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German Pages 252 Year 2017
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 67
Das Vertragsrecht der Zahlungsdienste Neugestaltung unter dem Einfluss der Zahlungsdiensterichtlinie
Von
Henrikje-Sophie Budde
Duncker & Humblot · Berlin
HENRIKJE-SOPHIE BUDDE
Das Vertragsrecht der Zahlungsdienste
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Begründet von Professor Dr. Wolfgang Blomeyer † und Professor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
Band 67
Das Vertragsrecht der Zahlungsdienste Neugestaltung unter dem Einfluss der Zahlungsdiensterichtlinie
Von
Henrikje-Sophie Budde
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.
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Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin im Januar 2015 als Dissertation angenommen. Grundlegende Entwicklungen in Rechtsprechung und Literatur konnten noch bis Mitte 2016 berücksichtigt werden. Im Übrigen befinden sich die Quellennachweise auf dem Stand von Januar 2015. Gegenstand dieser wissenschaftlichen Untersuchung ist die erste europäische Zahlungsdiensterichtlinie (Richtlinie 2007/64/EG) und deren Umsetzung. Hinweise auf die zweite Zahlungsdiensterichtlinie (Richtlinie (EU) 2015/ 2366) befinden sich an entscheidenden Stellen. Herrn Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann, LL.M., danke ich, dass er mein Interesse für das Europäische Privatrecht bereits während des Schwerpunktstudiums geweckt und diese Arbeit mit vielen Anregungen und intensiven Diskussionen gefördert hat. Auch für die Ermöglichung einer Tätigkeit an seinem Lehrstuhl, während derer ich mein Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten entdeckte, bin ich ihm sehr dankbar. Darüber hinaus danke ich Herrn Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Herrn Prof. Dr. Günter Krings, LL.M., MdB danke ich dafür, dass er mir während meiner langjährigen Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in seinem Bundestagsbüro als Mentor stets mit hilfreichem Rat für meinen akademischen und beruflichen Werdegang zur Seite stand. Mein ganz persönlicher Dank für das Durchlesen des Manuskripts, die zahlreichen Diskussionen und Ermutigungen geht an Frau Camilla Schloss, LL.M., und alle meine Freunde, die mir während dieser Zeit stets mit guten Ratschlägen zur Seite standen. Schließlich danke ich meinen Eltern und meinem Bruder von Herzen für ihre uneingeschränkte Unterstützung in jeder Hinsicht. Ich widme die Arbeit meinen Eltern. Berlin, im Dezember 2016
Henrikje-Sophie Budde
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1. Teil Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
20
1. Kapitel Harmonisierung und Harmonisierungsansätze im europäischen Privatrecht
20
A. Begriff der Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 B. Harmonisierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 C. Harmonisierungsansätze der Europäischen Kommission im europäischen Privatrecht 25 I. Mindestharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Vollharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 III. Mindestharmonisierung und Vollharmonisierung im Vergleich . . . . . . . . . . . . 30 1. Nachteile der Vollharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Vorteile der Vollharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 IV. Neuartige „Halbharmonisierung“, sogenannte gezielte Vollharmonisierung . . 31 V. Ordnung der Begrifflichkeiten zur Bestimmung des Harmonisierungspotentials 34 D. Harmonisierung im europäischen Zahlungsdiensterecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2. Kapitel Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe der Zahlungsdiensterichtlinie 38 A. Maßstäbe zur Bemessung der Verteilung der Regelungskompetenz in EU-Richtlinien 38 I. Primärrechtliche Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Kompetenzgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Sekundärrechtliche Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Ziel der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
8
Inhaltsverzeichnis 2. Harmonisierungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 B. Regelungstechniken des EU-Richtlinien-Gesetzgebers zur Schaffung von Abweichungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 I. Explizite Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Verweise auf nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Explizite Übertragung der Regelungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Implizite Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Regelungslücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3. Konkretisierungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 III. Abweichungsmöglichkeiten durch Parteivereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 C. Bemessung des Harmonisierungspotentials der Zahlungsdiensterichtlinie anhand der Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten und Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Vertragsbedingungen und Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Gemeinsame Bestimmungen des Titels IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 III. Autorisierung von Zahlungsvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 IV. Zahlungsaufträge und transferierte Beträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 V. Ausführungsfrist und Wertstellungsdatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 VI. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 VII. Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 VIII. Außergerichtliche Beschwerdeverfahren und Streitbeilegungsverfahren . . . . . 91 IX. Die Generalklauseln „angemessenes Entgelt“ und „unverzüglich“ . . . . . . . . . . 92 D. Ergebnis und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 II. Bewertung des Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Bewertungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
2. Teil Auswirkungen der Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht 102
3. Kapitel Begriff des Systems im deutschen Privatrecht
104
A. Inneres System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 B. Äußeres System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Inhaltsverzeichnis
9
C. Systematische Gestaltungsspielräume des Gesetzgebers bei der Umsetzung vollharmonisierenden Richtlinienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
4. Kapitel System des Zahlungsdiensterechts im BGB 107 A. Allgemeine Vorschriften und Zahlungsdienstevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I. Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Vorvertragliche Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Auskunfts- und Unterrichtungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II. Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 III. Zahlungsdienstevertrag, Änderung und Kündigung des Zahlungsdiensterahmenvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Rechtsdogmatische Einordnung der Vertragstypen des Zahlungsdiensterechts und des Zahlungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3. Kündigung des Zahlungsdiensterahmenvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 IV. Entgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 B. Autorisierung von Zahlungsvorgängen und Zahlungsauthentifizierungsinstrumente 141 I. Autorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 II. Zahlungsauthentifizierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Nutzungsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Pflichten des Zahlers und des Zahlungsdienstleisters in Bezug auf Zahlungsauthentifizierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 C. Ausführung von Zahlungsvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. Wirksamkeit von Zahlungsaufträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Ablehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Unwiderruflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Kundenkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 III. Ausführungsfrist und Wertstellungsdatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Ausführungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Wertstellungsdatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I. Haftung bei nicht autorisierten Zahlungsvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Haftung des Zahlungsdienstleisters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Gefährdungshaftung des Zahlungsdienstnutzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Verschuldenshaftung des Zahlungsdienstnutzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
10
Inhaltsverzeichnis 4. Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Erstattungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 III. Haftung bei nicht erfolgter oder fehlerhafter Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 IV. Anspruchsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Anzeigefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
2. Haftungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 E. Ergebnis und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 II. Bewertung des Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
5. Kapitel Lehren für den Systembegriff aus der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie 226 A. Lehren für den äußeren Systembegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Lehren für die systematische Umsetzung europäischen Richtlinienrechts . . . . 226 1. Klarstellende Regelungen als Zersplitterung nationaler Kodifikationen . . . . 226 2. Europäische Begriffsbildung im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Fortgeltung nationaler Rechtsgrundsätze als Grenze des EU-Rechts und zur Vervollständigung des europäischen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Lehren für die systematische Ausgestaltung europäischen Richtlinienrechts 229 1. Öffnungsklauseln in Form der Parteivereinbarung zur Erleichterung der Integration in nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Rechtsaktübergreifende Begriffsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Rechtsmissbrauchseinwand anstelle einer systemkonformen Auslegung? 230 III. Schlussfolgerung: Europäische Allgemeine Grundsätze als Integrationshilfe vollharmonisierenden Richtlinienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 B. Lehren für den inneren Systembegriff – Ansätze in der Zahlungsdiensterichtlinie für ein europäisches Dienstleistungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
6. Kapitel Wesentliche Ergebnisse und Ausblick
235
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
Abkürzungsverzeichnis a.A. aaO AAV ABl. Abs. AcP AEUV a.F. AG AGB Anh. Anl. Anm. AO Art. Aufl. B2B B2C BAG BankR BankR-HdB BB Bd. BGB BGB. a.F. BGH BKR BT-Drucks. bzw. CISG C.M.L. Rev. CpD-Konto DCFR ders. dies. DStRE EBOR EEV EG
andere Ansicht am angegebenen Ort Abbuchungsauftragsverfahren Amtsblatt Absatz Archiv für civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Anhang Anlage Anmerkung Abgabenordnung Artikel Auflage Business-to-Business Business-to-Consumer Bundesarbeitsgericht Bankrecht Bankrechts-Handbuch Betriebsberater Band Bürgerliches Gesetzbuch Gemeint ist die Fassung des BGB vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform, welche bis zum 31. 12. 2001 galt und die Umsetzung der Überweisungsrichtlinie durch das Überweisungsgesetz vom 21. 7. 1999, BGBl. I Nr. 39,1642 enthält. Bundesgerichtshof Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundestags-Drucksache beziehungsweise United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods Common Market Law Review Konto-pro-Diverse Draft Common Frame of Reference derselbe dieselbe Deutsches Steuerrecht European Business Organisation Law Review Einzugsermächtigungsverfahren Europäische Gemeinschaft
12 EGBGB EGV Einl EL ELV ERCL EU EuGH EUV euvr EuZW EWiR f., ff. FAQ FS GEKR GPR Großkomm. HGB Hk-BGB Hrsg. IBAN i.E. i.V.m. JurisPR-BKR JUS JZ KG KMU KOM MüKo m.w.N. NJW NJW-RR Nr. OLG PIN POS PSD RabelsZ RL Rn. Rs. S. SEPA Slg. s. o. TAN
Abkürzungsverzeichnis Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Ergänzungslieferung Elektronisches Lastschriftverfahren European Review of Contract Law Europäische Union Europäischer Gerichtshof Vertrag über die Europäische Union Zeitschrift für Europäisches Unternehmens- und Verbraucherrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende bzw. mehrere folgende Seiten Frequently Asked Questions Festschrift Gemeinsames Europäisches Kaufrecht Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union Großkommentar Handelsgesetzbuch Handkommentar-BGB Herausgeber International Bank Account Number im Ergebnis in Verbindung mit Juris PraxisReport Bank- und Kapitalmarktrecht Juristische Schulung Juristen Zeitung Kammergericht kleine und mittlere Unternehmen Kommissionsdokument Münchner Kommentar mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Nummer Oberlandesgericht personal identification number Point of sale Payment Services Directive Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Richtlinie Randnummer Rechtssache Seite Single European Payment Area Sammlung siehe oben transaction authentication number
Abkürzungsverzeichnis u. a. UAbs. vgl. VN VO Vorbem WM WRP z. B. ZBB ZDRL ZDRL-2
ZEuP ZHR ZIP ZJS
13
unter anderem Unterabsatz vergleiche Vereinte Nationen Verordnung Vorbemerkung Wertpapiermitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zahlungsdiensterichtlinie Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. 11. 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG – 2009/110/EG und 2013/36/EU sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG, ABl. L 337 vom 23. 12. 2015, 35. Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für das Gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das Juristische Studium
Einleitung Die Zahlungsdiensterichtlinie (ZDRL)1 aus dem Jahr 2007 bildet den Rechtsrahmen für die wohl bedeutendsten bargeldlosen Zahlverfahren, die Überweisung, die Lastschrift und die Kartenzahlung in der Europäischen Union (EU). Sie regelt die Zahlungsdienste von der Vertragsanbahnung bis hin zur Haftung und gilt für Verbraucher sowie für Unternehmer. Die Richtlinie war von den Mitgliedstaaten vor dem 1. November 2009 umzusetzen. Der Anstieg der Transaktionen im bargeldlosen Zahlungsverkehr in der EU von 2009 bis 2013 von 81,74 Mrd. Euro auf 100,01 Mrd. Euro2 deutet ihren Erfolg für den Binnenmarkt bereits an. Ihre Nachfolgerichtlinie (ZDRL-2)3 aus dem Jahr 2015 mit einer Umsetzungspflicht bis zum 13. Januar 2018 führt diesen Ansatz weiter. Sie bezieht sich zusätzlich auf Zahlungsauslösedienste und Kontoinformationsdienste, so dass der fortschreitenden Technisierung des Zahlungsverkehrs Rechnung getragen wird. Vor dem Hintergrund dieses breiten Anwendungs- und Regelungsbereiches stellt sich die Frage: Hat die ZDRL das Potential als Vorbild für die europäische Rechtsvereinheitlichung des Vertragsrechts zu dienen? Enthält sie für das Zahlungsdiensterecht gar eine systematische Harmonisierung, die die ansonsten nur inselartig harmonisierten Bereiche des Privatrechts nicht erreichen können? Wie weit eine Richtlinie zur Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechte führt, kann anhand ihres Harmonisierungsansatzes bestimmt werden. Insbesondere ist zwischen der Mindestharmonisierung, die einen Mindeststandard setzt, den die Mitgliedstaaten überschreiten können und der Vollharmonisierung, von deren Standard nicht abgewichen werden darf, zu unterscheiden. Aber auch eine vollharmonisierende Richtlinie enthält Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten und Öffnungen für Parteivereinbarungen. Dabei ist die Frage nach dem Harmonisierungsansatz letztendlich eine Frage nach der Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten. Da viele Mitgliedstaaten im Vertragsrecht eine Durchbrechung ihrer nationalen Systematik befürchten, ist in diesem Bereich des 1
Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/ EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. L 319 vom 5. 12. 2007, 1 (im Folgenden ZDRL). 2 Vgl. Statistik Statista, abrufbar unter: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/202811/um frage/transaktionen-im-bargeldlosen-zahlungsverkehr-in-der-eu-ab-2006/ (Stand: 21.03. 2015). 3 Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/ EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG, ABl. L 337 vom 23. 12. 2015, 35 (im Folgenden ZDRL-2).
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Einleitung
Privatrechts eine Harmonisierung besonders schwierig. Umso mehr erstaunt es, dass der Titel des Art. 86 der Zahlungsdiensterichtlinie (ZDRL) von einer vollständigen Harmonisierung spricht. In der Vergangenheit variierten die Harmonisierungsansätze des europäischen Gesetzgebers je nach Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens- insbesondere nach den Mitbestimmungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten. 1985 läutete das Weißbuch der Kommission eine Abkehr vom zuvor verfolgten Ansatz der Rechtsangleichung hin zum Prinzip der gegenseitigen Anerkennung und Gleichwertigkeit der nationalen Regelungen ein. Denn das europarechtliche Gesetzgebungsverfahren erforderte Einstimmigkeit im Rat. Nachdem 1986 die Einheitliche Europäische Akte die qualifizierte Mehrheitsentscheidung des Rates ausgeweitet hatte und der Cecchini-Bericht 1988 vorgerechnet hatte, dass es etwa 200 Millionen Euro kosten würde, den europäischen Binnenmarkt nicht zu verwirklichen, etablierte sich der Ansatz der Teil- oder Mindestharmonisierung. Für das Verbraucherrecht folgte darauf 2002 der Ansatz der Vollharmonisierung. Dieser wurde 2011 jedoch durch die Verbraucherrechterichtlinie4 wiederum eingeschränkt. Diese Richtlinie war zwar als eine vollharmonisierende Richtlinie geplant, am Ende blieben der Vollharmonisierung jedoch lediglich einzelne Bereiche vorbehalten. Deshalb wird diese Art der Harmonisierung auch als Teilharmonisierung oder gezielte Vollharmonisierung bezeichnet. Somit zeigt sich gerade in der derzeitigen Harmonisierungspraxis scheinbar wieder eine Abkehr vom Prinzip der Vollharmonisierung im Verbrauchervertragsrecht. Da die ZDRL sich aber nicht als verbraucherschützende Richtlinie einordnen lässt, erstaunt der Titel des Art. 86 ZDRL Vollständge Harmonisierung umso mehr. Darauf, dass es sich nicht lediglich um eine den Verbraucherschutz bezweckenden Richtlinie handelt, deutet schon ihr Anwendungsbereich, der auch den B2B Bereich umfasst hin. Zudem enthält sie auch Vorschriften zu Lasten des Verbrauchers, wie die Buchung nach einem Kundenidentifikator (Art. 74 ZDRL), die das Risiko einer Fehlbuchung auf den unvorsichtigen Verbraucher verschieben. Dies führt zu der Frage, welchem Ansatz die ZDRL zugeordnet werden kann. Folgt sie eher der Teilharmonisierung und kommt somit lediglich zu punktuellen Harmonisierungserfolgen oder stimmt sie mit dem Vollharmonisierungsansatz überein und enthält sogar ein eigenes regelungsübergreifendes System? Zwingend bedarf es hierfür einer Untersuchung, wieviel Kompetenz beim nationalen Gesetzgeber geblieben ist und ob die Richtlinie dem deutschen Gesetzgeber oder den Vertragsparteien Abweichungen erlaubt. Die Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten und der Vertragsparteien geben nicht nur Aufschluss über die Harmonisierungsintensität der ZDRL, sondern sind 4
Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304 vom 22. 11. 2011, 64.
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möglicherweise auch Erfolgsrezept für eine vereinfachte Integration in die nationale Privatrechtskodifikation. Sie entscheiden darüber, ob den Mitgliedstaaten die Freiheit bleibt, allgemeine Grundsätze anderer Privatrechtsbereiche anzuwenden. Denn das Vertragsrecht – und speziell auch das Zahlungsdiensterecht – wirkt stets auch in andere Privatrechtsbereiche hinein. Dies ist beispielsweise der Fall für die Art und Weise des Vertragsschlusses und die Wirkung der Autorisierung. Diese regelt die ZDRL mit ihren Informationsregeln, der Aufteilung in Zahlungsdiensterahmenvertrag und Einzelzahlungsvertrag sowie der zwingenden Voraussetzung der Autorisierung und dem Widerruf. Offen bleiben jedoch Fragen danach, ob die Regeln der Stellvertretung mit ihren Rechtsscheintatbeständen weiterhin anwendbar sind, ob eine Anfechtung möglich ist oder ob sich die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung bei fehlender Autorisierung weiterhin nach der auf das Veranlasserprinzip abstellenden Rechtsscheinhaftung richtet. Können hier die allgemeinen nationalen Regelungen herangezogen werden? Oder sperrt das neue Zahlungsdiensterecht einen Rückgriff? Enthält es möglicherweise neue Wertungen, die den bestehenden Grundsätzen des deutschen BGB widersprechen? Die hinter den einzelnen Regelungen stehenden Wertungen sind nicht auf Anhieb erkennbar. Teilweise dienen sie auf den ersten Blick dem Schutz des Verbrauchers – wie die Ausweitung der Informationspflichten oder die Neueinführung der Entgelthöhenkontrolle. Teilweise führen sie jedoch auch zu einer für den Verbraucher nachteiligen Änderung der Risikozuteilung – wie der Wegfall der Kontoaufrufprüfung und der verschuldensunabhängigen Missbrauchshaftung des Zahlungsdienstnutzers. Versucht man diese Regelungen mit der Beschleunigung des Zahlungsverkehrs und damit einer am Ende dem Verbraucher zum Vorteil gereichenden schnelleren Abwicklung durch die Zahlungsdienstleister zu erklären, stößt man auch hier auf entgegenstehende Regelungen. So werden die vorvertragliche Informationspflichten erweitert. Auch das Recht der Vertragsänderung erfordert erhöhten Aufwand des Zahlungsdienstleisters. In seiner neueren Rechtsprechung meint der BGH, dass es teilweise zu erheblichen Wertungsverschiebungen gekommen sei. In seinem Urteil vom 16. 6. 20155 beschränkt er die Anwendbarkeit der von ihm entwickelten bereicherungsrechtlichen Grundsätze, da die neuen Vorschriften des Zahlungsdiensterechts der bisherigen Beurteilung der Rechtslage entgegenstünden. Im Zahlungsdiensterecht könne aufgrund der Wertungen der §§ 675j, u BGB nicht mehr auf die Veranlasser- und Rechtsscheinhaftung abgestellt werden. So komme es für die Zurechenbarkeit als Leistung bei der Rückabwicklung lediglich auf das Vorliegen einer Autorisierung und nicht mehr auf den Empfängerhorizont an. Zudem deutet der BGH in seinem Urteil vom 26. 1. 20166 an, dass die haftungsrechtlichen Missbrauchsvorschriften einer Anscheinsvollmacht entgegenstehen könnten. Ob der Regelungsbereich der Zahlungsdiensterichtlinie aber tatsächlich so weit reichen sollte bzw. die deutschen 5 6
BGH, Urteil vom 16. 6. 2015 – XI ZR 243/13 – ZIP 2015, 1622. BGH, Urteil vom 26. 1. 2016 – XI ZR 91/14 – NJW 2016, 2024.
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Einleitung
Umsetzungsvorschriften eine solche Rechtsänderung bezwecken wollten, soll im Folgenden untersucht werden. Abschließend verspricht die Untersuchung am Beispiel der ZDRL darüber Aufschluss zu geben, ob die europäische Rechtsvereinheitlichung zu einer systemstimmigen Umsetzung zu führen vermag, die sich gleichzeitig nicht als Fremdkörper innerhalb einer nationalen Kodifikation darstellt, sondern das Zusammenwirken mit anderen nationalen Regelungsbereichen zulässt. Dabei ist ein Ausschluss einzelner nationaler Rechtsgrundsätze nicht zwingend als negativ zu bewerten, sondern kann zur Rechtsfortbildung des deutschen Rechts beitragen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er auf technischen Entwicklungen beruht oder vorherige Missstände ausgleicht. Auch der Rechtsfortbildung auf europäischer Ebene könnte ein europäisches System des Zahlungsdiensterechts dienen. Es gibt immer wieder Bestrebungen einheitliche zumindest optionale privatrechtliche Kodizes, wie das Gemeinsame Europäische Kaufrecht, zu verabschieden. Eine demokratische Legitimation fehlt diesen jedoch bis jetzt. Aus diesem Blickwinkel verspricht ein Vergleich des im Zahlungsdiensterecht gefundenen europäischen Konsenses mit den erforschten und in der Diskussion befindlichen allgemeineren Grundsätzen eines europäischen Dienstleistungsrechts Anhaltspunkte für eine zukünftige Rechtsentwicklung im europäischen Dienstleistungsrecht zu geben. Dabei gliedert die Arbeit wie folgt. Der erste Teil der Arbeit untersucht die Harmonisierungsintensität der ZDRL. Im ersten Kapitel sind der zugrunde gelegte Begriff der Harmonisierung sowie die Bedeutung der vom europäischen Gesetzgeber eingesetzten Harmonisierungsinstrumente und des neuen Harmonisierungsansatzes der Halbharmonisierung im Verbrauchervertragsrecht zu klären. Maßstäbe zur Bestimmung der Harmonisierungsintensität, die zum einen aus dem europäischen Primärrecht und zum anderen direkt aus dem Sekundärrechtsakt folgen können, werden im zweiten Kapitel beleuchtet. Größten Aufschluss verspricht die Bestimmung der Harmonisierungsintensität anhand der Untersuchung der Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten und der Vertragsparteien. Da Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Begrifflichkeiten verwenden, bedarf es einer Kategorisierung der Abweichungsmöglichkeiten. Sodann kann anhand dieser die Bemessung der Harmonisierungsintensität der ZDRL erfolgen. Die Bemessung ist größtenteils auch auf die ZDRL-2 übertragbar, da diese das grundsätzliche Regelungskonzept beibehält. Methodisch wurde dabei die vorhandene Literatur zur Harmonisierung ausgewertet, sowie ein Vergleich mit anderen mindest-, voll- und teilharmonisierenden Richtlinien angestellt. Für die Anwendung auf die ZDRL wurde auf die bekannten Auslegungsmethoden zurückgegriffen, wobei die teleologische Auslegung anhand der Erwägungsgründe und der Materialien zur europäischen Gesetzgebung im Vordergrund stand.
Einleitung
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Der zweite Teil der Arbeit untersucht, wie das aus der Richtlinie folgende System des Zahlungsdiensterechts in das BGB integriert ist. Zunächst stellt das dritte Kapitel den Systembegriff im deutschen Privatrecht mit Bezug auf die Umsetzungsverpflichtungen, die aus europäischem Richtlinienrecht folgen, klar. Im vierten Kapitel wird für das Zahlungsdiensterecht untersucht, ob der deutsche Gesetzgeber ein neues europäisches System getrennt vom ursprünglichen Geschäftsbesorgungs- und Auftragsrecht geschaffen hat, ob das deutsche Recht in größten Teilen fortbesteht oder ob es sich um eine Mischung aus beiden Rechtssystemen handelt. Maßstäbe zur Beurteilung der systematischen Einfügung sind die Wertungen und die Begriffsbildung, die hinter den Regelungen stehen. Dabei bedurfte es stets einer richtlinienkonformen Auslegung des Zahlungsdiensterechts sowie des nun ersetzten Überweisungsrechts, um die Rechtslage mit dem deutschen Zahlungsdiensterecht vergleichen zu können. Abschließend wird festgestellt, ob es sich bereits um ein europäisches System innerhalb des BGBs handelt. Erkenntnisgewinne verspricht die Arbeit außerdem für die Auslegung des europäischen und deutschen Zahlungsvertragsrechts. Diese kann entweder einer europäischen systematischen und teleologischen Auslegung folgen oder sich weiterhin nach der Systematik und Dogmatik der deutschen Zivilrechtskodifikation richten. Die Untersuchung gibt außerdem Aufschluss über die Vor- und Nachteile der europäischen Privatrechtsharmonisierung durch vollharmonisierende Richtlinien. Abschließend können im fünften Kapitel als Ausblick Lehren für den Systembegriff im deutschen und europäischen Vertragsrecht gezogen werden. Zudem ist eine Tendenz des europäischen Dienstleistungsrechts auszumachen.
1. Teil
Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie Die Neugestaltung des Vertragsrechts der Zahlungsdienste ist zwar im BGB in dem neu eingefügten Untertitel 3 Zahlungsdienste des Titels 12 Auftrag, Geschäftsbesorgungsvertrag und Zahlungsdienste äußerlich deutlich sichtbar. Die exakte Unterscheidung zum bisherigen deutschen System der Zahlungsdienste kann jedoch nur mit Hilfe der Bestimmung des in der Richtlinie vorgegebenen Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe untersucht werden. Zum einen bestimmen Harmonisierungsgrad und -tiefe, inwieweit deutsches Recht richtlinienkonform auszulegen ist. Zum anderen sind Harmonisierungsgrad und -tiefe für die Frage nach einer Systemverschiebung relevant. Die Möglichkeit einer Systemverschiebung im deutschen Zahlungsdiensterecht hin zu einem europäischen Zahlungsdiensterecht besteht nur, wenn die Zahlungsdiensterichtlinie selbst ein Regelungssystem enthält. Ein solches existiert lediglich dann, wenn die ZDRL insgesamt ein hohes Harmonisierungspotential aufweist, da es ansonsten in der Richtlinienumsetzung durch die Mitgliedstaaten zu erheblichen Abweichungen kommen kann. Die im europäischen Privatrecht verfolgte Harmonisierungspraxis unterliegt einem ständigen Wandel. Dies erschwert die Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe. 1. Kapitel
Harmonisierung und Harmonisierungsansätze im europäischen Privatrecht A. Begriff der Harmonisierung Der Begriff der Harmonisierung bedeutet Rechtsangleichung1 und findet sich im europäischen Primärrecht.2 Er ist nicht mit dem der Rechtsvereinheitlichung 1
Korte, in: Calliess/Ruffert, 2016, Art. 114 AEUV Rn. 22. Beispielsweise in: Art. 113 AEUV; Art. 114 Abs. 4, 5, 7, 8, 10 AEUV; Art. 166 Abs. 4 AEUV; Art. 168 Abs. 5 AEUV; Art. 170 Abs. 1 AEUV. 2
1. Kap.: Harmonisierung im europäischen Privatrecht
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gleichzusetzen, da kein völliger Gleichlauf des Rechts gewollt ist. Zum Teil wird anstelle von Harmonisierung auch von Koordinierung gesprochen.3 Die Rechtsangleichung ist kein eigenständiges Ziel der EU, sondern dient nur der Erreichung bestimmter Vertragsziele.4 Im europäischen Privatrecht, das heißt, dem auf Grundlage der europäischen Verträge gesetzten Privatrecht und somit den privatrechtlichen Regelungen der EU,5 dient die Harmonisierung vorwiegend der Verwirklichung und dem Funktionieren des Binnenmarktes6 sowie dem Verbraucherschutz7. Dabei wird das Ziel des Verbraucherschutzes als Vertrauensstärkung in die bestehenden Schutzstandards zunehmend als Mittel zur Harmonisierung des Binnenmarktes gesehen.8 Voraussetzung des Binnenmarktes ist der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital,9 welcher nur in Ausnahmefällen nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) von den Mitgliedstaaten eingeschränkt werden darf.10 Die Aufrechterhaltung und Stärkung dieser Grundfreiheiten hat die Harmonisierung im europäischen Privatrecht zum Ziel.
B. Harmonisierungsinstrumente Als verbindliche, gesetzgeberische Mittel zur Harmonisierung stehen im europäischen Recht die Verordnung (Art. 288 Abs. 2 AEUV), die Richtlinie (Art. 288 Abs. 3 AEUV) und der Beschluss (Art. 288 Abs. 4 AEUV) zur Verfügung. Beschlüsse sind jedoch für die Harmonisierung des europäischen Privatrechts ohne Bedeutung;11 denn sie vereinen die eher für vollziehende Funktionen angewandten früheren Rechtsformen der Entscheidung und des adressatenlosen Beschlusses12. Ebenfalls geringe Bedeutung für die Harmonisierung haben die unverbindlichen Rechtsakte der Stellungnahme und Empfehlung (Art. 288 Abs. 5 AEUV). Die Mitgliedstaaten trifft zwar eine Berücksichtigungspflicht, jedoch dienen die allge3 Siehe: Art. 5 Abs. 2, 3 AEUV; Art. 40 Abs. 1 lit. b) AEUV; Art. 52 Abs. 2 AEUV; Art. 119 Abs. 1 AEUV; Art. 121 Abs. 3 AEUV. 4 Leible/Schröder, in: Streinz, 2012, Art. 114 AEUV Rn. 5. 5 Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, 2006, Rn. 30. 6 Siehe: Art. 114 AEUV i.V.m. Art. 26 AEUV. 7 Siehe: Art. 169 Abs. 1, 2 lit. a AEUV i.V.m. Art. 114 AEUV. 8 Schutzziel und Integrationsziel sind parallel geschaltet, so: Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2011, Rn. 34. 9 Vgl. Art. 26 Abs. 2 AEUV. 10 Vgl. beispielsweise Art. 36 AEUV; Art. 62 AEUV i.V.m. Art. 52 Abs. 1 AEUV. 11 Bei den Rechtsquellen des europäischen Privatrechts nirgendwo erwähnt; vgl. Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn. 32 ff.; Köndgen, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 2006, 65 ff.; vgl. Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 2009, 8 f. 12 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rn. 172 (August 2012 EL 48).
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
meine Stellungnahme und die adressatenbezogene Empfehlung eher der Annäherung in Bereichen, in denen gerade keine Kompetenz der EU zur Rechtsangleichung besteht.13
I. Verordnung Die Verordnung führt grundsätzlich zu einer Rechtsvereinheitlichung, da sie in allen ihren Teilen verbindlich ist, das heißt im Hinblick auf ihre Zielsetzung und – im Gegensatz zur Richtlinie – auch bezüglich der zu ergreifenden Formen und Mittel.14 Sie gilt unmittelbar in den Mitgliedstaaten, so dass es keiner Umsetzung bedarf. Aufgrund ihrer generellen und unmittelbaren Geltung kann man die Verordnung als europäisches Gesetz bezeichnen.15 Folglich bestehen grundsätzlich keine Abweichungsmöglichkeiten für die Mitgliedstaaten. Die Kriterien der Rechtsvereinheitlichung und Rechtsanpassung (Harmonisierung) sind jedoch nicht mehr bestimmend für die Unterscheidung zwischen Verordnung und Richtlinie.16 Die EU erlässt so detailliert ausgestaltete Richtlinien, dass der Abweichungsspielraum der Mitgliedstaaten, dem bei einer Verordnung entspricht. In manchen Fällen liegt also bei einer Richtlinie eigentlich eine Rechtsvereinheitlichung vor.17 Gleichzeitig ermächtigt Art. 114 AEUV, der der Rechtsangleichung dient, zum Erlass von Verordnungen.18 Demnach ist auch die Verordnung als Harmonisierungsinstrument zu kategorisieren. Der europäische Gesetzgeber hat von diesem gesetzgeberischen Instrument im europäischen Privatrecht selten Gebrauch gemacht.19 Es überwiegt die Rechtsetzung in Form der Richtlinie.20 Lediglich in den Bereichen des Internationalen Privatrechts21, des Zivilverfahrensrechts22 sowie des Kartellrechts23 kommt die Verordnung 13
Schröder, in: Streinz, 2012, Art. 288 AEUV Rn. 145 ff. Schröder, in: Streinz, 2012, Art. 288 AEUV Rn. 56. 15 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rn. 89 (August 2012 EL 48). 16 Schröder, in: Streinz, 2012, Art. 288 AEUV Rn. 69. 17 Schröder, in: Streinz, 2012, Art. 288 AEUV Rn. 69. 18 Kortel, in: Calliess/Ruffert, Art. 114 AEUV Rn. 65. 19 Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn. 37; Köndgen, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 65, 82 f.; als Beispiele für den Gebrauch sind zu nennen: Rom I und II VO. 20 Schillig, Konkretisierungskompetenz und Konkretisierungsmethoden im Europäischen Privatrecht, 2009, 17. 21 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. L 177 vom 4. 7. 2008, 6; Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II), ABl. L 199 vom 31. 7. 2007, 40. 22 Die Einfügung der Kompetenznorm Art. 65 EGV (jetzt Art. 81 AEUV) durch den Amsterdamer Vertrag zur justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen führte zum Erlass einer 14
1. Kap.: Harmonisierung im europäischen Privatrecht
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vergleichsweise häufiger zum Einsatz.24 Insbesondere im materiellen Privatrecht ist der Gebrauch von Verordnungen gering. Die Verordnung wird jedoch zur Schaffung optionaler Statute aufgrund ihrer generellen unmittelbaren Geltung eingesetzt, um beispielsweise neue supranationale gesellschaftsrechtliche Formen wie die Societas Europaea (SE) einzuführen.25 Die Verordnung über das Statut der europäischen Gesellschaft stellt jedoch ein optionales Angebot auf europäischer Ebene mit nur geringer inhaltlicher Harmonisierung dar.26 Auch die Einführung eines optionalen Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts (GEKR) in der Rechtsform einer europäischen Verordnung war in der Diskussion27. Der Kommissionsvorschlag wurde jedoch vom Rat nicht angenommen.28 Den Grund für den geringen Gebrauch der Verordnung sowie deren Verwendung zur Etablierung lediglich optionaler anstatt das mitgliedstaatliche Recht ersetzender Statute im materiellen europäischen Vertragsrecht kann man zum einen in der Angst der Mitgliedstaaten vor einer Beeinträchtigung der bestehenden ausgefeilten naVielzahl von Verordnungen; zum Beispiel Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 351 vom 20. 12. 2012, 1, welche die Verordnung (EG) Nr. 44/2001, ABl. L 12 vom 22. 12. 2002, 1 ersetzt und mit Ausnahme zweier Artikel ab dem 10. 1. 2015 gilt; sowie im Bankenrecht der Kommissionsvorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen vom 25. 07. 2011, KOM (2011) 445 endgültig, 2011/0204 (COD). 23 Europäisches Kartellrecht ist im Primärrecht in den Art. 101 ff. AEUV geregelt sowie in zahlreichen Verordnungen, wie beispielsweise im Finanzsektor in: Verordnung (EU) Nr. 267/ 2010 der Kommission vom 24. März 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und abgestimmten Verhaltensweisen im Versicherungssektor, ABl. L 83 vom 30. 3. 2010, 1. 24 Schillig, Konkretisierungskompetenz und Konkretisierungsmethoden im Europäischen Privatrecht, 19 ff. 25 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. L 294 vom 10. 11. 2001, 1; Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), ABl. L 199 vom 31. 7. 1988, 1; Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE), ABl. L 207 vom 18. 8. 2003, 1. 26 Grundmann, zuletzt in: AcP 212 (2012), 502, 506; ders., in: Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 1036 – 1039. 27 Vorschlag für eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht vom 11. 10. 2011, KOM (2011) 635 endgültig; im Folgenden: GEKR; eine Harmonisierung im Rahmen eines vertikalen und horizontalen Regulierungswettbewerbs war jedoch eher unwahrscheinlich, so dass lediglich die zwei Szenarien des vollkommenen Misserfolgs des GEKR mangels Investitionsbereitschaft der Unternehmen sowie des überwältigenden Erfolgs des GEKR unter Zurückdrängung der nationalen Vertragssysteme aufgrund von positiven Netzwerkeffekten in Betracht kamen, so Grundmann, AcP 212 (2012), 502 – 544. 28 Deshalb hat die Kommission ihre Pläne der Harmonisierung kaufrechtlicher Regelungen jetzt auf den Online-Handel beschränkt.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
tionalen Privatrechtssysteme sehen. Letztere müssten bei fehlendem oder sehr geringem Umsetzungsspielraum und der unmittelbaren Geltung des EU-Verordnungsrechts schwere Eingriffe hinnehmen. Zum anderen haben optionale Regelungen den Zweck, den Regulierungswettbewerb zu fördern sowie die Vorteile zentraler und dezentraler Regulierung gleichzeitig zu verwirklichen,29 deren Realisierbarkeit jedoch stets anhand der Ordnung des Wettbewerbs in dem jeweils geregelten Bereich zu überprüfen ist.30 II. Richtlinie Dagegen ist der Gebrauch von Richtlinien im europäischen Privatrecht tägliche Praxis.31 Die Richtlinie ist das typische Mittel der Rechtsangleichung32 und zielt stets auf eine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechte und nicht auf eine supranationale Vereinheitlichung ab.33 Sie gibt laut Art. 288 Abs. 3 AEUV lediglich das Ziel vor, so dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit der Einpassung in ihre nationalen Kodifikationen haben und auf diese Weise deren Systematik eher erhalten können.34 Für den Umsetzungsspielraum kommt es jedoch ganz entscheidend auf Harmonisierungsgrad und -tiefe an. Unterschiedliche Harmonisierungsgrade führen zu Schwierigkeiten, da gegebenenfalls für jede einzelne Richtlinienregelung bestimmt werden muss, ob und inwieweit von ihr abgewichen werden darf. Umstritten ist, ob von einem kohärenten europäischen Privatrechtskonzept gesprochen werden kann, das hinter dem Richtlinienrecht steht. Kritisiert wird die pointillistische35 zusammenhanglose Regelung von Einzelproblemen, welche auf den nur eingeschränkten Rechtssetzungskompetenzen im AEUV beruhen und lediglich ein bestimmtes politisches Ziel, nicht aber das der Bildung einer europäischen Privatrechtsordnung verfolge.36 Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung spricht jedoch nicht gegen ein kohärentes Konzept. Die Systematisierung einer Teilrechtsordnung ist durchaus denkbar37 und besteht beispielsweise im europäi29
Grundmann, AcP 212 (2012), 503, 517. Vgl. Grundmann, AcP 212 (2012), 503, 518 ff. (Überprüfung für das GEKR). 31 Die in EU-Richtlinien geregelten Privatrechtsbereiche reichen vom Vertragsrecht, über Sachenrecht, Arbeitsrecht, Wirtschaftsrecht, Gesellschaftsrecht, Recht des unlauteren Wettbewerbs bis zum Immaterialgüterrecht und Urheberrecht, siehe Auflistung bei Müller-Graff, in: Hartkamp/Hesselink/Hondius (Hrsg.), Towards a European Civil Code, 2011, 149, 153 ff. 32 Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn. 155. 33 Müller-Graff, in: Hartkamp/Hesselink/Hondius (Hrsg.), Towards a European Civil Code, 149, 151. 34 Dickert, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 2009, 177, 178. 35 Kötz, in: FS Zweigert, 1981, 481, 483. 36 Ein europäisches kohärentes Privatrechtskonzept fehlt nach: Müller-Graff, in: Hartkamp/ Hesselink/Hondius (Hrsg.), Towards a European Civil Code, 149, 155 f.; ebenso von einer Vielzahl von Inseln ohne inneren Zusammenhang sprechend: Rittner, JZ 1995, 849, 851. 37 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, 2003, 55 ff. 30
1. Kap.: Harmonisierung im europäischen Privatrecht
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schen Vertragsrecht, wie von Riesenhuber gezeigt.38 Zur Systematisierung des europäischen Privatrechts tragen die bereits im Primärrecht zu findenden Prinzipien39 und allgemeinen Rechtsgrundsätze40 bei. Zusätzlich lässt der Vollharmonisierungsansatz der Kommission in Verbindung mit der Regelung abgeschlossener Teilbereiche aufgrund eingeschränkter mitgliedstaatlicher Abweichungsmöglichkeiten eine Förderung der Systembildung erwarten.
C. Harmonisierungsansätze der Europäischen Kommission im europäischen Privatrecht I. Mindestharmonisierung Jahrelang verfolgte die Kommission – insbesondere im Verbrauchervertragsrecht – mit dem Ziel des Verbraucherschutzes einen Mindestharmonisierungsansatz,41 nachdem der Vollharmonisierungsansatz noch die Anfangszeit der europäischen Rechtssetzung bestimmt hatte. Hauptziel war und ist die Öffnung des Binnenmarktes. Dem dienen auch die Grundfreiheiten, zu deren Gewährleistung seit der Cassis de Dijon Rechtsprechung42 das Herkunftslandprinzip mit der Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung43 gilt. Dieses zielt nicht auf eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften ab, kann aber zu einer Rechtsangleichung führen44. Das Herkunftslandprinzip geht davon aus, dass ein Produkt bzw. eine Dienstleistung aus einem Mitgliedstaat auch in einem anderen zu erlauben ist, solange die Standards des Herkunftslandes eingehalten sind. Die Schutzvorschriften des Ursprungslandes sind als gleichwertig anzuerkennen. 38
Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts. Wie beispielsweise die kartellrechtlichen Regelungen in Art. 101 ff. AEUV sowie das Prinzip der offenen Marktwirtschaft in Art. 119 Abs. 1 AEUV, so Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, 33. 40 Wie beispielsweise die einzelnen Grundrechte sowie der Grundsatz der Vertragsfreiheit, so Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, 34 f. mit Nachweisen zur Rechtsprechung des EuGH. 41 Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ABl. L 372 vom 31. 12. 1985, 31; Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABl. L 42 vom 12. 2. 1987, 48; Fernabsatzrichtlinie Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. L 144 vom 5. 6. 1997, 19. 42 EuGH, Urteil vom 20. 2. 1979 – Rs. 120/78, Rewe/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Slg. 1979, 646. 43 Dazu: Kortel, in: Calliess/Ruffert, Art. 114 AEUV Rn. 32. 44 Zum Konzept der gegenseitigen Anerkennung: Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn. 157 ff. 39
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
Um zumindest einen gewissen gemeinsamen Standard sicherzustellen, setzt die Mindestharmonisierung eine Schwelle, die nicht unterschritten werden darf. Darüber hinaus kann jeder Mitgliedstaat schärfere Regelungen aufrechterhalten oder schaffen. Koppelt man das Prinzip der Mindestharmonisierung mit dem Herkunftslandprinzip, gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, den Marktzugang zu regeln. Zum einen kann der Zugang zum nationalen Markt insoweit beschränkt werden, als geringere Standards als die des nationalen Marktes, die den Mindeststandard überschreiten, nicht erlaubt sind. Die Standards des ausländischen Produktes müssen mindestens genauso hoch sein, so dass das Herkunftslandprinzip nur teilweise angewandt wird.45 Zum anderen kann das Herkunftslandprinzip umfassend zur Anwendung kommen, indem auch Produkte und Dienstleistungen zugelassen werden, die auf niedrigeren Standards als den nationalen beruhen, mindestens aber auf der Stufe der Mindestharmonisierung stehen.46 Welche der beiden Alternativen primärrechts- und sekundärrechtskonform ist, ist streitig.47 Man kann argumentieren, es komme auf die Ausgestaltung der Richtlinie an, da bei Zulassung strengerer Regelungen die Mitgliedstaaten die Gleichwertigkeit der nationalen Rechte nicht anerkannt hätten. Jedoch ist auch der EU-Gesetzgeber an das Primärrecht gebunden, so dass dieses zuerst auf eventuelle Sperrwirkungen zu überprüfen ist. Insofern wird aus der Systematik des Art. 114 AEUV gefolgert, dass diese Kompetenzgrundlage ein grundsätzliches Verbot enthalte, strengeres nationales Recht im grenzüberschreitenden Verkehr gelten zu lassen.48 Überzeugender ist die Argumentation, die auf die 45 Gomez/Ganuza, ERCL 2 (2011), 275, 288; das Herkunftslandprinzip wird gar nicht angewendet, wenn genau der nationale Standard vorliegen muss, er darf nicht unter- aber auch nicht überschritten werden. 46 Gomez/Ganuza, ERCL 2 (2011), 275, 289. 47 Grundmann, JZ 1996, 274, 278 ff., hält es unabhängig vom Vorliegen einer Mindeststandardklausel in der Richtlinie für unzulässig, Anbietern aus dem EU-Ausland strengeres nationales Recht, das eine Behinderung des grenzüberschreitenden Verkehrs darstellt, entgegenzuhalten; nach Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 146 – 170, ist strengeres nationales Recht grundsätzlich im grenzüberschreitenden Verkehr unzulässig, da Art. 95 EG (heute Art. 114 AEUV) eine Sperrwirkung entfalte: strengere nationale Regelungen im grenzüberschreitenden Verkehr seien nur bei einer Schutzklausel innerhalb der Richtlinie oder einer Zulassung durch die Kommission gemäß Art. 95 Abs. 4 – 6 EG (heute Art. 114 Abs. 4 – 6 AEUV) zulässig, in allen anderen Fällen – sowie zur Erörterung, ob die Sperrwirkung zu Schutzlücken führe – bedürfe es einer Einzelfallprüfung, ob eine beschränkungsgleiche Maßnahme die Grundfreiheiten beeinträchtige und der Angleichungsrechtsakt die Vorbehaltsbereiche erschöpfe, bestehe danach keine Sperrwirkung sei der Grundsatz zur effektiven Umsetzung des Unionsrechts zu prüfen; für die Zulassung strengeren nationalen Rechts im grenzüberschreitenden Verkehr, da eine endgültige Fixierung des Allgemeininteresses durch den Mindeststandard nicht vorliege: Roth, ZEuP 1994, 5, 32. 48 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 147 – 159; der Ausnahmecharakter der in Art. 114 Abs. 4 bis 6 AEUV enthaltenen Schutzergänzungsklauseln spricht gegen weitere Möglichkeiten den Binnenmarkt durch mitgliedstaatlich strengeres Recht einzuschränken.
1. Kap.: Harmonisierung im europäischen Privatrecht
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Einschränkung der Grundfreiheiten und die Ausschöpfung des Vorbehaltsbereiches abstellt.49 Die Richtlinie wird in den meisten Fällen diesen bereits voll ausschöpfen, so dass ein Grund für strengere nationale Regelungen nicht besteht. Hierfür spricht auch das teleologische Argument: Das Ziel, einen europäischen Binnenmarkt zu schaffen und zu fördern, würde verfehlt, wenn die Anbieter aus dem EU-Ausland stets mit höheren Standards rechnen müssten. Gleichzeitig würde der Systemwettbewerb der unterschiedlichen Rechtsordnungen vollkommen ausgeschaltet.50 Auch der EuGH wendet das Herkunftslandprinzip umfassend an, wenn er die Inländerdiskriminierung als negative Folge des Harmonisierungsansatzes der Mindestharmonisierung beschreibt.51 Die Mindestharmonisierung wird der teilweisen Harmonisierung zugeordnet, welche außerdem noch die optionelle Harmonisierung umfasst.52 Letztere unterscheidet sich insofern von der Mindestharmonisierung als den Mitgliedstaaten die Möglichkeit offen steht, für Inlandssachverhalte vom EU-Recht abweichende Regelungsmodelle beizubehalten oder einzuführen, die jedoch dem Harmonisierungsstandard der Richtlinie entsprechen müssen.53 Die Mindestharmonisierung dagegen beruht auf einem EU-rechtlichen Modell, dessen Mindeststandard eingehalten werden muss.54 Das außerdem der teilweisen Harmonisierung zugeordnete Konzept der fakultativen Harmonisierung, wonach sich Unternehmer zwischen den Regeln der Richtlinie und den nationalen Bestimmungen entscheiden können, ist demgegenüber völlig andersartig und fällt aus der hier behandelten Kategorie heraus, da Regelungsadressaten einer Richtlinie allein die Mitgliedstaaten sind (Art. 288 Abs. 3 AEUV).55 II. Vollharmonisierung Davon abzugrenzen ist die Vollharmonisierung – auch vollständige Harmonisierung genannt – der in der frühen europäischen Gesetzgebung verfolgte Harmonisierungsansatz sowie der aktuelle der Kommission. Bekannt gemacht wurde der Wechsel von der zwischenzeitlich eingeführten Mindestharmonisierung zur Vollharmonisierung in der Verbraucherstrategie der Kommission vom 7. Mai 2002,56 deren Verfolgung zunächst in der Richtlinie über Fernabsatz bei Finanzdienstleis-
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Grundmann, JZ 1996, 274, 278 ff. Grundmann, RabelsZ 64 (2000), 457 f. 51 EuGH, Urteil vom 22. 6. 1993 – Rs. C-11/92, Gallaher, Slg. 1993, I-3545 Rn. 22. 52 Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 114 AEUV Rn. 38 (März 2011 EL 43). 53 Wagner, Das Konzept der Mindestharmonisierung, 2001, 50 ff. mit einem Beispiel; Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 114 AEUV Rn. 41 (März 2011 EL 43). 54 Wagner, Das Konzept der Mindestharmonisierung, 54. 55 Leible/Schröder, in: Streinz, 2012, Art. 114 AEUV Rn. 35. 56 Verbrauchpolitische Strategie 2002 – 2006, KOM (2002) 208 endg. 50
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
tungen57 sichtbar wurde. Teilweise wird sogar ein Trend zur Vollharmonisierung58 im Verbrauchervertragsrecht konstatiert und die Mindestharmonisierung nur für ein Intermezzo59 in der Geschichte der Privatrechtsangleichung gehalten. Begrifflich fällt auf, dass meistens von Vollharmonisierung, manchmal aber auch von Maximalharmonisierung gesprochen wird.60 Vollharmonisierung meint, dass die Mitgliedstaaten von dem durch die EU-rechtliche Richtlinie gesetzten Standard nicht abweichen dürfen, weder nach unten noch – anders als bei der Mindestharmonisierung – nach oben.61 Maximalharmonisierung dagegen wird häufig so definiert, dass sie sich nur auf grenzüberschreitende Vorgänge bezieht und dabei dem Aufnahmestaat untersagt, strengere Vorschriften zu erlassen.62 Die Vollharmonisierung, die auch inländische Sachverhalte umfasst, weist mithin einen höheren Harmonisierungsgrad auf. Oft werden aber beide Begriffe austauschbar verwendet.63 Einige Literaturstimmen sprechen zudem von exhaustive harmonisation.64 Dieser Begriff
57 Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG2002/65/EG, ABl. L 271 vom 9. 10. 2002, 16; des Weiteren Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) 2005/29/ EG, ABl. L 149 vom 11. 6. 2005, 22; Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. L 133 vom 22. 5. 2008, 66, im Folgenden: Verbraucherkreditrichtlinie; Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträgen 2008/122/EG, ABl. L 33 vom 3. 2. 2009, 10. 58 Dickert, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 177, 178; ab 2000 fand ein Strategiewechsel der Kommission im Verbrauchervertragsrecht statt, so Reich, ZEuP 2010, 7, 15; Cherednychenko, in: Grundmann/Atamer (Hrsg.), Financial Services, Financial Crisis and General European Contract Law, 2011, 221, 222; der Strategiewechsel der Kommission erfolgte auch im Kapitalmarkrecht laut Fleischer/Schmolke, EBOR 12 (2011), 121, 129. 59 Riehm, in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2009, 159, 172. 60 Manchmal wird auch von Totalharmonisierung gesprochen, so Möllers, in: Gsell (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 247, 249. 61 Fleischer/Schmolke, EBOR 12 (2011), 121, 123 Fn. 5. 62 Möllers, in: Gsell/Herresthal, Vollharmonisierung im Privatrecht, 247, 249; Mülbert, WM 2007, 1149, 1157. 63 Gomez/Ganuza, ERCL 2 (2011), 275, 288; Rott/Terryn, ZEuP 2009, 456 ff.; Fleischer/ Schmolke, EBOR 12 (2011), 121, 123 Fn. 5. 64 Loos, in: Stürner (Hrsg.), Vollharmonisierung im Europäischen Verbraucherrecht?, München 2010, 47, 66.
1. Kap.: Harmonisierung im europäischen Privatrecht
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wird zum Teil als Synonym der Vollharmonisierung benutzt,65 aber auch so verstanden, dass ein Bereich, der unter eine solche Harmonisierungsrichtlinie fällt, abschließend ohne Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten geregelt ist, was im europäischen Privatrecht typischerweise nicht vorkommt.66 Um begriffliche Klarheit zu schaffen, soll in dieser Arbeit auf den Begriff der Vollharmonisierung abgestellt werden. Eine Folge der Vollharmonisierung ist der Kompetenztransfer auf die Europäische Union. Das heißt, die Kompetenz zur Änderung des Gesetzestextes67 sowie zur Auslegung des Gesetzestextes liegt beim europäischen Gesetzgeber beziehungsweise beim EuGH68. Ob eine Richtlinie eine solche Vollharmonisierung beabsichtigt, ist zunächst anhand einer ausdrücklichen Anordnung in der Richtlinie erkennbar.69 Für eine exakte Bemessung von Harmonisierungsgrad und -tiefe der Richtlinienvorschriften bedarf es jedoch der Auslegung des Wortlauts, der Systematik und des Zwecks.70 Es kann auch vorkommen, dass eine Richtlinie gewisse Bereiche abschließend regelt, andere aber nur mindest- oder teilharmonisiert sind. Insbesondere im Gesellschaftsrecht ist die Meinung stark verbreitet, dass jede einzelne Richtlinienbestimmung auf ihren Harmonisierungsgrad zu untersuchen sei71, da der europäische Gesetzgeber hier traditionell diesen nicht ausdrücklich in einer Bestimmung für die gesamte Richtlinie festlege.72 Hieraus könnte folgen: Setzt der europäische Gesetzgeber einmal den Harmonisierungsgrad in einer Richtlinienbestimmung fest, bedarf es einer Auslegung der einzelnen Vorschriften nicht mehr. Jedoch kann auch eine vollharmonisierende Richtlinie den Mitgliedstaaten an manchen Stellen Um-
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Stuyck, in: Howells/Schulze (Hrsg.), Modernising and harmonising consumer contract law, 2009, 137. 66 Loos, in: Stürner (Hrsg.), Vollharmonisierung im Europäischen Verbraucherrecht?, München 2010, 47, 66. 67 Dougan, C.M.L. Rev. 2000, 853, 854 f. 68 Riehm, in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, 2009, 159, 169. 69 Vgl. beispielsweise: Art. 86 Abs. 1 ZDRL, Art. 4 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011, ABl. L 304 vom 22. 11. 2011, 64, im Folgenden: Richtlinie über die Rechte der Verbraucher; Art. 22 Abs. 1 Verbraucherkreditrichtlinie. 70 EuGH, Urteil vom 22. 4. 2002 – Rs. C-52/00, Kommission/Frankreich, Slg. 2002, I-3827 Rn. 16; Leible/Schröder, Streinz, 2012, Art. 114 AEUV Rn. 26. 71 Schürnbrand, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 273, 274 f.; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2011, § 6 Rn. 6; dagegen grundsätzlich von einer Mindestharmonisierung ausgehend: Grundmann, in: Europäisches Gesellschaftsrecht, 2011, § 5 Rn. 149. 72 Schürnbrand, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 273, 274 f.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
setzungsspielräume eröffnen,73 so dass trotz einer Harmonisierungsklausel immer wieder Vorschriften mit unterschiedlichem Harmonisierungsgrad vorliegen können. Fehlt beispielsweise in einer mindestharmonisierenden Richtlinie eine Regelung, die strengere Vorschriften explizit zulässt, so ist dies keinesfalls ein Indiz für ein Verbot solcher Regelungen.74 Die ZDRL enthält zwar mit Art. 86 Abs. 1 ZDRL eine Regelung zum Harmonisierungsgrad. Dieser bestimmt, dass abgesehen von einigen Ausnahmebestimmungen die Mitgliedstaaten in den Bereichen, in denen die Richtlinie harmonisierte Bestimmungen enthält, keine anderen als die in der Richtlinie festgelegten Bestimmungen beibehalten oder einführen dürfen. Ob jedoch wirklich eine Vollharmonisierung vorliegt und in welchen Bereichen dies der Fall ist, ist eine Frage der Auslegung. Eine klare Zuordnung des Harmonisierungsgrades ist wünschenswert. Eine Richtlinie mit verschiedenen Harmonisierungsgraden kann zu Rechtsunsicherheit der umsetzungspflichtigen Mitgliedstaaten sowie der im Endeffekt Berechtigten und Verpflichteten – im Verbraucherschutzrecht insbesondere der Verbraucher75 – führen. Um zu einer europarechtlich kohärenten Lösung zu kommen, die auch die mitgliedstaatliche Einpassung berücksichtigt, ist der Richtliniengesetzgeber hohen Qualitätsanforderungen unterworfen.76 Es ist insbesondere wichtig, Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten explizit zu bestimmen, um die Kompetenzverteilung nicht erst durch streitige Auslegung klären zu müssen. III. Mindestharmonisierung und Vollharmonisierung im Vergleich 1. Nachteile der Vollharmonisierung Ein großer Nachteil der Vollharmonisierung gegenüber der Mindestharmonisierung ist die Ausschaltung des Wettbewerbs der Rechtssysteme. Wichtige rechtliche Neuerungen, die sich im Wettbewerb als Entdeckungsverfahren herausstellen würden, können nicht vorgenommen werden. Zudem sind Anpassungen an länderspezifische Gegebenheiten nur noch im Rahmen der ausdrücklich zugelassenen Abweichungsmöglichkeiten zulässig, so
73 EuGH, Urteil vom 22. 4. 2002 – Rs. C-52/00, Kommission/Frankreich, Slg. I-3827 Rn. 19. 74 Borgmann, in: Everling/Roth (Hrsg.), Mindestharmonisierung im Europäischen Binnenmarkt, 1997, 51. 75 Für eine rechtssichere Anordnung einer Mindestharmonisierung mit Anerkennungswirkung im Verbrauchervertragsrecht, Grundmann, JZ 2013, 53, 64. 76 Schmidt-Kessel, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa?, 21, 30.
1. Kap.: Harmonisierung im europäischen Privatrecht
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dass die Vereinheitlichung zu weniger Differenzierung und damit weniger Flexibilität der Mitgliedstaaten, insbesondere in politisch umstrittenen Bereichen, führt. Weniger flexibel sind die Mitgliedstaaten auch bei der Einpassung der Richtlinienregelungen in das nationale Rechtssystem im Vergleich zu denjenigen einer Richtlinie mit einem Mindeststandard, so dass die Wertungskohärenz der nationalen Kodifikation verloren gehen kann. Dies geschieht umso weitgehender, je allgemeiner die Vollharmonisierung vorgenommen wird.77 Außerdem besteht die Gefahr der Versteinerung des Rechts, dessen Änderung aufgrund des komplexeren Rechtssetzungsprozesses auf EU-Ebene schwerfälliger und langsamer sein kann. Das aus diesem Grund eingeführte Lamfalussy-Verfahren im Kapitalmarktrecht begegnet im Hinblick auf das Demokratieprinzip und den Parlamentsvorbehalt allerdings erheblichen Bedenken. Die Regelungsintensität betreffend stellt sich die Frage, wem die Konkretisierungskompetenz zukommt und an welchen Begriffen und Rechtsinstituten sich die Richtlinie orientiert. 2. Vorteile der Vollharmonisierung Der größte Vorteil der Vollharmonisierung ist ihr Potential, Rechtszersplitterung zu verhindern.78 Die Mindestharmonisierung führt häufig zu ganz unterschiedlichen Standards in den Mitgliedstaaten, so dass auf der Anbieterseite für grenzüberschreitend tätige Unternehmen die Transaktionskosten recht hoch sind. Dagegen ist ein Vorteil der Vollharmonisierung, dass sich europäische Unternehmen darauf verlassen können, dass in den Mitgliedstaaten dasselbe Recht gilt wie in ihrem Heimatland. Hier können sie dementsprechend Kosten für die Anpassung ihrer Produkte, für die Rechtsermittlung- und -überwachung sparen. Derselbe Vorteil kann auf der Nachfragerseite die Reduktion von Informationskosten bewirken und zu mehr Vertrauen in Unternehmen aus dem europäischen Ausland führen,79 was der Förderung des Binnenmarktes zugutekommt. Die Vollharmonisierung eines gesamten Bereichs kann zu einer Systembildung führen, welche aufgrund der fehlenden europäischen Privatrechtssystematik sehr zu begrüßen wäre. IV. Neuartige „Halbharmonisierung“, sogenannte gezielte Vollharmonisierung Der durch die Vollharmonisierung schleichend vorangetriebene Transfer der Kompetenzen der Rechtsänderung, der Interpretation und der Umsetzungskontrolle80 77
Grundmann, JZ 2013, 53, 64. Fleischer/Schmolke, EBOR 12 (2011), 121, 134. 79 Fleischer/Schmolke, EBOR 12 (2011), 121, 135; es liegt jedoch kein empirischer Beweis dafür vor, Rott/Terryn, ZEuP 2009, 456, 460; ebenfalls für mehr empirische Nachweise: Low, ERPL 18 (2010), 285. 80 Reich, ZEuP 2010, 7, 17 f. 78
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
von den Mitgliedstaaten auf die EU führt zu einem neuartigen, zwischen der Vollharmonisierung und der Mindestharmonisierung stehenden Ansatz im Verbraucherrecht, der als Halbharmonisierung und auch partial harmonisation oder targeted full harmonisation81 bezeichnet wird. Targeted full harmonisation bedeutet gezielte Vollharmonisierung.82 Dieser Ansatz besagt, dass die Vollharmonisierung nur gezielt und nur soweit wie erforderlich vorgenommen werden soll.83 Im Verbrauchervertragsrecht wird darauf abgestellt, dass der europäische Gesetzgeber in jedem Einzelfall prüfen muss, welche Regelungen zu harmonisieren sind, damit das Funktionieren des Binnenmarktes und ein hohes Verbraucherschutzniveau sichergestellt werden können.84 Der neuartigen Halbharmonisierung lässt sich auch die teilweise im Verbraucherrecht geforderte differenzierte Harmonisierung85 zuordnen. Diese erlaubt nur eine teilweise Vollharmonisierung – von Definitions- und Formvorschriften – bei gleichzeitigen Gestaltungsspielräumen der Mitgliedstaaten in Rechtsfragen, die größere systemische Eingriffe in das mitgliedstaatliche Recht voraussetzen.86 Charakteristisch für halbharmonisierende Richtlinien ist, dass der Anwendungsund Regelungsbereich der vollharmonisierenden Regelungen sehr beschränkt ist, beziehungsweise im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens immer mehr eingeschränkt wird.87 Hinzu kommt die weitere Öffnung mit Hilfe von Optionsklauseln.88 81 Report on the Green Paper on the Review of the Consumer Acquis, OJ 2008 C 187/E231; Reich, ZEuP 2010, 7, 18; Stürner, GPR 2010, 157; zu einem ähnlichen Ansatz im Kapitalmarktrecht der reinforced harmonisation: Fleischer/Schmolke, EBOR 2011, 121, 142; Commission Staff Working Document, The review of the operation of Directive 2004/109/EC, SEC (2009) 611, 27 Mai 2010, para. 26 S. 13. 82 Stürner, GPR 2010, 157; beziehungsweise gezielte vollständige Harmonisierung in: Arbeitsdokument über den Vorschlag für eine Richtlinie über Rechte der Verbraucher vom 3. 3. 2010, abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_2014/documents/imco/dt/ 807/807372/807372de.pdf (Stand: 4. 10. 2016). 83 Die Vollharmonisierung muss in jedem Fall einzeln gerechtfertigt werden, so Micklitz, in: Modernising and Harmonising Consumer Contract Law, 2009, 47, 53. 84 Arbeitsdokument über den Vorschlag für eine Richtlinie über Rechte der Verbraucher vom 3. 3. 2010, abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_2014/docu ments/imco/dt/807/807372/807372de.pdf (Stand: 24. 10. 2016). 85 Stabentheimer, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa?, 1, 12; Oehrler, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa?, 25, 19 f. 86 Stabentheimer, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa?, 1, 12; einen differenzierten Ansatz, nach dem bei eher technischen Regelungen Vollharmonisierung zulässig sein soll, ansonsten aber Regelungsspielräume für die Mitgliedstaaten bestehen bleiben sollen, fordert für die Verbraucherrechte auch der Ausschuss der Regionen in seiner Stellungnahme, ABl. C 200/76 vom 25. 08. 2009; für einen Schutz der mitgliedstaatlichen Vertragsrechtssysteme durch targeted harmonisation, Micklitz/Reich, C.M.L.Rev. 46 (2009), 471, 516 ff. 87 Vgl. hierzu die Gesetzgebungsverfahren zur Verbraucherkreditrichtlinie und zur Richtlinie über die Rechte der Verbraucher. 88 Stürner, GPR 2010, 157.
1. Kap.: Harmonisierung im europäischen Privatrecht
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Primär geht es nicht mehr – wie bei der Mindestharmonisierung – um das Problem der Höhe des EU-rechtlich vorausgesetzten Schutzniveaus, sondern um die Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten.89 Die vorherrschende Frage betrifft nicht mehr den Harmonisierungsgrad, sondern die Harmonisierungstiefe. Eben diese Fragestellung ist bei der Untersuchung der Zahlungsdiensterichtlinie im Hinterkopf zu behalten. Denn auch im Zahlungsverkehr könnte es sich lediglich um eine gezielte Vollharmonisierung handeln:90 Eine Vollharmonisierung, die auf spezielle Probleme abzielt, die den Binnenmarkt der Zahlungsdienste betreffen, wobei gleichzeitig einige Regelungsbereiche der Mindestharmonisierung unterstellt sind. Falls ein solcher Ansatz vorliegt, muss gefragt werden, ob dieser der Bildung eines detaillierten europäischen Systems des Zahlungsdiensterechts entgegensteht. Somit stellt der neue Ansatz der gezielten Vollharmonisierung eine Vollharmonisierung mit einem sehr geringen Umfang, gekoppelt mit einer Mindestharmonisierung für bestimmte Rechtsfragen, dar. Beispielsweise bestimmt die Richtlinie über Rechte der Verbraucher jeweils für die einzelnen Bereiche und dortigen Rechtsfragen getrennt, ob mitgliedstaatliche Regelungen, die weitergehen, zulässig sind.91 Dies verwirrt, da laut Art. 4 der Richtlinie grundsätzlich ein Vollharmonisierungsansatz vorliegt, welcher zunächst für eine Zuständigkeit der EU-Organe für die Rechtsänderung und die Auslegung spricht,92 obwohl dies aufgrund des beschränkten Regelungsbereichs in vielen Rechtsfragen des Verbraucherrechts gar nicht der Fall ist. An dem neuen Ansatz der Kommission ist außerdem zu kritisieren, dass er eine umfassende Regelung eines bestimmten Bereichs abzulehnen scheint und damit der Bildung einzelner Systeme im europäischen Privatrecht entgegensteht.93 Er macht sich scheinbar vielmehr die Erhaltung nationaler Systeme zur Aufgabe, übersieht dabei aber, dass die Ausklammerung gewisser Bereiche ebenfalls zu Inkohärenz der nationalen Systeme und damit zu Rechtsunsicherheit führen kann. Hinzu kommen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den einzelnen Bereichen, in
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Reich, ZEuP 2010, 7, 26. Obwohl der Ausdruck gezielte Vollharmonisierung von der Kommission nicht im Zusammenhang mit dem Finanzsektor benutzt werde, basierten auch die Richtlinien in diesem Bereich auf der Idee einer gezielten Vollharmonisierung, Cherednychenko, in: Grundmann/ Atamer (Hrsg.), Financial Services, Financial Crisis and General European Contract Law, 221, 223. 91 Art. 5 Abs. 5, Art. 6 Abs. 7 Richtlinie über Rechte der Verbraucher (zusätzliche Informationsanforderungen bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen als auch bei allen sonstigen von der Richtlinie geregelten Verträgen sind zulässig); Art. 7 Abs. 5, Art. 8 Abs. 10 Richtlinie über Rechte der Verbraucher (weitergehende Regelungen der formalen Anforderungen bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen sind nicht zulässig). 92 Kritik hierzu auch von Micklitz/Reich, C.M.L.Rev. 46 (2009), 471, 481 (517). 93 So auch Mak, in: Howells/Schulze (Hrsg.), Modernising and Harmonising Consumer Contract Law, 305, 310. 90
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
denen weitergehende mitgliedstaatliche Regelungen zulässig, beziehungsweise nicht zulässig sind.94 V. Ordnung der Begrifflichkeiten zur Bestimmung des Harmonisierungspotentials Mindest-, Teil- und Vollharmonisierung sind zwar Oberbegriffe für die von der Kommission gewählten Ansätze der Rechtsangleichung, sie lassen sich aber in ihrer Bedeutung präziser zuordnen. Zur Bestimmung des Harmonisierungspotentials einer Richtlinie ist sie auf ihren Harmonisierungsgrad und ihre Harmonisierungstiefe95 zu untersuchen.96 Dabei zielt ein hoher Harmonisierungsgrad auf einen Harmonisierungserfolg in Form von inhaltlicher Kohärenz, während die Harmonisierungstiefe zusätzlich für formelle Kohärenz, das heißt einheitliche Begriffsbildung und Systematik, in der Europäischen Union sorgt.97 Der Harmonisierungsgrad legt grundsätzlich fest, ob Abweichungen nach oben zulässig sind, so dass entweder eine Vollharmonisierung oder eine Mindestharmonisierung vorliegt. Eine Vollharmonisierung erlaubt keinerlei Abweichungen, eine Mindestharmonisierung legt den Mindeststandard fest und lässt damit explizit strengere mitgliedstaatliche Regelungen zu98. Gerade im Hinblick auf den neuen Harmonisierungsansatz ist die klare Definition der Harmonisierungsgrade von Bedeutung. Denn einen dazwischenliegenden Harmonisierungsgrad, wie die Begriffe Halbharmonisierung oder Teilharmonisierung suggerieren, gibt es nicht. Entweder ist eine Abweichung nach oben zulässig oder nicht. Der neue Ansatz der Kommission kann, was den Harmonisierungsgrad anbelangt, also nur aus einer Mischung der beiden Harmonisierungsgrade bestehen. Die Harmonisierungstiefe bestimmt die Weite der Anwendung des Harmonisierungsgrades, sie stellt den Anwendungs- und Regelungsbereich mit all seinen Abweichungsmöglichkeiten dar. Eine geringe Harmonisierungstiefe liegt vor, wenn lediglich vereinzelte Punkte eines Rechtsbereiches geregelt sind. Eine hohe Harmonisierungstiefe ist dagegen gegeben, wenn ein gesamter Bereich systematisch und detailliert mit allen Rechtsfragen erfasst ist. 94
Zur neue Richtlinie über Rechte der Verbraucher, Grundmann, JZ 2013, 53, 57; Tonner/ Tamm, JZ 2009, 277, 279. 95 Gegenstandsbereich und geregelte Fragen sind im Vergleich zur Regelungsintensität nicht minder bedeutsam, so Gsell/Schellhase, JZ 2009, 20, 26. 96 Die verwendeten Begrifflichkeiten variieren: so stellt Mittwoch, Vollharmonisierung und Europäisches Privatrecht, 2013, 22 ff. auf die Harmonisierungsintensität und den Anwendungsbereich ab; allein die Harmonisierungsintensität betreffe das Harmonisierungskonzept; ähnliche Differenzierungen durch Gsell/Schellhase, JZ 2009, 20; Riehm, JZ 2006, 1035. 97 Zur inhaltlichen und formellen Kohärenz als Standbeine der europäischen Verbraucherrechtspolitik, Tonner/Tamm, JZ 2009, 277, 279. 98 Zu dem Streit, ob diese auch Anbietern aus dem EU-Ausland entgegengehalten werden dürfen siehe oben Mindestharmonisierung (1. Kapitel C.I.).
1. Kap.: Harmonisierung im europäischen Privatrecht
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Treffen nun hoher Harmonisierungsgrad (Vollharmonisierung) und weitgehende Harmonisierungstiefe aufeinander, so liegt eine vollkommene Harmonisierung, nahezu eine Rechtsvereinheitlichung, vor. Lediglich die von Art. 288 Abs. 3 AEUV für Richtlinien im Gegensatz zur Verordnung vorgesehene Wahl der Form und der Mittel gibt den Mitgliedstaaten noch die Möglichkeit Ermessen auszuüben. Treffen dagegen niedriger Harmonisierungsgrad und beschränkte Harmonisierungstiefe aufeinander, so liegt nur ein sehr geringes Harmonisierungspotential vor. Ein niedriger Harmonisierungsgrad und eine weitgehende Harmonisierungstiefe können durchaus ein hohes Harmonisierungspotential aufweisen, sogar ein größeres als ein hoher Harmonisierungsgrad in Kombination mit einer beschränkten Harmonisierungstiefe.99 Denn eine weitgreifende Harmonisierungstiefe beschränkt die Abweichungsmöglichkeiten innerhalb des Harmonisierungsgrades. Existieren in der Regelung viele Details, so sind die Regelungsspielräume der Mitgliedstaaten bereits durch diese eingeschränkt. Sind beispielsweise bei einer Mindestharmonisierung alle Voraussetzungen eines Anspruchs geregelt und dienen diese gleichzeitig dem von der Richtlinie bezweckten Schutz, so können die Mitgliedstaaten diese Voraussetzungen bei der Umsetzung nicht mehr unbeachtet lassen, lediglich verschärfen. Eine weitgehende Harmonisierungstiefe führt auch in Verbindung mit der Vollharmonisierung zu diesem Ergebnis. Die Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten sind durch sehr bestimmte Regelungen zu nationalen Abweichungen beschränkt. Demnach sind Harmonisierungsgrad und Harmonisierungstiefe stets im Verhältnis zueinander zu betrachten. Für den neuen Ansatz der Teilharmonisierung ist zu beachten, dass er ein Durchgangsstadium von der Mindest- zur Vollharmonisierung darstellt. Insofern ist für den Harmonisierungserfolg das Verhältnis der Harmonisierungstiefen der beiden Harmonisierungsgrade sowie die sinnvolle Zuordnung der jeweiligen Rechtsfragen zu einem der Harmonisierungsgrade zu untersuchen. Demnach wird im Folgenden unterschieden zwischen Harmonisierungsgrad und Harmonisierungstiefe, um das Harmonisierungspotential der ZDRL zu bestimmen. Der Begriff des Harmonisierungsansatzes meint lediglich die von der Kommission gewählte Bezeichnung.
D. Harmonisierung im europäischen Zahlungsdiensterecht Grundsätzlich gelten auch im Zahlungsdiensterecht die Grundfreiheiten des europäischen Primärrechts, die Dienstleistungs- (Art. 56 AEUV), Niederlassungs(Art. 49 AEUV) sowie Kapital- (Art. 63 Abs. 1 AEUV) und Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 2 AEUV). Diese erlauben den Kreditinstituten auch in anderen EU-Mitgliedstaaten ihre Aktivitäten auszuüben. Die Kreditinstitute unterliegen 99
Die Rechtsangleichung durch die Vollharmonisierung ist nur stärker als bei der Mindestharmonisierung, wenn der Gegenstandsbereich und Regelungsinhalt gleich sind, Gsell/ Schellhase, JZ 2009, 20, 22 (26); in der bestehenden Richtliniengesetzgebung gibt es wenig detaillierte Vollharmonisierung, vgl. Mittwoch, Vollharmonisierung und Europäisches Privatrecht, 2013, 73 ff.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
gemäß dem Herkunftslandprinzip den gesetzlichen Regelungen ihres Heimatlandes mit Ausnahme der für Produktgestaltung und Vertrieb im Gastland im Allgemeininteresse und zum Kundenschutz erlassenen Vorschriften.100 Der Anwendung der Grundfreiheiten gehen jedoch die positiven sekundärrechtlichen Harmonisierungsmaßnahmen vor.101 Neueste Harmonisierungsmaßnahme im europäischen Zahlungsdiensterecht sind die Neuauflage Zahlungsdiensterichtlinie (ZDRL-2) sowie die Verordnung über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge102. Letztere begrenzt die Interbankenentgelte für Privatkunden-Debitkarten generell auf 0,2 % und für Privatkunden-Kreditkarten auf 0,3 % des Transaktionswerts. Die SEPA-Migration in der gesamten Euro-Zone erfolgte am 1. August 2014, welche ursprünglich von der Verordnung zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro vom 14. März 2012 (SEPA-Migrationsverordnung), bereits für den 1. Februar 2014 geplant war103. Ziel der SEPA-Migration ist es, die Einführung der von der Kreditwirtschaft entwickelten SEPA-Produkte zur Schaffung größeren Wettbewerbsdrucks und damit einhergehende Kostensenkungen und Skaleneffekte auf dem europäischen Binnenmarkt voranzutreiben, da sich bis zu ihrem Erlass ein marktgetriebener Prozess für eine Umstellung auf SEPA-Produkte nicht als förderlich erwies104. Insbesondere sind in der SEPA-Migrationsverordnung die Voraussetzungen zur einheitlichen Ausgestaltung des Einzugsermächtiungslastschriftverfahrens im Sinne des SEPA-Basislastschriftverfahrens geregelt. In Deutschland bedeutete dies wesentliche Änderungen im Lastschriftsystem bei der Mandatserteilung, die von Kreditinstituten aber bereits durch die AGB-Änderungen vom 9. Juli 2012, welche dem Vorschlag des BGH105 folgten, vorgenommen wurden. Eine weitere wesentliche Änderung bestand darin, dass nach der SEPA-Migrationsverordnung allein die IBAN als Kundenidentifikator bei Überweisungen und Lastschriften verwendet werden darf.106
100
Assmann, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2010, Kapitel 22 Rn. 15. 101 Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 34 – 36 AEUV Rn. 18. 102 Verordnung (EU) 2015/751 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge, ABl. L123 vom 19. Mai 2015, 1. 103 Begriff nach Bautsch/Zahrte, BKR 2012, 229; Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 VO (EU) Nr. 260/2012, ABl. L 94 vom 30. 3. 2012, 22; im Folgenden: SEPA-Migrationsverordnung. 104 Erwägungsgrund (5) SEPA-Migrationsverordnung. 105 BGH, Urteil vom 20. 7. 2010 – XI ZR 236/07-NJW 2010, 3510. 106 Art. 5 Abs. 1 a) i.V.m. Nr. 1 a) Anhang SEPA-Migrationsverordnung; Erwägungsgrund (8) SEPA-Migrationsverordnung.
1. Kap.: Harmonisierung im europäischen Privatrecht
37
Zusätzlich fördert die Verordnung über grenzüberschreitende Zahlungen in der Europäischen Union vom 16. September 2009107 die Einführung von SEPA-Produkten, indem sie den Grundsatz der Gleichheit der Entgelte auf grenzüberschreitende Lastschriften erweitert108. Wichtigste Voraussetzung für die Einführung der SEPA-Produkte ist jedoch die Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens. Dieses Ziel verfolgt die ZDRL. Die vor der ZDRL bestehende Gesetzeslage im europäischen Zahlungsdiensterecht wurde vom europäischen Gesetzgeber als unzureichend für einen einwandfrei funktionierenden Binnenmarkt109 eingeschätzt.110 Die damals jüngste Harmonisierungsmaßnahme, die Überweisungsrichtlinie,111 bezog sich lediglich auf grenzüberschreitende Überweisungen bis zu 50.000 Euro und folgte dem Mindestharmonisierungsansatz112. Demnach stellt die ZDRL, die mit ihrem horizontalen Ansatz die praktisch bedeutsamsten113 Zahlungsdienste der Lastschrift, Überweisung, ECKartenzahlung und Kreditkartenzahlung114 auch innerstaatlich115 erfasst, eine wesentliche Neuerung im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dar.116
107 Verordnung (EG) Nr. 924/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über grenzüberschreitende Zahlungen in der Gemeinschaft und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2560/2001VO (EG), ABl. L 266 vom 9. 10. 2009, 10. 108 Eingeführt durch die Verordnung (EG) Nr. 2560/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 2001 über grenzüberschreitende Zahlungen, ABl. L 344 vom 28. 12. 2011, 13; jetzt ersetzt durch Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 924/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über grenzüberschreitende Zahlungen in der Gemeinschaft und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2560/2001VO (EG), ABl. L 266 vom 9. 10. 2009, 10. 109 Erwägungsgrund (1) ZDRL. 110 Erwägungsgrund (3) ZDRL. 111 Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über grenzüberschreitende Überweisungen, ABl. L 43 vom 14. 2. 1997, 25, im Folgenden: Überweisungsrichtlinie; aufgehoben durch die ZDRL. 112 Erwägungsgrund (8) Überweisungsrichtlinie. 113 Omlor, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 675c – 767c BGB Rn. 12. 114 Art. 4 Nr. 3 i.V.m. Anhang ZDRL. 115 Art. 2 Abs. 1 ZDRL. 116 Die zivilrechtlichen Neuregelungen der ZDRL-2 bestehen insbesondere darin, dass sie den Anwendungsbereich auf sogenannte Kontoinformationsdienste, Zahlungsauslösedienste erweitern, die Haftung des Zahlers für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge von 150 E auf 50 E beschränken und einen bedingungslosen Anspruch auf Erstattung für SEPA-Lastschriften einführen; die folgenden Ausführungen zur Regelungstechnik und Bestimmung des Harmonisierungsgrades sind ebenso auf die ZDRL-2 anwendbar.
38
1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
2. Kapitel
Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe der Zahlungsdiensterichtlinie Die ZDRL scheint zunächst im Gegensatz zur Überweisungsrichtlinie auf dem Harmonisierungsansatz der Vollharmonisierung zu basieren; denn sie spricht in Art. 86 mit dem Titel Vollständige Harmonisierung davon, dass die Mitgliedstaaten in den Bereichen, in denen [die] Richtlinie harmonisierte Bestimmungen enthält, keine anderen als die in [der] Richtlinie festgelegten Bestimmungen beibehalten oder einführen dürfen. Ob dies wirklich der Fall ist, wenn ja, in welchen Bereichen und in welchem Umfang, wird im Folgenden untersucht.117 Im Ergebnis soll festgestellt werden, ob die ZDRL das Potential zu einer Systembildung im europäischen Zahlungsdiensterecht hat. Insbesondere muss dabei gefragt werden, ob die Richtlinie wirklich einem Harmonisierungskonzept zugeordnet werden kann118 oder ob die Bestimmungen teilweise unterschiedliche Ansätze verfolgen. Dafür werden zunächst die primärrechtlichen und sekundärrechtlichen Maßstäbe zur Bemessung der Verteilung der Regelungskompetenz in EU-Richtlinien herausgearbeitet (I.). Sodann erfolgt eine Kategorisierung der Regelungstechniken des EU-Richtlinien-Gesetzgebers zur Schaffung von Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten und Parteien (II.), um anhand dieser den Regelungsgehalt und damit den Harmonisierungsgrad und die Harmonisierungstiefe der ZDRL zu bemessen (III.).
A. Maßstäbe zur Bemessung der Verteilung der Regelungskompetenz in EU-Richtlinien I. Primärrechtliche Maßstäbe 1. Kompetenzgrundlage Als Erstes kommt die Kompetenzgrundlage, auf die sich die Richtlinie nach europäischem Primärrecht stützt, als Kriterium für die Bemessung ihres Harmonisierungsgrades in Betracht.119 Möglicherweise bezieht sich diese lediglich auf einen konkreten Harmonisierungsgrad, so dass ein anderer gar nicht zulässig ist. Dann 117 In den Worten von Cherednychenko: Wie voll ist die Vollharmonisierung?, in: Grundmann/Atamer (Hrsg.), Financial Services, Financial Crisis and General European Contract Law, 221, 225. 118 Denn trotz einer Vollharmonisierungsklausel ist es möglich, dass die Richtlinie keine große harmonisierende Wirkung hat, Cherednychenko, in: Grundmann/Atamer (Hrsg.), Financial Services, Financial Crisis and General European Contract Law, 221, 225. 119 Auch der EuGH betrachtet als Erstes die Kompetenzgrundlage bei der Bestimmung des Harmonisierungsgrades der Produkthaftungsrichtlinie, EuGH, Urteil vom 22. 4. 2002 – Rs. C-52/00, Kommission/Frankreich, Slg. 2002, I-3827, 3866 Rn. 14 f.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
39
könnte die Vermutung aufgestellt werden, dass die Richtlinie dem allein zulässigen Harmonisierungsgrad entspricht. Die ZDRL ist auf Art. 114 AEUV120 gestützt. Art. 114 AEUV ermächtigt die EU zum Erlass von Angleichungsmaßnahmen, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Hält man deshalb Maßnahmen, die zu einer Rechtszersplitterung führen, für unzulässig,121 bedeutet dies ein Verbot der Mindestharmonisierung, weil es bei der Umsetzung mindestharmonisierender Richtlinien stets zum Erlass strengerer und weitergehender Vorschriften durch die Mitgliedstaaten kommt. Dafür würde auch das in Art. 114 Abs. 4 bis 10 AEUV bei Abweichungen der Mitgliedstaaten vorzunehmende Kontrollverfahren sprechen. Es ist als eine Ausnahme ausgestaltet, woraus sich der Umkehrschluss ergibt, dass grundsätzlich Abweichungen nicht zugelassen sind.122 Dieses Argument verfängt jedoch nicht, da es genauso gut gegen eine vollharmonisierende Richtlinie angeführt werden kann, die ebenfalls Abweichungsmöglichkeiten und Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten enthalten kann.123 Rechtsangleichung heißt nicht Rechtsvereinheitlichung.124 Die Förderung des Binnenmarktes kann mit den Angleichungsansätzen der Vollharmonisierung und der Mindestharmonisierung erreicht werden.125 Die grenzüberschreitende Nachfrage und der Binnenmarkt werden ohne eine Vollharmonisierung schon dadurch gefördert, dass die Zahlungsdienstnutzer auf Mindeststandards in den Mitgliedstaaten vertrauen können.126 Auch Art. 114 Abs. 3 AEUV, der ein hohes Schutzniveau für die Bereiche Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz fordert,127 spricht nicht gegen eine Kompetenz zur Mindestharmonisierung. Denn diese kann auf einem hohen Schutzniveau angesiedelt sein und im Endeffekt sogar aufgrund der nach oben offenen Umsetzungsmöglichkeit der Mitgliedstaaten zu einem noch größeren Schutz in einzelnen Mitgliedstaaten als dem in der Richtlinie geforderten führen. Die Vollharmonisierung würde eine solche Schutzverstärkung dagegen ausschließen. Daraus ist zu folgern, dass nach Art. 114 AEUVeine Mindest- als auch
120
Ex-Art. 95 EGV; vgl. vor Erwägungsgrund (1) ZDRL. Riehm, in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2009, 159, 195 Fn. 192 mit weiteren Nachweisen. 122 Roth, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 13, 22. 123 Riehm, in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2009, 159, 195 f. 124 Korte, in: Calliess/Ruffert, Art. 114 AEUV Rn. 22. 125 Dies scheint die Europäische Kommission jedoch zumindest im Verbrauchervertragsrecht anders zu sehen, da sie vom Mindestharmonisierungsansatz zu demjenigen der Vollharmonisierung wechselt, um einer bei Mindestharmonisierung bestehenden Zersplitterung des Binnenmarktes entgegenzuwirken, KOM (2002) 208 endgültig, 14 f. 126 Heiss, ZEuP 1996, 625, 641, für den Vorschlag einer Überweisungsrichtlinie. 127 Dies spricht zunächst gegen eine Kompetenz zur Mindestharmonisierung, so: Roth, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 13, 21. 121
40
1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
Vollharmonisierung zulässig sein muss,128 so dass die Kompetenzgrundlage kein Indiz für den Harmonisierungsgrad der ZDRL bildet. 2. Subsidiaritätsprinzip Das Subsidiaritätsprinzip in Art. 5 Abs. 3 EUV könnte Aufschluss über den von der ZDRL verfolgten Harmonisierungsgrad geben. Es schafft an den Stellen eine Trennlinie zwischen den Kompetenzen der EU und denen der Mitgliedstaaten, an denen die Ziele nicht mehr durch die einzelnen Mitgliedstaaten verwirklicht werden können. Voraussetzung für die Anwendung dieses Prinzips ist, dass es sich nicht um eine ausschließliche Zuständigkeit der EU handelt, da es hier nicht zu Zuständigkeitsabgrenzungen kommen kann. Art. 4 Abs. 2 lit. a AEUV stellt nun klar, dass auch Art. 114 AEUV lediglich eine geteilte Kompetenz der EU enthält, so dass das Subsidiaritätsprinzip anwendbar ist.129 Sieht man den Verbraucherschutz in der ZDRL als ein Ziel neben dem des funktionierenden Binnenmarktes an, so führt die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips dazu, dass hier ein Indiz für die Vollharmonisierung vorliegt. Denn für mehrere Ziele lässt sich nicht ein Mindeststandard finden.130 Abweichungen oberhalb des Mindeststandards zum Zwecke des Verbraucherschutzes könnten beispielsweise dem Binnenmarktziel entgegenstehen und umgekehrt.131 Erforderlich ist bei zwei Zielen eine vom europäischen Gesetzgeber bereits vorgenommene Gewichtung der einzelnen Ziele. Diese Gewichtung aus einer mindestharmonisierenden Richtlinie herauszulesen, würde zum einen erheblichen gesetzgeberischen und justiziellen Aufwand bedeuten und zum anderen zu großen Abweichungen in den einzelnen Mitgliedstaaten führen, so dass eine effektivere Zielerreichung nur durch eine vollharmonisierende Regelung der EU gegeben ist. Strebt die ZDRL somit die Erreichung beider Ziele an, liegt ein Indiz für eine Vollharmonisierung vor. 128 Die Prüfung, ob eine Mindest- oder Vollharmonisierung vorzunehmen ist, liegt damit bei dem Prüfungspunkt der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 3, 4 EUV), welcher nicht nur in formeller (Hierarchie der in Betracht kommenden Mittel), sondern auch in inhaltlicher Sicht gilt, was bedeutet, dass eine Mindestharmonisierung der Vollharmonisierung bei gleichen Gegebenheiten vorzuziehen ist, wobei dem EU-Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zukommt; vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert, Art. 5 EUV Rn. 68; dabei ist auch die Kohärenz der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen, Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 114 AEUV Rn. 55 (März 2011 EL 43); die Anwendung des Subsidiaritätsgrundsatzes aus Art. Abs. 2 lit. a AEUV ist dagegen umstritten, siehe hierzu: Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 114 AEUV Rn. 58 ff. (März 2011 EL 43). 129 Kortel, in: Calliess/Ruffert, Art. 114 AEUV Rn. 8; für eine konkurrierende Zuständigkeit von Art. 95 EGV: Kommission, Vorschlag ZDRL, KOM (2005) 603 endgültig, 9; EuGH, Urteil vom 10. 12. 2002 – Rs. C-491/01, British American Tabacco, Slg. 2002, I-11 550 Rn. 179. 130 Schaub, ZEuP 2003, 562, 570 zum Harmonisierungsansatz der Produkthaftungsrichtlinie bei mehreren gleichrangigen Zielen. 131 Schaub, ZEuP 2003, 562, 570 zum Harmonisierungsansatz der Produkthaftungsrichtlinie.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
41
Sieht man jedoch das Ziel der ZDRL allein in der Förderung des Binnenmarktes, besteht ein solches Indiz nicht. Die Subsidiaritätsklausel unterliegt einem weiten Ermessensspielraum des europäischen Gesetzgebers,132 so dass in ihrer Anwendung kein Anzeichen für das Vorliegen einer bestimmten Harmonisierungsgrades besteht. Das Subsidiaritätsprinzip alleine kann somit keinen Aufschluss über den Harmonisierungsgrad der ZDRL geben, sondern ist stets im Zusammenhang mit ihrer Zielbestimmung zu sehen, die im Folgenden untersucht wird. II. Sekundärrechtliche Maßstäbe Lässt sich aus den primärrechtlichen Grundlagen keine Schlussfolgerung über den Harmonisierungsgrad ziehen, ist dieser allein durch die Richtlinie festgelegt. Zu untersuchen sind Ziel und Zweck, Wortlaut und Systematik. 1. Ziel der Richtlinie Das Ziel der Richtlinie kann Aufschluss über den Harmonisierungsansatz geben. Als Ziel kommen beispielsweise der Schutz einer bestimmten Gruppe wie der Verbraucher oder Arbeitnehmer, aber auch die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes in Betracht. Geht man von einer effizienten Zielverfolgung aus, lässt sich folgende These aufstellen: Steht der Schutz einer bestimmten Zielgruppe im Vordergrund, ist dies ein Indiz für die Mindestharmonisierung.133 Geht es dagegen um die Förderung des Binnenmarktes, so überwiegen die Argumente für eine Vollharmonisierung.134 Sinn ergibt diese These insoweit, als der Schutz einer bestimmten Zielgruppe bei der Mindestharmonisierung durch einzelne Mitgliedstaaten noch verstärkt werden kann, während dies bei der Vollharmonisierung nicht möglich und die Erreichung eines hohen Schutzniveaus häufig mangels Einigung im Gesetzgebungsverfahren relativ schwierig ist135. Für einen funktionierenden Binnenmarkt kommt es insbesondere auf das Vertrauen der Anbieter als auch der Nachfrager an. Hier dient eine Vollharmonisierung aufgrund ihres unabänderlichen Standards 132
Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 5 EUV Rn. 58 f. (2014 EL 52). Die Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. 171, 12 begründet in Erwägungsgrund (6) die Mindestharmonisierung ausdrücklich mit dem Verbrauchervertrauen; charakteristisch für die Mindestharmonisierung ist eine eindimensionale Schutzrichtung, Wendehorst, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa?, 153, 165. 134 Bis zur Einheitlichen Europäischen Akte 1985 war Verbraucherschutz noch Selbstzweck, danach jedoch nicht mehr, er wurde in das Binnenmarktkonzept eingestellt, was die Tendenz zur Vollharmonisierung nachvollziehbar macht, Riehm in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2009, 159, 169 ff. 135 Vgl. Kritik an der neuen Richtlinie über die Rechte der Verbraucher aufgrund ihres geringen Schutzstandards, Micklitz/Reich, EuZW 2009, 279, 285. 133
42
1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
der Stärkung dieses Vertrauens und damit im Endeffekt der Förderung des grenzüberschreitenden Handels. Somit werden beide Regelungsziele durch die jeweiligen Harmonisierungsgrade am effizientesten gefördert. Die ZDRL bestimmt eindeutig die Schaffung eines Binnenmarktes für Zahlungsdienste als ihr Ziel.136 Grund für das Verbot des Abweichens von den Informationsvorschriften durch die Mitgliedstaaten ist ebenfalls das Funktionieren des Binnenmarktes und somit Ziel dieses Teils der ZDRL.137 Der Verbraucherschutz stellt demgegenüber allenfalls ein untergeordnetes Ziel dar. Die Vorschriften der ZDRL und Erwägungsgründe bestimmen zwar vereinzelt besondere Bedingungen für den Verbraucher138, definieren dessen Schutz aber nicht als Sinn und Zweck der grundsätzlich festgelegten Rechte und Pflichten. Auffällig ist allein der 34. Erwägungsgrund, der den Mitgliedstaaten zur Erhaltung des Verbraucherschutzniveaus und des Vertrauens in die Sicherheit elektronischer Zahlungsinstrumente beim Missbrauch von Zahlungsinstrumenten den Erlass weniger strenger Vorschriften erlaubt. Bezug nimmt der 34. Erwägungsgrund auf Art. 61 ZDRL, der in Absatz 1 für den Missbrauch eine verschuldensunabhängige Haftungshöchstgrenze von 150 Euro des Zahlers sowie in Absatz 2 eine verschuldensabhängige Haftung für alle durch einen nicht autorisierten Zahlungsvorgang dem Zahlungsdienstleister entstehende Schäden bestimmt. Von beiden Haftungen können die Mitgliedstaaten aber dann nach unten – und damit in der Verbraucherschutzhöhe nach oben – abweichen (Art. 61 Abs. 3 ZDRL). Begrifflich liegt zwar kein Mindeststandard, sondern eine Höchstgrenze vor. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Mitgliedstaaten ein gewisses Schutzniveau sicherzustellen haben, worüber sie hinausgehen dürfen. Darin kann man eine Mindestharmonisierung sehen. Trotz dieser Hervorhebung des Verbraucherschutzes ist das vom europäischen Gesetzgeber in den Erwägungsgründen eindeutig geäußerte Ziel die Schaffung eines Binnenmarktes für Zahlungsdienste. Dass der Verbraucherschutz diesem Ziel als Mittel zum Zweck dient und insofern keine eigenständige Bedeutung aufweist, wird 136
Erwägungsgrund (60) und (1) ZDRL. Erwägungsgrund (21) ZDRL. 138 Art. 30 Abs. 1, Art. 51 Abs. 1 ZDRL (keine Abdingbarkeit der Vorschriften für Verbraucher), Art. 71 ZDRL (unverzügliche Verfügbarmachung und Wertstellung bei Einzahlung von Bargeld durch einen Verbraucher), Erwägungsgrund (4) ZDRL (Betonung der Wahlfreiheit der Verbraucher in Bezug auf die Zahlungssysteme und des dadurch generierten Fortschritts in Bezug auf Verbraucherkosten), Erwägungsgrund (20) (Unabdingbarkeit der Vorschriften für Verbraucher), Erwägungsgrund (26) (Informationen für den Verbraucher in Schriftform), Erwägungsgrund (28) (Entgeltfreiheit grundlegender Informationen für den Verbraucher), Erwägungsgrund (29) (kostenlose Kündigung eines Rahmenvertrags nach einem Jahr durch Verbraucher), Erwägungsgrund (33) (Nichtigkeit von Klauseln einer erhöhten Beweislast für den Verbraucher), Erwägungsgrund (34) (strengere Haftungsvorschriften zur Aufrechterhaltung des Verbraucherschutzniveaus), Erwägungsgrund (35) (Zuweisung von Schäden durch nicht autorisierte Zahlungen können für Nichtverbraucher abweichend geregelt werden), Erwägungsgrund (36) (Erstattungsregelung bei Überschreitung des zu erwartenden Betrags für Verbraucher), Erwägungsgrund (51) (leicht zugängliches und kostengünstiges Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Zahlungsdienstleistern und Verbrauchern). 137
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
43
auch daran deutlich, dass er sogar in den Richtlinien zum Verbraucherschutz keinen Selbstzweck mehr darstellt.139 Zudem umfasst der in der ZDRL verwendete Begriff des Zahlungsdienstnutzers Verbraucher und Unternehmer. So können beispielsweise nach Art. 45 Abs. 6 ZDRL die Mitgliedstaaten für Zahlungsdienstnutzer und nicht allein für Verbraucher vorteilhaftere Regelungen zur ordentlichen Kündigung erlassen. Das Argument, in den Erwägungsgründen werde häufig auf den Verbraucherschutz abgestellt, ist insofern geschwächt, als die Regelungen der Zahlungsdiensterichtlinie selbst, die laut den Erwägungsgründen zum Schutz der Verbraucher einzuführenden Vorschriften meistens zugunsten aller Zahlungsdienstnutzer umsetzen.140 Des Weiteren wird an einzelnen Regelungen der Richtlinie deutlich, dass sie offensichtlich nicht auf den Verbraucherschutz abzielt. Hervorzuheben ist hier zunächst Art. 74 ZDRL, der eine Ausführung des Zahlungsauftrags nach Kundenindentifikator als korrekt und damit nicht fehlerhaft bestimmt, so dass eine Haftung des Zahlungsdienstleisters wegen fehlerhafter Ausführung (Art. 75 ZDRL) aufgrund einer Abweichung vom Namen des Zahlungsempfängers nicht in Betracht kommt. Insbesondere für den Verbraucher stellt diese Vorschrift aufgrund der hohen Fehleranfälligkeit des Eintippens der Kontonummer141 und der für ihn im Vergleich zu den im Geschäftsverkehr Tätigen schwierigeren Rückerlangung des fehlgeleiteten Betrags eine Belastung dar. Im Vergleich zum zuvor geltenden deutschen Recht ist dies eine Schlechterstellung, denn hier war der Empfängername maßgeblich142. Außerdem führte bei Überweisungen der empfangende Zahlungsdienstleister nach dem Überweisungsabkommen einen Kontonummer-Namensabgleich durch, der nach der ZDRL nicht mehr verpflichtend ist. Art. 74 Abs. 2 ZDRL bestimmt lediglich, dass sich der Zahlungsdienstleister bemühen muss, den Betrag wiederzuerlangen. Dafür kann er ein Entgelt in Rechnung stellen. Zielte die ZDRL auf den Schutz des Verbrauchers, hätte sie eine solche Regelung nicht eingeführt. Auch Art. 61 Abs. 1 ZDRL, der eine verschuldensunabhängige Haftung des Zahlers kreiert, kann hier als Beispiel angeführt werden. Ein Verbraucher, der sich im Rechtsverkehr wenig auskennt und den Missbrauch weder verschuldet noch sonst durch seine Unachtsamkeit veranlasst hat, trifft auf eine starre Haftung, die in einer verbraucherschützenden Richtlinie nicht vorstellbar wäre. Zudem kann die für die Unternehmen zulässige Abdingbarkeit gewisser Normen nach Art. 30 Abs. 1, Art. 51 Abs. 1 ZDRL sogar zur Schlechterstellung der Verbraucher im Vergleich zu den Unternehmen führen. So stellt die Unwiderruflichkeit des Auftrags nach dem 139 Beispielsweise ist Ziel der neuen Richtlinie über die Rechte der Verbraucher durch Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarktes beizutragen, Erwägungsgrund (65) Richtlinie über die Rechte der Verbraucher. 140 Vergleiche zum Beispiel: Erwägungsgrund (26): Art. 43 ZDRL; Erwägungsgrund (28): Art. 32 Abs. 1 ZDRL; Erwägungsgrund (29): Art. 45 Abs. 2 S. 1 ZDRL; Erwägungsgrund (34): Art. 61 Abs. 3 ZDRL; Erwägungsgrund (36): Art. 62 Abs. 1 ZDRL. 141 Spätestens ab 1. August 2014 ist für Überweisungen und Lastschriften die Angabe des IBAN erforderlich, so dass die Länge der Nummer zu einer weiteren Erschwernis gegenüber der bis jetzt in Deutschland verwendeten Kontonummer und Bankleitzahl führt. 142 Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 75.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
Eingang beim Zahlungsdienstleister in Art. 66 Abs. 1 ZDRL eine Abkehr von dem im Auftragsrecht der Zivilrechtssysteme als auch der Common-Law-Systeme geltenden Prinzip der Widerruflichkeit bis zur Auftragsausführung und damit eine Schlechterstellung der Zahlungsdienstnutzer dar143. Nach Art. 51 Abs. 1 ZDRL können Unternehmer die Unwiderruflichkeit ganz oder teilweise abbedingen. Zwar besteht nach Art. 66 Abs. 5 ZDRL die Möglichkeit der Verlängerung der Widerrufsfristen auch bei einem Vertrag mit einem Verbraucher, jedoch kann der Zahlungsdienstleister, wenn es im Rahmenvertrag vereinbart ist, hierfür ein Entgelt verlangen (Art. 66 Abs. 5, Art. 52 Abs. 1 ZDRL). Diese Beispiele zeigen deutlich, dass der europäische Gesetzgeber mit der Richtlinie keineswegs einen durchgängigen Verbraucherschutz verfolgt. Mithin ist Ziel der Richtlinie nicht der Verbraucherschutz, sondern die Förderung des Binnenmarktes. Nach der oben aufgestellten These besteht daher eine Vermutung für den Vollharmonisierungsansatz. Allerdings ist gegen die These einzuwenden, dass auch eine mindestharmonisierende Maßnahme dort, wo noch keine Rechtsangleichung auf europäischer Ebene stattgefunden hat, als Durchgangsstadium der Förderung des Binnenmarktes dienen kann.144 Gekoppelt mit dem Herkunftslandprinzip kann die Mindestharmonisierung sogar den Binnenmarkt in gleichem Maße fördern wie die Vollharmonisierung, da die Anbieter in der gesamten EU nach dem Recht ihres Herkunftslandes anbieten können.145 Jedoch ist es nicht möglich, allgemein einen Harmonisierungsansatz als vorzugswürdig zu bestimmen, denn es ist stets auf die inhaltlich geregelte Materie abzustellen. Gerade im Zahlungsdiensterecht kann ein Zahlungsdienstleister bei Anwendung des Herkunftslandprinzips nicht ohne Weiteres wie ein Verkäufer nach dem Recht seines Landes anbieten, da er zur Ausführung seiner Leistungen auf ein vertragliches Netzwerk mit ausländischen Unternehmen bei grenzüberschreitenden Zahlungen angewiesen ist. Es bedarf vertraglicher Regelungen zwischen den Unternehmen, die sich aber wiederum an den zwingenden Regelungen jedes der einzelnen Länder zu orientieren haben. Eine Vollharmonisierung führt hier zu erheblichen Vereinfachungen, da ein einheitlicher Standard zu Grunde liegt, was eine Mindestharmonisierung (auch mit Anerkennungsregel) nicht leisten kann. Erforderlich ist demnach insbesondere bei technischen Regelungen, wie etwa den Fristen, einheitliche gesetzliche Vorschriften festzusetzen. Es besteht allerdings auch im Zahlungsdiensterecht die Möglichkeit einer Mindestharmonisierung als Durchgangsstadium zur Zielerreichung. Bereits die dem Mindestharmonisierungsansatz folgende Überweisungsrichtlinie hatte sich dem Ziel der Förderung des Binnenmarktes und insbesondere der Wirtschafts- und Währungsunion146 verschrieben und
143 144 145 146
Geva, Yearbook of European Law 2009, 177, 206. Roth, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 13, 24. Für das EU-Vertragsrecht, Grundmann, JZ 2013, 53, 64. Erwägungsgrund (6) Überweisungsrichtlinie.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
45
den Verbraucherschutz dafür in den Hintergrund gedrängt147. Ob mit der ZDRL die Phase des Durchgangsstadiums bereits verlassen und eine komplette Vollharmonisierung erreicht ist, ist demnach nicht an ihrem Ziel festzumachen. Vielmehr kann die Vollharmonisierung auch etappenweise erfolgen, so dass es gut möglich ist, dass einzelne Bereiche vollharmonisiert sind, andere jedoch noch erhebliche Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten aufweisen. Da es sich nicht um eine doppelte Zielsetzung handelt, führt auch das Subsidiaritätsprinzip nicht zu einem Indiz für die Vollharmonisierung (siehe 2. Kapitel A. I. 2.). 2. Harmonisierungsklausel Stellt man auf den Wortlaut der Richtlinie ab, trifft zunächst die in der Richtlinie enthaltene Harmonisierungsklausel Aussagen über den Harmonisierungsgrad. Hinzu kommen die Erwägungsgründe, die als vom europäischen Gesetzgeber klar geäußerter Wille zur Auslegung heranzuziehen sind.148 In vielen mindestharmonisierenden Richtlinien bestimmen die Mindeststandardklauseln, dass die Mitgliedstaaten im nationalen Recht auch strengere Regeln zum Schutz einer bestimmten Gruppe einführen oder beibehalten können.149 Vom Fehlen einer solchen Öffnungsklausel – aufgrund der aktuellen Praxis des europäischen Gesetzgebers bei mindestharmonisierenden Maßnahmen solche einzufügen – jedoch gleich auf eine Vollharmonisierung zu schließen,150 ist angesichts der jüngst häufig verwendeten Vollharmonisierungsklauseln sehr gewagt. Letztere regeln ausdrücklich, dass keine anderen Bestimmungen zulässig sind. Die exakten Formulierungen variieren jedoch. Aufschluss über die Unterscheidung der Harmonisierungsgrade anhand des Wortlauts einer Harmonisierungsklausel verspricht die Abgrenzung der Vollharmonisierung von der gezielten Vollharmonisierung. Eine nur gezielte Vollharmonisierung sollen die Richtlinie über Rechte der Verbraucher sowie die Verbraucherkreditrichtlinie vornehmen.151 Beide Richtlinien enthalten eine Harmonisierungsklausel. Schon der Wortlaut der Überschriften unterscheidet sich wesentlich von demjenigen der ZDRL. Art. 86 ZDRL spricht von Vollständiger Harmonisierung, während die Richtlinie über die Rechte der Ver147
Erwägungsgrund (2) Überweisungsrichtlinie stellt auf Privatpersonen und Unternehmen, hier insbesondere KMU, ab. 148 EuGH, Urteil vom 7. 9. 2004 – Rs. C-346/03, Kommission/Luxemburg, Slg. 2004, I-7545 Rn. 24. 149 Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn. 22. 150 So Riehm, JZ 2006, 1035, 1037. 151 Zur targeted harmonisation der Verbraucherkreditrichtlinie: Reich, ZEuP 2010, 7, 25; Tonner/Tamm, JZ 2009, 277, 279, stellen auf den Erwägungsgrund (9) Verbraucherkreditrichtlinie ab; zur targeted harmonisation der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher: Tonner/Fangerow, euvr 2012, 67, 78.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
braucher in Art. 4 nur vom Grad der Harmonisierung und Art. 22 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie von Harmonisierung und Unabdingbarkeit dieser Richtlinie sprechen. Somit bekennt sich die ZDRL im Gegensatz zu den anderen beiden Richtlinien schon im Titel ihrer Harmonisierungsklausel zu einem konkreten Harmonisierungsgrad. Die unbestimmten Überschriften in den anderen beiden Richtlinien dagegen deuten bereits auf weiteren Konkretisierungsbedarf durch die darauf folgende Bestimmung hin. Gemeinsam ist den Klauseln allerdings die Forderung, dass die Mitgliedstaaten keine abweichenden Bestimmungen aufrechterhalten/beibehalten (ZDRL) oder einführen dürfen. Dies entspricht der gängigen Definition der Vollharmonisierung. Es fällt auf, dass Art. 86 Abs. 1 ZDRL im Gegensatz zu den anderen beiden Bestimmungen damit beginnt, die den Mitgliedstaaten von der Richtlinie zugewiesenen Optionen aufzuzählen. Dadurch wird deutlich, dass nicht alle Bestimmungen den Mitgliedstaaten jeglichen Handlungsspielraum verbieten. Die Verbraucherkreditrichtlinie und Richtlinie über Rechte der Verbraucher sprechen demgegenüber nur davon, soweit oder sofern die Richtlinie keine anderen Bestimmungen enthalte. Allerdings zeigt die exakte Auflistung der Optionen in der ZDRL auch, dass eine Auflistung der Abweichungsmöglichkeiten in geringem Umfang möglich und nicht erst durch Auslegung zu ermitteln ist. Die Optionen werden als Ausnahme von dem Grundsatz der Vollharmonisierung dargestellt, der die Richtlinie ansonsten zu bestimmen scheint. Die Wörter soweit und sofern dagegen suggerieren nicht den Eindruck, dass eine feste Zuordnung der in Betracht kommenden Rechtsfragen zu einem Harmonisierungsgrad möglich wäre. Den Grundsatz der Vollharmonisierung einschränkend spricht jedoch auch die ZDRL in Art. 86 Abs. 1 von Bereichen, in denen diese Richtlinie harmonisierte Bestimmungen enthält. Somit genügt eine Untersuchung der Harmonisierungsklausel hier nicht, um eine exakte Bemessung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe vorzunehmen. Betrachtet man die Erwägungsgründe, fällt auf, dass die ZDRL darin kein einziges Mal von Vollharmonisierung oder vollständiger Harmonisierung spricht. Die anderen beiden Richtlinien dagegen benutzen diesen Begriff. Sie schränken ihr Bekenntnis zur vollständigen Harmonisierung in den Erwägungsgründen aber wieder ein. Die Verbraucherkreditrichtlinie kehrt den in der Harmonisierungsklausel enthaltenen Satz, dass keine Abweichungen zulässig seien, soweit eine Harmonisierung vorliege, um, indem sie direkt die Erlaubnis zu abweichenden Regelungen gibt.152 Die Richtlinie über Rechte der Verbraucher bestimmt Gleiches153 und geht in Richtung gezielter Vollharmonisierung noch einen Schritt weiter, indem sie der vollständigen Harmonisierung nur bestimmte Bereiche – die Informationspflichten
152 153
Erwägungsgrund (9) Verbraucherkreditrichtlinie. Erwägungsgrund (2) Richtlinie über die Rechte der Verbraucher.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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und Widerrufsrechte von im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen – zuordnet.154 Daraus lässt sich folgern, dass die ZDRL, ihrer Harmonisierungsklausel nach zu urteilen, eine wesentlich weitergehende Harmonisierung intendiert als die den neuen Ansatz der gezielten Vollharmonisierung verfolgenden Richtlinien. Will man nun den Harmonisierungsgrad und die Harmonisierungstiefe der ZDRL bestimmen, ist es erforderlich, weitere Kriterien heranzuziehen. 3. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich macht keine Aussage über den Harmonisierungsgrad, sondern bestimmt lediglich die Reichweite der Harmonisierung, sprich die Harmonisierungstiefe. Allerdings definiert er dadurch die den Mitgliedstaaten verbleibenden Spielräume, da außerhalb des Anwendungsbereichs aufgrund des Prinzips der beschränkten Einzelermächtigung und des Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 EUV) die Mitgliedstaaten zuständig sind.155 Fallen nur eine geringe Anzahl von Verträgen in den Anwendungsbereich, ist die Wirkung der Vollharmonisierung sehr beschränkt,156 denn die Mitgliedstaaten können theoretisch für verwandte Verträge völlig andere Regelungen einführen. Eine vollharmonisierende Wirkung auf einen abgeschlossenen Rechtsbereich ist dann nicht möglich, wenn die Richtlinie nur einen kleinen Ausschnitt dieses Bereiches regelt. Folglich kann der Aussage zugestimmt werden, dass eine vollharmonisierende Richtlinie weniger harmonisierende Wirkung aufweisen kann als eine solche, die dem Mindestharmonisierungsansatz folgt und einen breiteren Anwendungsbereich hat.157 Eine weitergehende harmonisierende Wirkung löst die Vollharmonisierung im Vergleich zur Mindestharmonisierung erst dann aus, wenn sie denselben Anwendungsbereich betrifft und innerhalb dieses Anwendungsbereichs auch dieselben Rechtsfragen regelt (Regelungsbereich158).159 Die bewusste Verkleinerung des Anwendungsbereichs auf bestimmte, besonders binnenmarktrelevante Bereiche wird von dem Ansatz der gezielten Vollharmonisierung befürwortet, der jedoch einer Systembildung entgegensteht.
