumt worden sein.288 Die Entsicherung ist bei den tatbestandlich aufgezählten Gegenständen nur bei besitzlosen Sicherheiten möglich, die nicht zugunsten des Verkäufers an dem Kaufgegenstand bestellt worden sind.289 Folglich kann insbesondere ein Eigentumsvorbehaltsverkäufer nicht seiner Sicherheit enthoben werden.
II. Auswirkungen von EuInsVO und deutschem internationalen Insolvenzrecht Die Vorschriften des internationalen Insolvenzrechts stehen vor der schwierigen Aufgabe, trotz der erheblichen sachenrechtlichen und insolvenzrechtlichen Unterschiede in den nationalen Rechtsordnungen, einen billigen ausgleich der Interessen der Beteiligten zu schaffen. Die Regelungen sind deshalb von besonderer Brisanz, weil die Besicherung von Vermögenstransaktionen in einer Volkswirtschaft die Überlassung von Vermögen zu annehmbaren Konditionen erst möglich macht.290 Mithin ist gesteigerter Wert darauf zu legen, dass der Rechtsverkehr in seinem Vertrauen auf die Werthaltigkeit der Sicherung nicht enttäuscht wird. Aus diesem Grunde wurden auf europäischer Ebene Art. 5 EuInsVO und Art. 7 Abs. 1 EuInsVO erlassen, während sich das deutsche internationale Insolvenzrecht mit einer einheitlichen Regelung in § 351 Abs. 1 InsO begnügt.291 Eine Sonderregelung trifft § 522 (f) BC. § 522 (f) (1) BC. 288 Vgl. § 522 (f) (1) (A) bzw. (B) BC. Zu den tatbestandlich aufgeführten Gegenständen gehören beispielsweise Möbel, Haushaltsgegenstände, Bücher, Tiere, Musikinstrumente, Schmuckstücke und Werkzeuge. Nach § 522 (f) (1) (A) (i) BC ist auch die Enthebung aus Sicherheiten, die für bestimmte familienrechtliche Forderungen bestellt worden sind, möglich, da diese Forderungen nach US-amerikanischem Insolvenzrecht ohnehin privilegiert zu befriedigen sind. 289 § 522 (f) (1) (B) BC. Mit dieser Regelung sollen Schuldner unterer Sozialschichten vor wahlloser Vergabe von Krediten gegen Sicherheiten an dringend benötigten Gegenständen geschützt werden, Kraus, RIW 1983, 553 (555 f.). 290 In diesem Sinne auch Erwägungsgrund 25 S. 1 zur EuInsVO; Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 31.035. Vgl. zur role of credit in society in Tolmie, Introduction to Corporate and Personal Insolvency Law, S. 8 ff. („The credit as the lifeblood of the modern industrialised economy“). 291 Die EuInsVO enthält mit Art. 7 EuInsVO eine spezielle Vorschrift für Eigentumsvorbehalte, weil die Verfasser des EuInsÜ bzw. der EuInsVO den Eigentumsvorbehalt nicht als dingliches Recht ansahen, sondern als Annex zum Kaufvertrag, Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 7 Abs. 1; Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 35. 286 287
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das europäische internationale Insolvenzrecht für das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers in Art. 7 Abs. 2 EuInsVO. 1. Dingliche Sicherungsrechte Zunächst sollen die Regelungen in Art. 5 EuInsVO, Art. 7 Abs. 1 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO vorgestellt werden. Auf die rechtliche Behandlung der Insolvenz des Vorbehaltsverkäufers nach Art. 7 Abs. 2 EuInsVO wird erst unter 2. eingegangen. a) Rechtsfolge Gemäß Art. 5 Abs. 1 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO werden die einschlägigen dinglichen Rechte eines Dritten oder eines Gläubigers von der Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens „nicht berührt“. Nach Art. 7 Abs. 1 EuInsVO lässt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Käufer die Rechte des Verkäufers „unberührt“. Inhaltliche Unterschiede hinsichtlich der Rechtsfolge sind mit den divergierenden Formulierungen nicht verbunden.292 Einigkeit besteht darüber, dass die Vorschriften nicht anordnen, dass Gegenstände, an denen entsprechende Rechte bestehen, nicht zur Insolvenzmasse gehören.293 Das Verfahrensstatut bestimmt gemäß den allgemeinen Regeln darüber, welche Gegenstände zur Masse zu zählen sind und welche nicht. Bei universalen Verfahren wird das gesamte Vermögen des Schuldners weltweit erfasst.294 Umstritten ist jedoch, inwiefern der Insolvenzverwalter Zugriff auf die mit entsprechenden Rechten behafteten Gegenstände hat. Umstritten ist damit auch die komplementäre Frage, inwiefern die besicherten Personen trotz Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch von ihrer Sicherheit Gebrauch machen können. In dem Streit, der sich vornehmlich an Art. 5 Abs. 1 EuInsVO entzündet hat, stehen sich zwei Positionen gegenüber. Die zwei Ansichten leiten die von ihnen jeweils befürwortete Rechtsfolge aus einer unterschiedlichen Qualifikation der Rechtsnatur der Regelungen her. Die eine Ansicht sieht in den Vorschriften spezielle Kollisionsregeln, die andere Ansicht dagegen eigenständige sachrechtliche Regelungen.
Auch das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers wird nicht in allen Mitgliedstaaten als dingliches Recht i.S.v. Art. 5 Abs. 1 EuInsVO qualifiziert, Taupitz, ZZP 1998, 315 (343); Flessner, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 219 (223). 292 von Wilmowsky, EWS 1997, 295 (297); vgl. auch Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 35; Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 7 Rn. 8. 293 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (70 Nr. 97); Paulus, EuInsVO, Art. 5 Rn. 20; Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 5 Rn. 20; Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (553); Taupitz, ZZP 1998, 315 (342); Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 351 Rn. 10. 294 Vgl. 2. Teil § 5 I., S. 71.
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aa) Kollisionsrechtlicher Ansatz Nach Ansicht der Vertreter des kollisionsrechtlichen Ansatzes entscheidet nicht das internationale Insolvenzrecht selbst über die Frage der Verwertung dinglicher Rechte in Insolvenzverfahren. Die Verwertung richte sich vielmehr in Abweichung von der lex fori concursus nach dem Recht des Belegenheitsstaats (lex rei sitae).295 Nach Flessner ist dieses Ergebnis dogmatisch wie folgt zu begründen: die EuInsVO unterscheide streng zwischen Kollisionsrecht i.e.S., welches selbst die Anwendbarkeit des Rechts eines bestimmten Staats festlegt (Art. 8 – 15 EuInsVO), und sonstigem Kollisionsrecht, nach welchem lediglich einzelne Vermögenswerte von den Wirkungen eines ausländischen Verfahrens ausgenommen werden (Art. 5 und 7 EuInsVO).296 Nur mit Ersterem wolle die EuInsVO das Kollisionsrecht zwischen den Mitgliedstaaten vereinheitlichen. Dementsprechend bleibe bei Letzterem Raum für die Anwendung des allgemeinen Kollisionsrechts der Mitgliedstaaten.297 Das allgemeine Kollisionsrecht wiederum verweise bei dinglichen Sicherheiten regelmäßig nicht auf eine andere Rechtsordnung, so dass die lex rei sitae über die Einschränkungen des dinglichen Rechts entscheide. Nach den Vertretern des kollisionsrechtlichen Ansatzes muss der gesicherte Gläubiger folglich insolvenzrechtliche Einschränkungen bei der Sicherungsverwertung hinnehmen. Paulus erläutert das prozessuale Verfahren, in dem die Verwertung des besicherten Gegenstandes erfolgen soll. Danach stehe dem Insolvenzverwalter das Verwertungsrecht zu, wobei er verpflichtet sei, dem Gläubiger dasjenige zu belassen bzw. zu geben, was der Gläubiger nach dem Insolvenzrecht des Belegenheitsstaats (d. h. wie wenn ein Insolvenzverfahren in diesem Staat durchgeführt worden wäre) erhalten würde.298 Da die dinglichen Rechte gemäß Art. 5 EuInsVO von der Verfahrenseröffnung nicht berührt werden, könne der Besicherte also die Aussonderungsbzw. Absonderungsrechte, wie sie sich nach der lex rei sitae ergeben, geltend machen. Mobilien soll der Insolvenzverwalter zur Verwertung gemäß Art. 18 Abs. 1 S. 2 EuInsVO in den Verfahrensstaat holen können. Forderungen und Immobilien seien dagegen auf der Grundlage des Art. 18 EuInsVO im Belegenheitsstaat zu verwerten.299
295 Fritz / Bähr, DZWIR 2001, 221 (227 f.); Lehr, KTS 2000, 577 (579 f.); D. Buchberger / R. Buchberger, ZIK 2000, 149 (152); Flessner, FS Drobnig, S. 277 (284); Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 5 Rn. 25; i.E. auch Paulus, EuInsVO, Art. 5 Rn. 23; ders., EWS 2002, 497 (499 f.). Wohl auch Fletcher, Insolvency in Private International Law, Rn. 7.87 f., der von „Sonderanknüpfung“ spricht. Zum deutschen internationalen Insolvenzrecht: Flessner, IPRax 1997, 1 (7). 296 Flessner, FS Drobnig, S. 277 (283). 297 Flessner, FS Drobnig, S. 277 (283). 298 Paulus, EuInsVO, Art. 5 Rn. 25. 299 Paulus, EuInsVO, Art. 5 Rn. 26; ders, EWS 2002, 497 (500).
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bb) Sachrechtlicher Ansatz Die Gegenansicht sieht in den Vorschriften eine eigenständige sachrechtliche Regelung des internationalen Insolvenzrechts.300 Sie versteht unter der Formulierung „nicht berührt“, dass alle Wirkungen des ausländischen Verfahrens auf die entsprechende dingliche Rechtsposition an den betroffenen Gegenständen ausgeschlossen sein sollen.301 Damit richtet sich die Verwertung auch nicht nach der lex rei sitae. Der Sicherungsnehmer kann seine Sicherheit – vorbehaltlich der Durchführung eines Sekundärverfahrens – vielmehr so verwerten, als sei überhaupt kein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die dingliche Rechtsposition eines Gläubigers ist mithin insolvenzimmun. cc) Entscheidung Der Streit ist von erheblicher praktischer Bedeutung. Während ein Gläubiger bei Geltung des kollisionsrechtlichen Ansatzes genau überlegen muss, in welchem Staat er nach der lex rei sitae die geringsten Eingriffe in seine Sicherheit fürchten muss, wird ihm diese Mühe bei Geltung des sachrechtlichen Ansatzes abgenommen. Seine Sicherheit bleibt danach in jedem Fall von den Wirkungen des Hauptverfahrens unbeeinträchtigt. Bei der Frage, welche Ansicht vorzugswürdig ist, führt die Wortlautauslegung nicht zu abschließender Sicherheit. Aus der Formulierung „von der Eröffnung des Verfahrens nicht berührt“ kann nicht zweifelsfrei darauf geschlossen werden, dass die lex rei sitae nicht doch heranzuziehen ist. Ein solches Verständnis liegt im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschriften jedoch weniger nahe als eine Auslegung dahingehend, dass die dinglichen Rechte tatsächlich keinerlei Einschränkung erfahren sollen. Von der Eröffnung des Verfahrens unberührt heißt nämlich gerade nicht „vergleichsweise unberührt“.302 Auch eine rechtsvergleichende Wortlautauslegung führt nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Die englische, französische und spanische Fassung des Art. 5 Abs. 1 EuInsVO verwenden den Begriff „affect(e)“ 300 HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 5 Rn. 6; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 5 Rn. 15, 18; Mäsch, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 5 EG-InsVO Rn. 21; Herchen, ZInsO 2002, 345 (347 f.); Liersch, NZI 2003, 302 (307); von Wilmowsky, EWS 1997, 295 (297); zur InsO: Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 351 Rn. 2. 301 Pannen / Riedemann / Kühnle, NZI 2002, 303 (306); Taupitz, ZZP 1998, 315 (336); von Wilmowsky, EWS 1997, 295 (297); Martini, ZInsO 2002, 905 (910); Wimmer, NJW 2002, 2427 (2429 f.); MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 5 EuInsVO Rn. 1; Moss / Fletcher / Isaacs, The EC regulation on insolvency Proceedings, Rn. 8.86; im Ergebnis auch Huber, ZZP 2001, 133 (157 ff.), vgl. dagegen Fn. 295. Wohl auch Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (552) und Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 33 ff., die offenkundig davon ausgehen, dass eine Verwertung im Insolvenzverfahren nur im Rahmen eines Sekundärverfahrens erfolgen kann. In Bezug auf die InsO: HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 351 Rn. 2; Liersch, in: Braun, InsO, § 351 Rn. 10. 302 Taupitz, ZZP 1998, 315 (336).
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während der italienische Text von „pregiudicare“ spricht.303 Damit sind die Fassungen ähnlich aussageschwach wie die deutschsprachige. Jedenfalls bleibt festzuhalten, dass für eine Heranziehung des Belegenheitsrechts in Bezug auf die Verwertung der Sicherheit eine klarere Aussage des Gesetzestextes leicht möglich gewesen wäre. Die Wirkungsbeschränkung hätte z. B. lediglich auf die „Wirkungen des Hauptverfahrensstatuts“ abstellen können und nicht – wie geschehen – allgemein auf die Eröffnung des Verfahrens überhaupt. Alternativ hätte auch angeordnet werden können, dass für die einschlägigen dinglichen Rechte lediglich das Recht des Belegenheitsstaats gelten soll.304 Kolmann versucht den sachrechtlichen Ansatz mit einer systematischen Auslegung zu stützen. Er weist darauf hin, dass Art. 5 EuInsVO in engem Zusammenhang mit Art. 3 und 4 EuInsVO steht.305 Die beiden Vorschriften legen das anzuwendende Recht aus der Sicht des Eröffnungsstaats fest. Gleichzeitig verkürzt Art. 5 Abs. 1 EuInsVO diese Wirkungen in Bezug auf dingliche Rechte. Wegen dieser Verkürzung aus der Sicht des Eröffnungsstaats könne nicht gewollt sein, dass sich weitergehende Eingriffe aus dem Recht des Belegenheitsstaats ergeben können.306 Kolmann zieht damit eine Art Erst-Recht-Schluss: wenn schon die lex fori concursus nicht eingreift, soll erst recht die lex rei sitae die dinglichen Rechte nicht einschränken. Ein solcher Schluss ist aber keineswegs unangreifbar. So können weitergehende Einschränkungen nach dem Recht des Belegenheitsstaats schon deshalb nicht als zwangsläufig unzulässig verworfen werden, weil diese Folgen auch im Falle der Eröffnung eines Sekundärverfahrens auf den Sicherungsnehmer zukommen. Jedoch sprechen andere systematische Aspekte für die Einordnung als Sachnorm. Wie Flessner zutreffend bemerkt, ordnet das internationale Insolvenzrecht die Geltung anderer Rechtsordnungen als der lex fori concursus in anderen Vorschriften ausdrücklich an.307 Bei diesen Vorschriften handelt es sich um Kollisionsnormen. E contrario spricht bei Art. 5 Abs. 1 EuInsVO, Art. 7 Abs. 1 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO viel dafür, dass es sich um Sachnormen handelt, da sie gerade nicht ausdrücklich auf eine andere Rechtsordnung verweisen. Zu eindeutigen Ergebnissen führt die Heranziehung des Willens des historischen Gesetzgebers. Nach Erwägungsgrund 25 S. 2 zur EuInsVO soll sich die Begründung, Gültigkeit und Tragweite eines dinglichen Rechts nach dem Recht des Belegenheitsstaats richten. Die Verwertung wird damit gerade nicht erwähnt, so dass vermutet werden darf, dass sie auch nicht nach der lex rei sitae erfolgen soll. Diese Einschätzung findet Bestätigung in den Materialien zur EuInsVO. Hier wird ausgeführt, dass eine Verwertung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nur dann erPaulus, EWS 2002, 497 (499). So der Formulierungsvorschlag von Flessner, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 219 (222). 305 Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 308. 306 Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 308. 307 Vgl. 3. Teil § 10 II. 1. a) aa), S. 226 f. 303 304
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folgen soll, wenn ein Sekundärverfahren eröffnet worden ist.308 Eine Verwertung im Hauptverfahren war folglich gerade nicht beabsichtigt. Andere Lösungen, die eine Verwertung im Hauptverfahren vorsahen, sind vor und im Gesetzgebungsverfahren eingehend beraten worden. Sie wurden jedoch schließlich ausdrücklich fallen gelassen.309 Gemäß dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen und einem Wortlaut, der dem sachrechtlichen Ansatz deutlich näher steht als einem kollisionsrechtlichen Verständnis bleibt festzuhalten, dass die Eröffnung eines Hauptverfahrens nicht zu einer Verwertung des besicherten Gegenstandes im Rahmen des Verfahrens führt. Aufgrund der Regeln des internationalen Insolvenzrechts erfolgen damit weder verwertungs- noch verteilungsbezogene Einschränkungen. Die Sicherungsnehmer können ihre Sicherheit daher so verwerten, als ob kein Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre. dd) Sonderfall: Sanierungspläne und ähnliche Maßnahmen Die Wirkungsbeschränkung in Art. 5 Abs. 1 EuInsVO, Art. 7 Abs. 1 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO greift nicht für rechtliche Wirkungen, die sich aus einem Sanierungsplan, einem Vergleich, Ausgleich, Zwangsausgleich oder ähnlichen Maßnahmen ergeben.310 Die Vorschriften sehen lediglich eine Immunisierung gegen die Wirkungen der Insolvenzverfahrenseröffnung vor. Die Wirkungen eines Sanierungsplans sowie vergleichbarer Maßnahmen gehören dagegen zur Verfahrensbeendigung.311 Für die EuInsVO ergibt sich das aus Art. 34 EuInsVO. Es handelt sich bei diesen Maßnahmen um gläubigerautonome Ausgestaltungen der Rechtswirkungen. Daher kann ein gesicherter Gläubiger unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht erwarten, dass sein dingliches Recht keinerlei unmittelbare Beschränkung erfährt. Aber auch darauf, dass keine mittelbaren Nachteile bei akzessorischen Sicherungsrechten auftreten, die aus Forderungskürzungen im Rahmen einer Sanierungsmaßnahme resultieren, kann der gesicherte Gläubiger nicht vertrauen.312 Die Beschränkungen aus der Sanierungsmaßnahme können schließVirgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (71 Nr. 98). Taupitz, ZZP 1998, 315 (336); Sonderkommission „Internationales Insolvenzrecht“, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 265 (269 f.); Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (71 Nr. 97). 310 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 5 Rn. 37; BerlinerKomm z. InsO / Pannen, Art. 5 EuInsVO Rn. 6; Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (551); Pannen / Riedemann / Kühnle, NZI 2002, 303 (305); Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 96 ff. 311 Vgl. Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 475; Zimmermann, Insolvenzrecht, S. 119; Gietl, in: Wimmer / Dauerheim / Wagner / Weidekind, Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht, Kap. 12 Rn. 1 ff. 312 Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (551 Fn. 128); Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 108; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 5 Rn. 40; i.E. auch Flessner, FS Drobnig, S. 277 (285). 308 309
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lich noch damit gerechtfertigt werden, dass dem Gläubiger im Sanierungsfall ein mit Vermögen ausgestatteter Schuldner als Haftungssubjekt gegenüber steht. b) Zweck der Regelungen Art. 5 EuInsVO, Art. 7 Abs. 1 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO dienen dem Schutz des inländischen Geschäftsverkehrs.313 Dingliche Sicherheiten werden gerade im Hinblick darauf eingeräumt, dass ein Schuldner nicht in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Gläubiger zu erfüllen. Die Unterschiede in den nationalen Insolvenzstatuten und den nationalen Sachenrechtsvorschriften führen dazu, dass Sicherungsrechte, die in einem Staat eingeräumt werden, von den Insolvenzstatuten anderer Staaten unter Umständen nicht privilegierend berücksichtigt werden. Dementsprechend schützen die Vorschriften des internationalen Insolvenzrechts mit ihrer Wirkungsbeschränkung davor, dass Sicherungsrechte im Falle der Insolvenz des Schuldners versagen, obwohl sie gerade im Hinblick auf diesen Fall eingeräumt wurden. Ein weiterer Aspekt, der mit der aktuellen Regelung bezweckt wird, ist die Verfahrensvereinfachung.314 Die Regelungen ersparen es dem Verwalter des Hauptverfahrens, eine Verwertung unter Beachtung verschiedenster ausländischer Insolvenzstatuten selbst vornehmen zu müssen. Soll ein Gegenstand dennoch innerhalb eines Insolvenzverfahrens verwertet werden, so geschieht dies im Rahmen eines Sekundärverfahrens, dessen Verwalter mit der Verwertung nach dem im Verfahrensstaat geltenden Recht vertraut ist. c) Anwendungsbereich von Art. 5 EuInsVO, Art. 7 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO Art. 5 EuInsVO und Art. 7 EuInsVO sind nur auf Sachverhalte innerhalb der EU anwendbar.315 Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschriften, die eine Belegenheit der Gegenstände in „anderen Mitgliedstaaten“ voraussetzen. Findet das Insolvenzverfahren außerhalb der EU oder in Dänemark statt, richtet sich die Behandlung dinglicher Rechte nach dem autonomen internationalen Insolvenzrecht. In Deutschland findet mithin § 351 Abs. 1 InsO Anwendung.316 Darüber 313 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 351 Rn. 1, Art. 5 EuInsVO Rn. 1; Mäsch, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 5 EG-InsVO Rn. 2; Liersch, in: Braun, InsO, § 351 Rn. 1; Kluth, in: Schneider-Maessen, Credit management in European context, S. 185 (187); Moss / Fletcher / Isaacs, The EC regulation on insolvency Proceedings, Rn. 8.84; Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (70 Nr. 97, S. 74 Nr. 112). 314 HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 351 Rn. 5; vgl. auch Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (70 Nr. 97). 315 Zur Ausnahme Dänemarks vgl. 2. Teil § 4 I. 2., S. 65. 316 Dabei sei darauf hingewiesen, dass dänische Insolvenzverfahren lediglich mit territorialem Geltungsanspruch auftreten, vgl. 2. Teil § 5 I., S. 72. Folglich entfaltet auch § 351
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hinaus ist § 351 Abs. 1 InsO auch im Verhältnis zu EU-Mitgliedstaaten anwendbar, soweit es um die Umsetzung des Art. 20 der Richtlinie 2001 / 24 / EG für die Insolvenz von Kreditinstituten und des Art. 21 der Richtlinie 2001 / 17 / EG für die Insolvenz von Versicherungsunternehmen geht. Die Insolvenzverfahren über das Vermögen dieser Wirtschaftsunternehmen sind gemäß Art. 1 Abs. 2 EuInsVO von der Anwendbarkeit der Verordnung ausgeschlossen. Keine Anwendung finden die Vorschriften in Partikularverfahren. Isolierte Partikularverfahren und Sekundärverfahren treten lediglich mit territorialem Geltungsanspruch auf. Mithin ist eine Wirkungserstreckung dieser Verfahren auf Rechte an Gegenständen, die in einem anderen Staat als dem Eröffnungsstaat belegen sind, schon aus diesem Grund ausgeschlossen. Art. 5 EuInsVO, Art. 7 Abs. 1 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO entfalten ihre Wirkungen folglich nur bei Hauptverfahrenseröffnungen.317
d) Voraussetzungen Die Voraussetzungen der Vorschriften ergeben sich nur zum Teil aus dem Gesetz. Zu den ausdrücklich geregelten Voraussetzungen gehören das Bestehen eines dinglichen Rechts und die Auslandsbelegenheit im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Entstehung des Rechts ist durch Auslegung zu ermitteln. aa) Maßgebliche dingliche Rechte Art. 5 Abs. 1 EuInsVO, Art. 7 Abs. 1 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO setzen das Bestehen bestimmter dinglicher Rechte voraus. Welche dinglichen Rechte jeweils unter die verschiedenen Tatbestände fallen, ist für jede der Vorschriften gesondert zu bestimmen. Art. 5 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO setzen übereinstimmend voraus, dass das Recht an einem Gegenstand eingeräumt wurde. Der Begriff Gegenstand umfasst all das, was Objekt von Rechten sein kann.318 Das Recht kann mithin an körperlichen Gegenständen, an Forderungen und an Rechten bestellt worden sein. Art. 7 Abs. 1 EuInsVO setzt dagegen den Verkauf einer Sache voraus. Sachen sind alle beweglichen und unbeweglichen körperlichen Gegenstände.319
Abs. 1 InsO keine abschirmende Wirkung gegenüber den dänischen insolvenzrechtlichen Regelungen zu dinglichen Sicherheiten. 317 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 351 Rn. 2, Art. 5 EuInsVO Rn. 2, Art. 7 EuInsVO Rn. 2. 318 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 351 Rn. 5; Palandt / Heinrichs, vor § 90 Rn. 2; Erman / Michalski, vor § 90 Rn. 2; Hk-BGB / Dörner, § 90 Rn. 1. 319 Für das BGB: Hk-BGB / Dörner, § 90 Rn. 2, 5; Palandt / Heinrichs, § 90 Rn. 1.
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(1) Dingliche Rechte i. S. d. Art. 5 Abs. 1 EuInsVO Was Art. 5 Abs. 1 EuInsVO unter einem dinglichen Recht versteht, wird in der EuInsVO nicht ausdrücklich definiert. Daher muss eine verordnungsautonome Auslegung des Tatbestandsmerkmals erfolgen. Anhaltspunkte für die Auslegung ergeben sich aus dem Erläuternden Bericht zum EuInsÜ sowie aus Art. 5 Abs. 2 EuInsVO, der gewisse dingliche Rechte aufzählt, wobei die beispielhafte Aufzählung keinen abschließenden Charakter hat. Danach können zwei Kriterien für die Bestimmung des Tatbestandsmerkmals herausgearbeitet werden: Das Recht muss erstens direkt und unmittelbar an den Gegenstand, an dem das Sicherungsrecht bestellt worden ist, gebunden sein.320 Zweitens muss das Recht einen absoluten Charakter haben, d. h. gegenüber jedermann wirken. Das ist der Fall, wenn es gegenüber jedermann einklagbar ist und wenn es bei der Veräußerung des Gegenstands sowie bei einer Einzelrechtsverfolgung durch Dritte und bei Gesamtverfahren (insb. als Absonderungs- oder Aussonderungsrecht321) bestehen bleibt.322 Beispielhaft seien hier Pfandrechte, Hypotheken, Sicherungsabtretungen von Forderungen, Sicherungsübereignungen, Eigentumsherausgabeansprüche sowie dingliche Fruchtziehungsansprüche genannt (Art. 5 Abs. 2 EuInsVO).323 Da das Erfordernis des „absoluten Charakters“ des Rechts nicht mit dem Verständnis des Begriffs „absolutes Recht“ im deutschen Recht identisch ist, können unter Art. 5 Abs. 1 EuInsVO auch die ein Absonderungsrecht begründenden Zurückbehaltungsrechte i. S. d. § 51 Nr. 2, 3 InsO subsumiert werden. Sie geben dem Rechtsinhaber nämlich das Recht, das Absonderungsgut zu verwerten bzw. verwerten zu lassen und aus dem Erlös befriedigt zu werden. Damit erfüllen sie die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 lit. a EuInsVO. Dass sich das Recht auf einen bestimmten Gegenstand bezieht, ist ausweislich des Wortlauts des Art. 5 Abs. 1 EuInsVO nicht erforderlich. Erfasst wird damit auch die floating charge im englischen und irischen Recht.324 320 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (72 Nr. 103 a); Moss / Fletcher / Isaacs, The EC regulation on insolvency proceedings, Rn. 8.89; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 5 Rn. 52; Paulus, EuInsVO, Art. 5 Rn. 11. 321 Vgl. dazu 1. Teil § 2 II. 4., 5., S. 43 ff. 322 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (72 Nr. 103 b); Moss / Fletcher / Isaacs, The EC regulation on insolvency proceedings, Rn. 8.89; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 5 Rn. 52. 323 Nach Ansicht von Leible und Staudinger verdeutlicht der Katalog in Art. 5 Abs. 2 EuInsVO, dass der Begriff „dingliches Recht“ extensiv auszulegen ist, Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (551). Dagegen gehen andere Stimmen in der Literatur davon aus, dass der Begriff als Ausnahme zum Universalitätsprinzip eng auszulegen ist, Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 5 Rn. 4; ders., ZZP 2001, 133 (155); Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 5 Rn. 51. Dieser Streit dürfte rein terminologischer Art sein. Die Vertreter der unterschiedlichen Ansichten werden im konkreten Fall bei der Subsumtion der soeben dargestellten Kriterien regelmäßig zum selben Ergebnis kommen. 324 HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 5 EuInsVO Rn. 5; Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 5 Rn. 7; Wimmer, ZInsO 2001, 97 (98 f.). Zur Rechtsnatur
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Art. 5 Abs. 3 EuInsVO stellt den dinglichen Rechten noch bestimmte eintragungsbedürftige Erwerbsrechte gleich. Dazu zählt – unbeschadet der umstrittenen Einordnung in Deutschland325 – insbesondere die Vormerkung nach § 883 BGB.326 Die Vorfrage, ob überhaupt sachenrechtlich wirksam ein dingliches Recht begründet worden ist, welches die verordnungsautonom ermittelten Anforderungen des Art. 5 EuInsVO erfüllt, bestimmt sich regelmäßig nach dem Belegenheitsrecht.327 Umstritten ist, wie dieses nationale Recht zur Anwendung kommt. Eine Ansicht sieht in Art. 5 Abs. 1 EuInsVO einen Verweis auf das allgemeine Kollisionsrecht des Lagestaats.328 Die andere Ansicht will das allgemeine internationale Privatrecht des Staats anwenden, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird.329 Sowohl das allgemeine Kollisionsrecht des Lagestaats als auch das des Verfahrensstaats werden in aller Regel die lex rei sitae zur Anwendung bringen.330 (2) Verkäuferrechte aus einem Eigentumsvorbehalt i. S. d. Art. 7 Abs. 1 EuInsVO Art. 7 Abs. 1 EuInsVO schützt die Rechte des Verkäufers aus einem Eigentumsvorbehalt. Der Begriff des Eigentumsvorbehalts i. S. d. Vorschrift erfasst nach einhelliger Ansicht lediglich den einfachen Eigentumsvorbehalt.331 Die Rechte aus erweiterten oder verlängerten Eigentumsvorbehalten werden dagegen nicht geschützt. Teilweise wird diese Einschränkung aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 der floating charge vor Insolvenzeröffnung vgl. Dahan, Developments in European Company Law, S. 215 (225 f.). 325 Vgl. nur Bauer / Stürner, Sachenrecht, § 20 Rn. 60 ff.; Assmann, Die Vormerkung, S. 277 ff. 326 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 5 EuInsVO Rn. 4; Taupitz, ZZP 1998, 315 (333); HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 5 EuInsVO Rn. 5. Der Vormerkung nach österreichischem Recht fällt dagegen mangels Dinglichkeit nicht unter Art. 5 Abs. 3 EuInsVO, Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 5 Rn. 51; Morscher, EuInsVO, S. 37 Fn. 220. 327 Erwägungsgrund 25 S. 2 zur EuInsVO; Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (71 Nr. 100); Huber, ZZP 2001, 133 (155); Duursma-Kepplinger, in: DuursmaKepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 5 Rn. 21; BerlinerKomm z. InsO / Pannen, Art. 5 EuInsVO Rn. 3. 328 Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 117; Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 33; Westbrook / Trautmann, in: Ziegel, Current Developments in International and Comparative Corporate Insolvency Law, S. 655 (661 f.). 329 Paulus, EuInsVO, Art. 5 Rn. 7; Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 5 Rn. 8; ders., ZZP 2001, 133 (154); ders., EuZW 2002, 490 (493); Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (551); Taupitz, ZZP 1998, 315 (334 f.). 330 In Deutschland über Art. 43 Abs. 1 EGBGB. 331 Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 7 EuInsVO Rn. 1; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 7 EuInsVO Rn. 2; Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 7 Rn. 3; Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (553); Lehr, KTS 2000, 577 (580 f.); Paulus, EuInsVO, Art. 7 Rn. 3.
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EuInsVO hergeleitet. Dieser beziehe sich ausschließlich auf das Verhältnis zwischen insolventem Käufer und dem Verkäufer.332 Aus diesem Umstand darauf zu schließen, dass die qualifizierten Formen des Eigentumsvorbehalts nicht von der Vorschrift erfasst werden, ist jedoch zweifelhaft. Bei einem verlängerten Eigentumsvorbehalt kommt es im Falle eines Weiterverkaufs zu einer Sicherungszession zwischen Käufer und Verkäufer.333 Bei einem erweiterten Eigentumsvorbehalt geht das Eigentum auf den Käufer über, wenn weitere Forderungen beglichen worden sind.334 Bei Vereinbarung von Verarbeitungsklauseln erwirbt der Verkäufer bei Verarbeitung des unter Eigentumsvorbehalt verkauften Materials (Mit-)Eigentum an der durch die Verarbeitung geschaffenen Sache.335 Folglich gehen auch die qualifizierten Formen des Eigentumsvorbehalts grundsätzlich nicht über das Verhältnis von Käufer und Verkäufer hinaus. Es ist auf der Ebene der europäischen Gesetzgebung jedoch üblich, nur Regelungen zum einfachen Eigentumsvorbehalt zu treffen.336 Das ist damit zu erklären, dass nur dieser weitgehend in allen Mitgliedstaaten anerkannt ist.337 Die enge Fassung des Begriffs Eigentumsvorbehalt in Art. 7 Abs. 1 EuInsVO bedeutet indes nicht, dass der Verkäufer bei qualifizierten Eigentumsvorbehalten nicht durch die EuInsVO geschützt wird. Wird die Kaufsache beispielsweise nach Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts durch den Vorbehaltskäufer weiterverkauft, so kommt es zu einer Sicherungszession. Dementsprechend folgt die Wirkungsbeschränkung gegenüber dem Insolvenzverfahren hier aus Art. 5 Abs. 1 EuInsVO.338 Besonders privilegierend wirkt sich dieser Umstand für Verkäufer aus, die eine Kaufsache unter verlängertem Eigentumsvorbehalt nach Frankreich verkauft haben. Während ein verlängerter Eigentumsvorbehalt bei Anwendung des französischen Insolvenzrechts erlischt,339 kann der Verkäufer die vo332 Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 7 Rn. 3; Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 7 EuInsVO Rn. 1. 333 MünchKomm z. BGB / H. P. Westermann, § 449 Rn. 87; Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 929 Rn. 28; Hk-BGB / Schulze, § 398 Rn. 17. 334 MünchKomm z. BGB / H. P. Westermann, § 449 Rn. 81; Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 929 Rn. 31 f.; Hk-BGB / Eckert, § 929 Rn. 46. 335 Hk-BGB / Eckert, § 950 Rn. 8; MünchKomm z. BGB / H. P. Westermann, § 449 Rn. 91 ff.; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 515 ff. mit Stellungnahme zu den verschiedenen zum Eigentumserwerb vertretenen Ansichten. 336 Vgl. Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (553) mit Verweis auf Art. 4 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000 / 35 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl. EG 2000, Nr. L 200, 35. 337 Vgl. BerlinerKomm z. InsO / Pannen, Art. 7 EuInsVO Rn. 5; Lehr, RIW 2000, 747 (749 f.). 338 Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 7 Rn. 3; Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 7 EuInsVO Rn. 1; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 7 Rn. 43. 339 3. Teil § 10 I., S. 222 f.
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rausabgetretene Forderung einziehen als wäre kein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dem Verkäufer, der seine Ware unter verlängertem Eigentumsvorbehalt nach Deutschland verkauft hat, bleiben die negativen Folgen der Absonderung erspart. Ob überhaupt ein dingliches Recht in Form eines Eigentumsvorbehalts wirksam vereinbart worden ist, beurteilt sich nach dem allgemeinen Kollisionsrecht des Eröffnungsstaats. Dies wird regelmäßig die lex rei sitae zur Anwendung berufen.340 Das hat zur Folge, dass es bei einer Versendung der Kaufsache über Staatsgrenzen hinweg zu einem Statutenwechsel kommt. Mithin entscheidet eine andere Rechtsordnung über die Frage der Wirksamkeit des Eigentumsvorbehalts. Der Statutenwechsel kann für den Eigentumsvorbehalt „vernichtende“ aber auch „heilende“ Wirkung haben.341 (3) Dingliche Rechte i. S. d. § 351 Abs. 1 InsO Nach § 351 Abs. 1 InsO werden die Rechte vor den Wirkungen einer ausländischen Verfahrenseröffnung geschützt, welche nach deutschem Recht einen Anspruch auf Aussonderung oder abgesonderte Befriedigung gewähren. Geschützt werden mithin absonderungs- und aussonderungsberechtigte Gläubiger.342 Sie können ihre Sicherheiten verwerten und müssen sich dabei – sofern kein Sekundärinsolvenzverfahren in Deutschland eröffnet wird – weder an die insolvenzrechtlichen Bestimmungen der InsO noch an die Bestimmungen der lex fori concursus halten. § 351 Abs. 1 InsO differenziert im Gegensatz zu den Vorschriften in der EuInsVO nicht zwischen dinglichen Rechten Dritter im Allgemeinen und Eigentumsvorbehalten. Die Vorschrift erfasst vielmehr beide Arten der dinglichen Besicherung von Forderungen. Auch bei Anwendung des deutschen internationalen Insolvenzrechts bestimmt sich die Frage, ob ein Recht, welches ein Ab- oder Aussonderungsrecht begründet, wirksam eingeräumt worden ist, nach dem allgemeinen internationalen Privatrecht des Eröffnungsstaats, welches regelmäßig auf die lex rei sitae verweist.343
340 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 7 EuInsVO Rn. 1; HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 7 EuInsVO Rn. 2; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 7 Rn. 5; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 7 EuInsVO Rn. 3. 341 Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 7 EuInsVO Rn. 3; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 7 Rn. 6; HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 7 EuInsVO Rn. 2; Lehr, KTS 2000, 577 (581). 342 Vgl. dazu 1. Teil § 2. II. 4., 5., S. 43 ff., 45 ff. 343 Pannen / Kühnle / Riedemann, NZI 2003, 72 (75); Liersch, in: Braun, InsO, § 351 Rn. 3; ders., NZI 2002, 15.
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bb) Auslandsbelegenheit Art. 5 Abs. 1 EuInsVO und Art. 7 Abs. 1 EuInsVO setzen voraus, dass sich der Gegenstand, an dem das dingliche Recht des Gläubigers oder eines Dritten besteht, in einem Mitgliedstaat der EU befindet, der nicht mit dem Staat identisch ist, in dem das Insolvenzverfahren durchgeführt wird.344 Wo sich ein Vermögensgegenstand befindet, bestimmt sich nach der Definition in § 2 lit. g EuInsVO. Die Definition differenziert dabei zwischen körperlichen Gegenständen, Forderungen sowie registrierten Rechten und Gegenständen.345 § 351 Abs. 1 InsO verlangt eine Belegenheit des Sicherungsgegenstandes in Deutschland. Die Frage der Belegenheit richtet sich nach dem Lageortrecht.346 Für die Belegenheit einer Forderung ist gemäß § 23 S. 2 ZPO der Wohnsitz des Schuldners maßgeblich.347 Damit stehen sowohl die EuInsVO als auch das deutsche internationale Insolvenzrecht einer Wirkungserstreckung von Insolvenzverfahren innerhalb der EU bzw. in Deutschland auf in Drittstaaten belegene Gegenstände nicht entgegen, auch wenn diese mit dinglichen Rechten belastet sind.348 Aufgrund des universalen Geltungsanspruchs können Sicherungsnehmer ihre Sicherheit vorbehaltlich entgegenstehender Vorschriften im Belegenheitsstaat mithin nur nach den Vorschriften des Verfahrensstatuts in Anspruch nehmen. cc) Zeitpunkt der Auslandsbelegenheit Art. 5 Abs. 1 und 7 Abs. 1 EuInsVO sowie § 351 Abs. 1 InsO verlangen, dass der Gegenstand im Zeitpunkt der Eröffnung des (Haupt-)Insolvenzverfahrens nicht in dem Staat belegen ist, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird, sondern in einem anderen Mitgliedstaat bzw. in Deutschland. Es ist mithin eine rein zeitpunktbezogene Betrachtung vorzunehmen.349 Wo sich der Gegenstand im Zeitpunkt der Antragstellung befand ist unerheblich. Gleichgültig ist ebenfalls, wohin der Gegenstand nach Insolvenzeröffnung verbracht wird. dd) Zeitpunkt der Entstehung des dinglichen Rechts Nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage, ob und wieweit das dingliche Recht im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung wirksam entstanden sein muss. Jedoch kann 344 Nicht erfasst werden in Dänemark belegene Gegenstände, vgl. 2. Teil § 4 I. 2., S. 65. Zur Belegenheit von Forderungen vgl. 3. Teil § 9 II. 2. c), S. 207. 345 Für Gemeinschaftspatente und Gemeinschaftsmarken vgl. aber Art. 12 EuInsVO. 346 Kemper, in: HeidelKomm z. InsO, § 351 Rn. 7; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 351 Rn. 8. 347 Kemper, in: HeidelKomm z. InsO, § 351 Rn. 7; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 351 Rn. 8. 348 von Wilmowsky, EWS 1997, 295 (297). 349 Liersch, in: Braun, InsO, § 351 Rn. 9; Pannen / Riedemann / Kühnle, NZI 2002, 303, 305; BerlinerKomm z. InsO / Pannen, Art. 7 EuInsVO Rn. 3.
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ein Recht denklogisch nicht von den Wirkungen eines Insolvenzverfahrens „unberührt“ bleiben, wenn es rechtlich noch nicht existiert. Mithin greifen Art. 5 Abs. 1 EuInsVO, Art. 7 Abs. 1 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO nur dann ein, wenn das in Frage stehende Recht im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits wirksam entstanden ist.350 Bei mehraktigen Entstehungstatbeständen müssen alle Voraussetzungen in diesem Zeitpunkt erfüllt sein.351 Gläubiger, deren Sicherheit nicht rechtzeitig entstanden ist, können den Schutz von Art. 5 Abs. 1 EuInsVO, Art. 7 Abs. 1 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO nicht beanspruchen. Sie unterfallen somit gemäß Art. 4 Abs. 1 EuInsVO bzw. § 335 InsO uneingeschränkt den Wirkungen der lex fori concursus.352
e) Vorbehalt der Anfechtbarkeit, Nichtigkeit und relativen Unwirksamkeit Art. 5 Abs. 4 EuInsVO und Art. 7 Abs. 3 EuInsVO enthalten einen Vorbehalt der Anfechtbarkeit, Nichtigkeit und relativen Unwirksamkeit. Die Absätze haben rein deklaratorischen Charakter.353 Der Schutz der dinglichen Sicherheit eines Gläubigers geht nicht soweit, dass auch angreifbar erworbene Rechtspositionen immunisiert werden. Die Angreifbarkeit bestimmt sich gemäß Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. m EuInsVO nach dem Verfahrensstatut. Allerdings kann der Inhaber des dinglichen Rechts den Nachweis der Unangreifbarkeit nach Art. 13 EuInsVO führen.354 In § 351 Abs. 1 InsO ist ein solcher Vorbehalt nicht ausdrücklich normiert. Da das Insolvenzanfechtungsrecht jedoch ein eigenständiger Regelungsbereich neben den Bestimmungen zur Behandlung der dinglichen Rechte ist, versteht es sich von selbst, dass § 351 Abs. 1 InsO nicht vor Insolvenzanfechtungen schützt. Insoweit kann sich der gesicherte Gläubiger jedoch auf § 339 InsO berufen.355
350 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (70 Nr. 96, S. 72 Nr. 103); HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 351 Rn. 7; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 351 Rn. 8; Moss / Fletcher / Isaacs, The EC regulation on insolvency proceedings, Rn. 8.87. 351 Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (550); Taupitz, ZZP 1998, 315 (341); Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 115 f.; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 5 EuInsVO Rn. 3. 352 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (70 Nr. 96); Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 5 Rn. 72; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 351 Rn. 7. 353 MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 5 EuInsVO Rn. 7; Paulus, EuInsVO, Art. 5 Rn. 28. 354 Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 5 EuInsVO Rn. 9; Paulus, EuInsVO, Art. 5 Rn. 28, Art. 7 Rn. 12. Zu den Voraussetzungen vgl. 3. Teil § 8 II. 2. d), S. 182 ff. 355 Zu den Voraussetzungen vgl. 3. Teil § 8 II. 2. d), S. 182 ff.
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f) Herausgabe des Übererlöses Es kann vorkommen, dass ein Gläubiger bei der Vollstreckung in den Sicherungsgegenstand einen höheren Erlös erzielt, als zur Befriedigung seiner Forderung nötig ist.356 In einer solchen Situation haben die Insolvenzgläubiger im Hauptverfahren ein Interesse daran, dass der die Forderung des gesicherten Gläubigers übersteigende Betrag zur Befriedigung ihrer Forderungen eingesetzt wird. Aus diesem Grunde besteht Einigkeit darüber, dass der Gläubiger den Übererlös an den Verwalter des Hauptverfahrens herausgeben muss.357 Im Anwendungsbereich der EuInsVO kann sich ein Verwalter, wenn der befriedigte Sicherungsinhaber diesen Betrag nicht freiwillig aushändigt, auf Art. 18 Abs. 1 EuInsVO stützen.358 Nach dessen Satz 1 darf ein Verwalter im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats alle Befugnisse ausüben, die ihm nach der lex fori concursus zustehen, solange in diesem Staat kein Partikularverfahren eröffnet ist. Nach Satz 2 der Vorschrift kann er vorbehaltlich der Art. 5 EuInsVO und Art. 7 EuInsVO auch das zur Masse gehörende Vermögen aus anderen Mitgliedstaaten im Staat der Hauptverfahrenseröffnung zusammenziehen. Der Gegenstand, an dem die dingliche Sicherheit bestand, gehörte zur Masse des Hauptverfahrens.359 Dementsprechend zählt auch der das Sicherungsinteresse übersteigende Erlös aus der Veräußerung regelmäßig zur Masse.360 Der Vorbehalt der Art. 5 EuInsVO und Art. 7 EuInsVO in Art. 18 Abs. 1 S. 2 EuInsVO bezieht sich lediglich auf das dingliche Sicherungsrecht. Dies erlischt mit Befriedigung der Forderung. Folglich steht auch dieser Vorbehalt in Art. 18 Abs. 1 S. 2 EuInsVO einem Vorgehen des Verwalters in Bezug auf den Übererlös nach der lex fori concursus nicht entgegen. Im deutschen internationalen Insolvenzrecht findet sich keine dem Art. 18 Abs. 1 EuInsVO entsprechende Regelung. Allerdings kann der ausländische Insolvenzverwalter in Deutschland gemäß § 335 InsO die Maßnahmen ergreifen, die ihm nach der lex fori concursus zustehen. Folglich wird er den Übererlös schon nach den Regeln des Verfahrensstatuts herausverlangen können. Darüber hinaus muss untersucht werden, ob der das Sicherungsinteresse übersteigende Betrag nicht auch unabhängig von der lex fori concursus nach § 342 Abs. 1 InsO vom Insolvenzverwalter herausverlangt werden kann. Die Vorschrift will vornehmlich verhindern, dass Gläubigern, denen kein dingliches Sicherungsrecht zusteht, der Erlös aus Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verbleibt, welche trotz Eröffnung des Hauptverfahrens Dieser Fall findet ausdrücklich Erwähnung in Erwägungsgrund 25 S. 5 zur EuInsVO. Liersch, NZI 2002, 15 (16); Huber, EuZW 2002, 490 (493); ders. ZZP 2001, 133 (158); Fritz / Bähr, DZWIR 2001, 221 (228); Taupitz, ZZP 1998, 315 (339); Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (71 Nr. 99); Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 351 Rn. 10, Art. 5 EuInsVO Rn. 7. Vgl. auch Erwägungsgrund 25 S. 5 zur EuInsVO. 358 Huber, EuZW 2002, 490 (493); Taupitz, ZZP 1998, 315 (339 f.); Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 305. 359 Vgl. 3. Teil § 10 II. 1. a), S. 225. 360 Im deutschen Recht ergibt sich das für den Pfandverkauf aus § 1247 S. 2 BGB. 356 357
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durchgeführt werden.361 Jedenfalls die ausdrücklich normierten Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift sind aber auch dann erfüllt, wenn dinglich gesicherte Gläubiger bei einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme einen Übererlös erzielen. Gläubiger, denen ein Absonderungsrecht zusteht, sind ausweislich des § 52 S. 1 InsO Insolvenzgläubiger. Sie sind damit taugliche Anspruchsgegner i. S. d. § 342 Abs. 1 S. 1 InsO. Des Weiteren gehörte der Gegenstand, an dem die dingliche Sicherheit bestand, unabhängig von der Wirkungsbeschränkung in § 351 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse.362 Folglich erwirbt der Gläubiger den Übererlös gemäß § 342 Abs. 1 S. 1 InsO auf Kosten der Insolvenzmasse aus dem Vermögen, das nicht im Staat der Verfahrenseröffnung belegen ist. Problematisch ist, dass ein Teil der Literatur die Erfüllung eines weiteren – über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehenden – Tatbestandsmerkmals verlangt. Nach Liersch und Kemper unterfallen dem § 342 Abs. 1 InsO nur solche Vermögensverschiebungen, die eine „vollständige oder teilweise Befriedigung“ einer Forderung des Gläubigers bewirkt haben.363 Jedenfalls der Übererlös hat nicht mehr zu einer Befriedigung der Gläubigerforderung geführt, da eine zu befriedigende Forderung in dieser Höhe gar nicht bestand. Auf dieser Grundlage könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass – lässt man nicht schon die Befriedung der besicherten Forderung genügen – § 342 Abs. 1 InsO nicht einschlägig ist. Das wirft die Frage auf, ob es auf eine Befriedung des Gläubigers bei § 342 Abs. 1 InsO überhaupt ankommt. Liersch leitet das Tatbestandsmerkmal der Befriedung aus dem Umstand her, dass § 342 Abs. 1 InsO dem Aufbau der §§ 812 ff. BGB entspricht.364 Jedoch setzen auch die §§ 812 ff. BGB nicht zwingend voraus, dass der Anspruchsgegner im Rahmen der ungerechtfertigten Bereicherung eine vollständige oder teilweise Befriedung erlangt hat. Entscheidend ist vielmehr, dass der Anspruchsgegner „etwas“ erlangt hat. Kemper will das Tatbestandsmerkmal der Befriedigung offensichtlich aus der Regierungsbegründung zu § 342 InsO herauslesen.365 Jedoch wird auch hier für den Herausgabeanspruch nach § 342 Abs. 1 S. 1 InsO nicht verlangt, dass der Insolvenzgläubiger befriedigt worden sein muss.366 Es wird lediglich erwähnt, dass ein dinglich gesicherter Gläubiger „in aller Regel“ behalten darf, was er aus der Verwertung seiner Auslandssicherheit erlangt hat. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es Konstellationen geben kann, in denen sich der Herausgabeanspruch gegen dinglich gesicherte Gläubiger richtet. Es liegt nahe, dass der Gesetzgeber insoweit gerade die Behandlung des Übererlöses berücksichtigen wollte. Die Forderung von Liersch und Kemper nach einer GläubigerbefriediVgl. zu § 342 Abs. 1 InsO näher unter 3. Teil § 14, S. 274 ff. Vgl. 3. Teil § 10 II. 1. a), S. 225. 363 Liersch, in: Braun, InsO, § 342 Rn. 4; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 342 Rn. 5; sich dem anschließend: Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 342 Rn. 3. 364 Liersch, in: Braun, InsO, § 342 Rn. 3 f. 365 Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 342 Rn. 5. 366 Vgl. BT-Drucks. 15 / 16, S. 21. 361 362
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gung als Voraussetzung des § 342 Abs. 1 InsO ist daher wohl nur damit zu erklären, dass die europäische Parallelvorschrift in Art. 20 Abs. 1 EuInsVO dem Wortlaut nach eine vollständige oder teilweise Befriedigung der Gläubiger verlangt. Liersch und Kemper wollen insoweit einen Gleichlauf der Voraussetzungen schaffen, obwohl ein solcher Gleichlauf vom Gesetz nicht vorgesehen ist. Mithin bleibt festzuhalten, dass es auf die Frage, ob der Gläubiger eine Befriedigung erlangt hat oder nicht, überhaupt nicht ankommt. Der Verwalter kann einen etwaigen Übererlös unabhängig von den nach § 335 InsO zur Anwendung berufenen Regeln der lex fori concursus gemäß § 342 Abs. 1 InsO herausverlangen. In der Literatur wird auf europäischer Ebene im Zusammenhang mit der Herausgabe des Übererlöses lediglich auf Art. 18 Abs. 1 EuInsVO eingegangen.367 Jedoch muss auch hier gefragt werden, ob sich nicht aus Art. 20 Abs. 1 EuInsVO eine Herausgabepflicht der Sicherungsgläubiger für den das Sicherungsinteresse übersteigenden Veräußerungserlös ergibt.368 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Art. 20 Abs. 1 EuInsVO im Gegensatz zu § 342 Abs. 1 S. 1 InsO dem Wortlaut nach darauf abstellt, dass der Gläubiger aus einem Gegenstand der Masse „befriedigt“ worden ist. Der die Höhe der Forderung übersteigende Erlös dient nicht mehr der Befriedigung des Gläubigers. Allerdings stellt sich bei Art. 20 Abs. 1 EuInsVO die Frage, ob das Tatbestandsmerkmal der „Befriedigung“ technisch zu verstehen ist. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führt regelmäßig zum Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners auf einen Verwalter.369 Verfügungen des Schuldners sind demnach unwirksam. Mithin führen sie nicht zu einer Befriedigung des Gläubigers. Da Art. 20 Abs. 1 EuInsVO aber gerade auch diese Konstellation erfassen soll,370 kann mithin keine Befriedigung des Gläubigers im technischen Sinn gefordert werden. Die Art. 5 und 7 EuInsVO stehen der Herausgabepflicht bezüglich des Übererlöses ebenfalls nicht entgegen. Mithin muss ein Gläubiger auch gemäß Art. 20 Abs. 1 EuInsVO unabhängig von den Regelungen der lex fori concursus (Art. 18 Abs. 1 S. 1 EuInsVO) den Übererlös herausgeben.
2. Insolvenz des Vorbehaltsverkäufers Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers wird auf europäischer Ebene durch Art. 7 Abs. 2 EuInsVO gesondert geschützt. Dabei handelt es sich um eine echte materiell-rechtliche Regelung.371 Nach Art. 7 Abs. 2 EuInsVO soll die Eröff367 Vgl. Huber, EuZW 2002, 490 (493); Taupitz, ZZP 1998, 315 (339 f.); Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 305. 368 Vgl. zu Art. 20 Abs. 1 EuInsVO näher unter 3. Teil § 14, S. 274 ff. 369 Bei Anwendung deutschen Rechts nach § 80 Abs. 1 InsO. 370 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (92 Nr. 172); BerlinerKomm z. InsO / Pannen, Art. 20 EuInsVO Rn. 3; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 20 EuInsVO Rn. 3.