154
Erwägungsgrund (5) Richtlinie über die Rechte der Verbraucher. Riehm, in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2009, 159, 181; Gsell/Schellhase, JZ 2009, 20, 22. 156 Cherednychenko, in: Grundmann/Atamer (Hrsg.), Financial Services, Financial Crisis and General European Contract Law, 221, 226. 157 Cherednychenko, in: Grundmann/Atamer (Hrsg.), Financial Services, Financial Crisis and General European Contract Law, 221, 226. 158 Begrifflichkeiten des Anwendungs- und Regelungsbereichs nach Schaub, in: Karakostas/Riesenhuber (Hrsg.), Methoden- und Verfassungsfragen der Europäischen Rechtsangleichung, 2011, 81, 86. 159 Gsell/Schellhase, JZ 2009, 20, 26. 155
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
Erforderlich ist zunächst eine Abgrenzung zwischen Anwendungs- und Regelungsbereich160, um die Gestaltungsspielräume der Mitgliedstaaten genau zu definieren. Fällt eine Materie nämlich nicht in den Anwendungsbereich, bleibt die Gesetzgebungskompetenz bei den Mitgliedstaaten. Fällt sie jedoch nicht in den Regelungsbereich, ist sie immer noch Teil des Anwendungsbereichs und kann sowohl bei der Mindest- als auch bei der Vollharmonisierung nur im Rahmen der Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten abweichend geregelt werden. Demzufolge bindet die Rechtsprechung des EuGH die mitgliedstaatlichen Gerichte nicht, wenn es um richterliche Erweiterungen des Anwendungsbereichs geht,161 während die Bestimmung der Abweichungsmöglichkeiten im Regelungsbereich von dessen Entscheidung abhängt. Der Anwendungsbereich betrifft das Ob einer Regelung, wohingegen der Regelungsbereich bestimmt, inwieweit die Rechtsfrage erfasst wird.162 Die Abgrenzung ist jedoch nicht immer einfach. Teilweise wird hierfür auf die Unterscheidung von Tatbestands- und Rechtsfolgen abgestellt.163 Die Zuordnung eines Normmerkmals entweder zur Tatbestands- oder zur Rechtsfolgenseite ist jedoch oft nicht eindeutig,164 so dass eine solche Abgrenzung nicht überzeugt. Der Anwendungsbereich lässt sich definieren als die Menge aller Sachverhalte, für welche die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie eine Rechtsfolge vorsehen müssen.165 Er wird auch als sachlich harmonisierter Bereich beschrieben.166 Die vom Anwendungsbereich erfassten Fälle können aber – allein schon aufgrund der Zuständigkeitskompetenz der EU – nicht in jeglicher Hinsicht durch die Richtlinie geregelt werden, sondern bedürfen einer weiteren Eingrenzung durch den Regelungsbereich. Dieser bestimmt die konkret 160
Lediglich andere Begrifflichkeiten verwenden: Gsell/Schellhase, JZ 2009, 20, 26 (Gegenstandsbereich – Regelungsinhalt/Regelungsintensität); Riehm, JZ 2006, 1035, 1037; Riehm, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 83, 86 ff. (Anwendungsbereich – Regelungsinhalt); Riehm/Schreindorfer, GPR 2008, 244, 245 f. (Anwendungsbereich – Regelungsdichte); Wendehorst, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa?, 153, 162 f. (sachlich harmonisierter Bereich – inhaltlich harmonisierter Bereich). 161 Riehm, JZ 2006, 1035, 1042; die Konkretisierungskompetenz des Anwendungsbereichs als zentrales Element einer vollharmonisierenden Richtlinie dagegen liegt ebenfalls beim EuGH, Schaub, in: Karakostas/Riesenhuber (Hrsg.), Methoden- und Verfassungsfragen der Europäischen Rechtsangleichung, 2011, 81, 90. 162 Schaub, in: Karakostas/Riesenhuber (Hrsg.), Methoden- und Verfassungsfragen der Europäischen Rechtsangleichung, 81, 86. 163 Brandner, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, 2003, 13. 164 Es ist z. B. nicht eindeutig, ob die Verlängerung der Widerrufsfrist eine Modifikation der Rechtsfolgen eines Verbrauchervertrags darstellt oder ob sie die Tatbestandvoraussetzungen für den Widerruf verändert, so mit weiteren Beispielen, Riehm, JZ 2006, 1035, 1038. 165 Riehm, JZ 2006, 1035, 1038; ähnliche Definition Wendehorst, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbrauchervertragsrechts, 153, 162: Menge derjenigen tatsächlichen Konstellationen, die von mindestens einer einzigen positiven oder negativen Regelungsaussage der Richtlinie erfasst werden. 166 Wendehorst, in: Jud/Wendehorst, Neuordnung des Verbrauchervertragsrechts, 153, 162.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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geregelten Rechtsfragen167 und entscheidet damit letztendlich über die Zuweisung der Regelungskompetenz an die EU oder die Mitgliedstaaten. Der sachliche und räumliche Anwendungsbereich der ZDRL ist zunächst in Art. 2 ZDRL positiv geregelt. Die erfassten Zahlungsdienste sind in Art. 4 Nr. 3 ZDRL i.V.m. dem Anhang der ZDRL aufgelistet, wobei es sich um die in der Praxis bedeutenden Zahlungsdienste168 der Bareinzahlungen und -abhebungen, Lastschriften, Überweisungen, EC- und Kreditkartenzahlungen handelt. Ferner sind der Finanztransfer sowie Zahlungsvorgänge, in denen der Betreiber eines Telekommunikations- oder It-Systems oder -Netzes als zwischengeschaltete Stelle zuständig ist, geregelt. Dabei gibt es keine betragsmäßige Einschränkung, wie noch in der Überweisungsrichtlinie.169 Die Zahlungsdienste müssen innerhalb der Europäischen Union geleistet sein, so dass sowohl der grenzüberschreitende als auch der innerstaatliche Zahlungsverkehr vom räumlichen Anwendungsbereich erfasst ist. Der persönliche Anwendungsbereich bezieht sich auf Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer. Art. 2 Abs. 1 S. 2 ZDRL nimmt eine Teilfreistellung für Zahlungsdienste, bei denen einer der beteiligten Zahlungsdienstleister nicht in der Europäischen Union ansässig ist, vor. Für diese Sachverhalte gelten Titel III und IV, die Informationspflichten und Regelungen über Rechte und Pflichten der am Zahlungsvorgang Beteiligten, nicht.170 Eine Teilfreistellung ist eine Ausnahme vom Anwendungsbereich, im Gegensatz zu einem Teilausschluss, der nur gewisse inhaltliche Bestimmungen für nicht anwendbar erklärt.171 Für die Mitgliedstaaten bedeutet dies, dass sie bei einer Teilfreistellung bezüglich der Regelung der Sachverhalte frei sind, während sie bei einem Teilausschluss an die Nichtanwendung der Regelungen gebunden sind.172 In Art. 2 Abs. 1 S. 2 ZDRL werden nicht nur einzelne Rechtsfolgen, sondern das gesamte materielle Zahlungsdiensterecht für nicht anwendbar erklärt, so dass man nicht nur von einem Teilausschluss, sondern einer Teilfreistellung sprechen muss. Dies folgt auch daraus, dass die Teilfreistellung unter dem Titel Anwendungsbereich geregelt ist.
167 Wendehorst, in: Jud/Wendehorst, Neuordnung des Verbrauchervertragsrechts, 153, 163: Menge aller Rechtsfragen, die von einer Richtlinie geregelt werden. 168 Omlor, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 675c bis 676c BGB Rn. 12; Franck/Massari, WM 2009, 1117, 1118 sprechen von den effizientesten Zahlungsformen. 169 Der Anwendungsbereich war auf höchstens 50 000 ECU beschränkt, Art. 1 Überweisungsrichtlinie. 170 Mit Ausnahme von Art. 73 ZDRL (Wertstellungsdatum und Verfügbarkeit von Geldbeträgen). 171 Wendehorst, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa?, 153, 164. 172 Wendehorst, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa?, 153, 164.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
Zudem gilt für die Anwendung der Titel III und IV, dass der Zahlungsdienst in Euro oder in der Währung eines Mitgliedstaats außerhalb der Eurozone erbracht wird, so dass Zahlungsdienste in anderen Währungen ebenfalls freigestellt sind (Art. 2 Abs. 2 ZDRL). Demnach liegt es im Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten, diese Fälle entweder demselben Regelungsregime zu unterstellen oder sie abweichend zu regeln.173 Außerdem steht es nach Art. 2 Abs. 3 ZDRL im Ermessen der Mitgliedstaaten, die Vorschriften auf bestimmte gemeinnützige Zahlungsinstitute anzuwenden. Eine negative Regelung des Anwendungsbereichs findet sich in Art. 3 ZDRL. Er nimmt die Geschäfte, bei denen der Zahlungsdienst nur eine Nebentätigkeit darstellt, explizit vom Anwendungsbereich aus.174 Ausgeklammert sind des Weiteren insbesondere Bargeldgeschäfte, Schecks und Wechsel in Papierform.175 Grund dafür dürfte die weitgehend erreichte Vereinheitlichung der Bargeldgeschäfte durch die Währungseinheit176 sowie die abnehmende Bedeutung des Scheckverkehrs177 und die aufgrund der schnelleren Ausführung gezielte Förderung des beleglosen Zahlungsverkehrs sein. Jedoch soll sich nach dem 19. Erwägungsgrund der ZDRL die gute Praxis im Scheckverkehr an der Richtlinie orientieren. Damit dürfen die Mitgliedstaaten die ZDRL auch auf andere Zahlungsinstrumente anwenden.178 Es steht ihnen aber frei, abweichende Regelungen zu erlassen oder beizubehalten. Abgesehen von dem der gesamten Richtlinie vorangestellten Anwendungsbereich definiert die Richtlinie für einzelne Titel und Kapitel den Anwendungsbereich gesondert (Art. 30, 35, 40, 51, 68 ZDRL)179. Dabei bestimmen die den Titeln III und IV vorangestellten Vorschriften Art. 30 und Art. 51 ZDRL, welche Vorschriften jeweils für Verbraucher und Unternehmer zwingend sind und geben den Mitgliedstaaten die Option, Kleinstunternehmen dem Verbraucher gleichzustellen. Dies macht deutlich, dass sowohl B2C- als auch B2B173
Zur Diskussion der Umsetzungsarbeitsgruppe PSD, die den Mitgliedstaaten eine überschießende Umsetzung auf one leg transactions empfehlen wollte: Wandhöfer, EU Payments Integration, 2010, 124 f., dieser Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten besteht nicht mehr nach der ZDRL-2, die in Art. 2 Abs. 1 eine Ausweitung der Anwendung der Transparenzund Informationspflichten auf one leg transactions in Bezug auf die Bestandteile der Zahlungsvorgänge, die in der EU getätigt werden, vornimmt; diese Ausweitung des Anwendungsbereichs erfolgt ebenso für Zahlungen in Nicht-EU-Währungen (Art. 2 Abs. 2 ZDRL-2Vorschlag). 174 Erwägungsgrund (6) ZDRL; Omlor, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 675c – 676c BGB Rn. 15. 175 Art. 3 a), g) ZDRL. 176 Erwägungsgrund (19) ZDRL. 177 Nobbe, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 60 Rn. 9, 26 f. 178 Die Beschränkung des Anwendungsbereichs kann auch dazu führen, dass das Regelungskonzept nicht auf andere Bereiche angewendet werden darf, Riehm, JZ 2006, 1035, 1040. 179 Art. 35 und 40 ZDRL grenzen lediglich die Einzelzahlungen von Gegenständen der Rahmenverträge ab.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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Geschäfte von der Richtlinie erfasst sind. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs im oben definierten Sinne wird hierdurch jedoch nicht vorgenommen. Grundsätzlich finden die Vorschriften Anwendung auf Verbraucher, Kleinstunternehmen und Unternehmen. Lediglich die Möglichkeit, bestimmte Vorschriften vertraglich abzubedingen, kann in den Mitgliedstaaten für Kleinstunternehmen variieren. Art. 30 Abs. 3 und Art. 51 Abs. 4 ZDRL nehmen trotz ihres Titels Anwendungsbereich auch nicht Verbraucherkreditverträge generell aus. Dies kommt bereits dadurch zum Ausdruck, dass sie jeweils in Satz 2 nur auf die Anwendung weiterer Vorschriften im nichtharmonisierten Bereich abstellen. Vorrang für Verbraucherkreditverträge hat jedoch die Verbraucherkreditrichtlinie (Art. 30 Abs. 3 S. 1, Art. 51 Abs. 4 S. 1 ZDRL).180 Eine gesonderte Bestimmung des Anwendungsbereichs für die Ausführungsfrist und das Wertstellungsdatum scheint Art. 68 ZDRL zu statuieren. Diese Vorschrift ändert jedoch nichts an der generellen Erfassung der durch sie scheinbar ausgeschlossenen Zahlungsdienste. Denn Abs. 2 stellt sogleich die Anwendung des Abschnitts in diesen Fällen in das Ermessen der Vertragsparteien. Das bedeutet, dass die Vorschriften zur Ausführungsfrist und zum Wertstellungsdatum auf die durch Abs. 1 ausgeschlossenen Zahlungsdienste grundsätzlich Anwendung finden und nur bei Abbedingung durch die Vertragsparteien ausgeschlossen sind. Hieraus folgt eine Einbeziehung in den generellen Anwendungsbereich der ZDRL, da die Anwendung nicht in das Ermessen der Mitgliedstaaten sondern der Parteien, gestellt wird. Die Vorschrift zum Wertstellungsdatum ist für von Art. 68 Abs. 1 ZDRL ausgenommene Zahlungsvorgänge unabdingbar (Art. 68 Abs. 2 S. 1 2. HS ZDRL).181 Im Ergebnis handelt es sich um einen weiten, sich auf die wichtigsten Zahlungsdienste innerhalb der europäischen Union erstreckenden und einheitlichen, grundsätzlich nicht auf bestimmte Kapitel beschränkten, klar definierten182 Anwendungsbereich, der den Mitgliedstaaten wenig Spielraum für die Einführung eines anderen rechtlichen Rahmens erlaubt. Die Begrenzung des Anwendungsbereichs dient dem Ziel der Richtlinie: Er bezieht sich insofern auf den europäischen Binnenmarkt, als beide Zahlungsdienstleister bzw. bei Beteiligung nur eines Zahlungsdienstleisters, dieser eine in der Europäischen Union ansässig sein müssen und es sich lediglich um Eurozahlungen und Währungen der Mitgliedstaaten handeln darf. Ferner werden zur Beschleunigung des Zahlungsverkehrs die zügigeren beleglosen Zahlungsinstrumente erfasst. Reine Nebentätigkeiten im Zahlungsverkehr 180 Daran ändert die Ersetzung der mindestharmonisierenden Verbraucherkreditrichtlinie durch die vollharmonisierende Verbraucherkreditrichtlinie nichts; diese könnte höchstens bei einer nationalen gemeinsamen Umsetzung zu Schwierigkeiten führen, da die Abweichungen im Rahmen der Mindestharmonisierung nicht mehr als Umsetzungsspielraum zur Verfügung stehen. 181 Das Wertstellungsdatum gilt auch unabhängig vom Sitz des Zahlungsdienstleisters, Art. 2 Abs. 1 S. 2 ZDRL. 182 A.A. Geva, Yearbook of European Law 2009, 177, 182, spricht von zu vielen Details, man sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
sind nicht einbezogen, da sie nicht zur Förderung des allgemeinen Zahlungsverkehrsmarktes gehören. Eine Unterscheidung nach Überweisungs- und Einzugsverfahren (credit and debit transfer) ist zur Verständlichkeit und Klarheit des Anwendungsbereiches nicht erforderlich.183 Somit eröffnet der Anwendungsbereich den Weg für eine umfassende vollharmonisierende Wirkung.
B. Regelungstechniken des EU-Richtlinien-Gesetzgebers zur Schaffung von Abweichungsmöglichkeiten Die Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten und Parteien geben Aufschluss über den Regelungsbereich der Richtlinie und damit über ihr Harmonisierungspotential. Sind sie so zahlreich und umfassend, dass lediglich punktuelle Regelungen der Richtlinie übrig bleiben, ist das Harmonisierungspotential eher gering. Zur Schaffung solcher Abweichungsmöglichkeiten greift der europäische Gesetzgeber auf bestimmte Regelungstechniken zurück, die im Folgenden zunächst abstrakt bestimmt werden sollen. Für die Vollharmonisierung ist vorher zu untersuchen, ob eine Vermutung aufgestellt werden kann, dass aufgrund der Intention des Gesetzgebers zur Vollharmonisierung grundsätzlich der gesamte Regelungsbereich der Richtlinie erfasst ist. Dafür spricht der Grundsatz des effet utile, der die Wirksamkeit des europäischen Rechts betont. Denn durch eine solche Vermutung kann erreicht werden, dass ein von der Richtlinie geregelter Bereich auch abschließend erfasst ist.184 Die Vermutung wäre für die Systembildung im europäischen Privatrecht besonders hilfreich. Fraglich ist nur, ob das EU-Primärrecht, die gängige Harmonisierungspraxis und die europäische Rechtsprechung eine solche Vermutung tragen. Primärrechtlich widerspricht eine solche Vermutung dem Subsidiaritätsgrundsatz aus Art. 5 Abs. 3 EUV, der zunächst von einer Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ausgeht. Die Vermutung, es fielen alle Regelungsbereiche ohne weitere Prüfung in die Zuständigkeit der EU, würde diesen primärrechtlichen Grundsatz durchbrechen. Dagegen spricht auch der neue Harmonisierungsansatz der gezielten Vollharmonisierung. Dieser bezieht sich nämlich explizit nur auf die geregelten Bereiche und zeigt damit, dass die EU sich für die übrigen Rechtsfragen nicht als zuständig sieht. In Betracht kommt aber auch, in ihm lediglich eine explizite Widerlegung der grundsätzlich bestehenden Vermutung zu sehen.185 183 Die im Vergleich zum Art. 4 A Uniform Commercial Code fehlende Unterscheidung nach credit und debit transfer bemängelt Geva, Yearbook of European Law 2009, 177, 182. 184 Riehm, JZ 2006, 1035, 1040. 185 Riehm, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 83, 97, der von einer solchen Vermutung ausgeht; gegen eine solche Vermutung: Gsell/Schellhase, JZ 2009, 20, 23.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
53
Betrachtet man die Rechtsprechung des EuGH zur Produkthaftungsrichtlinie, ist zunächst für eine Vermutung anzuführen, dass die Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten nur die abschließend in den Richtlinien aufgezählten Punkte betreffen sollen.186 Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass die sonstigen nicht geregelten Rechtsfolgen nicht in die Regelungszuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen und somit dem europäischen Gesetzgeber zuzuordnen sind. Denn der EuGH spricht nur von Abweichungen von Regelungen der Richtlinie, nicht aber von den Bereichen, die auf den ersten Blick gar keine Regelung durch die Richtlinie erfahren. Entgegen einer solchen Vermutung stellt der EuGH außerdem fest, dass die Bestimmung des mitgliedstaatlichen Gestaltungsspielraums der Auslegung der Richtlinie bedarf.187 Eine solche nimmt der EuGH danach auch stets vor. Von einer Vermutung, die Regelungsmaterie falle zunächst in den Zuständigkeitsbereich der EU, so dass die Richtlinie auf eine Widerlegung untersucht werden müsse, ist nicht die Rede. Hier verfängt auch nicht die Argumentation, der EuGH188 begründe die Wirksamkeit strengerer nationaler Vorschriften, wie beispielsweise eines ausdrücklichen Verbots bestimmter Haustürgeschäfte,189 bei mindestharmonisierenden Richtlinien mit der Erlaubnis durch die Mindestharmonisierungsklausel anstatt des Ausschlusses aus dem Regelungsbereich, so dass von einer Erfassung durch den Regelungsbereich auszugehen sei.190 Die Mindestharmonisierungsklausel ist ein typisches gesetzgeberisches Instrument, um den Regelungsbereich einer mindestharmonisierenden Richtlinie einzuschränken, so dass sie nicht für eine generelle Vermutung der Einbeziehung sämtlicher Rechtsaspekte in den Regelungsbereich einer Richtlinie und insbesondere nicht in denjenigen einer vollharmonisierenden Richtlinie sprechen kann. Schließt man folglich eine Vermutung der Erfassung sämtlicher Rechtsfragen aus, heißt dies aber noch nicht, dass eine entgegengesetzte Vermutung, sprich eine Vermutung für die Kompetenz der Mitgliedstaaten, einschlägig ist. Im Gegenteil, hierfür gibt es aufgrund der Einbeziehung der Rechtsfragen in den Anwendungsbereich keinen Anlass. Vielmehr sind die Abweichungsspielräume der Mitglied186 EuGH, Urteil vom 25. 4. 2002 – Rs. 154/00, Kommission/Hellenische Republik – Slg. 2002, I-3887 Rn. 16; EuGH, Urteil vom 25. 4. 2002 – Rs. C-52/00, Kommission/Französische Republik, Slg. 2002, I-3856 Rn. 20. 187 EuGH, Urteil vom 25. 4. 2002 – Rs. C-154/00, Kommission/Hellenische Republik – Slg. 2002, I-3887 Rn. 12; EuGH, Urteil vom 25. 4. 2002 – Rs. C-52/00, Kommission/Französische Republik, Slg. 2002, I-3856 Rn. 16. 188 EuGH, Urteil vom 16. 5. 1989 – Rs. C-382/87, Buet/EBS, Slg. 1989, 1248, Rn. 16; EuGH, Urteil vom 23. 2. 2006 – Rs. C-441/04, A-Punkt Schmuckhandel GmbH/Claudia Schmidt, Slg. 2006, 2093 Rn. 10 – 12; EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – Rs. C-205/07, Lodewijk Gysbrechts und Santurel Inter BVBA, EuZW 2009, 115 Rn. 34. 189 EuGH, Urteil vom 16. 5. 1989 – Rs. C-382/87, Buet/EBS, Slg. 1989, 1248, Rn. 16. 190 So Riehm, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 83, 95 f., der vom Anwendungsbereich spricht, aber wohl den inhaltlichen Anwendungsbereich, sprich den oben beschriebenen Regelungsbereich, meint.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
staaten durch Auslegung der Richtlinie zu bestimmen.191 Diese Auslegung kann anhand der expliziten und impliziten Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten erfolgen. Die Herausarbeitung der Bereiche, in denen die Parteien die Möglichkeit der abweichenden Vereinbarung haben, zeigt zusätzlich das Harmonisierungspotential in der Praxis. Zudem gibt sie Aufschluss darüber, welche Stellung die Privatautonomie in dem Regelwerk einnimmt und welche Bereiche als so bedeutend angesehen wurden, dass eine zwingende Regelung für erforderlich gehalten wurde. I. Explizite Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten Als Einschränkungen des Regelungsbereichs sind zunächst explizite Umsetzungsspielräume zu untersuchen. Diese stehen einem Vollharmonisierungsansatz nicht völlig entgegen, solange sie nur abschließend aufgezählte Punkte betreffen.192 Untersucht werden soll unter anderem, ob die These zutrifft, dass es sich in den Bereichen der expliziten Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten um eine gezielte Mindestharmonisierung im Rahmen einer Vollharmonisierung handelt.193 Dies bedeutet, dass die expliziten Abweichungsmöglichkeiten gezielt, das heißt auf bestimmte Rechtsfragen beschränkt, Mindeststandards setzen, von denen die Mitgliedstaaten nur nach oben abweichen dürfen. Die Untersuchung der gesetzgeberischen Instrumente zur expliziten Übertragung von Gestaltungsspielräumen an die Mitgliedstaaten gliedert sich nach der jeweiligen Beeinträchtigung des Vollharmonisierungserfolges, beginnend bei der stärksten Beeinträchtigung. Es ist erforderlich zunächst die Begrifflichkeiten der Abweichungsmöglichkeiten zu bestimmen, da diese in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich verwendet werden. 1. Verweise auf nationales Recht Einschränkungen erfährt der Regelungsbereich durch Verweise in das mitgliedstaatliche Recht. Sie finden sich zum Teil im Wortlaut der Richtlinie und zum Teil in 191 Im Rahmen der Auslegung kann man die Argumentation anwenden, die Richtlinie strebe grundsätzlich eine umfassende Regelung an, so dass für die Nichterfassung vom Regelungsbereich besonders gewichtige Gründe sprechen müssen sowie umgekehrt bei einer nur punktuell regelnden Richtlinie besonders gewichtige Gründe für eine Einbeziehung sprechen müssen, so Gsell/Schellhase, JZ 2009, 20, 26; zu den Auslegungsmethoden, bei einer Auslegung mit dem Ziel, die Konkretisierungskompetenz der EU oder der Mitgliedstaaten festzustellen: Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 2009, 62 ff. 192 EuGH, Urteil vom 22. 4. 2002 – Rs. C-52/00, Kommission/Frankreich, Slg. 2002, I-3827 Rn. 19. 193 These von Cherednychenko, in: Grundmann/Atamer (Hrsg.), Financial Services, Financial Crisis and General European Contract Law, 221, 235.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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den Erwägungsgründen.194 Verweise nehmen einen bestimmten Regelungsbereich komplett aus der Richtlinie heraus. Sie sind also Ausnahmen vom Regelungsbereich.195 Besonders deutlich macht dies das von Schaub kreierte Bild. Sie spricht davon, dass etwas über den Zaun, der den durch die Richtlinie harmonisierten Bereich absteckt, wieder nach draußen gereicht wird.196 Die Mitgliedstaaten sind bei der Regelung des an sie verwiesenen Bereichs nicht an die Zielsetzung der Richtlinie gebunden,197 was eine Rechtszersplitterung fördert198 und damit das Harmonisierungspotential stark beeinträchtigen kann. Des Weiteren existieren Verweise, die sich auf das auf den Vertrag anwendbare Recht beziehen. Sie betonen zunächst die Privatautonomie. Im Endeffekt erlauben sie aber den Mitgliedstaaten andere Regelungen vorzusehen. Letztere kommen allerdings erst zur Anwendung, wenn die Parteien dies vereinbart haben oder das Recht nach internationalem Privatrecht auf den Vertrag anwendbar ist. Die Voraussetzung des anwendbaren Rechts ist aber jeder Anwendung einer auf Grundlage eines Verweises geschaffenen Regelung immanent. Somit besteht abgesehen von der Formulierung kein Unterscheid zu einem direkten Verweis ins mitgliedstaatliche Recht. 2. Explizite Übertragung der Regelungskompetenzen Dagegen sind die Mitgliedstaaten bei expliziten Übertragungen von Regelungskompetenzen an das Effektivitätsprinzip gebunden. Ihnen wird lediglich ein größerer Freiraum bezüglich der Mittel, mit denen sie das ihnen aufgegebene Ziel erreichen können, zugestanden. Dabei ist die Erreichung des Ziels verpflichtend und liegt nicht so wie bei den Verweisen im Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut. Als Beispiel für die explizite Übertragung von Regelungskompetenzen kann zunächst Art. 81 ZDRL angeführt werden, welcher bestimmt: Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen für Verstöße gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften fest und treffen alle zu ihrer Anwendung notwendigen Maßnahmen. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. 194
Wendehorst, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa?, 153, 173, sieht Verweisungen allerdings auch in den näher präzisierten Regelungsaufträgen, die hier als explizite Übertragungen von Regelungskompetenzen definiert werden; zum Beispiel Art. 13 Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, ABl. L 210 vom 7. 8. 1985, 29. 195 Riehm, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 83, 102. 196 Schaub, ZEuP 2011, 41, 45. 197 So auch Riehm, in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2009, 159, 188. 198 Riehm, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 83, 102.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
Außerdem regelt Art. 82 Abs. 1 ZDRL: Die Mitgliedstaaten treffen alle notwendigen Vorkehrungen, um sicherzustellen, dass […].
Dagegen formuliert Erwägungsgrund (33) ZDRL einen Verweis: […] Ob und in welchem Maße fahrlässig gehandelt wurde, sollte nach einzelstaatlichem Recht beurteilt werden. […]
Art. 60 Abs. 2 ZDRL normiert ebenfalls als Verweis: Eine darüber hinausgehende finanzielle Entschädigung kann nach dem auf den Vertrag zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister anwendbaren Recht festgelegt werden.199
Es handelt sich nicht um Ausnahmen vom Regelungsbereich.200 Wenn diese Regelungskompetenzen im Zusammenspiel mit dem Effektivitätsprinzip auch genauere Vorgaben als die Verweise enthalten, führen sie dennoch zu einem erheblichen Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten, der dem Ziel einer Vollharmonisierung nicht gerecht wird. 3. Optionen Unter Optionen sind die bei der Mindestharmonisierung nach oben bestehenden Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten zu verstehen.201 Solche existieren jedoch im Rahmen des Vollharmonisierungsansatzes überhaupt nicht. Hier kommen Optionen nur als Wahlmöglichkeit zwischen der Umsetzung oder Nichtumsetzung einer von der Richtlinie vorgegebenen Regelung in Betracht.202 Bildlich gesprochen sind dies Tore in dem [von der Richtlinie gesteckten] Zaun.203 Im Vergleich zu Verweisen haben Optionen eine höhere Harmonisierungswirkung. Denn die Mitgliedstaaten dürfen kein Kompromissmodell bilden, so dass die Teilnehmer des Rechtsverkehrs davon ausgehen können, dass eines der zugelassen Systeme anwendbar ist.204 Die Harmonisierungswirkung wird auch nicht dadurch weiter beeinträchtigt, dass die zwischen den beiden Regelungsmöglichkeiten liegenden Gestaltungsspielräume nicht ausgeschöpft werden können.205 Ein solcher Ermessenspielraum der Mitgliedstaaten würde nur zu weiterer Rechtszersplitterung führen. Der beabsichtigte Vorteil für den Binnenmarkt liegt darin, dass sich die Unternehmer 199
Hervorhebungen durch die Verfasserin. Riehm, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 83, 104. 201 Wendehorst, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa?, 153, 168. 202 Riehm, in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2009, 159, 186. 203 Schaub, ZEuP 2011, 41, 45. 204 EuGH, Urteil vom 25. 4. 2002 – Rs. C-52/00, Kommission/Frankreich, Slg. 2002, I-3856 Rn. 42 ff.; Riehm, in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2009, 159, 186. 205 So aber Schaub, ZEuP 2011, 41, 49. 200
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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nicht auf zahlreiche Regelungsnuancen einstellen müssen.206 Der insofern eingeschränkte Wettbewerb der Rechtsordnungen ist als Nachteil der Vollharmonisierung hinzunehmen. Es kann aber auch vorkommen, dass eine Option nicht nur die Wahl zwischen zwei Alternativlösungen lässt, sondern die Entscheidungsspielräume der Mitgliedstaaten weiter steckt. Dann sind diese nur an die allgemeinen Vorgaben der Richtlinie und deren effektive Umsetzung (effet utile) gebunden.207 Der hier erläuterte Begriff der Optionen deckt sich mit demjenigen des Art. 86 Abs. 1 ZDRL. Auffällig ist allerdings, dass Art. 86 Abs. 1 ZDRL nicht alle in der ZDRL enthaltenen Optionen nennt. Ein Grund dafür ist nur schwer ersichtlich. Die lückenhafte Aufzählung widerspricht dem Ziel und der Definition des Vollharmonisierungsansatzes,208 welcher nur begrenzte Abweichungsmöglichkeiten zulässt. So wird Art. 30 Abs. 2 ZDRL, der bestimmt, dass die Informationspflichten von den Mitgliedstaaten in gleicherweise auf Kleinstunternehmen wie auf Verbraucher angewandt werden können, in Art. 86 Abs. 1 ZDRL aufgeführt, während Art. 51 Abs. 3 ZDRL der wortlautidentisch das Gleiche für Titel IV bestimmt, nicht genannt wird. Auch Art. 53 Abs. 3 ZDRL, der genauso wie der aufgeführte Art. 53 Abs. 2 ZDRL die Festsetzung von Beträgen für Ausnahmen von Kleinbetragszahlungsinstrumenten und elektronischem Geld zum Inhalt hat, wird nicht in Art. 86 Abs. 1 ZDRL erwähnt. Dies ist nur durch ein Redaktionsversehen zu erklären. Des Weiteren werden Art. 45 Abs. 6, Art. 61 Abs. 1, Art. 63 Abs. 1, Art. 72 und Art. 77 ZDRL, die alle die Bestimmung eines Höchst-/Mindestmaßes enthalten, nicht genannt. Mit Ausnahme von Art. 61 Abs. 1 ZDRL, dessen Option durch den aufgeführten Art. 61 Abs. 3 ZDRL deutlich wird, kann man sich hier fragen, ob der europäische Gesetzgeber überhaupt die Setzung eines Mindest-/Höchststandards bezweckte. Es kommt in Betracht, dass er die sich aus dem Wortlaut ergebenden Abweichungsmöglichkeiten übersehen hat. Dies soll im Folgenden untersucht werden. II. Implizite Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten Da das Harmonisierungspotential durch Auslegung der Richtlinie bestimmt wird, sind auch implizite Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Zum einen sind dies Regelungslücken, die anhand der Richtlinienauslegung zu bestimmen sind und sodann in die Regelungskompetenz des nationalen Gesetzgebers fallen. Zum anderen finden sich implizite Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten in den unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln, die still-
206 Wendehorst, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa?, 153, 167. 207 Riehm/Schreindorfer, GPR 2008, 244, 247. 208 Wandhöfer, EU Payments Integration, 119.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
schweigende Verweisungen ins nationale Recht bedeuten können209. Sie haben bereits aufgrund ihrer Auslegungsbedürftigkeit ein geringeres Harmonisierungspotential. Hinzu kommt jedoch, dass ihnen häufig nicht explizit eine Konkretisierungskompetenz zugeordnet ist. Dadurch tragen sie zur Rechtsunsicherheit bei und führen zu Harmonisierungseinbußen.210 Kann die Konkretisierungskompetenz jedoch eindeutig bestimmt werden, ist die Einbuße geringer und Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe können ihre Funktion voll ausfüllen. 1. Regelungslücken Von vornherein von einer Harmonisierungswirkung ausgenommen sind die Rechtsfolgen, für die die EU gar keine Rechtsetzungskompetenz hat.211 Diese fallen jedoch bereits nicht in den Anwendungsbereich. Dagegen betreffen Regelungslücken solche Rechtsfragen, die vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst, dann aber nicht durch die Richtlinie geregelt sind, so dass es bei der Umsetzung in nationales Recht des Rückgriffs auf Rechtsinstitute des nationalen Rechts bedarf. Diese nationalen Regelungen dürfen zwar das Richtlinienziel nicht unterlaufen, sind jedoch mangels Regelung des EU-Gesetzgebers nicht einem bestimmten Zweck zugeordnet. Demzufolge ist die Beeinträchtigung des Harmonisierungspotentials aufgrund von Auslegungsdivergenzen stärker als im Fall einer expliziten Übertragung der Regelungskompetenzen an die Mitgliedstaaten. 2. Unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln Auch die europäische Rechtsetzung bedient sich der Gesetzgebungstechnik der unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln. Dabei ist die Abgrenzung der beiden Begriffe schon in der deutschen Methodenlehre nicht einfach und der Übergang zwischen den Begriffen ist fließend,212 so dass man auch von der Generalklausel als besonders weitem unbestimmten Rechtsbegriff sprechen kann.213 Nach dem Modell von Heck haben unbestimmte Rechtsbegriffe einen Begriffskern innerhalb des konkretisierungsbedürftigen Begriffshofs.214 Dagegen fehlt General209
Gsell/Schellhase, JZ 2009, 20, 24. Gsell/Schellhase, JZ 2009, 20, 24. 211 Riehm, in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2009, 159, 183; ebenso Gsell/ Schellhase, JZ 2009, 20, 23. 212 Wolff, Die Verteilung der Konkretisierungskompetenz für Generalklauseln in privatrechtsgestaltenden Richtlinien, 2002, 55 Fn. 224; Zech, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2009, 273, 275. 213 Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, 2004, 33. 214 Heck, Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz, 1914, 173; ähnlich Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, 1999, 536 f. 210
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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klauseln bereits die exakte Bestimmtheit des Begriffskerns.215 Kann aus dem Begriffskern der unbestimmten Rechtsbegriffe auf einen Normzweck als Auslegungshilfe geschlossen werden, ist dies bei Generalklauseln meist nicht möglich.216 Letztere enthalten häufig lediglich einen Verweis auf außergesetzliche Maßstäbe und delegieren die weitere Konkretisierung auf die Judikative. Überträgt man diese Definition auf die entsprechenden Rechtssetzungstechniken im EU-Richtlinienrecht, so lässt sich daraus folgern, dass unbestimmte Rechtsbegriffe ein höheres Harmonisierungspotential als Generalklauseln haben. Sowohl im nationalen und europäischen Recht dienen unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln vorwiegend der Einzelfallregelung, der Flexibilität für die Anpassung an gesellschaftliche Wertvorstellung und der Lückenfüllung durch die Rechtsprechung.217 Im europäischen Privatrecht erfüllen sie zusätzlich die Funktion, den Mitgliedstaaten Handlungsspielräume einzuräumen.218 Damit weisen sie zum Teil dem Rechtsetzer auf zweiter Ebene und nicht dem Gesetzesanwender die Konkretisierungskompetenz zu. Von dieser können die Mitgliedstaaten dann entweder durch eine konkretisierende Umsetzungsregelung oder aber durch eine mitgliedstaatliche Generalklausel mit offenem Verweis auf mitgliedstaatliche außergesetzliche Maßstäbe Gebrauch machen. Ist jedoch unklar, wem die Konkretisierungskompetenz zukommt und enthält die Umsetzungsregelung dieselbe Unbestimmtheit wie die europäische Richtlinie, rückt die Frage nach der Konkretisierungskompetenz weiter auf die Anwendungsebene. Somit ist für die Bestimmung des Harmonisierungspotentials zunächst nach der Konkretisierungskompetenz zu fragen: Liegt sie auf Seiten des EuGH oder der mitgliedstaatlichen Gerichte oder gar der mitgliedstaatlichen Gesetzgebung? Als Zweites können dann aus der Untersuchung der Bestimmtheit des Begriffskerns weitere Schlüsse für die Harmonisierungstiefe der Richtlinie gezogen werden. Kommt die Konkretisierungskompetenz den Mitgliedstaaten zu, betrifft diese zweite Frage die Kompetenzgrenze zwischen EU und Mitgliedstaaten, die durch autonome Auslegung zu bestimmen ist. Ist hingegen der EuGH zur Konkretisierung befugt, ist durch autonome Auslegung der Richtlinienregel die Grenze der richterlichen Rechtsfortbildung festzulegen.
215
Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, 536 f. Wolff, Die Verteilung der Konkretisierungskompetenz für Generalklauseln in privatrechtsgestaltenden Richtlinien, 54. 217 Zu den Funktionen europäischer Generalklauseln: Grundmann, in: Grundmann/Mazeaud (Hrsg.), General Clauses and Standards in European Contract Law, 2006, 141, 151; Zech, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2009, 273, 277. 218 Eine Generalklausel kann nationale legislative Konkretisierungsermächtigung bedeuten, muss es aber nicht, Remien, RabelsZ 66 (2002), 503, 521; Franzen, Privatrechtsangleichung, 542. 216
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
3. Konkretisierungskompetenz Für die Bestimmung der Konkretisierungskompetenz bei unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln kommen verschiedene Kriterien in Betracht. Aufgrund der fließenden Übergänge der beiden Gesetzestechniken sind sie auch im Rahmen der Konkretisierungskompetenz gemeinsam zu betrachten.219 Eine Konkretisierungskompetenz des EuGH und der Mitgliedstaaten kommt im Fall der unbestimmten Rechtsbegriffe sowie im Fall der Generalklauseln gleichermaßen in Betracht.220 Die fehlende Bestimmtheit des Begriffskerns einer Generalklausel rechtfertigt weder eher eine Auslegung durch die Mitgliedstaaten noch durch den EuGH. Eine Unterscheidung aufgrund verschiedener Funktionen ist ebenfalls nicht einleuchtend.221 Stehen zwar hinter einigen unbestimmten Rechtsbegriffen wie dem des Schadens oder des Verschuldens mitgliedstaatlich gesetzlich ausgestaltete Systeme, so bedürfen diese auch im mitgliedstaatlichen Recht noch der weiteren Konkretisierung durch die Judikative. Diese bildet genau wie bei der echten Generalklausel Fallgruppen. Hinzu kommen unbestimmte Rechtsbegriffe, wie beispielsweise die unverzügliche Verfügbarmachung und Wertstellung (Art. 71 ZDRL), die einer Generalklausel aufgrund ihres impliziten Verweises auf außergesetzliche Maßstäbe so ähnlich sind, dass eine Unterscheidung wenig sinnvoll wäre. Vielmehr kommt es auf die Weite der Ausgestaltung des gemeinschaftlichen Privatrechts in dem betroffenen Sektor an, will man eine Konkretisierungskompetenz des EuGH mangels europäischer Maßstäbe zur Bestimmung des Begriffskerns und -hofes einer Generalklausel, aber auch der Konkretisierung des Begriffshofes eines unbestimmten Rechtsbegriffs, verneinen. Im Folgenden ist daher übergreifend nur von Generalklauseln die Rede. Die Konkretisierungskompetenz macht Roth von der Harmonisierungskonzeption des jeweiligen Rechtsakts abhängig.222 Da die Verordnung direkt und einheitlich in allen Mitgliedstaaten gilt, sei auch ihre Auslegung dem EUGH zu überlassen.223 Richtlinien dagegen sind grundsätzlich nicht direkt anwendbares Recht und sind auf Ausfüllung, Konkretisierung und Durchführung224 durch die Mitgliedstaaten ange-
219 Gegen eine Trennung der beiden Begriffe aufgrund bereits nationaler Schwierigkeiten bei der Unterscheidung: Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 19; Remien, RabelsZ 66 (2002), 503, 512; Zweifel an einer Unterscheidung äußert auch Roth, in: FS Drobnig, 1998, 135, 145; für eine Unterscheidung ist Herresthal, in: Gsell/ Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 114, 123. 220 A.A. Roth, in: FS Drobnig, 135; a.A. auch Herresthal, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 113, 140. 221 Herresthal, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 114, 140, der für die Konkretisierungskompetenz des EuGH bei unbestimmten Rechtsbegriffen eine explizite Kennzeichnung fordert. 222 Roth, in: FS Drobnig, 135, 140 ff. 223 Roth, in: FS Drobnig, 135, 140 ff. 224 Roth, in: FS Drobnig, 135, 141.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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wiesen, woraus in Verbindung mit dem Subsidiaritätsprinzip eine Konkretisierungskompetenz der Mitgliedstaaten folge.225 Jedoch kann auch auf europäischer Ebene das Bedürfnis nach Einzelfallgerechtigkeit, flexibler Rechtsanpassung und richterlicher Rechtsfortbildung anhand von europäischen außergesetzlichen Maßstäben bestehen,226 so dass eine Generalklausel gerade auch in Hinblick auf die Zielsetzung einer Richtlinie, der Rechtsangleichung, zur Herausbildung einer europäischen Rechtsprechung beabsichtigt ist.227 Diese Argumentation unterstützend führt die Anwendung des Effektivitätsgrundsatzes zu einer Konkretisierungskompetenz des EuGH, der alleine eine einheitliche Auslegung gewährleisten kann. Demnach fordert eine Richtlinie nicht zwingend die Ausfüllung durch die Mitgliedstaaten. Vielfach wird auf den Harmonisierungsgrad der Richtlinie zur Bestimmung der Konkretisierungskompetenz abgestellt.228 Dies führt hier jedoch zu einem Zirkelschluss. Harmonisierungsgrad und die Harmonisierungstiefe sollen gerade mit Hilfe der Bestimmung der Konkretisierungskompetenz festgestellt werden. Die Bestimmung der Konkretisierungskompetenz ist vielmehr durch Auslegung der jeweiligen Vorschriften anhand der klassischen vier Auslegungsmethoden vorzunehmen.229 Denn der Gemeinschaftsgesetzgeber ist für die Zuweisung der Konkretisierungskompetenz zuständig.230 Diese Ansicht entspricht auch dem subjektiven Willen des europäischen Gesetzgebers, im Rahmen der gezielten Vollharmonisierung für jede Vorschrift getrennt den Harmonisierungsansatz festzulegen. Dabei ist im Auge zu behalten, dass Ziel dieser Auslegung die Feststellung der Konkretisierungskompetenz – ebenfalls geeigneter Vorlagegegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens des EuGH – ist und nicht die Auslegung der Vorschrift an sich.231
225
Für Generalklauseln: Roth, in: FS Drobnig, 135, 141 f. Grundmann, in: Grundmann/Mazeaud (Hrsg.), General Clauses and Standards in European Contract Law, 141 – 161. 227 Es kann dem europäischen Gesetzgeber nicht verwehrt sein, Generalklauseln zu installieren und die Konkretisierung nicht den Mitgliedstaaten zu überlassen, Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, 77. 228 Roth, in: FS Drobnig, 135, 152; bei Vollharmonisierung erfordere der effet utile eine zentrale Auslegung durch den EuGH: Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln, 105; die Harmonisierungsintention des Gesetzgebers als Indiz für die Konkretisierungskompetenz, so Gsell/Schellhase, JZ 2009, 20, 24; Schillig, Konkretisierungskompetenz und Konkretisierungsmethoden im Europäischen Privatrecht, 2009, 235. 229 So auch Gsell/Schellhase, JZ 2009, 20, 24; Remien, RabelsZ 66 (2002), 503, 540; Zech, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2009, 273, 281 mit einer grundsätzlichen Vermutung für eine Kompetenz europäischer Gerichte aufgrund des Ziels der Rechtsvereinheitlichung. 230 Herresthal, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 114, 132. 231 Schmidt, Konkretisierung von Generalklauseln im europäischen Privatrecht, 63 f. 226
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
Das Urteil Freiburger Kommunalbauten schränkt zunächst die Möglichkeiten des EuGH zur Konkretisierung im Vorabentscheidungsverfahren ein.232 Der EuGH hält sich zwar für die Konkretisierung des Missbräuchlichkeitsmaßstabs zuständig. Die Anwendung des Maßstabs auf eine konkrete Klausel sei ihm aber nicht möglich, da diese die Untersuchung der Folgen im Rahmen des anwendbaren Rechts erfordere.233 Ist eine solche Untersuchung des nationalen Rechtssystems für die Auslegung einer Generalklausel aber gar nicht erforderlich, so steht deren Auslegung durch den EuGH nichts entgegen. Kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass das Zahlungsdiensterecht bereits ein europäisches Rechtssystem der Zahlungsdienste darstellt, spricht die Unterschiedlichkeit der nationalen Rechtssysteme bei der Auslegung der Missbrauchsklausel in Bezug auf eine konkrete AGB-Klausel im Zahlungsdiensterecht nicht mehr gegen die Zuständigkeit des EuGH.234 III. Abweichungsmöglichkeiten durch Parteivereinbarung Eine Richtlinie bestimmt nicht nur die Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, an die sie als erstes gerichtet ist, sondern nach ihrer Umsetzung auf der zweiten Stufe auch diejenigen der Parteien. Das heißt, sie bestimmt, ob die Vorschriften zwingend oder abdingbar sind.235 Auf den ersten Blick haben Parteivereinbarungen keine Auswirkung auf das Harmonisierungspotential einer Richtlinie, da sich die Richtlinie an die Mitgliedstaaten richtet. Sieht eine Richtlinie die Möglichkeit einer Parteivereinbarung vor, sind die Mitgliedstaaten hieran gebunden und müssen diese entsprechend umsetzen. Das Ziel der Richtlinie ist durch die Abweichungsmöglichkeiten der Parteien nur zu einem geringen Grad beeinträchtigt. Denn die Parteien können sich auf das einheitliche Niveau in den Mitgliedstaaten und auf ihre Abweichungsmöglichkeit verlassen. Abweichungen liegen in ihren Händen und in ihrem Verhandlungsgeschick. Dennoch handelt es sich bei solchen Parteivereinbarungen um Abwei232
Zuvor hatte der EuGH in einem Urteil festgestellt, dass eine Klausel alle Kriterien erfülle, um als missbräuchlich im Rahmen der Richtlinie qualifiziert werden zu können, EuGH, Urteil vom 27. 6. 2000 – Rs. C-240/98 bis C-244/98, Océano Grupo Editorial und Salvat Editores, Slg. 2000, I-4963, I-4972 Rn. 21. 233 In diesem Zusammenhang sind auch die Folgen zu würdigen, die die Klausel im Rahmen des auf den Vertrag anwendbaren Rechts haben kann, was eine Prüfung des nationalen Rechtssystems impliziert, EuGH, Urteil vom 1. 4. 2004 – Rs. C-237/02, Freiburger Kommunalbauten, Slg. 2004, I-3403, 3422 Rn. 21. 234 Sind jedoch weitere Umstände zu berücksichtigen und Vor- und Nachteile abzuwägen, das heißt weitere Tatsachenfeststellungen zu machen (vgl. Grundmann, in: Grundmann/Mazeaud (Hrsg.), General Clauses and Standards in European Contract Law, 141, 157) wird der EuGH diese Fragen wohl nach seiner Rechtsprechung in Freiburger Kommunalbauten an die nationalen Gerichte verweisen. 235 Auf den Regelungsgehalt bezogen: Riehm, JZ 2006, 1035, 1037.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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chungen von geltendem europäischem Recht, so dass auf den zweiten Blick die Harmonisierungswirkung in der Praxis beeinträchtigt sein kann.236 Weite Abweichungsmöglichkeiten durch Parteivereinbarung können aber auch positiv wirken und den Wettbewerb sowohl unter den Zahlungsdienstleistern als auch zwischen den verschiedenen Zahlungsinstrumenten verstärken. Insbesondere ist im folgenden Kapitel zu untersuchen, ob die Verhandlungsmöglichkeiten der Parteien eventuell soweit eingeschränkt sind, dass die Vorschriften direkt auf die SEPAProdukte zugeschnitten sind und so andere Produkte vom Markt verdrängen.
C. Bemessung des Harmonisierungspotentials der Zahlungsdiensterichtlinie anhand der Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten und Parteien Da sich das Harmonisierungspotential der einzelnen Regelungsbereiche möglicherweise unterscheidet, wird jeder Regelungsbereich getrennt betrachtet. Die Untersuchung gliedert sich nach den Titeln und Kapiteln der ZDRL. Dabei wird Titel III, der die Vertragsbedingungen und Informationspflichten behandelt, ohne weitere Untergliederung betrachtet, während Titel IV aufgrund der Verschiedenartigkeit seiner Regelungen nach Kapiteln untergliedert untersucht wird. Das dritte Kapitel Ausführung von Zahlungsvorgängen wird nach Abschnitten getrennt behandelt. Abschließend kann der Schluss gezogen werden, ob die ZDRL ein einheitliches Harmonisierungspotential aufweist oder ob dieses für die einzelnen Bereiche unterschiedlich ausfällt. Die impliziten Ermessensspielräume sowie die hierfür erforderliche Bestimmung der Konkretisierungskompetenz werden in die Untersuchung integriert. Zum Schluss erfolgt eine kapitelübergreifende Betrachtung der häufig gebrauchten Generalklauseln angemessenes Entgelt und unverzüglich. I. Vertragsbedingungen und Informationspflichten Der Titel III der ZDRL regelt Informationspflichten und Vertragsbedingungen. Er gliedert sich in vier Kapitel. Das erste und vierte Kapitel enthält allgemeine Vorschriften. Das zweite und dritte Kapitel unterscheidet zwischen Einzelzahlungen und Rahmenverträgen. Der Rahmenvertrag ist definiert als ein Zahlungsdienstvertrag (Art. 4 Nr. 12 ZDRL), der die zukünftige Ausführung einzelner und aufeinander folgender Zahlungsvorgänge regelt und die Verpflichtung zur Einrichtung eines Zahlungskontos und die entsprechenden Bedingungen enthalten kann. Bei einer Einzelzahlung 236 Zu Art. 86 Abs. 3 ZDRL mit der Sorge die Zahlungsdienstleister könnten so einen gewissen Protektionismus betreiben: Wandhöfer, in: EU Payments Integration, 2010, 119.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
handelt es sich um eine einzelne Zahlung, mit welcher der Zahlungsdienstnutzer einen Zahlungsdienstleister beauftragt, mit dem er keinen Rahmenvertrag abgeschlossen hat. Die ZDRL unterscheidet zwischen vorvertraglichen und vertraglichen Informationspflichten. Letztere teilen sich auf in Informationen an den Zahler durch seinen Zahlungsdienstleister nach Eingang des Zahlungsauftrags bzw. nach Belastung des Kontos (Art. 38, 47 ZDRL) und Informationen an den Zahlungsempfänger durch seinen Zahlungsdienstleister nach Ausführung des Zahlungsvorgangs (Art. 39, 48 ZDRL). Die Art und Weise sowie Form der Informationserteilung sind ebenfalls von der ZDRL festgelegt. Für Einzelzahlungen genügt bereits die Zugänglichmachung der Informationen, während für Rahmenverträge eine Mitteilung erforderlich ist. Auch ansonsten sind die Anforderungen für Rahmenverträge höher. Die Mitteilung muss in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger erfolgen (Art. 41 Abs. 1 ZDRL), während diese Form bei der Einzelzahlung nur auf Verlangen des Zahlungsdienstnutzers einzuhalten ist (Art. 36 Abs. 1 S. 2 ZDRL). Für beide Verträge ist die Amtssprache des Mitgliedstaats, in dem der Zahlungsdienst angeboten wird, oder eine andere vereinbarte Sprache vorgeschrieben (Art. 36 Abs. 1 S. 3 ZDRL, Art. 41 Abs. 1 S. 3 ZDRL). Hinzu kommt das Erfordernis der klaren und verständlichen Abfassung. Art. 32 Abs. 1 ZDRL bestimmt die grundsätzliche Entgeltfreiheit der in der Richtlinie geregelten Informationspflichten. Die ZDRL nimmt damit eine konkrete Aufteilung der Informationspflichten vor und bestimmt zwingend deren Form und Art und Weise der Erteilung. Neben den Informationspflichten regelt Titel III in Art. 44 ZDRL die Änderung der Vertragsbedingungen und in Art. 45 ZDRL die Kündigung. Zunächst sind die Verweise ins mitgliedstaatliche Recht zu untersuchen. Der Verweis in Art. 30 Abs. 3 ZDRL auf die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie sowie auf weitere durch die ZDRL nicht harmonisierte Bestimmungen der Europäischen Union oder der Mitgliedstaaten in Bezug auf Kreditverträge mit Verbrauchern trägt insbesondere dem Erfordernis zusätzlicher Angaben zum Verbraucherschutz Rechnung. Insofern entsteht zwar eine Aufsplitterung. Diese bestünde aber bereits nach dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali, da der Verbraucherkredit gegenüber einem Zahlungsdienst spezieller ist. Zudem handelt es sich bei der Verbraucherkreditrichtlinie um Unionsrecht, das nun einen Vollharmonisierungsansatz enthält.237 Deshalb ist nicht von einer großen Abweichung der mitgliedstaatlichen Rechte auszugehen. Eine Anwendung weiterer Vorschriften im nicht harmonisierten Bereich kann ebenfalls die Harmonisierung des erfassten Bereichs nicht beeinträchtigen.
237 Art. 22 Abs. 1 Verbraucherkreditrichtlinie; zum Vollharmonisierungsansatz der Verbraucherkreditrichtlinie: eher kritisch: Gsell/Schellhase, JZ 2009, 20; ebenfalls kritisch zu dem komplexen Harmonisierungskonzept der Verbraucherkreditrichtlinie: Riehm/Schreindorfer, GPR 2008, 244.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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Art. 31 S. 1 ZDRL, der für zusätzliche Anforderungen der vorvertraglichen Unterrichtung auf das sonstige Unionsrecht verweist, mindert die Harmonisierungswirkung ebenfalls nicht erheblich, denn Unionsrecht ist einheitliches oder vereinheitlichendes Recht. Der darauffolgende S. 2 ersetzt sogar einzelne Bestimmungen über die vorvertraglichen Informationen der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher238 durch solche der ZDRL für den Fall, dass beide Richtlinien Anwendung finden. Das verdeutlicht die abstrakte horizontale Art der Informationsregelungen in der ZDRL und trägt zur richtlinienübergreifenden Harmonisierung der Informationsvorschriften bei. Ein weiterer Verweis findet sich in Art. 45 Abs. 5 ZDRL, der bestimmt, dass die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über das Recht der Parteien, den Rahmenvertrag als aufgehoben oder nichtig zu erklären, nicht berührt sind. Anhaltspunkt für die Auslegung dieser Vorschrift ist der 29. Erwägungsgrund, wonach eine Kündigungspflicht239 des Zahlungsdienstleisters unter besonderen Umständen nach nationalem Recht bestehen bleiben soll. Als Beispiele werden die Geldwäsche, die Terrorismusfinanzierung, Maßnahmen im Hinblick auf das Einfrieren von Geldern sowie mit der Prävention und Aufklärung von Straftaten zusammenhängende Sondermaßnahmen angeführt. Da größtenteils die Mitgliedstaaten diese Vorschriften ausführen, ist ein Verweis auf die mitgliedstaatlichen Vorschriften notwendig. Aufgrund des öffentlich-rechtlichen Ursprungs der Vorschriften des Verweises kann nicht von einer großen Beeinträchtigung der Harmonisierung des Zahlungsvertragsrechts gesprochen werden. Der Verweis in Art. 45 Abs. 5 ZDRL geht aber weiter als die im 29. Erwägungsgrund beispielhaft aufgeführten Vorschriften und bezieht sich nicht nur auf öffentlich-rechtliche Vorschriften. Da Art. 45 Abs. 1 bis 4 ZDRL die ordentliche Kündigung präzise für Rahmenverträge auf unbestimmte sowie auf bestimmte Zeit für Zahlungsdienstnutzer als auch Zahlungsdienstleister sowie die Rechtsfolge der nur anteilmäßig zu erhebenden Entgelte (Art. 45 Abs. 4 ZDRL) regelt, kann es sich nur um die außerordentliche Kündigung und sonstige Beendigungsmöglichkeiten handeln, die von Art. 45 Abs. 5 ZDRL erfasst sind. Fraglich ist, ob Art. 45 Abs. 5 ZDRL bereits Voraussetzungen enthält. Die Richtlinie enthält keine Anhaltspunkte zur Definition der Begriffe aufgehoben und nichtig. Auch ein Vergleich mit dem ersten Entwurf der Kommission hilft nicht weiter. Somit liegt es nahe, in dem Verweis des Art. 45 Abs. 5 ZDRL auch bezüglich der Begriffsdefinition einen Verweis auf das nationale Recht zu sehen.240 Der 238 Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 vom 09. 10. 2002, 16. 239 Schinkels, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2010, Kapitel 16 Rn. 28. 240 Zur autonomen Auslegung von in Richtlinien enthaltenen Rechtsbegriffen und Verweisen ins innerstaatliche Recht: Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, 483 f.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
deutsche Gesetzgeber stellt für den Begriff der Aufhebung jedoch auf das Wiener VN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf ab.241 Dies ist im Sinne einer einheitlichen europäischen Begriffsbildung ein sinnvoller Bezug. Allerdings wird nicht ersichtlich, weshalb der deutsche Gesetzgeber von der Annahme ausgeht, der europäische Gesetzgeber habe den Begriff der Aufhebung hieraus entlehnt. Demnach bedarf es nicht zwingend einer wesentlichen Vertragsverletzung wie von Art. 25, 49 CISG für eine Aufhebung gefordert, so dass auch andere Kündigungsgründe in Betracht kommen. Ferner können die Mitgliedstaaten die Möglichkeiten zur Aufhebung und Nichtigkeit des Vertrags regeln, so dass unter anderem Aufhebungsverträge und eine Anfechtung nach nationalem Recht zulässig sind. Demnach sind sowohl Vertragsauflösungsmöglichkeiten aus dem allgemeinen Vertragsrecht als auch solche Vorschriften des öffentlichen Rechts, die zu einer Kündigungspflicht des Zahlungsdienstleisters führen, nicht von der Richtlinie betroffen. Sie können von den Mitgliedstaaten abweichend geregelt werden. Zwar besteht in der Regelung der außerordentlichen Kündigungs- und Beendigungsmöglichkeiten der ZDRL damit noch eine Lücke. Der zur Wettbewerbsförderung wichtigere Fall der ordentlichen Kündigung, welche den Zahlungsdienstnutzern den Wechsel zu anderen möglicherweise günstigeren Anbietern erleichtern soll,242 ist jedoch geregelt. Im Folgenden sind die zahlreichen Optionen der Mitgliedstaaten innerhalb der Informationspflichten zu betrachten.243 Zunächst ermöglicht die Option in Art. 30 Abs. 2 ZDRL den Mitgliedstaaten auch für Kleinstunternehmen die Vorschriften als zwingend umzusetzen. Die Auswirkung auf den Harmonisierungseffekt ist jedoch gering. Die Ausübung dieser Option fördert sogar einen einheitlichen Standard an Informationspflichten. Das jeweilige mitgliedstaatliche Recht auf die Umsetzung der Option zu überprüfen, erfordert keine detailartige Untersuchung durch die Unternehmen. Sie müssen lediglich nach einer einzelnen Regelung suchen. Insofern trägt diese Option zur Vereinheitlichung bei. Die Option in Art. 33 ZDRL erlaubt es den Mitgliedstaaten, vorzuschreiben, dass der Zahlungsdienstleister den Nachweis zu erbringen hat, dass er den Anforderungen dieses Titels über die Bereitstellung von Informationen nachgekommen ist. Sinn macht eine solche Regelung nur im Zusammenhang mit einem Anspruch des Zahlungsdienstnutzers wegen Verstoßes gegen die Informationsregelungen. Da solche Ansprüche aber in der ZDRL nicht geregelt sind, ist es nur folgerichtig, den Mitgliedstaaten auch bezüglich der Beweislast die Regelungskompetenz zuzusprechen. Aufgrund der Regelung als Option ist die Beweislastfrage grundsätzlich in den Regelungsbereich der ZDRL einbezogen und stellt lediglich ein Tor im Zaun dar. 241
BT-Drucks. 16/11643, 104; BR-Drucks. 848/08, 168. Vgl. Erwägungsgrund (29) ZDRL. 243 Art. 30 Abs. 2, Art. 33, Art. 34 Abs. 2, Art. 45 Abs. 6, Art. 47 Abs. 3, Art. 48 Abs. 3 ZDRL. 242
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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Dies verwundert, weil ein Verstoß gegen die Informationspflichten nicht normiert ist und somit ganz in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fällt. Daran, dass die Beweislastverteilung trotzdem in den Regelungsbereich einbezogen ist, kann man ein Anzeichen sehen, dass sich der europäische Gesetzgeber im Grunde auch einer Regelung der Rechtsfolge einer Informationspflichtverletzung annehmen möchte. Sinn macht die Erstreckung der Beweislast auf den Zahlungsdienstleister durch die ZDRL aber schon allein im Kontext des Interessenausgleichs zwischen Zahlungsdienstleister und -nehmer, da letzterem meist die Möglichkeit des Nachweises fehlt.244 Die Auswirkungen auf die Harmonisierung sind gering, weil die enge Verknüpfung mit der Informationspflichtverletzung bereits eine Untersuchung des mitgliedstaatlichen Rechts bedeutet und somit die unterschiedliche Regelung der Beweislast zu keinem großen Mehraufwand führt. Die nächste Option findet sich in Art. 34 Abs. 2 ZDRL. Sie gilt nur für innerstaatliche Zahlungsvorgänge und gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Beträge der Kleinbetragszahlungsinstrumente und der Zahlung mit elektronischem Geld zu verringern oder zu verdoppeln. Für Zahlungsinstrumente auf Guthabenbasis erweitert sich diese Möglichkeit auf einen Höchstwert von 500 EUR. Aufgrund der Beschränkung auf den innerstaatlichen Zahlungsverkehr ist das Ziel eines einheitlichen grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs zunächst nicht betroffen. Es kann jedoch – betrachtet man die Informationspflichten als ein entscheidendes Wettbewerbskriterium – zu Verzerrungen des Wettbewerbs in Form der Inländerdiskriminierung kommen. Die in einem optionsausübenden Mitgliedstaat ansässigen Zahlungsdienstleister sind entweder für einen größeren Teil der Kleinbetragszahlungsinstrumente von den Informationspflichten ausgenommen oder sie haben für einen größeren Teil die vollständigen Informationspflichten im Vergleich zu ihren Konkurrenten aus anderen Mitgliedstaaten zu erbringen.245 Art. 45 Abs. 6 ZDRL gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit in Bezug auf die ordentliche Kündigung, Vorschriften zu erlassen, die für die Zahlungsdienstnutzer vorteilhafter sind.246 Diese Option ist weit, da sie den Mitgliedstaaten nicht lediglich eine mögliche Lösung zur Auswahl stellt, sondern es ihrem Ermessen überlässt, eine für die Zahlungsdienstnutzer vorteilhaftere Lösung zu finden. Insofern setzt Art. 45 Abs. 1 bis 4 ZDRL einen Mindeststandard247, über den die Mitgliedstaaten nach oben
244
Omlor, in: Staudinger, § 675d BGB Rn. 7; in der ZDRL-2 ist die Option weggefallen, die Mitgliedstaaten sind verpflichtet den Zahlungsdienstleistern die Beweislast aufzubürden. 245 Zur Bedeutung der Kleinbetragszahlungsinstrumente im grenzüberschreitenden Markt insbesondere für den Online-Handel: Europäische Kommission, Grünbuch, Ein integrierter europäischer Markt für Karten-, Internet- und mobile Zahlungen, KOM (2011) 941 endgültig, vom 11. 01. 2012, 5, 14. 246 Diese Regelung ist auch in der ZDRL-2 enthalten (Art. 55 Abs. 6). 247 Ebenso hier vom Konzept der Mindestharmonisierung ausgehend: Mittwoch, Vollharmonisierung und Europäisches Privatrecht, 2013, 72.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
abweichen können.248 Hier kann man von einer gezielten Mindestharmonisierung sprechen. Diese ist deshalb gezielt, weil sie sich nicht auf die gesamte Richtlinie, sondern explizit auf einen Regelungsaspekt bezieht. Diese gezielte Mindestharmonisierung und der oben genannte Verweis auf mitgliedstaatliches Recht für die außerordentliche Kündigung führen dazu, dass die Kündigungsvorschriften nicht umfassend harmonisiert sind. Zwei weitere Optionen, die sich wortlautidentisch einmal auf den Zahler und einmal auf den Zahlungsempfänger beziehen, finden sich in Art. 47 Abs. 3 ZDRL und Art. 48 Abs. 3 ZDRL. Sie erlauben es den Mitgliedstaaten vorzuschreiben, dass der Zahlungsdienstleister den Zahlungsdienstnutzern die Informationen nach Art. 47 Abs. 1 ZDRL und Art. 48 Abs. 1 ZDRL einmal im Monat kostenlos in Papierform mitzuteilen hat. Dabei handelt es sich um die kostenlose Zurverfügungstellung von Kontoauszügen in Papierform.249 Der Unterschied zu der von der Richtlinie verpflichtend vorgeschriebenen Informationsanforderung besteht darin, dass nicht nur nach jeder Belastung des Kontos oder nach jedem Eingang eines Zahlungsauftrags bzw. nach jeder Ausführung eines Zahlungsvorgangs eine Mitteilung zu erfolgen hat, sondern regelmäßig, nämlich einmal im Monat. Die Form unterscheidet sich nur geringfügig, da die Option die Papierform vorschreibt, während nach Art. 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 i.V.m. Art. 41 Abs. 1 ZDRL auch ein dauerhafter Datenträger ausreichend ist.250 Die Kostenfreiheit bestünde allerdings ohne die Option bei häufigerer Bereitstellung der Informationen nach Parteivereinbarung (Art. 47 Abs. 2, 48 Abs. 2 ZDRL) und auf Verlangen des Zahlungsdienstnutzers nicht (Art. 32 Abs. 2 ZDRL). Aufgrund ihrer sehr konkreten Ausgestaltung – die Option nennt die Häufigkeit, die Form, die Entgeltfreiheit – beeinträchtigt sie die Harmonisierungswirkung nur geringfügig. Folglich kann abschließend für die Optionen des Titels III der ZDRL festgehalten werden, dass sie mit Ausnahme derjenigen zu den Kündigungsregelungen sehr konkrete Voraussetzungen enthalten und damit die Harmonisierungswirkung der Informationsregelungen nicht bedeutend einschränken. Möglichkeiten für abweichende Parteivereinbarungen finden sich in den Art. 30 Abs. 1 S. 2 ZDRL und Art. 34 Abs. 1 ZDRL, Art. 47 Abs. 2 ZDRL, Art. 48 Abs. 2 ZDRL. Art. 30 Abs. 1 S. 2 ZDRL bestimmt die Abdingbarkeit der Regelungen des Titels III für Nichtverbraucher.251 Die Richtlinie erkennt hier die unterschiedliche 248 Beispielsweise gilt in Deutschland eine generelle Kostenfreiheit der ordentlichen Kündigung des Zahlungsdienstleisters (§ 675h BGB); zudem kann vertraglich für den Zahlungsdienstleister eine längere Kündigungsfrist als die von der ZDRL geforderte Zweimonatsfrist vereinbart werden (§ 675h Abs. 2 S. 2 BGB). 249 Erwägungsgrund (28) ZDRL. 250 Die ZDRL-2 führt den anderen dauerhaften Datenträger nun auch für die Option ein (Art. 57 Abs. 3, Art. 58 Abs. 3). 251 Art. 38 Abs. 1 S. 2 ZDRL-2 regelt dies ebenso.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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Erfahrung und Schutzbedürftigkeit von Unternehmern und Verbrauchern im Zahlungsverkehr und schafft deshalb für Verbraucher im Gegensatz zu Unternehmern zwingendes Recht.252 Wird von dieser Abweichung Gebrauch gemacht, so kann sie im unternehmerischen Zahlungsverkehr zu einer Reduzierung der Harmonisierung führen, da dann der Grundsatz der Vertragsfreiheit zur Anwendung kommt und die Parteien selbst darüber bestimmen können, welche Informationen sie der anderen Seite zukommen lassen. Allerdings besteht aufgrund der von gesetzlichen Regelungen ausgehenden Rechtssicherheit der Anreiz das Zahlungsdiensterecht als Ausgangspunkt und Leitbild zu sehen. Ebenso ist es Ausgangspunkt im deutschen AGB-Recht in § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zur Bestimmung einer unangemessenen Benachteiligung. Die übrigen zulässigen Parteivereinbarungen bieten nur sehr geringe Abweichungsmöglichkeiten. Art. 32 Abs. 2 ZDRL lässt eine Ausnahme von der Entgeltfreiheit der Informationen durch Parteivereinbarung zu. Dabei bestimmt er ganz konkret die Voraussetzungen: Die Leistungen müssen auf Verlangen des Zahlungsdienstnutzers erbracht werden. Zusätzlich muss es sich um Informationen, die über die Regelungen der ZDRL hinausgehen, um eine häufigere Bereitstellung oder um andere Kommunikationsmittel als im Rahmenvertrag vorgesehen handeln. Art. 32 Abs. 3 ZDRL enthält die Voraussetzung, dass das Entgelt angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters orientiert sein muss. Diese Vorschrift schmälert den Harmonisierungserfolg bezüglich der Kostenfreiheit der nach der ZDRL zu erbringenden Informationen nicht. Sie erlaubt es nur, im Sinne der Vertragsfreiheit für andersartige Informationen ein Entgelt zu vereinbaren. Art. 34 Abs. 1 b) und c) i) und ii) ZDRL geben die Möglichkeit, vertraglich Erleichterungen für Kleinbetragszahlungsinstrumente und elektronisches Geld zu bestimmen. Zudem können die Parteien nach Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 2 ZDRL eine häufigere Bereitstellung der Informationen nach Ausführung eines Zahlungsvorgangs gemäß einem vereinbarten Verfahren verabreden. Damit besteht nun die Möglichkeit, nach Vereinbarung die Informationen beim Online-Banking in elektronischen Postfächern zu hinterlegen.253 Diese speziellen punktuellen Ausnahmen können allerdings nicht die übergreifende Harmonisierungswirkung beeinträchtigen. Zusammenfassend betrachtet bestehen Harmonisierungslücken lediglich darin, dass ein Verstoß gegen die Informationspflichten, die außerordentliche Kündigung und die sonstige Beendigung des Rahmenvertrags nicht geregelt sind, wobei letztere auf einem Verweis beruht. Die übrigen Verweise beziehen sich nur auf bereits harmonisiertes Unionsrecht, so dass dadurch eine Beeinträchtigung der Harmonisierungswirkung nicht zu konstatieren ist. Zudem ist die ordentliche Kündigung nur gezielt mindestharmonisiert. Da diese Rechtsfrage das allgemeine Vertragsrecht betrifft, ist die Harmonisierung aufgrund der unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Systeme besonders schwierig. Ein Min252 253
Erwägungsgrund (20) ZDRL. Omlor, in: Staudinger Vorbem 18 zu §§ 675c – 676c BGB.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
deststandard für die ordentliche Kündigung stellt bereits einen Erfolg dar. Die sonstigen Optionen haben sehr konkrete Voraussetzungen, so dass das Harmonisierungspotential durch diese nicht stark eingeschränkt wird. Die richtlinienübergreifende Harmonisierung in Art. 31 S. 2 ZDRL sowie die Einbeziehung der Beweislast in den Anwendungsbereich bedeuten, obwohl ein Verstoß gegen die Informationspflichten noch nicht geregelt ist, eine große Harmonisierungstiefe. Im Vergleich zur Überweisungsrichtlinie sind die Regelungen detaillierter und umfangreicher. Inhaltlich sind insbesondere die vorvertraglichen Informationspflichten weitergehend.254 Die Änderungen der Vertragsbedingungen sowie die Kündigung und die Beweislast wurden zuvor von der Überweisungsrichtlinie gar nicht geregelt. Es lässt sich abschließend für Titel III der ZDRL festhalten, dass er die Informationspflichten umfassend nur mit punktuellen und sehr konkreten Ausnahmen regelt, so dass insgesamt eine Vollharmonisierung, wie sie auch im 21. Erwägungsgrund der ZDRL255 für die Informationsvorschriften gefordert wird, mit großer Harmonisierungstiefe vorliegt. II. Gemeinsame Bestimmungen des Titels IV Die Art. 51 bis 53 ZDRL enthalten die gemeinsamen Bestimmungen für den Titel IV, das eigentliche materielle Zahlungsdiensterecht der ZDRL. Sie bestimmen den Anwendungsbereich, regeln die Frage des Entgelts für Informations- und Nebenpflichten und enthalten Ausnahmeregelungen für Kleinbetragszahlungsinstrumente und elektronisches Geld. Zudem legt das Kapitel fest, welche Vorschriften im unternehmerischen Zahlungsverkehr abdingbar sind. Es gilt der Grundsatz der Kostenfreiheit.256 Zunächst findet sich ein Verweis in Art. 51 Abs. 4 ZDRL auf die Verbraucherkreditrichtlinie und die sonstigen einschlägigen Bestimmungen der Europäischen Union oder der Mitgliedstaaten für den durch die Richtlinie nicht harmonisierten Bereich der Verbraucherkredite. Wie im Teil zu den Informationspflichten bereits ausgeführt, wird das Harmonisierungspotential hierdurch nicht beeinträchtigt.257 Weitere Verweise ins mitgliedstaatliche Recht bestehen nicht. Jedoch gibt es auch eine Reihe von Optionen.