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nung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vorbehaltsverkäufers weder die Auflösung oder Beendigung des Kaufvertrags rechtfertigen noch dem Eigentumserwerb des Käufers entgegenstehen. Voraussetzung ist die wirksame Einräumung eines Eigentumsvorbehalts, die Auslieferung der Sache und die Belegenheit der Kaufsache in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Verfahrenseröffnung im Zeitpunkt der Eröffnung. Des Weiteren darf die Bestellung des Anwartschaftsrechts nicht anfechtbar erfolgt sein (Art. 7 Abs. 3 EuInsVO). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Anwartschaftsrechtsinhaber seine Zahlungen weiter an den Insolvenzverwalter leisten und mit Zahlung der letzten Rate Eigentümer der Sache werden.372
a) Einschränkung der Rechtsfolge Paulus legt die Rechtsfolge der Norm restriktiv aus. Er ist der Ansicht, dass der Schutz des Anwartschaftsrechts nicht über das hinausgehen darf, was die Rechtsordnung, nach der der Eigentumsvorbehalt vereinbart worden ist, zum Schutz von Anwartschaftsrechten vorsieht.373 Demnach müsste im Einzelfall geprüft werden, inwieweit das Anwartschaftsrecht von dieser Rechtsordnung geschützt wird. Eine solche Auslegung steht jedoch in Widerspruch zum Wortlaut der Vorschrift. Hier ist von einer Maßgeblichkeit des Schutzumfangs einer nationalen Rechtsordnung nicht die Rede. Des Weiteren vernachlässigt sie den systematischen Zusammenhang zu Art. 5 EuInsVO. Auch bei dieser Vorschrift kommt es auf die Rechtfolgen, die von den nationalen Insolvenzstatuten ausgehen, nicht an. Folglich erklärt Art. 7 Abs. 2 EuInsVO das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers unabhängig von nationalen Regelungen für insolvenzfest.
b) Insolvenzfestigkeit in Sekundärverfahren Streitig ist, ob Art. 7 Abs. 2 EuInsVO das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers auch bei Sekundärverfahren im Belegenheitsstaat immunisiert. Der Streit wird für den Käufer dann praktisch relevant, wenn die lex fori concursus secundariae das Anwartschaftsrecht nicht für insolvenzfest erklärt.374 In diesem Fall könnte der Verwalter den Eigentumserwerb des Vorbehaltskäufers verhindern, falls Art. 7 Abs. 2 EuInsVO nicht entgegensteht. 371 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (75 Nr. 112); Paulus, EuInsVO, Art. 7 Rn. 8; HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 7 EuInsVO Rn. 7; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 7 EuInsVO Rn. 6. 372 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (75 Nr. 114); Huber, ZZP 2001, 133 (160); ders., in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 7 Rn. 15; Taupitz, ZZP 1998, 315 (342). 373 Paulus, EuInsVO, Art. 7 Rn. 11. 374 So z. B. das österreichische Insolvenzrecht in § 21 österreichische KO.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
aa) Anwendbarkeit des Art. 7 Abs. 2 EuInsVO in Sekundärverfahren Eine Ansicht geht davon aus, dass Art. 7 Abs. 2 EuInsVO auch in Sekundärverfahren anwendbar ist. Das Anwartschaftsrecht wird demnach sowohl vor den Wirkungen der Eröffnung eines Hauptverfahrens als auch vor den Eröffnungswirkungen eines Sekundärverfahrens geschützt.375 Das hat zur Folge, dass die Kaufsache – sofern sie sich im Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat befindet – auch in einem Sekundärverfahren nicht zugunsten der anderen Gläubiger verwertet oder im Rahmen einer Sanierung verwendet werden kann. bb) Keine Anwendbarkeit des Art. 7 Abs. 2 EuInsVO in Sekundärverfahren Die Gegenansicht will Art. 7 Abs. 2 EuInsVO nicht in Sekundärverfahren anwenden.376 Mithin kann der Eigentumserwerb des Vorbehaltskäufers durch die Eröffnung eines Sekundärverfahrens unterbunden werden, sofern die lex fori concursus secundariae das Anwartschaftsrecht in der Insolvenz des Verkäufers nicht schützt. Die Vorbehaltskäufer befinden sich damit nicht in der komfortablen Situation, dass ihr Anwartschaftsrecht schon allein aufgrund von Art. 7 Abs. 2 EuInsVO innerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs der EuInsVO absolute Insolvenzimmunität genießt. cc) Entscheidung Die Vertreter der ersten Ansicht sehen in Art. 7 Abs. 2 EuInsVO nicht nur eine Ausnahme von Art. 4 EuInsVO, sondern auch eine Ausnahme von Art. 28 EuInsVO.377 Art. 28 EuInsVO berufe die lex fori concursus secundariae nur insoweit zur Anwendung, als die EuInsVO „nichts anderes bestimmt“. Der Bericht zum EuInsÜ bezeichnet Art. 7 Abs. 2 EuInsVO als „echte einheitliche materielle Vorschrift“378. Daraus folge, dass es sich um eine Regelung der EuInsVO handelt, die von der Geltung der lex fori concursus secundariae abweicht, und daher auch im Sekundärverfahren anzuwenden ist.379 375 HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 7 EuInsVO Rn. 9; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 7 EuInsVO Rn. 13; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 7 Rn. 27 ff. 376 Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 7 Rn. 17; Morscher, EuInsVO, S. 39. 377 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 7 Rn. 28. 378 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (75 Nr. 112). 379 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 7 Rn. 28.
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Die Anwendbarkeit des Art. 7 Abs. 2 EuInsVO auf Sekundärverfahren ist jedoch schon mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbar. Dieser behandelt lediglich die Eröffnung „eines“ Insolvenzverfahrens, dessen Wirkungen dem Vollrechtserwerb nicht entgegenstehen sollen. Subsumiert man hierunter die Eröffnung eines Sekundärverfahrens so kann die Rechtsfolge der Vorschrift mangels Erfüllung der weiteren Voraussetzungen niemals eintreten. Eine Kaufsache, die sich im Staat der Sekundärverfahrenseröffnung befindet, ist nämlich nicht im Ausland belegen, während eine Kaufsache, die sich im Zeitpunkt der Sekundärverfahrenseröffnung in einem anderen Staat befindet, nicht von den Wirkungen des Sekundärverfahrens erfasst wird. Daher müsste die erste Ansicht die Vorschrift wie folgt auslegen: Die Eröffnung von Insolvenzverfahren gegen den Verkäufer [ . . . ] rechtfertigt nicht die Auflösung oder Beendigung des Kaufvertrags und steht dem Eigentumserwerb nicht entgegen, wenn sich die Sache zum Zeitpunkt der Hauptverfahrenseröffnung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem der Verfahrenseröffnung befindet. Durch diese Auslegung würde die Rechtsfolge der Vorschrift auf etwaige Sekundärverfahren erstreckt, ohne eine Auslandsbelegenheit der Kaufsache im Zeitpunkt der Sekundärverfahrenseröffnung zu fordern. Eine solche Auslegung widerspricht jedoch nicht nur dem Wortlaut, sondern auch der Systematik und Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Es ist nicht einzusehen, warum Art. 7 Abs. 2 EuInsVO anders als Art. 5 EuInsVO eine Immunisierung auch gegen die Wirkungen von Sekundärverfahren begründen soll. Jedenfalls kann nicht damit argumentiert werden, dass die gesonderte Behandlung von Anwartschaftsrechten in Art. 7 Abs. 2 EuInsVO dafür spricht, dass ein über Art. 5 EuInsVO hinausgehender Schutz bewirkt werden soll. Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers wurde nämlich nur deshalb gesondert in Art. 7 Abs. 2 EuInsVO aufgenommen, weil das Anwartschaftsrecht nicht in allen Mitgliedstaaten als dingliches Recht i. S. d. Art. 5 Abs. 1 EuInsVO qualifiziert wird.380 Folglich ist Art. 7 Abs. 2 EuInsVO nach richtiger Auffassung in Sekundärverfahren nicht anwendbar. Anwartschaftsrechtsinhaber haben sich ebenso wie andere dinglich Berechtigte auf das Insolvenzstatut des Belegenheitsstaats einzustellen.
III. Gestaltungsmöglichkeiten Die Regelungen in Art. 5 und 7 EuInsVO sowie § 351 Abs. 1 InsO zu den dinglichen Rechten in der internationalen Insolvenz können durch findige Gläubiger geschickt zum eigenen Vorteil genutzt werden. In Höhe der dinglichen Sicherheit entsteht für gesicherte Gläubiger Schuldnervermögen, das die Gläubiger unabhängig von den Wirkungen eines Hauptinsolvenzverfahrens verwerten können. Dieser Vorteil kann dadurch herbeigeführt werden, dass Gläubiger und Schuldner gezielt Sachverhalte schaffen, die den Regelungen unterfallen. Die Gestaltung der Rechts380 Vgl. Taupitz, ZZP 1998, 315 (343); Flessner, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 219 (223).
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
lage ist deshalb von besonderem Interesse für die Gläubiger, weil sie dadurch nicht nur einen gegebenenfalls entstehenden Kostenbeitrag zum Insolvenzverfahren umgehen können.381 Mit einer geschickten Gestaltung ist es ihnen möglich, die eigene Befriedigung überhaupt sicherzustellen, wenn im Insolvenzverfahren andere Forderungen vor ihrer dinglich gesicherten Forderung befriedigt werden würden. Wird das Schuldnervermögen z. B. für die gegenüber der Befriedigung der dinglich gesicherten Forderungen bevorrechtigten Forderungen der Arbeitnehmer aufgrund des französischen Superprivilegs aufgezehrt, so gehen die dinglich gesicherten Gläubiger leer aus, wenn sie ihre Sicherheit nicht aufgrund der internationalrechtlichen Vorschriften außerhalb des Verfahrens realisieren können. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Sicherungsrechtsinhaber über besondere Markt- und Branchenkenntnisse verfügen kann, die dem Verwalter bei der Verwertung fehlen. Aufgrund dieser Kenntnisse kann es dem Sicherungsnehmer möglich sein, bei der Verwertung einen höheren Erlös zu erzielen als der Verwalter.
1. Konkrete Gestaltungsansätze Im Folgenden werden einige konkrete Gestaltungsansätze für die Gläubiger herausgearbeitet. Auf die rechtliche Zulässigkeit der Gestaltung im Einzelfall wird erst danach eingegangen. a) Herstellung von Auslandsbezug Anders als bei den zuvor behandelten Einzelvorschriften muss der Gläubiger nicht darauf achten, ein bestimmtes (für ihn günstiges) Statut zur Anwendung zu bringen, um die privilegierende Wirkung der Art. 5 und Art. 7 EuInsVO sowie des § 351 Abs. 1 InsO für sich zu nutzen. Er muss lediglich primär darauf bedacht sein, Auslandsbezug herzustellen. Welcher ausländischen lex rei sitae er die dingliche Sicherheit unterstellt, ist dafür zunächst irrelevant. Die Herstellung von Auslandsbezug kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Dingliche Sicherheiten an Immobilien sollte sich der Gläubiger in einem Staat einräumen lassen, der nicht mit dem Staat identisch ist, in dem aufgrund der Belegenheit des Interessenmittelpunktes oder des Mittelpunktes der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit ein Hauptverfahren eröffnet werden kann. Um besonders wichtigen Gläubigern eine gegenüber Inlandssicherheiten im Fall der Insolvenz überlegene Sicherheit gewähren zu können, bietet es sich für den Schuldner mitunter sogar an, im Ausland Grundeigentum zu erwerben. Dies kann mit Sicherungsrechten zugunsten der Gläubiger belastet werden. Die begünstigten Gläubiger können dem Schuldner in diesen Fällen bei den Kreditkonditionen entgegenkommen. Da Art. 5 EuInsVO und Art. 7 EuInsVO nur bei Auslandsbezug innerhalb der EU und § 351 Abs. 1 381 Die Kostenbeitragspflicht für absonderungsberechtigte Gläubiger ergibt sich im deutschen Insolvenzverfahren aus §§ 170 Abs. 1 S. 1, 171 InsO.
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InsO lediglich bei Belegenheit des Sicherungsgegenstands in Deutschland greift,382 sollte eine Belegenheit des Sicherungsgegenstands in Drittstaaten vermieden werden, sofern diese nicht über vergleichbare Regeln verfügen, die das dingliche Sicherungsrecht immunisieren. Bei Mobilien kann sich der Gläubiger die Sicherheit ebenfalls an einem im Ausland belegenen Gegenstand einräumen lassen. Aufgrund der rein zeitpunktbezogenen Betrachtung reicht es jedoch auch aus, wenn der Gegenstand, an dem das Sicherungsrecht eingeräumt worden ist, im Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens im Ausland belegen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt die Möglichkeit, den Sicherungsgegenstand ins Ausland zu schaffen. Die Verbringung kann also – sofern nicht das relation back principle oder etwaige Restriktionen383 greifen – auch noch als Reaktion auf die Stellung eines Insolvenzantrags über das Vermögen des Schuldners erfolgen. Sofern der Schuldner im Besitz des Sicherungsgegenstandes ist (z. B. bei einer Sicherungsübereignung), kann versucht werden, die Auflösung der Auslandsbelegenheit durch Verbringung des Gegenstands in einen Staat, in dem ein Hauptverfahren eröffnet werden kann, durch die Verabredung einer Vertragsstrafe zu unterbinden. Bei der Verbringung einer Sache ins Ausland ist zu beachten, dass mit dem Überschreiten der Staatsgrenze ein Statutenwechsel verbunden ist.384 Das wird insbesondere dann relevant, wenn eine Sache unter Eigentumsvorbehalt verkauft worden ist. Da die Voraussetzungen für die wirksame Begründung eines Eigentumsvorbehalts von Nation zu Nation sehr unterschiedlich sind, besteht die Gefahr des Untergangs des Eigentumsvorbehalts, wenn z. B. etwaige Eintragungserfordernisse nicht eingehalten werden.385 Der Kaufpreisgläubiger verliert damit seine dingliche Sicherheit. Aber auch sonst darf nicht vernachlässigt werden, dass sich durch einen Statutenwechsel der Inhalt des Sicherungsrechts verändern kann.386 Da es für die Belegenheit von Forderungen auf den Interessenmittelpunkt (Art. 2 lit. g 3. Spiegelstrich EuInsVO) bzw. auf den Wohnsitz (§ 23 S. 2 ZPO) des Schuldners ankommt, bietet es sich aus insolvenzrechtlicher Sicht an, dass sich der Gläubiger sicherungshalber die Forderungen des Schuldners abtreten lässt, die dem Schuldner gegen Drittschuldnern zustehen, welche ihren Interessenmittelpunkt bzw. Wohnsitz in einem anderen Staat haben als dem, in dem ein Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet werden kann. Vgl. 3. Teil § 10 II. 1. d) bb), S. 236. Vergleiche dazu noch 3. Teil § 10 III. 2., S. 248 ff. 384 MünchKomm z. BGB / Wendehorst, Art. 43 EGBGB Rn. 113; Siehr, Internationales Privatrecht, S. 271. 385 Siehr, Internationales Privatrecht, S. 271; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 7 EuInsVO Rn. 1. 386 Z. B. kann ein im Ausland begründetes besitzloses Pfandrecht an einer Sache nach der Verbringung der Sache nach Deutschland nach den Regeln für eine Sicherungsübereignung behandelt und entsprechend verwertet werden, Kropholler, Internationales Privatrecht, § 54 III.1.b). 382 383
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
Sofern sich der Gläubiger ein Sicherungsrecht an einem Recht, das in einem Register einzutragen ist (Art. 2 lit. g 2. Spiegelstrich EuInsVO), einräumen lassen will, kann der Auslandsbezug dadurch hergestellt werden, dass ein Recht belastet wird, für das sich das entsprechende Register nicht in dem Staat befindet, in dem der Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunkt des Schuldners belegen ist. Vergleichbares gilt für die Belastung von Beteiligungs- und Mitgliedschaftsrechten, die der Schuldner an anderen Gesellschaften hält. Auch in den Fällen, in denen Beteiligungs- und Mitgliedschaftsrechte nicht registerlich erfasst sind, ist anerkannt, dass die Rechte unabhängig davon, ob sie verbrieft sind oder nicht, als dort belegen anzusehen sind, wo sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Gesellschaft befindet.387 Mithin ist es für einen Gläubiger in insolvenzrechtlicher Hinsicht vorteilhafter, sich Sicherungsrechte an den vom Schuldner gehaltenen Beteiligungs- und Mitgliedschaftsrechten an Gesellschaften, die ihren Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunkt in einem anderen Staat haben als der Schuldner, einräumen zu lassen, als an Beteiligungs- und Mitgliedschaftsrechten an einer Gesellschaft, deren Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunkt im selben Staat belegen ist, wie der des Schuldners.388 b) Umgehung von Sekundärverfahren Neben der Herstellung von Auslandsbezug bietet es sich für den gesicherten Gläubiger an, darauf zu achten, dass in dem Staat, in dem der Sicherungsgegenstand belegen ist, kein Sekundärverfahren eröffnet werden kann. Damit wird vermieden, dass der Sicherungsgegenstand im Rahmen des Sekundärverfahrens verwertet wird. Würde der Sicherungsgegenstand nämlich beispielsweise von einem Sekundärverfahren in Frankreich erfasst, so würde dem gesicherten Gläubiger die Herstellung von Auslandsbezug im Hauptverfahren wegen des französischen Superprivilegs für Arbeitnehmerforderungen gegebenenfalls mehr schaden als nützen. Im Anwendungsbereich der EuInsVO ist die Eröffnung eines den Sicherungsgegenstand erfassenden Sekundärverfahrens nicht möglich, wenn sich in dem Staat, in dem sich der Sicherungsgegenstand befindet, keine Niederlassung belegen ist (vgl. dazu Art. 3 Abs. 2 S. 1 und Art. 2 lit. h EuInsVO). In der Praxis lässt sich die Umgehung von Sekundärverfahren insbesondere bei Sicherungsabtretungen und bei Sicherungsrechten an den Beteiligungs- und Mitgliedschaftsrechten, die der Schuldner an anderen Gesellschaften im Ausland hält, verwirklichen. Auf387 Paulus, EuInsVO, Art. 2 Rn. 26; Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 2 Rn. 6; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 2 EuInsVO Rn. 4. 388 Davon abzugrenzen ist der Fall, in dem eine Verbindlichkeit der Muttergesellschaft mit den Assets der Tochtergesellschaft besichert wird. Aufgrund der eigenen Rechtspersönlichkeit der Tochter werden die Sicherungsgegenstände ohnehin nicht in das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Mutter mit einbezogen. Auf einen Auslandsbezug nach Art. 5 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO kommt es daher nicht an.
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grund des immer stärker werdenden grenzüberschreitenden Geschäftsverkehrs, wird sich regelmäßig ein Drittschuldner finden lassen, dessen Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen in einem Staat belegen ist, in dem sich keine Niederlassung des Schuldners befindet. Die insoweit bestehenden Forderungen des Schuldners kann sich ein findiger Gläubiger sicherheitshalber abtreten lassen. Die Möglichkeit, sich insolvenzimmune Sicherheiten an Beteiligungs- und Mitgliedschaftsrechten des Schuldners an anderen Gesellschaften einräumen zu lassen ergeben sich daraus, dass Tochtergesellschaften nicht als Niederlassung i. S. d. Art. 3 Abs. 2 S. 1 EuInsVO der Mutter zu qualifizieren sind.389 Bei einem Konzern wird das Geschäft international oftmals auf einzelne in den jeweiligen Staaten agierende Tochtergesellschaften verteilt. Das hat zur Folge, dass sich in dem Staat, in dem der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Tochtergesellschaft belegen ist, oftmals keine Niederlassung der Mutter befindet. Mithin kann kein Sekundärverfahren über das Vermögen der Mutter eröffnet werden, in dem die Beteiligungsund Mitgliedschaftsrechte der Mutter an der Tochter verwertet werden können. Kommt bei einem Hauptverfahren in einem Drittstaat aufgrund der Belegenheit des Sicherungsgegenstandes in Deutschland deutsches internationales Insolvenzrecht zur Anwendung, kann die Eröffnung eines Sekundärverfahrens in Deutschland dagegen nicht durch Umgehung der Eröffnungszuständigkeitsregeln verhindert werden. Nach § 354 Abs. 2 InsO reicht für die Eröffnung eines Sekundärverfahrens nämlich bereits die Belegenheit von Vermögen in Deutschland aus. Eine solche Vermögensbelegenheit ergibt sich zwangsläufig aus der Belegenheit des Sicherungsgegenstandes in Deutschland. Aber auch wenn ein Sekundärverfahren aufgrund einer Niederlassung im Anwendungsbereich der EuInsVO oder aber einer Vermögensbelegenheit in Deutschland eröffnet werden kann, besteht die Möglichkeit, eine Verwertung des Sicherungsgegenstandes innerhalb eines Verfahrens zu umgehen. So können insbesondere weniger wertvolle Vermögensgegenstände in einen Staat verbracht werden, in dem sich sonst kein oder nur wenig verwertbares Schuldnervermögen befindet. Abgesehen von der Frage, ob in einem solchen Fall überhaupt ein Antrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens gestellt wird, wird der Insolvenzantrag wohl regelmäßig mangels Masse abgewiesen werden.390 Des Weiteren ist der faktische Umstand zu berücksichtigen, dass die Belegenheit von Einzelgegenständen dem Verwalter des Hauptverfahrens sowie anderen Gläubigern, die einen Insolvenzantrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens stellen könnten, schlicht unbekannt sein kann. Eine besonders subtile Gestaltung zur Umgehung einer Verwertung des Sicherungsgegenstandes im Haupt- und im Sekundärverfahren kann schließlich noch folgendermaßen vorgenommen werden: Nach Eröffnung des Hauptverfahrens aber Vgl. 2. Teil § 6 I. 2. c), S. 118 f. Zur Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse aufgrund der Beschränkung der Masseforderungen auf das Vermögen im Verfahrensstaat vgl. 2. Teil § 6 II. 4. a), S. 161 f. 389 390
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
vor Eröffnung eines Sekundärverfahrens im Belegenheitsstaat kann der Sicherungsgegenstand in den Staat zurückverbracht werden, in dem das Hauptverfahren eröffnet worden ist. Aufgrund der lediglich zeitpunktbezogenen Betrachtung der Auslandsbelegenheit im internationalen Insolvenzrecht kann der Sicherungsgegenstand nicht im Rahmen des Hauptverfahrens verwertet werden. Später kann er auch nicht in die Masse eines Sekundärverfahrens fallen, da in dem Staat des Hauptverfahrens kein zusätzliches Sekundärverfahren eröffnet werden kann.391 c) Verwertungsoptimales Verfahrens- und Sachrecht Neben den aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten bietet es sich für den Gläubiger an, ein forum shopping in Bezug auf ein verwertungsoptimales nationales Verfahrens- und Sachrecht zu betreiben (keine einschlägigen Pfändungsverbote, unaufwendiges Verwertungsverfahren usw.). Da es sich dabei aufgrund der Immunisierung gegen die Wirkungen des Hauptinsolvenzverfahrens durch das internationale Insolvenzrecht nicht um einen insolvenzrechtlichen Aspekt handelt, soll diesem Hinweis hier jedoch nicht weiter nachgegangen werden.
2. Rechtliche Grenzen der Gestaltung Die aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten führen regelmäßig zu einer Benachteiligung anderer an dem Insolvenzverfahren beteiligter Gläubiger. Die Benachteiligung wird dadurch abgefedert, dass die Bestellung der Sicherheit angefochten werden kann, wenn die Bestellung den Tatbestand eines Anfechtungsgrundes erfüllt und die Anfechtung nicht wegen Art. 13 EuInsVO bzw. § 339 InsO ausgeschlossen ist.392 Damit ist aber zunächst nur die Bestellung der Sicherheit selbst und nicht die anderweitige Ausnutzung der Regeln des internationalen Insolvenzrechts, insbesondere die gezielte Verschiebung von Sicherungsgegenständen vor oder nach Bestellung der Sicherheit, angesprochen. Zwar sind nach vielen nationalen Insolvenzstatuten auch Realakte anfechtbar, sofern sie nur in irgendeiner Weise Rechtshandlungen auslösen können.393 Die Verschiebung eines Sicherungsgegenstandes aus dem Staat, in dem ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, in einen anderen Staat löst auch die Rechtswirkungen der Art. 5 EuInsVO und Art. 7 EuInsVO sowie des § 351 Abs. 1 InsO aus. Es ist jedoch zu beachten, dass die nationalen Insolvenzstatuten regelmäßig keine Anfechtung von Realakten zulassen, die durch Dritte – d. h. hier durch den gesicherten Gläubiger – vorgenommen Vgl. zu dieser Gestaltung aber 3. Teil § 10 III. 2., S. 250. Einige Rechtsordnungen sehen diesbezüglich auch die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts vor. Vgl. zum Vorbehalt der Anfechtbarkeit, Nichtigkeit und relativen Unwirksamkeit: 3. Teil § 10 II. 1. e), S. 237 f. sowie 3. Teil § 8, S. 195 ff. 393 Für die InsO: de Bra, in: Braun, InsO, § 129 Rn. 11 f.; MünchKomm z. InsO / Kirchhof, § 129 Rn. 22; Huber, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 46 Rn. 19. 391 392
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werden.394 Daher gilt es zu prüfen, ob die internationalrechtlichen Regeln fraudulöses Handeln ungeachtet der Anfechtungsmöglichkeiten nach der lex fori concursus überhaupt unter den Schutz der Immunisierung gegen die Wirkungen des Hauptinsolvenzverfahrens stellen. Art. 5 EuInsVO, Art. 7 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO zielen auf den Schutz des inländischen Geschäftsverkehrs ab.395 Damit dienen sie nicht wie die internationalrechtlichen Regeln zur Anfechtung und zur Aufrechnung nur dem Vertrauensschutz einzelner Personen,396 sondern bezwecken in gewisser Weise einen Institutionenschutz. Diese objektivrechtliche Komponente kann aber nicht dafür angeführt werden, dass eine Berufung auf die Vorschriften auch dann möglich ist, wenn deren Schutzwirkung missbräuchlich in Anspruch genommen wird. Das ergibt sich daraus, dass für den Schutz des inländischen Geschäftsverkehrs nicht erforderlich ist, dass auch fraudulöses Handeln geschützt wird. Ob ein Missbrauchsfall vorliegt, muss anhand einer Abwägung der Interessen der Beteiligten bestimmt werden. Hierbei ist die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des gesicherten Gläubigers in die Möglichkeit, den Sicherungsgegenstand unabhängig von den Wirkungen eines Insolvenzverfahrens zu verwerten, mit einzubeziehen. Ein schutzwürdiges Vertrauen ist grundsätzlich dann nicht mehr gegeben, wenn es dem gesicherten Gläubiger nur darauf ankommt, andere Personen, insbesondere andere Gläubiger, rücksichtslos zu schädigen. Diese Wertung entspricht den Ausführungen im Erläuternden Bericht zum EuInsÜ, wonach dessen Art. 5 „selbstverständlich“397 davon ausgehe, dass der Ort der Belegenheit des Vermögens nicht in „betrügerischer Absicht“ gewählt wird.398 Die Verwendung des engen Begriffs „betrügerische Absicht“ ist dabei missverständlich. Auf eine Täuschung anderer kommt es für die Inanspruchnahme der internationalrechtlichen Vorschriften nämlich nicht an. Die sprachliche Ungenauigkeit ist damit zu erklären, dass die Verfasser vermutlich den weiten englischen oder lateinischen Begriff „fraudulence“ oder „fraus“ vor Augen hatten. Jedenfalls bei den unter 1. a) und 1. b) behandelten Forderungsabtretungen und Sicherungsrechten an Beteiligungs- und Mitgliedschaftsrechten ist eine fraudulöse Schädigungshandlung, die gegebenenfalls nicht bereits von Anfechtungstatbestän394 Zwar sind Rechtshandlungen Dritter nach der InsO grundsätzlich anfechtbar; Huber, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 46 Rn. 28; de Bra, in: Braun, InsO, § 129 Rn. 20. Es ist jedoch zu beachten, dass gerade die Anfechtungsgründe der vorsätzlichen Benachteiligung (§ 133 Abs. 1 S. 1 InsO) und der unmittelbar nachteiligen Rechtshandlung (§ 132 InsO) eine Rechtshandlung des Schuldners selbst voraussetzen. Die Rechtshandlung eines gesicherten Gläubigers kann insoweit also gerade nicht angefochten werden. 395 Vgl. 3. Teil § 10 II. 1. b), S. 230. 396 Vgl. zu Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO 3. Teil § 8 II. 2. b), S. 181 f.; zu Art. 6 EuInsVO und § 338 InsO 3. Teil § 9 II 2. b), S. 206. 397 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (73 Rn. 105). 398 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (73 Rn. 105); ebenso Taupitz, ZZP 1998, 315 (341).
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
den erfasst wird, nicht denkbar. Bestehen nämlich z. B. nur abtretbare Forderungen des Schuldners gegenüber Drittschuldnern im Ausland, so kann eine Sicherungsabtretung dieser Forderungen nicht verwerflich sein. Aber auch wenn der Schuldner über Forderungen im Inland und im Ausland verfügt, und damit eine Auswahlmöglichkeit für den Gläubiger hinsichtlich der abzutretenden Forderungen besteht, muss es zulässig sein, für sich das bessere Sicherungsmittel zu wählen. Dasselbe gilt, wenn eine Auswahl dahingehend besteht, ob Sicherungsrechte an Beteiligungs- und Mitgliedschaftsrechten des Schuldners an Gesellschaften im Inoder Ausland bestellt werden. Anders ist die Situation zu bewerten, wenn Vermögensgegenstände in einen Staat verbracht werden, in dem weder ein Haupt- noch ein Sekundärverfahren eröffnet werden kann. In diesen Fällen ist durchaus denkbar, dass der Transport lediglich in der Absicht erfolgt, sich in ungerechtfertigter Weise zulasten Dritter einen Vorteil bei der Befriedigung aus dem Vermögen des Schuldners zu verschaffen. Ein solcher Vorsatz kann insbesondere dann als gegeben unterstellt werden, wenn die Verlagerung in engem zeitlichen Zusammenhang und im Hinblick auf die Insolvenz des Schuldners erfolgt und die Belegenheit des Gegenstandes in diesem Staat für den Schuldner und den Gläubiger – abgesehen von der Immunisierung gegen insolvenzrechtliche Wirkungen – funktionslos ist.399 Die Grenze zum Rechtsmissbrauch dürfte jedenfalls regelmäßig in den Fällen überschritten sein, in denen ein Sicherungsgegenstand erst zur Umgehung der Wirkungen des Hauptverfahrens aus dem Staat, in dem sich der Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunkt des Schuldners befindet, heraustransportiert wird und sodann im Hinblick auf die drohende Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens – gegebenenfalls in den Staat, in dem das Hauptverfahren bereits eröffnet worden ist – weiter- oder zurückverlagert wird.400 Missbräuchlichen Gestaltungen kann durch teleologische Reduktion der Art. 5 und 7 EuInsVO sowie des § 351 Abs. 1 InsO begegnet werden. Um fraudulös handelnde Inhaber dinglicher Rechte nicht zu privilegieren, sind die besicherten Gegenstände nach den Regeln des Verfahrens zu verwerten, dem sie entzogen wurden.401 Der Zugriff ist aufgrund der universalen Geltung des Hauptverfahrens möglich.402 Jedoch können die gesicherten Gläubiger die (Aus- und Absonderungs-)Rechte geltend machen, die ihnen nach der lex fori concursus zustehen. Sofern das Insolvenzstatut die Rechtsinhaberschaft erst im Verteilungsverfahren berücksichtigt, steht ihnen der Rang zu, den das Insolvenzstatut für sie vorsieht. Da399 Ähnlich Liersch, in: Braun, InsO, § 351 Rn. 25, der eine Verlagerung des Gegenstandes für missbräuchlich hält, wenn sie allein der Wirkungen des § 351 Abs. 1 InsO oder des Art. 5 EuInsVO halber erfolgt. 400 Vgl. zu dieser Gestaltungsmöglichkeit 3. Teil § 10 III. 1. b), S. 247. 401 Für die Anwendung der lex fori concursus auch Duursma-Kepplinger, in: DuursmaKepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 5 Rn. 10. 402 Vgl. 2. Teil § 5 I., S. 71 ff.
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mit werden die Rechtsinhaber so behandelt, als hätten sie keine missbräuchliche Gestaltung der Rechtslage vorgenommen. Das bedeutet, dass sie mit den gesicherten Gläubigern gleichgestellt werden, die nicht die immunisierende Wirkung der internationalrechtlichen Wirkungen herbeigeführt haben. Sofern sich bei der Verwertung Inkonsistenzen aus den Unterschieden zwischen der Rechtsordnung des Eröffnungsstaats und der Rechtsordnung des Staats, in dem sich der Sicherungsgegenstand befindet ergeben, sollten diese zulasten des missbräuchlich handelnden Gläubigers gehen. Das ist damit zu rechtfertigen, dass dieser die Nachteile aus den Inkonsistenzen durch sein Handeln erst ausgelöst hat.
3. Einsatz von Sekundärverfahren durch andere Gläubiger Die Gläubiger, die nicht von der Auslandsbelegenheit eines Sicherungsgegenstandes profitieren, können den Gegenstand nicht in das Hauptverfahren mit einbeziehen lassen. Sie können jedoch einen Antrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens stellen.403 Auf diese Weise kann ein Sicherungsgegenstand nach den Regeln der lex fori concursus secundariae verwertet werden. Das heißt jedoch nicht, dass es für die Gläubiger gleichgültig ist, in welchem Verfahren eine Verwertung stattfindet. Wird ein Sicherungsgegenstand beispielsweise nicht im französischen Hauptverfahren, sondern in einem Sekundärverfahren im Ausland verwertet, so genießen die Arbeitnehmer nicht die Vorteile, die ihnen das französische Superprivileg für Arbeitnehmerforderungen bietet. Des Weiteren ist zu beachten, dass die Durchführung eines Sekundärverfahrens neue Masseverbindlichkeiten erzeugt, die regelmäßig vor den Forderungen der ungesicherten Gläubiger zu befriedigen sind. Im Übrigen ist aufgezeigt worden, dass geschickte Inhaber dinglicher Rechte die Möglichkeit der Eröffnung eines Sekundärverfahrens im Anwendungsbereich der EuInsVO dadurch umgehen können, dass sie Staaten, in denen sich eine Niederlassung des Schuldners befindet, meiden. In diesen Fällen können andere Gläubiger keinen entsprechenden Antrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens stellen. Ähnlich ist die Rechtslage nach dem deutschen internationalen Insolvenzrecht. Zwar reicht hier gemäß § 354 Abs. 1 InsO bereits die Vermögensbelegenheit in Deutschland für die Eröffnung eines Sekundärverfahrens aus. Jedoch ist ein Eröffnungsantrag eines Gläubigers bei fehlender Niederlassung nur dann zulässig, wenn der Gläubiger ein besonderes Interesse an der Eröffnung des Verfahrens hat. Auf die hohen Anforderungen, die an dieses Interesse zu stellen sind, wurde bereits eingegangen.404 Erforderlich ist danach eine schwere Benachteiligung des Gläubigers im ausländischen Hauptverfahren. Hier ergibt sich die Benachteiligung jedoch nicht daraus, dass der Gläubiger durch die lex fori concursus benachteiligt wird. Sie resultiert vielmehr daraus, dass das deutsche internationale Insolvenzrecht 403 404
Vgl. zu den Voraussetzungen 2. Teil § 6 I. 2., S. 114 ff. Siehe 2. Teil § 6 I. 2. d), S. 122 f.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
selbst die Wirkungen des ausländischen Hauptverfahrens auf bestimmte Rechte durch § 351 Abs. 1 InsO einschränkt. Die fehlende Verwertungsmöglichkeit eines Sicherungsgegenstands im Hauptverfahren kann damit kein besonderes Interesse i. S. d. § 354 Abs. 1 S. 1 InsO begründen. Die nicht privilegierten Gläubiger sind damit auf einen Insolvenzantrag des Hauptinsolvenzverwalters angewiesen, wenn keine Niederlassung des Gemeinschuldners in Deutschland belegen ist.
IV. Zusammenfassende Würdigung Dinglich gesicherte Gläubiger werden durch Art. 5 EuInsVO, Art. 7 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO noch stärker privilegiert, als sie es nach den nationalen Insolvenzstatuten ohnehin sind. Es wird sich nämlich nur in den seltensten Fällen ein Insolvenzstatut finden lassen, das – wäre es allein anwendbar – den Inhabern von dinglichen Rechten eine so weitgehende Insolvenzimmunität gewährt. In Bezug auf die deutschen Gläubigerkategorien wirken sich die internationalrechtlichen Vorschriften insbesondere bei den absonderungsberechtigten Gläubigern aus. Die Verwertung und Erlösverteilung erfolgt hier nämlich grundsätzlich innerhalb des Insolvenzverfahrens (§§ 165 – 173 InsO).405 Dadurch, dass die aussonderungsberechtigten Gläubiger ihre Rechte weiter genauso wie ohne die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verfolgen können, erhalten sie eine ähnlich starke Stellung wie die aussonderungsberechtigten Gläubiger, obwohl das Sicherungsgut anders als bei diesen zur Insolvenzmasse („Soll“-Masse) zählt. Aber auch bei Anwendung anderer Insolvenzstatuten verändern die internationalrechtlichen Vorschriften die Hierarchie zwischen den Gläubigern. Gläubiger, denen ein Sicherungsrecht an einem im Ausland belegenen Gegenstand eingeräumt wird, stehen regelmäßig besser als die Gläubiger, denen ein vergleichbares Sicherungsrecht an einem im Verfahrensstaat belegenen Gegenstand zusteht. Mithin führen die Regelungen zu einer nachhaltigen Durchbrechung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung. Der weitgehende Ausschluss insolvenzrechtlicher Wirkungen auf Auslandssicherheiten wird in der Literatur daher auch einhellig als schwerer konzeptioneller Fehler des internationalen Insolvenzrechts eingestuft.406 Art. 5 und 7 EuInsVO stehen in Widerspruch zu dem zentralen Ziel der EuInsVO, ein forum shopping einzudämmen.407 Durch die Wahl des instabilen AnknüpfungsVgl. dazu 1. Teil § 2 II. 4., S. 43 ff. Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (552); von Wilmowsky, EWS 1997, 295 (298 f.); MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 5 EuInsVO Rn. 2; kritisch auch Drobnig, in: Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S. 177 (180); Flessner, FS Drobnig, S. 277 (280); ders., IPRax 1997, 1 (7 f.). 407 Vgl. Erwägungsgrund 4 zur EuInsVO: Im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarktes muss verhindert werden, dass es für die Parteien vorteilhafter ist, 405 406
§ 10 Behandlung dinglicher Rechte in der Insolvenz
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punktes der Belegenheit des Sicherungsgegenstandes kann die immunisierende Wirkung der Vorschriften gezielt hergestellt werden. Gleichzeitig wird es den Beteiligten besonders einfach gemacht, sich verwertungstechnisch aus einem Hauptverfahren zurückzuziehen, da jede Auslandsbelegenheit für die Auslösung der Rechtsfolge ausreicht. Zwar kann die Privilegierung der Gläubiger mit Auslandssicherheit in gewissem Umfang durch die Eröffnung von Sekundärverfahren ausgeglichen werden. Jedoch stellt sich hier immer das Problem der Eröffnungszuständigkeit. Fehlt den Gerichten im Belegenheitsstaat die internationale Zuständigkeit zur Eröffnung eines Sekundärverfahrens, so kann keine Verwertung im Rahmen eines Verfahrens stattfinden. Auch insoweit besteht die Möglichkeit für Gläubiger, ein forum shopping zu betreiben. Sie müssen lediglich darauf bedacht sein, dass der Sicherungsgegenstand nicht in einem Staat belegen ist, in dem ein Sekundärverfahren eröffnet werden kann. Diesbezüglich eröffnet die EuInsVO noch mehr Gestaltungsspielraum als das deutsche internationale Insolvenzrecht. Während auf europäischer Ebene lediglich Staaten mit einer Niederlassung des Schuldners gemieden werden müssen, ist die Umgehung der Eröffnungszuständigkeit nach deutschem internationalem Insolvenzrecht nicht möglich, da bereits die Belegenheit von Vermögen in Deutschland zur Eröffnung eines Sekundärverfahrens ausreicht (§ 354 Abs. 1 InsO). Schließlich kann ein forum shopping auch nur in Extremfällen durch eine teleologische Reduktion der internationalrechtlichen Vorschriften wegen rechtsmissbräuchlicher Verlagerung des Sicherungsgegenstandes vermieden werden. Die weit reichenden Beschränkungen der Wirkungen eines Hauptinsolvenzverfahrens durch Art. 5 und 7 EuInsVO sowie § 351 Abs. 1 InsO sind auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht gerechtfertigt. Nach der Grundkonzeption des internationalen Insolvenzrechts muss sich ein Gläubiger auf die Geltung des Insolvenzstatuts des Staats einstellen, an dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen bzw. seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Mithin müsste das Vertrauen der Gläubiger in ihre durch das dingliche Recht vermittelte Rechtsposition allenfalls in Bezug auf die Anwendbarkeit der lex fori concursus geschützt werden. Stattdessen wird die Anwendbarkeit der Verwertungsregeln dieses Insolvenzstatuts gerade ausgeschlossen. Schließlich wäre auch zur Vermeidung von Inkonsistenzen zwischen der lex fori concursus und einem ausländischen Sachenrecht eine weniger weit reichende Wirkungsbeschränkung angezeigt gewesen. Insofern hätte es genügt, lediglich die Verwertungsregeln des Hauptverfahrensstatuts für nicht anwendbar zu erklären.408 Das hätte zur Folge gehabt, dass eine Verwertung im Hauptverfahren nach den Regeln des Belegenheitsrechts erfolgen könnte. Die Verwertungsregeln der lex rei sitae hätten wiederum zwangsläufig zu dem dazugehörigen Sachenrecht gepasst. Vermögensgegenstände [ . . . ] von einem Staat in einen anderen zu verlagern, um auf diese Weise eine verbesserte Rechtsstellung anzustreben (sog. „forum shopping“). 408 Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (552); vgl. im Ergebnis auch den kollisionsrechtlichen Ansatz 3. Teil § 10 II. 1. a) aa), S. 226 f.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
Zwar wäre es den gesicherten Gläubigern auch in diesem Fall möglich, die Rechtslage durch Verlagerung des Sicherungsgegenstands zu eigenen Gunsten zu beeinflussen. Jedoch müsste zunächst eine genaue Analyse der insolvenzrechtlichen Verwertungsregeln des Belegenheitsortes hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität erfolgen. Die bloße Herstellung eines grenzüberschreitenden Bezugs würde jedenfalls nicht genügen, um einen Vorteil gegenüber den anderen gesicherten Gläubigern zu erlangen. Im Übrigen ist bereits darauf hingewiesen worden, dass nur die wenigsten Insolvenzstatuten allen dinglichen Sicherheiten mit Belegenheit im Verfahrensstaat eine so weitgehende Insolvenzimmunität gewähren wie die EuInsVO und das deutsche internationale Insolvenzrecht.
§ 11 Rechtserwerb trotz Insolvenz des Schuldners Das europäische und das autonome deutsche internationale Insolvenzrecht enthalten in Art. 14 EuInsVO und § 349 Abs. 1 InsO spezielle Regelungen zum Schutz der Personen, zu deren Gunsten der Schuldner noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verfügt, obwohl seine Verfügungsbefugnis aufgrund der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach der lex fori concursus entzogen oder zumindest eingeschränkt ist. Die Vorschriften betreffen damit in besonderer Weise die Position der Gläubiger. Sie bestimmen nämlich darüber, nach welchen Regeln sich der Erwerb von Gegenständen aus der Masse des Verfahrens richtet. Mithin treffen sie mittelbar eine Aussage darüber, inwiefern die Gläubiger, die einen Gegenstand aus der Masse erwerben, oder die Gläubiger, deren Quote aufgrund der Reduktion der Masse schrumpft, schutzwürdiger sind.
I. Regelungsinhalt § 349 Abs. 1 InsO ordnet für Insolvenzverfahren, die nicht unter die EuInsVO fallen, die Geltung der deutschen Regelungen in §§ 878, 892, 893 BGB, § 3 Abs. 3, §§ 16, 17 SchiffsRG und § 5 Abs. 3, §§ 16, 17 LuftfzRG an. Damit werden die deutschen Publizitätsvorschriften in ausländischen Insolvenzverfahren unmittelbar zu Gunsten gutgläubiger Erwerber zur Anwendung gebracht. Daneben werden durch § 878 BGB, § 3 Abs. 3 SchiffsRG und § 5 Abs. 3 LuftfzRG Personen geschützt, deren Rechtserwerb sich im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befindet und dadurch eine gewisse Bindungswirkung erlangt hat. Art. 14 EuInsVO erklärt auf europäischer Ebene409 die Regelungen des Staats für anwendbar, in dessen Gebiet der unbewegliche Gegenstand belegen ist oder 409 Zur Einschränkung des Anwendungsbereichs trotz des offen gefassten Tatbestands vgl. Huber, ZZP 2001, 133 (164 f.); HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 14 EuInsVO Rn. 4.
§ 11 Rechtserwerb trotz Insolvenz des Schuldners
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unter dessen Aufsicht das Schiffs-, Luftfahrzeug- oder Wertpapierregister geführt wird. Die nationalen Regelungen zum Rechtserwerb trotz Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners können dabei allgemein im Sachenrecht oder im Insolvenzrecht des Belegenheits- oder Registerstaats verankert sein.410 Ginge man nämlich davon aus, dass nur auf insolvenzrechtliche Gutglaubensvorschriften verwiesen wird, käme man zu unbilligen Ergebnissen, wenn das Belegenheitsrecht die Gutglaubensvorschriften für den Fall der Insolvenz des Verfügenden im materiellen Sachenrecht mitgeregelt hat. Im Zweifel wäre dann kein gutgläubiger Erwerb möglich. Erforderlich ist daher lediglich, dass die Regelungen auch die fehlende Verfügungsbefugnis des insolventen Schuldners überwinden. Unter den Verfügungsbegriff in Art. 14 EuInsVO fällt nicht nur die Übertragung des Eigentums. Der Erläuternde Bericht stellt klar, dass daneben auch die Einräumung anderer Rechtspositionen, die das jeweilige Recht des Belegenheits- bzw. Registerstaats vorsieht, erfasst wird.411 § 349 Abs. 1 InsO ordnet ausdrücklich an, dass sowohl Verfügungen über einen Gegenstand der Insolvenzmasse als auch über Rechte an einem solchen Gegenstand die Geltung der deutschen Vorschriften auslösen. Verfügungsobjekte, die unter Art. 14 EuInsVO fallen, sind unbewegliche Gegenstände sowie Schiffe oder Luftfahrzeuge, die der Eintragung in ein öffentliches Register unterliegen. Des Weiteren werden Wertpapiere, deren Eintragung in ein gesetzlich vorgeschriebenes Register Voraussetzung für ihre Existenz ist, erfasst.412 Da Art. 14 EuInsVO darauf abzielt, gutgläubige Dritte vor Nachteilen zu schützen, die aus der Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners über das zur Masse gehörende Vermögen resultieren, ist über den Wortlaut der Vorschrift hinaus zu fordern, dass der Verfügungsgegenstand zur Masse zählt.413 § 349 Abs. 1 InsO greift bei Verfügungen über Gegenstände der Insolvenzmasse, die in Deutschland im Grundbuch, Schiffsregister, Schiffsbauregister oder Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingetragen sind. Darüber, welche Gegenstände zur Masse zählen, entscheidet sowohl nach der EuInsVO als auch nach deutschem internationalen Insolvenzrecht die lex fori concursus (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. b EuInsVO, § 335 InsO). Verfügt der Schuldner über andere als die in Art. 14 EuInsVO und § 349 Abs. 1 EuInsVO aufgezählten Gegenstände, so kann ein Gläubiger nur dann gutgläubig erwerben, wenn das Recht des Eröffnungsstaats den Erwerb zulässt.414 Auf das Belegenheitsrecht kommt es mithin in diesen Fällen nicht an. 410 Anders wohl Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 14 Rn. 2, 4, die offenbar davon ausgeht, dass die Gutglaubensvorschriften zwingend insolvenzrechtlicher Natur sein müssen. 411 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (83 Nr. 141); vgl. auch HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 14 EuInsVO Rn. 2; Duursma-Kepplinger, in: DuursmaKepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 14 Rn. 7. 412 Die von Art. 14 EuInsVO erfassten Wertpapiere sind nach deutschem Recht allerdings unbekannt, Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 14 Rn. 4. 413 HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 14 EuInsVO Rn. 3.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
Im Gegensatz zu § 349 Abs. 1 InsO verlangt Art. 14 EuInsVO, dass die Verfügung gegen Entgelt erfolgt. Besteht keine entgeltliche Causa für die Verfügung, so bemisst sich der Gutglaubenserwerb gemäß Art. 4 Abs. 1 EuInsVO nach der lex fori concursus.415 Diese Differenzierung wird damit begründet, dass der europäische Gesetzgeber eine durch eine unentgeltliche Verfügung begünstigte Person für weniger schutzbedürftig hält als eine Person, die durch eine entgeltliche Verfügung begünstigt wird.416 Nicht abschließend geklärt ist die Frage, wie Verfügungen unter Wert in diesem Zusammenhang behandelt werden müssen. Mangels Aufteilbarkeit einer einheitlichen Verfügung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil muss wohl danach differenziert werden, ob der entgeltliche oder der unentgeltliche Charakter der Verfügung überwiegt.417 Sowohl Art. 14 EuInsVO als auch § 349 Abs. 1 InsO folgen im Gegensatz zu den internationalrechtlichen Regeln zum Anfechtungs- oder Aufrechnungsrecht nicht dem Günstigkeitsprinzip.418 Das Recht des Belegenheits- oder Registerstaats bleibt auch dann ausschließlich anwendbar, wenn es den Rechtserwerb anders als die lex fori concursus verbietet. Ein Gläubiger kann sich mithin nicht wahlweise auf die für ihn günstigere Rechtsordnung berufen.
II. Bedeutung der Gutgläubigkeit Das Erfordernis der Gutgläubigkeit des durch die Verfügung Begünstigten im Zeitpunkt des Rechtserwerbs trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verfügenden bestimmt sich ausschließlich nach den zur Anwendung berufenen nationalen Vorschriften. Art. 14 EuInsVO und § 349 Abs. 1 InsO geben insoweit nichts vor. Bei objektiven Schutzvorschriften wie § 878 BGB, § 3 Abs. 3 SchiffsRG und § 5 Abs. 3 LuftfzRG, die bei mehraktigen Erwerbstatbeständen daran anknüpfen, dass der Rechtserwerb im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung schon weit vorangeschritten ist, kommt es auf eine Gutgläubigkeit überhaupt nicht an. 414 Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 61 f.; Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 322; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 14 Rn. 13; HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 14 EuInsVO Rn. 3; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 349 Rn. 3. 415 HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 14 EuInsVO Rn. 3; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 14 Rn. 8; Huber, ZZP 2001, 133 (164); Fritz / Bähr, DZWIR 2001, 221 (229). 416 Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 14 EuInsVO Rn. 3. 417 Paulus, EuInsVO, Art. 14 Rn. 5; Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 14 Rn. 10; die Frage offen lassend Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 14 Rn. 9. 418 Vgl. zur Geltung der für den Betroffenen günstigeren Rechtsordnung im Anfechtungsund Aufrechnungsrecht 3. Teil § 8 IV., S. 194 3. Teil § 9 IV., S. 218.
§ 11 Rechtserwerb trotz Insolvenz des Schuldners
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Die subjektiven Schutzvorschriften können dagegen unterschiedliche Anforderungen an die Gutgläubigkeit eines Erwerbers stellen. So kann beispielsweise ein Rechtserwerb schon dann ausgeschlossen sein, wenn dem Erwerber die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verfügenden grob fahrlässig unbekannt ist. Im deutschen Recht schadet erst die positive Kenntnis der Verfahrenseröffnung (§§ 892, 893 BGB, §§ 16, 17 SchiffsRG, §§ 16, 17 LuftfzRG). Theoretisch kann eine Rechtsordnung den Rechtserwerb sogar noch trotz Kenntnis des Erwerbers vom Verfahren zulassen, wenn der Erwerber nicht weiß, dass die Verfahrenseröffnung eine Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners nach sich zieht (Rechtsirrtum). Die Anforderungen an die Gutgläubigkeit des Erwerbers in der internationalen Insolvenz entsprechen damit den Anforderungen, die auch bei einer Insolvenzverfahrenseröffnung in dem Staat gelten, in dem der entsprechende Verfügungsgegenstand belegen ist oder in dem das einschlägige Register geführt wird.
III. Bewertung Art. 14 EuInsVO und § 349 Abs. 1 InsO sind von erheblicher praktischer Bedeutung für den Schutz der Gläubiger gegen insolvenzrechtliche Verfügungsbeschränkungen des Gemeinschuldners, da die Eintragung eines Insolvenzvermerks in öffentliche Register bei Verfahrenseröffnungen im Ausland oftmals unterbleibt oder zumindest später erfolgt als bei Inlandsinsolvenzverfahren.419 Dazu trägt der Umstand bei, dass die Eintragung grundsätzlich nur auf Antrag des ausländischen Verwalters und nicht obligatorisch vorzunehmen ist (Art. 22 Abs. 1 EuInsVO, § 346 InsO).420 Die Möglichkeiten, aufgrund von Art. 14 EuInsVO und § 349 Abs. 1 InsO ein forum shopping zu betreiben, sind anders als bei den oben vorgestellten Vorschriften des internationalen Insolvenzrechts sehr beschränkt. Das ist damit zu erklären, dass die nationalen Rechtsordnungen, sofern sie überhaupt einschlägige Gutglaubensvorschriften beinhalten,421 einen Rechtserwerb regelmäßig nicht zulassen, wenn der Erwerber Kenntnis von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Veräußerers hat. Ab Kenntniserlangung beim Erwerber kann also – selbst wenn eine Wahlmöglichkeit zwischen Verfügungen in verschiedenen Staaten besteht – keine eigenmächtige Verfügung mehr vorgenommen werden, da die nationalen Gutglaubensvorschriften nicht greifen. Mithin kann ein Gläubiger 419 Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Art. 14 EuInsVO Rn. 1; Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 14 Rn. 3. 420 Vgl. zum Eintragungsverfahren in öffentliche Register bei grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren 3. Teil § 7 III., S. 168 ff. 421 Zur ablehnenden Haltung der österreichischen KO zum gutgläubigen Erwerb in der Insolvenz des Verfügenden vgl. Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 14 Rn. 23.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
beispielsweise nicht mehr danach wählen, ob er sich eine Sicherheit an einem Grundstück in dem einen Staat oder aber an einem Grundstück in einem anderen einräumen lässt. Lediglich in Fällen, in denen der Erwerber nur mutmaßt, dass über das Vermögen des Veräußerers ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sein könnte, bleibt die Möglichkeit, gegenüber dem Veräußerer auf eine Verfügung in einem Staat zu bestehen, in dem erst die positive Kenntnis von der Verfahrenseröffnung schadet. Dass die Vorschriften auf das Recht des Belegenheitsstaats bzw. des registerführenden Staats verweisen, ist aus drei Gründen zu begrüßen: Erstens besteht ein engerer systematischer Zusammenhang der Gutglaubensvorschriften und objektiven Schutzvorschriften des Belegenheits- oder Registerstaats zu dem für eine Verfügung maßgeblichen nationalen Sachenrecht als zur lex fori concursus. Eine Verfügung vollzieht sich auch in der Insolvenz des Schuldners nach dem durch das allgemeine Kollisionsrecht berufenen materiellen Recht. Das allgemeine Kollisionsrecht verweist für Verfügungen über unbewegliche Gegenstände bzw. über Rechte an diesen regelmäßig auf das Belegenheitsrecht und bei sonstigen registerlich erfassten Gegenständen auf das Recht des registerführenden Staats.422 Die nationalen Schutzvorschriften zugunsten des Erwerbers sind wie §§ 878, 892 und 893 BGB oftmals in das nationale Sachenrecht eingebettet. Jedenfalls werden sie wesentlich durch das nationale materielle Recht geprägt.423 So ist beispielsweise die Regelung des § 878 BGB dem Umstand geschuldet, dass sich Verfügungen über ein Grundstück in Deutschland in mehreren Erwerbsschritten vollziehen. Durch die Regelung in Art. 14 EuInsVO und § 349 Abs. 1 InsO wird somit die Kompatibilität zwischen den Schutzvorschriften und den durch das allgemeine Kollisionsrecht zur Anwendung berufenen nationalen Verfügungstatbeständen sichergestellt. Zweitens werden durch Art. 14 EuInsVO und § 349 Abs. 1 InsO Abgrenzungsschwierigkeiten sowie positive und negative Normkollisionen vermieden. Hätte das internationale Insolvenzrecht für den Gutglaubenserwerb nämlich die Regeln der lex fori concursus für anwendbar erklärt, so müsste im Einzelfall geprüft werden, ob es sich bei einem nationalen Gutglaubenstatbestand, der nicht unmittelbar bei den nationalen insolvenzrechtlichen Regelungen verankert ist, tatsächlich um einen insolvenzrechtlichen Tatbestand handelt oder nicht.424 Zu einer positiven Normkollision käme es in den Fällen, in denen die lex fori concursus insolvenzrechtliche Gutglaubensvorschriften zur Anwendung brächte und gleichzeitig (nicht-insolvenzrechtliche allgemeine) Gutglaubensvorschriften des materiellen 422 Vgl. etwa Art. 43 Abs. 1 EGBGB für Grundstücke sowie Art. 45 EGBGB für Luft- und Wasserfahrzeuge. 423 BT-Drucks. 15 / 16, S. 23; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, § 349 InsO Rn. 1; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 349 Rn. 1. 424 Ein solches Abgrenzungsproblem stellt sich in Deutschland aktuell für die Insolvenzantragspflicht in § 64 Abs. 1 GmbHG; vgl. 2. Teil Fn. 159.