254
Vgl. Art. 3 Überweisungsrichtlinie und Art. 42 ZDRL. Erwägungsgrund (21) ZDRL: […] Damit der Binnenmarkt für Zahlungsdienste reibungslos funktionieren kann, sollten die Mitgliedstaaten nur solche Informationsvorschriften erlassen können, die in dieser Richtlinie vorgesehen sind. 256 Allerdings ist dieser für Verträge mit Nichtverbrauchern abdingbar nach Art. 51 Abs. 1 ZDRL. 257 Siehe 2. Kapitel C. I. 255
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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Zunächst gibt Art. 51 Abs. 3 ZDRL genau wie Art. 30 Abs. 2 ZDRL den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, einige Vorschriften des Titels IV für Kleinstunternehmen zwingend auszugestalten, wie es die ZDRL für Verbraucher anordnet (Art. 51 Abs. 1 ZDRL). Eine Ausübung dieser Option bedeutet keinen großen Verlust für den Harmonisierungserfolg der ZDRL. Sie erweitert die zwingende Anwendung und ist somit der Harmonisierung nur zuträglich. Der Rechercheaufwand der Unternehmen für die Feststellung, ob eine Abweichung in der Parteivereinbarung überhaupt möglich ist, hält sich in Grenzen. Eine weitere Option statuiert Art. 52 Abs. 3 S. 2 ZDRL. Danach können die Mitgliedstaaten das Recht des Zahlungsempfängers, für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments ein Entgelt zu verlangen, untersagen oder begrenzen.258 Der Grundsatz aus Art. 52 Abs. 3 S. 1 ZDRL, dass ein vertragliches Verbot der Weitergabe von Entgelten oder Ermäßigungen nicht zulässig ist, dient der Vertragsfreiheit des Zahlungsempfängers und damit dem Wettbewerb auf dem Absatzmarkt. Die Ausübung der Option durch die Mitgliedstaaten kann jedoch zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Zahlungsdienstleister, -empfänger und Zahler können sich nicht darauf verlassen, dass in allen Mitgliedstaaten eine Preisweitergabe erlaubt ist, so dass – jeweils von ihrem wirtschaftlichen Vorteil ausgehend – Zahlungsempfänger solche Zahlungsdienstleister suchen werden, die kein Verbot vereinbaren dürfen. Zahler werden aber genau umgekehrt das Verbot der Preisweitergabe bevorzugen. Da die Zahlungsempfänger an ihren Absatzmarkt gebunden sind, werden sie sich an diejenigen Zahlungsdienstleister halten müssen, die ihre Kunden ausgewählt haben. Dies sind die Unternehmen in denjenigen Mitgliedstaaten, die ein Preisaufschlagsverbot erlassen haben.259 Somit haben die in einem optionsausübenden Mitgliedstaat ansässigen Zahlungsdienstleister einen Wettbewerbsvorteil, so dass sich weniger wirtschaftlich effiziente Zahlungsdienstleister aus optionsausübenden Mitgliedstaaten gegenüber wohlmöglich ökonomisch viel effektiveren Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten durchsetzen können. Die fehlende Möglichkeit, ein Preisaufschlagsverbot zu vereinbaren, muss jedoch nicht dazu führen, dass die Vertragsunternehmen einen solchen Preisaufschlag wirklich vornehmen. Bewirkt der bei einem bestimmten Zahlungsinstrument vorgenommene Preisaufschlag die Kundenabwanderung, werden sie versuchen ihre Kosten, die ihnen durch das von den Zahlungsdienstleistern verlangte Disagio entstehen, durch Umlage auf alle Kunden auszugleichen oder sie zu eigenen Lasten zu übernehmen. Dann blieben den Zahlern die Informationen über die Kosten des Zahlungsinstru258
Dazu Erwägungsgrund (42) ZDRL. Nach Art. 4 Abs. 1 b) ROM I VO ist das Recht des Staates anwendbar, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; handelt es sich um einen Verbraucher, kommt es unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ROM I VO allerdings auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers an, so dass er der Erlaubnis von Preisaufschlägen nicht entfliehen kann, wohl aber durch Rechtswahl; die Rechtswahl kann auch die Erlaubnis von Preisaufschlägen zur Anwendung bringen, da das Günstigkeitsprinzip des Art. 6 Abs. 2 ROM I VO nicht bei allgemein wirtschaftlichen Regelungen, welchen ein gesetzliches Verbot eines Preisaufschlagsverbot unterfällt, Anwendung findet. 259
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
ments verborgen.260 Ist jedoch ein Preisaufschlagsverbot gesetzlich ausgeschlossen, so verbleibt den Zahlungsempfängern immerhin die Möglichkeit, sich auf dem Absatzmarkt gegen die Höhe der Disagio-Forderung der Zahlungsdienstleister zu wehren. Die Zahlungsempfänger in Ländern ohne ein Preisaufschlagsverbot haben somit gegenüber denjenigen in Ländern mit einem solchen Verbot einen Wettbewerbsvorteil. Die Option gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die aus ihrer Sicht effizienten Zahlungsinstrumente261 – hierunter fallen vorwiegend Zahlungen mit der Debitkarte mit PIN, die Universalkreditkarte mit Unterschrift oder PIN und das Mailorderverfahren262 – durch die Zulässigkeit eines Preisaufschlagsverbot zu fördern. Der Zweck der Option, die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente je nach Marktlage der einzelnen Mitgliedstaaten zu fördern, widerspricht jedoch der Vereinheitlichung des Zahlungsverkehrs und der Einführung der SEPA-Instrumente263, insbesondere der von der europäischen Kreditwirtschaft und der Europäischen Kommission forcierten Vereinheitlichung des Kartenzahlungsverkehrs.264 Unterschiedliche Regelungen in den Mitgliedstaaten zur Bepreisung der Nutzung bestimmter Zahlungsinstrumente behindern die Vereinheitlichung dieser Instrumente auf dem europäischen Markt. Da im Rahmen der Überprüfung der ZDRL durch die Kommission eine extreme Marktheterogenität aufgefallen ist,265 enthielt Art. 55 Abs. 3 des Vorschlags der Kommission für eine ZDRL-2 eine solche Option nicht mehr. Diese Regelung war sehr zu begrüßen, denn sie hätte die Attraktivität der Zahlungskarten erheblich steigern und den Wettbewerb zwischen den Zahlungsdienstleistern auf dem europäischen Binnenmarkt verstärken können. Die Zahlungsdienstnutzer wurden vor überhöhten Aufschlägen dadurch geschützt, dass zum einen der Preisaufschlag an den Kosten des Zahlungsempfängers auszurichten sein sollte (Art. 55 Abs. 3 S. 2 ZDRL-2-Vorschlag) und zum anderen Aufschläge nur für Zahlungsinstrumente 260 Vgl. zum Marktversagen durch ein Preisaufschlagsverbot im Kreditkartengeschäft: Oechsler, Wettbewerb, Reziprozität und externe Effekte im Kreditkartengeschäft, 1992, 107. 261 Definition in Art. 4 Nr. 23 ZDRL. 262 Omlor, in: Staudinger § 675f BGB Rn. 48. 263 Sowohl die SEPA-Migrationsverordnung als auch die Verordnung (EG) Nr. 924/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über grenzüberschreitende Zahlungen in der Gemeinschaft und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2560/ 2001VO (EG), ABl. L 266 vom 9. 10. 2009, 10 enthalten nur Regelungen über Entgelte zwischen dem Zahlungsdienstleister und -nutzer sowie über Interbankenentgelte, nicht aber über solche des Zahlungsempfängers. 264 Hierzu auch Grünbuch der Kommission, Ein integrierter europäischer Markt für Karten-, Internet- und mobile Zahlungen, KOM (2011) 941 vom 11. 01. 2012. 265 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2013/36/EU und 2009/110/EG sowie zur Auf-hebung der Richtlinie 2007/64/EG vom 24. 07. 2013 Com (2013) 547 final, 13; 13 Mitgliedstaaten hätten von der Option Gebrauch gemacht, was insbesondere im Internetgeschäft zur Verunsicherung von Händlern und Verbrauchern geführt habe.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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zulässig sein sollten, die nicht der Regulierung der Interbankenentgelte durch den Verordnungsvorschlag der Kommission266 unterfielen. Die ZDRL-2 enthält nun in Art. 62 Abs. 5 ZDRL-2 doch eine Option der Mitgliedstaaten, die Erhebung von Entgelten zu untersagen oder dieses Recht zu begrenzen. Da aber auch die ZDRL-2 ein Preisaufschlagsverbot für Zahlungsinstrumente aufstellt, die der Verordnung der EU zu Interbankenentgelte unterfallen (Art. 62 Abs. 3 ZDRL-2) sind lediglich 5 % des Zahlungskartenmarktes überhaupt noch weitergehenden Aufschlägen durch den Zahlungsempfänger zugänglich,267 so dass die Auswirkungen gering sein dürften. Die in Art. 53 ZDRL enthaltenen Ausnahmeregelungen für Kleinbetragszahlungsinstrumente bedeuten die Abdingbarkeit der Anzeigepflicht sowie der beiderseitigen Haftung für die unautorisierte Nutzung des Zahlungsinstruments. Damit ist vertraglich eine Übertragung des gesamten Verlustrisikos auf den Zahler möglich. Außerdem können die Unterrichtungspflicht nach Art. 65 Abs. 1 ZDRL, eventuelle Widerrufsmöglichkeiten und die Ausführungsfristen abbedungen werden. Die Ausnahmeregelungen haben das Ziel, die Verwendung der Kleinbetragszahlungsinstrumente zu erhöhen. Da es sich nicht um mitgliedstaatliche, sondern vertragliche Abweichungsmöglichkeiten handelt, stehen diese auch der Förderung grenzüberschreitender Kleinbetragszahlungsinstrumente nicht entgegen. Die Abweichungsmöglichkeiten können vielmehr den Wettbewerb in diesem Bereich fördern. Für elektronisches Geld sind allerdings die Haftungsvorschriften anwendbar (Art. 53 Abs. 3 ZDRL), so dass das generelle Haftungsrisiko nicht gänzlich auf die Seite des Zahlungsdienstnutzers verlagert ist. Als Ausgleich muss der Zahlungsdienstleister das Zahlungskonto oder das Zahlungsinstrument sperren können (Art. 53 Abs. 3 ZDRL). Die Mitgliedstaaten haben die Option, diese Ausnahme auf einen bestimmten Wert zu beschränken. Demnach kann es – vorausgesetzt ein europäischer Markt für elektronisches Geld als Kleinbetragszahlungsinstrument besteht268 – zu Wettbewerbsverzerrungen kommen, weil einige Anbieter die Haftung für Zahlungen bei weit höheren Beträgen auf den Zahlungsdienstnutzer verlagern dürfen. Handelt es sich bei dem Zahlungsdienstnutzer um einen Unternehmer, sind insbesondere im Kapitel der Autorisierung viele Vorschriften abdingbar (Art. 51 Abs. 1 ZDRL). Die Parteien können Art. 54 Abs. 2 UAbs. 2 ZDRL abbedingen. Dieser legt fest, dass bei fehlender Zustimmung der Zahlungsvorgang als nicht autorisiert gilt. Somit können die Parteien für bestimmte Situationen Vermutungen für die Zustimmung aufstellen.269 Zudem ist eine Änderung der in Art. 58 ZDRL bestimmten Ausschlussfrist zulässig. Andere Beweislastregeln können vereinbart werden. Die 266 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge vom 24. 7. 2013, COM (2013) 550 final. 267 ZDRL-2-Vorschlag, 13. 268 Für eine stärkere Marktintegration: EU Kommission, Grünbuch, Ein integrierter europäischer Markt für Karten-, Internet- und mobile Zahlungen, Brüssel, den 11. 1. 2012, KOM (2011) 941 endgültig. 269 Geva, Yearbook of European Law 2009, 177, 196.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
Parteien sind nicht an die Verteilung des Missbrauchsrisikos nach Art. 61 ZDRL gebunden. Auch bezüglich der Erstattungsansprüche ist ihnen eine abweichende Regelung erlaubt. Demnach sind für Verträge mit Nichtverbrauchern nur die Vorschriften zur Sperrung des Zahlungsinstruments, welche ohnehin größtenteils auf Parteivereinbarungen beruhen, sowie die Vorschriften zu den jeweiligen Pflichten bezüglich eines Zahlungsinstruments und die grundsätzliche Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge aus Art. 60 Abs. 1 ZDRL zwingend. Durch diese Abweichungsmöglichkeiten können die Parteien, die Nichtverbraucher sind, die Harmonisierungswirkung der Vorschriften zur Autorisierung schmälern. In den anderen Regelungsbereichen sind ihre gesonderten Abweichungsmöglichkeiten nicht so groß. Sie können jedoch die Unwiderruflichkeit (Art. 66 ZDRL) abbedingen und müssen auch keine verschuldensunabhängige Haftung für eine nicht erfolgte oder fehlerhafte Ausführung (Art. 75 ZDRL) in ihren Verträgen vorsehen. Sie haben die Möglichkeit ein eigenes Haftungsregime aufzustellen. Für den Teil der Gemeinsamen Bestimmungen ist somit festzustellen, dass sie keine großen mitgliedstaatlichen Spielräume enthalten. Die Option, welche die Einführung von Preisaufschlagsverboten erlaubt, führt jedoch grundsätzlich zu Wettbewerbsverzerrungen und widerspricht der Vereinheitlichung des europäischen Zahlungsverkehrsmarktes. Eine Vereinheitlichung schaffen nun jedoch die ZDRL-2 in Verbindung mit der EU-Verordnung zu Interbankenentgelten, die für die Zahlungsinstrumente, die der Verordnung unterfallen, ein Preisaufschlagsverbot statuieren. III. Autorisierung von Zahlungsvorgängen Das zweite Kapitel Autorisierung von Zahlungsvorgängen enthält Regelungen zur Zustimmung des Zahlers, der sogenannten Autorisierung, welche vor als auch nach der Ausführung erfolgen kann. Des Weiteren normiert es den Widerruf sowie die Pflichten des Zahlungsdienstnutzers und -leisters in Bezug auf Zahlungsinstrumente und die Haftung bei fehlender Autorisierung. Das Kapitel enthält außerdem zwei Vorschriften zum Erstattungsanspruch des Zahlers gegen seinen Zahlungsdienstleister bei autorisierten Zahlungsvorgängen. Letztere passen systematisch nicht in dieses Kapitel.270 Das zweite Kapitel regelt die Frage, ob eine Autorisierung vorliegt sowie die Haftung beim Missbrauch eines Zahlungsinstruments oder Sicherheitsmerkmals. Letztere setzt – im Gegensatz zu den Fällen des Erstattungsanspruchs – keine Autorisierung voraus. Verweise finden sich in diesem Richtlinienkapitel nicht direkt. Der in Verbindung mit Art. 58 ZDRL zu lesende 31. Erwägungsgrund verweist jedoch für den Fall der Einhaltung der in Art. 58 ZDRL normierten Anzeigefrist auf die mitgliedstaatlichen Verjährungsvorschriften. Art. 58 ZDRL bestimmt, dass der Zahlungsdienstnutzer 270
Omlor, in: Staudinger, Vorbem 24 zu §§ 675c – 676c BGB.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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nur dann eine Korrektur durch den Zahlungsdienstleister erwirken kann, wenn er diesen spätestens 13 Monate nach dem Tag der Belastung von dem nicht autorisierten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgang unterrichtet, vorausgesetzt, der Zahlungsdienstleister ist seinen Informationspflichten nachgekommen. Da der 31. Erwägungsgrund für die Verjährung ins mitgliedstaatliche Recht verweist, muss es sich bei Art. 58 ZDRL um eine Ausschlussfrist handeln.271 Aufgrund des Begriffs spätestens ist zu überlegen, ob die Mitgliedstaaten auch einen kürzeren Zeitraum als 13 Monate wählen dürfen. Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich aber, dass der Begriff spätestens vollharmonisierende Wirkung hat. Art. 58 ZDRL ist im Zusammenhang mit der Pflicht zu lesen, unverzüglich eine Anzeige zu machen (Art. 56 Abs. 1 b) ZDRL). Die 13-monatige Frist stellt demnach eine zweite und absolute Ausschlussfrist dar,272 sollte ein Anspruch nicht schon aufgrund anderer vertraglicher Vereinbarungen, wie einer Genehmigungsfiktion bei unterlassener Anzeige nach Rechnungsabschluss273, ausgeschlossen sein. Somit bezieht sich der Begriff spätestens auf vorherige Anzeigepflichten, soll aber nicht zu einer Verkürzung der absoluten Ausschlussfrist von 13 Monaten führen. Art. 58 ZDRL schafft auf diese Weise Rechtssicherheit für den Zahlungsdienstleister274 und verkürzt faktisch die Verjährung für den Fall, dass der Zahlungsdienstleister nicht über den Anspruch unterrichtet wurde. Fehlt die Unterrichtung, besteht insbesondere für den Zahlungsdienstleister Ungewissheit, so dass es für die Harmonisierungstiefe der ZDRL von Vorteil ist, gerade diese Situation abschließend zu regeln. Bestehen die Ansprüche jedoch aufgrund der unverzüglichen Anzeige spätestens nach 13 Monaten seit der Belastung, haben beide Parteien Kenntnis von dem Anspruch, so dass sie sich auch über eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat abweichende Verjährung informieren können. Nur im Fall einer Anzeige sind die Verjährungsvorschriften demnach nicht harmonisiert, denn faktisch wirkt Art. 58 ZDRL bei fehlender Anzeige wie eine Verjährung, kommt ihr durch seine Erlöschenswirkung aber auf jeden Fall zuvor. Einen Verweis auf das mitgliedstaatliche Recht enthält Art. 60 Abs. 2 ZDRL für Ansprüche des Zahlers gegen den Zahlungsdienstleister, die über den in Art. 60 Abs. 1 ZDRL geregelten Erstattungsanspruch hinausgehen. Das heißt, die Ansprüche müssen in ihrer Rechtsfolge auf etwas anderes gerichtet sein als auf die bloße Rückerstattung des unautorisiert abgebuchten Betrags. In Betracht kommen Scha271 Die Ausschlussfrist wird in deutschem Recht von Amts wegen berücksichtigt und ist nicht wie die Verjährung von den Parteien im Prozess geltend zu machen, Omlor, in: Staudinger, § 676b BGB Rn. 8. 272 Vgl. Antwort auf die Frage Nr. 111, Payment Services Directive 2007/64/EC Questions and answers, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/payments/docs/framework/ transposition/faq_en.pdf [Stand: 24. 10. 2016]. 273 Zur Zulässigkeit diverser etablierter Hinweispflichten und Genehmigungsfiktionen nach den AGB der Kreditwirtschaft: Schürmann, in: Habersack/Mülbert/Nobbe (Hrsg.), Bankrechtstag 2009, 11, 54 f. 274 Dies ist insbesondere auch für unautorisierte Zahlungen im SEPA-Lastschriftverfahren von Bedeutung, um einheitliche Rückgabefristen für die Verfahrensteilnehmer zu schaffen, Hartmann, in: Habersack/Mülbert/Nobbe (Hrsg.), Bankrechtstag 2009, 61, 104.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
densersatzansprüche des Zahlungsdienstnutzers gegen den Zahlungsdienstleister auf entgangenen Gewinn oder der Ausgleich von Zinsverlusten, die entstanden sind, da er andere Zahlungsvorgänge mangels Kontodeckung nicht vornehmen konnte. Dies sind eng mit dem nationalen Vertragsrecht verknüpfte Ansprüche, die die Mitgliedstaaten auf EU-Ebene nur schwer einheitlich regeln können.275 Der für das Verhältnis des Zahlungsdienstleisters und Zahlungsdienstnutzers grundlegende Basisanspruch der Rückerstattung der unautorisierten Abbuchung ist vollharmonisiert,276 so dass hier bereits ein großer Harmonisierungserfolg zu verzeichnen ist. Ein weiterer Verweis findet sich im 33. Erwägungsgrund, der zusammen mit Art. 61 Abs. 2 ZDRL zu lesen ist. Demnach ist die Bestimmung der Fahrlässigkeit eines Zahlungsdienstnutzers nach mitgliedstaatlichem Recht vorzunehmen. Grundsätzlich haftet der Zahlungsdienstleister verschuldensunabhängig für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge (Art. 60 Abs. 1 ZDRL). Er ist verpflichtet, den Betrag des nicht autorisierten Zahlungsvorgangs zu erstatten und das Konto wieder auf den vorherigen Stand zu bringen. Abweichend davon bestimmt Art. 61 Abs. 1 ZDRL die verschuldensunabhängige Haftung des Zahlers bei nicht autorisierter Nutzung eines Zahlungsinstruments. Art. 61 Abs. 2 ZDRL regelt die Haftung des Zahlers für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge, die dieser in betrügerischer Absicht oder durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer Pflicht aus Art. 56 ZDRL zum Umgang und der Nutzung von Zahlungsinstrumenten herbeigeführt hat. Die Haftung endet erst mit Anzeige (Art. 61 Abs. 4 ZDRL), es sei denn der Zahlungsdienstnutzer handelte in betrügerischer Absicht. Da die ZDRL den Vorsatz nicht definiert, muss sich der Verweis im 33. Erwägungsgrund nach seinem Sinn und Zweck auch auf diesen beziehen. Der Vorsatz ist somit nach dem jeweiligen nationalen Recht zu bestimmen.277 Für die Abgrenzung zur verschuldensunabhängigen Haftung aus Art. 61 Abs. 1 ZDRL278 ist die Definition der groben Fahrlässigkeit erforderlich, so dass der Verweis ins mitgliedstaatliche Recht das Harmonisierungspotential der in Art. 61 ZDRL bestimmten Missbrauchshaftung mindert. Vor allem die Abgrenzung zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit ist schwierig und nicht immer eindeutig.279 Kommen dann noch mitgliedstaatlich unterschiedliche Definitionen und
275
Der Verweis in Art. 60 Abs. 2 ZDRL wird jedoch kritisiert, ihm fehle jede beschränkende Tendenz, so Omlor, in: Staudinger, § 675z BGB Rn. 3. 276 Zur Frage, ob ein bereicherungsrechtlicher Anspruch neben dem des Art. 60 Abs. 1 ZDRL anwendbar ist, siehe weiter unten 4. Kapitel D. I. 1. 277 Omlor, in: Staudinger, § 675v BGB Rn. 22. 278 Der erste Haftungsfall des Art. 61 Abs. 1 ZDRL, der auf die Nutzung eines verloren oder gestohlenen Zahlungsinstruments abstellt, ist vollkommen verschuldensunabhängig, während der zweite Fall der nicht sicheren Aufbewahrung der Sicherheitsmerkmale bereits im objektiven Tatbestand ein subjektives Element enthält, Omlor, in: Staudinger, § 675v BGB Rn. 8. 279 Als Beispiel zur Abgrenzung, BGH, Urteil vom 17. 10. 2000 – XI ZR 42/00-NJW 2001, 286; zur Tendenz der Rechtsprechung in Deutschland banale Versäumnisse und Unaufmerksamkeiten des Nutzers als grob fahrlässig zu werten: Franck/Massari, WM 2009, 1117, 1123.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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voneinander abweichende Einzelfallentscheidungen der Rechtsprechung hinzu, kann es zu größeren Haftungsabweichungen kommen.280 Neben dem Verweis auf den materiellen Begriffsgehalt der Fahrlässigkeit, könnte der 33. Erwägungsgrund auch für die Beweislastregelung der Authentifizierung und Ausführung von Zahlungsvorgängen ins mitgliedstaatliche Recht verweisen. Dafür spricht der Wortlaut, die Feststellung einer möglichen Fahrlässigkeit. Nach Art. 59 Abs. 1 ZDRL muss der Zahlungsdienstleister nachweisen, dass der Zahlungsvorgang authentifiziert281, ordnungsgemäß aufgezeichnet und verbucht war sowie nicht durch einen technischen Zusammenbruch oder eine andere Panne beeinträchtigt wurde. Art. 59 Abs. 2 ZDRL regelt aber sodann, dass eine vom Zahlungsdienstleister aufgezeichnete Nutzung nicht notwendigerweise ausreicht, um nach dem Bestreiten der Autorisierung durch den Zahlungsdienstnutzer die Autorisierung oder eine Pflichtverletzung des Zahlungsdienstnutzers zu beweisen. Diese Formel stellt eine Generalklausel dar, die vom Wortlaut her der mitgliedstaatlichen Umsetzung viel Raum belässt, so dass die adressierten Staaten zu sehr unterschiedlichen Beweislastverteilungen kommen können. Eine Beweislastregel könnte sogar so weit gehen, dass den Zahlungsdienstnutzer die volle Beweislastumkehr trifft, da ein Gegenbeweis zulässig bliebe. Dann wäre nur eine unwiderlegliche Vermutung der Authentifizierung mit Art. 59 Abs. 2 ZDRL unvereinbar.282 Ob dies jedoch dem Sinn und Zweck des Art. 59 Abs. 2 ZDRL, den Zahlungsdienstnutzer zu schützen,283 entspricht, ist fraglich.284 Große Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten ergeben sich jedenfalls daraus, dass der Kommissionsvorschlag von 2005 eine detailliert ausgestaltete Beweislastverteilung285 vorsah, die jedoch dann nicht angenommen wurde. Die ZDRL enthält nun kein detailliertes Beweislastverteilungssystem, sondern lediglich einen Kompromiss in Gestalt einer Generalklausel. Daraus lässt sich folgern, dass der Einsatz der Generalklausel nicht notwendigerweise hier nicht die Flexibilitätsfunktion zur Regelung von Einzelfällen und zur Anpassung gesellschaftlicher Änderungen erfüllen soll, sondern aus dem gesetzgeberischen Kompromiss resultiert. Demnach ließe sich argumentieren, der europäische Gesetzgeber enthalte sich einer europäischen Regelung, um den Mitgliedstaaten die Flexibilität 280 Zur unterschiedlichen Rechtslage in Deutschland, Frankreich, Großbritannien: Wackwitz, Die Zahlungsdiensterichtlinie und ihre Umsetzung, 2013, 178 ff. 281 Die Authentifizierung ist ein technisches Überprüfungsverfahren, dass das Vorliegen einer Autorisierung abklären soll, Legaldefinition in Art. 4 Nr. 19 ZDRL; zum Begriff, Omlor, in: Staudinger, § 675w BGB Rn. 4. 282 Folgerung aus der Ansicht des deutschen Gesetzgebers (BT-Drucks. 16/11643, 114) nach Schinkels, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.) Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 16 Rn. 56. 283 Dies ist auch aus Erwägungsgrund (33) ZDRL zu folgern, der fordert, dass eine vertragliche Beweislasterhöhung für Verbraucher sowie eine vertragliche Verringerung der Beweislast für die kartenausgebende Stelle nichtig sein sollten. 284 Schinkels, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 16 Rn. 56. 285 Art. 48 Kommissionsvorschlag KOM (2005) 603 endgültig, vom 1. 12. 2005, 44.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
der Ausfüllung und letztlich auch die Entscheidungshoheit zu belassen. Die Generalklausel stellt jedoch den Abschluss eines gesetzgeberischen Einigungsprozesses dar und soll der Annährung dienen. Letztere kann nur bei einheitlicher Auslegung erfolgen. Auch wenn die Generalklausel nur einen Mindeststandard enthält, so bedarf dieser doch der Auslegung durch den EuGH. Anhaltspunkte zur Auslegung gibt die Generalklausel nicht notwendigerweise nur beschränkt. Ein Vergleich mit dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag zeigt, dass die Höhe dieses Standards jedenfalls nicht gemeint ist.286 Die Spannbreite bis hin zu einer Beweislast ganz auf Seiten des Zahlungsdienstnutzers ist groß. Damit dürfte eine Auslegung durch den EuGH einen Rückgriff auf das jeweilige nationale Rechtssystem erforderlich machen. Entsprechend seiner Entscheidung Freiburger Kommunalbauten wären die nationalen Gerichte zur Auslegung berufen.287 Eine Option stellt Art. 61 Abs. 1 ZDRL, welcher die verschuldensunabhängige Haftung des Zahlers regelt, bereits durch die Verwendung der Wörter bis höchstens 150 EUR dar. Die Formulierung gibt den Mitgliedstaaten verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten. Von einer verschuldensunabhängigen Haftung in Höhe von 150 Euro bis hin zu einer Haftung nur bei Verschulden können sie alles regeln. Damit handelt es sich um eine gezielte Mindestharmonisierung. Diese Vorschrift führt zum einen für die Zahlungsdienstnutzer zu Rechtsunsicherheit bezüglich ihrer verschuldensunabhängigen Haftung, wobei sie sich aber über den Mindeststandard von 150 Euro sicher sein können. Zum anderen kann sie auch zu Hemmungen der Zahlungsdienstleister führen, in anderen Mitgliedstaaten anzubieten, da sie für jeden Mitgliedstaat eine unterschiedliche Preiskalkulation der Haftungsrisiken vornehmen müssen. Nach Art. 61 Abs. 3 ZDRL haben die Mitgliedstaaten die weitere Option, nicht nur die Haftung nach Art. 61 Abs. 1 ZDRL herabzusetzen, sondern auch diejenige nach Art. 61 Abs. 2 ZDRL, die sich auf grobe Fahrlässigkeit bezieht. Dies bedeutet, dass lediglich die Haftung für betrügerische Absicht und Vorsatz vollharmonisiert ist. Die schwierigen Fälle der Fahrlässigkeit, in gerade denen es mehr Rechtssicherheit bedürfte, bleiben auf dem Stand einer Mindestharmonisierung stehen.288 Eine gewisse Einschränkung erfährt diese Option jedoch dadurch, dass die Mitgliedstaaten bei ihrer Ausübung insbesondere die Art der personalisierten Sicherheitsmerkmale des Zahlungsinstruments und die Umstände, unter denen der Diebstahl oder Miss-
286 Dieser stellte zunächst eine Vermutung beim Vortrag entsprechender Fakten und Umstände zugunsten des Zahlungsdienstnutzers auf und ließ zur Widerlegung eine Aufzeichnung durch den Zahlungsdienstleister allein nicht ausreichen, Art. 48 Abs. 3 Kommissionsvorschlag KOM (2005) 603 endgültig, vom 1. 12. 2005, 44. 287 Grundmann, WM 2009, 1157, 1163; zur unterschiedlichen Rechtslage in Deutschland, Frankreich und Großbritannien: Wackwitz, Die Zahlungsdiensterichtlinie und ihre Umsetzung, 178 ff. 288 Zahlreiche unterschiedliche Varianten zur Umsetzung sind denkbar: Stange, Bargeldloser Zahlungsverkehr und Drittmissbrauchshaftung in Europa, 2009, 164.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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brauch stattgefunden hat, in ihre Erwägungen zur Umsetzung miteinbeziehen müssen. Es fragt sich, ob neben der Haftung aus Art. 61 ZDRL, der den Verlust, den Diebstahl eines Zahlungsinstruments oder ein unsicheres Aufbewahren eines Sicherheitsmerkmals voraussetzt, eine Haftung des Zahlers gegenüber dem Zahlungsdienstleister wegen Missbrauch anderer Verfahren oder Mittel in mitgliedstaatlichem Recht überhaupt noch Bestand haben kann. Die mitgliedstaatlichen Schadensersatzansprüche sind ausgeschlossen, wenn der Regelungsbereich der ZDRL in Bezug auf die gesamte Missbrauchshaftung abschließend ist und das Zahlungsinstrument und das Sicherheitsmerkmal notwendige Voraussetzungen289 für die Haftung des Zahlers wegen Missbrauchs sind. Zahlungsinstrumente müssen nach Art. 4 Nr. 23 ZDRL personalisierte Instrumente und/oder Verfahren sein, die vereinbart wurden und dazu eingesetzt werden können, einen Zahlungsauftrag zu erteilen. Es kommt entscheidend auf die Personalisierung an, die voraussetzt, dass bestimmte Merkmale nur dem Nutzer bekannt oder eigen sind, da sie ihn authentifizieren sollen290. Sicherheitsmerkmale sind dagegen einzelne Teile dieser Zahlungsinstrumente,291 die auch wiederum nur dem Nutzer bekannt sind.292 Nach dieser Definition sind zum Beispiel Überweisungsformulare mit Unterschrift nicht erfasst, da sie jedermann zugänglich sind.293 Gegen einen Ausschluss jeder weiteren Missbrauchshaftung im Zahlungsdiensterecht spricht, dass auch die zuvor statuierten Pflichten in Art. 56 ZDRL und Art. 57 ZDRL lediglich die Pflichten in Bezug auf die Zahlungsinstrumente festlegen. Erst das Vorliegen eines abgeschlossenen Systems lässt ein argumentum e contrario zu.294 Es liegt aber kein abgeschlossenes und vollständiges Pflichten- und Haftungssystem vor, weil es für die Festlegung der Pflichten ganz entscheidend auf vertragliche Vereinbarungen ankommt.295 Da ein Zahler weitere Nebenpflichten zu erfüllen hat, kann die gesetzliche Pflichtfestlegung nur für den Regelungsbereich der Zahlungsinstrumente, nicht aber insgesamt abschließend sein.296 Um die Durchsetzbarkeit der weiteren Nebenpflichten zu gewährleisten, sind nationale Schadensersatzansprüche297 wegen des Missbrauchs 289
Zum Begriff der notwendigen Voraussetzung, Riehm, JZ 2006, 1035 ff. Art. 4 Nr. 19 ZDRL. 291 Art. 4 Nr. 19 ZDRL. 292 Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675j BGB Rn. 7. 293 Überweisungsträger mit Unterschrift sind keine Zahlungsinstrumente im Sinne der ZDRL, Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675j BGB Rn. 7. 294 Baldus, in: Müller-Graff (Hrsg.), Privatrechtsreform in Deutschland und Ungarn, 2009, 139, 149. 295 Auch in Art. 56 Abs. 1 a) ZDRL. 296 Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 125. 297 Ob diese analog der Haftung des Art. 61 ZDRL auszugestalten sind, ist eine Frage des nationalen Rechts; insofern ist Fährlässigkeit ungenügend, so Grundmann, WM 2009, 1109, 1114; eine Analogie ist nach Sprau, in: Habersack/Mülbert/Nobbe (Hrsg.), Bankrechtstag 2009, 107, 119 grundsätzlich vertretbar. 290
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
anderer Verfahren und Mittel als der des Zahlungsinstruments oder Sicherheitsmerkmals weiterhin anwendbar.298 Eine weitere Option enthält Art. 63 Abs. 1 ZDRL. Dieser regelt die Frist für die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach Art. 62 ZDRL, der bei autorisierten Zahlungen, die von oder über einen Zahlungsempfänger ausgelöst wurden, dem Zahler in bestimmten Fällen und bei Vereinbarung auch voraussetzungslos ein Erstattungsrecht zuspricht. Die Vorschrift bestimmt, dass der Zahler die Erstattung innerhalb von acht Wochen ab dem Zeitpunkt der Belastung verlangen kann. Der Wortlaut gibt zunächst Anlass, diese Frist als Ausschlussfrist zu qualifizieren. Da eine Zeitspanne, innerhalb derer der Anspruch verlangt werden kann, vorgegeben ist, ist ein Ausschluss bei außerhalb dieser liegenden Forderungen naheliegend. Stellt man jedoch darauf ab, dass die Mitgliedstaaten diese Möglichkeit nach der Vorschrift sicherzustellen haben, liegt die Auslegung nahe, dass sie auch darüber hinausgehen dürfen. Danach ist diese Vorschrift als Mindestfrist zu qualifizieren.299 Eine längere Frist könnte jedoch erhebliche Probleme für die Vereinheitlichung des Lastschriftverkehrs in der SEPA mit sich bringen.300 Mit der SEPA-Migrationsverordnung sind jedoch mitgliedstaatliche Regelungen, die dem Zahler ein längeres Erstattungsrecht zusprechen, nicht zu erwarten bzw. entsprechend zu ändern301, um die Schuldnerbank nicht zu benachteiligen. Letztere wäre ansonsten zur Rückerstattung an den Schuldner verpflichtet, obwohl sie keine Rückgriffsmöglichkeiten gegen das Inkassoinstitut hätte. Denn das SEPA-Rulebook geht von einem achtwöchigen Erstattungsanspruch aus und bezieht den Rückerstattungsanspruch der Schuldnerbank gegen die Gläubigerbank auch nur auf diese Zeit.302 Auffällig ist, dass Vereinbarungen der Vertragsparteien in diesem Kapitel einen großen Stellenwert einnehmen. So richten sich Form und Verfahren der Zustimmung nach der Parteivereinbarung (Art. 54 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 ZDRL). Die Autorisierung ist horizontal für alle Zahlungsdienste und demnach völlig abstrakt geregelt. Welche Willenserklärung als Autorisierung zu werten ist und vor allem welche Handlung konkludent als Autorisierung gilt, wird nicht geregelt und hängt insbesondere von der vertraglichen Ausgestaltung des Zahlverfahrens ab.303 Auch die Begrenzung der Nutzung des Zahlungsinstruments durch eine Ausgabenobergrenze oder ein Recht 298 Die Frage aufwerfend Grundmann, JZ 2009, 1109, 1114; dafür: Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 125; Omlor, in: Staudinger, Vorbem 88 zu §§ 675c – 676c BGB; auch der deutsche Regierungsentwurf (BT-Drucks. 16/11643, 113) sieht die Missbrauchshaftung nur für die missbräuchliche Nutzung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments als abschließend an. 299 Die Frage aufwerfend Grundmann, WM 2009, 1157, 1160 f.; für eine Mindestfrist Omlor, in: Staudinger, § 675x BGB Rn. 16. 300 So Wandhöfer, EU Payments Integration, 132. 301 Einige Mitgliedstaaten haben diese Vorschrift überschießend umgesetzt und die Erstattungsfrist verlängert, vgl. Wandhöfer, EU Payments Integration, 132. 302 Vgl. SEPA Core Direct Debit Scheme Rulebook, EPC016-06 Version 7.2 Approved Date issued: 4 March 2015 Date effective: 3. April 2015; PT-04.16. 303 Grundmann, WM 2009, 1157, 1162.
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zur Sperrung durch den Zahlungsdienstleister, richten sich nach der Parteivereinbarung (Art. 55 Abs. 1, 2 ZDRL). Diese sehr weiten gesetzlichen Vorgaben lassen genügend Raum für die Weiterentwicklung der Zahlverfahren. Des Weiteren sind die Pflichten des Zahlungsdienstnutzers in Bezug auf Zahlungsinstrumente – mit Ausnahme einer Anzeigepflicht (Art. 56 Abs. 1b) ZDRL) und der Pflicht, alle zumutbaren Vorkehrungen zum Schutz vor unbefugtem Zugriff zu schaffen (Art. 56 Abs. 2 ZDRL) – nicht explizit in Art. 56 ZDRL ausgestaltet, sondern ergeben sich aus den Bedingungen des Zahlungsdienstleisters.304 Die Auflistung der einzelnen Pflichten des Zahlungsdienstnutzers und eine detaillierte Ausgestaltung derjenigen des Zahlungsdienstleisters wäre aus Gründen der Rechtssicherheit sowie zum Schutz der derzeit den Vertragsbedingungen des Zahlungsdienstleisters ausgelieferten Zahlungsdienstnutzer wünschenswert gewesen.305 Es ist aber zu beachten, dass eine Vollharmonisierung mit weitgehender Harmonisierungstiefe der gegenseitigen Pflichten nur sinnvoll ist, wenn auch ein vollharmonisiertes Missbrauchshaftungssystem zur Durchsetzung bereitsteht. Da dies durch die ZDRL nicht erreicht wird, würde es eine ungerechtfertigte Einschränkung der Privatautonomie bedeuten, wenn das Gesetz alle Sorgfaltspflichten abschließend aufzählte. Andersherum lässt sich jedoch nicht genauso argumentieren. Gäbe es eine europarechtliche Einigung zur Missbrauchshaftung, könnte man die fehlende Regelung der Pflichten weiterhin zur Durchsetzung der Privatautonomie befürworten. Somit ist nicht zu kritisieren, dass Art. 56 ZDRL und Art. 57 ZDRL sich lediglich mit den Pflichten in Bezug auf eine Autorisierung durch ein Zahlungsinstrument306 befassen und so eine schriftliche oder auf andere Art und Weise erfolgte Zustimmung nicht miteinschließen.307 Zwei weitere Möglichkeiten der Parteivereinbarung finden sich in den Vorschriften des Erstattungsanspruchs aus Art. 62, 63 ZDRL. Zunächst lässt Art. 62 Abs. 1 UAbs. 4 ZDRL Raum für das voraussetzungslose Erstattungsrecht der SEPABasislastschrift. Diese Vorschrift trägt in Verbindung mit der SEPA-Migrationsverordnung und der in dem Rulebook der europäischen Kreditwirtschaft ausgestalteten SEPA-Basislastschrift zur Vereinheitlichung der Zahlungsinstrumente im europäischen Zahlungsverkehrsmarkt bei. Art. 62 Abs. 3 ZDRL bestimmt die Möglichkeit, durch Parteivereinbarung ein Erstattungsrecht auszuschließen, wenn der Zahler unmittelbar gegenüber seinem Zahlungsdienstleister zugestimmt hat und 304 Omlor, in: Staudinger, Vorbem 21 zu §§ 675c -676c BGB sieht den Regelungsgehalt ebenfalls als begrenzt. 305 Stange, Bargeldloser Zahlungsverkehr und Drittmissbrauchshaftung in Europa, 175 f.; die fehlenden gegenseitigen Sorgfaltspflichten bemängelnd Geva, Yearbook of European Law 2009, 177, 197. 306 Definition in Art. 4 Nr. 23 ZDRL; zum Begriff des Zahlungsinstruments bzw. im deutschen Recht des Zahlungsauthentifizierungsinstruments mit identischer Definition: Schinkels, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 16 Rn. 31; Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675j BGB Rn. 6 f.: nicht der Einsatz von Formularen mit Unterschrift, wie bei der Überweisung; so auch Omlor, in: Staudinger, Vorbem 88 zu §§ 675c – 676c BGB. 307 Geva, Yearbook of European Law 2009, 177, 197.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
ihm Informationen mindestens vier Wochen vor dem Fälligkeitstermin mitgeteilt oder zugänglich gemacht wurden. Diese Vorschrift lässt insbesondere Raum für das deutsche Abbuchungsauftragsverfahren bzw. das SEPA-Firmenlastschriftmandat.308 Die Privatautonomie an diesen Stellen der ZDRL trägt zur Anpassung der nationalen Zahlverfahren bei und ebnet so den Weg für eine europaweite Angleichung der Zahlverfahren. Eine implizite Abweichungsmöglichkeit der Mitgliedstaaten könnte man in der Generalklausel zumutbare Vorkehrungen (Art. 56 Abs. 2 ZDRL), die der Zahlungsdienstnutzer in Bezug auf das Zahlungsinstrument treffen muss, sehen. Der Wortlaut enthält keinen Hinweis auf die Konkretisierungskompetenz. Stellt man jedoch auf das oben gefundene Ergebnis ab, dass die Pflichten des Zahlungsdienstnutzers bezüglich eines Zahlungsinstruments in Art. 56 ZDRL abschließend geregelt sind, ist eine Auslegung durch den EuGH erforderlich. Soll die lediglich mindestharmonisierende Missbrauchshaftung zu einem gewissen Mindeststandard führen, müssen zumindest die Pflichten bezüglich eines Zahlungsinstruments europarechtlich festgelegt sein. Denn ansonsten würde es sich bei Art. 61 Abs. 2 Alt. 2 ZDRL um eine inhaltsleere Hülle handeln. Demnach kommt dem EuGH hier die Konkretisierungskompetenz zu. Der Begriffskern der Zumutbarkeit ist nur sehr vage zu bestimmen und hängt größtenteils von der Parteivereinbarung ab. Da die Generalklausel sehr unkonkret ausgestaltet ist und sich zudem auf Parteivereinbarungen bezieht, ist nur von einer langsam voranschreitenden Harmonisierung auszugehen. Eine weitere Generalklausel enthält Art. 62 Abs. 1 b) ZDRL, der einen gesetzlichen Erstattungsanspruch bei einem von oder über den Zahlungsempfänger ausgelösten Zahlungsvorgang für den Fall statuiert, dass bei der Autorisierung der genaue Betrag nicht angegeben wurde und der Zahlungsvorgang diesen Betrag übersteigt, den der Zahler vernünftigerweise nach seinem bisherigen Ausgabeverhalten, dem Rahmenvertrag und den jeweiligen Umständen erwarten durfte. Wie bereits festgestellt, stellen die in Art. 62 ZDRL geregelten Erstattungsansprüche zwar zu einem großen Teil auf Parteivereinbarungen ab, sind aber ansonsten vollharmonisierend ausgestaltet. Art. 62 Abs. 1 ZDRL kann vertraglich nur im Rahmen des Art. 62 Abs. 3 ZDRL sowie in B2B-Verträgen (Art. 51 Abs. 1 ZDRL) abbedungen werden. Diese vollharmonisierende Rahmenregelung lässt auf eine Konkretisierungskompetenz des EuGH schließen. Der Begriff vernünftigerweise scheint auf den ersten Blick sehr unbestimmt, ist aber aufgrund des Vernunftbezugs, der auf einen sorgfältig und verständigen Zahler schließen lässt,309 gerichtlich voll überprüfbar. Abschließend ist festzustellen, dass dieser Teil der ZDRL in Bezug auf die Missbrauchshaftung in seiner Harmonisierungstiefe beschränkt und nur gezielt mindestharmonisiert ausgestaltet ist. Die Definition des Verschuldens und die Beweislastverteilung sind aufgrund der Verweise durch die Mitgliedstaaten zu regeln. 308 309
Omlor, in: Staudinger, § 675x BGB Rn. 1. Omlor, in: Staudinger § 675x BGB Rn. 6.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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Die Mitgliedstaaten dürfen außerdem die Missbrauchshaftung in anderen Autorisierungsverfahren als denjenigen mit einem Zahlungsinstrument regeln. Bezüglich der Höhe der verschuldensunabhängigen Haftung des Zahlungsdienstnutzers im Fall der Benutzung von Zahlungsinstrumenten sowie für die Haftung für grobe Fahrlässigkeit liegt nur ein Mindeststandard vor. Die Mitgliedstaaten haben die Regelungskompetenz für die Verjährung der Ansprüche des Zahlungsdienstnutzers aufgrund von nicht autorisierten oder fehlerhaften Zahlungsvorgängen im Fall einer Anzeige gemäß Art. 58 ZDRL. Folgeansprüche der Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge fallen ebenfalls in die Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten. Man kann jedoch davon ausgehen, dass bei diesen lediglich das Verhältnis zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer betreffenden Regelungen, die Auswirkungen auf den Markt eher gering sind. Die fehlende umfassende Ausgestaltung der Pflichten der Vertragsparteien und damit die mangelnde Harmonisierungstiefe in diesem Regelungsbereich sind nicht zu kritisieren, da eine weitergehende Regelung durch die ZDRL die Privatautonomie mangels Missbrauchshaftungsregimes zu weit einschränken würde. Dagegen gestaltet die ZDRL die Vorschriften zum Erstattungsanspruch mit Ausnahme der achtwöchigen Mindestfrist aus Art. 63 Abs. 1 ZDRL detailliert vollharmonisierend aus.310 Gleichzeitig sind die Vorschriften auf die SEPA-Produkte zugeschnitten, was insbesondere durch die Technik der Parteivereinbarungen ermöglicht wird. Die Auslegung der Generalklauseln zumutbare Vorkehrungen aus Art. 56 Abs. 2 ZDRL und vernünftigerweise aus Art. 62 Abs. 1 b) ZDRL ist dem EuGH überlassen, so dass auch hier ein gewisses Harmonisierungspotential der ZDRL besteht. IV. Zahlungsaufträge und transferierte Beträge Das dritte Kapitel Ausführung von Zahlungsvorgängen gliedert sich in drei Abschnitte: Zahlungsaufträge und transferierte Beträge, Ausführungsfrist und Wertstellungdatum, Haftung bei Fehlern der Ausführung. Der erste Abschnitt legt den Zeitpunkt des Eingangs eines Zahlungsauftrags fest, welcher für die in Art. 69 ZDRL geregelte Ausführungsfrist relevant ist. Außerdem regelt er, dass der Zahlungsauftrag nach seinem Eingang grundsätzlich unwiderruflich ist. Die Pflicht des Zahlungsdienstleisters, einen Zahlungsauftrag auszuführen und eine Unterrichtungspflicht des Zahlungsdienstleisters bei Ablehnung der Ausführung sind ebenfalls normiert. Zudem besteht die grundsätzliche Pflicht, einen Betrag zu transferieren ohne Entgelte abzuziehen. Durchsetzungsmöglichkeiten der Pflichten des Zahlungsdienstleisters sind nicht geregelt, so dass diese weiterhin dem mitgliedstaatlichen Recht gemäß Art. 81 Abs. 1 ZDRL überantwortet bleiben. 310
Für eine Überprüfung des Erstattungsrechts der Richtlinie aufgrund der Einführung der SEPA-Produkte: Wandhöfer, EPC Newsletter, LEGAL AND REGULATORY ISSUES, The 2012 Payment Services Directive Review: Too Much too Soon?, abrufbar unter: http://www.eur opeanpaymentscouncil.eu/article.cfm?articles_uuid=6A32C78E-5056-B741-DB70C82124 908EDE [Stand: 24. 10. 2016].
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Der Abschnitt Zahlungsaufträge und transferierte Beträge enthält einen Verweis ins mitgliedstaatliche Recht in Art. 65 Abs. 2 ZDRL, der die Pflicht des Zahlungsdienstleisters statuiert, einen autorisierten Zahlungsauftrag nicht abzulehnen, sofern dies nicht gegen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder der Mitgliedstaaten verstößt. Mit diesen Rechtsvorschriften sind Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus gemeint.311 Aufgrund der Gesetzesausführung durch die Mitgliedstaaten muss diese Ausnahme zur Effektivität der Strafverfolgung auf mitgliedstaatlichen Vorschriften beruhen, führt aber zu keinem großen Harmonisierungsverlust im Vertragsrecht der Zahlungsdienste. Einige Abweichungen durch Parteivereinbarungen sind zugelassen. Haben die Parteien einen bestimmten Termin für die Ausführung vereinbart, so gilt dieser für die Berechnung der Ausführungsfrist nach Art. 69 ZDRL als Eingangszeitpunkt. Die Ausführungspflicht in Art. 65 Abs. 2 ZDRL hat die Erfüllung der im Rahmenvertrag festgelegten Bedingungen zur Voraussetzung, so dass auch diese auf eine vertragliche Vereinbarung bezogen und nicht konkret durch die Richtlinie ausgestaltet ist. Nach Art. 66 Abs. 5 ZDRL können die Parteien die Widerrufsfristen der Art. 66 Abs. 1 bis 4 ZDRL vertraglich verlängern, wobei im Fall eines von oder über einen Zahlungsempfänger ausgelösten Zahlungsauftrags sowie bei einer Lastschrift auch der Zahlungsempfänger zustimmen muss. Für die Verlängerung der Widerrufsfrist ist zudem eine Entgeltvereinbarung zulässig. Nach Art. 51 Abs. 1 ZDRL können Unternehmen die Vorschriften zur Unwiderruflichkeit ganz oder teilweise abbedingen. Zahlungsdienstleister und Empfänger dürfen von dem grundsätzlichen Verbot des Entgeltabzugs durch den Zahlungsdienstleister gemäß Art. 67 Abs. 2 ZDRL in ihrer Vereinbarung abweichen. Die Pflichten zur Ausführung der Zahlungsaufträge sowie zur Unterrichtung bei Ablehnung sind jedoch nicht abdingbar und somit als einzige der Vorschriften dieses Abschnitts für alle Vertragsparteien zwingend. Allerdings ist eine Entgeltvereinbarung für eine sachlich gerechtfertigte Ablehnung zulässig. Mitgliedstaatliche Abweichungsmöglichkeiten bestehen in diesem Teil der ZDRL nicht. Die vielen Möglichkeiten der Parteivereinbarung führen zu einem sehr flexiblen Recht. Wirklich vereinheitlicht wird lediglich das Verbot des Entgeltabzugs mit einer Ausnahme in dem Verhältnis zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsempfänger. V. Ausführungsfrist und Wertstellungsdatum Im zweiten Abschnitt des dritten Kapitels sind die Ausführungsfrist und das Wertstellungsdatum geregelt. Sein Anwendungsbereich ist nicht durch Art. 68 ZDRL eingeschränkt. Dieser bestimmt nur, dass für bestimmte, aufgelistete Situationen die Regelungen zwingend, für andere abdingbar sind. Die Ausführungsfrist für den Zahlungsdienstleister des Zahlers, innerhalb der er den Betrag des Zahlungsvorgangs dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Empfängers gutzu311
Erwägungsgrund (11) und (29); BT-Drucks. 16/11643, 108.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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schreiben hat, beträgt einen Tag ab Eingang des Zahlungsauftrags. Die Wertstellung und Verfügbarmachung durch den Zahlungsdienstleister des Empfängers richtet sich nach Art. 69 Abs. 2, Art. 73 ZDRL. Für eine Gutschrift hat die Wertstellung spätestens an demselben Geschäftstag zu erfolgen, an dem der Zahlungsdienstleister selbst den Betrag empfangen hat. Die Zurverfügungstellung ist unverzüglich vorzunehmen. Im Fall einer Belastung ist die Wertstellung frühestens mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Belastung des Zahlungskontos sicherzustellen. Hat der Zahlungsempfänger kein Konto, gelten die Fristen nach Art. 69, 72 Abs. 1 ZDRL für die Verfügbarmachung entsprechend. Die Übermittlungsfrist zwischen dem Zahlungsdienstleister des Empfängers und dem Zahlungsdienstleister des Zahlers bei vom Zahlungsempfänger oder über diesen ausgelösten Zahlungsaufträgen, muss innerhalb der zwischen Zahlungsempfänger und dessen Zahlungsdienstleister vereinbarten Frist liegen. Zudem wird der Sonderfall der Bargeldeinzahlung geregelt, bei dem die Wertstellung und Verfügbarmachung für eine Einzahlung durch einen Verbraucher unverzüglich nach Entgegennahme und bei einem Nichtverbraucher nach einem Tag zu erfolgen hat. Verweise in das mitgliedstaatliche Recht finden sich in diesem Abschnitt keine. Jedoch gibt es eine Reihe von Optionen. Zunächst hat die Ausführung zwischen dem Zahlungsdienstleister des Zahlers und dem Zahlungsdienstleister des Empfängers nach dem Eingangszeitpunkt spätestens am Ende des folgenden Geschäftstags zu erfolgen (Art. 69 Abs. 1 ZDRL), so dass auch eine noch an dem Tag des Eingangs des Zahlungsauftrags zu erfolgende Ausführung durch die Mitgliedstaaten vorgeschrieben werden kann.312 Für eine solche Auslegung spricht auch der 43. Erwägungsgrund, der eine Frist von maximal einem Tag benennt. Dass aber eine Einschränkung der Frist nicht nur durch Parteivereinbarung, sondern bereits durch die Mitgliedstaaten zulässig ist, wird auch hier nicht deutlich. Stellt man auf den Sinn und Zweck der Vorschriften zu den Ausführungsfristen, den Zahlungsverkehr zu beschleunigen,313 ab, so steht einer Verkürzung der Ausführungsfristen durch die Mitgliedstaaten nichts entgegen. Allerdings könnte eine solche Einschränkung im Binnenmarkt des Zahlungsverkehrs zu praktischen Schwierigkeiten führen, da die Zahlungsdienstleister in jedem Mitgliedstaat gesonderten Fristen unterworfen wären und gerade die Ausführungsfristen nur durch Kooperation mit anderen Zahlungsdienstleistern eingehalten werden können. Unterschiedlich lange Ausführungsfristen würden eine Vereinbarung verkomplizieren. Somit steht das Ziel der Binnenmarktförderung einer weiten Auslegung der Umsetzungsmöglichkeit entgegen, zumal die in Art. 72 ZDRL für den 312
Es kam sogar zur überschießenden Umsetzung in einigen Mitgliedstaaten, die eine Ausführung noch an demselben Tag des Eingangs des Zahlungsauftrags in dem Fall vorschreiben, in dem der Zahlungsdienstleister des Zahlers mit demjenigen des Zahlungsempfängers identisch ist, Wandhöfer, EU Payments Integration, 132. 313 Erwägungsgrund (43) ZDRL: Im Interesse einer zügigeren gemeinschaftsweiten Abwicklung von Zahlungen.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
Inlandsverkehr geregelte Abweichungsmöglichkeit ins Leere liefe, wäre den Mitgliedstaaten auch für grenzüberschreitende Zahlungsvorgänge schon die Festsetzung kürzerer Ausführungsfristen erlaubt.314 Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten scheinbar für in Papierform ausgelöste Zahlungsvorgänge die Frist um einen Geschäftstag verlängern können (Art. 69 Abs. 1 S. 3 ZDRL). Jedoch könnte es sich auch hier lediglich um eine Option der Parteien und nicht der Mitgliedstaaten handeln. Für eine Abweichungsmöglichkeit der Parteien spricht die Beschleunigung des Zahlungsverkehrs im Binnenmarkt, welche durch eine von vornherein von den Mitgliedstaaten verlängerte Frist wesentlich weniger gefördert würde als bei der Verlängerung nur durch abweichende Parteivereinbarung, so dass mangels Vereinbarung die kürzere Frist zur Anwendung käme. Somit liegt auch in Art. 69 Abs. 1 Satz 3 ZDRL keine Option der Mitgliedstaaten. Art. 72 ZDRL überlässt es den Mitgliedstaaten, für inländische Zahlungsvorgänge kürzere Ausführungsfristen vorzusehen. Somit setzt die ZDRL einen Mindeststandard, der nur für den inländischen Zahlungsverkehr überschritten werden darf. Kürzere Ausführungsfristen für nationale Zahlungsvorgänge sind demnach zulässig, jedoch führen die bereits als Mindeststandard gesetzten kurzen Fristen zu einem sehr beschränkten Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten, denen lediglich die Möglichkeit verbleibt, die Ausführung noch am Tag des Zahlungsauftragseingangs vorzuschreiben oder die unverzügliche Vornahme zu fordern. Ferner können die Mitgliedstaaten die kürzeren Ausführungsfristen von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen, wie beispielsweise von der Identität des Zahlungsdienstleisters des Zahlers und Empfängers. Für die Wertstellung (Art. 73 ZDRL) gilt zunächst wieder der Vollharmonisierungsansatz. Jedoch gebraucht der europäische Gesetzgeber die Ausdrücke spätestens sowie frühestens, die den Mitgliedstaaten möglicherweise Umsetzungsspielräume lassen. Zudem schreibt Art. 71 S. 2 ZDRL eine Wertstellung und Verfügbarmachung für einen Zahlungsdienstnutzer, der Nichtverbraucher ist, spätestens an dem auf die Entgegennahme folgenden Geschäftstag vor. Ebenso wie für die Ausführungsfristen spricht jedoch das Binnenmarktargument gegen einen Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten. Zudem wird in den Fragen und Antworten zur ZDRL, die unverbindlich den Standpunkt der Kommission wiedergeben, auch auf die vertragliche im Gegensatz zur mitgliedstaatlichen Verkürzung der Frist Bezug genommen.315 Die Bedeutung der Wertstellungs- und Verfügbarkeitsvorschriften ist daran erkennbar, dass Art. 73 ZDRL nicht vertraglich abdingbar ist316. 314 Ebenso eine Vollharmonisierung der Ausführungsfristen annehmend Grundmann, WM 2009, 1109, 1115. 315 Payment Services Directive 2007/64/EC, Questions and answers, FAQ 1, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/payments/docs/framework/transposition/faq_en.pdf [Stand: 24. 10. 2016]. 316 Art. 68 Abs. 2 ZDRL; auch nicht für Unternehmer, Art. 51 Abs. 1 ZDRL.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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Für andere als die in Art. 68 Abs. 1 ZDRL aufgelisteten Zahlungsvorgänge können die Parteien die Ausführungsfristen – nicht die Wertstellungsfristen nach Art. 73 ZDRL – abbedingen (Art. 69 Abs. 2 S. 1 ZDRL). Sie dürfen jedoch vier Geschäftstage nach dem Zeitpunkt des Eingangs nicht überschreiten (Art. 68 Abs. 2 S. 2 ZDRL). Für vom oder über den Zahlungsempfänger ausgelöste Zahlungsaufträge gleicht sich die Übermittlungsfrist zwischen den Zahlungsdienstleistern an die Parteivereinbarung notwendigerweise an. Das Harmonisierungspotential der Ausführungs- und Wertstellungsvorschriften ist für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr im Binnenmarkt sehr groß. Es besteht lediglich eine einzige Option, die nur für den Inlandszahlungsverkehr gilt (Art. 72 ZDRL). Sie führt zu einer Mindestharmonisierung der Ausführungsfristen innerstaatlicher Zahlungsvorgänge. Aufgrund der kurzen Fristen bleibt den Mitgliedstaaten aber auch hier nur ein geringer Abweichungsspielraum. Die besonders technischen Regelungen zu den Fristen sind präzise ausgestaltet und grenzen den Verhandlungsspielraum der Parteien eng ein, so dass sie lediglich die Möglichkeit haben, die Ausführung und Wertstellung an dem Tag des Eingangs oder unverzüglich zu vereinbaren. Die Fälle, in denen den Parteien ein Abweichen von den Ausführungsfristen gemäß Art. 68 Abs. 2 ZDRL gestattet ist, sind sehr begrenzt. Außerdem setzt die Richtlinie auch hier eine Obergrenze von vier Geschäftstagen. Insbesondere im Vergleich zur Überweisungsrichtlinie ist der Harmonisierungsgrad sehr hoch. Denn die Überweisungsrichtlinie enthielt keine zwingenden Regeln zu den Ausführungsfristen, sondern setzte nur Fristen im Fall einer fehlenden Parteivereinbarung. Die Frist betrug fünf Bankgeschäftstage für die Ausführung und einen Bankgeschäftstag für die Gutschrift.317 Die Ausführungsfristen für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr sowie die Wertstellung und Verfügbarmachung für den gesamten europäischen Zahlungsverkehr regelt die ZDRL jetzt vollharmonisierend mit nur sehr eingeschränkten Abweichungsmöglichkeiten der Parteien. VI. Haftung Der dritte Abschnitt regelt die Haftung der Zahlungsdienstleister für die nicht erfolgte oder fehlerhafte Ausführung. Dabei sind Ausführungen nach dem vom Zahlungsdienstnutzer falsch angegebenen Kundenidentifikator nicht als fehlerhaft anzusehen, so dass der Zahlungsdienstleister in diesem Fall nicht nach Art. 75 ZDRL haftet. Die Haftung wird gesondert für Zahlungsaufträge, die vom Zahler ausgelöst werden und die vom Zahlungsempfänger oder über diesen ausgelöst werden, bestimmt und ist verschuldensunabhängig. Es haftet stets zunächst der Zahlungsdienstleister gegenüber seinem den Zahlungsauftrag auslösenden Kunden. Hat der Zahlungsdienstleister seine Pflichten jedoch erfüllt – der Zahlungsdienstleister des 317
Art. 6 Abs. 1, 2 Überweisungsrichtlinie.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
Zahlers die Ausführung gemäß Art. 69 Abs. 1 ZDRL und der Zahlungsdienstleister des Empfängers die Übermittlung gemäß Art. 69 Abs. 3 ZDRL und Wertstellung sowie Verfügbarmachung nach Art. 73 ZDRL – so haftet der jeweilige andere Zahlungsdienstleister seinem Nutzer. Bei der Haftung des Zahlungsdienstleisters des Zahlers trägt der Zahlungsdienstleister die Beweislast für den Eingang des Betrags beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers (Art. 75 Abs. 1 ZDRL es sei denn), dem entscheidenden Punkt des Haftungsübergangs. Bis zu diesem Zeitpunkt haftet der Zahlungsdienstleister des Zahlers für alle zwischengeschalteten Institute verschuldensunabhängig (Art. 75 Abs. 1, Abs. 2 ZDRL). Rechtsfolge der Haftung des Zahlungsdienstleisters des Zahlers ist die Rückerstattung des Betrags, während die Rechtsfolge der Haftung des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers die Erfüllung seiner Pflichten ist. Beide Zahlungsdienstleister trifft zudem auf Verlangen des jeweiligen Nutzers eine Pflicht zur unverzüglichen Rückverfolgung des Zahlungsvorgangs und zur Unterrichtung über das Ergebnis (Art. 75 Abs. 1 UAbs. 4 ZDRL, Art. 75 Abs. 2 UAbs. 4 ZDRL). Außerdem haften sie gegenüber ihren jeweiligen Zahlungsdienstnutzern für von ihnen zu verantwortende Entgelte und Zinsen, die infolge der nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung in Rechnung gestellt wurden. Des Weiteren ist ein Regressanspruch der haftenden Zahlungsdienstleister gegen in der Kette zwischengeschaltete Zahlungsdienstleister geregelt (Art. 77 ZDRL). Einen Haftungsausschluss für die Haftung nach dem zweiten und dritten Kapitel bei ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Ereignissen sowie anderen den Zahlungsdienstleister bindende Verpflichtungen des einzelstaatlichen Rechts oder des Unionsrechts bestimmt Art. 78 ZDRL. Art. 78 ZDRL enthält einen Verweis ins mitgliedstaatliche Recht, der den Ausschluss der Haftung eines Zahlungsdienstleisters durch andere Verpflichtungen nach dem Recht der Mitgliedstaaten erlaubt. Dieser Verweis erfasst gerichtliche Pfändungsbeschlüsse oder sonstige hoheitliche Anordnungen sowie Eingriffsbefugnisse im Rahmen der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus318,319, welche nach mitgliedstaatlichem Recht ergehen müssen, da die Mitgliedstaaten diejenigen sind, die zum größten Teil die Gesetze – auch die auf EU-rechtlichen Vorschriften beruhenden – ausführen. Insofern ist dieser Verweis zur Effektivität der mitgliedstaatlichen Gesetzesvollziehung notwendig. Ein weiterer Verweis findet sich in Art. 76 ZDRL. Dieser bestimmt, dass sich finanzielle Entschädigungen, die über diesen Abschnitt hinausgehen, auch aus dem anwendbaren einzelstaatlichen Recht ergeben können. Eine darüber hinausgehende finanzielle Entschädigung meint einen in den wirtschaftlichen Rechtsfolgen weitergehenden Anspruch auf Schadensersatz.320 Damit verweist Art. 76 ZDRL nicht auf Ansprüche auf Erstattung des Betrags oder auf Zinsen und Entgelte. Fraglich ist, ob er auch nicht auf Schadensersatzansprüche wegen verzögerter Zahlung verweist, 318 319 320
Erwägungsgrund (11), (29), (58) ZDRL. Omlor, in: Staudinger, § 676c BGB Rn. 4. Zur deutschen Umsetzung: Omlor, in: Staudinger, § 676z BGB Rn. 4.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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ob diese also von Art. 75 ZDRL erfasst sind. Leider fehlt eine Definition der fehlerhaften Ausführung. Der Wortlaut des Art. 75 ZDRL lässt die Erfassung der verzögerten Zahlung ohne Probleme zu. Auch nach der systematischen Stellung des Art. 75 ZDRL – nach dem Abschnitt zu den Ausführungsfristen und nach dem Verweis auf diese in Art. 75 Abs. 1 ZDRL – ist von der Erfassung dieses Falls auszugehen.321 Dafür spricht auch die Forderung im 47. Erwägungsgrund ZDRL, der Zahlungsdienstleister des Zahlers solle für die fristgerechte Ausführung haften. Die weite Formulierung des Art. 75 ZDRL und der Verzicht auf die Bildung einzelner gesetzlicher Fallgruppen wie der Zuviel-, Zuwenig-, Zuspätüberweisung sowie der Fehlleitung lässt darauf schließen, dass hier gerade eine abstrakt alle Fälle erfassende Regelung bezweckt ist.322 Die Mitgliedstaaten können somit aufgrund des Verweises in Art. 76 ZDRL nur die Ansprüche auf entgangenen Gewinn wegen Auflösung eines anderen Rechtsgeschäfts323 oder Ansprüche für die Verletzung von Nebenpflichten wie Aufklärungs-, Hinweis-, Warn- oder Schutzpflichten weiterhin national unterschiedlich regeln.324 Für den Bereich der Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht erfolgte oder fehlerhafte Ausführung liegt aber bezüglich der Rechtsfolgen der Erstattung des Betrags sowie der Pflichten zur Übermittlung, Zurverfügungstellung und Wertstellung eine Vollharmonisierung vor. Damit sind die Basisansprüche des Verhältnisses zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer wegen nicht erfolgter oder fehlerhafter Ausführung geregelt. Art. 75 ZDRL erfasst die Folgeansprüche deshalb nicht, da sie einen engen Bezug zum allgemeinen Vertragsrecht haben. Art. 77 Abs. 1 ZDRL regelt die Regressansprüche des Zahlungsdienstleisters gegen andere Zahlungsdienstleister und zwischengeschaltete Stellen. Er bezieht sich in seiner Rechtsfolge auf die Haftung des Zahlungsdienstleisters nach Art. 75 ZDRL. Allerdings wird bereits für das Bestehen des Regressanspruchs, das heißt für dessen Voraussetzungen, auf anderweitige Festlegungen verwiesen. Art. 77 Abs. 1 ZDRL setzt das Bestehen eines Regressanspruchs voraus und bestimmt nur den Umfang des Anspruchs durch Verweis auf Art. 75 ZDRL. Es kommen mitgliedstaatlich normierte Regressansprüche325, aber vor allem vertraglich zwischen den Zahlungsdienstleistern vereinbarte Ansprüche in Betracht.326 In der Rechtsfolge weitergehende mitgliedstaatliche und vertragliche Regressansprüche, die sich zum Beispiel auf die aufgrund des Verweises in Art. 76 ZDRL anwendbaren mitgliedstaatlichen Schadensersatzansprüche beziehen, sind zulässig. Dies ist nur konsequent, will man einen umfassenden Haftungsausgleich für die gegenüber den Nutzern ohne Verschulden 321 So auch Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 48 Rn. 45; Schinkels, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 16 Rn. 59. 322 Zur deutschen Umsetzung, Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 48. 323 Zur deutschen Umsetzung, Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675z BGB Rn. 2. 324 Zur deutschen Umsetzung, Omlor, in: Staudinger, § 675z BGB Rn. 7. 325 Dann könnten sogar ohne vertragliche Beziehungen Regressansprüche anfallen, vgl. Grundmann, WM 2009, 1109, 1116. 326 Vgl. für eine vertragliche Bestimmung Erwägungsgrund (47) ZDRL.
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
verantwortlichen Zahlungsdienstleister schaffen und damit deren Vertrauen in das aus Vertragsnetzen bestehende System der Zahlungsdienste stärken. Die Harmonisierungswirkung des Art. 77 ZDRL ist folglich aufgrund seiner Verweise bezüglich der Anspruchsvoraussetzungen in Abs. 1 und bezüglich der weitergehenden Rechtsfolgen gering. Harmonisiert wird im Endeffekt nur, dass ein Regressanspruch, der auf den Ersatz der nach Art. 75 ZDRL erstatteten Schäden zielt, alle diese Schäden umfassen muss. Da jedoch die Voraussetzungen des Regressanspruchs gar nicht harmonisiert sind und – stellt man auf den gesamten Regelungsbereich der Regressansprüche ab – die Mitgliedstaaten auch bezüglich der Rechtsfolgen darüber hinausgehen können, kann man nicht von einer Vollharmonisierung, sondern nur von einer Mindestharmonisierung sprechen. Eine Möglichkeit zur Abweichung durch Parteivereinbarung findet sich in Art. 74 Abs. 2 UAbs. 3 ZDRL. Er lässt eine Entgeltvereinbarung für die Wiederbeschaffung eines aufgrund fehlerhaften Kundenidentifikators fehlgeleiteten Betrags zu. Zudem können die Parteien Art. 75 ZDRL gemäß Art. 51 Abs. 1 ZDRL abbedingen, wenn der Zahlungsdienstnutzer kein Verbraucher ist. Eine Beeinträchtigung der Harmonisierungswirkung ist durch diese Vorschrift jedoch nicht zu erwarten. Implizite Ermessensspielräume könnten sich für die Mitgliedstaaten aus Art. 74 Abs. 2 UAbs. 2 ZDRL ergeben. Hier wird eine Pflicht des Zahlungsdienstleisters festgeschrieben, sich zur Wiedererlangung eines aufgrund eines fehlerhaften Kundenidentifikators fehlgeleiteten Betrags zu bemühen. Dies aber nur sofern es ihm vernünftigerweise zugemutet werden kann. Aufgrund der in Art. 74 ZDRL klaren Regelung, dass ein solcher Zahlungsvorgang nicht als fehlerhaft anzusehen ist, ist hier von einer Konkretisierungskompetenz des EuGH auszugehen. Dies dient dem Kundenschutz, auf den sich die Nutzer verlassen können müssen, will man den europäischen Zahlungsverkehrsmarkt vorantreiben. Eine weitere auslegungsbedürftige Generalklausel findet sich in Art. 78 ZDRL, die einen Haftungsausschluss für ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse statuiert. Dieser Ausschlussgrund bezieht sich auf die harmonisierten Haftungsvorschriften, die bis auf Art. 61 ZDRL alle der Vollharmonisierung unterliegen. Es wäre widersinnig, diese durch einen mitgliedstaatlich bestimmten Ausschlussgrund abzuschwächen. Außerdem spricht für die Konkretisierungskompetenz des EuGH, dass zunächst in dem Kommissionsvorschlag327 von höherer Gewalt die Rede war, dann aber laut Bundestagsdrucksache328 in den Verhandlungen aufgrund der unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Definitionen die jetzige Formulierung angenommen wurde. Der Wortlaut gibt aber Anhaltspunkte zur Begriffsbestimmung. So ist der Begriff ungewöhnlich auf die Häufigkeit des Auftretens eines Ereignisses bezogen. Die Unvorhersehbarkeit kann aus der Sicht eines objektiven und verständigen
327 Mitteilung der Kommission, Ein neuer Rechtsrahmen für den Zahlungsverkehr im Binnenmarkt, vom 2. 12. 2003, KOM (2003) 718 endgültig, 57. 328 BT-Drucks. 16/11643, 119.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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Dritten bestimmt werden.329 Demzufolge sind hier keine großen Harmonisierungseinbußen vorherzusehen. Optionen sind in diesem Abschnitt nicht enthalten. Der Harmonisierungsgrad der Vollharmonisierung bezieht sich auf die Haftung für die nicht erfolgte oder fehlerhafte Ausführung sowie die Bestimmung, die den Kundenidentifkator als maßgeblich für die Ausführung der Zahlungsaufträge festlegen und größtenteils auf den Haftungsausschluss nach Art. 78 ZDRL. Folgeschäden sind aufgrund ihres engen Bezugs zum Vertragsrecht der Mitgliedstaaten nicht harmonisiert. Der Regressanspruch unterfällt der Mindestharmonisierung. Stellt man hier jedoch auf das Ziel der ZDRL ab, die Rechtsbeziehungen zwischen Zahlungsdienstleister und -nutzer zu regeln,330 so schmälert die Mindestharmonisierung des ohnehin nicht direkt in den Zielbereich fallenden Regressanspruchs nicht die Harmonisierungswirkung der ZDRL. VII. Datenschutz Das vierte und fünfte Kapitel betrifft nicht das materielle Vertragsrecht, gehört aber dennoch zum Titel IV der Rechte und Pflichten bei der Erbringung und Nutzung von Zahlungsdiensten, da es deren Durchsetzung dienen soll. Die Verarbeitung personenbezogener Daten wird den Zahlungsdienstleistern und Zahlungssystemen zur Verhütung, Ermittlung und Feststellung von Betrugsfällen im Zahlungsverkehr gestattet. Bezüglich des Datenschutzes verweist die ZDRL auf die europäische Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, so dass hier keine Einschränkung der Harmonisierungswirkung zu erwarten ist. VIII. Außergerichtliche Beschwerdeverfahren und Streitbeilegungsverfahren Für die außergerichtlichen Beschwerde- und Streitbeilegungsverfahren überträgt die ZDRL viele explizite Regelungskompetenzen auf die Mitgliedstaaten. Zunächst müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 80 Abs. 1 ZDRL Verfahren vorhalten, die es Zahlungsdienstnutzern und anderen interessierten Parteien – Verbraucherverbände eingeschlossen – ermöglichen, wegen Verstößen der Zahlungsdienstleister gegen die Umsetzungsvorschriften der ZDRL Beschwerde einzulegen. Demnach sind bereits die Beschwerdeführer, der Beschwerdegegner und Beschwerdegrund näher durch die ZDRL bestimmt, so dass den Mitgliedstaaten nur noch die Verfahrensregelung bleibt. Art. 80 Abs. 2 ZDRL verweist darauf, dass das innerstaatliche Prozessrecht und das Recht, Klage zu erheben, nicht durch die Richtlinie berührt sind. Bezüglich 329
Zur deutschen Umsetzung Omlor, in: Staudinger, § 676c BGB Rn. 3. Erwägungsgrund (47) ZDRL: Diese Richtlinie sollte nur die vertraglichen Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und seinem Zahlungsdienstleister zum Gegenstand haben. 330
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
der Sanktionen für Verstöße gegen die Umsetzungsbestimmungen der ZDRL wird den Mitgliedstaaten in Art. 81 Abs. 1 ZDRL die Regelungskompetenz übertragen. Sanktionen sind nur in einem Beschwerdeverfahren durch eine zuständige Behörde möglich.331 Sie müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die zuständigen Behörden sollen ebenfalls von den Mitgliedstaaten festgelegt werden. Art. 82 Abs. 2 ZDRL enthält für Verstöße gegen Titel III und IV eine Konkurrenzregelung. Zuständig sind danach die Behörden des Herkunftsmitgliedstaats des Zahlungsdienstleisters. Im Fall von Agenten und Zweigniederlassungen erfolgen die Sanktionen durch die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats. Für die außergerichtliche Streitbeilegung existiert ebenfalls eine explizite Regelungsübertragung, die den Mitgliedstaaten aufträgt, angemessene und wirksame außergerichtliche Beschwerde- und Streitbeilegungsverfahren einzurichten. Bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten müssen sie zudem eine aktive Zusammenarbeit sicherstellen. Diese expliziten Regelungsübertragungen schließen ihren Inhalt vom Regelungsbereich der Richtlinie nicht aus und sollen sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten zur Umsetzung einer entsprechenden Regel verpflichtet sind. Sie enthalten jedoch selbst kein System, sondern sind vollständig auf das mitgliedstaatliche Recht angewiesen, so dass sie nicht mehr als verbindliche Leitlinien332 für die Schaffung eines effizienten Systems durch die jeweiligen Mitgliedstaaten darstellen. Für Unternehmen, die auch die Kosten möglicher Rechtsverstöße in ihre Preiskalkulationen einbeziehen, sind solche Abweichungen besonders relevant. Hinzu kommen mögliche Umgehungen des materiellen Richtlinienrechts durch besondere prozessuale Rechtsetzung, welche einer Rechtsvereinheitlichung zuwiderliefe und damit als richtlinienwidrig beurteilt werden müsste.333 IX. Die Generalklauseln „angemessenes Entgelt“ und „unverzüglich“ Zu untersuchen ist, ob die Konkretisierungskompetenz für die in der ZDRL häufig verwendeten Generalklauseln angemessenes Entgelt und unverzüglich beim EuGH oder den Mitgliedstaaten liegt. Die Generalklausel der Unverzüglichkeit findet sich zum einen in Vorschriften, die unverzügliche Informationsmitteilungen fordern (Art. 41 Abs. 2, Art. 47 Abs. 1, Art. 48 Abs. 1 ZDRL), sowie in der Pflicht des Zahlungsdienstleisters der unverzüglichen Unterrichtung über die Sperrung (Art. 55 Abs. 3 ZDRL), in der Pflicht des 331
Omlor, in: Staudinger, Vorbem 30 zu §§ 675c – 676c BGB. Geva, Yearbook of European Law 2009, 177, 191. 333 Vgl. das Beispiel der Verlängerung der Widerrufsfrist bei verspäteter Belehrung als Sanktion im Referentenentwurf der Verbraucherkreditrichtlinie, welche Riehm/Schreindorfer, GPR 2008, 244, 248 aufgrund der Erweiterung richtlinienimmanenter Sanktionen als richtlinienwidrig einstufen. 332
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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Zahlungsdienstnutzers zur unverzüglichen Anzeige bei nichtautorisierter Nutzung des Zahlungsinstruments (Art. 56 Abs. 1 b), Art. 58 ZDRL), in der Pflicht zur unverzüglichen Erstattung des Zahlungsbetrags durch den Zahlungsdienstleister für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge (Art. 60 Abs. 1 ZDRL), in der unverzüglichen Verfügbarmachung und Wertstellung (Art. 71, Art. 73 Abs. 1 UAbs. 2 ZDRL) sowie in der unverzüglichen Erstattung, Verfügbarmachung und Zurückverfolgung sowie Unterrichtung bei nicht erfolgter oder fehlerhafter Ausführung (Art. 75 ZDRL). In keinem der Fälle bestimmt die ZDRL explizit, wer für die Konkretisierung zuständig ist, so dass dies durch Auslegung zu ermitteln ist. Der Wortlaut macht keine Angaben. Auch die Erwägungsgründe geben keinen Aufschluss. Als Indiz für die Konkretisierungskompetenz des EUGH spricht, dass diese Generalklausel mehrmals in allen Abschnitten der ZDRL verwendet wird. Die Frist der Unverzüglichkeit wird sich zwar in den einzelnen Fällen unterscheiden, diese Einzelfallbezogenheit ist jedoch gerade Sinn und Zweck einer Generalklausel. Die in den Art. 68 ff. ZDRL festgelegten Ausführungs- und Wertstellungsfristen, denen ein ganzer Abschnitt gewidmet ist, zeigen die Intention des europäischen Gesetzgebers, die Fristen abschließend regeln zu wollen. Dass dies nicht immer durch die gesetzliche Festlegung eines exakten Zeitraums möglich ist, kann nicht bedeuten, dass deshalb die Mitgliedstaaten ermächtigt sind. Zudem gibt der europäische Gesetzgeber Anhaltspunkte, wie beispielsweise die explizite Festlegung der Verfügbarkeits- und Wertstellungsfrist auf den folgenden Geschäftstag für Nichtverbraucher in Art. 71 ZDRL. Dass gerade im Fall des Verbrauchers eine Delegation der Konkretisierung an die Gerichte der Mitgliedstaaten vorliegen und nur der unternehmerische Verkehr geregelt sein soll, erscheint – wenn die Richtlinie auch nicht auf den Verbraucherschutz abstellt – vor ihrem Ziel der Ausweitung des gesamten bargeldlosen Zahlungsverkehrs im Binnenmarkt wenig einleuchtend. Somit ist nach teleologischer Auslegung eine Konkretisierungskompetenz des EuGH einschlägig.334 Es liegt eine Vollharmonisierung vor. Harmonisierungseinbußen können jedoch dadurch entstehen, dass die Unbestimmtheit des Begriffskerns die genaue europarechtliche Bestimmung erschwert, so dass eine europäische Entscheidungsdatenbank hier hilfreich wäre. Außerdem gebraucht die ZDRL an vielen Stellen den Begriff des angemessenen Entgelts, der ebenfalls als Generalklausel einzuordnen ist. Ein angemessenes Entgelt ist vorgeschrieben bei Vereinbarungen für zusätzliche Informationen (Art. 32 Abs. 3 ZDRL), für die Kündigung eines Rahmenvertrags (Art. 45 Abs. 2 ZDRL) sowie für sonstige Informations- und Nebenpflichten (Art. 52 Abs. 1 ZDRL). Auch hier macht der Wortlaut der ZDRL keine Angaben zur Konkretisierungskompetenz. Die Richtlinie will die Entgeltfrage für Nebenpflichten abschließend regeln.335 Daraus 334
Da sie sich in die Reihe der Fristen der Zahlungsdiensterichtlinie einfügen, sind auch die Begrifflichkeiten rechtzeitig (Art. 41 ZDRL) und so rasch wie möglich (Art. 65 Abs. 1 UAbs. 2 ZDRL) durch den EuGH auszulegen. 335 Bezüglich des Entgelts für die Hauptleistung enthält die Richtlinie nur Informationspflichten (Art. 50 Abs. 2, Art. 49 Abs. 2 ZDRL), ansonsten gilt Privatautonomie; es ist jedoch die Verordnung (EG) Nr. 924/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
folgt eine Konkretisierungskompetenz des EuGH. Auf die Intention zur abschließenden Regelung ist aus der Zusammenschau der zum Entgelt enthaltenen Regelungen zu schließen. Zunächst bestimmt die ZDRL eine grundsätzliche Entgeltfreiheit für Informationsregelungen (Art. 32 Abs. 1 ZDRL), für die Kündigung eines Rahmenvertrags (Art. 45 Abs. 2 S. 1 ZDRL) und für die Erfüllung sonstiger Informations- und Nebenpflichten (Art. 52 Abs. 1 ZDRL). Dabei verweist Art. 52 Abs. 1 ZDRL abschließend auf die in der Richtlinie bestimmten Möglichkeiten, ein zusätzliches Entgelt zu vereinbaren. Des Weiteren schreibt Art. 52 Abs. 2 ZDRL vor, dass jeder Zahlungsdienstnutzer die von seinem Zahlungsdienstleister erhobenen Entgelte zu tragen hat. Art. 67 ZDRL bestimmt das Verbot des Entgeltabzugs. Zudem regelt Art. 75 Abs. 3 ZDRL die Haftung des Zahlungsdienstleisters für in Rechnung gestellte Entgelte bei einem nicht oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgang. Der Umstand, dass dreimal von dieser Generalklausel Gebrauch gemacht wird, weist zusätzlich auf eine Konkretisierungskompetenz des EuGH hin. Bezüglich der Höhe des Entgelts enthält die ZDRL einen Anknüpfungspunkt, die Ausrichtung an den tatsächlichen Kosten. Dieser zeigt, dass eine europäisch einheitliche Regelung bezweckt ist. Er entspricht dem Ziel und Zweck der ZDRL, einen gemeinsamen Markt mit gleichen Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Somit kommt die Konkretisierungskompetenz dem EuGH zu.336 Einen Anhaltspunkt zur Auslegung bieten ihm die tatsächlichen Kosten.337 Die Ausrichtung an den tatsächlichen Kosten wirft die Frage nach der Einbeziehung einzelner Posten, wie der Portokosten und des Verwaltungsaufwands, auf.338 Der Wortlaut der Richtlinie stellt in Art. 65 Abs. 1 UAbs. 3 ZDRL, der eine Entgeltvereinbarung für die Unterrichtung über die Ablehnung eines Zahlungsauftrags erlaubt, nur auf ein Entgelt für diese Unterrichtung ab. Kosten für die Prüfung, ob die Ausführungsbedingungen eingehalten sind, können nicht erstattet werden, da sie ohnehin als Teil des Rahmenvertrags stattfindet.339 Da weitere Kosten der Bank in der Praxis nicht ersichtlich sind, beschränkt sich die Höhe des Entgelts für die Unterrichtung über die Nichtausführung im Endeffekt auf die Portokosten.
16. September 2009 über grenzüberschreitende Zahlungen in der Gemeinschaft und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2560/2001VO (EG), ABl. L 266 vom 9. 10. 2009, 10 zu beachten, die ein unterschiedliches Entgelt für grenzüberschreitende und Inlandszahlungen verbietet. 336 Ebenso Grundmann, WM 2009, 1157, 1159; Schinkels, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 16 Rn. 40. 337 Angemessenheit steht nicht nur neben der Orientierung an den tatsächlichen Kosten, sondern wird durch diese mitbestimmt, zur deutschen Umsetzung: Omlor, in: Staudinger, § 675f BGB Rn. 43. 338 Für die Einbeziehung auch der Verwaltungskosten für die Nichtausführung eines Zahlungsauftrags und nicht nur der Kosten für die Unterrichtung (Portokosten) Grundmann, WM 2009, 1157, 1159; gegen die Einbeziehung von Verwaltungskosten Mayen, in: BankRHdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 122; Omlor, in: Staudinger, § 675o BGB Rn. 14. 339 So OLG Bamberg, Urteil vom 19. 10. 2011 – 3 U 53/11-NJW-RR 2012, 630, 631.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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Die Generalklausel des angemessenen Entgelts ist somit vollharmonisiert. Der Anhaltspunkt der tatsächlichen Kosten bietet eine gesetzliche Orientierung. Rechtssicherheit und damit einen Harmonisierungserfolg kann jedoch nur durch den EuGH sichergestellt werden.
D. Ergebnis und Bewertung I. Ergebnis Die ZDRL enthält für fast alle ihre Regelungsbereiche ein einheitliches Harmonisierungspotential, das sich aus dem Harmonisierungsgrad der Vollharmonisierung mit einer weitgehenden Harmonisierungstiefe ergibt. Die große Ausnahme ist jedoch der Regelungsbereich der Missbrauchshaftung, welcher lediglich gezielt mindestharmonisiert ist und zudem auch eine eingeschränkte Harmonisierungstiefe aufweist. Aus dem Primärrecht, der Kompetenzgrundlage des Art. 114 AEUV, der zur Rechtsangleichung sowohl eine Voll- als auch eine Mindestharmonisierung zulässt, und der Subsidiaritätsklausel, ergeben sich keine Maßstäbe zur Verteilung der Regelungskompetenz der ZDRL, so dass allein auf die sekundärrechtlichen Regelungen abzustellen ist. Hier ist das Ziel der Richtlinie, die Binnenmarktförderung, nicht aussagekräftig, da auch eine Mindestharmonisierung der Förderung eines europäischen Marktes der Zahlungsdienste als Durchgangsstadium dienen kann. Ebenso lassen die Harmonisierungsklausel und die Erwägungsgründe keinen zweifelsfreien Schluss auf den Harmonisierungsansatz der ZDRL zu, so dass der Anwendungs- und Regelungsbereich die einzigen aussagekräftigen Kriterien sind. Sie bestimmen die Grenzen der europäischen Regelung zu abweichenden mitgliedstaatlichen Regelungen. Der Anwendungsbereich der ZDRL ist weit und eröffnet die Möglichkeit einer umfassenden Vollharmonisierung. Sowohl sachlich – er erfasst die wichtigsten Zahlungsinstrumente (Bareinzahlungen und -abhebungen, Überweisung, Lastschrift, Kreditkarten- und EC-Zahlung) – als auch räumlich – er deckt das gesamte EU-Gebiet ab – und persönlich – er bezieht sich auf alle Zahlungsdienstleister und -nutzer – enthält er eine große Bandbreite von Fällen. Damit erfüllt er die erste Voraussetzung für eine Vollharmonisierung mit weitgehender Harmonisierungstiefe. Der Regelungsbereich schränkt jedoch die damit eröffnete Möglichkeit der Vollharmonisierung mit weitgehender Harmonisierungstiefe wieder ein. Als Instrument der Untersuchung sind die Regelungstechniken des europäischen Gesetzgebers zur Schaffung von Abweichungsmöglichkeiten heranzuziehen. Diese teilen sich in die expliziten Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten (Verweise auf nationales Recht, explizite Übertragung der Regelungskompetenzen, Optionen), in die impliziten Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten (Regelungslücken,
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln) und in die Abweichungsmöglichkeiten durch Parteivereinbarung auf. Der Regelungsbereich wurde für jede Phase des Zahlungsdienstes getrennt untersucht. Titel III enthält zwar für die ordentliche Kündigung nur eine gezielte Mindestharmonisierung und regelt weder die außerordentliche Kündigung und sonstige Beendigungsmöglichkeiten noch den Verstoß gegen die Informationspflichten, schafft aber ein umfassendes Informationssystem für alle geregelten Zahlungsdienste, so dass sich hier die angestrebte Vollharmonisierung in der Richtlinienregelung wiederfindet. Große mitgliedstaatliche Abweichungsmöglichkeiten im Rahmen der Gemeinsamen Bestimmungen des Titels IV bestehen ebenfalls nicht. Vornehmlich sind hier vertragliche Abweichungsmöglichkeiten geregelt. Die Option der Mitgliedstaaten, ein Preisaufschlagsverbot zu erlassen, schränkt jedoch die Harmonisierungswirkung der Richtlinie im Bereich der Entgelte ein und kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Auch wenn die ZDRL-2 diese Option nicht – wie ursprünglich von der Kommission geplant – abschafft, führt die Verordnung über Interbankenentgelte zu einer Vereinheitlichung auf dem Markt der Zahlungskarten. Das Kapitel der Autorisierung schafft ein breit angelegtes Gerüst von der Begriffsbildung der Autorisierung über die Pflichten des Zahlungsdienstnutzers und -leisters in Bezug auf ein Zahlungsinstrument, über die generelle Haftung des Zahlungsdienstleisters für einen nicht autorisierten Zahlungsvorgang, über die diesbezügliche Missbrauchshaftung des Zahlungsdienstnutzers beim Einsatz eines Zahlungsinstruments bis hin zu einem Erstattungsanspruch bei autorisierten Zahlungen. In Bezug auf die Missbrauchshaftung besteht jedoch nur eine gezielte Mindestharmonisierung. Die Mitgliedstaaten können die verschuldensunabhängige Haftung des Zahlungsdienstnutzers von 150 Euro aus Art. 61 Abs. 1 ZDRL sowie seine Haftung für grobe Fahrlässigkeit aus Art. 61 Abs. 2 ZDRL herabsetzen. Hinzu kommt eine sehr geringe Harmonisierungstiefe, da die Definition des Verschuldens, die Regelung der Beweislastverteilung sowie der Missbrauchshaftung für andere Autorisierungsverfahren den einzelnen Mitgliedstaaten übertragen sind. Aufgrund der fehlenden Haftungsregelung für andere Autorisierungsverfahren ist nicht zu kritisieren, dass die Richtlinie nicht auch andere Nebenpflichten des Zahlungsdienstleisters und -nutzers regelt. Man kann davon ausgehen, dass bei diesen lediglich das Verhältnis zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer betreffenden Regelungen der Missbrauchshaftung, die Auswirkungen auf den Markt eher gering sind. Eine Vollharmonisierung besteht in Bezug auf die grundsätzliche Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge (Art. 60 ZDRL). Lediglich für Folgeansprüche verweist die ZDRL ins mitgliedstaatliche Recht. Zudem ist auch der Erstattungsanspruch mit Ausnahme der Mindestfrist aus Art. 63 Abs. 1 ZDRL vollharmonisiert. Er ist sehr flexibel ausgestaltet, da für Lastschriften gemäß Art. 63 Abs. 1 UAbs. 4 ZDRL ein Erstattungsrecht beliebig
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auch ohne die von der Vorschrift genannten Voraussetzungen vereinbart werden kann. Im Regelungsbereich der Autorisierung finden sich noch zahlreiche weitere Möglichkeiten, durch Parteivereinbarungen abzuweichen. Diese sind für die Entwicklung und den Wettbewerb neuer Zahlungsinstrumente besonders förderlich. Somit ist die Missbrauchshaftung die einzige Ausnahme von der Vollharmonisierung im Regelungsbereich der Autorisierung. Der Abschnitt über Zahlungsaufträge und transferierte Beträge enthält für die Bestimmung des Eingangs eines Zahlungsauftrags sowie dessen Widerruflichkeit nur Abweichungsmöglichkeiten durch Parteivereinbarung. Die Pflicht zur Ausführung sowie die Unterrichtungspflicht bei Ablehnung der Ausführung werden vollharmonisierend geregelt, deren Voraussetzungen sind jedoch ebenfalls abhängig von Parteivereinbarungen. Dies gibt dem Zahlungsdiensterecht den Charakter eines sehr flexiblen Rechts und ist für die Freiheit der europäischen Kreditwirtschaft in der Ausgestaltung der Zahlungsdienste von Vorteil. Vollharmonisiert und ohne Abweichungsmöglichkeiten durch Parteivereinbarungen ist das Verbot des Entgeltabzugs. Die Vorschriften zur Ausführungsfrist und zum Wertstellungsdatum beinhalten die mitgliedstaatliche Option, die Ausführungsfrist für innerstaatliche Zahlungsvorgänge zu verkürzen, so dass hier nur eine Mindestharmonisierung gegeben ist. Die Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten sind aber begrenzt, da bereits die von der ZDRL vorgegebene Frist von einem Geschäftstag kurz bemessen ist bzw. bei Einzahlung von Bargeld durch einen Verbraucher sogar eine unverzügliche Ausführung vorgeschrieben ist. Zudem besteht eine solche Option für den grenzüberschreitenden Verkehr nicht. Ansonsten sind die Fristen vollharmonisiert und decken in ihrer Tiefe auch alle gemeinschaftsweiten Zahlungen ab (mit Ausnahme der wenigen Zahlungen, die durch Parteivereinbarung nach Art. 68 ZDRL ausgenommen werden können). Die Frist zur Wertstellung und Verfügbarmachung des Betrags kann nicht einmal im unternehmerischen Geschäftsverkehr abbedungen werden. Die Haftung der Zahlungsdienstleister für eine nicht erfolgte oder fehlerhafte Ausführung ist vollharmonisiert und detailliert, denn sie bestimmt den Zeitpunkt genau, bis zu welchem der Zahlungsdienstleister des Zahlers haftet und ab welchem der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers diesem verantwortlich ist. Die Anspruchsvoraussetzung der fehlerhaften Ausführung ist eindeutig bestimmbar. Auch der Anspruchsumfang ist von der ZDRL definiert. Ein Verweis ins mitgliedstaatliche Recht existiert nur für die Regelung von Folgeschäden. Jedoch verweist der Regressanspruch zwischen den Zahlungsdienstleistern für Anspruchsvoraussetzungen und auch für weitergehende Rechtsfolgen ganz ins mitgliedstaatliche Recht und bestimmt nur einen Mindestumfang. Stellt man auf das Ziel der ZDRL ab, vor allem die Beziehung zwischen Zahlungsdienstleister und -nutzer zu regeln, so hat eine Mindestharmonisierung mit geringer Harmonisierungstiefe in dem Bereich der Regressansprüche der Zahlungsdienstleister untereinander keine großen Auswir-
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
kungen auf die Zielerreichung. Zudem werden diese Lücken durch das einheitliche Rule Book geschlossen, so dass der europäische Gesetzgeber hier auf die Verständigung der Parteien untereinander setzt. Der Datenschutz ist insofern harmonisiert als eine Verarbeitung personenbezogener Daten zur Verhütung, Ermittlung und Feststellung von Betrugsfällen im Zahlungsverkehr zulässig ist. Für die Art und Weise wird auf die EU-Richtlinie verwiesen, so dass auch hier eine gewisse Harmonisierung besteht. Der Bereich der außergerichtlichen Beschwerde- und Streitbeilegungsverfahren enthält keine eigene Reglungssystematik und überlässt die Ausgestaltung der Verfahren den Mitgliedstaaten. Eine Harmonisierung findet aber insofern statt, als die Mitgliedstaaten gezwungen sind, die aufgeführten Verfahren einzuführen und dabei an eine effektive Richtlinienumsetzung (effet utile) gebunden sind. Bezüglich der in der Richtlinie enthaltenen Generalklauseln, lässt sich abschließend feststellen, dass die Konkretisierungskompetenz in allen Fällen dem EuGH zukommt. Zur Auslegung erfordern sie keinen Rückgriff auf das mitgliedstaatliche Recht, sondern sollen gerade durch die ZDRL vollharmonisiert werden. Eine Ausnahme stellt die sich auf die Beweislastverteilung in Art. 59 Abs. 2 ZDRL beziehende Klausel nicht notwendigerweise dar, die mangels Anhaltspunkte wohl zu einer Rückverweisung des EuGH an die mitgliedstaatlichen Gerichte führen kann. Ansonsten enthält die Richtlinie Anhaltspunkte zur Bestimmung der Begriffskerne. Schlussendlich ist zu konstatieren, dass der in Art. 86 Abs. 1 ZDRL vorgegebene Harmonisierungsgrad der Vollharmonisierung auf die Zahlungsdiensterichtlinie mit wenigen Ausnahmen zutrifft. Die Harmonisierungstiefe ist ebenfalls weitgehend. Somit kann die Zahlungsdienstrichtlinie nicht dem neuen Harmonisierungsansatz der Kommission, der gezielten Vollharmonisierung, zugeordnet werden. Die ZDRL errichtet, anders als das Verbraucherrecht, ein Gerüst zur Einordnung der einzelnen Zahlungsdienste durch einen weiten Anwendungsbereich. Die Vollharmonisierung in der Zahlungsdiensterichtlinie zielt somit geradezu auf den Aufbau eines Systems, dessen Ausfüllung in manchen Teilen auch den Parteien überantwortet ist. Somit hat die ZDRL das Potential zur Schaffung formeller Kohärenz. Die inhaltliche Kohärenz wird insbesondere in den technischen Bereichen der Informationspflichten, der Entgelte und der Fristen geschaffen. II. Bewertung des Ergebnisses 1. Bewertungsgrundlage Der Harmonisierungsansatz der ZDRL wird an ihrem Ziel der Binnenmarktförderung sowie der damit verfolgten Förderung der SEPA bewertet. Zur Einhaltung der EU-vertraglichen Voraussetzungen ist insbesondere das Subsidiaritätsprinzip zu beachten, so dass in bestimmten Bereichen mitgliedstaatliche Lösungen einer Regelung durch den europäischen Gesetzgeber vorgehen können. Des Weiteren ist die
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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hohe Rangstellung der Privatautonomie in den EU-Verträgen, wie im Kartellrecht, die nicht zuletzt auch dem Binnenmarkt dient, zu berücksichtigen. Es muss gefragt werden, ob die Zuordnung der einzelnen Fragen zu einem bestimmten Harmonisierungsgrad sowie deren Harmonisierungstiefe zielführend sind. 2. Bewertung Bedenkt man, dass der Wandel von der Mindest- zur Vollharmonisierung ein Charakteristikum des europäischen Verbrauchervertragsrechts ist, ist das Umschwenken von der mindestharmonisierenden Überweisungsrichtlinie zur vollharmonisierenden ZDRL umso bedeutender, da die ZDRL nicht primär auf den Verbraucherschutz zielt. Zur Förderung des Binnenmarktes ist im Zahlungsdiensterecht eine Vollharmonisierung dem Ansatz der Mindestharmonisierung überlegen.340 Die dafür erforderliche Anpassung der technischen Vorschriften ohne Abweichungsmöglichkeiten ist durch die intensive Regelung der Entgeltfragen (Art. 32, Art. 50, Art. 52 i.V.m. Art. 65 Abs. 1, Art. 66 Abs. 5, Art. 74 Abs. 2, Art. 67 ZDRL), der Ausführungsfristen (bei grenzüberschreitenden Zahlungsvorgängen Vollharmonisierung in Art. 69, 72 ZDRL) sowie der Wertstellung und Verfügbarmachung (Art. 73 ZDRL) und die Angleichung der Informationsvorschriften (Titel III) erfolgt. Der Vorteil der Vollharmonisierung gegenüber einer dem Mindestharmonisierungsansatz folgenden Regelung liegt zunächst auf der Anbieterseite. Sie kann bei Verhandlungen mit anderen Zahlungsdienstleistern von den gleichen gesetzlichen Anforderungen ausgehen. Der dadurch geförderte innereuropäische Wettbewerb bringt Preisvorteile für die Zahlungsdienstnutzer mit sich. Die Beschränkung der Privatautonomie bezüglich der Ausführungsfristen hat keine Wettbewerbseinschränkung zur Folge, da aufgrund der zwingenden Kooperation zwischen den Zahlungsdienstleistern Wettbewerb sowieso kaum besteht.341 Außerdem kommt die Vollharmonisierung in diesen Bereichen der SEPA und der von der europäischen Kreditwirtschaft vorangetriebenen Standardisierung der Zahlungsinstrumente zugute. Die Einschränkung des Wettbewerbs der Zahlungsdienste durch die SEPA-Migrationsverordnung, die den Zahlungsdienstleistern einheitliche Verfahren der Überweisung und Lastschrift vorschreibt, ist nicht nachvollziehbar, nachdem die ZDRL als Wettbewerbsgrundlage den einheitlichen Rechtsrahmen gerade geschaffen hatte.342 Die Privatautonomie wird außerdem insofern eingeschränkt, als die Vorschriften halbseitig zwingend zugunsten der Verbraucher und optional auch zugunsten der 340
Siehe oben 2. Kapitel A. I. 2. Franck/Massari, WM 2009, 1117, 1119. 342 So auch Petrescu, Lastschriftverkehr in Deutschland, Rumänien und der EU, 365 ff., der die SEPA-Migrationsverordnung sogar als eine rechtlich unzulässige Maßnahme einstuft und den EuGH auffordert, diesem Zustand ein Ende zu setzen (392). 341
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1. Teil: Harmonisierungspotential der Zahlungsdiensterichtlinie
Kleinstunternehmen (Art. 30 Abs. 2 ZDRL, Art. 51 Abs. 3 ZDRL) sind. Vorteilhaftere Regelungen zugunsten der Zahlungsdienstenutzer sind jedoch zulässig (Art. 86 Abs. 3 UAbs. 2 ZDRL). Diese Regelungen der ZDRL gleichen die stärkere Verhandlungsmacht großer Zahlungsdienstleister aus, so dass die ZDRL abgesehen von der Förderung des Binnenmarktes auch einen Interessensausgleich vornimmt. Zum Schutz der Zahlungsdienstnutzer – der Verbraucherschutz ist wie oben festgestellt nicht Ziel der Richtlinie – ist dagegen eine Vollharmonisierung nicht erforderlich, denn ein Nutzer kann sich – anders als ein Zahlungsdienstleister – auf einen Mindeststandard einstellen, ohne erheblichen Nachteilen ausgesetzt zu sein.343 Diesem Gedanken folgt auch die ZDRL, die für die ordentliche Kündigung (Art. 46 Abs. 6 ZDRL), für die Frist zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs (Art. 63 Abs. 1 ZDRL), für die Ausführungsfrist bei innerstaatlichen Zahlungen (Art. 72 ZDRL) sowie für die Haftung des Zahlungsdienstnutzers bei missbräuchlicher Verwendung eines Zahlungsinstruments nur eine gezielte Mindestharmonisierung vornimmt. Zudem sind die Rahmenbedingungen in den Mitgliedstaaten im Bereich der Kartenzahlung, auf welche Art. 61 ZDRL insbesondere zugeschnitten ist,344 unterschiedlich. Dies rechtfertigt eine möglichst große Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Missbrauchshaftung.345 Jedoch haben diese gezielt mindestharmonisierten Bereiche auch Auswirkungen auf die Anbieterseite. Soll das Ziel einer Vereinheitlichung des Kartenzahlungsverkehrs weiter vorangetrieben werden, ist erste Voraussetzung ein harmonisiertes Haftungsregime, da dieses von den Zahlungsdienstleistern zur Preiskalkulation herangezogen wird. Das Verhältnis der Harmonisierungstiefen der Bereiche, die nur gezielt mindestharmonisiert sind, sowie derer, die vollharmonisiert sind, fällt trotz gewisser mitgliedstaatlicher Ermessensspielräume zugunsten der vollharmonisierenden Regelungen aus, so dass die prinzipielle Vollharmonisierung aus Art. 86 Abs. 1 ZDRL sich hier widerspiegelt. Aus dem Blickwinkel der Systematisierung ist die Vollharmonisierung mit weitgehender Harmonisierungstiefe sowie ihren vereinzelten Ausnahmen im Zahlungsdiensterecht zu befürworten. Denn sie zwingt die Mitgliedstaaten, ihre horizontale größtenteils abstrakte Regelungssystematik zu übernehmen, belässt ihnen aber gleichzeitig die nötigen Spielräume in den Bereichen des Valutaverhältnisses und der vertraglichen Ansprüche bei Pflichtverletzung, die in das allgemeine Schuldrecht hineinragen. Das von der ZDRL geschaffene System wirft Fragen auf, gibt aber aufgrund seiner Detailliertheit in weiten Teilen auch Antworten, etwa zur systematischen Auslegung europäischen Richtlinienrechts bzw. zur systematischen, richtlinienkonformen Auslegung der nationalen Umsetzungsgesetze. Die ZDRL hat somit das Potential, 343 344 345
Zum Verbraucherschutz im Verbrauchervertragsrecht, Grundmann, JZ 2013, 53, 63 f. Grundmann, WM 2009, 1157, 1161. Scheibengruber, BKR 2010, 15, 21.
2. Kap.: Bestimmung des Harmonisierungsgrades und der Harmonisierungstiefe
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die Auslegung des europäischen Privatrechts in eine ganz neue Phase zu führen.346 Ob diese Herangehensweise der vollharmonisierenden Regelung einzelner Rechtsgebiete im europäischen Privatrecht stets vorteilhaft ist oder nicht doch aufgrund der Einfügung in ein nationales Vertragsrechtssystem mehr Schwierigkeiten schafft, wird nach der Untersuchung der Auswirkungen auf das deutsche Recht beurteilt.
346
Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 929.
2. Teil
Auswirkungen der Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht Im Folgenden soll betrachtet werden, wie der deutsche Gesetzgeber in seinem Umsetzungsgesetz von den oben festgestellten Gestaltungsspielräumen Gebrauch gemacht hat. Es wird untersucht, wie sich die Vollharmonisierung der ZDRL auf das alte deutsche System des Zahlungsdiensterechts auswirkt. Trotz der Europäisierung des Zahlungsdiensterechts können auch nationale Rechtsgrundsätze zur Auslegung weiterhin eine Rolle spielen.1 Dies deutet bereits die Schwierigkeit des Zusammenspiels von europäischem und nationalem Recht an. Obwohl dem nationalen Gesetzgeber gewisse Umsetzungsspielräume verbleiben, liegt nicht zwingend die Bildung BGB-interner Wertungskohärenz vor.2 Diese Wertungskohärenz ist ein Beurteilungskriterium dafür, ob sich das europäische System in das nationale deutsche System einfügt. Erkenntnisgewinne verspricht die Untersuchung für die Frage, ob eine Harmonisierung des europäischen Vertragsrechts im Wege der vollharmonisierenden Richtliniengesetzgebung mit einem weiten Anwendungsbereich erfolgen sollte oder ob andere gesetzgeberische Instrumente – wie das optional ausgestaltete GEKR mit weitem oder eingeschränktem Anwendungsbereich3– vorzugswürdig sind. Es ist festzustellen, ob sich durch die Umsetzung der ZDRL so starke Systemunterschiede zum bisherigen deutschen Zahlungsdiensterecht – und damit auch zum deutschen Zivilrechtskodex des BGB – ergeben haben, dass es sich nicht mehr um eine Einpassung in das deutsche System, sondern um eine eigene europäische Systematik handelt. Untersucht wird, auf welche auftragsrechtlichen Prinzipien gemäß §§ 675c Abs. 1, 662 ff. BGB zurückgegriffen werden muss und in welchem 1 In Betracht kommen vor allem nationale Rechtsgrundsätze als Grenze von Rechten aus EU-Sekundärrechtsakten wie der Missbrauchseinwand, so Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 914. 2 Zu Umsetzungsspielräumen der Mitgliedstaaten und Wertungs-Kohärenz: Gebauer, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 163, 165 ff. 3 Das Europäische Parlament hat für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs auf Fernabsatzverträge gestimmt, vgl. Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. Februar 2014 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, Abänderung 61 Art. 5 Abs. 1 Einleitung, abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP// TEXT+TA+P7-TA-2014-0159+0+DOC+XML+V0//DE [Stand: 24. 10. 2016].