§ 11 Rechtserwerb trotz Insolvenz des Schuldners
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Rechts des Belegenheits- oder Registerstaats aufgrund allgemeiner Kollisionsregeln anzuwenden wären. Dagegen müsste einem gutgläubigen Erwerber der Rechtserwerb unter Umständen mangels anwendbarer Gutglaubensvorschriften versagt werden, wenn die lex fori concursus nicht über einschlägige insolvenzrechtliche Schutzvorschriften verfügt und auch dass allgemeine Kollisionsrecht keine Schutzvorschriften im Belegenheits- oder Registerstaat mit zur Anwendung brächte, weil die Schutzvorschriften in diesem Staat rein insolvenzrechtlich zu qualifizieren sind und daher von der lex fori concursus verdrängt würden. Drittens gewährleistet die Anwendung der Schutzvorschriften des Belegenheitsoder Registerstaats das Vertrauen des Geschäftsverkehrs in die Publizitätswirkung der öffentlichen Bücher.425 Ein Erwerber soll auf die Vollständigkeit und gegebenenfalls auch die Richtigkeit der Eintragungen vertrauen können. Darauf, aus welchem Staat eine eingetragene Person stammt, darf es daher nicht ankommen. Würde man die lex fori concursus für maßgeblich für den Rechtserwerb vom insolventen Schuldner erklären, hinge die Publizitätswirkung des Registers aber gerade von der Herkunft des Veräußerers ab, da sich das anzuwendende Verfahrensstatut nach der Belegenheit des Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunktes des Gemeinschuldners bemisst. Ein Erwerber müsste also erst die Belegenheit des Interessenoder Tätigkeitsmittelpunktes des Veräußerers ermitteln, um anhand der in diesem Staat geltenden Gutglaubensvorschriften die eigenen Erwerbschancen zu prüfen. Letztendlich würde damit der Vertrauensschutz des nationalen Geschäftsverkehrs in das System der öffentlichen Register davon abhängig gemacht, dass auch andere Staaten ihren Registern eine vergleichbare Schutzwirkung beimessen. Kritikwürdig ist dagegen die Beschränkung des Art. 14 EuInsVO auf entgeltliche Verfügungen.426 Sie kann richtigerweise nicht damit begründet werden, dass der Erwerber bei einer entgeltlichen Verfügung schutzwürdiger ist als bei einer unentgeltlichen Verfügung. Es ist nämlich nicht grundsätzlich so, dass das Recht am Belegenheitsort oder an dem Ort, an dem das einschlägige Register geführt wird, den gutgläubigen Erwerber besser schützt als die lex fori concursus. Verfügt beispielsweise ein Schuldner, über dessen Vermögen in Deutschland ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, in einem anderen Mitgliedstaat der EU, dessen Rechtsordnung einen gutgläubigen Erwerb in der Insolvenz des Verfügenden nicht kennt, unentgeltlich über ein Grundstück, so kann ein gutgläubiger Erwerber nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO, § 81 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. § 892 BGB das Eigentum an dem Grundstück erlangen. Ein solcher Rechtserwerb mutet doppelt unbillig an: Zum einen kommt dem Register im Belegenheitsstaat durch die Geltung der deutschen Gutglaubensvorschriften eine Publizitätswirkung zu, die das Register nach nationalem Recht nicht entfaltet. Zum anderen hätte ein Erwerber bei einer 425 Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 31.044; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 349 Rn. 3, Art. 14 EuInsVO Rn. 1. 426 So auch ohne Begründung Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 14 Rn. 9.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
entgeltlichen Verfügung aufgrund der Geltung des Belegenheitsrechts nach Art. 14 EuInsVO kein Eigentum an dem Grundstück erlangen können. Die Anwendung unterschiedlicher Rechtsordnungen bei entgeltlichen und unentgeltlichen Verfügungen führt mithin zu Zufallsprivilegierungen. Berücksichtigt man schließlich noch die Möglichkeit der Eröffnung von Sekundärverfahren wird das Entgeltlichkeitserfordernis in Art. 14 EuInsVO vollends ad absurdum geführt. Ist beispielsweise bei einer unentgeltlichen Verfügung über ein Grundstück in Deutschland ein gutgläubiger Erwerb gemäß der nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO anzuwendenden ausländischen lex fori concursus nicht möglich, scheidet ein Rechtserwerb zunächst aus. Wird später ein Sekundärverfahren in Deutschland eröffnet und unterbleibt auch hier die Eintragung eines Insolvenzvermerks im Grundbuch, so ermöglicht die lex fori concursus secundariae den gutgläubigen Rechtserwerb nach § 81 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. § 892 BGB. Für einen gutgläubigen Erwerber hängt der Eigentumserwerb folglich davon ab, ob die Verfügung zufällig vor oder nach der Sekundärverfahrenseröffnung vorgenommen wird.
§ 12 Sonderregeln für Verträge über unbewegliche Gegenstände (sowie Schiffe und Luftfahrzeuge) Neben den das Verfügungsgeschäft betreffenden Vorschriften in Art. 14 EuInsVO und § 351 InsO gibt es im internationalen Insolvenzrecht in Art. 8 EuInsVO und § 336 InsO Sonderregeln für die Wirkungen einer Insolvenzeröffnung auf schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäfte mit dem Gemeinschuldner. Die nationalen Insolvenzstatuten sehen nämlich regelmäßig Bestimmungen vor, nach denen in laufende schuldrechtliche Verträge mit dem Schuldner eingegriffen werden kann (z. B. §§ 103 ff. InsO). Der europäische und der deutsche Gesetzgeber haben Art. 8 EuInsVO und § 336 InsO sehr unterschiedlich weit ausgestaltet. Die beiden Vorschriften wirken sich daher unterschiedlich stark auf die Position der Gläubiger aus.
I. Regelungsinhalt Gemäß § 336 S. 1 InsO richten sich die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Vertrag, der ein dingliches Recht an einem unbeweglichen Gegenstand oder ein Recht zur Nutzung eines solchen Gegenstands betrifft, nach dem Recht des Belegenheitsstaats. Für Verträge, die dingliche Rechte oder Nutzungsrechte an Schiffen oder Luftfahrzeugen betreffen, ist nach § 336 S. 2 InsO das Recht des Staats maßgeblich, unter dessen Aufsicht dass Schiffsregister, Schiffsbauregister oder Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen geführt wird. Die kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung in § 336 InsO bringt unmittelbar das Lageortrecht zur Anwendung, ohne dass es eines Rückgriffs auf das allgemeine
§ 12 Sonderregeln für Verträge über unbewegliche Gegenstände
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Kollisionsrecht bedarf. Die lex rei sitae bestimmt mithin darüber, inwiefern dem Insolvenzverwalter bei der Erfüllung gegenseitiger Verträge ein Wahlrecht zusteht bzw. inwiefern Eingriffe in die vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen vorgenommen werden. Was genau der Zweck der Regelung ist, lässt sich nur schwer ausmachen. Teilweise wird ein sozialer Schutzzweck betont,427 teilweise aber auch das Bestehen eines Allgemeininteresses an der Geltung der lex rei sitae.428 Die Sonderanknüpfung sei unter sozialen Aspekten „evident“ notwendig, um insbesondere sozial schwache Mieter vor den für sie unübersehbaren Folgen eines ausländischen Insolvenzverfahrens zu schützen.429 Worin dagegen das Allgemeininteresse bestehen soll, wird nicht näher konkretisiert. Was bei § 336 S. 1 1. Alt. InsO unter dem Begriff unbeweglicher Gegenstand zu verstehen ist, ergibt sich aus der Legaldefinition in § 49 InsO. Erfasst werden die Gegenstände, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen. Der Begriff des dinglichen Rechts bestimmt sich nach dem jeweiligen Sachrecht. Da der Vertrag in § 336 S. 1 1. Alt. InsO das dingliche Recht nur betreffen muss, ist der Begriff denkbar weit auszulegen. Erfasst werden daher insbesondere schuldrechtliche Vereinbarungen über das Eigentum, über Grundpfandrechte aber auch über Vormerkungen.430 Die Insolvenzfestigkeit des durch eine Vormerkung gesicherten Anspruchs ergibt sich dagegen aus §§ 349 Abs. 2, 106 InsO.431 Auch die Insolvenzimmunität der dinglichen Rechte selbst folgt nicht aus § 336 InsO, sondern aus § 351 Abs. 1 InsO.432 Verträge über Nutzungsrechte an einem unbeweglichen Gegenstand sind insbesondere Miet- und Pachtverträge über Grundstücke und Räume.433 Erfasst werden aber auch z. B. Immobilienleasingverträge und Erbbaurechtsverträge.434 Für Miet- und Pachtverträge an Immobilien in Deutschland bedeutet das, dass die Verträge gemäß §§ 336 S. 1 2. Alt., 108 Abs. 1 InsO auch im Falle einer Insolvenzeröffnung in einem Nicht-EU-Staat weiter fortbestehen. Da § 336 InsO keine Einschränkungen dahingehend vorsieht, auf welcher Seite der Gemeinschuldner an dem Vertrag beteiligt ist, gilt das sowohl, wenn der Gemeinschuldner den Vertrag 427 BT-Drucks. 15 / 16, S. 18; Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 131 Rn. 48; Liersch, in: Braun, InsO, § 336 Rn. 1; ders., NZI 2003, 302 (304); Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 336 Rn. 1; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, § 336 Rn. 1. 428 HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 336 Rn. 2. 429 BT-Drucks. 15 / 16, S. 18. 430 Liersch, in: Braun, InsO, § 336 Rn. 5. 431 Im europäischen Insolvenzrecht ergibt sich dieser Schutz gemäß Art. 5 EuInsVO, vgl. 3. Teil § 10 II. 1. d) aa) (1), S. 233. 432 Vgl. 3. Teil § 10, S. 253 ff. 433 Liersch, in: Braun, InsO, § 336 Rn. 7. 434 Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, § 336 Rn. 7.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
als Mieter bzw. Pächter abgeschlossen hat (§ 108 Abs. 1 S. 1 InsO), als auch, wenn der Gemeinschuldner Vermieter oder Verpächter ist (§ 108 Abs. 1 S. 2 InsO). In beiden Fällen kann der Vertragspartner als Gläubiger auf den Bestand des Vertrags vertrauen. Die Kündigungsmöglichkeiten richten sich nach §§ 336 S. 1 2. Alt., 109 ff. InsO. Nach Art. 8 EuInsVO bestimmen sich die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Vertrag, der zum Erwerb oder zur Nutzung eines unbeweglichen Gegenstands berechtigt, ausschließlich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet dieser Gegenstand belegen ist. Die Vorschrift bringt die lex rei sitae einschließlich deren Insolvenzrechts folglich wie § 336 InsO unmittelbar zur Anwendung, ohne auf den Umweg über das allgemeine Kollisionsrecht zu verweisen.435 Auch der Schutzzweck des Art. 8 EuInsVO wird ähnlich ambivalent beschrieben wie bei § 336 InsO. Teilweise wird vorwiegend auf den Schutz der Vertragspartner des Schuldners abgestellt,436 teilweise aber auch abstrakter auf den Schutz des lokalen Rechtsverkehrs.437 Was bei Art. 8 EuInsVO unter einem unbeweglichen Gegenstand zu verstehen ist, bemisst sich nicht nach der lex fori concursus, sondern nach autonomer Auslegung. Danach fallen registrierte Schiffe und Luftfahrzeuge nicht unter den Begriff. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu Art. 11 und 14 EuInsVO.438 Die Vorschriften erwähnen Luftfahrzeuge und Schiffe nämlich explizit neben den unbeweglichen Gegenständen. Folglich können sie bei Art. 8 EuInsVO nicht unter den Begriff unbeweglicher Gegenstand subsumiert werden. Auch der Kreis der Vertragsinhalte, der von Art. 8 EuInsVO erfasst wird, ist kleiner als bei § 336 InsO. Neben den Verträgen über die Nutzung eines unbeweglichen Gegenstands behandelt Art. 8 EuInsVO nur Verträge über den Erwerb eines unbeweglichen Gegenstands. Als Ausnahmevorschrift zu Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. e EuInsVO, wonach sich die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens auf laufende Verträge grundsätzlich nach der lex fori concursus bemessen, ist Art. 8 EuInsVO eng auszulegen. Daher bestimmen sich die Wirkungen auf schuldrechtliche Verträge über sonstige dingliche Rechte (insbesondere Grundpfandrechte) nicht nach dieser Vorschrift. Soweit diese Verträge nicht von anderen Vorschriften der EuInsVO er435 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (76 Nr. 18); Fletcher, Insolvency in Private International Law, Rn. 7.108; Huber, ZZP 2001, 133 (163); Ehricke / Ries, JuS 2003, 313 (317); Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 131 Rn. 45, a.A. dagegen noch Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 37, wo er fälschlicherweise von einem Verweis auf das Vertragsstatut ausgeht. 436 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 8 Rn. 8; Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 131 Rn. 48; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 8 EuInsVO Rn. 1; HeidelKomm. z. InsO / Stephan, Art. 8 EuInsVO Rn. 1. 437 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (74 Nr. 118); Fletcher, Insolvency in Private International Law, Rn. 7.108; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 8 Rn. 1. 438 Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, InsO, Art. 8 Rn. 3; Paulus, EuInsVO, Art. 8 Rn. 6.
§ 12 Sonderregeln für Verträge über unbewegliche Gegenstände
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fasst werden, richten sich die Wirkungen des Insolvenzverfahrens mithin nach der lex fori concursus (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. e EuInsVO). Sowohl Art. 8 EuInsVO als auch § 336 InsO greifen nur bei Verträgen, die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits abgeschlossen waren.439 Zwar enthalten die Vorschriften keinen ausdrücklichen Hinweis auf eine zeitliche Eingrenzung. Jedoch ergibt sich dies ungeschriebene Tatbestandsmerkmal aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift (Sonderregelung für laufende Verträge) sowie aus den Materialien zum EuInsÜ440. Schließlich enthalten Art. 8 EuInsVO und § 336 InsO anders als beispielsweise Art. 5 – 7 EuInsVO keinen Anfechtungsvorbehalt. Daraus darf jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass Verträge, die unter diese Vorschriften fallen, nicht angreifbar sind oder dass sich das Anfechtungsrecht aufgrund des Verweises in Art. 8 EuInsVO und § 336 InsO ebenfalls ausschließlich nach der lex rei sitae bemisst. Das Insolvenzanfechtungsrecht ist eine eigenständige Regelungsmaterie, die neben Art. 8 EuInsVO und § 336 InsO steht. Es bedurfte daher keiner Erwähnung im Gesetz, dass die speziellen Regeln des Anfechtungsrechts441 auch auf Verträge anzuwenden sind, die von Art. 8 EuInsVO und § 336 InsO erfasst werden.442
II. Bewertung Art. 8 EuInsVO und § 336 InsO führen zu einer Ungleichbehandlung der Gläubiger in dreierlei Hinsicht: Da sich die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die von den Vorschriften erfassten Verträge nach der lex rei sitae bestimmen, ergeben sich in ein und demselben Insolvenzverfahren in Abhängigkeit von der Belegenheit des Vertragsgegenstands gegebenenfalls höchst unterschiedliche Rechtswirkungen für identische Verträge mit gleichen Vertragsobjekten. Die Ungleichbehandlung beschränkt sich dabei nicht nur auf die rechtliche Situation der Gläubiger, deren Vertragsobjekt im Verfahrensstaat belegen ist, einerseits, und den Gläubigern, deren Vertragsobjekt in einem anderen Staat belegen ist, andererseits. In Abhängigkeit von der jeweiligen lex fori concursus kommt es auch zu Ungleichbehandlungen zwischen den Gläubigern, deren Vertragsobjekte sich in unterschiedlichen Nicht-Verfahrensstaaten befinden. 439 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 8 Rn. 3; HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 8 EuInsVO Rn. 3; Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 319; Liersch, in: Braun, InsO, § 336 Rn. 11; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 336 Rn. 8; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 336 Rn. 7. 440 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (75 Nr. 116). 441 Vgl. dazu 3. Teil § 8, S. 195 ff. 442 Paulus, EuInsVO, Art. 8 Rn. 10; Smid, Deutsches und Europäisches Insolvenzanfechtungsrecht, Art. 8 EuInsVO Rn. 9.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
Des Weiteren ist eine Ungleichbehandlung der Gläubiger, deren Verträge unter die Regelung in Art. 8 EuInsVO oder § 336 InsO fallen, einerseits, und den Gläubigern, die einen Vertrag über sonstige (bewegliche) Gegenstände geschlossen haben, andererseits, zu verzeichnen. Während sich erstere bei den Wirkungen auf ihre laufenden Verträge mit dem Schuldner auf die jeweilige lex rei sitae einstellen müssen, greift für die anderen die lex fori concursus (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. e EuInsVO bzw. § 335 InsO). Schließlich kommt es aufgrund der im Vergleich zu Art. 8 EuInsVO deutlich weiteren Fassung des § 336 InsO zu Ungleichbehandlungen zwischen den Gläubigern, die unter den Anwendungsbereich der EuInsVO fallen, und den Gläubigern, auf deren Verträge der § 336 InsO anzuwenden ist. Die Ungleichbehandlungen zeigen sich sowohl bei Verträgen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Gegenständen betreffen, ohne auf den Erwerb oder die Nutzung dieser Gegenstände gerichtet zu sein, als auch bei Verträgen über dingliche Rechte an eingetragenen Schiffen und Luftfahrzeugen sowie bei Verträgen über deren Nutzung. Während sich die Gläubiger, auf deren Verträge die EuInsVO anzuwenden ist, in einem deutschen Insolvenzverfahren auf die Geltung des deutschen Insolvenzrechts als lex fori concursus einzustellen haben (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. e EuInsVO), greift für die anderen Gläubiger die ausländische lex rei sitae (§ 336 InsO). Diese Ungleichbehandlungen können nicht mit den vorgebrachten Schutzzweckerwägungen443 gerechtfertigt werden. Aufgrund der weiten Fassung beider Vorschriften werden nämlich gerade nicht nur die Verträge „sozial schwacher Mieter“444 (insbesondere Wohnraummietverträge) erfasst, sondern die Verträge von Mietern, Pächtern und Erwerbern jeder Art (z. B. Pachtverträge zu gewerblichen Zwecken). Ironisierend lässt sich somit festhalten, dass § 336 InsO durch die Anordnung der Geltung des Belegenheitsrechts weniger die sozial schwachen Mieter in Deutschland in der Insolvenz des ausländischen Vermieters schützt, sondern – wenn überhaupt – deutsche Mieter vor sozial bzw. finanziell schwachen (insolventen) ausländischen Vermietern. Das Gleiche gilt für die Regelung in Art. 8 EuInsVO. Des Weiteren ist nicht einzusehen, warum bei Grundstücksgeschäften ein größeres Schutzbedürfnis bestehen soll als bei Verträgen über bewegliche Gegenstände.445 Die diesbezügliche Unsicherheit der Gesetzgeber spiegelt sich in der unterschiedlichen Fassung der Vorschriften wieder: Während Art. 8 EuInsVO nur Nutzungs- und Erwerbsverträge über unbewegliche Gegenstände erfasst, greift § 336 InsO auch bei Flugzeugen, Schiffen sowie bei weiteren Verträgen über unbewegliche Gegenstände. Im Übrigen bewirken die Vorschriften auch nur einen sehr geringen Schutz der Vertragspartner des Schuldners. Die Vorschriften sind nämlich nicht als Meist443 444 445
Rn. 6.
Vgl. 3. Teil § 12 I., S. 261 f., 262. BT-Drucks. 15 / 16, S. 18. Lüer, in: Uhlenbruck, InsO, Art. 102 EGInsO Rn. 173; Liersch, in: Braun, InsO, § 336
§ 13 Rechtsverfolgungsmaßnahmen der Gläubiger
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begünstigungsklauseln ausgestaltet, sondern folgen dem Prinzip der engsten Bindung.446 Die lex fori concursus kann daher unter Umständen deutlich günstigere Rechtsfolgen für die Vertragspartner vorsehen als die jeweilige lex rei sitae. Dem Gläubiger, auf dessen Vertragsverhältnis zum Schuldner die lex rei sitae anzuwenden ist, nützt dies jedoch nichts. Art. 8 EuInsVO und § 336 InsO können mithin allenfalls einen gewissen Vertrauensschutz der Gläubiger in die Geltung einer bestimmten Rechtsordnung auf ihr Vertragsverhältnis gewährleisten. Die Vertragsparteien können sicher davon ausgehen, dass im Falle der Insolvenz des Vertragspartners die jeweilige lex rei sitae anzuwenden ist. Der Schuldner kann auch durch eine Verlegung seines Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunktes keinen Einfluss auf das anzuwendende Recht nehmen. Da die Vorschriften unmittelbar auf die lex rei sitae verweisen und nicht auf dass allgemeine Kollisionsrecht, haben die Vertragsparteien schließlich nicht die Möglichkeit, durch Rechtswahlabreden eine bestimmte Rechtsordnung auf ihren Vertrag zur Anwendung zu bringen, die auch im Fall der Insolvenz eines Vertragspartners gilt.447 Liersch und Dahl sehen darin einen schweren Eingriff in die Vertragsfreiheit der Parteien.448 Jedenfalls kann ein forum shopping aufgrund der unmittelbaren Anknüpfung an das Belegenheitsrecht sowohl auf Gläubiger- als auch auf Schuldnerseite lediglich durch die Wahl eines bestimmten Belegenheitsortes – und damit einer bestimmten lex rei sitae – erfolgen. Andere Gestaltungsmöglichkeiten bestehen nicht. Schlussendlich können die Verweise auf die lex rei sitae in Art. 8 EuInsVO und § 336 InsO nicht durch etwaige Inkonsistenzen zwischen den verschiedenen nationalen sachenrechtlichen Regelungen gerechtfertigt werden. Die Vorschriften befassen sich mit laufenden schuldrechtlichen Beziehungen zwischen den Gläubigern und dem Schuldner. Auf diese werden nationale insolvenzrechtliche Regeln über den Fortbestand und die Beendigung (z. B. Wahlrechte oder Kündigungsregeln) zur Anwendung gebracht. Etwaige Inkonsistenzen auf sachenrechtlicher Ebene wirken sich insoweit nicht aus.
§ 13 Rechtsverfolgungsmaßnahmen der Gläubiger Im internationalen Insolvenzrecht finden sich mittlerweile Regelungen zu der – früher hoch umstrittenen449 – Frage, wie sich die Eröffnung eines Insolvenzverfah446 Wimmer, NJW 2002, 2427 (2429); Kolmann, The European Legal Forum, S. 167 (175); Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, InsO, Art. 8 Rn. 2. 447 Vgl. dagegen die Regelung in § 380 InsO des RegEInsO 1992 (BR-Drucks. 1 / 92, S. 239) sowie die Regelungen für laufende Arbeitsverhältnissen, 3. Teil § 15 I., S. 283. 448 Liersch, in: Braun, InsO, § 336 Rn. 4; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 336 Rn. 4.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
rens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen eines Gläubigers gegen den Schuldner in anderen Staaten als dem, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird, auswirkt. Die EuInsVO und das deutsche internationale Insolvenzrecht differenzieren insoweit zwischen den Wirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten und auf sonstige Rechtsverfolgungsmaßnahmen. Die Regelungen zu den Wirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten finden sich für europäische Sachverhalte in Art. 15 EuInsVO und für Insolvenzeröffnungen in einem Nicht-Mitgliedstaat in § 352 InsO.450 Die sonstigen Rechtsverfolgungsmaßnahmen der Gläubiger werden speziell in Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. f EuInsVO behandelt. Im deutschen internationalen Insolvenzrecht fallen sie unter die allgemeine Regelung des § 335 InsO. Die Vorschriften des deutschen internationalen Insolvenzrechts und die der EuInsVO unterscheiden sich sowohl in der Auslegung ihrer Tatbestandsmerkmale als auch in ihren Rechtsfolgen.
I. Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren auf anhängige Rechtsstreitigkeiten nach Art. 15 EuInsVO Nach Art. 15 EuInsVO bestimmen sich die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse ausschließlich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem der Rechtsstreit anhängig ist (lex fori processus). Die Vorschrift enthält für den territorialen Anwendungsbereich der EuInsVO mithin eine kollisionsrechtliche Regelung in Form einer Sachnormverweisung.451 Ob die entsprechenden nationalen Vorschriften in den Insolvenzgesetzen (z. B. §§ 6 ff. österreich. KO) oder in der allgemeinen Prozessordnung (z. B. § 240 ZPO) zu finden sind, ist unerheblich.452 Wie die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtsstreitigkeiten nach nationalem Recht ausgestaltet sind, ist sehr unterschiedlich. In Deutschland findet sich eine einheitliche Regelung in § 240 ZPO, wonach ein Rechtsstreit im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unterbrochen wird, wenn er die Insolvenzmasse betrifft. Prozesse, die durch einen Gläubiger anhängig gemacht worden sind, können später lediglich dann wieder vom Insolvenzverwalter oder Gläubiger auf449 Siehe dazu ausführlich MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 102 EGInsO Rn. 351 ff.; Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 188 ff. Vgl. auch die Vorbereitungsanfrage und den Vorlagebeschluss des BGH an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, NJW 1997, 2525 ff.; ZIP 1998, 659 f. 450 Zur Sonderrolle Dänemarks vgl. 2. Teil § 4 I. 2., S. 65. 451 Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 15 EuInsVO Rn. 1; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 15 Rn. 6; Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 15 Rn. 10; Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 196 ff. 452 Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 15 Rn. 10; Paulus, EuInsVO, Art. 15 Rn. 6; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 15 EuInsVO Rn. 4; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 15 Rn. 8.
§ 13 Rechtsverfolgungsmaßnahmen der Gläubiger
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genommen werden, wenn sie die Aussonderung eines Gegenstands aus der Insolvenzmasse, die abgesonderte Befriedigung oder eine Masseverbindlichkeit betreffen (§ 240 ZPO i.V.m. § 86 Abs. 1 InsO). Andere Rechtsordnungen sehen für die verschiedenen Verfahrenstypen unterschiedliche Wirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten vor.453 Nach englischem Recht bewirkt die Eröffnung eines Liquidationsverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person (bankruptcy) beispielsweise keine automatische Unterbrechung der anhängigen Rechtsstreitigkeiten. Die mit den Rechtsstreitigkeiten befassten Gerichte können jedoch das Ruhen des Verfahrens anordnen.454 Bei Eröffnung eines Liquidationsverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft (winding up by the court) werden anhängige Rechtsstreitigkeiten dagegen kraft Gesetzes unterbrochen.455 Umstritten ist, was unter dem Begriff „Rechtsstreit“ in Art. 15 EuInsVO zu verstehen ist. Die h. M. subsumiert hierunter gerichtliche Erkenntnisverfahren unter Einschluss von Schiedsverfahren und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, nicht jedoch Einzelvollstreckungsverfahren.456 Abweichend davon spricht sich Paulus für ein dynamisches Begriffsverständnis aus. Nach seiner Ansicht fallen jedenfalls vor staatlichen Gerichten ausgetragene Erkenntnisverfahren unter Art. 15 EuInsVO.457 Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder Schiedsverfahren seien dagegen nur erfasst, wenn das Prozessforum dies vorsieht.458 Im Übrigen sollen nach Maßgabe der lex fori processus sogar Vollstreckungsverfahren unter Art. 15 EuInsVO fallen. Dem dynamischen Begriffsverständnis von Paulus kann indes nicht gefolgt werden. Die EuInsVO differenziert ausdrücklich zwischen Rechtsstreitigkeiten (Art. 15 EuInsVO) und Rechtsverfolgungsmaßnahmen (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. f EuInsVO). Aus dieser systematischen Gegenüberstellung folgt, dass Vollstreckungsmaßnahmen nicht unter den Begriff Rechtsstreit in Art. 15 EuInsVO fallen.459 Dies findet seine Bestätigung in der eindeutigen Stellungnahme des Erläu453 Paulus, EuInsVO, Art. 15 Rn. 7; vgl. auch Rugullis, Litispendenz im Europäischen Insolvenzrecht, S. 109 ff. 454 Stevens, in: Mc Bryde / Flessner / Kortmann, Principles of European Insolvency Law, S. 214; Fletcher, The law of insolvency, Rn. 6.107; Moss / Fletcher / Isaacs, The EC regulation on insolvency Proceedings, Rn. 8.130; Weis, in: Hess / Weis / Wienberg, InsO (Bd. 2), Internationales Insolvenzrecht, Rn. 466; Rugullis, Litispendenz im Europäischen Insolvenzrecht, S. 140. 455 Sec. 130 (2) Insolvency Act 1986. 456 Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 15 Rn. 5 f.; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 15 EuInsVO Rn. 13 ff.; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 15 Rn. 24 ff.; insb. zur Ausnahme der Einzelvollstreckungsverfahren: Huber, ZZP 2001, S. 133 (166); HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 15 EuInsVO Rn. 1; Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (83 Nr. 142). 457 Paulus, EuInsVO, Art. 15 Rn. 3. 458 Paulus, EuInsVO, Art. 15 Rn. 3. 459 Fritz / Bähr, DZWIR 2001, S. 221 (229); Huber, ZZP 2001, S. 133 (166); DuursmaKepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 15 Rn. 27.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
ternden Berichts.460 Aber auch sonst kann es für die Frage, ob es sich bei einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder einem Schiedsverfahren um einen Rechtsstreit i. S. d. Art. 15 EuInsVO handelt, nicht darauf ankommen, ob das Prozessrecht des betreffenden Mitgliedstaats dies in irgendeiner Form so vorsieht. Ob das Prozessforum Anwendung findet, ist nämlich gerade davon abhängig, ob es sich bei dem Schiedsverfahren oder dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt um einen Rechtsstreit handelt. Vor der Prüfung der lex fori processus muss mithin gleichsam als Vorfrage das Tatbestandsmerkmal Rechtsstreit in Art. 15 EuInsVO bereits bejaht worden sein. Dies zwingt zu einer autonomen Auslegung des Tatbestandsmerkmals ohne Beachtung der Einordnung nach der jeweiligen lex fori processus. Die Nichtanwendbarkeit des § 240 ZPO auf Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit461 hat damit bei einem Rechtsstreit in Deutschland nicht zur Folge, dass Art. 15 EuInsVO bei einer Insolvenzverfahrenseröffnung im Ausland nicht anwendbar ist und sich die Unterbrechung des Verfahrens nach der lex fori concursus bestimmt. Vielmehr wird das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit trotz der Eröffnung des ausländischen Verfahrens nicht gemäß Art. 15 EuInsVO i.V.m. § 240 ZPO unterbrochen. Auch der Begriff der Anhängigkeit des Rechtsstreits i. S. d. Art. 15 EuInsVO ist verordnungsautonom auszulegen, da es sich insoweit nicht um einen europaweit einheitlich verstandenen Rechtsbegriff handelt.462 Früher wurde für die Anhängigkeit verbreitet gefordert, dass der Kläger alles für die Einleitung des Verfahrens Erforderliche getan haben muss.463 Seit Inkrafttreten der EuGVVO bietet es sich an, den Begriff nach den Maßstäben des Art. 30 EuGVVO zu bestimmen.464 Maßgeblich ist danach die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bei Gericht (Art. 30 Nr. 1 EuGVVO) bzw. bei der für die Zustellung an den Beklagten zuständigen Stelle (Art. 30 Nr. 2 EuGVVO). Folglich ergeben sich aus deutscher Sicht keine Divergenzen zwischen dem nationalen Begriff der Anhängigkeit und dem Tatbestandsmerkmal des Art. 15 EuInsVO.465 Die Frage, ob der streitbefangene Gegenstand oder das streitbefangene Recht i. S. d. Art. 15 EuInsVO zur Masse des Insolvenzverfahrens gehört, bemisst sich Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (83 Nr. 142). Vgl. dazu BayOblG, Rpfleger 2002, 261; OLG Köln, NJW-RR 2001, 1417 (1418); HkZPO / Wöstmann, § 240 Rn. 1; Roth, in: Stein / Jonas, ZPO, § 240 Rn. 5; MünchKomm z. ZPO / Feiber § 240 Rn. 4. 462 Kemper, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 15 EuInsVO Rn. 4; Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 15 Rn. 7; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 15 Rn. 17. 463 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 15 Rn. 15; zurückgehend auf Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 200. 464 Paulus, EuInsVO, Art. 15 Rn. 5; Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 15 Rn. 7; Kemper, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 15 EuInsVO Rn. 4. 465 Zum Begriff der Anhängigkeit nach deutschem Recht vgl. Hk-ZPO / Saenger, § 253 Rn. 1; Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozessrecht, § 97 Rn. 2. 460 461
§ 13 Rechtsverfolgungsmaßnahmen der Gläubiger
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nach der lex fori concursus (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. b EuInsVO). Aufgrund der lediglich territorialen Wirkung eines Partikularverfahrens fallen im Ausland belegene Gegenstände nicht in die Insolvenzmasse des Verfahrens. Daher greift Art. 15 EuInsVO bei Partikularverfahren nur in den Fällen, in denen im Ausland über einen Gegenstand im Staat der Partikularverfahrenseröffnung gestritten wird.
II. Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren auf anhängige Rechtsstreitigkeiten nach § 352 InsO § 352 Abs. 1 InsO regelt unmittelbar die Unterbrechung und die Wiederaufnahme von Rechtsstreitigkeiten bei Insolvenzeröffnungen in Nicht-EU-Staaten. Die Vorschrift ist somit anders als Art. 15 EuInsVO keine Kollisionsnorm, sondern eine dem § 240 ZPO nachgebildete Sachnorm.466 Erforderlich ist, dass es sich bei dem Rechtsstreit um einen inländischen, d. h. einen in Deutschland geführten, Prozess handelt.467 In paralleler Auslegung zu § 240 ZPO fallen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Schiedsverfahren auch bei § 352 Abs. 1 InsO nicht unter den Begriff des Rechtsstreits.468 Fraglich ist, ob nach § 352 Abs. 1 S. 1 InsO Einzelvollstreckungsverfahren der Gläubiger im Fall einer Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens unterbrochen werden. § 240 ZPO führt nach streitiger Auffassung zu einer Unterbrechung von Zwangsvollstreckungsverfahren.469 Die Tatsache, dass § 352 Abs. 1 InsO der Regelung des § 240 ZPO nachgebildet worden ist, könnte folglich dafür sprechen, dass § 352 Abs. 1 S. 1 InsO ebenfalls zu einer Unterbrechung dieser Verfahren führt. Die Auslegung des Art. 15 EuInsVO, wonach Einzelvollstreckungsverfahren nicht unter das Tatbestandsmerkmal „Rechtsstreit“ fallen, kann nicht als Argument dagegen herangezogen werden, dass Einzelvollstreckungsmaßnahmen von § 352 Abs. 1 InsO erfasst werden. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass der Begriff Rechtsstreit in Art. 15 EuInsVO autonom, d. h. unabhängig von einzelnen nationalen Begriffsverständnissen, auszulegen ist. Da die Vorschriften des deutschen internationalen Insolvenzrechts 466 BT-Drucks. 15 / 16, S. 24; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 352 Rn. 4; Liersch, in: Braun, InsO, § 352 Rn. 1; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 352 Rn. 2. 467 Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 352 Rn. 3; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 352 Rn. 7; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 102 EGInsO Rn. 354 f.; zu § 240 ZPO vgl. Fn. 461. 468 Heidbrink / von der Groeben, ZIP 2006, 265 (269); HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 352 Rn. 6; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 352 Rn. 3. Die Unterbrechung des Schiedsverfahrens kann sich aber aus der anwendbaren Schiedsordnung ergeben. Jedenfalls ist es wegen des Rechts des Insolvenzverwalters auf rechtliches Gehör sachgerecht, dem Verwalter ausreichend Zeit zur Einarbeitung zu gewähren, Heidbrink / von der Groeben, ZIP 2006, 265 (269); MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 102 EGInsO Rn. 355; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 352 Rn. 2. Zu den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vgl. Fn. 461. 469 MünchKomm z. ZPO / Feiber, § 240 Rn. 3; a.A. KG, NZI 2000, 228; Hk-ZPO / Wöstmann, § 240 Rn. 1.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
nicht auf einer europäischen Richtlinie beruhen, heißt das umgekehrt, dass der deutsche Begriff des Rechtsstreits in § 352 Abs. 1 InsO nicht europarechtskonform so ausgelegt werden muss, wie der Begriff in der EuInsVO. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass § 352 Abs. 1 InsO von einer Unterbrechung des „Rechtsstreits“ spricht, während § 240 ZPO ganz allgemein die Unterbrechung von „Verfahren“ behandelt. Diese unterschiedliche Fassung des Wortlauts spricht für ein engeres Begriffsverständnis bei § 352 Abs. 1 InsO als bei § 240 ZPO. Schließlich deuten auch die Ausführungen in der RegBegr. zu § 352 InsO darauf hin, dass die Vorschrift eng dahingehend auszulegen ist, dass Zwangsvollstreckungsverfahren der Gläubiger nicht erfasst sein sollen.470 Die RegBegr. bezieht sich nämlich auf die vor Erlass des § 352 InsO herrschende Rechtsprechung und Lehre, wonach inländische Rechtsstreitigkeiten durch ausländische Insolvenzverfahren unterbrochen werden. Die Unterbrechung von Vollstreckungsverfahren wurde in diesem Zusammenhang jedoch an keiner Stelle behandelt.471 Vollstreckungsbeschränkungen wurden als masseschützende und nicht verfahrensrechtliche Regelungen vielmehr der lex fori concursus zugewiesen.472 Folglich ist davon auszugehen, dass sich die Behandlung von Einzelvollstreckungsverfahren der Gläubiger in das Vermögen des insolventen Schuldners nicht nach § 352 Abs. 1 InsO richtet. Der Rechtsstreit muss, um nach § 352 Abs. 1 S. 1 InsO unterbrochen zu werden, im Zeitpunkt der Eröffnung bereits anhängig gewesen sein. § 352 Abs. 1 S. 1 InsO liegt der deutsche Anhängigkeitsbegriff zugrunde.473 Erforderlich ist mithin, dass die Klageschrift bei Gericht eingereicht worden ist.474 Ob der Rechtsstreit die Insolvenzmasse betrifft (§ 352 Abs. 1 S. 1 InsO), bestimmt sich nach der lex fori concursus, die festlegt, welche Gegenstände zur Masse zu zählen sind (§ 335 InsO). Ein wesentlicher Unterschied zwischen Art. 15 EuInsVO und § 352 Abs. 1 InsO ist bei der Regelung der Berechtigung zur Aufnahme unterbrochener Rechtsstreitigkeiten zu verzeichnen. Während Art. 15 EuInsVO insoweit auf die Vorschriften der lex fori processus verweist, ermöglicht § 352 Abs. 1 S. 2 InsO eine Aufnahme des Rechtsstreits durch die Personen, die nach der lex fori concursus zur Fortführung des Prozesses berechtigt sind. Mithin kommen bei einer Insolvenzverfahrenseröffnung in einem Nicht-Mitgliedstaat anders als bei Anwendung des Art. 15 EuInsVO nicht die §§ 85 – 87 InsO zur Anwendung, sondern die Aufnahmeregeln Vgl. BT-Drucks. 15 / 16, S. 24. Vgl. dazu OLG München, ZIP 1996, 385 f.; OLG Düsseldorf, OLG Report Düsseldorf 1994, 395; OLG Karlsruhe, ZIP 1990, 665; LG Düsseldorf, ZIP 1994, 1616 f.; LG Aachen, MDR 1993, 1235; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 102 Rn. 351 ff. m. w. N. Vgl. auch die Vorbereitungsanfrage und den Vorlagebeschluss des BGH an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, NJW 1997, 2525 ff.; ZIP 1998, 659 f. 472 MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 102 Rn. 358. 473 Liersch, in: Braun, InsO, § 352 Rn. 10. 474 Hk-ZPO / Saenger, § 253 Rn. 1; Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozessrecht, § 97 Rn. 2. 470 471
§ 13 Rechtsverfolgungsmaßnahmen der Gläubiger
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des Staats, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird.475 Die Wirkungen der Aufnahme bestimmen sich bei § 352 Abs. 1 S. 2 InsO indes wiederum nach deutschem Prozessrecht.476 In § 352 Abs. 2 InsO findet sich eine Regelung für die Unterbrechung inländischer Rechtsstreitigkeiten im Falle einstweiliger Sicherungsmaßnahmen im Ausland. Danach gilt § 352 Abs. 1 InsO entsprechend, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.
III. Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren auf sonstige Rechtsverfolgungsmaßnahmen Wie sich die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen der Gläubiger, die keine Rechtsstreitigkeiten sind, auswirkt, bestimmt sich auf europäischer Ebene gemäß Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. f EuInsVO nach der lex fori concursus. Bei Insolvenzeröffnungen in Nicht-Mitgliedstaaten führt § 335 InsO zur Anwendung des Verfahrensstatuts. Beide Vorschriften greifen insbesondere bei Einzelvollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger.477 Reinhart führt dazu aus, dass sich Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. f EuInsVO sowohl auf bereits eingeleitete als auch auf schon beendete Vollstreckungsmaßnahmen beziehe.478 Dabei übersieht er, dass für bereits beendete Vollstreckungsmaßnahmen allenfalls noch etwaige Rückschlagsperren oder Insolvenzanfechtungsansprüche relevant sind. Diese werden aber speziell von Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. m EuInsVO der lex fori concursus zugewiesen. Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. f EuInsVO ordnet mithin lediglich für Vollstreckungsverbote, die wie §§ 89 f. InsO für die Zeit nach Verfahrenseröffnung greifen, die Geltung der lex fori concursus an. Da § 352 InsO anders als Art. 15 EuInsVO nicht die Unterbrechung von Schiedsverfahren und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch die Eröffnung ausländischer Insolvenzverfahren erfasst, bringt § 335 InsO die lex fori concursus auch noch für die Unterbrechung dieser Verfahren zur Anwendung.
475 476
Liersch, in: Braun, InsO, § 352 Rn. 9. Liersch, in: Braun, InsO, § 352 Rn. 8; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 352
Rn. 5. 477 MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 4 Rn. 9; HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 4 EuInsVO Rn. 9; Paulus, EuInsVO, Art. 4 Rn. 27. 478 MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 4 Rn. 9; dies aufgreifend: HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 4 EuInsVO Rn. 9.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
IV. Bewertung Sowohl Art. 15 EuInsVO als auch § 352 InsO dienen nicht primär dem Schutz der Gläubiger. Die Vorschriften zielen vielmehr darauf ab, dass das inländische Verfahrensrecht nicht durch die Anwendung ausländischen Verfahrensrechts überlagert und ein Rechtsstreit nicht ohne Beteiligung des Verwalters entschieden wird.479 Die Anordnung der Geltung des Prozessstatuts durch Art. 15 EuInsVO führt dazu, dass die Gläubiger bei einem Rechtsstreits mit dem Schuldner im Fall einer Insolvenzverfahrenseröffnung im Ausland genauso gestellt werden, wie sie bei einer Insolvenzeröffnung in dem Staat, in dem der Rechtsstreit anhängig ist, gestellt wären. Hinsichtlich der Unterbrechungswirkung für den Rechtsstreit gilt das auch bei Anwendung des deutschen internationalen Insolvenzrechts. Rechtsstreitigkeiten zwischen Gläubigern und dem Schuldner in Deutschland werden nach § 352 Abs. 1 S. 1 InsO bei einer Insolvenzverfahrenseröffnung in einem Nicht-EU-Staat nämlich genauso unterbrochen, wie nach § 240 ZPO bei einer Insolvenzverfahrenseröffnung in Deutschland. Für Gläubiger, die an einem Rechtsstreit in Deutschland beteiligt sind, ergeben sich hinsichtlicht der Unterbrechungswirkung auch keine Unterschiede daraus, ob das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners in einem EU-Mitgliedstaat oder einem Nicht-Mitgliedstaat eröffnet wird. Bei Anwendung der EuInsVO wird der Rechtsstreit nach Art. 15 EuInsVO i.V.m. § 240 ZPO und ansonsten nach § 352 Abs. 1 S. 1 InsO unterbrochen. Das gilt auch im Falle der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Ausland. § 352 Abs. 2 InsO ordnet die Unterbrechung des Rechtsstreits nach § 352 Abs. 1 S. 1 InsO für den Fall an, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergeht (sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter). In der EuInsVO ist die Unterbrechung des Rechtsstreits durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht ausdrücklich geregelt. Jedoch hat der EuGH entschieden, dass eine Insolvenzeröffnung i. S. d. Art. 2 lit. f EuInsVO schon mit der Entscheidung über die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters vorliegt, wenn die Entscheidung auch den Vermögensbeschlag gegen den Schuldner zur Folge hat.480 Mithin ist im Zeitpunkt der Bestellung eines vorläufigen Verwalters ein Insolvenzverfahren i. S. d. Art. 15 EuInsVO gegeben, wenn der Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen verliert. Das hat zur Folge, dass § 240 ZPO anzuwenden ist, der nach S. 2 im Zeitpunkt der Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters wie § 352 InsO zu einer Unterbrechung des Rechtsstreits zwischen Gläubiger und Schuldner führt. Behält 479 HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 15 EuInsVO Rn. 1; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, Art. 15 EuInsVO Rn. 1; Moss / Fletcher / Isaacs, The EC regulation on insolvency Proceedings, Rn. 8.130; i.d.S. auch Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 15 Rn. 7. 480 EuGH, ZIP 2006, 907, 910; vgl. dazu bereits § 5 II. 6. c), S. 79 ff.
§ 13 Rechtsverfolgungsmaßnahmen der Gläubiger
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der Schuldner dagegen bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen, so wird der Rechtsstreit bis zur förmlichen Eröffnungsentscheidung weder bei Anwendung der EuInsVO noch bei Anwendung des deutschen internationalen Insolvenzrechts unterbrochen. Für die Anwendung des Art. 15 EuInsVO fehlt es an einer Insolvenzverfahrenseröffnung. Für eine Unterbrechung nach § 352 InsO fehlt es an dem Übergang der Verfügungsbefugnis des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter. Unterschiede zwischen EuInsVO und deutschem internationalen Insolvenzrecht ergeben sich jedoch bei der Regelung der Befugnis zur Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits. Während Art. 15 EuInsVO auch für die Aufnahme des Rechtsstreits auf die Vorschriften der lex fori processus verweist, richtet sich die Aufnahmebefugnis bei § 352 Abs. 1 S. 2 InsO nach der lex fori concursus.481 Warum das deutsche internationale Insolvenzrecht insoweit von der EuInsVO abweicht und auf die lex fori concursus verweist, ist im Ergebnis nicht nachzuvollziehen. Der deutsche Gesetzgeber wollte möglicherweise lediglich dem Umstand Rechnung tragen, dass die nationalen Insolvenzstatuten die Durchführung des Insolvenzverfahrens unterschiedlichen Personen übertragen oder dem Schuldner die Befugnis zur Weiterführung des anhängigen Prozesses einräumen können. Dabei wurde aber übersehen, dass die Insolvenzstatuten die Möglichkeiten der Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits auch einschränken. Ein durch den Gläubiger anhängig gemachter Rechtsstreit kann beispielsweise nur in den von § 86 Abs. 1 InsO aufgezählten Fällen durch den Gläubiger oder den Insolvenzverwalter aufgenommen werden. Andere Rechtsordnungen können dem Gläubiger die Aufnahmebefugnis vollends absprechen. Mit dem Verweis auf die lex fori concursus in § 352 Abs. 1 S. 2 InsO wird das Prinzip der engsten Bindung der Regelungen zur Aufnahmebefugnis an die Regelungen des Prozessrechts des Staats, in dem der Rechtsstreit anhängig ist, aufgegeben. Daraus können sich erhebliche Friktionen ergeben. Wird beispielsweise ein Rechtsstreit in Deutschland aufgrund einer Insolvenzeröffnung im Ausland nach § 352 Abs. 1 S. 1 InsO unterbrochen, so ist denkbar, dass die lex fori concursus die Befugnis zur Aufnahme des Rechtsstreits nicht regelt, weil der Rechtsstreit bei Insolvenzeröffnung nach der lex fori concursus überhaupt nicht unterbrochen worden wäre. Soll in diesem Fall sowohl der Gläubiger als auch der Insolvenzverwalter den Streit auch unabhängig von den Restriktionen der §§ 85, 86 InsO wieder aufnehmen können? Dies Ergebnis kann nicht überzeugen. Es ist aber wohl als Konsequenz aus der Fassung des § 352 Abs. 1 S. 2 InsO hinzunehmen.
481
Vgl. 3. Teil § 13 II., S. 270.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
§ 14 Herausgabepflicht des Gläubigers nach Leistung durch den Schuldner oder Zwangsvollstreckung Der insolvenzrechtliche Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung erfordert, dass kein Gläubiger dadurch Vorteile erlangen kann, dass er sich nach Eröffnung eines Hauptverfahrens unabhängig vom Insolvenzverfahren eine gesonderte Befriedigung in einem anderen Staat verschafft als dem der Verfahrenseröffnung. Die meisten nationalen Insolvenzrechtsordnungen, die als lex fori concursus in einem Hauptinsolvenzverfahren weltweite Geltung erlangen, ordnen daher einen Entzug der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners sowie Vollstreckungsverbote für die Gläubiger an.482 Gerade der Vermögensbeschlag ist im Rahmen der EuInsVO nämlich konstitutive Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein Gesamtverfahren i. S. d. Art. 1 Abs. 1 EuInsVO vorliegt. Die EuInsVO und das deutsche internationale Insolvenzrecht sichern die Beschränkungen der Verfügungsbefugnis des Schuldners und die Vollstreckungsverbote für die Gläubiger durch eine Herausgabepflicht in Art. 20 Abs. 1 EuInsVO und § 342 Abs. 1 InsO ab. Danach müssen Vorteile aus Befriedigungshandlungen, die nicht im Einklang mit den internationalen Insolvenzvorschriften stehen, in die Masse zurückgeführt werden.
I. Regelungsinhalt Art. 20 Abs. 1 EuInsVO und § 342 Abs. 1 InsO begründen eine Herausgabepflicht der Gläubiger an den Verwalter. Es handelt sich bei den Vorschriften mithin um eigenständige Sachregelungen des internationalen Insolvenzrechts in Gestalt von Anspruchsgrundlagen zugunsten des Insolvenzverwalters.483 Art. 20 Abs. 1 EuInsVO konstituiert die Herausgabepflicht allgemein für Gläubiger. § 342 Abs. 1 InsO richtet sich dagegen nur an Insolvenzgläubiger.484 Der Wortlaut des Art. 20 Abs. 1 EuInsVO setzt voraus, dass der Gläubiger nach Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens vollständig oder teilweise befriedigt worden ist. Jedoch kommt es sowohl bei Art. 20 Abs. 1 EuInsVO als auch bei § 342 Abs. 1 InsO nicht darauf an, dass der Gläubiger eine Befriedigung im technischen Sinne erlangt hat. Erforderlich ist nur, dass der Gläubiger ähnlich wie nach deutschem Bereicherungsrecht überhaupt etwas erlangt.485 Auf welche Weise das erfolgt, ist gleichgültig. Lediglich beispielhaft wird die Leistung des Schuldners (§ 342 Abs. 1 Bei Anwendung deutschen Rechts durch § 89 InsO und §§ 80 f. InsO. Kemper, in: Nerlich / Römermann, InsO, § 342 Rn. 2; Guber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 20 Rn. 2, 6; Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 20 Rn. 20; vgl. schon Trunk, KTS 1994, S. 33 (37). 484 Zum Begriff des Insolvenzgläubigers vgl. 1. Teil § 2 II. 1. und 4., S. 35 ff., 43 ff. 485 Vgl. dazu die Stellungnahme unter 3. Teil § 10 II. 1. f), S. 239 f. 482 483
§ 14 Herausgabepflicht des Gläubigers
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S. 1 InsO) und die Zwangsvollstreckung (Art. 20 Abs. 1 EuInsVO und § 342 Abs. 1 S. 1 InsO) genannt. Erfasst werden aber auch die Nutzung, Vermischung oder Verarbeitung von Gegenständen.486 Des Weiteren setzen die Vorschriften voraus, dass die Erlangung des Vorteils zulasten der Masse des Hauptverfahrens gehen muss. Welche Gegenstände zur Masse gehören, richtet sich nach der lex fori concursus (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. b EuInsVO bzw. § 335 InsO). Art. 20 Abs. 1 EuInsVO ist allerdings nur dann anwendbar, wenn sich der Massegegenstand in einem anderen Mitgliedstaat der EU befindet. Die Belegenheit bestimmt sich nach Art. 2 lit. g EuInsVO. Lediglich Kolmann will den Art. 20 Abs. 1 EuInsVO auch dann anwenden, wenn sich der Gläubiger aus einem Vermögensgegenstand befriedigt, der in einem Nicht-Mitgliedstaat belegen ist.487 Für eine solche Auslegung gegen den Wortlaut der Vorschrift besteht aber zumindest aus deutscher Sicht keine Veranlassung. Hier greift in Bezug zu Drittstaaten der § 342 Abs. 1 InsO. Sowohl Art. 20 Abs. 1 EuInsVO als auch § 342 Abs. 1 InsO sind nicht bei Befriedigungshandlung anzuwenden, die die Masse im Staat der Verfahrenseröffnung schmälern. Erlangt der Gläubiger einen Massegegenstand aus diesem Staat, so richtet sich seine Herausgabepflicht ausschließlich nach der lex fori concursus. Bei einem Hauptinsolvenzverfahren in Deutschland käme etwa das deutsche Bereicherungsrecht zur Anwendung.488 Der Herausgabeanspruch besteht gemäß Art. 20 Abs. 1 EuInsVO nicht, wenn dem Gläubiger das Erlangte aufgrund eines dinglichen Rechts nach Art. 5 und 7 EuInsVO zusteht.489 Anderweitige Anspruchsbeschränkungen sind dem Wortlaut des § 342 Abs. 1 InsO und des Art. 20 Abs. 1 EuInsVO nicht zu entnehmen. Dennoch kann nicht immer dann, wenn die oben vorgestellten Voraussetzungen erfüllt sind, ein Anspruch bestehen. Das hätte nämlich zur Folge, dass beispielsweise die Schutzvorschriften zur Insolvenzaufrechnung oder zum gutgläubigen Erwerb in der Insolvenz unterlaufen werden könnten, weil Vorteile, die den Gläubigern aufgrund dieser Vorschriften zustehen, nach Art. 20 Abs. 1 EuInsVO oder § 342 Abs. 1 InsO wieder herausgegeben werden müssten. Aus systematischen Gründen kann der Herausgabeanspruch daher nur dann bejaht werden, wenn die Befriedigung des Gläubigers nicht aufgrund spezieller insolvenzrechtlicher Regelungen zulässig ist. Die Zulässigkeit kann sich dabei zum einen aus den nationalen Vorschriften der lex fori concursus ergeben. Das ist beispielsweise der Fall, wenn das Verfahrensstatut Rechtsverfolgungsmaßnahmen weiterhin zulässt (Art. 4 Abs. 2 lit. f EuInsVO oder § 335 InsO).490 Die Zulässigkeit kann sich aber auch erst durch ein 486 BT-Drucks. 12 / 2443, S. 240 f.; für die EuInsVO: Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 20 Rn. 4 487 Kolmann, Kooperationsmodelle, S. 315. 488 MünchKomm z. InsO / Breuer, § 89 Rn. 33; Leithaus, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 89 Rn. 8; Lüke, in: Kübler / Prütting, InsO, § 89 Rn. 22. 489 Zur Behandlung dinglicher Rechte in der Insolvenz vgl. 3. Teil § 10, S. 253 ff. 490 Vgl. 3. Teil § 13 III., S. 271 f.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
Zusammenspiel mit den internationalrechtlichen Sondervorschriften ergeben. Das gilt etwa im Aufrechnungsrecht (Art. 6 EuInsVO oder § 338 InsO) und beim gutgläubigen Erwerb (Art. 14 EuInsVO oder § 351 InsO).491 Von besonderer Bedeutung für Gläubiger ist die von Art. 5 EuInsVO und § 351 Abs. 1 InsO eingeräumte Möglichkeit, auf der Grundlage eines dinglichen Rechts trotz Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners weiterhin in den Sicherungsgegenstand vollstrecken zu können. Gläubiger, die durch eine entsprechende Einzelvollstreckung befriedigt werden, müssen das Erlangte nicht wieder nach Art. 20 Abs. 1 EuInsVO oder § 342 Abs. 1 InsO herausgeben. Die Herausgabepflicht besteht aber sehr wohl bezüglich des Übererlöses, wenn bei der Verwertung ein höherer Betrag erzielt wird, als zur Befriedigung der Gläubigerforderungen nötig ist.492 Schließlich muss ein Gläubiger, der in einem Sekundärverfahren befriedigt worden ist, das Erlangte nicht nach Art. 20 Abs. 1 EuInsVO oder § 342 Abs. 1 InsO an den Verwalter des Hauptverfahrens herausgeben. Hier sind lediglich die Befriedigungsquoten in den Verfahren nach Art. 20 Abs. 2 EuInsVO bzw. § 342 Abs. 2 InsO zu konsolidieren.493 Wesentliche Unterschiede ergeben sich bei der Regelung der Rechtsfolgen in Art. 20 Abs. 1 EuInsVO und § 342 Abs. 1 InsO. § 342 Abs. 1 S. 2 InsO verweist auf die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung. Daher hat ein Gläubiger etwaige Nutzungen herauszugeben (§ 818 Abs. 1 BGB) und Wertersatz zu leisten, wenn das Erlangte nicht mehr herausgeben werden kann (§ 818 Abs. 2 BGB). Der Gläubiger kann sich aber auch auf eine Entreicherung berufen, soweit das Erlangte nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden ist (§ 818 Abs. 3 BGB). Eine vergleichbar ausdifferenzierte Regelung fehlt bei Art. 20 Abs. 1 EuInsVO. Die Vorschrift verweist insoweit auch nicht auf eine nationale Rechtsordnung. Daher müssen die Rechtsfolgen durch autonome Auslegung bestimmt werden.494 Fest steht, dass der Gläubiger primär Herausgabe des Gegenstandes schuldet, den er durch die unzulässige Handlung erlangt hat. Für Fälle, in denen der Massegegenstand nicht mehr unverändert im Vermögen des Schuldners vorhanden ist, schlägt der Erläuternde Bericht vor, dass der entsprechende Geldbetrag verlangt werden kann.495 Was im Übrigen zu gelten hat, ist bisher völlig offen und bedarf der Klärung durch den EuGH. Aus deutscher Sicht 491 Zum Aufrechnungsrecht Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 20 Rn. 7, 26. Zum Aufrechnungsrecht siehe bereits 3. Teil § 9, S. 217 ff., zum gutgläubigen Erwerb siehe 3. Teil § 11, S. 259 ff. 492 Vgl. zur Herleitung des § 342 Abs. 1 InsO und des Art. 20 Abs. 1 EuInsVO als Anspruchsgrundlage für den Überlös 3. Teil § 10 II. 1 f.), S. 238 ff. 493 Vgl. dazu 2. Teil § 6 II. 1. f), S. 150 ff. 494 Haubold, in: Gebauer / Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Art. 20 Rn. 178; Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 20 Rn. 6; Liersch, in: Braun, InsO, § 342 Rn. 21; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 20 EuInsVO Rn. 4; Mincke, in: Nerlich / Römermann, InsO, Art. 20 EuInsVO Rn. 2. 495 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (92 Nr. 172).