2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
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Ausmaß dies geschieht.4 Möglicherweise treten an deren Stelle andere europäische Prinzipien, so dass nicht mehr von einem Zahlungsdiensterecht als Unterform des Auftragsrechts, sondern einem eigenständigen Teil des Schuldvertragsrechts zu sprechen wäre. Dies suggeriert bereits die äußere Gleichordnung im Titel 12. Auftrag, Geschäftsbesorgungsvertrag und Zahlungsdienste. Dafür können die Begrifflichkeiten und die Methode von Riesenhuber herangezogen werden. Er geht von einer bloßen Wandlung des Rechts aus, wenn das herkömmliche System nur in einzelnen Punkten und aus sachlichen Gründen verhältnismäßig durch mit dem System kompatible Mittel verändert wird.5 Eine Umwälzung des Rechts, das heißt eine Systemverschiebung, ist dagegen indiziert, wenn es keine Sachgründe für die Änderung gibt oder diese nicht verhältnismäßig sind, die Änderungen das System im Kern missachten und sich von Form und Inhalt her nicht einfügen.6 Mit sachlichen Gründen sind nicht die Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie, sondern inhaltlich rechtfertigende innersystematische Gründe gemeint. Liegt ein deutsches System des Zahlungsdiensterechts vor, so spricht dies für die Harmonisierung des europäischen Vertragsrechts durch eine vollharmonisierende Richtlinie – abgesehen von sonstigen Besonderheiten wie der zweifelhaften Kompetenz der EU –, da gezeigt wurde, dass auch vollharmonisierendes Richtlinienrecht in bestehende ausgereifte nationale Kodifikationen und deren Regelungssysteme eingepasst werden kann. Kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass es sich um ein europäisches System, also eine Umwälzung des nationalen Rechts, handelt – wie aufgrund des Ergebnisses des ersten Teils zu vermuten ist – ist diese Systemänderung zu bewerten. Dabei wird auf die Gesetzgebungstechnik sowie die inhaltlichen Änderungen abgestellt. Einerseits kann ein europäisches System zu Schwierigkeiten bei der Einpassung sowie Wertungsverschiebungen führen. Für die europäische Regelung des Vertragsrechts dürften diese noch verstärkt auftreten, da der Regelungsbereich wesentlich weiter ist. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass die europäische Regelungstechnik der Vollharmonisierung durch eine Richtlinie, die ein abgeschlossenes eigenständiges Regelungssystem ins nationale Recht transportiert, zu einer Weiterentwicklung des 4 In der Diskussion zum Verbrauchervertragsrecht wird vertreten, dass ein vollharmonisiertes Verbrauchervertragsrecht vor dem Hintergrund einer fehlenden Harmonisierung im allgemeinen Privatrecht nicht möglich sei, der Rückgriff sei stets notwendig, Pfeiffer, NJW 2012, 2609, 2610; die derzeit schwierigste Frage scheint diejenige nach der Zulässigkeit von Ergänzungen durch allgemeines Zivilrecht, insbesondere allgemeines Vertragsrecht zu sein; zur Richtlinie über die Rechte der Verbraucher: Wendehorst, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa?, 153, 174. 5 Zur Umwälzung bzw. Wandlung des Vertragsmodells in der EU: Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 554. 6 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 554; zur Systemveränderung und Änderung der Ordnung in ihrem Wesensgehalt durch Änderung eines der allgemeinen Rechtsprinzipien: Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1983, 58.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
nationalen Rechts führt. Gleichzeitig können durch eine gelungene Umsetzung Anreize für weitergehende europäische Regelungen geschaffen werden. 3. Kapitel
Begriff des Systems im deutschen Privatrecht A. Inneres System Die Bemühungen um ein inneres System des Rechts7 ergeben sich bereits aus der rechtsethischen Forderung nach Gerechtigkeit.8 Diese findet sich vor allem im Gleichheitssatz wieder. Als gerecht wird empfunden, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Daraus folgt auch das Postulat der Folgerichtigkeit gesetzlicher Regelungen. Nach Canaris hat ein System deshalb die Aufgabe, die wertungsmäßige Folgerichtigkeit [Ordnung] und innere Einheit der Rechtsordnung darzustellen und zu verwirklichen.9 Merkmale des Systems sind damit Ordnung und Einheit.10 Ob auch eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers zur systematischen Rechtsetzung besteht,11 kann hier dahingestellt bleiben. Es ist Aufgabe der Rechtswissenschaft, die auf dem Prinzip der Ordnung und systematischen Analyse aufbaut, Systemlücken und -verschiebungen aufzudecken,12 und damit die hinter dem Gesetz stehende Metaebene an Wertungen sichtbar zu machen, die letztendlich auf der Schaffung von Gerechtigkeit gründet.
7 Die Unterscheidung zwischen innerem und äußerem System ist auf Heck zurückzuführen, Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932, 139 ff., der dabei von einem System der Konfliktsentscheidungen ausgeht (S. 149) und als Elemente der immanenten Ordnung (S. 150) des Systems, die Konfliktsentscheidungen ansieht und damit nicht der hier vertretenen These zustimmt, dass ein System aus dem Zusammenspiel mehrerer Leitprinzipien besteht; Zurückführung der Unterscheidung zwischen innerem und äußerem System auf Heck durch: Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 35. 8 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 16. 9 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 16 ff. 10 Riesenhuber, System und Prinzipien des europäischen Vertragsrechts, 5. 11 Die Folgerichtigkeit (Art. 3 GG) steht hier dem Demokratieprinzip und dem Ermessensspielraum des Gesetzgebers gegenüber, der aufgrund von Kompromissbildungen eine eigene Systematik, eine politische Rationalität, verfolgen kann. 12 Die Aufdeckung der Sinnzusammenhänge, in denen die einzelnen Rechtsnormen und Regelungen miteinander und mit den leitenden Prinzipien der Rechtsordnung stehen, und ihre Darstellung in einer die Übersicht ermöglichenden geordneten Weise, d. h. in der Form eines Systems, ist eine der wichtigsten Aufgaben der wissenschaftlichen Jurisprudenz, Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, 437.
3. Kap.: Begriff des Systems im deutschen Privatrecht
105
Die Mittel der Untersuchung des inneren Systems sind die Prinzipien, da sie als übergeordnete Leitgrundsätze die Regelungen als Einheit sowie ansatzweise deren Folgerichtigkeit darstellen.13 Sie folgen entweder aus dem gesetzten Recht, liegen diesem als ratio iuris zugrunde oder sind aus der Rechtsidee oder der Natur der Sache herzuleiten.14 Ihre Weite unterscheidet sich anhand der ihnen zugeordneten Systeme. So liegt das Prinzip der Vertragsfreiheit dem gesamten Vertragsrecht zugrunde, während das Prinzip der Auftragsstrenge nur im Auftragsrecht gilt. Die Einheit der Regelungen lässt sich mit Hilfe von Prinzipien darstellen, da Regeln, die auf einigen ausgewählten Prinzipien beruhen, eine solche Zusammengehörigkeit aufweisen.15 Die Folgerichtigkeit kann jedoch nicht gänzlich durch die bloße Auflistung von übergeordneten Leitgrundsätzen beschrieben werden.16 Denn die Prinzipien beschränken, ergänzen und verstärken sich zum Teil gegenseitig. Beispielsweise drängt das Prinzip des Verbraucherschutzes die Vertragsfreiheit zurück. Die Prinzipien stehen in einem losen Zusammenhang, der durch ergänzende Wertungen konkretisiert werden kann. Eine solche Konkretisierung, die einen Ausgleich der Prinzipien vornimmt, geschieht durch die Bildung allgemeiner Regelungen und durch die Herausstellung paradigmatischer Problemlösungen. Dadurch wird die Darstellung der Folgerichtigkeit möglich.17 Beide stehen auf einer mittleren Ebene zwischen Prinzipien und Regelungen.18 Diese Methode soll im Folgenden angewandt werden, um festzustellen, ob eine Systemverschiebung im Zahlungsdiensterecht stattgefunden hat.
13 Riesenhuber, System und Prinzipien des europäischen Vertragsrechts, 19; a.A. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 46, der die Prinzipien nicht nur als Mittel der Untersuchung, sondern als tragende Elemente des Systems begreift. 14 Riesenhuber, System und Prinzipien des europäischen Vertragsrechts, 18. 15 Riesenhuber, System und Prinzipien des europäischen Vertragsrechts, 19. 16 Riesenhuber, System und Prinzipien des europäischen Vertragsrechts, 20 f. 17 Riesenhuber, System und Prinzipien des europäischen Vertragsrechts, 22 ff. 18 Riesenhuber, System und Prinzipien des europäischen Vertragsrechts, 21 f.; a.A. Canaris, in: FS Kitagawa, 1992, 59, 74, der die paradigmatischen Problemlösungen als fundamentale […] und integrierende […] Element[e] des Systems darstellt, so dass diese mit den Prinzipien auf einer Stufe stehen; dies stellt nach Riesenhuber (aaO), ein Problem dar, weil paradigmatische Problemlösungen bereits den Prinzipienausgleich an sich enthalten und demnach nicht mit den Prinzipien auf einer Stufe stehen, was hier entsprechend der Ansicht Riesenhubers (aaO), dadurch gelöst wird, dass die Prinzipien und paradigmatischen Problemlösungen sowie allgemeinen Lehren nicht als Elemente des Systems, sondern als Mittel zu dessen Untersuchung angesehen werden, was eine Stufenbildung ermöglicht (Schichtenmodell nach Riesenhuber, System und Prinzipien des europäischen Vertragsrechts, 11 ff.).
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
B. Äußeres System Dem äußeren System kommt die Aufgabe zu, bereits gewonnene Gedanken sichtbar zu machen.19 Es meint die formale Anordnung der Rechtssätze, das heißt die Regelung in einer Kodifikation oder in Einzelgesetzen sowie die sonstige Anordnung und formale Gestaltung anhand von Ordnungsbegriffen.20 Dadurch entsteht jedoch keine Wertungskohärenz. Diese folgt allein aus dem inneren System.21 Geht man bei der Untersuchung des inneren Systems davon aus, dass es auf aus sich selbst heraus ergebenden Zusammenhängen aufbaut, so ist auch für das äußere System eine induktive und nicht eine deduktive Begriffsbildung vorzunehmen. Das bedeutet, die Begriffsbildung geht von den Einzelfällen aus (induktiv) und findet nicht anhand übergeordneter Prinzipien, aus denen weitere Unterbegriffe folgen (deduktiv), statt. Für die Verständlichkeit des Rechts sowie die Rechtssicherheit ist ein äußeres System von Bedeutung. Bei der Einfügung bestimmter Regelungen in eine Kodifikation ist stets danach zu fragen, ob diese die Systematik der Kodifikation aufrechterhalten und als Kodifikationsgewinn oder -verlust bezeichnet werden können. Demnach ist das äußere System in die Untersuchung zur Ermittlung einer Systemverschiebung miteinzubeziehen.
C. Systematische Gestaltungsspielräume des Gesetzgebers bei der Umsetzung vollharmonisierenden Richtlinienrechts Schwierigkeiten der Systembildung ergeben sich für die nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung europäischen Richtlinienrechts. Während den nationalen Gesetzgebern im Bereich des äußeren Systems völlige Gestaltungsfreiheit verbleibt (Art. 288 Abs. 3 AEUV), ist diese bezüglich der inneren Systematik beschränkt. Zwar gilt auch hier die Freiheit der Wahl der Form und Mittel, jedoch sind die nationalen Gesetzgeber teilweise bereits aufgrund der Bindung an den Inhalt in ihren Umsetzungsmöglichkeiten eingeschränkt. Zuerst bedarf es der Entscheidung, ob eine Eingliederung in die nationale Kodifikation erfolgen soll oder ob ein Sondergesetz vorzuziehen ist. Um eine Zersplitterung des Zivilrechts zu vermeiden, hat sich der Gesetzgeber zur Umsetzung europäischen Richtlinienrechts in den letzten Jahren für eine Eingliederung in das BGB entschlossen. Hier bedarf es einer systematischen Eingliederung. Als systematische Spielräume kommen lediglich die Horizontalisierung, die Schaffung einer höheren Abstraktionsebene, die Vertikalisierung, die 19 Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932, 145; das äußere System macht das innere nach außen sichtbar, so Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 19; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 24 f. 20 Begriffsbildung und Wahl der Reihenfolge der Gedanken sind die Mittel des äußeren Systems: Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 163; Lobinger, in: Müller-Graff (Hrsg.), Privatrechtsreform in Deutschland und Ungarn, 2009, 61, 62. 21 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 19.
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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Schaffung einer niederen Abstraktionsebene sowie die Diagonalisierung in Betracht.22 Die Vollharmonisierung schränkt diese Möglichkeiten weiter ein. Allein die Extension, die eine Erstreckung des Richtlinienrechts auch außerhalb des Anwendungsbereichs meint, ist bei der Vollharmonisierung zur Systematisierung voll einsetzbar.23 Schwierigkeiten für den nationalen Gesetzgeber ergeben sich insbesondere bei dem Zusammentreffen einer vollharmonisierenden Richtlinie mit einer voll ausdifferenzierten Kodifikation wie der des BGB, in die es diese Richtlinie einzufügen gilt. Dabei hat er stets das System des europäischen Rechts zu berücksichtigen. Da es im europäischen Privatrecht an einer Kodifikation fehlt, muss der deutsche Gesetzgeber die europäische Rechtsprechung und deren Systematisierung mit einbeziehen. Zudem hat er bei der Umsetzung festzustellen, in welchen Bereichen eine Lückenschließung durch nationales Recht aufgrund fehlender Harmonisierung erlaubt ist. In einem zweiten Schritt muss der Gesetzgeber beurteilen, ob die Eingliederung in die Kodifikation bereits zur Anwendung der allgemeinen Grundsätze des deutschen Zivilrechts führt oder ob es einer gesetzlichen Regelung bedarf. 4. Kapitel
System des Zahlungsdiensterechts im BGB Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Untersuchung des inneren Systems, da die äußere Ordnung des Zahlungsdiensterechts offensichtlich einige Veränderungen erfahren hat. Untersucht werden soll, ob diese Veränderung des Äußeren auf einer Systemverschiebung im Inneren basiert. Auch in Bezug auf das Untersuchungsziel, die Schwierigkeiten des Zusammenspiels von nationalem Recht mit europäischem vollharmonisierten Richtlinienrecht aufzudecken, ist dies der Schwerpunkt der Arbeit, denn Form und Mittel der Richtlinienumsetzung, welche das äußere System betreffen, liegen im Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten. Dagegen ist das innere System in Bereichen der Vollharmonisierung nicht veränderbar und bereitet Schwierigkeiten bei der Einfügung in das nationale System. Dennoch sollte das äußere System nicht außer Acht gelassen werden, ist dieses doch für die Aufrechterhaltung einer wertungskohärenten deutschen Privatrechtskodifikation mit einer durchgängigen Struktur sowie einheitlichen Begrifflichkeiten von großer Bedeutung. Für die Herausarbeitung des inneren Systems können aus dem äußeren System Schlüsse gezogen werden. Zudem bietet sich bei einer thematischen Aufteilung der Regelungen nach Ablaufschritten der Zahlungsdienste eine ge22
Wendehorst, in: Jud/Wendehorst (Hrsg.), Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa, 153, 176 ff.; vgl. auch Gebauer, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 163, 172 ff., der als Methoden der mitgliedstaatlichen Kohärenzbildung die Ergänzungen im Anwendungsbereich, die Extensionen in den autonomen Bereichen sowie die Koordinierung betrachtet. 23 Vgl. Gebauer, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht, 163, 176.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
meinsame Abhandlung an. Insofern wird auch in diesem Kapitel, welches überwiegend das innere System betrachtet, auf Merkmale des äußeren Systems zurückzukommen sein. Im fünften Kapitel können sodann aus der Untersuchung Lehren für den inneren und äußeren Systembegriff im deutschen und europäischen Zahlungsdiensterecht gezogen werden. Es wird untersucht, ob die einzelnen Regelungen dem System des deutschen Zahlungsdiensterechts nach folgerichtig ausgestaltet sind oder ob sich eine Folgerichtigkeit aus dem von der ZDRL geschaffenen neuen System ergibt. Die Untersuchung gliedert sich nach den einzelnen Ablaufschritten eines Zahlungsvorgangs und orientiert sich an der Einteilung des BGB, die größtenteils der ZDRL entspricht. Zunächst sind die in den §§ 675c bis 676c BGB enthaltenen Prinzipien und ergänzenden Wertungen herauszuarbeiten, um dann eventuelle Abweichungen zum bisherigen Recht festzustellen. Dabei ist das Recht der Überweisung, welches auf der Umsetzung der Überweisungsrichtlinie beruhte, von dem sonstigen Zahlungsdiensterecht für Lastschriften und Kartenzahlungen zu unterscheiden. Letzteres stimmt größtenteils mit dem Recht überein, welches zuvor auch für die Überweisung galt. Somit zieht der Systemvergleich drei Rechtslagen heran: die Rechtslage vor der Umsetzung der Überweisungsrichtlinie, die Rechtslage nach der Umsetzung der Überweisungsrichtlinie sowie die heutige Rechtslage nach der Umsetzung der ZDRL. Liegen hier Divergenzen vor, ist zu fragen, ob es für die Änderungen einen innersystematischen Grund gibt. Ist dies der Fall, handelt es sich lediglich um eine Wandlung. Besteht ein solcher Grund nicht, ist ein Systembruch entstanden. Hier sind auch Schlüsse aus dem äußeren System, aus der Aufteilung der Abschnitte sowie aus der Begriffsbildung zu ziehen. Zusammenfassend kann anhand von zentralen Prinzipien des Zahlungsdiensterechts dessen Einheit bewertet werden.24
A. Allgemeine Vorschriften und Zahlungsdienstevertrag I. Informationspflichten Das Zahlungsdiensterecht regelt die Informationspflichten nicht direkt in den §§ 675c ff. BGB, sondern verweist in § 675d Abs. 1, 4 BGB auf Art. 248 EGBGB. Dieser übernimmt die sachliche Unterteilung der ZDRL nach Allgemeinen Vorschriften (Abschnitt 1), Zahlungsdiensterahmenverträgen (Abschnitt 2), Einzelzahlungsverträgen (Abschnitt 3) und Informationspflichten von Zahlungsempfängern und Dritten (Abschnitt 4). Auch unterscheidet er zwischen vorvertraglichen und vertraglichen Informationspflichten der ZDRL.25 In § 675d BGB direkt geregelt sind eine Ausnahme von den Informationspflichten für Sachverhalte mit Drittstaaten24 Gliederung in: Untersuchung der Folgerichtigkeit der Regelungen (I.) sowie Einheit des Systems (II.) nach Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 81. 25 In der ZDRL Kapitel 4 Gemeinsame Bestimmungen.
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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bezug (§ 675d Abs. 1 S. 2 BGB)26, die Beweislast (§ 675d Abs. 2 BGB), welche den Zahlungsdienstleister trifft,27 sowie die Möglichkeit der Parteien ein Entgelt in den Fällen zu vereinbaren, in denen auf Verlangen des Zahlungsdienstnutzers Informationen häufiger, inhaltlich umfangreicher oder mit Hilfe eines anderen Kommunikationsmittels zur Verfügung gestellt werden (§ 675d Abs. 3 BGB). Zudem verweist § 675c Abs. 1 BGB auf die §§ 663, 665 bis 670 BGB, aus denen ebenfalls Informationspflichten folgen können. Die Informationspflichten lassen sich in drei Kategorien unterteilen. Zur ersten Kategorie zählen vorvertragliche Informationspflichten, die jetzt Art. 248 §§ 4, 13 EGBGB regelt. Der zweiten Kategorie gehören die Auskunftspflichten und Unterrichtungspflichten an, welche nach Vertragsschluss anfallen und in Art. 248 §§ 7 – 9, 14, 15 EGBGB normiert sind. Zusätzlich existieren in den Vorschriften der § 675c ff. BGB vereinzelt speziell geregelte Unterrichtungspflichten. Die dritte Kategorie bilden Pflichten zur Aufklärung, Warnung und Beratung als Teil der Informationserteilung. Diese können auch bereits vor Vertragsabschluss anfallen. 1. Vorvertragliche Informationspflichten Grundsätzlich normierte das BGB keinerlei Informationspflichten dieser drei Kategorien. Die Ausgestaltung überließen die Väter des BGBs von Anfang an der Rechtsprechung.28 Demzufolge enthielt auch das ursprüngliche Zahlungsdiensterecht29 keine gesetzlichen vorvertraglichen Informationspflichten. Erst mit Umsetzung der Überweisungsrichtlinie wurden solche in § 675a BGB a.F. sowie in der BGB-InfoVO30 (zuvor Kundeninformationsverordnung) eingeführt.31 Die vorvertraglichen Informationspflichten waren sodann in § 675a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. für die Lastschrift und die Kartenzahlung sowie zusätzlich für die Überweisung in § 675a Abs. 1 S. 2 BGB a.F. i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 BGB-InfoV a.F. normiert. Jetzt finden sie sich für Rahmenverträge in Art. 248 § 4 EGBGB und für Einzelzahlungsverträge in Art. 248 § 13 EGBGB. Hier ist eine erhebliche Erweiterung feststellbar. Existierten vorvertragliche Informationspflichten zunächst überhaupt nicht, 26 Deutschland hat eine überschießende Umsetzung der ZDRL vorgenommen, so dass grundsätzlich auch die von Art. 2 ZDRL ausgenommenen Sachverhalte mit Drittstaatenbezug erfasst sind, Omlor, in: Staudinger, § 675d BGB Rn. 6. 27 Optionsausübung aus Art. 33 ZDRL. 28 Siol, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 43 Rn. 15. 29 Dieses war nicht ausdrücklich normiert, sondern ging auf das Geschäftsbesorgungs- und Auftragsrecht (§§ 675, 662 BGB a.F.) zurück. 30 Verweis in § 675a Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB a.F. auf die Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz, Art. 239 EGBGB, eine Rechtsverordnung zu erlassen. 31 Zuvor existierte bereits für grenzüberschreitende Zahlungen das Kundeninformationsblatt, abgedruckt in WM 1993, 626 f., welches auf die Empfehlung der Kommission 90/109 EWG, ABl. L 067 vom 15. 03. 1990, 39 folgte; somit existierte schon damals ein zweistufiges Schutzsystem, Vortmann, WM 1993, 581, 548.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
führte § 675a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. für alle standardisierten Geschäftsvorgänge32, unter welche die Zahlungsdienste der Überweisung, Lastschrift und Kartenzahlung fielen, zumindest die Informationspflicht über Entgelte und Auslagen des Zahlungsdienstleisters ein. Mit § 12 Abs. 1 Nr. 1 BGB-InfoV a.F. kamen – jedoch nur für die Überweisung – bereits Informationspflichten über die Ausführungsfrist, das Wertstellungsdatum, die Berechnungsweise der Entgelte und Auslagen, die Referenzkurse sowie die Möglichkeiten der Streitbeilegung hinzu. Die derzeitige Rechtslage sieht für jeden Zahlungsdienst umfassende vorvertragliche Informationspflichten vor.33 So bestimmt Art. 248 § 4 Abs. 1 EGBG für den Rahmenvertrag, dass der Zahlungsdienstleister zu Informationen bezüglich seiner Kontakt- und Registrierungsdaten, der Nutzung des Zahlungsdienstes, der Entgelte, Zinsen und Wechselkurse, der Kommunikation, der Schutz- und Abhilfemaßnahmen, der Änderungen der Bedingungen und der Kündigung des Zahlungsdiensterahmenvertrags, des anwendbaren Rechts oder des zuständigen Gerichts sowie zu Hinweisen auf bestimmte Beschwerdeverfahren verpflichtet ist.34 Diese erhebliche Erweiterung beinhaltet zu einem großen Teil die Angabe von solchen Vorgaben, welche die §§ 675c ff. BGB bereits verbindlich aufstellen. Dies sind beispielsweise die Informationspflichten über die Ausführungsfrist (§ 675s Abs. 1 BGB)35, die Anzeigefrist (§ 676b Abs. 2 S. 1 BGB) und die Pflicht zu Hinweisen zur Haftung des Zahlungsdienstleisters (§ 675u BGB und § 675y BGB). Für Einzelzahlungsverträge sind die vorvertraglichen Informationspflichten geringer (Art. 248 § 13 EGBGB), wenn für den Vertrag erheblich, sind aber auch die erweiterten Informationspflichten des Zahlungsdiensterahmenvertrags einschlägig (Art. 248 § 13 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Zwei zusätzliche vorvertragliche Informationspflichten statuiert die SEPA-Migrationsverordnung. Der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers einer Lastschrift hat die Pflicht, seinen Kunden über das Erfordernis der Zustimmung des Zahlers an den Zahlungsempfänger und den Zahlungsdienstleister des Zahlers sowie die Aufbewahrungspflicht bezüglich des Mandats und seiner Änderungen in Kenntnis zu setzen.36 Der Zahlungsdienstleister des Zahlers muss diesen über seine Rechte nach Art. 5 Abs. 3 d) SEPA-Migrationsverordnung aufklären, die es ihm 32 Standardisierte Geschäftsvorgänge sind alle Geschäftsbesorgungen, die fürDritte im Betrieb des Verpflichteten gegen Entgelt erbracht werden, die dort regelmäßig anfallen; als Indiz dafür gilt, dass ein Entgelt von vornherein bestimmt ist oder AGB vorgesehen sind; Definition nach Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675a BGB Rn. 2. 33 § 675a BGB ist nicht mehr auf die unter § 675d BGB fallenden Geschäfte anwendbar; Heermann, in: MüKo, 6. Aufl., § 675a BGB Rn. 5. 34 Zudem statuieren Art. 248 §§ 17, 18 EGBGB vorvertragliche Informationspflichten für Zahlungsempfänger sowie Dritte, welche die Erhebung von Entgelten im Fall der Nutzung bestimmter Zahlungsauthentifizierungsinstrumente betreffen. 35 Wobei hier eine Abweichung vom Wortlaut spätestens eigentlich möglich ist, praktisch den Parteien aber aufgrund der kurzen Frist nicht viel Handlungsspielraum verbleibt; bis zum 1. Januar 2012 war die Vereinbarung einer Frist von bis zu drei Geschäftstagen zulässig, so dass zu diesem Zeitpunkt die Information noch eine echte Handlungsoption der Parteien betraf. 36 Art. 5 Abs. 3 a) ii) SEPA-Migrationsverordnung.
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gestatten durch Vereinbarung mit seinem Zahlungsdienstleister Lastschrifteinzüge auf einen bestimmten Betrag und/oder eine Periodizität zu begrenzen (i), bei fehlendem Erstattungsrecht, die Kontobelastung anhand des Mandats vor Belastung zu überprüfen (ii) und Lastschriften von bestimmten Zahlungsempfängern zu blockieren bzw. nur von bestimmten Zahlungsempfängern zuzulassen (iii). Eine Verschärfung der Informationspflichten findet sich des Weiteren in der Art und Weise der Erteilung. Nach § 675a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. mussten die Zahlungsdienstleister die Information lediglich zur Verfügung zu stellen, was bedeutete, dass sie die Information zur Kenntnisnahme bereithalten mussten.37 § 12 BGBInfoV a.F. schrieb vor, sie mitzuteilen. Da jedoch die Angaben für tatsächliche und mögliche Kunden zu machen waren (§ 12 Abs. 1 BGB-InfoV a.F.), genügte für die Mitteilung genau wie für die Zurverfügungstellung ein Aushang in den öffentlich zugänglichen Geschäftsräumen.38 Die Mitteilungspflicht gilt jetzt auch für Rahmenverträge, verpflichtet den Zahlungsdienstleister aber zu einer Tätigkeit ohne Aufforderung durch den Zahlungsdienstnutzer. Das bedeutet, dass ein Aushang nicht ausreicht, so dass die Informationen nun zugesendet werden müssen.39 Ausgenommen von dieser auch mit einer Bringschuld verglichenen40 Art der Mitteilung sind Informationen bei Einzelzahlungsverträgen. Hier genügt ein Aushang, welcher einer Holschuld entspricht.41 Die Textform (§ 126b BGB) ist auch weiterhin vorgeschrieben,42 wobei für die Lastschrift und die Kartenzahlung die vor Umsetzung der ZDRL in geeigneten Fällen zugelassene elektronische Übertragung nach § 675a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. wegfällt. Dies bedeutet für Direktbanken43, dass sie ihre Informationen nicht mehr lediglich über die Homepage zur Verfügung stellen dürfen.44 Die Form sowie Art und Weise der Erteilung ist nicht wie bei den Auskunftspflichten abdingbar (vgl. Art. 248 § 10 EGBGB), was ihre Bedeutung unterstreicht. Hinter den vorvertraglichen Informationspflichten stehen die Rechtsgrundsätze der Privatautonomie und der Selbstbestimmung des Zahlungsdienstnutzers sowie die Erhaltung der Marktmechanismen.45 Die Informationspflichten sind zwar weitgehend zwingend ausgestaltet, jedoch machen sie gerade keine inhaltlichen Vorgaben, sondern überlassen es den Parteien, diese auszuhandeln. Somit erhöhen sie die Bedeutung des Grundsatzes der Privatautonomie, indem sie nur eine geringe for37
Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675a BGB Rn. 4. Schimansky, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 49 Rn. 105. 39 Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 99. 40 Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 99. 41 Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 100. 42 § 675a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. war entsprechend der Überweisungsrichtlinie auszulegen, nach welcher Textform genügte; Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675a BGB Rn. 4. 43 Direktbanken sind solche Banken, die nur über das Internet mit ihren Kunden kommunizieren; vgl. Häuser, in: Münchner Kommentar HGB, 2. Aufl., ZahlungsV Rn. B 281. 44 Vgl. zur Rechtslage vor Umsetzung der ZDRL: Häuser, in: Münchner Kommentar HGB, 2. Aufl., ZahlungsV Rn. B 281. 45 Grundmann, JZ 2000, 1133, 1143. 38
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
melle Einschränkung vornehmen. Eingeschränkt wird jedoch der Grundsatz des emptor curiosus esse46, der die Verantwortung für Informationen bezüglich der Kaufsache beim Käufer oder – übertragen auf die Zahlungsdienste – beim Zahlungsdienstnutzer, sieht. Diese Beschränkung ergibt sich aus dem Gerechtigkeitspostulat, Machtasymmetrien – hier Informationsasymmetrien – zu beseitigen. Der Schutz des Vertrauens des Unterlegenen in seinen Vertragspartner soll die Informationspflicht rechtfertigen.47 Geschützt wird die Willensfreiheit des Unterlegenen.48 Auch wirtschaftliche Erwägungen stehen hinter den vorvertraglichen Informationspflichten des EU-Rechts. Der Wettbewerb im Binnenmarkt soll durch die Vergleichbarkeit der Angebote auf der Seite der Zahlungsdienstnutzer sowie durch einheitliche Anforderungen an die Zahlungsdienstleister gefördert werden. Auffällig ist, dass die vorvertraglichen Informationspflichten zu einem großen Teil die in Verbraucherverträgen halbzwingenden (§ 675e Abs. 1, 4 ZDRL) Rechte des Zahlungsdienstnutzers wiedergeben und ihre Funktion damit nicht mehr wie zuvor darin besteht, Abweichungen von inhaltlich nicht zwingenden Regelungen deutlich zu machen.49 Dadurch kommt es zu einer Verschiebung in der Gewichtung der zugrundeliegenden Rechtsprinzipien. Der selbstbestimmten Entscheidung des Zahlungsdienstnutzers wird wesentlich mehr Bedeutung zugemessen als der Privatautonomie des Zahlungsdienstleisters, dem Grundsatz emptor curious esse debet sowie der Freiheit des Binnenmarktes. Galt zuvor der Grundsatz, dass dort, wo materiell zwingende Verbotsregelungen aufgestellt waren, eine Informationspflicht nicht erforderlich war, steht diese Ansicht nicht mehr hinter den gesetzlichen Regelungen. Formelle Information wird zusätzlich zu inhaltlich beschränkenden Regeln gefordert. Es handelt sich um Belehrungspflichten, die ein gewandeltes Bild vom Zahlungsdienstnutzer implizieren. Letzterer erscheint wesentlich schwächer als zuvor, da er über seine gesetzlichen Rechte belehrt werden muss.50 Ein innersystematisch, aus dem ursprünglichen deutschen Zahlungsdiensterecht folgender Grund für diese Änderung ist nicht ersichtlich. Vielmehr steht hier der besondere Schutz des Zahlungsdienstnutzers und vor allem des Verbrauchers, für den die Vorschriften unabdingbar sind, hinter den Regelungen. Gleichzeitig sind wirtschaftliche Erwägungen der EU Grund der Änderung: Die Akzeptanz des neuen europäischen Zahlungsdiensterechts sowie der neuen SEPA-Zahlungsverfahren soll durch die Belehrungspflichten gefördert werden. Demnach kann von einer deutlichen Um46
Möllers, JZ 2002, 121, 129. Zur Vertrauenshaftung als Haftungsgrund vertragsschlussbezogener Informationspflichten: Breidenbach, Die Voraussetzungen von Informationspflichten beim Vertragsschluss, 1989, 47 ff.; Möllers, JZ 2002, 121, 130. 48 Breidenbach, Die Voraussetzungen von Informationspflichten beim Vertragsschluss, 12. 49 Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR II 80. 50 Zu dem grundsätzlich im deutschen Privatrecht an Eigenverantwortung und Privatautonomie orientierten Verbraucherkonzept, dessen Erhaltung ein Schutzkonzept von schulischer und außerschulischer Verbraucherbildung eher diene als eine gesetzlichen Informationsregelung: Reuß/Vollath, ZRP 2013, 228. 47
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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wälzung des vorvertraglichen Informationspflichtensystems des deutschen Zahlungsdiensterechts gesprochen werden.51 Es wird noch offensichtlicher, dass sich hier eine Systemverschiebung in Richtung eines europäischen Zahlungsdiensterechts ergeben hat, wenn man die Entwicklung mit derjenigen im Verbrauchervertragsrecht vergleicht, welche die Einführung ebensolcher vorvertraglichen Informationspflichten verzeichnet.52 Typisch für das deutsche Schuldvertragsrecht zum Ausgleich eines Informationsgefälles sowie fehlender Rechts- und Verfahrenskenntnisse sind dagegen andere Formvorschriften, wie die notarielle Beurkundung oder das Schriftformerfordernis53. Die Entwicklung ist sehr zu begrüßen. Sie schränkt die Rechte des Zahlungsdienstleisters nur geringfügig ein. Er kann die Informationspflichten standardisiert für jeden Vertragstyp erbringen und sich dabei an vielen Stellen eng an die gesetzlichen Vorgaben halten, so dass er keinen besonderen Formulierungsaufwand hat. Dem Zahlungsdienstnutzer, der häufig nicht rechtskundig ist, dienen diese Informationen zur Aufklärung über seine Rechte in Problemfällen sowie zur besseren Verständlichkeit der Zahlungsverfahren. Um ihn vor einer Informationsflut54 zu schützen, gilt das Transparenzgebot, welches Klarheit und Verständlichkeit der Informationserteilung fordert.55 Es fragt sich, ob eine Unterscheidung zwischen Verbrauchern und Unternehmern sinnvoll gewesen wäre, da bei letzteren eher von einer Rechtskundigkeit auszugehen ist. Jedoch sind auch für die Unternehmen das europäische Zahlungsdiensterecht sowie die SEPA-Zahlungsdienste zunächst neu, so dass ihre Schutzbedürftigkeit nicht viel geringer ausfällt. Insofern genügt die Abdingbarkeit der Informationspflichten nach § 675e Abs. 4 BGB im Unternehmerverkehr als Ausgleich für die im Vergleich zum Verbraucher bestehende Geschäftserfahrenheit. Die vorvertraglichen Informationspflichten fördern somit das Vertrauen in das neue
51 Möllers/Leisch, JZ 2000, 1085, 1092, sprechen bereits 2000 von einer klaren Tendenz der Rechtsvorschriften auf europäischer und nationaler Ebene sowie der deutschen Rechtsprechung, dem Bankkunden durch vorvertragliche Informationen eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen. 52 Diese werden jetzt besonders deutlich mit der Umsetzung des Art. 5 Abs. 1 und des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: BT-Drucks. 17/13951, welches die vorvertraglichen Informationspflichten neu in § 312a Abs. 2 S. 1 i.V.m. Art. 246 EGBGB und § 312d Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 246a EGBGB normiert; zur Vollharmonisierung der Informationspflichten im europäischen Privatrecht: Mittwoch, Vollharmonisierung und Europäisches Privatrecht, 260 ff. 53 Zwar ist die vorvertragliche Informationspflicht bei Rahmenverträgen in Textform zu erbringen (Art. 248 § 3 EGBGB), für den Zahlungsdiensterahmenvertrag an sich ist jedoch keinerlei Formerfordernis vorgeschrieben. 54 Vor einer solchen warnend Rehberg, in: Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse der europäischen Zivilrechtsentwicklung, 2007, 284, 319 ff. 55 Art. 248 § 2 EGBGB; zum Transparenzgebot im europäischen Privatrecht als Beispiel der Inter-Instrumental Interpretation, Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 918 ff.
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Recht sowie in die SEPA-Zahlungsverfahren und dienen der Ausweitung des europäischen Zahlungsverkehrs. 2. Auskunfts- und Unterrichtungspflichten Die Auskunftspflichten basierten vor der Umsetzung der Überweisungsrichtlinie auf §§ 675, 663, 665, 666 BGB und nach deren Umsetzung für die Überweisung zusätzlich auf § 675a BGB a.F. i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 bis 3 BGB Info a.F. Nun sind sie in Art. 248 §§ 7 bis 9 EGBGB für den Rahmenvertrag sowie in Art. 248 §§ 14, 15 EGBGB für den Einzelzahlungsvertrag geregelt. Hinzu kommen besondere Anforderungen für Überweisungen und Lastschriften durch die SEPA-Migrationsverordnung für die Überweisung (Art. 5 Abs. 2 c) und für die Lastschrift (Art. 5 Abs. 3 c), welche aber nicht wesentlich von den Auskunftspflichten der ZDRL abweichen, sondern sie lediglich präzisieren56 und zusätzlich in gegebenem Fall die Angabe des Verwendungszwecks fordern. Auskunftsansprüche, die zuvor nach § 666 1. Fall BGB unter die Erteilung der erforderlichen Nachrichten fielen und zu dem Zwecke bestanden, dem Zahlungsdienstnutzer die Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten zu ermöglichen,57 finden sich jetzt in dem Art. 248 §§ 7 bis 9, 14, 15 EGBGB. Diese Regelungen verpflichten die Zahlungsdienstleister des Zahlers und des Zahlungsempfängers jeweils gegenüber ihren Kunden nach der Belastung des Kontos – bei Einzelzahlungsverträgen nach Zugang des Zahlungsauftrags – bzw. nach der Ausführung des Zahlungsauftrags vor allem zur Information über die Kennung, den Zahlungsbetrag, das Entgelt und das Wertstellungsdatum. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage ist bei Rahmenverträgen die monatliche Unterrichtung in der Form von Kontoauszügen nach Vereinbarung zulässig (Art. 248 § 10 EGBG).58 Es ist fraglich, ob die zuvor in § 666 2. Fall BGB statuierte Auskunftspflicht auf Verlangen, welche auch die nochmalige Erteilung von Kontoauszügen erfasste,59 weiterhin über § 675c Abs. 1 BGB anwendbar ist. Die Vollharmonisierung im Bereich der Auskunftserteilung steht hier zunächst einer Pflicht zur nochmaligen Erteilung entgegen. Eine solche
56 So fordert beispielsweise Art. 5 Abs. 2 c) i.V.m. Nummer 2 Buchstabe d des Anhangs der SEPA-Migrationsverordnung die Angabe des Namens des Zahlers in Konkretisierung der in Art. 248 § 8 Nr. 1 EGBGB verpflichtenden Angabe einer Kennung, die die Identifizierung des Zahlers ermöglicht; Art. 5 Abs. 3 c) i.V.m. Nummer 3 Buchstabe c des Anhangs der SEPAMigrationsverordnung fordert in Konkretisierung von Art. 248 § 7 Nr. 1 EGBGB die Angabe der eindeutigen Mandatsreferenz, der Identifikationsnummer des Zahlungsempfängers sowie des Namens und des Identifikationscodes des Zahlverfahrens. 57 Seiler, in: MüKo, 6. Aufl., § 666 BGB Rn. 5. 58 Vgl. zur Rechtslage vor Umsetzung der ZDRL: Hadding/Häuser, in: Münchner Kommentar HGB, 2. Aufl., ZahlungsV Rn. A 163. 59 Hadding/Häuser, in: Münchner Kommentar HGB, 2. Aufl., ZahlungsV Rn. A 164; BGH, Urteil vom 4. 7. 1985 – III ZR 144/84-WM 1985, 1098, 1099.
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kann jedoch vertraglich vereinbart werden60 oder sich in Einzelfällen aus § 242 BGB61 ergeben.62 Dafür spricht auch das Ziel der ZDRL, eine möglichst umfassende Information des Zahlungsdienstnutzers zu gewährleisten.63 Allerdings sind dann auch Entgeltvereinbarungen zulässig (§ 675d Abs. 3 BGB)64. Weitere Pflichten zur Unterrichtung finden sich in §§ 675k Abs. 2 S. 2, 3, 6 BGB, welcher die Information über die Sperrung inklusive Angabe der Gründe bzw. über die Entsperrung fordert. § 675r Abs. 3 BGB verpflichtet den Zahlungsdienstleister dazu, den Zahler unverzüglich zu unterrichten, wenn für ihn die Kundenkennung erkennbar keinem Zahlungsempfänger oder -konto zugeordnet werden kann65. Diese Pflichten sind ebenso der Erteilung von erforderlichen Nachrichten nach § 666 1. Fall BGB zuzuordnen. § 675o Abs. 1 S. 1 BGB, der eine Unterrichtungs- und Begründungspflicht bei Ablehnung eines Zahlungsauftrags statuiert, kann einerseits auf §§ 675c, 663 BGB66 oder auf §§ 675c, 665 BGB67, andererseits aber auch auf eine allgemeine Schutz- und Sorgfaltspflicht aus § 242 BGB68 zurückgeführt werden. § 675y Abs. 5 BGB statuiert eine Pflicht des Zahlungsdienstleisters, den Zahlungsvorgang nachzuvollziehen und darüber zu berichten, sollte dieser nicht oder fehlerhaft ausgeführt worden sein. Diese Pflicht soll eine Ausprägung des allgemeinen Auskunftsanspruchs aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) darstellen,69 kann genauso gut aber als eine Konkretisierung des § 666 2. Fall BGB verstanden werden. Die genaue Zuordnung ist nicht relevant, da hinter den Pflichten dieselbe Wertung steht. Diese ergibt sich aus dem von der Rechtsprechung aus § 242 BGB entwickelten 60 Vgl. Art. 47 Abs. 2, 48 Abs. 2 ZDRL; Art. 248 § 10 EGBGB; Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 112; z. B. Muster der Bedingungen für den Überweisungsverkehr des Deutschen Bankenverbandes, abrufbar unter: https://bankenverband.de/media/uploads/2016/ 07/14/48001_0416_muster.pdf [Stand. 24. 10. 2016], 1.6 (3) Die Bank unterrichtet den Kunden mindestens einmal monatlich über die Ausführung von Überweisungen auf dem für Kontoinformationen vereinbarten Weg. Mit Kunden, die keine Verbraucher sind, kann die Art und Weise sowie die zeitliche Folge der Unterrichtung gesondert vereinbart werden. (Hervorhebung durch den Verfasser). 61 Vgl. BGH, Urteil vom 4. 7. 1985 – III ZR 144/84-WM 1985, 1098, 1099, der für den Umfang der Informationserteilung, sprich für eine zweite Erteilung von Kontoauszügen, auf § 242 BGB abstellt; zur Regelungslücke der ZDRL bezüglich Informationspflichten, die auf dem Grundsatz von Treu und Glauben basieren siehe unten bei den Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten. 62 Im Ergebnis so auch Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 47 Rn. 89a. 63 Erwägungsgrund (21) ZDRL. 64 So auch Hadding/Häuser, in: Münchner Kommentar HGB, 3. Aufl., ZahlungsV Rn. A 164. 65 Omlor, in: Staudinger, § 675r BGB Rn. 16 spricht auch von der dogmatischen Zuordnung zu einer Pflicht zur Auskunft nach §§ 675c Abs. 1, 666 BGB. 66 Risse/Linder, BB 1999, 2201, 2202. 67 Sonnenhol, WuB I A 3 Nr. 17 AGB-Sparkassen 1993 1.00. 68 BGH, Urteil vom 27. 2. 1978 – II ZR 3/76-WM 1978, 637; offen jedoch BGH, Versäumnisurteil vom 13. 2. 2001 – XI ZR 197/00-NJW 2001, 1419, 1420. 69 Omlor, in: Staudinger, § 675y BGB Rn. 21.
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und in den §§ 663, 665, 666 BGB für das Auftrags- und Geschäftsbesorgungsrecht verankerten Grundsatz, dass jeder, der fremde Angelegenheiten wahrnimmt, auskunfts- und rechenschaftspflichtig ist.70 Außerdem unterscheiden sich die Rechtsfolgen bei Verstößen71 sowie die Beurteilung der Frage der Entgeltlichkeit nach allgemeinem Schuldrecht72 nicht. Neu sind jedoch zwei explizite Hinweispflichten. Diese finden sich in § 675x Abs. 5 S. 2 BGB, welcher den Zahlungsdienstleister zur Information über Beschwerdemöglichkeiten und die Anrufung einer Schlichtungsstelle bei Ablehnung des Erstattungsanspruchs verpflichtet, sowie in § 675g Abs. 2 S. 3 BGB, der die Hinweispflicht auf das außerordentliche Kündigungsrecht des Zahlungsdienstnutzers im Fall der Vertragsänderung einführt.73 Ähnlich wie bei den vorvertraglichen Informationspflichten sollen diese Pflichten die schwächere Vertragspartei schützen und im Fall des § 675x Abs. 5 S. 2 BGB die Rechtsschutzmöglichkeiten verbessern. Diese Änderung im Bereich der Auskunftspflichten fällt jedoch so minimal aus, dass für die Auskunftspflichten nicht von einer Umwälzung des Systems zu sprechen ist. 3. Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten Zu unterscheiden von diesen nun gesetzlich speziell geregelten Pflichten sind Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten, welche auch durch die ZDRL keine gesetzliche Normierung gefunden haben.74 Da der Zahlungsverkehr eine massenhafte und automatisierte Abwicklung erfordert sowie von seinem Geschäftszweck her auf eine technisch einwandfreie, einfache und schnelle Ausführung begrenzt ist, bestehen diese Pflichten zur Interessenwahrnehmung der Zahlungsdienstnutzer nur in Ausnahmefällen.75 Beispielsweise trifft den beauftragten Zahlungsdienstleister im 70 Seiler, in: MüKo, 3. Aufl, § 666 BGB Rn. 4; BGH, Urteil vom 28. 10. 1953 – II ZR 149/ 52- NJW 1954, 70; RG, Urteil vom 23. 4. 1910 – I 217/09-RGZ 73, 286, 288; RG, Urteil vom 4. 5. 1923 – II 310/22-RGZ 108, 1, 7. 71 Die Verletzung der Auskunfts- und Unterrichtungspflichten kann einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB nach sich ziehen, bei welchem der Schaden vor allem in der Verzögerung der Erfüllung des Valutaverhältnisses besteht; Omlor, in: Staudinger, § 675o BGB Rn. 17. 72 BGH, Versäumnisurteil vom 13. 2. 2001 – XI ZR 197/00-NJW 2001, 1419, 1420 f. 73 Bunte, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 6 Rn. 14; die Hinweispflicht auf die Folgen des Schweigens, welche sich ebenfalls in § 675g Abs. 2 S. 3 BGB findet, existierte bereits vor Umsetzung der ZDRL. 74 Wenn man § 675o Abs. 1 S. 1 BGB nicht als aus § 242 BGB folgende Mitteilungspflicht ansieht (BGH, Urteil vom 27. 2. 1978 – II ZR 3/76-WM 1978, 637), sondern als Ausprägung der geschäftsbesorgungsrechtlichen Auskunfts- und Rechenschaftspflicht aus §§ 675c Abs. 1, 663 BGB; dazu Omlor, in: Staudinger, § 675o BGB Rn. 9. 75 Siol, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 44 Rn. 77; BGH, Urteil vom 29. 5. 1978 – II ZR 89/76NJW 1978, 1852; selbst im Fall von Treuhandkonten sehr enge Grenzen der Warn- und Schutzpflichten, insbesondere auch keine Schutzpflichten gegenüber Dritten, BGH, Urteil vom 22. 6. 2010 – VI ZR 212/09-WM 2010, 1393 Rn. 18; BGH, Urteil vom 6. 5. 2008 – XI ZR 56/07NJW 2008, 2245 Rn. 26 ff.
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Überweisungsverkehr eine Warnpflicht bei Kenntnis des unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruchs des Überweisungsempfängers oder des empfangenden Zahlungsdienstleisters76 sowie eine Warnpflicht bei dem Verdacht, dass ein Kunde einen anderen durch eine Straftat schädigen will.77 Der beauftragte Zahlungsdienstleister ist außerdem verpflichtet, Hinweise bei devisenrechtlichen Vorschriften zu geben.78 Diese Pflichten gelten für den Lastschriftverkehr entsprechend.79 Auf die Kartenzahlung sind solche Pflichten nicht übertragbar, denn das kartenausgebende Unternehmen gibt selbst ein Zahlungsversprechen ab80. Des Weiteren stünde einer solchen Warnpflicht die Bargeldersatzfunktion der Kartenzahlung entgegen. Teilweise kann den Zahlungsdienstleister auch eine Aufklärungspflicht über die Vor- und Nachteile des gewählten Zahlungsdienstes treffen.81 Diesen von der deutschen Rechtsprechung ausgestalteten Pflichten steht die Vollharmonisierung der ZDRL nicht entgegen, da sie in diesem Bereich eine Regelungslücke aufweist.82 In § 675o Abs. 1 S. 2 BGB kann man höchstens den Ansatz einer Beratungspflicht erkennen.83 Ansonsten regelt die ZDRL vorvertragliche Informationspflichten sowie die geschäftsbesorgungsrechtlichen Auskunftspflichten, nicht aber Aufklärungs-, Warnund Beratungspflichten.84 Die Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten basieren zu einem Teil auf der geschäftsbesorgungsrechtlichen Interessenwahrungspflicht, zu einem anderen Teil auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).85 Der Unterschied besteht in 76 BGH, Urteil vom 29. 5. 1978 – II ZR 89/76-NJW 1978, 1852; BGH, Urteil vom 29. 9. 1986 – ZR II 283/85-NJW 1987, 317 ff. 77 BGH, Urteil vom 6. 5. 2008 – XI ZR 56/07-NJW 2008, 2245 Rn. 14 ff. 78 BGH, Urteil vom 31. 1. 1957 – II ZR 41/56-NJW 1957, 586. 79 BGH, Urteil vom 6. 5. 2008 – XI ZR 56/07-NJW 2008, 2245 Rn. 14 ff.; Siol, in: BankRHdB, 4. Aufl., § 44 Rn. 89. 80 Nr. 10 der Vereinbarung über ein institutsübergreifendes System zur bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen, abgedruckt in: BankR-HdB, 4. Aufl., Anh. 2 zu §§ 67, 68. 81 Vgl. Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR II 296, für die Aufklärung des Gläubigers durch die Inkassobank bei Abschluss der Inkassovereinbarung über Vorund Nachteile der SEPA-Firmenlastschrift und SEPA-Basislastschrift Ellenberger, in: BankRHdB, 4. Aufl., § 58 Rn. 7; zu den Vor- und Nachteilen der SEPA-Firmenlastschrift und SEPABasislastschrift siehe Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR II 34; sowie Ellenberger, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 58 Rn. 5 f. 82 Für ein Fortgelten der aus § 242 BGB folgenden Pflichten: Grundmann, in: Ebenroth/ Boujong/Joost, 2. Aufl., BankR II 54; EuGH, Urteil vom 16. 12. 1997 – Rs. C-104/96, Cooperative Rabobank, Slg. 1997, I-7219. 83 Grundmann, WM 2009, 1157, 1159. 84 BGH, Urteil vom 22. 5. 2012 @ XI ZR 290/11-NJW, 2012, 2571, Tz. 13, 30 zeigt, dass neben den ausdrücklich von der ZDRL normierten Informationspflichten solche weiterhin bei bestehender Regelungslücke aus §§ 675a, 242 BGB oder aus §§ 675a, 666 BGB folgen können; eine Benachrichtigungspflicht im EEV besteht nach nationalem Recht, da sie nicht von der ZDRL geregelt ist. 85 Umstritten ist, aus welcher Rechtsgrundlage diese Pflichten folgen; die einen nehmen einen allgemeinen Bankvertrag an (Hopt, in: Baumbach/Hopt, 37. Aufl., (7) Bankgeschäfte
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
der Rechtsfolge. Die Interessenwahrungspflicht verlangt, die Interessen des Kunden als alleinigen Maßstab zu setzen, während § 242 BGB eine Abwägung mit den Interessen des Zahlungsdienstleisters erlaubt.86 Der Tatbestand grenzt sich danach ab, ob die Bank Einfluss- und Entscheidungsmacht hat, die ihr unentgeltlich eingeräumt wurde, so dass die Interessen des Kunden ausschlaggebend sein müssen.87 Gerade im Zahlungsverkehr hat die Bank zwar Fremdgeschäftsführungswillen, aber wenig Einfluss auf die bereits getroffene Entscheidung zur Zahlung.88 Daraus folgt, dass größtenteils § 242 BGB heranzuziehen ist. Betrachtet man die Entwicklung des Zahlungsdiensterechts in diesem Bereich, so sind keine Veränderungen zu konstatieren. Die hinter den Regelungen stehenden Wertungen haben sich nicht verschoben. Die Zahlungsdienstleister nehmen im Zahlungsdiensterecht trotz der grundsätzlichen Wahrnehmung fremder Interessen keinen großen Einfluss auf die Rechtspositionen ihrer Kunden. Daraus ergibt sich, dass die Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten nur im Einzelfall bestehen. Eine Systemänderung hat somit nicht stattgefunden. II. Abweichende Vereinbarungen § 675e BGB regelt die Abdingbarkeit des Zahlungsdiensterechts. Zunächst bestimmt § 675e Abs. 1 BGB, dass ein Abweichen zum Nachtteil des Zahlungsdienstnutzers nicht zulässig ist. Damit gibt er den Vorschriften des Zahlungsdiensterechts halbzwingenden Charakter, so dass die Parteivereinbarungen in ihrem Schutzniveau nach oben, aber nicht nach unten abweichen dürfen. Es handelt sich um einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandard.89 Dieser halbzwingende Charakter wird aber in § 676e Abs. 4 BGB für Unternehmen bei einem Großteil der Vorschriften wieder eingeschränkt. § 675e Abs. 2 und 3 BGB bestimmen die Anwendbarkeit und Disposivität des Zahlungsdiensterechts für Sachverhalte mit Drittstaatenbezug. Einige Vorschriften sind auf Sachverhalte mit Drittstaatenbezug gar nicht anzuwenden (§ 676e Abs. 2 HS. 1 BGB), so dass sich für die AGB-Prüfung der Leitbildcharakter weiterhin aus dem allgemeinen Geschäftsbesorgungsrecht ergibt. Außerdem sind für solche Sachverhalte alle übrigen Vorschriften abdingbar. Für Zahlungen in Drittstaatenwährungen ist zusätzlich § 675t Abs. 1 BGB, der den
Rn. A/6; Hopt, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 1 Rn. 15 ff.; Schwintowski, Bankrecht, 4. Aufl., § 1 Rn. 23 ff.; Roth, WM 2003, 480), andere stellen auf ein gesetzliches Schuldverhältnis ab (Hadding/Häuser, in: Münchner Kommentar HGB, 3. Aufl., ZahlungsV Rn. A 151 ff.; Canaris, in: Großkomm. HGB; Bankvertragsrecht, Rn. 1 – 35); wie auch der BGH, Urteil vom 24. 9. 2002 – XI ZR 345/01-NJW 2002, 3695. 86 Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR I 110; Schubert, in: MüKo, 7. Aufl., § 242 BGB Rn. 50. 87 Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR I 110. 88 Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR I 128. 89 Umsetzung des Art. 86 Abs. 3 ZDRL.
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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Anspruch auf Gutschrift sowie den Wertstellungszeitpunkt festlegt,90 nicht anwendbar. Für Zahlungen in Euro oder in anderen Währungen eines Mitglied- oder Vertragsstaats ist § 675t Abs. 1 S. 2, 3, Abs. 2 BGB zwingend anzuwenden (§ 675e Abs. 2 HS. 2 BGB). Zudem stellt es § 675e Abs. 3 BGB in das Ermessen der Parteien für Zahlungen, die nicht in Euro erfolgen, § 675t Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 BGB ganz oder teilweise nicht anzuwenden. Vereinzelt existieren in den Vorschriften der §§ 675c ff. BGB Klauseln, die die Abweichung durch Parteivereinbarung erlauben.91 Die genaue Leitbildänderung der betroffenen Regelungen soll im Rahmen der Untersuchung der einzelnen Vorschriften stattfinden. An dieser Stelle ist zu betrachten, ob die Regelung der Abdingbarkeit an sich inhaltlich sowie regelungstechnisch zu einer Wertungsverschiebung führt. Trotz des grundsätzlich bezweckten Schutzes aller Zahlungsdienstnutzer (§ 675e Abs. 1 BGB) rückt der Verbraucherschutzgedanke dadurch stark in den Vordergrund, dass für Unternehmen in vielen Regelungsbereichen eine Ausnahme vom Schlechterstellungsverbot92 besteht (§ 675e Abs. 4 BGB). Dieser Gedanke kam in den Umsetzungsvorschriften der Überweisungsrichtlinie nicht in demselben Maße zum Ausdruck. Für die Überweisung nahm lediglich § 676g Abs. 1 S. 4 BGB a. F. eine Unterscheidung zwischen Unternehmern und Verbrauchern vor, indem er nur Unternehmern die Abbedingung des Wertstellungszeitpunkts gestattete. § 676c Abs. 3 Nr. 1 BGB a.F., welcher klarstellte, dass die Vorschriften zum Überweisungsvertrag ebenfalls nur halbzwingend waren, enthielt die Möglichkeit der Abdingbarkeit nur für Kreditinstitute, nicht aber für Unternehmer im Allgemeinen. Für Lastschriften- und Kreditkartenzahlungen galt dagegen die grundsätzliche Disposivität der Vorschriften des allgemeinen Geschäftsbesorgungsrechts. Der Verbraucherschutzgedanke bestand aber bereits in der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Er wirkte zwar nicht über eine halbzwingende Regelung, kam aber in der AGB-Kontrolle zum Ausdruck93. Das Schlechterstellungsverbot aus § 675e Abs. 1 BGB i.V.m. § 675e Abs. 4 BGB als auch die AGB-Kontrolle schränken beide die zu der Vertragsfreiheit zu rechnende inhaltliche Gestaltungsfreiheit der Parteien zum Schutz des Verbrauchers ein. Der Schutz einer unterlegenen Vertragspartei durch zwingendes Recht sowie durch AGB-Recht beruht grundsätzlich darauf, dass das
90 Omlor, in: Staudinger, § 675t BGB Rn. 3; a.A. Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 163, 173, der Anspruch auf Gutschrift folge nach wie vor aus § 675c Abs. 1, § 667 2. Alt. BGB, erst der Anspruch aus Gutschrift sei dagegen in § 676t Abs. 1 S. 1 BGB geregelt. 91 Beispielsweise § 675x Abs. 2 BGB (Parteivereinbarung eines Erstattungsanspruch auch ohne die Voraussetzungen des § 675x Abs. 1 BGB), § 675z S. 2 BGB (Haftungsbegrenzung durch Parteivereinbarung auf 12.500 E möglich). 92 Begriff nach Omlor, in: Staudinger, § 675e BGB Rn. 2. 93 Vgl. beispielsweise: BGH, Urteil vom 30. 11. 1993 – XI ZR 80/93-NJW 1994, 318; BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR 128/90-NJW 1991, 1886; BGH, Urteil vom 9. 4. 2002 – XI ZR 245/01-NJW 2002, 1950.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
Verhandlungsgleichgewicht als gestört angesehen wird94 und ein unangemessener Vertragsinhalt vorliegt. Somit stehen hinter den Verboten durch halbzwingendes Recht und den AGB-rechtlichen Regelungen dieselben Wertungen. Dies zeigt sich auch daran, dass beide Regelungstechniken dieselbe Rechtsfolge hervorrufen. Halbzwingende Normen geben die Wirksamkeit der Klauseln von vornherein vor, was bedeutet, dass Rechtsfolge die Unwirksamkeit nur der betreffenden Klauseln ist und der Vertrag ansonsten bestehen bleibt. Gleiches bestimmt § 306 Abs. 1 BGB für das AGB-Recht. Beide Regelungstechniken sind dazu geeignet, Schutz- und Standardisierungsvorteile im Massenzahlungsverkehr mit der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen, da sie keinen zwingenden Vertragsinhalt vorgeben, sondern lediglich die Grenzen aufzeigen. Der genaue Vergleich des Verbraucherschutzniveaus wird bei der Untersuchung der einzelnen Vorschriften vorgenommen. Hier kann festgestellt werden, dass dieser Gedanke dem deutschen Zahlungsdiensterecht nicht fremd ist. Somit ist nicht von einer Wertungsverschiebung zu sprechen. Die Regelungstechnik der halbzwingenden Normen fügt sich zudem in die deutsche Privatrechtskodifikation ein, da solche Regelungen auch in anderen Rechtsbereichen, wie insbesondere dem Mietrecht, existieren.95 Die Normierung des Verbraucherschutzgedankens in der halbzwingenden Regelung des § 675e Abs. 1, 4 BGB, wenn auch nur in negativer Form der Ausnahmeregelung für Unternehmen, ist zu begrüßen. Denn sie sorgt für Rechtssicherheit, indem sie einen Mindeststandard setzt, der keine Abwägung vorsieht, wie sie die Klauselverbote aus § 308 BGB erfordern. Die Ausgestaltung als halbzwingende Regelung ist im Zahlungsdiensterecht aus dem Grunde vorzugswürdig, da sie die Möglichkeit bietet im Vergleich zur AGBKontrolle auch Unternehmer mit derselben Schutzintensität in ihren Regelungsbereich einzubeziehen.96 § 675e Abs. 1 BGB wertet in seiner Ausgestaltung zum Schutze des Zahlungsdienstnutzers somit die Stärke der Störung des Verhandlungsungleichgewichts von Verbrauchern und Unternehmern zunächst gleich. Betrachtet man dann aber die Anzahl der Vorschriften, von denen im Unternehmensverkehr abgewichen werden darf, so kann man von einem grundsätzlich dispositiven Recht für Unternehmer sprechen. Insbesondere die haftungsrechtlichen Vorschriften sind abdingbar. Erwähnenswerte zwingende Vorschriften sind diejenigen zu den Ausführungsfristen und dem Wertstellungsdatum. Vergleicht man die derzeitige Rechtslage der zwingenden Vorschriften mit derjenigen zur Zeit der Umsetzung der Überweisungsrichtlinie, ist eine verstärkte Einschränkung der Gestaltungsfreiheit der Unternehmer insbesondere in diesen Bereichen zu konstatieren. Die Ausfüh94 Die vorvertraglichen Informationspflichten werden somit zum Ausgleich des Verhandlungsungleichgewichts nicht als ausreichend angesehen. 95 Vgl. beispielsweise: § 536 Abs. 4 BGB, § 551 Abs. 4 BGB, § 556 Abs. 4, § 566a Abs. 3, § 556b Abs. 2 S. 2, § 557 Abs. 4 BGB; Möllers, JZ 2002, 121, 131. 96 Vgl. hierzu Grundmann, WM 2000, 2269, 2274, bei Einbeziehung von Unternehmern, würde ein Klauselverbot im AGB-Recht zu einem stärkeren systematischen Bruch als eine zwingende Regel führen.
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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rungsfrist (§ 675s Abs. 1 BGB) – mit zwei Ausnahmen für Zahlungsvorgänge, die nicht in Euro erfolgen, sowie solchen, die in Papierform ausgelöst sind – und die Wertstellungfrist (§ 675t BGB) sind nun vollständig zwingend. Die der Ausführungsfrist vorgelagerte Frist für vom oder über den Zahlungsempfänger ausgelöste Zahlungsvorgänge sowie Lastschriften zur Übermittlung des Zahlungsauftrags durch den Zahlungsdienstleister des Zahlungsdienstempfängers an denjenigen des Zahlers beruht jedoch weiter auf Parteivereinbarungen. Zum Zeitpunkt der Umsetzung der Überweisungsrichtlinie waren die Ausführungsfristen sowohl für Unternehmer als auch für Verbraucher lediglich für Inlandszahlungen – wohl als Höchstfristen97 – verbindlich (§ 676a Abs. 2 S. 2 Nr. 2, 3 BGB a.F.), für grenzüberschreitende Zahlungen ging die Parteivereinbarung vor (§ 676a Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB a.F.). Vor Umsetzung der Überweisungsrichtlinie dagegen gab es keine festen Fristen zur Überweisung. Es folgte jedoch aus der Interessenwahrungspflicht eine abdingbare Pflicht zur schnellstmöglichen Abwicklung.98 Das Wertstellungsdatum war für Unternehmer im Überweisungsverkehr dispositiv (§ 676g Abs. 1 S. 4 BGB a.F.). Für alle anderen Zahlungsdienste sowie für die Überweisung vor Umsetzung der ZDRL existierte eine umfassende Rechtsprechung, welche ebenfalls von einer grundsätzlichen Disposivität des Wertstellungszeitpunkts ausging.99 Somit ist ein Trend hin zu einer immer weitergehenden Beschränkung der Gestaltungsfreiheit der Unternehmer gerade in den technischen Bereichen der Ausführungsfristen und des Wertstellungsdatums festzustellen. Betrachtet man die unternehmerische Verhandlungsposition, ist in diesen Bereichen der Ausgleich eines Verhandlungsungleichgewichts durch halbzwingende Regeln gerechtfertigt, da die Ausführungsfrist und die Wertstellung für Unternehmer ebenso schwer wie für Verbraucher nachzuvollziehen sind. Ein solcher Schutz klang bereits vor Umsetzung der Überweisungsrichtlinie in der deutschen Rechtsprechung an.100 Die Einschränkungen insbesondere durch den zwingenden Charakter des Wertstellungsdatums führen jedoch dazu, dass bisweilen übliche Praktiken nicht mehr vollzogen werden können. Beispielhaft werden hier Verträge mit der öffentlichen Hand genannt,101 die ein Interesse daran haben kann, Zahlungsdienste nicht anhand von Gebühren zu vergüten, sondern durch eine andere 97
Schimansky, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 49 Rn. 40. Grundmann, WM 2000, 2269, 2278; BGH, Urteil vom 27. 2. 1978 – II ZR 3/76-NJW 1978, 1524. 99 BGH, Urteil vom 17. 6. 1997 – XI ZR 239/96-NJW 1997, 3168 spricht explizit von Wertstellung nach dispositivem Gesetzesrecht gemäß §§ 675, 667, 271 Abs. 1 BGB; BGH, Urteil vom 14. 11. 1989 – XI ZR 97/88-NJW-RR 1990, 366; BGH, Urteil vom 19. 3. 1991 – XI ZR 102/90-NJW 1991, 2210; BGH, Urteil vom 17. 1. 1989 – XI ZR 54/88-NJW 1989, 582. 100 BGH, Urteil vom 17. 6. 1997 – XI ZR 239/96-NJW 1997, 3168, in dem der BGH eine Klausel, nach der die Wertstellung erst einen Tag nach Bareinzahlung auf ein Girokonto erfolgt, auch im unternehmerischen Verkehr als unangemessen beurteilt, Zinsnachteile träfen Verbraucher und Unternehmer gleichermaßen, so dass auch die Wertstellung einer Abbuchungslastschrift nicht vom Lastschriftgläubiger bestimmt werden könne, sondern allein auf die Vereinbarung zwischen dem Lastschriftschuldner und seiner Bank zurückgehe. 101 BR-Drucks. 848/1/08, 18 f.; dazu Gegenansicht der Bundesregierung in BT-Drucks. 16/ 11643, 168 f. 98
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
Wertstellung.102 Vereinbarungen wie Sammellastschriften sollen weiterhin zulässig bleiben.103 Problematisch erweist sich § 675e Abs. 1 BGB, der eine Abweichung nicht zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers zulässt. Der Nachteil ist durch Auslegung zu bestimmen.104 Umstritten ist, ob in einer Situation, in der Vor- sowie Nachteile entstehen, eine Gesamtbetrachtung vorgenommen werden darf. Dies soll nur ausnahmsweise der Fall sein.105 Damit wird die Gestaltungsfreiheit und Kreativität in der Vertragsgestaltung eingeschränkt. Der Schutz des Unternehmers als unterlegene Vertragspartei ist kein rechtfertigender Grund. Vielmehr sind es Standardisierungsvorhaben sowie die mittelbare Regulierung des Inter-Bankenverhältnisses im EU-Zahlungsverkehr106, welches durch die verbindlichen Ausführungsfristen zwingend mit normiert wird, die diese Einschränkung zur Förderung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs bezwecken. Insofern beruht die Änderung nicht auf einem innersystematischen Grund des deutschen Zahlungsdiensterechts, so dass von einer Umwälzung des Systems gesprochen werden kann. Vorteilhaft ist diese zwingende Bindung insbesondere für die Zahlungsdienstleister, die ihre Verfahren standardisieren können. Eine Einschränkung der Kreativität der Vertrags- und Zahlungsverfahrensgestaltung bewirkt auch die SEPA-Migrationsverordnung. Diese führt unmittelbar zu einer Beschränkung der Gestaltungsfreiheit der Zahlungsdienstleister. Letztere sind verpflichtet, im Überweisungs- und Lastschriftverkehr bestimmte Verfahren anzuwenden. So müssen sie zunächst nach Art. 4 SEPA-Migrationsverordnung einheitliche Zahlverfahren im Inland und im grenzüberschreitenden Verkehr anbieten, an der eine Mehrheit der Zahlungsdienstleister aus einer Mehrheit der Mitgliedstaaten teilnehmen muss. Außerdem wird ihnen die Verwendung bestimmter Identifikatoren und Nachrichtenformate vorgeschrieben. Mittelbar beschränken diese Regelungen damit auch die Gestaltungsfreiheit der Zahlungsdienstnutzer, insbesondere der Unternehmer, die nicht mehr auf die Einführung eigener Zahlverfahren, wie bei102 Gegen eine Zulässigkeit nach der derzeitigen Rechtslage: Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675t BGB Rn. 17, die Zulässigkeit sei auch praktisch nicht notwendig, da es dem Zahlungsdienstleister freistehe, geringere Gebühren mit einzelnen Kunden zu vereinbaren. 103 Für die weitere Zulässigkeit: Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675t BGB Rn. 17; Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675t BGB Rn. 8; Ellenberger, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 58 Rn. 12 f. scheint von der Zulässigkeit auszugehen; gegen die Zulässigkeit: Laitenberger, NJW 2010, 192, 196. 104 Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675e BGB Rn. 1. 105 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675e BGB Rn. 2; für eine Gesamtbetrachtung und für die Wirksamkeit einer Vereinbarung im Firmenkundengeschäft, durch die der Firmenkunde im Rahmen von Konditionenvereinbarungen zur Kontoführung und des Zahlungsverkehrs auf Erstattungsansprüche wegen nach § 675t BGB unwirksamer Valutavereinbarungen verzichtet, Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675t BGB Rn. 10 ff.; gegen die Wirksamkeit einer solchen Klausel, aber für eine Gesamtbetrachtung: Schmalenbach, Bamberger/Roth, § 675t BGB Rn. 10 und Fn. 11; ebenso für eine Gesamtbetrachtung in engen Grenzen, Omlor, in: Staudinger, § 675e BGB Rn. 3. 106 Franck/Massari, in: Riesenhuber (Hrsg.), Perspektiven des Europäischen Schuldvertragsrechts, 2008, 115, 128.
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spielsweise dem POZ-Verfahren107, hinwirken können. Grund für diese Beschränkung ist die Förderung der SEPA und ihrer Zahlverfahren, so dass hier nun zwingende Vorschriften für europäische Zahlverfahren existieren, welche zwar unmittelbar vor allem die Gestaltungsfreiheit in der Interbankenrelation betreffen, jedoch auch Auswirkungen auf das Verhältnis zu den Zahlungsdienstnutzern haben. Es fragt sich, ob eine Ausschaltung des Wettbewerbs der Zahlverfahren zu einem derart frühen Zeitpunkt, an dem sich die Marktteilnehmer gerade noch mit dem umgesetzte Recht der ZDRL vertraut machen, erforderlich war. Für die Systembildung positiv zu bemerken ist zunächst die überschießende Umsetzung des deutschen Gesetzgebers, welcher die räumlichen Beschränkungen der ZDRL nicht übernimmt.108 Eine richtlinienkonforme Auslegung für überschießend umgesetztes Recht kann aus dem Rechtsstaatsprinzip, dem Gleichbehandlungsprinzip oder dem Willen des Gesetzgebers folgen.109 Allerdings entzieht § 675e Abs. 2 S. 1 BGB für viele Vorschriften diese Sachverhalte wieder dem Anwendungsbereich, so dass das vorher geltende Geschäftsbesorgungsrecht zur Anwendung kommt. Demnach bestehen – sollte die Untersuchung zu einer Systemverschiebung kommen – zwei Systeme innerhalb einer Kodifikation nebeneinander.110 Dies kann zu Anwendungsunsicherheiten und Übertragungsschwierigkeiten führen. III. Zahlungsdienstevertrag, Änderung und Kündigung des Zahlungsdiensterahmenvertrags 1. Rechtsdogmatische Einordnung der Vertragstypen des Zahlungsdiensterechts und des Zahlungsauftrags § 675f BGB regelt den Zahlungsdienstevertrag. Er erfasst als Oberbegriff zum einen den Einzelzahlungsvertrag (Abs. 1) und zum anderen den Zahlungsdiensterahmenvertrag (Abs. 2), welcher Grundlage der meisten Zahlungsdienste ist. § 675f Abs. 3 BGB definiert den Zahlungsvorgang (S. 1), der auf den faktischen Geldabfluss abstellt, sowie den Zahlungsauftrag (S. 2), der bei einem Zahlungsdiensterahmenvertrag die auftragsrechtliche Weisung (§ 665 BGB) darstellt111 und von
107 Das POZ-Verfahren ist ein Point-of-Sale-Geschäft ohne Zahlungsgarantie; zu den so genannten wilden Lastschriftverfahren siehe Ellenberger, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 56 Rn. 81. 108 Vgl. Art. 2 ZDRL. 109 Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., Einleitung Rn. 44 m.w.N. 110 Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR II 9; durch den ZDRL-2Vorschlag der Kommission wird lediglich der Anwendungsbereich für die Transparenz- und Informationspflichten auch auf one-leg-out-Transaktionen sowie auf alle Währungen ausgedehnt, so dass danach keine Pflicht bestünde, den Anwendungsbereich im deutschen Recht zum Zwecke der Systematisierung und Rechtssicherheit auf alle Zahlungsvorgänge auszudehnen. 111 Omlor, in: Staudinger, § 675f BGB Rn. 34.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
einem Einzelzahlungsvertrag stets mitumfasst ist112. Der Zahlungsauftrag ist somit die Durchführungsweisung für den einzelnen Zahlungsvorgang und beinhaltet meistens gleichzeitig eine vorherige Autorisierung.113 § 675f Abs. 4 BGB regelt die Entgeltpflicht.114 Nicht entschieden ist durch das neue Recht die Diskussion um einen allgemeinen Bankvertrag,115 welcher zusätzlich übergreifend das gesamte Geschäftsverhältnis zwischen Zahlungsdienstnutzer und Zahlungsdienstleister regeln soll. Für die Einordnung der Vertragstypen im Zahlungsdiensterecht ist die Diskussion um das Bestehen eines allgemeinen Bankvertrags aber irrelevant,116 da es sich dabei um einen nicht von der ZDRL umfassten Bereich handelt. Die ZDRL regelt gerade nicht das allgemeine Vertragsrecht, sondern speziell die Zahlungsdienste. Die Unterscheidung von Einzelzahlungsvertrag und Zahlungsdiensterahmenvertrag ist nicht neu. Auch vor Umsetzung der ZDRL war es möglich die Zahlungsdienste der Überweisung und Lastschrift trotz fehlender dauerhafter geschäftlicher Verbindung mit dem Zahlungsdienstleister auf einen einzelnen Vertrag zu stützen.117 Üblicher dagegen war und ist die Vereinbarung eines Girovertrags mit weiteren Abreden.118 Dieser wurde mit der Umsetzung der Überweisungsrichtlinie in Bezug auf Fragestellungen der Überweisung durch § 676f BGB a.F. teilkodifiziert.119 Heute ersetzt ihn der Zahlungsdiensterahmenvertrag. Letzterer ist auch weiterhin ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675c Abs. 1 BGB), der sowohl dienstvertragliche als auch werkvertragliche Pflichten beinhalten kann120. Die Kodifikation ist im Gegensatz zur vorherigen Normierung des Girovertrags in Bezug auf alle in § 1 Abs. 2 ZAG aufgelisteten Zahlungsdienste erfolgt (§ 675c Abs. 3 BGB). Somit sind auch Emissions- und Akquisitionsvertrag im Kreditkartengeschäft als Zahlungsdiensterahmenverträge zu klassifizieren.121 Paradigmatisches Beispiel ist 112
Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675f BGB Rn. 13. Omlor, in: Staudinger, § 675f BGB Rn. 33. 114 Siehe unten 4. Kapitel A. IV. 115 Gegen das Bestehen eines allgemeinen Bankvertrags: BGH, Urteil vom 24. 9. 2002 – XI ZR 345/01-NJW 2002, 3695; Kritik an der Rechtsprechung des BGH, weiterhin für einen allgemeinen Bankvertrag: Schwintowski, Bankrecht, 4. Aufl., § 1 Rn. 23 ff.; Roth, WM 2003, 480; für einen Bankvertrag als Vertrag sui generis je nach Auslegung der Parteivereinbarungen: Thessinga, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR I 9; für das Zustandekommen eines Bankvertrags als Geschäftsbesorgungsvertrag Hopt in: Baumbach/Hopt, 37. Aufl., (7) Bankgeschäfte Rn. A/6. 116 Vgl. Schwintowski, Bankrecht, 4. Aufl., § 1 Rn. 24. 117 Casper, in: MüKo, 6. Aufl, § 675f BGB Rn. 16. 118 Grundmann, WM 2009, 1109, 1113. 119 Casper, in: MüKo, 5. Aufl., § 676f BGB Rn. 2. 120 Omlor, in: Staudinger, § 675f BGB Rn. 12; Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675f BGB Rn. 1/2. 121 Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675f BGB Rn. 44 f.; Omlor, in: Staudinger, § 675f BGB Rn. 3; a.A. Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675f BGB Rn. 108, nach der zwar der Emissionsvertrag, nicht aber der Akquisitionsvertrag einen Zahlungsdiensterahmenvertrag darstellt. 113
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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jedoch der Girovertrag.122 Die Normierung des Zahlungsdiensterahmenvertrags und des Einzelzahlungsvertrags stellt somit lediglich eine Umgestaltung des äußeren Systems durch eine andere Begriffsbildung und erweiterte Kodifizierung dar, nicht aber eine Veränderung des inneren Systems des Zahlungsdiensterechts. Diese Umgestaltung beruht auf der europarechtlichen Vereinheitlichung, welche für die unterschiedlichen Vertragstypen andere Informationspflichten verlangt (Art. 35 bis 48 ZDRL) und eine Entgeltvereinbarung bei Ablehnung von Zahlungsaufträgen nur für Rahmenverträge erlaubt (Art. 65 Abs. 1 UAbs. 3 ZDRL). Mit der umfassenden Kodifizierung des Zahlungsdiensterahmenvertrags als auch des Einzelzahlungsvertrags wird das deutsche Zahlungsdiensterecht dem Anspruch an großer Transparenz und Rechtsklarheit gerecht.123 Durch die Normierung des Zahlungsauftrags (§ 675f Abs. 3 S. 2 BGB) folgen die einzelnen Zahlungsdienste wieder einheitlich dem Weisungsmodell. Die Überweisung kehrt nach kurzem Intermezzo mit einem gesetzlich dispositiv ausgestalteten Überweisungsvertrag124 sowie einem Zahlungsvertrag für das Interbankenverhältnis wieder zum Weisungsmodell (§§ 675c Abs. 1, 665 S. 1 BGB) zurück. Dies ist von Vorteil für den Zahlungsdienstnutzer, der bei Vorliegen der im Rahmenvertrag vereinbarten Voraussetzungen einen Anspruch auf Ausführung hat, ohne eine nochmalige Zustimmung seines Zahlungsdienstleisters abwarten zu müssen. Das Weisungsmodell, welches in Form des Zahlungsauftrags (§ 675f Abs. 3 S. 2 BGB)125 im neuen Recht verankert ist, ist auch nicht abdingbar, denn die Richtlinie ist halbseitig zwingend und ein Vertragsmodell wäre für den Zahlungsdienstnutzer aufgrund der erforderlichen Zustimmung seines Zahlungsdienstleisters nachteilig. Selbst § 675e Abs. 4 BGB enthält keine Abweichungsmöglichkeit für Unternehmer. Diese feste Verankerung des Weisungsmodells ist sehr zu befürworten, denn sie fügt sich dogmatisch besser als ein Vertragsmodell in das Recht der Geschäftsbesorgung ein. Es handelt sich um eine Fremdgeschäftsführung, welche im Interesse des Zahlungsdienstnutzers, des Geschäftsherrn, auszuführen ist, so dass eine Ausführungspflicht bei Weisung und Einhaltung der vertraglichen Bedingungen genau diesem Interesse gerecht wird. Dagegen liegt dem Abschluss eines Über122
Omlor, in: Staudinger, § 676f BGB Rn. 11 ff. Kritik an der vorherigen einseitigen Regelung des Girovertrags: Casper, in: MüKo, 5. Aufl., § 676f BGB Rn. 2. 124 Dies war damals sehr streitig, viele Ansichten sind im Ergebnis aber gleich, geben nur eine andere dogmatische Begründung: für eine dispositive Ausgestaltung aufgrund der lediglich einseitig zwingenden Überweisungsrichtlinie und die Zulässigkeit der vertraglichen Vereinbarung eines Weisungsrechts in den AGB der Banken: Grundmann, JZ 2000, 2269, 2275; für eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung des Weisungsmodells, auch zur Einhaltung der Ausführungsfristen der Überweisungsrichtlinie: Schimansky, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 49 Rn. 6, 135; für einen rechtsgeschäftlich im Girovertrag vereinbarten Abschlusszwang bei Einhaltung der Voraussetzungen: Schwintowski, Bankrecht, 2. Aufl., § 7 Rn. 126; a.A. Casper, in: MüKo, 5. Aufl., § 676a BGB Rn. 22, der von einem Typenzwang durch § 675a BGB a.F. ausgeht. 125 Omlor, in: Staudinger, § 675f BGB Rn. 34. 123
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
weisungsvertrags stets die Entscheidung nach eigenem Interesse des Zahlungsdienstleisters zugrunde, wenn man von einem Kontrahierungszwang absieht. Einen solchen Kontrahierungszwang zum Abschluss eines Überweisungsvertrags beinhaltete der Girovertrag nach § 676f BGB a.F. nicht,126 so dass das gesetzliche Vertragsmodell nicht der bereits im Girovertrag verabredeten Fremdgeschäftsführung im Interesse des Geschäftsherrn für zukünftige Geschäfte entsprach. Die Kombination des Vertragsmodells mit einem Kontrahierungszwang führt zwar zu einer Ausführungspflicht des Zahlungsdienstleisters und mithin zu dem gleichen Ergebnis wie das Weisungsmodell. Sie ist jedoch dogmatisch unsauber. Zum einen läuft sie nicht parallel mit den anderen Zahlungsdiensten, die dem Weisungsmodell folgen, und zum anderen schränkt sie die Privatautonomie explizit ein. Diese Einschränkung besteht zwar im Ergebnis auch im Weisungsmodell. Bei letzterem ergibt sie sich aber aus den Wertungen des Systems selbst – der Weisungsgebundenheit aufgrund der Ausführung fremder Interessen und der Inanspruchnahme von Vertrauen. Sie stellt keinen dem Vertragsrecht grundsätzlich fremden Abschlusszwang dar. Daher ist die Rückkehr zum ursprünglichen System des deutschen Zahlungsdiensterechts sehr zu begrüßen. Die neuen SEPA-Lastschriftverfahren sowie das am 9. Juli 2012 AGB-rechtlich entsprechend ausgestaltete Einzugsermächtigungsverfahren (EEV)127 und das Abbuchungsauftragsverfahren (AAV) beruhten ebenfalls auf einer Weisung des Schuldners. In den SEPA-Lastschriftverfahren, der SEPA-Basislastschrift als auch der SEPA-Firmenlastschrift erteilt der Schuldner die Weisung an die Zahlstelle im Lastschriftmandat, welches er dem Gläubiger aushändigt. Dieser überbringt die Weisung als Bote über seinen Zahlungsdienstleister an den Zahlungsdienstleister des Schuldners.128 Entsprechend war auch das deutsche EEV ausgestaltet.129 Im AAV wies der Schuldner die Zahlstelle in Form einer Generalweisung direkt an, die zu seinen Lasten eingehenden Lastschriften einzulösen.130 Auch Kartenzahlungen basieren stets auf Weisungen an das kartenausgebende Institut, entweder einen Zahlungsbetrag zu garantieren (Abbuchung am institutsfremden Geldautomaten, POS-Zahlung oder Kreditkartenzahlung) oder einen Vor-
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So auch Schimansky, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 49 Rn. 6. Umstellung der AGB durch die Kreditwirtschaft in Folge der BGH-Entscheidung: BGH, Urteil vom 20. 7. 2010 – XI ZR 236/07-NJW 2010, 3510. 128 Vgl. Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Basislastschriftverfahren, 2.1.1., 2.2.1., 2.3. (2), abgedruckt in: BankR-HdB, 4. Aufl., Anh. 3 zu §§ 56 – 59; Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Firmenlastschriftverfahren, 2.1.1., 2.2.1., 2.3. (2), abgedruckt in: BankR-HdB, 4. Aufl., Anh. 3 zu §§ 56 – 59. 129 Vgl. Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren, 2.1.1., 2.2.1., 2.3. (2), abgedruckt in: BankR-HdB, 4. Aufl., Anh. 3 zu §§ 56 – 59. 130 Vgl. Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Abbuchungsauftragsverfahren, 2.1, abgedruckt in: BankR-HdB, 4. Aufl., Anh. 3 zu §§ 56 – 59. 127
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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schuss zur Befriedigung des Händlers zu verwenden (Geldkarte)131. Die Weisungserteilung mit einer Kreditkarte erfolgt entweder auf einem unterschriebenen Beleg, durch PIN-Eingabe oder nach Vereinbarung lediglich durch Angabe der Kartennummer wie beispielsweise im Mail-Order-Verfahren.132 Jedenfalls übermittelt stets das Vertragsunternehmen die Weisung als Bote an das Kreditkartenunternehmen.133 Auch im POS-Verfahren und bei der Abbuchung am Geldautomaten sowie bei der Verwendung der Geld-Karte erteilt der Zahler durch Karteneinsatz mit PIN-Eingabe seinem Zahlungsdienstleister eine Weisung.134 Die rechtsdogmatische Einordnung der Vertragstypen des Zahlungsdiensterechts und des Zahlungsauftrags entspricht somit derjenigen des deutschen Zahlungsdiensterechts vor Umsetzung der Überweisungsrichtlinie und fügt sich in die Prinzipien des deutschen Geschäftsbesorgungs- und Auftragsrechts ein. Die genaue rechtliche Ausgestaltung der Verträge kann jedoch möglicherweise stark davon abweichen, so dass es einer weitergehenden Untersuchung bedarf. 2. Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrags § 675g BGB regelt Änderungen des Zahlungsdiensterahmenvertrags. Gehen diese vom Zahlungsdiensteleister aus, muss dieser die Änderungen dem Zahlungsdienstnutzer nach § 675g Abs. 1 BGB mit einer Frist von mindestens zwei Monaten vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform, verständlich und klar sowie in der nach Art. 248 § 2 EGBGB vorgeschriebenen Sprache anbieten. § 675g Abs. 2 BGB eröffnet die Möglichkeit, für Änderungen eine Zustimmungsfiktion zu vereinbaren. Dabei sind die Zweimonatsfrist, die Formvorschriften des Art. 248 §§ 2, 3 EGBGB und die Hinweispflicht auf die Folgen des Schweigens sowie auf das neueingeführte Recht zur fristlosen Kündigung des Zahlungsdienstnutzers einzuhalten. Eine Ausnahme davon regelt § 675g Abs. 3 BGB für Zinssätze und Wechselkurse. Diese werden unmittelbar und ohne vorherige Benachrichtigung wirksam, wenn dies im Zahlungsdiensterahmenvertrag vereinbart wurde und die Änderungen auf den dort vereinbarten Referenzzinssätzen oder Referenzwechselkursen beruhen. Nach § 675g Abs. 4 BGB darf der Zahlungsdienstnutzer durch die Berechnung nach Absatz 3 nicht benachteiligt werden. § 676g Abs. 1 BGB führt eine zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung für vom Zahlungsdienstleister veranlasste Änderungen, nämlich eine zweimonatige Überlegungsfrist des Zahlungsdienstnutzers, ein.135 Die Änderung muss vom Zahlungs131
Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR II 159 i.V.m. 2. Aufl., BankR II 350. 132 Martinek, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 67 Rn. 11; z. B. Nr. 3 der MasterCard-Bedingungen, abgedruckt in: BankR-HdB, 4. Aufl., Anh. 1 zu §§ 67, 68. 133 Martinek, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 67 Rn. 11. 134 Koch, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 68 Rn. 1, 46. 135 Casper, in: MüKo, 6. Aufl, § 675g BGB Rn. 7.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
dienstleister herrühren und sich auf den Inhalt des Zahlungsdienstevertrags beziehen. Übernimmt der Zahlungsdienstnutzer die Änderung in sein eigenes Änderungsangebot, greift die Frist als Wirksamkeitsvoraussetzung dennoch ein.136 Dies bedeutet eine erhebliche Einschränkung der Vertragsfreiheit. Im unternehmerischen Verkehr kann zwar in der Zustimmung des Zahlungsdienstnutzers eine gleichzeitige Abbedingung der Frist liegen (§ 675e Abs. 4 BGB), Verbraucher können jedoch nicht davon abweichen. Diese Beschränkung der Vertragsfreiheit ergibt sich nicht aus dem vorherigen Zahlungsdiensterecht. Der dahinterstehende Gedanke des Verbrauchschutzes geht zu weit, da auch dem Verbraucher daran gelegen sein kann, eine Vertragsänderung möglichst schnell herbeizuführen, selbst wenn diese für ihn nachteilig ist (§ 675e Abs. 1 BGB). Es besteht gerade nicht die in Abs. 2 geregelte Situation der Zustimmungsfiktion, in der eine Frist der Rechtssicherheit und dem Schutz des Zahlungsdienstnutzers dient. Die Vereinbarung einer Zustimmungsfiktion ist nach § 675g Abs. 2 BGB weiterhin möglich. Ein beredtes Schweigen zur Einbeziehung von Änderungen der AGB war auch vor Umsetzung der ZDRL wirksam137 – vorausgesetzt die in § 305 Nr. 5 BGB genannten Bedingungen der Wirksamkeit fingierter Erklärungen wurden eingehalten. Die AGB der Banken und Sparkassen sahen diese Art der Einbeziehung unter den genannten Bedingungen vor.138 Der Schutzstandard für den Zahlungsdienstenutzer wurde nun nur leicht erhöht. Dieser leitete sich zuvor aus der allgemeinen Vorschrift des § 308 Nr. 5 BGB ab.139 Danach wurde eine Frist von einem Monat als nicht angemessen angesehen.140 Nun ist gesetzlich die zuvor in den AGBs vereinbarte Frist von sechs Wochen auf zwei Monate verlängert worden. Außerdem bedarf es einer Mitteilung durch die Zahlungsdienstleister (§ 675g Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 248 § 3 EGBGB). Die bisherige Praxis, nach der ein Hinweis auf den Kontoauszügen auf die ausliegenden neuen AGB für die Einbeziehung nach § 305 Abs. 2 BGB genügte, kann nun nicht fortgeführt werden, denn eine aktive Übermittlung ist erforderlich.141 Die in § 675e Abs. 4 BGB normierte Abdingbarkeit für Unternehmer entspricht ebenfalls der Rechtslage vor Umsetzung der ZDRL. Mit Unternehmern konnten die Zahlungsdienstleister eine solche Zustimmungsfiktion vereinbaren und unterlagen nur bei wesentlicher Schlechterstellung einer Hin-
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Casper, in: MüKo, § 675g Rn. 4; Sprau, in: Palandt, § 675g Rn. 2; Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR II 135. 137 Thessinga, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR I 61. 138 Vgl. Allgemeine Geschäftsbedingungen der privaten Banken und der Genossenschaftsbanken, Fassung 1. April 2002, Nr. 1 Abs. 2, abgedruckt in: BankR-HdB, 3. Aufl., Anh. 1 zu §§ 4 – 25; Allgemeine Geschäftsbedingungen der Sparkassen, Stand 1. August 2005, Nr. 2, abgedruckt in: BankR-HdB, 3. Aufl., Anh. 2 zu §§ 4 – 25. 139 Omlor, in: Staudinger, § 675g BGB Rn. 3. 140 BGH, Urteil vom 17. 3. 1999 – IV ZR 218/97-WM 1999, 1367, 1369 (bzgl. der Änderung von Versicherungsbedingungen). 141 Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 47 Rn. 29a.
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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weispflicht.142 Dies bedeutet eine Mehrbelastung der Zahlungsdienstleister zum Schutze ihrer Kunden. Auch insofern steht der Verbraucherschutz hinter der Regelung (§ 675e Abs. 4 BGB). Eine Neuerung stellt zudem das außerordentliche fristlose Kündigungsrecht des Zahlungsdienstnutzers dar. Vor dem Hintergrund, dass auch zuvor AGB-rechtlich ein jederzeitiges ordentliches Kündigungsrecht vereinbart war, liegt hierin jedoch keine praktisch erhebliche Änderung. Auch nach § 675h Abs. 1 BGB hat der Zahlungsdienstnutzer ein jederzeitiges bzw. längstens auf einen Monat befristetes Kündigungsrecht, so dass das neue außerordentliche Kündigungsrecht vom ordentlichen kaum abweicht. Für Zins- und Wechselkursanpassungen gilt ein einfacheres Verfahren nach § 675g Abs. 3, 4 BGB. Die Normierung führt zu mehr Rechtsklarheit. Das Benachteiligungsverbot des Zahlungsdienstleisters nach § 675g Abs. 4 BGB soll insbesondere die Symmetrie der Anpassung regeln.143 Dies entspricht der vorherigen Rechtsprechung, hätte im Wortlaut jedoch vielleicht eindeutiger und klarer geregelt werden können. Zu einer Wandlung des Systems führt im Bereich der Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrags somit die Einführung einer neuen Wirksamkeitsvoraussetzung für vom Zahlungsdienstleister veranlasste Angebote. 3. Kündigung des Zahlungsdiensterahmenvertrags Die ordentliche Kündigung des Zahlungsdiensterahmenvertrags ist in § 675h BGB sowohl für den Zahlungsdienstnutzer (Abs. 1) als auch den Zahlungsdienstleister (Abs. 2) geregelt. Der Zahlungsdienstnutzer kann jederzeit bei fehlender Vereinbarung auch ohne Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen kündigen. Möglich ist die vertragliche Vereinbarung einer Kündigungsfrist von bis zu einem Monat (§ 675h Abs. 1 S. 2 BGB). Da davon AGB-rechtlich kein Gebrauch gemacht wurde, spielt für den Zahlungsdienstnutzer eine außerordentliche Kündigung, die keine Fristvorteile bringt und zusätzlich einen wichtigen Grund voraussetzt, keine Rolle.144 Diese Regelung entspricht dem gesetzlichen fristlosen und grundlosen Kündigungsrecht des Zahlungsdienstnutzers vor Umsetzung der ZDRL aus §§ 675, 627 Abs. 1 BGB145 sowie der bisherigen bankvertraglichen Praxis146. Dagegen kann der Zahlungsdienstleister nach § 675h Abs. 2 BGB nur bei unbefristeten Verträgen und nur im Fall der vertraglichen Vereinbarung ordentlich kündigen. Er muss zusätzlich eine Kündigungsfrist von mindestens zwei Monaten 142
Hopt, in: Baumbach/Hopt, 37. Aufl., (7) Bankgeschäfte Rn. A/8; a.A. Thessinga, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR I 61, auch bei Unternehmern Hinweispflicht. 143 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675g BGB Rn. 17. 144 Omlor, in: Staudinger, § 675h BGB Rn. 3. 145 Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 47 Rn. 32; Anwendung von §§ 675, 627 BGB auf das Giroverhältnis, BGH, Urteil vom 11. 12. 1990 – XI ZR 54/90-NJW 1991, 978. 146 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675h BGB Rn. 5.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
wahren sowie die Formvorschriften des Art. 248 §§ 2 und 3 EGBGB einhalten. Eines Kündigungsgrundes bedarf es nach § 675h Abs. 2 BGB nicht. Vor Umsetzung der ZDRL kamen §§ 675, 627 Abs. 2 BGB zur Anwendung, die dem Zahlungsdienstleister ein grundloses, unbefristetes Kündigungsrecht ohne Einschränkung auf befristete Verträge und ohne eine vertragliche Vereinbarung zusprachen.147 Wichtigste Voraussetzung aber war, dass der Zahlungsdienstnutzer die Dienste anderweit beschaffen konnte, so dass es einer angemessenen Frist bedurfte. Die Angemessenheit der Frist wurde im Einzelfall bestimmt.148 In den AGBs der Banken war vor Umsetzung der ZDRL eine Mindestfrist von sechs Wochen vereinbart.149 Zum Schutz des Zahlungsdienstnutzers besteht nun eine gesetzlich zwingende Mindestfrist von zwei Monaten, welche nur im unternehmerischen Zahlungsverkehr abbedungen werden kann (vgl. § 675e Abs. 4 BGB)150. Dies steht in Einklang mit der Wertung des §§ 675, 627 Abs. 2 BGB und des §§ 675, 671 Abs. 2 BGB, welche eine Abwägung des Entschließungsinteresses des Zahlungsdienstleisters mit dem Vertrauensschutz des Zahlungsdienstnutzers erfordern.151 Zwei Monate erscheinen unter Vertrauensschutzgesichtspunkten als ausreichende Zeit zum Wechsel des Zahlungsdienstleisters und der Umstellung der Bankgeschäfte. Gleichzeitig belastet die Zweimonatsfrist den Zahlungsdienstleister, dessen Geschäftskapazitäten auf den Massenzahlungsverkehr eingerichtet sind, nicht zu sehr. Ziel der gesetzlichen Mindestfrist in § 675h Abs. 2 S. 2 BGB ist es, dem Kunden den Wechsel zu einem anderen Zahlungsdienstleister zu erleichtern und damit den Wettbewerb zu fördern.152 Eine weitere Einschränkung des ordentlichen Kündigungsrechts des Zahlungsdienstleisters erscheint für die Zielerreichung nicht erforderlich. Insbesondere führt ein ewiger Kontrahierungszwang des Zahlungsdienstleisters nicht zu mehr Wettbewerb. Ein Kontrahierungszwang entsteht in dem Fall, in dem der Zahlungsdienstnutzer die Änderung von AGBs ausschlägt und die vertragliche Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts des Zahlungsdienstleisters fehlt. Denn auch eine außerordentliche Kündigung ist mangels Vertragsverletzung, die nach dem vom deutschen Gesetzgeber zugrunde gelegten Begriff des UN-Rechts der Aufhebung hierfür erforderlich ist153, ausgeschlossen.154 Hier verfangen die Argumente, das
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Bunte, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 24 Rn. 11. BGH, Urteil vom 11. 12. 1990 – XI ZR 54/90-NJW 1991, 978, hat zwei Wochen als angemessen erklärt. 149 Vgl. Nr. 19 Abs. 1 S. 3 AGB der Banken vom April 2002, abgedruckt und besprochen von Bunte, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 24 Rn. 1 ff. 150 Zwar erfolgt eine Leitbildkontrolle (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) auch im unternehmerischen Verkehr, eine Mindestfrist von sechs Wochen ist hier aber nach neuem Recht zulässig, so: BGH, Urteil vom 15. 1. 2013 – XI ZR 22/12-NJW 2013, 1519, 1520. 151 Henssler, in: MüKo, 6. Aufl., § 627 BGB Rn. 3. 152 Erwägungsgrund (29) ZDRL; BT-Drucks. 16/11643, 104. 153 BT-Drucks. 16/11643, 104; zu der fehlenden europarechtlichen Bezugnahme auf das UN-Recht siehe 2. Kapitel C. I. 148
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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außerordentliche Kündigungsrecht biete ausreichend Schutz oder die Bank müsse sich der Konsequenzen der langen Vertragslaufzeit bewusst sein, nicht.155 Eine Einschränkung des ordentlichen Kündigungsrechts der öffentlich-rechtlichen Körperschaften wie der Sparkassen156 und eventuell sogar der privaten Banken157 kann vor dem Hintergrund der existenziellen Bedeutung eines Girokontos gerechtfertigt sein. Dennoch sollte eine solche Regelung aus den allgemeinen Kündigungsregelungen im Zahlungsdiensterecht herausgehalten werden, gilt sie doch nur für den speziellen Fall des Basiskontos.158 Eine grundsätzliche Beschränkung des Kündigungsrechts auf ein vertraglich vereinbartes Kündigungsrecht und auf unbefristete Verträge ist aber weder mit dem Ziel der Wettbewerbsförderung, noch dem Schutz der anderen Vertragspartei begründbar. Günstigere Vertragskonditionen für den Zahlungsdienstnutzer entstehen vor allem durch Wettbewerb, der durch lange Vertragsbindungen aber ausgeschaltet wird. Die zweimonatige Mindestfrist für die Kündigung schützt das Vertrauen des Zahlungsdienstnutzers ausreichend. Hinzu kommt, dass gerade im Massenzahlungsverkehr, in dem der Zahlungsdienstleister leicht austauschbar ist, da er durch AGB standardisierte Leistungen erbringt, die Vertrauensstellung159 nicht vergleichbar hoch ist wie in anderen Dienstleistungsbereichen, wie z. B. den medizinischen oder rechtsberatenden. Allein die Vertrauensstellung kann im Zahlungsdiensterecht eine grundsätzliche Einschränkung des Kündigungsrechts nicht begründen. Somit handelt es sich um eine Systemumwälzung, die zur Erfüllung der Ziele der ZDRL nicht erforderlich ist. 154 Grundmann, WM 2009, 1109, 1114; ebenso in der Ablehnung von Vertragsänderung keinen wichtigen Grund sehend LG Hamburg, Urteil vom 7. 6. 1995 – 318 S 40/95-WM 1996, 814 ff.; dazu Löwe, EWiR 1995, 761 f., der auch bei einem vertraglichen Kündigungsrecht mit Kündigungsfrist die Kündigung durch den Zahlungsdienstleister als rechtsmissbräuchlich ansieht, wenn der Kunde der AGB-Änderung widerspricht. 155 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675h BGB Rn. 8. 156 Aus der Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 2. 12. 2003 – XI ZR 397/02-ZIP 2004, 351 (zur Kündigung eines Kontos der Republikaner durch die Postbank) herzuleiten, so Bunte, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 24 Rn. 12a; zuvor BGH, Urteil vom 11. 3. 2003 – XI ZR 403/01-NJW 2003, 1658 (zur Kündigung eines Kontos der NPD durch eine Sparkasse); zum Erfordernis eines sachlichen Grundes zum Schutz des Zahlungsdienstnutzers trotz Einführung der Mindestkündigungsfrist von zwei Monaten: Hadding, in: FS Hopt, 2010, Band 2, 1893; die zusätzliche Voraussetzung ist auch europarechtskonform, da Art. 45 ZDRL nur mindestharmonisierend ist (Art. 45 Abs. 6 ZDRL erlaubt vorteilhaftere Vorschriften für den Zahlungsdienstnutzer). 157 Dafür: Köndgen, NJW 2004, 1288, 1292; Boemke, NJW 2001, 43, 44 f.; dagegen: BGH, Urteil vom 15. 1. 2013 – XI ZR 22/12-NJW 2013, 1519; Herresthal, WM 2013, 773, 777 f. [780]. 158 Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontogebühren, den Wechsel von Zahlungskonten und den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen vom 8. 5. 2013, COM (2013) 266 final; vgl. insbesondere Art. 18, der Mindestvoraussetzungen für die Kündigung des Zahlungsdienstleisters aufstellt. 159 Eine Vertrauensstellung ist Voraussetzung des Kündigungsrechts aus § 627 Abs. 2 BGB.
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Eine Korrektur der Kündigungsregelung aus § 675h Abs. 2 BGB kommt über die Rechtsgedanken der §§ 138 Abs. 1, 723 Abs. 3 BGB in den Situationen in Betracht, in denen die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Zahlungsdienstleisters unzumutbar eingeschränkt ist.160 Dem Zahlungsdienstleister kann in solchen Situationen trotz des § 675h Abs. 2 BGB ein ordentliches Kündigungsrecht unter Anwendung der Zweimonatsfrist und der Formvorschriften161 zustehen. Die Fallgruppe der Knebelungsverträge zu § 138 Abs. 1 BGB und § 723 Abs. 3 BGB beruht auf dem Rechtsgedanken, dass vertragliche Bindungen ohne zeitliche Begrenzungen und ohne Kündigungsmöglichkeiten mit der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit nicht vereinbar sind und deshalb nicht wirksam vereinbart werden können.162 Dieser Rechtsgedanke steht auch hinter den Vorschriften des Dienstleistungs- und Auftragsrechts (§§ 624, 671 Abs. 3 BGB)163. Gleichzeitig würde es dem Maßstab von Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprechen, könnten sich die Zahlungsdienstnutzer in Fällen ähnlich der Knebelungsverträge bei Tankstellenverträgen164 und Bierlieferungsverträgen165 auf ein Kündigungsverbot berufen. Der Einwand des Rechtsmissbrauchsverbots ist auch vom EuGH im Sekundärrecht anerkannt,166 so dass seine Anwendung richtlinienkonform ist. Relevant ist das Problem insbesondere bei Altverträgen167, die mit langer Laufzeit oder ohne vertragliche Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts abgeschlossen wurden.168 In Betracht kommt hier die Kündigung nach Vertragsanpassung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), die in der Änderung der Gesetzeslage zu sehen ist.169 Hätten die Parteien von der Rechtsänderung gewusst, hätten sie ein 160
Dafür: Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675h BGB Rn. 3; Schulte-Nölke in: Hk-BGB, 8. Aufl., § 675h BGB Rn. 3 (für die Lösung über den Rechtsgedanken aus § 314 Abs. 1 BGB, welcher aber gerade bei Fehlen eines wichtigen Grundes nicht weiterhilft); dagegen: Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675h BGB Rn. 8; Schindele, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, § 675h BGB Rn. 16; Herresthal, WM 2013, 773, 774; unentschieden: Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 47 Rn. 33b. 161 Schulte-Nölke, in: HK-BGB, 8. Aufl., § 675h BGB Rn. 3. 162 Für § 723 BGB: Schäfer, in: MüKo, 6. Aufl., § 723 BGB Rn. 61. 163 § 624 BGB und 671 Abs. 3 BGB sind nach § 675c BGB auf die Zahlungsdiensterahmenverträge nicht anwendbar. 164 BGH, Urteil vom 9. 6. 1969 – VII ZR 49/67-WM 1969, 923; BGH, Urteil vom 31. 3. 1982 – I ZR 56/80-WM 1982, 694. 165 BGH, Urteil vom 8. 4. 1988 – V ZR 120/87-WM 1988, 1091; BGH, Urteil vom 21. 3. 1990 – VIII ZR 49/89-WM 1990, 1392. 166 Zur Anerkennung im EU-Sekundärrecht: EuGH, Urteil vom 3. 9. 2009 – Rs. C-489/07, Pia Messner, Slg. 2009, I-7315 Rn. 26-NJW 2009, 3015; zu nationalen Rechtsgrundsätzen als Grenzen des EU-Sekundärrechts: Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882, 912 ff. 167 Auf diese ist nach Art. 229 § 22 Abs. 1 EGBGB das neue Recht anwendbar; Ellenberger, in: Palandt, 75. Aufl., Art. 229 § 22 EGBGB Rn. 2. 168 Vgl. Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675h BGB Rn. 8. 169 In Betracht kommt auch eine Kündigung nach § 313 Abs. 3 S. 2 BGB, in dem Fall, in dem eine Änderung der Gesetzeslage eine AGB-Änderung verpflichtend erfordert und der Zahlungsdienstnutzer widerspricht, möglich wäre dies beispielsweise im Fall der Änderungen
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vertragliches ordentliches Kündigungsrecht des Zahlungsdienstleisters vereinbart, so dass der Vertrag entsprechend anzupassen ist. Die Anwendung des § 313 BGB ist ebenfalls mit der ZDRL vereinbar, da er auf dem europarechtlich anerkannten Grundsatz von Treu und Glauben beruht170 und zudem von dem weiten Verweis auf nationales Recht in Art. 45 Abs. 5 ZDRL umfasst ist.171 In diesem Fall wird deutlich, dass die europarechtliche Regelung eines abgeschlossenen Bereichs teilweise auch der Korrektur durch allgemeine Rechtsgrundsätze des nationalen Rechts bedarf. IV. Entgelte Zum ersten Mal wird die Entgeltpflicht für Nebenpflichten bei Zahlungsdiensten im BGB geregelt. Grundsätzlich sind Nebenpflichten nach § 675f Abs. 4 S. 2 BGB nicht entgeltpflichtig. Ausnahmen bestehen im Fall gesetzlicher Zulassung und gleichzeitiger Vereinbarung. Die Vereinbarung eines Entgelts für eine Nebenpflicht ist zulässig für die Unterrichtung über die Ablehnung eines Zahlungsauftrags (§ 675o Abs. 1 S. 4 BGB), für die Bearbeitung eines auf Vertrag gestützten Widerrufs (§ 675p Abs. 4 S. 3 BGB)172 und für die Wiederbeschaffung eines Zahlungsbetrags, der aufgrund fehlerhafter Kundenkennung an den falschen Zahlungsempfänger geleitet wurde (§ 675y Abs. 3 S. 3 BGB). Für Informationspflichten existiert eine gesonderte Regelung in § 675d Abs. 3 BGB, die von einer grundsätzlichen Kostenfreiheit der Information ausgeht und eine Entgeltvereinbarung nur zulässt, wenn der Zahlungsdienstnutzer diese verlangt und die Information über die gesetzliche Pflichtinformation im Sinne des § 675d Nr. 1 bis 3 BGB hinausgeht. Die Entgeltpflicht für die Hauptleistung aus dem Bankvertrag normiert § 675f Abs. 4 S. 1 BGB, die zuvor aus dem Bankvertrag in Verbindung mit § 611 Abs. 1 2. HS BGB folgte173. Da das Zahlungsdiensterecht grundsätzlich nur das Verhältnis zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer regelt, beschränkt sich die Regelung der Entgeltpflicht auch auf dieses Verhältnis. Eine Ausnahme bildet § 675f Abs. 5 BGB. Dieser der AGB aufgrund von Art. 5 Abs. 3 a)ii) SEPA-Migrationsverordnung, der den Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers verpflichtet sicherzustellen, dass der Zahler sowohl dem Zahlungsempfänger als auch dem Zahlungsdienstleister des Zahlers seine Zustimmung erteilt; das auf nachträglicher Genehmigung basierende EEV ist danach ab dem 1. August 2014 nicht mehr zulässig und auch die entsprechenden AGB sind nicht mehr ausführbar. 170 Grüneberg, in: Palandt, 75. Aufl., § 313 BGB Rn. 1; zur Anerkennung des Rechtsmissbrauchseinwands im EU-Sekundärrecht siehe Fußnote 166. 171 Auch von der Anwendbarkeit des § 313 BGB ausgehend: Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675h BGB Rn. 2. 172 A.A. Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675p Rn. 38, es handele sich nicht um eine Neben-, sondern um eine Hauptleistungspflicht, da die Aufhebung eines Zahlungsauftrags rechtlich ein neuer Vertrag sei, so dass auch keine Preiskontrolle zulässig sei (§§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB); dem widerspricht jedoch, dass es sich beim Widerruf um eine Gegenweisung gemäß §§ 675c Abs. 1, 665 BGB und damit nicht um einen neuen Vertrag über einen Zahlungsdienst handelt. 173 Bunte, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 17 Rn. 8.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
lässt die Vereinbarung zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsempfänger, dass der Zahlungsempfänger für bestimmte Zahlungsinstrumente kein zusätzliches Entgelt verlangen darf (surcharging-Verbot), weiterhin zu. Letzteres hat Auswirkungen auf das Valutaverhältnis.174 § 675q BGB hat eine Entlastung des Valutaverhältnisses von Entgeltstreitigkeiten im Blick, indem er das Gebot zur ungekürzten Übermittlung sowie den Grundsatz der SHARE-Klausel aufstellt.175 Er regelt jedoch nicht, welche Entgelte verlangt werden dürfen. Abzugrenzen von der Entgeltpflicht ist die Pflicht zum Aufwendungsersatz sowie das Recht, Vorschuss zu verlangen (§§ 669, 670 BGB). Die §§ 669, 670 BGB beruhen auf dem Gedanken, dass die Kosten eines Geschäfts von demjenigen zu tragen sind, in dessen Interesse das Geschäft geführt wird.176 Da der Auftrag unentgeltlich ist, enthalten §§ 669, 670 BGB grundsätzlich keinen Ersatz der Arbeitsleistung des Beauftragten. Die Entgeltpflicht deckt dagegen auch die Arbeitsleistung mit ab. Sie stellt gerade keinen bemessbaren Ersatz dar, sondern ist Verhandlungssache. Dieser Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt auch nach Umsetzung der ZDRL für die Hauptleistungspflicht177 innerhalb der gesetzlichen Grenzen fort (§ 675f Abs. 4 S. 1 BGB).178 Der Aufwendungsersatzanspruch für die Hauptleistung besteht daneben weiterhin (vgl. § 675u S. 1 BGB). Fraglich ist, ob es nach neuem Zahlungsdiensterecht, welches in § 675t Abs. 3 BGB die Wertstellung frühestens an dem Zeitpunkt der Belastung erlaubt, noch möglich ist, einen Vorschuss nach § 669 BGB zu verlangen. Gegen einen Vorschussanspruch nach §§ 675c Abs. 1, 669 BGB mit Mittelabfluss, der Weiterleitung des Überweisungsbetrags an den nächsten Zahlungsdienstleister, spricht § 675t Abs. 1 BGB nicht. Dieser will nur einen Zinsgewinn des
174 Jetzt ist jedoch eine weitere EU-rechtliche Regulierung in der Diskussion, die ein surcharging in Fällen der EU-rechtlichen Regulierung des Interbankenentgelts untersagt und für die übrigen Zahlungsdienste auf maximal die Kosten, die dem Zahlungsempfänger für die Nutzung des Zahlungsinstruments entstehen, begrenzt, vgl. Art. 55 Abs. 3, 4 ZDRL-2-Vorschlag. 175 Omlor, in: Staudinger, § 675q BGB Rn. 1. 176 Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 670 BGB Rn. 1. 177 Abgesehen von der Einschränkung im unternehmerischen Verkehr durch die zwingenden Wertstellungsfristen, die eine Valutakompensation verbieten, siehe dazu oben 4. Kapitel A. II. und unten 4. Kapitel C. III. 2. Ausführungs- und Wertstellungsfristen. 178 Gesetzliche Grenzen sind zum einen die nationalen: §§ 134, 138 BGB; zum anderen die EU-rechtlichen: Verordnung (EG) Nr. 924/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über grenzüberschreitende Zahlungen in der Gemeinschaft und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2560/2001, ABl. L 266 vom 9. 10. 2009, 11; vgl. auch die vertragliche Ausgestaltung: Verweis auf den Preisaushang und das Preis- und Leistungsverzeichnis für das Privatkundengeschäft sowie das vereinbarte einseitige Bestimmungsrecht der Bank gemäß § 315 BGB außerhalb des Privatkundengeschäfts, Nr. 12 Abs. 1, 2 AGB-Banken, abgedruckt in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 17.
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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beauftragten Zahlungsdienstleisters zu Lasten des Zahlungsdienstnutzers ausschließen, ihn aber nicht stärker belasten.179 Die Preisgestaltungsfreiheit wird jedoch durch die gesetzliche Regelung der Zulässigkeit von Entgeltvereinbarungen für Nebenpflichten eingeschränkt. Nebenpflichten nach den § 675c ff. BGB sind gemäß § 675f Abs. 4 S. 2 BGB grundsätzlich unentgeltlich zu erbringen180, genauso wie Informationspflichten nach § 675d Abs. 3 BGB181. Geändert hat sich damit die Systematik der Überprüfung. Die zuvor angewandte AGB-rechtliche Kontrolle nach § 307 BGB, welche die Zulässigkeit der Entgeltvereinbarung betraf, ist mit der eindeutigen gesetzlichen Feststellung hinfällig.182 Für Verbraucher ist die gesetzliche Regelung zwingend. In diesem Fall trotzdem eine AGB-Prüfung vorzunehmen, widerspräche der eindeutigen Aussage des Gesetzes. Die Vereinbarung eines Entgelts für eine Nebenpflicht nach dem Untertitel der Zahlungsdienste ist grundsätzlich unwirksam.183 Eine AGB-Prüfung erfolgt auch nicht bei Vorliegen einer zulässigen Entgeltabrede.184 Denn hierbei handelt es sich um keine Abweichung vom Gesetzesrecht, so dass die Klausel nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB bezüglich ihrer Zulässigkeit nicht kontrollfähig ist.185 Unternehmer dürfen nach § 675e Abs. 4 BGB von dem Entgeltverbot für Nebenpflichten abweichen. Es stellt sich die Frage, ob Zahlungsdienstverträge zwischen Unternehmern von der Klauselkontrolle, welche nach der EU-Klauselrichtlinie186 nur für Verbraucherverträge gilt, aufgrund des Vollharmonisierungsziels der ZDRL
179
Siehe dazu unten 4. Kapitel C. III. 2. Casper, in: MüKo, 4. Aufl., § 675f BGB Rn. 51; daraufhin auch Änderung der Nr. 12 AGB Banken, welche in Abs. 3 bestimmten, dass die Bank für eine Leistung, zu der sie kraft Gesetzes oder einer vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet ist, kein Entgelt verlangen kann, es sei denn dies ist gesetzlich zugelassen, abgedruckt in: BankR-HdB, 4. Aufl, § 17. 181 Casper, in: MüKo, 4. Aufl., § 675f BGB Rn. 15. 182 Fornasier, WM 2013, 205; von Westphalen, NJW 2010, 2254, 2257 f.; a.A. BGH, Urteil vom 22. 5. 2012 @ XI ZR 290/11-NJW 2012, 2571, welcher für die Zulässigkeit eines Entgelts bei Ablehnung einer Lastschrift im EEV weiterhin eine AGB-Kontrolle durchführt, anstatt die Klausel direkt nach § 675f Abs. 4 S. 2 BGB für unwirksam zu erklären; es leuchtet nicht ein, warum der BGH sogar einen Verstoß gegen § 675f Abs. 4 BGB feststellt [37], aber die Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB, welche durch diesen Verstoß indiziert sei [52], für die Unzulässigkeit als ausschlaggebend ansieht. 183 Fornasier, WM 2013, 205, 207; a.A. BGH, Urteil vom 20. 10. 2015 – XI ZR 166/14-NJW 2016, 560; welcher eine AGB-Kontrolle vornimmt anstatt die Unwirksamkeit zu prüfen; BGH, Urteil vom 28. 7. 2015 – XI ZR 434/14-BKR 2015, 477, 479 ff., zu Entgeltvereinbarungen im Geschäftsverkehr; ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. 3. 2016 – I-6 U 84/15, 6 U 84/15 – juris Rn. 39; ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. 7. 2012 – I-6 U 195/11, 6 U 195/11ZIP 2012, 1748. 184 Fornasier, WM 2013, 205, 207. 185 Fornasier, WM 2013, 205, 207. 186 Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. L 95 vom 21. 4. 1993, 29. 180
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
ausgenommen sind.187 Dem widerspräche die grundsätzliche Geltung der Richtlinienvorschriften auch für Unternehmer sowie die Regelungstechnik des Art. 30 Abs. 1 ZDRL und des Art. 51 Abs. 1 ZDRL, die alle Vorschriften nennen, von denen in B2B-Verträgen abgewichen werden darf.188 Eine Ausnahme von der unternehmerischen Klauselkontrolle würde zudem der Regelungssystematik des BGB widersprechen. Somit bilden die Vorschriften der §§ 675f Abs. 4 S. 2, 675d Abs. 3 BGB für die AGB-rechtliche Entgeltkontrolle in Unternehmerverträgen das gesetzliche Leitbild. Zusätzlich kommen für die AGB-rechtliche Klauselkontrolle bezüglich der Zulässigkeit von Bankentgelten noch Zahlungsdienste, die außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 675c ff. BGB liegen, in Betracht.189 Auch die Abgrenzung von Hauptleistungs- und Nebenpflicht hat sich verändert. Die Rechtsprechung unterschied für die AGB-rechtliche Kontrollfähigkeit nach § 307 BGB zunächst zwischen nichtkontrollfähiger Entgeltvereinbarung für eine Hauptleistungspflicht und kontrollfähiger Entgeltvereinbarung für eine Nebenpflicht danach, ob bei fehlender Vereinbarung an deren Stelle dispositives Recht trete.190 War dies der Fall, handelte es sich um eine Entgeltabrede, die eine Nebenpflicht betraf. § 675f Abs. 4 BGB führt nun für die Unterscheidung zwischen Hauptleistungs- und Nebenpflicht das Kriterium des Zahlungsdienstes ein, welcher in § 675c Abs. 3 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2, 10 ZAG genau definiert ist. Liegt ein eigenständiger Zahlungsdienst vor, gilt für die Entgeltvereinbarung die Vertragsfreiheit. Nach alter Rechtslage bereitete die Abgrenzung Schwierigkeiten. Dies zeigt die Rechtsprechung zur Barein- und -auszahlung. Gerade hier hat sich nun die Rechtslage durch gesetzliche Klarstellung geändert. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 ZAG ist die Barein- und -auszahlung ein Zahlungsdienst, so dass nach den Grundsätzen der Vertragsfreiheit ein Entgelt vereinbart werden darf,191 während die Barein- und -auszahlung zuvor als kontrollfähige Nebenpflicht eingestuft wurde, für die eine Entgeltvereinbarung aufgrund der Erfüllung gesetzlicher Pflichten unzulässig war192. Somit dürfte es nun im Zahlungsdiensterecht zu keinen Abgrenzungsschwierigkeiten mehr kommen.193 187
207. 188
Rn. 8.
Für die AGB-Kontrolle der Bankenentgelte befürwortend: Fornasier, WM 2013, 205, Einsele, ZIP 2011, 1741, 1742; im Ergebnis gleich: Omlor, in: Staudinger, § 675e BGB
189 So zum Beispiel die Überprüfung einer Entgeltvereinbarung für die Führung eines Pfändungsschutzkontos: BGH, Urteil vom 13. 11. 2012 – XI ZR 500/11-GWR 2013, 45. 190 BGH, Urteil vom 20. 10. 1992 – X ZR 95/90-NJW 1993, 1128, 1129; BGH, Urteil vom 6. 7. 2000 – VII ZR 73/00-NJW 2000, 3348; gegen die Brauchbarkeit dieser Formel Krüger, WM 1999, 1402. 191 Fornasier, WM 2013, 205, 209; LG Bamberg, Urteil vom 9. 10. 2012 – 1 O 91/12-WM 2012, 2285. 192 BGH, Urteil vom 30. 11. 1993 – XI ZR 80/93-NJW 1994, 318. 193 Die Konturenlosigkeit der Abgrenzung bemängelnd: Steuer, in: FS Hadding, 2004, 1169, 1172 ff.; zur Schwierigkeit der Abgrenzung bei einer Abschlussgebühr für einen Bausparvertrag: Fornasier, WM 2013, 205, 206; ders., EWiR 2011, 207 f.
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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Zudem findet der wichtigste der innerhalb der Kontrolle angewandten Grundsätze194 keinen Ausdruck mehr in den gesetzlichen Regelungen. Für die Zulässigkeit von Entgeltvereinbarungen für Nebenpflichten stellte die Rechtsprechung darauf ab, ob von dispositivem Gesetzesrecht abgewichen wurde, das heißt, ob von dem Grundsatz abgewichen wurde, dass die Erfüllung bestehender gesetzlicher Pflichten entgeltfrei ist.195 § 675p Abs. 4 S. 3 BGB und § 675d Abs. 3 BGB beziehen sich auf eine zusätzlich vertraglich vereinbarte Pflicht, so dass eine Entgeltvereinbarung in diesen Fällen auch nach der alten Rechtsprechung zulässig gewesen wäre. § 675o Abs. 1 S. 4 BGB und § 675y Abs. 3 S. 3 BGB lassen eine Entgeltvereinbarung für die Ausführung gesetzlicher Nebenpflichten aber gerade zu. Der Grundsatz, dass jeder Rechtsunterworfene seine Pflichten zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können, ist somit nicht mehr ausschlaggebend. Damit ist nicht nur die Klauselkontrolle der Zulässigkeit von Bankentgelten für Nebenpflichten in Verbraucherverträgen an sich hinfällig, sondern auch der wichtigste der dahinter stehenden Grundsätze. Damit stellt sich die Frage, ob die jetzigen gesetzlichen Regelungen einem anderen Grundsatz folgen. In Betracht kommt das viel diskutierte Verursacherprinzip,196 welches die Rechtsprechung mit Ausnahme einer einzelnen Entscheidung197 stets ablehnte.198 Sowohl im Verlangen überobligatorischer Informationen, der Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts, der Wiederbeschaffung des aufgrund falscher Kundenkennung fehlgeleiteten Betrags als auch der Benachrichtigung bei Ablehnung der Ausführung eines Zahlungsauftrags ist die zusätzliche Kostenbelastung des Zahlungsdienstleisters vom Zahlungsdienstnutzer veranlasst. 194
Vgl. Knops/Korff, EWiR 2011, 519, 520; des Weiteren stellte die Rechtsprechung auf den Grundsatz, dass die Bank kein Entgelt verlangen kann, wenn sie die Dienstleistung nicht für ihren Kunden oder in dessen Interesse erbringt und den Grundsatz, dass für die Zulässigkeit einer Preisnebenabrede dieser eine echte Gegenleistung der Bank zugrunde liegen muss, ab (BGH, Urteil vom 21. 10. 1997 – XI ZR 5/97-ZIP 1997, 2151); vgl. zu den Grundsätzen auch Krüger, WM 1999, 1402. 195 Kritik an der Rechtsprechung des BGH, die hier von einem nicht existenten Grundsatz ausgehe: Canaris, AcP 200 (2000), 273, 333. 196 Vgl. allgemein zum Verursacherprinzip beispielsweise Bitter, in: FS Claus Ott, 2002, 153 ff.; Canaris, AcP 200 (2000), 273 ff.; für eine Umkehr zum Verursacherprinzip: Grundmann, WM 2009, 1157, 1159; Bitter, WM 2010, 1773, 1781; gegen eine Umkehr zum Verursacherprinzip durch die Neuregelung der Bankentgelte: Omlor, in: Staudinger, § 675f BGB Rn. 45; gegen einen grundsätzlichen Prämissenwechsel: Schürmann, in: Habersack/Mülbert/ Nobbe (Hrsg.), Bankrechtstag 2009, 11, 32. 197 BGH, Urteil vom 7. 5. 1996 – XI ZR 217/95-NJW 1996, 2032, 2033. 198 BGH, Urteil vom 7. 5. 1991 – XI ZR 244/90-NJW 1991, 1953; BGH, Urteil vom 30. 11. 1993 – XI ZR 80/93-NJW 1994, 318; BGH, Urteil vom 15. 7. 1997 – XI ZR 269/96-NJW 1997, 2752; BGH, Urteil vom 18. 5. 1999 – XI ZR 219-98-NJW 1999, 2276; BGH, Versäumnisurteil vom 13. 2. 2001 – XI ZR 197/00-NJW 2001, 1419 mit ausdrücklicher Ablehnung des Verursacherprinzips: Der Hinweis auf das auch vom BerGer. herangezogene so genannte Verursacherprinzip geht von vornherein fehl, da dieses Prinzip für die Preisgestaltung im nicht regulierten Wettbewerb rechtlich bedeutungslos ist.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
Für den letzten Fall bezieht sich dies jetzt auch auf das zwischenzeitlich in Deutschland neu eingeführte Lastschriftverfahren199, das genau wie das SEPA-Basislastschriftverfahren eine vorherige Weisung des Zahlungsdienstnutzers an seine Bank enthält, so dass der Zahlungsdienstnutzer den Lastschrifteinzug veranlasst. Er hat zwar keine Einwirkungsmöglichkeit auf die von seinem Gläubiger als Boten weitergereichte Weisung, jedoch kann er die ihm auferlegten Kosten als Schadensersatz gegen seinen Gläubiger geltend machen. Das Verursacherprinzip wird bereits an der Formulierung des Gesetzes in zwei der Ausnahmen deutlich, die von einem Verlangen der Zahlungsdienstnutzer sprechen (§§ 675d Abs. 3 S. 1, 675y Abs. 3 S. 2 BGB). Zudem lässt sich die Regelungsintention des EU-Gesetzgebers der SEPA-Migrationsverordnung entnehmen, welche für Interbankenentgelte bei RTransaktionen von Lastschriften von einer effizienten Kostenzuweisung an den veranlassenden Zahlungsdienstleister oder Zahlungsdienstnutzer ausgeht.200 Für die Einführung des Verursacherprinzips spricht auch die Zielsetzung der ZDRL, welche sich insbesondere an der Schaffung von Kosteneffizienz201 und der Förderung des Wettbewerbs durch vergleichbare Angebote orientiert. In den geregelten Fällen setzt das Verursacherprinzip Anreize, welche die Gesamtkosten des Zahlungsverkehrs reduzieren und somit den Gesamtnutzen aller Vertragsparteien erhöhen.202 Die gesetzlich bestimmten Möglichkeiten, ein Entgelt zu vereinbaren, sind von dem Verhalten Einzelner abhängig und setzen bei tatsächlicher Vereinbarung den Anreiz für den Zahlungsdienstnutzer möglichst kostensparend zu handeln.203 Er wird somit dazu angehalten, nur die ihm wirklich wichtigen Informationen anzufordern, ein vertragliches Widerrufsrecht nicht zu missbrauchen, für ausreichend Kontodeckung zu sorgen sowie auf die Angabe der richtigen Kundenkennung zu achten. Unvorhersehbare Kostensteigerungen sind durch diese Regelung ausgeschlossen, da die gesondert bepreisbaren Leistungen keine notwendigen Teile der Hauptleistung sind. Die Preistransparenz bezüglich der Hauptleistung ist somit gewahrt. Das Ziel der ZDRL, eine möglichst große Vergleichbarkeit der Angebote der Zahlungsdienstleister zur Förderung des Wettbewerbs zu schaffen, würde am erfolgreichsten durch das Pauschalpreismodell gefördert.204 Anreize zu kostengünstigem Verhalten setzt es jedoch nicht. Deshalb stellt die vom Gesetzgeber gefundene Regelung einen angemessenen Ausgleich zwischen einem Pauschalpreismodell und einer gesonderten Bepreisung dar.205 Zudem sorgt sie durch ihre Einzelfallregelung für die nötige 199
Vgl. Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren, 2.1.1., 2.2.1., 2.3 (2), abgedruckt in: BankR-HdB, 4. Aufl., Anh. 3 zu §§ 56 – 59. 200 Art. 8 Abs. 2 a) SEPA-Migrationsverordnung. 201 Grundmann, WM 2009, 1109, 1110. 202 Bitter, in: FS Ott, 153, 168. 203 Bitter, in: FS Ott, 153, 168. 204 Bitter, in: FS Ott, 153, 178. 205 Einen Ansatzpunkt für einen guten Ausgleich in dem Urteil des BGH zu den Postenpreisklauseln (BGH, Urteil vom 7. 5. 1996 – XI ZR 217/95-NJW 1996, 2032) sehend: Bitter, in: FS Ott, 153, 178.
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Rechtssicherheit. Auch im unternehmerischen Verkehr trägt sie zu Rechtssicherheit bei, denn im Rahmen von § 307 Abs. 2 S. 1 BGB kann das hinter der Einzelfallregelung stehende Verursacherprinzip zur Beurteilung herangezogen werden. An die Stelle der Zulässigkeitskontrolle einer Entgeltabrede für Nebenpflichten tritt nun erstmals eine Entgelthöhenkontrolle (§§ 675f Abs. 4 S. 2, 2. HS, 675d Abs. 3 S. 2 BGB).206 Diese Kontrolle schränkt die Preisgestaltungsfreiheit weiter ein und findet zudem im Gegensatz zur bisherigen Klauselkontrolle auch auf Individualverträge Anwendung207. Das Entgelt muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein. Dabei müssen die tatsächlichen Kosten in die Bestimmung der Angemessenheit einbezogen werden.208 Der Angemessenheitskontrolle dienen aber auch andere Kriterien, wie das AGB-rechtliche Transparenzgebot209. Die Kontrolle der Entgelthöhe ergänzt die anhand des Verursacherprinzips vorgenommene Interessenabwägung des Gesetzgebers, da sie einen grundsätzlich objektiven Maßstab mit subjektivem Einschlag210 sicherstellt. Es kann nicht zur Abwälzung anderer Kosten, die nicht vom Zahlungsdienstnutzer verursacht sind211, kommen. Die Kontrolle sowie der objektive Maßstab mit subjektivem Einschlag deuten darauf hin, dass bezüglich der Höhe hinter den zugelassenen Entgeltvereinbarungen noch der Gedanke des Aufwendungsersatzes steht. Denn der Aufwendungsersatzanspruch knüpft ebenso an einen objektiven Maßstab mit subjektiver Komponente (die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, § 670 BGB) an. Ohne diese Kontrolle wäre das Entgelt für die zu erbringende Leistung reine Verhandlungssache. Somit ist das Prinzip des Aufwendungsersatzes nicht vollkommen vom Verursacherprinzip verdrängt worden. Letzteres steht aber an erster Stelle hinter der gesetzgeberischen Regelung, nämlich hinter der Frage nach der Zulässigkeit einer Vereinbarung, während das Aufwendungsersatzprinzip erst in der Kontrolle der Höhe der Entgeltvereinbarung zum Ausdruck kommt. Deshalb fragt sich, ob neben den §§ 675f Abs. 4 S. 2, 675d Abs. 3 BGB ein Aufwendungsersatz für die Ausführung von Nebenpflichten nach §§ 675c Abs. 3, 670 BGB überhaupt noch möglich ist. Dagegen spricht nicht nur die gesetzliche Miterfassung durch das zugelassene Entgelt für Nebenpflichten, sondern bereits der Grundsatz der Unzulässigkeit der Entgeltabreden für die gesetzlich bestimmten 206
Bitter, WM 2010, 1773, 1781; Omlor, in: Staudinger, § 675f BGB Rn. 43. Omlor, in: Staudinger, § 675d BGB Rn. 11. 208 Omlor, in: Staudinger, § 675d BGB Rn. 11. 209 Omlor, in: Staudinger, § 675f BGB Rn. 43. 210 Vor allem ist für die Angemessenheit auf die objektiven Kriterien wie die Marktlage abzustellen (Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675d BGB Rn. 20); aber auch subjektive Kriterien, der Vergleich mit den eigenen Kosten (Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675d BGB Rn. 20) und damit denjenigen Kosten, die die Bank aufgrund sorgfältiger Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände für notwendig ansehen darf (OLG Bamberg, Urteil vom 19. 10. 2011 – 3 U 53/ 11-WM 2011, 2318, 2320) spielen gerade mit Blick auf die zuvor geltenden Grundsätze des Auftragsrechts noch eine Rolle. 211 Wie beispielsweise allgemeine Verwaltungskosten. 207
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Nebenpflichten.212 Das bedeutet, dass auch Fremdaufwendungen, soweit sie die in den §§ 675c ff. BGB geregelten Nebenpflichten betreffen, nicht mehr ersatzfähig sind.213 Gleiches muss für die Informationspflichten aufgrund der Parallelität der Regelungen gelten.214 Die Ausnahmeregelungen, welche Entgeltvereinbarungen für Nebenpflichten zulassen, betreffen gerade Fälle, in denen grundsätzlich neben den bankinternen Verwaltungskosten auch Fremdaufwendungen entstehen.215 Ihre Zulässigkeit beruht jedoch auf einer vom Gesetzgeber unter Heranziehung des Verursacherprinzips vorgenommenen Interessenabwägung, die nicht dem Grundsatz des Aufwendungsersatzes folgt. Daneben zusätzlich Aufwendungsersatz für Fremdaufwendungen zuzulassen, würde der gesetzgeberischen Interessenabwägung widersprechen.216 Für Aufwendungen außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 675c ff. BGB, wie zusätzlich vereinbarter Pflichten, gilt der Aufwendungsersatzanspruch jedoch weiter.217 Somit liegt hier eine Systemumwälzung vor, die zum einen in einer Änderung des äußeren Systems, der Ersetzung der formellen Klauselprüfung durch eine klare gesetzliche Regelung in Form einer halbzwingenden Regelung bei Verbraucherverträgen, und zum anderen in einer Änderung des inneren Systems, der Abkehr vom Grundsatz der Unzulässigkeit von Entgeltvereinbarungen für die Erfüllung gesetzlicher Pflichten hin zu einem vom Gesetzgeber vorgenommen Interessenausgleich218 anhand des Verursacherprinzips, besteht. Der Gedanke des Aufwendungsersatzes wird für die Frage der Zulässigkeit von Entgeltabreden für Nebenpflichten verdrängt, findet aber weiterhin Ausdruck in der Entgelthöhenkontrolle. Die Einführung des Verursacherprinzips ist aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten, der Austauschgerechtigkeit zwischen Zahlungsdienstleister und -nutzer sowie der Verteilungsgerechtigkeit zwischen den einzelnen Zahlungsdienstnutzern zu befürworten.219 Beide Änderungen sind zudem aufgrund der klaren gesetzgeberischen Entscheidung, die auch dem Laien verständlich ist, zu begrüßen.
212
Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675f BGB Rn. 53. BT-Drucks. 16/11643, 103; a.A. Omlor, in: Staudinger, § 675f BGB Rn. 44; Schürmann, in: Habersack/Mülbert/Nobbe (Hrsg.), Bankrechtstag 2009, 11, 31. 214 A.A. Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675d BGB Rn. 15, der Ersatz von Fremdaufwendungen für Informationen, wie zum Beispiel des Portos, soll neben § 675d Abs. 3 BGB weiterhin nach §§ 675c Abs. 1, 670 BGB ersatzfähig sein; ebenso LG Frankfurt, Urteil vom 08. April 2011 – 2-25 O 260/10, 2/25 O 260/10-WM 2011, 1846, 1848. 215 Diese können dann in die Entgeltvereinbarungen eingepreist werden. 216 A.A. Wackwitz, Die Zahlungsdiensterichtlinie und ihre Umsetzung, 62. 217 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675f BGB Rn. 53. 218 Grundmann, WM 2009, 1157, 1159 zu § 675o Abs. 1 S. 4 BGB. 219 Vgl. Canaris, AcP 200 (2000), 273, 337 ff. 213
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B. Autorisierung von Zahlungsvorgängen und Zahlungsauthentifizierungsinstrumente I. Autorisierung § 675j Abs. 1 S. 1 BGB erklärt die Autorisierung zur Wirksamkeitsvoraussetzung des Zahlungsvorgangs und bestimmt, dass sie sowohl als Einwilligung als auch bei Vereinbarung als Genehmigung erteilt werden kann. Die Art und Weise der Autorisierung unterliegt der Parteivereinbarung.220 Den Widerruf regelt § 675j Abs. 2 BGB und koppelt ihn bezüglich der Frist an den Widerruf des Zahlungsauftrags. Die Einordnung des Begriffs der Autorisierung in das Regelungssystem des deutschen Zahlungsdiensterechts erweist sich aus zwei Gründen als schwierig. Zum einen ist dogmatisch der Unterschied zwischen der Autorisierung und dem Zahlungsauftrag (§ 675f Abs. 3 S. 2 BGB) unklar, zum anderen kennt das BGB den Begriff der Autorisierung nicht. Unstreitig ist, dass es zur Ausführung eines Zahlungsdienstes durch den Zahlungsdienstleister einer geschäftsbesorgungsrechtlichen Weisung im Sinne der §§ 675c, 665 BGB bedarf. Diese ist seit der Umsetzung der ZDRL im Zahlungsauftrag (§ 675f Abs. 3 S. 2 BGB) zu sehen.221 Der Zahlungsauftrag hat Verpflichtungs-222 und Konkretisierungswirkung223 in Bezug auf einen Zahlungsdiensterahmenvertrag, da er den verpflichtend auszuführenden Zahlungsvorgang bezüglich Zahlungsempfänger, Betrag sowie der Art und Weise der Durchführung bestimmt. Für eine Abgrenzung der Autorisierung vom Zahlungsauftrag224 spricht die getrennte Regelung in anderen Kapiteln225 und die separate Regelung des Widerrufs, welcher nur bezüglich der Frist an diejenige des Zahlungsauftrags gekoppelt ist (§ 675j Abs. 2 S. 1 BGB). Zudem setzt § 675o Abs. 2 BGB beide Begriffe zusammen und spricht von einem autorisierten Zahlungsauftrag. Die Haftungsvorschriften unterscheiden nach dem Vorliegen einer Autorisierung. § 675u BGB und § 675v BGB regeln die Haftung bei fehlender Autorisierung, während § 675x BGB und § 675y BGB gerade von einer bestehenden Autorisierung ausgehen und auf die 220 Omlor, in: Staudinger, § 675j BGB Rn. 8, § 675j Abs. 1 S. 4 BGB stellt nur beispielhaft klar, dass die Vereinbarung der Zustimmung mittels eines bestimmten Zahlungsauthentifizierungsinstruments zulässig ist. 221 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675f BGB Rn. 39; Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675f BGB Rn. 17; Omlor, in: Staudinger, § 675f BGB Rn. 34. 222 Dem entspricht auch die systematische Stellung des Zahlungsauftrags in § 675f BGB, welcher in Absatz 2 die Pflicht des Zahlungsdienstleisters zur Ausführung der Zahlungsvorgänge festschreibt. 223 Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rn. 320. 224 A.A. Grundmann, WM 2009, 1109, 1114; a.A. Omlor, in: Staudinger, § 675f BGB Rn. 33, der die Autorisierung als Minus zum Zahlungsauftrag sieht. 225 Der Zahlungsauftrag ist in Kapitel 2 Zahlungsdienstevertrag geregelt, während die Autorisierung dem dritten Kapitel Erbringung und Nutzung von Zahlungsdiensten zugeordnet ist.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
Ausführung des Zahlungsvorgangs, sprich die dem Inhalt der Weisung entsprechende Ausführung und damit den Zahlungsauftrag abstellen. Diese Aufteilung wird in der ZDRL noch deutlicher, die im zweiten Kapitel des Titel IV die Autorisierung und die Haftung für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge regelt und die Haftung für die ordnungsgemäße Ausführung einem neuen Kapitel, dem dritten Kapitel und dritten Abschnitt, zuordnet. Demnach muss die Autorisierung eine andere Wirkung haben als der Zahlungsauftrag. Sie führt zur Wirksamkeit des tatsächlichen Zahlungsvorgangs, während ihr Fehlen den Aufwendungsersatzanspruch ausschließt und bei bereits vorgenommener Buchung einen Erstattungsanspruch (§ 675u S. 2 BGB) entstehen lässt. Außerdem folgt aus § 675x Abs. 1 BGB, dass die Einwilligung auch pauschal ohne Angabe des Betrags erteilt werden kann.226 Dies unterstreicht, dass ihre Wirkung gerade nicht in der inhaltlichen Konkretisierung liegt. Es liegt nahe, dass die Autorisierung eine auch von ihrer Begriffsbedeutung227 herzuleitende Ermächtigung des Zahlungsdienstleisters enthält, den durch den Zahlungsauftrag näher bestimmten Zahlungsvorgang vorzunehmen und dafür auf das Konto des Zahlungsdienstnutzers zuzugreifen. Eine solche Ermächtigungswirkung steht im Einklang mit der vor Umsetzung der ZDRL bestehenden Rechtsprechung sowie der dogmatischen Zweiteilung des Überweisungsauftrags vor 1999 nach Canaris in Anweisung228 und Weisung im Sinne des Auftragsrechts229. Indem die Rechtsprechung die Überweisung vor Umsetzung der Überweisungsrichtlinie als eine Anweisung im weiteren Sinn definierte, die bereicherungsrechtlich wie die Anweisung im engeren Sinn zu behandeln sei,230 ging sie von einer Ermächtigungswirkung der Willenserklärung des Zahlungsdienstnutzers aus. Denn die Rechtsfolge der Anweisung nach § 783 BGB ist die zweifache Ermächtigung, zum einen des Anweisungsempfängers, eine Leistung im eigenen Namen zu fordern sowie zum anderen des Angewiesenen, für Rechnung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger zu leisten, wobei letztere mit der Autorisierungswirkung vergleichbar ist. Nach Umsetzung des Überweisungsgesetzes, das eine grundsätzliche Abkehr vom Weisungsmodell beinhaltete, enthielt auch der Überweisungsvertrag eine Ermächti-
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Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675j BGB Rn. 4. Synonyme laut Duden: Befugnis, Berechtigung, Erlaubnis, Genehmigung, Recht, Sanktion, Zusage. 228 Canaris, in: Großkomm. HGB; Bankvertragsrecht, Rn. 322, gegen die Klassifizierung als Anweisung im weiteren Sinne aber für die Möglichkeit analoger Anwendung der §§ 783 ff. BGB, welche für jede Vorschrift einzeln zu prüfen ist. 229 Canaris, WM 1980, 354, 357; ebenso: Kupisch, WM 1979, Sonderbeilage Nr. 3, 8, 14 ff.; auf diese Ansicht verweisend: Köndgen, JUS 2011, 481, 486; Hopt, in: Baumbach/Hopt, 33. Aufl., (7) Bankgeschäfte Rn.C/6, für die Klassifizierung als Anweisung im weiteren Sinn; gegen eine Ermächtigungswirkung des Überweisungsauftrags: Hadding/Häuser, ZHR 145 (1981), 139, 141; Häuser, in: Münchner Kommentar HGB, 3. Aufl., ZahlungsV Rn. B45. 230 BGH, Urteil vom 9. 5. 1983 – II ZR 241/82-NJW 1983, 2501; ebenfalls von einer Anweisung sprechend BGH, Urteil vom 19. 1. 1984 – VII ZR 110/83-NJW 1984, 1348. 227
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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gungswirkung,231 welche die Willenserklärung des richtigen Kunden232 voraussetzte. Dies zeigt die Rechtsprechung, die weiterhin auf eine gültige Anweisung abstellte.233 Somit fügt sich das neue Zahlungsdiensterecht mit seiner Aufteilung in Zahlungsauftrag und Autorisierung in die bisherige Dogmatik ein. Jedoch kommt es ohnehin grundsätzlich zu einem Gleichlauf des Zahlungsauftrags und der Autorisierung234, so dass die Kritik der überflüssigen Doppelung235 durchaus angebracht ist. Erfolgt die Autorisierung ausnahmsweise nicht gleichzeitig mit dem Zahlungsauftrag, weil sie von einer dritten Person vorzunehmen ist, sind kaum Fälle denkbar, in denen der Zahlungsauftrag trotz der fehlenden abstrakten Autorisierung gültig ist. Der Grund für die fehlende Autorisierung – wie etwa mangelnde Geschäftsfähigkeit oder das Handeln eines vollmachtlosen Vertreters – schlägt sich als Wirksamkeitshindernis grundsätzlich auf den Zahlungsauftrag durch. Daraus kann man auch folgern, dass die Autorisierungserklärung immer Teil des Zahlungsauftrags ist.236 Eine Ausnahme bildet aber der Fall, in dem ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt ist und der Schuldner weiterhin wirksame Verpflichtungsgeschäfte, somit auch Zahlungsaufträge, vornehmen kann, die jedoch der Zustimmung und somit der Autorisierung des vorläufigen Insolvenzverwalters bedürfen, damit der Zahlungsdienstleister den Zahlungsvorgang vornehmen darf.237 Hier ergibt sich aber die Zustimmungsbedürftigkeit bereits aus den insolvenzrechtlichen Vorschriften, so dass eine gesonderte Aufspaltung der Erklärungen im Zahlungsdiensterecht nicht zwingend erforderlich wäre. Liegt umgekehrt kein Zahlungsauftrag vor, muss auch die Autorisierung analog § 168 S. 1 BGB erlöschen,238 da sie ohne Zahlungsauftrag wirkungslos ist. Die Aufspaltung der Weisung in zwei Erklärungen führt zwar nicht zu einer Ver231 Bartels, WM 2010, 1828, 1833, auch der Überweisungsvertrag nach § 676a BGB a.F. habe als Tatbestandsvoraussetzung zum einen die Angabe der erforderlichen Daten und zum anderen eine Art Autorisierung enthalten. 232 Casper, in: MüKo, 5. Aufl., § 676a BGB Rn. 19. 233 BGH, Urteil vom 11. 10. 2005 – XI ZR 85/04-WM 2005, 2171; LG Duisburg, Urteil vom 15. 6. 2005 – 3 O 310/3-WM 2005, 217, fehlende Ermächtigung mangels wirksamen, auf den Bankkunden zurückzuführenden Auftrag. 234 Beim Überweisungsauftrag, der SEPA-Basislastschrift und SEPA-Firmenlastschrift, in der neuen Ausgestaltung des deutschen Lastschriftverfahrens, im AAV sowie bei der Kartenzahlung werden Zahlungsauftrag und Autorisierung gleichzeitig erteilt, vgl. Frey, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675j BGB Rn. 13 ff.; BGH, Urteil vom 20. 7. 2010 – XI ZR 236/07-NJW 2010, 3510, 3512, spricht von einer Autorisierung durch den Zahlungsauftrag. 235 Köndgen, JUS 2011, 481, 486. 236 Nach der hM ist die Autorisierung im Zahlungsauftrag enthalten: Mayen, in: BankRHdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 2; Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675j BGB Rn. 10; Omlor, in: Staudinger, § 675j BGB Rn. 3. 237 Vgl. BGH, Urteil vom 5. 2. 2009 – IX ZR 78/07-NJW-RR 2009, 981 (noch zum alten Recht). 238 Vgl. Canaris, WM 1980, 354, 357 zum Überweisungsrecht vor 1999, Anweisung erlischt beim Wegfall des Girovertrags analog § 168 S. 1 BGB; Omlor, § 675f BGB Rn. 38 zum rückwirkenden Untergang der Autorisierung bei Anfechtung des Zahlungsauftrags, allerdings ohne auf § 168 S. 1 BGB abzustellen.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
änderung des inneren Systems; denn Verpflichtungs- und Ermächtigungswirkung enthielt auch die Weisung vor Umsetzung der ZDRL. Sie nimmt jedoch eine unnötige, da praxisferne und folgenlose, formelle Aufspaltung in zwei Erklärungen (Zahlungsauftrag und Autorisierung) im äußeren System vor. Die Normierung einer einzelnen Erklärung, die sowohl die Verpflichtungs- als auch die Ermächtigungswirkung enthielte, wäre wesentlich praxis- und folgenorientierter gewesen. Zu Verwirrung führt außerdem die Begriffsbildung und Einordnung in die Gliederung der Kapitel des Zahlungsdiensterechts. Den Begriff der Autorisierung kennt das BGB nicht. Folgt dieser aber den Regelungen der Zustimmung in den §§ 182 ff. BGB,239 so wäre grundsätzlich eine entsprechende Begriffsbildung auch im Zahlungsdiensterecht denkbar gewesen. Unterschiede ergeben sich jedoch daraus, dass die Autorisierung nicht die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft meint, sondern zu einem tatsächlichen Vorgang.240 Eine Genehmigung mit dieser Rechtsfolge findet sich in § 684 S. 2 BGB, da sie zur Wirksamkeit des tatsächlichen Vorgangs der Geschäftsführung ohne Auftrag führt.241 Der deutsche Gesetzgeber könnte zur Systematisierung eine solche Zustimmung im Allgemeinen Teil als Autorisierung definieren, so dass die Einfügung europäischen Richtlinienrechts zu einer systematischen Fortbildung des BGB beitragen würde. Dies wäre sicherlich auch mit Blick auf weitere EU-rechtliche Regelungen zur Autorisierung hilfreich, vorausgesetzt, der europäische Gesetzgeber hält sich ebenfalls an die Begriffsbildung.242 Der Widerruf dagegen ist eine dem BGB bekannte Gestaltungserklärung. Ebenso wie die Zustimmung stammt das Rechtsinstitut aus dem Allgemeinen Teil. Er findet sich für die Einwilligung in § 183 BGB.243 Beachtet man hier die Aufspaltung in Zahlungsauftrag und Autorisierung, so stellt der Widerruf der Autorisierung nicht die geschäftsbesorgungsrechtliche Gegenweisung aus §§ 675c, 665 BGB dar. Diese findet sich im Widerruf des Zahlungsauftrags (§ 675p BGB). Insofern fügt sich der Widerruf aus § 675j Abs. 2 BGB in den Allgemeinen Teil des BGB, da er lediglich die Rücknahme der Ermächtigung, nicht aber diejenige der Verpflichtung und inhaltlichen Ausgestaltung bewirkt. Wie bereits oben ausgeführt, ist eine solche 239
Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675j BGB Rn. 3, zur entsprechenden Anwendung der §§ 182 ff. BGB. 240 Bayreuther, in: MüKo, 7. Aufl., Vorbem zu §§ 182 ff. BGB Rn. 2. 241 Casper, MüKo, 6. Aufl., § 675j BGB Rn. 6. 242 Eine derzeitige EU-einheitliche Begriffsbildung ist zu bezweifeln, denn die SEPAMigrationsverordnung spricht mit Ausnahme einer Vorschrift von Zustimmung anstatt Autorisierung (vgl. Erwägungsgrund (25), Art. 2 Nr. 2, Art. 2 Nr. 21, letzterer spricht von Zustimmung und Autorisierung, Art. 5 Abs. 3 a) ii), Art. 7 Abs. 1); auch die ZDRL verwendet beide Begriffe, vor allem in Art. 54, stellt aber insbesondere für die Abgrenzung der Haftung auf den Begriff der Autorisierung ab (Art. 60, 61), so dass gerade dieser Begriff Bedeutung erlangt. 243 Erklärungsgegner und Erklärungsfrist sind jedoch gegenüber der dortigen Regelung verschieden, zum einen kann er nur dem Zahlungsdienstleister des Zahlers gegenüber erklärt werden, zum anderen endet die Widerrufsfrist bereits mit Zugang des Zahlungsauftrags (§ 675j Abs. 2 i.V.m. § 675p Abs. 1 BGB), so dass § 183 BGB keine Anwendung findet, Frey, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675j BGB Rn. 6.
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Aufteilung jedoch sehr theoretisch, da in den meisten Fällen der Widerruf der Autorisierung auch den des Zahlungsauftrags beinhaltet. In Fällen des getrennten Widerrufs der Autorisierung führt die Rücknahme der Zustimmung zur Unwirksamkeit des Zahlungsvorgangs (§ 675j Abs. 1 S. 1 BGB), so dass der Zahlungsauftrag nicht ausgeführt werden kann. Die Zuordnung der Autorisierung und deren Widerrufs zum Kapitel der Erbringung und Nutzung von Zahlungsdiensten ist nicht systemstimmig, da sie nicht mit den danach folgenden Paragraphen zum Zahlungsauthentifizierungsinstrument zusammenhängt.244 Vielmehr stellt die Autorisierung eine Wirksamkeitsvoraussetzung dar, welche in engem Zusammenhang mit dem Zahlungsauftrag aus § 675f Abs. 3 S. 2 BGB steht und systematisch eher hier einzuordnen gewesen wäre. Die weite Öffnung für Parteivereinbarungen führt zudem dazu, dass bei der Auslegung der Willenserklärungen der Parteien auch auf Institute des nationalen Rechts wie der Stellvertretung oder der Weisung kraft Anscheinsvollmacht245 zurückgegriffen werden kann. Somit bleibt die Rechtsprechung in diesen Bereichen weiterhin anwendbar. Hier wird deutlich, dass die Öffnung von EU-Richtlinien durch Parteivereinbarungen zu einem erleichterten Zusammenspiel des europäischen und nationalen Rechts führt.246 II. Zahlungsauthentifizierungsinstrumente Die Aufteilung des dritten Kapitels überrascht, da es in seinem ersten Unterkapitel von dem horizontalen Ansatz des neuen Zahlungsdiensterechts abweicht. §§ 675k bis m BGB beziehen sich nur auf das Zahlungsauthentifizierungsinstrument, anstatt auf sämtliche Autorisierungsverfahren. Geregelt sind seine Nutzungsbegrenzung sowie die Pflichten des Zahlers und Zahlungsdienstleisters in Bezug auf das Zahlungsauthentifizierungsinstrument. Gemeinsames Ziel der Vorschriften ist es, die missbräuchliche Verwendung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments zu verhindern. Eine Regelung in einem Kapitel mit der Haftung bei missbräuchlicher Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments, wie sie auch die ZDRL vornimmt,247 wäre stimmiger gewesen.
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Köndgen, JUS 2011, 481, 486. Grundmann, WM 2009, 1109, 1114. 246 Dafür aber auch Abschwächung der Harmonisierungswirkung des EU-Richtlinienrechts, vgl. oben 2. Kapitel B. III. 247 Kapitel 2 Autorisierung von Zahlungsvorgängen der ZDRL, enthält die Nutzungsbegrenzung, die Pflichten des Zahlungsdienstnutzers und Zahlungsdienstleisters in Bezug auf Zahlungsinstrumente als auch die Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge und die Haftung des Zahlers bei nicht autorisierter Nutzung des Zahlungsinstruments. 245
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
1. Begriff Nicht in der ZDRL enthalten ist der Begriff des Zahlungsauthentifizierungsinstruments. Es handelt sich um eine Wortneuschöpfung des deutschen Gesetzgebers, die mit dem Begriff des Zahlungsinstruments in der ZDRL gleichzusetzen ist.248 Eine solche abstrakte Begriffsbildung erfolgte zuvor in deutschem Recht nicht. Stattdessen wurden die einzelnen Autorisierungsverfahren und Instrumente stets gesondert bezeichnet. Erklären lässt sich die Begriffsänderung im Vergleich zur ZDRL damit, dass der Begriff des Zahlungsinstruments vom Wortlaut her im deutschen Recht auch das Zahlungsmittel oder das Zahlungsverfahren meinen könnte. Letztere fallen beide gerade nicht unter den Begriff des Zahlungsinstruments nach der ZDRL.249 Der Begriff des Zahlungsauthentifizierungsinstruments meint nach § 675c Abs. 3 BGB i.V.m. § 1 Abs. 5 ZAG vielmehr die Kartenzahlung und Zahlungsverfahren wie das Onlinebanking mit Hilfe eines gegenständlichen Speichermediums sowie das PIN, TAN-Verfahren beim Online-Banking und das Telefonbanking mit Passwort.250 Damit sind die an Bedeutung gewinnenden Kartenzahlungen und Onlinezahlverfahren der Überweisung erfasst.251 Der Kritik, die Nebenpflichten anderer Autorisierungsverfahren, wie beispielsweise die Autorisierung durch einen gegenständlichen Überweisungsbeleg, seien nicht geregelt, kann zumindest entgegengehalten werden, dass die Regelung die zukunftsfähigsten Autorisierungsverfahren normiert. Außerdem verwenden die §§ 675l, m BGB den Begriff des personalisierten Sicherheitsmerkmals. Gemeint sind dem Zahlungsdienstnutzer vom Zahlungsdienstleister zugeteilte Codes oder Identifizierungsmerkmale wie TAN und PIN, die keinem Dritten bekannt sind.252 Sie sind Teil des Zahlungsauthentifizierungsinstruments und nicht lediglich Ergänzungen.253 Zusammen mit der eingesetzten Karte bilden sie 248
Casper/Pfeifle, WM 2009, 2343 ff. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11613, 34; Findeisen, in: Ellenberger/Findeisen/ Nobbe, 2. Aufl., § 1 ZAG Rn. 415 f. 250 Omlor, in: Staudinger, § 675c BGB Rn. 16; Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675j BGB Rn. 7. 251 Vgl. die Studie des Bankenverbandes, Zahlen, Daten, Fakten der Kreditwirtschaft, Berlin, November 2013, die einen erheblichen Anstieg der Umsätze des electronic cash (2002: 35,6 Mrd., 2012: 127,8 Mrd.) und der Online-Konten (2003: 30,8 Millionen, 2012: 50,3 Millionen) sowie des Online-Bankings (2003: 26 % der Nutzer in Deutschland, 2012: 45 %, der Nutzer in Deutschland) im Zeitraum von 2003 bis 2012 verzeichnet, abrufbar unter: http://bankenverband.de/publikationen/bankenverband/shopitem/dd247802306c4f789dd44b1 5417ed8de [Datum des letzten Abrufs: 4. 6. 2013]. 252 Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675j BGB Rn. 7. 253 Findeisen, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 1 ZAG Rn. 416; daraus folgt allerdings, dass das Mail-Order-Verfahren, bei dem kein personalisiertes Sicherheitsmerkmal zum Einsatz kommt, nicht als Zahlungsauthentifizierungsinstrument qualifiziert werden kann, so dass die Sorgfaltspflichten und die Haftungsvorschrift des § 675v BGB nicht greifen; a.A. Omlor, in: Staudinger, § 675c BGB Rn. 19. 249
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das Zahlungsauthentifizierungsinstrument.254 Diese Ansicht ergibt sich auch aus der Definition des Zahlungsinstruments in Art. 4 Nr. 23 ZDRL, die gerade auf die Personalisierung des Instruments bzw. Verfahrens abstellt, welche durch das personalisierte Sicherheitsmerkmal erreicht wird. Zudem kommt in der Definition der Authentifizierung in Art. 4 Nr. 19 ZDRL durch das Possessivpronomen seiner zum Ausdruck, dass die personalisierten Sicherheitsmerkmale Teil des Zahlungsinstruments sind. Die Wortneuschöpfungen sind somit konkret definiert. Dies ist vor dem Hintergrund sehr zu begrüßen, dass zuvor § 676h BGB in Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie den Begriff der Zahlungskarte einführte, deren Bedeutung anhand des Schutzzwecks der Norm zu bestimmen war. Es musste sich um ein Drei- oder Mehrpersonenverhältnis handeln. Zusätzlich durfte kein weiterer Schutz durch Widerrufsrechte oder dergleichen eingreifen.255 Zudem war der Begriff nicht erweiterbar auf andere Formen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, wie beispielsweise dem Online-Banking.256 Auch in der Rechtsprechung kam es zu keiner Abstrahierung der Begrifflichkeiten. Der abstrakte Begriff des Zahlungsauthentifizierungsinstruments, eingeschlossen des personalisierten Sicherheitsmerkmals, führt somit zu einer sehr weiten Anwendbarkeit der Vorschriften. Gleichzeitig sind die Begrifflichkeiten bestimmt. Dies ist aufgrund der ständigen Weiterentwicklung besonderer Online-Zahlmethoden sehr zu begrüßen. 2. Nutzungsbegrenzung Unter den Begriff der Nutzungsbegrenzung fallen im neuen Zahlungsdiensterecht die Verfügungsbegrenzung und die Sperre durch den Zahlungsdienstleister. Auch nach altem Recht existierten diese Arten der Nutzungsbegrenzung. Beide müssen vertraglich vereinbart werden, wobei die letzte Entscheidung bei der in § 675k Abs. 2 BGB geregelten Sperre der Zahlungsdienstleister allein trifft.257 Deshalb unterliegt die Sperre strengeren Voraussetzungen als die Verfügungsbegrenzung. Es bedarf stets eines Sperrgrundes. Nach altem Zahlungsdiensterecht stellte die Sperre auf alleinige Veranlassung des Zahlungsdienstleisters eine Form der Selbsthilfe des Zahlungsdienstleisters dar und war deshalb nur aufgrund einer vorherigen Kündi-
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Maihold, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 55 Rn. 42. Casper, in: MüKo, 5. Aufl., § 676h BGB Rn. 28. 256 Casper, in: MüKo, 5. Aufl., § 676h BGB Rn. 3; KG Berlin, Urteil vom 29. 11. 2010 – 26 U 159/09-WM 2011, 493, 495. 257 Eine Sperre, die vom Zahler veranlasst ist, ist stets zulässig, da sie zu seinen Gunsten wirkt (§ 675e Abs. 1 BGB); Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675k BGB Rn. 2; außerdem ist die abschließende Regelung in § 675k BGB auf den Fall einer an sich gegebenen vertraglichen Nutzungsbefugnis beschränkt, das heißt, dass wenn diese durch Kündigung oder sonstige Beendigungsgründe entfällt, eine Sperre unabhängig von den Gründen in § 675k BGB zulässig ist, Frey, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675k BGB Rn. 14. 255
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gung zulässig.258 Ein für die außerordentliche Kündigung erforderlicher wichtiger Grund verlangte eine bedeutsame Vertragsverletzung.259 Nach jetzigem Recht genügen vom Stellenwert und der Wahrscheinlichkeit her sachliche Gründe (im Zusammenhang mit der Sicherheit des Zahlungsauthentifizierungsinstruments) (Nr. 1), der Verdacht (einer nicht autorisierten oder einer betrügerischen Verwendung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments) (Nr. 2) oder ein wesentlich erhöhtes Risiko (bei einem Zahlungsauthentifizierungsinstrument mit Kreditgewährung, dass der Zahler seiner Zahlungspflicht nicht nachkommen kann) (Nr. 3).260 § 675k Abs. 2 S. 5 BGB zeigt außerdem, dass eine Kündigung nicht mehr Voraussetzung sein kann, da er eine Entsperrverpflichtung des Zahlungsdienstleisters vorsieht.261 Somit sind die Voraussetzungen für die einseitige Sperre des Zahlungsdienstleisters geringer als zuvor.262 Der Grund liegt nicht in einer weitergehenden Haftung des Zahlungsdienstleisters im Vergleich zum bisherigen Recht bei nicht autorisierten oder missbräuchlichen Zahlungen. Schadensersatzansprüche des Zahlungsdienstleisters bei Drittmissbrauch sind jetzt in § 675v BGB geregelt und haben keine wesentliche Einschränkung erfahren, welche eine frühzeitigere Sperre rechtfertigen könnte.263 Eine im Vergleich zum früheren Recht frühzeitigere Sperre ist jedoch aufgrund der gestiegenen Missbrauchsanfälligkeit durch die räumliche Ausweitung des Zahlungsverkehrs sowie die gestiegene Anzahl an Kartenzahlungen gerechtfertigt.264 Den Interessen des Zahlers wird durch die Unterrichtungs-, Begründungs-, Entsperrbzw. Ersatzpflicht Rechnung getragen (§ 675k Abs. 2 S. 2 bis 6 BGB). Es handelt sich somit nicht um eine Systemverschiebung. Vielmehr haben sich lediglich die tatsächlichen Voraussetzungen geändert. Der hinter der Sperre stehende Grund bleibt die Selbsthilfe des Zahlungsdienstleisters.
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Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 2. Aufl., BankR II 306. Gößmann, WM 1998, 1264, 1266; Nr. 19 AGB-Banken, abgedruckt in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 24. 260 Ein ungeschriebener Sperrgrund ist der Verstoß gegen gesetzliche Pflichten bei Ausführung des Zahlungsvorgangs (§ 675k Abs. 2 S. 4 BGB); Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675k BGB Rn. 11. 261 Grundmann, WM 2009, 1157, 1162. 262 Die in § 675k Abs. 2 BGB geregelte Sperre ist als gesetzliches Leitbild anerkannt, Grundmann, WM 2009, 1157, 1162. 263 Ausführlich dazu unten 4. Kapitel D. I. 2., 3., 4. 264 Zahlungskarten sind das am stärksten verbreitete und am häufigsten genutzte elektronische Zahlungsinstrument für Massenzahlungen. Volumenmäßig (Anzahl der Transaktionen) machten Kartenzahlungen im Jahr 2009 ein Drittel aller Massenzahlungen aus, so: Grünbuch der Kommission, Ein integrierter europäischer Markt für Karten-, Internet- und mobile Zahlungen, KOM (2011) 941 vom 11. 01. 2012, 2.2. 259
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3. Pflichten des Zahlers und des Zahlungsdienstleisters in Bezug auf Zahlungsauthentifizierungsinstrumente § 675l BGB normiert die Pflichten des Zahlers in Bezug auf Zahlungsauthentifizierungsinstrumente. Auch nach dem neuen Recht trägt grundsätzlich der Zahlungsdienstleister das Drittmissbrauchsrisiko, da es an einer wirksamen Anweisung fehlt und ihm somit kein Aufwendungsersatzanspruch zusteht (§ 675u S. 1 BGB). Dennoch treffen auch den Zahler gewisse Neben- und Sorgfaltspflichten, für deren vorsätzliche und grob fahrlässige Verletzung er haftet (§ 675v Abs. 2 BGB). Diese sind nun zum Teil normiert. Nicht gesetzlich geregelt sind jedoch Pflichten in Bezug auf andere Autorisierungsverfahren, wie der Überweisung mittels Überweisungsträger oder der Zahlungen im Lastschriftverfahren und im Elektronischen Lastschriftverfahren (ELV), da diese nicht den Einsatz eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments erfordern.265 Weil die Regelung nicht abschließend ist,266 ist die bisherige Rechtsprechung weiterhin anwendbar.267 Zunächst erscheint die Pflichtenfestlegung für den Zahler in § 675l BGB sehr vage und unbestimmt. Alle zumutbaren Vorkehrungen zum Schutz der personalisierten Sicherheitsmerkmale vor unbefugtem Zugriff zu treffen (§ 675l S. 1 BGB), sagt wenig über die geforderten Schutzmaßnahmen aus. Sie lässt daher viel Raum für Parteivereinbarungen268 und für Rückgriffe auf die bisherige Rechtsprechung.269 265
Vgl. 2. Kapitel C. III. Vgl. 2. Kapitel C. III. 267 Pflichten des Zahlungsdienstleisters bei Überweisungen: vertragliche Nebenpflicht des Zahlungsdienstleisters ist die Weiterleitung von Angaben über den Auftraggeber und des Verwendungszwecks an den Empfänger (BGH, Urteil vom 11. 3. 1976 – II ZR 116/74-WM 76, 904, 907; § 676a Abs. 1 S. 1 BGB a.F.); Sorgfaltspflichten bei der Ausgabe vorcodierter Überweisungsaufträge wie Prüfung der Bestell- und der Empfangsberechtigung (BGH, Urteil vom 11. 10. 1994 – XI ZR 238/93-NJW 1994, 3344); Prüfung der Änderung von Sammelüberweisungsaufträgen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. 7. 1990 – 6 U 254/89-WM 1990, 1818); dazu Schimansky, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 49 Rn. 101 – 103; Pflichten des Zahlungsdienstnutzers bei Überweisungen: Ausschalten der Gefahr von Fälschungen, Verfälschungen und sonstigen betrügerischen Maßnahmen (BGH, Urteil vom 11. 10. 1994 – XI ZR 238/93-NJW 1994, 3344; BGH, Urteil vom 17. 7. 2001 – XI ZR 325/00-NJW 2001, 2968; BGH, Beschluss vom 25. 1. 1985 – III ZR 138/84-WM 1985, 511); sorgfältige Aufbewahrung von vorcodierten Überweisungsformularen und Überwachung der mit der Überweisung betrauten Person (BGH, Urteil vom 3. 10. 1989 – XI ZR 163/88-NJW 1990, 250; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. 7. 1990 – 6U 254/89-WM 1990, 1818); dazu Schimansky, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 49 Rn. 121 – 123. 268 Konkretisierung des Zumutbarkeitsmaßstabs in den AGB ist zulässig, Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675l BGB Rn. 3 f.; vgl. beispielhaft die Sorgfaltspflichten des Teilnehmers in den Bedingungen für das Online-Banking der Banken, abgedruckt in: BankR-HdB, Anh. 7 zu §§ 52 – 55, 7.1-4, insbesondere: Verbot der elektronischen Speicherung des personalisierten Sicherheitsmerkmals, Sicherstellung, dass andere Personen es bei Eingabe nicht ausspähen können, keine Eingabe außerhalb der Internetseite, keine gemeinsame Verwahrung der PIN und des Nutzungscodes, keine Verwendung mehr als einer TAN, keine gleichzeitige Nutzung des mobilen Geräts für TAN-Empfang und Online-Banking. 269 Omlor, in: Staudinger, § 675l BGB Rn. 5 f. 266
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
Erforderlich ist lediglich die Subsumtion unter den Begriff der zumutbaren Vorkehrungen für personalisierte Sicherheitsmerkmale. Für Pflichten in Bezug auf das Zahlungsauthentifizierungsinstrument ist nicht einmal eine solche erforderlich, da diese gesetzlich überhaupt nicht normiert sind.270 § 675v Abs. 2 Nr. 2 BGB zeigt, dass die Pflichtenregelung nicht abschließend ist, indem er für die Haftung bei missbräuchlicher Nutzung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments auf die vertragliche Ausgestaltung der Pflichten verweist. Eine eindeutige Pflichtfestlegung erfolgt jedoch in Bezug auf die Anzeigepflicht, die aufgrund des Haftungsausschlusses in § 675v Abs. 3 S. 1 BGB für den Zahler besonders wichtig ist. Die Anzeigegründe lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: In den Verlust des Zahlungsauthentifizierungsinstruments, welcher auch den Diebstahl umfasst, und in die nichtautorisierte Nutzung, welche die missbräuchliche Verwendung miteinschließt.271 Auffällig ist, dass § 676b Abs. 1 BGB ebenfalls eine Unterrichtungspflicht des Zahlungsdienstnutzers begründet, welche den Fall des nichtautorisierten Zahlungsvorgangs erfasst. Die nichtautorisierte Nutzung (§ 675l S. 2 BGB) und der nichtautorisierte Zahlungsvorgang (§ 676b Abs. 1 BGB) unterscheiden sich aber insofern, als eine nichtautorisierte Nutzung272 schon vor dem tatsächlichen Geldfluss des Zahlungsvorgangs273 liegen kann. Deshalb ist eine zusätzliche Anzeigepflicht gerechtfertigt und stellt keine unnötige Doppelung dar. Die Festlegung der Pflichten dient der Rechtssicherheit, da damit der Anzeigezeitpunkt klar zugunsten des Zahlungsdienstnutzers bestimmt wird. Entscheidend ist die positive Kenntniserlangung. Auf Fahrlässigkeit – wie teilweise nach bisheriger Rechtsprechung274 – kommt es ausdrücklich nicht an.275 Ab diesem Zeitpunkt ist eine unverzügliche Anzeige verpflichtend. Da nicht zu Lasten des Zahlungsdienstnutzers vom Zahlungsdiensterecht abgewichen werden darf, ist niemals auf fahrlässige Unkenntnis abzustellen. Im Vergleich zu § 675l BGB regelt § 675m BGB die Pflichten des Zahlungsdienstleisters sehr konkret. Jedoch ist § 675m BGB auch nicht abschließend,276 da es sich bei den Pflichten lediglich um eine Ausprägung des Grundsatzes handelt, dass auch der Zahlungsdienstleister den Missbrauch der Zahlungsauthentifizierungsin270
Omlor, in: Staudinger, § 675l BGB Rn. 4. Omlor, in: Staudinger, § 675l BGB Rn. 15. 272 Die nichtautorisierte Nutzung ist bereits jede Verwendung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments oder personalisierten Sicherheitsmerkmals durch einen Dritten gegen oder ohne den Willen des Zahlers, Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675l BGB Rn. 27. 273 Der Zahlungsvorgang liegt in dem rein tatsächlichen Vorgang des Hin- und Herschiebens von Geld, Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675f BGB Rn. 36. 274 OLG Bamberg, Urteil vom 23. 6. 1993 – 8 U 21/93-NJW 1993, 2813, 2815. 275 Maihold, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 54 Rn. 94. 276 Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675m BGB Rn. 2; in dem Sinne auch BGH, Urteil vom 20. 10. 2015 – XI ZR 166/14-NJW 2016, 560, 562, die Ausgabe einer Ersatzkarte sei zumindest in Fällen des Verlusts oder Diebstahls der Erstkarte zwangsläufige Folge der Erfüllung aus § 675m Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BGB. 271
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strumente verhindern muss.277 Insbesondere wird deutlich, dass vor Zugang des Zahlungsauthentifizierungsinstruments beim Zahlungsdienstnutzer, diesen überhaupt keine Pflichten treffen (§ 675m Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB). Somit ist ein Verdienst der §§ 675l, m BGB, dass sie den Beginn und das Ende der den Zahlungsdienstnutzer treffenden Sorgfaltspflichten eindeutig definieren. Die Rechtsprechung zu den Sorgfaltspflichten im Überweisungsverfahren folgt bezüglich des Beginns der gleichen Wertung. So ist beispielsweise eine Pflicht zur sorgfältigen Aufbewahrung vorcodierter Überweisungsvordrucke erst zu dem Zeitpunkt relevant, zu dem die Vordrucke mit Willen, zumindest aber mit Wissen des Zahlungsdienstnutzers in dessen Machtbereich gelangen.278 Demnach handelt es sich hier nicht um die Verschiebung des inneren Systems. Die Normierung bestimmter Pflichten des Zahlers als auch des Zahlungsdienstleisters und insbesondere der Anzeigepflicht für die Karten- und Internetzahlungen führt jedoch zu mehr Rechtssicherheit. Gleichzeitig bleibt die vertragliche Flexibilität erhalten sowie das Rechtsprechungsrecht für Nebenpflichten bei anderen Autorisierungsverfahren.
C. Ausführung von Zahlungsvorgängen I. Wirksamkeit von Zahlungsaufträgen 1. Zugang Die Wirksamkeit des Zahlungsauftrags hängt von seinem Zugang ab (§ 675n Abs. 1 S. 1 BGB). Dies entspricht der grundsätzlichen Dogmatik des BGB, nach der Willenserklärungen mit ihrem Zugang wirksam werden (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Zur Unwirksamkeit führen die Ablehnung und der Widerruf des Zahlungsauftrags. Außerdem entscheidet der Zeitpunkt des Zugangs über die Zulässigkeit des Widerrufs des Zahlungsauftrags und der Autorisierung (§ 675p Abs. 1 BGB bzw. § 675p Abs. 1 BGB i.V.m. § 675j Abs. 2 S. 1 BGB), den Beginn der Ausführungsfrist (§ 675s Abs. 1 S. 1 BGB) und damit über die Ablehnungsfrist von Zahlungsaufträgen (§ 675o Abs. 1 S. 1 BGB), so dass die Zusammenfassung der Regelungen im zweiten Unterkapitel Ausführung von Zahlungsvorgängen einen inneren Sinnzusammenhang aufweist. Für die Begriffsbestimmung des Zugangs kann auf den allgemeinen Teil des BGB (§ 130 BGB) und die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden.279 Danach kommt es auf die Möglichkeit des Empfängers an, vom Inhalt der Wil277 Fehrenbach, in: Prütting/Wegen/Weinreich, 11. Aufl., § 675m BGB Rn. 2; Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675m BGB Rn. 2. 278 BGH, Urteil vom 11. 10. 1994 – XI ZR 238/93-NJW 1994, 3344. 279 Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675n BGB Rn. 2.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
lenserklärung Kenntnis zu erlangen.280 Eine abweichende richtlinienkonforme Auslegung wird aber erwogen, da die ZDRL den Begriff Eingang in Art. 64 ZDRL wählt.281 Dieser impliziere, dass es nicht auf die Kenntnisnahmemöglichkeit des Zahlungsdienstleisters ankomme, sondern lediglich auf das Gelangen in den Herrschaftsbereich.282 Dagegen spricht aber, dass zwei verschiedene Zugangsbegriffe im BGB als systemwidrig einzustufen wären.283 Eine solche Auslegung ist auch im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des Eingangsbegriffs aus Art. 64 ZDRL nicht geboten, da der Zugangsbegriff nach § 130 BGB den Schutzzweck des Art. 64 ZDRL erfüllt, welcher den Zahlungsdienstleister davon abhalten soll, den Beginn der Ausführungsfrist hinauszuschieben.284 Auffällig ist, dass das Gesetz einige Zugangsfiktionen enthält (§§ 675n Abs. 1 S. 2, 3, Abs. 2 S. 1, 675o Abs. 3 BGB), die den Zugang weiter hinausschieben bzw. ihn für nicht erfolgt erklären. Sie finden insbesondere für die Zwecke der Ausführungsfrist Anwendung.285 Es ist jedoch einzuwenden, dass eine Zugangsfiktion dogmatisch keine zu befürwortende Lösung darstellt.286 Sucht man nach Alternativen zu den Zugangsfiktionen im Zahlungsdiensterecht, kommen lediglich eine Änderung des Beginns der Ausführungsfrist, für die nach § 675s Abs. 1 BGB der Zugang maßgeblich ist, oder eine Verlängerung der Ausführungsfrist an sich in Betracht. Beide Alternativen sind jedoch nicht mit dem Vollharmonisierungsgrundsatz der ZDRL und deren Zielsetzung vereinbar, den Zahlungsverkehr zu automatisieren und zu beschleunigen. Denn sie würden zu einer grundsätzlichen Überprüfung jedes einzelnen Zahlungsauftrags auf seinen Ausführungsbeginn, insbesondere aber auf seine Ausführungsfrist führen, die sich auf den Interbankenverkehr und damit den dort geschaffenen Automatismus auswirken würde. Ein Ersatz der Zugangsfiktionen kommt somit nicht in Betracht. Es ist jedoch zu untersuchen, ob sie wirklich erforderlich sind. § 675n Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt, dass der Zugang als am nächsten Geschäftstag erfolgt gilt, wenn er auf einen Tag fällt, der kein Geschäftstag ist. Legt man hier den Zugangsbegriff des § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zugrunde, der im Fall des Geschäftsschlusses von einer Kenntnisnahmemög-
280
Ellenberger, in: Palandt, 75. Aufl., § 130 BGB Rn. 5. Schinkels, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl., Kap. 16 Rn. 38. 282 Schinkels, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl., Kap. 16 Rn. 38. 283 Siehe auch Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675n BGB Rn. 8. 284 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675n BGB Rn. 5 ff. 285 § 675n Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 1 BGB, formulieren eine Fiktion für die Zwecke des § 675s Abs. 1 bzw. § 675o Abs. 3 BGB für die Zwecke der §§ 675s, 675y und 675z; nach überwiegender Auffassung gelten § 675n Abs. 1 S. 2, 3 BGB nicht für den Widerruf, Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675p BGB Rn. 7; Schmalenbach, in: Bamberger/Roth, 3. Aufl., § 675p BGB Rn. 2; Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675p BGB Rn. 2. 286 Eine Begründung mit Hilfe einer Fiktion stelle eine dogmatische Verlegenheitslösung dar, Singer/Benedict, in: Staudinger, § 130 BGB Rn. 84. 281
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lichkeit erst am nächsten Tag ausgeht,287 hat die Zugangsfiktion des § 675n Abs. 1 S. 2 BGB nur klarstellende Wirkung.288 Der Geschäftstag nach § 675n Abs. 1 S. 4 BGB ist jedoch von der Bestimmung der Geschäftszeiten nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB sowie dem Bankgeschäftstag nach § 676a Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB a.F. zu unterscheiden. Er ist gerade nicht allgemein nach der Verkehrsanschauung289 festzulegen, sondern nach den individuellen Verhältnissen des Zahlungsdienstleisters des Zahlers.290 Demnach ist die Zugangsbestimmung in diesem Punkt von § 130 BGB verschieden.291 Als ausreichend hätte man zwar die Definition des Geschäftstags in § 675n Abs. 1 S. 4 BGB ansehen können. Die Fiktion dient hier jedoch der Rechtssicherheit, da in § 130 BGB ein Abstellen auf die Kenntnisnahmemöglichkeit, welche dazu führt, dass die Willenserklärung erst an einem Geschäftstag zugeht, nicht ausdrücklich normiert ist. § 675n Abs. 1 S. 3 BGB, der die einseitige Bestimmung einer cut-off Frist des Zahlungsdienstleisters erlaubt, dient vor allem den Interessen der Banken, das Rechnungswesen täglich abzuschließen.292 Auch vor Umsetzung der ZDRL waren solche Fristen üblich.293 Diese Praxis aufrechtzuerhalten ist aber nur im Wege einer Zugangsfiktion möglich, da ansonsten mit Zugang an einem Geschäftstag die Ausführungsfrist zwingend beginnt. § 675n Abs. 2 BGB, der eine Vereinbarung der Parteien über den Beginn der Ausführungsfrist zulässt, zielt darauf ab, vertraglich den Beginn der Ausführungsfrist hinauszuschieben. Die Umsetzung des Überweisungsgesetzes sah in § 676a Abs. 2 S. 3 BGB a.F. eine vorrangige Parteivereinbarung294 zum eigentlichen 287 Ellenberger, in: Palandt, 75. Aufl., § 130 BGB Rn. 6; BGH, Urteil vom 5. 12. 2007 – XII ZR 148/05-NJW 2008, 843. 288 Vgl. Langenbucher, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, 3. Kap. § 675n Rn. 4. 289 BGH, Urteil vom 5. 12. 2007 – XII ZR 148/05-NJW 2008, 843, der BGH stellt nicht auf die Öffnungszeiten des individuellen Maklers ab, sondern auf die allgemein üblichen Geschäftszeiten am Silvestertag; nach § 676a Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB a.F. sind Werktage Bankgeschäftstage, an denen alle beteiligten Kreditinstitute gewöhnlich geöffnet haben, ausgenommen Sonnabende; es kommt darauf an, ob die typischerweise an der konkreten Überweisung beteiligten Kreditinstitute gewöhnlich geöffnet haben, Casper, in: MüKo, 5. Aufl., § 676a BGB Rn. 34. 290 Meistens von den Zahlungsdienstleistern in deren Preis- und Leistungsverzeichnissen festgelegt, Beispiel bei Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675n BGB Rn. 6; insbesondere ist eine Bestimmung des Geschäftstags sowie von cut-off-Fristen im Onlinebanking, das dem Kunden Tag und Nacht zur Verfügung steht, für den Zahlungsdienstleister von Vorteil, vgl. Maihold, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 55 Rn. 60. 291 Siehe hierzu auch: Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675n BGB Rn. 4 – 7. 292 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675n BGB Rn. 20. 293 BT-Drucks. 16/11643, 107; Schürmann, in: Habersack/Mülbert/Nobbe (Hrsg.), Bankrechtstag 2009, 11, 40. 294 Vgl. Casper, in: MüKo, 5. Aufl., § 676a BGB Rn. 32; Schimansky, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 49 Rn. 46 hält diese für ein Redaktionsversehen, da sie nicht mit der Überwei-
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Fristbeginn vor, der mit Zugang und ausreichender Deckung erfolgte. Da das jetzige Zahlungsdiensterecht eine solche abweichende Parteivereinbarung nicht erlaubt, ist die Erreichung dieses Ziels nur mit Hilfe einer Zugangsfiktion möglich. Grund für die umständlichen und dogmatisch zu kritisierenden Fiktionen ist somit der zwingende Charakter des § 675s Abs. 1 BGB.295 Die inhaltliche Änderung des § 675n BGB liegt allein in der Definition des Geschäftstags, welcher aus dem europäischen Recht stammt. Eine Verschiebung des inneren Systems folgt hieraus nicht. 2. Ablehnung Überflüssig ist die Fiktion des § 675o Abs. 3 BGB296, der klarstellt, dass ein abgelehnter Zahlungsauftrag als nicht zugegangen gilt.297 Nach altem Recht war ein nicht vertragsgemäßer Zahlungsauftrag von vornherein unwirksam.298 Dies ist nach § 675o BGB nicht mehr der Fall. Lediglich eine Ablehnungsberechtigung – keine Ablehnungsverpflichtung – für die Fälle, in denen die Ausführungsbedingungen oder sonstigen Rechtsvorschriften nicht eingehalten sind, findet sich in § 675o Abs. 2 BGB.299 Eine zusätzliche Verpflichtung zur Ablehnung kann aus § 134 BGB i.V.m. einem Verbotsgesetz300 folgen.301 Hat der Zahlungsdienstleister nach Absendung einer Unterrichtung an den Zahlungsdienstnutzer über dessen Möglichkeiten, die Fehler zu berichtigen, ohne dabei den Zahlungsauftrag abzulehnen, genügend Zeit diesen innerhalb der Ausführungspflichten auszuführen, so bleibt der Zahlungsauftrag wirksam.302 Eine solche Vorgehensweise ist jedoch in den meisten Fällen aufgrund der kurzen Ausführungspflichten nicht durchführbar. Dem Zahlungsdienstleister bleibt nur noch eine Ablehnung, die einen neuen Zahlungsauftrag des Zahlungsdienstnutzers bei Fehlerberichtigung erfordert.303 Wendet man ein, § 675o Abs. 1 S. 2 BGB stelle aber auf eine Möglichkeit zur Berichtigung ab und erfordere somit einen Zeitraum, in dem der Zahlungsauftrag nur schwebend unwirksam sei, sungsrichtlinie übereinstimme und zudem nicht im Sinne des Gesetzgeberwillens sei, der gerade keine Herauszögerung der Ausführungsfristen ermöglichen wollte. 295 Dieser ist auch für Unternehmen nicht abdingbar, § 675e Abs. 4 BGB. 296 Zur Änderung durch § 675o BGB bezüglich der Unterrichtungspflicht siehe oben 4. Kapitel A. I. 2., 3., bezüglich der Entgeltpflicht siehe oben 4. Kapitel A. IV. 297 Vgl. Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675o BGB Rn. 18. 298 Schmalenbach, in: Bamberger/Roth, 3. Aufl., § 675o BGB Rn. 10. 299 Da die Verpflichtung zur Ausführung bereits aus § 675f Abs. 2 S. 1 BGB folgt, hat § 675o BGB nur klarstellende Wirkung, vgl. Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675o BGB Rn. 5. 300 Zum Beispiel § 11 Geldwäschegesetz. 301 Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675o BGB Rn. 17. 302 Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 36; zu der Praxis den Zahlungsauftrag in der Schwebe [zu] halten: Meckel, JurisPR-BKR 12/2009 Anm. I 9.4. 303 Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 36; Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675o BGB Rn. 15.
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spricht die Fiktion in § 675o Abs. 3 BGB gegen einen solchen Schwebezustand. Sie führt nämlich nicht zu einer Hemmung der Fristen, sondern dazu, dass der Zahlungsauftrag insbesondere für die Ausführungsfrist als nicht zugegangen gilt. Im Fall der Ablehnung ist in allen Fällen zur Ingangsetzung einer Ausführungsfrist, ein erneuter Zugang und damit ein neuer Zahlungsauftrag erforderlich, so dass die gesetzliche Regelung offensichtlich von einer Unwirksamkeit ex nunc des alten rechtmäßig abgelehnten Zahlungsauftrags ausgeht. Ein rechtmäßig abgelehnter Zahlungsauftrag kann aber schon von sich aus keine Rechtsfolgen bezüglich der Ausführung für die Zukunft haben. Damit bedarf es der Fiktion in § 675o Abs. 3 BGB nicht.304 Ihr Beitrag zur Rechtssicherheit durch ihre klarstellende Wirkung ist außerdem äußerst gering, ergibt sich doch schon aus allgemeinen Grundsätzen die Unwirksamkeit eines rechtmäßig abgelehnten Zahlungsauftrags und damit das Nichtbestehen einer Ausführungsverpflichtung, so dass die §§ 675s, 675y und 675z BGB nicht anzuwenden sind. Der Zugang des abgelehnten Zahlungsauftrags bleibt lediglich relevant für die Bestimmung der Widerrufsfrist sowie der Ablehnungsfrist. Im Sinne der Rechtssicherheit wäre es vorteilhafter, wenn § 675o BGB statt der Zugangsfiktion eine Regelung enthielte, die die Unwirksamkeit im Zeitpunkt der Ablehnung eindeutig bestimmt.305 Zu begrüßen ist jedoch die Wirksamkeit einer nicht vertragsgemäßen Weisung. Sie gibt dem Zahlungsdienstleister einerseits Spielraum diese trotz fehlender Angaben – beispielsweise mit Hilfe von Nachforschungen – auszuführen, belastet ihn andererseits mit einer grundsätzlichen Pflicht zur Ausführung einer nicht vertragsgemäßen Weisung, lehnt er sie nicht ausdrücklich ab. Dadurch unterstützt die Ausführungsverpflichtung die Durchsetzung der Unterrichtungspflicht des Zahlungsdienstleisters nach § 675o Abs. 1 BGB, da die Unterrichtung stets die Ablehnung beinhaltet und somit eine Haftungsfreistellung bedeutet. Diese Unterrichtungspflicht bestand schon vor Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie, so dass die Einführung der Wirksamkeit bis zur Ablehnung des Zahlungsauftrags nicht zu einer Systemverschiebung führt. Positiv zu vermerken ist, dass § 675o Abs. 2 BGB das Zahlungsdiensterecht wieder in Einklang mit der Ausführungspflicht des Zahlungsdienstleisters nach dem Auftragsrecht bringt. § 675o Abs. 2 BGB stellt klar, dass der Auftraggeber sich zur Ausführung verpflichtet und sich von seiner Hauptleistungspflicht auch nicht ohne
304 Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675o BGB Rn. 18; Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675o BGB Rn. 5. 305 Denn der Zeitpunkt der Unwirksamkeit wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt: von einer Unwirksamkeit eines nicht vertragsgemäßen Zahlungsauftrags von vornherein ausgehend: Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675o BGB Rn. 14; wohl eher die Unwirksamkeit mit Ablehnung annehmend: Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675o BGB Rn. 18; Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675o BGB Rn. 5, bei berechtigter Ablehnung ist der Zahlungsdienstleister nicht zur Ausführung verpflichtet, bedeutet im Umkehrschluss, dass ohne Ablehnung die Pflicht weiterbesteht und der Zahlungsauftrag nicht von vornherein unwirksam ist.
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weiteres befreien kann.306 Dagegen bestand nach Umsetzung der Überweisungsrichtlinie ein diesem Grundsatz widersprechendes grundloses Kündigungsrecht des Zahlungsdienstleisters (§ 676a Abs. 3 BGB a.F.).307 3. Unwiderruflichkeit § 675p BGB geht trotz seiner Überschrift Unwiderruflichkeit eines Zahlungsauftrags von der grundsätzlichen Widerrufbarkeit des Zahlungsauftrags aus.308 Jedoch weicht er vom vorher geltenden Auftragsrecht in erheblichem Maße ab. Im Auftragsrecht folgt aus dem Recht, Weisungen zu erteilen, auch das Recht zu Gegenweisungen und damit zum Widerruf.309 Es hält eine Weisung für solange widerruflich, bis der Beauftragte die Ausführung vornimmt310 und damit wirtschaftlich unumkehrbare Dispositionen getroffen hat311. Dahinter steht der Gedanke der Fremdgeschäftsführung, die im Interesse des Auftraggebers erfolgt, so dass dieser auch Gegenweisungen vornehmen dürfen muss (§ 665 BGB).312 Denn er trägt als Geschäftsherr das Dispositionsrisiko. Es wird argumentiert, die verkürzten Ausführungsfristen führten lediglich zu einer tatsächlichen Verkürzung der Widerrufsfrist. Rechte würden jedoch durch eine EU-rechtlich geforderte Vorverlegung der Endgültigkeit, welche als ein faktisches Ereignis ähnlich der Verkürzung der Postlaufzeiten zu betrachten sei, nicht beschränkt.313 Dem ist nicht zuzustimmen. Die Vorverlegung der Endgültigkeit steht nicht in allen Fällen in Einklang mit dem auftragsrechtlichen Gegenweisungsrecht und den dahinter stehenden Grundsätzen. § 675p Abs. 1 BGB i.V.m. § 675n Abs. 1 S. 1 BGB folgt der Regelung in § 130 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach mit Zugang der Willenserklärung deren Unwiderruflichkeit einsetzt. Dies ist Ausdruck der Empfangstheorie und damit des Schutzes des objektiven Erklärungsempfängers. Es handelt sich um einen reinen Vertrauens306
§ 675o BGB geht von dem Bestehen des Rechts eines Zahlungsdienstleisters aus, bestimmte Zahlungsaufträge abzulehnen, und hat insofern nur klarstellende und keine konstituierende Funktion, Omlor, in: Staudinger, § 675o BGB Rn. 1; auch die Verpflichtung zur Ausführung folgt bereits aus § 675f Abs. 2 S. 1 BGB. 307 Zum Widerspruch gegen allgemeine zivilrechtliche Prinzipien sowie den EU-Rechtsverstoß dieser Regelung: Grundmann, WM 2000, 2269, 2277. 308 Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675p BGB Rn. 2. 309 Seiler, in: MüKo, 6. Aufl., § 665 BGB Rn. 7. 310 Der Widerruf ist zulässig bis der Auftrag endgültig ausgeführt ist: BGH, Urteil vom 25. 1. 1988 – II ZR 320/87-NJW 1988, 1320; BGH, Urteil vom 19. 3. 1991 – XI ZR 102/90-NJW 1991, 2210, 2211. 311 BGH, Urteil vom 24. 9. 2002 – XI ZR 420/01-NJW 2002, 3698, 3699, eine irreversible Vermögensdisposition schließt einen Widerruf aus; Gößmann, WM 1998, 1264, 1267, der Widerruf ist bei unumkehrbaren Dispositionen des Beauftragten ausgeschlossen. 312 Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675p BGB Rn. 2. 313 Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 25.