§ 14 Herausgabepflicht des Gläubigers
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erscheint es zwar angemessen, die Rechtsfolgen ähnlich dem § 818 BGB zu bestimmen. Dabei darf aber nicht vernachlässigt werden, dass andere europäische Rechtsordnungen vergleichbare Regelungen im einschlägigen Sachenrecht, Bereicherungsrecht, Schadensersatzrecht oder Wertverfolgungsrecht nicht kennen. Dasselbe gilt auch für eine Verpflichtung zur Herausgabe der Nutzungen. Jedenfalls die Pflicht zum Nutzungsersatz kann aber noch vom Wortlaut des Art. 20 Abs. 1 EuInsVO („das Erlangte“) als erfasst angesehen werden, weil die Nutzungsziehung daraus folgt, dass der Gläubiger über das aus der Leistung des Schuldners oder der Einzelvollstreckung Erlangte verfügen kann.496 Anders sieht es dagegen in Bezug auf die Entreicherung aus. Stephan schlägt vor, dass der Gläubiger die ihm entstehenden Verwertungskosten von dem Herausgabeanspruch in Abzug bringen kann.497 Dies ist in den Fällen angemessen, in denen der Gläubiger im Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung nichts von der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Schuldners wusste. Nichts desto trotz ist unwahrscheinlich, dass die Möglichkeit des Aufwandsabzugs bei Art. 20 Abs. 1 EuInsVO tatsächlich besteht. Die Vorschrift ordnet nämlich gerade die Herausgabe des Erlangten und nicht die Herausgabe einer verbliebenen Bereicherung an.498 Geht man streng vom Wortlaut der Vorschrift aus, müsste daher danach differenziert werden, ob die Auszahlung an den Gläubiger nach Abzug der Vollstreckungskosten erfolgt, oder ob der Gläubiger die Vollstreckungskosten als Schuldner im Nachhinein selbst begleicht. Im zweiten Fall werden die Vollstreckungskosten wohl nicht abziehbar sein. Um dem Insolvenzverwalter die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs zu erleichtern, konstituiert § 342 Abs. 3 InsO eine Pflicht der Gläubiger, auf Verlangen des Verwalters Auskunft über das Erlangte zu geben. Da eine vergleichbare Regelung in der EuInsVO fehlt, kann sich ausnahmsweise auch ein Verwalter in einem Verfahren, in dem grundsätzlich die Vorschriften der EuInsVO anzuwenden sind, auf den Auskunftsanspruch in § 342 Abs. 3 InsO berufen.499
II. Bewertung Die in § 342 Abs. 1 InsO und Art. 20 Abs. 1 EuInsVO geregelten Herausgabeansprüche des Insolvenzverwalters gegen einzelne Gläubiger sind vor dem Hintergrund des universalen Geltungsanspruchs von Hauptinsolvenzverfahren zu se496 Für einen Nutzungsersatz sprechen sich auch Duursma-Kepplinger und Chalupsky aus, vgl. Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 20 Rn. 24. Vgl. auch Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Art. 20 EuInsVO Rn. 12. 497 HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 20 EuInsVO Rn. 4. 498 Duursma-Kepplinger / Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 20 Rn. 24. 499 Vgl. 2. Teil § 6 II. 1. f) dd), S. 155.
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hen.500 Bei grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren ist rein faktisch damit zu rechnen, dass es in anderen Staaten als dem der Verfahrenseröffnung schon ganz einfach deshalb noch zu Befriedigungshandlungen kommt, weil es den Gläubigern an der Kenntnis von der Verfahrenseröffnung fehlt.501 Die individuellen Befriedigungshandlungen nach Verfahrenseröffnung stehen in Widerspruch zu dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung. Sie sind daher rückgängig zu machen, sofern die Befriedigungshandlungen nicht ausnahmsweise zulässig sind. Gläubiger, die das Erlangte nach Art. 20 Abs. 1 EuInsVO oder § 342 Abs. 1 InsO wieder herausgeben müssen, können ihre Forderung dann wie die anderen Gläubiger im Insolvenzverfahren verfolgen. Die Herausgabeansprüche in § 342 Abs. 1 InsO und Art. 20 Abs. 1 EuInsVO sind keine Eigentümlichkeit des internationalen Insolvenzrechts. Auch bei rein nationalen Insolvenzsachverhalten sind Vorteile, die entgegen dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung erlangt werden, von den Gläubigern wieder herauszugeben. Freilich sind die Herausgabeverpflichtungen national sehr unterschiedlich ausgestaltet. Der entscheidende Grund, warum § 342 Abs. 1 InsO und Art. 20 Abs. 1 EuInsVO die Herausgabeansprüche nochmals speziell für internationale Insolvenzverfahren konstituieren, kann mithin nur in der rechtsvereinheitlichenden Wirkung gesehen werden. Die Rechtsvereinheitlichung soll den Beteiligten ermöglichen, die Rechtslage einfacher einschätzen zu können. Vor diesem Hintergrund enttäuscht insbesondere Art. 20 Abs. 1 EuInsVO. Was hier im Einzelnen zum Anspruchsinhalt zählt, ist nach wie vor unklar und erleichtert die Einschätzung der eigenen Rechtspflichten für die betroffenen Gläubiger daher nur wenig. Hinsichtlich der Rechtsposition der Gläubiger kann – entsprechend der hier vorgenommenen Einschätzung der Rechtslage auf europäischer Ebene – wie folgt klassifiziert werden: Die durch die Befriedigungshandlung begünstigten Gläubiger stehen nach Art. 20 Abs. 1 EuInsVO schlechter als die Gläubiger, die das Erlangte nach § 342 Abs. 1 InsO oder bei einer reinen Inlandsinsolvenz in Deutschland nach §§ 812 ff. BGB herauszugeben haben. Während sich die Gläubiger bei Art. 20 Abs. 1 EuInsVO nämlich nicht auf eine Entreicherung berufen können, ist das in den anderen Fällen sehr wohl möglich. Die fehlende Anerkennung des Wegfalls der Bereicherung kann die Gläubiger sehr hart treffen, da sie gegebenenfalls mit ihrem sonstigen Vermögen haften, auch wenn sie nicht mit einem Herausgabeanspruch rechnen mussten. Besonders häufig wird sich der Nachteil der fehlenden Möglichkeit, sich auf eine Entreicherung berufen zu können, für die Gläubiger in der Praxis bei den regelmäßig entstehenden Verwertungskosten zeigen. Zwar können die Gläubiger ihre Insolvenzforderung in voller Höhe zur Tabelle anmelden. Die angefallenen Verwertungskosten sind aber keine Insolvenzforderungen. Die Gläubiger bleiben folglich auf diesen Kosten sitzen. 500 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (92 Nr. 172); Moss / Fletcher / Isaacs, The EC regulation on insolvency Proceedings, Rn. 8.171 f. 501 Paulus, EuInsVO, Art. 20 Rn. 1.
§ 14 Herausgabepflicht des Gläubigers
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Was sich für die durch die Befriedigungshandlung begünstigen Gläubiger auf europäischer Ebene als Nachteil darstellt, ist für die sonstigen Insolvenzgläubiger von Vorteil. Da die Masse nicht durch eine Berufung auf einen Wegfall der Bereicherung geschmälert wird, erhalten sie im Verteilungsverfahren eine höhere Quote. Damit bleibt zu klären, ob einzelne Gläubiger den sich aus Art. 20 Abs. 1 EuInsVO ergebenden Nachteil der Nichtanerkennung eines Wegfalls der Bereicherung gezielt umgehen können. In Betracht kommt zunächst die Vornahme der Befriedigungshandlung in einem Staat außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO oder aber in Deutschland, wenn hier das Hauptverfahren eröffnet worden ist. Im ersten Fall wäre § 818 Abs. 3 BGB über § 342 Abs. 1 S. 2 InsO und im zweiten Fall unmittelbar anzuwenden. Auch Partikularverfahren bieten auf den ersten Blick einen gewissen Gestaltungsspielraum. In Partikularverfahren findet Art. 20 Abs. 1 EuInsVO nämlich keine Anwendung, weil aufgrund der gegenständlich-räumlichen Beschränkung auf das Gebiet des Verfahrensstaats keine unzulässige Befriedigung in einem anderen Mitgliedstaat möglich ist. Werden dann unzulässige Befriedigungshandlungen in dem Staat, in dem das Partikularverfahren durchgeführt wird, vorgenommen, so findet ausschließlich die lex fori concursus particularis Anwendung. Bei einem Partikularverfahren in Deutschland wäre mithin § 818 Abs. 3 BGB anzuwenden. Sofern sich in Deutschland eine Niederlassung befindet, könnte der Gläubiger gemäß Art. 3 Abs. 2 EuInsVO i.V.m. Art. 29 lit. b EuInsVO das Sekundärverfahren sogar selbst einleiten.502 Derartige Umgehungsversuche werden jedoch schon regelmäßig am deutschen Bereicherungsrecht scheitern. Nach herrschender Literaturmeinung kann eine Anrechnung von Aufwendungen und Verwendungen nämlich nur dann nach § 818 Abs. 3 BGB erfolgen, wenn der Herausgabeverpflichtete auf die Beständigkeit des Rechtserwerbs vertraut hat.503 Jedenfalls scheidet eine Berufung auf die Entreicherung aus, wenn der Gläubiger gemäß § 819 Abs. 1 BGB nach den allgemeinen Vorschriften haftet, weil er den Mangel des rechtlichen Grundes positiv kennt.504 Ein Gläubiger, der beispielsweise eine unzulässige Vollstreckungshandlung bewusst im Hinblick auf das eröffnete Insolvenzverfahren und das damit verbundene Vollstreckungsverbot in einem bestimmten Staat durchführt, oder selbst ein Sekundärverfahren einleitet, um später 502 Die Einleitung eines Sekundärverfahrens nach Vornahme der Befriedigungshandlung in dem Staat, in dem die Handlung vorgenommen worden ist, ist dagegen offensichtlich nicht geeignet, den § 818 Abs. 3 BGB zur Anwendung zu bringen. Der nach Art. 20 Abs. 1 EuInsVO entstandene Anspruch geht in diesem Fall nämlich nicht unter, sondern nach umstrittener Auffassung lediglich auf den Verwalter des Sekundärverfahrens über; MünchKomm z. InsO / Reinhart, Art. 20 EuInsVO Rn. 2; dafür, dass der Herausgabeanspruch dem Hauptinsolvenzverwalter auch nach Eröffnung des Sekundärverfahrens noch zusteht: Gruber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 20 Rn. 9. 503 MünchKomm z. BGB / Lieb, § 818 Rn. 56, 59; Palandt / Sprau, § 818 Rn. 27, 30; HkBGB / Schulze, § 818 Rn. 17; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 818 Rn. 28; Koppensteiner / Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 136 f.; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S. 115; vgl. auch OLG Hamm, NJW-RR 1995, 1010. 504 Palandt / Sprau, § 819 Rn. 8; Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 819 Rn. 2.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
unzulässigerweise in diesem Staat in das Vermögen des Schuldners zu vollstrecken, erfüllt regelmäßig nicht die Voraussetzungen, um sich auf eine Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB zu berufen. Ein forum shopping ist folglich insoweit nicht möglich. Darüber hinaus ist zu beachten, dass es in der Praxis schon an einer entsprechenden Motivation fehlen wird, ein Recht zur Anwendung zu bringen, bei dem sich der Gläubiger im Falle eines Herausgabeanspruchs gegen ihn auf eine Entreicherung berufen kann. Wer beispielsweise in Kenntnis der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in das Vermögen des Schuldners vollstreckt, wird dies regelmäßig in der Hoffnung tun, die erlangten Vorteile unrechtmäßigerweise behalten zu können. Daher wird er sich nicht daran orientieren, bei Anwendung welchen Rechts er im Falle der Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs besser steht.
§ 15 Sonderregeln für Arbeitsverhältnisse Die Eröffnung von Insolvenzverfahren hat auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer zu ihrem Arbeitgeber in Abhängigkeit von den nationalen Vorschriften unterschiedliche Wirkungen. Während die Eröffnung eines bankruptcy oder winding up-Verfahrens nach englischem Recht automatisch zu einer Entlassung der Arbeitnehmer führt,505 bestehen Arbeitsverhältnisse nach deutschem Recht gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 2. Alt. InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Der Insolvenzverwalter kann den Arbeitnehmern des Gemeinschuldners gegebenenfalls kündigen, wobei § 113 S. 1 InsO etwaige Ausschlüsse des ordentlichen Kündigungsrechts überwindet und § 113 S. 2 InsO die Kündigungsfristen verkürzt. Auch nach französischem Recht bleiben die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer zum insolventen Arbeitgeber bestehen. Entlassungen durch den Verwalter können vereinfacht erfolgen.506 Würden sich die Wirkungen der Insolvenzeröffnung nach der lex fori concursus richten, wäre es für die Arbeitnehmer unter Umständen schwierig, die konkreten Wirkungen für ihr Arbeitsverhältnis in Abhängigkeit von der Belegenheit des Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunktes des Arbeitgebers zu bestimmen. Da das Arbeitsverhältnis für Arbeitnehmer als einzige Einnahmenquelle regelmäßig von existenzieller Bedeutung ist, hat der europäische Gesetzgeber in Art. 10 EuInsVO und der deutsche Gesetzgeber in § 337 InsO eine Sonderanknüpfung für das insoweit in der Insolvenz anzuwendende Recht geschaffen.
505 Stevens, in: Mc Bryde / Flessner / Kortmann, Principles of European Insolvency Law, S. 220; Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 22.004, 26.003. 506 Vgl. Art. L. 321 – 8 und L. 321 – 9 Code de travail.
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I. Regelungsinhalt Gemäß § 337 InsO bestimmen sich die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens auf ein Arbeitsverhältnis nach dem Recht, welches nach dem EGBGB auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist. Art. 10 EuInsVO ordnet die Geltung des Rechts an, welches auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist. Welches Recht das ist, richtet sich grundsätzlich nach Art. 6 EVÜ.507 Da das EVÜ in Deutschland aber keine unmittelbare Anwendung findet (Art. 1 Abs. 2 ZustG zum EVÜ508), ist das maßgebliche Recht aus deutscher Sicht ebenfalls nach den Regeln des EGBGB zu bestimmen.509 Sowohl Art. 10 EuInsVO als auch § 337 InsO beinhalten keine Sachregelungen, sondern bringen in Abhängigkeit vom jeweils einschlägigen allgemeinen Kollisionsrecht bestimmte Rechtsordnungen zur Anwendung. Beide Vorschriften sind folglich als allseitige, eigenständige Kollisionsnormen ausgestaltet.510 Mangels tatbestandlicher Eingrenzungen sind sie sowohl in der Insolvenz des Arbeitgebers als auch in der Insolvenz des Arbeitnehmers anzuwenden.511 Gleichgültig ist, ob das Insolvenzverfahren in dem Staat stattfindet, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit verrichtet, oder in einem anderen.512 Einschränkungen für die Anwendung der Vorschriften ergeben sich lediglich aus dem Verhältnis zwischen EuInsVO und deutschem internationalen Insolvenzrecht sowie aus dem räumlich beschränkten Anwendungsbereich der EuInsVO. Während Art. 10 EuInsVO nur auf Sachverhalte innerhalb der EU mit Ausnahme Dänemarks anzuwenden ist („Recht des Mitgliedstaats“), greift § 337 InsO im Verhältnis zu Drittstaaten. Art. 10 EuInsVO und § 337 InsO setzen ein bestehendes Arbeitsverhältnis voraus. Zwar verwendet Art. 10 EuInsVO neben diesem Begriff noch gesondert den Begriff „Arbeitsvertrag“. Dieses Tatbestandsmerkmal ist von dem Tatbestandsmerkmal Arbeitsverhältnis aber bereits umfasst und hat daher keine eigenständige Bedeutung.513 Was unter einem Arbeitsverhältnis zu verstehen ist, bestimmt sich 507 Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 31.042; Huber, EuZW 2002, 490 (494 Fn. 56); ders., ZZP 2001, 133 (162); Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (558); Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (78 Nr. 126). 508 BGBl. II 1986, S. 809. 509 Art. 6 EVÜ entspricht inhaltlich dem Art. 30 EGBGB. Daher ergeben sich aus der Anwendung der verschiedenen Normen aus deutscher Sicht in der Praxis keine Unterschiede. 510 Kemper, ZIP 2001, 1609 (1617); Mäsch, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 10 EG-InsVO Rn. 2; Liersch, in: Braun, InsO, § 337 Rn. 6; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 337 Rn. 2; HeidelKomm z. InsO / Stephan, Art. 10 Rn. 1. 511 Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 10 Rn. 2; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 337 Rn. 4; Liersch, in: Braun, InsO, § 337 Rn. 6. 512 HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 337 Rn. 4; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 337 Rn. 2; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 337 Rn. 2. 513 Liersch, in: Braun, InsO, § 337 Rn. 7. 514 Vgl. dazu EuGH Slg. 1986, S. 2121.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
bei Art. 10 EuInsVO nach verordnungsautonomer Auslegung, wobei sich insofern an der Rspr. des EuGH orientiert werden kann.514 Lediglich Paulus will bei der Bestimmung dessen, was unter das Tatbestandsmerkmal Arbeitsverhältnis zu subsumieren ist, auf das nationale Begriffsverständnis des Staats zurückgreifen, dessen Recht auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist.515 Dies hätte jedoch den Nachteil, dass jeder Mitgliedstaat durch eine extensive oder restriktive Fassung des Begriffs darüber mitbestimmen könnte, ob ein Arbeitsverhältnis i. S. d. Art. 10 EuInsVO vorliegt oder nicht.516 Richtigerweise ist daher von einem einheitlichen verordnungsautonomen Begriffsverständnis auszugehen. Bei § 337 InsO kann auf den Begriff des Arbeitsverhältnisses in Art. 30 EGBGB zurückgegriffen werden, da das deutsche internationale Insolvenzrecht keine eigene abweichende Definition kennt.517 Ein Arbeitsverhältnis ist danach sowohl bei Art. 10 EuInsVO als auch bei § 337 InsO das Rechtsverhältnis zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer, welches grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag entsteht. Entscheidend für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist, dass eine unselbständige Person für eine andere nach deren Weisung Leistungen gegen Entgelt erbringt.518 Nicht erforderlich ist, dass das Arbeitsverhältnis auf einer wirksamen vertraglichen Grundlage beruht. Auch faktische Arbeitsverhältnisse fallen unter Art. 10 EuInsVO und § 337 InsO.519 Nicht erfasst werden dagegen Arbeitsverhältnisse, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht bestanden haben. Arbeitnehmer, die erst später eingestellt worden sind, haben zuvor nicht auf die Geltung einer bestimmten Rechtsordnung für sich vertraut. Des Weiteren kann die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens keine Wirkungen auf ein Arbeitsverhältnis haben, welches im Zeitpunkt der Eröffnung noch gar nicht besteht. Sowohl Art. 10 EuInsVO als auch § 337 InsO sind daher entsprechend teleologisch zu reduzie-
515 Paulus, EuInsVO, Art. 10 Rn. 3. Diese dynamische Begriffsbestimmung erinnert an die zirkelschlussartige Auslegung des Tatbestandsmerkmals Rechtsstreit bei Art. 15 EuInsVO durch Paulus, vgl. dazu § 12 I., S. 267. Tatsächlich liegt der Fall hier aber etwas anders. Paulus greift zur Bestimmung des Tatbestandsmerkmals Arbeitsverhältnis auf das Begriffsverständnis der Rechtsordnung zurück, die nach allgemeinem Kollisionsrecht und nicht gemäß der insolvenzrechtlichen Kollisionsvorschrift selbst auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist. Daher ist für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals in Art. 10 EuInsVO anders als bei Art. 15 EuInsVO nicht zuvor das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals zu unterstellen, um sodann die tatsächliche Erfüllung des Tatbestandsmerkmals anhand der durch die Norm der EuInsVO ermittelten Rechtsordnung zu bestimmen. 516 Vgl. dazu auch Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 10 Rn. 5. 517 Liersch, in: Braun, InsO, § 337 Rn. 4. 518 EuGH Slg. 1986, S. 2121; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 10 Rn. 6; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 337 Rn. 3; Palandt / Heldrich, Art. 30 EGBGB Rn. 2; Erman / Hohloch, Art. 30 EGBGB Rn. 22. 519 Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 337 Rn. 3; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 337 Rn. 5; BerlinerKomm z. InsO / Pannen, § 337 Rn. 7.
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ren.520 Inwiefern der Gemeinschuldner bzw. der Verwalter während des Insolvenzverfahrens noch Arbeitsverhältnisse begründen darf, richtet sich nach der lex fori concursus (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. c EuInsVO bzw. § 335 InsO). Der Rückgriff auf das allgemeine Kollisionsrecht in Art. 10 EuInsVO und § 337 InsO bewirkt, dass primär die insolvenzrechtlichen Eröffnungswirkungen des Forums auf das Arbeitsverhältnis angewendet werden, welches die Parteien per Rechtswahl bestimmt haben (Art. 27 Abs. 1 S. 1, 30 Abs. 1 EGBGB). Haben die Parteien keine wirksame Rechtwahlabrede getroffen, so greifen die Rechtswirkungen des Staats, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet (Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB). Die Sonderanknüpfung betrifft allerdings nur die insolvenzrechtlichen Wirkungen auf das Arbeitsverhältnis selbst. Ausweislich des Erwägungsgrunds 28 S. 1 zur EuInsVO gehören dazu insbesondere die Vorschriften über die Fortsetzung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Aber auch Eröffnungswirkungen, die den Inhalt der wechselseitigen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag sowie die Herabsetzung des Lohns betreffen, sind direkte Wirkungen auf das Arbeitsverhältnis.521 Nicht zu den Eröffnungswirkungen eines Insolvenzverfahrens zählt dagegen die Festsetzung des Ranges, den die ausstehenden Arbeitnehmerforderungen im Verteilungsverfahren einnehmen. Gleiches gilt für etwaige sonstige Vorrechte und für die Bildung von geschützten Beträgen (sog. funds522).523 Diese Fragen bestimmen sich gemäß Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. i EuInsVO bzw. gemäß § 335 InsO nach der lex fori concursus. Auch die Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters bei anfechtbar begründeten Arbeitsverhältnissen sowie die Möglichkeiten der Arbeitnehmer, in der Insolvenz des Arbeitgebers aufzurechnen, richten sich unabhängig von Art. 10 EuInsVO und § 337 InsO nach den einschlägigen Spezialvorschriften.524 An dieser ausdifferenzierten Regelungssystematik ändert auch das Wort „ausschließlich“ in Art. 10 EuInsVO nichts. Dieser Einschub soll lediglich besonders hervorheben, dass sich die insolvenzrechtlichen Eröffnungswirkungen auf das Arbeitsverhältnis nach der Rechtsordnung bestimmen, die nach allgemeinem Kollisionsrecht auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist.525 Fragen der Insolvenzentgeltsicherung werden 520 Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, EuInsVO, Art. 10 Rn. 3; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 10 Rn. 3; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 337 InsO Rn. 4; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 337 Rn. 4. 521 Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 131 Rn. 54; HeidelKomm z. InsO / Stephan, § 337 Rn. 8; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 337 InsO Rn. 7. 522 Vgl. 1. Teil § 3 III., S. 57. 523 Erwägungsgrund 28 S. 2 zur EuInsVO; Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (78 Nr. 128); Fletcher, The Law of Insolvency, Rn. 31.042; Paulus, DStR 2005, 334 (337); Leible / Staudinger, KTS 2000, 533 (558); Huber, ZZP 2001, 133 (163); Mäsch, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 10 EG-InsVO Rn. 9; Kemper, in: Kübler / Prütting, InsO, § 337 Rn. 7 f. 524 Vgl. dazu 3. Teil § 8, S. 195 ff. und 3. Teil § 9, S. 217 ff.