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schutz314 und nicht um einen aus der Art des Geschäfts folgenden Interessenschutz des Geschäftsherrn. Damit setzt die Unwiderruflichkeit eines Überweisungsauftrags nach § 675p Abs. 1 BGB bereits einen Moment vor den wirtschaftlichen Dispositionen ein, nämlich in dem Zeitpunkt, in dem grundsätzlich die Vornahme der Leistungshandlung möglich ist. Zur Zeit der Umsetzung der Überweisungsrichtlinie wurde auf den späteren Zeitpunkt der Aufwendungstätigung und somit genau den Zeitpunkt der wirtschaftlichen Dispositionen abgestellt. Im Fall der Kündigung315 des Überweisungsvertrags nach Beginn der Ausführungspflicht galt für das Ende der Kündigungsmöglichkeit der Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Empfängerkreditinstituts. Vor Umsetzung der Überweisungsrichtlinie endete die Widerrufsfrist erst mit dem Anspruch des Zahlungsempfängers gegen seinen Zahlungsdienstleister aus der Gutschrift.316 Somit rückt die neue Regelung des § 675p Abs. 1 BGB den Vertrauensschutz des Zahlungsdienstleisters für vom Zahler ausgelöste Zahlungen, sogenannten Push-Zahlungen, in den Vordergrund und stellt ihn über das Interesse von Gläubiger und Schuldner, welche die eigentlichen Vertragsherren sind.317 Intention des Gesetzgebers war es, die Interessen des Zahlungsdienstleister an Rechtssicherheit aufgrund der ihn belastenden kürzeren Ausführungsfristen zu schützen.318 Somit ergibt sich der Grund für die Änderung der hinter der Regelung stehenden Rechtsprinzipien nicht aus dem deutschen Zahlungsdiensterecht, sondern aus der Automatisierung des europäischen Zahlungsverkehrs. Die verkürzten Ausführungsfristen führen nicht automatisch zu einer Einschränkung des Widerrufsrechts, diese ist der gesetzlichen Regelung in § 675p Abs. 1 BGB geschuldet. Der Vertrauensschutzgedanke gilt nach § 675p Abs. 2 BGB auch im Fall von Zahlungen, die vom oder über den Zahlungsempfänger ausgelöst werden, sogenannten Pull-Zahlungen. Geschützt wird hier das Vertrauen des Zahlungsempfängers. Im Fall des POS-Verfahrens und der Auszahlung an fremden Geldautomaten, die beide von § 675p Abs. 2 S. 1 Var. 2 BGB erfasst werden, setzt die Unwiderruflichkeit mit Übermittlung des Zahlungsauftrags oder der Autorisierung an den Zahlungsempfänger ein. Das bedeutet, die Unwiderruflichkeit besteht bei der POSZahlung mit PIN-Eingabe und Erstellung des Belastungsbelegs bzw. bei der Zahlung am fremden Geldautomaten mit Einsatz von Karte und PIN am Geldautomaten. Zum gleichen Zeitpunkt gibt das Zahlungsunternehmen des Zahlers im POS-Verfahren ein 314 Der Primat des Erklärungswillens [wird] begrenzt durch den Schutz des Vertrauens beim Adressaten, Singer/Benedict, Staudinger, 2012, § 130 BGB Rn. 100. 315 Die Kündigung nach § 676a Abs. 4 BGB a.F. entspricht dem Widerruf nach § 675p BGB; die Terminologie beruhte auf der damaligen dogmatischen Konstruktion des Überweisungsvertrags, der dem gesetzlichen Standardfall gemäß einer Parteivereinbarung anstatt einer einseitigen Weisung im Rahmen eines Zahlungsdiensterahmenvertrags bedurfte. 316 BGH, Urteil vom 12. 5. 1958 – II ZR 103/57-NJW 1958, 1232. 317 Vgl. Nobbe, WM 2011, 961, 963; Derleder, NJW 2009, 3195, 3197. 318 Die Intention des Gesetzgebers sei, den Interessen des Zahlungsdienstleisters Rechnung zu tragen, Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675p BGB Rn. 2; dazu kritisch Derleder, NJW 2009, 3195, 3197.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
abstraktes Schuldversprechen nach § 780 BGB ab bzw. steht dem geldautomatenbetreibenden Institut ein Aufwendungsersatzanspruch zu319, so dass der Zahlungsdienstleister in diesem Moment wirtschaftliche Dispositionen trifft. Damit ist diese Regelung weiterhin mit der alten Dogmatik begründbar. Auffällig ist, dass der Schutz des Zahlungsempfängers im Wortlaut des Gesetzes stark betont wird. Zudem findet er sich in § 675p Abs. 4 S. 2 BGB wieder, der in den Fällen des § 675p Abs. 2 BGB eine Zustimmung des Zahlungsempfängers bei einer die Frist verlängernden Parteivereinbarung fordert. Dasselbe gilt für die Kreditkartenzahlung, für die § 675p Abs. 2 S. 1 BGB nun das Leitbild geändert hat. Die zuvor streitige Rechtslage des Weisungswiderrufs ist jetzt von § 675p Abs. 2 S. 1 Var. 2 BGB entschieden.320 Mit der Unterschrift unter den Belastungsbeleg321 bzw. mit Angabe der Kreditkartendaten im Mail-Order-Verfahren322 kann der Zahlungsauftrag nicht mehr widerrufen werden. Das Problem des Durchgriffs auf den Akquisitionsvertrag des Kreditkartenunternehmens mit dem Vertragsunternehmen stellt sich somit gar nicht mehr. Nun steht eindeutig der Vertrauensschutz des Vertragsunternehmens und Kreditkartenunternehmens im Vordergrund. Längere Widerrufsrechte, die auch auf das Verhältnis zwischen Kartenunternehmen und Vertragsunternehmen durchgreifen, sind nur bei Vereinbarung (§ 675p Abs. 4 BGB) möglich.323 Dies entspricht der geltenden Rechtsprechung. Danach erwirbt das Vertragsunternehmen auf Grund des Aquisitionsvertrags einen abstrakten Anspruch gegen das Kartenunternehmen, in dem eine irreversible Vermögensdisposition liegt, die einen Widerruf ausschließt.324 Ein Einwendungsdurchgriff – im Gegensatz zum Widerruf325 – kommt nur noch in den Fällen in Betracht, in denen liquide beweisbare Fehler im Valutaverhältnis bestehen.326 Da ein solcher Rechtsmissbrauchseinwand dogmatisch in § 242 BGB verankert ist, stehen weder § 675p BGB noch die ZDRL dem Einwendungsdurchgriff entgegen.327 319
Das auszahlende Institut erwirbt mit Auszahlung einen Aufwendungsersatzanspruch gegen das kartenausgebende Institut, den es per Lastschrift einzieht, Maihold, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 54 Rn. 35. 320 Vgl. Martinek, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 67 Rn. 34. 321 BGH, Urteil vom 24. 09. 2002 – XI ZR 420/01-NJW 2002, 3698. 322 Im Mail-Order-Verfahren wird der Belastungsbeleg durch die Belegausfertigung durch das Vertragsunternehmen nach Angabe der Kreditkartendaten durch den Kunden ersetzt, die dem Kreditkartenunternehmen vorzulegen ist, BGH, Urteil vom 16. 04. 2002 – XI ZR 375/00NJW 2002, 2234, 2236. 323 Dazu Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR II 236 ff. 324 BGH, Urteil vom 24. 9. 2002 – XI ZR 420/01-NJW 2002, 3698; LG Frankfurt a.M., Urteil vom 19. 1. 1993 – 2/26 O 311/92-WM 1994, 111; LG Berlin, Urteil vom 30. 10. 1985 – 18 O 263/85-NJW 1986, 1939. 325 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675p BGB Rn. 15. 326 BGH, Urteil vom 24. 9. 2002 – XI ZR 420/01-NJW 2002, 3698, 3699. 327 Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR II 297 verweist auf EuGH, Urteil vom 16. 12. 1997 – Rs. C-104/96, Coöperatieve Rabobank BA, Slg. 1997, I-7219;
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Auf den Vertrauensschutz des Zahlungsempfängers stellt auch die Regelung zur Widerruflichkeit der Lastschrift in § 675p Abs. 2 S. 2 BGB ab. Diese bestimmt die Unwiderruflichkeit des Zahlungsauftrags mit dem Ende des Geschäftstags vor dem vereinbarten Fälligkeitstag des Valutaverhältnisses. Damit handelt es sich entsprechend der Reglung in § 675p Abs. 1 BGB um einen Zeitpunkt unmittelbar vor der Belastungsbuchung und somit vor der wirtschaftlichen Disposition des Zahlungsdienstleisters, die mit Einlösung nach den Bedingungen über die Lastschriftverfahren frühestens zwei Bankarbeitstage nach Belastungsbuchung erfolgt328. Zuvor galt der Einlösungszeitpunkt und somit eindeutig der Zeitpunkt der wirtschaftlichen Disposition des Zahlungsdienstleisters als Ende der Widerrufsfrist. Nicht miteinzubeziehen ist bei Lastschriften der aus § 675x BGB folgende Erstattungsanspruch, da dieser nicht als verlängertes Widerrufsrecht ausgelegt werden kann, denn der Zahlungsauftrag und die Autorisierung bleiben bestehen.329 Für die Verlängerung eines Widerrufsrechts wäre außerdem die Zustimmung des Zahlungsempfängers erforderlich (§ 675p Abs. 4 S. 2 BGB).330 Diese Zustimmung des Zahlungsempfängers wurde im AAV in seinem Einverständnis mit der jahrelangen Praxis gesehen, wonach der Zahler dem Zahlungsvorgang vorab gegenüber seinem Zahlungsdienstleister unter der auflösenden Bedingung eines nicht erfolgten Widerspruchs innerhalb von zwei Bankgeschäftstagen zustimmte.331 Der europäische Gesetzgeber wolle die nationalen Lastschriftverfahren weiter aufrechterhalten.332 Dieser Ansicht widerspricht jedoch § 675p Abs. 4 S. 2 BGB als eindeutige Regelung, die eine ausdrückliche Zustimmung des Zahlungsempfängers voraussetzt.333 Die entsprechenden Regeln sind somit nur im Zahlungsverkehr mit Unternehmern wirksam (§ 675e Abs. 4 BGB),334 für die das AAV ohnehin nur zugänglich war. Zu befürworten ist die Hervorhebung des Schutzes des Zahlungsempfängers bei Pull-Zahlungen, da auf diese Weise die Bargeldersatzfunktion sichergestellt wird und sie somit zur Wettbewerbsfähigkeit des unbaren Zahlungsverkehrs beiträgt.
Martinek, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 67 Rn. 35; Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675p BGB Rn. 15. 328 Vgl. 2.4.2. der Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren, 2.4.2. Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Abbuchungsauftragsverfahren, 2.4.2. Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Basislastschriftverfahren, 2.4.2. i.V.m. 2.4.1. Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPAFirmenlastschriftverfahren, Ellenberger, in: BankR-HdB, 4. Aufl., Anhang zu §§ 56 – 59; erst dann erwirbt die Bank einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Zahler gemäß §§ 675c Abs. 1, 670 BGB, Hopt, in: Baumbach/Hopt, 37. Aufl., (7) Bankgeschäfte Rn. D/37. 329 Ellenberger, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 58 Rn. 100. 330 Ellenberger, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 58 Rn. 100. 331 Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675p BGB Rn. 18. 332 Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675p BGB Rn. 19. 333 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675p BGB Rn. 20, plädiert für eine Umdeutung in einen Erstattungsanspruch nach § 675x Abs. 2 BGB. 334 Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675p BGB Rn. 21.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
In den Fällen, in denen ein Ausführungstermin vereinbart ist (§ 675p Abs. 3 BGB), bedarf es keines gesonderten Vertrauensschutzes eines Dritten. Ein gesetzliches Widerrufsrecht335 besteht bis zum Geschäftstag vor dem vereinbarten Tag der Ausführung. Auch hier ist im Gleichlauf mit den Regelungen in § 675p Abs. 1, 2 S. 2 BGB eine leichte Vorverlegung der Unwiderruflichkeit erfolgt. Denn Dispositionen hat der Zahlungsdienstleister zu diesem Zeitpunkt noch keine getroffen. Er steht aber unmittelbar davor. Zu betonen ist, dass die grundsätzliche Unwiderrufbarkeit des Zahlungsauftrags zu einem großen Teil auf der Verkürzung der Ausführungsfristen zur Beschleunigung des vor allem innereuropäischen Zahlungsverkehrs beruht,336 so dass § 675p BGB im Endeffekt auch den Interessen des Zahlungsdienstnutzers dient. Eine grundsätzlich verbindliche Vereinheitlichung der Widerrufsfrist folgt zudem aus der Ausführung von grenzüberschreitenden Zahlungsdiensten durch Vertragsnetze. Gerade bei grenzüberschreitenden Zahlungsdiensten greift immer die kürzeste Widerrufsfrist, da jedes Auftragsverhältnis nach dem Recht des Staats des gewöhnlichen Aufenthalts des Dienstleisters zu bestimmen ist (Art. 4 Rom I).337 Der Grund für die Durchbrechung des auftragsrechtlichen Grundsatzes des jederzeitigen Widerrufs bis zur Auftragsausführung folgt somit nicht aus dem deutschen Zahlungsdiensterecht, sondern aus den Erwägungen der Optimierung und Erweiterung des europäischen Zahlungsverkehrs. Es handelt sich um eine Systemverschiebung hin zu einem europäischen System, das die Automatisierung des Zahlungsverkehrs und zu diesem Zweck den Vertrauensschutz stärker als das auftragsrechtliche Grundprinzip der Geschäftsführung im Interesse des Geschäftsherrn in den Vordergrund rückt. Geschützt werden nicht mehr die Interessen des Zahlungsdienstnutzers als Auftraggeber, sondern diejenigen seiner Vertragspartner, des Zahlungsdienstleisters und des Zahlungsempfängers. Diese Veränderung wirkt auf den ersten Blick gravierend, fügt sich aber in das deutsche Auftrags- und Geschäftsbesorgungsrecht insofern ein, als die Bedeutung des Auftraggebers als Herr des Geschäfts gerade im Zahlungsdiensterecht aufgrund der standardisierten Massenabwicklung gering ist. Dies zeigt sich auch an den geringen Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten im Zahlungsverkehr.338 Ausführungsspielraum hat der Beauftragte so gut wie keinen. Es gilt das Prinzip der formalen Auftragsstrenge.339 Die Weisungen des Auftraggebers müssen streng befolgt werden. Grundsätzlich kommt es nicht zu besonderen Interessenabwägungen, die eine Gegenweisung erfordern könnten. Auch handelt es sich nicht um ein besonderes Vertrauensverhältnis, welches der Auftraggeber jederzeit beenden können müsste.340 Da sie somit nicht zu unvertretbaren Einschränkungen 335
Grundmann, WM 2009, 1109, 1115. BT-Drucks. 16/11643, 109. 337 Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 2. Aufl., BankR II 50. 338 Vgl. hierzu: Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR I 149. 339 Vgl. zum Prinzip der formalen Auftragsstrenge, Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/ Joost, 3. Aufl., BankR II 251 f. 340 Seiler, in: MüKo, 6. Aufl., § 671 BGB Rn. 1. 336
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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des Widerrufsrechts führt – die größte Einschränkung im Lastschriftverfahren wird ohnehin durch den nach § 675x BGB vereinbarten Erstattungsanspruch faktisch wieder aufgehoben –, ist die getroffene Regelung zur Automatisierung des europäischen Zahlungsverkehrs sehr zu begrüßen. Möglich bleibt der nach altem Recht zulässige Direktwiderruf eines Instituts über die Vereinbarungslösung in § 675p Abs. 4 BGB. Dies zeigt zum wiederholten Male, dass die Öffnung des vollharmonisierenden EU-Richtlinienrechts durch Klauseln, welche die Parteivereinbarung zulassen, die Integration in die nationalen Rechtssysteme fördert. Dafür sprechen auch die Bedingungen zum Überweisungsverkehr.341 Diese stellen für die Wirksamkeit eines verlängerten Widerrufsrechts nach § 675p Abs. 4 BGB auf die Möglichkeit ab, die Ausführung zu verhindern oder den Überweisungsbetrag zurückzuerlangen. Dies entspricht dem auftragsrechtlichen Prinzip der Widerruflichkeit bis zur endgültigen Disposition. So kommen nationale Rechtsprinzipien und Institute, die sich in Verträgen und Rechtsprechung etabliert haben, weiterhin zur Anwendung. Ausgeschlossen ist allerdings aufgrund der abschließenden Regelung des Widerrufs die Anfechtung des Zahlungsvertrags. Die hinter den europäischen Regelungen stehende Automatisierung verbietet eine weitere Möglichkeit der Weisungsrücknahme durch Gestaltungserklärung des Zahlers.342 II. Kundenkennung § 675r Abs. 1 S. 1 BGB343 berechtigt die Zahlungsdienstleister dazu, einen Zahlungsvorgang ausschließlich anhand der Kundenkennung vorzunehmen.344 Daraus folgt, dass eine Pflicht des Zahlungsdienstleisters des Empfängers zur Kontoaufrufprüfung345 nicht mehr besteht. Ebenso hat der die Überweisung auslösende Zahlungsdienstleister keine Verpflichtung mehr, dem Zahlungsdienstleister 341 Abrufbar unter: http://bankenverband.de/themen/fachinformationen/recht/allgemeine-ge schaeftsbedingungen-der-privaten-banken-und-andere-klauselwerke [Stand 24. 10. 2016]. 342 Dies war im alten Recht bereits streitig und jedenfalls wirtschaftlich uninteressant aufgrund von § 120 BGB, Häuser, in: Münchner Kommentar HGB, 2. Aufl., ZahlungsV Rn. B 57 ff. 343 § 675r BGB und § 675y Abs. 3 BGB setzen Art. 74 ZDRL um. 344 Im Folgenden soll nur auf den Zahlungsdienst der Überweisung abgestellt werden, da sich die Problematik im Lastschriftverkehr aufgrund der fehlenden Autorisierung durch den tatsächlichen Zahler, welcher durch Angabe der falschen Kontonummer in Anspruch genommen wird, nicht stellt (Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675r BGB Rn. 5; a.A.: OLG Celle, Urteil vom 17. 1. 2007 – 3 U 198/06-ZIP 2007, 810); ein Anspruch auf Aufwendungsersatz entsteht von vornherein nicht, der Inanspruchgenommene kann nach § 675u S. 2 BGB Erstattung verlangen (Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675r BGB Rn. 5). 345 Auch als Kontonummer-Namensabgleich bezeichnet, vgl. Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675r BGB Rn. 1.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
des Empfängers im Interbankenverhältnis eine solche Pflicht aufzuerlegen.346 Ein Zahlungsauftrag in Übereinstimmung mit der Kundenkennung gilt nach der Fiktion in § 675r Abs. 1 S. 2 BGB als ordnungsgemäß ausgeführt. Der Zahlungsdienstleister kann vom Zahler Aufwendungsersatz verlangen und muss diesen nicht nach § 675y Abs. 1 S. 1, 2 BGB wegen fehlerhafter Ausführung erstatten. Deshalb hat § 675y Abs. 3 S. 1 BGB, welcher bestimmt, dass dieser Erstattungsanspruch nicht besteht, nur klarstellende Funktion.347 Die Kundenkennung ist in § 675r Abs. 2 BGB definiert, wonach sie aus einer Abfolge von Buchstaben, Zahlen oder Symbolen, die dazu dienen, das Zahlungskonto zweifelsfrei zu ermitteln, besteht. § 675r Abs. 3 BGB verlangt ein Prüfzifferverfahren zur Vermeidung von Tipp- und Eingabefehlern.348 Im Gegensatz zur Kontoaufrufprüfung ist ein manuelles Eingreifen nicht verpflichtend.349 Es besteht damit eine vorabgeschaltete Prüfungspflicht des Zahlungsdienstleisters des Zahlers, die die Existenz der Kundenkennung, nicht aber deren richtige Zuordnung zum Empfängernamen, sichert.350 Weitere Pflichten des Zahlungsdienstleisters des Zahlers sind in §§ 675r Abs. 3, 675y Abs. 3 S. 2 BGB normiert. Diese billigen dem Zahlungsdienstnutzer aber keine Ansprüche auf Herausgabe des nach falscher Kundenkennung gebuchten Betrags oder auf Schadensersatz zu. So findet sich in § 675r Abs. 3 BGB eine Unterrichtungs- und Herausgabepflicht des Zahlungsdienstleisters des Zahlers für den Fall, dass die Kundenkennung bereits objektiv erkennbar351 keinem Zahlungsempfänger oder Zahlungskonto zuzuordnen ist. § 675y Abs. 3 S. 2 BGB statuiert eine Pflicht des Zahlungsdienstleisters des Zahlers, sich zu bemühen, den Betrag im Rahmen seiner Möglichkeiten wiederzuerlangen.352 Diese wird jedoch überwiegend als stumpfes
346 Casper, in: FS Nobbe, 2009, 5, 10 f., der aus § 676a BGB a.F. die Pflicht des ersten Zahlungsdienstleisters herleitet, das Empfängerinstitut vertraglich zu verpflichten, eine Kontoaufrufprüfung vorzunehmen, bei Pflichtverletzung habe der Zahler einen Anspruch aus Drittschadensliquidation; die Pflicht zur Kontoaufrufprüfung folgt nach der Rechtsprechung aber bereits aus dem Prinzip der allgemeinen Auftragsstrenge, welche einen Herausgabeanspruch (anstatt eines Schadensersatzanspruchs) des ersten Zahlungsdienstleister gegen den Zahlungsdienstleister des Empfängers aus §§ 675, 667 BGB a.F. bei weisungswidriger Auftragsaufführung annimmt, den der Zahler nach Abtretung geltend machen kann, statt vieler BGH, Urteil vom 3. 10. 1989 – XI ZR 163/88-NJW 1990, 250; BGH, Urteil vom 8. 10. 1991 – XI ZR 207/90-NJW 1991, 3208, 3209 stellt die Einigkeit in der Rechtsprechung fest, dass die Empfängerbank verschuldensunabhängig gemäß §§ 675, 667 BGB a.F. haftet; vgl. zur Pflicht im Interbankenverhältnis, die nun entfallen ist: Nr. 3 Abs. 2 des Überweisungsabkommens vom 1. 1. 2002, abgedruckt in: BankR-HdB, 3. Aufl., Anhang zu §§ 52 – 55, 3. 347 Dieser gilt klarstellend aufgrund des Verweises in § 675z S. 5 BGB ebenso für eventuelle Ansprüche wegen Folgeschäden. 348 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675r BGB Rn. 13. 349 BT-Drucksache 16/11643, 111. 350 Rauhut, ZBB 2009, 32, 44; Hadding, in: FS Schneider, 2011, 443, 449. 351 Omlor, in: Staudinger, § 675r BGB Rn. 14. 352 Umsetzung des Art. 74 Abs. 2 UAbs. 2 ZDRL; auch die ZDRL fordert keine Pflicht zur Wiedererlangung, sondern lediglich ein Bemühen des Zahlungsdienstleisters.
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Schwert angesehen.353 Es ist zulässig, hierfür ein Entgelt zu vereinbaren (§ 675y Abs. 3 S. 3 BGB).354 Vor Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie hatte der Zahler einen Herausgabeanspruch gegen seinen Zahlungsdienstleister aus §§ 675 Abs. 1, 667 BGB355 oder gegen den Zahlungsdienstleister des Empfängers aus abgetretenem Recht, wenn die Buchung aufgrund falscher Kontonummer fehlgeleitet wurde. Dieser besteht nun aufgrund der Fiktion in § 675r Abs. 1 S. 2 BGB sowie klarstellend aufgrund von § 675y Abs. 3 BGB356 und § 675z S. 1 BGB, welcher die aus § 675y BGB folgenden Herausgabeansprüche im Sinne der Vollharmonisierung für abschließend erklärt,357 nicht mehr. Demnach ist der Zahler gezwungen, sich zur Wiedererlangung des Betrags im Wege der Nichtleistungskondiktion an den tatsächlichen Empfänger zu wenden.358 Abgesehen von Schwierigkeiten bei der Ermittlung des tatsächlichen Empfängernamens und dessen Anschrift359 liegt das Insolvenzrisiko des tatsächlichen Empfängers im Vergleich zu demjenigen der Bank erheblich höher. Die einseitige Risikoverlagerung auf den Zahler – den Zahlungsdienstleister treffen lediglich Unterstützungspflichten zur Wiedererlangung des Betrages (§§ 675r Abs. 3, 675y Abs. 3 S. 2, Abs. 5 BGB) – führt zu einer Verstärkung des Prinzips der Selbstverantwortung des Auftraggebers, welches zuvor im Rahmen des Mitverschuldens über § 254 BGB bereits anerkannt war. Somit war eine Verursacherhaftung im alten Recht ebenfalls verankert. Es handelte sich nicht um eine pure Zwangsversicherung zulasten sorgfältiger Bankkunden360. Die damalige Anwendung des § 254 BGB auf die verschuldensunabhängigen §§ 675 Abs. 1, 667 353
32, 43.
Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675r BGB Rn. 3 bezugnehmend auf Rauhut, ZBB 2009,
354 Siehe dazu 4. Kapitel A. IV.; das Entgelt darf nur fällig werden, wenn der Erfolg eintritt, Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675r BGB Rn. 36. 355 Nach Umsetzung der Überweisungsrichtlinie war zwar der Garantieanspruch nach § 676b Abs. 3 BGB aufgrund von § 676b Abs. 3 S. 6 BGB ausgeschlossen, nach einer richtlinienkonformen Auslegung bestand aber ein Anspruch aus §§ 675 Abs. 1, 667 BGB weiterhin, wenn sich der Betrag noch oder wieder im Vermögen des erstbeauftragten Zahlungsdienstleisters befand, da Art. 8 Überweisungsrichtlinie davon ausging, dass der im Vermögen des erstbeauftragten Zahlungsdienstleisters befindliche Betrag dem Auftraggeber herauszugeben war, Schimansky, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 49 Rn. 72. 356 Dieser entspricht der Systematik der Umsetzung der Überweisungsrichtlinie, die in § 676b Abs. 3 BGB a.F. zwar nur eine Haftung für die Erstattung eines Garantiebetrags schuf, diese aber ebenfalls bei Buchung anhand einer vom Empfänger falsch angegebenen Kontonummer ausschloss (§ 676b Abs. 3 S. 6 1. Alt. BGB a.F.), Schimansky, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 49 Rn. 73. 357 Omlor, in: Staudinger, § 675z BGB Rn. 5. 358 Omlor, in: Staudinger, § 675r BGB Rn. 15. 359 Abhilfe kommt mit Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675r BGB Rn. 3 nur über eine entsprechende Anwendung des § 675y Abs. 5 BGB in Betracht, welche dem Zahler einen Anspruch gegen den Zahlungsdienstleister des Empfängers auf Auskunft gibt; einen solchen folgern Scheibengruber/Breidenstein, WM 2009, 1393, 1400 aus § 242 BGB. 360 Möschel, AcP 186 (1986), 187, 209.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
BGB a.F. zeigt die Bedeutung des Prinzips der Selbstverantwortung, wird dadurch doch die schuldrechtliche Dogmatik von Verschuldens- und Garantiehaftung durchbrochen.361 Zumindest dogmatisch ist die neue Regelung damit klarer, da es nicht zur Anwendung des § 254 BGB im Rahmen eines verschuldensunabhängigen Anspruchs kommt.362 Der Aufschrei der Verbraucherverbände ist jedoch aufgrund der Risikoumkehr sowie der höheren Fehleranfälligkeit durch die Nummernverlängerung im Zuge der verbindlichen Einführung der IBAN zum 1. 8. 2014363 im grenzüberschreitenden als auch im innerdeutschen Verkehr zunächst nachzuvollziehen.364 Die Pflicht, den Zahlungsdienst entsprechend den Namensangaben des Kunden auszuführen, folgt aus dem Prinzip der formalen Auftragsstrenge, die ein Buchen anhand des objektiv erkennbaren Willens des Kunden erfordert.365 Hier galt bislang eine Orientierung am Empfängernamen, da dieser im Vergleich zur Kontonummer weniger fehleranfällig ist und aus der Sicht des Zahlungsdienstnutzers mehr Sinngehalt aufweist.366 Weitere Angaben, wie der Verwendungszweck oder Absprachen im Valutaverhältnis,367 sind nach dem Grundsatz der formalen Auftragsstrenge nicht zu berücksichtigen.368 Fraglich ist, ob § 675r Abs. 1 BGB zu einer Änderung des 361 Zum Mitverschulden nach der früheren Rechtslage: BGH, Urteil vom 12. 10. 1999 – XI ZR 294/98-NJW-RR 2000, 272; BGH, Urteil vom 8. 10. 1991 – XI ZR 207/90-NJW 1991, 3208, 3209; BGH, Urteil vom 3. 10. 1989 – XI ZR 163/88-NJW 1990, 250, 251; dogmatisch wäre mit Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rn. 347 ein Gegenanspruch der Bank aus Schutzpflichtverletzung mit einer darauffolgende Aufrechnung vorzuziehen gewesen. 362 So auch Rauhut, ZBB 2009, 32, 38 im Fall der Abbedingung der Kontoaufrufprüfung. 363 Verbindlich gemäß Art. 6 Abs. 1, 2 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 a), c) SEPA-Migrationsverordnung und deren Verlängerung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 248/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. 2. 2014 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 in Bezug auf die Umstellung auf unionsweite Überweisungen und Lastschriften, ABl. L 84 vom 20. 3. 2014, 1. 364 Vgl. Stellungnahme des Bundesverbandes des deutschen Verbraucherzentrale, S. 48, abrufbar unter: http://www.vzbv.de/mediapics/stellungnahme_umsetzung_verbraucherkredit richtlinie_19_08_08.pdf [12. 6. 2014]. 365 BGH, Urteil vom 14. 1. 2003 – XI ZR 154/02-NJW 2003, 1389; BGH, Urteil vom 9. 3. 1987 – II ZR 238/86-NJW 1987, 1825. 366 Häuser, in: Münchner Kommentar HGB, 2. Aufl., ZahlungsV Rn. B 142; der Name ermöglicht sicherere Individualisierung nach BGH, Urteil vom 8. 10. 1991 – XI ZR 207/90NJW 1991, 3208; ausnahmsweise kann aber auch die Kontonummer ausschlaggebend sein: so BGH, Urteil vom 14. 1. 2003 – XI ZR 154/02-NJW 2003, 1389 für den Fall, dass der Überweisende als auch der Überweisungsempfänger eine Bank ist, da davon ausgegangen werden kann, dass zum einen die Angaben mit banküblicher Sorgfalt gemacht wurden und die Eintragung der Bank als Empfänger aus welchen Gründen auch immer lediglich die Zahlstelle bezeichnen sollte; die Angabe einer Bank als Zahlungsempfänger kann unter Hinzuziehung des Verwendungszwecks als Zahlstelle auszulegen sein, BFH, Gerichtsbescheid vom 13. 6. 1997 – VII R 62/96-WM 1998, 1482, 1484. 367 BGH, Urteil vom 15. 6. 2004 – XI ZR 220/03-NJW 2004, 2517, 2519; BGH, Urteil vom 1. 12. 1960 – II ZR 158/59-WM 1961, 78. 368 Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 67.
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Prinzips der formalen Auftragsstrenge in dem Sinne führt, dass hier nicht mehr der Empfängername das maßgebliche Kriterium ist, sondern lediglich die Kontonummer, so dass es zu einem Umbruch hin zu einem Nummernkonto gekommen ist. Eine so extreme Änderung bewirkt § 675r Abs. 1 BGB jedoch nicht, denn er berechtigt den Zahlungsdienstleister lediglich zur Auftragsausführung ausschließlich anhand der Kundenkennung, verpflichtet ihn dazu aber nicht. Die Zuordnung des Kontos zu einem Namen wird auch in § 675f Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB deutlich, der die aus dem Zahlungsdiensterahmenvertrag gegebenenfalls folgende Pflicht des Zahlungsdienstleisters enthält, für den Zahlungsdienstnutzer ein auf dessen Namen oder die Namen mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes Zahlungskonto zu führen. Entsprechend verpflichtet § 675t Abs. 1 S. 1 BGB den Zahlungsdienstleister, dem Zahlungsempfänger den Zahlungsbetrag unverzüglich verfügbar zu machen und stellt nicht auf das Konto an sich ab. Der vom Zahlungsdienstnutzer objektiv erklärte Wille, auf den es im Rahmen der Auslegung der Willenserklärung ankommt, besteht weiterhin darin, einer bestimmten Person den Betrag gutschreiben zu wollen, um das Valutaverhältnis zu genau dieser Person zu erfüllen. Zudem wäre eine Umorientierung im Zahlungsdiensterecht zu einem Nummernkonto nicht mit § 154 AO vereinbar. § 154 AO stellt gerade darauf ab, dass jedes einzelne Konto einem namentlich bekannten Kontoinhaber zuzuordnen ist.369 Somit ist die hinter der Kundenkennung stehende Person entscheidend und nicht lediglich eine ihrem Konto zugeordnete Kennung. Die Pflichten bezüglich der Vergabe von Kontonummern, die Fehlleitungen verhindern sollen, bleiben weiterhin bestehen.370 Eingeschränkt wird jedoch die Interessenwahrungspflicht des Beauftragten, nämlich die Pflicht zum Mitdenken.371 Der Beauftragte ist nach § 665 BGB zwar nach dem Prinzip der Auftragsstrenge an die Weisungen des Auftraggebers gebunden. Er darf ihm aber nicht blind gehorchen, sondern hat das Geschäft nach dem erkennbaren Interesse des Auftraggebers auszuführen.372 Verborgene Interessen muss er nicht berücksichtigen.373 Dementsprechend ist er berechtigt, nach einer Anzeige und einer angemessenen Wartezeit, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, auch von den Weisungen abzuweichen (§ 665 BGB). Durch den Wegfall der Pflicht zur Kontoaufrufprüfung entfällt die Pflicht der Zahlungsdienstleister zum Mitdenken sowohl im Verhältnis des Zahlers zu seinem Zah369
Gößmann, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 52 Rn. 15. Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 82; zur Möglichkeit der Verbuchung ausschließlich nach der Kontonummer, ohne eine Umstellung auf ein Nummernkonto, Hellner, ZHR 145 (1981), 109, 131; keine wirksame Auftragserfüllung bei Umstellung auf einen anderen Kontoinhaber ohne Mitteilung im beleglosen Überweisungsverfahren, BGH, Urteil vom 13. 6. 1983 – II ZR 226/82-NJW 1983, 2944. 371 Heck, Grundriß des Schuldrechts, 1929, § 119, 5., der den Gedanken des § 665 BGB darin sieht, daß das Leben keinen Kadavergehorsam gebrauchen kann, sondern nur einen denkenden Gehorsam; Seiler, MüKo, 6. Aufl., § 665 BGB Rn. 2. 372 Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 665 BGB Rn. 1. 373 Heck, Grundriß des Schuldrechts, 1929, § 119, 5. 370
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
lungsdienstleister als auch im Verhältnis des Zahlungsempfängers zu seinem Zahlungsdienstleister374. Die Einschränkung der Pflicht zum Mitdenken wird insbesondere in der Gesetzesbegründung deutlich: Trotz Erkennbarkeit darf eine Buchung allein anhand der Kundenkennung erfolgen.375 Angelegt war diese Pflichtenverkürzung bereits im deutschen Zahlungsverkehr im Datenträgeraustausch (DTA)-Verfahren, welches Unternehmern erlaubte, wirksam auf eine Kontoaufrufprüfung im Gegenzug von Kosteneinsparungen und Automatisierungseffekten zu verzichten.376 Die Neuerung in § 675r Abs. 1 BGB berührt jedoch auch Verbraucherverträge, in welchen nach früherem Zahlungsdiensterecht nicht im Rahmen von AGB-Vereinbarungen das Einverständnis zum Auslassen der Kontoaufrufprüfung erteilt werden durfte.377 Eine Individualvereinbarung erforderte eine detaillierte Aufklärung.378 Insofern ist die Neuerung nicht aus dem System des deutschen Zahlungsdiensterechts, das bezüglich der Pflicht zur Kontoaufrufprüfung auf den Verbraucherschutzgedanken im Gegensatz zum Grad der Automatisierung abstellte,379 heraus erklärbar. Eine Unterscheidung nach beleggebundenem und beleglosem Verfahren ist schon nicht zu befürworten, da eine Wahlmöglichkeit kaum besteht.380 Das beleggebundene Überweisungsverfahren ist von geringer Bedeutung381 und wird 374 Der eigentlich gemeinte Zahlungsempfänger hat im Gegensatz zur Rechtslage vor Umsetzung der ZDRL – hier hatte er auch im beleglosen Verfahren einen Anspruch auf Gutschrift aus dem Girovertrag, § 676g Abs. 1 S. 1 BGB a.F., so Scheibengruber/Breidenstein, WM 2009, 1393, 1396 – keinen Anspruch auf Gutschrift aus § 675t Abs. 1 BGB gegen seinen Zahlungsdienstleister und keinen Schadensersatzanspruch aufgrund unterlassenen Kontonummer-Namensabgleichs, § 675r Abs. 1 BGB gilt auch in diesem Verhältnis, Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675r BGB Rn. 32; nach Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675r BGB Rn. 33 hat auch der tatsächliche Zahlungsempfänger keinen Anspruch gegen seinen Zahlungsdienstleister, es handelt sich bei § 675r Abs. 1 S. 1 BGB lediglich um eine Berechtigung, keine Verpflichtung, nach Kundenkennung zu buchen, zudem ist er nicht schutzwürdig. 375 BT-Drucks. 16/11, 110, Selbst wenn ein Zahlungsdienstnutzer noch weitere Angaben gemacht haben sollte, aus denen man h ä t t e e r k e n n e n k ö n n e n , dass er einen Fehler in der Angabe der Kundenkennung gemacht hat, darf sich der Zahlungsdienstleister vollständig auf die Ausführung nach der angegebenen Kundenkennung beschränken (gesperrte Hervorhebung durch den Verfasser). 376 BGH, Urteil vom 15. 11. 2005 – XI ZR 265/04-WM 2006, 28. 377 BGH, Urteil vom 15. 11. 2005 – XI ZR 265/04-WM 2006, 28, 29; OLG Dresden, Beschluss vom 19. 3. 2007 – 8 U 311/07-WM 2007, 1023, 2014. 378 Schimansky, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 49 Rn. 88. 379 Vgl. Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR II 255; Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rn. 523, Unternehmer könnten selbst über die Eingehung der Risiken entscheiden, der Kontonummer-Namensabgleich würde dagegen nicht zu einem Entfallen der Rationalisierungsvorteile und Kostenersparnisse führen. 380 Casper, in: FS Nobbe, 2009, 5, 15. 381 Vgl. den Rückgang der beleggebundenen bei gleichzeitigem Anstieg der beleglosen sowie der Onlineüberweisung nach Tabelle 6a der Zahlungsverkehrs- und Wertpapierabwicklungsstatistiken in Deutschland 2011 – 2015, Stand September 2016, abrufbar unter: http://
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zudem nach dem EZÜ-Verfahren ohnehin in ein belegloses Verfahren umgewandelt.382 Bei konsequenter Weiterentwicklung des deutschen Systems hätte es bei Einführung des § 675r Abs. 1 BGB umfassender gesetzlicher Aufklärungspflichten über die Risiken der Überweisung im Fall der Angabe einer falschen Kontonummer bedurft. Hier ist die Informationspflicht über die Haftung gemäß § 675y BGB in § 675d Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 248 § 4 Abs. 1 Nr. 5 e) EGBGB aufgrund der gravierenden Änderung zur bisherigen Haftungslage im Verbraucherrecht nicht ausreichend. Ein Rest der Pflicht des Beauftragten, mitzudenken, kann durch eine teleologische Reduktion des § 675y Abs. 3 S. 1 BGB in dem Fall aufrechterhalten werden, in dem der Zahlungsdienstleister des Zahlers die falsche Kundenkennung erkannt hat. Eine Berufung auf § 675r Abs. 1 S. 2 BGB als auch auf § 675y Abs. 3 S. 1 BGB wäre hier rechtsmissbräuchlich.383 Positives Wissen schränkt somit die Berechtigung ein, ausschließlich nach der Kundenkennung buchen zu dürfen. Als Rechtfertigung für die Einschränkung des Verbraucherschutzes und gleichzeitig der Pflicht des Beauftragten, mitzudenken, wird die Verkürzung der Ausführungsfristen angeführt.384 Dies ist jedoch, wie es Casper herausstellt, ein Trugschluss.385 Die Ausführungsfristen, die vom überweisenden Zahlungsdienstleister einzuhalten sind, können von diesem genauso gut bei einer Verpflichtung zur Kontoaufrufprüfung eingehalten werden, da er eine solche gar nicht vornehmen kann.386 Nur der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers kennt die Zuordnung von Name und Konto und ist demnach als Einziger in der Lage die Kontoaufrufprüfung durchzuführen.387 Der Wegfall des Kontonummer-Namensabgleichs www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Statistiken/Geld_Und_Kapitalmaerkte/Zah lungsverkehr/zvs_daten.pdf?__blob=publicationFile [Stand: 24. 10. 2016]. 382 Casper, in: FS Nobbe, 3, 15 f. 383 Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 58, der zumindest eine aus allgemeinen Grundsätzen (§ 241 Abs. 2 BGB) folgende Warnpflicht fordert und als Alternative zum Einwand des Rechtsmissbrauchs die Möglichkeit auf den objektiven Empfängerhorizont des wissenden Zahlungsdienstleisters abzustellen anführt; Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675r BGB Rn. 6 leitet eine Unterrichtungspflicht aus den allgemeinen Grundsätzen (§ 241 Abs. 2 BGB) her; zu einer teleologischen Reduktion des § 675r Abs. 1 S. 1 BGB – denkbar sei eine Warnpflicht nach § 675r Abs. 3 BGB analog oder nach §§ 675c Abs. 1, 666 BGB: Omlor, in: Staudinger, § 675r BGB Rn. 14; ebenso OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27. 1. 2012 – 5 U 4/12-SchlHA 2013, 195, das eine Unterrichtungs- und Herausgabepflicht bei Erkennen nach § 675r BGB analog annimmt. 384 BT-Drucks. 16/11643, 110; Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675r BGB Rn. 1. 385 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675r BGB Rn. 5. 386 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675r BGB Rn. 5; a.A. Omlor, in: Staudinger, § 675r BGB Rn. 1, die Vorschrift des § 675r Abs. 1 BGB diene zwei Zielen, zum einen der Automatisierung und Effizienzsteigerung innerhalb des Zahlungsverkehrs und zum anderen der Ermöglichung kurzer Ausführungsfristen. 387 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675r BGB Rn. 5.
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bewirkt somit lediglich eine Vereinfachung der Einhaltung der Frist zur Gutschrift.388 Es handelt sich bei § 675r Abs. 1 BGB und klarstellend bei § 675y Abs. 3 S. 1 BGB um eine Haftungsfreistellung des überweisenden Zahlungsdienstleisters als Austausch für die von den Vorschriften zur Umsetzung der ZDRL geforderte Automatisierung.389 Der Verbrauchervorteil kann aber gerade im Fall der Bewertung zusammenhängender Vorschriften eines abgeschlossenen Bereichs nicht an einzelnen Vorschriften gemessen werden. Vielmehr ist hier eine Gesamtsicht erforderlich, welche die Kosten gegen den Nutzen abwägt. Richtig ist zwar, dass die Unverbindlichkeit der Kontoaufrufprüfung keinen direkten Nutzen für den Verbraucher hervorruft, sie bewirkte jedoch im Wege des politischen Abwägungsprozesses ein Aushandlungsergebnis, welches insgesamt einen Nutzen für die Verbraucher verspricht. Die verkürzten Ausführungspflichten und verstärkten Informationspflichten sowie deren einheitliche Geltung in ganz Europa stehen auf der Nutzenseite des Verbrauchers. Die von ihm zu tragenden Kosten in Form des Kontonummer-Namensabgleichs wiegen im Vergleich auch insofern gering, als eine Plausibilitätskontrolle weiterhin vorgenommen werden muss.390 Diese ist durch die nach Art. 6 Abs. 1, 2 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 a), c) SEPA-Migrationsverordnung verbindliche Einführung der IBAN-Nummer auch für alle Banken identisch, so dass von einer sehr geringen Fehleranfälligkeit bei einer Aufdeckungsrate von 99 % der ungültigen Kundenkennungen auszugehen ist391. Im Ergebnis handelt es sich bei der Berechtigung zur Ausführung eines Auftrags ausschließlich nach Kundenkennung um eine Systemverschiebung vom auftragsrechtlich geprägten mitdenkenden Beauftragten zu einem weniger überlegten Beauftragten, den nur bei positivem Wissen aufgrund des Rechtsmissbrauchseinwands eine Haftung trifft. Der im deutschen Zahlungsdiensterecht zuvor besonders hervorgehobene Verbraucherschutzgedanke im Bereich der Buchung nach Kundenname ist ebenfalls hinfällig. Damit ist das Prinzip der Selbstverantwortung der Zahlungsdienstnutzer im Vergleich zu der Haftung der Zahlungsdienstleister für das von ihnen bereitgestellte System der Auftragsweiterleitung (Veranlasserhaftung) we388
Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675r BGB Rn. 5 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675r BGB Rn. 6, hält diese Lösung nicht für überzeugend, Schadensersatzansprüche hätten bei einer fehlerhaften Angabe der Kontonummer wie im alten Recht auch so ausgeschlossen werden können, vgl. § 676b Abs. 3 S. 6 BGB a.F. 390 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675r BGB Rn. 13. 391 Rauhut, ZBB 2009, 32, 44, bezugnehmend auf Jahnke, Gestaltung leistungsfähiger Nummernsysteme für die DV-Organisation, 1979, 157, 201; Rauhut, ZBB 2009, 32, 45 regt ferner überzeugend an, einen Namensbestandteil in die Kundenkennung zu integrieren, der dazu führt, dass bei einem Prüfzifferverfahren bereits vorvertraglich die Überweisung an eine existente aber nicht gemeinte Kundenkennung verhindert wird; ebenso Hadding, in: FS Schneider, 2011, 443, 454; Scheibengruber/Breidenstein, WM 2009, 1393, 1401 halten die Risikoverteilung für gerecht, da nach ihrer Analyse Verschreibensrisiken durch die technische Vorabprüfung aufgefangen werden, während Auswahlfehler, welche auf mangelnder Sorgfalt beruhen, zu Lasten des Zahlungsdienstnutzers gehen; fraglich ist jedoch mit welcher Wahrscheinlichkeit ein qualifiziertes Vertippen auftritt, welches man nicht der Kategorie Auswahlfehler zuordnen kann. 389
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sentlich erstarkt. Es hat eine Änderung der Risikozuordnung stattgefunden. Der Verbraucher trägt nun das Risiko einer fehlerhaften Eingabe der IBAN. Grund für diesen Wandel ist der Aufbau eines automatisierten europäischen Zahlungsverkehrs. Es handelt sich insbesondere im Bereich des Verbrauchergeschäfts um ein neues europäisches System des Zahlungsdiensterechts. Eine einseitige Kritik dieser Verschiebung ist nicht angebracht, steht doch den erwähnten Kosten der Systemverschiebung für den Verbraucher auch ein Nutzen des neuen Systems gegenüber. III. Ausführungsfrist und Wertstellungsdatum 1. Ausführungsfrist Die Ausführungsfrist ist in § 675s Abs. 1 BGB geregelt. § 675s Abs. 2 BGB bestimmt die Übermittlungsfrist bei Pull-Zahlungen und ist gesetzlich an die Vereinbarung zwischen dem Zahlungsempfänger und seinem Zahlungsdienstleister gebunden. Für die Ausführungsfrist gilt nach § 675s Abs. 1 S. 1 1. HS BGB, dass der Betrag grundsätzlich bis spätestens am Ende des auf den Zugangszeitpunkt des Zahlungsauftrags folgenden Geschäftstags beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingehen muss. Zugelassen sind für Zahlungen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums, die nicht in Euro erfolgen, abweichende Parteivereinbarungen von bis zu vier Geschäftstagen (§ 675s Abs. 1 S. 2 BGB) und für Zahlungen in Papierform solche von bis zu zwei Geschäftstagen (§ 675s Abs. 1 S. 3 BGB). Die Ausführungsfristen gelten nicht für Filialüberweisungen, bei denen nur ein Zahlungsdienstleister beteiligt ist. Hier ist allein § 675t BGB anzuwenden.392 Vor Umsetzung der Überweisungsrichtlinie war der Zahlungsdienstleisters des Zahlers zur unverzüglichen Auftragsausführung und zur Auswahl des schnellsten Leitungswegs verpflichtet (Beschleunigungsgebot).393 Dies folgte aus der auftragsrechtlichen Interessenwahrungspflicht.394 Die Umsetzung der Überweisungsrichtlinie machte nicht deutlich, ob den Zahlungsdienstleister weiterhin eine solche Pflicht traf. Dagegen sprach, dass nun auch bei institutsübergreifenden Überweisungen nicht mehr nur die Leistungshandlung, die sorgfältige Weiterleitung des Betrags an den nächsten Zahlungsdienstleister, sondern ein Leistungserfolg, nämlich der Eingang des Betrags beim Zahlungsdienstleister des Empfängers geschuldet war (§ 676a Abs. 1 S. 2 BGB a.F.). Für grenzüberschreitende Zahlungen stand dem
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BT-Drucks. 16/11643, 111. BGH, Urteil vom 27. 2. 1978 – II ZR 3/76-NJW 1978, 1524; BGH, Urteil vom 25. 5. 1959 – II ZR 152/58-WM 1959, 1002, 1003 (Verpflichtung zur Überweisung prompt innerhalb der ihr bekannten Zahlungsfrist); Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR II 311; nach Omlor, in: Staudinger, § 675s BGB Rn. 7 handelt es sich in Bezug zu § 676a Abs. 2 S. 1 BGB a.F. um eine Pflicht zur Ausführung so schnell wie nach Maßgabe der technischen und betrieblichen Umstände möglich. 394 Grundmann, WM 2000, 2269, 2278. 393
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Beschleunigungsgebot jedoch die Gesetzgebungsgeschichte entgegen.395 Dagegen galt es für Inlandssachverhalte fort.396 Dies machte § 676a Abs. 2 S. 1 BGB a.F. deutlich, der zu einer Ausführung baldmöglichst verpflichtete. Außerdem deutete das Wort längstens in § 676a Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und 3 BGB a.F. auf eine Höchstfrist397, eine Frist, die möglichst noch zu unterbieten ist. Die Ausführungsfristen sind jetzt gesetzlich konkretisiert und grundsätzlich auf einen Tag gekürzt, so dass es einer Pflicht zur unverzüglichen Ausführung gar nicht mehr bedarf.398 Allenfalls das Wort spätestens (§ 675s Abs. 1 S. 1 1. HS BGB) lässt auf den ersten Blick den Schluss zu, dass eine Höchstpflicht gemeint ist. Eine richtlinienkonforme Auslegung gestattet die Abweichung von den Ausführungsfristen durch die Mitgliedstaaten aufgrund des Vollharmonisierungsansatzes jedoch nicht.399 Das Beschleunigungsgebot widerspräche dem Sinn und Zweck der europäischen Rechtsvereinheitlichung der Ausführungsfristen, Rationalisierungsvorteile zu gewinnen. Zulässig bliebe nach Art. 72 ZDRL, der einen Mindeststandard für die Ausführungsfristen im innerstaatlichen Zahlungsverkehr aufstellt, lediglich die Geltung des Beschleunigungsgebots für Inlandszahlungen. Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur unverzüglichen Ausführung im Gegensatz zur bisherigen gesetzlichen Regelung nicht angeordnet.400 Daraus folgt im Umkehrschluss, dass er gerade eine Abschaffung dieses Gebots bezweckte. Abweichende Parteivereinbarungen, die die Frist unterbieten, sind dagegen nicht ausgeschlossen.401 So wird sichergestellt, dass sich der Markt beschleunigend weiterentwickeln kann. 2. Wertstellungsdatum In § 675t Abs. 1 S. 1 BGB ist zunächst der Anspruch auf Gutschrift festgeschrieben, welcher unverzüglich, nachdem der Betrag auf dem Konto des Zah395 Schulz, ZBB 1999, 287, 293; Gegenäußerung Regierungsentwurf eines Überweisungsgesetzes, BT-Drucks. 14/1067, 15 f.; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Regierungsentwurf eines Überweisungsgesetzes, BT-Drucks. 14/1301, 17. 396 Schulz, ZBB 1999, 287, 293. 397 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675s BGB Rn. 1, in Abgrenzung zur Maximalfrist, die voll ausgeschöpft werden darf. 398 Als Beispiel für eine systematische Auslegung europäischen Richtlinienrechts die Frage nach der Fortgeltung des Beschleunigungsgebots aufwerfend, Grundmann, AcP 2011, 882, 929; Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR II 311. 399 Vgl. oben 4. Kapitel C. III. 1.; ein Beschleunigungsgebot sei nicht mehr zu befürworten, Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675s BGB Rn. 1; ebenso Omlor, in: Staudinger, § 675s BGB Rn. 7; a.A. Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 41, die ZDRL habe eine zügigere Abwicklung zum Ziel, Wertstellungsgewinne dürften die Zahlungsdienstleister durch die nicht unverzügliche Ausführung nicht erzielen; a.A. Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675s BGB Rn. 1, soweit keine speziellen Regeln oder Vereinbarungen gelten, solle der Auftrag grundsätzlich baldmöglichst ausgeführt werden; a.A. Hopt, in: Baumbach/Hopt, 37. Aufl., C/42. 400 Ebenso Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675s BGB Rn. 1. 401 Diese sind durch das Wort spätestens erlaubt.
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lungsdienstleisters eingegangen ist, entsteht. Nach § 675t Abs. 1 S. 2 BGB hat die Wertstellung spätestens an dem Geschäftstag dieses Eingangs zu erfolgen. Bei einer Bareinzahlung eines Verbrauchers muss der Zahlungsdienstleister den Betrag unverzüglich verfügbar machen und wertstellen, während er dazu bei der Einzahlung eines Unternehmers erst spätestens an dem auf die Entgegennahme folgenden Geschäftstag verpflichtet ist (§ 675t Abs. 2 BGB). Eine Belastung auf dem Zahlungskonto des Zahlers darf frühestens an dem Zeitpunkt wertgestellt werden, an dem dieses Zahlungskonto mit dem Betrag belastet ist (§ 675t Abs. 3 BGB). Auch Unternehmer sind nun zwingend an diese Fristen gebunden (§ 675e Abs. 4 BGB). Für Zahlungsdienste mit Auslandsbezug im Sinne des § 675d Abs. 1 S. 2 BGB sind die Ausführungsfristen nach § 675s Abs. 1 BGB und Wertstellungsfristen bei einer Bareinzahlung (§ 675t Abs. 2 BGB) nicht anwendbar (§ 675e Abs. 2 S. 1 1. HS BGB). Bei Zahlungsdiensten in der Währung eines Staates außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums ist auch § 675t Abs. 1 BGB nicht anzuwenden (§ 675e Abs. 2 S. 1 2. HS BGB). Auch den Zahlungsdienstleister des Empfängers traf vor der Umsetzung der Überweisungsrichtlinie eine Pflicht zur unverzüglichen Ausführung. Ein Anspruch auf Gutschrift entstand gemäß §§ 675, 667 2. Alt., 271 BGB a.F. sofort402. § 676g Abs. 1 S. 1 BGB a.F. setzte im Fall fehlender abweichender Vereinbarung eine Frist von einem Bankgeschäftstag, nachdem der Betrag dem Konto des Empfängerinstituts gutgeschrieben war. Nun kehrt § 675t Abs. 1 S. 1 BGB zu einer unverzüglichen Entstehung des Anspruchs auf Gutschrift zurück, so dass keine Abweichung zur früheren auftragsrechtlichen Rechtslage mehr besteht. Die Wertstellung nach § 675t Abs. 1 S. 2 BGB steht in Einklang mit dem aus §§ 675c Abs. 1, 667 2. Alt. BGB folgenden Grundsatz, dass der Beauftragte nur das herauszugeben hat, was er auch tatsächlich erhalten hat. Dieser Grundsatz wird als Deckungszuflussprinzip bezeichnet.403 Bereits § 676g Abs. 1 S. 4 BGB a.F. schrieb die Geltung des Deckungszuflussprinzips und damit die deutsche Rechtsprechung zum Wertstellungszeitpunkt404 fest. Er bestimmte, dass die Wertstellung an dem Tag zu erfolgen habe, an dem der Betrag dem Empfängerinstitut zur Verfügung gestellt wird.405 Diesen Grundsatz übernimmt § 675t Abs. 1 S. 2 BGB. Fraglich ist jedoch, ob auch für den Wertstellungszeitpunkt das Beschleunigungsgebot gilt, da die Vorschrift wiederum das Wort spätestens verwendet. Aber auch hier lässt die richtlinienkonforme Auslegung eine mitgliedstaatliche Abweichung und damit die Geltung des 402
BGH, Urteil vom 6. 5. 1997 – XI ZR 208/96-NJW 1997, 2042; BGH, Urteil vom 17. 6. 1997 – XI ZR 239/96-NJW 1997, 3168. 403 Begriff nach Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675t BGB Rn. 2; ebenso Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675t BGB Rn. 13. 404 BGH, Urteil vom 17. 1. 1989 – XI ZR 54/88-NJW 1989, 582; BGH, Urteil vom 6. 5. 1997 – XI ZR 208/96-NJW 1997, 2042; BGH, Urteil vom 17. 6. 1997 – XI ZR 239/96-NJW 1997, 3168; dazu Borges, WM 1998, 105. 405 Casper, in: MüKo, § 675t BGB Rn. 2; ebenso vor Geltung des § 675g Abs. 1 S. 4 BGB a.F. BGH, Urteil vom 6. 5. 1997 – XI ZR 208/96-NJW 1997, 2042.
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Beschleunigungsprinzips nicht zu. Vor allem haben die Mitgliedstaaten keine Option innerstaatliche Zahlungsvorgänge anders zu regeln. Folglich gelten die Wertstellungsfristen für grenzüberschreitende als auch innerstaatliche Zahlungen. Sie wirken auch gegenüber den Banken entlastend, das heißt, bei Einhaltung dieser Frist kann der Zahlungsdienstnutzer keine Ansprüche gegen seinen Zahlungsdienstleister geltend machen.406 Dies führt zu größerer Planungs- und Rechtssicherheit.407 Sinn und Zweck der Regelung in § 675t Abs. 1 S. 2 BGB ist es, Wertstellungsgewinne der Zahlungsdienstleister zu vermeiden. Haben sie noch gar nichts erhalten, können sie auch keine Wertstellungsgewinne machen. Demnach ist es zulässig, dass bei fehlendem Deckungszufluss beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eine Gutschrift erst später mit Deckungszufluss valutiert. Die Praxis der valutarischen Gutschrift wird zwar in Deutschland ausgeübt,408 ist aber gesetzlich nicht vorgeschrieben. Dem Deckungszuflussprinzip widerspricht zunächst die Praxis der Wertstellung bei der Sammellastschrift, die pauschal einen Wertstellungstag bestimmt. Sie soll jedoch weiterhin zulässig sein,409 da sie bei einer Gesamtbetrachtung für die Zahlungsdienstnutzer, wenn auch nicht im Einzelfall, vorteilhaft ist (§ 675e Abs. 1 BGB). Dies steht im Einklang mit der Zielsetzung der ZDRL, Rationalisierungsvorteile zu bewirken. Die Zahlungsdienstleister müssten ansonsten für jeden einzelnen Fall eine umständliche Prüfung der Lastschrifteinlösung vornehmen.410 Zudem erschiene bei der Gutschrift eine Vielzahl von Einzelbuchungen. Die strenge Geltung des Deckungszuflussprinzips kommt in § 675t Abs. 2 BGB zum Ausdruck, welcher dem Verbraucher bei Bareinzahlung einen Anspruch auf sofortige Wertstellung gibt.411 Eine Unterscheidung zwischen Verbraucherkunden und Unternehmerkunden, ist jedoch nicht gerechtfertigt.412 Es ist kein Grund ersichtlich, warum das Deckungszuflussprinzip nicht auch für Unternehmerkunden gelten soll,413 für die eine Wertstellung erst spätestens an dem auf die Entgegennahme folgenden Geschäftstag vorgenommen werden muss (§ 675t Abs. 2 S. 2 BGB). Negativ anzumerken ist zudem, dass es den Unternehmern nicht mehr erlaubt ist, ihre Praxis der späteren Wertstellung als Entgeltersatz fortzuführen. Hier ist die Kritik 406 Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 2. Aufl., BankR II 57, hielt dies bereits zur Zeit der Umsetzung der Überweisungsrichtlinie für vorteilhaft und wünschenswert. 407 Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 2. Aufl., BankR II 57. 408 BT-Drucks. 16/11643, 112; Grundmann, WM 2000, 2269, 2278. 409 Für die Zulässigkeit: Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675t BGB Rn. 8; Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675t BGB Rn. 17; Omlor, in: Staudinger, § 675t BGB Rn. 2; wohl a.A. Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675t BGB Rn. 9. 410 So BGH, Urteil vom 6. 5. 1997 – XI ZR 208/96-NJW 1997, 2042, 2043 für den Scheckeinzug. 411 Entspricht der bisherigen Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 17. 1. 1989 – XI ZR 54/88NJW 1989, 582. 412 So auch BGH, Urteil vom 17. 6. 1997 – XI ZR 239/96-NJW 1997, 3168, die Grundsätze zur Wertstellung nach Bareinzahlung im Verbrauchgeschäft gelten im unternehmerischen Verkehr gleichermaßen. 413 Vgl. Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675t BGB Rn. 19.
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einer Überregulierung laut geworden.414 Die Idee ist überzeugend, diese Einschränkung vertraglich zu umgehen, indem im Firmenkundenbereich ein Verzicht auf Erstattungsansprüche wegen einer § 675t Abs. 1 S. 2 BGB widersprechenden Wertstellung vereinbart wird.415 Grundsätzlich ist aufgrund von Art. 86 Abs. 3 S. 2 ZDRL und § 675e Abs. 1 BGB eine für den Zahlungsdienstnutzer vorteilhaftere Abweichung durch Parteivereinbarung zulässig.416 Abgesehen von diesen zwei Ausnahmen ist die strikte gesetzliche Festschreibung des Deckungszuflussprinzips aber sehr zu begrüßen. Folgerichtig ist auch das Deckungsabflussprinzip in § 675t Abs. 3 BGB normiert.417 Fraglich ist, ob diese Normierung den Anspruch auf Geltendmachung eines Vorschusses nach §§ 675c Abs. 1, 669 BGB ausschließt. Dies würde eine Abweichung von dem auftragsrechtlichen Grundsatz darstellen, dass der Beauftragte von unzumutbaren Vorfinanzierungen zu entlasten ist, wenn er dies verlangt.418 Nach der unglücklichen Formulierung des § 675t Abs. 3 BGB419 wäre ein Vorschuss als Belastungsbuchung zu jedem Zeitpunkt zulässig, vorausgesetzt, dass er erst in diesem Zeitpunkt valutiert. Regelungsziel ist es, Wertstellungsgewinne des Zahlungsdienstleisters zu verhindern, so dass § 675t Abs. 3 BGB zweckgemäß bestimmt, dass Belastungsbuchungen des Kundenkontos frühestens dann wertgestellt werden dürfen, wenn der Zahlungsdienstleister auch selbst einen Abfluss zu verzeichnen hat.420 Zunächst suggerieren die Wörter Vorschuss und Deckungsabfluss verschiedene Wertstellungszeitpunkte. Der Vorschussanspruch entsteht seinem Wortlaut nach vor
414 Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675t BGB Rn. 9; BRDrucks. 848/1/08, 19. 415 Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675t BGB Rn. 10 ff.; die direkte Vereinbarung einer von § 675t Abs. 1 S. 2 BGB abweichenden Wertstellung ist aufgrund der Gesetzgebungsgeschichte nicht zulässig, der Vorschlag wurde ausdrücklich vom Bundesrat, BR-Drucks. 848/1/08 gemacht, vom Bundestag jedoch nicht übernommen, BR-Drucks. 639/09 vom 3. 7. 2009; für die Zulässigkeit der direkten Vereinbarung einer späteren Wertstellung im unternehmerischen Zahlungsverkehr, wenn die Gestaltung zugunsten des Nutzers wirkt (Entgeltersparnis oder geringerer Verwaltungsaufwand) aber Herresthal, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, 5. Kap., § 675t BGB Rn. 12. 416 Burghardt, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl, § 675t BGB Rn. 10 ff. 417 Die Bedeutung des Deckungszufluss- und Deckungsabflussprinzips wird dadurch betont, dass nach § 675e Abs. 1 S. 2 2. HS BGB von ihnen für Zahlungsdienste in Euro oder in der Währung eines Mitgliedstaats der EU oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nicht abgewichen werden darf; zum Deckungsabflussprinzip zuvor bei einer Belastungsbuchung aufgrund eingehender Lastschriften: BGH, Urteil vom 17. 6. 1997 – XI ZR 239/96-NJW 1997, 3168, 3169. 418 Seiler, in: MüKo, 6. Aufl., § 669 BGB Rn. 1, 10. 419 Ebenso unglücklich formuliert ist Art. 73 Abs. 2 ZDRL, den § 675t Abs. 3 BGB umsetzt; vgl. Omlor, in: Staudinger, § 675t BGB Rn. 17. 420 BR-Drucks. 848/08, 184.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
Tätigung einer Aufwendung,421 der Anspruch mit Deckungsabfluss erst gleichzeitig mit Tätigung der Aufwendung. Dem Wortlaut des Vorschuss entsprechend hatte die Rechtsprechung einen Anspruch auf Vorschuss bereits für den Zeitraum vor Mittelabfluss und dessen gleichzeitige Wertstellung beim Zahlungsdienstleister des Zahlers zugelassen.422 Ein solcher Vorschuss vor Mittelabfluss beim Zahlungsdienstleister des Zahlers ist nach § 675t Abs. 3 BGB nicht mehr erlaubt.423 Auch die Reservierung des Betrags ohne Wertstellung für den Zeitraum zwischen Auftragserteilung und Mittelabfluss aus Sicherheitserwägungen der Bank ist gesetzlich nicht vorgesehen.424 Einer Geltendmachung des Vorschussanspruchs aus §§ 675c Abs. 1, 669 BGB mit Mittelabfluss bei dem Zahlungsdienstleister steht § 675t Abs. 3 BGB aber nicht im Wege.425 Dieser Anspruch kann auch immer noch als Vorschuss qualifiziert und bezeichnet werden, da der Zeitpunkt des Mittelabflusses vor Entstehung des Aufwendungsersatzanspruchs liegt. Letzterer entsteht erst mit Eintritt des Leistungserfolgs426, dem Eingang beim Zahlungsdienstleister des Empfängers (§§ 675t Abs. 1 S. 2, 675y Abs. 1 S. 4 BGB). Somit ist ein Anspruch auf Vorschuss bei konsequenter Geltung des Deckungsabflussprinzips nicht ausgeschlossen. Das Deckungsabflussprinzip ersetzt das ursprüngliche Vorschusskonzept. Gründe für 421 Der Anspruch nach § 669 BGB besteht nur unter der Voraussetzung des Verlangens, Seiler, in: MüKo, 6. Aufl., § 669 BGB Rn. 1. 422 BGH, Urteil vom 17. 1. 1989 – XI ZR 54/88-WM 1989, 126 (Belastungsbuchung des Überweisungsbetrags am Tag der Auftragserteilung und sofortige Wertstellung unbeanstandet gelassen); BGH, Urteil vom 18. 12. 1951 – I ZR 94/50-NJW 1952, 340, 341 (Belastungsbuchung vor Weiterleitung des Überweisungsbetrags); BGH, Urteil vom 24. 10. 2957 – II ZR 114/ 56-WM 1957, 1454 (Belastungsbuchung bei einem Scheckinkasso schon vor Weiterleitung des Betrags); Belastungsbuchung schon vor Mittelabfluss war gängige Praxis, so Häuser, in: Münchner Kommentar HGB, 2. Aufl., ZahlungsV Rn. B 160. 423 Grundmann, WM 2009, 1157, 1161 Fußnote 77; Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675t BGB Rn. 23; Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675t BGB Rn. 10; Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 47 Rn. 51; a.A. Omlor, in: Staudinger, § 675t BGB Rn. 17, der einen Vorschussanspruch und dessen Wertstellung bereits im Zeitpunkt des Zugangs des Zahlungsauftrags für zulässig hält. 424 So aber Bartels, WM 2010, 1828, 1830, der eine Belastungsbuchung als Vorschuss (§ 669 BGB) vor Ausführung für zulässig hält, solange diese nicht valutiert. 425 Vgl. Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675t BGB Rn. 23; Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675t BGB Rn. 10; Grundmann, WM 2009, 1157, 1161 Fußnote 77, stellt auf den Zeitpunkt der Gutschrift für den nächsten Empfänger, also ebenso auf Mittelabfluss ab und nimmt für diesen Zeitpunkt bereits einen Aufwendungsersatzanspruch an; ebenso Mayen, in: BankRHdB, 4. Aufl., § 47 Rn. 51; ebenso Werner, in: Kümpel/Wittig, 4. Aufl., 7.77; im Ergebnis sind sich die Meinungen einig, dass eine Wertstellung mit Mittelabfluss zulässig ist, lediglich die Anspruchsgrundlage – entweder §§ 675c Abs. 1, 669 BGB oder §§ 675c Abs. 1, 670 BGB – unterscheidet sich; da der Vorschussanspruch erst noch geltend gemacht werden muss und nicht einklagbar ist (Seiler, MüKo, 6. Aufl., § 669 BGB Rn. 2), ist die Ansicht, die einen Aufwendungsersatzanspruch mit Mittelabfluss annimmt, für die Zahlungsdienstleister vorzugswürdig; aufgrund des werkvertraglichen Charakters des Zahlungsdienstevertrags, ist aber der Leistungserfolg für die Entstehung des Aufwendungsersatzes maßgebend (Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675f BGB Rn. 64), so dass vorher nur ein Anspruch auf Vorschuss bestehen kann. 426 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675f BGB Rn. 64.
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eine vollständige Abschaffung des Vorschussanspruchs vor Entstehung des Aufwendungsersatzanspruchs sind nicht ersichtlich. Insbesondere muss der Zahlungsdienstleister dem Zahler keinen unentgeltlichen Kredit in der Zeit zwischen Mittelabfluss und Eingang des Betrags auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Empfängers gewähren. Daran ändern auch die verkürzten Ausführungsfristen nichts. Wertstellungsgewinne des Zahlungsdienstnutzers sind ebensowenig in dem Fall bezweckt, in dem die Belastungsbuchung erst nach dem tatsächlichem Mittelabfluss erfolgen kann.427 Dies ist etwa bei der Auszahlung am Geldautomaten am Wochenende der Fall.428 Deshalb ist hier eine teleologische Reduktion zu befürworten.429 Das Beschleunigungsgebot wird damit durch die vollharmonisierenden, starren Ausführungs- und Wertstellungsfristen aufgrund europäischer Rationalisierungsbestrebungen verdrängt, so dass es sich um ein europäisches System handelt. Da der deutsche Gesetzgeber für die Inlandszahlungen den Ausführungsfristen ohne Abweichung folgt, handelt es sich auch hier um ein europäisches System. Der Wegfall der Pflicht zur unverzüglichen Ausführung ist bereits für den deutschen Markt aufgrund der Rationalisierungsvorteile ein vorzugswürdiger Ansatz,430 zumal er entwicklungsoffen in Richtung einer schnelleren Ausführung im Sinne des Beschleunigungsgrundsatzes Abweichungen in Form kürzerer Ausführungsfristen zulässt. Somit ist es zu begrüßen, dass der deutsche Gesetzgeber seine Option aus Art. 72 ZDRL nicht umgesetzt hat. Die Pflicht zur unverzüglichen Ausführung gilt jedoch in den Fällen fort,431 in denen die §§ 675s, t BGB nicht anwendbar sind (§ 675e Abs. 2 BGB). Dies führt dazu, dass zwei Systeme nebeneinander bestehen. Weitergehende Interessenwahrungspflichten sind in diesen Fällen gerechtfertigt, da die kurzen Ausführungs- und Wertstellungsfristen nicht gelten und Zahlungen in Drittstaaten und Drittstaatenwährungen für den Kunden regelmäßig einen ungewöhnlicheren Auftrag darstellen. Es handelt sich beim Zahlungsdienstevertrag somit im Bereich der Ausführungsund Wertstellungsfristen nicht mehr um einen Handlungsspielräume eröffnenden Auftrag, sondern um einen Vertrag mit festen, gesetzlich bestimmten Pflichten. Dies deutet eine Entwicklung hin zu einer eigenen Vertragsart, die lediglich einige auftrags- und geschäftsbesorgungsrechtliche Elemente aufweist, an. Wie viele hiervon innerhalb des ganzen Vertrags noch erhalten sind, wird im Gesamtergebnis beurteilt.
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Omlor, in: Staudinger, § 675t BGB Rn. 18. Omlor, in: Staudinger, § 675t BGB Rn. 18. 429 Omlor, in: Staudinger, § 675t BGB Rn. 18; Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675t BGB Rn. 22. 430 Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 2. Aufl., BankR II 57. 431 Omlor, in: Staudinger, § 675s BGB Rn. 7. 428
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
Die strenge Geltung des Deckungszufluss- und Deckungsabflussprinzips entspricht grundsätzlich432 der deutschen Rechtsprechung. Die Normierung dient der Rechtsklarheit, zumal sie nun für alle Zahlungsdienste gilt und auch auf den Vorschussanspruch strenge Anwendung findet. Die auftragsrechtliche Wertung, dass der Beauftragte von unzumutbaren Vorfinanzierungen zu entlasten ist433, bleibt weiterhin gültig. Insgesamt führen die Regelungen zur Ausführungs- sowie zur Wertstellungsfrist somit zu mehr Rechtsklarheit und zu Rationalisierungsvorteilen.
D. Haftung Im dritten Unterkapitel hat der deutsche Gesetzgeber die Haftungsvorschriften der ZDRL zusammengefasst und nach Haftungstatbeständen dem Zeitablauf eines Zahlungsdienstes entsprechend gegliedert. Die Vorschriften teilen sich auf in die Haftung bei nicht autorisierten Zahlungsvorgängen (§§ 675u, v BGB), einen Erstattungsanspruch bei einem vom oder über den Zahlungsempfänger ausgelösten autorisierten Zahlungsvorgang (§ 675x BGB), die Haftung bei nicht ordnungsgemäßer Ausführung (§ 675y BGB), den Verweis auf sonstige Folgeansprüche (§ 675z BGB) sowie den zwischen den Zahlungsdienstleistern bestehenden Ausgleichsanspruch (§ 676a BGB) und bestimmte Ausschlussgründe (§§ 676b, c BGB). Grundsätzlich gelten die Ansprüche abstrakt für alle Zahlungsdienste. Die Haftung des Zahlungsdienstnutzers für nicht autorisierte Zahlungen ist nur im Fall der missbräuchlichen Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments geregelt. Der Erstattungsanspruch findet nur auf Pull-Zahlungen Anwendung. I. Haftung bei nicht autorisierten Zahlungsvorgängen 1. Haftung des Zahlungsdienstleisters Die Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge ist in § 675u BGB normiert. § 675u S. 1 BGB bestimmt, dass der Zahlungsdienstleister für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz hat. Wie der Anspruch rückgängig zu machen ist, regelt § 675u S. 2 BGB. Der Zahlungsbetrag muss unverzüglich erstattet werden. Ist der Betrag einem Zahlungskonto belastet worden, hat der Zahlungsdienstleister ihn zurückzubuchen und neutral wertzustellen.
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Einschränkungen bewirkt die strenge Geltung der Wertstellungsfristen ohne Abweichungsmöglichkeiten lediglich im Bereich der Wertstellung im unternehmerischen Zahlungsverkehr; § 675t Abs. 2 S. 2 BGB weicht von der Rechtsprechung ab. 433 Seiler, in: MüKo, 6. Aufl., § 669 BGB Rn. 1, 10.
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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§ 675u BGB stimmt mit der Zuweisung des Fälschungsrisikos an das Kreditinstitut nach altem Zahlungsdiensterecht überein.434 Bereits aus §§ 675c Abs. 1, 670 BGB hätte sich ergeben, dass der Zahlungsdienstleister im Fall eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs keinen Aufwendungsersatzanspruch hat.435 Ebenso wäre ein Erstattungsanspruch schon aus §§ 675c Abs. 1, 667 Alt. 1 BGB gefolgt, der bestimmt, dass das zur Ausführung des Auftrags Erlangte herauszugeben ist.436 Somit handelt es sich bei § 675u BGB nicht um die Zuweisung einer verschuldensunabhängigen Sphärenhaftung, sondern allein um die Klarstellung, dass bei fehlender Autorisierung kein Aufwendungsersatz geschuldet ist.437 Die Beschränkung auf eine deklaratorische Wirkung des § 675u BGB ist jedoch in der Literatur umstritten. Der neueren Rechtsprechung des BGH und einigen Literaturstimmen zufolge führt § 675u BGB zu einer Änderung des Zurechnungsprinzips im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung. Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen: die fehlende Autorisierung und die widerrufene Autorisierung. Die Fallgruppe der fehlenden Autorisierung umfasst beispielsweise die Fälschung oder Verfälschung eines Zahlungsauftrags438, die Geschäftsunfähigkeit des Zahlers,439 das Handeln eines vollmachtlosen Vertreters440 oder die irrtümlich doppelte Ausführung441. Bei ihr kommt es nicht zu einer Abwicklung im Verhältnis der Leistungsbeziehungen, da überhaupt keine Leistungsbeziehungen vorliegen.442 Der Zahlungsdienstleister erbringt keine Leistung an seinen Zahlungsdienstnutzer, der 434 Dieses ergab sich aus §§ 675, 670 BGB und war ständige Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 31. 5. 1994 – VI ZR 12/94-NJW 1994, 2357 (Überweisung); BGH, Urteil vom 17. 5. 1984 – II ZR 280/83-NJW 1984, 2460 (Kreditkarte); für die Kartenzahlung stellte dies § 676h BGB seit Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie, Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. L 144 vom 5. 6. 1997, 19, nochmals klar. 435 Omlor, in: Staudinger, § 675u BGB Rn. 1. 436 Omlor, in: Staudinger, § 675u BGB Rn. 1. 437 BGH, Urteil vom 17. 7. 2001 – XI ZR 325/00-NJW 2001, 2968; Gesichtspunkte der Sphärenhaftung zieht Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rn. 368 als Gerechtigkeitserwägungen dieser Risikoverteilung heran, der Zahlungsdienstleister sei der Einzige, der mit der Fälschung in Berührung komme, zudem könne er sich dagegen versichern. 438 BGH, Urteil vom 31. 5. 1994 – VI ZR 12/94-NJW 1994, 2357 (gefälschter Überweisungsauftrag); BGH, Urteil vom 20. 6. 1990 – XII ZR 93/89-NJW-RR 1990, 1200 (gefälschter Überweisungsauftrag); BGH, Urteil vom 17. 5. 1984 – II ZR 280/83-NJW 1984, 2460 (gefälschte Unterschrift unter Kreditkartenbelegen); die Grundsätze der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von Überweisungen gelten für Lastschriften entsprechend nach BGH, Urteil vom 20. 6. 1977 – II ZR 169/75-NJW 1977; BGH, Urteil vom 20. 9. 1983 – II ZR 186/81-NJW 1983, 220. 439 BGH, Urteil vom 20. 6. 1990 – XII ZR 98/89-NJW 1990, 3194. 440 BGH, Urteil vom 20. 3. 2001 – XI ZR 157/00-NJW 2001, 1855; KG Berlin, Urteil vom 5. 4. 1977 – 4 U 2866/76-WM 1977, 1236. 441 BGH, Urteil vom 29. 4. 2008 – XI ZR 371/07-NJW 2008, 2331. 442 Die Grundsätze zusammenfassend: BGH, Urteil vom 29. 4. 2008 – XI ZR 371/07-NJW 2008, 2331; BGH, Urteil vom 20. 3. 2001 – XI ZR 157/00-NJW 2001, 1855, 1856.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
ihm keine Weisung und damit auch keine Autorisierung443 erteilt hat.444 Ebenso liegt im Verhältnis des Überweisenden zum Zahlungsempfänger aufgrund der fehlenden Zweckbestimmung445 keine Leistung vor.446 Deshalb hat der Zahlungsdienstleister einen Durchgriffsanspruch in Form der Nichtleistungskondiktion gegen den Zahlungsempfänger.447 Dies steht in Einklang mit § 675u BGB, da der Zahlungsdienstnutzer seinen Rückbuchungsanspruch nach § 675u S. 2 BGB wirksam geltend machen kann und ansonsten ganz aus der Rückabwicklung herausgehalten wird. Allerdings ist nun nach § 675z S. 1 BGB ein Bereicherungsanspruch des Zahlungsdienstnutzers neben § 675u S. 2 BGB ausgeschlossen. Eine Verschiebung im Wertungssystem erfolgt dadurch aber nicht. Beide Ansprüche basieren auf der fehlenden Autorisierung. Für den Erstattungsanspruch nach § 675u S. 2 BGB ergibt sich dies aus dem Wortlaut des § 675u S. 1 BGB. Für den Bereicherungsanspruch ist die fehlende Autorisierung Voraussetzung des Tatbestandsmerkmals ohne Rechtsgrund. Die grundsätzliche Austauschbarkeit der beiden Ansprüche zeigt sich daran, dass vor Umsetzung der ZDRL teilweise entsprechend dem § 675u S. 2 BGB ein AGB-rechtlicher Rückbuchungsanspruch anerkannt war.448 Der Unterschied zwischen dem vertraglichen Erstattungsanspruch und dem Bereicherungsanspruch liegt in dem frühzeitigen Anspruchsausschluss des Erstattungsanspruchs aus § 675u S. 2 BGB. Zeigt der Zahlungsdienstnutzer den nicht autorisierten Zahlungsvorgang nach § 676b Abs. 1 BGB nicht an, ist der Erstattungsanspruch 13 Monate nach der Belastungsbuchung ausgeschlossen (§ 676b Abs. 2 S. 1 BGB). Dagegen gilt für den Bereicherungsanspruch die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB), welche mit dem Schluss des Jahres der Anspruchsentstehung und Kenntniserlangung des Zahlungsdienstnutzers beginnt (§ 199 Abs. 1 BGB). Dieser im Vergleich zum Bereicherungsrecht frühzeitige Ausschluss ist gerechtfertigt, da Rechtssicherheit im schnelllebigen Zahlungsverkehr von besonderer Bedeutung ist. Für die Fallgruppe der widerrufenen Autorisierung ist streitig, wie sich der Bereicherungsausgleich nach neuem Zahlungsdiensterecht vollzieht. Relevant bleibt sie trotz der verkürzten Widerrufsfristen noch für den Widerruf eines Dauerauftrags nach § 675p Abs. 3 BGB449, den Widerruf einer Terminüberweisung nach § 675p Abs. 3 BGB und die Zuvielüberweisung.450 443
Weisung und Autorisierung liegen grundsätzlich in einer Erklärung vor, siehe oben 4. Kapitel B. I. 444 Die Grundsätze zusammenfassend: BGH, Urteil vom 29. 4. 2008 – XI ZR 371/07-NJW 2008, 2331; BGH, Urteil vom 20. 3. 2001 – XI ZR 157/00-NJW 2001, 1855, 1856. 445 Zur Begriffsverwechselung von Zweck- und Tilgungsbestimmung, Schimansky, in: FS Hopt, 2010, 217 ff. 446 Die Grundsätze zusammenfassend: BGH, Urteil vom 29. 4. 2008 – XI ZR 371/07-NJW 2008, 2331; BGH, Urteil vom 20. 3. 2001 – XI ZR 157/00-NJW 2001, 1855, 1856. 447 Die Grundsätze zusammenfassend: BGH, Urteil vom 29. 4. 2008 – XI ZR 371/07-NJW 2008, 2331; BGH, Urteil vom 20. 3. 2001 – XI ZR 157/00-NJW 2001, 1855, 1856. 448 KG Berlin, Urteil vom 5. 4. 1977 – 4 U 2866/76-WM 1977, 1236, 1237. 449 BGH, Urteil vom 19. 1. 1984 – VII ZR 110/83-NJW 1984, 1348.
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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Nach altem Recht wurden diese Fälle grundsätzlich entlang der Leistungsbeziehungen rückabgewickelt, da dem Zahler die Überweisung zugerechnet wurde.451 Umstritten war jedoch die dogmatische Begründung der Zurechnung.452 Die Theorie des herrschenden Leistungsbegriffs453, für die es nur auf den Empfängerhorizont ankommt, ist jedoch abzulehnen. Fehlt eine Autorisierung, kann allein der Empfängerhorizont eine solche Willenserklärung nicht kreieren.454 Ebenso abzulehnen ist die Sphärentheorie455, da der Fehler im Fall des Widerrufs eher aus der Sphäre der Bank als aus der des Kunden stammt. Zudem stellt die Beauftragung eines seriösen Zahlungsdienstleisters kein Risiko dar, das über die allgemeine Gefahrenlage hinausgeht.456 Die Rechtsprechung des BGH ging von einer vom Veranlasserprinzip geprägten Rechtsscheinlehre aus457, die objektiv einen in zurechenbarer Weise hervorgerufenen Rechtsschein erforderte sowie subjektiv einen gutgläubigen Zahlungsempfänger. Die Rechtsscheinlehre ist innerhalb des BGB, vor allem im Stellvertreterrecht, anerkannt. Das objektive Setzen eines Rechtsscheins liegt in der ursprünglichen Beauftragung, bei der der Zahlungsdienstnutzer den Zweck seiner Beauftragung und damit die Leistungsbeziehungen festlegt. Der Einwand, dass kein Verschulden des Zahlers vorliege, überzeugt nicht, da ein solches auch im Rahmen der §§ 171, 172 BGB458 nicht Voraussetzung ist.459 Ausnahmsweise kam es nach diesen Grundsätzen zu einer Durchgriffskondiktion des Zahlungsdienstleisters gegen den Zahlungsempfänger, wenn letzterer bösgläubig war.460 Die Botentheorie461 lässt sich unter die Voraussetzungen der Rechtsscheinlehre des BGH subsumieren: Sie stellt objektiv auf eine Veranlassung ab, indem sie im Fall des Widerrufs 450
BGH, Urteil vom 29. 4. 2008 – XI ZR 371/07-NJW 2008, 2331; BGH, Urteil vom 25. 9. 1986 – VII ZR 349/85-NJW 1987, 185; a.A. Schwab, in: MüKo, 5. Aufl., § 812 BGB Rn. 90. 451 Die Grundsätze zusammenfassend: BGH, Urteil vom 29. 4. 2008 – XI ZR 371/07-NJW 2008, 2331. 452 Müller, WM 2010, 1293, 1297 ff. 453 Wieling, JUS 1978, 801 ff. 454 Müller, WM 2010, 1293, 1300; BGH, Urteil vom 29. 4. 2008 – XI ZR 371/07-NJW 2008, 2331 (2332). 455 Möschel, JUS 1972, 297 ff. 456 Müller, WM 2010, 1293, 1302. 457 BGH, Urteil vom 29. 4. 2008 – XI ZR 371/07-NJW 2008, 2331, 2332. 458 Auf eine analoge Anwendung des § 172 Abs. 2 BGB nach Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rn. 439 ff. ist nicht mehr abzustellen, da dem Überweisungsempfänger im beleglosen Verfahren kein Überweisungsträger übergeben wird, der einer Vollmachtsurkunde entsprechen könnte; auch im Lastschriftverfahren hält der Lastschriftgläubiger nicht zwingend eine verkörperte Autorisierungserklärung des Zahlers in den Händen, aus der eine solche Vertrauenshaftung folgen könnte; das Prinzip des Rechtsscheinschutzes, welches nach Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rn. 439 allgemein aus § 172 BGB folgt und für welches ein mittelbarer Rückschluss auf das Vorliegen einer Vollmacht genügt, kommt in der BGH Rechtsprechung zur Anwendung. 459 BGH, Urteil vom 29. 4. 2008 – XI ZR 371/07-NJW 2008, 2331, 2332. 460 BGH, Urteil vom 29. 4. 2008 – XI ZR 371/07-NJW 2008, 2331, 2332. 461 Müller, WM 2010, 1293, 1302 ff.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
eine durch die ursprüngliche Botenbeauftragung geschaffene Gefahr462 fordert und subjektiv einen gutgläubigen Empfänger der Willenserklärung voraussetzt. Demnach ist für die Zurechnung weiterhin auf die vom BGH vertretene Rechtsscheinhaftung abzustellen. Gegen eine Fortgeltung der Zurechnung463 – unabhängig von ihrer dogmatischen Begründung – wird eingewandt, dass § 675u S. 2 BGB die Wirksamkeit verliere, wenn dem Zahlungsdienstleister gegen seinen Zahlungsdienstnutzer gleichzeitig ein Bereicherungsanspruch zustehe.464 Dies stelle eine Umgehung des Ziels der ZDRL dar, den Zahler zu schützen und aus der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung herauszuhalten.465 § 675u BGB beseitige so die Zurechnung und verbiete es, auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen.466 Dieser Ansicht ist nun auch der BGH in seinem Urteil vom 16. Juni 2015 gefolgt.467 Die bereicherungsrechtliche Direktkondiktion der Bank gegen den Zahlungsempfänger ergebe sich aus den Wertungen der § 675j und § 675u BGB. Es komme allein auf die Autorisierung des Zahlungsvorgangs an. Fehle diese, so stehe dem Zahlungsdienstleister lediglich ein Anspruch aus Nichtleistungskondiktion gegen den Zahlungsempfänger zu. Die ZDRL statuiere als eingeschränktes Zurechnungskriterium die Autorisierung und nehme somit Abstand vom Zurechnungskriterium des Horizonts des Zahlungsempfängers. Dies führe dazu, dass ein Zahlungsvorgang ohne Autorisierung keine Erfüllungswirkung im Valutatverhältnis habe. Dagegen sprechen aber bereits die Erwägungsgründe der ZDRL, nach der die ZDRL das Valutatverhältnis ausdrücklich nicht regelt. Des Weiteren ist nicht ersichtlich, weshalb allein die Sicht des Zahlers über eine wirksame Zweckbestimmung im Valutatverhältnis entscheiden sollte.468 Es kann nicht auf seinen inneren Willen ankommen, sondern auf das, was er rechtsgeschäftlich – und hierfür kommt es auf den objektiven Empfängerhorizont an – erklärt hat.469 In der Rechtsprechung des BGH ist damit ein Wandel von einem auf materielle Gerechtigkeit470 abstellenden System hin zu einem formell gerechten System, das allein auf dem Vorliegen einer Autorisierung basiert, eingetreten. Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Wertungen des § 675u BGB und § 675j BGB führen nicht dazu dass das Prinzip der Zurechnung bei der bereicherungsrechtlichen Rückab462
Müller, WM 2010, 1293, 1304. Langenbucher, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, 3. Kap. § 675u BGB Rn. 23. 464 LG Hannover, Urteil vom 21. 12. 2010 – 18 O 166/10-ZIP 2911, 1406, 1408; Belling/ Belling, JZ 2010, 708, 710. 465 Bartels, WM 2010, 1828, 1833; Linadartos, BKR 2013, 395, 393. 466 Bartels, WM 2010, 1828 ff. 467 BGH, Urt. vom 16. 6. 2015 – XI ZR 243/13-BKR 2015, 471 ff. 468 Schnauder, JZ 2016, 603, 609. 469 Schnauder, JZ 2016, 603, 609. 470 Der BGH hat vermehrt ausgeführt, dass sich beim Bereicherungsausgleich, an dem mehrere Personen beteiligt seien, jede schematische Lösung verbiete, diese sei vielmehr sachgerecht für jeden Einzelfall zu bestimmen; BGH, Urteil vom 19. 1. 1984 – VII ZR 110/83NJW 1984, 1348, 1349. 463
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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wicklung im Zahlungsdiensterecht und damit das auf dem Veranlasserprinzip gründende Rechtsscheinprinzip nicht mehr gilt. Der Wortlaut des § 675u BGB weist nicht auf einen Wegfall der Zurechnung hin. Insbesondere ist der Bereicherungsanspruch des Zahlungsdienstleisters gegen den Zahler nicht nach § 675u S. 1 BGB ausgeschlossen, weil auch die Bereicherung unter den Begriff der Aufwendungen subsumiert werden könne.471 Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer des Zahlungsdienstleisters, während die Bereicherung einen Vermögensvorteil des Zahlungsdienstnutzers darstellt, welcher Folge der Aufwendungen des Zahlungsdienstleisters ist und in den meisten Fällen als Wertersatz geltend gemacht wird472. Demnach handelt es sich um unterschiedliche Vermögenspositionen, so dass der Bereicherungsanspruch des Zahlungsdienstleisters gegen seinen Zahlungsdienstnutzer nicht von § 675u S. 1 BGB erfasst und damit nicht ausgeschlossen ist. Auch § 675z S. 1 BGB schließt den Bereicherungsanspruch des Zahlungsdienstleisters nicht aus, denn er bezieht sich lediglich auf die Ansprüche des Zahlungsdienstnutzers. § 675u BGB hat zudem keine Auswirkung auf die Art und Weise der Autorisierung, woraus eine Änderung der Zurechnung geschlossen werden könnte. Diese ist weiterhin grundsätzlich formfrei möglich (§ 675j BGB), so dass insbesondere auch die Rechtsscheintatbestände der Anscheins- und Duldungsvollmacht weiter anwendbar sind.473 Gilt die Rechtsscheinhaftung aber sogar bei der Autorisierung im Deckungsverhältnis474 zum Schutz des Zahlungsdienstleisters, muss sie erst recht im Fall der fehlenden Autorisierung im Valutaverhältnis zum Schutz des Zahlungsempfängers anwendbar bleiben. Die ZDRL regelt das Valutaverhältnis ausweislich ihrer Erwägungsgründe nicht und kann somit nicht über die in diesem Verhältnis anwendbaren Rechtsgrundsätze bestimmen.475 Zudem ist nicht ersichtlich, warum der Zahlungsdienstleister und der Zahlungsempfänger unterschiedlichen Vertrau-
471 Zunächst nach dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung verneinend, aber nach Auslegung des § 675u BGB eine solche Subsumtion bejahend Winkelhaus, BKR 2010, 441, 443 (445). 472 Winkelhaus, BKR 2010, 441, 443. 473 Für die Weisung kraft Anscheinsvollmacht: Grundmann, WM 2009, 1109, 1114. 474 Gegen eine Vergleichbarkeit der bereicherungsrechtlichen Rechtsscheinhaftung mit der Duldungs- und Anscheinsvollmacht argumentiert Müller, WM 2010, 1293, 1300 f.; zur Zurechnung aufgrund Setzung eines Rechtsscheins: BGH, Urteil vom 30. 6. 1992 – XI ZR 145/91NJW-RR 1992, 1264 (bei Sammellastschriften). 475 Erwägungsgrund (47) ZDRL; nicht gefolgt werden kann der Argumentation von Linardatos, Das Haftungssystem im bargeldlosen Zahlungsverkehr nach Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie, 2013, 397 ff. die Blickrichtung erfolge vom Deckungsverhältnis zum Valutaverhältnis, in dem die europarechtlichen Vorgaben fortzudenken und dementsprechend die weiteren durch den Zahlungsvorgang betroffenen Rechtsbeziehungen anzupassen (S. 398) seien; eine Harmonisierung ist nur soweit verpflichtend wie der Anwendungsbereich reicht, es besteht keine europarechtliche Verpflichtung das restliche Recht anzupassen, hätte der deutsche Gesetzgeber dies für förderlich erachtet, so hätte er dies ausdrücklich regeln müssen.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
ensschutzstandards unterliegen sollten.476 Das Vertrauen des Zahlungsempfängers ist auch nach neuem Zahlungsdiensterecht schützenswert, was die Vorschriften zum Widerruf von Pull-Zahlungen zum Ausdruck bringen.477 Grund für diesen Vertrauensschutz ist vor allem die Bargeldersatzfunktion bestimmter Zahlungsinstrumente. Damit zeigt die Regelung, dass das neue Zahlungsdiensterecht eine differenzierte Interessenbetrachtung vornimmt und nicht einseitig den Schutz des Zahlungsdienstnutzers bezweckt.478 Der Vertrauensschutz des Zahlungsempfängers stärkt zudem die Sicherheit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und trägt so zu dem Ziel der ZDRL, der Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, bei. Eine Aufgabe des Zurechnungsgrundsatzes ist außerdem nicht darin zu sehen, dass der Gesetzgeber nicht nach den Gründen unterscheidet, aus denen eine Autorisierung fehlen könnte.479 Die Wirksamkeitshindernisse sind vielmehr überhaupt nicht geregelt480, so dass die allgemeinen Grundsätze anwendbar bleiben. Die Regelung des § 675u BGB führt nicht dadurch zu einer Zurechnungsbeseitigung, dass sie die Wirkung des Widerrufs verstärkt. Dieser ist nur für das Deckungsverhältnis geregelt (§§ 675p, 675j Abs. 2 BGB)481 und lässt den Zahlungsauftrag und die Autorisierung entfallen. Der Widerruf beseitigt dagegen nicht die Zweckbestimmung der Leistung, die mit der ursprünglichen Autorisierung vorgenommen wurde und festlegt, wer an wen geleistet hat. Auch aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten ist eine Risikoverteilung entsprechend der alten bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung zu befürworten. Gegen das Argument, der Zahler sei nicht für den Fehler seines Zahlungsdienstleisters verantwortlich, ist einzuwenden, dass letzterer dem Zahler aufgrund bestehender Vertragsbeziehungen nähersteht als dem Zahlungsempfänger.482 Trotz Widerruf der Weisung besteht in den meisten Fällen zusätzlich ein Zahlungsdiensterahmenvertrag. Deshalb ist der Zahler durch vertragliche Schadensersatzansprüche gegen etwaige Folgeschäden geschützt. Für den Empfänger ist dagegen der Zahlungsdienstleister des Zahlers grundsätzlich fremd. Sein Vertrauensschutz geht hier dem Schutz des Zahlers vor, obwohl es nicht ungerecht wäre, dem vertragsbrüchigen Zahlungs-
476 Für den Vertrauensschutz des Zahlungsempfängers und die Beibehaltung der alten bereicherungsrechtlichen Lösung: Rademacher, NJW 2011, 2169, 2170. 477 Siehe 4. Kapitel C. I. 3.; vgl. § 675p Abs. 2, 675 Abs. 4 S. 2 BGB. 478 Die ZDRL schützt gerade nicht einseitig den Zahlungsdienstnutzer, wie beispielsweise die Zulassung von Entgeltregelungen in bestimmten Fällen zeigt; da nach der ZDRL keine besondere Schutzwürdigkeit des Zahlungsnutzers gegeben ist, kann dieser Fall auch nicht der Fallgruppe des allgemeinen Zurechnungshindernisses nach Wendehorst, in: Bamberger/Roth, 3. Aufl., Band 2, § 812 BGB Rn. 233 zugeordnet werden. 479 So aber Belling/Belling, JZ 2010, 708, 709; Winkelhaus, BKR 2010, 441, 448; Madaus, EWiR 2011, 589, 599. 480 Grundmann, WM 2009, 1109, 1114. 481 Erwägungsgrund (38) ZDRL. 482 BGH, Urteil vom 29. 4. 2008 – XI ZR 371/07-NJW 2008, 2331, 2332.
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dienstleister das Insolvenzrisiko des Empfängers statt seines Vertragspartners aufzubürden. Aus dem Telos des Art. 60 Abs. 1 ZDRL sowie der ausdrücklichen Normierung des Rückerstattungsanspruchs in § 675u S. 2 BGB folgt aber, dass der Erstattungsanspruch und der Bereicherungsanspruch gesondert geltend zu machen sind, um dem Zahlungsdienstnutzer einen durchsetzbaren Anspruch an die Hand zu geben.483 Deshalb geht die Argumentation fehl, der Kunde könne dem Bereicherungsanspruch des Zahlungsdienstleisters stets die dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est Einrede entgegensetzen, was den Bereicherungsanspruch grundsätzlich ausschließe.484 Zudem wird eine solche Fallkonstellation in der Praxis selten vorkommen. Aus finanziellen Sicherheitserwägungen wird die Bank stets mit Deckungsabfluss eine Belastungsbuchung auf dem Konto des Zahlers vornehmen, so dass dieser mit Erfüllung des Valutaverhältnisses nicht bereichert ist. In diesem Fall kann der Zahlungsdienstleister keinen Bereicherungsanspruch geltend machen. Vielmehr entsteht ein solcher erst nach Rückbuchung gemäß § 675u S. 2 BGB. Der Fall, in dem der Zahlungsdienstleister eine Belastungsbuchung nicht vorgenommen hat und die Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs im Zeitpunkt der Erfüllung des Valutaverhältnisses vorliegen, wird dagegen die Ausnahme sein. Die Grundsätze der Zurechnung nach der auf das Veranlasserprinzip abstellenden Rechtsscheinhaftung sowie der darin zum Ausdruck kommende Vertrauensschutz des Zahlungsempfängers im Rahmen des Bereicherungsausgleichs bleiben somit weiterhin anwendbar. Damit fügt sich das Zahlungsdiensterecht in das System der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des BGB ein.485 Das innere System des Zahlungsdiensterechts hat sich in diesen Punkten nicht verschoben. Dies ist zu begrüßen, da ein streng formelles Abstellen auf das Vorliegen einer Autorisierung für den Bereicherungsausgleich übersieht, dass es sich um Regelungsbereiche handelt, die weiterhin dem nationalen Recht überantwortet bleiben. Für eine Abkehr von so grundlegenden Prinzipien wäre eine gesetzgeberische Klarstellung erforderlich gewesen.486 Änderungen ergeben sich für das äußere System des Zahlungsdiensterechts. Anstatt weiterhin auf die Verweisungstaktik des § 675c Abs. 1 BGB zu setzen und 483 Diekmann, WM 2015, 14, 17; Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675u BGB Rn. 20; Herresthal, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, 5. Kap. § 675u BGB Rn. 16; Belling/Belling, JZ 2010, 708, 711: Der Anspruch des Zahlers wäre ein stumpfes Schwert, könnte ihn der Zahlungsdienstleister mit dem Kondiktionsanspruch über § 389 BGB oder § 273 BGB parieren. 484 Winkelhaus, BKR 2010, 441, 445. 485 Ebenso AG Hamburg-Harburg, Urteil vom 24. 4. 2013 – 642 C 2/13-ZIP 2013, 1517, auch wenn ihm bezüglich der bereicherungsrechtlichen Wertung an sich – es stellt lediglich auf den Empfängerhorizont ab, ohne den Widerruf der Vollmacht als eine fehlende Autorisierung zu erkennen, bei der eine Direktkondiktion gegen den Empfänger nach der BGH-Rechtsprechung gegeben ist – zu widersprechen ist; ebenso kritisierend Schnauder, jurisPR-BKR 1/2014 Anm. 6. 486 Danwerth, ZJS 2013, 225, 230.