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3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften
von der EuInsVO und dem deutschen internationalen Insolvenzrecht gar nicht erfasst.526
II. Bewertung Die kollisionsrechtlichen Sonderregelungen in Art. 10 EuInsVO und § 337 InsO durchbrechen den Grundsatz der universalen Geltung der lex fori concursus. Diese Durchbrechung dient dem Schutz der Arbeitnehmer. Auf deren Arbeitsverhältnis sollen keine anderen Rechtsvorschriften Anwendung finden als diejenigen, die auch grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.527 Die Gesetzgeber sind insoweit dem Prinzip der engsten Bindung der Rechtsregeln zum konkreten Arbeitsverhältnis gefolgt. Dadurch soll den Arbeitnehmern die Feststellung erleichtert werden, wie sich eine Insolvenz des Arbeitgebers auf ihr Arbeitsverhältnis auswirkt.528 Vor diesem Hintergrund geht die Kritik von Niggemann und Blenske, dass die Regelung in Art. 10 EuInsVO durch ein mangelndes Vertrauen in die sozialen Mindeststandards in Europa motiviert sei, fehl.529 Art. 10 EuInsVO und § 337 InsO bringen nämlich gerade nicht die arbeitnehmerfreundlicheren Insolvenzregelungen zur Anwendung. Das Arbeitsvertragsstatut ist auch dann anzuwenden, wenn die lex fori concursus günstigere Rechtsfolgen vorsieht. Daher kann es nach Art. 10 EuInsVO bzw. § 337 InsO i.V.m. nationalem Recht in einem Staat zur Auflösung der Arbeitsverhältnisse kommen, während die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer im Staat der Verfahrenseröffnung weiter bestehen bleiben. Folglich bewirken die Vorschriften nicht zwangsläufig eine soziale Privilegierung der Arbeitnehmer. Geschützt wird lediglich ihr Vertrauen in die Geltung des Arbeitsvertragsstatuts. Fraglich ist damit allenfalls, ob die Arbeitnehmer eines solch besonderen Vertrauensschutzes bedürfen. So existiert beispielsweise für Verbraucherverträge kei525 Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (78 Nr. 127); BerlinerKomm z. InsO / Pannen, Art. 10 Rn. 5. 526 Wegen der sachlichen Nähe zum Thema dieser Arbeit sei aber angemerkt, dass für nicht erfüllte Arbeitnehmeransprüche gemäß Art. 8 a der Richtlinie 80 / 987 / EWG des Rates vom 20. 10. 1980 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers („Insolvenzrichtlinie“) die Garantieeinrichtung des Mitgliedstaats einzustehen hat, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet. In Deutschland tätige Arbeitnehmer haben daher auch bei einer Hauptinsolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen des Arbeitgebers im Ausland einen Anspruch aus § 183 Abs. 1 SGB III. Vgl. zuvor schon die Rspr. des EuGH, Urt. v. 17. 9. 1997 – Rs. C-117 / 96 (Mosbäk) NZA 1997, 1155 f.; Urt. v. 16. 12. 1999 – Rs. C-198 / 98 (Everson, Barrass / Bell Lines Ltd.), EuZW 2000, 669 f. 527 Erwägungsgrund 28 S. 1 zur EuInsVO; Virgos / Schmit, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 32 (77 Nr. 125); Moss / Fletcher / Isaacs, The EC regulation on insolvency Proceedings, Rn. 8.114; Huber, in: Haß / Huber / Gruber / Heiderhoff, InsO, Art. 10 Rn. 1; BTDrucks. 15 / 16, S. 18; Liersch, NZI 2003, 302 (304 f.). 528 BT-Drucks. 15 / 16, S. 18; Dahl, in: Andres / Leithaus / Dahl, InsO, § 337 Rn. 1. 529 Niggemann / Blenske, NZI 2003, 471 (477).
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ne vergleichbare Sonderkollisionsnorm.530 Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Arbeitsverhältnis für den Arbeitnehmer regelmäßig von erheblich größerer wirtschaftlicher Bedeutung ist als ein Verbrauchervertrag für einen Verbraucher. Damit bleibt aber nach wie vor die Frage unbeantwortet, warum sich die Arbeitnehmer nicht auch auf die Geltung der lex fori concursus einstellen müssen. Dies ist nur mit dem hohen Stellenwert zu erklären, den der Arbeitnehmerschutz in den meisten der EU-Mitgliedstaaten und insbesondere in Deutschland genießt. Die Rechtsregeln, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind, sollen letztlich von der Person des Arbeitnehmers und seinem Tätigkeitsort abhängen und nicht von einem irgendwo belegenen Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunkt des Arbeitgebers, der für die anzuwendende lex fori concursus maßgeblich ist. Der spezielle Anknüpfungspunkt hat für die Arbeitnehmer die positive Nebenfolge, dass der Arbeitgeber hinsichtlich der Wirkungen einer Insolvenzeröffnung nicht durch grenzüberschreitende Verlegung des Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunktes Einfluss auf das anzuwendende Recht nehmen kann. Der Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunkt bestimmt sich grundsätzlich unabhängig davon, wo die Mehrzahl der Arbeitnehmer beschäftigt ist. Folglich könnte der Arbeitgeber ohne die Regelung in Art. 10 EuInsVO und § 337 InsO durch eine Verlegung des Interessen- oder Tätigkeitsmittelpunkts hinter dem Rücken der Arbeitnehmer eine lex fori concursus zur Anwendung bringen, die zu einer Herabsetzung des Lohns oder einer Auflösung der Arbeitsverhältnisse führt. Aufgrund von Art. 10 EuInsVO und § 337 InsO kann der Arbeitnehmer stattdessen bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags absehen, welche Wirkungen eine Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Arbeitgebers auf das eigene Arbeitsverhältnis hätte. Dabei können der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer das anzuwendende Recht durch Rechtwahl beeinflussen (Art. 27, 30 Abs. 1 EGBGB). Aufgrund der Verweise in Art. 10 EuInsVO und § 337 InsO auf das allgemeine Kollisionsrecht hat die Rechtswahl zur Folge, dass die von den Vertragsparteien bestimmte Rechtsordnung auch für die Wirkungen einer Insolvenzeröffnung auf das Arbeitsverhältnis maßgeblich ist. Eine objektive Auslandsberührung des Arbeitsverhältnisses zu der gewählten Rechtsordnung ist nicht erforderlich.531 Daher haben die Parteien einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser wird auch durch Art. 30 Abs. 1 EGBGB nicht eingeschränkt. Die Vorschrift verhindert, dass eine Rechtswahl zu einer Umgehung zwingender Schutzvorschriften zulasten des Arbeitnehmers führt. Zur Feststellung einer Umgehung hat ein Günstigkeitsvergleich mit den Wirkungen des ohne die Rechtswahl anzuwendenden Arbeitsvertragsstatuts stattzufinden.532 Würde die Rechtswahl zu einer Abweichung von der SchutzvorLeible / Staudinger, KTS 2000, 533 (558). Palandt / Heldrich, Art. 27 EGBGB Rn. 3, Art. 30 EGBGB Rn. 4; MünchKomm z. BGB / Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 19 ff., Art. 30 EGBGB Rn. 25. 532 MünchKomm z. BGB / Martiny, Art. 30 EGBGB Rn. 38; Palandt / Heldrich, Art. 30 EGBGB Rn. 5. 530 531
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schrift zulasten des Arbeitnehmers führen, so ist die Schutzvorschrift der objektiv bestimmten Rechtsordnung anzuwenden. Die Rechtswahl im Übrigen bleibt wirksam.533 Das hat zur Folge, dass sich die Wirkungen einer Insolvenz auf das Arbeitsverhältnis auch dann nach dem durch Rechtswahl bestimmten Arbeitsvertragsstatuts richten, wenn die Rechtswahl aufgrund von Art. 30 Abs. 1 EGBGB in Bezug auf verschiedene Schutzvorschriften unbeachtlich ist. Mithin könnte Art. 30 Abs. 1 EGBGB die Gestaltungsmöglichkeiten der Vertragsparteien in Bezug auf die Wirkungen einer Insolvenzeröffnung nur dann einschränken, wenn die gemäß Art. 10 EuInsVO oder § 337 InsO anzuwendenden Normen des durch Rechtswahl bestimmten Arbeitsvertragsstatuts von zwingenden Schutzbestimmungen für den Fall der Insolvenzeröffnung abweichen. Zwar kann es durchaus vorkommen, dass der Arbeitnehmer durch die Rechtswahl hinsichtlich der Modalitäten einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Insolvenzeröffnung oder hinsichtlich gesetzlicher Lohnherabsetzungen in der Insolvenz des Arbeitgebers schlechter steht als er nach dem Recht stehen würde, welches nach objektiven Gesichtspunkten gemäß Art. 10 EuInsVO oder § 337 InsO auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden würde. Allerdings ist bereits fraglich, ob es sich bei den einschlägigen insolvenzrechtlichen Bestimmungen um Schutzbestimmungen i. S. d. Art. 30 Abs. 1 EGBGB handelt. Das dürfte regelmäßig nicht der Fall sein. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Gesetzgeber in Art. 10 EuInsVO und § 337 InsO bewusst auf das allgemeine Kollisionsrecht verwiesen und damit gerade nicht nur eine objektive Anknüpfung vorgenommen haben. Da beiden Vorschriften anders als den internationalrechtlichen Vorschriften zum Aufrechnungs- und Anfechtungsrecht nicht das Günstigkeitsprinzip zugrunde gelegt wurde,534 hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, dass mittels Rechtswahl auch ungünstigere Bestimmungen zur Anwendung kommen können als bei einer objektiven Bestimmung des für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Rechts. Rechtswahlvereinbarungen, die einzelne Arbeitnehmer besser stellen als nach dem Recht, welches in dem Staat gilt, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet, sind ebenfalls regelmäßig zulässig. Zwar führt eine entsprechende Rechtswahl zu einer Ungleichbehandlung mit den Arbeitnehmern, die in demselben Staat arbeiten ohne eine entsprechende Abrede getroffen zu haben. Es ist jedoch nicht ersichtlich, woran die Zulässigkeit der die Arbeitnehmer begünstigenden Rechtswahlabrede scheitern sollte. Die Gesetzgeber haben mit dem Verweis auf das allgemeine Kollisionsrecht die Möglichkeit für entsprechende Vereinbarungen eröffnet. Es ist daher davon auszugehen, dass sie damit verbundene Ungleichbehandlungen zwischen den Arbeitnehmern akzeptieren. Das Problem der Drittschädigungsabsicht, wie es sich insbesondere im internationalen Insolvenzanfechtungsrecht sowie bei der Behandlung dinglicher Rechte 533 Guiliano / Lagarde, BT-Drucks. 10 / 503, S. 57; Junker, IPRax 1993, 1 (5); Kronke, DB 1984, 404 (405); MünchKomm z. BGB / Martiny, Art. 30 EGBGB Rn. 33. 534 Vgl. zur Geltung der für den Betroffenen günstigeren Rechtsordnung im Anfechtungsund Aufrechnungsrecht: 3. Teil § 8 IV., S. 194 f., 3. Teil § 9 IV., S. 218.
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stellt,535 wird hier nicht relevant. Das ist damit zu erklären, dass die Vorteile des durch die Rechtswahlabrede Begünstigten nicht zulasten der anderen Arbeitnehmer gehen. Diese erleiden nämlich keinen unmittelbaren Nachteil dadurch, dass das Arbeitsverhältnis eines anderen Arbeitnehmers bestehen bleibt. Bei sonstigen die Insolvenzgläubiger benachteiligenden Rechtshandlungen greift gegebenenfalls das Anfechtungsrecht, wobei Art. 13 EuInsVO und § 339 InsO zu beachten sind. Gewisse Schwierigkeiten sind mit der Beurteilung von Rechtswahlvereinbarungen verbunden, die sich nur auf einzelne abtrennbare Komplexe beziehen. Derartige Teilrechtswahlvereinbarungen sind nach h. M. auch in Bezug auf einzelne arbeitsrechtliche Regelungsbereiche zulässig.536 Auf einzelne Regelungskomplexe beschränkte Rechtswahlabreden finden jedoch im Wortlaut des Art. 10 EuInsVO und des § 337 InsO keine Berücksichtigung. Die Vorschriften rekurrieren vielmehr allgemein auf die Rechtsordnung, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist. Dies kann nur so verstanden werden, dass die „generell“ auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Rechtsordnung maßgeblich für die Wirkungen der Insolvenzeröffnung sein soll. Teilrechtswahlvereinbarungen sind daher grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für Teilrechtswahlvereinbarungen, die sich nur auf die Wirkungen der Insolvenzeröffnung beziehen. Arbeitnehmer können sich daher beispielsweise nicht durch die Vereinbarung der Geltung des § 108 Abs. 1 S. 1 2. Alt. InsO vor einer Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses in der Insolvenz des Arbeitgebers schützen, wenn das grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Recht eine Auflösung vorsieht. Aber auch sonst führen Rechtswahlen über einzelne Regelungskomplexe nicht zu einer Veränderung des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Insolvenzrechts. Erst wenn schwerpunktmäßig die Geltung der Rechtsregeln einer anderen Rechtsordnung in zulässiger Weise vereinbart worden ist, kann dies zu einer Veränderung des nach Art. 10 EuInsVO und § 337 InsO anzuwendenden Rechts führen. Da Art. 10 EuInsVO und § 337 InsO nicht auf die Befriedigung von noch ausstehenden Lohnforderungen anwendbar sind, bieten die Vorschriften insofern keine Gestaltungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmer.537 Die Befriedigung dieser Forderungen richtet sich einheitlich nach der lex fori concursus (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. i EuInsVO, § 335 InsO). Etwaige Rechtswahlabreden sind unbeachtlich. Ferner kann durch die Einleitung von Sekundärverfahren kein Einfluss auf die Wirkungen einer Insolvenzeröffnung auf die zum insolventen Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnisse genommen werden. Auch in einem Partikularverfahren entscheidet gemäß Art. 10 EuInsVO und § 337 InsO das Arbeitsvertragsstatut über Vgl. 3. Teil § 8 III. 4., S. 189 f.; 3. Teil § 10 III. 2., S. 249 ff. BAG, MDR 1998, 543; Hönsch, NZA 1988, 113 (115); Palandt / Heldrich, Art. 27 EGBGB Rn. 3, Art. 30 EGBGB Rn. 4; MünchKomm z. BGB / Martiny, Art. 30 EGBGB Rn. 29; a.A. Krebber, IPRax 1999, 164 (165). 537 Vgl. dazu jedoch 2. Teil § 6 I. 4. b) ff), S. 136 und 2. Teil § 6 II. 2. c), S. 156. 535 536
diese Wirkungen. Dass auf andere Sachverhalte die lex fori concursus secundariae zur Anwendung gebracht wird, ist für die Eröffnungswirkungen auf Arbeitsverhältnisse unerheblich. Damit bleibt festzuhalten, dass Art. 10 EuInsVO und § 337 InsO – unter der Prämisse, dass die besondere Bedeutung von Arbeitsverhältnissen für Arbeitnehmer eine Ausnahme von der grundsätzlich in einem Insolvenzverfahren anzuwendenden lex fori concursus erforderlich macht – eine sinnvolle Regelung für die Insolvenzwirkungen auf Arbeitsverhältnisse enthält. Dadurch, dass auch Rechtswahlvereinbarungen Berücksichtigung finden, wird ein gewisses Maß an Flexibilität gewährleistet. Gleichzeitig eröffnen die Vorschriften keine ausufernden Möglichkeiten für ein forum shopping zulasten Dritter.
§ 16 Ergebnis Ziel der vorliegenden Arbeit war es, eine umfassende Analyse der Rechtsstellung der Gläubiger unter dem Einfluss der EuInsVO und des deutschen internationalen Insolvenzrechts vorzunehmen. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Teil: Grundlagen Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (par conditio creditorum) ist zentrale Verfahrensmaxime sämtlicher behandelter nationaler Insolvenzstatuten.538 Die Gläubigergleichbehandlung in Insolvenzverfahren rechtfertigt sich durch Billigkeitserwägungen: In Fällen, in denen das Schuldnervermögen nicht mehr zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht, sollen – anders als bei Geltung des Prioritätsprinzips – keine egoistischen Gläubigereingriffe mehr zugelassen werden, die die Aussicht der anderen Gläubiger auf Befriedigung verringern.539 Die materielle Gerechtigkeit fordert indes keine vollständige Gleichbehandlung aller Gläubiger. Sie macht vielmehr eine gruppenspezifische Gleichbehandlung erforderlich. Daher konstituiern die nationalen Insolvenzstatuten Hierarchien der verschiedenen Gläubigergruppen.540 Die konkrete Ausgestaltung der Rechtsstellung der Gläubiger und Gläubigergruppen unterscheidet sich dabei von Insolvenzstatut zu Insolvenzstatut erheblich. Sie ist immer abhängig davon, welche Rolle den Gläubigern, den Gläubigergruppen und dem Schuldner wirtschafts- und sozialpolitisch im jeweiligen Staat zugeschrieben wird. 538 539 540
1. Teil § 3, S. 50 ff. 1. Teil § 2 I., S. 31 ff. Vgl. etwa 1. Teil § 2 III., S. 47 ff.
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2. Teil: Analyse des Zusammenspiels der Insolvenzrechtsordnungen Sowohl die EuInsVO als auch das deutsche internationale Insolvenzrecht erkennen den universalen Geltungsanspruch ausländischer Insolvenzverfahren an. Des Weiteren erklären sie grundsätzlich die lex fori concursus für anwendbar. Folglich wirken sich die nationalen Unterschiede in der Ausgestaltung der Rechtsstellung der Gläubiger international aus. Daher ist die Frage, in welchem Staat das Insolvenzverfahren eröffnet wird, von entscheidender Bedeutung für die Position der Gläubiger im Insolvenzverfahren. Die internationale Eröffnungszuständigkeit bestimmt sich nach dem Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen (COMI) bzw. nach dem Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners. Mithin hat der Schuldner entscheidenden Einfluss darauf, wo ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann. Gleichzeitig kann er über die Belegenheit des Interessenbzw. Tätigkeitsmittelpunkts darüber bestimmen, welches Insolvenzrecht anzuwenden ist. Inwiefern die Gläubiger gegen Manipulationen des Anknüpfungspunktes durch den Schuldner – etwa durch Umzug – geschützt sind, wurde in Rspr. und Lehre bisher nur unzureichend behandelt. Die Grenzen für eine missbräuchliche Sitzverlegung lassen sich jedoch durchaus anhand von subjektiven und zeitlichen Kriterien definieren.541 Verfahrenseröffnungen, die auf einer missbräuchlichen Verlagerung des Tätigkeitsmittelpunktes beruhen, kann im Geltungsbereich des deutschen internationalen Insolvenzrechts durch eine Versagung der Anerkennung des ausländischen Insolvenzverfahrens mangels internationaler Eröffnungszuständigkeit begegnet werden.542 Diese Möglichkeit besteht im Geltungsbereich der EuInsVO bei missbräuchlichen Verlagerungen des Interessenmittelpunktes nicht. Auch der ordre public-Vorbehalt bietet insoweit keinen Schutz.543 Die Gläubiger sind hier folglich darauf angewiesen, dass die Mitgliedstaaten sich gegebenenfalls selbst für international unzuständig erklären, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen. Auch die Gläubiger haben erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Einleitung von Insolvenzverfahren. Sie können selbst einen Antrag auf Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens stellen. Dabei kommt dem Zeitpunkt der Antragstellung aufgrund der Anerkennung von Insolvenzverfahren nach dem Prioritätsprinzip große Bedeutung zu (Wettlauf um die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach gläubigerfreundlichen Maßstäben).544 Mithilfe der Einleitung von Sekundärinsolvenzverfahren können Nachteile, die sich in einem Hauptverfahren ergeben, ausgeglichen werden. Schließlich bietet das Nebeneinander von Haupt- und Sekundärverfahren Gestaltungsmöglichkeiten für eine taktisch sinnvolle Verfolgung der 541 542 543 544
2. Teil § 5 IV. 2. a), S. 100 ff. 2. Teil § 5 IV. 2. b) – d), S. 104 ff. 2. Teil § 5 IV. 2. d), S. 107 ff. 2. Teil § 6 I. 4., S. 131 ff.
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Gläubigerinteressen.545 So können die Gläubiger mittels einer gezielten Anmeldung von Insolvenzforderungen in einzelnen Verfahren ein größeres Maß an Befriedigung ihrer Forderungen erreichen als bei einer flächendeckenden Anmeldung in allen Insolvenzverfahren. Mithin eröffnen die EuInsVO und das deutsche internationale Insolvenzrecht über die Ausgestaltung des Zusammenspiels der nationalen Insolvenzrechtsordnungen nicht nur Raum für ein forum shopping des Schuldners, sondern auch für ein forum shopping der Gläubiger.
3. Teil: Analyse der Rechtswirkungen der Einzelvorschriften Die kollisions- und sachrechtlichen Einzelvorschriften der EuInsVO und des deutschen internationalen Insolvenzrechts durchbrechen in mannigfaltiger Art und Weise die Geltung der lex fori concursus. Damit sind regelmäßig Privilegierungen einzelner Gläubiger verbunden, die zulasten der Gläubigergesamtheit gehen. So werden beispielsweise Rechtshandlungen, die gemäß der lex fori concursus anfechtbar sind, nach den Maßstäben der lex causae unanfechtbar gestellt.546 Aufrechnungen, die nach der lex fori concursus in der Insolvenz des Schuldners unzulässig wären, werden für zulässig erklärt, wenn das Hauptforderungsstatut die Aufrechnung zulässt.547 Dingliche Rechte an Gegenständen der Insolvenzmasse, die nicht im Staat der Verfahrenseröffnung belegen sind, werden insoweit von den Wirkungen der Verfahrenseröffnung abgeschirmt, als das die gesicherten Gläubiger ihre Sicherheiten so verwerten können, als ob kein Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre.548 Die sich aus dem internationalen Insolvenzrecht ergebenden Privilegierungen einzelner Gläubiger führen zu schweren Durchbrechungen des Prinzips der Gläubigergleichbehandlung. Es ist aufgezeigt worden, dass diese Durchbrechungen auch nicht mit den Schutzzwecken, die die Gesetzgeber den Vorschriften zugrunde gelegt haben, gerechtfertigt werden können.549 Zugleich eröffnen die Einzelbestimmungen der EuInsVO und des deutschen internationalen Insolvenzrechts in erheblichem Umfang Raum für ein forum shopping durch einzelne Gläubiger. Da diese Freiräume von den Gesetzgebern wissentlich geschaffen wurden, ist davon auszugehen, dass entsprechende Rechtsgestaltungen durch die Beteiligten grundsätzlich zulässig sind. Lediglich in Missbrauchsfällen können Grenzen gezogen werden. Der Maßstab für das Vorliegen eines Missbrauchsfalls ist dabei abhängig vom Regelungsgehalt und Schutzzweck der jeweiligen internationalrechtlichen Vorschrift zu bestimmen. Grundsätzlich 545 546 547 548 549
2. Teil § 6 II. 2. – 4., S. 155 ff. 3. Teil § 8, S. 170 ff. 3. Teil § 9, S. 196 ff. 3. Teil § 10, S. 219 ff. 3. Teil § 8 IV., S. 194 f.; 3. Teil § 9 IV., S. 218; 3. Teil § 10 IV., S. 253.
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wird man einen Rechtsmissbrauch nur in den Fällen bejahen können, in denen Schädigungsabsicht vorliegt. In der Lit. finden sich vereinzelt Lösungsansätze, wie Missbrauchsfälle methodisch behandelt werden sollen. Die Ansätze können jedoch allesamt nicht überzeugen. Als einzig sinnvoller Lösungsweg im Umgang mit missbräuchlichen Rechtsgestaltungen hat sich die teleologische Reduktion der einschlägigen internationalrechtlichen Vorschriften herausgestellt.550 Darüber hinaus können sich die durch das forum shopping benachteiligten Gläubiger gegebenenfalls durch Einleitung von Sekundärverfahren zur Wehr setzen.551 Sie können dem forum shopping anderer mithin durch ein eigenes forum shopping begegnen. Die EuInsVO und das deutsche internationale Insolvenzrecht setzen sich mit der Einräumung dieser vielfältigen Rechtsgestaltungsmöglichkeiten für die an einem Insolvenzverfahren Beteiligten in Widerspruch zu den eigenen Zielen, ein forum shopping zu unterbinden oder zumindest einzuschränken. Positiver sind die Vorschriften zu bewerten, die nicht dem Meistbegünstigungsgrundsatz folgen. So sind insbesondere die internationalrechtlichen Sonderanknüpfungen für den Rechtserwerb trotz Insolvenz des Schuldners zu begrüßen.552 Die Verweise auf die Vorschriften des registerführenden Staats stellen sicher, dass sich Erwerber auf die Publizitätswirkung der einschlägigen Register verlassen können. Nicht nachzuvollziehen ist dabei jedoch die enge Fassung des Art. 14 EuInsVO, der lediglich bei entgeltlichen Verfügungen greift.553 Ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen ergeben sich schließlich auch aus der unterschiedlichen Ausgestaltung von Einzelvorschriften in der EuInsVO einerseits und dem deutschen internationalen Insolvenzrecht andererseits. Besonders eindrucksvoll konnte dies am Beispiel der unterschiedlichen Fassungen der Vorschriften über bestimmte schuldrechtliche Verträge554 sowie bei den Vorschriften zur Herausgabepflicht der Gläubiger nach Leistung durch den Schuldner oder Zwangsvollstreckung555 belegt werden.
550 551 552 553 554
3. Teil § 8 III. 4., S. 190 f.; 3. Teil § 9 III. 3., S. 215 f.; 3. Teil § 10 III. 2., S. 250 f. 3. Teil § 8 III. 6., S. 193; 3. Teil § 9 III. 5., S. 217; 3. Teil § 10 III. 3., S. 251 f. Vgl. dazu 3. Teil § 11, S. 254 ff. 3. Teil § 11 III., S. 259 f. 3. Teil § 12 II., S. 263 ff.
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Sachregister Anhängige Gerichtsverfahren 273 Anwendbares Insolvenzrecht 89 Anwendungsbereiche – EuInsVO 63 – Deutsches int. Insolvenzrecht 68 Arbeitsverhältnisse, siehe Bestand von Aufrechung, siehe Insolvenzaufrechnung Bestand von Arbeitsverhältnissen 287 Dingliche Rechte in der Insolvenz 253, 224 – Gestaltungsmöglichkeiten 243 – Gläubigergleichbehandlung 252 – Herausgabe des Übererlöses 238 – lex rei sitae 226, 227 – Rechtsvergleichender Überblick 220 – Vorbehaltsverkäufer 240 Einzelvollstreckungsmaßnahmen 271, 274 Erfüllung schuldrechtlicher Verträge 260 Forderungsanmeldung 141 – Form, Sprache, Inhalt 145 – Gestaltungsmöglichkeiten 155 – Mehrfachanmeldungen 147, 150 Gläubigereinteilung nach der InsO 35 Gläubigergleichbehandlung 31, 195, 218, 252, 263, 274 – Gestaltungsmöglichkeiten 136, 155, 184, 212, 243 – Quotenkonsolidierung 150 Gläubigerinteressen 47 Gutgläubiger Rechtserwerb 259 Hauptinsolvenzverfahren 113 – Gestaltungsmöglichkeiten 131 Herausgabepflichten der Gläubiger 274 – Gestaltungsmöglichkeiten 279
Information der Gläubiger 165 – Individuelle Unterrichtung 166 – Öffentliche Bekanntmachung 167 – Öffentliche Register 168 Insolvenzanfechtung 195, 179 – Gestaltungsmöglichkeiten 184 – Gläubigergleichbehandlung 195 – lex causae 179, 206 – lex fori concursus 179 – Rechtsvergleichender Überblick 171 Insolvenzantragstellung 112 – Gestaltungsmöglichkeiten 131 – Gläubigergleichbehandlung 218 – Hauptinsolvenzverfahren 113 – Partikularinsolvenzverfahren 124 – Sekundärinsolvenzverfahren 114 Insolvenzaufrechung 217, 201 – Gestaltungsmöglichkeiten 212 – Hauptforderungsstatut 206, 208 – lex fori concursus 201 – Rechtsvergleichender Überblick 217 Lageortrecht, siehe lex rei sitae Leistung durch den Schuldner 274 – Gestaltungsmöglichkeiten 279 lex causae 179, 206 lex fori concusus 74, 89, 112, 131, 179, 201 – lex fori concursus secundariae 114 lex fori processus 273 lex rei sitae 226, 227, 254, 260 nationale Insolvenzrechtsordnungen 50 ordre-public-Vorbehalt 80, 97 Partikularinsolvenzverfahren 124 – Gestaltungsmöglichkeiten 139 Quotenkonsolidierung 150 – Gestaltungsmöglichkeiten 157, 158
Sachregister
311
Rechtsverfolgungsmaßnahmen 273
Spiegelbildprinzip 75
Schuldrechtliche unerfüllte Verträge 260 Sekundärinsolvenzverfahren 114 – Gestaltungsmöglichkeiten 133, 216, 216, 246 – Masseverbindlichkeiten 160 Sitzverlegungen durch den Schuldner 97 – Gestaltungsmöglichkeiten 135 – Missbräuchlichkeit 100 – Versagung der Anerkennung 104, 107, 107
Universalität als Anerkennung 72 – int. Eröffnungszuständigkeit 75, 104, 105, 106, 107, 107 – ordre-public-Vorbehalt 80, 97, 107, 107 – Prioritätsprinzip 75 – Spiegelbildprinzip 75 Universalität als Geltungsanspruch 71 Wettlauf um Hauptinsolvenzverfahren 131