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nur im Fall von Abweichungen spezielle Regelungen aufzustellen, wiederholt § 675u BGB die Aussagen der §§ 670, 667 1. Alt. BGB. Dies dient einerseits der Rechtssicherheit und der Verständlichkeit des darauffolgenden Schadensersatzanspruchs aus § 675v BGB. Andererseits deutet die klarstellende Wirkung eine eigene äußere Systematik des Zahlungsdiensterechts an, die nicht zwingend vom europäischen Gesetzgeber vorgegeben ist. Diese eigene Systematik zeigt sich auch an der Ausgrenzung des Bereicherungsanspruchs nach § 675z S. 1 BGB. 2. Gefährdungshaftung des Zahlungsdienstnutzers Wenn der Anspruch des Zahlungsdienstleisters aus der Nichtleistungskondiktion gegen den Zahlungsempfänger nicht realisierbar ist, kommt vor allem ein Schadensersatzanspruch des Zahlungsdienstleisters gegen den Zahler in Betracht.487 Liegen die Voraussetzungen des § 675v BGB vor, kann er unter Abtretung seines Bereicherungsanspruchs (§ 255 BGB) beim Zahler Rückgriff nehmen.488 § 675v Abs. 1 S. 1 BGB regelt einen Schadensersatzanspruch des Zahlungsdienstleisters gegen den Zahler bei nicht autorisierten Zahlungsvorgängen, die auf der Nutzung eines verlorengegangenen, gestohlenen oder sonst abhanden gekommenen Zahlungsauthentifizierungsinstruments beruhen. § 675v Abs. 1 S. 2 BGB erfasst sonstige Fälle missbräuchlicher Verwendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments und setzt eine nicht sichere Aufbewahrung der personalisierten Sicherheitsmerkmale durch den Zahler voraus. Beide Ansprüche sind in der Höhe auf einen Betrag von 150 E begrenzt. Anwendung findet § 675v Abs. 1 BGB auf Zahlungen im POS-Verfahren, Abhebungen am Geldautomaten, Zahlungen im OnlineBanking und den Einsatz der Kreditkarte mit PIN oder Unterschrift. Mangels Einsatz eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments sind die beleghafte Überweisung, die Lastschrift, das Mail-Order-Verfahren489 und POZ-Verfahren490 überhaupt nicht von § 675v Abs. 1 BGB erfasst. § 675v Abs. 1 S. 1 BGB statuiert eine Gefährdungshaftung491 bis zu einem Betrag von 150 E für die missbräuchliche Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsin487
Ebenso: Häuser, in: Münchner Kommentar HGB, 3. Aufl., ZahlungsV Rn. B 115. Ebenso: Häuser, in: Münchner Kommentar HGB, 3. Aufl., ZahlungsV Rn. B 532. 489 BT-Drucks. 16/11643, 113; Casper/Pfeifle, WM 2009, 2343, 2344; a.A. Omlor, in: Staudinger, § 675v BGB Rn. 4. 490 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften der Zahlungsdiensterichtlinie (Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz), BT-Drucks. 16/11613, 36. 491 Zum Begriff der Gefährdungshaftung: Grundmann, in: MüKo, 7. Aufl., § 276 BGB Rn. 4, bei der verschuldensunabhängigen Haftung im Rahmen vertraglicher Ansprüche spricht man von Garantiehaftung, ein verschuldensunabhängiger Haftungsanspruch im außervertraglichen Bereich wird als Gefährdungshaftung bezeichnet; hier liegt grundsätzlich eine verschuldensunabhängige Haftung außerhalb des Zahlungsdiensterahmenvertrags vor, wird sie jedoch in den AGB vereinbart, ist von einer Garantiehaftung zu sprechen. 488
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struments im Fall des Verlusts, Diebstahls oder Abhandenkommens. Er stellt eine Abkehr vom Grundsatz der Verschuldenshaftung sowie der Veranlasserhaftung dar. Voraussetzung ist weder ein Verschulden des Kunden, noch muss dieser den Zahlungsvorgang in sonstiger Weise – wie beispielsweise der Setzung einer Tilgungsoder Zweckbestimmung492 – veranlasst haben. Ebenso wenig steht eine Veranlasserhaftung des Zahlungsdienstleisters, der das Zahlungssystem für den Einsatz des Zahlungsauthentifizierungsinstruments auf den Markt bringt, hinter der Regelung. Vielmehr beruht die Gefährdungshaftung auf einer Sphärenhaftung des Zahlers. Vor Umsetzung der ZDRL war eine solche Gefährdungshaftung gesetzlich nicht vorgesehen, so dass nur die auf Verschulden beruhende allgemeine schuldvertragliche Schadensersatzpflicht aus § 280 BGB eingriff. Einen AGB-rechtlichen Verschuldensausschluss, der auf die Sphärenhaftung zurückzuführen war, erklärte der BGH 1991 für unwirksam.493 Der Grundsatz, dass eine Schadensersatzhaftung Verschulden voraussetzt, ist Ausdruck des Gerechtigkeitsgebots, das im AGB-Recht zur Anwendung kommt.494 Dieses könnte sich durch die Gefährdungshaftung in § 675v Abs. 1 S. 1 BGB verändert haben. Deshalb ist zu untersuchen, ob sich die Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots für die Missbrauchshaftung im Zahlungsdiensterecht mit Umsetzung der ZDRL gewandelt hat oder ob die Regelung dennoch den bisherigen Wertungen entspricht. Als Grundlage dient das Massakartenurteil des BGH aus dem Jahre 1991, welches ein formularmäßiges Abweichen vom Verschuldensprinzip im Zahlungsverkehr bei Kartenzahlungen für unwirksam erklärt.495 In dem Urteil geht der BGH von der grundsätzlichen Zuweisung des Missbrauchsrisikos an den Zahlungsdienstleister aus, da der Zahler im Fall des Missbrauchs keine Weisung erteile bzw. im konkreten Fall keinen Kaufvertrag abgeschlossen habe.496 In Betracht kämen aber eine Abbedingung des Verschuldensprinzips und eine Abwälzung des Risikos auf den Zahler aufgrund der Sphärenhaftung.497 Eine solche nicht nach Verschulden, sondern nach Gefahrenbereichen unterscheidende Haftung beruhe auf dem Gedanken, dass jeder Vertragsteil die Risiken zu tragen habe, die ihre Ursache ausschließlich in seiner 492
Vgl. 4. Kapitel D. I. 1. oben bei der bereicherungsrechtlichen Haftung. BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR 128/90-NJW 1991, 1886 (Massakartenurteil). 494 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR 128/90-NJW 1991, 1887 (Massakartenurteil); BGH, Urteil vom 21. 12. 1983 – VIII ZR 195/82-NJW 1984, 1182. 495 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR 128/90-NJW 1991, 1886 (Massakartenurteil). 496 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR 128/90-NJW 1991, 1886, 1887 (Massakartenurteil). 497 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR 128/90-NJW 1991, 1886, 1887 f. (Massakartenurteil); vor dem Massakartenurteil war eine solche Sphärenhaftung von der Rechtsprechung und Literatur anerkannt: BGH, Urteil vom 15. 2. 1982 – II ZR 53/81-NJW 1982, 1513; OLG Hamm, Urteil vom 26. 4. 1985 – 20 U 361/84-NJW-RR 1986, 40; OLG Frankfurt, Urteil vom 29. 9. 1989 – 10 U 154/87-NJW 1990, 1184. 493
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Sphäre haben und vom anderen Vertragsteil nicht beherrscht werden können.498 Das Zahlungsauthentifizierungsinstrument ist ab dem Zeitpunkt, in dem es in den Machtbereich des Zahlers gelangt, Gefahren aus dessen Sphäre ausgesetzt. Der Zahlungsdienstleister verliert jeglichen Einfluss über die Verwendung. Eine Gefährdungshaftung für jeden Zufall widerspricht dem BGH zu Folge jedoch dem im Rahmen der AGB-Prüfung heranzuziehenden Gerechtigkeitsgebot.499 Danach sei eine Verpflichtung zum Schadensersatz nur anzuerkennen, wenn diese auf Verschulden beruhe.500 Eine Gefährdungshaftung kann nach dem Massakartenurteil dieses Gerechtigkeitsgebot aber dann ausfüllen, wenn entweder höherrangige Interessen des Zahlungsdienstleisters dies rechtfertigen oder eine Kompensation des Zahlers durch andere Vorteile erfolgt.501 Das höherrangige Interesse könne nicht alleine in der Sphärenhaftung des Zahlers bestehen.502 Vielmehr sei eine Interessenabwägung vorzunehmen.503 Dazu führt der BGH zunächst an, dass der Zahlungsdienstleister das Missbrauchsrisiko mitveranlasst habe.504 Das Verfahren, im Rahmen dessen die Karte eingesetzt werde, sei in erhöhtem Maße missbrauchsanfällig.505 Darauf habe der Kunde keinen Einfluss.506 Zudem sei die Klausel unausgewogen, da eine eigene Haftung des Zahlungsdienstleisters in keinem Fall – nicht einmal bei erkennbarem Missbrauch – greife.507 Es bestehe keine betragsmäßige Haftungsbeschränkung, so dass das Risiko für den Zahler unkalkulierbar sei.508 Auch
498 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR urteil); die Sphärenhaftung im Scheckrecht Wertpapiere, 1938, 314 ff. 499 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR urteil). 500 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR urteil). 501 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR urteil). 502 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR urteil). 503 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR urteil). 504 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR urteil). 505 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR urteil). 506 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR urteil). 507 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR urteil). 508 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR urteil).
128/90-NJW 1991, 1886, 1888 (Massakartenwurde entwickelt von Ulmer, Das Recht der 128/90-NJW 1991, 1886, 1887 (Massakarten128/90-NJW 1991, 1886, 1887 (Massakarten128/90-NJW 1991, 1886, 1887 (Massakarten128/90-NJW 1991, 1886, 1888 (Massakarten128/90-NJW 1991, 1886, 1888 (Massakarten128/90-NJW 1991, 1886, 1888 (Massakarten128/90-NJW 1991, 1886, 1888 (Massakarten128/90-NJW 1991, 1886, 1888 (Massakarten128/90-NJW 1991, 1886, 1888 (Massakarten128/90-NJW 1991, 1886, 1888 (Massakarten-
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die Versicherbarkeit spreche gegen eine Rechtfertigung der Gefährdungshaftung des Zahlers.509 Zieht man diese Erwägungen zur Rechtfertigung der verschuldensunabhängigen Haftung des § 675v Abs. 1 S. 1 BGB heran, weist die heutige Rechts- und Sachlage Unterschiede auf, die zu einem anderen Abwägungsergebnis führen könnten. Zunächst kann nach heutiger Rechtslage die Unausgewogenheit der Klausel nicht daran festgemacht werden, dass eine eigene Haftung des Zahlungsdienstleisters in keinem Fall in Betracht kommt. Erkennt der Zahlungsdienstleister den Missbrauch, muss die verschuldensunabhängige Haftung des Zahlers ausgeschlossen sein. Die Gefährdungshaftung der ZDRL hat den Zweck, für den Zahler einen Anreiz zur Anzeige des Verlusts, Diebstahls oder Abhandenkommens des Zahlungsauthentifizierungsinstruments beim Zahlungsdienstleister zu setzen. Wenn der Zahlungsdienstleister aber bereits Kenntnis davon hat, kann dem Zahlungsdienstnutzer keine Haftung nach § 675v Abs. 1 S. 1 BGB auferlegt werden. Dies wäre rechtsmissbräuchlich, so dass § 675v Abs. 1 S. 1 BGB insoweit teleologisch zu reduzieren ist. Nicht erfasst von der Gefährdungshaftung ist die Fälschung von Belastungsbelegen510 durch das Vertragsunternehmen. Es handelt sich nicht um einen Verlust, Diebstahl oder ein Abhandenkommen des Zahlungsauthentifizierungsinstruments. Deutlich wird, dass ein solcher Missbrauch nicht in die Sphäre des Zahlers fällt, sondern in die des Zahlungsdienstleisters, der das Vertragsunternehmen auswählt.511 Insoweit konkretisiert der Tatbestand des § 675v Abs. 1 S. 1 BGB den Sphärengedanken. Ebenso wenig fällt der Missbrauchstatbestand der Fälschung der Karte selbst unter die Gefährdungshaftung.512 Auch hier realisiert sich eine Gefahr aus der Sphäre des Zahlungsdienstleisters, der für die Fälschungssicherheit des Zahlungsauthentifizierungsinstruments Sorge zu tragen hat. Zudem entfällt die Gefährdungshaftung des Zahlers nach § 675v Abs. 3 S. 2 BGB dann, wenn der Zahlungsdienstleister seiner Pflicht nicht nachkommt, ein Anzeigeoder Sperrsystem, welches auch die Aufhebung der Sperre erlaubt, einzurichten (§ 675l Abs. 1 Nr. 3 BGB). Dies ist Ausdruck des Verschuldensprinzips. Das Verschulden des Zahlungsdienstleisters ist über § 254 BGB zu berücksichtigen.513
509
urteil).
BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR 128/90-NJW 1991, 1886, 1888 (Massakarten-
510 BT-Drucks. 16/11643, 113 f.; Rechtsprechung weiterhin anwendbar: BGH, Urteil vom 17. 5. 1984 – II ZR 280/83-NJW 1984, 2460, 2461. 511 Die BGH-Rechtsprechung ist hier weiterhin anwendbar, BGH, Urteil vom 17. 5. 1984 – II ZR 280/83-NJW 1984, 2460, 2461. 512 BT-Drucks. 16/11643, 113 f. 513 Omlor, in: Staudinger, § 675v BGB Rn. 29; Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675v BGB Rn. 4.
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Eine betragsmäßige Begrenzung der Haftung in Höhe von 150 E besteht nach § 675v Abs. 1 BGB, so dass der Zahlungsdienstleister für alle darüber hinausgehenden Schäden, die auf Zufall und leichter Fahrlässigkeit beruhen, haftet. Dies entspricht der grundsätzlichen Risikoverteilung. Außerdem macht die betragsmäßige Haftungsbegrenzung auf 150 E das Risiko für den Zahler überschaubar. Zeitlich haftet der Zahler erst ab dem Zeitpunkt, in dem das Zahlungsauthentifizierungsinstrument in seinen Machtbereich gelangt (§ 675m Abs. 2 BGB), was dem Sphärengedanken entspricht. Mit der Anzeige gemäß § 675l S. 2 BGB endet seine Haftung nach §§ 675v Abs. 1, 2 BGB, es sei denn, er handelt in betrügerischer Absicht (§ 675v Abs. 3 BGB). Dies stimmt mit der BGH-Rechtsprechung514 sowie dem Verschuldensprinzip überein. Der Zahlungsdienstleister kann ab dem Zeitpunkt der Anzeige eine Sperrung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments vornehmen. Kommt er dem nicht nach, hat er den Schaden aufgrund seiner eigenen schuldhaften Pflichtverletzung zu tragen (§ 675m Abs. 1 Nr. 4 BGB). Somit handelt es sich um ein Haftungssystem, das nicht einseitig auf eine Gefährdungshaftung des Zahlers abstellt, sondern diese tatbestandlich, zeitlich und nach der Haftungssumme begrenzt. Eine Sphären- und Verschuldenshaftung des Zahlungsdienstleisters besteht daneben weiter. Schwieriger ist die Abwägung auf der tatsächlichen Ebene. Die Anhaltspunkte für die Sphärenhaftung des Zahlers sind denjenigen der Veranlasserhaftung des Zahlungsdienstleisters gegenüberzustellen. Der BGH weist die Gefahr der Sphäre des Zahlers zu, wendet aber gleichzeitig ein, dass der Zahlungsdienstleister durch die Einrichtung und Ausgestaltung des Systems diese mitveranlasst habe.515 Insbesondere bemängelt er das unzureichende Prüfungssystem, das lediglich auf einer vierstelligen Geheimnummer ohne Unterschrift beruhe.516 Ebenso existiert im POSVerfahren sowie bei der Abhebung am Geldautomaten lediglich eine Überprüfung anhand einer vierstelligen Geheimnummer, so dass in diesen Verfahren nach der Rechtsprechung des BGH eine Kontrolllücke des Zahlungsdienstleisters vorläge, die auf die Veranlassung des Missbrauchsrisikos schließen ließe. Dagegen setzen die Zahlungsdienstleister heute im Online-Banking mit den mTan-, dynamischen Tanund eTan-Verfahren517 differenziertere Kontrollsysteme ein, die den vom BGH geforderten Standard übertreffen. Bei der Zahlung mit Kreditkarte wird grundsätzlich eine Unterschrift gefordert, so dass auch in diesem Zahlverfahren aufgrund der Abgleichmöglichkeit ein höherer Sicherheitsstandard vorliegt. Allerdings ist anzumerken, dass der vom BGH entschiedene Fall die Haftung für eine Kundenkredit514 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR 128/90-NJW 1991, 1886, 1888 f. (Massakartenurteil). 515 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR 128/90-NJW 1991, 1886, 1888 (Massakartenurteil). 516 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR 128/90-NJW 1991, 1886, 1888 (Massakartenurteil). 517 Erläuterung bei Maihold, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 55 Rn. 9 ff.
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karte betrifft und somit auf einem Zweipersonensystem beruht. Fälle des § 675v Abs. 1 S. 1 BGB beziehen aber auch Dreipersonenverhältnisse, wie diejenigen der Kreditkartenzahlung, der Auszahlung am fremden Geldautomaten oder der Bezahlung im POS-System, mit ein. Zweipersonenverhältnisse bestehen nur beim Online-Banking oder der Auszahlung am eigenen Geldautomaten. Da in Dreipersonenverhältnissen, dem Zahlungsdienstleister selbst eine Kontrolle nicht immer möglich ist, sind hier erhöhte Anforderungen an das Kontrollsystem zu stellen. Demnach kann nicht argumentiert werden, aufgrund der tatsächlich sicheren Ausgestaltung der vom Zahlungsdienstleister installierten Zahlungssysteme sei eine Gefährdungshaftung des Zahlers gerechtfertigt. Einzuwenden ist jedoch, dass die Sachverhalte des Verlusts, Diebstahls und Abhandenkommens gerade auf Gefahren beruhen, die nicht systembedingt sind.518 Sie basieren vielmehr auf der Inhaberschaft der tatsächlichen Sachherrschaft. Dagegen stellt § 675v Abs. 1 S. 2 BGB auf die Systemrisiken ab, die durch die personalisierten Sicherheitsmerkmale entstehen, so dass die Abschwächung der Haftung im Vergleich zu § 675v Abs. 1 S. 1 BGB durch das Verschuldenserfordernis der leichten Fahrlässigkeit519 dem Sphärengedanken entspricht. Aber auch beim missbräuchlichen Einsatz des Zahlungsauthentifizierungsinstruments aufgrund eines Diebstahls realisiert sich am Ende die Gefahr des Systems, welches dessen Einsatz überhaupt erst ermöglicht und damit veranlasst. Dies spricht dafür, dass in der Abwägung weiterhin die Veranlasserhaftung des Zahlungsdienstleisters überwiegt. Hinzu kommt die Versicherbarkeit des Risikos durch die Zahlungsdienstleister. Allenfalls ein technisch nahezu 100 % sicheres Kontrollsystem könnte bei der Interessenabwägung im Rahmen des Gerechtigkeitsgebots diese Haftungsbegründung entfallen lassen. Somit fehlen höherrangige Interessen, die eine Sphärenhaftung des Zahlers unter dem Blickwinkel des AGBrechtlichen Gerechtigkeitsgebots rechtfertigen würden. In Betracht kommt eine Rechtfertigung durch Kompensationsvorteile.520 Die Zinsvorteile der Kreditkartenzahlung sind jedoch verschwindend gering und bei den anderen Zahlungsdiensten gar nicht vorhanden. Allein der Zahlungskomfort im Vergleich zur Barzahlung kann eine Gefährdungshaftung von bis zu 150 E nicht rechtfertigen. Zu erwägen ist aber ein Ausgleich durch die betragsmäßige Haftungsbeschränkung bei leichter Fahrlässigkeit.521 Diese regelt nun § 675v Abs. 1 S. 2 BGB. Danach haftet der Zahler für Schäden infolge einer sonstigen missbräuchlichen Verwendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments, vorausgesetzt er hat die personalisierten Sicherheitsmerkmale nicht sicher aufbewahrt. Letzteres impliziert ein Ver518 Sie stammen vielmehr aus der Sphäre des Zahlers, so BGH, Urteil vom 17. 5. 1984 – II ZR 280/83-NJW 1984, 2460, 2461. 519 BT-Drucks. 16/11643, 114. 520 BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR 128/90-NJW 1991, 1886, 1888 (Massakartenurteil). 521 So Taupitz, Zivilrechtliche Haftung bei Kreditkartenmißbrauch, 1995, 138 ff.; ebenso Casper/Pfleifle, WM 2009, 2343, 2346.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
schulden von leichter Fahrlässigkeit.522 Bezüglich der Haftungsbeschränkung wird auf die Haftungshöchstsumme von 150 E bei der Gefährdungshaftung verwiesen. Dadurch tritt im Vergleich zur bisherigen AGB-rechtlichen Quotenregelung für ECKarten (10:90)523, die eine betragsmäßige Deckelung nicht enthielt, in vielen Fällen524 eine Besserstellung des Zahlungsdienstnutzers ein. Eine Haftungsbeschränkung fand sich aber häufig in den Kreditkarten-AGB,525 so dass die Zahlungsdienstnutzer im Vergleich – folgt der Zahlungsdienstleister der Regelung in § 675v Abs. 1 S. 2 BGB – schlechter gestellt sind.526 Zudem spricht gegen eine Kompensationswirkung des § 675v Abs. 1 S. 2 BGB die Zulassung des Anscheinsbeweises durch § 675w BGB527 sowie die volle Haftung für grobe Fahrlässigkeit nach § 675v Abs. 2 BGB528, die relativ schnell eingreift, da die Anforderungen der Rechtsprechung für grobe Fahrlässigkeit im Zahlungsdiensterecht nicht besonders hoch sind.529 Dagegen hätte eine Beschränkung des Haftungsbetrags auch im Fall von grober Fahrlässigkeit530 die Gefährdungshaftung nach § 675v Abs. 1 S. 1 BGB ausgeglichen. Außerdem würde sie die Akzeptanz der Zahlungsdienste fördern, bei denen ein Zahlungsauthentifizierungsinstrument eingesetzt wird. 522
BT-Drucks. 16/11643, 114. Grundmann, in: Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Bankrechtstag 1998, 37, 57, vor dem Massakartenurteil des BGH galt diese Haftungsverteilung unabhängig vom Verschulden, danach nur noch für leichte Fahrlässigkeit, für grobe Fahrlässigkeit hafteten die Zahler voll, gemindert um das Mitverschulden des Zahlungsdienstleisters; vgl. Bedingungen für ec-Karten 1/1997 1.4., 2.4., 3.6., abgedruckt als Anhang III, Bankrechtstag 1998, 82 ff. 524 Fälle mit über 1.500 E Schaden abzüglich derjenigen, in denen ein Mitverschulden des Zahlungsdienstleisters vorliegt. 525 Vgl. Taupitz, Zivilrechtliche Haftung bei Kreditkartenmißbrauch, Anhang; Mastercardbedingungen von 2007, abgedruckt in: Gößmann, in: BankR-HdB, 3. Aufl., Anhang zu §§ 67, 68, 9., die eine verschuldensabhängige und verschuldensunabhängige Haftungsbegrenzung auf 50 E vorsehen. 526 Dem Zahlungsdienstleister bleibt es aber vorbehalten, eine für die Zahlungsdienstnutzer vorteilhaftere Haftung vorzusehen (§ 675e Abs. 1 BGB). 527 Vgl. oben 2. Kapitel C. VI.; a.A. Grundmann, WM 2009, 1157, 1163, der Anscheinsbeweis für leichte Fahrlässigkeit sei irrelevant. 528 Trotz der vollen Haftung für grobe Fahrlässigkeit für einen Ausgleich, Taupitz, Zivilrechtliche Haftung bei Kreditkartenmißbrauch, 142 ff. 529 BGH, Urteil vom 5. 10. 2004 – XI ZR 210/03-NJW 2004, 3623 (Verwahrung von ECKarte und PIN in einem Portemonnaie ist entsprechend der AGB grob fahrlässig); LG Berlin, Urteil vom 8. 11. 2011 – 21 O 80/11-NJW-RR 2012, 570 (grobe Fahrlässigkeit bei der Eingabe einer PIN und 40 TANs auf eine Phishing-/Pharmingattacke hin); Regelbeispiele in den Bedingungen für die Mastercard, abgedruckt in: BankR-HdB, 4. Aufl., Anh. zu §§ 67, 68, 12.1 Abs. 5 S. 2 (grobe Fahrlässigkeit danach insbesondere bei: verschuldetem Fehlen einer unverzüglichen Mitteilung des Verlusts, Diebstahls oder der missbräuchliche Verfügung der Bank; Vermerk der Geheimzahl auf der Karte oder gemeinsame Verwahrung; Mitteilung der Geheimzahl an eine andere Person und Verursachung des Missbrauchs dadurch). 530 Eine solche Lösung entsprechend der US-amerikanischen Lösung befürwortend Franck/ Massari, WM 2009, 1117, 1128. 523
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Eine Haftungsbeschränkung auf einen konkreten Betrag kennt das BGB grundsätzlich nicht. Es handelt sich um eine Regelungsmethode aus dem europäischen Recht und gleichzeitig um die Kodifizierung von AGB-Recht für die Kreditkartenzahlung. Die Regelung des § 675v Abs. 1 S. 2 BGB ist trotz ihrer fehlenden Ausgleichsfunktion zu befürworten. Für sie spricht die Rechtssicherheit, nicht über einen Betrag von 150 E bei leichter Fahrlässigkeit zu haften. Dies trägt zur Akzeptanz der Zahlungsinstrumente bei und verhindert Kosten für die Feststellung der Schadenshöhe. Der Anreizgedanke, sich sorgfältig zu verhalten, wird dabei ebenfalls gefördert, ohne den Zahlungsdienstleistern eine Haftungssumme zu zusprechen, die sie von der Weiterentwicklung ihrer Sicherheitssysteme abhält. Eine Rechtfertigung der Gefährdungshaftung nach den Grundsätzen des Massakartenurteils besteht somit nicht. Die Begrenzung der Gefährdungshaftung sowie die parallele Haftung der Zahlungsdienstleister genügen zwar dessen Ansprüchen. Die tatsächliche Missbrauchsanfälligkeit des Systems sowie die mangelnde Kontrollfähigkeit durch den Zahlungsdienstleister sprechen jedoch weiterhin gegen die Zulässigkeit einer verschuldensunabhängigen Schadensersatzpflicht des Zahlers. Einen angemessenen Ausgleich für die Gefährdungshaftung kann auch die betragsmäßige Haftungsbeschränkung für leichte Fahrlässigkeit nach § 675v Abs. 1 S. 2 BGB nicht schaffen. Die Regelung kann aber aus anderen Gründen gerechtfertigt sein. In Betracht kommen die vom EU-Gesetzgeber genannte Anreizwirkung zur Anzeige531, eine Erziehungsfunktion, wirtschaftliche Erwägungen sowie ein Beitrag zum Rechtsfrieden.532 Die Anreizwirkung bezieht sich auf die Anzeigepflicht des Zahlers nach § 675l S. 2 BGB. Ob es hier einer besonderen Anreizsetzung zur Anzeige bedarf, ist an der Höhe der Vertragstreue der Zahler sowie an der Missbrauchsanfälligkeit des Systems zu messen. Positiv zu vermerken ist, dass sowohl die Kriminalität des Kreditkartenmissbrauchs im Jahr 2011533 als auch des Phishings im Jahre 2012 im Vergleich zum Vorjahr rückläufig war.534 Das Phishing bildet aber aufgrund seiner Lukrativität für die Täter immer noch einen Schwerpunkt im Bereich des Cybercrime. Hier ist weiterhin von einer hohen Missbrauchsgefahr auszugehen.535 Demnach kommt es umso stärker auf die Vertragstreue des Zahlers und auf die Erfüllung seiner 531
Erwägungsgrund (32) ZDRL. Omlor, in: Staudinger, § 675v BGB Rn. 6. 533 Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik 2012, S. 4, abrufbar unter: https:// www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/2013/PKS2012.pdf?__blob=pu blicationFile [13. 6. 2014]. 534 Bundeskriminalamt, Cybercrime Bundeslagebild 2012, S. 6, abrufbar unter: http://www. bka.de/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Cybercrime/cybercrime__node. html?__nnn=true [13. 6. 2014]. 535 Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik 2012, S. 11, abrufbar unter: https:// www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/2013/PKS2012.pdf?__blob=pu blicationFile [13. 6. 2014]. 532
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Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB an. Fehlte eine Gefährdungshaftung, hätte er lediglich im Falle grober Fahrlässigkeit – und für die Aufbewahrung personalisierter Sicherheitsmerkmale im Fall leichter Fahrlässigkeit – eine Haftung zu befürchten. Grobe Fahrlässigkeit läge beim Absehen von einer Anzeige trotz Kenntnis des Verlusts vor.536 Denn es ist eine naheliegende und unschwer zu ergreifende Sicherheitsvorkehrung537 und leuchtet jedem ein538, dass nur durch eine Anzeige, die Karte gesperrt wird und dadurch weitere Schäden vermieden werden können. In einer nicht unverzüglichen Anzeige liegt jedoch nicht immer ein solcher Sorgfaltsverstoß. Demnach ist davon auszugehen, dass viele Zahler die Unverzüglichkeit der Anzeige missachten würden, läge keine Gefährdungshaftung vor. Wägt man das Verlustrisiko des Zahlungsdienstleisters, der einem Schaden in der Höhe bis zur Verfügungsbeschränkung der Karte539 ausgesetzt ist, mit demjenigen des Zahlers ab, so erscheint ein Risiko von 150 E tragbar. Dafür spricht auch die Hohe Schadenssumme, gerade im Online-Banking. 2012 betrug der durchschnittliche Schaden beim Phishing 4.000 Euro pro Fall.540 Somit ist gleichzeitig die verbleibende Haftung der Banken hoch genug, um ihnen nicht den Innovationsanreiz, neue Kontrollmechanismen einzuführen, zu nehmen.541 Zudem kommt der Gefährdungshaftung eine Anreizfunktion zum sorgfältigen Umgang mit dem Zahlungsauthentifizierungsinstrument zu. Sie schärft das Bewusstsein der Zahler für Gefahren des unbaren Zahlungsverkehrs, so dass man von einer Erziehungsfunktion der Gefährdungshaftung sprechen kann. Wirtschaftlich gesehen ist davon auszugehen, dass die Kosten der Missbrauchshaftung im Fall der fehlenden Gefährdungshaftung in die Preise der Zahlungsdienste einkalkuliert würden, so dass jeder einzelne Marktteilnehmer das durch verspätete Anzeige entstandene Missbrauchsrisiko mitbezahlen müsste. Insofern ist eine wirtschaftliche Belastung desjenigen, der der Gefahr am nächsten steht, zu befürworten – vor allem dann, wenn sie ihn dazu anhält, den Schaden durch eine frühzeitige Anzeige ganz abzuwenden. Hinzu kommt die Rechtsfrieden stiftende Funktion der Gefährdungshaftung.542 Erfolgt eine Anzeige und sind keine weiteren Anhaltspunkte für grobe Fahrlässigkeit 536 Vgl. Regelbeispiele in den Bedingungen für die Mastercard, abgedruckt in: BankRHdB, 4. Aufl., Anh. zu §§ 67, 68, 12.1 Abs. 5 S. 2. 537 BAG, Urteil vom 7. 10. 1981 – 5 AZR 1113/79-NJW 1982, 1013. 538 BGH, Urteil vom 11. 7. 2007 – XII ZR 197/05-NJW 2007, 2988, 2989; BGH, Urteil vom 14. 1. 2010 – VII ZR 213/07-NJW 2010, 1195, 1197. 539 Der Verfügungsrahmen wird vertraglich vereinbart, kann aber eine Summe von bis zu mehreren Tausend E im Monat umfassen. 540 Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik 2012, S. 11, abrufbar unter: https:// www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/2013/PKS2012.pdf?__blob=pu blicationFile [Stand 13. 6. 2014]. 541 Auf diese Anreizfunktion einer Zuweisung des Missbrauchsrisikos an die Banken macht Koller, NJW 1981, 2433, 2435 aufmerksam. 542 Omlor, in: Staudinger, § 675v BGB Rn. 6.
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gegeben, können die Missbrauchsfälle ohne eine wertende dritte Instanz von den Parteien selbst entschieden werden. Der Anreizgedanke, die wirtschaftlichen Auswirkungen sowie die Erziehungsund Rechtsfriedensfunktion sind reine Zweckmäßigkeitserwägungen. Diese füllen das in der AGB-Prüfung vom BGH angewandte Gerechtigkeitsgebot nicht aus. Eine gesetzliche Normierung muss im Gegensatz zu einer AGB-vertraglichen Vereinbarung dem Gerechtigkeitsgebot aber nicht entsprechen,543 so dass die Zweckerwägungen für eine Rechtfertigung der verschuldensunabhängigen Haftung genügen. Fraglich ist jedoch, ob § 675v Abs. 1 S. 1 BGB weiter wirkt und als Leitbild auch für andere Autorisierungsverfahren angewandt werden muss. Dann würde es sich bei § 675v Abs. 1 S. 1 BGB doch um eine Änderung des Gerechtigkeitsgebots handeln. In Betracht kommt eine verschuldensunabhängige Haftung für missbräuchlich ausgefüllte Überweisungsträger. Nach alter Rechtslage ist eine solche unzulässig.544 Eine Anreizfunktion zur Anzeige des Verlusts eines vorcodierten Überweisungsträgers ergibt auch in diesem Fall Sinn. Dagegen spricht jedoch, dass der EU-Gesetzgeber keine abschließende Regelung vorgegeben hat, so dass die Mitgliedstaaten EU-rechtlich nicht an eine Zufallshaftung für andere Autorisierungsverfahren gebunden sind.545 Im deutschen Recht kann, auch wenn ein Wertungsgleichlauf dafür sprechen mag, eine auf bestimmte Fälle beschränkte Einzelfallregelung nicht ein Grundprinzip des AGB-Rechts, das Ausdruck des Gerechtigkeitsgebots ist, einschränken, wenn sie selbst lediglich auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht. Somit ist die Rechtsprechung zum Missbrauch anderer Autorisierungsverfahren, soweit sie eine verschuldensunabhängige Haftung des Zahlungsdienstnutzers ausschließt, weiterhin anwendbar.546 Für den Diebstahl einfacher Überweisungsträger547 rechtfertigt auch die Sphärenhaftung eine Unterscheidung. Überweisungsvordrucke sind im Gegensatz zu den Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten frei zugänglich548, so dass eine Anreizfunktion zur sorgfältigen Aufbewahrung durch den Zahlungsdienstnutzer keine Bedeutung hätte. Die Rechtfertigung der verschuldensunabhängigen Haftung durch die Zweckmäßigkeitserwägungen ist überzeugend. Sie müssen jedoch anhand von empirischen Erhebungen stets daraufhin überprüft werden, ob sie weiterhin erforderlich sind. Wenn dies aufgrund eines sorgsamen Umgangs der Zahlungsdienstnutzer mit den 543
BGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – XI ZR 128/90-NJW 1991, 1886, 1887 (Massakartenurteil), dem Verschuldensprinzip als Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots stehe nicht entgegen, dass der Gesetzgeber in Einzelfällen eine Gefährdungshaftung für geboten erachte. 544 BGH, Urteil vom 11. 10. 1994 – XI ZR 238/93-NJW 1994, 3344; BGH, Urteil vom 17. 7. 2001 – XI ZR 325/00-NJW 2001, 2968; BGH, Urteil vom 18. 3. 1997 – XI ZR 117/96-NJW 1997, 1700 (für die Scheckzahlung). 545 Vgl. oben 2. Kapitel C. VI. 546 BGH, Urteil vom 17. 7. 2001 – XI ZR 325/00-NJW 2001, 2968. 547 Dies ist anders in den Fällen der vorcodierten Überweisungsträger und dem Diebstahl ausgefüllter Überweisungsträger. 548 Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rn. 369.
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Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten und der sofortigen Anzeige des Verlusts, Diebstahls oder Abhandenkommens der Fall ist, ist eine Abweichung vom Verschuldensprinzip nicht mehr zu rechtfertigen. Andererseits kann selbst im Rahmen des Gerechtigkeitsgebots eine verschuldensunabhängige Haftung zulässig sein, sollten die Zahlungsdienstleister 100 % sichere Zahlungssysteme installieren – was wohl eher utopisch anmutet. Die fehlende Übereinstimmung mit dem Gerechtigkeitsgebot ist nur deshalb zu akzeptieren, da eine gesetzliche Regelung im Gegensatz zu AGB-rechtlichen Vereinbarungen Rechtssicherheit schafft. Deshalb muss aber die Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der verschuldensunabhängigen Missbrauchshaftung bei anderen Autorisierungsverfahren aufrechterhalten werden. Eine Angleichung an die Wertungen des § 675v Abs. 1 S. 1 BGB würde mangels expliziter gesetzlicher Regelung dem Gerechtigkeitsgebot widersprechen. Die verschuldensunabhängige Missbrauchshaftung in § 675v Abs. 1 S. 1 BGB entspricht nicht dem bisherigen auf AGB-Vereinbarungen beruhenden deutschen Recht. Die hinter der Regelung stehenden Zweckmäßigkeitserwägungen ergeben sich aus der ZDRL. Damit handelt es sich um ein europäisches System. Dies gilt jedoch nur eingeschränkt, da Art. 61 Abs. 1 ZDRL lediglich mindestharmonisierend ist und somit auch eine Beibehaltung der bisherigen Rechtslage europarechtskonform gewesen wäre. Man könnte auf den ersten Blick auch von einer Systemverschiebung allein durch das deutsche Recht sprechen. Veranlasser war jedoch das System der europarechtlichen ZDRL, so dass der tatsächlich Verantwortliche der EU-Gesetzgeber ist. 3. Verschuldenshaftung des Zahlungsdienstnutzers Für einen vollen Schadensersatzanspruch der Bank genügte vor Umsetzung der ZDRL grundsätzlich einfache Fahrlässigkeit. Heute ist nach § 675v Abs. 2 BGB grobe Fahrlässigkeit erforderlich.549 Aufgrund der Unterscheidung in den AGB der Zahlungsdienstleister war aber auch vor Umsetzung der ZDRL eine Abgrenzung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit erforderlich, so dass die Rechtsprechung diesbezüglich weiterhin anzuwenden ist550. Unsicherheiten ergeben sich in Bezug auf die Auswirkungen auf die Rechtsscheinvollmachten sowie auf die Anwendbarkeit des Verschuldensmaßstabs auf andere Autorisierungsverfahren. Die Anscheins- und die Duldungsvollmacht könnten § 675v Abs. 2 BGB widersprechen.551
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Teilweise haftet der Zahler nach den AGB nur für grobe Fahrlässigkeit: BGH, Urteil vom 17. 10. 2000 – XI ZR 42/00-NJW 2001, 286. 550 Bezüglich des Verschuldensmaßstabs verweist die ZDRL ins nationale Recht, vgl. 2. Kapitel C. VI. 551 Maihold, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 55 Rn. 68.
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Zunächst ist die Zurechnung des Scheinvertreterverhaltens nach diesen Rechtsscheinvollmachten für Zahlungsdienste mit Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten und personalisierten Sicherheitsmerkmalen – wie beispielsweise dem OnlineBanking oder der EC-Kartenzahlung – bereits deshalb umstritten, da die objektiven Voraussetzungen der Rechtsscheinvollmachten nicht erfüllt seien. In Betracht kommen zwei Sachverhaltskonstellationen. Zum einen der Drittmissbrauch durch einen Unbekannten und zum anderen die Überschreitung der Vertretungsmacht durch einen Vertreter, dem der Zahler die Zahlungsauthentifizierungsinstrumente und personalisierten Sicherheitsmerkmale wissentlich in die Hand gegeben hat. Vorgebracht wird, es fehle daran, dass ein Vertreter aus dem Lager des Zahlers offenkundig handele.552 Außerdem trete dieser nicht mit der geforderten Dauerhaftigkeit und Häufigkeit auf.553 Ein offenkundiges Vertreterhandeln ist jedoch nicht zu fordern, denn das Handeln mit den vereinbarten Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten und personalisierten Sicherheitsmerkmalen erweckt für den Zahlungsdienstleister den Anschein, als agiere der Zahler selbst oder sein Vertreter.554 Ebenso wenig muss der Handelnde dem Lager des Zahlers zugerechnet werden können. Diesbezüglich kommt es auf die subjektiven Voraussetzungen der Kenntnis bzw. der fahrlässigen Unkenntnis des Zahlers an. Die für die Anscheinsvollmacht geforderte Dauer und Häufigkeit muss auch im Falle der Zahlungsdienste mit einem Zahlungsauthentifizierungsinstrument vorliegen.555 Gründe für deren Wegfall sind nicht ersichtlich. Insbesondere in Missbrauchsfällen durch unbekannte Dritte wäre es nicht gerechtfertigt, wenn der Zahler bei lediglich fahrlässiger Unkenntnis für das einmalige Handeln haftete. Somit sind die Rechtsscheinvollmachten grundsätzlich auf Zahlungsdienste mit Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten und personalisierten Sicherheitsmerkmalen anwendbar.556 Jedoch soll das neue Haftungssystem des § 675v Abs. 2 BGB dazu führen, dass die Rechtsscheinvollmachten nun nicht mehr anwendbar sind.557 Einen Ausschluss der Vertrauenshaftung des nationalen Rechts ordnet weder die ZDRL noch deren Umsetzung explizit an. Durch die Zurechnung mithilfe der Rechtsscheinvollmachten 552 Spindler, in: FS Nobbe, 2009, 215, 218; Recknagel, Vertrag und Haftung beim InternetBanking, 2005, 138. 553 Spindler, in: FS Nobbe, 2009, 215, 219; Recknagel, Vertrag und Haftung beim InternetBanking, 2005, 138. 554 Brückner, Online Banking, 2002, 76 ff. 555 Im Ergebnis ebenso Recknagel, Vertrag und Haftung beim Internet-Banking, 2005, 140. 556 Im Ergebnis ebenso: Gößmann/Bredenkamp, in: FS Nobbe, 2009, 93, 104 f.; KG, Urteil vom 29. 11. 2010 – 26 U 159/09-ZIP 2011, 1048, 1049; OLG Schleswig, Beschluss vom 19. 7. 2010 – 3 W 47/10-CR 2011, 52 (für das Online-Banking); vor allem bei Weitergabe der Zugangsdaten durch den Zahler an einen Dritten: Nobbe, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675u BGB Rn. 14; auch bei Kenntnis vom Phishing Angriff ist eine Anscheinsvollmacht möglich: Borges, NJW 2005, 3313, 3314. 557 Maihold, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 55 Rn. 68; Linardatos, BKR 2015, 96 ff.; erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Anscheinsvollmacht äußernd: BGH, Urteil vom 26. 1. 2016 – XI ZR 91/14-NJW 2016, 2024, 2029.
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könnte aber eine volle Haftung für einen Verschuldensmaßstab entstehen, der unter demjenigen der groben Fahrlässigkeit liegt. Das Verschuldenselement der Anscheinsvollmacht besteht darin, dass der Zahler bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt ein Handeln seines Scheinvertreters hätte erkennen und verhindern können.558 Dieser Sorgfaltsmaßstab entspricht der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten,559 welche der leichten Fahrlässigkeit – mit einem subjektiven Einschlag – zuzuordnen ist.560 Demnach scheint die Anscheinsvollmacht der unbeschränkten Haftung nach § 675v Abs. 2 BGB erst ab grober Fahrlässigkeit zu widersprechen. Eine auf der Vertrauenshaftung aufbauende Rechtsscheinhaftung ist aber schon mit einer die Risikoverteilung für einen bestimmten Bereich regelnden Schadensersatzhaftung nicht vergleichbar. Greift das Haftungssystem der Risikoverteilung im Schadensersatzrecht auch in Fällen, in denen eine direkte Zuweisung der Verantwortlichkeit nach keinem der Zurechnungsprinzipien explizit festgestellt werden kann (siehe § 675v Abs. 1 S. 1 BGB), so stellt die Anscheinsvollmacht gerade auf eine veranlasste Zurechnung rechtsgeschäftlichen Handelns nach dem Verschuldensprinzip ab. Die Frage des Vertreterhandelns ist stets derjenigen der schadensersatzrechtlichen Risikoverteilung vorgelagert561 und betrifft die ebenfalls von der ZDRL geregelte Frage der Autorisierung. Letztere ist formfrei möglich, so dass die Vorschrift zur Autorisierung (§ 675j BGB) einer Anscheinsvollmacht nicht entgegensteht. Diese unterschiedliche Bedeutung zeigt sich auch daran, dass der Verschuldensmaßstab in beiden Fällen einen anderen Bezugspunkt hat. Im Rahmen der Anscheinsvollmacht betrifft der Fahrlässigkeitsvorwurf das Handeln des Scheinvertreters. Die Pflichtverletzung besteht darin, dass der Zahler nicht gegen dieses Handeln einschreitet. Im Falle der Schadensersatzhaftung nach § 675v Abs. 2 BGB muss der Fahrlässigkeitsvorwurf dagegen einen Pflichtverstoß aus § 675l BGB oder einen AGB-Verstoß treffen. Das heißt, eine Pflichtverletzung auf die sich das Verschulden bezieht, liegt schon vor, während im Fall der Anscheinsvollmacht grundsätzlich noch keine Pflichtverletzung gegeben ist. Das Verschulden des Zahlers bezieht sich somit auf einen Zeitpunkt, der der Pflichtverletzung vorgelagert ist. Dies kann man höchstens dann anders sehen, wenn bereits in dem Vertreterhandeln eine Pflichtverletzung besteht.562 Dabei geht es aber um eine Frage der vertraglichen Ausgestaltung und nicht um die grundsätzliche Anwendbarkeit der Anscheinsvollmacht. In beiden Fällen wird der Zahlungsdienstleister des Zahlers geschützt. Dennoch variiert der Schutzzweck der Haftungsnormen. Die Haftung aufgrund der 558
Hopt, in: Baumbach/Hopt, 37. Aufl., Einl 6 vor § 48; ständige Rspr, BGH, Urt. v. 11. 5. 2011 @ VIII ZR 289/09-NJW 2011, 2421, 2422. 559 Schubert, in: MüKo, 7. Aufl., § 167 BGB Rn. 113. 560 Grundmann, in: MüKo, 7. Aufl., § 277 BGB Rn. 1 ff. 561 Vom zweistufigen Risikoverteilungsmodell spricht Mülbert, in: FS Canaris, 2007, 271, 279. 562 Vor allem im Online-Banking bestimmen die AGB, dass eine Weitergabe der personalisierten Sicherheitsmerkmale nicht zulässig ist, vgl. Bedingungen für das Online-Banking der Banken (Fassung von November 2009)/der Sparkassen (Fassung von Oktober 2009) 7.2 Abs. 1, abgedruckt in: BankR-HdB, 4. Aufl., Anl. zu §§ 52 – 55.
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Anscheinsvollmacht zielt auf den positiven Vertrauensschutz des Empfängers. Sie dient einem geordneten Rechtsverkehr und dem Bewusstsein rechtsgeschäftlichen Handelns. Die Schadensersatzhaftung gemäß § 675v Abs. 2 BGB dagegen bezweckt den Schadensausgleich des Zahlungsdienstleisters und beinhaltet ebenso wie die Gefährdungshaftung nach § 675v Abs. 1 BGB eine Anreizfunktion zum sorgfältigen Umgang mit den Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten. Nicht abzustreiten ist, dass letztendlich auch die Anscheinsvollmacht einen Anreiz zum sorgfältigen Umgang mit den Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten setzt. Dennoch sind die beiden Rechtsinstitute aus vorgenannten Gründen nicht vergleichbar, so dass eine Zurechnung des Zahlungsauftrags und der Autorisierung anhand der Anscheinsvollmacht bereits mit leichter Fahrlässigkeit nicht durch § 675v Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist.563 Relevant ist die Anscheinsvollmacht insbesondere im Fall des zulässigen Vertreterhandelns, da hier häufig keine Pflichtverletzung nach § 675l BGB bzw. den AGB vorliegen wird. Eine Haftung ohne Anscheinsvollmacht wäre ausgeschlossen. Aus Vertrauensschutzgesichtspunkten könnte ein solcher Haftungsausschluss jedoch nicht hingenommen werden. Die Duldungsvollmacht, welche erhöhte Anforderungen an den Verschuldensmaßstab stellt, nämlich ein willentliches Geschehenlassen der Vertretung voraussetzt,564 ist auch nicht mit der Schadensersatzhaftung nach § 675v Abs. 2 BGB vergleichbar. Zusätzlich stellt sich hier aber die Frage eines niedrigeren Verschuldensmaßstabs gar nicht, da der Vertretene weiß, dass ein anderer für ihn auftritt, woraus Dritte bei Anwendung der ihnen zuzumutenden Sorgfalt auf eine Vollmacht schließen dürfen.565 Dieses Wissen beinhaltet bereits ein Mehr im Vergleich zur groben Fahrlässigkeit. Fraglich ist, ob die volle Haftung des Zahlers erst ab grober Fahrlässigkeit im Fall des Missbrauchs auch bei anderen Autorisierungsverfahren, wie der Überweisung, dem Lastschriftverfahren oder dem Mail-Order-Verfahren greift. Die ZDRL steht der Fortgeltung nationalen Rechts nicht entgegen.566 Vor ihrer Umsetzung begann die Haftung bereits mit einfacher Fahrlässigkeit. Die Übertragung der Gefährdungshaftung wurde deshalb abgelehnt, da die Abweichung vom Verschuldensprinzip als Bestandteil des Gerechtigkeitsgebots nicht vom Gesetzgeber angeordnet ist. Dagegen wäre eine Verschuldenshaftung erst ab grober Fahrlässigkeit für den Zahler vorteilhaft, so dass über einen Wertungsgleichlauf diskutiert wird567. Sieht man in 563
Auch die Autorisierungsvorschriften, die Formfreiheit gewährleisten, stehen dem nicht entgehen, siehe 4. Kapitel B.I. 564 Hopt, in: Baumbach/Hopt, 37. Aufl., Einl 5 vor § 48; ständige Rspr, BGH, Urt. v. 11. 5. 2011 @ VIII ZR 289/09-NJW 2011, 2421, 2422. 565 Hopt, in: Baumbach/Hopt, 37. Aufl., Einl 5 vor § 48; ständige Rspr, BGH, Urt. v. 11. 5. 2011 @ VIII ZR 289/09-NJW 2011, 2421, 2422. 566 Siehe 2. Kapitel C. III. 567 Eher für einen Wertungsgleichlauf: Grundmann, WM 2009, 1109, 1114 Fußnote 30; für eine entsprechende Heranziehung des § 675v BGB, um Wertungswidersprüche zu vermeiden: Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675v BGB Rn. 5; Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 125;
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dem § 675v BGB jedoch ein sich wechselseitig bedingendes Haftungssystem aus betragsmäßig begrenzter Gefährdungshaftung und einer deshalb nur begrenzten Verschuldenshaftung568, so ist die Übertragung bloßer Einzelteile dieses Systems im Wege der Analogie ausgeschlossen. Demnach ist die alte Rechtsprechung auch in Bezug auf die Verschuldenshaftung weiterhin anwendbar. Ebensowenig sind die für die Zahlungsauthentifizierungsinstrumente festgelegten Pflichtenregelungen in §§ 675l, m BGB als Teil dieses Systems auf andere Zahlungsverfahren übertragbar,569 die vor allem die Nachfragepflicht, bevor das Zahlungsauthentifizierungsinstrument in den Machtbereich des Zahlungsdienstnutzers gelangt, ausschließen570. Die Rechtsprechung zur Nachfragepflicht bei fehlender Zusendung der Kontounterlagen ist weiterhin anwendbar.571 Im Fall des Mail-Order-Verfahrens erscheint es aber ungerechtfertigt, das Haftungssystem des § 675v BGB nicht anzuwenden. Mangels personalisierter Sicherheitsmerkmale kommt es zwar nicht zum Einsatz eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments, jedoch handelt es sich genau wie beim Online-Banking um die Installation eines Zahlverfahrens, welches wenig abgesichert und erheblichen Missbrauchsrisiken ausgesetzt ist. Dies würde eine Einschränkung der Verschuldenshaftung des Zahlers entsprechend § 675v Abs. 2 BGB rechtfertigen. Den Zahler hier bereits ab einfacher Fahrlässigkeit haften zu lassen, ist zudem aus Gründen des Innovationsanreizes zur Installation besonderer Sicherheitsmerkmale durch den Zahlungsdienstleister wenig praktikabel. Deshalb widerspricht es sich, eine Einschränkung des Haftungsmaßstabs für Systeme mit personalisierten Sicherheitsmerkmalen – wie auch im Mail-Order-Verfahren mit dem Secure Code – anzunehmen, für weniger sichere Systeme jedoch nicht. Für eine analoge Anwendung des § 675v Abs. 2 BGB müsste jedoch eine Regelungslücke vorliegen, die offensichtlich nicht gegeben ist. Die Definition des Zahlungsauthentifizierungsinstruments erfordert eindeutig ein personalisiertes Sicherheitsmerkmal.572 Außerdem existierte das Mail-Order-Verfahren auch zur Zeit der Umsetzung der ZDRL bereits, so dass die Regelungslücke nicht aus einer technischen Weiterentwicklung resultiert. De lege Nobbe, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675v BGB Rn. 9; gemeint ist wohl eine entsprechende Vereinbarung in den AGB, denn eine Fortgeltung des Haftungsmaßstabs nach § 280 Abs. 1 BGB wird nicht bestritten, ebenso wenig wird eine analoge Anwendung erwähnt; einer vertraglichen Vereinbarung des Haftungsmaßstabs des § 675v BGB mit Ausnahme der Garantiehaftung ist nicht zu widersprechen. 568 Vgl. hierzu: Grundmann, in: FS Schwark, 2009, 21. 569 Ebenso Piekenbrock, WM 2015, 797 ff.; siehe oben 4. Kapitel B. II. 3. 570 Vor Umsetzung der ZDRL war dies noch nicht hinreichend geklärt laut BVerfG, Beschluss vom 8. 12. 2009 – 1 BvR 2733/06-NJW 2010, 1129, 1130; in Ausnahmefällen im Rahmen der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB und der Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB ist aber eine Nachfragepflicht entsprechend KG, Beschluss vom 31. 10. 2005 – 12 U 112/05-NJW 2006, 381 anzunehmen; so auch Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675m BGB Rn. 16; a.A. Maihold, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 54 Rn. 56. 571 BGH, Urteil vom 25. 1. 1985 – III ZR 138/84-WM 1985, 511. 572 Siehe 2. Kapitel C. III.
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ferenda sollte aber zur Setzung von Innovationsanreizen an den Zahlungsdienstleister, ein sicheres System auszugestalten, das Mail-Order-Verfahren in das Haftungssystem des § 675v BGB integriert werden.573 Dies fördert die Akzeptanz des Verfahrens und schlussendlich durch die einfacher abzuwickelnden Online-Einkäufe den europäischen Binnenmarkt. Dogmatisch stellt § 675v BGB eine Koppelung von Gefährdungs- und Verschuldenshaftung dar und bildet dadurch ein neues europäisches Haftungssystem für die Missbrauchshaftung bei Zahlungsdiensten mit Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten.574 Da eine analoge Anwendung der Gefährdungshaftung nach dem Verschuldensprinzip als Teil des Gerechtigkeitsprinzips nicht möglich ist, kann auch der Rest dieses Haftungssystems nicht auf andere Zahlungsdienste übertragen werden. Das Mail-Order-Verfahren sollte jedoch de lege ferenda ebenfalls unter dieses Haftungssystem fallen, um durch die eingeschränkte Verschuldenshaftung Innovationsanreize zur sicheren Ausgestaltung eines relativ neuen Zahlverfahrens für den Zahlungsdienstleister zu schaffen und gleichzeitig die Zahler mit der Gefährdungshaftung zu sorgfältigem und vorsichtigem Verhalten anzuhalten. Außerdem würde eine haftungsrechtliche Gleichstellung des Mail-Order-Verfahrens seine Wettbewerbschancen im Vergleich zur EC-Kartenzahlung und Kreditkartenzahlung im Präsenzverfahren verstärken und so den E-Commerce Binnenmarkt stärken. Das neue Haftungssystem führt nicht so weit, dass die nach altem Zahlungsdiensterecht auf der Vertrauenshaftung gründende Rechtsscheinhaftung entfällt. 4. Anscheinsbeweis Da die nach dem neuen Haftungssystem für eine volle Haftung erforderliche grobe Fahrlässigkeit schwerer begründbar ist als die nach bisheriger Rechtslage ausreichende leichte Fahrlässigkeit,575 kommt es umso mehr auf die Frage an, ob der Anscheinsbeweis für grobe Fahrlässigkeit zulässig ist. Die ZDRL steht dem aufgrund ihrer Gesetzgebungsgeschichte nicht entgegen.576 Da § 675w BGB den Art. 59 ZDRL fast wortlautidentisch umsetzt – er spricht in § 675w S. 3 BGB auch davon, dass die Aufzeichnung des Zahlungsdienstleisters allein577 nicht notwendigerweise ausreicht – kann dieser entsprechend Art. 59 Abs. 2 ZDRL interpretiert werden. Demnach sind widerlegbare Beweiserleichterungen
573 Vgl. Art. 66 Abs. 1 UAbs. 2 S. 3 ZDRL-2-Vorschlag, der Zahlungen mittels eines Fernkommunikationsmittels, bei dem der Zahlungsdienstleister keine verstärkte Kundenauthentifizierung verlangt, von der Missbrauchshaftung des Zahlers ausnimmt. 574 Vgl. hierzu: Grundmann, in: FS Schwark, 2009, 21. 575 BGH, Urteil vom 24. 54. 2012 – XI ZR 96/11-WM 2012, 983 (zur leichten Fahrlässigkeit nach der alten Rechtslage). 576 Ebenso Casper/Pfeifle, WM 2009, 2343, 2347. 577 Art. 59 Abs. 2 ZDRL formuliert für sich gesehen.
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weiterhin zulässig.578 Wenn auch der EuGH die Auslegungshoheit hat, so ist doch von einer Rückverweisung ins deutsche Recht entsprechend seinem Urteil Freiburger Kommunalbauten auszugehen.579 Änderungen könnten sich jedoch aus dem neuen materiell-rechtlichen Haftungssystem nach § 675v BGB ergeben. Ein Anscheinsbeweis für leichte Fahrlässigkeit ist im Fall des Kartenverlusts nicht mehr relevant,580 da die Zufallshaftung nach § 675v Abs. 1 S. 1 BGB bereits eingreift, so dass ein Rückgriff auf die Haftung für leichte Fahrlässigkeit nach § 675v Abs. 1 S. 2 BGB gar nicht mehr erforderlich ist. Lässt man den Anscheinsbeweis aber im Online-Banking zu581, so erhält er auch für die leichte Fahrlässigkeit Bedeutung. Im Online-Banking582 ist ein Missbrauch möglich, ohne dass das Zahlungsauthentifizierungsinstrument abhandenkommt, so dass es auf die Feststellung leichter Fahrlässigkeit für die Haftung des Zahlers in Höhe von 150 E ankommt. Die herrschende Meinung geht allerdings davon aus, dass die Systeme nicht genügend Sicherheit aufweisen, um von einer typischerweise leichten Fahrlässigkeit auszugehen. Aufgrund der großen Dunkelziffer in diesem Bereich des Cybercrimes583 ist eine Anwendung des Anscheinsbeweises im OnlineBanking nicht zu befürworten. Abgesehen vom Online-Banking ist der Anscheinsbeweis nur noch für grobe Fahrlässigkeit relevant. Ob er hier gilt, war bereits nach dem deutschen Recht vor Umsetzung der ZDRL umstritten.584 Die Problematik soll im Folgenden nur kurz skizziert werden, da sie für die Feststellung einer Systemverschiebung irrelevant ist. Denn § 675w BGB bezieht sich auf deutsches Recht.585 578 OLG Dresden, Urteil vom 06. 02. 2014 – 8 U 1218/13 – juris Rn. 39; AG Hamburg, Urteil vom 28. 9. 2010 – 4 C 178/10-WM 2011, 498. 579 Siehe 2. Kapitel C. III. 580 Grundmann, WM 2009, 1157, 1163. 581 Umstritten, Einzelfallprüfung, zumindest für das mtan- und etan-Verfahren vertretbar nach Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675w BGB Rn. 20; dagegen: Maihold, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 55 Rn. 168; jetzt BGH, Urteil vom 26. 1. 2016 – XI ZR 91/14-NJW 2016, 2024, für eine Zulässigkeit des Anscheinsbeweises zur Feststellung der Autorisierung unter den Voraussetzungen, dass auf Grundlage aktueller Erkenntnisse die allgemeine praktische Unüberwindbarkeit des eingesetzten Sicherungsverfahrens sowie dessen ordnungsgemäße Anwendung und fehlerfreie Funktion im konkretenEinzelfall feststehen, gegen den Anscheinsbeweis zur Feststellung grober Fahrlässigkeit im Online Banking. 582 Ebenso im Mail-Order-Verfahren, § 675v Abs. 1 BGB ist hier jedoch nicht anwendbar. 583 Vgl. BKA, Bundeslagebild Cybercrime 2012, abrufbar unter: http://www.bka.de/nn_22 7456/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Cybercrime/cybercrime__node.html?__ nnn=true [13. 6. 2014]. 584 Dagegen: Grundmann, WM 2009, 1157, 1163; dafür: BGH, Urteil vom 5. 10. 2004 – XI ZR 210/03-NJW 2004, 3623. 585 Die Würdigung, ob die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis vorliegen oder ob er erschüttert ist, obliegt weiterhin nach § 286 ZPO im Rahmen der freien Beweiswürdigung den Gerichten, so OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. 7. 2012 – I-17 U79/11-NJW 2012, 3381, 3382; BTDrucks. 16/11643, 114.
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Der BGH hat in seinen Urteilen vom 5. 10. 2004586 und vom 29. 11. 2011587 entschieden, dass ein Anscheinsbeweis bezüglich des EC- bzw. Kreditkarteneinsatzes mit PIN zugunsten des Zahlungsdienstleisters greift. Der Einsatz einer Karte mit richtiger PIN-Eingabe zeitnah nach dem Diebstahl lasse nach einem typischen Geschehensablauf, von dem mit großer Wahrscheinlichkeit auszugehen sei, darauf schließen, dass die PIN auf der Karte notiert oder gemeinsam mit ihr verwahrt worden sei.588 Er betont, dass es sich hierbei nur um die Feststellung eines tatsächlichen Geschehens handelt, nicht dagegen um die Feststellung grober Fahrlässigkeit.589 Diese folge erst aus den AGB-Bestimmungen.590 Somit führt der Anscheinsbeweis nicht direkt zur Feststellung grober Fahrlässigkeit, so dass nicht eingewendet werden kann, er stelle auf subjektive Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit ab.591 Des Weiteren ist Voraussetzung des typischen Geschehens der Einsatz einer Originalkarte.592 Entkräften kann der Zahler diesen Beweis, indem er Tatsachen vorträgt, die eine andere Ursache nahelegen.593 Es ist umstritten, ob der Anscheinsbeweis auch für die Autorisierung gilt.594 Dies dürfte jedoch in den meisten Fällen nicht entscheidungserheblich sein, da häufig parallel ein Anscheinsbeweis bezüglich einer Pflichtverletzung greift.595 Auswirkungen kommen nur für Zahlungsvorgänge nach der Anzeige gemäß § 675l S. 2 BGB in Betracht, da bei Vorliegen einer Autorisierung keine Haftungsfreistellung erfolgt.596 Eine solche Belastung des Zahlers wäre jedoch vor dem Hintergrund, dass der Zahlungsdienstleister grundsätzlich das Missbrauchsrisiko trägt, ungerechtfertigt. Insgesamt handelt es sich bei dem neuen Haftungssystem für unautorisierte Zahlungsvorgänge um eine Mischung aus europäischem und deutschem System. § 675v BGB bildet für Zahlungsdienste mit einem Zahlungsauthentifizierungsinstrument ein europäisches System aus Gefährdungs- und Verschuldenshaftung. Für die anderen Zahlungsdienste gilt weiterhin der Haftungsmaßstab des § 280 Abs. 1 BGB. Der Gefährdungshaftung kommt kein Leitbildcharakter zu, da sie nicht die 586
BGH, Urteil vom 5. 10. 2004 – XI ZR 210/03-NJW 2004, 3623. BGH, Urteil vom 19. 11. 2011 – XI ZR 370/10-NJW 2012, 1277. 588 BGH, Urteil vom 5. 10. 2004 – XI ZR 210/03-NJW 2004, 3623. 589 BGH, Urteil vom 5. 10. 2004 – XI ZR 210/03-NJW 2004, 3623, 3625. 590 BGH, Urteil vom 5. 10. 2004 – XI ZR 210/03-NJW 2004, 3623, 3625. 591 Diese subjektiven Voraussetzungen sind einem Anscheinsbeweis nicht zugänglich, so Grundmann, in: MüKo, 7. Aufl., § 276 BGB Rn. 188 f. 592 BGH, Urteil vom 19. 11. 2011 – XI ZR 370/10-NJW 2012, 1277, die neuere Instanzrechtsprechung hält den Anscheinsbeweis aufgrund von Beweisvereitlung durch den Zahlungsdienstleister häufig für nicht anwendbar, hierzu kritisch: Günther, WM 2013, 496. 593 BGH, Urteil vom 5. 10. 2004 – XI ZR 210/03-NJW 2004, 3623, 3624. 594 Dagegen: Maihold, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 54 Rn. 47 ff.; dafür: OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. 5. 2008 – 17 U 170/07-WM 2008, 1549. 595 Maihold, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 54 Rn. 52. 596 Maihold, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 54 Rn. 52. 587
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Verschuldenshaftung als Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots im deutschen Schuldvertragshaftungsrecht durchbricht. Somit bildet das deutsche Recht hier weiterhin den Rahmen. Ebenso wenig wird der Grundsatz der Vertrauenshaftung durchbrochen, denn der auf der Veranlasserhaftung aufbauende Bereicherungsausgleich sowie die Rechtsscheinvollmachten sind weiterhin anwendbar. Ausfüllenden Charakter hat das deutsche Beweisrecht für § 675w BGB mit dem Anscheinsbeweis. Das Zusammenspiel der beiden Rechtssysteme erscheint in diesem Bereich nicht zu kompliziert. Allein die Zuständigkeit des EuGH für die endgültige Auslegung bereitet Sorgen, da bei fehlender Vorlage durch die nationalen Gerichte der Weg zur Rechtssicherheit erheblich verlängert wird. II. Erstattungsanspruch Mit § 675x BGB statuiert das Zahlungsdiensterecht einen Erstattungsanspruch des Zahlers für den Fall eines autorisierten Zahlungsvorgangs, der vom oder über den Zahlungsempfänger ausgelöst worden ist. In der Pull-Zahlung liegt das abzusichernde Risiko: Der Zahler hat nach Erteilung der Einzugsermächtigung bzw. des Abbuchungsauftrags keinen Einfluss mehr auf den Zeitpunkt und die Höhe der Lastschrifteinreichung durch den Zahlungsempfänger. § 675x Abs. 1 BGB regelt einen gesetzlichen Erstattungsanspruch, der vor allem auf die Kartenzahlungen Anwendung findet, während § 675x Abs. 2 BGB nur gesetzlich klarstellt, dass auch ein für den Zahlungsdienstnutzer vorteilhafterer (§ 675e Abs. 1 BGB), weil grundloser, Erstattungsanspruch zwischen den Parteien vereinbart werden darf.597 Grund für die explizite Zulassung des vertraglichen Rückerstattungsanspruchs war vor allem die Absicht, die Attraktivität des SEPA-Basislastschriftverfahrens dem deutschen EEV gleichzustellen.598 Der gesetzliche Erstattungsanspruch kann gemäß § 675x Abs. 3 BGB vertraglich abbedungen werden, vorausgesetzt der Zahler hat die Zustimmung unmittelbar seinem Zahlungsdienstleister erteilt und wurde, falls vereinbart, mindestens vier Wochen vor dem Fälligkeitstermin über den anstehenden Zahlungsvorgang unterrichtet. Für beide Erstattungsansprüche gilt eine Ausschlussfrist von acht Wochen (§ 675x Abs. 4 BGB). Das Verfahren ist in § 675x Abs. 5 BGB geregelt. § 675x Abs. 6 BGB stellt klar, dass im Fall der Lastschrift bei einer Genehmigung unmittelbar gegenüber dem Zahlungsdienstleister der gesetzliche Erstattungsanspruch nicht greift. Dies sollte vor allem 597
Zum Teil wird angenommen, die explizite gesetzliche Zulassung eines solchen Anspruchs sei aufgrund seiner negativen Auswirkung auf den Zahlungsempfänger erforderlich gewesen, so Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675x BGB Rn. 8; dagegen ist jedoch einzuwenden, dass die §§ 675c ff. BGB lediglich das Deckungsverhältnis regeln und es deshalb grundsätzlich nicht auf die Beziehung zum Zahlungsempfänger ankommt, so Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675x BGB Rn. 7; i.E. Omlor, in: Staudinger, § 675x BGB Rn. 13. 598 Erwägungsgrund (33) ZDRL; Omlor, in: Staudinger, § 675x BGB Rn. 3; die ZDRL-2 geht noch weiter und statuiert für Verbraucher einen bedingungslosen Erstattungsanspruch für Lastschriften in Euro (Art. 76 Abs. 1 UAbs. 3 ZDRL-2).
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das EEVausschließen, das in seiner nicht-autorisierten Form seit der AGB-Änderung für die Lastschriftverfahren der Kreditwirtschaft zum 9. 7. 2012 nicht mehr zur Anwendung kommt. Die Regelung ist damit überflüssig ist.599 § 675x Abs. 1 BGB statuiert einen abdingbaren (§ 675x Abs. 3 BGB) gesetzlichen Erstattungsanspruch des Zahlers gegen seinen Zahlungsdienstleister für den Fall, dass er bei der Autorisierung nicht den genauen Betrag angegeben hat und der Zahlungsbetrag den Betrag übersteigt, den der Zahler entsprechend seinem bisherigen Ausgabeverhalten, den AGB und den jeweiligen Umständen des Einzelfalls hätte erwarten können. Daraus folgt eine neue Prüfpflicht des Zahlungsdienstleisters, der nun die Höhe mit dem bisherigen Ausgabeverhalten sowie den sonstigen Umständen vergleichen muss.600 Die Regelung ist rechtspolitisch fragwürdig, da für die Überprüfung Umstände aus dem Valutaverhältnis für den Zahlungsdienstleister relevant sind,601 die ihn gerade nicht belasten sollten.602 Er sollte nicht die Funktion eines Schiedsrichters für Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien einnehmen. Außerdem widerspricht die Prüfpflicht der Schnelligkeit und Rationalisierung des Zahlungsverkehrs, welche von der ZDRL bezweckt sind. Es ist fragwürdig, weshalb eine Kontoaufrufprüfung603 entfallen soll, eine Prüfpflicht für die Höhe der Transaktion bei pauschal autorisierten Pull-Zahlungen aber gesondert eingeführt wird. Denn bei pauschalierten Autorisierungen ist sich der Zahler grundsätzlich der Gefahr einer Autorisierung bewusst, während er in dem Fall, in dem er die falsche Kontonummer angibt, lediglich irrtümlich handelt. Aufgrund der Abdingbarkeit – von der die Zahlungsdienstleister für das AAV sowie für die SEPA-Firmenlastschrift in ihren Bedingungen Gebrauch gemacht haben – kommt es in der Praxis der Lastschriftzahlung zu keiner Änderung. Für die pauschale Kreditkartenzahlung kann der Erstattungsanspruch nach § 675x Abs. 1 BGB aber nicht vertraglich ausgeschlossen werden, denn die Zustimmung wird nicht unmittelbar gegenüber dem Zahlungsdienstleister erteilt604. Somit ist die Vorschrift für Kreditkartenzahlungen von Verbrauchern zwingend605 und ändert das gesetzliche Leitbild hin zu einer Prüfpflicht bezüglich der Ausgabenhöhe. Eine solche ist dem deutschen Zahlungsdiensterecht grundsätzlich aufgrund des Massencharakters des Zahlungsverkehrs fremd. Sie folgt aus europäischem Recht. Dagegen kann § 675x Abs. 2 BGB nicht das gesetzliche Leitbild ändern, denn er stellt lediglich klar, dass auch ein vertraglicher grundloser Rückerstattungsanspruch 599
Omlor, in: Staudinger, § 675x BGB Rn. 1. Grundmann, WM 2009, 1157, 1160. 601 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675x BGB Rn. 13. 602 Ebenso Lohmann, Die grenzüberschreitende Lastschrift, Rechtsfragen auf dem Weg zu einem europäischen Lastschriftverfahren, 2008, 182. 603 Siehe 4. Kapitel C. II. 604 Omlor, in: Staudinger, § 675x BGB Rn. 9. 605 Für Unternehmen ist § 675x BGB insgesamt bereits nach § 675e Abs. 4 BGB abdingbar; gegen eine Unterscheidung der Schutzbedürftigkeit von Verbrauchern und Unternehmern, Ellenberger, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675x BGB Rn. 12. 600
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zulässig ist. Die Entwicklung des Zahlungsdiensterechts führt aber in Richtung eines grundlosen Erstattungsanspruchs als Leitbild im Lastschriftverfahren, da er nach der ZDRL-2 gesetzlich vorgeschrieben werden soll. Der Erstattungsanspruch ist als eine Garantiehaftung des Zahlungsdienstleisters für acht Wochen zu qualifizieren, denn grundsätzlich trägt er das Missbrauchsrisiko durch den Zahlungsempfänger. Er hat zwar aus den Interbankenvereinbarungen einen entsprechenden Anspruch gegen die Inkassostelle, dessen Ausschlussfrist mit der Achtwochenfrist aus § 675x Abs. 3 BGB gleichläuft.606 Letztendlich trifft ihn aber das Insolvenzrisiko des Inkassoinstituts607. Vor der AGB-Änderung für die Lastschriftverfahren zum 9. 7. 2012 kam noch das alte EEV zur Anwendung, dessen größter Unterschied zur SEPA-Basislastschrift in der unautorisierten Belastungsbuchung durch den Zahlungsdienstleister des Zahlers lag. Nach den Verfahrensbedingungen ermächtigte der Zahler den Gläubiger zum Einzug, seinen Zahlungsdienstleister jedoch nicht. Ein Aufwendungsersatzanspruch konnte erst mit Genehmigung entstehen.608 Folglich hatte der Zahler ein Widerspruchsrecht gegen die Belastungsbuchung. Dieses war in den AGB für einen Zeitraum von sechs Wochen vorgesehen, aber im Fall der weiterhin fehlenden Autorisierung auch noch danach zulässig. Dogmatisch handelte es sich gleichzeitig um die Verweigerung der Genehmigung und um die Geltendmachung des Berichtigungsanspruchs,609 der nun in § 675u S. 2 BGB geregelt ist. Der Erstattungsanspruch nach § 675x Abs. 2 BGB i.V.m. mit den Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Basislastschriftverfahren ist dogmatisch aber gerade nicht mit einer fehlenden Autorisierung zu begründen, da er eine Autorisierung voraussetzt. Genauso wenig stellt er eine Verlängerung des Widerrufsrechts nach § 675p BGB dar,610 denn das Widerrufsrecht ist in §§ 675j Abs. 2 S. 1, 675p BGB abschließend geregelt. Zudem lässt die Rechtsfolge des Erstattungsanspruchs nicht die Autorisierung entfallen.611 Seinen Voraussetzungen nach ist der Erstattungsanspruch auch nicht mit sonstigen Gestaltungsrechten des BGB wie der Anfechtung oder dem Rücktritt vergleichbar. Vielmehr begründet er einen selbst606 SEPA Core Direct Debit Scheme Rulebook, Version 7.2, PT 04.16; abrufbar unter: http:// www.europeanpaymentscouncil.eu/index.cfm/knowledge-bank/epc-documents/sepa-directdebit-core-rulebook-version-70/ [Stand: 12. 10. 2016]. 607 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675x BGB Rn. 25. 608 BGH, Urteil vom 14. 2. 1989 – XI ZR 141/88-NJW 1989, 1672, 1673; BGH, Urteil vom 20. 7. 2010 – XI ZR 236/07-NJW 2010, 3515. 609 Ellenberger, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 58 Rn. 62. 610 BGH, Urteil vom 20. 7. 2010 – XI ZR 236/07-NJW 2010, 3510 Rn. 20; Ellenberger, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675x BGB Rn. 13; Nobbe, WM Sonderbeilage Nr. 3 zu Heft 49/2013, 16; Omlor, in: Staudinger, § 675x BGB Rn. 4; Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675x BGB Rn. 2; von einem Widerspruch sprechend Grundmann, WM 2009, 1157, 1160; es handele sich um ein verlängertes girovertragliches Recht zum Widerruf, Obermüller/Kuder, ZIP 2010, 349, 354. 611 Ellenberger, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675x BGB Rn. 13.
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ständigen Anspruch,612 dessen Funktion derjenigen der Geltendmachung eines unberechtigten Belastungsanspruchs sehr nahe kommt. Die Vergleichbarkeit zu dem in § 675u S. 2 BGB normierten Erstattungsanspruch wird insbesondere auch in der Diskussion um die Anwendbarkeit des § 675x Abs. 1 BGB auf den Blankettmissbrauch im Kreditkartenverfahren deutlich. Hier wird vertreten, dass § 675x Abs. 1 BGB und § 675u BGB in Anspruchskonkurrenz zueinander treten.613 Dies zeigt: Der Erstattungsanspruch widerspricht der grundsätzlichen Dogmatik des Auftragsrechts, nach der eine Erstattung nur im Fall des Fehlens einer Autorisierung bzw. der fehlerhaften Ausführung (§ 667 BGB) erfolgt. Grund für die Durchbrechung dieser Dogmatik ist die Optimierung des Lastschriftverfahrens, das durch eine vorherige Autorisierung insolvenzfest wird614 und für den Gläubiger sowie die Zahlungsdienstleister im Interbankenverhältnis nach acht Wochen Rechtssicherheit schafft. Der voraussetzungslose Erstattungsanspruch erinnert an die aus dem europäischen Recht stammenden voraussetzungslosen Widerspruchsrechte im Haustür- und Fernabsatzgeschäft. Zum einen erfordern diese ebenfalls keinen Grund und sind zeitlich befristet, zum anderen zielen sie ebenso auf eine Rückgängigmachung der spezifischen Leistung auf Verlangen desjenigen Vertragspartners, der diese Leistung durch Eingehen eines Vertragsverhältnisses gerade verursacht hat. Die hinter diesen Regelungen stehenden Wertungen sind jedoch nicht mit denjenigen hinter dem Erstattungsanspruch zu vergleichen. Im Haustür- und Fernabsatzgeschäft gründen die Widerrufsrechte auf einer aus der Absatz- und Vertriebsform folgenden Spezifität. Im SEPA-Basislastschriftverfahren ist bei der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs eine solche nicht betroffen. Die die Regelung rechtfertigende Besonderheit findet sich zum einen in der Art und Weise der Verfahrensumstellung. Diese wurde vom Zahlungsdienstleister veranlasst. Die Ausgestaltung des Verfahrens ist den Zahlern, insbesondere den Verbrauchern, meist gar nicht bewusst, denn die plötzliche Einführung der Vorabautorisierung wirkt sich auf den tatsächlichen Erklärungsvorgang nicht aus, sondern erfolgt allein durch die aufgrund der geänderten AGB erweiterte Auslegung desselben Erklärungsvorgangs. Damit rechtfertigt der Schutz des Zahlers in dieser Verfahrensumstellung bereits den Erstattungsanspruch. Zudem stehen wirtschaftliche Erwägungen der Kreditwirtschaft hinter der Regelung. Die SEPA-Basislastschrift hätte sich – sieht man von der BGH-Rechtsprechung und der daraufhin erfolgten AGB-Änderung für Zahlungen mittels des EEV ab – gegenüber dem deutschen EEV ohne Rückerstattungsanspruch nicht durchgesetzt. Zum Schutz des Zahlers ist die Einführung eines solchen gesetzlichen Rückerstattungsanspruchs im Zuge der Reform der ZDRL dringend zu empfehlen, besteht doch seit der verbindlichen Einführung der SEPA-Basislastschrift ab August 2014 auch im Inlandzahlungsverkehr keinerlei Wettbewerb mehr zwischen den 612
Siehe Fußnote 610. Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675x BGB Rn. 10; dagegen: Ellenberger, in: Ellenberger/ Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675x BGB Rn. 16. 614 BGH, Urteil vom 20. 7. 2010 – XI ZR 236/07-NJW 2010, 3510. 613
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
Lastschriftverfahren, so dass ein Machtmissbrauch der Kreditwirtschaft in dem Sinne denkbar wäre, dass ein Erstattungsanspruch aus den AGB gestrichen wird. Nicht gerechtfertigt werden kann die Garantiehaftung des Zahlungsdienstleisters nach den Grundsätzen des Vollmachtmissbrauchs. Denn im Fall der berechtigten Einzugsermächtigung liegt eine Vollmacht in Form des Mandats vor, lediglich das Innenverhältnis ist überschritten. Ebenso wenig handelt es sich in jedem Fall um ein kollusives Zusammenwirken zwischen dem Zahlungsempfänger und seinem Zahlungsdienstleister.615 Aber die von den Zahlungsdienstleistern geschaffene Gefahr des Systems rechtfertigt die Einführung des Erstattungsanspruchs. Dieses basiert darauf, dass der Zahler gegenüber dem Gläubiger die Einzugsermächtigung und die Weisung an seinen Zahlungsdienstleister gleichzeitig erteilt, auf den weiteren Hergang des Verfahrens aber keinen Einfluss mehr hat. Das Risiko der Ermächtigungsüberschreitung ist somit vom Systembetreiber veranlasst.616 Des Weiteren ist der Erstattungsanspruch vor dem Hintergrund einer informierten Entscheidung des Zahlers – quasi als Verlängerung der Informationsregelungen des neuen Zahlungsdiensterechts – zu befürworten. Da der Erstattungsanspruch aber grundlos besteht, kommt eine missbräuchliche Geltendmachung wie beim Widerspruch des Zahlers gegen den nicht genehmigten Lastschrifteinzug in Betracht. Liegen eine Einzugsermächtigung sowie ein schuldrechtlicher Anspruch aus dem Valutaverhältnis vor und macht der Zahler seinen Erstattungsanspruch aus § 675x Abs. 2 BGB i.V.m. mit den AGB für die Lastschriftverfahren ohne anerkennenswerte Gründe – wie beispielsweise der Durchsetzung von Gegenrechten – geltend, handelt er missbräuchlich.617 Deshalb hatte nach altem Recht der Gläubiger gegen den Schuldner einen Anspruch sowohl aus einer Vertragspflichtverletzung als auch aus § 826 BGB. War der Anspruch der Inkassobank gegen den Gläubiger nicht durchsetzbar, konnte die Inkassobank zum einen einen Anspruch aus abgetretener Forderung gegen den Schuldner geltend machen und zum anderen Ansprüche aus § 826 BGB618 und § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB gegen ihn erheben, wenn dieser betrügerisch handelte. Fraglich ist, ob diese Ansprüche weiterhin bestehen, führen sie doch im Ergebnis dazu, dass der Erstat615 Zu den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht im Bankvertragsrecht: Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rn. 170. 616 Auch im Interbankenverhältnis statuiert das Lastschriftabkommen und das Rulebook zum Direct Debit Verfahren eine Veranlasserhaftung, die darin liegt, dass der Zahlungsdienstleister des Gläubigers, der den Gläubiger zu dem Verfahren zugelassen hat, grundsätzlich das Risiko trägt. 617 Schwierig ist, die Missbräuchlichkeit abstrakt zu bestimmen, dazu mit einzelnen Beispielen Ellenberger, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 58 Rn. 90 ff.; BGH, Urteil vom 21. 4. 2009 – VI ZR 304/07-NJW-RR 2009, 1207, 1209 (Lastschriftreiterei ist missbräuchlich); Urteil vom 15. 6. 1987 – II ZR 301/86-NJW 1987, 2370 (Widerspruch zur Übertragung des Insolvenzrisikos auf den Gläubiger ist missbräuchlich). 618 BGH, Urteil vom 21. 4. 2009 – VI ZR 304/07-NJW-RR 2009, 1207.
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tungsanspruch seine Wirkung verliert. Die Ansprüche des Gläubigers resultieren aber allein aus dem Valutaverhältnis, das die ZDRL gerade nicht regelt, so dass diese weiterhin anwendbar sind619. Ebenso verhält es sich mit der sicherungshalber abgetretenen Forderung der Inkassobank. Die Ansprüche aus § 826 BGB sowie § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB haben ihren Grund ebenfalls im Valutaverhältnis, beispielsweise in der Verabredung eines Verfahrensmissbrauchs zwischen Schuldner und Gläubiger und sind auch im EU-Recht über die Rechtsmissbrauchsschranke anzuwenden. Wirkt die Schuldnerbank an der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs zu ihrem eigenen Vorteil und zu Lasten des Gläubigers bzw. der Inkassobank mit, hatten letztere jeweils einen Anspruch nach § 826 BGB.620 Die Inkassobank konnte zusätzlich aus § 280 BGB i.V.m. dem Lastschriftabkommen gegen die Schuldnerbank vorgehen. § 675x Abs. 5 S. 3 BGB, der eine Ablehnung des Erstattungsanspruchs und damit eine Prüfpflicht des Zahlungsdienstleistes des Zahlers ausdrücklich verbietet, widerspricht dem nicht. Die aktive Beteiligung an einem Missbrauch erfordert keine gesonderte Prüfung der Zulässigkeit der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs mehr. Das Wissen über den Missbrauch ist bereits aktiv vorhanden. Der Grund dieser Ansprüche, die missbräuchliche Geltendmachung des Erstattungsanspruchs, findet sich wiederum im Valutaverhältnis. Demnach ist die Rechtsprechung zum Missbrauch des Erstattungsanspruchs mit Umsetzung der ZDRL weiterhin anwendbar.621 Fraglich ist, ob der Erstattungsanspruch auch auf das Mail-Order-Verfahren angewendet werden sollte. Eine Anwendung aufgrund der ergänzenden Vertragsauslegung, die Bitter befürwortet,622 ist abzulehnen. Er begründet diese mit dem Verstoß gegen das auftragsrechtliche Grundprinzip, das einen Widerruf solange zulässt, bis der Beauftragte Dispositionen getroffen hat. Dieses Grundprinzip ist aber mit § 675p BGB durchbrochen.623 § 675p BGB rückt dagegen den Vertrauensschutz des Empfängers in den Vordergrund, dem ein Erstattungsanspruch aufgrund der nur auflösend bedingten Erfüllung im Valutaverhältnis entgegensteht. Der Erstattungsanspruch ist aber schon nicht als Widerrufsrecht zu klassifizieren, so dass die hinter dem Widerrufsrecht stehenden Wertungen gar nicht herangezogen werden können. Vielmehr überlässt es das Wertungssystem des § 675x BGB der Parteivereinbarung, einen Erstattungsanspruch vorzusehen.624 Fraglich ist, ob eine besondere Rechtfertigung
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352.
Nobbe, WM Sonderbeil. Nr. 3 zu Heft 49/2012, 22; Obermüller/Kuder, ZIP 2010, 349,
620 Zum Anspruch des Gläubigers gegen die Schuldnerbank nach § 826 BGB: BGH, Urteil vom 29. 5. 2001 – VI ZR 114/00-NJW 2001, 2632; BGH, Urteil vom 15. 6. 1987 – II ZR 301/86NJW 1987, 2370. 621 A.A. Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR II 378. 622 Bitter, WM 2010, 1773. 623 Siehe 4. Kapitel C. I. 3. 624 Für die Lastschrift ist § 675x Abs. 2 BGB anzuwenden; grundsätzlich kann ein solcher aber auch für andere Zahlungsdienste vereinbart werden, da er für den Zahlungsdienstnutzer
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
nicht auch im Mail-Order-Verfahren gegeben ist, so dass im Zuge der europäischen Gesetzgebung ein Erstattungsanspruch auch für dieses Verfahren eingeführt werden sollte. Zunächst kann ein Erstattungsanspruch nicht mit der bestehenden Ungleichbehandlung von Lastschrift und Kreditkartenzahlung gerechtfertigt werden. Es ist den Vertragsparteien überlassen, welches Verfahren sie anbieten und auswählen.625 Für einen gesetzlichen Erstattungsanspruch im Mail-Order-Verfahren könnte jedoch sprechen, dass sich im Missbrauch des Verfahrens gerade die vom Zahlungsdienstleister veranlasste Gefahr realisiert. Er hat dieses System gemeinsam mit dem Vertragsunternehmen zugelassen und sollte somit auch für dessen Sicherheit gegenüber dem Zahler verantwortlich sein und zu einer sicheren Ausgestaltung angehalten werden.626 Gegen einen grundlosen Erstattungsanspruch ist aber einzuwenden, dass es sich bei der Einführung eines gesetzlichen Erstattungsanspruchs für das Mail-Order-Verfahren um eine Einzelfallregelung handelt, deren Erforderlichkeit schnell entfallen könnte. Denn anders als im Lastschriftverfahren, in dem das Missbrauchsrisiko von dem Zahlungsdienstleister nicht durch bestimmte Sicherheitsvorkehrungen ausgeschlossen werden kann, besteht eine solche Möglichkeit im Mail-Order-Verfahren, wie die Entwicklung des MasterCard SecureCodes zeigt. Vorzugswürdiger ist deshalb de lege ferenda die Anwendung der Schadensersatzhaftung nach § 675v BGB entsprechend der Kreditkartenzahlung im Präsenzgeschäft.627 Zum einen fügt sich eine abstrakte Haftungsausgestaltung dogmatisch besser in das System der Zahlungsdienste ein als ein auf den Einzelfall bezogener grundloser Erstattungsanspruch, der nicht im System des Zahlungsdiensterechts verankert ist, sondern sich lediglich aus den Einzelheiten des Zahlverfahrens rechtfertigt628. Zum anderen sind auch die Anreizwirkungen bei einer differenzierten Schadensersatzhaftung stärker. Letztere hält durch die Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit nach § 675v Abs. 2 BGB nicht nur den Zahlungsdienstleister dazu an, die Systemsicherheit zu verbessern, sondern auch den Zahler dazu, mit seinen Daten sorgfältig umzugehen. Deshalb ist die Ausdehnung des Erstattungsanspruchs auf das Mail-Order-Verfahren abzulehnen. Eine Leitbildänderung statuiert § 675x Abs. 1 BGB, der eine Prüfpflicht bezüglich der Höhe des Ausgabeverhaltens der Zahler einführt, welche aus europäischem Recht folgt. Der Erstattungsanspruch aus § 675x Abs. 2 BGB i.V.m. den AGB für Zahlungen mittels Lastschrift im SEPA-Basislastschriftverfahren stellt eine dem deutschen Auftragsrecht dogmatisch fremde Konstruktion dar, die aber in ihrer vorteilhaft ist (§ 675e Abs. 1 BGB) und das Valutaverhältnis zum Zahlungsempfänger gerade nicht von der ZDRL geregelt ist. 625 Omlor, in: Staudinger, § 675x BGB Rn. 15 ff. 626 Ebenso: Casper/Pfeifle, WM 2009, 2343, 2349. 627 Siehe 4. Kapitel D. I. 3. 628 Der ZDRL-2-Vorschlag begründet den gesetzlichen Erstattungsanspruch mit der Angleichung an das SEPA Core DirectX Debit Rulebook, S. 14.
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Funktion dem früheren Widerspruchsrecht im Einzugsermächtigungsverfahren gleichkommt. Sie widerspricht nicht der Anwendung vertraglicher und deliktischer Schadensersatzansprüche der Beteiligten beim Missbrauch des Erstattungsanspruchs, da die Verschuldensgründe der Schadensersatzansprüche im Valutaverhältnis liegen. Derzeit basiert der Erstattungsanspruch jedoch noch auf einer vertraglichen Vereinbarung, so dass nicht von einer gesetzlichen Leitbildverschiebung gesprochen werden kann. Das bedingungslose Erstattungsrecht der ZDRL-2 ist aufgrund des eingeschränkten Verfahrenswettbewerbs im Lastschriftverkehr zu befürworten. III. Haftung bei nicht erfolgter oder fehlerhafter Ausführung § 675y BGB regelt die Leistungsstörungen des Zahlungsdiensterechts und bestimmt eine Garantiehaftung der Zahlungsdienstleister für die Nicht- und Schlechtleistung, nämlich die nicht erfolgte und fehlerhafte Ausführung. Ebenso wie für § 675x BGB ist eine autorisierte Zahlung Voraussetzung. Gerichtet ist der Anspruch auf Erstattung des Zahlungsbetrags in der Form der valutagerechten Wertstellung im Fall einer bereits erfolgten Belastungsbuchung (§ 675y Abs. 1 S. 2 BGB). § 675y Abs. 1 BGB erfasst Push-Zahlungen, während § 675y Abs. 2 BGB auf Pull-Zahlungen anzuwenden ist. Die Regelungen enthalten eine klare Grenzziehung zwischen der Haftung des Zahlungsdienstleisters des Zahlers und derjenigen des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers. Ersterer haftet bis zum Eingang des Zahlungsbetrags auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers (§ 675y Abs. 1 S. 1, 4 BGB). Letzterer verantwortet bei Pull-Zahlungen die Übermittlung des Zahlungsauftrags (§ 675y Abs. 2 S. 1 BGB) sowie ab Eingang des Zahlungsbetrags auf seinem Konto dessen Gutschrift und Wertstellung auf dem Konto des Zahlungsempfängers (§ 675y Abs. 1 S. 4 BGB, § 675t Abs. 1, 2 BGB). Für beide Arten der Zahlungsdienste besteht ein gesonderter Anspruch des Zahlungsempfängers auf Erstattung abgezogener Entgelte (§ 675y Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 3 BGB). Zudem bestimmt § 675y Abs. 4 BGB, dass die Ansprüche der Zahlungsdienstnutzer aus § 675y Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, 2 BGB auch auf die Erstattung von Entgelt und Zinsen gerichtet sind.629 § 675y Abs. 3 S. 1 BGB stellt klar, dass im Fall der fehlerhaften Kundenkennung keine Haftung wegen fehlerhafter Ausführung besteht. Zusätzlich enthält § 675y Abs. 5 BGB eine Auskunftspflicht des erstbefassten Zahlungsdienstleisters. Er hat auf Verlangen seines Zahlungsdienstnutzers den Zahlungsvorgang nachzuvollziehen und ihn über das Ergebnis zu unterrichten. Dogmatisch handelt es sich bei der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 675y Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 BGB um einen Herausgabeanspruch nach § 667 Alt. 1 BGB,630 da aufgrund nicht erfolgter oder fehlerhafter Ausführung der Auf629 Sprau, in: Palandt, 75. Aufl, § 675y BGB Rn. 9, § 675y Abs. 4 BGB setzt ein Bestehen der Ansprüche aus § 675y Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, 2 BGB voraus. 630 Omlor, in: Staudinger, § 675y BGB Rn. 6.
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wendungsersatzanspruch nach §§ 675c, 670 BGB entfällt631. Dieser Herausgabeanspruch war schon vor Umsetzung der ZDRL und Überweisungsrichtlinie verschuldensunabhängig und stellte somit eine Garantiehaftung des Beauftragten dar. Möglich war jedoch eine Minderung oder ein vollständiger Wegfall aufgrund von Mitverschulden des Zahlungsdienstnutzers über § 254 BGB632 sowie nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, beispielsweise wenn trotz fehlerhafter Ausführung das Interesse des Auftraggebers nicht verletzt oder der Zweck erreicht war.633 Auch die Umsetzung der Überweisungsrichtlinie enthielt eine Garantiehaftung. Diese bestand in einer verschuldensunabhängigen Haftung für eine verspätete Überweisung (§ 676b Abs. 1 BGB a. F.), für eine gekürzte Überweisung (§ 676b Abs. 2 BGB a.F.) sowie für die Nichtausführung einer Überweisung (§ 676b Abs. 3 BGB a.F.). Die ZDRL weitet diese Garantiehaftung aus. Diese Erweiterung wird zunächst an der Erweiterung des Anwendungsbereichs der ZDRL deutlich, der nicht allein für die Überweisung, sondern auch für Push-Zahlungen gilt. Zudem erfasst § 675y BGB mehr Fälle der Schlechtleistung als § 676b BGB a.F. Dieser regelte die Garantiehaftung allein für die Zinsen bei verspäteter Überweisung und für die gekürzte Überweisung. Ein verschuldensunabhängiger Erstattungsanspruch für die Verzögerung bestand nicht. Ob § 676y Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 2 S. 2 BGB einen solchen Anspruch erfasst ist, ist höchst umstritten.634 Dafür spricht zunächst der Wortlaut, der mit der fehlerhaften Ausführung auch eine Verzögerung erfasst.635 Zudem schließt § 675y Abs. 1 S. 4 BGB den Erstattungsanspruch nur für den Nachweis eines rechtzeitigen und ungekürzten Eingangs des Zahlungsbetrags auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers aus, so dass die Verzögerung eine Haftung impliziert.636 Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass in den meisten Fällen im Ergebnis das Valutaverhältnis erfüllt ist. Die Rechtsfolge einer Erstattung entspricht nicht den Interessen der Parteien.637 Außerdem entspricht sie nicht dem
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Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 3. Aufl., BankR II 387. BGH, Urteil vom 3. 10. 1989 – XI ZR 163/88-NJW 1990, 250, 251. 633 BGH, Urteil vom 27. 9. 2005 – XI ZR 216/04-NJW-RR 2006, 61, 63; BGH, Urteil vom 8. 10. 1991 – XI ZR 207/90-NJW 1991, 3208, 3209. 634 Dafür: Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675y BGB Rn. 3; Ellenberger, in: Ellenberger/ Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675y BGB Rn. 6; Omlor, in: Staudinger, § 675y BGB Rn. 4; Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 45; Hopt, in: Baumbach/Hopt, 37. Aufl., (7) Bankgeschäfte Rn. C/55; Franck/Massari, WM 2009, 1117, 1121; dagegen: Grundmann, WM 2009, 1109, 1116; Schwintowski, Bankrecht, 4. Aufl., Rn. 311. 635 Vgl. Art. 80 ZDRL-2-Vorschlag, der eine verzögerte Ausführung explizit erfasst und dem Zahler interessengerecht wahlweise an Stelle des Herausgabeanspruchs eine fristgerechte Wertstellung zuspricht. 636 Omlor, in: Staudinger, § 675y BGB Rn. 4. 637 Herresthal, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, 5. Kapitel, § 675y BGB Rn. 10a. 632
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gesetzgeberischen Willen. Der Gesetzgeber geht in seiner Gesetzesbegründung davon aus, dass der Verzögerungsschaden nicht erfasst ist.638 Eine systemgerechte Einordnung der Verzögerung spricht aber dafür, einen Erstattungsanspruch nach § 675y Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 2 S. 2 BGB zuzulassen, da es der abstrakten und weitgefassten Vorschrift des § 675y BGB widersprechen würde, nicht alle Störungen des Zahlungsvorgangs zu regeln. Dafür spricht auch die richtlinienkonforme Auslegung.639 Die Fälle der Rückerstattung sind abschließend und detailliert in § 675y BGB neu gefasst,640 was insbesondere § 675y Abs. 1 S. 3 BGB deutlich macht, der für den Fall eines Entgeltabzugs den Zahlungsdienstleister des Zahlers dazu verpflichtet, diesen Betrag dem Zahlungsempfänger zu übermitteln, anstatt wie zuvor dem Zahler ein Wahlrecht einzuräumen (§ 676b Abs. 2 BGB a.F.). Zudem würde die Voraussetzung eines Verschuldens des Zahlungsdienstleisters für einen Erstattungsanspruch nichts daran ändern, dass die Rechtsfolge der Erstattung des Zahlungsbetrags den Interessen der Vertragsparteien nicht entspricht. Ist dem Zahlungsdienstleister Verschulden vorzuwerfen, da dieser zur Erlangung von Zinsvorteilen eine summenmäßig hohe Überweisung erst verspätet ausführt, kann genauso gut im Valutaverhältnis Erfüllung eintreten, ohne dass das Interesse des Zahlers beeinträchtigt ist. Somit ist es systemgerechter, den Verzögerungsschaden mit allen anderen Störungen der Ausführung des Zahlungsvorgangs unter § 675y BGB zu subsumieren und nur in Ausnahmefällen den Einwand des Rechtsmissbrauchs zuzulassen. Dieser kann sodann mit dem Bereicherungsrecht kombiniert werden. Tritt im Valutaverhältnis Erfüllung ein, hat der Zahlungsdienstleister gegen den Zahler einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB, den er dem Erstattungsverlangen nach § 675y Abs. 1 S. 1 BGB über § 242 BGB entgegensetzen kann.641 Tritt keine Erfüllung ein, hat der Zahler seinen Bereicherungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger an den Zahlungsdienstleister abzutreten.642 Zudem kann die verschuldensunabhängige Haftung für die Verzinsung, die zuvor in § 676b Abs. 1 BGB geregelt war, auch nur dann von § 675y Abs. 1 S. 2 BGB durch eine wertstellungsneutrale Rückbuchung aufgefangen werden, wenn der Fall der Verzögerung grundsätzlich von der Vorschrift erfasst ist. Ansonsten bedürfte es in beiden Fällen eines Verschuldens des Zahlungsdienstleisters. Die Erfassung der Verzögerung ist auch im Rahmen der Haftungsverteilung im Valutaverhältnis gerechter, 638
BT-Drucks. 16/11643, 117. Siehe 2. Kapitel C. VI. 640 Grundmann, WM 2009, 1109, 1115; Omlor, in: Staudinger, § 675z BGB Rn. 16, hält § 675y BGB nicht für ein detailliertes, spezielles, abschließendes System, da § 675z S. 3, 4 BGB zeige, dass der Gesetzgeber ein solches nicht errichten wollte. 641 Langenbucher, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, 3. Kapitel, § 675y BGB Rn. 11; Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675y BGB Rn. 3; Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675y BGB Rn. 15 (stellt auf § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB ab); Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 45. 642 Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675y BGB Rn. 3; Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675y BGB Rn. 15; Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 45. 639
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betrachtet man die Rechtsprechung des EuGH zur Zahlungsverzugsrichtlinie.643 Der EuGH hat entschieden, dass für B2B-Geschäfte bei der Begründung des Zahlungsverzugs der Schuldner das Verzögerungsrisiko der Überweisung trägt, während dieses zuvor auf den Gläubiger fiel. Sieht man diese Rechtsprechung als Richtungsweisung auch für B2C-Verträge sowie für Schuldverhältnisse allgemein und nicht nur für die Begründung des Zahlungsverzugs,644 ist es nur gerecht, dem Schuldner einen verschuldensunabhängigen Erstattungsanspruch gegen seinen Zahlungsdienstleister zuzugestehen. Allerdings ist zu beachten, dass der Erstattungsanspruch nicht den Verzögerungsschaden erfasst. Dieser setzt nach § 675z S. 1 BGB als Folgeschaden stets ein Verschulden voraus. Der Erstattungsanspruch entspricht vor allem im Fall der Fixschulden dem Interesse des Schuldners und des Zahlungsdienstnutzers. Dem Schuldner ist es aufgrund der konkreten Ausführungsfristen möglich, den genauen Eingangszeitpunkt seiner Zahlung zu bestimmen. Damit er sich auf den berechneten Eingangszeitpunkt verlassen kann, hält die verschuldensunabhängige Frist den Zahlungsdienstleister dazu an, die vorgeschriebene Frist einzuhalten. Fraglich ist, ob ein Mitverschulden des Zahlungsdienstnutzers zu berücksichtigen ist. Schon nach Umsetzung der Überweisungsrichtlinie war streitig, ob es auf ein Verschulden des Zahlers nach § 276 BGB im Rahmen des verschuldensunabhängigen Verzinsungsanspruchs bei einer verzögerten Überweisung (§ 676b Abs. 1 BG a.F.) sowie im Rahmen des Erstattungsanspruchs bei Nichtleistung (§ 676b Abs. 3 BGB a.F). ankam oder ob nur darauf abzustellen war, dass sich ein Risiko aus der Sphäre des Zahlers verwirklicht hatte.645 Die Anspruchsgrundlagen enthielten jedoch mit Ausnahme des § 676b Abs. 2 BGB zumindest Hinweise auf die Berücksichtigung eines Verhaltens des Zahlers.646 Da die Überweisungsrichtlinie aber die Haftung lediglich mindestharmonisierend regelte,647 sprach sie nicht gegen eine für den Zahler vorteilhaftere Anwendung des Verschuldensmaßstabs dem deutschen System entsprechend.648 Der Wortlaut der § 675y Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 BGB bietet dagegen keinerlei Anhaltspunkte für die Berücksichtigung eines Risikos oder Verursachungsbeitrags und erst recht nicht eines Verschuldens des Zahlungsdienstnutzers. Zudem folgt die Zahlungsdiensterichtlinie dem Vollharmonisierungsansatz und stellt 643 EuGH, Urteil vom 3. 4. 2008 – C-306/0601051, Telecom GmbH/Deutsche Telekom AGNJW 2008, 1935. 644 So Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., Rn. 197 ff. 645 Casper, in: MüKo, 5. Aufl., § 676b BGB Rn. 6 hält ein Ereignis in der Sphäre des Überweisenden für den Ausschluss des § 676b Abs. 1 BGB für ausreichend. 646 So § 676b Abs. 1 BGB a.F.: zu vertreten; § 676b Abs. 3 BGB a.F.: fehlerhafte oder unvollständige Weisung erteilt; auf die Bestimmung des zwischengeschalteten Kreditinstituts kommt es nicht an, da dieses im Endeffekt dem Zahler genauso haftet wie die anderen Institute, so dass der Anspruch dadurch nicht gemindert, sondern nur gegen einen anderen Anspruchsgegner gerichtet ist. 647 Art. 6 Abs. 4, 8 Abs. 1 UAbs. 1 Überweisungsrichtlinie. 648 Dafür: Grundmann, WM 2000, 2269, 2280.
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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dies in § 675z S. 1 BGB nochmals ausdrücklich klar. Ausgeschlossen ist der Anspruch nur in bestimmten Einzelfällen: Im Fall der fehlerhaften Kundenkennung (§ 675y Abs. 3 BGB), einer Nichtanzeige innerhalb von 13 Monaten (§ 676b BGB), einem ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Ereignis (§ 676c Nr. 1 BGB) und einem Zahlungsauftrag, der auf einer gesetzlichen Verpflichtung des Zahlungsdienstleisters beruht (§ 676c BGB). Auch bei der Nichtanzeige ist ein Verschulden des Kunden für die Erstattungsansprüche nach § 675y BGB im Gegensatz zu den verschuldensabhängigen Folgeansprüchen, die über § 675z S. 1 BGB zur Anwendung kommen, gerade nicht vorausgesetzt. Gegen die Berücksichtigung spricht des Weiteren die Regelungssystematik. Während dem § 675u BGB ein Gegenanspruch des Zahlungsdienstleisters in § 675v BGB, der die Sphären- und Verschuldenshaftung des Kunden regelt, folgt, ist ein solcher Gegenanspruch nicht infolge des § 675y BGB geregelt. Ein Mitverschulden über § 254 BGB zu berücksichtigen, widerspricht damit der eindeutigen gesetzlichen Regelung.649 Dennoch ist der Rechtsmissbrauchseinwand nicht ausgeschlossen.650 Da dieser Kenntnis erfordert, liegt auch kein Widerspruch zur vollständigen Haftung des Zahlungsdienstnutzers bei nichtautorisierten Zahlungen nach § 675v Abs. 2 BGB erst ab grober Fahrlässigkeit vor.651 Außerdem sind für den Erstattungsanspruch im Fall der Nichtleistung die gesetzliche betragsmäßige Beschränkung aus § 676b Abs. 3 S. 1 BGB auf 12.500 E sowie das zusätzliche Erfordernis einer Nachfristsetzung von 14 Tagen entfallen. Alle weiteren verschuldensunabhängigen Ansprüche wie der § 667 BGB waren mit Umsetzung der Überweisungsrichtlinie ausgeschlossen (§ 676c Abs. 1 S. 2 BGB).652 Mit dem Wegfall der einschränkenden Voraussetzungen kehrt das Zahlungsdiensterecht zu der unbegrenzten verschuldensunabhängigen Haftung nach § 667 Alt. 1 BGB, einer Kernvorschrift des Auftragsrechts,653 zurück. Zudem kann der Erstattungsanspruch wieder unverzüglich geltend gemacht werden, so dass die Zahlungsdienstleister zur rechtzeitigen Leistung angehalten werden. Die Garantiehaf649 Gegen die Berücksichtigung eines Mitverschuldens: Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 675y BGB Rn. 20; Ellenberger, in Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 675y BGB Rn. 7; für die Berücksichtigung eines Mitverschuldens: Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 675y BGB Rn. 5; Schwintowski, Bankrecht, 4. Aufl., § 675y Rn. 311; Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 91; für die Berücksichtigung eines Mitverschuldens analog § 675v Abs. 2 BGB nur für grobe Fahrlässigkeit: Grundmann, WM 2009, 1109, 1115; für die Berücksichtigung einer Mitverursachung nach dem Grundsatz der spiegelbildlichen Haftung: Herresthal, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, 5. Kapitel, § 675y BGB Rn. 15. 650 Der Rechtsmissbrauchseinwand ist als allgemeiner Grundsatz im Unionsrecht anerkannt: EuGH, Urteil vom 5. 7. 2007 – Rs. C-321/05, Kofoed, DStRE 2008, 419 Rn. 38. 651 Für eine entsprechende Anwendung des § 675v Abs. 2 BGB: Grundmann, WM 2009, 1109, 1115; zudem gilt § 675v Abs. 2 BGB nur für Zahlungsdienste mittels eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments. 652 Casper, in: MüKo, 5. Aufl., § 676c BGB Rn. 8 f., der für eine teleologische Reduktion argumentiert, wenn der Überweisungsbetrag beim Kreditinstitut wieder auftaucht. 653 Schimansky, in: BankR-HdB, 3. Aufl., § 49 Rn. 70.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
tung ist als primäres Haftungssystem für die Nicht- und Schlechtleistung etabliert. Denn die verschuldensabhängigen Ansprüche, auf die § 675z S. 1 BGB verweist, richten sich zum einen nur auf Folgeansprüche und sind zum anderen nur auf wirtschaftlich von den §§ 675u, y BGB zu unterscheidende Rechtsfolgen bezogen, so dass keine Doppelung der Ansprüche entstehen kann. Dies ist regelungstechnisch sehr zu begrüßen und dient zudem der Rechtssicherheit. Damit handelt es sich bei der Ausweitung der Garantiehaftung um die Rückkehr zum Haftungssystem des deutschen Auftragsrechts (§ 667 1. Alt. BGB). Neu ist jedoch die eingeschränkte Berücksichtigung des Mitverschuldens. Dieses kann nur in Ausnahmefällen des Rechtsmissbrauchs die Haftung mindern oder ausschließen. Damit liegt eine erhebliche Abweichung vom bisherigen deutschen Zahlungsdiensterechtsystem vor, die aus dem europäischen Recht stammt. Da eine klare Garantiehaftung zu einer besseren Vergleichbarkeit am Markt beiträgt und somit die Konkurrenzfähigkeit der Zahlungsdienstanbieter erhöht, ist die Erweiterung der Garantiehaftung zu begrüßen. Deutlich wird der Umfang der Garantiehaftung durch die Abkehr vom Prinzip des weitergeleiteten Auftrags. Dieses galt vor der Umsetzung der Überweisungsrichtlinie, da der Zahlungsdienstleister des Zahlers lediglich die Weiterleitung des Auftrags, nicht aber einen Erfolg, schuldete.654 Der Zahlungsdienstleister haftete danach nur, wenn ihn Verschulden bezüglich der Auswahl des zwischengeschalteten Instituts traf.655 Eine Abkehr von diesem Prinzip erfolgte bereits durch die Umsetzung der Überweisungsrichtlinie in § 675a Abs. 1 BGB a.F., welcher eine Erfolgspflicht des überweisenden Kreditinstituts festlegte, sowie in § 676c Abs. 1 S. 3 BGB a.F., nach dem dieses für ein Verschulden der zwischengeschalteten Stellen haftete. Grund für die Einführung der Erfolgspflicht war die Organisationsüberlegenheit des Kreditinstituts, welches einfacher Regressforderungen geltend machen kann, als der Zahlungsdienstnutzer direkte Ansprüche gegen die zwischengeschalteten Institute durchzusetzen vermag.656 Unklar blieb, ob die Zahlstelle auch im Lastschriftverfahren für die gesamte Kette an Zahlungsdienstleistern haftete.657 Dies regelt nun § 675y Abs. 2 BGB und erweitert damit die Garantiehaftung durch Abkehr vom Prinzip des weitergeleiteten Auftrags für den gesamten Anwendungsbereich des Zahlungsdiensterechts. Die genaue Haftungsaufteilung zwischen den Zahlungsdienstleistern ist jetzt gesetzlich festgeschrieben. Außerdem legt § 675z S. 3 BGB entsprechend dem § 676c Abs. 1 S. 3 BGB a.F. eine verschuldensabhängige Haftung der Zahlungsdienstleister für die zwischengeschalteten Stellen fest, wenn diese nicht
654
Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rn. 349. Grundmann, WM 2000, 2269, 2272; Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, 2. Aufl., BankR II 69. 656 Grundmann, WM 2000, 2269, 2272. 657 Grundmann, WM 2009, 1157, 1159. 655
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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vom Zahlungsdienstnutzer vorgegeben waren. Damit sind die zwischengeschalteten Stellen Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB.658 Der haftende Zahlungsdienstleister hat jedoch einen Regressanspruch gegen die zwischengeschalteten Stellen. Dieser ist in § 676a BGB normiert und zeigt, dass sich das Zahlungsdiensterecht von der strengen Trennung der einzelnen Vertragsverhältnisse innerhalb der Zahlungsverkehrskette entfernt hat. § 676a BGB sieht für die nicht erfolgte und die fehlerhafte Ausführung im Fall der verschuldensunabhängigen sowie der verschuldensabhängigen Haftung einen Direktanspruch des haftenden Zahlungsdienstleisters gegen einen anderen Zahlungsdienstleister oder eine zwischengeschaltete Stelle vor, wenn die Ursache für seine Haftung nach den §§ 675y, z BGB in deren Verantwortungsbereich liegt. Die Haftung im Fall der Nichtleistung vollzieht sich nicht mehr entlang der Kette nach § 667 BGB bzw. für Überweisungen entlang der Kette nach § 676e Abs. 3 S. 1 bis 3 BGB a.F. Ein Direktanspruch des erstbeauftragten Zahlungsdienstleisters besteht auch dann, wenn zu der die Nichtleistung verursachenden Stelle gar keine vertraglichen Beziehungen vorliegen659. Der Anspruch orientiert sich damit nicht an der Dogmatik der Kettenhaftung, sondern an der direkten Verantwortlichkeit. Die Verantwortlichkeit wird auch weiterhin nicht in einem Verschulden gesehen,660 sondern in einem Verursachungsbeitrag der zwischengeschalteten Stelle. Es handelt sich um eine Sphärenhaftung.661 Dies entspricht zunächst nicht § 667 BGB, der explizit keinen Verursachungsbeitrag fordert, sondern negativ das Nichtbestehen eines Aufwendungsersatzanspruchs voraussetzt. Letzteres impliziert jedoch eine Leistungsstörung, welche in der Regresskette auf eine Haftung derjenigen Stelle hinausläuft, bei der die Leistungsstörung eintritt. Somit statuiert auch § 667 BGB eine Sphärenhaftung. § 676a BGB entspricht § 667 BGB darin, dass er ein Verschulden nicht fordert und einen Verursachungsbeitrag voraussetzt. Abweichend davon ist zusätzlich ein Schaden Voraussetzung, welcher den direkten Durchgriff rechtfertigt. Ob es sich beim direkten Durchgriff um eine Vereinfachung für den Zahlungsdienstleister handelt, ist zweifelhaft, muss er doch die haftende Stelle zuerst ausfindig machen. Für grundsätzlich verschuldensabhängige Ansprüche, wie dem Schadensersatzanspruch beim Verstoß gegen Nebenpflichten, scheint mit der Sphärenhaftung des § 676a BGB, die kein Verschulden erfordert, ein erleichterter Regress des Zahlungsdienstleisters gegeben. Dies ist jedoch ein Trugschluss: Da der Zahlungsdienstleister nach § 675z S. 3 BGB für das Verschulden der zwischengeschalteten Stelle einstehen muss, ist ihr Verschulden Voraussetzung für den Regressanspruch nach § 676a BGB. Eventuelle Verursachungsbeiträge des Zahlungsdienstleisters und 658
Für § 676c Abs. 1 S. 3 BGB a.F.: Grundmann, WM 2000, 2269, 2278; für § 676z S. 3 BGB: Omlor, in: Staudinger, § 675z BGB Rn. 11. 659 BT-Drucks. 16/11643, 119. 660 BT-Drucks. 16/11643, 119. 661 Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 143; Omlor, in: Staudinger, § 676a BGB Rn. 10; a.A. Hadding, WM 2000, 2465, 2468 (zum alten Recht nach § 676e Abs. 1 BGB).
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
erst recht sein Verschulden sind nach § 254 BGB analog zu berücksichtigen.662 Somit handelt es sich bei § 676a BGB für die verschuldensabhängige Haftung bei der Voraussetzung des Verursachungsbeitrags um eine missverständliche Formulierung. Umstritten ist, ob die zwischengeschaltete Stelle im Fall mehrerer Verursachungsbeiträge unterschiedlicher Stellen als Gesamtschuldner oder nur für ihren Verursachungsbeitrag haftet.663 Die Sphärenhaftung und deren Abstellen auf die jeweiligen Verursachungsbeiträge spricht zunächst gegen eine gesamtschuldnerische Haftung. Der Zweck des § 676a BGB, den Regress zu vereinfachen, kann jedoch nur durch eine gesamtschuldnerische Haftung erreicht werden. Ein Auseinanderdividieren der Verursachungsbeiträge würde die Durchsetzbarkeit des Regressanspruchs erschweren,664 was sich negativ auf die Bereitschaft des Zahlungsdienstleisters, den Betrag nach § 675y, z BGB zu erstatten und Schadensersatz zu leisten, auswirken könnte. Zudem geht § 676a BGB vom Ersatz des gesamten Schadens aus. Wie der Ausgleichsanspruch dogmatisch einzuordnen ist, ob als Gefährdungshaftung665 oder als gesetzliches Schuldverhältnis, das aus der gemeinsamen Beteiligung an einem Zahlungsvorgang begründet wird, ist umstritten.666 In der Praxis ist dies jedoch irrelevant.667 Der Ausgleichsanspruch ist nicht abschließend, so dass die Zahlungsdienstleister im Interbankenverhältnis andere Voraussetzungen vereinbaren können.668 Somit entspricht der Regressanspruch nach § 676a BGB für Ansprüche nach § 676y BGB dem auftragsrechtlichen Anspruch nach § 667 BGB, abgesehen von der Voraussetzung eines Schadens, der jedoch die direkte Geltendmachung rechtfertigt. Für verschuldensabhängige Ansprüche ist die Voraussetzung des Verursachungsbeitrags missverständlich. Hier hätte es einer Differenzierung bedurft. Davon abgesehen ist die Vereinfachung des Regressanspruchs jedoch aufgrund der Rechtsklarheit zu begrüßen. Sie folgt nicht aus europäischem Recht, sondern ist eine Entscheidung des deutschen Gesetzgebers.669 Die Regelung eines direkten Regressanspruchs ist aber zumindest Folge der auf europäischem Recht basierenden umfassenden Garantiehaftung des Zahlungsdienstleisters nach § 675y BGB. Umstritten ist die verschuldensabhängige Haftung der vom Zahlungsdienstnutzer vorgegebenen zwischengeschalteten Stellen. Nach dem Prinzip des weitergeleiteten Auftrags hafteten sie früher getrennt entweder unmittelbar aus einem Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter, welcher nach Canaris auch im Fall mehrerer 662
Omlor, in: Staudinger, § 676a BGB Rn. 12. Für die Haftung als Gesamtschuldner: Mayen, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 145; Omlor, in: Staudinger, § 676a BGB Rn. 12. 664 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 676b BGB Rn. 8. 665 Ellenberger, in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, 2. Aufl., § 676a BGB Rn. 2. 666 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 676b BGB Rn. 6. 667 Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 676b BGB Rn. 6. 668 BT-Drucks. 16/11643, 119; Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 676b BGB Rn. 4. 669 Siehe 2. Kapitel C. VI. weiter Verweis in Art. 77 ZDRL. 663
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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Zwischenstellen zur Anwendung komme, da ein vermittelt rechtsgeschäftlicher Kontakt bestehe,670 oder über das Institut der Drittschadensliquidation. Mit Umsetzung der Überweisungsrichtlinie wurde ein direkter Anspruch des Zahlers gegen das von ihm vorgegebene Kreditinstitut im Fall der Nichtleistung für die Garantiehaftung § 676b Abs. 3 S. 7 BGB a.F. sowie für die verschuldensabhängige Haftung in § 676c Abs. 2 BGB a.F. normiert. Letztere konnte vertraglich bei einer Überweisung auf ein Konto im Ausland auf 25.000 E begrenzt werden. Daneben waren aber die zuvor geltenden Ansprüche aus dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sowie der Drittschadensliquidation weiterhin anwendbar (§ 676c Abs. 1 S. 2 BGB a.F.). Die Garantiehaftung des Zahlungsdienstleisters ist jetzt umfassend, er haftet bei Nicht- und Schlechtleistung auch für vom Zahlungsdienstnutzer vorgegebene zwischengeschaltete Stellen.671 Insofern hat auch hier eine Erweiterung der Garantiehaftung stattgefunden. Für verschuldensabhängige Folgeschäden bestimmt § 675z S. 4 BGB, dass der Zahlungsdienstnutzer einen direkten Anspruch gegen die von ihm vorgegebene zwischengeschaltete Stelle hat, ohne die Möglichkeit einer betragsmäßigen Haftungsbegrenzung zu nennen. Der Vollharmonisierungsansatz der ZDRL spricht nicht gegen die weitere Anwendbarkeit des Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter sowie der Drittschadensliquidation672, da sie die Folgeschäden explizit nicht regelt. Somit sind diese Haftungsinstitute grundsätzlich nicht durch § 675z S. 4 BGB ausgeschlossen.673 Nach der Rechtsprechung des BGH674 entfalten die Verträge im Interbankenverhältnis keine Schutzwirkung zugunsten Dritter, so dass nur das Institut der Drittschadensliquidation weiterhin Anwendung findet. Die Direktansprüche gegen vorgegebene zwischengeschaltete Kreditinstitute folgen weiterhin dem deutschen Schuldvertragsrecht.
670
Canaris, in: Großkomm. HGB; Bankvertragsrecht, Rn. 395. Omlor, in: Staudinger, § 675y BGB Rn. 8, begründet die Garantiehaftung für Pflichtverletzungen zwischengeschalteter Stellen u. a. mit einem Erst-Recht-Schluss aus § 675z S. 3 BGB. 672 Insbesondere dann, wenn im Verhältnis zwischen Zahler und Zahlungsdienstleister eine Haftungsbeschränkung vereinbart ist (§ 675z S. 2 BGB), kann der Zahler mit Hilfe der Drittschadensliquidation gegen die zwischengeschaltete Stelle vorgehen, Mayen, in: BankRHdB, 4. Aufl., § 49 Rn. 153. 673 Für eine weitere Anwendung der Drittschadensliquidation und des Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter zumindest in Fällen, in denen Haftungslücken bestehen: Langenbucher, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, 5. Kapitel, § 675z BGB Rn. 4. 674 BGH, Urteil 6. 5. 2008 – XI ZR 56/07-NJW 2008, 2245; Omlor, in: Staudinger, § 675z BGB Rn. 17, argumentiert für eine weitere Anwendbarkeit des Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter. 671
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
IV. Anspruchsausschluss 1. Anzeigefrist Einen Anspruchsausschluss bei fehlender Anzeige von nicht autorisierten oder fehlerhaften Zahlungsvorgängen durch den Zahlungsdienstnutzer regelt § 676b Abs. 2, 3 BGB. Neu ist die in diesem Zusammenhang in § 676b Abs. 1 BGB normierte Obliegenheit des Zahlungsdienstnutzers, den Zahlungsdienstleister bei Feststellung eines solchen Zahlungsvorgangs zu unterrichten.675 Die Unterrichtung nach § 676b Abs. 1 BGB als Pflicht zu sehen, widerspräche dagegen dem Vollharmonisierungsansatz der ZDRL,676 welche die Anzeige in Art. 58 ZDRL nur zum Zweck eines Anspruchsausschlusses regelt, um für den Zahlungsdienstleister Rechtssicherheit zu schaffen. Somit statuiert die ZDRL keine girovertragliche Kontrollpflicht. Deshalb spricht § 676b Abs. 1 BGB nicht gegen die bestehende AGB-rechtliche Pflicht zur unverzüglichen Kontrolle der Kontoauszüge und sonstigen Belege.677 Bei fehlender Vereinbarung folgt eine solche Pflicht weiterhin aus allgemeinem Schuldrecht nach §§ 242, 254 BGB.678 Faktisch laufen die § 676b Abs. 2, 3 BGB auf eine Verkürzung der Verjährung hinaus.679 Sie sind im Gegensatz dazu von Amts wegen zu berücksichtigen. Der Anspruchsausschluss nach § 676b Abs. 2 BGB stammt aus der Zahlungsdiensterichtlinie und ist Teil des europäischen Haftungssystems. Dagegen ist die Anwendbarkeit auf andere Ansprüche als der in § 675z S. 1 BGB genannten sowie die für diese Ansprüche eingreifende Fristverlängerung für den Fall, dass der Zahlungsdienstnutzer ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war (§ 676b Abs. 3 BGB), die alleinige Entscheidung des deutschen Gesetzgebers. Diese Regelungen sind zu begrüßen, da sie Wertungskohärenz mit den primären Ersatzansprüchen nach dem europäischen System herstellen und so für Rechtssicherheit sorgen. An der Verschuldensunabhängigkeit der Anzeige nach § 676b Abs. 2 BGB wird wiederum das Umschwenken des Haftungssystems von einem verschuldensgeprägten hin zu einer Garantiehaftung, welche sich ihren Voraussetzungen entsprechend auch verschuldensunabhängigen Ausschlusskriterien bedient, deutlich. 2. Haftungsausschluss Ausschlusskriterien, die auf außerhalb der Risikosphäre des Anspruchsgegners liegenden Umständen aufbauen, normiert § 676c BGB. Der Haftungsausschluss 675
Omlor, in: Staudinger, § 676b BGB Rn. 3. Sprau, in: Palandt, 75. Aufl., § 676b BGB Rn. 2. 677 Omlor, in: Staudinger, § 676b BGB Rn. 7; vgl. Nr. 11 Abs. 4 AGB-Banken, abgedruckt in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 16. 678 Bunte, in: BankR-HdB, 4. Aufl., § 16 Rn. 28. 679 Siehe 2. Kapitel C. III. 676
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nach § 676c Nr. 1 BGB bei höherer Gewalt gilt für alle Ansprüche des Zahlungsdienstnutzers, des Zahlungsdienstleisters sowie Dritter.680 Besondere Bedeutung erlangt er für die verschuldensunabhängigen Ansprüche nach § 675v Abs. 1 BGB und § 675y BGB, da andere Ansprüche in diesen Fällen bereits wegen mangelnden Verschuldens ausscheiden.681 Die Normierung der Definition von höherer Gewalt in § 676c Nr. 1 BGB, die der ständigen Rechtsprechung des EuGH entspricht,682 ist sehr zu begrüßen, da die Auslegung dieses Begriffs in § 676b Abs. 4 BGB a.F. stets streitig und in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich erfolgte683. Weiterhin unentschieden ist aber, ob die Insolvenz eines zwischengeschalteten Instituts einen Fall höherer Gewalt darstellt.684 Dagegen spricht die vom neuen Zahlungsdiensterecht erweiterte Garantiehaftung des Zahlungsdienstleisters. Die Entscheidung hierüber hat letztendlich der EuGH zu treffen. § 675c Nr. 2 BGB geht ebenfalls auf die Zahlungsdiensterichtlinie zurück, kommt bei Zahlungen von einem gepfändeten Konto an den Pfändungsgläubiger sowie bei Zahlungen aufgrund hoheitlicher Anforderungen des Zahlungsdienstleisters zur Anwendung685 und dient dem Ziel der ZDRL, Terrorismus und Geldwäsche zu bekämpfen.686 Damit folgt der Anspruchsausschluss grundsätzlich einem europäischen System, das insbesondere der Rechtssicherheit der Zahlungsdienstleister dient.
E. Ergebnis und Bewertung I. Ergebnis Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem im BGB kodifizierten Zahlungsdiensterecht um ein europäisches System handelt, das aber weiterhin teilweise des Rückgriffs auf das Auftragsrecht, auf das allgemeine Schuldvertragsrecht und auf den Allgemeinen Teil des BGBs bedarf. Schnittpunkte entstehen mit anderen Rechtsgebieten, vor allem dem Bereicherungs- und Deliktsrecht. Das europäische System des Zahlungsdiensterechts ist zum größten Teil konkret ausgestaltet. Regelungslücken liegen nur vereinzelt vor, vor allem bei der Missbrauchshaftung für Autorisierungsverfahren, bei denen kein Zahlungsauthen680
Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 676c BGB Rn. 2. Casper, in: MüKo, 6. Aufl., § 676c BGB Rn. 2. 682 Ständige Rechtsprechung des EuGH auch in anderen Rechtsbereichen, zur Agrarverordnung: EuGH, Urteil vom 6. 12. 2012 – Rs. C-562/11, Société d’Exportation de Produits Agricoles SE (SEPA)-juris Rn. 32. 683 BT-Drucks. 16/11643, 119. 684 Zur Rechtslage vor Umsetzung der ZDRL: Häuser, in: Münchner Kommentar HGB, 2. Aufl., ZahlungsV Rn. B 171. 685 Schwintowski, Bankrecht, 4. Aufl., § 8 Rn. 337. 686 Vgl. Erwägungsgrund (11), (29) ZDRL. 681
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tifizierungsinstrument zum Einsatz kommt. Teilweise bildet das europäische Recht lediglich den Rahmen, der durch nationales Recht zu füllen ist. An der neuen äußeren Form, an Wertungsverschiebungen und an klarstellenden Normierungen, die den Verweis nach § 675c Abs. 1 BGB ins Auftragsrecht überflüssig machen, wird deutlich, dass es sich insgesamt um ein neues, europäisches System handelt. Die Einheit und Folgerichtigkeit zeigen die hinter den Regelungen stehenden Prinzipien, die aus dem europäischen Recht stammen. Zwei Entwicklungen lassen sich übergreifend für das gesamte Zahlungsdiensterecht feststellen. Erstens ist die auftrags- und geschäftsbesorgungsrechtliche Interessenwahrungspflicht an vielen Stellen durch eine gesetzliche konkretisierte Regelung ersetzt, die einen Interessenausgleich bereits vornimmt. Dies ist der Fall bei der Regelung der Zulässigkeit eines Entgelts für Nebenpflichten, des Widerrufs, des Wegfalls der Kontoaufrufprüfung und der Ausführungs- und Wertstellungsfristen. Der Zahlungsdiensterahmenvertrag und Einzelzahlungsvertrag weisen somit spezifische Eigenschaften und Charakteristika auf, die sie von dem Vertragstyp des Auftrags im BGB emanzipieren. Zweitens entfernt sich das Haftungssystem von einer Verschuldenshaftung und stellt verstärkt auf den Sphärengedanken und einer damit verbunden Garantie- und Gefährdungshaftung ab. Deutlich wird dies an der Gefährdungshaftung des Zahlers für die missbräuchliche Nutzung von Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten, der eingeschränkten Haftung für leichte Fahrlässigkeit sowie der vollen Haftung erst ab grober Fahrlässigkeit. Zudem lässt das Zahlungsdiensterecht die Vereinbarung eines verschuldensunabhängigen Erstattungsanspruchs für Lastschriften ausdrücklich zu. Das Gewährleistungsrecht besteht aus einer Garantiehaftung, bei welcher Verschulden nicht zu berücksichtigen ist. Folgerichtig beruht auch der Regressanspruch des Zahlungsdienstleisters im Interbankenverhältnis auf einer Garantiehaftung, die dem Sphärengedanken folgt. Konsequent stellen die Anspruchsausschlüsse nach §§ 676b Abs. 2, 676c BGB nicht auf ein Verschulden des Zahlungsdienstnutzers ab. Besonders deutlich wird das neue System zudem daran, dass es bestimmte Vertragsrechtsinstitute regelt, die grundsätzlich dem Allgemeinen Teil des BGB oder dem allgemeinen Schuldrecht zuzuordnen sind und es auf diese Weise von dem Vertragsrechtssystem des BGB abgrenzen. Dies sind die Vertragsänderung, die Kündigung, der Widerruf, die Autorisierung sowie der Zugang. Die neuen Regelungen der §§ 675c ff. BGB wirken sich wie folgt auf das System des Zahlungsdiensterechts aus: Die vorvertraglichen Informationspflichten folgen einem europäischen System. Dies zeigt bereits die äußere, getrennt von den Vorschriften des Auftragsrechts kodifizierte Regelung in § 675d Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 248 §§ 1 – 16 EGBGB. Aber auch die hinter den detaillierten vorvertraglichen Informationspflichten stehende Wertung hat sich geändert. Erfasst von der vorvertraglichen Informationspflicht sind für den Verbraucher als Zahlungsdienstnutzer auch zwingende Vor-
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schriften. Die Funktion der Informationspflichten liegt nicht mehr darin, vor abweichenden Vereinbarungen zu warnen, sondern den Verbraucher über seine Rechte zu belehren. Damit hat sich das Verbraucherleitbild verschärft, welches in ihm die schwächere Vertragspartei sieht. Grund hierfür ist die Einführung der neuen Regelung sowie neuer Zahlverfahren im SEPA-Überweisungs- und Lastschriftverkehr, die dem Verbraucher zugänglich gemacht werden sollen. Die Auskunfts- und Rechenschaftspflichten haben sich abgesehen von ihrer konkreteren Regelung im EGBGB sowie in den §§ 675c ff. BGB nicht geändert. Nicht geregelt sind die Beratungs-, Warn – und Aufklärungspflichten. Diese folgen weiterhin den Grundsätzen des deutschen Geschäftsbesorgungsrechts. Die Regelungstechnik der halbzwingenden Normen, welche § 675e Abs. 1 BGB einführt, ist im Zahlungsdiensterecht neu, jedoch dem BGB nicht unbekannt. Auch der dahinter stehende Verbraucherschutzgedanke stimmt mit der bisherigen AGBRechtsprechung überein. Lediglich für Unternehmer folgt aus § 675e Abs. 4 BGB eine Änderung. Für sie sind nun auch die Vorschriften zu den Ausführungspflichten und der Wertstellung zwingend, insbesondere um den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr zu beschleunigen und das Interbankenverhältnis zu vereinfachen. Auch die SEPA-Migrationsverordnung schränkt mit ihren zwingenden Vorschriften zur Ausgestaltung der SEPA-Überweisung und SEPA-Lastschrift die Unternehmerfreiheit ein. Die rechtsdogmatische Einordnung des Zahlungsauftrags als Weisung (§ 675f Abs. 3 S. 2 BGB) entspricht dem deutschen Auftragsrecht. Damit folgen alle Zahlungsdienste wieder einheitlich dem Weisungsmodell. Ebenso entspricht die Einteilung in Zahlungsdiensterahmenvertrag (§ 675f Abs. 2 BGB) und Einzelzahlungsvertrag (§ 675f Abs. 1 BGB) dem deutschen Zahlungsdiensterecht. Lediglich die Begriffsbildung hat sich geändert. Die Vorschriften zur Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrags (§ 675g BGB) führen insofern zu einer Wandelung des Systems des Zahlungsdienstrechts als sie eine neue Wirksamkeitsvoraussetzung – eine zweimonatige Ankündigungsfrist für Änderungen durch den Zahlungsdienstleister – einführen. Ein Grund für eine solche Einschränkung der Vertragsfreiheit ist nicht ersichtlich. Bezüglich der Kündigung durch den Zahlungsdienstnutzer (§ 675h Abs. 1 BGB) führt das neue Zahlungsdiensterecht zu keiner Wertungsverschiebung. Die Kündigungsmöglichkeit des Zahlungsdienstleisters ist jedoch im Vergleich zur bisherigen Rechtslage unverhältnismäßig stark eingeschränkt, da ohne Vereinbarung ein Kündigungsrecht nicht besteht. Insofern bedarf es einer Korrektur über § 242 BGB oder über § 313 BGB. Eine grundlegende Änderung hat die Zulässigkeit von Entgeltvereinbarungen für Nebenpflichten in § 675f Abs. 4 S. 2 BGB erfahren. Die Abgrenzung von Hauptleistungs- und Nebenpflichten ist gesetzlich anhand des Kriteriums des Zahlungsdienstes klar geregelt. Eine AGB-Kontrolle entfällt, denn das Gesetz selbst bestimmt, dass Entgeltvereinbarungen für Nebenpflichten grundsätzlich nicht zulässig sind.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
Die Ausnahmefälle sind konkret vom Gesetzgeber geregelt, der einen Interessenausgleich vorgenommen hat, hinter dem das Verursacherprinzip steht. Demnach gilt der Grundsatz nicht mehr, dass eine Entgeltvereinbarung im Zahlungsdiensterecht für die Erfüllung gesetzlicher Pflichten unzulässig ist. Neu eingeführt wird zudem eine Entgelthöhenkontrolle, welche – dem Aufwendungsersatz entsprechend – einen objektiven Maßstab mit subjektivem Einschlag zugrunde legt. Demnach sind weitere Fremdaufwendungen nicht mehr nach dem Aufwendungsersatzprinzip zu ersetzen. Das europäische Zahlungsdiensterecht führt den Begriff der Autorisierung neu ein (§ 675j Abs. 1 S. 1 BGB). Die begriffliche Aufspaltung eines in der Praxis einheitlich erfolgenden Erklärungsvorgangs in Autorisierung und Zahlungsauftrag (§ 675f Abs. 3 S. 2 BGB) folgt der ZDRL und entspricht der Aufspaltung in Ermächtigungsund Verpflichtungswirkung der Weisung nach bisheriger Dogmatik. Neu eingeführt werden die Begrifflichkeiten des Zahlungsauthentifizierungsinstruments und des ihm zuzuordnenden personalisierten Sicherheitsmerkmals. Die Nutzungsbegrenzung teilt sich wie zuvor in Verfügungsbegrenzung und Sperre auf (§ 675k BGB). Für die einseitige Sperre durch den Zahlungsdienstleister sind die Voraussetzungen leicht verringert, da es im Rahmen des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs zu verstärktem Missbrauch kommen kann. Ein europäisches System folgt aus dieser Gefahrverschärfung noch nicht. Auch die Pflichten des Zahlers und Zahlungsdienstleisters in Bezug auf das Zahlungsauthentifizierungsinstrument werden geregelt (§ 675l, m BGB), sind aber nicht abschließend, so dass Raum für Parteivereinbarungen bleibt. Eine Systemverschiebung liegt nicht vor. Wertungsverschiebungen erfolgen nicht durch die Vorschrift zum Zugang des Zahlungsauftrags (§ 675n BGB). Lediglich der Geschäftstag, welcher auf die individuellen Öffnungszeiten abstellt, ist neu definiert. Regelungstechnisch gebraucht die Vorschrift Zugangsfiktionen, um die nun verbindliche Ausführungsfrist nach § 675s Abs. 1 S. 1 BGB den Interessen der Vertragsparteien anzupassen. Mit § 675o Abs. 2 BGB kehrt das Zahlungsvertragsrecht zur Ausführungsverpflichtung des Zahlungsdienstleisters nach dem Auftragsrecht zurück. Die Regelung zum Widerruf (§ 675p BGB) führt jedoch zu einer Abkehr von den auftragsrechtlichen Grundsätzen. Sie stellt nicht mehr den Interessenschutz des Zahlers als Auftraggeber in den Vordergrund, sondern betont den Vertrauensschutz seiner Vertragspartner, seines Zahlungsdienstleisters bei Push-Zahlungen (§ 675p Abs. 1 BGB) sowie des Zahlungsempfängers bei Pull-Zahlungen (§ 675p Abs. 2, 4 S. 2 BGB). Zudem entfällt der Grundsatz, dass der Widerruf bis zur Tätigung unumkehrbarer Dispositionen durch den Zahlungsdienstleister möglich ist. Geschuldet ist diese Regelung der Automatisierung des europäischen Zahlungsverkehrs. Zu einer Wertungsverschiebung führt der Wegfall der Kontoaufrufprüfung (§§ 675r Abs. 1, 675y Abs. 3 S. 1 BGB). Die nach allgemeinem Auftragsrecht einschlägige Interessenwahrungspflicht des Zahlungsdienstleisters für diesen Regelungsbereich entfällt. Damit kommt es zu einer Änderung der Risikozuordnung. Das Risiko der fehlerhaften Eingabe der IBAN trägt der Verbraucher bzw. der
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Zahlungsdienstnutzer, so dass sich diese Neuregelung zugunsten hinreichend aufmerksamer Zahler sowie der Schnelligkeit des Zahlungsverkehrs auswirkt und zu Lasten der unvorsichtigen Zahler – wobei das Risiko aufgrund der Prüfmechanismen der Banken in Bezug auf die Schlüssigkeit der IBAN eher gering ist. Die Ausführungsfristen (§ 675s BGB) und die Wertstellung (§ 675t BGB) lassen im Rahmen der Interessenwahrungspflicht des Zahlungsdienstleisters auch das Beschleunigungsgebot entfallen. Sie wirken verpflichtend, aber auch entlastend für die Zahlungsdienstleister. Hier wird der Wandel von einer Auftragsausführung, die von den Interessen des Auftraggebers geleitet ist, hin zu einem Auftrag mit gesetzlich konkretisierten Pflichten besonders deutlich. Entsprechend der bisherigen Rechtsprechung normiert § 675t BGB das Deckungsabfluss- und Deckungszuflussprinzip. Die Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht autorisierte Zahlungen (§ 675u BGB) entspricht der Risikoverteilung des deutschen Zahlungsdiensterechts. Die Normierung des Rückerstattungsanspruchs in § 675u S. 2 BGB schließt zwar den bereicherungsrechtlichen Anspruch des Zahlungsdienstnutzers aus, beruht aber auf derselben Wertung – der fehlenden Autorisierung. Wertungsverschiebungen im Bereicherungsrecht entstehen durch den Anspruch nach § 675u S. 2 BGB nicht, denn das Bereicherungsrecht ist nicht vom Regelungsbereich der ZDRL erfasst. Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach der auf die Veranlasserhaftung abstellenden Rechtsscheinhaftung und dem darin zum Ausdruck kommenden Vertrauensschutz des Zahlungsempfängers ist weiterhin gültig. Ein wechselseitig bedingtes Haftungssystem aus einer auf 150 E begrenzten Gefährdungshaftung des Zahlers und seiner deshalb eingeschränkten Verschuldenshaftung führt § 675v BGB für den Fall des Missbrauchs eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments ein. Die Gefährdungshaftung folgt dem Sphärengedanken, nicht mehr dem Verschuldensprinzip des bestehenden deutschen Zahlungsdiensterechts, welches eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots im AGBRecht darstellt. Die Gefährdungshaftung ist jedoch durch Zweckmäßigkeitserwägungen, wie insbesondere der Anreizfunktion zur Anzeige, gerechtfertigt. Da lediglich diese Zweckmäßigkeitserwägungen und die gesetzliche Normierung die Gefährdungshaftung rechtfertigen, entsteht kein Leitbild für andere Autorisierungsverfahren. Für die Zahlungen mittels Zahlungsauthentifizierungsinstrument schafft die ebenso betragsmäßig begrenzte Haftung für leichte Fahrlässigkeit sowie die Beschränkung der vollen Haftung auf grobe Fahrlässigkeit einen Ausgleich. Letztere steht nicht der Anscheinsvollmacht entgegen, welche bereits ab leichter Fahrlässigkeit einsetzt, da sie nicht vom Regelungsbereich erfasst ist. Für alle übrigen Autorisierungsverfahren gilt dieses Missbrauchshaftungssystem nicht, so dass das verschuldensabhängige Haftungssystem des deutschen Rechts weiterhin anwendbar ist. Eine europäische Regelung des Anscheinsbeweises liegt nicht vor. § 675w BGB stellt lediglich klar, dass ein solcher nicht ausgeschlossen ist. Das deutsche Beweisrecht füllt hier den europäischen Rahmen aus und ändert sich nur aufgrund des neuen materiell-rechtlichen Systems. Danach kommt ein Anscheins-
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
beweis erst für grobe Fahrlässigkeit in Betracht, da er für das Online-Banking, für welches § 675v Abs. 1 S. 2 BGB allein Relevanz besitzt, mangels Systemsicherheit nicht einschlägig ist. Neu eingeführt wird eine Prüfpflicht für Zahlungsvorgänge, die vom oder über den Zahlungsempfänger ausgelöst werden und auf einer pauschalierten Autorisierung beruhen (§ 675x Abs. 1 BGB). Diese ist mit der nach deutschem Zahlungsdiensterecht strikten Trennung zwischen Deckungs- und Valutaverhältnis nicht vereinbar, da sie vom Zahlungsdienstleister die Kenntnis bestimmter Umstände aus dem Valutaverhältnis verlangt. Insbesondere ist die Prüfpflicht für Kreditkartenzahlungen im Verbraucherverkehr nicht abdingbar. Der voraussetzungslose Anspruch auf Erstattung trotz Autorisierung (§ 675x Abs. 2 BGB) stimmt nicht mit der auftragsrechtlichen Dogmatik überein, die einen Erstattungsanspruch nur bei fehlender Autorisierung oder nicht ordnungsgemäßer Ausführung nach § 667 BGB annimmt. Da § 675x Abs. 2 BGB lediglich die Vereinbarung eines solchen Erstattungsanspruchs zulässt, erfolgt noch keine Leitbildverschiebung. Eine Rückkehr zur umfassenden Garantiehaftung nach § 667 1. Alt. BGB bei Nicht- und Schlechtleistung statuiert § 675y BGB und geht sogar darüber hinaus, indem ein Mitverschulden des Zahlungsdienstnutzers nicht zu berücksichtigen ist. Die Garantiehaftung gilt für alle Zahlungsdienste und erfasst auch den Fall der Verzögerung. Wird diese Haftung im Fall der Verzögerung den Parteiinteressen nicht gerecht, kann ihr ein Bereicherungsanspruch wegen Erfüllung des Valutaverhältnisses über § 242 BGB entgegengehalten werden. Der Rückgriff der Zahlungsdienstleister gegen zwischengeschaltete Institute folgt nicht mehr dem System der Kettenhaftung, sondern ist durch einen Direktanspruch nach § 676a BGB möglich. Dieser stellt § 667 BGB entsprechend eine Sphärenhaftung dar, lediglich bei verschuldensabhängigen Ansprüchen des Zahlungsdienstnutzers wird implizit auch ein Verschulden der zwischengeschalteten Stelle vorausgesetzt. Der Direktanspruch ist nicht von der ZDRL vorgegeben, beruht folglich auf einer Entscheidung des deutschen Gesetzgebers. Er ist aber konsequente Folge der europäischen Garantiehaftung nach § 675y BGB und somit Teil dieses Systems im BGB. Verschuldensabhängige Ansprüche des Zahlungsdienstnutzers gegen eine von ihm vorgegebene zwischengeschaltete Stelle, deren Verschulden der Zahlungsdienstleister nicht zu vertreten hat, folgen weiterhin dem deutschen Schuldvertragsrecht über die Drittschadensliquidation (§ 675z S. 4 BGB). Neu eingeführt wird eine Obliegenheit des Zahlungsdienstnutzers, seinen Zahlungsdienstleister über einen nicht autorisierten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgang zu unterrichten (§ 676b BGB). Kommt er dem nicht innerhalb von 13 Monaten nach dem Tag der Belastung nach, sind die Ansprüche ausgeschlossen. Dies führt faktisch zu einer Verkürzung der Verjährungsfrist und ist Teil des neuen europäischen Haftungssystems. Eine wertungskohärente Entscheidung hat der deutsche Gesetzgeber auch für aus dem allgemeinen Schuldvertragsrecht folgende Ansprüche getroffen, die ausgeschlossen sind, wenn eine solche Anzeige bei Ver-
4. Kap.: System des Zahlungsdiensterechts im BGB
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schulden des Zahlungsdienstnutzers nicht erfolgt. Dies zeigt, dass der deutsche Gesetzgeber von einem neuen eigenständigen Zahlungsdiensterecht ausgeht, da er das anwendbare Schuldvertragsrecht diesem System anpasst. Ebenso aus dem europäischen Recht stammen die Haftungsausschlüsse nach § 676c BGB bei einem ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Ereignis sowie bei einer gesetzlichen Verpflichtung des Zahlungsdienstleisters. II. Bewertung des Ergebnisses Betrachtet man Nutzen und Kosten, welche das neue Zahlungsdiensterechtsystem durch seine inhaltlichen Änderungen mit sich bringt, überwiegt für die Zahlungsdienstnutzer der Nutzen. Sie müssen zwar kürzere Widerrufsfristen, eine fehlende Kontoaufrufprüfung und für Zahlungsauthentifizierungsinstrumente eine Gefährdungshaftung von 150 E in Kauf nehmen, können dafür aber auch auf eine verstärkte vorvertragliche Belehrung, einen besseren Kündigungsschutz, eine Ausführungsverpflichtung sowie insbesondere kürzere Ausführungs- und Wertstellungsfristen zurückgreifen. Zudem existiert für die pauschalierte Kreditkartenzahlung eine Prüfverpflichtung des Zahlungsdienstleisters sowie im Lastschriftverfahren in Verbindung mit den Bedingungen für das SEPA-Basislastschriftverfahren ein voraussetzungsloser Erstattungsanspruch. Des Weiteren kommt ihnen eine umfassende Garantiehaftung für die Nicht- und Schlechtleistung zugute. Nicht feststellbar ist ein durchgängiger Verbraucherschutz. Die vorvertraglichen Informationspflichten sowie die Regelung in § 675e Abs. 1, 4 BGB, welche die meisten Normen nur für den Verbraucher als halbzwingend festlegt, folgen zwar dem Grundsatz des Verbraucherschutzes, dagegen wird aber die verbraucherschützende Rechtsprechung in den Bereichen der Kontoaufrufprüfung sowie der Haftung des Zahlers für den Missbrauch von Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten durch das neue Zahlungsdiensterecht aufgehoben. Auch für die Zahlungsdienstleister führt das neue Zahlungsdiensterecht zu einem Überwiegen des Nutzens. Die größte Einschränkung entsteht durch die verbindlichen und verkürzten Ausführungs- und Wertstellungsfristen, welche aber gleichzeitig den Nutzen der Standardisierung im Interbankenverkehr sowie eine entlastende Wirkung gegenüber den Zahlungsdienstnutzern mit sich bringt. Des Weiteren sind die Widerrufsfristen verkürzt, wodurch mehr Rechtssicherheit für die Zahlungsdienstleister entsteht. Die umfassende Garantiehaftung bei der ein Mitverschulden des Zahlungsdienstnutzers nicht zu berücksichtigen ist, wird dadurch wieder ausgeglichen, dass ihnen ein verschuldensunabhängiger direkter Regressanspruch aus § 676a BGB gegen den verantwortlichen Zahlungsdienstleister zusteht. Außerdem sorgt die Ausschlussfrist von 13 Monaten ab Belastungsbuchung sowie die achtwöchige Frist im Fall der Vereinbarung eines Erstattungsanspruchs im Lastschriftverfahren für Rechtssicherheit. Die Schaffung von Rechtssicherheit durch die konkretisierten Interessenwahrungspflichten des Zahlungsdienstleisters ist insgesamt als ein großer Vorteil des neuen Zahlungsdiensterechts zu konstatieren.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
Ebenfalls zu mehr Rechtssicherheit in den harmonisierten Bereichen führt bereits das Vorliegen eines europäischen Systems des Zahlungsdiensterechts an sich. Auf den ersten Blick entstehen zwar bei dem Zusammenspiel mit nationalem Recht Komplikationen. Im Gegensatz zur europäischen Regelung vereinzelter Teilbereiche bietet die Normierung eines Systems die Möglichkeit einer stärkeren systematischen Auslegung und Interpretation europäischen Privatrechts.687 Gerade im EU-Recht, in dem die Rechtsfortbildung verstärkt durch den EuGH stattfindet, ist die Bindung an ein demokratisch legitimiertes Teilrechtssystem von Bedeutung. Die Ausrichtung der Rechtsfortbildung des EuGH an der Methode der systematischen Interpretation ist somit wünschenswert. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die Auslegung nicht harmonisierter Bereiche weiterhin den nationalen Gerichten obliegt. Ein striktes Denken von einem deutschen System hin zu einem europäischen System des Vertragsrechts der Zahlungsdienste ist nicht vorzunehmen und würde dem Demokratiegedanken widersprechen. 5. Kapitel
Lehren für den Systembegriff aus der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Integration eines europäischen Teilrechtssystems, welches aus einer vollharmonisierenden Richtlinie folgt, in eine bestehende und gewachsene Zivilrechtskodifikation gelingen kann. Zur Vereinheitlichung einzelner Vertragsrechtsgebiete kann sich der europäische Gesetzgeber somit grundsätzlich auf eine systematische Rechtsetzung in Form der vollharmonisierenden Richtlinie stützen. Abschließend seien noch einige Lehren zur systematischen Umsetzung und Ausgestaltung des europäischen Rechts aufgezeigt, die im Rahmen der Untersuchung erschlossen wurden.
A. Lehren für den äußeren Systembegriff I. Lehren für die systematische Umsetzung europäischen Richtlinienrechts 1. Klarstellende Regelungen als Zersplitterung nationaler Kodifikationen Die Umsetzung einer vollharmonisierenden Richtlinie kann dazu führen, dass der nationale Gesetzgeber das System der europäischen Vorschriften übernimmt, damit aber gleichzeitig Grundsätze normiert, derer es im nationalen Recht nicht zwingend 687 Zur Bedeutung der systematischen Auslegung und Rechtsfortbildung durch den EuGH, Grundmann, RabelsZ 75 (2011), 882.
5. Kap.: Lehren für den Systembegriff
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bedarf, da diese bereits im Allgemeinen Teil bestehen oder durch die Rechtsprechung verfestigt sind. Solche Normen haben lediglich klarstellenden Charakter und dienen zuvörderst der Rechtssicherheit. Sie verdeutlichen zudem die Unabhängigkeit des neu eingefügten Umsetzungsrechts vom Rest der nationalen Kodifikation. Positiv zu bewerten ist dies insofern, als die Herkunft der Regelungen aus dem europäischen Recht für ihre autonome Auslegung deutlicher wird. Gleichzeitig führen klarstellende Regelungen aber zu einer Zersplitterung der nationalen Kodifikation. Der Zusammenhalt zwischen den einzelnen Kodifikationsteilen, der Bezug auf vorherige Allgemeine Teile sowie die Zuordnung zu bestimmten Vertragstypen wird gestört, wenn nicht sogar vollkommen ausgeblendet. Beispielhaft kann dies an § 675n Abs. 1 S. 2 BGB festgemacht werden, der eine Zugangsfiktion beinhaltet, welche nach der Rechtsprechung zu dem im Allgemeinen Teil des BGB verankerten Zugangsbegriff des § 130 Abs. 1 S. 1 BGB nicht erforderlich gewesen wäre. Hätte der Gesetzgeber die Rechtsprechung systematisch in der Kodifikation verorten wollen, wäre eine gesetzliche Klarstellung bereits auf abstrakter Ebene im Allgemeinen Teil stimmiger gewesen. Auch die aufgrund des Verweises von § 675c Abs. 1 BGB auf das allgemeine Auftragsrecht überflüssige Regelung des § 675u S. 1 BGB, die klarstellt, dass bei fehlender Autorisierung kein Aufwendungsersatz besteht, durchbricht den Zusammenhang innerhalb der Kodifikation und entzieht den Zahlungsdienstevertrag in diesem Punkt seiner Zuordnung zum Auftragsrecht. Eine Regelung im Allgemeinen Teil des BGB bzw. ein Rückgriff auf das Auftragsrecht würde die Wertungskohärenz des deutschen Zivilrechtskodex aufrechterhalten und ihn nicht in die Gefahr bringen, sich zu einem auseinandergerissenen, zusammenhanglosen Gesetzbuch zu entwickeln. Außerdem könnte er als Vorbild für einen europäischen Allgemeinen Teil bzw. ein europäisches Auftrags- und Dienstleistungsrecht dienen. 2. Europäische Begriffsbildung im BGB Ebenso schwierig gestaltet sich die Begriffsbildung bei der Umsetzung europäischen Richtlinienrechts, da sich der nationale Gesetzgeber entscheiden muss, ob er der Begriffsbildung der nationalen Kodifikation oder der EU-Richtlinie folgt. Die Systematik der nationalen Kodifikation spricht dafür, auch die Richtlinienumsetzung an diese anzupassen. Dagegen bewahrt die Übernahme der richtlinieninternen Begriffsbildung deren Systematik. Sodann besteht aber die Gefahr, innerhalb einer Kodifikation für denselben Vorgang oder dasselbe Instrument verschiedene Begriffe vorzufinden. Eine Begriffsfindung für den Einzelfall führt zur Zersplitterung der nationalen Kodifikation sowie zu Rechtsunsicherheit. Deutlich wird die Zersplitterung der Begrifflichkeiten an dem Beispiel der Autorisierung.688 Der Begriff findet sich lediglich in dem Unterkapitel Zahlungsdienste und ist auch nicht näher im Allgemeinen Teil bezeichnet. Dabei stimmt er mit der Zustimmung aus § 182 ff. BGB grundsätzlich überein, so dass auch diese Vorschriften Anwendung finden. Eine 688 Dagegen aber Anpassung an die nationale Kodifikation durch Umbenennung des Eingangs (Art. 64 ZDRL) in Zugang (§ 675n BGB).
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
Umbenennung des Begriffs der Zustimmung im BGB wäre jedoch ein zu großer Eingriff in andere Rechtsgebiete des BGB. In Betracht käme aber eine Definition der Autorisierung im Allgemeinen Teil im Zusammenhang mit den Zustimmungsvorschriften als einer Erklärung, die zur Wirksamkeit eines tatsächlichen Vorgangs führt, sowie eine entsprechende Anpassung des Begriffs der Genehmigung der Geschäftsführung ohne Auftrag in § 684 S. 2 BGB. Voraussetzung ist jedoch, dass sich der nationale Gesetzgeber auf eine konstante, einheitliche europäische Begriffsbildung verlassen kann. Ansonsten könnte der europäische Gesetzgeber ihn nach seinem Belieben zur Änderung des Allgemeinen Teils anhalten. Derzeit besteht aber kein Grund für ein solches Vertrauen des deutschen Gesetzgebers. Dies zeigt bereits die uneinheitliche Begriffsbildung in der ZDRL und SEPA-Migrationsverordnung, die vielmehr auf den Begriff der Zustimmung als denjenigen der Autorisierung abstellt.689 Dagegen ist eine national und EU-rechtlich übereinstimmende Begriffsbildung für weniger abstrakte Begriffe weniger wichtig. Dies macht die vom deutschen Gesetzgeber vorgenommene Umbenennung des Zahlungsinstruments in ein Zahlungsauthentifizierungsinstrument deutlich. Da keine andere Bezeichnung für ein solches Instrument im nationalen Recht existiert und die Definition eindeutig der europäischen entspricht, entstehen keine Integrationsschwierigkeiten. 3. Fortgeltung nationaler Rechtsgrundsätze als Grenze des EU-Rechts und zur Vervollständigung des europäischen Systems Nationale Rechtsgrundsätze aus anderen Regelungsbereichen, wie die Zurechnung nach der Rechtsscheinhaftung im Bereicherungsrecht, gelten fort, wenn sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind. Dies ergibt sich bereits aus dem nur begrenzten Regelungsbereich einer vollharmonisierenden Richtlinie. Hier wird deutlich: Der nationale Gesetzgeber muss den Anwendungsbereich seines Umsetzungsgesetzes eindeutig abgrenzen. Dies ist für die Umsetzung der ZDRL gut gelungen. Die getrennte Regelung und die Übernahme der Richtliniensystematik innerhalb des BGB sind zu befürworten, da sie es dem Rechtsanwender erleichtern, den Regelungsbereich des Zahlungsdiensterechts zu erkennen. Berührungspunkte mit anderen Rechtsbereichen lassen sich jedoch nie ganz ausschließen. Europäische allgemeine Grundsätze, wie der Grundsatz des Vertrauensschutzes, könnten Abhilfe schaffen. Auf deren Grundlage wäre es einfacher, nationale Institute wie die Rechtsscheinhaftung weiterhin anzuwenden. Sie könnten zudem einen Anhaltspunkt zur systematischen Lückenfüllung geben. So wäre es dem nationalen Gesetzgeber erleichtert, ein lediglich mindestharmonisierendes oder lückenhaftes europäisches System systemgerecht anzupassen und auszufüllen, wenn auch keine rechtliche Verpflichtung hierzu bestünde. Gelungen ist dies trotz fehlender europäischer 689
Siehe Fußnote 242.
5. Kap.: Lehren für den Systembegriff
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Grundsätze beim Ausgleichsanspruch nach § 676a BGB und dem Anspruchsausschluss nach § 676b Abs. 3 BGB für verschuldensabhängige Ansprüche, welche der deutsche Gesetzgeber an das System der Sphärenhaftung nach § 675y BGB bzw. an den Anspruchsausschluss nach § 676 Abs. 2 BGB angepasst hat. Die Einschränkung der Verschuldenshaftung in § 675v Abs. 2 BGB und die Streitigkeit zur Zulässigkeit der Anscheinsvollmacht zeigt, dass europäische Grundsätze der Rechtsscheinhaftung förderlich wären. Im Endeffekt streiten die Umsetzungsschwierigkeiten in der nationalen Kodifikation für einen europäischen Allgemeinen Teil des Vertragsrechts mit allgemeinen Vertragsrechtsgrundsätzen. II. Lehren für die systematische Ausgestaltung europäischen Richtlinienrechts 1. Öffnungsklauseln in Form der Parteivereinbarung zur Erleichterung der Integration in nationales Recht Öffnungsklauseln im europäischen Richtlinienrecht, welche die Regelung durch Parteivereinbarungen zulassen, haben auf den ersten Blick den Vorteil, dass sie den Grundsatz der Vertragsfreiheit sicherstellen. Auf den zweiten Blick führen sie aber auch zu einer Vereinfachung der Integration europäischen Richtlinienrechts. Dies zeigen einige Beispiele im Zahlungsdiensterecht. So kann durch die Zulassung von Parteivereinbarungen in § 675j Abs. 1 S. 3 BGB, der Art. 54 Abs. 2 UAbs. 1 ZDRL umsetzt, für die Autorisierung auf die nationalen Regelungen zur Stellvertretung und zu den Rechtsscheinvollmachten zurückgegriffen werden. Auch bei der Pflichtenfestlegung in Bezug auf Zahlungsauthentifizierungsinstrumente lässt die ZDRL (Art. 56, 57 ZDRL) und deren Umsetzung in § 675m, l BGB viel Raum für Parteivereinbarungen. Zudem dient die Möglichkeit der Parteivereinbarung dazu, bestimmte Verfahren wie den Direktwiderruf über § 675p Abs. 4 BGB fortzuführen. Auftragsrechtliche Widerrufsvoraussetzungen können ebenfalls bei einem verlängerten Widerrufsrecht vereinbart werden. Die Vertragsparteien haben die Möglichkeit, sich die ursprünglichen nationalen Grundsätze und die etablierte Rechtsprechung zunutze zu machen. Damit ist die Regelungstechnik solcher Öffnungsklauseln in der EU-Gesetzgebung, wenn sie auch die Harmonisierungswirkung einschränkt,690 doppelt zu begrüßen. 2. Rechtsaktübergreifende Begriffsbildung Entbehrt das europäische Vertragsrecht noch eines Allgemeinen Teils, so wäre zumindest eine EU-rechtsaktübergreifende Begriffsbildung wünschenswert. Wie oben bereits angedeutet, schwankt der europäische Gesetzgeber selbst in dem 690
Siehe 2. Kapitel B. III.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
überschaubaren Regelungsbereich der Zahlungsdienste in der ZDRL und der SEPAMigrationsverordnung zwischen den Begriffen der Autorisierung und der Zustimmung. Zur Systematisierung des EU-Rechts ist eine einheitliche Begriffsbildung wünschenswert. Für den nationalen Gesetzgeber hätte sie den Vorteil, seine Kodifikation entsprechend anpassen zu können. 3. Rechtsmissbrauchseinwand anstelle einer systemkonformen Auslegung? Vertrauen können die Mitgliedstaaten auf den europäischen Rechtsmissbrauchseinwand. Dieser gilt im europäischen Recht auf Grundlage der Rechtsprechung des EuGH und bietet somit Rechtssicherheit. Die Lösung von Wertungswidersprüchen über den Rechtsmissbrauchseinwand ist aber als ultima ratio zu behandeln. Denn mangels besonderer Fallgruppen des Rechtsmissbrauchseinwands ist eine Auslegung mit Hilfe europäischer Rechtsprinzipien und einer darauf aufbauenden systematischen Auslegung vorzugswürdig. III. Schlussfolgerung: Europäische Allgemeine Grundsätze als Integrationshilfe vollharmonisierenden Richtlinienrechts Die Integration des Systems einer europäischen vollharmonisierenden Richtlinie in das BGB ist möglich, führt jedoch auch zu einigen Umsetzungsschwierigkeiten. Diese ergeben sich insbesondere dann, wenn eine explizite Regelung in der Richtlinie fehlt und gleichzeitig feste Grundsätze im nationalen Recht bestehen, die das europäische Recht noch entbehrt. Zudem ist eine einheitliche Begriffsbildung wünschenswert. Dieser Mangel streitet für die Regulierung europäischer Privatrechtsgrundsätze. Sie könnten vom europäischen Gesetzgeber, aber auch durch die EU-rechtliche Rechtsprechung gebildet werden. Vorbildfunktion kommt dabei gelungenen nationalen Umsetzungsakten zu. Sie könnten aber auch direkt aus europäischem Recht gewonnen werden.
B. Lehren für den inneren Systembegriff – Ansätze in der Zahlungsdiensterichtlinie für ein europäisches Dienstleistungsrecht Die ZDRL gibt Anhaltspunkte für ein europäisches Dienstleistungsrecht.691 Dies unterstreicht ihren Charakter als europäische Kodifikation des Zahlungsverkehrs692. 691 Gemeint ist mit Dienstleistungsrecht ein übergreifendes Regime, welches das Geschäftsbesorgungsrecht enthält; zu den Schwierigkeiten der systematischen Erfassung der einzelnen Vertragstypen der Geschäftsbesorgung, des Auftrags, der Dienstleistung sowie des Werkvertrags: Illmer, RabelsZ 76 (2012), 836 ff. 692 Grundmann, WM 2009, 1109, 1110.
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Ihre Ausrichtung auf Vertragsverhältnisse unabhängig davon, ob ein Verbraucher beteiligt ist, qualifiziert sie besonders dazu, ihre Regelungen als Anhaltspunkte für ein allgemeines Dienstleistungsrecht zu wählen. Überprüft werden müsste, ob sich solche Ansätze trotz der Spezifizität der Regelungen ergeben,693 welche aus den Besonderheiten der Abwicklung des Zahlungsverkehrs über mehrere Zahlungsdienstleister sowie dem Massenverkehr folgt. Parallelen zum Zahlungsdiensterecht der ZDRL, aber auch Gegensätze enthält die jüngste, systematische Normierung des europäischen Dienstleistungsrechts, welches der optionalen europäischen Verordnung zum GEKR im 15. Kapitel angegliedert war. Diese Verordnung wurde nun zwar verworfen, dennoch behält sie Relevanz, da die Kommission ein neues auf den digitalen Markt beschränktes Regelwerk plant. Eine Orientierung an der ursprünglichen Vorlage ist zu befürworten, denn die alten Regelungen resultieren aus langzeitiger Forschung. Sie stellen eine Vereinfachung der Draft Common Frame of Reference694-Vorlage dar695 und beziehen sich auf solche Dienstleistungen, die mit einem Kaufvertrag oder einem Vertrag über die Bereitstellung digitaler Inhalte verbunden sind (Art. 147 GEKR). Es handelt sich vorwiegend um Regelungen zu den Pflichten der Parteien sowie zum Gewährleistungsrecht. Somit bieten sie ein geeignetes Regelungssystem zum Vergleich mit der ZDRL. Im Folgenden kann somit anhand eines Vergleichs der Prinzipien der ZDRL mit denjenigen des GEKR für das Dienstleistungsrecht untersucht werden, ob sich allgemeine Prinzipien daraus ableiten, die richtungsweisend für das europäische Dienstleistungsrecht sind. Besonders beachtenswert sind die umfangreichen vorvertraglichen Informationspflichten der ZDRL. Diese gliedern sich nach der Einteilung in den Zahlungsdienstrahmenvertrag und den Einzelzahlungsvertrag. Bereits diese Aufteilung ist für ein allgemeines Dienstleistungsrecht dogmatisch zu begrüßen, da es für das Vertrauensverhältnis einen Unterschied macht, ob es sich um ein Schuldverhältnis mit Dauerschuldcharakter handelt oder nur einmalige Vertragsbeziehungen vorliegen. Eine solche Aufteilung nahm das GEKR nicht vor, was auf seinen auf verbundene Dienstleistungen begrenzten Anwendungsbereich zurückzuführen ist. Jedoch bietet der DCFR (Art. IV. C. – 2:107 DCFR) hier eine ähnliche Lösung wie die ZDRL an, so dass von einer Verallgemeinerungsfähigkeit auszugehen ist. Neu ist die vorvertragliche Information über zwingende Vorschriften. Auch das GEKR enthielt eine Belehrungspflicht über das Widerrufsrecht bei Fernabsatzver693 Im DCFR werden Finanzdienstleistungen aus diesem Grund und ihrer gesonderten EUrechtlichen Normierung explizit ausgenommen, Comments zu IV. C. – 1:102 DCFR; ebenso ausgenommen, aber ohne Begründung im GEKR, siehe Art. 2 m)iv) KOM (2011) 635 endgültig. 694 Im Folgenden DCFR, abgedruckt in: Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law, von Bar/Clive (Hrsg.), 2009, Vol. 2. 695 Siehe Faber, Dienstleistungsverträge (Teil V CESL-Entwurf), in: Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, Zum Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission vom 11. 10. 2011, Wendehorst/Zöchling-Jud (Hrsg.) Wien 2012, 147, 150 Fußnote 11.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
trägen oder bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (Art. 17 GEKR). Fraglich ist, ob solche vorvertraglichen Informationspflichten auch in anderen Dienstleistungsbereichen im EU-Recht förderlich sind. Aufgrund der besonderen Bedeutung grenzüberschreitender Dienstleistungen für den Binnenmarkt ist eine solche Regelung zu befürworten. Gerade die Verbraucher kennen die Rechtslage bzw. deren teilweise Harmonisierung häufig nicht und haben somit ein besonderes Interesse, über die Rechtsvorschriften, selbst wenn diese zwingend sind, belehrt zu werden.696 Zudem kommt die Entgeltregelung zur Verallgemeinerung in Betracht. Eine Kontrolle der Entgeltleistung als Hauptleistungspflicht findet nach wie vor nicht statt. Die ZDRL führt jedoch neu ein, dass Nebenpflichten grundsätzlich nicht entgeltpflichtig sind (Art. 52 Abs. 1 ZDRL, § 675f Abs. 4 BGB). Nur eine gesetzliche Ausnahme und die gleichzeitige vertragliche Vereinbarung können zu einem zusätzlichen Entgelt führen. Weitere Fremdaufwendungen sind nicht zu ersetzen. Einen solchen grundsätzlichen Ausschluss beinhaltete das GEKR nicht. Ihm war jedoch zu entnehmen, dass es für die Höhe des Entgelts streng auf die Parteivereinbarung ankam. Dies folgte aus Art. 152 GEKR, welcher bestimmte, dass der Dienstleister seinen Kunden bei unvorhergesehenen oder unverhältnismäßigen Kosten697 benachrichtigen und dessen Zustimmung einholen muss. Dies galt in Fällen, in denen der Preis noch nicht feststeht bei jeglicher Überschreitung.698 Beide Regelungen sind zur Schaffung von Rechtssicherheit für den Verbraucher zu begrüßen. Sie dienen dem Zweck, ungerechtfertigte Preiserhöhungen durch die Dienstleister zu vermeiden. Die Regelung der Zahlungsdiensterichtlinie ist jedoch schwieriger zu verallgemeinern, da sie zur Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenleistung auf die Definition des Zahlungsdienstes abstellt und zudem explizite gesetzliche Regelungen für die Nebenpflichten erfordert. Ob dies für jeden Dienstleistungsbereich erfolgen kann, ist fraglich. Aus diesem Grunde ist die Regelung des GEKR vorzugswürdig.699 Beiden Regelungen ist der Grundsatz gemein, 696 Das deutsche Recht kann hier als Vorbild für das äußere System dienen; indem der deutsche Gesetzgeber die vorvertraglichen Informationsregelungen aus dem BGB ausgliedert, bewirkt er, dass die Kodifikation ihre Übersichtlichkeit nicht verliert, der Zahlungsdienstleister aber gleichzeitig eine gezielte Regelung im EGBGB gemeinsam mit vorvertraglichen Informationspflichten weiterer Dienstleistungsverträge vorfindet. 697 Der Begriff der Kosten meint das Entgelt als Hauptleistungspflicht sowie sonstige Kosten, Faber, Dienstleistungsverträge (Teil V CESL-Entwurf), in: Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, Zum Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission vom 11. 10. 2011, Wendehorst/Zöchling-Jud (Hrsg.) Wien 2012, 147, 187, Fußnote 142. 698 Faber, Dienstleistungsverträge (Teil V CESL-Entwurf), in: Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, Zum Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission vom 11. 10. 2011, Wendehorst/Zöchling-Jud (Hrsg.) Wien 2012, 147, 188 f. 699 Siehe jedoch zu dem Problemfall, dass der Kunde nicht reagiert: Faber, Dienstleistungsverträge (Teil V CESL-Entwurf), in: Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, Zum Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission vom 11. 10. 2011, Wendehorst/Zöchling-Jud (Hrsg.) Wien 2012, 147, 192 ff.; Illmer, Related Services in the Commission Proposal for a Common European Sales Law, Max Planck Private Law Research
5. Kap.: Lehren für den Systembegriff
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dass das Entgelt – auch für Nebenpflichten – vereinbart werden muss und nicht einseitig vom Dienstleister festgesetzt werden darf, wie dies nach Article IV. C. – 2:109 (1)–(4) DCFR der Fall ist. Die ZDRL schränkt diesen Vereinbarungsgrundsatz jedoch durch die Kontrolle der für die Nebenpflicht vereinbarten Entgelthöhe ein. Dieser richtet sich nach einem objektiven Maßstab mit subjektivem Einschlag (Art. 52 Abs. 1 UAbs. 1 S. 2 2. HS ZDRL). Zum Schutze der Verbraucher wäre eine solche Kontrolle im Dienstleistungsrecht zu begrüßen. Der Vertrauensschutzgedanke kommt in der ZDRL insbesondere in den Vorschriften zum Eingang (Art. 64 ZDRL, § 675n BGB) sowie den Widerrufsvorschriften (Art. 66 ZDRL, § 675p BGB) zum Ausdruck. Für den Eingang gilt die Empfangstheorie. Die Widerrufsvorschriften stellen den Vertrauensschutz des erklärungsempfangenden Zahlungsdienstleisters sowie des Zahlungsempfängers über das Interesse des Auftraggebers, der Herr des Geschäfts ist. Diesen Vertrauensschutzgedanken enthielt auch Art. 158 GEKR, welcher bestimmte, dass der Kunde jederzeit die Leistung ablehnen kann, sie aber vergüten muss – abzüglich der Einsparungen des Dienstleisters. Somit beruhen die Widerrufsvorschriften des Art. 66 ZDRL und des Art. 158 GEKR auf demselben Grundsatz, wenn auch die Ausgestaltung unterschiedlich erfolgt ist. Art. 66 ZDRL schränkt jedoch – wie oben bereits angedeutet – den Widerruf zu stark ein. Eine Art. 158 GEKR entsprechende Regelung, welchen den Widerruf jederzeit zulässt, wäre aber für die Zahlungsdienste nicht interessengerecht, da sie zu erheblichem Aufwand im Interbankenverhältnis führen würde. Daran wird deutlich, dass die Widerrufsvorschriften schwierig zu abstrahieren sind und je nach Vertragsart variieren sollten. Ableiten lässt sich jedoch ein europäischer Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Erfolgspflicht des Art. 75 ZDRL, welche auf den Eingang des Zahlungsbetrags auf dem Konto der Empfängerbank abstellt, fand sich auch in Art. 148 GEKR wieder. Letzterer gab jedoch zusätzlich die abstrakte Regelung vor, dass mangels Erfolg auch ein sorgfältiges und fachkundiges Vorgehen geschuldet sein kann. Hierunter lässt sich die Erfolgspflicht des europäischen Zahlungsdiensterechts normieren, so dass Art. 148 GEKR als abstraktere Regelung für ein europäisches Dienstleistungsrecht in Betracht kommt.700 Jedoch bestimmte Art. 153 GEKR auch eine Vorleistungspflicht des Dienstleisters. Eine solche ist der ZDRL gerade nicht zu entnehmen. Vielmehr gilt das Deckungsabflussprinzip nach Art. 73 Abs. 2 ZDRL, welches einen Anspruch auf Vorschuss bereits mit dem Abbuchen des Betrags vor Erfolgseintritt zulässt. Somit scheint ein solcher Vorschussanspruch für Dienstleistungen nicht verallgemeinerungsfähig zu sein.
Paper No. 12/13, 6.4.5.2.4., abrufbar unter: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_ id=2102476 [Stand 24. 10. 2016]. 700 Positiv bewertet von Illmer, Related Services in the Commission Proposal for a Common European Sales Law, Max Planck Private Law Research Paper No. 12/13, 6.4.1.1., abrufbar unter: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2102476 [Stand 24. 10. 2016].
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
Die schwerpunktmäßige Übereinstimmung der beiden Regelungen zum Dienstleistungsrecht liegt in der Garantiehaftung.701 Nach Art. 75 ZDRL übernimmt der Zahlungsdienstleister eine solche Garantiehaftung. Dies war nach Art. 155, 110 GEKR für den Dienstleister ebenfalls der Fall. Beide Regelungen erstrecken sich auf die verspätete Leistung (Art. 147 Nr. 1, 87 Nr. 1 a) GEKR). Zudem erfassen sie die Haftung für zwischengeschaltete Dienstleister (Art. 75 ZDRL, Art. 150 Nr. 2 GEKR). Ein Anspruchsausschluss besteht nach beiden Regelungssystemen nur bei einer verstrichenen Frist zur Anzeige (Art. 58 ZDRL, Art. 156 GEKR) sowie bei ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Ereignissen (Art. 78 ZDRL, Art. 147 Nr. 1, 88 GEKR). Verwunderlich ist die unterschiedliche Begriffsbildung und Dogmatik für den Ausschluss der Haftung bei einem ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Ereignis im GEKR, welche mit der entschuldigten Nichterfüllung (Art. 88 GEKR) dem Art. 79 Abs. 1 CISG702 und nicht derjenigen der ZDRL und dem sonstigen europäischen Richtlinienrecht folgt. Zudem ging die Garantiehaftung des GEKR über diejenige der ZDRL hinaus, da sie auch eine verschuldensunabhängige Haftung des Dienstleisters für Folgeschäden normierte (Art. 155 i.V.m. 106 ff. GEKR). Eine betragsmäßige Beschränkung war für Verbraucherverträge nicht wie nach Art. 76 ZDRL; § 675z S. 2 BGB zulässig (Art. 155 i.V.m. 108 GEKR),703 so dass zunächst ein gegenüber der ZDRL verstärkter Verbraucherschutz zu gelten schien. Dieser wurde jedoch dadurch wieder beschränkt, dass eine Verursachung der Nichterfüllung durch den Auftraggeber – in Betracht kommen die Fälle des untauglichen Stoffs und der untauglichen Anweisung – den Anspruch ausschloss (Art. 155 i.V.m. 106 Abs. 5 GEKR). Auch wenn nach Art. 75 ZDRL ein Verursachungsbeitrag des Zahlungsdienstnutzers nicht zu berücksichtigen ist, geht die ZDRL doch von der Berücksichtigung einer solchen Verursachung aus, indem sie in Art. 74, 75 Abs. 2 UAbs. 3 ZDRL eine Ausführung anhand eines fehlerhaften Kundenidentifikators für ordnungsgemäß erklärt. Diese Konkretisierung beruht ebenso wie die Regelung des GEKR auf dem Sphärengedanken, welcher verallgemeinert in der Berücksichtigung eines Verursachungsbeitrags liegt. Somit lässt sich aus dem Vergleich von ZDRL und GEKR die Tendenz des europäischen Dienstleistungsrechts zu einer strengen Sphärenhaftung des Dienstleisters in Form der Garantiehaftung mit Berücksichti701 Die Rechtsfolgen der einzelnen Gewährleistungsrechte der ZDRL weisen dagegen so eine Spezifität auf, dass aus ihnen keine direkten Rückschlüsse gezogen werden können, Art. 75 Abs. 1 UAbs. 2 ZDRL gibt für Push-Zahlungen dem Zahler gegen seinen Zahlungsempfänger einen Anspruch auf Rückgängigmachung (Herausgabe), während der Zahlungsempfänger gegen seinen Zahlungsdienstleister eine Art Nacherfüllungsanspruch hat (Art. 75 Abs. 1 UAbs. 3 ZDRL); die Ansprüche des Art. 75 Abs. 2 ZDRL für Pull-Zahlungen sind entsprechend auf diese Rechtsfolgen gerichtet; das GEKR statuiert dagegen ein dem Kaufrecht entsprechendes allgemeineres Gewährleistungsrecht. 702 Faber, Dienstleistungsverträge (Teil V CESL-Entwurf), in: Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, Zum Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission vom 11. 10. 2011, Wendehorst/Zöchling-Jud (Hrsg.) Wien 2012, 147, 152 Fußnote 21. 703 Faber, Dienstleistungsverträge (Teil V CESL-Entwurf), in: Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, Zum Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission vom 11. 10. 2011, Wendehorst/Zöchling-Jud (Hrsg.) Wien 2012, 147, 213.
6. Kap.: Wesentliche Ergebnisse und Ausblick
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gung des Verursachungsbeitrags der bestellenden Vertragspartei entnehmen. Diese Tendenz ergibt sich auch für die Haftung des Auftraggebers. Dieser haftete nach dem GEKR nämlich ebenso verschuldensunabhängig, wobei eine Verursachung durch den Dienstleister zu berücksichtigen war (Art. 157 i.V.m. 131 GEKR). Die verbraucherschützende Verschuldenshaftung des BGB wurde somit vollkommen unterlaufen. Begrenzt wurde die Haftung allein durch Art. 161 GEKR, welcher eine Voraussehbarkeit des Verlusts durch den Schuldner forderte. Im Vergleich wirkt die auf 150 E begrenzte mindestharmonisierende Gefährdungshaftung des Zahlungsdienstnutzers nach Art. 61 Abs. 1 ZDRL geradezu verbraucherfreundlich. Ebenso verbraucherfreundlich erscheint die mindestharmonisierende Beschränkung der vollen Haftung auf grobe Fahrlässigkeit (Art. 61 Abs. 2 ZDRL). Die Tendenz zur Sphärenhaftung im europäischen Dienstleistungsrecht ist somit nicht zu übersehen. Sie ist zu befürworten, da sie zu einer besseren Vergleichbarkeit der Angebote auf dem gesamten europäischen Binnenmarkt führen kann als dies bei einer differenzierten und nach nationalen Verschuldensdefinitionen variierenden Verschuldenshaftung der Fall wäre. Diese Grundsätze sind zum größten Teil nicht neu. Jedoch zeigt ihre Kodifizierung durch die ZDRL, dass das europäische Recht bereits Ansätze für Grundsätze eines europäischen Dienstleistungsrechts enthält. Zur Schaffung solcher Grundsätze bedürfte es nicht mehr des verstärkten Rückgriffs auf nationale Kodifikationen und deren Rechtsgrundsätze. Deutlich wird, dass das bestehende europäische Richtlinien- und Verordnungsrecht bereits eine Fundgrube an Rechtsgrundsätzen bietet, deren Abstrahierung und Systematisierung es lediglich bedarf.704 6. Kapitel
Wesentliche Ergebnisse und Ausblick Die Untersuchung im zweiten Teil hat gezeigt, dass es möglich ist, das von der vollharmonisierenden Zahlungsdiensterichtlinie geschaffene System in das System des BGB zu integrieren. Der Testlauf der Vollharmonisierung des Vertragsrechts für die Vollharmonisierung eines abgeschlossenen Bereichs des Vertragsrechts war in Bezug auf die Umsetzung im deutschen BGB erfolgreich. Ergebnis ist ein europäisches System des Vertragsrechts der Zahlungsdienste, welches an einigen Stellen aber weiterhin des Rückgriffs auf das Auftrags- und Geschäftsbesorgungsrechts sowie des Schuldvertragsrechts und des Allgemeinen Teils des BGB bedarf. Demnach ist nicht von einer europäischen unabhängigen Regelung oder gar einer eigenen 704 Eine solche Systematisierung war zu Beginn der Diskussion zum Verbraucherschutz geplant, Grünbuch zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherrecht, KOM (2006) 744 endg., 9 f.
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
europäischen Vertragsart innerhalb des BGBs zu sprechen. Dies kann zwar aus Gründen von Rechtsklarheit und Harmonisierungseinbußen bemängelt werden, darin liegt aber gerade der Erfolg des Systems. Dieses Mischsystem aus europäischem und nationalem Recht folgt aus dem Harmonisierungsansatz der Vollharmonisierung der Kommission, welcher nicht strenge Vereinheitlichung meint, sondern auch Abweichungsmöglichkeiten zulässt. Die Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten und der Parteien in der ZDRL, welche im ersten Teil der Arbeit kategorisiert wurden, machen es erst möglich, die europäischen Regelungen in das BGB zu integrieren. Die expliziten Abweichungsmöglichkeiten und Optionen geben den Mitgliedstaaten die Chance, sich für eine ihrer nationalen Dogmatik entsprechende Lösung zu entscheiden. Verstärkt kann dies über die Verweise erfolgen, die es ihnen erlauben, ihre Dogmatik direkt zur Anwendung zu bringen. National geregelt sind beispielsweise der Verschuldensbegriff im Rahmen der Missbrauchshaftung sowie die Haftung für Folgeschäden. Aber auch die Regelungslücken sorgen für eine bessere Integration in das nationale Recht. So kommt beispielsweise das Bereicherungsrecht weiterhin zur Anwendung und kann auf der ursprünglichen Dogmatik aufbauen. Die unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln folgen grundsätzlich europäischem Recht und erschweren damit die Integration. Können diese jedoch offensichtlich aufgrund der Intention des europäischen Gesetzgebers nicht mit europäischem Recht gefüllt werden, so ist auf das bestehende nationale Recht zurückzugreifen. Ein Beispiel stellt der nach deutschem Recht weiterhin anwendbare Anscheinsbeweis dar. Bestimmt die europäische Regelung lediglich den Rahmen und greift zur Ausfüllung auf nationale Rechtsinstitute zurück, erleichtert dies die Einfügung des europäischen Systems in das nationale Recht. Außerdem führt die Öffnung der Richtlinie über Parteivereinbarungsklauseln zu einer flexibleren Einfügung. Im deutschen BGB kann aufgrund dessen weiterhin auf gewachsene Rechtsinstitute wie die Rechtsscheinhaftung zurückgegriffen werden. Das Harmonisierungsinstrument der vollharmonisierenden Richtlinie führt aber häufig auch zu Auslegungsschwierigkeiten und Unsicherheiten. Obwohl die Untersuchung ein europäisches Zahlungsdiensterechtsystem im BGB ergibt, ist nicht in allen Fragestellungen von einem deutschen System hin zu einem europäischen zu denken. In den nicht harmonisierten Bereichen kommt weiterhin das deutsche Recht zur Anwendung. Dies wurde für den Ausgleich im Bereicherungsrecht, die Rechtsscheinhaftung und schließlich die Haftung für Folgeschäden und Regressforderungen festgestellt. Eine andere Auslegung widerspräche dem Demokratieprinzip. Die Auslegungsschwierigkeiten rufen dabei verstärkt nach einem europäischen Allgemeinen Teil des Vertragsrechts sowie einer einheitlichen europäischen Begriffsbildung. Richtungsweisend für das europäische Vertragsrecht sind aber die vollharmonisierten Bereiche. Insbesondere im Zusammenspiel mit anderen europäischen Rechtsakten tragen sie zu einer europäischen vertragsrechtlichen System- und
6. Kap.: Wesentliche Ergebnisse und Ausblick
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Dogmatikbildung bei. Dies wurde am Beispiel des Zahlungsdiensterechts in Verbindung mit dem im GEKR enthaltenen Dienstleistungsrecht gezeigt. Deutlich wird, dass der europäische Gesetzgeber verstärkt auf den Sphärengedanken und eine daraus folgende Gefährdungs- und Garantiehaftung abstellt. Mit Blick auf die Harmonisierungsintensität ist diese Entwicklung sehr zu befürworten, da ein europäisches privatrechtliches Verschuldenskonzept fehlt. Wettbewerbsgesichtspunkte sprechen aufgrund der besseren Vergleichbarkeit ebenso für diese verschuldensunabhängige Haftung. Lässt sich hieraus eine Systementscheidung des europäischen Gesetzgebers ableiten, so dient sie einer sicheren Rechtsanwendung und dem Demokratieprinzip, das die europäischen Gerichte an die systematische Rechtssetzung des Gesetzgebers bindet. Derzeit ist nicht offensichtlich, welchen Ansatz die Kommission in Zukunft im Privatrecht verfolgen wird. Für abgeschlossene Regelungsbereiche wie dem Vertragsrecht der Zahlungsdienste ist der Vollharmonisierungsansatz mit seinen Abweichungsmöglichkeiten zu befürworten, da er ein erhöhtes Potential für die Systembildung im Vergleich zur Mindestharmonisierung aufweist. Zudem bietet er im Vergleich zu einem optionalen Instrument für den Bereich der Zahlungsdienste, welche auf Vertragsketten aufbauen, den Vorteil einer gemeinsamen rechtlichen Ausgangsbasis, die Standardisierungen ermöglicht. Auslegungsschwierigkeiten vor allem an Stellen der nicht harmonisierten Bereiche sind jedoch nicht von der Hand zu weisen. Diesen könnte mit Hilfe von allgemeinen Grundsätzen des europäischen Vertragsrechts sowie einer einheitlichen europäischen Begriffsbildung Abhilfe geschaffen werden. Inhaltlich ist de lege ferenda insbesondere über eine Anwendung der Missbrauchshaftung auch auf das Mail-Order-Verfahren mit besonderen Sicherheitsmerkmalen nachzudenken, um die Zahlungsdienstleister zu einer Verbesserung der Systemsicherheit anzuhalten. Zur Sicherheit des Zahlungsverkehrs trägt jedenfalls der neue Haftungsausschluss in Art. 74 Abs. 2 ZDRL-2, der starken Kundenauthentifizierung, bei. Die ZDRL-2 bestimmt, dass der Zahler für den Fall, in dem der Zahlungsdienstleister keine starke Kundenauthentifizierung verlangt, nur haftet, wenn er in betrügerischer Absicht gehandelt hat. Akzeptiert der Zahlungsdienstleister eine starke Kundenauthentifizierung nicht, trifft ihn eine Schadensersatzpflicht. Nach Art. 4 Nr. 30 ZDRL sind für die starke Kundenauthentifizierung zwei voneinander unabhängige Elemente aus den Kategorien Wissen, Besitz oder Inhärenz notwendig. Nimmt man eine Geltung der Missbrauchshaftung auch im Mail-Order-Verfahren an, führt dieser Ausschlusstatbestand jedenfalls einen Anreiz zur sichereren Ausgestaltung dieses Verfahrens ein. Lediglich die Eingabe der Nummer und Prüfnummer genügt nach diesen Voraussetzungen nicht. Dabei ist zu beachten, dass das neue Missbrauchshaftungsregime der ZDRL-2 nicht nur verbraucherschützend ausgestaltet ist. Insbesondere die Reduzierung der verschuldensunabhängigen Haftung auf 50 E ist kein Indikator für einen starken Verbraucherschutz. Nach der Formulierung der ZDRL-2 erfolgt nämlich eine Umkehr
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2. Teil: Richtlinienvorgaben auf das deutsche Zahlungsdiensterecht
der Beweislast.705 Nicht der Tatbestand enthält das Merkmal, welches den Missbrauch der Sphäre des Verbrauchers zuordnet, sondern der Ausschlusstatbestand. Das heißt, der Verbraucher muss darlegen, dass der Ausschlusstatbestand greift, dass es sich um einen Missbrauch außerhalb seiner Sphäre handelte. Da die Missbrauchshaftung weiterhin der Mindestharmonisierung folgt, bleibt es dem deutschen Gesetzgeber überlassen hier eine verbraucherfreundlichere Ausgestaltung vorzunehmen. Für den Ausschlussgrund der Verursachung durch Handlungen oder Unterlassungen, die in die Sphäre des Zahlungsdienstleisters fallen (Art. 74 Abs. 1 UAbs. 2 b) ZDRL-2), und denjenigen der starken Kundenidentifizierung (Art. 74 Abs. 2 ZDRL-2) scheint dies sinnvoll, sind diese technischen Abläufe doch für den Verbraucher nur schwer beweisbar.706
705 706
Hoffmann, VuR 2016, 243, 246. Hoffmann, VuR 2016, 243, 246 ff.
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Stichwortverzeichnis Ablehnung eines Zahlungsauftrags 84, 94, 97, 115, 133, 137, 151, 154 ff. abweichende Vereinbarungen 118 ff. Abweichungsmöglichkeiten 52 ff. – explizite 54 ff. – implizite 57 ff. Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrags 127 ff. Anfechtung 66, 161 Anscheinsbeweis 190, 199 ff., 223 f., 236 Anscheinsvollmacht 145, 195 ff., 223 Anspruchsausschluss 178, 218 f., 220, 229, 234 Anweisung 142 f., 149 Anwendungsbereich 47 ff., 58, 70, 84, 95, 210, 228 Anzeigefrist 74, 110, 218 Auftragsstrenge 105, 160, 164 f. Aufwendungsersatz 134, 139 ff., 176 f. Ausführungsfrist 51, 73, 83 ff., 97, 151 ff., 156 f., 160, 167, 171, 175, 212, 223 Ausschlussfrist 73, 75, 80, 202, 225 Autorisierung 73 ff., 80 ff., 96 f., 141 ff., 145 f., 149, 151, 178 f., 180 ff., 196 f., 201, 203 ff., 222 ff., 228 ff. – fehlende 143, 177 f. – widerrufene 177 Begriffshof 58, 60 Begriffskern 58 ff., 82, 93, 98 Bereicherungsanspruch 178, 180 ff., 184, 211, 224 Beschleunigungsgebot 169 ff., 175, 223 Beweislast 66 ff., 70, 77 f., 82, 88, 98, 238 Binnenmarktförderung 85, 95, 98 Deckungsabflussprinzip 173 f., 176, 234 Deckungszuflussprinzip 171 ff., 223 Direktwiderruf 161, 229 Drittschadensliquidation 217, 224 Duldungsvollmacht 181, 194, 197
Effektivitätsprinzip 55 f. Einzelzahlungsvertrag 108 ff., 114, 123 ff., 220, 221, 232 Entgelte 65, 71, 73, 83, 88, 96, 98, 110, 133 ff., 209 Entgelthöhenkontrolle 139 f., 222 Ermächtigungswirkung 142, 144 Erstattungsanspruch 74 f., 80 ff., 96, 100, 142, 159, 161 f., 173, 176 ff., 183, 202 ff., 220, 223 f., 225 Fahrlässigkeit 76 ff., 83, 96, 150, 188 ff., 194, 196 ff., 199 ff., 208, 213, 220, 223 f., 235 Fälschungsrisiko 177 Garantiehaftung 164, 204, 206, 209 f., 214, 216 ff., 220, 224 f., 234 f., 237 Gefährdungshaftung 184 ff., 197 ff., 201, 216, 220, 223, 225, 235 Generalklausel 57 ff., 77 f., 82 f., 90, 92 ff., 96, 98, 236 Geschäftstag 85 ff., 93, 97, 152 ff., 159 f., 169, 171 f., 222 Girovertrag 124 ff. Gutschrift 85, 87, 119, 157, 168, 170 ff., 209 Haftungsausschluss 88, 90 f., 150, 197, 218, 225, 237 halbzwingend 112, 118 ff., 140, 221, 225 Harmonisierung 20 ff. – fakultative Harmonisierung 27 – Halbharmonisierung/gezielte Vollharmonisierung 31 ff. – Mindestharmonisierung 25 ff. – optionelle Harmonisierung 27 – Vollharmonisierung 27 ff. Harmonisierungsgrad 34 f. Harmonisierungsklausel 30, 45 ff., 53, 95 Harmonisierungspotential 34 f. Harmonisierungstiefe 34 f. Herkunftslandprinzip 25 ff., 36, 44
Stichwortverzeichnis Informationspflichten 63 ff., 108 ff. – Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten 116 ff. – Auskunfts- und Unterrichtungspflichten 114 ff. – vorvertragliche 109 ff. Konkretisierungskompetenz 31, 58 ff., 82, 90, 92 ff., 98 Kundenidentifikator 36, 87, 90, 235 Mail-Order-Verfahren 127, 158, 184, 197 ff., 207, 237 f. Missbrauchshaftung 76, 79, 81 ff., 95 ff., 100, 185, 192, 194, 199, 219, 223, 236 ff. Mitverschulden 163, 210, 212 ff., 224 f. Nebenpflichten 70, 79, 89, 93 f., 96, 133, 135 f., 139 f., 146, 151, 215, 220 f., 232 f. Nutzungsbegrenzung 145, 147 ff., 222 Öffnungsklauseln 45, 229 Option 46, 50, 56 f., 66 ff., 70 ff., 78, 80, 85 ff. Parteivereinbarungen 62 ff., 229 personalisiertes Sicherheitsmerkmal 78 f., 146 f., 149 f., 184, 189, 192, 195, 198, 222 Preisaufschlagsverbot 71 ff., 96 Prinzip des weitergeleiteten Auftrags 214, 216 Rechtsmissbrauch 132, 158, 168, 207, 211, 213 f., 230 Rechtsscheinlehre 179 Regelungsbereich 32 ff., 47 f., 52 ff., 66 f., 79 Regelungslücke 57 f., 117, 219, 236 Regressanspruch 88 ff., 97, 215 f., 220, 225 Richtlinie 24 f. Sammellastschrift 122, 172 Sperre 147 f., 187, 222 Sphärenhaftung 177, 185 f., 188, 193, 215 f., 224, 229, 235 Subsidiaritätsprinzip 40 f., 45, 47, 61, 98 System 104 ff., – äußeres 106 – inneres 104 ff.
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Systematisierung 24 f., 100, 107, 144, 230, 235 unbestimmter Rechtsbegriff 58 ff. ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse 88, 90, 213, 225, 234 Veranlasserprinzip 179, 181, 183 Verbraucherschutz 21, 25, 30, 32, 40, 42 ff., 64, 93, 99 f., 105, 119 f., 129, 166 ff., 221, 225, 234, 238 Verfügungsbegrenzung 147, 222 Verordnung 22 ff. Verpflichtungswirkung 222 Verschuldenshaftung 185, 188, 194 ff., 201 f., 213, 220, 223, 229, 235 Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter 216 Vertragsbedingungen 63 ff. Vertrauensschutz 130, 157 f., 159 f., 182 f., 197, 207, 222 f., 229, 233 Verursacherhaftung 163 Verursacherprinzip 137 ff., 222 Verweis 54 f., 56, 59 f., 64 f., 68 ff., 74 ff., 82, 84, 88 ff., 94, 95 ff., 133, 176, 200 Verzögerung 210 ff., 224 Vorschuss 134, 173 ff., 234 Weisung 123 ff., 141 ff. Wertstellungsdatum 51, 84 ff., 97, 121, 169 ff. Widerruf 43 f., 74, 83 f., 97, 137 f., 141, 144 f., 156 ff., 160 f., 179, 182, 204 f., 207, 222, 225, 229, 232 f. Zahlungsauftrag 83 f., 123 ff., 151 ff. Zahlungsauthentifizierungsinstrument 145 ff., 176, 184 f., 192 f., 197 f., 200 f., 222 f., 228, 229 Zahlungsdienst 123 ff. Zahlungsdiensterahmenvertrag 123 ff. Zahlungsdienstevertrag 123 ff. Zahlungsinstrument 50 f., 72, 95, 146 f. Zahlungsvorgang 123 f. Zugang 151 ff., 222 Zugangsfiktion 152 ff., 222, 227 Zurechnungsprinzip 177, 196